Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 11. Nachträge und Korrekturen [11, 2 ed.] 3110168324, 9783110168327

Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter. Unveränderte Neuausgabe der 2. Auflag

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Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 11. Nachträge und Korrekturen [11, 2 ed.]
 3110168324, 9783110168327

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Die deutsche Literatur des Mittelalters Verfasserlexikon Band 11

Die deutscheLiteratur des Mittelalters

^ferfasserlexikon Begründet von Wolfgang Stammler fortgeführt von Karl Langosch Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Burghart Wachinger zusammen mit Gundolf Keil · Kurt Ruh (t) Werner Schröder · Franz Josef Worstbrock Redaktion Christine Stöllinger-Löser

Band 11 Nachträge und Korrekturen

De Gruyter

Veröffentlichungen der Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Das Vorhaben Verfasserlexikon (Die deutsche JJteratur des Mittelalters) wird im Rahmen des Akademienprogramms von der Bundesrepublik Deutschland und vom Freistaat Bayern gefördert.

Unveränderte Neuausgabe der 2. Auflage Die Originalausgabe dieses Bandes erschien 2004.

ISBN 978-3-11-022248-7 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten oc Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Mit Band 11 ist die zweite, grundlegend neu erarbeitete Auflage des Verfasserlexikons an ihr Ziel gelangt. Die Register, die folgen sollen, werden das Vorhandene erschließen, können aber nicht mehr Neues darstellen. Kurt Ruh, Initiator der Neubearbeitung, Hauptherausgeber bis Band 8, Mitherausgeber und Beiträger bis zuletzt, hat den Abschluß dieses Nachtragsbandes nicht mehr erlebt. Am 8. Dezember 2002 ist er in seinem 89. Lebensjahr gestorben. Es ist hier nicht der Ort, die Persönlichkeit und die wissenschaftlichen Leistungen Kurt Ruhs insgesamt zu würdigen.1 Wohl aber sei dankbar daran erinnert, was er für das Verfasserlexikon gewesen ist. Nur die ihm eigene Verbindung von hoher Sachkompetenz und sicherem Urteil mit Organisationstalent und vor allem mit Autorität und persönlicher Ausstrahlung im Fach und übers Fach hinaus hat die Grundlegung und das stetige Fortschreiten dieses Handbuchs möglich gemacht. Das neu erarbeitete Verfasserlexikon ist in hohem Maße sein Werk.

Der vorliegende Band 11 des Verfasserlexikons, der Nachtragsband (NB), bietet Nachträge in Form von neuen Artikeln sowie Nachträge und Korrekturen zu Artikeln der Bände l bis 10. Einen regulären Artikel haben bislang nicht behandelte Autoren und Werke erhalten, die nach den Kriterien des Verfasserlexikons aufzunehmen waren. Es handelt sich einerseits um Autoren und Werke, die seinerzeit übersehen wurden oder für die ein Artikel nicht rechtzeitig fertiggestellt worden war, andererseits um solche, die erst durch die seitherige Forschung bekannt geworden sind. Zu Stichwörtern, die bereits in früheren Bänden erfaßt sind, gibt es Korrekturen und Nachträge. Diese bieten jedoch keine Aktualisierung des Forschungsstands. Eine solche zu leisten, war im vorgegebenen zeitlichen und personellen Rahmen ausgeschlossen. Auch die Korrekturen und Ergänzungen, die sich gelegentlich in später erschienenen Artikeln zu früheren finden, sind zwar in vielen Fällen, aber nicht systematisch erfaßt. Auf sie werden die geplanten Register führen. Korrigiert sind vor allem irreführende Fehler, insbesondere bei Angaben zu Handschriften. Nachgetragen wird auch wichtige Literatur, die bei Erscheinen des Artikels vorlag, aber übersehen wurde. Vom Grundsatz einer strikten Abstinenz von Aktualisierungen sind wir jedoch in einigen Punkten abgewichen: — Wegen der stark überlieferungsgeschichtlichen Ausrichtung des Verfasserlexikons ist bei Handschriften, die als verschollen oder mit (heute) nicht zutreffender Bibliotheksangabe verzeichnet sind, nach Möglichkeit der heutige Besitzer und die heute gültige Signatur verzeichnet. Vgl. die Nachrufe von Walter Haug, ZfdA 132 (2003) 145-147, und Burghart Wachinger, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften. Jahrbuch 2003, S. 297-301, sowie die Reden der Würzburger akademischen Gedenkfeier in der Broschüre, die der Verlag der letzten Lieferung des vorliegenden Bandes beigefügt hat.

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Vorwort Nicht eigens notiert sind die Umlozierungen der Harburger Handschriften nach Augsburg und der Donaueschinger Handschriften nach Karlsruhe und Stuttgart. Die Blattangaben der -» 'LiedersaalHandschrift' (heute Karlsruhe, LB, cod. Don. 104) erfolgen in den Artikeln teils nach alter, teils nach neuer Zählung; hier haben wir auf Korrekturen verzichtet. Das Handschriftenregister wird bei diesen und anderen Unstimmigkeiten eine weitergehende Hilfe bieten.

— Neugefundene oder seinerzeit übersehene Werke, auch z. B. neugefundene oder übersehene Übertragungen von lateinischen Texten, die in den Zusammenhang eines Artikels von Band 1 — 10 gehören, sind in einem Nachtrag vorgestellt. Neugefundene Überlieferungszeugen zu bereits früher behandelten Werken aber sind grundsätzlich nicht verzeichnet. Wo die Grenzen zwischen Werk, Fassung und Überlieferungszeugen fließend sind, haben wir nach bestem Vermögen für die Einzelfälle oder für ganze Typen (z. B. Legenden, Dramen) praktikable Lösungen gesucht. — Fälle, in denen ein Text nach neuerem Forschungsstand einem anderen Autor zuzuschreiben oder als anonym zu betrachten ist, haben wir zu korrigieren versucht. Auch wichtige neuere Ergebnisse zur biographischen Verortung der Verfasser sind nach Möglichkeit berücksichtigt worden. Am Ende der Redaktionsarbeit scheint es angebracht, auch noch einmal auf das Gesamtwerk zurückzublicken und die Zielsetzungen und Grenzen des Verfasserlexikons, wie sie Kurt Ruh in den Vorworten zu Band l und Band 3 skizziert hat, von den Erfahrungen her, die wir bei fortschreitender Arbeit gemacht haben, zu beleuchten. Die zeitliche Abgrenzung hat immer wieder zu Problemen geführt. Der aus der Erstauflage übernommene Grundsatz, daß die Regierungszeit Maximilians I. (1493 — 1519) als "Grenzstreifen" dienen sollte, wurde von Herausgebern und Redaktion zunehmend so interpretiert, daß zumindest Texte, die im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstanden sind, bzw. Autoren, deren Schaffensschwerpunkt in dieser Zeit lag, noch aufgenommen werden sollten. Auf diese Weise haben strikt chronologische Kriterien stärkeren Vorrang vor geistesgeschichtlichen Zuordnungen erhalten, und einige dezidiert "neuzeitliche" Texte wie die frühen Berichte über die Entdeckung Amerikas sind ins Verfasserlexikon der mittelalterlichen Literatur gelangt. Als mißlich hat sich erwiesen, daß für das lateinische Schrifttum die Grenze schon um 1480 angesetzt worden war. Bei dieser Festlegung mögen seinerzeit auch geistesgeschichtliche Erwägungen eine Rolle gespielt haben. Die wichtigsten Gründe aber waren pragmatischer Art. Ohne die engere zeitliche Beschränkung wäre die intensive Erschließung auch der spätmittelalterlichen lateinischen Literatur nicht möglich gewesen, die gewiß eine der großen Stärken des Verfasserlexikons ist. Allerdings hat sich so mehrfach die Situation ergeben, daß lateinische Texte hätten ausgeschlossen werden müssen, deren deutsche Übersetzungen aufzunehmen waren. Wir haben in solchen Fällen eine praktikable Lösung gesucht, konnten aber die Grundentscheidung nicht mehr revidieren. Umso erfreulicher ist es, daß Franz Josef Worstbrock jetzt einen Ergänzungsband zum Verfasserlexikon vorbereitet, der die lateinische Literatur im deutschen Sprachraum von etwa 1480 bis 1520 vorstellen wird. Was die räumliche Abgrenzung betrifft, so ist der Ausschluß der mittelniederländischen Literatur nach wie vor sehr zu bedauern. Sicher wären heute die Bedingungen dafür, sie in gleicher Weise aufzuarbeiten, günstiger als zum Zeitpunkt der Planung. Geändert werden konnte diese Planung nicht mehr. Kriterien für die Aufnahme niederländischer Autoren und Texte blieben das Vorhandensein einer deutschsprachigen Rezeption oder Entstehung im deutsch-niederländischen Grenzraum. Die sachliche Abgrenzung hat dank der Weite des zugrundegelegten Literaturbegriffs kaum Schwierigkeiten bereitet. Gelegentliches Ausgreifen in archivalisches Schrifttum, das grundsätzlich ausgeschlossen ist, wird niemand bedauern (Hofordnungen, Schulordnungen). Und daß auch Dichternamen aufgenommen sind, zu denen kein Werk überlie-

Vorwort

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fert ist, bedarf kaum der Rechtfertigung. Nachdrücklich muß jedoch daran erinnert werden, daß nicht alle Bereiche des Schrifttums in gleicher Dichte bearbeitet werden konnten. Insbesondere Anonyma aus Kleindichtung, Rechts- und Gebetsliteratur werden nur in Beispielen vorgeführt. In der mittellateinischen Literatur war von vornherein nur eine Auswahl angestrebt. Die von der Erstauflage übernommene lexikalische Form der Präsentation hat sich insgesamt glänzend bewährt. Nur sie erlaubt es, die Grundinformationen zu jedem einzelnen Text angemessen darzubieten. Gleichwohl hat selbstverständlich auch diese Form ihre Nachteile. Besonders problematisch ist, daß Anonyma ohne fest etablierte Titel oft schwer zu finden sind. Manchmal gab es konkurrierende Titel; öfter mußten Titel erfunden werden, und wenn der Text erst spät in unseren Gesichtskreis getreten war, spielte bei der Formulierung des Stichworts auch noch eine Rolle, ob es im Alphabet noch unterzubringen war. Für manche Bereiche waren Sammelartikel möglich, in denen Gleichartiges zusammengefaßt werden konnte. Außerdem haben wir, im Lauf der Arbeit zunehmend, durch Querverweise auf sachlich Verwandtes hinzuweisen versucht. (Dabei ist zu beachten, daß Verweispfeile innerhalb eines Artikels in der Regel nur beim ersten Vorkommen des Verweisstichworts gesetzt sind.) In manchen Fällen wird das Initienregister das Auffinden von Anonyma erleichtern. Eine wirkliche Zusammenführung der im Alphabet verstreuten Texte unter sachlichen Gesichtspunkten könnte aber nur ein Schlagwortregister leisten.

Soweit es die laufende Arbeit erlaubte, wurden schon seit Jahren Register vorbereitet. Ihre Ausarbeitung und Drucklegung wird die Aufgabe eines verkleinerten Teams in der nächsten Zeit sein. Vorgesehen sind Register der zitierten Handschriften, Drucke, Initien, Personennamen und Werktitel sowie der wichtigeren Orte und Institutionen. Ob ein sehr wünschenswertes Schlagwortregister (z. B. Gattungen, Personengruppen usw.), zu dem Planungen vorliegen, noch realisiert werden kann, ist sehr fraglich geworden.

Zum Schluß gilt es, allen denen Dank zu sagen, die zum Entstehen und Gelingen des neuen Verfasserlexikons beigetragen haben. Dank gebührt zunächst allen Institutionen, die die wirtschaftliche Basis für das langfristige Projekt bereitgestellt haben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat das Verfasserlexikon von 1972 bis 1989 durch Personalmittel gefördert. Seit 1990 wird es im Rahmen des Akademienprogramms finanziert, ist der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zugeordnet und wird von deren Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters betreut. Die Kommission und die Akademieverwaltung haben auch in den schwieriger werdenden Zeiten pauschaler Kürzungen die Hand über das Unternehmen gehalten und es vor Schaden bewahrt. Die Gesellschaft der Freunde der Bayerischen Akademie half durch großzügige Zuschüsse, Engpässe zu überwinden und die notwendigen Vorarbeiten für die Register voranzutreiben. Zu danken haben wir auch den Universitätsinstituten, die den Herausgebern Räume und teilweise zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt haben, den germanistischen Seminaren der Technischen Universität Berlin und der Universitäten Marburg, München, Münster, Tübingen, Würzburg sowie dem Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg. Hervorheben möchte ich das Institut für Deutsche Philologie der Universität Würzburg, an dem der Zentralredaktion auch noch weit über Kurt Ruhs Emeritierung hinaus ein großzügiges Gastrecht eingeräumt worden ist. Der Verlag Walter de Gruyter hat die zweite Auflage des Verfasserlexikons nicht nur angeregt und verlegerisch engagiert betreut; er hat auch die laufenden Sach-

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Vorwort

kosten des Projekts getragen. Viele Bibliotheken haben uns durch Buchbeschaffungen, Kopien, Auskünfte und Hinweise geholfen. Sehr zu danken haben wir einer großen Zahl von Helfern, die als Schreibkräfte, Sachbearbeiter, studentische oder wissenschaftliche Hilfskräfte oder als wissenschaftliche Mitarbeiter mit Teilzeitverträgen wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Namentlich genannt seien wenigstens diejenigen, die über längere Zeit oder in größerem Umfang für das Verfasserlexikon tätig waren: Dorothea Ackermann, Sabine Dähn-Siegel, Dietlind Gade, Ghislaine Grimm, Marianne Halbleib, Albrecht Hausmann, Monika Kasper-Schlottner, Eva-Maria Keß, Claudia Kim, Michaela Lindner-Berndt, Isolde Neugart, Dieter Saam, Bärbel Schmidt, Ingrid Steer, Jessika Warning, Nicola Zotz. Schließlich danken wir den externen Mitarbeitern, den Verfassern der Artikel, auf deren Leistung das Verfasserlexikon ja in erster Linie beruht. Es sind im Laufe der Jahre etwa 750 Wissenschaftler geworden, die sich in den Dienst dieser Aufgabe gestellt haben. Durch sie ist das neue Verfasserlexikon noch weit mehr als das alte zu einem Gemeinschaftsunternehmen eines ganzen Fachs und seiner Nachbardisziplinen geworden. Nicht wenige dieser Beiträger haben über ihre spezifischen Stichworte hinaus auch das ganze Vorhaben in den Blick genommen, haben uns Hinweise auf Fehler und Lücken zukommen lassen, weitere Stichworte vorgeschlagen oder gar mitgeholfen, ein ganzes Sachgebiet zu vermessen. In besonders hohem Maße haben wir solche Hilfe erhalten von Peter Johanek, Klaus Klein, Gisela Kornrumpf, Konrad Kunze, Hansjürgen Linke, UlrichDieter Oppitz, Nigel F. Palmer, Frieder Schanze und Werner Williams-Krapp. Ihnen und den vielen anderen, bei denen wir Hilfe und Rat gefunden haben, sei herzlich gedankt. Das lebendige Interesse vieler ist nicht nur der Sache zugute gekommen, sondern gehört auch zu den erfreulichsten Erfahrungen unserer Arbeit am Verfasserlexikon. Im Namen der Mitherausgeber und der Redaktion BURGHART WACHINGER

Mitarbeiter des elften Bandes Prof. Dr. Klaus Arnold, Univ. d. Bundeswehr, Hamburg PD Dr. Martina Backes, Univ. Freiburg i. Br. Dr. Michael Baldzuhn, Univ. Wuppertal Dr. Susanne Baumgarte, Ak. d. Wiss.n Göttingen Mag. phil. Harald Berger, Univ. Graz (Österreich) Prof. Dr. Rolf Bergmann, Univ. Bamberg Dr. Frank Bezner, Univ. Tübingen Heike Bierschwale, Univ. Münster Dr. Ingrid E. Biesheuvel, Univ. Leiden (Niederlande) Prof. Dr. Walter Blank, Univ. Freiburg i. Br. Dr. Ulrike Bodetnann-Kornhaas, Bayer. Ak. d. Wiss.n München Prof. Dr. Vaclav Bok, Univ. Ceska Budejovice (Tschechische Republik) PD Dr. Christine Boot f, Würzburg Prof. Dr. Francis B. Brevart, Univ. of Pennsylvania, Philadelphia (USA) Prof. Dr. Horst Brunner, Univ. Würzburg Prof. Dr. Enno Bünz, Univ. Jena Dr. des. Jochen Conzelmann, Univ. Freiburg i. Br. Monika Costard M. A., Freie Univ. Berlin Prof. Dr. Gerd Dicke, Kath. Univ. Eichstätt-Ingolstadt Dr. Wulf-Otto Dreeßen, Univ. Stuttgart Prof. Dr. Winfried Eberhard, Univ. Leipzig Prof. Dr. Trude Ehlert, Univ. Würzburg Dr. Falk Eisermann, ÜB Leipzig PD Dr. Michael Embach, Bibl. d. Bischöfl. Priesterseminars Trier/Univ. Trier Dr. Claudia Engler, Bern (Schweiz) Prof. Dr. Edith Feistner, Univ. Regensburg Prof. Dr. Menso Folkerts, Univ. München PD Dr. Frank Fürbeth, Univ. Frankfurt/Main Prof. Dr. Franz Fuchs, Univ. Würzburg Prof. Dr. Hartmut Freytag, Univ. Hamburg Dr. des. Dietlind Gade, Kiel Dr. Ulrike Gaebel, Berlin Prof. Dr. Karl-Ernst Geith, Sexau Dr. Armin Gerl, Regensburg Dr. Christine Glaßner, Österr. Ak. d. Wiss.n Wien (Österreich) Dr. Günter Glaucbe, BSB München Dr. Uta Goerlitz, Univ. München Prof. Dr. Jan Goossens, Univ. Leuven (Belgien) Prof. Dr. Dagmar Gottschall, Univ. Lecce (Italien)

Dr. Klaus Graf, Univ. Freiburg i. Br. Hilde-Marie Groß M. A., Gerhard-Möbus-Inst. Würzburg Prof. Dr. Klaus Grubmüller, Univ. Göttingen Prof. Dr. Dr. Bernhard Dietrich Haage, Univ. Mannheim Dr. Stephanie Haarländer, Univ. Mainz Dr. Achim Thomas Hack, Univ. Regensburg Dr. Günter Hagele, ÜB Augsburg Prof. Dr. Angelus Häußling, OSB, Maria Laach Anna Katharina Hahn M. A., Stuttgart Marianne Halbleib, Univ. Würzburg Prof. Dr. Jeffrey F. Hamburger, Harvard Univ., Cambridge, Mass. (USA) Dr. Joachim Hamm, Univ. Kiel Dr. Dag Nikolaus Hasse, Univ. Würzburg Dr. Doris Hecht-Aichholzer, Univ. Wien (Österreich) Christina Heck M. A., Berlin Prof. Dr. Joachim Heinzle, Univ. Marburg Prof. Dr. Ernst Hellgardt, Univ. München Prof. Dr. Nikolaus Henkel, Univ. Hamburg Dr. Randall Herz, Erlangen Dr. Hardo Hilg, Bayer. Staatsbibl. München Dr. Werner J. Hoffmann, Guckheim Prof. Dr. Franz-Josef Holznagel, Univ. Rostock Prof. Dr. Volker Honemann, Univ. Münster Prof. Dr. Johannes Janota, Univ. Augsburg Dr. Sibylle Jefferis, Wayne (USA) Prof. Dr. John M. Jeep, Miami University, Oxford (USA) Prof. Dr. Peter Johanek, Univ. Münster Monika Kasper-Schlottner M. A., Univ. Würzburg (Bayer. Ak. d. Wiss.n München) Dr. Matthias Kaup, Univ. Konstanz Dr. Rolf de Kegel, Stiftsarch. Engelberg (Schweiz) Prof. Dr. Dr. Dr.h.c. Gundolf Keil, Univ. Würzburg Dr. Manfred Kern, Univ. Salzburg (Österreich) Prof. Dr. Christian Kiening, Univ. Zürich (Schweiz) Prof. Dr. Dorothea Klein, Univ. Kiel Dr. Klaus Klein, Univ. Marburg Gisela Kornrumpf, Bayer. Ak. d. Wiss.n München Dr. Mikel M. Kors, Kath. Univ. Nijmegen (Niederlande) Dr. des. Franziska Küenzlen, Univ. Münster

Mitarbeiter des elften Bandes Prof. Dr. Hartmut Kugler, Univ. Erlangen Prof. Dr. Konrad Kunze, Univ. Freiburg i. Br. Dr. Lotte Kurras, Sigtuna (Schweden) PD Dr. Henrike Lähnemann, Univ. Tübingen Dr. Angelika Lampen, Univ. Münster Dr. William Layher, Harvard Univ., Cambridge, Mass. (USA) PD Dr. Rainer Leng, Univ. Würzburg Dr. Sven Limbeck, Württ. Landesbibl. Stuttgart Prof. Dr. Hansjürgen Linke, Univ. Köln Prof. Dr. Sönke Lorenz, Univ. Tübingen Prof. Dr. Freimut Löser, Univ. Augsburg Prof. Dr. Karl-Heinz Ludwig, Univ. Bremen Prof. Dr. Walther Ludwig, Univ. Hamburg Prof. Dr. Achim Masser, Univ. Innsbruck (Österreich) Dr. Johannes Gottfried Mayer, Univ. Würzburg Prof. Dr. Bernard McGinn, Univ. of Chicago (USA)

Prof. Dr. Volker Mertens, Freie Univ. Berlin HD Dr. Nine Miedema, Univ. Münster Dr. Bob Miller, Oxford (Großbritannien) PD Dr. Anna Mühlherr, Univ. Tübingen Prof. Dr. Jan-Dirk Müller, Univ. München PD Dr. Klaus Naß, Monumenta Germaniae Historica, München Prof. Dr. Eberhard Nellmann, Univ. Bochum PD Dr. Manuela Niesner, Univ. Heidelberg Dr. Ute Obhof, Bad. Landesbibl. Karlsruhe Prof. Dr. Peter Ochsenbein t, Stiftsbibl. St. Gallen (Schweiz) Albert Ohlmeyer t, OSB, Lorsch Dr. Ulrich-Dieter Oppitz, Neu-Ulm Dr. Joachim Ott, Landes- u. Universitätsbibl. Jena Dr. des. Arnold Otto M. A., Düsseldorf Prof. Dr. Nigel F. Palmer, Univ. of Oxford (Großbritannien) Dr. Ralf G. Päsler, Univ. Heidelberg Dr. Franzjosef Pensel, Jena Dr. Robert Peters, Univ. Münster Dr. Ralf Plate, Univ. Trier (Ak. d. Wiss.n u. d. Lit. Mainz) Dr. Gerhardt Powitz, Stadt- und Universitätsbibl. Frankfurt Prof. Dr. Fidel Rädle, Univ. Göttingen Dr. Monika Reininger, Univ. Würzburg Prof. Dr. Heimo Reinitzer, Univ. Hamburg Dr. Johannes Kettelbach, Univ. Würzburg Dr. Jörg Riecke, Univ. Gießen Dr. Siegfried Ringler, Essen Dr. Friede! Helga Roolfs, Univ. Münster Dr. Gunhild Roth, Univ. Münster Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Kurt Ruh f, Univ. Würzburg Prof. Dr. Paul Sappler, Univ. Tübingen Dr. Frieder Schanze, Univ. Tübingen

Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer, Univ. Freiburg i. Br. Dr. Regina D. Schiewer, Freiburg i. Br. Dr. Renate Schipke, Staatsbibl. Berlin Prof. Dr. Hans Ulrich Schmid, Univ. Leipzig Dr. Oktavian Schmückt, OFMCap, Luzern (Schweiz) PD Dr. Joachim Schneider, Univ. Würzburg Dr. Dr. h. c. Karin Schneider, Herrsching Dr. Wolfram Schneider-Lastin, Univ. Zürich PD Dr. Bernhard Schnell, Ak. d. Wiss.n Göttingen Prof. Dr. Andre Schnyder, Univ. Bern (Schweiz) Prof. Dr. Werner Schröder, Univ. Marburg Prof. Dr. Monika Schulz, Univ. Regensburg Prof. Dr. Jürgen Schulz-Grobert, Univ. Marburg Dr. Ingo Schwab, Stadtarchiv München Regine Schweers, Univ. Münster Frank Sczesny M. A., Würzburg Prof. Dr. Ulrich Seelbach, Univ. Münster Prof. Dr. Eckehard Simon, Harvard University, Cambridge, Mass. (USA) Prof. Dr. Gilbert de Smet, Univ. Gent (Belgien) Prof. Dr. Rolf Sprandel, Univ. Würzburg Prof. Dr. Hans-Hugo Steinhoff'f, Univ. Paderborn Prof. Dr. Georg Steer, Univ. Eichstätt Prof. Dr. Winfried Stelzer, Univ. Wien (Österreich) PD Dr. Birgit Studt, Univ. Münster Dr. Marcus Stumpf, Staatsarchiv Münster Dr. Christine Stöllinger-Löser, Univ. Würzburg (Bayer. Ak. d. Wiss.n München) Lie. phil. hist. Kristina Streun, Urtenen (Schweiz) PD Dr. Stefanie Stricker, Univ. Bamberg Dr. Rudolf Suntrup, Univ. Münster Prof. Dr. Joachim Teile, Univ. Heidelberg Mareike Temmen M. A., Rheine Dr. Harald Tersch, Univ. Wien Prof. Dr. Helmut Tervooren, Univ. Duisburg Prof. Dr. Erika Timm, Univ. Trier Dr. Maria Tischler, München Prof. Dr. Ernst Tremp, Univ. Freiburg (Schweiz) Dr. Helgard Ulmschneider, Heidelberg Prof. Dr. Lenka Vankova, Univ. Ostrava (Tschechische Republik) Prof. Dr. Andras Vizkelety, Ungar. Nationalbibl. Budapest Prof. Dr. Lothar Voetz, Univ. Heidelberg Prof. Dr. Benedikt Konrad Vollmann, Univ. München Dr. Gisela Vollmann-Profe, Univ. Regensburg PD Dr. Ralf Vollmuth, Univ. Würzburg Prof. Dr. Burghart Wachinger, Univ. Tübingen Dr. Bettina Wagner, Bayer. Staatsbibl. München Dr. Konrad Wanner, Staatsarchiv Luzern (Schweiz)

Mitarbeiter des elften Bandes Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. burg

Werner Wegstein, Univ. Würzburg Stefan Weinfurter, Univ. Heidelberg Dr. Lorenz Welker, Univ. München Jaroslaw Wenta, Univ. Torun (Polen) Ellen Widder, Univ. Tübingen Werner Williams-Krapp, Univ. Augs-

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Dr. Karl Heinz Witte, München PD Dr. Jürgen Wolf, Univ. Paderborn Prof. Dr. Franz Josef Worstbrock, Univ. München Dr. Christine Wulf, Ak. d. Wiss.n Göttingen Prof. Dr. Hans-Joachim Ziegeler, Univ. Köln Prof. Dr. Dr. Volker Zimmermann, Univ. Göttingen Dr. des. Nicola Zofz, Freie Univ. Berlin

Errata in Bd. 11 und weitere Nachträge Achilles Thabor (Sp. 10) Berlin, Zeughausbibl., Ms. 4 = heute Berlin, SBB-PK, mgq 2041 (Hinweis R. Leng).

'Amicus (anime)' ->· Prunner, Erhard [NB] Sp. 85 Vw. nachzutragen! Andreae, Johannes (Sp. 92)

Priester Adelbrecht (Sp. 18) Hs. 371/4 in St. Paul/Kärnten = heute Cod. 257 8 (Hinweis K. Klein).

'Agatha von Catania' (Sp. 27) Fassung l ist eine Redaktion der .'-Legende in der 'Südmndl. Legenda aurea' (-> Bijbelvertaler van 1360 [NB]) (Hinweis W. Williams-Krapp).

Vgl. auch -> Ordo iudiciarius', III.l. [NB].

Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh.s (Sp. 187) Zu 4. ergänze: Druck Augsburg, Joh. Bämler 1488; vgl. F. SCHANZE, Seltene Drucke in einem Sammelbd. d. 16. Jh.s aus d. Dombibl. Hildesheim, in: J. BEPLER u. a. [Hgg.], Die Dombibl. Hildesheim, 1996, S. 353-375, bes. S. 370f.

'Aggsbacher Marienklage' (Bd. l, Sp. 74) Überl.: "Ser. nova 3687" korr.: Ser. nova 3867; vgl. BERGMANN, Spiele, M 136.

'Augustinerregeln' (Sp. 189) "Koblenz, Staatsarch. ..., Hs. 232" korr.: heute Landeshauptarchiv, Best. 701 Nr. 95 (olim 232).

'Agnes' (Sp. 28) Das Frgm. München, cgm 5249/14 a ist nicht verschollen, sondern nur der ehem. Trägerband (Hinweis K. Klein).

Albertus Magnus (Bd. l, Sp. 135) Nach Vl.l.e) ergänze: f) Eine i. J. 1508 anonym erschienene Übers, des pseudoepigraphischen 'Liber aggregationis' stammt von Joh. Adelphus -> Muling (B.II.l.b.) [NB].

Albrecht von Lannenberg (Sp. 57) Die ehem. Hs. 135 bzw. Ms. 4 der Zeughausbibl. Berlin = heute Berlin, SBB-PK, mgq 2041 (Hinweis R. Leng)

'Ave maris stella' (Sp. 193) Falsche Korrektur! "Mainz, StB, Karth. 599" korr.: heutige Signatur: Hs I 337.

Becker, Egeling (Bd. l, Sp. 657 f.) Vgl. auch Paulus -> Munthart [NB]. 'Bihtebuoch' (Sp. 249) Zu Überl.: Die verbrannte Hs. mit Oberlins 'Bihtebuoch' war nicht cod. A 100, sondern eine Hs. kleinsten Formats mit 69 Bll.; Sign, unbekannt (Hinweis K. Klein).

'Der Bussard' (Bd. l, Sp. 1145) 'Altbairisches Gebet' (Sp. 80) Neue Sign, der Tepler Hs.: b 9; vgl. F. HOFFMANN, Soupis rukopisü knihovny klästera premonsträtü Tepla (Catalogus codicum manu scriptorum bibliothecae monasterii Teplensis ord. Praemonstratensis), 2 vol., Praha 1999, Nr. 430.

Zu 1.: "Moskau, Zentral-Arch.-Verwaltung ..., cod. 1432" heute: Rossiskij archiv drevnich aktov, Fond 181, Nr. 1405; vgl. R. D. u. H.-.J. SCHIEWER, Amorbacher Hss. in Moskau, in: Fata libellorum. Fs. Fj. Pensel (GAG 648), 1999, S. 239-261, hier S. 243.

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Errata in Bd. 11 und weitere Nachträge

Caoursin, Guillaume (Bd. l, Sp. 1174) Zur dt. Übers. (Druck 1513) vgl. Joh. Adelphus -» Muling (B.II.4.b) [NB]. - Vgl. auch -> Johanniterregel und -Statuten [NB] (zu den 'Stabilimenta' des G. C.).

'Denscke Kroneke' (Sp. 344)

'Der Herzmahner' (Sp. 652; Bd. 3, Sp. 1167 ff.) Weiterer Druck: Ingolstadt, Wolfgang Eder 1586. Der .' ist eine Übers, der Orationes et meditationes de vita Christi' des -> Thomas Hemerken von Kempen [s. NB]!

Zu weiterer Überl. vgl. -> Saxo Grammaticus [NB].

'Kirchweih zu Affalterbach' (Sp. 842)

Ekhardi, Walther (Sp. 400)

Zu 2., Überl.: "Budapest, Nationalmus., Ms. germ. fol. 386" korr.: heute in Nürnberg, Staatsarchiv, Reichest. Nürnberg Hss. Nr. 194.

Neue Sign, der Tepler Hs.: D 13; vgl. F. HOFFMANN, Soupis rukopisü knihovny klästera premonstratü Teplä (Catalogus codicum manu scriptorum bibliothecae monasterii Teplensis ord. Praemonstratensis), 2 vol., Praha 1999, Nr. 230.

'Kolumbusbrief' (Sp. 865) Nach Faksimileausg.n unten ergänze die lat. Ausg. v. R. WALLISCH (Reclams Universalbibl.), 2000 (mit Übers, u. Komm.).

Evangelien-Übertragungen (Sp. 429) "Oxford, ..., MS. germ. 6.3" korr.: ... germ, b. 3.

'Die fromme (selige) Müllerin' (Bd. 2, Sp. 975/76 f.) Zu Überl. oben b): "Braunau, Langer'sche Bibl., cod. 478" korr.: cod. 458 (Hinweis K. Klein). Dasselbe Frgm. ist Sp. 976, unter 5., "Perg.bll. des 14. Jh.s, einstmals im Besitze von K. Bartsch" gemeint; es ist nach wie vor verschollen.

Gallus von Prag (Sp. 486) Zur Raudnitzer Hs. korr.: heute Schloß Nelahozeves CZ, Roudnicka lobkowicka knihovna, Sign. VI Fc 29, adlig. 3, p. 11 (Hinweis S. Vyoralkova).

'Gesta Romanorum' (Sp. 526) Falsche Korrektur! "Fulda. LB, cod. 4° B 11" (so Bd. 3, Sp. 31) ist richtig!

Glaubensbekenntnisse (Sp. 540) Zu II.1.: "der -> Arme Heinrich" korr.: der -> arme Hartmann.

Hemmerli, Felix (Bd. 3, Sp. 994) Zu III.l.: "Aarau, Kantonsbibl., cod. Weit. 18" korr.:..., MsWettF 26:4 (Hinweis W. Dönni, Kantonsbibl.).

'Vom Königssohn von Frankreich' (Sp. 870) Überl.: "Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 2°" korr.: ..., cod. III. 1. 2° 2.

Kurtz, Johann (Bd. 5, Sp. 467 Z. 1) Zur Korrektur der Druckdatierung vgl. Veit -> Schreiber [NB].

Kuttenmann (Sp. 904) Falsche Korrektur: "Weimar, qu 10h korr.: ... Q 10 b"! Eine Weimarer Hs. mit der Sign, qu 10 h existiert zwar tatsächlich nicht. Die Hs. Q 10 b (= ehem. Erfurt, Kartause Salvatorberg, D 11 primo; vgl. Mal. Bibl. Kat. II, S. 311 f.) enthält jedoch den Traktat des Kuttenmanns nicht. Die Ausgabe im Mal. Bibl. Kat. II, S. 314 f. (zitiert in Bd. 5, Sp. 472 unten) bezieht sich nicht darauf, sondern auf die Sign. D 11 tercio der Kartause; diese Hs. ist heute verschollen. Der 'Kuttenmann' wird aber erwähnt in der Weimarer Hs. Q51 (= ehem. Kartause Salvatorberg, D 5 primo), 38r (Hinweise B. Bushey).

'Margareta von Sp. 1240/44)

Antiochien'

(Bd. 5,

Sp. 1240 Überl.: Berlin, mgo 344 ist identisch mit der als verschollen bezeichneten Hs., die bei HAGEN/BÜSCHING, S. 278-281 erwähnt ist. Sp. 1244 zu IX., Ausg.n korr.: P. GRAFFUNDER, ..., Ndjb 19 (1893) 131-163 (Hinweise K. Klein).

Errata in Bd. 11 und weitere Nachträge

XV

Martin von Bischoflack (Bd. 6, Sp. 151)

Otto von Lüneburg (Bd. 7, Sp. 226)

Überl.: "Laibach ..., Nat. bibl., cod. 2821" korr.: Wien, cod. 2821; vgl. auch H. WECK, Die 'Rechtssumme' Bruder Bertholds. Die hs.liehe Überl. (TTG 6), 1982, S. 199-202.

Überl.: Streiche die Hs. Innsbruck, ÜB, cod. 355; sie enthält nicht den 'Novus Cornutus' Ottos von Lüneburg, sondern den 'Cornutus' des -> Johannes de Garlandia.

Mulner, Sebald (Sp. 1038)

Peter von Treysa (Bd. 7, Sp. 457)

Vgl. Korrekturen unter Sebald -> Wagner [NB]!

Österreichischer Bibelübersetzer (Sp. 1098 u. 1100) Sp. 1098 Z. 4: "B.4." korr.: B.5. Sp. 1100 Z. 4: "B.3." korr.: B.5.

Zu den 'Quaestiones' in Wien, cod. 5461 vgl. Heinrich -» Totting von Oyta (II.l.c) [NB].

Peter von Zittau (Sp. 1200) Überl., Nelahozeves: Die Sign, der Hs. ist VI Fc 24; die Datierung "1464" korr.: 1565 (Hinweis S. Vyoralkovä).

A Abbas de Dobrana - 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] 'Abdinghofer Arzneibuch' Ü b e r l i e f e r u n g . Paderborn, Erzbischöfl. Akademische Bibl., Hs. Vva 3, 8°, I + 212 + I Bll., 2. H. 15. Jh., ostwestfäl.

Das . .' wurde in geistlichem Umfeld (Benediktinerabtei Abdinghof, Paderborner Raum) angelegt und orientiert sich am Vorbild älterer nd. Arzneibücher. Der Kompilator hat ein medizinisch-pharmakognostisches Manual zu gestalten versucht, das therapeutische, iatromathematische und pharmakographische Text(abschnitt)e zusammenführt, wobei er sich für eine Mischform, wie sie im -*· 'Utrechter Arzneibuch' (Abschnitt B) vorliegt, entschieden hat: Die ursprünglich halbalphabetische Reihung nach dem Arzneimittelnamen hat er aufgegeben; die Stoffanordnung ist zugunsten der Indikation oder der Arzneimittelprovenienz (c. 33 f. tierische Drogen) variiert. Als Quellen haben sich nachweisen lassen: der sog. -* 'Niederdeutsche Gewürztraktat' (ndl. Variante), der 'Ältere dt. -» Macer1, die B-Variante des -> 'Circa instans' (in anscheinend eigenständiger nd./ndl. Übertragung), der 'Liber graduum' Konstantins von Afrika (OSB, f 1087), das Würzburger 'Arzneibuch' ->· Ortolfs von Baierland (Harntraktat, Pulstraktat, hippokratische Aphorismen), die Zweite Kyrannis der 'Kyranniden' (Lambda 1), der 'Dyascorides alfabeticus', der 'Aggregator' Ps.-Serapions (unabhängig von Hans -»· Minner [IIAd.]) sowie das ->· 'Kleine mnd. Arzneibuch', das 'Utrechter Arzneibuch' (A und B) und schließlich eine Vielzahl von Kurztraktaten wie ->· 'Kaiser Karls Latwerge', der 'Schlangenhauttraktat' (Johannes -»Paulinus), eine -» Neujahrsprognose, die 'Pariser -* Ver-

worfenen Tage', die sog. -» 'Wolfenbütteler Monatsregeln' und die pseudohippokratische -» 'Capsula eburnea' [NB] (B.III.l.). Bemerkenswert scheint ein therapeutischer Urintraktat zur Fremd- und Eigenharnbehandlung. — Die Hs. enthält ferner eine detaillierte Anleitung zum Herstellen von Fischködern einschließlich Kunstfliegen, die sich auf die Herrenfischerei bezieht. Die insgesamt 271 Kapitel sprechen Benutzer an, die vielleicht zu den Laienbrüdern gehörten, über hohen pharmakologischen Sachverstand verfügten, auf offizinelles Angebot zurückgreifen konnten (vindet men an den apteken, c. 259), selber aber chirurgisch nicht tätig waren. Die Traumatologie und dermatologische Versorgung wurde anscheinend von außen wahrgenommen und durch einen Handwerks-Chirurgen abgedeckt, wie er uns in Kap. 248 als Meister Konrad entgegentritt: Dieser Meister gehörte offensichtlich zu den Geschworenen Wundärzten, war mit der -> Lepra-Schau befaßt und wird vom Kompilator des . A.s' wiederholt zitiert (Mester Conradus sprecket in siner pracktiken ...). L i t e r a t u r . M. Temmen, Das . A.' Unters, zu einem Denkmal mnd. Fachprosa mit krit. Ausgabe d. Textes, Diss. Münster, in Vorbereitung.

MAREIKE TEMMEN / G. KEIL Abendmahlspiele -»· Debs, Benedikt ('Bozner [Sterzinger] A.'; Spiel Nr. 15); -> 'Prager (ostmd.) A.' 'Abendvesper' [Korr.] Bd. l, Sp. 9 Über!.: "Kuppitsch's Hs. C" heute: Bamberg, SB, HV Msc. 569 (Nr. 1789). Vgl. J. SCHULZ-GROBERT, ZfdA 118 (1989) 236-241.

Ablaßbriefe -+ 'Wilsnacker Wunderblut'

'Ablässe und Heiltümer der Stadt Köln' - Ablaßgebete

'Ablässe und Heiltümer der Stadt Köln'

Vorbilder vorliegen (lat. Hss. dieses seit Anfang des 14. Jh.s überlieferten Typs der Ü b e r l i e f e r u n g . Druck: Köln, Johannes Koel'Indulgentiae' Roms etwa bei SCHIMMELhoff d. Ä. 1492 (GW 8). 76 BI1., 4°. Benutztes Ex.: PFENNIG, dort allerdings mit AblaßangaGöttingen, SB u. ÜB, 8° H. Rhen. 3038 Inc. (deben). Inhaltlich zeigt dieser Teil des Textes fekt: aj fehlt). Weitere Exx.: Burgsteinfurt, Fiirstl. Bentheimische Bibl.; Köln, ÜB u. SB. In den GötÜberschneidungen mit dem 'Dornenkranz' tinger und Kölner Exx. mit dem -» 'Dornenkranz (s. o.), der auf aiiij r —[cvj] v ebenfalls einen von Köln' (1490) zusammengebunden. Rundgang durch die Kölner Kirchen mit Nicht vollständig ediert (s. u.). Angabe einiger ihrer Reliquien enthält. Die Die loueliche beschryuonghe des aflayß -» 'Koelhoffsche Chronik' (1499) verwenvnd heyldoms dysser wyrdyger hylliger det die Liste der Kölner Kirchen und KlöStat Colne (so [Ixxvj]1") ist nur im Druck ster wieder (RAUTENBERG, S. 164); ebenso überliefert und besteht aus zwei Texten, wird sie in zahlreiche Drucke der -»· 'Urdie beide in Anlehnung an die -» 'Indul- sula'-Legende übernommen (FALK, S. 69; gentiae ecclesiarum urbis Romae' [NB] RAUTENBERG, S. 161, 166 f.). entstanden sind. Felix -»· Fabris 'Pilgerfahrt im Geist' nach Köln 1. Ablaßkalender. Jahreskalender für die (im Rahmen seiner 'Sionpilger', ca. 1490, Ausg. v. Kirchen Roms, in denen verzeichnet wird, W. CARLS, Felix Fabri, Die Sionpilger [TspMA 39], welche römische Kirche am betreffenden 1999, S. 375—387) ist dagegen unabhängig von Tag als Stationskirche fungierte (RuscH; s. den .' entstanden. dazu -»· 'Stationes ecclesiarum urbis RoDie .' zeugen von einem ausgeprägten mae'), gibt es seit dem 8./9. Jh.; seit dem Selbstbewußtsein der Kölner nach dem Vor15. Jh. werden diese Kalender mit Anga- bild von und in Konkurrenz zu Rom als ben aus den 'Indulgentiae' vermischt (s. Stadt der kirchlichen Gnaden: Diß schätz MIEDEMA; Hss. dieses Texttyps etwa Den [der Gnade] is verdeilt durch alle die werlt Haag, Kgl. Bibl., cod. 133 F l [2. H. mannichfeldich. Vnd groislichen bauen vil 15. Jh.], und Hildesheim, Dombibl., Hs. ander steed in der werdiger stat Colne (ij r ). 705 [Anf. 16. Jh.]). Der erste Text der .' Eine ähnliche Einschätzung der Sancta (ij r —lxxj v ) kopiert diese Struktur, nennt je- Colonia findet sich im 'Dornenkranz' und doch Ablässe, die an den betreffenden in der 'Koelho ff sehen Chronik'. Festtagen in den Kölner Kirchen erworben L i t e r a t u r . F. FALK, Die Druckkunst im Dienste werden konnten (so etwa iij v : Jaersdach der Kirche, zunächst in Deutschland, bis zum [1. Januar]. ]m doem der syn almyssen Jahre 1520 (Görres-Ges. zur Pflege der Wiss. im gyfft tzo dem bouwe off tzyrait der kyr- katholischen Deutschland, 2. Vereinsschr. für chen der verdyent xxij. iair vi m cc. xxx 1879), 1879, Nachdr. 1969; W. G. RUSCH, A Possidagen ...). ble Explanation of the Calendar in the Würzburg Die Hs. Köln, Stadtarch., GB 8° 133 (1. H. 16. Jh., NEUHAUSEN, S. 206 f.) enthält auf lr-14r einen Kalender mit Angaben aus den 'Indulgentiae' Roms, kombiniert mit den Ablässen eines bisher nicht identifizierten Kölner Frauenklosters. Ein Zusammenhang zwischen dieser Hs. und dem Text der .' ist nicht erkennbar. Zu weiteren Ablaßverzeichnissen einzelner Kölner Kirchen, die wohl ebenfalls unabhängig von den .' entstanden sind, vgl. NEUHAUSEN, S. 203-211.

2. Heiltümerverzeichnis. Der zweite Text (lxxij r -[lxxiiij r ], hg. v. RAUTENBERG, S. 161 — 163) verzeichnet alle in Köln befindlichen Kirchen und ihre Reliquien (ohne die Ablässe). Direkte Quelle sind die 'Laudes Coloniae' (nach 1388, RAUTENBERG, S. 163), für die ebenfalls römische

Lectionary, Journal of Theological Studies, N. S. 21 (1970) 105-111; B. SCHIMMELPFENNIG, Römische Ablaßfälschungen aus der Mitte des 14. Jh.s, in: Fälschungen im MA, Bd. 5 (MGH Schriften 33,5), 1988, S. 637-658; CH. NEUHAUSEN, Das Ablaßwesen in der Stadt Köln vom 13. bis zum 16. Jh. (Kölner Schr.n zu Gesch. u. Kultur 21), 1994; U. RAUTENBERG, Überl. u. Druck. Heiligenlegenden aus frühen Kölner Offizinen (Frühe Neuzeit 30), 1996; N. MIEDEMA, Mal. Rompilgerführer: Die 'Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae' (dt./ndl.). Edition u. Kommentar (im Druck).

NINE MIEDEMA Ablaßgebete (mit Bezug auf Papst Sixtus IV.) Bezeichnung für die im späten MA reich überlieferten Gebete, die mit einem oder

Ablaßgebete

mehreren, meist unechten Ablaßversprechen versehen wurden. Sie sind in Gebetund Andachtsbüchern und Einblattdrucken verbreitet und teilweise illustriert. Der Begriff umschreibt keine eigene Gattung, da zumeist kein inhaltlicher Konnex zwischen Gebetstext, z. B. durch spezielle Bitten um Nachlaß der Sündenstrafen, und Ablaßversprechen besteht (vgl. P. OCHSENBEIN, ZfdPh 112 [1993] 150); nach der gebräuchlichen Terminologie wird ein Gebet zum A. lediglich durch die Kontextualisierung des Ablaßversprechens in der Gebetsrubrik, die Gebetstexte selbst sind oft auch ohne Ablaß überliefert. Wegen der enormen und kaum systematisch gesichteten Überlieferung beschränkt sich der Artikel auf Gebete, die Papst Sixtus IV. (9. 8. 1471-12. 8. 1484) zugeschrieben werden, und auf weiterführende Hinweise. Neben -> Gregor d. Gr. (III. F. 1.; Gebet Adoro te in cruce pendentem) und Johannes XXII. (1316-1334) war Sixtus IV. derjenige Papst, dem in der Überlieferung die meisten A. zugewiesen wurden, da er zu den freigebigsten Ablaßerteilern des MAs gehörte (vgl. PAULUS III, S. 167); vgl. auch Raimund -» Peraudi. Zu anderen mit Papsmamen verbundenen A.n siehe -»· Benedikt XII. und -»· Clemens VI. Ein um 1477 entstandener Einblattdruck mit lat. u. dt. A.n für Verstorbene, die Pius II. zugewiesen werden, in Basel, ÜB (Sign.: Einblattdrucke s. XV, Nr. 29; dt. auch im -> 'Gebet- und Andachtsbuch der Margret Zschampi'). Ü b e r l i e f e r u n g . Es folgt eine Auswahl von Gebeten in Hss. und Inkunabeln, die Sixtus IV. als Ablaßverleiher und/oder Urheber der Texte nennen. Als authentisch gelten lediglich die Partikularindulgenzen für das Rosenkranzgebet (PAULUS III, S. 298; -> Marienpsalter und Rosenkranz, mit Bezug auf Sixtus z. B. in Wien, cod. 4348, 237V). Zu A.n in Gebetbüchern allgemein PAULUS III, S. 293—302 (-> 'Hortulus animae'; Nicolaus -> Salicetus).

1. Sehr häufig sind Übertragungen des Ave sanctissima Maria (-> 'Goldenes Ave Maria', I. 3.) mit Ablaßversprechen von 11000 Jahren für jedes Lesen oder Sprechen des Gebets. Neben den 2 VL 3, Sp. 81 f., genannten Hss. verzeichnet SCHNEIDER, München III, S. 300, weitere

Textzeugen; dazu: Augsburg, ÜB, III.1.8° 3, 159r; Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. germ. oct. 45, 38V; Freiburg, ÜB, Hs. 461, 355V; München, cgm 842, 3V; cgm 864, 216r (ndl.; Abdruck: L. INDESTEGE, Een diets gebedenboek uit het begien der zestiende eeuw, Gent 1961, S. 190); Salzburg, St. Peter, a I 14, 132r; a II 12, 197V; a III 38, 39V; b IX 10, 22r. Typographische Drucke: Einblattdrucke 388, 1328 (obd.) und 389= 1327 a (nd.); xylographische Blätter des 15. Jh.s: SCHREIBER Nr. 1031 f., 1053 b, 1078 a, 1088 a, 1107. Sixtus IV. im Gebet vor Maria ist auf dem Holzschnitt SCHREIBER 1878 m dargestellt (Hinweise von Dr. Sabine Griese, Münster).

2. a. Eine als 'Sechs Rufe Mariens' bezeichnete monologische Marienklage (-» du uzvliezender brunne', II.), ebenfalls mit Ablaß Sixtus' IV. von 11000 Jahren, wurde um 1500 von Johannes Otmar in Tübingen publiziert (Einblattdrucke 1281; vgl. PAULUS III, S. 297). b. Ein Pestgebet (Inc. Durch das zeichen thau erlöß uns Jesu Christe), wohl angelehnt an eine Kreuzantiphon (vgl. SCHNEIDER, Augsburg, S. 142 Nr. 22), mit 40tägigem Ablaß von Sixtus IV. ist überliefert auf den Einblatt-Holzschnitten SCHREIBER 1685 a und 1694h (Ende 15. Jh.). c. Weitere auf Sixtus IV. bezogene A.: Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. germ. oct. 32, 123r-124r (ndl.); Greifswald, ÜB, nd. Hs. 10 8°, 170r~v; nd. Hs. 16 8°, 196V197V (-> 'Sieben Freuden Mariens' mit Ablaß) und 198r~v; Hamburg, SB u. ÜB, 102c in scrin., 81V (nd., sog. 'Hartebok'); Heidelberg, cpg 109, 150V. Zu Hss. in Darmstadt G. ACHTEN / H. KNAUS, Dt. u. ndl. Gebetbuchhss. der Hess. LB u. Hochschulbibl. Darmstadt, 1959. Die Fülle der A. ist Zeugnis und Ausdruck der allgegenwärtigen spätmal. 'Heilsarithmetik' (LENTES, S. 40) ebenso wie der gezielten Förderung dieser Frömmigkeitsform im Zusammenhang der Jubiläums- und Kreuzzugsindulgenzen des 15. und frühen 16. Jh.s. Schon früh zog diese intensive Hinwendung zu äußeren Ablaßwerken theologische Kritik und ambivalente akademische Bewertungen auf sich, was dem enormen Erfolg volkssprachiger wie lat. Texte und somit der allgemeinen Rezeption durch Laien und Geistlichkeit bis zur Reformation indes keinen Abbruch tat.

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Ablaß Verzeichnisse

L i t e r a t u r . N. PAULUS, Gesch. d. Ablasses im MA, 1923, Bd. II, S. 232-234; Bd. III, S. 167169, 190-192, 204-210, 293-302; W. L. SCHREIBER, Handbuch d. Holz- u. Metallschnitte d. XV. Jh.s, 8Bde, 1926-1930; F. X. HAIMERL, Mal. Frömmigkeit im Spiegel d. Gebetbuchliteratur Südwestdeutschlands (Münchener theolog. Studien I 4), 1952, Reg.; KORNRUMPF/VÖLKER, S. 215; G. ACHTEN, Das christliche Gebetbuch im MA, 21987, S. 40 f., 118 f., 133; F. LEWIS, Rewarding Devotion: Indulgences and the Promotion of Images, in: D. WOOD (Hg.), The Church and the Arts, Oxford 1992, S. 179-194; T. LENTES, Gezählte Frömmigkeit im späten MA, in: A. ANGENENDT u. a., Gezählte Frömmigkeit, FMSt29 (1995) 1-71, hier 40-69, bes. S. 42 f.

FALK EISERMANN Ablaßverzeichnisse (dt.) Im späteren MA erstellten kirchliche Institutionen Verzeichnisse der ihnen verliehenen Ablässe, die hs.lich verbreitet und seit der Erfindung des Buchdrucks vielfach auch publiziert wurden. Während Kompendien wie die gedruckten -> 'Ablässe und Heiltümer der Stadt Köln' [NB] nach dem Vorbild der ->· 'Indulgentiae urbis Romae' [NB] und der Jerusalem-Beschreibungen (-* Pilgerberichte über Palästina, B. 25.) als umfassende Kataloge konzipiert waren, die alle in einer bestimmten Stadt zu erlangenden Indulgenzen verzeichneten, fassen überblicksartige Kurzformen die Ablässe einzelner Kirchen oder Klöster bzw. eines Ordens zusammen. Hinsichtlich der Sprache überwiegt das Lateinische, jedoch sind auch volkssprachige Texte überliefert. Sie weisen entweder pauschal auf die Möglichkeit des Ablaßerwerbs hin ('WerbezetteP) oder führen die zu erwerbenden (oft gefälschten) Indulgenzen im einzelnen auf. Ü b e r l i e f e r u n g . Studien zu Verbreitung und Differenzierung der Texttypen fehlen; Hinweise bei PAULUS, S. 150-180 u. 231-292. Vor allem die hs.liehe Überlieferung dürfte erheblich umfangreicher sein als hier aufgeführt. Nicht berücksichtigt sind die -> Heiltumsbücher [NB], die häufig A. enthalten. 1. Folgende dt. Hss., meist 15. Jh., wurden ermittelt: a. Verzeichnisse für Orden. Augustinerchorherren u. Laienbrüder: München, cgm 837, 203r~v. Birgitten: Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 31, 173r-

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180V. Deutscher Orden (sowie Rom und Nürnberg): ebd., cod. 111.1.8° 14, llr-64v. Deutscher Orden: Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs. 823, 97v-98r (14. Jh.); Heidelberg, ÜB, Heid. Hs. 68 (olim cod. Heidelb. 359,5), 146r-152v (lat. u. dt.); Jena, ÜB u. LB, Ms. El. philos. q. 2, lr-15r. Dominikaner: Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 6, lr-10v, 13r-60v (bes. St. Katharina in Nürnberg). Johanniter: Freiburg, ÜB, Hs. 467, 9v-10r. Zisterzienser: Augsburg, ÜB, cod. 111.1.8° 9, 165r-171v (bes. Kirchheim). b. Verzeichnisse für e i n z e l n e K l ö s t e r und Kirchen. Hamersleben: Berlin, mgo 278, 311r— 313V (nd.). Bamberg: Coburg, LB, Ms. Sehe. 16, 307ra-308vb; London, British Library, Arundel Ms. 6, 48V-49V; München, cgm 267, 238v-240r; Nürnberg, StB, Cent. IV.20, 129va-130rb. Raitenhaslach: München, cgm 1529, 17v-19r. Hohenwart: cgm 1777, 346r~v (spätes 16. Jh.). St. Katharina in Nürnberg: Nürnberg, StB, Cent. VI,92. Töss: Zürich, Staatsarch., C II13, 365. Ähnliche Typen bisweilen in Gebetbüchern, z. B. Nürnberg, Germ. Nationalmus., cod. 1734, 138r-142v (A. nach Papst Johannes XXII.) u. 150r-152r ('Weihwasserablässe). Ablaßtafeln in lat. u. dt. Sprache sind aus der Pfarrkirche Bischofshofen, Mitte 15. Jh. (R. SLENCZKA, Lehrhafte Bildtafeln in spätmal. Kirchen, 1998, S. 74-76, 229-234) u. aus der Wiener Deutschordenskirche, v. J. 1513, überliefert (H. BOOCKMANN, in: Kat. Martin Luther u. d. Reformation in Deutschland, 1983, Nr. 51). 2. Kleindrucke bis etwa 1500: a. Obd. u. md.: GW 99 und 99/5, für d. Stiftskirche in Freiberg/S., [Leipzig, Konrad Kachelofen um 1491/92]; GW 108, illustrierter 'Werbezettel' für St. Trudpert, [Speyer, Peter Drach um 1500?]; GW 110, für d. Stiftskirche in Urach, [Reutlingen, Michael Greyff um 1483]. b. Nd.: GW 9, für Lübeck, [Lübeck], Bartholomäus Ghotan [um 1492], verloren. c. Ndl.: für St. Gilles in Brügge, [Gent, Arend de Keysere vor 1487] (Incunabula Printed in the Low Countries, Nieuwkoop 1999, Nr. 1269); GW 449, für Annengilde u. -bruderschaft in Haarlem, Gouda, Collacie Breeders [um 1495]; GW 11390/10, für d. Johanniter in Haarlem, [Leiden, Hugo Janszoon 1499]; die Auflage dieses Drucks betrug 300-400 Exemplare. Viele Drucke dürften bereits auf ältere, hs.liehe A. und Urkunden zurückgreifen (exemplarisch anhand lat. Texte aus Königslutter: NASS).

Die Wirkung der hs.lich überlieferten Texte scheint relativ eng begrenzt gewesen zu sein. Die Aufzeichnungen dürften ihre Entstehung dem vielerorts zu beobachtenden und vor allem durch die Klosterreformen geförderten Phänomen der umfassen-

'Abrogans deutsch' — Achilles Thabor

den schriftlichen Sicherung und Reorganisation geistlicher Besitzstände verdanken. Im Gegensatz zu dieser eher konventsinternen pragmatischen Schriftlichkeit stehen die Drucke im Kontext der intensiven öffentlichen Ablaßpublizistik des ausgehenden 15. Jh.s, die sich zunehmend häufig der Volkssprachen bediente; ähnliche Ausgaben sind aus England (GW 97), Frankreich (GW 104-107, 109), Italien (GW 111) und Spanien (HAEBLER) bekannt. Zwar bleibt die Überlieferung gering im Vergleich zu den Kampagnen des päpstlichen Nuntius Raimund ->· Peraudi, die von der massenhaften Publikation lat. und dt. Summarien und Erläuterungen geprägt waren, doch sind die Texte wichtige Zeugnisse für die Ausbreitung und Instrumentalisierung des Buchdrucks und für den Gebrauch der Volkssprache im intensivierten Frömmigkeitsbetrieb des späten MAs. L i t e r a t u r . K. HAEBLER, Gedruckte spanische Ablassbriefe d. Inkunabelzeit, Zs. f. Bücherfreunde 5 (1901/02) 1-12, 59-71 u. 8 (1904/05) 49-58; N. PAULUS, Gesch. d. Ablasses im MA, Bd. III, 1923; K. NASS, Ablaßfälschungen im späten MA, Hist. Jb. 111 (1991) 403-432; T. LENTES, Gezählte Frömmigkeit im späten MA, in: A. ANGENENDT u. a., Gezählte Frömmigkeit, FMSt 29 (1995) 1-71, hier 40-69, bes. S. 55 f.; N. MIEDEMA, Die 'Mirabilia Romae' (MTU 108), 1996, Reg.; F. EISERMANN, Verzeichnis von Ablässen, in: Geburt d. Zeit, Ausstellungskat. Kassel 1999/2000, S. 239 f. Nr. 7.4.7.

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Übersetzung des 'Instrumentum S. Achahildis' vom 26. 10. 1448 (Ausg. WIEDEMANN, S. 98 — 102) durch einen ungenannten Nürnberger Kartäuser (Ausg. in: Hist.Diplomatisches Magazin für das Vaterland I, Nürnberg 1780, S. 295-307). Dieses 'Instrumentum publicum' berichtet über die Aufnahme der Kultstätte einer über den Nürnberger Raum hinaus kaum bekannten A., verbunden mit der Öffnung ihres Sarges in Wendelstein (Oberfranken) durch den Eichstätter Bischof, über ein Zeugenverhör zur Wallfahrt und den Wundern an der Grabstätte sowie über ein Verhör einiger Nürnberger Wallfahrer in der St. Lorenzkirche zu Nürnberg. A. soll laut 'Instrumentum' Schwester der Kaiserin Kunigunde gewesen sein (zu deren Legende vgl. -» Ebernand von Erfurt und -*· 'Heinrich II.'). Für weitere Informationen über ihre Legende sind wir auf die Bilder auf zwei Flügeln eines früheren Hochaltars aus der Wendelsteiner Kirche angewiesen. Sie legen nahe, daß die verlorene Legende offenbar mehrere aus der Kunigunden- und Elisabeth-Legende übernommene Motive enthielt (Josefsehe, Handschuhe an den Sonnenstrahlen, Armenspeisung, Rosenwunder). L i t e r a t u r . E. WIEDEMANN, Die Legende der hl. A., der Lokalheiligen Wendelsteins b. Nürnberg, Beitr. z. bayer. Kirchengesch. 27 (1921) 65-106.

WERNER WILLIAMS-KRAPP

FALK EISERMANN Ablaßverzeichnisse der römischen Kirchen ->· 'Indulgentiae urbis Romae' (dt.) [NB] 'Abrogans deutsch' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 13 Z. 14 ergänze: Das älteste dt. Buch, die Abrogans-Hs. der Stiftsbibl. von St. Gallen, in Faks. u. hg. u. beschrieben v. B. BISCHOFF / J. DUFT / ST. SONDEREGGER, St. Gallen 1977.

'Accessus ad auctores' entfällt (Gattungsbezeichnung!) 'Achahildis von Wendelstein' Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 2261, 205V-208V (eine Hs. der Anna -»· Ebin), überliefert eine leicht kürzende

Achilles Thabor ('Die Feuer des Achilles Thabor') Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 1187, 45v-53r, astrologisch-pyrotechnische Sammelhs., entstanden ca. 1440-1450. Ob die verschollene Hs. Berlin, Zeughausbibl., Ms. 4 (olim Kriegsarchiv des Generalstabs 117; wahrscheinlich identisch mit der gelegentlich auch als Nr. 135 zitierten Hs., vgl. -> Albrecht von Lannenberg, mit Lit.), einen dt. Text oder die lat. Vorlage enthielt, läßt sich nicht sicher feststellen. A u s g a b e . Textabdruck zusammen mit lat. Fassungen S. J. v. ROMOCKI, Geschichte d. Explosivstoffe, 1895, S. 127-132.

Die hausbuchartige Sammlung eines unbekannten mantisch interessierten Pyrotechnikers aus Bayern überliefert zwischen Abschriften der 'Namenmantik' Johannes

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'Acht Schätze' — Ackermann, Jacob

-» Hartliebs und des -» 'Feuerwerkbuchs von 1420', einem astrologischen Traktat, technischen Rezepten und einem Kochbuch die unikale Fassung der 'Feuer des Achilles Thabor'. Der Text präsentiert nach der einleitenden Zuschreibung Das sind die Fewer die maister Achilles Thabor geschriben hatt 22 Anleitungen zu Brandsätzen, Salpeter-, Schwefel- und Alkoholdestillaten, Römerkerzen, Feuerwerkskörpern, selbstentzündenden und sog. griech. Feuern. Neben der Anwendung als Kampfmittel im Belagerungskrieg werden in geringerem Umfang auch Feuerkunststücke und Theaterblitze beschrieben. Der Verfassername, Gräzismen und Verweise auf den Einsatz der Kampftechniken bei Alexander d. Gr. und Aristoteles stellen Zusammenhänge mit der antiken griech. Pyrotechnik her. Tatsächlich handelt es sich um eine bearbeitende dt. Übersetzung des lat. 'Liber ignium', der vermutlich um 1250 aus einer nicht erhaltenen griech. Vorlage übertragen wurde und ab Ende des 13. Jh.s in zahlreichen Hss. überliefert ist (THORNDIKE/KIBRE, Inc., Sp. 657, 1334; J. R. PARTINGTON, A History of Greek Fire and Gunpowder, Cambridge 1960, S.42—89). Direkte Vorlage der Übertragung war möglicherweise die Hs. Wien, cod. 3062 von 1437 (oder die parallele Hs. Berlin, Zeughausbibl., Ms. 4), die neben der 'Namenmantik', einem Kriegsbuch (vgl. [Pseudo-] -» Hartlieb, Joh.) und dem 'Feuerwerkbuch' eine lat. Fassung des 'Liber ignium' enthält. Daß Hartlieb, der häufig unter fiktiven Autorzuschreibungen übersetzte, auch die 'Feuer des A. Th.' übertrug (so ROMOCKI, S. 127), ist denkbar, aber nicht nachzuweisen. L i t e r a t u r . U. MÜLLER, Dt. Mondwahrsagetexte aus dem SpätMA, Diss. Berlin 1971, S. 144 f.; R. LENG, Kriegstechnische u. -taktische Bilderhss. u. Traktate im 15. u. 16. Jh., Habil.-Schrift, Würzburg 2000, Bd. l, S. 84-88, Bd. 2, S. 26.

RAINER LENG 'Acht Schätze' Anonyme Reimpaarrede des 13. Jh.s. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . -> 'Wiener Kleinepikhs.' cod. 2705, 139rb-140rb (A Nr. 172; 166 vv.); -»

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Stricker-Hs. G (Karlsruhe, Bad. LB, cod. Donaueschingen 93), l r -4 r (G Nr. 1; 165 vv.) A u s g a b e n . A. MIHM, Aus der Frühzeit der weltlichen Rede, PBB (Tüb.) 87 (1965) 406-433 (Nr. 7, S. 427-431) [zit.]; U. SCHWAB, Die Barlaamparabeln im Cod. Vindob. 2705 (AION. Annali, Sez. Germanica. Quaderni 3), Neapel 1966, S. 216-220.

2. Der Text gehört zu dem im 13. Jh. verbreiteten Typ der Registerrede, deren Aufbau durch Reihungen und Kataloge bestimmt wird (HOLZNAGEL, S. 293—336). Eröffnet wird das Stück mit einer poetologischen Reflexion, in der die Explikation prägnanter Aussagen der wisen mit der geringen Auffassungsgabe der tvmben livte gerechtfertigt wird. Als Beispiel für solche auslegungsbedürftigen churziv wort dient dann der Bibelvers Mt 6,21, der zu der These umgeformt wird, daß niemand ohne Schatz sei. Diese Aussage nimmt der IchSprecher zum Anlaß, acht Fixierungen auf ein zentrales Lebensgut vorzustellen (Gott; Wissenschaft; Frauen; Ansehen; Bequemlichkeit; Gefräßigkeit; Geiz; Streit). Eine moralische Bewertung unterbleibt dabei; statt dessen wird jeder Rezipient dazu aufgefordert zu erkunden, wie sin schätz geschaffen si (v. 166). L i t e r a t u r . MIHM, S. 415f.; SCHWAB, S. 221 — 223; DE BOOR, LG III 2/GLiER, S. 91; E. BRÜGGEN, Laienunterweisung. Unters, zur dt.sprachigen weltl. Lehrdichtung des 12. u. 13. Jh.s, Habil. (masch.) Köln 1994, S. 190; F.-J. HOLZNAGEL, Der Wiener Codex 2705. Unters, zu Überl. u. Form kleinerer mhd. Reimpaardichtungen des 13. Jh.s, Habil. (masch.) Köln 1999, bes. S. 302, 631-634. FRANZ-JOSEF HOLZNAGEL

Ackermann, Jacob J. A. nennt sich als Verfasser historischer Nachrichten, die nachträglich in eine etwa 1451 — 54 im Kölner Raum geschriebene Hs. von Jakob -> Twingers dt. 'Chronik' und dem 'Großen -> Seelentrost' eingetragen wurden. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 8827 (früher 8827-28 nach den beiden enthaltenen Haupttexten), 6 V —9 r (zwischen Register und Beginn der 'Chronik').

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Adalbert Ranconis de Ericinio — Adam von Rottweil

A u s g a b e . H. CARDAUNS, Cölner Aufzeichnungen 1460—74, in: Die Chron.n der niederrhein. Städte. Coin, Bd. 3 (Chron. dt. St. 14), 1877, S. 922-926.

Berichtet wird zunächst über die kriegerischen Auseinandersetzungen Kurfürst Friedrichs I. von der Pfalz mit Kurmainz 1460—62, in denen mir Jacob Ackerman ein schif genomen wurde, ein schon frechterschif als es of dis zit of dem Rin gink, und das, obwohl seine herren von Collen mit der ganzen Fehde gar nichts zu tun gehabt hätten. Es dürfte sich somit bei dem Autor der von persönlicher Anteilnahme geprägten Aufzeichnungen um einen Kölner Kaufmann gehandelt haben, der anschließend noch über Tod und Beisetzung des 1463 verschiedenen Kölner Erzbischofs Dietrich von Mors Mitteilungen macht. Ob die in derselben Hs. und möglicherweise von derselben Hand eingetragenen knappen genealogischen Notizen (117r) über Kurfürst Ludwig III. (t 1436) von der Pfalz und seine Nachkommen (die letzte zum Jahr 1474), speziell aber zu seinem Sohn Ruprecht, seit 1463 Kölner Erzbischof, und weiteren Kölner Ereignissen, vom selben Autor stammen, bleibt offen. L i t e r a t u r . C. HEGEL (Hg.), Die Chron.n der oberrhein. Städte, Straßburg, Bd. l (Chron. dt. St. 8), 1870, S. 216 f.; Rep. font II, 1967, S. 107; L. KURRAS, 'Der Große Seelentrost' Hs. N, ZfdA 104 (1975) 247-250; dies., Kataloge des Germ. Nationalmuseums Nürnberg 1/2: Die dt. mal. Hss. 2, 1980, S. 41 f.

HELGARD ULMSCHNEIDER 'Das actum vasnacht' (KELLER, Fsp. 84) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Adalbert Ranconis de Ericinio [Korr.] Bd. l, Sp. 36 Z. 10 von unten: "1478" korr.: 1378. Sp. 37 Überl: "Prager cod. Cap. N 8" korr.: Prag, Archiv Prazkeho Hradu, cod. N. 8.

'Adalrich' [Korr.] Bd. l, Sp. 44 zu Z. 3: Das Jahrzeitbuch der Pfarrei Ufenau liegt heute in Einsiedeln, Stiftsarchiv, B.-Nr. 1.

'Adam und [Nachtr.]

Eva'

(obd. Reimfassung)

Bd. l, Sp. 44 zu Überl.: Die Kremsmünsterer Hs. ist jetzt München, cgm 7377, die Arolsener Hs. ist Berlin, mgf 1416. Vgl. auch -> 'Vita Adae et Evae' (red. Notiz, Bd. 10, Sp. 436).

'Adam und Eva' ('Adams Klage') [Korr.] Bd. l, Sp. 45 letzte Zeile: "Stuttgart, LB, Hs. Bibl. f. 8" korr.: ..., cod. bibl. fol.5. Ebd. u. Sp. 46 erste Zeile: "Weimar, Arch. d. LB, Hs. Fol. 416" korr.: ..., Herzogin Anna Amalia Bibl., ...

Adam von Fulda [Korr.] Bd. l, Sp. 55 Überl.: "Augsburg, StB, cod. 142a" korr.: ..., cod. 2° 142a. Ebd.: "Ldb. des Amt von Aich (f): Basel, ÜB, cod. Kk IV, 11 — 14, und Berlin, SB, Ms. mus.pract. antiqua A 180" korr.: streiche "cod." und "Ms."; es handelt sich nicht um Hss., sondern um zwei Exemplare dieses gedruckten Ldb.s (Köln, um 1518). Sp. 58 Überl.: "ÜB Straßburg" korr.: StB Straßburg.

Adam von Rottweil Drucker eines ital.-dt. Sprachbuchs, der zuerst in Venedig, dann im mittelitalienischen Aquila tätig war. Unsicher ist, ob A. v. R. den Sprachführer auch selbst zusammenstellte. Druckersprachen sind Venezianisch und Bairisch (Erstdruck) bzw. Norditalienisch und Schwäbisch (ab dem zweiten Druck). Ü b e r l i e f e r u n g . 10 Drucke von 1477 bis 1513; mindestens ein Druck vor der zweiten Auflage von 1479 ist verlorengegangen; Nachweise der 9 Inkunabeln zuletzt bei GIUSTINIANI (s. Ausg.n), S. 15 f. (Siglen A—G 2 ), Nachweis des Drucks von 1513 bei F. CLAES, Bibliogr. Verzeichnis der dt. Vokabulare u. Wörterbücher, gedr. bis 1600, 1977, Nr. 223. Titel der Erstauflage: 'Introito e porta de quele ehe voleno imparare e comprender todescho o latino, cioe taliano'; seit der überarbeiteten zweiten Aufl. [B] u. d. T. 'Solenissimo Vochabuolista e utilissima a imparare legere tedesco e Italian'; die Drucke H und G2 (von 1499 bzw. 1500) und der Druck von 1513 u. d. T. 'Libro utilissimo a chi si dilleta d'intendere tedesce, dechiarando in lingua italiana'. A u s g a b e n . A. BART ROSSEBASTIANO, 'Introito e Porta'. Vocabolario italiano-tedesco. 'Compiuto

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'Adambuch' — 'Von dem adel der sele'

per Meistro Adamo de Roduila, 1477 adi 12 Augusto' (Neolatina rariora. Lexicalia 1,1), Turin 1971 (Faks. des Erstdrucks von 1477); V. R. GIUSTINIANI, A. v. R., Dt.-ital. Sprachführer — Maistro Adamo de Rodvila. Introito [...] Edito di sulle stampe del 1477 e 1500 e corredato di un' introduzione, di note e di indici (Lingua et Traditio 8), 1987 (synopt. Ausg. des ersten und letzten Drucks des 15. Jh.s).

Nach dem ital.-dt. Sprachbuch -»· Georgs von Nürnberg v. J. 1424 ist der 'Introito' das Zweitälteste ital.-dt. Sprachbuch. Es enthält ca. 3000 Stichwörter, in 64 Sachgruppen geordnet; sie reichen von got vnd von der heiligen driualtikait (1,1) über pfefer, ingber vnd [...] aler speczerei (1,15) und von der studi vnd von der hohen schul (1,45) bis zum slaf(ll,9). Im Zentrum des Glossars steht das tägliche Leben in all seinen Bereichen. Anders als die lat.-dt. Wörterbücher des späten MAs ist der 'Introito' außerhalb der lat. Bildungswelt entstanden und auf die Bedürfnisse von Kaufleuten und Handwerkern, Rompilgern und anderen Reisenden zugeschnitten; auch die dt. Studenten in Italien lassen sich als Benutzer denken (für diese v. a. der zweite, in Bologna entstandene Druck). Symptomatisch dafür sind Wendungen der Umgangssprache wie z. B. e questa la bona via da andar in Alamangia?: ist das der recht weg zu geen in teutsche lande? oder El chagastracza ve sauerä dir: der czerndrek kan euch's wol sagen; anders als bei Georg von Nürnberg oder den -* 'Glossae Cassellanae' und den ->· 'Altdeutschen Gesprächen' aus der ahd. Zeit sind diese Wendungen in die Teilglossare integriert. Ob und gegebenenfalls wie der 'Introito' genetisch mit dem Sprachbuch Georgs von Nürnberg zusammenhängt, ist noch nicht untersucht, anders als seine Wirkungsgeschichte. Eine viersprachige Bearbeitung erschien 1510 u. d. T. 'Introductio quedam utilissima, sive Vocabularius quatuor linguarum [...]' (CLAES [s. o.], Nr. 188; weitere Drucke von 1516 bis 1521 s. Reg.). Auf die zweisprachigen ital.-dt. Wörterbücher hatte der 'Introito' entscheidenden Einfluß bis weit in das 17. Jh. Literatur. A. MUSSAFIA, Beitrag z. Kunde der nordital. Maa. im XV. Jh., Denkschr. Ak. Wien,

phil.-hist. Kl. 22 (1873) 103-228; O. BRENNER, Ital.-dt. Vocabulare des XV. u. XVI. Jh.s, Germ. 31 (1886) 129-136; BART ROSSEBASTIANO (s. Ausg.n); O. PAUSCH, Das älteste ital.-dt. Sprachbuch. Eine Überl. aus d. J. 1424 nach Georg von Nürnberg (Österr. Ak. d. Wiss., Phil.-Hist. Kl. Komm. Bd. I), Wien 1972, S. 46-48; GIUSTINIANI (s. Ausg.n); dazu Rez. v. D. KLEIN, ZfdA 120 (1991) 476-479.

DOROTHEA KLEIN 'Adambuch' (Prosa) [Nachtr.] Bd. l, Sp. 61 f.: Das .' ist Teil der -+ 'Historienbibel' III b; zu dieser (mit mehr Hss. als VOLLMER, 1908, kannte): VOLLMER, Materialien, 1,1, S. 23-28, 146-162 (Hinweis G. Kornrumpf).

'Von dem Adel' dem Adel'

'Fürstenspiegel Von

'Von dem adel der sele' Traktat in der Nachfolge Meister -> Eckharts. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Stuttgart, LB, cod. theol. et philos. 2° 155, 296vb-299ra; Nürnberg, StB, Cent. IV,40, 41ra-va; London, British Library, Egerton MS. 2188, 84v-85r [bis S. 417,37]. Teilstück PFEIFFER 417,38-418,15: Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 33, 145r-146r; Ebstorf, Klosterbibl., cod. IV 12, 35lv; Göttingen, ÜB, cod. ms. theol. 292, 257r; Würzburg, ÜB, Ms. eh. 4° 151, 363V. Teilstück PFEIFFER 417,38-418,35: ColognyGenf, Bibl. Bodmeriana, cod. Bodmer 59 (ehem. Braunau, Langersche Bibl., cod. 467), 35r; Straßburg, Bibl. Nat. et Univ., Ms. 2795 (olim L. germ. 662), 198 . A u s g a b e . F. PFEIFFER, Dt. Mystiker des 14. Jh.s, Bd. 2: Meister Eckhart, 1857 (Neudr. 1962), S. 416—418, Traktat Nr. IV (aufgrund der Stuttgarter Hs.). Das Teilstück 417,38-418,15 bei STAMMLER, S. 210 f.; PAHNCKE, S. 84.

2. Die Autorschaft Meister Eckharts wurde von SPAMER (S. 374) bezweifelt, von PAHNCKE (S. 82) mit überzeugenden Gründen (fehlende Einheit) ausgeschlossen. Dabei blieb es. Der Hauptteil (416,4-417,37) hat den Titel hergegeben: die meister sprechent von dem hoehsten adel der sele (Inc.). Sie tun dies in drei Fragen: 1. Ob der Geist in seinem Erkennen als ein vernünftiges Sein des ewigen Seins verstanden werden kann und in einem Augenblick ge-

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Priester Adelbrecht — 'Adelheid'

worden ist ohne Mittel. 2. Wie das sein kann, daß der Geist in der Vernunft wieder in seine Unwandelbarkeit gelangen kann, und daß er das ewige Bild in seiner höchsten Klarheit, in seinsmäßiger Heimlichkeit und in der einschwebenden Freiheit des Geistes zu haben vermag. 3. Ob der Geist im höchsten Überfließen, wo er zunächst der göttlichen Gegenwärtigkeit steht, zu dieser aus eigenem Vermögen gelangen kann. Alle Fragen werden positiv beantwortet: Der Geist als Bild Gottes ist der göttlichen Natur gleich. — Der Geist ist zu verstehen nach seinem nächsten (höchsten) Grund, so wie er sich bewahrt gemäß seinem endlosen und seinem ewigen Bild. — Der Geist erhebt sich im höchsten Adel seiner göttlichen Natur, denn er kann in seinem ersten Nun stehen, in dem er noch nicht war. — Man erkennt schon aus der Übersetzung und Paraphrase, daß der Verfasser seinen ganzen Begriffs- und Ideenvorrat von Meister Eckhart bezogen hat, wobei manches unverstanden bleibt. Deutlich ist die Benutzung der Armutspredigt QUINT, Nr. 52. 3. Nach diesem Hauptteil folgt eine Partie über die Armut des Geistes (417,38-418,15), verstanden als eine Art Vorrede zu QUINT, Nr. 52, in die sie in der Sonderüberlieferung (s. o. 1.) nahtlos übergeht. PAHNCKE hat sie als Dialog verstanden, was QUINT ablehnt. Er spricht 'von einer freien Wiedergabe einiger Hauptgedanken der Eckhartschen Predigt' (S. 480). Der letzte Abschnitt des Traktats (418,18—35), außer in der Stuttgarter nur in der ehem. Braunauer und der Straßburger Hs. überliefert, beantwortet im Anschluß an die vorstehenden Ausführungen einige Fragen, u. a.: Wie kann ein Mensch seine Werke ohne Willen verrichten? Hier ist der Bezug zur Armutspredigt am unmittelbarsten. Der Traktat schließt im direkten Bezug auf QUINT, S. 499,1 ff. Daz ist die allernehste armuot des geistes, wan ez ist nieman rehte arm, wan der nibt enwil unde nibt enweiz unde niht enbät, weder üzwendig noch inwendic. L i t e r a t u r . A. SPAMER, Zur Überl. der Pfeifferschen Eckeharttexte, PBB 34 (1909) 307-420; W. STAMMLER, Meister Eckhart in Norddeutschland,

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ZfdA 59 (1922) 181-216; M. PAHNCKE, Materialien zu Meister Eckharts Predigt über die Armut des Geistes, b) Ein Dialog über die Armut des Geistes, in: Fg. Ph. Strauch z. 80. Geburtstag (Hermaea 31), 1932, S. 81-97; J. QUINT, Meister Eckhart, DW II, 1971, S. 479-481.

K. RUH

Priester Adelbrecht [Korr.] Bd. l, Sp. 62: "Hs. 3714" körn: Hs. 371/4 der Stiftsbibl. St. Paul/Kärnten.

'Adelhausener Chronik (Schwesternbuch)' ->· Anna von Munzingen 'Adelheid' Dt. Prosalegenden. Von A., Gattin König Lothars II. von Italien, danach Kaiser Ottos des Großen und Regentin für ihren Enkel Otto III., sind nur zwei dt. Prosalegenden des 15. Jh.s erhalten (s. u.), die beide auf Odilos von Cluny 'Epitaphium dominae Adelheidae augustae' (PL 142, Sp. 969-992) zurückgehen. Eine Art Vita mit Wundern findet sich auch in -» 'Herzog Ernst' F, einer Übersetzung der lat. Prosafassung C. Auch in Jakob -»· Mennels 'Die Seligen und Heiligen des Hauses Habsburg' findet A. Eingang. Zwei unikal überlieferte ndl. Versionen verzeichnet WILLIAMS-KRAPP. 1. Eine stark kürzende Version des 'Epitaphium' ist in München, cgm 750, 174V — 181r, enthalten, geschrieben von Anna -»· Ebin zwischen 1454—68 in Pillenreuth b. Nürnberg (Ausg. MILLER, S. 26—40). In der Überschrift wird darauf hingewiesen, daß man A. am Reyn in großen eren hat, d. h., daß sie im ostfrk. Raum wohl kaum kultische Verehrung genoß. 2. Eine schwäb. Version überliefert Berlin, mgf 1259, 110ra-116ra, die Johannes -»· Kurfi 1493/94 für den reformierten Klarissenkonvent Söflingen b. Ulm schrieb (Ausg. MILLER, S. 70-85). Ob Kurfi auch als Übersetzer der A.-Legende zu sehen ist, muß noch geklärt werden. Die Hs. bietet u. a. 15 Legenden weiblicher Heiliger, von denen A. die jüngste ist. Aus Odilos Vita sind der Widmungsbrief, die Vorrede (hier zusammengezogen), die Vita und Mirakel

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'Admonter Briefsammlung' — 'Admonter Mariengebet'

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in insgesamt leicht gekürzter Form übernommen worden.

gung aufgenommen; der von Salzburg hinzugestoßene Teil, in dem Erzbischof Eberhard selber die Hauptperson ist, spiegelt L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. und ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, Reg. für die frühen Jahre des Schismas auch die Position der Parteigänger Papst AlexanS. 385; A. MILLER, Die obd. Legenden von der hl. ders III., zu denen im Reich an erster Stelle A. Unters, u. Edition, Magisterarbeit (masch.) Univ. München 1989. Salzburg zählte. Mit dem Salzburger Teil WERNER WILLIAMS-KRAPP liefert die . B.' ein Beispiel, wie im MA Herrschaftszentren in der politischen AusAdelheit von Freiburg -»· 'Ötenbacher einandersetzung Nachrichten ihres InteresSchwesternbuch' (Fortsetzung) [NB] ses verbreiteten. Adelphus, Johann ->· Muling, J. A. [NB] 'Admonter Briefsammlung' Die lat. . B.', die aufgrund ihrer durch MARTIN (1927) erwiesenen Entstehung in Admont von ZATSCHEK (1929) und HÖDL (1970) ihren Namen erhielt, setzt sich aus Beständen verschiedener Art und Herkunft zusammen. Sie besteht 1. aus einer schon um 1150 in Admont begonnenen Sammlung mit 38 Schreiben hauptsächlich der Jahre 1157—1160, die meist Klosterangelegenheiten, vorwiegend Admonter, betreffen; 2. aus Abschriften von 46 Briefen, Dokumenten des Schismas und der Reichspolitik nach dem Tode Papst Hadrians IV. (1159), die Erzbischof Eberhard I. von Salzburg (1147-1164) Ende 1162 Abt -> Gottfried von Admont (1137—1165) zugeleitet hatte. Hinzu kommen drei Nachträge (1167/68 u. 1185). Die Hs. ist ohne Sorgfalt hergestellt und läßt auch eine inhaltlich ordnende Redaktion vermissen. Auch ein konsequentes thematisches Profil ist bereits dem älteren Admonter Teil nicht zuzusprechen; Kennzeichnungen wie 'Repertorium zu Klosterfragen des 12. Jh.s' (Ausg., S. 10), die eine systematisierende Auswahl, ein 'Programm' (ebd.) suggerieren, greifen sehr hoch; 17 Briefe, annähernd die Hälfte, sind nur mit der Angelegenheit der Berufung -> Irimberts von Admont (Gottfrieds Bruder) als Abt gleichzeitig nach Michelsberg (Bamberg) und nach Kremsmünster befaßt. Den Charakter dieser Sammlung von Geschäftsschriftgut macht allererst ihre Aktualität aus. Nicht nur wurden zahlreiche Briefe sehr bald nach ihrer Ausferti-

Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 629, 60 Bll. unterschiedlichen Zuschnitts vorwiegend aus Abfallperg., häufiger Wechsel der Hände (nach ZATSCHEK u. HÖDL mindestens 15) und Tinten, nicht selten im selben Stück. Geschrieben um 1150 (Lage 1), 1158/59 (Lage 2), 1160 (Lage 3), Ende 1162 (Lagen 4 — 8). Eingehende Beschreibung HÖDL, 1959, S. 352-376, u. Ausg., S. 12-16. Zur Datierung u. Entstehung der Hs. HÖDL, 1970, S. 166181. Bezugnahmen auf Briefe, die nicht vorhanden sind, und Überlieferung zugehöriger Stücke andernorts lassen die innere Unvollständigkeit der . B.' erkennen (dazu HÖDL, 1970, S. 163-166). Acht Briefe der . B.', sämtlich aus dem reichspolitischen Salzburger Teil, erscheinen, nach anderer Quelle, in -» Rahewins 'Gesta Friderici I.'. Eine Teilabschrift der . B.' liefert mit 36 Stücken die 'Große Hannoversche Briefhs.' (Hannover, Niedersächs. LB, Ms. XI 671, 16. Jh.) in ihrer 4. Abteilung (404r-484r); vgl. MARTIN, S. 329, 331-334 u. 341 f. A u s g a b e . G. HÖDL / P. CLASSEN, Die A.B. nebst ergänzenden Briefen (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6), 1983. L i t e r a t u r . F. MARTIN, Zwei Salzburger Briefslg.en d. 12. Jh.s, MÖIG 42 (1927) 313-342; H. ZATSCHEK, Stud, zur mal. Urkundenlehre. Konzept, Register u. Briefslg. (Schriften d. philos. Fak. d. dt. Univ. Prag 4), 1929, S. 124-134, 144 f.; G. HÖDL, Die A. B. 1158-1162, DA 25 (1969) 347470 u. 26 (1970) 150-199; J. W. BRAUN, Irimbert v. Admont, Frühmal. Stud. 7 (1973) 266-323, hier S. 292-311; G. HÖDL, Das Erzstift Salzburg u. d. Reich unter Kaiser Friedrich Barbarossa, Mitt. d. Ges. f. Salzburger Landeskunde 114 (1974) 37-55. F. J. WORSTBROCK

'Admonter Mariengebet' Dt. gereimtes Mariengebet (Inc.: Maria müter raine maget, seit dir din troutsun nihts uersaget, Expl.: der urevden sei mir

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Adolf von Essen — Aethicus Ister

uollaist der uater, der sun und der haiige gaist. Amen), überschrieben oratio ad sanctum mariam, in cod. 619, einer im 13. Jh. niedergeschriebenen lat. Predigtsammlung der Stiftsbibl. Admont, f. 98r. Das Nebeneinander älterer und jüngerer bair. Sprachmerkmale (z. B. alter Langvokal gegenüber neuem Diphthong oder Kurzvokal sogar im Reim) deutet ebenso wie die sehr schlichte Reimtechnik auf eine ältere Vorlage zurück, die wohl ins 12. Jh. zu datieren ist. Der Text umfaßt 130 in der Hs. abgesetzte Verse (65 Reimpaare). Der Anrufung Mariens (v. 2—5) folgt ein Sündenbekenntnis (v. 6—9). Den Großteil des Gedichts (v. 10—94) machen Fürbitten aus. Eine neuerliche Sündenklage (v. 95 — 103) leitet über zur Bitte um Beistand im Tode, der als sukzessives Versagen von Sprache und Sinnen und als Zustand der Hilflosigkeit gegenüber höllischen Geistern geschildert wird (v. 104—116). In den Schlußversen vertraut sich der anonyme Verf. dem Schutz Mariens an unter Hinweis auf die Worte, die Christus vom Kreuz an Maria und Johannes gerichtet hat (v. 117—130). Mehrere Formulierungen, so schon die Eingangsverse, haben Parallelen in der zeitgenössischen Gebetsliteratur. A u s g a b e . H. U. SCHMID, Ein mhd. Reimgebet aus Admont, in: Studia Linguistica et Philologica, Fs. K. Matzel, 1984, S. 275-283.

HANS ULRICH SCHMID 'Admonter Perikopen' kopen der Passion'

'Evangelien-Peri-

Adolf von Essen [Korr.] Bd. l, Sp. 67, Petitabsatz: "Mainz, StB, cod. 322" korr.: ..., Hs. 1322. Sp. 68: Nr. 7 "Mainz, StB, cod. 300" korr.: ..., Hs. I 300.

Adolf von Wien [Nachtr./Korr.] Bd. l, Sp. 69 zu Überl. ergänze: Weitere Hss. bei K. LANGOSCH, in: Gesch. der Textüberl. II, 1964, S. 175 Anm. 242; ferner Ottobeuren, cod. O. 82, 167r-194v, um 1444. Sp. 71 Z. 28: "FISCHER, Stud. A 7" korr.: FISCHER, Märendicht., A 7.

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'Adrianus und Secundus' ->· 'Secundus' [NB] Adso von Montier-en-Der -> Albuinus Eremita Aernt van Utrecht -» 'Boec van medicinen in Dietsche' Aesopus -» Äsop [NB] Aethicus Ister 1. Der A u t o r . Aethicus ist der Name des fiktiven Verfassers einer Kosmographie, die angeblich von dem Kirchenvater Hieronymus aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt und redigiert worden ist. Dies besagt der ziemlich einheitlich überlieferte Titel des Werkes: Incipit liber Ethico translate philosophico edito oraculo Hieronimo presbytero dilatum ex chosmografia id est mundi scriptura. In der Forschung hat sich der Beiname 'Ister' eingebürgert, der auf die Herkunft des Autors aus Istrien verweist. Sicher ist, daß es keinen griechischen Philosophen Ae. gegeben hat, der eine Weltbeschreibung verfaßt hätte, und daß der Kirchenvater Hieronymus nichts mit dem Werk zu tun hat. Es handelt sich bei diesen Angaben vielmehr um eine doppelte Fiktion, die auf ein und denselben anonymen Verfasser zurückgeht, der um die Mitte des 8. Jh.s wahrscheinlich im Umkreis der fränkischen Hofgeschichtsschreibung zu suchen ist. Es hat verschiedene Versuche gegeben, den offenbar um Anonymität bemühten Autor zu identifizieren, ohne daß eine der Thesen vollständig überzeugen konnte (s. u. 6.); daher gibt man sich heute mit den spärlichen Hinweisen im Text selbst zufrieden. Die zweimalige Erwähnung Istriens als Heimat des Autors scheint der Realität zu entsprechen, da der Anonymus Geographie und Geschichte der östlichen Adriaküste und der Ionischen Inseln offenbar gut kennt. In der Subscriptio wird er als Skythe aus vornehmer Familie bezeichnet, doch ist seine ethnische Herkunft damit nicht schon näher bestimmt, da der Name 'Skythe' damals als Sammelbegriff

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Aethicus Ister

für Völker auf dem Balkan und in Südrußland benutzt wurde. Sicher war er sprachlich und kulturell mit griechischer und römischer Tradition vertraut, bevorzugt jedoch deutlich den griechisch-byzantinischen Kulturraum (PRINZ, Ausg., S. 50 f.; BRUNHÖLZL, 1969, S. 87-89). Sein schwieriges Vulgärlatein zeigt galloromanische Elemente (PRINZ, Ausg., S. 17f.). 2. D a t i e r u n g . Die Abfassungszeit der 'Kosmographie' läßt sich aus Quellenbeziehungen und anderen literarischen Indizien ungefähr erschließen. Da der Autor mit seinen Quellen indes sehr frei umgeht, sie auch zu vertuschen sucht, gehen die Meinungen über Abhängigkeiten beträchtlich auseinander, reichen von der Annahme einer Überfülle benutzter Quellen (HILLKOWITZ, 1973) bis zu weitgehender skeptischer Reserve (BRUNHÖLZL, 1969). Der überwiegende Teil der Forschung neigt seit B. KRUSCH (MGH SS rer. Merov. 7, 1919/20, S. 517 ff.) der Verbindung der 'Kosmographie' mit der Historiographie im Umkreis des fränkischen Hofes zu. Daraus ergeben sich als Orientierungsdaten die Jahre 751 und 768 (Abschluß der 2. und 3. Fredegar-Fortsetzung). Zu einer möglichen Entstehung der 'Kosmographie' bereits vor 763 s. PRINZ, Ausg., S. 47 f. 3. Form und I n h a l t . Die 'Kosmographie' des Ae. beginnt mit einer von der biblischen Schöpfungsgeschichte beeinflußten Kosmogonie und einer Erörterung der Position der Erde im Universum. Der anschließende ausführliche geographische Teil bedient sich der Form einer abenteuerlichen Reisebeschreibung, nach der der griechische Philosoph Aethicus selbst den gesamten Erdkreis bereist hat. Der anonyme Autor läßt Hieronymus die Weltbeschreibung des heidnischen Philosophen teils getreu übersetzen, teils paraphrasieren und kommentieren. Entsprechend wählt er zwei Stilebenen: die angeblich wörtlich übersetzten Passagen stehen in einem pathetischen, bewußt dunklen, bis ins Unverständliche gehenden Latein; die Paraphrasen und Kommentare des Hieronymus, der größere Teil des Werks, sind dagegen möglichst der Schreibart des historischen Kirchenvaters, insbesondere

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der seiner Briefe, angeglichen (HERREN, 1989). Der Redaktor zensiert das heidnische Werk, das Unerhörtes und nie Gesehenes biete, im christlichen Sinne und empfiehlt, die 'Kosmographie' als eine Ergänzung zur Bibel zu betrachten, die das beschreibe, was sich nicht bei Moses und im AT finde. Die Reisebeschreibung, der eigentlich geographische Teil, folgt keiner festen Route. Der Kosmograph bereist ganz Europa vom Süden bis zum Polarkreis, dringt bis zum Kaspischen Meer und zum Kaukasus vor, besucht den Balkan und Kleinasien. Der übergangene Rest der Welt wird kursorisch nachgetragen. Fast unerwähnt bleiben Italien und Gallien, besonderes Interesse gilt dagegen den Inseln des Mittelmeeres. Ein eigenes Kapitel (V, S. 142 — 150) ist verschiedenen Schiffstypen gewidmet. Lobend hervorgehoben werden Griechenland mit Athen und Mazedonien mit Alexander d. Gr., und ausführlich handelt der Kosmograph über die Skythen und die kaukasischen Völker. Den Abschluß bildet ein Kapitel über die Entstehung von Wind und Wasser sowie ein Geheimalphabet des Ae., das schon früh eigenes Interesse erregte (PRINZ, S. 78 f.).

4. Quellen. In der seit der grundlegenden Arbeit von HILLKOWITZ (1934) erörterten Quellenfrage hat PRINZ (Ausg., S. 22-28) 1993 ein vorläufiges Resümee gezogen: Sprachlich wirksam sind vor allem die Bibel und — noch unzureichend untersucht — Glossare; inhaltliche Hauptquelle sind die durchgehend benutzten 'Etymologiae' -» Isidors [NB], daneben Augustinus Hibernicus ('De mirabilibus s. scripturae'), ->· Hieronymus, Orosius, die 'Revelationes' des PS. -» Methodius [NB], fränkische Geschichtsquellen. Keine der bekannten Quellen erklärt jedoch Wesentliches der Konzeption des Werks. 5. Sprache. Die Sprache der 'Kosmographie' (zusammenfassend: PRINZ, Ausg., S. 28—44) entspricht orthographisch und mit ihren morphologischen und syntaktischen Verwirrungen dem Zustand des Lateins zu Beginn des 8. Jh.s. Ihr eigentliches Charakteristikum und zugleich das größte Verständnisproblem sind die Neologismen. Bei den neuen Wortbildungen ist der Einfluß des Griechischen hervorzuheben. Hibernismen sind nicht nachzuweisen (SCHMEJA).

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'Afra' — 'Agatha von Catania'

6. F o r s c h u n g . Nachdem Mitte des 19. Jh.s die Figur des angeblichen Vermittlers Hieronymus als Fiktion erkannt wurde, rückte die Frage nach dem Verfasser und der Entstehungszeit in den Vordergrund der Forschung. Für die Datierung des Werks ins 8. Jh. wurde KRUSCHS Nachweis einer Benutzung fränkischer Hofgeschichtsschreibung entscheidend (s. o. 2.). Um die Identifizierung des Autors bemühte sich nach einer Reihe tastender Vorschläge (vgl. PRINZ, Ausg., S. 5 f.) nachdrücklich 1951 LÖWE; er suchte nachzuweisen, daß der aus Irland stammende Abt und Bischof Virgil von Salzburg der Autor der 'Kosmographie' sei und ihm sein Streit mit Bonifatius über die Antipoden den Anlaß zur Abfassung gegeben habe. Gegen LöWES These wandten sich 1959 DRAAK und 1969 BRUNHÖLZL, die beide aber auch die Benutzung fränkischer Geschichtsquellen in der 'Kosmographie' bestritten. Gegen Virgils Autorschaft sprachen sich 1982 TRISTRAM, 1992 SCHMEJA aufgrund sprachlicher Untersuchungen der angeblichen Hibernismen aus, zuletzt, nach erneuter Unterstützung LÖWES durch STELZER, 1993 auch PRINZ (Ausg., S. 6 f. u. 13 f.). Inhaltlich wurde der 'Kosmographie' in der Forschung im allgemeinen kein besonderer Wert beigemessen. Sie läuft unter den Kuriosa der bewußten Fälschungsliteratur (HERREN) und unter der Gattung des literarischen Reiseberichts, der auf unterhaltsame Weise eine rudimentäre Geographie vermittle (TRISTRAM). Zu einem abweichenden Urteil kommt neuerdings D'ONOFRIO, der in der doppelten Fiktion der 'Kosmographie' — heidnischer Autor und christlicher Redaktor — den genialen Versuch sieht, antike Philosophie und christliche Lehre in nahezu perfekter Harmonie zu präsentieren. Ü b e r l i e f e r u n g . 29 Voll-Hss. und Fragmente des 8. bis 16. Jh.s, davon 4 des 8. und frühen 9. Jh.s; weitere 5 Hss. mit Exzerpten. Jüngste Zusammenstellung bei PRINZ, Ausg., S. 53 — 69. A u s g a b e n . A. o'AvEZAC, Memoire sur Ethicus et sur les ouvrages cosmographiques intitules de ce nom, in: Memoires presentes par divers savants a l'Academie des Inscriptions et Belles-lettres, I. ser., tome 2, Paris 1852, S. 230-551 (Text S. 455-

551); H. WUTTKE, Cosmographia Aethici Istrici ab Hieronymo ex Graeco in Latinum breviarium redacta, Leipzig 1853, S. 1-136; O. PRINZ, Die Kosmographie des Ae. (MGH Quellen zur Geistesgesch. d. MAs 14), 1993, S. 87-244 (zit.). Zu den Teilausgaben s. PRINZ, S. 72. L i t e r a t u r . Bibliographie bis 1992 bei PRINZ, Ausg., S. 82—84. — K. HILLKOWITZ, Zur Kosmographie des Ae., Teil I, Diss. Bonn 1934; Teil II, Frankfurt a. M. 1973; H. LÖWE, Ein lit. Widersacher des Bonifatius. Virgil von Salzburg u. die Kosmographie des Ae. L, in: Abhh. d. Ak. d. Wiss. u. d. Lit. in Mainz, Geistes- u. sozialwiss. Kl., Nr. 11, 1951, S. 903-988; M. DRAAK, Virgil of Salzburg versus Ae. L, in: Dancwerc opstellen aangeboden aan Prof. Dr. D. Th. Enklaar ter gelegenheid van zijn 65. verjaardag, Groningen 1959, S. 33—42; F. BRUNHÖLZL, Zur Kosmographie des Ae. L, in: Fs. M. Spindler, 1969, S. 75-89; H. LÖWE, Die 'Vacetae insolae' u. die Entstehungszeit der Kosmographie des Ae. L, DA 31 (1975) 1-16; R. R. GRIMM, Paradisus coelestis — Paradisus terrestris. Zur Auslegungsgeschichte des Paradieses im Abendland bis um 1200 (Medium Aevum 33), 1977, S. 99-104; O. PRINZ, Unters, zur Überl. u. zur Orthographie der Kosmographie des Ae., DA 37 (1981) 474-510; H. L. C. TRISTRAM, Ohthere, Wulfstan u. der Ae. L, ZfdA 111 (1982) 153-168; M.W. HERREN, Wozu diente die Fälschung der Kosmographie des Ae.?, in: A. LEHNER / W. BERSCHIN (Hgg.), Lat. Kultur im VIII. Jh., Traube-Gedenkschrift, Erzabtei St. Ottilien 1989, S. 145—159; H. SCHMEJA, Zur Latinität des Ae. L, in: M. ILIESCU / W. MARXGUT (Hgg.), Latin vulgaire — Latin tardif, Actes du IIIe colloque international sur le Latin vulgaire et tardif [Innsbruck 1991], Bd. 3, 1992, S. 293-305; W. STELZER, Ein Alt-Salzburger Fragment der Kosmographie des Ae. I. aus dem 8. Jh., MIÖG 100 (1992) 132-149; G. D'ONOFRIO, La Cosmographia di Etico Ister, in: ders., Storia della Teologia nel Medioevo, Bd. l, Casale Monferrato (AL) 1996, S. 79-82 u. 103f.

DAGMAR GOTTSCHALL 'Afra' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 74, nach Lit. ergänze: 10 Legendarfassungen und 6 eigenständige Prosafassungen der Legende verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, S. 386.

'Agatha von Catania' Deutsche Legenden. A. ist eine der kultmäßig bedeutendsten frühchristlichen Heiligen. Die Passio der

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'Ägidius' — 'Aiol'

sizilianischen Jungfrau gehört zum Grundbestand eines jeden Legendars per circulum anni. Aus dem deutschsprachigen Raum sind vier nicht zum Grundbestand von dt. Legendaren gehörige Prosaversionen des 15. Jh.s überliefert, deren Quellen z. T. erst noch zu klären sind. 1. Eine mfrk. Version ist in der Hs. 645, 95r—101V, der ehemaligen Neustädter Gymnasialbibl. in Prag (aus dem Trierer Raum; heutiger Aufbewahrungsort unbekannt), überliefert. Quelle ist die 'Legenda aurea' des -> Jacobus a Voragine. A u s g a b e . J. STROHSCHNEIDER, Eine mfrk. Agnes-Legende, Progr. Prag 1893, S. 16-22.

2. In der Hs. Engelberg, Stiftsbibl., cod. 240, 179vb-180va, ist eine hochalem. Übersetzung enthalten. Inc.: Sant Agatha die was edel vnd ein so aller hupscheste maget ... 3. Eine weitere hochalem. Version findet sich in Basel, ÜB, cod. G2 II 58, 239V249v, im Kontext einer Hs. des Predigtbuchs des Priesters -» Konrad. Inc.: In sicilia dem lande in der stat Kahmensium ... 4. In der Hs. Fulda, Hess. LB, cod. Aa 129, 311r-314v, steht im Anhang einer Auswahl aus 'Der ->· Heiligen Leben' eine A.-Legende. Inc.: Agatha die heylige jungfrauwe die was von hohen gesiecht geborn ... L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 386 (Reg.).

WERNER WILLIAMS-KRAPP Agatha vom Stain Lieder'

'Söflinger Briefe und

'Ägidius' [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 75 Überl.: "14 Pergamentdoppelbll." korr.: 4 Pergamentdoppelbll. (Sign.: Mappe X, Fragm. Nr. 14). Sp. 76 zu Lit. ergänze: M. FÜHLES, Der 'Trierer Ägidius'. Ein Beitrag zur Formgesch. frühmhd. Legendenepen, Diss. Bonn 1972. Ergänze ferner: Fragmente einer unbekannten 'Ä.'-Verslegende enthält München, cgm 5249/13 a, Perg.-Doppelbl., ostschwäb., 3. Viertel 14. Jh.; vgl.

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K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (Cgm 5249/1-79) (ZfdA Beiheft 1), 1996, S. 35 f.

Agius von Corvey [Korr.] Bd. l, Sp. 79 Z. 13: "Basel, ÜB, Frgm. II n. 31" korr.: ..., N I 2,31.

'Agnes' ('Agnes von Rom') [Nachtr.] Bd. l, Sp. 82 ergänze: Neben 22 Legendarfassungen insg. 8 eigenständige Prosafassungen der Legende verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 387 (unter 'Agnes von Rom'). Das Fragment einer bair.-österr. Verslegende beschrieben bei K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (Cgm 5249/ 1-79) (ZfdA Beiheft 1), 1996, S. 36 f. (München, cgm 5249/14a, 2. V. 14. Jh., lra-vb; verschollen).

'Agnes von Böhmen' [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 83 Z. 18: "Bamberger cod. E. VIII 19 (hist. 146)" korr.: ... Msc. Hist. 146 (olim E. VII. 19 [sie!]). Ebd. Z. 20: "Bamberg, SB, cod. E VII 56 (hist. 151)" korr.: ..., Msc. Hist. 151 (olim E. VII. 56). Zu zwei weiteren dt. Legenden vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 387.

Agricola, Rudolf [Korr.] Bd. l, Sp. 91 Z. 3/2 von unten: "Prag, ÜB, cod. lat. 502" korr.: ..., Narodni Knihovna, cod. III E 27 (Kat. Nr. 502).

'Aiol' Maasländisches Ritterepos, von dem etwa 800 Verse (von rund 10000) ganz oder teilweise erhalten sind. Sie stammen aus einer ndfrk. Hs., die um 1220—40 datiert wird. Zur Unterscheidung einer ebenfalls fragmentarisch erhaltenen flämischen Fassung wird dieses Werk auch 'Limburgischer A.' genannt. Es ist eine Übersetzung des frz. Epos 'Aiol et Mirabel', das kurz vor 1173 datiert wird, aber nur in einer Hs. aus dem 13. Jh. erhalten ist (Ausg.n NORMAND/REYNAUD, 1877; FOERSTER, 1876-1882). Der Stoff ist auch in zwei späteren italienischen und einer spanischen

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Alanus

Fassung überliefert. Ob sich der erhaltene frz. Text inhaltlich und formal mit dem Original deckt, ist umstritten (letzte Darstellung: FINET v. D. SCHAAF, 1990), doch stimmt der Handlungsverlauf der maasländischen Fassung mit jener der erhaltenen frz. überein. Ü b e r l i e f e r u n g . Leiden, ÜB, BPL 1049 und Brüssel, Kgl. Bibl., ms. IV 816. Die Hs., aus der die an verschiedenen Stellen entdeckten Fragmente stammen, wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s in der Bailei des Deutschritterordens zu Maastricht zerschnitten (CouN, 1995). A u s g a b e n . J. VERDAM, Oude en nieuwe fragmenten van den Mndl. A., Leiden 1883; J. DESCHAMPS / M. GYSSELING, De fragmenten van de Limburgse A., Studia Germanica Gandensia 8 (1966) 9-71 (mit sprachlicher Unters.); M. GYSSELING, Corpus van Mndl. teksten (tot en met het jaar 1300), Reeks II: Literaire handschriften, deel l, Fragmenten, Den Haag 1980, S. 311-332.

A., Sohn eines auf Drängen von Makaris zu Unrecht verbannten Vasallen, zieht zur Rehabilitation seines Vaters an den Hof Ludwigs des Frommen. Nach vielen Abenteuern befreit er eine heidnische Prinzessin, Mirabel, aus den Händen zweier Entführer. Sie wird getauft. Während der Hochzeitsfeier von A. und Mirabel überfällt Makaris das junge Ehepaar und läßt es in Lausanne einkerkern. Dort kommt Mirabel mit Zwillingen nieder. Diese werden von Makaris in die Rhone geworfen, aber von einem Edelmann, Thierri, gerettet, der mit den Kindern bei König Gratien von Venedig Zuflucht findet. Makaris liefert A. und Mirabel dem Vater Mirabels, König Mibrien, aus. A. wird von Räubern aus seinem neuen Gefängnis entführt und an Gratien verkauft, in dessen Dienst er Ansehen und Verdienste erwirbt und seine beiden Söhne wiederfindet. Mit Hilfe Ludwigs kann schließlich Mirabel befreit werden. Makaris wird gevierteilt, und Mibrien bekehrt sich. .' gehört zusammen mit den 'Servatius'-Fragmenten -> Heinrichs von Veldeke, dem -»· 'Trierer Floyris' und vielleicht auch den Fragmenten des -»· 'Niederfränkischen Tristan' zu den ältesten erhaltenen Zeugnissen der höfischen Versepik, die sich in den letzten Jahrzehnten des

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12. Jh.s im maasländisch-niederrheinischen Raum entwickelte. Die Verse (v. D. BERG, 1981 und 1983, sieht in den Verspaaren Langverse mit Binnenreim) haben reine Reime und sind fast durchgehend in jambischen Vierfüßlern verfaßt. Die Sprache verweist auf den heutigen dt.-ndl. Grenzraum bei Venlo (ÜESCHAMPS/GYSSELING, 1966; DE SMET, 1979). L i t e r a t u r . J. H. BORMANS, Fragment d'une ancienne traduction ou imitation en vers de la chanson de geste d'A., Bull, de l'Ac. Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique 32 (1863) 177-275; J. NORMAND / G. RAYNAUD (Hgg.), A., chanson de geste publiee d'apres le manuscrit unique de Paris, Paris 1877; W. FOERSTER (Hg.), A. et Mirabel und Elie de Saint Gille, zwei frz. Heldengedichte, 1876-1882; J. H. KERN, Collatie van de Limburgsche A.-fragmenten, TNTL11 (1892) 213-224; J. DESCHAMPS, De Limburgse A.fragmenten, Spiegel der Letteren l (1956—57) 1 — 17; G. DE SMET, Ostmaasländische epische Poesie um 1200, in: Stud, zur dt. Lit. des MAs, hg. v. R. SCHÜTZEICHEL, 1979, S. 149-162; E. v. D. BERG, De versifikatie van de vroegste Mndl. epiek en de vroegmiddeleeuwse Hoogdt. traditie, De nieuwe taalgids 74 (1981) 481-489; ders., Mndl. versbouw en syntaxis, Utrecht 1983, S. 169—175; B. FINET v. D. SCHAAF, Etüde comparee d'A., chanson de geste du Xlle siecle et des fragments d'A. en moyen-neerlandais, these de 3e cycle, Paris, Sorbonne 1987; dies., Les deux adaptations de la 'Chanson d'A.' en moyen-neerlandais et les versions italiennes et espagnole: une source commune?, Memorias de la Real Academia de Buenas Letras de Barcelona 21 (1990) 215-227; TH. COUN, De fragmenten van de Limburgse A. en de balije Biesen, in: Miscellanea Baliviae de Juncis (Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 2), Bilzen 1995, S. 123-142.

JAN GOOSSENS Alanus Alchemische Autorität. Mit dem Namen A. verknüpft sich ein unzureichend erfaßtes und nicht untersuchtes Alchemicacorpus, aus dem eine 'Lehre vom metallischen Wasser', 'Dicta de lapide philosophorum' und (irrtümlich) ein Brieftraktat 'Von der Elementenwandlung' die dt.sprachige Alchemieliteratur des SpätMAs bereicherten. 1. Verfasserfrage. Spätestens seit MAIER, 1617, bezog man einen Epitaphtext (13.

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Alarms

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Jh.), der -» Alanus ab Insulis (t 1203) galt, auf den 'Dicta'-Verfasser A. Diese unzutreffende Identifikation (A. ab Insulis hinterließ keine Alchemica) verband sich mit der Angabe, A. habe 1430 in Gallia gelebt (MAIER, S. 260f.).

kräftigen 'weißen' und 'roten Tinktur'. Zur Sprache gelangten mithin Doktrinen einer Hauptrichtung der spätmal. Transmutationsalchemie. Ein Abschnitt der 'Lehre' über eine bleifarbige bzw. bläuliche Arkansubstanz (lebendig element, wundersam stein, lebendig Aufgrund des Explicits der dt.sprachigen Textuswasser} fand Aufnahme im (auch dt.sprareceptus-Fassung (dat. 1512) gilt gelegentlich Jochig verbreiteten) 'Rosarium philosophohannes Gier als 'Dicta'-Urheber, doch zählte er zu rum' (R. ph. Ein alchemisches Florilegium den Tradenten (s. u. 3.)· Auch die Meinung, 'Dicta'Verfasser sei Albert Krantz (t 1517; so zuletzt BOE- des SpätMAs, hg. v. J. TELLE, 1992, Bd. l, REN, S. 114), bietet nichts als ein Fabulat. Faks. S. 88) und wurde von Hans -»· Folz Die Irrsale um A. beruhen v. a. auf Konfusionen im Spruchgedicht 'Vom Stein der Weisen' mit einem Alamannus bzw. Albanus; jedenfalls ist verarbeitet (TELLE, Zur Spruchdichtung die Annahme, A. sei mit einem frater bzw. magi..., 1992, S. 468 f.). ster Alemanus oder Hermanus von Böhmen identisch, einem angeblichen Verfasser eines alchemischen Lehrbriefs an Papst Bonifatius VIII. (THORNDIKE, Bd. 3, S. 53; BOHREN, S. 24; FRICK, S. Vif.), gänzlich ungesichert.

Überlieferungsgeschichte und inhaltliche Beschaffenheit der 'Dicta' weisen auf einen Verfasser, der spätestens im 15. Jh. wirkte; verläßliche Informationen über seinen Lebensgang und Wirkungsbereich fehlen. Seine Identität mit dem Verfasser der 'Lehre vom metallischen Wasser' ist ungewiß. 2. 'Lehre vom metallischen Wasser'. Ü b e r l i e f e r u n g . Lat.: Coburg, LB, Ms. Cas. 85, 141r-143r (15. Jh.): Alanus, liber compendiosus; München, clm 455, 119V~? (15. Jh.); zitiert bereits in einer -> 'Rosarium philosophorum'-Fassung v. J. 1417 (Leiden, ÜB, cod. Voss. ehem. F. 27). Dt. Übersetzung: Coburg, LB, Ms. Cas. 26, 192r-193r (15. Jh.: Inc.: wie Ms. Rom); Dresden, LB, Ms. N 175, 2 r -7 v {16. Jh.; Vollfassung, Inc. wie Ms. Halle); Halle, LB, Ms. 1/C a/2, 380v-383r (15. Jh.; bair.; Inc.: h aller liebsten brüder sucht mit ganczem fleiß vnd der forschent das wasser der metallen}; Heidelberg, cpg 635 (16 Jh.), Bl. 293: getickt vnd lere des meisters Albani; Rom, Bibl. Apost. Vaticana, cod. Vat. lat. 1329, 140r-143v (1430; Schlesien; Inc.: Eyn dinck czu dirwelen aws allen dingen, das ist eyner bleichen varbe).

Die Übersetzung entstand spätestens in der 1. Hälfte des 15. Jh.s. Gelehrt wird eine auf vnnsere[m\ mercurio (mercurius noster/arkanes Quecksilber), nicht auf dem Mercurio der leyen (mercurius vulgi/gewöhnliches Quecksilber) gegründete alchimey; Ziel ist der Gewinn einer wandlungs-

3. 'Dicta de lapide philosophorum'. Dictasammlung, die spätestens seit der 1. H. des 15. Jh.s (z. B. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 627 Heimst. [1444], 218rv) zum lat. Alchemicabestand zählte. Eine dt. Fassung, die 1512 von Johann Gyer/Gier (Köln) tradiert worden ist (überliefert im Druck von 1574 [s. u.]), bietet kein original (so BOEREN, S. 114), sondern wurde aus dem Lat. übersetzt. A b s c h r i f t e n (dt.): Amsterdam, Bibl. Philosophica Hermetica, Ms. M 104, Bl. 21-28 (1614; Druckabschrift); Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 4° Ms. ehem. 34, Fasz. 3, lr-8v, 35V (Exzerpt), (Ende 16. Jh.); ebd., 4° Ms. ehem. 41, nicht foliiert (1598 überarbeitet v. Daniel Struve); ebd., 4° Ms. ehem. 60, Fasz. 3, 87r-93r (Ende 16. Jh.); Leiden, ÜB, cod. Voss. ehem. Q. l, 45r-47r (um 1600). D r u c k e (dt.): Bernardus Trevisanus, Von der Hermetischenn Philosophia [...] Item/Dicta Alani, hg. v. M. TOXITES, Straßburg, Ch. Müller 1574, nicht paginiert (Editio princeps; Vorlage: Abschrift aus dem Besitz des Nürnberger Paracelsisten Heinrich Wolff); weitere Ausgaben: Straßburg, Ch. Müllers Erben 1582; Straßburg, A. Bertram 1586, 1597 und 1601; Elucidatio Secretorum, Frankfurt/ M., W. Richter für N. Stein 1602, S. 335-358 (auch: Frankfurt/M., N. Stein 1610); Opuscula chemica, hg. v. J. TANCKIUS, Leipzig, J. Rose 1605, S. 189—214; Bernhardus innovatus, hg. v. C. HÖRN, Nürnberg, W. Endter o. J. (1643), S. 475500; weitere Ausgaben: Nürnberg, J. D. Taubers Erben 1717, S. 303-319 (S. 320: A. Cranzius, Epitaphium Alant}; Nürnberg, J. P. Krauß 1746 und 1747 (S. 307: Dicta Alant/Von [...] Alano de Insulis}; Radix chimiae, o. O. 1680, S. 84-107; Der Hermetische Philosophus, Frankfurt—Leipzig, J. G. Grahl (Wien) 1709, S. 304-319; Chymisch-

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Alanus de Rupe — Mönch Albert

Unterirdischer Sonnen-Glantz, Frankfurt—Leipzig 1728, S. 152-168. A u s g a b e . BARKE, S. 434-442 (fehlerhafte Wiedergabe des dt. Erstabdrucks v. J. 1574; zit.). Lat. Ü b e r s e t z u n g . Jodocus Greverus, Secretum; et Alani [...] dicta De Lapide Philosophico, hg. v. JUSTUS A BALBIAN, Leiden, Officina Plantiniana für Ch. Raphelengius 1599, S. 47—63 (nach Vorlage der Gyerschen Fassung). — Weitere Abdrucke dieser Übers, in: Theatrum chemicum, Bd. 3, C. Sutor (Ursel) für L. Zetzner (Straßburg 1602); auch Straßburg 1613; Straßburg, L. Zetzners Erben 1659, S. 722—729. — Eine hs.liehe Fassung: London, British Library, Sloane MS. 1255 (aus dem Besitz Balbiaens), 234V-239V, 274v-275 (dat. 1588; BRAEKMAN, S. 93 f.).

Die Sprüche sind Hauptautoritäten der spätmal. Alchemic beigelegt (Rasis, ->· Geber, -» Senior Zadith, Calid, Avicenna, Aristoteles, Rednern der ->· 'Turba philosophorum') und gelten einer Philosophey (Alchemic), die auf der Basis von Mercurius, Sol (Gold) und Luna (Silber) auf den Gewinn einer Arkansubstanz (Stein) zielte, die 'unvollkommene Körper' (corpora imperfecta) in 'Vollkommenheit' wandelt. Der 'Dicta'-Urheber ließ sich von der üblichen Forderung leiten, daß die sucher der Kunst Alchemey Gold und Silber durch eine laborantische widerbringung (reductio) in ihr erst wesen (prima materia), nämlich in Mercurium (auch: ein ding/una res; schnödes ding/res vilis), zu überführen habe, um dann aus diesem primordialen Mercurius den Stein zu gewinnen. Der Kompilator zeigt sich als ein entschiedener Mercurialist, hatte mithin einer Hauptrichtung der spätmal. Transmutationsalchemie seine Feder geliehen. 4. 'Von der Elementenwandlung'. Lehrbrief über die Vier-Elemente-Alchemie ('De rotatione/conversione/transmutatione elementorum'). Die Zuschreibung an A. (vgl. THORNDIKE, Bd. 3, S. 140) ist sekundär und beruht auf Namenkonfusion. Ü b e r l i e f e r u n g . Lat. z.B. Coburg, LB, Ms. Cas. 85, 113r-116v (15. Jh.). - Dt.: Halle, LB, Ms. 1/C a/2, Bl. 358-364 (15. Jh., bair.); Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 4° Ms. ehem. 34, Fase. 3, 37v-(?) 39V (Ende 16. Jh.). - Der Text war manchen lat. Hss. zufolge von John of Dumbleton/

Dombelay an den Trierer Erzbischof -> Kuno von Falkenstein gerichtet. Druck (dt.): Rotatio elementorum. Vmbkehrung der Element, in: Promptuarium Alchemiae Ander Buch, Leipzig, H. Grosse 1614, S. 1-18. L i t e r a t u r . M. MAIER, Symbola aureae mensae duodecim nationum, Frankfurt/M. 1617, S. 259— 262; L. THORNDIKE, A History of Magic and Experimental Science, New York 1934, Bd. 3, S. 53, 139 f.; Bd. 4, S. 338 f.; P. C. BOHREN, Codices Vossiani Chymici (Bibl. Universitatis Leidensis. Codices Manuscript! XVII), Leiden 1975; K. R. H. FRICK, Einleitung, in: J. TANCKIUS, Promptuarium Alchemiae (Fontes Artis Chymicae, Bd. 4), Graz 1976, S. V-XXXI; W. L. BRAEKMAN, Joos Balbiaen, dokter, alchemist en legerkapitein tijdens de Gentse Calvinistische Republiek (1576-84), Handelingen der Maatschappij voor Geschiedenis en Oudheidkunde te Gent, Niewe Reeks 40 (1986) 85—95; J. BARKE, Die Sprache d. Chymie. Am Beispiel von vier Drucken aus d. Zeit zwischen 1574— 1761 (Reihe German. Linguistik 111), 1991, S. 48-54; J. TELLE, Zur Spruchdichtung 'Der Stein der Weisen' v. Hans Folz, in: Der Buchstab tödt — der Geist macht lebendig, Fs. H.-G. Roioff, hg. v. J. HARDIN u. J. JUNGMAYR, Bd. l, Bern 1992, S. 459-484, dort S. 468 f.

JOACHIM TELLE Alanus de Rupe [Nachtr.] Bd. l, Sp. 105 zu 3. b) ergänze: Das 'Magnum Psalterium Trinitatis' ist auch in dt. Übers, überliefert: Prag, Närodni Knihovna, cod. XVI F 7,10 127r (vgl. W. DOLCH, Katalog der dt. Hss. der k. k. off. u. ÜB zu Prag, Prag 1909, S. 64f.).

'Albanus' [Korr.] Bd. l, Sp. 106 Überl.: Berlin, mgq 665 befindet sich jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska.

Albert = Albertus Albertus -» Suho, Albert

Mönch Albert (Albertus monachus) OCist Verfasser einer lat. Weltchronik. 1. P e r s o n . Der schon Johann Cuspinian als Geschichtsschreiber bekannte Albertus monachus wurde in der älteren Forschung mit

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Mönch Albert

einem Albert von Siegburg, von KLEIN (1914), ZAORAL (1970) und SPRANDEL (1990) mit dem Kölner Notar Albert Stuten identifiziert, bis ENGELS zeigen konnte, daß dieser Albert Stuten schon verstorben war, als sich der Mönch A. am 22. 2. 1458 im Autograph seiner Weltchronik noch einmal bekundete. Denkbar ist die Identität mit einem im Memorienbuch von Heisterbach genannten Albert de Siberg, diaconus, der am 31. 7. 1483 verstorben sei. Sicherlich war Albert Zisterzienser und hat 1454 seine Chronik in Heisterbach abgeschlossen, ist mit ihr in das Kloster Saar übergewechselt und hat dort weiter an ihr gearbeitet. Ob er dort geblieben oder zurückgekehrt ist, läßt sich nicht sagen. 2. Die C h r o n i k . Ü b e r l i e f e r u n g . Hs. A (Autograph): Brunn, Staatsarchiv, E6, c. He 50, aus Saar. Hs. B: Wien, cod. 3409. A u s g a b e . R. SPRANDEL, Die Weltchronik des Mönchs A. 1273/77-1454/56 (MGH SS rer. Germ. NS 17), 1994.

Die Weltchronik ist sowohl in ihrem kompilierten Teil als auch in dem eigenständigen von Interesse. A. versteht sich als Fortsetzer einer Chronik, die bei Gregor XI. (1370-1378) abbricht und die sich als Kölner Weltchronik, ihrerseits eine ->· Martin von Troppau-Fortsetzung, identifizieren läßt. Er beginnt mit einer Abschrift Martins von Troppau und ergänzt dessen Papst-Kaiserchronik im Papstteil mit Texten von Bernhard Gui und indirekt von -» Heinrich von Herford, im Kaiserteil mit der Kölner Bischofschronik, mit Texten von -» Gottfried von Viterbo und von -»· Ottokar von Steiermark. In der Fortsetzung von Gregor XI. bis zum Konstanzer Konzil greift A. hauptsächlich auf Gobelinus -» Person zurück. Bei der Verarbeitung dieser Vorlagen läßt er ein kirchenreformerisches und kurienkritisches Anliegen, das dann auch die selbständigeren Teile der Chronik prägt, erkennen. Diese selbständigeren Teile haben gelegentlich anekdotischen Charakter. An einer Stelle scheint man sogar auf ein Anekdotenbuch über Kaiser Sigismund zu stoßen (Ausg., S. 21).

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Außerdem dürfte eine Dekretensammlung des Konstanzer und Basler Konzils sowie schließlich eine Programmschrift aus der Umgebung Felix' V. benutzt worden sein. In Saar überarbeitete A. die Chronik, insbesondere den Kaiserteil, für den ihm wohl erst hier die dt. Reimchronik des Ottokar zur Verfügung stand. An den Schluß des Papstteils wird der Anfang des Pontifikats Calixts III. (8. 4. 1455), an den Schluß der Kaiserchronik eine Briefzeitung angehängt, die 1456 aus Belgrad abgesandt und von Ulrich von Rosenberg — wohl an das Kloster Saar — vermittelt wurde. Dieser Brief wird dann noch von Notizen ergänzt, die auf Briefzeitungen zurückgehen, welche nach der Schlacht vom Amselfeld 1389 in verschiedene Richtungen gesandt wurden. Mit verschiedenen Beitexten zusammen wurde 1458 ein Codex hergestellt, den dann wohl in Saar ein tschechischer Mönch abschrieb. Zu den Veränderungen gehört eine Erweiterung des Papstteils um ein Leben Jesu aus Siccardus von Cremona. Diese Abschrift gelangte über verschiedene Besitzer, darunter Cuspinian, in die Wiener Hofbibliothek. Obwohl sich A. indirekt als Fortsetzer der Kölner Weltchronik bezeichnet, gehört sein Werk einer anderen Gattung an. Während die Kölner Weltchronik zu den Fortsetzungen Martins von Troppau aus regionaler Sicht zu zählen ist, macht A. aus der Kompilation teilweise regional begrenzter Vorlagen ein universalistisches Werk, das sich den Daten- und Geschichtenhandbüchern zuordnen läßt, wie sie im endenden MA mehrfach verfaßt wurden. L i t e r a t u r . C. KLEIN, Die Chronica Martiniana des Kölner Notars Albert Stuten, phil. Diss. Berlin 1914; P. ZAORAL, Prispevek ke knihovne a skriptoriu klastera ve Zdäre v 15. stolen, Studie o rukopisech 9 (1970) 79-100; R. SPRANDEL, Schwankende Geschichtsbilder. Die Kölner Weltchronik (bis 1386) u. die Weltchronik des Albert Stuten (bis 1456) in ihrem historiographischen Umfeld, DA 46 (1990) 132-163; O. ENGELS, Albert von Siegburg oder Albert Stuten? Beobachtungen zu einer Weltchronik des 15. Jh.s, in: Studien zum 15. Jh. (Fs. für E. Meuthen), 1994, Bd. 2, S. 763-779; R. SPRANDEL, Chronisten als Zeitzeugen, 1994, S. 104-122 u. 273-276.

ROLF SPRANDEL

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Albertus de Constancia — Albert von Dießen

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Albertus de Constancia

beweisen, daß die Hauptquelle von A.' lat. Außer der Namensnennung im Prolog Chronikredaktion eine Fassung der -» seines 1427 überlieferten einzigen Werkes 'Kaiserchronik', und zwar eine Hs. der (166r: frater albertus de Constantia indig- Gruppe B war (VIZKELETY, 1994). Einige nus et inutilis studens) besitzen wir keine Gemeinsamkeiten zeigt die Übersetzung jeAngaben über den Autor, die wir mit Si- doch auch mit der Wolfenbütteler Hs. cherheit auf ihn beziehen könnten. Mögli- (Nr. 3 in E. SCHRÖDERS Ausg. der 'Kaisercherweise ist er mit dem in der Wiener chronik'), die eine Mischredaktion aus den Universitätsmatrikel am 14. April 1421 ge- Fassungen A und C vertritt. Der lat. Text nannten Albertus de Chanstancia iden- weicht von der einzigen bislang bekannten tisch. Der von Johannes Cuspinianus ge- lat. Übersetzung, die in einer ehemals nannte Magister Albertus (Albrecht Graf Zwiefaltener Hs. (heute: Stuttgart, Württ. von Hohenberg, Bischof von Straßburg, LB, cod. hist. fol. 411) fragmentarisch vorf 1359), dem Cuspinianus die Chronik des liegt, grundsätzlich ab. A. war bestrebt, seiner dt. Vorlage, die -» Matthias von Neuenburg zuschrieb, der Elemente mündlicher Überlieferung aufeine Zeitlang Konstanzer Domherr war, weist, eine lat. Prosaform zu geben, die kann kaum mit A. de C. identisch gewesen dem in seinem Prolog beanspruchten sein. sdenfw-Begriff entspricht. Er ließ legenÜ b e r l i e f e r u n g . Die Sammelhs. Cod. Lat. 519 darische Einschübe (Konstantin-Silvesterder Szechenyi-Nationalbibl. Budapest stammt aus Legende, Crescentia-Erzählung), Kampfder ehemaligen Benediktinerabtei Millstatt (124r: und Schlachtschilderungen fallen, Partien radierter Besitzervermerk). Als Schreiber nennt jedoch, die heidnische Verstocktheit, Gottsich Oswald von Feistritz (1427), von dem auch losigkeit, Grausamkeit illustrieren, behielt zwei Grazer Hss. stammen und der einer der letzer bei, vermehrte sie sogar stellenweise. ten Bibliothekare des Stiftes gewesen sein dürfte (MAIROLD, 1980). Die Hs. enthält der heutigen Dialoge wurden in abhängige Rede aufgeReihenfolge nach die 'Historia Troiana' des Guido löst, der Forderung des docere dienen einde Columnis (l r —123"), von Johannes de Abdegestreute Dicta. Einige Zutaten, z. B. die nago drei 'Libelli' über Salomon (124r-158v; VizOrtsangabe des Sieges des Bayernherzogs KELETY, 1990), eine Sentenzensammlung (Incipiunt Adaiger über Kaiser Severus, weisen auf r V auctoritates per optime, 159 — 165 ) und die Chrodie Benutzung anderer Quellen. nik des A. de C. (Incipit Cronica Kegum et Imperatorum, 166r—192V). Beim Neubinden der Hs. vor 1838 wurde die ursprüngliche Reihenfolge der Stücke zerstört; dem erhaltenen, von dem Schreiber Oswald zusammengestellten Register nach stand die Chronik an dritter Stelle, vor der 'Historia Troiana' (VIZKELETY, 1983).

L i t e r a t u r . M. MAIROLD, Die Millstätter Bibliothek, Carinthia I 170 (1980) 87-103; A. VIZKELETY, Eine lat. Übers, d. 'Kaiserchronik', in: I. REIFFENSTEIN (Hg.), Beitr. zur Überlieferung dt. Texte d. MAs. Referate d. 8. Arbeitstagung österr. Hss.-Bearbeiter [...] (GAG 402), 1983, S. 25-40; ders., Maria, Thron Salomonis. Bildbeschreibung einer Millstätter Hs. von 1427 in der SzechenyiNationalbibl. von Budapest, Carinthia I 180 (1990) 275—284; ders., Eine lat. Fassung d. 'Kaiserchronik', in: A. SCHWOB (Hg.), Editionsberichte zur mal. dt. Lit., Beitr. d. Bamberger Tagung 'Methoden u. Probleme der Edition mal. dt. Texte' [...] (Litterae 117), 1994, S. 341-345.

Das Werk des A. de C. ist eine lat. Prosachronik (Cronica Kegum et Imperatorum), deren Stoff er in quadam cronica wlgari in thewtunico rigmice composita gefunden hatte. Aus dieser Vorlage hat er, multis pauca eliciens, eine Auswahl getroffen, quia gaudent brevitate moderni, und das Ausgewählte stilo incompto et simplici ANDRAS VIZKELETY ins Lateinische übersetzt. Die Chronik bietet eine nach den Herrschern gegliederte Zusammenfassung der römischen und Albert von Dießen [Korr.] deutschen Geschichte von Aeneas bis Bd. l, Sp. 122 Z. 3: Die Hs. 104 des Hist. VerFriedrich L; am Schluß wird der Tod Fried- eins von Oberbayern befindet sich in München, richs II. erwähnt. Inhalt und Gliederung Stadtarchiv.

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Albert von Sachsen

Albert von Helmstedt (von Rickmersdorf) -*· Albert von Sachsen [NB]

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art. 1358, Rektor 1363) und erscheint später u. a. als sein bischöflicher Vogt in Schlanstedt (um 1375). Nach alter mündliAlbert von Hohenberg -» Albrecht von cher Überlieferung hat A. seine höheren Haigerloch Studien in Magdeburg begonnen, wo übrigens 1341 eine berühmte Hs. der 'Summa Albert von Münsterberg -» 'Augsburger logicae' Wilhelms von Ockham (CamCantionessammlung' [NB] bridge, Gonville & C. College, cod. 4647 571) angefertigt wurde, so daß er schon Albert von Osnabrück -* Suho, A.; auch früh mit dem internationalen Standard in ->· 'Ave praeclara maris stella' [NB] der Philosophie vertraut geworden sein könnte; eine Fortsetzung dieser Studien in Albert von Sachsen (auch: von Helmstedt, Erfurt ist wahrscheinlich, aber nicht belegt, während die erst 1348 gestiftete Univ. von Rickmersdorf) Prag entgegen einer langen biographischen Bedeutender Philosoph des Pariser No- Tradition aus chronologischen Gründen minalismus mit wirkmächtigem CEuvre, hierfür sicher nicht in Betracht kommt. Gründungsrektor der Univ. Wien, Bischof Gemäß einer späteren Urkunde war A. ofvon Halberstadt (14. Jh.). fenbar schon in seiner Jugend Presbyter seiner Heimatdiözese; einem Orden hat er A. Leben. aber sicher nie angehört, obwohl er später Mit Ausnahme der ersten Zeit nach den Pariser von Augustinern, Dominikanern und FranJahren ist A.s Vita ab Beginn seiner akademischen ziskanern oft beansprucht wurde. Karriere urkundlich außerordentlich gut belegt, für Etwa um die Mitte der 1340er Jahre seine Jugend gibt es hingegen nur wenige Hindürfte A. nach Paris gegangen sein, wo er weise. Hauptquellen: Auctarium chartularii Universitatis Parisiensis, Bd. l, Paris 1894, Sp. 149— endlich in urkundlichem Licht erscheint: Er absolvierte zwischen März und Juli 275; Urkunden für die Wiener Zeit nur verstreut 1351 an der Artistenfakultät die drei Stuvorhanden; Urkb. d. Hochstifts Halberstadt, Bd. 4, fen zum Magisterium, jeweils unter einem 1889, S. 85-333. Angeregt von DUHEM, 19061913, bes. I, S. 3-7 u. 319-338, liegen drei umMag. Albertus de Bohemia, der nicht einfangreichere Standardbiographien vor (HEIDINGSdeutig identifizierbar ist; vielleicht war es FELDER, 1921, S. 1-51; 21927, S. 1-49; SÄNGE, der späterhin berühmte -» Adalbert Ran1932; SARNOWSKY, 1989, S. 11-71), in Details zukonis de Ericinio. Vom 19. 11. 1351 bis letzt ergänzt von BERGER, 1998, und hier unten. 12. 1. 1352 war er Prokurator (GeschäftsDas Geburtsjahr A.s ist entgegen der führer) der sog. Englischen Nation, der seit HEIDINGSFELDER, 1921, S. l f., übli- auch die Deutschen angehörten. 1352— chen Angabe '1316' unbekannt (vgl. BER- 1361 leitete er mindestens 74 GraduierunGER, Bibliographie, 1996, S. 143 f.); da er gen von 51 Studenten. 1353 ersuchte er um 1351 Pariser Magister artium wurde, muß Aufnahme in die Sorbonne und studierte er spätestens um 1330 geboren sein, sehr dann jahrelang auch Theologie, erwarb wahrscheinlich schon einige Jahre früher. aber keinen Grad; im selben (und nur in Geburtsort ist Rickmers- bzw. Rickensdorf diesem) Jahr war er Universitätsrektor. Im b. Helmstedt in Sachsen, Diöz. Halber- Sept. 1361 erhielt er schließlich die Universtadt. Schon zu Lebzeiten wurde A. zur sitätspfarre der hll. Kosmas und Damian, Unterscheidung von -* Albertus Magnus die es ihm ermöglichte, das ehrenvolle Albertus Novus, später auch Albertus Par- Amt des Rezeptors (Kassiers) seiner Navus und Albertutius genannt. Sein Vater tion zu übernehmen, welches er von Okt./ war Bernhard Rike (Reich, lat. Dives), Nov. 1361 bis mindestens 13. 2. 1362 innenach schon zeitgenössischer und durchaus hatte. Die folgenden Aufzeichnungen der glaubwürdiger Überlieferung ein Bauer; Prokuratoren der Englischen Nation bis sein Bruder Johannes machte ebenfalls zum 20. Sept. sind verloren, die letzten Paeine akademische Karriere in Paris (Mag. riser Belege vom 3. und 27. Nov. zeigen A.

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Albert von Sachsen

aber als schon abwesend; wohl kurz vorher, jedenfalls zwischen Febr. und Nov. 1362 hat er Paris also verlassen. Trotz vieler Krisen (Pest, Krieg, Aufstände) brachte Paris auch in jenen Jahren eine große wissenschaftliche Blüte hervor: Weitere bedeutende Philosophen sind Johannes Buridan als Nestor, Nikolaus Oresme, Themo Judäi von Münster i. W. und Dominik von Chivasso (-* Marsilius von Inghen wurde erst 1362, -> Heinrich von Langenstein erst 1363 Mag. art.), Theologen Johannes von Ripa, Johannes -» Kienkok u. a. Hermann Sculteti von Rottweil, der spätere Sekretär Herzog Rudolfs IV. von Österreich, war ein jahrelanger Kollege A.s an der Artisten- und Theologischen Fakultät, und auch -> Johannes von Hildesheim, der später ein kleines Gedicht auf die neue Univ. Wien verfaßte (s. d. B. U.3.), war zu der Zeit in Paris; 1361 besuchte -> Petrarca die Stadt. Von A.s Schülern wurden einige selbst wichtige Mitglieder der Univ.en Paris, Prag und Köln, zumindest einer (-> Burkhart von Reutlingen, vgl. -> Tütel, B.) dürfte zu den ersten Lehrern der Univ. Wien gehört haben (s. u. B. 1.4.b.); Pilgrim von Preußen war Hofastrologe des nachmaligen Königs Karl V. von Frankreich und an dessen Übersetzungsprojekt beteiligt (die 'Practique de astralabe' v. J. 1362, hg. u. übers, v. E. LAIRD / R. FISCHER, Pelerin de Prusse on the Astrolabe [Medieval & Renaissance Texts & Studies 127], Binghamton, N. Y. 1995).

Sehr wahrscheinlich ging A. von Paris nach Avignon, wo seit 28. 9. 1362 der neue Papst Urban V. regierte. Vielleicht schon ab 1363, sicher aber ab April 1364 war er in Wien, zunächst offenbar als Lehrer und Leiter der Stephansschule und wohl schon von Anfang an dotiert mit der reichen Pfarre Laa a. d. Thaya (Niederösterr.). Im Frühjahr 1364 besuchte er mit Herzog Rudolf IV. Prag, wo er -* Konrad von Waldhausen und vermutlich auch Heinrich -» Totting von Oyta [NB], Johannes von Holland und andere Gelehrte traf. 13647 65 reiste er als Gesandter des Herzogs in Sachen der Wiener Universitätsgründung mehrmals nach Avignon und war (wahrscheinlich) schon seit der Stiftung am 12.3. 1365 bis mindestens 17.7. 1366 Gründungsrektor. Die durch den frühen Tod des Stifters Rudolf (27. 7. 1365) vorerst glücklose Univ. Wien wurde von den ersten Vorbereitungen an und auf Jahre hinaus wesentlich von A. geprägt.

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Bald danach rief ihn Urban V. nach Avignon und übertrug ihm am 21. 10. 1366 das vakante Bistum Halberstadt, wo er am 2. 2. 1367 inthronisiert wurde und dann fast 24 Jahre bis zu seinem Tod regierte. Seine hauptsächlichen Bemühungen als Bischof seiner Heimatdiözese galten der prekären Finanzlage, der Disziplin des Klerus und dem Fehdeunwesen. Bemerkenswerte Ereignisse dieser Zeit sind die Schlacht bei Dinklar am 3. 9. 1367, in der A. in Gefangenschaft des Hildesheimer Bischofs geriet, 1369 eine Disputation der von Kienkok (I. u. Il.l.b.) aufgeworfenen Probleme mit dem 'Sachsenspiegel' (-»· Eike von Repgow, II.) vor Bischof A., 1371 ein bis zur Waffengewalt eskalierender Konflikt mit dem Domkapitel sowie 1372 die Einleitung eines Häresieverfahrens gegen A. durch Papst Gregor XL, das aber ohne Ergebnis und Folgen blieb und wohl auf eine Verleumdung zurückging. Mit Kaiser -»· Karl IV. traf A. 1370 (in Guben) u. ö. persönlich zusammen. Nach dem Urteil der Historiker war seine lange Regierung bedeutend und erfolgreich. Er starb am 8. Juli 1390 und wurde in der Mitte des Halberstädter Doms vor dem von ihm gestifteten Altar der hll. Jakob, Martin und Livin bestattet (heute nicht mehr bekannt). Zu Bildnissen A.s (z. B. am Grabmal Gebhards XIV. von Querfurt) vgl. SÄNGE, 1932, S. 36 f. B. S c h r i f t e n . Das Werk A.s ist Ergebnis seines Wirkens als Lehrer und Forscher an der Pariser Artistenfakultät und umfaßt dementsprechend Aristoteles-Kommentare (I.) sowie weitere wissenschaftliche Schriften spätscholastischer Gattungen (II.) mit den Schwerpunkten Logik und Naturphilosophie. Es ist somit hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich in Paris (1351 — 1362) entstanden; eine relative Chronologie ist erst in Ansätzen bekannt (vgl. SARNOWSKY, 1989, S. 49-53). Sein Werk zeigt A. als Protagonisten des an jener Fakultät vorherrschenden Nominalismus bzw. Konzeptualismus und der neuen, von England ausgehenden Naturphilosophie bzw. -Wissenschaft. In älterer Lit. (z. B. bei J. -> Tri-

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Albert von Sachsen

themius [NB]) angeführte theologische Schriften sind so gut wie sicher auf eine Verwechslung mit Albertus Magnus zurückzuführen; Disputationen über die Unbefleckte Empfängnis in Paris und Prag (vgl. BERGER, 1998, S. 47 u. 50 [Text von J. -» Schiphower, II.2.]) könnte er aber tatsächlich gehalten haben, eine schriftliche Überlieferung ist allerdings nicht bekannt. Obwohl A.s Werk- und Hss.Verzeichnis in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert wurde (LoHR, 1967, S. 348-352; ders., 1972, S. 117 f.; ders., in Vorbereitung; SARNOWSKY, 1989, S. 34-54, 435-451, 461 f.; MUNOZ GARCIA, 1990; ders., 1991; WEIJERS, 1994, S. 48—53), ist es noch nicht abgeschlossen. Schon die bislang bekannte Überlieferung von ca. 300 Hss. und ca. 50 Frühdrucken (6 davon im 20. Jh. nachgedruckt) zeigt die hohe Achtung, die A. weit über seine Lebzeiten hinaus genoß, und seine Bedeutung als Übermittler spätscholastischen Gedankenguts an die Frühe Neuzeit; Gelehrte vom Rang Leonardos da Vinci und Galileo Galileis kennen ihn noch. Der schriftstellerische Erfolg A.s gründet aber weniger in einer besonderen Originalität als in seinen methodischen und didaktischen Fähigkeiten. I. A r i s t o t e l e s - K o m m e n t a r e . Unter den zahlreichen Kommentaren A.s findet sich auffälligerweise keiner zu den 'XIV libri Metaphysicorum'.

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S. 165 f.; vgl. LOHR, in Vorbereitung, Nr. 1. Teile vielleicht in 2 weiteren Hss. überliefert. Drucke. Zuerst verstreut gedruckt in der 'Expositio aurea' Wilhelms von Ockham, Bologna 1496 (GW 11909), Nachdr. 1964. Krit. A u s g a b e mit span. Übers, v. A. MUNOZ GARCIA, Maracaibo 1988.

2. 'In II libros Posteriorum analyticorum'. a. Expositio, ine. Omnis doctrina et omnis disciplina intellectiva ex praeexistenti fit cognitione1 (71a l f.). Aristoteles in hoc libro intendit manifestare et investigare essentialia demonstrationis (ähnlich wie bei Robert Grosseteste). Nur l Hs. (Padua, 15. Jh.) und l Frgm. (Basel, 15. Jh.) bekannt (LoHR, in Vorbereitung, Nr. 2).

b. Quaestiones, ine. 'Omnis doctrina ...' (71a l f.). Circa librum Posteriorum quaeritur (primo), utrum scientiae de demonstratione sint quattuor causae (Version 1) bzw. utrum de demonstration possibile sit habere aliquas distinctas notitias specie (Version 2). 45 Quästionen (in der Inkunabel) zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Hs. Tortosa (Version 1) ist auf 1355 datierbar und wohl eine Vorlesungsmitschrift, vgl. FITZGERALD (s. u. .2., Ausgabe, Einleitung). Ü b e r l i e f e r u n g . 24 Hss. (davon 7 Frgm.e) bei SARNOWSKY, 1989, S. 436 f.; MUNOZ GARCIA, 1990, S. 170f. (vgl. S. 172). Offenbar nur wenige Hss. (jedenfalls Padua u. Rom) haben die Version 2. — Auch in den anderen Fällen, wo eine Exposition u. Quästionen vorliegen, sind die letzteren weitaus besser überliefert (vgl. 1.3. u. 4.). Drucke. Venedig 1497 (GW 798, Nachdr. 1986, Version 2), Mailand 1497 u. Venedig 1522 (vgl. zu II. 1.) sind auf Verwechslung beruhende falsche Angaben in der Lit.

1. 'In Artem veterem, Quaestiones'. Inc. Logica licet ab aliis multipliciter dividi soleat, tarnen earn sic dividimus; qu. l ine. Utrum de quinque praedicabilibus sit una scientia. 13 Quästionen zur 'Isagoge' des Porphyrios, 12 zu den 'Categoriae' und 21 zu 'De interpretatione' des ->· Aristoteles (3.). Die Kategorien interpretiert A. nominalistisch, reduziert sie also auf bloße Bezeichnungsweisen der allein realen individuellen Substanzen und Qualitäten, nimmt aber hier, wie z. B. auch in I.2.b. und II. 1., außerdem noch Sachverhalte (modi rerum bzw. complexe significabilia) an.

3. 'In VIII libros Physicorum'. a. Expositio, ine. 'Quoniam autem intelligere et scire contingit' (184a 10). Antequam ad cognitionem textus procedamus, primo videnda est divisio philosophiae naturalis.

Ü b e r l i e f e r u n g . 2 Hss. bei SARNOWSKY, 1989, S. 436 (streiche Nr. 1); MUNOZ GARC'IA, 1990,

Nur in Brügge, Stedelijke Openbare Bibl., cod. 477 (14. Jh.), l ra -60 rb , anonym überliefert, aber

T r a n s k r i p t i o n von qu. I, 34 bzw. 33, in: MICHAEL, 1985, II, S. 906-908.

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Albert von Sachsen

von derselben Hand wie die nachfolgenden Quaestiones (s. u. b.) und auch sonst in engem Zusammenhang mit diesen stehend (SARNOWSKY, 1989, S. 38 u. 440). Krit. A u s g a b e der Expositio und der Quaestiones nach dieser Hs. v. B. PATAR, Philosophes medievaux 39 (Einleitung u. Exp.), 40, 41 (Quaest.), 1999. Die weitere Hs. Florenz bei MUNOZ GARCIA, 1990, S. 174, enthält nur die Quaestiones.

b. Quaestiones, ine. Circa textum primi libri Physicorum quaeritur primo, utrum scientia naturalis consideret de ente mobili tamquam de subiecto proprio et adaequato. 107 Quästionen (Liste der Titel nach der Ausg. Paris 1518 in engl. Übers, bei GRANT, 1974, S. 199-203; SARNOWSKY, 1989, S. 382 Anm. 308, zählt nach anderen Vorlagen 114 Quästionen) zur Naturphilosophie, insbesondere zum Problem der Bewegung; A. übernimmt Buridans Begriff und Theorie des impetus (qu. ult., VIII, 13).

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Eine anonyme Hs. bei SARNOWSKY, 1989, S. 40 f. u. 443; 5 weitere Hss. bei MUNOZ GARCIA, 1990, S. 176f. (unsicher, streiche Rom).

b. Quaestiones, ine. lDe natura scientia ...' (268a 1). Aristoteles in libro De caelo et mundo, qui est secundus liber in ordine librorum naturalium, consiaerat de totali mundo et corporibus naturalibus simplicibus; qu. l ine. Utrum cuilibet corpori simplici insit naturaliter tantum unus motus simplex. 61 Quästionen (in den Inkunabeln Venedig 1492 u. 1497) zur Kosmologie, sc. der Welt im ganzen, dem Himmel, den Himmelskörpern und der Erde sowie den Elementen und der Schwere bzw. Leichtheit. A.s erfolgreichste naturphilosophische Schrift; 1364 wurde sie in Wien von seinem Pariser Schüler Burkhart (-»· Tütel) von Reutlingen kopiert (Wien, cod. 5446; s. . .).

Ü b e r l i e f e r u n g . 46 Hss. (davon 12 Frgm.e) bei SARNOWSKY, 1989, S. 441-443; MUNOZ GARCIA, Ü b e r l i e f e r u n g . 20 Hss. (davon 5 Frgm.e) bei 1990, S. 177 f. (streiche Wien, Dominikanerbibl., SARNOWSKY, 1989, S. 439-441; 4 weitere Hss. bei cod. 108 [d. i. 138/108]); Bergamo, Bibl. del Clero MUNOZ GARCIA, 1990, S. 175, unsicher. Hs. Londi S. Alessandro in Colonna, cod. 231 (15. Jh.), don hat eine andere Fassung von Buch I—V, die l r -49 v ; Frgm. in Ansbach, Staatliche Bibl., Ms. übliche von VI—VIII, Hs. Prag eine völlig abweilat. 3 (14. Jh.), Bl. 1. Vgl. G. FEDERICI VESCOVINI, chende Fassung, deren Echtheit zweifelhaft ist, vgl. in: BIARD, 1991, S. 235-251. - Bemerkenswert ist SARNOWSKY, 1989, S. 38-40, 440f., 451-460. Das die reiche Überlieferung in Krakau (6 Hss., l schon Werk wurde schon 1360 in Köln kopiert, vgl. ebd., v. J. 1360), wo Nikolaus Kopernikus seine Studien S. 49 u. 440, Nr. 86. begann. Drucke. 5 Frühdrucke (Venedig 1504 u. 1516, Drucke. 7 Frühdrucke, vgl. auch zu I.3.b.; VeneParis 1516 u. 1518, Lyon 1534), die letzten 3 sind dig 1492 (GW 796) nachgedr. 1986. Sammelbde mit Werken A.s (auch mit I.4.b. u. 5.), A u s z u g aus qu. I, 11 in engl. Übers, in: GRANT, Themos u. Buridans, hg. v. George Lokert; der 1974, S. 548; aus qq. II, 14, III, 2-3 mit engl. Übers, letzte scheint sehr selten zu sein, vgl. MICHAEL, in: CLAGETT, 1959, S. 136-145 u. 565-569. 1985, II, S. 692; MUNOZ GARCIA, 1990, S. 182 (ÜB Coimbra). Nachdr. der Ausg. Paris 1516 angekün5. 'In II libros De generatione et corrupdigt. Weitere Angaben in der Lit. sind wohl falsch. tione, Quaestiones'. T r a n s k r i p t i o n von qu. VIII, 13, Venedig 1504, in: F. DE MARCHIA u. a., La teoria dell'impeto, Turin 1969, S. 35-40. Auswahl aus qq. IV, 8, 9, 11, 12 in engl. Übers, in: GRANT, 1974, S. 272-274, 324-326, 335-342; qu. VI, 5, mit engl. Übers, in: CLAGETT, 1959, S. 223-229. Krit. A u s g a b e nach Leiths. Brügge v. B. PATAR, II-III (= 40-41, s. o. zu a).

4. 'In IV libros De caelo et mundo'. a. Expositio, ine. 'De natura scientia fere plurima ...' (268a 1). Praemissa expositione libri Physicorum nunc restat exponere librum De caelo et mundo, qui locum.

Inc. Primo circa generationem et corruptionem, secundo circa augmentationem, tertio circa alterationem, quarto circa mixtionem. Primo quaeritur, utrum possibile sit aliquid simpliciter generari vel corrumpi simpliciter. 35 Quästionen (Liste der Titel nach der Ausg. Paris 1518 in engl. Übers, bei GRANT, 1974, S. 205 f.) zur Naturphilosophie, namentlich zum Entstehen im Unterschied zu den anderen Arten der Bewegung und zur Elementenlehre. Ü b e r l i e f e r u n g . Nur eine Hs. bekannt: Turin, Bibl. Naz., cod. G. I. 22 (15. Jh.), 117 Bll. (SARNOWSKY, 1989, S. 41 u. 443); 3 weitere Hss. bei

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MUNOZ GARCIA, 1990, S. 180, sind zu streichen. Die 'Quaestio de maximis et minimis in libro de generatione' (Rom, Bibl. Lancisiana, cod. 158, 16. Jh., 226V-232V) dürfte eher ein Teil von I.4.b. (qq. I, 14—15) sein; vgl. auch Rom, Bibl. dell'Accademia Nazionale dei Lincei, cod. 36. F. 6 (14./ 15. Jh.), 70ra-71rb. Dagegen gibt es etliche Drucke. Sicher 7, vielleicht 13 Frühdrucke, vgl. auch zu I.3.b. Venedig 1505 (36 Quästionen A.s auf Bl. 132ra-155rb) nachgedr. 1970 (unter den Namen Marsilius v. Inghen / A. v. S.); die hs.liehe Vorlage vielleicht v. J. 1385, vgl. Bl. 156rb. A u s z u g aus qq. I, 19—20, in engl. Übers, in: GRANT, 1974, S. 605-614.

6. 'In X libros Ethicorum, Expositio'. Inc. luxta sententias antiquorum expositorum, qui libros Aristotelis morales (Proömium). "Omnis ars et otnnis doctrinä" (1094a 1). Iste est liber Ethicorum Aristotelis, in quo determinatur de his, quae pertinent ad regimen unius. Für den Unterricht bestimmter, auf die Hauptgedanken der Vorlage (die in Form von conclusiones festgehalten werden) beschränkter und minuziös gegliederter Kommentar, der ausgiebig aus -»· Thomas von Aquin und Walter Burley (vgl. Hans -> Lobenzweig, II.2.) schöpft. Als Studienleitfaden sehr beliebt, wie z. B. die Hss. Innsbruck und Oxford zeigen, die in Wien 1365 innerhalb weniger Monate nach der Stiftung der Univ. angefertigt wurden. Ü b e r l i e f e r u n g . 26 Hss. bei SARNOWSKY, 1989, S. 446 f. (streiche Nr. 228, vgl. FAUSER, s. u. zu I.S.h., S. 176, Nr. 11); MUNOZ GARCIA, 1990, S. 187 f.; O. LANGHOLM, Price and Value in the Aristotelian Tradition, Bergen u. a. 1979, S. 96 Anm. 20 (Hs. Wien); LOHR, in Vorbereitung, Nr. 12 (Hs. Prag); ferner Augsburg, ÜB, cod. II. 1. 2° 6 (a. 1385), 35va-110rb. Weitere 3 Hss. u. l Frgm. bei C. FLÜELER, Buridans Kommentare zur Nikomachischen Ethik, Vivarium 36 (1998) 234249.

7. 'In II libros Oeconomicorum, Expositio'. Inc. ^conomica et politica differunf (1343a 1). Iste est liber Yconomicomm, quern fecit Aristoteles, in quo determinatur de his, quae pertinent ad regimen plurium in domo. Gemäß FLÜELER (s. u.), I, S. 162 Anm. 109, einer der einflußreichsten Kommentare zu dieser pseudo-aristotelischen Schrift.

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Ü b e r l i e f e r u n g . 22 Hss. (davon l Frgm.) bei C. FLÜELER, Rezeption u. Interpretation d. Aristotelischen Politica im späten MA (Bochumer Stud, z. Philosophie 19), 1992, II, S. 2 f.; vgl. S. 4 zu anderen Fassungen in 14 Hss. u. in der Inkunabel Toulouse ca. 1495 (GW 2436). - Oft zusammen mit 1.6. überliefert. Krit. Ausgabe. V. BELTRAN DE HEREDIA, La Ciencia Tomista 46 (1932) 299-329, hier S. 303329 (fälschlich unter dem Namen Albertus Magnus; zur Autorschaft vgl. auch FLÜELER, s. o., I, S. 153 f. Anm. 73; MICHAEL, 1985, II, S. 928-933).

8. Weitere Aristoteles-Kommentare mit nur geringer bzw. unsicherer Überlieferung. a. 'In II libros Priorum analyticorum, Expositio', ine. 'Primum oportet dicere circa quid1 (24a 10). Iste est liber Priorum, qui habet duos libros principales. Nur in Erfurt, Stadt- u. Regionalbibl., cod. Ampl. Q. 255 (a. 1368/70), 114ra-140ra, anonym überliefert, aber unmittelbar anschließend an und von derselben Hand wie die Quaestiones (s. u. b.), die A. zugeschrieben sind; außerdem von Amplonius Ratinck in seinem Katalog v. J. 1412 (und danach von W. SCHUM) als Werk A.s geführt.

b. 'In II libros Priorum analyticorum, Quaestiones', ine. Circa librum Priorum primo quaeritur, utrum de syllogismo simpliciter sit scientia certissima. 66 Quästionen (in der Hs. Erfurt, s. o. zu a., 70 ra — 113ra) zur Syllogistik, in 4 Hss. überliefert (SARNOWSKY, 1989, S. 436; MUNOZ GARCIA, 1990, S. 169). c. 'In VIII libros Topicorum, Quaestiones'. In Gießen, ÜB, cod. 54 (15. Jh.), 163V—166V, ist eine 'Quaestio prima secundi Topicorum' A. zugeschrieben, vgl. SARNOWSKY, 1989, S. 36 f. u. 437. d. 'In IV libros Meteororum, Quaestiones'. Die Kommentare A.s, Oresmes und Themos haben dasselbe Inc. Utrum de impressionibus meteorologicis sit scientia und stehen auch sonst in engem Zusammenhang, so daß die Überlieferung schwer zu unterscheiden ist. Am sichersten scheinen die Hss. Krakau, Bibl. Jagiell., codd. 635 u. 686, expl. possunt (tarnen) reduci (et) ad illas, A. zu gehören, vgl. MARKOWSKI, 1971, S. 503 u. 564; LOHR, 1972, S. 117; SARNOWSKY, 1989, S. 41 f. u. 443 f. (7 Hss., streiche Nr. 153, vgl. FAUSER, s. u. zu h., S. 61, Nr. 32); Mu-

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NOZ GARCIA, 1990, S. 182 (auch noch Krakau, Bibl. Jagiell., cod. 648, zu streichen); Hs. Bergamo, s. o. zu 1.4.b., 51r—93r, unsicher. Zum Problem vgl. auch ST. KIRSCHNER, in: Sudhoffs Arch., Beih. 39, 1997, S. 31 f.

e. 'In III libros De anima, Quaestiones'. Der Verweis in I.4.B., qu. I, 18, Druck Venedig 1492, D4rb (pertinet ad tertium De anima), vgl. MAIER, 1949-1958, IV, S. 39, ist kein eindeutiger Beleg für einen Kommentar A.s, und auch die Zuschreibung von Hss. ist bislang problematisch. Vgl. SARNOWSKY, 1989, S. 42 u. 444 (2 Hss.); MUNOZ GARCIA, 1990, S. 187 (2 weitere Hss., streiche Leipzig); Hs. Bergamo, mit 1.4.b. (s. d.) u. S.d., 97™-166vb, unsicher; LOHR, in Vorbereitung, Nr. 10 (mit Kritik vorgängiger Angaben). Vgl. auch O. PLUTA, in: Bochumer Stud. z. Philosophie 7, 1986, S. 46; 10, 1988, S. 507f.

f. 'In Parva naturalia, Expositio'. In München, clm 28971 (a. 1377/78, Prag, vormals Stettin, mit I.4.b. u. 8.i.), 197ra— 222vb, ine. In isto tractatu ponentur condusiones, A. zugeschrieben (SARNOWSKY, 1989, S. 43 u. 444). g. 'In Parva naturalia, Quaestiones'. In München, clm 4376 (a. 1365/67, Prag), 68ra-86rb, sind 19 Quästionen zu 'De sensu et sensato', ine. Quaeritur primo ..., utrum scientia de operationibus et passionibus animae, A. zugeschrieben, gefolgt von anonymen weiteren Quästionen zu 'Parva naturalia'; die ersteren Quästionen sind in Erfurt, Stadt- u. Regionalbibl., cod. Ampl. Q. 299 (14. Jh.), 128r-157v, aber Oresme zugeschrieben, als anonymes Frgm. auch noch in München, clm 761 (14. Jh.), 41ra-47vb. Die tatsächliche Autorschaft ist noch nicht geklärt.

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1921, S. 59) sowie aus einem alten Katalog der Univ. Erfurt (vgl. FLÜELER, s. o. zu 1.7., II, S. 92). Eine Überlieferung ist aber bislang nicht bekannt. Die Pariser Hs. bei SARNOWSKY, 1989, S. 448 (vgl. S. 46), enthält den Kommentar des Albertus Magnus, vgl. W. FAUSER, in: Alberti Magni Opera omnia, Tom. subsid. l, Münster i. W. 1982, S. 185, Nr. 6.

i. 'In Physiognomiam, Expositio'. In clm 28971 (s. o. zu f.), 223va-228vb, ine. Primo ponere conclusiones et exponere, A. zugeschrieben; anderer Text in 2 weiteren Hss., unsicher (SARNOWSKY, 1989, S. 44 u. 444). j. 'In librum De pomo, Expositio'. In Erfurt, Stadt- u. Regionalbibl., cod. Ampl. Q. 319 (a. 1394, mit 1.6. u. zweimal I.7.), 135rb-138vb, inc. Sequitur textus 'Cum homo'. Iste liber principal! sua divisione dividitur in quattuor capitula, in primo ostendit utilitatem, anonym überliefert, aber von Amplonius Ratinck in seinem Katalog v. J. 1412 (und danach von W. SCHUM) als Commentum Alberti geführt; in der Hs. kommt sonst nur A. v. S. vor, dieser aber mit 2 sicher echten Werken in 3 weiteren Hss. (s. o.). Von MUNOZ GARCIA, 1990, S. 189, WEIJERS, 1994, S. 48 f., LOHR, in Vorbereitung, Nr. 19, in die Werkliste aufgenommen, jedoch nicht von SARNOWSKY, 1989, vgl. S. 48.

II. Sonstige S c h r i f t e n (in alphabetischer Anordnung). 1. 'Logica Alberti'.

Inc. Intentionis praesentis (auch umgestellt) est primo (per)tractare de terminis, seit dem Frühdruck als 'Perutilis logica' beVgl. J. AGRIMI (Hg.), Le 'Quaestiones de sensu' kannt. Der Gattung nach eine Summe der attribuite a Oresme e Alberto di Sassonia, Florenz gesamten Logik in 6 Traktaten über die 1983, S. 9-45 (Einleitung) u. 46-222 (krit. Terme einschließlich der Prädikabilien und Ausg.); ders., in: BIARD, 1991, S. 191-204. Weitere Kategorien (1/1—3), die Termeigenschaften Hss. bei MUNOZ GARCIA, 1990, S. 187, sind zu Supposition, Ampliation und Appellation streichen. (II), die Sätze (III), die Folgerungen einh. 'In VIII libros Politicorum, Exposi- schließlich der Syllogismen (IV), die Fehltio'. Daß A. alle drei libri morales, also schlüsse (V) sowie die Insolubilien (Anneben 1.6. u. 7. auch die 'Politica', kom- tinomien, VI/1) und die Obligationen (Rementiert hat, geht hervor aus Auctarium, geln einer dialogischen Logik, VI/2). Ge1894, Sp. 225 (vgl. Sp. 199), aus dem Pro- mäß einer Prager Hs. ist das Werk 1356 ömium zu 1.6. (vgl. HEIDINGSFELDER, oder kurz davor entstanden; 1381 wurde es

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in Halberstadt kopiert (Leipzig, ÜB, Ms 1367, auch mit .2., 17rb-56va). Ü b e r l i e f e r u n g . 41 Hss. (davon 5 kleinere Frgm.e) bei SARNOWSKY, 1989, S. 437 f.; MUNOZ GARCIA, 1990, S. 164 f. (streiche Erfurt, cod. Ampl. O. 69); ferner: Berkeley, ÜB, Ms. UCB 101 (um 1380, Padua), lr-70r; Whalley, Stonyhurst College Libr., Ms. A VI 27 (15. Jh.), lr-82v. Drucke. Venedig 1522, Nachdr. 1974. Transkription dess. mit span. Übers, v. A. MUNOZ GARCIA, Mexiko 1988. Tr. VI auch in Frühdrucken von .3., Tr. VI/2 auch allein gedr. Lyon ca. 1493 (GW 786). Krit. A u s g a b e von Tr. II in: KANN, 1994, S. 167-265; engl. Übers, von Tr. VI/1, Venedig 1522, 43rb-46va, in: N. KRETZMANN / E. STUMP (Hgg.), The Cambridge Translations of Medieval Philosophical Texts I, Cambridge 1988, S. 337368. Krit. Gesamtausg. mit dt. Übers, in Planung bzw. Vorbereitung.

2. 'Quaestiones circa (super) logicam'. Inc. Circa logicam Alberti quam Parisius noviter composuit (variabel) (primo) quaeritur, utrum logica sit scientia speculativa vel practica. Sammlung von 25 Quästionen zu Themen von II. 1., auf die dort gelegentlich schon verwiesen wird. Außer dem wissenschaftstheoretischen Status der Logik in qu. l (vgl. ST. EBBESEN, in: BIARD, 1991, S. 267-283) werden semantische bzw. logische Probleme bezüglich der Terme (Signifikation und Supposition) und der Sätze behandelt. Ü b e r l i e f e r u n g . 6 Hss. (davon 3 Frgm.e) bei M. J. FITZGERALD, in: BIARD, 1991, S. 253 u. 262. Krit. A u s g a b e v. M. J. FITZGERALD im Erscheinen.

3. 'Sophismata'. Inc. Ob rogatum quorundam scholarium (sociorum) deo favente quaedam conscribam sophismata; soph, l ine. Oranis homo est omnis homo. Sammlung von (im jüngsten Druck) 254 (!) Sophismen in 4 Teilen zu logischen Problemen der positiven (I) und negativen Synkategoremata (II) sowie des Präteritums, Futurums (III) und der Modalitäten (III-IV). Ü b e r l i e f e r u n g . 26 Hss. (davon 4 Frgm.e) bei SARNOWSKY, 1989, S. 438 f.; MUNOZ GARCIA, 1990, S. 167 (streiche Erfurt, cod. Ampl. Q. 315); ferner: Padua, Bibl. Anton., cod. 431 Scaff. XX (15. Jh.),

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85r-114v; Wigan/Lancashire, Public Library, Nr. 38346 (a. 1398), 113 Bll.; Frgm. in Hs. Ansbach, s. o. zu 1.4.b., Bl. 2. Einige Hss. scheinen von den Drucken teilweise verschiedene Texte zu haben, vgl. A. DE LIBERA, in: A. JACOB (Hg.), Encyclopedic philosophique universelle III/1, Paris 1992, S. 374b. Vgl. MUNOZ GARCIA, 1990, S. 172: l Hs. u. 4 Frühdrucke vermutlich mit Kommentaren. Drucke. 5 Frühdrucke, davon 4 mit Tr. VI von ILL, zuletzt Paris 1502, Nachdr. 1975. Unveröffentlichter Arbeitstext v. H. Hubien zit. in: F. PIRONET (Hg.), Guillaume Heytesbury, Sophismata asinina, Paris 1994, S. 635 u. ö.

4. 'Tractatus proportionum'. Inc. Proportio communiter accepta (dicta) est duorum comparatorum in aliquo (tertio/termino) univoco ad invicem habitudo. Wahrscheinlich als Lehrbuch konzipierte und Ergebnisse von Thomas Bradwardine u. a. verwertende Abhandlung in 6 Kapiteln über mathematische Verhältnisse (I), Dynamik (II) und Kinematik (III), die Kreisbewegung (IV) sowie die Bewegung der Vermehrung (V) und der Veränderung (VI). Aufgrund der (den Verf. auch sonst auszeichnenden) Klarheit in Anordnung und Darstellung des Stoffes eine der erfolgreichsten Schriften A.s. Ü b e r l i e f e r u n g . 47 Hss. (davon 2 Frgm.e, l wohl gedr.) bei SARNOWSKY, 1989, S. 444-446; MUNOZ GARCIA, 1990, S. 182 f.; ferner: Crema/ Lombardei, Bibl. Comun., cod. 190 (15. Jh.), 46r53"; St. Petersburg, Publ. Bibl. im. M. E. SaltykovaScedrina, Obscestvo ljubitelej drevnej pis'mennosti (= OLDP), Q. 791 (15. Jh.), 85r-91v; Winchester/ Hampshire, College Libr., Ms. 50 B (15. Jh.). Drucke. 12 Frühdrucke, zuletzt Bologna 1506 mit Kommentar v. Benedetto Vettori, vgl. Bullettino di bibliografia e di storia delle scienze matematiche e fisiche 4 (1871) 493-497 (F. JACOLI). Teile auch in der Inkunabel Oxford ca. 1483, ine. Quontam ex terminis, vgl. E. J. ASHWORTH, Medioevo 4 (1978) 93-99, hier S. 99. - Auszug v. Isidoro Isolani in mindestens 5 Drucken des 16. Jh.s, zuletzt Lyon 1580. Vgl. auch Bullettino, s. o., S. 498-511 (B. BONCOMPAGNI). Krit. A u s g a b e v. H. L. L. BUSARD, in: Österr. Ak. d. Wiss.n, math.-naturwiss. KL, Denkschr. 116, 2 (1971) 43-72, hier S. 59-72.

5. Weitere Schriften mit nur geringer bzw. unsicherer Überlieferung. a. 'Dicta super Summam philosophiae naturalis Alberti (de Orlamunde)', ine.

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'Sub umbra illius ...' (Ct2,3). Ista sunt verba sapientissimi Salomonis, et quamvis sint theologica. Exposition der 5 Traktate (entsprechend den Aristotelischen Schriften Thysica', 'De caelo', 'De generatione', 'Meteora', 'De anima') dieses einflußreichen Kompendiums der Naturphilosophie, das stark von Albertus Magnus (V. 4.) abhängt und lange als dessen Werk galt. In der vollständigen Hs. Wien, Dominikanerbibl., cod. 93/57 (a. 1367, Speyer), lra-98rb, A. v. S. zugeschrieben (Bl. 55rb); sonst nur noch ein größeres und ein kleines Frgm. bekannt (SARNOWSKY, 1989, S. 16 f., 45, 446). Zur Wiener Hs. vgl. auch M. MARKOWSKI, Acta Mediaevalia 8 (1995) 199-207. Vielleicht auch in Hs. Tübingen, ÜB, MC 23 (15. Jh.), lr-166r (mit Text der Vorlage). Krit. A u s g a b e v. L. NOWAK in Vorbereitung, vgl. Bulletin de philosophic medievale 39 (1997) 93.

b. 'Quaestio de quadratura circuli', ine. Quaeritur, utrum quadrare circulum sit possibile. Arguitur primo, quod sie. Zwei Hss. bei SARNOWSKY, 1989, S. 446; MUGARCIA, 1990, S. 186 (streiche Schlägl). A u s g a b e n . Nach der Berner Hs. v. H. SUTER, Hist.-lit. Abth. d. Zs. f. Mathematik u. Physik 29 (1884) 81-101, hier S. 87-94 (die in derselben Hs. folgenden Texte Nr. 4—6, die ders., ebd., S. 85, als wahrscheinlich ebenfalls von A. stammend ansah, gelten heute nicht mehr als dessen Werke; Nr. 4 u. 5 hg. v. dems., ebd., 32 [1887] 41-56, hier S. 43-52 u. 52-54). M. CLAGETT, Archimedes in the Middle Ages, vol. 1 (Publications in Medieval Science 6), Madison, Wise. 1964, S. 398-404 (Einleitung), 406-425 (krit. Ausg. mit engl. Übers.), 426-432 (Kommentar).

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III. S p u r i a . Die Schriftchen Nr. 6 a u. 6b bei SARNOWSKY, 1989, S. 37 u. 438, vgl. MUNOZ GARCIA, 1990, S. 173, sind zu streichen: Nur das erste ist in Rom/ Vatikan, Bibl. Apost. Vaticana, cod. Vat. lat. 3065 (15. Jh.), 25vb-28ra u. 28ra-30vb, überhaupt A. zugeschrieben, gehört aber Thomas Maulfelt; zur Hs. vgl. A. MAIERU, Studi Medievali, 3. Ser. 10/3 (Spoleto 1969) 297-397, hier S. 312-314. Ebenso Nr. 9, ebd., S. 37 f. u. 439 (auch bei WEIJERS, 1994, S. 48), vgl. MUNOZ GARCIA, 1990, S. 174; ders., in: A. CACCIOTTI / B. FAES DE TONI (Hgg.), Editori di Quaracchi 100 anni dopo (Medioevo 3), Rom 1997, S. 227-238. Das Expl. der Pariser Hs. (Mitte 14. Jh., mit II.1.) sagt aber auch nur, daß der Text von A. verbessert und vorgetragen wurde. — Ebenso Nr. 10, ebd., S. 38 u. 439: Dieselbe Pariser Hs. enthält II.l., Tr. IV, c. 19—24 'De locis dialecticis', was an der entsprechenden Stelle fehlt und später (a. 1374) auf Bl. 9 —99 r nachgetragen wurde (vgl. MUNOZ GARCIA, 1990, S. 164f.); Hs. Wertheim hat den entsprechenden Traktat Buridans. — Zu 'In De motibus animalium', ebd., S. 44, vgl. FAUSER, s. o. zu 1.8.h., S. 125, Nr. 32. — Ferner ist zu tilgen Werk Nr. 13 bei MUNOZ GARCIA, 1990, S. 171, vgl. WEIJERS, 1994, S. 53. - Zu weiteren Spuria vgl. SARNOWSKY, 1989, S. 47 f.; MUNOZ GARCIA, 1990, S. 174 u. 189 f.

IV. Varia.

1. Die knappen Einträge im Pariser Prokuratorenbuch der Englischen Nation von Ende 1351, Hs. Paris, Bibl. de la Sorbonne, Arch., Reg. 2-2 (vormals 3), 17r, gedr. Auctarium, 1894, Sp. 154, Z. 5-18, sind höchstwahrscheinlich ein Autograph A.s (die Namensform lautet dort Albertus de c. 'Quaestiones super Sphaeram' des -> Helmestede). Johannes de Sacrobosco (II.1.), qu. 1 (von 2. Urkunden der neuen Univ. Wien von 22) inc. Utrum definitio sphaerae, quam 1365/66, wie der Stiftbrief und die ersten ponit autor in littera, sit bona, videlicet. Statuten (nach Pariser Vorbild), gedr. R. KINK, Gesch. d. kaiserlichen Univ. zu Zwei Hss. bei SARNOWSKY, 1989, S. 44 f. u. 446; Wien, Wien 1854, II, S. 1-24, 32-34, vgl. ders., in: BIARD, 1991, S. 219-234. 40—42, sind sicher von A. beeinflußt, d. 'Tractatus de terminis physicalibus', inc. Natura est principium (et causa) mo- wenn nicht verfaßt. 3. Unter den zahlreichen Halberstädter tus. Urkunden von 1367-1390 finden sich Eine Hs. bei SARNOWSKY, 1989, S. 46 u. 446; ferz. B. Synodalstatuten (undatiert, aber siner Hs. Padua, mit II.3. (s. d.) u. .4., 41r-46v; cher A.s Regierungszeit entstammend, Wien, cod. 4698 (a. 1370/73, Prag), 114V-120V. r r gedr. Urkb. d. Hochstifts Halberstadt, Hs. Tübingen (s. o. zu a.), 167 -201 (mit Glos1889, S. 323-333, Nr. 3038a), die von A. sen), hat wohl einen anderen Text mit ähnlichem Inc., vgl. THORNDIKE / KIBRE, Inc., Sp. 901. konzipiert oder verfaßt sind. — Kassel,

55

56

Albertanus von Brescia

Murhardsche Bibl. u. LB, 2° Ms. iurid. 62, 155V—156V, ist ein Frgm. einer 'Formula in dandum beneficium' Bischof A.s. L i t e r a t u r (vornehmlich der letzten 50 Jahre). Bibliographie: H. BERGER, A. v. S. (1316[?]-1390). Bibliographie d. Sekundärlit., Bulletin de philosophic medievale 36 (1994) 148-185; 37 (1995) 175-186; 38 (1996) 143-152; 40 (1998) 103116. — C. PRANTL, Gesch. d. Logik im Abendlande IV, 1870, S. 60-89; Urkb. d. Hochstifts Halberstadt u. seiner Bischöfe IV (Publicationen aus d. K. Preußischen Staatsarchiven 40), hg. v. G. SCHMIDT, 1889; Chartularium III u. Auctarium chartularii Universitatis Parisiensis I, hg. v. H. DENIFLE / E. CHÄTELAIN, Paris 1894; P. DUHEM, Etudes sur Leonard de Vinci I-III, Paris 1906-1913; ders., Le Systeme du monde IV, Paris 1916, S. 151-157 u. ö.; G. HEIDINGSFELDER, A. v. S. Sein Lebensgang u. sein Kommentar z. Nikomachischen Ethik d. Aristoteles (Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. MAs 22, 3-4), 1921, 21927 (S. 52-150 bzw. 50-144 zu I.6.); H. SÄNGE, Bischof Albrecht III. v. Halberstadt, 1932; A. MAIER, Stud. z. Naturphilosophie d. Spätscholastik l-V (Storia e letteratura 22, 37, 41, 52, 69), Rom 1949-1958; M. CLAGETT, The Science of Mechanics in the Middle Ages (Publications in Medieval Science 4), Madison, Wise. 1959; P. UIBLEIN, Beitr. z. Frühgesch. d. Univ. Wien, MIÖG 71 (1963) 284-310, hier S. 300-306; A. MAIER, Ausgehendes -II (Storia e letteratura 97 u. 105), Rom 1964/67; C. H. LOHR, Medieval Latin Aristotle Commentaries. Authors A—F, Traditio 23 (1967) 313-413, hier S. 348-352; ders., dass. Addenda et Corrigenda, Bulletin de philosophic medievale 14 (1972) 116-126, hier S. 117f.; M. MARKOWSKI, Burydanizm w Polsce w okresie przedkopernikanskim (Studia Copernicana 2), Breslau u. a. 1971; E. GRANT (Hg.), A Source Book in Medieval Science, Cambridge, Mass. 1974; ders., Much Ado about Nothing, Cambridge u. a. 1981; B. MICHAEL, Johannes Buridan, Diss. Berlin 1985, bes. II (zur Überlieferung); J. BIARD, Logique et theorie du signe au XIV' siecle (Etudes de philosophic medievale 64), Paris 1989, S. 203-222; ST. CAROTI (Hg.), Studies in Medieval Natural Philosophy (Biblioteca di Nuncius 1), Florenz 1989; S. LORENZ, Studium generale Erfordense (Monographien z. Gesch. d. MAs 34), 1989, S. 165-168 u. ö.; J. SARNOWSKY, Die aristotelisch-scholastische Theorie d. Bewegung. Stud. z. Kommentar A.s v. S. z. Physik d. Aristoteles (Beitr. z. Gesch. d. Philos. u. Theol. d. MAs NF 32), 1989 (S. 72-434 zu I.3.); Ä. MUNOZ GARCIA, A. of Saxony. Bibliography, Bulletin de philosophic medievale 32 (1990) 161 — 190; ders., Cinco nuevos fragmentos anonimos de Alberto de Sajonia, ebd., 33 (1991) 162-

176; J. BIARD (Hg.), Itineraires d'A. de Saxe (Etudes de philosophic medievale 69), Paris 1991; K. JACOBI (Hg.), Argumentationstheorie (Stud. u. Texte z. Geistesgesch. d. MAs 38), 1993, S. 59-80 (C. KANN), 323-341 (H. A. G. BRAAKHUIS) u. ö.; ST. READ (Hg.), Sophisms in Medieval Logic and Grammar (Nijhoff International Philosophy Series 48), Dordrecht u. a. 1993, S. 288-303 (J. BIARD) u. ö.; E. GRANT, Planets, Stars, and Orbs, Cambridge u. a. 1994; C. KANN, Die Eigenschaften d. Termini. Eine Untersuchung z. Perutilis logica A.s v. S. (Stud. u. Texte z. Geistesgesch. d. MAs 37), 1994 (S. 20-159 zu ILL, Tr. II); O. WEIJERS, Le travail intellectuel ä la Faculte des arts de Paris I (Studia artistarum 1), Turnhout 1994, S. 47-53; Acta Pataviensia Austriaca III, hg. v. J. LENZENWEGER (Publikationen d. Hist. Instituts beim Österr. Kulturinst, in Rom II, 4, 3), Wien 1996, Nr. 166 f., 224 f., 227, 273 (Urkunden von 1364-1366); W. BAUM, Rudolf IV. d. Stifter, Graz u.a. 1996, S. 208-220; D. BERG (Hg.), Bürger, Bettelmönche u. Bischöfe in Halberstadt (Saxonia Franciscana 9), 1997, S. 30-32 (R. AVERKORN) u. ö.; ST. CAROTI / P. SOUFFRIN (Hgg.), La nouvelle physique du XIV6 siecle (Biblioteca di Nuncius 24), Florenz 1997; H. BERGER, Albertus de Saxonia (f 1390), Conradus de Waldhausen (t 1369) u. Ganderus recte Sanderus de Meppen (t 1401/06), MIÖG 106 (1998) 31-50; R. GRASS, Schlußfolgerungslehre im voruniversitären Erfurt. Eine Untersuchung d. Konsequentientraktate v. Thomas Maulfelt u. A. v. S., Diss. Tübingen 1999 (passim zu ILL, Tr. IV); P. UIBLEIN, Die Univ. Wien im MA. Beitr. u. Forsch.n (Schriftenreihe d. Universitätsarchivs, Univ. Wien, 11), Wien 2000; H. BERGER, Zu zwei Gelehrten des 14. Jh.s: Burkhart von Reutlingen u. Pilgrim von Preußen. Nebst einer Liste der Pariser Schüler A.s v. S., erscheint in Würzburger medizinhist. Mitt. 20 (2001), C. H. Lohr, Latin Aristotle Commentaries I. Medieval Authors, in Vorbereitung (Vorausinformationen vom Verf. freundlich zur Verfügung gestellt); ders. / H. Berger, A. v. S. Neues Werk-, Hss.- u. Druckverzeichnis, in Vorbereitung.

HARALD BERGER Albert von Siegburg [NB]

Albert (Mönch)

Albertanus von Brescia [Korr.] Bd. l, Sp. 152 Nr. 4: "le" korr.: ler. Ebd. Z. 7 von unten: "Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. 290,3, 14" korr.: ..., cod. Guelf. 86.3 Aug. 2° (Kat. Nr. 2903, Nr. 14). Ebd. Z. 6—4 von unten: "Zürich, Zentralbibl., ..., Hs. AG 21, 131r-142r" korr.: Zürich, Staatsarchiv, AG 21, 131r-142v

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Meister Albertin — 'Alemannisches Kräuterbuch'

Meister Albertin [Korr.] Bd. l, Sp. 154: "Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 731" korr.: ..., cod. 730 (444). Vgl. auch -> P. Clemens' Roßarzt [NB].

Albertus -»· Albert Meister Albrant [Korr.] Bd. l, Sp. 157, zu 1.: "... cod. 731 der Stiftsbibl. Einsiedeln" korr.: cod. 730 (444). Vgl. auch -» P. Clemens' Roßarzt [NB].

Albrecht, Dichter des 'Jüngeren Titurel' [Korr.] Bd. l, Sp. 171, zu C.: "Heidelberg, cpg 1332" korr.: ..., Heid. Hs. 1332.

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Alemannische Bearbeitung der 'Arabel' Ulrichs von dem Türlin ->· 'Leipziger Arabel-Bearbeitung' 'Alemannisches Herbst- und Mai-Spiel' -»· 'Streit zwischen Herbst und Mai' 'Alemannisches Kräuterbuch' ('Schwarzwälder Kräuterbuch') Ü b e r l i e f e r u n g . Freiburg i. Br., ÜB, Hs. 188, 19r-38r (ndalem. [Freiburg], 3. Viertel 15. Jh.) (F); Karlsruhe, LB, cod. St. Georgen 73, 172r-203r (ndalem., Ende 14. Jh., seit dem 16. Jh. in St. Georgen/Villingen) (K); Solothurn, Zentralbibl., cod. S 386, 49v-72r (ndalem. [Weingarten oder Ravensburg], 1463—1466) (S) (Hinweise v. Apotheker Th. W. Maubach |, Eichenzell).

Niederalem. Kräuterbuch, das um oder bald nach 1350 entstanden und vor 1400 bereits in zwei Redaktionen vorgelegen haAlbrecht von Bonstetten [Korr.] ben dürfte: in einer Kurzfassung k (S, F), Bd. l, Sp. 178 Z. 14f.: "Hs. Cl.XV, Sign. 9, die aufgrund ihrer Quellennähe und auch Nr. 12" korr.: Hs. Fischingen C 15 S 9 N 12 (vgl. teilweise bewahrter alphabetischer AnordArt. -* 'Ida von Toggenburg'). nung der Kapitel als die ursprünglichere anzusehen ist, und in einer Langfassung l (K), die das doppelte an Kapiteln — nämAlbrecht von Eyb [Korr.] lich insgesamt 144 — aufweist und in den Bd. l, Sp. 181 Z. 4 von unten: "Bern, StB, cod. Zusammenhang des Kompendiums von Bern. 506" korr.: Bern, Burgerbibl., Ms. 506. Meister -» Berchtold gestellt ist. Bei der ErSp. 182 Nr. 5, Übcrl.: "Würzburg, ÜB, cod. M. weiterung wurde der Kapitelbestand mit eh. f. 19" korr.: ..., cod. M. eh. f. 59. einer Reihe kleiner Drogenmonographien durchschossen, deren Herkunft noch ungeAlbrecht von Haigerloch [Korr.] klärt ist. Die längeren Drogenmonographien des Bd. l, Sp. 187, Z. 8: Der Ton ist identisch mit ursprünglichen Textbestands bauen sich dem Ton -> Rumelants von Schwaben. aus einer Vielzahl kleinfeldrig kompilierter Versatzstücke auf, die gängigen drogenAlbrecht von Lannenberg [Korr.] kundlichen Werken entstammen und deren Provenienz-Spektrum vom (Älteren dt.) -» Bd. l, Sp. 198 Mitte: "Hs. 135 des ehem. staatl. 'Macer' über das -» 'Circa instans', den -* Zeughauses Berlin (heute im Mus. f. dt. Gesch. in 'Liber iste' und den 'Dioscorides alphabeOstberlin)" korr.: Ms. 4 der Zeughausbibl., das ticus' bis zu 'De diaetis particularibus' von wahrscheinlich mit der gelegentlich als Nr. 135 ziIsaak Judäus ausgreift (Valentin -»· tierten Hs. identisch ist; die Hs. ist jedoch nach wie vor verschollen, die Zeughausbibl. befindet Swende). Ein Vergleich der Textanfänge sich heute im Deutschen Historischen Museum. und -abbrüche mit den einschlägigen 'De Vgl. -> Achilles Thabor [NB]. proprietatibus rerum'-Kapiteln (Buch XVII) macht jedoch wahrscheinlich, daß Albucasis entfällt (nur fläm. Überl.) der alem. Verfasser seine Drogenmonographien nicht immer selbständig angelegt 'Alchemic und Bergwerk' ->· 'Secreta anti- hat, sondern vielfach sich auf die von -» quorum phylosophorum' [NB] Bartholomäus Anglicus ausgehobenen Ex-

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Alexander Minorita — Alexander de Villa Dei

zerpte zu stützen versucht. Die Herkunft der einzelnen Paragraphen ist jedoch noch nicht überall geklärt. L i t e r a t u r . G. Eis, Nachricht über eine altdt. Sammelhs. aus Villingen, Med. Mschr. 15 (1961) 474-478, hier S. 477a; J. TELLE, Petrus Hispanus in d. altdt. Medizinlit., Diss. Heidelberg 1972, S. 38 u. 101; U. -VoiGTLÄNDER, Das St. Georgener Rezeptar, I: Text u. Wörterverzeichnis (WmF17), 1979, S. 138-140 (grundlegend); B. SCHNELL, Von den würzen, Text- u. überlieferungsgeschichtliche Stud, zur pharmakographischen dt. Lit. d. MAs, med. Habil.schr. Würzburg 1989 [masch.], S. 227-230.

G. KEIL Alexander Minorita [Korr.] Bd. l, Sp. 220 unten: "Vatican, cod. lat. 3819" korr.: ..., cod. Vat. lat. 3819.

Alexander de Villa Dei (Villedieu) I. Geb. um 1160/70 in Villedieu b. Avranches in der Normandie, war A. nach dem Studium in Paris Chorherr in Avranches; dort starb er um 1240/50. Er verfaßte mehrere lat. Lehrgedichte, darunter das 'Doctrinale' und das 'Summarium biblicum'. Nur diese wurden, soweit die Überlieferung bisher überschaubar ist, auch in dt. Sprache rezipiert. II. Das ' D o c t r i n a l e ' , eine nach den ältesten Hss. 1199 vollendete Versgrammatik in 2645 Hexametern, war neben der 'Ars grammatica' des -> Donat das verbreitetste Grammatiklehrbuch des spätmal. Schul- und Universitätsunterrichts. Eine komplette dt. Glossierung oder Bearbeitung ist nicht bekannt; lediglich einzelne Wörter und Phrasen des I. Teils sind in einer Erfurter Hs. (Stadt- u. Regionalbibl., cod. Ampl. D. 3, lr-134v) in Form einer Expositio germanica übertragen worden (HENKEL, S. 221). Zur Ü b e r l i e f e r u n g des lat. 'Doctrinale', seiner Bearbeitungen und Kommentare s. HENKEL, S. 221. A u s g a b e . D. REICHLING, Das Doctrinale des A. de V.-D. (Monumenta Germaniae paedagogica 12), 1893, Nachdr. New York 1974.

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III.1. Das ' S u m m a r i u m b i b l i c u m ' (inc. Sex. Prohibet. Peccant. Abel Enoch. Archa f i t . Intrant) ist ein Memoriergedicht in 212 Hexametern über den Inhalt der Bibel. Für jedes der mehr als 1200 Kapitel der 73 Bücher der Vulgata (mit Ausnahme der Psalmen) steht ein Lemma, ein bezeichnendes Merkwort (oder auch eine Wortgruppe); die Lemmata sind in ihrer Folge nicht syntaktisch gebunden, ergeben keinen Text. Das lemmatisierende Prinzip sollte den Stoff der Bibel in der Ordnung ihrer Kapitel auf die kürzeste Weise einprägsam machen. A.s 'Summarium' hat zahlreiche andere metrische Bibelabbreviaturen inspiriert (-» Engelhus) und kann geradezu als Prototyp der im MA weitverbreiteten Biblia metrica gelten. In der Überlieferung des 'Summarium' sind die Lemmata vielfach glossenartig mit knappen interlinearen Ergänzungen versehen worden, so daß sich aus den Lemmata und den Glossen kurze Resümees der einzelnen Kapitel ergeben: SEX opera dierum (Gn 1), PROHIBET fructus ligni vitae (Gn2), etc. Der Wortlaut der Glossen variiert in den Hss. häufig und stark. Ü b e r l i e f e r u n g . Die weitgestreute Überlieferung ist bisher kaum ansatzweise erfaßt. Nachweise bei WALTHER, Initia, Nr. 17610; STEGMÜLLER, Rep. bibl. 2, Nr. 1175-1182; WORSTBROCK, S. 49. Hervortretende Überlieferungsorte: Schulhss. u. Bibelhss., in denen das 'Summarium' als Inhaltsweiser fungiert (HENKEL, S. 222; WORSTBROCK, S. 48). In den Hss. hat das 'Summarium' keinen konstanten Titel; häufig ist es als Biblia pauperum oder Biblia metrica bezeichnet. Auch die Zuschreibung an A. als Autor ist nicht durch authentische Zeugnisse gesichert; zu abweichenden Zuschreibungen vgl. HENKEL, S. 222, u. WULF, S. 394 Anm. 31. A u s g a b e . Eine moderne Edition fehlt. Ein Textabdruck z. B. in: Biblia maxima, hg. v. J. DE LA HAYE, Bd. l, Paris 1660, S. l 10.

2. Die glossierten lat. Formen sind Vorbild für eine dt. Prosaversion des 'Summarium' geworden, die zuerst in den um die Mitte des 15. Jh.s in Nürnberg entstandenen Bibelhss. des 2. Waltherschen Übersetzungszweigs (WALTHER, Bibelübers., Sp. 288-338; vgl. -» 'Wenzelsbibel', 4.) als ge-

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'Alexius' — Alkabitius

sammelte Inhaltsangabe zur Bibel überliefert sind. In der dt. Prosafassung sind die Merkwörter der lat. Hexameter übersetzt und mit einer ausführlichen Glosse jeweils zu Inhaltsangaben der einzelnen Kapitel verschmolzen. Die dt. Glossen stehen wahrscheinlich nur in lockerer Verbindung mit einem lat. Vorbild und wurden bei der Übersetzung des lat. Lemmas vom Schreiber vielleicht aus eigener Bibelkenntnis hinzugesetzt. Bisher ließ sich das dt. Prosa'Summarium' an keine der vielfältigen lat. Versionen anschließen. Eine Überlieferung außerhalb dt. Bibelhss. ist nicht bekannt.

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Vgl. ders., Zwei altschlesische Gedichte, Sbornik Praci Filosoficke Fakulty Brnenske University, Jg. 16, Rada Literirnevedna 14 (1967) 109-124, hier S. 122 Anm. 16. Sp. 232 zu VII. ergänze: Neben 16 Legendarfassungen insg. 11 (korr.: 9) eigenständige Prosafassungen verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 388 f. (korr. dort Nr. 6: die Sign, der Kolmarer Hs. lautet statt "CPC 280" korr.: CPC 2137; Nr. 9: Philadelphia, Univ. of Pennsylvania Library, MS. Ger. 4, 25r—30r, ist ein zweiter Textzeuge der Verslegende 'Alexius K' [= Sp. 231, Nr. VI]; Ausg. I. HESTER, A Hitherto Unpublished Version of the Alexius Legend, Diss. Univ. of Pennsylvania 1981 [278 vv.]; Nr. 11: Die Legende in Berlin, mgo 61 ist ein Text aus dem 'Großen -* Seelentrost').

Ü b e r l i e f e r u n g . Älteste Textzeugen: Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 2° l, und Nürnberg, StB, cod. Cent. III, 42. Außerdem: Augsburg, ÜB, cod. III. Alfonsus Bonihominis [Korr./Nachtr.] 1. 2° l a; Nürnberg, StB, cod. Cent. III, 40, 41 u. 43; Oxford, Bodl. Libr., Ms. Bodley 969/70; StuttBd. l, Sp. 237 Überl.: "Brüssel, Bibl. royale, gart, Württ. LB, cod. HB II 10. Einzige Überliefecod. 10,765-66" korr.: ..., cod. 10765-66. rung in Verbindung mit einem der -> OberdeutEbd. zu Ausg.n (lat. u. dt.) ergänze: M. MARSschen Bibeldrucke (Mentelin 1466): Bamberg, SB, MANN, Die Epistel des Rabbi Samuel an Rabbi Msc. Bibl. 148 an Incun. A. I. 1. Isaak, Unters, u. Edition, Diss. München 1971 (weitere dt. Übers.n neben derjenigen Ösers). L i t e r a t u r . N. HENKEL, Dt. Übersetzungen lat. Zu Lit. ergänze: KAEPPELI, Scriptores I 48-55. Schultexte (MTU 90), 1988, S. 221-223; CH. WULF, Tituli, Kapitelreihen, Buchsummarien, in: Dt. Bibelübers.n d. MAs (= Vestigia Bibliae 9/10), 'Algorismus Ratisbonensis' [Korr./Nachtr.] 1987/88, S. 385-399; K. STACKMANN, Die Bedeutung des Beiwerks für die Bestimmung der GeBd. l, Sp. 237 zu Ausg.n: Die angekündigte Arbrauchssituation vorlutherischer dt. Bibeln, in: W. beit von M. Zimmermann ist nicht erschienen. MILDE / W. SCHUDER (Hgg.), de captu lectoris. Sp. 238 zu 3.: Der St. Emmeramer Mönch, MaWirkungen des Buches im 15. u. 16. Jh., 1988, thematiker und Astronom Friedrich Amann S. 273-288, hier S. 279-282; U. KÜHNE, Zur lit. (t 1465; früher meist fälschlich Friedrich Gerhart) Tradition der 'Biblia metrica', in: V. HONEMANN hat nicht nur München, clm 14908, sondern auch (Hg.), Dietrich Engelhus. Beiträge zu Leben u. clm 14783 geschrieben, den . R.' somit zuminWerk (Md. Forschungen 104), 1990, S. 95-108; dest bearbeitet und erweitert. Daneben stammen F. J. WORSTBROCK, Libri pauperum. Zu Entsteweitere math.-naturwissenschaftliche Hss. von hung, Struktur u. Gebrauch einiger mal. Buchforihm. Vgl. -»· Fridericus (astronomus) [NB]. men der Wissenslit. seit dem 12. Jh., in: CH. MEIER L i t e r a t u r . CH. MEINEL, Maß und Zahl im u. a. (Hgg.), Der Codex im Gebrauch (MMS 70), MA, in: Gelehrtes Regensburg. Stadt der Wissen1996, S. 41-60, hier S. 48 f. u. 56. schaft [Ausstellungskatalog], hg. v. der Univ. ReCHRISTINE WULF gensburg, 1995, S. 36-44, hier S. 42 ff.

'Alexius' [Nachtr./Korr.]

Alkabitius (al-QabTsT, al-KablsT)

Bd. l, Sp. 227, zu II. ('Alexius B'): "Annaberg, Kirchenbibl., Hs. D 187" korr.: ..., Hs. 329 (olim D 187). Vgl. F. PENSEL, PBB 117 (1995) 65f. Ebd. ergänze zu Überl.: Olmütz, Zemsky Archiv Opava-Pracoviste Olomouc, C. O. 188, 48v-56r (O); Ausg.: L. ZATOCIL, Olomoucki legenda o sv. Alexiovi (B) a poznamky k legende polske, Vestnik Krälovske Ceske Spolecnosti Nauk, Tfida filosoficko-historicko-filologicki, Jg. 1947 (Prag 1950), 1-48 (Text S. 25-42, engl. Resümee S. 46-48).

Syrischer (?) Mathematiker und Hofastrologe des 10. Jh.s. Ü b e r l i e f e r u n g . Zahlreiche arabische u. eine hebräische Hs. bei ULLMANN, S. 332; 27 lat. Hss. bei THORNDIKE/KIBRE, Inc., s. v. Alcabitius, dazu zwei Kommentar-Überlieferungen; 70 lat. Hss. einschließlich der Kommentar-Fassungen bei ZINNER, Nr. 11-98. - Lat. Inkunabeln: GW 842-845; KLEES 41.1-41.4.

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Alkabitius

1. Unterrichtet in Mossul vom berühmten al-'Imräm (f 956) und nach dessen Tod an den Hamdaniden-Hof nach Aleppo berufen, stand Abu s-Saqr 'Abd al-' ibn 'Utman ibn 'All al QablsT als Leibastrologe in Diensten Sultan 'Alls, bekannt unter dem in Byzanz gefürchteten Beinamen saifaddaula l 'Schwert des Islam'. Für (oder zusammen mit) Sa'if ad-Daula verfaßte er ein Lehrgedicht über den Regenbogen; seine übrigen Werke sind unter der Ägide des erfolgreichen Feldherrn sowie Wissenschaftsorganisators entstanden und zeugen vom Einfluß Abu Firäs, al-Mutanabbls und anderer Gelehrter, die der Ruf des hamdanidischen Hofes unter Sultan 'All in das 'glanzvolle Zentrum der arabischen Dichtung und Wissenschaft' gelockt hatte: Neben einer arithmetischen Studie, zwei Abhandlungen über das Bestimmen von Entfernung und Größe der Himmelskörper, einer Prüfungsordnung für das astronomisch-astrologische 'Staatsexamen' und drei verschollenen Schriften (zum 'Almagest' des Ptolemaeus) veröffentlichte A. eine knappe 'Einführung in die Kunst der Astrologie' ('Kitäb al-Mudhal ilä sinä'at ahkäm an-nugüm'), die das Beherrschen der 'Tetrabiblos' von Ptolemaeus voraussetzt, sich in fünf Traktate gliedert (Tierkreis und Konjunktionen, Planeten, planetare Konstellationen, astrologische Fachausdrücke, Horoskop) und weite Verbreitung erlangte. Es handelt sich um ein Spätwerk. 967 — im selben Jahr wie sein Gönner Sa'if ad-Daula — ist A. gestorben. 2. Aus dem Arabischen wurde die 'Einführung in die Astrologie' u. a. ins Hebräische übersetzt. Die lat. Übertragung ist um 1140/44 durch Johannes von Toledo (Hispalensis) geschaffen worden ('Alcabitii Liber isagogicus'). Eine spätere, kommentierte Fassung dieser Übersetzung stammt von dem Pariser Magister Johannes (Danck) de Saxonia (v. J. 1331). 3. Deutsche Übersetzungen. SCHADL unterscheidet zwei dt. Übersetzungen des 'Liber isagogicus': Die erste basiert demnach auf dem lat. Text des Johannes von Toledo, die zweite auf der Fassung des Johannes de Saxonia. Nur diese zweite

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bringt sie mit dem Dominikaner -»· Arnold von Freiburg in Verbindung (oder Freiberg/Sachsen? vgl. Hs. Salzburg: Arnolt von Friberg); die Datierung 1312 im Explicit zweier Hss. kann so nicht stimmen, schon weil die lat. Vorlage erst 1331 abgefaßt wurde (vgl. SCHADL, S. VII f.). Eine endgültige Klärung der Verhältnisse steht noch aus. Ü b e r l i e f e r u n g . Vgl. -» Arnold von Freiburg (10 Hss.) sowie SCHADL, S. IVf. u. IX-XV, die nur 8 dieser Hss. nennt: Demnach gehören nur 3 Hss. (alle bair.-österr., 15. Jh.) sicher zu Arnolds Übersetzung (II): Heidelberg, cpg 511, l r -69 v ; Salzburg, St. Peter, cod. b XI 30, 191r-213v; Wien, cod. 5318, 107r-128v. Der Übersetzung I ordnet SCHADL 4 Hss. zu (15. u. 16. Jh.): Augsburg, ÜB (olim Harburg), cod. III. 2. 2° l, 75r-110r (schwäb.); Berlin, mgf 479, 18 -5 (bair.); München, cgm 328, 26r-60r (schwäb.); dazu neu New York, Pierpont Morgan Library, Ms. M. 722 (früher Stiftsbibl. Seitenstetten), 18V-48V (bair.-österr.). Die Hss. Edinburgh, Crawford Libr., cod. 15, und Görlitz, Oberlausitzische Ges. d. Wiss.n, cod. 18 (14. Jh.), gelten als Kriegsverlust. A u s g a b e von Übers. II: S. SCHADL, Alkabitius, Libellus isagogicus, Diss. (masch.) Heidelberg 1985, S. 1-94 (synoptisch [S. la-94a, 95-98] mit dem lat. Text des Johannes de Saxonia nach dem Druck Venedig, Erhard Ratdolt 1485).

Während Übersetzung I sich eng an den Wortlaut der Vorlage hält, ist Arnold von Freiburg (bzw. der Übersetzer II) freier und souveräner mit seiner Textvorlage umgegangen; er ändert die Wortfolge, wählt geminierende Synonymic, löst Satzbaupläne auf und versucht, komplexe Aussagen seiner Quelle durch umberede zu meistern oder ganz wegzulassen. Zu einer dritten Übersetzung vgl. -»· Peter von Münster. L i t e r a t u r . E. ZINNER, Verzeichnis d. astronom. Hss. d. dt. Kulturgebietes, 1925, S. 17-19, 386 f.; M. ULLMANN, Die Natur- u. Geheimwiss. im Islam (Hdb. d. Orientalistik, I.Abt., Erg.bd. VI, 2), 1972, S. 331 f.; Dictionary of Scientific Biography XI, New York 1975, S. 226a- b; The Encyclopaedia of Islam IV, Leiden 21978, S. 340bf.; F. SEZGIN, Gesch. d. arab. Schrifttums VI, Leiden 1978, S. 208-210; VII, 1979, S. 170f.; SCHADL, Ausg. (s. o.), Einleitung, Glossare; A. SESIANI, A Treatise by al-Qabisi (Alchabitius) on Arithmetical

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Almanache

Series, Annals of the New York Academy of Sciences 500 (1987) 483-500; M. FREYER / G. KEIL, Vom mal. Medizin- zum modernen Biologieunterricht, 1995, II, S. 439; Lexikon d. MAs VII, 1995, Sp. 341.

G. KEIL Meister Alkaym tat'

'Waffenhärtungstrak-

Almanache I. Sammelbegriff für das erfolgreichste ephemere Medium der Frühdruckzeit, einen Typ kalendarisch-medizinischer Texte, der seit 1457 in zahlreichen Einblattdrucken publiziert wurde. Den Gepflogenheiten der Inkunabelkunde entsprechend wird der Begriff hier nur für Drucke verwendet (zur Definition HOFFMANN, S. 130). Die A. sind stets für ein einziges Jahr berechnet und bieten in einem ersten Teil dessen variable Kalenderdaten: Goldene Zahl, Sonntagsbuchstabe, Sonnenzyklus, bewegliche Feste. Es folgen Mondphasentabellen und ein Verzeichnis der geeigneten und ungeeigneten Aderlaßtermine, daher die zeitgenössischen Gattungsnamen laßtafel und laßzettel. Die Bezeichnung almanach erscheint auf einem Einblattdruck zuerst in einer lat. Erfurter Ausgabe für 1474 (GW 1302). Hinzutreten können Hinweise auf die Eklipsen des Jahres, oft durch Finsternisscheiben illustriert (schon 1462 in GW 1287). Bisweilen ist der Meridian oder der Ort angegeben, für den die astronomischen Daten berechnet sind. Die Gestaltung im einzelnen ist sehr variabel ( / HAEBLER; SUDHOFF, 1907/08). Es existieren keine umfassenden Arbeiten zur hs.liehen Überlieferung, auch die A. des 16. Jh.s sind nicht systematisch gesichtet (H. UNTERREITMEIER, Dt. Astronomie/Astrologie im SpätMA, Arch. f. Kulturgesch. 65 [1983] 21-41); die folgende Übersicht beschränkt sich auf die EinblattA. der Inkunabelzeit. Die Mehrzahl, darunter viele Erstdrucke, ist in dt. Sprache abgefaßt. Zu einzelnen astronomischen und medizinischen Aspekten und zu den Biographien der Verf. — meist Stadtärzte, Astronomen, Mathematiker, bisweilen

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Laienärzte — vgl. Marx ->· Ayrer, -> Burkhard von Horneck, Paul -> Eck, Johannes -»· Engel [s. auch NB], Wenzel -* Faber von Budweis, Hans -»· Folz (V.4.a), Peter -»· Hernßheimer, Jakob -» Honiger, Jobst ->· Hord, -» Johannes von Gmunden, Balthasar -* Mansfeldt, Marcus -» Schinnagel, Eberhard -* Schleusinger, Erhard -»· Sittich, -» Siegmund von Prüstat, -»· Siegmund von Stockheim, Bruder -» Valentin OESA, Johannes ->· Virdung, Johannes -» Stöffler [NB]. Ein Großteil der Ausgaben ist nur unikal, meist als Einbandmakulatur überliefert; nur von GW 1290 sind etwa 25 Exemplare erhalten. Der Publikationstyp blieb weitgehend auf das dt. Sprachgebiet beschränkt, wenige tschechische Drucke seit 1485 (GW 1396), französische und hebräische Ausgaben erst seit 1496. II. Überlieferung. Druckbibliographie: GW 1285-1552 und ZINNER, dazu zahlreiche Ergänzungen. Es sind z. Zt. etwa 350 anonyme Ausgaben bis 1501 bekannt. Die folgende Übersicht ist gegliedert nach Druckorten und nach der Chronologie der ersten volkssprachigen Drucke (auch lat. Ausgaben werden erwähnt). Genannt wird das Jahr, für das der jeweilige A. berechnet ist. Als Drucktermin ist generell der Spätherbst des Vorjahres anzunehmen, da A. meist zu Neujahr verkauft, verteilt oder verschenkt wurden; häufig weisen sie Holzschnitte mit Neujahrsgrüßen, Darstellungen der Geburt Christi und der Heiligen Drei Könige auf.

1. Mainz. Der vom sog. Drucker der 36zeiligen Bibel publizierte dt. . auf 1448' (GW 1285) ist vielmehr ein für 1457 berechneter astronomischer Kalender (WEHMER, 1948); zu diesem Zeitpunkt erschien auch ein lat. Laxierkalender (GW 1286). Dt. Drucke gibt es erst wieder seit 1474 (Peter Schöffer, GW 1304), lat. seit 1477 (Verf. Johannes Staffelsteiner; Einblattdrucke 1401). Schöffer stellte auch einen nd. A. auf 1483 her, wohl für den Export (GW 1365). Sonst bleibt die Mainzer Produktion bis 1501 mit weniger als einem Dutzend Ausgaben geringfügig. 2. Wien (?). Es ist umstritten, ob der 'Drucker des A.s für 1462' (GW 1287) mit Ulrich Han in Wien identisch ist (G. BORSA, Über d. Anfänge d. Buchdruckes in Wien, Beitr. z. Inkunabelkunde 3,1 [1965]

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Almanache

48—75, bes. S. 66). Das Donaueschinger Unikat wurde 1994 bei Sotheby's versteigert; jetzt: Princeton, John H. Scheide Library. Lat. Ausgaben danach erst seit 1493 (GW 1485), dt. seit 1497 (Drucker: Johannes Winterburger; GW 1529). 3. Augsburg. Günther Zainer, dt. 1470 (GW 1288), lat. 1471 (GW 1289; firmiert), danach jährlich mehrere Drucke bis 1478. Augsburg stellt den größten Anteil an der Gesamtproduktion des 15. Jh.s. Dabei wurden, wie eine Äußerung von Hermann -» Schedel zeigt, schon früh Vorlagen aus Nürnberg benutzt (P. JOACHIMSOHN [Hg.], H. Schedels Briefwechsel [StLV 196], 1893, S. 208). Seit Mitte der achtziger Jahre überwiegt, wie auch sonst im Augsburger Frühdruck, die dt. Sprache; von Anton -> Sorg etwa sind ab 1485 nur noch dt. Ausgaben erhalten. Ab 1487 werden Aderlaßangaben mit kurzen Jahresvorhersagen (practica) zu Wetter, Ernten, Seuchen, dem Schicksal hochgestellter Personen usw. kombiniert (Einblattdrucke 1307 [lat.], 1308 [dt.], beide von Schinnagel). Aus Augsburg ist mit Jobst Hord für das Jahr 1477 auch der früheste Verf.name bezeugt. 4. Basel. Bernhard Richel, 1471. Dieser Erstdruck ist kein üblicher A., sondern ein vulgär-misogynes Kalendergedicht in Versen mit Mitteilungen zu Aderlaßterminen (Basel, ÜB, Einblattdrucke s. XV Nr. 101 und 102; VAN DER HAEGHEN). Dt. Ausgaben sonst seit 1478 (GW 1326). Prominente Verf.: Eberhard Schleusinger, Stadtarzt in Zürich; dt. Drucke seit 1493 weiterhin von dem Basler Stadtarzt Johannes Wonnecker (nicht identisch mit Johann -» Wonnecke; Einblattdrucke 1539-1545; A. PFISTER, S. 340 f.; HOFFMANN, S. 139). Die lat. Produktion setzt 1489 ein (GW 1429) und bleibt gering. 5. Nürnberg. Anton Koberger, 1473, dt. und lat. Drucke (GW 1296-1298); danach über 80 Ausgaben aus mehr als einem Dutzend Offizinen. Verf.: Johannes Canter (lat.: GW 5996; dt. in Cambridge/Mass., Harvard College, Houghton Libr.), Paul Eck, Wenzel Faber von Budweis, Hans Folz (von ihm auch GW 10106, satirischer A. auf 1480; 2VL Bd. 2, Sp. 790 f.; Ausg.: H. FISCHER, H. F. Die Reimpaarsprüche

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[MTU 1], 1961, Nr. 46), Erhard Sittich. Verwandt: Immerwährende Aderlaßtafel, gedruckt von Ambrosius Huber um 1497-1503, in Wien, cod. 3301, 387r (Hs. d. Hieronymus -» Streitel, II. 1.3); dazu die 'Verba' des - Johannes Bedellus (GW 3759 u. 3760). 6. Straßburg. 1473 zwei Drucke bei Heinrich -* Eggestein und Johannes Mentelin (GW 1299, 1300), zahlreiche weitere dt. und lat. Ausgaben bis 1500. Eng mit Straßburg verbunden ist die Gattung der gereimten Neumondkalender (-» 'Türkenkalender', 4.): 'Aufruf zum Türkenkreuzzug' (GW 1330), 'Das Clärlein' (Hans Erhart -» Tusch, II.3), 'Böse u. gute Zunge' (Einblattdrucke 1499; E. SIMON, The Türkenkalender [1454] Attributed to Gutenberg and the Strasbourg Lunation Tracts, Cambridge/Mass. 1988; F. SCHANZE, Der Drucker d. Breviarium Ratisponense, Gutenberg-Jb. 1994, S. 67-77). Nur wenige lat. Drucke seit 1480 (GW 1344), u. a. berechnet für Breslau (GW 1525). 7. Erfurt. Erster lat. Druck 1474 (GW 1302), dt. erst seit 1487 (GW 1412), spätere Ausgaben verfaßt von Jakob Honiger und Siegmund von Stockheim; hoher lat. Anteil. 8. Krakau. Nur ein lat. Druck auf 1474 (GW 1303). 9. Ulm. Johannes Zainer, 1474 (voll firmiert; GW 1305), danach zahlreiche meist dt. Drucke. Verf. u. a. Johannes Virdung; lat. seit 1478 (Einblattdrucke 1403; von Johannes Stöffler). 10. Blaubeuren. Konrad Mancz, 1478 (GW 1327), keine weiteren Drucke. 11. Reutlingen. Michael Greyff, 1478 (GW 1329), danach weitere dt. Drucke. 12. Memmingen. Albrecht Kunne, 1479 oder 1484 (GW 1335), danach nur ein weiterer Druck (GW 1490). 13. Magdeburg. Bartholomäus Ghotan (s.a. Nr. 20), 1480 (GW 1341), danach meist nd. Drucke, lat. seit 1493 (GW 1478). 14. Bamberg. Johannes Sensenschmidt, 1481 (GW 1349), danach weitere dt. Drucke, Verf. u. a. Marx Ayrer und Johannes Engel. Lat. Ausgaben seit 1491 (GW 1452).

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15. Passau. Benedikt Mayr, lat. 1481 gen aber unverzichtbar: HEITZ/HAEBLER. Zahlrei(GW 1353), dt. 1482 (GW 1360), danach che Abbildungen in der Forschungsliteratur. weitere dt. und lat. Drucke bis 1494. Ein III. Die Entwicklung des Mediums A. für Salzburg berechneter dt. A. auf 1489 ist nicht untersucht (Skizzen bei HEITZ/ wurde von dem mayster Dionysius Kekh HAEBLER, Einl. und SUDHOFF [1907/08]; verfaßt und von Johannes Petri gedruckt zu den Anfängen EISERMANN/HONEMANN). (K. HOLTER, Über einige unbekannte Wie- Trotz großer Vielfalt lassen sich mehrere gendrucke in oberösterreichischen Samm- regionale Typen unterscheiden, z. B. ein lungen, Gutenberg-Jb. [1970] 97-107, bes. mittelrheinischer (Mainz), oberrheinischer S. 101-103). (Basel, Straßburg), ein Augsburger und ein 16. Speyer. Peter Drach, 1481 Nürnberger Typ. Diese Gruppen sind (GW 1354), danach weitere dt. Drucke, durch ähnliche Initien, Formular- und Geu. a. berechnet für Breslau (GW 1522). staltungsbesonderheiten und durch den 17. Urach. Konrad Fyner, 1482 (fir- Umfang der dargebotenen Informationen miert; GW 1363), keine weiteren Drucke. voneinander abzugrenzen. Inhaltlich zeigt 18. Würzburg. Georg Reyser, 1482, be- sich bei starken Unterschieden im einzelrechnet für Würzburg (GW 1364), danach nen eine Tendenz zur Normierung wenignur dt. Drucke, bis 1492. stens der astronomisch-kalendarischen An19. Leipzig. Markus Brandis, 1484 gaben durch die Benutzung der verbreite(GW 1374), danach zahlreiche dt. und lat. ten Arbeiten des Johannes -> RegiomontaDrucke, u. a. von Eck und Faber. nus (II. l und 2). 20. Lübeck. B. Ghotan (s. a. Nr. 13), Obwohl die Berechnung beweglicher 1484 (firmiert; GW 1377), danach weitere Kalenderdaten und die Anweisungen zum nd. und lat. Drucke. Aderlaß im Zentrum stehen, waren A. 21. Köln. Keine dt. Ausgaben; drei lat. nicht nur pragmatisches Vademecum für Drucke auf 1485 und 1489 (anonym: den Alltag und Dokumente lebenspraktiGW 1388 und 1432; Verf. Johannes von scher Handlungsanleitung, sondern dienZierikzee: Einblattdrucke 809). ten vielen Offizinen, zumal neu eingerich22. München. Benedikt Puchpinder, teten, auch als Medien der Repräsentation 1485 (GW 1391), danach weitere dt. und der Eigenwerbung. Dies zeigt etwa der Drucke, u. a. von Balthasar Mansfeldt. Ausspruch ne italo cedere videamur, mit 23. Heidelberg. Heinrich Knoblochtzer, dem Günther Zainer in den lat. Drucken 1486 (GW 1399/20), danach weitere dt. und lat. Drucke, u. a. von Johannes Engel. GW 1293 und 1295 (für 1472 bzw. 1473) 24. Eichstätt. Michael Reyser, 1487, für den erstmaligen Gebrauch der Antiqua beNürnberg (GW 1411), keine weiteren gründet; verschiedentlich wird auch in Bücheranzeigen auf neue A. hingewiesen. Drucke. 25. Brunn. Konrad Stahel und Matthias Die künstlerisch teilweise bedeutenden IlPreinlein, lat. seit 1488 (GW 1421/10), ein lustrationen und reichhaltige Ausstatdt. Druck auf 1489 (Incunabula quae in tungsprogramme belegen gleichfalls, daß Bibliothecis Poloniae asservantur l, 1970, A. zunehmend als eigenwertiges Medium mit repräsentativem Anspruch angesehen Nr. 248). 26. Regensburg. Keine dt. Ausgaben; wurden (GW 1369; Kat. Jahreszeiten der lat. Drucke seit 1491 (GW 1461). Gefühle. Das Gothaer Liebespaar und die 27. Ingolstadt. Johannes Kachelofen, Minne im SpätMA, hg. v. A. SCHUTTWOLF, 1493, verfaßt von Siegmund von Prüstat 1998, Nr. 41; AMELUNG). Einige Drucker (GW 9665), danach einige weitere Drucke. versuchten sich auch mit dem Export (s. 28. Pforzheim. Thomas Anshelm, 1496 II.l und 6). Zweifellos kam den Blättern (GW 1505), keine weiteren Drucke bis eine gewisse ökonomische Bedeutung im 1501. Verlagsprogramm der Frühdrucker zu. Die starke Konkurrenzsituation und die wechA u s g a b e n . In Einzelheiten nicht mehr aktuell, selnden Marktmonopole lassen sich exemals Gesamtdarstellung und aufgrund der Abbildun-

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'Der Almosenempfänger' — Alphidius

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plarisch an der Augsburger Produktion ablesen (FLOOD, S. 69 f.). Primäre Adressaten waren gelehrte Mediziner, Stadtärzte und für die dt. Texte vor allem die Laienmediziner (Bader, Barbiere). Die vielen lat. und dt. Parallelausgaben aus denselben Offizinen und die inhaltlichen Ausweitungen in Richtung allgemeiner Haushaltslehren zeigen indes, daß die Drucker bemüht waren, die Rezipientenkreise beständig zu erweitern. Die Beliebtheit des Mediums führte schon früh zu Parodien, z. B. Zürich, Zentralbibl., cod. C 101, 111V-113V (Hs. des Gallus -» Kemli) und satirischer A. von Folz (s. o.; zur Textgattung S. PFISTER); entsprechend entwickelte sich zunehmend eine gelehrte Kritik am Aderlaßwesen insgesamt (Johannes Neumann, 'Instructio modica ne vulgus phlebotomiam faciat', Einblattdrucke 1028; SUDHOFF, 1907/08, S. 288).

lendergedicht auf d. Jahr 1471, Basler Zs. f. Gesch. u. Altertumskunde 83 (1983) 183-191; L. HOFFMANN, A. d. 15. u. 16. Jh.s u. ihre Käufer, Beitr. z. Inkunabelkunde 3,8 (1983) 130-143; S. PFISTER, Parodien astrologisch-prophetischen Schrifttums 1470-1590, 1990, S. 64-102; H. REIMÖLLER, Lehren f. d. Hausherrn: Kalender im späten MA, in: B. LUNDT (Hg.), Auf d. Suche nach d. Frau im MA, 1991, S. 189-209; J. FLOOD, Ein A. auf d. Jahr 1492 mit einer Übersicht über d. Augsburger Kalenderproduktion d. 15. Jh.s, Gutenberg-Jb. (1992) 62-71; M. GERMANN, Fundort Bucheinband: ein Zürcher Kalender auf d. Jahr 1482, ebd. (1993) 66 — 87; F. EISERMANN, Ein Augsburger A. auf d. Jahr 1478, ebd. (1995) 89-92; ders./V. HONEMANN, Die ersten typographischen Einblattdrucke, ebd. (2000) 88-131, bes. S. 109-122.

L i t e r a t u r (Auswahl). Forschungsbibliographie: Der Buchdruck im 15. Jh., hg. v. S. CORSTEN u. R. W. FUCHS unter Mitarb. v. K. H. STAUB, 2 Bde, 1988/1993, I, S. 69-71, II, S. 711. P. HEITZ / K. HAEBLER (Hgg.), Hundert Kalender-Inkunabeln, 1895; I. COLLIJN, Drei neu aufgefundene nd. Einblattkalender d. 15. Jh.s, 1904; K. HAEBLER, Michael Greyff als Kalenderdrucker, Zs. f. Bücherfreunde 9 (1905/06) 351-358; K. SUDHOFF, Laßtafelkunst in Drucken des 15. Jh.s, Sudhoffs Arch, l (1907/08) 219-288; ders., Dt. med. Inkunabeln, 1908, Nrn. 174, 285-432 a; C. WEHMER, Zwei seltene Aderlaßkalender d. 15. Jh.s, Beitr. z. Inkunabelkunde NF l (1935) 113-115; ders., Mainzer Probedrucke in d. Type des sog. Astronomischen Kalenders f. 1448. Mit einer Untersuchung v. V. STEGEMANN, 1948; V. SCHOLDERER, An Almanac for the Year 1478, The Library 4,19 (1938/39) 99-102; A. PFISTER, Über Anfänge u. erste Entwicklung d. Druckes medizinischer Werke in Basel, in: Fs. J. Brodbeck-Sandreuter, 1942, S. 335—364; A. DOLD, Ein neugefundener Kalender-Einblattdruck auf d. Jahr 1488 aus d. Offizin d. Anton Sorg zu Augsburg, Gutenberg-Jb. (1942/43) 100-106; E. ZINNER, Gesch. u. Bibliographie der astronomischen Lit. in Deutschland z. Zeit d. Renaissance, 1941, 21964; F. JUNTKE, Ein unbekannter nd. A. d. 15. Jh.s, Beitr. z. Inkunabelkunde 3,1 (1965) 105-110; K. MATTHÄUS, Zur Gesch. d. Nürnberger Kalenderwesens, Arch. f. Gesch. d, Buchwesens 9 (1969) Sp. 965-1396, bes. 981-1001, 1339-1342; P. AMELUNG, Zum Bilderschmuck d. frühen Einblattkalender, GutenbergJb. (1980) 235-245; P. VAN DER HAEGHEN, Ein Ka-

Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. K 408, 122rb-123vb.

FALK EISERMANN 'Der Almosenempfänger' Reimpaargedicht aus der zweiten Hälfte des 14. Jh.s (?), 96 Verse.

A u s g a b e n . KELLER, Ged. VII, S. 3—6; SCHMID, Cod. 408, S. 492-494.

Vielleicht in Anlehnung an das in den Fastnachtspielen geläufige Motiv des nachthungers entwickelt diese red (v. 1) den Wunsch, von einem Almosengeber dessen Ehefrau wie eine milde Essensgabe zu erhalten. Der Almusner (so der Titel in der Hs.) möchte jenes gericht (v. 13), weil der Ehemann es des nacktes nit enmag (v. 21), bei Tag gerne selbst genießen. Er möchte es ganz ohne Gewürze haben, ploß (v. 34) und an alles gerette (v. 36), und gierig wird er sich über das Essen hermachen, auch wenn ihn dann womöglich der hesch ('Schluckauf, v. 78) befällt. L i t e r a t u r . DE BOOR, LG III 2/GLIER, S. 136f.

NICOLA ZOTZ Alphidius Autorität der spätmal, und frühneuzeitlichen Alchemic. Lebenszeit, Stellung und Wirkungsbereich liegen im Dunkel. Der Name 'Alphidius' (auch: Alfidius; gelegentlich zersetzt: Assiduus) weist auf einen Araber, indes scheint ein arabischer Alchemica-Urheber na-

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Alphidius

mens A. nicht bekannt, und die Vermutung, A. habe im 12. Jh. gewirkt (so z. B. BOHREN, S. 23), blieb unbestätigt. — Eine Konfusion mit Artephius (so z. B. SINGER, I, 1928, S. 128, Nr. 145; BOEREN, s. v. A.) entbehrt argumentativen Rückhalts, ebenso die Auffassung, A. sei mit einem von -> Senior Zadith (10. Jh.) 'zitierten Alcides oder Assiduus identisch' (VON FRANZ, S. 13).

Mit A. verknüpfen sich in der lat. Alchemieliteratur mehrere Schriften, darunter ein 'Liber ad filium suum'; ihre Überlieferung setzt im 14. Jh. ein und bildet ein unzureichend erfaßtes und nicht untersuchtes Schriftencorpus. Dicta des A. bereicherten zahlreiche Werke (z. B. Petrus Bonus, 'Margarita pretiosa' [14. Jh.]; 'Aurora consurgens' [14. Jh.; vgl. -»· Thomas von Aquin, B. V. 2.]; -» 'Rosarium philosophorum' [14. Jh.]; 'Splendor sous' [um 1500/1530]). In das landessprachige dt. Schrifttum alchemischen Inhalts gelangten folgende Schriften: 1. 'Domus thesaurorum'. Exzerpte in einer dt. 'Rosarium philosophorum'-Fassung (Anfang 15. Jh.; zit. bei TELLE, S. 75, 78) und in einem wappenkünstlerischen Text/Bild-Ensemble der ->· 'Vera scientia alchimiae' (15. Jh.) stehen mit am Anfang der Aufnahme von A.-Texten in die dt.sprachige Alchemieliteratur. Eine umfängliche Übersetzung findet sich in Leiden, ÜB, cod. Voss. ehem. F. 6, 100r-174v (16. Jh.). 2. 'Von Körper, Seele und Geist'. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss.: Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 4° Ms. ehem. 33, Heft IV, l r -2 v (16. Jh.): Eyne geleichnis von dem steyne der philosophenn; München, cgm 309, 123r~v (15. Jh.). D r u c k e . Thesaurinella Olympica aurea tripartita, hg. v. B. FIGULUS, Frankfurt/M., W. Richter für N. Stein 1608, S. 55f. (mit Kommentar); weitere Ausg.: Frankfurt/M., J. Görlin für G. Wolff (Hamburg) 1682, hier S. 66—68; Trinum Chymicum, Straßburg, J. A. Dolhopff 1699, S. 19-21; Fasciculus Unterschiedlicher [...] Philosophischen Schrifften Vom Stein der Weisen, hg. CH. v. HELLWIG, Leipzig/Bremen, J. A. Grimm 1719, S. 140— 142 (anonym). A u s g a b e . BUNTZ, S. 160-164 (Wiedergabe von cgm 309 [zit.] u. der Drucke von 1608 u. 1719).

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Eine Prosa-Allegorie, die 'Corpus', 'Anima' und 'Spiritus' — anthropologisch-chemischen Zentralbegriffen der alchemischen Spekulation über die Stoffewelt — gewidmet ist. Sie erzählt von einem sune (Spiritus-Personifikation), der sich unter Leitung eines furers (Anima-Personifikation; neuplatonischer Psychopompos) auf eine Himmelswanderung begibt, an das oberst teil des hymels gelangt und nach der Rückkehr von seinem vater (Corpus-Personifikation) verschlungen wird. Dann werden von Gott bewirkte Geschehnisse geschildert, die eine 'Verkehrung' des 'Vaters' in wasser einbegreifen; sie enden in der Entstehung eines 'neuen Vaters' und 'neuen Sohns', aus denen 'unsterbliche Früchte' hervorgehen. Die Allegorie erfuhr eine Versbearbeitung durch -»· Lamspring ('Vom Stein der Weisen', entstanden spätestens um 1500; hg. v. BUNTZ, Text/Bild-Einheiten Nr. 11 — 15, S. 133 — 142; anonymisiert; Vorlage: Die von cgm 309 repräsentierte Textklasse). Sie wurde dabei, stärker noch von einem späteren Anonymus (hg. v. B. FIGULUS, 1608 [s. o.]), chemikalisiert. Noch Pierre Jean Fabre (Text bei BUNTZ, S. 173 f.) anerkannte in dem abscheulichen Spectackel, bei dem ein Vater seinen Sohn auffrisset l und wegen des aufgefressenen Sohns schwitzet, ein Chymisches Rätzel, das einem allegoresefähigen Leser natürliche Geheimnisse verrate. 3. Ein 'Sermo' in Wien, cod. 11338, 52V-54V (16. Jh.): Allfidius der Maister sppricht (Streuüberlieferung?). L i t e r a t u r . A. PELZER, Une source inconnue de Roger Bacon, Alfred de Sareshel, commentateur des Meteorologiques d'Aristote, AFH 12 (1919) 44—67; D. W. SINGER, Catalogue of Latin and Vernacular Alchemical Manuscripts in Great Britain and Ireland dating from before the XVI Century, Bde I-III, Brüssel 1928/31, s. . .; J. RUSKA, Turba philosophorum. Ein Beitrag zur Gesch. der Alchemic (Quellen u. Stud. z. Gesch. d. Naturwiss. u. d. Medizin 1), 1931, s. v. A.; L. THORNDIKE, A History of Magic and Experimental Science, Bd. 3, New York 1934, s. v. A.; THORNDIKE/KIBRE, Inc., s. v. A.; H. BUNTZ, Dt. alchimistische Traktate des 15. u. 16. Jh.s, phil. Diss. München 1968, S. 103105; M.-L. v. FRANZ, Aurora consurgens. Ein dem Thomas v. Aquin zugeschriebenes Dokument der

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'Alsfelder Passionsspiel' — Alt, Georg

alchemist. Gegensatzproblematik (C. G. JUNG, Mysterium Coniunctionis, Gesammelte Werke, Bd. 14, Erg.-Bd.), 4957, 1973, s. . .; P. C. BOEREN, Codices Vossiani Chymici (Bibl. Universitatis Leidensis. Codices Manuscript! XVII), Leiden 1975, s. . .; J. TELLE, Sol u. Luna. Lit.- u. alchemiegeschichtl. Stud, zu einem altdt. Bildgedicht (Schr.n z. Wissenschaftsgesch. 2), 1980, s. v. A.

JOACHIM TELLE Alram von Gresten -»· Waltram von G. 'Alsfelder Passionsspiel' [Nachtr./Korr.] Bd. 1, Sp. 263, zu 3.: Außer dem Volltext sind fünf (nicht vier) Einzelrollen überliefert (zu den angeführten auch diejenige des Barrabas). Schreiber des Darstellerverzeichnisses ist der Redaktor C (nicht B = -»· Hültscher) des Spieltextes (Hinweis Hj. Linke).

Alt, Georg I. Leben. Georg (Georgius, Jörg) A., wahrscheinlich um 1450 in Augsburg geboren, war aus wenig begütertem Haus und studierte in Erfurt (Matrikel auf Ostern 1466: Georgius Alte nichil propter pauperitatem). 1473 wurde er als scriptor in Nürnberg seßhaft, 1476 ist er als kaiserlicher Notar und Gerichtsprokurator, dann als Kanzleischreiber bezeugt. Er gehört zu einer Gruppe von zehn Kanzleischreibern, denen 1478 -> Wilhelm von Hirnkofen seine Übersetzung von Enea Silvio -» Piccolominis 'De miseriis curialium' widmete. 1485 wurde er für 20 Jahre zum Losungsschreiber ernannt. In diesem Amt hatte er die Ausgaben und Einnahmen der Stadt zu registrieren und in geringem Umfang auch zu tätigen. Sowohl in finanziellen als auch in sprachlichen Angelegenheiten war er als Mittelsmann zwischen den ungelehrten und den gelehrten Führungskreisen der Stadt tätig. Im Auftrag der Losunger zahlte er 1488 Sigismund -» Meisterlin 6 Gulden für dessen Nürnberger Stadtchronik. 1495 bot er Konrad Celtis einen Betrag von 8 Goldgulden für die 'Norimberga' und lieferte dem Rat der Stadt eine Übersetzung des Werks. Celtis strafte beides mit Geringschätzung. Von A.s letztem Lebens-

jahrzehnt ist wenig bekannt. Der Vermerk in einer Liste der Losungsschreiber, er sei stets kranck gewesen, mag sich auf seine späten Dienstjahre beziehen. Um 1500 besaß er ein Vermögen von 1000 Gulden. Am 14. September 1506 heiratete er eine Christina; vier Jahre später, am 28. 7. 1510, starb er in Nürnberg. II. Schriften. 1. Lat. 'Descriptio Nuremberge' und dt. Nürnberg-Beschreibung. Überlieferung. München, clm 472 (Liber de Nuremberg, zusammengestellt von Hartmann Schedel), 98r-99v und 266r-267v. Abdruck S. 106-111.

beider

Texte:

MUMMENHOFF,

Die beiden Prosatexte gehören zu den Vorarbeiten zur Weltchronik Hartmann -> Schedels. Inc. (lat. Text): Nuremberga est superioris Germanie vrbs celeberrima, datiert 1492. Zunächst wird, an Meisterlins 'Nieronbergensis cronica' (I, c. 1—4) angelehnt, die Sage von Nürnbergs Gründung dargestellt, dann folgt, nach dem Muster der dt.sprachigen Lobsprüche von Hans -» Rosenplüt und Kunz ->· Has, eine Aufreihung der Zierden der Stadt (Weisheit des Rats, Krankenpflege, Befestigung etc.). Die dt. Beschreibung, Inc.: Nürmberg ist des Helligen Komischen Reichs ein namhafftige vnd weitbesuchte statt, ist ebenfalls auf 1492 datiert. Der dt. Text entspricht aber nicht der 'Descriptio', sondern steht dem lat. Nürnberg-Kapitel in der Druckfassung des Schedelschen 'Liber chronicarum' näher. 2. Hartmann Schedel, 'Liber chronicarum', deutsch. Die dt. Fassung von Schedels Weltchronik ist A.s Hauptwerk: Buch der Croniken und geschickten mit figuren vnd pildnussen von anbeginn der weit bis auf diese unnsere zeit (HAIN 14510). Der im Erstdruck vorangestellte Titel Register des buchs ... gilt streng genommen nur für das am Beginn stehende alphabetische Register. Dem lat. Druck (12. Juli 1493) folgt der deutsche im Abstand von nur wenigen Monaten (23. Dez. 1493). Die lat. und die dt. Version waren von dem Nürnberger

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Alt, Georg

Konsortium Anton Koberger, Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister von vornherein als Parallelausgaben geplant. Die meisten Holzstöcke der lat. Ausgabe wurden für die Abbildungen wiederverwendet, die Seiteneinrichtungen weitgehend beibehalten. Faksimiles der dt. Ausgabe: Das buch der Croniken, Leipzig (Hendel) 1933; Das buch der Croniken, hg. v. d. Bibliothek d. Abtei Niederaltaich, 1967—70 (Originalgröße); Das buch der Croniken, München (Kölbl) 1965 u. ö.

A. war vermutlich schon an den Vorarbeiten der Schedelschen Chronik beteiligt (s. o. L). Seine Druckvorlage war abgeschlossen, bevor die korrigierte lat. Textfassung ausgedruckt war. Gleichwohl mußte sie sich der vom lat. Text her festgelegten Seitenaufteilung und Illustrationenfolge anbequemen. Daraus mögen sich einige Freiheiten des dt. gegenüber dem lat. Text erklären. A. hat das Latein zu Zeiten von Maynung zu maynung, vnnd beyweylen (nit on ursach) außzugs weise in diß teütsch gebracht (287V). Seine humanistischen Zeitgenossen unterstellten ihm mangelnde Lateinkenntnis. Johann Löffelholtz beschwerte sich (in einem Brief an Celtis vom 21. 7. 1495) über A.s Abweichungen vom lat. Chroniktext: multum tarnen 'in historiis' a vero plerumque aberrat. Celtis verspottete ihn, indem er in Ode 111,11 auf einen Übersetzungsfehler anspielte; A. hatte im Schedelschen Text (109r) vespillo ('Leichenträger') mit vespertilio ('Fledermaus') verwechselt. Eine Analyse von A.s Übertragungsleistung fehlt bislang. Sie hätte sich nicht in der Frage nach der Qualität seiner Lateinkenntnisse zu erschöpfen, sondern hätte zu prüfen, wieweit es in seiner Absicht lag und wieweit es ihm gelungen ist, die lat. Vorlage in den Bildungshorizont lateinunkundiger Benutzer umzusetzen. Im Hinblick darauf wären die Kürzungen und Umformulierungen in A.s Text zu studieren: Gedichteinlagen, fremde Namen, Literaturbelege der lat. Vorlage sind oft weggelassen oder durch summarische Formeln ersetzt; z. B. läßt A. in der Biographie des italienischen Arztes Antonius Guaynerius

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(Bl. 246r der lat. Ausgabe) die Auflistung von dessen medizinischen Publikationen beiseite und vermerkt nur, Guaynerius habe viele Schriften verfaßt, als die erzt wissen. Das sorgfältig geschriebene und mit Tuschfederskizzen ausgestattete Exemplar (d. h. Druckmanuskript) der Weltchronik ist in seinem Verhältnis zum fertigen Druck noch nicht untersucht: Nürnberg, StB, cod. Cent. 11,99, Folio, 293 Bll.; die Druckvorlage der lat. Ausgabe ebd., cod. Cent. 11,98. (beide unediert). Schon bei den Zeitgenossen war A.s Text weiter verbreitet als die lat. Originalversion. Darauf weist der in kleinerem Format gehaltene 'Raubdruck' der dt. Ausgabe, den Hans Schönsperger 1496 in Augsburg veranstaltete und mindestens einmal (1500) nachdruckte. Die Illustrationen ließ er verkleinert nachschneiden, den Text beließ er weitgehend unverändert. Sein der dt. Fassung nachfolgender und nachgebildeter Raubdruck der lat. Ausgabe (1497) war weniger erfolgreich. Schönspergers Billigkonkurrenz wird es zugerechnet, daß die Nürnberger Editionen kein Verkaufserfolg wurden.

Wigand -> Gerstenberg (gest. 1522) hat sich für seine hessisch-thüring. 'Landeschronik' mehrfach bei Georgen Alten ... in siner croniken bedient (Ausg. H. DIEMAR, 1909, S. 58* u. ö.). Er hielt demnach A. für den eigentlichen Verfasser der Schedelschen Chronik. Schedels Chronik wird von einem umfangreichen Auszug aus der 'Europa' des Aeneas Silvius -* Piccolomini abgeschlossen. Da A. diese Auszüge mitübersetzt hat, darf er zu den Erstübersetzern des Piccolomini-CEuvres gestellt werden. 3. Bartolus de Saxoferrato: 'Processus Sathanae contra genus humanum', deutsch. Druck: Ein nützlicher gerichtes handel vor got dem almechtigen vnserm herren durch die gloriwirdigsten ]ungkfrawen Mariam fursprecherin des menschlichzen geschlechts an einem vnd vormaledeyten Sathanam antvalt der hellischen schalckeit am ändern teil geübet, durch den hochgelarten doctorem Bartholum begriffen. 4°, A — C 3 (25 S., unpaginiert); o. O. [Leipzig], o. Dr. [Martin Landsberg], o. J. [1493]. Je ein Exemplar des seltenen Drucks befindet sich in Halle (Kirchenbibl. St. Marien) und Wien (ÖNB).

1493 übertrug A. die unter dem Namen des Bartolus von Saxoferrato gehende Fas-

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Der Alte Moringer — 'Altdeutsche Genesis'

sung des 'Processus Sathanae', vielleicht auf Anregung der Nürnberger Notare und Prokuratoren Johann Tuchscherer und Michael Cramer, denen die Übersetzung gewidmet ist. Der gerichtes handel vor got dem almechtigen läßt den Teufel als Ankläger, Maria als Verteidigerin und Christus als Richter der Menschheit auftreten. In seiner auf Maria Verkündigung (25. 3.) 1493 datierten Vorrede erklärt A., das Tractetlein verdiene nicht nur der Marienverehrung wegen Interesse, sondern sei wegen seiner gestalt gerichtlicher vbung den Juristen ans Herz gelegt. A. klagt, er habe das Latein seiner Vorlagen auß vnfleiß ader vnverstentnis der abschryber gebrechlich gefundenn und rechtfertigt damit, daß er in der translation oft das teusch nicht gantz gemeß noch dem latein sondern aleine der meinunge des lateins entsprechend gestaltet habe. Die Empfänger des Büchleins seien selbst lateinkundig genug, um seine Leistung schätzen zu können. 4. Conrad Celtis: 'Libellus de situ, moribus et institutis Norimbergae', deutsch. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. IV, 89, 6, 62r-112r; München, clm 951, 55r-116r (Abschrift H. Schedels 1497-99); Nürnberg, Staatsarch., Nürnberger Hss. 281, 41r-67r (vgl. L. -» Holzschuher [NB]; Hinweis J. Hamm). A b d r u c k des 1. Kap. bei WERMINGHOFF, S. 205-208. Eine Ausgabe der Übersetzung zusammen mit Celtis' 'Norimberga' bereitet Klaus Arnold vor.

Inc. Hie hebt sich an/Das Büechlein ... von vrsprung/gelegenheyt/Sytten vnd anschicklichkeiten der Stat Nurmberg. Die im Auftrag des Nürnberger Rats angefertigte Übersetzung der 'Norimberga' erregte Celtis' Mißfallen und mag ihrerseits den Rat mitveranlaßt haben, vom lat. Autor Umarbeitungen zu erbitten. A. hält sich an Celtis' 1495 vorgelegte Manuskriptfassung, von der der 1502 erfolgte Druck nicht unerheblich abweicht.

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A b d r u c k . H. RUPPRICH, Der Briefwechsel des Konrad Celtis, 1934 (Briefe Nr. 95~97 und 166 von und über A.). 6. Schriftzeugnisse von A.s Tätigkeit als Losungsschreiber: Von A. beglaubigte Notariatssignate (S. G. A.) in Nürnberg, Staatsarchiv: Kaiserprivilegien Nr. 70 a. — B-Laden Urkunden Nr. 54 und 60. - -Laden Urkunden Nr. 90. - Kloster Pillenreuth Urkunden Nr. 113. — 35 neue Laden der unteren Losungsstube Nr. 2040. — Urkunden des 7farbigen Alphabets Nr. 261. — Stadt- und Landalmosenamt Nr. 153. — Handakt V/4186. L i t e r a t u r . P. JOACHIMSOHN, Die humanist. Geschichtsschreiber in Deutschland, 1895, S. 248 — 253; M. HAITZ, Hartmann Schedels Weltchronik, Diss. München 1899; E. MUMMENHOFF, Nürnbergs Ursprung u. Alter, 1908; A. WERMINGHOFF, Conrad Celtis u. sein Buch über Nürnberg, 1921; O. PUCHNER, in: NDB l, S. 207 f.; E. RÜCKER, Die Schedelsche Weltchronik, 1973, 21988; H. KUGLER, in: Literatur Lexikon, hg. v. W. KILLY, Bd. l, 1988, Sp. 111 f.; H. VREDEVELD, in: H.-G. ROLOFF (Hg.), Die dt. Literatur: biograph. u. bibliograph. Lexikon. Reihe II: Die dt. Lit. zwischen 1450 u. 1620, Bd. l (1. Lfg. 1989), Sp. 302-308; ST. PELGEN, Das Verhältnis der Augsburger Nachdrucke zur Nürnberger Schedel-Chronik, in: Pirckheimer-Jb. 1994: 500 Jahre Schedelsche Weltchronik, 1994, S. 7395; V. SCHUPP, Zu Hartmann Schedels Weltchronik, in: Texttyp, Sprechergruppe, Kommunikationsbereich. Fs. Hugo Steger, 1994, S. 52-67; H. KUGLER, Nürnberg auf Blatt 100. Das verstädterte Geschichtsbild der Schedelschen Weltchronik, in: J. LEHMANN / E. LIEBAU (Hgg.), Stadt-Ansichten, 2000, S. 103-123.

HARTMUT KUGLER Der Alte Moringer [Korr.] Bd. l, Sp. 270 Z. 5 f.: "Straßburg, ÜB, cod. L. germ. 209.8°" korr.: ..., Bibl. Nat. et Univ., ms. 2140 (olim L. germ. 209).

'Altbairisches Gebet' [Korr.] Bd. l, Sp. 275: Die Hs. Prag, SB, Ms. Teplä cod. l befindet sich heute wieder in der Prämonstratenserabtei Tepl.

5. Zwei lat. Briefe A.s an Conrad Celtis, 22. Juli 1495 und 26. Juni 1497 (clm 'Altdeutsche Genesis' [Korr.] 431, Bl. 54 ff.) gehören in den Kontext der Bd. l, Sp. 279 Z. 2 von unten: "den 'Millstätter Arbeiten an der 'Norimberga'. Reimphysiologus'" korr.: einen prosaischen PhyÜ b e r l i e f e r u n g . München, clm 431, Bl. 54ff.; ebd., clm 951, 54 r ~ v ; Nürnberg, StB, Cent. IV, 89, 33V; Nürnberg, Kreisarchiv, Hs. 179, 5 r ~ v .

siologus ('Wiener Ph.').

'Altercatio Hadriani' -» 'Secundus' [NB]

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'Ältere Hochmeisterchronik' — Amalarius von Metz

'Ältere Hochmeisterchronik' [Korr.] Bd. l, Sp. 287 zu Überl: Die ehem. Königsberger Hs. 1558 ist jetzt in Thorn (Torun), ÜB, Rps 20/ II. Vgl. R. PLATE, Zum Verbleib mal. dt. Hss. d. ehem. Königsberger Bibl.n, Berichte u. Forschungen Jb. d. Bundesinstituts f. ostdt. Kultur u. Gesch. l (1993) 93-111, hier S. 103.

'Ältere Wormser 'Wormser B.'

Briefsammlung'

->

'Althochdeutscher Isidor und MonseeWiener Fragmente' [Korr.] Bd. l, Sp. 296 Z. 17 von unten: "Hs. 2326 der Bibl. Nat. Paris" korr.: ms. lat. 2326 ... Vgl. auch -> Isidor von Sevilla [NB].

'Althochdeutsche Lex Salica' [Korr.] Bd. l, Sp. 303 Z.4/5 von unten: "[Trier, StB], Ahd. und mhd. Frgm.e Mappe Nr. 4" korr.: ..., Mappe X (= Ahd. u. mhd. Frgm.e), Nr. 4.

'Althochdeutscher Tatian' -*· 'Tatian' Altmann von St. Florian [Korr.] Bd. l, Sp. 309 Nr. III.2. Überl.: "Vatican, cod. lat. 2692" korr.: ..., cod. Vat. lat. 2692. Sp. 310 Nr. 4 Überl.: ebenso!

'Altsächsische Homilie Bedas' [Korr.] Bd. l, Sp. 317 f.: Bei der Allerheiligenpredigt handelt es sich um einen Pseudo-Beda aus der 1. H. des 10. Jh.s.

'Altsächsische Psalmenauslegung' 'Gernroder Predigt'

->·

Amalarius von Metz

Liturgiker, 9. Jh. I. L e b e n . A. (latinisiert aus Amalheri, Amalhere), auch Symphosius A. und (seit dem 11. Jh.) A. Fortunatus genannt, geb. um 775 in oder bei Metz, gewann früh Anregungen durch -» Alkuin (unklar formuliert im 'Liber de ordine antiphonarii', c. 58,2). Zwischen 809 und ca. 815 (sicher 811-813) war er Erzbischof von Trier — die lange diskutierte Identität mit 'Amalarius von

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Trier' ist seit G. MORIN (zuletzt DThC I l, 1903, Sp. 933 f.) und J. M. HANSSENS (zuletzt in Amalarii [...] Opera I, S. 39—49) erwiesen. 813/814 unternahm er im Auftrag Karls d. Gr. mit Abt Petrus von Nonantula eine Legationsreise an den kaiserlichen Hof in Konstantinopel (darüber die 'Versus marini', MGH Poetae I, S. 426428), wo er offenbar die Liturgieallegorese der Ostkirche kennenlernte (vgl. Florus, Opusc. adv. A.' I 7; PL 119, Sp. 76); während dieser Reise schrieb er seine erste Liturgieerklärung (unten II. 1.). Wahrscheinlich übte er in der Folgezeit unter Ludwig dem Frommen an der Palastschule in Aachen eine Lehrtätigkeit aus; auf Ludwigs Veranlassung reiste er 831, wohl zum Zweck liturgischer Studien, nach Rom. 835 wurde er mit der Verwaltung des Erzbistums Lyon betraut, jedoch auf Betreiben seines Vorgängers Agobard und vor allem des Diakons Florus (Opusc. adv. A.', PL 119, Sp. 71-94) auf der Synode von Quierzy 837 wegen des Vorwurfs abgesetzt, seine Theologie und insbesondere die von ihm praktizierte Deutungsmethode seien traditionswidrig und häretisch (ebd. II 6 f., Sp. 81 — 84). In der Folgezeit wirkte er in Vertretung des häufig ortsabwesenden Bischofs Drogo zeitweise als Hilfsbischof von Metz, wo er ca. 850/853 (29. April) starb. II. Werke. Von den 'Versus marini' abgesehen, sind ausschließlich liturgische Werke A.' überliefert. A u s g a b e . Opera liturgica omnia, hg. v. J. M. HANSSENS, 3 Bde (Studi e Testi 138-140), Cittä del Vaticano 1948-1950, Nachdr. 1967.

1. 'Missae expositionis geminus codex'. Ü b e r l i e f e r u n g . Zürich, Zentralbibl., cod. Gar. C 102, 78r-93v. A u s g a b e . HANSSENS II, S. 253-281. Der 'Geminus codex' aus den Jahren 813/14 bietet die früheste allegorische Deutung des Meßritus (bis nach dem Evangelium; fragmentarisch); er liegt dem 'Liber officialis' zugrunde. Von ihm hängen die nicht genau datierbaren und nicht zweifelsfrei zuzuweisen-

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Amalarius von Metz

den 'Eclogae de ordine romano et de quattuor orationibus in missa' ab (zum erheblichen Teil Exzerpte; Ausg.: HANSSENS III, S. 225—265). Auf beiden beruhen die schulbuchartigen (unechten) Ordinis totius missae expositiones' (Ausg.: HANSSENS III Anhang, S. 296-321).

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Meßkanons 'Dominus vobiscum' (I, S. 284-338) datiert HÄUSSLING, Sp. 1096, 'avant Amalaire' ins ausgehende 8. Jh.

III. B e d e u t u n g u n d Rezeption. A. war der bedeutendste Liturgiker der Karolingerzeit. Er übertrug als erster und mit großer Nachwirkung die in der Liturgie des christlichen Ostens, Mailands und 2. 'Liber officialis'. Galliens ansatzweise entfaltete und auch Ü b e r l i e f e r u n g . 53 Hss. bei HANSSENS I, im Westen aus der Bibelhermeneutik beS. 120-133. kannte Methode allegorischer Deutung auf A u s g a b e . HANSSENS II, S. 9—543. die gesamte römisch-fränkische Liturgie In seinem Hauptwerk (3 Ausgaben: 8237 und markierte dadurch 'einen Wandel in 832/um 835) leistet A. eine (noch nicht so der Frömmigkeit, im Verständnis des Gotstreng wie bei späteren Liturgikern syste- tesdienstes und insbesondere in der Aufmatisierte) allegorische Erklärung der ge- fassung von der Eucharistie' (MESSNER, samten Liturgie (Messe, Taufritus, Kleri- S. 415). Seine Werke waren schon zu seinen Lebkerstände und -weihe, liturgische Gewänzeiten 'fast überall verbreitet und fast allen der, Kirchenjahr, Kirchengebäude, Stundengebet), nach der die 'dramatischen' bekannt' (Florus, PL 119, Sp. 74-80). Für Handlungen der Messe den Lebensweg sein Hauptwerk, den 'Liber officialis', doChristi rememorieren und die Liturgie in kumentieren dies die große Zahl und die ihrer Gesamtheit als System von Zeichen- weitgestreuten Provenienzen der Hss. trägern christologisch-heilsgeschichtlich, Wichtiger als die zahlreichen späteren Erdarauf aufbauend moralisierend, selten wähnungen A.' und seines Werkes und als einige 'Retractationes' des 9. bis 12. Jh.s eschatologisch gedeutet wird. ist die methodische und inhaltliche Rezep3. 'Liber de ordine antiphonarii'. tion durch spätere Liturgiker bes. des 12./ 13. Jh.s, z. B. ->· Honorius AugustodunenÜ b e r l i e f e r u n g unbekannt; im ältesten Druck sis, Sicard von Cremona, -» Innozenz III. von M. HITTORP, De divinis catholicae ecclesiae officiis [...] ac ministeriis varii [...] libri, Köln und -»· Durandus von Mende (Quellen bei 1568, kein Hs.-Nachweis (HANSSENS I, S. 200HANSSENS I, S. 87-89, weiteres bei SUN202). TRUP, S. 478—480). Direkte deutschspraA u s g a b e nach HITTORP bei HANSSENS III, chige Rezeption oder eine Übersetzung (wie zu Durandus) sind nicht bekannt. AnS. 9-109, textvergleichende Tabellen bis S. 224. sätze allegorischer Liturgiedeutung amalaDiese für die Geschichte des Stundenge- rischer Prägung finden sich jedoch seit bets wichtige Schrift von 840/844 (?), wel- dem 12. Jh. in der mhd. Predigt, in dt. che die Ordnungen von Metz und Rom Meßauslegungen {-» 'Deutung der Meßgevergleicht, vermittelt durch ihre zahlrei- bräuche'; vgl. auch -> 'Meßerklärung ...'; chen Zitate aus dem (bis auf den Prolog ->· 'Meßgebet ...' und -> 'Missale' [HANSSENS I, S. 361—363] nicht erhalte- [deutsch]; FRANZ, S. 676—728), auch im -> nen) Antiphonar eine Vorstellung vom da- 'Lucidarius' (II 15-101, hg. von D. GOTTmaligen Reichtum der Antiphonen und SCHALL / G. STEER [TTG 35], 1994; dessen Responsorien. Hauptquellen sind jedoch -»· Rupert von 4. Weitere Liturgica über Skrutinien Deutz und Honorius). Auch das geistliche und Taufritus, Fastenzeit, Weihe- und Spiel wurde durch sie gefördert. Quatembertage bei HANSSENS I, S. 236— L i t e r a t u r . A. FRANZ, Die Messe im dt. M A, 251, 339—358; dazu die apologetische 1902, Nachdr. 1963; HANSSENS (s. o. Ausg.), Bd. I, Schrift 'Embolis meorum opusculorum' S. 11-25 (Bibliographie bis ca. 1945) u. 39-91; I. (ebd. I, S. 365-387). Die Erklärung des CECHETTI, Amalario di M., in: Enciclopedia Catto-

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Ambrosius — 'Amicus und Amelias'

lica 1, 1949, Sp. 959-962; A. KOLPING, A. v. M. u. Florus von Lyon, ZkTh 73 (1951) 424-464; A. CABANISS, A. of M., Amsterdam 1954; R. WARNING, Funktion u. Struktur. Die Ambivalenzen des geistl. Spiels (Theorie u. Gesch. der Lit. u. der schönen Künste 35), 1974, bes. S. 41-51; BRUNHÖLZL, LGI, 1975, S. 437-440 u. Reg.; R. SUNTRUP, Die Bedeutung d. liturg. Gebärden [...] in [...] Auslegungen des 9. bis 13. Jh.s (MMS 37), 1978, bes. S. 46-69; A. A. HÄUSSLING, Messe (Expositiones missae), in: Diet. Spir. 10, 1980, Sp. 1083-1090; R. MESSNER, Zur Hermeneutik allegorischer Liturgieerklärung in Ost u. West, ZkTh 115 (1993) 284-319, 415-434 (zu A.).

RUDOLF SUNTRUP Amalarius von Trier ->· Amalarius von Metz [NB] Amann, Friedrich -»· Fridericus (astronomus) [NB] 'Ambraser Kochrezeptsammlung' ->· 'Innsbrucker Kochbuch' [NB] Ambrosius [Korr.] Bd. l, Sp. 328 Nr. 3: "Bamberg, SB, cod. E. VIII. 18" korr.: ..., Msc. Hist. 160 (olim E. VII. 18 [sie!]).

'Amicus und Amelius' Anonyme dt. Prosafassungen. — Vgl. auch -» 'Amicus und Amelius' (alem. Legendendichtung), Bd. l, Sp. 329 f. Die Geschichte von der unverbrüchlichen Freundschaft zweier zum Verwechseln ähnlicher Helden verdankt ihre weite, Gattungsgrenzen überschreitende Verbreitung der hier von Gott selbst bestätigten Relevanz, die die triutve als gesellschaftsstabilisierender Faktor besaß. So hat man die Geschichte, ergänzt um den 'biographischen' Rahmen eines Berichts über die Kindheit und über die gemeinsame passio der Protagonisten im Kampf gegen den heidnischen Langobardenherrscher Desiderius, auch im Stil einer Heiligenlegende als 'Vita Amicii et Amelii carissimorum' bearbeitet (Ausgabe in: Amis and Amiloun, zugleich mit der afrz. Quelle hg. v. E. KÖLBING, 1884, S. XCVII-CX). Maß-

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geblich für die Rezeption war in der Regel die abbreviierte Form der 'Vita', wie sie im 'Speculum historiale' (lib. XXIII, cap. 162—166, 169) des -> Vinzenz von Beauvais tradiert ist. Sie liegt etwa der Fassung des 'Großen ->· Seelentrostes' (vgl. FEISTNER, S. 106 ff.), aber auch den drei eigenständigen anonymen dt. Prosaversionen zugrunde, von denen eine den passio-Annex mit einarbeitet, während sich die beiden anderen auf die Freundschaftsgeschichte beschränken. I. Version mit passio. Ü b e r l i e f e r u n g . Stuttgart, LB, cod. theol. et phil. 4° 81, 28 -286 ; schwäb., 1479-1481, Dominikanerinnenkloster Reutin bei Wildberg/Calw (enthält neben Marienmirakeln, Exempeln und Legenden u. a. eine Prosaauflösung des 'Nackten Kaisers' -» Herrands von Wildonie und des -* 'Münchner Oswald'; zur Hs. M. CURSCHMANN, ZfdPh 86 [1967] 24-32). - Nicht ediert.

Diese von der Forschung noch kaum beachtete Version weist eine Tendenz zur Vermeidung primärer Dialektmerkmale auf und zeichnet sich auch durch ihren bemerkenswert geschliffenen Stil bei gleichzeitiger Übersetzungsgenauigkeit aus. II. Versionen ohne passio. 1. Münchener Version. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 523, 92 ra — 96 ; ostschwäb., v. J. 1471 (enthält verschiedenartige, v. a. katechetische Texte; zur Hs. SCHNEIDER, München III, S. 56-66). rb

A u s g a b e n . W. STAMMLER, Spätlese des MAs I, 1963, S. 27-34, 87-91 (Kommentar); Konrad von Würzburg, Engelhard, hg. v. I. REIFFENSTEIN, 3., neubearb. Aufl. d. Ausg. v. P. GEREKE (ATB 17), 1982, S. 241-249.

Diese Version, in der die Freundschaftsgeschichte weniger als Heiligenlegende denn als Exempel aufgefaßt ist, entfernt sich durch kleinere Umstellungen, Auslassungen und eine gewisse Verniedlichungstendenz am weitesten vom lat. Text. Sie strebt Idiomatik an, erreicht aber nicht das stilistische Niveau der unter I. besprochenen Fassung. 2. Berliner Version. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 261, 256r-263r; mfrk., l.H. 16. Jh., Kartause St. Barbara, Köln

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'Anastasia' — 'Andächtige Prozession'

(enthält Exempel und Mirakel, vorwiegend aber Legenden, u. a. die des Ordensgründers -> Bruno von Köln; zur Hs. DEGERING, Germ. Hss. II, S. 47f.). Vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs, 1986, S. 389 f. - Nicht ediert.

Trotz fehlender passio werden hier A. und A. explizit als Heilige interpretiert (vgl. im Inc.: van den zwen hilgen gesellichen vrunden]. Offensichtliche Verlesungen bei (Orts-)Namen (bereits in der lat. Vorlage?) führen dazu, daß sich im Gegensatz zur Tradition der Schauplatz teilweise nach Britannien verlagert. Stilistisch auffällig ist die Vorliebe für schier endlose parataktische Reihen, mit denen in einer ausgesprochen stereotypen Art die komplexere lat. Syntax aufgelöst wird. L i t e r a t u r (allg.). E. FEISTNER, Die Freundschaftserzählungen vom Typ 'Amicus und Amelius', in: Fs. H. Kolb, 1989, S. 97-130, dort S. 99104.

EDITH FEISTNER 'Analogius Hippocratis' ->· 'Capsula eburnea' [NB] 'Anastasia' ( ., Königin von Spanien') [Nachtr.] Bd. l, Sp. 333 f. ergänze: Eine weitere eigenständige Prosalegende verzeichnet W. WILLIAMSKRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, S. 390.

'Anatolia und Victoria' Deutsche Legenden. Eine legendenhafte Passio der Märtyrerinnen Anatolia und Victoria entstand im 6. Jh. (Anal. Boll. 107, 1989, S. 372-383). Sie ist v. a. durch einen Disput der beiden über den Vorrang der Jungfräulichkeit vor der Ehe gekennzeichnet. WILLIAMS-KRAPP registriert eine Fassung im Corpus des Legendars -»· 'Der Heiligen Leben, Redaktion' und sieben weitere ndl. und dt. Fassungen (dazu Ergänzung: seine Nr. 'Victoria [1]' auch in Hs. Frankfurt/M., StB u. ÜB, o. Sign., Privatbibl. Dr. F. Schulz, 59r-60r). Ediert ist lediglich Nr. 'Anatolia (1)', ein Text, der in der 1. Hälfte des 15. Jh.s aus

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einer stark abbreviierten lat. Fassung des süddt. 'Provincia-Anhangs' der 'Legenda aurea' wörtlich übersetzt wurde, und zwar zur Ergänzung der 'Elsässischen Legenda aurea' (-» Jacobus a Voragine, V. 5.) in Hs. München, cgm 343, 274ra-276ra. L i t e r a t u r . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXXIX-XLVI, LVII; S. 316-321 Ausgabe, synoptisch mit der lat. Vorlage; W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 390 u. 467 f. (= Reg. unter Anatolia u. unter Victoria u. A.).

KONRAD KUNZE 'Andächtige Prozession' Anonyme Beschreibung einer nächtlichen Pilgerprozession zu den loca sacra der Grabeskirche in Jerusalem v. J. 1421. 1. Ü b e r l i e f e r u n g , a. Bair.: München, clm 1805, 42ra-44ra; clm 14574, 161r-165v; clm 14909, 67r-73r (vgl. -> Pilgerreiseberichte über Palästina, Nrn. 33—35); Pöttmes, Schloßarchiv d. Freiherren von Gumppenberg, Nr. 205; Auszug: Wien, cod. 3080, 17vb-18ra. b. Bair., im Textverbund mit dem Pilgerführer -> 'Von der Schickung vnd gestalt des heyligen grabs': München, cgm 845, 18r-24v; cgm 1276, l r ff.; Wien, cod. 3012, 35 r ff. (vgl. -> Pilgerreisebenchte ..., Nrn. 24, 28 u. 48). c. Rhfrk.: als Einschub in 'Kaiser Sigismunds Buch' des Eberhard -> Windeck. A u s g a b e n , a. RÖHRICHT/MEISNER, Pilgerreisen, S. 115-119 (Hs. Pöttmes); b. SCZESNY, S. 5160; c. W. ALTMANN, Die Beschreibung der hll. Stätten von Jerusalem in Eberhard Windecke's Denkwürdigkeiten über das Zeitalter Kaiser Sigmund's, Zs. d. Dt. Palästina-Vereins 16 (1893) 188-192; ders., Eberhard Windeckes Denkwürdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigmunds, 1893, S. 372-376.

2. Der nur wenige Seiten umfassende anonyme Text gibt eine von den Franziskanerbrüdern geführte nächtliche Pilgerprozession an die heiligen Stätten der Grabeskirche zu Jerusalem wieder. Die einzelnen Stationen (Kapellen, Altäre, Säulen usw.) werden — in der vorgegebenen Reihenfolge der Prozession — hinsichtlich ihrer biblischen bzw. legendenhaften Bezüge erläutert und ihrem Aussehen nach beschrieben. Der Text schließt mit der Aufzählung

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'Das andere Land'

der Gräber der Kreuzfahrerkönige von Jerusalem und einem chronikartigen Abriß der Kreuzzüge. 3. Die . P.' ist vermutlich ein Auszug aus einem verschollenen illustrierten Pilgerreisebericht eines Ritters v. J. 1421 (Jn der selben capellen pey meinen zeitten m°cccc°xxj jar biengen fünf küniglich panyer ..., clm 1805, 42rb und Hs. Pöttmes; dagegen die Jahreszahl 1422 in clm 14574, 161r~v). Für einen ritterlichen Pilger sprechen Hinweise auf die in der Grabeskirche vorgefundenen Wappen, die Erwähnung des Ritterschlags am Hl. Grab und der Abriß der Kreuzzüge mit einem Verweis auf die Georgslegende. Eine Illustration der mit brennenden Kerzen in Zweierreihen vor der Grabeskirche wartenden Pilger ist in der bairischen Überlieferung zwar nicht erhalten, aber im Text dokumentiert; die Miniatur selbst findet sich noch in zwei Hss. der Windeck-Überlieferung (vgl. SCZESNY, S. 27). 4. Die . P.' erreichte im 15. Jh. - sicherlich auf Grund des steigenden Interesses am Hl. Land — im bairischen Sprachraum eine gewisse Verbreitung, floß — über den Überlieferungsstrang b — in die Hl.-Land-Beschreibungen Sebald -> Rieters d. Ä. (1464) und -> Anselms von Eyb (1468) ein und wurde dadurch indirekt auch zum Quellentext für Sebald Rieter d. J. und Hans -> Tucher.

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6. Leuven, ÜB, cod. G 42, l r ~ v (Einzelbl., einer Sammlung von Marienmirakeln angefügt; aus der Benediktinerabtei St. Jacob, Luik; ndl.; 34 Strr.); 7. Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 64, 307V-309V (aus dem Michaeliskonvent; nd.; 26 Strr.); 8. Oxford, Bibl. Bodleiana, MS. Jun. 78, 136V-138V (ndl.; 29 Strr.). A u s g a b e n . J. G. MEUSEL, Verzeichnis einiger auf der Herzogl. Bibl. zu Meiningen befindl. Hss. u. Codices, Hist.-litterarisch-bibliographisches Magazin 7 (Chemnitz 1794) 165-173 (Nr. 5); F. J. , Quellen u. Forschungen zur Gesch. der teutschen Lit. u. Sprache, Bd. l, Aachen—Leipzig 1830, S. 126-133 (Nr. 1) [zit.]; W. MANTELS, Niedersächs. geistl. Lieder aus der vorreformatorischen Zeit, Zs. d. Ver. für Lübeckische Gesch. 2 (1867) 528-537, hier S. 528-532 (Nr. 7); H. OESTERLEY, Nd. Dichtung, in: K. GOEDECKE, Dt. Dichtung des MAs, 21871, S. 61 f. (Nr. 7); G. KALFF, Vant ander lant, TNTL4 (1884) 188-195 (Nr. 8); J. FRANCK, Aus dem Hist. Archiv der Stadt Köln, ZfdA44 (1900) 117-131, hier S. 127-131 (Nr. 4); L. LE CLERQ, Dat ander lant, De gülden passer 19 (1941) 99-114 (Nr. 6).

Das Gedicht, sangbare vierzeilige Strophen mit Paarreim und refrainartigem Strophenschluß (dat ander lant), dürfte spätestens im ersten Drittel des 15. Jh.s im niederrhein. oder nd.-ndl. Raum entstanden sein. Seine gedankliche Ordnung ist locker, dementsprechend variieren in den Hss. Strophenbestand und -folge. Die vermutlich älteste, aus dem nördl. Westfalen stammende Überlieferung (Nr. 1) ist enger verwandt mit der niederrhein. und md. (Nr. 4 und 5) als mit der nd. und ndl. (Nr. L i t e r a t u r . RÖHRICHT/MEISNER (s.o. Ausg.n), 2, 6—8), die teilweise einen kürzeren Text S. 111-114; RÖHRICHT, Bibl. geogr. Palaest., S. 149, Nr. 470; F. SCZESNY, Einleitung zu 'Von der bietet. Gestalt des Heiligen Grabes', in: R. HERZ u. a. Zentrales Thema des Gedichts ist die (Hgg.), Fünf Palästina-Pilgerberichte aus dem Unausweichlichkeit des Todes. Mal in Ich-, 15. Jh., 1998, S. 23-49, hier S. 24-27. mal in Wir-Form, gelegentlich auch im FRANK SCZESNY Modus der Anrede (leve mensche, leve vrent], wird dargelegt, daß der Mensch sich auf den Weg machen muß ins 'andere 'Das andere Land' Land', daß er nichts ausrichten kann gegen Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. den Tod und schließlich im Sarg liegen 19575 (Perg.doppelbl., einem Martyrologium vorwird, nur mit einem alten Laken bedeckt, geheftet; aus dem St. Antoniuskloster Albergen; von Würmern und Schlangen umgeben. westfäl; 38 Strr.); 2. ebd., Ms. II 112, 106r-108v Alle Hoffnung gilt dem Heil der Seele als (ndl.); 3. Danzig, Bibl. Gdanska Polskiej Akademii r r Nauk (ehem. StB), Ms. 2418, l -3 , v.J. 1462 einer nach Gottes Bild geschaffenen geystelike[n] creature (24,1). Die Bitte an Ma(frgm.; nd.); 4. Köln, Hist. Archiv der Stadt, cod. ria und Jesus, den Menschen zu bewahren W 319 (Perg.bl.; niederrhein.; 36 Strr.); 5. Meininvor der helle bant (38,4 mit Refrainabgen, Staatsarchiv, Hs. 91, v. J. 1477 (einer 'Sachsenspiegel'-Hs. am Ende angefügt; md.; 39 Strr.); wandlung), beschließt den Text.

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Andreae, Johannes — 'Von dem anefluzze des vaters'

Verschiedentlich anklingende Bibelstellen legen nahe, daß der Verfasser klerikal gebildet war. Die (unsystematische) Erwähnung weltlicher und geistlicher Stände und das Motiv des ubi sunt (als Beispielfiguren werden Karl, Hektor, Alexander, Julius und Artus genannt) weisen auf den Kontext der Todesdidaktik. Die Vorstellung des Sterbens als einer letzten Reise teilt das Gedicht mit den lat. -» 'Vado mori'-Gedichten, den Aspekt des Reigentanzes (2,2: Wy moeten al dansen an den rey) mit den Totentänzen. Doch sind die Anklänge zu allgemein und ist die Überlieferung zu spät, als daß man (wie ROSENFELD) auf eine frühe, nicht erhaltene norddt. Totentanztradition schließen könnte. Das Gedicht, mehrfach auf Einzelblättern tradiert, war in der frühen Neuzeit recht beliebt. Einige Zeilen wurden in gereimte Sprüche zu Tod und Jenseits übernommen (Trier, Bistumsarchiv [mit Dombibl.], Abt. 95, Hs. 45, 89V-90V; vgl. BORCHLING, Mnd. Hss. 4, S. 187f.). Im ndl. Raum fand der Text in Liederbücher des 16. und 17. Jh.s Eingang. Der Ausdruck int ander lant cotnen, in zahlreichen nd. und ndl. Totentänzen, aber auch in literarischen Grabinschriften anzutreffen, wurde zur stehenden Wendung. Arnim und Brentano verschafften dem Gedicht durch Aufnahme einer modernisierten Fassung in die Sammlung 'Des Knaben Wunderhorn' (III 183, 26 Strr. nach Meusel) gesamtdeutsche Verbreitung. L i t e r a t u r . FRANCK (s. Ausg.), S. 123-126; J. BOLTE, Vom ändern Land, ZfVk 12 (1902) 216 f.; E. DöRiNG-HiRSCH, Tod u. Jenseits im SpätMA, 1927, S. 83 f.; LE CLERQ (s. Ausg.), S. 100-105; ST. COSACCHI, Makabertanz, 1965, S. 652 f.; H. ROSENFELD, Der mal. Totentanz, 31974, S. 99, 181; E. KOLLER, Totentanz, 1980, S. 608 f. u. Reg.; B. SCHULTE, Die dt.sprachigen spätmal. Totentänze, 1990, S. 198; H. FREYTAG (Hg.), Der Totentanz von Lübeck u. Reval, 1993, S. 46, 247.

CHRISTIAN KIENING Andreae, Johannes [Nachtr.] Bd. l, Sp. 336 zu den Drucken ergänze: Repr. d. Ausg. Venedig 1581: loannis Andreae In quinque Decretalium libros novella commentaria. With an Introduction by ST. KUTTNER, Turin 1963.

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Ebd. ergänze: Vgl. auch Stephan -> Gerhard (dt. Kommentar) und Johannes ->· Barlierer [NB] (dt. Übers.).

Andreas [Korr.] Bd. l, Sp. 337, zu Überl.: "Düsseldorf, Heinrich-Heine-Arch., Perg.-Frgm." heute: Düsseldorf, ÜB u. LB, Ms. fragm. K 20: Z 15/12.

Andreas der Jude -* Döbringer, Hanko [NB] Andreas von Kolmar s. auch -»· 'Straßburger Malerbuch' Andreas von Lappitz, der Krabath [Korr.] Bd. l, Sp. 340 zu 2.: Die Hs. ist wieder aufgetaucht in Linz, Oberösterreichisches Landesarchiv.

Andreas von Regensburg [Korr.] Bd. l, Sp. 344 Z. 18 von unten: "München, ÜB, cod. 672" korr.: ..., 2° cod. ms. 672.

Andree, Hans [Nachtr. zu Bd. l, Sp. 351 f.] 14 zusätzliche Hss. und 2 zusätzliche Einblattdrucke, darunter zwei stark abweichende Fassungen, sind erfaßt sowie textkritisch ausgewertet bei HAAGE. Die Verfasserschaft des H. A. wird durch die erweiterte Überlieferung, die zumeist anonym ist, nicht bestätigt. In der späten Hs. Kassel, LB u. Murhardsche Bibl., 8° Ms. med. 6, 1. H. 16. Jh., rhfrk., 26 r —28 v , nennt sich in der Vorrede zu dem Gedicht Jörg Scherer, burger zu Rudesheim, der dise nachgeschriben lere und underwisung ... mit arbeit sampt mynes vatter selig zusamen bracht habe. Vgl. B. D. HAAGE, Zur Überl. eines altdt. Pestgedichts, in: gelerter der arzenie, auch apoteker, Fs. W. F. Daems, hg. v. G. KEIL (WmF24), 1982, S. 323-335 (mit weiterer Lit.), hier S. 333-335 Abdruck des ältesten Textzeugen (Frankfurt/M., StB u. ÜB, Ms. germ. qu. 17, vor 1424, elsäss., 256 r b ~ v b ;92vv.).

'Von dem anefluzze des vaters' Pseudoeckhartscher Traktat des 14. Jh.s (= Traktat XIII in der Meister-EckhartAusgabe PFEIFFERS).

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'Von dem anefluzze des vaters'

1. Ü b e r l i e f e r u n g . 10 vollständige Hss., wobei in mehreren Fällen kleinere Lücken oder Einschübe unberücksichtigt bleiben. — Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 277, 180rb-184rb (PFEIFFERS Leiths.); Augsburg, ÜB, cod. III.1.4.°34, 144C149"; St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 1015, S. 134147; ebd., cod. 1067, 85va-93va; München, cgm 214, 88va-91vb; Nürnberg, StB, cod. Cent. IV, 40, 9 va -ll rb u. 67ra-70rb; ebd., Cent. VI, 56, 98V107V, 108r-115r; ebd., Cent. VI, 91, 45v-51r; Straßburg, Bibl. Nat. et Univ., Ms. 2715 (olim L. germ. 618; davor Klosterneuburg, cod. 1141), 119r—125V. — Dazu einzelne Textteile in sog. Trümmerhss.': Basel, ÜB, cod. B XI 10, 301r-302r (= PFEIFFER 521,20-28; 30-37); 302r-303r (= 522,1-9; 14f.), aus dem Traktat 'Von der Wirkung der Seele' (SPAMER, 1912, S. 100,1-15; 100,18-101,8); Zürich, Zentralbibl., cod. C 76 (290), 161raff. (mehrere Einzelstücke, s. SPAMER, 1908, S. 388 f.); ebd., cod. C 127, S. 187-189 (s. SPAMER, 1908, S. 317). — Es ist bei 'Trümmerhss.' grundsätzlich nicht auszumachen, wer entlehnt hat. Doch dürfte feststehen, daß Traktat XIII seine Textfragmente dem Basler Traktat 'Von der Wirkung der Seele' verdankt.

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st. anefluz scheint eine Neubildung zu sein, jedenfalls kennt Eckhart den Begriff nicht: er verwendet für emanatio vor allem üzvluz (z. B. DW I 251,9; II 379,2; 4; 387,53; 456,9; 10), üzvliezen [subst.] (I 180,4; II 456,10; 504,4), üsbruch (I 54,2; 123,9; 10; 171,12). Der Vater hat seinen anefluz von seiner eigenen Natur, durch die er allvermögend ist. Der Verfasser unterscheidet sodann die Person des Vaters von dessen Natur, die der Gottheit zukommt. Diese 'schwebt und wohnt in einer immerwährenden, unerfaßbaren Stille und bewegt alle Dinge', die ausgeflossen sind. Die folgende Texteinheit (521,20-38) handelt von den beiden Seelenkräften verstentnisse und wille. Die Erkenntniskraft vermag die Dreifaltigkeit zu begreifen, indem sie in der Gleichheit mit dem Sohn des Vaters verstentnisse ist. Das heißt, die Seele, sofern sie befreit ist (enbloezet) von ihrer eigenen Vernunft, versteht mit dem Sohn zugleich den Sohn, den Vater und ihr Traktat XIII gehört mit Traktat XI beider Geist. — Die Willenskraft begreift ('Von der -> übervart der gotheit'), mit Gott als unwizzenheit, indem der freie dem er in der Überlieferung teilweise kon- Wille alles Wissen übersteigt und an dem taminiert wird, und Traktat XVI ('Von haftet, was er nicht weiß. Diese negative dem -* zorne der sele') zu den Texten, die Theologie wurde vom ->· 'Lehrsystem der 'aufs deutlichste den ganzen Umfang und deutschen Mystik' übernommen (E. die ganze Vielseitigkeit der Zersetzung und GREITH, Die dt. Mystik im Predigerorden, Neuformung erbaulicher Textstücke zei- 1861, S. 193,17(f.). An die Texteinheit 521,20—38 ist der übernächste Abschnitt gen' (SPAMER, 1908, S. 390). (522,16—28) sinngemäß anzuschließen, Ausgabe. F. PFEIFFER, Dt. Mystiker d. 14. Jh.s, der von Menschen spricht, die ihr Bild der Bd. 2: Meister Eckhart, 1857 (Neudr. 1962), Dreifaltigkeit verleugnen und in die AbS. 521-527, Traktat XIII. gründe des Nichts fallen. 2. Die Autorschaft Meister -» Eckharts 522,1 — 15 bietet den Entwurf einer wurde bei Traktat XIII nach PFEIFFER nie Christusmystik: Der Mensch ist mit Gott ernsthaft erwogen. Der Form nach ist er eins mit der Menschheit Christi. 'So sind ein 'Komposittraktat' ohne innere, thema- alle Kreaturen ein Mensch, und der tische Einheit. Umso erstaunlicher ist die Mensch ist Gott in der Person Christi.' breite Überlieferung des ganzen Traktats In den folgenden Abschnitten wird manmit Textzeugen noch aus dem 14. Jh. Das ches in anderer Formulierung wiederholt, bedeutet, daß er frühzeitig, etwa in der von dem bereits die Rede war (522,39— Mitte des 14. Jh.s, zusammengestellt wor- 523,30). 523,31-524,36 wird das eigene den ist, und zwar wie in anderen Fällen Nichts dem Nichts der Gottheit entgegender 'mündig gewordenen Scholastik' von gestellt. Aber nur von letzterem wird auseinem guten Kenner der Eckhartschen führlich gehandelt. Die negative Theologie Schriften. wird mit -> Dionysius als Schweigen ver3. Den Titel verdankt der Traktat dem standen. Des weiteren wird erörtert, daß ersten Textstück (521,3 — 19) mit der Gott die Seele in sich zieht (vgl. 12,32), Frage: Wie ez umbe den anefluz des vaters in 'die verborgene Stille der Verborgenheit

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'Anfechtungen der Klosterleute'

seines Wesens'. Da weiß die Seele, daß sie ist, aber nicht, was sie ist. Erst wenn wir, mit Chrysostomos, in Gott verwandelt werden, wissen wir, was wir sind. 524,37—525,28 handelt wiederum von der Gottheit, die nun als unergründbare 'geistliche Substanz' definiert wird, und der Dreifaltigkeit. Diese wird bildhaft als 'Leben' (Vater), Licht (Sohn) und Schein (Hl. Geist) verstanden. Weiter wird die Trinität als 'Herz göttlicher Natur' bezeichnet, was bedeutet, daß alles, was sie wirkt, mit den Personen erfolgt. Auch in den noch verbleibenden Abschnitten geht es um Gotteserkenntnis und Dreieinigkeit. Neu ist der Begriff umberinc (525,33), mit dem die unfaßbare Weite der Gottheit bezeichnet wird. Eckhart gebraucht den Ausdruck sonst nur in Predigt 86, wo er den umberinc der ewicheit thematisiert (DW III 486,10-487,13): mit ein Grund, die Echtheit dieser Predigt zu bezweifeln (s. G. STACHEL, ZfdA 125 [1996] 392-403, vor allem S. 398 f.). Erneut kommen Dionysius und die negative Theologie zu Wort. Die letzte neuartige Vorstellung ist das 'Antlitz Gottes' (526,36). Es bedeutet seine Selbstoffenbarung.

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predigen sagen von den anfächtungen der closterlut ouch von gedult wie man sieb got ergeben sol (34 ). In A gehören die drei Reihenpredigten zu einem Corpus von 12 Predigten, die sich auf den Reformprozeß des Zisterzienserinnenklosters Heggbach beziehen, der durch die Äbtissin Elisabeth Kröhl eingeleitet wurde. Die Konventsreform wird auf den 1. 12. 1467 datiert (Bau der neuen Klausurmauer; BECK, S. 53). Sechs der zwölf Predigten werden dem Biberacher Prediger Heinrich -»· Jack zugeschrieben, eine weitere einem ungenannten Kaplan. Der wiederholte Hinweis auf die gerade vollzogene 'Einschließung' läßt vermuten, daß die 'Anf.' (u. a. 34 , 83vb) unmittelbar zu diesem Anlaß gepredigt worden sind (35ra Hinweis auf die seelsorgerische Notsituation). Der Verf. der 'Anf.' nennt sich nicht namentlich. Indizien sprechen dafür, daß es sich um einen Franziskanerobservanten handelt: Er bezeichnet sich selbst als Ordensgeistlichen (37va) sowie 'barfüßigen' Observanznarren (81va). Franziskus wird als Ordensgründer erwähnt (37rb) und tritt in fünf Exempla auf (37vb, 43va, 43vb, 82va, 85rb), z. B. Wir laßen das ains mals vnser hailliger vatter sanctus franciscus (43vb). L i t e r a t u r . A. SPAMER, Zur Überlieferung der Die bevorzugte Autorität ist -» BonavenPfeifferschen Eckeharttexte, PBB 34 (1909) 307420, bes. S. 385 ff.; ders., Texte aus der dt. Mystik tura. Anhaltspunkte zur Identifizierung des Verf. mit Heinrich -» Vigilis von Weides 14. u. 15. Jh.s, 1912, S. 100-107 (Von der wurkunge der sele); QUINT, Hss.funde I (1940). ßenburg fehlen (GREIFENSTEIN, S. 69). K. RUH Die systematische Klammer aller drei Predigten ist die Disposition nach 7 Staffeln: Berufung ins Kloster, Maßhalten in 'Anfechtungen der Klosterleute' den Frömmigkeitsübungen, Gehorsam, Drei Predigten eines unbekannten Fran- Gottes Willen tun, Gotteserkenntnis (beziskaners. schöwlichait), Anfechtungen der Sünde vb Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 1056 (A), 34 - und Tugendhaftigkeit (38 Nun wz zu rü vb 48 , 73ra-90rb, letztes Drittel 15. Jh., vermutl. Zi- dez herczen helff vnd mit got geaine/seczt bonauentura vij Staffel s. 'De triplici via' sterzienserinnenkloster Heggbach [zit.]; Straßburg, III 2, 3). Die aufsteigende Stufung als forBibl. Nat. et Univ., Ms. 2797 (olim L germ. 664) (B), 96r-189r, v.J. 1500, Augustinerchorfrauen- males Gliederungsprinzip geistlicher Trakstift Inzigkofen, Schreiberin u. a. Elisabeth Munttate wird häufig mit der Autorität Bonaprat; Überlingen, Leopold-Sophien-Bibl., cod. l venturas verbunden (vgl. Ps.-Bonaventura (C), 245ra-279ra, Ende 15. Jh., Dominikanerin'De septem gradibus contemplationis', -> nenkloster Zoffingen in Konstanz. 'Stimulus amoris', ->· 'Zehn Staffeln der A u s g a b e fehlt. Demut'). Drei Staffeln werden in der erEs handelt sich um eine umfangreiche sten, eine in der zweiten und wiederum Predigtreihe zum Textwort Mt6,33. Die drei in der dritten Predigt abgehandelt. Überschrift in A lautet Die nachgende iij Der immanent vorgegebene Zeitrahmen

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'Anleitungen für einen Wundarzt'

umfaßt zwei Tage (44vb 2. Predigt nach dem tusch oder nach der vesper, 3. Predigt mit Rückbezug 79rb gestert). Wiederholt werden Biberach und Ulm erwähnt. Die Predigten sind eindeutig an den praktischen Bedürfnissen der reformierten Schwestern ausgerichtet und kommen mit auffallend wenigen Bibel- (Genesis, Cantica) und Autoritätenzitaten aus (Bernhard von Clairvaux, Johannes Gerson, Thomas von Aquin). Eine zentrale Rolle spielen der Evangelist Johannes und Paulus als biblische Leitfiguren mit visionärer Begabung und die Ordensgründer Augustinus, Benedikt von Nursia und Franz von Assisi. Zur Veranschaulichung der dargebotenen Lehre dienen 22 Exempla, u. a. aus den -> 'Vitaspatrum'. Der rote Faden ist die stete Betonung der Erwähltheit der Schwestern — unabhängig von den Beweggründen für den Klostereintritt — und der besonderen Gottesnähe der Reformierten (82vb Die vngereformierten menschen die werdent tieffer verdampt dan Juden oder haiden). Weitere Schwerpunkte betreffen das sozial verträgliche Verhalten der Schwestern und auch der Äbtissin und der Seelsorger sowie die Möglichkeit der Gotteserkenntnis. Das Verhalten der Schwestern soll gemeinschaftsorientiert sein, d. h. Unterdrückung des eigenen Willens, Demut, maßvolle Askese, Gehorsam, Einhaltung der klösterlichen Gewohnheiten, Verzicht auf frömmigkeitspraktisches Sonderverhalten und auf bevorzugte Behandlung aufgrund des Alters oder der Herkunft. Äbtissin und Seelsorger werden wegen ihres mangelnden Engagements und ihrer Verständnislosigkeit kritisiert. An der Gehorsamspflicht wird aber kein Zweifel gelassen. Die Möglichkeiten intellektualistischer und affektiver Gotteserkenntnis werden angesprochen. Theologische Bildung wird aber — topisch — wahrer Andacht untergeordnet, da Wissen keine Heilsgarantie sei und nicht vor Sünde schütze. Weibliche Leitfiguren sind hier Agnes, Katharina von Ägypten und Maria Magdalena. Visionäre und auditive Gotteserfahrungen werden zugestanden, gelten aber weder als verbindlich wißbar noch als mitteilbar. Eine Eigenheit des Verf. besteht in der refrainar-

tigen Wiederholung der eigenen Vertrautheit mit den behandelten Problemen (39ra O liebs kind ich waiß wol wie der tuffel kumpt ich bin ouch in dem spittel gelegen, 44vb Ain siech geloubt dem ändern wol ! ich bin ouch in dem spittel gelegen u. ö.). Die 'Anf.' sind — bis auf weiteres — in der Geschichte der dt.sprachigen Predigtüberlieferung der Observanzbewegung ein Sonderfall. Es gibt keine vergleichbar profilierte und polemische Propagierung der Observanz in den dt. Predigten der Dominikaner. Die Texte sind darüber hinaus ursprünglich für Zisterzienserinnen bestimmt, denen systematische Reformbemühungen im 15. Jh. fremd sind. L i t e r a t u r . O. BECK, Die Reichsabtei Heggbach, 1980; W. FECHTER, Dt. Hss. des 15. u. 16. Jh.s aus der Bibl. des ehemaligen Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen, 1997; E. GREIFENSTEIN, Der Hiob-Traktat des Marquard von Lindau, 1979, S. 69.

HANS-JOCHEN SCHIEWER 'Anleitungen für einen Wundarzt' ('processus medici ad vulneratum') Der chirurgisch-pharmazeutische Traktat mittlerer Größe vom letzten Drittel des 15. Jh.s aus dem bairisch-schwäbischen Raum trägt im lat. Incipit den Titel: processus medici ad vulneratum et principaliter cirurgici (Wie ein Arzt, vorzüglich ein Chirurg, an einen Verwundeten herangeht) und lehnt sich damit ans Vorbild des berühmten 'Introitus medici ad aegrotum' an. Ü b e r l i e f e r u n g . Pans, Bibl. Nat., ms. allem. 163, 48V-54V. A u s g a b e . MAYER, S. 452—469.

Der Text gliedert sich in zwei Hauptteile. Teil I stellt eine kleine Wundarznei in 17 kurzen Kapiteln dar: er benennt die wichtigsten Werkzeuge des Chirurgen, behandelt Kopfwunden, Schußwunden, Brüche, Verrenkungen, Wurmbefall u. a. Teil II besitzt zwei Unterabschnitte: II a Pflaster (21 unguenta), lib 6 äußerst aufwendige Rezepte für Wundsalben. Zu den bislang bekannten 'Wundarzneien' (vgl. -» Peter von Ulm; -> Heinrich

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'Anna'

von Pfalzpaint; 'Buch von ->· guten Pflastern und Salben'; -» 'Würzburger Wundarznei' etc.) sind keine näheren Bezüge festzustellen. Fünf Rezepte entstammen dem 'Antidotarium Nicolai' (-» Nicolaus Salernitanus), eines (1,10) zeigt Anklänge an den 'Grabadin' (Pseudo -> Mesue). Daß hier vorwiegend oder ausschließlich lat. Quellen herangezogen wurden, ist auch aufgrund der kurzen lat. Vorrede und der lat. Überschriften (in mehreren Fällen Inhaltsangaben) im Teil II anzunehmen. Am Ende von lib,l u. 3 werden Abgabe-Preise für die Arzneimittel genannt. Der direktive Impetus des Traktates, die komplexe Pharmazie und die Preisangaben lassen außer an einen Chirurgen/Wundarzt auch an einen Apotheker als Verfasser denken. Eine Beziehung des Textes zu den Brüdern Metlinger (Bartholomäus -»· Metlinger, vgl. bes. 'Nördlinger Register') ist zu vermuten, da das 'Kinderbüchlein' des Bartholomäus M. von 1473 ebenfalls in der Pariser Hs. überliefert wird, allerdings im zweiten von insgesamt drei Faszikeln, während die 'Anleitungen' zusammen mit dem 'Arzneibuch' des -» Ortolf von Baierland im 1. Faszikel zu finden sind. L i t e r a t u r . J. G. MAYER, 'Anleitungen für einen Wundarzt'. Zur Überl. des 'Arzneibuchs' Ortolfs v. Baierland: Die Hs. Ms. allemand 163 der Pariser Nationalbibl., in: 'ein teutsch puech machen', Ortolf-Studien l, hg. v. G. KEIL, u. a. (Wissenslit. im M A U ) , 1993,5.443-469.

JOHANNES GOTTFRIED MAYER 'Anna' Lat., ndl. und dt. Prosalegenden und -mirakel. A. Die zum ersten Mal im Protoevangelium des Jakobus (um 150), danach im Ps.Matthäus-Evangelium (6. Jh.) und im 'Liber de nativitate Mariae' (um 800) namentlich genannte Mutter Marias und Großmutter Christi ist im SpätMA zu einer der am meisten verehrten Heiligen überhaupt geworden. Zunächst wurde sie, zusammen mit ihrem Ehemann Joachim, nur im Zusammenhang mit der Kindheit Marias erwähnt, so beispielsweise in der

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'Legenda aurea' des -* Jacobus a Voragine; gegen Ende des 15. Jh.s entstanden dann eigene A.legenden, deren Autoren in humanistischen Kreisen zu finden sind. Die in verschiedenen Legendarfassungen, z. T. als Sondergut mitüberlieferten Nachrichten über die hl. A. sind drei voneinander unabhängigen Überlieferungskreisen zuzuordnen; sie geben Informationen zu den Eltern Marias, zu A.s Mutter Emerencia und zu A.s Trinubium (Dreiheirat). Sie sind nicht als eigenständige A.legenden anzusehen, weil sie jeweils nur Teile der Biographie wiedergeben (vgl. DöRFLER-DiERKEN, S. 141 — 145); eine Ausnahme hiervon bilden evtl. die Fassungen in 'Der -> Heiligen Leben', 'Der -> Heiligen Leben, Redaktion' und den -> 'Mittelfränkischen Heiligenpredigten'. Der Einfluß der Legendarfassungen auf die eigenständigen A.legenden muß noch untersucht werden. Ebenso steht eine Untersuchung darüber aus, in welcher Form, an welcher inhaltlichen Stelle (z. B. Mariae Geburt oder Mariae Empfängnis) und wann die Berichte aus A.s Leben in Legendare aufgenommen wurden. Bei WILLIAMS-KRAPP, 1986, Reg. S. 390 f. sind 12 nicht zum Normalcorpus von Legendaren gehörige dt. und ndl. A.-Texte aufgeführt; von diesen ist der A.-Text über die Geburt Mariens aus der Hs. Straßburg, Bibl. Nat. et Univ., Ms. 2542 (geschrieben von -> Regula), 181va-183vb, ediert v. K. KUNZE, Die Elsässische 'Legenda aurea', Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. 139-143, vgl. S. LIII f.; darunter sind ferner A.-Mirakel, vgl. unten D. Zu ergänzen ist noch die Fassung Augsburg, ÜB, cod. 1.3. 8° 5, 43r-57v.

A.s Verehrung gründet in ihrer Funktion als Mutter der Gottesgebärerin; insbesondere wurde A. als Vorbild für Frömmigkeit und Familiensinn gesehen, was ihren Kult gerade im frühneuzeitlichen Bürgertum stark motiviert haben soll. Ihre Legendenbildung ist von biblischen Erzählungen über lange Zeit unfruchtbare und spät gebärende Mütter (Sara, Rahel, die Mutter Simsons und Hanna, Samuels Mutter) geprägt. Die lat. A.-Hagiographie ist sehr schnell in die Volkssprache übersetzt und bearbeitet worden. Auffällig sind jeweils kompilierende Arbeitsweisen, wobei unterschiedliche Meinungen v. a. bezüglich des angeblichen Trinubiums A.s und der unbefleckten Empfängnis Marias verfochten werden. Der letzte Punkt hängt im Gegensatz zu lange vertretenen Auffassungen offenbar nicht ursächlich mit der A.ver-

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'Anna'

ehrung zusammen (DöRFLER-DiERKEN, S. 66), jedoch wurden A.schriften für die Verbreitung des Glaubens an die unbefleckte Empfängnis funktionalisiert. Für die Verbreitung des A.schrifttums waren die Freundschaftsverhältnisse der humanistischen Autoren bedeutsam: Vom Genter Freundeskreis um den Karmeliten Arnold Bostius gab es Beziehungen zur A.bruderschaft in Frankfurt (1479 vom Prior des Frankfurter Karmelitenkonvents Rumolt Laupach gegründet) und damit zu Oudewater (Palaeonydorus), -» Trithemius [NB], Badius u. a. Laupach bat Trithemius um A.schriften, worauf dieser das A.lob 'De laudibus sanctissime matris Annae' (erstmals im Juli 1494 bei Friedberg in Mainz gedruckt) verfaßte, das viel Zustimmung erhielt, aber auch Kontroversen hervorrief. Weitere Zentren waren der Heidelberger Humanistenkreis (u. a. Rudolf -» Agricola, dessen Gedicht 'Anna mater' [1484] weithin bekannt wurde) und die Kölner Rosenkranzbruderschaft (Jakob -> Sprenger). Zur Struktur der wichtigsten A.legenden vgl. DÖRFLER-DIERKEN, S. 268-279; ebd., S. 280-326 ein Verzeichnis des gedruckten A.schrifttums von 1477 bis 1530. Eine Zusammenstellung und Beschreibung von A.legenden sowie ein Vergleich der Fassungen untereinander bei BRANDENBARG, 1990, S. 271-306.

B. L a t e i n i s c h e Legenden. I. 'Legenda seu vita beatissime Annae'. Von DÖRFLER-DIERKEN, S. 146—153, einem anonymen Karmeliter zugeschrieben. Die seit 1489 überlieferte Legende ist einem Rosenkranz-Handbuch, dem 'Speculum rosariorum Jhesu et Mariae' beigegeben. Ü b e r l i e f e r u n g . 4 Drucke: s. DöRFLER-DlERKEN, Anhang 2.1 [i. F. D.-D.], Nrn. 1489, ca. 1490 a, ca. 1490 b, 1493.

II. 'Legenda sanctae Annae'. Die dem Utrechter Weltkleriker Jan van Denemarken zugeschriebene ältere Fassung, Legenda sanctae Emerencianae (et sanctae Annae~), ist wichtig als Vorlage zweier Übersetzungen, v. a. der sehr weit verbreiteten 'Historic van S. Anna' (s. u. C. III.).

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Ü b e r l i e f e r u n g . Brüssel, Kgl. Bibl, cod. 4837 (ca. 1496), 122r-167r. Daneben existieren jüngere Fassungen in 3 weiteren Hss., durch die Jans v. D. Autorschaft fraglich erscheint; vgl. die kontroversen Auffassungen von BRANDENBARG, 1990, S. 307-309, und D.-D., S. 147 Anm. 72, S. 161 Anm. 128.

III. Petrus Dorlandus, 'Historia perpulchra de Anna sanctissima'. Die ca. 1498, sicher nach 1493 gedruckte Legende (z. T. fälschlich ca. 1487 datiert) wurde von dem Zelemer Kartäuser Petrus Dorlandus verfaßt; er hat die Anregung dazu von dem aus Aachen gebürtigen Dominikaner Dominicus van Gelre erhalten, der unter dem Einfluß der von Jakob Sprenger gegründeten Rosenkranzbruderschaft stand. Dominicus steuerte einen Teil der Mirakel (sog. Kölner Mirakel) bei. Die Legende ist stark beeinflußt von der 'Vita' des anonymen Karmeliters (L). Ü b e r l i e f e r u n g . 3 Drucke und 2 Hss.: D.-D., Nrn. ca. 1487, ca. 1498 a, na. 1500 c; BRANDENBARG, 1990, S. 276. A u s g a b e . AASS, Juli VI, Antwerpen S. 261-279 (nur die Mirakel). Zu einer lat. Kurzfassung s. u. C. IV.

1729,

IV. 'Legenda sanctissime matrone Anne'. Die Legende eines anonymen Franziskanerobservanten war v. a. in Deutschland sehr erfolgreich. Sie ist von der 'Historia' des Dorlandus (III.) literarisch abhängig. Wahrscheinlich haben dieser und Dominicus van Gelre als Herausgeber fungiert (BRANDENBARG, 1990, S. 85, 280). Auch hier wird eine Verbindung mit der Rosenkranz-Verehrung hergestellt. Ü b e r l i e f e r u n g . 13 Drucke: s. D.-D., Nrn. 1496 b, 1497 b, 1497 c, 1498 a, 1501 b, 1502 a, 1505 a, 1507 c, 1510d, 1511 d, 1512c, 1515, 1517 e. Weitere lat., z. T. nicht auffindbare Legenden sind bei D.-D. unter den Nrn. 1496 c, 1510 a, 1516 a, 1516 b und 1518 c verzeichnet.

C. N i e d e r l ä n d i s c h e und d e u t s c h e Legenden. I. 'Die historic, die ghetiden ende die exempelen vander heyligher vrouwen sint Annen' ('HGE').

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'Anna'

Mndl. Druckfassung, die älteste volkssprachliche A.legende, verfaßt 1486. Eine lat. Vorlage von Jan van Denemarken wird vermutet, der Übersetzer soll der Kartäuser Wouter Bor gewesen sein. Ü b e r l i e f e r u n g . 5 Drucke: GW 1996-2000; D.-D., Nrn. 1491 a, 1491 b, 1496 a, 1497 a.

II. 'Legende van sunte Anna'. Anonyme brabantische Übersetzung der 'Legenda s. Annae' (B.II.). Vgl. AMPE, 1978, S. 401-412. Ü b e r l i e f e r u n g . Brüssel, Kgl. Bibl., cod. IV 383 (1491-1500), 33r-155v.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 261, ripuar., vermutlich aus der Kölner Kartause St. Barbara (16. Jh.), f. 191-247 (frgm.): Van Emerenciana Sent Annen moder ind van eren seden; Trier, StB, Hs. 1187/489 8°, moselfrk. (nach 1511), llr-225r: Legende vnd hystörte van der heiliger frauwen sant anna (von dieser Hs. gab es eine weitere, wahrscheinlich verschollene Übertragung ins Schwäbische aus dem 17. Jh. [ROOLFS, 1999, Anm. 43]).

4. Ripuar. Übersetzung der 'HSA': 'Die history und das leben der heyliger frawen sant Annen'. Nicolaus Symonis, der als Autor genannt wird, ist vermutlich nur für den Prolog verantwortlich (BRANDENBARG, 1990,5.299-301).

A u s g a b e . J. SAELENS, Legende van de H. Anna, Licentiaatsthesis Leuven, 1975.

Ü b e r l i e f e r u n g . Druck: Köln, Amt von Aich 1519 (WELLER, Rep. typ. 1192; D.-D., Nr. 1519a).

III. Wouter Bor, 'Historic van S. Anna' ('HSA') und davon abhängige Texte. 1. Die erfolgreichste A.legende ist die Übersetzung der 'Legenda s. Annae' (B.II.) durch den Kartäuser Wouter Bor (in späterer Überl., ab 1530, fälschlich Born). Sie wurde ihrerseits ins Französische und ins Deutsche (s. u. 2. —4.) und von dort in weitere Sprachen übersetzt. Die Tradierung dieses Werks reicht bis weit ins 19. Jh. (Auflistung bei AMPE, 1979).

5. 'Hystorie of dat leven mit die geslechten der glorioser heiliger vrouwen Sancta Anna'. Ndl. Kompilation aus 'HGE' und 'HSA'.

Ü b e r l i e f e r u n g . 6 ndl. Drucke seit 1499: D.D., Nrn. 1499 a, 1500 a, 1504 a, 1517 a, 1530 a, 1530 b. - Die Hs. Amsterdam, ÜB, XI H 16 (v. J. 1509), ist eine Abschrift des Druckes Deventer.

2. 'Braunschweiger St.-Annen-Büchlein'. Kern des Buches, das daneben Gebete, Betrachtungen, auch zwei Sterbelehren enthält, ist eine Übertragung der 'HSA' ins Mnd. (Ostfälische), wobei der Legendenteil wortwörtlich, allerdings häufig fehlerhaft übersetzt, die Mirakel dagegen zum Teil sehr stark gekürzt wurden. Diese Fassung ist weiter ins Schwedische und Isländische übersetzt worden.

Ü b e r l i e f e r u n g . Maastricht, Bonnefantenmuseum, Hs. o. Sign. (ehem. Eigentum von Jos J. Habets; um 1545/55), 47r-182r. A u s g a b e n . J. HABETS, De echtverbintenis van Maria, Publications de la societe historique et archeologique dans le duche de Limbourg 12 (1875) 127—144; A. AMPE, Jan van Denemarken's processiespel, Handelingen XXXII der Koninkl. Zuidnederlandse Maatschappij voor Taal- en Letterkunde en Geschiedenis (1978) 5-19.

IV. 'Dietse Historic'. Mndl. Übersetzung der 'Historia' des Dorlandus (B. III.) unter Einbeziehung der 'Parthenice Marie' des Baptista von Mantua. Ü b e r l i e f e r u n g . l Druck: D.-D., Nr. 1501 a. Hs.: Gent, ÜB, Hs. 895, 62va-110rb (Druckabschrift).

Eine lat. Kurzfassung, 'Vita gloriosissime matris Annae', hg. v. Jodocus Badius Ascensius, ist eine Rückübersetzung aus der 'Dietse Historic'. Sie wurde Drucken der 'Vita Christi' des -* Ludolf Ü b e r l i e f e r u n g . Druck: Braunschweig, Hans von Sachsen beigegeben und fand dadurch weite Dorn 1507 (BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr. 417; D.-D., Nr. 1507b). - Hs.: Lübeck, StB, Ms. Verbreitung (vgl. P. RENOUARD, Bibliographie des impressions et des ceuvres de Josse Badius Ascentheol. germ. 4° 19 (Druckabschrift). sius, imprimeur et humaniste [1462—1535], Bd. III, A u s g a b e . ROOLFS, 1997, S. 90-217. Paris 1908, S. 29-43; D.-D., Nrn. 1502 b, 1517 b; BRANDENBARG, S. 284).

3. Md. Übersetzung (und teilweise Bearbeitung) in zwei eng zusammengehörigen Fassungen.

V. Anna-Legende eines Straßburger Johanniters: dt. Übersetzung der 'Legenda'

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'Anna'

des anonymen Franziskanerobservanten (B. IV.).

logue general des incunables des bibliotheques publiques de France, Paris 1897, Nr. 788).

Ü b e r l i e f e r u n g . 2 Drucke: Straßburg, Bartholomäus Kistler 1502: Dysz ist eyn seltzemme und gute legende von sant Annan; ebd., Matthias Hupfuff 1509: Dis ist ein hüpsche legende von der heiligen frawen sant Anna (VD 16, L 977 u. 978; D.-D., Nrn. ca. 1502a, 1509a). F. FALK, Die Druckkunst im Dienste der Kirche [...], 1879, Repr. Amsterdam 1969, S. 86, nennt noch einen Druck von 1500 (WELLER, Rep. typ. 154). Vgl. P. ÄRMEL D'ETEL, Le culte de sainte Anne dans les pays rhenans au moyen äge et les franciscains, Etudes franciscaines 35 (1923) 632—647; 36 (1924) 275-283,600-623.

A u s g a b e n . E. N. LILJEBÄCK, Mnd. Exempel aus dem Kodex N ° I 237 Hannover, Lund 1931, S. 13-18; Eis, S. 386f. (Druckfassung), S. 391394 (Wien 15101).

D. M i r a k e l . Zu den A.legenden gehören Mirakel, die zum einen die Macht der Fürbitte A.s bei Gott demonstrieren, zum ändern in Verehrungspraktiken einführen. Auch die A.mirakel sind nach bekannten lit. Vorbildern, z. B. Marienmirakeln, gebildet. Es gibt ein relativ geschlossenes Repertoire an Mirakeln, aus dem je nach pädagogischer Absicht ausgewählt wird. Zur Entstehung und Überlieferung der A.mirakel s. D.-D., S. 154-164 u. 327 f.

Einige der Mirakel wurden daneben in ihrer volkssprachlichen Fassung auch selbständig überliefert: I. 'Der Jüngling von Doch'. Inhalt: Nachdem der junge Emericius aus Ungarn durch äußere Umstände seine Familie und sein ganzes Hab und Gut verloren hat, wird er in die A.Verehrung eingewiesen. Er dient der Patronin treu und mit missionarischem Eifer. Als er beim Malen ihres Bildes an einen Kirchturm vom Gerüst zu stürzen droht, wird er von A. festgehalten. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss.: Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1932, 17r-31r; Dresden, LB, Mscr. M 180, 124V-127V; St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 593, 37r-44v; Göttingen, SB u. ÜB, cod. 8° theol. 156h, 112vf.; 's-Gravenhage, Kgl. Bibl., cod. 73 F23 (ca. 1460-1470), f. 185-191; Halle/S., ÜB, Qu. cod. 105 (1482), 107v-125r; Hannover, LB, Ms. I 237, 57V-64V; München, cgm 244, 321vb324rb; ebd., cgm 843, 54r-59r; Wien, cod. 15101 (um 1500), 27r-30r; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1233 Heimst., 169r-176r. Druck: o. O. u. J. [ca. 1499] (M. PELLECHET, Cata-

II. 'Erzbischof Procopius'. Inhalt: Der ungarische Student der Theologie Procopius wird zu einer Heirat überredet, die aber unglücklich endet, weil er mit seiner Wahl des weltlichen Standes Gottes Zorn auf sich herabgerufen hat. Er wird Klausner und besinnt sich auf die hl. A., der er fortan dient. Als er einen Schatz findet, überläßt er diesen dem König, der dafür A. selbdritt auf die Münzen schlagen lassen soll. Der König wird von der Macht A.s überzeugt und macht Procopius aus Dankbarkeit zum Erzbischof in seinem Reich. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck: o. O. u. J. [ca. 1499] (PELLECHET [s. o.], Nr. 788; stark gekürzte Fassung); Hs.: Brüssel, Kgl. Bibl., cod. 3391-99, 104vb-105vb. Ausgabe. Eis, S. 382f.

III. 'Von sancta Anna: Und von dem Taw'. Mirakel um einen an der Pest gestorbenen A.Verehrer, der wiederbelebt wird. Darauf folgen einige Gebete, deren letztes das von dem Zeichen Tau ist. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck: Erfurt, Hans Sporer 1495 (GW 2010; D.-D., Nr. 1495 c). Vgl. O. CLEMEN, Zum St. A.kultus im ausgehenden MA, Arch. f. Reformationsgesch. 21 (1924) 251-253 (S. 252 f. Abdruck des letzten Gebetes). L i t e r a t u r . 'De S. Anna matre deiparae', in: AASS, Juli VI, Antwerpen 1729, S. 233-297; E. SCHAUMKELL, Der Kultus d. hl. A. am Ausgange des MAs, 1893; L. WILLEMS, Pieter Doorlant en zijn twee levens van Sint A., Tijdschrift voor boeken bibliotheekwezen 8 (1910) 1-16; B. KLEINSCHMIDT, Die hl. A. Ihre Verehrung in Gesch., Kunst u. Volkstum, 1930; G. Eis, Der Jüngling von Doch, in: Monumentum Bambergense, Fs. B. Kraft (Bamberger Abhh. u. Forschungen III), 1955, S. 378-394; E. GATZ (Hg.), St. A. in Düren, 1972; A. AMPE, Philips van Meron en Jan van Denemarken, OGE50 (1976) 10-37, 148-203, 260-308, 353-377; 51 (1977) 169-197, 367-390; 52 (1978) 397-427; 53 (1979) 240-303; 54 (1980) 113 — 157; ders., Petrus Dorlandus O. Carth. en

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Anna von Munzingen — Anonymus Bambergensis

Dominicus van Gelre O. P., in: Fs. Wytze Hellinga, hg. v. A. R. A. Croiset van Uchelen, Amsterdam 1980, S. 29-42; W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986; T. BRANDENBARG, Jan van Denemarken en Pieter Dorlant over de Maagschap van de Heilige Moeder A., OGE63 (1989) 201-244; ders., Heilig familieleven, Nijmegen 1990; A. DÖRFLER-DIERKEN, Die Verehrung der hl. A. in SpätMA u. in der frühen Neuzeit (Forschungen z. Kirchen- u. Dogmengesch. 50), 1992; F. ROOLFS, Das Braunschweiger St.-A.-Büchlein (Westfälische Beitr. z. nd. Philologie 6), 1997; dies., Das Reykjaholabok u. die Historic van Sint A., Nd. Wort 39 (1999) 411-428.

FRIEDEL ROOLFS

klosters' (Hs. Breslau [s.o.], 81vb-148va) und seines 'Buchs der Ämter', wie er auch im Epilog zur Vita der Margarete Stühlinger selbst betont (mit fleiss und mit hilf swester Annin von Sissach: Hs. Breslau [s. o.], 81va). L i t e r a t u r . J. MEYER, Buch der Reformacio Predigerordens I-III, hg. v. B. M. REICHERT, 1909, S. 101 f.; C. ENGLER, Regelbuch u. Observanz, Diss. phil. Bern 1998 (Typoskript); W. SCHNEIDERLASTIN, Die Fortsetzung des Oetenbacher Schwesternbuchs u. andere vermißte Texte, ZfdA 124 (1995) 201-210; C. ENGLER, Bern, St. Michael in der Insel (Helvetia Sacra IV/5/2), 1999, S. 610630.

CLAUDIA ENGLER

Anna von Munzingen [Korr.] Bd. l, Sp. 366 Z. 1: "Freiburg, Stadtarchiv, Hs. 98, ... 107 ... u. 108" korr.: ..., B l Nr. 98, B l Nr. 107 und B l Nr. 108.

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'Annales Agrippinenses' (dt. Bearbeitung) ->· 'Kölner Jahrbücher' 'Anno' (Legenden) [Nachtr. zu 'Annolied']

Anna von Sissach OP Dominikanerin, 15. Jh. A. wird erstmals erwähnt als Schaffnerin des reformierten Basler Dominikanerinnenkonvents Maria Magdalena an den Steinen. 1445 holt sie Vikar Konrad -> Schlatter ins 1439 der Observanz angeschlossene Dominikanerinnenkloster St. Michael in der Insel Bern, wo sie als zweite Reformpriorin die observante Lebensgestaltung des Klosters maßgeblich mitprägt. A. resigniert 1461 und stirbt 1462. Nach Aussage des Inselbeichtvaters Johannes -»· Meyer [vgl. Bd. 6 u. NB] was sy gar gefliessen, daz sy verrichte dem conventen vil guter bücher (Breslau, ÜB, Ms. IV F 194 a, 130vb-131ra), wobei sich allerdings eine eigenständige Autorschaft A.s nicht nachweisen läßt. Einzig der 'Liber vitae', gemeint ist ein Verzeichnis der Schwestern und Beichtväter mit kurzen historischen Einschüben, und die Zusammenstellung von Briefen und Reformstatuten, alle enthalten im sogenannten 'Regelbuch des Inselklosters' (Bern, Burgerbibl., Ms. A 53), sind zwar ursprünglich von Meyer angeregt, werden aber von A. eigenständig und eigenhändig weitergeführt. A. dürfte Meyer hauptsächlich als Assistentin und Schreiberin verschiedener Werke gedient haben, darunter seiner 'Chronik des Insel-

Bd. l, Sp. 366—371: Zwei eigenständige spätmal. Prosalegenden des hl. Anno sowie eine Legendarfassung verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, S. 391.

Anonymus Bambergensis

Verfasser der geschichtstheologischen Traktate 'De semine scripturarum' und 'De principe mundi', Anfang 13. Jh. I. Zum A u t o r . Der unbekannte Verfasser beschreibt mit den Mitteln prophetischer Exegese, d. h. der Auslegung gegebener Texte und Sachverhalte auf die Zukunft hin, den Geschichtsverlauf und das Ende der Zeiten. Dabei sind die Gegenstände seiner Exegese, das lat. Alphabet und die Hagiographie, ebenso ungewöhnlich und originell wie das aus ihnen abgeleitete, als erstes in Jahrhunderte (vgl. BRENDECKE, 1999, S. 57) eingeteilte geschichtstheologische System. Hinsichtlich seiner reformorientierten Kleruskritik wie auch seines Interesses an der Interpretation der Geschichte und seines methodischen Grundansatzes, der allegorisch-symbolischen prophetischen Exegese, steht der anonyme Autor in der Tradition des Deutschen Symbolismus (vgl. RAUH, 1979).

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Anonymus Bambergensis

Der Verfasser macht nur zwei direkte Aussagen über sich: In 'De semine scripturarum' gibt er an, A. D. 1204/05 zu schreiben, in der Einleitung von 'De principe mundi' verweist er darauf, bereits das Schriftsamenbuch verfaßt zu haben. Laut HIRSCH-REICH (1959, S. 306) war er ein unbekannter Mönch, der Anfang des 13. Jh.s im Bamberger Kloster Michelsberg wirkte.

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die hl. Kunigunde, in: B. BISCHOFF/S. BRECHTER (Hgg.), Liber Floridus, Mlat. Stud. P. Lehmann zum 65. Geb. ..., St. Ottilien 1950, S. 329-354, Text S. 343 — 353 (nur die legendarischen Erzählungen über das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde nach der Hs. Rom, Bibl. Vaticana, cod. Vat. lat. 3819, einer Hs. der Kurzfassung. Eine vollständige Edition, die die gesamte bekannte Überlieferung aufarbeiten soll, zusammen mit traditionsund wirkungsgeschichtlichen Studien, in Vorbereitung durch M. Kaup, 'De semine scripturarum' und 'De principe mundi', zwei geschichtstheologische Traktate aus Bamberg (MGH, Quellen zur Geistesgesch.).

Nach Bamberg verweisen der spezifische Bildungshorizont des Autors (vgl. etwa zur Verwendung der Bamberger Komputistik HIRSCH-REICH, 1959, S. 306) und das ausgeprägte Interesse an den 2. Der Autor geht von der Überlegung Bistumsheiligen Heinrich und Kunigunde, das sich aus, daß die Buchstaben des Alphabets in 'De semine scripturarum' zeigt (vgl. KLAUSER, keimhaft alles Geschriebene in sich ent1957, S. 103-108). Die Lokalisierung des Autors auf dem Michelsberg ist eine unbewiesene Hypo- hielten und selbst prophetische Qualität besäßen. Unter Verweis auf Lc 8,8 (hunthese. Offen ist auch die Datierung des Schriftsamenbuches, da das Werk Inkarnations- und Pasdertfältige Frucht des Samens) ordnet er jesionsdatierung zu vermengen scheint (vgl. HIRSCHdem der 23 Buchstaben des (um y und z REICH, 1959, S. 309); vielleicht sind unter der geerweiterten) lat. Alphabets ein Jahrhunnannten Abfassungszeit die Jahre 1237/38 der In- dert der 2300 Jahre vor dem Weltende aus karnationsära zu verstehen (vgl. BRENDECKE, 1999, Dn 8,14 zu, die er mit der Gründung Roms S. 57 Anm. 45). Dem Großteil der Überlieferung galt irriger- 752 v. Chr. beginnen läßt. Dazu setzt er ein halbes Jahrhundert für die Konjunktion et weise der kalabresische Abt Joachim von Fiore an und errechnet so ein Weltende im aus(1135 — 1202) als Autor von 'De semine scripturarum' und 'De principe mundi'. Vermutlich kursier- gehenden 16. Jh. Jedes dieser 23,5 Jahrten die Traktate zunächst anonym; als ein Bedürf- hunderte beschreibt er anhand der graphinis nach Zuschreibung entstand, bot sich Joachim schen, phonologischen und metrischen Eials wichtigste geschichtstheologische Autorität an. genschaften des ihn regierenden BuchstaZwar teilten der Kalabrese und der Bamberger die bens (vgl. dazu GRUNDMANN, Alexander, Auffassung der Geschichte als eines gerichtet 1950, S. 161-169). strukturierten Prozesses, doch entwickelten sie völlig verschiedene Konzepte von dessen Verlauf. Das Dieses auf Buchstabensymbolik beruhende Syfiel schon Heinrich von Harclay Anfang des stem wurde in der Literatur gelegentlich mit der 14. Jh.s am Schriftsamenbuch auf, ohne daß er es Kabbala in Verbindung gebracht, doch handelt es deshalb Joachim absprach (vgl. PELSTER, Quaestio, sich bei 'De semine scripturarum' um einen origiS. 73, Z. 26—29). Zuletzt wurde die Zuschreibung nellen, auf Trivium, Komputistik und Bibel beruan Joachim in den fünfziger Jahren unseres Jh.s henden Entwurf, der ein eigenständiges und wohl vertreten (vgl. PELSTER, Ausg.; ders., Quaestio, auch das wirkmächtigste Produkt der Bamberger 1950, S. 50 Anm. 1). Ansonsten referiert die LiteBildungsgeschichte des HochMAs ist (vgl. FRIED, ratur die Herkunftshypothese von HIRSCH-REICH. 1986, S. 181; PETERSOHN, 1997, S. 367).

II. 'De semine s c r i p t u r a r u m ' . 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Bekannt sind 19 Abschriften des 13. bis 15. Jh.s mittel-, süd- und westeuropäischer Provenienz: 7 geben die ursprüngliche Langfassung, 12 eine Kurzfassung, die in fünf verschiedenen, zum Teil den Text aktualisierenden Redaktionen überliefert ist. Übersichten über insgesamt zehn Hss. bieten STEGMÜLLER (1951, Nr. 4033) und Russo (1954, S. 30; sehr fehlerhaft). Ausgaben. F. PELSTER, Ein Elogium Joachims v. Fiore auf Kaiser Heinrich II. u. seine Gemahlin,

3. Für die Deutung der Buchstaben stützt der Autor sich auf klassische Abhandlungen der Grammatik (etwa Priscian), für komputistische Spekulationen rezipiert er klassische (etwa -*· Beda Venerabilis) und jüngere Bamberger (-> Heimo von Bamberg) Autoren, die wichtigsten theologischen Autoritäten sind -> Augustinus, -> Gregor der Große und ->· Bernhard von Clairvaux.

Ill

Anonymus Bambergensis

4. 'De semine scripturarum' hat eine mannigfache Wirkung entfaltet. So diente es dem Bamberger Schulmeister -»· Hugo von Trimberg in seinem 1300 vollendeten 'Renner' (vv. 15455-15464) als Beleg für seine Datierung der Gründung Roms sowie der Lebenszeiten der Propheten Amos und Jesaja. Andere schrieben die hagiographischen Partien über das heilige Kaiserpaar ab (vgl. KLAUSER, 1957, S. 105 f., 184 f.). An Fragen der Kirchenreform interessierte Leser konzentrierten sich auf die kleruskritischen Passagen (zusammengestellt in Prag, Archiv Prazskeho Hradu [Metropolitankapitelbibl.], cod. O 50, u. d. T. Correctio sacerdotutn). Besondere Aufmerksamkeit fand in ganz Europa der geschichtstheologische Ansatz: Als erster benutzte 1267 der englische Naturphilosoph und franziskanische Theologe Roger Bacon das Schriftsamenbuch (vgl. DANIEL, 1972), der deutsche Kanoniker und Staatstheoretiker -* Alexander von Roes verwendete es 1288 (vgl. HIRSCH-REICH, 1920; 1959), der katalanische Arzt und Laientheologe Arnald von Villanova schrieb 1292 mit einer 'Introductio in librum loachim de semine scripturarum' betitelten Einführung die einzige bekannte mal. Abhandlung über den Text (vgl. MANSELLI, 1951, S. 10-16, 43-59). Wie diese drei zogen bis zum 15. Jh. viele 'De semine scripturarum' für geschichtstheologische Überlegungen heran (vgl. GRUNDMANN, Geistesgeschichte, 1950, S. 109). III. 'De p r i n c i p e m u n d i . 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Der Text ist in 5 Hss. mitteleuropäischer Provenienz — stets mit der Langfassung von 'De semine scripturarum' — überliefert; insgesamt 3 Hss. bei STEGMÜLLER (Rep., Nr. 4054) und Russe (1954, S. 34; sehr fehlerhaft). In diesen drei Hss. werden beide Traktate zusammen als zweiteiliger 'Libellus de novissimis temporibus' Joachim von Fiore zugeschrieben. A u s g a b e in Vorbereitung durch M. Kaup (s. o. zu II.).

2. Der Traktat war bisher in der Forschung nahezu unbekannt. Sein Gegenstand, so der Autor im ersten Satz, ist das endzeitliche Geschick des mit einer johanneischen Wendung als 'Fürst der Welt' (vgl.

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12,31) bezeichneten Teufels: Prtnceps huius mundi, ubi ligatus, qua die solvendus quave die interficiendus sitque in eternum perdendus ... Detailinformationen über die (v. a. in Apo 20 sehr allgemein angekündigte) Fesselung, Lösung und endgültige Überwindung des Teufels nach der Herrschaft des von ihm besessenen Antichrist entnimmt der Autor v. a. der Legende über die Bindung des vom Teufel besessenen, unter dem Forum Romanum lebenden Drachen durch Papst Silvester I. (vgl. POHLKAMP, 1978), die er historisch, moralisch und eschatologisch deutet. Dabei stellt er komputistische Spekulationen an. 3. Neben dem komputistischen Interesse verweisen zahlreiche Formulierungen und Motive wie die Silvesterlegende auf 'De semine scripturarum'. Wichtigste Quelle für 'De principe mundi' sind die 'Actus Silvestri' in einer Mischfassung, wie sie von MOMBRITIUS (1910, S. 508-531) herausgegeben wurde. Aus ihnen entnimmt der Autor seinen Hauptstoff, die Drachenbindung durch Papst Silvester I. Der Traktat selbst stellt mit seiner Hauptthematik, der endzeitlichen Rolle des Teufels, ein Unikat dar: Im MA gab es zwar eine vielfältige Antichristtraktatliteratur, nicht aber eine solche über Satan in der Endzeit. Daher trägt der Traktat in allen Überlieferungen den Titel De Antichristo, obwohl der Antichrist dort nur insofern eine Rolle spielt, als der Teufel in ihm Wohnung nimmt. In der Edition wird der Text deshalb, entsprechend seiner Charakteristik in dem oben (2.) zitierten Eingangssatz, 'De principe mundi' genannt werden. L i t e r a t u r . B. MOMBRITIUS, Sanctuarium sive Vitae Sanctorum 2, Paris 1910; B. HIRSCH-REICH, Zur 'Notitia saeculi' u. zum 'Pavo'. Mit einem Exkurs über die Verbreitung des pseudojoachimitischen Büchleins 'De semine scripturarum', MIÖG38 (1920) 571-610; H. GRUNDMANN, Geistesgesch. in den MGH, Die Welt als Geschichte 10 (1950) 98-116; ders., Über die Schr.n des Alexander v. Roes, DA 8 (1950) 154-237; F. PELSTER, Die Quaestio Heinrichs v. Harclay über die zweite Ankunft Christi u. die Erwartung des baldigen Weltendes zu Anfang des XIV. Jh.s, Archivio Italiano per la Storia della Pietä l (1950) 25-82; R.

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Anonymus Haserensis

MANSELLI, La religiositä di Arnaldo da Villanova, Bulletino dell' Istituto Storico Italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano (BISI) 63 (1951) 1-59; STEGMÜLLER, Rep. 3: Commentaria. Auctores H—M; F. Russo, Bibliografia Gioachimita, Florenz 1954; R. KLAUSER, Der Heinrichs- u. Kunigundenkult im mal. Bamberg, 1957; B. HIRSCHREICH, Alexanders v. Roes Stellung zu den Prophetien. Unter bes. Berücksichtigung des Traktates 'De semine scripturarum' in der 'Notitia saeculi', MIÖG 67 (1959) 306-316; E. R. DANIEL, Roger Bacon and the 'De seminibus scripturarum', Mediaeval Studies 34 (1972) 462-467; H. D. RAUH, Das Bild des Antichrist im MA. Von Tyconius zum dt. Symbolismus, 1979; W. POHLKAMP, Tradition u. Topographie: Papst Silvester I. (314—335) u. der Drache vom Forum Romanum, Rom. Quartalschr. 78 (1983) 1-100; J. FRIED, Die Bamberger Domschule u. die Rezeption von Frühscholastik u. Rechtswiss. in ihrem Umkreis bis zum Ende der Stauferzeit, in: ders. (Hg,), Schulen u. Studium im sozialen Wandel des hohen u. späten MAs, 1986, S. 163—201; J. PETERSOHN, Das geistige Leben: Bildung u. Buchwesen, lat. Lit. u. Wiss., in: A. KRAUS (Hg.), Gesch. Frankens bis zum Ausgang des IS.Jh.s (Hdb. d. bayer. Gesch. 3.1), 1997, S. 332-369; A. BRENDECKE, Die Jahrhundertwenden. Eine Gesch. ihrer Wahrnehmung u. Wirkung, 1999.

MATTHIAS KAUP Anonymus Haserensis 1. Anonymus Haserensis ist die Bezeichnung für den Autor einer Eichstätter Bischofsgeschichte ('Gesta episcoporum Eistetensium'), die von der Bistumsgründung durch den hl. Willibald (angeblich 742) bis zum Amtsbeginn Bischof Gundekarsll. (1057-1075) reicht. Die Zuweisung 'Haserensis' leitet sich vom Ausbildungsort des A. ab, dem Stift Herrieden in Mittelfranken. Verwandt (cognatus) war er mit dem Eichstätter Domkämmerer Woffo, der unter Bischof Heribert (102l/ 22—1042) die Marienkirche in Eichstätt neu errichten ließ und später Bischof von Merseburg wurde (1055-1058). Spätestens um die Mitte des 11. Jh.s, unter Bischof Gebhardl. (1042-1057), muß der A. als Domkanoniker an das Domstift Eichstätt gekommen sein. Allem Anschein nach wurde er dort Kapellan Bischof Gundekars II. und dürfte mit einem der namentlich überlieferten Kapellane dieses Bischofs

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zu identifizieren sein (Helmbrecht, Aribo, Megingoz). Die früheren Vorschläge, ihn mit dem Propst Heysso von Herrieden (ADAMSKI) oder dem Bischof Udalrich I. von Eichstätt, dem Nachfolger Gundekars II. (WERNER), gleichzusetzen, sind abzulehnen. Angesichts der engen Verbundenheit Gundekars II. mit Kaiserin Agnes — er war vor seiner Bischofszeit ihr Kapellan — ist davon auszugehen, daß auch der A. die Kaiserin persönlich gekannt hat und wie sein bischöflicher Herr der von ihr vertretenen Frömmigkeitshaltung anhing. Sein Tod wird nicht allzu lange nach 1075/78 anzusetzen sein. 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Die 'Gesta episcoporum Eistetensium' (von mir vorgeschlagener Titel) sind in einer einzigen Hs. überliefert: Eichstätt, Diözesanarchiv, Ms. 18 (alt 156), 75v-101r. Es handelt sich um eine Papierhs., die 1483 von Erasmus Pintzberger wahrscheinlich im Kloster Heidenheim (am Hahnenkamm) angelegt wurde und kurze Zeit später in das Stift Rebdorf bei Eichstätt gelangte. A u s g a b e n . J. GRETSER, Philippi Ecclesiae Eystettensis XXXIX. Episcopi de eiusdem Ecclesiae divis tutelaribus [...] Commentarius [...] una cum duobus Observationum libris et Catalogo Historico omnium Episcoporum Eystettensium, Ingolstadt 1617, S. 385-553 (Nachdruck: J. GRETSER, Opera Omnia 10, Regensburg 1737, S. 837-881); L. BETHMANN, MGH SS VII, S. 254-266; PL 146, Sp. 1006-1026; WEINFURTER, 1987, S. 39-67.

3. Das Werk des A. H. bestand ursprünglich aus zwei Teilen. Der erste, nicht mehr erhaltene Teil behandelte offenbar Leben und Wirken der Kaiserin Agnes, denn er wird als Libellus Agnetis bezeichnet. Der zweite Teil sollte auf das Leben Bischof Gundekars II. von Eichstätt eingehen und enthielt als Vorspann eine Darstellung der Geschichte der Eichstätter Bischöfe in der Reihenfolge der Amtsträger. Allein dieser Vorspann ist erhalten geblieben. Von Gundekar II. wird in dem Fragment nur noch dessen Bischofserhebung (1057) berichtet. Ob der A. selbst sein Werk abgeschlossen hat, ist ungewiß. Jedenfalls findet sich in der Eichstätter Überlieferung kein Hinweis auf früher vorhandene Texte über Gundekar II. Dieser Abschnitt könnte freilich auch wegen seiner Romfeindlichkeit schon bald vernichtet

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'Ansbacher Arzneibuch'

worden sein, denn das Werk war eine Apologie der Eichstätter Bischofskirche und ihrer Einstellung gegenüber der gregorianischen Kirchenreform. Insbesondere wollte der A. damit erreichen, daß das Andenken (memoria) für Bischof Gundekar II. nicht durch die Angriffe der gregorianischen Reformer in Mißkredit gerate. Dessen Frömmigkeit und Kirchenverständnis, so sollte erwiesen werden, hätten sich ganz an der Reformhaltung der Kaiserin Agnes und Papst Leos IX. orientiert und seien auf Harmonie und Eintracht zwischen königlicher und priesterlicher Gewalt ausgerichtet gewesen. Mit den 'gregorianischen Eiferern' aber, die 'mit Doppelzüngigkeit Mükken aussieben, ein Kamel aber schlucken', und nicht wie Jesus oder Papst Leo IX. Milde zeigen, ging der Anonymus hart ins Gericht. Die Beschreibung der Eichstätter Bischofsreihe vom heiligen Bistumsgründer Willibald an sollte die untadelige Amtsführung aller Eichstätter Bischöfe vor Augen führen und das Amtsverständnis Gundekars II. auch von dieser Seite her legitimieren (imitatio Willibaldi). Das Werk entstand nach dem 2. August 1075, dem Tod Gundekars II., dessen Begräbnis geschildert wird. Terminus post quem könnte aber auch der Tod der Kaiserin Agnes sein (14. Dez. 1077). Eine spätere Abfassung als 1078 ist vom Inhalt her so gut wie ausgeschlossen. Der A. hat für sein Werk neben anderen Quellen die gesamte Eichstätter Überlieferung (Viten Willibalds, Wunebalds, Walpurgis', Pontifikale Gundekarianum, Willibald-Officium) sowie die Vita Bonifatius', Solas und wohl auch Papst Leos IX. benutzt. Seine Schilderungen sind lebensnah, Sprache und Stil einfach, aber kraftvoll. L i t e r a t u r . M. ADAMSKI, Herrieden. Kloster, Stift u. Stadt im MA bis zur Eroberung durch Ludwig d. Bayern im Jahre 1316 (Schriften d. Inst. f. frk. Landesforschung an d. Univ. Erlangen, Hist. R. 5), 1954; E. M. WERNER, A. H. von Eichstätt. Stud. z. Biographie im HochMA, Diss. München 1966; ST. WEINFURTER, Sancta Aureatensis ecclesia. Zur Gesch. Eichstätts in ottonisch-salischer Zeit, Zs. f. Bayer. Landesgesch. 49 (1986) 3-40; ders.,

Die Gesch. der Eichstätter Bischöfe des A. H. Edition — Übers. — Kommentar (Eichstätter Stud. NF 24), 1987.

STEFAN WEINFURTER Anonymus Neveleti -» Äsop [NB] Anonymus Viennensis -»· 'Chronikalische Notizen eines Wiener Bürgers' [NB] 'Ansbacher Arzneibuch' Arzneibuch des späten 15. Jh.s aus dem Umfeld der Ansbacher Residenz. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 198392 (früher: Hamburg, Slg. Günther), letztes Viertel 15. Jh., ostfrk., 200 Bll., 4°.

1. Das . A.' dokumentiert Sammeltätigkeit für Materia medica an einem fürstlichen Hof, vergleichbar der 'Med. Sammlung' -> Ludwigs V., Pfalzgrafen bei Rhein. Zumindest Quellengemeinschaft besteht aber auch mit dem aus patrizischen Kreisen stammenden -* 'Wolfegger Hausbuch' (4.e). Die Vorschrift für den krebs damit der alt bertzog von Lutringen geheylt wurdt do jn kein ertzeney nit gebelffen wolt (130r—131V) ist u. a. auch im 'Wolfegger Hausbuch' (29V) überliefert, wo sie auf die Heilung Herzog Renes II. im Winter 148l/ 82 bezogen wird. Für die Niederschrift des . A.' ergibt sich damit als Terminus post quem 1482; als Terminus ante quem kann der Tod von Albrecht III. Achilles gelten (1486). Das textinterne Datum M°cccc°xlij (127r) und die zahlreichen Rezepte, die Markgraf Johann den Alchemisten (f 1464) als Patienten ausweisen, machen wahrscheinlich, daß die Textentwicklung in mehreren Schritten verlief.

2. Gewährsleute. Der Kompilator macht häufig Angaben zur Herkunft seiner Rezepte und (Kurz-)Traktate. So benennt er Ärzte und Wundärzte wie Johannes Kautsch (44V, 68r), -» Hans von Bayreuth, Dr. N[ikolaus?] Tettelbach (109r, 116r, 129V f.), Dr. Anton Mutel, Meister Linhart (60 v f.), Meister Anseimus (100r); Sebald -» Mulner und Hans -» Lochner aus Nürnberg. Beim mehrfach genannten Maister Conrad zu der Sunnen (66 r f., 69V, 95V) scheint es sich um einen fahrenden Wundarzt zu handeln. Laienärzte könnten beim

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'St. Anselmi Fragen an Maria' — Anselm von Canterbury

Styber (64r) und beim Plotterberger (67V) benannt sein. Gelegentlich wird auch auf Patienten hingewiesen, dabei am häufigsten auf Markgraf Johann von Bayreuth, genannt der Alchemist, für den die Rezepte gegen Urolithiasis, Harnverhaltung, Übergewicht, Darmträgheit, Vergeßlichkeit und Sehschwäche eine detaillierte Pathographie zeichnen (51r, 69V, 100vf., 151v). Die Hs. enthält aber auch Rezeptgut weiter entfernter Regionen: aus dem Heidelberger Raum werden z. B. -> Peter von Ulm (88 r f.) und Heinrich -»· Münsinger (146V) genannt; aus Thüringen Meister Johannes Spilhausser de Gota (67vf., 166r), Meister Hannß von Halberstatt (108r) und Hermann ->· Umbehauwen; aus dem schwäbisch-alemannischen Raum Meister Hanns [-» Minner?] von Zurch (151V, 152r), C. Friburger (101V); ferner ein doctor zu Wurms, Magister Bartholomeus von orn genant (159vf.)- Bei Maister Arnolts, einem Chirurgen, könnte es sich um -* Arnold von Aachen handeln (88r); mit von Hessen (99 v f.) oder von Sulms (147r) scheint der Rabbiner-Arzt Hesse, d. i. der -+ Jude von Salms gemeint zu sein (vgl. zu diesem mit weiteren Nachweisen: Würzburger med.hist. Mitt. 8 [1990] 207-219; Rostocker Beitr. z. Sprachwiss. 7 [1999] 87—97). Auch wird ein Meister Caspar doctor zu Venedig in der Ertzney vnd eyn ritter aufgeführt (165r-166r). - Berthold -*· Slyner zeichnet umfangreichere Textsegmente und redet in der Ich-Form von sich (probatum est per me 86V). Ob er partiellen Anteil an der Kompilation hatte, muß offenbleiben. 3. Inhalt und Aufbau. Das . A.' enthält v. a. Rezepte, daneben Konsilien, (Kurz-)Traktate, Regimina-Anweisungen und einzelne Drogenmonographien. Sorgfältig kompilierte Segmente wechseln mit Textzonen ab, deren Struktur von der Quelle vorgegeben ist. Die Texte sind z. T. anonym, z. T. werden die Quellen genannt: Zahlreiche Kapitel entstammen der 'Cirurgia' -* Peters von Ulm und dem 'Arzneibuch' -> Ortolfs von Baierland (lr-7r, 19V-39V, 41r-44r; 50r-52r, 53r; 55 r f.,

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56r-59v, 61r-62v, 64v-72r, 76r-79r u. ö.); die 'Gebrannten Wässer' -» Gabriels von Lebenstein sind zweifach enthalten, was für die Bevorzugung dieser neuen Arzneiform vor den älteren Arzneiölen spricht (119v-127r, von B. Slyner; 152V-159V); an Pestliteratur begegnet: der 'Prager Sendbrief' des -» Gallus von Prag (8 v f.), der ->· 'Brief an die Frau von Plauen' und der Bubonentext Jakob ->· Engelins (ll v — 15r); darüber hinaus finden sich: der BlutschauKatalog B (-> Hämatoskopie-Traktate; 7 V -8 V ); Zahnrezepte (15r-18r); Augenrezepte (44r—47V) sowie eine 'Augendiagnostik im Sinne einer Physiognomie' (42rv) und dieser vorangestellt eine Hirnanatomie (40 r f.); ein Regimen duodecim mensium (->· 'Utrechter Monatsregeln', hier um das Tageslängen-Segment erweitert, 162V— 164r). Als weitere Indikationsgebiete scheinen auf: Übergewicht (104r), Darmträgheit oder Durchfall (18 r f., 117V-119V; 60 r f.), Traumatologie (79r109r), Innere Medizin (lllv-115r) mit den Untergruppen Podagra (101V-103V, 166r) und Ulcera cruris (108r-109v): Wildbade-lmitzte und ein Baderegimen gegen Unterschenkelgeschwüre (108r— 109V; 161r-162v). Außermedizinische Texte: -> Albrants 'Roßarzneibuch' (166 V —176 V ); Rezept zur Herstellung von Wolfskugeln (176 v f.); technologische Rezepte zur Farbherstellung, Vergoldung und Boraxbereitung sowie waffentechnische Anweisungen zur Stahlhärtung und Harnischpflege (109 r -lll r ).

G. KEIL 'St. Anselmi Fragen an Maria' [Korr./ Nachtr.] Bd. l, Sp. 373 Z. 4 von unten: "Oldenburg, LB, cod. 74" korr.: ..., Cim I 74. Ebd. zu Überl.: Weitere Hss. bei BERGMANN, Spiele, M 37, M 39, M 53 u. M 81. Ebd., Sp. 374 ergänze Hs. und Ausgabe einer md. Fassung: D. CEPKOVA, Md. Reimfassung der Interrogatio Sancti Anshelmi. Nach der Dessauer Hs. Cod. 24.8 ° (DTM 72), 1982.

Anselm von Canterbury [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 377 Z. 7/8 von unten: "Paris, Bibl. Nat., Suppl. franc;. 3175" korr.: ..., ms. allem. 125 (Suppl. fran f . 3175).

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Anselm von Frankenstein - Anthimus

Sp. 378 oben: Unter -> Peuger s. auch eine vollständige Übers, der 'Meditationes'. Ebd., Z. 23/22 von unten: "Budapest, ..., cod. 33" korr.: ..., cod. Germ. 33. Ebd., Z. 20/19 von unten: Freiburg, ÜB, Hs. 79 enthält nicht die 'Admonitio morienti'. Vgl. W. HAGENMAIER, Kat. Freiburg, Bd. 1,4, 1988, S. 31. Sp. 379 zu Punkt b): Weitere Textzeugen (Hss. u. Drucke) von Prosaübersetzungen der 'Interrogatio' bei BERGMANN, Spiele, M 6 (= MD 3), M 10, M 23, M 38, M 50, M 82 (= MD 2), M 107, M 108 und M 123. Ebd., Z. 6: "Heimst. 1682" korr.: Heimst. 1082. Ebd., Z. 16 f.: "Quedlinburg, Stifts- u. Gymnasialbibl., cod. 141" korr.: Halle, ÜB u. LB, Qu. cod. 141. Ebd., Z. 19: "Weimar, LB, Ms 0.4" korr.: ..., Herzogin Anna Amalia Bibl., Ms. Oct. 4. Ebd., Z. 20-18 von unten nach "GAILIT ... 53-60" ergänze: und S. 71-99 Textabdruck der Anselm-'Einlage' aus der Klosterneuburger Hs. Sp. 380 Z. 12: "Wien, Schottenstift, cod. 209" korr.: ..., cod. 145 (Kat. Nr. 209). Sp. 381 Z. 2: "Will. 19.8°" korr.: Will 11.19.8°.

Anselm von Frankenstein [Korr.] Bd. l, Sp. 382 zu Überl.: "Schlägl, ... cod. Plag. 194" korr.: Aigen/O. Ö., Prämonstratenserstift Schlägl, Stiftsbibl., Cpl [814] 194 (Kat. Nr. 57).

'Ansgar' (

. von Hamburg') [Nachtr.]

Bd. l, Sp. 395 ergänze: Eine weitere eigenständige Prosalegende verzeichnet W. WILLIAMSKRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, S. 391.

Anthimus 1. Byzantinischer Leibarzt am Hof Kaiser Zenons (474—491), wegen Beziehungen zu den Ostgoten des Verrats bezichtigt und aus Konstantinopel vertrieben, ging an den Ravennatischen Hof Theoderichs des Großen (f 481), der den erfahrenen Mediziner nicht nur als Gelehrten schätzte, sondern auch als Gesandten verwendete: Unter anderm war der Weitgereiste bei Theuderich (511—534) am Fränkischen Königshof zu Metz, wo er als comes et legatarius eine 'Epistula ad Theudoricum regem Francorum De observatione ciborum' verfaßte. 2. Die lat. Diätetik versteht sich als Nahrungsmittellehre, ist als Lehrbrief mit

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Proömium und 94 Paragraphen angelegt und ordnet die abgehandelten Nahrungsmittel in lockerer Folge nach Provenienzen, Zubereitungen und Speisen. An Getränken sind nur Bier, Met und Wermut erfaßt. Die Ausführungen über das Schwarze Fleisch treffen typisch fränkische Eßgewohnheiten, und was die Angaben zum 'Grünen Speck' (§ 14: crudum laredum] betrifft, 'den — wie ich höre — die Herren Franken zu essen pflegen', so hat die Panegyrik des Byzantiners international Aufmerksamkeit gefunden. — Bemerkenswert sind die gotischen Termini, die A. neben griechischen Fachausdrücken in den Text einstreut. Ü b e r l i e f e r u n g . 9 Hss. (8. bis 15. Jh.) bei LIECHTENHAN, S. XI—XXIV; der älteste Textzeuge: Bamberg, SB, Msc. med. l, v. J. 788 (-» 'Lorscher Arzneibuch'), 72r-75v. A u s g a b e n . Heute maßgebend: Anthimi De observatione ciborum ad Theodoricum regem Francorum epistula, hg. v. E. LIECHTENHAN (Corpus medicorum latinorum VIII,1), 1963. Vgl. ferner G. KEIL, Das Lorscher Arzneibuch, I: Faksimile, II: Übers., 1989; R. JANSEN-SIEBEN u. a., Brief des erlauchten A. an Theuderich, den König der Franken, [Privatdruck] 1989; U. STOLL, Das 'Lorscher Arzbeibuch', ein med. Kompendium des 8. Jh.s: Text, Übers, u. Fachglossar (Sudhoffs Arch., Beih. 28), 1992, S. 392-407.

3. Eine bair.-österr. Übersetzung des 15. Jh.s, wohl aus klösterlichem Bereich, gibt den frühmal. Wortlaut frei, aber präzise wieder. Bemerkenswert ist die Überlieferungsgemeinschaft mit dem 'Batungentraktat' ('De ->· vettonica herba') und dem PS. -> Apuleius [NB]. Ü b e r l i e f e r u n g . Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, cod. a VI 10, 79r-81r, bair. österr., 1. H. 15. Jh.; Wien, cod. 2898, 77va-92r% mit Textschleppe aus Rezepten, bair.-österr., 1470. Die 1965 angekündigte Ausgabe von Jane Motekat (Diss. Heidelberg) ist nicht erschienen. L i t e r a t u r . M. HAUPT, Ueber eine Diätetik d. 6. Jh.s, Monatsberichte d. kgl. preuss. Ak. d. Wiss. (1867) 673 f. (dazu LIECHTENHAN, Ausg., 1963, S. IX); C. DEROUX, Alimentation et medecine dans la Diethetique d'Anthime, in: R. JANSEN-SIEBEN / F. DAELEMANS (Hgg.), Voeding en geneeskunde. Acten van het colloquium Brüssel ... 1990 (Archief- en bibliotheekwezen in Belgie, extranummer

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'Vom Antichrist' — Pseudo-Apuleius

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41), Brüssel 1993, S. 49-73 (mit weiterführender Lit.); G. HAYER, Konrad v. Megenberg, 'Das Buch d. Natur'. Unters, zu seiner Text- u. Überlieferungsgesch. (MTU 110), 1998, S. 239 u. 379; M. FREYER / G. KEIL, Vom mal. Medizin- zum modernen Biologieunterricht, I-II, 1995, S. 439.

und ndl. Prosaviten und 2 Fassungen der InventioLegende; dazu W. HOFFMANN, Ndjb 116 (1993) 72-108.

G. KEIL

Bd. l, Sp. 406 Z. 11 von unten: "Augsburg, StB u. SB, cod. 148" korr.: ..., 2° cod 148. Sp. 406 zu 'Königsberger A.'. Die ehem. Königsberger Hs. 891 ist jetzt in Thorn (Torun), ÜB, Rps 44/IV. Vgl. R. PLATE, Zum Verbleib mal. dt. Hss. der ehem. Königsberger Bibl.n, in: Berichte u. Forschungen. Jb. d. Bundesinstituts f. ostdt. Kultur u. Gesch. l (1993) 93-111. Sp. 407, zu 3.: "Harburg ..., cod. III D l 4° 15" korr.: heute Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 15. Ebd., zu 4.: "Harburg ..., cod. III D l 4° 41" korr.: heute Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 41.

'Antichrist' (frühmhd., anon.) ->· 'Friedberger Christ u. Antichrist'; -»· 'Linzer Entecrist' 'Vom Antichrist' (anonyme Prosafassung) [Nachtr.] Bd. l, Sp. 397: Zur Frage der Verfasserschaft vgl. auch -> 'Klosterneuburger Evangelienwerk', -> 'Schlierbacher Altes Testament', -» Wolfhart und -» Österreichischer Bibelübersetzer [NB],

'Apokalypse' (mhd. Prosa) [Korr.]

'Apokalypse' (nd.) [Korr.] 'Von dem Antichriste' (bair. Versdichtung) [Korr.] Bd. l, Sp. 399, zu Überl.: Die Perg.hs., "vormals im Besitze von Matthäus Kuppitsch" heute: Berlin, mgo 138. Vgl. N. HENKEL, ZfdA 110 (1981) 2327.

'Antichrist-Bildertext' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 400: Der .- .' ist "höchstwahrscheinlich ... Exzerpt aus der reich bebilderten 'Konstanzer Weltchronik'" (N. F. PALMER, Latein u. Deutsch in den Blockbüchern, in: N. F. HENKEL/ N. F. PALMER [Hgg.], Latein u. Volkssprache im dt. MA, 1992, S. 310-336, hier S. 312); vgl. auch ->· 'Konstanzer Weltchronik' [NB].

Antichristspiele -* 'Des Entkrist Vasnacht'; -> 'Luzerner Antichrist- und Weltgerichtsspiel'; -* 'Tegernseer Ludus de Antichristo'; vgl. auch -» 'Benediktbeurer Weihnachtsspiel' ('Ludus de Rege Aegypti'); -»· 'Churer WeltgerichtsspieP; -» 'Künzelsauer Fronleichnamsspiel' 'Antonius Eremita' (

. der Große')

Die Legende des A. E. ist Bestandteil der -* 'Vitaspatrum' und zahlreicher Legendare. Vgl. auch -> Alfonsus Bonihominis. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 391 f., verzeichnet neben 16 Legendarfassungen insg. 5 eigenständige dt.

Bd. l, Sp. 408 zu Überl.: "Berlin, ... mgf 737" korr.: ..., mgf 737/37, 38. Ebd.: "Hannover, LB, cod. 84a" korr.: ..., Ms 184 a.

'Apostelbuch' -»· 'Münchner A.'; -» 'Salzburger A.'; -»· 'Trierer A.' 'Der apostele tat' [Korr.] Bd. l, Sp. 410 zu Überl.: 'cod. A 191 des Staatsarchivs Königsberg' heute: Berlin, Geheimes Staatsarch. Preuß. Kulturbesitz, XX. HA Hs 1. Ebd., Z. 12 von unten: "-» Cranc" korr.: -> Krane.

'Apotheke der Schwestern' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 411 Z. 2 von unten: Die Hs. Münster, ÜB, cod. 595 (Kat. Nr. 179) ist verbrannt.

Pseudo-Apuleius Dem berühmten Afrikaner Apuleius von Madaura (auch A. Barbarus oder Platonicus; f nach 162) wurde seit der Spätantike u. a. der 'Herbarius' zugeschrieben. Es handelt sich dabei um ein Kräuterbuch des 4. Jh.s in 131 Kapiteln. I. La t. Version. Ü b e r l i e f e r u n g . 41 lat. Hss., eine Inkunabel (GW 2300; Korrektur bei KLEES, 505.1) u. zwei Frühdrucke bei GRAPE-ALBERS, S. 2—5.

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Pseudo-Apuleius

Ausgaben (Auswahl). A. MANCINI, PS. Apulei Libellum de medicaminibus herbarum ex codice Lucensi 296, Atti della reale Accademia Lucchese di Scienze, Lett, ed Arti 32 (1904) 251-301 [m. Einführung], Text wieder abgedruckt in: Minerva medica, parte varia 54 (1963) 1084-1093; E. HOWALD / H. E. SIGERIST, Antonii Musae De herba uettonica über. Pseudo-Apulei Herbarius. Anonymi De taxone liber. Sexti Placiti Liber medicinae ex animalibus (Corpus medicorum latinorum IV), 1927, S. 13-225; dazu korrigierend: F. W. T. HUNGER, The Herbal of Ps.-A. from the NinthCentury ms. in the Abbey of Monte Cassino (cod. Casinensis 97) Together with the First Printed Edition of Johannes Philippus de Lignamine (... Romae 1481), both in facs., Leiden 1935; teilweise wieder abgedruckt v. E. CAPROTTI / W. T. STEARN, Herbarium Apulei, 1481. Herbolario volgare, 1522 (Libri rari 3), 2 Bde, Mailand 1979, hier Bd. l, Bl. [lr] —[107V]; Medicina antiqua. Libri quatuor medicinae, ed. CH. H. TALBOT / F. UNTERKIRCHNER, I-II, Paris 1978, hier II, S. 87-115 [frz. Übers, v. M. DULONG nach Wien, cod. 93]; H. ZOTTER, Antike Medizin (Interpretationes ad codices 2), Graz 1980, S. 6-33 u. 54-197 [nach Wien, cod. 93, mit dt. Übers.]. — Redaktionen/Bearbeitungen: K. LANDGRAF, Ein frühmal. Botanicus, Kyklos l (1928) 114-146; R. SIMONINI, Medicinae varia in codice delP VIII sec. ... Apulei liber, Modena 1928. — Zusätze: P. DIEPGEN, Zur Tradition d. Pseudoapuleius, Janus 29 (1925) 55-70, 140160. - Bildarchetypus: H. GRAPE-ALBERS, Spätantike Bilder aus d. Welt d. Arztes, 1977.

Das in der Text- wie Bildtradition gleichermaßen Dioskurides verpflichtete Werk ist schon im 5. Jh. mit -» Sextus Placitus Papyriensis verbunden worden und mit 'De herbis femininis' sowie dem 'Batungentraktat' ('De -» vettonica herba') in Überlieferungsverbund getreten. Die (128 —)131 Kapitel sind der jeweils eingangs abgebildeten Pflanze gewidmet; die Drogenmonographien enthalten Synonyma des Pflanzennamens, Angaben zu Standort und Sammelzeit sowie Heilanzeigen, wobei die Indikationen durch Herstellungs- und Anwendungsvorschriften ergänzt werden. Die breite Wirkung (vgl. die Überl.) erstreckt sich in Form von Streuüberlieferung bis zu den Arzneibüchern und zur naturkundlichen Enzyklopädik; die Schlangennamen des 'Herbarius' finden sich darüber hinaus im 'ParzivaP ->· Wolframs von Eschenbach (GROOS). Auch das -» 'Circa instans' in seiner erweiterten 'Secreta-salernitana'-

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Fassung A (vgl. Lexikon d. MAs VII, 1995, Sp. 1661 f.) ist zu einem erheblichen Teil aus dem Ps.-A. gespeist, aus dem ganze Kapitel einschließlich der Bildvorlage übernommen wurden. Auf diese Weise hat der Ps.-A. die Bildtradition spätantiker Dioskurides-Hss. bis in den -> 'Gart der Gesundheit' getragen und ihr Geltung noch im 18. Jh. verschafft. II. D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . Ü b e r l i e f e r u n g . Debrezin, Großbibl. d. Reformierten Kirchendistricts, Hs. R. 459, S. 5—86, mit farbigen Federzeichnungen illustriert, um 1450, bair.-österr. [D]; Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, cod. a VI10, 62r-76r, 1. H. 15. Jh., bair.-österr., [S]; Wien, cod. 2898, 54va-77va, um 1470, bair.österr. [W]. Dazu Streuüberlieferung (z. B. im -> 'Wolfenbütteler Arzneibuch').

Die drei Textzeugen erlauben, zwei bair.-österr. Übersetzungsfassungen zu unterscheiden, die beide auf vorsalernitanische Vorlagen zurückgehn: Einerseits Hs. D, die das ganze frühmal. HerbarienKorpus enthält; sie ist zweifellos nicht für die ärztliche Praxis angelegt, sondern für oberschichtliche (nicht schulische) Repräsentanz geschaffen worden. Der Übersetzer — ein Urkundenschreiber — arbeitete nach guter Vorlage, war mit der med. Fachsprache aber wenig vertraut und ließ ganze Paragraphen aus. Nach gleicher Vorlage wurde andererseits die Übersetzungsversion in S und W gearbeitet. Im Gegensatz zur D-Version stand der dt. Übersetzer seiner lat. Quelle frei gegenüber. Die medizinische Fachsprache war ihm nicht ungeläufig. L i t e r a t u r , zu L: Lexikon d. MAs I, 1980, Sp. 818 f.; VII, 1995, Sp. 306; A. C. KLEBS, Incunabula scientifica et medica, Osiris 4 (1938) 1 — 350, Neudr. 1963, hier S. 169; L. E. VOIGTS, The Significance of the Name .' to the Herbarium Apulei, Bulletin of the History of Medicine 52 (1978) 214-227; G. SABBAH / P.-P. CORSETTI / K.-D. FISCHER, Bibliographie des textes medicaux latins (Centre Jean Palerne, mem. 4), St.-Etienne 1987, S. 38-40; N. F. PALMER / K. SPECKENBACH, Träume u. Krauter (Pictura et poesis 4), 1990, S. 46; A. GROOS, Wolframs Schlangenliste (Pz. 481) u. Ps.-A., in: Licht der Natur, Fs. G. Keil (GAG 585), 1995, S. 129-148; M. FREYER, Gesch. d. medizinisch-naturkundlichen Lehrbuchbildes, 2000, S. 25-32.

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'Arbogast' — Arigo

Zu II.: VIZKELETY, Altdt. Hss. II, S. 119-121; G. HAYER, Die dt. Hss. d. MAs d. Erzabtei zu Salzburg (WSB, Denkschriften 154), Wien 1982, S. 80—82; V. SCHERER, Die 'Epistula de ratione ventris vel viscerum'. Ein Beitrag z. Gesch. d. Galenismus im frühen MA, Diss. FU Berlin 1976; F. HENNING, 'De vettonica herba' dt.: ... I. Die Wiener Fassung, Diss. Würzburg 1998, S. 34; H. SCHÜTZ, 'De vettonica herba' dt.: ... II. Die Debreziner Fassung, Diss. Würzburg 1999, S. 17-20.

G. KEIL 'Arbogast' (alem. Legende) [Nachtr.j Bd. l, Sp. 422 ergänze: Neben 2 Legendarfassungen auch eine weitere eigenständige Fassung der Legende verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, S. 393.

'Arbogast' (alem. Predigt) [Korr.] Bd. l, Sp. 422 Z. l statt: "Hs. 712 II, ..., der Colmarer StB" korr.: Hs. 717" (Kat. Nr. 212) ...

Arigo Pseudonym des Übersetzers von Boccaccios 'Decameron'. 1. Name. Arigo (ital. Heinrich) nennt sich der Übersetzer von Boccaccios 'Decameron' in der Einleitung des ersten Tages (KELLER, S. 17). Weil dieser Name auch am Ende einer Hamburger Hs. mit der ProsaÜbersetzung des 'Fiore di Virtu' steht und weil sich zweitens als deren Verfasser in einer St. Galler Hs. ein Heinrich -» Schlüsselfelder nennt, wurde dieser zuerst von BAESECKE (1904) auch als Urheber der Boccaccio-Übersetzung angenommen und, da er auf Grund älterer sprachgeschichtlicher Untersuchungen 'als Nürnberger erwiesen' schien (S. 191, vgl. DRESCHER), als Nürnberger Bürger identifiziert. Diese Zuschreibung ersetzte andere, teils ältere, so an den Ulmer Arzt Heinrich -» Steinhöwel (KELLER), an den Nürnberger Pfarrer von St. Sebald Heinrich Leubing (DRESCHER) oder den in Perugia wirkenden Stempelschneider maestro Arigo aus Ulm (Heinrich Clayn: E. SCHRÖDER). Erst BERTELSMEIER-KIERST (1988) erschütterte auf Grund von dialektgeographischen, stilkritischen, inhaltlichen und funktionsge-

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schichtlichen Kriterien diese These (die BAESECKE korrigierenden Daten der in Frage kommenden Personen S. 56—59). Ihr zufolge verweist die Übersetzung nach Sprache und mutmaßlicher Herkunft A.s in den Süden (Südtirol?, S. 64), vom Entstehungskontext her in den Südwesten des dt. Sprachraums, in die Umgebung eines der kleinen Höfe (Eberhard im Barte?) und ihrer gebildeten Funktionselite, von denen auch sonst Anstöße für Übersetzungen aus dem italienischen Kulturkreis ausgingen. Für diese Annahme spricht auch der Publikationsort des Erstdrucks, Ulm. Eine nähere Identifizierung gelang bisher nicht. Der 'Spur' (S. 184) Heinrich -> Österreicher, den BERTELSMEIER-KIERST (1988) versuchsweise ins Spiel brachte, um den gesuchten 'Typus von Übersetzer' (S. 79, 81) schärfer zu umreißen, ist die Forschung bisher nicht weiter nachgegangen; Sprache und Typus seiner Columella-Übersetzung aus dem Lateinischen lassen seine Verfasserschaft als eher unwahrscheinlich erscheinen. Doch sollte der Hinweis auf die breite Übersetzertätigkeit in Südwestdeutschland und die Verbindungen der dortigen Führungsschicht nach Italien weitere Beachtung finden. 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Eine hs.liehe Überlieferung vor dem Ulmer Erstdruck (Johann Zainer) fehlt (überliefert sind nur eine Wiener Hs. aus dem 16. Jh. sowie hs.liehe Fragmente zur Ergänzung defekter Drucke). Der undatierte Druck entstand frühestens 1476, nicht, wie in älterer Forschung vermutet, um 1472/73 (AMELUNG, S. 44—46; BERTELSMEIER-KIERST, S. 65—67); Exemplare ohne den Vermerk geendet seliglichen zuo Vlm waren möglicherweise für den Vertrieb durch Zainers Bruder Günter von Augsburg aus bestimmt; dort erschien 1490 eine Neuauflage; weitere z. T. veränderte Drucke im 16. (erhaltene Exemplare von 14 Drucken) und 17. Jh. (erhalten: 4; nach BERTELSMEIER-KIERST, S. 224-237). Die frühen Drucke enthalten, anders als die volkssprachige Erzählprosa sonst, keine Illustrationen. A u s g a b e . A. v. KELLER, Decameron von Heinrich Steinhöwel (StLV 51), 1860, nach der Erstausgabe Ulm o. J. (um 1476).

3. E n t s t e h u n g , Vorlage, Sprache. Über die Umstände der Entstehung des aufwendigen Übersetzungswerks (Mäzen?

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Arigo

Adressaten?) ist nichts bekannt. Der Übersetzer scheint noch mit traditionellen höfischen Literaturverhältnissen zu rechnen, wenn er die ironische Anspielung in Boccaccios Titel auf den 'unmoralischen' Lancelot-Roman als Gönnernennung (ze liebe und früntschafft [...] dem fürsten und principe Galeotto) mißversteht (MÜLLER). Für eine hs.liehe Vorlage könnten Fehler auf Grund von Verlesungen sprechen. (DRESCHER, BAESECKE, 1904). THEISEN plädiert dagegen für den sog. Deo-gratiasDruck als Vorlage der Übersetzung (o. O. u. J., um 1470), doch wurden seine Überlegungen als überlieferungsgeschichtlich zu wenig abgesichert kritisiert (BERTELSMEIER-KIERST, 1997). Die Sprache der Übersetzung ist entgegen älteren Vermutungen zur Nürnberger Provenienz (DRESCHER; BAESECKE, 1902, KARS) bair. ohne auffällige Dialektismen (BERTELSMEIERKIERST, 1988, S. 241-301) und weist auf einen gehobenen kanzleisprachlichen Usus; sie weicht vielfach von der für Nürnberg typischen Graphic ab; es fehlt weithin der dort wirksame md. Einfluß (S. 316—336). 4. K o n z e p t i o n . Die ältere Forschung hat sich überwiegend auf die Verfasserfrage konzentriert, der prosopographische, dialektgeographische, stilistische und interpretatorische Fragen untergeordnet wurden. BAESECKES Hypothese wollte KARS, methodisch unzulänglich, mit sprachgeschichtlichen und stilistischen Argumenten erhärten. Seit DRESCHER suchte man ein Portrait A.s aus Tendenzen der Übersetzung zu konstruieren: religiöse oder moralisierende Interessen, Eintreten für bestimmte Institutionen oder Gegnerschaft zu ihnen, Kenntnisse italienischer Lebensverhältnisse, mutmaßliche berufliche Tätigkeit (Geistlicher, evtl. sogar Prediger oder Mönch, Jurist, Kanzlei-Umfeld; vgl. EHRISMANN und BAESECKE, 1902; daß diese hypothetische Charakteristik auf keinen Schlüsselfelder paßt, zeigt BERTELSMEIER-KIERST, 1988, S. 59). Erst in jüngerer Zeit wurde die Frage nach dem literaturgeschichtlichen Ort gestellt. Die Übersetzung gehört zur volkssprachigen Unterhaltungsliteratur, die seit dem dritten Jahr-

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zehnt des Buchdrucks zuerst von Ulm, dann von Augsburg aus auf dem literarischen Markt vordringt; von den meisten anderen Werken unterscheidet sie sich durch die geringere Ausprägung pragmatischer (wissensvermittelnder, moraldidaktischer) Interessen. Die Gesamtausgabe fand zwar geringere Verbreitung als einzelne Novellen, die z. T. wie 'Griseldis' oder 'Guiscardo und Ghismonda' auf dem Umweg über eine lat. Fassung (-* Petrarcas bzw. Leonardo Brunis; vgl. -> Albrecht von Eyb und -»· Niklas von Wyle) den Weg ins Deutsche fanden; doch ist ihre angebliche Erfolglosigkeit ein hartnäckiges, von BERTELSMEIER-KIERST (1988), S. 49 u. 69 widerlegtes Vorurteil der Forschung. Die Übersetzung dürfte sich wie die ersten gedruckten Prosaromane und -novellen insgesamt an ein anspruchsvolles Publikum aus der Oberschicht gerichtet haben, das an italienischer Lebensart und Literatur interessiert war. Anders nämlich als die bis in die Sammlungen des 16. Jh.s übliche Ausbeutung des Novellenfundus als Stoffrepertoire, bei gleichzeitiger Reduktion der komplexen Faktur des von Boccaccio geschaffenen Novellentypus (NEUSCHÄFER) auf schlichtere Schwank- oder Exempelstrukturen, bemüht sich A. um eine verhältnismäßig genaue Wiedergabe. Er übernimmt Boccaccios Kritik an kirchlichen oder säkularen Verhältnissen, an der Rigidität moralischer Normen, an religiösen Bräuchen u. ä., wenn er sie auch durch eigene Zusätze abschwächt (auf sie konzentrierten sich komparatistische Untersuchungen von SCHWADERER und HIRDT). Auch reduziert er den Erzählrahmen, damit die Spiegelung der Novellen in den Reflexionen der lieta brigata, und leitet weniger zu einem reflektierend-problematisierenden Umgang mit dem Erzählten an, als daß er feste Orientierungen vorgibt. So lassen sich in den meisten Zusätzen Ansätze zu einer Didaktisierung ausmachen: in der Erklärung fremdartiger Sachen und Lebensverhältnisse, in Kommentaren zu abweichendem Verhalten, in der Charakterisierung von Figuren und ihrer oft gegen den Handlungsverlauf gerichteten vorbildhaften Stilisie-

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Aristoteles — 'Aristotiles und die Königin'

rung (MÜLLER) . Allerdings hat THEISEN derartige übergreifende Tendenzen in Frage gestellt. In minutiösen Analysen einzelner Novellen bemüht er sich, in jedem einzelnen Fall den eigenständigen Rang, oft die Überlegenheit A.s gegenüber Boccaccio zu erweisen. Weitere Beobachtungen zu stilistischen Tendenzen hat SAIBENE, S. 144—162, vor dem Hintergrund zeitgenössischer dt. Erzählprosa zusammengetragen (abbreviatio, Verzicht auf Beschreibungen, Liedeinlagen, komplexere rhetorische Figuren, dagegen alltagssprachliche, auch 'karnevaleske' Wendungen u. ä.). Die gewandelte Erzählkonzeption hat MÜLLER als Tribut an den nördlich der Alpen veränderten Rezeptionskontext gedeutet, in dem die gebildete Geselligkeit einer 'schönen Gesellschaft' nicht vorausgesetzt werden kann. Gegen diese 'literatursoziologische' Interpretation wurde die Reduktion der Rahmenerzählung, in der sich jene Geselligkeit vor allem artikuliert, von THEISEN als Konsequenz drucktechnischer Zwänge — Fehler bei der Berechnung des Umfangs der einzelnen Lagen — aufgefaßt (kritisch hierzu BERTELSMEiER-KiERST, 1997, S. 484). Besondere Erklärung erfordert die Behandlung der Vorrede Boccaccios, seiner Schilderung der Pest und der Einleitung zum ersten Tag: Bei A. werden die Stimmen von Übersetzer, Erzähler der Vorlage und Erzählfigur (Panfilo) ununterscheidbar (zu dieser Konfusion der Erzählinstanzen: MÜLLER, S. 284 ff.; harmonisierend SAIBENE, S. 130 f.; sollte sie auf eine defekte Vorlage zurückzuführen sein?). 5. W i r k u n g . A. wurde zum Vermittler von einzelnen Novellenstoffen, u. a. für ->· Johannes Werner von Zimmern, Erhart -» Lurcker, Hans ->· Schneeberger und Hans Sachs (vgl. auch BOLSINGER und RSM, Quellenregister, s. v. Boccaccio, Dec.). L i t e r a t u r . F. VOGT, (Rez. zu) M. HERRMANN, Albrecht von Eyb u. die Frühzeit des dt. Humanismus, 1893, GGA (1895) Nr. 4, S. 318-328; H. MÖLLER, A. u. seine Decameronübersetzung, Diss. Leipzig 1895; K. DRESCHER, A., der Übersetzer des Decamerone u. des Fiore di Virtü, 1900 (dazu Rez.n v. G. BAESECKE, AfdA 28 [1902] 241-257; G. EHRISMANN, ZfdPh 35 [1903] 106-113); G. BAESECKE, A., ZfdA 47 (1904) 191; E. SCHRÖDER, Les plus anciens imprimeurs ä Perouse 1471 —

1482, AfdA 31 (1907) 200-202; H. KARS, A., Diss. Halle 1932; H. J. NEUSCHÄFER, Boccaccio u. der Beginn der Novelle, 1969; D. MONOSTORY, Der Decamerone u. die dt. Prosa des XVI. Jh.s (Studies in German literature 16), Den Haag—Paris 1971; U. HESS, Heinrich Steinhöwels 'Griseldis' (MTU 43), 1975; R. SCHWADERER, Boccaccios dt. Verwandlungen, Arcadia 10 (1975) 117-128; W. HIRDT, Boccaccio in Deutschland, in: Stud, über Petrarca, Boccaccio u. Ariost in der dt. Lit. (Beihefte zum Euph. 8), hg. v. H. RÜDIGER u. W. HIRDT, 1976, S. 32-55; P. AMELUNG, Der Frühdruck im dt. Südwesten 1473-1500, Bd. l, 1979; B. WEINMAYER, Studien zur Gebrauchssituation früher dt. Druckprosa (MTU 77), 1982; J.-D. MÜLLER, Boccaccios u. A.s 'schöne Gesellschaft', Fifteenth Century Studies 7 (1983) 281-297; CH. BERTELSMEIER-KIERST, 'Griseldis' in Deutschland. Stud, zu Steinhöwel u. A. (GRM Beiheft 8), 1988; M. G. SAIBENE, La traduzione del 'Decameron' di A. e la ricezione del Boccaccio in Germania nella seconda meta del quattrocento, in: Sulla traduzione letteraria. A cura di M. G. SAIBENE, Mailand 1989, S. 119-171; J. THEISEN, A.s Decameron. Übersetzungsstrategie u. poetologisches Konzept (Bibl. Germanica 37), 1996 (dazu Rez. v. CH. BERTELSMEIER-KIERST, ZfdA 126 [1997] 476-488); C. BOLSINGER, Das Decameron in Deutschland (Europ. Hochschulschriften l, 1687), 1998.

JAN-DIRK MÜLLER Aristoteles [Nachtr./Korr.] Bd. l, Sp. 440 Z. 13 ff.: Der Text in Berlin, mgq 1255, ist keine Übersetzung der 'Politik' des A., sondern eine Teilübersetzung (Buch 111,1 u. 2) von 'De regimine principium' des Aegidius Romanus. Vgl. B. SINGER, Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter vor d. Reformation, 1981, S. 149. Sp. 441 Z. 4 und Sp. 447 Z. 7 von unten: "Wien, Schottenkloster, cod. 209" korr.: ..., cod. 145 (Kat. Nr. 209). Sp. 444 Mitte: "Hs. Göttingen, SB, cod. philol. 21" korr.: ..., cod. philos. 21. Sp. 447 zu i) Überl.: "Augsburg, SB u. StB, 952" korr.: ...,4° cod H 27. Ebd., Z. 11 von unten: "Straßburg, ÜB, L. germ. 295" korr.: ..., ms. 2254 (olim L germ. 295). Ebd., Z. 9 von unten: "L. germ. 662" korr.: ms. 2795 (olim L germ. 662).

'Das Aristotelesspiel' (KELLER, Fsp. 17) -* 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Aristotiles und die Königin' Unvollendete Dramatisierung einer Dialogerzählung, 764 Sprechverse.

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'Aristotiles und die Königin'

Ü b e r l i e f e r u n g . Philadelphia, U.S.A., University of Pennsylvania, Van Pelt Library, Ms. Ger. 4 (Vorbesitz: Brüssel, Bibliothek des Herzog von Arenberg), Sammelhs. einer Hand, moselfrk., um 1440, 30v-47r. A u s g a b e . O. SPRINGER, Ein unveröffentlichtes Spiel von 'Aristotiles und der Königin', ZfdA 111 (1982) 22-52.

Der noch vom Schreiber revidierte (v. 251-254 = 259-262) Lesetext dramatisiert den zuerst als Märe überlieferten Schwank von Aristoteles, Schulmeister Alexanders des Großen, der eine Frau auf sich reiten läßt (-» 'Aristoteles und Phyllis'). Neu gegenüber dem Märe und den Fastnachtspielen (s. u.) ist eine vorausgeschickte Minnehandlung (121 — 376) im Stil des höfischen Frauendienstes. In einem minneredenartigen Gespräch (laiß mich syn dyn ewich knecht, 199) wirbt Alexander um die mynne einer edeln konyngynne (Regina). Die zunächst Widerstrebende (/> man sijt ungetruwe, 153) erweist dem beharrlich Plädierenden mit einem Kuß ihre Gunst. Durch seinen Boten Mynnenbant schickt Alexander der unerklärt fernen Regina einen Liebesbrief (der erste von vier gesprochenen und verlesenen Briefen), worin er das ußrwelte bilde (286 d) zu einem giZrten-Rendezvous bittet. Meister A. erblickt das tanzende Paar und rügt Alexanders Liebe als standesungemäß, töricht und gefährlich. Durch Mynnenbant läßt der gehorsame Schüler (Ich forten myn meister Aritz [Studentensprache?] geware, 506) die Absage ausrichten. Regina klagt in einer stolligen Liedstrophe (537—543). Dem Rat ihrer gesellyn und Kupplerin (koppellerße) folgend, wäscht die Königin, mit den Jungfrauen singend, im Gartenbach ihre 'schneeweißen' Beine. Vom Anblick betört, umbuhlt A. sie mit den Minnedienstfloskeln seines Schülers. In Aussicht auf ihre Liebe läßt er sich von Regina aufzäumen, satteln und — vor den Augen des Schülers — reiten. Den Zaum verstekkend revoziert A. seine frauenfeindliche Lehre in der moralisatio: nye keyn man wart recht froe I Dan alleyn van iviben (735 f.). Dadurch verdrängt . u. d. K.' den 'misogynen Grundton' (Frauenlist) der

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Mären und Fastnachtspiele (SowiNSKi, S. 328). Der Aussage des Prologs folgend (Horent ir lüde über alle, l Waß dit spil beduden sal, l f.) hält SPRINGER . u. d. K.' für ein Schauspiel. Für eine Aufführung war der Text jedoch ungeeignet. Die (an zwei Stellen fehlenden) Sprecher- und Regieanweisungen sind im Präteritum gehalten und bestehen vereinzelt aus Reimpaaren: Da gyng die konygynnen l Off den borne syngen (584f.). Es fehlt ein Epilog. Der ohne Sprecherangabe aufgezeichnete Prolog ist mit 120 Versen (rund ein Viertel des Gesamttextes) außergewöhnlich lang. Er beschreibt eine Handlung und zitiert Verse, die vom Haupttext abweichen. Nach LINKE haben wir es nicht mit einem Schauspiel zu tun, obwohl die 'Vorlage' ein 'Spieltext' gewesen sein könnte. Dafür sprechen dramaturgisch sinnvolle Regieanweisungen (Do dantzten sie ut prius, 375 a). Genuine Spielfassungen des auch bildlich weit verbreiteten Schwanke vom gerittenen 'Minnesklaven' finden sich dagegen in drei Fastnachtspielzentren: Nürnberg, um 1460, 'Das AristotelesspieP (KELLER, Fsp. Nr. 17; -»· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'); Tirol/Augsburg, um 1490, -» 'Meister Aristoteles' (KELLER, Nr. 128); Bozen, 1510: 'Aristoteles der Heide' (-> Raber, C.II.7.); Vergleiche bei SPRINGER, S. 25-28; SOWINSKI, S. 322-327. . u. d. K.' ist ein nicht abgeschlossener Versuch, einen Märentext zu dramatisieren (die Hs. enthält zwei Mären) oder ihn in einen Spieltext einzuarbeiten (Widersprüche zwischen Prolog und Haupttext). Als Lesetext ist es dem -> 'Moselfränkischen Katharinenspiel' derselben Hs. (l r -22 r ) vergleichbar (LINKE). L i t e r a t u r . O. SPRINGER, A Philosopher in Distress, in: Fs. E. H. Sehrt (Miami Linguistics Series 1), Coral Gables, Florida 1968, S. 203-218; B. SOWINSKI, Aristoteles als Liebhaber in den dt. Dichtungen des SpätMAs, AKG 69 (1987) 315-329; S. JEFFERIS, Das Spiel 'Aristoteles u. d. Königin' (Univ. of Pennsylvania, Cod. Ger. 4): Ein Vergleich mit seiner Hauptvorlage, dem Märe 'Aristoteles u. Phyllis', Fifteenth-Century Studies 15 (1989) 165181; H. LINKE, Die Gratwanderung des Spieledi-

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'Von armuot des geistes' — Arndes, Johann

tors, in: Methoden u. Probleme der Edition mal. dt. Texte, hg. v. R. BERGMANN /K. GÄRTNER, 1993, S. 137-155, dort S. 140 f.

ECKEHARD SIMON Arier, Heinrich -» Heinrich von Schaffhausen [NB] 'Armenbibel' -> 'Biblia pauperum' 'Von armuot des geistes' Traktat in der Nachfolge von Meister ->· Eckhart (= Traktat X in der Meister-Eckhart-Ausgabe PFEIFFERS). Ü b e r l i e f e r u n g . Straßburg, Bibl. Nat. et Univ., Ms. 2715 (olim L. germ. 618; davor Klosterneuburg, cod. 1141), 61V-65V; Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 34, 197V-199V (s. QUINT, Hss.funde I, S. 106); Berlin, mgq 191,35v-37r; ehem. Straßburg, StB, cod. A 98 (verbrannt). — Dazu treten eine Reihe von einzelnen Textstücken (s. SPAMER, S. 384; zusätzlich Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 106, 73v_ 7 4 r = S. 494,28-495,2 [QuiNT, Hss.funde I, S. 19]). Ausgabe. F. PFEIFFER, Dt. Mystiker d. 14. Jh.s, Bd. 2: Meister Eckhart, 1857 (Neudr. 1962), S. 493-495, Traktat Nr. X (nach Straßburg, Ms. 2715).

Zur Echtheit bemerkt SPAMER (S. 385): 'kein grund für die annähme einer autorschaft meister Eckeharts'. Der aus einzelnen Textstücken sowie Väter- und Bibelzitaten zusammengefügte Traktat wurde mit Ausnahme des Herausgebers PFEIFFER Eckhart immer abgesprochen. Auffallend sind die zahlreichen Väterzitate: Augustinus mit 4 Zitaten, Dionysius mit einer Zitatenreihe (493,26 — 35), Bernhard (494,5 f.). Sie sind auch, wie SPAMER nachgewiesen hat (S. 384), vielfach in anderen Texten nachweisbar. Das gilt selbstverständlich auch von den häufigen Bibelzitaten. Der Traktat setzt ein mit wiederholten wir sw/n-Aufforderungen (493,14—20), wobei die erste aus 'Von abegescheidenheit' stammt (Meister Eckhart, Ausg. QUINT, DW V, 1963, S. 428,10f.). Der Textverbund 493,21-494,11 besteht fast ausschließlich aus Zitaten, wobei das Thema Armut des Geistes nach dem ersten Satz außer Blick gerät. Mutmaßlich

hat der ganze Abschnitt eine einheitliche Quelle. Der folgende, bis zum Schluß führende Text (494,12-495,25) nimmt endlich das Thema Armut des Geistes auf, das mit dem einleitenden Bibelwort Beati pauperes spiritu (Mt 5,3) angezeigt ist. Vier Arten dieser Armut werden vorgetragen: 1. Wenn sie erleuchtet wird vom Geist der Wahrheit, so nimmt sie alle Dinge als ein Nichts, die nicht Gott sind. 2. Sie betrachtet (in ihrem Vollzug) den Vorläufer Christus gemäß seiner Würde und ihre eigene Minderwertigkeit. 3. Sie vernichtet im Geist alle ihre nätiurlicheit, und in ihr lebt allein der Geist Gottes. 4. Sie ist die unbegrtfelicheit Gottes, die nicht zu erlangen ist mit aller Erkenntnis und mit allen Werken. In dieser Unbegreiflichkeit befand sich Paulus in seiner Entrückung (II Cor 12,2—4), und so widerfährt es der Seele, die in Gott 'verloren' ist. L i t e r a t u r . A. SPAMER, Zur Überlieferung der Pfeifferschen Eckeharttexte, PBB 34 (1909) 307420, bes. S. 3 84 f.

K. RUH Arnald von Villanova OEM [Korr.] Bd. l, Sp. 456 Z. 19/18 von unten: "Prag, ÜB, cod. 1144" korr.: ..., Närodni Knihovna, cod. VI. F. 7 (Kat. Nr. 1144). Ebd. Z. 9 von unten: "Leipzig, C. 278" korr.: Dresden, LB, cod. C. 278. Sp. 457 Überl.: "Hs. XI 61 in 8 ° der Berner Burgerbibl. ..." korr.: Ms. h. h. XI 61 (in 8°) ...

Arndes, Johann J. A. aus Schleswig wurde im Juni 1455 zum dritten Sekretär des Lübecker Rats gewählt, nachdem er schon vorher längere Zeit als Substitut in der Kanzlei tätig war. Fast alle Einträge des 'Niederstadtbuchs' vom Nov. 1447 bis Mai 1455 stammen von seiner Hand. Ob er mit einem 1435 in Erfurt immatrikulierten Johann Arnoldi identisch ist, bleibt fraglich. Archivalisch faßbar ist A. in zahlreichen diplomatischen Missionen für seine Stadt in Stockholm, Kopenhagen, Gotland und den Hansestädten bis 1478, nochmals im Mai 1480, wo er jedoch nicht mehr als Ratssekretär be-

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Arno von Reichersberg — Arnold von Harff

zeichnet wird. Am 28. 4. 1482 war er, damals Priester und Schulmeister an zwei ihm vom Rat verliehenen Schreibschulen, nicht mehr im Amt, wie ein an diesem Tag ausgefertigter Vertrag mit seinen Gläubigern belegt, der ihn als vortides des ersamen rades to Lubeke secretarius bezeichnet. Er dürfte wohl Schulden halber (deren Tilgungsrate angesichts seiner Armut in einem weiteren Vertrag Ende 1487 reduziert wurde) entlassen worden sein. Im August 1488 wird er zum letztenmal genannt. A. ist Verfasser von Berichten amtlichen Charakters über den Empfang König Christians I. von Dänemark 1462 sowie Herzog Albrechts von Sachsen 1478 in Lübeck, die ohne Zweifel im Auftrag des Rats verfaßt wurden. Ü b e r l i e f e r u n g . Lübeck, Arch. d. Hansestadt, Originale und Abschriften im ersten Eidebuch: Altes Senatsarchiv Interna, Eide l, 62 V —73 r . Zu einer später an Lüneburg verschickten modifizierten Abschrift vgl. HAGEDORN, S. 285. A u s g a b e . E. DEECKE, Arch. f. Staats- u. Kirchengesch. d. Herzogthümer Schleswig, Holstein, Lauenburg u. d. angrenzenden Länder u. Städte 3 (1837) 313-337; A. HAGEDORN, Zs. d. Ver. f. Lübeckische Gesch. u. Alterthumskunde 4 (1884), Heft 3, S. 287-310.

Vom Empfang König Christians, der 1462 auf der Durchreise zu dem Wallfahrtsort Wilsnack vom Lübecker Rat Quartier begehrte, existieren ein von A.' Vorgänger im Amte, dem Ratssekretär Johann Hertze (-» 'Lübecker Ratschronik') entworfenes Konzept wie eine von A. überarbeitete längere Fassung: De schikkinge unde ordinancie, alse koning Cristierne to Lubeke was anno etc. 62*. Völlig eigenständig ist der Bericht über die 1478 in Kopenhagen veranstalteten Vermählungsfeierlichkeiten zwischen Johann von Dänemark und Christine von Sachsen samt anschließendem Aufenthalt und Turnier Herzog Albrechts von Sachsen in Lübeck: De ordinancie unde schickinge der werschopp des jungen koninges unde hertogen Albrechtes hertogen van Myßen etc., do he to Lubeke was. Die kulturgeschichtlich informativen Relationen geben Einblick in die Rituale des Empfangs einer fürstlichen Persönlichkeit, zeigen aber auch die Besorgnis und das Mißtrauen, mit

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dem eine mal. Stadt einem solchen Besuch samt in die Hunderte gehendem Gefolge entgegensah, und dokumentieren v. a. die außerordentlichen Vorsichtsmaßnahmen, die man für nötig erachtete, speziell im Fall des von der Hanse gefürchteten dänischen Königs. HAGEDORNS Vermutung (S. 285 f.), A. könnte mit dem Fortsetzer der -» 'Lübekker Ratschronik' für die Jahre 1468 (HAGEDORN 1458!) - 1480 identisch sein, ließ sich nicht verifizieren. Es handelt sich hier um den Lübecker Protonotar Johann Wunstorp. L i t e r a t u r . HAGEDORN, S. 283—287; Hanserecesse 2. Abt., Bd. 5-7 (1888-92), 3. Abt., Bd. l (1881), passim; F. BRUNS, Die Lübische Ratschronik des 15. Jh.s u. ihre Verfasser, Hansische Geschichtsbll. Jg. 1902 (1903) 181-202, hier S. 197-199; ders., Die Lübecker Stadtschreiber von 1350-1500, Hansische Geschichtsbll. Jg. 1903 (1904) 43-102, spez. 65-68, 78, 84, 96-98; J.B. MENKE, Geschichtsschreibung u. Politik in dt. Städten des SpätMAs (Schluß), Jb. des Kölnischen Geschichtsver. 34/35 (1960) 85-194, hier S. 122 f.; Rep. font. II, 1967, S. 397 (falsche Jahresangabe 1487 statt 1478).

HELGARD ULMSCHNEIDER Arndes, Stephan entfällt (vgl. ->· 'Gart der Gesundheit'; -» 'Hortus sanitatis') Arno von Reichersberg [Korr.] Bd. l, Sp. 459 Z. 10: "St. Florian, Stiftsbibl., cod. 82" korr.: ..., cod. XI. 82.

Arnold von Bamberg [Korr.] Bd. l, Sp. 462 Z. 6: "cgm 726" korr.: cgm 720. Vgl. Kat. SCHNEIDER, München V, S. 119 f.

Arnold von Berge und Nienburg [Korr.] Bd. l, Sp. 464 Z. 1: "Paris, Bibl. Nat., Sangerm. 440" korr.: ..., ms. lat. 11851 (olim Sangerm. 440). Vgl. auch -> Michael de Leone (III. 6.).

Arnold von Freiburg OP [Korr.] Bd. l, Sp. 470: Vgl. auch -» Alkabitius [NB].

Arnold von Harff [Korr.] Bd. l, Sp. 472 zu 4. Überl.: "Bonn, ÜB 447" korr.: ..., S 447.

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Arnold von Lübeck — Arnulf von Boheries

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David von Augsburg, 'Formula novitiorum' und 'Speculum monachorum' [Teil l Bd. l, Sp. 473: "Brunn, Ceronis Sammlung 27" des Novizentraktats 'De exterioris et intekorr.: ..., Moravsky Zemsky Archiv (Mährisches rioris hominis compositione']) zur Lektüre Landesarchiv), G 12 (= Slg. Cerroni), II 27. empfohlen (STAUBACH, S. 421 f., 425 — 429). Diese Werke wurden manchmal mit Arnold von Lüttich [Korr.] dem 'Sp. m.' verwechselt. Florens ->· Radewijns empfiehlt, das 'Sp. m.' auswendig zu Bd. l, Sp. 478 Z. 12: Die nach GLORIEUX und AXTERS angegebene Hs. "Prag, ÜB, cod. 1257" exi- lernen (VILLER, S. 46). Die Meditation über stiert unter dieser Signatur nicht. den toten Körper, der für die Grablegung zubereitet wird, im Schlußabschnitt der bei MIGNE, PL 184, abgedruckten Fassung, ist Arnold (us) Saxo [Korr.] wahrscheinlich ein Einschub aus der 'ForBd. l, Sp. 486 Z. 12f. von unten: "Erlangen, mula honestae vitae' (MORSON, S. 355). ÜB, cod. 388" korr.: ..., cod. 423 (olim Kat. IrmiDie anonyme mndl. Prosaüberlieferung scher Nr. 388). ist im Kontext der Devotio moderna zu sehen (DE MAN). Die einzige bisher bekannt Arnoldi, Simon ->· Beier, Dorothea gewordene hd. Übersetzung ist die Version des Melker Benediktiners Lienhart -> Peuger (Melk, Stiftsbibl, cod. 856 [8887 Arnulf (Arnoul) von Boheries OCist Q. 10], 84V-85V; cod. 1389 [72/B 37], Französischer Zisterzienser der Abtei S. 331-335); vgl. LÖSER, S. 116 f. u. 124. Boheries in Picardie (Dept. Aisne), angebDie bei STAMMLER, Prosa, S. 975 angegelich Ende 12. Jh./Anfang 13. Jh. benen Hss. eines dt. 'Spiegels der Mönche' A u s g a b e . PL 184, Sp. 1175-78 (unter dem Naenthalten nicht den Text des A. v. B.

Arnold von Lübeck [Korr.]

men Bernhard von Clairvaux, nach dem Abdruck in der Ausg. von J. MABILLON, Paris 1719; 1839).

Das 'Speculum monachorum' des nur durch dieses eine Werk bezeugten Verfassers bietet eine kurz gefaßte Anleitung zur Vertiefung des inneren Lebens für Mönche. Die Datierung ist ganz unsicher; bisher konnte eine einzige Hs. dem 13. Jh. zugewiesen werden (MoRSON, S. 354). In den zahlreichen spätmal. Hss. wird der Text meist -» Bernhard von Clairvaux zugeschrieben. Inhaltlich bemerkenswert ist die Betonung der individuellen kontemplativen Leistung des guten Mönchs; durch diese geht er, von den anderen unbemerkt, über die kollektive Erfahrung des Stundengebets, der Privatlektüre, der Tischlesung und der Handarbeit, wie sie für die zisterziensische Gemeinschaft konstitutiv ist, hinaus. Im späteren 14. und 15. Jh. wurde das 'Sp. m.' von den Autoren der Devotio moderna aufgegriffen und u. d. T. 'Speculum Bernardi' zusammen mit einigen anderen Kurztraktaten vergleichbaren Inhalts (u. a. PS.-Bernhard, 'Formula honestae vitae'; ->

L i t e r a t u r . M. VILLER, Le Speculum monachorum et la 'Devotion moderne', Revue d'ascetique et de mystique 3 (1922) 45—56; D. DE MAN, Een vermeend tractaat van Salome Sticken, Nederlandsch archief voor kerkgeschiedenis 20 (1927) 275-280; J.-M. CANIVEZ, Arnoul de B., in: Diet. Spir. I, 1937, Sp. 894; [J. MORSON], A Mirror for Monks, by Arnulf, Monk of B., Collectanea Ordinis Cisterciensium Reformatorum 24 (1962) 350— 357; ders., Arnulphe (Arnoud) de B., in: Dictionnaire des auteurs cisterciens, hg. v. E. BROUETTE u.a., Rochefort 1975, Sp. 59 f.; M.W. BLOOMFIELD u. a., Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices 1100-1500, Cambridge, Mass. 1979, Nr. 5582; K. STOOKER / TH. VERBEIJ, 'Uut Profectus'. Over de verspreiding van Middelnederlandse kloosterliteratuur aan de hand van de 'Profectus religiosorum' van David van Augsburg, in: Boeken voor de eeuwigheid. Middelnederlands geestelijk proza, Amsterdam 1993, S. 318-340, 476-490; N. STAUBACH, Memores prisfinae perfections. The Importance of the Church Fathers for Devotio moderna, in: The Reception of the Church Fathers in the West. From the Carolingians to the Maurists, hg. v. I. BACKUS, Leiden u. a. 1997, Bd. 1, 405469; F. LÖSER, Meister Eckhart in Melk. Stud, zum Redaktor Lienhart Peuger (TTG 48), 1999.

NIGEL F. PALMER

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Arnulf von Löwen — Ascher ben Jakob Halevi

Arnulf von Löwen [Nachtr.] Bd. l, Sp. 501, vor Lit. ergänze: Eine mhd. Übers, des gesamten (hier durch die Strophengruppe 'Ad pectus' erweiterten) Zyklus u. d. T. Sanct Bernhards klage in Nürnberg, StB, Cent. VI, 43e, 282v-290r; Abdr. bei BARTSCH, Erlösung, S. 225—236. Eine andere mhd. Fassung bei B. GILLITZER, Die Tegernseer Hymnen des Cgm 858, 1942, S. 24—34, auch hier unter dem Namen -> Bernhards von Clairvaux. E J. WORSTBROCK

'Ars moriendi' (dt. anon.) -» 'Bilder-Arsmoriendi'; -> 'Speculum artis bene moriendi'; -» 'Des Sterbenden Anfechtungen ...'; ->· 'Van dem stervende mynsschen ...'; -> 'Tractetlein von dem sterbenden Menschen' 'Ars somnifera' ->· 'Traktat von schlafmachenden Stücken'

Arwiler, Peter [Korr.] Bd. l, Sp. 504 Z. 5 korr.: geschrieben nach 1527 von Schwester Katharina -» Gurdelers.

'Von ainem arzt genant maister Uncian'

(KELLER, Fsp. 48) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Von einem Arzt und einem Kranken'

(KELLER, Fsp. 120) -» Folz, Hans (V. 2.) 'Von einem Arzt und einem kranken Bauern' (KELLER, Fsp. 6) -»· 'Heilung eines Bauern' [NB] 'Vom Arzt mit den zwölf Bauern' (KELLER, Fsp. 82) ->· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Die Ärzte' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 506 f.: Vgl. -» 'Veronika' I (5.).

Ascher ben Jakob Halevi

Nach menschlichem Ermessen ist A. der Autor des ältesten jiddischen Glossenkorpus größeren Umfangs, nämlich der Einworterklärungen im sog. 'Berner kleinen Aruch' (einer Auswahl aus dem 'Großen Aruch', dem ältesten erhaltenen Wörterbuch des nachbiblischen Hebräisch-Ara-

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mäisch, das 1101 von Nathan ben Jechiel in Rom fertiggestellt wurde). A. vollendete seine Kompilation laut Kolophon i. J. 1290. Ü b e r l i e f e r u n g . Bern, Burgerbibl. cod. 200 (nach moderner Paginierung 112V —258 V ). Eine Abschrift des 15. Jh.s (München cod. hebr. 390) bietet die Glossen mit starken Entstellungen. A u s g a b e . E. TIMM, s. Lit.

Inhalt und Bedeutung. 1. Erklärungsbedürftige "Wörter des Originalwörterbuchs hatte bereits ein Anonymus jüdisch-frz. glossiert. A. fügte jeweils das altjidd. Pendant hinzu, in der Regel mit der Einleitungsformel bilschon ascbkenas 'in der Sprache der deutschen Juden'. Von den insgesamt 318 Glossen (in hebr. Schriftzeichen) sind 226 in den Haupttext integriert, also im Jahre 1290 aufgezeichnet, 67 essentiell gleichzeitig und 25 von jüngeren Händen zwischen den Zeilen oder am Rande notiert. 2. Entgegen der Benennung nach dem Aufbewahrungsort Bern ist die Hs. mit außersprachlichen Mitteln eindeutig auf den ripuar.-nd. Raum lokalisierbar: A. selbst nennt sich anderenorts 'von Osnabrück', und familiäre Beziehungen weisen zurück auf Köln. Zu diesen geographischen Determinanten paßt der nach den Kriterien der dt. Dialektologie ermittelte sprachliche Befund, der dank sorgfältigster Diakritizierung der hebr. Schriftzeichen weit sicherer ist als bei gleichzeitigen lateinschriftlichen dt. Texten: Zu mehr als 90% sind die Glossen durch das Ripuarische, zu etwa 6% durch das Niederdeutsche geprägt. 3. Der hier überlieferte jidd. Wortschatz betrifft vor allem Realien des Alltags (Hausrat, Kleidung, Nahrungsmittel, Krankheiten, Fauna und Flora); er bereichert teilweise auch die dt. Mundartlexikographie insbes. des Nd. mit frühen bzw. Erstbelegen (z. B. wandeworpe 'Maulwurf', pors 'Myrtenheide', bundequese 'Eiterbeule am Fuß', inrennich, afkorstig 'zusammenfallend' bzw. 'auseinanderbrökkelnd' [vom Brot]). 4. Der dialektgeographische Befund von A.s Glossen (d. h. der geringe Anteil des nd. Adstrats) eröffnet allgemein das Verständnis für die Frühgeschichte des Jid-

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Aschringer, Thomas — Äsop

dischen im nd. Sprachgebiet: offensichtlich entschieden sich schon die ersten (anfangs noch wenigen) jüdischen Familien, die aus dem hd. ins nd. Gebiet übersiedelten, grundsätzlich dafür, an ihrer bisherigen Sprache hd. Charakters festzuhalten, um den Kontakt zur aschkenasischen Mehrheit und ihren kulturellen Zentren nicht zu verlieren. Dennoch ließen sich Einflüsse der koterritorialen Sprache, insbes. in den prestigearmen Bereichen des Wortschatzes, nicht verhindern. Ein ähnliches Bild bietet noch die Sprache der Hamburgerin Glükkel um 1700.

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Aisopos, mlat. u. mhd. auch Esopus, Hesopus, Isopus oder Ysopus) ist seit Luther, der ihm eine nur mythisch-legendäre Existenz zusprach ('Etliche Fabeln aus Esopo'), umstritten. Die sagenhafte Prägung seiner mit Herodot einsetzenden antiken Bezeugungen (vgl. PERRY 1952, S.211 —241) schließt für die jüngere Forschung (HOLZBERG 1993, LUZZATTO 1996, ADRADOS 1999) aber nicht aus, daß sich ein vermutlich thrakischer Sklave im 6. Jh. v. Chr. auf Samos als Fabelerzähler die Popularität erwarb, die seinen Namen in Griechenland und später im gesamten Okzident zum Inbegriff für die aus MesopotaL i t e r a t u r . D. KAUFMANN, Buxtorfs Aruchhs. mien zugewanderte Gattung werden ließ. wiederaufgefunden, Monatsschr. f. Gesch. u. Wis'Äsopisch' heißen vielerorts (vgl. VAN DIJK, senschaft des Judentums 34 (1885) 185-192, 225-233; J. PERLES, Die Berner Hs. des kleinen S. 100-103) kleine fiktive Geschichten Aruch, in: Jubelschr. zum 70. Geb. des Prof. Dr. H. nach Art der von Ä. wohl besonders efGraetz, Breslau 1887, S. 1-38; E. TIMM, Jiddische fektvoll in Argumentationssituationen einSprachmaterialien aus dem Jahre 1290: Die Glosgesetzten: zu demonstrativ-paränetischen sen des Berner kleinen Aruch. Edition u. KommenZwecken erzählte ainoi, logoi oder mythoi tar, in: Fragen des älteren Jiddisch, Kolloquium in mit zumeist tierischem, doch anthropoTrier 1976 (Trierer Beitr., Sonderheft 2), 1977, morphisiertem Personal, die erst die röm. S. 16-34. ERIKA TIMM Rhetorik auf einen präziseren Gattungsbegriff brachte (Quintilian 1.9.2: Aesopi fa'Aschermittwochfastnacht' (KELLER, Fsp. bellae). Was Ä. bis dahin 'biographisch' angedichtet war, verarbeitete ein griech. 71) ->· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Anonymus im 2. Jh. n. Chr. planvoll zu einer romanhaften, ihren Helden mystifizieAschringer, Thomas [Nachtr.] renden Vita, die in drei Redaktionen vorBd. l, Sp. 508 [Verweisstichwort]: Im Auftrag liegt. Darin vereinigt Ä. den dem Kyniker von Th. A., magister camere, wurde die dt. FasDiogenes nahestehenden Typ des ungestalsung der Benediktinerregel in der Hs. Salzburg, ten und sozial deklassierten, aber gewitzNonnberg, cod. 27 C I, II. Teil, v. J. 1466, geschrieten Entlarvers alltäglicher Unvernunft mit ben. A. wird im Art. -»· 'Benediktinerregel' (in dem des weltweisen königlichen RatgeBd. l, Sp. 702-710) aber nicht erwähnt. bers, dem der altorientalische Romanheld und Weisheitslehrer Achikar (auch in diAsilo von Würzburg [Nachtr.] rekten Textentlehnungen) Pate stand. Obwohl es Anhaltspunkte gibt (vgl. THIELE Bd. l, Sp. 509 Z. 16 ergänze: Vgl. -» 'Rithmima1910, S. XIII-XV), daß die griech. Vita bechia', 1. und Lit. reits vor Rinuccios da Castiglione Übers, von 1448 (1476/77 verdeutscht von HeinÄsop rich Steinhöwel [s. u. V.]) lat. rezipiert I n h a l t . I.Leben und Werk. — II. Antike und wurde, hat sich das MA ein von ihr weitspätantikc Aesopica. — III. Lat. 'Romulus'-Rezepgehend unbeeinflußtes Bild entworfen und tion des MAs. - IV. Rezeption des griech. Äsop Ä. zu einem zumeist attischen gelehrten vor 1500. — V. Dt. Rezeption in MA und früher auctor befördert, der 'sein' schriftliteraNeuzeit. — Literatur. risch gedachtes Genus v. a. in den Dienst I. L e b e n und Werk. der Moraldidaxe stellte. Die damit auf ihr Die Historizität des vermeintlichen Gat- Resultat reduzierte Entwicklung der antitungsstifters und Urfabulisten Aesopus (gr. ken Fabel von einem mündlich tradierten

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Äsop

und situativ applizierten Überzeugungsmittel zur eigenständigen poetischen Einheit läßt sich nur vage rekonstruieren.

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out Morals, New York 1961 (Vita u. Rec. I nach PERRY); J. IRMSCHER, Antike Fabeln (Bibl. d. Antike), 1978 (Rec. I nach HAUSRATH).

I I . A n t i k e u n d s p ä t a n t i k e Aesopica. 1. Vermutlich im Rückgriff auf ein griech. Ä.-Kompendium von der Art der 'Collectio Augustana' setzte Phaedrus, ein Freigelassener des Augustus, wenige Jahrzehnte nach der Zeitenwende mit seinen nicht vollständig erhaltenen 'Fabulae Aesopiae' in jambischen Senaren das älteste lat. und wohl erste versifizierte Fabelcorpus überhaupt ins Werk. Seine breite mal. Wirkung hat es jedoch nicht im stilistisch anspruchsvollen Urtext, sondern in oft nurmehr erschließbaren Prosaumsetzungen unterschiedlichen Typs entfaltet — in mechanischen Auflösungen des Metrums, in rhetorisch amplifizierten sowie in bearbeitenden Versionen. Die in der Phaedrus-Nachfolge wichtigste Ausgangssammlung der mal. Ä.-TradiErst in byzantin. Hss. des 10. —16. Jh.s, tion war das vermutlich im 5. Jh. (in Galdie häufig auch die Vita tradieren und verlien?) entstandene 'Romulus-Corpus', in mutlich auf eine spätantike 'Leben und dem sich verschiedene spätantike TradiWerk'-Sammlung zurückgehen, ist dagegen tionsstränge kaum mehr entwirrbar verdie bedeutendste griech. Ä.-Kollektion erhalten: die nach der ältesten der drei knüpfen. Seinen Namen trägt es nach dem Hauptrezensionen so genannte, mehrheit- historisch nicht identifizierbaren Urheber lich in das 1.—3. Jh. datierte 'Collectio eines einleitenden Widmungsbriefes, der Augustana' (Rec. I). Ihre 231 alphabetisch das Werk als seine Übersetzung einer geordneten und zum Ausweis äsopischer griech. Vorlage ausgibt, in der Ä. selbst — einer ihm beigelegten zweiten Epistel zuAuthentizität im Stil betont schlichten Profolge — seine Fabeln zu Buche getragen hasafabeln präsentieren sich als ein von ben soll. Überliefert ist der 'Romulus' (i. F. außerliterarischen Zweckbindungen gelö- Rom.) in zwei Hauptredaktionen aus zwölf stes, von einem Autor- und Formwillen ge- Textzeugen des 10. —15. Jh.s (vgl. THIELE tragenes poetisches Genus zur Vermittlung 1910, S. CL-CLVI, dazu München, clm praktischer Lebensklugheit. 26781,51r-77v, u. zwei noch auszuwertende A u s g a b e n . E. CHAMBRY, Aesopi Fabulae, 2 Hss. bei DICKE/GRUBMÜLLER, S. LXXI). Tie. (Nouv. Coll. de Textes et Documents), Paris Über Genese, Quellen und Filiationen hat 1925/26; A. HAUSRATH/H. HUNGER, Corpus fabu- die ältere Forschung hypothesenreich spelarum Aesopicarum, 1,1—2 (Bibl. scriptorum Grae- kuliert (vgl. GRUBMÜLLER 1977, S. 64—66; corum et Romanorum Teubneriana), Editio altera, ADRADOS 2, 1985, S.473-476). Inzwi4 1970 u. 1959; B. E. PERRY, Aesopica, Urbana/Ill. schen besteht weitgehende Einigkeit, daß 1952 (S. 33—107 auch die Hauptrezensionen der die 81 Fabeln der in der 'Recensio galli'Vita'). - CHAMBRY u. HAUSRATH bieten die Texte cana' und 'Recensio vetus' tradierten Kernin den Rec. I-III, PERRY ediert die 'Augustana' u. sammlung zu mehr als drei Vierteln aus eidas Zusatzgut von Rec. II u. III. nem archetypischen Prosa-Phaedrus wohl des 4. Jh.s stammen (der in der Forschung Ü b e r s e t z u n g e n . E. CHAMBRY, Esope, Fables 2 unter den Titeln 'Urromulus' [THIELE], (Coll. des Univ. de France), Paris 1960 (übers, die 'beste' Rec. jeder Fabel); L. W. DALY, Aesop with'Aesopus ad Rufum' [ZANDER, Ausg., 1921 Ungewiß ist, ob es schon im 5. Jh. v. Chr. schriftliche Aesopica-Sammlungen gab und wie die älteste bezeugte, die des Aristoteles-Schülers Demetrius von Phaleron (ca. 350—280 v. Chr.), beschaffen war. Die Indizien deuten auf einen Typ Fabelbuch, wie er sich im Papyrus Manchester, Rylands Libr. 493 (1. Jh. n. Chr.) frgm. erhalten hat: auf ein am fabula docet und an der Exempelfunktion ausgerichtetes Promptuarium für den illustrativen und argumentativen Gattungsgebrauch. Da schon in Aristophanes' 'Vögeln' als ungebildet galt, wer 'den Aesop nicht gebüffelt' hat (v. 471), ist mit einer Kanonisierung der Aesopica als Pensum des rhetorischen Schulunterrichts bereits im 5. Jh. v. Chr. zu rechnen. Propädeutische Ä.-Lektionen (Schreiben nach Diktat, Memorat, metrische Umsetzung etc.) liegen in Textkollektionen und Progymnasmata verschiedener Rhetoren des 1.—5. Jh.s n.Chr. vor (Theon von Alexandria, Aphthonius, Ps.-Dositheus u. a.).

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u. ADRADOS, s. o.] und 'Aesopus latinus' [HOLZBERG 1993] kursiert), und daß sich von den v. a. im vierten Rom.-Buch verarbeiteten Zusatzquellen nur noch die sieben Mal verwerteten 'Hermeneumata' des Ps.Dositheus namhaft machen lassen. Mit diesem zweisprachigen griech. LateinLehrbuch des frühen 3. Jh.s teilt das jedoch eher als stoffliches Gattungskompendium denn als Schulbuch veranstaltete Corpus auch die sprachlich-stilistische Schlichtheit. Ohne Bedeutung für die Weitergabe der von Phaedrus vermittelten Tabulae Aesopiae' an das MA blieben die überwiegend aus der Rom.-Quelle bezogenen 58 Fabeln der unikal überlieferten sog. Weißenburger Rom.-Rezension (Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Gud. lat. 148 qu.; Ende 9. Jh.). Auf dem antiken Vers- und dem spätantiken Prosa-Phaedrus sowie der Rec. gallicana des Rom. basieren die 67 Fabeln, die der im Kloster St. Martial bei Limoges wirkende Presbyter Ademar von Chabannes um 1025 im Cod. Voss. lat. oct. 15 der ÜB Leiden festhielt (neue Streuüberlieferung bei DICKE/GRUBMÜLLER, S. LXV). Ob Ademar diesen reich illustrierten 'Ä.' nur kopiert oder auch kompiliert und Phaedrus' Verse dabei eigenständig aufgelöst hat, ist ebenso strittig wie der genaue Anteil der genannten Quellen am Bestand des Corpus. Es blieb ohne produktive Wirkung.

2. Ein zweiter, schmalerer Traditionsstrang mal. Ä.-Rezeption nahm seinen Ausgang von den zwischen dem späten 1. und frühen 3. Jh. verfaßten griech. 'Mythiamboi' des hellenisierten Römers Babrios. Für seine 165, z. T. nur fragmentarisch überlieferten Fabeln in Hinkiamben ist wie für die des Phaedrus ein nicht erhaltenes, unter Ä.s Namen laufendes griech. Prosacorpus als Quelle anzunehmen. Durch die Vermittlung des röm. Dichters -»· Avian [NB], der um 40033—35 seiner 42 Fabeln nach einer eventuell schon in lat. Prosa aufgelösten Babrios-Vorlage in elegische Distichen brachte, hat zwar kaum ein Viertel der babrianischen Aesopica in die mal. Gattungsgeschichte gewirkt, sie aber doch maßgeblich mitgeprägt. Denn Avians stilistisch preziöse Umsetzung hatte rhetorische und moralische Lehrstücke zum Ergebnis, die ihm die Aufnahme unter die auctores minores des mal. Schulbetriebs eintrugen (vgl. z. B. -> Konrad von Hirsau,

'Dialogue super auctores') und sein Fabelcorpus zum Gegenstand diverser schulischer Aufbereitungen machten. A u s g a b e n . B. E. PERRY, Babrius and Phaedrus (The Loeb Class. Lib. 436), London [u. a.] 1965; Phaedri Augusti liberti über fabularum, rec. A. GUAGLIANONE, Torino 1969. - G. GOETZ, Hermeneumata Pseudodositheana (Corpus Glossariorum Lat. 3), 1892. - H. ÖSTERLEY, Romulus, d. Paraphrasen d. Phaedrus u. d. äsopische Fabel im MA, 1870; HERVIEUX 2, S. 195-233, S. 474-512 (Hss. d. Rec. gallicana des Rom.), S. 417-473 (Hss. d. Rec. vetus); THIELE 1910. - HERVIEUX 2, S. 157194 ('Weißenburger Rom.'). - G. THIELE, Der illustrierte lat. Aesop in d. Hs. des Ademar (Codices graeci et lat. photographice depicti, Suppl.3), 1905; C. ZANDER, Phaedrus solutus vel Phaedri fabulae novae XXX (Acta soc. humaniorum litterarum Lundensis 3), Lund 1921; F. BERTINI/E. GATTI, Ademaro di Chabannes, Favole (Favolisti lat. medievali 3), Genova 1988. - Babrius, Mythiambi Aesopei, rec. M. J. LuzzATO/A. LA PENNA (Bibl. Teubneriana), 1986. — Aviani Fabulae, rec. A. GUAGLIANONE (Corpus Scriptorum Lat. Paravianum), Torino 1958.

III. L a t . ' R o m u l u s ' - R e z e p t i o n des MAs. Obschon stofflich ebenfalls den Aesopica zuzurechnen, wurden die in gut 130 Hss. des 9. —15. Jh.s erhaltenen Fabeln Avians im MA allein unter dessen Namen und als sein Autoroeuvre tradiert. An Ä.s Namen gebunden blieben dagegen das in Bestand und Darbietung viel heterogenere Fabelgut des Rom.-Komplexes sowie die zahlreichen, in Umfang und Bearbeitungsgrad stark divergierenden Corpora, die ihre Ausgangsfassungen aus ihm bezogen. Die Mehrzahl dieser Rom.-Dependenzen ist anonym und nur vage datierbar. Die folgende Übersicht bietet die Sammlungen daher in der Reihenfolge ihres Stellenwerts innerhalb der mal. Ä.-Tradition, wie er an der Überlieferung und Wirkung ablesbar ist. 1. Anonymus Neveleti (A. N.). Ü b e r l i e f e r u n g . 109 Hss. bei HERVIEUX l, S. 503-602; 75 Nachträge bei DICKE/GRUBMÜLLER, S. LXVI-LXVIII; weitere bei M. BALDZUHN, Unterrichtslektüre im Literalisierungsprozeß. Darbietungs- u. Distributionsformen, Überl.- u. Textgeschichte d. Fabeln Avians (8.-16. Jh.) [in Vorb.]; Inkunabeln: GW 347-351, 382-427a, 443-444,

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2776-2800; Drucke des 16. Jh.s: HERVIEUX l, S. 617-631; VD 16 A 435, 440, 442, 4028.

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Bis auf die ausgeschiedenen Nrn. 111,8 u. 20, für die am Ende zwei nicht äsopische Stücke (FOERSTER, Ausg., Nr. 59 u. 60) einA u s g a b e n . W. FOERSTER, Lyoner Yzopet. Mit d. krit. Text d. lat. Originals (sog. Anonymus Ne- traten, setzte der A. N. die Bücher I-III des veleti) (Afrz. Bibl. 5), 1882 (Nachdr. 1968), Rom. (laut BOLDRINI, S. 94—101, nach eiS. 96-137 [zit.]; HERVIEUX 2, S. 316-351 ner Mischredaktion und unter Rekurs auf (S. 383-391 eine Prosa-Auflösung); K. McKENZiE/ Zusatzquellen) ohne weitere inhaltliche W. A. OLDFATHER, Ysopet-Avionnet: The Latin and Ambitionen, aber mit ausgeprägtem StilFrench Texts, Urbana/Ill. 1919, S. 49-214; J. BAwillen in preziöse elegische Distichen um. STIN, Recueil general des Isopets, 2, Paris 1930, Schon im rhetorisch aufwendig ornamenS. 7-66; A. E. WRIGHT, The Fables of 'Walter of tierten Prolog und seinen diversen LeitbeEngland' (Toronto Medieval Lat. Texts 25), Toronto 1997 (nach Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., griffen der Dichtungslehren des 12.— 13. Jh.s präsentiert sich die Sammlung als cod. Guelf. Helmst. 185, mit Kommentar). — Kommentare: SEEMANN, S.25-40 u. 50-53 (Proeine Art Musterbuch in rhetorischem Zieben); WHEATLEY, S. 286-349 ('Esopus moralisatus rat (vgl. BISANTI). Daß die Verskunst des cum bono commento'), S. 350—398 ('Auctores A. N. auch angestrengte poetische octo'). Künsteleien (WRIGHT 1998, S. 59: 'peinlich Schon aufgrund ihrer breiten Überliefe- blumig[e] Fabeln') produzierte und sich rung müssen die 60 Fabeln in Distichen, mit ihrer Überfülle an Antithesen und Aldie Isaac Nevelet 1610 in seiner 'Mytholo- literationen, an Polyptota und Paronomagia Aesopica' als 'Anonymi Fabulae Aeso- sien in ein stilistisches Mißverhältnis zum peae' herausgab, als 'der eigentliche Äsop' äsopischen genus humile setzte, war ihrem des MAs (MANITIUS, S. 772) gelten. Be- Erfolg nicht abträglich. Denn ihr artifizielkannt sind bald 190 erhaltene Hss. und gut ler Stil machte die Texte erklärungsbedürf60 Inkunabelausg.n aus ganz Westeuropa. tig und ihr Verständnis zu einer Aufgabe, Wo die Hss. einen Titel vergeben, heißt durch die sich das Corpus wie durch den das Corpus 'Esopus'. Unter den verschie- Nutzen seiner Fabellehre für die schulische denen, z. T. schon von LESSING widerleg- Erarbeitung im elementaren Lateinunterten Autorzuweisungen hatte die HER- richt empfahl. Im 13. Jh. — bei -* EberVIEUXS (l, S. 491-494) an Walther von hard dem Deutschen ('Laborintus', v. England (Gualterus Anglicus) — den Hof- 607—610) und -> Hugo von Trimberg kaplan Heinrichs II. von England und (vor ('Registrum', v. 589-592) - rückte der 1177) Lehrmeister seines Schwiegersohns A. N. so an die Stelle der noch unspezifiWilhelm d. J. von Sizilien — trotz dürftiger zierten Empfehlungen Ä.s in den Schulhs.licher Stütze (vgl. GRUBMÜLLER 1977, buch-Listen Aimerics oder Konrads von S. 78) die größte Resonanz. Dagegen ist Hirsau (vgl. GLAUCHE, S. 73 f., 115 f.). EntLESSINGS Bezeichnungsvorschlag 'Anony- sprechend häufig findet er sich im Verbund mus Neveleti' ohne Präjudiz und der wo- der auctores minores ('Disticha Catonis', möglich intendierten Anonymität des [->· 'Cato'], -»· 'Facetus' u. a.) hs.lich und in Werks angemessen, die die Vielzahl unika- den 'Auctores octo' — einer Kompilation ler Zuweisungen (FOERSTER, S. XXIVf.) er- populärer Schultexte — auch im Druck Accessus (vgl. FISHER, klären würde. Da die Lektüreempfehlung überliefert. eines 'Esopus' in Aimerics 'Ars lectoria' S. 149-154; WHEATLEY, S. 75-81) führen von 1086 schon den des A. N. meinen in das Studium des Werkes ein, Marginakönnte und da das erste annähernd datier- lien und Glossen (vgl. VOIGT, HABEL) bebare Zitat seiner Verse (bei Odo von Che- reiten es lexikalisch auf. In etwa jeder dritriton, ed. HERVIEUX 4, S. 191) einen termi- ten Hs. ist der Text durch einen Kommennus ante quern erst um 1225 ergibt, gilt die tar erschlossen — durch Prosaparaphrasen Datierung der Sammlung ins 12. Jh. nur in im Sinne der expositio ad sensum sowie ungefähren Grenzen. Ihr Entstehungs- durch allegorice und/oder moraliter ausgeraum, oft in England vermutet, ist unbe- richtete Lehrauswertungen im Sinne der kannt. expositio ad sententiam (vgl. SEEMANN,

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S. 26-40; GRUBMÜLLER 1975). Die Kommentare sind häufig auch separat überliefert; wie ihre fortschreitende Erschließung (WHEATLEY, S. 75-81; WRIGHT) erweist, haben sie an der Entstehung lat. Prosakollektionen kaum geringeren Anteil als der autoritative Ausgangstext. Zudem erhärtet sich der Verdacht, daß statt des A. N. häufiger die ihm geltenden Kommentare 'die Vorlagen für die deutschen Fabeldichter des späten Mittelalters lieferten' (WRIGHT 1998, S. 58). Der Formen- und Funktionsvielfalt der zahlreichen Corpora in der A. N.-Nachfolge (vgl. DICKE/ GRUBMÜLLER, S. XXVIII-XLI) ist durch die gängige Unterscheidung zwischen kommentierender Erschließung des Verstextes und seiner bearbeitenden Prosaifizierung mit eigenen Wirkabsichten nicht gerecht zu werden. So können eigenständige Paraphrasen ausgewählter Fabeln in kommentartypische ij//egorice-Auslegungen einmünden (ebd. S. XXXV: 'Würzburger Paraphrasen'), kann der Kommentar den Verstext als Quelle einer Prosaumsetzung vertreten (ebd. S. XXXVIIIf.: 'Bordesholmer Paraphrase'), können die A. N.-Verse mittels ihrer Rom.-Ausgangsfassung in Prosa zurückverwandelt oder in einer Vers-Prosa-Mischform präsentiert werden (ebd. S. XXXVIf.: Paraphrasen von St. Paul, Rom und Berlin). Das Bedürfnis nach summenhaften Gattungsanthologien bringt Kontaminationen aus Rom.- und A. N.-Versionen hervor und läßt 'Esopus et Avianus'-Kollektionen entstehen, die die Fabeln beider in einer vom Gebrauchszweck bestimmten Einheitsform darbieten (ebd. S. XXXI: 'Liber de moribus'; S. XXXVIIf.: 'Budapester Liber Esopus et Avianus'; S. XXXIXf.: 'Klosterneuburger Ä.'). Statt der Kommentare können auch versifizierte Moralitätenzusätze die Lehrauswertung bestreiten (vgl. HERVIEUX 2, S.352—365), oder die einprägsamen Epimythien-Distichen verselbständigen sich abgelöst von den Fabeln als 'Proverbia Esopi' zu vielseitig applizierbaren Sentenzen (vgl. HENKEL, S. 288 f.). Als 'Esopus moralisatus' verbreitet der Buchdruck die Versfabeln im Verbund mit verschiedenen Kommentaren, unter dem Titelzusatz cum bono bzw. Optimo commento z. B. in einer Version, die für die Prosaparaphrase den 'Rom. LBG' (s. u.) eintreten läßt (vgl. ELSCHENBROICH 2, S. 6 f.).

In die Predigt, die zweite wichtige Gebrauchssphäre mal. Aesopica, haben die A. N.-Fabeln hauptsächlich stoffvermittelnd gewirkt. Hier fielen ihre rhetorischen Qualitäten ohnedies den eher gerüsthaften Prosa-Abbreviaturen zum Opfer, die die

homiletischen Kompendien als Predigtexempla archivierten (z. B. Johannes Bromyard, Odo von Cheriton, Jakob von Vitry, -»· Jakob von Soest, -> Konrad von Halberstadt d. J.; vgl. GRUBMÜLLER, Reg.; DICKE/GRUBMÜLLER, Reg.) Als Summe nicht nur verschiedenster Fabelquellen und -kommentare, sondern auch der im 14. und 15. Jh. auf Aesopica gerichteten geistlichen Gebrauchsinteressen verdient die um 1360—70 angelegte 'Fabelenzyklopädie' des Augustiner-Eremiten Bono Stoppani aus Como besondere Erwähnung (einzige Hs. [Autograph]: Cremona, Bibl. Statale, cod. 23; vgl. OLDRINI; Ausg. durch M. C. FERRARI in Vorb.). Ihr Titel (Liber de fabulis mystice declaratis et proverbiatis) ist Programm, und dieses ist am Esopus communis umfassender umgesetzt als an jedem anderen Sammlungsteil.

Als stilbildend wurden die Distichen-Fabeln, die im 13. Jh. einen anonymen Nachahmer zum -» 'Minor Fabularius' anregten, noch bis hin zu Sebastian -»· Brant beansprucht, der 1501 das vom A. N. nicht bearbeitete 4. Rom.-Buch um Verseinleitungen ergänzte (vgl. DICKE, S. 131-133). In den humanistischen 'Aesopus Dorpii', die wichtigste neulat. Fabelanthologie der Neuzeit (vgl. THOEN 1970; ELSCHENBROICH 2, S. 38 f.) fand 'der' .' des MAs jedoch nurmehr in Auswahl und umgesetzt in die 'echte' antike Gattungsform konziser Prosa Eingang. 2. Vinzenz von Beauvais. Ü b e r l i e f e r u n g . Ca. 250 lat. Hss. u. zahlreiche Inkunabelausg.n (vgl. 2VL 10, Sp. 366); 6 Hss. der separaten Ä.-Kapitel bei DICKE/GRUBMÜLLER, S. LXXII. A u s g a b e n . Vincentius Bellovacensis, Speculum quadruplex, Douai 1624, Nachdr. Graz 1964, Bd. 2: Spec, doctrinale, Sp. 290-295, Bd. 4: Spec, historiale, S. 87-90; HERVIEUX 2, S. 234-245 ('Spec, historiale' nach d. Ausg. Straßburg, Joh. Mentelin, 1473).

Durch das dreiteilige 'Speculum maius' des Dominikaners -> Vinzenz von Beauvais, entstanden im 2. Drittel des 13. Jh.s, hat die indirekte Wirkung des vulgaten 'Rom.'-Corpus seine direkte weit übertroffen. Buch 111,2—8 (Douai-Version) des 'Speculum historiale' bietet am chronologischen Ort des in die Zeit des Perser-

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königs Kyros I. datierten Wirkens Ä.s eine Werkprobe von 29 Fabeln der Rec. gallicana in leicht, doch in der Regel um die Moralitäten gekürzter Form. Für die Promythien treten häufig genauere Adressatenzuweisungen ein. Die gleichen 29 Rom.Exzerpte gibt in anderer Abfolge Buch 111,114—123 des 'Speculum doctrinale' im Rahmen einer ars poetica als Proben für die Gattung. Ein Prolog belehrt über Ä. und den Nutzen seiner Texte; ein Epilog mahnt, sie in Predigten maßvoll gegen die Langeweile der Hörer einzusetzen. Zwar fehlen Untersuchungen, doch wird Vinzenz' viel benutzte Wissenssumme den Hauptanteil daran haben, daß die Fabeln ihrer Rom.-Auswahl zu den im MA meistbearbeiteten Aesopica zählen. Auch in das aus dem 'Spec, historiale' geflossene ->· 'Rudimentum noviciorum' [NB] fanden sie Eingang. 3. 'Romulus Nilantinus' und 'Romulus LBG'. Ü b e r l i e f e r u n g . 3 Hss. des 'Rom. Nilantinus' u. 7 des 'Rom. LBG' bei HERVIEUX l, S. 715-718 u. S. 784-793; 2 u. 10 weitere bei DICKE/GRUBMÜLLER, S. LXXIf. A u s g a b e n . HERVIEUX 2, S. 513-548 ('Rom. Nilantinus'), S. 564-649 ('Rom. LBG').

Der 'Romulus Nilantinus' ist eine im 11. Jh. entstandene und nach ihrem Erstherausgeber so genannte Prosabearbeitung 50 ausgewählter Rom.-Texte. Ihr unbekannter Verfasser hat sich statt der Gattungsaufgabe der äsopischen Fabel, zu zeigen, wie es unter Menschen zugeht, der Vermittlung christlicher Werte und der moralischen Weisung angenommen, wie es zugehen sollte. Auch wenn LESSING den Anonymus als 'dümmste[n] von allen Mönchen' qualifizierte (S. 359), hat sein in wortreicher hypotaktischer Prosa dargebotener moraliner .' eine Schlüsselstelle in der Gattungsgeschichte inne, da er als eine Vorlage der verlorenen engl. Fassung des unidentifizierbaren 'Königs' Alfred (frühes 12. Jh.) wie als Vorstufe des Alfred bearbeitenden afrz. 'Esope' der Marie de France (spätes 12. Jh.) zur ersten Vermittlung eines Fabelcorpus in die Volkssprache anregte. Die anglonormannische Dichterin

verhalf dem erzählerisch dürren und unverbindlich allgemein ausgerichteten Fabeltyp des Rom. zu einem Zugewinn an Literarizität, auch an höfisch-feudaler Orientierungsleistung und sozial-ständischer Bezugsfähigkeit (vgl. JAUSS). Davon hat auch eine heute zumeist nach den Ortssiglen der Haupthss. 'Rom. LBG' genannte, im späten 13. Jh. entstandene Sammlung von 136 lat. Prosafabeln profitiert. Ihre verwickelte Quellenlage ist noch nicht vollends geklärt (vgl. zuletzt RUNTE), doch besteht Einigkeit, daß dieses Corpus dem 'Esope' Maries in 'Bestand und Fabeltyp [...] weitgehend entspricht' (GRUBMÜLLER 1977, S. 75 f.) und ihn zu einer seiner Grundlagen hat. Wohl dank ihrer erzählerischen Anschaulichkeit und unprätentiösen Prosa ist diese stoffreichste und erzählfreudigste der Rom.-Dependenzen häufig zur Kommentierung des A. N. beigezogen worden. Die volkssprachliche Ausstrahlung des 'Rom. LBG' konzentriert sich in der Nordhälfte Deutschlands: fast alle nd. und md. Ä.-Corpora haben ihn zur Quelle, Gerhard von Minden z. B. nennt ihn Esopus. 4. 'Romulus-Extravaganten'. Ü b e r l i e f e r u n g . Bern, Burgerbibl., cod. 679, ( Kelin, ->· Reinmar von Zweter, Meister latin des temps modernes'. -> Stolle und -> Frauenlob dennoch auf jeV. D e u t s c h e R e z e p t i o n in MA und weils nur ein bis zwei, überwiegend in ihfrüher Neuzeit. ren rhetorischen Überzeugungsfunktionen Die ersten Fabeln in dt. Sprache (v. a. ->· verwertete Fabeln (vgl. für Nachweise hier Herger) stehen der Tierepik nahe und sind und in der Folge DICKE/GRUBMÜLLER). weder in formaler noch stofflicher Hin- Und obschon in der Schultradition immersicht 'äsopisch' (vgl. GRUBMÜLLER 1977, hin den auctores minores zugerechnet, S. 113-123). Der Einfluß der lat. Rom.- wird Ä. auf diesem gelehrsamsten volks-

B. WACHINGER, 1995, IV, 44abc); dagegen entstammen elf um die Mitte des 14. Jh.s in den 'Dialogus creaturarum' des Maynus de Mayneriis inserierte Aesopica dem . f.' selbst (vgl. MECKELNBORG/SCHNEIDER, S. 46-49). 2. Zu einer vergleichbaren, im 16. Jh. dann aber auch auf die Volkssprache ausstrahlenden Wirkung haben es nurmehr zwei der insgesamt sieben lat. Übersetzungen des griech. Ä. gebracht, die im Zuge seiner humanistischen Wiederentdeckung in der 1. H. des 15. Jh. in Italien meist aus Schulübungen hervorgingen (vgl. THOEN 1973, S. 659f., 671 f.; Cocco): die 'Facetiae morales alias Esopus grecus' Lorenzo Vallas von 1438 (33 Prosa-Fabeln) und die 100 'Fabulae aesopicae' samt Ä.-Vita des Rinuccio da Castiglione von 1448.

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sprachlichen Gattungsfeld namentlich nirgendwo beizitiert. Die der Rom.-Tradition zuzurechnenden Quellen sind in der Regel nicht genau anzugeben. Da Fabelplots der schriftlichen Erinnerungsstütze kaum bedürfen, mag hier auch manches altem Schulwissen verdankt bzw. abgelöst vom Autornamen in 'Gemeinbesitz' übergegangen sein. Über einen großen, aber eben nicht corpusgebundenen Aesopica-Vorrat verfügt unter den späteren Spruchdichtern vor allem Michel ->· Beheim, der von Fabeln in jederlei Bedeutungsfunktion (von der allegoretischen bis zur satirisch-polemischen) einen ebenso freien wie kreativen Gebrauch macht. Auf der Grenze zur bearbeitenden Gattungskompilation steht dagegen das als Einheit überlieferte FabelCEuvre -» Heinrichs von Mügeln. Seine Darstellungen richten sich zuweilen 'Punkt für Punkt nach der Anonymus-NeveletiFassung' (GRUBMÜLLER 1977, S. 283 Anm.), doch spezialisiert Heinrich die äsopischen Lebenslehren hauptsächlich auf das auch in seinen sozialkritischen Valenzen genutzte Thema von Herr und Knecht. Als meister Esöpus (v. 7344 u.ö.) und somit als Autorität, die andernorts (v. 9352) in einer Reihe mit den Kirchenvätern und Horaz, Vergil und Ovid steht, beansprucht -» Hugo von Trimberg Ä. für seine Fabelexempla im 'Renner'. Hauptgewährsmann ist für den Bamberger Schulmeister, der über reiche Fabelquellen verfügt (vgl. SEEMANN), der A. N. Hugo seinerseits ist der Mittelsmann Ä.s in fünf der elf Prosaparaphrasen von 'Renner'-Fabeln im Wiener Cod. 14452 (155vb-159ra) - einer der seltenen Fälle seiner innerdt. Vermittlung (wie auch im ->· 'Magdeburger Ä.'). Das kleine Fabelcorpus dürfte der Predigtverwendung gedient haben und damit einer Form der Ä.-Rezeption, die volkssprachlich vor -»· Geiler von Kaysersberg (vgl. ELSCHENBROICH 1987) zwar ebenfalls kaum belegt, aber doch bezeugt ist: z. B. durch den Hinweis in einer 1461 gefertigten Abschrift von Boners 'Edelstein', dieses puch ysopus sei ettlichen predigern wol erkanntt (Heidelberg, cpg 86; vgl. GRUBMÜLLER 1977, S. 110).

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Der sekundäre Titel Esöpus wird Boners Fabelbuch — dem ersten seiner Art — auch in anderen Hss. beigelegt, in denen der Prolog mit dem primären Werktitel 'Edelstein' fehlt (GRUBMÜLLER, S. 309 Anm.). Boner selbst ist in der Autorzuweisung genauer und markiert den Wechsel seiner Hauptquellen durch namentliche Anführung (Nr. 62, v. 87: Ysopus [= A. N.]; 63,2: Aviän). Vermutlich benutzte er sie in kommentierten Versionen (vgl. WRIGHT 1998), so wie umgekehrt A. N.-Textzeugen seine dt. Nachdichtungen 'kommentierend' mitüberliefern (München, clm 4409 u. cgm 3974; vgl. GRUBMÜLLER 1975). Im 16. Jh. vermittelt Boner Ä. in die jiddische Literatur (vgl. TlMM; BODEMANN/DlCKE, S. 437 Anm.). Boner bot eine Ä.-Auswahl und -Bearbeitung mit eigenem Wirkanspruch und kreierte mit der Sentenzenfabel und ihren Auslegungsvarianten auch einen eigenen Formtyp. Dagegen eröffnete ->· Gerhard von Minden mit dem nd. 'Wolfenbütteler Ä.' bald darauf die Reihe der dann anfangs des 15. Jh.s in dichter Folge veranstalteten, auf die Vermittlung ihrer lat. Ausgangscorpora ausgerichteten Gattungsbücher. Bei Gerhard steht der Name Esöpus für den 'Rom. LBG' als Quelle, während er im -»· 'Breslauer Ä.' [NB] den in dt. Reimpaarversen paraphrasierten A. N. meint, dem der dt. Text auch zur Verständigung über den lat. beigegeben ist. Als Prosaübersetzung hat auch Vinzenz' von Beauvais kleine Rom.-Auswahl in den cerpta chronicarum' der Nürnberger Ratsschreiber Johannes -»· Platterberger und Dietrich -> Truchseß den Weg ins Dt. gefunden und sich dabei um drei Fabeln vermehrt, die Vinzenz' 'Specula' nicht kennen (vgl. DICKE/GRUBMÜLLER, S. XLIX). In der für dt. Aesopica neuen Prosaform geht dieser unselbständigen Kollektion der ->· 'Nürnberger Prosa-Ä.' voran, der Lateinunkundigen die Werke von czwain kochen haidnischen maistern weltleicher chunsst — Auianus und Esöpus — lesbar machen soll. Die Wahl ungebundener Rede war dabei gewiß auch durch die aus der Kommentartradition des A. N. stammende geistliche Prosaglosse motiviert, die das

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Fabel- zum Erbauungsbuch ausbauen ließ. Wie hier ist auch in dem wenig später (um 1420) aus einer 'Rom. LBG'- und A. N.Vorlage in dt. Reimpaare umgesetzten Esopus theutunicalis (vgl. -»· 'Leipziger Ä.') der Autor in einem Prolog so vorgestellt, wie ihn die Boner-Überlieferung des 15. Jh.s graphisch ins Bild setzt: 'als statuarisch-überlegenen Weisen' (GRUBMÜLLER 1983, S. 21, mit Abb.). Daß dafür ikonographisch bald der mißgestaltete Sklave eintrat, der der Held des Ä.-Romans ist, geht auf die in ihren dt. Separatausgaben überaus erfolgreiche, im Erstdruck (um 1476/77) als lat.-dt. Bilingue veröffentlichte Ä.-Anthologie ->· Steinhöwels zurück. Sie bietet nach einer -»· Isidor [NB] entlehnten Gattungseinweisung und der Ä.-Vita die fabeln Esopi in ihren wichtigsten mal. Corpora und dokumentiert in weiteren Sammlungsteilen auch die Wirkungsgeschichte des Urfabulisten. Ein abschließendes Moralitätenregister verzeichnet sentenzartig den Lehrertrag — eine durch die 'Proverbia Esopi'-Exzerpte vorgeprägte Ä.-Verwertung, die im 15. Jh. verschiedene Formen hervorbringt: in den 'Kopenhagener Epimythien' (mnd. Reimpaar-Versifizierungen der 'Rom. LBG'-Moralitäten) sowie in zwei md. ReimpaarÜbersetzungen der A. N.-Epimythien, die als 'Moralitatum carmina elegantis Ezopi' und als Traditio morum' auch in den Druck gelangten (zu diesen: HENKEL, Reg.). Steinhöwels 'Leben-und-Werk-Gesamtausgabe' Ä.s, die um 1492 geistlich glossiert ins Nd. gelangte (-»· 'Magdeburger Prosa-Ä.'), markiert den Endpunkt in der auf immer größere Quellennähe und Werkauthentizität gerichteten Entwicklung des mal. 'Ä.'. Denn das tabernaculum, das Martin Luther diesem 1530 auf der Veste Coburg noch setzen wollte, wurde statt des geplanten neuen Deudscben Esopus ein Torso von sieben dt. Prosafabeln. Es dürften die letzten gewesen sein, die ihre Vorlage im alten Rom.-Corpus hatten (vgl. ELSCHENBROICH, Reg.). L i t e r a t u r . Allgemein: G. E. LESSING, Romulus u. Rimicius, in: Sämtl. Schriften, hg. v. K. LACHMANN, Bd. 11,1895, S. 351-380; B. HERLET, Beitr. z. Gesch. d. äsopischen Fabel im MA, Progr. Bam-

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'Astrolabium planum'

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GERD DICKE 'Astrolabium planum' Astrologisch-ikonographisches Werk der Nativitätenberechnung möglicherweise aus dem 13.714. Jh., auf der Textgrundlage von Albumasars 'Introductorium magnum' (Abu Ma'schar, f 886), dessen Bearbeitung Pietro d'Abano (um 1250 — um 1315) zugeschrieben wird. I. 'Astrolabium planum in tabulis ascendens'.

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II. Deutsche Rezeption. Dt. Fassungen haben sich bisher nur für den Kernabschnitt des . p.' nachweisen lassen, der im obd. Raum mehrfach aus verschiedenen z. T. unbekannten lat. Vorlagen übersetzt wurde (s. u. 2. und 3.). Die drei Versionen sind — wie die Mitüberlieferung zeigt — gemeinsam mit anderen sternkundlichen Texten in astrologischen Kompendien zusammengefaßt worden. 1. 'Schicksalsbuch'-Fassung. Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 832 (= 'Heidelberger Schicksalsbuch'), 36 r —83 r (mbair., Ingolstadt?, 1491); ebd., cpg 833, 49V-97V (Heidelberg 1552-58, Teilabschrift des cpg 832); Coburg, LB, Ms. 5, 37r-84v, mit Blattverlust (mbair., zwischen 1488 und 1500).

A u s g a b e . HAAGE, 1981, S. 82-100, und Faksimile-Band (cpg 832); auch als Taschenbuchserie: D r u c k e (lat.). Augsburg, E. Ratdolt 1488 (GW 1900); Venedig 1494 (GW 1901); ebd. 1502; Sternzeichen aus einem alten Schicksalsbuch, hg. v. B. D. HAAGE, eingeleitet von CH. VON WIESE, engl. Übers. London 1655 (?). 12Bde (Insel-Taschenbuch 601-612), 1982.

Das . p. in tabulis' stellt ein in Tafelwerken und Bildfolgen aufgerolltes Astrolab dar. Der von Johannes -»· Engel [s. auch NB] bearbeitete und z. T. verfaßte Druck von 1488 ist ein Sammelwerk mit dem metaphorischen Titel 'Astrolabium planum in tabulis ascendens', das auch einen Nativitätentraktat (des Julius Firmicus Maternus) und als Kernstück das . p.' im engeren Sinne enthält, nämlich die Pietro d'Abano zugeschriebenen Monomoerien, d. h. 360 Gradbilder ('Tagesgötter') zu 36 Dekanen, geordnet nach den 12 Tierkreiszeichen, mit Nativitätenberechnung für 45° nördlicher Breite mit den jeweiligen prognostischen Beischriften und beispielhaften Anleitungen zur Benutzung der Tabellen. Einige dieser Darstellungen stimmen mit Bildern eines Freskenzyklus des 15. Jh.s über die 12 Monate im Palazzo della Ragione (Salone) in Padua überein, deren Entwurf auf Pietro d'Abano zurückgeht (KNOBLOCH, S. 138; HAAGE, 1985). Die bildlichen Darstellungen der Dekane und Gradherrscher haben sich teilweise auf die 'Sphaera barbarica' des Teukros und die Dekanbeischriften auf den 'Liber completus in judiciis stellarum' (Abenragel) zurückführen lassen.

Die dt. Übertragung basiert auf dem Kern des 'Astrolabium planum in tabulis', also dem . p.' im engeren Sinne (vgl. o. L), wurde vor 1491 von einem Baiern vermutlich zu Ingolstadt angefertigt und liegt in zwei Bearbeitungen vor: Die erste — ältere — dt. Redaktion ist 1491 durch -> Philipp, Pfalzgrafen bei Rhein in Auftrag gegeben worden. Sie bildet den Hauptteil einer Sammlung dt.sprachiger mantischer Texte (vgl. auch -> Mondwahrsagetexte, .3.; ->· Tierkreiszeichenlehre; Johannes -»· Hartlieb, III.3. und 13.: 'Geomantie'). Die Bildausstattung des Heidelberger cpg 832 geht über den (von Abenragel und Teukros entlehnten) Bildarchetypus hinaus und bezieht in den Zusatz-Textstücken andere ikonographische Traditionen, wie sie beispielsweise im -»· 'latromathematischen Hausbuch' begegnen, mit ein. Das Gros dieser zusätzlichen Abbildungen wurde aus Erhard Ratdolts Hyginus-Druck (Augsburg 1491, HAIN :: "9067) übernommen; als Illustratoren lassen sich die Regensburger Maler Berthold Furtmeyr und Thomas Schilt nachweisen, deren 'Schicksalsbuch'-Miniaturen zum Schönsten gehören, was die Buchmalerei des spätmal. Deutschland hervorgebracht

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hat. Ähnliches gilt für die Schwesterhandschrift, den cpg 833, dessen Bilderschmuck aus der Nürnberger Werkstatt Albrecht Glockendons d. J. stammt. Die zweite — jüngere — Redaktion (Coburg, LB, Hs. 5) geht vermutlich über eine Zwischenstufe auf den cpg 832 oder eine Werkstattkopie der Heidelberger Prachths. zurück. Sie bietet aquarellierte Federzeichnungen statt der Miniaturen, variiert geringfügig das Bildprogramm und zeigt einige Abweichungen im Textbestand des Kompendiums, die allerdings nur die Zusatz-Texte, nicht das . p.' betreffen. Eine genauere Untersuchung des Abhängigkeitsverhältnisses steht noch aus (HAAGE, 1981, S. 44 f.). 2. Bairische fragmentarische Version. Ü b e r l i e f e r u n g . Zwei einander ergänzende Bruchstücke einer Hs., 2. H. 15. Jh., mit kolorierten Federzeichnungen: London, British Library, Add. MS. 15696, 22r-27v (frgm.); Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 1747 (4 Bll., Frgm.). A u s g a b e n . B. D. HAAGE, Dekane u. Paranatellonta des . p.' in einem Nürnberger Frgm., AKG 60 (1978) 121-140; SPECKENBACH, S. 120-132 (synoptisch mit dem Text aus Heidelberg, cpg 832).

In den beiden Frgm.n fehlen die Einleitung sowie Bilder und Texte zu den Zeichen Widder, Stier und Waage vollständig, aus einigen weiteren Zeichen Teilstücke. Die Fassung wurde von HAAGE (1978 u. 1981, S. 42 f. u. 47 f., 52 f.) und SPECKENBACH genauer untersucht. Die Übersetzung ist neben dem lat. Druck von 1488 auch anderen, dt.sprachigen Vorlagen verpflichtet. 3. Die umgerechnete

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Astronomus

. p.'-Bearbeitung.

L i t e r a t u r . S. FERRARI, I tempi, la vita, le dottrine di Pietro d'Abano, Genua 1900; L. THORNDIKE, A History of Magic and Experimental Science, II, London 1923, S. 874-947; L. NORPOTH, Zur -, Bibliographie u. Wissenschaftslehre d. Pietro d'Abano, Mediziners, Philosophen und Astronomen in Padua, Kyklos 3 (1930) 292— 353; L. THORNDIKE, Manuscripts of the Writings of Peter of Abano, Bulletin of the History of Medicine 15 (1944) 201-219; G. SARTON, Introduction to the History of Science, 111,1, Baltimore 1947, S. 439-446; M. E. COSENZA, Dictionary of the Italian Humanists, Boston/Mass. 1962; A. C. KLEBS, Incunabula scientifica et medica, Osiris 4 (1938) 1-359 (Neudr. 1963); F. BOLL / C. BEZOLD / W. GUNDEL, Sternglaube u. Sterndeutung, hg. v. H. G. GUNDEL, 51966, S. 146 f.; C. C. GILLISPIE, Dictionary of Scientific Biography, I, New York 1970; B. D. HAAGE, Ein Hss.fund zum . .' des Petrus v. Abano, in: Litterae Ignotae (Litterae 50), 1977, S. 95 — 107; ders., Das Heidelberger Schicksalsbuch (Faksimile u. Kommentar), 1981; K. SPECKENBACH, Eine neue dt. Übers, des . p.'. Edition u. Unters. Ikonographie u. Deutung, ZfdA 110 (1981) 113120, 133 — 142; E. KNOBLOCH, Astrologie als astronom. Ingenieurkunst d. HochMAs. Zum Leben u. Wirken d. latromathematikers u. Astronomen Johannes Engel (vor 1472-1512), Sudhoffs. Arch. 67 (1983) 129-144; B. D. HAAGE, Das . p.' d. Codex palatinus germanicus 832. Ein Forschungsbericht, Heidelberger Jbb. 29 (1985) 87-105; G. FEDERICI-VESCOVINI, La teoria delle immagini di Pietro d'Abano e gli affreschi astrologici del Palazzo della Ragione di Padova, in: W. PRINZ / A. BEYER (Hgg.), Die Kunst u. d. Studium d. Natur vom 14. z. 16. Jh., 1987, S. 213-236; M. HuisMAN, Petrus van Abano en het denken over geneeskunde in de Arabische en Westerse middeleeuwen, phil. Doctoraalscriptie [masch.] Utrecht 1987, passim; Katalog d. dt.sprachigen illustrierten Hss. d. MAs I, 1991, S. 348 f., 390-394, 406-410.

BERNHARD DIETRICH HAAGE / G. KEIL

Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 22048, 84r127V, 158r-176v, 2. H. 15. Jh., lat.-md.

Astronomus

Lat.-dt. gemischtsprachige Bearbeitung, die von zwei unterschiedlichen Vorlagen ausgeht, von denen eine der Druck von 1488 war. Die Tatsache, daß die ursprünglich für Norditalien (Venetien) ausgelegten Häuserspitzen der Nativitäten von 45 ° auf 50° nördlicher Breite umgerechnet sind, deutet auf einen süddeutschen Bearbeiter (vgl. HAAGE, 1981, S. 46 u. 52).

I. Die Vita des zweiten Karolingerkaisers Ludwig des Frommen (814—840) ist anonym überliefert. Später gab es Zuschreibungen des Werks an -> Einhard (durch Aimoin von Fleury), an den Mönch Adhemar (durch Ademar von Chabannes) und an einen Luitolf (durch Pierre Delalande), unter dem man den Priester Liutolf von Mainz vermutet hat. Ebenso wenig zu-

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Astronomus

treffend bzw. mangels zeitgenössischer Zeugnisse nicht beweisbar sind Vorschläge der Forschung, im Biographen den kaiserlichen Notar Hirminmaris, Gerold von Corvey, Hilduin d. J. oder neuerdings Dicuil zu sehen. Die Selbstaussagen des Autors weisen ihn als Angehörigen des Hofes (Vita, Prol.) und als Fachmann in astronomischen Dingen aus (c. 58). Deshalb hat sich für ihn der Name 'Astronomus' eingebürgert. Neben den astronomischen besaß der A. ausgeprägte medizinische Kenntnisse, eine gute literarische, juristische und historische Bildung. Er stammte aus der fränkischen Führungsschicht und gehörte dem geistlichen Stand an. Über Vorgänge innerhalb der Reichskirche, insbesondere über die Kirchen- und Klosterreform, war er sehr gut informiert. Seine Nähe zu einigen führenden fränkischen Bischöfen (-» Theodulf von Orleans, Ebroin von Poitiers, Drogo von Metz) legt es nahe, in ihm selbst einen Prälaten der Reichskirche zu vermuten. II. Die 'Vita Hludowici imperatoris' entstand in den Wintermonaten 840/41, bereits unter dem Eindruck des sich anbahnenden Konflikts zwischen den Söhnen Ludwigs. Trotz seiner Sympathien für Karl den Kahlen verhält sich der A. gegenüber Lothar loyal. Wenn nicht in dessen Auftrag geschrieben, scheint die Biographie wenigstens als offiziöses Geschichtswerk im Umkreis des Kaiserhofs entstanden zu sein. In Anlehnung an Einhards 'Vita Karoli', die für die einleitenden Kapitel der 'Vita Hludowici' formbildend war, zugleich auf die antiken Vorbilder direkt zurückgreifend, stellt sie actus et vita Ludwigs (Prol.) dar. Ludwig erscheint aber nicht als fränkischer König wie Karl d. Gr. bei Einhard, sondern als christlicher Kaiser, der die antik-christlichen Kardinaltugenden und darüber hinaus die dementia, Schlüsselbegriff für das Verständnis seiner Persönlichkeit, verkörpert. Das Thema des Prologs, nämlich das Idealbild des christlichen Herrschers, griff der Biograph in den letzten drei Kapiteln (c. 62—64) über das Sterben des Kaisers wieder auf; hier kommt außerdem das zweite Leitbild der Vita, das

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monastisch-hagiographische Modell Martins von Tours nach Sulpicius Severus, zur Geltung. Abgesehen davon und von einigen Abschnitten in c. 19, 28, 29 und 58 ist die Vita, wieder im Unterschied zur 'Vita Karoli', chronologisch-annalenähnlich angelegt. In der Verbindung von lockerer annalistischer Geschichtsschreibung und Biographie, die in einem Teil der Überlieferung in einer aus Inkarnationsjahren und Lebensjahren kombinierten Zahlenreihe (bis 817 — 40. Lebensjahr Ludwigs) sichtbar gemacht ist, hat der Autor eine neue, adäquatere literarische Form der Kaiserbiographie zu schaffen gesucht. Die heute gültige Einteilung der Vita in 64 Kapitel stammt von Martin Bouquet (1748). Der A. selbst nahm eine größere Zäsur bei der Kaiserkrönung durch Papst Stephan IV. in Reims 816 (c. 26) vor, als das Kaisertum Ludwigs in die christlichuniversale Reichsidee eingebunden wurde. Die Reichseinheit und als deren Verkörperung der Kaiser, Garant von Frieden und Eintracht, bis zuletzt den als eschatologisch begriffenen Kampf gegen das Böse kämpfend, waren zentrale Elemente im Geschichtsdenken des A. Sie boten ihm eine Erklärung für die Krisen, Mißerfolge und Anzeichen des Niedergangs, die er nicht verschwieg, sondern um Sachlichkeit bemüht behandelte. Er setzte sich mit Hauptvorwürfen an den Herrscher auseinander, versagte sich selbst nicht kritische Bemerkungen, verstand aber Schwäche und Unentschlossenheit Ludwigs letztlich als Zeichen seiner dementia. Die Gegner Ludwigs, die aufständischen Söhne (c. 44, 48) oder die Protagonisten des kirchlichen Absetzungs- und Bußverfahrens (c. 54), werden schonend behandelt. Das Bemühen um ausgewogene Darstellung trägt zum hohen Informationswert der Vita ebenso bei wie die Qualität der benutzten Quellen; hingegen vermindern die durch rasche Arbeitsweise entstandenen Lücken und Fehler in der Chronologie ihre Zuverlässigkeit als Geschichtsquelle. Für den ersten Teil bis zum Antritt der Kaiserherrschaft (c. 1—22) stützte sich der A. nach eigener Angabe (Prol.) auf die (nicht überlieferte) 'Relatio' eines Mönchs

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'Athis und Prophilias

Adhemar, der mit dem gleichnamigen Heerführer in den Spanienzügen Ludwigs identisch sein dürfte. Über die Kaiserzeit berichtete er als Angehöriger des Hofes (Prol.) aus eigenem Erleben. Dabei folgte er für den zweiten Teil der Vita, die Zeit von 814 bis 829 (c. 23-43), den Reichsannalen als Hauptvorlage, die er aber den Bedürfnissen der Herrschervita entsprechend bearbeitete, straffte, ergänzte und auch inhaltlich mit neuen Akzenten versah. Wichtigste Erweiterungen: Erbrecht der Sachsen (c. 24), Krönung in Reims (c. 26), kirchliche Reformgesetzgebung (c. 28, 32), Kirchenbuße von Attigny (c. 33), Geburt Karls d. K. (c. 37), röm. Wirren und Eingreifen Lothars (c. 37, 38), Absetzung Hugos und Matfrids (c. 41, 42). Für den dritten und letzten Teil (830-840, c. 44—64) berichtet die Vita selbständig, gestützt auf eigenes Erinnern des Verfassers, auf Gewährsleute oder Schriftgut des Hofes. Die inhaltliche und sprachliche Nähe zu -» Nithards 'Historiae' im Schlußteil (c. 59-64) geht auf die Benutzung der gleichen Quellen durch beide Autoren zurück. Der literarischen Gattung der Kaiservita entsprechen die eingesetzten Stilmittel, eine gravitätisch gehobene Sprache, kunstvoll eingeflochtene Zitate und Anklänge; der A. schreibt das Latein des spätantiken Klassizismus. Als bedeutender Vertreter der karolingischen Bildungstradition weist er sich durch breite literarische Kenntnisse aus. Neben der Bibel, liturgischen, kanonistischen und juristischen Texten schöpft er aus patristischem und hagiographischem Gedankengut; er ist auch in den klassischen Autoren belesen, kennt neben Vergil und Cicero vor allem die Geschichtsschreiber der Antike gut. Im Bestreben, Antike und Christentum in der Vita Kaiser Ludwigs zu verbinden, hat die Leistung dieses karolingischen Autors wohl ihren eigenständigsten Ausdruck gefunden. Das Fortleben der 'Vita Hludowici' wurde dadurch begünstigt, daß sie von früh an, vielleicht bereits im Archetyp, mit Einhards 'Vita Karoli' eine Überlieferungseinheit bildete. Eine erste Rezeptionsstufe ist am westfrk. Hof Karls d. K. zu lokali-

sieren, wo die Vita Bestandteil eines Handbuchs der frk. Geschichte wurde. Darauf gehen Textzeugen im Umkreis von St-Denis/Compiegne/Soissons zurück. Weiter wurde die Vita rezipiert in der Normandie ('De obitu Willelmi ducis'), in Orleans, Bonneval, Ferneres und v. a. in der Historiographie von Fleury (Aimoin, Hugo). Ademar von Chabannes nahm sie in sein Geschichtswerk auf. Später wurde sie in die chronikalische Tradition von St-Germaindes-Pres und St-Denis eingefügt, von wo sie im 13. Jh. in das frz. Corpus der 'Chroniques de France', das offizielle Geschichtsbuch des frz. Königtums, einging. Außerhalb des westfrk.-frz. Raumes ist die 'Vita Hludowici' nur in wenigen Zeugen des lotharingischen Mittelreichs zu fassen (Trier, Stablo, evtl. Prüm), während sie im ostfrk.dt. Reich unbekannt blieb. Dem früh einsetzenden und vielgestaltigen Fortleben entspricht eine Textüberlieferung von 22 mal. Hss., wovon die ältesten aus dem 10. Jh. stammen. Zur Ü b e r l i e f e r u n g und zum F o r t l e b e n s. TREMP, 1991. A u s g a b e n . G. H. PERTZ, MGH SS II 607648; W. TENBERKEN, Die Vita Hludowici Pii auctore Astronomo, 1982; E. TREMP, MGH SS rer. Germ. 64, 1994. L i t e r a t u r . WATTENBACH/LEVISON/LÖWE, Geschichtsquellen III 335-338; BRUNHÖLZL, LG I 395 f.; E. HEYSE, in: Lexikon d. MAs I, Sp. 1153; W. BERSCHIN, Biographie u. Epochenstil im lat. MA III, 1991, S. 227-236; E. TREMP, Die Überl. der Vita Hludowici imperatoris des A. (MGH Studien u. Texte 1), 1991; PH. DEPREUX, Poetes et historiens au temps de l'empereur Louis le Pieux, Le Moyen-Age 99 (1993) 311-332; ders., Prosopographie de l'entourage de Louis le Pieux (781 — 840) (Instrumenta 1), 1997, S. 113 f., 159 f.; E. TREMP, Zwischen 'stabilitas' u. 'mutatio regni'. Herrschafts- u. Staatsauffassungen im Umkreis Ludwigs des Frommen, in: R. LE JAN (Hg.), La royaute et les elites dans l'Europe carolingienne, Lilie 1998, S. 111-127.

ERNST TREMP Äthicus Ister -» Aethicus I. [NB] 'Athis und Prophilias [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 511, Überl.: "Berlin, mgq 846" jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska.

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Auer, Magdalena — 'Augsburger Cantionessammlung'

Ebd. ergänze: 4. Berlin, SB, Nachlaß Grimm 196 (angebunden): 2 Perg.bll., zweispaltig,!. H. 13. Jh., hessisch. Vgl. H. HORNUNG, Arch. f. Gesch. d. Buchwesens 10 (1970) 681 f.

'Auctores octo' entfällt (lat., Erstdruck Lyon 1488!)

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(24,5 X 16 cm; Wasserzeichen für Süddeutschland um 1400 belegt) bricht unvollständig ab. Der Codex wurde 1467 von Konrad Rick aus Landsberg, Vikar bei St. Sebald in Nürnberg (fl469), zusammen mit einem Dutzend weiterer Hss. an das Kloster St. Mang in Füssen verkauft. Von dort gelangte er als Säkularisationsgut in die Bibl. der Fürsten von Oettingen-Wallerstein. Keine Gebrauchsspuren; 234V Vermerk usque hue correctus.

Auer, Magdalena OSB [Korr.]

A u s g a b e n . H. ALEX, Der Spruchdichter Boppe (Hermaea 82), 1998, S. 88, 193 (eine Strophe in Bd. l, Sp. 516: "cod. 74 des Münchner Hauptstaatsarchivs" korr.: KL Frauenchiemsee 88 (alt: Boppes Hofton, mit Abb.). — Ansonsten sind bisher nur einzelne Stücke nach anderen Hss. ediert: Codex 47, Frauenchiemsee). CB 1,3, 1970, S. 190 (Fundamentum artium ...); Anal. hymn. 45b Nr. 94 (Margarita pedibus calca'Augsburger Bibelhandschrift' [Korr./ tur ...); Anal. hymn. 21 Nr. 223 (Qui sub Diane Nachtr.] militas ...); J. TRISKA, Vybor ze starsi prazske univerzitni literatury, Prag 1977, S. 50—51 (Ad cruBd. l, Sp. 517, zu 1.: "... cod. 3 der Augsburger mene currunt lene ...). StB" korr.: ... 2° cod 3 ... Sp. 518 Z. 26: "cod. Cent. 41-43" korr.: Cent. II. Inhalt. Die Rubrik gibt sehr präzise III, 40, 41 u. 43. den Inhalt der Sammlung an: Hie notantur Ebd., Z. 19 von unten: "Stuttgart, LB, cod. Bibl. dictamina a diversis magistris in diversas 15" korr.: ..., cod. bibl. 2° 15. melodias magistrorum vulgariter dictanEbd., Z. 17 f. von unten: Der Ottheinrich-Codex Gotha, LB, cod. Fol. 11 (korr.: Memb. I 11), tiurn mensurata scilicet Vrouwnlob Regenbog Marner Popp Koumzlant Meychsner befindet sich seit 1950 z. T. in München unter der Premwerger etc. Es wird also unterschieSignatur cgm 8010 (3 Bde: 1.2.7), z. T. in Heidelden zwischen Gedichten (dictamina menberg, Kurpfälzisches Museum d. Stadt, Hs. 28 (5 Bde.: 3 — 6.8); vgl. die Ausstellungskataloge: surata) verschiedener Meister (= TextBayerns Kirche im MA, 1960, Nr. 286, S. 57, und autoren), die sich der Töne (in diversas Thesaurus librorum. 425 Jahre Bayer. SB, 1983, melodias) anderer, volkssprachlich dichNr. 54, S. 138 (mit Lit.). tender Meister (= Tonautoren) bedienen. Ebd. zu Punkt 2 ergänze: Ein weiterer TextEin Vergleich der Rubrik mit den erhaltezeuge der gleichen Bibelverdeutschung (vier Evannen Texten zeigt, daß zumindest Strophen r v gelien) in Nürnberg, StB, Cent. VII, 10, 133 -440 in Tönen des Meychsner (der ->· Meißner (Hinweis J. Splett); vgl. -» Plenarien, II. A. a. 101.

der -» 'Jenaer Liederhandschrift'? der -» Junge Meißner?) und -»· Regenbogens als 'Augsburger Cantionessammlung' verloren gelten müssen. Die Rubrik erfaßt Umfangreiche Sammlung von mehr als jedoch nur einen Ausschnitt des Überlie70 lat. Sangsprüchen, Liedern, Leichs und ferten; neben Spruchtönen finden sich Cantiones des späten 13. und des 14. Jh.s, auch Leichs, Lieder, Refrainlieder und Vaüberwiegend in dt. Strophenformen. Be- gantisches. Drei Gruppen lassen sich voneinander nannt nach dem heutigen Aufbewahrungsra abgrenzen: 1. Leichs und leichartige Tanzort Augsburg, ÜB, Cod. II.1.2°10, 232 vb zu 241 (seit 1980; vorher auf Schloß Har- lieder in teilweise ausladendenra Formen Beginn der Sammlung (232 -232vb); 2. burg, Oettingen-Wallersteinsche Bibl.). lat. Sangsprüche und Lieder im MittelI. D a t i e r u n g und P r o v e n i e n z . Sammelband und Schlußteil der Sammlung; 3. dem böh(I + 268 Bll.) aus 10 Teilen des 13.-15. Jh.s, in misch-schlesischen Schaffen des 14. Jh.s der 1. H. des 15. Jh.s, wahrscheinlich in Nürnberg, verpflichtete Cantiones, die den defekten ohne erkennbares Sammelprinzip zusammengeSchlußteil der Sammlung durchsetzen stellt. Die von einer einzigen Hand in einer flüssirb va (239 -241 ). gen Kursive des späten 14./frühen 15. Jh.s melo1. Die mehrfach mit chorea sowie mit dienlos aufgezeichnete . C.' ist nur frgm. erhalten; der zweispaltige, eng beschriebene Quinternio den Regieanweisungen saltus ('gesprunge-

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'Augsburger Cantionessammlung'

ner Tanz') und gressus ('getretener Tanz') überschriebenen Leichs und leichartigen Tanzlieder sind vorwiegend anonym, ohne Nennung von Text- oder Tonautor, überliefert. Inhaltlich sind weltliche (beginnender Frühling, Liebessehnsucht, aber auch aktuell-politische Bezüge) wie geistliche Themen (Heiliger Geist, Jungfrau Maria) vertreten. Hinter dem ersten namentlich genannten Textautor Dyetricus de Salder (sicher drei, möglicherweise fünf leichförmige Stücke) verbirgt sich wohl der zwischen 1282 und 1302 urkundende gleichnamige Hildesheimer Domherr, Mitglied einer bei Braunschweig ansässigen Ministerialenfamilie. Die aktuellen politischen Anspielungen in seiner Chorea que dicitur Schonnwerger propter quod destitutus a papa Bonifacio (Bonifaz VIII.) bedürfen noch der näheren Untersuchung. Hinter dieser ausladenden, bisher unbekannten leichartigen Form verbirgt sich weder der Ton des -» Schonsbekel der 'Wiltener Hs.' (- 'Meisterliederhss.', 7.) noch der des -»· Schwinberger des -» 'Königsteiner Liederbuchs'. Bisher unbekannte Leichformen des -»· Zwinger (um 1300) erschließen der Leich de sancto spiritu in chorea Twingarii von Mersburch und eine weitere chorea Twingarii von Estas. 2. Den Hauptteil der Sammlung machen lat., vorwiegend einstrophige Sangsprüche und Lieder in dt. Strophenformen aus. Hier nennen die Rubriken überwiegend sowohl den Text- als auch den Tonautor; die Tonautor-Nennungen sind, soweit überprüfbar, immer exakt. Mit 20 Sprüchen produktivster Textautor der Sammlung ist Mersburch, der zugleich über das breiteste Tönerepertoire verfügt. Neben der erwähnten chorea Twingarii, dem ebenfalls anderweitig nicht belegten anonymen stolligen Ton Guidein vingerl (nicht das 'Guidein vingerlein' des -» Mönchs von Salzburg), -» Frauenlobs Langem Ton und dem Langen Ton des -> Marner sowie dessen Ton XVIII verwendet er den Hofton -> Reinmars von Brennenberg sowie -»· Boppes Hofton (Esto quod expertus s/'s, anonym auch in Vorau, Stiftsbibl., cod. 401). Mersburgs Planctus de

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morte ducis Hainrici Bratislaviensis in melodia Marnarii (Variante zum Langen Ton Frauenlobs?) ist aus inhaltlichen Gründen auf den 1290 verstorbenen Breslauer Herzog -> Heinrich IV. und nicht auf Herzog Heinrich V. (f 1296) oder gar auf Heinrich VI. (f 1335) zu beziehen. Eine Anspielung auf aktuelle ungarische kirchenpolitische Verhältnisse in Mersburgs Margarita pedibus calcatur (unbekannte stollige Form, anonym auch in der -»· 'Sterzinger Miszellaneenhs.' überliefert) läßt eine Datierung auf 1308 zu und bestätigt diesen frühen Ansatz. Den Autor, dessen Name vielleicht auf seine Herkunft zurückzuführen ist, wird man sich wohl am ehesten als fahrenden Berufsdichter vorstellen. Ein ähnlich früher Zeitansatz ergibt sich für Estas (in einer Parallelüberlieferung in München, clm 11007 Estas vagus genannt). Ihm werden in der Hs. acht Strophen in Meißners Ton XVII (in RSM, der Fehlzuweisung in der Hs. folgend, als Märners Ton XVIII; vgl. J. RETTELBACH, Variation — Derivation — Imitation, 1993, S. 163 f.), in ->· Rumelants von Sachsen Ton I (mit starken inhaltlichen Anklängen an die dt. Rumelant-Strophe HMS II 268b), in Frauenlobs Goldenem Ton, in ->· Konrads von Würzburg Reihen — der freilich einen verbreiteten Bautyp vertritt — sowie die erwähnte chorea Twingarii (Leich) zugeschrieben. In einer ebenfalls unbekannten stolligen Form verbindet Estas die Klage über den Tod eines schlesischen Herzogs Bolko mit einem Preis des auf ihn folgenden gleichnamigen, noch jungen Sohnes. Diese Konstellation trifft nur auf Bolko I. von Schweidnitz-Jauer (t 1301) und dessen Sohn Bolko (*1298) zu. Bolko I. zählt, wie auch Heinrich IV. von Breslau, zu den wichtigsten Förderern höfischer Literatur in Schlesien, deren literarisches Mäzenatentum anderweitig mehrfach bezeugt ist. 11 Strophen im Langen Ton des Marner (darunter eine Strophe mit einer Bitte an einen geistlichen Fürsten in Ungarn) sowie in Frauenlobs Langem Ton und in den Frauenlob-Tönen Minne und Welt und Würgendrüssel sind Tylo zugeschrieben. Dieser läßt sich zeitlich nicht exakt grei-

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'Augsburger Cantionessammlung'

fen, dürfte aber aus formalen wie inhaltlichen Gründen dem zeitlichen und sozialen Umfeld der genannten Autoren zuzurechnen sein. Mit je einer Strophe vertreten sind Dyetricus Mirabilis (in Reinmars von Brennenberg Hofton; an anderer Stelle als der oben genannte Dyetricus de Salder) und Hainricus Scriptor (in Boppes Hofton), mit einem vierstrophigen Lied Albert von Münsterberg (König -* Wenzel von Böhmen, Ton I). Ohne Nennung des Textautors, wohl aber unter Angabe des Tonautors überliefert ist der in Hs. C und in der 'Sterzinger Hs.' dem Marner zugeschriebene ArtesKatalog Fundamentum artium im Langen Ton des Marner. Inhaltlich ist die ganze Bandbreite der Sangspruchthematik vertreten. Geistliche Thematik — Marienpreis und Mariengruß, Lobpreisung der Allmacht Gottes und des Heiligen Geistes, Trinität, Inkarnation, Verehrung des Kreuzes und Ermahnung der sündigen Christenheit — macht ungefähr ein Drittel der Sammlung aus. Dem moralisch-didaktischen Bereich zuzurechnen sind Priesterlehre und Priesterschelte, Tugendlehre, Zeitklagen, Arteskataloge, Lob und Tadel der Alchemic sowie die beiden Totenklagen, von denen eine mit einer Tugendlehre für den unmündigen Erben verbunden ist. 3. Dem Cantionesschaffen des 14. Jh.s verpflichtet sind drei Autoren, die ihre soziale und geographische Herkunft miteinander verbindet: die schlesischen Kleriker Praepositus Glogoviensis (Glogau; neunstrophiges Lied), Witigo plebanus de Adlungsdorf (Adelsdorf/Liegnitz; fünfstrophiges Lied) und Wernherus plebanus de Odra (Odrau/Troppau; fünfstrophiges Lied). Möglicherweise ist ihnen auch der bereits genannte Magister Albertus Munsterbergen (Münsterberg/Schlesien) zuzurechnen. Nicht räumlich, wohl aber zeitlich dürfte ihnen der Abbas de Dobrana (Zisterzienserkloster Doberan in Pommern?) nahestehen. Mit Ausnahme von König Wenzels Ton verwenden sie augenscheinlich keine spezifisch dt. Strophenformen, vielmehr repräsentieren ihre überwiegend mehrstrophigen Cantiones For-

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men, die dem entsprechen, was wir aus dem reichen böhmisch-schlesischen Cantionesschaffen des 14. Jh.s kennen. Thematisch ist geistliches wie weltliches Gedankengut vertreten; neben Altersklage und Warnung vor den Verlockungen des Geldes und den Gefahren der Liebe finden sich auch Priesterlehre und Klerusschelte. III. A u f b a u der S a m m l u n g . Alle leichartigen Formen sind — mit einer Ausnahme — am Beginn der Sammlung zusammengestellt. Einen zweiten, wesentlich umfangreicheren Block bilden die Strophen in Tönen dt. Sangsprüche. Bestimmendes Ordnungselement innerhalb dieser beiden Gruppen ist das Töneprinzip, nicht das Tonautorenprinzip: Alle Sprüche in Frauenlobs Langem Ton (in der langen weis) z. B. sind an einer Stelle zusammengefaßt, gefolgt von einem Block mit den Sprüchen in Marners Langem Ton (in Marner). Die Sprüche in Marners Ton XVIII (= Meißners Ton XVII, s. . .2.) finden sich hingegen an entfernter Stelle, von den Sprüchen in dessen Langem Ton getrennt durch die Sprüche in den Hoftönen Boppes und Reinmars von Brennenberg (in melodia Prennwergarii). Ein weiterer Block mit den übrigen Frauenlob-Tönen — Minne und Welt (in melodia ich ban di minne und auh), Würgendrüssel (wirgendruzzel) und Goldener Ton (in der guldinen weis) — findet sich am defekten Ende der Sammlung. Innerhalb der jeweiligen Töne-Corpora ist dann eine Gruppenbildung nach den genannten Textautoren vorgenommen. Nicht in dieses Schema fügen sich die Texte, deren Tonautoren nicht genannt sind, sowie die Cantiones der genannten schlesischen Autoren; diese sind an thematisch geeigneten Stellen eingefügt. Auffällig ist die Verwendung der Töne: Frauenlobs Langer Ton findet ausschließlich für geistliche Thematik Verwendung, Marners Langer Ton ist weltlichen Themen vorbehalten. Die jüngere dt.sprachige Überlieferung kennt solche scharf umrissenen Tonprofile weder für Frauenlobs noch für Marners Ton. IV. E n t s t e h u n g . Äußeres der Hs. und Korrekturvermerk deuten auf Abschrift im

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'Augsburger Marienklage'

süddeutschen Raum (wobei die wenigen Anhaltspunkte in Vokalismus und Konsonantismus am ehesten an Einflüsse nordbair. Mundart denken lassen) um die Wende vom 14. zum 15. Jh. von einer unbekannten, sicher umfangreicheren Vorlage. Die Sammeltätigkeit für diese Vorlage ist nur in lateinisch sprechenden Kreisen denkbar. Inhaltlich deutet vieles (Totenklagen, Herkunft der Autoren) darauf hin, daß dies im mittleren ostdeutschen, genauer wahrscheinlich im schlesischen Raum geschah, der in peripherer Lage mit später Blütezeit (Heinrich IV. von Breslau, Wenzel von Böhmen) die literarische Entwicklung nachvollzog. Dabei sind zwei unterschiedliche historische Stränge und soziale Schichten miteinander verbunden worden: Das vorwiegend auf meisterlichen Tönen basierende, um und bald nach 1300 entstandene Material verweist auf Vortrag und Rezeption an geistlichen und weltlichen Höfen; die Cantiones der schlesischen Kleriker, deren Zweckbestimmung nur in Einzelfällen erschlossen werden kann (z. B. Priesterweihe), sind der Mitte und der 2. Hälfte des 14. Jh.s zuzuweisen. Über eine frühe Vorstufe, die das Material aus der Zeit um 1300 bereits weitgehend enthalten hat, kann vorläufig allerdings nur gemutmaßt werden; denkbar ist auch ein Sammler, dem mehrere ganz unterschiedliche Quellen zugänglich waren. Die Redaktion der Sammlung in der vorliegenden Form kann nach allem, was wir über das schlesische Cantiones-Schaffen des 14. Jh.s wissen, jedenfalls nicht vor der 2. Hälfte dieses Jh.s geschehen sein.

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einzelne Belege aus clm 5539; Vorau, Stiftsbibl., cod. 401; Engelberg, Stiftsbibl., cod. 314; cgm 716; 'Sterzinger Miszellaneenhs.'); ihre Kennerschaft hat dieser Tradition den Charakter des Zufällig-Experimentellen genommen, der ihr vordem auf Grund einer nur schmalen Überlieferung anhaftete. Die . C.' bestätigt KORNRUMPFS Erkenntnisse eindrucksvoll und vermehrt das bisher bekannte Material sowohl hinsichtlich der Themenbreite wie hinsichtlich der rezipierten Töne um ein Vielfaches. Lat. Sangsprüche, Leichs und Lieder in dt. Strophenformen scheinen in lateinkundigen Kreisen goutiert worden zu sein und deshalb bereits vor 1300 einen festen Platz im Repertoire von Berufsdichtern gehabt zu haben. Das lat. Interesse an dt. Strophenkunst in der Form aktiver lat. Rezeption, im weiteren Verlauf des 14. Jh.s wohl vor allem von Klerikerkreisen getragen, könnte als Bindeglied mehr zur Überlieferung und Bewahrung zwischen Sangspruchdichtung und Meistersang beigetragen haben, als man bisher auf Grund einer relativ schmalen Quellenbasis angenommen hat. L i t e r a t u r . G. KORNRUMPF, Eine Melodie zu Marners Ton XIV in Clm 5539, ZfdA 107 (1978) 218-230; dies., Rezension von W. Roll, Vom Hof zur Singschule, AfdA 90 (1979) 14-22; G. KORNRUMPF / B. WACHINGER, Alment, in: CH. CORMEAU (Hg.), Dt. Lit. im MA. Kontakte u. Perspektiven, 1979, S. 256-411; M. ZIMMERMANN, Die Sterzinger Miszellaneen-Hs. (Innsbrucker Beitr. z. Kulturwiss., German. Reihe 8), 1980, S. 99-112; F. SCHANZE, Meisterliche Liedkunst zwischen Heinrich von Mügeln u. Hans Sachs I (MTU 82), 1983, S. 390-392; RSM V 647-651; J. HAUSTEIN, Marner-Studien (MTU 109), 1995, S. 111, 119-121, 200; U. KÜHNE, Überlegungen zum Marner, ZfdA 125 (1996) 274-296, bes. Anm. 281, 284; G. HAGELE, Lat. mal. Hss. in Folio der ÜB Augsburg (Die Hss. der ÜB Augsburg 1,1), 1996, S. 114-122 mit Anhang Abb. 21; J. HAUSTEIN, Überl. u. Autorschaft beim lat. Marner, ZfdA 126 (1997) 193199; ALEX (s. Ausg.), S. 12, 88 f., 144 f., 193.

V. F u n k t i o n und Typus. Die Kontrafakturen der . C.' belegen eindrucksvoll einen Bereich ausgeprägten dt.-lat. literarischen Lebens zwischen dem 13. und 15. Jh. Die Sammlung ist umfangreichster und wichtigster Zeuge für die Benutzung dt. Töne durch lat. dichtende fahrende Berufsdichter und dilettierende Kleriker im ausGÜNTER HAGELE gehenden 13. und im 14. Jh. Besonders groß ist hierbei der Anteil an meisterlicher Tradition, ein Phänomen, dessen Kenntnis 'Augsburger Marienklage' [Korr.] wir vor allem der Findigkeit GISELA KORNBd. l, Sp. 523, zu Ausg.n: "Hs. O/72" korr.: RUMPFS verdanken (zu nennen sind v. a. Hs. Oct. 72.

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'Augsburger Stadtbuch'

'Augsburger Stadtbuch' Aufzeichnung des Augsburger Stadtrechts in dt. Sprache. 1. Augsburg zählt bereits im HochMA zu den bedeutendsten Städten im südlichen Deutschland. Es ist Träger transalpinen Handels mit Verbindungen nach Köln und damit zu den Zentren des sich entwickelnden Nord-Ostseehandels sowie häufig Ausgangspunkt der Italienzüge der deutschen Herrscher. Ähnlich wie in anderen Städten Süddeutschlands ist es hier besonders früh zur Aufzeichnung differenzierter Rechtstexte (zunächst in lat. Sprache) gekommen. Speyer, Worms und Straßburg erhielten königliche Diplome (1111, 1113, 1129), aus Straßburg hat sich auch eine städtische Aufzeichnung aus der Zeit um 1130 erhalten, während das Freiburger Stadtrecht von 1120 auf landesherrlicher Verleihung Konrads von Zähringen beruhte. In Augsburg regelte bereits Kaiser Heinrich IV. 1104 in einem beurkundeten Weistum zu Regensburg die Rechte des Hochstiftsvogtes in der Stadt (MGH DD H IV 482/83; VOCK, Nr. 16, 6 f.), die vor allem die Ausübung der Gerichtsbarkeit betrafen. Friedrich I. hat in seinen ersten Regier ungs Jahren 1152/57 dieses Weistum bestätigt und durch eine Aufzeichnung der iusticia Augustensis dvitatis ergänzt (MGH DD F I 147; dazu OPLL, S. 36-39). Es ist das erste 'städtische' Privileg Barbarossas, ausgestellt nach der Kaiserkrönung, und seine Arenga betont mit der Zitierung der Institutionen des Justinian die kaiserliche Aufgabe der Gesetzgebung und Friedenswahrung. In der Sache werden ausführlich und präzise die iusticia jeweils des Stadtherrn, seines Vogtes und des Burggrafen sowie der civitatenses omnium ordinum behandelt. Im einzelnen geht es um die Gerichtsbarkeit des Vogtes (Todes- und Leibesstrafen) und des Burggrafen, dem v. a. die niedere Gerichtsbarkeit und die Aufsicht über die geordnete Lebensmittelversorgung zugeordnet war. Die urbana iusticia beschreibt die alleinige Geltung dieses Stadtrechts innerhalb der Stadt sowie den Rechtsstand der Bürger. Noch erscheint der Bischof als alleiniger Stadtherr, ein Ratsgremium besteht noch nicht, doch hat der populus dvitatis Mitwirkungs-

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recht bei der Einsetzung von Burggraf und Münzer.

Auf der Grundlage dieses Stadtrechts hat sich die Formierung der Bürgergemeinde während des 12. und 13. Jh.s vollzogen, die nach und nach ihre eigenen Organe ausbildete (1234 Stadtsiegel; 1257 Ratsherrenkollegium; 1260 Ratshaus; 1266 Bürgermeister) und eine eigene Rechtspraxis entwickelte. Hand in Hand damit geht die Emanzipation vom bischöflichen Stadtherrn und die Ausrichtung auf die königliche Gewalt (Heranziehung zur Reichssteuer in den Matrikeln von 1231 und 1241). Als König Rudolf von Habsburg die Hochstiftsvogtei als angebliches Reichslehen einzog, war Augsburg endgültig auf dem Weg zur Reichsstadt. 2. Das 'Stadtbuch' von 1276. Ü b e r l i e f e r u n g . München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Reichsstadt Augsburg, Lit. Nr. 32 (Dauerleihgabe im Stadtarchiv Augsburg; Originalhs. v. ca. 1276/81); dazu weitere 62 Hss. des 14. bis 16. Jh.s, vgl. dazu SCHMIDT, 1976, S. 112171, sowie , Rechtsbücher II, Nrn. 26, 28, 127, 167, 549, 699, 832, 934, 954, 1369, 1434, 1435, 1510; auch OPPITZ, Rechtsbücher I, S. 84. A u s g a b e . Das Stadtbuch von Augsburg, insbesondere das Stadtrecht von 1276, hg. v. CH. MEYER, 1872.

König Rudolf von Habsburg gestattete 1276 den Bürgern von Augsburg auf ihre Bitten, ein Rechtsbuch der Stadt anzulegen und es durch Zusätze zu ergänzen, also eine Sammlung des städtischen Gewohnheitsrechts zu veranstalten: ut quasdam sentencias sive iura pro communi utilitate omnium in unum collegerint ac scripturarum memorie commendaverint et adhuc ampliora et utilia cum prioribus velint reponere et exinde codicem conficere (MEYER I, 1874, Nr. 51, S. 37 f.; J. F. BÖHMER, Regesta Imperii VI, l, 1898, Nr. 530; dt. Übers, d. 15. Jh.s im Stadtbuch, vgl. Ausg. S. 233 f.). Auch spätere Zusätze waren in diese Bestätigung eingeschlossen, wenn sie sub debito iuramenti (by dem aide) hinzugefügt wurden. Die Kompilation wurde vier biderben man, vermutlich Ratsherren, übertragen, die auf diese Aufgabe vereidigt wurden.

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'Augsburger Stadtbuch'

Als Gliederung ist dem Stadtrecht die Einteilung des Barbarossadiploms zugrundegelegt. Zunächst werden u. d. T. lantrehtbuch die Rechte des Königs, des bischöflichen Stadtherrn, des Vogts und des Burggrafen in der Stadt sowie Teile des Gewerberechts beschrieben (Art. 1—27), sodann die Kompetenzen des Vogtgerichtes (Art. 28 — 113) und des Burggrafengerichts (Art. 114—150). In der Kompetenz des Vogtgerichts stehen strafrechtliche Bestimmungen im Vordergrund, behandelt werden jedoch auch Erbrecht und Eigen (Art. 70—80), zivilrechtliche Fälle, die sich aus dessen Nutzung ergeben, und damit zusammenhängendes Gewerberecht. So entstand kein systematisch nach Rechtsmaterien geordnetes Rechtsbuch, und Zusammengehörendes wurde auseinandergerissen. Ein Schreiber des 14. Jh.s hat in der Originalhs. versucht, diesen Mangel durch ein Register, geordnet nach vier Distinktionen, zu beheben, und einige Abschriften des späten 14. Jh.s haben mit geringem Erfolg eine Neuordnung des Stoffes vorgenommen (SCHMIDT, 1984, S. 141). Trotz der Erwähnung der sentenciae sive iura konnten die Redaktoren des Stadtrechts wohl nur in geringem Maß auf schriftliche Quellen zurückgreifen und haben vermutlich aus Erfahrungen in der Praxis der städtischen Gerichte geschöpft. Die Überschrift des ersten Teils (lantrehtbuchy s. o.) verweist jedoch deutlich auf den -» 'Schwabenspiegel' und legt die Beeinflussung durch dessen Frühformen nahe, die etwa um 1275 vermutlich im Augsburger Franziskanerkloster entstanden und der über seine Vorform, den 'DeutschenspiegeP (->· 'Spiegel aller deutschen Leute'), bereits Augsburger Gewohnheitsrecht aufgenommen hatte. In der Tat zeigt das 'Augsburger Stadtbuch' an vielen Stellen textliche Abhängigkeit vom 'Schwabenspiegel' (vgl. ECKHARDT, 1927, S. 108-120), wodurch eine Zusammenarbeit zwischen den Redaktoren des Stadtrechts und den Bearbeitern des 'Schwabenspiegels' nahegelegt wird. Das läßt auch vermuten, daß der Wunsch, das Stadtrecht in einem Codex zusammenzu-

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fassen, durch die Abfassung des Rechtsbuchs angeregt wurde. Zu vergleichbaren Kompilationen von Stadtrechtsbüchern war es etwa kurz nach der Mitte des 13. Jh.s in Magdeburg (-»· 'Magdeburger Rechtsbücher' [NB]) gekommen, wo das 'Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung' mit der Beschreibung der städtischen Gerichte einen ähnlichen Ansatzpunkt wählte wie das Augsburger Stadtrecht. Weitere Kompilationen entstanden in Hamburg vor 1270, wo -> Jordan von Boizenburg im Ordeelbok' eine nach römisch-rechtlichen Grundsätzen gestaltete Sammlung des Stadtrechts abfaßte, und 1294 folgte die Redaktion des lübischen Stadtrechts im Umkreis des -» Albrecht von Bardewik. So gehört das . St.' in den Kreis der ältesten dt. Stadtrechtsbücher, die wiederum mit den ältesten Spiegelrechten in engem Zusammenhang stehen. Als Rechtscodex, vergleichbar den Kodifikationen des römischen und kanonischen Rechts, ist das . St.' nach dem Zeugnis der Bestätigungsurkunde König Rudolfs intendiert gewesen, und als solcher wird er bereits kurz nach seiner Entstehung urkundlich zitiert (1281: Daz wart gezogen an daz buch, daz säit also; es folgt Zitat aus Art. 71, vgl. Monumenta Boica 30 I, Nr. 138, S. 152 f.; VOCK, S. 117). - Vgl. dagegen ->· Stadtbücher [NB] zum sonstigen Gebrauch des Begriffs. Die Überlieferung spiegelt die Verbindlichkeit und den Einfluß des Rechtsbuchs. Die Originalhs. verblieb im Gebrauch des Rats. Eine große Zahl von Hss. läßt sich Augsburger Ratsherrn und Bürgern (u. a. Konrad Peutinger, vgl. OPPITZ, Rechtsbücher II, Nr. 549) bis ins 16. Jh. zuordnen. In welchem Maß es auch außerhalb Augsburgs bekannt war und zur Orientierung über das in der Reichsstadt gebrauchte Recht herangezogen wurde, ist beim derzeitigen Kenntnisstand zur Überlieferung nicht auszumachen; immerhin befand sich im 15. Jh. eine Hs. in der Kartause Buxheim (OPPITZ, Rechtsbücher II, Nr. 167). L i t e r a t u r . CH. MEYER (Hg.), Urkb. der Stadt Augsburg I, 1874; K. A. ECKHARDT, Rechtsbücher-

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Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh.s

Studien I (Abhh. d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Phil.-hist. Kl. NF 20,2), 1927; W. E. VOCK (Hg.), Die Urk.n des Hochstifts Augsburg 769-1420, 1959; D. SCHRÖDER, Stadt Augsburg (Hist. Atlas von Bayern, Teil Schwaben 10), 1975; R. SCHMIDT, Zum Augsburger Stadtrecht von 1276. Beschreibung der Originalhs. u. der in Augsburg liegenden Abschriften des Augsburger Stadtbuchs, Zs. d. hist. Ver. f. Schwaben 70 (1976) 80-179; 700 Jahre Augsburger Stadtrecht, 1976, S. 50-55; W. BAER, Das Stadtrecht von 1156, in: G. GOTTLIEB u. a., Gesch. der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 1984, S. 132-134; R. SCHMIDT, Das Stadtbuch von 1276, ebd., S. 140144; E. GLASER, Graphische Studien zum Schreibsprachwandel vom 13. bis zum 16. Jh. Vergleich verschiedener Hss. des Augsburger Stadtbuches, 1985; J. JAHN, Topographie, Verfassung u. Gesellschaft d. mal. Stadt — das Beispiel Augsburg, in: Miscellanea Suevica Augustana, hg. v. P. FRIED, 1985, S. 8-41; F. OPLL, Stadt u. Reich im 12. Jh. (1125-1190), Wien u.a. 1986; W. BAER u.a. (Hgg.), Augsburger Stadtlexikon, 21999, S. 839.

PETER JOHANEK

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(olim Nr. 396, Aug. 799), lr-50v; ebd., 2° cod Äug 78 (olim Nr. 404, Pol.), 55r-101v; München, cgm 2035, 59r-100T (bis 1440); Heidelberg, cpg 676, lr-40v; Wien, cod. 3214, 203r-233v. Vgl. ferner Buch l der Chronik Burkhard -»· Zinks. A u s g a b e n . F. FRENSDORFF, Die Chron.n der schwäbischen Städte. Augsburg, 1. Bd. (Chron. dt. St. 4), 1865, S. 21-125, 129-198 (mit Fortsetzungen bis 1447). — Abdruck der Heidelberger Hs. bei , AnzfKdVz 6 (1837) 113-126, 257-269, 372-381.

Die mit den Ereignissen des Zunftaufstandes 1368 einsetzende Chronik behandelt ausschließlich die Stadtgeschichte. In weiten Teilen scheinen städtische Urkunden, Akten und Berichte direkt übernommen worden zu sein. FRENSDORFF vermutet ein langsames Anwachsen der Aufzeichnungen über mehrere Jahrzehnte. Als Hauptquelle vieler späterer Stadtchroniken erlangte das Werk große Bedeutung.

2. 'Augsburger Chronik von der Gründung der Stadt bis zum Jahr 1469'. Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh.s (dt.) Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 415 (Ende Die Augsburger Stadtchronistik erlebte im 15. Jh. eine einzigartige Blütezeit. Wohl in keiner anderen Stadt des Reiches entstanden in kurzer Folge so viele und vielfältige historiographische Werke. Das Spektrum reicht von Darstellungen, die bestimmten Ereignissen verpflichtet sind, über annalistische Aufzeichnungen bis zu umfänglichen, die ganze Augsburger und letztlich sogar die Weltgeschichte umfassenden Werken. Dabei wurde auf unterschiedlichste lokale und überregionale Quellen zurückgegriffen. Vgl. neben den unten aufgeführten Werken -* Küchlin, Erhard -» Wahraus, Sigismund -» Meisterlin, Burkhard -> Zink, Johannes ->· Frank, Ulrich ->· Schwarz und Hektor -» Mülich. 1. 'Chronik der Stadt Augsburg von 1368 bis 1406 (bzw. 1447)'.

15. Jh.). Erhebliche Teile der Chronik sind ferner in Bollstatters 'Augsburger Stadt-Weltchronik' (s. u.) ausgeschrieben. A u s g a b e . FRENSDORFF (s. o.), S. 279—332.

Das von Zeitgenossen hochgeschätzte Werk rückt JOHANEK in die Nähe der alten Augsburger Patrizierfamilie der Ilsung, wofür sich allerdings keine gesicherten Belege finden. Der anonyme Chronist stützt sich in Teilen auf Meisterlin, schließt sich jedoch nicht dessen z. T. fabulösen Überlegungen zur Augsburger Frühgeschichte an; er stellt vielmehr zu deren Verifizierung umfangreiche Recherchen und Quellenstudien an. Bisweilen rückt Augsburg zugunsten von Papst- und Kaisergeschichte in den Hintergrund. Möglicherweise zeichnet sich hier schon die für spätere Chroniken typische Einbindung der Stadt- in die Weltgeschichte ab. Die auf breitem Quellenfundus basierende Darstellung ist sachlich knapp.

Ü b e r l i e f e r u n g . 8 Hss. des 15. —16. Jh.s, vgl. LEXER in der Ausg. FRENSDORFF, S. 12-20. Die aktuellen Signaturen: Berlin, mgq 406, l r —58 r ; München, cgm 379 (vgl. -> 'Augsburger Lieder3. Die chronistische Tätigkeit Konrad buch'), 178r-201r; Augsburg, SB u. StB, 4° cod -» Bollstatters [Nachtrag zu Bd. l, Sp. Äug l (= Cim. 70), 2. Teil, S. 1-147 (gesondert 931 ff.]. paginiert; S. l = Bl. 284r); ebd., 4° cod Äug 3

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Augustijn — Augustin(us)

Ü b e r l i e f e r u n g , a. Fortsetzung der 'Sachs. Weltchronik': Augsburg, Stadtarch., Schätze 19, lra-169vb (um 1474). b. 'Augsburger StadtWeltchronik': Alba lulia (Rumänien), Bibl. des Batthyaneums, Ms. I. 115 (v.J. 1476), 34r-45v (nur Anfangsteil erhalten), c. Meisterlin-Bearbeitung: München, cgm 213 (1479-81). A u s g a b e n , a: WOLF, 1997, S. VIII-XII (Auszüge), b: J. WOLF, Die Augsburger Stadt-Weltchronik, Zs. d. hist. Ver. f. Schwaben 87 (1994) 13-38 (Teilabdruck), c: JOACHIMSOHN, 1894, S. 139-155 (Teilabdruck).

In den späten 1460er Jahren wurde die Geschichtsschreibung zu Bollstatters Hauptbetätigungsfeld. Neben der Bearbeitung der Chronik Meisterlins sind vor allem seine Fortsetzung der -*· 'Sächsischen Weltchronik' und seine nur frgm. erhaltene 'Augsburger Stadt-Weltchronik' zu nennen. Er nahm aber noch zahlreiche weitere Bearbeitungen, Quellensammlungen und Aufzeichnungen vor. Im Mittelpunkt seines Interesses standen die allgemeine Weltgeschichte und sein Wohnort Augsburg. Bollstatter nutzte kritisch abwägend nahezu das gesamte in der Lechmetropole zugängliche Quellenmaterial. Indizien sprechen für engere Verbindungen zu -» Heinrich von Rang, zum sog. Aalener Stadtschreiber, zu Johann Erlinger und zu Johann ->· Bämler. Hinweise auf Auftraggeber, Rezipienten und Drucker bleiben jedoch vage (WOLF, 1996). 4. 'Ursprung und Anfang der Stadt Augsburg'. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck Augsburg, Johann Bämler 1483 (GW 2860). Ausgabe fehlt.

Die in der Forschung bisher kaum wahrgenommene Chronik von der sagenhaften Gründung der Stadt (mit explizitem Verweis auf Meisterlins cronick das ist ein michel buch gemachet von der stat augspurg) bis zur Gegenwart wurde vermutlich unmittelbar von bzw. für den Drucker Johann Bämler angefertigt. Das den Augsburger Heiligen, Märtyrern, Reliquien und vor allem dem Kloster St. Ulrich und Afra verpflichtete Werk paßt gut in das auch auf historiographische Texte spezialisierte Verlagsprogramm Bämlers. Zu vermuten

ist, daß das schon vorher als Auftraggeber Bämlers (H.-J. KÜNAST, 'Getruckt zu Augspurg', 1997, S. 79 f., 88) in Erscheinung getretene Kloster bei der Drucklegung eine Rolle (als Auftraggeber?) gespielt hat. L i t e r a t u r . F. FRENSDORFF, Einleitung zur Ausg., 1865 (s. o. 1.), S. XXXV-XLVIII; P. JOACHIMSOHN, Zur städtischen u. klösterlichen Geschichtsschreibung Augsburgs im 15. Jh., Alem. 22 (1894) 1-32, 123-159; ders., Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland I, 1895; K. SCHNITH, Augsburger Chronik des Burkhard Zink, 1958; D. WEBER, Geschichtsschreibung in Augsburg, 1984; P. JOHANEK, Geschichtsschreibung u. Geschichtsüberlieferung, in: Lit. Leben in Augsburg während des 15. Jh.s, hg. v. J. JANOTA u. W. WILLIAMS-KRAPP, 1995, S. 160-182; R. KIESSLING, Zum Augsburg-Bild in der Chronistik, ebd., S. 183-215; J. ROGGE, Vom Schweigen der Chronisten, ebd., S. 216-239; K. SCHNEIDER, Berufs- u. Amateurschreiber, ebd., S. 8—26; J. WOLF, Konrad Bollstatter u. die Augsburger Geschichtsschreibung, ZfdA 125 (1996) 51-86; K. SCHNITH, Zur Erforschung der spätmal. Augsburger Historiographie, Zs. f. bayer. Landesgesch. 60 (1997) 479489; J. WOLF, Die Sächsische Weltchronik im Spiegel ihrer Hss. (MMS 75), 1997, passim.

JÜRGEN WOLF Augustijn [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 530 zu Überl.: "Ashburnham Place, Coll. Barrois Nr. 486" heute: Heidelberg, ÜB, Heid. Hs. 1012, dort f. 1-23 (vgl. TH. KLEIN, in: Editionsberichte zur mal. dt. Lit. [Litterae 117], 1994, S. 75-79; ders., ABäG 47 [1997] 79-107).

Augustin(us) [Nachtr./Korr.] Bd. l, Sp. 533 zu H.3.: Die erste dt. Teilübers. von 'De civitate Dei' in Budapest, Szechenyi-Nationalbibl., cod. Germ. 13, l r —132 V , bair.-österr., 2. H. 15. Jh. (Exzerpte); vgl. A. VIZKELETY, Beschreibendes Verzeichnis der altdt. Hss. in ungarischen Bibliotheken, Bd. l, 1969, S. 26 f. Sp. 533 nach II.4. ergänze: 5. Die Hs. Scheyern, Benediktinerabtei, Ms. 4, enthält nach KRISTELLER, Iter Italicum, vol. VI, London u. a. 1992, S. 536, verschiedene Schriften (Exzerpte) des A. in dt. Übers. Sp. 534, nach d.: "Wien, Schottenkloster, cod. 220 (olim 71)" korr.: ..., cod. 220 (olim 50.h.5; Kat. Nr. 71). Sp. 535 zu e.: "Wolfenbüttel, ..., Aug. 16 Theol. 8°" korr.: ..., 1222. 26 Theol. 8°.

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'Augustinerregeln' — 'Auszug von Teutschen Landen'

Ebd. Z. 4 von unten: Eine weitere 'Speculum setzung dieses Berichts hat -» Regula um peccatoris'-Hs.: Augsburg, ÜB, cod. 111.1.2° 31, 1460 für ihr -> 'Buch von den hl. Mägden 38 V —47 r ; eine andere Übers, in Augsburg, ÜB, cod. und Frauen' (f. 63V) angefertigt. Eine an111.1.4° 5, 143v-158r; vgl. SCHNEIDER, Augsburg, dere wurde in der 1. Hälfte des 15. Jh.s S. 205 u. 258. wohl in Straßburg als Ergänzung in die Sp. 543 ergänze: V. Die Vita des hl. A. wurde 'Elsässische Legenda aurea' (-»· Jacobus a mehrfach ins Dt. übersetzt. Zu zwei eigenständiVoragine, V. 5.) zum Festtermin am 15. 10. gen Legenden neben 14 Legendarfassungen vgl. W. nachträglich eingefügt. Ihr geht ein ResüWILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 394, Nrn. l u. 4 (von den mee der wichtigsten Fakten aus der -> 'Ursula'-Legende (A.5.) voraus. dort verzeichneten vier Fassungen gehören die Nrn. 2—4 und Translatio von Nr. l zum Komplex Ü b e r l i e f e r u n g der 2. Übers.: Augsburg, SB u. des 'Niederrheinischen Augustinusbuches'; korr. StB, 2° cod 159, 72ra-73vb; Augsburg, ÜB, cod. dort ferner: Nr. 2: statt Dv l lies Dv 4; Münster, 111.1.2° 23, 138va-139va; Kassel, LB u. MurhardHs531 ist nicht verschollen, sondern verbrannt). sche Bibl., 2° Ms. theol. 5, 112ra/vb. Vgl. ->· 'Niederrheinisches Augustinusbuch' [NB]. L i t e r a t u r und A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische 'Legenda aurea', Bd. II: Das Sondergut 'Augustinerregeln' (mhd.) [Korr.] (TTG 10), 1983, S. XXI f., LI, Text S. 49-51. Bd. l, Sp. 546 zu b): "Überlingen, Stadtarch., cod. 2" korr.: ..., Leopold-Sophien-Bibl., cod. 2. Ebd.: "Münster, Altertumsver., cod. 126" korr.: ..., Nordrhein-Westfälisches Staatsarch., Altertumsverein Depos. Msc. 126. Ebd.: "Düsseldorf, Heine-Arch., früher A 177" korr.: heute Düsseldorf, Hauptstaatsarchiv, Büderich, St. Gertrud, Rep. u. Hs. 1. Ebd., Sp. 546 unten, zu c) und Sp. 548 Z. 13: "Nürnberg, StB, Cent. VI, 46" korr.: ..., Cent. VI 46e. Sp. 547, Z. 10 f. bzw. Sp. 548, petit-Abschnitt: "Mainz, StB, cod. IV 68" bzw. "cod. VI 68" korr.: ..., Hs. II261 (olim Jesuitenbibl. VI/68), 130r156r [vgl. Sp. 549 Z. 8!]. Ebd.: "Koblenz, Staatsarch. Depot d. AugustaGymnasiums, Hs. 232" korr.: ..., Landeshauptarchiv, Best. 701, 232. Sp. 549 Z. 6 f.: "Klagenfurt, Studienbibl., cod. 68" korr.: ..., ÜB, cod. Pap. 68. Ebd., Z. 8: "Melk, ..., cod. 72" korr.: ..., cod. 1389 (olim 72; B 37). Ebd., Z. 9 von unten: "Leiden, ÜB, Mij 606" korr.: ..., Ltk. 606.

'Aurelia' Deutsche Legenden. Aurelia ist nach Straßburger Tradition eine der legendären 11000 Begleiterinnen der hl. Ursula, die auf der Rückreise von Rom in Straßburg an Fieber starb und dort begraben ist. Ein entsprechender lat. Bericht und zwei Mirakel sind spätestens 1393 im Breviarium Argentinense bezeugt (AASS Oct. VII.1, S. 27f.). Eine dt. Über-

KONRAD KUNZE 'Auszug von Teutschen Landen' Dt. Bericht über den Romzug Kaiser Friedrichs III. 1451/52. Neben der ursprünglichen Langfassung (LF) sind drei voneinander unabhängige Kurzfassungen (KF I—III) zu unterscheiden. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . LF: Hss.: Augsburg, SB u. StB, 2° cod Aug. 72, 186V-209V; Heidelberg, cpg 677 (geschrieben zwischen 1464 und 1467 von Klara -> Hätzlerin, vor 1469 ergänzt von Sebastian -> Ilsung), l r -34 r ; München, cgm 276, 10r-21r; ebd., cgm 369, ll r —38 V . — Druck: Der außzug von Teutschen landen gen Rom des durchleüchtigsten großmächtigsten Fürsten vnd Herrn, Herrn Friderichs des Römischen künigs ..., Augsburg, Hans Otmar 1503, S. 3-42 (beruht auf der Heidelberger Hs.). - KFI: Hss.: Fulda, Hess. LB, cod. Aa 114, 158r-163v; München, clm 9503, 342r-346v; Nürnberg, Staatarchiv, Nürnberger Reichstagsakten Nr. l, lr-14v. - KF II: Hs.: Linz, Oberösterr. Landesarchiv, Schlüsselberg-Archiv (Sammlung Hoheneck), Hs. 110, 195v-200r. A u s g a b e n . LF: F. ROTH / M. LEXER, in: Die Chron.n der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 3 (Chron. dt. St. 22), 1892, S. 307-326. - KF I: G. VON KÖNIGSTHAL, Nachlese in den Reichsgeschichten, Frankfurt 1759, S. 1-17. - KF II: G. A. VON HOHENECK, Die loblichen Herren, Herren Stände von Herren- und Ritterstand in dem Ertz-Herzogthum Oesterreich ob der Enns, Passau 1747, S. 134-141. - KFIII: ST. A. WÜRDTWEIN, Subsidia diplomatica, Bd. XII, Frankfurt u. Leipzig 1778, S. 4-37.

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'Auszug von Teutschen Landen'

2. Der Romzugbericht ist wahrscheinlich unmittelbar nach den berichteten Ereignissen im nordbairisch-ostschwäbischen Raum entstanden und dürfte auf einen Teilnehmer aus dem Gefolge Herzog Albrechts VI. oder einen reichsstädtischen Gesandten aus dieser Gegend zurückgehen. Erst im 17. Jh. wird eine Kurzfassung des Berichts (KF II) mit Kaspar -» Enenkel in Verbindung gebracht, der auf dem Romzug von 1451/52 sonst nicht nachzuweisen ist; die Zuschreibung beruht vermutlich auf einem Irrtum oder einer Fälschung des späthumanistischen Gelehrten Job Hartmann von Enenkel. 3. Der anonyme Verfasser beschreibt Friedrichs III. Reise von St. Veit an der Glan über Treviso, Padua, Rovigo, Ferrara, Bologna, Florenz und Siena nach Rom zu empfahen die hailigen römischen cron und sein gemahelschaft zu Rom [zu] vermeheln und zu kaiserlicher wirdigkait zu pringen. Dabei weist er gelegentlich auf geographische, politische und historische Besonderheiten hin, beschreibt aber in erster Linie das öffentliche Zeremoniell für den deutschen Herrscher: die Ankunft von Gesandtschaften, Geleit, Einholung und Unterbringung in den verschiedenen Territorien und Städten, das erste Zusammentreffen Friedrichs mit seiner portugiesischen Gemahlin und vor allem die Rituale in Rom: den Empfang durch die Römer und Papst Nikolaus V., die Trauung des kaiserlichen Paares in St. Peter, die lombardische und die kaiserliche Krönung samt Übergabe der Goldenen Rose, Ritterschlag auf der Tiberbrücke und Ritt zum Lateran. Mit dem Abend des Krönungstages (19. März 1452) endet sein Bericht. 4. Für einen Teil der Zeremonien in Rom — die Einholung und Kaiserkrönung — greift der Verfasser auf den Ordo coronationis' des Guillelmus Duranti (-* Durandus) zurück, und zwar in einer Hs., die dem in Donauwörth entstandenen und heute in Augsburg, ÜB, aufbewahrten cod. II. 1.2° 38, 183r-187v, als Vorlage gedient haben muß. Die übernommenen Passagen sind — von einigen Incipits abgesehen — durchweg ins Deutsche übersetzt, gegen-

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über der Vorlage z. T. umgestellt und von oft langen Einschüben unterbrochen. Die Liste der zu Eleonores Empfang nach Pisa abgesandten Personen dürfte ebenfalls aus einer Vorlage inseriert sein, obwohl eine separate Überlieferung nicht bekannt ist. 5. Der anonyme Text ist in einem schlichten berichtenden Stil verfaßt und weist nur wenige Einschnitte auf; neue Sätze sind mit darnach, item usw. an die vorausgehenden angeschlossen. Toponyme werden auf deutsch wiedergegeben, Personennamen und Anreden im Italienischen belassen. Die Darstellung ist durchweg affirmativ und zeichnet sich durch die Häufung positiver Adjektive und eine Fülle superlativischer Wendungen aus. Die technischen liturgischen Termini stammen fast ausschließlich aus der übersetzten Vorlage. 6. Wahrscheinlich im Kontext mit den damals intensiv diskutierten Romzugplänen Maximilians I. ist der anonyme Bericht im Dezember 1503 erstmals in Augsburg gedruckt worden, wenige Wochen nachdem dort eine dt. Übersetzung der 'Historia desponsationis' des Niklas -» Lankmann von Falkenstein erschienen war. Beide Texte bildeten die Grundlage für den von Marx -> Treitzsaurwein 1514 redigierten 'Weißkunig' Kaiser -*· Maximilians I. (Teil I). Augsburg, in dessen Bibliotheken mehrere Exemplare des ursprünglichen Berichts lagen, blieb auch in der folgenden Zeit das Zentrum der Überlieferung und Rezeption. In der Mitte des 16. Jh.s verfaßte dort der Schuster Clemens Jäger einen von Johann Jakob Fugger veranlaßten 'Habsburgisch-Österreichischen Ehrenspiegel' und übernahm darin lange Passagen aus dem anonymen Romzugbericht. Für die auf Befehl Kaiser Leopolds I. 1668 besorgte Drucklegung von dem in Nürnberg lebenden Sigmund von Birken nochmals stark überarbeitet, wurde das Werk einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Erst durch die Forschungen Joseph Chmels in den 40er Jahren des 19. Jh.s ist der Text wieder als ganzer, wenn auch mit der irrtümlichen Zuschreibung an Kaspar Enenkel, bekannt geworden.

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'Ave maris Stella' — 'Ave praeclara maris stella'

L i t e r a t u r . E. GLASER, Das Graphemsystem der Clara Hätzlerin im Kontext der Hs. Heidelberg, Cpg. 677, in: P. ERNST / F. PATOCKA (Hgg.), Dt. Sprache in Raum u. Zeit. Fs. P. Wiesinger zum 60. Geb., Wien 1988, S. 479-494; A. TH. HACK, Das Empfangszeremoniell bei mal. Papst-KaiserTreffen, 1999, S. 35-40, 191-194; ders., Der Ritterschlag Friedrichs III. auf der Tiberbrücke 1452, in: N. STAUBACH (Hg.), Rom u. das Reich vor der Reformation, Kolloquium Münster 1999, im Druck.

ACHIM THOMAS HACK 'Ave maris stella' [Korr.] Bd. l, Sp. 566 Z. 10/11 von unten statt: "Mainz, StB, Karth. 599" korr.: ..., Hs. 1599. Sp. 567 zu 8.: Bei ACHTEN/KNAUS, ..., Nr. 42, handelt es sich um die Hs. Darmstadt, Hess. LB u. Hochschulbibl., Hs 237; bei VIZKELETY, ..., II, Nr. 9,6, um Budapest, Bibl. d. Ungar. Akademie der Wiss., cod. K. 540.

'Ave praeclara [Nachtr./Korr.]

maris stella' (deutsch)

Bd. l, Sp. 569 zu Nr. 5: Vermutlich 14. Jh. Die Straßburger Hs. ist Straßburg, Bibl. Nat. et Univ., ms. 1995 (olim L germ. 178), 122r-127v. Ergänze: Berlin, mgo 19, 62V-68V; mgo 489 (gegen 1400), 13r-22v; Helsinki, ÜB, Frgm. membr., Germ. 3 (SUOLAHTI: h, wohl noch 14. Jh.); Hohenfurt (Vyssi Brod/CR), Stiftsbibl., cod. 15, 144V155r; Philadelphia, Univ. of Philadelphia, Charles Patterson Van Pelt Library, MS. Ger. 4, 62r-67r. Ausgaben: R. WOLKAN, Mitth. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen 33 (1885) 395-399 (Hohenfurt); H. SUOLAHTI, Eine mhd. Paraphrase der Sequenz A. pr. m. st., in: Memoires de la Societe Neophilologique de Helsingfors 5, Helsinki 1909, S. 505-548, mit krit. Text nach Berlin, mgq 909 (Abschrift aus mgo 489), Heidelberg, Helsinki, Hohenfurt, Straßburg (zu S. 520 f.: Kuppitschs Hs. ist Berlin, mgo 137); U. SHERMAN, ZfdA 112 (1983) 65-72 (Philadelphia). Sp. 569 zu Nr. 6: "Dresden, LB, cod. M 27 b" korr.: ..., Mscr. M 278. Weitere 4 Hss. u. Ausg. WACHINGER (s.u. zu 13.), S. 149—155. Hinzu kommen: Berlin, SB, ms. lat. fol. 745, 51 va ~ vb (Hinweis R. Cermann); Münster, ÜB u. LB, Ms N. R. 1500, 58V (l-2 a, 4); Oldenburg, LB, Cim I 39, 57V (l-2a, dem lat. Text [mit Melodie] beigefügt); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Heimst. 1298, 124r-126r. - Bei Albertus handelt es sich um Albert -» Suho. Sp. 570 zu Nr. 12 ergänze: Trier, StB, Hs. 20507 1965 8°, 242v-246r.

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Sp. 570 zu Nr. 13: Die Ausg. ist erschienen: B. WACHINGER, Der Mönch v. Salzburg (Hermaea NF 57), 1989, S. 145-149, 155 f.

Ergänze zu Bd. l, Sp. 568 — 570 (ohne Prosaübersetzungen): 15. Gegrotet sistu Maria, scbinende meres Sterne, Eyn vier körne godes derne, nd. Übertragung in Reimpaaren, 116 vv. in 17 Abschnitten, da Versikel 5 b geteilt ist. Vermutlich 14. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95 Nr. 540 (wohl Hildesheim, OCart, um 1400), 223 r —226 V (mit dem lat. Text); zum anschließenden Gedicht s. -> 'Zweiundsiebzig Namen Marias' [NB]. Jüngere Hss.: Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 8° 72, 200r-203r; Ms. theol. germ. 8° 88, 147r153r; Ms. theol. germ. 8° 92, 174r-183r; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Heimst. 1140, 175r-178r (mit dem lat. Text); cod. Guelf. Heimst. 1189, 174r-179v; cod. Guelf. Heimst. 1311 [nicht 1307!], 123V-126V (vv. 1-8, dann Prosaübersetzung). L i t e r a t u r . A. LÜBBEN, Ndjb 8 (1880) 70 (zu cod. Guelf. Heimst. 1137 [lies: 1140]); BORCHLING, Mnd. Hss. 3, S. 28, 39, 83 u. 4, S. 195 f.; W. APPELHANS, Die volkssprachigen Sequenzen d. 'Böddeker Gebetbuches'. Stud, zu Tradition, Herkunft u. Sangbarkeit d. Codex PA V 224, Diss. Münster i. W. 1974, S. 309 f. (Abdruck vv. 1-16).

16. Ein Beispiel lat.-ndl. Mischpoesie ist die Kontrafaktur Ave Maria, maghet pia, ioncfrouwe, sis trouwe, da rouwe, moeder intacta; einzelne Wörter und Reimklänge des Vorbilds werden an genau entsprechender Stelle zitiert. Vermutlich 15. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgo 190 (Utrechter Ldb.), 56r-58v (mit Melodie); Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2058, 84r-85v. A u s g a b e n (nach Berlin, mgo 190). HOFFMANN, KL, Anhang: In dulci iubilo, Nr. 27 (nur Text), vgl. S. 15; W. BÄUMKER, Vjs. f. Musikwiss. 4 (1888) 306-311; M. C. PFLEGER, Unters, am dt. geistl. Lied d. 13. bis 16. Jh.s, Diss. Berlin 1937, S. 62—77 (synoptisch mit einer lat. Version u. den dt. Übers.n Nr. 3, 6, 14); E. BRUNING OFM f / M. VELDHUYZEN / H. WAGENAAR-NOLTHENIUS (Hgg.), Het geestelijk lied van Noord-Nederland in de vijftiende eeuw (Monumenta Musica Neerlandica 7), Amsterdam 1963, Nr. 59 (mit Abb. aller Seiten); GGdM (s. u.) Nr. 42. L i t e r a t u r . J. A. N. KNÜTTEL, Het geestelijk lied in de Nederlanden voor de kerkhervorming, Rotterdam 1906, S. 488; Geistl. Gesänge d. dt.

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Avian

MAs, hg. v. M. LÜTOLF, M. SCHIENDORFER u. a. (= GGdM), Bd. Iff., 2000ff., Nr. 42.

17. Gegrusit clarir siz du warer heylberndir leytesternne, Maria, spigel dar der dryir, formgetreue Übertragung (bis 5b): Krakau, Bibl. Jagiellonska, cod. 2176, 85V (3. Drittel 14. Jh.), bis Versikel 3b unter dem lat. Text. 18. Ich grüz dich gerne, vorlüchtendir meris sterre, ein lich(f) der cristenbeit entsproszen, Maria, gotliche uzgeflozzen, Reimprosa: Mainz, StB, Hs I 221, 11 l v — 112V. 128V (wohl noch 14. Jh.); mit Vorspruch Ave predara: Der daz wort Eva hat gewant in ein ave, der graze dich, behäde uns ümer me. GISELA KORNRUMPF Avian I. Avianus (in den Hss. auch Avienus} heißt der Verfasser einer um 400 entstandenen lat. Versfabelsammlung (42 Stücke, 10-24 vv.; A 9 f., 12, 22, 25, 32, 39 keine Fabeln im strengen Sinn), die im M A v. a. über den Schulunterricht Verbreitung fand. Stilistische und inhaltliche Gründe erlauben, die Identifizierung mit Rufius Festus Avienus, dem Verfasser geographischer Lehrgedichte, auszuschließen, die als mal. Mißverständnis aber die Namensform Avienus erklären kann (zu allen biographischen Fragen KÜPPERS, 1977, S. 3-64). A. übersetzte seine Tabulae' (— 'F.') aus den griechischen 'Mythiamben' des Babrios und schuf durch Umsetzung ins ungewöhnliche elegische Distichon, stilistische Ausrichtung an klassischer römischer Literatur (Vergil) und versierte rhetorische Gestaltung anspruchsvolle, für einen exklusiven Kennerkreis bestimmte 'Kunststücke'. Sprachlich kaum leicht zugänglich, fand das Werk dennoch vielleicht gerade wegen seiner rhetorischen Eigenschaften Aufnahme in den mal. Lateinunterricht (KÜPPERS, 1990). A u s g a b e n . A. GUAGLIANONE, Aviani Fabulae, Turin 1958 (zit.; S. LlXf. ältere Ausg.n); R. ELLIS, The Fables of Avianus, Oxford 1887 (mit Komm.); Antike Fabeln [...], übers, v. J. IRMSCHER, 1978, S. 405-436.

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Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Hss.: GUAGLIANONE, Ausg., S. IX-XXVHI, erfaßt 115 Hss., darunter jedoch 14 Florilegien u. London, Brit. Libr., Reg. MS. 15 A. XXXI zweimal; zahlreiche Nachträge dazu bei DICKE/GRUBMÜLLER, S. LXVIIIf., u. SUERBAUM, die aber weiterhin zu ergänzen sind. 2. Weiteres: Der Bestand über 130 erhaltener Hss. läßt sich mit noch in Falzen bewahrten, in jüngerer Zeit vermißten und aus mal. Bibliothekskatalogen bekannten gut verdoppeln. Dazu sind viele Florilegien sowie die mit den Texthss. Gebrauchseinheiten bildenden Kommentarhss. zu beachten. 3. Drucke: a) Köln 1494 (GW 3110), vollst., gloss., komm, b) Leipzig 1509 (VD 16, A 4474; Index Aureliensis Nr. 110.568), vollst, c) Zu 27 Fabeln im 'Esopus' Heinrich -> Steinhöwels s. DICKE, S. 370-402, 441 f., 447 f. d) Zu weiteren Ausg.n bis zur ersten kritischen durch Th. Poelmann 1572 s. HERVIEUX, S. 123-129.

II. Text- und Ü b e r l i e f e r u n g s g e schichte. 1. Im Unterschied zu den Romulus-Fabeln (-» Äsop [NB]) bleibt das A.-Corpus im Kern fest. Nur die Widmungsepistel entfällt seit dem 12. Jh., da nun Accessus die Unterrichtslektüre einleiten. Die Fabeltitel sind ebenso mal. Zutat wie die seit dem 11. Jh. in den Hss. marginal ergänzten oder in den Verstext aufgenommenen und dort kumulierten Epimythien. (Schon für einige Epimythien des ältesten Textes ist sekundäre Interpolation zu erwägen: ELLIS, Ausg., S. XXXI ff.). Die textgeschichtliche Diskussion stemmatisch werden zwei schon vor den ältesten Hss. getrennte Rezensionen und und eine gemeinmal. unterschieden — zielt auf den Autortext; der mal. Vulgattext ist unerforscht. In einigen engl. u. frz. Hss. des 10. —12. sowie einer dt. des 15. Jh.s (REEVE, S. 31; erg. Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. Reg. lat. 1424, 36r und Augsburg, SB u. StB, 4° Cod 21, 15rv) werden die im MA auch unter Avienus laufenden 'Versus de rustico' angelagert (9 vv., s. G. KÖLBLINGER, Mlat. Jb. 8 [1973] S. 17-27 [ohne die A.-Hss.]).

Die älteste erhaltene Hs. (um 800) stammt aus St. Gallen, neben nordfrz. Klöstern einem frühen Verbreitungszentrum. Seitdem 11. Jh. sind die 'F.' in ganz Zentraleuropa anzutreffen. Sie wurden für Unterrichtszwecke eingesetzt, halfen im Anschluß an die elementare Unterweisung ins Lateinische Sprachfertigkeit einzuüben und

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Avian

vermittelten zugleich praktische Lebenslehre. Die eigentlichen Gebrauchshss. wurden verbraucht; die aufwendig bis anspruchsvoll angelegten erhaltenen Hss. verzerren das Bild besonders in den ersten Jh.en. Im 12. Jh. tritt der A.-Lektüre neu der systematische und textuell geschlossene, zunächst aber separat tradierte Kommentar zur Seite. Im 13. und 14. Jh. werden die 'F.' in Frankreich und England im 'Liber Catonianus' gelesen, der sie erstmals in ein regelrechtes Schulbuch aufnimmt, das sich u. a. durch geordnete Mitüberlieferung {'Disticha Catonis' [-» 'Cato'], 'Ecloga Theodoli' [-> Theodolus], Maximian: Elegien, Statius: 'Achilleis', Claudian: 'De raptu Proserpinae') und obligate Ausstattung mit Glossen und Kommentar auszeichnet. Deutschland hat an der Verbreitung des 'Liber' nur am Rand (Rhein-Maas-Gebiet) Anteil, tritt — neben Böhmen — erst im Verlauf des 14. Jh.s im Erhaltenen wieder deutlich hervor und ist im 15. Jh. Überlieferungszentrum, das die 'F.' weiter in den Osten (Polen) vermittelt und 1494 den ersten vollständigen Druck hervorbringt. Ohne Pflichtprogramm zu sein, wurden die 'F.' an den Artistenfakultäten der Universitäten wie an städtischen Lateinschulen gehobenen Niveaus traktiert; an anderen Schulformen (Dom- und Stiftsschulen) erreicht ihre Benutzung den Status dauerhafter Schriftlichkeit nur selten. An den voruniversitären und außerschulischen Gebrauch wird der Text durch Reduktion der schultypischen Maximaldarbietung angepaßt: 1. Ein beachtlicher Anteil von Sammelbänden poetischer 'auctores' entsteht im monastischen Bereich und für private Zwecke. Hier bedienen die 'F.' die litterati mit allgemeiner Lebenslehre, wobei Glossierung und Prosaparaphrasen oft ausgeblendet werden und ein von den Schulkommentaren breiter entfalteter Lehrsinn gern in die Marginalien verkürzt wird. 2. Andererseits werden A.s Fabeln dem seit dem 14. Jh. in den Hss. zu greifenden Predigtgebrauch (u. a. bei Dominikanern, Franziskanern, Kreuzherren und Weltgeistlichen) oft unter Verzicht auf den Verstext nur in Form des Kommentars mit seiner zugänglicheren Prosaparaphrase und den bereits diskursiv

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ausformulierten Lehrinhalten bereitgestellt. Besonders oft begleiten das Werk in den Hss. seit dem 9. Jh. die 'Disticha Catonis' und dazu seit dem 14. die Fabeln des 'Anonymus Neveleti' (vgl. -> Äsop [NB]). III. Lateinische Rezeption. Die 'F.' werden das ganze MA hindurch lat. glossiert, seit dem 11. Jh. werden vielen Fabeln lehrhafte Epimythien hinzugedichtet, seit dem 12. Jh. Accessus (SuERBAUM) und Kommentare verfaßt. Die Epimythien (unvollst. Bestandsübersicht: GUAGLIANONE, 1959) fließen im SpätMA in die Kommentare zurück und werden dort in eigenen Abschnitten systematisch gesammelt, finden aber den Weg in gedruckte Sentenzenkollektionen nur punktuell in Ergänzung zu 'Anonymus Neveleti'-Affabulationen (lat.-dt. Tradicio morum'-Druck, s. HENKEL, S. 312—314). Die Kommentar-Verfasser bleiben namenlos; Zuweisungen an -»· Alkuin (OLDFATHER, S. 116 f.) und Remigius von Auxerre (ders., S. 115 f.) sind kaum abzusichern. In den Auslegungszielen orientieren sie sich am geläufigen Dreischritt von expositio ad litteram (Glossen/Scholien), ad sensum (Prosaparaphrase) und ad sententiam, die dem aufzudeckenden Erzählsinn gilt, der immer in allgemeinen Verhaltensregeln und seit dem 13. Jh. auch auf dem Wege geistlicher Allegorese gefunden wird. Vom Verstext abgelöste Kommentare mit ihren Prosaparaphrasen werden zu neuen Werken umoder in neue Werke eingeformt. Der Verzicht auf den Verstext zeigt zunächst nur die Kontinuität eines schulüblichen Hss.gebrauchstyps und nicht schon Eigenständigkeit an (anders DICKE/GRUBMÜLLER, S. XXXVII; zum Folgenden dort S. XXVIII-XLIV). Die Grenzen zwischen Separatkommentar — hierher z. B. der jeweils unter eigenem Werktitcl laufende 'Wiener Prosa- .' und der 'Donaueschinger Prosa- .' — und ihn mit eigenem Anspruch verarbeitendem neuen Werk (z. B. 'Liber Esopus et Avianus') verlaufen fließend. Selbst wo sie ein weiter gespannter, Fabeltexte überschreitender neuer Werkzusammenhang deutlich zu ziehen erlaubt (z. B. bei -> Jakob v. Soest, 'Distinctiones longiores [Littera F]', oder im 'Liber de moribus'), scheint der Separatkommentar als Quellentyp deutlich durch. Der sichtbar große Bedarf an Prosafabeln begründet auch den Erfolg der

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im md./nd. Raum in 16 Hss. verbreiteten 'Anonymi Avianicae Fabulae' (HERViEUX, S. 319—352; 6 Hss. dort S. 159-171, dazu 9 bei DICKE/GRUBMÜLLER, S. LXIX und eine weitere bei SUERBAUM, S. 385 Anm. 10). Noch die lat. Prosafassungen, in denen Sebastian -* Brant im Zuge seiner Revision des 'Esopus' Heinrich Steinhöwels 27 Fabeln plan nacherzählt (vgl. DICKE, S. 134 f.), und die in einem Antwerpener 'Esopus'-Druck von 1486 ergänzten Paraphrasen ('Antwerpener Prosa- .', s. DICKE, S. 383 — 388) reagieren auf ihn.

Im Unterschied zu den aus Schulzusammenhängen auch herausführenden Prosaparaphrasen bleiben die Abbreviationen der 'Rhythmicae' und 'Metricae moralisationes' (Ausg.: HERVIEUX, S. 480—501, Hss. S. 242-248, eine weitere bei DICKE/ GRUBMÜLLER, S. LXX) und des 'Klosterneuburger Äsop' (DICKE/GRUBMÜLLER, S. XXXIX-XLI) eng an ihn gebunden. Als zweiter Rezeptionsschwerpunkt bildet sich im 13. Jh. die Predigt heraus. Zur Verwendung als Predigtexempel werden die 'F.' umgeformt und in zahlreichen größeren und kleineren Exempelsammlungen zumeist in Auswahl, seltener (tendenziell) vollständig bereitgestellt. Predigtsammlungen belegen eine kontinuierliche Übernahme des Angebots in die Praxis (Nachweise: GRUBMÜLLER, S. 97—109; DICKE/ GRUBMÜLLER, S. XLIX—LIV und Reg.). Die Beziehungen zwischen Vers- bzw. Kommentartext, Exempelfassung und konkreter Predigtanwendung sind nicht untersucht. Aus der literarischen Rezeption im engeren Sinne treten neue Voll- und Teilversifizierungen, die seit dem 11. Jh. entstehen, deutlicher heraus. Sie halten sich allerdings durchweg 'im Rahmen wirkungsloser Konkurrenzversuche und privater Schulübungen' (GRUBMÜLLER, S. 61); vgl. weiter MANITIUS, LG, Bd. 3, S. 773-776; WORSTBROCK in: 2 VL4, 1983, Sp. 223 f.; alle Texte, soweit nicht anders angegeben, bei HERVIEUX. V o l l v e r s i f i z i e r u n g e n : a) Poeta Astensis: 'Novus Avianus', Ausg.n: A. S. SPREITZHOFER, A. und die Folgen. Der N. A. des Poeta Astensis [...], Diss. Graz 1995; L. ZURLI, Astensis poetae N. A. [...] (Favolisti latini medievali 5), Genua 1994. b) 'Münchner N. A.', c) -» Hugo: 'Darmstädter N. A.', d) 'Venediger N. A.' (uned.; vgl. DICKE/

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GRUBMÜLLER, S. XXXII). e) Unvollst. Abschrift eines A. in gereimten Vierhebern in Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. Reg. lat. 1556, 13r-23r (uned.; Vgl. GUAGLIANONE, Ausg., S. L).

T e i l v e r s i f i z i e r u n g e n : a) Alexander Neckam ('N. A.'; Hss. bei R. W. HUNT, The Schools and the Cloister [...], Oxford 1984, S. 128f.). b) 'AntiAvianus'. c) Exzerpte in einer Pariser Flores-Hs., die auf einen '(Pariser) N. A.' zurückgehen könnten.

Die literar. Verarbeitung einzelner Stücke ist nicht zusammenhängend erschlossen. Soweit an den über die Register von MANITIUS, LG, und DICKE/GRUBMÜLLER zugänglichen Belegen zu erkennen, fand die Fabel vom Esel in der Löwenhaut (A 5) vor allen anderen Anklang. IV. D e u t s c h e R e z e p t i o n . 1. Das Werk wird in dt. Sprache nirgends vollständig erfaßt (dt. nicht rezipiert: A 39 f.) und als Quelle nur selten (-» Hugo v. Trimberg, 'Renner' v. 15568 [v. 9352 ohne direkten Fabelbezug]; -» Boner, 'Edelstein' 63,2), öfter erst in den umfangreichen Fabelkollektionen des 15. Jh.s (s. u. 5.) benannt. Im Einzelfall ist die breiter als A. in dt. Fabeln hineinwirkende und oft direkt benachbarte Romulus-Tradition (Überschneidungen mit den 'F.' in A 14, 16, 24, 30, 34, 37) als alternative oder, wie die lat. A.-Kommentare und Prosaifizierungen, als ergänzende Quelle zu beachten. Eine eigene volkssprachliche Tradition wird, wie in der dt. Rezeption der lat. Fabeln überhaupt, nur vereinzelt sichtbar. (Alle Stellennachweise zum Folgenden bei DICKE/GRUBMÜLLER.) 2. In den etablierten lat. Anwendungsbereichen von Predigt und Schule bleiben die 'F.' ohne nennenswerte dt. Rezeption. Ahd. werden die 'F.' nur ganz vereinzelt glossiert, s. R. BERGMANN, Verz. d. ahd. und äs. Glossenhss. (Arbeiten z. FrühMAforschung 6), 1973, Nr. 773, 832, 881 (Hss. des 9.-10. Jh.s mit 6, l und 100 Glossen; vgl. Ahd. GH., Bd. 2, S. 42-44). Dann wird erst wieder seit dem 14. Jh. deutsch glossiert, freilich relativ gesehen kaum häufiger als im Ahd. und systematisch nirgends, zudem keineswegs nur im Schulzusammenhang. Im Typ von den Epimythienanhängen der spätmal. Schulkommentare vorbereitet, werden in den 'Kopenhagener Epimythien' (geschrieben 1434) und zwischen 1488

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und 1498 in zwei 'Traditio morum'-Drucken einige avianische Sentenzen ins Nd. bzw. Md. übersetzt (vgl. HENKEL, S. 190 f. Anm. 25, S. 312-314). Einziger Predigtbeleg bis Geiler von Kaysersberg: A 18 in der -> 'Kölner Klosterpredigt' des Prior Rufus.

3. Von den verschiedenen Darbietungsformen, in die die Fabeln A.s im Deutschen eingepaßt werden, kommt das in Handlungsteil und dessen lehrhafte Ausdeutung geteilte selbständige Reimpaarbispel der lat. Vorlage am nächsten. In ihm werden sie vom ->· Stricker und in den verwandten Corpora der -* 'Wiener Kleinepikhs.' cod. 2705 und der die werlt überschriebenen Sammlung im Hausbuch -> Michaels de Leone (vgl. ->· Reimbispel-Sammlungen, 3.a) im 13. Jh. mit über einem Drittel ihres Bestands zuerst in größerem Umfang ins Deutsche übertragen und im 14. Jh. zu mehr als der Hälfte in die erste 'Gesamtausgabe' äsopischer Fabeln in hd. Sprache, den 'Edelstein' Boners, aufgenommen. (Das -» 'Karlsruher Fabelcorpus' steuert nur zwei Fabeln nach A. bei; vgl. für A 35 ferner H. NIEWÖHNER in PBB 65 [1942] 175181.) Von den beiden Aufbautypen des Reimpaarbispels folgen A.-Fabeln überwiegend dem der lat. Vorlage näherstehenden, der dem Handlungsteil durch generalisierende Erkenntnis gewonnene, sprichwortnah knapp formulierte allgemeine Erfahrungsregeln folgen läßt. Allein A 15 wird in Stricker-Hs. A Nr. 265 einmal zur Minnelehre herangezogen; vorwiegend führen A.-Fabeln, wie andere Fabeln antiker Tradition auch, praktische Lebenslehre vor (die Boner mit moralischen Ansprüchen zu vermitteln sucht); zudem dienen sie der Legitimierung und Verteidigung von Herrschaftsstrukturen.

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Frauenlob. Breiter ausgestaltet werden im 13. Jh. nur A4 in einem Strophenpaar des ->· Goldener, A 5 in der Almentweise des Stolle und A 35 im -»· 'Wartburgkrieg' (B.II.2.1.). Erst mit und seit ->· Heinrich von Mügeln — in Liebhard -» Eghenvelders Liederbuch (RSM ' / , ), der ->· 'Kolmarer Liederhs.' bzw. der 'Wiltener Hs.' (-+ Meisterliederhss., .7.; RSM 1 Stol/504ab,3), bei Michel -» Beheim und Jörg -> Schiller — werden auserzählte A.Fabeln häufiger. Genutzt werden sie für Herrenlehre, -mahnung und -preis, ordoDidaxe und Werbung um Herrengunst. Auffallend häufig wird A 5 ('Esel in der Löwenhaut'), dazu oft A3 ('Krebs und Kind') aufgegriffen.

5. Die 'F.' werden erst von den spätmal. Fabelkollektionen wieder in einem Umfang aufgenommen, der dem Stricker-Kreis und Boner erneut nahekommt und sie dann übertrifft. Der westnd. -»· 'Magdeburger Äsop' greift an seiner mnd. Vorlage (-*· Gerhard von Minden, 'Wolfenbütteler Äsop') vorbei auch ins Lat. zurück, so daß z. B. die 'Äffin vor Jupiter' in Nr. 40 sowohl nach dem dt. Romulus wie in Nr. 84 aus A. aufgenommen ist, der dazu den Nrn. 86-88, 93f., 98 und 100 zugrunde hegt. Der ostmd. -> 'Leipziger Äsop' bezieht ein Drittel seiner 90 Nrn. aus A. und A.-Kommentaren/Paraphrasen; die lat. Quellen heidenischer meistere (v. 17), die wie man sal met guthen seihen leben (v. 26) lehrten, bleiben bis in die Lehrschlüsse verbindlich. Der bair.-österr. -» 'Nürnberger ProsaÄsop' hebt sich durch Voranstellung der A.Fabeln, ihre fast vollständige Aufnahme und die (auch quantitative) Nachstellung der Fabeln aus der Romulus-Tradition von 4. Neben dem Reimpaarbispel begeg- den md.-nd. Sammlungen ab. Neu ist dazu nen avianische Fabeln relativ kontinuier- die aus der Übersetzung lat. Kommentarlich noch in der Sangspruchdichtung, wo paraphrasen (ohne identifizierbare Vorlage: sie bis ins 15.716. Jh. hinein, in den einzel- WRIGHT) gewonnene Prosa und die (lat. nen OEuvres aber nur gelegentlich und oft längst verbreitete) konsequente geistliche nur — die Kenntnis der Fabel beim Publi- Allegorese im Lehrteil. Größere Verbreikum voraussetzend — in Anspielung ver- tung gewinnt das Werk indes erst im Auswendet werden, so daß im Einzelfall auch schnitt von 27 Prosafabeln, die Heinrich andere Fabelquellen zu erwägen sind: -> Steinhöwel — unter Rückgriff auf die SchulWalther von der Vogelweide, ->· Reinmar tradition wie wahrscheinlich auf Boners von Zweter, -> Stolle, -»· Kanzler, -> 'Edelstein' — in seinem 'Esopus' erneut in

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dt. Prosa bringt (ÖICKE, S. 84-116). Dessen mnd. Bearbeitung im -» 'Magdeburger Prosa-Äsop' formt die Prosafabeln u. a. unter Heranziehung der 'Anonymi Avianicae Fabulae' noch einmal um und ergänzt systematisch geistliche Allegorese (ÜERENDORF, S. 181-228). Alles weitere erscheint vereinzelt. In den Liedgattungen außerhalb des Sangspruchs z. B. begegnet nur A 18 einmal: LILIENCRON, Hist. Volkslieder, Nr. 1; Schweizerische Volkslieder [...], hg. v. L.TOBLER (Bibl. älterer Schriftwerke der dt. Schweiz 4), Frauenfeld 1882, S. 5-8. Von den Sprüchen -» Freidanks, die Fabeln zur konstatierenden Sentenz ohne beweisende Handlung verkürzen (zusammenfassend GRUBMÜLLER, S. 229— 239), spielen zwei auf A 5 und 14 an, bei einem dritten steht vielleicht A3 im Hintergrund. (Zur weiteren Aufnahme der 'F.' ins Sprichwort s. allerdings die Verweise auf die Sammlungen von SEILER, SINGER und WANDER bei DICKE/GRUBMÜLLER zu A3, 5, 7 f., 11, 14, 16, 18, 27, 33f., 37.) In der Redendichtung erzählt nur der produktivste Gattungsvertreter, -»· Heinrich der Teichner, einige A.Fabeln (und gibt dann ausladende, den Lehrerfolg sichernde Auslegungen bei) oder spielt auf sie an. Im 'Renner' Hugos von Trimberg dringen A.s Fabeln in umfassendere Werkzusammenhänge ein. Einige 'Renner'-Fabeln, darunter auch avianische, werden dann im Wiener cod. 14452 in Prosa gebracht ('Hugo von Trimberg-Paraphrasen').

6. Isolierte Zitate und Berufungen sind selten (z. B. in der 'Minnelehre' ->· Johanns v. Konstanz, hg. v. F. E. SWEET, Paris, 1934, v. 2005-2013, und im 'Spiegel der Sitten' -> Albrechts v. Eyb, hg. v. G. KLECHA, 1989 [TspMA 34], S. 55). L i t e r a t u r . A. GUAGLIANONE, Corpus epimythiorum in Aviani fabulas inde a saec. 10 exarato-

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rum, Neapel 1959; L. HERVIEUX, Les fabulistes latins. Depuis le siecle d'Auguste jusqu'ä la fin du moyen äge, Paris 1893-99, Nachdr. HildesheimNew York 1970, Bd. 3; O. CRUSIUS, Avianus, in: PAULY/WISSOWA, Realencyclopädie d. class. Altertumswiss., Bd. 2,2, 1896, Sp. 2373-2378; W. A. OLDFATHER, A Fleury Text of A., Philological Quarterly 5 (1926) 22-28; MANITIUS, LG, s. Reg.; J. KÜPPERS, Die Fabeln A.s. Stud. z. Darstellung u. Erzählweise spätantiker Fabeldichtung, 1977; K. GRUBMÜLLER, Meister Esopus. Unters, zu Gesch. u. Funktion der Fabel im M A (MTU 56), 1977, s. Reg.; M. D. REEVE, Avianus, in: D. REYNOLDS (Hg.), Texts and Transmission. A Survey of the Latin Classics, Oxford 1983, S. 29-32; G. DiCKE/K. GRUBMÜLLER, Die Fabeln des MAs u. der frühen Neuzeit [...] (MMS 60), 1987; N. HENKEL, Dt. Übers, lat. Schultexte. Ihre Verbreitung u. Funktion im MA u. in der frühen Neuzeit (MTU 90), 1988, s. Reg.; J. KÜPPERS, Zu Eigenart u. Rezeptionsgesch. der antiken Fabeldichtung, in: Arbor amoena comis [...] hg. v. E. KÖNSGEN, 1990, S. 23—33; A. E. WRIGHT, The 'Nuremberg' 'Aesop' and its Sources, Diss. Princeton 1991; N. HOLZBERG, Die antike Fabel [...], 1993, S. 69-79 (S. 79 weitere Lit.); G. DICKE, Heinrich Steinhöwels 'Esopus' u. seine Fortsetzer. Unters, zu einem Bucherfolg der Frühdruckzeit (MTU 103), 1994; B. DERENDORF, Der Magdeburger ProsaÄsop [...] (Nd. Stud. 35), 1996; A. SUERBAUM, Litterae et mores. Zur Textgesch. der mal. A.-Kommentare, in: K. GRUBMÜLLER (Hg.), Schullit. im späten MA. Träger, Gebrauch, Vermittlung (MMS 69), 2000, S. 383-434; M. Baldzuhn, Unterrichtslektüre im Literarisierungsprozeß. Darbietungs- u. Distributionsformen, Überlieferungs- u. Textgesch. der Fabeln A.s (8. —16. Jh.), in Vorbereitung.

MICHAEL BALDZUHN Azecho von Worms Sammlung'

'Wormser Brief-

B sprachlichen Bearbeitungen zu dieser Hs. hin. Ein weiteres Indiz für die Verwendung Vgl. auch Meister -» Wichwolt. des Homiliars im weiteren ZusammenBd. l, Sp. 577 Überl.: Der Text in Heidelberg, r r hang der volkssprachlichen Laienuntercpg 172, 108 —132 , gehört nicht in diesen Zusamweisung ist der Eintrag von -»· 'Benediktmenhang, sondern ist die Fassung Johannes -> Hartliebs; vgl. auch -> 'Dindimus' Buch'. beurer Glauben und Beichte' in clm 4552, f. 150V. Babrios ->· Äsop (II.) [NB]; -> Avian [NB] Die Sammlung steht in einem noch näher zu klärenden Zusammenhang mit dem karolingischen Mondseer Homiliar (Wien, 'Bairisches Homiliar' cod. 1014). Sie enthält Predigten und KomIn 9 Hss. des 9. bis 15. Jh.s vorwiegend pilationen aus Homilien bekannter Autoaus dem bairischen Raum verbreitete lat. ren (-»· Ambrosius, -> Beda, -»· Gregor Sammlung von Homilien für die Sonntage d. Gr., -» Walahfrid Strabo), aber auch wedes Kirchenjahres (Sommer- und Winter- niger prominenter Verfasser wie Chromateil). Sie wurde wohl im 2. Viertel des tius von Aquileia. 9. Jh.s für den Gebrauch im Bistum AugsL i t e r a t u r . H. BARRE, L'Homeliaire carolingien burg oder Salzburg angelegt (BARRE, 1961, de Mondsee, Rev. Ben. 71 (1961) 71-107; ders., S. 85-91, und 1962, S. 25 f.). Les homeliaires carolingiens de l'ecole d'Auxerre Meister Babiloth [Korr.]

Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, SB, Msc. Patr. 156 (9./10. Jh.); Innsbruck, ÜB, cod. 56 (v. J. 1459); München, clm 3833 (9. Jh.); clm 4552 (12. Jh.); clm 19107/19108 (11. Jh.); Paris, Bibl. Nat., ms. lat. 17301 (9. Jh.); Reims, Bibl. mun., ms. 1407 (13. Jh.); Rom, Bibl. Vaticana, cod. Pal. lat. 431 (10./11. Jh.); Vercelli, Bibl. Capitolare, cod. CVIII (H. Jh.).

(Studi e testi 225), Citta del Vaticano 1962; H. U. SCHMID, Ahd. u. frühmhd. Bearbeitungen lat. Predigten des 'B. H.s' (Ahd. Predigtslg.n B, Nr. 2, 3 u. 4 u. C, Nr. l, 2 u. 3 Speculum Ecclesiae, Nr. 51, 52, 53 u. 56), 2 Teile (Regensburger Beitr. z. Sprach- u. Literaturwiss. 29/1,2), 1986.

A u s g a b e n . Das Homiliar ist als Ganzes unediert. Die Predigten des Chromatius von Aquileia liegen publiziert vor in: Chromatii Aquileiensis opera, hg. v. R. ETAIX / J. LEMARIE (CG 9A), 1974. Die Homilien, von denen dt. Bearbeitungen existieren, sind synoptisch mit diesen ediert v. SCHMID, 1986, Teil I, S. 8-61.

'Bairische Predigtsammlung des 13. Jh.s'

Einige Homilien liegen Stücken der 'Ahd. Predigtsammlung B' und 'C' (vgl. -> 'Althochdeutsche Predigtsammlungen A—C') und des -» 'Speculum ecclesiae deutsch' zugrunde. Einzelne Varianten in dem aus Tegernsee stammenden clm 19107/19108 deuten auf besondere Nähe der volks-

HANS ULRICH SCHMID

In Hss. des 14. und 15. Jh.s überlieferter Jahrgang von anonymen dt. Sonntagspredigten mit zusätzlich je einer Heiligenpredigt über St. Stephanus, Johannes den Täufer und den hl. Rupert. Die älteste (Nürnberger) Hs. enthält 55 Stücke, in den jüngeren Hss. sind insg. 12 weitere Predigten integriert. Ü b e r l i e f e r u n g (Bestand und Abfolge der Predigten variieren teilweise). Als reine Predigtsammlung: Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 40 (Mitte 15. Jh.); Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 4953

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Balther von Säckingen — 'Bamberger Legendär'

(Anf. 14. Jh.)· ~~ Als Bestandteil von -> Plenarien: Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 204 (15. Jh.; einleitend die beiden apologetischen Vorreden zum sog. -> 'Schlierbacher Alten Testament'; vgl. auch -> Österreichischer Bibelübersetzer [NB]); Wien, cod. 2912 (15. Jh.); ebd., cod. 14553 (15. Jh.). Predigtthemata, Inc., Expl. sowie Inhaltsbeschreibung aller Predigten mit T e x t a u s z ü g e n (nach der Nürnberger Hs.) bei SCHMID, S. 64—91.

V e r f a s s e r , D a t i e r u n g , Lokalisier u n g . Durchgehende Stilmerkmale lassen einen einzigen Verfasser vermuten, der nach eigenem Bekunden den armen pbaffen, also einem Bettelorden, angehört haben muß. Aufgrund von Anspielungen auf diverse historische Ereignisse (z. B. Ungarn- und Tatareneinfälle) kann die Abfassung ins späte 13. Jh. datiert werden. Eine präzisere Datierung ergibt sich daraus, daß der Prediger sagt, der Teufel kehre 1244 Jahre, nachdem Christus ihn in die Hölle verbannt hat, wieder auf die Erde zurück, und dieses Ereignis stehe unmittelbar bevor. Addiert man dazu 33, die Zahl der Lebensjahre Christi, so ergibt sich 1277 als ungefähres Datum der Abfassung. Die erste Predigt weist in der ältesten Hs. deutlich südbair. Dialektmerkmale auf, die ab Nr. 2 nahezu konsequent zugunsten mittelbair. Formen beseitigt sind. Die Vorlage kann also insgesamt südbair. Sprachstand aufgewiesen haben. Dies sowie die Tatsache, daß eine von nur drei Heiligenpredigten in der Sammlung dem hl. Rupert gewidmet ist, erlaubt wohl eine genauere Lokalisierung der verlorenen Originalsammlung im Salzburger Einflußbereich (SCHMID, S. 63 f.).

Quellen. Die Exegese der Evangelienperikopen bewegt sich weitgehend in traditionellen Bahnen und geht auf Autoritäten wie -> Beda, Haimo von Auxerre, -» Honorius Augustodunensis u. a. zurück. Eine Reihe von legendarischen Einschüben und eingeschalteten Exempeln mit den zugehörigen Allegoresen ist den Predigten des Odo von Cheriton (f 1247 oder 1248) entnommen, dessen Predigteingänge mehrmals sogar wörtlich (lat.) zitiert sind. Manches kann auch als Allgemeingut gelten: die Reihe der Lastervögel, die Erzäh-

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lung vom Einhorn und dem Mann im Abgrund mitsamt der zugehörigen allegorischen Deutung der Einzelheiten, ferner die -»· 'Fünfzehn Vorzeichen des Jüngsten Gerichts' oder die Antichrist-Prophezeiung. Für mehrere Sach- und Naturallegoresen ließen sich bisher keine Parallelen ermitteln. Weitere Quellenuntersuchungen müßten klären, ob solche Textpartien auf den Prediger selbst zurückgehen. Denn mit Sicherheit hat der Verfasser auch Eigenes einfließen lassen, etwa dann, wenn er in mehreren Fällen zu Fragen von Moral und religiöser Alltagspraxis in der ich-form Stellung nimmt. Zeit- und Sittenkritik sind in ihrer Schärfe durchaus der -> Bertholds von Regensburg an die Seite zu stellen. L i t e r a t u r . L. HERVIEUX, Les fabulistes latins. Depuis le siecle d'Auguste jusqu'ä la fin du moyen äge, Bd. 4: Eudes de Cheriton et ses derives, Paris 1896; H. U. SCHMID, Eine bairische Predigtslg. des späten 13. Jh.s, in: V. MERTENS / H.-J. SCHIEWER (Hgg.), Die dt. Predigt im MA, 1992, S. 55-91.

HANS ULRICH SCHMID Balther von Säckingen [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 591, Z. l f.: "Karlsruhe, Landesarch., cod. 361" korr.: ..., Generallandesarch., Hs. 65/ 429. Ebd., letzter Absatz: "cod 240 ... der Stiftsbibl. Einsiedeln" korr.: ... der Stiftsbibl. Engelberg. Sp. 592 zu Lit. ergänze: B. WIDMER, Die Vita d. hl. Fridolin, Jb. d. Hist. Ver. d. Kantons Glarus 65 (1974) 100-191 (hist. Kommentar u. Text der 'Vita' nach der Ausg. in MGH, mit nhd. Übers.).

'Bamberger Blutsegen' [Korr.] Bd. l, Sp. 593 Z. 7: "Misc. Med. 6" korr.: Msc. Med. 6.

'Bamberger Legendär' Das 'B. L.' ist ein nur frgm. überliefertes Prosalegendar aus dem Ende des 14. oder Beginn des 15. Jh.s und stellt die Vorstufe von 'Der -> Heiligen Leben' dar. Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, Staatsarchiv, Rep. A 246, Nr. 28, Standbücher Nr. 1364 u. Nr. 4801 (4 (letztere Frgm.e sind nicht abgelöst; insgesamt mindestens 12 Legenden); Berlin, mgf 825 (Heinrich-Legende); Innsbruck, ÜB, cod. 631, 254 r —

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'Bamberger mathematisches Manuskript'

271r (Gregorius auf dem Stein); Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 42580 (Allerheiligen). A u s g a b e n . BÜTTNER, S. 40- -53 (Bamberger Hs.); J. ZACHER, Bruchstücke aus der Slg. des Freiherrn von Hardenberg, ZfdPh 11 (1880) 420-423 (Nürnberger Hs.); B. PLATE (Hg, ), Gregorius auf dem Stein. Frnhd. Prosa (15. Jh.) nach dem mhd. Versepos Hartmanns von Aue (Texte zur Forschung 39), 1983 (Innsbrucker Hs.); WILLIAMSKRAPP, S. 52-54 (Berliner Hs.).

Das wie 'Der Heiligen Leben' höchstwahrscheinlich im Nürnberger Dominikanerkloster entstandene Werk enthält ausschließlich Prosaauflösungen, vor allem aus dem -> 'Passional' und dem -> 'Buch der Märtyrer'. Ferner dürften die als Einzeltexte überlieferten Prosifizierungen von -> Hartmanns von Aue 'Gregorius' und -» Ebernands von Erfurt 'Heinrich und Kunigunde' dazugehört haben. Nur die Quelle der Legende des Nürnberger Stadtpatrons -»· 'Sebald' ist nicht zu klären; es könnte sich aber auch hier um einen Verstext gehandelt haben. Die Texte des 'B. L.' weisen bisweilen größere Nähe zu den jeweiligen Versquellen auf als ihre Entsprechung in 'Der Heiligen Leben' und besitzen daher textgeschichtliche Priorität. Auffallend ist zudem, daß die Legenden in den Bamberger Fragmenten nicht durchgehend kalendarisch, sondern nach Maßgabe von mindestens zwei großen Quellenblöcken organisiert sind. Der erste Block bestand aus Prosaauflösungen sämtlicher für 'Der Heiligen Leben' vorgesehener Legenden des 'Passionals' in der kalendarischen Reihenfolge dieses Legendars; es folgt sodann als zweiter Block die in 'Der Heiligen Leben' verwerteten Legenden aus dem 'Buch der Märtyrer' ohne direkten kalendarischen Anschluß an den 'Passional'-Block. Es ist daher davon auszugehen, daß das 'B. L.' nur als erste Materialbereitstellung für das bald danach in Angriff genommene Legendär 'Der Heiligen Leben' zu werten ist und nur kurzfristig zur Abschrift freigegeben wurde. L i t e r a t u r . E. BÜTTNER, Fragmente eines ProsaLegendars im Staatsarchiv Bamberg, ZfdA 119 (1990) 37-60; W. WILLIAMS-KRAPP, Das 'B. L.': eine Vorarbeit zu 'Der Heiligen Leben', ZfdA 123 (1994) 45-54; M. BRAND et al. (Hgg.), Der Heili-

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gen Leben, Bd. I: Der Sommerteil (TTG 44), 1996, S. XXXIII f. (Bd. II: Der Winterteil erscheint 2000).

WERNER WILLIAMS-KRAPP 'Bamberger Malerbüchlein' -» 'Mischung aller Farben' 'Bamberger mathematisches Manuskript' Spätmal. Rechenbuch mit Aufgaben aus dem Umfeld Nürnberger kaufmännischen Rechnens. Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, SB, ohne Sign, (aufbewahrt im Schuber Inc. typ. Ic I 44), 120 Bll. (die letzten 10 verloren), ausgehendes 15. Jh., ostfrk.nürnbergisch; bis 1959 dem -» 'Bamberger Rechenbuch (Blockbuch)' [NB] beigebunden. Geschrieben wohl von nur einem Schreiber, möglicherweise als Vorbereitung für eine Drucklegung. Ein entsprechender Wiegendruck hat sich freilich nicht nachweisen lassen. Der wiederholt zu beobachtende Federwechsel zu Lagenbeginn läßt indessen auch an eine Fertigung des Kodex nach dem (für Deutschland freilich nur selten belegten) Pecien-Verfahren denken. A u s g a b e . E. SCHRÖDER, Ein mathematisches Ms. aus dem 15. Jh.: SB Bamberg, Hs. aus Inc. typ. Ic I 44 (Algorismus 16) (Münchener Universitätsschr.n), 1995, S. 11-228 Faks., S. 231-335 neudt. Umschrift (bzw. Übersetzung der lat. Partien).

1. Umfangreichste Sammlung dt.sprachiger Rechen-Aufgaben, die aus dem MA erhalten ist. Von zunächst etwa 415 Exempeln sind 384 im Volltext, die restlichen wegen Herausreißens der endständigen Blätter nur fragmentarisch erhalten. 8% der Rechenbeispiele liegen — ganz oder teilweise — in lat. Formulierung vor; einige Aufgaben bieten Einleitungstexte und ausführliche Berechnungsvorschriften. 2. Die Aufgaben-Sammlung ist zwei bis drei Jahrzehnte vor der Niederschrift zusammengestellt worden. Textinterne Merkmale (Währungs-Relationen) erlauben es, den Zeitpunkt der Redaktion auf die Jahre um 1460 einzugrenzen. Als gesichert gilt, daß der Text aus mehreren Sondersammlungen zusammengesetzt wurde, die sich als mehr oder weniger konturierte Segmente noch darstellen lassen. Dies gilt insbesondere für den Eingangsabschnitt (c. l —225[—235]), der mit der Algebra be-

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'Bamberger Rechenbuch (Blockbuch)'

ginnt, die Schreibung gebrochener Zahlen lehrt und dann vorführt, wie Brüche addiert, subtrahiert, multipliziert, mediiert, dupliert und dividiert werden. Dann kommt als textbeherrschendes Thema die Dreisatzrechnung, auf die der Autor zunächst in kurzer Erläuterung der Regeldetri eingeht, um dann von der Ganzzahligkeit weg zur Vorgabe von Brüchen weiterzuschreiten, mit gemischten Zahlen und der Verrechnung von Maßund Währungseinheiten den Schwierigkeitsgrad zu steigern und bis zur Bewältigung komplexer Aufgaben beim Metallguß sowie der Erbteilung vorzustoßen. Beachtung verdienen die Beispiele, ohne erkennbaren Aufschlag allein durch Rechenmanipulationen Gewinne zu erzielen, und bemerkenswert sind die Beiträge, die der Autor — offensichtlich ein Rechenmeister — zu den arithmetischen und geometrischen Zahlenfolgen leistet einschließlich der Vorschriften zur reihenspezifischen Summation. Die den Rechnungen zugrundeliegenden Münz- und Maßsysteme sind tabellarisch aufgelistet; Aufgaben zum Ringern und Mehren, d. h. Umrechnen auf kleinere oder größere Einheiten schließen sich an. Nach Erläuterung des Positionssystems für dekadische Zahlendarstellung endet das Eingangssegment mit dem Kolophon E. Finis. K. (wohl die Initialen des Autors oder Schreibers).

Die folgenden Segmente sind weniger scharf abgegrenzt. Aus der Vielzahl der Aufgaben heben sich heraus: die Beispiele zum Handel am Stich (Warentausch mit Zahlungsausgleich, c. 236—240), die sich anschließenden zwölf Mischungs- und Teilungsaufgaben, die beiden reziproken Beziehungen (c. 274 f.), die Anwendungen von Kreis-Quadratur und -Rektifikation (c. 315, 319, 343, jeweils mit = ) und die homogenen linearen Gleichungssysteme mit zwei Gleichungen bei zwei Unbekannten, drei Gleichungen mit vier Unbekannten und schließlich zwei Gleichungen mit drei Unbekannten (wobei letztere Problemstellung nur unbestimmt lösbar ist: c. [225], 301, 329, 362). 3. Das 'B. m. M.' stammt aus der Welt des großstädtischen Kaufmanns. Neben dem Handel, den Waren- und Geldströmen wird die Arbeitszeit- und Lohnberechnung, die Beteiligung an Gesellschaften und Verlagen, die Arbeitsleistung von Maurern sichtbar, aber auch Rate- und Gesellschaftsspiele. Die formal und inhaltlich mit dem ->· 1gorismus Ratisbonensis' (vgl. auch Korr. im NB und ->· Fridericus [NB]) übereinstim-

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menden Aufgaben (Practica-Schlußsegment) machen nur etwa ein Fünftel aus. Die Korrespondenzen mit dem ->· 'Bamberger Rechenbuch von 1483' dürften in der Regel aus der Quellengemeinschaft erklärbar sein. L i t e r a t u r . Das Bamberger Blockbuch, Inc. typ. Ic I 44 der SB Bamberg. Ein xylograph. Rechenbuch aus dem 15. Jh., hg. v. K. VOGEL [u. B. SCHEMMEL] (Veröff. d. Forschungsinstituts d. Dt. Museums f. d. Gesch. d. Naturwiss. u. d. Technik/B [18]), 1980, S. 38,42, 55, 62 f. u. ö.

G. KEIL 'Bamberger Rechenbuch (Blockbuch)' ('Regula von drey') Xylographischer, beidseitig bedruckter Billigdruck mit einfachen Musterbeispielen für kaufmännisches Rechnen, verfaßt und geschnitten zwischen 1471 und 1482, wahrscheinlich in Nürnberg. Ü b e r l i e f e r u n g . Ex.: Bamberg, SB, Inc. typ. Ic I 44: Erhalten sind in einem fehlgebundenen Stück zwei Exemplare, von denen das besser gedruckte ein Doppelblatt verloren hat, das schlechter abgezogene aus nur einem von ursprünglich sieben Doppelbll. besteht. Der Textverlust beläuft sich auf vier von insgesamt 24 S. Dem Blockdruck war bis 1959 das -> 'Bamberger mathematische Manuskript' [NB] beigebunden. Beide Texte wurden Ende der 50er Jahre durch K. Vogel entdeckt. A u s g a b e . Das Bamberger Blockbuch, Inc. typ. Ic I 44 d. SB Bamberg. Ein xylograph. Rechenbuch aus dem 15. Jh., hg. v. K. VOGEL [u. B. SCHEMMEL] (Veröff. d. Forschungsinstituts d. Dt. Museums f.d. Gesch. d. Naturwiss. u. d. Technik/B [18]), 1980, S. 8-33 Faks., S. 52-84 Text.

1. Umschlossen von 'nützlichen Tabellen' (Einmaleins, Umrechnungen für Maßund Währungseinheiten) bietet das 'B. R. (B.)' zwei Aufgabensammlungen, die durch eine Anweisung für Dreisatzrechnung nebst Probe eingeleitet werden. Es handelt sich um einfache Preisberechnungen, die teilweise unter der Überschrift Vonn allerley kaufschlag rangieren, häufig litaneiartig mit Item einer kauft beginnen, unterschiedliche Waren und Kaufvorgänge behandeln, Tara- sowie Fusti-Gewichte berücksichtigen, Gewinnberechnung einbeziehen und in einer schlichten Gesellschaftsrechnung enden. Den höchsten

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'Bamberger Rechenbuch 1483' — 'Von den Barfüßermönchen'

Komplexitätsgrad bieten Währungskonvertierungen mit Goldpreisberechnung. 2. Da der Autor nur (übrigens stets richtige) Ergebnisse anbietet, ohne zu sagen, wie er zu seinen Lösungen kam, läßt sich nicht entscheiden, ob er nach dem To//eiverfahren rechnete oder schon die indisch-arabischen Rechenmethoden anwandte. Auf jeden Fall steht er in der Regensburger (lombardischen) Tradition, wie sie das -> 'Runtingerbuch' repräsentiert und wie sie im Practica-Tei\ des ->· 'Algorismus Ratisbonensis' [Bd. l u. NB] zum Ausdruck kommt; direkte Abhängigkeit läßt sich jedoch nicht nachweisen. 3. Nachweisen läßt sich hingegen eine weitreichende Wirkung, die sich in unmittelbarem Einfluß auf spätere Rechenmeister niederschlägt: auf Ulrich -> Wagner, der jedoch nicht der Autor des 'B. R. (B.)' ist (gegen SCHRÖDER, 1988), und Johann -» Widmann von Eger, der nicht nur einzelne Aufgabenbeispiele übernahm, sondern das Blockbuch streckenweise auch als Kompilations-Leittext benutzte. Mit dem 'Bamberger mathematischen Manuskript' bestehen keine textlichen Übereinstimmungen. 4. Was den Autor betrifft, so wird man zunächst an einen Rechenmeister denken. Das Ausgliedern von Warentausch, Zinsund Terminrechnungen und das Fehlen der gängigen Scherzaufgaben sollte indessen erlauben, hinsichtlich der Herkunft auch den kaufmännischen Wanderhandel ins Auge zu fassen und den Urheber im Kreis von Handlungsdienern oder (Gelegenheits-)Gesellschaftern zu suchen. Auf deren Rechenbedarf 'über Land' jedenfalls ist das taschenbuch-formatige xylographische Werklein zugeschnitten. L i t e r a t u r . E. SCHRÖDER, Nachwort zu: U. Wagner [!], Das Bamberger Rechenbuch von 1483, 1988, S. 291-310; ders. (Hg.), 1995 (s. -» 'Bamberger math. Ms.'), S. 350-360.

G. KEIL 'Bamberger Rechenbuch 1483' [Korr.] Bd. l, Sp. 599 zu Lit.: Die angekündigte Arbeit von M. Zimmermann ist nicht erschienen.

Bansleben, Hermann derblut' (II. A. 2.)

'Wilsnacker Wun-

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'Barbara' [Nachtr./Korr.] Bd. l, Sp. 601 — 603 ergänze: Insg. 21 eigenständige dt. Fassungen der Legende neben 11 Legendarfassungen verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 394 f. Sp. 601 Z. 5 f.: "Dessau, ÜB u. LB, Hs. Georg, quart. 4" korr.: Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Hs. Georg. 24.8° (olim Georg. 4°,4).

Barfüßer-Lesemeister [Korr.] Bd. l, Sp. 605, Z. 7f.: "Kassel, LB, cod. theol. 11" korr.: ...,4° Ms. theol. 11.

Barfüßer vom Main -> Mönch vom M. 'Von den Barfüßermönchen' Satirische Reimpaarrede, 14. oder Anfang 15. Jh., 168 vv. Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. Don. 104 (- 'Liedersaal-Hs.'), 228r-229r (neue Zählung = 237-238 alt). A u s g a b e . Liedersaal, Bd. 3, S. 389-395.

Das Gedicht, sprachlich nicht ganz einfach, auch teilweise fehlerhaft überliefert, greift die barfuessen pfaffen an, die gegen den Willen ihres Ordensgründers Franziskus den rechten Glauben verkehren. Sie nehmen Geld aus Wucher, fürkouff, Raub und Diebstahl gern an und bestatten die Spender bei ihrem Altar. Wer sich an sie statt an seine Pfarrkirche hält, lädt Fluch auf seine Seele. Vor allem üben sie schlechten Einfluß auf die Frauen aus, die bei ihnen beichten: Wenn eine Frau und ihr Ehemann sich recht und natürlich ... haimlich verainent, soll die Frau anschließend als Buße für ihre lust zwei Pfennige als regel gelt in ein Büchslein sammeln. An dieser Stelle geht das Gedicht in szenische Schilderung über: Die Frau läutet an der Klosterpforte, der Pförtner holt Bruder Beringer, der gerade seine Beine gepflegt hat. Dieser führt sie zu einer Bank und hört ihre Beichte. Sie schüttet ihm das Geld, das er nicht anfassen soll, in den Kuttenzipfel, und wenn er am Gewicht spürt, daß es sich lohnt, ermahnt er sie, nur fleißig weiter zu sammeln. Nachdem er sie entlassen hat,

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'Barlaam und Josaphat'

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ziehen die Brüder paarweise ins Haus ge3. Sog. 'Zürcher Barlaam', nur frgm. genüber, trinken dort gewürzten Wein, und erhalten (432 vv.). jeder geht mit ainer zu bett. Dabei beweÜ b e r l i e f e r u n g . 2 Frgm.e aus derselben Hs. gen sich ihre Kuttenzipfel so heftig, daß (13. Jh.): Berlin, mgf 923 Nr. 2 (2 Perg.streifen; das Geld herausfällt. Aber wenn dann zur vgl. W. SCHEEL, Die Berliner Sammelmappe dt. nächsten Höre geläutet wird, schreiten alle Frgm.e, in: Fg. für K. Weinhold [Ges. f. Dt. Philowieder paarweise ins Kloster und wollen logie, Festschriften 12], Leipzig 1896, S. 31-90, heilig sein. Epimythion: Wer den Minder- hier S. 33 f.); Zürich, Zentralbibl., Ms. C 79 c, brüdern sein Geld anvertraut, handelt wie 5 ra ~ vb , 6 ra - vb (Perg.doppelbl.). einer, der seine Ziege in den Wald führt, A u s g a b e n . F. PFEIFFER, Zu B. u. J., ZfdA l um sie vor dem Wolf zu schützen. (1841) 126-135 (Zürcher Frgm.; 336 vv.); ders., B. WACHINGER Zu B., WSB41 (Wien 1863) 313-327, Text S. 317-319 (Berliner Frgm.; 96 vv.).

'Barlaam und Josaphat' Anonyme dt. Fassungen der Legende. Die christlich-griechische Adaptation der ursprünglich buddhistischen Legende über das Leben Siddhartas, die Johannes Damascenus (8. Jh.) zugeschrieben wird, nutzt die Erzählung vom bekehrten Königssohn loasaph (Josaphat) als Einkleidung für die Darstellung christlicher Dogmatik und Katechese. Sie wurde im Abendland in mehreren lat. Versionen tradiert (vgl. BHL Novum Supplementum, ed. H. FROS, Brüssel 1986, Nrn. 979982p). Die meisten der zahlreichen volkssprachlichen Bearbeitungen Westeuropas basieren auf einer von drei Versionen: der sog. Vulgata-Version (älteste Hs.: 12. Jh.; 'Liber gestorum Barlaam et losaphat', Erstdruck [Speyer, ca. 1472], GW 3396); oder einer der beiden gekürzten Versionen, die im Rahmen umfassenderer Werke des 13. Jh.s erscheinen: -» Vinzenz von Beauvais, 'Speculum historiale' (Druck Douai 1624, Nachdr. Graz 1965, tom. 4, üb. 15, S. 578-604 [c. 1-64]); und -> Jacobus a Voragine, 'Legenda aurea' (ed. GRAESSE, 1890, S. 811-823 Nr. CLXXX).

Bair. Reimpaarbearbeitung. Erhalten sind Passagen (z. T. ausführlicher als die entsprechenden bei Rudolf) um den vom König Avennir angeordneten Religionsdisput (Berlin), ferner der Besuch Josafats bei seinem Vater, dessen Bekehrung und Taufe (Zürich, Bl. 5), J.s Einkehr bei einem armen Mann auf seiner Suche nach Barlam und der Beginn seiner Anfechtungen in der Wüste durch den tievel (Bl. 6). Vgl. PERI, S. 58-60. II. P r o s a f a s s u n g e n . 1. Nach dem Verzeichnis bei WILLIAMSKRAPP existieren fünf in ndl. und dt. Legendare integrierte Fassungen. Die 'BJ'-Legende aus 'Der -> Heiligen Leben' wird außerdem in die 'Nürnberger Bearbeitung' der 'Alem. -* Vitaspatrum' (II.I.e.) übernommen. 2. Eine weitere 'BJ'-Legende findet sich in einer Hs. der 'Kölner Vitaspatrumsammlung' (Köln, Hist. Archiv der Stadt, GB8°7, l r -60 v ; ripuar., ca. 1447; WILLIAMS-KRAPP, Nr. 2; vgl. W. HOFFMANN, Ndjb 116 [1993] 72-108, hier S. 92 u. 106).

Die altjiddische Erzählung -> 'Ben ha-melech 3. Übersetzungen von Vinzenz von weha-nosir' (2. H. 15. Jh.) basiert nicht auf der Beauvais, 'Speculum historiale'. abendländischen Tradition der Buddhalegende, sondern auf einer eigenen orientalischen, deren a. Obd. Druckfassung: 'Die hystori JoWeg über das Arabische und Hebräische ins Jiddisaphat und Barlaam'. sche führt. (Die von Dreesen, 2 VL Bd. l, Sp. 686, Ü b e r l i e f e r u n g . 2 illustrierte Drucke: [Augsangekündigte Ausgabe ist bislang nicht erschieburg, Günther Zainer, ca. 1476], 98 Bll.; [Augsnen.) burg, Anton Sorg, ca. 1480], 97 Bll. (GW 3398 u. I. V e r s d i c h t u n g e n . 3399; OTT, Nr. 12.3a.3b). - Wohl Druckabschrift: Berlin, mgq 1147, 150 Bll. (moselfrk., aus dem Be1. -» Otto II. von Freising. nediktinerinnenkloster Marienberg in Boppard, 2. -» Rudolf von Ems. v. J. 1478); vgl. CALOMINO, S. 8 f.

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'Barlaam und Josaphat'

Inc. von c. 1: £5 schreibet der hoch lerer vnd meyster der histori Damascenus in seinem buch der geschieht das nach der geburd vnsers herren Jhesu Christi dreihundert vnd achtzig jar [...] ist gewesen ein großmächtiger vnd fürsichtiger künig jn dem künigkreijch India mit namen Avennir ... Der bisher kaum untersuchte Text ist eine vollständige Übersetzung der 'BJ'Legende aus Vinzenz' von Beauvais 'Speculum historiale'. Die ihrer Vorlage entsprechend in 64 Kapitel eingeteilte 'Hystori' wird in der Vorrede auch als cronica und buch der heyligen christenlichen lere bezeichnet; dem Nachwort zufolge ist die Erzählung von der radikalen Weltabkehr und Askese des Protagonisten einem yeglichen cristenmenschen gut vnd heylsam ze lesen. b. Mndl. Übersetzung (3 Hss. bei WILLIAMS-KRAPP, Nr. 1). 4. Prosafassungen von Rudolfs von Ems Versepos. Die beiden Prosafassungen sind voneinander unabhängig; abgesehen von den sprachlichen Unterschieden im einzelnen treten auch Raffungen an je verschiedenen Stellen auf. Die wichtigsten Kürzungen gegenüber Rudolf entsprechen aber in beiden Fällen i. w. dessen Zusätzen gegenüber seiner lat. Quelle (Prolog, Epilog, Apologie der Frauen/Dialog des Dichters mit seinem Herzen). Zu erwägen ist daher, ob den Bearbeitern neben ihrer dt. Versvorlage auch der lat. Vulgatatext zur Verfügung stand.

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traggeber, wohl aber die ursprüngliche griechische Quelle, Damascenus. Sie schließt zumeist sehr eng, beinahe Vers für Vers, an Rudolfs Werk an; bisweilen läßt sie noch die Verse der Vorlage erkennen. Durch die Kürzungen der Hauptzusätze Rudolfs verschiebt sich auf der inhaltlichen Ebene Rudolfs Balance zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und aszetischen Idealen hin zu einer noch stärkeren Dominanz der religiösen Werte. Aber auch bei Barlaams Erzählung von AT und NT werden über 1000 vv. Rudolfs übersprungen; kürzende Zusammenfassungen sind auch in der Sündenlehre und bei den Gleichniserzählungen anzutreffen; hierfür könnten den Rezipienten andere Quellen zur Verfügung gestanden haben. Die Bibelzitate sind teilweise mit lat. Incipits versehen. Einzelne Wörter werden modernisiert (gotes wigant: kempfe gottes). b. Berliner Fassung. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 1259, lr-73r (schwäb., aus dem Klarissenkloster Söflingen, dat. 1493). A u s g a b e . CALOMINO, S. 43-125.

Inc. [...] Es was hie vor jn India ein küng weiß nach der weit. Mit fugenden sach man sein lob dringen ... (Textbeginn entspricht Rudolf, v. 197). Die straffende Prosabearbeitung wurde ebenfalls für ein monastisches Publikum konzipiert. Rudolf wird nicht genannt, wohl aber wird dessen Auftraggeber, der Abt des Zisterzienserklosters Kappel, zweimal erwähnt (am vera. Stuttgarter Fassung. derbten Beginn des Textes wird dieser mit Johannes von Damaskus gleichgesetzt). Ü b e r l i e f e r u n g . Stuttgart, LB, cod. theol. et phil. 4° 81, 132r-218r (schwäb., aus dem Domini- Dieser zweite Prosatext folgt zwar seiner kanerinnenkloster Reutin, um 1479; vgl. P. MAU, Versvorlage z. T. auch wörtlich, er überGydo u. Thyrus, Diss. Jena 1909, S. 20 f., 27 f.; M. springt aber häufig kürzere Versgruppen CURSCHMANN, ZfdPh 86 [1967] 22-56, hier und faßt sie in eigenen Formulierungen zuS. 30 f.). sammen. Neben den größeren Zusätzen Nicht ediert. Rudolfs wird auch sein Kommentar zu den Inc. [...] Hier vor in der zijt der gnaden biblischen Gleichnissen zurückgenommen. do got den dot in der menscheit hat gelit- Diese selbst (Geschichte von Lazarus, den ten (entspricht Rudolf, v. 165ff. [...] Nu klugen/törichten Jungfrauen, vom verlorewas in den selben zijten in India ein König nen Sohn u. a.) werden (unter Rückgriff der da gar an der weit pryse sin gemüte vielleicht auf eine dt. Bibelübersetzung) kert ... Die Prosaauflösung, wohl für Non- dem biblischen Text angenähert. Es finden nen erstellt, nennt weder Autor noch Auf- sich aber auch vereinzelte Erweiterungen

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Barlierer, Johannes — Bart, Konrad

seitens des Prosabearbeiters (vgl. die Nachweise bei CALOMINO, S. 141—205). Literatur. H. PERI (PFLAUM), Der Religionsdisput der Barlaam-Legende, ein Motiv abendländ. Dichtung (Acta Salmanticensia. Filosofia y Letras, tom. XIV, no. 3), Salamanca 1959, S. 57-67, 256—258 (zu den Versfassungen); W. WILLIAMSKRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG20), 1986, Reg. S. 395 f.; S. CALOMINO, From Verse to Prose: The B. and J. Legend in Fifteenth-Century Germany (Scripta Humanistica 63), Potomac, Maryland 1990 (zu IIAb.; Lit.); N. H. OTT, B. u. J., in: Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. des MAs, Bd. 2, 1996, S. 5-21 Nr. 12.

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Barlierer, Johannes 1. Geb. in Esslingen am Neckar um 1431, gest. bald nach 7. 12. 1481. B. war vermutlich Sohn eines Esslinger Barlierers, d. h. eines städtischen Baumeisters der dortigen Frauenkirche, und zwar des Hans Hülin (Barlierer 1423-1436). 1448 war er als Johannes Barlierer de Esslingen an der Univ. Heidelberg immatrikuliert, wurde dort Bacc. art. 1451, Lie. in art. 1452 und Dekan der Artistenfakultät 1461. Danach studierte er kanonisches Recht in Pavia (dort Lie. iur. can. 1470 und am 15. 6. 1479 Dr. iur. can.). B. war 1472, wohl schon als Esslinger Stadtschreiber, einer der bevollmächtigten Vertreter der Stadt Esslingen für die mit dem Trierer Vertrag vom 31. 12. 1472 abgeschlossenen Verhandlungen mit Graf Ulrich V. von Württemberg (er wird in der Liste der sechs Esslinger Bevollmächtigten an zweiter Stelle hinter dem Bürgermeister und als einziger Akademiker genannt); bezeugt ist er als Stadtschreiber von Esslingen 1474—1476 (zuvor sind in diesem Amt 1469 Hans Neiffer, danach 1494 Dr. Wendel Dürr genannt). Er erhielt am 11. 1. 1481 in Esslingen einen Pfahlbürgerbrief mit reduzierter Steuerfestsetzung (u. a. sollten seine Bücher, die er zur Ausübung seines Doctoratz brauche, steuerfrei sein; Aufgabe seiner städtischen Ämter sowie Wegzug werden ihm gestattet). Kurz danach wird er zuletzt als Beisitzer des württembergischen Hofgerichts in Stuttgart am

7. 12. 1481 erwähnt. Er führte ein redendes Wappen mit Bezug auf seinen Zunamen, im Schild einen abgewinkelten Arm mit einem Hammer in der Hand. Zur Biographie s. LUDWIG, S. 100—102. 2. B. übersetzte die Schrift 'Arbor consanguinitatis' des Johannes -> Andreae ins Deutsche. Die frühere Zuschreibung dieser Übersetzung an ->· Niklas von Wyle wurde von F. J. WORSTBROCK, 2VL 6, Sp. 1032, mit Recht abgewiesen, der sie statt dessen 'einem [sc. Esslinger Stadtschreiber] des Jahres 1474' zuwies. Dies war nur J. B., den sein Studium des kanonischen Rechts für die Übersetzung qualifizierte. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck Augsburg, J. Bämler 1474 (GW 1718) mit dieser Angabe auf dem Titelblatt: ... ist in dem buch begriffen der bäum der syppschafft, der von dem statscbreyber von Eßlingen erst noch ostern im LXXHI1 jare zu Auspurg in teutsch pracht ist. Ein weiterer undatierter Druck: Augsburg, Günther Zainer, lt. GW 'nicht nach 1474' (GW 1717), enthält dieselbe Übersetzung, jedoch entstellt durch eine Satzumstellung am Anfang, durch die Andreae selbst auch zum Verfasser der dt. Übersetzung gemacht wird, sowie durch 11 sinnwidrige Auslassungen von 1—6 Worten und eine Wiederholung von 2 Worten innerhalb des Textes. Eis, S. 20—23, nimmt, ohne die Angabe über den Esslinger Stadtschreiber bei Bämler zu berücksichtigen, an, die Ausgabe Zainers sei die frühere und ihr fehlerhafter Text sei für die Ausgabe Bämlers nach unbekannten lat. oder dt. Hss. vom Setzer verbessert worden. Ein Vergleich der Abweichungen der beiden Fassungen ergibt jedoch eindeutig, daß die Ausgabe Zainers ein fehlerhafter und orthographisch etwas veränderter Abdruck der Bämlerschen Ausgabe gewesen ist. — Die Hss. München, cgm 601, und Karlsruhe, LB, cod. St. Georgen 71, die dieselbe Übersetzung enthalten, sind, wie Eis, S. 23—29, nachweist, Abschriften der Ausgabe Bämlers. Ausgabe. Eis, S. 146-155. L i t e r a t u r . H. Eis, Zur Rezeption der kanonischen Verwandtschaftsbäume Johannes Andreaes. Unters, u. Texte, Jur. Diss. Heidelberg 1965; W. LUDWIG, Südwestdt. Studenten in Pavia 1451 — 1500, Zs. f. Württemberg. Landesgesch. 48 (1989) 97-111.

WALTHER LUDWIG Bart, Konrad [Korr.] Bd. l, Sp. 606 Z. 2 von unten: "Wien, Schottenkloster, cod. 115 (früher 51.d.4)" korr.: ..., cod. 126 (Kat. Nr. 115).

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'Bartholomäus' — 'Basler Annalen'

Ebd., Z. 11 von unten: "Bamberg, SB, cod. Q IV 18" korr.: ..., Msc. Theol. 126 (olim Q III 28) [sie!].

'Bartholomäus' (Legende!) (Karmeliter)

-»· Erasmus

Vgl. außerdem: Insg. 6 eigenständige Prosafassungen der 'B.'-Legende neben zahlreichen Legendarfassungen verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 396.

Bartholomäus [Korr.] Bd. l, Sp. 615 Z. 15f. korr.: ... nach 1527 geschrieben von Schwester Katharina -> Gurdelers.

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von Beinheim; Sigle Bh); Basel, ÜB, cod. A IV 14 (Berlingers Zusätze zu einem Etterlin-Druck; Sigle E); Basel, ÜB, Ki.-Ar. Mscr. 67, 14-16, 29, 30V (geschrieben von Bürgermeister Adelberg Meyer um 1543; Sigle M); Bern, Burgerbibl., Ms. h. h. VI 63 (7) (nur Notiz von Christian Wurstisen zu 1378; Sigle W); Basel, ÜB, VB Mscr. S 2 (Chronik von Konrad Schnitt um 1537; Sigle S). 'Kl. B. A.': Basel, ÜB, cod. H V 11 (wohl 1. V. 15. Jh.) 'Sp. B. A.': Basel, ÜB, cod. A IV 14 (s. o.). A u s g a b e n . 'Gr. B. A.': A. BERNOULLI, Basler Chroniken 6, Basel 1902, S. 239-275 (nach S; zit.); ebd. 5, Basel 1895, S. 3-41 (nach den übrigen Hss.). - 'Kl. B. A.': Ebd. 5, 1895, S. 51-67. 'Sp. B. A.': Ebd. 6, 1902, S. 278-286.

Während die nur in je einer Hs. überlieferten 'Kl. B. A.' und die 'Sp. B. A.' (letztere Bartholomäus von Benevent ->· 'Gothaer bilden gleichsam eine Fortsetzung der Medizinalwässer' (4.); -> Puff, Michael 'Gr. B. A.') editorisch unproblematisch sind, ergeben sich bei den 'Gr. B. A.' er(II.9.B.) hebliche Bedenken gegenüber der Ausgabe durch BERNOULLI. Seine akribische RekonBartholomäus von Montfort [Korr.] struktion aus späteren Sammlungen orientierte sich zu sehr an der Vorstellung eines Bd. l, Sp. 621, Z. 5: "im Erlanger Kodex (Hs. 1376)" korr.: im Erlanger Ms. B 34 (olim Kat. einheitlichen 'Urtextes' und am faktischen Ionischer Nr. 1376). historischen Gehalt der Nachrichten. Irrtümer, Varianten und Redaktionen verweisen Bartolus de Saxoferrato ->· Mildehovet, auf einen vielfältigen ÜberlieferungsproMarquard ( .3.); -» Alt, Georg (II.3.) [NB] zeß. Bereits die älteste Hs. K bietet zwei von unterschiedlicher Hand eingetragene 'Basler Alexander' ->· Pfaffe Lambrecht Annalenreihen 1275-1351 bzw. 13701435. Die vollständigste Hs. D gibt im (II. l.u. 7.) Kern dt. Nachrichten zu 1275 bis 1412 wieder. Ob diese ein in Basel am Anfang 'Basler Annalen' des 15. Jh.s entstandenes Werk benutzten Überwiegend deutschsprachige Nach- oder ob umgekehrt sie und die weiteren richtengruppen zur spätmal. Geschichte späteren Zeugnisse nachträgliche Zusamder Stadt Basel: 'Größere Basler Annalen' menstellungen ursprünglich verschiedener (238-1416), 'Kleinere Basler Annalen' Notizenreihen darstellen, läßt sich nicht si(1308-1415) und 'Spätere Basler Annalen' cher entscheiden. Die 'Gr. B. A.' enthalten Aufzeichnun(1421-1480). gen denkwürdiger Vorkommnisse in Basel, Ü b e r l i e f e r u n g . 'Gr. B. A.' (Hss. in der von wobei der zeitliche Schwerpunkt auf den der Ausg. gewählten Reihenfolge; Hs. S wurde erst letzten drei Jahrzehnten des 14. Jh.s liegt: später aufgefunden): Basel, ÜB, cod. A II 6 a, Fehden, Unglücksfälle, Straftaten, PreisanS.l—7, 27—29 (geschrieben von Cosmas Ertzberg gaben und anderes mehr. Vergleichbares um 1532; Sigle D); Basel, ÜB, cod. E 14, 431 a berichten auch die beiden anderen Anna(Einträge Ende 15. Jh., aus der Basler Kartause, die lenreihen. Die 'Sp. B. A.' beginnen etwa Vorderseite nach Mitt. von M. Steinmann von der mit dem aufsehenerregenden Aufenthalt Hand des Kartäusers Loy Spilmann, Profeß 1488; V eines wilden Wolfs in der Stadt 1421. Sigle K); Aarau, Kantonsbibl., Ms. ZF 37, 105 V Zusammen mit den -*· 'Chronikalien der 108 (lat. Version, geschrieben von Hieronymus Ratsbücher von Basel' und weiteren, z. T. Brilinger um 1510?; Sigle Br); Basel, ÜB, cod. H IV 27 (Brilingers Zusätze zur Chronik Heinrichs von den gleichen Hss. überlieferten Noti-

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'Basler Betrügnisse der Giler' — Bassenhaimer, Johannes

zenreihen (ebenfalls von BERNOULLI in den Basler Chroniken 5 bis 7 ediert) lassen die 'B. A.' das lebendige Interesse an Gegenwartschronistik im spätmal. Basel erkennen. Neben längeren Texten schwebte in Form zerstreuter hs.licher Notizen eine Art historiographisches 'Plankton', das dann von den Basler historischen Sammlern des 16. Jh.s (und von Johann Stumpf in seiner 'Schweizerchronik' von 1548) nur unvollständig abgeschöpft werden konnte. L i t e r a t u r . A. BERNOULLI (s. Ausg.n); Rep. fönt. II, S. 252; FELLER/BONJOUR, Geschichtsschreibung, 21979, S. 30-44 (allg. zur Basler Chronistik).

KLAUS GRAF 'Basler Betrügnisse der Giler' Ü b e r l i e f e r u n g . Basel, Staatsarchiv, Aktensammelband Ordnungen und Verträge', Bl. 159r— 162r, geschr. von Johann Zwinger, ca. 1430-1440; Basel, ÜB, cod. A lambda II 4a (Diarium Johann -> Knebels, geschr. 1473-1479), Bl. 190r-195r; ebd., cod. A lambda III 5, Ende 15. Jh., S. 54-63. Zu einer weiteren, durch einen frühen Abdruck erschließbaren Straßburger Hs. vgl. KLUGE, S. 9. Ausgaben. A. SOCIN, in: W. VISCHER (Hg.), Basler Chroniken III, 1887, S. 556-567; F. KLUGE, Rotwelsch. Quellen u. Wortschatz der Gaunersprache u. der verwandten Geheimsprachen. I: Rotwelsches Quellenbuch, Straßburg 1901, S. 8-16 (auf der Basis von SOCIN, unter zusätzlicher Berücksichtigung des Abdrucks der verschollenen Straßburger Hs.).

Die wohl in den ersten Jahrzehnten des 15. Jh.s verfaßte Schrift ist anonym überliefert. Zwar stammt der älteste Textzeuge von der Hand des Basler Stadtschreibers Johann Zwinger, dessen Schrift in den Ratsbüchern zwischen 1426 und 1437 begegnet (1431 als Unterschreiber nachweisbar; 1443 hatte er bereits einen Nachfolger), doch kann es sich dabei nicht um die Urschrift des Verfassers handeln (SociN); die überlieferten Hss. sind nicht voneinander abhängig. Inc. Dis ist die betrugnisse, damitte die giler und die blinden umbegand, und besunder von allen narungen, wie sy die nemment, damitte si sich begant (S. 9). Der Text schildert in 28 Abschnitten (Bille,

Klant, Badune, Munische, Hantblinden, Sweiger usw.) die verschiedenen Berufsgeheimnisse betrügerischer Bettler, wie sie durch simulierte Blindheit, Krankheiten, Verletzungen und Schwangerschaften oder durch die Verkleidung in Pilger- oder Mönchsgewand ihre Nahrung erbetteln. Der 2. Teil bietet u. d. T. Dis ist ir rottwelsche ein Glossar mit rotwelschen Begriffen (Item lern ist brot; joham ist win etc.) als Verständnishilfe für die in diese Geheimsprache Nichteingeweihten sowie einzelne Beispiele zur rotwelschen Sprechweise. Der Text diente als eine der Hauptquellen für Matthias ->· Hütlins 'Liber vagatorum', der um 1509/10 anonym, ohne Ort und Jahr in nd. Sprache erschien und seitdem vielfach nachgedruckt wurde (AssiON, 1973, S. 174f.). L i t e r a t u r . P. ASSION, Altdt. Fachlit., 1973, S. 172—177; E. MASCHKE, Deutsche Städte am Ausgang des MAs, in: E. M. (Hg.), Städte u. Menschen, Beitr. zur Gesch. der Stadt, der "Wirtschaft u. Gesellschaft (1959-1977), 1980, S. 56-99, hier S. 72 f.; R. JÜTTE, Die Anfänge des organisierten Verbrechens. Falschspieler u. ihre Tricks im späten MA u. der frühen Neuzeit, AKG 70 (1988) 1-32; B.-U. HERGEMÖLLER (Hg.), Randgruppen der spätmal. Gesellschaft, 1990, S. 11 f. u. passim.

FRANCIS B. BREVART Bassenhaimer, Johannes [Korr.] Bd. l, Sp. 634 korr.: B. ist sicher nicht der Autor, sondern nur der Schreiber des Pilgerberichts. Autor ist ein österreichischer Anonymus, der den Bericht entweder im Auftrag des österr. Herzogs Albrecht IV. (Pilgerreise 1398) oder Herzog Ernsts des Eisernen (Pilgerreise 1414) verfaßte. Vgl. F. SCZESNY, Österreichischer Anonymus, 'Geschrift u. Weisung für die Fahrt zum Hl. Grab', in: R. HERZ u. a. (Hgg.), Fünf Palästina-Pilgerberichte des 15. Jh.s (Wissenslit. im MA 33), 1998, S. 1-22 (mit Textausg.). Sp. 635 oben: "... Thomas -* Maisterl von Laa" korr.: -* Thomas von Laa.

'Batungentraktat' -> 'De vettonica herba' 'Bäuerliche Ehekandidaten' (KELLER, Fsp. 12) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Bäuerliche Großsprecher' (KELLER, Fsp. 28) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'

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'Bäuerliche Heiratsverhandlungen' (KELLER, Fsp. 58) -> 'Der Ehevertrag' 'Von den Bauern' (KELLER, Fsp. 5) -» 'Ehestreit' [NB] 'Des Bauern flaischgaden vasnacht' (KELLER, Fsp. 88) ->· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Der Bauern Lob' [Korr.] Bd. l, Sp. 635 Z. 38 "in cgm 128 vv." korr.: im cgm [gemeint ist in cgm 714] 128 vv.

'Der BauernhandeP [NB]

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'Der Bauern Lob' — Baumgartner, Wolfgang

'Der Hasenkauf'

'Von der Bauernheirat' (KELLER, Fsp. 65) ->· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Die Bauernhochzeit' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 639 ergänze: 'Meier Betz' ist außer in den beiden genannten Hss. (H = Prag, Knihovna Närodniho Muzea, Ms. X A 12, 189v-196r; S = Stuttgart, LB, cod. poet, et phil. 4° 69, 220v-228r) auch in einem Druck (o. O. o. J. [Augsburg, Heinrich Steiner 1522/23]) überliefert. Dieser Druck, der dem Herausgeber WIESSNER als verschollen galt, befindet sich in Zwickau, Ratsschulbibl., 24. 10. 15 (24), vgl. H. BRUNNER (Hg.), Heinrich Wittenwiler, Der Ring, 1991, 21999, S. 586 f. (ebd. S. 587—645 Abdruck und Übersetzung beider Versionen des Schwanke).

'Bauernprahlereien' I und II (KELLER, Fsp. 45 und 94) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Bauernpraktik' [Korr.] Bd. l, Sp. 640, Überl.: "Eine Nürnberger Hs. der 'B.' ... existiert nicht" korr.: = Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 198354, 7 v -8 r (= Abschnitt III, l, erweitert). Vgl. L. KURRAS, Die dt. mal. Hss. II (Kataloge d. Germ. Nationalmus. I, 2), 1980, S. 77.

'Bauernrevue' (KELLER, Fsp. 109) senplütsche Fastnachtspiele'

'Ro-

'Der Baum und der Bock' (KELLER, Fsp. 46) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'

Baumgartner, Stefan [Nachtr. zu Bd. l, Sp. 647] St. B. wurde als Sohn des Nürnberger Kaufmanns Martin B. am 24. 12. 1462 geboren. Der junge Patrizier wurde als Turnierkämpfer gerühmt und war früh Lehnsmann des Kaisers. Nach der Pilgerreise 1498 und Heirat 1506 wurde er Nürnberger Ratsherr und schließlich 1513—23 Stadtrichter. Er starb am 4. 2. 1525. B. ist bekannt als Freund Dürers, in dessen Briefen an Pirckheimer er mehrfach genannt wird. Dürer hat ihn auf einem Seitenflügel des von der Familie gestifteten Paumgartner-Altars als hl. Georg dargestellt. B.s Reisebericht über die Pilgerfahrt, in dem er sich streckenweise an Hans (VI.) -* Tucher anlehnt, ist nur in einer Abschrift (2. H. 16. Jh.) überliefert. A u s g a b e n . R. RÖHRICHT, Die Jerusalemfahrt des Herzogs Heinrich des Frommen von Sachsen 1498, Zs. d. dt. Palästina-Vereins 24 (1901) 1-25; TH. KRAUS, St. B. Reise zum Hl. Grab 1498 mit Herzog Heinrich d. Frommen von Sachsen (GAG 445), 1986. L i t e r a t u r . L. KURRAS, [Biographie St. B.s], in: KRAUS, Ausg., S. 3-8 (mit älterer Lit.).

LOTTE KURRAS Baumgartner (Paumgartner), Wolfgang 1. B. wurde als Sohn des vermögenden Bürgers und Getreidehändlers Peter B. (t 1477), der auch an der Salzgewinnung in Reichenhall beteiligt war, in Wasserburg a. Inn geboren. Die Familie wurde 1491 von Kaiser Friedrich III. in den Adelsstand erhoben. Ein Geburtsdatum ist nicht bekannt. Am 28. Sept. 1481 wurde B. an der Univ. Ingolstadt immatrikuliert; 1497 erscheint er als Rat Herzog Georgs d. Reichen von Bayern-Landshut, später unter Herzog Wolfgang als bayerischer Rat. Ab 1500 ist er als Rentmeister in Wasserburg, Nachfolger seines in diesem Jahr verstorbenen Bruders Hans, nachweisbar. B.s Bruder, Dr. Peter B., ebenfalls Rat Georgs d. Reichen und später Herzog Albrechts IV. von Bayern, war 1478 — 82 Professor des kanonischen Rechts an der Univ. In-

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'De beatitudine' — 'Beginchen von Paris'

golstadt; ihm wird die Fortsetzung der 'Bayerischen Chronik' des Ulrich -» Füetrer bis 1511 in Hs. W (= München, cgm 565) zugeschrieben. Nach dem -» Landshuter Erbfolgekrieg verkaufte Herzog Albrecht an Peter und Wolfgang die Herrschaften Fraunstein und Ering. B., später auch Rentmeister von Burghausen, ist vermutlich 1517 gestorben (LIEBERICH; allerdings erwähnt HUND eine 1522 mit Margaretha, Tochter des Pflegers von Viechtenstein, Georg Nußdorfer, geschlossene Ehe). In keinem Fall ist er zu verwechseln mit dem W. B. aus der Kufsteiner Linie der Familie, der von 1493—98 als Professor des Zivilrechts in Ingolstadt lehrte und 1507 in Pavia an der Pest starb. 2. In die Reihe der bayerischen Geschichtsschreiber reiht sich B. ein durch seine Nachrichten zum Landshuter Erbfolgekrieg Wellicher massen ... hörzog Rueprecht pfalzgraff am Rhein und hörzog in Bayrn die statt Wasserburg erobert, auch wie sich etlich handlung dazumahlen zuegetragen und begeben haben. Ü b e r l i e f e r u n g . Wasserburg a. Inn, Stadtarch. (Autograph). A u s g a b e . L. VON WESTENRIEDER, Hist. Schriften I, München 1824, S. 181-206.

Der bayerisch gesinnte B. berichtet über die Vorgänge vom 23. —28. Mai 1504, die zur Besetzung seiner Vaterstadt durch die Pfälzische Partei führten. Als Rentmeister kam ihm eine zentrale Rolle in den Verhandlungen mit Pfalzgraf Ruprecht zu. Diese schildert er anschaulich und zeigt vor allem, mit welchen Mitteln die Pfälzer Seite arbeitete (man versuchte ihn mit 4000 fl und weiteren Versprechungen zu bestechen), um die Stadt zu gewinnen. Eine apologetische Tendenz der Aufzeichnungen, in denen B., von einer Episode abgesehen, von sich in der dritten Person als rentmeister spricht, ist unverkennbar. Im letzten Teil wird in 19 Punkten dem Wasserburger Pfleger Georg von Preysing wegen seiner pfälzischen Gesinnung die Schuld an der Übergabe der Stadt angelastet. Literatur. W. HUND, Bayer. Stammenbuch, bei M. Frhr. v. FREYBERG, Sammlung hist. Schrif-

ten u. Urkunden, Bd. III, Stuttgart 1830/31, S. 503 f.; S.v. RIEZLER, Gesch. Baierns 3, 1889, S. 595, 599, 917 f.; R. SPILLER, Ulrich Füetrer. Bayer. Chronik (Quellen u. Erörterungen z. Bayer, u. Dt. Gesch. NF II 2), 1909, S. LXXVI-LXXIX; W. KRAG, Die Paumgartner v. Nürnberg u. Augsburg. Mit einem Anhang: Die bayerischen Baumgartner v. Kufstein u. Wasserburg (Schwab. Geschichtsquellen u. Forschungen 1), 1919, S. 130 — 132; Die Matrikel der Ludwig-Maximilians-Univ. Ingolstadt—Landshut—München, hg. v. G. Frhr. v. PÖLNITZ, Bd. l, 1937, S. 106,6f.; H. LIEBERICH, Landherren u. Landleute, 1964, S. 114; ders., Die gelehrten Räte. Staat u. Juristen in Baiern in der Frühzeit der Rezeption, Zs. f. bayer. Landesgesch. 27 (1964) 120-189, hier S. 157; Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Univ. München, hg. v. L. BOEHM u. a., 1998, S. 34 f.

HELGARD ULMSCHNEIDER 'De beatitudine' [Korr.] Bd. l, Sp. 648, Z. 7 von unten: "Mainz, StB, cod. 321" korr.: ..., HsI321.

Bedellus, Johannes -> Johannes B.; vgl. ->· Almanache ( .5.) [NB] 'Bedeutung der Buchstaben' [Korr.] Bd. l, Sp. 666 Z. 3: "Graz, ÜB, cod. 41/85 4°" korr.: ..., Ms. 1228 (olim 41/85 4°).

'Bedeutung der Farben' [Korr.] Bd. l, Sp. 666 zu Über!.: "Wien, cod. 1940*" korr.: ... cod. 2940*.

'Begardenlied' -> 'Reimverse eines Begarden' 'Beginchen von Paris' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 667 Z. 9 f. von unten: Die als verschollen bezeichneten Hss. Lübeck, StB, Mss. theol. germ. 45 und 66 sind wieder an ihrem Ort. Vgl. R. SCHWEITZER, Die alten u. wertvollen Bestände der StB, in: Der Wagen. Ein lübeckisches Jb., Jg. 1992, S. 73-105 u. Anhang S. 269-278, hier S. 271.

'Beichtbüchlein' -> 'Bihtebuoch' [NB]; -> 'Elbinger Beichtbüchlein des Deutschen Ordens' [NB]

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'Die beiden Schwestern' — 'Benediktbeurer Spiele'

'Die beiden Schwestern' [Korr.] Bd. l, Sp. 683 Z. 10: "Prag, ÜB" korr.: Prag, Nationalmuseum.

'Belehrung eines jungen Mannes' [Korr.] Bd. l, Sp. 685 Z. 24: "Prag, ÜB" korr.: Prag, Nationalmuseum.

'Ben ha-melech weha-nosir' [Korr.] Bd. l, Sp. 686, zu Ausgabe: Die von Dreessen vorbereitete Ausgabe ist bislang nicht erschienen.

'Benedikt von Nursia' (Vita) -» 'Benediktinerregel' (1.1.) [Bd. l und NB]; -* Gregor der Große (III.D.) Vgl. außerdem: Sechs eigenständige dt. Fassungen der 'B'-Legende neben 15 Legendarfassungen verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 397.

'Benediktbeurer EmmausspieP diktbeurer Spiele' [NB] 'Benediktbeurer I-ffl [Nachtr.]

Glauben

'Bene-

und Beichten'

Bd. l, Sp. 690 zu Lit. ergänze: K. J. BARBIAN, Die altdt. Symbola. Beitr. zur Quellenfrage, Steyl 1964.

'Benediktbeurer Mariae-Himmelfahrt-SpieP -»'Benediktbeurer Spiele' [NB] 'Benediktbeurer Osterspiel' -» 'Benediktbeurer Spiele' [NB] 'Benediktbeurer Passionsspiele' -> 'Benediktbeurer Spiele' [NB] 'Benediktbeurer Spiele' (lat. u. lat.-dt.) Sechs mit einer Ausnahme (Nr. 3) lat. geistliche Spiele in der Hs. der -» 'Carmina Burana'; in der ihrer ursprünglichen Blattfolge entsprechenden Reihenfolge (vgl. CB 11,1, S. 39*): 1. das 'Kleine Passionsspiel' ('Kl. P.'); 2. das Osterspiel' ('O.'); 3. das 'Große Passionsspiel' ('Gr. P.', lat.-dt.); 4. das 'EmmausspieP ('E.'); 5. das 'Spiel von Mariae Himmelfahrt' ('M. H.'); allen

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voran geht das gesondert behandelte -> 'Benediktbeurer Weihnachtsspiel' (Bd. l, Sp. 693 ff.). I. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 4660/4660a, 2. H. oder Ende 13. Jh., südbair.: 'Kl. P.' (= CB 13*}: Bl. , IV r Z. 18-27, IV, geschrieben und rubriziert von h21 (Bl. IV r Z. 1-17 dazwischen von älterer Hand = h22 die Sequenz 'Planctus ante nescia' = CB 14*); .' (= CB 15*): Bl. V r -VI v , geschrieben und rubriziert im wesentlichen von h23, durchgehend 'neumiert von mehr als einer Hand' (BISCHOFF); 'Gr. P.': Bl. 107r-110r, lll r ( = CB 16*) — 110V Einschub von Freidank-Sprüchen (= CB 17*) -, geschrieben von h26 und h27, rubriziert von h11, neumiert wohl von h38; möglicherweise noch dazugehörig Bl. 112V (= CB 23*, geschrieben und wohl auch neumiert von h35); .' (= CB 26*): Bl. VIIr/v, geschrieben von h27, rubriziert von h11, neumiert von h38; 'M. H.' (= CB 26a*): VIF Z. 14-23, geschrieben von h27 und h39, rubriziert von h11, übergangslos an das vorhergehende Spiel CB 26* angeschlossen. Mit Ausnahme des ohne Melodien aufgezeichneten 'Kl. P.' sind die Spiele mit linienlosen adiastematischen Neumen St. Galler Typs versehen. A u s g a b e n . Faksimilia: W. MEYER, Fragmenta Burana, 1901, Taf. 5-13 (ohne das 'Gr. P.'); B. BISCHOFF, Carmina Burana, 1967. — Einzelne Bll. auch in älteren Ausg.n und bei SMOLDON, Taf. IX vor S. 147 (Bl. 108r). Texte: Zu älteren Ausgaben vgl. CB (ohne Teilausgaben). Heute maßgeblich (zit.): CB 1,3 1970, S. 127-129 Nr. 13* (= 'Kl. P.'), S. 134-149 Nr. 15* (= .'), S. 149-175 Nr. 16* (darin S. 172175 Rekonstruktion eines lat. Magdalenenspiels aus 'Gr. P.' und den verwandten Partien im -> 'Wiener Passionsspiel' I) und S. 183 Nr. 23* (= 'Gr. P.'), S. 184-186 Nr. 26* (= .'), S. 186-188 Nr. 26a* (= 'M. H.'). Diese Texte übernommen in C. FISCHER / H. KÜHN / G. BERNT, Carmina Burana. Die Ged. des Codex Buranus lat. u. dt., Zürich-München 1974, S. 730-735, 742-763, 764-807, 826-833, wiederholt 1975 (Winkler Dünndruck-Bibl.) und 11976-61995 (dtv Weltliteratur 2063). LOO V, 1976, S. 1656-1658 Nr. 820 ('E.', als einzige Ausgabe ohne das angehängte 'M. H.'; über dessen kontroverse und verwirrende Editionslage s. LINKE). B. K. VOLLMANN, Carmina Burana 1987, S. 790-799, 802-815, 816-859, 882-893 (lat. u. dt.). Melodien: .' s. u. .2., 'Gr. P.' s. u. .3., .' s. u. II.4.

II. Die einzelnen Spiele. 1. 'Kleines Passionsspiel' (CB 13*, lat.). Der vollständig lat. Ludus breviter de passione ist das älteste erhaltene Passionsspiel auf dt. Boden. Sein Text ist mit Aus-

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'Benediktbeurer Spiele'

nähme des Planctus (s. u.) — z. T. sogar bis in die Rubriken hinein — biblisch (Nachweise in CB). Deshalb ist trotz (wenn nicht gar gerade wegen) fehlender Neumierung entgegen SMOLDON, der an Sprechvortrag denkt, mit LIPPHARDT und MEHLER liturgisch-rezitativischer Vortrag im Passionston anzunehmen. Mit nur fünf loca und etwa 25/26 Darstellern, von denen jedoch ca. 16 nur als Statisten auftreten, ist der Aufführungsaufwand vergleichsweise gering. Die Handlung ist stark komprimiert. Sie reicht zwar von der Vorbereitung des Abendmahls bis zur Grablegung Christi, schließt aber Gefangennahme sowie Anklage und Verhör vor Pilatus unmittelbar an das Abendmahl an. So, wie es deshalb keinen Gebetskampf in Gethsemane gibt, sind auch das nächtliche Verhör Christi vor den Hohenpriestern, die Verleugnung durch Petrus, Geißelung und Dornenkrönung, das Verhör vor Herodes und Judas' Selbstmord übergangen. Gefangennahme, Kreuztragung, Kreuzigung und Lanzenstich scheinen nur pantomimisch dargestellt worden zu sein; dagegen ist es fraglich, ob Kreuzabnahme und Grablegung ebenfalls nur pantomimisch dargeboten wurden oder erst in einem späteren Arbeitsgang auch austextiert werden sollten. Die Marienklage, ebenfalls nicht austextiert, sollte gleichwohl — möglicherweise mittels der vor der Spielaufzeichnung von anderer Hand unvollständig niedergeschriebenen und neumierten Sequenz Planctus ante nescia (CB 14*), die auf der oberen Hälfte von Bl. IV1 jetzt mitten in der Spielaufzeichnung steht — mit höchstmöglicher Sorgfalt und Eindringlichkeit ausgeführt werden (planctum faciat quantum melius potest). Ob das Spiel mit der Grablegung enden oder, einem Hinweis am Textende folgend, sich daran nach Wunsch und Bedarf das direkt darauf folgende Osterspiel anschließen (oder wenigstens anschließen können) sollte, muß offen bleiben. 2. Osterspiel' (CB 15% lat.). Das nur frgm. überlieferte Spiel (ludus immo exemplum dominice resurrectionis]

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umfaßt die Erbittung und Genehmigung sowie den Aufzug der Grabwache, ferner die Auferstehung, den Salbenkauf, den Beginn der selbst nicht erhaltenen Visitatio sepulchri, den Auferstehungsbericht der Grabwächter und deren Bestechung. Danach bricht der Text mit dem Ende von Bl. VP ab. Die restliche Handlung läßt sich in Grundzügen dem eng verwandten, aber knapperen -»· 'Klosterneuburger OsterspieP entnehmen. Der theatralische Aufwand ist relativ groß. Für die Aufführung allein des Erhaltenen sind mindestens 36 Darsteller erforderlich. Allerdings werden nur wenige Bühnenstände benötigt. Die Krämer'Szene' ist die am weitesten ausgebildete aller lat. Spiele auf dt. Boden. In ihr sind beide Fassungen der Kaufstrophen (C1 und C2) zu einem Dialog verschmolzen, gefolgt von einer Wegweisung zum Hl. Grab durch den apothecarius und den Wegstrophen (A). Bei den sonst noch seriös gehaltenen Figuren des Salbenkrämers und seiner ihm schon hier beigegebenen Frau scheint im Refrain, mit dem beide den Schmerzens-Seufzer der drei Marien in den Kaufstrophen nachäffen, aber hämisch auf die exorbitante Preisforderung beziehen, für einen Augenblick schon die boshafte Ironie der späteren gefühllosen Gestalten durch. Das Grundmaß des Textes bilden gereimte Zehnsilber in vierversigen Strophen. Zusätzlich gibt es mehrversige Strophen, Vier-, Sechs-, Sieben-, Acht- und Fünfzehnsilber sowie gelegentlich auch Goliardenverse. Diese Formenvielfalt des durchweg gesungenen Spiels bezeugt, daß es neben dem selbstverständlichen religiösen auch einen ausgeprägt ästhetischen Anspruch erhebt. Melodien. H. MOSER / J. MÜLLER-BLATTAU, Dt. Lieder des MAs von Walther v. d. Vogelweide bis zum Lochamer Ldb. Texte u. Melodien, 1968, S. 199-203 [Auszüge]. Vgl. E. A. SCHULER, Die Musik der Osterfeiern, Osterspiele u. Passionen des MAs, 1951, S. 58, ferner Parallelüberl. transkribierbarer Melodien zu Nrn. 22, 34, 109, 191, 234, 361, 362, 407, 498, 517, 650, 662 im ungedruckten Melodienband (Diss. Basel 1940, Bd. 2, masch. u. hs.lich).

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'Benediktbeurer Spiele'

3. 'Großes Passionsspiel' (CB 16* u. 23*; lat.-dt.). Inhalt. Die Handlung von CB 16* (in der Hs. ohne Titel) reicht von der Berufung der ersten Jünger bis zur Verspottung des gerade am Kreuz verschiedenen Christus. Danach bricht die Aufzeichnung auf Bl. lll r mitten in Z. 21 ab; der in der Zeile und auf der Seite noch verbleibende Raum wurde anders ausgefüllt. Die auf Bl. 112V von anderer Hand im oberen Drittel der Seite eingetragene Erbittung des Leichnams Christi durch Joseph von Arimathia und die Genehmigung zur Kreuzabnahme durch Pilatus (CB 23*) in zwei dt. achtzeiligen Strophen kreuzgereimter Vierheber könnten noch zu dem in jedem Falle nur frgm. Spiel gehört haben. Jesu Wirken in der Welt wird nur knapp und exemplarisch dargestellt (Berufung der Jünger, Krankenheilungen), ausführlich dagegen die Leidensgeschichte (samt Marienklage). Den größten Raum nimmt indessen das mit den entsprechenden Partien im -»· 'Wiener PassionsspieP verwandte und auf einen rein lat. Text zurückgehende Magdalenenspiel ein (das BISCHOFF aus beiden im Apparat rekonstruiert hat): es macht mehr als die Hälfte des Gesamttextes aus. Damit sind Akzent und Zielsetzung des geistlichen Spiels bedeutsam verschoben. Stand bisher Gott allein in seinem Zentrum, so tritt nun in Maria Magdalena die sündige Menschheit, die sie zeichenhaft vorstellt, mit ihrer Erlösungsbedürftigkeit, aber auch Erlösungsfähigkeit gleich gewichtig daneben, und dem Gottkultus gesellt sich die Heilsdidaxe. Sprache und Form. Der Anteil des Deutschen an diesem ältesten mischsprachigen Passionsspiel beträgt etwa 20%. Er besteht aus vierhebigen Versen, die meist paar-, seltener kreuzgereimt sind. Sie sind vorwiegend Maria Magdalena und dem mercator, zum kleineren Teil der Gottesmutter, einige wenige auch Longinus in den Mund gelegt. Nie bieten sie Übersetzungen, sondern stets Ergänzungen und Erweiterungen des lat. Textes. Dieser wieder besteht hauptsächlich aus Bibelprosa und den Texten liturgischer Gesänge; dazu treten die beiden Sequenzen Flete fideles ani-

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me und Planctus ante nescia, ferner Vagantenverse sowie einige andere Strophenund Versformen. Melodien. Alle Texte, lat. wie dt., wurden durchweg gesungen — selbst die wenigen, die nicht neumiert sind; bei diesen handelt es sich entweder um gängige Antiphonen (CB 16* Nr. 11 = R. J. HESBERT, Corpus Antiphonalium Officii, Bd. 3, Rom, 1968 [i. F. CAO] Nr. 1976; Nr. 12 = CAO 1983; Nr. 14 = CAO 4416) oder aber um Evangelienverse, die im Passionston vorgetragen wurden, so daß sie nicht eigens notiert zu werden brauchten (Nrn. 168, 169, 200, 200a-f, 244, 277). Zu den Melodien insgesamt vgl. SCHULER (s. o. 11,2) S. 56 f. Zur Hälfte aller Gesänge des 'Gr. P.' nämlich zu Nrn. 5, 36, 37, 62, 71, 162, 171, 188, 194, 207, 208, 210, 211, 257, 258, 298, 304, 305, 307-309, 326, 347, 358, 360, 373, 375, 384, 411, 442, 447, 473, 491, 493, 507, 515, 568, 581, 582, 597, 604, 644 — gibt es im ungedruckten Melodienband SCHULERS Parallelüberlieferungen transkribierbarer Melodien; eine Reihe weiterer Gesänge ist im CAO nachweisbar (Schuler-Nr. vor, CAO-Nr. in der Klammer): 206 (2876), 389 (3916), 462 (4246), 687 (5515), vgl. ferner 146 mit CAO 2208 (abgewandelt), 619 mit CAO 7807 und 642 mit CAO 3557.

Theater. Zur Aufführung waren zehn Bühnenstände und wenigstens zwei praktikable Versatzstücke (Baum, Kreuz) erforderlich. Das Personal umfaßte außer einem Chor etwa 50 Darsteller, von denen mindestens 33 Gesangsrollen hatten. Den Rest bildeten Statisten, deren Zahl möglicherweise jedoch erheblich größer war. 4. 'Emmausspiel' (CB 26*, lat.). Das dreiteilige lat. Prosaspiel CB 26* (exemplum apparitionis Domini discipulis suis iuxta castellum Emaus [...]) enthält nicht nur die Begegnung der beiden Emmausjünger mit dem Auferstandenen (1 — 10), sondern auch dessen zweimalige Erscheinung vor allen Jüngern in Abwesenheit Thomas' (11 — 14, 17) sowie die wiederum dreiteilige Thomas-Handlung (Erscheinungsbericht [15], Unglaube [16], Überzeugung Thomas' [18—23]) und schließt mit dem Hymnus lesu nostra redemptio ab (23, vgl. AH 51, 95), der in den übrigen, meist aus Frankreich stammenden normannischen Emmausspielen gewöhnlich am Anfang steht (LOO, Nrn. 808, 811-815, 817; auch 819).

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'Benediktenöl-Traktat'

Der Text setzt sich durchweg aus Antiphonen zusammen (sämtlich im CAO [s. o. 11,3] verzeichnet, s. CB 26*, Apparat; vgl. LOO VIII, S. 711-780). Aus der Absicht engster Anlehnung an die Liturgie erklären sich die chorische Einschaltung des außerhalb der dargestellten Vorgänge stehenden Klerus in allen Stadien der Handlung mit episch berichtenden Gesängen (8, 12, 18) und etliche z.T. von YOUNG monierte angebliche dramatische Unzuträglichkeiten. Daß eine theatralische Darstellung gar nicht beabsichtigt ist, zeigt sich am auffälligsten darin, daß gerade die dramatisch effektvolle Emmaus-'Szene' von Brotbrechen, Erkennung und Verschwinden Christi nur pantomimisch dargeboten wird (Regieanweisung 9a/b). Die Melodien finden sich mit Ausnahme derjenigen des abschließenden Hymnus, die vollständig im Antiphonale monasticum aufgezeichnet ist, sämtlich auch in Hartkers Antiphonar (CB 1,3 Apparat). Eine reichhaltige Parallelüberl. transkribierbarer Melodien bietet der ungedruckte Melodienband SCHULERS (s. . .2) S. 28 (Nr. 59), 193 f. (Nr. 286), 211-214 (Nrn. 369-371), 217f. (Nr. 380), 224 (Nr. 393), 230 (Nr. 420), 250 (Nr. 465), 295 (Nr. 512), 334 (Nr. 607), 366 (Nr. 655), nicht jedoch für Nrn. 394, 479a, 589.

5. 'Spiel von Mariae Himmelfahrt' (CB 26a:;-, lat.). Fragment eines vollständig gesungenen lat. Spiels von der Himmelfahrt Marias, dem Anfang und Schluß fehlen. Die Mutter Gottes tritt begleitet von zwei szeptertragenden Engeln sowie von Maria lacobi und Maria Salome auf; das sind möglicherweise die filie Sion (24) bzw. lerusalem (28) des Textes. Zwischen ihr, die als Braut Christi aufgefaßt ist, und Dominus = Christus als Bräutigam entspinnt sich ein wesentlich aus Gesängen des Hohenliedes und liturgischen Antiphonen bestehender Wechselgesang, an dessen Ende auf die bevorstehende Marienkrönung angespielt wird (29). Die Situation entspricht derjenigen im -» 'Amorbacher (alem.) Spiel von Mariae Himmelfahrt' H ff. L i t e r a t u r . Bibliographie: CB 1,3 (s. Ausg.n). — Außerdem: W. MEYER, Fragmenta Burana, 1901, S. 138; E. MICHAEL, Gesch. des dt. Volkes, 1906, IV,4 S. 407, 411-414; R. HEYM, Bruchstück eines

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geistl. Schauspiels von Marien Himmelfahrt, ZfdA 52 (1910) 50-52; P. E. KRETZMANN, The Liturgical Element in the Earliest Forms of Medieval Drama [...] (The University of Minnesota Studies in Language and Literature 4), Minneapolis 1916, S. 91 f., 97 f.; MANITIUS, LG III, 1931, S. 1049 f.; YOUNG, Drama I, Oxford 1933 (Neudr. 1951, 1962, 1967), S.437f., 465 f., 516-518, 694; K. LANGOSCH, Überlieferungsgesch. der mlat. Lit., in: ders. et alii (Hgg.), Gesch. der Textüberl. der antiken u. mal. Lit., Bd. 2: Überlieferungsgesch. der mal. Lit., Zürich 1964, S. 102 f.; R. STEINBACH, Die dt. Oster- u. Passionsspiele des MAs (Kölner german. Stud. 4), 1970, S. 108-115; TH. STEMMLER, Liturg. Feiern u. geistl. Spiele (Buchreihe der Anglia 15), 1970, s. Reg. S. 333; W. F. MICHAEL, Das dt. Drama des MAs (Grundriß der germ. Philol. 20), 1971, S. 33, 35-39 u. ö. (s. Reg.); R. BERGMANN, Stud, zur Entstehung u. Gesch. der dt. Passionsspiele des 13. u. 14. Jh.s (MMS 14), 1972, s. Reg. S. 283; FISCHER/KUHN/BERNT, 1974 (s. Ausg.n), S. 970-975, 977; A. ROEDER, Die Gebärde im Drama des MAs (MTU 49), 1974, s. Reg. S. 235; R. WIMMER, Deutsch u. Latein im Osterspiel (MTU 48), 1974, s. Reg. S. 303; D. BRETTEVANS, Von Hrotsvit bis Folz u. Gengenbach, Bd. 1: Von der liturg. Feier zum volkssprachl. Spiel (Grundlagen d. Germanistik 15), 1975, S. 69-71, 144-147; W. FECHTER, Zum Benediktbeurer Passionsspiel, Mlat. Jb. 11 (1976) 196-200; B. THORAN, Stud, zu den österlichen Spielen des dt. MAs (GAG 199), 21976, s. Reg. S. 388; W. L. SMOLDON, The Music of the Medieval Church Dramas, London u. a. 1980, S. 330-340; U. MEHLER, dicere und cantare (Kölner Beitr. z. Musikforsch. 120), 1981, S. 136f., 143-183; BERGMANN, Spiele, Nr. 119; Hj. LINKE, in: DE BOOR, LG 111,2/GLiER, S. 161-165, 184-187, 191-195; VOLLMANN, 1987 (s. Ausg.n), S. 1277-1282, 1287; W. LIPPHARDTf, in: LOO VIII, 1990, S. 767-782, 802f., 836-839; Hj. LINKE, Beobachtungen zu den geistl. Spielen im Codex Buranus, ZfdA 128 (1999) 185193.

HANSJÜRGEN LINKE 'Benediktenöl-Traktat' Der pharmazeutisch-technologische Kurztraktat über das Oleum philosophicum' oder Oleum de lateribus' ist aus dem 'Grabadin' von PS.- -> Mesue herausgezweigt. Ins Deutsche gelangten überwiegend Schrumpfformen, die ihre Eigenständigkeit verloren haben, vgl. -»· Peter von Ulm, 'Cirurgia', c. 169-180, -» 'Düdesche Arstedie', c. 69; = -> Albrecht van

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'Benediktinerregel' — 'Berliner Moralität'

Borgunnien, c. 71; -»· Johann van Seghen, c. 466; -» 'Wolfenbütteler Arzneibuch', 48 V —49 r (selbständige Neubearbeitung); -> 'Kopenhagener "Wundarznei', c. 168a — 168b = 119r-120v (mit c. 3 und 1); Rom, Bibl. Nazionale, cod. 200, 143r-145r, um 1460; Hamburg, ÜB, cod. med. 801, S. 304, nach 1501, obd.; Berlin, mgq 818, 64rv (am Ende einer dt.-lat. 'Antidotarium Nicolai'-Bearbeitung, vgl. -> Nicolaus Salernitanus). Zur ndl. Rezeption, die umfangreiche Bearbeitungen bietet, vgl. W. [L.] BRAEKMAN / G. KEIL, Fünf mndl. Übers.n des 'Antidotarium Nicolai'. Unters, zum pharmazeutischen Fachschrifttum d. mal. Niederlande, Sudhoffs Arch. 55 (1971) 257320 (Lit.), bes. S. 303-305 (Teilabdruck).

G. KEIL 'Benediktinerregel' [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 702, petit-Abschnitt: Die Sign, der Hs. Osnabrück, Staatsarch. lautet vollständig: Rep. 2 Nr. 21; streiche: "ehem.". Sp. 707, zu 2.: "Hohenfurt [...], ehem. Stiftsbibl., cod. 30" korr.: ..., cod. XXX (Perg.hs.!); die Hss. der Stiftsbibl. befinden sich wieder am Ort! Sp. 708, nach Nr. 9 ergänze: Nr. 9 a. Trier, StB, Hs. 1256/587 8°, Anf. 15. Jh.; Ausg.: E. PETRI, Eine mhd. Benediktinerregel. Edition, lat.-mhd. Glossar, mhd.-lat. Glossar (Regula Benedict! Studia. Supplementa 6), 1978. - Sp. 709 Z. l f. streiche: "Trier, StB, Hs. 1256". Sp. 708, zu B.: "Melk, Stiftsbibl., codd. 140; 407; 786;" korr.: ..., codd. 570 (olim 140; C 18); 575 (olim 407; H. 19); 1794 (olim 786; O 22). Ebd. Z. 13 von unten: "Bamberg, SB, codd. Ed. II.2; Ed. II. 18" korr.: ..., Msc. Lit. 146 (olim Ed. II.2); Msc. Lit. 147 (olim Ed. 11.18). Ebd. zu III.B. ergänze: Kalamazoo (USA), Institute of Cistercian Studies, MS. 31, v. J. 1597; Salzburg, Stiftsbibl. Nonnberg, cod. 27 C I, v. J. 1466, II. Teil (geschrieben im Auftrag von Thomas Aschringer, magister camere; vgl. J VL I 144); ebd., cod. 26 E 9; Würzburg, ÜB, cod. M. p. th. f. 123, lat. u. dt. (aber keine Übersetzung voneinander); ebd., cod. M. eh. f. 253.

'Bentheimer Chronik' -» 'Chronik der Grafen von Bentheim' [NB] 'Benzenauer' ->· 'Landshuter Erbfolgekrieg' (11.) 'Berliner Evangelistar' -» 'Evangelien-Perikopen der Passion'

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'Berliner Moralität' 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, SBB-PK, Fragm. 244, 2 Bll. (inneres Doppelbl. einer Lage), um 1500 (Wz.-Befund), ostmd. mit bair. Einflüssen, benannt nach dem Aufbewahrungsort. 1984 bei der Katalogisierung des in der Berliner SB befindl. Teil-Nachlasses des Greifswalder Bibliothekars u. Philologen Johannes Luther entdeckt (hier abgelöst aus einem Einband). T e x t a b d r u c k u. Abb.: R. SCHIPKE,Die'B. M.' Ein unbekanntes Frgm. aus dem Bestand der Dt. SB, Stud, zum Buch- u. Bibliothekswesen 4 (1986) 36-45.

2. Text. Das Fragment stammt aus einer Moralität. Erhalten sind 112 Verse. Die Handlungsträger sind der Tod (Mors) und die Teufel — in der Reihenfolge ihres Auftritts — Crenczeleyn, Sathanas, Lucifer, Spigeltrut, Astrot und Artifex. Hinzu treten die Hauptsünden Hoffart., Luxuria, Avaritia und ha (repräsentiert durch die Seelen der sündigen Menschen). Die Spielhandlung setzt ein mit der Aufforderung an die Teufel, sich bei Mors zu einer Unterredung einzufinden, und mit einem Dialog zwischen Mors und Crenczeleyn. Der anschließende umfangreiche Monolog von Mors enthält die Charakterisierung der Hauptsünden und den Auftrag an die Teufel, ihm diese Seelen zuzuführen. Hier bietet die ->· 'Erfurter Moralität' (1448) die bisher einzige Parallele mit fast wörtlicher Übereinstimmung größerer Textpassagen. Durch die lat. Regieanweisung wird dem Zuschauer mitgeteilt, daß der Auftrag ausgeführt worden ist. Jeder Teufel präsentiert nun Lucifer eine der Hauptsünden, deren Höllenstrafen bestimmt werden. Hier bricht das Fragment ab. 3. Die Anordnung des Textes entspricht der üblichen Gestaltungsweise: lat. Zwischentexte als Regieanweisung und dt. wörtliche Rede. In den Dialogen zwischen Lucifer und seinen Unterteufeln wiederholen sich formelhaft bestimmte Redewendungen, die stets wiederkehrende Handlungsabläufe beschreiben. Das künstlerische Konzept und dessen Umsetzung kann infolge der rudimentären Überlieferung nicht beurteilt werden. Unter den bisher bekannt gewordenen Spielen ist nur die 'Erfurter Moralität' dem

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'Berliner (niederrheinisches) Passionsspiel-Fragment' — Bernhard von Bessa

Fragment teilweise eng verwandt. Möglicherweise hat der Verfasser der 'B. M.' die 'Erfurter Moralität' ausgeschrieben, wobei er kürzte und nach eigenem Ermessen veränderte oder aus einer weiteren Vorlage schöpfte. Festzuhalten ist, daß die 'B. M.' das Weiterleben eines bisher als singular geltenden Spiel-Typs (wie ihn die 'Erfurter Moralität' verkörpert) — zumindest im ostmd. Sprachraum — bezeugt. L i t e r a t u r . BERGMANN, Spiele, Nr. 14a (nur Hinweis, keine Beschreibung); Hj. LINKE, Figurengestaltung in der 'Erfurter Moralität', ZfdA 124 (1995) 129-142 (nicht zum Berliner Text).

RENATE SCHIPKE 'Berliner Musterbuch' entfällt 'Berliner (niederrheinisches) PassionsspielFragment' [Korr.] Bd. l, Sp. 727 zu Überl.: Berlin, mgq 1479 befindet sich jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska.

'Berliner Predigten' -» 'Klosterneuburger Ständepredigten' [NB] 'Berliner (thüringisches) Osterspiel-Fragment' [Korr.] Bd. l, Sp. 733 Überl.: "Berlin, mgf 757, 4r-5v" korr.: ... mgf 757/4,5 (= Frgm.slg.).

Bern von Reichenau [Korr.] Bd. l, Sp. 740 Z. 7 f.: "Berlin, SB Preuß. Kulturbes., cod. theol. lat. 702" korr.: ..., Ms. theol. lat. 2° 368. Ebd., unten u. Sp. 742 oben: "Heidelberg, ÜB, cod. IX 20" korr.: ..., cod. Sal. IX 20. Sp. 742 Z. 1: "Stuttgart, Württ. LB, cod. H. B. XIV" korr.: ..., HB XIV 2.

Meister Bernart [Korr.] Bd. l, Sp. 744 Z. l des Artikels: "Köln, ÜB u. StB" korr.: Köln, Hist. Arch, der Stadt.

Bernd [Korr.] Bd. l, Sp. 746 Überl.: "Hs. B12 283 der Gräfl. Merveldtschen Bibl. auf Schloß Westerwinkel bei Münster" korr.: Archiv und Bibl. von Schloß Westerwinkel heute in Dorsten, Schloß Lembeck;

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die Hs. ist jedoch dort z. Zt. nicht zugänglich. Vgl. H. BECKERS, Mnd. lit. Hss. in westfäl. Adelsarchiven und -bibliotheken, Nd. Wort 34 (1994) 3544, hier S. 44.

'Berner WeltgerichtsspieP [Korr.] Bd. l, Sp.748 Überl.: "Bern, Burgerbibl., Hist. Helv. 50" korr.: ..., Ms. h. h. X 50.

Bernhard von Bessa OFM [Nachtr. zu Bd. l, Sp. 743 f.] 1. Von B.s Leben wissen wir nur, daß er -» Bonaventura als Generalminister auf seinen Visitationsreisen begleitete und als sein Sekretär tätig war. Am 3. 1. 1250 war er in Allois bei einem Vermächtnis als Zeuge zugegen (F.-M. DELORME, AFH 32 [1939] 206 f. und 222-224). Das Todesjahr wird um 1295, spätestens 1304 angesetzt. 2. Unter den B. mit hoher Wahrscheinlichkeit zuzuschreibenden Werken beziehen sich alle auf den Franziskanerorden: a. 'Liber de laudibus beati Francisci' (zuletzt hg. v. G. CREMASCOLI, in: Fontes Franciscani, hg. v. E. MENESTÖ / G. M. BOCCALI, S. Maria degli Angeli, Assisi 1995, S. 1253-1296). - b. 'De proposito regulae', verschollen (vgl. Anal. Franc. III, 1897, S. 377). - c. 'Vita fratris Christophori' (von der Romagna, sei. f 1272) (ebd., III, S. 161-173). - d. 'Catalogue Generalium Ministrorum Ordinis Fratrum Minorum' (hg. v. O. HOLDER-£GGER, MGH SS rer. Germ. XXXII, 1905-1913, S. 653-674; Anal. Franc. III, 1897, S. 693—707). — e. 'Speculum disciplinae ad novitios', zumeist unter dem Namen Bonaventuras überliefert (Ausg. Bonav., Opera omnia, Bd. VIII, [Quaracchi] 1898, S. 583—622; für die Zuschreibung und die Lit. vgl. DISTELBRINK, S. 193 f.). — f. stola ad quendam novitium insolentem et instabilem' (Ausg. ebd., Op. om. VIII, S. 663—666; vgl. DISTELBRINK, S. 135). 3. Deutsche Rezeption. Übersetzungen ins Deutsche sind nur für das 'Speculum disciplinae ad novitios' nachzuweisen. Zur 1510 gedruckten Übersetzung vgl. -> Bernardus a Bessa, Bd. l, Sp. 743 f.

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Bernhard von Breidenbach — Bernhard von Eiching

Hinzu kommt eine neuzeitliche Übersetzung: Specvlvm Disciplinae Novitiorum, Das ist, Zuchtspiegel der newen Geistlichen Ordens Personen, Geschrieben durch ... Bonaventuram ... Durch P. Christianum Seuringhausen [OFMRec] auß dem Latein ins teutsch versetzt ..., Köln, Wilhelm Firiessems 1654 (u. ö.).

Einfluß des 'Speculum' wurde ferner auf die 'Ermahnung zu einem klösterlichen Leben' des Heinrich -* Vigilis von Weißenburg (8.) festgestellt; vgl. RUH, Franzisk. Schrifttum I, S. 158 Anm. l u. 2. Für die anderen Schriften B.s scheinen mhd. Übersetzungen zu fehlen. Jedoch ist nicht zu bezweifeln, daß sie indirekt und mindestens partiell in franziskanischen Chroniken rezipiert wurden, so von Nikolaus -»· Glasberger ('Chronica Ordinis Minorum Observantium'). Später und außerhalb Deutschlands wurden sie auch von Marcus von Lissabon (f 1591) benutzt, dessen Werk eine dt. Übersetzung erfahren hat: Der Cronicken der eingesetzten Orden deß heyligen Vatters Francisci ..., I—II Vnd an jetzo in vnser Teutsche Sprach gebracht durch ... Carl Kurtzen von Senfftnaw, Constantz am Bodensee 1604.

Einzeluntersuchungen fehlen bisher. L i t e r a t u r . Vgl. Rep. font. II, Sp. 498f.; AFH. Indices torn. 1—50, Brozzi-Quaracchi 1960, Sp. 142a; Collectanea Franciscana. Bibliographia Franciscana 1931-1970. Index, Rom 1972, Sp. 78b. J. DE DIEU [DE CHAMPSECRET], in: Diet. Spir. I, Sp. 1504 f.; F. BERNARELLO, La formazione religiosa secondo la primitiva scuola francescana, Rom 1961; S. GLASEN, Legenda antiqua S. Francisci. Unters, über die nachbonaventurianischen Franziskusquellen, Leiden 1967, S. 256f. u. 383-387; B. DISTELBRINK, Bonaventurae scripta authentica, dubia vel spuria critice recensita, Rom 1975, S. 193 f. u. 135; D. AMICO, Bernard of Besse: Praises of Blessed Francis, Franciscan Studies 48 (New York 1988) 213 — 268; L. DE ANGELIS, La poverta volontaria nel 'Liber ...' di Bernardo da Bessa, O. Min., Miscellanea Francescana 95 (Rom 1995) 556-604.

OKTAVIAN SCHMUCKI Bernhard von Breidenbach [Korr.] Bd. l, Sp. 752 Z. 11: "1493" korr. 1483.

Bernhard von Clairvaux [Nachtr./Korr.] Bd. l, Sp. 754 f. zu 1. ergänze: Von den über B. verfaßten Viten (vgl. zur 'Vita prima' -> Wilhelm von St-Thierry) existieren auch dt. Übersetzungen;

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W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 397, verzeichnet neben neun Legendarfassungen auch vier eigenständige Fassungen der B.-Legende. Eine davon stammt von -> Regula; hg. v. K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. 174-222. Sp. 755 Z. 47: "Vender" korr.: Vener. Sp. 756 Z. 5: "Colmar, StB, cod. 212 (71711)" korr.: ..., cod. 71711 (Kat. Nr. 212). Ebd., Z. 14: "Düsseldorf, Bibl. d. Kgl. Gymnasiums" heute in Düsseldorf, ÜB u. LB, Ms. B 209 an: P. Eccl. 39 (Ink.). Sp. 757 Z. 5: "Colmar, StB, cod. 199 (7171)" korr.: ..., cod. 7171 (Kat. Nr. 199). Sp. 758 Z. 9 f. von unten: "Brüssel, Kgl. Bibl., cod. 4151-55" korr.: ..., ms. 4154-55. Sp. 759 Z. 13 f.: "Göttingen, SB u. ÜB, cod. 123" korr.: ..., cod. Ms. theol. 123. Ebd., Mitte: "Gebet zu den Gliedern Christi": vgl. -» Arnulf von Löwen [Bd. l u. NB].

Bernhard von Eiching Bairischer Astrologe [und Kosmograph]. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs4896, 170v-266r, um 1481-87, bair. Nicht ediert.

Als Schreiber beteiligt am Zusammentragen einer repräsentativen Sammelhs. über Sternenkunde, des 'Liber verus astrologus', hat B. v. E. selber in die Gestaltung der Kollektanee eingegriffen, insofern als er die Folge (laien)astrologischer (Klein-)Schriften um vier selbstverfaßte Texte bereicherte, von denen der erste das Untergliedern der Tierkreiszeichen-Häuser lehrt und die Teile divinatorisch wertet (170V— 200V: von den teilen der 12 hüßer; vgl. -> Tierkreiszeichenlehre); der zweite Teil bietet eine konstellatorische Geburtsprognostik ohne Häuser-Beteiligung (200V-206V: Von den allen anderen teilen die nicht in die 12 heußer gehörent), und der dritte gibt eine Einführung ins Erstellen von Jahrprognosen (3 partes ... betütten die suchen des reichs, 206 V —218 r ). Am selbständigsten scheint der vierte Text zu sein, der nach Maßgabe einer Nativitätenlehre ins Berechnen der Lebensphasen einführt (218 r —266 r : wie du ein euolucion einer natiuitet vinden vnd suchen sollest}; B. v. E. notiert hier keine Vorlagen, während er

243

Bernhard von der Geist — 'Bernhardstraktat'

sich bei den drei vorausgehenden Texten auf einen Leopolaus de Austria beruft ('Compilatio de astrorum scientia', HAIN 10042), sich aufs 'Introductorium magnum' Albumasars bezieht, den -> Alkabitius [NB] einbegreift und Hali Abenragel als Quelle nennt ('De judiciis astrorum'). Häufig kennzeichnet er seine eigene, von den Autoritäten abweichende Ansicht (nach meinung Bernhardus de E.). Die vier Texte verstehn sich als Lehrschrift für angehende Berufsastrologen (vgl. -» Ortenburger Prognostiker), die sie auf hohem Niveau ins Anfertigen von Geburtsgestirnungen einführen und mit dem Berechnen von Jahr- und Nativitäts-Prognosen vertraut machen wollen. In diesem Sinne sind sie verstanden und auch ernst genommen worden: Wolf Behaim (1474— 1507) jedenfalls, der Bruder Martin Behaims (1459-1507, Lexikon d. MAs I, 1980, Sp. 1810), der die Hs. um die Jahrhundertwende erwarb, hat sich eingehend mit B.s v. E. Schriften auseinandergesetzt und zur Häuser-Teilung des ersten Buches einen Nachtrag geliefert (268r), der in tabellarischer Form die Grad-Teilung des Zodiaks darstellt und die prognostische Wertigkeit der einzelnen Segmente angibt. L i t e r a t u r . E. ZINNER, Verzeichnis der astronom. Hss. des dt. Kulturgebietes, 1925, Nr. 3398; Martin Behaim u. die Nürnberger Kosmographen (Ausstellungskatalog des Germ. Nationalmus.), 1957, S. 11, Nr. A 14; K. PILZ, 600 Jahre Astronomie in Nürnberg, 1977, S. 110 f.; L. KURRAS, Die dt. mal. Hss. Tl. 2 (Kataloge des Germ. Nationalmus. Nürnberg l, 2), 1980, S. 21-23.

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Bernhard von Waging OSB [Korr.] Zur Frage der Identität B.s v. W. mit dem -»· Tegernseer Anonymus s. d. Bd. l, Sp. 780ff.: Die jeweils mit dem Vermerk "existiert nicht" genannten Melker Hss. H 115 (Sp. 780 Z. 7), J 53 (Sp. 782 Z. 4 f.), K 62 (Sp. 784 Z. 9/10 von unten) und K 78 (Sp. 788 Z. 7) werden dort nicht mit den antea-Signaturen des 18. Jh.s, sondern mit den Signaturen des Katalogs von Stephan Burckardi v. J. 1517 bezeichnet! Diese Angaben gehen auf LINDNER, 1897, zurück, der diesen Katalog benutzte. — Die Hss. sind demnach z. T. doch zu identifizieren: H 115 = cod. 650 (olim 356/G 17), seit 1938 in Manchester, John Rylands Univ. Library, MS. Lat. 458; vgl. N. R. KER, Medieval Manuscripts in British Libraries III, Oxford 1983, S. 465. Die Hs. wird mit der Melker Signatur 650 (ohne Identifizierung) auch Sp. 780 Z. 4, 781 Z. 13 von unten und 782 Z. l genannt! J 53 oder I 53 = cod. 862 (olim 843/P 33); die Hs. wird mit der Melker Signatur 862 (ohne Identifizierung) Sp. 782 Z. 2 ein zweites Mal aufgeführt. Der Codex wurde in drei Teile zerlegt und 1938 in London verkauft: Bl. 1 — 72 sind heute in Oxford, Bibl. Bodleiana, MS. Lyell 62; Bl. 73-173 in Manchester, John Rylands Univ. Library, MS. Lat. 459, der Text B.s v. W. dort heute Bl. 37-48 (vgl. KER [s. o.]; P. O. KRISTELLER, her Italicum, vol. IV, 1989, S. 240); Bl. 174-222 in Cambridge/Mass., Houghton Libr., Ms. lat. 162. K 62: ungeklärt. K 78 = cod. 1605 (olim 59/B 24); die Hs. wird mit ihrer aktuellen Signatur (ohne Identifizierung) auch Sp. 787 Z. 23 von unten genannt. Sp. 784 Z. 11 von unten: "cod. 733 (3537 G. 13)" korr.: cod. 773 (353/G 13).

G. KEIL Bernhardin von Siena [Korr.] Bernhard von der Geist [Korr.] Bd. l, Sp. 762, Überl.: "Karlsruhe, LB, cod. 354" korr.: ..., cod. K 354.

Bd. l, Sp. 792 Z. 6 f.: "Magdeburg, Dombibl., cod. 81" korr.: heute in Berlin SBB-PK, Ms. Magdeb. 81; der Text des Ps.-Bernhardin auf Bl. 95rb97vb ist lat., nicht nd.!

Bernhard von der Mark [Korr.] Bd. l, Sp. 772 Z. 11: "Bamberg, SB, cod. LIII 28" korr.: ..., Msc. Nat. 7 (olim L.III.28).

Bernhard von Rostock [Korr.] Bd. l, Sp. 773 Z. 1: "cod. F. 4, ..., der Schloßbibl. Berleburg" korr.: cod. RT 2/6 (olim F 4) ...

Bernhard von Stencz -» Perger, Bernhard

'Bernhardstraktat' [Korr.] Bd. l, Sp. 793 zu Überl.: Berlin, mgq 1494 befindet sich jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Das Fragment gehört aber zu -> 'Unser vrouwen klage' und ist nicht identisch mit dem von SCHRÖDER publizierten Fragment des 'Bernhardstraktats' (damals in Leiden Antiquariat E. von Scherling, heute verschollen), auf das sich alle Angaben beziehen. Vgl. BERGMANN, Spiele, M. 79.

245

246

Berthold — Berthold von Moosburg

Vgl. auch -» 'Hoffmanns Marienklage'; -> 'Königsberger Marienklage'; -> 'Marienleben E das himelreich'. Ebd. Z. 3 von unten: G. BAUER korr.: E. BAUER.

Berthold (OP) [Nachtr.] Bd. l, Sp. 802 ergänze zu Überl.: Auszug gedruckt in: V. HASAK, Der christl. Glaube des dt. Volkes beim Schlüsse des MAs, 1868, S. 146-151.

Berthold von Eisenach (Bertoldus Isenacensis, Thuringensis) Ein B., der als Person sonst nicht greifbar ist, zeichnet als Autor des metrisch gefaßten Vokabulars 'De rarissimis vocabulis' (inc. Ad me transire si vis proverbia scire), das eine Fülle seltener, vielfach griechisch entlehnter Wörter (oft in lautlichen Entstellungen) versammelt und deren lexikalische Bedeutung durch Synonyme und anhand gemutmaßter wortgeschichtlicher Hinweise erklärt. B. hat dem Lehrgedicht mehrfach seinen Namen eingeschrieben. Die proverbia, die B. in v. l als seinen Gegenstand bezeichnet, werden von den Glossatoren verschieden verstanden: als das erklärungsbedürftige Sondervokabular selber (Mainzer Hs.) oder bereits als die exposiciones vocabulorum (Münchener Hs.).

Das in den Hss. bis zu 630 leoninische Hexameter umfassende Schulgedicht gliedert sich, beginnend mit einem Prolog (vv. 1 — 10), in einen nominalen und einen verbalen Teil. Der größere erste, den Nomina geltende Teil schließt mit einer Apostrophe an den Autor (O Bertholde bone ...), welche auch die Quellen des Werks nennt: -» Guilelmus Brito ('Exposiciones vocabulorum biblie'), Hugutio von Pisa ('Magne derivaciones'), -»'Glosarius' [NB], 'Papias' ('Elementarium'), 'Cornutus' (-> Johannes de Garlandia, -> Otto von Lüneburg), Eberhard von Bethune ('Grecismus'). B.s 'De rarissimis vocabulis' gehört in den Kreis der in der spätmal. Schulpraxis lebhaft verbreiteten lexikalischen Lehrgedichte. Ihm am nächsten stehen der 'Glosarius' und der -»· 'Huwilogus' [NB]. Nach Maßgabe der Erfurter Hs. und der Benut-

zung des 'Glosarius' ist als Zeitraum der Entstehung des Gedichts das 2. Viertel des 14. Jh.s zu erwägen. Die thüringische Herkunft legt eine Verbindung B.s mit der im 14. Jh. in der Grammatik und Lexik führenden Erfurter Schule nahe. Ü b e r l i e f e r u n g . Die erhaltenen Hss. weichen im Textbestand und im Wortlaut sämtlich, z. T. stark voneinander ab. Ein Teil bietet statt der vollst. Fassung (= A) eine um den Abschnitt über die seltenen Verben geminderte mit nur ca. 465 (bis 505) Versen (= B). Eine textgeschichtliche Untersuchung hätte die Textzeugen weiter zu differenzieren. Die Frankfurter Hs. schreibt das Buch einem Jodocus Isenacensis zu; in der Münchener Hs. ist die Apostrophe an einen Eberhardus gerichtet. Fast alle Hss. sind lateinisch und, in unterschiedlichem Maße, meist sehr spärlich, auch deutsch glossiert; die Krakauer Hs. hat polnische statt dt. Glossen. Fassung A: Mainz, StB, Hs. I 160, 135r-155v, 630 vv., v. J. 1376 (zit.); Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. lat. oct. 93, lr-20v, 562 vv., v. J. 1478. - Fassung B: Basel, ÜB, cod. F IV 45, 209r-222v, v. J. 1431; Krakau, Bibl. Jagiell., cod. 228, 133r-153v, 1. H. 15. Jh.; Augsburg, ÜB, cod. II.l. 4° 27, 233r-252v, um 1451, mit Glossenkomm.; München, clm 7678, 242r-260r, Mitte 15. Jh. Die Zuordnungen folgender Hss. stehen aus: Berlin, SBB-PK, Ms. Magdeb. 167, 243V-247V, 15. Jh., 118 vv.; Erfurt, Stadt- u. Regionalbibl., cod. Ampl. Q. 378, 47r-63r, um 1349, mit Glossenkomm.; Prag, Archiv Prazkeho Hradu (Metropol.bibl.), cod. M. CXXVII (PODLAHA, Nr. 1488), 23v-27r, um 1378. L i t e r a t u r . H. LIEBE, Die Disticha Cornuti, Progr. Straubing 1888, S. 34; G. POWITZ, Hubrilugus u. Huwilogus, ZfdA 93 (1964) 226-238, hier S. 236 mit Anm. 2. F. J. WORSTBROCK

Berthold von Holle [Korr.] Zur Prosabearbeitung des 15. Jh.svgl. -> 'Craen' [NB].

Berthold von Moosburg OP [Korr.] Bd. l, Sp. 817 Z. 2/3: "Oxford, Bibl. Bodleiana, cod. Balliol 224 B" korr.: Oxford, Balliol College Library, MS. 224 B.

Berthold von Thüringen ->· Berthold von Eisenach [NB]

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Bertram von Ahlen — 'Bihtebuoch'

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Bertram von Ahlen OFM [Korr.]

'Besuch bei der Geliebten' [Korr.]

Bd. l Sp. 827 Z. 3 f. von unten: "Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. 1368 (893-98)" korr.: ..., ms. 893-98 (Kat. Nr. 1368). Sp. 828 Z. 6/7 von unten: "Rom, Bibl. Vaticana, cod. lat. 12995" korr.: ..., cod. Vat. lat. 12995. Ebd. Z. 5 von unten: "Oxford, Bibl. Bodl., Balliol Coll. Ms. 58" korr.: Oxford, Balliol College Library, MS. 58.

Bd. l, Sp. 835 Z. 8: "Prag, ÜB" korr.: Prag, Nationalmuseum.

Beschwörungen vgl. -»· Zauber Sprüche und -segen [Vw. in Bd. 10]; ->· 'Cambridger Augensegen' [NB]; -» Segen und Beschwörungen [NB]

Priester Bethlem [Korr.] Bd. l, Sp. 835 zu Überl.: "Darmstadt, LB, Nr. 97, Hs. 1868" und "ebd., Nr. 106, Hs. 1861" korr.: ..., Hs 1868 und Hs 1861 (= G. ACHTEN/H. KNAUS, Dt. u. ndl. Gebetbuchhss. der Hess. Landes- u. Hochschulbibl. Darmstadt, 1959, Nr. 97 u. 106). - "Münster, ÜB, Nr. 406" korr.: ..., Hs 771 (Kat. Nr. 406); die Hs. ist verbrannt.

Betz, Hans -»· 'Zwölf Pfaffenknechte' (3.)

Besenfelder [Nachtr.] Bd. l, Sp. 830 ergänze zu Lit.: H.-P. MÜLLER, Der Chronist Berthold Besenfeld von Horb, Der Sülchgau (1976) 27—34 (zu weiteren biographischen Daten).

Bibelübersetzungen (spätmal, dt.; Prosa) [Nachtr./Korr.] Bd. l, Sp. 842 ergänze die Verweise (Teilübersetzungen; einzelne biblische Bücher):

-> 'Apokalypse'; ->· Gertrud von Buren; 'Die besessene Nonne (bzw. Schwester) -»· 'Klosterneuburger Evangelienwerk'; -» Agnes' [Korr./Nachtr.] 'Mahrenberger Psalter' (Reimprosa); -»· Paulinische Briefe; -» Propheten-Auszug; Zu Bd. l, Sp. 830 f.: Die Untersuchung von -»· Psalmenübersetzungen; -» Rellach, JoBORRIES erbrachte mit 4 weiteren Textzeugen (die z. T. bereits in älterer Forschung bekannt waren) hannes; -»· Schlapperitzin, Konrad; -> den Nachweis, daß der Text nicht aus dem obd., 'Schlierbacher Altes Testament'; -» Sträub, sondern aus dem ndl. Sprachbereich stammt und Nicolaus; -» Wolfhart; -> Bijbelvertaler lokalisiert ihn in das Haus der Schwestern vom van 1360 [NB]; - Bucholt, Nikolaus [NB]; Gemeinsamen Leben Ten Orten in Herzogenbusch, ->· Österreichischer Bibelübersetzer [NB]. das zur Devotio moderna gehörte. Die Annahme, — S. auch unter -» Perikopenbücher [Verder Nürnberger Guardian der Franziskaner Johanweise!]; -» Evangelienperikopen und ->· nes Heilmann von Lindenfels könnte der Verfasser Evangelienübertragungen [Korr. und weisein, ist damit hinfällig. Der Text fand in mehreren Fassungen (auch eitere Verweise; NB]. ner lat. Übers.), die sich in Umfang und Inhalt erheblich voneinander unterscheiden, Eingang auch in obd. Hss. und damit in das Schrifttum anderer Gemeinschaften, vor allem in Zentren der monastischen Reformbewegungen. A u s g a b e und L i t e r a t u r . E. BORRIES, Die besessene Schwester Agnes. Ein Schwesternspiegel des 15. Jh.s aus dem Haus Ten Orten in Herzogenbusch. Edition der Berliner Hs. mit Kommentaren u. Unters., OGE 70 (1996 [97]) 10-61 (Text S. 19—33 nach der ndl. Kurzfassung in Berlin, mgq 1122, 324va-331").

'Die Beständige und die Wankelmütige'

[Korr.] Bd. l, Sp. 832 zu Überl.: "Prag, ÜB" korr.: Prag, Nationalmuseum; "Stuttgart, LB, cod. 4° 69" korr.: ..., cod. poet, et phil. 4° 69.

Ebd.: "Cranc" korr.: Krane (Art. in Bd. 5!). Streiche: -> 'Historien der alden E' (= Bibeldichtung!) u. -> Krumpach, Nikolaus (nachreformatorische Drucke). Art. Salomonische Schriften erscheint im NB!

Biberli(n), Marquard [Nachtr.] Bd. 1, Sp. 842 f. ergänze: Zur Diskussion um Biberli als Bibelübersetzer vgl. -> Psalmenübersetzungen (spätmal.), XIV. und -»· 'Wien-Zürcher Bibel' [mit weiterer Lit.].

'Bihtebuoch'

Beichttraktat des 14. Jh.s. Überlieferung. Freising, Dombibl., Hs. 20, -56 (südrhfrk., Mitte - 2. H. 14. Jh.); ehem.

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Bijbelvertaler van 1360

Straßburg, Johanniterbibl. A 100 (elsäss., 14. Jh.), 1870 verbrannt; Abschrift des 18. Jh.s Straßburg, Bibl. mun., cod. 810 b. A u s g a b e . J. J. OBERLIN, S. 1—74 (aus der verbrannten, im 18. Jh. schon lückenhaften Hs.).

Ausgehend von Mt 5,8 Beati mundo corde ... Got sprichet an dem ewangelio das die selig sint die reinu herzen hant ... Swer denne nit hat ein reines herze ... stellt der Verf. in einem 1. Teil die vier Voraussetzungen der Beichte vor (des herzen bitterkeit, gehte, einzigung, gentzi) und erörtert deren Nutzen. Daran schließt sich der eigentliche Beichtspiegel, der die Hauptsünden und ihre Töchter ausführlich und mit vielen konkreten Beispielen behandelt. Der anonyme Autor betont zu Beginn und Ende des 1. Teils, daß er seine Lehre mit gebur-sehen warten ... ane rime und gezierde geschrieben habe, weshalb sie ze lesende virdroszenlich und swere sei. Zitiert wird mehrfach Augustinus. Der Traktat liegt auch in geringfügiger Überarbeitung durch den elsässischen Franziskaner Ludwig -» Schönmerlin in München, cgm 4700 v. J. 1483 vor. L i t e r a t u r . J. J. OBERLIN, Bihtebuoch, dabey die Bezeichenunge der Messe, Straßburg 1784; N. PAULUS, Die Reue in d. dt. Beichtschriften d. ausgehenden MAs, ZkTh 28 (1904) 17 Anm. 1; STAMMLER, Prosa Sp. 817 f.; E. WEIDENHILLER, Unters, z. dt.sprachigen katechetischen Lit. d. späten MAs (MTU 10), 1965, S. 238 Nr. 13.

KARIN SCHNEIDER Bijbelvertaler van 1360 OCart (?)

A. Person. Der sog. B. van 1360 (die Bezeichnung bezieht sich auf die Datierung der 'HistoriebijbeP) ist ein Anonymus, der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s als Übersetzer von lat. geistlichen Werken und der Bibel ins Mndl. tätig war. Seine Übersetzungen fanden später auch im dt. Sprachraum Widerhall. Aufgrund seines Dialekts ist sein Heimatort im östlichen Flandern, in der Nähe von Aalst, anzusiedeln (CouN, 1995). Es ist sehr wahrscheinlich, daß er Kartäuser im Kloster zu Herne in Südbra-

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bant war, nicht nur weil die (Familien der) Auftraggeber einiger Übersetzungen Gönner des Klosters waren, sondern auch weil die Hs. Paris, Bibl. Mazarine, cod. 1734 (um 1300), die die direkte Vorlage für seine -» 'Vitaspatrum'-Übersetzung (III.1.) bildet, aus Herne stammt. Dadurch gewinnt die These von J. DESCHAMPS, daß der B. vielleicht mit dem Herner Prior Petrus Naghel (f 1. 5. 1395) zu identifizieren sei {DESCHAMPS, 1984, S. 76), wieder an Aktualität. B. Werk. Die Chronologie der Übersetzungen ist teilweise bekannt durch Datierungen in Kolophonen oder Prologen. Es ist davon auszugehen, daß der B., wie es in seiner Gegend üblich war, den Jahresanfang auf Ostern gesetzt hat (cf. COUN, 1980, S. 197): 1. Jacobus a Voragine, 'Legenda aurea'. Die sog. 'Südmndl. Legenda aurea' wurde am 9. 1. 1357 vollendet. Der Text ist in den Hss. häufig gekürzt und fast immer durch zusätzliche Legenden erweitert worden. Ü b e r l i e f e r u n g . Ca. 150 Hss. und 13 vollständige oder Teildrucke zwischen 1478 und 1516. Übersicht bei WILLIAMS-KRAPP, S. 57—84, Ergänzungen bei SCHEURKOGEL, bes. S. 82-113; vgl. -» Jacobus a Voragine, V. 2. Der Text fand auch in zahlreichen Hss. im mfrk. und nd. Sprachraum Verbreitung (vgl. WILLIAMS-KRAPP), eine Hs. (Düsseldorf, ÜB u. LB, Ms. C 120) stammt sogar aus dem rhfrk. Raum und enthält Sommer- und Winterteil (Korpus identisch mit zwei Trierer Hss.). Kritische A u s g a b e in Vorbereitung durch eine Gruppe von Forschern (BERTELOOT u. a.).

2. 'HistoriebijbeP. Der erste Teil wurde am 12. 1. 1360 vollendet, der zweite am 23. 6. 1361; beide Teile sind im Auftrag des Brüsseler Patriziers Jan Tay übersetzt worden. Übersetzung u. a. nach der 'Vulgata' mit durchlaufendem Kommentar nach der 'Historia scholastica' des -»· Petrus Comestor [NB]. Einige Teile sind eine Prosabearbeitung von mndl. Texten des -»· Jakob van Maerlant [NB]; zudem ist das 'Diatessaron' eine Bearbeitung einer mndl. Übersetzung.

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Bijbelvertaler van 1360

Keine Hs. überliefert den Text vollständig (Versuch einer Rekonstruktion des ursprünglichen Inhalts bei KORS). Ü b e r l i e f e r u n g . Übersicht der Hss. bei BIEMANS, 1984, bes. S. 56-86, 250-290. Aus dem 14. Jh. sind nur zwei Frgm.e erhalten: Den Haag, Kgl. Bibl., cod. 72 A 28, Teil 1; und London, British Library, Add. MS. 34 392. Im 15. Jh. sind Texte aus der 'Historiebijbel' vielfach kopiert worden, meistens im Kreise der Devotio moderna, in insg. 50 Hss. Der Text ist ferner teilweise überliefert in der sog. 'Kölner Bibel' (zwei Inkunabeln, um 1478; -> Niederdeutsche Bibeldrucke). Ausgaben. C. C. DE BRUIN, Corpus Sacrae Scripturae Neerlandicae Medii Aevi. Verzameling van Middelnederlandse bijbelteksten. Series Maior 1/1-3, Leiden 1977-1978, passim (die Bücher des AT); ders., 1934, S. 178 f., 268 (die Prologe zum NT). DE BRUIN hat jedoch die sog. apokryphen Bücher ausgelassen und außerdem alle Kommentare, die insgesamt ein Drittel des Textes ausmachen, weggelassen.

3. Benedikt von Nursia, 'Regula monachorum'. Vollendet am 13. 1. 1373; im Auftrag des Brüsseler Patriziers Lodewijc Thonijs, für seine Schwester Maria, die Nonne und später Äbtissin des Benediktinerinnenklosters in Vorst, nahe Brüssel, war. Ü b e r l i e f e r u n g . 4 mal. Hss., davon 2 aus Vorst. A u s g a b e und Studie v. COUN, 1980; -* Benediktinerregel, III.13.

4. Gregor der Große, 'Homiliae XL in Evangelia'. Vollendet während der Fasten 1381. Ü b e r l i e f e r u n g . 26 Hss. (darunter l Exzerpt und l Frgm.); dazu ein Druck: Utrecht, Johann Veldener 1479 (CAMPBELL, Annales 854). Mfrk. und nd. Hss.: Brüssel, Bibl. Bollandiana, cod. 31; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs. 813; Stockholm, Kgl. Bibl., cod. Huseby 15. Vgl. DESCHAMPS, 1972, S. 252f.; -» Gregor der Große, III.B.l.

5. Johannes Cassianus, 'Collationes patrum'. Vollendet am 5. 1. 1383; im Auftrag von Lodewijc Thonijs. Der B. hat in seiner Übersetzung die Collationes 13 und 17 ausgelassen, weil sie für sempel mensche zu schwierig seien.

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Ü b e r l i e f e r u n g nur teilweise: Brüssel, Kgl. Bibl., cod. 2341 (Collationes 14-16 und 18-24); Sint Truiden, Instituut voor Franciscaanse Geschiedenis (früher Gent, Minderbroedersklooster), cod. U a 40 (Collationes 12 [Schluß], 16 und 18-24). Vgl. DESCHAMPS, 1972, S. 209-211; - Johannes Cassianus, II.2.a.

6. Bonaventura, 'Lignum vitae'. Vollendet am 2. 8. 1386. Ü b e r l i e f e r u n g . 2 vollständige Hss. und 2 Hss. mit kurzen Exzerpten; -> Bonaventura, A.c.

7. PS.-Bonaventura, 'Stimulus amoris'. Vollendet im März 1387. Ü b e r l i e f e r u n g . 2 vollständige Hss.; -» 'Stimulus amoris', III.l.

8. Gregor der Große, 'Libri IV dialogorum de vita et miraculis patrum Italicorum'. Vollendet am 4. 11. 1388. Ü b e r l i e f e r u n g . 6 Hss., darunter 2 mit Exzerpten; vgl. DESCHAMPS, 1972, S. 177-179; ->· Gregor der Große, III.D.5.a. Eine rip. Umschreibung in Leiden, ÜB, BPL 2174.

Die übrigen Übersetzungen lassen sich (aufgrund ihrer Prologe) nur in eine relative Chronologie einordnen: 9. Die didaktischen Bücher des Alten Testaments: 'Proverbia', 'Liber Ecclesiastes', 'Canticum Canticorum', 'Liber Sapientiae' und 'Liber lesu Filii Sirach'. Entstanden nach Fertigstellung der 'Historiebijbel', also nach dem 23. 6. 1361; im Auftrag des Jan Tay. Ü b e r l i e f e r u n g . Vollständig in 9 Hss., ansonsten nur in Teilen. Vgl. BIEMANS, S. 56-86 (passim), 250-290 (passim).

10. 'Vitaspatrum'. Das aus zwei selbständigen Teilen bestehende Werk wurde ebenfalls nach der 'Historiebijbel' verfaßt; der Viten-Teil entstand vor dem 'Verba seniorum'-Teil (vgl. 'Verba'-Prolog). Ü b e r l i e f e r u n g in insg. 44 Hss. (nach einer in Vorbereitung befindlichen Untersuchung zu den mndl. 'Vitaspatrum'-Übersetzungen von W. J. HOFFMANN, der auch die weiteren Angaben zur Überl. entnommen sind; die wichtigsten Hss. bei DESCHAMPS, 1972, S. 170f. u. 174f.). Die stärkste

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Bijbelvertaler van 1360

Verbreitung fand der Viten-Teil (36 Hss., darunter zahlreiche mit Auszügen). — 4 Teilabschriften stammen aus dem dt. Sprachraum: Berlin, mgq 1240, 125r-131r (westf.); Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs. 447, 67r-119v u. 146V-150V (rip.); 's-Gravenhage, Kgl. Bibl., cod. 131 G 4, lr-12r (westf.); Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. "W 266, 292rb-297vb (mfrk.). Dazu kommen noch Einzelviten in Hss. der 'Südmndl. Legenda aurea' (vgl. bes. WILLIAMS-KRAPP, S. 388 [Alexius 2]) und eine größere Anzahl von Viten in 7 Hss. der 'Kölner Vitaspatrum-Sammlung' (HOFFMANN, 1993, S. 85 u. 103 f.; zu ergänzen: Düsseldorf, ÜB, cod. C 120, 232ra-240rb [Eufrosina, Pelagia; zur Hs. s.o. B.l.]).

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gemeenschappen in de Nederlanden. I. Studie. II. Repertorium [Miscellanea Neerlandica XV-XVI], Löwen 1997, II, Nr. 159, 670, 680, 1013). Nähere Untersuchungen sind hier dringend erforderlich.

C. Besonderes Merkmal der Arbeiten des B.s ist, daß er sowohl für Laien als auch für Religiösen gearbeitet hat. Für den Brüsseler Patrizier Jan Tay hat er fast die ganze Hl. Schrift übersetzt, für Lodewijc Thonijs die 'Collationes patrum' und für dessen Schwester, die Benediktinerin war, die 'Regula Benedicti'. Auch andere seiner Werke lassen sich mit einem Laienpubli11. Das Bibelbuch 'Isaias'. kum in Verbindung bringen, wie die 'LeVor 1384 entstanden. genda aurea' und die 'Homiliae'. Der B. Ü b e r l i e f e r u n g . 's-Gravenhage, Kgl. Bibl., van 1360 steht in den Niederlanden somit bruikleen Koninklijke Akademie, hs. XXXII (mit am Anfang einer Übersetzungstradition dem Prolog). Bezeugt auch durch den Prolog zu der Kartäuser, die von Mitbrüdern wie Jan 'Hieremias' und 'HiezeciheP (s. u. B. 12.). van Brederode (f 1415), Jacobus van Gruitrode (t 1475), Wouter Bor (f 1500) und PeA u s g a b e . DE BRUIN, 1977-1978 (s. o. 2.), Teil 1/3. trus Dorlandus (t 1507) fortgesetzt wird. Der B. übersetzt seine lat. Vorlagen 12. Die Bibelbücher 'Hieremias' und recht wortgetreu. Typisch ist sein Bemü'Hiezecihel'. hen um eine präzise Wiedergabe des Be1384 oder kurze Zeit später entstanden, deutungsgehaltes von lat. Lexemen; deswahrscheinlich im Auftrag des Jan Tay. halb gebraucht er viele Latinismen und Ü b e r l i e f e r u n g . 'Hiezecihel' ist hs.lich nicht Doppelübersetzungen und fügt hie und da überliefert; es gibt den Text zwar in der 'Historie- Glossen mit Wort- und Sacherläuterungen bijbeP, aber es handelt sich dort um die stark ge- zu. In seinem großen Prolog zur 'Historiekürzte Fassung der 'Historia scholastica'. 'HierebijbeP äußert der B. sich folgendermaßen mias' in 's-Gravenhage, hs. XXXII (s. o. B. 11.). zu seiner Übersetzungstechnik: [...] so Der Prolog zu den beiden Büchern ist g e d r u c k t meyn ic se [gemeint ist die Hl. Schrift] ghebei EBBINGE WUBBEN, S. 227 f. trouwelic te dietschen so ic naest mach, die Ob das CEuvre des B. noch größer war lettere houdende van woorde te woorde als hier aufgelistet, steht nicht fest: auf- ofte van zinne te zinne of van beyden ongrund des Wortschatzes und der Überset- derminghet, so dattet die liede verstaen zungstechnik war DE BRUIN geneigt, ihm moghen na den sede van onsen lande (Eßauch die Übersetzung der Tsalmi' zuzu- BINGE WUBBEN, S. 73 Z. 139-142). Was rechnen (Ausg.: DE BRUIN, 1977—1978 der B. hier unterscheidet, sind im Prinzip [s. o. 2.], Teil 1/2). Mehr als zweifelhaft ist zwei grundverschiedene Übersetzungsmedie Zuschreibung der Übersetzung von -»· thoden: eine getreue Wort-für-Wort-ÜberBernhards von Clairvaux 'Homiliae IV de setzung einer- und eine freiere Übersetlaudibus Virginis Matris super verba Evan- zungsmethode, bei der die (tiefere) Bedeugelii Missus est angelus Gabriel' (vgl. C. tung erhalten bleibt, andererseits; dabei G. N. DE VOOYS, lets over Middeleeuwse läßt er, mit Rücksicht auf die avisierte LeBijbelvertalingen, Theologisch tijdschrift serschaft, die Möglichkeit offen, beide Me37 [1903] 111-158, bes. S. 156-157 thoden zu kombinieren. In der Praxis Anm. 1; Hss. sind verzeichnet bei K. STOO- weicht der B. aber nur dann von der WortKER u. TH. VERBEIJ, Collecties op orde. für-Wort-Methode ab, wenn die lat. VorMndl. hss. uit kloosters en semireligieuze lage besondere Schwierigkeiten bereitet,

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'Bilder-Ars-moriendi' — 'Der Bildschnitzer von Würzburg'

wie z. B. die 'Collationes patrum' Cassians, über die er im Kolophon schreibt, er habe sie übersetzt vten kerden swaren ghewapenden latine (ÜESCHAMPS, 1972, S. 210). In den Prologen verteidigt er sein Schaffen mehrmals gegenüber Kritik durch Kleriker. L i t e r a t u r . S. S. HooGSTRA, Proza-bewerkingen van het Leven van Alexander den Groote in het Middelnederlandsch, 's-Gravenhage 1898, bes. S. LXXII-CXV; C. H. EBBINGE WUBBEN, Over Mndl. vertalingen van het Oude Testament, 's-Gravenhage 1903, bes. S. 7-156, 226-242, 246-250; C. C. DE BRUIN, Mndl. vertalingen van het Nieuwe Testament, Groningen 1934, bes. S. 177—196, 266-287; RUH, Bonav. dt., S. 159-163; C. C. DE BRUIN, Bespiegelingen over de 'B. van 1360'. Zijn milieu, werk en persoon, Nederlands Archief voor Kerkgeschiedenis N. S. 48 (1967-1968) 39-59; 49 (1968-1969) 135-154; 50 (1969-1970) 11-27; 51 (1970-1971) 16-41; J. DESCHAMPS, Mndl. hss. uit Europese en Amerikaanse bibliotheeken. Tentoonstelling ... Brüssel, Koninklijke Bibliotheek Albert I, 24 okt.-24 dec. 1970. Catalogue, Leiden 1972, passim; C. C. DE BRUIN, Voorkeurwoorden van de 'vertaler van 1360', in P. G. J. STERKENBURG u. a. (Hgg.), Lexicologie: een bundel opstellen voor F. de Tollenaere ter gelegenheid van zijn 65e verjaardag ..., Groningen 1977, S. 57—69; DE BRUIN, 1977/78 (s. o. B. 2. Ausg.); S. HINDMAN, Text and Image in Fifteenth-Century Illustrated Dutch Bibles (Verzameling van Mndl. Bijbelteksten. Miscellanea 1), Leiden 1977, passim; C. C. DE BRUIN, De prologen van de eerste Historiebijbel geplaatst in het raam van him tijd, in: W. LOURDAUX u. D. VERHELST (Hgg.), The Bible and Medieval Culture (Mediaevalia Lovaniensa, Series I/ Studia VII), Leuven 1979, S. 190-219; TH. COUN, De oudste Mndl. vertaling van de Regula S. Benedict! (Regulae Benedict! Studia. Supplementa 8), 1980; J. A. A. M. BIEMANS, Mndl. Bijbelhss. (Verzameling van Mndl. Bijbelhss. Catalogue), Leiden 1984, bes. S. 56-86, 250-290; J. DESCHAMPS, Drie fragmenten van een Mndl. Bijbel afkomstig uit het kartuizerklooster te Zelem, in: F. HENDRICKX (Hg.), De kartuizers en hun klooster te Zelem. Tentoonstelling ... (Dietsche cronycke 7), Diest 1984, S. 73-83; W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, bes. S. 53-187, 349-376 passim; W. J. HOFFMANN, Die rip. u. nd. Vitaspatrum-Überl. im 15. Jh., Ndjb 116 (1993) 72-108; . COUN, De lokalisering van de B. van 1360 en Vranke Callaert, in: J. CAJOT u. a. (Hgg.), Lingua Theodisca. Beitr. z.

Sprach- u. Lit.wiss. Jan Goossens zum 65. Geb. (Niederlande-Studien 16/1), 1995, S. 153-161; A. BERTELOOT, Herzog Librandus von Burgund. Ein frommer Fürst im Dickicht der ndl. Legenda aurea-Tradition, OGE 70 (1996) 121-142 [ebenfalls erschienen in: Zentrum f. Niederlande-Studien. Jb. 7/8, 1996/97, S. 127-147]; M. SHERWOOD-SMITH, Studies in the Reception of the Historia Scholastica of Peter Comestor in Medieval German and Dutch Literature, Oxford 1996, bes. S. 260-366 [Diss. Oxford 1996]; A. BERTELOOT, De wet, de rechter en de beul. Lexicale variatie in de Legenda aurea, Leuv. Bijdr. 85 (1996) 393-423; ders., Die Legenda aurea an Rhein, Maas u. IJsel, in: R. SCHLUSEMANN u. P. WACKERS (Hgg.), Die spätmal. Rezeption ndl. Lit. im dt. Sprachgebiet (ABäG 47), Amsterdam 1997, S. 9-38; ders., De neus van Sint Bartholomeus, in: A. VAN SANTEN u. M. VAN DER WAL (Hgg.), Taal in tijd en ruimte (Fs. Cor van Bree), Leiden 1997, S. 267—273; L. SCHEURKOGEL, De overlevering van de Noord- en Zuidnederlandse Legenda aurea. Een tussentijds verslag, in: VMKVA 1997, S. 60-118; M. SHERWOOD-SMITH, God and Gynaecology: Women's Secrets in the Dutch Historiebijbel van 1360, German Life and Letters 50 (1997) 389-402; A. BERTELOOT, Die mndl. Bezeichnungen für den Weltgeistlichen, in: V. HONEMANN u. a. (Hgg.), Sprache u. Lit. des MAs in den Nideren Landen. Gedenkschr. f. Hartmut Beckers (Nd. Stud. 44), 1999, S. 21-37; M. M. KORS, Die Bibel für Laien: Neuansatz oder Sackgasse? Der B. von 1360 u. Gerhard Zerbolt v. Zutphen, in: Gerhard Zerbolt v. Zutphen u. die Brüder vom gemeinsamen Leben (Tagungsbd., in Vorb.).

MIKEL M. KORS 'Bilder-Ars-moriendi' [Korr./Nachtr.] Bd. l, Sp. 863 Z. 16/15 von unten: "Wolfenbüttel, Hzg.-Aug.-Bibl., cod. 904" korr.: ..., cod. Guelf. 808 Heimst. (Kat. Nr. 904). Ebd. zu Punkt 4.: Ein weiterer dt. Text in Salzburg, St. Peter, cod. b II 23, 136V-159V; vgl. I. REIFFENSTEIN/F. V. SPECHTLER, Dt.sprachige Sterbebüchlein des 15. Jh.s in Salzburger Hss., in: J. ERBEN/E. THURNHER (Hgg.), German. Stud. (Innsbrucker Beitr. z. Kulturwiss. 15), 1969, S. 107125, hier S. 108 Anm. 4.

'Der Bildschnitzer von Würzburg' Schwankhaftes Märe in zwei einander nahestehenden Fassungen (a und b nach FISCHER); es wurde verschiedentlich, seit FISCHER eher mit Vorbehalt, Hans -» Ro-

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Birgitta von Schweden — Birker, Hans

senplüt zugewiesen und gehört jedenfalls in seinen Umkreis (Überlieferungszusammenhang, aber keine Zuschreibung in den Hss. und keine Autorsignatur; vgl. auch 'Spiegel und Igel' ['Der -»> Spiegel' B.]).

Kunstwerken verborgen wird und dann vor dem Ehemann flieht. In 'Le prestre crucefie' finden Ehebruch und Kastration allerdings wirklich statt. Das Märe zeichnet sich gegenüber den früheren Versionen durch die AbschwäÜ b e r l i e f e r u n g . Fassung b: Dresden, Sachs. chung gröberer Effekte aus: Da — anders LB, Mscr. M 50, 119 -12 (Nürnberg, 1460r r als in den drei anderen Versionen, wo der 1462); Leipzig, ÜB, Ms 1590, 40 -43 (Nürnberg, r r Priester als gekreuzigter Christus, z. T. so1460-1465); München, cgm 713, 124 -127 (Nürnberg?, 1462-1482 [1478?]). - Fassung a: gar ausdrücklich mit Wundmalen, bemalt Gießen, ÜB, cod. 1264, 21V-23V (Nürnberg?, wird — die blasphemische Seite zurückge1470/1480); Nürnberg, Germ. Nationalmus., cod. nommen ist, liegt das Interesse der Ge5339a, 28r-31v (Nürnberg, 1471-1473); ebd., Hs schichte ganz auf der Inszenierung der r/v Merkel 2° 966 (Val. Holls Hs.), 105 (Augsburg, Überlistung und auf dem daraus gewonne1524-1526). nen Profit (das 'Lösegeld' fehlt in den anA u s g a b e n . KELLER, Fsp. IV 1180-1183 (Fas- deren Versionen). sung b, München); FISCHER, Märendicht., S. 134 — 143, Nr. 16a/b (b, zit.); K. GRUBMÜLLER, Novellistik des MAs. Märendichtung (Bibl. des MAs 23), 1996, S. 928-935 (Fassung b, Dresden), mit Übers.

Die Frau eines Würzburger Bildschnitzers beschließt gemeinsam mit ihrem Mann, den Domprobst, der um ihre Liebe buhlt, in eine Falle zu locken. Bei einem Tete-a-Tete der Frau mit dem Probst kehrt der Ehemann scheinbar unerwartet zurück. Sie läßt den Geistlichen sich entkleiden und bemalt seinen Körper, woraufhin sie ihn unter den götzen I gotten ('Schnitzfiguren', b: v. 77, a: v. 72) ihres Mannes verbirgt. Der Bildschnitzer gibt vor, für einen Käufer eine Figur aussuchen zu müssen, und seine Wahl fällt auf den Probst. Als er der Figur jedoch das anstößige geschir (v. 95) abschlagen will, ergreift der Probst die Flucht. Nachdem der Bildschnitzer das 'entlaufene' Bild bis zum Haus des Probstes verfolgt hat, kann er dort für den Verlust des Kunstwerks hundert pfunt (v. 121) einfordern und lebt hinfort glücklich und ehrenhaft. Den Schluß bildet die Weinheische des Vortragenden (fehlt a). Eine frühere Version dieser Geschichte, die der Verfasser gekannt hat, ist das wohl im 13. Jh. entstandene, nur fragmentarisch überlieferte Märe 'Der -> Herrgottschnitzer'; mit diesem und zwei deutlich derberen afrz. Fabliaux aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.s, 'Le prestre crucefie' (anonym) und 'Le prestre taint' von Gautier le Leu, teilt 'Der B. v. W.' das Motiv des ehebrecherischen Geistlichen, der bemalt zwischen

L i t e r a t u r . K. BARTSCH / R. KÖHLER, Der Maler mit der schönen Frau, Germ. 18 (1873) 41-45; F. FROSCH-FREIBURG, Schwankmären u. Fabliaux (GAG 49), 1971, S. 105-118; D. BLAMIRES, Sexual Comedy in the 'Mären' of Hans Rosenplüt, Trivium 11 (1976) 90-113, dort S. 104 f.; BISCHER, Stud., B 105b; H.-J. ZIEGELER, Erzählen im SpätMA. Mären im Kontext v. Minnereden, Bispeln u. Romanen (MTU 87), 1985 (Reg. S. 557); GRUBMÜLLER (s. Ausg.), S. 1320—1326 (Lit.).

NICOLA 'Bindung Isaaks' (jidd.) chak'

'Akedass Jiz-

Birgitta von Schweden [Nachtr.] Sp. 869 zu 5.: W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 398, verzeichnet insg. vier eigenständige Fassungen der B.-Legende.

Birker (Bircher), Hans Schweizer Liederdichter, geb. 1485/90, gest. 1558. Er gehörte einer einflußreichen Luzerner Familie an und hatte seit 1520 immer wieder wichtige staatliche Ämter inne, u. a. als Landvogt und Schultheiß. Außerdem war er ein tüchtiger Kriegsmann. So nahm er 1507 als Reisläufer an der Eroberung Genuas teil, und 1521/22 weilte er als päpstlicher Söldner in Italien. Später stand er mehrfach als Hauptmann in französischen Diensten. Über die Kriegsereignisse von 1507 und 1521/22 hat er in umfangreichen, mit Autorsignatur

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Birker, Hans

versehenen Liedern berichtet, die den Gang der Ereignisse zum Teil recht detailliert wiedergeben. Sie fanden als zeitgenössische Einzeldrucke Verbreitung. 1. Lied über die Eroberung Genuas durch die Franzosen im April 1507 (45 Neunzeilerstrophen). Die ausführliche Schilderung der dreitägigen Kämpfe vom 24.—26. April erfolgt aus Sicht der schweizerischen Söldner, die allerdings nur teilweise zum Einsatz kamen. Ihrem Lob, das am Ende durch ein Wort des französischen Königs bestätigt wird, dient eine Aufzählung aller beteiligten eidgenössischen Orte, der Zugewandten und der Freiämter. Eigens erwähnt wird das tapfere Freifähnlein. Die Einleitung konfrontiert die Frühlingszeit mit den verderblichen Folgen des Krieges, erörtert den Grund des Krieges und behandelt das Bündnis zwischen Frankreich und den Eidgenossen. Ü b e r l i e f e r u n g , a. Ein verlorener Druck wird bezeugt durch den Vermerk in b., das Lied sei im truck ußgangen. — b. Werner Steiners 'Liederchronik' (Zürich 1532): Autograph in Luzern, Zentralbibl., Abt. Bürgerbibl., Ms. 382.4, S. 164 f., Abschrift u. a. in Zürich, Zentralbibl., Ms. A 158, 94 r —96 r ; nur Str. 1—5 und 18, aus dem Gedächtnis aufgezeichnet. — c. Luzern, Zentralbibl., Abt. Bürgerbibl. Ms. 499A (Gregor Mangolts Liederhs., Zürich 1552/62), S. 1-14; vermutlich Druckabschrift. A b d r u c k . LILIENCRON, Hist. Volkslieder III, Nr. 252.

2. Lied über den Zug von 6000 vom Papst angeworbenen Eidgenossen in den Kirchenstaat im Frühjahr 1521 (27 Siebenzeilerstrophen). Das Hauptereignis des 'Leinlakenkrieges' — so genannt, weil die Söldner meist untätig herumlagen — war anscheinend der ehrenvolle Empfang der Hauptleute Anfang Mai in Rom. Zu Beginn des Liedes wird als Ursache für die Anwerbung der Eidgenossen die Untreue der päpstlichen Untertanen angeführt, die ihren Herrn einen Tyrannen nennen und zum Teufel wünschen. Bei den Eidgenossen würde derartiges bestraft, denn der Papst ist der irdische Gott. Aber: 'Je näher Rom, je böser Christ!' Um solche Untertanen bezwingen zu können, muß der Papst Fremde bezahlen.

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Ü b e r l i e f e r u n g , a. Oktavdruck [Basel, A. Petri 1521], Ex. Winterthur, StB, c. 620/26 (VD 16, N 1225); Tonangabe: das frouwlin von Partöngy (-> 'Fräulein von Britannien', LILIENCRON II, Nr. 180). - b. Gregor Mangolts Liederhs. (s. I.e.), S. 153-160. A b d r u c k . LILIENCRON, Hist. Volkslieder III, Nr. 357.

3. Lied über die Schlacht bei Bondeno am 9. Oktober 1521 (46 Fünfzeilerstrophen). Vorweg wird berichtet, wie die für den 'Leinlakenkrieg' angeworbenen eidgenössischen Söldner entlassen wurden. Ein Teil von ihnen blieb jedoch im Dienst des Papstes zurück. Nach Ausbruch des Krieges mit Frankreich wurden diese bei der Belagerung Parmas eingesetzt und später, damit sie nicht mit ihren in französischen Diensten stehenden Landsleuten aneinander gerieten, gegen den Herzog von Ferrara geführt. Bei Bondeno schlugen 1500 Schweizer ohne Beistand der Welschen und ohne Geschütz 6000 Franzosen aus dem Feld und eroberten die Stadt. Ü b e r l i e f e r u n g , a. Oktavdruck [Basel, A. Petri 1521], Ex. Wien, ÖNB, 79. L. 117 (WELLER, Rep. typ. 1814); Tonangabe: wie das Lied von der faßnacht zu Basel gemacht von den vier Orden. Das zitierte Lied, von LIEBENAU, S. 353, irrtümlich Hans -» Wick zugeschrieben, betrifft die Fastnacht 1521 (F. R. MEISNER, Schweizer. Feste im 15. u. 16. Jh., Neujahrsbl. f. Basels Jugend 47 [1869] 1 — 29, hier S. 6—8, mit Textabdruck); es ist als Einblattdruck überliefert: [Basel, Drucker des Ursus-Blattes 1521] (R. W. BREDNICH, Die Liedpublizistik im Flugblatt d. 15. bis 17. Jh.s, Bd. II [Bibliotheca bibliographica Aureliana 60], 1975, Nr. 224, falsch auf 1514 datiert). — b. Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs Merkel 2° 966 (Val. Holls Hs., 1524/26), 172rv; höchstwahrscheinlich Druckabschrift. A b d r u c k . LILIENCRON, Hist. Volkslieder III, Nr. 359.

4. Lied über die weiteren Erlebnisse der eidgenössischen Söldner vermutlich bis Juni 1522 (ca. 40 Schweifreimstrophen). Nur ein Drittel des Textes ist erhalten, und da der Schluß fehlt, ist B.s Autorschaft, wiewohl aufgrund des sachlichen Zusammenhangs äußerst plausibel, nicht gänzlich gesichert. Das Textfragment berichtet vom Zug der Schweizer, die inzwischen im Sold

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Bischof von Magdeburg — 'Bleiberger Bergordnung'

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der Florentiner standen, gegen den Herzog von Urbino im Februar 1522 und von ihrem Aufenthalt im März auf Florentiner Territorium.

ten des Thomas Hemerken von Kempen in der Inzigkofener Hs. (heute Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 422, 71r —143 V ). Einigen Indizien zufolge stammt die dt. Übersetzung von Thomas ->· Finck [Bd. 2 u. NB].

Ü b e r l i e f e r u n g . Oktavdruck [Basel, A. Petri 1522], Fragment in Bern, Staatsarchiv (VD 16, N 1224): nur Bl. l, 4, 5 und 8, das erste und letzte ohne Liedtext, die übrigen mit Str. 15 — 29; Tonangabe: wie das müden lied ( . i. das Murten-Lied von Veit -> Weber, LiLiENCRON II, Nr. 142).

Vgl. W. FECHTER, Wer war J.B.?, ZfdA 108 (1979) 430-442; ders., Dt. Hss. des 15. u. 16. Jh.s aus der Bibl. des ehem. Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen, 1997,5. 137 f.

A b d r u c k . TÜRLER, S. 220-222. L i t e r a t u r . TH. v. LIEBENAU, Hans Bircher von Luzern, Anz. f. Schweizer. Gesch. NF l (1870 — 1873) 350-353; H. TÜRLER, Ein unbekanntes hist. Lied von 1522, Der Geschichtsfreund 82 (1927) 219-243.

'Die blaue Farbe' (KELLER, Fsp. 93) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Blauenstein, Nicolaus ->· Gerung, N. 'Bleiberger Bergordnung'

FRIEDER SCHANZE

Bambergische Rechtssatzung in Kärnten, die nach Entwürfen ab 1493 durch Bischof Heinrich III. (Groß von Trockau Bischof von Magdeburg [Korr.] 1487-1501) 1495 oder 1496 in Kraft geBd. l, Sp. 875 Z. 3 des Artikels: "Erlanger setzt wurde. Genauer zu datieren — 4. Juli Hs. 1376" korr.: Ms. B 34 (olim Kat. Irmischer 1496 — ist ein erster Nachtrag. Seinerzeit Nr. 1376). war eine Bergordnung erforderlich geworBispel-Sammlungen Reimbi spel-Samm- den, weil der 1333 urkundlich erwähnte Bergbau auf dem Pleyberg pey Villach lungen stark expandierte, da man Bleierz und Blei wegen der Fähigkeit, sich mit Silber anzuBitschin, Konrad [Nachtr.] reichern, beim sog. Abdarr- und Saigerverfahren im Hüttenprozeß in immer größeBd. l, Sp. 885 zu Überl. ergänze: Nach KOEBNER enthielt außerdem die Königsberger Hs. 1304 Buch ren Mengen benötigte. 9 der 'Libri de vita conjugali' (heute verschollen?). V e r f a s s e r f r a g e . Im Gegensatz zur folSp. 887 Lit. ergänze: R. KOEBNER, Die Eheauf- genden großen Bergordnung von 1550, die fassung des ausgehenden dt. MAs, Diss. Berlin von dem Bergrichter Georg Anichhofer 1911, S. 5-9. verfaßt wurde, trafen sich laut der Präambel 1493 der merer tayll der gewerkhen, Bitschin, Peter -» 'Liegnitzer Chronik' so in unsern Herschafften zu khernthen in [NB] pleyberg das bley ärzt pauen, in der Stadt Villach, wo sie mit Willen und Wissen des Blannbekin, Agnes [Nachtr./Korr.] bambergischen Vitztums, Heinrich von Guttenberg, und gemeinsam mit bischöfBd. l, Sp. 887 f. zu Überl. ergänze: Basel, ÜB, V V lichen Räten und Amtleuten ein erfindung cod. A VIII6, 154 -158 , enthält c. 1-23 der und Ordnung furgenomen und gemacht ha'Rev.' (zwischen zwei Exzerpt-Folgen aus der lat. ben. Eine solche Partizipation des SachverÜbers, des Werks der -» Mechthild von Magdeburg), vgl. G. MEYER/M. BURCKHARDT, Die mal. stands war in der Normsetzung des MonHss. der ÜB Basel, Abt. B, Bd. 2, Basel 1966, tanwesens üblich. Beteiligt gewesen sein S. 179. Vgl. auch unter -> 'Vita et revelationes ven. dürften auch Vertreter des Augsburger Agnetis Blannbekin' (Bd. 10). Handelsgeschlechts der Fugger, die seit Sp. 890 Z. 19: "PLANIZZA" korr.: PANIZZA. 1490 Schmelzwerks-Investitionen im Raum Villach vornahmen, deren ErfolgsaussichBlarerin, Justina [Korr./Nachtr.] ten sich auf das Bleiberger Erz gründeten. Bd. l, Sp. 893 korr.: J. B. ist weder die Bearbeiterin noch die Schreiberin der dt. Fraterherren-Vi-

Ü b e r l i e f e r u n g und A b d r u c k . Bekannt sind zwei jüngere Abschriften: Klagenfurt, Kärntner

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Bligger von Steinach — 'Die Blume der Schauung'

Landesarch., Ständisches Arch., Hs. 1022, f. 295 ff. u. 272 ff.; Bamberg, Staatsarch., Kärntner Lit. B 31 a Nr. 75, f. 1-20, danach Abdruck im Dreissigsten Bericht über das Wirken und den Stand des historischen Vereins zu Bamberg im Jahre 1866/67, 1868, S. 145-158; eine neuere Edition fehlt.

I n h a l t . Unter den insgesamt 67 Artikeln finden sich die Konstanten des Bergbaus, die im Ostalpenraum vor allem seit -+ Lienhart dem Eckelzain (1408) in diversen Bergordnungen niedergeschrieben worden sind. Innovative Bestimmungen, auch nach einer Görzer Bergordnung (Lienz, 25. Jan. I486), berücksichtigen den konjunkturellen Aufschwung und behandeln teilweise in narrativer Ausführlichkeit aktuelle Fragen des Lohns, der Arbeitszeit und der Feiertage, der Gedinge- und Lehenhäuer sowie der von ihnen abhängigen Lidlöhner oder Lohnarbeiter, der leihweisen Hüttennutzung, der fürstlichen Freiung, hier ausgedehnt auf die Arbeit in den Schmelzwerken, bei den Röstöfen und auf den Halden, sowie schließlich solche des Waffentragens. L i t e r a t u r . H. WIESSNER, Gesch. des Kärntner Bergbaues, II. Teil, Klagenfurt 1951, S. 26-30; E. WEBERNIG, Die bambergischen, salzburgischen u. landesfürstlichen Bergwerksordnungen für Kärntner Montanbetriebe, in: Grubenhunt u. Ofensau: Vom Reichtum der Erde. Landesausstellung Hüttenberg/Kärnten, Klagenfurt 1995, S. 240.

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'Die Blume der Schauung' Theologischer Traktat aus der 2. Hälfte des 14. Jh.s. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Bremen, SB u. ÜB, Ms. C 18, 106V-115V, 45r/v (B); Gent, ÜB, cod. 2433, 49V-57V (G); Köln, Hist. Arch, der Stadt, cod. W* 114, 16r-24r (K); Nürnberg, StB, cod. Cent. VI 46h, 67V-75V (N); Stuttgart, LB, cod. Brev. 4° 88, 85V-86V (S); Uppsala, ÜB, cod. C 76, 226vb-227rb (U). B, G, K, N bieten (z. T. annähernd) den vollständigen Text. S und U enthalten nur Z. 388-439 bzw. 388 — 459 der Textausgabe; es handelt sich indes um keine Absplitterungen der Korpushss., sondern um ein Quellenstück, das in die X-Tradition (s. u.) eingegangen ist. S und U sind die ältesten Textzeugen (Mitte/2. Hälfte des 14. Jh.s). B aus dem späten 14. Jh., thüring., eine Meister -> Eckhart-Hs. (Bre l bei QUINT), ist unangefochtene Leiths. Sie bildet zusammen mit K und G den Überlieferungsast X. Auf Grund der Datierung wie der Textkritik scheint BKG von Mitteldeutschland über nicht bestimmbare Zwischenstationen nach Westen gewandert zu sein. — X gegenüber steht N als einziger Repräsentant der Y-Tradition. Es ist die (einzige) Hs., die PREGER für seine Textausgabe v. J. 1881 zur Verfügung stand. Zur Überlieferungs- und Textgeschichte s. RUH, 1991, S. 15-28; zu SU S. 23-26. Diese Ausführungen überholen und korrigieren RUH, 1986, namentlich betr. N. A u s g a b e n . PREGER, Mystik II, S. 426—434; RUH, Die Blume der Schauung (WPM 16), 1991.

2. Es wird überraschen, daß hier von - 'Braunschweiger Fehde' [Bd. 1], Tilman -» Rasche): den Streit um die AbA u s g a b e n . H. SIEVERS, Die lat. liturgischen folge von Huldigung und PrivilegienbestäOsterspiele der Stiftskirche St. Blasien zu Braunschweig, Berlin 1936 (Diss. Würzburg 1935), zu- tigung nach Heinrichs Herrschaftsantritt, gleich Wolfenbüttel 1936 (Veröff. der niedersächs. die mehrmonatige Belagerung der Stadt Musikges. 2), S. 23-60; LOO V, 1976, Nr. 780, und die Verwüstung ihres Umlandes, den S. 1498-1504 (zit.). Sieg der Bürger über Heinrichs Heer bei Dem Inhalt nach eine der -> Osterfeiern Bleckenstedt (1493) und den Friedensdes Typs III mit Visitatio, Hortulanus- schluß (1494), der Braunschweigs alte

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'Braunschweiger Stadtrecht'

Selbständigkeit gegenüber seinem Stadtherrn wahrte. Der unbekannte Verf. schrieb wohl bald nach den Ereignissen und vertrat den Standpunkt der Stadt. Er kompilierte hierzu mehrere Vorlagen, so Akten und tagebuchartige Aufzeichnungen aus Braunschweig.

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gelang es Otto im Sommer 1227, sich in den Besitz der Stadt zu setzen. In den Zusammenhang der Bemühungen, seine Herrschaft zu stabilisieren, gehört auch die Besiegelung des ältesten erhaltenen Stadtrechts der Altstadt Braunschweig (Ottonianum'). Dieser Text stellt kein landesherrliches Privileg dar, es fehlt ihm jegliche L i t e r a t u r . E. PRIEBATSCH, Die große BraunEinkleidung in Urkundenformeln. Vielschweiger Stadtfehde, 1890; W. SPIESS, Gesch. der mehr handelt es sich ganz offenkundig um Stadt Braunschweig im NachMA l, 1966, S. 19eine von den Bürgern veranlaßte Aufzeich25; M. PUHLE, Die Politik der Stadt Braunschweig innerhalb des Sächsischen Städtebundes u. der nung in nd. Sprache, niedergeschrieben Hanse im späten MA, 1985, S. 184-194. von dem Ratsschreiber Lutbertus, der auch KLAUS NASS den Innungsbrief für die Altstädter Goldschmiede schrieb (Urkb. der Stadt Braunschweig I, Nr. 3, S. 8), und die Otto dem 'Braunschweiger Stadtrecht' Kind zur Besiegelung vorgelegt wurde. Der Älteste deutschsprachige Aufzeichnung Text, der Form nach eine besiegelte Statueines Stadtrechts. tensammlung, spiegelt demnach die Auffassungen der Braunschweiger Bürger von Ü b e r l i e f e r u n g . Braunschweig, Stadtarchiv, dem in der Altstadt gültigen GewohnheitsUrkunde A I l Nr. 2 a. recht, das vielleicht in einigen Teilen auf A u s g a b e n . Urkb. d. Stadt Braunschweig, Bd. das Stadtrecht Lothars zurückgeht; in jeI, 1862, Nr. II, S. 3-7; HÄNSELMANN, S. 43-57; dem Fall wird es als das Recht bezeichnet, F. W. WILHELM, Corpus der altdt. Originalurk.n das de borgere van Bruneswick ... bi vnses bis zum Jahre 1300, Bd. I, 1932, Nr. 2, S. 1-5, alden herren tiden an lande vnde an waRegesten, Nr. 2, S. 1; C. VAN DE KIEFT/J. F. NIERtere besessen hätten. MEIJER, Elenchus fontium historiae urbanae, Bd. I, Leiden 1967, S. 215-220, Nr. 138; Faksimile: Die 66 Artikel zeigen keine systematische G. BEHRENS, Urk. aus dem Stadtarchiv zu BraunAnordnung. Anders als im etwa gleichzeitischweig, 1889. gen lat. Stadtrechtsprivileg für den Hagen Die Stadt Braunschweig, die für die Lan- (Urkb. der Stadt Braunschweig I, Nr. I, S. 2) desherrschaft der Weifen im 12. und stehen nicht die Freiheitsrechte der Bürger 13. Jh. einen entscheidenden Stützpunkt im Vordergrund (insgesamt 15 Paragraund ein wichtiges kulturelles und ideelles phen), sondern Straf- und Prozeßrecht Zentrum bedeutete, ist aus mehreren Sied- (S$ 4-11), Schuldklagen (§§14-19), erblungskernen mit eigener Rechtsverfassung und güterrechtliche Vorschriften (§§ 33 — zusammengewachsen (Altstadt, Neustadt, 38; 43; 44) und Zollbestimmungen (§§ 46Hagen, Altewiek und Sack). Unter ihnen 51). Das Ottonianum' blieb in zahlreichen kommt der Altstadt die entscheidende Bestätigungen und Ergänzungen die GrundRolle zu, die Stadtwerdung vollzog sich of- lage des braunschweigischen Stadtrechts fenbar in den ersten Jahrzehnten des bis zur Stadtrechtsreformation von 1532. Es 12. Jh.s im Zusammenwirken von Fern- steht zeitlich an der Spitze deutschsprachihändlern und Herzog Lothar von Sachsen ger Stadtrechtsaufzeichnungen und ist in ei(seit 1125 als dt. König Lothar III.). Mögli- nem geographischen Raum entstanden, cherweise hat bereits Lothar der Altstadt dem auch die anderen frühesten deutschein Stadtrecht verliehen, das jedoch nicht sprachigen Rechtstexte, das -»· 'Mühlerhalten ist. Im Jahr 1227, nach dem Tode häuser Reichsrechtsbuch' und der 'SachsenPfalzgraf Heinrichs, wurde das Erbrecht spiegel' (-> Eike von Repgow) angehören. seines Neffen Otto von Lüneburg von der L i t e r a t u r . L. HÄNSELMANN, Die ältesten Stadtstaufischen Partei bestritten. Teile der Bür- rechte Braunschweigs, Hansische Geschichtsbll. gerschaft Braunschweigs ergriffen zu- (ohne Bandzählung) (1892) 3-57; F. FRENSDORFF, nächst die Partei Kaiser Friedrichs II., doch Das Braunschweigische Stadtrecht bis zur Rezep-

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'Braunschweigische Reimchronik' — 'Breslauer Äsop'

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Ü b e r l i e f e r u n g . Wroclaw (Breslau), Bibliotion, ZRG Germ. Abt. 26 (1905) 195-257; G. teka uniwersytecka, cod. II Q 33, 253V-323V (dat. KORLEN, Die mnd. Texte des 13. Jh.s. Beiträge zur 30. 4. 1461). - Ausgabe fehlt. Quellenkunde u. Grammatik des Frühmnd., LundKopenhagen 1945, S. 36-50; B. DIESTELKAMP, Die Die Äsop-Version des Anonymus NeveStädteprivilegien Herzog Ottos d. Kindes, ersten leti ist die eleganteste und poetisch anHerzogs v. Braunschweig-Lüneburg (1204—1252), spruchvollste Fabeldichtung des lat. MAs. 1961, S. 6 f.; M. GARZMANN, Stadtherr u. Gemeinde in Braunschweig im 13. und 14. Jh., 1976, Ihre Merkmale: ein klarer, stark pointierS. 35—40; ders., Das Ottonianum u. die Jura Inda- ter Stil von durchgängig epigrammatischer ginis. Zum 750 jährigen Jubiläum der Stadtrechte Knappheit. Die ins Distichon gefaßte Senfür Altstadt u. Hagen, Braunschweigisches Jb. 59 tenz zeichnet nicht nur die Epimythien, (1978) 9-23; P. JOHANEK, Rechtsschrifttum, in: DE sondern auch die Fabelhandlung aus. HäuBOOR, LG III, 2/ GLIER, S. 398 f.; R. MODERHACK, fig sind deshalb die Sentenzen exzerpiert Braunschweiger Stadtgeschichte, 1997, S. 36—38.

und einzeln oder in Florilegien tradiert worden (s. HENKEL, 1988, S. 288-290; 312-314). 'Braunschweigische Reimchronik' [Korr./ Mit dem -»· 'Cato' und der 'Ecloga' des Nachtr.] -» Theodolus gehört die Fabelbearbeitung des Anonymus zur Trias der am weitesten Bd. l, Sp. 1009 Mitte: Die als Quelle genannte verbreiteten Schultexte des hohen und spälat. 'Braunschweigische Fürstenchronik' ist nicht ten MAs, die im 15. Jh. auch Teil der zur Gänze verloren, sondern zum größeren Teil erhalten (= Trier, StB, Hs. 1999/129 8° [sie! Nicht Schultextsammlung der 'Auctores octo' 1199!], lr-10v). Ausg. MGH SS , , 1896, werden. S. 21-27. Vgl. O. HOLDER-EGGER, Über die Das von HILKA als 'B. Ä.' bezeichnete Braunschweiger u. Sachs. Fürstenchronik u. verEnsemble ist in Aufbau und Zusammenwandte Quellen. I. Cronica principum Brunsvicensetzung typisch für die mal. Schultextübersium u. die Cronica ducum de Brunsvick, NA 17 lieferung. Der lat. Verstext des Anonymus (1892) 161-169. Neveleti ist interlinear glossiert und mit Wortfolgeziffern versehen (s. HENKEL, 'Der Bräutigam im Paradies' [Nachtr.] 1988, S. 105 — 108) sowie von einem mehrfach hs.lich wie auch in der InkunabelBd. l, Sp. 1010 zu Überl.: Bei Fassung I (a) hanüberlieferung tradierten lat. Kommentar delt es sich um Exzerpte aus 'Der -> Seelen Wurzgarten' (Hinweis N. F. Palmer). begleitet. Der Kommentar erschließt durch seine Segmentierung unterschiedliche Erklärungsebenen und Sinndimensionen der Bremer, Johannes OFM [Korr.] Fabel: Vorangestellt wird regelmäßig eine Bd. l, Sp. 1018 Z. 17/16 von unten u. Sp. 1022 inhaltlich erklärende Prosaversion, unter oben: "Berliner Hs. lat. 845 a" korr.: Berlin, SBBFructus wird eine moralische Auslegung PK, Ms. boruss. fol. 720. geboten, unter Allegorice/Allegoria eine Sp. 1022 Z. 11/10 von unten: "Wolfenbüttel, geistliche, z. T. auch moralische Exegese. Hzg. Aug. Bibl., cod. Aug. 3203" korr.: ..., cod. In 'Wolf und Lamm' steht der Wolf für Guelf. 19.26.6 Aug. 4° (Kat. Nr. 3203). synagoga bzw. das Judentum oder die Reichen, das Lamm für Christus oder die Ar'Breslauer Arzneibuch' [Korr.] men etc. — Am Schluß jedes KommentarBd. l, Sp. 1023 Z. 2 des Artikels: Cod. Rhedige- abschnitts wird das jeweilige Epimythion in einer dt. Reimpaarversion notiert. ranus 291 der Breslauer StB befindet sich heute in der ÜB Wroclaw unter derselben Signatur. Dem lat. Fabeltext folgt, meist abschnittsweise eingelagert in den Kommentar, seltener dem lat. Text in einer eigenen 'Breslauer Äsop' Spalte zugeordnet, eine dt. Version in Lat.-dt. Bearbeitung der äsopischen Fa- Reimpaaren. Sie stellt keine eigentliche beln in der Fassung des sog. Anonymus Übersetzung dar, sondern bietet eine inNeveleti (-»· Äsop, V. [NB]). haltliche Paraphrase der Fabeln, 'ebenso PETER JOHANEK

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mühsam wie sorglos gereimt' (GRUBMÜLLER, S. 415). Ihre zerdehnte und predigthaft-verbreiternde Darstellungsweise, insbesondere bei den Epimythien, ist in der paränetischen Tendenz -> Boners Bearbeitung verwandt. Stilistisch steht sie im auffälligen Gegensatz zur knappen Prägnanz der lat. Verse. Nach Abschluß der dt. Fabelbearbeitung folgt in der Regel ein Rubrum Degressio mit einer gleichfalls gereimten geistlich-lehrhaften, z. T. gebetsartigen Weiterführung des belehrenden Gedankengangs. Die lat. Elemente der Bearbeitung, der Fabeltext, seine Interlinearglossierung und Kommentierung, entsprechen dem sonst verbreiteten Typ des Lehrerhandbuchs und verweisen auf den Litteratus als Benutzer des 'B. Ä.'. Dieser Benutzer benötigte keine weitere Verständnishilfe. Die beigegebene dt. Bearbeitung reflektiert Aussage und Lehre der Fabeln in einem anderen sprachlichen Medium, was einerseits auf ein spätmal, gut bezeugtes Verfahren im Unterricht der Lateinschulen verweist, andererseits auch dem Kleriker die Fabel zur Vermittlung an den Laien aufbereitet. L i t e r a t u r . A. HILKA, Beitr. z. mal. Fabellit., Schles. Ges. f. Vaterland. Cultur, 91. JB, Breslau 1913, Abt. IV, Sekt. C, S. 1-21; K. GRUBMÜLLER, Meister Esopus (MTU 56), 1977, S. 415 f. u. Reg.; N. HENKEL, Leipzig als Übersetzungszentrum, in: Lit. u. Laienbildung im SpätMA u. in der Reformationszeit, hg. v. L. GRENZMANN / K. STACKMANN, 1984, S. 557-576, hier S. 561 u. 568; D. PEIL, Der Streit der Glieder mit dem Magen, 1985, S. 75 f. u. Reg.; N. HENKEL, Dt. Übers.n lat. Schultexte (MTU 90), 1988, S. 225-227.

NIKOLAUS HENKEL Brevier [Vgl. auch den Verweisartikel -*· 'Brevier' in Bd. 1.]

I. Tagzeiten und B r e v i e r . 1. Begriff. B. ist der seit dem HochMA gebräuchlichste Name des Buches, das aus verschiedenen Quellen den Text- (und Melodien-) bestand der Liturgie der Tagzeiten, zuerst auf private Initiative hin, schließlich auch kirchenoffiziell, zusammenfaßt. Weil die in dem Buch festgehaltene Textgestalt,

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stets aktuell und konkret gebrauchsbezogen, sich laufend weiterentwickelt, ist 'Brevier' ein immer sich wandelndes und wachsendes Buch. Weitere Bezeichnungen sind u. a. Officium (borarum), Ordo officii, Liber horarum, Horae, Viaticus, Portiforium, im Dt. auch (15. u. 16. Jh.) v. a. Sieben-(tag-)zeit; für das Stundengebet als ganzes steht auch der Begriff historia (KNAPE).

2. Tagzeiten im MA. Im FrühMA ist die in der spätantiken Kirche entwickelte Ordnung der Tagzeitenliturgie schon festgelegt. Sie findet, mehr oder weniger ausgebaut, in allen Kirchen statt, besonders an den Wallfahrtsstätten ('Basilikakloster'), Bischofskirchen und (Männer- und Frauen-)Klöstern. Die lat. Sprache, indiskutabel selbstverständlich, macht diese Gottesdienstform mehr als andere zu einer Sache des Klerus und der geistlichen Gemeinschaften. Träger dieser Liturgie sind primär die Gemeinschaften, erst sekundär auch die einzelnen Mitglieder, wenn sie umständehalber nicht vor Ort anwesend sind. Der Grundbestand der Texte ist Ende des FrühMAs innerhalb der liturgischen Tradition der Westkirche, die iberische Halbinsel vielleicht ausgenommen, im ganzen durchaus einheitlich. Trotzdem wahren die Ortskirchen und die monastischen Verbände viele Eigenheiten und charakteristische Besonderheiten (bes. die Kirche von Mailand ['Ambrosianische Liturgie'], in Gallien etwa Lyon). Zu unterscheiden bleiben zwei Grundtypen: der Ordo romanus, der sich auf die Kirche Roms beruft, faktisch aber den römisch-fränkischen und römisch-insularen Brauch darstellt und in den Kathedral-, Pfarr- und Stiftskirchen gilt, und der Ordo monasticus, welcher der Satzung der ->· 'Benediktinerregel' folgt und entsprechend in den Benediktiner-, Zisterzienserund anderen monastischen Klöstern Norm ist. Die neuen Orden des 13. Jh.s (Franziskaner, weniger auch die Dominikaner) verbreiten europaweit einen modernisierten römischen Ordo, den der römischen Kurie. Ein erstes Erkennungsmerkmal der Tagzeiten der beiden Ordnungen ist: am Sonntagmorgen beginnt im römischen Ordo die Psalmenlesung mit PS l, im monastischen mit PS 20. Eine recht zuverlässige Methode, anonyme Hss. und frühe Drucke

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nach Elementen der Tagzeiten (Responsorienfolge der Matutin) zu lokalisieren, hat der französische Gelehrte G.-M. Beyssac (1877-1963) entwickelt; s. WITTWER.

3. Das Horenschema. Die Liturgie der Tagzeiten vollzieht sich in 'Hören', d. s. Wortgottesdienste (ursprünglich) zu bestimmten Phasen des Lichttages und in der Nacht. Die Hauptgottesdienste sind am Morgen ('Matutin', später meist 'Laudes' genannt) und Abend ('Vesper', auch 'Luzernar' oder 'Duodecima') angesetzt, beide von einer Folgehore begleitet, morgens die 'Prim' ('erste Tagesstunde', dieser seit dem 11. Jh. meist das sog. 'Kapitelsoffizium' angefügt) und abends die 'Komplet' (vor der Nachtruhe). Im 3-Stunden-Rhythmus folgen die kurzen Gebetszeiten der Terz, Sext und Non. Daraus ergibt sich die Zahl der sieben 'kanonischen' Tagzeiten: Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper, Komplet. In der Nacht, meist gegen Morgen, sind die 'Vigilien' (später meist 'Matutin' genannt) angesetzt; spätmal. Reformorden beginnen, diese Höre tatsächlich um Mitternacht zu halten. Im hohen und späten MA ist freilich die strikte Bindung der Hören an die ursprüngliche Tageszeit schon gelockert oder aufgegeben. Vielfach ist die früher selbstverständliche musikalische Gestalt vernachlässigt, d. h. die Hören, v. a. die Psalmodie, werden nur noch gesprochen, nicht mehr gesungen.

4. Die Texte. Den Texten nach sind die Hören aus unterschiedlichen Redesorten zusammengestellt, die ursprünglich und noch lange Zeit je eigene Bücher haben. Dem Umfang nach stehen an erster Stelle die Psalmen, da, im Idealfall, jede Woche das ganze Psalterium rezitiert wird. Die Psalmen sind gerahmt von (kürzeren) axiomatischen Liedrufen, den Antiphonen; sie geben auch die musikalische Gestalt der Psalmenrezitation an. Den Psalmen sind auch die meisten der sog. ('längeren' und 'kürzeren') Responsorien entnommen, Wechselgesänge zwischen und nach Lesungen. Vor allem in den Vigilien werden Lesungen vorgetragen: aus der Bibel beider Testamente, dazu erklärende Texte der Kirchenväter (Homilie), ferner Lebensbeschreibungen der Festtagsheiligen (Vitae, Legendär). Im Kapitelsoffizium wird aus

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dem Martyrologium (-»· Usuard OSB [und deutsche Martyrologien]) verlesen, dazu auch aus der Ordens- oder Chorherrnregel (-*· 'BenediktinerregeP, -> 'Augustinerregel') oder aus sonstigen Normtexten. Auch der Komplet geht eine gemeinsame Lesung voraus, oft den beiden Schriften des —> Johannes Cassian entnommen. Vor den längeren Lesungen wird ein Segenswort über den Leser gesprochen. Kürzere Lesungen aus der Bibel ('Capitulum') sind in den Tageshoren angesetzt. Ein dichterisches Element, das im MA durch immer neue Kreationen bereichert wird, stellen die Hymnen dar, allerdings im römischen Ordo erst seit dem 12. Jh. allgemein gebräuchlich. Alle Hören haben auch abschließende (Priester-) Gebete ('oratio'), passend zur Höre oder zum (Fest-)Tag (dann meist dem -* Missale entnommen). Zu bemerken ist noch, daß am Ende des FrühMAs biblische, biographische und legendarische Lesungen, Antiphonen und Responsorien als literarische Einheit gesehen ('Historia') und dichterisch gestaltet werden (Offiziumsdichtung), in einer späteren Zeit fallweise sogar durchgehend versifiziert ('Reimoffizium'). 5. Inhalt des Breviers. Alle diese Textelemente faßt, meist in einer verkürzten Form, das B. für den Gebrauch des einzelnen im Chor und außerhalb desselben zusammen. Weil aus dem gemeinsamen Liturgiebrauch entstanden und diesen voraussetzend, bleiben diese Bücher oft vom einzelnen Gestalter sehr individuell geprägt; nur in den zentralisierten Orden (etwa bei den Franziskanern) und allgemein erst gegen Ende des MAs setzt sich eine den Aufbau normierende Ordnung durch. Die B.e werden meist noch mit Beitexten angereichert, etwa einem Kalendarium (Festtage nach Monaten), komputistischen Unterweisungen (Osterfestberechnung), 'Rubriken' (Gebrauchsund Verhaltensregeln), auch werden, zumal dann den gedruckten B.en, die Texte der einer Ortskirche eigenen Feste beigegeben ('Proprien'). Eine immer noch kaum übertroffene Übersicht über die Elemente der Tagzeitenliturgie findet sich in GW 5. 1935 (Nachdr. 1968), Sp. 1-12. Die weiteren Beitexte (für die spätmal. Übersetzungen

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allerdings von geringerer Bedeutung) sind vollständig zusammengestellt in: Introduction to the English Monastic Breviaries. Ed. by J. B. L. TOLHURST. New Edition (Henry Bradshaw Society 80), Woodbridge, Suffolk u. a. 1993 (zuerst Winchester 1942 u. d. T. Monastic Breviary of Hyde Abbey, Winchester, vol. 6).

6. Sonder- und Votivoffizien. Eine besondere Rolle spielen die seit dem hohen MA immer breiteren Raum einnehmenden Zusatz- oder Sonderoffizien, eigene Tagzeitengebete (zunächst nur) für Vigilien, Laudes und Vesper, aus denen zwei in fast allen B.en gebracht werden: die Tagzeiten zu Ehren Marias (Officium [parvum] de beata Maria virgine') und für die Toten (Officium defunctorum', zunächst als Teil der 'Agenda mortuorum'). Diese sowie weitere Sondertagzeiten, meist nach Motiven der Frömmigkeit (etwa zum Kreuz Christi) oder zu Ehren bestimmter Heiliger (Patrone), werden aber weiter in eigenen Büchern festgehalten, auch in zahlreichen Übersetzungen zu Händen der Laien. Sie bilden auch den Hauptinhalt der -» Stundenbücher. (2VL 9, Sp. 468 f. sind einzelne Votivoffizien genannt.) 7. Verständnis der Tagzeiten und Sekundärliteratur. Das B. wurde durch vielfältige Schriften erläutert. Das große liturgische Handbuch des Wilhelm ->· Durandus, 'Rationale divinorum officiorum', das ältere Traditionen zusammenfaßt und die Liturgie allegorisch in vielfältige heilsgeschichtliche Bezüge stellt, behandelt das Tagzeitengebet im 5. Buch; es wurde 1384 ins Deutsche übersetzt. A u s g a b e dieses Teils der Übersetzung: G. H. BUIJSSEN, Durandus' Rationale in spätmhd. Übersetzung. Die Bücher V-VI a nach der Hs. CVF 2765, Assen 1983.

Schon seit dem 12. Jh. aber vollzieht sich im Verständnis der Tagzeiten ein Wandel. Der Zyklus der Hören wird, abgelöst von den Textvorlagen und -aussagen, als eine Passionserinnerung geübt, bis hin zum meditativ-betroffenen Miterleben und -erleiden der Passionsgeschichte Jesu (und Marias). Diese Auffassung gewinnt zu Ende des MAs, gefördert durch eine reiche Sekundärliteratur, fast allgemeine Gültigkeit und wird auch für die B.-Übersetzungen und deren Illustrationen wichtig.

Die Programmschrift dieser Sicht ist der auch deutsch übersetzte anonyme 'De meditatione passionis Christi per septem diei horas libellus' (vgl. -> Beda, 8.). Aus dem späteren MA seien nur zwei Beispiele genannt: Aus den Tagzeitengedichten das weitestverbreitete Poem 'Patris sapientia', vielfach auch dt. bearbeitet (vgl. -> Tagzeitengedichte, Nr. 9: 7 dt. Fassungen), und die nach den Hören der Tagzeiten gegliederten Passionsharmonien (z.B. Leipzig, ÜB, Ms 1513, 161r-168r, ndl., 15. Jh.). Auch der ikonographische Begriff 'Vesperbild' (der zur Abendstunde [= zur Höre 'Vesper'] vom Kreuz abgenommene Leichnam Jesu im Schoß Mariens) entstammt diesem Verständnis der Tagzeitenliturgie.

Auf diese Verfremdung des altkirchlichen Verständnisses finden sich jedoch auch verschiedene Reaktionen, in dt. Sprache etwa in den -»· 'Tagzeiten zur Betrachtung der Werke Gottes', in denen in der Horenabfolge nach einem altkirchlichen Konzept eine Anamnese des ganzen Heilswerks von der Schöpfung bis zur Parusie Christie begangen wird, und im ->· 'Tagzeiten-Traktat' (dessen Autor, der im Artikel jedoch nicht erwähnt wird, ist Thomas -> Finck [s. Bd. 2 u. NB]), der die Rechtspflicht von Klerus und Ordensleuten zur Ordnung des Breviergebets betont. II. Deutsche Rezeption. a. Lateinische Breviere mit deutschen Elementen. Es war im MA weithin Brauch, daß jeder zu den Tagzeiten Verpflichtete selbst für seine (gedächtnisstützende und im Einüben und Vollzug hilfreiche) Vorlage sorgte. Daraus ergaben sich schon seit dem späten 12. Jh. lat. B.-Hss. mit dt. Rubriken und Gebetsanweisungen, vereinzelt auch mit sporadischen Interlinearversionen, Übersetzungen von Randtexten u. dgl. Eine größere Gruppe von B.-Hss. mit dt. Rubriken von der 2. Hälfte des 12. bis zum Anfang des 14. Jh.s stammt aus dem Augustiner-Chorfrauenstift Seckau/Steiermark (nicht, wie von SCHÖNBACH angenommen, St. Lambrecht); mehrere von ihnen enthalten außerdem einzelne andere dt. geistliche Texte, in einer (Graz, ÜB, Ms. 763) ist Psalm 88 mit einer Interlinearversion versehen. Vgl. A. SCHÖNBACH, Über einige Breviarien von Sanct Lambrecht, ZfdA 20 (1876) 129-197; A.

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KERN, Die Hss. der ÜB Graz, Bd. 1-3, 19421967, Register s. v. Seckau (Lit.); E. HELLGARDT, Seckauer Hss. als Träger frühmhd. Texte, in: A. EBENBAUER u. a. (Hgg.), Die mal. Lit. in der Steiermark (Jb. f. Internat. Germanistik A 23), 1988, S. 103-125 (Lit.). Weitere Beispiele dieses Typs: Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. lat. oct. 274 (Frgm., 2. H. 13. Jh., alem.); Nürnberg, StB, cod. Cent. VIII,17 (dominikanisch, 1. V. 14. Jh.; vgl. SCHNEIDER, Nürnberg, S. 414; I. NESKE, Die lat. mal. Hss. 2 [Die Hss. der StB Nürnberg 2.2], 1987, S. 124-126).

Ein bair.-österr. B.-Fragment aus dem 1. Drittel des 13. Jh.s enthält Interlinearversionen zu den Antiphonen sowie zu einer Oratio und einem Capitulum. Oxford, Bodleian Library, Frgm. in Auct. 2 Q inf. 1.18; vgl. N. F. PALMER, Frgm.e eines lat. B.s mit mhd. Interlinearübersetzung ..., in: Dt. Lit. u. Sprache von 1050-1200, Fs. f. U. Hennig, 1995, S. 199-216.

Den Übergang zu geschlossenen Übersetzungen von B.texten markiert das unten b.3. angeführte Fragment. Bei einer Gruppe von lat.-nd. Hss. des 14./ 15. Jh.s aus dem Zisterzienserinnenkloster Wöltingerode (Kr. Goslar), auf die BORCHLING (Reiseberichte III, S. 62 und 89) hinweist, wäre erst zu prüfen, wie weit es sich um B.e handelt und welche Funktionen die Volkssprache in ihnen übernimmt. Bei einer weiteren Gruppe, die BORCHLING, ebd. I, S. 196, B.e nennt, handelt es sich um Gebete, Betrachtungen und Lieder entlang der Liturgie der Hören und der Messe, vgl. -» 'Medinger Gebetbücher'.

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B.e bezeichnet werden können, wenngleich ihre Funktion nicht der der lat. B.e entspricht. Vermutlich dienten solche Hss. teils der Vorbereitung und Sinnerschließung der Liturgie für die zum Chorgebet Verpflichteten, teils der Einführung und dem privaten Gebet von Laien, insbesondere gebildeten und ständisch herausgehobenen Personen, die im SpätMA zunehmend Zugang zu den authentischen Quellen suchten. Die folgende ungefähr chronologische Zusammenstellung von dt. B.en im hier beschriebenen Sinn kann nur ein erster Ansatz für künftige Sichtungen sein. Soweit erkennbar, folgen alle aufgeführten Texte dem Ordo romanus. Wie verbreitet dt. B.e waren, ist schon deshalb schwer zu schätzen, weil sie, die kostbaren Einzelstücke ausgenommen, der 'Verbrauchsliteratur' angehörten und verschlissen worden sein dürften. Ein Überblick über den erhaltenen Bestand ist derzeit kaum möglich. STEPHAN (S. 31) sagt zwar, es seien bisher 'mindestens 50 hs.liehe dt. B.e des 14, und 15. Jh.s bekannt geworden, ohne daß damit der Bestand auch nur einigermaßen vollständig erfaßt wäre'; er gibt aber weder Bestimmungskriterien noch eine Liste der ihm bekannten Hss. an. Was BORCHLING (Reiseberichte, Reg.) anführt, scheint nur zum kleineren Teil genauere Entsprechungen zum lat. B. aufzuweisen.

1. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 404.10 (1) Novi; 404.10 (2) Novi; 404.10 (3) Novi; 404.10 (9) Novi: Frgm.e 13.714. Jh., nd., teilweise wohl aus derselb. Deutsche Breviere. Seit dem 14. Jh. gibt es dt. Übersetzun- ben Schreibstube (vgl. H. BUTZMANN, Die gen von einzelnen B.texten, insbesondere mal. Hss. der Gruppen Extravagantes, in Gebetbüchern (vgl. -*· Gebetbuch ...) Novi und Novissimi [Kataloge der Hzg. Bibl. Wolfenbüttel N. R. 15], und -» Stundenbüchern. Hierzu gehören Aug. S. 325 f., 329 f.). auch das Canticum 'Magnificat' (Lc l, 2. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. 46—55) aus der Vesper (z. B. -> 'Rheinr v fränkische Magnificat-Paraphrase in Ver- Guelf. 58.4 Aug. 8°, 113 -218 , um 1325, sen'), der altkirchliche Hymnus 'Te Deum' mnd.: -> 'Breviertexte aus Westfalen'. 3. Trier, StB, Mappe X, Fragm. 15: und die sog. -> -Antiphonen' [NB] aus 2 Bll. aus dem Proprium de tempore, Ende den B.texten der letzten Adventstage. Dt. 14. Jh., rhfrk. mit moselfrk. Einschlag von -* Psalmenübersetzungen und dt. -> Hymeiner obd. Vorlage, daher mögliche Provenare nehmen oft auf die Ordnung des B.s Bezug, ohne deshalb schon als Bestandteile nienz aus der Diözese Mainz. 'Auf einen eines B.s gelten zu können. Es gibt aber lat. Abschnitt folgt jeweils die dt. Übers.; auch Hss., die sich in der Zusammenstel- mit ausführlichen dt. Rubriken' (B. Bulung der Texte so eng ans lat. B. (oder Teile SHEY, Die dt. u. ndl. Hss. d. StB Trier bis daraus) anlehnen, daß sie sinnvoll als dt. 1600, 1996, S. 305 f.).

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4. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl, cod. Guelf. 1152 Heimst., 14./15. Jh., nd. (STEPHAN, S. 33). 5. Düsseldorf, ÜB u. LB, Ms. C 66 (Brevier) und Ms. C 71 (Lectionarium officii), 15. Jh., nd. (vgl. G. GATTERMANN [Hg.], Hss.census Rheinland l, 1993, Nr. 717 u. 722). 6. Oldenburg, LB, cod. Cim 178, 15. Jh., nd., mit Festkalender der Dominikaner (vgl. I. STAHL, Hss. in Nordwestniedersachsen, 1993, S. 190). 7.-9. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1132 Novi, lr-35v (frgm., danach größere Lücke), 15. Jh., nd. (vgl. BUTZMANN [s.o. 1.], S. 418f.); ebd., cod. Guelf. 1137 Heimst., lr-156v, und cod. Guelf. 1153 Heimst., lr-136v, beide ebenfalls 15. Jh., nd. (STEPHAN, S. 33). 10. Graz, ÜB, Ms. 354 (Winterteil) und Klagenfurt, Kärntner Landesarchiv, Hs. GV 5/2 (Sommerteil), 2. H. 15. Jh., aus dem St. Georgs-Ritterorden Millstatt. Vgl. H. MENHARDT, ZfB 40 (1923) 141; A. KERN, Die Hss. der ÜB Graz I, 1942, S. 209 f. 11. München, cgm 67—68, Wien 1475-80: -> 'Brevier für Kaiser Friedrich III.'.

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die Wiener Hs., enthält Antiphonar und Brevier (einschließlich der Lesungen und Gebete) zu den wichtigsten Herren- und Marienfesten. Der Textbestand weist auf die Passauer Diözese. Bei Psalmen und Antiphonen besteht enge textliche Verwandtschaft mit München, cgm 68 (s. o. Nr. 11). Die Psalmenübersetzung gehört zu Walthers 23. Psalter, der u. a. durch München, cgm 363 bezeugt ist, vgl. -» Psalmenübersetzungen (spätmal., dt. u. ndl.), XVI. In beiden Hss. weisen Ausdrücke wie singerin oder chantrin auf eine geistliche Frauengemeinschaft. C. GOTTWALD, Die Musikhss. der ÜB München, 1968, S. 4 f. (irrtümlich auf 1537-40 datiert); STEPHAN, passim.

13. München, cgm 5186-5188: Vollbrevier (3 Teile erhalten, der Band mit dem Sommerteil wohl verloren), nordostbair., dem Kalender zufolge aus dem Bistum Bamberg von Augustinereremiten (Nürnberg oder Kulmbach), letztes Viertel 15. Jh. (1478?). Die Hymnen in Prosaübersetzung (vgl. SCHNEIDER, München VII, S. 517-525). 14. Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 22: Brevier (Winterteil), Ostschwaben um 1500 (vgl. SCHNEIDER, Augsburg, S. 292 f.). Vgl. jetzt auch STEPHAN, S. 23-27: Die Bände 15. Halle, ÜB u. LB, Qu. cod. 84, Qu. sind von verschiedenen Schreibern; cgm 67 ist wecod. 84 b und Qu. cod. 106: in cod. 84 Bregen erbaulich gehaltener oft ausführlicher Zwivier, in cod. 84 b und 106 Diurnale (nur schentexte eher 'ein Gebetbuch, das zur Lektüre beim Breviergebet bestimmt war'. Die Brevierorddie Hören des Tages), um 1500 aus dem nung des cgm 68 entstammt der Passauer Diözese. Umkreis der Grafen von Stolberg. ÜbersetAntiphonen und Psalmen des cgm 68 (nicht aber zung noch dem chore der kirchen zcu Staldes cgm 67) stimmen textlich zu Nr. 12. berg für innige menschenn den dach die latinische Sprache vnuorstentlich ist. Bibli12. Zwei Teilbreviere, geschrieben von sche Stücke nach einer der gedruckten dt. Erasmus Werbener aus Delitzsch in MeiBibeln (-> Oberdt. Bibeldrucke Nr. 4-8), ßen, ergänzen einander beinahe zu einem im Sanktorale ist 'Der -* Heiligen Leben' Vollbrevier, überschneiden sich allerdings benutzt (vgl. J. FLIEGE, Die Hss. der eheund sind nicht als zusammengehörig konzipiert. Wien, cod. 3079, geschrieben 1477 maligen Stifts- u. Gymnasialbibl. Quedlinund noch im selben Jahr im Besitz von burg in Halle, 1982, S. 61-69, 148-151). 16. München, cgm 1122—1123: Brevier Kaiser Friedrich III., enthält 1. das Psalterium des Breviers mit den Antiphonen und in 2 Bänden (I: Temporale; II: Sanctorale), Invitatorien unter Noten, dazu Rubriken ostschwäbisch, datiert 1513. Franziskanizu Versikel, Kyrie, Pater noster, Oratio sche Ordnung. Hymnen in Versübersetund Benediktionen, 2. ein Hymnar mit zung (SCHNEIDER, München VI, S. 121 — Noten (vgl. -»· Hymnare ... II.) und 3. die 125). 17. Drucke: Vor 1500 scheint kein Melodien des Invitatoriumspsalms. München, ÜB, 2° cod. ms. 152, undatiert und Druck einer Vollübersetzung des B.s zu unsigniert, aber von derselben Hand wie existieren. Zu zwei textlich voneinander

297

'Brigida von Kildare' — 'Brünner Weltchronik'

abhängigen Drucken einer Vollübersetzung (Venedig 1518 und Augsburg 1535) vgl. Jakob -»· Wyg. L i t e r a t u r . S. BÄUMER, Gesch. des B.s, 1895; frz. Bearb.: S. BÄUMER / R. BIRON, Histoire du breviaire, Paris 1905, Nachdr. Rom 1967; P. LEHMANN, Mal. Büchertitel, in: ders., Erf., Bd. 5, S. 1-93, bes. S. 7-12 [erstmals 1949]; P. SALMON, L'office divin au moyen äge. Histoire de la formation du breviaire, Paris 1959; P.-M. GY, Les premiers breviaires de Saint-Gall (deuxieme quart du XIe s.), in: Liturgie. Gestalt u. Vollzug [Fs. J. Pascher], hg. v. W. DÜRIG, 1963, S. 104-113; TH. A. SCHNITKER / D. V. HUEBNER / G. PLOTZEK-WEDE-

HAKE, B., in: Lexikon d. MAs 2, 1983, Sp. 640 ff.; J. KNAPE, Zur Benennung der Offizien im MA. Das Wort 'historia' als liturg. Begriff, Arch. f. Liturgiewiss. 26 (1984) 305-320; A. HÄUSSLING, Stundengebet, in: Lexikon d. MAs 8, 1996, Sp. 259-265; R. STEPHAN Teutsch Antiphonal (WSB 595, Veröff. d. Kommission f. Musikforsch. 24), Wien 1998; P. WITTWER, Identifikation liturgischer Hss. des MAs aufgrund der Matutinresponsorien des Offiziums, Arch. f. Liturgiewiss. 41 (1999) 41-62; A. HÄUSSLING, Tagzeitenliturgie, in: LThK 39, 2000, Sp. 1232-1241; ders., Gottesdienst der Kirche. Hdb. der Liturgiewiss. 6.2: Liturgie der Tagzeiten, Regensburg [in Vorb.]. Hinweise von N. F. Palmer und B. Wachinger.

ANGELUS HÄUSSLING 'Brigida (Brigitta) von Kildare' Deutsche Legenden. Von Brigida, der Gründerin und Äbtissin des Klosters Kildare und Patronin von Irland, registriert WILLIAMS-KRAPP außer 7 dt. u. ndl. Legendarfassungen 10 weitere volkssprachliche Legenden. Von ihnen sind die Nrn. 2—9 mndl. und außer Nr. 2 alles Kurzfassungen. Nrn. 2—8 wurden als Ergänzungen in verschiedene Hss. der 'Südmndl. Legenda aurea' (-> Jacobus a Voragine, V. 2.; vgl. auch ->· Bijbelvertaler van 1360 [NB]) eingeschoben. (Nr. 5 findet sich auch in Frankfurt/M., StB u. ÜB, o. Sign., Privatbibl. Dr. F. Schulz, 56r-59v.) Nr. 10 (Bielefeld, Bibl. des Landeskirchenamtes, cod. A 3, 64va —65 rb ) gehört zu den -> 'Buchwaldschen Heiligenpredigten' [Bd. 1; vgl. auch NB]. Nr. l ist eine elsässische Übersetzung der stark abbreviierten lat. Legende aus dem süddt. 'ProvinciaAnhang' der 'Legenda aurea'. Sie wurde in der 1. Hälfte des 15. Jh.s zur Ergänzung

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der 'Elsässischen Legenda aurea' in Hs. München, cgm 343 (138rb-142ra) verfaßt. L i t e r a t u r . K. KUNZE, Die Elsässische 'Legenda aurea'. Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXXIX-XLV, LVII; S. 322-331 Ausgabe, synoptisch mit der lat. Vorlage; W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 400.

KONRAD KUNZE 'Bruder Rausch' [Korr.] Bd. l, Sp. 1043, Z. l f.: "Joachim Westfal von Stendal, Magdeburg um 1448" korr.: Stendal, Joachim Westval, um 1488.

Brun von Querfurt [Korr.] Bd. l, Sp. 1054, Überl.: "Kynzvart, Bibl. Castelli, cod. 20.D.22" korr.: ..., cod. 20.D.22/I. Ebd.: "Brunn, ÜB, cod. Rajhrad 376, 161rb162rb" korr.: ..., Moravska Zemska Knihovna [mit ÜB!], ..., 16 -162 . Ebd.: "ebd., cod. A.44, 234rb-244r" korr.: ..., 234va-244rb.

Brunfels, Otto entfällt (vgl. -> Lanfrank von Mailand [III.l.a.5]) 'Brunn(e)' ->

du uzvliezender brunne'

Brunner -> Prunner 'Brünner Weltchronik' Eine anonyme dt. Übersetzung des 'Liber de temporibus' des Florentiner Historikers Matteo Palmieri (1406—1475), um einige Einschübe erweitert, wie auch das Explizit hervorhebt: Mathei Palmery buech von der zeit der zeit [!] der wellt mitsambt den zugelegten hystorien ist geendet (f. 205V). Der Text ist bis jetzt nur aus der Hs. Brno, Moravska zemska knihovna (Brunn, Mährische Landesbibl.), A 52 (aus dem Kloster der Brünner Augustiner-Chorherren), 5 r —205 y bekannt. Die Hs. ist ähnlich wie die (noch nicht konkret ermittelte) lat. Vorlage in 2 Spalten eingerichtet — Papstbzw. Kirchengeschichte (Kolumnenüberschrift: Die Jar kristenlicken hails] und profane Geschichte (Kolumnenüberschrift: Jar der kaiser der weit}. Die mit Nota gekennzeichneten, meist sehr kurzen Ergän-

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'Das Buch mit den farbigen Tuchblättern ...' — 'Buch von den vier Angeltugenden'

zungen, die an chronologisch entsprechenden Stellen in den Text integriert sind, betreffen Ereignisse in Böhmen, Salzburg, Österreich, gelegentlich auch in Italien. Quelle für Zusätze aus der böhmischen Geschichte war die 'Historia Bohemica' (1458 beendet) des Aeneas Silvius -* Piccolomini, was sich sowohl im Inhalt als auch in kürzender dt. Wiedergabe von lat. Formulierungen Piccolominis zeigt. Quellen für österreichische Geschehnisse müssen erst ermittelt werden. Für die Entstehung der dt. Übertragung ist 1458 als terminus post quem anzusetzen. Die Brünner Hs. läßt sich anhand der Filigrane in die 70er bis 90er Jahre des 15. Jh.s datieren. Nach dem Text der Chronik folgen in der Hs. unsystematische Notizen zur Geschichte Österreichs, die jüngste .bezieht sich auf das Jahr 1567. Als Entstehungsraum der Übertragung kommt am ehesten Österreich in Frage, als der der Brünner Hs. aufgrund ihrer späteren Aufbewahrung möglicherweise ein österr. Augustiner-Chorherrenstift (Klosterneuburg?). A u s g a b e (lat.)- G. SCARAMELLA, Matthei Palmieri Liber de temporibus AA. 1 — 1448 (Rerum Italicarum scriptores T. 26), Cittä di Castello, 1906; die dt. Übers, ist unediert. L i t e r a t u r . V. DOKOUPIL, Soupis rukopisü knihovny augustinianü na Starem Brne (Verzeichnis der Hss. der Augustiner von Alt-Brunn), Praha 1957, S. 58 f. VACLAV BOK

'Des Buben Paternoster' ->· 'Von eime trunken buoben' 'Der Bubenorden' -> 'Der Boiffen Orden'

[NB] 'Das Buch mit den farbigen Tuchblättern der Beatrix von Inzigkofen' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 1079f.: vgl. auch dorf.

Jos von Pfullen-

'Buch der Märtyrer' [Korr.] Bd. l, Sp. 1093 Überl.: "Heidelberg, cpg 242" korr.: ..., cpg 342.

300

Ebd., Überl., letzte Z.: "Katharinenleg." korr.: Margaretenleg.

'Buch der Minne' -> 'Rede von den fünfzehn Graden'

'Buch der Rügen' [Nachtr.] Bd. l, Sp. 1096, zu Überl.: Die verschollene Kuppitsch-Hs. jetzt in Berlin, mgo 138, 70V-99V; vgl. N. HENKEL, ZfdA 110 (1981) 23-27.

'Buch von Troja

[Nachtr.]

Bd. l, Sp. 1100: Der Text wurde in der seither erschienenen Erstausgabe umbenannt: CH. WrrZEL, Das Elsässische Trojabuch (Wissenslit. im MA 21), 1995.

'Buch von Troja nach Guido de Columnis'

[Nachtr.] Bd. l, Sp. 1102, Z. 5 nach "Gutevrunt" ergänze: ... sowie Johannes -> Platterberger bzw. Dietrich -> Truchseß, in deren Weltchronik sich ebenfalls eine unabhängige Guido-Bearbeitung findet (Hinweis G. Korn rümpf).

'Buch der Tugenden' Buch'

'Der Tugenden

'Buch von [Nachtr.]

Angeltugenden'

den

vier

Bd. l, Sp. 1104, zu 2. Überl.: "Seitenstetten, Stiftsbibl., cod. 31" heute Cambridge/Mass., Harvard College Library, Ms. Lat. 121. Vgl. S. DE RICCI, Census of Medieval and Renaissance Manuscripts in the U. S. A., Bd. 1, New York 1935, S. 984. Ergänze ferner: Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs HR 131, 17r-25v; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 60.17 Aug. 8°, 25V-39V. Der Text ist eine exzerpierende Übersetzung von Martins von Braga 'De quattuor virtutibus cardinalibus' (-> Seneca d. J., B. V. 1. u. C. II. 2.). Er wird stets zusammen mit dem -» 'Fürstenspiegel Wye ein werltleich fürs? (vgl. auch unter 'Der -> Tugend Regel") überliefert. Eine 3. Übers, des 'B. v. d. v. A.' (von Endres III. Tucher?) in Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs. Merkel 540. Vgl. L. KURRAS, ZfdA 108 (1979) 247-251.

'Buch von der Zeit der Welt' Weltchronik' [NB]

'Brünner

301

Bucheler, Hans — 'Buchwaldsche Heiligenpredigten'

Bucheler, Hans [Korr.] Bd. l, Sp. 1106 Liberi.: "Dresden, LB, cod. 170m" korr.: ..., cod. H 170m.

'Büchlein der ler (ordenunge) geistlicher vbungen' -» Ruodgerus Cartusiensis [NB] Bucholt, Nikolaus OFM Am 13. 9. 1473 in Erfurt promovierter Theologe; lehrte als Professor sacrae paginae an der Univ. Greifswald und ist in den Jahren 1487, 1490 und 1492 als Kustos des Lübecker Franziskanerklosters nachgewiesen (SCHWENCKE, 1967, S. 189). SCHWENCKE vermutet in B. den Bearbeiter der 'Lübekker Bibel' (-> Niederdeutsche Bibeldrucke, 2.). B. soll überdies zu einem ausschließlich franziskanischen Verfasserkreis gehören, der hinter einem Großteil des gegen Ende des 15. Jh.s in Lübeck gedruckten Erbauungsschrifttums, besonders den Arbeiten aus den -» Lübecker Mohnkopf-Offizin, steht (SCHWENCKE, 1965, S. 56). Die Übersetzungsleistung der 'Lübecker Bibel' und ihre ausführliche Glossierung v. a. mit der Tostilla litteralis' des -> Nikolaus von Lyra unterstützen SCHWENCKES Annahme, der Bearbeiter müsse theologisch gebildet sein. Die Zuweisung an einen Franziskaner hingegen ist umstritten. Neuere Forschungen zur Mohnkopf-Offizin identifizieren nicht nur -> Hans von Ghetelen endgültig als Drucker dieses Unternehmens (KöTTER, S. 362); sie legen überdies nahe, daß 'die von Schwencke entwickelte Theorie der Einheitlichkeit bei den Lübecker Libri sacri (...) kaum zu halten ist' (SODMANN, S. 359 Anm. 58) und plädieren für einen Autorenkreis, dessen Mitglieder bei einheitlicher religiöser Grundhaltung doch 'unterschiedlicher geistlicher und geistiger Herkunft' (ÜEHRENDORF, S. 97) sind. Dabei wird wiederholt auf die Devotio moderna hingewiesen (KöTTER, S. 367), ohne daß bis jetzt konkrete Ergebnisse vorliegen. Von kunsthistorischer Seite wurde außerdem die Vermutung geäußert, die 'Lübecker Bibel' sei ursprünglich ein Kölner Unternehmen und der -Meister der bahnbrechenden Illu-

302

strationen identisch mit dem Meister von St. Severin (COLENBRANDER, S. 144). L i t e r a t u r . O. SCHWENCKE, Ein Kreis spätmal. Erbauungsschriftsteller in Lübeck, Ndjb 88 (1965) 20^58; ders., Die Glossierung der atl. Bücher der Lübecker Bibel von 1494, 1967; T. SODMANN, Die Druckerei mit den drei Mohnköpfen, in: FrancoSaxonia. Fs. Jan Goossens 1990, S. 343—360; B. DEHRENDORF, Die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens als Kriterium für die Einordnung des in Lübeck gedruckten spätmal. Erbauungsschrifttums, Nd. Wort 20 (1989) 75-97; M. Nix, Bettelmönch oder Weltgeistlicher?, ebd., 6173; R. KÖTTER, Hans v. Ghetelen als Drucker der Mohnkopfoffizin, Zs. d. Ver. f. Lübeckische Gesch. u. Altertumskunde 71 (1991) 353-367; H. COLENBRANDER, Steifen Arndes' nd. Biblie mit vlitigher achtinghe — eine 'Kölnische Bibel'?, in: Künstlerischer Austausch, hg. v. T. GAETHGENS, 1993, Bd. 2, S. 139-150; A. BRUNS / D. LOHMEIER (Hgg.), Die Lübecker Buchdrucker im 15. u. 16. Jh., 1994; A. FROMM, Die Kölner u. Lübecker Bibel, Jb. d. Oswald-v.-Wolkenstein-Ges. 10 (1998) 153-168.

ANNA KATHARINA HAHN 'Buchwaldsche Heiligenpredigten', besser: 'Heiligenpredigten nach Peregrinus von Oppeln' [Nachtr. zu Bd. l, Sp. H i l f . ] Bei den 'B. H.' handelt es sich um eine nach dem ersten Herausgeber benannte Sammlung von 50 Heiligenpredigten auf Grundlage der 'Sermones de sanctis' des ->· Peregrinus von Oppeln OP (neue Ausg. v. TATARZYNSKI). Da die älteste Hs. v. J. 1415/16 (L) bereits auf eine fehlerhafte Vorlage zurückgeht, dürfte die Sammlung noch aus dem 14. Jh. stammen. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Bi: Bielefeld, Bibl. des Landeskirchenamtes, cod. A 3 (15. Jh., westf., Einbandstempel: Herforder Fraterhaus), Predigtbestand s. SEIDEL, 1985, S. 144 (enthält weitere Predigten u. Legenden); L: Leipzig, ÜB, Ms 687 (1415/ 16, ostmd., Zisterzienserkloster Altzelle), 73 va — 126vb; Ms: Münster, Staatsarch., Dep. Altertumsverein, Msc. 207 (15. Jh., westf., Münster, aus der Slg. Von und zur Mühlen; Verlust zahlreicher Bll. mit Initien), 178ra-270vb, 271vb-290vb, 292vb301rb (lt. röm. Foliierung; die Hs. enthält weitere Predigten de tempore und de sanctis sowie 306"308rb die Eucharistiepredigt JOSTES, 1884, S. 4448, MORVAY/GRUBE, Predigtbibliogr. T 198 ['Westfälische Predigten']). Bei den ersten Predigten unter den Heiligenpredigten Augsburg, StB u. SB, 2° cod 438 (1412,

303

'Buchwaldsche Heiligenpredigten'

schwäb.), 184ra-271vb, die ebenfalls auf der Vorlage des Peregrinus beruhen dürften, scheint es sich um eine unabhängige Übertragung zu handeln. Weitere Forschungen fehlen.

304

Apostel Thomas (SCHNEYER, Bd. 4, S. 557, Nr. 109-110 u. S. 565, Nr. 202), den Erzmärtyrer Stephanus (ebd., S. 558, Nr. 111 u. S. 565, Nr. 203-205), Adalbert von A u s g a b e n . Vgl. 2VL, Bd. l, Sp. 1112; dazu: Prag (ebd., S. 559, Nr. 131 u. S. 567), PeSEIDEL, 1986, S. 44-49 (Predigt auf Andreas zu trus martyr (ebd., S. 559, Nr. 133), Bonifalob 23,11 nach Bi). tius (ebd., S. 560, Nr. 138), Dominikus 2. Die neuen Funde zu Überlieferung (ebd., S. 560, Nr. 139), Elisabeth (ebd., und Vorlage ermöglichen eine Neubestim- S. 563, Nr. 177-180, S. 571, Nr. 303mung von Umfang und inhaltlichem Profil 304) und Caecilia (ebd., S. 563, Nr. 181der Sammlung. SEIDELS Beobachtungen 183) nicht übertragen wurden oder bereits zur Hs. Bi (1985 und 1986) werden durch in der Vorlage fehlten. Über das inhaltliche Ms gestützt, die bisher nicht mit den Verhältnis von Vorlage und Übertragung 'B. H.' in Zusammenhang gebracht wor- sind bisher keine zuverlässigen Angaben möglich, da im verglichenen Druck mitunden ist und weitere Anhaltspunkte bietet. ter angekündigte Dispositionsteile fehlen. Bi und Ms differieren bei allen Texten, die nicht Nicht im lat. Druck enthalten ist die Beauf die 'Sermones de sanctis' des Peregrinus zuschreibung des Herzens als Herberge mit rückgehen: Predigten auf Maria Empfängnis (Bi, sieben Merkmalen (BUCHWALD, 1913, 10vb-13va, Ms, 301rb~vb Conceptio tua dei genitrix), den Apostel -» Thomas (Bi, 15va-19rb, Ms, S. 70 f.) und die Auslegung der Seligprei303ra-va, ohne Bibelthema), Antonius den Großen sungen (BUCHWALD, 1915, S. 50-52). Der (Bi, 51rb-54ra, Ms, 303va-304vb, ohne BibelAufruf zum Ave Maria zum Abschluß der thema), -» Caecilia (Bi, 212vb-215ra Dominus omEinleitung ist singuläres Merkmal von L. nium dilexit earn, Ms, 290vb-291vb Regnum Während der Gebrauch der Sammlung mundi et omnem) und alle Sermones de tempore. als homiletisches Handbuch zur PfarrpreIn anderen Fällen folgt eine Predigt in je einer der digt für L wahrscheinlich ist (SCHIEWER, beiden Hss. der Vorlage des Peregrinus: Wenzel 1996, S. 195), zeigt der nun bekannte um(Bi, 189va-192va, BUCHWALD, 1915, S. 34-38 zu Gn4,ll, vgl. SCHNEYER, Bd. 4, S. 570, Nr. 282, fangreichere Bestand auch einige klerikalstattdessen Ms, 270vb-271va eine Predigt auf Maumonastische Akzente: Thomas Becket von ritius zu Ps33,20f.), Clemens (Bi, 215"-217ra zu Canterbury verkörpert den Priester (vgl. PS 76,20 nach Peregrinus, Ms, 291vb-292vb zu PS ROBERTS, Sermon 150), Benedikt betet auf 33,20) und -+ Katharina von Alexandrian (Bi, ra vb vb ra dem Sterbebett das Stundengebet, und die 217 -218 , ohne Bibelthema, Ms, 292 -295 Predigt auf Laurentius beschreibt eingangs zu Est2,15 nach Peregrinus). Die Benutzung der das irdische Leben als Noviziat, dem die 'Sermones de sanctis' des Peregrinus als Vorlage ist daher mit großer Wahrscheinlichkeit konstitutiv Seligkeit als Klosterleben folgt (alle nicht für die Sammlung. Nur die Predigten auf Caecilia in L). (s.o.), Epiphanias (Bi, 46ra-51rb zu Mt2,l) und 4. Angesichts der verhältnismäßig Fronleichnam (Bi, 140va-143rb zu PS 110,4 b f.), schmalen Überlieferung volkssprachlicher die SEIDEL ihr aufgrund stilistischer BeobachtunHeiligenpredigtsammlungen bedeuten die gen zuordnete, gehen nicht auf bekannte Predigten drei Hss. eine beachtliche Rezeptionsdes Peregrinus zurück. Daher umfaßt die Sammbreite, die sich wohl durch das Fehlen von lung bisher 50 statt der vermuteten 52 Predigten. Die Predigt de apostolis (BUCHWALD, 1913, S. 56volkssprachlichen Prosalegendaren im 58), ebenfalls ohne Vorlage bei Peregrinus, gehört nordostdt. Raum erklären läßt (vgl. WILzu den -» 'Elsässischen Predigten' (SCHIEWER, LIAMS-KRAPP, S. 376). Wann und wo die 1996, vgl. SEIDEL, 1985). wahrscheinlich vor 1305 und vielleicht im 3. Dem Vergleich mit der lat. Vorlage Vorfeld der Klostergründung in Oppeln liegen bisher nur die Angaben bei entstandene lat. Vorlage ins Deutsche SCHNEYER und der Druck bei Henricus Ar- übertragen wurde, ist unbekannt. Sie unminiensis (Georg Reyser?), Straßburg um terstreicht die Bedeutung der Dominikaner 1474—77 (benutztes Exemplar: Berlin, für die Geschichte der Predigt. Im VerSBB-PK, Inc. 2175,5) zugrunde. Daher gleich mit anderen hagiographisch orienmuß offen bleiben, ob Predigten auf den tierten volkssprachlichen Heiligenpredigt-

305

'Budapester Liederhandschrift'

306

Sammlungen des 14. Jh.s ist die Überlieferung von Predigten auf Thomas Becket von Canterbury (Lv4,3), Vincentius von Zaragoza (Apo 2,7), Ambrosius (Is 52,13), Johannes ante Portam Latinam (Ps 23,5), Barnabas ( 15,14), Petrus und Paulus (Mt 16,19) und Augustinus (Sap 10,10) bemerkenswert (vgl. die Einträge bei WILLIAMS-KRAPP, S. 385 ff.).

bildern einschließlich Wappen, die gegen 1300 am ehesten in Regensburg geschrieben und in einer auch sonst nachweisbaren Werkstatt illustriert, allerdings nicht ganz vollendet wurde. Der Typ war bis dahin nur aus etwa gleichzeitigen bzw. etwas jüngeren südwestdeutschen Zeugnissen bekannt: ->· 'Weingartner Liederhandschrift' (B), -» 'Heidelberger Liederhandschrift C', Naglersches Bruchstück (ehem. Berlin, L i t e r a t u r . F. JOSTES, Westfäl. Predigten, Ndjb jetzt Krakau, Biblioteka Jagiellonska, mgo 10 (1884) 44-48; ders., Zur Gesch. der mal. Pre125; das Troßsche Bruchstück des 15. Jh.s, digt in Westfalen, Zs. f. Vaterland. Gesch. u. Altertumsk. 44 (1886), 1. Abt. S. 3-47, hier S. 12; ebd. mgq 519, ist direkt von C abhängig).

F. LANDMANN, Das Predigtwesen in Westfalen in der letzten Zeit des MAs, 1900, S. 80, 94, 228 (zu Ms); SCHNEYER, Rep., Bd. 4, S. 557-574; MORVAY/GRUBE, Predigtbibliogr., T 63; K. O. SEIDEL, Eine Bielefelder Hs. der Buchwaldschen 'Heiligenpredigten nach Art des Schwarzwälder Predigers', ZfdA 114 (1985) 141-146; ders., Mnd. Hss. aus Bielefelder Bibl.n (GAG 453), 1986 (S. 12-28 Beschreibung von Bi); W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 9 u. S. 385 ff. (zu Bi); PH. B. ROBERTS, Thomas Becket in the Medieval Latin Preaching Tradition. An Inventory of Sermons about St. Thomas Becket c. 1170-c. 1400 (Instrvmenta Patristica XXV), The Hague 1992, Sermon 150 (zu Peregrinus); TH. WUENSCH, Peregrinus von Oppeln (gest. um 1333) als Exeget, in: Oberschles. Jb. 1993, S. 25-39; B. DERENDORF, Mnd. lit. Hss. in Münster, Nd. Wort 34 (1994) 21-33 (zu Ms); K. O. SEIDEL, Mnd. lit. Hss. in Bielefelder Bibl.n, ebd. S. 13-20 (zu Bi); H.-J. SCHIEWER, 'Die Schwarzwälder Predigten' (MTU 105), 1996, S. 186-195 (Beschreibung von L); R. SCHIEWER, Die Entdeckung der mnd. Predigt: Überl., Form, Inhalte, Oxford German Studies 26 (1997) 24-72; R. TATARZYNSKI (Hg.), Peregrini de Opole Sermones de tempore et de sanctis, e codicibus manu scriptis primum edidit R. T. Institutum Thomisticum pp. Dominicanorum Varsaviensium (Studia 'Przegladu Tomistycznego' I), Warszawa 1997 (erschien nach Abschluß des Artikels).

MONIKA COSTARD 'Budapester Liederhandschrift' Drei Pergamentblätter (Budapest, Szechenyi-Nationalbibl., cod. Germ. 92), die erst 1985 aufgefunden wurden, gewähren neue Einblicke in die Geschichte der Minnesangüberlieferung. Sie bezeugen die Existenz einer bair.-österr. MinnesängerSammlung (Bu) mit ganzseitigen Autoren-

A u s g a b e n . Vollfaksimile in: MITTLER/WERNER, 1988, S. 551-556. - Bildseiten zuerst bei VizKELETY/WIRTH, 1985, nach S. 372; Abb. der Textseiten und Transkription: VIZKELETY, 1988, S. 391 — 397 und MF Neuausg. I, 381988, S. 460-468.

Die ursprüngliche Abfolge von Bl. 1/3 (Doppelblatt) und Bl. 2 (Einzelblatt) ist nicht festzustellen. Bl. 1: l r Der herre von Chvrenberch mit seiner Dame. l v neun Strophen, die in C -> Kürenberg 1-9 (MF 7,1-9,12) entsprechen; die übrigen sechs C-Strophen auf einem verlorenen Blatt? — Vgl. VOETZ, WORSTBROCK, KERN, TERVOOREN. Bl. 2: 2r Der Burgraue von Regenspurch als reitender Falkner. 2V sieben Strophen. Sie konstituieren in C und (ohne Str. 2, 7) in B das Corpus des Burggrafen von -> Riedenburg (MF 18,1-19,36), den C von dem Burggrafen von -» Regensburg (mit einem Kleincorpus aus der ""AC-Tradition) unterscheidet. Bu bewahrt, wie B, den Text in älterer Gestalt, während er in C formal modernisiert erscheint. — Vgl. WORSTBROCK. Bl. 3: 3r Der vogt von Rotenburch mit seiner Dame. 3V fünf Strophen, danach zwei Zeilen leer. Bu l —3 sowie Bu 4 in B als Einschub in das Corpus ->· Friedrichs von Hausen (12-15; MF 109,9-35 und 150,10-18), in C, z. T. auch A und E unter -» Reinmar dem Alten; Bu l —3 ist mit B/C, Bu 4 mit B verwandt. — Bu 5 in C und A als Eingangsstrophe des ersten Liedes von -» Rudolf von Rotenburg (KLD 49 VII 1); davor die gleich endende ReinmarStrophe MF 150,19-27 (B Hausen 16) ausgefallen? — Vgl. JANOTA; HAUSMANN, 1999 u. 2001.

307

308

Burchard von Straßburg — Buschmann, Arnt

Für eine näherungsweise Rekonstruktion von Bestand und Anordnung der 'B. L.' bieten die drei zufällig erhaltenen Blätter keinen ausreichenden Anhalt. Sieht man diese mit B und C zusammen, so wird immerhin deutlich, daß Bu (über Zwischenglieder) auf eine vor *BC anzusetzende, nach Namen gegliederte Minnesangsammlung *BuBC zurückgeht. Möglicherweise entstand *BuBC, wie Bu, im bair.-österr. Südosten. Offen bleibt, ob bereits *BuBC mit einer Serie von Autorbildern (beginnend mit Kaiser -*· Heinrich?) ausgestattet war oder das Bildprogramm erst für *BC 'erfunden' wurde; dann wäre es Bu (oder *Bu) eventuell mit einer südwestdeutschen Zusatzquelle vermittelt worden. L i t e r a t u r . A. VIZKELETY / K.-A. WIRTH, Funde z. Minnesang: Bll. aus einer bebilderten Lhs., PBB 107 (1985) 366-375; J. BUMKE, Kürenbergs Spur. Zur neugefundenen B. L., in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. 1. 1986, S. 29; E. J. BEER, in: Regensburger Buchmalerei, 1987, S. 73 f., 77 f.; G. SCHMIDT, Kunstchronik 40 (1987) 508; Codex Manesse, hg. v. E. MITTLER / W. WERNER, 1988, S. 245f., 246-249 (L. VOETZ), S. 338f. (L. SAURMA-JELTSCH); A. VIZKELETY, Die B. L. Der Text, PBB 110 (1988) 387-407; G. KORNRUMPF, B. L., in: Literaturlexikon, hg. v. W. KILLY, Bd. 2, 1989, S. 284 f.; J. JANOTA, Der vogt von Rotenburch im Budapester Frgm., ABäG 38/39 (1994) 213-222; F.-J. HOLZNAGEL, Wege in d. Schriftlichkeit (Bibl. Germ. 32), 1995, Reg. S. 655; F. J. WORSTBROCK, Der Überlieferungsrang d. Budapester Minnesang-Frgm.e. Zur Historizität mal. Textvarianz, in: Wolfram-Stud. XV, 1998, S. 114—142; M. CURSCHMANN, Wort — Schrift — Bild. Zum Verhältnis v. volkssprachigem Schrifttum u. bildender Kunst vom 12. bis z. 16. Jh., in: MA u. frühe Neuzeit, hg. v. W. HAUG (Fortuna vitrea 16), 1999, S. 378-470, bes. S. 427 f.; A. HAUSMANN, Reinmar d. Alte als Autor (Bibl. Germ. 40), 1999, bes. S. 323 f., 331-338; Beitr. v. CH. BERTELSMEIER-KlERST, A. HAUSMANN, P. KERN, G.

KORNRUMPF, M. ROLAND, H. TERVOOREN, A. VIZKELETY, in: Entstehung u. Typen mal. Lyrikhss. Symposion, Graz 13. —17. Oktober 1999, hg. v. A. SCHWOB u. A. VIZKELETY (Jb. f. Internationale Germanistik, Reihe A: Kongreßberichte), im Druck.

GISELA KORNRUMPF

'Eines Buhlers Traum' [Bd. 9 u. NB]

'Der Traum'

'Buhlerrevue' (KELLER, Fsp. 13) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Burchard von Straßburg [Nachtr.] Bd. l, Sp. 1118 Überl.: Die vernichteten Fragmente München, ÜB, hatten die Nr. 66.

Burg, Heintz Huntpis [Korr.] Bd. l, Sp. 1129: Bei der genannten Person handelt es sich nicht um einen Autor. Die Lesung in der Hs. lautet richtig: Vnd ist bürg (!) Heintz Huntpis. Dies ist keine Verfasserangabe, sondern eine Federprobe (= Passus aus einer Schuldurkunde). Vgl. Die Hss. des Germ. Nationalmus. Nürnberg, 1. Bd.: Die dt. mal. Hss., 2. Teil, beschr. v. L. KURRAS, 1980, S. 3.

Burkhard von Hohenfels [Korr.] Bd. l, Sp. 1135, zu Z. 5-10: "... bezeugt seit 1212, ..." korr.: B. v. H. ist urkundlich erstmals 1216 bezeugt, nicht 1212 (in diesem Jahr nur sein älterer Bruder Walther), und vor 1242 nicht zuletzt 1227, sondern 1228. Vgl. Hohenfeisische Regesten, ZGO 2 (1851) 487; F. GRIMME, Gesch. d. Minnesinger I, 1897, S. 41-48 u. 237 f.

Meister Burkhart von Reutlingen [Nachtr.] Bd. l, Sp. 1139: B. v. R. ist identisch mit Burkhart -> Tütel. Neue biograph. Daten s. d.

Buschmann, Arnt [Korr.] Bd. l, Sp. 1143, Überl., unter d) irreführende Reihenfolge nach "Breslau, ÜB, cod. ID 41"! Korr.: ... Eichstätt, St. Walburg, Klosterbibl., cod. germ. 7; Heidelberg, ÜB, cpg 226; London, Univ. Coll., ms. germ. 24; Drucke: Straßburg, vor 1500 [I]; ebd., 1500 [K]; ebd., M. Hupfuff, ... Ebd., zu e): "Koblenz, Hauptlandesarch. Gymn. Bibl., Ms. 149" korr.: ..., Landeshauptarch., Best. 701, 149.

'Büßerrevue' (KELLER, Fsp. 92) plütsche Fastnachtspiele'

'Rosen-

'Buxtehuder Evangelienhandschrift' -> Evangelien-Übertragungen (VI.l.) [Bd. 2 u. NB]

c C s. auch K Caesarius von Arles [Korr.] Bd. l, Sp. 1152, zu 8.: "Mainzer Hs. 322" korr.: ... HsI322.

Caesarius von Heisterbach OCist [Korr.] Bd. l, Sp. 1160 unten: "'Historica Damiatana' des Thomas Oliver" korr.: 'Historia Damiatina' des -> Oliver von Paderborn. Sp. 1166, Z. 21 f.: "-> Püterich von Reichertshausen" korr.: Hans Püterich dem Jüngeren von Deutenhofen.

'Cambridger Augensegen' Ü b e r l i e f e r u n g . Der obd. Text ist nachträglich aufgezeichnet in der Hs. Cambridge, University Library, Ms. Peterhouse 130, f. 219V am Kopf einer freigebliebenen Seite zwischen einer Passio Sanctorum und einer Folge von Homilien (Aufzeichnungstyp l, HELLGARDT). Die Datierung der Aufzeichnung noch ins 12. Jh. ist zu revidieren auf etwa 13. Jh., 1. Viertel, Ende. Bei den früher als Überschrift gedeuteten Worten Notum sit omnibus in christo fidelibus tarn futuris, die dem Segen von anderer Hand voranstehen, dürfte es sich um den abgebrochenen Anfang eines Textes handeln, der mit dem Segen in keinem Zusammenhang steht. A u s g a b e n s. u. Lit.

Der typologisch von dem älteren ->· 'Münchner Augensegen' abweichende Spruch ist in vier Teile gegliedert: 1. beschwörende Du-Anrede des Patienten und seines Übels in der Ich-Rede des Beschwörenden; 2. Anrufung der Geburt Christi, seines Martyriums, des Blutes aus seiner Seitenwunde, seines Grabes und seiner Himmelfahrt sowie Marias und des Jüngsten Gerichts; 3. Fortsetzung von l mit Nennung der einzelnen Augenübel hir (Schmerz), vel (Star), s(c)uzblater, wazerblater, herbrate (Gerstenkorn) sowie aller

Augenübel überhaupt; 4. Beschwörungsformel In nomini domini nostri iesu christi disiv wort sin dir war vnde veste vnd sigehaft ... amen. Die Krankheitsnamen s(c}uzblater und herbrate verweisen auf dämonische Wesen als Verursacher. Der Text ist streckenweise in Reimprosa abgefaßt, was für Sprüche dieser Art nicht ungewöhnlich ist und zur Annahme einer Versvorlage nicht nötigt. A u s g a b e n und L i t e r a t u r . M. R. JAMES, A Descriptive Catalogue of the Manuscripts in the Library of Peterhouse, Cambridge 1899, S. 158 (Erstveröff.); M. HÖFLER, Dt. KrankheitsnamenBuch, 1899, S. 128 f., 234, 877 f.; K. WEINHOLD, Ein hd. Augensegen in einer Cambridger Hs. des 12. Jh.s, ZfVk 11 (1901) 79-82 u. S. 226 f.; A. FRANZ, Die kirchlichen Benediktionen im MA, 2 Bde, 1909, hier Bd. 2, S. 486-487; WILHELM, Denkm. A, S. 52 f., B, S. 134 f.; MILLER, Charms, S. 88—90; E. HELLGARDT, Die dt. Zaubersprüche u. Segen im Kontext ihrer Überlieferung (10.—13. Jh.), in: Atti Academia Peloritana dei Pericolanti. Classe di Lettere, Filosofia e Belle Arti, Vol. 71, Messina 1997, S. 5-62, hier S. 18 ff., bes. S. 22; M. SCHULZ, Magie oder die Wiederherstellung der Ordnung. Versuch zum Corpus der dt. Segen u. Beschwörungsformeln, Habilschr. München 1998, S. 314 f.; dies., herbrate und hippischert: Bemerkungen zur mal. Augenpathologie, in Vorbereitung; vgl. auch die Rubrik 'Augensegen' des Dresdner 'Corpus der dt. Segen und Beschwörungsformeln' (CSB); zu diesem M. SCHULZ, Magie, S. 6-8.

ERNST HELLGARDT Canter, Johannes [NB]

Almanache (II.5.)

'Capsula eburnea' ('Secreta Hippocratis', 'Analogius Hippocratis', 'Prognostica Democriti' [u. a.]) Spätantiker Kurztraktat zur Todesprognostik nach Hauteffloreszenzen (Papulopusteln).

311

'Capsula eburnea'

312

A. Griech.-lat. Fassung.

Arch. 8 [1915] 78, Nr. 53 u. S. 81) und Ü b e r l i e f e r u n g . 11 griech., 15 lat. Hss. u. ein geht auf die der arabischen Prosafassung zurück. lat. Wiegendruck bei SUDHOFF (1916) und SIGERIST (1921), 5 zusätzl. Überlieferungen bei SCHERER (1976).

B. Dt. und ndl. Übersetzungen.

I. Übertragung der älteren lat. Version. A u s g a b e n . K. SUDHOFF, Die pseudohippokratische Krankheitsprognostik nach dem Auftreten Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, SB, Msc. hist. 146, von Hautausschlägen, 'S. H.' oder 'C. e.' benannt, l r (als Vorspann zum -> 'Arzeniebuoch Ipocratis'), Sudhoffs Arch. 9 (1916) 79-116 (mehrere Fassun- Mitte 12. Jh. (3. Viertel), nördl. Rheinfrk. mit gen); ders., Frühdruck u. Hs.: Ein bes. Beleg für alem. Substrat. ihre enge Verwandtschaft in einer med. Inkunabel ... der Trognostica Hippocratis' ..., ebd., S. 200— A u s g a b e n . R. PRIEBSCH, Dt. Prosafragmente 208 (nach dem Druck HAIN *8675; KLEBS, d. 12. Jh.s, MLR 10 (1915) 203-221, hier S. 205 Nr. 521.1); H.E. SIGERIST, Die Prognostica Demit 217; Wiederabdruck bei WILHELM, Denkm., mocriti im Cod. Hunterian. T. 4 13 S. IX/X, Sud- S. 244 f., dazu Kommentar S. 252. hoffs Arch. 13 (1921) 157-159. Der Kurztraktat besteht aus zwei Kapiteln: das erste kombiniert Arkanmotiv und Auffindungslegende; das sich anschließende bietet einen Katalog von etwa zwei Dutzend diagnostischen Paragraphen in topographischer Reihung. Hippokrates, so wird berichtet, habe über den Tod hinaus sich vom Geheimnis seines ärztlichen Erfolgs nicht trennen wollen und entsprechend veranlaßt, daß der thanatognostische Text mit ihm begraben wurde. Als Caesar vierhundert Jahre später zum Grab des Koers kam, einen Schatz darin vermutete und es deswegen zu öffnen befahl, habe er unterm Haupt des Toten eine Elfenbeinkapsel gefunden mit den in ihr : Er entnahm die Schriftrolle und übergab sie seinem Leibarzt, der das Arkanwissen des Koers dann publizierte. — Die sich anschließenden Paragraphen gehn vom (bettlägerigen) Patienten aus, kombinieren das Aufschießen von Papulopusteln oder Abszessen mit wenigen zusätzlichen Symptomen und leiten aus der Topographie der Hauteffloreszenzen die Vorhersage des Todeseintritts ab, der auf den Tag genau prognostiziert wird: morietur die quinta ante occasutn solis. Die zeitliche Varianz fächert vom dritten bis zum 52. Tage auf. Auf geklüfteter griechischer Textentwicklung fußen weitverbreitete arabische und hebräische Übersetzungsfassungen.

Von den beiden lat. Versionen ist die ältere spätantik (5./6. Jh.), fußt auf griechischer Vorlage und nennt (einen) Demokrit als Übersetzer; die jüngere ist hochmal., stammt aus Toledo, beruft sich auf Gerhard von Cremona als Translator (der sie entsprechend als 'Liber veritatis' in seinem "Werkverzeichnis führt; Sudhoffs

Anfang unvollständig: ... alle sine buche lechin in sin grab under sin hübet. Der 'Traktat' ist nur zum kleinen Teil übersetzt und bringt nach dem ersten Kapitel lediglich drei thanatognostische Paragraphen (vgl. SCHNELL, S. 96).

Die Krankheitssymptome werden unbeholfen wiedergegeben (solida cum inflatione: mit der diche geblasede [gemeint ist 'mit starker Anschwellung']); in den Ausg.n u. a. Fehllesung von chinne statt chniue.

II. Übertragungen der jüngeren lat. Version. 1. ->· Ortolf von Baierland, 'Arzneibuch', c. 72: Die kunst vant man mit Ypocras in seynem grab. Ortolfs Bearbeitung läßt gegen Ende einige Paragraphen aus. Die Akzentuierung der swarczen platter macht wahrscheinlich, daß der Würzburger Arzt den prognostischen Text auf den (Milzbrand-)Karbunkel ausgerichtet hat. In den acht vollständigen Ortolf-Drucken ist die 'C. e.' ebenso enthalten wie im Teildruck [Memmingen, Albert Kunne, vor 1500] (= Hippocrates, 'Prognosticon' [Auszüge], und 'C. e.'; vgl. WORSTBROCK, Antikerez., Nr. 199-200. Die in 2VL Bd. 7, Sp. 76 angekündigten Studien zur Ortolf-Überl. sind bisher nicht erschienen). Ortolfs Bearbeitung wurde in der Hs. Salzburg, ÜB, cod. M III 3, 387V f., Speyer, um 1460, im Rahmen eines Pesttraktats umgedeutet und auf die Bubonen bezogen. Ähnlich wurde bei einem -> Lepraschau-Text verfahren, der zehn Punkte zur Aussatz-Ätiologie referiert (München, cgm 398, 106 r f., mbair., um 1440; Abdruck: Sudhoffs Archiv 9 [1916] 111-113). Vgl. RIHA, 1993.

313

'Carmina Cantabrigiensia' — 'Cato'

2. Südndl. Bearbeitung, 14. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . Brüssel, Koninkl. Bibl., cod. 15624-41, 52ra-52vb, ostbrabant., 1351. Ausgabe. SUDHOFF, 1916, S. 111-115 (fälschl.: 'nd. Bearbeitung'); wieder abgedruckt bei L.J. VANDEWIELE, Biolog. Jaarboek Dodonaea 32 (1964) 393-401, hier S. 395-400, sowie bei A. G. HOMBLE, Oostvlaamse Zanten 46 (1971) 166— 173.

3. Eine nordniedersächs. Übertragung (noch 14. Jh.?; Leitwort wärteken) in zwei Versionen: gekürzt in -> Albrechts van Borgunnien 'Arzneibuch', c. 233: practike van mannigerhande bledderen; vollständiger, jedoch umstrukturiert in der sog. -> 'Düdeschen Arstedie', c. 196: Ypocras, de makede eyn bok van den bledderen. III. Eine eigenständige Bearbeitung ist dem -> 'Abdinghofer Arzneibuch' [NB] angehängt (c. 271, = 207r-212r: eyn blader heitet vrfana): sie bietet eine umfangreiche Prognose, die sich zwar fünfmal auf Hippokrates beruft, daneben aber auch ander vele meysters bemüht, unter diesen namentlich einen Meyster Archim (— Archimedes als mathematische Autorität? Vgl. den zahlenmantischen Einsatz der Zahl Drei und ihrer Vielfachen). Die Zusätze zum 'C. e.'-Text entlehnte der Bearbeiter u. a. aus Plinius (nat. hist. VIII, 78; XXIX, 66: Basiliskenblick). Die thanatognostische Ausschließlichkeit der Prognosen ist zurückgenommen und den Aussagen von Krankheitslunaren (-» Lunare) angepaßt; allgemeine Todesprognostik wurde eingearbeitet; die Warnung vor tödlichen Gefahren des Beischlafs (§3: durch vnkuscheit ... so scheit sich dat bloet) und die als Leidenswerkzeug vorgestellte Geißel deuten vielleicht auf einen geistlichen Verfasser.

C. Die Auffindungslegende der 'C. e.', die von Hippokrates' Absicht, sein Wissen zu verbergen, berichtet, fand eine negative moralische Beurteilung bei -* Nikolaus von Polen ('Anthippocras'). L i t e r a t u r . A. C. KLEBS, Incunabula scientifica et medica, Osiris 4 (1938) 1-359, Neudr. 1963; A. BECCARIA, I codici di medicina del periodo presalernitano (Storia e letteratura 53), Rom 1956, Nr. 67.1, 73.3, 84.5, 94.15, 95.2, 108.29; V. SCHERER, Die 'Epistula de ratione ventris vel viscerum', Diss. FU Berlin 1976, S. 8, 10, 14 f.; G. BAADER /

314

G. KEIL, Mal. Diagnostik, in: Medizinische Diagnostik in Gesch. u. Gegenwart, Fs. H. Goerke, hg. v. CH. HABRICH u. a. (Neue Münchner Beitr. z. Gesch. d. Med. u. Naturwiss., med.-hist. R. 7/8), 1978, S. 121-144, hier S. 126, 130, 138; G. KEIL, 'C. e.', in: Lexikon d. MAs II, 1983, Sp. 1489; G. SABBAH / P.-P. CORSETTI / K.-D. FISCHER, Bibliographie des textes medicaux latins: antiquite et haut moyen äge (Centre Jean Palerne, mem., 6), St.-Etienne 1987, Nr. 353—358; R. JANSEN-SIEBEN, Repertorium van de Middelnederlandse artes-literatuur, Utrecht 1989, S. 258a = B 750, 2.11; G. KEIL, virtus occulta. Der Begriff d. 'empiricum' bei Nikolaus v. Polen, in: Die okkulten Wissenschaften in d. Renaissance, hg. v. A. BÜCK (Wolfenbütteler Abhh. z. Renaissanceforsch.g 12), 1992, S. 159196, hier S. 176 f.; O. RIHA, Ortolf v. Baierland u. seine lat. Quellen (Wissenslit. im MA 10), 1992, S. 130—138; dies., Funktionswandel durch den Kontext: Ortolfauszüge als Pesttraktat, in: 'ein teutsch puech machen'. Unters, z. landessprachl. Vermittlung med. Wissens, hg. v. G. KEIL u. a. (Wissenslit. im MA 11), 1993, S. 62-69; G. KEIL, Ipokras. Personalautoritative Legitimation in d. mal. Medizin, in: Herkunft u. Ursprung. Hist. u. mythische Formen d. Legitimation, hg. v. P. WUNDERLI (Akten d. Gerda-Henkel-Kolloquiums 1991), 1994, S. 157-177, hier S. 161 f.; B. SCHNELL, Vorüberlegungen zu einer 'Gesch. der dt. Medizinlit. d. MAs' am Beispiel d. 12. Jh.s, Sudhoffs Arch. 78 (1994) 90-97.

G. KEIL 'Carmina Cantabrigiensia' [Korr.] Bd. l, Sp. 1187, zu 2. Mitte: "cod. Aug. 56.16, ..., der Herzog-August-Bibl. Wolfenbüttel" korr.: cod. Guelf. 56.16 Aug. 8° ...

'Carmina Ratisponensia' ->· 'Regensburger Liebesbriefe' (lat.) Cäsarius -»· Caesarius 'Cato' [Nachtr./Korr.] Vgl. auch -> Kraus, Johannes; -> Mulich, Bartholomäus; -»· 'Neusohler Cato'; ->· 'Novus Cato'; ->· Peter van Zirn; -> Philipp von Bergamo; -» 'Der züchte lere'. Bd. l, Sp. 1193, zu II. 2., Mitte: "Stuttgart, LB, Ms. poet, et phil. 50" korr.: ... cod. poet, et phil. 4° 50. Sp. 1194, zu 4. Ausg.n u. Lit.: "Bamberg, SB, codd. Ed. VII. 55 und VIII. 18" korr.: ..., Msc.

315

316

'Chiemseer OsterspieP - 'Christe qui lux es et dies'

Hist. 152 (olim E. VII. 55 [sic!]) und Msc. Lit. 177 (olim Ed. VIII. 18). Ebd., zu 5.: "Stuttgart, LB, Ms. poet, et phil. 22" korr.: ..., cod. poet, et phil. 2° 22.

'Chiemseer OsterspieP (lat.) Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 22923, 105V—107V. Antiphonarium aus dem Augustiner-Chorherrenstift Herrenchiemsee, frühes 13. Jh., linienlose adiastematische Neumen St. Galler Typs. A u s g a b e n . K. LANGE, Ungedruckte Osterfeiern, ZfdA 28 (1884) 125-129; ders., Die lat. Osterfeiern, 1882, Nr. 208, S. 140-146; danach R. FRONING, Das Drama d. MAs (DNL 14,1), 1891 (Nachdr. 1964), S. 17-20; YOUNG, Drama I, Oxford 1933 (Neudr. 1951, 1962, 1967), S. 398-401; LOO V, 1976, Nr. 782, S. 1507-1512 (zit.).

Die Handlung des früher nach seinem jetzigen Bibliotheksort als 'Nürnberger O.' bezeichneten Textes entspricht mit Visitatio, Hortulanus-'Szene' und Jüngerlauf derjenigen einer der ->· Osterfeiern des Typs III. Die erfolgte Umgestaltung zum Osterspiel manifestiert sich in der Umwandlung u. a. der priesterlichen Kleidung des Auferstandenen in ein symbolisches Rollenkostüm (Z. 57—59) sowie von liturgischem Gesang zu einem dem Darsteller (Maria Magdalena) angepaßten Rollentext (Z. 132). L i t e r a t u r . E. MICHAEL, Gesch. des dt. Volkes, 1906, IV,4 S. 406 f.; H. BEISKER, Wandlungen der bühnenmäßigen Wirkungsmittel, entwicklungsmäßig dargestellt an der Epoche des geistl. Theaters, Diss. Greifswald 1931, S. 48-50, 53-55, 58; YOUNG (s. Ausg.n), S. 401; H. DE BOOR, Die Textgeschichte der lat. Osterfeiern (Hermaea NF 22), 1967, Reg. S. 368 s.v. Nürnberg, Feier III; W. FLEMMING, Die Gestaltung der liturgischen Osterfeier in Deutschland (Akademie d. Wiss. u. d. Lit. [zu Mainz]. Geistes- u. sozialwiss. Kl. 1971, Nr. 11), S. 41; A. ROEDER, Die Gebärde im Drama des MAs (MTU 49), 1974, S. 68-70 u. Reg. S. 246; W. LIPPHARDTJ-, LOO VIII, 1990, S. 719-722; Hj. LINKE, Osterfeier u. Osterspiel, in: Osterspiele, hg. v. M. SILLER (Schlern-Schriften, 293), Innsbruck 1994, S. 121-133.

HANSJÜRGEN LINKE Chirurg von der Weser [Korr.] Bd. l, Sp. 1197 Überl.: "Oxford, Bibl. BodL, cod. 553" korr.: ..., MS. Bodl. 553 ["Bodl." ist hier auch Teil der Signatur].

'Das Chorgericht' I u. II (KELLER, Fsp. 42; ZINGERLE 2) ->· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'; -+ Raber, Vigil (C. II. 2.) 'Christ ist erstanden' [Korr.] Bd. l, Sp. 1197 vorletzte Zeile: "Salzburg, ÜB, cod. 11,6" korr.: ..., cod. M II 6.

Christan von Lilienfeld [Nachtr./Korr.] Bd. l, Sp. 1204 unten, zu Überl. u. Drucke: Abdruck des Margaretenliedes Grust seyst vol aller ersamkait (München, clm 4423, 140r-141r) bei WACKERNAGEL, KL II, Nr. 890; zur Melodie u. Vorlage vgl. KLI, Nr. 308. Sp. 1206, zu Überl. oben u. Überl. unten: "St. Florian, Stiftsbibl., cod. 303" korr.: ... cod. XL 303. Ebd., Z. 18 ff.: Das Gedicht Previa grammatica sedet in senatu, überliefert nicht in A, sondern in C, ist abgedruckt Anal. hymn. 46, Nr. 33. Es handelt sich um einen Auszug aus dem -> 'Leipziger Ordo arrium' (Strr. 48 f., 53, 57, 66 f., 74f., 79f., 82f., 85).

Christan, Michael [Nachtr.] Bd. l, Sp. 1210, vor Lit. ergänze: 4. 1484 übersetzte er den kleinen Traktat 'De contemptu mundi' des Konstanzer Bischofs -* Otto von Sonnenberg [NB]. Im Widmungsbrief vom 28. März an den Konstanzer Hofmeister Ludwig von Helmstorf, der die Übersetzung veranlaßt hatte, rühmt er den Glanz der Synodalansprachen des Bischofs. D r u c k . [Basel, Johann Amerbach, nicht nach 1488]. F. J. WORSTBROCK

Christanni, Peter OFM Bd. l, Sp. 1210f.: Vgl. auch Reimpredigt über das Vaterunster'.

'Münchner

'Christe qui lux es et dies' [Korr.] Bd. l, Sp. 1212, zu 4.: "Nürnberg, StB, Cent. VI,43": Die von BARTSCH angegebene Signatur war korrekt. Die Hs. wurde jedoch später in Teile zerlegt und verkauft (heute: Krakau, Bibl. Jagiell., Berliner Hs. mgq 1303/2; München, cgm 8498; Schriesheim b. Heidelberg, Slg. Eis, Hs. 108). Der hier relevante Teil muß jedoch weiter als verschollen gelten.

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'Christherre-Chronik' — Christian von Geren

'Christherre-Chronik' [Korr. /Nachtr. ] Bd. 1, Sp. 1213 zu 2.: "Gotha, Forschungsbibl., cod. Memb. I 88" ist seit 1958 in Göttingen, SB u. ÜB, cod. 2°Philol. 188/10. Sp. 1214, Z. 9 f.: "Tambach, Gräfl. Ortenburgsche Bibl., o. Sign.": jetzt Berlin, SB, Hdschr. 389 (vgl. P. J. BECKER/T. BRANDIS, Eine Slg. von vierzig altdt. Hss. für die SB, Jb. Preuß. Kulturbesitz XXX, 1993 [1994] 247-280, hier S. 250). Vgl. ferner -> 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB] und -> 'Leipziger Fortsetzung der Christherre-Chronik' [NB].

'Christi Leiden in einer Vision geschaut' [Korr.] Bd. l, Sp. 1219 Z. 7: "Basel, ÜB, Frgm. I 87" korr.: ..., N I 1,87. Ebd. Z. 15: "174"' korr.: 147r.

Christian von Geren Ch. v. G. stammt aus der Altmark, der Name ist vielleicht von einem südöstlich der Stadt Seehausen liegenden Gerhof entlehnt. 1436 wurde ihm vom Bischof von Verden die Befähigung zum Empfang der niederen und höheren Weihen zugestanden; 1444 an der Univ. Rostock immatrikuliert, wurde er 1445 zum Baccalaureus promoviert. Seit Anfang 1446 war er als Substitut des Ratsschreibers Johann Hertze (-» 'Lübecker Ratschronik') in der Lübeckischen Ratskanzlei tätig und ist aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit in zahlreichen Archivalien (Testamente, kirchliche Stiftungen etc.) außerordentlich gut faßbar. Ende 1449/Anfang 1450 nahm ihn die Kaufmannskorporation der Lübecker Bergenfahrer als ihren Sekretär an. Ab 1450 in Bergen tätig, verbrachte er 1456, zur Erwirkung einer päpstlichen Absolution des in den Bann gefallenen Kontors, mehrere Monate an der Kurie in Rom, wo er gleichzeitig versuchte, kirchliche Pfründen für sich zu gewinnen. Dem Mordanschlag eines verfeindeten Kaufmanns 1458 glücklich entronnen, kehrte Ch. 1459 von Bergen nach Lübeck zurück, wo er sich ab 1460 als Inhaber der ältesten Bergenfahrervikarie am Olafsaltar der Lübecker Marienkirche nachweisen läßt; als des copmans cappellano unde secretario nahm er

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gleichzeitig die notariellen Geschäfte der Bergenfahrer wahr. Von Ende 1460 bis 1461 erscheint er zusätzlich als Stadtschreiber des Kieler Rats. 1463 von König Christian I. von Dänemark in den Adelsstand erhoben, war Ch. in zahlreichen Gesandtschaften in Utrecht, Kopenhagen und London tätig. 1481 wird er als Inhaber einer Vikarie an der Pfarrkirche Seehausen genannt. Im letzten Drittel des Jahres 1486 dürfte er gestorben sein und wurde wahrscheinlich in der Kapelle der Bergenfahrer in Lübeck, wohin er sein Totenofficium gestiftet hatte, beigesetzt. 1. Am Beginn der chronistischen Tätigkeit Ch.s stehen lat. historische Aufzeichnungen zu den Jahren 1446—47 und 1451 (Ex cronicis Lubicensibus), in einer von ihm am 6. Jan. 1446 begonnenen und für den amtlichen Gebrauch bestimmten Formelsammlung (primär aus dem Geschäftsbereich der Lübecker Ratskanzlei, aber auch von Dokumenten, die ihm während seines Romaufenthaltes zugänglich wurden), in die er auch persönliche Urkunden inserierte. Ü b e r l i e f e r u n g . Kopenhagen, Det Arnamagnaeanske Institut, AM 295, fol. (früher ÜB: Kat. over den Arnamagnaeanske Handskriftsamling, 1889, Nr. 451, S. 254), 48r. D r u c k . F. BRUNS, Die Lübecker Bergenfahrer u. ihre Chronistik (Hansische Geschichtsquellen NF 2), 1900, S. 410 f.; die Urkunden S. 400-405.

Bis auf die selbständige kurze Notiz zum Jahr 1451 handelt es sich um einen von G. in ungelenkes Latein übersetzten Auszug aus dem von seinem Vorgesetzten, dem Protonotar Johann Hertze verfaßten ersten Teil der -> 'Lübecker Ratschronik von 1401-1482'. 2. Aus dem Jahr 1469 stammen Aufzeichnungen Ch.s zur Geschichte der Schüttinge (Gildehäuser) in der Mengstraße und in der Beckergrube, die Zeit von 1380 bis 1428 umfassend, eingetragen in das von ihm in diesem Jahr eingerichtete 'Schüttingsrechnungsbuch' der Bergenfahrer, das er bis 1485/86 führte und wofür er vor schrivent eine jährliche Vergütung erhielt.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Rechnungsbuch des Bergenfahrerschüttings 1469—1530: Arch. d. Hansestadt Lübeck, vorläufige Sig. 66 (früher StB Lübeck: Cod. 109), lv. Eine Abschrift des Codex von E. Deecke, ehem. StB Lübeck: Ms. Lub. 414-416 (B. D. 31) ist verschollen. D r u c k . BRUNS, S. 235.

3. Ch.s Hauptwerk ist seine 'Lübische Chronik' von 1350-1486. Überlieferung. 13 -139 .

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'Christina Mirabilis' — Christine de Pizan

'Schüttingsrechnungsbuch',

Ausgabe. BRUNS, S. 348-381. Die Chronik gliedert sich in zwei Teile. Der erste, in einem Zug niedergeschriebene, umfaßt die Jahre 1350-1469 ghetagen uth der Lubesschen cronyken van her Kersten van den Gheren 1470 — ein Auszug aus einer nicht erhaltenen 'Lübischen Chronik', in der BRUNS mit einleuchtenden Gründen ein früheres Werk Ch.s vermutet, das offenbar seine älteren Nachrichten z. T. aus der Chronik des Hermann -* Korner entlehnt hat. Ab 1439, sicher ab 1443, schreibt Ch. als Zeitgenosse und Augenzeuge. Der zweite Teil, von 1470 bis 1486, ist in 16 Etappen fortlaufend zu den Ereignissen aufgezeichnet, mit allen Merkmalen eines nicht mehr überarbeiteten Entwurfs. In knapper, annalistischer Form wird ein buntes Gemisch von Ereignissen präsentiert, primär die kriegerischen Auseinandersetzungen und politischen Verflechtungen im Bereich der Hanse, in denen er selbst eine Rolle spielte, gelegentlich auch weltgeschichtlich Interessantes wie der Untergang Karls des Kühnen, fürstliche Hochzeiten oder der Mord an Lorenzo di Medici im Florenzer Dom, und schließlich Lokales: Naturkatastrophen und Seuchen, Errichtung von Kirchen, Stadttoren und Sakramentshäuschen, Preise und Hinrichtungen. Gemeinsamer Nenner ist das Interesse, das die Lübecker Bergenfahrer an den geschilderten Ereignissen beanspruchen konnten. Fast wortgetreue Auszüge aus Ch.s Chronik finden sich in einem 1594 verfaßten Bericht zur Finanzlage des Bergener Kontors von dem späteren Sekretär der Bergenfahrer Johann Bulder (Druck: BRUNS, S. 382-389).

L i t e r a t u r . Urkb. der Stadt Lübeck, Bd. 8—9, 1889/93; Hanserecesse 2. Abt., Bd. 4-7, 18831892, 3. Abt., Bd. l, 1881, passim; BRUNS (s. o. 1. Ausg.), S. 242-252, 308-337, 400-409 u. ö. (dort auch ältere Lit. und weitere Quellen); Rep. fönt. III, 1970, Sp. 247 f.

HELGARD

ULMSCHNEIDER

'Christina Mirabilis' (Ch. von St. Truiden) ->· Thomas von Cantimpre (B. III. c.) Neben der ndl. Überlieferung der Legende existiert auch eine mfrk. Fassung in Düsseldorf, Hauptstaatsarchiv, cod. G V l, 116"-134rb; vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 401.

Christine de Pizan (Pisan) 1. Geboren wurde die frz. Schriftstellerin 1364/5 in Venedig als Tochter des Bologneser Arztes und Astrologen Tommaso da Pizzano. Dessen Berufung an den frz. Königshof führte 1368 zur Übersiedlung der Familie nach Paris. Gefördert durch den Vater, kam Ch. schon früh in Berührung mit klassischer Bildung und Gelehrsamkeit, einer der Hauptquellen ihrer späteren schriftstellerischen Tätigkeit. Drei Todesfälle - 1380 starb Karl V., der Gönner der Familie, dann der Vater und schließlich 1390 ihr Ehemann — machten innerhalb kurzer Zeit aus der wohlversorgten Tochter, Ehefrau und Mutter eine verschuldete Witwe, die allein für den Unterhalt ihrer Familie aufkommen mußte. Ch. begann eine für die Zeit ungewöhnliche Karriere als 'Berufsschriftstellerin', die ihren Lebensunterhalt sicherte, indem sie die Herzöge von Orleans und Burgund und andere adlige Gönner als Interessenten und Auftraggeber ihrer Werke gewann. 1418 zog sie sich in ein Kloster zurück, wahrscheinlich den Dominikanerinnenkonvent in Poissy bei Paris, wo sie um 1430 starb. 2. Ch.s CEuvre ist außerordentlich umfangreich (vollständiger Überblick bei KENNEDY), thematisch vielfältig und umfaßt die wichtigsten Vers- und Prosagattungen der Zeit. Am Beginn ihrer schriftstellerischen Tätigkeit (um 1394) stehen Gedichte, die sie selbst in Sammlungen

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Christine de Pizan

herausgab (z. B. 'Cent ballades d'amant et de dame'). Zu den von Ch. verfaßten Versdichtungen zählt neben philosophischallegorischen Werken wie dem 'Livre du chemin de longue estude' (1402/3) und dem biographisch aufschlußreichen 'Livre de la mutacion de Fortune' (1400/3) auch die berühmte 'Epistre du dieu d'amours' (1399), mit der sie die Debatte um den zweiten Teil des 'Roman de la rose' von Jean de Meun entfachte, gegen dessen negatives Frauenbild sie engagiert zu Felde zog (ed. in E. HICKS, Le debat sur le 'Roman de la rose', Paris 1977; dt.: M. STUMMER, Der Sendbrief vom Liebesgott, 1987). Zu diesem ersten öffentlich geführten Literaturstreit in der frz. Geschichte steuerte sie 1401 noch die Schrift 'Le dit de la rose' bei. Umfassend gegen die Diskriminierung der Frau in der spätmal. Gesellschaft wandte sich Ch. dann in ihrem wohl bekanntesten Werk, dem 1405 in Prosa geschriebenen 'Livre de la cite des dames' (ed. M. CURNOW, Diss. Vanderbilt Univ. 1975; dt.: M. ZIMMERMANN, Das Buch von der Stadt der Frauen, 1986), dem sie noch im selben Jahr den 'Livre des trois vertus' oder 'Tresor de la cite des dames' folgen ließ, ein Haus- und Erziehungsbuch für Frauen aller Stände (ed. CH. CANNON WILLARD / E. HICKS, Paris 1989; dt.: C. OPITZ, Der Schatz der Stadt der Frauen, 1996). In ihren anderen Prosaschriften zeigt sich Ch. sowohl als erzieherisch denkende wie als historisch interessierte und zeitkritische Autorin, die dezidiert zur politischen und gesellschaftlichen Situation ihres Landes Stellung bezog. Nicht nur zu Lebzeiten, sondern — wie die große Anzahl der erhaltenen Hss. und Frühdrucke sowie Übersetzungen in andere Sprachen belegen — noch weit darüber hinaus war Ch. de P. eine gefeierte und vielgelesene Schriftstellerin, die erst ab dem 18. Jh. mehr und mehr in Vergessenheit geriet. 3. Die einzige bekannte mal. Rezeption Ch.s im dt. Sprachraum bildet eine um die Mitte des 15. Jh.s angefertigte Übersetzung ihres um 1410 verfaßten 'Livre des fais d'armes et de chevalerie' ins Alemannische, das 'Buch vom Fechten und von der

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Ritterschaft' (Buch von dem vechten und von der ritterschafft). Ü b e r l i e f e r u n g . Hs. in Privatbesitz (ausführl. Beschreibung und Situierung s. SCHNEIDER-LASTIN, mit Abb. von f. 5 r ). Zur Überl. des frz. Textes s. KENNEDY 1984, S. 100 f., und 1994, S. 103. Ausgabe. Eine Edition der Übers, ist in Vorbereitung; der Prolog ist abgedruckt bei SCHNEIDERLASTIN, S. 199-201. Krit. Ausg. des frz. Textes v. CH. C. WILLARD, Ch. · 'Niederdeutsche Cronick aller konninghe tho Dennemarken' (gereimt) [Bd. 6 u. NB]; -> 'Denscke Kroneke' (Prosa) [NB] 'Chronik der Markgrafen von Meißen' -» 'Meißnische Chronik' [NB] 'Chronica S. Pantaleonis' [Korr.] Bd. l, Sp. 1252 Z. 4f. lies: Leipzig, ÜB, cod. Rep. II 70 a (1162—1237, danach zwei Exzerpte aus früheren Partien, s. -> 'Niederrheinische Lhs.' L), 14. Jh. (Abschrift), voran geht eine dt. Teilübersetzung des 14. Jh.s (920-1142, -> Witkind). Ebd., Z. 6: "Würzburg, ÜB, cod. 81" korr.: ... cod. M. eh. f. 81.

'Chronicon pii marchionis' -> 'Leopold III., der Heilige, Markgraf von Österreich' 'Chronicon SclavicumV'Wendesche Kroneke' Lat. u. nd. Fassung. Ü b e r l i e f e r u n g , l lat. u. l nd. Druck: GW 6692 u. 6693. Aufgrund inhaltlicher Kriterien nimmt man als Erscheinungsjahr 1485 an. Typenvergleiche haben zur Zuweisung an den Lübecker Drucker Matthäus Brandis geführt. GW verzeichnet acht Exemplare der dt. Fassung und 18 der lat. Ausgabe. Die meisten Ausgaben wurden durch Korrespondenz mit den Bibliotheken bestätigt. Die Lübecker lat. und dt. Exemplare, die LASPEYRES für die Herstellung seiner Edition dienten, sind jedoch inzwischen verschollen. Ausgabe. E. A. TH. LASPEYRES, Chronicon Sclavicum quod vulgo dicitur parochi Suselensis, 1865. Die dt. Fassung ist nicht identisch mit dem 'Wendischen Chronicon' über die Jahre 801 bis

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1534 (urspr. vielleicht bis ca. 1470), hg. v. J. M. LAPPENBERG, Hamburgische Chron.n in niedersächs. Sprache, 1861, S. 229-299 (= Nr. VI); vgl. ebd. S. XXXVIII-XLIII zur Überl. (6 Hss.); Rep. fönt. III 473.

1. Das 'Ch. S.' besteht aus acht Teilen. Der erste Teil (bis 1168) ist -* Helmold von Bosau entnommen, der zweite Teil (bis 1256) den Lübecker Bischofsgesten. Im dritten Teil, der noch einmal bis 1188 zurückgreift und bis 1435 geführt wird, stützt sich der Kompilator auf H. -» Korners 'Chronica Novella' in lat. Sprache. Die Jahre 1436 — 1449 sind — viertens — aus der ->· 'Lübecker Ratschronik' entnommen. Der fünfte Teil 1452-1459 entspricht zwar inhaltlich der 'Ratschronik', ist aber selbständig konzipiert worden. Der sechste Teil sprengt den bisherigen Aufbau, indem er eine knappe Lübecker Bischofsgeschichte von Anfang an enthält, exzerpiert aus den Bischofsgesten, die bis 1466 reichen, und sie bis 1484 ergänzt. Der siebte Teil benutzt die 'Ratschronik' 1460-1480. Der letzte Teil 1480-1485 ist selbständig von dem Ratsschreiber Dietrich Brandes verfaßt und hat seinerseits als Quelle dem entsprechenden Abschnitt der 'Ratschronik' gedient. 2. Die ersten drei Teile und der sechste gehen auf lat. Vorlagen zurück. Auch die übrigen Teile sind zuerst lat. konzipiert worden, stellen also überwiegend eine Übersetzung dt. Vorlagen ins Lateinische dar. Die dt. Fassung ist für diese Teile als Rückübersetzung zu werten, bei der man allerdings schon deswegen nicht zum alten Text zurückfinden konnte, weil die lat. Fassung gegenüber der dt. Vorlage inhaltlich verändert, insbesondere gekürzt wurde. Handschriftliche Vorlagen für den Druck von 1485 sind nicht erhalten. Sie dürften verschiedene Verfasser gehabt haben. Wer für die Gesamtredaktion, also auch für Prolog und Epilog, verantwortlich ist, läßt sich nicht sagen. Zwei verschiedene Übersetzer dürften dann die früheren und die späteren Teile der lat. Chronik ins Deutsche übertragen haben. Der erste lehnt sich eng an die lat. Syntax an, der zweite gestaltet den Stil freier.

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'Chronik der Stadt Zürich' — 'Chrysostomus'

3. Der Prolog kündigt an, die Chronik enthalte die facta memorabiliora der Kirchen von Lübeck, Hamburg, Schwerin und Schleswig, sowie der Städte Stralsund, Rostock, Wismar und Lüneburg. Daraus entnimmt man, daß es sich nicht um die Geschichte einer Stadt oder eines Bistums, sondern um eine Landesgeschichte handelt, wie es auch trotz der Dominanz von Lübecker Quellen weitgehend durch den Inhalt bestätigt wird. Im übrigen enthält der lat. Prolog Aussagen über die Nützlichkeit der Chroniklektüre für den Kleriker, während sich der dt. Prolog an beschedene minschen und simpel slichte persone wendet. Die beiden Übersetzer haben den lat. Text gekürzt, wenn auch mit unterschiedlicher Tendenz, der erste, bis zum fünften Teil, ließ Kirchengeschichtliches weg. Der achte Teil zeichnet sich im Lateinischen durch Kommentare und Sentenzen aus, die einer Verteidigung der städtischen Wertewelt und Wirtschaftsinteressen dienen. Der größte Teil dieser Sprüche ist in der dt. Fassung weggelassen, und, man kann daraus wohl schließen, daß diese Fassung für ein außerstädtisches Publikum gedacht war.

näher identifiziert werden konnte. Er dürfte zunächst im Dienst des Wiener Stadtanwalts Jörg Flemming (gest. 1404) gestanden sein und seit 1411/12 der Münzer-Hausgenossenschaft angehört haben, da er den Kauf einer Stelle in der Münze erwähnt (LUSCHIN, S. 775 f.). Die Notizen beginnen mit der Hochzeit des Chronisten (1402) und setzen mit Nachrichten zu Geburt und Tod seiner 10 Kinder fort. Weitere Sterbefälle betreffen vor allem die Wiener Führungsschicht. Eingeschoben sind Vermerke zu lokalen Naturkatastrophen und Hinrichtungen, zur großen Judenverfolgung (1420) sowie zu den Heereszügen der österreichischen Herzöge (v. a. Hussitenkriege). Eine weitere unbekannte Hand fügte zwei Eintragungen zur Herrschaft Albrechts VI. in Wien (1463) hinzu. Die Aufzeichnungen des Wiener Bürgers gehören zu den ältesten Überlieferungen, die eine Tradition von städtischen Hauschroniken und Selbstzeugnissen im österreichischen Raum dokumentieren.

L i t e r a t u r . F. BRUNS, Der dritte Teil des Chronicon Sclavicum u. sein Verfasser, Hansische Gesch.bll. 16 (1910) 103-129, vgl. auch ders., in: Die Chron.n der niedersächs. Städte. Lübeck, Bd. 4 (Chron. dt. St. 30), 1910, S. XXXIH-XLII u. ebd., Lübeck, Bd. 5, 1. Teil (Chron. dt. St. 31), 1911, S. VII-XV; Rep. font. III 451 (Lit.) R. SPRANDEL, Das Chronicon Sclavicum von 1485; in: ders. (Hg.), Zweisprachige Geschichtsschreibung im spätmal. Deutschland (Wissenslit. im MA 14), 1993, S. 122-128.

A u s g a b e . Anonymi Viennensis breve Chronicon Austriacum, in: H. PEZ, SS Rer. Austr. II, Leipzig 1725, Sp. 547-550.

ROLF SPRANDEL 'Chronik der Stadt Zürich' [Nachtr.j Bd. l, Sp. 1258 f.: Es handelt sich bei dieser Chronik um Redaktion B der -> 'Zürcher Stadtchroniken' (s. dort weitere Lit.).

'Chronikalische Notizen eines Wiener Bürgers'

Ü b e r l i e f e r u n g . Die Hs. (Autograph) befand sich in der Stiftsbibl. von St. Dorothea in Wien, ist aber seit ca. 1900 nicht mehr auffindbar.

L i t e r a t u r . LORENZ, Geschichtsquellen I, S. 224 f.; K. UHLIRZ, Quellen u. Geschichtsschreibung, in: Gesch. der Stadt Wien H/1, Wien 1900, S. 71; A. LUSCHIN VON EBENGREUTH, Münzwesen, Handel u. Verkehr im späteren MA, ebd. H/2, 1905, S. 741-866; J. SEEMÜLLER, Wiener Annalen v. 1348-1404, in: MGH Dt. Chron. VI, 1909, S. 231 —242; LHOTSKY, Quellenkunde, S. 327; S. PETRIN, Der österreichische Hussitenkrieg 1420— 1434 (Militärhist. Schriftenreihe 44), Wien 1982; H. TERSCH, Österreichische Selbstzeugnisse des SpätMAs u. der Frühen Neuzeit, Wien [u. a.] 1998, S. 34-38.

HARALD TERSCH 'Chrysostomus' [Korr.] Bd. l, Sp. 1270, zu II. Über!.: "Rom, Bibl. Vat.,

Für die Jahre 1402 bis 1443 sind dt.-lat. Pal. VI.228" korr.: ..., Pal. IV 228. chronikalische Aufzeichnungen eines Wiener Bürgers überliefert, der bisher nicht Chrysostomus -»· Johannes Ch. [NB]

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Cicero, Marcus Tullius — 'Cleomades'

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strassburger mass für wasser (c. 66) gibt einen Hinweis auf den Entstehungsraum Bd. l, Sp. 1275 zu 2.: Die Angabe, -» Ermenrich der Kompilation. von Ellwangen habe 'De inventione', lib. II seinem Der ursprüngliche Text dürfte aus 40 Werk eingefügt (MGH Epistolae V 541 f.), ist irrig Rezepten bzw. Kurztraktaten bestanden (Hinweis F. J. Worstbrock). Ebd.: "Moralis" korr.: Moralium. Das Werk haben (vierczig gebresten, die ross anwird nicht mehr Wilhelm von Conches zugeschrie- gand): gegen Hufleiden 1 — 5; Erkrankunben; vgl. -» 'Moralium dogma philosophorum' gen/Verletzungen der Läufe 6—18; des [NB]. Rumpfes 19-29; des Hauptes 30-40 (NüSp. 1280: Die angekündigte Ausgabe von P. Kestern 32f.; Ohren 34; Augen 35—40). Er sting ist nicht erschienen. befaßt sich auch mit schweren Kampfverletzungen. Der chirurgisch versierte VerCinckler, Heinrich -» Cynckler, H. [NB] fasser kannte sich im antiken und (hoch-) mal. lat. Veterinärschrifttum aus (er be'Cisioianus' [Korr.] nutzt beispielsweise -* Vegetius, Jordanus Bd. l, Sp. 1288: Streiche: "13. 'Cisianus zu dut- ->· Ruffus, -» Petrus de Crescentiis, -> Albertus Magnus, auch Albrant). sche' des Heinrich -» Eggestein" (dessen 'C.' geIn den überlieferten Fassungen ist der hört zu Nr. 9). Text mit zwei verschieden langen Text'Clavis scientiae maioris' ->· 'Donum Dei' schleppen verbunden: sie umfassen in Hs. K (noch nicht untersucht) 21, in D und R [NB] 40 Kapitel (Rezepte). Die längere (vgl. LUDVIK) beginnt wie Albrant mit dem Papst Clemens VI. [Nachtr.] Kopf (c. 41—43) und behandelt v. a. Bd. l, Sp. 1289 zu l- Zur lat. Vorlage s. - Tag- Räude, Grind sowie Schrunden und ist von zeitengedichte, L, zu Versübersetzungen ebd., II. magischen Praktiken durchsetzt. Einige 10. u. NB. Roßtäuscher-Stücke entsprechen der -» 'Roßaventiure' bzw. den -> 'Schlägler Albrant-Anhängen'. Aus Albrants 'RoßarzPapst Clemens' Roßarzt nei' sind mehrere Einzelrezepte (c. 45, 46, (Apokrypher) Kompilator eines schwäb.- [48], 56—58) übernommen, einiges stammt alem. Roßarzneibuchs, der früher irrtüm- aus dem südwestdt. Veterinärschrifttum. lich mit Meister -»· Albrant gleichgesetzt L i t e r a t u r . G. Eis, Meister Albrants Roßarzwurde. Cicero, Marcus Tullius [Korr.]

Ü b e r l i e f e r u n g . Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 730 (Standort-Nr. 444; ehem. Rheinau, Benediktinerabtei), 50r-58v, 15. Jh., hochalem. (R); Karlsruhe, LB, cod. St. Georgen 73, 150r-163v, 15./ 16. Jh., schwäb.-alem. (K.); ebd., cod. Donaueschingen 792, 19r-28v, Mitte 15. Jh., ndalem., 15. Jh. (D). In allen Hss. zusammen mit dem Albrant-Textkomplex, in D und R auch mit dem Rezeptar -* Heinrichs von Lauingen. A u s g a b e . LUDVIK, S. 135 — 151 (nach D).

Der gelehrte Autor ist nicht näher zu identifizieren, auch nicht der Papst, auf den er bezogen wird (Clemens IV. [1265 — 68] oder Clemens VI. [1342-52]?). Ein Indiz, daß der Text vor 1400 entstanden sein könnte, ist die Tatsache, daß Verwundungen durch Handfeuerwaffen fehlen. Die

neibuch im dt. Osten, Reichenberg 1939 (Schriften d. Dt. wissenschaftl. Ges. zu Reichenberg 9), S. 22 f. [zu R]; L. SIMMET, Veit Hündlers Roßarzneibuch. Ein Beitrag z. Gesch. d. dt. Pferdeheilkunde d. 15. Jh.s in Südosteuropa, Diss. München 1955, S. 17—19; D. LUDVIK, Unters, zur spätmal, dt. Fachprosa (Pferdebücher), Habil.schr. Ljubljana (Laibach) 1959, S. 30, 61-64, 168, 176-178; dazu Rez. v. G. KEIL, Centaurus 7 (1960/61) 224229, hier S. 226-228; S. TABELING-KEMMLER, Eine anonyme Roßarzneihs. aus dem südwestdt. Raum (1584), Diss. Hannover 1999, S. 123, 161 [mit dem Nachweis fehlender Nachwirkung].

G. KEIL 'Cleomades' [Korr.] Bd. l, Sp. 1292 Z. 14: "Zürcher Hs. C28" korr.: ... Hs. Car. C 28.

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'Colmarer Chronik' — 'Craen'

'Cliges' -> Fleck, Konrad; Türheim (II.)

Ulrich von

Cochem, Michael -» 'Secreta antiquorum phylosophorum' [NB] 'Codex Cumanicus' sches Glossar

Romanisch — deut-

Colin, Philipp -> 'Rappoltsteiner Parzifal' 'Colmarer Chronik' [Korr.] Bd. l, Sp. 1294, Überl.: "Colmar, Bibl. de la Ville, Ms. 563" korr.: ..., Ms. 45 (Kat. Nr. 563). Ebd.: "Colmar, Bibl. de la Ville, Ms. 540" korr.: ..., Ms. I. CH. l (Kat. Nr. 540). Ebd.: "Augsburg, SB u. StB, cod. 169" korr.: ..., 2° Cod 169. Comitis, Gerhard OP [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1: Von der Predigt über die 100 artickel [...] von vnsers liben herren liden sind neben der Fassung des G. C. noch zwei ausführlichere, eigenständige Fassungen anonym überliefert; welcher von den dreien die Priorität zukommt, wäre noch zu untersuchen. Vgl. S. DE TRIBOLETAESCHLIMANN, 'Die hundert artickel von dem wirdigen liden unsers herren Jhesu Christi', in: E. C. LUTZ (Hg.), Mal. Lit. im Lebenszusammenhang (Scrinium Friburgense 8), 1997, S. 343-357 (mit Abdruck von 5 Artikeln). 'Compendium Anticlaudiani' [Korr.] Bd. 2, Sp. 2 Überl.: "Erfurt, Stadtarch." korr.: ..., Stadt- u. Regionalbibl.

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Ebd., Sp. 7, zu 3.b): Vgl. die Ergänzungen unter -* 'Wiener Elsässische Verachtung der Welt'. Sp. 8 zu Lit. ergänze: ST. COSACCHI, Makabertanz, Meisenheim am Glan 1965, S. 470—505 (mit Abdrucken). 'Contra malum malannum' [Korr.] Bd. 2, Sp. 9: "Hs. 218 der ÜB Bonn" korr.: Hs. S 218. 'De conversione Saxonum' [Korr.] Bd. 2, Sp. 11 Überl.: "cod. 2883 derGräfl. Schönbornschen Bibl. Pommersfelden" korr.: HS 308 (olim2883) .... Bruder Cornelius

'Revelationes Corne-

lii' 'Craen' ('Crane'-Prosa) Mnd. Prosaerzählung aus der Mitte des

15. Jh.s. Ü b e r l i e f e r u n g . Darmstadt, Hess. Landes- u. Hochschulbibl., Hs. 2667, f. 357r-364r, am Beginn eines später angefügten, auf 1465/85 datierbaren Faszikels, der außerdem Bruchstücke einer Schwankrede ('Der ->· Boiffen Orden' [NB]), einer Warnung vor dem Würfelspiel ('Vom -> Würfelspiel') und eines -> 'Spottgedichts auf die Kölner Advokaten' enthält. Ripuarisch (Köln), Abschrift einer wenig älteren Vorlage aus dem gleichen Raum. A b d r u c k . BECKERS, 1983, S. 121-135.

Bei der infolge Blattverlusts am Anfang fragmentarischen Erzählung handelt es Temperamenten'De complexionibus' sich um die stark kürzende Bearbeitung eilehre nes rund 200 Jahre älteren mhd. Versromans, des 'Crane' von -» Berthold von 'Consistory rumpoldi' ->· Debs, Benedikt Holle. Da dessen einzige annähernd voll(Nr. 6); -* Raber, Vigil (C. II. 1. u. 8.); -» ständig erhaltene Hs. 1470 östlich von 'Rumpolt- und Maret-Spiele' Köln geschrieben wurde, zeigt sich hier besonders deutlich das Nebeneinander eines fortdauernden Interesses am Versroman 'De contemptu mundi' [Nachtr.] beim (landsässigen) Adel und der OffenBd. 2, Sp. 7 zu 3.a) ergänze: Eine weitere Versheit für die neue Form der Prosa bei einer übersetzung des pseudo-bernhardischen 'Carmen paraeneticum' ist überliefert in Wien, cod. 4118, stadtbürgerlichen Leserschaft (BECKERS, 1983, S. 117-119). 143r—160V, geschrieben von Joh. -» Hauser. Dt. Der Bearbeiter rechnet offenbar mit eiProsaexzerpte in Budapest, ÜB, cod. Germ. 2, l r —6 V , vgl. -> Bernhard von Clairvaux, 3. nem literarisch ungeschulten Publikum. Er

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Cynckler, Heinrich

begnügt sich mit der ersten Hälfte seiner nach dem Bauplan des 'doppelten cursus' angelegten Vorlage. Erzählt wird die nach Überwindung zahlreicher Widerstände schließlich erfolgreiche Werbung eines vermeintlich unstandesgemäßen Fremdlings, der in Wahrheit Sohn des Königs von Böhmen (bei Berthold: von Ungarn) ist, um die Tochter des Kaisers von Rom. Durch Vereinfachung der Motivierung und durch den Verzicht auf die in der Vorlage unmittelbar an das Hochzeitsfest anschließende Bewährungsfahrt des Helden, dessen Aventiuren die durch Rechtsbrecher gestörte Ordnung wiederherstellen, wird aus dem höfischen Thesenroman eine sentimentale Liebesgeschichte. Ihre durchsichtige Spannung bezieht sie aus der mehrfachen Vorspiegelung falscher Identitäten und aus vorgetäuschten Schicksalsschlägen. Die Eigennamen aller Personen sind getilgt bis auf denjenigen des Helden, der merkwürdigerweise einen neuen, an die alliterierende Namengebung der Vorlage anklingenden Namen erhält (Angerland statt Gayol). Dagegen sind sprechende Übernamen, so der des Kranichs (mnd. kraen) als Sinnbild besonnener Redeweise für den Helden, beibehalten. Die Entindividualisierung der Protagonisten bewirkt so zugleich eine Verstärkung der didaktischen Züge der Prosa. L i t e r a t u r . J. BOLTE, Zum Crane Bertholds von Holle, Ndjb 18 (1892) 114-119 (Teilausgabe); H. BECKERS, Die Kölner Prosabearbeitung des 'Crane'-Romans Bertholds von Holle, Nd. Wort 23 (1983) 83-135 (mit Nachweis der [spärlichen] älteren Lit.); ders., Die mfrk. Rheinlande als lit. Landschaft von 1150 bis 1450, ZfdPh 108 (1989), Sonderh., S. 19-49, hier S. 40; K. H. STAUB / TH. SÄNGER, Dt. u. ndl. Hss. (Die Hss. der Hess. Landes- u. Hochschulbibl. Darmstadt 6), 1991, S. 123-128 (zur Hs.).

HANS-HUGO STEINHOFF Cranc, Klaus -> Krane, K. 'De creatione Adae' (dt.) Adams' [NB] Meister Cron -» Krön

'Erschaffung

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Cynckler (Cinckler), Heinrich Im cod. theol. 2065 der SB und ÜB Hamburg, einer 74 Texte umfassenden Sammelhs. mit Predigtnachschriften, die Katherina ->· Gurdelers im Trierer St. Agneskloster für ihre Konventualen kompiliert und nach 1527 abgeschlossen hat, erscheint Her Heynrich Cynckler (auch als Her Heynrich Cinckler bzw. Her Cynckler) als Prediger. C.s Ordenszugehörigkeit und seine Stellung zu dem Frauenkonvent bleiben undeutlich. Unter den Eberhardsklausener Rektoren (regulierten Augustinerchorherren), die mit der geistlichen Betreuung von St. Agnes beauftragt waren, ist ein H. C. bislang nicht bekannt (P. DOHMS, Die Gesch. d. Klosters u. Wallfahrtsortes Eberhardsklausen an d. Mosel [Rhein. Archiv 64], Bonn 1968, S. 212 f.). Der Beginn der Textsammlung fällt in die Zeit vor 1511 (Tod von -> Johann von Paltz); deren Abschluß sowie die Niederschrift der Hs. sind wohl nicht allzu weit nach 1527 anzusetzen, belegt durch einen Datierungsvermerk zur Kirchweihpredigt Nr. 73 und den Tod des -» Gerhard von Eberhardsklausen. C. dürfte in diesem bei DOHMS nur lückenhaft belegten Zeitraum gewirkt haben. Spuren seiner lokalen Bindung werden wenigstens in Text 17 In dem sondach 'Letare' uß vylen eyn wenich uon her Heynrich Cynckler greifbar, wo C. den Lokalheiligen St. Matthias besonders hervorhebt: eyn getruwer vursprecher und beschyrmer des tryerschen landes (147V).

C. hat mit 14 Texten den größten Anteil an den 37 namentlich gekennzeichneten Stücken der Sammlung. Sie werden im Rahmen der Gesamtbeschreibung bei WEGSTEIN, S. 317—326 nachgewiesen. (-»· Jakob von Burigh ist mit 12 Predigten vertreten, ein ruwerynnen herre mit 4, ->· Gisbert mit 3; je eine Predigt ist Peter -> Arwiler, -* Bartolomäus, -»· Gerhard von Eberhardsklausen und Johann von Paltz zugeordnet). Von den 37 Texten ohne Verfasserangabe dürften noch weitere C. zuzuordnen sein. Seine Sprache ist bildhaft und eindringlich, in Exempel und Auslegung auf klösterliche Verhältnisse zugeschnitten und an geistliche Konvente gerichtet (geystlich menschen, broeder und susteren, in broederlicher und susterlicher lyeffden, mytbroder adder mytsuster), freilich nicht so eindeutig auf einen Frauenkonvent wie

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Cyprian von Karthago

etwa die von Jakob von Burigh stammenden Teile der Sammlung. Er zitiert häufiger Augustinus und Hieronymus, gelegentlich auch Bernhard von Clairvaux. L i t e r a t u r . W. WEGSTEIN, Reminiszenz an Johann von Paltz in einer Trierer Klosterpredigtsammlung, in: K. KUNZE u. a. (Hgg.), Überlieferungsgeschichtl. Editionen u. Studien zur dt. Lit. des MAs. Kurt Ruh zum 75. Geb. (TTG 31), 1989, S. 314-331.

WERNER WEG STEIN

Cyprian von Karthago [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 23, zu 2., petit-Abschnitt: "Bamberg, SB, cod. Ed. VIII. 6" korr.: ..., Msc. Lit. 178 (olim Ed. VIII. 6). Sp. 24, zu 7. ergänze die lat. Ausg. von S. HELLMANN, Pseudo-Cyprianus, De XII abusivis saeculi (Texte u. Unters, z. Gesch. d. altchristl. Lit., 3. R., 4. Bd., H. 1), 1909.

Cyrillus ('Cyrillusfabeln') pientiae'

'Speculum sa-

D Dacher, Gebhard [Korr.] Bd. 2, Sp. 31 Mitte: "Wolfenbüttel, .... cod. 61 Aug. 12°" korr.: ..., cod. Guelf. 61 Aug. 2°. Ebd. Überl.: Die Kollektaneen Reutlingers (18 Bde) befinden sich heute in Überlangen, Stadtarch. (davor in der Leopold-Sophien-Bibl. als Ms. 96).

Vgl. P. ZIMMERMANN / K. ZWIERZINA, S. Margareta u. Daniel. Bruchstücke aus einem unbekannten Passional in Versen, ZfdA 42 (1898) 179185, Text S. 182.

'Dänische Chronik' (nd.) -> 'Niederdeutsche Cronick aller konninghc tho Dennemarken' [Bd. 6 u. NB]; -» 'Denscke Kroneke' [NB]

Dachsberg, Augustinus [Korr.] Bd. 2, Sp. 33 Lit.: "ÖELBRÜCK, ... 1907" korr.: ..., 1923.

'Dachstraktat' -> 'De taxone Über' Dalat, Johannes -» Tallat, J. 'Dalimil' [Korr.] Bd. 2, Sp. 34 Z. 1: "München, ÜB, cod. germ. 3967" korr.: München, BSB, cgm 3967. Ebd. Ausg.n: "JIRECEK, ..., Prag 1828" korr.: ... 1882. Sp. 35 zu Lit.: Nachträge zu Ausg.n u. Lit. (auch älterer) bei N. KERSKEN, Geschichtsschreibung im Europa der "nationes", 1995, S. 583-587, bes. Anm. 75.

'Daniel' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 42 zu Überl.: Die ehem. Königsberger Hs. 890 b befindet sich jetzt in Torun (Thorn), ÜB, Rps 40/IV. Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000,5.80-82.

Nach dem Artikel ergänze: Ein md. Frgm. einer 'Daniel'-Dichtung des 13. Jh.s (16 vv.) ist in Wolfenbüttel, Niedersächs. Staatsarchiv, Perg.bruchst. 12 Slg. Mappe 4 Nr. 5 überliefert; auf demselben Blatt geht die Legende der -> 'Margareta von Antiochien' (A. XIII.) voran, deren Fest kalendarisch am Tag vor Daniel liegt.

'Darmstädter Arzneibuch' [Korr.] Bd. 2, Sp. 45 f., Lit.: "voraussichtlich ZGO 128 (1980)" korr.: Bibliothek und Wissenschaft 18 (1984) 85-234. Ebd.: "ROHLAND, ..., voraussichtlich 1980" korr.: ... 1982. Ebd.: "D. LEHMANN, ..., voraussichtlich 1980" korr: D. LEHMANN, Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jh.s vom Oberrhein, Teil I: Text u. Glossar (WmF 34), 1985; A. LEHMANN, dass., Teil II: Kommentar (WmF 35), 1986.

'Darmstädter Legendär'

Die um 1420 fertiggestellte Hs. 1886 der Hess. Landes- und Hochschulbibl. Darmstadt enthält 110 Heiligenpredigten bzw. Legenden, die zunächst thematisch gruppiert sind: Marien-, Apostellegenden, männliche, weibliche Heilige, von 98 va — 188vb dann drei kalendarisch geordnete Corpora. Die Sprache der Texte ist md., die des letzten Corpus nd. Es handelt sich um eine umfangreiche Kompilation aus verschiedenen Quellen, da die Gestaltung der einzelnen Texte z. T. sehr verschieden ist. Eine der Hauptquellen ist ein heute verlorenes Legendär, aus dem u. a. auch -* Hermann von Fritzlar für sein 'Heiligenleben' schöpfte. Da u. a. einige Texte des 'D. L.' umfangreicher sind als bei Hermann, ist die These von JEFFERIS, Hermanns Legendär sei Vorlage gewesen, abwegig. Obwohl in der Regel nur Legenden erzählt werden, weisen mehrere Texte pre-

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David von Augsburg — 'Denscke Kroneke'

digthafte Züge auf, etwa Hörerapostrophen und Predigtthemata, die zwar nicht übernommen werden, auf die aber im Texteingang Bezug genommen wird. Die thematische Anordnung der Hs., die in ihrer überlieferten Form zweifellos als Legendär konzipiert wurde, legt nahe, daß die Quellen nicht en bloc übernommen, sondern daß die Einzeltexte, der Anlage der Sammlung folgend, aussortiert und den thematischen Blöcken zugeordnet wurden.

A u s g a b e n . K. C. VAN BERCKEL, De St. Hyppolitus Kerk te Delft, Bijdragen voor de geschiedenis van het bisdom van Haarlem 28 (1904) 313-326, Textabdruck mit Noten und Fasimile nach S. 320; danach YOUNG, Drama I, Oxford 1933 (Nachdr. 1951, 1962, 1967), S. 682 (nur Text); ferner J. SMITS VAN WAESBERGHE, Muziek en Drama in de Middeleeuwen, Amsterdam 1942, S. 64 (mit Notentranskription, aber ohne die Stichworte), S. 102; und W. LIPPHARDT, LOO V, 1976, Nr. 828, S. 1701 f. (nur Text, zit.).

Rollenauszug des Salbenkrämers (Rotschrift Phisicus — medicus) aus einem lat. Ausgaben u. L i t e r a t u r . W. STAMMLER, ProOsterspiel. Sein Text deckt sich nur teilsa der dt. Gotik, 1933, Nr. 56, S. 100 (Urban-Leweise mit den üblichen Kaufstrophen gende bzw. -predigt); MORVAY/GRUBE, Predigtbi(v. 11-14: C1!; v. 21-23: C^), teilweise bliogr., T 210 ('Darmstädter Urbans-Predigt'); W. besteht er aus sonst nicht Bekanntem WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG20), 1986, S. 21 f.; B. WAGNER, Die (v. 4—9, 16—19). Den Kaufmannsstrophen Darmstädter Hs. 1886 - Ein dt. Prosalegendar des sind jeweils die gewöhnlich dreizeilig rot späten MAs, Bibliothek u. Wissenschaft 21 (1987) in die Notensysteme eingeschriebenen 1 — 32 (mit einer Edition der Legende v. Maria VerStichworte der Marien vorangestellt (v. 3, kündigung); S. JEFFERIS, Die Überl. u. Rezeption 10, 15, 20). Sie lassen sich den Weg(B) des 'Heiligenlebens' Hermanns von Fritzlar, und/oder Kaufstrophen (C) nicht sicher einschl. des nd. 'Alexius', Jb. der Oswald v. Wolkenstein Ges. 10 (1998) 191-209, hier S. 197zuordnen. Der traditionelle Text des Sal199. benkaufs entspricht insgesamt der sonst in WERNER WILLIAMS-KRAPP der dt. Reichskirche üblichen Spielpraxis, ist hier aber offenkundig eigenwillig vari'Darmstädter Urbans-Predigt' -> 'Darm- iert worden. städter Legendär' [NB] David von Augsburg OFM [Korr.] Bd. 2, Sp. 49 Z. 11/10 von unten: "Bamberg, SB, cod. Bibl. Patr. 65" korr.: ..., Msc. Patr. 65.

'David-und-Goliath-Spiel' -» Raber, Vigil (C. L 6.) Debs, Benedikt [Korr.] Bd. 2, Sp. 59 Z. 5 von unten: Der Debs-Codex befindet sich wieder in Sterzing (Vipiteno), Stadtarchiv, mit der Sign. Hs. IV.

'Defensio medicinae' ->· 'Lorscher Arzneibuch' [NB] 'Defensorium inviolatae virginitatis beatae Mariae' -> Franz von Retz

L i t e r a t u r . BERCKEL (s. Ausg.), S. 318-322; W. LIPPHARDT f, LOO VIII, 1990, S. 828.

HANSJÜRGEN LINKE 'Denscke Kroneke' Nd. Prosachronik, 15. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . 2 Drucke: [Lübeck? Odense?, M. Brandis, um 1490 und/oder 1502], 4°, 152 Bll. (HC 14496; BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr., Nr. 172 u. 172 a [mit orthographischen Abweichungen]; L. NIELSEN, Dansk Bibliografi 1482 — 1550, Kopenhagen 1919, Nr. 242 [mit Exemplarnachweisen]). Benutztes Ex.: Bremen, SB u. ÜB, VIII.6.b.25. Das Ex. der Hamburger SB u. ÜB (AC III 153) ist verschollen. — Zum Druckort vgl. D. LOHMEIER, Matthäus Brandis, in: Die Lübecker Buchdrucker im 15. u. 16. Jh., hg. v. A. BRUNS u. D. LOHMEIER, 1994, S. 67 f. (Lit.). A u s g a b e fehlt.

'Delfter Kaufmanns-Rolle' (lat.) Ü b e r l i e f e r u n g . Lagerort unbekannt. Perg., 15. Jh., Hufnagelnoten in vierlinigen Systemen. — Faksimile bei BERCKEL (s. Ausg.n), nach S. 320.

Dyt is de denscke kroneke, de Saxo grammaticus de poeta ersten gheschreefin dat latyne vnde daer na in dat dudesck ghesettet is ... Die umfangreiche anonyme Chronik

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Detmar von Lübeck — 'Deutsche Algebra*

enthält keine Widmung oder sonstige Mitteilung über ihren konkreten Auftraggeber. Sie ist die nd. Übersetzung einer lat. Vorlage, der spätmal. Epitome aus den 'Gesta Danorum' des Saxo Grammaticus (f 1216), die mit Fortsetzungen bis 1431 versehen war ('Compendium Historiae Danicae' in 8 Büchern; in dieser Fassung ist der lat. Text mit dem Namen des aus Stralsund stammenden Odenseer Mönchs Thomas Gheysmer als Initiator verbunden). Die nd. 'Kroneke' verfolgt die dänische Geschichte zunächst nach Saxo (u. a. der erste sagenhafte König Dan: Bl. 4r; Hamlet [Ambletus]: 22V-27V; hl. König Knut: 101V-105V; vgl. Bl. 137V zum Jahr 1190: Hyr gheit dat nu vth dat Saxo sette van den werken der denen ...), dann nach dessen Fortsetzungen und über sie hinaus bis zum Tod König Christians I. i. J. 1481. Die 'Rimkronike' des Nigels van S0re in dänischer Sprache umfaßt denselben Zeitraum bis zu Christian I. Auch von ihr existiert eine ca. 1500 entstandene nd. Übersetzung (in Versen; -»· 'Niederdeutsche Cronick aller konninge tho Dennemarken'; ergänze in 2VL Bd. 6, Sp. 987 die Ausg.: H. TOLDBERG, Den Danske Rimkrenike I—III, Kopenhagen 1958 — 1961, Bd. III: Nedertysk oversaettelse, 1959 [mit weiteren Hss.!]. Diese dän./nd. Verschronik und die nd. 'D. K.' in Prosa sind nicht voneinander abhängig, sie folgen aber denselben Quellen. Das Werk Saxos hat somit gegen Ende des MAs zweifach Eingang ins Nd. gefunden.

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deutsche Dänen. Gesch. d. dt. Sprache in Dänemark 1300-1800 ... (Sprachgeschichte 1), 1992, S. 76.

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Detmar von Lübeck [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 68 unten, petit-Abschnitt: "im ersten Band der Lübecker StB (St. B. 1)" korr.: ... (Lub. 2° 1; verschollen). Sp. 69 zu Lit. ergänze: J. B. MENKE, Geschichtsschreibung u. Politik in dt. Städten d. SpätMAs (Schluß), Jb. d. Kölnischen Geschichtsver. 34/35 (1960) 83-194, bes. S. 93-95 u. 101-109.

'Deutsche Algebra' Die 'D. A.' ist die älteste ausführliche Algebra in dt. Sprache. Sie ist im frk.-pfälzischen Sprachraum entstanden; einige Formen sind alem.-bairisch. Gemäß dem Explicit der Hs. (factum 81 altera post exaltacionem crucis) wurde der Text am 16. September 1481 geschrieben. Der Autor ist unbekannt. Die Schriftformen ähneln stark denjenigen, die der Schreiber des ->· 'Bamberger mathematischen Manuskripts' [NB] benutzte. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Dresden, Sachs. LB, Ms. C 80, 368r-378v. A u s g a b e . VOGEL, 1981, S. 19-43 (mit Wörterverzeichnis u. 3 Taf., S. 44—55).

2. Inhalt. Die 'D. A.' behandelt die Lösung von 6 einfachen und 18 davon abgeleiteten Gleichungsfällen ('Kapitel' genannt). A u s g a b e n der lat. Texte: A. HOLDER, Saxonis Aus moderner Sicht lassen sich alle 24 Fälle Grammatici Gesta Danorum, Straßburg 1886. auf lineare oder quadratische Gleichungen J. LANGEBEK, Scriptores rerum Danicarum medii zurückführen. Die Schrift beginnt mit der aevi, torn. II, Kopenhagen 1773, S. 286-400: ThoAufzählung der 6 + 1 8 Fälle. Dann werden mae Gheysmeri Compendium Historiae Danicae die Namen für die Potenzen der Unbekannab initio ad Waldemarum IV. conscriptum Anno ten (x = Dingk, x2 — Czensi, x3 = Chubi, 1431; M. C. GERTZ, Saxonis Gesta Danorum ab x4 = wurczell von der worczell) und die incerto auctore in compendium redacta et contiSymbole dafür eingeführt. In den folgenden nuata, in: ders. (Hg.), SS minores historiae DaniAbschnitten wird das Rechnen mit Potencae I, Kopenhagen 1917-18, S. 195-460. zen und mit Summen von verschiedenartiL i t e r a t u r . ? . HERRMANN, Die Heldensagen des gen Potenzen erklärt, und es werden ZahSaxo Grammaticus (= Erläuterungen zu d. ersten lenbeispiele und Lösungen der 24 Gleichungsneun Büchern der Dän. Geschichte des Saxo G. fälle gegeben. Im zweiten Teil der 'D. A.' 2. Teil: Kommentar), 1922, S. 2; Art. Gheysmer, werden zunächst Beispiele aus allen 24 'KaThomas, in: Forfatterlexikon, Bd. III, hg. v. H. piteln' ausführlich vorgerechnet. Dann folEHRENCRON-MÜLLER, Kopenhagen 1926, S. 205 f.; gen 22 weitere Aufgaben, die alle auf die erMANITIUS, LG III, S. 502-507 (zu Saxo); Rep. fönt. III 320 f.; V. WINCE, Dänische Deutsche sten sieben Fälle zurückgeführt werden Erstdruck der 'Gesta Danorum' des Saxo: Paris 1514 (VD 16, S 2049).

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'Deutsches salernitanisches Arzneibuch'

können. Diese Aufgaben gehören bekannten Typen der Unterhaltungsmathematik an (Zahlenerraten; Zerlegen einer Zahl in zwei Teile; Der Wächter im Apfelgarten; Zwillingserbschaft; Zinseszinsrechnung; Gesellschaftsrechnung) . 3. Quellen. Die O.A.' ist keine homogene Schrift. Inhaltliche Wiederholungen und unterschiedliche Bezeichnungen für die Potenzen der Unbekannten deuten auf verschiedene Quellen hin. Die 6 einfachen Gleichungsfälle entsprechen den 6 Grundformen linearer und quadratischer Gleichungen, die schon in al-Hwärizrms 'Algebra' vorhanden sind und durch die Übersetzungen dieses Werks im 12. Jh. (durch Robert von Chester und Gerhard von Cremona) im Westen bekannt wurden. Im 15. Jh. gehörten die 6 Grundformen zum Allgemeingut algebraischer Schriften. Man findet sie auch in einem kurzen dt. algebraischen Text, der am 2. Juni 1461 geschrieben wurde und außerdem eine Erklärung der Begriffe census, radix und ntttnerus (für 2, und die Konstante) sowie allgemeine Angaben über die Lösung der sechs Gleichungstypen enthält (München, clm 14908, 133V-134V, hg. v. CURTZE, 1895, S. 49 f.; die Hs. ist in St. Emmeram größtenteils von -»· Fridericus astronomus (F. Amann) OSB [NB] zwischen 1455 und 1464 geschrieben worden; Beschreibung des Inhalts in VOGEL, 1954, S. 12-19). In derselben Hs. gibt es außerdem eine Aufzählung der 6 Gleichungstypen und eingekleidete Aufgaben, die auf diese Typen führen und mit deren Hilfe die algebraischen Lösungsverfahren erläutert werden (Bl. 134V-146" und 157r-158r in dt. Sprache und auf Bl. 155r—157r in einer lat.-dt. Sprachmischung; hg. von CURTZE, 1895, S. 50-73). Gelegentliche Anklänge im Wortlaut sind nicht so genau, daß eine gemeinsame dt. Texttradition angenommen werden könnte. Die Liste der 18 Gleichungstypen, die aus den 6 Grundformen abgeleitet sind, ist bis auf einen Fall in Reihenfolge und Auswahl identisch mit einer lat. Aufzählung in einer Hs., die Johannes -> Regiomontanus 1456 schrieb (New York, Columbia Univ., Plimpton Ms. 188, 90V; s. FOLKERTS, 1985, S. 214); auch viele Aufgaben der 'D. A.' haben eine Entsprechung in dieser Hs. Somit dürfte die 'D. A.' direkt oder indirekt auf den Text in dieser Hs. zurückgehen. Die Terminologie zeigt auch ital. Einflüsse (z. B. die Bezeichnung cossa für die Unbekannte und rellata für die 5. Potenz der Unbekannten). Die letzte Aufgabe in der 'D. A.' entspricht der Sache nach vollständig einem Problem in der Hs. München,

clm 14908 (CURTZE, 1895, S. 72 f.), und in der Aufgabensammlung in Plimpton 188 (auf f. 87V); eine ähnliche Fassung findet man auch als Randbemerkung Widmanns in der Hs. Dresden, Ms. C 80 (WAPPLER, 1899, S. 539 f.; VOGEL, 1981, S. 17).

Teile der 'D. A.' stimmen auffällig mit dem ersten Teil der sog. 'Lat. Algebra' überein, die in der Dresdner Hs. C 80 in unmittelbarer Nähe zur 'D. A.' steht (Bl. 350r—364V. Zu weiteren Textzeugen: -> Widmann, Johannes, von Eger [II. 1.]; hg. v. WAPPLER, 1887, S. 11-30). Insbesondere findet man die 18 abgeleiteten Gleichungsfälle in genau derselben Reihenfolge und mit denselben Zahlenwerten auch in der 'Lat. Algebra' (WAPPLER, 1887, S. 12f.). Es ist unklar, ob die 'D. A.' von der 'Lat. A.' abhängt oder ob beide auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen. 4. F o r t w i r k e n . Die 'D. A.' wurde — ebenso wie die 'Lat. A.' — von J. Widmann intensiv studiert, wie Zusätze und Randbemerkungen von seiner Hand im Codex Dresden, C 80, beweisen. Widmann hat auch die Aufgaben in der 'D. A.' numeriert. L i t e r a t u r . H. E. WAPPLER, Zur Gesch. d. dt. Algebra im 15. Jh., Programm Zwickau 1887; M. CURTZE, Ein Beitrag zur Gesch. der Algebra in Deutschland im fünfzehnten Jh., Abhh. z. Gesch. d. Mathematik 7 (1895) 31-74; ders., Zur Gesch. der dt. Algebra, Abhh. z. Gesch. d. Mathematik 9 (1899) 537-554; M. CANTOR, Vorlesungen über Gesch. d. Mathematik, 2. Bd., 21900, S. 238-248; K. VOGEL (Hg.), Die Practica d. Algorismus Ratisbonensis. Ein Rechenbuch d. Benediktinerklosters St. Emmeram aus d. Mitte d. 15. Jh.s nach den Hss. d. Münchner SB u. d. Stiftsbibl. St. Florian (Schriftenreihe z. bayer. Landesgesch. 50), 1954; ders. (Hg.), Die erste dt. Algebra aus dem Jahre 1481. Nach einer Hs. aus C 80 Dresdensis (Bayer. Akademie d. Wiss., Math.-Naturwiss. Klasse, Abhh., NF, H. 160), 1981; M. FOLKERTS, Regiomontanus als Vermittler algebraischen Wissens, in: Mathemata. Fs. f. H. Gericke, hg. v. M. FOLKERTS / U. LINDGREN, 1985, S. 207-219.

MENSO FOLKERTS 'Deutsches salernitanisches [Korr.]

Arzneibuch'

Bd. 2, Sp. 70 Überl.: Die Hs. Breslau, StB, cod. Rhedigeranus 291 befindet sich heute unter derselben Signatur in der ÜB Wroclaw.

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'Deutung der neun Farben' — 'Dies est laetitiae in ortu regali'

'Deutung der neun [sie!] Farben' [Korr.] Bd. 2, Sp. 76: Stichwort und Kolumnentitel: "neuen" korr.: neun.

'Di element uns des veriehen' [Korr.] Bd. 2, Sp. 76: "Cent. IV 40 der Nürnberger StB, 65V" korr.: ..., 55vb (vgl. SCHNEIDER, Nürnberg, S. 53 Nr. 60).

Diemar, Johannes [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 88 zu Überl.: Drei der Predigten auch in Berlin, mgo 566, 84v-208r, darunter die Bergpredigtbearbeitung (94V—145r), die eine fast vollständige Übersetzung von -> Heinrichs von Friemar Traktat 'De quattuor instinctibus' enthält. Vgl. R. G. WARNROCK / A. ZUMKELLER (Hgg.), Der Traktat Heinrichs v. Friernar über die Unterscheidung der Geister (Cassiciacum 32), 1977, S. 102— 107.

Diemer (Diener, Demer), Georg -*· Mülich, Hektor 'Dies aegyptiaci', 'Dies critici' -> 'Verworfene Tage' 'Dies est laetitiae in ortu regali' [Korr./ Nachtr.] Bd. 2, Sp. 90 zu L, Überl.: "Berlin, SB, ms. mus. 40098 (-> 'Glogauer Liederbuch')": jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska, unter der Berliner Signatur. - Ebd.: Zu "Prag, ÜB, I.E.22" und "Wien, cod. 5371" vgl. -> 'Summa recreatorum'. — Ebd.: "Brüssel, Bibl. Royale, ms. IV 42, 135V-136V" korr.: ..., ms. IV 421, 125v-126r. Ebd., Ausg.n: Text nach mehreren Hss. bei M. J. POHL (Hg.), Thomae Hemerken a Kempis opera omnia, Bd. 4, 1918, Canticum Nr. 64, vgl. S. 646-650; B. BÖSE / F. SCHÄFER (Hgg.), Geistl. Lieder u. Gesänge in Böhmen 11,1: 1300-1420 (Bausteine z. Gesch. d. Lit. bei d. Slaven 29/11,1), 1988, Nr. 20. Ebd., Sp. 91 unten (Ton-Entlehnungen) ergänze: 4. Dies est laetitiae in mundo totali, Ostercantio im -> 'Wienhäuser Liederbuch' (Nr. 26, 24r).

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Liederhandschrift' (54vb-55ra, nur 5 Strr.). Der Eingang Het is een dach der vrolicheit l in des coninx hove (nach Wien, cod. Ser. nova 12875) weist auf eine Vorlage mit dem Incipit D. e. l. in aula regali, das bislang jedoch nur in einer Kontrafaktur bezeugt ist (s. Bd. 2, Sp. 91 unten: Nr. 2). Ü b e r l i e f e r u n g und A b d r u c k e . J. A. N. KNÜTTEL, Het geestelijk lied in de Nederlanden voor de kerkhervorming, Rotterdam 1906, S. 476-479, 514 Nr. 26; F. VAN DUYSE, Het oude Nederlandsche lied, 's-Gravenhage 1903-1908, III, Nr. 475 A-E, vgl. S. 1843-1847 (mit Nachweis älterer Ausg.n). Jüngere Ausg.n u. Lit.: Sr. MARIE JOSEPHA (G. G. WILBRINK), Das geistl. Lied d. Devotio moderna (Disquisitiones Carolinae 2), Nijmegen 1930, S. 86 f., 95 f. (zu Berlin, mgo 185); E. F. KOSSMANN, Die Haager Lhs., 's-Gravenhage 1940, [1] Faksimile, [2] Nr. 94; E. BRUNING / M. VELDHUYZEN / H. WAGENAAR-NOLTHENIUS (Hgg.), Het geestelijk lied van Noord-Nederland in de vijftiende eeuw (Monumenta Musica Neerlandica 7), Amsterdam 1963, Nr. 10 (Wien, cod. Sen nova 12875); Geistl. Gesänge d. dt. MAs (= GGdM), hg. V.

M.

LÜTOLF,

M.

SCHIENDORFER U. a.,

Bd. Iff., 2001 ff., Nr. 321, 669 (Wien, cod. Ser. nova 12875; Berlin, mgo 190). - Eine lat.-ndl. Überl. mit Melodie in Paris, Bibl. nat. de France (Musique), ms. Res. 1522 (Cantuale aus Groningen, frühes 16. Jh.), llr-13r; s. R. RASCH, De Cantiones natalitiae et het kerkelijke muziekleven in de zuidelijke Nederlanden gedurende de zeventiende eeuw (Muziekhistorische monografieen 10), Utrecht 1985, S. 8 f., 36, 493. Ausg.: GGdM Nr. 785. — Für weitere Nachweise vgl. demnächst das Repertorium van Nederlandse liederen en liedbronnen tot 1600, hg. v. F. WILLAERT u. a.

2. a) Nd. erscheint diese Übersetzung im -> 'Werdener Liederbuch' (Nr. 1) und im 'Liederbuch der Catherina Tirs' von 1588 (B. HÖLSCHER, Nd. geistliche Lieder und Sprüche aus dem Münsterlande, Berlin 1854, Nr. 8). Älter ist der moselfränkische Nachtrag in Bernkastel-Kues, Bibl. des St.-Nikolaus-Hospitals, Hs 22, 224V (nach 1435): Es ist eyn dach der frolicheit l in dez konyncks hoiffe; s. A. HEINZ, Trierer Sp. 93 vor Lit. ergänze: Theol. Zs. 88 (1979) 306-323, mit AbIII. Ndl., nd. und moselfrk. Übersetzun- druck. g(en). Hiermit nicht zu verwechseln ist Nr. 19 im 'Lie1. Eine ndl., relativ wörtliche Überset- derbuch der Anna von Köln' (hg. v. W. SALMEN / zung einer 7str. Fassung ist in mehreren J. KOEPP, 1954): It is eyn dach der vrolicheit, l Varianten bezeugt, zuerst in der -» 'Haager want God mynsch geboren is im Ton des Dies est

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'Diessenhofener Liederblatt' — Bruder Dietrich

laetitiae, nam processit hodie in Kurzstrophen mit Refrain. Christian Adolph Nystadensis unterscheidet in seinem Gesangbuch (Magdeburg: Christian Rödinger, o. J.; K. AMELN u. a. [Hgg.], Das dt. Kirchenlied, Bd. 1,1, 1975: 154305) die beiden lat. Cantiones als 'D. e. 1. magnum' und 'D. e. 1. parvum' (s. Bd. 2, Sp. 91); für die Neuübertragung des ersteren (WACKERNAGEL, KL III, Nr. 1072) wurde die mal. Übersetzung mitherangezogen.

b) Im 'Werdener Liederbuch' und im 'Liederbuch der Catherina Tirs' folgt ein 7str. Weihnachtslied up die selve wijse: Een yeghers hoern mit rijcker schal. Ein 18str. Weihnachtslied gleicher Form ist aus dem 15. Jh. bekannt: Sunte Anna ys wol lovens wert (HÖLSCHER, wie oben, Nr. 63; zur Hs. in Münsteraner Privatbesitz vgl. S. X, Verbleib nicht ermittelt). GISELA KORNRUMPF 'Diessenhofener Liederblatt' 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Papierblatt (21,7X16,4 cm), Wasserzeichen v. J. 1396, beschrieben mit zwei Liebesliedern mit vorangestellter Melodie (Punktneumen auf fünflinigem System ohne Schlüssel); stellenweise zerstört; entdeckt 1904 im Fußboden des ehemaligen Hauptraums des Unterhofs der Truchsessen von Diessenhofen am Oberrhein; heute Privatbesitz Zürich. Ausgabe. LUTZ, S. 20 — 22 (Faksimile als loses Blatt beigefügt); Melodieumschrift von Lied I PFAMMATER, ebd., S. 95 (kritisch zur Textunterlegung MÄRZ, S. 28 Anm. 46).

2. Das Blatt verdient besondere Beachtung als frühester Beleg für Einzelblattüberlieferung von Lieddichtung, wie man sie schon für den Minnesang immer wieder als Vorstufe der Liederhss. postuliert hat, wie sie aber sonst erst für das 15. Jh. nachweisbar ist (Zusammenstellung der bislang bekannten Fälle bei LUTZ, S. 15 — 17). Die Aufzeichnungsweise — wie bei Briefen üblich im Querformat, Rückseite kopfständig — läßt an Gebrauch des Blattes beim Liedvortrag denken, die mehrfache Faltung auf sehr kleines Format an Transport zu wiederholtem Gebrauch oder auch an Beifügung zu einem Brief. 3. Beide Lieder haben drei VierheberStrophen mit Refrain, die Bauform

(AAB + Refrain in Form und Melodie von B) entspricht dem Virelaityp, der sich seit dem späten 14. Jh. breit durchsetzt (MÄRZ, S. 27 f.). Nach Inhalt und Stil sind die Lieder frühe Beispiele des jüngeren Haupttypus mal. Liebeslieder: Ein Ich beteuert Liebe, Treue und Dienst gegenüber einem trvt frowly. Die Formelsprache steht Liedern des -» Mönchs von Salzburg, der -> 'Sterzinger Miszellaneen-Hs.' und der Liederbücher des 15. Jh. s nahe. In Lied II bittet der Liebende, der nach dem Gebot der Geliebten rot swarcz vnd wis sein will, um Freude zur fasnacht; daß damit auf brauchtümliche Liebesbindung für eine Tanzsaison angespielt wird (Luxz, S. 28 — 34), ist möglich, aber nicht zwingend. L i t e r a t u r . E. C. LUTZ, Das D. L. Ein Zeugnis späthöfischer Kultur, mit einem Facs., mit einem Beitr. zur Musik von R. PFAMMATTER u. mit einer Einspielung der Lieder durch das Salzburger Ensemble Dulamans Vröudenton, 1994; CH. MÄRZ, Die weltl. Lieder des Mönchs von Salzburg (MTU 114), 1999, Reg.

B. WACHINGER 'Diessenhofener Liedersammlung' -»· 'St. Katharinentaler Liedersammlung' [NB] 'Diessenhofener Schwesternbuch' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 94 ergänze: Neue Ausgabe (unter der Bezeichnung 'St. Katharinentaler Schwesternbuch'!) von R. MEYER (MTU 104), 1995.

Dietmar, Heinrich, von Heidelberg -»· Domar, H. [Bd. 2 u. NB] Dietrich = Dietricus; s. auch -> Dirk Bruder Dietrich OCist [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 102 zu Lit. ergänze: J. JANOTA, Stud. zu Funktion u. Typus des dt. geistl. Liedes im MA (MTU 23), 1968, S. 202.

Bruder Dietrich [Nachtr.]

(von

Zengg)

OFM

Bd. 2, Sp. 102 zu Überl. ergänze: Cambridge/ Mass., Harvard Univ., Houghton Library, MS Ger 74, 42r-46r (vgl. E. SIMON, ZfdA 102 [1973] 115133, hier S. 128 f.); Graz, ÜB, Ms 1748 (v. J. 1469, Hs. des Ulrich -» Klenegker), 239V-240V [alte Zäh-

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Dietrich von Apolda — Dietrich von Pleningen

lung 218V-219V] (ohne den Namen D.; mit Bezug auf eine lat. Vorlage, deren 1. Blatt fehlte; gedruckt v. F. LAUCHERT, Materialien zur Gesch. d. Kaiserprophetie im MA, Hist. Jb. XIX [1898] 844-872, hier S. 868-870).

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Dietrich von Keppenbach Genannt im -> 'Buch von alten Schäden' als Autor oder Gewährsmann eines Rezepts, dem drei weitere sachlich nahestehen, vgl. I. ROHLAND, Das 'Buch von alten Schäden', Teil II (WmF 23), 1982, S. 252-254, 281 f., 386.

Dietrich von Apolda OP [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 104 oben ergänze: Neue Ausg. v. M. RENER, 1993. Sp. 106 zu b): "Lübeck, cod. theol. germ. 9" korr.: Die Hs. ist wieder zurück an ihrem alten Ort in der StB. Vgl. R. SCHWEITZER, Die alten u. wertvollen Bestände der StB, in: Der Wagen. Ein lübeckisches Jb., 1992, S. 73-105 u. 269-278, hier S. 271. Sp. 107 zu h): "Potsdam, Familienbesitz Justi" korr.: Die Hs. ist seit 1976 in Leipzig, Deutsche Bibliothek / Deutsches Buch- u. Schriftmuseum, Klemm-Sammlung I, 104. Vgl. die nhd. Übers, u. farbige Reproduktion der Bildseiten: Leben u. Legende d. hl. Elisabeth. Nach Dietrich v. Apolda. Mit 14 Miniaturen d. Hs. von 1481. Übersetzt u. mit e. Nachwort versehen v. R. KÖSSLING (InselBücherei Nr. 1172), 1997, S. 118 f. Sp. 108, 1. petit-Absatz ergänze: Weitere Elisabethlegenden, v. a. in Legendaren, verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. M As (TTG 20), 1986, Reg. S. 405 f. - Noch nicht näher bestimmt ist die ripuar. Kurzfassung eines 'Elisabeth'-Lebens in Würzburg, cod. Ruh, 178V185r, Inc. Als sy zo speien plach mit den cleynen meitgineM; vgl. K. RUH, ZfdA 124 (1995) 167. Ebd. zu III. A. Überl.: "Karlsruhe, LB, cod. 379" korr.: ..., K 379.

'Dietrichs Flucht' und 'Rabenschlacht' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 116 Z. 8 f. von unten: Fragment K von Schloß Kasten im Vintschgau heute in Innsbruck, ÜB, Sign. BIII. Vgl. CH. BERTELSMEIERKIERST, ZfdA 123 (1994) 338-340. Ebd. Z. 3 von unten: "Graz, ÜB, Ms. I 1969" korr.: ..., Ms. 1969. Ebd. unten ergänze: Ein Auszug aus 'DiFl' ist außerdem in der 'Weitchronik' des -> Heinrich von München überliefert (s. d. Ausg.n, Teildrucke: J. u. W. GRIMM, 1815, S. 115-134; vgl. G. KORNRUMPF, Heldenepik u. Historic im 14. Jh. Dietrich u. Etzel in d. Weltchronik Heinrichs v. München, in: Geschichtsbewußtsein in d. dt. Lit. d. MAs, hg. v. CH. GERHARDT u. a., 1985, S. 88-109.

Dietrich von der Glesse [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 137 Überl.: "Kalocsa ..., jetzt GenfCologny, Bibl. Bodmeriana" ergänze die Signatur: Cod. Bodmer 72.

Dietricus (Dyetricus) Mirabilis -* 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Dietrich von Pleningen (Plenn-, Plieningen; mit Humanistennamen Plinius) I. Leben. D., geb. wahrscheinlich 1453 als Sohn Dietrichs d. Ä., lebte in seinen jungen Jahren (mindestens seit 1465) in Aislingen b. Dillingen, wo der Vater die werdenbergische Vogtei innehatte. Gemeinsam mit seinen Brüdern Johannes und Eberhard nahm er am 22. Mai 1471 in Freiburg das Studium auf. 1473 ging er zusammen mit Johannes zum Rechtsstudium nach Pavia. Dort lernte er Johann von Dalberg, den späteren kurpfälzischen Kanzler (seit 1480/81) und Wormser Bischof (1482-1503), und Rudolf -». Agricola kennen, dessen engster Freund er wurde. Beide Pleningen folgten Agricola am 29. Nov. 1476 nach Ferrara. Hier wurde D. am 17. März 1479 zum Dr. iur. civ. promoviert. Die Freundschaft mit Agricola blieb, trotz dessen frühen Todes (1485), für D. die persönlich wichtigste, ihn dauerhaft prägende Beziehung. In der Nähe Agricolas, der ihm und seinem Bruder Johannes den — nur privat verwendeten — Namen Plinius gab, hat er sich nach Ausweis seiner erhaltenen Bücher, Hss. und Autographen schon in Pavia und danach in Ferrara neben dem juristischen Studium antiken Autoren gewidmet. Die Gemeinsamkeit der humanistischen Interessen war so eng, daß Agricola, als er 1479 D. sein in Ferrara begonnenes Hauptwerk 'De inventione dialectica' widmete, dessen Entstehung allein dem Drängen des Freundes verdanken wollte. Im Sommer 1479 nach Deutschland zurückgekehrt, hielt er sich längere Zeit am Hof des Augsburger Bischofs Johann von Werdenberg in Dillingen auf, wo im Au-

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Dietrich von Pleningen

gust 1479, ebenfalls auf der Rückreise von Italien, auch Agricola eintraf und dort 'De inventione dialectica' abschloß. D. selber besorgte eine Reinschrift des Werks. 1482 zog ihn, vermutlich auf Empfehlung Dalbergs, Kurfürst Philipp von der Pfalz an den Heidelberger Hof und ernannte ihn zum Rat auf Lebenszeit. 1485 nahm D. zusätzlich württembergische Dienste an. In Heidelberg gehörte er zu dem um Dalberg sich sammelnden Humanistenkreis, der höchstes Renommee gewann, als Agricola zur Übersiedlung von Groningen nach Heidelberg bewegen werden konnte. Seit den frühen Heidelberger Jahren war D. auch mit Johann Reuchlin befreundet; sie kannten sich bereits aus der gemeinsamen Freiburger Studienzeit. Nach dem Tode des Vaters 1485 übernahmen die vier Brüder Pleningen anteilig die Burg Schaubeck (b. Steinheim a. d. Murr), den erst 1480 erworbenen Stammsitz, und die übrigen väterlichen Lehen. D. fügte seinem Namen fortan 'zu Schaubeck' bei. Bedacht auf Ordnung, Vermehrung und Ausstattung des Familienbesitzes stießen die Brüder Pleningen in den folgenden Jahren Besitzungen in Oberschwaben und im Werdenbergischen ab, erwarben Kleinbottwar zur Hälfte als reichsunmittelbares Eigen und errichteten dort die St. Georgskirche, die künftige Grablege der Familie. In Heidelberg ließ D. sich 1492 einen stattlichen Adelssitz bauen.

D.s Ansehen als Jurist entsprach seine 1494 von -> Maximilian I. erbetene Abordnung zum Königlichen Kammergericht, 1495 seine Ernennung zum Assessor am Reichskammergericht. Die organisatorische Instabilität, unter der das neue Zentralgericht in seiner Frühzeit litt, konnte das hochrangige dortige Richteramt nicht schon für eine dauerhafte Tätigkeit empfehlen. Allerdings ging D. nicht nach Heidelberg zurück, sondern wurde 1499 von Herzog Albrecht IV. von Ober- und Niederbayern als Gelehrter Rat am Münchener Hof gewonnen. Dem bayerischen Haus diente er bis zu seinem Lebensende. Bedeutenden Anteil hatte er, häufig Gesandtschaftsleiter, an der bayerischen Diplomatie im Streit um die bayerische Erbfolge, der über den Krieg von 1504/05 hinaus Verhandlungen noch bis 1512 nach sich zog.

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Um 1505 zeichnete König Maximilian ihn mit dem Ritterschlag aus; 1512 ernannte er ihn auf dem Reichstag in Köln zum 'kaiserlichen Rat von Haus aus'. Nachdem D. 1506 durch den Erwerb von Hofmark und Schloß Eisenhofen (Krs. Dachau) bayerischer Landsasse geworden war, nahm er fortan auch 'Eysenhofen' in seinen Namen auf. 1514 kam es infolge der Mißwirtschaft des jungen Herzog Wilhelm und des Erbstreits mit seinem Bruder Ludwig zu einer Konfrontation zwischen Wilhelm und den bayerischen Landständen, die im Interesse des Gemeinwohls Mitregierung verlangten und anfänglich auch durchsetzten. Unerschrockener Wortführer der Stände war D. Er geriet damals auch in Auseinandersetzungen mit Kaiser Maximilian, der die Bestrebungen der Stände zu dulden keineswegs geneigt war. Im Frühjahr und Sommer 1514 ließ D. die im Land verstreut noch erhaltenen Urkunden der Freiheiten und Privilegien, die den Ständen, Institutionen und Orten von den bayerischen Herzögen verliehen worden waren, abschreiben und beglaubigen und gab die Sammlung u. d. T. 'Des Loblichen haus und furstenthumbs Obern vnd Nidern Bayren freiheyten' samt einem Register im Herbst 1514 bei Joh. Weißenburger in Landshut heraus, damit sie jedermann zugänglich würden. D.s verfassungsgeschichtlich bedeutende Reden, in denen er u. a. die Begrenzung der Fürstengewalt durch das im lus naturale und lus gentium begründete Widerstandsrecht der Stände forderte, sind erhalten. Abdrucke bei KRENNER, 1804, S. 147-153, 252-271, 383-391, 460-467 (vom 5. u. 6. Juni) und danach teilweise bei ADELMANN, S. 104—106. Weitere im Auftrag der Stände formulierte Beiträge D.s von 1514: KRENNER, S. 252-271, 277f., 561566.

Nach der Vereinbarung der Herzogbrüder zu gemeinsamer Regierung am 20. Nov. 1514 verloren die Landstände ihre kurzzeitige Machtstellung. D., der sich am Hofe Herzog Wilhelms nicht mehr halten konnte, trat nun in die Dienste Herzog Ludwigs in Landshut. Er zog sich aus der Tagespolitik zurück, arbeitete aber wirkungsvoll noch an der Reform der bayerischen Landrechte

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Dietrich von Pleningen

(1518) und der Gerichtsordnung von Oberund Niederbayern (1520) mit. Er starb am 26. Febr. 1520. Von seiner Bibliothek, die in den Besitz des bayerischen Kanzlers Leonard Eck kam, als dieser (vor 1525) D. s Witwe heiratete, sind einige Inkunabeln und elf Hss. (heute sämtlich in Stuttgart, Württ. LB; s. ADELMANN, S. 111-114) erhalten, darunter der cod. poet, et phil. 4° 36, ein auf Betreiben D.s von seinem Bruder Johannes organisierter und nach 1494 von Johann Pfeutzer geschriebener Codex der gesammelten Schriften Rudolf Agricolas, der als Vorlage für eine geplante gedruckte Werkausgabe dienen sollte; Johannes steuerte ihm eine Vita Agricolas bei. Die eigenhändig von D. geschriebenen Lehenbücher von 1506 und 1512, die er über seinen Lehensbesitz führte: München, cgm 3948 u. 3949.

II. Das Ü b e r s e t z u n g s w e r k . 1510, als etwa 57}ähriger, 25 Jahre nach Agricolas Tod, begann D. mit der Übersetzung antiker Autoren, einer literarischen Tätigkeit, die er mit Unterbrechungen, aber doch beachtlicher Stetigkeit bis in den Febr. 1519 fortsetzte. Sie erbrachte das bis dahin reichhaltigste und umfänglichste Werk deutscher Antikenübersetzung. Er begann mit Plinius d. J., einem der von Agricola bevorzugten Autoren, dessen Briefe er in einer von Agricola revidierten Hs. (Stuttgart, Württ. LB, cod. poet, et phil. 4° 30) besaß und zu dessen Namensvetter ihn Agricola gemacht hatte. An Agricola knüpften auch die beiden LukianÜbersetzungen an, die lat. Übersetzungen Agricolas zur Vorlage hatten; die des lukianischen 'Gallus' war ihm selber gewidmet. Im übrigen konnte Antikenübersetzung ihm schon aus dem Dalberg-Kreis (Joh. -» Gottfried, Job. Reuchlin) geläufig sein. Auch Kollegen am Reichskammergericht, ->· Schöfferlin und -> Wittich, hatten sich als Antiken-Übersetzer hervorgetan. Die maßgeblichen Anstöße zur Antikenübersetzung muß ihm jedoch das Verhältnis zu den bayerischen Herzögen in der politischen Situation seit 1511 gegeben haben. Seine Motive der Kritik und Sorge und sein Interesse an ratender und mahnender Einwirkung werden in der Mehrzahl der Vorreden und schon in der Wahl der stets als exempel betrachteten übersetzten Texte selber deutlich.

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D. hatte seine Übersetzungen, soweit sie überhaupt im Druck erschienen, anscheinend nicht von vornherein zur Veröffentlichung bestimmt. Die Plinius- und die Sallust-Übersetzung und kleinere weitere gab er erst 1514/15 zum Druck, als er nach dem Streit zwischen den Ständen und Herzog Wilhelm seinen politischen Einfluß eingebüßt und am Landshuter Hof Herzog Ludwigs Aufnahme gefunden hatte. So mag man in den Drucken den Versuch D.s erkennen, den Verlust der politischen Wirksamkeit durch eine öffentlich-literarische wettzumachen. Auch finanziert hat er die Drucke, die sämtlich bei Joh. Weißenburger in Landshut herauskamen, anscheinend selbst (vgl. die Privilegien und die Druckvermerke). Einen bewußten sprachlichen Übersetzungsstil hat D. nicht ausgebildet. Den Anspruch, ein literarischer oder das Deutsche als Literatursprache fördernder Übersetzer zu sein, erhob er nicht. Er legte ebenso auf strikte Treue zu den antiken Ausgangstexten Wert wie auf gründliches sachliches Verständnis. Zu diesem Zwecke unterstützte er seine gedruckten Übersetzungen teils mit erläuternden Randglossen, die mangelnden historischen Vorkenntnissen über antike Personen und Institutionen aufhelfen konnten, teils mit Überblick verschaffenden Stichwörtern. A b d r u c k sämtlicher Widmungsbriefe bei GERLACH, S. 201-240.

1. C. P l i n i u s C a e c i l i u s S e c u n d u s (Plinius d. J.), 'Panegyricus'. D. widmete seine erste Übersetzung, die von Plinius' d. J. 'Panegyricus' auf Kaiser Trajan, den er als Fürstenspiegel verstand, am 23. April 1511 dem jungen Herzog Wilhelm, bevor dieser mit erreichter Volljährigkeit am 13. Nov. 1511 die selbständige Regierung des Landes übernahm. Die Widmungsvorrede ist von unverhohlener Sorge geleitet, ob der junge Fürst, der wegen seines freizügigen Lebenswandels und seiner aufwendigen Hofhaltung bald viel Kritik auf sich ziehen sollte, den Ansprüchen seines Amtes gewachsen sein werde. D. ergänzte hier den übersetzten 'Panegyricus' durch die mal. Trajanlegende, die ge-

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eignet war, den römischen Kaiser auch für einen christlichen Herrscher als Vorbild zu empfehlen. Ü b e r l i e f e r u n g . Das hs.liehe Widmungsexemplar ist verloren, die Vorrede an Wilhelm aber in der Gothaer Hs. und in den Drucken erhalten. Unter dem 1. März 1512 ging ein — nicht erhaltenes — Exemplar mit einer Widmung an Herzog Friedrich d. Weisen von Sachsen; Abschrift davon: Gotha, LB u. Forschungsbibl., cod. Chart. A. 585. Mit der Widmung an Herzog Wilhelm und einer vorangestellten weiteren vom 20. Aug. 1513 an Kaiser Maximilian erschien die Übersetzung Ende 1515 im Druck. Drucke. Gay Pliny des ändern lobsagung [...], Landshut, Joh. Weißenburger, 14. Dez. 1515; VD 16, P 3499-3500; mindestens drei Zustände. Ein zweiter Druck (mit überarbeitenden Eingriffen) erschien posthum 1520 in [Straßburg]; VD 16, P 3501. Die Mitteilung R. KEMPERS (Euph. 68 [1974] 182 f.; übernommen von ADELMANN, 1981, S. 72 u. 74), der Landshuter Druck von 1515 sei in 'zwei sprachlich völlig verschiedenen', wenngleich nach Einrichtung, Typographie, Satzspiegel, Anzahl der Wörter genau übereinstimmenden Ausgaben herausgegangen, ist irrig. Die beiden Exemplare (Wolfenbüttel, 19. Eth. Pol.; Göttingen, 4° Aue. Lat. V 2770), an denen KEMPER verschiedene 'Schriftdialekte' beobachtet haben will, zeigen nur wenige verstreute Exemplarvarianten, die erst auf den letzten drei Seiten häufig werden, in keinem Falle aber mit einer schreibsprachlichen Varianz zu schaffen haben. Einen dritten Zustand vertritt ausweislich differenter Graphien der Titelseite das Exemplar der SB München (2° A. lat. b. 565).

Als Beigabe seiner Übersetzung formulierte D. eine Interpunktionslehre, die in der Gothaer Hs. und in den beiden Drucken jeweils den Widmungsvorreden folgt; ihr Inventar von sechs Zeichen ist das in dt. Interpunktionslehren bis dahin differenzierteste. Abdruck bei GERLACH, S. 197-200. 2. C. S a l l u s t i u s Crispus und M. T u l l i u s Cicero. Die Übersetzung, die Sallusts 'De coniuratione Catilinae', Ciceros 1. catilinarische Rede samt zwei apokryphen Repliken Catilinas und Sallusts 'Bellum lugurthinum' umfaßt, entstand 1513 auf dem Wormser Reichstag und wurde Maximilian dort mit Widmung vom 23. April übergeben. In der Druckausgabe folgt eine weitere Widmung vom 24. Dez. 1514 an Her-

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zog Ludwig von Bayern. Beide Vorreden besprechen die antiken Werke unter einem Verständnis von Geschichte als exemplarischer Lehrerin der Politik. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss.: Budapest, SzechenyiNat.bibl., cod. Germ. 63, vermutlich das 'Widmungsexemplar für Maximilian; Gotha, LB u. Forschungsbibl., cod. Chart. A 586. Druck. Landshut, Joh. Weißenburger 1515 (VD 16, S 1392).

3. L u k i a n , 'Calumniae non temere credendum', und Poggio B r a c c i o l i n i , vectio in delatores'. Die Übersetzungen der beiden Schriften gegen das — zumal an Höfen grassierende — Übel der Verleumdung sind, mit nachdrücklichem Appell zur Lektüre, Herzog Ludwig von Bayern-Landshut zugeeignet (4. Sept. 1515). Sie gehören in das Feld der Hofkritik, mittelbar auch der Fürstenspiegel, sind aber vermutlich unter dem Eindruck von Denunziationen entstanden, die D. als Wortführer der unterlegenen Landstände wohl verfolgt haben. Vorlage der Verdeutschung des Lukian war die lat. Übersetzung Agricolas. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck: Landshut, Joh. Weißenburger 1516 (VD 16, L 3019).

4. Zwei Satiren des H o r a z und J u v e nal; L u k i a n , 'Gallus'. Das gemischte Arrangement des Übersetzers, das dem Würzburger Bischof Lorenz von Bibra gewidmet ist (21. Dez. 1515), gilt einem einzigen Thema, der Unzufriedenheit der meisten Menschen mit ihrem Lebenslos und ihrer Unfähigkeit, in ihren Wünschen Zuträgliches und Verderbliches zu unterscheiden. Zu seiner Erörterung wählte D. zwei Satiren des Horaz (sat. I 1) und Juvenals (sät. X); er kompilierte sie, verflocht sie zu einem einzigen Text und versah diesen mit einem frei erweiternden Schluß. Folgen ließ er den unterhaltsamen 'Gallus' ('Somnium Micylli') Lukians nach der lat. Version Agricolas. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck: Landshut, Joh. Weißenburger 1516 (VD 16, L 3041).

5. ->· Seneca, moralphilosophische Schriften. D.s 13 (11) Seneca-Übersetzungen fallen, soweit datiert, zumeist in die Jahre

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1515; weitere entstanden 1516/17 und 1519. Die Mehrzahl ist ohne Widmung überliefert, kam auch nicht zum Druck. In der Reihenfolge der Darmstädter Hs. übersetzte D. 1. 'De ira' (vor 10. 9. 1515), 2. 'De dementia' (21. 7. 1515), 3. 'De providentia' (1515), 4. 'De vita beata', zusammen mit 5. 'De otio' (31. 10. 1515), 6. 'De brevitate vitae', 7. PS.-Seneca, 'De paupertate', 8. 'Consolatio ad Marciam' (20. 2. 1519, an Kunigunde von Österreich, Gemahlin Herzog Albrechts IV., Schwester Maximilians, zu dessen Tod), 9. Ps.-Seneca, 'De remediis fortuitorum' (an Kaiser Maximilian), 10. 'De tranquillitate animi', zusammen mit 11. 'De constantia sapientis' (5. 1. 1517, an Herzog Friedrich v. Sachsen), 12. PS.-Seneca, 'Liber de moribus' (vor 10. 9. 1515), 13. Ps.-Seneca, 'Proverbia' (16. 12. 1515, an Herzog Friedrich von Sachsen).

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sowie der übrigen opuscula Agricolas herstellen und in einem Band redigieren zu lassen (Stuttgart, Württ. LB, cod. poet, et phil. 4° 36, f. IF); ein Brief an Johann Reuchlin vom 4. Febr. 1505, in dem er sich für dessen Glückwünsche anläßlich seiner Aufnahme in den Ritterstand bedankt (Überlieferungsnachweis und Druck bei ADELMANN, S. 103 f.). Ausgabe der acht erhaltenen Briefe Agricolas an D. (und dreier an seinen Bruder Johannes): HARTFELDER, 1886/1993; mit dt. Übers, u. Komm.: E. LEIBENGUTH / R. SEIDEL, Die Korrespondenz Rudolf Agricolas mit den süddt. Humanisten, in: W. KÜHLMANN (Hg.), Rudolf Agricola, 1994, S. 181259. Ein Brief eines Joh. Jung vom 8. Okt. 1516 (?) an D. findet sich im Bruchstück einer Mustersammlung (München, clm 24566, 13 r —14 V ).

L i t e r a t u r . F. KRENNER, Der Landtag im Herzogthum Baiern v. J. 1514, München 1804; K. HARTFELDER, Dt. Übers.n klass. Schriftsteller aus Ü b e r l i e f e r u n g . Hss.: Darmstadt, Hess. LB u. dem Heidelberger Humanistenkreis, Progr. HeidelHochschulbibl., Hs 290, 309 Bll., um 1520. Wien, berg 1883/84, S. 4-8 u. 13-18, wieder in: ders., cod. 2798, 218 Bll., um 1520/30; die ÜbersetzunStud, zum pfälz. Humanismus, 1993, S. 291-341, gen stehen, bis auf die beiden letzten, in gleicher hier S. 293-298 u. 304-311; ders., Unedierte Reihenfolge wie in der Darmstädter Hs. — SepaBriefe von Rudolf Agricola, in: Fs. d. bad. Gymnarate Überlieferung der 'Cons, ad Marciam': Mün- sien, gewidmet d. Univ. Heidelberg zur Feier ihres chen, cgm 977, 72 Bll.; hier ist die Widmung an 500jähr. Jubiläums, 1886, S. 1—36, wieder in: Herzogin Kunigunde auf den 10.3. 1519 datiert. ders., Stud, zum pfälz. Humanismus, 1993, Einzelüberlieferung der 'Proverbia': Dessau, AnS. 343-402; W. VILMAR, Ein Beitrag zur Gesch. d. haltische Landesbücherei, Hs. Georg. 221. 8°, dt. Interpunktion, Zs. f. d. dt. Unterricht 9 (1895) 42 Bll. 210—213; ders., D. v. P., ein Übersetzer aus dem Drucke: Kleine Auszüge aus 'De ira' (II 19,4 u. Heidelberger Humanistenkreis, 1896; A. SCHMIDT, 20,2—22,1} erschienen zusammen mit dem ps.seneD. v. P.s Senecaübers.n, ZfdPh 28 (1896) 17-26; canischen 'Liber de moribus' 1515 bei WeißenburH. E. J. M. VAN DER VELDEN, Rodolphus Agricola (Roelof Huusman), een Nederlandsch Humanist ger (VD 16, S 5833). der 15. eeuw, Diss. Leiden 1911, S. 1-5, 100-102, A u s g a b e . Kap. 1 — 5 der 'Cons, ad Marciam' 115-120, 153-160, 225f., 249f.; M. SILLER, nach cgm 977 bei HARTFELDER, 1883/84, S. 13D. v. P., Des Senece Tröstung zu Marcia, eine 18. schwäb. Übers, aus d. frühen 16. Jh. Texte, Glossare, Unters., Diss. (masch.) Innsbruck 1974; III. D.s Autorschaft an dem Lied 'Gewalt, WORSTBROCK, Antikerez., Reg. S. 194; W. IRTENGunst und Gelt herschet in der Welt', das MelanKAUF, Das Stundenbuch der Herren von Plieninchthon ihm — aufgrund von Hörensagen — zugen, Ludwigsburger Geschichtsbll. 28 (1976) 141schrieb (ADELMANN, S. 30—33), kann nicht gesi149; M. LANZINNER, Fürst, Räte u. Landstände. chert werden. Die Entstehung der Zentralbehörden in Bayern IV. B r i e f e . Von D.s Briefen sind außer 1511-1598 (Veröff. d. Max-Planck-Inst. f. Gesch. den neun Widmungsbriefen zu verschiede- 61), 1980, S. 134, 200, 277-279, 304f. (fehlernen Übersetzungen nur geringe Reste er- haft); F. Gräfin ADELMANN, D. v. P., Humanist u. halten: ein undatierter Brief an seinen Bru- Staatsmann (Schriftenreihe z. Bayer. Landesgesch. 68), 1981 (grundlegende Biogr.); CHR. BÜHRLENder Johannes, der die — später erfüllte — GRABINGER, Die Herren von Plieningen. Stud, zu Bitte enthält, eine Vita ihres gemeinsamen ihrer Familien-, Besitz- u. Sozialgesch. mit RegeLehrers Agricola zu schreiben und eine sten (Veröff. d. Archivs d. Stadt Stuttgart 36), Abschrift von 'De inventione dialectica' 1986, S. 27-32 u. ö. (Reg. S. 198); F. AKKERMAN /

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Dietrich I. von Trier — Dirk van Delft

A. J. VANDERJAGT (Hgg.), Rodolphus Agricola Phrisius (1444-1485), Leiden-New York 1988 (Reg. S. 353); A. GERLACH, Das Übersetzungswerk D.s v. P. (German. Arbeiten zu Sprache u. Kulturgesch. 25), 1993; W. KÜHLMANN (Hg.), Rudolf Agricola 1444-1485, 1994 (Reg.); A. DALL'ASTA / G. DÖRNER (Hgg.), Johannes Reuchlin, Briefwechsel, Bd. l, 1999 (Reg.).

'Van Dirick van dem Berne' dot'

'Ermenrikes

Dirk van Delft (Dirc van Delf) OP

I. Leben. Die Anfänge D.s v. D. — um 1365 geboren, Noviziat im Dominikanerkloster in F. J. WORSTBROCK Utrecht, Studium der Theologie und PhiloDietricus (Dyetricus) de Salder(n) -» sophie vielleicht in Paris, Magister in den 1380er Jahren, Promotion — können nur 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] vermutet werden. Wohl bereits seine Studien wurden von Herzog Albrecht von Dietrich I. von Trier [Nachtr.] Bayern und Seeland ("1336-13. Dez. 1404) unterstützt, vgl. den Brief über die ErnenBd. 2, Sp. 147 Überl.: "Bibl. des Bollandistes" ergänze: in Brüssel. nung zum Hofkaplan bei DANIELS I, S. 25, u. OOSTROM, 1987, S. 181 f. mit Faksimile. Dietrich van Uelzen (Ulsenius) entfällt (vgl. Von 1394—96 ist D. in der Pariser Matria VL IV 630 f.) kel mehrfach genannt (DANIELS I, S. 11), anschließend 1396 in Erfurt (M. frater Theodericus de Delph sacre theologie doc'Dindimus Buch' [Korr./Nachtr.] tor). Weihnachten 1397 war er bei der ErBd. 2, Sp. 152 unter Überl. streiche: St. Gallen, nennung des Ulricus Theobaldi zum ProStiftsbibl., cod. 628, S. 809-815; es handelt sich vinzialobersten in Köln durch Raymund hierbei nicht um den Abschnitt aus Hartliebs von Capua anwesend (DANIELS I, S. 22). 'Alexander', sondern um ein Exzerpt aus Meister Am 4. Sept. 1399 wurde D. zum Vikar -> Babiloth bzw. ->· Wichwolt. Ebd.: Wien, cod. Ser. Nova 3825 (olim Braunau, aller Klöster der Ordensprovinz Flandern ernannt, die Papst Bonifatius IX. gehorLangersche Bibl., cod. 77) bietet einen von cpg 172 sam waren, und sollte die Klosterreform und dessen Abschrift Berlin, mgf 548 unabhängigen Hartlieb-Auszug; vgl. Inc. u. Expl. bei MENdurchführen (DANIELS I, S. 22). Ebenfalls HARDT, Hss. III 1500; R. PAWIS, Johann Hartliebs 1399 bestellte Herzog Albrecht ihn zum 'Alexander' (MTU 97), 1991, S. 17 (Hinweise G. dienre ende familiaer in onser capellen Kornrumpf), voer ons te leren ende te prediken. Welche Aufgaben er sonst im Auftrag des Herzogs Dinus Mugelinus -> Mildehovet, Marquard übernahm (vielleicht Reisen an den engli(II.2.) schen Hof, vgl. DANIELS I, S. 25) und wann er die Arbeit an der 'Tafel van den kersten (Pseudo-)Dionysius Areopagita [Korr./ ghelove' begann, ist ungewiß. Im Jahr 1400 erscheint zweimal ein miester Dirc Nachtr.] van Delf in den Rechnungsbüchern der Bd. 2, Sp. 155 zu 3., petit-Abschnitt: "CHEVALSt. Bavokerk zu Haarlem (vgl. WÜSTELIER, I u. " korr.: PH. CHEVALLIER, Dionysiaca I FELD, 1989, S. 24 f. u. 103); wofür er Geld u. II, Bruges 1937 u. 1950. erhalten hat, ist nicht zu klären. 1403 Sp. 157 Z. 12 von unten: "Ebstorf, Klosterbibl., cod. 12" korr.: ..., cod. IV 12. wurde in Köln M. Theodericus de Delf, Sp. 158 zu 7.: "Die Rezeption ... erst in der ord. Pred. in die theologische Fakultät auf2. Hälfte des 13. Jh.s" korr.: Die älteste Bezeugung genommen (DANIELS I, S. 20). Narcissus der dionysischen Engellehre im Deutschen findet Pfister bezeugt eine Kölner Disputation zur sich bereits im 12. Jh. in den -> 'Zürcher PredigFrage Utrum beatus vir, cuius voluntas in ten'. Deo Israel, qui et in lege eius nocte meditaSp. 160 Z. l f.: "('Von der sele werdicheit und tur... vom 24. Jan. 1404 (KAEPPELI, eigenschaft' [-» 'Der mslac'] ..." korr.: ('Von der S. 305). — Nach dem Tod Albrechts verlie-> sele werdicheit und eigenschaft' ... [dieser Text ist nicht identisch mit 'Der Inslac'!]. ren sich auch D.s Spuren.

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Dirk van Delft

II. Werke. 1. 'Tafel van den kersten ghelove'. Ü b e r l i e f e r u n g . Zusammengestellt bei DANIELS I, S. 62-102; ST. AXTERS, Bibliotheca Dominicana Neerlandica manuscripta 1224—1500, Löwen 1970, S. 42-46; OOSTROM, 1992, S. 168170. Keine der 27 Hss. enthält beide Teile, es handelt sich jeweils um Überlieferung entweder des Winter- oder des Sommerteiles (sieben bzw. fünf Hss.) sowie um Hss. mit mehr oder weniger umfangreichen Exzerpten aus einem der Teile (siebenmal Winterteil, achtmal Sommerteil; vgl. OOSTROM, 1992, S. 168 ff.). A u s g a b e . L. M. E DANIELS, Meester Dire van Delf, O. R, Tafel van den Kersten Ghelove, Bd. I Einleitung u. Register, Bd. II Winterteil, Bde III A/ B Sommerteil (Tekstuitgaven van Ons Geestelijk Eerf 6), Antwerpen u. a. 1938/39.

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deleeuwse catechese onbesproken blijft. Maar er komt nog veel meer an bod, van de schepping en de configuratie van de geestelijke en lichamelijke natuur tot aan de Drieeenheid en een groot expose over het leven van Christus' (WARNAR, S. 41). Der gelehrte Dominikaner kompilierte aus zahlreichen Quellen, v. a. aus der Bibel, dem 'Compendium theologiae veritatis' des -» Hugo Ripelin von Straßburg, der 'Summa theologiae' des -»· Thomas von Aquin, -> Ludolphs von Sachsen 'Vita Jesu Christi', den 'Sentenzen' des -»· Petrus Lombardus, der 'Legenda aurea' des ->· Jacobus a Voragine; vgl. DANIELS I, S. 29—45 u. das Quellenregister ebd. S. 222—245.

2. Weitere Werke D.s sind bisher, abgesehen von zwei Predigten (AXTERS, s. u.), Da Herzog Albrecht bereits Ende 1404 nicht ermittelt bzw. zugeschrieben. Eine verstarb, ist zu bezweifeln, ob er die 'Tafel' weitere Predigt erwähnt bei OOSTROM, noch zur Gänze in Empfang nehmen 1987, S. 338 Anm. 30. In Rechnungsbükonnte; das Dedikationsexemplar des chern des Haager Hofes wird ein zweites Winterteils ist in der Hs. (heute) Balti- Buch D.s für Margarethe von Kleve, Almore, Walters Art Gallery, ms. 171 aus brechts zweite Frau, genannt, dessen Titel dem Jahre 1404 erhalten. und Verbleib aber unbekannt sind: meister Von literaturwissenschaftlicher Seite Oyrc den monick by mynre vrouwen befand die 'Tafel' bisher weniger Beachtung. fele betaut [.] om een boeck voir mynre Die frühen Hss. sind reich illuminiert, da- vrouwe dat hi hoir gemaict ende gebroicht her hat sich die Kunsthistorie intensiv da- hadde albereit, 10. Jan. 1401; s. OOSTROM, mit befaßt (vgl. zu den illuminierten Hss. 1987, S. 32 u. 184. (Ob dies das o. g. Gezuletzt DEFOER u. a., 1989; PROSKE-VAN betbuch sein könnte?) HEERDT, 1991; VAN OOSTROM, 1991). Vielleicht ist der 'Meister des Gebetbuchs der Margarethe von Kleve' (Hs. heute in Lissabon) identisch mit einem der 'Meister des Dire van DelfStiles' (PROSKE-VAN HEERDT, S. 249) - die Frage, ob D. auch Autor dieses Gebetbuches sein könnte, wurde bisher offenbar nicht gestellt.

Inhalt und Quellen. Das umfangreiche Kompendium, unterteilt in Winterteil (57 Kap.) u. Sommerteil (53 Kap.), ist ein Meisterwerk scholastischer Gottesgelehrtheit. D. versammelt das katechetische Grundlagenwissen seiner Zeit, want ic nu mit desen boec wairlike lüde leren wil, die ic tot ontsich der kersten ghelove ende reverencie der kercken gaerne woude brenghen (Sommerteil Kap. XIX, 265 ff.), vor allem aber als 'FürstenspiegeP für Albrecht 'maakte Dirc een godsdienstig overzichtswerk waarin geen enkel punt van de mid-

L i t e r a t u r . DANIELS (s. o. Ausg.); A. M. J. VAN BUUREN, Dirc van Delf, in: Lexikon d. MAs 3, 1986, Sp. 1104; F. P. VAN OOSTROM u. a., Dirc van Delft en zijn lezers, in: W. VAN DEN BERG, J. STOUTEN (Hgg.), Het woord aan de lezer. Zeven literarhistorische verkenningen, Groningen 1987, S. 4971 (wieder abgedruckt F. P. VAN OOSTROM, Aanvard dis werk. Over Middelnederlandse auteurs en hun publiek, Amsterdam 1992, S. 152-170 [zit.]); ders., Het woord van eer. Literatuur aan het Hollandse hof omstreks 1400, Amsterdam 1987, V. Dirc van Delft S. 180—224 (jeweils mit weiterer Lit.); W. C. M. WÜSTEFELD, De bocken van de Grote of Sint Bavokerk. Een bijdrage tot de geschiedenis van het middeleeuwse boek in Haarlem (Hollandse Studien 24), Hilversum 1989; H. L. M. DEFOER, A. S. KORTEWEG, W. C. M. WÜSTEFELD, Die goldene Zeit der holländischen Buchmalerei (Buchhandelsausgabe zu den Ausstellungen 'Die goldene Zeit der holländischen Buchmalerei', Utrecht 10. 12. 1989-11. 2. 1990 und The Golden Age of Dutch Manuscript Painting', New York,

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Pierpont Morgan Library, 1. 3.-6. 5. 1990), Stuttbundenen Schlußteil), die zeitliche Abfolge läßt sich nicht feststellen. Textverluste durch zahlreiche gart-Zürich 1990, Nr. 4 u. 5 (weitere Lit.); D. PROSKE-VAN HEERDT, The Dire van Delf-Style: fehlende Blätter. Structure and Chronology, in: Masters and MiniaInhalt u. Quellen. Die Einschübe (Fotures. Proceedings of the Congress on Medieval lioangaben nach D) bestehen aus einer Manuscript Illumination in the Northern Netherlands (Utrecht, 10.-13. Dec. 1989), hg. K. VAN Reihe von meist anonymen Traktaten, Disputationen (Streitgespräch Seele-Leib DER HORST u. J.-CHR. KLAMT, Doornspijk 1991, S. 245-250; F. P. VAN OOSTROM, An Outsiders [176r-180v]; Dialog Mensch-Seele [240rView, ebd., S. 39—49 (zu den illuminierten Hss., 246V]) und Gebeten, hinzu kommen Teile jeweils mit weiterer Lit.); CH. M. A. CASPERS, De aus -» Seuse, 'Horologium' (169r-176r), -» eucharistische vroomheid en het feest van sacraGerard van Vliederhoven, 'Cordiale' dt. mentsdag in de Nederlanden tijdens de late mid(180r-209r), eine -» 'Geistliche Minnejagd' deleeuwen, Leuven 1992, S. 201-215; G. WARNAR, [NB] (216v-224r), Auszüge aus dem 'SachBiecht, gebod en zonde. Middelnederlandse mosenspiegel', Land- und Lehnrecht (-* Eike raaltheologie voor de wereldlijke leek, in: TH. V V ) sowie weitere MERTENS u. a., Bocken voor de eeuwigheid. Mid- von Repgow; 286 —313 kurze Texte (bis 354V), die Stücke sind im delnederlandse geestelijke proza, Amsterdam einzelnen aufgeführt bei STAUB/SÄNGER. 1993, S. 36-51; KAEPPELI, Scriptores IV, 1993, S. 304 f. Die Hs. WP enthält dieselben Zusätze wie

III. R e z e p t i o n . Bei dem Umfang dieser theologischen Summa ist eine rege Exzerpierung zu vermuten, aber bisher nicht untersucht. Rezeption im Bereich der mndl. Artes-Lit. hat M. JANSEN-SIEBEN nachgewiesen (s. u.). Ähnliche Ergebnisse für den deutschsprachigen Raum fehlen bisher, daher wird hier auch die mndl. Rezeption verzeichnet, um künftige Identifikationen zu erleichtern. 1. 'Tafel von dem christlichen Glauben und Leben' (Boich vain dem kristen gelaufe ind leveri). Westdt. Bearbeitung von II.l. Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 2667, 366 Bll., 2. Viertel bis Mitte 15. Jh. (i. F. Sigle D), nordwest-moselfrk. '[...] nach Ausweis von Sprache und Vorbesitzervermerk am Nordrand des Westmoselfränkischen entstandene, bis auf geringfügige Textverluste vollständig erhaltene Abschrift eines vermutlich nicht sehr viel älteren, am Südrand des Westmoselfrk. entstandenen [...] Textkompendiums [...]' (BEKKERS, 1983, S. 88). Die Hs. enthält Bl. lr-354v den Sommerteil der 'Tafel', wobei die Kap. 1 — 9 fehlen, die Reihenfolge verändert wurde und als Prolog eine umgearbeitete Fassung des Winterfell-Prologs dient; dazwischen eingeschoben sind andere Texte. Durch fehlende Blätter entstandene Textverluste. Am Ende schließt sich ein nur wenig später beigebundener Teil (355r—366V) in rip. Mundart an, vgl. dazu STAUB/SÄNGER u. BECKERS, 1983. - 2. Westfälischer Privatbesitz, 533 Bll., Anf. 15. Jh. (i. F. Sigle WP). Schwesterhs. zu D (ohne den später beige-

D. Der Autor dieser Kompilation ist unbekannt, sie entstand möglicherweise für oder im Auftrag von Gerhard von Rodermachern, der in D Bl. 286V im Explicit der Aristoteleslehren genannt wird (STAUB/ SÄNGER, S. 127; BECKERS, 1983, S. 88 Anm. 21). Ein Verweis in BÖMERS Beschreibung, 'Von einer niederländischen Fassung geschr. im Haag (No. 219)' = Den Haag, 73 E 26, von 1469, führt hierbei ins Leere, da die Haager Hs. außer dem Winterteil der 'Tafel' nur noch das 'Bienboec' des -* Thomas von Cantimpre enthält (vgl. DANIELS!, S. 62f.). Beide Hss. enthalten allerdings einen Zusatztext: ein Kapitel über Kaiser Constantinus und die Kirche und über einen Disput zwischen Papst Silvester und den Juden (D Bl. 325V-330V), den DANIELS nur in zwei Hss. vorfand (Leiden, ÜB, Hs Ltk. 338, u. New York, Pierpont Morgan Library, Ms. M. 691) und nach der Leidener Hs. abdruckte (IIIB, S. 674-688). L i t e r a t u r . A. BÖMER, Beschreibung der Hs. [WP] im Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie d. Wiss.n, Manuskript 1907; DANIELS, Ausg. I, S. 111-117 (zu Hss.) u. 117121 (Abdruck Prolog u. Kap. 45); H. BECKERS, Die Kölner 'Crane'-Prosa, NdW 23 (1983) 83-135, hier S. 86—90; K. STAUB / TH. SÄNGER, Dt. u. ndl. Hss. (Die Hss. d. Hess. LB u. Hochschulbibl. 6), 1991, S. 123-128 Nr. 80 (mit weiterer Lit. z. Darmstädter Hs.); H. BECKERS, Mnd. lit. Hss. in

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'Disput zwischen der minnenden Seele und unserem Herrn' — 'Dithmarscher Landrecht'

westfälischen Adelsarchiven u. -bibl.n, NdW 34 (1994) 35-44, Hs [WP] erwähnt S. 39; G. ROTH, 'Die Tafel vom christlichen Glauben u. Leben'. Die westdt. Bearb. v. D.s v. D. 'Tafel van dem Kristen Ghelove', ZfdA 130 (2001) 291-297.

2. Trier, StB, Hs. 1935/1432 4°, 16va19vb, Sommerteil Kap. 38 (Ars moriendi) Z. 9—233. Danach ein (unedierter) Anhang bis Bl. 20va, der von den beiden Geistern — Teufel bzw. Engel — erzählt, die die Seele nach dem Tod des Leichnams empfangen und nach ihrem Verdienst an ihren Bestimmungsort — zum Teufel oder vor Gottes Thron — führen werden. 3. Das mndl. Tafelboec' enthält nach eigenen Einleitungskapiteln einen großen Teil der Tafel'. Druck o. O. u. Dr. [Utrecht] ca. 1480 [CAMPBELL 1635]; vgl. DANIELS I, S. 103-110 u. OOSTROM, 1992, S. 170. 4. Auszüge aus dem Sommerteil Kap. 48 u. 45—46 enthält der Druck Zwolle, Johannes van Vollenhove, 1478-1480 (GW 8477). Möglicherweise sind dies auch zwei ehemals eigenständige Drucke gewesen. Vgl. H. PLEIJ, Dire van Delf in Göttingen, Literatuur 7 (1990) 325-326. 5. Zur Separatüberlieferung der Winterteil-Kap. 5-11, 13-16 (Himmels-, Planeten-, Vier Elementelehren, Vom Paradies, Sinne des Menschen, Vier Säftelehre, Physiognomie, Sieben Lebensalter der Menschen und der Welt) im Zusammenhang von naturwissenschaftlichen Kompendien oder auch Hausbüchern s. M. JANSEN-SiEBEN, Repertorium van de mndl. Artes-Literatuur, Utrecht 1989, Register. 6. Zwei Predigten aus der Hs. Brügge, StB, cod. 408, 265r-278r, die im Tonfall der 'Tafel' geschrieben seien und vielleicht von D. stammen, erwähnt ST. AXTERS, Geschiedenis van de vroomheid in de Nederlanden, Antwerpen 1950, Bd. 3, S. 448. Die gleiche Hs. enthält Bl. 282v-285r eine weitere Predigt, die möglicherweise D. zuzuschreiben ist, vgl. OOSTROM, 1987, S. 338 Anm. 30.

GUNHILD ROTH

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'Disput zwischen der minnenden Seele und unserem Herrn' [Korr.] Bd. 2, Sp. 178 Über!.: "Berlin, mgq 1303 Nr. 2" korr.: heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska, unter der Berliner Signatur.

'Disputacio wider die Juden' -»· Paschalis von Rom (a); -* Theobaldus de Sexannia (III.l.); -» 'Von der Juden jrrsall ...'. [NB] 'Dithmarscher Landrecht' Rechtskodifikation der freien Landesgemeinde Dithmarschen in 3 Fassungen. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Landrecht (1447, Nachträge bis 1467): a. Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, Nr. I (früher Büsum, Kirchspielarchiv, Vorlage zum Abdruck bei MICHELSEN u. ECKHARDT, s. Ausg.n), v. J. 1447, Perg., 2°, 1-37, mnd.; b. ehem. Hamburg, Stadtarchiv, v. J. 1469, Pap., 2° (MICHELSEN, S. XVIII; nach Auskunft des Staatsarchivs Hamburg ist dieses Exemplar vermutlich 1842 beim großen Stadtbrand Hamburgs, der auch das Stadtarchiv traf, vernichtet worden); c. Abschrift von a aus dem 17. Jh., ehem. Privatbesitz v. Landvogt Griebel, Verbleib unbekannt (MICHELSEN, S. XVIII). 2. Landrecht (vor 1480 revidiert, mit Zusätzen von 1480 und 1483): a. Kiel, ÜB, cod. ms. H 534 (394) (1827 durch Friedrich Christoph Dahlmann in Bremen gekauft und der ÜB übergeben), Perg., 4°; b. Kopenhagen, Univ., Arnamagnseanske saml., AM. 2, 4°, v. J. 1539, Perg., lr-50r; c. ehemals Gräflich-Rantzau-Breitenburgische Bibl., v. J. 1539, Pap., 2° (Verbleib unbekannt). Drucke: a. Hir heff an dat Landrecht aver Ditmarschen, Schleswig oder Lübeck, Steifen Arndes 1485, 2° (BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr. I Nr. 94; Exx.: Kiel, ÜB, Ink. 151, 3 Bll. erhalten, Hamburg, ÜB, Bl. 3); b. Dyth ys eyne Copia, Lübeck, Johann Balhorn d. Ä. 1539, 4° (BORCHLING/CLAUSSEN, I Nr. 1307; VD 16, D 2089). 3. Landrecht (v. J. 1567): a. Jena, ÜB, Ms. Bös. q. 18, 2. Hälfte 16. Jh., Pap., 3V-83V; b. ebd., Ms. Bud. o. 11, 1. Hälfte bis Mitte 17. Jh., Pap., 169r219V; c. Hamburg, SB u. ÜB, cod. jur. 2435, v. J. 1642, 2°, 133 Bll. Drucke: Dithmarsisches LandRecht, Glückstadt, Melchior Koch 1667, 4° (BORCHLING/CLAUSSEN, II Nr. 3549) und Glückstadt, Gotthilf Lehmann 1711, 4° (BoRCHLiNG/ CLAUSSEN, II Nr. 3870; Dt. Drucke des Barock 1600-1720, C2800). A u s g a b e n . 1. Landrecht: A. L. J. MICHELSEN, Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen, Altona

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Döbringer, Hanko

1842 (Nachdr. 1969), S. 1-85; K. A. ECKHARDT, Das Dithmarscher Landrecht von 1447, 1960 (Germanenrechte [6], Bd. 16) [Rez.: STOOB, Zs. f. schlesw.-holst. Gesch. 85/86 (1961) 338 f.]. Im Eckhardt-Nachlaß (München, MGH, K 32) befindet sich eine 1974 abgeschlossene Vorarbeit zu einer erweiterten 2. Aufl., darin eine Synopsis des 1. und 2. Landrechts. 2. Landrecht: MICHELSEN, S. 87-176 und 267-271, Novellen bis 1554: S. 157-176.

Das Land Dithmarschen (terra Thitmarsie) an der Nordseeküste zwischen Elbeund Eidermündung kam 1227 nach der Schlacht von Bornhöved unter die Lehnshoheit des Erzbischofs von Bremen. Der Erzbischof übte in Dithmarschen keine gesetzgebende Gewalt aus. Das Land war ein loser Bund seiner vierzehn sich selbst verwaltenden Kirchspiele. Seit dem 14. Jh. setzten Land und Kirchspiele autonomes Recht. Ohne Beteiligung oder Bestätigung des Erzbischofs kodifizierte die freie Landesgemeinde (universitas terrae] 1447 feriae H. in vigilia Valentini (= 13. Februar) das 'D. L.', dessen Einleitung feststellt do wart dat lant to Dithmerschen eyndrachtliken eyns desses nascrevenen rechtes ewichliken to holdene unde to blivende. Die Niederschrift des 'D. L.' folgt ähnlichen Bestrebungen der benachbarten Insel- und Eiderfriesen ('Siebenhardenbeliebung', 1426, und 'Krone der rechten Wahrheit') und der Hadeler (Weistum von 1439). Nach dem 1442 erreichten Ausgleich mit den Hansen sollten die in Dithmarschen bestimmenden Geschlechter als Personenverbände zurückgedrängt werden. Die Kirchspiele, ihr Gegenpol, wurden durch das ihnen vorgesetzte Obergericht der 48 gewählten Richter in ihrer autonomen Stellung beschnitten. Die Achtundvierziger tagten wöchentlich in Heide, sie übten judizielle und administrative Zentralgewalt aus. Neben den verfassungsrechtlichen Artikeln enthält das 'D. L.' das gesamte hergebrachte Recht des Landes. Zusätzliche Artikel wurden 1456 (Art. 241-253), 1465 (Art. 238 u. 239) und 1467 (Art. 254-257) aufgenommen; weitere undatierte Artikel fallen in die Zeit zwischen 1447 und 1467. Zwischen 1467 und 1480 entstand als Revision das 2. Landrecht, in dem insbesondere die

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Stellung der Achtundvierziger eingehend geregelt wurde. Aus dem Bunde der Kirchspiele wurde jetzt der gemeindliche Staat. Die Revision stand möglicherweise in Verbindung mit der Bulle Papst Sixtus' IV. (1476), welche die freie Landesverfassung in Verbindung mit dem Erzbischof schützte. Umfangreiche Novellen folgten bis 1554 nach. Nachdem Dithmarschens Freiheit 1559 mit der Eroberung durch das Herzogtum Holstein endete, wurde 1567 im Auftrage der Fürsten von Tratziger das 3. Landrecht verfaßt, das in seinem Kern den beiden älteren verbunden blieb und nur wenige römischrechtliche Einflüsse zeigt. L i t e r a t u r . MICHELSEN (s. Ausg.n), S. IXXXVIII; I. COLLIJN, Ater fundna fragment af den äldsta tryckta upplagan af Dithmarscher Landrecht, Nordisk Tidskrift for bok- och biblioteksväsen 2 (1915) 105-110; W. LÜDTKE, Neue Bruchstücke d. gedruckten Dithmarscher Landrechtes, Nordelbingen 4 (1925) 166-169; W. CARSTENS, Bündnispolitik u. Verfassungsentwicklung in Dithmarschen bis zur Mitte d. 15. Jh.s, Zs. f. schlesw.holst. Gesch. 66 (1938) 1-37, hier S. 25-32; ders., Geschlecht u. Beweisrecht in d. Dithmarscher Landrechten, ebd. 69 (1941) 1-28; H. STOOB, Dithmarschen u. d. Hanse, Hansische Geschichtsbll. 73 (1955) 117-145; ders., Gesch. Dithmarschens im Regentenzeitalter, 1959, hier S. 40—50; K. A. ECKHARDT (s. Ausg.n), S. 5—7; G. EICKMEIER, Das Strafverfahrensrecht in Dithmarschen von 1447 bis 1559, Diss. jur. Kiel 1963.

ULRICH-DIETER OPPITZ Dobrana (Doberan), Abbas de -»· 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Döbringer, Hanko 1. H. D. gilt als Schreiber und Kompilator der Hs. Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 3227 a v. J. 1389. Aus der Selbstnennung 43r Hanko Pfaffen dobringers. Hie hebt sich an der meister gefechte Andres Juden. Josts von der nyssen. Niclas Prewßen etc., der Mundart der Hs. und dem Kontext der Verschriftlichung der Fechtlehren -> Liechtenauers läßt sich lediglich schließen, daß es sich um einen gebildeten und technisch interessierten Kleriker ostmd. Herkunft mit engen persönli-

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Döbringer, Manko

chen Kontakten zu verschiedenen Fechtmeistern handeln muß. 2. Als D.s Leistung gilt vor allem die älteste Verschriftlichung der 'Kunst des langen Schwerts' seines Lehrmeisters Johannes Liechtenauer (13 V —40 r ). D. leitet die Wiedergabe mit einem längeren Prosatraktat über die Fechtkunst, das Verhältnis von (verschriftlichter) kunst und (praktischer) vbunge sowie die körperlichen und moralischen Anforderungen an den Fechter ein (13 r —17 V ). Einer weiteren gemeynen Vorrede über die ritterlichen Tugenden des Fechters (18rv) folgt die Darstellung des Bloßfechtens zu Fuß (18v-40r). Die verschiedenen hewe genannten Kampftechniken gehen dabei auf kürzere, paargereimte Anleitungen Liechtenauers zurück. Die gelegentlich mit das ist der text hervorgehobenen Merkverse des Meisters werden regelmäßig durch mit glossa überschriebene praxisorientierte Prosakommentare D.s unterbrochen. Dadurch wird der Weg von der mündlichen Memorierhilfe (Merkvers) über deren Verschriftlichung bis hin zur schriftsprachlichen Auslegung (Glosse) einer kanonischen Lehrschrift gleichzeitig abgebildet. Der Kommentierungsprozeß ist jedoch unvollendet, wie zahlreiche Leerseiten, Textabbrüche oder unverhältnismäßig knappe Glossen zeigen. Der weitere Aufbau der Hs. spricht dafür, daß D. ursprünglich eine umfassende Kompilation aller Waffen- und Kampftechniken plante. An das Bloßfechten schließen sich 43 r —45 V Hinweise auf Fechtvorschriften der Meister Andreas der Jude, Jost von der Neißen und Niclas Preuß an. Nach einer paargereimten ritterlichen Tugendlehre D.s folgt jedoch nur eine allen drei Meistern gemeinsam zugeschriebene Anleitung in Versen (u. d. T. eyserine pforte), die in die jüngeren Fechtbücher keinen Eingang gefunden hat. Ob die Prosaglossen (47 r — 52V) zu einzelnen gefechten (noterczunge, krawthacke, weckemeister, pfobenczagel, drey hewe, schrankhute, schulfechten) auf die genannten Meister zurückgehen oder terminologische Erläuterungen D.s zu den Fechttechniken darstellen, ist unklar. Der Raum für die geplante Kommentierung

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blieb leer. Die weiteren Anleitungen zum fechten czu Rosse, im harnusche mit sper vndswerte (60r-60v), Ringen (61r), Prosazusammenfassung des Bloßfechtens Liechtenauers (64 r —65 V ), fechten mit dem schilde (74r), Stangenfechten (78r), fechten mit dem langen messer (82 rv ), Degenfechten (84r-85v) und die Ringkunst Liechtenauers (87 r —89 r ) sind mit Ausnahme der Liechtenauer zugeschriebenen Stücke fragmentarisch und nur teilweise glossiert. Sie gehen wahrscheinlich auf ältere Vorlagen zurück, deren Abhängigkeit von Liechtenauer unklar bleibt. Eventuell ist D. auch als deren Autor anzusprechen. Eine A u s g a b e der Nürnberger Hs. existiert nicht; vgl. ->· Liechtenauer.

3. Der weitere Inhalt der Hs. (lr-13r, 90V-169V) besteht zur Hauptsache in lat. und dt. technischen, med., alchemistischen Kleintexten, Koch- und Zaubertrickrezepten u. ä., vgl. KURRAS. Die Hs. zeugt von D.s breitangelegten Interessen. Der ursprüngliche Plan wurde zugunsten der schon in den ersten Teilen erkennbaren technologischen Interessen aufgegeben. Das Resultat war schließlich eine Mischung aus einem in seiner Entstehung abgebrochenen Fechtbuch und einer hausbuchartigen Sammlung mit astrologischen, mantischen und med. Elementen, bereichert durch allerlei Kurzweiliges und Nützliches, aber mit erkennbarem technologischem Schwerpunkt. Eine vollständige Erschließung und Aufarbeitung von Inhalt und Genese dieser Sammlung ist noch Desiderat. Die Hs. zeigt sich als früher Vorläufer hausbuchartiger Sammelhss. des 15. Jh.s, die literarische mit technischen Interessen mischen. Spätere Vertreter dieser Art sind das Hausbuch des Augsburger Bürgermeisters Ulrich -> Schwarz, eine anonyme Sammlung eines mantisch interessierten Pyrotechnikers aus Bayern (->· Achilles Thabor [NB]) oder, wenn auch von ungleich höherem ästhetischen Rang, das -> 'Wolfegger Hausbuch'. L i t e r a t u r . L. KURRAS, Die dt. mal. Hss. Tl. 2. (Kataloge des Germ. Nationalmus. Nürnberg 1,2), 1980, S. 15-17; M. JÄHNS, Gesch. d. Kriegswiss. l, 1889, S. 368 (mit falscher Signatur); E.

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'Documenta Aristotilis ad Alexandrum Magnum' — 'Donum Dei'

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FLOSS, Ein Buch von alten Farben, 1962, S. 50 f., burg, SB u. ÜB, cod. alchim. 659, 105v-106r, 156 f.; M. WIERSCHIN, Meister Johann Liechtenwestmd., 15. Jh.) bzw. von H. Diethtmarus de Heiauers Kunst d. Fechtens (MTU 13), 1965, S. 31delberg (Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 8 ° Ms. ehem. 14, 9r-[?]15v, lat., 15. Jh.). 34, 41 f., 63 f., 69-73; G. Eis, Forschungen zur JOACHIM TELLE Fachprosa, 1971, S. 219 f.; H.-P. HILS, Meister Johann Liechtenauers Kunst d. langen Schwertes (Europ. Hochschulschr.n, Reihe III, Bd. 257), Dominicus van Gelre ->· 'Anna' (B. III.) 1985, S. 104-110; J.-D. MÜLLER, Bild-Vers-Pro[NB] sakommentar am Beispiel von Fechtbüchern, in: Pragmatische Schriftlichkeit im MA, hg. v. H. KELLER u. a. (MMS 65), 1992, S. 263-267, 269, 277, 'Donat' (deutsch) [Nachtr.] 279; J.-D. MÜLLER, Hans Lecküchners MesserBd. 2, Sp. 193, zu Überl.: Der älteste Textzeuge fechtlehre u. d. Tradition, in: ders. (Hg.), Wissen einer 'D.'-Übersetzung ist Würzburg, ÜB, M. p. für den Hof (MMS 67), 1994, S. 357, 361 f., 367 f.; misc. o. 3 (Perg. frgm., um 1300); mit ihm muß der H.-P. HILS, Reflexionen zum Stand d. hauptberufBeginn der dt. Rezeption um 100 Jahre vorverlegt lichen Fechter d. späten MAs unter Berücksichtiwerden. Vgl. B. SCHNELL, Ein Würzburger Bruchgung hist. Rechtsquellen, in: Würzburger Fachstück der mhd. Donat-Übers., ZfdA 116 (1987) prosa-Studien, Fs. M. Holler, hg. v. G. KEIL 204-220. (WmF 38), 1995, S. 201 f., 210; R. LENG, KriegsEbd., zu Ausg.n ergänze: A. HUEMER, Eine Ars technische u. -taktische Bilderhss. u. Traktate im minor des Donat aus dem 14. Jh. (Beitr. z. Österr. 15. u. 16. Jh., Habil.-Schr. Würzburg 2000, Bd. l, Erziehungs- u. Schulgesch. 14), Wien—Leipzig S. 15, 144-146; ders., Andreas d. Jude, Jost v. d. 1912. Neißen u. Niclas Preuß — drei verhinderte 'Verfasser' eines Fechtbuches, Würzburger med.-hist. Mitt. 19 (2001) (mit Abdruck von Bl. 43r-45v). 'Donum Dei'

RAINER LENG

Text/Bild-Traktat alchemischen Inhalts. 1. A u t o r . Das 'D. D.' entstand späte'Documenta Aristotilis ad Alexandrum stens während der 1. Hälfte des 15. Jh.s. Es wurde sowohl anonym als 'Liber inMagnum' [Korr.] titulatus pretiosissimum donum dei', titelBd. 2, Sp. 182 zu 1. Überl.: "Jena, ÜB, cod. Brulos oder unter Konkurrenztiteln ('Tabula der q. 105" korr.: ..., cod. Buder q. 105. maioris scientiae', 'Clavis scientiae maioEbd.: "München, ÜB, cod. ms. 142" korr.: ..., ris', 'Libellus de lapide philosophorum', 8 ° cod. ms. 142. 'Hortus divitiarum') verbreitet als auch Ebd. zu 2. Hss.: "Cheltenham, Bibl. Phillippica, vereinzelt einem Franciscus (London, Wellcod. 624" ist heute in London, University College, come Inst., Ms. 526) bzw. einem FrancisMS. Germ. 10. Ebd.: "Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. cus Epimetheus ('Pandora', hg. v. H. REUSAug. 87" korr.: ..., cod. Guelf. 87 Aug. 12°. NER, 1582), aber auch einem Arnoldus Sp. 183 Z. 12/13: "Nürnberg, Germ. Nat. Mus., (Dresden, Mscr. N 101) zugewiesen; diese Hs. 2° 966" korr.: ..., Hs Merkel 2° 966. Zuschreibungen sind gänzlich ungesichert. Die Zuschreibung an Elias von Assisi (gest. 1253) in der von B. G. PENOT (1616) Domar, Heinrich [Nachtr.] publizierten Fassung beruht auf der LeZu Bd. 2, Sp. 185: Aus Kenntnis von Angaben gende vom Alchemiker Elias; der gelegentzu einer Alchemicahs., die sich einst im Besitz von lich für den Urheber genommene Jurist JoZ. K. v. Uffenbach befand (vgl. Bibliotheca Uffenhannes -» Andreae (1272/1348) war nur bachiana universalis, Bd. 3, Frankfurt/M. 1730, Verfasser eines in manchen 'D. D.'-FassunNr. 114), wurde eine Identität D.s mit Heinrich gen auftretenden Zitats; und Georg AuDitmar von Heidelberg erwogen (G. Eis, Mal. 2 rach, der um 1470/75 in Straßburg wirkte, Fachprosa d. Artes, in: DPhiA Bd. 2, 1960, kann lediglich als ein 'D. D.'-Kopist gelten Sp. 1148). Diese Vermutung erhärtet nun ein Ver(TELLE, 1980, S. 34). Wider alle diese tradigleich der dt.-lat. 'Collectanea alchemica' D.s in tionellen Verfassernennungen ist der London, British Library, Harley MS. 5403 mit Texten von H. Dytmar in der Hs. Uffenbachs (Ham'D. D.'-Urheber unbekannt; seine Identität

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'Donum Dei'

mit dem Urheber des Bildprogramms steht dahin. 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Die lat. Überlieferung ist in über 50 Zeugnissen des 15. bis 18. Jh.s greifbar (Mitt. von J. Paulus, Heidelberg, dem für einige Hss.hinweise zu danken ist), darunter in folgenden Hss. des 15. und beginnenden 16. Jh.s: Bern, Burgerbibl., cod. B 44, 89r-104r (2. H. 15. Jh.); ebd., cod. 630, 4 V -20 V (1521); Dresden, LB, Mscr. N 101, 66r-82v (1485); Glasgow, University Library, Ferguson MS. 148, 1-74 (16. Jh.); ebd., Ferguson MS. 222, 6v-29r (16. Jh.); Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 4° Ms. ehem. 5, 2 -1 (2. H. 15. Jh.); Katowice, Bibl. Slaska, Rk. 51, 236r-245v (1524); London, British Library, Sloane MS. 2560, 20B11. (15. Jh.); London, Wellcome Institute for the History of Medicine, Ms. 526, 349r-359v (urn 1520); Paris, Bibl. nat., ms. lat. 7147, 77v-87r (1537); ebd., ms. lat. 7171, 32r-56r (16. Jh.); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 23.19 Aug. 4°, 130r-138v (urn 1500); ebd., cod. Guelf. 77.2 Aug. 8°, lr-14v (15. Jh.). Hinzu kamen seit dem 17. Jh. einige Abdrucke, darunter: Tractatus varii, de vera praeparatione, et usu medicamentorum chymicorum, hg. v. B. G. PENOT, Basel 1616, S. 211-236; J. D. MYLIUS, Anatomia auri, sive Tyrocinium medico-chymicum, Frankfurt a. M. 1628, Tl. 5, S. 1-25. An dt. Überlieferungen erhielten sich mindestens 35 Abschriften des 16. bis 18. Jh.s. Zeugnisse des 16. Jh.s enthalten folgende Hss.: Basel, ÜB, cod. L IV l, S. 39-74 (1. H.); Budapest, Orszagos Szechenyi Könyvtär, cod. Germ. 314, 10 r —31 V (1599); Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1049, 35-60 (der dritten Zählung; 2. H.); Dresden, LB, Mscr. J 190, 617-638 (2. H.); ebd., Mscr. N 174, Tl. 2, 2r-48v (1541); Glasgow, University Library, Ferguson MS. 6, 129-147; Hamburg, SB u. ÜB, cod. alchim. 778, 67r-75v (1594; Druckabschrift); Heidelberg, cpg 295, 92r- 100r; Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 4° Ms. ehem. 72, 264r-268v (um 1600); ebd., 4° Ms. ehem. 35, Fasz. 2, 43 Bll. (vor 1587); Leiden, ÜB, cod. Voss. ehem. F. 5, 5r-39v (um 1580/85); ebd., cod. Voss. ehem. F. 15, 285r345V (Ende 16. Jh.; Textabgrenzung unsicher); ebd., cod. Voss. ehem. F. 22, 139r-152r (1586); ebd., cod. Voss. ehem. F. 27, 136v-152r (Ende 16. Jh.); ebd., cod. Voss. ehem. F. 29, 101r-113v (1525); ebd., cod. Voss. ehem. Q. 8, lr-30r (1564); ebd., cod. Voss. ehem. Q. 17, 74V-90V (um 1588); ebd., cod. Voss. ehem. Q. 51, 8 -100 (1563); London, Wellcome Institute for the History of Medicine, Ms. 524, 2 V —38 V (1543; Textabgrenzung unsicher); München, cgm 4227, 26vb-31v (1563); ebd., cgm 4228, lllr-132r, 136r-144v (urn 1578); Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 16752, 4 V —18 r (urn 1578); Prag, Archiv Prazkeho Hradu, Ms.

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LXXIX, 78r-88v (1569); Wien, cod. 11338, 12r50r (1555); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 74 Blank., 798v-811r (2. H.). Erstabdrucke in: Pandora, Das ist l Die Edleste Gab Gottes / oder der Werde [...] Stein der Weisen, hg. v. Hieronymus REUSNER, Basel, S. Apiarius 1582, S. 1-59; auch: Basel 1588, 1598, Frankfurt-Leipzig 1706; Hamburg 1727; Aurei velleris [...] Tractatus Quintus, Basel 1605, S. 244-278; auch: Basel 1614, Hamburg 1708, Hamburg 1718.

Das 'D. D.' gelangte wohl schon seit dem 15. Jh. in mehreren und nach Vorlagen unterschiedlicher Fassungen entstandenen Übersetzungen in die dt. Sprache (PAULUS, 1998, S. 803: 'bislang sind aus dem 16. Jh. mindestens zehn verschiedene Übersetzungen bekannt'; ohne Nachweise). Räumliche, zeitliche, soziale und sprachliche Eigentümlichkeiten dieser bewegten Rezeptionsvorgänge liegen im Dunkel. A u s g a b e . Zahlreiche illustrierte Alchemiegeschichten bieten Reproduktionen von Bildüberlieferungen, so z. B. PLOSS, 1970; TELLE, 1980; VAN LENNEP, 1985. — Le don de dieu. Introduction, transcription et notes par M. GABRIELE. Suivi d'une autre version commentee par A. POISSON, Paris 1988 (Reproduktion einer Bildfassung [l.H. 16. Jh.] nach Vorlage von Verginelli/Rota Ms. 3, Rom, Bibl. dell'Academia Nazionale dei Lincei e Corsiniana; bei dem frz.sprachigen Begleittext handelt es sich jedoch nicht um das hier behandelte 'D. D.'!). — Eine hist.-kritische Ausgabe fehlt sowohl für die lat. als auch dt.sprachige Überlieferung.

3. I n h a l t und Gestalt. Der florilegienartige Text setzt sich aus Exzerpten einschließlich einer zwölfgliedrigen 'Tabula scientiae maioris' zusammen, die der im 14. Jh. aktuellen Alchemieliteratur entstammen und nach Konkordanzprinzip collagiert worden sind. Autoritäten sind u. a. Hermes, -» Geber latinus und ->· Arnald von Villanova. Zur Sprache gelangen theoretische Aspekte einer auf Sol, Luna und Mercurius gegründeten Alchemic und ein etappenreiches Prozeßgeschehen, das vom 'grünen Löwen' (Quecksilber) seinen Ausgang nimmt, eine Coniunctio von 'Mann' und 'Weib' und eine Reductio des Goldes in Materia prima (PutrefactioPhase) einbegreift und im Gewinn einer Tinctura ad album und Tinctura ad rubeum (Universalmedizin) mündet.

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Döring, Matthias — 'Die drei Brüder und das Erbe'

Die allegorischen Res pictae, in Phiolen placiert, entstanden in enger Anlehnung an den Text, visualisieren Decknamen (Drache) und während der alchemischen Wandlungsgeschehnisse auftretende Erscheinungen (Würmer, Nebel, Blumen). Königin und König personifizieren Prinzipien bzw. Arkanstoffe (Sol/Mann, Luna/Weib), Kaiserin und Kaiser das 'unvollkommene' Metalle in Silber und Gold wandelnde weiße und rote Elixier. Das 'D. D.' ist sowohl textlich als auch ikonographisch mit dem Bildgedicht -» 'Sol und Luna' im -> 'Rosarium philosophorum' und mit dem -> 'Splendor sous' [NB] versippt. Ausweislich einer reichen Überlieferung, die sich bis weit in die Neuzeit behauptete, aber auch mancher Übersetzung ins Französische, Englische, Tschechische und Italienische zählt das 'D. D.' zu den wirkmächtigsten Denkmälern der spätmal. Alchemieliteratur. L i t e r a t u r . E.E. PLOSS / H. ROOSEN-RUNGE u. a., Alchimia. Ideologie und Technologie, 1970, S. 146f., 155-158 (Bildproben); J. TELLE, Sol u. Luna, Literar- u. alchemiegeschichtl. Stud, zu einem altdt. Bildgedicht (Schr.n z. Wissenschaftsgesch. 2), 1980, s. v. 'D. D.' u. S. 240-244 (Bildproben); J. VAN LENNEP, Alchimie. Contribution a l'histoire de Tart alchimique. Deuxieme edition revue et augmentee, Brüssel 1985, S. 88 f., 105, 107, 109 f., 132, 135 f., 215 (Bildproben); J. TELLE, D. D., in: Lexikon d. MAs III, 1986, Sp. 1252 f.; J. PAULUS, Das 'D. D.'. Zur Edition eines frühneuzeitlichen alchemischen Traktats, in: Editionsdesiderate zur Frühen Neuzeit. Beitr. z. Tagung d. Kommission f. d. Edition v. Texten d. Frühen Neuzeit, hg. v. H.-G. ROLOFF (Chloe, Bd. 25, Tl. 2), Amsterdam 1998, S. 795-803; J. PAULUS, D. D., in: Alchemic. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft, hg. v. C. PRIESNER / K. FIGALA, 1998, S. U l f .

JOACHIM TELLE

'Dorothea' [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 212 zu A. I. Überl. ergänze: Berlin, mgq 2025, 78 va ~82 rb (vgl. -» 'Passienbüchlein von den vier Hauptjungfrauen'). Ebd.: "Prag, ÜB, cod. IV D" korr.: ..., Narodni Knihovna, cod. IV D 25. Ebd.: "Uppsala, ÜB, cod. 497" korr.: ..., cod. C497. Sp. 213 Z. 3 f.: "Brüssel, Kgl. BibL, Hs. F II, 143" korr.: ..., ms. II 143. Sp. 215 f. zu den Prosalegenden ergänze: Neben 11 Legendarfassungen verzeichnet W. WILLIAMSKRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG20), 1986, Reg. S. 403, insg. 13 eigenständige dt. Prosalegenden.

Dorothea von Hof [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 216f.: Zu ihrer Biographie vgl. den Eintrag in die Klosterchronik von St. Katharina zu St. Gallen (jetzt in Wil/SG; vgl. Angela -> Varnbühler), f. 89r: Item vnser liebt truwi S' [ = Schwester] dorote von hof ist von zit geschaiden am samstag vor der alten fasnacht wz vor S albinus tag im xv vnd j iar. (= 27. Febr. 1501). "Schwester" bedeutet hier "befreundete Wohltäterin", nicht Klosterangehörige (Hinweis W. Fechter f).

Dorothea von Kippenheim OP [Korr.] Bd. 2, Sp. 218: Die Texte der Colmarer Hs. 717" wurden nicht von der im Artikel genannten D. v. K. übersetzt, sondern von einer gleichnamigen Schwester, die Anfang des 16. Jh.s im Unterlindenkloster lebte; vgl. K.-E. GEITH, Eine dt. Übers, der Vita Sancti Udalrici des Bern v. Reichenau aus Unterlinden zu Colmar, in: Durch aubenteuer muess man wagen vil. Fs. f. A. Schwob zum 60. Geb. (Innsbrucker Beitr. z. Kulturwissenschaft. German. Reihe 57), Innsbruck 1997, S. 109-118. Vgl. auch -> 'Ulrich von Augsburg', B. 9.

'Vom Dreck' -» 'Spottgedicht auf abenteuerliche Minne' 'Drei Bauernprozesse' II (C. II. 20.)

Döring, Lorenz -* Thüring, L. Döring, Matthias OEM [Korr.]

Raber, Vigil

'Die drei Brüder und das Erbe'

Bd. 2, Sp. 209 Z. l f.: "cod. 136 [früher C. 14] der Stiftsbibl. Melk" korr.: cod. 127 (olim 136/ C14) ... .

Nürnberger Fastnachtspiel, 445 vv., aus dem Umkreis des Hans -» Folz.

Dorlandus (Dorlant), Petrus (B. III.) [NB]

Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 18. 12. Aug. 4° (= G), 47V-57V (zit.), vom Schreiber Gb, einem 'Nürnberger Be-

'Anna'

381

'Die drei Brüder und das Erbe'

382

Pegnitzdorf kommende Bauern (78,8f.). Spielzusatz ist das präludierende Streitgespräch der drei Brüder. Auf die Anklage der jüngeren Brüder entgegnet der dritte, er habe, weil er wie der Vater der älteste A u s g a b e . KELLER (K), Fsp. I, Nr. 8, S. 75-90 und III, S. 1485 f. sei, Alleinrecht auf das Erbe. Als Knechte Wie MICHELS zuerst erkannte, besteht in seinem Dienst erwiesen sich die jüngedieses 'unfertige Konzept' (G. SIMON) aus ren Brüder zudem als faule lecker (81, 18). zwei ursprünglich selbständigen Spielen. Die vom Vater auferlegten Bedingungen — Auf der Kölner Spieltitelliste (Hj. Linke, wie sich die Brüder den Birnbaum zu teilen bisher unveröffentlicht) erscheinen sie als haben, wer den Bock erben soll (der sich 'Kartenkönig' (K 8a) und 'Der Erbstreit ihn am größten vorstellt) und wer die dreier Brüder' (K 8b). K 8a (75,1-78,4) ist Mühle besitzen soll (der die größte Lüge ein kurzes Rätselspiel (93 vv.). Ein kunick über seine Faulheit erfindet) — sind gegennit reich aus unbekanntem Land (75,6 f.) über Steinhöwels kompakter Fabel erweiSpielfassung befragt vier Räte vor gericht, warum man tert.r Die in der lückenhaften V (55 untere Hälfte leer, 55 nur drei Textseinen adel verachte und ihm uner erzeige zeilen) fehlende Lüge des ältesten Bruders (75, 17/25). Als der dritte Rat das dem König von veinden angetane [aster genauer (der Verdurstende steht im Wasser ohne zu beschreibt (man wirft ihn widers pflaster, trinken) ist aus Steinhöwel ergänzbar. Der tritt auf ihn mit Füssen, zerreißt ihn im Spielredaktor überträgt den abweisenden kartten spil, 77, 7—12), ergibt sich, daß Entscheid des Steinhöwelschen Richters der Kläger ein Kartenkönig ist. Die Räte (Prozeßläufer, haderman, verdienen keinen urteilen, selbst ein König könne nicht alle Rechtsspruch) auf den Auß schreyer. An Untaten rächen. Er solle nur das notigst das vermutliche Ende der Erstfassung ausrichten, rät der 'ausschreiende' Schwert (Nr. 8b) hängt er ein unvermittelt abtrager, denn der Hof müsse jetzt zum thor brechendes Nachspiel (in G folgen drei leere Bll.). In einem zur Schlägerei ausarhinauß (78,3 f.). tenden Gezänk mit fastnachtspieltypischen Die Titelrubrik, Ein spil von dreyen Schimpftiraden verhöhnt der älteste die bruedern die rechtent vor eint konig vmb V zwei jüngeren Brüder wegen des Mißerain mül pock vnd vmb ain paum (47 ), bezieht sich nur auf das zweite Spiel. Es dra- folgs ihrer Klage. K 8 gehört zu einer Gruppe von 12 von matisiert, wie STIEFEL nachwies, die dreizehnte der als 'Extravagantes' bezeichne- Gb aufgezeichneten Spielen, die man von ten Fabeln, von ainem vatter und dryen sü- MICHELS bis CATHOLY aus sprachlichen nen, in Heinrich ->· Steinhöwels (7.) 'Eso- und technischen (Stichreim) Gründen pus'. Steinhöwel verarbeitete drei Erb- Hans Folz zuschrieb. Die 2 heutige Forstreiterzählungen der ->· 'Gesta Romano- schung (J. JANOTA, in: VL 2, 1980, rum'. Der Spielredaktor versifiziert Stein- Sp. 779) rechnet sie zur 'Fastnachtspielhöwels Prosaübersetzung, die Johann Zai- szene' um Folz. ner 1476/77 in Ulm druckte, stellenweise L i t e r a t u r . H. OESTERLEY (Hg.), Steinhöwels (82,22-87,7) fast wörtlich (STIEFEL, S. 7- Äsop (StLV 117), 1873, S. 224-226; A. L. STIEFEL, 10). Diese bei Fastnachtspielen seltene Vor- Ein Fastnachtspiel des Hans Folz u. seine Quelle, lagentreue erlaubt Einblick in die Werk- Herrigs Archiv 90 (1893) 1-12; V. MICHELS, Stud, statt eines zwischen 1477 und 1486 tätigen über die ältesten dt. Fastnachtspiele (QF 77), 1896, S. 214, 224 f.; E. CATHOLY, Das Fastnachtspiel des Nürnberger Spielschreibers. SpätMAs (Hermaea NF 8), 1961, S. 182, 263 f.; W. Steinhöwels Richter ersetzt der RedakLENK, Das Nürnberger Fastnachtspiel des 15. Jh.s tor durch den aus Nr. 8a übernommenen (Dt. Ak. d. Wiss. zu Berlin, Veröff. d. Inst. f. dt. König und seine Räte. Die drei um das vä- Sprache u. Lit. Reihe C, Beitr. zur Lit.wiss. 33), terliche Erbe streitenden Brüder, bei Stein- 1966, S. 52; G. SIMON, Die erste dt. Fastnachtspielhöwel ständisch neutral (in den 'Gesta Ro- tradition (Germ. Stud. 240), 1970, S. 20; TH. HAmanorum' Königssöhne), sind aus einem BEL, Vom Zeugniswert der Überlieferungsträger.

rufsschreiber' (HABEL, S. 119), um 1486. Sammelhs., 1494, aus dem Besitz des Augsburger Kaufmanns Claus -> Spaun (G. SIMON, S. 20, 107-118; HABEL, S. 119-126, 132f.).

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'Die drei Lebenden und die drei Toten' — 'Von dreierlei geistlichem Sterben'

Bemerkungen zum frühen Nürnberger Fastnachtspiel, in: Artibus. Fs. D. Wuttke, hg. v. ST. FUSSEL u.a., 1994, S. 103-134.

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Auf Grund der vielfachen Übereinstimmungen mit der kürzeren Fassung des 'Neunfelsenbuches' (i. F. 'NF'; s. Rulman ECKEHARD SIMON -»· Merswin, III.3.) kommt STRAUCH zur Ansicht, diesem und 'Von dreierlei geistli'Drei Eheverweigerer' (KELLER, Fsp. 108) chem Sterben' (i. F. 'G. St.') liege eine ge-»· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' meinsame Quelle zugrunde. Ich möchte indes keineswegs ausschließen (was STRAUCH 'Die drei Lebenden und die drei Toten' als 'nicht recht vorstellbar' [S. 287] betrachtet), daß 'G. St.' aus dem 'NF' ent[Korr.] lehnt hat. Die durchaus späte ÜberliefeBd. 2, Sp. 227 zu 5.d): "Hamburg, SB u. ÜB, rung der Textzeugen ist ein Hinweis auf cod. 102c fol., 76 a in scrinio" korr.: ..., cod. 102c diese These. in scrinio. Der unbekannte Autor ersetzt die Bewohner der neun Felsen durch neun 'Ge'Die drei Nonnen' -» 'Gespräche dreier sellschaften der Gottesfreunde', doch gilt Frauen' [NB] dies erst von der dritten Gesellschaft an (298,5). Die Bildwelt des 'NF' fehlt vollständig. 'Dreibilderserie' entfällt. 'G. St.' dürfte auch andere Quellen als Dreierserie med. Demonstrationszeichnungen 'NF' verwertet haben, so im Anfang (288 — ('Wundenmann', 'Krankheitenmann' und 'Krank292,11), der von drei geistlichen toden heitenfrau'/'Schwangere'). Vgl. -» Kirchheimer, Johandelt: in dem ersten müssen wir sterben hannes, II.; ferner G. KEIL, in: Lexikon d. MAs III, den Sünden, zu dem ändern mal müssen 1986, Sp. 1373 f. wir sterben unserm nächsten, zu dem dritDie Beitexte des 'Wundenmann' (lat., in einer ten mal mit unserm lieben hern an dem Hs. auch dt.) basieren auf der 'Wundarznei' -> Orkrücz (290,7-9). Man sieht, daß der Titel tolfs von Baierland; vgl. -> 'Wundenmann'-Text. auf diesem Vorhaben beruht. Indes kommt zunächst nur das erste Sterben zur Darstel'Von dreierlei Abgründen' [Nachtr.] lung (291,7-293,7). Die Thematik wird erst nach den neun 'Gesellschaften' mit ihBd. 2, Sp. 230 f.: Der Traktat ist wohl dem Franren 'NF'-Elementen wieder aufgenommen: ziskaner Heinrich -> Vigilis zuzuschreiben. das sterben unserm nächsten 305,25, das Sterben mit dem Herrn am Kreuz 307,11, 'Von dreierlei geistlichem Sterben' das zu den eindrucksvollsten Partien des Dt. Traktat aus dem Umkreis der Straß- Textes gehört. Mittelpunkt und Höhe des Traktats ist burger Gottesfreunde. die Schilderung des vollkommenen (heyli1. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 218, gen) Menschen, der alle Dinge Gott zu172vb-183va; cgm 281, 116r-121r; cgm 458, schreibt und sich selber nur die Sünden, r v r v r r 182 -201 ; cgm 462, 13 -29 ; cgm 830, 62 -77 ; des Menschen, der im Lichte der göttlichen r v cgm 841, 204 -219 (STRAUCH, S. 288). Dieser BeWahrheit seine eigene Nichtigkeit wahrstand konnte nur um eine Hs. erweitert werden: nimmt und von aller creatur ledig ist Straßburg, Bibliotheque nat. et univ., ms. 1997 r r (304,19f.; 305,11-13). (olim L germ. 80), 36 -61 . 3. Der Form nach ist 'G. St.' ein SoliloA u s g a b e . PH. STRAUCH, Zur Gottesfreundquium, kein Dialog wie 'NF' (mensche/ Frage. I. Das Neunfelsenbuch, ZfdPh 34 (1902) entwurte}. Der Verfasser spricht den Leser 235-311, hier S. 288-311 auf Grund des cgm 830 öfter unmittelbar in hymnisch beschwingmit Laa. der übrigen Hss. im Apparat. ter Diktion an. Doch ist die Grundhaltung 2. Der Traktat hat die Form einer Pre- lehrhaft, freilich nie in scholastischer Madigt und würde besser dieser Gattung zu- nier, immer in ernsthaftem Bemühen und engagiert. geordnet.

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'Dresdner Gärtlein' — 'Dresdner Liebesbriefe'

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3. Der Schreiber der Dresdner Hs., der laut Kolophon Bl. 79vb seine Arbeit am 8. Juli 1447 abgeschlossen hat, ist der auch K. RUH sonst als Schreiber bekannte Peter Grieninger. Sollte er, wie man vermutet hat, iden'Dreifaltigkeitslied In dem begin' -» 'Gra- tisch sein mit dem Redendichter Peter -»· num sinapis' Groninger, so wäre seine Autorschaft auch für die 'D. L.' zu prüfen. Die Aufzeichnung Dreikönigsspiele -»· 'Benediktbeurer Weih- in zwei getrennten Blöcken (Überschrift nachtsspiel' (IV.3.); -»· 'Erlauer Spiele' (Er- beidemale Vna littera amoris) und partielle lau II); -»· 'Freiburger D.'; vgl. -» Weih- Textverderbnisse (fehlende Verse: Nr. 20, nachtsspiele [Verweisstw.] Z. 20 a; Nr. 21, Z. 148 a; Crux: Nr. 21, Z. 234—237) zeigen den Sekundärcharakter der Aufzeichnung und machen Grienin'Dresdner Gärtlein' [Korr.] gers Autorschaft nicht gerade wahrscheinBd. 2, Sp. 232 Z. 6 f.: "Dresden, LB, cod. 278" lich. korr.: ..., cod. M 278. 4. Die acht Liebesbriefe gehören in die Tradition der Ars dictaminis, deren for'Dresdner Liebesbriefe' male Anwendung hier jedoch nur bedingt stimmig ist. Der Einleitungsbrief (Nr. 20, Acht Liebesbriefe in Versen; ostschwä69 vv.) präsentiert sich als eine Art Vorbisch, spätes 14. Jh. schau auf die folgende topische Thematik, 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Dresden, LB, Mscr. M 68, die in den Briefen variiert wird: Frauen51vb-52rb, 54ra-55va. preis mit anaphorischen Grußreihungen, Anklänge an geistliche Liebesmetaphorik, A u s g a b e n . E. MEYER, Die gereimten LiebesMinnesang-Terminologie und -Ideologie. briefe d. dt. MAs. Mit einem Anhang: Ungedr. Liebesbriefe aus d. Dresdener Hs. M 68, 1899, S. 99Dominant erscheint das sprechende lyri108; P. HEFTI, Codex Dresden M 68 (Bibl. Germ. sche Ich, das zu der eingebetteten Rede ei23), 1980, S. 310-312, Nr. 20; S. 323-332, Nr. 21 nes Briefs als Boten (v. 30 f.) überleitet (ich (zit.). pin ain prief, du solt mich lesen [v. 54f.]; 2. Die Sammelhs. Dresden M 68 enthält entsprechend erscheint der Verfasser des unter den Nrn. 20 und 21 acht Liebesbriefe Briefes in der 3. Person: er ist an frauden (in 69 + 308 Reimpaarversen; die Briefe 2 ungenesen [v. 55 — 58]). Der Schluß versibis 8 in Nr. 21 sind nur durch zwei Zeilen chert die Dame der totalen Hingabe des hohe Initialen getrennt). Die beiden Text- Liebenden. Der Umfang der folgenden sieben Briefe blöcke sind zwar durch einen Marienpreis (in Nr. 21) schwankt zwischen 28 und 56 (Nr. 20 a, -»· 'Salve regina' II.3.) auseinanVersen. Sie sind durchgängig in der Ichdergerissen, doch besteht heute Einigkeit darüber, daß man hier von einem 'Zyklus Form geschrieben, fallen aber gelegentlich von acht gereimten Liebesbriefen' (MiHM, von der Anrede der Geliebten in ein Reden S. 497) sprechen kann, von denen der er- über sie (v. 95 ff.). Kern der geäußerten ste wohl als 'Einleitungsbrief' (BRANDIS, Bitte ist immer wieder die Möglichkeit S. 65) zu den sieben folgenden zu gelten zum direkten Gespräch (v. 59, 71, 95) oder hat. Ebenso ist man neuerdings überzeugt, zu einem heimlichen Treffen (v. 144, 241 f., daß diese Briefe, entgegen der Hypothese 283). Auffällig ist die häufige Mischung MEYERS (Rez. 1899, bes. S. 371), nicht in von geistlicher und weltlicher Preis-Metadie Lücke der -* 'Konstanzer Liebesbriefe' phorik (v. 136 f., 172, 226, 233) trotz der gehören, sondern daß sie gegenüber jenen eindeutig weltlichen Adressatin. Die Wieeine eigene Tradition darstellen. Vergleich- derholung und Steigerung der Themen im bare Briefcorpora sind im 14./15. Jh. in letzten Brief scheint eine ansteigende Dyunterschiedlichen Formen auch sonst be- namik in der Abfolge zu intendieren, ohne legt (SCHULZ-GROBERT, Kap. 4). daß diese aber sehr überzeugend wäre. L i t e r a t u r . STRAUCH (s. Ausg.); ein Hinweis im Rulman -> Merswin-Artikel von G. STEER, 2VL 6, Sp. 428.

387

388

'Von den drin fragen' — Der von Durlach

5. Da in allen Briefen des Corpus in Thematik und Metaphorik verbreitete Topoi verwendet werden, ist es kaum möglich, über wenige Entlehnungen hinaus (z. B. aus der 'Minnelehre' ->· Johanns von Konstanz [MEYER, Rez.; HEFTI, S. 27 f. und 326 zu 21,108 ff.]; -> Rudolfs von Ems 'Willehalm' [HENRICH, S. 553]) literarische Quellen der 'D. L.' freizulegen. L i t e r a t u r . E. MEYER, Rez. zu Ritter, AfdA 25 (1899) 370-379; K. ZWIERZINA, Rez. zu E. Meyer, DLZ 22 (1901) 468-472; A. HENRICH, Zu den gereimten D. L.n, PBB37 (1912) 552-555; A. MIHM, Überl. u. Verbreitung d. Märendicht, im SpätMA, 1967, S. 92—96; BRANDIS, Minnereden, S. 65 Nr. 119, Nr. 120-126; J. PURKART, Botenrolle u. Botenlied. Ein Beitrag zur Gesch. der mhd. Liebesbriefe, Diss. (masch.) Univ. of Massachusetts, Amherst 1970 (nicht eingesehen); GLIER, Artes amandi, 1971, S. 385, 401 f.; R. LEIDERER, Zwölf Minnereden des Cgm 270, 1972, S. 28-34; Rez.n zu Hefti, Ausg.: I. GLIER, Leuv. Bijdr. 72 (1983) 304-306; H. FROMM, Monatshefte f. dt. Unterricht, dt. Sprache u. Lit. 74 (1982) 496-498; J. SCHULZ-GROBERT, Dt. Liebesbriefe in spätmal. Hss., 1993,5.48-56.

Dringenberg (Tringenberg), Ludwig [Korr.] Bd. 2, Sp. 236 unten: "in einer Hs. des damaligen Reichsarchivs Moskau (Add. Ms. 1327)" = heute: Moskau, Rossiskij archiv drevnich aktov, Fond 181, Nr. 1358, mit 'De consolatione philosophiae' des Boethius Bl. lr-103r und D.s Glossar und Kommentar Bl. 110ra-230rb. Vgl. R. D. SCHIEWER u. H.-J. SCHIEWER, Amorbacher Hss. in Moskau, in: Fata libellorum. Fs. Fj. Pensel (GAG 648), 1999, S. 239-261, hier S. 256.

'Düdesche Arstedie' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 238 Anfang des Art.: "Gotha, LB, cod. Chart. 980" korr.: ..., Forschungs- u. LB, cod. Chart. A 980. Ebd. petit-Abschnitt, ergänze zu den Hss.: Hamburg, SB u. ÜB, cod. 97 in scrinio, Einzelbl., hg. v. G. MELLBOURN, Ein Hamburger Frgm. der D. A,, in: G. MELLBOURN u. a. (Hgg.), German. Streifzüge, Fs. G. Korlen (Acta Univ. Stockh. 16), Stockholm 1974, S. 141-159.

'Der Durchfallkranke' II (C. II. 19.)

Raber, Vigil

WALTER BLANK Der von Durlach [Korr.] 'Von den drin fragen' [Korr.] Bd. 2, Sp. 234 Überl.: "Salzburg, St. Peter, cod. 6 IV 22" körn: ..., cod. b IV 22.

Bd. 2, Sp. 248: "mgo 191" korr.: mgq 191.

Dyetricus ->· Dietrich; -cus

E Ebendorfer, Thomas [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 259 nach Mitte: streiche den kleinen Abschnitt "Von kleineren theologischen Schriften ... LH. Nr. 31." Der Traktat 'De antichristo ...' stammt nicht von E., sondern von Peter Reicher von Pirchenwart; vgl. P. UIBLEIN, Th. E. von Haselbach (1388-1464), Perchtoldsdorf 1988, S. 37 f. Sp. 261 Z. 15 nach "(Ln. Nr. 188)" ergänze: Fontes rerum Austriacarum 11/80, 1974, S. 174— 177 (LH. Nr. 139). Sp. 263 zu 3.2. Überl.: "Wien, Haus-, Hof- und Staatsarch., cod. 258" korr.: ..., Hs. Böhm 258. Sp. 264 Z. 5: "Arch. f. österr. Gesch. 120" korr.: ... 120, Heft 2. Sp. 265 Z. 7: " 'De regimine principium' " korr.: 'De regimine animarum'. Sp. 265 zu Lit. ergänze: W. JAROSCHKA, Unbekannte Ulrichs- und Maximiliansüberlieferungen u. ihre Verwertung bei bayer. u. österr. Historiographien, MIÖG65 (1957) 98-105.

Eberhardi, Ulrich [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 287 zu Z. 2 des Artikels: E. stammte aus Klosterneuburg, war dort aber nicht Kanoniker. Sp. 288 zu Z. 5 u. zu Überl.: Die Abschrift des 'Modus latinitatis' in cgm 690 ist nicht auf 1471, sondern vermutlich in die späten 80er Jahre zu datieren. Vgl. P. UIBLEIN, Die Kanonisation des Markgrafen Leopold und die Wiener Univ., in: ders., Die Univ. Wien im MA, 1999, S. 489-536, hier S. 512 f. (der Aufsatz zuerst erschienen im Jb. des Stiftes Klosterneuburg NF 13 [1986] 21-58).

Ebernand von Erfurt [Korr.] Bd. 2, Sp. 293 (Lit.): "J. SCOTT, E. v. E., Diss. Princeton 1973" korr.: J. W. SCOTT, Keisir unde Keisirin. By E. v. E. A new Edition, Diss. Princeton Univ. 1971. Es handelt sich um eine neue Ausgabe, die Sp. 291 zu ergänzen wäre.

Ebner, Christine [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 302 Z. 8 f.: "Katharina von Gebweiler" korr.: ... Gebersweiler.

Ebd. Z. 9ff.: " 'Katharinentaler ... Schwesternbuch' " korr.: -»· 'Diessenhofener ...'. Das 'D. Seh.' wurde aber jetzt u. d. T. 'St. Katharinentaler Schwesternbuch' v. R. MEYER herausgegeben (MTU 104), 1995.

Ebo von Michelsberg OSB [Korr.] Bd. 2, Sp. 306 Ausg.n: "[Berlin], Ms. theol. lat. 208" [so im Titel der Ausg.!] korr.: ... Ms. theol. lat. qu. 208.

Ebran, Hans, von Wildenberg [Korr.] Bd. 2, Sp. 308 unten / 309 Z. 1: "Weimar, Zentralbibl. ..., cod. Pap. Nr. 78" korr.: ..., Herzogin Anna Amalia Bibl., cod. Fol. 78. Sp. 309 Z. 7 von unten: "-> 'Scheyerer Chronik' " korr.: -*· 'Scheyerer Fürstentafel'.

'Ecclesiastica officia' der Zisterzienser (dt.) ->· Zisterzienser-Konstitutionen (dt.) Eckel, Peter -» Peter von Haselbach [Bd. 7 u. NB] 'Eckhart-Legenden' [Korr.] Bd. 2, Sp. 351 zu 2.: "Wien, cod. 12876" korr.: ..., cod. Ser. nova 12875. Ebd. Z. 6 von unten: "cod. 12875" korr.: cod. Ser. nova 12875. Sp. 353 Überl.: "Freising, Bibl. des Erzbischöfl. Klerikalseminars, cod. K. la. 17" korr.: heute Freising, Dombibl., Hs. 20.

'Von ainem edelman seiner frauen, die sich understuont ...' (KELLER, Fsp. 46) ->· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Edlibach, Gerold [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 357 Überl., zu a): Eine Abschrift der Chronik ebd., Ms. A 77, v. J. 1506; vgl. -> 'Zürcher Geschützbuch'. Ebd. zu b): "cod. W 3 AG 21" korr.: AG 21.

391

'Edolanz' — 'Egmonder Osterspiel'

'Edolanz' [Korr.] Bd. 2, Sp. 359, zu Überl. u. Ausg.: Das Seitenstettener Frgm. befindet sich noch im dortigen Archiv (ohne Sign.); vgl. W. HOFMEISTER, Neu-Edition des Seitenstettner Edolanz-Frgm.s A: ein philologisches Abenteuer, in: Fs. A. Schwob zum 60. Geb., Innsbruck 1997, S. 159-175.

392

B'); ohne Melodien nachgedruckt von H. DE BOOR, Das holländ. Osterspiel, Acta Germanica 3 (1968) = Fs. Rosteutscher, S. 47-52; LOO V, 1976, S. 1696-1701, Nr. 827 (nur Text, zit.).

Das . O.' ist ungeachtet der zeitlichen und geographischen Distanz textlich, musikalisch und im Aufbau aufs engste verwandt mit dem -»· 'Maastrichter Oster'Die eefrau, wie sie iren man verklagt vor spiel'. Eigentümlichkeiten beider sind inshofgericht' (KELLER, Fsp. 40} ->· 'Rosen- besondere die prosaische Hortulanus-'Szeplütsche Fastnachtspiele' ne' (ohne die -Strophen) und ein Peregrinusspiel (ohne Mahl), das ungewöhnlich unmittelbar an die Benachrichtigung der Effrem der Syrer [Nachtr.] Jünger von der Auferstehung Jesu (mitBd. 2, Sp. 361: Zu weiterem Einfluß E.s in der tels der vollständigen Ostersequenz) anlat. und dt. mal. Lit. (Ahd. -> 'Tatian', -» Otfrid, schließt. Beide Spielüberlieferungen ergän-> 'Muspilli', -> Hildegard von Bingen, -> 'Väterzen einander. Die Egmonder enthält auch buch') vgl. M. SCHMIDT, Oriental. Einfluß auf d. den in Maastricht verlorenen Anfang in dt. Lit. Quellengeschichtl. Stud, zum 'Abraham' Gestalt der Weg- (B-) und der Kauf- (C-) der Hrotsvita v. Gandersheim, Colloquia GermaStrophen, bietet dagegen als 'reine Musiknica 2 (1968) 152-187; dies., Zu den orientaliquelle' (LiPPHARDT, S. 827) an Rubriken schen Einflüssen auf die dt. Lit. d. MAs. 1. Der Einfluß Ephräms auf die dt. Lit. d. MAs, ZfdPh 90 fast nur die nackten Rollenbezeichnungen, (1971) 1-15, hier S. 1-13; dies., Influence de während die Maastrichter als 'SpielordinaSaint Ephrern sur la litterature latine et allemande rium', das 'für den Regens ludi geschrieben du debut du Moyen Age, Parole de ['Orient IV wurde' (ebd.), eine Vielzahl von Anwei(1972) 325—341; dies., Ephraem Syrus, in: Lexisungen zur Raum- und Bewegungsregie, kon d. MAs, Bd. 3, 1986, Sp. 2052-2054 (mit weizur Gestik und zum Stimmausdruck, zur terer Lit.). liturgischen Gewandung und zum Rollenkostüm aufweist. Ferner verbürgt sie das hohe Alter (um Meister Eger [Korr.] 1200) des erst drei Jahrhunderte später Bd. 2, Sp. 369 Lit.: "Sudhoffs Arch. 8 (1951)" (nach LIPPHARDT, S. 827 etwa 1491) aufkorr.: ... (1915). gezeichneten . O.s'. 'Das Eggenziehen' (KELLER, Fsp. 30) -> L i t e r a t u r . SMITS VAN WAESBERGHE (s. Ausg.n), 1953, S. 19-30; H. DE BOOR, Die Textgesch. d. lat. 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Eggestein, Heinrich [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 372 Z. 11 von unten: Nach "Zweite deutsche Bibel" füge ein: (vgl. -» Oberdeutsche Bibeldrucke, 2.). Sp. 373-375, zu II.l. vgl. - 'Türkenkalender' (dort auch zur Verfasserfrage).

'Egmonder OsterspieF (lat.)

Osterfeiern (Hermaea NF 22), 1967, S. 330-336, 342—344 u. ö. (s. Reg. u. 'Holländisches Osierspiel'); W. L. SMOLDON, The Music of the Medieval Church Dramas, London 1980, S. 181-185; K. K. POLHEIM, Das Admonter Passionsspiel, Bd. 2: Unters, z. Überl., Sprache u. Osterhandlung, 1980, S. 381 f. u. ö. (s. Reg. u. 'Holländisches Osterspiel'); W. LIPPHARDT, LOO VIII, 1990, S. 822 f., 827; Hj. LINKE, Osterfeier u. Osterspiel, in: Osterspiele, hg. v. M. SILLER (Schlern-Schriften 293), Innsbruck 1994, S. 121-133.

HANSJÜRGEN LINKE

Ü b e r l i e f e r u n g . Den Haag, Kgl, Bibl., ms. 71 J 70 (Hymnar der Benediktiner-Abtei St. Adalbert in Egmond), f. 163V- 170r. 15. Jh. Gotische Hufnagelnotation auf 4 Linien.

'Ein Ehebrecher vor Gericht' (KELLER, Fsp. 88) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'

A u s g a b e n . J. SMITS VAN WAESBERGHE, Musica Disciplina 7 (1953) 31 — 37 mit Melodien ('Fassung

'Ein Ehebruch-Prozeß' (KELLER, Fsp. 10) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'

393

'Ehestreit'

394

der, um die seine Frau ihn beneide: laßt mich euch nit sein vnmer l Vnd laßt es besteen hin als her (55,12f.). Den Streit mit 'Eheliche Verdächtigungen' (KELLER, Fsp. einem Weintrunk schlichtend, verteidigt der Schwager (geuatter) den man: er habe 19) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' in der gantzen pfarr einen hervorragenden Ruf und sei bei jeder Heirat und Beratung 'Ehestreit' willkommener Gast (57,4—7). Sein nachtNürnberger Fastnachtspiel aus dem Um- paur stimmt ihm zu und ruft zum versöhnenden Schlußtanz auf. kreis des Hans -> Folz, 154 vv. Im Unterschied zu anderen FastnachtÜ b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. spielen (KELLER, Fsp. 3, 31, 55, 56, 57, 114) Bibl., cod. Guelf. 18. 12. Aug. 4° (= G), 36r-39r mit der traditionellen Schwankfigur der (zit.) vom Schreiber Gb, um 1480, einem Folz nabösen Frau (vgl. 'Die ->· böse Frau' [Bd. l hestehenden (SiMON, S. 20, 112) 'Nürnberger Beu. NB]) begründet und relativiert der .' rufsschreiber' (HABEL, S. 119, 126), der die Mehrihre Boshaftigkeit mit 'sozialen Argumenzahl (51) der Nürnberger Fastnachtspiele des 15. Jh.s aufzeichnete. Sammelhs. (1494) aus der Biten'. Gegenüber ihrem Mann, dem Trinbliothek des Augsburger Kaufmanns Claus -> ker, der seine Kinder hungern läßt und den Spaun (SIMON, S. 20, 107-118; HABEL, S. 119Diebstahl zugibt (53,17), 'ist die Ehefrau 126, 132 f. Abb. l, 2). mit Berechtigung das "böse Weib"' (LENK). Unter Verzicht auf den rahmenden 'AusA u s g a b e . KELLER, Fsp. I, Nr. 5, S. 53-57, III, schreier' integriert das Einkehrspiel DarS. 1481. steller und Zuschauer, die mit den in der Ein spil von einem pauren wie er seim Stube zechenden lieben freunt (55,22) gfattern ain hasen schenckt vnd wie in sein identisch sind. Im Prolog begrüßt sie der weyb darumb handlet (Spauns Registerti- man (guten abent, jr frumen, 53,4), im tel, ) ist ein 'EhezankspieP (BASTIAN, Epilog fordert der paur die Spieler auf, S. 102) mit vier Sprechern. Um Sippenbin- Tänzerinnen aus dem Publikum zu wählen dung und freuntschaft (53,20) zu stärken, (CATHOLY, S. 183). Die Spielzeit fällt mit schenkt ein Ehemann (der man) seinem der gespielten Zeit zusammen: Hase und schwager, der offenbar nur sehr weitläufig der Käse — mit dem die Schwägerin vaßoder gar nicht mit ihm verwandt ist nacht krapffen backen soll (53,16) — sind (54,33—55,11), einen Hasen und seiner zum Fastnachtabend (Stubenspiel bei KerSchwägerin einen Käse. Seine erzürnt ein- zenlicht) überreichte Geschenke. Der (dreitretende Ehefrau Grete beschuldigt ihn, mal verwendete) Stichreim ist für die aus den Proviant ihrem Haushalt diplich dem Folz-Kreis stammenden Fastnacht(54,28) entwendet zu haben. Er verprasse spiele charakteristisch. und vertrinke ihre Vorräte mit dem SchwaL i t e r a t u r . V. MICHELS, Stud, über d. ältesten ger und seinen undankbaren Freunden und dt. Fastnachtspiele (QF77), Straßburg 1896, lasse sie und ihre kint verhungern (dorr S. 214; E. CATHOLY, Das Fastnachtspiel des Spätmaulen, 54,6). Sie wolle seine schant MAs (Hermaea NF 8), 1961, S. 183 f.; W. LENK, nicht mehr verheimlichen, daß er mit der Das Nürnberger Fastnachtspiel des 15. Jh.s (Dt. marschtzen einen panckhart gezeugt habe Ak. d. Wiss. zu Berlin, Veröff. d. Inst. f. dt. Spra(56,7—10). Seine hurerey fressen vnd sauf- che u. Lit., Reihe C, Beitr. z. Lit.wiss. 33), 1966, fen (55,20) sei so anrüchig, daß der pfarrer S. 105 f.; G. SIMON, Die erste dt. Fastnachtspieltraihm den pan androhe (54,22) und sie ihn dition (Germ. Stud. 240), 1970, S. 20, 107-118; beim Richter (zweideutig offitzagel 54,29) H. BASTIAN, Mummenschanz. Sinneslust u. Gefühlsbeherrschung im Fastnachtspiel des 15. Jh.s, verklagen werde. 1983, S. 102 f., 169; TH. HABEL, Vom Zeugniswert Der kurz zu Wort kommende Ehemann der Überlieferungsträger. Bemerkungen zum frügibt nur einen ihrer Vorwürfe zurück (sie hen Nürnberger Fastnachtspiel, in: Artibus. Fs. D. habe sich ihrerseits mit einem munch ver- Wuttke, hg. v. ST. FUSSEL u. a., 1994, S. 119-126, gnügt, 56,24). Im übrigen plädiert er mit 132 f. seinem Schwager und lobt seine ZechbrüECKEHARD SIMON 'Ehekrieg' (KELLER, Fsp. 3) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'

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'Ehren und Höhnen' — 'Eichstätter Konventsregel des Heilig-Geist-Spitals'

'Ehren und Höhnen' [Korr.] Bd. 2, Sp. 385 unten: "Karlsruhe, LB, cod. 408" korr.: ..., cod. K 408.

'Eichenmisteltraktat' [Korr.] Bd. 2, Sp. 393 zu Lit. u. Ausg.n, Ende: "A. HOEGEMANN .... 1979" korr.: Die Diss. ist 1981 u. d. T. Der altdt. Eichenmisteltraktat. Unters, zu einer bair. Drogenmonographie d. 14. Jh.s (WmF 19) erschienen.

Eichmann, Jodocus [Korr.] Bd. 2, Sp. 396 unten: Der Anteil E.s am 'Vocabularius predicantium' war den Vorreden der Drucke zufolge erheblich und beschränkte sich nicht auf die Bereitstellung von Material aus seinen Predigten; vgl. Johannes -> Melber.

'Eichstätter Konventsregel Geist-Spitals'

des

Heilig-

Ü b e r l i e f e r u n g . Philadelphia, Univ. of Pennsylvania Library, Ms. Ger. 69 (11B11.; um 1250, Datierung nach Bernhard Bischoff). A u s g a b e . A. BAUCH, Die neuentdeckte Regel des Heilig-Geist-Spitals zu Eichstätt, Sammelbl. d. Hist. Ver. Eichstätt 64, Jg. 1971 (1972) 7-84, Ed. u. Übers. S. 12-51.

Die . K.' wurde auf Bitten einer bruderschaftlichen Vereinigung vermutlich vom Eichstätter Bischof Heinrich IV. (1247-1259) erlassen. Das Ziel der Gemeinschaft war von Anfang an die Errichtung einer Spitalverbrüderung mit klösterlicher Lebenshaltung, in der sich Laien, Brüder und Schwestern, ganz der Pflege der Armen und Kranken widmeten. Als Stifter des Spitals gilt der mächtigste Adelige in der Diözese, Graf Gebhardt VI. (1245 — 1275), der in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu Bischof Heinrich IV. stand. Urkundlich bezeugt ist, daß er am 10. März 1254 den Baugrund für das Eichstätter Heilig-Geist-Spital stiftete (in qua fundamentum est hospitale], eine der wenigen mal. Institutionen, die bis heute ungebrochen weiter existieren. Aus dieser Gründungszeit stammt auch der einzige erhaltene Textzeuge der . K.'. Er stellt eine Abschrift dar; das Original der Regel mit

396

dem beglaubigenden Siegel ist nicht erhalten. Unmittelbares Vorbild für div regel des spttals des hiligen geistes ze Eystet (S. 12) war die des Heilig-Geist-Ordens, aus der zahlreiche Vorschriften übernommen wurden (vgl. BAUCH, S. 52 f.). Die Eichstätter Gründung muß daher vor dem Hintergrund der Ausbreitung des Heilig-GeistOrdens im 13. Jh. gesehen werden, dem das Spital freilich selbst nicht beitrat. Der Orden wurde von Guido von Montpellier begründet, der um 1170/75 in Montpellier das Hospital St. Esprit stiftete, in dem er selbst an der Spitze einer Laienbruderschaft den Dienst an Armen und Kranken versah. 1198 wurde die Gemeinschaft von Papst Innozenz III. als Orden anerkannt. 1204 vereinigte der Papst das römische Spital S. Maria in Sassia (S. Spirito), das er selbst reformiert hatte, mit dem Spital in Montpellier und beauftragte Guido mit der Leitung der beiden Hospitäler. Der Heilig-Geist-Orden ist der erste organisierte Orden des MAs, der Krankenpflege im weitesten Sinne zum Zweck hatte (vgl. BACKMUND, S. 216). Er trug so wesentlich dazu bei, daß das Spitalwesen aus seiner ursprünglichen Verbindung mit Kloster und Stift heraustrat und das Laientum eine immer stärkere Rolle übernahm.

Die . K.' weist 18 Kapitel auf. Im ersten Teil (Kap. 1 — 12) werden Anweisungen über Mitgliedschaft, Dienst an den Kranken, Vermögensverwaltung, Klausur, Behandlung der Gäste, Verpflegung, Strafbestimmungen, Aufnahme in die Tertiarenbruderschaft und schließlich über die Stellung des Spitalmeisters und der Meisterin gegeben. Der zweite Teil (Kap. 13 — 18) gilt vor allem den Motiven der Krankenund Armenpflege und gibt praktische Anweisungen dazu. Die Regel bietet einen interessanten Einblick in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte (z. B. über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bei den Knechten) sowie in den Lebensalltag des 13. Jh.s, sei es durch den Strafenkatalog oder durch die Kleidervorschriften (z. B. bairisches tvohes, oder kappen von kaemelin für die Priester); die medizinische Versorgung der Kranken wird dagegen mit keinem Wort erwähnt. Die Aufarbeitung dieser Textgattung bleibt ein Desiderat der Forschung (erste

397

'Vom Eigennutz' — 'Einsiedeln-Zürcher Lektionar'

Spuren bei REICKE in den Anmerkungen). Da die Regel den neuen Ordensangehörigen bei ihrer Aufnahme vorgelegt werden mußte, dürfte jeder deutsche Hospitalkonvent eine dt. Fassung besessen haben; dies vor allem, weil die Kenntnis des Lateinischen bei den Brüdern und Schwestern nicht vorausgesetzt werden konnte. In der Regel heißt es dazu ausdrücklich: sie svlen niht achten daz si niht latin kvnnen (S. 38).

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20vV20vb-21vb, 22rb-23rb, 155ra-157vb, 222va223« (Predigten für St. Stephan, St. Johannes Evangelista, Innocentes, Fronleichnam, Zusatzpredigt über Mt 9,18-32); Karlsruhe, Badische LB, cod. Don. 206 (Abschrift nach dem Druck).

Das .- . L.' enthält die Evangelienperikopen der Messe des Temporale in dt. Übersetzung zusammen mit einem Zyklus von sog. 'Glossen' oder Kurzpredigten. Die Einsiedler Hs. schreibt das Werk einem Johannes Ving' zu, dessen Name wahrL i t e r a t u r . S. REICKE, Das dt. Spital u. sein scheinlich als Johannes von Weingarten Recht im MA, 2 Bde, 1932; N. BACKMUND, Die (Vingartensis) aufzulösen ist. WeiterfühChorherrenorden u. ihre Stifte in Bayern, 1966, rende Indizien für die Identität des Verfasbes. S. 215—229 ('Die Chorherren vom Heiligen sers oder Kompilators sind nicht vorhanGeist'); BAUCH (s. o. Ausg.). BERNHARD SCHNELL den. Die Bedeutung des deutschsprachigen Lektionars, das einen verbreiteten Texttyp vertritt (-» Plenarien), besteht u. a. darin, 'Vom Eigennutz' [Nachtr.] daß es die Grundlage für ein viel umfangBd. 2, Sp. 398: Zur Verfasserfrage vgl. Hans reicheres Bibelwerk, die -> 'Freiburger PeSchneider, II. l. rikopen' [NB] (datierte Hs. v. J. 1462), bildet, in dem fast das gesamte Textmaterial (Bibelübersetzungen und Glossen) des .Eike von Repgow [Korr.] . L.' durch zusätzliche Bibelperikopen, Bd. 2, Sp. 401 Überl.: "Berlin, Öffentl.-WissenGlossen und Predigten erweitert wird. Die schaftl. Bibl. (ehem. Preuß. SB), Frgm. 22" korr.: 'Freiburger Perikopen' bilden wiederum ..., SBB-PK, Fragm. 22. die Grundlage für eine weitere Bibelkompilation, den 'Spiegel menschlicher behaltEilbertus von Ölsburg -* 'Jüngere Hildes- nis mit den episteln und evangelien' (Erstheimer Briefsammlung' [NB] druck: Bernhard Richel, Basel 1476; -> Plenarien, II.A.c.; -*· 'Speculum humanae salvationis', II.B.2.), in der die Glossen des Eilhart von Oberg [Korr.] .- . L.' erhalten, die meisten PerikopenBd. 2, Sp. 412 zu II.2. bzw. .3.: Die Frgm.e übersetzungen dagegen durch andere FasBerlin, mgq 661 und mgq 1418 befinden sich jetzt sungen ersetzt sind. Aus diesem textgein Krakau, Bibl. Jagiellonska unter den Berliner schichtlichen Befund ergibt sich, daß das Signaturen. 'E.-Z. L.' um die Mitte des 15. Jh.s, auf jeden Fall vor 1462, im alemannischen Süd'Einsiedeln-Zürcher Lektionar' westen entstanden ist. Das Werk ist in zwei verschiedenen FasÜ b e r l i e f e r u n g . Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. sungen erhalten. Die Einsiedler Hs. enthält 708 (349), lr-118v (westalem., v. J. 1471); Zürich, Zentralbibl., cod. C 52, 2 r -94 v (hochalem., um Perikopenübersetzungen und Glossen für 1470, defekt am Schluß). 50 Sonntage des Kirchenjahrs (am 1. AdStreuüberlieferung: Epistolae et Evangelia (Pleventssonntag ohne die Perikope) und für narium), dt. (Erstdruck: Günther Zainer, Augsburg drei Festtage: Neujahr, Dreikönigstag und 1473) (Weihnachtspredigt u. Zusatzpredigt über Mt Christi Himmelfahrt. Hinzu kommen Pre9,18 — 32; häufig nachgedruckt -> Plenarien, digten für die Weihnachtszeit (WeihnachII.A.c.); Augsburg, SB u. StB, 2° cod. 151 (Abschrift rb rb va ten, St. Stephan, St. Johannes Evangelista, nach dem Druck); Berlin, mgf 659, l -3 , 22 vb rb ra vh rb vh Unschuldige Kinder), Zusatzpredigten am 25", 25 -27 , 28 -30 , 31 -31 (Predigten Schluß des Kirchenjahrs und eine mystisch für den 1. Adventssonntag, Weihnachten, St. Stegefärbte Kirchweihpredigt. Diese Grundphan, St. Johannes Evangelista, Innocentes); Berlin, Kupferstichkabinett SM PK, cod. 78 A 19C, 19vastruktur wird in der Fassung der Zürcher

399

Eisek der Schreiber — 'Elbinger Beichtbüchlein des Deutschen Ordens'

Hs. dadurch ergänzt, daß für die Wochentage der Fastenzeit Evangelienperikopen (ohne die Glosse) und am Karfreitag eine Übersetzung der Passion hinzukommen. Die neuen Texte für die Fastenzeit wurden einem älteren dt. Perikopenbuch entnommen, das in der Hs. Zürich, Zentralbibl., cod. Rh. 158 b (um 1300, wahrscheinlich für Zisterzienserinnen) unikal überliefert ist. Der Textabschnitt für den 2. Fastensonntag ist in cod. C 52 durch die entsprechenden Texte aus der ->· 'Rheinauer Predigtsammlung' ersetzt worden. Man sollte mit der Möglichkeit rechnen, daß die verschiedenen Teile der beiden Fassungen (z. B. die Predigten für die Weihnachtszeit, die Kirchweihpredigt, die Zürcher Passion) aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen und in einem mehrschichtigen Kompilationsprozeß, der der Entstehung der erhaltenen Textzeugen vorausging, miteinander vereinigt wurden. NIGEL F. PALMER Eisek der Schreiber [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 433: Streiche Verweispfeil auf Jizchak ben Elieser von Worms. Bei diesem handelt es sich wohl um einen Autor des 13. Jh.s, sein 'Buch des Gartens' dürfte aber ursprünglich hebräisch und nicht jiddisch gewesen sein; dessen Übersetzung ins Jiddische stammt erst aus dem späten 16. Jh. Vgl. W. ROLL, Zum 'Sefer-ha-Gan' Jizchaks ben Elieser, in: Fragen des älteren Jiddisch (Trierer Beiträge. Sonderheft 2), 1977, S. 35-41.

'Eisenkrauttraktat' -» 'Verbenatraktat' Ekbert von Schönau [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 437 Überl.: Zu dt. Bearbeitungen der 'Meditatio de humanitate Christi', verzeichnet unter -» Anselm von Canterbury (5. c.) bzw. bei RUH, Bonav. dt., S. 161, vgl. ferner P. OCHSENBEIN, ABäG 12 (1977) 151 u. Anm. 14 u. 15, mit zwei weiteren Hss.: Wien, cod. 2722 (-» 'Gebetbücher für Erzherzog Albrecht V.'), 99r-113v; ebd., cod. 2969, 180r-192v. Ebd.: "Bonn, ÜB, cod. 752" korr.: ... cod. S 752.

Ekhardi, Walther [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 440 Überl.: Die Hs. Königsberg, SB u. ÜB, Hs. 888 muß als verschollen gelten.

400

Ebd. unten ergänze: In die Bearbeitung der Bücher Magdeburger Rechts' durch Johannes Lose (einzige erhaltene Hs.: Tepl, Stiftsbibl., cod. 41) sind knapp 60 Kapitel aus -> 'Der Tugenden Buch' eingegangen. Es handelt sich dabei unter Vernachlässigung des kanonistischen Sonderguts fast ausschließlich um Texte, die auf -> Thomas von Aquin, 'Summa theologiae', Secunda Secundae, beruhen. Vgl. H. ULMSCHNEIDER. Kanonistische Lit. in mal. Rechtsbüchern. Zu den Quellen der '9 Bücher Magdeburgischen Rechts' in der Bearb. des Johannes Lose, in: Überlieferungsgeschichtl. Editionen u. Stud, zur dt. Lit. d. MAs, Fs. K. Ruh (TTG 31), 1989, S. 168-188 (mit Identifizierung der Textpassagen).

Ekkehard von Aura [Korr.] Bd. 2, Sp. 446 Mitte: "- Hätzerlin" korr.: Klara -> Hätzlerin.

Eleonore von Österreich [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 470-473: Die Zuschreibung von 'Pontus und Sidonia' A an E. v. Ö. ist trotz der Bezeugung durch die Drucküberlieferung fragwürdig, vor allem deshalb, weil die zu Lebzeiten E.s geschriebene Gothaer Hs., die nicht Druckvorlage war, keinen Hinweis auf sie enthält. Vgl. R. HAHN, 'Von frantzosischer zungen in teütsch'. Das lit. Leben am Innsbrucker Hof des späteren 15. Jh.s u. der Prosaroman 'Pontus und Sidonia' (A) (Mikrokosmos 27), 1990, bes. S. 7385; ders. (Hg.), Eleonore von Österreich: Pontus und Sidonia (TspMA 38), 1997, Einl. S. 14-17. Sp. 470, letzte Zeile: "-> Stainhöwel" korr.: -*· Steinhöwel.

Elia Bahur Levita -» 'Paris und Vienna' [NB]

404

'Elisabeth von Thüringen' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 494 ergänze die Verweise: Vgl. auch -* Bertholdus Capellanus ('Gesta Ludowici'); -> Köditz, Friedrich ('Leben des hl. Ludwig'); -» Konrad von Marburg; -» Rothe, Johannes ( .6.); -* Dietrich von Apolda [Bd. 2 u. NB]. Ellenbog, Ulrich [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 497 zu II.1.: Der Tractatus de balneis' auch in Ottobeuren, Stiftsbibl., cod. 0.92. Ebd.: "cod. II 287 der Klosterbibl. Ottobeuren" korr.: cod. O.93 (olim II 297 [sie!]), der Tractatulus de simplicibus' auf Bl. 12r-112v; die Hs. enthält ferner einige von E. verfaßte lat.-dt. Tier- und Pflanzennamenglossare. Ebd. Z. 4 von unten: „für den offenbar augenkranken Abt von Schussenried" ergänze:, Heinrich -* Österreicher. Sp. 497 oben, zum 1. Absatz, bzw. Sp. 499 zu 5. ergänze: Mehrere Hss. aus der Bibliothek E.s, z. T. von seiner Hand geschrieben, befinden sich noch in der heutigen Stiftsbibl. Ottobeuren; vgl. H. HAUKE, Die mal. Hss. in der Abtei Ottobeuren, 1974, Reg. s. v.; S. KRÄMER, Handschriftenerbe d. dt. MAs, Teil 2 (Mal. Bibl. Kat. Ergänzungsbd. 1), 1989, S. 644 f. Die Beschäftigung E.s auch mit alchemistischen Themen bezeugt die aus seiner Bibliothek stammende Hs. St. Gallen, StB, cod. 429; vgl. G. SCHNITZLEIN, Der Codex Vadiana 429 u. U.E. (1435-1499), Diss. rer. nat. TU München 1984.

Ellenhard [Korr.]

Elisabeth -> auch Elsbeth

Bd. 2, Sp. 502 Überl.: "St. Paul im Lavanttal, Archivhs. 25.4.15 (37/1)" korr.: ..., cod. 37/1 (olim 25. 4. 15). Ebd. unten: "Pritsche -» Closener" korr.: Pritsche -> Klosener.

Elisabeth von Kirchberg [Korr.]

'Elsässisches Arzneibuch' [Korr./Nachtr.]

Elias von Assisi -» 'Donum Dei' [NB]

Bd. 2, Sp. 479 Überl.: "Augsburg, SB u. StB, cod. 94" korr.: ...,4° Cod 94.

Elisabeth von Nassau-Saarbrücken [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 485 zu 3., Überl.: "Ashburnham Place, cod. 486, ... (verschollen)" korr.: heute in Heidelberg, ÜB, Heid. Hs. 1012; vgl. W. WERNER, Cimelia Heidelbergensia, 1975, S. 93-96.

Bd. 2, Sp. 509 zu Überl.: "Darmstadt, ... (Ende d. 14. Jh.s)" korr.: ... (1. Drittel d. 15. Jh.s). Ebd. ergänze: Zwei weitere Textzeugen der Rezeptsammlung des . A.' enthalten die medizinischen Kompilationen in London, British Library, Sloane MS. 3131 (Straßburg 1418), 123r-133v und Frankfurt/M., StB u. ÜB, Ms. germ. qu. 17 (Elsaß 1424), 226ra-255vb. Die beiden nahe verwandten Kompilationen (u. a. mit Teilen aus -> Konrads von Megenberg 'Buch der Natur') werden ihrer-

405

Elsbeth von Oye — 'Emmericher Schwesternbuch'

seits als . A.' im weiteren Sinn bezeichnet; vgl. auch -» 'Zwölf Stücke von dem Harne' (Lit.!). Sp. 510 Lit.: "I. ROHLAND ..., voraussichtlich 1980" korr.: ..., 1982. "CH. TENNER / G. KEIL, ... ZGO 128 (1980)" korr.: ... Bibliothek u. Wissenschaft 18 (1984) 85-234, hier S. 85.

'Elsässisches Trojabuch' [Bd. l u. NB]

'Buch von Troja

Elsbeth von Oye [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 512 unten: "Eine Ausg. ... von P. OCHSENBEIN ist in Arbeit" korr.: Die Ausg. wurde von W. Schneider-Lastin übernommen (in Vorbereitung für Bibliotheca Germanica). Vgl. auch die redaktionell bearbeitete Vita E.s in der Fortsetzung des -> 'Ötenbacher Schwesternbuchs' [NB] durch einen anonymen Dominikaner (Hs. Breslau, ÜB, cod. IV E 194% lr-33va ?).

406

Hs. gehandelt haben muß. Sie umfaßte 237 Blätter, davon sind das erste und das letzte aus Perg., die übrigen aus Papier. Die Sprache gilt als 'niederdeutsch' (besser ripuarisch) und steht dem Niederländischen sehr nahe. A u s g a b e . A. BOLLMANN / N. STAUBACH, Schwesternbuch und Statuten des St.-Agnes-Konvents in Emmerich (Emmericher Forschungen 17), 1998. HÖVELMANN bietet (S. 52-62) drei kleinere Viten und eine sehr ausführliche von Yde van Huntten (t 1483).

Das . S.' enthält nach einem Prolog die Lebensläufe der ersten drei Rektoren des Hauses, sodann der vier ersten Mütter. Es folgen 62 Schwesternviten von recht unterschiedlicher Länge. Eine Besonderheit des . S.' ist in der Mitteilung zu sehen, 'daß die Süstern Bücher kopiert, illuminiert und eingebunden haben' (HÖVELMANN, S. 47). Während das 'Elslein-Strophe' [Nachtr.] Illuminieren und Binden von Büchern zu Bd. 2, Sp. 514 Überl.: Das 'Glogauer Liederbuch' den verbreiteten Tätigkeiten von Kloster(ehem. Berlin, Mus. ms. 40098, vormals verscholschwestern gehören, überrascht das 'kolen) befindet sich jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska, pieren'. Nach einer Bestimmung des Winunter der alten Berliner Signatur. desheimer Generalkapitels v. J. 1455 Emmausspiele ->· 'Bozner Passionsspiele'; wurde nämlich den Schwestern 'bei Ker-> Debs, Benedikt (Spiele Nr. 4 u. 11); ->· kerstrafe' verboten, 'Schriften philosophiRaber, Vigil (C. I. 10.); -» 'Sterzinger Pas- schen Inhalts' und Offenbarungen' zu versionsspiele' ('Pfarrkirchers Passion'); -» fassen und abzuschreiben. Von Schreibarbeiten ist denn auch in den Schwestern'Benediktbeurer Spiele' (4.; lat.) [NB] büchern von Diepenveen und Deventer nie die Rede. Der gestrenge Rektor von De'Emmericher Schwesternbuch' venter, Johannes -»· Brinkerinck, verbot Unter den ndl. Schwesternbüchern den Schwestern das Lesen devoter Bücher stammt eines aus Emmerich am Nieder- in der Landessprache. Im Unterschied zu rhein im alten Herzogtum Kleve: das Sü- der Windesheimer Bücherproduktion, die sternbuch des dortigen Agnetenklosters. Es in großem, bisher nie gekanntem Umfang ist erst 1971 durch HÖVELMANN bekannt, erfolgte, galt für die Schwesternhäuser die bzw. in einer Kopie wieder aufgefunden Devise, die Schwestern hätten sich auf worden. Das Original (ehem. Emmerich, handwerkliche Tätigkeiten, auf Spinnen Stadtarch., Nr. 1206, während des zweiten und Weben, zu beschränken. Im EmmeriWeltkriegs in einem Salzbergwerk gelagert) cher Agnetenhaus galt dies offensichtlich muß als verloren gelten. Die augenschein- nicht. Auch wenn sich ihre Kopierarbeit lich sehr sorgfältige Kopie vom Jahre nur auf liturgische Bücher erstreckt haben 1921/22 verdanken wir dem Pfr. Wilhelm sollte, dürften die Schwestern in diesem Richter. Sie befindet sich heute in Emmeri- Hause den Windesheimer Restriktionen im cher Privatbesitz. Umgang mit der Buchproduktion nicht oder nur bedingt unterworfen gewesen Von der originalen Hs. fehlen nähere Angaben. sein. Sie bilden sozusagen die Brücke zur Sie wurde 1503 von einer Nonne SVW geschrieuneingeschränkten Buchkultur der südben, d. h. 'vollendet'. Aus dem Umfang der Spalten ist zu schließen, daß es sich um eine kleinformatige deutschen Dominikanerinnenklöster. Hier

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Emo von Wittewierum — Engelbert van der Wyck

gehörte die Bücherherstellung zu den Hauptaufgaben der Schwestern und diente nicht nur dem Eigenbedarf, sondern auch der Vermehrung der Einkünfte. L i t e r a t u r . G. HÖVELMANN, Das Emmerichen Süsternbuch. Eine verloren geglaubte Hauptquelle zur Geschichte der Devotio moderna, in: Thomas von Kempen. Beiträge zum 500. Todesjahr 1471 — 1971, Kempen 1971, S. 43-62; W. SCHEEPSMA, Deemoed en devotie. De koorvrouwen van "Windesheim en hun geschritten, Proefschrift Leiden, Amsterdam 1997; K. RUH, Die Schwesternbücher der Niederlande, ZfdA 126 (1997) 166-173; ders., Gesch. d. abendländischen Mystik, Bd. IV: Die ndl. Mystik d. 14.-16. Jh.s, 1999, S. 313-322.

K. RUH

Emo von Wittewierum [Korr.] Bd. 2, Sp. 521 Z. 17—14 von unten lauten korrekt: ... Engelbert von Köln 1229, Menkos Bericht über Kreuzzugsrüstungen Ludwigs IX. von Frankreich 1248 und über die Belagerung Aachens durch König Wilhelm 1248 ....

Emych, Mathias bant' [NB]

'Genovefa von Bra-

Enenkel, Kaspar [Korr.]

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16. Jh., nürnberg.?). Vgl. K. GRAF, Die Weimarer Hs. Q 127 ..., ZfdA 118 (1989) 203-216, hier S. 209 u. 211.

Engelberger Prediger [Korr.] Bd. 2, Sp. 532 Überl.: "Straßburg, ÜB u. LB, cod. L. germ. 516 2° (2541)" korr.: ..., Bibl. Nat. et Univ., ms. 2541 (olim L germ. 516). Sp. 533 oben: Die angekündigte Edition ist nicht erschienen. Ebd.: "WACKERNAGEL" ergänze: ..., Altdt. Pred.

Engelbert van der Wyck I. E. v. d. W. stammt aus einem münsterischen Patriziergeschlecht. Er wird ca. 1411 geboren sein. 1429 und 1436 ist er in Erfurt bezeugt, er erwarb dort die Grade eines magister artium und eines baccalareus in legibus. Nach Münster zurückgekehrt, geriet E. in den Strudel der Münsterischen Stiftsfehde, während der sein Bruder Conrad einer der beiden Bürgermeister war. Die Brüder mußten 1453 die Stadt verlassen. Conrad starb im Exil, E. kehrte nach dem Ende der Stiftsfehde, 1458, nach Münster zurück. Zwischen 1458 und 1475 trat er ins Kloster Böddeken ein, wo er im Jahre 1495 starb.

II. Die Sammelhs. Sa 8 der Erzbischöfl. Akadem. Bibl. zu Paderborn, die E. v. d. W. dem Kloster Böddeken schenkte, enthält Werke lat. Schriftsteller. Auf zwei Vorsatzblättern stehen zwei Gedichte in mnd. Sprache. Beide wurden vermutlich vom Besitzer Engel, Johannes [Nachtr.] der Hs., E., zwischen 1460 und 1470 nach einer ndl. Vorlage in westfälisches Mnd. Bd. l, Sp. 523 f.: E. hat neben weiteren -»· Almanachen [NB] und Praktiken auch den lat. Druck übertragen und auf die Vorsatzblätter der des -> 'Astrolabium planum in tabulis' [NB] (ErstHs. geschrieben. druck Augsburg, E. Ratdolt 1488) bearbeitet; post1. 'Zeitklage', ra-"b. hum erschien sein 'Traktat von der Pestilentz' Bd. 2, Sp. 523: "Schlüsselberg-Archiv (Slg. Hoheneck), Hs. 11" korr.: ..., Hs. 110. Vgl. auch -» 'Auszug von Teutschen Landen' [NB].

(Augsburg 1518; VD 16, E 1198). Vgl. E. KNOBLOCH, Astrologie als astronomische Ingenieurskunst d. HochMAs. Zum Leben u. Wirken des latromathematikers u. Astronomen J. E. (vor 1472-1512), Sudhoffs Arch. 67 (1983) 129-144.

'Engel und Waldbruder' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 526 vor Punkt 4. füge ein: Eine Prosaauflösung der Reimpaarerzählung . u. W.' findet sich in der Hs. Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Ms. Q 127, 158V-164V (Ende 15./Anf.

A u s g a b e . PETERS, S. 61-63 u. 63-69. Ndl. Fassungen: Nach der van Hulthemschen Hs. Brüssel, Kgl. Bibl., ms. 15.589-623 (ca. 1410), 104vb-105ra hg. v. J. M. PH. BLOMMAERT, Van dat niemen encan ghedoen hi en es begrepen, De Dietsche Warande l (1855) 134-136; nach dem Perg.bl. der 2. Hälfte d. 14. Jh.s in Leiden, ÜB, cod. Ltk. 1201 hg. v. J. VERDAM, Kleine Middelnederlandsche overblijfselen, TNTL 11 (1892) 285305, hier 289-293.

Dem nd. Bearbeiter stand eine andere ndl. Vorlage zur Verfügung: Ein ndl. Merk-

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Engelbrecht, Sebastian — Engelhus, Dietrich

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mal im mnd. Text, wonder, findet sich nicht in den beiden ndl. Versionen. Das Gedicht von 83 Versen handelt von der Unmöglichkeit, es allen recht zu machen. Dem Dichter ist es eine alto grote pyne, lange in dosser werlt tho syne. Die Gründe gibt er in einer langen Reihe von Beispielen.

hart I. v. H. begraben liegt (-»· Totenklage auf Engelhart v. Hirschhorn) und er selber 1530 beigesetzt wurde. Mit dem Heidelberger Hof stand E. in enger Verbindung, insbesondere mit -»· Ludwig V, Pfalzgraf bei Rhein, dem er eine Sammlung von heilkundlichen Texten überließ. Aus den zahlreichen Exzerpten, die Ludwig in die Bände III —XIII seiner 'medizinischen Sammlung' 2. -»· 'Stadtregimentslehren' (De eyne (Heidelberg, cpg 261—272 und cpg 244) stat wilt regeren; 2 ra ). übernahm, läßt sich der Inhalt in etwa reA u s g a b e . PETERS, S. 63 u. 69f. Überlieferung konstruieren: Im Vordergrund stand die und Abdrucke der übrigen Textzeugen: GÄRTNER, 'Chirurgie' -+ Wilhelms von Saliceto Sp. 217 f. (Ill.l.b.) in der Neubearbeitung des späten Das Gedicht von 20 Versen — mit zwei 15. Jh.s; ausgiebig erfaßt war wundärztSchlußversen wie in der van Hulthemschen liche Materia medica aus dem Gebiet des Hs., sonst sind 18 Verse üblich — enthält Oberrheins (ein Rezept von Hans -* Lehren für diejenigen, die eine Stadt regie- Schnaudigel), beispielsweise über Verfahren medikamentöser Blutstillung (hg. v. ren wollen. Zweifellos besteht ein Bezug zwischen Eis, S. 150 f.). Die aufgenommenen Texte den Gedichten und der Vita der Brüder waren redigiert, vereinzelt auch umgestalConrad und E. v. d. W. Das erste Gedicht tet und in andere Gattungen überführt. Ob kann als Beschreibung der politischen Si- E. v. H. darüber hinaus, daß er die verlotuation Conrads während der Münsteri- rene, offenbar umfangreiche Sammlung schen Stiftsfehde verstanden werden; als besessen hat, auch als Redaktor oder VerDarstellung der Maximen seiner Politik fasser einzelner Texte anzusetzen ist, muß ebenso offen bleiben wie die Frage, ob er könnte das zweite Gedicht gelten. als Laie selbst ärztlich tätig war. L i t e r a t u r . W. OESER, Die Hss.bestände u. die Schreibtätigkeit im Augustiner-Chorherrenstift Böddeken, Arch. f. Gesch. d. Buchwesens 7 (1967) 317-448; R. PETERS, Die mnd. Gedichte der Paderborner Hs. Sa 8 aus Böddeken. Zugleich ein Beitrag zur Gesch. der Brüder Conrad u. E. v. d. W. aus Münster, Nd. Wort 14 (1974) 5975; K. GÄRTNER, in: 2VL 9, 1995, Sp. 217-219 (zu H.2.).

ROBERT PETERS Engelbrecht, Sebastian [Korr.] Bd. 2, Sp. 550: Die ehem. Wernigeroder Hs. Zb 10m befindet sich nicht in Halle; ihr Verbleib ist unbekannt. Vgl. U.-D. OPPITZ, Die 'Dt. Mss. d. MAs' (Zb-Signatur) der ehem. Stolberg-Wernigerodischen Hss.slg., in: Geographia Spiritualis, Fs. H. Beck, 1993, S. 187-205, hier S. 194.

Engelhart III. von Hirschhorn Kurpfälzischer Ritter, stiftete 1517 mit seinen Brüdern Georg und Philipp den bis heute erhaltenen spätgotischen Chor in der Ersheimer Kirche, wo sein Vorfahr Engel-

L i t e r a t u r . G. Eis, E. v. H., PBB (Tüb.) 82 (1960) 145-151; J. TELLE, Mitt. aus d. 'Zwölfbändigen Buch d. Medizin' zu Heidelberg, Sudhoffs Arch. 52 (1968) 310-340, hier S. 320.

G. KEIL Engelhus, Dietrich [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 557 Überl.: "Wernigerode, Fürstl. Stolberg. Bibl., cod. Za 33" = heute Berlin, SBBPK, Ms. lat. fol. 924. Sp. 559 oben, Überl.: "Hannover, SB, cod. 859" korr.: ..., LB, Ms XIII 859. Sp. 560 vor 3. füge ein:

d) Zwei weitere Texte sind für E. bezeugt, aber nicht in Verbindung mit seinem Namen überliefert: 'Lilium virginitatis', ein kurzer allegorischer Text, nach KÜHNE, 1999, S. 141-146, vermutlich identisch mit einem anonym überlieferten Text in Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 28, 251V252r, und Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS 3395 8°, l r -5 r ; und 'Postilla', nach KÜHNE, 1999, S. 146-159, vielleicht identisch mit

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Engelin, Jakob — 'Des Entkrist Vasnacht'

einer 'Exposicio epistularum dominicalium' in Trier, StB, Hs. 760a/308 8°, l r 143r. Ebd. zu 3. a) vgl. auch -* 'Vocabularius Theutonicus'. Ebd. vor Lit. füge ein:

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der Übersetzungen (= Fassung IV) des Traktats über Stern- und Planetenbilder aus dem 'Liber quatuor distinctionum' des Michael ->· Scotus (Zuschreibung an E. nur in der Hs. Karlsruhe, LB, cod. K 2790, 156V— 160V, einem von vier Textzeugen).

c) 'Biblia metrica' ('Biblia metrata'), ein Bibelsummarium in Hexametern, überliefert in Berlin, SBB-PK, Ms. lat. oct. 212 (= lediglich der erste Teil eines zweibändigen Gesamtwerks). Es handelt sich um die Bearbeitung einer Bibelabbreviatur des Dominikaners Otto von Riga durch E. (Berlin, SBB-PK, Ms. Magdeb. 238, -6 , v. J. 1316).

Vgl. H. H. MENGE, Das 'Regimen' Heinrich Laufenbergs (GAG 184), 1976, S. 81 f. Zur Biographie ergänze ferner: H. KNAUS, Elsäss. astronomische Hss. des 15. Jh.s, in: Börsenblatt für den dt. Buchhandel. Frankfurter Ausg. zum 30. Dez. 1959, S. 1955 f.

L i t e r a t u r . E J. WORSTBROCK, Die Biblia metrica des D. E. u. ihre Überl., DA 36 (1980) 177192; U. KÜHNE, Zur lit. Tradition der 'Biblia metrica', in: V. HONEMANN (Hg.), D. E. Beiträge zu Leben u. Werk, 1991, S. 95-108; ders., EngelhusStudien. Zur Göttinger Schullit. in der ersten Hälfte des 15. Jh.s (Scrinium Friburgense 12), Freiburg/ Schweiz 1999.

Enikel, Jans [Nachtr.]

Engelhuß, Nicolaus ->· 'Huwilogus* [NB] Engelin von Braunschweig -> Becker, Egeling; vgl. auch Paul -» Munthart [NB] Engelin, Jakob [Korr.] Bd. 2, Sp. 562 Z. 10 von unten: "dem Prager -> 'Sendbrief' " korr.: dem 'Prager Sendbrief' (-> Gallus von Prag).

Engelmar, Johannes [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 564 Überl.: "Papierhs. des 15. Jh.s in St. Paul in Kärnten (z. Zt. verschollen)" heute: Bamberg, SB, HV Msc. 569 (Nr. 1789); es handelt sich um die ehem. Kuppitschsche Hs. C. Eine Abschrift Franz Goldhanns aus dieser Hs. in Berlin, mgq 488, S. 165-172. Vgl. J. SCHULZ-GROBERT, Kuppitschs Hs. C, ZfdA 118 (1989) 236-241.

Engelsüß, Kaspar [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 564 Z. 4/3 von unten: "Colmar, Bibl. de la ville, cod. 198 (265)" korr.: ..., cod. 265 (Kat. Nr. 198).

E. erstellte wahrscheinlich auch einen Traktat über die 36 Sternbilder, d. i. eine

'Engelthaler Schwesternbuch' -»· Ebner, Christine

Bd. 2, Sp. 565 zu 1.: Als Name sollte Jans von Wien angesetzt werden. Enikel ist kein Familienname, vielmehr bezeichnet sich der Autor als enikel (Enkel) eines älteren Jans; vgl. F. P. KNAPP, Die Lit. des SpätMAs in den Ländern Österreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg u. Tirol von 1273 bis 1439. Erster Halbbd.: Die Lit. zur Zeit der frühen Habsburger ... (Gesch. d. Lit. in Österreich, Bd. 2,1), Graz 1999, S. 234-253, bes. S. 236 (ebd. S. 517f. die neuere Lit.). Sp. 565 f. zu 2., Überl. ergänze: 2 weitere Frgm.e (München, cgm 5249/23 c und München, Staatsarchiv, Frgm.-Slg. A II 13 [davor in Landshut]); vgl. B. WACHINGER, Mhd. Bruchstücke aus Landshut, ZfdA 101 (1972) 326-340, hier S. 329-331. Sp. 567 letzte Zeile: Ausg. des 'Fürstenbuchs' korr. STRAUCH, S. 599-679. S. 680-686 = 'Der fursten gesiechte' (vgl. -» 'Leopold III. der Heilige, Markgraf von Österreich', II.). Sp. 569 zu 5.: Zur Nachwirkung der 'Weltchronik' E.s vgl. u. a. auch -> 'Historienbibeln'; -* Leopold von Wien (II.7.); -»· Ottokar von Steiermark; -> 'Von Virgilio dem Zauberer'; -» 'Vita Adae et Evae', dt. Bearb. (red. Notiz); -> 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB]; -> 'Die Königstochter von Reussen' [NB]. Sp. 569 zu Lit. ergänze: P. GICHTEL, Die Weltchronik Heinrichs v. München in d. Runkelsteiner Hs. des Heinz Sentlinger (Schriftenreihe z. bayer. Landesgesch. 28), 1937, S. 188-205; E. MORGAN, Two Notes on the 'Fürstenbuch', MLR 60 (1965) 395-399.

'Des Entkrist Vasnacht' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 571 zu Lit. ergänze: K. AICHELE, Das Antichristdrama d. MAs, d. Reformation u. Ge-

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'Der eren tafel'

genreformation, Den Haag 1974, S. 40—42 u. Reg. unter 'Zürcher Antichrist"; D. BRETT-EVANS, Von Hrotsvit bis Folz u. Gengenbach II (Grundlagen d. Germanistik 18), 1975, S. 40-42.

Ephraem Syrus -»· Effrem der Syrer [Bd. 2 u. NB] 'Epistola Christi de die dominici' -»· 'Himmelsbrief' 'Epistola Lentuli' ->· 'Lentulus-Brief ...' 'Epistola presbyteri Johannis' ->· 'Priesterkönig Johannes' 'Epistola Soldani' ->· Sultansbriefe [NB] 'Epistola de vulture' -> 'Geiertraktat'; -* 'De vulture' 'Erbstreit dreier Brüder' -> 'Die drei Brüder und das Erbe' [NB] Erdöltraktate -»· Petroltraktate 'De ere der hemmelschen ovinghe' -* 'Scola celestis exercitii' (mnd.) [NB]

'Erec* (Erec-Roman vor oder nach Hartmann von Aue?) ->· Hartmann von Aue [NB] 'Der eren tafel' Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Heimst. 1121, 100r-107v. A u s g a b e . G. BAESECKE, Ndjb 33 (1907) 122128.

Die frühestens gegen Ende des 15. Jh.s (vgl. Nr. 3, 6) aus mehreren Teilen zusammengestellte mnd. Wolfenbüttler Hs. unbekannter Provenienz (überwiegend Papier, Bl. 28 — 35 Perg.) enthält durchgängig didaktisch orientierte Betrachtungen, Orientierungshilfen offenbar für weibliche und männliche Angehörige geistlicher Gemeinschaften, darunter als Nr. 5 eine Legende der Hl. -» 'Katharina von Alexandrien' (s. a. NB; vgl. W. WiLLiAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs [TTG 20], 1986, S. 426, Nr. 18), mehrere Texte zur Marienverehrung, darunter eine dt. Fas-

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sung des 'Magnum psalterium Trinitatis' des -»· Alanus de Rupe (Nr. 3) und eine angeblich dorch den werdigen vader unde hochlerden doctorem in der hilgen scryft Johannem Pals [-» Johannes von Paltz] des ordens sancti Augustini verfaßte Schrift zur Verehrung Mariens (Nr. 6), eine auf die Menschwerdung Christi (Nr. 2, Gebet, 14. Jh., Perg.) und auf die Kreuztragung (Nr. 8) bezogene Betrachtung, dazu eine Christus-Legende (Nr. 13), ferner Ermahnungen zur Bewahrung der kuscheit (Nr. 1) und zur Abwehr von temptacien des auweh (Nr. 14), die -» 'Hoheliedauslegung An Hymmel vnde an erden' (Nr. 10), eine lere für die simpelen lüde zur Vorbereitung auf den Sakramentsempfang (Nr. 9), ein Sterbebüchlein (Nr. 11) und endlich auch eine Oratio latina' (Nr. 12). In dieses Programm einer schriftbezogenen Christus- und Marienverehrung mit entsprechenden Bezügen zur Gestaltung und Festigung eines geistlich orientierten Lebensweges fügt sich auch der strophische Text 'Der eren tafel'. Diese schüft ist vom Schreiber in ostfälischer Schreibsprache in einer eigenen Lage aufgezeichnet (BAESECKE, S. 128). Eine den Strophenschluß nachahmende (tornadaartige) Nachschrift nennt den Titel und empfiehlt den Text werdyghen vrauwen und man, die tho dude lesen können, ausdrücklich zum lesen. Das bislang sonst nicht nachgewiesene Strophenschema, das an einigen Stellen durch Zusatzverse gestört ist, lautet: 4 a 4 a 3b-|4c4c3b-|4d4d3e-|4f4f3e-|5g4 h 4 h | 3 g- 4 k 4 k 3 g-. Bei der Aufzeichnung wurden die hier markierten Perioden abwechselnd schwarz und rot geschrieben. Das könnte auf eine Melodie des Baus AABBCC schließen lassen. Metrum und Reimfolge legen allerdings für den Schluß eher einen kurzen 'Steg' (5 g-) und dann zwei gleichgebaute dreizeilige Perioden nahe, für die Gesamtstrophe also eher AABBCDD. Der Text dürfte auf 15 oder mehr (statt jetzt 14) Strophen angelegt gewesen sein. In ihnen werden zunächst metaphorisch, dann nacherzählend die Passion Jesu und ihre Konsequenzen für den leser präsen-

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Erhardus — 'Erlösung'

tiert. Dabei konzentriert sich der Text ausschließlich auf letztes Abendmahl (Str. I —IV) mit Ankündigung von Judas-Verrat, Leiden und Auferstehung und auf die Johannes-Szene (111,13 —IV,3), Kreuzweg (Str. VI—IX) und Grablegung mit Klage und Beweinung des Toten durch Maria (Str. X—XIV); Gethsemane, Gefangennahme, Jesus vor dem Hohenpriester und Pilatus, Geißelung, Dornenkrönung, die Kreuzigung und der Tod Jesu selbst werden ausgespart, dafür von Str. VIII an die Figur der Maria in ihrem Mitleiden ins Zentrum gestellt. Mit dieser Gewichtung schließt der Text sich eng an Nr. 8, 9 und die Mariendichtungen der Hs. an. Das erzählte Geschehen wird durch ausgiebigen Gebrauch von wy ('wir') und uns/ unser, durch Sentenz, Interjektion und Appell im Präsens auf seine heilsgeschichtliche Dimension (Su mensche dynen schepper an, der vor unse sunde eyn cruce swar getragen habe: VI,l, 3 f.) durchsichtig gemacht, auf die compassio mit dem Leiden der Maria gelenkt und auf die Bedeutung der fünf Wunden Jesu am iunghesten dage hingeführt (XII,10-19). Eine weitere Dimension gewinnt der Text durch eine sporadische, besonders zu Beginn (bis einschließlich Str. VIII) wirksame, nie aber konsequent verwirklichte Transposition des erzählten Geschehens in eine literarisch-ritterliche Sphäre mit dem Verhältnis von Christus und den Jüngern als einem von here und man, die ihren Ausgangspunkt wohl von Str. V, dem Bindeglied zwischen Abendmahl und Kreuzweg/Grablegung, genommen hat: Hier wird in Anlehnung an Eph 6, 11 — 18, aber mit ausdrücklicher Betonung von leue (amor/ caritas), de gude wille (bona voluntas), de ware dull (vera patientia), swich stille (tace), vul arbeit (labor), othmodich (humilis) und sochte[r] moth (modestia), die Rüstung Jesu als die eines Ritters im stryde beschrieben, nämlich in der entsprechenden Reihenfolge für wapen cleyt, schilt, swert, heim, sper, ros, al syn harnscheyt. Mit dieser (allegorischen) Rüstung kann den vorsten (Jesus) nemant wunden (V,13). Folglich wird Jesus als de here oder forste und koningh bezeichnet, der sich to riddere slan ließ (1,17); die Jünger erschei-

nen als twelf forsten (1,3) oder die getruwen man und vrunde; Johannes bezeichnet der Text als den iunghesten ridder (111,13), Judas als den dener und vnghetruwe[n] wycht. Sie alle sitzen zu Jerusalem, an der eren tafelen, die des hilghesten koninghes van iuda ist und wo ein auent eten bereitet wird mit leuendich brot, undotlick wyn (I/ II). Der Text schließt sich damit an die zahlreichen allegorisierend-auslegenden -»· Passionstraktate und -betrachtungen an (vgl. auch 'Eine -»· geistliche Geißel', 'Die -»· heiligen Farben' [NB] etc.). Von hier nehmen Erzählung und Allegorisierung ihren Ausgang und erhält der Text seinen Titel. L i t e r a t u r . Zur Hs.: O. v. HEINEMANN, Die Hss. der Herzogl. Bibl. zu Wolfenbüttel 1.3, 1888 (Nachdr. 1965), S. 65-67; BORCHLING, Mnd. Hss. III, S. 24 f.

HANS-JOACHIM ZIEGELER 'Erfurter Kartäuserregimen' -» 'Regimen sanitatis Salernitanum' (II.2.a.) Erhardus OP [Korr.] Bd. 2, Sp. 582 Mitte: "Jugendprediger" korr.: Judenprediger. Sp. 583 oben: Die 1937 von der Rosenbach Foundation Philadelphia erworbene Hs. ist heute in New York, Yeshiva University Library, 1478 German Ms. Vgl. R. PO-CHIA HSIA, Trient 1475, 1997, S. 181, Nr. 11. Ebd. Z. 6 von unten: "elm Cat. 22" korr.: cbm cat. 22.

'Erlauer Marienklage' [Korr.] Bd. 2, Sp. 591 zu Überl.: "Erlau (ungarisch: Eger), Diözesan-Bibl., cod. 772-774/1563, ..., 20r-24r" korr.: ..., cod. B. V. 6 (früher 772-7747 1563), 124v-128r (neue Zählung). Die Hs. ist nicht verschollen. Vgl. A. VIZKELETY, Beschreibendes Verzeichnis d. altdt. Hss. in ungarischen Bibliotheken, Bd. II, 1973, S. 138-140; BERGMANN, Spiele, Nr. 40 bzw. M 44.

'Erlösung' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 599 Überl.: "Berlin, mgq 412" korr.: Berlin, mgq 1412 (jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska, unter der Berliner Sign.). Ebd.: zu "München, cgm 8440 ... (P)" ergänze: K. SCHNEIDER, Die Hs. P der Erlösung (Cgm

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Erlung von Würzburg — Ernst von Kirchberg

8440). Zu einer Neuerwerbung d. Bayer. SB, Bibliotheksforum Bayern 5 (1977) 108-121. Ebd.: "Trier, StB, Loc. 1432" korr.: ..., Hs. 1935/14324°. Ebd.: "DIETRICH" korr.: DIETERICH. Sp. 602 Lit.: "in: H.-U. GUMBRECHT (Hg.), Lit. u. Sozialgesch. d. SpätMAs (im Druck)" korr.: H.U. GUMBRECHT (Hg.), Lit. in d. Gesellschaft d. SpätMAs (Grundriß d. rom. Lit.n d. MAs. Begleitreihe, Bd. 1), 1980, S. 71-94.

Erlung von Würzburg [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 602 zu L: "1145/50" korr.: 1045/50. Sp. 605 zu Lit. ergänze: M. SCHLUCK, Die Vita Heinrici IV. imperatoris. Ihre zeitgenöss. Quellen u. ihr bes. Verhältnis zum Carmen de bello Saxonico (Vorträge u. Forschungen, Sonderbd. 26), 1979. 'Ermahnung wider die Türken' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 605 zu Überl. ergänze: Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs HR 131 (v. J. 1494), 82 r —93 V , mit Zuschreibung an Hans -* Schneider (s.d. II.l.). Die Druckfassung stammt von Niklas ~» Wolgemut. Vgl. auch -> 'Türkenkriegs-Anschläge', 3. Ermenrich von Ellwangen [Korr.] Bd. 2, Sp. 609 Z. 4/5: "cod. hist. 523 der LB Stuttgart" korr.: cod. hist. 2° 523 .... 'Die Ermordung eines Juden und die Rebhühner' V

Ü b e r l i e f e r u n g . Leipzig, ÜB, Ms 1279, 129 131". A u s g a b e . [M.] H[AU]PT, Märchen und Sagen, Altdt. Bll. l (Leipzig 1836) 113-163, dort S. 117119.

Der Verfasser dieser Prosaerzählung ist nach SCHRÖDER und MARKSCHIES vermutlich identisch mit dem md. Schreiber (nd. Herkunft?) der Leipziger Hs., dem auch weitere Erzählungen und Übertragungen aus dem Lateinischen in derselben Hs. zugewiesen werden (-»· 'Leipziger Apollonius', ->· 'Leipziger Äsop', ->· 'Leipziger Griseldis', -»· 'Ritter, Bürger, Bauer' u. a.). Er hat die Erzählung zu Beginn des 15. Jh.s (nach 1414/18, GRUBMÜLLER, S. 418 f.) wahrscheinlich dem Fabelcorpus des sog. 'Anonymus Neveleti' (-> Äsop [NB] III.1.) ent-

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nommen (Nr. 59 'De iudeo et pincerna') und sie erweiternd übertragen; näher steht die Version in Distichen ('Lyoner Yzopet', hg. v. W. FOERSTER, 1882, S. 133) als eine spätere Prosa (L. HERVIEUX, Les fabulistes latins depuis le siecle d'Auguste jusqu'a la fin du moyen äge, Bd. 3, Paris 1894, S. 348 f.). Die Erzählung gehört zum Typus der seit der Antike belegten Wandersage über die Aufklärung eines Mordes, hier zu der seit dem MA belegten Subgruppe vom 'Juden und dem Rebhuhn', die in mhd. Sprache noch im 'Edelstein' Ulrich -»· Boners (Nr. 61) und in der -* 'Liedersaal-Hs.' (Nr. 160, Bd. II, S. 601 f.) überliefert ist: Ein Jude, der viel Geld bei sich trägt, erhält auf seine Bitten von einem König zum sicheren Geleit dessen Schenken. Der Schenke ermordet den Juden trotz dessen Warnung, daß heimelich mort zwar den lüten verborgen bleiben könne, daß ihn aber die vögel offenbarn könnten. Aber der Schenke spottet nur über ein rebhun, das über beide fliegt. Wenig später trägt der Schenke Rebhühner bei Tisch auf und lacht dabei; die Fragen des Königs läßt er zunächst unbeantwortet, plaudert dann aber bei einer vom König eigens ausgerichteten wertschaft in der thrunke wyse aus, daß er den Juden ermordet und ihn wegen des Rebhuhns verlacht habe. Die heimlichen reibe des Königs erklären, daß er den Galgen verdient habe, und der König spricht das Urteil. L i t e r a t u r . J. BOLTE / G. POLIVKA, Amn.n zu den Kinder- u. Hausmärchen der Brüder Grimm, Bd. 2, 1914 (Nachdr. 1963), S. 532-534; E. SCHRÖDER, Der Leipziger Äsop, GGN phil. hist. Kl. (1933) 181-192; H. L. MARKSCHIES, Ein unbekanntes Gedicht 'Von der werlde ythelkeit' u. sein Verfasser, PBB (Tüb.) 78 (1956) 302-310; K. GRUBMÜLLER, Meister Esopus (MTU56), 1977, S. 412 f., 418-420. - Zur Hs.: F. PENSEL /1. STAHL, Verzeichnis der dt. mal. Hss. in der ÜB Leipzig (DTM70), 1998, S. 173-175. - Zum Erzähltypus: AARNE/THOMPSON, Märchentypen 960 A; MOT N 271.3, M 203.1; TUBACH, Ind. ex. 2799; CH. SCHMITT, Die Kraniche des Ibykus, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 8, 1996, Sp. 331-334.

HANS-JOACHIM ZIEGELER Ernst von Kirchberg [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 619 Überl.: "... im Besitz des Staatsarchivs Schwerin" korr.: heute Schwerin, Landeshauptarchiv Schwerin, 1.12 — 1 Chroniken.

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'Eroberung Regensburgs' — 'Erweiterte Christherre-Chronik'

'Eroberung Regensburgs' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 622 Überl.: Hs. A (ehem. Kreisbibl. Regensburg, cod. ms. 1) = heute München, cgm 5919, 355v-374r (Hs. des Ulrich Mostl). Vgl. auch -> 'Regensburg, Bayern und das Reich', 2. (mit einer weiteren Hs.).

'Die Erschaffung Adams' Dt. erbauliche Prosaabhandlung über Erschaffung, Versuchung und Fall des Menschen und über die Erlösung durch die Menschwerdung Christi. Ü b e r l i e f e r u n g . Nur aus einem Druck bekannt: Die erschöpfung des ersten menschen Adams. Mit einer grüntlichen lere von der gepurt unsers herren Jesu Cristi, Bamberg, [H. Sporer 14] 93, 4B11. (Ex.: Paris, Bibl. Nat., Reserve D+3837/4745; HAIN 81, GW 210; im GW unzutreffend als Übersetzung der 'Vita Adae et Evae' [GW 205-209] eingeordnet, wohl aufgrund der Ähnlichkeit des Titels mit dem der 'Vita'-Drucke, De creatione Adae. A u s g a b e . B. MILLER, im Druck.

GELDNER (1964, 1968} erwog unter anderen Möglichkeiten auch schon die Zuschreibung des Drucks an Hans Sporer. Ein eingehender Vergleich mit dem ebenfalls 1493 in Bamberg erschienenen Sporerdruck Ludfers mit seiner gesellschafft val (Faksimile Frankfurt/M. 1895) sichert diese Zuschreibung (MILLER, Ausg.). Für beide Drucke, . A.' und 'Lucifers val', durfte 1493 anläßlich des Pilgerstroms zur Ausstellung der Bamberger Reliquien, die alle sieben Jahre stattfand, guter Absatz erwartet werden. I n h a l t . Die Lehre von der Erschaffung des Menschen als Ersatz für die gefallenen Engelchöre wird kurz erwähnt, Versuchung und der Fall der Protoplasten werden straff erzählt, es folgen die dadurch entstandene Erbsünde, die Auserwählung Abrahams, und die Weissagung der Ankunft Christi durch die Propheten. Die Menschwerdung wird in sprachlicher Anlehnung an das Credo und die Cur-DeusHorao-Literatur behandelt, dann wird gegen die Rabbiner polemisiert, die die Prophetien von der Ankunft des Messias als noch nicht erfüllt betrachten. Rabbi Salomon, Rabbi Moyses und Rabbi Barachias

wird vorgeworfen, die Heilige Schrift in ihrem Sinn gefälscht zu haben. Es wird ferner berichtet, daß die Juden den Messias noch erwarten; er werde sie aus ihrer Gefangenschaft, in die sie durch Titus und Vespasianus geraten seien, befreien, den Tempel in Jerusalem neu erbauen und ein weltweites Friedensreich begründen. L i t e r a t u r . F. GELDNER, Die Buchdruckerkunst im alten Bamberg 1458/59 bis 1519, 1964, S. 5367; ders., Die dt. Inkunabeldrucker, Erster Band: Das dt. Sprachgebiet, 1968, S. 52—55; B. MILLER, Eine mhd. Übers, der lat. 'Vita Adae et Evae', in: H. BRUNNER (Hg.), Stud, zur Weltchronik Heinrichs v. München, Bd. l (Wissenslit. im MA 29), 1998, S. 240-332, hier S. 257 Anm. 61; ders. (s. o. Ausg.).

BOB MILLER 'Der erste Buchstabe der Geliebten' [Korr.] Bd. 2, Sp. 623 Überl.: "Prag, ÜB, cod X A 12" korr.: Prag, Nationalmuseum (Närodni Muzea v Praze), ....

'Erweiterte Christherre-Chronik' Anonyme gereimte Weltchronikkompilation, 14. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . Linz, Oberösterreichische LB, cod. 472 (nach 1370); Wien, cod. Ser. n. 2642 (um 1480); Wien, cod. 3060 (unvollständig, datiert 1426). Ausgabe. R. PLATE, Christherre-Chronik [!]. Linz, Bundesstaatliche Studienbibl., Cod. 472. Farbmikrofiche-Edition (Codices illuminati medii aevi 29), 1994. — Teileditionen: Verkauf Josephs, Micheas-Erzählung, Thamir-Episode und Ende des 3. Königbuches bei RETTELBACH 2, S. 4—83; Hiob durch D. KLEIN und die Sabilon-Erzählung des Troja-Teils durch S. KERTH / E. LIENERT in: Stud, zur Weltchronik Heinrichs von München, Bd. l, S. 393-403 u. S. 442-475.

Die 'EChr' kompiliert Teile älterer gereimter Weltchroniken, erzählender historischer Texte und mehrerer Prosaquellen zu mehr als 57 000 Versen, die vom Beginn der Schöpfung bis zu König Ochosias am Beginn von IV Rg reichen. In den an der Bibel orientierten Bericht sind als Inzidentien die aus profaner Geschichtsschreibung bekannten Ereignisse einmontiert.

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'Erweiterte Christherre-Chronik'

E n t s t e h u n g . Der Autor der 'EChr' ist nicht bekannt; sie wurde vermutlich in Oberösterreich im Auftrag der Herren von Pernegg (bei Steyr) verfaßt. Die Entstehungszeit ist durch das Alter der Quellen einerseits auf nach 1310, durch das der Linzer Hs. auf spätestens 1375 einzugrenzen. Gegen die Annahme, daß es sich bei der Linzer Hs. um die Urschrift (PLATE) handle, spricht die äußere Einrichtung (vgl. RETTELBACH, S. 7—13); eine Entstehung erst um oder nach der Jahrhundertmitte ist dennoch denkbar. Quellen. Hauptquelle ist die -»· 'Christherre-Chronik' (vgl. auch -»· 'Leipziger Fortsetzung der Christherre-Chronik' [NB]) in veränderter und erweiterter Form. Die unvollendete 'Christherre-Chronik', die inhaltlich nur bis zum Beginn des Richterbuchs reicht, existierte bereits zu Ende des 13. Jh.s in zwei unterschiedlichen Fassungen (X und, stärker verändert, Y; nach PLATE). Eine aus beiden abgeleitete Version (Z) wurde durch Einkompilieren kleinster bis mittelgroßer Verseinheiten aus der 'Weltchronik' des Jans -» Enikel überarbeitet, vielleicht erst unmittelbar vor der Entstehung der 'EChr'. An den weiter ergänzten Text dieser Kompilation, der bis 'Christherre-Chronik' v. 24304 reichte, wurde eine aufgeschwellte 'Weltchronik' -» Rudolfs von Ems (ab v. 24265) angehängt, die teilweise überarbeitet und ebenfalls durch Enikel-Einschübe ergänzt wurde. Der Autor folgte dieser Quelle bis in den Text einer alten Rudolf-Fortsetzung hinein; gegen Ende verfuhr er jedoch immer selbständiger und dichtete schließlich einzig nach Prosaquellen weiter (1114 vv.). Zur Ergänzung biblischer Berichte benutzte er die Vulgata, die 'Historia Scholastica' des -»· Petrus Comestor [NB] und gegen Ende das -> 'Buch der Könige alter e'. Nicht immer läßt sich exakt ermitteln, welcher dieser geistlichen Quellen er gerade folgte. Ins 'Buch der Richter' eingelagert ist eine offenbar bereits fertig vorliegende Geschichte Trojas, die aus -> Konrads von Würzburg 'Trojanerkrieg' und dem Trojateil Enikels kompiliert und mit sechs Versen des -»· 'Göttweiger Trojanerkrieges' eingeleitet worden war.

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A u f b a u und Gliederung. Bedingt durch die Übernahme der 'ChristherreChronik' steht am Beginn eine typologisch kommentierte Schöpfungsgeschichte, die sich in ihrer theologisch-naturwissenschaftlichen Dimension von der Bibel löst. Es folgt die Erschaffung des Menschen und der Verlauf der frühen Menschheitsgeschichte im Anschluß an die Vulgata. Bei Abraham erscheint als erstes nichtbiblisches Ereignis die Geschichte des Ninus. Von da an sind nichtbiblische Bestandteile an der jeweils für zutreffend gehaltenen Stelle eingefügt, gekennzeichnet nur durch Texthinweise wie in der zeit o. ä. Diese Anordnung entspricht dem Verfahren der 'Christherre-Chronik'. Bei der Übernahme von Rudolf von Ems, der die Inzidentien jeweils am Ende eines Weltalters gesammelt hatte, wurden diese Sammelbecken wieder aufgelöst und die Textpartien entsprechend der chronologischen Ordnung umgestellt. Mehrere Vorausdeutungen zeigen, daß eine Fortführung bis in die Gegenwart oder zumindest bis in die Zeit nach Christus geplant war — der Abbruch bei Ochozias ist zufällig. Obgleich die 'EChr' ein Torso ist, läßt sich eine Gliederung nach sechs Weltaltern belegen. Sie ist klarer durchgeführt als in der 'Christherre-Chronik' und vermeidet den konzeptionellen Bruch Rudolfs, der in der Einleitung eine andere Gliederung angibt, als er dann durchführt. Die Weltaltergrenzen der 'EChr' sind: Sintflut —Abraham —MosesDavid—Christus. Daneben steht ein zweites Einteilungsprinzip, nämlich das nach Bibelbüchern. Einige der Grenzen sind durch Prosarubriken gekennzeichnet, andere, abgesehen von der inhaltlichen Angabe im Reimtext, nur durch vier- oder fünfzeilige Initialen oder durch Versalien. W i r k u n g . Die 'EChr' entfernt sich textlich von der 'Christherre-Chronik' so weit, daß der seit MENHARDT eingeführte Titel eher irreführend ist. Sie läßt sich besser verstehen als Auftakt zu jenem Komplex von Chronikfassungen, die man als 'Weltchronik' -»· Heinrichs von München bezeichnet; Heinrich von München könnte der Name des Schöpfers der Erstfassung oder des Be-

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'Es kommt ein schiff geladen' — 'Es tu scolaris?'

arbeiters der abgeleiteten Redaktion sein. Der Kompilator dieser Erstfassung führte die Chronik weiter bis zum Ende des Alten Testaments, fügte ein Leben Jesu sowie Papst- und Kaiserreihen vermutlich bis zu Ludwig dem Frommen an (für diesen Teil der ursprünglichen Kompilation gibt es keinen Textzeugen). Die 'EChr' selbst wurde nur an wenigen Stellen ergänzt oder verändert. Erst die erste Überarbeitung, die -Redaktion der Heinrich von München-Kompilation, formte die aus der 'EChr' übernommenen Teile großflächig um, insbesondere durch Rekompilation mit den Hauptquellen 'Christherre-Chronik' (diesmal in der Fassung X) und Rudolfs 'Weltchronik'. Die ß-Redaktion griff an einer Stelle noch einmal unmittelbar auf die 'EChr' zurück. L i t e r a t u r (für ältere Lit. s. -> Heinrich von München): H. MENHARDT, Zur Weltchronik-Lit., PBB 61 (1937) 402-462, hier S. 413-418, 422 ff., 452-458; G. KORNRUMPF, Die 'Weltchronik' Heinrichs v. München. Zu Überlieferung u. Wirkung, in: Fs. Ingo Reiffenstein, hg. v. P. K. STEIN u. a. (GAG 478), 1988, S. 493-509; E. LIENERT, Antikenroman als Geschichtswissen. Zu den kompilierten Trojanerkriegen in der 'EChr' u. in der 'Weltchronik' Heinrichs v. München, in: Die dt. Trojaliteratur d. MAs u. d. Frühen Neuzeit. Materialien u. Unters., hg. v. H. BRUNNER (Wissenslit. im MA 3), 1990, S. 407-456; G. KORNRUMPF, Das 'Buch der Könige', in: Fs. W. Haug u. B. Wachinger, 1992, Bd. I, S. 505-527, bes. S. 519-527; J. GÜNTHER, Die illustrierten mhd. Weltchronikhss. in Versen. Katalog der Hss. u. Einordnung der Illustrationen in die Bildüberlieferung (tuduv-Studien, Reihe Kunstgesch. 48), 1993; K. GÄRTNER / R. PLATE / M. SCHWABBAUER, Zur Ausg. der 'Christherre-Chronik' nach der Göttinger Hs. SuUB Cod. 2° Philol. 188/10, in: Editionsberichte zur mal. dt. Lit. Beitr. der Bamberger Tagung, 26. bis 29. Juni 1991, hg. v. A. SCHWOB u. a. (Litterae 117) 1994, S. 43-56; R. PLATE, Die Überl. der 'Christherre-Chronik'. Diss. (masch.) Trier 1996; Studien zur 'Weltchronik' Heinrichs von München (Wissenslit. im MA 29-31), 1998 (in 3 Bdn bzw. 5 Teilen): Bd. l, hg. v. H. BRUNNER: Überl., Forschungsbericht, Unters., Texte; Bd. 2,1 u. 2: J. RETTELBACH, Von der 'EChr' zur Überlieferung a; Bd. 3, l u. 2: D. KLEIN, Text- u. überlieferungsgeschichtl. Unters, zur Redaktion ß.

JOHANNES RETTELBACH 'Erzbischof Procopius' [NB]

'Anna' (D.H.)

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'Es kommt ein schiff geladen' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 625 zu Überl.: Vgl. -» 'St. Katharinentaler Liedersammlung' [NB] (dort älteste Überl.).

'Es tu scolaris?' Gesprächsbüchlein des ausgehenden 15. Jh.s eines unbekannten Verfassers, bezeichnet nach seiner abschnittsweise wiederholten Eingangsfrage. Ü b e r l i e f e r u n g . Bislang sind keine Hss. bekannt. Drucke: 28 Inkunabeln (GW 9398-9425); Erstdruck Reutlingen: Michael Greyff [um 1493/ 94]; mindestens 10 Ausg.n des 16. Jh.s (VD 16, E 3943-3951), zuletzt Augsburg 1513. Mit dem Verlust weiterer Drucke ist angesichts des Texttyps und geringen Umfangs von 14—16 Bll. zu rechnen. Schwerpunkt der Druckproduktion ist der dt. Süden und Südwesten, aber auch in Köln (6 Ausg.n) und Leipzig (5 Ausg.n) wird das Werk aufgelegt. A u s g a b e . Unediert. Auszüge: MÜLLER, S. 232— 234; BAEBLER, S. 189-195.

Der Text bietet in seinem ersten Teil eine Aufarbeitung des Stoffs der Elementargrammatik in Frage und Antwort in lat. Sprache, im Fortgang auch lat.-dt. Es folgt eine lat. Phraseologie (Begrüßung, Abschied, Danksagung etc.). Ein Teil der Drucke (u. a. GW 9405; 9417) enthält anhangsweise ein dt.-lat. Gesprächsbüchlein (Locutiones inter magistrum et discipulum. Scolares inter se. Locutiones de rebus) mit Wendungen wie Ist auch ein sequentz ze singen — Estne etiam cantanda sequencia. — wilt mir dein text zekauffen geben — Vis mihi vendere textum tuum etc. Gegenstände sind u. a. die Anmeldung zum Schulbesuch, Unterricht, Lehrstoff und Disziplin oder Schulversäumnisse (samt den einschlägigen Entschuldigungsgründen). Ausgerichtet ist das Werk nach Inhalt und Zielsetzung, vergleichbar dem 'Modus latinitatis' des Ulrich -> Eberhardi, auf die Verwendung im Anfangsunterricht der Lateinschule, die der Ulmer Lektionsplan von 1500 auch belegt: Die jungen Schüler die iebet man mit dem gestrigen latein und dem Es tu scolaris (MÜLLER, 1885/86, Bd. l, S. 126,38). Die rohe Handhabung des Lateinischen zeigt indes nicht die min-

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Eschenbach, Johannes — Etten, Bartholomäus

deste Spur humanistisch orientierter Sprachkultur. Dennoch ist das Büchlein ausweislich der erhaltenen 37 Ausg.n außerordentlich erfolgreich gewesen, insbesondere vor 1500. Daß es von humanistischen Lehrern bekämpft wurde, ist verständlich. Der Tübinger Humanist Jacob Henrichmann wirft 1512 dem anonymen Verfasser vor, in latinitatis perniciem coniurasse, und fordert Bischöfe, Fürsten und Magistrate auf, die Verwendung im Unterricht zu verbieten (MÜLLER, 1882, S. 234). Auf dem nach 1500 reicher gewordenen Markt phraseologischer Hilfsmittel für den Unterricht verlor . t. s.' rasch an Bedeutung. L i t e r a t u r . J. MÜLLER, Quellenschriften u. Gesch. d. deutschsprachigen Unterrichts, 1882 (Nachdr. 1969), S. 232-234; ders., Vor- u. frühreformatorische Schulordnungen u. Schulverträge, 2 Bde, Zschoppau 1885/86; J. J. BAEBLER, Beitr. zu einer Gesch. d. lat. Schulgrammatik im MA, 1885 (Nachdr. 1971); Der Frühdruck im dt. Südwesten 1473-1500, Bd. l, 1979, S. 143, 386f. (Abb. 108, 270, 274); J. MURPHY, The Teaching of Latin as a Second Language, in: Studies in Medieval Linguistic Thought, ed. by K. KOERNER, Amsterdam 1980, S. 159-175, hier S. 170 f.; U. SCHINDEL, Die 'auctores' im Unterricht dt. Stadtschulen im SpätMA u. in d. frühen Neuzeit, in: B. MOELLER u. a. (Hgg.), Stud. z. städt. Bildungswesen d. späten MAs u. d. frühen Neuzeit, 1983, S. 430-452, hier S. 441 f.; N. HENKEL, Dt. Übers.n lat. Schultexte (MTU 90), 1988, S. 242 f.; A. WINGEN-TRENNHAUS, Es tu scolaris? Buchproduktion in Nürnberg am Ende d. 15. Jh.s, Pirckheimer-Jb. 9 (1994) 195216, hier S. 195 f.

NIKOLAUS HENKEL Eschenbach, Johannes [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 629 f.: Ein J. E. ist belegt an der Univ. Prag: 1399 Bacc. in artibus, 1404 Licentiat, 17. März 1404 Magister in artibus, 1407 Mitglied der Prüfungskommission für Baccalaureat; danach 1409 als Magister art. in Leipzig. Vgl. Monumenta Historica Universitatis Carolo-Ferdinandae Pragensis, torn. I: Liber decanorum facultatis phil. univ. Prag., ab anno C. 1367 usque ad a. 1585. Pars I, Prag 1830, S. 346, 378, 379, 393; G. ERLER, Die Matrikel d. Univ. Leipzig, Bd. I, 1895, S. 26; Bd. II, 1897, S. 89 u. 91; J. TR'ISKA, Repertorium biographicum Univ. Pragensis praehussiticae 1348-1409, Prag 1981, S. 240. Die Identität mit dem Dominikanerprediger wäre zu prüfen.

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Vgl. ferner R. BICHERL, Die Magister der Artistenfak. der Hohen Schule zu Prag u. ihre Schriften im Zeitraum 1348 — 1409, med. Diss. Erlangen 1971, S. 209.

Eschenloer, Peter [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 631 zu 3. ergänze: E. hat wahrscheinlich für die dt. Fassung seiner Chronik eine lat. Schrift des Nikolaus -> Tempelfeld [NB] ins Deutsche übersetzt; es handelt sich dabei um ein Pamphlet gegen die Wahl Georg Podiebrads zum König von Böhmen.

'Esdras' Weissagungen' -* Neujahrsprognosen 'Esopus' -> Äsop [NB] Estas -»· 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Etten, Bartholomäus (Ethan, von Etten) E., artium magister et medicinae doctor, wirkte im letzten Drittel des 15. Jh.s zu Heidelberg in engem Kontakt mit dem kurpfälzischen Hof. Zusammen mit Konrad -> Schelling und Erhard -»· Knab 14697 71 wurde er beauftragt, die 'Heidelberger Arzneimittelliste' (eine Apotheken-Preistaxe nach Basler Vorbild, WmF 15 [1978] 16 f.) zusammenzustellen. 1469 erhielt E. auch von der Stadt Frankfurt eine einmalige Zuwendung von 50 Gulden, bevor er 1470 die Reichsstadt nach vierjährigem steuerfreiem Aufenthalt wieder verließ: schon 1458 war er — damals von Mainz aus — in Verhandlungen mit dem Magistrat getreten, und noch 1483 fertigte er in städtischem Auftrag ein Gutachten über die Frankfurter Apothekeneinrichtungen an. 1480 ist er als Leibarzt Landgraf Heinrichs von Hessen bezeugt. Ab 1484 fehlen über ihn weitere Nachrichten. Daß er, wie Eis vermutet, mit -> Bartholomäus von Frankfurt identisch sei, ist (im Hinblick auf den eher wund- oder laienärztlichen Charakter der unter B. v. Frankfurt überlieferten Rezepturen) nicht allzu wahrscheinlich.

Von E. sind eine Purgaz aus teuren Ingredienzen, damit ... er all sein künst durchbracht ... hodt (Heidelberg, cpg 269

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'Eucharius, Valerius und Maternus'

63r), und ein Pulver-Rezept überliefert, in dem er behauptete, daß das bulluer ... einen gesunden menschen ... in ordenlicher gesunthaidt... behalte und darüber hinaus eine Vielzahl von Krankheiten bis hin zum schlage verhüte, wenn nicht gar bessere (Heidelberg, cpg 272, 147r, abgedruckt bei TELLE, S. 314 f.). Anscheinend hat B. E. seinen Lebensunterhalt als Regimina-Schreiber bestritten. Darauf deuten zwei Gesundheitsregeln, die unter seinem Namen überliefert sind: Die erste, ein lat. 'GichtRegimen contra podagram", ist verfaßt für den kurpfälzischen Kanzler Mathias von Ramung, Bischof von Speyer (Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. Pal. lat. 1319 [Heidelberg, 1473-98], 253r-263v; ohne Widmung: Heidelberg, cpg 226, 23r-32r; ins Deutsche übersetzt von E. Knab, vgl. Eis [1971], S. 373). Die zweite, von der ersten nur durch eine Gichtsalbe E.s und ein verdauungsförderndes Karminativum für den Bischof getrennt, ist Ad alleuiandum partum überschrieben und bietet eine Rezeptfolge, deren Vorschriften zur Anwendung kommen quandocumque aduenerit tempus pariendi; die Drogennamen hat E. hier — möglicherweise aus Rücksicht auf die Zielgruppe (Schwangere bzw. Ammen) — vielfach landessprachig aufgelöst (Rom [s. o.], 265V).

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drei ersten Bischöfe von Trier als Schüler des Apostels Petrus aus, wohl um Triers Anspruch als 'zweites Rom' zu unterstreichen. I. Eine ursprünglich wohl moselfrk. Übersetzung der Vita findet sich in einem 1468 geschriebenen Legendär mit Heiligen des gestifftz van Trere, in einem Kölner Legendär sowie als Sondergut in vier moselfrk. bzw. ripuar. Hss. und einem Druck der 'Südmndl. Legenda aurea' (-> Jacobus a Voragine, V. 2.; -»· Bijbelvertaler van 1360 [NB], B.I.). Ü b e r l i e f e r u n g . Trier, StB, Hs. 809/1341 8°, 206r-220r; Berlin, mgq 1687, 166V-177V; Hss. der 'Südmndl. Leg. aur.': Darmstadt, LB, Hs 814, 34 va_ 39 vb. Kö i n> Hjst Arc hi v d. Stadt, cod. vb rb W 169, 35 -40 ; London, University College Library, MS. Germ. 17, l ra -9 ra ; Paris, Bibl. nat., ms. allem. 35, 393vb-399vh. - Druck: Utrecht, Jan Veldener 1480.

II. Eine andere, ripuar. Übersetzung ist im Druck der 'Südmndl. Legenda aurea' durch Ludwig van Renchen, Köln 1485, überliefert. III. Eine Abbreviation der lat. Vita wurde in den im dt. Südwesten verbreiteten 'Provincia-Anhang' der lat. 'Legenda aurea' aufgenommen. Eine dt. Übersetzung dieser Abbreviation taucht erstmals Mitte des 15. Jh.s als Sondergut in einer oberrhein. Hs. der 'Elsässischen Legenda L i t e r a t u r . G. L. KRIEGK, Dt. Bürgerthum im MA, 1868, S. 46 f.; G. Eis, Erhard Knabs Gichtre- aurea' auf (-> Jacobus a Voragine, V. 5.; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. gimen, Med. Mschr. 7 (1953) 523-527, auch in: 79. l Aug. 2°, 31va-33vb), sodann in ders., Forschg.n z. Fachprosa, 1971, S. 91 —100, sämtlichen Drucken von ->· 'Der Heiligen 372—375 [zit.]; ders., Nachrichten z. Heidelberger Medizingesch. d. 15. u. 16. Jh.s aus Hss. u. FrühLeben'.

drucken, Med. Mschr. 14 (1960) 325-327, hier S. 325b; J. TELLE, Mitt. aus d. 'Zwölfbändigen Buch der Medizin' zu Heidelberg [-> Ludwig V., Pfalzgraf bei Rhein], Sudhoffs Arch. 52 (1968) 310-340, hier S. 314 f. [zu cpg 269 u. 272]; L. SCHUBA, Die med. Hss. der Codd. Pal. Lat. in der Vatikan. Bibl. (Kataloge der ÜB Heidelberg 1), 1981,8.417.

G. KEIL 'Eucharius, Valerius und Maternus' Deutsche Legenden.

A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. 2: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXXVIII, XLV, LVI, Text S. 288-293 (mit der lat. Vorlage).

WILLIAMS-KRAPP weist noch auf weitere Fassungen der Legende in -*· 'Der Heiligen Leben, Redaktion', in den -»· 'Mittelfränkischen Heiligenpredigten', ferner in Hs. Utrecht, ÜB, cod. 8. J. 83, 214r-218r sowie auf separat überlieferte Valerius- bzw. Maternuslegenden hin. L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl.

Die in Trier im 9.710. Jh. verfaßte 'Vi- Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 407, ta sanctorum Eucharii, Valerii, Materni' 441, 466 f. (AASS Jan. 3, 1863, S. 533-538) gibt diese KONRAD KUNZE

429

'Eustachius' — 'Die Evangelische Perle'

'Eustachius' -> Zobel, Jörg (III.2.) Neben der Verslegende Zobels existieren zahlreiche dt. und ndl. Prosafassungen der Placidus-/ Eustachius-Legende; vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 409 f. (10 Legendarfassungen und 9 weitere Prosalegenden); von diesen ist nur die Fassung der -» 'Gesta Romanorum' ediert (A. v. KELLER, 'G. R.', 1841, S. 166-174).

Evangelienharmonien [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 646 petit-Abschnitt, Verweise ergänze: -* Rutze, Nicolaus. Sp. 647 Überl.: "Stuttgart, LB, cod. theol. 140" korr.: ..., cod. theol. et phil. 8° 140. Ebd. Ausg.n: "Neerlandica" korr: Neerlandicae.

Evangelienperikopen vgl. -* Perikopenbücher [Verweise!]; ferner: -» 'Trierer Perikopen'; -» 'Einsiedeln-Zürcher Lektionar' [NB]; -> Treiburger Perikopen' [NB]; vgl. ferner (u. a.) ->· Brevier [NB] sowie die Artikel über Predigtsammlungen. 'Evangelien-Perikopen der Passion' (mhd. Verse) [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 652 zu 1. Überl.: "Prag, Landesmus., ..." korr.: ..., Nationalmuseum (Narodni Muzea v Praze). Sp. 652f.: Nr. l ('Neuhauser Bruchstücke') und Nr. 3 ('Admonter Perikopen') gehören zusammen; vgl. Bruder -» Philipp, II.8. (dort zwei weitere Hss.).

'Evangelienreimwerk' (md.) -> 'St. Pauler E.' Evangelien-Übertragungen [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 653 f. zu I. ergänze: Oxford, Bodleian Library, MS. germ. 6.3, Bl. 15, zwei Frgm.e, hg. v. P. F. GANZ, Two new Middle High German Gospel Fragments, German Life and Letters 16 (1962/63) 193 — 197; einige weitere Textstreifen, die zur Wiener Hs. ser. nov. 249 gehören, noch ungedruckt; vgl. MENHARDT, Hss. Ill 1448. Sp. 657 zu V.: Vgl. auch Lienhart -> Peuger, II. 2. Sp. 658 zu VI. 1. ergänze: Erstausg. der mnd. Evangelienübersetzung mit neuer Benennung: Eine Buxtehuder Evangelienhandschrift. Die vier Evangelien in einer mnd. Übers, d. 15. Jh.s aus dem Alten Kloster (Buxtehuder Notizen Nr. 5), 1992,

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darin S. 100—266 Textedition v. S. PETTKE u. I. SCHRÖDER. Ebd. Z. 11/10 von unten: "Oldenburg, Öffentl. Bibl., cod. 70" korr.: ..., LB, Cim 170. Vgl. Hss. in Nordwestdeutschland. Aurich—Emden —Oldenburg, bearb. v. I. STAHL (Mal. Hss. in Niedersachsen. Kurzkatalog. 3: Nordwestniedersachsen), 1993. Sp. 659 Ende des Art. ergänze die Verweise: -> Gertrud von Buren; -» 'Klosterneuburger Evangelienwerk'; -> 'St, Pauler Evangelienreimwerk' (Verse!); -> Sträub, Nikolaus; -* Thomas von Aquin (B. II.: Evangelienkommentar und -Übersetzung nach der 'Catena aurea'). Vgl. auch -»· Perikopenbücher [Verweise!].

'Evangelienwerk' ->· 'Klosterneuburger E.'; vgl. auch -> Wolfhart; -> Österreichischer Bibelübersetzer [NB] 'Die Evangelische Perle' Ndl. mystische Schrift v. J. 1535/1536. 1. Die 'Evangelische Perle' ( . P.') ist das umfangreiche Werk einer anonym gebliebenen Verfasserin. Wir kennen indes ihre Lebenszeit, 1463 — 1540, und ihre Heimat, wo sie 'in ihres Vaters Haus' lebte, dürfte Oisterwijk (in der ndl. Provinz Nordbrabant) sein. Ihre herausragenden theologischen Kenntnisse verdankt sie kartäusischen Beichtigern und Beratern. — BEGHEYN hat mit Engagement und großem Aufwand die Hypothese vertreten, die Autorin der . P.' sei die Witwe Reinalda van Eymeren, die Großtante des bekannten Jesuiten Petrus Canisius. Er hat, so viel ich sehe, und mit Recht, kein Gehör gefunden. A u s g a b e n . Erstdruck: Margarita Euangelica. Een devoet boecxken geheeten Die Evangelische Peerle, Utrecht 1535 ('Kleine Perle'); Antwerpen 1536 ('Große Perle'). Insg. 19 Ausgaben des 16.19. Jh.s. — Die Evangelische Perle. Das geistliche Begleitbuch einer flämischen (!) Mystikerin des 16. Jh.s in der Übersetzung des Angelus Silesius, ausgewählt und bearbeitet von K. DAHME, Salzburg 1990.

Die Autorin der . P.' hat noch andere Schriften verfaßt: 'Vanden tempel onser sielen' v. J. 1543, den A. AMPE vorbildlich ediert hat (Antwerpen 1968) und eine Reihe kleinerer Traktate, die gleichfalls

431

'Die Evangelische Perle'

AMPES Untersuchungen zu verdanken sind. Aber nur die . P.' hat Geschichte gemacht. Sie ist in der Tatsache zu sehen, daß ein Buch, das noch ganz in der großen Mystik des 14. Jh.s seinen Sitz hat, in ununterbrochener Folge über zwei Jahrhunderte hinweg bis in die Neuzeit hinein seine Spiritualität vermittelte und vielfältige Anstöße zu neuen mystischen Werken und Lebensformen gab. Mit -» Taulers (zumeist unechten) Schriften schlägt es eine Brücke vom MA zur Neuzeit. Es gibt eine 'Kleine' und eine 'Große' Perle. Die 'Kleine', die der 'Großen' voranging, enthält 39 Kapitel, die 'Große' gliedert sich in drei Bücher mit 53, 56 und 58 Kapiteln, und sie sind es, die den 19 Ausgaben des 16. bis 18. Jh.s zugrunde liegen. 2. Der Inhalt ist in der Zusammenfassung des Vorworts folgender: Das 1. Buch lehrt uns, 'Gott und uns selbst zu erkennen, die verwirrten Kräfte der Seele in ihre ursprüngliche Gerechtigkeit zurückzuführen, mit Glauben, Hoffnung, Liebe und den ändern Tugenden zu zieren und mit Gott, unserem in uns lebenden Ursprung, zu vereinigen'. Das 2. Buch lehrt, 'wie wir durch die Menschheit Christi zur Vereinigung mit der Gottheit aufsteigen sollen und ein Geist mit Gott werden können, sowie die neun Stufen der Tugenden'. Das 3. Buch lehrt, 'wie die Seele innerlich und äußerlich Christus vollkommen gleich werden, sich aus dem Grund verleugnen, Gott in sich selber finden und in ihn verwandelt werden soll'. Es ist dies ein Aufstiegsweg, der Weg zur 'evangelischen Vollkommenheit, den unser Herr Jesus Christus vorangegangen ist'. Diese ist ein verborgener Schatz in unserm Innersten, den es freizumachen gilt, was heißt, daß wir in der 'Einkehr in den Geist' 'von allen geschaffenen Dingen abgezogen, Gott allein mit bloßen Armen der reinen Liebe umfassen und festhalten, der allerheiligsten Menschheit Christi aber innerlich und äußerlich in vollkommener Weise nachfolgen'. Die Darlegungen der . P.' erweisen eine ungewöhnliche theologische Ausbildung und einen souveränen Umgang der Autorin mit ihr. Sie wurzelt nicht nur in

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der Mystik -» Ruusbroecs, sie hat sich auch ausgiebig mit Meister -* Eckharts und Johannes ->· Taulers Schriften beschäftigt, mutmaßlich mit Hilfe des Basler Taulerdrucks v. J. 1521. Sie kennt Eckharts berühmte Armutspredigt und zitiert sie unbefangen positiv (in Groenendaal war sie verfemt), den 'Abegescheidenheit-Traktat', sodann die Straßburger sog. Gottesfreundliteratur, jedenfalls Rulman -» Merswins 'Neunfelsenbuch'. In den Passionsbetrachtungen fußt sie auf -> Bernhards Schriften, den franziskanischen -»· 'Meditationes vitae Christi' und dem 'Extendit manum'Passionstraktat (-»· Heinrich von St. Gallen). Diese Quellenbenutzung zeichnet sich aus durch die Umsetzung in die eigene Diktion. 3. Es ist indes die Wirkungsgeschichte der . P.', die unsere besondere Aufmerksamkeit erheischt. Sie hat nicht ihresgleichen. Eine entscheidende Rolle kommt der lat. Übertragung des Nikolas van Esch (Eschius) v. J. 1545 zu. Sie liegt sowohl der frz. wie zwei dt. Fassungen zugrunde. Ihnen voran gingen die sog. 'Institutiones Taulerianae' (als Anhang zur Tauler-Edition des Petrus Canisius; s. ->· Tauler, IV.2.b., Sp. 651), die im Verlaufe des 16. Jh.s ins Spanische (1551), Italienische (1568) und Frz. (1587) übertragen wurden: sie machten so Teile der . P.' in der ganzen Romania bekannt. Die frz. Gesamtübersetzung v. J. 1602 wurde zu einer Hauptquelle der frz. Mystik des 16. und beginnenden 17. Jh.s mit Fran$ois de Sales und dem Kapuziner Benoit de Canfield, der 1593-1599 in Paris wirkte. Auch die dt. Aufnahme der . P.' ging von Frankreich aus. Es war der konvertierte Pierre Poiret (1646-1719), der mit seiner 'Theologie reelle' v. J. 1700 die . P.' dem dt. Kirchenhistoriker Gottfried Arnold (1666-1714) vermittelte, und dieser wiederum machte Gerhard Tersteegen (1697-1769) mit ihr bekannt (dazu BEGHEYN, 1975). 1767 veröffentlichte er die 'Perlenschnur', eine Anthologie mit Abschnitten aus der . P.' in 13 Kapiteln, die er selbst zusammengestellt hat. Ein Jahrhundert vor Tersteegen wurde Johannes Scheffler mit dem Konversions-

433

'Evangelium Nicodemi' — Ezzo

namen Angelus Silesius (1624—1677) durch seinen Freund Abraham von Frankenberg (f 1652) mit der . P.' bekannt, indem ihm dieser seine lat. Ausgabe v. J. 1545 dedizierte. Scheffler übersetzte sie ins Deutsche, fand aber lange Zeit keinen Verleger, bis sich ein Glatzer Verlag der Übertragung annahm (1676; Abbildung des Frontispiz bei DAHME, Vorsatzblatt). Gegen Ende des 17. Jh.s fand die . P.' einen neuen dt. Übersetzer, den Franziskaner Heribert Hobusch (f 1713). Er hatte einen weit größeren Erfolg als vor ihm Scheffler: der Erstauflage Köln 1698 folgten 1700 und 1706 Neuauflagen. Es lag auf der Hand, daß Köln als Zentrum des katholischen Buchhandels ein weiteres Publikum erreichte als das schlesische Glatz mit Schefflers Übersetzung. Die Wirkungsgeschichte erweist die . P.' als gesamtabendländisches Werk. Es sollte diesem Rang entsprechend gewürdigt werden. L i t e r a t u r . L. REYPENS, De schrijfster der Evangelische Peerle, OGE 2 (1928) 52-76; 189213; 305-341; Dom J. HUYBEN, Nog een vergeten mystieke grootheid. De invloed der Evangelische Peerle, OGE 2 (1928) 361-392; 3 (1929) 60-76; 144-164; 4 (1930) 5-26; 428-473; D. A. STRACKE, Wanneer werd de Groote Evangelische Peerle voltooid?, OGE 10 (1936) 85-96; A. AMPE, Kritische kanttekeningen bij · de 'Evangelische Peerle' I-VI, OGE 25 (1951) 151-175; 28 (1954) 172-193; 32 (1958) 421-424; 33 (1959) 194200; 38 (1964) 225-319; 40 (1966) 241-305; P. J. BEGHEYN, Nawerking van de 'Evangelische Peerle', OGE 49 (1975) 173-192; ders., De verspreiding van de 'Evangelische Peerle', OGE 51 (1977) 391421; A. AMPE, in: Diet. Spin 12, 1984, Sp. 11591169; P. J. BEGHEYN, Nieuwe gegevens betreffende de 'Evangelische Peerle', OGE 58 (1984) 30-40; ders., Die 'Evangelische Peerle'. Nieuwe gegevens

434

over auteur en invloed, OGE 63 (1989) 170-190; K. RUH, Gesch. d. Abendländischen Mystik, Bd. IV: Die ndl. Mystik d. 14.-16. Jh.s, 1999, S. 290-312.

K. RUH

'Die evangelischen Räte' Jesu Christi'

'Zwölf Räte

'Evangelium Nicodemi' [Nachtr./Korr.] Vgl. auch -> 'Klosterneuburger Evangelienwerk', -> 'Pilatus', bes. IV.2. (dt. Fassungen), -* 'Veronika' und -» Österreichischer Bibelübersetzer [NB]. Bd. 2, Sp. 661 zu 3. ergänze: Zu weiteren Bearbeitungen s. -> 'Befreiung der Altväter'; -> Hawich der Kellner; -> 'Passion Christi in Reimversen' (5.); -> 'Zerstörung Jerusalems' u. a. Ebd. zu 4. Überl.: "Lüneburg, Ratsbücherei, Ms. theol. 83" korr.: ..., Ms. theol. 2° 83. Ebd. Z. 3/2 von unten: "Lübeck, StB, cod. germ. 9" korr.: ..., Ms. lit. et germ. 4° 9 (seit 1990 wieder zurück in Lübeck!). Sp. 662 Z. 15 f.: "Samen, Bibl. des Benediktinerkollegs, cod. 2" heute in Engelberg, Stiftsbibl., cod. 240 (die Pilatus-Veronika-Legende dort Bl. 274va-276vb).

Exempelsammlungen -> Reimbispel-Sammlungen 'Exercitium puerorum grammaticale' -» Zenders, Wilhelm Ezzo [Korr.] Bd. 2, Sp. 670 Überl.: "Straßburg, Bibl. nat. et univ., cod. germ. 278" korr.: ..., ms. l (olim L germ. 278). Sp. 672 unten: "in der 'Vorauer Genesis' [-> 'Altdeutsche Genesis']" ergänze: [...; vgl. auch ->· 'Vorauer Bücher Mosis'j.

F Faber, Siegmund -»· Siegmund von Prüstat

Fabri, Felix OP [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 683 Z. 3: Fabri starb am 23. März 1502, vgl. B. PFEIFFER, Das Biberacher Geschlecht von Brandenburg u. seine Kunstpflege, Württ. Vierteljahreshefte f. Landesgesch. NF 19 (1910) 267-316.

Sp. 684 zu 3.: Weitere, bisher nicht bekannte dt. Predigten F.s sind überliefert in: 1. Augsburg, ÜB, cod. III. 1.8 ° 42,107r151r, 217r-229v + 238r, 239r-260r, 288r358r: vier der Predigten sind signiert (eine Eucharistiepredigt zum Gründonnerstag, im 1. Teil basierend auf -»· Albertus Magnus, 'De eucharistia'; eine Osterpredigt; eine Predigt zu 4,2 über die Unterscheidung der Geister; diese wie auch eine weitere über Is 60,1 ist Problemen des Klosteralltags gewidmet), drei weitere anonyme sind F. zweifelsfrei zuzuschreiben. 2. München, cgm 4375, 201v-227r: ein vierteiliger Osterpredigtzyklus F.s in der Bearbeitung eines anonymen Predigers. 3. München, cgm 5140, 270r-311v: Weihnachtspredigt, anonym, auf der Grundlage des 'Benjamin minor' ->· Richards von St. Viktor. Vgl. K. SCHNEIDER, Felix Fabri als Prediger, in: Fs. W. Haug u. B. Wachinger, Bd. I, 1992, S. 457468. Sp. 685 Überl.: "Wien, Schottenkloster, cod. 413 (olim 248)" korr.: ..., cod. 413 (olim 53.g.9; Kat. Nr. 248). Ebd. nach Überl. ergänze die Ausg.: W. CARLS, Felix Fabri, Die Sionpilger (TspMA 39), 1999. Sp. 686 oben, zu 5.: "verfaßt in einer Art Titurelstrophe mit dilettantischen Reimassonanzen" korr.: Die von F. verwendete Siebenzeilerstrophe (Auft. 3x- 3a 3x- 3a 4b 3x- 3b) ist nicht die Titurelstrophe, sondern diejenige von 'Es wonet lieb bei liebe' ('Abendgang', DV I Nr. 19.1, wie bei F. ohne

Zäsurreime); dasselbe Schema mit Zäsurreimen in -> 'Ich stund an einem morgen', -»· 'Schlacht bei Sempach' u.a. (Hinweis Gisela Kornrumpf). Sp. 687 Überl.: "Ulm, Stadtarch., cod. Fabri 5" korr.: ..., H Fabri Nr. 5 (die Hs. befindet sich aber nach wie vor im Ulmer Stadtarchiv, gegen D. HUSCHENBETT, DVjs 59 [1985] 43 Anm. 57!). Ebd.: "Stuttgart, LB, cod. asc. 26 fol." korr.: ..., HB I 26.

Fabri, Heinrich OP (von Schönensteinbach) [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 690 vor Lit. füge ein: Die Hs. Tübingen, ÜB, MC 174 (15. Jh.), 3r-37v überliefert unter F.s Namen lat. ammoniciones et doctrine ...de insütutione vere religiöse perfecteque fite. Vgl. KAEPPELI, Scriptores II 195.

Fabri, Johannes (von Donauwörth) [Korr.] Bd. 2, Sp. 691 zu L, petit-Abschnitt: "-> Hieronymus von Mondsee" korr.: -> Johannes de Werdea [Art. in Bd. 4!]. Sp. 695 zu 11., Überl.: "Magdeburg, Domgymnasium, cod. 253": Die Hs. muß als Kriegsverlust gelten.

'Facetus' [Korr.] Bd. 2, Sp. 701 oben Ausgaben: "Erstdruck: [Basel 1496], GW 9695" korr.: Erstdruck: Basel, J. Bergmann von Olpe 1499 (Cn. SCHMIDT, Histoire litteraire de l'Alsace, Bd. 2, Paris 1879, S. 349, Nr. 112). Der Druck GW 9695 enthält nicht den 'Facetus Moribus et vita\ sondern den 'Facetus Cum nihil utilius' und ist daher als Erstdruck von dessen Übers, durch Seb. Brant auf Sp. 702, petit-Abschnitt, einzuordnen (vgl. N. HENKEL, Dt. Übers.n lat. Schultexte, 1988, S. 248 f.).

Falkner, Peter [Korr.] Bd. 2, Sp. 707: "Der cod. Nr. 54 Ambras (5012) des Wiener Kunsthistorischen Museums" korr.:

437 Wien, Kunsthist. Inv. Nr. P 5012.

438

Fechtbücher — 'Fehmarnsches Landrecht' Museum,

Waffensammlung,

'Der falsche Pilger' (KELLER, Fsp. 2) -» 'Der Wallbruder' Fastnachtspiele -> 'Burenbedregerie'; -» 'Domherr und Kupplerin'; -> 'Des Entkrist Vasnacht'; -> Folz, Hans; -» 'Henselin'; -> 'Kaiser und Abt'; -> 'König Artus' Hörn' II; -» 'Liebesnarren vor Venus'; -»· 'Meister Aristoteles'; -> Mercatoris, Nicolaus; ->· 'Mißglückte Werbung'; ->· 'Neidhartspiele'; -> 'Das Parisurteil' I u. II; -»· Raber, Vigil; -» 'Röbeler Spiel'; -» Rosenplüt, Hans; -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele'; -» 'Rumpolt- und Maret-Spiele'; -»· 'Das salomonische Urteil'; -> 'De Schevekloth'; -> 'Sieben Frauen und ein Mann'; -» 'Tanawäschel'; -" 'Der törichte Tausch'; -» 'Das Ungetüm'; -> 'Vier Reden'; - 'Der Wallbruder'; -» 'Zähmung einer bösen Frau'; -»· 'Zeugenaussagen'; -> 'Die zwölf Pfaffenknechte'; -» 'Aristotiles und die Königin' [NB]; -> 'Das böse Weib' [NB]; -+ 'Die drei Brüder und das Erbe' [NB]; -» 'Ehestreit' [NB]; -* 'Der Freihart' [NB]; -» 'Der Hasenkauf' [NB]; ->· 'Heilung eines Bauern' [NB]

folgt der 'Legenda aurea', der Hauptteil aber dem 'Tractatus de Purgatorio S. Patricii' (Hinweis G. Kornrumpf).

'Fehde zwischen [Nachtr.]

Amor

und

Reden'

Bd. 2, Sp. 717 zu Lit. ergänze: M. RHEINHEIMER, Rhein. Minnereden (GAG 144), 1975, bes. S. 91-95.

'Fehmarnsches Landrecht' Ü b e r l i e f e r u n g . LR I (um 1320/21): Kopenhagen, Rigsarkivet, NKR nr. 256 (B), undatiert 1320-1321 (lat. Urkunde); LR II (3. 1. 1457 Vidimus der Bestätigung der Handfeste vom 15. 8. 1326): Kiel, Landesarch. Schleswig-Holstein, Urk. Abt. 173 (Landschaft Fehmarn) Nr. 1; LR III (21. 10. 1558): Kiel, Landesarch. Schleswig-Holstein, Urk. Abt. 173 (Landschaft Fehmarn) Nr. 24. A u s g a b e . LR I: P. HASSE, Schleswig-HolsteinLauenburgische Regesten u. Urkunden, Bd. 3, 1896, Nr. 433, S. 235-237; LR II: Urk.-Sammlung d. Gesellschaft f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Geschichte, Bd. 3 T. 2, 1880, Nr. 13, S. 5-7; LR III: ebd., Nr. 75, S. 33-39.

Die Herrschaft über die Insel Fehmarn wechselte im 13. und 14. Jh. zwischen den Grafen von Holstein, den Königen von Dänemark und den Herzögen von Schles'Faule Pfaffenknechte' (KELLER, Fsp. 64) -» wig. An König Christoph II. von Däne'Die zwölf Pfaffenknechte' mark (1319-1352) richtet sich der Eingang der leges Terre Imbrie quas accep'Der Faulheitswettstreit' (KELLER, Fsp. 64) tauerant pociores illius Terre. Das älteste ->· 'Die zwölf Pfaffenknechte' Landrecht (LR I) ist ein Rotulus in lat. Sprache, der von den 24 oder 28 potiores Fechtbücher (anonyme) [Korr.] terrae unterschrieben ist. Eine königliche Bestätigung von LR I, einem LandesweisBd. 2, Sp. 712 Z. 11/10 von unten: streiche den tum, ist nicht erhalten. Die dänische HerrVerweis "Nidas -> Preuß", korr.: Niclas Preuß (vgl. schaft über Fehmarn endete bald nach Hanko -> Döbringer [NB]). 1320; danach trat Johann III. (der Milde) Sp. 712/13 letzte/erste Zeile: "Berlin, mgq 16 (... Kriegsverlust)" korr.: jetzt in Krakau, Bibl. Ja- von Holstein-Plön die Herrschaft an. Er sigiellonska. cherte in einer nd. Handfeste (1326, LR II) Fehmarn eine gewisse Selbständigkeit zu. 'Fegfeuer des hl. Patricius' [Korr./Nachtr.] Von den 38 Artikeln des LR I enthalten die ersten 26 Artikel einen Bußenkatalog, bei Bd. 2, Sp. 716 zu II. 1.: Bei Fassung 1. b) handelt dem die Brüche an den König und die Buße es sich um Exzerpte aus -> 'Der Seelen Wurzgaran den Verletzten unterschieden werden. ten'. Artikel über Gerichtsverfassung und VerEbd. Z. 17/16 von unten: "Solothurn, Zentralfahrensrecht schließen sich an. Das Erbbibl., cod. 398" korr.: ..., cod. S 398. recht der Verwandten und des Königs ist Ebd. zu II.2.a): Zu einer weiteren Überl. vgl. Jörg -> Stuler (2.). Nur der Anfang der Übers. 2. a in Art. 29 geregelt. Die strafrechtlichen

439

440

'Felicitas und ihre sieben Söhne' — Ficino, Marsilio

Regelungen ähneln Texten des Landfriedensrechts, ohne daß die einzelnen Quellen geklärt sind. LR II in 16 Artikeln hat wenige strafrechtliche Artikel (Art. 2—4), ebenfalls Regelungen der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts, und regelt Dingpflicht, Burgenbau und Deichbau. Die Zusammenschau beider Rechte zeigt, daß LR II durch das weitergeltende LR I ergänzt wurde. Am 21. 10. 1558 erließ Herzog Johann von Schleswig, Holstein, Stormarn und Dithmarschen ein nd. Landrecht (LR III), in das wesentliche Teile von LR I und LR II übernommen wurden. Dies bedeutete für Fehmarn den Weiterbestand einer in wesentlichen Zügen mal. Rechtsordnung. — Das LR II ist, obwohl nur von regionaler Bedeutung, als nd. Denkmal von sprachlichem Interesse. L i t e r a t u r . P. HASSE, Das älteste 'F. L.', Zs. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch. 10 (1881) 71-95; W. BERGMANN, Die Entwicklung d. Fehmarnschen Gerichtsverfassung, ebd. 65 (1937) 158-212; E. WOHLHAUPTER, Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. l, 1938, S. 62-70.

ULRICH-DIETER OPPITZ

Ü b e r l i e f e r u n g . Augsburg, StB u. SB, 2° cod. 159, 33vb-35rb; Heidelberg, cpg 144, 45rb-46rb; Linz, Oberösterr. Landesarchiv, Herrschaftsarchiv Steyr, cod. 1559, 29ra-30ra; Rottenburg/N., Priesterseminar, cod. 11, 161va-162ra. A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXI, Lf., Text S. 45-47. L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 410 (verzeichnet auch 14 dt. u. ndl. Legendarfassungen).

KONRAD KUNZE 'Felix im Paradies' -» 'Mönch Felix' 'Felix, Regula und Exuperantius' (dt. Legenden) -> Martin von Bartenstein Außer den unter M. v. B. verzeichneten anonymen dt. Legenden sind zwei weitere Einzellegenden verzeichnet bei W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. und ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 411.

Felnhamer (Fellenhamer), Hans hamer, H.

Velln-

'Die feigen Ritter' (KELLER, Fsp. 75) -» 'Das Fest des Königs von England' (KELLER, Fsp. 100) -> Rosenplüt, Hans; ->· 'Ro'Rosenplütsche Fastnachtspiele' senplütsche Fastnachtspiele' 'Feigenbaumpredigt' -» Straßburger Augustinereremit 'Feuerwerkbuch von 1420' [Korr.] 'Felicitas und ihre sieben Söhne' Deutsche Legenden. Im 4./5. Jh. entstand eine nach dem Vorbild der makkabäischen Brüder (II Mcc 7) gestaltete Passio der heiligen römischen Märtyrin F. und ihrer Söhne (hg. v. K. KÜNSTLE, Hagiographische Stud, über d. 'Passio Felicitatis cum VII filiis', 1894). In der 'Legenda aurea' (-> Jacobus a Voragine, V.) wird die Passio sehr verkürzt und ganz auf F. konzentriert wiedergegeben. Aus Ungenügen an der entsprechend kurzen dt. Version der 'Elsässischen Legenda aurea' (s. ebd., V. 5.) hat ein Redaktor derselben den Text vor 1419 unter Rückgriff auf die lat. Passio erweitert, vor allem durch das Martyrium der Söhne.

Bd. 2, Sp. 730 petit-Abschnitt: Zu Hs. Berlin, mgq 867 vgl. Hans -> Schulte. Sp. 731 Z. 5 f.: "cgm 4902 (Konrad -> Kauder)" korr.: ... (Konrad -» Schongau).

Ficino, Marsilio Florentiner Arzt, Philosoph und Übersetzer (1433-1499). 1. Werk. F. ist mit Giovanni Pico della Mirandola (1463 — 1493) ein Hauptvertreter des Florentiner Neuplatonismus. Er gründete die Platonische Akademie, übersetzte ins Lat. und kommentierte das 'Corpus Hermeticum', die Werke Platons, Plotins u. a. und strebte in seinem Hauptwerk 'Theologia platonica' (1474) nach der Harmonisierung paganer Philosophie und christlicher

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Ficino, Marsilio

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Theologie. Bedeutsam für die Liebeskonzeption der frühen Neuzeit ist sein 'Symposion'-Kommentar 'De amore' (1469). Überdies verfaßte F. wirkmächtige medizinische Fachschriften.

Insbesondere die medizinischen Schriften wurden rezipiert. Das 'Consiglio contro la pestilenzia' (1481) wirkte im dt. Sprachraum in lat. Übersetzung (handschriftliche Übersetzung vielleicht von Johann -»· Stocker [II.8.] in Augsburg, SB u. A u s g a b e n . Opera omnia, Basel 1561 (Nachdr. StB, 4° cod 121, l r -29 v [Ende 15. Jh.]; von Turin 1962); P. O. KRISTELLER, Supplementum Ficinianum, Florenz 1937. — Einzelschriften (in Aus- Hieronymus Ricius stammt eine zweite Übersetzung: 'De epidemiae morbo', Druck wahl). R. MARCEL, Commentaire sur le banquet de Platon, Paris 1956; E. MUSACCHIO, Consilio contro Augsburg 1518). 'De triplici vita' (1489) la pestilenzia, Bologna 1983; P. R. BLUM, Über die fand Nachfolge in der Gelehrtendiätetik Liebe oder Platons Gastmahl, lat.-dt. (Philosoph. 'Regimen studiosorum' (1502) des Johann Bibl. 368), 1984; A. BIONDI / G. PISANI, De vita, Ulrich -» Surgant. lat.-ital., Pordenone 1991.

2. R e z e p t i o n . Umfang und Bedeutung der Wirkung F.s sind unzureichend erforscht. Rezipiert wurden sowohl F.s philosophisch-hermetische wie auch seine medizinischen Schriften. Außerhalb Italiens wurden vor 1500 nur einzelne Werke gedruckt (GW 9874, 9883 u. 9885). Interessierte wie Hartmann -»· Schedel beschafften sich F.s Werke und Übersetzungen aber aus Italien. F.s Name und Ruf als Platoniker war in fast allen dt. Humanistenzirkeln wohlbekannt. Bereits Johannes -» Trithemius [NB] nahm ihn in seinen Katalog 'De scriptoribus ecclesiasticis' auf, und Hermann Buschius rühmte ihn in seinem 'Vallum humanitatis'. Zu F.s Bekanntheit trugen v. a. in Italien studierende Deutsche wie Konrad Peutinger, Konrad Celtis u. a. durch ihre persönliche Bekanntschaft mit dem Florentiner bei. Er selbst korrespondierte mit dt. Zeitgenossen wie Johannes Reuchlin, Martin -» Prenninger und Graf Eberhard im Bart von Württemberg, dem er seine 'Comparatio Solis ad Deum' widmete (Stuttgart, LB, cod. HB XV 65). Neben der Übernahme einzelner neuplatonischer Themen (Peutinger, Celtis, Matthäus Lupinus, Willibald Pirckheimer, Johannes Cuspinian, Konrad Mutianus Rufus) stand die produktive Auseinandersetzung mit F.s Denken, das etwa Reuchlin bei der Formulierung seiner Theophilosophie nachhaltige Impulse gab. Heinrich Fischer (Aquilonipolensis) verarbeitete in seinem Gedicht 'Cathalogus Platonicus de concordia diui Moisis et diuini Platonis' (Druck Erfurt o. J.; vgl. BAUCH, S. 180 f.) F.s 'De religione christiana'.

Helius Eobanus Hessus gründete sein medizinisches Lehrgedicht 'Bonae valetudinis conservandae praecepta' (1524, rev. 1531; ca. 30 Aufl. im 16. u. 17. Jh.) im wesentlichen auf 'De vita'. Als Vermittler kabbalistischen, gnostischen und hermetischen Gedankenguts wirkten F. und Pico auf den Hermetismus des 16. und 17. Jh.s. Agrippa von Nettesheim übernahm die magia naturalis von F. Die Astrologie und Astromedizin eines Paulus von Middelburg, Johannes Schöner, Walter Hermann Ryff, Johannes Indagine (Rosenbach), Georg Tannstetter u. a. wurden von F.s Lehren beeinflußt. Alchemikern galt F. als Autorität, zugeschrieben wurde ihm u. a. ein 'Liber de arte chemica'. F.s Übersetzungen bieten eine Hauptquelle für die Kenntnis platonischen und neuplatonischen Schrifttums und einen Ausgangspunkt für Exzerpte (Nikolaus Ellenbog), Neuausgaben (Paul -» Schneevogel, Jakob Wimpfeling) und Übersetzungen. Auf F.s Versionen beruhen die ersten dt. Übersetzungen Platons durch Jakob Schenck und des 'Corpus Hermeticum' durch Sebastian Franck.

3. Ü b e r s e t z u n g e n von 'De v i t a ' . 'De vita libri tres' (auch 'De triplici vita'), F.s medizinische Hauptschrift, war von all seinen Werken am weitesten verbreitet. Buch I ('De vita sana') bietet eine Gelehrtendiätetik und formuliert F.s Lehre vom saturnisch regierten Melancholiker. Buch II ('De vita longa') behandelt die Geriatrie, Buch III ('De vita coelitus comparanda') die Astromedizin. Unter Auslassung der inhaltlich komplexen und theologisch umstrittenen Astromedizin wurde 'De vita' wenige Jahre nach Erscheinen zweimal ins Dt. übersetzt. a. Die anonyme Übersetzung. Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 730, l r -35 v : Buch I; um 1500, wohl Autograph des Übersetzers;

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Ficino, Marsilio

die Sammelhs. mit Texten unterschiedlicher Herkunft enthält u. a. einen astrolog. Kalender für die Jahre 1508-10 und die 1483 geschriebene 'Gemein bicht' des -» Johann von Soest. — Heidelberg, cpg 452, lr-35v: Buch II; I.Drittel des 16. Jh.s, Pergamenths. für einen wohl adeligen Auftraggeber; auf dem Ledereinband die Jahreszahl 1558 und das Wappen Ottheinrichs. A u s g a b e . BENESCH, S. 188-297.

Aus sprachlich-stilistischen Gründen kann man davon ausgehen, daß Buch I und II denselben Übersetzer haben. Schreibdialekt und Überlieferung weisen nach Heidelberg, an den Hof bzw. den Humanistenkreis um Johann von Dalberg, doch Urheber und Adressat der ersten dt. F.-Übersetzung bleiben vorläufig anonym. Die Vermutung, Übersetzer sei der Heidelberger Arzt Konrad -» Schelling (BENESCH, S. 169), wird durch Schriftvergleich von Buch I mit SchellingAutographen (Rom/Vatikan, Bibl. Apostol. Vat., codd. Pal. lat. 1251 u. 1295) nicht bestätigt. Als Auftraggeber bzw. Adressat kommt insbesondere der Pfälzer Kurfürst Philipp der Aufrichtige in Frage, der als Förderer des Humanismus und als Adressat von Übersetzungen bekannt ist.

Der Übersetzer bemühte sich um engste syntaktische Anlehnung an den Ausgangstext. Auf Kosten der Verständlichkeit geht dabei z. B. die Sperrung von Attribut und Bezugswort; Lehnbildung des A. c. i. ist aber selten. Fachvokabular (Pflanzen, Substanzen etc.) wurde, wo möglich, eingedeutscht (z. B. lignum aloes > holtz uß dem paradiß). b. Eine zweite dt. Übersetzung von Buch I und II veröffentlichte 1505 als 'Buch des Lebens' Johannes Adelphus -»· Muling [NB], der auch lat. Schriften F.s herausgab. Seiner Übersetzung war nachhaltiger Erfolg beschieden. 4. Ü b e r s e t z u n g der ' E p i s t o l a veritatis'. Druck. Ein sendbrief von dem Hochweisenn Marsilio Ficino vonn Florentz Ainem Cardinal l Vnder dem namen der Warhait, übers, v. Michael Spielberger, Nürnberg 1521. — Lat. Text. Epistola veritatis: De institutione principis ad cardinalem Riarium, Basel 1519; Opera, 1561, S. 795-798.

Der Brief von 1478 ist ein knapper Fürstenspiegel für Raffaele Riario, der kurz zu-

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vor im Alter von 16 Jahren zum Kardinal ernannt worden war. Nicht F. spricht in dem Brief, sondern die personifizierte Veritas selbst und mahnt zu einer tugendhaften Lebensführung. Der Übersetzer Michael Spielberger (1507 in Ingolstadt immatrikuliert und dort 1534 zum Dr. iur. civ. promoviert, vgl. WOLFF, S. 338) war laut Vorrede Stadtschreiber zu Neumarkt in der Oberpfalz und widmete seine Übersetzung dem Pfälzer Kurfürsten Friedrich II., der 1521 Statthalter beim Reichsregiment in Nürnberg wurde. Spielberger übersetzte auch eine Predigt des ->· Cyprian (5.) und verfaßte eine Streitschrift gegen den Heidelberger Schloßpfarrer Jakob Sigenhouer. L i t e r a t u r . Zu 1. u. 2.: G. BAUCH, Die Univ. Erfurt im Zeitalter des Frühhumanismus, 1904; K. GIEHLOW, Dürers Stich 'Melencolia u. d. maximilian. Humanistenkreis, Mitt. d. Ges. f. vervielfältigende Kunst (1903) 29-41; (1904) 6-18 u. 57-78; R. STAUBER, Die Schedelsche Bibliothek (Stud. u. Darstellungen aus d. Gebiete d. Gesch. 6/ 2-3), 1908, Reg.; K. SUDHOFF, Pestschriften aus d. ersten 150 Jahren nach d. Epidemie des 'schwarzen Todes' 1348, Sudhoffs Arch. 16 (1925) 137 ff.; H. J. HAK, M. F., Diss. Amsterdam 1934, S. 143153; Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. l, hg. v. E. REICHE, 1940, S. 10 f.; Bd. 3, hg. v. D. WUTTKE, 1989, Reg.; Bd. 4, hg. v. H. SCHEIBLE, 1997, Reg.; R. MARCEL, Marsile Ficin, Paris 1958; L. W. SPITZ, The "Theologia Platonica' in the Religious Thought of the German Humanists, in: Fs. J. D. Kunstmann, Chapel Hill 1959, S. 118-133; W. IRTENKAUF, Graf Eberhard im Bart u. seine Beziehungen zum Frühhumanismus, Beitr. zur Landeskunde (1969) Heft 4, 1-6; F. ANZELEWSKY, Dürer-Stud., 1983; W. F. KÜMMEL, Der Homo litteratus u. d. Kunst, gesund zu leben, in: Humanismus u. Medizin, hg. v. R. SCHMITZ / G. KEIL, 1984, S. 67-85; W.-D. MÜLLER-JAHNCKE, Astrolog.mag. Theorie u. Praxis in d. Heilkunde d. frühen Neuzeit (Sudhoffs Arch., Beiheft 25), 1985; H. VREDEVELD, Helius Eobanus Hessus" 'Bonae valetudinis conservandae rationes aliquot', Janus 72 (1985) 83-112; F. J. WORSTBROCK / F. ANZELEWSKY, Apologia poetarum. Die Schwenter Hs. Ms. lat. fol. 335 der SBPK zu Berlin, 1987, S. 25 f.; R. KLIBANSKY / E. PANOFSKY / F. SAXL, Saturn u. Melancholie, 1990; S. MATTON, Marsile Ficin et Palchimie, in: Alchimie et philosophie ä la renaissance, hg. v. J.-C. MARGOLIN / S. MATTON, Paris 1993, S. 123-192; C. VASOLI, F., in: Dizionario biografico degli italiani 47, Rom 1997, S. 378395; B. JOLY, M. F., in: Alchemic, hg. v. C. PRIES-

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Finck, Johannes — Fleck, Konrad

NER / K. FIGALA, 1998, S. 135 f.; W. KÜHLMANN, Der 'Hermetismus' als lit. Formation, Scientia poetica 3 (1999) 145-157; T. LEINKAUF, Reuchlin u. d. Florentiner Neuplatonismus, in: Reuchlin u. Italien, hg. v. G. DÖRNER (Pforzheimer Reuchlinschriften?}, 1999, S. 109-132. Zu 3. u. 4.: W. KAHL, Die älteste Hygiene d. geistigen Arbeit, Neue Jbb. f. d. klass. Altertum 18 (1906) 482-491, 525-546 u. 599-619; O. CLEMEN, Eine Streitschrift d. preuß. Kanzlers Michael Spielberger, Mitt. d. Ver. für d. Gesch. von Ost- u. Westpreußen 5 (1931) 41 ff.; D. BENESCH, M. F.s 'De triplici vita' (Florenz 1489) in dt. Bearbeitungen und Übers.n (Europ. Hochschulschr. I 207), 1977; H. WOLFF, Gesch. d. Ingolstädter Juristenfakultät, 1973, S. 338; I. SCHÜTZE, Zur F.-Rezeption bei Paracelsus, in: Parerga Paracelsica, hg. v. J. TELLE (Heidelberger Studien zur Naturkunde d. frühen Neuzeit 3), 1992, S. 39-44.

SVEN LIMBECK Finck, Johannes [Korr.] Bd. 2, Sp. 737 Z. 19/18 von unten: "Hartmann -» Schedel" korr.: Hermann -> Schedel. Z. 17 von unten: "174r" korr.: 177r. Finck, Thomas [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 739 vor 2. ergänze:

W. FECHTER weist Th. F. weitere Werke zu oder legt seine Verfasserschaft bzw. Übersetzertätigkeit zumindest nahe: 'Der [!] Passion unseres Herrn Jesu Christi', überl. in: Beuron, Bibl. der Erzabtei, 4° MS 19, S. la-1019b; Karlsruhe, LB, St. Georgen 67, 543 Bll. (beide Hss. geschrieben von Johannes -*· Kurfi); München, cgm 238; cgm 624; Überlingen, Leopold-Sophien-Bibl., Mss. 28—29; ein Exzerpt in München, cgm 4635, 71 r —92 r . Hauptquelle ist die 'Vita Christi' -» Ludolfs von Sachsen. 'Traktat von den monastischen Gelübden', überl. in Straßburg, Bibl. nat. et univ., ms. 2797 (olim L germ. 664), 28 r — 93V; St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 971, S. 5213. Übersetzung der 'Fraterherren-Viten' des -» Thomas Hemerken von Kempen, überl. in Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 422, 71r-143v; die 2VL, Bd. l, Sp. 893 f. erwogene Zuschreibung an Justina -> Blarerin ist somit hinfällig.

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Übersetzung von Konrad -» Summenharts 'Tractatulus pro monialibus ad vitandam simoniam in receptione noviciarum', überl. in Straßburg, Bibl. nat. et univ., ms. 2797, lr-27r. Zu Fincks 'Büchlein von den sieben Tagzeiten' weist FECHTER weitere Überlieferung nach: Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 422, l r —69 V (zusätzlich zu den schon früher bekannten Hss. ebd., cod. St. Georgen 84, 2 r —44 r , und München, cgm 6940, 351va-381vb); ein weiterer Textzeuge ist Freiburg/Br., Erzbischöfl. Archiv, Hs. 28, 2r-61r, in 2VL, Bd. 9, Sp. 588 f. irrtümlich als anonymer Text u. d. T. -» 'Tagzeiten-Traktat' vorgestellt.

FASSENDER beansprucht über diese Zuschreibungen hinaus für F. v. a. noch die dt., stark erweiternden Bearbeitungen zweier Traktate des -» Jakob von Paradies: 'De apparitionibus animarum separatarum', überl. in München, cgm 6940, 229rb-260ra; und 'De praeparatione ad sacramentum Eucharistiae', in Augsburg, ÜB, cod. III.l. 8° 13, 87r-110v; ebd., cod. III.l. 8° 47,217 -27 . Indizien für die Identität des Benediktiners (und späteren Kartäusers?) F. mit einem gleichnamigen Arzt bei GRAF. L i t e r a t u r . W. FECHTER, Dt. Hss. des 15. u. 16. Jh.s aus der Bibl. des ehem. Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen, 1997 (Reg.); CH. FASBENDER, Th. F. als Übersetzer, Textbearbeiter u. Autor, Stud. Mitt. OSB 110 (1999) 147-167; K. GRAF, Zur Biographie des Th. F., ebd., S. 169 — 173.

'Fischbuch' -»· auch Rittershofen, Johannes; -> 'Tegernseer Angel- und Fischbüchlein' 'Die Fischerin' -»· Trau Fischerin' [NB] 'Die Fittiche der Seele' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 742 Überl.: "Md. Frgm.e des 13. Jh.s, ... verschollen" korr.: jetzt in Berlin, mgf 7367 8 — 15 (Sammelmappe mit Prosabruchstücken aus dem Besitz H. Hoffmanns). Sp. 743 vor Lit. ergänze: Der Traktat wurde durch Georg -> Strobel (II.2.) ins Lat. übersetzt, als 2. Teil seines Traktats Si in spiritu vis proficere.

Fleck, Konrad [Korr.] Bd. 2, Sp. 744 Überl.: "Frauenfeld, ... Frgm.e ..., 136 vv." korr.: ..., 736 vv. Vgl. ZfdA 47 (1904) 161.

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'Fleischbuch' — 'Florian von Lorch'

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'Fleischbuch'

'Flores temporum' [Korr./Nachtr.]

Ü b e r l i e f e r u n g . Rom, Bibl. Nazionale Centrale Vittorio Emanuele II, cod. 200 (olim Farfensis 24), 1460-1464, 200r-221r.

Bd. 2, Sp. 753 Ausgaben: "Stuttgarter cod. Hist. 269" korr.: ... cod. hist. 2° 269. Ebd.: "cod. 762 der LB Hannover" korr.: Ms XIII 762 .... Sp. 757 zu 4.: "-> 'Konstanzer Weltchronik'" korr.: -» 'K. W.' [NB]. Zu weiteren dt. Rezeptionszeugnissen vgl. -» Heinrich von München, -> Leopold von Wien (H.7.), -» Matthias von Kemnat, -» 'Nürnberger Jahrbücher des 15. Jh.s', Joh. -> Platterberger, Joh. -» Schmid u. a. Zwei dt. Übers.n der 'F. t.' unter Bewahrung auch des Titels (blunt der zeit o. ä.) sind überliefert in Augsburg, Stadtarchiv, Schätze 121, 2r-200v (eig. Zählung im letzten Teil der Hs.), und in Berlin, mgf 696, 301ra-313va (Bruder -» Hermann II). Vgl. K. GRAF, Exemplarische Geschichten, 1987, S. 192 f.; H. J. MIERAU / A. SANDER-BERKE / B. STUDT, Stud. z. Überl. der Flores temporum (MGH Stud. u. Texte 14), 1996, S. 43.

Das Buch handelt über die Natur und Tugend verschiedener Fleischsorten und gliedert sich inhaltlich in vier Abschnitte. Im ersten geht es um das Fleisch üblicher Haustiere (Schwein, Schaf, Ziege, Rind etc.), im zweiten um Wildbret, wobei im Mittelpunkt das Reh steht, und im dritten um Geflügelfleisch (Huhn, Fasan, Rebhuhn, Taube, Storch, Kranich etc.). Der vierte bestimmt die Tugenden des Rindfleisches bei unterschiedlichen Zubereitungsformen. Jede Fleischsorte wird einer Qualität (feucht oder trocken) zugeordnet und nach ihrer Tugend, d. h. ihren Auswirkungen auf Konstitution (Phlegma, Melancholie) und Körper (gesund oder ungesund, gutes oder schlechtes Blut, gute oder schlechte Verdauung etc.), bestimmt. Dem Text der römischen Hs. kommt besondere Bedeutung zu, da er den bislang einzigen bekannten Beleg für einen selbständigen dt. Text dieser Wissenstradition darstellt. Inhaltliche Anklänge finden sich in der landessprachigen Isaak-JudaeusTradition (Valentin -> Swende). L i t e r a t u r . V. ZIMMERMANN, Rezeption u. Rolle d. Heilkunde in landessprachigen hs.liehen Kompendien d. SpätMAs (Ars medica IV,2), 1986, S. 16.

VOLKER ZIMMERMANN Floreke, Nikolaus [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 749 unten ergänze: N. F. ist mutmaßlich auch der Verfasser einer Lüneburger Hochzeitsordnung. Vgl. H.-J. ZIEGELER, Ehe, Recht u. öffentl. Gelder. Zu N. F.s Entwurf einer Lüneburger Hochzeitsordnung (ca. 1370), in: H.-J. BACHORSKI (Hg.), Ordnung u. Lust. Bilder von Liebe, Ehe u. Sexualität in SpätMA u. früher Neuzeit, 1991,5.45-69.

Tloretus' -»· 'Liber Floretus' 'Florian von Lorch' Deutsche Legenden. F. war römischer Verwaltungsbeamter, der wegen seines Glaubens 304 bei Lorch in der Enns ertränkt wurde. Mittelpunkt seines Kults ist Oberösterreich, aber er fand auch große Verehrung in Polen nach der Übertragung von Reliquien nach Krak a u i . J. 1184. Nach Maßgabe der Anzahl deutscher F.Legenden war seine Passio nur wenig verbreitet. Eine Version findet sich in der 1säss. Legenda aurea' (->· Jacobus a Voragine, V. 5.), deren Vorlage einer österr. Textredaktion des Legendars entstammt, und in 'Der -» Heiligen Leben, Redaktion'. Außerdem sind zwei von Legendaren unabhängige Übersetzungen des 15. Jh.s überliefert.

1. In einer Hs. der Pillenreuther Augustinerin Anna ->· Ebin, Nürnberg, GNM, Hs 2261, 222r-224v, findet sich eine Passio mit folgendem Schluß: Heyliger ritter Cristi daz sey got zu lob vnd dir zu eren geschriben vnd pit got für den der ez deutsch hat gemacht ein prediger vnd dy Florentius von Utrecht [Korr.] schreiberin vnd der vns daz in lateyn von Bd. 2, Sp. 751 Überl.: "Nürnberg, StB, cod. Wyen hat geschickt. Es dürfte sich beim Cent. VI 56 b" korr.: ..., cod. Cent. VI, 56. Übersetzer demnach um einen Nürnberger

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'Florio und Bianceffora' — 'Fortunatus'

Dominikaner handeln, da die Vorlage für die Abschrift wahrscheinlich aus dem Nürnberger Katharinenkloster stammt und zwei Legenden in der Hs. vom Nürnberger Karmeliter -» Erasmus verfaßt sind. Bei dem Wiener Bruder könnte es sich um Georg ->· Falder-Pistoris handeln, der den Nürnberger Schwestern u. a. auch eine dt. Legende der -» 'Margareta von Ungarn' aus seinem österr. Wirkungskreis schickte. 2. In einer Regensburger Hs. von 'Der -> Heiligen Leben', München, ÜB, 2° cod. ms. 314, 61rb/va, befindet sich eine Kurzlegende. Inc.: Der heylig martrer sand florian der edel ritter was ein hawptman vber vil ritter ...

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StB Nürnberg Will III. 792, 793, 794, 795, 796 (Litterae47), 1980 (Einl., Faksimile-Abdrucke). Sp. 777 vorletzte und letzte Zeile: Das einzige bekannte Lied in Folzens Abenteuerweise wurde 1490/91 von einem Drucker herausgebracht, von dem auch sechs andere F.-Drucke stammen; es dürfte daher von F. verfaßt sein; s. F. SCHANZE, Inkunabeln oder Postinkunabeln?, in: V. HONEMANN u. a. (Hgg.), Einblattdrucke des 15. u. frühen 16. Jh.s, 2000, S. 45-122, dort S. 108 f. Sp. 780 Z. 28 ff.: Das Fastnachtspiel 'Herzog von Burgund' ist unter dem neuen Titel 'Der Juden Messias' von M. PRZYBILSKI ediert in: K. RIDDER / H.-H. STEINHOFF (Hgg.), Frühe Nürnberger Fastnachtspiele, 1998, S. 85-108 (Nr. 7) u. Kommentar S. 156-167. Sp. 785 Z. 17: "S. 210" korr.: S. 211 f.

Folzische Fastnachtspiele (Folz-Umkreis) -> 'Domherr und Kupplerin'; -» 'Kaiser und Abt'; -»· 'Liebesnarren vor Venus'; ->· WERNER WILLIAMS-KRAPP 'Der törichte Tausch'; -» 'Der Wallbruder'; -» 'Die zwölf Pfaffenknechte'; -> 'Das böse Weib' [NB]; -*· 'Die drei Brüder und das 'Florio und Bianceffora' [Korr./Nachtr.] Erbe' [NB]; -»· 'Ehestreit' [NB]; - 'Der Bd. 2, Sp. 759 Z. 8 statt: 1578/87 korr.: 1587 Freihart' [NB]; -> 'Der Hasenkauf' [NB]; (die Ausgabe des 'Buchs der Liebe' von 1578 exi-» 'Heilung eines Bauern' [NB] stiert nur als Druckfehler in den Bibliographien). L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 412 (Reg.).

— Ergänze die Ausgabe: Florio und Biancefora. Ein gar schone newe hystori ... (Nachdr. d. Ausg. Metz 1500). Mit einem Nachwort v. R. NOLL-WIEMANN, 1975.

Forstenau, Christoph -»· Fürstenau, Ch. Fortolf -* 'Rithmimachia' (8.)

Folkwin von Lobbes [Korr.]

'Fortunatus' [Korr./Nachtr.]

Bd. 2, Sp. 766 zu 3., Überl.: "Paris, Bibl. nat., ..., Fonds Baluze, Armoire 2, fasc. 1,3" korr.: ..., Fonds Baluze, Vol. 42 (Armoire 2, fasc. 1,3).

Bd. 2, Sp. 797 Mitte: "seit 1482" korr.: seit 1479. Sp. 798 letzte Zeile des Art.: "96-112" korr.: 91-112.

Folkwin von Sittichenbach [Korr.]

Die Frage nach dem Autor hat seither H. KÄSTNER intensiv verfolgt. Die Rekonstruktion eines Netzes von Bekanntschaften und Kontakten in humanistisch gelehrtem Milieu, ausgehend von dem (gelegentl. als Autor gehandelten) Verleger Heybler und dem Drucker Otmar, fundiert seine These, Stephan -> Fridolin, Lektor des Nürnberger Franziskanerklosters und Prediger bei St. Klara, komme als Verfasser in Frage. Was in dessen 'Schatzbehalter' positiv gefaßt sei, werde im 'F.' ex negative vermittelt. Die damit verbundene Auffassung des Romans als Warnexempel ist in der übrigen neueren Forschung nicht geteilt worden (s. u.).

Bd. 2, Sp. 768 petit-Abschnitt: "cod. chart. 4 der ÜB Jena" korr.: Jena, Thüringer ÜB u. LB, Ms. El. q. 10/2, 14r-25v. Ebd. zu 2.a): "Hannover, LB, cod. 86" korr.: ..., Ms I 86.

Folz, Hans [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 772 unten a): "Weimar, Zentralbibl. d. dt. Klassik, cod. O 566" korr.: ..., Herzogin Anna Amalia Bibl., Q 566. Sp. 773 zu III. Ausgaben: "K. KRAMER, Die Melodien .... (in Vorbereitung)" korr.: Die Ausg. ist nicht erschienen. Vgl. aber H. BRUNNER u. J. RETTELBACH, Die Töne der Meistersinger. Die Hss. der

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Frank, Johannes — Frankfurter, Philipp

KÄSTNERS Hinweise zu Bildung und Interessenschwerpunkten (etwa gute Kenntnis von Legenden- und Exempelliteratur wie frühhumanistischer ital. Erzählprosa, breite Palette von Ausdrucksregistern; ausgeprägtes Interesse an Münzen) tragen zum Profil des unbekannten Autors bei, sind aber zu ergänzen. Als weitere Interessengebiete sind Rechtsfälle (MÜHLHERR) und der durch den ital. Humanismus geprägte zeitgenössische Diskurs über Fortuna (MÜLLER, 1995) angeführt worden. Den Zufall als handlungsbestimmende Größe hat die neuere Forschung generell stark betont: Im Rahmen genealogischen Erzählens vom Aufstieg und dem Ende eines 'Hauses' werde — traditionelle Moral provokativ zurücklassend (HAUG), sie unterminierend (MÜHLHERR) oder unbekümmert ignorierend (MÜLLER)? — die Macht der Fortuna inszeniert.

452

Nach Überl. ergänze: Ausgabe. F. ROTH, in: Die Chron.n d. schwäb. Städte. Augsburg. Bd. 5 (Chron. dt. St. 25), 1896, S. 283-340, Text S. 295-340.

'Frankfurter Osterspielfragment' Ü b e r l i e f e r u n g . Frankfurt/M., StB u. ÜB, Ms. Fragm. III 6, sechs Perg.streifen eines kleinformatigen Doppelblattes, einspaltig, mit Noten, 1. H. 14. Jh., rhfrk. A u s g a b e n . LOMNITZER, S. 601-604, Abb. S. 605-608; J. JANOTA, Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck. Bd. I. Frankfurter Dirigierrolle. Frankfurter Passionsspiel. Mit den Paralleltexten der 'Frankfurter Dirigierrolle', des 'Alsfelder Passionsspiels', des 'Heidelberger Passionsspiels', des 'Frankfurter Osterspielfragments' und des 'Fritzlarer Passionsspielfragments', 1996, S. 422-428.

Bruchstücke von dt.-lat. Osterspielszenen (Salbenkauf der drei Marien, der Engel Ausgaben. H.-G. RoLOFF, Fortunatus. Stuam Grab mit Übergang zur Hortulanusdienausg. nach d. Editio Princeps von 1509, 1981, bibliogr. v. J. JUNGMAYR erg. Ausg. 1996; J.-D. szene) mit lat. Spielanweisungen und Gesangsinitien sowie dt. Versen. Sie weisen MÜLLER, Romane d. 15. u. 16. Jh.s. Nach d. Erstdrucken mit sämtlichen Holzschnitten (Bibl. d. wörtliche Entsprechungen mit dem OsterFrühen Neuzeit 1), 1990. spielteil der -> 'Frankfurter Dirigierrolle' bzw. dem -> 'Alsfelder PassionsspieP sowie L i t e r a t u r . H.-J. BACHORSKI, Geld u. soziale der -»· 'Erlösung' auf. Die Fragmente stelIdentität im T.'. Studien z. Bewältigung frühbürgerlicher Widersprüche, 1983; J.-D. MÜLLER, Volkslen ein wichtiges Zeugnis der frühen dt. buch/Prosaroman im 15.716. Jh. Perspektiven d. Spielüberlieferung im rhfrk.-hessischen Forschung, IASL, Sonderh. l (1985) 1-128; W. Raum dar.

HAUG, Weisheit, Reichtum u. Glück. Über mal. u. neuzeitl. Ästhetik, in: L. GRENZMANN u. a. (Hgg.), Philologie als Kulturwiss., Fs. K. Stackmann, 1987, S. 21-37; H. KÄSTNER, F. Peregrinator mundi. Welterfahrung u. Selbsterkenntnis im ersten dt. Prosaroman d. Neuzeit, 1990; A. MÜHLHERR, 'Melusine' u. 'F.'. Verrätselter u. verweigerter Sinn, 1993; J.-D. MÜLLER, Die Fortuna des F. Zur Auflösung mal. Sinndeutung d. Sinnlosen, in: W. HAUG / B. WACHINGER (Hgg.), Fortuna, 1995, S. 216-238.

ANNA MÜHLHERR Trag und Antwort' (KELLER, Fsp. 25) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Frank (Franck), Johannes OSB [Korr./ Nachtr.] Bd. 2, Sp. 800 Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. 79" korr.: Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg, Hs79, 237r-257r.

L i t e r a t u r . BERGMANN, Spiele, Nr. 43 a; H. LOMNITZER, Ein Textfund zur 'Frankfurter Dirigierrolle', in: Dt. Hss. 1100-1400. Oxforder Kolloquium 1985, hg. v. V. HONEMANN u. N. F. PALMER, 1988, S. 590-608.

CHRISTINE STÖLLINGER-L.ÖSER Frankfurter, Philipp [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 819 zu 4.: "Hartmann -» Schedel" korr.: Hermann -» Schedel. Ebd. zu 5.: streiche Verweispfeil auf -> 'Peter Leu'. Gemeint ist die von Achilles lason Widmann (d.i. Georg Widmann, um 1530—1597) verfaßte gereimte Schwankfolge von Peter Leu, Erstdruck Tübingen, Ulrich Morhart 1559; vgl. B. GOTZKOWSKY, 'Volksbücher'. Prosaromane, Renaissancenovellen, Versdichtungen u. Schwankbücher. Bibliographie d. dt. Drucke, Teil I, 1991, S. 584586, u. Teil II, 1994, S. 182 f.

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'Fränkisches Arzneibuch' — 'Franziskanerregeln'

'Fränkisches Arzneibuch' Unter den dt. medizinischen Kompendien des 13. —14. Jh.s (-> 'Breslauer Arzneibuch' [Schlesische Forschg.n 6 (1995) 192-218], -* 'Korpus der Klostermedizin', -» 'Boec van medicinen in Dietsche') am schwächsten überliefert, ist das 'F. A.' aus zwei Teilen aufgebaut, von denen der größere -»· Ortolfs 'Arzneibuch' (ohne den endständigen chirurgischen Traktat) und der kleinere das 'Regimen vite' (eine -»· Konrad-von-Eichstätt-Übersetzung [IV. 1.]) bietet. Ummantelt sind diese Teile durch zusätzliches Textmaterial, das sich aus einer Vielzahl von Traktaten aufbaut, von denen das -» Oberdeutsche Aderlaßbüchlein' und die dritte Bearbeitung vom 'Branntweintraktat' ->· Taddeo Alderottis (II.I.e.) am meisten Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Daneben begegnen der 'Natternhemdtraktat' des Johannes -»· Paulinus (B.2.d.), eine Fassung der -» 'Ipocras'-Monatsregeln, eine nicht ganz fehlerfreie Gewichtstabelle nach dem 'Antidotarium Nicolai' (-»· Nicolaus Salernitanus [B. 1.: 'Dosistabelle']), und zwischendurch eingestreut sind Versatzstücke aus wundärztlichen Handbüchern wie den 'Chirurgien' -» Roger Frugardis oder -» Lanfranks von Mailand. Eine detaillierte Quellenuntersuchung — insbesondere der Rezepte — steht noch aus, wie auch für die zweite Gliederungsebene das kompilatorische Vorgehn des Verfassers noch nicht sichtbar gemacht wurde; die Gliederungssignale der drei Textzeugen reichen zum Bestimmen der MikroStruktur jedenfalls nicht aus. Der Kompilator des 'F. A.' schöpfte aus guten Vorlagen und war möglicherweise bei kürzeren Texten auch als Übersetzer tätig. Als seine Zielgruppe lassen sich weniger die Wund- als die Laienärzte ausmachen, denen er ein von Chirurgie gereinigtes, diätetisch, pharmazeutisch und allgemeinmedizinisch erweitertes 'Arzneibuch' Ortolfs von Baierland an die Hand gab — als daz marck. aller ertzneyen. Er war zweifellos kein Arzt und anscheinend auch kein Wundarzt, doch erlauben modernistische Tendenzen in der Galenik vielleicht, ihn

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bei den Apotheker(knechte)n einzuordnen (vgl. Hans -* Minner; Konrad -> Schreck von Aschaffenburg). Diese Annahme wird gestützt durch die Tatsache, daß dem 'F. A.' in den drei Überlieferungen noch ein Kräuterbuch (Älterer dt. -» 'Macer') angehängt ist, das in einer -> 'Bartholomäus'Textschleppe ausklingt (-> 'Geiertraktat'). Ü b e r l i e f e r u n g . Würzburg, ÜB, M. eh. f. 79, 7ra-130vb, 1398, Nürnberg; Heidelberg, cpg 213, T-97r, vor 1421, ostfrk.; ebd., cpg 539, 10r~64v. L i t e r a t u r . J. HOFMANN, Ein frk. Arzneibuch von 1398 mit Ortolfs v. Bayerland 'Mark aller Erzneien', Mainfrk. Jb. f. Gesch. u. Kunst 7 (1955) 119-142; G. KEIL, Das Arzneibuch Ortolfs v. Baierland: Sein Umfang u. sein Einfluß auf d. 'Cirurgia magistri Petri de Ulma', Sudhoffs Arch. 43 (1959) 20-60, hier S. 30-32; CH. HAGENMEYER, Die Ordnung d. Gesundheit' f. Rudolf v. Hohenberg, Diss. Heidelberg 1972, S. 166; G. KEIL, 'ich, meister Ortolf, v. Beierlant geborn, ein arzet in Wirzeburc': Zur Wirkungsgesch. Würzburger Medizin d. 13. Jh.s (Würzburger Universitätsreden 56), 1977, S. 33 f.

G. KEIL Franko von Köln [Korr.] Bd. 2, Sp. 826 Z. 2: "Oxford, Bodl. Libr., cod. 842" korr.: Oxford, Bodleian Libr., MS. Bodl. 842.

Franko von Lüttich [Korr.] Bd. 2, Sp. 828 Überl.: "Rom, Bibl. Vaticana, cod. 3123" korr.: ..., cod. Vat. lat. 3123.

Franz von Retz [Korr.] Bd. 2, Sp. 837 Z. 13: "Veit Nunnenpeck" korr.: Lienhard ->· Nunnenbeck.

Franziskus von Assisi [Korr.] Bd. 2, Sp. 840 Z. 5 f.: "Berlin, mgq 357 (... Kriegsverlust)": Die Hs. ist jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska.

'Franziskanerregeln' [Korr.] Bd. 2, Sp. 844 zu I.Ausgaben: "H. STOPP, ..., in: Fs. G. Lohse, 1979 (im Druck)" korr.: ..., in: Stud. z. dt. Lit. d. MAs, in Verbindung mit U.

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'Frau Fischerin' — 'Von Frauen und Jungfrauen'

FELLMANN hg. v. R. SCHÜTZEICHEL, 1979, S. 575588.

Franziskus Epimetheus ->· 'Donum Dei' [NB] Trau Fischerin' Obszönes Lied, das den Geschlechtsverkehr zwischen einer Fischerin und einem vorbeikommenden Jüngling drastisch als Hilfeleistung beim Fischen umschreibt. Es dürfte schon in der ersten Hälfte des 15. Jh.s verbreitet gewesen sein; ältester Beleg für seine Existenz ist ein Lied in -> Tichards Liederbuch' nach 1450 (Nr. 52), das zwei Strophenanfänge des 'Fischerin'Liedes übernimmt und mit dem 'Bauern im Heu' verbindet (vgl. UHLAND, Volkslieder, Nr. 282, zum Typ insgesamt K. ROTH, Ehebruchschwänke in Liedform [Motive 9], 1977, S. 289-292). Das ursprünglich wohl nur vierstrophige Lied (so noch c) ist in den übrigen Zeugen auf fünf Strophen erweitert, wobei a, b/d und e jeweils eigene Lösungen bieten; a reduziert überdies alle Strophen auf 10 statt 11 vv. Von der Beliebtheit des zweifellos mündlich tradierten Liedes zeugen u. a. Zitate bei Niklas Manuel Deutsch, Wolfgang Schmeltzl und Johann Fischart (ScHMiDTKE, S. 175—177). Ü b e r l i e f e r u n g u. A b d r u c k e , a. Melk, Stiftsbibl., cod. 869 (olim 716), 50r (ursprünglich selbständiges Einzelblatt, um 1470/80); ed. SCHMIDTKE, S. 167f. (mit Abb.); PAUSCH, S. 86f. (fehlerhaft, mit Abb.). - b. Berlin, mgq 718, 38V39r (1519/20), vermutlich Abschrift eines verlorenen Einblattdruckes. — c. Nd. Einblattdruck [Rostock, L. Dietz um 1520], Ex. Frankfurt, StB u. ÜB, G. F. XXI, 355; Abb. bei D. FRÖBA u. R. W. BREDNICH, Das nd. Lied an d. Wende v. MA z. frühen Neuzeit, in: C. MECKSEPER (Hg.), Stadt im Wandel, 1985, Bd. III, S. 643-651, hier S. 650; ed. PH. WACKERNAGEL, Das dt. Kirchenlied, 1841, S. 838 f., Nr. 3 a; J. BOLTE, Zum dt. Volkslied, ZfVk 12 (1902) 101-105, hier S. 103. - d. Einblattdruck [Augsburg, M. Elchinger um 1525/30], Ex. Berlin, SBB-PK, Yd 7801, 39; Abb. bei R. W. BREDNICH, Die Liedpublizistik im Flugblatt d. 15. bis 17. Jh.s, Bd. II, 1975, Abb. 73, u. P. AMELUNG, Ulmer Inkunabelholzschnitte in Augsburger Drukken d. 16. Jh.s, Schwab. Heimat 26 (1975) 221229, Abb. 3; ed. WACKERNAGEL (s.o.), Nr. 3b; BÖHME, Ad. Ldb., Nr. 45; 2ERK/BöHME I, Nr. 151 b

(unvollständig). — e. Oktavdruck Augsburg, M. Franck [um 1560], Ex. London, Brit. Library, 11517. aaa. 19 (W. v. MALTZAHN, Dt. Bücherschatz, 1875, Nr. 543, erstes von zwei Liedern). — Melodiefragmente in zwei Quodlibets Wolfgang Schmeltzls (Druck Nürnberg 1544), vgl. BÖHME (s. o.) und SCHMIDTKE, S. 176 f.

Eine geistliche Kontrafaktur wohl erst des 16. Jh.s (7 Elfzeilerstrr.) identifiziert Maria mit der Fischerin und erfleht nicht nur Gnade von Gott selbst, sondern auch den Beistand Marias gegen Gottes Zorn, besonders gegen die als Sündenstrafe gefürchtete Pest. Ü b e r l i e f e r u n g . Einblattdruck [Augsburg, M. Elchinger um 1525/30], Ex. Berlin, SBB-PK, Yd 7802, 112 (BREDNICH [s. o.], Nr. 72). A b d r u c k . WACKERNAGEL, KL II, Nr. 1282. L i t e r a t u r . D. SCHMIDTKE, Eine neuentdeckte frühe Fassung d. Liedes von d. Fischerin, Jb. Volkslied 21 (1976) 164-178; O. PAUSCH, Die Frau Fischerin. Ein erotischer Gassenhauer d. Scholares Vindobonenses, in: U. MÜLLER (Hg.), Litterae ignotae (Litterae 50), 1977, S. 85-88.

FRIEDER SCHANZE Trau Minne warnt vor Lügen' [Korr.] Bd. 2, Sp. 851 Z. 1: "Straßburg, ÜB" korr.: ehem. StB (Hs. der ehem. Johanniterbibl.).

'Die Frau des Seekaufmanns' Nachtr.]

[Korr./

Bd. 2, Sp. 852 Überl.: "Stockholm, Kgl. Bibl., Mscr. Vitterh. Tysk Nr. 29" korr.: ..., Ms. Vu 73, der Text Bl. 95V-97V, Zählung nach der neuen Ausgabe v. L. GEERAEDTS, Die Stockholmer Hs. Cod. Holm. Vu 73. Ed. u. Unters, einer mnd. Sammelhs. (Nd. Stud. 32), 1984, S. 295-298 (u. d. T. 'De segheler').

Trau Seltenrain' [Korr.] Bd. 2, Sp. 853 letzte Zeile vor Lit.: "-> Raber, Vigil [c. II. 21])" korr.: ... -> 'Meister Aristoteles').

'Von Frauen und Jungfrauen' [Korr.] Bd. 2, Sp. 860 f.: Es handelt sich um ein Gedicht -> Suchensinns (II.2.) hg. v. E. PFLUG, Suchensinn u. seine Dichtungen (German. Abhh. 32), 1908, Nr. 21.

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'Frauenbüchlein der Salzburger Hs. M III 3* — 'Freiburger Perikopen'

'Frauenbüchlein der Salzburger Hs. M III3' ('Speyrer Frauenbüchlein') Ü b e r l i e f e r u n g . Salzburg, ÜB, cod. M I I I 3 (Speyer, um 1460), 217ra-229vb; aufgezeichnet vom Schreiber B der -> 'Kolmarer Lhs.'; Identifizierung bei G. KORNRUMPF, Die Kolmarer Lhs., in: Ja muz ich sunder riuwe sin, Fs. K. Stackmann, 1990, S. 155-179, hier S. 161 ff.; vgl. auch B. SCHNELL, Medizin u. Lieddichtung. Zur med. Sammelhs. Salzburg M III 3 u. zur Kolmarer Lhs., Herrigs Archiv 230, 145. Jg. (1993) 261-278.

Ausgabe. SIEGMUND, 1990, S. 21-80. Gynäkologisches Kompendium, dessen Grundstock fragmentarisch auch im 'Erlauer Arzneibuch' (Erlau [Eger], Föeghyhazmegyei Könyvtär [Erzdiözesanbibl.], cod. B. V. 3, 312ra-313rb) sowie in der fälschlich Heinrich ->· Steinhöwel (III.2.) zugeschriebenen Ortolf-Redaktion begegnet und auf einen um 1400 entstandenen obd. Archetypus schließen läßt. Der kompilativ arbeitende Verfasser — anscheinend ein Laienarzt mit artistischer Ausbildung — wendet sich an weibliche Patienten, denen er gynäkologisch-tokologisches Grundwissen anbietet und entsprechende Materia medica von der Sexualtoilette bis hin zur Kosmetik bereitstellt. Obwohl er die -> 'Trotula' kennt und punktuell auch benutzt, hat er sein Kompendium im wesentlichen auf die dt. Fachliteratur des 12. und 13. Jh.s gestützt: Er gliedert den Stoff in sechs Traktate (I: Mastopathien [gebresten der vrouwen brüstet}; II: Schwangeren- und Ammenregimen, Wöchnerinnen- sowie Säuglingspflege; III: Gebärmutter [einschließlich Hysterie] und Menstruation; IV: Empfängnis [einschließlich Konzeptionsförderung] und Niederkunft; V: Dysmenorrhöe, Emmenagoga und Sterilitätsbehandlung; VI: Vermischte Gynäkologie bzw. Tokologie einschließlich fetaler Geschlechtsproben, Totgeburt und Ausbleiben der Nachgeburt), leitet diese mit den jeweils einschlägigen -> Ortolf-Kapiteln ein und füllt mit Kurzrezepten auf, die er aus unterschiedlichen Quellen (bevorzugt aus dem -»· 'Bartholomäus') entlehnte und durch eigene Rezepturentwürfe ergänzte. Durch zahlreiche andrologische Einsprengsel gibt er sich als Mann zu erkennen und läßt zugleich sein

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Interesse am weiblichen Sexualverhalten durchscheinen. Mit 188 Kapiteln die umfangreichste gynäkologische Spezialschrift altdt. Medizinliteratur vor Eucharius -* Rößlins 'Rosengarten', ist das 'F.' durch Schreiber B der 'Kolmarer Lhs.' noch erweitert worden: Er hat seine Textkopie auf Ergänzungen hin angelegt, indem er für jeden Traktat eine Textschleppe vorsah und an den sechs Textfugen den erforderlichen Schreibraum aussparte. In mehreren redaktionellen Eingriffen hat er dort dann 33 Textabschnitte nachgetragen. Mehrere seiner Versatzstücke entlehnte er der pharmakographischen Literatur (beispielsweise dem -*· 'Macer' [A 30]). L i t e r a t u r . R. SIEGMUND, Das 'Sp. F.', med. Diss. Würzburg 1990; B.-J. KRUSE, 'Die Arznei ist Goldes wert'. Mal. Frauenrezepte, 1999, s. Reg. s. v, 'Sp. F.'.

CHRISTINE BOOT f / G. KEIL 'Frauendienst und Minnedienst' [Korr.] Bd. 2, Sp. 862 Z. 2 des Artikels: "cgm 713" korr.: cgm 717.

Frauenlob [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 873 ff. zu 11. ergänze: Zur Wirkung der Minnelieder vgl. auch -> Heinrich von Breslau und König -> Wenzel von Böhmen; zur Spruchtonverwendung in lat. Dichtung -> 'Augsburger Cantionessammlung' [NB].

'Frauenpreis' (KELLER, Fsp. 11) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Die frauenschender vasnacht' (KELLER, Fsp. 87) -* 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Freiberger Arzneimittellehre' [Korr.] Bd. 2, Sp. 887 Überl.: "Breslau, StB, cod. Rhedigeranus 291 ... [nach dem Z.Weltkrieg verschollen]" korr.: Die Hs. befindet sich heute unter derselben Signatur in der ÜB Wroclaw.

Treiburger Perikopen' Ü b e r l i e f e r u n g . Freiburg (Schweiz), Franziskanerkloster, cod. 17, S. la-738b (elsäss., v. J. 1462);

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'Freiburger Perikopen'

München, cgm 157, l ra -55 vb (elsäss., um 1480; Frgm).

Das nach dem Aufbewahrungsort der Haupths. als P.' bezeichnete dt.sprachige Lektionar ist mit 464 Bibelperikopen und 138 Predigten oder Glossen im Temporale der Freiburger Hs. der wohl umfangreichste Vertreter eines ungemein verbreiteten spätmal. Texttyps (-»· Plenarien), der als Vorlage für die Tischlesungen in geistlichen Gemeinschaften, aber auch als Erbauungsbuch bei Klosterleuten und Laien diente. Die Sonderstellung der T. P.' beruht auf dem kompilatorischen Charakter des Werks, das in einem Temporale die Epistel- und Evangelienperikopen für die Sonn-, Fest- und Wochentage des Kirchenjahres mit zwei Zyklen von Glossen und den Festtagspredigten der 'Elsässischen Legenda aurea' (-» Jacobus a Voragine, V.5.) vereinigt. Der erste Glossenzyklus zusammen mit den dazu gehörigen Sonntagsevangelien ist aus dem -»· 'Einsiedeln-Zürcher Lektionar' übernommen. Der zweite Glossenzyklus stammt aus dem sog. 'Heidelberger Typ' der hd. Plenarüberlieferung (-»· Plenarien, III.A.b.). Für einige weitere Predigten (Weihnachten, 5. Sonntag nach dem Dreikönigstag, Septuagesima, Palmsonntag, Gründonnerstag, Ostersonntag, 1., 2. und 5. Sonntag nach Ostern, 25. u. 29. Sonntag nach Dreifaltigkeit) und für die zusätzliche Passion und die 'Sieben Worte Christi am Kreuz' am Karfreitag konnten bisher keine Parallelen in der älteren Plenarüberlieferung nachgewiesen werden. Das Münchner Fragment, das neben dem Temporale auch Reste eines Sanctorale (u. a. mit Predigten für die Festtage des hl. Augustinus und Maria Magdalenas) enthält, läßt erkennen, daß im Laufe der Textgeschichte die Bibelperikopen vielfach durch andere oder neu gestaltete dt. Übertragungen ersetzt wurden. Die 'F. P.' bildeten nicht den Endpunkt des Kompilationsprozesses, denn sie waren die Grundlage für ein neues Werk, den 'Spiegel menschlicher behaltnis mit den episteln und evangelien' (Erstdruck: Basel, Bernhard Richel 1476), in dem der gesamte Inhalt der 'F. P.' zusammen mit einer dt. Prosaübersetzung des -» 'Speculum humanae salvationis'

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(II.B.2.) kompiliert wurde. Auch in dieser Version wurden die Bibelübersetzungen häufig durch andere ausgetauscht. Das von Richel geschaffene Werk wurde nicht zuletzt wegen seines bedeutenden Bilderzyklus zu einem Erfolg der Frühdruckzeit und auch in einer frz. Ausgabe aufgelegt (zur Druckgeschichte s. -> Plenarien [II.A.c.]). Die im ersten Teil auf 1462 datierte Freiburger Hs. enthält einen zweiten Teil mit den Bibelperikopen des Commune sanctorum und des Sanctorale (S. 757a —823 a ). Dabei handelt es sich um eine nachträglich beigefügte Abschrift der entsprechenden Teile eines gedruckten Plenars (Epistolae et Evangelia, dt.), wahrscheinlich nach einem Exemplar der von Martin Schott in Straßburg gedruckten Ausgabe v. J. 1483. Aus diesem Teil der Hs. stammt eine von J. SPLETT (1987, S. 166 f.; 1991, S. 52) u. d. T. 'F. P.' mitgeteilte Textprobe (mit Parallelüberlieferung aus weiteren Abschriften des gedruckten Plenars). Die Überlieferung der T. P.' läßt auf Straßburg als wahrscheinlichen Entstehungsort schließen. Die Schreiberin der in der bisherigen Literatur ein ganzes Jahrhundert zu früh datierten Münchner Hs. läßt sich auf Grund des Schriftvergleichs mit einigen signierten Hss. (Moskau, Rossijskaja gosudarstvennaja biblioteka, Fond 68, Nr. 446 [In. 1310], dat. 17. 10. 1477, und New York, Columbia University Library, X 242.l/S, dat. 14. 4. 1485) als eine Nonne des Straßburger Reuerinnenklosters (St. Maria Magdalena), Katharina Ingolt (f 26. 3. 1508), identifizieren. Das besondere Interesse an Maria Magdalena, das in allen Überlieferungsträgern zu erkennen ist, läßt es als möglich erscheinen, daß das dt.sprachige Lektionar für die Tischlesung im 1437 reformierten Straßburger Reuerinnenkloster zusammengestellt wurde. Stringent beweisen läßt sich diese These freilich nicht. L i t e r a t u r . J. SPLETT, das bymelreich ist gleich einem verporgen schätz in einem acker ... Die hd. Übers.n von Mt 13,44-52 in mal. Hss., 1987, S. 40*; N. F. PALMER, Dt. Perikopenhss. mit der Glosse. Zu den Predigten d. spätmal, dt. Plenare u. Evangelistare, in: Dt. Bibelübers.n d. MAs, hg. v. H. REINITZER u. N. HENKEL, (Vestigia Bi-

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Freidank — 'Der Freihart'

bliae 9/10), Bern 1991, S. 273-296, hier S. 283; J. SPLETT, Die Zuordnung zu Übersetzungszweigen. Dargestellt anhand der hd. Übers.n von Mt 13,44— 52 in mal. Hss, in: ebd., S. 34-58, hier S. 52.

NIGEL F. PALMER Freidank [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 899 zu Überl. ergänze: E. SIMON, Eine neuaufgefundene Sammelhs. mit Rosenplüt-Dichtungen aus d. 15. Jh., ZfdA 102 (1973) 115-133, hier S. 125 Nr. 41, S. 126 Nr.n 52, 53, 55.

'Der Freihart' Nürnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis des Hans -» Folz, vor 1494. Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 18. 12. Aug. 4°, 396v-401r (a = 188 vv.) und 405r-409v (ß = 180 vv.); Hs. G, vor 1494, aus dem Besitz des Claus -» Spaun. A u s g a b e . KELLER, Fsp. II, Nr. 63 (nach Varianten von ß) (zit.).

mit

Ein frager, der in zum Spielbeginn offenkundig auch die Rolle des herolt übernimmt und am Spielschluß zugleich als außschreier agiert, stellt einem Landstreicher bzw. fahrenden Gaukler (freiheit a, jaufkint ß) jeweils eine Reihe von Fragen, die dieser teils ernst-, meist aber scherzhaft und z. T. auf obszöne Weise beantwortet. Sie richten sich am Anfang und am Schluß vor allem auf die Person des freikeit/jaufkint, den Mittelteil des dialogischen Spiels bilden Fragen- und Antwortbündel, aber auch Einzelrätsel und scherzhafte Fragen zur Religion, aus dem Bereich der Natur und zu menschlichen Verhaltensweisen. Die Fragen haben vielfach Entsprechungen im -> Traugemundslied', teilweise sind sie dem 'Straßburger Rätselbuch' (-»· Rätselbücher 2.) entnommen (Nachweise bei ToMASEK). Die Mischung dieser beiden Traditionen ergibt eine offenere Struktur als im 'Traugemundslied'. Der mediale Wechsel zum Fastnachtspiel und die Anreicherung mit Scherzfragen und Obszönem zielen auf gesellige Unterhaltung, bei der die Zuschauer mit kniffligen Fragen und überraschenden Antworten konfrontiert werden, die zumeist wohl nicht mit den eigenen Lösungen übereinstimmen (CATHOLY, S. 188).

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Mit einer Geldforderung bricht der freiheit/ das jaufkint schließlich das Frageund Antwortspiel ab (561,14). Die schnippischen Antworten eines freyheit auf die Beichtfragen eines Priesters im Märe 'Der witzige Landstreicher' des Hans Folz, das sich teilweise aus Folzens Fastnachtspiel 'Von einem Arzt und einem Kranken' ableitet (vgl. 2VL 2, Sp. 781), und dessen Fastnachtspiel 'Von König Salomon und Markolf (ebd., Sp. 780), die beide mit einem vergleichbaren schelmischen Frage- und Antwortspiel aufwarten, lassen an Folz als Autor des 'Freihart'Spiels denken (CATHOLY, S. 18); sein Interesse an Rätselfragen bekunden zwei Rätsel (vgl. 2 VL2, Sp. 787). Zudem findet sich das Verspaar 553,8 f. auch in Folzens Fastnachtspiel von den 'Neun Weibernarren' (KELLER, Fsp. Nr. 44, vv. 338, 21 f.; LIER, S. 33). Schließlich sprechen die beiden Aufzeichnungen des Spiels in der Wolfenbütteler Hs. durch den Schreiber Gb, der offenkundig in die unmittelbare Nähe von Folz führt (SlMON, S. 113), und der Rückgriff auf literarische Quellen, der Folzens charakteristischer Tendenz zur Literarisierung des Fastnachtspiels entspricht, für Folzens Autorschaft des 'Freihart'-Spiels. Andererseits ließ sie sich bislang nicht zweifelsfrei nachweisen (dagegen SACHS, S. 98); das Folz-Zitat aus den 'Neun Weibernarren' könnte sogar dagegen sprechen. Unzweifelhaft steht das Spiel jedoch unmittelbar in der Folz-Tradition, die das Fastnachtspiel Nürnbergs in der Zeit nach -> Rosenplüt geprägt haben dürfte. L i t e r a t u r . KELLER, Fsp. III, S. 1513 f. u. Nachlese S. 344 (Lit.); R. KÖHLER, Zwei u. vierzig alte Rätsel u. Fragen, Weimarisches Jb. f. dt. Sprache, Lit. u. Kunst 5 (1856) 329-356, hier S. 346; L. LIER, Stud, zur Gesch. d. Nürnberger Fastnachtspiels, 1889 (auch Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 8 [1889] 87-160), S. 32-34, 68; V. MICHELS, Stud, über d. ältesten dt. Fastnachtspiele (QF 77), 1896, S. 223; H. G. SACHS, Die dt. Fastnachtspiele v. d. Anfängen bis zu Jacob Ayrer, Diss. (masch.) Tübingen 1957, S. 98; E. CATHOLY, Das Fastnachtspiel d. SpätMAs (Hermaea NF 8), 1961, passim (Reg.); W. LENK, Das Nürnberger Fastnachtspiel d. 15. Jh.s (Dt. Ak. d. Wiss. Berlin, Reihe C: Beitr. z. Lit.wiss. 33), 1966, S. 46 f.; M. HAIN, Rätsel (Slg. Metzler 53), 1966, S. 13; G. Si-

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'Freisinger Paternoster' — Frey, Peter

MON, Die erste dt. Fastnachtspieltradition (Germ. Stud. 240), 1970, S. 20 u. 107-118 (zur Hs.); T. TOMASEK, Das dt. Rätsel im MA (Hermaea NF 69), 1994, S. 333 f.; B. WACHINGER, Kleinstformen der Lit., in: W. HAUG / B. WACHINGER (Hgg.), Kleinstformen der Lit. (Fortuna vitrea 14), 1994, S. 1-37, dort S. 12.

JOHANNES JANOTA 'Freisinger Paternoster' [Korr.] Bd. 2, Sp. 905 Überl.: "München, clm 3630" korr.: ..., clm 6330.

Pressant, Hermann [Korr.] Bd. 2, Sp. 911 Überl.: "Innsbruck, Ferdinandeumsbibl., cod. 16.0.9" korr.: ..., cod. FB 32001 (olim 16.0.9).

Der Freudenleere [Korr.] Bd. 2, Sp. 915 Lit.: Die als im Druck angekündigte Arbeit von H.-F. Rosenfeld ist nicht erschienen.

Frey, Peter Liederdichter, tätig im ersten Viertel 16. Jh.s. Sonst ist über sein Leben nichts bekannt. Er hat sich als politischer Publizist für -» Maximilian I. eingesetzt, seinen nachhaltigsten Erfolg erzielte er allerdings mit einem Lob des Bauernstandes. Die jeweils mit Autorsignatur versehenen Texte sind in populären Meistertönen abgefaßt. Sie fanden, zum Teil mehrfach, Verbreitung im Druck. 1. Klage über den Tod Philipps des Schönen, Herzogs von Burgund und Königs von Kastilien (13 Strr. in -»· Frauenlobs Spätem Ton). Der Sohn Maximilians und der Maria von Burgund, seit 1496 mit der kastilischen Thronerbin Johanna (der Wahnsinnigen) verheiratet, hatte sich Anfang 1506 von den Niederlanden aus nach Kastilien begeben und war in Burgos am 25. Sept. überraschend gestorben. In Deutschland erfuhr man davon Ende Oktober (H. WIESFLECKER, Kaiser Maximilian L, Bd. III, 1977, S. 354). Das Lied schildert nach zwei Einleitungsstrophen mit Welt- und Zeitklagemotiven die Reise

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und die Umstände des durch ein Geschwür am Hals verursachten Todes. Die beiden Schlußstrophen dienen dem Lob des trauernden Königs Maximilian, der aber zugleich auch als Kaiser bezeichnet wird. Das war wohl erst während des Reichstags in Konstanz 1507 angebracht, auf dem die Verhandlungen über den Krönungszug nach Rom im Mittelpunkt standen. Hier wurde am 14. Juni der feierliche Totengottesdienst für den verstorbenen König abgehalten (ebd., S. 370), möglicherweise Anlaß für die Entstehung des Liedes. Ü b e r l i e f e r u n g . Zwei Oktavdrucke, vermutlich 1507 erschienen: a. [Augsburg, E. Öglin], Ex. Basel, ÜB, Wack. 400 (3). - b. [Augsburg, H. Froschauer], Ex. Augsburg, SB u. StB, Rar. 58 (8). A b d r u c k . LILIENCRON, Hist. Volkslieder III, Nr. 251. Der Verfasser eines anonym veröffentlichten Gedichts hat das Lied in Reimpaarverse umgesetzt und den Text dabei im wesentlichen nur insoweit verändert, als es für die Anpassung an die neue Form notwendig war. Ü b e r l i e f e r u n g . Quartdruck [Straßburg, M. Hüpfuff 1507], Ex. Nürnberg, Germ. Nationalmus., 8° L. 1057 Postinc. (WELLER, Rep. typ., Suppl. II, Nr. 422). A b d r u c k . K. H. ROTH v. SCHRECKENSTEIN, Briefe d. Grafen Wolfgang zu Fürstenberg z. Gesch. d. Meerfahrt d. Königs Philipp v. Kastilien (1506), Zs. d. Ges. f. Beförderung d. Geschichts-, Alterthums- u. Volkskunde v. Freiburg, d. Breisgau u. d. angränzenden Landschaften l (1867) 123 — 163, hier S. 153-163.

2. Veranschlagung für einen Zug gegen die Türken (13 Strr. in Frauenlobs Spätem Ton). Einen prahlerischen Brief des Sultans zitierend und die -» 'Sibyllenweissagung' auf König Maximilian beziehend, fordert F. diesen zum Krieg gegen die Türken auf. Ähnlich wie andere -> 'Türkenkriegs-Anschläge' enthält das Lied den Entwurf einer Heerordnung und eines Finanzierungssystems. Es muß vor der Kaiserproklamation Maximilians in Trient am 4. Febr. 1508 entstanden sein, da die Kaiserkrönung als nahe bevorstehend bezeichnet wird (Str. 4). Überlieferung. Heidelberg, cpg 343, 59v-64r (vermutlich auf einen Druck zurückgehend).

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Fridericus astronomus

A b d r u c k . A. KOPP, Volks- u. Gesellschaftslieder d. XV u. XVI. Jh.s (DTM 5), 1905, Nr. 66.

3. Lob der von Gott eingesetzten irdischen Ordnungsmächte (19 Strr. im ->· 'Herzog-Ernst'-Ton). Behandelt wird eingangs knapp das geistliche Schwert, der als irdischer Gott bezeichnete Papst, sodann ausführlich das weltliche Schwert, der Kaiser und die ihm untergeordneten Reichsstände. Die Aufzählung folgt dem Quaternionenschema (hierzu zuletzt E. SCHUBERT, Die Quaternionen. Entstehung, Sinngehalt u. Folgen einer spätmal. Deutung d. Reichsverfassung, Zs. f. hist. Forsch. 20 [1993] 1 — 63). Die Schlußstrophen ermahnen den Kaiser, einen Türkenzug zu unternehmen und innerhalb der Christenheit für Eintracht zu sorgen. Ü b e r l i e f e r u n g . Oktavdruck [Augsburg, E. Öglin 1514/15], Ex. Erlangen, ÜB, Inc. 1446 a (22), Faksimile: Jörg Dürnhofers Liederbuch (um 1515), hg. v. F. SCHANZE (Fortuna vitrea 11), 1993, Nr. 22. A b d r u c k . WACKERNAGEL, KL II, Nr. 1304.

4. Lob des Bauernstandes (5 Strr. in Frauenlobs Spätem Ton). Es gipfelt in der Feststellung, ohne den Bauern gebe es keine Eucharistie, da keine Hostie, und edler als er seien nur Gott und Maria. Durch viele Drucke, meist in einer evangelisch korrigierten Version (Maria durch Christus ersetzt und der die Messe lesende Priester durch den die Schrift lesenden Pfarrherrn), blieb das Lied bis weit ins 17. Jh. hinein lebendig. Ü b e r l i e f e r u n g . Erstdruck verloren; ältester Zeuge ein Einblattdruck ([Augsburg, M. Elchinger um 1525], Ex. Berlin, SBB-PK Yd 7801, 3) mit geänderter Autorsignatur (Conradt Mayer, bekannt als Verfasser eines polit. Liedes von 1519, ed. LiLIENCRON, Hist. Volkslieder III, Nr. 317, doch steht F.s Autorschaft außer Frage); später als Oktav-Einzeldruck sowie in Sammeldrucken und Liederbüchern (s. RSM). Die einzige Hs. (Gregor Mangolts Liederhs. um 1560, Luzern, Bürgerbibl. Ms. 499.4, S. 286-289) geht vermutlich ebenfalls auf einen Druck zurück. A b d r u c k . J. BERGMANN, Das Ambraser Liederbuch (StLV 12), 1845, Nr. 133; danach F. L. MITTLER, Dt. Volkslieder, 1855, Nr. 1482. L i t e r a t u r . RSM 3, S. 519-522; zu den Drukken RSM l, S. 360-362, Nr. 70-72.

FRIEDER SCHANZE

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Fridericus astronomus (F. Amann) OSB 1. Person. Der berühmte St. Emmeramer Astronom F. ist nicht, wie früher behauptet wurde, mit Friedrich -»· Gerhart identisch, sondern mit Friedrich Amann. Dieser schrieb von den früher Gerhart zugewiesenen Hss. alle naturwissenschaftlichen bzw. Teile davon (München, clm 14111, 14504, 14583, 14622, 14783, 14908; Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. Pal. lat. 1376) sowie verschiedene Codices mit theologischem Inhalt (München, clm 14670, 14786, 14808, 14940, 14952, 14969). Fridericus Gerhart schrieb dagegen München, clm 14131, 14140 und 14656. F. Amann studierte vermutlich ab 1427 in Leipzig. Aufgrund der Recherchen von DURAND ergeben sich folgende biographische Daten: 1436 erhielt er seine Weihe zum Subdiakon. 1441 berichtet F. über das Fest seiner Primiz und seine erste kirchliche Pfründe. 1453 verließ er St. Emmeram und begab sich zeitweilig in das Kloster St. Peter zu Salzburg. Es ist wahrscheinlich, daß er 1456 Wien besuchte, er kehrte aber vor 1459 nach St. Emmeram in Regensburg zurück und verweilte hier offensichtlich bis zu seinem Tod. 2. Mathematische Arbeiten. a) Der vor 1450 in St. Emmeram entstandene -» 'Algorismus Ratisbonensis' (Überl. s. d.; die dort angekündigte Ausg. v. M. Zimmermann ist nicht erschienen) dürfte der Klosterschule als Mathematiklehrbuch gedient haben. F. ergänzte zwischen 1457 und 1461 den Aufgabenteil der darin enthaltenen Lehre vom Rechnen mit positiven ganzen Zahlen und positiven Brüchen durch eine Reihe neuer Aufgaben, die er selbst ersonnen oder aus neuen Quellen zusammengetragen hat. Einen Teil der Aufgaben schrieb er in lat., einen anderen Teil in dt. Sprache. Mit dieser Erweiterung der Practica des 'Algorismus Ratisbonensis' wirkte F. deutlich sichtbar auf die Verfasser der ersten gedruckten Rechenbücher des ausgehenden 15. Jh.s ein (->· 'Bamberger Rechenbuch 1483'; Ulrich -> Wagner; Johannes ->· Widmanns Rechenbuch von 1489; 'Enchiridion' Johann Huswirts von 1501). Auch bei bedeutenden

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Fridolin, Stephan — 'Friedrichs von Hennenberg geistliche Rüstung'

Wiener Mathematikern der Zeit zeigt sich sein Einfluß. Mit ->· Regiomontanus gebührt R der Ruhm der erstmaligen Berechnung der ersten 5 vollkommenen Zahlen (München, clm 14908; Ausg. v. CURTZE, Arch., S. 388-391). b) F. schrieb 1461 den ersten dt.sprachigen 'Algebra'-Text (München, clm 14908, 133V- 134V; Ausg. CURTZE, Abhh., S. 49 f.). Von ihm eingetragen wurde — entgegen der Ansicht VOGELS (S. 14 f.) — wahrscheinlich auch ein weiteres Textstück (136 V —146 V ; CURTZE, S. 50—58), das Ansätze zur Entwicklung einer algebraischen Symbolik bietet, wie sie von anderen Gelehrten des süddt. Raumes weitergeführt wird (vgl. -*· 'Deutsche Algebra' [NB]). c) F. kopierte außerdem für St. Emmeram einen großen Teil des mathematischen Wissens seiner Zeit. In Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. Pal. lat. 1376, 322V finden sich Texte zum praktischen Rechnen in bair. Schreibsprache. 3. Arbeiten zur Geographie und Karthographie. F. überlieferte umfangreiche Koordinatentabellen, aus denen DURAND verschiedene Karten, Welt- und Europakarten, rekonstruierte (München, clm 14583; Ausg. DURAND, S. 371-501). Eine dieser Karten, auf welcher der größte Teil Mitteleuropas dargestellt ist, wird auch die 'Klosterneuburger Fridericus-Karte' genannt, da F. von Karthographiehistorikern als Urheber der Karte angesehen wurde. DURAND dagegen vermutet, daß F. seine Koordinatentabellen aus einer Karte mit Klosterneuburger Ursprung gewann. Diese Karte mit ihrem polaren Netz ist der Ausgangspunkt jener Kartenserie, die als 'Etzlaubkarten' bezeichnet wird und zwei Menschenalter später von Nürnberg ihren Ausgang nahm. Durch die Verbindung zwischen Wiener/Klosterneuburger Karten und den Karten des -»· Nikolaus von Kues wurden sie bedeutsam für die Geschichte der modernen Karthographie. Bedeutsam wurde das geographische Werk von F. auch durch die Rezeption der Geographie des Ptolemäus (vgl. auch -> 'Ptolemäus'). Ein großer Teil der einschlägigen Beschreibungen ist in dt. Sprache dargeboten.

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4. Astronomische Arbeiten. Auch auf dem Gebiet der Astronomie bringt F. das Wissen der St. Emmeramer Klosterschule auf den aktuellen Stand seiner Zeit sowohl im Bereich der Tafelwerke und Meßinstrumente als auch auf theoretischem Feld. Die meisten seiner einschlägigen Arbeiten sind Abschriften fremder Vorlagen in lat. Sprache. Wenig Deutschsprachiges findet sich dabei, wie in München, clm 14504, f. 307— 331, in Zusammenhang mit der Bestimmung von Sonnen- und Mondfinsternissen. L i t e r a t u r . M. CURTZE, Ein Beitrag z. Gesch. d. Algebra im 15. Jh., Abhh. z. Gesch. d. Mathematik 7 (1895) 31-74; ders., Math.-Gesch. aus d. Codex Latinus Monacensis No. 14908, Arch. d. Mathematik u. Physik 132 (1895) 388-391; D. B. DURAND, The Vienna-Klosterneuburg Map Corpus of the Fifteenth Century, Leiden 1952; K. VOGEL, Die Practica d. Algorismus Ratisbonensis (Schriftenreihe z. Bayer. Landesgesch. 50), 1954; E. ZINNER, Leben u. Wirken des Johannes Müller von Königsberg, genannt Regiomontanus, 1968, S. 68 — 71; W. KAUNZNER, Zur Entwicklung d. Mathematik im 15. Jh., in: Österr. Akademie d. Wiss., Math.-Nat. Kl., Denkschriften, Bd. 116, 8. Abh., Wien 1979, S. 139; A. GERL, F. A., in: R. GEBHARDT (Hg.), Rechenbücher u. math. Texte der frühen Neuzeit (Schr.n d. Adam-Ries-Bundes AnnabergBuchholz 11), 1999, S. 1-12.

ARMIN GERL Fridolin, Stephan [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 922 zu Lit. ergänze: A. STAHL, Nürnberg vor der Reformation, Diss. (masch.) Erlangen 1949, S. 134 f. H. KÄSTNER, Fortunatus — peregrinator mundi, 1990, vermutet in St. F. den Autor des Prosaromans; vgl. -> 'Fortunatus' [NB].

'Fridolin' (dt. Legenden) -» Balther von Säckingen [Bd. l u. NB] Friedrich -» auch Fridericus Friedrich von Hausen [Korr.] Bd. 2, Sp. 938 Überl. unten: "Bern, StB, Hs. 260" korr.: Bern, Burgerbibl., Ms. 260.

'Friedrichs von Hennenberg geistliche Rüstung' [Korr.] Bd. 2, Sp. 947 Mitte: "in einer verschollenen Hs. v. 1521 (ehem. Rostock, Privatbes.)" korr.: = heute Berlin, mgq 1148. Vgl. -> Kerchoff.

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Friedrich von Nürnberg — 'Fuldaer Pestrezepte'

'Friedrich von der Normandie' -> 'Herzog Friedrich v. d. N.' [NB] Friedrich von Nürnberg [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 956 zu 2. 'Deutsche Rhetorik' ergänze: Vgl. auch Christoph -> Huber [Bd. 4 u. NB] und Ulrich -* Klenegker [Bd. 4 u. NB].

'Friedrichs des Weisen Jerusalemfahrt' [Korr.] Bd. 2, Sp. 965 unten: "-* Boguslav von Lobkowitz und auf Hassistein": vgl. Korr. unter Boguslav [NB]! Ebd.: "-> Hans von Zedlitz" korr.: -* Heinrich von Zedlitz. Sp. 966 Z. 11: "... des Andreas Sluders" korr.: des Andreas Sluder.

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Sp. 989 zu 4.: "cod. 1329 des Staatsarchivs Moskau" korr.: Moskau, Rossiskij archiv drevnich aktov (= ehem. Zentrales Staatsarchiv der UdSSR), Fond 181, Nr. 1357 (alte Sign. 1329), 166r-203v. Vgl. R. D. SCHIEWER u. H.-J. SCHIEWER, Amorbacher Hss. in Moskau, in: Fata libellorum. Fs. Fj. Pensel (GAG 648), 1999, S. 239-261, bes. S. 249252.

Frowin von Thüringen [Korr.] Bd. 2, Sp. 990: Dieser Artikel ist zu streichen. Der Name F. v. Th. in der Gießener Hs. 693 entstammt wohl nur einer Verlesung aus vicarius (?) v. Th. Bei den dt. Predigten handelt es sich um Meister -> Eckharts 'Reden der underscheidunge'. Vgl. B. BADER, ABäG 18 (1982) 143 f.

Frutolf von Michelsberg [Korr.]

'Die fromme (selige) Müllerin' [Korr.]

Bd. 2, Sp. 994 zu II. 2.: "Bamberg, SB, cod. E. V. 13" korr.: cod. Lit. 134 (olim Ed. V. 13). Ebd. unten Überl.: "Breslau, StB, cod. 54" korr.: Breslau (Wroclaw), ÜB, cod. R 54; vgl. auch -> 'Rithmimachia', I. 8. Sp. 995 zu 3. Überl.: "Karlsruhe, LB, cod. 504" korr. ..., cod. K 504. Ebd. Mitte: "Prosper Tito" korr.: Prosper Tiro.

Bd. 2, Sp. 975 Z. 11: "Bremen, StB, cod. 18" korr.: ..., SB u. ÜB, cod. c. 18.

Fuetrer, Ulrich [Korr.]

Friker, Johannes [Korr.] Bd. 2, Sp. 970 Z. 4: " 'Der tagenden buch' (-» Thomas von Aquin)" korr.: ... (-> 'Der Tugenden Buch').

Fronleichnamsspiele -» 'BoznerF.'; -» 'Freiburger F.'; -* 'Friedberger Dirigierrolle'; -»· 'Ingolstädter F.'; -» 'Innsbrucker (thüringisches) F.'; -> 'Künzelsauer F.'; -> 'Rothenburger Kasparrolle'; -> 'ZerbsterF.' Froumund von Tegernsee [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 979 Z. 14 ff. und Sp. 980 Mitte: Das als verloren bezeichnete Berliner Ms. lat. 4° 939 befindet sich jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Sp. 982 zu Lit. ergänze: H.-E. TEITGE, Froumund von Tegernsee u. die ahd. Priscianglossen, Diss. (masch.) Halle 1949.

'Von der frowen natur und von jr kranckeit' ->· 'Von der Natur der Frauen und ihren Krankheiten' [NB] Fro win von Krakau [Korr.] Bd. 2, Sp. 988 Überl.: "Köln, Hist. Arch., cod. GB 2°" korr.: ..., GB 2° 12/13.

Bd. 2, Sp. 1005 zu 3., Überl.: "Bair. Hausarch., Mss.-Sammlung 31" korr.: München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Abt. III Geheimes Hausarchiv, Hs. 31.

'Fuldaer Beichte' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1008 Z. 1: "Rom, Bibl. Vaticana, cod. lat. 3548" korr.: ..., cod. Vat. lat. 3548.

'Fuldaer Pestrezepte' Ü b e r l i e f e r u n g . Fulda, Hess. LB, cod. Aa 129, (3. Viertel 15. Jh., ostfrk.), 321v-324r. A u s g a b e . F. GRÄSER / G. KEIL, Die Pestrezepte des Fuldaer Kodex Aa 129, ZfdA 109 (1980) 7285, Text S. 80ff. (der überlieferte Wortlaut bietet keinerlei Gliederungssignale hinsichtlich der Makrostruktur des Textes).

Gegliedert in 42 Paragraphen und wahrscheinlich von einem Konventualen (OFMCap?) verfaßt, richtet sich dieser dt. Pesttraktat an Angehörige des niederen Klerus, die vor dem Schwarzen Tod nicht fliehen

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'Fundationes monasteriorum Bavariae' — 'Von fünf Meistern'

konnten und auch während der Pestzeiten ihren seelsorgerischen Aufgaben nachgingen. Der beflissen argumentierende Autor stützt sich auf bewährte böhmische Vorbilder des 14. Jh.s (-» 'Sinn der höchsten Meister von Paris', Pest- ->· 'Brief an die Frau von Flauen', Theriak-Pesttraktat' des -» Christian von Prachatitz, 'Sendbrief' des -»· Gallus von Prag), exzerpierte den -» 'Kranewittbeertraktat', versuchte, sein Laßschema an Jakob ->· Engelin von Ulm sowie ans -* 'Pariser Pestgutachten' anzulehnen, und bietet einen dreiteiligen Aufbau, wobei er zunächst loimologischen Strukturvorgaben folgt, dann nach den Sex res non naturales reiht und schließlich die PestLaßstellen als Ordnungsschema nimmt. Die morgens zum Gottesdienst aufbrechenden Brüder schützt er mit einem eigens für sie kreierten prophylaktischen 'Süpplein' (§ 32). Ansonsten ist er wenig originell. G. KEIL 'Fundationes [Nachtr.j

monasteriorum

Bavariae'

Bd. 2, Sp. 1010 Z. 20 von unten ergänze: Vgl. auch -> Andreas von Regensburg (10.).

'Fundus omnis iniquitatis' Lat. Übersetzung des Traktats Grunde aller Bosheit'.

'Vom

Ü b e r l i e f e r u n g . Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. Barth. 101, 203va-207va: Tractatus intitulatus fundus omnis iniquitatis. Nisi granum frumenti cadens ... [ 12, 24—35] Dominus noster Jesus Christus sapiencia patris ...; identifiziert von G. Kornrumpf, s. G. POWITZ / H. BÜCK, Kataloge der StB u. ÜB Frankfurt a. M., Bd. 3,2, 1974, S. 230. - Nicht ediert.

Der lat. Übersetzer benutzt als Vorlage einen Textzeugen der Fassung B, die durch den von F. PFEIFFER, ZfdA 8 (1851) 452463, mitgeteilten Text aus der Stuttgarter Hs. (s. u.) recht gut repräsentiert wird. Der 'F.' gehört damit zu der umfangreichsten und breitest überlieferten Bearbeitung dieses Traktats, sozusagen zur Standardversion. Diese leitet sich von einer ursprünglicheren, um etwa zwei Drittel kürzeren Version A ab, welche radikaler augustinisch

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das Unvermögen des Menschen betont, aus den eigenen natürlichen Kräften das Gute zu tun; vielmehr wolle ein solcher Mensch zwar gut sein, vermöge aber nicht den Nächsten und Gott um ihrer selbst willen, sondern nur aus egoistischen Motiven zu lieben. Diesem radikalen Unvermögen gegenüber entwirft Fassung B eher den Lasterkatalog eines selbstsüchtigen, heuchlerischen Menschen. Eine ähnliche Tendenz weist auch Fassung C auf, die ebenfalls selbständig von der A-Version abzweigt. Der gegenüber 2VL, Bd. 3, Sp. 286, erweiterte Hss.befund zeigt folgende Verteilung der drei dt. Fassungen: Fassung A: Berlin, mgq 149, 71 r —75 r ; Beuron, Stiftsbibl., cod. 8° ms. 42, 51vb-56va; Karlsruhe, LB, cod. Lichtenthal 87, 198r-203v; Köln, Hist. Arch, der Stadt, GB 4 ° 32, 89r- 94. Fassung B: Augsburg, ÜB, cod. III. l. 4° 37, lr-13v; Berlin, mgf 1259, 169ra-173r; St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 1866, S. 280-328; ebd., cod. 1915, 192r-203r; Innsbruck, ÜB, cod. 1026, l r -8 r ; Karlsruhe, LB, cod. Lichtenthal 96, 280v-301r; München, cgm 8122 (ehem. Nationalmus. Nr. 952), 250r-259v; Salzburg, ÜB, M 1476, 267r-269v; Straßburg, Bibl. nat. et univ., ms. 2801 (L germ. 668), 86vb-92va; Stuttgart, LB, cod. theol. et phil. 2° 283, 308rb-316ra (ed. PFEIFFER); ehem. Wittern, Redemptoristenkloster, cod. 2 = heute Nijmegen, ÜB, Ms. C. 2, 377v-386r. Fassung C: Augsburg, ÜB, cod. III. l. 4° 29, 100r-105v; Berlin, mgo 576, 155V-164V; Graz, ÜB, Ms. 1035, 451r-456v; Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2074, 70v-76r; München, ÜB, cod. ms. 4° 479, 87r-92v; Nürnberg, StB, Cent. VI, 91, 61r-66v; ebd., Cent. VII, 73, 61r-68v; Salzburg, St. Peter, cod. a II 7, 206r-218v; ebd., cod. b V 40, 243V-250V.

KARL HEINZ WITTE 'Fünf Freuden Mariens' ->· 'Sieben Freuden M.s' 'Von fünf Meistern' Seit dem 14. Jh. im gesamten dt. Sprachraum verbreitete Sammlung von fünf geistlichen Lehrsprüchen, zumeist in Prosa, die anonymen Meistern in den Mund gelegt werden. I. Hauptfassung. Überlieferung. Augsburg, ÜB, cod. 111.1.8° 17, 1. H. 16. Jh., 253r~v; Hamburg, SB u. ÜB, cod.

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'Von den fünf Zeiten vor Christi Geburt' — 'Fünfzehn Vorzeichen des Jüngsten Gerichts'

Conv. XV, Nr. 8, 15. Jh. (Frgm.); Heidelberg, cpg 418, 14. Jh., 11v-12r; Kopenhagen, Kgl. Bibl., NKS, 19 8°, Anf. 16. Jh., 2 r -3 r ; London, British Library, Ms. Add. 16581, 3. Viertel 15. Jh., 131V; München, cgm 424, 2. H. 15. Jh., 184V; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 22936, 15. Jh., 129V130V; Nürnberg, StB, Cent. VII, 39, Mitte 15. Jh., 212r-213r; Stuttgart, Württ. LB, HB I 78, Mitte 15. Jh., 114rb-vb; Wien, cod. 2969, I.Viertel 15. Jh., 32 r —33 r . Enthalten in der Spruchsammlung des -» Engelhart von Ebrach: Augsburg, ÜB, cod. 111.1.4° 32, 4. Viertel 15. Jh., 10r~v; München, cgm 116, 15. Jh., 14r; cgm 172, 14. Jh., 9v-10r; cgm 411, v.J. 1436, 92rb (vgl. SCHNEIDER, München III, S. 227). A b d r u c k . I. TRAUNBAUER, Beitr. zum mystisch aszetischen Schrifttum d. dt. SpätMAs, Diss. (masch.) Wien 1955, S. 216 f.; BIERSCHWALE, S. 219.

I n h a l t . Fünf Meister sprechen miteinander: 1. Ein einziger Seufzer aus reuigem Herzen um die verlorene Zeit ist besser, als 30 Psalter mit Andacht zu sprechen. — 2. Ein aufrichtiges Begehren, sich zu bessern, ist nützlicher, als sieben Jahre bei Wasser und Brot zu fasten. — 3. Einen einzigen Blick auf die creature um Gottes willen zu vermeiden ist besser, als mit Paulus in den dritten Himmel gerückt zu werden. — 4. Ein schmähliches Wort zu vermeiden oder zu ertragen löscht 30 Jahre Fegefeuer aus. — 5. David spricht im Psalter: Herr, vergiß meine Sünden. Ich spreche: Herr, gedenke ihrer, denn ich weiß nicht, ob des reuigen Sünders Klage oder des gerechten Menschen Heiligkeit vor Gottes Antlitz größer sei. II. Weitere Fassungen. 1. Zusammen mit den -»· 'Sprüchen der fünf Lesemeister' (II) als 'Zehn Meister' in: 's Gravenhage, Kon. Bibl., Hs. 133 F 22, ca. 1450, 82v-83r (vgl. DOLCH, S. 16f.; BIERSCHWALE, S. 167; Abdruck: Ebd., S. 219-221). 2. Eine gereimte Fassung: Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 2. 4. Aug. 2°, 15. u. 16. Jh., 189v-190r. Abdruck: K. EuLING, Kleinere mhd. Erzählungen, Fabeln u. Lehrgedichte II (DTM 14), 1908, S. 117 f.

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3. Ein weitgehend übereinstimmender Text mit sechs Meistern in München, ÜB, 8° cod. ms. 270, 2. H. 15. Jh., 75V-78V4. Die ersten vier Sprüche sind in ähnlichen Spruchreihen enthalten: Zürich, Zentralbibl., Ms. C 20, 14. Jh., 116rb~va (Abdruck: STAMMLER, S. 313 f.); Mainz, StB, Hs. I 221, Ende 14. Jh., 20V (Abdruck: STAMMLER, S. 306). Ebenfalls finden sie sich in den 'Sieben Punkten' oder 'Sieben Lesemeistern': vgl. DOLCH, S. 16; Engelberg, Stiftsbibl., Hs. 125, v. J. 1380, 14V15V (Abdruck: WACKERNAGEL, Altdt. Pred., S. 600); Hannover, Kestner-Museum, Nr. 1920, 18, 15. Jh., 223v-225r (Abdruck: W. STAMMLER, Mnd. Lesebuch, 1921, S. 44, Nr. 26). Die 'Sieben Punkte' werden auch im Zusammenhang der 'Predigt vom Goldenen Berg' (Fassung I) des -»· Nikolaus von Straßburg im ndl. Sprachraum überliefert (vgl. hierzu ST. AXTERS, De preek op den gulden berg door den leesmeester van Straatsburg, Tijdschr. voor taal en letteren 28 (1940) 16 f. u. 34-38). Das Verhältnis dieser Spruchreihen zueinander ist im einzelnen ungeklärt. L i t e r a t u r . W. DOLCH, Die Verbreitung oberländischer Mystikertexte im Niederländischen, 1909, S. 16 f.; A. AUER, Leidenstheologie im SpätMA (Kirchengeschichtl. Quellen u. Stud. 2), 1952, S. 85 u. 102 f.; W. STAMMLER, Albert d. Gr. u. d. dt. Volksfrömmigkeit d. M As, Freiburger Zs. f. Philos. u. Theol. 3 (1956) 296 f.; P. G. VÖLKER, Die dt. Schriften d. Franziskaners Konrad Bömlin, Teil I (MTU 8), 1964, S. 32; H. BIERSCHWALE, Studien zur nd. u. ndl. Überl. d. Meistersprüche (Staatsexamensarbeit Münster 2000).

HEIKE BIERSCHWALE 'Von den fünf Zeiten vor Christi Geburt' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1012 Z. 11 von unten: Zur 'Cronica Boemorum' vgl. -> Johannes de Marignolis [NB].

'Fünfzehn Vorzeichen des Jüngsten Gerichts' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1017 zu 5. (4): "Krumau, Bibl. des Minoritenklosters, o. Nr." korr.: heute in Prag, Närodni knihovna, Frantiskani Cesky Krumtov 148.

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Fürstenau, Christoph

Sp. 1018 zu (7): "Oldenburg, LB" korr.: Oldenburg, Niedersächs. Staatsarchiv. Ebd. zu (8): "Donaueschingen, cod. A 23" korr.: ..., cod. A III 23 (heute in Karlsruhe, LB). Ebd. zu (13): "Berlin, mgp 1870" korr.: ..., mgq 1870 (= ehem. Wernigeroder Hs. Zb 10); sie befindet sich jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Sp. 1019 zu (24): "Graz, ÜB, Frgm. Ms. 39,67" korr.: ..., cod. 1602 (olim Ms. 39/67 8°). Sp. 1020 vor Lit. ergänze: Zu den dt. Fassungen vgl. (u. a.) auch -> 'St. Galler Weltgericht' [Bd. 2 u. NB]; -» Hieronymus ( .4.); - 'Sächsische Weltchronik' (10.h); -» 'Der Seelen Wurzgarten'; ->· 'Speculum humanae salvationis' (II.B.4.); -> 'Tafel der christlichen Weisheit'; -» Weltgerichtsspiele [Verweisstw.!]; -» 'Von der Zukunft des wahren Gottes'; -> 'Bairische Predigtsammlung' [NB]. Ebd. Z. 19: nach "PBB" ergänze: 6. Ebd. Z. 23: "d. fünfzehn Zeichen ... 6" ersetze die Zeile durch: d. MAs u. d. Reformationszeit, 1906; G. GRAU, ....

'Der fursten gesiechte' -> 'Leopold III. der Heilige, Markgraf von Österreich' (II.) 'Von Fürsten und Herren' (KELLER, Fsp. 17) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Fürstenau, Christoph 1. Der aus Marienburg in Preußen stammende F. ist wohl identisch mit dem Christoforus Nicolai de Marienburg, der 1442 in Krakau immatrikuliert wurde und 1445 das Bakkalaureat erlangte (ARBUsow, 1901 [= 1902], S. 152). Ab 1448 war er Schreiber des Deutschordensmeisters von Livland, Heinrich Vincke und danach von dessen Nachfolger Johann Mengede gen. Osthoff; mehrfach reiste er im Auftrag des Ordens nach Rom, 1461 nach Stockholm. 1463 erwarb er das Bürgerrecht in Königsberg (Altstadt), wo er 1464 als Schöffe und 1469 als Ratsherr nachzuweisen ist, er blieb aber bis zu seinem Tode 1477 für den Orden tätig. 2. Daß F. der Verfasser eines nd. Berichtes über den 'Streit des Erzbischofs Silvester Stodewescher von Riga mit dem Deutschen Orden in Livland während des Bundes in Preußen ums Jahr 1450' (POTTHAST) ist, vermutete zuerst mit guten Gründen NAPIERSKY (Ausg., S. 151), da F. der Autor einer weiteren Klageschrift gegen den Erz-

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bischof Stodewescher ist, die mit dem Bericht 'in vielen Stellen wörtlich übereinstimmt'. Für Es Verfasserschaft spricht weiterhin, daß er sich in dem Bericht selbst als Teilnehmer an Geheimverhandlungen zwischen den Bürgern von Riga und dem Ordensmeister Osthoff nennt (Ausg., S. 164: Schriuer Christoferus Forstenow) und insgesamt über die von ihm geschilderten Vorgänge (und die in deren Verlauf entstandenen Schriftstücke) hervorragend informiert ist. Entstanden ist der Bericht wohl bald nach dem Tode des Ordensmeisters Osthoff (1469), da dieser — und die Frage seiner Beisetzung und der seiner Nachfolger im Rigaer Dom — am Ende ausführlich geschildert werden (Ausg., S. 182 f.). Ü b e r l i e f e r u n g . Königsberg, ehem. Preuß. Staatsarchiv, Geheimes Archiv, Fol. Sammlung liv-, est- und kurländischer Urkunden (POTTHAST); Verbleib unbekannt. Ein weiteres Exemplar befand sich im Archiv der livländischen Ritterschaft in Riga (NAPIERSKY, S. 184). A u s g a b e . C. E. VON NAPIERSKY, Hist. Darstellung der durch die Schuld des Erzbischofs Silvester entstandenen Uneinigkeit zwischen ihm u. dem Orden in Livland während des Bundes in Preußen, um's Jahr 1450 u. f. f., Arch. f. d. Gesch. Liv-, Ehst- u. Curlands VII (1854) 151-184.

Die völlig aus der Sicht des Ordens berichtende Schrift rechtfertigt das Verhalten des Ordensmeisters Osthoff im Streit über die Frage der Inkorporation des Rigaer Erzbistums in den Deutschen Orden (die äußerlich an der Auseinandersetzung darüber, ob die Domherren den Deutschordenshabit oder weiter den der Augustinerherren tragen sollten, sichtbar wurde) und über die damit verbundene Problematik, ob die Stadt Riga den Erzbischof oder den Orden als Herrn zu akzeptieren habe (vgl. dazu aus der Sicht der Stadt die Chronik Hermann -> Heleweghs [NB]). F. führt dabei beredte Klage über den Erzbischof von Riga, Silvester Stodewescher (den früheren Kanzler des Hochmeisters, der inzwischen aber rigoros die Position des Rigaer Erzbistums vertrat), der die Bürger von Riga, mit denen Osthoff immer in gutem Einverständnis gewesen sei, zum Aufstand gegen den Orden angestachelt und den gutherzi-

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'Fürstenspiegel Von dem Adel' — 'Fürstenspiegel Wye ein werltleich fürst'

gen Meister daran gehindert habe, seinem Orden in Preußen militärisch zu Hilfe zu kommen. Die sehr komplexen Verhandlungen werden — unter namentlicher Nennung der Beteiligten — detailliert geschildert; mitunter werden sie sogar in direkter Rede, als Augenzeugenbericht, wiedergegeben (Verhandlungen Osthoffs mit dem Dompropst Dietrich Nagel, S. 160 f.). F.s Bericht stellt so ein interessantes Zeugnis für die berufsnahe schriftstellerische Tätigkeit eines Schreibers des Deutschen Ordens dar. Für wen F.s Bericht bestimmt war (ob für den Hochmeister des Ordens?) läßt sich nicht ermitteln. L i t e r a t u r . A. POTTHAST, Bibliotheca historica medii aevi II, 21862, S. 1036; L. ARBUSOW, Livlands Geistlichkeit vom Ende des 12. bis ins 16. Jh., Jb. f. Genealogie, Heraldik u. Sphragistik 1900 (= 1901) 33-80, hier S. 77; 1901 (= 1902) 1-160, hier S. 152; 1902 (= 1904) 20-134, hier S. 49; 1911/12/13 (=1914) 1-432, hier S. 59; CHR. KROLLMANN, Altpreußische Biographie l, Königsberg 1941, S. 201; K. E. MURAWSKI, Zwischen Tannenberg u. Thorn, 1953, S. 153 — 172; F. GAUSE, Gesch. der Stadt Königsberg in Preußen, l, 31996, S. 187f., 193 f.; H. VON ZUR MÜHLEN, Stodewescher, Silvester, in: Lexikon d. MAs 8, 1996, Sp. 189. - (Hinweise von B. Jähnig/Berlin).

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Vgl. auch -» 'Vom Stamm der Herolde' (weitere Überl.!).

'Fürstenspiegel All hie ist mit fleiss ze mericken' [Korr./Nachtr.j Bd. 2, Sp. 1026: "Wien, cod. 2864" korr.: .... cod. 2846. Der Text, eine Sammlung atl. Sprüche (bes. Sap) zur Gerechtigkeit, nicht eigentlich ein Fürstenspiegel, gehört vielleicht zum OEuvre des -> Österreichischen Bibelübersetzers [NB]; vgl. auch -> 'Schlierbacher Altes Testament', 4. (2).

'Fürstenspiegel Van der regeronge der stede' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1027: Der Text ist keine Bearbeitung der 'Politik' des Aristoteles, sondern die Übersetzung eines Teils von 'De regimine principum' (Buch III, l u. 2) des Aegidius Romanus und damit in den Artikel -> 'Fürstenspiegel nach Aegidius Romanus' einzureihen. Vgl. B. SINGER, Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus u. der Reformation, 1981, S. 149; U. STÖRMER, Der ostmd. Traktat Welch furste sich vnde syne erbin wil in synem furstethum festin nach Aegidius Romanus, 'De reg. princ.', in: Zwei ostmd. Bearbeitungen lat. Prosadenkmäler (DTM LXXVI), 1990, vgl. S. 197.

VOLKER HONEMANN Füstenspiegel (dt.) -»· 'Fürstenspiegel ...'; -+ 'Von gemeynem regement der stete ...'; -» Hildegard von Hürnheim; ->· Johannes von Indersdorf ( .4.); -» 'Lehre eines Kriegsrates'; -> 'Secretum secretorum'; -» 'Der Tugend Regel'; ->· 'Wie man kinder sal regieren'; -> Jacob van Maerlant [NB]; vgl. auch -»· 'Gute Lehren über den gemeinen Nutzen' [NB] 'Fürstenspiegel nach Aegidius Romanus' vgl. ->· 'Fürstenspiegel Van der regeronge der stede' [NB] 'Fürstenspiegel Von dem Adel' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1026 zu Überl.: "Seitenstetten, Stiftsbibl., cod. 31 (seit 1924 verschollen)" korr.: jetzt in Cambridge/Mass., Harvard College Library, MS. Lat. 121, dort 61v-65r. Vgl. S. DE RICCI, Census of Medieval and Renaissance Manuscripts in the United States and Canada, Bd. 1, New York 1935, S. 984.

'Fürstenspiegel Wiewol all menschen erstlich entsprungen aus ainer wurczel Adam' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1028 Z. 12/11 von unten: Zur Eucharistie- und Ehelehre vgl. auch -*· 'Sermo de corpore Christi' (deutsch) und -»· 'Sermo de matrimonio' (deutsch); -> Österreichischer Bibelübersetzer [NB].

'Fürstenspiegel Wye ein werltleich fürst' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1029 zu Überl.: "Seitenstetten, Stiftsbibl., cod. 31 (seit 1924 verschollen)" korr.: jetzt in Cambridge/Mass., Harvard College Library, MS. Lat. 121. Vgl. S. DE RICCI, Census of Medieval and Renaissance Manuscripts in the United States and Canada, Bd. 1, New York 1935, S. 984. Zur Überl. vgl. auch -> 'Buch von den vier Angeltugenden' [Bd. l u. NB]. A u s g a b e des Textes unter dem neuen Titel -> 'Der Tugend Regel' (s. d. mit weiteren Textzeugen).

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'Fürstenspiegel Zwelf rate ..."

'Fürstenspiegel Zwelf rate ...' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1030 Überl.: "... Free Library of Philadelphia, cod. Nr. 165" korr.: Philadelphia, Free Library of Ph., John F. Lewis Collection, MS. 16 (S. DE RICCI/WILSON, Census of Medieval and Renaissance Manuscripts in the United States and Canada, Bd. 2, New York 1937, S. 2055 Nr. 165; vgl.

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E. WOLF, A Descriptive Catalogue of the John Frederick Lewis Collection of European Mss. in the Free Library of Philadelphia, Philadelphia 1937, Nr. 16).

'Der Fußpfad zur ewigen Seligkeit' Ritterschaft'

'Die

G Der von Gabelstein [Korr.] Bd. 2, Sp. 1035 Z. 2: "mgo 191" korr.: mgq 191.

'Gabriel und die Seele' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1038 oben: "Bamberg, SB, cod. Ed. VIII. 18" korr.: ..., Msc. Lit. 177 (olim Ed. VIII. 18). Ebd. Z. 7: "Die Angaben sind II. ..." korr.: Die Angaben unter II Ergänze: München, cgm 846, 112r—116V (eine Auslegung des Vaterunsers als Gespräch zwischen Gabriel und der Seele); vgl. E. WEIDENHILLER, Unters, zur dt.sprachigen katechetischen Lit. d. späten MAs (MTU 10), 1965, S. 223 Nr. 21; B. ADAM, Katechetische Vaterunserauslegungen (MTU 55), 1976, S. 221 Nr. l £.

'St. Galler Handschrift 857' 1. Der Cod. 857 der Stiftsbibl. St. Gallen ist die älteste große Sammelhs. mhd. höfischer Epik. Im Grundstock von 6 oder 7 Schreibern Zspaltig geschrieben, mit kostbaren (z. T. historisierten) Deckfarbeninitialen unter Verwendung von Blattgold ausgestattet, enthält sie im heutigen, defekten Bestand von 324 großformatigen (ca. 315 X 215 mm) Bll.: -> Wolfram von Eschenbach, Tarzival' D (S. 5-288, Hände 1—3); -» 'Nibelungenlied' und 'Nibelungenklage' B (S. 291-451, Hände 3-5); -» Stricker, 'Karl der Große' C (S. 452-558, Hände 5, 6 [und 7?]); Wolfram von Eschenbach, 'Willehalm' G (S. 561-691, Hand 3 [und 7?]); Sangspruchstrophen -»· Friedrichs von Sonnenburg (S. 693, Nachtr. von einer wenig jüngeren Hand); -»· Konrad von Fußesbrunnen, 'Kindheit Jesu' L und -»· Konrad von Heimesfurt, 'Unser vrouwen hinvart' E (beide Texte von Hand 5; aus der Hs. entfremdet [s. u.], fragmentarisch erhalten: 5 Bll. der 'Kindheit Jesu', Berlin, mgf 1021; l herausgeschnittene Textspalte von 'Unser

vrouwen hinvart', LB Karlsruhe, K 2037, das Restbl. früher auf dem hinteren Innendeckel des Codex aufgeklebt, 1998 losgelöst). Die Hs. wurde 1768 von Fürstabt Beda Angehrn aus dem Nachlaß des bedeutenden Schweizer Historikers und Staatsmanns Aegidius Tschudi (1505-1572) für die Stiftsbibl. erworben. Der Schlußteil, der ursprünglich vielleicht noch Konrads von Heimesfurt 'Urstende' enthielt (HoFFMANN, 2000; KORNRUMPF, 2000), dürfte damals schon fragmentarisch gewesen sein. Er scheint 1780 von Angehrn ausgelöst und 1816 von F. H. von der Hagen entwendet worden zu sein (ScHiROK, 2000). T e i l - F a k s i m i l i a (schwarzweiß). Tarzival' u. 'Kindheit Jesu': SCHIROK, 1989. - 'Nibelungenlied' u. 'Nibelungenklage': Das Nibelungenlied und Die Klage. Hs. B (Cod. Sangall. 857) (Dt. Texte in Hss. 1), 1962. - 'Willehalm' u. Friedrich von Sonnenburg: SCHIROK, 2000. (Abb. des 'Hinvart'-Frgm.s bei KLEIN, 1994.)

2. Die Entstehungszeit der Hs. ist nur grob auf das 2. Drittel des 13. Jh.s bestimmbar (KLEIN, 1994). Die paläographische Analyse (SCHNEIDER, 1987) führt eher in die erste, die kunstgeschichtliche Analyse des Buchschmucks, der einer oberital. Malerschule zugeschrieben wird (PALMER, 1992), eher in die zweite Jahrhunderthälfte. Unsicher ist auch die Lokalisierung. Die Schreibsprache, die Schriftformen und der ital. Stil des Buchschmucks lassen zusammengenommen am ehesten an den alem.-bair. Alpenraum denken (SCHNEIDER, 19877 HOFFMANN, 2000: Südtirol; PALMER, 1992: Süden des ostalem. Raums). Sicher ist, daß die Hs. aus einem bedeutenden Skriptorium hervorgegangen ist, das Erfahrung mit der Reproduktion dt. Texte hatte. Das ergibt sich aus der relativ großen Zahl der Schreiber und daraus, daß Reste zweier weiterer Hss. aus diesem Skriptorium bekannt sind: Frgm. E des 'Nibelun-

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'St. Galler Handschrift 857'

gcnliedes' (Berlin, SBB-PK, Fragm. 44) und Fragm. a (Nr. 1) des 'Parzival' (Wien, cod. 13070), beide von Hand 4 des Sangallensis (vgl. SCHNEIDER, 1987; PALMER 1992).

3. Die Hs. hat von jeher die besondere Aufmerksamkeit der Philologen gefunden, weil die Textfassungen der Romane Wolframs und des 'Nibelungenlieds', die sie bietet, als die autornächsten gelten und den maßgeblichen Ausgaben zugrundegelegt wurden. Erst in jüngster Zeit fragt man auch nach dem möglichen Programm und dem literarhistorischen Zeugniswert der Sammlung. Es ist wahrscheinlich, daß die Hs. von vornherein als Sammlung mit der gegebenen Auswahl und Reihenfolge der Texte angelegt war (SCHIROK, 1998). Man kann aber nicht völlig ausschließen, daß die einzelnen Faszikel ursprünglich separat aufbewahrt wurden (KLEIN, 1994; vgl. HEINZLE, 2001).

Die Zusammenstellung der Texte könnte auf höfische Epik mit historischem Anspruch und heilsgeschichtlicher bzw. religiöser Dimension zielen. Stammte sie aus dem 13. Jh., entspräche sie damit einem zeittypischen literarischen Interesse, das nicht auf ästhetische Erfahrung im Medium fiktionaler Weltentwürfe, sondern auf lebensweltlich verbindliche Orientierung an geistlich fundierter Geschichtsüberlieferung in der Gestalt epischen Erzählens gerichtet war (insofern unterstriche das Fehlen der Romane -> Hartmanns von Aue und -> Gottfrieds von Straßburg, die man in einer repräsentativen Sammlung höfischer Epik erwarten würde, ex negative das Sammlungsprofil). Die historisch-heilsgeschichtliche Verbindlichkeit liegt im Falle der beiden biblischen Texte und des Komplexes 'Karl'/'Willehalm', aber auch des 'Parzival' auf der Hand (FROMM, 1995). Das 'Nibelungenlied' scheint (als 'Vorzeitkunde') zunächst nur für die historische Dimension zu stehen, doch werden die erzählten Ereignisse über die 'Nibelungenklage' christlich-moralisch positioniert (ScHiROK, 1998). Der Codex präsentiert die beiden Texte auch äußerlich als werkhafte Einheit. Die 'Klage' schließt in der selben Spalte direkt an das 'Lied' an, und der Eintrag ist mit Schmuckinitiale, Überschriftszeile, Lombarden, Majuskeln und Absätzen so organisiert, daß der Reimpaartext der

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'Klage' optisch nicht anders wirkt als der strophische Text des 'Liedes': "Für den Schreiber [...] war die 'Klage' offenbar die letzte Aventiure des 'Nibelungenlieds'" (BUMKE, 1996, S. 160). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß die Verbindung von 'Nibelungenlied' und Fußesbrunnens 'Kindheit Jesu' nicht nur im Sangallensis bezeugt ist: auch der Fragmenten-Komplex K des 'Nibelungenlieds' und das Fragment E der 'Kindheit Jesu' stammen aus ein und der selben Hs., die um 1300 geschrieben wurde (vgl. KORNRUMPF, 2000).

Anders als die Auswahl der Texte läßt ihre Reihenfolge nicht ohne weiteres ein Konzept erkennen (vgl. aber SCHIROK, 1998; KORNRUMPF, 2000). Unmittelbar einleuchtend ist nur die Koppelung von 'Karl' und 'Willehalm', die zyklisch aufeinander bezogen sind. L i t e r a t u r . K. SCHNEIDER, Gotische Schriften in dt. Sprache. I. Vom späten 12. Jh. bis um 1300, 1987, Textbd. S. 133-142, Tafelbd. Abb. 72-74; B. SCHIROK, Der Raub der 'Kindheit Jesu'. Codex S. Gallen 857 u. Konrad v. Fußesbrunnen, ZfdA 116 (1987) 230-234; ders., Einf. zu: Wolfram v. Eschenbach, Parzival (Hs. D). Abb. des ParzivalTeils von Codex St. Gallen 857 sowie des (heutigen) Berliner Fragments L der Kindheit Jesu Konrads v. Fußesbrunnen aus dem St. Galler Codex, hg. v. B. SCH. (Litterae 110), 1989, S. VII-XXXV; M. REDEKER, Konrad v. Heimesfurt u. Konrad v. Fußesbrunnen im Sangallensis 857, ZfdA 119 (1990) 170-175; N. F. PALMER, Der Codex Sangallensis 857: Zu den Fragen des Buchschmucks u. der Datierung, in: Wolfram-Studien XII, 1992, S. 1531; K. KLEIN, Der Sangallensis 857, Konrad v. Heimesfurt u. Kommissar Zufall, ZfdA 123 (1994) 76 — 90; H. FROMM, Überlegungen zum Programm des St. Galler Codex 857, Der Gingko-Baum 13 (1995) 181-193; J. BUMKE, Die vier Fassungen der Nibelungenklage (QF 8 [242]), 1996, S. 147-162; B. SCHIROK, Der Codex Sangallensis 857. Überlegungen u. Beobachtungen zur Frage des Sammelprogramms u. der Textabfolge, in: 1st mir getroumet min leben? Fs. K.-E. Geith, hg. v. A. SCHNYDER u . a . (GAG 632), 1998, S. 111-126; G. KORNRUMPF, Heldenbuch — oder Sammelhs.? Zum Codex discissus K des Nibelungenlieds, in: Scrinium Berolinense. Fs. T. Brandis, Bd. I, 2000, S. 287296; W. J. HOFFMANN, Konrad v. Heimesfurt (Wissenslit. im MA 37), 2000, S. 347-367; B. SCHIROK, Einf. zu: Wolfram v. Eschenbach, Willehalm. Abb. des Willehalm-Teils von Codex St. Gallen 857 mit einem Beitrag zu neueren Forschungen zum Sangallensis u. zum Verkaufskatalog von 1767, hg. v. B. SCH. (Litterae 119), 2000, S. IX-L; Rez. dazu v.

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'St. Galler Marienklage' — 'Gangolf'

J. HEINZLE, ZfdA 130 (2001) 358-362. - Laufend aktualisierte Beschreibung u. Bibliogr. im digitalen Marburger Repertorium deutschsprachiger Hss. des 13. Jh.s, zugänglich über: tvww.marburgerrepertorien.de.

JOACHIM HEINZLE 'St. Galler Maipredigt' [NB]

'Geistlicher Mai'

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'Gallus' (Legenden) -» Kölner, Friedrich (dt.); -»· Walahfrid Strabo (lat.) Vgl. außerdem W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Legendenregister S. 413, der neben 7 Legendarfassungen und der Fassung Kölners 7 weitere eigenständige dt. und ndl. Legenden verzeichnet.

Gallus von Königsaal [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1064 Überl., 4. Zeile: Statt "im Erscheinen. Zentraler Verbreitungsraum des" korr.: Bd. 2, Sp. 1042 zu Überl.: Der Text in der Hs. zahlreiche weitere Hss. mit Exzerpten. Eine erste ... auf S. 31 f.; Datierung auf I.Viertel 16. Jh.; vgl. Inzwischen sind 150 lat. Hss. bekannt, vgl. M. BERGMANN, Spiele, Nr. 56 bzw. M 47. GERWING, Malogranatum oder der dreifache Weg Ebd. Ausg.: "F. J. , Schauspiele d. MAs, zur Vollkommenheit (Veröffentlichung des Colle1852" korr.: ..., Schauspiele d. MAs I, Karlsruhe gium Carolinum 57), 1986. 1846, S. 199 f.

'St. Galler Marienklage' [Korr.]

'St. Galler (mittelrheinisches) Passionsspiel' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1044 Lit.: "Ausführliche Bibliogr. von R. BERGMANN": Streiche "von R. BERGMANN".

'St. Galler Osterspiel' (lat.) -> 'Hersfelder O.' [nicht: -»· Osterfeiern!] 'St. Galler Vokabular' Sancti Galli'

'Vocabularius

'St. Galler Weltchronik' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1058-61: Die Chronik ist eine Kurzfassung der Weltchronik von Johannes ->· Platterberger und Dietrich -* Truchseß.

Gallus von Prag [Korr.] Bd. 2, Sp. 1066 zu II.l. Überl.: Die Raudnitzer Hs. befindet sich heute als Depositum in Prag, Närodni Knihovna (Sign. R IV.Fe.29). Sp. 1067 zu 3.b): "cod. 26.4.21 des Benediktinerstifts St. Paul im Lavanttal" korr.: cod. 269/4 (olim 26.4.21) .... Sp. 1069 zu Ausgaben 2.: Die angekündigte Neuausg. ist erschienen unter dem Namen G. WERTHMANN-HAAS, Altdt. Übers.n des Prager 'Sendbriefs' (missum imperatori) (WmF27), 1983.

'Gamaleon-Prophetie' (dt.) ->· Johannes von Wünschelburg (II.4.) [Bd. 4 u. NB] 'Gangolf'

Deutsche Legenden. Nach der lat. Vita des 9./10. Jh.s (MGH 'St. Galler Weltgericht' [Nachtr./Korr.] SS. rer. Merov. VII 155-170) war G. comes am merowingischen Königshof. Durch Bd. 2, Sp. 1061 zu Überl. u. Ausg. ergänze: Ein ein Wunder versetzte er eine Quelle. Als er zweiter Textzeuge des Gedichts ist Paris, Bibl, seine Frau des Ehebruchs überführte, Nat., ms. allem. 150, 283v-292r (aus Speyer, v. J. 1419); hg. v. L. A. WILLOUGHBY, Two Unpublished wurde er von deren Liebhaber ermordet. Middle High German Poems. 'Die vunfzehen zei->· Hrotsvit von Gandersheim hat die Vita chen' and 'Wie got das jungst gericht besitzen sol', in Verse gesetzt. MLR 5 (1910) 297-336, hier S. 315-327, KomEine kurze lat. Fassung der Vita wurde mentar zum Text S. 327—336. in den im dt. Südwesten verbreiteten TroDie Bezeichnung der Dichtung (kein Spiel!) als vincia-Anhang' der 'Legenda aurea' aufge'St. G. W.' ist somit inopportun; D. TRAUDEN, nommen und daraus (zusammen mit -> Gnade vor Recht? Unters, zu den dt.sprachigen 'Genovefa von Paris' [NB]) im 15. Jh. als Weltgerichtsspielen des MAs (Amsterdamer PubliErgänzung der 'Elsässischen Legenda aukationen zur Sprache u. Lit. 142), 2000, benennt rea' (-»· Jacobus a Voragine, V. 5.) zweimal den Text 'Jüngstes Gericht (westmd.)'. ins Deutsche übersetzt: auf rhfrk. für den Sp. 1062 Z. 5 von unten: "zwischen -* Strickers 'Der König im Bade' ..." korr.: Streiche "Strickers". Winterteil-Anhang (3 Hss.: Berlin, mgf

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Gansfort, Wessel

495, 234rb-235rb; Mainz, StB, Hs. I 49, 193va-194va; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 79. l Aug. 2°, 212va214va); und auf oberelsässisch als Einschub zum 13. Mai in der Hs. München, cgm 343, 256v-258r. A u s g a b e n . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXIIf., LII, Texte S. 78-89 (beide Fassungen synoptisch, mit der lat. Vorlage).

Heinrich -* Kramer schrieb (übersetzte?) 1478 für sein Legendär eine kurze schweizerische Version (Engelberg, Stiftsbibl., cod. 240, 18 ). Eine bair. Version fügte der Schreiber Michael Schinbeis in ein Exemplar von -»· 'Der Heiligen Leben' zum 13. Mai ein, das er 1467 für den Regensburger Brückenmeister Sigmund Graner schrieb (München, ÜB, 2° cod. ms. 314, 72v-73r). L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 413 f.

KONRAD KUNZE Gansfort, Wessel (Goesevort, -voit, -voet; mit Humanistennamen Basilius) Den Namen Johannes hat G. nicht getragen, er wurde ihm erst im 16. Jh. beigelegt. Dabei mag eine Verwechslung mit Johannes -> Rucherat von Wesel eine Rolle gespielt haben. Vgl. VAN RHIJN, 1917, S. XXXI-XXXIII.

A. Leben. Quellen der Biographie: Urkundl. Zeugnisse (Matrikeleinträge u. a.), Briefe G.s und einiger Zeitgenossen, verstreute Mitteilungen in G.s Schriften, der poetische Nachruf (1490) und das Epitaph seines Freundes Paulus Pelantinus (München, clm 10351, l r -2 v ; Opera, Bl. ***2r-***3v), biographische Notizen und Lebensbeschreibungen Jüngerer, v. a. von: 1. Goswin van Haien (famulus G.s, 11530), 'De Wesselo Groningensi', Wien, cod. 9058, l r -2 r (anon. Frgm.), hg. v. J.B. , Nieuwe levensberichten van Wessel G. en R. Agricola, in: Groningsche Volksalmanak 1899, S. 63-83, hier S. 66-69, und VAN RHIJN, 1917, S. IV—VI; zum Autor: VAN RHIJN, S. Ulf. - 2. Gerard Geldenhauer, Wesseli Gansfortii Phrisii vita, in: J. Fichardus (Hg.), Virorum qui superiori nostroque saeculo [...} memorabiles fuerunt vitae, Frankfurt 1536, Bl. 85, danach in: Opera, Bl. ***3 v f. - 3. Albert Hardenberg, Vita Wesseli

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Gansfortii Groningensis (1561, unvollendet), München, clm 10351, 14r-(18)v, Autograph; Druck, in einer von der Hs. abweichenden Redaktion: Opera, Bl. **[l]r-**3v; ndl. Übers, in: KERMAN/SANTING, 1987. - Für die frühen Jahre in Zwolle: Jacobus Traiecti alias de Voecht, Narratio de inchoatione domus clericorum in Zwollis, hg. v. M. SCHOENGEN, Amsterdam 1908, S. 155-158. Die Viten beruhen großenteils auf unterschiedlichen mündlichen und schriftlichen Quellen, die nicht einhellig und meist nicht mehr kontrollierbar sind. Etliche angeführte Daten und Personenbeziehungen gehen fehl oder bleiben tentativ. Hardenbergs Vita ist überdies aus einer engagiert protestantischen Sicht geschrieben. Kritisch diskutierte Biographien, nicht immer mit gleichen Ergebnissen: PAULUS, 1900, S. 13-27; VAN RHIJN, 1917, S. 23-155; POST, 1968, S. 476-480.

Geb. um 1419 in Groningen als Sohn des Bäckers Hermann Gansfort. Den alten Biographen zufolge verdankte er einer Gönnerin, der Frau des Groninger Bürgermeisters Jargis, seine Schulausbildung an der renommierten Stadtschule in Zwolle (vermutlich seit 1432); er wohnte dort in einem der Konvikte, der domus pauperum, der Fraterherren. Schon nach wenigen Jahren, noch als Schüler der Prima, wurde er in Zwolle selber als Lehrer tätig. Damals knüpfte er auch seine ersten Verbindungen zu dem nahe der Stadt gelegenen Kloster Agnetenberg (Can Äug, Windesheimer Kongregation). Dort lebte -*· Thomas Hemerken von Kempen (f 1471); G. soll ihn häufig gehört haben. Wie lange er in Zwolle tätig blieb, ist unbekannt. Im Herbst 1449 immatrikulierte er sich in Köln für das Artesstudium, das er bereits im März 1452 mit dem Grad des Magisters abschloß. Dankbar erinnerte er sich später seiner Lehrer, die ihn mit Plato vertraut gemacht hätten; dabei wird es sich indes vornehmlich um die platonistische 'Elementatio theologica' des -> Proklos handeln, die in Köln aus der Dominikanerschule des 14. Jh.s bekannt geblieben war; auf sie stützte er sich u. a. in seiner Lehre vom Intellekt (HOENEN, 1993). Nach einem Aufenthalt 1454/55 in Paris ließ er sich am 8. Aug. 1455 erneut in Köln einschreiben und war bis 1456 dort als Magister in der albertistischen Laurentianerburse tätig. Um die Bibel in der Ursprache

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lesen zu können, begann er vermutlich schon in Köln sich das Griechische und das Hebräische anzueignen — auf welcher Grundlage und mit wessen Hilfe, ist unbekannt. Seine Beschäftigung mit Bibelkommentaren des -» Rupert von Deutz läßt ebenfalls auf ein eigenes theologisches Fragen und Suchen schließen. Im Sommer 1456 folgte er, eingeladen von Friedrich I. von der Pfalz, seinem Kölner Lehrer Herwich von Amsterdam an die Univ. Heidelberg, war dort aber kaum länger als bis zum Herbst 1457 tätig. 1458 ist er wieder in Zwolle bezeugt. Im gleichen Jahr ging er erneut nach Paris und blieb hier, ohne Lehrauftrag und sonstiges Amt, bis etwa 1473. Seine wissenschaftstheoretische Entwicklung dieser Jahre hat er in einer späten Rückschau (Opera, S. 877 f.) als Wendung vom Realismus, der in Köln eine Hochburg hatte, zum Nominalismus charakterisiert. Er wurde damals ein bekannter Name. Seine umfassende Gelehrsamkeit trug ihm das Prädikat 'Lux mundi' ein, seine Fertigkeit als Opponent in scholastischen Disputationen das Etikett eines 'Magister contradictionis' (vgl. Opera, S. 871). G. verfügte über anerkannte, vielfach gerühmte medizinische Kenntnisse, betätigte sich bis in seine späten Jahre auch praktisch als Arzt, hat aber ein förmliches Studium der Medizin nicht absolviert. Auch der Erwerb eines theologischen Grades läßt sich für ihn nicht nachweisen; allerdings wird er in posthumen Urkunden als Doctor sacrae theologiae geführt (dazu zuletzt F. J. BAKKER, in: AKKERMAN/ HUISMAN/VANDERJAGT, 1993, S. 28 f.), und auch David von Burgund hat ihn, schon 1473, als doctor tituliert. Doch hätte er als theologischer Doctor Priester sein müssen. Er war und blieb Laie.

In dem Richtungsstreit zwischen Realisten und Nominalisten, der in Paris seit 1470 vehement im Gange war, hat G. anscheinend zu vermitteln versucht, bis König Ludwig XI. schließlich den Nominalismus als Universitätslehre untersagte. Der Utrechter Bischof David von Burgund (1457— 1496) sicherte G. damals freundschaftlichen Schutz zu. Vielleicht hat ihn der Konflikt in Paris 1473/74 erneut zu einer Romreise veranlaßt, nachdem er bereits um 1470 Rom besucht und dort die Bekanntschaft

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des Kardinals Francesco della Rovere (seit 1471 Papst Sixtus IV.) gemacht hatte. Von Rom kehrte er, mit Stationen in Florenz und Venedig (1474), nicht mehr nach Paris, sondern in seine Heimat zurück, begrüßt von Anton -> Liber mit einem panegyrischen, auch biographisch sprechenden Carmen (Text: Opera, Bl. **4r; VAN RHIJN, S. 110). Die häufig wiederholte Mitteilung, die auf Melanchthon (s. Opera, Bl. **4r) zurückgeht, G. habe um 1475 — 1477 in Basel gelehrt, hat keine zureichenden Quellen für sich.

Seit seiner Rückkehr in die Niederlande um 1475 lebte G. abwechselnd in Zwolle, im Kloster Agnetenberg, in Groningen und in der benachbarten Zisterzienserabtei Aduard, in der sich um Abt Heinrich von Rees häufig ein Kreis friesischer und westfälischer Humanisten sammelte, Rudolf -»· Agricola, Alexander -»· Hegius, Rudolf von -> Langen, Friedrich ->· Mormann, Adolf -> Occo, Anton Liber und andere. Auch in diesen Jahren blieben theologische Auseinandersetzungen nicht aus. Seit 1482 hatte er Unterkunft im Alten Konvent der Groninger Klarissen. Hier starb er am 4. Okt. 1489. B. Werk. I. Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e n . Schriften G.s sind allein durch Drucke der 1520er Jahre und spätere bis 1617 erhalten. Die gesamte hs.liehe Überlieferung, insbesondere G.s eigene hs.liehe Hinterlassenschaft, ist heute — bis auf Notizen in einer Cicero-Hs. des 14. Jh.s (Groningen, ÜB, cod. 158) — verschollen; ein Teil wurde gleich nach seinem Tode von Groninger Dominikanern vernichtet. Zu G.s Lebzeiten ist keine seiner Schriften im Druck erschienen. Erst durch die Offizin des Simon Corver in Zwolle, als dessen Mentor der humanistische Magister Gerard Listrius fungierte, wurden 1521/22 in fünf Drucken Teile von G.s CEuvre bekannt und so auch für die Nachwelt gerettet: 1. De causis incarnationis, De magnitudine et amaritudine Dominicae passionis Libri duo Magistri Vvesseli Groningensis, [um 1521]. W. NIJHOFF / M. E. KRONENBERG [= NK], Nederlandsche Bibliographie van 1500 tot 1540, 's-Gravenhage 1923-1971, Nr. 2200. 2. Tractatus D. Vvesseli Groningensis de oratione et modo orandi cum luculentissitna Dominicae orationis explanatione, [um 1521]. NK 2203.

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3. De sacramento eucharistiae. Et audienda Missa, [um 1521]. NK 2204. 4. Farrago Vvesseli [...] Lux Mundi olim uulgo dicti [...], [1521/1522]. NK 2202. 5. [Briefe] Wesseli epistola adversus M. Engelbertum Leydensem [...] Impugnatorium M. Antonij de Castro ordinis praedicatorum contra Wesselutn, [1522], NK 2201. Mit einem empfehlenden Geleitwort M. Luthers an den Leser (30. Juli [1522]); Text: D. Martin Luthers Werke [Weimarer Ausg.], Bd. 10/2, 1907, S. 311 ff.; VAN RHIJN, 1917, S. LXIIIf. Corvers Verlagsprogramm war kirchenkritisch geprägt; in diesem Kontext hatten vor allem G.s 'Farrago' und die Briefe sein Interesse. Auch die rasch andernorts folgenden Drucke, die Hinne Rode, der Rektor des Fraterhauses in Utrecht, anscheinend auf den Weg brachte, bezeugen eine frühreformatorische Rezeption. Die 'Farrago' kam u. d. T. Farrago Rerum Theologicarum uberrima [...] 1522 [vor April] bei Melchior Lotter in Wittenberg heraus (VD 16, J 600), Sept. 1522 und Jan. 1523 zusammen mit einigen Briefen und mit Luthers Empfehlung (wie in Nr. 5), aber ohne das 'Impugnatorium' des Antonius de Castro, besorgt von dem Vadian-Schüler und späteren Wiedertäufer Ulrich Hugwald, bei Adam Petri in Basel (VD 16, J599 u. 601). Zu den entstehungs- und druckgeschichtlichen Zusammenhängen der frühen Ausgaben vgl. AUGUSTIJN, 1993. Die Groninger Ausgabe der Opera M. Wesseli Gansfortii Groningensis [...] von 1614, besorgt von Petrus Pappus von Tratzberg (ND Nieuwkoop 1966 = Opera), fußt auf den Drucken Corvers, ist aber, auf hs.licher Grundlage, um die 'Scala meditationis', die 'Exempla scalae meditationis' und ein Fragment (S. 912-914) erweitert. Der letzte erschienene Druck von Schriften G.s, Aura purior. Hoc est: M. Wessili Gansfortii [...] opera [ . . . ] , Amsterdam 1617, stimmt mit der Groninger OperaAusgabe von 1614 überein. — Kurzes Gesamtverzeichnis der heute bekannten Drucke bei HuisMAN/SANTING, 1989, S. 13-23. - Moderne krit. Ausgaben fehlen gänzlich. — Engl. Übers, von Hauptwerken: MlLLER/ScuDDER, 1917; Auszüge aus der 'Farrago' und 'De sacramento eucharistiae' in dt. Übers.: G. A. BENRATH, Wegbereiter d. Reformation, 1967, S. 452-471. Durch G.s Biographen Hardenberg u. a. sind die Titel sieben verlorener Schriften bezeugt (vgl. VAN RHIJN, 1917, S. LII-LVI): 1. 'Liber notularum de scripturis sacris et variis scripturarum locis [...]', 2. 'Liber alius magnus de dignitate et potestate ecclesiastica; de indulgentiis', 3. 'Libellus pro nominalibus', 4. 'De triduo Christi in sepulcro pro Paulo Burgensi contra Middelburgensem', 5. 'Duo

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libelli practici in medicina', 6. 'Mare magnum' (ein wohl in der Kölner Studienzeit angelegtes Exzerptenbuch), 7. 'Liber de futuro seculo'. II. C h r o n o l o g i e . G.s erhaltene Schriften fallen sämtlich in die Jahre seit seiner Rückkehr in die Niederlande (ca. 1475-1489); keine ist indes datiert. Auch für eine relative Chronologie fehlt es meist an zureichenden Anhaltspunkten. Die 'Scala meditationis' ist, da in ihr der 25. 1. 1486 genannt ist, 1486 oder später abgeschlossen worden; ihr folgten die 'Exempla scalae meditationis'. Jünger als die 'Scala' ist auch 'De oratione dominica', da in deren Buch l die 'Scala' zitiert wird (Opera, S. 18). Andererseits wird es von 'De orat. dorn.' eine frühere Fassung gegeben haben, da G. in der 'Scala' zweimal bereits auf die Schrift verweist (Opera, S. 278, 280).

III. Die erhaltenen Schriften sind zum geringeren Teil — vier Stücke der 'Farrago', der Eucharistie-Traktat, einige Briefe — Schriften eines seinen Glauben und die Lehre der Kirche kritisch durchdenkenden Theologen, der G. in rund 25 Jahren seines Lebens an den Universitäten geworden war, zum größeren Teil Schriften eines meditativen Theologen, der als solcher der Devotio moderna nahestand, ohne je Devote geworden zu sein, der er seiner freien Lebensform und seinem theologischen Intellekt nach auch nicht sein konnte. Die Bereiche sind in G.s Schriften freilich nicht strikt getrennt, können sich verbinden und wie im Eucharistie-Traktat ganz eines werden. 1. 'Farrago' (Opera, S. 709-851). Die 'Farrago' ('Vermischtes') ist eine Sammlung von vielerlei theologischen Aufzeichnungen (notulae) und Thesenreihen (propositiones}, die ein Unbekannter vor 1521 aus G.s hs.lichem Nachlaß zusammentrug und zu thematischen Gruppen ordnete: 1. 'De benignissima Dei providentia [...]', 2. 'De causis, mysteriis et effectibus dominicae incarnationis et passionis, 3. 'De dignitate et potestate ecclesiastica [...] et quantum obligent subditos mandata et statuta praelatorum', 4. 'De sacramento poenitentiae [...]', 5. 'Quae sit vera communio sanctorum [...]', 6. 'De purgatorio [...]'. Vielleicht geht die hs.liehe Vorlage auf Nachlässe zurück, die man laut Harden-

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berg teils bei Jakob Hoeck nach dessen Tode, teils auf dem Agnetenberg gefunden hatte. AUGUSTIJN (S. 8) gibt zu bedenken, daß das kleine 2. Stück vom Drucker Corver selbst arrangiert sein könnte; es besteht hauptsächlich aus Exzerpten, welche Schriften G.s entnommen sind, die wenig zuvor in Corvers Offizin erschienen waren. Während das 1. Stück um die Vermittlung der Vorstellung von Gottes absoluter Allmacht und des Vertrauens in seine Güte kreist, sodann ein gegen Aristoteles gewendetes christliches Verständnis des Todes darlegt, enthalten die Stücke 3 — 6 kritische, die offizielle Lehre überschreitende theologische Reflexionen und Entwürfe. Unter Kirche versteht G. eine primär spirituelle Gemeinschaft, deren Einheit allein in ihrer Bindung an Christus durch einen Glauben, eine Hoffnung, eine Liebe besteht, nicht aber durch die Amtskirche gegeben ist (Nr. 5). Er unterscheidet zwei Arten des Priestertums, ein sakramentales und ein natürliches, das allen Menschen gemeinsam ist; das zweite ist ohne das erste zureichend, es vermittelt die Gnade (Nr. 4). Da er als Grundlage des Glaubens allein die Schrift und die apostolische Tradition anerkennt, läßt er der Autorität ebenso des Papstes und der Bischöfe wie der Konzilien, die alle irren können, nur begrenzte Geltung; umso mehr betrachtet er Widerstand gegen eine verderbte geistliche Obrigkeit als legitim, ja geboten (Nr. 3). Als maßgeblich für alle Sakramente erkennt er die innere Einstellung des Empfängers, und daher verlegt er beim Bußsakrament die Befreiung von Sünde in den Akt der Reue und genügt ihm als Bußleistung einzig und ganz die Umkehr des Sünders; sie ist durch unnütze und irrige Instrumente wie den Ablaß nicht ersetzbar (Nr. 4). Das Fegefeuer erklärt er statt als einen Ort der Strafe als einen läuternden Zustand schmerzender Sehnsucht nach der noch fernen Gottesnähe (Nr. 6). 2. 'De sacramento eucharistiae et audienda missa' (Opera, S. 655—708). Thema der für eine unbekannte Nonne verfaßten Schrift ist in ihren 29 Kapiteln

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unablässig die commemoratio, das betrachtende Angedenken an Christus und sein Erlösungswerk. Die Teilnahme an der Meßfeier erfüllt sich nicht in Beten und Lesen, sondern allein in der vollkommenen commemoratio. Die Eucharistie selber ist nach Christi Worten beim Abendmahl um seiner commemoratio willen eingesetzt. Nicht anders als das vom Priester gespendete Sakrament vermag die persönliche commemoratio mit Christus zu vereinen. Die Kommunion ihrerseits ist ohne spirituellen Vollzug wertlos. 3. 'De causis incarnationis. De magnitudine et amaritudine dominicae passionis libri duo' (Opera, S. 413-654). Die umfangreiche Schrift, die ohne Adressaten überliefert ist, gilt dem im SpätMA zentralen Gegenstand der Meditation, der auch in der Devotio moderna der wichtigste war (vgl. Geert -> Groote, 'Sermo de nativitate Domini'; -» Thomas Bemerken u. a.), dem Leben Jesu, der Menschwerdung und vor allem der Passion. Vergegenwärtigung der Vita Christi, auch nur einer Begebenheit, macht sie sich nirgends zur Aufgabe und so auch nicht Anleitung zum Miterleben und Miterleiden der Passion. Das Thema der Meditation sind vielmehr die Gründe und die Wirkungen des Erlösungswerks Christi. Darüber hinaus setzt G. vielfach zur Erörterung dogmatischer Themen an: Daß Christus auch ohne den Sündenfall Mensch geworden wäre (I 7); daß die Engel durch den Opfertod Christi an Tugend und Glückseligkeit zunahmen (I 10); daß alle guten Werke nichtig sind, wenn Gott sie nicht annimmt (II 45 f.), usf. Das gelehrte und in seinen theologischen Spekulationen herausfordernde Werk war schwerlich für Leser aus dem Kreis der Devoten bestimmt. 4. 'De oratione dominica' (Opera, S. l — 192). Der in elf Bücher gegliederte Traktat beginnt im ersten mit einer allgemeinen Lehre des Gebets, die bereits auf Methoden der Meditation, die G. in der 'Scala' entwickelt hatte, zurückgreift (S. 17 f.). Der Weg zum Gebet verlangt Ablegung aller Zerstreuung, vollkommene Samm-

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lung des inneren Menschen, konzentrierte Suche eines einzigen Ziels, Aktivierung von memoria, tntelligentia und voluntas in aufsteigender Stufung. Der höchste Grad der voluntas ist, nichts zu wollen, sich ganz Gottes Willen zu überlassen. Die Pater-noster-Auslegung (Buch 2— 11), die vermutlich ursprünglich selbständig war, hat ein geschlossenes Gerüst. Die ersten drei Bücher verteilen sich auf eine Einführung, eine Auslegung der Apostrophe und auf die sieben Vater-unser-Bitten insgesamt. In der folgenden Auslegung der sieben Bitten (Buch 5 — 11) bezieht G. die ersten drei je auf eine Person der Trinität, so auch die weiteren drei, die abschließende letzte auf die Trinität als ganze. Das Pater noster kann in seinem Wortlaut gebetet werden, aber nach dem Willen Christi, so G., sollte es ein Gegenstand der Meditation sein. Die Auslegungen der einzelnen Textteile sind nie Erklärungen des Wortlauts, sondern überführen dessen Bedeutung in eine traktathaft-meditative Fülle, die für sich steht. 5. 'Scala meditationis' ('Tractatus de cohibendis cogitationibus et de modo constituendarum meditationum') (Opera, S. 193-326). Die den Mönchen auf dem Agnetenberg gewidmete 'Scala' ist eine neuartige umfassende und ausgefeilte Kunstlehre der Meditation. Sie ist in der Methode und ihren Mitteln allen früheren Meditationslehren unvergleichlich. Richtete sich die im SpätMA, gerade auch bei Autoren der Devotio moderna (Geert Groote, Florens -» Radewijns, Gerard -» Zerbolt), zunehmende Systematisierung der Meditation auf deren Stoffe, so verfolgt G. eine generierende Methode, welche die Fähigkeit zur Meditation an jedwedem Stoff zu entwickeln vermag. Das Arsenal der inventiven Gesichtspunkte, welches der Meditation die copia, die gedankliche Fülle, verschaffen soll, besteht nahezu gänzlich aus einer Applikation der Hauptstücke der Inventio-Lehre der klassischen Rhetorik. In einem zweiten Schritt werden solche colores rhetorici herangezogen, die durch verschiedene Formen der Aufgliederung der

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Aufgabe einer Erweiterung des Stoffes genügen. Buch 2, überschrieben Quid conferunt loci rhetoricales ad fluxum mentis refrenandum et quam utilia sunt copiae seminaria sapientibus, behandelt die methodische Nutzung der rhetorischen formalen Topik, der circumstantiae, der attribuia personae und negotii, der loci amplifications. Buch 3 setzt die schon in Buch 2 mit der distributio und determinatio begonnene Behandlung jener rhetorischen Figuren fort, die ihrerseits nützliche instrumenta abundae orationis sind, zur Gewinnung der Fülle beitragen: expolitio, ratiocinatio, subiectio, distinctio, digestio u. a. Unter den Quellen, die G. nennt oder ausgiebig zitiert, führt deutlich Cicero; die umfangreichsten Partien, die G. auch erläutert (S. 237 f. u. 245 f.), sind Ciceros 'Divinatio in Q. Caecilium' (2,6 — 3,10) und dem 4. Buch der 'Actio in C. Verrem secunda' (5,10-6,12; 9,19) entnommen.

Nach den Büchern der Auffindung und Sammlung des Materials folgt in Buch 4 der alles ordnende Aufbau der Meditation, ein Aufstieg in 23 Stufen, deren jede beschrieben wird mit den ihr spezifischen rhetorischen loci und Figuren; hier treten, wiederum der copia dienlich, die acht Figuren der Dilatatio materiae des mehrfach zitierten Galfrid von Vinsauf hinzu. Die höchste Stufe, die permissio, reine Ergebung in Gottes Willen, illustriert G. mit dem vollständigen Beispieltext, den er in der 'Rhetorica ad Herennium' für die Figur der permissio las. Zur Abfassung der 'Scala' hat G. sich anscheinend von dem jungen Jan Mombaer auf dem Agnetenberg, der selber an einer 'Scala' arbeitete, anregen lassen (Posi, S. 480, 542f.). Auch die Verwendung rhetorischer Kategorien war, wie die 'Sermones de vita et passione Domini' des Thomas von Kempen zeigen — dort begegnen als Instrumente meditativer Inventio die rhetorischen Circumstantiae — nicht gänzlich neu. Mit einem solchen partikulären Zugriff ist G.s umfassende Applikation der Rhetorik freilich nicht vergleichbar. Für seinen Ansatz, die meditative Inventio systematisch zu organisieren, stand er vermutlich unter dem Eindruck von Rudolf Agricolas 'De inventione dialectica', auf die er mehrfach verweist (S. 246, 274,294,314).

G. gab den Brüdern des Agnetenbergs auf ihr Drängen neben der 'Scala' auch verschiedene in allen 23 Stufen ausgearbei-

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tete 'Exempla scalae meditationis' an die Hand (S. 327-408). Jan Mombaer nahm G.s 'Scala' in sein 1494 gedrucktes 'Rosetum exercitiorum spiritualium [...]' als Teil des dort zentralen 'Meditatorium' auf. IV. B r i e f e . Auch G.s spärlich erhaltener Briefwechsel fällt fast ganz in die Zeit nach seiner Rückkehr in die Heimat. Der Groninger Magister Martin Schoockius (t 1669) besaß noch eine Anzahl Briefe aus G.s Korrespondenz, druckte in seinem 'Liber de bonis vulgo ecclesiasticis dictis', Groningen 1651, aber nur einen Brief Davids von Burgund an G. ab (S. 433). In eine humanistische Sphäre gehört höchstens der briefliche Bericht, den ihm Hegius von einem Besuch der Bibliothek des -» Nikolaus Cusanus in Kues schrieb (Opera, Bl. ***4vf.). Die Briefe der Ausgabe von 1522 (Opera, S. 853 — 921: vier Briefe G.s, einer an ihn, einer über ihn) bereichern vor allem die Kenntnis von G.s Lehre des Bußsakraments, des Ablasses, des Fegefeuers. Herausragend die große apologetische Briefabhandlung von 1488/89 an seinen Kritiker Jakob Hoeck, Rektor der Univ. Paris 1466 und 1473 und nun Dekan in Nadelijk, über die Ablaßfrage.

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A u s g a b e . A. J. PERSIJN, Wessel G., De oratione dominica in een dietse bewerking, Assen 1964.

2. Die gesammelten Blätter 'De dignitate et potestate ecclesiastica' (aus der 'Farrago'), die wesentliche Punkte von G.s kritischem Kirchenverständnis zusammenfassen und zuspitzen, konnten in der frühen Reformation offene Ohren finden und erhielten so auch zwei deutsche Übersetzungen. D r u c k e , a) Von gaistlich gewalt vnd würdigkhait. Warer vnd rechter gehorsam, vnnd wievil der Prelaten gepott vnnd gesatz die vnderthon verpinden, [Nürnberg, um 1522]. Exemplar: Tübingen, ÜB, Hf 129.4. - b) Das die vnderthanen beyder geystlicher vnd weltlicher oberkeyten ettwan nit zegehorsamen sonder jnen zewidersteen [...] schuldig sind [...], [Straßburg] 1530. VD 16, J 602.

C. Während das Urteil über G. ihm bis weit ins 19. Jh. gern die Qualität eines Vorläufers der Reformation zusprach (vgl. ULLMANN), betrachtet die jüngere und die heutige Forschung den Versuch, ihn in die Nähe Luthers zu rücken, ungeachtet mancher verwandter Elemente in Kirchenkritik und Theologie als historisch verfehlt. Das Werk G.s erschließt sich nicht im Blick auf eine reformatorische oder auch nur praktisch reformerische Programmatik, die es nicht enthält. Statt der Vorstellung einer ideologischen geschichtlichen Kontinuität, Polemische Antwort auf sie ist das letzte Stück die der These des Vorläufertums impliziert in der Briefausgabe von 1522, das 'Impugnatoist, interessiert die Historizität des CEuvre rium' des Dominikaners Antonius de Castro. Ausgabe: M. VAN RHIJN, Impugnatorium contra epi- in seiner schwierigen Vielfalt. Die historischen Koordinaten, die G. bestimmten, stolam M. Wesseli Groningensis ad M. Jacobum waren der schultheologische NominalisHoeck de indulgentiis, VGravenhage 1919. mus, die Devotio moderna und — ausweisV. R e z e p t i o n (Übersetzungen). lich der rhetorischen Methodik der 'Scala' 1. Ältestes Zeugnis einer volkssprach- nicht bestreitbar — die Frühzeit des Humalichen Rezeption von G.s Schriften ist eine nismus in den Niederlanden, vielleicht um/vor 1500 entstandene ndl. Version von auch in Paris. Doch läßt er sich keiner von 'De oratione Dominica'. Der anonyme Be- diesen spezifisch und eindeutig zuordnen. arbeiter stellte aus Exzerpten, die er über- Der Anhänger des Nominalismus, als der er sich bekannte, verharrte auch bei Ansetzte, aber vielfach in veränderter Folge schauungen der Via antiqua (BRAAKHUIS, verknüpfte, eine erheblich gekürzte, insge- HOENEN), und weder lebte er als Devote, samt neu geordnete und vereinfachte Fas- noch war er dem Humanismus verschriesung her. ben. Kenntlich ist er durch seine Distanz von kirchlicher Hierarchie und AmtsautoÜ b e r l i e f e r u n g . Leiden, ÜB, HS BPL 2889 rität, von allen Formen kultischer, sichtba(früher Maastricht, Minderbroederkl., ms. 3), r v l -50 , um 1500. rer Frömmigkeit, kenntlich durch seinen

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'Gart der Gesundheit' — Gärtner, Jodocus, von Berching

Anspruch auf eigene Wahrheitssuche, auf eigene Prüfung kirchlicher Lehre, auf den Primat des Gewissens, solange es sich mit der Schrift einig weiß (Opera, S. 781), auf eine Frömmigkeit, die unabhängig von kirchlicher Vermittlung Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch ermöglicht. In allem äußert sich eine strukturelle Subjektivität, die ihm den Vorwurf der singularitas (Opera, S. 871, 878 u. ö.) eingetragen hat; er hat ihn nicht gänzlich von sich gewiesen (S. 865). L i t e r a t u r . Bibliographie: VAN RHIJN, 1917, S. XXIV-XXX (1540-1915); AKKERMAN/HUISMAN/VANDERJAGT, 1993, S. 387-414. - C. ULLMANN, Johann Wessel, ein Vorgänger Luthers, Hamburg 1834; ders., Reformatoren vor d. Reformation, Bd. 2, Hamburg 1842; O. CLEMEN, Hinne Rode in Wittenberg, Basel, Zürich u. die frühesten Ausgaben Wesselscher Schriften, ZKG 19 (1899) 431-448; N. PAULUS, Über W. G.s Leben u. Lehre, Der Katholik 80/2 (1900) 11-29, 138-154, 226247; E. W. MILLER, W. G., Life and Writings. Principal Works transl. by J. W. SCUDDER, 2 Bde, New York/London 1917; M. VAN RHIJN, W. G., 's-Gravenhage 1917; G. RITTER, Romantische u. revolutionäre Elemente in d. dt. Theologie am Vorabend d. Reformation, DVjs 5 (1927) 342-380, bes. S. 356-379; R. STADELMANN, Vom Geist d. ausgehenden MAs, 1929, S. 123-129, 189-202 u. ö.; M. VAN RHIJN, Studien over W. G. en zijn Tijd, Utrecht 1933; R. R. POST, De via antiqua en de via moderna bij vijftiende eeuwse Nederlandse theologen, Nijmegen 1964; H. A. OBERMAN, Forerunners of the Reformation, New York 1966; L. SNYDER, W. G. and the Art of Meditation, Diss. Cambridge (Mass.) 1966; R. R. POST, The Modern Devotion, Leiden 1968, S. 476-486, 536-542 u. ö. (Reg.); M. OGILVIE, W. G.'s Theology of Church Government, Nederlands Archief voor Kerkgeschiedenis 55 (1975) 125-150; S. D. REEVES, Art. 'G. W. (ca. 1419-1489)', in: TRE 12, 1984, S. 25-28; F. KERMAN / C. G. SANTING, Rudolf Agricola en de Aduarder academic, Groningse Volksalmanak 1987, S. 7-28; G. C. HUISMAN / C. G. SANTING (Hgg.), W. G. en het Nordelijk Humanisme, Groningen 1989 [Ausstellungskatalog der ÜB Groningen]; F. AKKERMAN / G. C. HUISMAN / A. J. VANDERJAGT (Hgg.), W. G. (1419-1489) and Northern Humanism, Leiden u. a. 1993, darin S. 3 — 22: C. AUGUSTIJN, W. G.'s Rise to Celebrity; S. 30-43: H. A. G. BRAAKHUIS, W. G. between Albertism and Nominalism; S. 44-70: K. A. E. ENENKEL, W. G.s Stellungnahme zum vita activa-vita contemplativa-Problem; S. 71-96: M. J. F. M. HOENEN, Albertistae, thomistae u. nominales: die phi-

los.-hist. Hintergründe d. Intellektlehre des W. G.; S. 97-121: H. A. OBERMAN, W. G.: Magister contradictionis; — R. T. M. VAN DIJK, Art. 'W. G.', in: Diet. spir. 16, 1994, Sp. 1393-1396; F. AKKERMAN, Agricola u. d. Humanismus im friesischen Raum, in: W. KÜHLMANN (Hg.), Rudolf Agricola 14441485 [...], Bern u. a. 1995, S. 49-66. F. J. WORSTBROCK

'Gart der Gesundheit' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1073 petit-Abschnitt: Streiche Verweispfeil auf Peter Schöffer! Sp. 1075 statt: "III." korr.: II. Sp. 1081 statt: "IV." korr.: III. Sp. 1092 zu Lit. ergänze: H. KUNZE, Geschichte der Buchillustration in Deutschland. Das 15. Jh., 1975, Textbd., S. 324-329, u. Bildbd., Nr. 240252.

'Gartenallegoriediptychon' (nd.) [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1095 oben zu Überl.: Von den drei genannten Lübecker Hss. sind Ms. theol. germ. 8° 59 und Ms. theol. germ. 8° 70 seit 1990 wieder nach Lübeck zurückgekehrt; vgl. J. FLIGGE / A. MIELKE / R. SCHWEITZER, Die nd. Hss. der StB Lübeck nach der Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung: Forschungsbilanz nach einem Jahrzehnt (mit e. Liste aller nd. Hss.), in: Vulpis Adolatio, Fs. H. Menke, hg. v. R. PETERS u. a., 2001, S. 163217, hier S. 169.

'Der Gärtner Hod' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1096 Überl.: "Karlsruhe, LB, cod. 408 "korr.: ..., cod. K 408.

Gärtner, Jodocus, von Berching [Korr./ Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1097f. zu 1. Leben: G. war sicher nie Franziskaner, da er (f 1457) in der Wiener Dominikanerkirche begraben wurde. Vgl. hierzu und zu weiteren Daten: Die Akten d. theol. Fakultät d. Univ. Wien [1396-1508], hg. v. P. UIBLEIN, Wien 1978, Bd. II, Reg. S. 653. Stetzing.

Gartze, Hinricus -» 'Lüneburger Chronik bis 1414 (1421)'

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Geber — Geiler, Johannes, von Kaysersberg

'Gasteiner Bergordnung' -> 'Salzburger Bergordnungen' Geber [Korr.] Bd. 2, Sp. 1108 Überl.: "Bamberg, SB, Ms. HJ. VI. 26" korr.: ..., Msc. Nat. 11 (olim HJ. VI. 26). Ebd.: "Bamberg, SB, Ms. L. III. 40" korr.: ..., Msc. Nat. 9 (olim L. III. 40).

'Gebete und Benediktionen von Muri' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1110 Überl.: Die Hs. 69 des Klosters Muri-Gries befindet sich jetzt in Samen, Bibl. des Benediktinerkollegiums, als Cod. membr. 69. Sp. 1111 petit-Abschnitt: Streiche Verweispfeil auf 'Münchner Ausfahrtssegen'; ergänze: (MSD XLVII3).

'Gebetbuch' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1112 ergänze die Verweise:

-> Groote, Geert ('Getijdenboek'); ->· 'Hortulus animae'; -» 'Lilienfelder Andachtsbuch'; ->· 'Münchner Gebetbuch des cgm 73'; -» Privatgebetbücher; -> Salicetus, Nicolaus; ->· 'Salus animae'; -» Steinbach, Wendelin (Gebetbuch Herzog Eberhards im Bart); -» Stundenbücher; vgl. auch -> Brevier [NB]. 'Gebetbuch für Gräfin Veronika von Montfort-Bregenz' [Nachtr./Korr.] Bd. 2, Sp. 1115 Artikelanfang: Nicht Gräfin Veronika von Montfort-Bregenz war die erste Besitzerin der Hs., sondern Gräfin Anna von MontfortWasserburg-Rothenfels, vermutlich seit 1487 Gemahlin des Hugo XV. von Montfort zu Rothenfels und Wasserburg. Vgl. P. OCHSENBEIN, Frömmigkeit einer adeligen Dame, Montfort 34 (1982) 331346. Ebd. Mitte: "(mit 17 ganzseitigen Miniaturen)" korr.: (mit 20 ganzseitigen Miniaturen).

'Gebetbuch der Ursula Begerin' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1121 Z. 9 f.: "Strasbourg, Grand Seminaire, cod. 179" korr.: ..., ms. 35 (olim 179).

Gebetsanweisungen in lateinischen Psalterhandschriften (dt.) [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1129 Überl.: "Zürich, ZentralbibL, C 5, 224" korr.: ..., cod. C 5 (olim 224).

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Ebd. zu Ausg.n ergänze: A. E. SCHÖNBACH, Über einige Breviarien von Sanct Lambrecht, ZfdA 20 (1876) 129-197, hier S. 174-180 die dt. Beischriften zu den Psalmen 1—79 aus Graz, ÜB, Ms. 204 (olim 40/61 f°), Bl. 1-136, 13. Jh., aus Seckau (nicht St. Lambrecht; vgl. A. KERN, Die Hss. der ÜB Graz, Bd. l, 1942, S. 101 f.!). Sp. 1130, zu 4.: "Verbreiterung" korr.: Verbreitung. Ebd. Mitte: "[KLAMT, S. 153]) in klösterlichen" korr.: ...]) und in klösterlichen —

Geb(e)hard von Augsburg [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1131 zu 1., Ende des petit-Abschnitts ergänze: Die Regesten der Bischöfe u. des Domkapitels von Augsburg, bearb. v. W. VOLKERT. Mit e. Einleitung v. F. ZOEPFL, Bd. 1,1: Von d. Anfängen bis 973, 1955, S. 64. Sp. 1132 nach "-> Bern von Reichenau" ergänze: ; vgl. auch ->· 'Ulrich von Augsburg'.

'Die Geburt Christi' -*· Regensburger 'Von der geburt des ewigen wertes ...' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1134 Überl.: "Stuttgart, LB, cod. theol. 8° 18" korr.: ..., cod. theol. et phil. 8° 18.

'Die Geharnischten' (KELLER, Fsp. 99) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Geiertraktat' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1137ff. zu III. 1. u. 2.: Vgl. auch unter 'De -> vulture'. Sp. 1139 zu 2., Überl.: "vgl. [Salzburg, St. Peter] a VI 18, 85v-86r" ergänze: -» 'Salzburger Geiertraktat'. Sp. 1140 Schluß des Artikels: "Bern 1979" korr.: Bern 1980, S. 109-182.

'Der geile Mönch' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1141 Z. 5/6: "Philadelphia, Library of the University of Pennsylvania, Germ. Mscr. IV" korr.: ..., Univ. of Pennsylvania, Charles Patterson Van Pelt Library, MS. Ger. 4.

Geiler, Johannes, von Kaysersberg [Korr.] Bd. 2, Sp. 1143 zu 2.b., petit-Abschnitt: "Colmar, Bibl. municip., Ms. 61 (403)" korr.: ..., cod. 403 (Kat. Nr. 61).

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'Die geistliche Badestube' — 'Geistlicher Mai'

Sp. 1145 zu 10.: "Straßburg, Bibl. Univ. et Nat., cod. L. germ. 71" korr.: ..., ms. 1988 (olim L. germ. 71).

MACHER, Sündenschmutz u. Herzensreinheit. Stud. zur Metaphorik d. Sünde in lat. u. dt. Lit. d. MAs (MMS 73), 1996.

ANDRE SCHNYDER 'Vom geistlichen kluge Bauer'

Ackermann' -» 'Der

'Die geistliche Badestube' Dingallegorische Andachtsübung, dt. Prosa. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 405, 62r-65v (um 1500, bair., Altomünster [?], Bestandteil eines anonymen Traktats über die Straßburger Ursulabruderschaft in Sonderfassung; mitüberliefert der Traktat des -> Johannes von Lindau über die Tullner Ursulabruderschaft). A u s g a b e . SCHNYDER, 1984, S. 147-150; ganzer Zusatz der Sonderfassung: ders., 1986, S. 503 f. (Regest).

Die für die Bruderschaft zur Nachahmung aufgelisteten Gebetsbeiträge des Altomünsterer Konvents sind doppelt allegorisch; die Gebete stehen für Bestandteile einer Badestube (Wände, Fenster, Decke, Ofen, Trog, Leitungen usw.) und für darin ablaufende Vorgänge (Schwitzen, Reinigen, Ruhen, Schröpfen); diese wiederum verweisen auf Glaubensinhalte (Passion, Buße). Die 'G. B.' ist vor einem zweifachen Hintergrund zu sehen: Sie ist ein Beleg für die in der spätmal., namentlich monialen Frömmigkeitspraxis beliebte Dingallegorie, innerhalb dieser durch die Doppelung der allegorischen Struktur und — soweit bis anhin bekannt — durch die einmalige Wahl des Bildbereichs allerdings ein Sonderfall. Zudem gehört der Text in die Tradition der Bäderliteratur und der Reinheits-Topik (SCHNYDER, 1984, S. 153 f.; SCHUMACHER, 1996, S. 592-611). L i t e r a t u r . D. SCHMIDTKE, Stud, zur dingallegorischen Erbauungslit. d. SpätMAs. Am Beispiel d. Gartenallegorie (Hermaea NF 43), 1982; A. SCHNYDER, Die geistliche Padstube. Eine spätmal. Andachtsübung, ZfdA 113 (1984) 146-157; ders., Die Ursulabruderschaften d. SpätMAs. Ein Beitrag zur Erforschung der dt.sprachigen religiösen Lit. d. 15. Jh.s (Sprache u. Dichtung 34), 1986; M. SCHU-

'Daz geistliche closter der seien von lügenden gemacht' -*· Herzklosterallegorien (VI.3.) 'Geistliche Jagd' ->· Veghe, Johannes und Pseudo-Veghe (5.b.) 'Die geistliche Jagd' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1165 oben: "... die verschollene Berliner Hs. mgq 1585" korr.: heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Ebd. Lit.: "O. SPAMER" korr.: A. SPAMER; "W. LINDNER" korr.: W. LINDER [mehrfach im Artikel!].

'Geistlicher Mai' Entwurf einer dt.sprachigen Musterpredigt ('St, Gallener Maipredigt'). Ü b e r l i e f e r u n g . St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 55, S. 548-550 u. 553-554, 2. H. 15. Jh., Schreiber: Gallus -» Kemli. Ausgabe. RESTING, S. 266-269.

Entwurf einer emblematischen Predigt auf Philippus und Jacobus d. J., eingetragen auf den Freiraum zwischen lat. Autoritätenzitaten einer lat.-theologischen Hs. Die Autorschaft Kemlis ist nicht erweisbar (anders BOESCH, S. 141 f.). Gegenstand der fünffachen geistlichen Auslegung ist der Maibaum (Wurzel, Stamm, Krone, Glöckchen, Windmühle), der, allegorisch gedeutet, ein Liebespfand zwischen einem Geistlichen und Christus ist. Das thematische Zentrum bilden die Gefahr, der Luxuria zu erliegen, und die Unterordnung des Leibs unter die Seele. Als Exemplum dient eine Erzählung vom Typ 'Prinzessin anvertraut, Hund' (TUBACH, Ind. ex 3955; -> 'Gesta Romanorum', WEISKE, II, S. 18 f.). Der Modellcharakter der Predigt wird durch lat. Verweise unterstrichen, z. B. ibi dixit de vistonibus Ezechielis (S. 267,41). Die Leidensthematik und die Kreuzigung spielen anders als in thematisch verwandten Texten keine Rolle (-> Fridolin, Stephan,

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'Geistlicher Maibaum' — 'Geistliche Minnejagd'

4.c.; -> 'Geistlicher Maibaum'; -» Goltschlacher, Rudolf, 4.; -> Seuse, Heinrich, Vita, c. XII). L i t e r a t u r . P. KESTING, Der geistliche Maien. Eine allegorische Predigt des 15. Jh.s, Österr. Zs. f. Vk. 73 (1970) 264-271; MORVAY/GRUBE, Predigtbibliogr., T 219 (u. d. T. 'St. Gallener Maipredigt'); R. SCHÜTZEICHEL, Zur Bibliothek eines wandernden Konventualen. Gall Kemli aus St. Gallen, in: ders., Studien z. dt. Lit. d. MAs, 1979, S. 643-665; B. BOESCH, Die dt. Schriften d. St. Galler Mönches Gallus Kemli, in: Florilegium Sangallense (Fs. J. Duft), St. Gallen-Sigmaringen 1980, S. 123-147; B. WEISKE, Gesta Romanorum, Bd. 1-2,1992.

HANS-JOCHEN SCHIEWER 'Geistlicher Maibaum' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1168 zu Übcrl. bzw. Ausg.n ergänze: Weitere Angaben zur Überl. bei D. SCHMIDTKE, Geistliche Tierinterpretation d. dt.sprachigen Lit. d. MAs, 2 Teile, Diss. FU Berlin 1968, S. 117 u. 516 Anm. 394; ders., Stud, zur dingallegorischen Erbauungslit. d. SpätMAs. Am Beispiel der Gartenallegorie (Hermaea NF 43), 1982, S. 81 Anm. 22. Der 'G. M.' ist demnach u. a. auch im -> 'Beschlossen gart des rosenkrantz marie' enthalten (Bl. XCr b -XCIir a ); vgl. ferner die erweiterte Fassung des -»'Nürnberger Fünf-Gärten-Textes' in Hs. Berlin, Kupferstichkabinett, Cim. 19, 143r-175v. Eine weitere Ausgabe nach der Hs. Beuron, Benediktinerkloster, 8° MS 43 (olim cod. 24), 298r302V [am Ende frgm.] v. U. ENGELMANN, Ein Zeuge der Mystik aus dem 16. Jh., in: Colligere fragmenta. Fs. f. Alban Dold, hg. v. B. FISCHER u. V. FIALA, 1952, S. 276-280, Text S. 276-278 (ohne Kenntnis der anderen Textzeugen).

'Geistliche Minnejagd' ('Minnejagd einer innigen Seele'; 'Diu scone iacht ener mynnender ziele') Allegorisches Gedicht (Reimprosa) in Dialogform, in Hs. J 514 vv., in D 544 vv. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss.: Westfälischer Privatbesitz, 15. Jh., 533 Bll. (Sigle WP), 327v-337r (vgl. die Beschreibung der Hs. durch A. Bömer im Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie d. Wiss.n, Manuskript 1907); Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 2667, 2. Viertel bis Mitte 15. Jh., nordwest-moselfrk., 366 Bll. (Sigle D), 216v-224r (vgl. K. H. STAUB / TH. SÄNGER, Dt. u. ndl. Hss. mit Ausnahme der Gebetbuchhss. [Die Hss. der Hessischen LB u. Hochschulbibl. Darmstadt 6], 1991, Nr. 80,

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S. 123-128, hier S. 126f.); Jena, Thür. ÜB u. LB, Ms. Sag. o. 4, 15. Jh., 209 Bll., nd., ursprünglich St. Paul in Hildesheim (Sigle J), 181r-193v (zit.) (vgl. F. PENSEL, Verzeichnis der altdt. u. ausgewählter neuerer dt. Hss. in der ÜB Jena [DTM 70], 1986,5.562-572). Inkunabel: Antwerpen, Gerard Leeuw 1488: Van die gheestelike kintscheyt ihesu II ghe moraliseert. En(de) vander iacht d(er) II mynnen tusschen die deuote innighe II ziele, en(de) dat dierken ih(es)us (HAIN 9781; CAMPBELL, Annales 1074; Incunabula in Dutch Libraries, Den Haag 1983, Nr. 2858; L. POLAIN, Catalogue des livres imprimes au XVs siecle des bibliotheques de Belgique, Brüssel 1932, Nr. 2416 [zit.]; G. VAN THIENEN, J. GOLDFINCH, Incunabula printed in the Low Countries. A Census, Niewkoop 1999, Nr. 1386 mit Exemplarnachweisen [Heidelberg ist zu streichen]. — Die Druckrepertorien geben allerdings den Textanfang der 'G. M.' nicht an); Teil II, g4 v -ll v . A u s g a b e durch G. Roth in Vorbereitung. Abdruck nach J: BECKERS, 1980.

Datierung/Lokalisierung. Die älteste Hs. (J) ist nach 1444 geschrieben, so daß die Entstehung des Textes in der ersten Hälfte bzw. vor der Mitte des 15. Jh.s angesetzt werden kann. Als Entstehungsraum kommt (nach den Vorarbeiten von HARTMUT BEKKERS) am ehesten der ndl.-nd. Grenzraum infrage (Geldern — Kleve), wobei die westmoselfrk. Bearbeitung (Hss. D, WP) eine eigenständige Übersetzung aus dem Ndl. sein dürfte, die innerhalb der 'Tafel von dem christlichen Glauben und Leben' des -> Dirk van Delft (III.1.) [NB] erscheint. Nähere Untersuchungen zu den Schreibsprachen der Überlieferungsträger stehen allerdings aus. 2. I n h a l t . Der Jäger (Seele) ruft seine fünf Hunde (Sinne) zur Jagd, die das 'Tierchen' (Christus) aufspüren sollen. Sie rufen nach ihm, aber das dierken weist sie zurück (vv. 21—38). Daraufjagen nacheinander intellectus verstentenisse mit den Hunden vernofft und onderscheyt bzw. bekenntnisse (vv. 39—163), voluntas wylle mit den Hunden gunst und kesen (kiesen) (vv. 164—267), memoria mit den Hunden ghedanckes und weder danken (vv. 268 — 323) und fidelitas truwicheyt mit kere-af und kere-to-truwe (vv. 324—365) mit jeweils steigendem Erfolg dem 'Tierchen' nach, das langsam müde wird. Zuletzt jagt

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'Geistliches Mühlenlied' — 'Geistliches Würfelbuch'

heresebulus tornicheyt mit den Hunden stedicheyt of stede-blijf und wlherden (volherden) oder lief-grijf (vv. 366—410). Letzteren schickt das 'Tierchen' mit der Botschaft zurück, daß das beständige Werben (constantia) sein Herz aufgeschlossen habe. Lief-grijf rennt freudig zurück und bricht in Jubel aus (vv. 411-446), auf den das dierken antwortet (vv. 447ff.). Es folgt ein Zwiegespräch der Liebenden (vv. 450— 513), in dem jeder Part in einem Monolog seine Liebe kundtut. Der Schluß ist in J nicht konsequent, D bringt hier wohl den besseren Text: Der Jäger findet das 'Tierchen', verwundet es und nimmt es gefangen. Die Fassungen von D und WP stimmen weitgehend überein; J weicht von ihnen erheblich ab, v. a. auch in den Reimworten, was für Neuübersetzung (aus dem Lat. oder Ndl.?) spricht. 3. In der Inkunabel bildet die 'G. M.' den zweiten Teil, die beiden anderen Teile sind Prosastücke, vgl. -> 'Vierzehn geistliche Jungfrauen' [NB]. Die 'G. M.' bildet dabei das Verbindungsstück zwischen Christi Erdenleben und der mystischen Vereinigung der Seele mit Christus, da Christus erst 'gefangen' werden muß, bevor die Seele sich mit ihm vereinigen kann. VAN BUUREN (S. 123 ff.) verweist auf Parallelen des Inkunabeltextes mit Johannes ->· Brugmans 'Leven van Jezus' und einigen Predigten, so daß auch für die 'G. M.' eine Beeinflussung durch Brugman oder direkt durch dessen Quelle -»· Hubertinus von Casale, 'Arbor vite' vorliegen könnte. Dabei steht die 'G. M.' sicherlich auch in der Tradition der 'Jagd' ->· Hadamars von Laber, wobei die Jagdallegorese in Einleitung und Schlußteil der Darmstädter Fassung stärker ausgearbeitet ist als in der Jenenser. L i t e r a t u r . H. BECKERS, Die scone iacht ener mynnender ziele, Festgruß für Jan Goossens zum 19. 2. 1980, Privatdruck Münster 1980 [Ausg.], kurze sprachl. Einführung S. If.; ders., Die Kölner 'Crane'-Prosa, NdW 23 (1983) 83-135, hier S. 88 mit Anm. 19; F. VAN BUUREN, 'Van die gheestelike kintscheyt Jhesu ghemoraliseeret'. Een verkenning, in: Een drukker zoekt publiek. Gheraert Leeu te Gouda 1477-1484, Delft 1993, S. 111-132. GUNHILD ROTH

'Geistliches Mühlenlied' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1170 zu D) 7): "Revaler Hs. o. Sign. ..." korr.: Die Hs., zwischenzeitlich in Koblenz, Bundesarchiv, ist jetzt wieder in Reval (Tallinn), Stadtarchiv, Aktenband B. A. l d; das 'Geistl. Mühlenlied' auf Bl. 119r- 120V. Vgl. RSM l, 1994, S. 190 (unter 'Koblenz').

'Geistlicher Sendbrief' [Bd. 2 u. NB]

'Sendbrief

'Der geistliche Spinnrocken' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1174 zu L: "-*· Hieronymus von Werdea" korr.: H. v. W. (-> Johannes de Werdea). Sp. 1175 zu I. Ausg. ergänze: TH. CRAMER, Die kleineren Liederdichter d. 14. u. 15. Jh.s, Bd. 2, 1979, S. 44—60 (unter Hieronymus von Worth); vgl. S. 492 f.

'Geistliches Sterben' ->· 'Von dreierlei geistlichem Sterben' [NB] 'Der geistliche Wagen' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1179 Z. 8 von unten: "Berlin, mgq 1085" korr.: heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Ebd. Z. 4/3 von unten: "Beuron, Stiftsbibl., cod. 24" korr.: ..., 8° MS 43 (olim cod. 24).

'Geistliches Würfelbuch' (Losbuch; 'Geistliches Würfelspiel') Gereimte dt. Spruchsammlung mit geistlichen Lehren in 56 strophenähnlichen Abschnitten zu je 6 bis 10 Versen. Der Text dient als eine Art Losbuch: Jeder Versabschnitt bezieht sich auf eine der möglichen Zahlenkombinationen, die beim Spiel mit drei Würfeln mit den Zahlen l bis 6 geworfen werden können. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 312 (-» Bollstatters Losbücher), 71V —80 V , ostschwäb., dat. 1473: ... ein güts losbuch von heyligen, darein man dann werffen sol (unmittelbar voran geht das nach dem gleichen Prinzip aufgebaute -> 'Würfelbuch für Liebende'); Kassel, LB u. Murhardsche Bibl., 8° Ms. med. 6, niederhess., 1. H. 16. Jh., 179V183V. Ausgabe fehlt.

Inc. (nach cgm 312): Jesus sprach l warumb bistu so schwach l gehabe dich wol l ich bin der dich trösten sol ... Jeder Ab-

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'Geistliches Würfelspiel'

schnitt ist, beginnend mit Jesus, einer Person der Bibel oder einem Heiligen in den Mund gelegt, wobei Gruppen zu erkennen sind (Erzengel, Apostel, Kirchenväter, alttestamentliche Propheten, weibliche Heilige), aber keine strenge Konsequenz vorhanden ist. Während Bollstatters Fassung mit Judas Ischariot und dem tüfel Sathanas und entsprechend negativen Ratschlägen endet, schließt die Kasseler Fassung mit Abraham. Der Inhalt besteht jeweils in allgemein gehaltenen, manchmal unter verschiedenen Namen wiederholten Lehren und Mahnungen zum rechten Verhalten gegenüber Gott. Die Verse sind kunstlos, das eintönige Schema mit dem Eingang N. N. spricht o. ä. bedingt geringe Varianz der Reime. Ein verwandter Typus sind die schon im 5. Jh. bezeugten und seit dem 10. Jh. überlieferten lat. 'Sortes Apostolorum'; vgl. BOLTE, Anhang, S. 282-284. Weitere losbuchähnliche geistliche Würfelspiele (keine verwandten Texte): 1. Das geistliche Würfelspiel des Bischofs Wibold von Cambrai, lat. (Wiboldi alea regularise 10. Jh.; Ausg. in: Gesta episcoporum Cameracensium, hg. v. L. BETHMANN [MGH SS VII], 1846, S. 433 — 437). Hier bestehen die Spielziele in den lat. Namen für 56 geistliche Tugenden, die den 56 möglichen Würfen entsprechen (beginnend mit Karitas, Fides, Spes). Der jeweils gewürfelten Augenzahl werden Vokale zugeordnet; durch Werfen eines weiteren vierseitigen Würfels mit 16 Konsonanten sollen damit die Wörter gebildet werden. Vgl. zuletzt A. BORST, Das mal. Zahlenkampfspiel, 1986, S. 48 f.; zu Motivparallelen in dt. Texten vgl. E. SCHÜTZ, Joseps Sündenspiegel, 1973, S. 331. 2. Eine dt. Anweisung in Prosa für ein geistliches Würfelspiel in Augsburg, StB u. SB, 2° Cod 207, schwäb., Ende 15. Jh., 231rv: Inc. Es schreibt der mayster Boecius wie nichts also schwach und dürftig sey als der mensch ... Ein Hinweis auf das consilio zu basel bezieht sich vielleicht auf eine bildliche Darstellung: Zehn Personen, die dort stücker vnd geschefft habent, werden paarweise vorgestellt, dabei werden vier Paare den Himmelsrichtungen zugeordnet, das fünfte kommt vom Himmel herab. Ähnlich wie bei Wibold dient die gewürfelte Augenzahl aus drei Würfeln dazu, nach einem bestimmten Schema Buchstaben zu finden, aus denen hier aber drei Worte mit einem Segenswunsch gebildet werden sollen. L i t e r a t u r . J. BOLTE (Hg.), Georg Wickram. Werke, Bd. 4, 1903, Anhang, S. 335 f. (Abdruck

zweier Strr. aus Bollstatters Losbuch); Art. Los, losen u. Losbuch, in: Hwb. d. dt. Aberglaubens 5, 1932/33, Sp. 1351-1401, bes. Sp. 1384, 1390f., 1396 f.

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER 'Geistliches Würfelspiel' (Sendbrief) Geistlich-erbauliche Unterweisung (Sendbrief) in dt. Prosa, von einem anonymen Ordensmann an eine geistliche Tochter gerichtet. Dem in eine allegorische Auslegung des Würfelspiels gekleideten Text könnten ursprünglich zwei zusammengehörige Predigten zugrunde gelegen haben (vgl. die wiederholte Bezeichnung predig). Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, ÜB, cod. Sal. VIII 77, 91r-108v, schwäb., um 1450/60. Die Hs. enthält u. a. -> Marquards von Lindau 'Hiobtraktat' (vom selben Schreiber wie 'G. W.'), die 'Feigenbaumpredigt' des -*· Straßburger Augustinereremiten und zwei Predigten -»· Taulers (VETTER, Nrn. 66 u. 42); auf 'G.W.' folgt 'Meister Eckharts Tochter' (-> 'Eckhart-Legenden', 4.). Zur Hs. vgl. E. GREIFENSTEIN, Der Hiob-Traktat des Marquard v. Lindau (MTU 68), 1979, S. 65-67. Ausgabe und Untersuchung fehlen.

Inc. Dise wort [ . . . ] habe sorg zu disem vnd alles daz du dar über gyst das will ich dir wider geben vnd sprach sy der samaritanus zu dem Stallknecht ...; diese Worte des Samariters (Lc 10, 30 ff.), auf Gott gedeutet, der sie zur geminneten sele spricht, dienen im Text wiederholt als Bezugspunkt. Der Autor fordert die liebe tochter auf, die Augen ihres ynnerlichen gemütes ganz auf das Jesuskind zu richten und geistlich mit ihm zu spielen. Mit Bezug auf das Weihnachtsfest als der Ankunft Gottes in der menschlichen Natur und als Gegenentwurf zu weltlichen Spielen regt er ein geistliches Würfelspiel an, das in drei stuck allegorisch ausgelegt wird. Die Gliederung des sorgfältig komponierten Textes basiert fast durchgehend auf der Dreizahl. Die drei Würfel bedeuten die drei Kräfte der Seele, vernunfft, wille vnd gedächtnuss, der Spieltisch die gegenwärtig zyt (die Lebenszeit des Menschen), das Geld, um das gespielt wird, die andächtige süssikeit, grosse lust vnd ewig leben vnd das kind selber. Im 1. stuck werden Jesu Ei-

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'Geldernsche Chronik' — 'Genovefa von Brabant'

genschaften und seine Eignung als Spielpartner vorgestellt, voran seine Leidenschaft zu spielen, über der er sogar sein himmlisches Reich vergaß; das seckelin mit den drei Würfeln bedeutet seine menschliche Natur. Das 2. stuck, in stärker paränetischem Stil, führt vier Arten von Menschen, die das Spiel schlecht spielen, vor: die erste spielt mit Würfeln ohne Augen, weil sie durch Sünden unrein ist; die zweite zögert beim Spiel und versäumt die Zeit der Barmherzigkeit; die dritte, die furchtsamen Spieler, meint Ordensleute, die nur äußerlich die Welt gelassen haben; die vierte verliert die zeitweise gewonnene Gnade Gottes aus Unachtsamkeit wieder. Teil 3, als eigene predige in der Hs. deutlich abgetrennt (ab 99V), handelt von denen, die das Spiel mit dem Kind recht und redlich spielen. Der leidenschaftliche Spieler Jesus hatte im Spiel um die Seele des Menschen alle seine Kleider und sogar sein Blut verloren. Die minnende Seele soll es ihm gleichtun. Mit drei Bekleidungsstücken (100V daphart/oberrock; vnderrocki hemmedlin), die in diesem leidenschaftlichen spil der andaucht eingesetzt werden, werden drei Formen der minne zu Gott (amor summits; amor singularis; amor unicus] bezeichnet und ausgelegt. Zielpunkt ist die Ablösung von allen creaturen und von sich selber, die abgeschaidenhait. Neben der Bibel (v. a. PS und Ct) werden -> Augustinus ('Confessiones'), -» Gregor ('Homilien'), -» Bonaventura und PS.—>· Origenes [NB] ('Magdalenen-Homilie') zitiert. In Teil 3 signalisiert der mehrfache Bezug auf -> Richard (buchlin der schouwung vnsers herren ihesu cristi — 'Benjamin major'?) und -> Hugo von St. Viktor (buchlin von dem lobe der minne = 'De laude caritatis'; von der mehlung der sele = 'Soliloquium de arrha animae'?) sowie auf -* Bernhard von Clairvaux die Nähe mystischer Liebesauffassung. CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER 'Geldernsche Chronik' [Nachtr. im NB]

Mennel, Jakob

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'Geldernsche Chronik' [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1183 zu Überl.: Die 'G. Chr.' in der Hs. auf Bl. 214r-222v. Sp. 1184 zu Lit. ergänze: H. F. ROSENFELD, Mndl. Reimchroniken, Memoires de la Societe neo-philologique de Helsinki XIII (1938) 253397, zur Hs. S. 257—299 mit genauer Sprachuntersuchung; demnach stammt die Hs. nicht, wie MEISTER vermutete, aus Jülich, sondern aus dem ndfrk. Grenzgebiet, wohl aus Geldern, das Mitte des 15. Jh.s von den Herzögen von Jülich regiert wurde.

'Gelobet sistu Jesu Christ' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1185 unten: "JANOTA, S. 212" korr.: ..., S. 121.

Gelre [Korr.] Bd. 2, Sp. 1186 Überl.: "Brüssel, Kgl. Bibl., cod. 7516 (15652-56)" korr.: ..., cod. 15 652-56 (Kat. Nr. 7516).

'Genovefa von Brabant' Lat. Legenden. G. war nach der Legende die fromme Tochter eines Herzogs von Brabant, die unschuldig des Ehebruchs verdächtigt, von ihrem Mann zur Hinrichtung verurteilt, aber mit Hilfe der Gottesmutter im Walde mit ihrem Kind durch eine Hirschkuh am Leben erhalten wurde und kurz vor ihrem Tode ihre Rehabilitierung fand. Im MA finden sich zwei lat. Fassungen der Legende: Eine kurze Version überliefert um 1500 der Maria-Laacher Benediktiner Johannes von Andernach (f 1503), als (unbearbeitete?) Abschrift aus einer (verlorenen) älteren lat. Vorlage, die sich ihrerseits auf eine nicht nachweisbare, vulgariter aufgezeichnete Quelle beruft. Ü b e r l i e f e r u n g . In einer (zuverlässigen?) Abschrift durch Th. Kupp, Ende 18. Jh.: Andernach, Bibl. des Gymnasiums, Pap.hs., 4°, 102 S.; ferner stilistisch redigiert i. J. 1542 durch Johannes Seimus: Trier, StB, Hs. 1370/39 2°, Pap., 481r-488v. Vgl. BRÜLL, Einleitung; Beschreibendes Verz. der Hss. der StB zu Trier, Heft VIII: Verz. der Hss. des hist. Archivs. Von M. KEUFFER u. G. KENTENICH, 1914, S. 33 Nr. 74.

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'Genovefa von Paris' — Gensbein, Johannes

A u s g a b e n . SAUERBORN, S. 54-103; F. BRÜLL, Die Legende von der Pfalzgräfin G. nach dem noch ungedruckten, bisher verschollenen Texte des Johannes Seinius (JB d. Gymnasiums zu Prüm 1898/ 99), 1899, S. 1-21, Synopse der Texte des Joh. v. Andernach und des Joh. Seinius S. 10—21.

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rer Vita entstanden (M. HEINZELMANN/ J. C. POULIN, Les Vies anciennes de Sainte Genevieve de Paris, Paris 1986), sie scheinen aber in dt. Sprache kaum rezipiert worden zu sein. Eine schwäb. Übersetzung findet sich in Eine gelehrt-erbaulich ausgeweitete Ver- einem Legendär von 1492 mit vorwiegend sion verfaßte 1472 der in Andernach ge- weiblichen Heiligen aus dem Kloster Söfbürtige Karmeliterprior in Boppard, Ma- lingen (Berlin, mgo 484, 86r-92v). thias Emyich (Em[m]ich[ius]), ab 1477 Eine lat. Abbreviation wurde in den im Professor für Exegese in Mainz, gest. 1480. dt. Südwesten verbreiteten 'Provincia-AnÜ b e r l i e f e r u n g . Trier, StB, Hs. 1353/132 8°, hang' der 'Legenda aurea' aufgenommen r und daraus (zusammen mit -»· 'Gangolf' 3 -26r. [NB]) im 15. Jh. als Ergänzung der 'ElsäsA u s g a b e . KENTENICH, S. 26-51. sischen Legenda aurea' (->· Jacobus a VoraAls Quelle beider Versionen ist eine gine, V. 5.) zweimal ins Deutsche überGründungssage der Frauenkirche bei Men- setzt: auf rhfrk. für den Winterteil-Anhang vb vb dig zu erschließen, eine Sage, in der wohl (2Hss.: Berlin, mgf 495, 232 -234 ; ra ra Ende des 14. Jh.s das literarische Motiv Mainz, StB, Hs. I 49, 192 -193 ); und von der unschuldig verdächtigten Gattin oberelsässisch als Einschub zum 3. Januar r v (->· 'Die Königin von Frankreich und der in der Hs. München, cgm 343, 76 -78 . ungetreue MarschalP; vgl. -» 'Crescentia'; A u s g a b e n . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda -»· Schondoch, 4.) mit im Umkreis von Ma- aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, ria-Laach bekannten historischen Personen S. XXII, XLIV, LII, Texte S. 62-77 (die 2 letztgezusammengebracht und die Benennung der nannten Texte, synoptisch mit der lat. Vorlage). Heldin evtl. durch den auch dort bekannL i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. ten Kult der hl. -» 'Genovefa von Paris' Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 414 [NB] angeregt worden ist. Die Legende (verzeichnet auch 3 Legendarfassungen). wurde im 16.717. Jh. in verschiedenen VerKONRAD KUNZE sionen tradiert, gelangte aber erst durch die romanhafte Ausgestaltung des Jesuiten Rene de Ceriziers ('L'Innocence reconnue Gensbein, Johannes ou Vie de St.e Genevieve de Brabant', Paris verfaßte im Jahre 1473 für seinen Herrn, 1634 u. ö.) zu ihrer enormen Popularität den Grafen Philipp von Katzenelnbogen, als in ganz Europa. Augenzeuge Beschreibungen der Festlichkeiten, die anläßlich der Zusammenkunft L i t e r a t u r . H. SAUERBORN, Gesch. der PfalzKaiser Friedrichs III. mit Herzog Karl dem gräfin G. u. der Kapelle Frauenkirchen, 1856; G. Kühnen von Burgund vom 28. Sept. bis 25. KENTENICH, Die G.-Legende. Ihre Entstehung u. ihr ältester datierter Text, o. J. [1927]; K. VANJA, Nov. in Trier stattfanden (-» 'Karl der 'G', in: Enzyklopädie d. Märchens 5, 1985/87, Kühne und die Burgunderkriege'). Später Sp. 1007-1009. fertigte er zu privaten Zwecken eine ZuKONRAD KUNZE sammenstellung der einzelnen Berichte an. 1444 in Limburg geboren, war G. bis 1476 katzenelnbogenscher Kanzleischreiber, da'Genovefa von Paris' nach Vikar zu Oberneisen und ab 1480 zu Deutsche Legenden. Limburg; 1504/07 ist er gestorben. G. wurde durch den hl. Germanus um Ü b e r l i e f e r u n g . In einer durch G. angelegten 429 zu einer religiösen Lebensführung an- chronikal. Sammelhs., ehemals in der Gräfl. Walgeregt; sie zog vor 451 nach Paris, und ihre derdorfschen Fideikommißbibl. auf Schloß MolsFürbitte soll die Stadt beim Hunneneinfall berg (bei Wallmerod, Westerwald), Nr. 3597 (Vervor der Zerstörung bewahrt haben. Zwi- bleib unbekannt), 39 r —55 r ; unediert. Der Text bilschen 520 und 875 sind fünf Versionen ih- det hier den Anfang einer Serie von Aufzeichnun-

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'Geometria Culmensis' — Gerhard von Augsburg

gen zur Geschichte Karls des Kühnen (Bl. 39-98): einer Druckabschrift der -> 'Burgundischen Legende' sind an verschiedenen Stellen andere Texte inkorporiert, darunter ein Reimpaargedicht von Bernhard Bleyßwyler über die Verteidigung von Neuß durch den Kölner Bistumsadministrator Hermann von Hessen im Krieg mit Karl dem Kühnen 1474/75 (72r-79r) und ein weiteres Reimpaargedicht über die Beteiligung der Limburger am Krieg (85r-87v), beide ebenfalls unediert.

genberg, Stadtarchiv), cod. 14 (Kat. Nr. 656), die Chronik Bl. 5 V 10V. Vgl. J. SOPKO, Kodexy a neuplne zachovane rukopisy v Slovenskych knizniciach (Codices ac fragmenta codicum bibliothecarum Slovaciae), Matica Slovenska 1986, S. 170, Nr. 656; OPPITZ, Rechtsbücher II, Nr. 417 a.

Ob G. auch als Verfasser eines auf Bl. 458r-464r derselben Hs. überlieferten Reimpaargedichts über -»· 'Karl den Großen' anzusehen ist (so Bd. 4, Sp. 1002 f.), muß in Ermangelung stichhaltiger Argumente offen bleiben.

'Georgslied' [Korr./Nachtr.]

L i t e r a t u r . A. WYSS, Eine Limburger Handschrift, Neues Archiv d. Ges. f. ältere dt. Gesch.künde 7 (1882) 569-584; A. WYSS (Hg.), Die Limburger Chronik (MGH, Dt. Chron. IV, 1), 1883, S. 109 f.; F. SCHANZE, Überlieferungsformen politischer Dichtungen im 15. u. 16. Jh., in; H. KELLER / CH. MEIER / TH. SCHARFF (Hgg.), Schriftlichkeit u. Lebenspraxis im MA (Münstersche MA-Schriften 76), 1999, S. 299-331, hier 323.

FRIEDER SCHANZE 'Geometria Culmensis' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1194 Überl.: "Königsberg, Staatsarchiv, Msc. 157 fol." korr.: ehem. Königsberg, ..., Msc A 157 2°, jetzt in Wilna, Bibl. der Litauischen Akademie der Wissenschaften (Lietuvos Mokslu Akademijos Biblioteka), F 15-368 (Mitt. B. Jähnig, Berlin, Geh. Staatsarchiv PK).

Georg von Egloffstein [Korr.] Bd. 2, Sp. 1199 Überl.: "Schloß Zeil, Bibl. d. Fürsten ..." korr.: Leutkirch/Allgäu, Schloß Zeil, Fürstl. Waldburg zu Zeil und Trauchburg'sches Gesamtarchiv ....

'St. Georgener Rezeptar' told

Meister Berch-

Bd. 2, Sp. 1213 Überl.: "Heidelberg, cpg 52" korr.: ..., cod. Pal. lat. 52. Ebd.: Zu ihn nequeo Vuisolf vgl. B. BISCHOFF, Paläographische Fragen dt. Denkm. d. Karolingerzeit. Frühmal. Stud. 5 (1971) 101-134, hier S. 104 Anm. 11 (wieder abgedr. in: ders., Mal. Stud. Ill, 1981, S. 73-111).

'Der geprüfte Minner' Liebhaber'

'Der unentwegte

Gerard van Schüren -> Gert van der Seh. Gerard van Vliederhoven [Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1221 zu Lit. ergänze: H. BECKERS, Zur mnd. Überl. des Cordiale de quatuor novissimis Gerhards von Vliederhoven, Korrespondenzbl. d. Ver. f. nd. Sprachforschg. 86 (1979) 64-66 (Nachtrag auch einiger z. T. schon früher bekanntgemachter nd. Hss., die bei DUSCH nicht berücksichtigt sind).

'Gerart van Rossiliun' [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1221 Überl.: "ehem. Wernigerode, Gräfl. Stolbergsche Bibl., Ms. Zb 14m; verschollen" korr.: ..., Zb 14f; diese Hs. befindet sich heute in Hamburg, SB u. ÜB, als cod. germ. 77. Vgl. U.-D. OPPITZ, Die 'Dt. Mss. d. MAs' (ZbSignatur) der ehem. Stolberg-Wernigerodischen Hss.slg., in: Geographia Spiritualis, Fs. H. Beck, 1993, S. 187-205, hier S. 196.

Georg von Nürnberg [Nachtr.]

Geren -»· Christian v. G. [NB]

Bd. 2, Sp. 1203 zu 3. Rezeption ergänze: Vgl. auch -> 'Vocabulari catalä-alemany' [NB],

Gerhard von Augsburg [Nachtr.]

'Georgenberger Chronik' [Korr.] Bd. 2, Sp. 1206 Überl.: "Stadtarchiv Spiska Sobota (CSSR)" korr.: heute in Poprad (Slowakei; ehem. Deutschendorf), Stätny okresny archiv, Fond Archiv mesta Spisska Sobota (ehem. Geor-

Bd. 2, Sp. 1229 Mitte, nach "-»· Bern von Reichenau u. a." ergänze: ; vgl. auch -> 'Ulrich von Augsburg'. Ebd. zu Lit. ergänze: Die Regesten d. Bischöfe u. d. Domkapitels von Augsburg, bearb. v. W. VOLKERT. Mit e. Einleitung v. F. ZOEPFL, Bd. 1,1: Von d. Anfängen bis 973, 1955, S. 64.

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Gerhard von Düren — Gernot von St. Stephan (Mainz)

Gerhard von Düren OSB Benediktinermönch in der Abtei Brauweiler, 1350 zum Priester geweiht, seit 1365 Prior, f 1372. Die Nachrichten über seine Person stammen aus dem anonymen 'Chronicon Brunwylrense' (nach 1525), das seine Gelehrsamkeit und Schriftkenntnis hervorhebt. Es bezeugt auch, daß G. v. D. für seine jungen Ordensbrüder eine Übersetzung der -»· 'BenediktinerregeP [Bd. l u. NB] ins Deutsche anfertigte, die jedoch nicht erhalten ist. L i t e r a t u r . H. E. STIENE, Carmina Brauweilerensia. Lat. Dichtung in d. Benediktinerabtei Brauweiler vom 11. bis zum 18. Jh. Edition, Übers., Kommentar (Pulheimer Beitr. z. Gesch. u. Heimatkunde. 18. Sonderveröffentl.), 1997, S. 10 f.

CHRISTINE STÖLLINGER-L.ÖSER Gerhard von Lüttich [Korr.] Bd. 2, Sp. 1235, 3. Abschnitt: "Paris, Bibl. Mazarine 778" korr.: ..., cod. 788.

Gerhard von Seeon [Korr.] Bd. 2, Sp. 1238 Z. 5 des Artikels: "cod. B. VI. 15 der SB Bamberg" korr.: Msc. Lit. 143 (olim B. VI. 15) ....

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phani], kann als Verfasser der Vita des Erzbischofs Arnold von Mainz (1153 — 1160) identifiziert werden. Bereits unter Erzbischof Heinrich (1142—1153) als Notar tätig (belegt erstmals zum 29. Febr. 1148), übernahm er nach dessen Absetzung 1153 die Leitung der Kanzlei von dessen Nachfolger Arnold (von Selenhofen), dem er auch als Kapellan diente. Er begleitete ihn auf den Reisen durch die Mainzer Kirchenprovinz und an den Hof Barbarossas nach Italien. Als engster Berater hatte er Anteil an den Rechtsgeschäften und Entscheidungen des Erzbischofs. Nach der Ermordung Arnolds am 24. Juni 1160 zog sich G. zurück und ist nur noch gelegentlich unter den Nachfolgern des Erzbischofs bis 1171 im Notarsamt anzutreffen. Letztmals erwähnt wird er als Scholaster in einer Urkunde der Äbtissin von Altmünster in Mainz von 1177. Um 1180 muß er gestorben sein, denn zu 1183 wird ein Werner im Amt des Scholasters von St. Stephan genannt. 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Würzburg, ÜB, cod. M. eh. f. 187, 91r-118v, 15. Jh.; Frankfurt a. M., StB u. ÜB, Nachl. St. A. Würdtwein Kps. A 26 a, S. 1 — 81, 18. Jh. Beide Abschriften dürften auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen.

A u s g a b e n . J. F. BÖHMER, Fontes rerum Germanicarum 3, 1853, S. 270-326; PH. JAFFE, Bibliotheca rerum Germanicarum 3: Monumenta MoBd. 2, Sp. 1245: F. G. ist nicht der Schreiber und guntina, 1866, S. 604-675. Bearbeiter der naturwissenschaftlichen Hss. München, clm 14783 und clm 14908. Somit ist nicht er 3. Die Vita entstand, nachdem Erzbider berühmte St. Emmeramer Astronomus; vgl. -* schof Arnold am 24. Juni 1160 im Mainzer Fridericus astronomus [NB].

Gerhart, Friedrich [Korr.]

Gerhoch von Reichersberg [Korr.] Bd. 2, Sp. 1248 zu 3., Über!.: "Klagenfurt, Studienbibl., cod. 10" korr.: ..., ÜB, cod. Perg. 10.

Gerlach von Hauwe -» 'Dat nuwe Boich' Gern, Hans -» 'Landshuter Erbfolgekrieg' (8.) Gernot von St. Stephan (Mainz) 1. G., seit 1158 nachweisbar als Scholaster des Stifts St. Stephan in Mainz (magister [scolarum] und scolasticus sancti Ste-

Kloster St. Jakob ermordet worden war, höchstwahrscheinlich noch 1160. Die Ereignisse werden als novissima bezeichnet (JAFFE, S. 646). Der Verfasser will in den Wirren nach der Mordtat gegen die Rechtfertigungsversuche der Empörer und Mörder die — seiner Überzeugung nach — wahren Umstände und Hintergründe darstellen. Der Aufbau der Vita ist davon bestimmt, die Ermordung Arnolds als Martyrium zu beschreiben, das in enge Parallele zum Leiden und Tod Christi gesetzt wird. Wie Christus habe sich Arnold schließlich für seine Kirche geopfert. In einem bildhaften und überaus kunstvollen Stil komponierte G. ein Meisterwerk dra-

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Gernpaß, (Michel?) — 'Gertrud von Nivelles'

maturgischen Aufbaus und sprachlicher Gestaltung, wie man es für das 12. Jh. nicht leicht ein zweites Mal findet. Persönliche, religiöse, rechtliche und soziale Komponenten in der Bischofsstadt Mainz verdichten sich in einem stufenweisen Prozeß, bis die Spannung in der (ein Drittel des Werkes umfassenden) Schilderung des fürchterlichen Bischofsmordes kulminiert. Ausgiebig verwendete G. klassische Autoren, Väterschriften, Rechtsquellen und liturgische Texte sowie in der sprachlichen Gestaltung die Reimprosa, die Alliteration und den Cursus. Wörtliche und kompositorische Übereinstimmungen mit seinen Urkunden sichern die Personengleichheit G.s als Notar und Vitenautor. L i t e r a t u r . P. A. G'SELL, Die Vita des Erzbischofs Arnold von Mainz (1153 — 1160) auf ihre Echtheit geprüft, NA 43 (1922) 29-85 u. 319379; K. SCHULZ, 'Denn sie lieben die Freiheit so sehr ...'. Kommunale Aufstände u. Entstehung des europ. Bürgertums im HochMA, 1992, S. 173 — 182; ST. WEINFURTER, Wer war der Verf. der Vita Erzbischof Arnolds von Mainz (1153 — 1160)?, in: K. R. SCHNITH / R. PAULER (Hgg.), Fs. E. Hlawitschka z. 65. Geburtstag (Münchener Hist. Stud., Abt. Mal. Gesch. 5), 1993, S. 317-339; R. HOLBACH, ... gravissima coniuratione introducta. Bemerkungen zu den Schwureinungen in Bischofsstädten im Westen des Reiches während des HochMAs, in: M. NIKOLAY-PANTER u. a. (Hgg.), Geschichtl. Landeskunde der Rheinlande. Regionale Befunde u. raumübergreifende Perspektiven, 1994, S. 159-184; ST. WEINFURTER, Konflikt u. Konfliktlösung in Mainz. Zu den Hintergründen der Ermordung Erzbischof Arnolds 1160, in: W. DOTZAUER u. a. (Hgg.), Landesgeschichte u. Reichsgeschichte. Fs. A. Gerlich z. 70. Geburtstag (Geschichtl. Landeskunde Mainz 32), 1995, S. 67-83; K. GÖRICH, Die Ehre des Erzbischofs. Arnold von Mainz im Konflikt mit seiner Stadt, Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch. 53 (2001) (im Druck).

STEFAN WEINFURTER Gernpaß, (Michel?) [Korr.] Bd. 2, Sp. 1261 Überl.: "Berlin, ... mgq 490": heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska.

Gerson, Johannes [Korr./Nachtr.] Bd. 2, Sp. 1272, 1. Abschnitt: "Colmar, Bibl. municip., Ms. 61 [403]" korr.: ..., Ms. 403 [Kat. Nr. 61].

520

Ebd., 2. Abschnitt: "Mainz, StB, cod. 308" korr.: ..., HsI308. Sp. 1274 oben: "H. KRAUME, ..., 1979" korr.: ..., 1980. Ebd. zu Lit. ergänze: L. MOURIN, Six sermons fran9ais inedits de Jean G. Etüde doctrinale et litteraire suivie de l'edition critique et de remarques linguistiques, Paris 1946; ders., Jean G., predicateur francais, Brügge 1952.

Gert van der Schüren [Korr.] Bd. 3, Sp. 3 petit-Abschnitt: "Mainz, StB, cod. 603" korr.: ..., Hs I 603. Sp. 4 zu 2., Überl.: "Kleve, StB" korr.: ..., Stadtarchiv.

'Gertrud von EngelthaP (Vita) ->· Friedrich, Konrad; -»· Heinrich von Engelthal Gertrud von Helfta OCist [Korr.] Bd. 3, Sp. 7 petit-Abschnitt nach 1.: Bei der Vita in Düsseldorf, ÜB, ms. C 96, 110r-116r, handelt es sich nicht um diejenige der G. v. H., sondern um eine dt. Vita der -"· 'Gertrud von Nivelles' [NB]. Vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 415. - Zu einer eigenständigen dt. Legende G.s v. H. vgl. ebd. Ebd.: "Staatsarchiv Osnabrück, ms. 21" korr.: ..., Rep. 2 Nr. 21. Ebd. zu 2. Ausgaben: "Mainz, StB, cod. 13" korr.: ..., Hs I 13.

'Gertrud von Nivelles' Deutsche Legenden. G. (626—659), Tochter des austrasischen Hausmeiers Pippins d. Ä., war zunächst tatkräftige Äbtissin, dann bescheidene Religiöse in dem von ihrer Mutter Iduberga gestifteten ältesten ndl. Frauenkloster Nivelles. Ihre Verehrung als Heilige war besonders in den Niederlanden und im nördlichen Deutschland volkstümlich. (Im -> 'König Rother', v. 3473-84, und anderen Texten wird die Adelsheilige zur Schwester Karls d. Gr.) Eine erste lat. Vita entstand um 670 (MGH SS rer. Merov. 2, S. 453-471); sie wurde im 11. Jh. redigiert (Vita tertia) und erweitert zur 'Vita tripartita' (hg. v. JOSEPH GELDOLPH A RUCKEL, Vitae s. G. abatissae tres, Löwen 1632).

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'Gertrud von Ortenberg'

An ndl./dt. Texten registriert WILLIAMSKRAPP außer 6 Legendarfassungen noch 12 Prosaversionen, wohl alle aus dem 15. Jh. Von ihnen sind die Nrn. 2—5 und 8 nur in ndl. Hss. überliefert. Nr. 9 ist evtl. im Zusammenhang mit der Drucklegung der 'Südmndl. Legenda aurea' (-> Jacobus a Voragine, V. 2.; -> Bijbelvertaler van 1360, B. 1. [NB]) entstanden, jedenfalls in allen 13 Drucken (1478 bis 1516) dieses Legendars und zwei aus Drucken abgeschriebenen Hss. überliefert. Quelle dürfte die Vita tertia sein. Nr. 6, wohl ripuar. Herkunft, ist als Sondergut in 7 Hss. der 'Südmndl. Legenda aurea' (davon 6 Kölner und eine moselfrk. [Trier?]), ferner in einem Kölner Legendär und einer weiteren Hs. enthalten. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss. der 'Südmndl. Leg. aur.': Darmstadt, LB, Hs 814, 151ra-154ra; ebd., Hs2196, 107vb-110va; Göttingen, SB u. LB, cod. ms. theol. 200, 223r-227v; Köln, Hist. Archiv d. Stadt, cod. W 165, lll rb -114 ra ; ebd., cod. W 169, 211rb—214"; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs8826, 101va-106ra; Trier, StB, Hs. 1185/487 4°, 106vb-110vb. Ferner: Berlin, mgq 1687, 301r316V (Legendär aus Köln); Düsseldorf, ÜB, Ms. C96, 110r-116r (= nicht, wie 2 VL3, Sp. 7 angegeben, eine Vita der -> Gertrud von Helfta!).

Ebenfalls ripuar. ist Nr. 11, zusammen mit Legenden von sieben anderen weiblichen Heiligen überliefert in der 1538 von Schwester Guetgen Klechens geschriebenen geistlichen Sammelhs. Karlsruhe, LB, Donaueschingen B VI 2, 203r-220r, aus dem Augustinerinnenkloster Frauenweiler bei Bed bürg. Nr. 10, nd., sehr kurz, wurde 1480 vom Schreiber Johann Neteier in Kloster Marienstuhl vor Egeln als Sondergut zum 17. März in seine Abschrift der 'Südmndl. Legenda aurea' eingeschoben (Hannover, LB, cod. I 189a, 143 r f.). Nr. 7, eine umfangreiche westfäl. Fassung mit 12 Mirakeln nach der 'Vita tripartita', findet sich im 'Jungfrauenteil' des Legendars Berlin, mgq 524, 132r-143v, um 1480, aus dem Umkreis des Fraterhauses zu Münster. Nr. 12 (Bielefeld, Bibl. des Landeskirchenamtes, cod. A 3, 78 r —79 r ) gehört zu

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den ->· 'Buchwaldschen Heiligenpredigten' [Bd. l u. NB]. Aus dem Süden stammt nur Nr. 1. Hier wird lediglich die Episode vom seligen Tod der Heiligen berichtet, aufgrund derer G. als Helferin beim Sterben verehrt wird. Diese Episode findet sich, der Vita prima entnommen, im lat. 'Provincia-Anhang' der 'Legenda aurea', der im dt. Südwesten verbreitet war, und wurde daraus in elsässischer Übersetzung als Ergänzung der 1sässischen Legenda aurea' (-» Jacobus a Voragine, V. 5.) in die Hs. München, cgm 343, 182r eingefügt. A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXXIX-XLV, LVII, Text S. 344 (mit der lat. Vorlage). L i t e r a t u r . B. SCHEMMEL, Sankt Gertrud in Franken, Würzburger Diözesangeschichtsbll. 30 (1968) 7-153, hier S. 26-37; B. DERENDORF, Die mnd. Bearbeitungen d. Legenda aurea, Ndjb 106 (1983) 7-59, hier S. 18-28; W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. M As (TTG 20), 1986, Reg. S. 415 f.

KONRAD KUNZE 'Gertrud von Ortenberg' (von Rickeldey/ von Rückeldegen) 1. L e b e n . Gertrud, aus dem Ministerialengeschlecht derer von Ortenberg, wurde vermutlich zwischen 1275 und 1285 geboren; früh verwaist, wuchs sie, als Last empfunden, bei Verwandten auf und wurde 1297/98 mit dem Ritter Heinrich von Rickeldey/Rückeldegen verheiratet. Nach dem Tod ihres Mannes 1301/02 zog sie, während sie zum viertenmal schwanger war, nach Offenburg, um dort ein nur noch auf Gott gerichtetes Leben zu führen. Als bald darauf auch das letzte ihrer Kinder gestorben war, konnte sie nunmehr ganz ungehindert als Begine leben; sie war Mitglied des dritten Ordens des hl. Franziskus geworden und wurde von Brüdern des Dominikaner- und Franziskanerordens betreut, u. a. von -» Heinrich von Talheim. Mit ihrer vertrauten Freundin Heilke von Staufenberg ging sie häufig nach Straßburg, um dort die Prediger zu hören, höchstwahrscheinlich auch Meister -»· Eck-

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'Gertrud von Ortenberg'

hart, und ließ sich dort 1317/18 nieder. Straßburger Quellen belegen, daß 1318 eine Begine Gertrud den Predigerbrüdern Haus und Hof vermachte. 1327 kehrte G. nach Offenburg zurück, wo sie am 23. 2. 1335 starb. Nach ihrem Tod kam es zu einer gewissen kultischen Verehrung; legendenhafte Erinnerungen sollen bis ins 20. Jh. fortgelebt haben. 2. L e b e n s b e s c h r e i b u n g . Von einer Schreiberin, die Gertrud noch persönlich gekannt hat, wurde zwischen 1335 und spätestens 1355/60 deren heiliges leben dargestellt; Grundlage hierfür waren Erzählungen, vielleicht sogar schriftliche Aufzeichnungen Heilkes von Staufenberg (s. o.), die somit weithin als die eigentliche Urheberin des Werks zu gelten hat. Diese Vita ist in vielfacher Hinsicht ein bisher einzigartiges Dokument der dt.sprachigen Beginenmystik. Ü b e r l i e f e r u n g . Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. 8507-09 (2. H. 15. Jh., aus Straßburg, St. Nicolaus in undis), 133r-239v. A u s g a b e . DERKITS, S. 1-215.

In Aufbau und Inhalt entspricht der Text geradezu mustergültig dem Typus einer Gnadenvita, vom Beginn des Gnadenlebens über Entrückung in die Gottheit und geistliche Ehe bis hin zum vielfältigen Gnadenwirken, auf dem Weg zu immer größerer Vollkommenheit. Zentrale Aspekte sind armuot des Geistes und abgescheiden-Sein, wobei Gedanken Eckharts und franziskanische Spiritualität nahezu ununterscheidbar ineinander übergehen. Den kompositorischen Höhepunkt bilden kurz vor Ende des Werks zwei mystische Predigten. Obwohl die historische Chronologie eindeutig der Thematik des Gnadenlebens untergeordnet ist, weist das Werk dennoch einen bemerkenswerten biographischen Realismus auf, durch den es zu einem hochbedeutsamen historischen Zeugnis wird. Es ist nicht nur das bisher umfangreichste Dokument zur Offenburger Stadtgeschichte des 13./14. Jh.s, sondern liefert vor allem auch detaillierte Informationen über das Beginentum bis hin zur Regelung von Vermögensfragen und zu Einzelheiten der Kleider-

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ordnung. Erkennbar wird ebenso der realgeschichtliche wie der spirituelle Hintergrund der Beginenmystik unter Einfluß von Dominikanern und Franziskanern. Zugleich zeichnet die Vita das Leben einer Frau, die unter härtesten Bedingungen erwachsen wird und dann mit größter Selbständigkeit ihren eigenen Weg geht: sie zieht Geistliche zu Rate, ohne sich je von ihnen abhängig zu machen, regelt mit Nüchternheit ökonomische Angelegenheiten und versucht Fragen des Alltags wie des geistlichen Lebens letztlich im Dialog mit ihrer Freundin zu lösen. Für die Vitenliteratur ist dieses von einer Frau geschriebene Werk auch insofern bemerkenswert, als es in dieser Vita wesentlich nicht um die Stilisierung einer Person zu einer Heiligen geht; herausgestellt wird vielmehr die konkrete Gestaltung des religiösen Lebens, so daß sogar die Schilderung eines seligen Todes entfallen kann. Im Hinblick auf die Eckhart-Überlieferung belegt das Werk, wie Predigten nahezu wörtlich behalten und mündlich wiedergegeben werden konnten. So scheint dann auch die zweite Predigt, nach Ezechiel 17,3 f. zum Oktavfest des Evangelisten Johannes, auf Meister Eckhart zurückzugehen. Die erste folgt genau dem Traktat 'De quattuor gradibus violentae caritatis' ->· Richards von St. Viktor; der lesemeister, der die Predigt hielt, könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit -»· Rudolf von Biberach sein, der eben in den Jahren von Gertruds Aufenthalt in Straßburg wirkte und somit als Prediger greifbar würde. Rezeptionsgeschichtlich verweist der Text, der zusammen mit dem 'Botten der götlichen miltekeit', der dt. Übersetzung von -» Gertruds von Helfta 'Legatus divinae pietatis', überliefert ist, auf die Bedeutung der Reformklöster des 15. Jh.s und die Sammeltätigkeit der Bollandisten. L i t e r a t u r . AASS Febr. III (1658), S. 360; H. DERKITS, Die Lebensbeschreibung der Gertrud von Ortenberg, Diss. (masch.) Wien 1990 (zit.); ders., Die Vita der Gertrud von Ortenberg — Hist. Aspekte eines Gnaden-Lebens, Die Ortenau 71 (1991) 77-125; K. RUH, Rez. zu K. JAKOBI (Hg.), Meister Eckhart, Lebensstationen — Redesituatio-

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'Geschichte von wegen eines Bundes' — 'Gesta Romanorum'

nen (Quellen u. Forschg.n z. Gesch. d. Dominikanerordens NF 7), 1997, ZfdA 127 (1998) 460-472, hier S. 465.

SIEGFRIED RINGLER 'Geschichte von wegen eines [Korr.]

Bundes'

Bd. 3, Sp. 16 Überl.: "Madrid, Escorial, cod. chartac. Saec. XV K.ij 9 fol." korr.: El Escorial, Real Monasterio de San Lorenzo de Escorial, .... Ebd.: "Ehem. Preuß. Staatsarch. Königsberg (Geh. Staatsarch. Preuß. Kulturbes. Berlin), cod. 59" korr.: Die ehem. Königsberger Sign, war Msc B 59; heute in Wilna, Bibl. der Litauischen Akademie der Wissenschaften (Lietuvos Moksly Akademijos Biblioteka), F 15-145 (Hinweis B. Jähnig, Berlin, Geh. Staatsarchiv PK).

'Gespräch mit einem alten Liebhaber' [Korr.] Bd. 3, Sp. 18 Überl.: "Prag, ÜB" korr.: Prag, Nationalmuseum (Knihovna Narodniho Muzea).

'Gespräch der Seele mit dem Engel Gabriel' -* 'Gabriel und die Seele' [Bd. 2 u. NB] 'Gespräche dreier Frauen' Sammelbezeichnung für sechs paargereimte Gesprächsszenen (zwischen 16 und 20 vv.), vermutlich 15. Jh. (Nürnberg?). Ü b e r l i e f e r u n g . Dresden, Sachs. LB Mscr. M 50, 407rv (Nr. 5); Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., cod. Q 565, 14r-16r (Nr. 1-6).

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Frauen, meist mit Berufen näher gekennzeichnet (v. 1), äußern sich nacheinander zu einer anfangs formulierten Frage. Die diskutierte Frage hat in der Regel mit der jeweiligen Tätigkeit der Frauen zu tun (z. B. reden die Küchenmädchen darüber, welchs fleisch das zechst zue siden wer 1,4). Die ersten beiden Antworten beziehen sich je auf den Litteralsinn, die dritte nennt dann mehr oder weniger verhüllt eines mannes zageil (3,14), indem sie dessen Eigenschaften auslegt und auf die Eingangsfrage bezieht. Die Übertrumpfung gelingt also jeweils durch einen Sprung auf die sexuelle Ebene. Nr. 6 (= 'Von -> dreyen Rockenmaydenn') wandelt das Schema etwas ab. Drei Spinnerinnen beschreiben je ein in der Aufgabenstellung nicht näher spezifiziertes wunder. Bereits die ersten beiden Wunder betreffen die weibliche Scham, indem jeweils ein Bild auf sie ausgelegt wird (... Das mein votz ist eher dann ich. Die hat gewunen einen rauhen part 6,4f.). Die Übertrumpfung durch das dritte Mädchen besteht wiederum darin, daß ein Bild gewählt wird, bei dessen Auslegung das männliche Geschlechtsteil hinzukommt (... Das mein votz ist junger dann ich. Sie saugt noch ein dutten 6,14 f.). Die Revueform und die drei im Reden über Sexuelles wetteifernden Frauen stellen die Gedichte in die Nähe der -> 'Drei Wäscherinnen', wobei die erzählenden Züge im Unterschied zu dort aufs äußerste verknappt sind.

A u s g a b e n . KELLER, Fsp., S. 1453-1455 (Nr. L i t e r a t u r . KELLER, Erz., S. 480f.; FISCHER, 1 — 6, Auszüge); J. DEMME, Stud, über Hans Rosen- Stud., S. 45 f.; KULLY, S. 40 f.; J. REICHEL, Der blüt, Diss. Münster 1906, S. 128 f. (Nr. 5: 'Die drei Spruchdichter Hans Rosenplüt, 1985, S. 262. Nonnen'); FISCHER, Stud., S. 46f. (Nr. 6); E. NICOLA ZOTZ KULLY, Cod. Weimar 565 (Bibl. Germanica 25), 1982,5.80-84 (Nr. 1-6).

Die priapeischen Gedichte sind im Zusammenhang mit Dichtungen Hans -> Rosenplüts überliefert; sie sind ihm deshalb bisweilen zugeschrieben worden (ÜEMME; NIEWÖHNER in a VL III, Sp. 1103), was aber nicht nachzuweisen ist (REICHEL). Sie sind in sich geschlossen und laufen jeweils auf eine Pointe zu, bilden aber, durch zusammenhängende Überlieferung deutlich erkennbar, einen Zyklus und folgen im Aufbau einem gleichen Muster. Drei

'Gesta Romanorum' [Korr./Nachtr.]

Bd. 3, Sp. 31 petit-Abschnitt: "Fulda, LB, cod. 4° B 11" korr.: ..., cod. Aa 18 (olim B 11). Sp. 34 zu Lit. ergänze: P. GICHTEL, Die Weltchronik Heinrichs von München in d. Runkelsteiner Hs. d. Heinz Sentlinger (Schriftenreihe z. bayer. Landesgesch. 28), 1937, S. 276-282.

'Von der Gestalt des Heiligen Grabes zu Jerusalem ...' (Bair. Anonymus) -»· 'Von der Schickung vnd gestalt des heyligen grabs' [Bd. 8 u. NB]

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'Die getrennten Minnenden' — Glasberger, Nikolaus

'Die getrennten Minnenden' [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 37 ergänze: Eine erweiterte Fassung der Minnerede ist überliefert in Wien, Niederösterr. Landesmuseum (ab 2002 in St, Polten), o. Sign, (früher Nikolsburg, Fürstl. Dietrichsteinische Bibl., II 47; bair., v.J. 1402), 87v-94r (930 vv.; Reimpaare); ungedruckt. Nicht bei BRANDIS, Minnereden. Vgl. OPPITZ, Rechtsbücher II, Nr. 1500 (Hinweis Bina Griese).

Geuß, Johannes [Korr.] Bd. 3, Sp. 39 zu 1., Überl.: "Wien, Schottenstift, cod. 254" korr.: ..., cod. 157 (Kat. Nr. 254). "Bamberg, SB, cod. P VI 10" korr.: ..., Msc. Theol. 102 (olim P VI 10). - "Prag, ÜB, cod. 596" korr.: ..., Nationalbibl. (Närodni Knihovna), cod. IV A 20 (Kat. Nr. 596). - Streiche Verweispfeil auf Nikolaus von Grätz. Sp. 40 [ganze Spalte]: Die Hss. des Wiener Schottenstifts sind alle mit ihren Katalognummern statt mit den Signaturen bezeichnet: Z. 10 f.: "cod. 124" korr.: cod. 174 (Kat. Nr. 124). Z. 12f.: "cod. 153" korr.: cod. 228 (Kat. Nr. 153). Z. 15 u. ö.: "cod. 322" korr.: cod. 150 (Kat. Nr. 322). Z. 22 u. ö.: "cod. 228" korr.: cod. 252 (Kat. Nr. 228). Ebd., 1. Abschnitt: "Bamberg, SB, cod. Q IV 17" korr.: ..., Msc. Theol. 14 (olim Q IV 17). "Schlägl, Stiftsbibl., cod. 112" korr.: ..., Cpl 118 [820] (Kat. Nr. 112) [auch 3. Abschnitt]. Ebd., 3. Abschnitt: "Melk, Stiftsbibl., cod. 40" korr.: ..., cod. 824 (olim 40; B 4). - "Melk, ..., cod. 279" korr.: ..., cod. 1470 (olim 279; E 70). Ebd., 4. Abschnitt: "Donaueschingen, cod. B 286" korr.: heute Stuttgart, LB, cod. Donaueschingen 286 [sie!].

'Von gewedde' Nd. Traktat, der auf Sachsenrecht und tus commune zurückgeht. r

Ü b e r l i e f e r u n g . Breslau, ÜB, Ms II F 7, 176 177V, 1. H. 15. Jh. (OPPITZ, Rechtsbücher II, Nr. 260; Hs. der ->· 'Stendaler Glosse'). A u s g a b e . EBEL, S. 280-284.

Die im ostfäl.-thüringischen Quellenkreis verbreitete Bezeichnung 'Gewette' steht für das sonst übliche 'Wette' (ahd. wet(t)i, got. wadi, lat. vas, vadium). Es beschreibt die dem Richter geschuldete

(Geld-)Buße. Der unbekannte Verfasser des mnd. Textes beginnt mit der Rechtfertigung des Gewettes als einem Strafgeld für den Angriff auf die Rechtsordnung. Die Zitate aus den gelehrten Rechten, Codex, Digesten, Authentiken, libri feudorum und Decretum Gratiani, zeigen die Vertrautheit mit dem gemeinen Recht (ius commune] und der scholastischen Wissenschaftsmethode. Die weiteren Verweise auf -> Eikes von Repgow 'Sachsenspiegel' und die -»· 'Sachsenspiegelglosse' suchen das Sachsenrecht aus dem gemeinen Recht zu erklären; damit gehört der Traktat, wie die Glossen zum Landrecht durch ->· Johann von Buch und ->· Petrus de Posena, zu den Texten der Rezeption erster Stufe. Im Hauptteil der Arbeit sind die Tatbestände geschildert, die jemanden wettehaftig werden lassen. Der Text schließt mit der Art und Weise der Gewettezahlung und Hinweisen zu ihrer Vollstreckung durch Pfändung. L i t e r a t u r . H. R. HAGEMANN, in: Hwb. z. dt. Rechtsgesch. I, 1971, Sp. 1674 f. u. V, 1998, Sp. 1329-1333 (Lit.); F. EBEL, Der Traktat 'Von gewedde', ZRG Germ. Abt. 99 (1982) 276-284; OPPITZ, Rechtsbücher I, S. 70; W. OGRIS, in: Lexikon d. MAs9, 1998, Sp.43f.

ULRICH-DIETER OPPITZ Gheysmer, Thomas [NB]

'Denscke Kroneke'

Giselher von Slatheim [Korr.] Bd. 3, Sp. 46 unten: "Sarnen, Bibl. des Benediktinerkollegs, cod. 238 Nr. 170" korr.: ..., cod. Pap. 170 (olim 238). Sp. 47 Z. 1: "Königsberg, ÜB, cod. 896": heute verschollen.

'Gladiatoria' [Korr.] Bd. 3, Sp. 48 Überl.: "Berlin, mgq 16": heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska.

Glasberger, Nikolaus [Korr.] Bd. 3,Sp. 50 zu 5.: "Brunn, Landesarchiv, Sammlung Ceroni, cod. 292" korr.: ..., G 12 (= Slg. Ceroni), II 292. Sp. 52 Mitte: "cod. 1191 des Nat. Mus. München (jetzt Staatsbibl.)" korr.: Die Hs. befindet sich

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Glaubensbekenntnisse

nach wie vor im Bayer. Nationalmuseum; vgl. Caritas -> Pirckheimer (II.1.), auch zur Übersetzung der lat. Chronik ins Deutsche.

Glaubensbekenntnisse (Deutsche Übersetzungen und Auslegungen) A. Die g r i e c h i s c h e n und l a t e i n i schen Texte. G. sind im literarischen Sinne Texte, die in festgeformten Sätzen die grundlegenden christlichen Glaubensinhalte zusammenfassen. Als historische Benennungen für G. haben sich Symbolum, Regula fidei, Professio fidei, Credo und (bei Protestanten) Bekenntnis und Bekenntnisschrift ausgebildet. I. Das älteste G. trägt seit Ambrosius (Ep. 42,2) den Titel 'Symbolum apostolicum' oder 'Symbolum apostolorum' (i. F. AG), weil nach Rufinus ('Commentarius in symbolum apostolorum', Kap. 2) die Meinung bestand, es sei von den Zwölf Aposteln vor ihrem Weggang aus Jerusalem verfaßt worden. Diese fromme Legende stützt sich auf die Tatsache, daß das AG die wesentlichen Artikel der apostolischen Verkündigung enthält. Das AG hat, wie auch andere Bekenntnisse, seinen Ursprung in der Taufliturgie, in der eine Erklärung des Glaubens verlangt wurde (vgl. Act 8, 36-38; Rm 10,9; l Tim 6,12; Hbr 4,14). Der Täufling hatte drei Fragen zu beantworten ('Glaubst du ...?' — 'Ich glaube.'), die in Anlehnung an Mt 28,19 den Glauben an den Vater, den Sohn und den Hl. Geist zusammenfaßten (= forma antiquissima). Der Text des alten römischen Taufbekenntnisses vom 4. Jh. (R) ist im Griechischen durch Markellos von Ankyra und im Lateinischen durch Rufinus belegt (= forma vetustior). Eine erweiterte Version von R ist der Textus receptus (T), erwähnt um 720 erstmals von Pirmin, 'De singulis libris canonicis scarapsus' ( = forma recentior); T wurde durch die liturgische Vereinheitlichung unter Karl d. Gr. das amtliche Taufbekenntnis des Frankenreiches, das dem Volk gelehrt werden mußte: Primo omnium, ut fides catholica ab episcopis et presbyteris diligenter legatur et omni populo praedicatur ('Admoni-

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tio generalis', Kap. 61). Auch in Rom setzte sich T gegenüber R allmählich durch. Spätestens seit dem 13. Jh. hatte T in der abendländischen Christenheit uneingeschränkte Geltung. A u s g a b e n . TRILLHAAS, 1953, S. 28-31; DENZINGER-SCHÖNMETZER, 1965, S. 17-29, Nr. 1-36 (Symbola fidei).

II. Das zweite christliche G. trägt seit dem 17. Jh. die Bezeichnung 'Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum' (i. F. NC). Vorher wurde es meist 'Nicaenum' genannt. Historisch unklar bleibt sein Bezug zum Konzil von Konstantinopel (381). Mit dem Konzil von Nizäa (325) lehrt es die Wesensgleichheit von Gott Vater und Sohn, unterscheidet sich jedoch wesentlich von ihm durch seine ergänzenden Aussagen über die Kirche, die Taufe, die Auferstehung, das ewige Leben und insbesondere über die Göttlichkeit des Hl. Geistes: dieser 'geht' aus dem Vater 'hervor'; das 'Filioque' wird erst später im Westen hinzugefügt. Bezeugt ist der Text des NC erstmals durch das Konzil von Chalkedon (451), das das G. von Nizäa als Ausdruck des rechten Glaubens anerkennt. In die Eucharistiefeier wird das NC im Osten durch Petrus Fullo von Antiochien (t 488) und Timotheus von Konstantinopel (f518) eingeführt. Im Westen ist seine liturgische Verwendung durch das Konzil von Toledo 589 nachgewiesen. 789 erhob es Karl d. G. zum festen Bestandteil der Messe. Unter dem Druck Kaiser Heinrichs II. nahm Papst Benedikt VIII. diese Praxis 1014 auch in die römische Liturgie auf. A u s g a b e n . DENZINGER-SCHÖNMETZER, 1965, S. 52, Nr. 125; G. L. DOSSETTI, II Simbolo di Nicea e di Constantinopoli, Edizione critica, Rom u. a. 1967; W.-D. HAUSCHILD, Nicäno-Konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis, in: TRE XXIV, 1994, S. 445-447 ('Nicaenum' und 'Nicaeno-Constantinopolitanum' im synoptischen Vergleich mit dt. Übers.).

III. Das dritte und jüngste G. wird nach seinem Anfangswort 'Symbolum Quicumque' (i. F. Q) oder 'Symbolum Athanasianum' genannt, weil Athanasius von Alexandrien (f 383) lange Zeit als sein Verfasser gegolten hat. Da Caesarius von Arles

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Glaubensbekenntnisse

(t 542) der erste ist, der es zitiert, wird seine Entstehung um 500 in Südgallien vermutet. Das Q besteht aus 40 kurzen rhythmischen Sätzen, die bestechend klar die Bestimmungen von Chalkedon (451) in Abwehr der Lehren des Arianismus, Apollinarismus und Nestorianismus formulieren. Der erste Teil spricht von der Dreifaltigkeit, der zweite von der Menschwerdung Christi, seinen beiden Naturen und von der Erlösung. Die Anfangs- und Schlußsätze betonen, daß der Glaube an diese Wahrheiten heilsnotwendig sei. Bereits die Synode von Autun (um 670) verpflichtete alle Geistlichen, den Text des Q auswendig zu lernen. Es fand auch Eingang in das -»· Brevier [NB]. Nach diesem wurde es in der Prim im gewöhnlichen Sonntagsoffizium gebetet und am Dreifaltigkeitssonntag liturgisch rezitiert. Im Psalter ist es mit den biblischen Cantica ein fester Bestandteil; vgl. auch -> Psalmenübersetzungen (spätmal., dt. u. ndl.). A u s g a b e . DENZINGER-SCHÖNMETZER, 1965, S. 40-42 (Nr. 75-76).

B. D e u t s c h e P r o s a t e x t e . Die volkssprachliche Verwendung der drei G. ist abhängig von ihrem Gebrauch in Liturgie und Unterweisung von Klerikern und Laien. Sie erscheinen in vielfältigen literarischen Formen, von der Interlinearversion und schlichten Übersetzung bis zur Paraphrase und summenhaften Auslegung. Überliefert werden sie im Rahmen pastoraler Literatur zur Liturgie der Taufe und der Messe, in Katechismen, Psalterien, Gebetbüchern und theologischen Lehrschriften. Unter systematischem Aspekt sind dabei mehrere formale, sprachliche und überlieferungstypologische Unterscheidungen zu treffen, die an den historischen Texten aufgewiesen werden können. Die reine Übersetzung des Textes begegnet an erster Stelle, entweder als Einzeltext oder häufiger im Verein mit anderen katechetischen Stücken, dem Vaterunser (vgl. -> Vaterunserauslegungen in der Volkssprache), dem Ave Maria, den Zehn Geboten (vgl. -» 'Zehn Gebote'), den biblischen Cantica (besonders in den Psalterien). Ein nicht seltener Überlieferungs-

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typ ist die Kombination aus dt. und lat. Text, entweder satzweise oder blockhaft aufeinander bezogen. Kombiniert wird die reine Übersetzung gelegentlich auch mit einer vollständigen Auslegung. Als ein besonderer Texttyp deutscher Tradition muß die völlig freie Gestaltung des G. verstanden werden, die unterschiedliche lat. wie auch volkssprachliche Quellentexte verarbeitet. Davon zu unterscheiden ist die paraphrasierende und texterläuternde Übersetzung, deren Typ ->· Notker III. geschaffen hat. Ein eigener Texttyp ist ferner die Auslegung eines G., in der sich häufig die Aussagen der jeweils anderen beiden G. berücksichtigt finden. Von diesen selbständigen Auslegungen sind getrennt zu sehen die Credo-Auslegungen und Abhandlungen über den christlichen Glauben, die sich in umfassenden katechetischen, erbaulichen und theologischen Schriften finden, die ihrerseits wiederum lat. Quellenschriften verpflichtet sind, wie z. B. dem 'Compendium theologicae veritatis' des -* Hugo Ripelin von Straßburg oder den Werken des -»· Honorius Augustodunensis; vgl. -» 'Lucidarius' 11,17, -* 'Speculum ecclesiae', 'Von einem -> christlichen Leben', -> 'Spiegel des Christenglaubens', -» 'Unterweisung der Laien', -» 'Blume der Schauung' [NB] (Ausg. v. K. RUH, 1991, S. 39), 'Confessionale', -> 'Lehre von den fünf Worten', -*· -"· Martin von Amberg, 'Gewissensspiegel', -> Berthold von Freiburg, 'Rechtssumme' (Ausg. v. G. STEER u.a., 4 Bde [TTG 11-14], 1987, G55G56); -> Stephan von Landskron, 'Himmelsstraß' Kap. 44—45, ->· Ulrich von Pottenstein, 'Credo'Auslegung, -> Ruusbroec, 'Vanden kerstenen ghelove', Nicolaus -> Rutze, 'De uthlegghinge ouer den louen', (basiert auf einer tschech. Vorlage). Vorerst gibt es nur Einzelbeobachtungen, wie auch sonst die literarische Erschließung der G.-Literatur bisher nicht über die Schwelle der Heuristik und einzelner Analysen hinausgekommen ist.

I. Das A p o s t o l i s c h e G l a u b e n s b e k e n n t n i s (AG). Das AG wurde aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt, damit der Täufling oder sein Pate das Bekenntnis seines Glaubens in der Muttersprache sprechen konnte. Außerdem war es Klerikern und Laien aufgetragen, das AG auswendig zu können. Nur selten sind Formen dieser Mündlichkeit in Kodizes festgehalten. Von bewußten literarischen Bearbeitungen sind sie nicht zu unterscheiden.

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Glaubensbekenntnisse

1. In den Gebrauchsraum von Schule, Katechese, Glaubensunterweisung und Gelehrsamkeit weisen Interlinearversionen und doppelsprachige Texte. a. Das früheste Zeugnis einer dt. Interlinearversion des AG ist in der -» 'Windberger Interlinearversion zu Psalter, Cantica u. a.' erhalten (München, cgm 17, 218v-222r; Ausg. J. A. SCHMELLER, Cantica aus Windberg, ZfdA 8 [1851] 120145, hier S. 141). b. Häufig werden der lat. und der dt. Text unmittelbar hintereinander überliefert oder bei der Abschrift Satz für Satz aufeinander bezogen. Diese Überlieferungssymbiose findet sich auch beim NC und Q. Sie zeigt die Nähe zum lat. Vorlagentext, die jedoch im einzelnen nicht näher belegt werden soll.

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Ü b e r l i e f e r u n g (Auswahl). Berlin, mgo 511, 142v-145r; ebd., mgo 570, 353v-354r; Graz, ÜB, Ms. 990, 81rv; ebd., Ms. 1405, 134av (14. Jh.); Heidelberg, cpg 639, 78r-79r; Hildesheim, RoemerMuseum, Inv. Nr. H 32 (Katechismustafel des -> Nikolaus von Kues, v. J. 1451; dazu zuletzt: Circa 1500. Landesausstellung [Tirol] 2000 Mostra storica 2-5-3, Geneve u. a. 2000, S. 326); München, cgm 753, 117rv; Nürnberg, StB, Cent. VII, 12, 22r; Salzburg, St. Peter, cod. b IV 40, 153rv; Wien, cod. 1567, 9rb; ebd., cod. 1764, ll rv ; ebd., cod. 2368, 17v-18r; ebd., cod. 2745, l rv (14. Jh.).

e. Eine weitere Version scheint Einfluß des NC zu zeigen. Inc. Ich geloub an ein got, den almechtigen vater. Ü b e r l i e f e r u n g (Auswahl). Salzburg, St. Peter, cod. a III 2, 291r; Wien, cod. 1567, 9 va ~ vb (14. Jh.); ebd., cod. 2745, 168V-169V.

f. Besonders häufig ist das AG in den Hss. im Verbund mit dem Vaterunser und 2. Wörtliche Übersetzung des AG (Tex- dem Ave Maria, dazu auch mit den Zehn tus receptus). Geboten, überliefert: in Gebetbüchern, Kaa. Die älteste Übersetzung stammt aus techismen, Beichtanweisungen und Sterbedem alem. Raum. Inc. Kilaubu in kot fater büchlein. almahticun. kisca[f]t himiles enti erda (-» Ü b e r l i e f e r u n g (Auswahl). Augsburg, ÜB, 'St. Galler Paternoster und Credo'; cod. III. 1. 4° 39, 29v-30r (am Schluß eines SterbeSt. Gallen, Stiftsbibl. cod. 911, S. 321-322 V V [2. H. 8. Jh.]; Ausg. BRAUNE, Ahd. Leseb., büchleins); ebd., cod. III. 1.r 8° r27, 172 -173 ; ebd., cod. III. 1. 8° 30, 27 -33 (KatechismustaS. 12). feln); ebd., cod. III. 1. 8° 31, 93r-93v; ebd., cod. b. -> 'Weißenburger Katechismus'. Inc. III. 1. 8° 48, 49r-51r und 175V-178V (Gebetbuch); Gilaubiu in got fater almahtigon, scep- Erlangen, ÜB, cod. B 16, 2r-5v (-+ 'Gebetbuch für phion himiles enti erda (Wolfenbüttel, Barbara Ulstatt'); Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. Carm. Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 91 Weiss., 34, 183r-185r (Beichtbüchlein); Graz, ÜB, cod. v r ÜB, cod. 68, 117"; 152V [frühes 9. Jh.]; Ausg.n MSD I S. 205; 1043, 191 -192 ; Innsbruck, r v München, cgm 136, 104 -113 (-» 'Gebetbuch des BRAUNE, Ahd. Leseb., S. 32). Wolfgang Schreiber'); Nürnberg, StB, Cent. VI, 55, c. -» Notkers III. Übertragung, durch291rv; ebd., Cent. VII, 42, 12rv; ebd., Cent. VII, setzt mit erklärenden Erläuterungen, in88, 26r; Salzburg, St. Peter, cod. a II 12, 53v-55r nerhalb der katechetischen Stücke: Inc. Ih (Katechismus); ebd., cod. a IV 37, 232r-236r (Kakeloubo an got, almahtigen fater, skephen techismus); ebd., cod. a VI 35, 87kv-87lv. himiles unde erdo (St. Gallen, Stiftsbibl., 3. Auf der Legende von der Autorschaft cod. 21, S. 564-566; Wien, cod. 2681, 227"-vb. A u s g n BRAUNE, Ahd. Leseb., der Apostel basiert ein Typus des AG, der S. 62; P. W. TAX, Notker der Deutsche, Der die einzelnen Glaubensartikel auf die ApoPsalter. Psalm 101-150, 1983, S. 564- stelnamen verteilt. Seine lat. Fassung, reich tradiert, ist schon im 8./9. Jh. belegt. Er 566). d. Ob und wann sich eine Einheitsüber- liegt auch dem 'Heidelberger Gl.' (s. u. setzung auszubilden beginnt, ist unbe- 4. b.) zugrunde. a. Inc. Petrus ich gelovbe an got vater kannt. In einer Großzahl der obd. Hss. doalmechtigen. miniert immerhin eine Version mit einem gleichbleibenden Incipit: Ich gelawb in Ü b e r l i e f e r u n g (Auswahl). Augsburg, ÜB, gott vater almächtigen schepher hymels cod. III. 1. 4° 27, lrv; Basel, ÜB, cod. A VIII 19, und der erden. 12r; ebd., cod. A X 121, 6V; Berlin, mgo 61, 71V-

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Glaubensbekenntnisse

72r; ebd., mgo 568, 139V-141V; Frankfurt, StB u. UB, Ms. Barth. 147, 181V; ebd., Ms. Praed. 170, 301r (14. Jh.); Heidelberg, cpg 252, 204V; München, cgm 690, 195rv; ebd., cgm 753, 117rv; cgm 771, 33r-34r; Torun, Bibl. Uniw. Mik. Kopernika, Rps 40/IV (ehem. Königsberg, SB u. UB, Hs. 890b), 242rb-242va (vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 80-82).

b. Erweitert wird die Apostelfassung mit Prophetenzitaten. Inc. Jeremias spricht also ... Petrus spricht gen dem weissagen also: Ich gelaub in ainen got. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. IV, 20, 136va-137rb (v. J. 1422); Salzburg, St. Peter, cod. a II 2, 71V-72V.

c. Schwester -» Regula stellt den zwölf Artikeln die zwölf Edelsteine im Brustschild des Hohenpriesters Aaron gegenüber (Karlsruhe, LB, cod. Lichtenthal 79, 120r-125v). 4. Eine volkssprachliche Sonderform des AG bildet sich bereits in ahd. Zeit aus. Sie ist abhängig von lat. Exegese, von Synodaltexten Spaniens, Galliens und des Frankenreiches, auch vom NC und vom Q. Untereinander zeigen die frühen AG vielfältige Berührungen. Diese ausweitenden und paraphrasierenden G. heißen im Unterschied zu den Übersetzungen und Auslegungen schlicht 'Glauben' (Gl.). Frühe Zeugnisse dieses Typs sind: -> 'Alemannischer Gl.', -> 'Bamberger und Erster Wessobrunner Gl.', -»· 'Benediktbeurer Gl. , -»· 'St. Galler Gl.', -» 'Münchner Gl.', -> 'Niederdeutscher Gl.', - 'Wessobrunner Gl. . Beispiele finden sich aber bis in die spätmal. Zeit, wie BARBIAN nachweisen konnte: a. 'Baumgartenberger Gl.' (BARBIAN, S. 103 — 106): Linz, Oberösterr. LB, cod. 218 (olim Cc I 13, Katalog Schiffmann 2), unter dt. Gebeten vor und nach der Predigt (l r -2 v ) (14. Jh.); Ausg. MSD II, S. 458. b. 'Heidelberger Gl.' (BARBIAN, S. 136-138): Rom, Bibl. Vat., cod. Pal. lat. 488, S. 32 f. (15. Jh.); Ausg. Teilabdruck bei K. BARTSCH, Die altdt. Hss. der UB in Heidelberg, 1887, S. 188. c. 'Leipziger Gl. (BARBIAN, S. 30-36): Leipzig, UB, Ms. 760 (14. Jh.); Ausg. A. E. SCHÖNBACH, Altdt. Predigten I, 1886, S. 41,25-42,15.

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d. 'Leipziger Gl. IF (BARBIAN, S. 37—42): Leipzig, UB, Ms. 760 (14. Jh.); Ausg. A.E. SCHÖNBACH, Altdt. Predigten I, 1886, S. 46,3-35. e. 'Linzer Gl.' (BARBIAN, S. 46—49): Linz, Oberösterr. LB, cod. 19 (olim Cc II 2, Katalog Schiffmann 50), xxvv (15. Jh.); Ausg. MSD II, S. 459 f. f. 'St. Pauler Gl.' (BARBIAN, S. 43-45): St. Paul i. Lavanttal, Stiftsbibl., cod. 109/3 (olim 27.5.26), im Vorspann zu den -+ 'St. Pauler Predigten'; Ausg.: A. JEITTELES, Altdt. Predigten aus dem Benedictinerstifte St. Paul in Kärnten, 1878, S. 1. g. 'Wiener Gl.' (BARBIAN, S. 100-102): Wien, cod. 2718, 32r (13. Jh.); Ausg. MSD II, S. 456 f.

5. Auslegungen des AG als selbständige Schriften sind selten. a. Eine bemerkenswerte auslegung der xii stuck cristenleichs gelaubens ist in München, cgm 845, 196V-214V überliefert; sie sollte näher untersucht werden. b. Die größte Verbreitung hat die auslegung des gelauben der heiligen xii poten mit dem Inc. Ob wir mit Cristo ymmer wellen leben gefunden: Ü b e r l i e f e r u n g . London, Brit. Library, Add. MS. 15823, 79va-82ra; Memmingen, StB, cod. 2°2, 32, 112V-116V; München, cgm 543, 65V-69V; ebd., cgm 564, 94vb-98va; ebd., cgm 638, 38vb-41vb; Salzburg, St. Peter, cod. a II2, 61r-71v; ebd., cod. a III 6, 100V-107V; ebd., cod. b V 5, 121r-126r; ebd., cod. b V 9, 278V283r; ebd., cod. b VI 5, 118r-123v; ebd., cod. b XII 3, 124ra-128vb.

II. Das N i c ä n o - K o n s t a n t i n o p o l i t a n i s c h e G. (NC). Das NC gilt als gelaubenn nach dem text, denn man [an Sonntagen und bestimmten Feiertagen] in der mess list (Salzburg, St. Peter, cod. a II 2, 6V}. Seine Rezeption im Deutschen ist wie auch die des Meßoffiziums (vgl. -»· 'Missale' [deutsch]) spärlich. Außerhalb der Messe wurde es wie das AG als Gebet verwendet. Mehrere Versionen können unterschieden werden. 1. Inc. Ich glavb in ainen gott vatter almächtiger der ain schöppfer ist aller ding sichtig und vnsichtiger. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 1583, 7 va ~ vb ; Frankfurt, StB u. UB, Ms. Praed. 159, 153v-155r (v. J. 1469); ebd., cod. Fragm. lat. III 41, 3rb (frgm.; 14. Jh.); Nürnberg, StB, Cent. IV, 37, 105V; Salzburg, St. Peter, cod. a II 2, 61r-62r.

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Glaubensbekenntnisse

2. Inc. Ich gelawb in einen got macher himels vnd erten aller sichtigen ding vnd vnsichtigen. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 564, 98va99™ (Hie hebt sich an der gelaub den sandt Augustin da gemacht hat wider die ketzer und den seihen gelaüben den singet man in der messe}; Nürnberg, StB, Cent. VII, 12, 22V.

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aus zweiter Hand (German. Texte u. Stud. 42), 1993, S. 55-110; G. HAYER, Konrad v. Megenberg 'Das Buch der Natur' (MTU 110), 1998, S. 226256. A u s g a b e . G. STEER, Konrad von Megenberg, Von der sei (WPM 2), 1966, S. 60-65 (mit dem lat. Text), dazu Anm. S. 98.

5. -> Heinrich von Langenstein wird ein dt. Psalter zugeschrieben, der auch eine Q3. Inc. Ich gleube in eyn got vater aller Übersetzung enthält. Inc. Ber haylbertig geweldigiste mecher hemel vnd erden. wil werden, dem ist vor allen dingen dürft, Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. IV, 37, daz er cristenleichen glawben hab. V 105 . Dem reinen Übersetzungstext schließt sich 10JV—107V eine Auslegung an: Von dem cristengelauben. Dis ist die auslegung des gelaüben das mag man lesen an der heilig trivaltigkait hohzit oder wen man wil.

4. In einem nd. Gebetbuch findet sich im Verbund mit Paternoster und Ave Maria ein NC in flämischer Übersetzung. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 83, 136r-140r (15. Jh.).

Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 2843, 116rb117rb (15. Jh.).

6. Inc. Swer heile wil werden, der sol vor ellev halten christenlichen gelouben. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 2684, 180™182". A u s g a b e . A. E. SCHÖNBACH, Stud. z. Gesch. d. altdt. Predigt, WSB 147 (1904), 5. Abh., S. 146150.

III. Das G l a u b e n s b e k e n n t n i s Quic u m q u e (Q). 1. Im 'Weißenburger Katechismus' (s. o. 1.2.b.) wird das Q, als 'Symbolum Athanasianum' bezeichnet, erstmals ins Deutsche übersetzt. Inc. So huuer so uuilit gehaldan uuesan 152v-153r; Ausg. MSD I, S. 206.

7. Inc. Wer do behalten wil sin, der bedarf vor allen dingen, daz er habe den gemeinen rechten kristenlichen gelavben.

2. Auch Notker III. von St. Gallen übersetzt im Psalter die Fides s. Athanasii. Inc. Souuer gehalten uuile sin. demo ist dürft fore allen dingen, daz er habe die gemeinun geloüba. Ausg.n MSD I, S. 257-259; TAX [s.o. I.2.C.], S. 568-575, dazu S. 568a575a Abdruck des Fragments Augsburg, ÜB, cod. 1.3. 4° 15(1. V. 11. Jh.).

8. Inc. Wer der ist der behalten wil werden, dem ist ob allen ding not, das er behalt cristenlichen gelaüben.

3. -» 'Windberger Interlinearversion ...' im Anschluß an das AG (s. o. I.l.a.), Ausg. J. A. SCHMELLER, ZfdA 8 (1851) 141-145.

Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. VI, 56, 120r-123r; Wien, cod. 2727, 143r-145r; ebd., cod. 12842, 146v-148r.

Ü b e r l i e f e r u n g . Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 8° 24, 99r-103r; ebd., cod. III. 1. 8° 39, 100v-105r; Nürnberg, StB, Cent. VII, 35, -5 (14. Jh.); Wien, cod. 3079, 161r-163r.

9. Inc. Sant Athanasius psalm. Wer der ist, der salig wil sin, dem ist ob allen dingen not, daz er halte cristenlichen glouben. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 2671, 314v-316r; ebd., cod. 2756, 202r-203v.

4. In der überarbeiteten Fassung von -» Konrads von Megenberg 'Buch der Natur' 10. Inc. Symbolum Atanasii ... Ain yg(um 1348) wurde anstelle des Prologs ein licher, der wil behalten werden, vor allem dreiteiliger Textkomplex gesetzt, dessen ist notdurfftig, daz er halt rechtkununden erster Teil eine Übersetzung des Q bietet. oder rechthaltbarn glauben. Inc. Wer da wil hail sein, dem ist vor allem Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 2894, 110V-111V. not, das er halt kristen gelaüben. 11. Inc. Anastasy sein psalm ... Welcher Ü b e r l i e f e r u n g . 19 Hss., aufgeführt bei STEER, Ausg., S. 17-19; W. BUCKL, Konrad v. Megenberg mensch wil pehalten [sein], so ist durfft

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Glaubensbekenntnisse

vor allen dingen, das er hab rechten steten glauben. Ü b e r l i e f e r u n g . Salzburg, St. Peter, cod. b IV 29, 189V-192V.

12. Inc. Wer behalden wil werden, der hait des noit vur allen dingen, dat er behalde den cristenen glouven. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. Ser. n. 26034, 148r-150r (v.J. 1465).

13. Inc. Quicumque wlt salvus esse ... Welcher mensch wil hail sein, dem ist vor allen dingen not, das er h aide den gemainen christenleichen gelawben. Im Verbund mit dem lat. Text überliefert. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 62, 200ra-201va; München, cgm 300, 231ra-233rb.

14. Eine umfängliche Auslegung des Q beginnt mit den Worten fraget ymant wer disen nachgescriben psalme Quicumque ... gemachet habe. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. VI, 56, 27v-59r (1446/47).

15. Für einen sinreichen leyen erstellt ein Kartäuser in Nürnberg in Gebetform eine deine ynige betrachtung: Ein yeder der behalten wil sein, vor allen tut not, das er halt cristen glauben. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. VII, 39, 226r-252r.

C. D e u t s c h e V e r s t e x t e . Es liegt in der Natur dogmatischer Texte, daß sie sich der Versform widersetzen, zumal diese nach verbreiteter Meinung der Wahrheit der Aussage Abbruch tut. Trotzdem finden sich einige Beispiele, in denen versucht wird, den christlichen Glauben in Verse zu fassen. I. Selbständige Texte. 1. Die zehnzeilige Liedstrophe -> 'Wir glauben in einen got' (4 Hss. des 15., l des 16. Jh.s). Die Notiz De fide apostolica cantus teutonicus der Wolfenbütteler Hs. Heimst. 442,128r läßt an einen Zusammenhang mit dem lat. Credogesang denken. Abdruck WACKERNAGEL, KL II Nr. 664. Vgl. JANOTA, 1968, S. 47-49.

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2. Dem 15. Jh. gehört auch eine gereimte Tafel des christlichen Glaubens an. Inc. Ein got vatter. sün. heiiger geist. Beschuf, erlost, behaltet meist (Basel, ÜB, cod. A V 33, 24V-26V). 3. Heinrich -* Laufenberg ist eine Versifizierung des AG verteilt auf die Apostelnamen zu danken. Dem löstrophigen Lied liegt vermutlich eine dt. Prosafassung zugrunde. Inc. Vjl lut so ruft ein lerer hoher sinnen (WACKERNAGEL, KL II Nr. 720; vgl. auch -» 'Der wachter an der zinnen' IV.3.). 4. Heinrich Laufenberg hat auch, dem Typus der paraphrasierenden Auslegung folgend, das lat. 'Symbolum Athanasii' in die Form eines Motettenliedes (29 Strr.) gegossen. Er ist sich seiner gewagten Unternehmung bewußt: Mit kranken sinnen deine Dicht ich, als er geschriben stat, Den crysten glauben reine. Quicunque vult. Wer nun behalten welle sin, dem ist vor an gar note, Daz er den crysten glouben vin behalt gancz vnd genote (WACKERNAGEL, KL II Nr. 766). 5. Im Augsburger Gesangbuch 'Christenliche Catholische Creutz gesang' (Druck von 1584) findet sich in 17 Paarreimen ein dt. 'Symbolum apostolicum', das noch dem 15. Jh. angehören könnte. Inc. Ich glaub in Gott den vatter mein, der Himel vnd era erschaff gar rain (WACKERNAGEL, KL II Nr. 1164). II. G. im Rahmen größerer geistlicher und weltlicher Dichtungen. 1. Um die Mitte des 12. Jh.s verfaßte der -»· Arme Heinrich eine 'Rede vom Glauben', die das NC ('Credo' der Messe) auslegt. 2. Ob -»· Wolfram von Eschenbach im Prolog zum 'Willehalm' vom Wissen der G. inspiriert ist, ist nicht sicher nachzuweisen. Die Annahme ist jedenfalls naheliegend. 3. Das katechetische Milieu volkssprachlicher Unterrichtung und Glaubensprüfung wird im 'Ring' Heinrich ->· Wittenwilers beschworen. Bertschi Triefnas muß vor der Sippe der Mätzli Rüerenzumpf neben Pater noster und Ave Maria auch den Apostolischen Glauben hersagen

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'Glogauer Liederbuch' — 'Glosarius'

(Ausg. v. E. WIESSNER, v. 3798~3823, vgl. auch die Christenbelehrung v. 3943 — 4187). Die Zahl der AG-, NC- und Q-Versionen und -Auslegungen in Prosa und Vers wie auch die Zahl der Überlieferungszeugen ist weitaus größer als die hier gebotene Auswahl. Ausführlicher künftig bei M. Hamm und G. Steer, Die Glaubensbekenntnisse im dt. MA (in Vorb.).

S. 200-398; W. KINZIG / CH. MARKSCHIES / M. VINZENT, Tauffragen u. Bekenntnis. Stud. z. sog. 'Traditio Apostolica', zu d. 'Interrogationes de fide' u. z. 'Römischen Glaubensbekenntnis' (Arb. z. Kirchengesch. 74), 1999; M. VINZENT, Symbolum, in: 3LThK 9, 2000, Sp. 1164-1165.

GEORG STEER 'Glogauer Annalen' -» Borgeni, Caspar 'Glogauer Liederbuch' [Korr.]

L i t e r a t u r . J. GEFFCKEN, Der BildercatechisBd. 3, Sp. 57 zu l.: "Mus. ms. 40098 der ehem. mus d. fünfzehnten Jh.s u. die catechet. Hauptstücke in dieser Zeit bis Luther, 1855; V. HASAK, Preußischen SB Berlin (seit 1945 verschollen)" Der christl. Glaube d. dt. Volkes beim Schlüsse d. korr.: heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska, unter MAs. Dargestellt in dt. Prosadenkmalen im Refor- der alten Berliner Signatur. mationszeitalter v.J. 1470-1520, 1868; F. FALK, Der Unterricht d. Volkes in d. katechet. Hauptstük- Glogoviensis Praepositus 'Augsburger ken am Ende d. MAs, Hist.-polit. Bll. f. d. kath. Cantionessammlung' [NB] Deutschland 109 (1892) 81-95; S. BAEUMER, Das Apostol. Glaubensbekenntnis. Seine Gesch. u. sein Inhalt, 1893; F. KATTENBUSCH, Das apostol. Sym- 'Glosarius' bol, 2Bde, 1894-1900; A. HAHN / G. L. HAHN Der 'G.' (ine. Ut stent in recto placuit (Hgg.), Bibliothek d. Symbole u. Glaubensregeln 3 corrumpere metrum), vermutlich in der d. Alten Kirche, 1897, Nachdr. 1962; F. WIEGAND, Die Stellung d. apostol. Symbols im kirchl. Leben 1. Hälfte des 14. Jh.s und, der Streuung d. MAs, I. Symbol u. Katechumenat (Stud. z. der Hss. zufolge, wohl in MitteldeutschGesch. d. Theol. u. d. Kirche IV/2), 1899; W. TRILL- land entstanden, ist ein in Hexametern abHAAS, Das apostol. Glaubensbekenntnis. Gesch. — gefaßtes lat. Sachvokabular (mit dt. InterText — Auslegung, 1953; STAMMLER, Prosa, Sp. linearglossen). Er versammelt, geordnet 749-1102; H. DENZINGER / A. SCHÖNMETZER, Ennach Gegenstandsbereichen (menschlicher 33 chiridion symbolorum, 1965, S. 17—42 (Symbola Körper, Verwandtschaft, Teile des Hauses, fidei); K.-J. BARBIAN, Die altdt. Symbola. Beitr. z. Hausrat, Speisen, Kleidung, Tiere und Quellenfrage (Veröffentl. d. MissionspriestersemiPflanzen u. a.), einen alltäglich gebrauchnars St. Augustin, Siegburg 14), 1964; E. WEIDENHILLER, Unters, z. dt.sprachigen katechet. Lit. d. ten Wortschatz, enthält daher vieles, das in MAs (MTU10), 1965; DOSSETTI, 1967 (s. o. der Lektüre der Auctores nicht begegnen A. II.); H.-J. FRAAS, Katechismustradition, Luthers konnte und insofern als 'selten' erscheint. kleiner Katechismus in Kirche u. Schule (Arb. z. Die Masse des Materials ist auf den NomiPastoraltheologie 7), 1971; J. N. D. KELLY, Altnalwortschatz beschränkt; erst am Ende ist christi. Glaubensbekenntnisse. Gesch. u. Theol., auch das Verbum bedacht. Da das Wort1972; P. BAHLMANN, Deutschlands kath. Katechismaterial sich immer wieder einer korrekmen bis z. Ende d. 16. Jh.s, 1984; J. JANOTA, Stud, ten metrischen Behandlung sperrte, nahm zu Funktion u. Typus d. dt. geistlichen Liedes im der anonyme Verfasser, wie er gleich einMA (MTU 23), 1968, S. 42-54; D. HARMENING, Katechismusliteratur. Grundlagen rel. Laienbilgangs bemerkt, metrische Verstöße in dung im SpätMA, in: Wissensorganisierende u. Kauf. Das anspruchslose Elementarbuch wissensvermittelnde Lit. im MA, hg. v. N. R. tritt in den Hss. stets mit kontinuierlicher WOLF, 1987, S. 91-102; W.-D. HAUSCHILD, Nidt. Glossierung auf. Seine Zweisprachigcäno-Konstantinopolitanisches Glaubensbekennt- keit gehörte nach Hinweis des Prologs zum nis, in: TRE XXIV, 1994, S. 444-456; H. WALProgramm. DENFELS u. a., Glaubensbekenntnis, in: 3LThK 4, Versbestand und Wortlaut des 'G.' sind 1995, Sp. 699-707; G. J. BELLINGER u. a., Kate3 auffällig labil und wechseln von Fall zu chismus, in: LThK5, 1996, Sp. 1311-1318; U. Fall; die Mainzer Hs., die älteste datierte STÖRMER-CAYSA, Gewissen u. Buch. Über d. Weg (1376), umfaßt einschließlich ihrer fünf eines Begriffes in die dt. Lit. d. MAs (Quellen und Forschg.n z. Lit.- u. Kulturgesch. 14), 1998, bes. Prologverse 292 Hexameter. Der 'G.'

543

'Diu glöse über daz ewangelium S. Johannis' — 'Goldene Bulle'

scheint eine gewisse Geläufigkeit gehabt zu haben; im Vokabular des -» Berthold von Eisenach wird er neben Brito, Hugutio u. a. als Quelle genannt. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 61, 53V-54V, Frgm. (42 vv.); Breslau (Wroclaw), ÜB, cod. I.Q 466, 4v-9r, 14. Jh. (Hs. des -> Nikolaus von Kosel; der Text wird in 2 VL 6, Sp. 1092 irrtümlich mit den -» 'Termini iuristarum' identifiziert); ebd., ehem. Liegnitz, Petro-Paulin. Kirchenbibl., cod. 24, l r -2 r , 15. Jh.; Danzig, ehem. StB (heute Gdänska Polska Akademia NAUK), Ms. 2402, 213v-222r (?), v. J. 1473; Erfurt, Stadt- u. Regionalbibl., cod. Ampl. Q 388, 155r-164r, Mitte 14. Jh.; Mainz, StB, Hs I 160, 158r-162v, v.J. 1376; München, clm 24539, V-6", um 1470; Trier, StB, Hs. 1082/32 8°, 188V189r, Frgm. 14. Jh. Zwei weitere Hss. (Darmstadt, Königsberg) bei POWITZ bzw. WALTHER, Initia 19881. L i t e r a t u r . G. POWITZ, Hubrilugus u. Huwrilogus, ZfdA 93 (1964) 226-238, hier S. 236 f. Anm. 3. F. J. WORSTBROCK

'Diu glose über daz ewangelium S. Johannis' [Korr.] Bd. 3, Sp. 61 Überl.: "Stuttgart, LB, cod. theol. et phil. 155" korr.: ..., cod. theol. et phil. 2° 155.

Glossare (dt.-fremdsprachliche; nur Art. im NB) -> Adam von Rottweil [NB]; -> Komanisch-deutsches G. [NB]; ->· 'Vocabulari catala-alemany' [NB]

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hart (II.2.) und -» 'Stuttgarter Stiftschronik vom Hause Württemberg' (Lit.!). Sp. 70 unten: "SCHNEIDER, München II 254f." korr.: ..., München III

Godeverd van Wevele [Korr.] Bd. 3, Sp. 75 letzter Abschnitt: "Salzburg, ÜB, cod. V 3 1487 (6)" korr.: ..., M I 476 (olim V 3 H/ 148).

'Gold und Zers' [Korr.] Bd. 3, Sp. 76 Überl.: "Karlsruhe, LB, cod. 408" korr.: ..., cod. K 408.

'Goldenes ABC' [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 78 petit-Abschnitt: "Heidelberg, cpg 959" korr.: ..., Heid. Hs. 959. Ebd.: "Mainz, StB, cod. 215 b" korr.: ..., Hs. I 215 b. Sp. 79 Z. 2: "Basel E.IV.2" korr.: Basel E.VI.2 (vgl. Sp. 78!). Ebd. zu 2., 2. Abschnitt: Zum 'Alphabetum divinum' ('Das göttliche ABC') Lit. und Parallelüberlieferungen bei KORNRUMPF / VÖLKER, München, S. 292 oben (u. d. T. 'Das göttliche ABC'); SCHNEIDER, München VI, S. 168 f. ('ABC zum Lob Christi'). Ebd. letzter Abschnitt: "Mainz, StB, cod. 82" korr.: ..., Hs I 82. Ebd.: "Mainz, StB, cod. 322" korr.: ..., Hs I 322.

'Goldenes Ave Maria' [Korr./Nachtr.] 'Das Glücksrad' [Korr.] Bd. 3, Sp. 66 zu Überl.: Das Blatt mit dem Text des 'Glücksrads' (urspr. Sign. Reval, Stadtarch., B. O. 10) ist verschollen. Vgl. H. BECKERS, 'Verbleib unbekannt' — Verschollene Hss. mnd. Texte. 2. Die Reval-Felliner Liedersammlung u. anderes aus dem Stadtarchiv Reval, Korrespondenzbl. d. Ver. f. nd. Sprachforschg. 90 (1980) 41-45, hier S. 45.

'Gmünder Chronik' [Nachtr./Korr.] Bd. 3, Sp. 69, 1. Abschnitt: Zu den Quellen der 'G. Ch.' (besser: 'Gmünder Kaiserchronik') vgl. auch Hugo -» Spechtshart von Reutlingen (H.3.); zur durch Interpolationen und eine Fortsetzung erweiterten Fassung der Frühdrucke vgl. Hans -» Neit-

Bd. 3, Sp. 81 Überl.: "Samen, Bibl. des Kollegium, ..., cod. 210" korr.: ..., cod. Chart. 210. Ebd. letzte Zeile: "Ablaßgebet von Papst -> Sixtus IV.": Streiche Verweispfeil auf Sixtus IV.; ergänze: vgl. -» Ablaßgebete [NB]; dort weitere Textzeugen! Sp. 83 zu 5., Überl.: Nach "Ortulus animae, Straßburg 1501" ergänze: (-» 'Hortulus animae', 2.b.: 'Wurzgarten').

'Vom goldenen Berg' (Predigt) -> Nikolaus von Straßburg (II.5.) 'Goldene Bulle' [Korr.] Bd. 3, Sp. 85 Z. 3: "Wien, Schottenkloster, cod. 209" korr.: ..., cod. 145 (Kat. Nr. 209).

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'Die goldene Fessel' — 'Das goldene Krongebet von zehn Freuden Mariens'

'Die goldene Fessel' [Korr.] Bd. 3, Sp. 87 Überl.: "Prag, ÜB, cod. X A 12" korr.: ..., Nationalmuseum (Knihovna Närodniho Muzea), ....

'Das goldene Krongebet von zehn Freuden Mariens' Mariengebet (Prosa, dt.), 15. Jh. A. Seit etwa 1420 erscheint der Text, ausgehend vom obd. Sprachraum, in über 60 dt. und ndl. ->· Privatgebetbüchern, wo er unter den meist kürzeren Gebetseinheiten als längere, in sich geschlossene Andacht auffällt. Die im Kern feste Gebetsfolge liegt in drei Hauptfassungen und einer Bearbeitung vor. I. Zur ersten Gruppe (9 bair. Hss., l köln.) gehört der älteste Zeuge des 'G. K.s' (Nr. 1). Textbeginn Ich man dich ... der grossen überflüssigen frewden, eren vnd werden, dy dein seil vnd leib enpfyeng, da dich got ... im selber zu einer muter ... erweit. Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 8° 31, 195r-199r (gechront pett, um 1420); 2. München, cgm 121 (um 1465), 262r-269r (chrönt gülden gepet); 3. cgm 457 (um 1470), 360r-364v; ferner (3. V. 15./1. V. 16. Jh.): Bamberg, SB, Msc. Lit. 184, 71r-84v; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl, Hs. 644 (Köln, um 1525), 264r-272r; Dresden, LB, Mscr. M 289 (olim Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 158088), 157r-169v; Ljubljana (Laibach), Nat.bibl. u. ÜB, Ms 224, 61V-64V, vgl. BRISKI; München, cgm 136, 115r—123V; cgm 857, 91r-94r; cgm 5942, Ende 15. Jh., 31r-42v. T e i l a b d r u c k . BRISKI, S. 28-30.

II. An der um 1450 entstandenen zweiten Fassung, die die Beschreibung der Freuden gelegentlich etwas entkonkretisiert, haftet der Titel gülden krönt pet bzw. (16. Jh.) gülden krön gebet. Textanfang Ich man dich ..., da dich got (wie I) ... im selber ausserwöllet (11 schwäb.-alem. Hss., 8 bair., l ostmd.).

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cod. B XI 27 (1489), 94r-99r, s. P. OCHSENBEIN, Frömmigkeit einer adeligen Dame, Montfort 34 (1982) 331-346, Nr. 34; Berlin, mgo 255 (schwäb.), 58V—62V; Budapest, ÜB, cod. germ. 3 (ostmd.), 65v-74r; Freiburg i. Br., ÜB, Hs. 45, 97r-100r; Karlsruhe, LB, cod. St. Georgen 96, 226r-232v, vgl. SCHÜTZ, 1921; cod. Licht. 105, 79r-89v; München, cgm 462, 171v-176r; cgm 848, 229r-234v; cgm 4638, 291r-300v; München, ÜB, 8° cod. ms. 266, 50r-59r; 8° cod. ms. 267 (schwäb.), 175r-187v; 8° cod. ms. 273, 35rv; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs6805a (beide alem.), 37V-45V; Prag, Nat.bibl., cod. XVI G 18 (nordbair.), 170r—177r; Zürich, Zentralbibl., cod. Rh. 186, 94 -10 . A b d r u c k e . J. H. SCHÜTZ, Die Gesch. d. Rosenkranzes, 1909, S. 176 — 178; ders., Summa mariana, Bd. 4, 1921, S. 381-384, 391-393.

III. Eine dritte, wiederum aus I hervorgegangene Fassung (7 nd. Hss., 4 ripuar., je l nordbair., ostmd., ndl.) verweist im Titel gelegentlich auf die begleitenden 100 Ave Maria. Gebetsanfang Maria, ich verman dich der ... wirdigkeit ..., do got ... dich ym (bzw. sich] selber zu einer muter gab. Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Köln, Hist. Arch., cod. W 18, Mitte 15. Jh., 189r-193r; 2. Nürnberg, StB, cod. Cent. VII, 66, 59V-73V (zit.); ferner (2. H. 15./1.H. 16. Jh.): Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hsl89 (ndl.), 50r-54r; Hs 1908 (köln.), 245V-251V; Göttingen, SB u. ÜB, cod. 8° theol. 242 f (olim Privatbesitz, s. BORCHLING, Mnd. Hss. IV 15), S. 201-210; Hamburg, SB u. ÜB, cod. Convent. VI (s. ebd. I 102), 2 r -ll r ; Köln, Hist. Arch., cod. W 52, 167r-173v, vgl. SCHÜTZ, 1921; Leipzig, ÜB, cod. Rep. II.20, 153ra-154ra; Trier, Bistumsarch., Abt. 95 Hs. 555 (olim Hs. 3, s. BORCHLING, Mnd. Hss. IV 184), 136v-142r; Trier, StB, Hs. 825/1697 8°, 175V-182V; Uppsala, ÜB, cod. C496 (nd.), 95r~98v; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 61. 14 Aug. in 8°, 181r184r; cod. Guelf. 1155 Heimst., 308v-312r; cod. Guelf. 1025 Novi, 230r-232v. A b d r u c k . SCHÜTZ, 1921 (s. o. II.), S. 549-551.

IV. Eine besonders im Ndl. verbreitete Bearbeitung (11 ndl. Hss., 9 ndrh./köln., l nd., l alem.), abgeleitet wohl von III, beÜ b e r l i e f e r u n g . 1. Dresden, LB, Mscr. M 180, tont unter Zurückdrängung dogmatischer r r 40 -42 (bair., 1452); 2. Heidelberg, cpg 639 r v Formeln die menschliche Seite des Gesche(1459/60), 137 -141a ; ferner (2. H. 15./1. H. r v hens, ine. O Maria suysse maget ich ma16. Jh.): Augsburg, ÜB, cod. III.l. 8° 38, 78 -91 ; r r nen dich der groisser eren, die dir vns leue Bamberg, SB, Msc. Lit. 176, l -13 , vgl. SCHÜTZ, 1921 (s.u.); Msc. Lit. 185, lr-19v; Basel, ÜB, here bait gedayn bouen allen creaturen.

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'Goldene Muskate' — 'Der goldene Spiegel der armen sündigen Seele'

Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgo 326, lll r -126 r ; mgo 585, 189v-193r (beide ndrh., 15. Jh.); Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1944 (köln., um 1480), 266r-270v; Köln, Hist. Arch., cod. W 23, 174V-182V; cod. W 16° 39, 78r-85r (beide ndl., 15. Jh.); cod. W 12° 68, 2. H. 15. Jh., 35r-50v (zit.); ferner (Ende 15./16. Jh.): Berlin, mgo 396 (nd.), 121v-125r; Brügge, Kabinet Houtart, Hs. 4, 119V-126V; Brüssel, Kgl. Bibl., Hs. 11231-36, 338r-343v; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hsl93 (ndl.), 203r-208v; Hs 237, 42r-46r; Hs247, 229r-239v; Hs 968, 142r-160v; Hs 1884, -6 (jeweils köln.); Hs. 1888, 219v-225r; Hs 1938, 244v-259r (beide ndl.); Gent, ÜB, Hs668, 5 -56 , 86 -88 ; Haarlem, Bisch. Museum, Hs. 97 (heute in Utrecht, ÜB), 224v-238r; Hs. 102, 150V-163V; Karlsruhe, LB, cod. Licht. 92 (alem.), 18 -190 ; Köln, Hist. Arch., cod. GB 8° 17, 201r-208v; Leiden, ÜB, cod. Letterk. 325, 304 -31 . A b d r u c k . D. A. STRACKE, De vreugden en weeen van Maria I, OGE 26 (1952) 7-22, hier S. 14-19; L. INDESTEGE, Een Diets Gebedenboek uit het begin der zestiende eeuw, Gent 1961, 5. 239-242.

B. In vielen Hss. geht der Gebetsfolge eine Einleitung mit ätiologischem Exempel voraus, das Titel und Wirkkraft des 'G. K.s' aus seiner himmlischen Abkunft erklärt: der Engel Gabriel habe es in einer nächtlichen Vision eine Klosterfrau gelehrt, die wegen ihres Gelübdes von den Verwandten enterbt worden war. Wer dieses Gebet dreißig Tage lang vor einem Marienbild bei brennender Kerze spreche (Ritusanzeige), werde getröstet und finde Erhörung (Zweckbestimmung). Die Andacht selbst besteht aus zehn im Knien vorzutragenden Ermahnungen (Erinnerungen) Mariens an ihre größten Freuden, wobei jede Mahnung in ein Bittgebet übergeht und von zehn, insgesamt also hundert, stehend zu sprechenden Ave Maria begleitet ist. Die in Erinnerung gerufenen Freuden dieses Memento-Gebetes (ACHTEN) sind 1. die Erwählung Mariens zur Mutter Gottes im Rat der Dreifaltigkeit, 2. Verkündigung und 3. Geburt ihres Sohnes, 4. Anbetung der Könige, 5. Wiederfindung im Tempel, 6. Erscheinung des Auferstandenen an Ostern, 7. Himmelfahrt, 8. Pfingsten, 9. Aufnahme Mariens und 10. Krönung mit der Krone des Reichs und zwölf Sternen Salomos.

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Trotz der Nähe zu formalistischen Praktiken (Magie, Mantik, Leistungsdenken) ist die religiöse Verankerung des Gebetes nicht zu übersehen. Wie die jüdisch-christliche Religion wesentlich auf Erinnerung und kultische Gegenwärtigsetzung gegründet ist (Pascha- und Abendmahlfeier, Betrachtung und Verkündigung heilsgeschichtlicher Ereignisse), so weist auch diese Andacht die Elemente des Gedächtnisses (in der Ermahnung = Aufforderung zur Erinnerung) und der rituellen Erneuerung (Anzünden einer Kerze, abwechselndes Stehen und Knien, Wiederholung des Ave Maria) auf.

C. Zur Zeit der Entstehung des 'G. K.' schuf -»· Johannes von Indersdorf gegen 1426 das vom Aufbau her eng verwandte Mariengebet I,IV,16 für Frau Elisabeth Ebran (HAIMERL, S. 154 Anm. 954). Das Fortwirken des Krongebets zeigt sich u. a. in den zwei verschiedenen Kurzfassungen München, cgm 150 (v. J. 1616), 51v-52r und 218 r —221 r sowie in den -> 'Sieben Freuden Mariens' (XII), gedruckt noch in F. DÖRNHÖFFERS 'Seelen-Gärtlein', 1907, S. 409-417 (HAIMERL, S. 141 Anm. 871). L i t e r a t u r . F. X. HAIMERL, Mal. Frömmigkeit im Spiegel d. Gebetbuchliteratur Süddeutschlands (Münchener theol. Studien I 4), 1952; F. TSCHIRCH, Maria u. die Rundzahl 100, in: F. T., Spiegelungen, 1966, S. 226-244; H. HILG, Das 'Marienleben' d. Heinrich v. St. Gallen (MTU 75), 1981, S. 428 Nr. 72; G. ACHTEN, Das christl. Gebetbuch im MA, 21987, S. 38 f.; M. J. BRISKI, Geistesgeschichtl. u. literarhist. Aspekte eines spätmal. Privatgebetbuches der National- u. Universitätsbibl. von Ljubljana, Acta Neophilologica 31 (1998) 3-33, bes. S. 6-17, 28-30; CH. KUPPER, Hss. für das private Gebet, in: Spiegel der Seligkeit (Ausstellungskataloge d. Germ. Nationalmus.), 2000, S. 117-130.

HARD o HILG 'Goldene Muskate' [Korr.] Bd. 3, Sp. 89 Überl.: "Brunn, ÜB, NR 69" korr.: Die Hs. wurde 1996 (?) dem Prämonstratenserkloster Nova Rise (Neureisch/Mähren) zurückerstattet. Ebd.: "Wittern, Redemptoristenkloster, Hs. 11" korr.: jetzt Nijmegen, ÜB, Hs. 311 (Hinweis B. Bushey).

'Der goldene Spiegel der armen sündigen Seele' [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 91, 1. Abschnitt: "biographischen Nachträgen" korr.: bibliographischen Nachträgen.

549

Goer, Georg — 'Von der göttlichen Liebe'

Der Text wurde seither unter verändertem Titel ediert: P. BOON, Spiegel der armen sündigen Seele (Ulm: Cünrad Dinckmüt 1484). Textausg. mit e. Glossar, einer Einführung u. Beobachtungen zum Sprachgebrauch, Amsterdam 1984.

'Goldenkroner Monatsregeln' entfällt Golsch, Batholomäus -»· Heiltunisbücher [NB] (Hohenwart) Goer, Georg [Korr.] Bd. 3, Sp. 99: Der Name "Goer" ist eine Verlesung aus Clet. Vgl. unter Georg -> Klet.

Gösli von Ehenheim [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 102 zu 2. ergänze: Göslis Lied Nr. 2 stimmt mit dem Ton -»· Suchensinns überein.

'Gotländisches Recht und Chronik' (dt.) -> 'Gutalag und Gutasaga' (dt.) [Landrecht] [NB]; vgl. auch -* 'Visbysches Stadtrecht' [Bd. 10]

550

Gottfried von Straßburg [Korr.] Bd. 3, Sp. 156, 1. Abschnitt: "Maria und Christus" ergänze: ; s. -» 'Lobgesang auf Maria'. Ebd.: "(22 siebenzeilige Strr.)" korr.: (13 siebenzeilige Strr.). Ebd.: "L. WOLF" korr.: L. WOLFF. Sp. 157, 2. Abschnitt: "B (Berlin, mgq 284)" korr.: N (...). Ebd.: "LACHMANNS O" korr.: LACHMANNS o (Kleinbuchstabe!). Ebd., 3. Abschnitt: "Hist. Arch. d. Stadt Köln, Nr. *88" korr.: ..., W* 88. Sp. 168 zu 4.: "G. MEISSBURGER, ..., Basel 1964" korr.: ... 1954.

Gottfried von Tienen [Korr.] Bd. 3, Sp. 170 Ausg.n: "heute verl. Hs. Lübeck, philol. 14" korr.: Die Hs. ist seit 1990 wieder in der StB Lübeck. Vgl. R. SCHWEITZER, Die alten u. wertvollen Bestände der StB, in: Der Wagen. Ein lübeckisches Jb., Jg. 1992, S. 73-105 u. Anhang S. 269-278, hier S. 273.

'Gottes wunden' (Gedicht) - 'De mynnen rede'

'Das göttliche ABC' ('Alphabetum divinum', 'ABC zum Lob Christi') -> 'Goldenes ABC' (II.2.) [Bd. 3 u. NB]

Gottfried ->· auch Godeverd

'Von der göttlichen Liebe'

Gottfried von Ensmingen [Korr.] Bd. 3, Sp. 125 Überl.: "St. Paul im Lavanttal, Archivhs. 25.4.15. (37/1)" korr.: ..., cod. 37/1 (olim 25.4.15.).

Gottfried von Franken [Korr.] Bd. 3, Sp. 132 unten zu a.: "Prag, Nationalmus., cod. N D 68" korr.: ..., cod. IV D 68. Sp. 133 unten zu 'Schlaner Hussitentext': "Brunn, Landesarch., Sign. 769, 162v-168r" korr.: ..., LB (Moravskä Zemska Knihovna), Mk 69, der tschech. Text in einer lat. theol. Sammelhs. Bl. 163V-168V. Vgl. V. DOKOUPIL, Soupis rukopisu Mikulovske Dietrichsteinske knihovna [= Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Dietrichsteinianae Nicolspurgensis] (Catalogi codd. manu script, in Bibl. Univ. Brunensis asservatorum), ... 1958, S. 117-121.

Gottfried von Neifen [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 151 vor Lit. ergänze: Einer der Töne des -> Mönchs von Salzburg stammt aus einem Minnelied G.s (KLD 15, XX).

Franziskanischer Traktat des SpätMAs. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, SB, Msc. Lit. 178 (Ed. VIII. 6), 206r-227r. Die ostfrk. Hs. stammt aus dem Klarissenkloster Bamberg oder, was wahrscheinlicher ist, dem St. Klara-Kloster Nürnberg. Beschreibung: RUH, Bonav. dt., S. 170 f. A u s g a b e . RUH, Franzisk. Schrifttum II 232247.

Über den franziskanischen Ursprung des dt. Traktats kann kein Zweifel bestehen. Außer der Herkunft bestätigen ihn vor allem die vielen Textstücke von franziskanischen Autoren, vorab -*· Bonaventura mit 'De triplici via' und 'Itinerarium', sodann Franziskus de Morone, Duns Scotus mit dem Sentenzenkommentar, dist. 27 und 28, und -> Nikolaus von Lyra mit dem Psalmenkommentar. Der Traktat wird als einziger der Hs. datiert: 1508. Er dürfte wesentlich älter sein. Am besten paßt er zu den St. KlaraHss. in Nürnberg aus dem späten 14. Jh. (-» 'St. Klara-Buch'). Indes gibt es keine

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'Göttweiger Dirigierrolle eines Osterspiels' — Gozold

Hinweise im Text, die eine Datierung erlauben. 2. Der Verfasser geht wie ein Prediger von einem Bibelwort aus: Mt 22,35—40 ('Du sollst Gott deinen Herrn lieben aus ganzem Herzen ...'). Er gliedert sodann den Text in 9 titulierte Kapitel von unterschiedlicher Größe. 1. 'Vom Adel und Ursprung der göttlichen Liebe.' Daß die Liebe ihren Ursprung in Gott hat, macht ihren Adel aus. 2. 'Von der Ordnung der Liebe insgemein.' Die Liebe als 'Kunst aller Künste' (Bernhard) bedarf der Ordnung, anders schafft sie Unruhe. Ordnung ist die richtige Lebensart und erweist sich zumal im Verhältnis zum Nächsten, den man lieben soll wie sich selbst. 3. 'Was uns zur göttlichen Liebe hinziehen soll.' Dies geschieht durch die Schöpfungswerke. 'Durch die Kreaturen sollen wir Gott erkennen lernen.' Es ist dies die eine, die sichtbare Gabe Gottes. Die andere, die Liebe Gottes, manifestiert sich darin, daß die Welt um des Menschen willen geschaffen worden ist, woraus folgt, daß unsere Liebe zu Gott über allem stehen muß. 4. Das Größte, was Gott für uns getan hat, ist die 'Guttat der Menschwerdung Christi'. Er hat mit dessen Leiden und Sterben die Schuld des gefallenen Menschen auf sich genommen und gesühnt, wofür wir ihm zu größerem Dank verpflichtet sind, als daß er uns geschaffen hat. Am Schluß dieser einprägsamen Christologie heißt es im Anklang an die Passionsmystik: 'Durch fleißige Betrachtung der Leiden Christi bleibt er in uns und wir in ihm.' 5. 'Über die Liebe zu unserm Nächsten' führt näher aus, was bereits unter 2. thematisiert wurde. 6. 'Zwei Augen der Seele', ein ungemein beliebtes Thema, das bis in die Antike zurückzuverfolgen ist, folgt Z. 251-274 -» Wilhelms von St-Thierry (hier Bernhard) 'De natura et dignitatis amoris', c. 8, n. 21, und Z. 280-289 Bonaventuras 'Itinerarium', Prol. n. 3. Es sind die Augen der Vernunft und der Liebe, Dieses sieht Gott 'in dem was er ist', jenes 'in dem was er nicht ist'. 7. 'Drei Dinge gehören zum Gebet': Bekenntnis zur Armut, Anrufung der göttlichen Barmherzigkeit und die Ehrerweisung gegenüber Gott.

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8. 'Wie man das Leiden Christi betrachten soll.' Auch dieses Kapitel besteht wie das 6. fast gänzlich aus Lehrerzitaten: Z. 297— 319 Bonaventura, 'De triplici via' III, § 3, n. 3; Z. 323—329 Bonaventura, 'Itinerarium' VII, n. 6; Z. 345-387 Nikolaus von Lyra, Psalmenkommentar 33,9 ff. 9. 'Vom Schweigen.' Hier kommt -» Johannes Climacus [NB] 'Scala Paradisi', gradus XI, mit eindrucksvollen Kernsätzen zu Wort (Z. 393—404). Da das Schweigen den weisen Menschen auszeichnet, kommen bei ihm die drei göttlichen Tugenden zur Wirkung: Glaube, Hoffnung und Liebe. Von dieser ist sinngemäß abschließend die Rede, und sie führt so zum Anfang zurück. K. RUH 'Göttweiger Dirigierrolle eines Osterspiels' [Nachtr. zu -»· 'Göttweiger OsterspielFragment'] Ü b e r l i e f e r u n g . Göttweig/N. Ö., Stiftsarchiv, Fragm. 354, Doppelbl., 15. Jh. Ausgabe. R. BERGMANN, Die Göttweiger Dirigierrolle eines Osterspiels, in: Fs. Siegfried Grosse (GAG 423), 1984, S. 325-335.

Entgegen den irreführenden Angaben bei HOFFMANN, Fundgr., kein Fragment, sondern die vollständige Dirigierrolle eines dt. Osterspiels (132 vv.; mit Wächter-'Szenen', Auferstehung, descensus und visitatio) und als solche ein Unikum. L i t e r a t u r . R. BERGMANN, in: 900 Jahre Stift Göttweig, 1983, Nr. 1088, S. 573-577 (mit Faks.); ders., Spiele, Nr. 58.

HANSJÜRGEN LINKE 'Göttweiger Trojanerkrieg' [Nachtr./Korr.] Bd. 3, Sp. 201 oben: "(cod. E VI 26 ... 30-38)" ergänze: ; -» 'Trojanerkrieg' ['Basler T.']). Die zitierte Basler Chronik-Hs. ist eine Hs. der -> 'Sächsischen Weltchronik', die auch den 'Basler Alexander' (vgl. Pfaffe -» Lambrecht, II.) enthält. Ebd. vor Lit.: "LANGOSCH, S. 187" korr.: ..., S. VI.

Gozold [Korr.] Bd. 3, Sp. 204 Überl.: "Prag, ÜB, Ms. X A 12" korr.: ..., Nationalmuseum (Knihovna Närodniho Muzea), ....

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Gozwin von Mainz — Gresemund, Dietrich

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Gozwin von Mainz [Korr.]

Gregorius [Nachtr.]

Bd. 3, Sp. 205 Überl.: "London, Brit. Library, cod. 19991" korr.: ..., Add. MS. 19991. Ebd.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 675" korr.: ..., cod. 492 (olim675/M5).

Bd. 3, Sp. 249, am Ende des Art. ergänze: Zur Tradierung eines lat. Gifttraktates des G., der dem dominus Albertus illustris dux Austrie gewidmet ist, vgl. Georg -» Mayr (III.). Weitere Überl. in: Prag, Närodni Knihovna, Ms. XI E 9, f. 206-207V (zit. in: K. SUDHOFF, Aus d. Schrifttum Johannis von Göttingen, in: O. Glauning zum 60. Geb. Fg. aus Wiss. u. Bibl., Bd. l, 1938, S. 188-190).

'Graf Rudolf [Korr.] Bd. 3, Sp. 215, 2. Abschnitt: "am Hof des Sultans Halap, dessen Tochter Beatrise er liebt ..." korr.: Beatrise ist nicht die von Rudolf geliebte Tochter des Sultans, sondern deren Dienerin. Die Tochter ist vor ihrer Taufe namenlos.

Gresemund, Dietrich [Nachtr./Korr.] Bd. 3, Sp. 250 f. ergänze:

G. wurde zur Unterscheidung von seinem gleichnamigen Sohn auch D. von Meschede oder G. der Ältere genannt. Als GeBd. 3, Sp. 220 Überl.: "Würzburg, ÜB, cod. M. eh. q. 34, 260r-261v" korr.: ..., ... M. eh. q. burtsjahr hat sich 1444 ermitteln lassen. 18, 260r-261v. Mit Peter ->· Luder kam er 1460 in BerühEbd.: "ebd., cod. M. eh. q. 34, 226r-233v" rung, nachdem er ein Jahr zuvor das artikorr.: ..., ... 233r. stische Bakkalaureat erworben hatte. Das Medizinstudium (mit Promotion zum Dr. med.) durchlief er 1465 — 68, wahrscheinGreculus [Korr.] lich in Italien; Erfurt (SUDHOFF) jedenfalls Bd. 3, Sp. 231 Überl.: "Linz, ÜB, cod. IV 22" ) haben sich als Studienkorr.: ..., Oberösterr. LB, cod. 316 (Kat. SCHIFF- und Köln ( orte nicht nachweisen lassen. 1468 — 69 ist MANN, Nr. 14; antea Cc IV 22), die G.-Predigten Bl. 2r-139r u. d. T. 'Flores apostolorum'. Vgl. K. G. als Stadtarzt in Frankfurt a. M. tätig, SCHIFFMANN, Die Hss. der Öffentl. Studienbibl. in verläßt die Reichsstadt jedoch vor Ablauf Linz, (masch.) Linz 1935. seines Vertrages, um 1470 als Leibarzt in die Dienste Adolfs von Nassau, Erzbischofs von Mainz zu treten. Nach dessen Gregor der Große [Korr.] Tod (1475) ließ er sich in Speyer nieder, Bd. 3, Sp. 236 zu B. 1. unten: "Brüssel, Kgl. ehelichte Barbara Imelin, die ihm 1477 seiBibl., cod. 424/26" korr.: ..., cod. 422-26. nen Sohn gebar, nahm 1476 erneut seine Sp. 237 zu 3., unten: "Colmar, StB, cod. 212 11 Dienste als Stadtarzt in Frankfurt auf, (717 )" korr.: ..., cod. 717" (Kat. Nr. 212). ohne jedoch seiner Präsenzpflicht nachzuSp. 238 zu 4.: "Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. 58.4 8°" korr.: ..., cod. Guelf. 58.4 Aug. 8°. kommen und ohne seinen Wohnsitz in Sp. 240 zu 5.b): "Oldenburg, LB, cod. 75" Speyer aufzugeben. Erst 1484 übersiedelte korr.: ..., Cim I 75. D. G. mit seiner Familie nach Mainz, trat Ebd.: "Straßburg, ÜB, cod. L germ. 176 (2100)" in den Dienst des Erzbischofs, Bertholds korr.: ..., Bibl. nat. et univ., ms. 2100 (olim L von Henneberg, übernahm eine Professur germ. 176). an der Medizinischen Fakultät, amtierte Ebd. zu 5.c): "Lübeck, StB, cod. theol. germ. 1492 als Dekan und wurde 1496 als Ver11, ... (verbrannt)" korr.: Die Hs. ist nicht verbrannt, sondern 1996 aus Georgien nach Lübeck treter seines Fachbereichs mit je einem Rezurückgekehrt; vgl. J. FLIGGE / A. MIELKE / R. präsentanten der ändern drei Fakultäten SCHWEITZER, Die nd. Hss. der StB Lübeck nach der zum Bücherzensor ernannt sowie in jene Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung [...] vierköpfige Kommission berufen, die als (mit einer Liste aller nd. Hss.), in: Vulpis Adolatio, Zensurbehörde den kurmainzischen BüFs. H. Menke, hg. v. R. PETERS u. a., 2001, S. 163chermarkt dahingehend zu überwachen 217, hier S. 167, 213. hatte, daß keine Referenzwerbung betrieEbd. zu 5.d): "Berlin, mgf 923" korr.: ..., mgf 923/6. ben, keine pseudepigraphische Autorschaft 'Grammatellus' [Korr.]

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Grimlaicus

fingiert und keine verfälschende landessprachige Bearbeitung veröffentlicht werden konnte. Die bisher nachgewiesenen Schriften G.s (das Gutachten zur Frankfurter Apothekenordnung [von 1483, verschollen]; das gemeinsam mit Peter von Viersen und Albrecht -» Münsinger gefertigte Lepragutachten für eine des Aussatzes verdächtigte Patientin [von 1492; -> 'Lepraschau-Texte'] sowie das 'Pestbüchlein' von 1492/93 [GW 11508]) stehn in scholastisch-humoralpathologischer Tradition und lassen weder sprachlich noch inhaltlich humanistischen Einfluß erkennen. Als 'Ahnherr des Mainzer Humanismus' (BAUCH, S. 10; ABE, S. 69; FLEISCHER, S. 5) gibt sich G. erst durch die Erziehung seines Sohnes zu erkennen (Italicae eloquentiae plurimum amans [Wimpfeling]; vir undecumque doctissimus [Trithemius]) sowie insbesondere durch sein gastfreies Haus (den Mainzer 'Hof zum Floß' bei St. Barbara), 'das allen humanistischen Freunden (Konrad Celtis, Jakob "Wimpfeling, Johannes Vigilius) auf deren 'Reisen ... offenstand' und ihnen alles bot, was in bezug auf philosophia civilis, divina, naturalis ... pretium habe Nikolaus von Dybin. Die auffälligsten Abweichungen von der Vorlage sind Kürzungen (z. B. die Streichung der wissenschaftstheoretischen Einleitung mit den gattungstypologischen dwisiones; die Beschreibung der Briefsorten). Für die Behandlung der Salutatio zog G. auch Laurentius von Aquileja heran; bei den alphabetisch gereihten Exordia (Proverbia) nahm er regelmäßig sowohl Kürzungen als auch Erweiterungen vor. Alle übrigen Eingriffe des Bearbeiters G. halten sich an der Oberfläche. Selbst für

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Grüner, Vinzenz

die kurze neue Einleitung verwendete er wesentliche Teile des Dybin-Textes. G.s 'Rhetorica' belegt stärker als jedes andere Zeugnis die maßgebende Bedeutung der Dybin-Tradition in Deutschland, mehr noch: gerade sie belegt, daß es in der Geschichte der spätmal, rhetorischen Ars dictandi in Deutschland seit Dybin bis an die frühhumanistische Wende keine belangvollen Veränderungen mehr gab. Ü b e r l i e f e r u n g . 20 erhaltene Hss. aus der Zeit ca. 1426-1470. Die ältesten: Würzburg, ÜB, cod. M.ch.q. 112, 2r-127r, vermutlich um 1426; 127r: Explicit Rethorica [...] magistri Andree grvner de Eberßdorff quondam rectoris scolarium in dresden pronunciata jn studio alme vniuersitatis lipcensi (!) etc. - Gießen, ÜB, cod. 1248, 2r-91v, v. J. 1428; 91V: Explicit [...] Rethorica Reuerendi magistri andree groner [...]; Basel, ÜB, cod. F IX 3, 58r-148v, v. J. 1433; 148V: Explicit rhetorica reuerendi magistri andree grunerß [...]. Zu den übrigen Hss. s. WORSTBROCK. L i t e r a t u r . F. J. WORSTBROCK, Rhetorik im deutschen 15. Jh., Mlat. Jb. 37 (2002).

F. J. WORSTBROCK Grüner (Grüner), Vinzenz A. Leben. G. ist zuerst 1394 an der Univ. Prag als Kandidat und am 14. Febr. 1395 als Absolvent des artistischen Bakkalaureats bezeugt. Er ist damals und in allen weiteren urkundlichen Einträgen in Prag als Vincentius mit Zwickau als Herkunftsort verzeichnet, erst 1404 auch mit dem Zunamen Grüner. 1398 wurde er Magister. 13991400, danach erst wieder 1404 und 1408 erscheint er als Prüfer im Bakkalaureatsexamen. 1409 gehörte er nach dem Auszug der deutschen Studenten und Magister aus Prag zu den Gründungsmitgliedern der Univ. Leipzig. Er wurde als 16. und mit den Titeln eines Magister artium und eines theologischen Bakkalaureus immatrikuliert, muß demnach bereits in Prag Theologie studiert haben; gleichwohl trat er in Leipzig der Artistenfakultät bei. In den ersten Leipziger Jahren war er ein Mann in sichtbarer Position. Unter seinem Dekanat im SS 1410 wurden die ersten Statuten der Artistenfakultät formuliert.

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Im WS 1410/11 versah er das Amt des Rektors und gleichzeitig das des Vizekanzlers. Zuletzt erscheint er in den Akten der Universität unter dem 28. Dez. 1413 als Prüfer artistischer Magistranden. Wie lange G. in Leipzig gelehrt hat, bleibt ungewiß; die Kandidaten- und Prüferlisten der artistischen Examina vom SS 1414 bis zum WS 14157 16, in denen er vielleicht noch als Prüfer tätig war, fehlen. Nikolaus Schönau, der am 16. Juni 1421 wohl in der Zisterzienserabtei Altzelle seine Abschrift von G.s 'Expositio misse' (Leipzig, ÜB, Ms 587) abschloß, teilt im Kolophon mit, der magister V. G., einst lector in Altzelle, habe die 'Expositio' ebendort verfaßt. Der Altzeller Bibliothekskatalog v. J. 1514 wiederholt diese Nachricht, ohne freilich von einem lector V. G. zu sprechen (SCHMIDT, S. 251). Auch die 'Akzeller Annalen' berichten — wenngleich unter einem viel früheren, gewiß irrigen Datum (1397) — von einer Lehrtätigkeit G.s in Altzelle: [...] legebat hie fratribus [...] in artibus et in theologia (MGH SS. XVI 46). Da die älteste datierte Hs. der 'Expositio misse' (Hs. Mainz) spätestens im Sept. 1416 begonnen wurde, wird G. bereits 1415 in Altzelle gelesen haben.

G. scheint sich demnach um 1414/15 nach Altzelle zurückgezogen, dort im Ordensstudium gelehrt zu haben und vor 1421 gestorben zu sein. Nach dem Klosterannalisten wurde er in Altzelle auch bestattet. Die frühe Gelehrtengeschichte (TRITHEMIUS, Pseudo-WiMPiNA u. a.) berichtet von G.s Abgang in Leipzig und einer Tätigkeit in Altzelle nichts, doch gehört auch der Lebensabschnitt in Altzelle spätestens seit J. FELLER, 1686, zum festen Bestand der Vita. Seit dem 18. Jh. (KÖHLER, BEYER u. a.) aber hat man G. häufig als Altzeller Zisterzienser (von 1397 an) betrachtet und ihn überdies noch mit dem Abt Vinzenz (1411-1442) identifiziert so noch 1986 MAGIRIUS — , wiewohl er als Mönch niemals Zugang zum Amt des Leipziger Universitätsrektors hätte haben können. Doch ist nicht einmal sein Eintritt in den Altzeller Konvent um/nach 1414 bezeugt und auch nicht wahrscheinlich. Die Altzeller Quellen ('Annalen', Bibl.kat.) sprechen stets von einem magister, nicht von einem frater G. Zu den irrigen Nachrichten gehören auch die, daß die Gründung der Univ. Leipzig maßgeblich auf Initiativen G.s zurückgehe und er Inhaber des ersten Leipziger theolog. Lehrstuhls gewesen sei.

B. Werk. G.s Schriften sind häufig anonym überliefert. Es stehen unter seinem Namen aber auch Schriften anderer Verfasser. Die Überlieferung gibt in kei-

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Grüner, Vinzenz

nem Falle Entstehungsdaten an, wohl aber für das 'Compendium' und die 'Expositio' die Entstehungsorte und enthält für diese auch Anhaltspunkte einer annähernden Datierung. Die Schriften zur Grammatik weisen keine Leipziger Merkmale auf und gehören daher vermutlich in G.s Prager Zeit.

I. Schriften zur G r a m m a t i k . 1. 'Tractatus de quatuor speciebus grammatice' ('Grammatica Vincencii'). Der 'Tractatus' (ine. Grammatica est recte loquendi scientia. Huius quattuor sunt species [paries]) bietet eine einführende Übersicht über Stoff und Aufbau der lat. Grammatik anhand des 'Doctrinale' -* Alexanders de Villa Dei [NB], und zwar nach Maßgabe der seit Ende des 14. Jh.s üblich werdenden Einteilung des 'Doctrinale' in Orthographia (Lautlehre), Ethimologia (Morphologie), Diasinthetica (Syntax) und Prosodie; er gliedert sich demgemäß in vier Kapitel. Die Darstellung legt Wert auf die Vermittlung des Aufbaus der Grammatik als eines begrifflichen Systems und auf die Definiertheit aller Termini. Sie steigt nicht bis zur Verzeichnung etwa der Regeln und des Formenbestandes der Deklination und Konjugation hinab.

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Vir quidam sapiens dicit et verum dich ita dicere debere] handeln, den eine Erfurter Hs. unter dem nachträglich zugesetzten Verfassernamen Vincentius überliefert, aber in Freiberg (i. S.) entstanden sein läßt. Zu Vinzenz von Freiberg s. u. B. V. Ü b e r l i e f e r u n g . Erfurt, Stadt- u. Regionalbibl., cod. Ampl. Q 59, 133 Bll., frühes 15. Jh., 133r: Et sic est finis huius commenti secunde partis Allexandri [...], danach von wenig späterer Hand: [...] Expl. dicta magistri Vincencii reverendi bona et utilia collecta in Friberg; Prag, Archiv Prazskeho Hradu (Metropol, kap.bibl.), cod. M. CXXXVI, 110r-140v, 15. Jh. 140V: Expliciunt notabilia secunde partis collecta ex commento magistri Vincencii Gruener de Czwickaw [...]. 3. Die Zuweisung des anonymen Donatkommentars München, clm 7677, 48 r —124 V , an G. bei G. L. BURSILL-HALL, A Census of Medieval Latin Grammatical Manuscripts, 1981, S. 149, und die Identifizierung des Ms 1347 der ÜB Leipzig, eines gänzlich anderen Textes (mit vermeintlich gleichem Incipit), ebenfalls als G.s Donat-Kommentar (S. 105) sind irrig.

II. ' C o m p e n d i u m a r t i u m ' (grammaticae, logicae et philosophiae naturalis). Das für die neue Univ. Leipzig, so das Vorwort, und daher zwischen 1410 und 1414 verfaßte 'Compendium' (inc. Utiliora et meliora uniuscuiusque artis ceteris) besteht aus neun Teilen, die je eines der kaAusdrücklich zugewiesen ist G. der Traktat im Kolophon der Basler Hs. (182r: Explicit tractatus nonischen Fächer bzw. Bücher des Leipzimagistri vincendj grüner [...] und im Accessus der ger artistischen Grundstudiums behanSt. Galler Hs. (p. 2: ... tractatus grammatice magideln: 1. Einführende allgemeine Wissenstri vincendj grüner de zwigauia). In den Kommenschaftslehre und Grammatik, 2. Kommentaren der beiden Mainzer Hss. und in der Wolfentar zu den 'Parva logicalia', 3. zur 'Ars vebütteler Hs. wird er als Grammatica vincendj getus', 4. zu den 'Analytica priora' des Ariführt. Die Basler, die Krakauer und die beiden stoteles, 5. zu den 'Sophistici elenchi', 6. zu Mainzer Hss. sind anscheinend mit dem gleichen Kommentar versehen. den 'Analytica posteriora', 7. zu den 'Libri physicorum', 8. zu 'De anima', 9. zur Ü b e r l i e f e r u n g . Basel, ÜB, cod. F IV 49, r r r r 142 -182 (171 -211 alter Zählung), v.J. 1447; 'Sphaera materialis' des -»· Johannes von Sacrobosco. Das 'Compendium', das exakt Mainz, StB, Hs I 563, 174r—243V, mit Accessus u. Komm.; ebd., Hs I 564, lv-53r, geschr. um 1440/ auf den statutarischen Leipziger Lehrplan 45 von Joh. Ingelnheym, mit Accessus u. Komm.; abgestimmt ist, hält sich wie dieser ganz St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 888, p. 1-117, 15. Jh., an die Prager Tradition des Artesstudiums am Ende unvollst.; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., und beansprucht keinerlei Neuerungen. Es cod. Guelf. 724 Heimst., lr-38r, 15. Jh.; Krakau, r r dominiert die Logik, Rhetorik fehlt. GramBibl. Jagiell., cod. 1942 (BB XXVI 9), 3 -156 , um matik wird weitgehend sprachtheoretisch 1475, anonym. und klassifikatorisch traktiert, nicht als 2. G. muß auch einen Kommentar zum 2. Buch praktische Sprachlehre. Die Besonderheit des 'Doctrinale' Alexanders de Villa Dei verfaßt und auch Seltenheit des 'Compendium' behaben. Aus diesem teilt eine Prager Hs. mit aussteht darin, daß es das gesamte obligatoridrücklicher Zuweisung an G. Auszüge mit. Es könnte sich um den Alexander-Kommentar (ine. sche Wissen des bis zum Bakkalaureat füh-

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Grüner, Vinzenz

renden Studiengangs aus einer Hand liefert. Ü b e r l i e f e r u n g . Pommersfelden, Gräfl. Schönborn'sehe Bibl., cod. 11, 227 Bll., geschr. von Thomas Staller in studio Lipczensi 1419; Leipzig, ÜB, Ms 1347, aus Altzelle, 122 Bll., von der Hand des Nik. Schönau aus Torgau, der 1421 auch die posicio misse' (s. u. B. V.) abschrieb, als großformatige (33,7 X 26,2) Pergamenths. wahrscheinlich entstanden im Kloster Altzelle, das auf den breiten unteren Rändern mehrerer Bll. mit ornamentalen Majuskeln auch als Besitzer eingetragen ist; Prag, Archiv Prazskeho Hradu, cod. M. LXXXVI, lra-193vb, geschr. Leipzig 1421 (102rb); Wien, cod. 5331, 188 Bll., 15. Jh. Die Vorrede ist abschnittsweise abgedruckt bei MARKOWSKI, S. 143 f., in den Anm. 35-39 (zahlreiche Verlesungen und andere Versehen).

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klärt, behandelt das erste alles, was zu den Voraussetzungen des priesterlichen Amtes und zur Vorbereitung der Meßfeier gehört. Ü b e r l i e f e r u n g . Mainz, StB, Hs I 39, 146va154" + 50ra-146rb, 18. Okt. u. 13. Nov. 1416, Zuweisung an G. im Inhaltsverzeichnis f. lr; Leipzig, ÜB, Ms 587, aus Altzelle, Pergament (!), 73 Bll., geschr. von Nik. Schönau 1421 vermutlich in Altzelle (s. o. B.II.); 73V: Explicit exposicio Misse collecta in Cello, per Keuerendum magistrum Vincencium Grüner quondam lectorem ibidem. Mehr als 30 weitere, meist anonyme Hss., u. a.: München, clm 8971, lr-182r, v.J. 1418, Anfang fehlt; clm 7583, 58 Bll., v. J. 1425. Die Textgeschichte ist weithin noch nicht geprüft. Es begegnen auch Zuweisungen von G.s 'Expositio' an einen Vinzenz von Freiberg (s. u.).

Auch G.s 'Expositio' hat eine Bearbeitung erhalten; sie steht in einigen Hss. unter dem Namen Vincentius de Freiberg. Es handelt sich, bei unverändertem Incipit und Explicit, um eine stark reduzierende Ü b e r l i e f e r u n g . Trier, StB, Hs. 1038/1283 8°, Redaktion, die vom 1. Buch nur den Prolog und das Kapitel über das Sakrament 86r-225r, nach dem Wortlaut der Schlußschrift der Eucharistie beibehält, im 2. Buch die (Expliciunt disputata VIII librorum Politicorum honorabilis viri magistri Vincencii Grüner pie meErklärung des ersten Teils der Messe ausmorie) nicht lange nach G.s Tod geschrieben. Vgl. läßt.

III. Anscheinend in nur einer Hs. erhalten ist ein Kommentar G.s zur aristotelischen 'Politik': Questiones in libros Politicorum, inc.: Circa principium libri Politicorum est primo sciendum, ut dicit venerabilis Hugo in Didascalico.

CH. H. LOHR, Traditio 29 (1973) 195 f. unter 'Vincentius Grimer'.

IV. G. tritt in mehreren Hss. als Verfasser einer 'Rhetorica' auf. Diese wird jedoch Andreas -> Grüner [NB] zuzuweisen sein.

V. ' E x p o s i t i o misse'. Die 'Expositio' (ine. Venerabiles patres et domini. Desiderio desiderastis saniusque postulatis narrari] ist nach 1413/14 und vor Herbst 1416 (Hs. Mainz, Teil 1) in Altzelle (s. Hs. Leipzig) entstanden und vermutlich G.s letzte Schrift. Sie beruht nahezu ganz auf der 'Expositio misse' des Nikolaus -> Stoer, die ihrerseits mehrfach in den Hss. (und irrig noch bei HAIN, 6808-6810) unter G.s Namen läuft, und bietet wenig mehr als eine rasch absolvierte, im Aufbau unveränderte, bisweilen erweiternde, häufiger kürzende Bearbeitung, die ihre Vorlage im übrigen weithin wörtlich wiederholt (vgl. FRANZ, S. 532f.). Wie Stoers 'Expositio' umfaßt sie zwei Bücher; während das zweite die Messe selber in der Reihenfolge ihrer Teile, mit dem Hauptgewicht auf dem Canon misse, er-

Der Redaktor ist vielleicht identisch mit einem 1403 in Prag als Bakkalaureus verzeichneten und 1422 in Leipzig immatrikulierten Vincencius Haller [Heller] de Friberg (TiüsKA, S. 536). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 18803, 96ra162rb, v. J. 1425, Tractatus super canonem egregij doctoris magistri vincencij de freyberg; clm 5605, 196ra-241va, v. J. 1483, anon.; clm 28469, 3ra48rb, anon. Auch die Überlieferung der Redaktion des Vinzenz von Freiberg ist, auch wegen unsicherer Zuschreibungen in den Hss., noch kritisch zu ordnen.

VI. Nach der ausdrücklichen Zuweisung im zeitgenössischen Inhaltsverzeichnis f. l r der Mainzer Hs. ist G. der Verfasser auch eines Kommentars (ine. Circa initium huius est notandum primo quod ins publicum sive sciencia iuris) zur 'Summula de summa Raymundi' des Magister -» Adam. Im Accessus wird eine solide Bildung des Priesters gefordert. Ü b e r l i e f e r u n g . Mainz, StB, Hs I 39, 2 ra 49 , v. J. 1416, von der gleichen Hand wie G.s hier folgende 'Exposicio misse'. vb

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L i t e r a t u r . J. TRITHEMIUS, Catalogue illustrium virorum, in: J. T., Opera historica, hg. v. M. FREHER, Frankfurt 1601, Bd. l, S. 152 (fast zur Gänze fehlerhaft); K. WIMPINA, Scriptorum insignium qui in Lipsiensi universitate [...] floruerunt centuria, hg. v. J. F. L. TH. MERZDORF, Leipzig 1839, S. 39 f. (zur irrigen Autorschaft WIMPINAS vgl. J. NEGWER, K. Wimpina, 1909, S. 243-251); J. FELLER, Cygni quasimodogeniti, h. e. clari aliquot Cygnei [...] ab oblivione vindicati [...], Leipzig [1686], Bl. B-B2V; F. J. KOEHLER, Fragmente zur Gesch. d. Stadt u. Univ. Leipzig, T. l, Leipzig 1787, S. 82—85; Monumenta Historica universitatis Carolo-Ferdinandeae Pragensis, Bd. I l, Prag 1830, S. 298 f., 330, 340, 344, 346, 355, 383, 400; E. BEYER, Das Cistercienser-Stift und Kloster AltZelle in dem Bisthum Meißen, Dresden 1855, S. 109-130; L. SCHMIDT, Beitr. z. Gesch. d. wiss. Studien in sächs. Klöstern, Neues Archiv f. Sachs. Gesch. u. Altertumskunde 18 (1897) 201-272, hier S. 217; A. FRANZ, Die Messe im dt. MA, 1902, S. 527-536; E. FABIAN, Zwei Zwickauer als Mitbegründer d. Leipziger Univ., Mitt. des Altertumsver. f. Zwickau u. Umgegend 11 (1914) 13—23; J. TRISKA, Repertorium biographicum universitatis Pragensis praehussiticae 1348-1409, Prag 1981, S. 536; H. MAGIRIUS, Bibliothek u. Skriptorium Altzella, in: A. SCHNEIDER u. a. (Hgg.), Die Cistercienser. Geschichte—Geist—Kunst, 31986, S. 413; M. MARKOWSKI, 'Kompendium' Wincentego Gruenera w Przekazach rekopismiennych w Pradze i Lipsku, Studia Mediewistyczne 27 (1990) 131 — 157; F. J. WORSTBROCK, Rhetorik im deutschen 15. Jh., Mlat Jb. 37 (2002).

F. J. WORSTBROCK 'Grüninger-Bibel' drucke (10.)

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Grütsch, Conrad — Günther (von) Nordhausen

Oberdeutsche Bibel-

Ebd.: "Koblenz, Staatsarch., cod. GB 39" korr.: ..., Landeshauptarch., Best. 701 Nr. 147 (olim GB 39).

Guilelmus Brito [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 301 oben: Nach "Exposiciones vocabulorum biblie" ergänze: (Ausgabe: L. W. DALY / t B. DALY [Hgg.], Summa Britonis sive Guillelmi Britonis expositiones vocabulorum biblie, 2 Bde [Thesaurus mundi. Bibliotheca scriptorum latinorum mediae et recentioris aetatis 15 u. 16], Padua 1975).

Gudermann, Johannes Wunderblut'

-*

'Wilsnacker

Gumpold [Korr.] Bd. 3, Sp. 303 Überl.: "Brüssel, Bibl. Royale, cod. 3223 (9289)" korr.: ..., cod. 9289 (Kat. Nr. 3223). Ebd.: "Prag, Metropol. Kap.-bibl., cod. 996 (G V.)" korr.: ..., Archiv Prazkeho Hradu, cod. G. V (Kat. Nr. 996).

Gundacker von Judenburg [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 305, 1. Abschnitt: Zu dem Prosatext, den GEITH für eine Quelle G.s hielt, vgl. auch -> 'Klosterneuburger Evangelienwerk' (1.) des -> Österreichischen Bibelübersetzers [NB]; es handelt sich bei dem auch als Auszug überlieferten Text umgekehrt um eine Prosaauflösung aus G.s 'Christi Hort' (Hinweis W. Fechter j·).

Günther (von) Nordhausen OSB Grünpeck, Joseph -» Maximilian I. (IV. 1.)

I. Leben. G. stammt aus einem Erfurter PatrizierGrütsch, Conrad [Korr./Nachtr.] geschlecht und wurde 1434 zusammen mit seinem älteren Bruder Hermann (gest. Bd. 3, Sp. 292 Überl.: "in 29 Drucken": vgl. das 1494) dem dortigen Benediktinerkloster Verzeichnis bei MASSA, S. 224 f. (34 Drucke einschl. St. Peter als Oblate übergeben. Seit 1437 der des 16. Jh.s). Ebd.: "Würzburg, Bibl. des Franziskanerklohat G. an der Univ. Erfurt studiert, wo er sters, cod. 38" korr.: ..., cod. I 38. 1441 zum Bacc. art. und 1444 zum Mag. Sp. 294 zu Lit. ergänze: W. MASSA, Die Euchari- art. promoviert wurde. Nach dem Einzug stiepredigt am Vorabend d. Reformation, Diss. der Bursfelder Reform in das Peterskloster theol. Bonn 1966 (= Veröff. d. Missionspriester(1447) war G. dort zunächst Kustos, dann seminars S. Augustin, Siegburg. 15), S. 31, 139 — Prior und schließlich von 1458 bis zur Re142 u. ö. signation 1500/01 Abt. Am 9. Jan. 1503 ist er in Erfurt verstorben. Sein Grab lag im 'Guido von Alet' [Korr.] Hochchor der Peterskirche. Im Dienste der Bursfelder Kongregation Bd. 3, Sp. 300 Überl.: "Straßburg, ÜB, cod. germ. 724" korr.: ..., ms. 2932 (olim Lgerm. 724). hat G. den Konvent zu neuer Blüte geführt,

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Günther (von) Nordhausen

wie die Nachrichten über die wirtschaftlichen Verhältnisse, Baumaßnahmen und Hebung der Klosterdisziplin erkennen lassen. Vor diesem Hintergrund ist auch sein Interesse an der Geschichtsschreibung zu sehen. G. hat weit über das bedeutende Erfurter Peterskloster hinaus gewirkt und war einer der führenden Köpfe der Bursfelder Reform. Q u e l l e n . FRANK, S. 245 f.; KLEINEIDAM, 1985, S. 429; R. C. SCHWINGES u. a. (Hgg.), Das Bakkalarenregister der Artistenfakultät der Univ. Erfurt 1392-1521 (Veröff. d. Hist. Kommission f. Thüringen. Große Reihe 3), 1995, S. 57.

II. Werke. 1. Von den literarischen Werken G.s, die Johannes Butzbach im 'Auctarium de scriptoribus ecclesiasticis' summarisch bezeugt (monumenta quedam, non irreligiöse institutionis documenta, Bonn, ÜB, S 356, 216V, zit. nach FRANK, S. 245), ist nur eines überliefert: 'De historiae studio et utilitate', verfaßt in Erfurt 1481. Dieser Traktat über den Wert historischer Aufzeichnungen, der an die Äbte und Verantwortlichen der Bursfelder Kongregation gerichtet ist, möchte zur Beschäftigung mit der Geschichte ermuntern und insbesondere die Klosterhistoriographie anregen (zum Inhalt eingehend KLEINEIDAM, 1985, S. 376 f., SCHREINER, 1991, S. 299 f.). Für G. ist Geschichtlichkeit 'eine Grundbestimmung des Menschen, der Welt und des göttlichen Heils' (ebd., S. 299). Deshalb fordert er, daß sich in jedem Kloster ein Mönch als magister historiarum dem schwierigen negotium de conscnbendis chronicis seu annalibus monasticis widmen solle. Der Papst und die Landesherren sollten entsprechende Darstellungen der Kirchenund Territorialgeschichte anregen. Abt G. stellt die Klostergeschichtsschreibung, die vor allem der Wahrheit verpflichtet sein müsse, in den Dienst der monastischen Reform. Welchen hohen Stellenwert die Historiographie im Erfurter Peterskloster besaß, zeigt das 1494/95 entstandene 'Chronicon ecclesiasticum' des Nikolaus von Siegen, welches von G. angeregt worden sein dürfte. In diesem Zusammenhang ist auch auf Heinrich Bodos Chronik des Klosters Clus, die Hirsauer Jahrbücher des Johannes -> Trithemius

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[NB] und andere Geschichtswerke aus Bursfelder Klöstern zu verweisen, weshalb es denkbar ist, 'daß die Anregung des Erfurter Abtes auf fruchtbaren Boden fiel' (FRANK, S. 144).

Als Plädoyer für das Interesse an der Geschichte ist G.s Traktat 'durch seinen Gedankenreichtum und durch seine kraftvolle, bilderreiche und verständliche Sprache bedeutsam und bis heute lesenswert' (KLEINEIDAM, 1985, S. 376). Seine Ausführungen knüpfen einerseits an die Tradition mal. (Kloster-) Geschichtsschreibung an, zeugen andererseits aber auch schon vom neuen humanistischen Impuls in der Historiographie. G.s recht konkrete Empfehlungen, beispielsweise die Gründer des Klosters, die Reihenfolge der Äbte, die Besitzgeschichte oder die Verbindungen zur Bistumsgeschichte zu erforschen, zeigen, daß er den Vorstellungen der Humanisten entsprechend die Aufgabe des Geschichtsschreibers in der Rekonstruktion der Vergangenheit erblickt. In diesen Forderungen verband sich der 'Memoria-Gedanke des Mittelalters' mit dem 'Ruhmesgedanken der Renaissance' (SCHMIDT, S. 81). Ü b e r l i e f e r u n g . Melk, Stiftsbibl., cod. 20 (olim 1085 bzw. 1836), S. 207-213 (Abschrift von ca. 1730). A u s g a b e . FRANK, S. 382-387.

2. In der Bursfelder Kongregation hat G. eine hervorragende Rolle gespielt, was u. a. daran ablesbar ist, daß das Generalkapitel während seiner Amtszeit häufig in Erfurt getagt hat. G. hat 1460, 1463, 1465, 1472, 1480 und 1485 vor diesem Gremium gesprochen. Johannes Butzbach lagen Anfang des 16. Jh.s noch drei Reden vor, doch sind diese nicht mehr erhalten. Von den Reformbemühungen G.s im Erfurter Peterskloster zeugen auch rechtliche und wirtschaftliche Aufzeichnungen, deren Notwendigkeit er in 'De historiae studio' begründet hatte: neben einem Zinsbuch von 1468 mit eigenhändigen Eintragungen des Abtes ('Liber hereditarius censuum domini abbatis': London, Brit. Library, Add. MS. 10964) ist vor allem ein Zinsbuch von 1482 und das Kopialbuch von ca. 1483/84 zu erwähnen, die von seinem Bruder Hermann von Nordhausen angelegt wurden

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Gurdelers, Katharina — 'Gutalag und Gutasaga'

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(FRANK, S. 136f.). Die Hausordnung für 'Güssinger Weltgerichtsspiel' das Peterskloster (Inc. Item aliqua puncta Erst 1985 bekannt gewordener bair. sive penitencie) ist wohl von G. selbst um Sproß der Vulgatfassung der meist alem. -» 1474 in Anlehnung an die Bursfelder GeWeltgerichtsspiele [s. Verweise]. wohnheiten entworfen worden (FRANK, S. 245, ediert ebd., S. 374ff.). Ü b e r l i e f e r u n g . Budapest, Bibl. et Archivum L i t e r a t u r . B. FRANK, Das Erfurter Peterskloster im 15. Jh. Stud, zur Gesch. der Klosterreform u. der Bursfelder Union (Veröff. d. Max-PlanclcInstituts f. Gesch. 34), 1973; E. KLEINEIDAM, Universitas Studii Erffordensis. I (Erfurter Theolog. Stud. 14), 21985, bes. S. 377f.; K. SCHREINER, Erneuerung durch Erinnerung. Reformstreben, Geschichtsbewußtsein u. Geschichtsschreibung im benediktinischen Mönchtum Südwestdeutschlands an der Wende vom 15. zum 16. Jh., in: K. ANDERMANN (Hg.), Historiographie am Oberrhein im späten MA u. in der frühen Neuzeit (Oberrhein. Stud. 7), 1988, S. 35-87, bes. S. 49ff.; P. G. SCHMIDT, Das Chronicon Ecclesiasticum des Nikolaus von Siegen. Monastische Geschichtsschreibung um 1500, in: A. BÜCK u. a. (Hgg.), Geschichtsbewußtsein u. Geschichtsschreibung in der Renaissance (Studia Humanitatis 7), 1989, S. 77 — 84, bes. 79 ff.; K. SCHREINER, Geschichtsschreibung im Interesse der Reform. Die 'Hirsauer Jahrbücher' des Johannes Trithemius (1462—1516), in: Hirsau, St. Peter und Paul 1091-1991, Teil 2 (Forsch.n u. Berichte d. Archäologie d. MAs in Baden-Württemberg 10/2), 1991, S. 297-324, bes. S. 299 f.; E. KLEINEIDAM, Universitas Studii Erffordensis II (Erfurter Theolog. Stud. 22), 21992; C. PROKSCH, Klosterreform u. Geschichtsschreibung im SpätMA (Kollektive Einstellungen u. sozialer Wandel im MA, NF 2), Köln u. a. 1994.

P. P. Franciscanorum, Cod. Esztergom 11, 102r— 123r. A u s g a b e n . Hj. LINKE, Das Güssinger Weltgerichtsspiel (German. Bibl. NF. 4. Reihe: Texte, Bd. 9), 1995; ders., Die dt. Weltgerichtspiele d. späten MAs, 2001. L i t e r a t u r . D. TRAUDEN, Gnade vor Recht (Amsterdamer Publikationen zur Sprache u. Lit. 142), Amsterdam/Atlanta 2000.

HANSJÜRGEN LINKE 'Gutalag und Gutasaga', dt. (Gotländisches Recht und Chronik, dt.) Zwei ursprünglich in gutnischer Sprache abgefaßte Texte in md. Übersetzung aus der Zeit der Besetzung Gotlands durch den Deutschen Orden (1398-1408). Ü b e r l i e f e r u n g . Einziger Textzeuge der dt. Fassung ist Stockholm, Kgl. Bibl., cod. B 65, l ra -28 vb : 'Gutalag'; 28vb-32vb: 'Gutasaga' (Schluß fehlt). Die Hs. ist Bl. 28vb im Kolophon zum 'Gutalag' datiert auf Palmsonntag (27. März) 1401. Die Texte folgen — wie in der gutnischen Fassung — direkt aufeinander und sind augenscheinlich von derselben Person zur selben Zeit (ab)geschrieben.

ENNO BÜNZ

Ausgaben. K. SCHILDENER, Guta-Lagh, das ist: Der Insel Gothland altes Rechtsbuch. In der Ursprache und einer wiederaufgefundenen altdt. Übers.; Gurdelers, Katharina [Korr.] mit einer neudt. Übers, nebst Anmerkungen, GreifsBd. 3, Sp. 327 Z. 13: "-> Zynckler" korr.: -> wald 1818; C. J. SCHLYTER, Gotlands-Lagen. Codex Cynckler [NB]. iuris Gotlandici, cum notis criticis ... (Corpus iuris Sueo-Gotorum antiqui Vol. VII), Lund 1852 (Zitierausgabe, jedoch fehlerhaft); neuschwed. Übers.: A. 'Güssinger Totentanz' HOLMBÄCK / E. WESSEN, Svenska Landskapslagar, Zur Familie des ->· Oberdeutschen vier- Bd. 5, Stockholm 1943, S. 203-322 (mit Anm.n). Faksimile: E. WESSEN, Lex Gotlandiae Svevice zeiligen Totentanzes' [NB] gehörig. Zwar et Germanice e codicibus B 64 et B 65 Bibl. Reg. schon 1883 aufgefunden, aber erst 1985 Holm. (Corpus Codicum Suecicorum medii aevi, bekannt gemacht. Vol. V), Hafniae 1945. Ü b e r l i e f e r u n g . Budapest, Bibl. et Archivum a. 'Gutalagen'. Die älteste erhaltene P. P. Franciscanorum, Cod. Esztergom 11, 137r— 141V. Hs. einer gotländischen Fassung (StockA u s g a b e . Hj. LINKE, Der Güssinger Totentanz, in: Architectura Poetica, Fs. J. Rathofer (Kölner german. Stud. 30), 1990, S. 277-297.

HANSJÜRGEN LINKE

holm, Kgl. Bibl., cod. B 64; Sigle A) stammt aus der Mitte des 14. Jh.s. Aufgrund von Unterschieden in der Artikelzahl und -anordnung ist auszuschließen, daß diese Hs.

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'Gutalag und Gutasaga'

die Vorlage für die dt. Übersetzung war; diese geht auf eine ältere Version zurück (die ältere Lit. auswertend EIMER, S. 292 f.). Über die Datierung des Originals gehen die Ansichten auseinander (zusammenfassend STRAUCH, S. 224); der ältere Teil dürfte nach STRAUCH um 1220 entstanden sein. Kapitel 61 a (in der dt. Version Kap. 75, Abs. 2) gibt detaillierte Anweisungen zur Fortschreibung des Rechts, was u. a. bedeutet, daß es sich beim 'Gutalag' um ein Gesetzbuch und nicht um ein Rechtsbuch handelt (vgl. STRAUCH, S. 224b). 'Gutalag' ist das Recht der gotländischen Bauern, für die 'Handel und Seefahrt keine Rolle spielen' (STRAUCH, S. 222b). Geregelt werden Kirchenrecht, Frieden, Erb- und Strafrecht (eine Inhaltsübersicht nach Hs. A gibt STRAUCH, S. 224-226). Die md. Übersetzung des gutnischen Textes erfolgte im Auftrag des Deutschordensvogts auf Gotland, Johann Techwitz (vgl. J. VOIGT, Namen-Codex der Deutschen Ordens-Beamten ..., Königsberg 1843, Reg.). Im Kolophon nennt sich als Schreiber ein Peter Warthenberg van Costan (dazu vgl. EIMER, S. 292 und EKELUND, S. 3). Als Übersetzer wird ein Her Svnye (so die korrekte Lesung nach der Hs., Mitt. v. L. Kurras, Stockholm), Vorsteher des St.-GeorgHospitals vor der Stadt Gotland (d. i. Visby) genannt, der unter Sune urkundlich nachweisbar ist (Zusammenstellung der Belege bei EKELUND, S. 2 f.). b. 'Gutasagan'. Die in Hs. A in vier und in der md. Übersetzung auf sechs Kap. aufgeteilte 'Gutasaga' ist in der dt. Hs. vom 'Gutalag' lediglich durch eine Leerzeile getrennt und der Beginn durch eine Initiale gekennzeichnet, eine eigene Überschrift fehlt. Dargestellt wird die Besiedlung und Aufteilung der Insel und die Verbreitung der Gotländer bis Griechenland (Kap. l — hier nach der md. Übersetzung); über den früheren heidnischen Glauben der Gotländer (Kap. 2); Vereinigung mit Schweden (Kap. 3); erster Bekehrungsversuch zum christlichen Glauben durch den geflohenen König Olav von Norwegen (Kap. 4); endgültige Bekehrung und Ein-

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bindung in das Bistum Linköping (Kap. 5) und Verpflichtung zu Kriegszügen (Kap. 6). Ab Kapitel 5 werden kaum mehr chronologische Fakten geschildert als vielmehr Rechtsvereinbarungen kundgetan. — Ob der md. Fassung der 'Gutasaga' ebenfalls ein Kolophon angehängt war, läßt sich wegen des fehlenden Schlusses nicht mehr feststellen; die geradezu akribische Dokumentation der Übersetzung von 'Gutalag' spricht allerdings dafür. Beide Texte bilden nicht nur überlieferungsgeschichtlich eine Einheit, sondern auch inhaltlich, denn der als 'Gutasaga' bezeichnete Text bietet nach den historischen Aufzeichnungen (s. o.) Staats- und kirchenrechtliche Bestimmungen und kann somit als Ergänzung zum 'Gutalag' angesehen werden (in diesem Sinne auch NAUMANN, S. 227). In der dt. Forschung blieben die Texte weitgehend unbeachtet. Ob der Dt. Orden die Übersetzung aus staatsund rechtspolitischen Erwägungen anfertigen ließ (EiMER, S. 281-286 u. 292-294) oder ob dies eine Art Routineaktion war, bedarf noch weiterer Klärung, denn etwa aus derselben Zeit stammen Aufzeichnungen anderer Rechte im Preußenland aus Deutschordensbesitz (-» 'Preußisches', ->· 'Polnisches' und -» 'Lübisches Recht' [NB] z. B. in der heute verschollenen Hs. Elbing, StB, Q 84 [Beschreibung und Auswertung demnächst in R. G. PÄSLER, Dt.sprachige Sachlit. im Preußenland bis 1500, Diss. phil. Oldenburg 1999, im Druck]). In diesem Zusammenhang müßten sowohl die Literaturauffassung im Dt. Orden als auch die Rechtspflege dieser Institution für die Zeit um 1400 erneut diskutiert werden. L i t e r a t u r (nur zur dt. Übers.; Literaturhinweise zu den gutn. Texten sind den Artikeln von STRAUCH und NAUMANN [s. u.] zu entnehmen.): O. KEHLERT, Die Insel Gotland im Besitz des Dt. Ordens, Altpreuß. Monatsschrift 24 (1887) 385-442; S. EKELUND, Stud, über eine md. Übers, des altgutnischen Rechtes, Lund 1906; K. VON AMIRA / K. A. ECKHARDT, Germ. Recht, Bd. I: Rechtsdenkmäler, 4 1960, S. 108 f.; B. EIMER, Gotland unter dem Dt. Orden u. die Komturei Schweden zu Ärsta, Innsbruck 1966; H. GOING, Hdb. der Quellen u. Lit. der neueren europ. Privatrechtsgesch. 1. Bd.: MA (1100-1500). Die gelehrten Rechte u. die Gesetz-

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'Eine gute Klosterlehre' — 'Gute Lehren über den gemeinen Nutzen'

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gebung, 1973, S. 765; E. SJÖHOLM, Gesetze als dighest geschicket, dar nement syner eyQuellen mal. Gesch. des Nordens, Stockholm gene begherde en volghede ... Die Zitat1977; D. HOFMANN, Gotlands alte Sprache u. ihre folge ist streckenweise derart dicht, daß Zeugnisse, in: R. BOHN (Hg.), Gotland. Tausend ein eigenständiger Autoranteil kaum ausJahre Kultur- u. Wirtschaftsgesch. im Ostseeraum, gemacht werden kann. 1988, S. 27-40, hier S. 36 f.; H. EHRHARDT, GutaDer erste Teil der kurzen Lehre versamlag u. Gutasaga, in: Lexikon d. MAs 4, 1989, melt Aussprüche über die Verwaltung des Sp. 1801; U. ARNOLD / L. KURRAS, in: G. BOTT / U. ARNOLD (Hgg.), 800 Jahre Dt. Orden (AusstelGemeinen Gutes zum Nutzen der Gemeinlungskatalog), Gütersloh 1990, S. 88; D. STRAUCH, schaft. Der zweite Teil spricht direkt die Gutalag, in: 2RGA 13, 1999, Sp. 223-226; H.-P. konynghe, vorivesere und ricbter der werlt NAUMANN, Gutasaga, ebd., Sp. 226-229.

an — und wendet sich somit auch an das Fürstenspiegel-Publikum —, die ihnen von Gott gegebene Macht nicht zu mißbrauchen, da Gott von ihnen Rechenschaft forgute Klosterlehre' [Korr.] dern werde, weshalb sie, 'die in der Welt Bd. 3, Sp. 330 Liberi.: "Salzburg, ÜB, cod. V 3 H urteilen', die rechtuerdikeyt lieben (und (148/6)" korr.: ..., cod. M I 476 (olim V 3 H 148). ausüben) sollen. Hierfür werden im dritten Ebd. unten: "Melker Hs. 615" korr.: ... Hs. 1569 Teil zahlreiche Beispiele und Vorbilder (olim 615; L 27). (u. a. Pythagoras) vorgestellt. Augustinus secht: Ane rechticheit syn de rike vnd de 'Gute Meinung von dem Sünder' [Nachtr.] lande nicht men mortkulen. Idem: RechticBd. 3, Sp. 331 f.: Ergänzende Angaben zu Überl., heit is not allen riken vnd steden vnd ok Abdrucken und Literatur unter -»'Spruch der Engel den bösen. De rouere vnd mordere konden Uns engel wundert all geleich'' (L). Vgl. auch KORNnicht bestan ane rechticheyt, se moten like RUMPF/VÖLKER, München, S. 55 (zu 'Spruch der delen den raff, edder ere ghesellen werdet Engel' und Exempel vom 'Tod des Sünders'). deme houetmanne gram vnd settet ene äff (S. 30). Zur Mehrung des Gemeinen Nut'Gute Lehren über den gemeinen Nutzen' zen tragen nicht nur 'gute Sitten' und 'tu('Bone doctrine pro communi bono') gendhafte Gewohnheiten' bei, sondern auch kluger Rat, hierfür liefert Teil 4 BeiÜ b e r l i e f e r u n g . Emden, Bibl. der Gesellschaft spiele. Der fünfte Teil definiert die richtige für bildende Kunst u. vaterl. Altertümer, Hs. 64, 199r-208r (REIFFERSCHEID: 142r-151r; zur Hs. Grundhaltung aller derjenigen, die über s. a. -> Josep). das Gemeine Gut regieren, sie schollen hebben eynen willen, vnd eyne gude Ausgabe. A. REIFFERSCHEID, Geistliches u. vpsate, dat dat ghemene gud blyue vnd Weltliches in mnd. Sprache nach der Emdener Hs. Nr. (139) 64, I. Teil, Emdener Jb. 14 (1902) 1-38, vortga, also Tullius secht 2° libro de offihier S. 27-37. ciis (S. 35). Als Vorbilder dienen hier (auch Inhalt. Traktat über den Gemeinen Nut- alttestamentliche) Personen, die zum zen in nd. Prosa, überwiegend Zitaten- Wohle des Ganzen (Volk, Gemeinde) sogar sammlung v. a. aus Cicero, 'De officiis'; gestorben sind, um sie vor Schaden zu beAugustinus, 'De civitate dei' u. a. Schrif- wahren. Das Ende des Textes ist unklar, an ein ten; Aristoteles, 'Politik'; aber auch Plato, 2. Psalm und Sprüche Salomos, Ambro- letztes Ambrosius-Zitat (REIFFERSCHEID, sius, Seneca, Valerius Maximus, Isidor, S. 37) schließt sich ein Absatz an, der über Sallust, Johannes Chrysostomus. Die Zi- Kleidung und Verhalten von Frauen (Nontate stehen teilweise in Latein mit mnd. nen?) handelt, darauf folgt 'Catena aurea' Übers./Paraphrase. Initium (nach REIFFER- (STAHL, S. 52). Quellen sind — neben den genannten SCHEID, S. 27): Hir sind ghesammelt gude, nutte lere der heydenschen vnd andere Autoritäten — nicht festzustellen. Ob meyster to der ghemeynen nud. Plato secht Übersetzung eines -» Fürstenspiegels bzw. in Thymeo: De stad werd alderrechtuer- Auszuges? RALF G. PÄSLER

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'Von guten Pflastern und Salben' — 'Der gute Wirt'

L i t e r a t u r . E. SCHÜTZ, Joseps Sündenspiegel (Nd. Stud. 19), 1973, S. 8-13 (zur Hs.), bes. S. 9 f.; I. STAHL, Hss. in Nordwestniedersachsen, 1993, S. 51—53. Zum Begriff vgl. jetzt P. HIBST, Utilitas Publica—Gemeiner Nutzen—Gemeinwohl. Unters, zur Idee eines politischen Leitbegriffs von d. Antike bis zum späten MA, 1991 (mit ausführl. Darstellung der antiken und hochmal. Vorstellungen). GUNHILD ROTH

'Von guten Pflastern und Salben' [Korr.] Bd. 3, Sp. 332: Die Ausgabe von Ch. Boot ist nicht erschienen. Stattdessen: D. LEHMANN, Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jh.s vom Oberrhein, Teil I: Text u. Glossar (WmF 34), 1985, S. 31 — 140; A. LEHMANN, dass., Teil II: Kommentar (WmF 35), 1986, S. 87-237.

'Der gute Wächter' Anonym überlieferte Minnerede Reimpaarversen (ca. 220 vv.).

in

Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, SBB-PK, Hdschr. 115, 13r-15r. Unediert.

Ein Wächter wird aufgefordert, sein Hörn erschallen zu lassen, weil der Morgenstern den Tag bereits angekündigt habe. Ihm wird mit Verlust seines Lohns gedroht, wenn er die Liebenden nicht rechtzeitig warne. Wie sich im folgenden zeigt, dienen diese ersten Verse jedoch nur als Gattungssignal, da der Wächter nun angewiesen wird, die Liebenden zueinander zu führen, weil er ihrer beider Zeichen kenne. So erklingt anstelle des Tagelieds des Wächters sein Abendlied, in dem er den Ritter seiner vollen Loyalität versichert, ihm verspricht, ihn vor dem Gerede der 'Klaffer' zu beschützen, und ihm den rechten Zeitpunkt für sein Kommen mitteilt. So unterstützt, findet der Ritter die Tür zu seiner Geliebten, die ihn zärtlich empfängt. Ein Gespräch der Liebenden schließt sich an, in dessen Verlauf sie sich gegenseitige Zuneigung und Treue geloben und einander Unterpfande ihrer Liebe anbieten: Sie will ihm einen Zettel mit seinem Lob geben, er ihr einen goldenen Ring als Unterpfand für sein Leben und Gut. Die Warnung des Wächters vor dem Tag wird von den Liebenden zunächst mißach-

tet, dann aber bleibt die Frau unter Tränen zurück und klagt mit bitteren Worten die Klaffer an. Der Text bricht mit einem Halbvers ab. Klafferschelte und fromme Wünsche der Liebenden durchziehen den Text. Die Erzählung wird einige Male durch den Wunsch des 'Dichter-Ichs' unterbrochen, an einer solchen Liebe teilhaben zu dürfen. Die für eine Minnerede ohnehin ungewöhnliche Tagelied-Thematik findet hier eine zusätzliche Abwandlung, da der Autor in nicht ganz schlüssiger Weise Abend- und Morgenlied zu einer 'Nachtweise' verbindet, wie sie sich beim Burggrafen von -»· Lienz (Lied I) findet. Die Figurenkonstellation dieses Tagelieds mit der Dienerin, die den Wächter instruiert, könnte auch für die vorliegende Minnerede angenommen werden, obwohl der erste Dialogpartner des Wächters nicht präzise benannt wird. Die einzige andere bekannte Minnerede, in der ebenfalls eine Tagelied-Situation geschildert wird (->· 'Der Knappe und die Frau') ist u. a. in derselben Hs. wie 'Der gute Wächter' überliefert. Zum zweiten Tagelied des ->· Marners bestehen bis auf dessen Eingang (Guot wahter wis] und die allgemeine TageliedThematik keine Verbindungen. Die Mitüberlieferung der Minnerede in der um ca. 1590 zu datierenden Hs. weist auf eine Entstehung im 15. Jh. L i t e r a t u r . T. BRANDIS, Eine späte Minneredenhs., Codices manuscript! 9 (1983) 19—25, hier S. 20-21.

REGINA D. SCHIEWER 'Der gute Wirt' ('Der Wirt der Seele') Lob des Priesters in Reimpaarversen. Einige Reime sprechen für alem. Herkunft. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 714 (Raum Nürnberg, 3. Viertel 15. Jh.), 203r-206r. Unediert.

1 — 12: Ein guter Gastgeber bietet seinen Gästen lieplich grüssen, raine speiß, senfftes pett und sussen segen. Diese vier tugent werden v. 13 — 40 auf das Wirken des Priesters gedeutet: Er gibt Entlastung von Sünden, Fülle der Gnade, Frieden des Geistes

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Gutolf von Heiligenkreuz — Guy de Chauliac

und Segen für die langen herfart. Der weitere Preis scheint an die vier Hofämter anzuknüpfen. 41—68: Der Priester verwaltet als kamerer Gottes den größten Schatz, die sieben Sakramente. 69 — 108: Als truchseß reicht er Kostbareres, als David, Salomon und Alexander besaßen; ja die Wundertafel des Grals von Tyterel, Aufferte (Anfortas), Firmitel (Frimutel), und Parcifal war armselig gegen ihn, der dem Tisch Christi gleicht. Mit der Erwähnung des Diebes Judas, der mit beim Abendmahl saß, bricht der Text ab, ohne Lücke in der Hs., aber sicher unvollständig. B. WACHINGER

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Gutolf von Heiligenkreuz OCist [Korr.] Bd. 3, Sp. 344 zu 7., Überl.: "Gräflich Wilczek'sche Bibl. auf Burg Kreuzenstein, cod. 5865/III" korr.: heute Wien, ÖNB, cod. Sen nova 35755. Ebd. zu 8., Überl.: "Linz, ÜB (früher Studienbibl.), cod. . p. 6" korr.: Linz, Oberösterr. LB, cod. 336 (Kat. SCHIFFMANN, Nr. 14; antea . p. 6); vgl. K. SCHIFFMANN, Die Hss. der Öffentlichen Studienbibl. in Linz, (masch.) Linz 1935.

Guy de Chauliac [Korr.] Bd. 3, Sp. 350 zu c., Überl.: "Freiburg i. Br., ÜB, Hs. 288, 70r-85r" korr.: ..., Hs. 188, 54r-69r (neue Zählung). Vgl. W. HAGENMAIER, Die dt. mal. Hss. der ÜB u. die mal. Hss. anderer öffentlicher Slg.n [Katalog Freiburg/Br. 4], 1988, S. 37.

H Hadlaub, Johannes [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 380 zur Überl. in Hs. C vgl. -» 'Zürcher RichtebrieP (3.).

Hagen, Johannes [Korr.] Bd. 3, Sp. 393 zu 2.: "Prag, ÜB, cod. 2797" korr.: ..., Narodni Knihovna, cod. adlig. 41. G. 15 (Kat. Nr. 2797). Sp. 396 zu f): "Augsburg, StB, cod. W. Fol. 286" korr.: ...,2° Cod 286.

Haider, Ursula [Korr.] Bd. 3, Sp. 400 Z. 8: Streiche Verweispfeil auf Heinrich Karrer (keine Schriften bekannt!).

Hainricus -> Heinrich, -»· Heinricus Hainvogel, Konrad -*· Heinfogel, K. 'Halberstädter Marienklage' [Korr.] Bd. 3, Sp. 413: Die Bruchstücke der . Mkl.' sind verschollen; zuletzt in Halberstadt, Gymnasialbibl., ohne Sign. Die angegebene Signatur Berlin, SB, Mus. Ms. 40021 ist unzutreffend; vgl. BERGMANN, Spiele, Nr. M 51. Ebd. Ausg.: "Progr. Halberstadt 1880, S. 24" korr.: Königliches Dom-Gymnasium in Halberstadt. Oster-Programm 1881, S. 31 f.

Haller, Hans II. 1. Hans II. Haller wurde um 1443 als Sohn Conrads III. Haller (f 1449) und der Agnes Rieter (f 1449) in Nürnberg geboren. Wie viele seiner Familie, die sich als Politiker und Beamte im Dienst für Kaiser und Reich wie an Fürstenhöfen bewährten, verbrachte er pey einem mechtigen hern, der ser gewaltig waß pey dem romischen kayser, und von diesem gefördert vier Jahre am Hof Kaiser Friedrichs III., der

ihn am 11. 3. 1463 für seine Verdienste, insbesondere bei der Belagerung der Wiener Burg 1462, mit Gnadenbrief (goldene Krone im Wappen: Nürnberg-Großgründlach, Arch. d. Frhr. Haller von Hallerstein, Abt. Hallerarch., Urkunden Privilegien) und am 5. 6. desselben Jahres mit dem aragonesischen Kannenorden auszeichnete. Namentlich erwähnt wird H. in diesem Zusammenhang von Michel -* Beheim in seinem 'Buch von den Wienern'. Am 10. 9. 1463 heiratete H. Margaretha Schnöd, Tochter des Sigmund Schnöd und der Clara Tucher. Ab 12. 8. 1478 erscheint er als Kirchenmeister zu St. Sebald in Nürnberg, wird jedoch krankheitshalber bereits am 24. 9. 1482 durch Sebald Schreyer abgelöst. In seinem Testament vom 24. 7. 1490 (Nürnberg, Staatsarch., Rep. 82 Norica aus Ungarn, A 40) stiftete H. einen Jahrtag in der Sebalduskirche, wo er auch 1493 (f 6. oder 9. Mai, vgl. BURGER bzw. CHH 1,109r sowie Totenschild in Großgründlach), neben dem Hallerschen Erhartaltar, beigesetzt wurde. 2. 1488 legte H. ein puch ... von meinem gesiecht und herkamen an, als vil ich des erfarn hab mugen durch mancherlei brief und schrift vil erber leut, geistlich und weltlich (CHH I). Sämtliche Familienmitglieder, beginnend mit Ulrich I. Haller (f 1324/25), weist er durch inserierte Urkundenabschriften nach, verzeichnet die Daten aller ihm bekannten Heiratsbriefe und fügt die einschlägigen farbigen Wappen hinzu. Er notiert alle urkundlich nachweisbaren Schultheißen von 1282 — 1487 sowie die Pfleger und Kirchenmeister zu St. Sebald von 1309-1483 und fügt für sich eine kolorierte Federzeichnung des ihm verliehenen Ordens samt Urkundenabschrift und Ahnenprobe der Haller-

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Haller, Hans II.

Schnöd bei (Abb. bei ROTHENFELDER). Zu dem von seinem Vetter Conrad IV. H. und anderen bis zum Ende des 16. Jh.s weitergeführten Familienbuch gehört ein von H. gefertigter großer Stammbaum in Deckfarbenmalerei auf Pergament mit Namen und Wappen — wohl einer der ältesten erhaltenen in Nürnberg. 1490 legt H. ein zweites Buch (CHH II) an, in dem er außer den Hallerschen Agnaten nun auch sämtliche Cognaten mit Namen und Wappen aufführt (3 r —48 r , ebenfalls CHH III, 88r-132v). Für über 350 Familien werden damit genealogische Nachweise erbracht, die das Connubium mit verwandten Geschlechtern und dem landsässigen Adel dokumentieren. Integriert ist weiterhin das älteste erhaltene Verzeichnis der von Jobst Tetzel begonnenen und von Ruprecht -»· Haller weitergeführten Liste aller Ratsmitglieder (265 r —292 V ; ebenso CHH III, 144r-167v). In einem Sammelband Christoph Scheurls aus dem 16. Jh. (CHH III), der reiches Material zur Nürnberger Geschichte enthält, finden sich schließlich weitere Zeugnisse von H.s historischem Interesse: ein 1490 von ihm verfaßtes Verzeichnis aller ehrbaren Nürnberger zu seiner Zeit (12 r —51 V ; z. T. mit Vorfahren) sowie im gleichen Jahr gefertigte Abschriften von Ulman -» Stromers 'Püchel von meim gesiecht' (54 r —85 V ), das er mit umfangreichen Korrekturen und Ergänzungen zu den familiengeschichtlichen Passagen versah (in der Edition von HEGEL nicht berücksichtigt), und von Konrad ->· Paumgartners 'Geschlechterbuch' (134r-143v). Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg-Großgründlach, Arch. d. Freiherren Haller von Hallerstein, Abt. Hallerarchiv, Geschlechterbücher CHH-I, II und III (III = früher Scheurl Cod. H, bis 1926 im Germ. Nationalmus., Nürnberg).

Nürnberg nimmt in der reichhaltigen Überlieferung seiner Geschlechterbücher eine einzigartige Stellung in Deutschland ein. Ziel dieser in großer inhaltlicher Bandbreite vorliegenden Werke, an deren Beginn Stromers 'Püchel' steht (s. a. Nikolaus ->· Muffel, Konrad Paumgartner, Berthold III. und Endres II. -» Tucher, Erasmus

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-» Schürstab, Bernhard ->· Müller, Lazarus -» Holzschuher d. Ä. [NB]), ist Memoria, Gedächtnis und Erinnerung an die Vorfahren wie Vorbild und Mahnung an die Nachkommen. Mit H.s auf Quellendokumentation beruhendem Werk wird in dieser Tradition ein neuer Autortyp faßbar, der des wissenschaftlichen Historikers. Auch die Zielrichtung ist erweitert: Zur Dokumentation des alt herkommen, der adeligen Stammesfolge, tritt der Aspekt des juristischen Nachweises von Besitzrechtsansprüchen — das Ganze zu sehen vor dem Hintergrund der Abschließung des fränkischen Adels nach außen durch die Heidelberger Turnierordnung von 1485, der die des Nürnberger Patriziats im Tanzstatut von 1521 folgen sollte. Auch in der Ausstattung seiner Codices setzt H. neue Maßstäbe: Der Einband des Hallerbuches von 1488 etwa gehört zu den prächtigsten spätgotischen Bucheinbänden Nürnbergs und steht damit am Beginn einer neuen Form von patrizischen Geschlechterbüchern in der Reichsstadt, die ihren Höhepunkt in wahren Prunkwerken des 16. Jh.s, so etwa dem 1537 dem Rat überreichten 'Hallerbuch' Conrads IV., erreichen sollte. L i t e r a t u r . F. HEINRICH, Das Geschlechterbuch d. Konrad Haller, Archivalische Zs. 2 (1877) 254262, hier S. 256; L. ROTHENFELDER, Die Ausstellung f. Familiengeschichtsforschung im Germ. Nationalmuseum Nürnberg, Das Bayerland 42 (1931) 717; H. Frhr. HALLER VON HALLERSTEIN, Die Haller zu Bamberg u. zu Nürnberg, 96. Ber. d. Hist. Ver. Bamberg, Jb. 1957/58 (1959) 107-148, hier S. 109; ders., Die Haller v. Hallerstein. Eine Nürnberger Patrizier-Familie im europäischen Raum, Mitt. aus d. StB Nürnberg 10, H. 2 (1961) 1-4; H. ZIRNBAUER / H. Frhr. HALLER VON HALLERSTEIN, Die Haller von Hallerstein (Ausstellungskat. d. StB Nürnberg 21), 1961; H. BURGER, Nürnberger Totengeläutbücher II. St. Lorenz 1454-1517, 1967, S. 152, Nr. 1916; E. CAESAR, Sebald Schreyer, Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 56 (1969) 1 — 213, hier S. 82; H. Frhr. HALLER VON HALLERSTEIN / E. EICHHORN, Das Pilgrimspital zum Heiligen Kreuz vor Nürnberg (Nürnberger Forschungen 12), 1969, S. 293 f.; K. STADLER, in: Wappen in Bayern (Ausstellungskat, d. staatl. Arch. Bayerns 8), 1974, S. 51, Nr. 55; E. STRASSNER, Graphemsystem u. Wortkonstituenz (Hermaea 39), 1977, S. 26 f.; H. Frhr. HALLER VON HALLERSTEIN,

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Haller, Heinrich — 'Hamburger Jüngstes Gericht'

Nürnberger Geschlechterbücher, Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 65 (1978) 212-235, hier S. 213-220, 233. - B. Frhr. von Haller, NürnbergGroßgründlach, briefl. Mitt. zu Biographie u. Hss. (Dez. 2000).

HELGARD ULMSCHNEIDER Haller, Heinrich [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 417 f. zu a.—c. ergänze:

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21,5 X 15,5 cm umfassende, mit künstlerisch wertvollen Miniaturen ausgestattete, nach 1220 geschriebene Perg.-Hs. enthält ein Psalterium und einige kleinere spätere Nachträge, darunter die sprachl. mfrk. . B.' von einer Hand aus dem 2. Viertel des 13. Jh.s (BRANDIS nach B. Bischoff). Der Ursprung ist unbekannt. Ausführliche Beschreibung der Hs. bei T. BRANDIS, Die Codices in scrinio der SB u. ÜB Hamburg 1-110, 1972, S. 138-140.

Neben den genannten sind folgende Vorlagen der Übersetzungen identifizierbar: -» Albertanus von Brescia, 'Liber de amore dei et proximi' in Innsbruck, ÜB, cod. 641, 2 r —64 V (Hinweis von E. Bauer, die eine Edition vorbereitet). -> Gerard von Vliederhoven, 'Cordiale de quattuor novissimis' in Wien, cod. 12460, 107ra-192va, vgl. N. PALMER, ZfdA 102 (1973) 57. -» Nikolaus von Lyra, 'Probatio adventus Christi contra ludeos' [u. a. Quellen] in Innsbruck, ÜB, cod. 618, lr-115v. -* 'Stimulus amoris' Kap. 1,5 in Innsbruck, ÜB, cod. 641, 104r-110r (E. BAUER, 2000 [s. u.], S. 15). -* Thomas Hemerken von Kempen, 'Imitatio Christi', Buch II und I, s. Bd. 9, Sp. 875, Nr. 7. Gerard -» Zerbolt van Zutphen, 'De spiritualibus ascensionibus' in Innsbruck, ÜB, cod. 641, 69r-103v, 114r-116v, hg. v. E. BAUER, Heinrich Hallers Übersetzung ... (Analecta Cartusiana 165), Salzburg 2000, S. 5-65.

A u s g a b e und L i t e r a t u r . T. BRANDIS, Zu den altdt. Beichtformeln. Eine bisher unbekannte mfrk. Beichtformel des 13. Jh.s, in: Deutsche Hss. 1100— 1400, hg. v. V. HONEMANN u. N. F. PALMER, 1988, S. 168-178.

'Hamburger Beichte'

'Hamburger Jüngstes Gericht' [Korr.]

Die . B.' ist weder inhaltlich noch sprachlich bemerkenswert. Auffallend sind in etlichen Wörtern volle Vokalausgänge, so hero 'Herr', maga 'Verwandte', hudo 'heute', die Adv. genzlicho, vuirdiclicho, vlizlicho, uerro, ferner mehrfach solda (neben solde) 'sollte', auch cunda, gefrumeta. Das könnte auf die Adaptierung eines wesentlich älteren Formulars hindeuten. Eine konkrete Beziehung zu einer der altdt. Beichten (-»· 'Altbairische B.' u. a.) besteht jedoch nicht. Die katalogartige Aufzählung aller möglichen Sünden und Verfehlungen wie Haß, Zorn, Stolz, Falschheit, Unkeuschheit usw. ist gattungstypisch und erlaubt keine Schlüsse auf den einzelnen Fall. Wenn hingegen von der sündhaften cirde miner cletder vnd mines gebendes (Z. 8) gesprochen wird, so kommt nur eine Frau als PönitenSp. 417 zu a., [Pseudo-]Origenes: Vgl. auch -> tin in Betracht, und zwar eine Ehefrau (wegen des Gebendes). Hierzu paßt, daß 'Maria Magdalena' (B.XI.) und [Pseudo-] -> Orige(Z. 26) von minem husheren die Rede ist, nes [NB]; Ausg. v. E. BAUER, in: Die Kartäuser u. d. Hl. Rom. Reich, Bd. 3 (Analecta Cartusiana 140), und auch das 'Halsen und Küssen' (Z. 11) Salzburg 1999. und die dem Priester einbekannte Unkeuschheit in Tun und Träumen mag besonders für die Beichte einer Frau be'Haller Passionsspiel' [Korr.] stimmt gewesen sein. Möglich, daß hier Bd. 3, Sp. 419 Überl.: "Die Hs. [...] (z. Z. in die wohlhabende erste Besitzerin der PsalInnsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum terhandschrift greifbar wird (BRANDIS). ...)" korr.: jetzt wieder in Sterzing, Stadtarchiv, unACHIM MASSER ter der neuen Sign. Hs. XI, 24.

1. Hälfte des 13. Jh.s. Ü b e r l i e f e r u n g . Hamburg, SB u. ÜB, cod. 85 in scrin., 10v-llr. Die 177 Bll. im Format

Bd. 3, Sp. 426 Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. germ. 75. l (verschollen)" korr.: ..., cod. germ. 15, Frgm. l [sie!] (wieder zurück in Hamburg; vgl. E. HORVÄTH, Zur Rückkehr weiterer Hamburger ger-

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Hans van Ghetelen — Hans von Speyer

manistischer Hss. aus der Kriegsauslagerung, ZfdA 128 [1999] 62-65).

'Hamburg-lübisches Rechtsbuch' -> 'Lübisches Recht' [NB] 'Der Händler und der Bauer' (KELLER, Fsp. 55) -»'Der törichte Tausch' 'Hannoverscher Totentanz' Totentänze' (IV.)

'Lübecker

Hans van Ghetelen [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 451 ff.: "SCHWENKE" korr.: SCHWENCKE (mehrfach!). Vgl. auch -> Lübecker Mohnkopf-Offizin und -» Bucholt, Nikolaus [NB].

Hans von Lücken [Korr.] Bd. 3, Sp. 458 Überl.: "Trier, StB u. ÜB, cod. A/ 55 (1108)" korr.: ..., Hs. 1108/55 4°. Vgl. B. BUSHEY, Die dt. u. ndl. Hss. d. StB Trier bis 1600, 1996, S. 324 (Anhang: Lat. Hss. mit dt. Einsprengseln).

Hans von Speyer Name des Schreibers/Kompilators einer auf 1491 datierenden kompilierten Fechtund Ringkampflehre (Salzburg, ÜB, M I 29). H. nennt sich auf f. 44r, 117r und 158r (finis in die vincule petre M[agister] Hans von Spier 1491; eine weitere Datierung auf f. 14 : finis in vigilia maria magdaglena [!] 1491 ohne Namensnennung). Über H.' Leben und sonstige Tätigkeit läßt sich nichts Sicheres sagen. Möglicherweise ist er identisch mit einem Meister hanns Freytag von spir, der sich zwischen 1500 und 1510 in Zürich aufhielt (HiLS, 1985, S. 114). Daß H. nicht nur Schreiber, sondern selbst Fechtmeister war (ebd.), ist denkbar, entsprechende Hinweise fehlen allerdings. Unklar ist auch die Beziehung zwischen H. und dem f. 44r vor und f. 117r nach H. in der Schreibersignatur genannten Johannes (de) zeynissen de novadvitate (Neustadt bei Speyer?). Möglicherweise handelt es sich um dieselbe Person. Ü b e r l i e f e r u n g . Salzburg, ÜB, M I 29, (Südwestdeutschland, 1491); detaillierte Beschreibung

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bei A. JUNGREITHMAYR, Die dt. Hss. des MAs d. ÜB Salzburg (Österreich. Ak. d. Wiss., Veröff. d. Komm. f. Schrift- und Buchwesen des MAs, R. III, Bd. 2), Wien 1988, S. 5-7. Die Hs. wird irrtümlich auch unter den anonymen -» Fechtbüchern genannt.

Die Hs. gehört zum unillustrierten Strang der Fechtbücher aus der Tradition des Fechtmeisters Johannes -» Liechtenauer (HiLS, 1989, Sp. 327). Sie reproduziert im Grundstock das Fechtbuch von Meister -» Lew (HiLS, 1985, S. 33, 157), bietet aber eine vollständige Fassung der Ringkampflehre von Meister -> Ott und fügt nach der Fechtlehre Liechtenauers die Messerfechtlehre von Hans ->· Lecküchner ein (nach Heidelberg, cpg430;ebd., S. 114). Namentlich hingewiesen wird nur auf Meister Lew (meinster lülben, f. 130r) und Meister Martin -»· Hundfeld (meinster mertein hundsfeider, f. 137r), außerdem auf einen meinster Mertin -»· Siber [NB] (f. l r ) und einen Magister Andreas (f. 7r; vielleicht identisch mit Andreas -»· Liegnitzer). Beide können nicht genauer eingeordnet werden, ihre kurzen Fechtlehren sind nur hier überliefert. Daß die Kompilation nicht in einem Zuge angelegt wurde, sondern einer sukzessiven, freilich homogenen Sammlungstätigkeit entspringt, legen die mehrfachen Schreibernennungen und die jeweils gesonderte (wohl originale) Paginierung der Fechtlehren Liechtenauers und Lecküchners (die dann mutmaßlich zur älteren Schicht gehören) nahe. Die vorangestellten Fechtlehren von Mertin Siber und Magister Andreas könnten eine Art Propädeutikum darstellen. Die Kompilation hat durchaus richtungsweisenden Charakter (HiLS, 1985, S. 158) und wirkt auf spätere Fechtbücher ein (vgl. das Stemma ebd., S. 149). Insofern stellt sie ein wichtiges Bindeglied zwischen der Liechtenauer-Rezeption des 15. und des 16. Jh.s dar (ebd., S. 204). L i t e r a t u r . H.-P. HILS, Meister Johann Liechtenauers Kunst des langen Schwertes, 1985 (Europ. Hochschulschriften, R. III, Bd. 257), passim; A. JUNGREITHMAYR, Die Hss.sammlung der ÜB Salzburg. Hist. Entwicklung, thematische Gliederung u. Beschreibung ausgewählter Codices unter bes. Berücksichtigung d. dt. Hss., Diss. Salzburg, 1986,

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Harder, Konrad — 'Der Hasenkauf'

S. 213 f. u. S. 449 f.; H.-P. HILS, s.v. Fechten, Fechtwesen, in: Lexikon d. MAs, Bd. 4, 1989, Sp. 324-327.

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Sp. 494: Das 'Buch von warmen Bädern' stammt nicht von H., sondern von Jordan -> Tömlinger.

MANFRED KERN Hanteloye, Siffridus -> 'Herforder Stadtrechtsbuch' [NB] Harder, Konrad [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 468 zu I., Überl.: "Neidensteiner Hs. (verschollen)": Von dieser Hs. existiert eine Abschrift aus dem 17. Jh.: Wien, cod. 10100 a.

'Harfenspiel vom Leiden Christi' [Korr.] Bd. 3, Sp. 473 zu III.: "Mainz, StB, cod. 51" korr.: ..., Hs I 51.

'Di harnaschvasnacht' (KELLER, Fsp. 99) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Die Harndiagnose' (KELLER, Fsp. 85) -»· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Die Harre' [Korr.] Bd. 3, Sp. 480 oben: "Prag, ÜB" korr.: ..., Nationalmuseum (Knihovna Narodniho Muzea), ....

Hartlieb, Jakob entfällt (lat. Scherzrede, Erstdruck ca. 1501; vgl. E. KLEINSCHMIDT, Euph. 71 [1977] 50 ff.) Hartlieb, Johannes [Korr./Nachtr.] Bd. 3, zu Sp. 484-488: Die Verfasserschaft H.s an den vier mantischen Schriften 'Kunst der Gedächtnüß', 'Mondwahrsagebuch', 'Namenmantik' und 'Chiromantie' wird erneut bestritten von F. FÜRBETH, J. H. Unters, zu Leben u. Werk (Hermaea NF 64), 1992. Sp. 485 zu 2., Überl. ergänze: Karlsruhe, LB, cod. K 2790, 161r-167r; vgl. H.H. MENGE, Das 'Regimen' Heinrich Laufenbergs (GAG 184), 1976, S. 82. Sp. 491 zu 8., Überl.: "ehem. Nürnberg, Bibl. Solger, ms. 34" korr.: heute München, StB, L 1603 (olim 40 M. Mon. 22); beschrieben bei G. STRASMANN (Hg.), Konrad Steckeis dt. Übertragung d. Reise nach China des Odorico de Pordenone (TspMA 20), 1968, S. 27-31 (mit Verwechslung der Signaturen). Sp. 493 zu 10., Ausg. ergänze: Faksimile-Ausg., hg. v. F. SPETA, Das Kräuterbuch des J. H., Graz 1980.

Hartmann von Aue [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 504 Mitte: " 'Visio Fulberti' " korr.: ^ 'Visio Philiberti'. Sp. 506 zu IV. 'Erec', Überl. ergänze: Die Wolfenbütteler Frgm.e sind von K. GÄRTNER als direkt auf Chretien zurückgehendes 'Werk eines Vorgängers' H.s und von E. NELLMANN als Reste eines nachharrmannischen 'mitteldeutschen Erec-Romans' in Anspruch genommmen worden. Vgl. K. GÄRTNER, Der Text d. Wolfenbütteler 'Erec'Frgm.e u. seine Bedeutung für die 'Erec'-Forschung, PBB 104 (1982) 207-230 u. 359-430; E. NELLMANN, Ein zweiter 'Erec'-Roman? Zu d. neugefundenen Wolfenbütteler Frgm.en, ZfdPh 101 (1982) 28-78 u. 436-441; ders., ZfdA 119 (1990) 245-247; B. EDRICH-PORZBERG, Stud. z. Überl. u. Rezeption von H.s Erec (GAG 557), 1994, S. 3146; W. SCHRÖDER, Irrungen und Wirrungen um d. Text von H.s 'Erec' (Abhh. d. Geistes- und Sozialwiss. Kl. d. Akad. d. Wiss. u. d. Lit. Mainz 11), 1996; W. ACHNITZ, Die Bedeutung der Drei- u. Vierreime für die Textgeschichte des 'Erec' H.s von Aue, editio 14 (2000) 130-143. Sp. 515 Z. 3: "GRÖDENIG" korr.: GRÖCHENIG.

Hartmann, Johann [Korr.] Bd. 3, Sp. 524: "Wolfenbüttel, Hzg.-Aug.-BibL, cod. VII B Hs309" korr.: Wolfenbüttel, Niedersächsisches Staatsarchiv, —

Hartmann von Stockheim [Korr.] Bd. 3, Sp. 528 Mitte: Streiche Verweispfeil auf Peter von Schaumberg. Ebd.: "-> Siegmund von Bayern" korr.: ->· Siegmund von Tirol; vgl. dort 3.

Hartwig von Erfurt [Korr.] Bd. 3, Sp. 532 Überl.: "Augsburg, StB, cod. 150" korr.: ..., 2° Cod 150. - "Königsberg, ÜB, cod. 896": heute verschollen. — "Hoffmannsches Fragment": heute Berlin, mgf 736/25, 26. Sp. 534 Z. 8: "Terminus post quem" korr.: ... ante quem.

'Der Hasenkauf' Nürnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis von Hans -> Folz, vor 1494.

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Hasenstaud, Peter

Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg.-Aug.Bibl., cod. Guelf. 18. 12. Aug. 4°, 176v-178r (G, vor 1494; aus der Bibliothek des Claus -» Spaun). A u s g a b e n . KELLER, Fsp. I, Nr. 35: 'Ein spil von hasen'; D. WUTTKE, Fastnachtspiele d. 15. u. 16. Jh.s, 41989, Nr. 8: 'Der Bauernhandel' (zit.); H. RUPP, Schriftwerke dt. Sprache I, 1981, S. 349351 (nach WUTTKE).

In der knappen Szene (43 vv.) fragt der erst paw bei einem wirt nach wiltpret, das der Bauer im Auftrag seiner Frau für die Gäste besorgen soll. Für 22 Pfennige bietet der ander paur einen Hasen an. Der Käufer geht auf das Angebot ein, dreht dem Verkäufer aber wortgewandt schlechte Münzen an und schließt den Handel mit einer Ohrfeige ab. Ob sich daran typusgerecht Schlägerei und Versöhnung anschlössen, muß ebenso offenbleiben wie die Frage, ob das fehlerhaft überlieferte Stück auch am Anfang defekt ist. Das Feilschen um die Münzqualität erinnert an die Auszahlung des Judaslohns in einigen Passionsspielen (z. B. -> 'Alsfelder Passionsspiel' vv. 3198—3227). Zur Prägnanz der Szene mit nur zwei Rederollen tragen fast durchgängig gebrauchte Stichomythie bzw. Stichreime in der Dialogführung entschieden bei. Vor allem im Blick auf diese Technik (vgl. auch LIER, S. 23) wird bei diesem Fastnachtspiel immer wieder an Hans Folz als Autor gedacht (dazu zuletzt WUTTKE, S. 337). Ob er tatsächlich Stichomythie und Stichreim im Nürnberger Fastnachtspiel etablierte, bedarf jedoch nach wie vor der Klärung. Der geringe Textumfang des Spiels liefert keine sprachlichen Merkmale für Folzens Autorschaft. Andererseits führt der Schreiber Gb der Wolfenbütteler Hs. offenkundig in die unmittelbare Nähe von Hans Folz (SiMON, S. 113). Für ihn könnte neben diesen unterschiedlich stichhaltigen Indizien und der durchformten Knappheit der Szene vielleicht die (bewußte?) Anleihe beim geistlichen Spiel sprechen. Sie entspräche Folzens charakteristischer Tendenz zur Literarisierung des Fastnachtspiels. Freilich bleibt offen, ob eine gezielte Kontrafaktur zur Auszahlung des Judaslohns vorliegt. Auf jeden Fall steht das Spiel aber in der Folz-Tradition, die das Nürnberger

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Fastnachtspiel in der Zeit nach ->· Rosenplüt geprägt haben dürfte. L i t e r a t u r . KELLER, Fsp., Nachlese S. 340; L. LIER, Stud. z. Gesch. d. Nürnberger Fastnachtspiels, 1889 (auch Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 8 [1889] 87-160); V. MICHELS, Stud, über d. ältesten dt. Fastnachtspiele (QF77), 1896, S. 231 f.; H. G. SACHS, Die dt. Fastnachtspiele v. d. Anfängen bis z. Jacob Ayrer, Diss. (masch.) Tübingen 1957, S. 101; E. CATHOLY, Das Fastnachtspiel d. SpätMAs (Hermaea NF 8), 1961, S. 188 u. passim (Reg.); G. SIMON, Die erste dt. Fastnachtspieltradition (Germ. Stud. 240), 1970, S. 20 u. 107118 (zur Hs.); WUTTKE, S. 337 (Lit.).

JOHANNES JANOTA Hasenstaud, Peter Verfasser eines Liedes über eine Schlacht zwischen den Nürnbergern und einem Heer des Markgrafen von Brandenburg anläßlich des Kirchweihfestes in dem Weiler Affalterbach südöstl. von Feucht bei Nürnberg am 19. Juni 1502 (-> 'Kirchweih von Affalterbach' [NB]). In 51 Fünfzeilerstrr. vom -> 'Lindenschmidt'-Typ wird das Geschehen ausführlich geschildert, und zwar teilweise aus nürnbergischer, teilweise aber auch aus markgräflicher Perspektive, wenngleich durchweg mit Nürnberger Tendenz. Seine Kenntnisse über die Markgräflichen bezog der Verfasser, der offenkundig nicht selbst an der Schlacht teilgenommen hatte, von einem Söldner des Markgrafen (Str. 48), vielleicht einem der Gefangenen. Die Nürnberger, eher die Verlierer der Schlacht, werden als Sieger hingestellt; eigentlich aber seien die Herren von Nürnberg friedliche Leute, die nur gezwungenermaßen Krieg führen. Gesungen hat der Dichter sein Lied in Nürnberg, wo er im Wirtshaus des Heinz Keßler auch gern dem Wein zuspricht. Ü b e r l i e f e r u n g , a. Nürnberg, Staatsarchiv, Rst. Nürnberg Hss. Nr. 70, 316r-319v (chronikal. Sammlung des Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter). - b. Würzburg, ÜB, M. eh. f. 330, 234r-235r (Nürnberger Chronik um 1600). A b d r u c k . F. v. SODEN, Gesch. d. ehemal. Weilers Affalterbach, Nürnberg 1841, S. 137-143; LiLIENCRON, Hist. Volkslieder II, Nr. 225.

FRIEDER SCHANZE

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Hätzlerin, Klara — Hebenstreyt, Hans

Hätzlerin, Klara [Korr.] Bd. 3, Sp. 547 zu 1.: "St. Peter, cod. XII 19a/b" korr.: ..., cod. b XII 19a/b. Ebd. zu 2.: "die Prager Hs. 12" korr.: die Hs. Prag, Nationalmuseum (Knihovna Narodniho Muzea), X A 12 ....

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A u s g a b e n . Vgl. -» 'Das Haushalten'. Ferner: C. D. M. COSSAR, The German Translations of the Pseudo-Bernhardine 'Epistola de cura rei familiaris' (GAG 166), 1975, S. 311-315. Das Einleitungsgebet des Erstdrucks in: GAEBEL, S. 198 f.

Die dialogische Haushalts- und Lebenslehre ist unter verschiedenen Titeln (u. a. 'Das Haushalten') überliefert. Die nur in 'Haus der Tugenden' [Korr.] der Erstauflage enthaltene Vorrede in GeBd. 3, Sp. 550 Z. 3 von unten: " 'De inferior! betsform stimmt das der göttlichen Schöpdomo' " korr.: 'De interior! domo'. fung wie auch dem (Haus-)Regiment zugrunde liegende Leitmotiv der Ordnung und des rechten Maßes an. Als wichtigste Hauser, Johann [Korr./Nachtr.] Quelle für den wohl klerikal gebildeten Bd. 3, Sp. 551 unten: "... 'Neuer Cato' " korr.: und den Straßburger Humanistenkreisen -> 'Novus Cato'; dessen gereimte dt. Übersetzung r r angehörenden Kompilator ist die auf die auch in Wien, cod. 4117, 114 -128 ! - "-> Thypseudobernhardinische 'Epistola de cura siologus'" korr.: -> 'Moralischer Physiologus'. rei familiaris' zurückgehende -» 'Lehre Sp. 552 oben: "-> Hieronymus von Werden" korr.: -> Johannes de Werdea (vgl. dort bes. vom Haushaben' zu nennen. Die .' VIII. 3. [Sp. 811]). schließt sich damit der im SpätMA verEbd.: "('De contemptu mundi' ..." ergänze: vgl. breiteten Rezeption antiker Ökonomikliteauch unter -> 'Wiener Elsässische Verachtung der ratur an, richtet sich jedoch nachdrückliWelt', ferner -» 'Wiener Dialogverse über Tod, Gecher auf moralische Einstellungen. Die richt und Jenseits' [Lit.!]. Ebd.: "Von H. selbst dürfte einzig das Notabile späteren Inkunabeln, besonders der Nürnberger Einblattdruck, zeichnen sich durch überschriebene Gedicht von 50 vv. stammen (cod. Kürzungen aus, die neben dem Abschnitt 4119, 105V-106V) ..." korr.: Es handelt sich hierbei nicht um ein eigenes Gedicht H.s, sondern um über Frauen überwiegend die auf ein verden Prolog zum 'Apollonius'-Roman Heinrich -> mögendes Publikum zugeschnittenen RatSteinhöwels ( .2.). schläge betreffen. In den zahlreichen, zuEbd. zu Lit. ergänze: H. HERZMANN, Johannes nehmend reformatorischen Tendenzen unHauser, ein Mondseer Klosterschreiber an d. terworfenen Druckbearbeitungen des Wende vom 15. zum 16. Jh., Diss. (masch.) Salz16. Jh.s bewährt sich die Anlage des Textes burg 1972. als offenes Sammelbecken sprichwörtlicher Lebensweisheiten. 'Das Hausgeschirr' [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 553 Ende des Art. ergänze: Vgl. Rudolf -»· Losse, II. 1. b) (zur Verwendung des Tons in einem lat. Gedicht).

'Die Hausordnung' [Ergänzungsartikel zu 'Das -» Haushalten', Bd. 3, Sp. 553 f.] Ü b e r l i e f e r u n g . Inkunabeln (GW 1213612138): [Straßburg, Georg Husner, um 1476], l r — 6 r (Ex.: Nürnberg, Germ. Nationalmus., Inc. 90508 b); [Straßburg, Heinrich Knoblochtzer, um 1478] (Exx.: London, British Library, IA. 2509 [as fehlt], München, SB, 4° Inc. s. a. 995 [Bll. a 1 und a8 fehlen] und Paris, Bibl. nat., Res. S. 854); Nürnberg, Hans Mair [um 1495] (Ex.: Wien, ÖNB). Hs.: Stuttgart, Württ. LB, cod. poet, et phil. 2° 7, 231V-233V (1520). 12 weitere Drucke von 1529 bis 1615 bei GAEBEL, S. 194-198.

L i t e r a t u r . WORSTBROCK, Antikerez., Nr. 330; Hdb. d. Kinder- u. Jugendlit., Bd. l, 1987, Sp. 1265-1269; T. EHLERT, Die Rolle von 'Hausherr' u. 'Hausfrau' in d. spätmal, volkssprachigen Ökonomik, in: dies. (Hg.), Haushalt u. Familie in MA und früher Neuzeit, 1991, S. 153-166, bes. S. 162—164; I. RICHARZ, Oikos, Haus u. Haushalt, 1991, S. 90 u. 94 f.; U. GAEBEL, Die Hausordnung, ZfdA 124 (1995) 184-200.

ULRIKE GAEBEL Hazecho von Worms Sammlung'

'Wormser Brief-

Hebenstreyt, Hans 1. Leben. Der Ratsherr und Stadtrichter von Kaschau (slowak. Kosice, ungar. Kassa) H. H., *um 1370 (?), f nach 1448,

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Hebenstreyt, Hans

wird erstmals 1402 im Kaschauer Stadtbuch erwähnt (Kosice, Stadtarch., H HI/2, pur l, 91v). Er gehörte der neuen, unternehmerischen Patrizierschicht an. Sein Familienwappen führte einen schwarz-gold geteilten Sechsstern (TiscHLEROVÄ, 1976, S. 55 f.). Ursprungsort der Familie H. war allem Anschein nach Nürnberg; von dort bestanden alte Handelsverbindungen nach Kaschau. In den Jahren 1404 bis 1448 nahm H. H., der vermutlich eine juristische Ausbildung genossen hatte, eine bedeutende Stellung in der politischen Führungsschicht Kaschaus ein. Diese bezog in enger Zusammenarbeit mit dem Hof König Sigismunds (über den kgl. Ratgeber Marcus von Nürnberg) die oberungarische Handelsmetropole in Sigismunds Reformpolitik ein (TISCHLER, 1992, S. 62). Als Vertreter der Stadt war H. schon an der Vorbereitung der politischen Reformen, die 1405 auf dem Landtag der ungarischen Städte beschlossen wurden, aktiv beteiligt. Mit dem königlichen 'Decretum minus' von 1405 gelang deren Durchbruch (TISCHLER, in Vorb.). Beim Aufbau der oberungarischen Baumwollindustrie war H. einer der Hauptakteure. Er war selbst Verfasser von Sigismunds Privilegialurkunde von 1411, die die Monopolstellung Kaschaus im Königreich sicherte. H. nahm somit wesentlichen Einfluß auf die königliche Gesetzgebung und damit auf die städtische Entwicklung. Sein Werk hatte über Kaschau hinaus Auswirkungen auf die oberungarischen Städte. 2. ' K a s c h a u e r R a t s o r d n u n g ' . H. verfaßte die dt. 'K. R.' als private Rechtsarbeit. Sie ist mit dem sog. 'Stadtbuch von 1404' identisch, das irrtümlich als verschollen galt. H. nennt sich im Prolog selbst, sein Werk bezeichnet er als vnderweysung für die Ratsherren, um dem nucz vnd ere der ganczen gemeyn zu dienen. Neben mehreren dt. Fassungen existiert auch eine ungarische. Überlieferung. Kosice (Kaschau)/Slowakei, Archiv mesta Kosice (Stadtarch.), Schwartzenba-

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chiana 40, selbständiger Faszikel l r —8 r (Urschrift von 1404); ebd., Stadtbücher H III for (v. J. 1578), S. 14-28 (ungar.) u. 33-38 (dt. [nur Art. 1-11]); Bardejov (Bartfeld)/Slowakei, Staatl. Kreisarch., Fond MM (einst Stadtarch.), Stadtbücher 51 (zwei Hss. von ca. 1429 [?] und 1594); Budapest, Szechenyi-Nationalbibl., cod. Germ. 35, 31r-48r (Leutschauer Hs. um 1550 [?]; vgl. VIZKELETY, Altdt. Hss., Bd. l, S. 97; OPPITZ, Nr. 330); Levoca (Leutschau)/Slowakei, Statny oblastny archiv (Staatl. Gebietsarch.), Fond Fragmenty röznej proveniencie, Nr. 2, Rechtsbuch der XI Zipser Städte 16.— 17. Jh. (v.J. 1552), S. 71-86 (ÜPPITZ, Nr. 935); ebd., Nr. 106, Briechenzweig-Chronik um 1680— 1681, S. 49-56 (stark veränderte Redaktion, um 1680); ebd., Nr. 76, Formular- u. Rechtsbuch der Stadt Göllnitz (Gelnica)/Slowakei, 1665-1756, S. 36-42 (v.J. 1666; OPPITZ, Nr. 574); Poprad (Deutschendorf)/Slowakei, Statny okresny archiv (Staatl. Kreisarch.), Fond Sträze pod Tatrami (= Michelsdorf, heute eingemeindet in Poprad), Stadtbuch 2, S. 67-85 (Michelsdorfer Hs., v.J. 1659; OPPITZ, Nr. 417). Die 'K. R.' ist in fünf dieser Hss. gemeinsam mit der -» 'Zipser Willkür' überliefert. A u s g a b e n . Urschrift: KRONES, S. 45—55 (nur hier auch d. Anhang üb. d. Meineid); K. DEMKO, Kassa väros hatosägi szabälyzata (Articuli Communitatis) 1404—böl., Törtenelmi Tar (Budapest 1886) 140-150; S. KOLOSVÄRI / K. OVÄRI, Corpus Statutorum Hungariae Municipialium. Mon. Hung, juridico-hist. II/2, Budapest 1890, S. 71-87 (mit Synopse d. Abweichungen d. Bartfelder Hs.); I. T. PIIRAINEN. Die Satzung d. Rates d. Stadt Kosice/Kaschau aus d. J. 1404, Neuphil. Mitt. 88 (1987) 241-252. Ungar. Fassung: GY. OSVÄTH, Adalekok Kassa varos közjogi helyzetehez es közigazgatasi szervezetehez I. Lipot koräig, Kassa 1918, S. 157—177. Michelsdorfer Hs.: S. WEBER, Suppl. III. Analectorum Terrae Scepusiensis, Löcse 1908, S. 32—47 (irrig auf "1472 [?]" datiert). Leutschauer Hs. (Budapest): Vergleichsproben mit d. Urschrift bei VIZKELETY, 1973, S. 58-64.

Die 'K. R.' bietet einen ethisch orientierten Leitfaden für Verwaltung und Amtsführung des städtischen Gemeinwesens. Dem Prolog folgen 47 Artikel über Pflichten und Verhaltensregeln des Richters und der Ratsherren, einige stadtrechtliche Satzungen über Erbe und Verkauf, Gerichtsverfahren und amtliche Schriftführung. Die Artikel werden z. T. durch lat. Sentenzen abgeschlossen. An den letzten Artikel

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'Hedwig von Schlesien' — 'Heidelberger Bilderkatechismus'

schließt ein Passus über den Meineid mit einem Zitat aus Isidore 'Sententiae' an, von H. verdeutscht und kommentiert. Mehrfach werden die persönliche Verantwortung vor Gott und die Frage des Gewissens thematisiert. In der Stadtrechtsliteratur der Region ist die 'K. R.' zudem das früheste Denkmal, das auf römisches Rechtsverfahren zurückgreift. Außer ->· Isidor [NB] werden keine Quellen genannt. Der Verfasser benutzte auch die Bibel (bes. Paulusbriefe), 'Decretum Gratiani', das röm. Prozeßrecht (Dig., Cod.), -» 'SchwabenspiegeF, den 'Fürstenspiegel' -» Karls IV., -» 'Secretum secretorum', das Kaschauer Stadtrecht und möglicherweise weitere (das Wiener, WienerNeustädter und Münchner Stadtrecht). Die frühnhd. Sprache folgt im überregionalen Streben ostmd. Vorbildern, auch bair. Elemente sind vertreten. Sie wurde zur Grundlage der Kaschauer dt. Kanzleisprache. Die 'K. R.' leitete im Vorfeld des königlichen 'Decretum minus' von 1405 die Kodifikation des Stadtrechts ein. Mit diesem wurden die Verschriftlichung des Rechts und die Rationalisierung des Rechtslebens gesetzlich forciert. L i t e r a t u r . Vgl. o. Ausg.n - A Magyar Tudos Tarsasäg Evkönyvei 3 (Budän 1838), S. 104; F. X. KRONES, Zur ältesten Gesch. d. oberungar. Freistadt Kaschau, II: Die ältesten Bürgernamen u. d. erste Rathsordnung d. Stadt Kaschau [...], Arch. f. Kunde österr. Geschichts-Quellen 31 (Wien 1864) 32-44; G. Eis / R. RUDOLF, Altdt. Schrifttum im Nordkarpatenraum, 1959, S. 29; A. VIZKELETY, Prispevok k prävnym dejinäm spisskych miest v stredoveku, Spis 3-4 (Sp. N. Ves 1973) 53-64; ders., Adalekok szepessegi värosok közepkori jogtörtenetehez, Jogtörteneti Tanulmänyok 3 (Budapest 1974) 253-265, hier S. 256-265; M. TISCHLEROVÄ, Stredoveky richtär Hanns H. v Kosiciach, Historica. Zbornik FFUK 26 (Bratislava 1976) 51-75; PIIRAINEN (s. o. Ausg.n), S. 237—255; dazu Rez. v. M. TISCHLER, Bohemia 31 (1990) 161-171; OPPITZ, Rechtsbücher II, Nrn. 330, 417, 574, 935 (= Hss. der 'Zipser Willkür'); M. TISCHLER, Das Kaschauer Stadtsiegel v. 1404 u. d. städtische Wappenbildung unter König Sigismund in Ungarn, in: Genealogica et Heraldica. 19. Internat. Kongreß f. genealog. u. herald. Wiss.n (Red. I. Bertenyi et L. Czoma), Keszthely 1992, S. 61-84; dies., Die Privilegialurkunde König Sigismunds von 1411 für d.

Kaschauer Barchanter u. ihre dt. Ausfertigung (im Typoskript abgeschlossen); dies., Aus d. Vorbereitung d. Edition d. 'K. R.' (in Vorb.).

MARIA TISCHLER 'Hedwig von Schlesien' [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 566 Überl.: "sog. 'Schlackenwerther Codex' (heute Sammlung Irene und Peter Ludwig, Aachen)" korr.: heute in Los Angeies/California, The John Paul Getty Museum (zur Hs. vgl. zuletzt A. v. Euw / J. M. PLOTZEK, Die Hss. d. Slg. Ludwig, Bd. 3, 1982, S. 74-81 [= Sign. XI 7]). Sp. 569 nach Z. 3 ergänze: V. Eine weitere dt. Fassung der H.-Legende in München, cgm 735, geschrieben 1476 von Konrad -» Bollstatter (Hs. von 'Der Heiligen Leben'), 138r-174v. Vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG20), 1986,5.418.

Heff, Leonhard [Korr.] Bd. 3, Sp. 570 oben, Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. Hist. univ. Fol. Nr. 8 (verschollen)" korr.: ..., cod. hist. 8 (seit 1990 wieder in Hamburg; Mitt. E. Horväth). Sp. 572 Z. 2: "München, clm 22632" korr.: ..., clm 26632.

Hegius, Alexander [Korr.] Bd. 3, Sp. 574 Überl., Mitte: "cod. 44 G. 79, ..., der ÜB Prag" korr.: cod. adlig. 44. G. 79 der Narodni Knihovna Prag ...

'Heidelberger Bilderkatechismus' Die Hs. Heidelberg, ÜB, cpg 438, der am Ende mehrere Blockbücher beigebunden sind (Biblia pauperum, Totentanz, Symbolum Apostolicum, Septimania Poenalis, Planetenbuch, Fabel vom kranken Löwen, Decalogus, vgl. SCHNEIDER, S. 368 f.) enthält auf den Bll. lr-110v einen in ostmd. Schreibsprache um 1460 niedergeschriebenen, reich illustrierten Traktat über den Dekalog, Beichte, Buße und Todsünden. Die inhaltliche, sprachlich-stilistische, methodische (Zahl und Art der Quellenverweise) und formale Einheitlichkeit (Illustrationen, Bild-Textbezug, häufig in Prosa übergehende Reimpaarverse, die in der Hs. 'durchgeschrieben' sind) erweist dabei, daß es sich trotz der stark gliedern-

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'Heidelberger Bilderkatechismus'

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Sünden anderer (85r: Dy newn fremde sunde); 95 V —110 V : Die sieben Todsünden (Hoffart, Habgier, Freß- und Trunksucht, Unkeuschheit, Zorn, Haß, Trägheit). — Charakterisierung des Inhalts bei WERNER, 1994, S. 12—24, dessen Bezeichnungen der einzelnen Abschnitte übernommen wurden, sowie besonders bei GEFFCKEN, Beilagen, Sp. 1-19. Faksimileausgabe.· Die Zehn Gebote / BeichtDas Werk ist offenbar von vornherein und Sündenspiegel. Biblia pauperum — Totentanz. als Bild-Textkombination angelegt; es Symbolum apostolicum. Septimania poenitentialis bezeichnet sich im Prolog als gemaltes — Planetenbuch. Fabel vom kranken Löwen — Dekalog. Farbmikrofiche-Edition der Hs. und der bucbeleyn. Die Heidelberger Hs. bietet Blockbücher in dem Cod. Pal. 438 der ÜB Heidel- nicht weniger als 74 ganzseitige, z. T. berg. Beschreibung des Sammelbandes von W. mit Spruch- oder Schriftbändern versehene WERNER (Monumenta xylographica et typograIllustrationen (siehe z.B. 39 v ff.), deren phica 3), 1994. Wortlaut mitunter genau Sätze des Textes Im einzelnen besteht der durch einen aufnimmt; im Text wird am Rande in roter knappen Prolog (l r ) eingeleitete Traktat, römischer Zählung auf die ebenfalls numeder wegen des Verlustes von ganzen Blät- rierten Bilder verwiesen. Die Illustrationen tern und Blattstücken (s. WERNER, 1994, sind — mit layoutbedingten Ausnahmen, r S. 9 f.) unvollständig ist, aus folgenden Tei- z. B. 62V63 — den zugehörigen Textabschnitten vorangestellt. Eine weitere Belen: 1 -35 ": Die Zehn Gebote - ihre Über- sonderheit stellt der Umstand dar, daß sich tretungen — die zehn ägyptischen Plagen. der Text — trotz Verwendung der VolksDer Textteil bietet die seit dem FrühMA sprache, des Reimes und einer Anrede der nicht seltene Verbindung der -» 'Zehn Ge- Adressaten als jr einfeldigen cristen lewte r bote und ägyptische(n) Plagen', in der die (l ) — ausgesprochen gelehrt gibt, und Plagen als Strafen für die Übertretung zwar sowohl hinsichtlich der großen Zahl der Gebote aufgefaßt werden; 34 r —35 r zitierter Autoritäten (vor allem die Bücher Zusammenfassung; 35 r —37 r : Gedicht von des lus canonicum, die Kirchenväter — beden ->· 'Zehn Geboten' (mit Preis der Selig- sonders -» Augustinus —, -> Thomas von keit und Verweis auf das Jüngste Gericht Aquin und -» Wilhelm [Peraldus], -> Hugo und die Pein der Hölle); 37r-38r: Wahre Ripelin von Straßburg, -» Johannes und -*· Beichte und Buße. Das Wappen auf dem Berthold von Freiburg) wie hinsichtlich der Bild zu diesem Abschnitt (siehe WERNER, Genauigkeit und 'Professionalität' der Zi1994, S. 17) könnte auf die Umstände der tation; s. hierzu mit zahlreichen Beispielen Entstehung des Traktats verweisen; 38 V — WERNER, 1994, S. 25 und GEFFCKEN, pas56r: Sünden- und Beichtspiegel; der Ab- sim. Zur Autorschaft und den Entstehungsschnitt informiert einleitend sehr ausführlich über die Umstände rechter und fal- umständen läßt sich vorläufig nur sagen, scher Beichte und Buße; 56r-69v: Gott daß das Werk (wegen der Benützung der ruft den Sünder zur Buße (z. B.: durch die deutschen Summa des Berthold von FreiPredigt, das Vorbild der Heiligen, Krank- burg [Ausg. v. G. STEER u. a., Die 'Rechtsheit und Leid); 69v-78r: Warum Sünder summe' Bruder Bertholds 'Weingartner Liederhandschrift' (I.I.). Struktur erkennen: 1—46 Prolog, Bitte an den Heiligen Geist (geübtes gayst) um 'Heidelberger Liederhandschrift C' [Nachtr./ Hilfe beim Dichten. Nach kurzer Überleitung — die sechs Sommerfarben wurden Korr.] von der siebten Farbe, dem Grau des KarBd. 3, Sp. 584 unten ergänze: Vgl. auch -» 'Bufreitags, 'verschnitten' — folgt 52—307 dapester Liederhs.' [NB]. eine Passionsdichtung, die das FarbenSp. 585ff. zu II.: Vgl. -> 'Zürcher Richtebrief' thema nur noch darin anklingen läßt, daß (3.) (von Hd. Ms der Liederhs., der einzigen bisher der Graue (Gottvater) den Braunen (Chriaußerhalb von C nachgewiesenen Hand!). stus) ans Kreuz geschickt hat. Die Passion Sp. 587 zu 5.: "... die Troßschen Bruchstücke ... wird als ritterlicher Kampf gezeichnet, (Berlin, mgq 519" korr.: ... jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Christi menschliche Natur ist sein wappenSp. 589 zu 3.: "... das Naglersche Bruchstück clayt. Der Gehorsam des Sohns, das Lei(Berlin, mgo 125" korr.: ... jetzt in Krakau, Bibl. den des höchsten Fürsten und die Liebe des Jagiellonska. Herrn des Kosmos zu uns geben Anlaß zu Sp. 596 zu Ausg.n u. Sp. 597 zu Lit.: "Kommentar, hg. v. W. KOSCHORRECK ..., 1980" korr.: 1981. Mahnungen: daran gedencke, mensch. Gegen Ende des Abschnitts steigern sich solSp. 597: "G. KORNRUMPF, Die Anfänge der Mache Apostrophen zu einer direkten Rede nessischen Lhs., in Vorber." korr.: erschienen in: V. HONEMANN / N. F. PALMER (Hgg.), Dt. Hss. 1100- Christi vom Kreuz aus: "... Sih auff, sün1400, Oxforder Colloquium 1985, 1988, S. 279der mein, vnd sprich: 'Mich rewen meine 296 [auf diesen Aufsatz bezieht sich auch Sp. 586 Sünde!' Meiner parmung vnde Wil ich dir "KORNRUMPF, 1981"!] lan zufließen ... Sünder, nach dir mich dürstet." 308-420 Mit der Auferstehung 'Heidelberger Losbuch der 28 Weisen' -» erscheint dann der Wappenschild Christi, Mondwahrsagetexte ( .3.); -> Traumbüder das drey und das quater, die Trinität cher (II.C.b.2.) [jeweils ohne diese Bezeichund die Evangelisten, umschließt, und mit nung] ihm wird auch die Farbenthematik wieder 'Heidelberger Mischgedicht' -* Petrus von aufgegriffen. Der Schild zeigt Gnadenstuhl Rosenheim (H.I.); -* 'Kurze Bibel' (III.) und Evangelistensymbole: Im Zentrum hält ein grauer Mann sein braunes gekreu[NB] zigtes Kind auf dem Schoß, dazwischen schwebt die weiße Taube; an den vier Ek'Die Heidin' [Korr.] ken, die zugleich die Himmelsrichtungen bezeichnen, finden sich aus saffier Bd. 3, Sp. 612 Über!.: "Pommersfelden, Gräfl. [= blau] ein Löwe, aus schmaragd Schönbornsche Bibl., cod. 2798" korr.: ..., HS 54 (olim 2798). [= grün] ein Kalb, aus ruhein [so zu bes-

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'Der Heiligen Leben' — Heiltumsbücher

sern!] ein Mensch und aus gold ein Adler. 421—428 Ein kurzer Schluß mahnt den Menschen, sich zu freuen und auf Gottes Huld zu achten. Die Elemente, die das Gedicht selbständig kombiniert, sind in der spätmal. Literatur und Kunst breit verfügbar. Spezifische Zusammenhänge mit der Tradition der arma Christi, die ein Wappen Christi aus den Leidenswerkzeugen ableitet (vgl. 'Van den -> wapen Kristi'), bestehen nicht. Vorbild der Wappenbeschreibung sind eher weltliche Ehrenreden (vgl. -» Gelre, -» Suchenwirt). Als Typus vergleichbar ist am ehesten 'Der -+ eren tafel' [NB]. Alter und Herkunft sind nur aufgrund der Hs. (Raum Nürnberg, 3. Viertel 15. Jh.) und sehr allgemeiner Sprach- und Stilkriterien bestimmbar: spätes 14. oder 1. Hälfte 15. Jh., md. oder nürnbergisch. Das Gedicht eröffnet in der sonst fast ausschließlich weltlichen Hs. eine Gruppe von vier geistlichen Texten. Mit dem Gedicht 'Geburt Christi' vom -»· Regensburger, das unmittelbar folgt, hat es mehrere Züge gemeinsam; diese sind jedoch nicht so spezifisch, daß man für beide Texte einen und denselben Verfasser annehmen müßte. L i t e r a t u r . W. v. WICKEDE, Die geistl. Gedichte des cgm 714, Diss. Rostock, Hamburg 1909, S. 31-76.

B. WACHINGER 'Der Heiligen Leben' [Nachtr./Korr.j Bd. 3, Sp. 619 zu 4. Entstehung ergänze: Vgl. -> 'Bamberger Legendär' [NB] (vgl. dort Lit. mit neuer Ausg.!). Sp. 621 zu 6. Quellen ergänze: die Konrad-Vita -> Uodalscalcs von St. Ulrich und Afra (s. III.); vgl. auch -> 'Ulrich von Augsburg' (B. 6.). Sp. 623 Z. 4/3 von unten: "Salzburg, St. Peter, Hs. XII 19a u. b" korr.: ..., cod. b XII 19 a u. b.

'Der Heiligen Leben, Redaktion' [Korr.] Bd. 3, Sp. 625 f. Überl.: "Prag, ÜB, cod. 42 (D 17)" korr.: Prag, Narodni Knihovna, cod. Tepl 42 (D 17); die Hs. befindet sich jetzt wieder in Tepl, Prämonstratenserkloster.

'Heiligenpredigten nach Peregrinus von Oppeln' -» 'Buchwaldsche Heiligenpredigten' [NB]

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Heilke von Staufenberg -» 'Gertrud von Ortenberg' [NB] Heiltumsbücher 1. Verzeichnisse der Reliquien einzelner Orte, Kirchen, Klöster oder religiöser Gemeinschaften. Sie dienen der Werbung für Heiltumsweisungen, Festtage oder Wallfahrten, sind oft mit Abbildungen des Heiltumsschatzes versehen, bisweilen durch -» Klostergründungsgeschichten und ->· Ablaßverzeichnisse [NB] angereichert und wurden auch in lokale -> Marienmirakelsammlungen (III.) integriert. Neben Hss. liegen vor allem Klein- und (meist xylographische) Einblattdrucke vor; die Texte stammen überwiegend aus dem 15. Jh. 2. Überlieferung. Der Artikel bietet ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein nach Orten gegliedertes Verzeichnis selbständiger volkssprachiger Hss., Einblatt- und Kleindrucke bis etwa 1530 auf der Grundlage der Arbeiten von FALK, S. 59—79 u. BOHREN, der mit dem Begriff H. ausschließlich Druckausgaben bezeichnet (S. 87). Für Hinweise ist Holger Nickel (GW Berlin), Frieder Schanze (Tübingen) und Peter Schmidt (Frankfurt) zu danken.

Aachen, Maastricht und Kornelimünster. Einblatt-Holzschnitt, um 1468 — 1475 (SCHREIBER, Nr. 1937); gedruckte H. seit 1514. Allotting, Stift (FALK, Nr. 1). ->· Issickemer, Jakob. Andechs, Benediktiner (FALK, Nr. 2). -> 'Andechser Chronik'. Das Heiltum ist separat auf einem großen Einblattholzschnitt v. J. 1496 (Ausstellungskat. München, 1976, S. 73 u. Abb. 77; SCHREIBER, Nr. 1936m) und einem Tafelbild v. 1497 (München, Bayerisches Nationalmus.) dargestellt und erläutert. Au am Inn, Augustiner-Chorherren. Hs.: München, cgm 2929, um 1500. Inhalt: Gründung, Reliquienverzeichnis, Nachtrag: Fürbitten für Stifter, Pröpste und Chorherren. Augsburg, Benediktiner St. Ulrich und Afra (FALK, Nr. 3). Einblatt-Holzschnitt, um 1520 (SCHREIBER, Nr. 1936). Die Reliquien auch in 'Ursprung und Anfang

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Heiltumsbücher

Augsburgs' (->· Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh.s [NB]), gedruckt bei Johannes Bämler 1483 (GW 2860) und 1488 (F. SCHANZE, Seltene Drucke in einem Sammelband d. 16. Jh.s aus d. Dombibl. Hildesheim, in: J. BEPLER u. a. [Hgg.], Die Dombibl. Hildesheim, 1996, S. 353-375, bes. 370 f.). Bamberg, Dom (FALK, Nr. 4). Drucke: Bamberg, [Johannes Pfeyl] (GW 3232), [Hans Sporer] (GW 3233, 3235); Nürnberg, Hans Mair (GW 3234), alle 1493; weitere Ausgabe von Mair 1495 (GW 3236), von Pfeyl 1509, aus demselben Jahr die Hs. London, British Library, Add. MS. 15689 (Ausg.: BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN). Inhalt: Reliquienverzeichnis in elf Umgängen, Fürbitten (MACHILEK, S. 250— 253). St. Georgenberg/Tirol, Benediktiner (FALK, Nr. 7). Druck: [Augsburg, Anton Sorg, nach 10. Mai 1480] (GW 10642). Inhalt: Gründung, Reliquienverzeichnis, Ablässe mit dt. Übersetzung der Bulle Papst Sixtus'IV. vom S.März 1480 (lat. u. dt. Summarium: Einblattdrucke 1408). Auftraggeber und eventuell auch Verfasser war der Abt Kaspar von Oegsburg (Augsburger) (Ausstellungskat. Wüten, 1988, S. 205 f. u. 208 f.). Goslar, St. Simon und Judas, lat. Vorlage um 1293, nd. Übersetzung (15. Jh.): Hannover, LB, Ms XXI 1209; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 20. 10. Aug. 4 °; Inhalt: Reliquienverzeichnis mit erläuternder Kurzpredigt, Stiftschronik (-» 'Chronik des Stiftes SS. Simon und Judas in Goslar'; Ausg.: MGH Dt. Chron. 2, 1877, S. 591-604, Reihenfolge der Texte verändert). Chronik und Reliquienverzeichnis sind auch in lat. Sprache überliefert (ebd., S. 604-608). Hall/Tirol. Florian -> Waldauf (2.). Halle/S., Neustift (FALK, Nr. 6). Druck: Halle [oder Leipzig?, Wolfgang Stöckel] 1520 (WELLER, Rep. typ. 1653). Hs.: Aschaffenburg, Hofbibl., Ms. 14, um 1526-1530, ein Prachtcodex mit Abbildungen und Beschreibungen der Reliquiare des von Kardinal Albrecht von Brandenburg gegründeten Stifts, in neun Umgängen (Ausg.: HALM/BERLINER).

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Hohenwart, Benediktinerinnen. Druck: [Ingolstadt, Drucker des Lescherius = Bartholomäus Golsch?, um 1489]. Golsch, seit 1485 Pfarrer von Hohenwart, gilt auch als Verfasser des H., das Gründung und Frühgeschichte des Klosters, Reliquienfund (1485), Beginn der Wallfahrt, Ablaßverleihung durch Innozenz VIII. (1488) und die Beschreibung der Heiltümer umfaßt. Hs. (andere Version): 'Mirakelbuch von Hohenwart', München, cgm 1777, 2 r —4 V und 346r"v, vor 1520. Köln (FALK, Nr. 8). -> 'Ursula und die elftausend Jungfrauen' (A.7., B.3.); -» 'Ablässe und Heiltümer der Stadt Köln' [NB]. Aus Köln stammt vielleicht auch das 1510 verfaßte H. einer nicht identifizierten Äbtissin Katharina von Bayern, in dem u. a. von der Auffindung des Hauptes Johannes des Täufers berichtet wird. Hs.: Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 876, ripuar. Magdeburg, Dom (FALK, Nr. 9). Lat. Druck mit nd. Einsprengseln: Magdeburg, Joachim Westval und Albert Ravenstein [um 1482-1483] (HAIN 9173, Ex.: Berlin, SBB PK, Ink. 1493). Inhalt: Reliquienverzeichnis in drei Umgängen, Ablässe, nd. Zusammenfassung. Neder-Waver, Kirche U. L. F. (Diöz. Lüttich). Einblattdruck: 'Heilichdomme ende reliquien van O. L. Vrouwen te Wavere', ndl. [Drucker des Heilichdomme, um 1483] (Incunabula Printed in the Low Countries, Nieuwkoop 1999, Nr. 1162; KRONENBERG, S. 8 — 11, Abdruck S. 13 — 15). Nürnberg, Reichskleinodien (FALK, Nr. 10). Drucke: Nürnberg, Peter Vischer 1487 (HAIN 8415); Hans Mair 1493 (HAIN 8416; Faks.: Nürnberger Heiltumsweisung [...], Nürnberg 1979 [Schriften z. Reformationszeit 15]). Der Inhalt folgt der Weisungsliturgie: Vorrede mit Instruktionen für die Anordnung der Reliquien, die Aufstellung der Teilnehmer und den Ablauf; Aufzählung der Ablässe, Reliquienverzeichnis in drei Umgängen; Schluß mit Fürbitten, Segen und Angaben zur Verschließung der Heiltümer. Erhalten sind auch Fragmente eines großen EinblattHolzschnitts, M./2. H. 15. Jh. (zwei Ausgaben, SCHREIBER, Nr. 1942, 1942 a) und

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Heiltumsbücher

Zettel für den Gebrauch des Heiltumsschreiers (Ausstellungskat. Nürnberg, 1986, S. 68 f.). Raitenhaslach, Zisterzienser. Hs.: München, cgm 1529, 2. H. 15. Jh. Inhalt: Reliquienverzeichnis und Ablässe. Tongern (belg. Limburg). Stationswallfahrt von Aachen und Maastricht; gedruckte H. seit 1514 (BoEREN, S. 155). Trier, Dom und Klöster (FALK, Nr. 13). Über 50 lat. und dt. Drucke allein von 1512—1517 (SEIBRICH). Von Johannes ->· Kurtz (II.8.) liegt ein Spruch über die Erhebung der Trierer Heiltümer vor. Utrecht, Dom. Ein H. von 1473 ist nur durch einen Rechnungseintrag bezeugt

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leitung wurden vor der Weisung die Legende des hl. Kilian und die Ablaßbulle verlesen. Teil des Reliquienverzeichnisses hs.lich in Würzburg, ÜB, M.p.th.f. 88, lr.

3. Die Texte unterscheiden sich je nach Art des Überlieferungsträgers stark in Umfang und Anspruch. Während manche Hss. nur knappe Reliquienverzeichnisse bieten und als reine Inventare angelegt wurden, geben andere H. detailliert 'Herkunft, Erwerb, Art und Aufbewahrungsort der Reliquien' (Kat. Wilten, 1988, S. 206) an und steigern die Werbewirksamkeit durch die Mitteilung der Ablässe des jeweiligen Wallfahrtsziels. Erst mit dem Buchdruck erhielt die Gattung ein eigenes Profil, je(BOEREN, S. 156 f.). doch sind Inhalte, Strukturen, Verbreitung Werden, Benediktiner. Hs.: Münster, Staatsarch., Dep. Altertumsverein, Msc. und Wirkungsabsichten nicht umfassend 136, 117v-118ar, nd. Inhalt: Reliquien- untersucht. Vor allem die md. und frk. und Ablaßverzeichnis, inseriert in eine nd. Texte gliedern sich entsprechend der WeiÜbersetzung der Vita des -* Liudger von sungspraxis in Umgänge. Viele Drucke und einige Hss. sind aufwendig illustriert, z. B. Münster (v.J. 1512). Wien, St. Stephan (FALK, Nr. 14). Druck: HAIN 8415 (Nürnberg) in Pergament-ExWien, Johannes Winterburg 1502, weitere emplaren mit reicher Zusatzausstattung Ausgabe 1514 (Faks.: Das Wiener Heilig- (Kat. Nürnberg, 1986, S. 67), ferner das thumbuch nach d. Ausgabe v. J. 1502 auf die Reliquiensammlung Kurfürst Friedsammt d. Nachträgen v. 1514, Wien 1882). richs III. d. Weisen bezogene Wittenberger Inhalt: Vorrede mit Übersicht über die Ab- H. und das hs.liehe H. des Florian Waldauf lässe, Reliquienverzeichnis in acht Umgän- (Druckvorlage mit 145 Holzschnitt-Probeabzügen). Neben der Wallfahrtspropagen, Ablaßkalender. Wittenberg, Stiftskirche (FALK, Nr. 15). ganda dienten H. mithin gelegentlich auch Hss.: Weimar, Hauptstaatsarch., Reg. der Repräsentation und Selbstdarstellung O. 212 (SCHULZE-STRATHAUS, S. 175); geistlicher wie weltlicher Eliten. Die Jena, ÜB u. LB, Ms. Bös. q. 26 a, Register Drucke wurden wohl je nach Frequenz der hierzu in Ms. Bös. q. 26 b, beide 16. Jh. Weisungen — jährlich etwa in Nürnberg, Drucke: Wittenberg, [Symphorian Rein- Wien, Wittenberg und Würzburg, in Aahart] 1509/1510, zwei Ausgaben, jeweils chen und Bamberg alle 7 Jahre — neu aufüber 100 Holzschnitte nach Vorlagen von gelegt, jedoch liegen keine sicheren AngaLukas Cranach. Inhalt: Gründung, Reli- ben zur Publikationsfrequenz vor; die Biquienverzeichnis in acht Umgängen, Ab- bliographie der Trierer Drucke von 1512— lässe (Faks.: Lukas Cranach, Wittenberger 1517 zeigt an, welches quantitative Ausmaß erreicht werden konnte (SEIBRICH, H., Unterschneidheim 1969). Würzburg, Dom (FALK, Nr. 16). Druck: S. 127—147). Noch zu klären sind die Nürnberg, Hans Mair, 1. Juni [1493] mögliche Ableitung der H. aus lat. Schatz(HAIN 8417); datiert 483', jedoch wird inventaren und die Bezüge zu verbreiteten als amtierender Papst Alexander VI. (ge- Pilgertexten wie den -* 'Mirabilia Romae'; wählt 1492) genannt. Inhalt: Ablässe mit auch Studien zu Verfassern, Auftraggebern dt. Übersetzung der Bulle Papst Boni- und Rezeption der H. fehlen. Wie die faz' IX. vom 26. März 1401, Reliquien Ver- Schriften und Bilder zum Ablaßwesen hazeichnis, Fürbitten (Ausg.: ENGEL, S. 142 — ben sie als frömmigkeitsgeschichtliches 149; Faks.: THURN, S. 145-156). Laut Ein- Schlüsselmedium des späten MAs zu gel-

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'Heilung eines Bauern'

ten, vor allem im Hinblick auf die Verbreitung der Reliquienkulte und die damit verbundene kirchliche, städtische und individuelle Indienstnahme des volkssprachigen Buchdrucks. L i t e r a t u r . F. FALK, Die Druckkunst im Dienste der Kirche (...) bis z. Jahre 1520, 1879 (Neudr. 1969); H. SIEBERT, Beitr. z. vorreformatorischen Heiligen- u. Reliquienverehrung, 1907, S. 55—61; N. PAULUS, Gesch. d. Ablasses im MA, 1923, Bd. III, S. 288-292; W. L. SCHREIBER, Hdb. d. Holz- u. Metallschnitte d. 15. Jh.s, Bd. IV, 1927, S. 89-92; E. SCHULZE-STRATHAUS, Die Wittenberger Heiligtumsbücher v. J. 1509 mit Holzschnitten v. Lucas Cranach, Gutenberg-Jb. 1930, S. 175 — 186; M. E. KRONENBERG, Incunabel-Bijdragen, Het Boek 2,20 (1931) 5-16; PH. M. HALM / R. BERLINER (Hgg.), Das Hallesche Heiltum, 1931; W. ENGEL, Das Würzburger Heiltum d. späteren MAs, Würzburger Diözesangeschichtsbll. 11/12 (19497 50) 127-158; P.C. BOEREN, Heiligdomsvaart Maastricht, Maastricht 1962, bes. S. 87-89, 116159; F. GELDNER, Das H. v. Hohenwart, ein unbekannter Wiegendruck, Gutenberg-Jb. 1969, S. 91 — 94; G. WEISS, Abt Caspar Augsburger v. St. Georgenberg (1469 bis 1491), Veröff. d. Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 50 (1970) 219-238; Der Schatz v. Hl. Berg Andechs, Ausstellungskatalog München 1976; Nürnberg — Kaiser u. Reich, Ausstellungskatalog Staatsarch. Nürnberg, 1986, S. 32—82; F. MACHILEK, Die Bamberger Heiltumsschätze u. ihre Weisungen, in: H.-G. RÖHRIG (Hg.), Dieses große Fest aus Stein, 1987, S. 217256; Heiltum u. Wallfahrt, Ausstellungskatalog Wilten/Fiecht-St. Georgenberg, 1988; H. KÜHNEL, 'Werbung', Wunder u. Wallfahrt, in: Wallfahrt u. Alltag in MA u. früher Neuzeit, 1992, S. 95-113; H. THURN, Das Würzburger Heiltum, Würzburger Diözesangeschichtsbll. 55 (1993) 143-156; K. MERKEL, Die Reliquien v. Halle u. Wittenberg. Ihre H. u. Inszenierung, in: A. TACKE (Hg.), Cranach, Meisterwerke auf Vorrat (Schriften der ÜB Erlangen-Nürnberg 25), 1994, S. 37-50; W. SEIBRICH, Die Trierer Heiltumsfahrt im SpätMA, Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch. 47 (1995) 45125; ders., Die H. d. Trierer Heiltumsfahrt d. Jahre 1512-1517, ebd., S. 127-147; D. EICHBERGER, A Renaissance Reliquary Collection in Halle, and its Illustrated Inventories, Art Bulletin of Victoria 37 (1996) 19-36; R. BAUMGÄRTEL-FLEISCHMANN (Hg.), Das Bamberger Heiltum, 1998.

FALK EISERMANN 'Heilung eines Bauern' Nürnberger Fastnachtspiel aus dem Umkreis des Hans -» Folz, 203 vv.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 18. 12. Aug. 4° (= G), 39v-44r (zit.), 1494 zusammengestellte Sammelhs. aus der Bibliothek des Augsburger Kaufmanns Claus -» Spaun (SIMON, S. 20, 107-118; HABEL, S. 119126, 132f. Abb. l, 2). Vom Schreiber Gb, einem 'Nürnberger Berufsschreiber' (HABEL, S, 119), der um 1480 (SiMON, S. U l f . ) die umfangreichste Sammlung Nürnberger Fastnachtspiele (51) anfertigte. Regieanweisungen schreibt er partienweise lateinisch (HABEL, S. 119). Der Folz nahestehende Schreiber (SiMON, S. 20) verweist seinen Auftraggeber auf eine zweite, offenbar Nürnberger Fastnachtspielhs., die eine vollständige Fassung des von ihm abgekürzten Epilogs enthält: du findest das in dem iveissen puch geschriben (44r). A u s g a b e . KELLER, Fsp. I, Nr. 6, S. 58-65, III, S. 1482 f., Nachlese, S. 337.

Ein spill von ainem kranken pauren vnd von ainem artzot wie er jm am ertznej gab (Spauns Registertitel, ) ist ein Arztspiel: der Medicus Viviam, von seinen Knechten Quentzepeltzsch und Hulletusch assistiert, kuriert einen an Verstopfung leidenden Bauern. Quentzepeltzsch verkündet die Heilkunst seines aus schlauraffen (58,27) kommenden maisters nach der Devise: Wer do ist gesunt den macht er sich (59,3). Viviam schickt Hulletusch zu den im Wirtshaus vaßnacht (59,31) feiernden Bauern. Der Knecht preist die ertznej seines Meisters, die er aus Zutaten wie hasen staub, glocken clanck und dem knartzen von einer alten panck herstelle (60,25 — 29). Der zweite Bauer (secundus laicus oder rusticus) rät, Meister Viviam solle seine Kunst an seinem verstopften nachtpauren (61,6) erproben. Um die Krankheit zu diagnostizieren, läßt der Meister den von seinen Bauernfreunden getragenen Infirmus (außerhalb der Spielfläche) in ein Glas urinieren. Bei der Inspektion vermeint der erzürnt nach seiner Brille greifende Medicus zu erkennen, daß der Kranke in das härm glas zugleich defäkiert habe, was seine Freunde nachdrücklich bestreiten. Bevor Viviam ein purgatzen (64,5) verabreicht, läßt er Hulletusch ein segen über den Kranken sprechen. Diesen 'Segen' (64,15—24) — Fluch einer unglücklichen Ehefrau mit Nürnberger Variante (Vnd leg begraben dein or l Vor vnßer frawen chor, 64,17 f.) — zitiert der Autor, wie LENK

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Heimburg, Gregor — Heingarter, Conrad, von Appenzell

nachwies, aus dem 'Renner' -» Hugos von Trimberg. Die mit einem guten trunck (64,29) heruntergespülte würz heilt den /«firmus auf der Stelle: er läßt sich krapffen vnd wein auftischen und führt den Schlußtanz an (Jch wil forn an den Keyen springen, 65,14). Das Spiel gehört zum beliebten Fastnachtspieltypus Arztspiele (13 Texte: K 48, 82, 85, 98, 101, 120; BAUER III, 1-6), der auf der Salbenkrämerepisode der Osterspiele (Dr. Eisenbart-Lob, Salbenanpreisen) beruht (BÄSCHLIN). Im Unterschied zu den Osterspielen tritt der Mediziner hier nicht als Apotheker, sondern als Arzt auf, der mittels einer Uringlasprobe einen Verstopften heilt (HAMMER). Auf karnevaleske Art verkehren Arztspiele Heilkunst und Heilmittel in ihr Gegenteil und inszenieren die unerquicklicheren der in der Fastnacht zelebrierten Körperfunktionen. Die Spottfigur des Kurpfuschers hatte vermutlich auch eine sozialkritische Funktion. Mit MICHELS schreibt CATHOLY (S. 185) . e. B.' — aufgrund des 'Tanzschlusses' — Folz zu, was wegen des fehlenden Stichreims unwahrscheinlich ist. Nach SIMON (S. 89) gehört es 'möglicherweise' zur FolzTradition. Der Aussage des Precursors zufolge (GOi grüß euch jr berren vberal l Vnd alle die da sitzen in disem sal l Hie kumen zu Euch ab got wil frum leut als ir secht, 58,4—6) haben es acht gesellen — getrennte Arzt- und Bauernstandorte bildend — als Einkehrspiel aufgeführt. L i t e r a t u r . V. MICHELS, Stud, über d. ältesten dt. Fastnachtspiele (QF 77), Straßburg 1896, S. 9, 52—65, 214; A. BÄSCHLIN, Die altdeutschen Salbenkrämerspiele, Diss. Basel 1929; E. CATHOLY, Das Fastnachtspiel des SpätMAs (Hermaea NF 8), 1961, S. 59, 182, 185, 259, 290, 306; W. LENK, Das Nürnberger Fastnachtspiel des 15. Jh.s (Dt. Ak. d. Wiss. zu Berlin, Veröff. d. Inst. f. dt. Sprache u. Lit., Reihe C, Beitr. z. Lit.wiss. 33), 1966, S. 51 f., 118 f.; G. SIMON, Die erste dt. Fastnachtspieltradition (Germ. Stud. 240), 1970, S. 20, 107-118 (u. d. T. 'Der Quacksalber mit den zwei Knechten'); C. I. HAMMER Jr., The Doctor in the Late Medieval 'ArztspieP, German Life &i Letters 24 (1970/71) S. 244-256; Sterzinger Spiele, hg. v. W. M. BAUER (Wiener Neudrucke 6), 1982, S. 89190, 496-505; TH. HABEL, Vom Zeugniswert d. Überlieferungsträger. Bemerkungen z. frühen

Nürnberger Fastnachtspiel, in: Artibus. Fs. D. Wuttke, hg. v. ST. FUSSEL u. a., 1994, S. 119-126, 132 f.

ECKEHARD SIMON Heimburg, Gregor [Korr.] Bd. 3, Sp. 635 zu 4., Überl.: "Bamberg, SB, cod. M II 9" korr.: ..., Msc. Class. 91 (olim M II 9). Sp. 637 zu 10., Überl.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 68 (B 3)" korr.: ..., cod. 1561 (olim 68; B 33). Ebd.: "ebd., cod. 343 (G 3)" korr.: ..., cod. 780, 1-2 (olim 343; G 3).

'De Heimelike Passie ons Heeren Ihesu Christi' [Korr.] Bd. 3, Sp. 642 zu L: "Rom, Bibl. Vat., Fond. lat. 9216" korr.: ..., cod. Vat. lat. 9216.

Heimgartner, Konrad -»· Heingarter, Conrad [NB] 'Die Heimkehr des gefangenen Geliebten' [Korr.] Bd. 3, Sp. 644 Überl.: "Prag, ÜB, cod. X A 12" korr.: Prag, Knihovna Narodniho Muzea, ....

Heimo von Hirsau [Korr.] Bd. 3, Sp. 652 zu 2., Überl.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 676" korr.: ..., cod. 101 (olim 676; antea M 6).

Heinfogel, Konrad [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 655 zu 3., Überl.: "Nürnberg, Germ. Nat. Mus., cod. H 2 5576/77" korr.: ..., Hz 5576/ 77 [keine Hs.!]. Ebd. zu 4. ergänze die Ausgabe: F. B. BREVART, Konrad Heinfogel: Sphaera materialis. Text u. Kommentar (GAG 325), 1981.

Heingarter, Conrad, von Appenzell Geb. zu Horgen am Zürichsee, erhielt 1440 das Zürcher Bürgerrecht, studierte in Paris als Mitglied der Deutschen Landsmannschaft (1454 Baccalaureus, 1455 Magister artium; 1464 Bacc., 1466 Licentiatus medicinae), scheint auch unterrichtet zu haben (und zwar Astrologie; zu seinen Schülern zählten Simon de Phares und

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'Heinrich II.' — Heinrich ...

Konrad -»· Türst) und stand ab 1463/64 als latromathematiker in Diensten Johanns II., Herzogs von Bourbon und Auvergne. Außerdem leistete er Hofdienste bei den frz. Königen Ludwig XI. und Karl VIII., welch letzterer ihn 1484 als Gesandten verwendete und mit der Eidgenossenschaft in Bern verhandeln ließ, ihm eine königliche Leibarztstelle aber nicht vor 1488 gewährte. 1482, 1495 und 1504 wurde er als Konsiliar freigestellt und auf Anforderung des Rats zur Behandlung hochrangiger Persönlichkeiten nach Bern entsandt. — 1475 hat der Herzog ihn mit einem Gut bei Vichy beschenkt. Die Schriften C. H.s — sämtlich lat. — umfassen neben einem (zusammen mit seinem Studienfreund Erhard -» Windsberger entworfenen) 'Epigramma genethliacum' für den herzoglichen Bediensteten Johannes de la Gutta v. J. 1469 (Paris, Bibl. nat., ms. lat. 7446, l r —14 r ) vor allem astrologische und diätetische Traktate: Das 'Judicium anni 1476' (Paris, ms. lat. 7450, 3 r — 21V), den 'Commentarius in Tetrapartitum Claudii Ptolemaei' von etwa 1476 (Paris, ms. lat. 7305, 4r-346r; ebd., ms. lat. 7432, 36 r —125 V ) und die 'Defensio astronomiae', 1488 gewidmet Louis Mallet de Graville, Admiral von Frankreich (Zürich, Zentralbibl., cod. B 244, l r -4 v ), und dann die (astro)diätetischen Konsilien bzw. Gesundheitsregeln wie das 'Regimen sanitatis' für Herzog Johannes, der an Gicht litt (Paris, ms. lat. 11232, 55 Bll. 8°, von 1477) bzw. das weitgehend gleichlautende 'Regimen sanitatis' für die 'hysterische' Herzogin Johanna, die über eine inflammatio matricis klagte (Zürich, Zentralbibl., cod. C 131, dat. 1480, 49 Bll. mit kostbaren Miniaturen), oder das 'Judicium astrologicum' auf das 56. Lebensjahr des Herzogs (Paris, Bibl. nat., ms. lat. 7447). Verschollen ist 'ung beau traitie Schleusinger in Anspruch genommen wird (Zürich, Zentralbibl., cod. Car. C 140 a; zwei Drucke: Beromünster 1472 und

Venedig 1474; GW 7252-7253). Aus der Bibliothek H.s haben sich zwei auf den universitären Unterricht bezogene Sammelhss. erhalten, die beide umfangreiche Randnotizen und Kommentare des Zürchers bieten (Paris, Bibl. nat., mss. lat. 7197 u. 7295 a). L i t e r a t u r . CH. WICKERSHEIMER, Les medecins de la nation anglaise (ou allemande) de l'Universite de Paris aux XIVe et XVe siecles, Bulletin de la Societe francaise de l'histoire de la medecine 12 (1913) 321-326; H.-E. SIGERIST, C. H. de Zürich et la medecine astrologique au XVe siecle, in: Comptes rendus du IIe Congres international d'histoire de la medecine, Evreux 1922, S. 323-329; L. THORNDIKE, A History of Magic and Experimental Science during the First Thirteen Centuries of our Era, I-VIII, New York 1923-1958, Neudr. ebd. 1964, hier Vol. IV, 1934, S. 357-385 u. 692-697; ders., C. H. in Zürich Manuscripts, especially his Medical Advice to the Duchess of Bourbon, Bulletin of the Institute of the History of Medicine 4 (1936) 81 — 87; CH. WICKERSHEIMER, Dictionnaire biographique des medecins en France au moyen age, I-III, Paris-Genf 1936-1979,1, S. 107 f., Ill, S. 57 f.; B. MILT, Beitrag zur Kenntnis d. mal. Heilkunde am Bodensee u. Oberrhein, Vjs. d. Naturforschenden Ges. in Zürich 85 (1940) 263-321, hier S. 298—305 u. ö.; M. PREAUD, Les methodes de travail d'un astrologue du XVe siecle: C. H., in: Ecole nationale des Chartes. Positions des theses (Paris 1969), S. 143-149 [mit Teildruck d. Geburtstagsepigramms sowie der Jahrprognose für 1476]; H.-P. HÖHENER, Konrad Türst in Bern u. seine Beziehungen zu Rudolf v. Erlach, in: Berns grosse Zeit: Das 15. Jh. neu entdeckt, hg. v. E. J. BEER u. a., Bern 1999, S. 323-330, hier S. 325, 629.

G. KEIL Heinrich ->· auch Heinricus, -*· Henric 'Heinrich II.' [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 659 unten, nach "'Vita Henrici" füge ein: (-> Adalbert von Bamberg).

Heinrich, Verfasser der 'Litanei' [Korr.] Bd. 3, Sp. 662 Überl.: "Graz, ÜB, Hs. 1501, 70r-150r" korr.: ..., 70r-105r. Ebd.: "Straßburg, ÜB, Hs. C.V. 16.6.4°" korr.: Straßburg, ehem. Bibl. du Seminaire Protestant, .... Vgl. CH. MACKERT, Eine Schriftprobe aus d. verbrannten 'Straßburg-Molsheimer Handschrift', ZfdA 130 (2001) 143-165.

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Heinrich ... — Heinrich von Coesfeld

Heinrich, Verfasser des 'Reinhart Fuchs' [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 668 Überl. b): "Heidelberg, cpg 341 (zwischen 1220-1230)" korr.: ... (zwischen 1320 u. 1330). Sp. 677 Lit.verz. ergänze: O. EHRISMANN (Hg.), Der mhd. Reinhart Fuchs. Abbildungen u. Materialien zur hs.lichen Überl. (Litterae 72), 1980.

Bruder Heinrich Der verschollene cod. 14 aus der Bibliothek des Georg Kloss (Nr. 77 des Katalogs), geschrieben 1534 von Barbara Mangoltin im Klarissenkloster Söflingen bei Ulm, enthielt 95 Predigten über die sieben Gaben des Hl. Geistes, die nach Aussage des Vorblattes ein Bruder Heinrich i. J. 1490 im S. Marienkloster der Klarissen in Nürnberg gehalten habe. Caritas -» Pirckheimer habe diese Predigten aufgeschrieben; von ihrer Hs. stamme die vorliegende Abschrift ab. Es ist anzunehmen, daß es sich um die 95 Adventspredigten über die sieben Gaben des Hl. Geistes handelt, die Heinrich ->· Vigilis (II.5.) zugeschrieben werden; diese sind allerdings in den beiden bisher bekannten Hss. anonym überliefert (Hinweise Monika Costard).

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Heinrich von Bitterfeld [Korr.] Bd. 3, Sp. 702 Mitte, zu 5.: "cod. 831 der ÜB Prag" korr.: cod. V B 14 (Kat. Nr. 831) der Narodni Knihovna Prag.

Heinrich von Breslau [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 704f.: Eine lat. Totenklage eines Autors namens Mersburg in der -> 'Augsburger Cantionessammlung' (II.2.) [NB] dürfte sich auf Herzog Heinrich IV. von Breslau beziehen.

Heinrich von Coesfeld (Henricus Kemenade, Kemenadius) OCart

I. Leben. H., dessen Familienname vermutlich Kemenade war, stammte aus Coesfeld im Münsterland. 1369 trat er in die Kartause Monnikhuizen b. Arnheim ein. Über sein damaliges Lebensalter, seine früheren Jahre, seine Schulausbildung und vielleicht ein Studium ist nichts bekannt. Für das heute meist genannte Geburtsjahr 'um 1350' fehlt eine zureichende Handhabe; es ist vermutlich früher anzusetzen. Bereits 1373 wurde er als Nachfolger Heinrich -» Eghers Prior von Monnikhuizen. Unter seinem Priorat hielt sich 1374—1376 Geert ->· Groote in Monnikhuizen auf. 1378 — 1381 war er Prior der Kartause Geertruidenberg L i t e r a t u r . U.-D. OPPITZ, Georg Kloss u. seine (Domus Hollandiae) b. Arnheim, 1381 — Hss.slg., Wolfenbütteler Notizen zur Buchgesch. 22 (1997) 1-47, Nr. 4591. 1401 Prior von Zeelhem b. Diest, seit 1401 wieder bis zu seinem Tode Prior von GeerHeinrich von Ahorn entfällt truidenberg. Er starb am 9. Juli 1410 bei einer Visitation in der Kartause Genadedal b. Brügge. Heinrich von Baldenstetten [Korr.] Neben den Prioraten versah H. innerBd. 3, Sp. 691, 1. Abschnitt: "OBA undat. St. halb seines Ordens auch höhere LeitungsSchbl. LXI Nr. 40" korr.: heute Berlin, Geh. Staats- aufgaben. 1374 wurde er vom Generalkaarch. PK, XX. HA Hist. StA Königsberg, OBA pitel zu einem der acht Diffinitoren be28323 (= ein undatiertes Verzeichnis der Marienstellt, in deren Händen die wichtigsten Beburger Konventsherren von etwa 1455) (Mitt. B. fugnisse der Ordensverwaltung lagen. Jähnig, Berlin, Geh. Staatsarchiv PK). 1406 — 1410 übernahm er das Amt des Visitators der Provincia Rheni, des westl. Heinrich von Beringen [Nachtr.] Teils der Ordensprovinz Alemannia inferior, der damals von Amsterdam bis StraßBd. 3, Sp. 699 zu Lit. ergänze: S. SINGER, Eine burg und Freiburg reichte. Damit hatte er weitere Quelle Heinrichs v. München, ZfdA 30 alle zwei Jahre die Regeltreue der ihm zu(1886) 390-395; P. GICHTEL, Die Weltchronik geteilten Klöster, ihre wirtschaftliche Lage Heinrichs v. München in d. Runkelsteiner Hs. des und den inneren Frieden der Konvente zu Heinz Sentlinger (Schriftenreihe z. bayer. Landesgesch. 28), 1937, S. 229-234. überprüfen. 1406 visitierte er Kartausen in

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Heinrich von Coesfeld

England. Als einer der engsten Berater des Generalpriors Stephan Maconi wirkte er 1409/1410 für die Einheit des Ordens, der sich 1382 im Gefolge des Großen Schismas in zwei Obödienzen mit getrennten Generalkapiteln gespalten hatte; sie wurde 1410 auf dem Generalkapitel in der Grande Chartreuse wiederhergestellt. H. ernannte man damals erneut zum Diffinitor und übertrug ihm die Visitation der Picardie. II. Werk. Die bekannten Schriften H.s gelten dem kartusianischen Ordensleben, der Meditation, dem Gebet, der monastischen Lebensform, der Unterweisung der Novizen, der eucharistischen Frömmigkeit, der Predigt. Sie hatten im Orden ihre Verbreitung, wirkten aber auch über seine Grenzen hinaus. Für eine Chronologie der Schriften bieten sich bislang keine Kriterien. Ü b e r l i e f e r u n g . Die fülligen vorkritischen Werkverzeichnisse bei BOSTIUS, PETREIUS, BOHIC, MOLIN, LE COUTEULX u. a., die im wesentlichen auf die Verzeichnisse von TRITHEMIUS zurückgehen, sind in der erhaltenen Überlieferung kaum zur Hälfte verifizierbar. Zweifelhaft ist die allgemein noch fortgeschriebene Autorschaft H.s an dem asketischen Traktat 'Circumcisorium mysticum' (inc. Sciat pius lector quod collector sequentis libelli, 19 Kap.), der die monastische Disziplin im Denken, Reden und Handeln zum Thema hat. In der Hs. Brüssel, Bibl. Royale, ms. 11811-12, 128r-206v, v. J. 1516, und Den Haag, Kgl. Bibl., Fonds Akad. van Wetenschapen, cod. II, l r —48 r , 15. Jh., ist er anonym überliefert, im Ms. theol. lat. fol. 705, 42r-88v, 16. Jh., der SBB PK Berlin einem Prior der Kartause Lüttich zugeschrieben, der H. nicht war. Zu weiteren zweifelhaften Titeln s. u. II.1. — Zu prüfen bleibt die Autorschaft des einzig in Brüssel, Bibl. Royale, cod. 11811-12, 104r-125v, erhaltenen 'Tractatus de audiendis missis'; er steht dort anscheinend unter H.s Namen, ist in den älteren Werkverzeichnissen aber nicht bekannt. Corrigenda zu HOEKSTRA, Sp. 183: Eine 'Passio Jesu', die von H. verfaßt wäre, findet sich in Mechelen (Malines), Bibl. du Seminaire, ms. 25, nicht; bei der vermeintlichen dt. Übersetzung jener 'Passio Jesu' (Freiburg, ÜB, Hs. 675) handelt es sich um eine Übersetzung von Heinrich -> Arnoldis 'De passione domini'. Der cod. 214 der ÜB Graz, aber auch andere Grazer Hss. enthalten keine Schriften H.s, der Brüsseler cod. 1425 nicht 'De tribus votis', cod. 48 der Bibl. du Seminaire in Mechelen nicht

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H.s 'De tribus votis', sondern 'De contemptu mundi' des Johannes von Schoonhoven. Die ehemals in der Hs I 621 der StB Mainz enthaltene 'Epistola de instructione noviciorum et iuvenum' ist dort herausgerissen und wird seit langem vermißt. Die beiden im Erfurter Cod. Ampl. Q. 243 unter dem Namen eines magister Henricus de Coesfeldia überlieferten Traktate zur Logik, die HOEKSTRA ohne weiteres für H. reklamiert, nehmen sich in seinem CEuvre gänzlich atypisch aus. Sie wären nur dann für H. zu beanspruchen, wenn er, wofür jeder Anhaltspunkt fehlt, vor Eintritt in den Orden als Lehrer oder als Magister im Artesstudium tätig gewesen wäre. Daher werden sie eher einem gleichnamigen anderen, vielleicht dem 1384 in Prag als Magister bezeugten Henricus de Cosueldia, zuzuweisen sein. Im folgenden werden nur die Schriften berücksichtigt, die in den Hss. ausdrücklich und mehrfach H. zugewiesen und auch in den älteren Werkverzeichnissen genannt sind. Für sie wurde eine annähernd vollständige Heuristik ihrer Überlieferung versucht. Die erhaltenen Hss. konzentrieren sich auf Bibliotheksbestände ehem. Kartausen in den Niederlanden, in Belgien, am Rhein von Xanten bis Basel, liegen somit im Umkreis von H.s Wirken als Prior und Visitator.

1. 'De t r i b u s votis monasticis' ('De tribus votis substantialibus religionis'). Dem Traktat (ine. Nolite diligere mundum ... Sie aquila illa coelestis] liegt nach der Anrede venerabiles patres et matres, domini et domine, fratres ac sorores (Einleitung und conclusio) ein Vortrag vor Ordensbrüdern und -Schwestern zugrunde; dieser muß, da sie mehrfach auch als prelati und prelate angesprochen werden, auf einem Generalkapitel gehalten worden sein. Der in zwei Bücher geteilte Traktat hat im ersten die monastischen Gelübde, Armut, Keuschheit, Gehorsam zum Thema. Er stellt sie, dem Themawort Nolite diligere mundum neque ea quae in mundo sunt entsprechend, zunächst als kontrastive Trias zur concupiscentia carnis, concupiscentia oculorum und superbia vitae heraus, die nach l 2,16 den weltlichen Menschen ausmachen, und erklärt sie als Anweisungen zur perfectio caritatis aus Worten Christi (Kap. 5). Die letzten Kapitel besprechen mit scharfer Kritik Verletzungen der monastischen Grundregeln. Das zweite Buch widmet sich ganz der Zu-

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Heinrich von Coesfeld

lässigkeit von (eingebrachtem) Eigenbesitz (proprietas) im Kloster und diskutiert die offenbar sehr aktuelle Frage, die entscheidend in die Verantwortung der Ordensoberen fällt, ausführlich anhand von acht Thesen. H. verurteilt die allerorten das Mönchswesen unterminierende maledicta proprietas unmißverständlich. Der Traktat, der inhaltlich aus der asketischen Tradition (u. a. Basilius, Johannes Klimakos, vor allem -* Bernhard von Clairvaux) schöpft, häufig aber auch -> Thomas von Aquin, bisweilen Heinrich von Gent beizieht, besitzt die Qualitäten scholastischer Predigt und Disputation. Ü b e r l i e f e r u n g . Der Traktar läuft in einigen Hss. (Deventer, Wien), gewiß im Blick auf sein 2. Buch, auch unter dem Titel 'Contra proprietäres religiosorum'; eine durch diesen Titel bezeichnete eigene Schrift wird daher entgegen den Werkverzeichnissen der älteren Ordenstradition, aber auch noch bei HoEKSTRA, nicht anzusetzen sein. Des weiteren stellt sich die Frage, ob es sich bei der in den älteren Verzeichnissen aufgeführten Schrift 'De tribus custodiis monachorum' nicht ebenfalls um 'De tribus votis monasticis' handelt. Berlin, SBB-PK Ms. theol. lat. fol. 225, 182V212r, 15. Jh.; Brüssel, Bibl. Royale, cod. 1520-42, 33r-48r, 15. Jh.; ebd., cod. 2037-48, 128r-157v, 15. Jh.; ebd., cod. 2285-2301, 107r-133v, 15. Jh.; ebd., cod. 5029-30, l r -68 r , um 1450; ebd., cod. 9654-63, 222r-236v, Mitte 15. Jh.; Deventer, Athenaeum-Bibl., cod. I 78, 46r-78v, v.J. 1411; Grenoble, Bibl. munic., cod. 1845, lr-33r, 15. Jh.; Mainz, StB, Hs I 137, 66V-91V, Anf. 15. Jh.; Melk, Stiftsbibl., cod. 900 (361; G 21) 184r-241v, 15. Jh.; ebd., cod. 1806 (1632; 1819), 90r-166r, 18. Jh.; München, clm 14919, 46r-146r, 15. Jh.; ebd., clm 18381, 122ra-155rb, 15. Jh.; Utrecht, ÜB, cod. 161, 147r-181r, Ende 14. Jh.; ebd., cod. 368, 13r-51r, 15. Jh.; ebd., cod. 378, 31r-88v, Anf. 15. Jh.; Vorau, Stiftsbibl., cod. 214, 130r159r, Mitte 15. Jh. Auszüge: Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 142, 310rh-318ra, 15. Jh.; ebd., Ms. theol. lat. fol. 225, 180V-182V, 15. Jh.; Utrecht, ÜB, cod. 205, 183V, 15. Jh.; Wien, cod. 4257, 73r-90r, 15. Jh.; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 653 Heimst., 13r-17r u. 137V-139V, 15. Jh.

2. ' E p i s t u l a de i n s t r u c t i o n e i u v e num et n o v i t i o r u m ' . Es gab bei den Kartäusern keine Ordensschule oder auch nur ein einheitlich geregeltes Noviziat. Für dieses bot weder

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die Kapitelpredigt noch die übliche Betreuung jedes neu eintretenden Mönchs durch einen geeigneten Mitbruder zureichenden Ersatz. Dieser offene Bedarf an Unterweisung scheint die zahlreichen an Novizen gerichteten Schriften veranlaßt zu haben (vgl. RÜTHING, S. 12 f.). In solchem Zusammenhang wird auch H.s Brieftraktat, der an einen Unbekannten gerichtet ist (ine. Carissime in Christo Jesu, multis ac variis petisti a me instantiis ... Ingressuro tibi tarn ordinem), entstanden sein. Er bietet in 37 Kapiteln eine umfassende Verhaltenslehre für das klösterliche Leben. Sie steht unter den Gesichtspunkten radikaler Weltabsage und vollkommener Disziplin des inneren und äußeren Menschen. Die Schwerpunkte der Unterweisung bilden das Leben in der Zelle (c. 6^11), der Gottesdienst (c. 12—15), das Leben in der Mönchsgemeinschaft (c. 17—33) mit seinen vielfältigen Versuchungen, die caritas fraterna zu verletzen. In mittelndl. Übersetzung (ine. In christo ihesu alre tiefste, du hebste my langhe tijt gheben) war die 'Epistula' auch in Nonnenkonventen verbreitet. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 705, 2r-25r, 16. Jh.; Brüssel, Bibl. Royale, cod. 2415-18, 2r-36v, 2. H. 14. Jh.; Cambrai, Bibl. munic., ms. 835, lr~31r, v. J. 1411; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., cod. 2246, lr-54v, um 1600; Paris, Bibl. nat., ms. lat. 10718, 2r-27v, v. J. 1468; Wien, cod. 15262, lr-57r, 15. Jh., ohne Vorrede. Mndl. Übers.: Berlin, mgq 1122, l ra -48 rb , 15. Jh.; Berlin, mgo 430, 17r-84r, 15. Jh.; Brüssel, Bibl. Royale, cod. 11151-55, 218r-299r, 16. Jh.; Deventer, Athenaeum-Bibl., cod. I 52, 15. Jh.; Halle, Franckesche Stiftungen, AFSt/H P 4, 60V116r; Leiden, ÜB, cod. BPL 2383 (nach GRAUWE).

3. 'De d u l c e d i n e e v a n g e l i c e p e r fectionis'.

Die anscheinend nur in Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 225, 167r-180v, 15. Jh., überlieferte Schrift, inc. Cum sapiens ihesus magister perfectionis in vite sue decursu, gilt ebenfalls der instructio iuvenum. Sie legt alles Gewicht auf die paupertas ev'angelica. 4. 'De s a c r a m e n t o e u c h a r i s t i a e ' ('Liber de utili et opportuna institutione sacramenti eucharistiae'). Der nach scholastischer Art angelegte Traktat (ine. Panem celi dedit eis ... Verba

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Heinrich von Coesfeld

bec prout ibidem et aliis sibi annexis) — er erreicht eine Hierarchie von vier Ebenen der Gliederung (membrum, capitulum, clausula, particula) — versucht auf der Grundlage der kirchlichen Tradition und der dicta sanctorum tarn ecdesiasticorum quam scolasticorum (160r), darunter vor allem Thomas von Aquin, eine Theologie der Eucharistie. Der erste Teil (de pane] handelt über das Sakrament selbst, der zweite (de manducatione panis] über den würdigen Empfang, seine Bedingungen und seine Heilswirkung. In einem Epilog resümiert H. die mirabilia und die difficultates des eucharistischen mysterium, dem der menschliche Intellekt nicht gewachsen ist und dem nur mit dem Glauben begegnet werden kann. Ü b e r l i e f e r u n g . Brüssel, Bibl. Royale, cod. 4971-73, 3r-117r, v.J. 1416; ebd., cod. 1181112, 3r-101v, v.J. 1516; Köln, Hist. Archiv d. Stadt, cod. GB 4° 173, lr-15v, um 1480, am Anf. unvollst.; Mainz, StB, Hs I 47, 69ra-116ra, 1. H. 15. Jh.; ebd., Hsl 158, 117r-165v, 1. H. 15. Jh.; Mechelen (Malines), Bibl. du Seminaire, ms. 25, l r -62 r , 15./16. Jh.; Metz, Bibl. munic., ms. 357, unvollst.; Trier, StB, cod. 681/878 8°, 66r-160v, v. J. 1465 (zit.). - Auszug: Trier, StB, cod. 327/ 19994°, 211r-214r, 15. Jh.

5. ' M e d i t a t i o d e v o t a ' ('Praeparatio ad missam'). Eine die anima ansprechende Meditation über den Empfang der Eucharistie, dem Kartäuser-Priester zur Vorbereitung auf die Messe zugedacht, ine. Exurge nunc anima mea et excutere de pulvere. Ü b e r l i e f e r u n g . Brüssel, Bibl. Royale, cod. 3553-57, 174r-175v, 15. Jh.; ebd., cod. 5004-08, 141r-145v, 15. Jh.; Düsseldorf, ÜB u. LB, Ms. B 108[a], ll v -17 r , 15. Jh.; Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB8°8, 72r-83r, 1. H. 15. Jh.; Mechelen (Malines), Bibl. du Seminaire, ms. 25, 62 r —69 r , 15./ 16. Jh.; München, clm 28299, 96V-99V, 1. H. 15. Jh.

6. Gebete. Der 'Meditatio' schließen sich in der Mehrzahl der Hss. Gebete zur Eucharistie, inc. locunditas merencium Jesu, fili Dei vivi, an. Ein Mariengebet H.s, ine. Ave Maria, dei genitrix, beatissima virgo, fand Aufnahme in das Orationale magnum' der Zisterzienserabtei Camp (Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs521, 93 ra ).

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7. P r e d i g t e n . Im 14. Jh. predigten die Kartäuserprioren regelmäßig an 14 Festtagen des Jahres im Kapitelsaal vor ihren Mönchen, an Weihnachten, Epiphanie, Maria Reinigung, Maria Verkündigung, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Johannes d. T., Maria Magdalena, Maria Himmelfahrt, Maria Geburt, Michael, Allerheiligen, Hugo von Lincoln. H., der in seinem Orden ein Prediger von Ruf war, hat im Amt des Priors die Aufgabe der Kapitelpredigt an Festtagen über Jahre hin und so auch mit verschiedenen Zyklen wahrgenommen. Ü b e r l i e f e r u n g . Die Zahl der Festtagspredigten variiert in den hs.liehen Sammlungen; in einigen werden sie als 'Sermones estivales' und 'Sermones hiemales' oder 'Sermones de tempore et de sanctis' geführt. Hss.: Trier, Bibl. d. Priesterseminars, cod. 55, 187 Bll., v.J. 1469 (3-6 Predigten zu jedem der 14 Feste); Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. GB P 163, 67r-234v, v. J. 1477 (3-5 Predigten zu jedem der 14 Feste); Brüssel, Bibl. Royale, cod. 1212, 3r-175r, v.J. 1440; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs403, lr-118r, 2. Viertel 15. Jh.; Düsseldorf, ÜB u. LB, Ms. B 191, 148 Bll., Ende 15. Jh.; La Grande Chartreuse, Archives, ms. 1062, 15. Jh.; Mechelen (Malines), Bibl. du Seminaire, ms. 26, 51r-88v, 15. Jh., Trier, StB, cod. 238/1392 8°, 200 Bll., 15. Jh.; Xanten, Stiftsarchiv u. -bibl., cod. H 25, lr-186r, 15. Jh. Einzelüberlieferungen von Kapitelpredigten: Zu Maria Reinigung ('De multiplici devotione sive de diversis generibus devotorum'): Brüssel, Bibl. Royale, cod. 2415-18, 48r-70r, 2. H. 14. Jh.; ebd., cod. 2641-47, 91r-100v, 15. Jh. Zu Johannes d. T. u. zu Maria Magdalena: Basel, ÜB, cod. A VIII 18, 4 r ff. Zu Maria Magdalena: Trier, StB, cod. 295/1968 8°, 218r-227r, um 1470. Verlorene Hss.: Mainz, StB, Hs I 59 (gegenwärtig vermißt); Münster, ÜB (ehem. Bibl. Paulina), cod. 748 (Kat. Nr. 134), 50r-90r (Kriegsverlust). L i t e r a t u r . J. TRITHEMIUS, De scriptoribus ecclesiasticis, in: J. T, Primae partis Opera historica, hg. v. M. FREHER, Frankfurt 1601, S. 340; De viris illustribus, ebd., S. 151; A. BOSTIUS, De praecipuis aliquot Cartusianae familiae patribus, Köln 1609, S. 22 f.; TH. PETREIUS, Bibliotheca Cartusiana sive Illustrium sacri Cartusiensis ordinis scriptorum catalogus, Köln 1609, S. 126 f.; C. BOHIC [t 1621], Chronica ordinis cartusiensis, Bd. 3, Parkminster 1922, S. 446-448; N. MOLIN [f 1638], Historia Cartusiana, Bd. 2, Tournai 1904, S. 93; CH. LE

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Heinrich von Freiburg — Heinrich von Hesler

COUTEULX [f 1709], Annales ordinis Cartusiensis, Bd. 7, Montreuil 1890, S. 279-282; F. LANDMANN, Das Predigtwesen in Westfalen in der letzten Zeit des MAs (Vorreformator, geschichtl. Stud. 1), 1900, S. 49 f., 79, 87 f., 179; H. J. J. SCHOLTENS, De priors van het kartuizerklooster Monnikhuizen bij Arnhem, Archief voor de geschiedenis van het aartsbisdom Utrecht 56 (1932) 1-80, hier S. 2330; ders., De kartuizers buiten Geertruidenberg, Bossche Bijdragen 18 (1941) 10-122, hier S. 5263; ders., De litteraire nalatenschap van die kartuizers in de Nederlanden, OGE 25 (1951) 9-43, hier S. 13; S. AXTERS, Geschiedenis van de vroomheid in de Nederlanden, Bd. 3: De Moderne Devotie, Antwerpen 1956, S. 218 u. 436; H. J. J. SCHOLTENS, Hendrik van Eger uit Kaikar en zijn kring, in: Dr. L. Reypens-Album (Stud, en tekstuitgaven van OGE 16), Antwerpen 1964, S. 383-408, bes. S. 404 f.; H. RÜTHING, Der Kartäuser Heinrich Egher v. Kaikar (Veröff. d. Max-Planck-Inst. f. Gesch. 18), 1967, Reg.; E.G. HOEKSTRA, Art. 'Henri de Coesfeld', in: Diet. spir. 7, 1968, Sp. 182—184; A. GRUYS, Cartusiana. Un instrument heuristique (Institut de recherche et d'histoire des textes), Bd. l, Paris 1976, S. 102 f. u. 108 f.; Supplement, Paris 1978, S. 451; W. LOURDAUX / M. HAVERALS, Bibliotheca Vallis s. Martini in Lovanio (Symbolae, ser. A, 8), Leuven 1978, Bd. 2, S. 350; C. DE BACKER, De kartuize Monichusen bij Arnhem. Prosopografie samen met de regesten van de zopas ontdekte oorkondenschat, in: Historia et spiritualitas cartusiensis. Colloquii Quarti Internationalis Acta, Destelbergen (Belgien) 1983, S. 69156, hier S. 69 f. u. 93; J. DE GRAUWE, Historia cartusiana Belgica (Analecta Cartusiana 51), Salzburg 1985,5.30, 106, 115, 135. F. J. WORSTBROCK

Heinrich (Salomon) von Freiburg entfällt Als Gewährsmann für ein Rezept (Nr. XVIII) im -> 'Buch von alten Schäden' genannt. Vgl. I. ROHLAND, Das 'Buch von alten Schäden', Teil II: Kommentar u. Wörterverzeichnis (WmF 23), 1982, S. 144f., 434 (zur Biographie).

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cod. theol. germ. 17 ...; ebd., cod. theol. germ. 26 ...; ebd., cod. theol. germ. 60" korr.: Die Mss. theol. germ. 2° 9, theol. germ. 4° 26 und theol. germ. 8° 60 sind seit 1990 wieder zurück in Lübeck. Ms. theol. germ. 4° 17 befindet sich heute in Moskau, Rossijskaja Gosudarstvennaja biblioteka (ehem. Leninbibl.), Fond 755, Nr. 71. Vgl. H.-J. SCHIEWER / R. D. SCHIEWER, Norddt. Hss. in Moskau, in: Scrinium Berolinense. Tilo Brandis zum 65. Geb., 2000, S. 486-498, hier S. 494 f.; J. FLIGGE / A. MIELKE / R. SCHWEITZER, Die nd. Hss. der StB Lübeck nach d. Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung: Forschungsbilanz nach einem Jahrzehnt (mit e. Liste aller nd. Hss.), in: Vulpis Adolatio, Fs. H. Menke, hg. v. R. PETERS u.a., 2001, S. 163-217, hier S. 167-169. Sp. 736 zu B. 1. Überl.: "Privatbesitz des Dr. J. Geffcken (19. Jh., jetziger Standort unbekannt)" korr.: heute in Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 1555, der Text Bl. 43r-84v [davor l r -42 v eine Auslegung der Hl. Messe, -> 'Meßerklärung Ego sum pants uiuus'}. Die Hs. md., Mitte 15. Jh. Vgl. N. KRÜGER, Die theol. Hss. der SB u. ÜB Hamburg, Bd. 4: Nachträge (cod. theol. 1002-2256), 1998, S. 94 f. Ebd.: "Lübeck, StB, cod. theol. germ. 26 ... (verschollen)" korr.: wieder in Lübeck (s. o.).

Heinrich von St. Gallen [Korr.] Bd. 3, Sp. 739 zu 3., Überl., Z. 3: "bei VIZKELETY ... und bei" ersetze durch: Bei RUH, Ausg., S. XVI-XVIII, sind erst 78 Hss Ebd.: "HiLG" ergänze: , S. 19. Sp. 740 oben: "Uppsala, ÜB, cod. 803b" korr.: ..., cod. C803b. Sp. 741, 2. Abschnitt Mitte: "Kopenhagen, Kgl. Bibl., cod. AM 72, 8°" korr.: Kopenhagen, Universitet, Det Arnamagnseanske Institut, .... Sp. 744 Z. 8: "Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 23 (1970) 551-664"; korr.: Börsenbl. f.d. dt. Buchhandel 26, Teil I (1970) 661-664, wieder in: Arch, f. Gesch. d. Buchwesens 11 (1971).

Heinrich von Hesler [Nachtr.] Heinrich von Friemar d. Ä. [Korr.] Bd. 3, Sp. 732 Ausg.: Der Titel der Ausg. von R. G. WARNOCK u. A. ZUMKELLER lautet korrekt: Der Traktat Heinrichs von Friemar über die Unterscheidung der Geister. Lat.-mhd. Textausg. m. Unters. (Cassiciacum 32), 1977. Sp. 734 Überl., oben: "Mainz, Stadtarch., Hs. I 195" korr.: Mainz, StB, ... Ebd. unten, zu f) Vernichtete oder verschollene Hss.: "Lübeck, StB, cod. theol. germ. 9 ...; ebd.,

Bd. 3, Sp. 752 zu Überl.: Von den Hss. der 'Apokalypse' [im Art. nicht einzeln aufgeführt!] sind die beiden ehem. Königsberger (SB u. ÜB) Hss. 891 u. 891 b jetzt in Torun, Bibl. Glowna Mikolaja Kopernika (ÜB), Rps. 44/IV, Bl. 32ra-197vb bzw. Rps. 64/111, Bl. 4ra-160vb. Der frühere cod. XVII C.q. 147 der StB Danzig heute Danzig, Bibl. Gdänska Polska Akademia NAUK, Ms. 2415 (174 Bll.). Vgl. Heinrich v. Hesler. Die Apokalypse. Königsberger Apokalypse. Mikrofiche-Edition der Hss. Torun,

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Heinrich von Isernia

Bibl. Uniw. Mik. Kopernika, ms. Rps. 64 u. ms. Rps. 44. Einführung ... v. V. HONEMANN (Codices illuminati medii aevi 27), 2000.

Heinrich von Isernia Die Unterscheidung H.s v. I. von Henricus Italiens, die beide — teilweise gleichzeitig — in der Kanzlei König Ottokars II. von Böhmen tätig waren, ist strittig. Während seit NOVÄK die deutsche Forschung meist zwei verschiedene Personen erkennt, plädiert die tschechische seit langem durchweg für die Annahme der Identität der beiden. SEBÄNEK und DUSKOVÄ, die aufgrund eines Schriftund Diktatvergleichs die Dauer der Tätigkeit des Notars/Protonotars Heinrich untersuchten, betrachten das biographisch reichhaltige Briefwerk H.s (v. I.) grundsätzlich als nachgeordnete, nur ergänzende Quelle; sie ziehen sogar die italienische Herkunft ihres Notars Heinrich in Zweifel. Ohne in diesen Fragen dem Ergebnis einer notwendigen zusammenfassenden Diskussion vorzugreifen, beschränkt sich der folgende Artikel auf die Person — möglicherweise Teilperson —, die als Autor mit dem Namen H. v. I. faßbar ist. Dem Abriß der Vita lege ich vor allem die Untersuchung HAMPES zugrunde. Zu dem bis 1301 nachweisbaren Henricus Italicus s. NOVÄK, 1899, S. 256—260; zu seiner Identität mit einem Kanoniker in Prag und Olmütz, einem Dr. decr. und Pleban in Gars namens Heinrich s. DUSKOVÄ, 1960, und SEBÄNEK/DUSKOVÄ, 1969, S. 368-371.

I. L e b e n . H., der sich verschiedentlich auch als Henricus Italicus, de Italia, Siculus, de Sicilia und Apulus bezeichnet, wurde vermutlich um 1240 in Isernia (südital. Region Molise) geboren. 1258 studierte er in Neapel die Artes. Schikanen und Pressionen seitens der staufischen Administration, denen sein Vater, Anhänger der mit Kaiser Friedrich II. verfeindeten Grafen von Celano-Molise, beständig ausgesetzt war, trafen auch ihn (vgl. seinen ausführlichen Bericht, HAMPE, Nr. 2, S. 69-97). Das Ende der staufischen Herrschaft bescherte ihm jedoch nur neue Unbill: nun wurde er Opfer angiovinischer Willkür und verlor im Zuge einer verleumderischen Hochverratsanklage sein väterliches Erbe. In dieser Lage ging er zur ghibellinisch-staufischen Seite über. Während er sich, längst ein Mann der gewandten Feder, im Sommer

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1268 in Viterbo um eine Karriere an der päpstlichen Kanzlei bemühte, bekam er Verbindung mit Peter von Prece, einem der prominenten italienischen Emigranten, die nach Deutschland geflohen waren und dort seit 1269 den jungen Friedrich den Freidigen zur Vertreibung Karls von Anjou aus Italien zu bestimmen suchten. 1269 folgte H. einer Einladung nach Sachsen. Als sich bereits 1270 abzeichnete, daß die Pläne zur Befreiung Italiens illusorisch sein würden, wandte H. sich, wohl noch Ende des Jahres, auf Anraten Peters von Prece nach Prag. Dort mußte er sein Auskommen allerdings zunächst als Lehrer des Triviums und der Ars dictandi, durch Abschriften von Büchern, wohl auch durch Dienste für Bischof Bruno von Olmütz suchen. Erst Ende 1273 fand er, auf Fürsprache u. a. ->· Bonaventuras, Anstellung als Notar in der Kanzlei König Ottokars II., blieb aber wohl in untergeordneter Position. Zeitlebens hat er auf eine Rückkehr nach Italien gehofft. Nach Ottokars Niederlage und Tod 1278 in der Schlacht gegen Rudolf von Habsburg bei Dürnkrut hat sich auch H.s Spur verloren. II. Werk. H. gehört in die illustre Reihe der spätstaufischen Dictatores und Publizisten (Petrus de Vinea, Nicolaus de Rocca u. a.), war der letzte von ihnen. Sein Werk ist jedoch zu einem beträchtlichen Teil auch mit seiner Lehrtätigkeit in den frühen Prager Jahren verbunden. Im Prager Exil der 1270er Jahre wuchs er zur Leitfigur einer ersten rhetorisch-literarischen Kultur in Böhmen. 1. B r i e f s a m m l u n g . Ü b e r l i e f e r u n g . Das Briefwerk H.s ist auf der Grundlage der heute bekannten Überlieferung noch nicht kritisch gesichtet und geordnet. Synopsen der bis ca. 1905 nachgewiesenen Hss. bei PETROV, Bd. 2, S. 5*-16*. V = Wien, cod. 3143, zwei Teile von jeweils anderer Hand: 40r-142r u. 167v-203r. Teil I (spätes 14. Jh.) beginnt mit Briefen des Prager Lehrers an seine Schüler, Teil II (15. Jh.) enthält die früheren, bis in die italienischen Jahre zurückreichenden Stücke. Vor Teil II ist f. 150r-167r von gleicher Hand das 'Somnium morale Pharaonis' des Johannes von Limoges eingetragen. Teil I endet f. 142r—

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Heinrich von Isernia

149r mit 12 Briefen, die fälschlich unter H.s Briefe geraten sind; vgl. HAMPE, S. 59—64 (mit einigen Fehlangaben). Teil I enthält — ohne die ihm eingeordnete 'Invectiva' gegen Magister Ulricus (s. u.) und die Cantio an Bruno von Olmütz (s. u.) — somit 148, Teil II 89 Stücke. - Cr = Krakau, ÜB (Bibl. Jagiellonska), cod. 439, 193ra-236r, Frgm., 1. H. 15. Jh. - K = Klagenfurt, Bischöfl. Bibl., cod. XXXI b 12, 13r-70v, 14. Jh. - P = Prag, Narodni Knihovna, cod. XXIII F112, 80 r -lll r , 1. H. 16. Jh., 135 Stücke; vgl. E. RAUNER, Petrarca-Hss. in Tschechien u. in der Slowak. Republik (Censimento dei Codici Petrarcheschi 12), Padova 1999, S. 355391. - Pr = ebd., cod. XIIB 12, 92ra- 142rb, 15. Jh. K und Pr stimmen im Umfang der Briefsammlung annähernd mit Teil I von V überein, in der Reihenfolge der Briefe sogar vollständig; sie enthalten keinen Brief von V, Teil II. Ob dieser auf derselben Vorlage wie Teil I beruht, ist ungewiß, eher unwahrscheinlich. Cr und P bilden nach Umfang und Ordnung des Briefcorpus je eigene Redaktionen. PETROV suchte den ursprünglichen Umfang von H.s Briefsammlung sowohl nach dem gemeinsamen als auch nach dem je eigenen Bestand von V und Cr zu bestimmen. In V (59V-73V u. 108r), K und Pr sind der Briefsammlung die 'Invectiva' gegen Ulricus Polonus (s. u. II.4.) und die Cantio an Bruno von Olmütz (s. u. II.5.) eingeordnet, in Cr das Preisgedicht auf Ottokar II. (s. u. H.5.). A u s g a b e n . Eine Gesamtausgabe fehlt. Teilausgaben: TH. DOLUNER, Codex epistolaris Primislai Ottocari II. Bohemiae regis [...], Wien 1803 (Briefe u. Manifeste für Ottokar); J. EMLER, Regesta diplomatica nee non epistolaris Bohemiae et Moraviae II, Prag 1872-82, Nr. 2250-2632 u. ö. (häufig fehlerhaft); PETROV, Bd. 2, S. 53*-132* zahlreiche Auszüge aus verschiedenen Hss. (fehlerhaft); HAMPE, S. 67-142 (17 Briefe). Die Urkundenformulare des Henricus Italicus: J. VOIGT, Das urkundl. Formelbuch des kgl. Notars Henricus Italicus (Arch. f. österr. Gesch.-Quellen 29), 1863.

Die lat. Briefsammlung H.s enthält keine Urkunden, aber verstreut etwa 50 Briefe und Manifeste, die H. vermutlich als Notar der königlichen Kanzlei für Ottokar verfaßte (s. Ausg. DOLLINER); NOVÄK (1908, S. 690) freilich gestand ihnen keinerlei dokumentarischen Wert zu, betrachtete sie vielmehr insgesamt als 'rhetorische Kunstprodukte'. Den weitaus größten Teil bilden persönliche Briefe H.s, überwiegend wohl echte Briefe, die ihre Adressaten erreichten, aber auch unterhaltsam fiktive

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Schreiben, darunter dreist erotische, stilistische Specimina, Schulstücke wie die ausgedehnte Korrespondenz zwischen Ceres und Neptun. Sicherheit über den pragmatischen Status der Briefe ist nicht immer zu erreichen. Inhaltlich treten hervor Briefe an hochgestellte Gönner, an Freunde und Verwandte, Liebesbriefe, Invektiven, Briefe des Rhetoriklehrers an seine Schüler, Lob der Artes, Schilderungen von literarischem Anspruch (EMLER Nr. 2567, HAMPE Nr. 11). Die historische Bedeutung der Briefe haftet allererst an ihrer rhetorisch-stilistischen Kultur. H. verpflanzte den stilus supremus der capuanischen Diktatorenschule nach Prag. Geleitet von seinen besonderen Mustern -> Alanus ab Insulis und Cassiodor (s. HAMPE, S. 35 f.), überbot er seine Vorgänger noch an Figurenreichtum, an Sinn für metaphorische Umschreibung, Wortpracht, beladene und verschlungene Satzgefüge. Sein Briefwerk strahlte auf die Prager und böhmischen Kanzleien des späten 13. und 14. Jh.s aus, im 14. auch nach Österreich, erreichte u. a. -> Johann von Neumarkt, der aus ihm entlehnte (z. B. den Eingang von H.s Empfehlung der Rhetorik Aureis redimita monilibus multiplier colorum sidere scintillata ... 1354 in einem Brief an Petrarca), und war noch bis ins frühe 16. Jh. gefragt. 2. Ars d i c t a n d i . Der kleine Traktat gibt eine geschmeidig formulierte Einweisung in die Briefprosa ohne Schemata und steife Regeln. Vier Teile des dictamen epistolare legt er zugrunde (salutatio, exordium, narratio, conclusio), streift dabei die salutatio nur und verweilt bei der narratio, die hier auch alle Aufgaben der Argumentation umfaßt. Die Beherrschung der Briefkunst verknüpft H. weit stärker mit den Anregungen der römischen Rhetorik als mit der Schultradition der Ars dictandi. Er setzt auf ratio, ingenium und intellectus des dictator, und verlangt von ihm nicht allein sprachliche und dialektische Grundbildung, sondern auch gute Kenntnis der auctores, der leges et iura und der historiae. Seine Schrift hat in den Grenzen ihrer Gattung ein unkonventionell höheres Niveau.

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Heinrich von Isernia

Ü b e r l i e f e r u n g . Litomerice (Leitmeritz), Statni oblastni archiv, fonds Osek 75, p. 115—126, 1. H. 14. Jh. In der Hs. folgen die Einleitung zu 'De exornationibus verborum' und danach wenige einleitende Zeilen eines weiteren rhetorischen Textes. Beide Stücke lassen sich mit der Ars dictandi und auch miteinander nicht verknüpfen. A u s g a b e n . J. TR'ISKA, 1985, S. 192-197; ders., 1987, S. 163-169. TRISKA rechnet die in der Hs. sich anschließenden heterogenen Stücke zu Unrecht zum Text der Ars dictandi.

3. 'De e x o r n a t i o n i b u s v e r b o r u m ' ('De coloribus rhetoricis'). Der Traktat belehrt über die 45 exornationes verborum der 'Rhetorica ad Herennium' (IV 13,19-34,46), von denen die ersten 35 zu den Wortfiguren im engeren Sinne, die folgenden 10 zu den Tropen zählen. Er entnimmt die Definitionen der einzelnen Figuren durchweg wörtlich der Vorlage, bietet aber ein nahezu gänzlich neues und insgesamt deutlich breiteres Beispielmaterial. Dieses stammt gut zur Hälfte aus H.s eigener Feder, meist aus seiner Briefsammlung, im übrigen aus antiken und mehr noch aus mal. Autoren, die für H. auch sonst wichtig waren (Alanus ab Insulis, Galfrid von Vinsauf, Thomas von Capua, Petrus de Vinea). Einige der eigenen Beispiele H.s sind geschliffene Dicta auf Personen und Vorgänge der zeitgenössischen Politik. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 565, 44ra — 47 , um 1279/80. Die Einleitung des Traktats auch in der Hs. Litomerice, fonds Osek 75 (s. o.). vb

Ausgabe. SCHALLER, S. 131 — 153; die Einleitung auch bei TRISKA (s. o.), S. 170 f.

4. ' I n v e c t i v a p r o s o t e t r a s t i c a in Ulricum Polonum'. Die aufwendig inszenierte Invektive (ine. Sensuum maturitate sapida) hat ihren Anlaß in den sprachlichen, logischen und rhetorischen Mißgriffen, die sich angeblich ein polnischer Magister namens Ulrich in einem Brief erlaubt hatte. Sie demonstriert an diesem Satz für Satz in langer Rede die Fülle an Verstößen des incongruus grammaticus, pseudologicus et orator cacodicus. Sachlich ist sie ein Exercitium in den Disziplinen des Triviums und auch ein metrisches: nach der Einleitung beginnt jeder

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der 19 Prosaabschnitte mit einem Tetrastichon in variierenden metrischen Maßen, deren Bau jeweils vorweg erläutert wird; das erste enthält eine Anrufung an Apoll. Ü b e r l i e f e r u n g , s. o. II.1.

5. C a r m i n a . H. hat offenbar häufiger, wie schon die Verse der 'Invectiva' nahelegen, in lat. Rhythmen und Metren gedichtet. Nur weniges ist erhalten. Von den versus, die er den Ignoranten der Rhetorik angedeihen ließ und Bischof Bruno von Olmütz übersandte, und von den rithmi für einen italienischen Freund weiß man nur aus seinen Briefen (PETROV, Bd. 2, S. 115*). a) Das etwa 1273 entstandene Preisgedicht auf König Ottokar II. (ine. Que iacuistis hucusque confuse·, 5 Strr., aus jeweils 6 reimenden Versen zu je drei rhythmischen Adoneen) beschwört die ersehnte Heimkehr der sizilischen Musen aus ihrem Exil, erwartet sie vom künftigen römischen Kaisertum Ottokars, der allein den gegenwärtigen dux Apulorum (Karl von Anjou) zu vertreiben vermöchte. Ü b e r l i e f e r u n g . Krakau, Bibl. Jagiellonska, cod. 439, fol. 226V (stark fehlerhaft). Ausgabe. Scriptores rer. Polonicarum 12, Krakau 1888, S. 5 (fehlerhaft; vgl. HAMPE, S. 41, Anm. 1).

b) Ein an Bischof Bruno von Olmütz gerichtetes Gedicht (inc. Olomucensis decor sedis) formuliert Theoloyce questiones (so die Überschrift in V), freimütige Fragen zur Theodizee, die ohne Antwort bleiben, Fragen freilich eines theologisch unkundigen Laien. Wie kann der alles lenkende Gott zulassen, daß die Guten zu leiden haben, den Bösen es gut geht? Oder regiert nicht doch Zufall die Welt? Ist das Gottes Gerechtigkeit, daß selbst Ungeborene für die Sünden ihrer Väter büßen sollen (so Ex 20,5)? Wie vereinbart sich Gottes prädestinierende Allwissenheit mit der Verdammnis der Bösen und dem himmlischen Lohn der Guten?

Das Gedicht umfaßt fünf lOzeilige Strophen der Bauform A 4a- 4b- 2b-/3c- :|| 4d4d- 4d- 2d/3c-. Die typologisch 'deutsche' Strophenform könnte einem (bisher unbekannten) dt. Lied entlehnt, die Strophen

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Heinrich der Klausner — Der sog. Heinrich von Melk

auf dessen Melodie zu singen sein; dann böte H. ein frühes Zeugnis jener Praxis lat. Cantiones-Dichtung, Strophenformen und Melodien dt. Lieder zu übernehmen (alle Hinweise von G. Kornrumpf).

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Heinrich von Krollwitz [Korr.] Bd. 3, Sp. 761 Überl. Z. 5f.: "Berlin, ... mgf 737, 39r-40v" korr.: Berlin, mgf 737/39,40 (— Frgm.mappe!)

Ü b e r l i e f e r u n g s. o. II.1.

Heinrich von Langenstein [Korr./Nachtr.]

Ausgabe. HAMPE, Nr. 20, S. 143-145.

Bd. 3, Sp. 769 Z. 3 f.: "Wien, Schottenkloster, cod. 213" korr.: ..., cod. 58 (Kat. Nr. 213). Sp. 770 oben: Zu der 'Vision' vgl. -> 'Vision auf das Jahr 1401'. Sp. 771 zu f) unten: "Straßburg, Bibl. nat. et univ., cod. L germ. 182.8°" korr.: ..., ms. 2106 (olim L germ. 182.8°). Ebd. unten, nach f) ergänze: g) Dt. Übersetzungen naturwissenschaftlicher Schriften H.s von L. waren dem Bibliothekskatalog des Konrad Sartori (um 1500) zufolge im Kloster Tegernsee vorhanden; unter der Sign. O 10 sind [u. a.] verzeichnet: De futuris contingentibus dicta aliqua Hainrici de Hassia in Theutonico; ferner Scripta aliqua astronomorum in Theutonico ... Item de cometis. Item alia similia Hainrici de Hassia. Vgl. CH. BAUER, Geistliche Prosa im Kloster Tegernsee (MTU 107), 1996,5.51.

L i t e r a t u r . J. NOVÄK, Henricus Italicus und Henricus de Isernia, MIÖG 20 (1899) 253-275; O. REDLICH, Rudolf v. Habsburg. Das dt. Reich nach d. Untergang d. alten Kaisertums, 1903, S. 146, 148, 748-750; A. PETROV, Henrici Italici Libri formarum e tabulario Otacari II Bohemorum regis [...], Bd. l, St. Petersburg 1907, Bd. 2, St. Petersburg 1906, dazu: J. NOVÄK, MIÖG 29 (1908) 689-699; K. HAMPE, Beitr. z. Gesch. d. letzten Staufer, Ungedruckte Briefe aus d. Sammlung d. Magisters H. v. L, 1910, dazu H. NIESE, GGA 173 (1911) 679-683; J. NOVÄK, Gli Italiani a Praga e in Boemia nel medio evo, Rivista d'Italia 14/2 (1911) 525-548, bes. S. 533-537; K. DOSKOCIL, Protonotar Jindrich Vlach a notar Jindrich Vlach z Isernie, Casopis archivni, skoly 15 — 16 (1937— 38) 89-98; S. DUSKOVÄ, Kdo byl notar Jindrich, in: Sbornik praci filosoficke fakulty brnenske university (Sammelschrift von Arbeiten der phil. Fakultät der Univ. Brunn) C 9, 1960, S. 75-94 (mit dt. Zusammenfassung); J. SEBÄNEK / S. DUSKOVÄ, Das Urkundenwesen König Ottokars II. von Böhmen, Teil II, Archiv f. Diplomatik 15 (1969) 251427, hier S. 368-371; W. BAUMANN, Die Lit. des MAs in Böhmen, 1978, S. 81, 184f.; J. HRABÄK u. a., Antika a ceskä kultura, Prag 1978, S. 45— 50; J. TRISKA, Prague Rhetoric and the Epistolare dictamen (1278) of Henricus de Isernia, Rhetorica 3 (1985) 183-200; ders., Prazska ratorika Rhetorica Pragensis, Praha 1987, S. 34-37, 163194 f., 216; M. POL'IVKA, Art. . v. I.', in: Lexikon d. MAs 4, 1989, Sp. 2138; B. SCHALLER, Der Traktat des H. v. I. De coloribus rethoricis, DA 49 (1993) 113-153. F. J. WORSTBROCK

Heinrich der Klausner [Korr.] Bd. 3, Sp. 758 Überl.: "Pommersfelden, Schloßbibl., cod. 2798" korr.: ..., HS 54 (olim 2798).

Heinrich von Klingenberg [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 761 oben, zu Lit. ergänze: H.-E. RENK, Der Manessekreis, seine Dichter u. seine Manessische Hs. (Stud. z. Poetik u. Gesch. d. Lit. 33), 1974, bes. S. 36-47.

Heinrich von Lauingen [Korr.] Bd. 3, Sp. 773 Überl.: "Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 444 (früher Rheinau, cod. 730)" korr.: ..., cod. 730 (444). Sp. 774 oben: "Papst Clemens' -> Roßarzt" korr.: Papst -» Clemens' Roßarzt [NB].

Heinrich von Lintorf, Stadtschreiber von Köln -* 'Weberschlacht' Heinrich von Lübeck I [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 780: "Berleburger cod. F 4" korr.: Bad Berleburg, Schloßbibl., cod. RT 2/6 (olim F 4). Ebd.: "der Straßburger cod. A V I 19" ergänze: (vgl. -* 'Straßburger Malerbuch' [dort falsche Sign.!]).

Markgraf Heinrich III. von Meißen [Korr.] Bd. 3, Sp. 786, 2. Abschnitt: "im Leich IV" korr.: im Leich VI.

Der sog. Heinrich von Melk [Korr.] Bd. 3, Sp. 790, 1. Abschnitt: "vava gloria" korr.: vana gloria.

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Heinrich von Merseburg — Heinrich von Schaffhausen

Heinrich von Merseburg [Nach.tr.] Bd. 3, Sp. 798 zu 2. Überl. ergänze am Schluß: Vgl. ferner Collectanea Franciscana 3 (1933) 463; 7 (1937) 291; 13 (1943) 38 f., 51 f.

Heinrich von Morungen [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 813 zu Abschnitt l ergänze: Zu Nachwirkungen vgl. auch Rudolf -> Losse (II. 2. Nr. 12).

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Sp. 842 zu 4., Überl.: "München, cgm 5249" korr.: ..., cgm 5249/56a (olim 5249/27); vgl. K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (cgm 5249/1-79), 1996, S. 90 f. Ebd.: "2 Fragmente (15. Jh.) ...": Die beiden Frgm.e, vormals in Privatbesitz E. von Kauslers, Stuttgart, befinden sich seit 1996 in deutschem Privatbesitz (Hinweis Gisela Kornrumpf). Sp. 842ff. zu 'Von Gottes Zukunft' vgl. auch -> Heinrich von München (Sp. 835).

Heinrich von Mügeln [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 817 f.: Zum 'Psalmenkommentar' vgl. auch -» Österreichischer Bibelübersetzer [NB]. Sp. 825 vorletzter Absatz ergänze: Michel -> Beheim verfaßte sein 3 1 strophiges Bibelbuchsummarium (RSM 1Beh/148) in enger Anlehnung an H. s 5. Buch der Sangsprüche. In lat. Predigten sind Zitate aus zwei Strophen H. s mit Nennung des Autors überliefert (RSM 1 HeiMü/56-70h,i,j; Hinweise Karl Stackmann).

Heinrich von Pfalzpaint [Korr.] Bd. 3, Sp. 858 zu l., Überl., und Sp. 859 zu 2., Überl.: "Königsberg, Stadtarch., hochmeisterl. Arch. [z. Zt. im Staatl. Archivlager Göttingen]" korr.: Ehem. Königsberg, Staatsarchiv, ... heute in Berlin, Geh. Staatsarch. Preuß. Kulturbes. (GStA PK), XX. HA, unter den angegebenen Signaturen.

Heinrich von Regensburg [Nachtr./Korr.]

Heinrich von München [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 829, 3. Abschnitt, unten: "St. Paul, Stiftsarch., cod. 29. 4. 7" korr.: ..., cod. 37/6 (olim 29. 4. 7). Sp. 830 Z. 2: "aus dem Dietrich-Stoffkreis" ergänze: , s. -* 'Dietrichs Flucht' ... [Bd. 2 u. NB]. Ebd. Z. 3 f.: "Dresden, LB, m. 78-81" korr.: ..., Mscr. M 167 (olim M 78-81). Sp. 832, 2. Abschnitt Z. 12 u. ö.: Streiche "Linz" (gemeint ist die Hs. Linz, Oberösterr. LB, cod. 472 = -» 'Erweiterte Christherre-Chronik'). Sp. 834 letzter Abschnitt Z. 3: "Grundacker" korr.: Gundacker. Zur Entstehung der Kompilation vgl. auch: -» 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB]; -> 'Leipziger Schluß der Christherre-Chronik' [NB] (mit neuerer Lit.).

Heinrich von Neustadt [Nachtr./Korr.] Bd. 3, Sp. 839 nach 1. ergänze: H. v. N. wird auch als Autor eines lat. med. Rezeptes genannt: Rom, Bibl. Vaticana, cod. Pal. Lat. 1243, 1. H. 15. Jh., 261r: Diacardion preciosissimutn magistri H(enricif) de Nova Civitate; zur Hs. vgl. L. SCHUBA, Die med. Hss. der Codices Palatini Latini in der Vatikan. Bibl., 1981, S. 268-271. Das Rezept verlangt Zutaten, die auch in H. s 'Apollonius'-Roman Verwendung finden; möglicherweise ist es somit fiktiv und ein Zeugnis für dessen Rezeption (Hinweis Wolfgang Achnitz, Münster). Sp. 840 zu 3., Überl.: "Straßburg, ÜB, cod. L germ. 359 2°" korr.: ..., Ms. 2334 (olim cod. L germ. 359.2°).

Bd. 3, Sp. 868 f.: Zur Autorschaft H.s v. R. vgl. auch -» 'Vocabularius Lucianus' [sie!]. Sp. 869 Z. 4 f.: "die älteste Hs., Göttweig 96, stammt v.J. 1334" korr.: ..., Göttweig, cod. 70 (olim 96), stammt v. J. 1384.

Heinrich von Rugge [Korr.] Bd. 3, Sp. 870 Überl.: "... des Bischofs Bernhard von Worms" korr.: ... -»· Burchard von Worms.

Heinrich von Schaffhausen OP

Person, bruder hainrich von schaffhausen der arler der lesenmaister zu Zürich wird in der Hs. Pommersfelden, Gräfl. Schönbornsche Bibl., Ms. 120, f. 79ra als Autor einer Predigt auf Johannes Evangelista genannt; er tritt dort neben anderen namentlich genannten dominikanischen Autoren auf: -» Hugo von Konstanz, -> Konrad von Liebenberg und -» Rudolf von Klingenberg. Hugo und Rudolf sind urkdl. als Angehörige des Konstanzer bzw. Zürcher Predigerklosters im späten 13. Jh. nachweisbar. Heinrich ist hingegen als Lektor des Zürcher Dominikanerklosters nicht nachweisbar (WEHRLI-JOHNS). Identität könnte mit einem fratre Hainrich dicto de Constantia ordinis Predicatorum domus Constanüensis bestehen, der zusammen mit

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Heinrich von Schaffhausen

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Ausgabe. Der Pommersfeldener Johannes-Lidem Prior Konrad unter den Zeugen einer 1279 ausgestellten Salemer Urkunde ge- bellus. Der Evangelist und der Baptist in früher donannt wird (Chartularium Sangallense, minikanischer Literatur in der Volkssprache, hg. v. Schiewer zus. mit V. Beckmann, J. ConzelNr. 2028), denn auch der oben genannte H.-J. mann, N. Pahne, C. Redzich, D. Ridder, R. D. Mitbruder Hugo von Konstanz führt wie Schiewer, A. Syring, D. Vassilevitch, J. ZimmerH. v. Seh. parallel den Herkunftsnamen de mann [in Vorbereitung für TspMA]. Scaphusia (WEHRLi-JoHNs). Der Beiname Die gesamte Predigt dient dazu, die Sonarler (Pflugmesser) ist in Konstanzer Urderrolle des Evangelisten zu betonen. Auskunden nicht nachweisbar. Schaffhauser gehend vom Textwort 19,26 Mulier ecce Urkunden der 1. Hälfte des 13. Jh.s nensteht am Anfang Johannes an Sohnesstatt nen ein solches Geschlecht (ÜB Zürich, 3, bei Maria. Die Wandlung des Johannes Nr. 1076). Die Indizien sprechen dafür, in zum Kind Mariens wird parallelisiert mit H. ein führendes Mitglied (lector) des Zürder Transsubstantiation beim eucharisticher Predigerklosters im späten 13. Jh. zu sehen, der zeitweise auch Angehöriger des schen Sakrament (Mt 26,26). Maria und Johannes werden der göttlichen Natur naKonstanzer Hauses gewesen sein könnte. hezu gleichgestellt. Der Evangelist ist engL i t e r a t u r . Urkb. der Stadt u. Landschaft ster Ratgeber, Freund und Bruder Christi Zürich, Bd. 3, hg. v. J. ESCHER u. P. SCHWEIZER, und sein einziger Begleiter auf dem PasZürich 1895 f.; M. WEHRLI-JOHNS, Gesch. des sionsweg. Kein anderer Mensch partiziZürcher Predigerkonvents (1230-1524), Zürich piert vergleichbar an den göttlichen Eigen1980; Chartularium Sangallense, Bd. 4 (1266schaften, der Potestas des Vaters, der Weis1299), bearb. v. O. P. CLAVADETSCHER, Sigmarinheit des Sohnes und der Liebe des Heiligen gen-St. Gallen 1985. Geistes. Den Hauptteil der Predigt bildet Predigt auf Johannes Evangelista. eine vierfache Auslegung des Marienresponsoriums Ego Mater Pulchrae dilectioÜ b e r l i e f e r u n g . Autorisiert: Pommersfelden, ra nis. Et timoris et agnitionis et sanctae spei Gräflich Schöribornsche Bib!., HS 120 (Po), 79 89", Pap. u. Perg., 15. Jh., nordbair., unbekannter (zum 11. Febr.; Sir 24,24), wobei jedes der Bezugswörter Maria als Mutter des JohanProvenienz. Inc.: Mvlier ecce ( 19,26) Man liset nes ausweist: 1. Maria ist die Mutter der in dem passio do unßer herre an dem crucz stunt schönen Minne, weil die Liebe des Johandas er redte mit vnser frawen von Sant Johannes vnd sprach: 'Frawe sich da dein sun.' — Anonym: nes durch sein Evangelium die ganze Welt Basel, ÜB, A VI 38 (Ba), 182vb-191rb, Ende 15. Jh. entzündet. 2. Maria ist die Mutter der (1493), 16 ganzseitige Miniaturen, alem., Basel/ Furcht, weil die Furcht des Johannes löbKlarissenkloster Gnadenthal; München, cgm 531 lich, weise und liebevoll ist. 3. Maria ist (M), 100ra-101vb (bricht ab), um 1420, mitteldie Mutter der Erkenntnis, weil Johannes bair., unbekannter Provenienz; lat. Text der BibelGott stets fand, wo immer er sich auch und Autoritätenzitate in Ba u. M konserviert. — r r verbarg, denn er gleicht den Engeln in Exzerpte: Berlin, mgq 192 (Be), 64 -106 , hier r r fünffacher Hinsicht, u. a. in der Unmittel72 —73 in einer Legende auf Johannes den Evanbarkeit der Anschauung Gottes (Adler/ gelisten, Mitte 15. Jh., alem., Straßburg/DomiSonne). 4. Maria ist die Mutter der Hoffnikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis; Bamberg, SB, cod. Hist. 153 (Bam), 218V-226V Predigt nung, weil Johannes drei göttliche Tugenauf Johannes Ev. (eingestreute Inserate), 2. V. d. den, nämlich Glaube, Hoffnung und Liebe 15. Jh.s, nordbair., Nürnberg/Klarissenkloster. Die besaß. Als Bruder Christi ist er eins mit Überlieferung spielt sich hauptsächlich im Rahmen ihm (Unio), Teilhaber an den göttlichen von Johannes-Libelli (Po, Ba, Bam) ab; der Libel- Geheimnissen (= Autor der Apokalypse) lus in Po dürfte entstehungsgeschichtlich in die dound Erbe der göttlichen Macht. minikanischen Termineien Konstanz/Zürich um Neben dem Textwort konzentriert sich 1300 gehören (SCHIEWER, CONZELMANN). Die bair. die Auslegung auf MC 14,32—53, Texte gehen auf alem. Vorlagen zurück. Die Texte, 1,1-4, Ez 10,14 und II Cor 12,1-4 mit die Exzerpte aus H.s Predigt enthalten, benutzen 13,13. Zu den genannten Autoritäten geweitere Texte aus Po (vgl. -> Rudolf von Klingenberg). hören Augustinus, Johannes Chrysosto-

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Graf Heinrich zu Stolberg — Heinrich von Würzburg

mus, Leo, Beda, Hrabanus Maurus und ->· Petrus Damiani (3.)- Dessen Sermo 63 (CC/Continuatio Mediaevalis 57, Turnhout 1983) wurde systematisch ausgewertet, und zwar auch für Dicta Leos. Die Predigt gehört in den Kontext der dominikanischen Johannesverehrung im südwestdeutschen Raum um 1300 (CoNZELMANN) . L i t e r a t u r . H.-J. SCHIEWER, Die beiden Sankt Johannsen, ein dominikanischer Johannes-Libellus und das literarische Leben im Bodenseeraum um 1300, Oxford German Studies 22 (1993) 21-54; R. D. SCHIEWER, Sermons for Nuns of the Dominican Observance Movement, in: C. MUESSIG (Hg.), Medieval Monastic Preaching, Leiden u. a. 1998, S. 75-92; H.-J. SCHIEWER, Uslesen. Das Weiterwirken mystischen Gedankenguts im Kontext dominikanischer Frauengemeinschaften, in: W. HAUG / W. SCHNEIDER-LASTIN (Hgg.), Dt. Mystik im abendländischen Zusammenhang, 2000, S. 581—603; J. CONZELMANN, Die Johannsen-Devotion im Dominikanerinnenkonvent St. Katharinental bei Dießenhofen, in: Predigt im Kontext, hg. v. V. MERTENS u. a., erscheint 2002; A. VOLFING, The Cult of John the Evangelist in Medieval German Literary and Devotional Texts: Imitating the Inimitable, Oxford [im Druck],

HANS-JOCHEN SCHIEWER Graf Heinrich zu Stolberg [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 880: Graf H. ist nicht der Autor des Berichts; als solcher nennt sich im Text selbst ein bruder Henrich aus seinem Gefolge. Ebd. Überl.: "im Gräflichen Archiv (A I 1) zu Wernigerode" korr.: Wernigerode, LA Magdeburg Landeshauptarchiv, Außenstelle Wernigerode, Rep. H Stolberg-Wernigerode, H. A. A I Fach 4 Nr. 2, Fragment (27 Bll., um 1461/62). Von derselben Reise existieren zwei Parallelberichte, vgl. Hans -* Koplär [Bd. 5 u. NB] und -*· 'Wilhelms III. von Thüringen Pilgerfahrt ins HI. Land'. Vgl. R. HERZ, in: ders. u. a. (Hgg.), Fünf Palästina-Pilgerberichte d. 15. Jh.s (Wissenslit. im MA 33), 1998, S. 198 f.

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rische Selbsteinschätzung u. Zielsetzung, in: P. KRÄMER (Hg.), Die mal. Lit. in Kärnten (Wiener Arb. z. germ. Altertumskde u. Philologie 16), Wien 1980, S. 145-187.

Heinrich von Veldeke [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 904 zu III., Überl.: "München, cgm 5249 (18,1)" korr.: ..., cgm 5249/18,la-c; vgl. K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (cgm 5249) 1-79 (ZfdA Beiheft 1), 1996, S. 40 f. Ebd.: Das vernichtete Frgm. in München, ÜB, hatte die Signatur Nr. 126: vgl. P. LEHMANN / O. GLAUNING, Mal. Hss.bruchstücke der ÜB u. des Georgianum zu München (ZfB Beiheft 72), 1940, S. 119-124. Weiteres zu den Frgm.n bei J. DESCHAMPS, Middelnederlandse handschriften uit europese en amerikaanse bibliotheken, Catalogue, Brüssel 1970, S. 57-61. Sp. 905 zu Ausg.n ergänze: H. THOMA, Altdt. Fündlein, I. Aus Veldekes Servatius, ZfdA 72 (1935) 193-196. Sp. 907 zu IV., Überl.: "E = (früher) Eibach, ..." korr.: seit 1947 in Cologny-Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodmer 83; vgl. G. KORNRUMPF, Zu einem 'Eneide'-Frgm. d. Brüder Grimm, PBB 110 (1988) 368-381, hier S. 379-381 (ebd., S. 351367 Vorstellung eines weiteren 'Eneit'-Fragments durch N. F. PALMER); Dt. Hss. d. MAs in der Bodmeriana, bearb. v. R. WETZEL, 1994 (Bibl. Bodmeriana. Kataloge, VII), S. 134-137. Sp. 908 oben zu w: "eine bis 1474 reichende prosaische Chronik der Kaiser und Päpste" ergänze: -> 'Weihenstephaner Chronik'. Ebd. zu P: "Berlin, mgq 1303/3, verschollen" korr.: jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Ebd. zu Wa: "Marburg, Staatsarch., Bestand 147, Mappe A" korr.: ..., Bestand 147, Hr l Nr. 12; das Frgm. ist verschollen.

Heinrich von Werl [Korr.] Bd. 3, Sp. 920 Überl.: "Köln, Hist. Arch., cod. W k f . 119" korr.: ..., cod. W 119. Ebd.: "Rom, Bibl. Vat., cod. 1109" korr.: ..., cod. Vat. lat. 1109 (ebenso Sp. 922 Überl.!). Ebd.: "Karlsruhe, LB, cod. Reich. XXXIV" korr.: ..., cod. Aug. XXXIV. Sp. 921 Überl.: "Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 4134" korr.: ..., cod. Vat. lat. 4134.

Heinrich von dem Türlin [Nachtr.j Bd. 3, Sp. 895 f. zu II.: Vgl. auch 'Der -» Mantel' [NB]. Sp. 896 ff. zu III. 'Diu Cröne': vgl. auch Ulrich -> Fuetrer, 'Buch der Abenteuer'. Sp. 899 zu Lit. ergänze: F. P. KNAPP, H. v. d. T. Lit. Beziehungen u. mögliche Auftraggeber, dichte-

Heinrich von Würzburg [Korr.] Bd. 3, Sp. 925 Überl.: "Frgm. der ÜB München" ergänze: = Frgm. Nr. 114 (1944 vernichtet!) (Hinweis G. Kornrumpf).

Heinricus ->· 'Summarium Heinrici'

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Meister Heinzelin — Helewegh, Hermann

Heinricus moralis -> Honover, Heinrich (4.) Heinricus scolaris -»· 'Mühlhäuser Reichsrechtsbuch' Heinricus Scriptor -» 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Heinvogel, Konrad -» Heinfogel, K. [Bd. 3 u. NB] Meister Heinzelin [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 936: Vgl. auch -» Tagzeitengedichte (dort Sp. 580 ein weiterer Textzeuge von H.s Gedicht); -* 'Zwölf Räte Jesu Christi' (3.).

'Vom Heiraten' (KELLER, Fsp. 86) -*· 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' 'Der Heiratsrat' (KELLER, Fsp. 65) -» 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Heito von Reichenau [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 941 zu 4., Überl.: "Karlsruhe, Bad. LB, cod. Aug. Perg. 111" korr.: ..., cod. Aug. CXI. Vgl. auch -> Wetti von Reichenau.

Heldenbücher [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 954 zu 7: ".... o. J. (um 1483) korr.: ... (1479). Sp. 956 oben, Nachweise: Die angekündigte Faks.-Ausgabe ist erschienen: J. HEINZLE, Heldenbuch. 1. Abbildungsband. Nachdr. der Ausg. Straßburg 1483 [korr. 1479!] (Litterae 75/1), 1981; 2. Kommentarbd. (Litterae 75/2), 1987. Ebd. unten, Nachweise: "Hess. Staatsarchiv Marburg, Bestand 147" korr.: ..., Best. 147, Hr l, Nr. 6; vgl. K. KLEIN, Waldecker Findlinge im Marburger Staatsarch., ZfdA 118 (1989) 49-56, hier S. 51. - "Klosterbibl. Ebstorf IX 74" korr.: ..., cod. VI 8 a [die falsche Sign, auch bei HEINZLE, Dietrichepik, 1978, S. 315 f.!]; vgl.: Hss. des Klosters Ebstorf. Beschrieben v. R. GIERMANN u. H. HÄRTEL, 1994, S. 177 f. [Kopfzeile mit Sign, fehlt!]

Helewegh, Hermann Geboren in Riga, wird H. als Hermannus Westval, Rigensis 1444 in Rostock immatrikuliert, 1446 Baccalaureus artium, 'nennt sich in der Folge Magister' (ARBU-

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sow, 1901 [=1902], S. 20), 1454-1479 Stadtschreiber von Riga, in diesem Jahr zum Ratmann gewählt, 1484 Kämmerer, 1490 gestorben. 1456 wird H. vom Rat in Riga beauftragt, eine Chronik (bock der croneken) über die zum Vertrag von Kirchholm führenden Verhandlungen zu schreiben, in denen sich der Deutsche Ritterorden und der Erzbischof von Riga 1452 auf eine gemeinsame Stadtherrschaft geeinigt hatten. H. setzte diese Chronik bis zum Jahre 1489 fort. Sie liegt anscheinend nur in einer 'Übertragung ins Hochdeutsche vor, die im 17. Jh. der Rigaer Ratsherr Johann Witte (gest. 1657) vorgenommen hat. Dabei stellte er der Chronik einen Überblick über die ältere Geschichte Livlands voran.' (ANGERMANN, S. 18; vgl. BÖTFÜHR, S. 113). Ü b e r l i e f e r u n g . Die Übersetzung wurde unter der Bezeichnung 'Das rothe Buch inter archiepiscopalia' zunächst in der Rigaer Ratskanzlei aufbewahrt; im 19. Jh. befand dieses sich in der StB (vgl. G. BERKHOLZ, Johann Wittes Originalhs. des rothen Buches inter archiepiscopalia, in: SB d. Ges. f. Gesch. u. Altertumskunde der Ostseeprovinzen Rußlands 1874 [1875] 8-11); heute ist es, in zwei Teile aufgeteilt, in Riga, Akadem. Bibl. Lettlands bzw. ebd. im Hist. Staatsarch. Lettlands (Sign, nicht ermittelt). A u s g a b e . Scriptores rerum Livonicarum 2, Riga 1848, S. 729-804; der von H. herrührende Teil der Chronik setzt ohne Hervorhebung auf S. 742 mit dem Vergleich zwischen dem Orden, der Stadt und dem Erzbischof ein. Zum 'Roten Buch' s. ebd. S. XXII f.

H.s Chronik bietet weniger eine Geschichte der Stadt Riga in den Jahrzehnten zwischen 1452 und 1490 als vielmehr eine sehr detaillierte, aus der Sicht der Stadt berichtende Beschreibung der Auseinandersetzungen zwischen dieser, dem Orden und dem Erzbischof Silvester Stodewescher (1448 — 1479) und seinen Nachfolgern; diese wurden auch nach dem (von der Stadt als Einschränkung ihrer Selbständigkeit aufgefaßten) Vertrag von Kirchholm erbittert geführt und schließlich mit militärischen Mitteln ausgetragen (1484 Zerstörung des Rigaer Schlosses durch die Bürger). H. ist — bedingt durch sein Amt — hervorragend informiert, weshalb er sehr viele Beteiligte namentlich nennt und die

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'Heliand' — 'Henric und Claredamie'

komplizierten und langwierigen Verhandlungen im Detail beschreibt (vgl. dazu aus der Sicht des Ordens Christoph -> Fürstenau [NB]). Immer wieder schildert er dabei auch die kommunikative Seite der bis an die römische Kurie gelangten Auseinandersetzung (Überreichung von Schriftstükken, Verweigerung der Annahme derselben, Ablehnung, in ein Gespräch einzutreten, weil die andere Seite nur Personen minderen Rangs als Unterhändler geschickt hat, Feststellung, ob ein Schriftstück gesiegelt ist oder nicht usw.). Dabei gibt H., der sich in seiner Chronik mehrfach selbst nennt (z. B. S. 780 und 785), auch strategischen Überlegungen Raum. H.s Chronik kommt so für die Geschichte Rigas in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s, die erst kurz nach seinem Tod durch Erneuerung des Vertrages über eine gemeinsame Stadtherrschaft in friedlichere Verhältnisse gelangte, eine hohe Bedeutung zu. L i t e r a t u r . H. J. BÖTFÜHR, Die Rigische Rathslinie von 1226 — 1876, 2. vollst, umgearb. Aufl. Riga-Moskau-Odessa 1877 (Nachdr. HannoverDöhren 1969), S. 11-114; L. ARBUSOW, Livlands Geistlichkeit vom Ende des 12. bis in das 16. Jh., Jb. f. Genealogie, Heraldik u. Sphragistik 1900 (= 1901) 33-80, 1901 (= 1902) 1-160, 1902 (=1904) 20-134, 1911/12/13 (=1914) 1-432, hier 1901 (= 1902) 20 und 1911/12/13 (= 1914) 81; Rep. fönt. V, 1984, S. 403; N. ANGERMANN, Die mal. Chronistik, in: G. v. RAUCH (Hg.), Gesch. d. deutschbaltischen Geschichtsschreibung (Ostmitteleuropa in Vergangenheit u. Gegenwart 20), 1986, S. 3-20, hier S. 17 f.; TH. BRÜCK, H. H. Ratssekretär u. Ratsherr in Riga im Spannungsfeld zwischen Stadt u. Stadtherren im 15. Jh., in: D. KATTINGER / H. WERNICKE (Hgg.), Akteure u. Gegner der Hanse, 1998, S. 145-163. - Hinweise von B. Jähnig/Berlin.

VOLKER HONEMANN 'Heliand' [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 960 Z. 2 f.: "S (z. Z. [1980] deponiert Bayer. SB München, o. Sign.)" korr.: jetzt Eigentum der SB München, Sign.: cgm 8840. Ebd. Z. 4-6: "P (vorm. Prag, ÜB, jetzt Berlin [Ost], Museum f. dt. Gesch., D 56/446)" korr.: jetzt Berlin, Bibl. des Dt. Hist. Museums, R 56/ 2537. Sp. 970 Lit.verz. zu 2. ergänze: M. GYSSELING, Corpus van middelnederlandse teksten (tot en met

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het jaar 1300). Reeks II: Literaire Handschriften, deel l, Fragmenten, 's-Gravenhage 1980, S. 29-38.

'Der Heller der armen Frau' [Korr.] Bd. 3, Sp. 972 Überl.: "Melk, Stiftsbibl., Hs. 1547 (olim R 18)" korr.: ..., Hs. 1459 (olim 1547; R 18).

Helwic von Germar [Korr.] Bd. 3, Sp. 980 Überl.: "cod. theol. 2057 der Hamburger SB u. ÜB (z. Zt. Berlin [Ost], Dt. SB)" korr.: Die Hs. ist seit 1990 wieder zurück in Hamburg. Vgl. N. KRÜGER, Die theol. Hss. d. SB u. ÜB Hamburg. 3. Quarthss. u. kleinere Formate (cod. theol. 1751-2228) (Kat. d. Hss. d. SB u. ÜB Hamburg, H.3.), 1993, S. 146-152.

Helwicus von Magdeburg [Korr.] Bd. 3, Sp. 982 unten, Überl.: "Münster, Paulinische Bibl., cod. 149 (367)" korr.: ..., cod. 367 (Kat. Nr. 149); verbrannt.

Helwicus Theutonicus [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 987 nach Abschnitt 2 ergänze: Zu dt. Bearbeitungen der 'Decem gradus amoris' vgl. -> 'Zehn Staffeln der Gottesliebe'.

Hemmerli, Felix [Korr.] Bd. 3, Sp. 994 zu 1. u. 2„ Überl.: "Bamberg, SB, codd. Q.III.ll ... und Q.VI.35" korr.: ..., Msc. Theol. 113 (olim Q.III.ll) ... und Msc. Theol. 239 (olim Q.VI.35). Sp. 996 zu 12., Überl.: "Wien, Schottenstift, cod. 245" korr.: ..., cod. 53 (Kat. Nr. 245). Sp. 998 oben: "Rudolf von Randegg" korr.: -> Rudolf von Radegg.

'Henric und Claredamie' Bruchstück eines ursprünglich mndl. abenteuerlichen Kreuzzugs- und Minneromans. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 1303/1, während des Krieges verlagert und nachher längere Zeit verschollen, nun Krakau, Biblioteka Jagiellonska. Aus der Bibl. von K. Bartsch. Ein Perg.bl., von einem Bücherdeckel abgelöst; vom zweiten mit diesem zusammenhängenden und ihm vorausgehenden Blatt sind nur die Zeilenanfänge erhalten.

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Henrici, Nikolaus

A u s g a b e n . BARTSCH, S. 356-360; G. DESMET, 1969, S. 176-199 (Text nach BARTSCH).

2. I n h a l t . Das Fragment, das 118 Verse enthält, gehört zum Schlußteil entweder eines längeren Romans oder aber einer Romanepisode. Claredamie, die Tochter des Königs von Mekka, die von Herzog Henric von Normandie erworben und zum Christentum bekehrt wurde, bewegt ihre Mutter dazu, sich taufen zu lassen. Diese wird von ihrem Gatten auf schreckliche Weise bestraft und getötet, wonach der Kampf zwischen Christen und Heiden sieben Jahre dauert. Dann verabschieden sich Henric, Claredamie, Melantwier, Henries Neffe, und dessen amie von König Amerade von Jerusalem; sie kehren mit dem Schiff zurück in die Normandie, die damals vom König von Frankreich ledhic (unabhängig) war, und werden dort aufs freundlichste empfangen. Henric läßt den Damen zu Ehren ein Turnier ausrufen. 3. Aus den Namen Claredamie, Melantwier und Amerade geht hervor, daß es sich hier um eine Übersetzung oder Bearbeitung eines frz. Stoffes handelt; ein solches frz. Gedicht ist allerdings nicht bekannt, wie auch diese Namen in den frz. chansons epiques fehlen. Auf frz. Einfluß dürfte ebenfalls die Einteilung in etwa 56 — 58 Verse lange Abschnitte (Laissen!) zurückgehen, die auf einen Vierreimer enden; die beiden letzten Zeilen fangen mit dem Wort Got an und enthalten ein Gebet oder eine subjektive Äußerung des Dichters (55—56, 112—113; II, 14), eine Eigentümlichkeit dieses Denkmals. Der erhaltene Text, der sprachlich in den niederrheinisch-niederfrk. Rand des Kölner Raumes (Krefeld-Venlo; einige lautverschobene und hyperkorrekte Formen) gehört, ist die Abschrift einer Vorlage, die nach GYSSELING aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s stammt und in der (heute) ndl. Ijsselgegend entstanden war. BARTSCH hat auf motivisch-inhaltliche Verwandtschaft mit -»· 'Graf Rudolf, -*· 'Reinfried von Braunschweig', -» 'Friedrich von Schwaben' u. a. hingewiesen. Dieses Gedicht, das neben vierhebig stumpfen Versen mehr dreihebig klingende als vierhebig klingende enthält, liefert nach GOOSSENS zusammen mit dem

->· 'Niederfränkischen Tristan' und dem -* 'AioP-Roman [NB] den Beweis, daß am nordniederrheinischen Rand der rhein.maasländischen Literaturlandschaft, woher auch die westlichen Quellen der skandinavischen Eufemia-Visor (vgl. -> 'Herzog Friedrich von der Normandie' [NB]) stammen dürften, der Literaturstrom nach -»· Heinrich von Veldeke nicht ausgesetzt hat; sie spiegeln die von der Literaturentwicklung im Westen der Niederlande unabhängige Kontinuität und Weiterentwicklung zu hochhöfischen Formen und Inhalten wider. L i t e r a t u r . K. BARTSCH, Bruchstücke eines niederrhein. epischen Gedichtes, Germ. 5 (1860) 356-361; S. SAWICKI, Die Eufemiavisor. Stilstud. zur nord. Reimlit. d. MAs, Lund 1939; V. JANSSON, Eufemiavisorna (Uppsala Universitet Ärsskrift 1945, 8), 1945; G. DE SMET, Ein vergessenes Bruchstück eines mndl. Romans aus dem 13. Jh., Studia Germamca Gandensia 11 (1969) 173-199 (mit sprachlicher Untersuchung); ders., Ostmaasländische epische Poesie um 1200, in: R. SCHÜTZEICHEL (Hg.), Stud, zur dt. Lit. des MAs, 1979, S. 326345; M. GYSSELING, Corpus van Middelnederlandse Teksten (tot en met het jaar 1300). Reeks II. Literaire Handschriften. Deel 1. Fragmenten, 'sGravenhage 1980, Nr. 22; J. GOOSSENS, Oudnederlandse en Vroegmiddelnederlandse letterkunde, TNTL 98 (1982) 241-272; W. TH. LAYHER, Queen Eufemia's Legacy: Middle Low German Literary Culture, Royal Patronage, and the First Old Swedish Epic (1301), Diss. Harvard Univ. 1999 (UMI 9935836), S. 194-199, 275 f.

GILBERT A. R. DE SMET Henrici, Nikolaus [Korr.] Bd. 3, Sp. 1010, 5. Abschnitt: "'Schlackenwerther Codex'" korr.: heute in Los Angeles, The John Paul Getty Museum (davor Slg. Ludwig, Aachen, Hs. XI 7). Ebd. zu 3.: "Königsberg, ÜB, cod. 101": Die Hs. ist seit dem Krieg verschollen.

Henricus -» Heinrich, -*· Heinricus 'Von den Hensesteden im brunswigischen und luneborger Lande' (LILIENCRON, Hist. Volkslieder II, Nr. 184-184) -»· 'Braunschweiger Fehde' 'Herbarijs' ->· 'Circa instans' (II. 1.)

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'Herforder Stadtrechtsbuch' — Herger

'Herforder Stadtrechtsbuch' Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Herford, Kommunalarchiv, Msc. l (1368/76); 2. Detmold, Staatsarchiv, D 71 Nr. 493 (1530). A u s g a b e n . J. NORMANN, Rechtsbuch der Stadt Herford aus dem 14. Jh., 1905; W. FEDDERS / U. WEBER, in: HELMERT-CORVEY, 1989, Kommentarband, S. 1—99 (zit.; Hinweise auf frühere Ausg.n und Übers.n ebd., S. 108). Ebd. Faksimile-Ausg. in eigenem Bd.

Um 1370 hat der Rat der Stadt Herford, der seit 1256 durch den Erwerb des wichtigsten Gerichts der Stadt, des Burggerichts, weitreichende Selbstverwaltungsbefugnisse ausübte, die Rechte der Stadt in 61 Artikeln in mnd. Sprache ostwestfälischer Prägung aufzeichnen lassen, wobei möglicherweise einer der in Herford nachweisbaren öffentlichen Notare, Siffridus Hanteloye, als Redaktor tätig gewesen ist. Das . St.' versucht keine systematische Kodifikation des in der Stadt geltenden materiellen Rechts, sondern gibt eine Art Grundrechtsordnung, indem es zunächst die Freiheitsrechte der Bürger darlegt, wie sie sich aus den Privilegierungen von Stift und Stadt Herford durch Kaiser und Könige sowie durch die Satzungen der Stadtherrin, der Äbtissin des Reichsstifts, ergeben. Damit betont das . St.' die Teilhabe der Bürger an der Reichsfreiheit des Stifts (c. l, S. 8, Eid der Schöffen und Ratsmannen: Dat wy use vrüwen, de ebbedisscben ... unde dat stiebte van Hervorde unde de stat van Hervorde willen mit rade vorheghen). Es beschreibt ferner die städtischen Gerichte, gibt einige Verfahrensregeln und erläutert das städtische Erbrecht; beide Komplexe werden durch Beispielfälle untermauert, die der Redaktor aus der archivalischen Überlieferung schöpfte (de ik hebbe gheseen an beseghelden breven). Häufig verweist der Redaktor unter Angabe von Buch und Kapitel auf das Sachsenrecht (d. h. auf den 'Sachsenspiegel' -* Eikes von Repgow), das er auch mehrfach wörtlich zitiert. Benutzt wurde offensichtlich eine Hs. der vierten Fassung/ Ordnung II a (D. HÜPPER, in: HELMERTCORVEY, ([Kommentarband], S. 178). Das . St.' erweist sich damit als bedeutendes

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Zeugnis der 'SachsenspiegeF-Rezeption im Nordwesten des Reichs. Über die gewöhnliche Verzeichnung von Stadtrecht in -»· Stadtrechtsbüchern [NB] wird das . St.' herausgehoben durch die Gestaltung des Prologs, der in der Art von Stadtregierungslehren unter Zitierung von -»· Aristoteles, -> Cicero und -» Cato die Notwendigkeit von Rechtssatzungen und der Eintracht der Bürger darlegt, sowie durch die künstlerische Ausstattung der Haupthandschrift (Nr. 1) aus dem Besitz des Rates, die in zwei dem Text vorangestellten Miniaturen das Herrscherbild Karls des Großen mit einer Darstellung des Stadtgerichts verbindet. Sie nimmt damit unter den überlieferten Rechtsbücherhandschriften eine Sonderstellung ein (U. LADEMESSERSCHMIED, in: HELMERT-CORVEY, [Kommentarband], S. 199). L i t e r a t u r . F. KÖRTE, Die staatsrechtliche Stellung von Stift u. Stadt Herford vom 14. bis 17. Jh., in: 58. JB d. Hist. Ver. f. d. Grafschaft Ravensberg (1955) 1-172; W. SCHILD, Stadtrechtsbuch der Stadt Herford, in: C. MECKSEPER (Hg.), Stadt im Wandel. Landesausstellung Niedersachsen 1985, S. 956-958; TH. HELMERT-CORVEY (Hg.), Rechtsbuch der Stadt Herford. [2 Bde:] Vollständige Faksimile-Ausgabe im Original-Format der illuminierten Hs. aus dem 14. Jh. — Kommentarband [mit weiterführenden Beiträgen], 1989; D. HÜPPER, Das Herforder Rechtsbuch u. sein Verhältnis zum Sachsenspiegel, Nd. Wort 29 (1989[90]) 47-60; OPPITZ, Rechtsbücher, 1990, I, 86, II, Nr. 711.

PETER JOHANEK Herger [Nachtr.] Der Ansatz eines Autors namens H. ist, wie schon der Artikel in Bd. 3 andeutet, problematisch und wurde seither von MÜLLER einer fundamentalen Kritik unterzogen. Wahrscheinlich bleibt m. E., daß die Sammlung von Sangspruchstrophen, die unter den Namen -> Spervogel und Der -» Junge Spervogel überliefert ist, von verschiedenen Autoren stammt und erst nachträglich dem Namensprinzip der Minnesangüberlieferung unterworfen wurde. Hinter den unter H. behandelten Strophen scheint auch durchaus das Profil eines Autors erkennbar zu sein. Diesen Herger zu nennen, gibt es jedoch keinen hinrei-

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Bruder Hermann I — Hermann von Vechelde

chenden Grund, die ältere Bezeichnung Spervogel-Anonymus wäre adäquater. L i t e r a t u r . U. MÜLLER, 'Herger': Ein Sangspruch-Dichter aus 'Minnesangs Frühling', aus 'Minnesangs Winter' oder aus 'Minnesangs zweitem Frühling', in: R. KROHN (Hg.), 'Da hoeret ouch geloube zuo'. Überlieferungs- und Echtheitsfragen zum Minnesang, 1995, S. 139—154.

B. WACHINGER Bruder Hermann I OP [Nachtr./Korr.]

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27. Nov. 1999, Luxemburg, Vianden u. Ansemburg (Beitr. z. Luxemburgischen Sprach- u. Volkskunde 31), Luxembourg 2001.

Bruder Hermann II OFM [Korr.] Bd. 3, Sp. 1051: "Berlin, mgf 696, 301ra-381ra" korr.: ..., 301ra-313vb. Diese Übers, der 'Flores temporum' reicht nur bis zum 5. Weltalter; Bl. 314 folgt der Kaiserteil von -> Martins von Troppau 'Chronicon' (dt.). Vgl. K. GRAF, Exemplarische Geschichten, 1987, S. 193.

Bd. 3, Sp. 1049 zu Überl. ergänze: Schon seit Hermann von Bruychoyfen [Korr.] 1932 (vgl. STEFFEN) war auch eine um 1350 angefertigte moselfrk. Abschrift von H.s Original beBd. 3, Sp. 1053 Überl.: "Berlin, mgq 1479 ... kannt, die damals im Archiv der Grafen von Anverloren gegangen" korr.: ... jetzt in Krakau, Bibl. semburg wiederaufgefunden worden war ('MaJagiellonska. rientaler Pergamenths.'). Es handelt sich dabei wohl nicht um die Vorlage Alexanders von Wiltheim. Diese Hs. war seit dem 2. Weltkrieg wieder Hermann von Fritzlar [Nachtr.] verschollen; GREGOIRE wußte zwar von ihrer ExiBd. 3, Sp. 1056 ff. zu 2.: Vgl. -» 'Blume der stenz, konnte sie jedoch nicht seiner Ausgabe Schauung' [NB]. (s. u.) zugrundelegen. 1999 wurde sie durch Guy Berg am selben Ort wieder aufgefunden (vgl. BERG, 2001). Hermann von Loveia [Korr.] Ebd. zu Ausg. ergänze: F. PFEIFFER, Altdt. Übungsbuch, 1866, S. 103-113 (Teilausg.); P. Bd. 3, Sp. 1072 Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, GREGOIRE, Das 'Yolanda'-Epos. Bruder Hermanns (z. Zt. Berlin [Ost], Dt. SB), cod. theol. 2057" Dichtung im Urtext mit einer metrischen Übers, korr.: Die Hs. ist seit 1990 wieder zurück in Hamu. einer literarhist. Einführung, Luxemburg 1979 burg. (nach dem Text der Ausg. MEIERS). Sp. 1050 Z. 18 f.: "den Grafen Walram von Hermann von Reichenau [Nachtr./Korr.] Montjoie" korr.: Walram II., Herrn von Monschau und Arrancy (1242—1265); vgl. WAMPACH. Bd. 3, Sp. 1084 zu 2.b): Vgl. auch ->· 'RithmimaSp. 1051 zu Lit. ergänze: A. STEFFEN, Zum Auf- chia' (1.2.). enthalt d. hl. Albertus Magnus auf der Viander Sp. 1087 unten, Überl.: "Karlsruhe, LB, cod. Grafenburg Schoenecken, Ons Hemecht 38, H. l 175" korr.: ..., cod. Aug. 175. (1932) 1-11; D. DU FAYS, La Maison de Vianden. Sp. 1088 zu 5., Überl.: "Stuttgart, LB, cod. Des origines ä 1337, Lüttich 1937; Urkunden- u. theol. et phil. 209" korr.: ..., cod. theol. et phil. 2° Quellenbuch z. Gesch. d. altluxemburgischen Ter- 209. ritorien bis zur burgundischen Zeit, bearb. v. C. WAMPACH, Bd. II, 1938, Nr. 403, S. 438-440 u. Nr. 485, S. 538-541 mit Anm. 2; H. GRUNDMANN, Hermann von Sachsenheim [Korr.] Religiöse Bewegungen im MA, 21961, S. 192, 229, Bd. 3, Sp. 1094, I.Abschnitt Mitte: "Abschr. 387 f.; U. WYSS, Theorie d. mhd. Legendenepik, Straßburg 1936" korr.: Abschrift in Straßburg, 1973, S. 257-280; S. RINGLER, Zur Gattung LeBibl. nat. et univ., ms. 1936. gende, in: Würzburger Prosastudien II, Fs. K. Ruh, Ebd.: "Prag, ÜB, cod. X A 12" korr.: Prag, Na1975, S. 255-270. - Die ältere Lit. ist vollständig tionalmuseum (Knihovna Narodniho Muzea), .... erfaßt in der neuen Monographie von A. MIELKEVANDENHOUTEN, Grafentochter - Gottesbraut. Konflikte zw. Familie u. Frömmigkeit in Bruder Hermann von Vechelde [Nachtr.] H.s 'Leben der Gräfin Yolande von Vianden' (Forschg.n z. Gesch. d. älteren dt. Lit. 21), 1998; Bd. 3, Sp. 1113 zu Lit. ergänze: J.B. MENKE, vgl. die Rez. von K. RUH, ZfdA 129 (2000) 349Geschichtsschreibung u. Politik in dt. Städten d. 353; G. BERG (Hg.), Man mochte scbriven wal ein SpätMAs, Jb. d. Kölnischen Geschichtsvereins 33 buch. Ergebnisse des Yolanda-Kolloquiums 26.— (1958) 1-84, hier S. 61-77.

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Hermann von Werden — 'Der Herr von Braunschweig'

Hermann von Werden [Nachtr./Korr.] Bd. 3, Sp. 1117 Z. 8 f.: "Sie [die Hs.J hat sich seither nicht wiederauffinden lassen" korr.: Zwei Hss. (Brüssel, Bibl. Royale, cod. 11525, 13. Jh., und Den Haag, Museum Meermanno-Westreenianum, cod. 10 B 34, um 1450), die auch PITRA für seine mitgeteilten Exzerpte benutzt haben muß, wurden durch P. G. SCHMIDT (Der verschollene Hortus deliciarum des Hermann von Werden, in: G. BERNT / F. RÄDLE / G. SILAGI (Hgg.), Tradition u. Wertung. Fs. F. Brunhölzl, 1989, S. 261-266) wieder bekannt. F. J. WORSTBROCK

Bruder Hermann von Wiedenbach [Korr.] Bd. 3, Sp. 1117 unten: "Hs. 2676 (I) ... ist wohl über das Stift Butzbach ... nach Hessen gekommen" korr.: Die Hs. kam 1805 mit der Sammlung Hüpsch nach Darmstadt. Vgl. K. H. STAUB, Jüngere theol. Texte (Die Hss. d. Hess. Landes- u. Hochschulbibl. Darmstadt 5), 2001 (Hinweis K. H. Staub).

'Hero und Leander' [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 1123 zu Lit. ergänze: L. PETZOLDT, Hist. Sagen, Bd. l, 1976, S. 7 f. u. 343 (Bibliogr.).

Herold zu Kleve ->· Totenklage auf Heinrich von Eschweiler Herp, Hendrik [Korr.] Bd. 3, Sp. 1129 Z. 2: "Köln, Hist. Arch., cod. W° 8° 13X" korr.: ..., cod. W* 13. Sp. 1132 zu 7.: "Berlin, SB Preuß. Kulturbesitz, cod. Lat. gen. 702" korr.: ..., Ms. lat. fol. 702, 174r-258v.

'Der Herr von Braunschweig' Ü b e r l i e f e r u n g . Stuttgart, LB, HB XIII 10, 341V-346V. Ausgabe. KORNRUMPF, S. 479-485.

Im zweiten, 1479 oder wenig später geschriebenen Teil der Stuttgarter Hs. hat Jörg -»· Stuler eine kurze Prosa-Version (215 Zeilen im Druck) der Sage von Heinrich dem Löwen nach unbekannter Vorlage, im Anschluß an ->· Steinhöwels 'Griseldis' und das -» 'Fegfeuer des hl. Patricius' und vor dem Alexander-Abschnitt aus Jakob -» Twingers 'Straßburger Chronik' aufgezeichnet.

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Stulers Version teilt mit allen bislang bekannten Überlieferungen (-> 'Reinfried von Braunschweig', ->· Wyssenhere, 'Bruncvik', Gedichte des Hans Sachs und des Heinrich Coding; vgl. BEHR/BLUME; entschieden im Motivbestand abweichend: -» Augustijns 'Der Herr von Braunschweig') die Grundzüge der Sage (vgl. den Artikel zu Wyssenhere): Aufbruch des Herrn von Braunschweig mit Begleitern zu einer Fahrt über Meer und Trennung von der Gemahlin, Ring als Erkennungszeichen; Meerfahrt, Festliegen am Magnetstein, Tod der Begleiter; Rettung des — in ein Tierfell eingenähten — Herrn durch einen Greifen; der Herr erschlägt die Jungen des Greifen; Rettung eines Löwen, der in der Wildnis mit einem Drachen kämpft; der Löwe folgt von nun an dem Herrn und ernährt ihn durch die Jagd; der Löwe folgt dem Herrn auch, als dieser heimlich allein auf dem Wasser zu fliehen sucht; der Herr erwirbt den Karfunkelstein auf der Fahrt durch ein loch; Begegnung mit fremden, teuflischen Wesen; Heimkehr: ein Teufel eröffnet dem Herrn, daß seine Gemahlin eine neue Ehe eingeht; er verspricht, den Herrn zurückzuführen um den Preis, daß er ihm anheimfalle, sollte er ihn in der Heimat schlafend vorfinden; der Löwe weckt den Herrn durch Gebrüll und rettet ihn; der Herr wird nicht erkannt und bei der Hochzeitsfeier nicht eingelassen, er gibt sich der Gemahlin durch den Ring zu erkennen; der Herr herrscht unbestritten, der Löwe ist ihm treu bis in den Tod. Stulers Version stellt sich in diesem Rahmen durch einige Nebenmotive (Anzahl — 30 — der Gefährten des herrn, am Magnetstein zuerst Verzehr der Pferde, dann der — mit Ausnahme des herrn — durch Los ermittelten Gefährten) zur tschech. 'Bruncvik'-Version. Außer gelegentlichen Hinweisen, daß es sich beim Titelhelden um den herrn von Praunnschweig handele, bietet nur das Inhaltsverzeichnis (von dem herczogenn von Praunschweig, KORNRUMPF, S. 476) die relativ nächste Anbindung an Heinrich den Löwen, alle anderen möglichen historischen Konkretisierungen werden, anders als im 'Reinfried' und bei Wyssenhere, vermieden. Demgegenüber nutzt Stulers Version (bei der die Anteile

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Herrad von Hohenburg — 'Der Herzmahner'

Stulers und seiner Vorlage nicht zu scheiden sind) die Vorgaben, um die wechselseitigen Treue-Bindungen zwischen dem herrn und der Gemahlin, den Vasallen, dem Löwen prononciert herauszustellen und durchzuspielen; zunächst in der Bereitwilligkeit der diener, mit ihrem Leben den herrn zu retten, wie umgekehrt dieser am Ende, in einer Situation, in der das eigene Leben durch den Tod des anderen zu retten wäre, dem getrewsten und liebsten diener das Leben wegen dessen trew nicht nehmen will; sodann in der Hilfe des Herrn für den leben gegenüber dem Lindwurm, wobei sich im Kampf beide bei Ermüdung abwechseln, hingegen ernährt der Löwe den herrn durch die Jagd. Ferner folgt der Löwe dem heimlich fliehenden herrn, sichert die hurt (Floß) durch Ausbalancieren, worauf der Herr — dies ist ein singulärer Zug — zurückkehrt und eine für beide ausreichend große hurt baut; auf der Teufelsburg rettet zunächst der Löwe den herrn durch Schickung des allmechtigen gots (482,35) vor der Versuchung, die angebotenen, aber tödlichen Speisen zu sich zu nehmen; in der Nacht erliegt der Herr nicht der Versuchung durch eine ihm beigegebene schöne Frau, sondern wacht. Dies motiviert dann, nachdem er als erster auf seine festen zurückgekehrt ist, seinen Schlaf, aus dem ihn der Löwe aus der Luft vor dem Tod von leib und sele rettet, was der Löwe mit einem gebrochenen Bein und lebenslangem Hinken bezahlt. Die Gemahlin erhört seine Bitten um Einlaß und einen Trunk, weil sie um des allten hernn von Praunschweig willen (484,7) vorgebracht sind, und ist ihm zugetan, obwohl sie ihn nicht erkennt. Sie ist ihm ebenso wie seine riter und sein knecht in Treue ergeben, wie mehr noch der leb, der nicht mehr von seiner Seite weicht und am Ende auf seinem Grab stirbt. Die Thematisierung von Treue und die Abenteuerfahrt dürften der Erzählung ihren Platz neben 'Griseldis', 'Fegfeuer' und 'Alexander' gesichert haben; einzelne Motive der Erzählung stammen vielleicht aus dem 'Reinfried von Braunschweig', was umgekehrt eine Rekonstruktion von dessen verlorenem Schluß gestatten könnte (W. Achnitz, briefl.).

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L i t e r a t u r . Zur Sagengesch. vgl. -» Wyssenhere, Michel; die meisten Versionen am leichtesten zugänglich in: Vestigia Leonis. Spuren des Löwen. Das Bild Heinrichs des Löwen in der dt. u. skandinavischen Lit. Texte des MAs u. der frühen Neuzeit, hg., übers, und erläutert von H.-J. BEHR u. H. BLUME, 1995; zu Stulers Version: K. GRÄSSNER, Komposition u. Quellen von Jörg Stulers Historienbuch, Diss. Marburg 1931, S. 42-57; G. KORNRUMPF, 'Der Herr von Braunschweig'. Eine unbeachtete Prosaerzählung aus dem Historienbuch des Deutschordensritters Jörg Stuler, in: Vom MA zur Neuzeit. Fs. Horst Brunner, hg. v. D. KLEIN [u. a.], 2000, S. 473-485; W. ACHNITZ, Babylon u. Jerusalem. Sinnkonstituierung im 'Reinfried von Braunschweig' und im 'Apollonius von Tyrland' des Heinrich von Neustadt (Hermaea NF 98), 2002.

HANS-JOACHIM ZIEGELER Herrad von Hohenburg [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 1144 zu Lit. ergänze: G. GAMES, A propos de deux monstres dans l'Hortus deliciarum, Cahiers de civilisation medievale XI (1968) 587-603.

Herrand von Wildonie [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 1145 zu Ausg.n 2. ergänze: TH. GRAMER, Maeren-Dichtung, Bd. 2, 1979, S. 104-114 ('Der betrogene Gatte'; auch u. d. T. 'Der verkette wirt'). Sp. 1147 zu Lit. ergänze: H. HOVEN, Stud. z. Erotik in d. dt. Märendichtung (GAG 256), 1978, S. 65 f.

Herwich, Johannes -> Hüten, J. [NB] 'Herzklosterallegorien' [Korr.] Bd. 3, Sp. 1154 zu 1.1. Überl.: "Berlin, mgq 1086 (verloren)" korr.: heute in Krakau, Bibl, Jagiellonska. Sp. 1158 zu 3., Überl.: "Greifswald, ÜB, cod. Batava No l, 4°" korr.: ..., Ms. 636 (olim Batava l, 4°). — "Osnabrück, Niedersächs. Staatsarch., cod. 21" korr.: ..., Rep. 2 Nr. 21.

'Der Herzmahner' [Nachtr.] Bd. 3, Sp. 1168 nach Überl. ergänze: Auszüge gedruckt in: V. HASAK, Der christliche Glaube d. dt. Volkes beim Schlüsse d. MAs, 1868, S. 141 -146.

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'Herzog Ernst' — 'Herzog Friedrich von der Normandie'

'Herzog Ernst' [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 1181 zu 4., Überl.: "Gotha, Hist. Staatsarchiv" korr.: ..., Forschungs- u. Landesbibl. Sp. 1184 zu 6., Überl.: "Erstdruck: F. H. v.o. HAGEN ... Bd. II/2, Berlin 1825" korr.: ..., Bd. 2, Berlin 1825 (= HAGEN/BÜSCHING, Dt. Ged., Bd. II/ 2, Berlin 1825). Ebd. Ausg.n: "K. BARTSCH, ', 1869, S. 189213 (Text des Heldenbuchs)" korr.: ..., S. 187213 (Anm.n S. 214-225; knt. Text der Druckfassung mit Berücksichtigung des Heldenbuchs; vgl. Einleitung, S. LXXIX-LXXXV). Sp. 1191 zu Lit. ergänze: A. TEKINAY, Materialien zum vergleichenden Studium von Erzählmotiven in d. dt. Dicht, d. MAs u. d. Literaturen d. Orients (Europ. Hochschulschriften I 344), 1980, S. 145—162; C. LECOUTEUX, Les panoteens: Sources, diffusion, emploi, Et. Germ. 35 (1980) 253266; ders., Kl. Beitr. z. . E.', ZfdA 110 (1981) 210-221. - Zu . E.' D: CH. GERHARDT, Die Skiapoden in den H.-E.-Dichtungen, Lit. Jb. 18 (1977) 13-87; B. PLATE, H.E. (D) als Reichshofnchter, Euph. 72 (1978) 143-159; R. KOHLMAYER, Formkunst u. Politik in d. Werken Ulrichs von Etzenbach, ZfdPh 99 (1980) 355-384. - Zu . E.' G: J. CARLES, La Chanson du Due Ernst: Etüde sur l'origine et l'utilisation d'une mauere legendaire ancienne dans le genre tardif du Lied, Paris 1964; M.-E. TISDELL, Stud. z. Erzählweise einiger mhd. Dichtungen (Europ. Hochschulschriften 1217), 1978, S. 80-83 u. ö.

'Herzog Friedrich von der Normandie' ('Hertig Fredrik af Normandie') Verlorenes Abenteuer- und Brautwerbungsepos des frühen 13. Jh.s, nur in altschwed. und altdän. Übersetzung erhalten. Zur Vorlage wird in den Schlußversen gesagt, keyscer Otte habe das Epos aus dem Französischen ins Deutsche übersetzen lassen. Aus den Lehnwörtern kann man schließen, daß diese Vorlage rip. oder mnd. war. Ü b e r l i e f e r u n g . Die altschwed. Übersetzung entstand vermutlich i. J. 1301 am norwegischen Königshof, Auftraggeberin war die norw. Königin Eufemia (gest. 1312). Eufemia war Tochter des Fürsten Wizlav III. von Rügen und Schwester Wizlavs IV. (vgl. auch -> Wizlav). . F.' liegt nur in 6 altschwed. Papierhss. des 15. und frühen 16. Jh.s und einer Hs. einer leicht kürzenden altdän. Bearbeitung vor (s. LAYHER 1999, S. 136 f. und 277302).

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A u s g a b e n . J. A. AHLSTRAND, Hertig Fredrik af Normandie. En medeltids-roman (Saml. utg. av Sv. Fornskrift-Sällsk. 21), Stockholm 1853; E. NoREEN, Hertig Fredrik av Normandie. Kritisk upplaga (Saml. utg. av Sv. Fornskrift-Sällsk. 49), Uppsala 1929. Ü b e r s e t z u n g . LAYHER, 1999, S. 252-274. Eine Übers, mit textkrit. Anmerkungen ist in Vorb.

I n h a l t . Nach einem kurzen Prolog über Glanz und Ende der Artusgesellschaft wird Friedrich, Herzog der Normandie, als Zeitgenosse von Artus eingeführt. Eines Morgens geht Fr. auf die Jagd, findet aber nicht den Weg zurück zu seinem Schloß. Tief im Walde kommt ihm der Zwergenkönig Malmrit entgegen, der Fr. um Hilfe bittet gegen die Zwergenfürsten, die sich gegen ihn empören. Fr. sichert ihm seine Unterstützung zu. Nach einer Nacht im Zwergenschloß schlägt er die feindlichen Zwerge durch einen derbkomischen Angriff in die Flucht, indem er sie packt und nach allen Seiten schleudert. Die Anstifter des Aufstands werden enthauptet. Zum Dank schenkt Malmrit Fr. einen Zauberring aus Indien. Die vier Edelsteine schützen vor Feuer, Wasser und Eisen und können unsichtbar machen. Von Prinz Gaymorin von Schottland, den er aus der Gewalt eines Riesen befreit hat, hört Fr. von der schönen Prinzessin Floria in Irland, die von ihrem Vater in einem Turm eingesperrt gehalten wird. Sogleich beschließt er, sie zu gewinnen. Von einem Turnier, auf dem er sich auszeichnet, zieht er nach Irland und wird vom König freundlich aufgenommen. Mit Hilfe des Ringes gelangt er in den Turm. Nach einer Liebesnacht mit komischen Zügen, in der der Unsichtbare die Wärterinnen irritiert und Floria die Freuden der Liebe entdecken läßt, entführt er sie, nimmt aber auch mehrere Tonnen Gold aus ihrem Schlafgemach mit. Die zwei entkommen mit Gaymorins Hilfe in einem Schiff. Bei einem Sturm fällt Fr. ins Wasser und wird so von Floria getrennt. Mit Hilfe seines Ringes schwimmt er unversehrt auf dem Wasser, bis die ihn verfolgenden Seeleute des irischen Königs ihn gefangen nehmen und nach Irland zurückbringen. Dort soll er hingerichtet werden, doch wegen seines Ringes kann ihm weder

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'Hester' — Heyse, Johannes

Eisen noch Feuer schaden. Durch eine List entkommt er nach Schottland, wo seine geliebte Floria auf ihn wartet. Sie ziehen in die Normandie und bereiten die Hochzeit vor. Florias Vater nimmt die Einladung an, stimmt der Heirat zu und gibt Fr. seinen Thron in Irland. Nach dem Fest, zu dem auch Zwergenkönig Malmrit erscheint, zieht das Paar mit nach Irland. Dort zeichnet sich Fr. als milder und frommer König aus. Nach seinem Tod geht Floria ins Kloster. U r s p r u n g und Typus der Vorlage. Die Herkunft des Erzählstoffes ist unbekannt. Die Schlußverse behaupten afrz. Ursprung, mit der afrz. Literatur (wie auch mit Mären wie -> 'Dulciflorie') hat . F.' jedoch nichts gemein. Die Identität und lit. Rolle von keyscer Otte ist umstritten. Als Mäzen der dt. Vorlage möchte LÜTJENS nicht Kaiser Otto, sondern Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg (gest. 1252) betrachten, und er sieht eine Verwandtschaft zwischen . F.' und den um 1250 entstandenen mhd. Artusepen ->· Bertholds von Holle. Elemente der Tradition höfischer Artus-Aventiurenromane sind nicht zu leugnen. Da aber Aufbau und Erzählweise, vor allem in der Haupthandlung nach dem Erwerb des Zauberrings, stark an die sog. 'Spielmannsepen' erinnern, sollte die dt. Vorlage nicht als nachklassischer Artusroman angesehen werden, sondern als Brautwerbungsepos. Als solches läßt es sich sehr wohl in die literarischen und politischen Interessen von keyscer Otte, also Kaiser Otto IV, einordnen (LAYHER, 2000). L i t e r a t u r . A. LÜTJENS, Herzog Fr. von d. Normandie. Ein Beitrag z. Gesch. d. dt. u. schwed. Lit. d. MAs, 1912; dazu E. SCHRÖDER, GGA (1916) 716—723; S. SAWICKI, Die Eufemiavisor. Stilstud. zur nord. Reimlit. d. MAs, Lund 1939; V. JANSSON, Eufemiavisorna, Uppsala 1945; P. WIESELGREN, Hertig Fr.s datering, Arkiv for nordisk filologie 62 (1947) 1-24; C. I. STÄHLE, Till frägan om tillkomsten av 'Hertig Fr.', Arkiv för nordisk filologi 64 (1949) 237-245; W. LAYHER, Queen Eufemia's Legacy. Middle Low German Literary Culture, Royal Patronage, and the First Old Swedish Epic (1301), Harvard Univ. Diss., 1999; ders., Origins of the Old Swedish epic 'Hertig Fr. af Normandie'. A Middle Dutch Link?, Tijdschrift voor Skandinavistiek 21 (2000) 223-249; S. WÜRTH, Eufemia:

Deutsche Auftraggeberin schwedischer Lit. am norwegischen Hof, in: F. PAUL (Hg.), Arbeiten zur Skandinavistik. 13. Arbeitstagung d. dt.sprachigen Skandinavistik 2000, S. 269-281.

WILLIAM LAYHER 'Herzog Gottfrieds Heerfahrt wider die Türken und Heiden' ->· Robertus Monachus (II.4.); -» Steinhöwel, Heinrich (HU.) Hesse, der Jude von Salms -» Jude von Salms [Bd. 4 u. NB] 'Hester' [Korr.] Bd. 3, Sp. 1202 f. zu II. 'Hester'-Prosa des 15. Jh.s: Es handelt sich dabei nicht um eine Heinrichvon-München-Prosaauflösung, wie BACHMANN/ SINGER annahmen, sondern um einen Auszug aus dem -> 'Buch der Könige alter e", das zu den Quellen der Urfassung von Heinrichs v. München 'Weltchronik' gehört. Vgl. G. KORNRUMPF, Die 'Weltchronik' Heinrichs v. München, in: Fs. I. Reiffenstein (GAG 478), 1988, S. 493-509, bes. S. 508; dies., Das Buch der Könige, in: Fs. W. Haug / B. Wachinger, 1992, S. 505-527, bes. S. 521 f.

Heverlingh, Tilemann -> 'Schlacht bei Hemmingstedt' (Il.l.b.) Heymericus de Campo [Korr.] Bd. 3, Sp. 1211 Mitte: "Berlin, SB Preuß. Kulturbes., cod. Theol. Fol. 92" korr.: ..., Ms. rheol. lat. fol. 92. Ebd. Z. 11/10 von unten: "Koblenz, Bibl. d. Augusta Gymnasiums, cod. 124" korr.: heute Koblenz, Landeshauptarchiv, Bestand 701 Nr. 220 (ohm 124). Ebd. Z. 7/6 von unten: "Frankfurt, StB, cod. 2084" korr.: ..., Ms. Praed. 138 (ehem. cod. 2084). Sp. 1212 Mitte: "Uppsala, Bibl. Kungliga Univ., cod. 610" korr.: ..., cod. C 610.

Heyse, Johannes Aus einer Frankfurter Goldschmiedefamilie stammend und in der Reichsstadt als Visierer tätig (-> 'Visierbüchlein'), hatte J. H. 1475 (?) die diätetischen Wiegendrucke -» Wilhelms von Saliceto und Bartholomäus ->· Metlingers erworben, die er zu einem Konvolut zusammenfügen und

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Hieronymus, Sophronius Eusebius — Hildegard von Bingen

vom Buchbinder um 14 Bll. erweitern ließ (heute Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 2942). Auf diesen beigebundenen Bll. hat H. Exzerpte aus dem -> 'Regimen sanitatis Salernitanum' (4V, 10r), aus dem -»· 'Kardobenediktentraktat' [NB] (l v ) eingetragen, ferner Lesefrüchte aus lat. Spruchdichtung, die 'Elegie' Johann Beckenhubs auf den Tod von dessen Eltern (6rv) sowie zwei medizinische Texte, für die er jeweils als Autor zeichnet: Ein Rezept für eyn gut äugen wasser (14V) und ein Gesundheitsregiment (10r-14v; dat. 1490): H.s Regiment, sich jn gesuntheit lange zu behaltenn, hat eine dreiteilige Struktur, wie sie bisher andernorts nicht nachgewiesen ist (SCHMITT): Es umfaßt 1. eine Speisendiätetik, die den Einfluß von Isaak Judäus zu erkennen gibt, Versatzstücke aus dem -» 'Secretum secretorum' (II.l./III.A.) aufnimmt und eine komplexe Binnengliederung zeigt: Am Anfang ordnet H. nach Primärqualitäten und Temperamenten, bevor er zu den Geschmacks-Qualitäten, Appetits-intensitäten, Elementen (wasser, lüfft) und vier Jahreszeiten übergeht, um mit den membra spiritualia und digestiva zu schließen. 2. Zehn organ- oder regionbezogene Paragraphen vom heypt bis zu den nyren weisen eine charakteristische Dreigliederung auf, indem sie stereotyp zunächst die Pathologie, dann die Prophylaxe und zuletzt die Therapie beschreiben. 3. Nach zwei Segmenten über Hirnschlag, Gedächtnisschwund, Müdigkeit und beginnende Demenz, unter denen Aderlaß und Purgaz (lassen, sich würgen/reinigen) subsumiert werden, handeln zehn weitere Paragraphen vom Ausscheiden von 'Überflüssigkeiten' und den Ausscheidungsorganen. Marginalüberschriften als Gliederungssignale unterstreichen die Mikrostruktur des beispielhaft gestalteten Textes. L i t e r a t u r . W. SCHMITT, Theorie der Gesundheit u. 'Regimen sanitatis' im MA, med. Habil.schr. [masch.] Heidelberg 1973, S. 26 [irreführend]; K. H. STAUB / TH. SÄNGER, Dt. u. ndl. Hss. (Die Hss. d. Hess. Landes- u. Hochschulbibl. Darmstadt 6), 1991, S. 138 f. [Inhaltsangaben irreführend].

G. KEIL

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Hieronymus, Sophronius Eusebius [Korr.] Bd. 3, Sp. 1227 zu 6., petit-Abschnitt: "Bamberg, SB, cod. A II 48" korr.: ..., Msc. Bibl. 101 (olim A II 48).

'Hieronymus-Briefe' [Korr.] Bd. 3, Sp. 1236 zu 5.: Streiche Verweispfeil auf Lazarus Spengler (t 1534; er war beteiligt an der Einführung der Reformation in Nürnberg); aber vgl. seinen Vater Georg -»· Spengler. Ebd., vor IV. ergänze: Vgl. auch -» Regula (IV. 4.). Sp. 1237, 3. Abschnitt: "Oldenburg, LB, cod. 75" korr.: ..., Cim 175.

Hildegard von Bingen [Korr./Nachtr.] Bd. 3, Sp. 1264, zu 2., Überl.: "Berlin, SB Preuß. Kulturbes., cod. lat. theol. 727" korr.: ..., Ms. theol. lat. fol. 727, lva-117vb. Sp. 1272, zu 7., Überl.: "Paris, Bibl. nat., cod. 6952" korr.: ..., ms. lat. 6952, 156r-232r. Ebd.: "Kopenhagen, Kgl. Bib!., cod. 90 b" korr.: N K S 9 0 b fol., lra-93rc. Sp. 1273, zu 8., Überl.: "Stuttgarter Hs. (LB, cod. theol. phil. 253" korr.: ..., cod. theol. et phil. 4° 253, 27r-59v, 75rv, 76r-93v. Ebd.: "die Berliner Hs. (SB Preuß. Kulturbes., cod. lat. 674" korr.: ..., Ms. lat. qu. 674, 103ra116ra. Sp. 1280 ergänze:

VI. Deutsche Rezeption. Die dt.sprachige Rezeption der Schriften H.s v. B. ist Teil einer im 13./14. Jh. einsetzenden, noch wenig erforschten Übertragung dieser Schriften in verschiedene europäische Volkssprachen oder Nationalliteraturen. Genannt seien die insulare, die südfrz.-spanische, die nordfrz., die ndl.flämische und die böhmische HildegardRezeption. Grundlage für den volkssprachlichen Rezeptionsprozeß bildeten in der Regel nicht die originalen Werke H.s, sondern das durch den Zisterzienserprior Gebeno von Eberbach um 1222 zusammengestellte 'Pentachronon', eine Exzerptkompilation aus visionären und monastischen Schriften H.s, die vor allem reformkirchliche und apokalyptische Texte enthielt. Alle weiteren Detailfragen zum Verhältnis von primärer (H. v. B.) und sekundärer (Gebeno) Überlieferung sind vor Er-

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Hildegard von Bingen

scheinen der Edition des 'Pentachronon' und einer Aufarbeitung seiner Überlieferungsgeschichte nicht zu beantworten. A u s g a b e . J. C. SANTOS PAZ, La obra de Gebenon de Eberbach, im Druck (Firenze).

Die durch das 'Pentachronon' beschrittene Entfernung von der primären Textfassung setzte sich fort in der pseudepigraphischen Hildegard-Überlieferung des 15. und 16. Jh.s. Sie transponierte H.s Autorität häufig in objektfremde Zusammenhänge (z. B. Antimendikanten-Propaganda; reformatorische Papstkritik; prognostisches Schrifttum) oder kombinierte sie mit artverwandtem Schriftgut anderer Autoren zu mehr oder weniger festen Überlieferungssymbiosen. Doch haben auch Teile von H.s Originalwerk eine dt.sprachige Rezeption erfahren. Sie betrifft die 'Lingua ignota' ['LF], die unter H.s Namen überlieferten naturund heilkundlichen Werke ('Liber simplicis medicinae' ['LSM'] und 'Liber compositae medicinae' ['LCM'j sowie das visionäre Werk. Letzteres umfaßt auch das Epistolarium mit der darin enthaltenen 'Vita Ruperti' ['VR']. Bezüglich der natur- und heilkundlichen Werke — H. selbst spricht nur vom 'Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum' ['LSu'] — ist jedoch in Rechnung zu stellen, daß keine autornahe Überlieferung vorliegt und daß der auktoriale Anteil H.s an diesen Überlieferungskomplexen nur schwer zu bemessen ist. A. Die 'Lingua ignota' enthält in den beiden überlieferten Textzeugen eine unterschiedlich hohe Anzahl von dt. Glossen: Im noch zu Lebzeiten H.s im Kloster Rupertsberg entstandenen Riesencodex sind es 260, in der Berliner Briefhs. 756 dt. Glossen. Die Grundlage sowohl für den lat. Wortbestand der 'LF als auch für die dt. Glossen lieferte das um 1100 entstandene ->· 'Summarium Heinrici' (HILDEBRANDT). Insgesamt 180 dt. Glossen tauchen bereits dort auf; nimmt man die lat. Wörter hinzu, liegt der identische Bestand bei 95%. Zur Bedeutung der 'LF für die Glossographie und Wortbildung des Mhd. vgl. neuerdings GÄRTNER.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Wiesbaden, Hess. LB, Hs 2, 46 -464 ; Berlin, SBB-PK, Ms. lat. qu. 674, 58r-62r (um 1220/30 im Stift Sankt Maria in Pfalzel bei Trier entstanden).

B. Natur- und heilkundliche Schriften. 1. Einzelne Wörter, darunter auch finite Verben, treten innerhalb des 'Liber simplicis medicinae' und des 'Liber compositae medicinae' in dt. Sprache auf. Die älteste und umfassendste Hs. des 'LSM' (Florenz) enthält ca. 900 pflanzliche und heilkundliche Fachbegriffe in dt. Sprache von einem rhfrk. Kolorit (auch Erstbelege); außerdem ist am Ende des Textes (f. 101 — 104) ein dt.-lat. Glossar angefügt, mit Angabe der heilkundlichen Gegenstände und ihrer therapeutischen Nutzanwendung. Ein ähnliches (bilinguales) Glossar enthält u. a. auch der 'LSM'-Textzeuge Wolfenbüttel (173ra-174va). Allerdings findet sich in den Glossaren auch die gegenläufige Tendenz einer Übersetzung von im Grundtext deutsch erscheinenden Wörtern in die med.-lat. Fachterminologie des 15. Jh.s. HILDEBRANDT (2001, S. 541) vermutet hinter der 1533 erschienenen Editio princeps des 'LSM' aufgrund von durchscheinenden archaisierenden ahd. Lautungen eine sehr frühe, H.s Original nahestehende Vorlagenhandschrift. Doch scheint der Ansatz eines dt.sprachigen Originals des kompletten 'LSM' bzw. 'LSu' eher unwahrscheinlich zu sein. Im übrigen weist auch die aus dem 15. Jh. stammende Exzerptüberlieferung des 'LSM' dt. Wörter auf (vgl. MouLINIER, 1999, passim). — Der einzige vollständig überlieferte Textzeuge des 'LCM' (Kopenhagen) bietet ca. 150 dt. Wörter aus dem Bereich der Natur- und Heilkunde. Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e n . 'LSM': Florenz, Bibl. Medicea Laurenziana, cod. Ashburnham 1323 (kurz vor dem 5. 12. 1292 in Trier/ St. Matthias fertiggestellt); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 56.2 Aug. 4° (Kat. Nr. 3591; Ende 13./Anf. 14. Jh.). Editio princeps: Physicas [!] Hildegardis. Straßburg, J. Schott 1533. — Eine Ausg. der Florentiner Hs. bereiten unabhängig voneinander I. Müller (Bochum) und R. Hildebrandt (Marburg) vor. Vgl. hierzu R. HILDEBRANDT, Ein neuer Weg zu H.s 'Physica', in: Mal. volkssprachl. Glossen, hg. v. R. BERGMANN (u. a.) (Germ. Bibl. 13), 2001, S. 537-550.

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Hildegard von Bingen

'LCM': Kopenhagen, Kgl. Bibl., NKS 90 b fol. (Mitte/3. Viertel 13. Jh., Trier/St. Maximin). Die Ausg. von P. KAISER (1903, Nachdr. 1980; mittlerweile überholt) enthält eine Zusammenstellung der ca. 150 dt. Wörter (S. 252-254). Eine Neuedition durch L. MOULINIER, Beate Hildegardis Bingensis Cause et Cure. Krit. Textausg. (Rarissima Medievalia 1), im Druck.

MOULINIER gelangt bezüglich des auktorialen Anteils H.s zu sehr zurückhaltenden Ergebnissen; ihr zufolge ist der 'LCM' in seiner überlieferten, enzyklopädisch ausgeweiteten Form zwischen 1180 und 1220, und damit erst nach H.s Tod, entstanden. Lediglich ein Nukleus (Buch III und IV) mit Beschreibungen der heilkundlichen Wirkungen der Pflanzen gehe unmittelbar auf H. zurück. Den Rest habe möglicherweise ->· Thiofrid von Echternach, Gebeno von Eberbach oder Wibert von Gembloux auf der Grundlage von hildegardischem Streumaterial nachträglich kompiliert. Dt. Wörter finden sich auch in einer Kompilation aus dem 'LCM' und aus inhaltlichen, an einer Stelle auch wörtlichen Übernahmen aus H.s dritter Visionsschrift, dem 'Liber divinorum operum'. Dieser Text bietet die ältesten Spuren einer dt.sprachigen Rezeption H.s im Bereich der Natur- und Heilkunde und läßt darüber hinaus eine Verbindung zwischen dem visionären und dem heilkundlichen Schriftenkreis erkennen, die für das Gesamtwerk H.s von grundlegender Bedeutung ist (vgl. VOLLMANN).

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tetik (238V) besteht. Die Berliner Hs. (2), das sog. -> 'Speyrer Kräuterbuch', enthält Teile aus dem 'LSM' ('Liber de herbis') in dt. Sprache, desgleichen die textlich eng verwandte, jüngst von Franz Staab entdeckte und von B. SCHNELL ausgewertete Mainzer Hs. (3), eine alphabetisch geordnete Kräuterbuchkompilation v. a. auf der Grundlage des 'Älteren dt. -> Macer', des -»· 'Circa instans' und einer dt. Übersetzung von H.s 'Liber de herbis'; gegenüber (2) weist diese Hs. Erweiterungen auf. FEHRINGER geht in einer noch in der Diskussion befindlichen These davon aus, daß bereits im 12./ 13. Jh. 172 Drogenmonographien aus dem lat. 'LSM' ins Dt. übertragen wurden, die durch einen mehrstufigen Erweiterungsprozeß um zusätzliche med. Autoritäten ergänzt und nach Indikationen geordnet worden seien.

Die Augsburger Hs. (4) enthält, teilweise innerhalb des 'Kochbuches' des -» Eberhart von Landshut sowie der darauf folgenden 'Regel der Gesundheit', verschiedene dt. Übertragungen aus dem 'LSM'. Sie entstammen den Büchern 'De avibus', 'De piscibus' und 'De plantis'. Der Kontext dokumentiert eine volkssprachliche Wirkung des 'LSM' auch im Bereich der heilkundlichen Diätetik und der kulinarischen Kochkunst.

Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e n . (1) Paris, Bibl. nat., ms. lat. 6952, (um 1425/50 in Speyer entstandene med. Sammelhs.), 156 r —232 r der lat. 'LSM', 232v-238r der dt. Anhang; Ausg. v. WEISSADAMSON, S. 178-191. - (2) Berlin, mgf 817 (Speyer, 1456), —61 V ; Ausg. v. FEHRINGER, Ü b e r l i e f e r u n g und Ausgabe. Berlin, SBB- S. 41-195. - (3) Mainz, StB, Hs I 525 (rhfrk., PK, Ms. lat. qu. 674, 103"-116ra; hg. v. H. SCHIP- Mitte 15. Jh.), 5r-45v; vgl. Der dt. 'Macer'. VulPERGES, Sudhoffs Archiv 40 (1956) 41 — 77, insbes. gatfassung, kritisch hg. v. B. SCHNELL in ZusamS. 64, Z. 550—553 mit wortidentischen Passagen menarb. mit W. CROSSGROVE (TTG 50), im Druck. zwischen 'LDO' und 'LMC. - (4) Augsburg, ÜB, cod. 111.1.2° 43 (ostfrk./nordbair., letztes Viertel 15. Jh.), 59r-69r.

2. Übertragungen von zusammenhängenden Teilen des natur- und heilkundlichen CEuvres ins Deutsche lassen sich nur für den 'LSM' nachweisen. Mindestens vier, sämtlich aus dem 15. Jh. stammende Hss. bezeugen dt. Übersetzungen. Die Pariser Hs. (1) umfaßt neben dem lat. 'LSM' einen dt. Anhang, der aus einem Konglomerat von Teilen des 'LSM' und des 'LCM', konkret aus einem 'Kräuterbuch' (232V-233V), einem Krankheitsrezeptar (233 V —238 V ) sowie einer Lebensmitteldiä-

Eine von R. WISNIEWSKI (PBB 79 [1957] 4366) geäußerte These, -> Wolfram von Eschenbach könne im Parzival in einigen den Gral betreffenden Stellen (Karfunkelstein des Einhorns; Buch 9, 482,24-483,4) von H.s 'LSM' beeinflußt worden sein, wird von J. BUMKE (Die Wolfram v. Eschenbach Forschung seit 1945. Bericht u. Bibliographie, 1970) abgelehnt. Med. Sondergut, das nicht dem 'LSM' und dem 'LCM', sondern dem Epistolarium (Stuttgart, LB, cod. theol. et phil. 4° 253, 57V und Wien, cod. 881, 22r) und der 'Vita Hildegardis', Buch III, cap. 10

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(Ed. M. KLAES [CG Cont. Med. 126], Turnhout 1993, S. 51, Z. 5—7) entstammt, enthält eine ursprünglich für Sibylle von Lausanne geschaffene Beschwörungsformel gegen Blutfluß. Die im 15. Jh. ausschließlich deutsch überlieferte Formel wurde im 16. Jh. von Johann Weyer (De praestigiis daemonum, Basel 1563) ins Lat. rückübersetzt und fand seit dieser Zeit in Deutschland und England vielfach Anwendung.

C. Prophetische und geistliche Schriften. a. Übersetzungen authentischer H.-Texte. Eine von J. GIBSON behauptete Rezeption H.s im 'Hortus Deliciarum' -> Herrads von Hohenburg ist nicht durch Textzitate belegt (J. G., Herrad of Hohenburg, in: A History of Women Philosophers, vol.2, Dordrecht u.a. 1989, S. 85-98). Nicht beweisend sind auch verschiedene von M. SCHMIDT zusammengetragene Motiv- und Wortparallelen zwischen H.s visionärem Werk und dem 'Fließenden Licht der Gottheit' -»· Mechthilds von Magdeburg (vgl. Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit. 2., neubearb. Übers, von M. SCHMIDT, 1995, passim).

1. Apokalyptische Auszüge aus dem 'Scivias' (Buch III, Vision 11, Kap. 25-27, 30—32 u. 39) erscheinen, möglicherweise vermittelt über das 'Pentachronon' Gebenos, unter den Zusatzquellen einer nd. Bearbeitung des 'Elucidarium' des ->· Honorius, deren Entstehungsort und -zeit nicht geklärt sind (Umkreis der Windesheimer Kongregation? Ende 14./Anf. 15. Jh.?). Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e . Straßburg, Bibl. nat. et univ., ms. 2101, l r -64 va (aus dem Augustiner-Chorherrenstift Frenswegen, geschrieben 1468/69 von dem Laienbruder Arnoldus de Almelo); hg. v. D. GOTTSCHALL, Das 'Elucidarium' des Honorius Augustodunensis. Unters, zu seiner Überlieferungs- u. Rezeptionsgesch. im dt.sprachigen Raum mit Ausg. der nd. Übers. (TTG 33), 1992, S. 161-295, die Passagen aus 'Scivias' S. 260-265 u. 273.

2. Eine dem Epistolarium entstammende Prophetic H.s (auch von Gebeno überliefert), der Brief an Werner von Kirchheim v. J. 1170 (lat. Ausg.: Hildegardis Bingensis, Epistolarium. Pars Secunda, hg. v. L. VAN ACKER [CG Cont. Med. 91 A], Turnhout 1993, S. 333-337 Nr. CXLIX R), wurde ins Dt. übersetzt. Die Prophetie ist gattungsgeschichtlich dem lit. Modell einer im Bett erfahrenen Vision zuzuordnen.

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(Dieses Modell fand, vermutlich unter dem Einfluß H.s, u. a. in den um 1215 im Zisterzienserinnenkloster St. Thomas a. d. Kyll entstandenen -> 'Visionen von St. Thomas' Verwendung; Trier, StB, Hs. 77l/ 1350 8°, lll v -125 r .) Die Übersetzung ist im Rahmen einer größeren Sammlung dt. prophetischer Texte, die wohl in der Regierungszeit Kaiser Sigismunds entstand, mehrfach tradiert, wobei der Brief H.s nicht eindeutig von den nachfolgenden Texten ('Von der gerechtikeit') abgetrennt wird. Unmittelbar anschließend an H.s Brief an Werner von Kirchheim erscheinen Passagen aus den apokalyptischen Teilen des 'Liber divinorum operum' (P. III, visio 5, cap. 16, 25, [26]). Die dt.sprachige Rezeption dieser Texte läuft mit großer Wahrscheinlichkeit über das 'Pentachronon' Gebenos, das sie enthält. Ü b e r l i e f e r u n g und Ausgabe. München, ÜB, 2° cod. ms. 684 (dat. 1465), 87r-92r; Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Q 127 (um 1460/70), 121r-127v; München, cgm 523, 267ra-273rb (1471); ferner in den Hss. von Eberhard -» Windecks 'Kaiser Sigismunds Buch'; danach die Ausg. v. ALTMANN, 1893, S. 350-354 (bzw. 357). Bei Windeck wird zusätzlich noch die im selben Corpus enthaltene -> 'Vision auf das Jahr 1401' H. v. B. zugeschrieben; sie gehört zum gleichen Visionstyp. Zu den Hss. KORNRUMPF/VÖLKER, München, S. 56-60 u. 348; K. GRAF, ZfdA 118 (1989) 203216. Hinweise Ch. Stöllinger-Löser.

Die Prophetien aus Windecks Sigismund-Buch (incl. des Abschnitts 'Von der gerechtikeit') wurden von Michel -» Beheim in eine versifizierte und in der sog. Osterweise vertonte Fassung von 530 Versen Umfang gebracht. Ausg. GILLE/SPRIEWALD, 1968, Nr. 108, S. 376383 (Abdruck der Melodie ebd., S. 475); vgl. RSM Bd. 3, ^eh/lOS a~d; ferner E. VOLTMER, Prophetie u. Reform der Kirche am Ende des MAs. Wie der Dichter Michel Beheim an die 'Weissagung auf das Jahr 1401' (alias Visio seu prophetia fratris Johannis) geraten ist, in: 'Das Wichtigste ist der Mensch'. Es. K. Gerteis, hg. v. A. GIEBMEYER u. H. SCHNABEL-SCHULE, 2000, S. 75 — 113.

3. Die 'Vita Ruperti' ['VR'], ursprünglich im Kontext von H.s Epistolarium überliefert, wurde im 15. Jh. ins Mndl.

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Hildegard von Bingen

und spätestens zu Beginn des 16. Jh.s ins Dt. übersetzt (im Druck verbunden mit einer dt. Vita H.s). Sie ist ein wichtiges Zeugnis für die Rezeption H.s im Bereich der volkssprachlichen Prosalegendare. Ü b e r l i e f e r u n g . Mndl.: London, Brit. Library, Add. MS. 20034 (1465 im Kloster der Franziskaner-Tertiarinnen in Delft entstanden), f. 132va — 133ra (als Sondergut im Rahmen der 'Südmndl. Legenda aurea', -> Bijbelvertaler van 1360 [NB]); Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 1530 4° (15. Jh.), S. 451 f. Dt.: Die Legend des heyligen hertzogen sant Ruprechts bey Byngen [...]. Die Legend von der seligen jungfrawen sant Hildegard der Christlichen Sibilla [ . . . ] , Druck [Oppenheim, Jakob Köbel 1524] (VD 16, L 981).

Koebels dt. Übers, der 'VR' von 1524 beinhaltet auch eine dt. Fassung der 'Vita Hildegardis'. Sie umfaßt nach M. KLAES Buch I u. II, cap. 1-16 der 'Vita' (ohne Prologe) und weist gegenüber der lat. Fassung Auslassungen wie Erweiterungen, insbesondere aus den ebenfalls unvollständig enthaltenen 'Acta canonisationis', auf. Die lat. Vorlagenhandschrift für die dt. Übers. der 'Vita Hildegardis' war Bestandteil eines im 15. Jh. entstandenen 12bändigen, mittlerweile vernichteten Legendars aus Kloster Böddeken (-» Legendare [lat.], A. II. c. 4; 'Vita Hildegardis': Septemberband, f. 240 r —247 V ; 'Acta canonisationis: ebd., 247V-249V). Ausgabe: M. KLAES, Vita Sanctae Hildegardis (CC Cont. Med. 126), Turnhout 1993 (zur Böddekener Hs. [Sigle b]: S. 181*)- Dieses Böddekener Legendär lieferte vermutlich auch die Vorlage für Koebels dt. Übers, der 'VR'.

b. H.-Zitate und Pseudo-Zuschreibungen. 1. Unter den eschatologischen Dichtungen über das Jüngste Gericht beruft sich das -> 'Darmstädter Gedicht über das Weltenende', das den Schluß der -»· 'Karlmeinet'-Kompilation (um 1300) bildet, auf die prophetische Autorität H.s (Ausg. ROOTH, 1977, S. 21-32). 2. Mystisch-spirituelle Texte. -»· Hadewijch bezieht sich in ihren 'Visioenen' auf H. Ein Johannes -» Tauler OP zugeschriebenes (lat.) Vorwort zu einer 1566 erschienenen Briefausgabe H.s ist nicht authentisch, doch geht Tauler in drei Predigten selbständig mit Kenntnissen aus dem 'Sci-

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vias' um (Ausg. VETTER, 1910, Pred. 41, S. 175 Z. 11-13; Pred. 60 f, S. 311 Z. 3; Pred. 69, S. 379 Z. 15 f.). Im unmittelbaren Umfeld Taulers zitiert -> Heinrich von Nördlingen in einem Brief an Margareta ->· Ebner aus dem Jahre 1349 die prophetische Autorität (Pseudo-) H.s (Ausg. STRAUCH, 1882, S. 267, Brief LIII). Im Anhang zum ->· 'Manenleben der Königsberger Hs. 905' (v. 788 ff.) wird eine Vision der -> Elisabeth von Schönau ('De resurrectione beate virginis matris domini'; ed. F. W. E. ROTH, 1884, Lib. I, visio 31) mitgeteilt, wobei die Personen der beiden Visionärinnen zusammenfließen: sivester Eisebete to Binge ... 3. Rezeptionsspuren aus dem Bereich der Ars-moriendi-Literatur liefert ein aus dem 14. Jh. stammender nd. Traktat über vier Arten von Menschen angesichts des Todes unter dem Namen H.s. Er repräsentiert gemäß RUDOLF das früheste Zeugnis für das verbreitete Motiv der Anfechtungen des Teufels in der Todesstunde. Die Wiener Tauler-Hs. 2739 enthält unter H.s Namen außerdem einen kurzen nd. Text über die Frage, wie man den Weg des geistlichen Lebens einschlagen solle. Die relativ zahlreichen Rezeptionsspuren im nd. Raum nehmen möglicherweise aus der H. befreundeten Zisterzienserabtei Villers in Brabant ihren Ausgang. Ü b e r l i e f e r u n g und Ausgabe. Wien, cod. 2739 (2. H. 14. Jh.), 195v-200r u. 167vb-168vb; hg. v. A. L. CORIN, Sermons de J. Tauler et autres cents mystiques II, Paris 1929, S. 383-387 Nr. 45 u. S. 381 f. Nr. 44. - Salzburg, ÜB, M I 476 (v. J. 1441), 103rv {'Traktat über den Tod'). Vgl. R. RUDOLF, Ars moriendi, 1957, S. 13; A. JUNGREITHMAYR, Die dt. Hss. d. MAs d. ÜB Salzburg [Katalog], Wien 1988, S. 69-135, hier S. 80.

4. Die auf breiter Front einsetzende Popularisierung H.s im deutschen Sprachraum manifestiert sich vielleicht am deutlichsten in ihrer Berücksichtigung innerhalb des chronikalisch-annalistischen Schrifttums der Zeit. Neben der Würdigung H.s als Person oder ihrer Nennung als geläufiger Autorität werden immer wieder kurze Textpassagen zitiert, wobei die Grenzen zwischen authentischer und pseudepigraphischer Überlieferung fließend sind.

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Hildegard von Bingen

Die Erwähnungen H.s in der 'Weltchronik' Hartmann -> Schedels (dt. Ausg. vom 24. 12. 1494, f. CCIV) und der -+ 'Koelhoffschen Chronik' (Köln 1499, f. CLXIXV) bilden Endpunkte einer langen Entwicklung, die im 12.713. Jh. mit der sog. 'Chronik des Wilhelm Godellus' (MGH SS XXVI, S. 198), dem 'Chronicon' des Wilhelm von Auxerre (MGH XXVI, S. 236) oder dem 'Speculum historiale' des -> Vinzenz von Beauvais ('Speculum maius', T. IV, Douai 1624 [Nachdr. Graz 1965], f. 1125) ihre weittragende lat. Grundlegung erfahren hatte. In diesen Rezeptionszusammenhang gehört auch die Berücksichtigung H.s innerhalb der flämischen Dichtung des 13. und 14. Jh.s (Hadewijch, s. o.). Im Umkreis -> Jacobs van Maerlant [NB] rekurriert der Chronist Lodewijch van Velthem innerhalb des von ihm 1315/16 vollendeten 'Spiegel historiaeP auf einzelne Prophetien (Pseudo-) H.s. Der Rekurs auf H. geschieht hier im Rahmen einer scharfen Dekadenzkritik des Klerus und bezieht die antimendikantisch akzentuierte Spurie 'Prophetia Hildegardis contra monachos mendicantes' mit ein. 5. Im Umfeld der sog. ->· Sibyllenweissagungen finden sich Spuren der Rezeption H.s zuerst in dem um 1320/21 entstandenen 'Sibyllen-Lied' (im Kurzen Ton -> Marners): In Fassung a, Strophe 4 beantwortet die in einem Dialog mit König Salomo stehende Sibylle die Frage nach den letzten Fürsten des Reiches durch einen 'Vorgriff auf H. v. B. [!] (Vrou Hildegart von Bingen in der buche geschriben ist ...; Leipzig, ÜB, Ms Rep. II 70a [-> 'Niederrheinische Liederhs.'], 102 ra ~ va ; Ausg.: HMS III, S. 468 h-i Nr. [118]; vgl. RSM Bd. 4, ^arn 6/101 a). Einige Passagen des 'Sibyllen-Liedes', darunter die HildegardTexte, sind auch in das sog. 'Sibyllen Buch' (Ausg. NESKE, 1985, S. 267 ff.) eingeflossen, jedoch ohne ausdrücklichen Bezug (vgl. F. SCHANZE, in: Gutenberg-Jb. 75 [2000] 42-63). Die bis z. J. 1383 reichende -» 'Konstanzer Weltchronik' [NB] schöpft in ihrem eschatologischen Teil aus dem 'SibyllenLied'. Auch die -> Oberrheinische Chronik', eine der ältesten dt. Weltchroniken in

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Prosa, die bis 1337 bzw. 1349 reicht, erwähnt H. im Zusammenhang eines virulenten Endzeitbewußtseins. 6. Eine Kontamination aus authentischen und nicht-authentischen Visionen H.s über die Sündhaftigkeit von Kirche und Welt ist in Johannes -* Tortschs Onus mundi' (bzw. dt. 'Bürde der Welt') enthalten. Am Ende des Werks erscheint neben anderen prophetischen Gestalten auch H. v. B. als Autorität, die die Aussagen ->· Birgittas von Schweden abstützt (Kap. 25). Einzelne der unfest überlieferten Hildegard-Passagen stammen angeblich aus Buch 3 des 'Liber vitae meritorum' und dem 'Scivias', doch fügten spätere Redaktionsstufen neues, authentisches Material, insbesondere aus dem 'Liber divinorum operum' (P. II, visio l, cap. 9) und H.s Brief an Werner von Kirchheim ('Pentachronon'?), hinzu. (Ausg. [lat. u. dt.] v. MONTAG, 1968, S. 324-327). Ein bislang übersehener lat. Textzeuge des Onus mundi' ist Trier, Dombibl., Bistumsarchiv Abt. 95, Hs8, 103r-140r.

7. Berthold Pirstinger (Pürstinger), Bischof von Chiemsee und Weihbischof von Salzburg, schrieb 1519 ein vergleichbares Werk, das Onus ecclesiae', in dem u. a. auch H. v. B. zitiert wird (Erstdruck Landshut, Johann Weyssenburger 1524 [VD 16, P 2927-2935]). 8. Eine ähnliche Ausrichtung besitzt der anonyme Text 'Namhaffter offennbarungen zwo' (Druck München, Hans Schobser um 1518 [VD 16, N 63]). Neben Joachim von Fiore tritt darin H. v. B. auf, um Mißstände in Kirche und Politik zu rügen. Die paarweise gereimten Verse bilden eine freie Bearbeitung von 'Liber divinorum operum', P. II, visio l, cap. 9. 9. Andreas Osiander gab 1527 'Sant Hildegardten Weissagung vber die Papisten' heraus. Es handelt sich um prophetisch-aszetische Mahnreden an einen als erschlafft dargestellten 'papistischen' Klerus. Der Text verbindet H.s Brief an Werner von Kirchheim mit einer Passage aus dem 'Liber divinorum operum' (P. III, visio 5, cap. 16); vgl. oben C. a. 2. — 3 Drucke: Sant Hildegardten Weissagung vber die Papisten und genanten Geystlichen Welcher erfullung zu vnsern zeytten hat angefangen vnd uolzogen sol werden. Eyn Vorred durch

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Hildegard von Hürnheim - Hiltalingen, Johannes, von Basel

Andrean Osiander [Nürnberg, Hieronymus Andreae]; [Zwickau, Gabriel Kantz]; [Wittenberg, Georg Rhau]; alle 1527 (VD 16, H 3631-3633). Mehrere Hss. mit Weissagungen H.s aus dem 15. Jh. sind aus Nürnberger Klöstern bezeugt, darunter Osianders Druckvorlage (Mal. Bibl. Kat. III, 3, S. 616, Z. 21). Eine Rückübers. von Osianders Text ins Lat. findet sich bei Johann WOLF, Lectiones memorabiles, Lauingen 1600, Bd. l, S. 397— 399 (Frankfurt 1671, S. 328-331). Ausg. d. dt. Fassung: Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe, Bd. 2, 1977, S. 485-501 (Nr. 85). 10. Der vom Geiste Luthers geprägte Deutschordensritter Wilhelm von Isenburg veröffentlichte 1532 eine 'Widerlegung der falschen beschuldigung vnd lesterwort etlicher Munich' (Druck [Köln, Johann von Aich 1532]; VD 16, H 3630 = 1359). Darin setzt er sich gegen Angriffe des Kölner Barfüßermönchs Nikolaus Herborn zur Wehr, der mit Isenburg in konfessionstheologisch begründete Auseinandersetzungen geraten war. Isenburg seinerseits greift die Kölner Bettelmönche an, indem er eine pseudo-hildegardische, im lat. Original möglicherweise auf Wilhelm von Saint Amour zurückgehende Prophetic (Inc. Insurgent gentes] vorträgt, in der H. v. B. — gewissermaßen prospektiv — die verhängnisvolle Wirkung der Mendikanten beschreibt. Dieser ältere Text hat, auch in einer versifizierten Fassung des Heinrich von Avranches, in den britischen Reformkreisen um Wyclif, Langland und den Verfasser des Tiers Ploughman's Crede' eine starke Wirkung entfaltet. L i t e r a t u r . B. K. VOLLMANN, H. v. B.: Theologische versus naturkundliche Schriften?, in: ders. (Hg.), Geistliche Aspekte mal. Naturlehre. Symposion 30. Nov.-2. Dez. 1990, 1993, S. 40-47, 128-131; B. FEHRINGER, Das Speyerer Kräuterbuch mit d. Heilpflanzen H.s v. B. Eine Studie zur mhd. Physica-Rezeption mit kritischer Ausg. d. Textes (WmF Beiheft 2), 1994; M. WEISS-ADAMSON, Der dt. Anhang z. H. v. Bingens [!] 'Liber simplicis medicinae' im Codex 6952 der Bibl. Nationale in Paris (fol. 232V-238V), Sudhoffs Archiv 79 (1995) 173-192; R. HILDEBRANDT, Die dt.sprachige Originalität der H. v. B. in ihrem Mondphasenhoroskop, Orbis linguarum 7 (1997) 121 — 138; K. GÄRTNER, Die 'Lingua ignota' der H. v. B. Plenarvortrag in d. Akademie d. Wiss.n u. d. Lit. Mainz am 16. 6. 1998. Zusammenfassung, in: Akademie d. Wiss.n u. d. Lit. Jb. 49 (1998) 121-123; L. MOULINIER, Deux fragments inedits de Hildegarde de Bingen, Sudhoffs Archiv 83 (1999) 224-238; G. KEIL, H. v. B. deutsch: Das 'Speyrer Kräuterbuch', in: Hildegard v. Bingen in ihrem hist. Umfeld. Internat, wiss. Kongreß zum 900jährigen Jubiläum [1998], hg. v. A. HAVERKAMP, 2000, S. 441-458; L.

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MOULINIER, Hildegarde ou Pseudo-Hildegarde? Reflexions sur l'authenticite du traite 'Cause et eure', in: 'Im Angesicht Gottes suche der Mensch sich selbst'. H. v. B. (1098-1179), hg. v. R. BERNDT (Erudiri Sapientia 2), 2001, S. 115-146; M. EMBACH, Die Schriften H.s v. B. Stud, zu ihrer Überl. u. Rezeption im MA u. in d. frühen Neuzeit, im Druck.

MICHAEL EMBACH Hildegard von Hürnheim [Korr.] Bd. 4, Sp. 3 Überl.: "Berlin, mgq 490 ... verschollen" korr.: jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Ebd.: "Wernigerode, ehem. Fürstl. Stolbergsche Bibl., cod. germ. Zb 4,2°, ... verschollen" korr.: jetzt in Halle, ÜB u. LB, Sign. Wernig. Zb 4.

Hildegund von Schönau [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 6, zu Fassung D ergänze: Die H.-Vita des Caesarius von Heisterbach wurde auch ins Deutsche übersetzt. Überlieferung: Berlin, mgq 524, Mitte 15. Jh., westfäl., 185r-189r (als Sondergut in einer Hs. der 'Südmndl. Legenda aurea'); Leipzig, ÜB, Ms 1279, 1. H. 15. Jh., Leipzig, 304 V —311 r ; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 16567, 2. H. 15. Jh., alem., 129v-137r. Vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 419, dort Nrn. (1) u. (3); Verz. d. dt. mal. Hss. in d. ÜB Leipzig, bearb. v. F. PENSEL, zum Druck gebracht v. I. STAHL (DTM LXX/3), 1998, S. 174 f. WILLIAMS-KRAPP, Nr. (2), verzeichnet ferner eine kürzere Fassung der Legende in Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 2261, geschrieben von Anna -> Ebin, 217 r —219 r , deren Vorlage nicht geklärt ist.

'Hildesheimer Briefsammlung' -> 'Jüngere Hildesheimer B.' [NB] 'Hildesheimer Nonnengebetbuch' [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 11 oben: Zum Gespräch Christi mit der minnenden Seele vgl. auch -> 'Jesu Gespräch mit der treuen Seele' (m. Ausg. v. WOLFF, 1973!). Zu den weiteren Gebetstexten vgl. auch -> 'Sieben Freuden Mariens', B.V. u. E.XIV.l.h.

Hiltalingen, Johannes, von Basel OESA Magister und Provinzial des AugustinerEremitenordens, im Schisma Ordensgeneral der Avignoneser Fraktion.

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Hiltalingen, Johannes, von Basel

1. H. ist ca. 1322 in Basel geboren, studierte an der Kurie in Avignon, ist 1357 dort und am Studium generale der Augustiner in Straßburg als Lektor erwähnt. 1365 — 1366 las er in Paris die Sentenzen. 1371 wurde er in Paris zum Magister promoviert. Danach war er 1371 — 1377 Provinzial der rheinisch-schwäbischen Ordensprovinz, 1378 in Rom Prokurator des gesamten Augustinerordens. Nach der Wahl des römischen Papstes Urban VI. war er kurzzeitig als Gutachter im Heiligsprechungsprozeß der -»· Birgitta von Schweden tätig, schloß sich aber noch im selben Jahr der Avignoneser Fraktion unter dem Gegenpapst Clemens VII. an, in dessen Diensten er in Frankreich und Deutschland, seit September 1379 als General des gesamten Augustinerordens, seelsorgerisch und politisch tätig war. Im Rahmen dieser Tätigkeit ernannte er auf Anweisung des Papstes im Oktober 1379 -> Marquard von Lindau OFM zum Magister der Theologie. Im Jahre 1389 wurde er zum Bischof von Lombes in Südfrankreich erhoben. Drei Jahre später verstarb er im September 1392 in Basel. Im Chor der Klosterkirche in Freiburg im Breisgau wurde er begraben. Zu den Lebensdaten s. HAUPT; BONMANN, S. 320, 323; KUNZELMANN, S. 206—213. 2. Theologische Schriften. Es handelt sich um die 'Responsiones seu decem Quaestiones theologicae', 'Super 4 libros Sententiarum', 'Vesperiae', 'Sermo de sancto Johanne Evangelista' sowie mehrere gutachterliche Stellungnahmen zu Birgitta von Schweden.

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In der Gnaden- und Prädestinationslehre vertritt er eigenständig den antipelagianischen Standpunkt der Augustinerschule, der besonders von Gregor von Rimini begründet wurde (vgl. ZUMKELLER, 1980). 3. Im Sentenzenkommentar sowie in den 'Responsiones' zitiert H. mehrfach ein ansonsten unbekanntes Gutachten des Kardinals Fournier aus der Avignoner Phase des Prozesses gegen Meister -> Eckhart (vgl. KOCH), das dem Votum der Theologen (PELSTER) nahe steht, aber umfangreicher gewesen sein muß. Aufschlußreich für H.s Einstellung zu den von Eckhart aufgeworfenen Problemen ist, daß er an manchen Stellen dessen Verteidigung ausführlich zitiert und seine Thesen gelegentlich in einem orthodoxen Sinne interpretiert. In seinen eigenen Quaestionen behandelt er selbst auch Themen, die von Eckhart und in dessen Nachfolge diskutiert wurden. Dabei deutet er Eckharts ontologisch aufgefaßte Gleichsetzungen des absoluten Seins bzw. der Transzendentalien mit Gott um in Einheitsaussagen, die um eine Gleichsetzung von Gnade, Liebe und Heiligem Geist zentriert sind. Diese Lehrstücke und darüber hinaus die antipelagianischen Elemente legen nahe, daß H. der -» Meister des Lehrgesprächs und Autor des Traktats 'Von der -»· Minne' II (neue Ausg. v. RUH, 1987) ist (dazu WITTE).

L i t e r a t u r . H. HAUPT, Hiltalinger, J., Bischof von Lombes, in: ADB 50, 1905, S. 341 f.; O. BONMANN, Marquard v. Lindau u. sein lit. Nachlaß, Franzisk. Stud. 21 (1934) 315-343; F. PELSTER, Ein Gutachten aus dem Eckehart-Prozeß in Avignon, in: A. LANG u. a. (Hgg.), Aus der Geisteswelt d. Ü b e r l i e f e r u n g . H.s Werke, nur hs.lich überMAs, 1935, S. 1099-1124; D. TRAPP, Hiltalinger's liefert, sind in München, clm 26711 gesammelt. Zur weiteren Überl. s. ZUMKELLER, 1966, S. 242 f. Augustinian Quotations, Augustiniana 4 (1954) 412-449; A. ZUMKELLER, Manuskripte v. Werken u. 599-601. der Autoren des Augustiner-Eremitenordens in H.s Werke zeichnen sich durch unge- mitteleurop. Bibl.n, 1966; A. KUNZELMANN, Gesch. wöhnlich zahlreiche und genaue Zitate der dt. Augustiner-Eremiten. Zweiter Teil: Die und Quellenangaben aus. Das macht sie zu rheinisch-schwäbische Provinz bis zum Ende d. einer Fundgrube für die theologische Lite- MAs, 1970; J. KOCH, Der Kardinal Fournier (Benedikt XII.) als Gutachter in theolog. Prozessen, in: raturgeschichte. TRAPP (S. 414) bezeichnet ders., Kleine Schr.n, Bd. l, Rom 1973, S. 367-386; sie als ein 'petit dictionnaire de la theolo- A. ZUMKELLER, Der Augustinertheologe J. H. v. gie du XIVe siecle'. In den 'Responsionen' Basel (gest. 1392) über Urständ, Erbsünde, Gnade (q. 3) setzt H. sich ausführlich mit dem Ar- u. Verdienst, Analecta Augustiniana 43 (1980) 59mutsstreit der Franziskaner auseinander. 161; K. RUH, Traktat von der Minne: Eine Schrift

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Hüten, Johannes — Himmel, Johannes, von Weits

zum Verständnis u. zur Verteidigung v. Meister Eckharts Metaphysik, in: L. GRENZMANN (Hg,), Philologie als Kulturwissenschaft. Fs. K. Stackmann, 1987, S. 208-229; K. H. WITTE, Der Traktat 'Von der Minne', der Meister des Lehrgesprächs und J. H. von Basel: Ein Beitrag zur Gesch. der Meister-Eckhart-Rezeption in der Augustinerschule d. 14. Jh.s, ZfdA 131 (2002) 454-487.

KARL HEINZ WITTE Hilten, Johannes (wohl richtiger: J. Herwich von Uten/Hüten) OFMObs. 1. Leben. J. H. wurde zwischen 1425 und 1430 in Uten bei Hannover oder in Hilden bei Düsseldorf geboren. Er studierte Philosophie an der Univ. von Erfurt, wo er 1447 den Grad eines Baccalaureus erlangte. Das Jahr seines Eintritts in den observanten Zweig des Franziskanerordens ist unbekannt; er gehörte wahrscheinlich zur Gruppe der 1463 nach Riga entsandten Brüder, die das dortige Minoritenkloster reformieren sollten. In Livland, bes. in Reval, betätigte J. H. sich als erfolgreicher Prediger. Wegen seiner apokalyptischen Ausrichtung sammelte er in den höheren Schichten eine Gruppe heimlicher Jünger um sich, von denen er das Versprechen absoluten Gehorsams forderte. Seine schwärmerisch-sektiererische Art, sein Sicheinmischen in politische und finanzielle Fragen und eine Liebesaffäre führten zu einer Anzeige vor dem bischöflichen Gericht von Dorpat. 1472 wurde J. H. trotzdem zum Lektor des dortigen Klosters ernannt. 1477 erfolgte die Strafversetzung ins Kloster Weimar, wo er, zu lebenslänglicher milder Klosterhaft verurteilt, lesen und schreiben durfte. Einen Monat vor seinem Tod — um 1500 — erkrankte der greise J. H. und rief den Klosteroberen zu sich, der ihn ins neu errichtete Infirmarium des Klosters Eisenach überführen ließ. Dort erhielt er eine angemessene Pflege, bat die Brüder um Vergebung wegen des Ärgernisses, nicht jedoch wegen seiner Prophezeiungen. Während er die Krankensalbung empfing, verschied er im Frieden mit der Kirche. 2. Werke, a. Die Hs. Rom, Bibl. Vaticana, cod. Pal. lat. 1849, enthält Johannes Hilteni, Opera otnnia quae iam reperiri

possunt (516 Bll. in Abschrift des 16. Jh.s). LEMMENS (S. 323 ff.) gab davon erstmals einen inhaltlichen Überblick und edierte Teile aus dem Prolog, den 19 Kapiteln von Schriften mit philosophischem, dogmatischem und moraltheologischem Inhalt. Auf diese folgen Werke mit dem Titel 'Extravagantes'. Eine zu wünschende vollständige Ausgabe stieße — wegen Fehllesungen des Abschreibers — auf nicht geringe Schwierigkeiten. b. Der von Martin Luther geschätzte, von Philipp Melanchthon benützte und diesen beiden von F. Myconius vermittelte Daniel-Kommentar H. s, von dem ADAM (S. 3—5) Ausschnitte bietet, muß als verloren gelten. L i t e r a t u r . M. ADAM, Vitae Germanorum Theologorum, Frankfurt 1653 (Mikrofiche-Ausg. 1993 u. 1994); F. DOLLE, Die Observanzbewegung in der sächsischen Franziskanerprovinz, 1918; L. ARBUSOW (jun.), Die Einführung der Reformation in Liv-, Est- u. Kurland, 1919, S. 160-162; O. CLEMEN, Schriften u. Lebensausgang des Eisenacher Franziskaners J. H., ZKG 47 (1928) 402412; L. LEMMENS, Der Franziskaner J. H., Rom. Quartalschr. 37 (1929) 315-347; P. JOHANSEN, J. von H. in Livland, Arch. f. Reformationsgeschichte 36 (1939) 24-50; H. VOLZ, Beitr. zu Melanchthons u. Calvins Auslegungen des Propheten Dn, ZKG 67 (1955/56) 93-118; RGG 3III, S. 327; Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon II, 870 f.; LThK 3 V, Sp. 113.

OKTAVIAN SCHMUCKI Himmel, Johannes, von Weits [Korr.] Bd. 4, Sp. 25 ÜberL: "Graz, ÜB" ergänze die Signatur: Ms. 936. Ebd.: "Wien, Schottenstift, cod. 48" korr.: ..., cod. 92 (Kat. Nr. 48).

Himmelfahrtspiele — (Christi Himmelfahrt) -> Debs, Benedikt ('Bozner H.'; Nr. 1); -» 'St. Galler H.'; ->· 'Moosburger H.' (lat.); -> Raber, Vigil (C.I.7.) _ — (Maria Himmelfahrt) -> 'Amorbacher (alem.) Spiel von Maria Himmelfahrt'; -> 'Innsbrucker (thür.) Spiel von M. H.'; -» 'Benediktbeurer Spiele' (lat.; Nr. 5) [NB] 'Himmelgartner Evangelienharmonie' -» Evangelienharmonien (III.)

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'Himmelgartner Marienklage' — 'Der himmlische Rosenkranz'

'Himmelgartner Marienklage' Ü b e r l i e f e r u n g . Nordhausen, Städtisches Museum, Frgm. auf 'fünf übel mitgenommenen papierstücken' des 15. Jh.s in Schmalfolioformat (31 X 10,5 cm), ausgelöst aus Einbänden des Klosters Himmelgarten (verschollen). A u s g a b e . E. SIEVERS, Himmelgartner Bruchstücke 4., ZfdPh 21 (1889) 395-404.

Die Fragmente umfassen etwa 200 Verse in thüringischer Sprachform, zum Teil mit Noten, sowie einige längere lat. Bühnenanweisungen. Es handelt sich um Rollentexte Marias aus einer dramatischen Marienklage. Inhaltlich erkennbar sind die Gefangennahme Jesu, die Kreuzigung und vielleicht das Begräbnis. Aus dem hs.liehen Befund mit durchgestrichenen Seiten und eingeschobenen Blättern schloß SIEVERS auf eine Umarbeitung oder Erweiterung und sprach dem Ganzen 'conceptartigen charakter' zu. Insgesamt erschwert der frgm. Charakter eine Beurteilung, so daß das Stück auch in der jüngsten zusammenfassenden Bearbeitung der dramatischen Marienklagen durch MEHLER ausgeschlossen wurde (I, S. 28). L i t e r a t u r . G. WEISS, Die dt. Marienklagen. Quellen u. Entwicklung, Diss. (masch.) Prag 1932, S. 26; W. LIPPHARDT, Stud, zu den Marienklagen, PBB 58 (1934) 390-444, hier S. 393; G. SEEWALD, Die Marienklage im mlat. Schrifttum u. in den germ. Lit.n des MAs, Diss. (masch.) Hamburg 1952, S. 20; BERGMANN, Spiele, Nr. M 102; U. MEHLER, Marienklagen im spätmal, u. frühneuzeitlichen Deutschland. Textversikel u. Melodietypen, [L] Darstellungsteil, [II.] Materialteil (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur 128), Amsterdam-Atlanta 1997.

ROLF BERGMANN 'Himmelsbrief' [Korr.] Bd. 4, Sp. 31 oben, Über!.: "Toulouse, Bibl. Nat., ..." körn: ..., Bibl. municipale. Ebd. unten, Überl.: "Straßburg, ÜB, cod. L. germ. 74.4°" korr.: ..., ms. 1991 (olim L germ. 74.4°).

'Die Himmelsstraße' II [Korr.] Bd. 4, Sp. 35: Bei dem Text handelt es sich um Teil II von 'Der -» Seele Kranz' (s. Hs. C 1 ). Vgl.

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schon K. BARTSCH, Beitr. z. Quellenkunde d. altdt. Lit., 1886, S. 246-262, hier S. 247f. (Hinweis G. Kornrumpf).

'Der himmlische Rosenkranz' Texte und Bilder zu einer Gebetsform um 1500. 1. Lied Got vater in dem höchsten tron. Ü b e r l i e f e r u n g , a. Einblattdruck mit xylographischer Notenzeile: Der himelsch Rosenkrantz gesangßweis [Memmingen, A. Kunne um 1500] (so nach Hinweis von F. Schanze), Ex. München, SB, Einbl. 111,33 (= K. AMELN / M. JENNY / W. LIPPHARDT [Hgg.], Das dt. Kirchenlied, Bd. 1,1, 1975, Nr. 151003 [mit falscher Druckerbestimmung]; BREDNICH, Nr. 46; ECKER, Bd. l, S. 288, Nr. 10); b. St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 997, S. 112-117 (Hinweis K. Ruh); c. Klosterneuburg, Stiftsbibl., cod. 1228, 44V-46V; b und c vermutlich Abschriften aus a oder aus einem anderen Druck. A u s g a b e n . WACKERNAGEL, KL II, Nr. 1060 (nach c); RZYTTKA, S. 296-299 (nach c); ECKER, Bd. 2, Abb. 32 (Abb. von a).

Das Lied, 13 Strophen (4ababccc), ist laut Überschriften gedichtet im Ton von Wann ich gedenck der grossen lieb, eines (vermutlich weltlichen) Lieds, das bislang nicht nachgewiesen ist, zu dem es aber eine weitere Kontrafaktur gibt (BREDNICH Nr. 42, ine. Wen ich gedenck der grasen sund). Nach einer Prologbitte an Gottvater um Beistand beim Bereiten des Rosenkranzes, den der Dichter in sein Herz pflanzen will (Str. l und 2), werden zehn Rosen aufgezählt: die Trinität (Str. 3), Christi Inkarnation und Geburt (4), Maria (5), die Engel (6), Propheten, Patriarchen und Johannes der Täufer (7), Apostel (8), Märtyrer (9), Bekenner (10), heilige Jungfrauen (11) und heilige Witwen (12). Der Schluß (12,5 — 7 und 13) weist an, das Rosenkränzlein mit zehn Vaterunsern und einem Credo zu beten, und verspricht dafür sieben Jahre, 100 + 80 Tage Ablaß. Die Abfolge der himmlischen Stände ist in etwa die der Allerheiligenlitanei und des Schlusses der Lauretanischen Litanei, ohne daß es spezifische Übereinstimmungen gäbe. Die Hervorhebung von Franziskus und seiner Stigmatisierung unter den Bekennern und von Klara unter den Jungfrauen läßt

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'Der himmlische Rosenkranz'

auf franziskanische Hintergründe schließen. Ablaßzusagen für andächtiges Beten werden auch zu anderen Gebeten und Liedern überliefert (vgl. -> 'Goldenes Ave Maria', -» Magnus von Anhalt, 7.; -»· 'Maria zart', ->· 'Stabat mater dolorosa', -*· Ablaßgebete [NB]). In diesem Fall ist die Ablaßzusage jedoch in den gedichteten Text aufgenommen, wodurch das Lied weniger selbst Gebet als Propagierung einer Gebetsform ist. Offenbar ist eine bestimmte Form des Rosenkranzbetens gemeint, bei der statt der Stationen des Lebens Jesu (der Freuden oder Schmerzen Marias) der himmlischen Stände gedacht werden soll. Die Tatsache, daß die Überschrift der St. Galler Hs., die die Ablaßzusage präzisiert, fast wörtlich mit dem Text eines illustrierten Einblattdrucks übereinstimmt, weist auf weitere Zusammenhänge:

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teren Stände wie im Lied; außerhalb des Rosenkranzes in den Ecken oben meist die Messe des Hl. Gregor und die Stigmatisierung des Hl. Franziskus, unten Betende und/oder das Fegfeuer mit Engeln, die die durch das Gebet befreiten Seelen emporheben. Beischriften innerhalb des Rosenkranzes zur Identifizierung der Instanzen finden sich bei SCHREIBER Nr. 1826 und 1827. Auffällig ist, daß in SCHREIBER 1826 wie im Lied die Inkarnation als eigene Position hervorgehoben wird, hier durch ein Schriftband zu Füßen des Gekreuzigten der menschwerdu[n}g (in 1827 an entsprechender Stelle der beschuet?). Ein Kind neben dem Schriftband, das auch in den übrigen Darstellungen erscheint, dürfte eher einen kindlichen Märtyrer darstellen als das Christkind.

Alle Drucke aber bieten oberhalb und unterhalb des Bildes zusätzliche Texte zur Erläuterung. Diese variieren. Bei SCHREI2. Illustrierte Einblattdrucke. Aus den Jahren um und kurz nach 1500 BER 1827 (datiert 1503) steht oben: Jesus. sind u. d. T. . R.' zehn verschiedene illu- Das ist der himelisch Rosenkrancz. der strierte Einblattdrucke mit xylographi- lang helt L vater vnser vnd l aue maria schen, typographischen oder hs.liehen vnd v glauben. Der kurcz vater vnser vnd Textelementen überliefert. aue maria vnd j glauben; und unter dem Bild (dies, nur leicht gekürzt, auch in der N a c h w e i s e . SCHREIBER, Nr. 1826-l830b; ferSt. Galler Hs. des Lieds): Bestetiget von ner Bamberg, SB, in dem Band Inc. typ. Q IX 27 pabst alexandro dem vj [1492 — 1503] gibt (Hinweis S. Griese); Einblattdruck mit Holzschnitt vij Jar ablas. Raymundus [-» Peraudi] der von Erhard Schön [Nürnberg, J. Stuchs um 1515J, Exx. mit unterschiedlichem Text Nürnberg, Germ. legal C tag. Vitus pischof zu bamberg vnd Nationalmus., H 577, und London, Brit. Museum, sein weichpischof Lxxx tag. wer lang oder C. D. I. 427,1 (Hinweis F. Schanze); ferner ein Einkurcz pet altag ewigklich. An vil ander abblattdruck mit Holzschnitt von Hans Süß von las. Der wohl etwas ältere Druck SCHREIKulmbach, datiert 1515 (s. Abb.). BER Nr. 1826 nennt zum päpstlichen Ablaß A b b i l d u n g e n . M. PFEIFFER (Hg.), Einzeldas Jahr 1497 und verweist auf das 'MaFormschnitte des 15. Jh.s in der Kgl. Bibl. Bamberg, riale' des Franziskaners Bernardinus de Bd. 2 (HEITZ, Einblattdrucke 24), 1911, Nr. 4-7 Busti [1498, 1502 u. ö.] , (wo zwar (= SCHREIBER Nr. 1826-1828,1830); TH. O. MABallgemein von Ablässen für ein betendes BOTT (Hg.), Reliefprints in American Public ColKrönen Marias die Rede ist, die hier prolections (HEITZ, Einblattdrucke 97), 1939, Nr. 4 pagierte spezifische Gebetsform aber nicht (= SCHREIBER Nr. 1830 b); M. GEISBERG / W. L. STRAUSS, The German Single-Leaf Woodcut: 1500 — erwähnt wird). 1550, New York 1974, Bd. 3, S. 1080 Nr. G. 1133 Jüngere Drucke beschränken sich meist (E. Schön) und S. 841 Nr. G. 759 (H. Süß). auf den Text Jesus. Brüderscbafft des hyDie Drucke zeigen mit geringen Varia- meleschenn Rosenkrancz. Rosenkranzbrutionen folgenden Bildaufbau: Ein Rosen- dcrschaften sind vielfach bezeugt, eine kranz umschließt die Himmelsgesellschaft, Bruderschaft speziell zum . R.' kann ich zentral das Kruzifix, darüber die Taube nicht nachweisen. Dem Holzschnitt von des Heiligen Geistes; zuoberst Gottvater, Hans Süß ist ein kurzes lat. Versgebet an diesem zur Seite Maria und Engel, unter Christus beigefügt, das die Himmelsgesellden Kreuzesarmen in drei Ebenen die wei- schaft einbezieht.

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Hintze Jan te Borghe — Hirschvelder, Bernhard

Der ikonographische Typus der himmlischen Stände im Rosenkranz ist mit freierer Variation der übrigen Bildelemente und ohne Texte in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jh.s auch sonst belegt: Lexikon der christl. Ikonographie, Bd. 3, 1971, Sp. 571; H. STAFSKI, Rosenkranztafel, in: Veit Stoß in Nürnberg. Ausstellungskatalog Germ. Nationalmuseum 1983, S. 149-158 (Lit.); D. R[ÖDIGER]L[EKEBUSCH], in: Spiegel der Seligkeit. Ausstellungskatalog Germ. Nationalmuseum 2000, S. 293 f. Nr. 117 (Lit.); ferner Tafelbild von Lucas Cranach d. Ä. 1520 im südl. Seitenschiff des Bamberger Doms (Hinweis Ch. Huber).

Die Einblattdrucke und die übrigen Bilddarstellungen scheinen alle aus dem Raum Bamberg-Nürnberg zu stammen, was auch zu dem Sonderablaß des Bamberger Bischofs paßt. 3. Gebetszyklus. Während die durch Lied und Bildblätter propagierte Gebetsform vermutlich nur kurze Klauseln nach Art des üblichen Rosenkranzes hatte, dürfte der folgende Gebetszyklus eher ein Vorschlag zu deren meditierender Durchdringung sein. Ü b e r l i e f e r u n g . München, ÜB, 4° cod. ms. 477, 92V-110V (aus dem Franziskanerkloster Landshut, von einer auch sonst nachweisbaren Hand, datiert 1508, unediert). Ob Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 274 Blank., 126r-138r mit diesem Text zusammenhängt, ist noch zu prüfen.

Der Text nennt sich eine betrachtende anleytung zu Vaterunser, Ave Maria und Glaubensbekenntnis mit einziechung dez lobs aller heiligen nach ordenung dez himmelischen rossen krancz genomen aus der gütlichen geschrift. Es handelt sich um zehn Vaterunser und zehn Ave Maria, die durch je verschiedene Interpolationen jeweils in die Perspektive eines der Punkte des . R.' gerückt werden; am Ende folgt in der gleichen Art ein apostolisches Glaubensbekenntnis, generell bezogen auf die Heiligen. Eine Schlußbemerkung nennt den Zyklus auch hercz mirre puschlein (kein Zusammenhang mit den -> 'Myrrhenbüschel'-Texten!) und empfiehlt, den . R.' jeden Tag für eine andere Personengruppe zu opfern, z. B. am mitwochen fur all ordens lewd sunder francisci und ander.

4. Der Franziskaner Erasmus -» Schaltdorfer ist bezeugt als devotus et zelosus promotor celestis rosarii. L i t e r a t u r . PFEIFFER, 1911 [s. o. 2.], S. 10-12; W. L. SCHREIBER, Handbuch der Holz- u. Metallschnitte des 15. Jh.s, Bd. 4, 1927, S. 19-21; B. RZYTTKA, Die geistl. Lieder der Klosterneuburger Hs. 1228, Diss. (masch.) Wien 1952, S. 299-308; KORNRUMPF/VÖLKER, München, S. 113-115 (Lit.); R. W. BREDNICH, Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jh.s, Bd. 2,1975; G. ECKER, Einblattdrucke von den Anfängen bis 1555, 2 Bde (GAG 314), 1981. Hinweise von Gisela Kornrumpf und Henrike Lähnemann.

B. WACHINGER Hintze Jan te Borghe [Korr.] Bd. 4, Sp. 45: Es handelt sich nicht um einen Autornamen, sondern um eine Anrufung von Sinte Jan; vgl. F. WILLAERT, Afscheid van Hince J. t. B., in: Fs. J. Goossens, Bd. 2, 1995, S. 895-904.

'Hiob' [Korr.] Bd. 4, Sp. 45 Überl.: "Ehemals Königsberg, Staatsarch., Mscr. A 191 ..." korr.: heute in Berlin, Geheimes Staatsarchiv PK, XX. HA Msc A 191. Ebd.: "Königsberg, SB u. ÜB, cod. 890 b" korr.: heute in Thorn (Torun), Bibl. Glowna (ÜB), Rps 40/IV. Vgl. R. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg (Schriften d. Bundesinstituts f. ostdt. Kultur u. Gesch. 15), 2000, S. 80-82. Zu beiden Hss. vgl. Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. d. MAs, Bd. 2, 1996, S. 19 f. u. 103-105.

Hippokrates ('Secreta Hippocratis') 'Capsula eburnea' [NB]

->·

Hirschvelder, Bernhard [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 50, 2. Absatz, zu H.s 'Briefsteller': München, cgm 3607 gliedert sich in zwei ursprünglich getrennte, erst nachträglich zusammengebundene Teile, von denen erst der zweite, 35 r —54 V , H.s 'Deutsche Synonyma' bringt, an die sich 55 r —68 V H.s Sammlung von Briefformeln und -mustern in dt. Sprache anschließt. JOACHIMSOHNS Versuch, H. als Schreiber des ersten Teiles nachzuweisen, ist nicht gesichert. Dieser, ein dt. epistolandi modus (f. l r —31 V , von JOACHIMSOHN 'Ulmer große Rheto-

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'Historia de expeditione Friderici imperatoris' — 'Historienbibeln'

rik' genannt), ist eine erweiterte Redaktion der teutsch rethorig in zwen tail, die beispielsweise cod. Donaueschingen 741, 74 r — 78V, der Stuttgarter Württembergischen LB überliefert. Ebd. Mitte: "München, cgm 4413, 143V-184V" korr.: ..., 2r-14r (olim 144r156r). Auf den folgenden Bll. bis 30V schließen sich Bildtafeln und quadratische Schemata als Imaginierungshilfe an. H. ist in Deutschland der erste, der (in Anlehnung an italienische Vorbilder) städtische Handwerke als Grundlage seiner Gedächtnis-Örter benutzt. Er hat darüber hinaus die Elemente der Binnenstruktur des Gedächtnisraums ins Dt. übersetzt. Ebd., unten: "In derselben Hs. hat ... notiert" korr.: Johannes Hartliebs 'Kunst der Gedächtnis' kommt im cgm 4413 nicht vor (vgl. SCHNEIDER, München VII, 1996, S. 1 10 f.). Ebd. zu Lit. ergänze: P. JOACHIMSOHN, Aus der Vorgesch. d. Formulare u. dt. Rhetorica, ZfdA 37 (1893) 24-121, hier S. 37-53, 79-121 (mit Textauszügen); A. HERR, Ein dt. Briefsteller aus d. J. 1484, Neue Jbb. f.d. klassische Altertum ... 40 (1917) 353-365; vgl. neuerdings auch S. HEIMANN-SEELBACH, Ars u. scientia. Genese, Überlieferung u. Funktionen d. mnemotechnischen Traktatlit. im 15. Jh. (Frühe Neuzeit 58), 2000, S. 58, 92-96. Hinweise F. J. Worstbrock.

G. KEIL 'Historia apocrypha der Legenda aurea' Tilatus' (III. 1.) 'Historia de expeditione Friderici imperatoris' [Korr.] Bd. 4, Sp. 59: Zur Quelle vgl. -> Tageno [NB]. Sp. 60 Überl.: "Prag, Nat. Mus., cod. Strahov. DF III l" korr.: Prag, Strahovskä Knihovna, DF III l (Kat.: Soupis Rukopisü Strahovske Knihovny Pamätniku narodniho pisemnictvi v Praze, Teil III, bearb. v. B. RYBA, Prag 1979, Nr. 1310), der Text Bl. 94r-110v.

'Historia de lantgraviis Thuringiae' (Historia Eccardiana u. H. Pistoriana) -» Rothe, Johannes (II. 3. a. u. b.) 'Historia Welforum' [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 65 zu 5. ergänze: Eine vollständige Übersetzung ist in Bd. 2 der Weltchronik -> Platterbergers / -»· Truchseß' (Nürn-

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berg, Germ. Nationalmus., Löffelholz-Archiv D 632, 327va-340va) enthalten; aus dieser wurde sie von Hartmann ->· Schedel in seine Hs. München, dm 472, 239r-256v übernommen. Der Hinweis auf die Übers, in clm 472 schon bei P. JOACHIMSOHN, Die humanist. Geschichtsschreibung in Deutschland I. Die Anfänge. Sigismund Meisterlin, 1895, S. 154 Anm. 3 (= Nachdr. 1983, S. 282 Anm. 3); vgl. L. KURRAS, Excerpta chronicarum. Der 2. Band der Platterberger-Truchseßschen Weltchronik, ZfdA 109 (1980) 86-89. Hinweis Gisela Kornrumpf.

'Historia, wie die türcken die christlichen kirchen angefochten haben' -> Robertas Monachus ( .4.); vgl. -» Steinhöwel, Heinrich (III. 1.) 'Historic von den vier Kaufmännern' -> 'Vier Kaufleute' 'Historienbibeln' [Nachtr./Korr.] Bd. 4, Sp. 68, 4. Abschnitt (petit): Zu Gruppe I a ergänze: Nürnberg, StB, Cent. V App. 102 (vgl. SCHNEIDER, Nürnberg, S. 444 f., u. A. STEDJE, Ausg., 1968,5.41). Sp. 69 zu 2. Vollst. Ausg.n: "[VOLLMER, ...], 1929 (krit. Ausg. des ntl. Teils der Gruppe III b)" korr.: ..., 1929 (krit. Ausg. der selbständigen ntl. Historienbibel -» 'Die Neue Ee'). Ebd. zu Teilausgaben ergänze: H. VOLLMER, Progr. Hamburg 1908 (ein Stück aus Gruppe III b, - 'Adambuch'). Sp. 70, 1. Abschnitt: "durch die -» 'Neue Ee' ergänzt sind" korr.: durch einen eigenen ntl. Teil ergänzt sind (dieser ist in Ic ganz kurz; in III b mit einem Ausblick bis auf Karl d. Gr). [Die sog. -> 'Neue Ee' wird bei VOLLMER, Materialien, 1912, S. 29 ff. u. 162 ff., mißverständlich als 'Anhang zu Gruppe III b' vorgestellt, daher die Verwechslung.] Sp. 72 zu 6., Mitte: "Gedruckt wurden die 'Hbb.' nur noch in Auszügen ..." ergänze: vgl. Albrecht -> Pfister, 'Vier Historien des Alten Testaments'. Vgl. auch -> Platterberger, Johannes (Bd. l der Weltchronik in Nürnberg, Cent. II, 86 und Oxford, MS. Douce 367 = VOLLMER, Nr. 72 u. 73); -» 'Propheten-Auszug' (auch zu Hbb. III a/b); -» 'Schlierbacher Altes Testament' (Schlierbacher Hs. I 16 = VOLLMER, Nr. 98); ->· Bijbelvertaler van 1360 (B.2.) [NB]; -» Österreichischer Bibelübersetzer [NB]; -> Petrus Comestor [NB].

'History von eirn edelman vnd sinem knechte Heinrich' ->· 'Der Junker und der treue Heinrich' [Bd. 4 u. NB]

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Hochmut, Jörg

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bislang gedruckt: v. LIEBENAU, S. 67-69). Den selben Adressaten informierte er am Verfasser von Berichten zum Zeitgesche12. Febr. 1478 über den in Zürich abgehen und Schreiber. Der aus Donauwörth gebürtige Kleriker schlossenen Friedensvertrag zwischen Köund Erzwurde 1463 auf die Pfründe Unser Lieben nig Ludwig XI. von Frankreich r r herzog Maximilian (D, 117 -119 ). Am Frauen Altar in der Nördlinger Pfarrkirche 19. Dez. 1478 übermittelte er (überliefert St. Georg präsentiert (Stadtarchiv Nördlingen, Missive 1463, f. 18). 1465 ist er als öf- in den Missiven des Jahres, f. 147) vor fentlicher Notar in Nördlingen bezeugt. allem Nachrichten zum Kriegszug gegen 1470 erhielt er die Kaplanei des Jodokus- Bellinzona. Den wohl an das Donauwöraltars am Fraumünster in Zürich. In einem ther Kloster gerichteten Bericht über den Haus auf dem dortigen Münsterhof schrieb Krieg im Hennegau 1479 hatV vermutlich V er 1474 einen Teil der literarischen Sam- ebenfalls H. verfaßt (D, 128 -129 ). Ein melhs. Zürich, Zentralbibl., Car C 28 (-» lat. Schreiben berichtet über die ErscheiSonne in Zürich 'Zürcher Buch vom heiligen Karl'). H. be- nung einer dreifachen V V 1482 (D, 155 -156 ; Nördlinger Missiven endete die Arbeit daran 1475. Als Notar be1482, f. 52). Das selbe Ereignis war auch glaubigte er zwei Exemplare einer in Zürich das Thema in einem dt. Brief, den er an gedruckten Ablaßbulle von 1479 (GERden Rat von Nördlingen am 9. Febr. 1482 MANN, S. 86). Am 22. Sept. 1485 ist H. gerichtete (ebd., f. 53-54). H. führt aufstorben. grund der Lektüre vil grosser bucher hyDie Nördlinger archivalischen Quellen zu H. story vnd specula etliche Beispiele solcher harren noch der Erschließung. Eine Auswertung Erscheinungen von biblischen Zeiten bis der Steuerbücher im Stadtarchiv auf Stichjahrbasis zum 15. Jh. an und wertet sie als ErmahV wies her joerig bochmut zu 1471 (f. 40 ) und 1480 nung an alle, ihr Leben zu bessern. Beglei(f. 64) mit einem Haus im vordem loch nach (Mitt. tet wurde seine Mitteilung von einer Senvon I. Batpri). Auf den jährlichen Gulden Steuer dung von acht register eyner nuwen pracbezieht sich auch ein Schreiben H.s vom 10. 2. 1473 (Missive 1473, f. 274), in dem er den Nördtigk auf 1482 als Neujahrsgeschenk. Als linger Ratsherrn Christoph Gloggengiesser als sei- Verfasser nennt er den ehemaligen Nördnen 'Vetter' bezeichnet. Aufgrund diplomatischer linger Schulmeister Eberhard -* SchleusinAktivitäten für die Stadt Zürich und die Äbtissin ger, Arzt und astronomus in Zürich. Diese des Fraumünsters konnte er die Angelegenheit Exemplare sind in Nördlingen nicht mehr nicht persönlich regeln. Nach Mitt. des Stadtarvorhanden, wohl aber die allem Anschein chivs Nördlingen enthalten Missiven der Jahre nach von H. mitgesandte gedruckte Liste 1473 bis 1480, 1482 und 1485 Archivalien zu H. jener acht 1481 in Zürich entstandenen H. versorgte 1477/82 den Stadtrat von Horoskop-Drucke Schleusingers (EinblattDonauwörth und den von Nördlingen, drucke 1294; s. GERMANN, S. 78 f.). vermutlich aber auch das Kloster HeiligL i t e r a t u r . TH. VON LIEBENAU, Ein Zürcher kreuz in Donauwörth mit Neuigkeiten aus Schlachtbericht über Nancy, Anz. f. Schweizerische Zürich und der Eidgenossenschaft. Seine Gesch. NF 8 (1898) 66-69; Katalog der datierten für das Nachrichtenwesen der Zeit aufHss. in der Schweiz ..., Bd. 3, Dietikon-Zürich schlußreichen Berichte sind in dem am 1991, S. 291; A. MEYER, Zürich u. Rom. OrdentliEnde des 15. Jh.s angelegten Sammelband che Kollatur u. päpstliche Provisionen am Frau- u. der genannten Donauwörther Abtei OSB, Großmünster 1316-1523 (Bibl. d. Dt. Hist. Instiheute Augsburg, ÜB, cod. I. 3. 2° 18 tuts [Roma] 64), 1986, S. 263 Nr. 249; SCHNEIDER, (= D), aber auch in den Missiven des Augsburg, S. 60-81; M. GERMANN, Fundort BuchStadtarchivs Nördlingen (dem Briefein- einband: ein Zürcher Kalender auf das Jahr 1482, Gutenberg-Jb. 68 (1993) 66-87. gang der Stadt) überliefert. KLAUS GRAF Am l I.Jan. 1477 berichtete H. an die Stadt Donauwörth über die Schlacht von Nancy, die am 5. Januar stattgefunden 'Hoefken van devocien' entfällt (vgl. -> Pehatte (D, 107V-109V; nur dieser Text ist trus de Alliaco [3.c.]) Hochmut, Jörg

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Hofer — Hofordnungen

Hofer [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 82 zu Lit. ergänze: B. PFÄNDTNER, Die Belagerung Bambergs i. J. 1435. Ein zeitgenössisches Gedicht, eingeleitet u. kommentiert, Hist. Ver. Bamberg, 118. Bericht (1982) 83-99 (mit Ausg. u. Abb.). Die unter Überl. als nicht auffindbar bezeichnete Hs. wurde von Pfändtner im Stadtarchiv Bamberg gefunden: Sign. H V Rep. 2 Nr. 499/9 (Nro. 12). Vgl. auch K. DENGLERSCHREIBER, Die Hss. d. Hist. Ver. Bamberg in d. SB Bamberg, 1985,5.118.

'Hoffmanns Marienklage' [Korr.] Bd. 4, Sp. 82 Überl.: Die Hs. (Berlin, mgf 7377 11) ist nicht verschollen (Hinweis G. Kornrumpf). Vgl. BERGMANN, Spiele, M i l .

'Das Hofgericht vom Ehebruch' (KELLER, Fsp. 40) -> 'Rosenplütsche Fastnachtspiele' Hofordnungen A. Unter H. versteht man 'vom jeweiligen Herrn erlassene Bestimmungen, die feststellen, (1) welche Ämter es in seiner Haushaltung gibt, (2) wer sie innehaben soll, (3) mit welchem Gefolge bzw. mit welcher Entlohnung sie zu versehen sind, (4) was zu tun ist und (5) in welcher Form dies zu geschehen hat'. Nicht als H. gelten 'Anordnungen Außenstehender über den Hof, seien es Herrschaftskonkurrenten, Schiedsrichter oder Stände [...] sowie Beschreibungen Dritter', wobei eine potentielle Einwirkung Letzterer auf das Entstehen von H. nicht in Abrede gestellt wird (PARAVICINI). Problematisch erscheinen Grenzfälle, z. B. H. regierender Fürsten für die räumlich abgeteilten Nebenhöfe der Herrschaftsnachfolger oder in Verhandlungen mit den Ständen geschaffene Ordnungen. Die dt. H. des MAs sind nach systematischen Editionsversuchen des frühen 20. Jh.s fast zeitgleich mit dem Untergang der Höfe als politische und kulturelle Zentren Alteuropas aus dem Blick der Forschung geraten. Erst in jüngerer Zeit haben im Zuge der Arbeiten der Residenzkommission der Göttinger Akademie der Wissenschaften Bemühungen eingesetzt, Überlieferung, Norm und Praxis dieser Texte vergleichend zu untersuchen.

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Die Überlieferungschronologie zeigt ein West-Ost-Gefälle: Frühe umfassende Regelungen wie in England, Frankreich, Mallorca und Burgund fehlen für das deutsche Reich bis zum 15. Jh. fast vollständig. Die bislang bekannten Stücke mehren sich in der 2. Jh.hälfte, eine breite Überlieferung setzt erst im 16. Jh. ein. Abhängigkeiten deutscher H. von west- und südeuropäischen Vorbildern werden vermutet, sind aber bislang weder systematisch noch vergleichend untersucht. Auf die Fragen, welchen Aufgaben H. dienten und ob bzw. inwieweit sie Normen setzten oder Normalität reflektierten, lassen sich keine Pauschalantworten finden. Es wäre zu undifferenziert, H. lediglich als Belege für eine in der höfischen Gesellschaft rasch fortschreitende Sozialdisziplinierung aufzufassen, obwohl in ihnen fast immer die Disziplinargewalt einzelner Hofämter, besonders die des Marschalls, geregelt wird. Stattdessen wäre zu untersuchen, ob in der diesem obliegenden Exekution des 'Hofrechtes' ein Entstehungsursprung von H. im Rahmen eines spätmal. Verschriftlichungsprozesses liegt. Daneben finden sich fast immer Verfügungen über die dem Hofpersonal zustehenden Leistungen an Geld und Naturalien. In diesem Zusammenhang wurden H. auch als 'verkappte Sparsamkeitserlasse' (SCHUBERT) bezeichnet, veranlaßt durch ständischen Druck oder bestimmte Umstände, die dazu zwangen, die chronisch überstrapazierten fürstlichen Ausgaben einzuschränken und zu kontrollieren. Leistungsfestschreibungen dienten aber nicht nur der Kostendämpfung, sondern auch der Rechtssicherheit des Hofpersonals. Ihre Entstehung verdanken die einzelnen H. meist spezifischen Umständen. Dies konnten Herrschaftsteilungen, Vormundschaftsregiment und Einrichtung eines abgeteilten Nebenhofes des designierten Herrschaftsnachfolgers sein, den es zu kontrollieren galt. Anachronistisch wirkt dagegen die dem Denken des 19. Jh.s verhaftete Annahme, aus H. lasse sich ein Organigramm' des Hofes mit Spiegelung einer frühen Behördenstruktur und entsprechendem Instanzenzug erschließen.

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Hofordnungen

Gerade die in vielen H. stereotypen Regelungen und Nennungen einzelner Chargen lassen viel eher vermuten, daß ihnen mit der Abbildung eines Hofes ein hoher Symbolwert eigen war. Mit einer H. dokumentierte man seine Standesqualität; dies konnte für den Königs- bzw. Kaiserhof im Kontext der europäischen Königshöfe ebenso gelten wie für vom Verlust der fürstlichen Standesqualität bedrohte dynastische Seitenlinien und aufstiegsorientierte Herrschaften. H. waren damit ein Element symbolischer Selbstdarstellung wie Leistungsbehauptung, sie verschriftlichten Leitideen, festigten soziale Zusammenhänge und schufen somit eine eigene Ebene der Kohärenz.

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ler Landesarch., Cod. 208 a, 3 — 8, 26—28, 32-37, 39-46; Cod. 792, 1-6; Cod. 113, 84-94; Cod. 208, 31-44. Lit.: Bojcov, S. 244 Anm. 9-14. 5. Hof- und Regimentsordnung Erzbischof Ruprechts von Köln (1469). Düsseldorf, Nordrh.-Westf. Hauptstaatsarch., Kurköln II, Hofstaat u. Personal l Allg. a) H. 1469. Ausg.: WALTER, S. 405-416. Lit.: MILITZER, S. 302-309. 6. Hofordnung Herzog Albrechts d. Beherzten von Sachsen (ca. 1470/80). Dresden, Sachs. Hauptstaatsarch., Abt. l, ehem. Finanzarch. 32 436 (alte H. Nr. 1). Ausg.: KERN, Bd. 2, S. 27-37. Lit.: , S. 327-330. 7. Hof- und Regimentsordnung Kurfürst Albrechts Achilles von Brandenburg B. Da eine systematische Sammlung für den Erbprinzen Markgraf Johann und Erschließung aller bekannten Texte (1470). Berlin, Staatsarch. Preuß. Kulturaus dem mal. deutschen Reich bislang besitz, Hausarch., Rep. XXVII P. Kurfürst fehlt, kann der folgende erste Überblick Johann (Cicero), Kurprinzl. Hofhaltung. über die H. bis 1500 keine Vollständigkeit Ausg.: RIEDEL, Bd. 3,2, Nr. 93, S. 115beanspruchen. Die Texte sind durchweg 126 (mit falschem Datum: 10. April 1473). volkssprachlich, eine bestimmte Überliefe- Lit.: SCHAPPER, mit S. 270—272, 326 f. rungsform ist — abgesehen davon, daß sie 8. Hofordnung Kurfürst Friedrichs I. ausnahmslos archivalisch überliefert sind bei Rhein für den Erbprinzen Pfalzgraf — nicht, modifizierte Fortschreibung für Philipp (1474). München, Bayer. Haupteinzelne Höfe durchaus nachweisbar. Da staatsarch., Geheimes Hausarch., Korrevergleichende Untersuchungen bislang feh- spondenzakt 959, unfoliiert [=Lage4, len, sind Aussagen über Textabhängigkei- lr-10v]. Ausg.: WIDDER, S. 296-305. ten zwischen verschiedenen Höfen zum ge9. Hofordnung Graf Eberhards im Bart genwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. für den Stuttgarter Hof (um 1478). Stutt1. Zwei Hof Ordnungen der Herzöge gart, Bad.-Württ. Hauptstaatsarch., A 602 Otto, Ludwig und Stephan von Niederbay- WR 205. Lit.: FISCHER, Nr. 59, S. 65. ern (1293, 1294). Ausg.: WITTMANN, Bd. 2, 10. Hofordnung Herzog Wilhelms IV. S. 12-15, 52-60 (mit folgenden Angaben von Jülich-Berg (1479; aktualisiert 1490). zur Überl.: Ex archivio capit. cath. Katisp., Düsseldorf, Nordrh.-Westf. HauptstaatsSchubl. XXXIX, Nr. 27 [1293]; ebd., Nr. arch., Jülich-Berg Akten, JB I 49, 5-10 28 [1294]). (1478), 11-14 (1490). Ausg.: KASTEN, 2. Hofordnungen der Herzöge von S. 58-70. Kleve (1411-1515). Ausg.: FLINK, 1997. 11. Tiroler Hofordnungen Erzherzog Lit.: FLINK, 1999 (mit Übersicht zur Maximilians (1490ff.). Innsbruck, Tiroler Überl., S. 419). Landesarch., Cod. 118, 144 ff. Lit.: Boj3. 'Tischordnung' aus der Zeit der Erz- cov, S. 244 Anm. 15. herzöge Friedrich IV. d. Ä. und Friedrich 12. Hofordnung Herzog Georgs d. ReiV. d. J. von Tirol (ca. 1415/39). Innsbruck, chen von Bayern-Landshut (1491). MünTiroler Landesarch., Cod. 208 a, 55-58. chen, Bayer. Hauptstaatsarch., Abt. I Lit.: Bojcov, S. 244 Anm. 7. Ältere Bestände, I a) Kurbayern Geh. Lan4. Hofordnungen Erzherzog Sigmunds desarch., Kopialbuch: Allerlei Urkunden d. Münzreichen von Tirol (1466, 1470, und Verbandlungen, sonderbar mit der 1476, 1478, 1487, 1488). Innsbruck, Tiro- alten Pfalz theilung, Sulzbacb-veltingen

689

'Hoheliedauslegung An Hymmel vnde an erden" — Holland, Johann

und lauingen, 255 — 266, 268—280 (2 Fassungen). Ausg.: HIRSCHBERGER, S. 66 — 80. 13. hofeordenung König Maximilians (1497). Wien, Haus-, Hof- und Staatsarch., Urkundenreihe, 13. Dezember 1497. Ausg.: FELLNER/KRETSCHMAYR, Abt. 1,2, Nr. 4, S. 6-16. Lit.: HEINIG, S. 231-235. 14. Hof- und Kanzleiordnung Erzbischof Hermanns von Köln (1498). Düsseldorf, Nordrh.-Westf. Hauptstaatsarch., Kurköln II 5136, 237r-261v. Lit.: MILITZER, S. 310-313. A u s g a b e n . RIEDEL'S Codex diplomaticus Brandenburgensis, Bd. 3,2, 1860; Monumenta Wittelsbacensia, Bd. 2, hg. v. F. M. WiTTMANN, 1861; F. WALTER, Das alte Erzstift u. die Reichsstadt Coin, 1866; M. HIRSCHBERGER, Ordnung wie's am Hofe Herzog Georg d. Reichen im Schlosse zu Landshut gehalten worden ist, Verhandlungen d. hist. Vereins f. Niederbayern 18 (1874) 64-80; Dt. H. des 16. u. 17. Jh.s, hg. v. A. KERN, 2 Bde, 1905/ 07; Die österr. Zentralverwaltung, hg. v. TH. FELLNER u. H. KRETSCHMAYR, Abt. 1,2, Wien 1907; B. KASTEN, Residenzen u. Hofhaltung der Herzöge von Jülich im 15. u. beginnenden 16. Jh., in: W. BUSSE (Hg.), Burg u. Schloß als Lebensorte in MA u. Renaissance, 1995, S. 35 — 82; Die klevischen H., hg. v. K. FLINK, 1997; E. WIDDER, Der Amberger Hof 1474. Entstehung u. Funktion d. ältesten kurpfälzischen H., in: E. WIDDER, M. MERSIOWSKY u. M. LEUKER (Hgg.), Manipulus florum. Aus MA, Landesgeschichte, Lit. u. Historiographie, 2000, S. 271-305. L i t e r a t u r . G. SCHAPPER, Die H. von 1470 u. die Verwaltung am Berliner Hofe zur Zeit Kurfürst Albrechts im hist. Zusammenhange behandelt, 1912; J. FISCHER u. a., Württemberg im SpätMA, 1985; H. KRUSE u. W. PARAVICINI (Hgg.), Höfe u. H. 1200-1600, 1999; darin folgende Beiträge: M. A. Bojcov, Sitten u. Verhaltensnormen am Innsbrucker Hof d. 15. Jh.s im Spiegel der H., S. 243-283; R. BUTZ, Die Stellung d. wettinischen Hofräte nach Ausweis der H. des ausgehenden MAs, S. 321-336; K. FLINK, Die klevischen H. Von der Kostliste zur Regimentsordnung, S. 401 — 420; P.-J. HEINIG, Theorie u. Praxis d. 'höfischen Ordnung' unter Friedrich III. u. Maximilian L, S. 223-242; K. MILITZER, Die kurkölnischen H. u. die Ausformung Brühls zu einer Residenz, S. 301 — 320; W. PARAVICINI, Europäische H. als Gattung u. Quelle, S. 13-20.

ELLEN WIDDER 'Die Hofzucht' -» 'Der züchte lere'

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'Das Hohe Lied' (Übers, u. Kommentar) s. auch -» Williram von Ebersberg 'Hoheliedauslegung An Hymmel vnde an erden' [Korr.] Bd. 4, Sp. 84 Überl.: "Lübeck, StB, cod. theol. germ. 6, ... (Kriegsverlust)" korr.: Ms. theol. germ. 2° 6 ist seit 1990 wieder zurück in Lübeck. Vgl. J. FLIGGE / A. MIELKE / R. SCHWEITZER, Die nd. Hss. d. StB Lübeck nach d. Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung: Forschungsbilanz nach einem Jahrzehnt (mit e. Liste aller nd. Hss.), in: Vulpis Adolatio, Fs. H. Menke, hg. v. R. PETERS u.a., 2001, S. 163-217, hier S. 167.

'Hohenfurter Liederbuch' [Korr.] Bd. 4, Sp. 94: "Ceske Budejovice, Krajskä Knihovna, Ms. l VB 8 b" korr.: ..., Statni vedeckä Knihovna (so der heutige Name der BibL). Die Hohenfurter Hss. befinden sich jetzt aber wieder im Zisterzienserkloster Hohenfurt ·(= Vyssi Brod), das Liederbuch als cod. 8 b.

'Hohenfurter Mariensequenz' praeclara maris stella' [NB]

'Ave

'Hohenfurter Psalter' -> Psalmenübersetzungen (spätmal, dt.) (V.)

Hohenwang, Ludwig [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 102, Z. 12f.: "'De fide concubinarum in sacerdotes'": Die Schrift stammt nicht von Wimpfeling, sondern von Paulus Olearius. Ebd., zu 2.: "... die erste dt. Übersetzung der 'Epitoma rei militaris' des ... Flavius Vegetius Renatus" korr.: Die Übersetzung H.s ist nicht die erste dt. Bearbeitung der Schrift des Vegetius; vgl. unter ->· Vegetius (III. 4.b.cc.) [NB]. Ebd. zu Überl. ergänze: Linz, Oberösterr. LB, cod. 420 (olim Cc V 11 Kat. SCHIFFMANN, Nr. 244) Ende 15. Jh., S. l —9; ferner drei bearbeitende Nachdrucke d. 16. Jh.s; vgl. WORSTBROCK, Antikerez., S. 154-156; VD 16, V 465-467.

Holland, Johann [Korr.] Bd. 4, Sp. 106 zu 2., Überl.: "2. Hs. von St. Andreas, seit 1783 in Herzogenbusch" korr.: ..., in Herzogenburg/Niederösterreich. Die Hs., zwischenzeitlich in Malibu, The J. P. Getty Museum (Ms. Ludwig XV 10), befindet sich heute in Mün-

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Holzschuher, Lazarus d. A.

chen, BSB, als cgm 9220; sie enthält auch den 'Ehrenbrief' des Jakob -»· Püterich von Reichertshausen.

'Holländisches OsterspieP -»· 'Maastrichter O.'; -» 'Egmonder O.' [NB] 'Die Holzfäller' (KELLER, Fsp. 52) -> siae' [NB]

fili eccle-

Honorius [Nachtr./Korr.]

694

Ebd. zu c) 'Seelengärtlein' ergänze: zu einzelnen Gebeten vgl. -> 'Mariengrüße', a); -> du uzvliezender brunne', 1.2.; -> 'Sieben Freuden Mariens', D.XII. u. E.XIV.l.f.; -» 'Stabat mater dolorosa', B.H.2.; -> 'Goldenes Krongebet', C. [NB]; -» 'Marienmesse Salve sancta parens' [NB]. Sp. 151 zu "Abdruck" ergänze: [WACKERNAGEL, ...], Nr. 1083 (s.o.). Hinweise Gisela Kornrumpf.

'Hortus divitiarum' -> 'Donum Dei' [NB] 'Hortus sanitatis' [Korr.] Bd. 4, Sp. 162 oben: Streiche Verweise auf Stephan Arndes und Johann Prüß. Ergänze: Vgl. Johann Adelphus -> Muling (B. II. l.c) [NB].

Hrabanus Maurus [Korr.] Bd. 4, Sp. 176 Überl.: "Jena, ÜB, cod. 32" korr.: Jena, Thüringer LB u. ÜB, Ms. El. f. 32. Sp. 192 Überl.: "Göttweig, Stiftsbibl., cod. 58" korr.: ..., cod. 54 (rot), 58 (schwarz).

Bd. 4, Sp. 124 zu Krit. Ausgaben: " 'Imago mundi': in Vorbereitung durch V. I. J. FLINT" ist erschienen in: Archives d'histoire doctrinale et litteraire du moyen äge 57 (1982/83) 1-153. Sp. 128 unten zu 1.: "Dt. Predigten greifen darauf zurück:" ergänze: Ein dt. Auszug des 'Speculum Ecclesiae' in Frankfurt a. M., StB u. ÜB, Frgm. germ. 11; vgl. MoRVAY/GRUBE, Predigtbibliogr., T 37c (Frankfurter Bruchstücke); G. POWITZ, Mal. Hss.frgm.e d. StB u. ÜB Frankfurt am Main (Katalog), 1994, S. 153; gedr. v. L. DIEFENBACH, Md. Predigtbruchstücke, Germ. 19 (1874) 305-314 (Hinweis Jürgen Wolf, Marburg). Sp. 129 unten zu 4.: "Straßburg, ÜB, cod. L germ. 177 (2101)" korr.: ..., ms. 2101 (olim L germ. 177).

Bd. 4, Sp. 211 zu 2.: Ch. H. nennt sich im autographen cgm 216, 14r als Schreiber, nicht als Autor der 'Rhetorica vulgaris'. Bei dieser handelt es sich um eine dt. Ars dictandi auf der Grundlage der 'Deutschen Rhetorik' des -> Friedrich von Nürnberg (Hinweis F. J. Worstbrock).

'Hortulus animae' [Nachtr./Korr.]

Hubertinus von Casale [Nachtr.]

Bd. 4, Sp. 149 f. zu b) 'Wurzgarten' ergänze: Zu einzelnen Gebeten vgl. ->· 'Ave maris stella', Nr. 13; -> 'Christe qui lux es et dies', Nr. 6; -> 'Goldenes Ave Maria', II. 5; -> 'Mariengrüße', e); -> du uzvliezender brunne', 1.1. (WACKERNAGEL, KL II, Nr. 1081); -»· Psalmenübersetzungen, XIX.; -> 'Sieben Freuden Mariens', A.I., 7 Freuden, c) (= WAKKERNAGEL, Nr. 1087); -> 'Stabat mater dolorosa', B.II.6. (WACKERNAGEL, Nr. 1084 [dort nur der Schluß]); -> Tagzeitengedichte, Nr. 19 u. 24; -> 'Manenmesse Salve sancta parens' (dt.) [NB] und -> 'Zweiundsiebzig Namen Marias' (dt.) [NB]. Sp. 150 oben: "WACKERNAGEL, KL II, Nr. 10751096" korr.: ..., Nr. 1075-1082, 1084-1096 (Nr. 1083 ist dem 'Seelengärtlein' entnommen).

Bd. 4, Sp. 215 oben zu Lit. ergänze: Publikationen von G. L. PODESTÄ, B. G. GUYOT, CH. D. DAVIS und R. MANSELLI [1975-1981; Titel verzeichnet in:] Bibliographia Franciscana XIV (= Supplemente annuo di Collectanea Franciscana), (Roma [1981/82]), Nrn. 4476-4482.

Hrotsvit von Gandersheim [Korr.] Bd. 4, Sp. 199, 3. Abschnitt: "Pommersfelden, Schloßbibl., cod. 2883" korr.: .... HS 308 (olim 2883).

Huber, Christoph [Korr.]

Hug (Hugo, Hugonis), Johannes 1. H., nach eigenem Zeugnis aus Schlettstadt, besuchte die Schule seiner Heimatstadt unter dem Rektorat L. -»· Dringenbergs (t 1477). Wimpfeling ('Isidoneus germanicus', [Speyer, C. Hist, um

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Hug, Johannes

1493], B1. ) zählte ihn zu den renommierten Zeugen von Dringenbergs wegweisendem Unterricht. Eine Immatrikulation, gar ein Studium ist für den theologisch und juristisch bewanderten H. nicht nachweisbar. Unter dem 13. März 1498, in der Protestatio zu seinem 'Quadruvium', und auch in dessen Druck von 1504 zeichnete er als Pfarrer von St. Stephan in Straßburg. Mit dem am 26. Juli 1497 in Freiburg und am 25. März 1499 in Heidelberg eingeschriebenen Johannes Hug ex Sletstat, der am 10. Juli 1499 dort das Bakkalaureat erwarb, kann er daher nicht identisch sein; auch der 1502 und 1503 als Kaplan am Münster zu Breisach bezeugte Joh. Hug (K. RIEDER, ZGO 56 [1902] m 6 u. m 13) ist ein anderer.

1506 besorgte H. bei M. Hupfuff in Straßburg eine Ausgabe des seit 1496 schon mehrfach gedruckten 'Lilium musice plane' des Michael Keinspeck (vgl. K. W. NIEMÖLLER, MGG 7, 1958, Sp. 781-784), die er mit geringen eigenen textlichen Zutaten versah. Weitere Lebensspuren H.s sind nicht bekannt. Irttümlich, H. wohl verwechselnd mit Ulrich Stromar, dem Straßburger publtcus sacris apostolica et imperiali auctoritatibus [...] notarius der Protestatio, schrieb CH. SCHMIDT H. auch die Qualifikation eines 'notaire apostolique et imperial' (S. 51) zu. Ebenso war H. kein Kaplan des päpstlichen Legaten Raimundus Peraudi, wie SCHMIDT einer der Widmungen des 'Quadruvium' meinte entnehmen zu können.

2. H.s ' Q u a d r u v i u m Ecclesie', eine kirchen- und reichspolitische Reformschrift, war schon vor dem 3. März 1498 vollendet, wurde aber erst 1504 gedruckt, vielleicht mit Unterstützung durch Raimund -*· Peraudi, der den Winter 1503/04 in Straßburg und Speyer verbracht hatte und die erste der drei Widmungen erhielt. Die zweite ging an den Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg, von dem H. schon 1498 eine Approbation des Traktats erbeten und erhalten hatte. Der eigentliche Adressat aber war König -» Maximilian; an ihn richtet sich, appellierend an den Schirmherrn der Kirche, die dritte Zuschrift und am Ende eine Exhortatio, die ihn beschwört, sich um guter Regierung

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willen ganz auf geistliche Berater zu stützen. H., der als zentrales Zeitübel einen allgemeinen Autoritätsverlust der Geistlichkeit beklagt, beansprucht mit seinem 'Quadruvium' nicht weniger, als eine Grundordnung der Christenheit (Ecclesia) vorgestellt zu haben. Vier Instanzen (prelati ecclesie) erkennt er, welche die Christenheit regieren und von jedem einzelnen Christen rechtens Gehorsam verlangen: Papst, Bischof, Pfarrer, Kaiser. Hauptinhalt der Schrift ist die Beschreibung von Amt, Befugnissen und Aufgaben jedes der Vier anhand der betreffenden Bestimmungen des kanonischen und des kaiserlichen Rechts bis hin zur kirchlichen und kaiserlichen Finanzverfassung und den Pflichten des Adels, der Bürger, der Leibeigenen. In der dem Traktat angehängten notariellen Protestatio erklärt H. die Aufrichtigkeit seiner Absicht, die Obrigkeit nicht belehren, sondern aufrütteln zu wollen, und die Bereitschaft, jede dem kirchlichen oder kaiserlichen Recht widersprechende Aussage, die man ihm nachweise, zurückzunehmen. Seine Lehre von den vier prelati ecclesie stützt H. im Prolog auf typologische Bezüge, auf die vier Paradiesesströme, die vier Tiere nach Ez 1,5 ff. und Apo 4,6 ff., vor allem auf die vier goldenen Ringe der Bundeslade (Ex 25,12), und diese Typologie ist auch Sujet des Titelholzschnitts. Nicht biblisch ist die Titelmetapher quadruvium; sie bezeichnet nach ihrer beiläufigen Reprise im Prolog — und sonst begegnet sie nicht — nicht etwa die vier prelati selbst, sondern ihr heilsförderndes Werk (Hy quadruvium in invio, id est in mundo, faciunt, ne debeant (sc. die Seelen) perire eternaliter cum diabolo ...}. SCHMIDTS Deutung von quadruvium als 'quadriga' hat keine Handhabe im Text.

Wesentlich ist in H.s Lehre die Hierarchie der vier prelati ecclesie. Er scheidet strikt die drei geistlichen, mit Sanftmut (mansuetudine) regierenden Instanzen von der weltlichen, die mit Gewalt und Strenge verfahre, und stellt die unbedingte Superiorität der geistlichen dignitas über die weltliche heraus. Den Vorrang der Geistlichkeit sieht er biblisch, durch den Segen Noahs über Sem (Gn 9,26 f.), konstituiert; auf Noahs Söhne führt er zugleich den Ur-

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698

Hugo von Balma — Hugo von Trimberg

sprung von Freiheit (Japhet) und Knechtschaft (Cham) unter den Laien zurück. Auch die Dreizahl der geistlichen prelati und ihre Rangstufung leitet er biblisch ab, aus der durch Christus, die 12 Apostel und die 72 Jünger gegebenen Dreiheit. Eingehend widmet er sich dem Verhältnis von Papst und Kaiser. Dem geistlichen Oberhaupt spricht er beide Schwerter zu, die höchste Gewalt ebenso in weltlichen wie in geistlichen Belangen, gibt ihm absolute Rechtsautorität (Quod papa habet omnia iura in pectore suo recondita), bekräftigt seinen Anspruch auf jedermanns Gehorsam. Die Überordnung, ja Lehnshoheit des Papstes über den Kaiser sieht er spätestens seit der Konstantinischen Schenkung besiegelt und leitet aus ihr auch die Verpflichtung des Kaisers ab, die Rechte und Besitztümer der Kirche zu schützen. Die Minderstellung des Kaisers im Verhältnis zum Papst kompensiert er mit der universalen kaiserlichen Suprematie im Bereich aller weltlichen Herrschaft. Das Kaisertum reklamiert er gemäß der Translatio imperil als Besitz der Deutschen. H. teilte zentrale Motive des Rufs nach kirchlicher und politischer Reform mit prominenten Zeitgenossen wie Wimpfeling und Sebastian -»· Brant, doch blieb er mit seinen extremen hierarchistischen Vorstellungen, zumal mit dem Theorem der päpstlichen Allgewalt, eine eher abseitige Stimme. Vielleicht hat das 'Quadruvium' die wenig später (1506) von einem anonymen Herausgeber besorgte und ebenfalls in Straßburg gedruckte Erstausgabe von Lorenzo Vallas 'De falsa credita et ementita Constantini donatione' provoziert. Die deutsche Fassung des Traktats, die gut einen Monat nach der lateinischen erschien, wiederholt diese mit wenigen äußerlichen Abweichungen getreu. H. wird sie von vornherein geplant haben. Ihr erklärtes Ziel war die Beseitigung der Unwissenheit: die vndertbon sollen ebenso darüber unterrichtet werden, was sie zu tun und zu lassen haben, wie die oberkeit, damit Einvernehmen zwischen ihnen bestehen kann (Bl. II r ). Dieses Motiv der Übersetzung verbindet sie mit Wimpfeling und anderen oberrheinischen Übersetzern

der Zeit (Adelphus -»· Muling [NB]; -»· Ringmann Philesius [NB]). D r u c k e . Quadruuium Ecdesie \ Quatuor prelatorum officium Quibus omnis status turn Secularis turn vero Ecclesiasticus subijcitur. Straßburg, Joh. Grüninger, 3. Aug. 1504. VD 16, H 5804. Der beiligen Kirchen und des Kömischen Reichs Wagen für. Straßburg, Joh. Grüninger, 9. Sept. 1504. VD 16, H 5806. L i t e r a t u r . CH. SCHMIDT, Histoire litteraire de l'Alsace [...], Paris 1879 (Neudr. 1966), Bd. 2, S. 51-53 u. 394; K. LAUTERBACH, Geschichtsverständnis, Zeitdidaxe u. Reformgedanke an der Wende zum 16. Jh. (Forschungen z. oberrhein. Landesgesch. 33), 1985, S. 31 f., 38 f., 71 f., 159, 203, 205 f., 232, 235. F. J. WORSTBROCK

Hugo von Balma [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 226 zu II.1. vgl. auch -> Tegernseer Anonymus (II.8. u. 9.).

Hugo von Konstanz [Korr.] Bd. 4, Sp. 233 zu 2., Mitte: "Pommersfelden, Schloßbibl., cod. L XII/120" korr.: ..., HS 120; zur Hs. vgl. auch -> Heinrich von Schaffhausen [NB] (Lit.!). Ebd.: "Königsberg, cod. 898 (olim LII)" korr.: heute in Thorn (Torun), Bibl. Glowna (ÜB), Rps 28/111 (gilt seit 1960 als verloren); vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg (Schriften d. Bundesinstituts f. ostdt. Kultur u. Gesch. 15), 2000, S. 91-93.

Hugo von Meiningen [Korr.] Bd. 4, Sp. 242 f.: Absatzzählung römisch statt arabisch (I. II. III.). Auf sie bezieht sich die Liedzählung unter Ausgaben und Literatur.

Hugo von Trimberg [Korr.] Bd. 4, Sp. 278 Überl.: "Regensburg, Bibl. d. Kollegiatstifts Unserer Lieben Frauen z. Alten Kapelle, cod. 1890" korr.: ..., Bischöfliche Zentralbibl., Hss. des Kollegiatstifts .... Ebd.: "München, ÜB, Urkundenfrgm.e" ergänze: Nr. 117 (im Krieg vernichtet) (Hinweis Gisela Kornrumpf). Sp. 280 zu 4., Überl.: "München, Bayer. Nat. Mus., cod. 3601" korr.: ..., heute Bayer. SB, clm 28841.

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Hugo von St. Viktor — 'Huwilogus'

Ebd.: "Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. 3351" korr.: ..., cod. Guelf. 30. 12. Aug. 4° (Kat. Nr. 3351).

Hugo von St. Viktor [Nachtr./Korr.] Bd. 4, Sp. 286 zu Lit. ergänze: J. EHLERS, Hugo v. St. Viktor, Stud, zum Geschichtsdenken u. zur Geschichtsschreibung d. 12. Jh.s (Frankfurter hist. Abhh. 7), 1973. Sp.287 Z. 2: "Mainz, StB, cod. 51" korr.: ..., HsI51. Sp. 289 zu 5. a.: "Rastatt, Bibl. d. Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums, cod. A 198" korr.: ..., Hist. Bibl. der Stadt im L.-W.-Gymnasium, K 198.

Hugonis, Johannes -> Hug, J. [NB] Hültscher, Henrich [Korr.] Bd. 4, Sp. 293 f. korr.: Von H. H., dem Redaktor B des -» 'Aisfelder Passionsspiels', stammt n i c h t das Rollen- und Darstellerverzeichnis zum . .' (Hinweis Hj. Linke).

Humbert von Romans [Korr.] Bd. 4, Sp. 300 Mitte (3. Abschnitt): "Prag, Strah. knihovna, cod. XVI. D 18" korr.: ..., Narodni Knihovna (Nat. bibl.), cod. XVI D 18. Vgl. [W. DOLCH], Katalog d. dt. Hss. d. k. k. Off. u. Universitätsbibl. zu Prag, Prag 1909, Nr. 120. Ebd.: "Kap. 13 der 'Expositio' gibt die Grundlage —" korr.: Kap. 13 ff. ...; vgl. dazu -> 'Privatbesitz im Ordensleben' (dt. Predigten u. Traktate) (B.I.). Ebd., 4. Abschnitt: Prag, LIB, cod. D.VI.18" korr.: ..., Strahovska Knihovna, cod. DJ VI 18, Teil b, S. 1-308; vgl. B. RYBA, Soupis Rukopisü Strahovske Knihovny pamatniku närodniho pisemnictvi v Praze (Catalogus codicum Bibliothecae Strahoviensis in Litterarum Bohemicarum Museo Pragae asservatorum), vol. IV, Prag 1970, Nr. 2183.

'Hundert artickel von dem liden unsers Herren' -> Comitis, Gerhard [Nachtr. im NB] Hundertpfund, Heinrich [Korr.] Bd. 4, Sp. 306: "Wien, cod. 2201 (2238)" korr.: ..., cod. 10100 a (= Abschrift der sog. 'Neidensteiner Hs.'). Vgl. F. KRATOCHWIL, Germ. 34 (1889) 312f. ; MENHARDT, Hss. III, S. 1198-1201.

700

Hundfeld, Martin [Korr.] Bd. 4, Sp. 308 Mitte: "cod. Vatican. Nr. 1449 der Bibl. Vaticana in Rom" korr.: Rom, Bibl. deü'Academia Nazionale dei Lincei e Corsiniana, cod. 44 A 8 (Nr. 1449); vgl. H.-P. HILS, Meister Johann Liechtenauers Kunst des langen Schwertes, 1985, S. 110-112.

Hus, Jan (dt. Übers.n) -> Grünsleder, Ulrich; -» Rutze, Nicolaus; -»· Johannes von Lübeck [NB] Hütlin, Matthias [Nachtr./Korr.] Bd. 4, Sp. 333, petit-Abschnitt (zur Drucküberl.): Eine korrigierte Zusammenstellung der Drucke vor Luthers Bearbeitung (14 Drucke des Prosatextes und 2 Drucke der Versfassung) bei F. SCHANZE, Die älteren Drucke des Liber vagatorum, Gutenberg-Jb. 1995, S. 143-150. Sp. 336 Mitte: "Eine Versbearbeitung schuf der Basler Pamphilus Gengenbach" korr.: Das Werk wurde Gengenbach schon lange abgesprochen. Mittlerweile ist auch ein älterer Druck als derjenige Gengenbachs bekannt: [Straßburg, Matthias Hüpfuff, um 1510/11]. Vgl. SCHANZE, S. 149. Ebd.: "Sebastian -* Brant ließ sich ... zu Kapitel 63 des 'Narrenschiffes' anregen" korr.: Der 'Liber vag.' kann aus chronologischen Gründen nicht Quelle des 'Narrenschiffs' gewesen sein. Hinweise Frieder Schanze.

'Huwilogus' Grammatisch-lexikalisches Lehrgedicht von 1246 Versen, mit lat. und dt. Glossierung. Der Titel (auch in der Form Hugwilogus bezeugt) ist mit Hilfe des Suffixes -logus aus dem Autornarnen Hugutio in seinen spätmal. Varianten Huwicio, Hugwicio gebildet. Als Verfasser nennt eine Prologglosse der Trierer Hs. einen Nicolaus Sehusen (Sehusen: ältere Namensform von Seesen, Kr. Gandersheim), während der Katalog der Erfurter Kartause das Werk einem Magister Nicolaus Engelhuß zuschreibt. Falls Sehusen Herkunftsbezeichnung ist, könnte Nicolaus Sehusen mit Nicolaus Engelhuß identisch sein. Mit dem 'Hubrilugus'-Wörterbuch des Hermann -> Kappel hat der 'Huwilogus' nichts zu tun. Ü b e r l i e f e r u n g . Trier, StB, Hs. 1100/33, 8°, 206r-240r, Göttingen 1445, mit Kommentar;

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Hymnare und Hymnenerklärungen in deutscher Sprache

Wien, cod. 3816, 175r-200v, Gramatica Hubiligi, 15. Jh., aus dem Benediktinerkloster Mondsee, unvollst. Abschnitt aus Teil I De nominibus, beginnend mit v. 194. Bezeugt sind ferner: ehem. Erfurt, Kartause Salvatorberg, M 25 (Mal. Bibl. Kat. 2, S. 478, 16); ehem. Erfurt, Artistenfakultät, XX 5, Hugwilogus de significatione terminorum, Legat des Baccalaureus Johannes Sune aus Gotha (Mal. Bibl. Kat. 2, S. 171, 6f.).

Das Werk beginnt mit einer kurzen Prosavorrede, die Zweck und Anlage erläutert (inc. Ut benivolorum probitas grammatical} fructuositate salubrius roboretur ...). Demnach ist es das Ziel des Verfassers, in einprägsamer Versform (ut ergo opus memorie tenacius imprimatur] die Bedeutungen schwieriger Wörter festzulegen. Der Text (ine. Lucrum fit questus, fit ceremonia questus ...) ist in zwei Libri partiales (De nominibus; De verbis) gegliedert. Schwierigkeiten für den Lateinlernenden werden in erster Hinsicht von den Synonymen (z. B. sanguis/cruor), klangähnlichen Wörtern (Differentiae; z. B. lepus/lepor] und mehrdeutigen Wörtern (Aequivoca; z. B. dolus: 'prudentia'/'fraus') erwartet. Als lexikalische Autorität zitiert der Verfasser mehrfach Hugwicio, d. h. den 'Liber derivationum' des Hugutio Pisanus. Daneben bezieht er sich wiederholt auf den 'Graecismus' des Eberhardus Bethuniensis; diesem steht der 'Huwilogus' dem Werk-

typ nach nahe, und ihm sind verschiedene Verse fast unverändert entnommen (z. B. entsprechen v. 2 —6 des 'Huwilogus' den 'Graecismus'-vv. 1X4, 6, 10, 30, 44f.). Wie nicht zuletzt die Mitüberlieferung in den bezeugenden Hss. erkennen läßt, wurde das Werk im Studium der Triviumsfächer verwendet. Seine Wirkung blieb begrenzt. Die stellenweise eingestreuten dt. Worterklärungen im Text und im Kommentar der Trierer Hs. belegen, daß die Unterrichtspraxis nicht gänzlich ohne muttersprachliche Interpretamente auskam. Selbst im Merkvers (Est castor beber, sed fiber dicitur otter, Kommentar f. 220V) schließen sich Latein und Deutsch zusammen. Das Wiener Bruchstück bietet gleichfalls dt. Worterklärungen. L i t e r a t u r . LEHMANN, Erf. V, 1962, S. 61; G. POWITZ, Hubrilugus u. Huwilogus, ZfdA 93 (1964) 226-238, bes. S. 233-238; P. BECKER, Die Benediktinerabtei St. Eucharius-St. Matthias vor Trier (Germania Sacra. NF 34), 1996, S. 166 Nr. 220; U. KÜHNE, Engelhus-Studien (Scrinium Friburgense 12), 1999, S. 167-170.

GERHARDT POWITZ Hymnare und Hymnenerklärungen deutscher Sprache [Nachtr.]

in

Bd. 4, Sp. 344 Mitte: Zum Hymnar des Erasmus Werbener vgl. auch -> Brevier [NB], II.b.12.

I 'latromathematisches Corpus' 1. Astromedizinisches Kompendium in dt. Prosa, das aus 14 präexistenten und auch anderweitig überlieferten Texten zur Laienastrologie, zum Aderlaß, zur Diätetik und zum Gartenbau kompiliert wurde. Das . C.' erscheint mit Ausnahme der ältesten Quelle in Überlieferungsgemeinschaft mit dem in Versen abgefaßten 'Regimen' Heinrich -»· Laufenbergs. Das Kompendium entstand wohl im 2. Viertel des 15. Jh.s im Südwesten des dt. Sprachgebiets, wie Sprache, Provenienz und Datierung der Textzeugen sowie die Überlieferungsgemeinschaft mit dem 'Regimen' zeigen. 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Der älteste Textzeuge (2. Viertel 15. Jh.), der sog. 'Schüpfheimer Codex', Zürich, Sammlung Huldrych M. Koelbing, bietet den Text des . C.' zusammen mit einem ausgedehnten Rezeptanhang, aber ohne das 'Regimen' Laufenbergs. In 6 Hss. ist das . C.' hingegen zusammen mit dem 'Regimen' Heinrich Laufenbergs aufgezeichnet: Budapest, ÜB, cod. germ. 5; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs2781; Karlsruhe, LB, Hs. K 2790; London, Wellcome Institute for the History of Medicine, Mss. 438 u. 439 (Ms. 439 ist eine Kopie von Ms. 438); Zürich, Zentralbibl., cod. C102b; im Kalenderdruck von H. Rüegger, Zürich 1508, findet sich eine kontaminierte Fassung des . C.' zusammen mit einer kontaminierten Fassung von Laufenbergs 'Regimen'. Nach der Fassung in London, Wellcome Inst., Ms. 438, wurde das . C.' erstmals von H. H. MENGE (1976) als 'Londoner Arzneibuch' beschrieben. — Ein neu aufgetauchter Textzeuge (Hamburg, Antiquariat J. Günther) ist noch nicht näher untersucht (vgl. K. GOEHL, Sudhoffs Arch. 84 [2000] 104f.). A u s g a b e n . WELKER, S. 177—277; Heinrich Laufenberg, Regimen d. Gesundheit, latromathematisches Hausbuch [!], M. Puff, Von den ausgebrannten Wässern. Farbmikrofiche-Ed. der Hs. Zürich ZB, Ms. C 102 b, Einführung zu d. astromed. Hausbuch v. B. SCHNELL, Beschreibung d.

Hs. von M. STÄHLI (Codd. illuminati med. aevi 41), 1998.

3. Das Zielpublikum des . C.' läßt sich analog zu den Auftraggebern verwandter Kompendien (Konrad -»· Türst, ->· 'latromathematisches Hausbuch') in Kreisen medizinischer Laien erschließen. Das meist mitüberlieferte 'Regimen' Laufenbergs weist den Leser wiederholte Male ausdrücklich darauf hin, in Zweifelsfällen einen Arzt aufzusuchen. Auch war der weitgespannte Themenkreis des Kompendiums, der mit dem 'Pelzbüchlein' Meister -»· Richards ja auch den Obstbau umfaßt, kaum für den ärztlichen Praktiker, wohl aber für den Hausvater von Interesse (KEIL, 1991, S. 227-229), für dessen Informationsbedarf sich eigens der Typus des 'Buchs vom Menschen, Tier und Garten' herausgebildet hatte. Weit schwieriger als die Frage nach dem Leser ist die Frage nach dem Kompilator zu beantworten. Die vergleichbaren Kompendien sind teils von Ärzten (und zwar von physici wie Konrad Türst), teils von medizinischen Laien wie Vertretern der Dienerschaft (-> 'Wolfegger Hausbuch') oder dem Leutpriester Heinrich Laufenberg angelegt worden. 4. Die Auswahl der Themen entspricht der Konstellation des -+ 'latromathematischen Hausbuchs', ihre Anordnung gleicht weitgehend der in Laufenbergs 'Regimen', was die Vermutung nahelegt, daß die Parallelität der behandelten Gegenstände zur Überlieferungsgemeinschaft der beiden Gesundheitslehren geführt hat. Das . C.' beginnt die Folge von Ratschlägen und Anweisungen mit zwei Reihen von Monatsregeln (mit Donnerprognostiken und Wetterregeln). Die hier nur am Rande berührte Prognostik wird in den drei nachfolgenden

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'latromathematisches Corpus'

Texten erweitert und konkretisiert: Auf -> Neujahrsprognosen folgen ein Krankheits->· Lunar (A.9.) und eine Aufstellung von ->· Verworfenen Tagen (Typ 3). Den Brükkenschlag von der Prognostik zur Astrologie im engeren Sinne vollziehen die nachfolgenden Traktate mit einem ->· Planetentraktat (III. 1.) und einer -> Tierkreiszeichenlehre (II.A.l.d.) sowie einer tabellarischen Übersicht über die Stundenregenten. Vom gestirnten Himmel kehrt der inhaltliche Bogen zurück zum Menschen mit einer Charaktertypologie (Komplexionenlehre). Eine weitere Tierkreiszeichenlehre und ein Sammellunar schließen den astrologischen Teil ab. Die Textfolge des . C.' endet mit drei heterogenen Text(grupp)en, nämlich mit Meister Richards 'Büchlein, wie man Bäume zweien sol', mit einer Folge von Aderlaßtraktaten (-+ 'Vierundzwanzig-Paragraphen-Text' [II.2.], -*· 'Lob des Aderlasses' [2.], -> 'SchröpfStellentext' [II.2.b.]) und einer Diätetik nach ->· Konrad von Eichstätt und -> Ortolf von Baierland (H.5.C.). Bei Laufenberg fehlen im Vergleich dazu Traktate zum Aderlaß und zum Obstbau, anderseits finden sich als Abschluß der Gesundheitslehre Regimina für Schwangere und für die Pestzeit, die man im . C.' vermißt. Anweisungen zu therapeutischen Maßnahmen, die im . C.' selbst fehlen, sind im Rezeptar und in den Pestschriften eines Anhangs nachgeliefert, der sich in den meisten Textzeugen an das . C.' anschließt (die Hs. Zürich, cod. C 102 b, bietet aber stattdessen das Buch 'Von den ausgebrannten Wässern' des Michael -* Puff aus Schrick). Der Anhang weist im Gegensatz zum . C.' große Abweichungen im Bestand zwischen den einzelnen Textzeugen auf. Das . C.' diente also in erster Linie zur Prophylaxe von Krankheiten, nicht zu deren Therapie.

5. Die Kompilation des . C.' greift auf Texte zurück, die auch anderweitig und zum Teil außerordentlich breit überliefert waren. Die erste Serie von Monatsregeln ist eine dt. Übersetzung der -» 'Utrechter Monatsregeln', die hier auch Donnerprognostik bieten. Die zweite Serie von Monatsregeln ist außerhalb des . C.' nicht in dieser Form anzutreffen, doch finden sich Teile davon in anderem Kontext wieder (-> 'Grazer Monatsregeln', ->· 'In Jano claris').

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— Nur der sog. 'Schüpfheimer Codex' bringt als Einleitung in die Planetenlehre noch einen kosmologischen Kurztraktat, der selbständig in einer lat. und zwei dt. Parallelversionen des 15. und frühen 16. Jh.s vorliegt. — Die Stundenregententafel gibt für jede Stunde eines jeden Wochentags den jeweils wirksamen ('regierenden') Planeten an. Vergleichbare Tabellen finden sich bei Konrad Türst und im 'Iatromathematischen Hausbuch'. — Im kurzen Traktat über die Komplexionen wird jedes Temperament zwar in Beziehung zu den Primärqualitäten, den Elementen, den Säften und den Tierkreiszeichen gesetzt, die typologische Charakterisierung beschränkt sich jedoch auf die Angabe der Farbe, so daß eine überlieferungsgeschichtliche Zuordnung Schwierigkeiten bereitet (-> Temperamentenlehre [11.12.; der Hinweis ebd. auf München, cgm 376, 212 r ~ v , ist irrig]). — Das Sammellunar macht zu allen Tagen des Mondmonats Angaben zur Geburts-, Krankheits- und Traumprognostik, darüber hinaus für die ersten neun Tage auch zur Aderlaßprognostik einschließlich entsprechender Wertung des Tages. WEISSER (1982) kann vier weitere Textzeugen zu diesem Sammellunar nachweisen, ein fünfter ist die Hs. 6 der Kantonsbibl. Frauenfeld, wo Bl. 165v-171r (neue Zählung) das Sammellunar zusammen mit dem im . C.' vorausgehenden Krankheitslunar erscheint. — Den Abschluß der Aderlaßtraktate bildet ein komplexer Blutschautext (-* 'HämatoskopieTraktate' [II.]; Konrad von Eichstätt), der Entsprechungen zum 'Arzneibuch' Ortolfs von Baierland und zur Blutschau des 'Iatromathematischen Hausbuchs' zeigt. Wie die Hämatoskopie Laufenbergs (LENHARDT, 1986) gehört er zur 'vierten Generation' hämatognostischer Kompilationen. L i t e r a t u r . E. ZINNER, Verzeichnis der astronom. Hss. d. dt. Kulturgebiets, München 1925; V. STEGEMANN, Aus einem mal. dt. astronomischastrologischen Lehrbüchlein (Prager dt. Stud. 52), Reichenberg 1944; J. FOLLAN, Das Arzneibuch Ortolfs v. Baierland (Veröffentl. d. Int. Ges. f. Gesch. d. Pharm. NF 23), 1963; H. H. MENGE, Das 'Regimen' Heinrich Laufenbergs (GAG 184), 1976; CH. WEISSER, Stud, zum mal. Krankheitslunar

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'latromathematisches Hausbuch' — 'Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae'

(WmF 21), 1982; M.-P. KOCH, Zur Quellenanalyse von Laufenbergs 'Versehung des Leibs', in: Fachprosa-Stud., hg. v. G. KEIL, 1982, S. 272-277; G. KEIL / F. LENHARDT / CH. WEISSER, Vom Einfluß d. Gestirne auf d. Gesundheit u. d. Charakter d. Menschen, [II:] Kommentar zur Faksimileausg. d. Kodex Schürstab, Luzern 1983; I. ROHLAND, Das 'Buch v. alten Schäden', Teil II: Kommentar u. Wörterverzeichnis (WmF 23), 1982; dies. / G. KEIL, Randnotizen zum 'Schüpfheimer Kodex' — Teil I: Allgemeines u. Textbestimmung d. Traktate, Gesnerus 40 (1983) 257-274; F. LENHARDT, Zur Blutschau Heinrich Laufenbergs, Würzburger med.hist. Mitt. 4 (1986) 9-21; L. WELKER, Das 'latromathematische Corpus' (Zürcher med.-gesch. Abhh. 196), Zürich 1988; G. KEIL, Der Hausvater als Arzt, in: Haushalt u. Familie im MA u. früher Neuzeit, hg. v. T. EHLERT, 1991, S. 219-244; B. SCHNELL u. M. STÄHLI (s. o. Ausg.n).

LORENZ WELKER 'latromathematisches Hausbuch' [Korr.] Bd. 4, Sp. 347 Ausg.n: "Vom Einfluß d. Gestirne... . Faksimile d. Ms.s C 24 d. ZB Zürich, ..., Luzern 1981-82" korr.: ... Faksimile des Ms.s C54 der Zentralbibl. Zürich, ... 1981-83.

'Ich man dich vater Jhesum Christ' [Korr.] Bd. 4, Sp. 351, Z. 4 von unten: "Straßburg, ÜB, cod. L. germ. 78.4°" korr.: ..., ms. 1995 (olim L germ. 78.4°).

'Ich solt mich leren lossen' [Korr.] Bd. 4, Sp. 352 Überl.: "Straßburg, StB, codd. germ. 374, [...] und germ. 394" korr.: ..., ehem. StB, codd. G 374 und G 394.

'Ich stund an einem morgen' [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 355, 1. Abschnitt Ende: Zu dem Lied auf Abt Kaspar von St. Gallen vgl. Johannes -» Brunner (mit neuerer Ausg. u. Lit.). Sp. 156, Z. 3: "B. Kistler" korr.: Matth. Hüpfuff. Sp. 357 zu Literatur ergänze: M. H. SCHMID, Mathias Greiter. Das Schicksal eines dt. Musikers zur Reformationszeit, 1976, S. 28-35.

'Ich wil vch sagen mere' [Korr.] Bd. 4, Sp. 357 Überl.: "Tetschen, Gräfl. ThunHohensteinsche Bibl. o. S." korr.: jetzt in ColognyGenf, Bibl. Bodmeriana, cod. Bodmer 30, dort der Text Bl. 163rv. Vgl. E. PELLEGRIN, Manuscrits latins

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de la Bodmeriana (Bibl. Bodmeriana. Catalogues V), Cologny-Geneve 1982, S. 66-79.

'In dem begin' -»· 'Granum sinapis' 'In dulci iubilo' [Korr.] Bd. 4, Sp. 369 oben: "Darmstadt, Hess. LB, cod. 2276, 43V, geschrieben um 1440 von dem Kölner Kartäuser ->· Heinrich v. Dissen" korr.: Der Eintrag des Liedes 'In dulci iubilo' stammt nicht von H. v. D., sondern nur die beiden obersten Zeilen der Seite (Hinweis Kurt Hans Staub).

'Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae' Unter dem Titel '!.' werden mehrere hundert hoch- und spätmal. Handschriften und Drucke zusammengefaßt, die eine Auswahl der römischen Kirchen und deren Ablässe beschreiben. Anzahl und Reihenfolge der in den einzelnen Textzeugen genannten Kirchen differieren erheblich, ebenso der Umfang der einzelnen Beschreibungen. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Zusammenstellung der Hss. und Drucke im Lat. und in den Volkssprachen bei MIEDEMA, 1996, S. 17—251; Ergänzungen und Korrekturen s. dies., im Druck. Die hs.liehe Überl. besteht überwiegend aus Gebrauchshss. (Rotuli, kleinformatige und einfach ausgestattete Papierhss.); auch die Drucke sind durch ihr Format den Bedürfnissen der Reisenden angepaßt. A u s g a b e n . Lat. Texte bei HULBERT; HÜLSEN, 1927, S. 137-156; VALENTINI/ZUCCHETTI, Bd. 4, S. 75 —88; WEISSTHANNER, S. 59-63; SCHIMMELPFENNIG, S. 649-658. Der lat. Druck der 'Historia' (s. u. 4.) ist nicht ediert. Dt./ndl. Texte bei KIST; MIEDEMA, im Druck (mehrere hs.liehe und gedruckte Versionen). Faksimilia des dt. Blockbuches und weiterer dt. Drucke der 'Historia' (s. u. 4.) bei EHWALD; HÜLSEN, 1925; The Image of the World (dort auch einige lat. Drucke).

2. Die .' sind in den Textzeugen sehr häufig im Verbund mit den 'eigentlichen' -> 'Mirabilia Romae' (1.) und den -»· 'Stationes ecclesiarum urbis Romae' (i. F.: 'Stationes') überliefert, es handelt sich dabei jedoch um drei unabhängig voneinander entstandene Texte. Der Autor der .' ist unbekannt; bereits die ältesten Hss. des Textes (12.713. Jh.), die nur die fünf

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'Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae'

Hauptkirchen und ihre Ablässe nennen, zeigen untereinander starke Differenzen, so daß davon auszugehen ist, daß unterschiedliche Autoren ungefähr zeitgleich eine Zusammenstellung der römischen Kirchen erarbeiteten. Seit dem 14. Jh. wurde die Zahl der Hauptkirchen von fünf auf sieben vermehrt und es fanden zusätzliche weitere Kirchen Aufnahme in die Darüber hinaus wurden die Beschreibungen durch Angaben über die in den Kirchen befindlichen Reliquien, über die sonstige Ausstattung der Gebäude sowie deren Gründungs- und Baugeschichte ergänzt. Die ersten Übersetzungen in die Volkssprachen entstanden ebenfalls im 14. Jh. und setzten bald eigene Akzente (so etwa ausführlichere Darstellung der mit den Reliquien verbundenen Wunder und Erweiterung der Ablaßangaben, zumeist ohne Autorisierung seitens der Kurie). 3. Die Einteilung der Überlieferung der '!.' in eine 'kurze' Fassung, die zumeist nur die sieben Hauptkirchen nenne, und eine 'erweiterte', die weitere Kirchen beschreibe und die 'Stationes' enthalte (so unter -» 'Mirabilia Romae' [2.], Sp. 603), erweist sich als wenig hilfreich, da die Überlieferung der 'Stationes' nicht an einzelne Fassungen der .' gebunden ist. Des weiteren sind mehrere Fassungen der .' überliefert, für die die genannten Kriterien keine bestimmende Rolle spielen: So beschreiben einige Hss. eine von der Einteilung in Haupt- und sonstige Kirchen unabhängige Auswahl von Gotteshäusern; andere gruppieren die Kirchen nach ihren Patrozinien (etwa der von SCHIMMELPFENNIG edierte Stuttgarter Rotulus), stellen anhand dieser Patrozinien und der entsprechenden Festtage der Heiligen immerwährende Kalender der römischen Ablässe zusammen oder ordnen die Kirchen nach topographischen Gesichtspunkten (s. die Editionen bei MIEDEMA, im Druck). 4. Der älteste Vertreter der gedruckten Fassung der .' ist das ca. 1475 hergestellte dt.sprachige Blockbuch der sogenannten 'Mirabilia Romae vel potius Historia et descriptio urbis Romae' (-» 'Mirabilia Ro-

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mae' [3.], i. F.: 'Historia'). Diese dt. Fassung, die nicht nur die .', sondern außerdem eine Chronik der römischen Könige und Kaiser nach der dt. Chronik des Jakob -» Twinger von Königshofen (II.2.) und die 'Stationes' enthält, bewirkte eine Standardisierung der in Drucken überlieferten dt. Textfassungen der .' (nicht jedoch der hs.liehen Überlieferung) und diente als Vorlage für ihr lat. Pendant, das dem Text die Oratio de sancta Veronica' (WALTHER, Initia 17153) hinzufügt. Eine erheblich kürzere lat. Fassung der .' (ohne Chronik und 'Stationes') war zwar bereits wenige Jahre früher in Umlauf, erreichte jedoch nur geringe Verbreitung (Ausg. bei HULBERT); die Kombination dieses Textes mit den 'eigentlichen' 'Mirabilia Romae' (s. d., Sp. 604) ist nicht zwingend. 5. Die Beliebtheit der .' zeigt sich nicht nur in ihrer starken Verbreitung sowohl in geistlichen als auch Laienkreisen, sondern wird darüber hinaus durch ihre Übernahme in verschiedene Rompilgerberichte und andere Texte bestätigt (s. -> 'Mirabilia Romae' [4.] sowie -» Jakob von Soest [I'I.l.b.], Johann -» Bassenhaimer u. a.); auch Martin Luther kannte den Text wahrscheinlich, ohne ihn jedoch explizit zu nennen (s. HAUSRATH). Die Pilgerberichte etwa des Peter -> Rieter und des Balthasar -> Schrautenbach entstanden allerdings ohne Verwendung der '!.'; Albert van der Molen kaufte die .' zwar, verwendete sie jedoch nicht für seinen Rechenschaftsbericht (s. Marquard -* Mildehovet [ .2.] und VON DER ROPP). Die .' dienten darüber hinaus als Basis für bildliche Darstellungen der römischen Kirchen in Klöstern, die das Privileg der Stellvertreterwallfahrt erworben hatten, so etwa in Augsburg (ScHAWE) und Villingen (STEGMAIER-BREINLINGER). Andere Städte benutzten die .' als Muster für die Anlage ihrer eigenen Reliquienverzeichnisse (s. etwa die -> 'Ablässe und Heiltümer der Stadt Köln' [NB]). Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s läßt das Interesse an den .' nach; reformatorische Nachdrucke des Textes, die am Rand polemisch-kriti-

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Meister Ingold — 'Innsbrucker Kochbuch'

sehe Anmerkungen vor allem zur Reliquienverehrung enthalten, belegen die mentalitäts- und frömmigkeitsgeschichtlichen Wandlungen im 16. Jh. L i t e r a t u r . N. CH. KIST, De aflaten der zeven kerken van Rome, Archief voor kerkelijke geschiedenis 6 (Leiden 1835) 303-318; G. VON DER ROPP, Unkosten einer Lüneburger Romfahrt im Jahre 1454, Hansische Geschichtsbll. [16] (1887/1889) 29-60; A. HAUSRATH, Martin Luthers Romfahrt, 1894; R. EHWALD, 'Mirabilia Romae' (Ges. der Bibliophilen 561), 1904; J. R. HULBERT, Some Medieval Advertisements of Rome, Modern Philology 20 (1922-1923) 403-424; CH. HÜLSEN, 'Mirabilia Romae'. Rom, Stephan Planck 20. November 1489. Ein röm. Pilgerbuch d. 15. Jh.s in dt. Sprache, 1925 [Faks.-Ausg. dieses Druckes]; ders., Le chiese di Roma nel medio evo. Cataloghi ed appunti, Florenz 1927 (Nachdr. 1975); R. VALENTINI / G. ZUCCHETTI, 'Memoriale de mirabilibus et indulgentiis quae in urbe Romana existunt', in: diess. (Hgg.), Codice topografico della cittä di Roma, Bd. 4 (Fonti per la storia d'Italia 91), Rom 1953, S. 75-88; A. WEISSTHANNER, Mal. Rompilgerführer, Archivalische Zs. 49 (1954) 39-64; R. STEGMAIER-BREINLINGER, 'Die hailigen Stett Rom und Jerusalem'. Reste einer Ablaßsammlung im Bickenkloster in Villingen, Freiburger DiözesanArchiv 91 [= 3. Folge Bd. 23] (1971) 176-201; B. SCHIMMELPFENNIG, Römische Ablaßfälschungen aus d. Mitte d. 14. Jh.s, in: Fälschungen im MA, Bd. 5 (MGH Schriften 33,5), 1988, S. 637-658; Incunabula. The Printing Revolution in Europe 1455-1500, hg. v. L. HELLINGA, Bd. 6: The Image of the World: Travellers' Tales, [Reading ca. 1993] [295 Mikrofiches]; N. MIEDEMA, Die 'Mirabilia Romae'. Unters, zu ihrer Überl. mit Edition d. dt. u. ndl. Texte (MTU 108), 1996; M. SCHAWE, [Katalog] Rom in Augsburg. Die Basilikabilder aus dem Katharinenkloster. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, [1999]; N. MIEDEMA, Die röm. Kirchen im SpätMA nach den 'Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae' (Bibl. d. Dt. Hist. Instituts in Rom 97), 2001; dies., Rompilgerführer in SpätMA u. Früher Neuzeit: Die 'Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae' (dt./ndl.). Edition u. Kommentar (Frühe Neuzeit 72), Tübingen (im Druck).

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Sp. 393 Überl.: "Wolfenbüttel, Hzg.-Aug.-Bibl., cod. Aug. 29.4" korr.: ..., cod. Guelf. 29.4 Aug. 4°. Ebd.: "Dillingen, Kreis- und Studien-Bibl., cod. 131" korr.: ..., cod. XV 131.

'Innsbrucker Arzneibuch' [Korr.] Bd. 4, Sp. 396 Z. 4 f.: "Linz, Landesarch., ms. Cc II 15 membr." korr.: Linz, Oberösterr. LB, cod. 33 (antea Cc II 15; Katalog K. SCHIFFMANN, Die Hss. d. öffentl. Studienbibl. in Linz, masch., Linz 1935, Nr. 178).

'Innsbrucker Kochbuch' Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 5486, 83r-95v. Ausgabe. D. AICHHOLZER, 'Wildu machen ayn guet essen ...'. Drei mhd. Kochbücher: Erstedition, Übers., Kommentar (Wiener Arbeiten z. germ. Altertumskde u. Philologie 35), Bern u. a. 1999, S. 192-241.

Das . K.' (bisher fälschlich als 'Ambraser Kochbuch' bezeichnet), ist auf das Jahr 1451 zu datieren. Es stammt aus dem Besitz Kaiser -> Maximilians L, der es in seiner Innsbrucker Burg aufbewahrt hat, nicht in Ambras. Ob es Maximilian von seinem Vater geerbt oder selbst erworben hat, ist nicht bekannt. Es enthält 161 Rezepte, die keine Überschriften tragen. Die Rezeptkonkordanz mit dem ->· 'Buch von guter Speise', dem -»· 'Mondseer Kochbuch' und dem -> 'Kochbuch von St. Dorotheen zu Wien' zeigt, daß das . K.' mit diesen Texten nur 2 bzw. 4 und 8 Rezepte gemeinsam hat. Dies weist auf eine andere Vorlage hin. Auch in sprachlicher Hinsicht fällt es aus dem üblichen Rahmen. Es hat sehr kurze Rezepte, die nahezu alle mit denselben Worten, nämlich mit Wildu maNINE MIEDEMA chen ..., beginnen. Lakonik und Variantenarmut zählen also zu den HauptkennzeiMeister Ingold [Korr.] chen des . K.'. Der Anteil an Fleisch- und Fischgerichten ist sehr gering. Teure ZutaBd. 4, Sp. 382 Überl.: "Zürich, Zentralbibl., cod. C28" korr.: ..., cod. Car. C 28. ten wie die Gewürze Pfeffer, Safran und Ingwer kommen sehr selten vor, Anis, Galgant, Polei oder Gewürznelken überhaupt Innozenz III. [Korr.] Bd. 4, Sp. 391 zu 2.a. (1): "Olmütz, Stud. Bibl., nicht. Der billigere Honig wird dem teuren Zucker bei weitem vorgezogen, das teure cod. 74" korr.: ..., Statni Vedecka Knihovna, M I 74 (olim I VI 4; Kat.Nr. 15). Importgut Reis wird nicht oft verwendet.

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'Innsbrucker Marienklage'

Es ist zu vermuten, daß das . K.' für ein sparsames Publikum verfaßt wurde. Dennoch könnte es am Hof Kaiser Friedrichs III., der Mitglied eines Mäßigkeitordens war, oder seines Sohnes Kaiser Maximilian L, der im Alltag äußerst mäßig lebte und nur bei Festen prunkvoll feierte, verwendet worden sein. L i t e r a t u r . H. BIRKHAN, Ministerialenlit. in Österreich: Die Exponate im 'Auditorium', in: Die Kuenringer, Das Werden d. Landes Niederösterreich, Katalog d. Niederösterr. Landesmuseums, NF Nr. 110, Wien 1981, S. 436 f.; T. EHLERT, Wissensvermittlung in dt.sprachiger Fachlit. d. MAs oder: Wie kam die Diätetik in die Kochbücher?, Würzburger med.hist. Mitt. 8 (1990) 137-159; C. LAMBERT (Hg.), Du manuscrit a la table. Essais sur la cuisine au moyen äge et repertoire des manuscrits medievaux contenant des recettes culinaires, Montreal 1992; H. BIRKHAN, Some Remarks on Medieval Cooking: The Ambras Recipe-Collection of Cod. Vind. 5486, in: Food in the Middle Ages, hg. v. M. WEISS-ADAMSON, New York—London 1995, S. 83 — 97; D. AICHHOLZER, Zwischen Feiern u. Fasten: Drei österr.-bayr. Kochbücher d. 15. Jh.s, Jb. d. Oswald v. Wolkenstein-Ges. 11 (1999) 351-362; dies., Schachbretter aus Erbsen, Mandeligel u. Nonnenfürze in Gesöff — aus Kochbüchern d. 15. Jh.s d. Österr. Nat.bibl., in: Mahl u. Repräsentation — Der Kult ums Essen, hg. v. L. KOLMER / CH. ROHR, Salzburg 2000, S. 143-156. DORIS HECHT-AlCHHOLZER

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Sequenz Planctus ante nescia des Gottfried von St. Viktor (oder zu einer reduzierten Variante davon) steht. Möglicherweise hat die . M.' als bislang frühester Vertreter der Gruppe zu gelten (die -» 'Lichtentaler Marienklage' ist nach K. Schneider wohl um 1320/30 niedergeschrieben). Unter den 20 Strophen sind fünfzehn Schönbach/ Kühische Versikel: i.ii.m.v.xv.xii, -.vi.-.-.-.-.vn, xix [!].IV.XX.XI.VIII.XVHI.IX (MEHLER, S. 37ff., 198). Zu Str. 7 ist eine Parallele bislang nicht bekannt; Str. 9—12 kehren in der -» 'Füssener Marienklage wieder (Str. 23 ~ xm. 24. 22. 25) und erweisen damit deren Sondergut als alt. MEHLERS Formtypen (S. 98 f.) verteilen sich so: AAEBEB, BCEEEEB, EECCDD plus ix als Fünfzeiler entsprechend Versikel 8a/8b der Sequenz (s. ebd. S. 51, 76); bemerkenswert ist das refrainartige Element Owe mir we nach Str. 6 und 13 (und vielleicht, zu Owe verkürzt, nach Str. 19).

Die . M.' erscheint als reiner Monolog Marias unter dem Kreuz — ohne die Rufstrophe xvi, die Wegestrophe xiv, die Todesstrophe xvn, ohne Spur eines Dialogs mit Johannes — und könnte damit den von EGGERS (-> 'Münchner Marienklage') angenommenen frühen Typ repräsentieren, dessen Existenz HENNIG bezweifelt. Nach MEHLER (S. 198) ist die . M.' allerdings 'augenscheinlich nichts anderes als eine recht vollständige Sammlung von Marientexten [...] aus einer dramatischen Marienklage oder für eine solche'. Die Formkonzeption läßt m. E. allenfalls eine Deutung 'Innsbrucker Marienklage' als Exzerpt zu — etwa aus einer Vorlage Ü b e r l i e f e r u n g . Innsbruck, ÜB, cod. 388, ähnlich der 'Füssener Marienklage (vgl. 170V: Nachtrag (I.Viertel des 14. Jh.s) ohne Rudort Str. 12-29).

briken und ohne Noten am Ende einer Lage von besonderer Hand. Der Text füllt die ganze Seite; es existiert kein äußerer Anhalt, daß eine Fortsetzung aus Platzmangel unterblieben wäre. Der lat. theologische Sammelband stammt aus dem Zisterzienserstift Stams, braucht aber nicht dort entstanden zu sein; die Schreibsprache der . M.' trägt nördlichere Züge. (Für die Untersuchung der Hs. danke ich S. Sepp, für ihr paläographisches Urteil K. Schneider.) A u s g a b e in Vorher. (MEHLER, S. 198).

Die . M.' (ine. O we (der*) iamerlichen dag. l die ich müter eine trag) stellt sich zu der umfangreichen Gruppe selbständiger und in Spiele integrierter Marienklagen, denen ein Bestand von Gesangsstrophen gemeinsam ist, der in Beziehung zur

Ebenfalls zur Planctus ante nescia-Gruppe gehören die noch nicht näher untersuchten Fragmente in Hs. 110/4 (28.3. 27) der Stiftsbibl. St. Paul im Lavanttal (14. Jh., mit Noten). Vgl. BERGMANN, Spiele, Nr. M 111; MEHLER, S. 25. L i t e r a t u r . BERGMANN, Spiele, Nr. M 67; U. HENNIG, Die lat. Sequenz 'Planctus ante nescia' u. d. dt. Marienklagen, in: Latein u. Volkssprache im dt. MA 1100-1500, hg. v. N. HENKEL u. N. F. PALMER, 1992, S. 164-177; U. MEHLER, Marienklagen im spätmal, u. frühneuzeitlichen Deutschland. 2 Bde (Amsterdamer Publikationen z. Sprache u. Lit. 128. 129), Amsterdam-Atlanta 1997, hier Bd. l, bes. S. 25-30, 37-104, 139 f., 198.

GISELA KORNRUMPF 'Introito e Porta' [NB]

Adam von Rottweil

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'Ipocras' — Iselin, Heinrich und Konrad

'Ipocras' [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 416 Überl. ergänze: 12-teilige diätetische Monatsregeln für einen Würzwein schon im sog. 'Zürcher Arzneibuch' (Zürich, Zentralbibi., cod. C58 [olim 275], 12./13. Jh., 44va-47rb; vgl. -» 'Arzenibuoch Ipocratis'). Sp. 417 zu Lit. u. Ausg.n ergänze: WILHELM, Denkm. A (Text), S. 59 f. (Nr. XXV, 'Zürcher Arzneibuch'); vgl. ebd. B (Kommentar), S. 149-151 (mit dem lat. Text nach Wien, cod. 2532, 87v-88r ['Dicta Hippocratis']); W. F. DAEMS, Die Ciareit- u. Ypocrasrezepte in Thomas van der Noots 'Notabel Boecxken van Cokeryen' (um 1510), in: Fachlit. d. MAs, Fs. f. G. Eis, hg. v. G. KEIL u.a., 1968, S. 205-224 (S. 216-218 synopt. Abdruck des Textes nach dem Druck des Thomas van der Noot und nach der Hs. Leiden, ÜB, cod. Voss. chym. 8° 6, 114r-115v, Ende 15. Jh., ndfrk.).

Irenfredus / Irmenfredus [Korr.] Bd. 4, Sp. 417 u. 419: Die Verweise von Irenfredus und von Irmenfredus auf -» 'Wormser Briefsammlung' sind zu streichen; die Namen kommen in der (Älteren) 'W. B.' nicht vor. Meister Irregang [Nachtr./Korr.] Bd. 4, Sp. 420 f. ergänze:

Ein Chunz Irrgankch ist als des von Otting (Öttingen?) Sprecher in den Jahren 1390 und 1392 durch Honorarzahlungen am Hof des Bayernherzogs in Straubing archivalisch bezeugt (Nachweis bei H. MUNDSCHAU, Sprecher als Träger der 'tradition vivante' in der Gattung 'Märe' [GAG 63], 1972, S. 42 u. 44). Er oder sein Vater, der ebenfalls Irgank hieß, könnte der Verfasser der Reimrede gewesen sein. Sp. 421 vorletzter Abschnitt des Artikels: "-» Rosenplüt" korr.: -> Rosner (Hans?).

FRIEDER SCHANZE Isaak Judaeus -» Swende, Valentin; -> Heyse, Johannes [NB] Isaak der Schreiber s. auch -» 'Awroham owinu'; -> 'Cambridger Hs. von 1382/ 1383'; -> Tetirass Aheron' Iselin, Heinrich und Konrad Nachrichten zum Leben von H. und K. I. enthalten neben einzelnen archivalischen Hinweisen vor allem ihre eigenen knappen Aufzeichnungen.

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1. H. I. wurde um die Mitte des 14. Jh.s geboren und kam im Frühsommer des Jahres 1364 von Rosenfeld in Schwaben nach Basel, wo er in den Dienst der Frau Clara ze Rhin vel Vorgassen trat. Weiterhin war H. möglicherweise im Umfeld des Bischofs Johann von Vienne tätig, da dieser 1382 die Patenschaft für eine seiner Töchter übernahm. Genaueres über Ausbildung, Tätigkeit und soziale Herkunft ist nicht bekannt. Er war dreimal verheiratet und besaß ein Haus in der Freienstraße. Gest. am 16. November 1404 in Basel. 2. K. I. wurde als drittes Kind H.s im Februar 1377 geboren. Als erstes Mitglied der Familie I. erwarb K. im Jahr 1403 durch die Teilnahme an einem Kriegszug das Bürgerrecht in Basel und wurde Mitglied in der Safranzunft. Als Schreiber stand K. zunächst im Dienst des Basler Rates, von 1404 an war er Mühlen-, später Korn- und Kaufhausschreiber. Er starb im Juli 1436. 3. H. I. verfaßte eine kurze Geschichte seiner Familie von 1364 bis 1396, die von seinem Sohn K. bis in das Jahr 1425 fortgeführt wurde. Ü b e r l i e f e r u n g . Basel, ÜB, cod. D II 14, 59V. Die Hs. enthält -> Arnolds von Bamberg 'Tractatus de regimine sanitatis'. A u s g a b e n . F. WEISS-FREY, H. I. v. Rosenfeld u. sein Geschlecht, Basel 1909, S. 181-183 (fehlerhaft); A. BERNOULLI, Basler Chroniken 7, 1915, S. 7-10.

In notizenhafter Form werden wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Familie Iselin in Basel festgehalten: Eheschließungen, Geburten und Todesfälle, die Taufpaten der Kinder. Während die Einträge H.s ausschließlich in Latein verfaßt sind, schreibt K. von 1412 an Deutsch und Latein im Wechsel. H. I. beginnt seine Aufzeichnungen nicht mit seiner Geburt, sondern mit seinem Zuzug nach Basel: Item ego veni Basileam anno domini ... Die Zugehörigkeit der Familie Iselin zu Basel bildet damit den eigentlichen Anlaß für die Anlage der Notizen, nicht die Darstellung des eigenen Lebens und Herkommens. In ihrer Knappheit sind die Aufzeichnungen vergleichbar mit

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Isidor von Sevilla

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denen Konrad -» Paumgartners sowie mit den familiengeschichtlichen Abschnitten der ungefähr zeitgleich entstehenden Handlungsbücher, etwa dem -> 'Runtingerbuch' oder Ott -» Rulands Buch, mit dem Unterschied, daß die Iselinschen historischen Notizen nicht im Zusammenhang mit Buchführung überliefert sind. Doch auch hier wird die Geschichte der Familie gemeinsam mit anderen pragmatischen Texten überliefert: Rezepte und medizinische Traktate, astrologische Texte, Vertragsformulare und Schriftgut eines Prozesses Bischof Johanns von Vienne aus dem Jahr 1376.

dem Tode Leanders (599) wurde I. zu seinem Nachfolger gewählt. Er hatte das Bischofsamt von Sevilla bis zu seinem Tode am 4. April 636 inne. I. diente in seinem amtlichen Handeln wie zuvor sein Bruder der kirchlichen, kulturellen und politischen Integration Spaniens unter seinen westgotischen Königen. Mit diesem Interesse war stets auch seine Tätigkeit als Schriftsteller verbunden. Er gehörte zu den Ratgebern König Sisebuts (612—620), mit dem er in gelehrtem und literarischem Austausch stand. Er leitete das 2. Konzil von Sevilla (619) und das 4. von Toledo (633) sowie andere kirchliche Versammlungen; an ihren Erlassen und L i t e r a t u r . G. SCHÖNBERG, Finanzverhältnisse Canones wirkte er federführend mit. Er ist der Stadt Basel im XIV. u. XV. Jh., 1879, S. 530; als der erste zu erkennen, der sich die SynWEISS-FREY (s. Ausg.n); BERNOULLI, Einleitung zur these von germanischer Staatlichkeit, kaAusg., S. 3 — 6; P. KOELNER, Die Safranzunft zu Batholischem Christentum und lateinischer sel u. ihre Gewerbe, Basel 1935, S. 402; Rep. font. Bildung, die das abendländische MA kennVI, 1990, S. 454. REGINE SCHWEERS zeichnen sollte, zur Aufgabe gemacht hat. In Spanien wurde er bereits seit dem 7. Jh. als Doctor Hispaniae und seit dem Isidor von Sevilla 8. als Heiliger verehrt. 1722 erhob ihn InI n h a l t . A. Leben. - B. Werk, Überlieferung, lat. nozenz XIII. zum Doctor Ecclesiae. Damit Rezeption. — C. Die einzelnen Schriften: I. Gramerhielt er in der römischen Kirche den matik und Artes, II. Bibelstudium, III. Christliche Rang des letzten großen Kirchenlehrers der Lehre und kirchliches Leben, IV. GeschichtsschreiVäterzeit. bung, V. Briefe und Verse, VI. Pseudo-Isidoriana. D. Rezeption in dt. Sprache. — Literatur.

B. Werk.

In der mal. Überlieferung und noch in der älteren Forschung wird I. öfter als hidorus lunior geführt; doch bezeichnet ihn der Beiname lunior nur als jüngeren Bruder des Leander.

Der folgende Aufriß ist wirkungs- und rezeptionsgeschichtlich orientiert; er beschränkt sich dabei auf das mittlere Europa und insbesondere Deutschland. Die Vor- und Entstehungsgeschichte der Schriften I.s spart er ebenso aus wie deren besondere spanische Rezeptionsgeschichte.

Zeit und Ort von I.s Geburt (vermutlich um 560 im seit 552/554 von Byzanz besetzten südl. Spanien, wahrscheinlich in Sevilla) sind nicht bezeugt. Er stammte aus einer hispano-romanischen Familie. Früh verwaist, wuchs er zusammen mit seinen Geschwistern Fulgentius und Florentina in der Obhut des älteren Bruders Leander auf. Dieser war seit 578 Erzbischof von Sevilla und leitete maßgeblich die Konversion der Westgoten vom Arianismus zur römischen Kirche (589) ein; -> Gregor d. Gr., seit einer Begegnung in Byzanz mit ihm lange Jahre schon befreundet, widmete ihm 595 die 'Moralia in Job'. Nach

I. Isidor war in seiner Zeit der größte Gelehrte der lateinischen Welt. Sein CEuvre, das sich ebenso auf sämtliche Artes einschließlich der Geschichtsschreibung wie auf Bibelstudium, theologische Lehre und Fragen des kirchlichen Lebens erstreckt, galt der geordnet und handlich instruierenden Weitergabe klassischer und christlicher Bildung im westgotischen Spanien. Es ist kein forschendes oder inhaltlich neuerndes, sondern ein bewahrendes Werk, so auch in fast allen seinen Teilen kompiliert und vorwiegend kompendiös angelegt. Im sachlichen Umfang universal und in der Art der Vermittlung didaktisch entgegen-

A. Leben.

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kommend, war es wie geschaffen, I. auch für den kulturellen Neubeginn des Abendlands in karolingischer Zeit zum einflußreichsten, in seiner Art konkurrenzlosen Lehrer zu machen. Von vornherein förderte und festigte es dabei, voran durch die 'Etymologiae', maßgeblich die mal. Fixierung auf die Buchgebundenheit alles Weltwissens. FONTAINE hat den 'caractere pangrammatical' das beherrschende Merkmal in I.s Denken genannt, ihn als ein grundlegendes Erklärungs- und Ordnungssystem analysiert, das auf den vier Kategorien der antiken Grammatik beruhe, die I. in den 'Etymologiae' (I 28 — 31) erläuterte, auf Analogie, Etymologie, Glosse, Differenz. Etymologie, verstanden als ueriloquium (vgl. ENGELS, 1962) und damit als Erkenntnisweg von den verba zu den res, von der Bezeichnung zum Wesen, ist eine das MA prägende Denkform geblieben, wenngleich seit den Neuerungen der Grammatiktheorie im 12. Jh. (Petrus Helie) auch Begriff und Methode der Etymologie sich deutlich wandelten (R. KLINCK).

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I.s Schüler und Freund Braulio, Bischof von Saragossa, der seinen Nachlaß betreute, hat auch ein Werkverzeichnis I.s angelegt, die 'Renotatio librorum Isidori' (PL 82, Sp. 65—68; beide Redaktionen bei C. H. LYNCH /P. GALJNDO, S. Braulio obispo de Zaragoza, Madrid [1950], S. 357-361); es nennt 17 Titel, die als authentisch zu gelten haben, verweist danach aber summarisch noch auf weitere opuscula. DE ALDAMA hat 1936 Braulios 'kanonisches' Verzeichnis — mit einer Abweichung, der irrigen Ergänzung um 'De ordine creaturarum' (s. u. C. VI.1.) — bestätigt und zugleich den Nachweis zu führen versucht, daß I.s Schriften in Braulios 'Renotatio' chronologisch angeordnet seien.

rung nahm, vielleicht noch zu I.s Lebzeiten (vgl. BISCHOFF, Mal. Stud. I, 1966, S. 180), früh ihren Weg auch nach Irland; sie erreichte von dort noch im 7. Jh. englische Skriptorien und auch Klöster auf dem Festland. Um 780 waren die meisten Werke I.s ebenso im insularen Bereich wie in Bibliotheken des Frankenreichs greifbar; in dessen östliche Teile (Fulda, Werden, Würzburg) waren Hss. im Zuge der angelsächsischen Mission gelangt. Die Ausbreitung der Überlieferung schon im späteren 8. Jh. über das gesamte Abendland hin läßt erkennen, daß I. damals bereits mit den Kirchenvätern und Beda zum Kreis der ersten Autoritäten zählte. Die Überlieferung stieg nach 800 mächtig an. In den karolingischen Bibliotheken hatte I.s CEuvre, wie man den erhaltenen Katalogen der Zeit entnimmt, eine herausgehobene Stellung (vgl. BISCHOFF, S. 188 f.; K. CHRIST, Die Bibl. d. Klosters Fulda im 16. Jh., 1933, S. 82—84). Ausgiebigste Aneignung fand es in den Schriften des -> Hrabanus Maurus. Die Verbreitung, die es im 9. Jh. besaß, hielt es weitgehend bis ins hohe MA; sie ist regelmäßig faßbar in der gelehrten Kommentar-Literatur (Remigius von Auxerre, Johannes -> Scotus Eriugena, ->· Notker III. von St. Gallen, Arnulf von Orleans u. a.). Im späteren MA konnte es zwar den neuen wissenschaftlichen Ansprüchen und Arbeitsweisen nicht mehr genügen — das Artesstudium an den Universitäten und die Schultheologie kamen ohne eigene I.-Rezeption aus —, doch blieb es bis in den frühen Buchdruck zumindest in einem Kernbestand — 'Etymologiae', 'Sententiae', 'Synonyma' — weithin präsent. Die Heuristik der insgesamt gewaltigen Überlieferung ist noch für keine der Schriften geleistet. Vollends unüberschaubar ist die Exzerptüberlieferung, die schon im 8. Jh. einsetzte.

2. I.s Schriften hatten in Spanien von Anbeginn weite Verbreitung. Erste Spuren einer außerspanischen Rezeption sind die Erweiterung der 'Chronica' bereits um 624 im Frankenreich und ihre Exzerpierung 625 in Norditalien. Die hs.liehe Überliefe-

Ältestes Beispiel eines in Deutschland entstandenen Florilegs mit I.-Exzerpten ist das 'Freisinger Florileg' des Iren oder Angelsachsen Perigrinus aus der zweiten Hälfte des 8. Jh.s (München, clm 6433, 24v-48r; Ausg. von A. LEHNER [CC ser. Lat. 108 D], Turnhout 1987, S. 3-39), ein 'aszetisches Taschenbuch' (LEHNER) aus Bibelstellen und Dicta

II. U m r i s s e der Ü b e r l i e f e r u n g und der l a t e i n i s c h e n R e z e p t i o n . 1. Die Diskussion um eine gesicherte Bestimmung des Gesamtoeuvres I.s ist ebenso wie die der Chronologie der Werke nicht abgeschlossen.

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der Väter, unter denen I. am häufigsten begegnet. Zur Präsenz I.s in mal. Florilegien vgl. auch die 'Auctoritates patrum' im clm 7797, 69 r —76" (12. Jh.). Zu seinem Auftreten in mal. Exzerpthss. vgl. das um 1106 in Regensburg entstandene 'Notizenbuch' in clm 17142, 83V-143V (Ausg. von A. EBEL, Clm 17142. Eine Schäftlarner MiscellaneenHs. d. 12. Jh.s, 1970, S. 48-132). Im SpätMA behauptete I. vor allem im Bereich monastischer Spiritualität und Lehre seine Geltung (s. auch u. C. I.2.B.—c.). In dem Florilegium 'Sententiae doctorum' des Zisterziensers -> Christan von Lilienfeld (Lilienfeld, Stiftsbibl., cod. 137, 176ra-191vb, um 1300) ist er mit zwei Spalten stärker vertreten als Augustin, Bernhard von Clairvaux und jeder andere. In dem geistlichen Sachlexikon 'Auctoritates secundum quod dixerunt Sancti et Doctores' (München, clm 8257, lr-187r, 15. Jh.), das seine alphabetisch geordneten Rubriken (Anima, Angelorum suffragiutn, Apostolus usf. bis Voluntas) mit Exzerpten aus Schriften der Väter und mal. Lehrer füllt, folgt I. in der Anzahl der Exzerpte (41) Augustin. Dagegen beschränkte der Dominikaner -> Vinzenz von Beauvais im 'Speculum historiale' die Dokumentation I.s auf 4 Kapitel, während Hieronymus hier 69 und Gregor d. Gr. 77 Kapitel erreichen. Gesonderte auctoritates beati Ysidort ex libris eius excerpte enthält der cod. A 19, 6 V —8 V (15. Jh.) des Statni Archiv Trebon (ehem. Wittingau).

Unmeßbar vieles ist schließlich mittelbar, als Exzerpt bei anderen Autoren, tradiert und genutzt worden, etwa durch die großen neuen Kompilationen des 12. Jh.s, das 'Decretum Gratiani' (nahezu 100 Auszüge), den Sentenzenkommentar des -> Petrus Lombardus, die 'Historia scholastica' des ->· Petrus Comestor [NB], noch im 13. Jh. durch die naturkundlichen Enzyklopädien des -> Thomas von Cantimpre und des -> Bartholomaeus Anglicus und die 'Specula' des -»· Vinzenz von Beauvais. Die Anreihung von Pseudo-Isidoriana, die das ganze MA hindurch wuchs, begann bereits im 7. Jh., anscheinend zuerst im insularen Bereich (s. u. C. VI.). Italienische Humanisten haben erstmals jede weitere Rezeption I.s verweigert. Poggio (Epistulae, hg. v. H. HARTH, Bd. l, Firenze 1984, S. 116) apostrophierte ihn als einen Vertreter rein amtskirchlicher Tradition; Lorenzo Valla ('Elegantiae', Prooemium) identifizierte sein Werk mit toter Gelehrsamkeit und dem Anfang des Niedergangs der lat. Sprache.

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G e s a m t a u s g a b e n erschienen zuerst 1601 in Paris und 1617 in Köln. Die Ausgabe von F. AREVALO, S. Isidori Hispalensis episcopi Opera omnia, 7 Bde, Rom 1797-1803, die auch heute noch als vorzüglich gilt, ist wiederholt in PL 81 — 83. Für die Mehrzahl der Schriften ist sie durch Einzelausgaben ersetzt.

3. I.s CEuvre hatte im MA weltbildprägende Bedeutung. Es war wie kein anderes vor der Aristoteles-Rezeption des 13. Jh.s für alle Bereiche des Wissens Mittler und Fundstätte zahlreicher Grundvorstellungen und Lehrmeinungen, war erste Instanz als Quelle von Definitionen, von Herkunftsbestimmungen und Etymologien. Dies kann hier nur mit wenigen Hinweisen illustriert werden. Zuerst I. hat den Theologen -» Augustinus über alle anderen gestellt (Versus in bibl. 5,6). Durch Etym. I 42,1 erhielt Pseudo-Dares als Autor der 'Historia de excidio Troiae' die Stellung des ersten Profangeschichtsschreibers. Die zwei ersten Distinktionen des 'Decretum Gratiani', die das 'wichtigste Dokument der allgemeinen Rechtslehre des HochMAs' (MAYER-MALY, S. 490) bilden, sind Etym. V 2—6 entnommen. Maßgebliche, auch immer wieder neu herangezogene Ausgangsquelle der Elementen- und Qualitätenlehre waren im MA I.s Abrisse Etym. IV 5,1-7 (De quattuor bumoribus corporis) V 35,1 (De temporibus anni), De nat. rer. 11 (De partibus mundi] einschließlich ihrer RadDiagramme. Das von I. fixierte literarische Gattungssystem (Etym. VIII 7,1 — 11) blieb repräsentativ bis ins frühe 12. Jh. (KINDERMANN, 1989). In den 'Synonyma' (II 71) ist der locus classicus wider das Laster der Curiositas formuliert. Der 'Ubi sunt'-Topos geht zurück auf 'Synonyma' II 91 (Die, ubi sunt reges? übt principes? übt imperatores? ubi locupletes rerum? ubi potentes saeculi? ubi divites mundi? ...; die Stelle begegnet auch als Zitat, z. B. im 'Speculum aureum animae peccatricis', c. l, des Jacobus van Gruitrode). Daß die Suevi (Schwaben) nach einem mons Suevus heißen, berichten nach Etym. IX 2, 98 lat. und dt. Chroniken des MAs ( u . a . -> 'Annolied' v. 287 f.; -> 'Kaiserchronik' v. 289 f.; Jans -» Enikel v. 21076).

C. Die e i n z e l n e n S c h r i f t e n . I.s Schriften lassen sich verschiedenen Sachbereichen zuordnen (vgl. FONTAINE, 1991), ohne freilich stets auf diese beschränkt zu sein. Eine danach sich anbietende Gliederung des CEuvre ist im folgenden zugrundegelegt.

I. G r a m m a t i k und Artes. 1. ' D i f f e r e n t i a e ' . Von den zwei Büchern der 'Differentiae', der vielleicht ältesten Schrift I.s, ge-

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hört das 1. Buch (differentiae verborum) dem unter dem gleichen Titel bekannten grammatikalischen Genus an, das der Synonymik (hier außerdem der Unterscheidung und Erklärung gleich oder ähnlich lautender Wörter) gewidmet ist. Die nach CODONER (1984/85) ursprünglich 482 Lemmata (bei AREVALO [PL 83]: 610) umfassende und thematisch geordnete Sammlung, die christlichen Wortschatz bevorzugt, wurde schon früh (Rom, Cod. Vat. lat. 3321, 8./9. Jh.) interpoliert und alphabetisch redigiert. Das kleinere 2. Buch (differentiae rerum), von dem vieles in den 'Etymologiae' wiederkehrt, erläutert in 40 Kapiteln und 170 Abschnitten (AREVALO), beginnend mit der Trinität, begriffliche Unterscheidungen und Ordnungen vornehmlich der Welt des christlichen Wissens. Ü b e r l i e f e r u n g . Die umfangreiche, naturgemäß sehr Variante Überlieferung ist bisher nur sehr unvollständig recherchiert. Vgl. DIAZ Y DIAZ, Index, Nr. 101. Zur Struktur der älteren Überlieferung CODONER, 1984/85, u. Ausg., S. 42-79, 82. A u s g a b e n . PL 83, Sp. 9-98 (Buch I alphabetisch); C. CODONER, Isidoro de Sevilla, Diferencias, libro I, Paris 1992 (nicht-alphabetisch).

2. ' S y n o n y m a ' ('Soliloquia', 'Lamentatio animae peccatricis'). Dem Titel gemäß ergeht sich die Schrift stetig in mehrfachen synonymischen Variationen einzelner Sätze; inhaltlich ist sie eine Klage- und Trostschrift des in seine Sündhaftigkeit verstrickten Menschen. So bietet sie zugleich ein Schulwerk der Stilistik und eine Einführung in christliche Spiritualität. Im Zwiegespräch zwischen dem wehklagenden Homo und der aufrichtenden Ratio liegt das Gewicht des 1. Buches auf der Selbstanklage und Reue des zerknirschten Homo; im 2. Buch eröffnet ihm die Ratio durch eine Anleitung zum christlichen Leben den Weg der Rückkehr zu Gott. Das stilistische Anliegen der synonymischen Variation hat I. in einen insistierenden, durch steten Gleichlauf der Kola und Reimprosa charakterisierten Stil umgesetzt, der sich mit allen Tonarten des Buchs, der ausweglos klagenden, verloren

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suchenden, appellierenden, ermunternden, vereinbart. Ü b e r l i e f e r u n g . Mehr als 300 Hss. (nach eigener Sammlung), davon 12 des 8. und Fragmente eines Papyrus des 7. Jh.s (St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 226, p. 1-24, u. Zürich, Zentralbibl., cod. RP 5-6, l Bl.). Im Pariser ms. lat. 14086 (8. Jh.) ist die Reimprosa der 'Synonyma' durchgehend in Kola und Kommata gegliedert. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt im 14.715. Jh. in Deutschland. Die Überlieferung kennt von früh an zwei Prologe (inc. In subsequent! hoc libro und ine. Venit nuper ad manus meas); der erste stammt vermutlich von Braulio (FONTAINE, I. et la culture classique, Bd. 2, S. 818 Anm. 1). Vier Inkunabeldrucke. HAIN 9293-9295; F. R. GOFF, Incunabula in American Libraries, New York 1964, 1-208. A u s g a b e . PL 83, Sp. 825-868.

a) Die 'Synonyma' waren das Modell des Stilus Isidorianus (Reimprosa, Isokolie, synonymischer Parallelismus), eines der vier Prosastile (quattuor stili modernorum), die als Lehrstück anscheinend zuerst von Bernhard von Meung (um 1180) formuliert wurden und danach in mehreren Poetiken des 13. Jh.s erscheinen; vgl. T. LAWLER (Hg.), Johannes de Garlandia, Poetria Parisiana, New Haven/London 1974, S. 256-258. b) Nachhaltigen Einfluß haben die 'Synonyma' auf die mal. Gattung der Sündenklage ausgeübt; als engster Nachfolger ist in der Gesamtanlage der 'Paraclitus' des ->· Warnerius von Basel erkennbar. Sie waren mit Buch II eine bestimmende Quelle auch für christlich-asketische Lebenslehren (-> Adaiger, -> Albuinus Eremita), so noch in -*· Martins von Leibitz 'Trialogus de militia christiana' (Kap. 7—20 fortlaufend Auszüge aus Syn. II 34 — 91). c) Von den 'Synonyma' war im MA, vor allem im deutschen SpätMA, eine Vielzahl von Exzerptfassungen verbreitet. Nach den Daten der erhaltenen Überlieferung wurden die 'Synonyma' hier häufiger in ihren verschiedenen Kurzredaktionen gelesen als im Volltext. Sechs Exzerptfassungen, die jeweils wiederum stark variieren können, sind hervorzuheben: 1) 'Dialogus deflentis hominis et ammonentis racionis' (ine. Anima mea in angustiis est, cor

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meum fluctuat). Kurze Exzerptfassung der 'Synonyma' insgesamt, spätestens 12. Jh. (clm 7797). Die dialogische Anlage tritt in den Hss. durch fortlaufende Nennung der Sprecher Homo und Ratio hervor. Die Gliederung der 'Synonyma' in zwei Bücher ist indes aufgehoben. Die Exzerption ging teilweise in Sätzen vor sich, meist aber in freierer Kompilation kleinerer Textelemente, die auch synonymisch abgewandelt auftreten können. Ü b e r l i e f e r u n g . Augsburg, ÜB, cod. 11.1.2° 47, 120rb-123rb, um 1460; Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. oct. 28, 348r-351v, Mitte 15. Jh.; Graz, ÜB, Ms. 578, 91r-93r, Mitte 15. Jh.; Hildesheim, Dombibl., Hs 674, 365va-366va, v. J. 1434; Köln, Stadtarchiv, cod. W 146, 82V-85V, 14. Jh.; München, cgm 778, 131V-133V, 15. Jh.; clm 7797, 29V-34V, 12. Jh.; clm 24856, l r -4 r , 15. Jh.; Olmütz, Stätni Vedecka Knihovna (Wiss. SB), cod. M II 220 (327), 311v-313r, 1. H. 15. Jh.; Oxford, Bodl. Libr., MS. Bodl. 110, 106v-lllr, Anf. 15. Jh.; Salzburg. St. Peter, cod. b III 39, 214V-217V, Mitte 15. Jh.; Uppsala, ÜB, cod. C 26, 194r-198v, frühes 15. Jh. 2 a) 'De novae vitae institutione' (ine. Dilecte fili, dilige lacrimas; expl. quibus adimpletisque legis verbis vitam aeternam assequeris). Weitverbreiteter kurzer Exzerptauszug aus 'Synonyma' II 24—52, häufig dem Spanier Valerius von Pedro Monte (f695) zugeschrieben. Ü b e r l i e f e r u n g . Nach ROBLES CARCEDO, 1971, S. 15, 175 Hss. des 11. bis 15. Jh.s. A u s g a b e . PL 87, Sp. 457f. 2 b) Neben 'De novae vitae institutione' ist mit dem gleichen Incipit ein zweiter, noch kürzerer Auszug überliefert (expl. ne quod legende miraris vivendo contemnas ... te ut filium nos diligimus), der in der Überlieferung häufig unter dem Namen des Ambrosius geht. Ausgabe: PL 17, Sp. 827— 830. 3) 'De norma vivendi' (inc. Age, fili, ut oportet, age ut decet). Die Exzerption setzt am Ende von Buch I der 'Synonyma' (c. 76) ein, beschränkt sich im übrigen aber dem Titel gemäß, der II 100 entnommen ist, ganz auf Buch II. Nach Ausweis der ältesten Hss. und einer auffälligen böhmischen Überlieferungsdichte könnte die Schrift im 14. Jh. in einem böhmischen Kloster (Zisterzienser?) entstanden sein. Ü b e r l i e f e r u n g . Mindestens 65 erhaltene Hss. (nach eigener Sammlung). Die ältesten: Ossegg (Osek), Stiftsbibl., cod. 31, 34r-36v, 1. H. 14. Jh.; Prag, Archiv Prazkeho Hradu (Metropol.kap.bibl.), cod. B. LXXVIII, 126r-134v, 1. H. 14. Jh.; ebd., cod. C. LV.l, 184v-186r, 14. Jh., u. cod. E. LXX,

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55"-58r, 14. Jh.; Prag, Narodni Knihovna, cod. I. F.13,72V-76V, 14. Jh., u. cod. V. D.2,117V-119V, 14. Jh.; Preßburg (Bratislava), Kapitulskä Kniznica, cod. 82, 47vb-50ra, v.J. 1384/85; Preßburg (Bratislava), ÜB, cod. 1205, 184ra-186va, v.J. 1377; Wien, cod. 1039, 79v-87r, 14. Jh.; Wien, Schottenstift, cod. 182 (olim 51-e.lO; Kat. HÜBL Nr. 132), 164r-166r, v.J. 1398; Wilhering, Stiftsbibl., cod. 25,153r-154v, 14. Jh. D r u c k e . HAIN 9299, 9300 u. 10273. A u s g a b e . PL 83, Sp. 1247-1252. Danach Parallelabdruck mit Nr. 2 a) und 2 b) bei ROBLES SIERRA, S. 329-357. 4) 'Tractatus ad instaurationem bonae vitae' (ine. Dilecte fili, dilige lacrimas). Verbindung der Exzerptfassungen Nr. 2) und Nr. 3). Verschiedene Redaktionen (mit gleichem Incipit und Explicit). Alle schließen mit einem Anhang über Kontemplation in Fasten und Gebet. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 23,324va-326rb, 1. H. 15. Jh.; Cambridge, Corpus Christi College, MS. 524, 74V-77V, 14./15. Jh.; Chalons, Bibl. mun., ms. 46, 121r-125r, 11. Jh.; Göttingen, SB u. ÜB, cod. theol. 150, 48r-50v, v. J. 1368; Hannover, StB, Ms. Mag. 21, 1. V. 15. Jh., 37r-40r; Kopenhagen, Kgl. Bibl., Gl. Kgl. S. 3400 8°, 188r-198r, 15. Jh.; München, clm 15558, 189V-191V, v.J. 1462; clm 23797, 29ra31rb, 1. H. 15. Jh.; Prag, Archiv Prazkeho Hradu (Metropol.kap.bibl.), cod. B. LV, 377v-381r, Mitte 15. Jh.; Uppsala, ÜB, cod. C 208, 12r~v, 14. Jh.; Wien, cod. 4406, 466v-468r, 15. Jh.; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 272 Heimst., 10v-12r, 15. Jh.; Würzburg, ÜB, cod. M.ch.q. 157, 104" 109r, 15. Jh. Mindestens zehn weitere Hss. 5) Die ps.-anseimische 'Exhortatio ad contemptum temporalium' (inc. Quid agis, o homo) ist zu zwei Dritteln, durchweg wörtlich, aus Buch II der 'Synonyma' kompiliert; die Auswahl des Kompilators, der auch einzelne Praecepta der Benediktregel (Prolog, c. 4 u. 7) heranzog, folgte deutlich monastischen Interessen (BuLTOT). Ü b e r l i e f e r u n g . Sechs Hss. des 14. u. 15. Jh.s bei BULTOT, S. 338. A u s g a b e . PL 158, Sp. 677-686. 6) 'Speculum bene vivendi' (ine. Scito, homo, te ipsum). Abbreviatur von Buch II der 'Synonyma', schwerlich einem Laienpublikum (GOOSSENS) zugedacht. Das kleine Werk entstammt nach Ausweis der Dubliner Hs. spätestens dem 13. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, SB, Msc. Theol. 123 (B. VI.17), 133v-135r, 15. Jh., vermutl. unvollst.; Breslau, ÜB, cod. I F 220, 211V-213V, 1. H.

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14. Jh.; Brüssel, Bibl. Royale, ms. 11915-11919, 301r-309r, v.J. 1526; Dublin, Trinity College, MS. 97, 203V-205V, 13. Jh.; Mainz, StB, Hs I 62, 22 va -28 ra (hier als 4. Buch von -> Innozenz' III. 'De miseria humanae conditionis'), 1. H. 15. Jh.; ebd., cod. I 192, 34v-41r, 15. Jh.; Trier, StB, cod. 1868/1493 8°, 21v-24r, 15. Jh. A u s g a b e . J. GOOSSENS, Het anonieme Speculum bene vivendi [...], in: Serta devota in memoriam G. Lourdaux, Löwen 1995, S. 451—466, hier S. 461—466 (nach der späten Brüsseler Hs., ohne Kenntnis der übrigen).

3. 'De n a t u r a r e r u m ' . Kosmographisches Handbuch in 48 (47) Kapiteln, 613 verfaßt, gewidmet König Sisebut (612 — 620). Ausgehend von der Einteilung der Zeit (Tag, Woche, Monat usf.), handelt es über Firmament und Gestirne, Witterung, Meer, Land u. a. Die Schrift ist, wie I. selber angibt, ganz eine Kompilation aus antiken und patristischen Quellen (... secundum quod a veteribus viris ac maxime sicut in litteris catholicorum scripta sunt), die meist auch im Wortlaut exzerpiert sind. Drei Redaktionen: Die 'kurze' (ohne c. 44 u. 48) und die 'mittlere' (ohne c. 44), beide mit einem Briefgedicht König Sisebuts verbunden, stammen von I. selber. In der 'langen' Redaktion sind c. 44 und ein Einschub in c.l interpoliert; sie ist irischen Ursprungs und war über den insularen Bereich hinaus früh auch auf dem Festland verbreitet (BISCHOFF, 1966, S. 184 ff.). Ü b e r l i e f e r u n g . Mehr als 80 Hss. allein des 7. —12. Jh.s (FONTAINE, Ausg.). Ein Inkunabeldruck: Augsburg 1472 (HAIN 9302). A u s g a b e n . PL 83, Sp. 963-1018; J. FONTAINE, Isidore de Seville, Traite de la nature, Bordeaux 1960 (mit frz. Übers.). Den Fall einer Rezeption in einer thematisch organisierten dt.-lat. Sammelhs. bietet die Petroneller 'Circa instans'-Hs. (um 1482, -> 'Petroneller Kräuterbuch').

4. ' E t y m o l o g i a e ' ('Origines'). Die 'Etymologiae', begonnen auf Veranlassung König Sisebuts (f 621) und in einer ersten Fassung ihm gewidmet, sollten der westgotischen Führungsschicht kompen-

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diös das klassische und christliche Bildungswissen erschließen. Sie waren noch unvollendet, als I. um 633 seinem Freund Braulio, der das Werk seit Jahren erbeten hatte, das Manuskript zur Durchsicht übersandte, und sie blieben es. Die gesamte Überlieferung geht auf die abschließende Fassung zurück, die Braulio nach I.s Tod besorgte; die auffälligste Maßnahme des Redaktors war die Einteilung in 20 Bücher. Sachgebiete der 20 Bücher: I: Grammatik. II: Rhetorik und Dialektik. III: Quadrivium. IV: Medizin. V: Recht. Zeit und Geschichte. VI: Kanon der hl. Schriften. Kirchenjahr, Liturgie. VII: Lehre von Gott und den Engeln. Die Väter des AT, die Christenheit von den Aposteln an. VIII: Ecclesia und Synagoge, Häresien, heidnische Welt (Philosophen, Götter). IX: Sprachen, Völker, Reiche. Militärische und zivile Ämter. Verwandtschaft. X: Vokabular. XI: Der Mensch (Seele und Leib), Lebensalter, mißgebildete Geschöpfe (monstra). XII: Zoologie. XIII: Kosmographie, Metereologie, Gewässer. XIV: Geographie. XV: Städte und ihre Gründer. Architektur. XVI: Steine und Metalle. XVII: Ackerbau. XVIII: Kriegsführung, Waffen. Öffentliche Spiele. XIX: Schiffahrt. Handwerke. XX: Speisen und Getränke. Hausrat. Ü b e r l i e f e r u n g . Eine umfassende und kritische Sichtung der Überlieferung fehlt. CATON, 1966, verzeichnet 967 Hss., Fragmente u. Auszüge des 8.-16. Jh.s. D r u c k e . Acht Inkunabeldrucke, davon vier deutsche; Editio princeps: Augsburg 1472. HAIN 9270-71, 9273-75, 9277, 9279-80. A u s g a b e n . PL 82; W. M. LINDSAY, 2 Bde, Oxford 1911 u. ö. Eine neue, von J. FONTAINE geleitete Ausg. (separate Ausg.n der einzelnen Bücher in freier Folge, mit Übers, u. Komm.) erscheint seit 1981 in der Pariser Reihe 'Auteurs Latins du Moyen Age'. Es liegen vor: Buch II, hg. v. P. K. MARSHALL, 1983, 21993; Buch IX, hg. v. M. REYDELLET, 1984; Buch XII, hg. v.J. ANDRE, 1986, 2 1993; Buch XVII, hg. v.J. ANDRE, 1981, 21993; Buch XIX, hg. v. M. RODRIGUEZ PANTOJA, 1995. Buch XIII, hg. v. P. GASPAROTTO, angekündigt für 1997, ist nicht erschienen.

Das enzyklopädische Werk, unvergleichliche Wissensquelle, 'Grundbuch des ganzen Mittelalters' (CuRTius, S. 487), hatte eine breite und beständige mal. Rezeption wie kein anderes Werk der Antike und Spätantike. Die Formen der Rezeption rei-

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chen von gesamthafter Aufnahme bis zu einer unüberschaubar verstreuten Fülle partikulärer Lesefrüchte. Hier kann nur Hauptsächliches und beispielhaft weniges weitere genannt werden. a) Enzyklopädische Rezeption. -» Hrabanus' Enzyklopädie 'De rerum naturis' (PL 111; nach 842) ist eine Umarbeitung der immer wieder auch im Wortlaut wiederholten 'Etymologiae'. Ohne ihrer Vorlage neue Belehrung in den Sachen hinzuzufügen, unterscheidet sie sich von ihr durch einen von Grund auf veränderten Werkaufbau: Mit dem Schöpfer, den Engeln, AT und NT und der Kirche statt mit den Artes beginnend, ordnet sie in 22 Büchern (analog zu den 22 Büchern des AT, vgl. PL 111, Sp. IOC) ihre Themen von oben nach unten, von Gott absteigend zum Menschen und seiner Welt. Zum zweiten hat Hraban in seinem Weltbuch die Beschreibung der Dinge um ihre allegorische Auslegung erweitert. Beide Maßnahmen transformierten I.s Summe der Wissenstradition in eine von einem Weltbild getragene Enzyklopädie. — Die 'Etymologiae' waren die nahezu durchgehend benutzte Standardquelle auch des -> 'Summarium Heinrici'; es folgte ihnen häufig selbst in der Gliederung nach Büchern und Stoffen. Das Werk des nicht näher bekannten Autors darf als ihr wohl wirkungsvollster Weitervermittler in Deutschland seit dem späten 11. Jh. gelten. Der 'Liber floridus' des Lambert von St. Omer (nach 1120) beruht namentlich in den naturkundlichen Teilen, doch auch in dem Abschnitt über historische Zeitrechnung auf den 'Etymologiae'. Mit zahlreichen Definitionen und wörtlichen oder abgewandelten Exzerpten kehren sie ebenfalls in -*· Hugos von St. Viktor 'Didascalicon' (bes. II l, III 2, IV 2-16) wieder. -» Konrad von Mure ordnete im ersten, grammatikalisch-lexikalischen Hauptteil seines 'Novus Grecismus' das Material nach dem 1. Buch der 'Etymologiae'; für den kleineren zweiten Hauptteil, der Realienkunde vermittelt, nutzte er I. vielfach als stoffliche Quelle.

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b) Geographie. I.s Ökumenebeschreibung (Etym. XIV 2), die sich ihrerseits stark an Augustin (De civ. XVI) anlehnt, ist in mal. Hss. der 'Etym.' häufig mit einer kartographischen Darstellung des im Text Berichteten (T-Karten, Noachidenkarten) versehen. Die Überlieferung kartographischer Dokumente des MAs setzt überhaupt erst mit der 'Etymologiae'-Überlieferung ein. Ebenso enthält die Editio princeps der 'Etymologiae' (Augsburg 1472) die erste gedruckte Weltkarte, eine geostete Radkarte, die in den sieben weiteren Inkunabeln der 'Etymologiae' nachgedruckt wurde. Die 'Etymologiae' sind die Hauptquelle der Kosmographie des -» Aethicus Ister [NB]. — Dem 12. Jh. entstammt eine anonyme auswählende Versifikation von Etym. XI l,6-XII 7,65, die sich als Lehrgedicht über mißgestaltete Völker und exotische Tiere liest (HÜNEMÖRDER). Etym. XII ist ausgiebig auch in ->· 'Quid suum virtutis' [NB] benutzt worden. c) Lexikographie. Isidors sprachliche Etymologien sind, vornehmlich über die 'Panormia' des Osbern von Gloucester, zahlreich in die beherrschenden Werke der mal. Lexikographie des 12. —15. Jh.s (Hugucio von Pisa, Johannes Baibus de Janua) eingegangen. Neu zog die 'Etymologiae' der in der 1. Hälfte des 15. Jh.s vor allem in Norddeutschland verbreitete 'Vocabularius -» Brevilogus' heran. Ein alphabetisch geordneter Auszug aus 'Etym.' X ist Teil II des 'Vocabularius rerum' des Wenzeslaus -> Brack. d) Grammatik. Die Verwendung I.s im grammatikalischen Schrifttum ist bis ins hohe MA selbstverständlich. Noch der Anonymus der 'Aurea grammatica' (HAIN 7859) eröffnete um 1485/90 seine Vorrede mit I.s Definition der Grammatik (Etym. I 5,1). -> Hugo von St. Victor übernahm in sein Lehrbuch 'De grammatica' erhebliche Teile der Grammatik-Kapitel der 'Etymologiae' (vgl. R. BARON [Hg.], Hugonis de S. Victore Opera propaedeutica, Notre Dame [Ind.] 1966, S. 161 f.). Die Beschrei-

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bung der Artes im 'Dialogue super auctores' -> Konrads von Hirsau stützt sich ganz auf Etym. II—III. Der 'Mythographus Vaticanus hat sein euhemeristisches Prooemium zum größeren Teil wörtlich aus Etym. VIII 11,1—4 gezogen. II. B i b e l s t u d i u m .

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(insgesamt 3 Hss. des 12.—15. Jh.s, alle anonym) und auf die ebenso ungewöhnliche Quellenlage — Benutzung des Martianus Capella, der sonst bei I. nicht begegnet — hinwies. Die spezifische sachliche Nähe des 'Lib. num.' zu L, der als Sinn der Arithmetik angab, Hilfsmittel der Zahlenallegorese zu sein (Etym. III 4,1), bleibt unstrittig bestehen. Ausgabe. PL 83, Sp. 179-200.

1. ' L i b e r p r o o e m i o r u m ' ('In libros veteris et novi testamenti prooemia'). Kurze Einführungen in Inhalt und Bedeutung der Bücher des AT und NT.

4. ' A l l e g o r i a e sacrae s c r i p t u r a e ' . Revue von 250 biblischen Gestalten unter dem Gesichtspunkt ihrer allegorischen oder typologischen significatio.

Ü b e r l i e f e r u n g . Die älteren Hss. bei DIAZ DIAZ, Index, Nr. 102.

Ü b e r l i e f e r u n g . Die älteren Hss. bei DIAZ DIAZ, Index, Nr. 109.

D r u c k in: Hieronymus, Opera, Venedig 1497 (HAIN 8581). A u s g a b e . PL 83, Sp. 155-180.

2. 'De o r t u et o b i t u p a t r u m ' . Kurze Würdigungen und Lebensabrisse von 64 Hauptgestalten des AT und 22 des NT. Ü b e r l i e f e r u n g . 27 Hss. des 8. —9. Jh.s bei CHAPARRO GOMEZ, Ausg., S. 53—74. Zwei Inkunabeldrucke: HAIN 9305 u. 8581 (Hieronymus, Opera). A u s g a b e n . PL 83, Sp. 129-156; C. CHAPARRO GOMEZ, Paris 1985 (mit frz. Übers, u. Komm.); J. CARRACEDO FRAGA, Liber de ortu et obitu patriarcharum (CG, Ser. Lat. 108 E), Turnhout 1996, S. 67*-131*.

->· Gottfried von Viterbo übernahm im 'Pantheon' (Red. C, Part. 13) aus I.s Schrift, c. 33 — 64, gekürzt sämtliche Viten der Propheten und anderer Figuren des AT von David bis zu den Makkabäern. 3. ' L i b e r n u m e r o r u m ' . Der 'Lib. num.', als zahlenexegetisches Werk von dem ps.-isidorischen 'Liber de numeris' (s. u. C. VI.2.) zu unterscheiden, stellt zu 26 verschiedenen Zahlen, die in der Bibel vorkommen, jeweils Dinge, Eigenschaften, Ereignisse, die in entsprechend gleicher Zahl auftreten, zusammen. Er galt lange als identisch mit dem 'Liber de numeris', den Braulio im Verzeichnis der Schriften I.s nennt (s. o. B. II.1.). Seine Echtheit steht in Frage, seit B. BISCHOFF 1958 (Mal. Stud. I, S. 277 f.) im Anschluß an C. LEONARDI auf die für I. ungewöhnlich späte und schmale Überlieferung

A u s g a b e . PL 83, Sp. 97-130.

5. ' Q u a e s t i o n e s in vetus testamentum'. Das nach den 'Etymologiae' umfangreichste Werk I.s, dessen Verfasserschaft allerdings als unsicher gilt, enthält, ganz auf der Grundlage der patristischen Exegese von Origenes bis zu Gregor d. Gr., vor allem aber Augustins, vornehmlich typologische und tropologische Auslegungen der wichtigsten Geschehnisse des Pentateuch und der weiteren geschichtlichen Bücher des AT. Ü b e r l i e f e r u n g . Die älteren Hss. bei DIAZ DIAZ, Index, Nr. 121. Ausgabe. PL 83, Sp. 207-424.

I.s 'Quaestiones' waren die am breitesten, mehr und mehr auch wörtlich genutzte Quelle von -> Wigbodos Oktateuch-Kommentar (nach 780), dem ersten offiziellen karolingischen Bibelkommentar. -> Alkuins 'Brevis expositio decalogi' (PL 100, Sp. 567-570; -> 'Zehn Gebote') ist zu erheblichen Teilen aus I.s Exodus-Kommentar (hier: 'De decem verbis', Sp. 301 — 303) exzerpiert. III. C h r i s t l i c h e Lehre und k i r c h l i ches L e b e n . 1. ' S e n t e n t i a e ' ('De summo bono'). Die 'Sententiae' lassen sich nach Aufbau, Methode, Inhalt als die erste Sentenzensumme des MAs betrachten und damit als ein typisch neues Werk. Die einzelnen Sententiae sind der autoritativen Tradi-

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tion, häufig Augustin und Gregor d. Gr. entnommene Sätze, an die sich Kommentare, auch weitergreifende Erörterungen knüpfen, die sich wiederum vornehmlich auf Augustin und Gregor stützen. Während Buch I vor allem dem christlichen Dogma gilt, konzentriert sich Buch II auf die christliche Lebensführung, Buch III auf pastorale und rechtliche Themen.

schen Lehre in Sammelwerke zur Verteidigung des christlichen Glaubens gegen Juden, Ketzer, Heiden aufgenommen, z. B. in den 'Judenteil' des -> Passauer Anonymus (vgl. PATSCHOVSKY, S. 184 f., 191 f.).

Turnhout 1998.

Ü b e r l i e f e r u n g . El Escorial, Bibl. del Monasterio, cod. R. II. 18, 62V-66V, 7./8. Jh.

3. 'De h a e r e s i b u s ' . Die erst 1936 entdeckte und als der von Braulio in seiner 'Renotatio' aufgeführte 'Liber de haeresibus' identifizierte Schrift charakterisiert in 64 kurzgefaßten Kapiteln Ü b e r l i e f e r u n g . Die 'Sententiae' stehen in der je eine Häresie. Eine abgewandelte kürzere Überl. häufig unter dem aus dem Incipit Summum Fassung bietet Etym. VIII 4—5. Von ihr aus bonum deus est abgeleiteten Titel 'De surnmo hat I.s Häresiologie weitere Verbreitung bono'. Das Verzeichnis von ROBLES, 1970, S. 80141, nennt 438 Textzeugen des 7. bis 16. Jh.s; einige erlangt. Sie ist Quelle u. a. bei Hrabanus weitere bei CAZIER, Ausg., S. LXI, Anm. 99. (De inst. cler. II 58), findet sich wieder im 'Liber de haeresibus' des ->· Honorius (PL D r u c k e . Mindestens 15 Inkunabeldrucke (u. d. 172, Sp. 233 — 240), ist autoritative Stimme T. 'De summo bono'), davon fünf deutsche und im 'Decretum Gratiani' (II c. 24, q. 3, can. sechs Pariser (HAIN 9277-9292, COP. 3325). 39) und noch beim Passauer Anonymus A u s g a b e n . PL 83, Sp. 537-738; P. CAZIER, Isi(PATSCHOVSKY, S. 98). dorus Hispalensis, Sententiae (CC Ser. Lat. 111), 2. 'De f i d e c a t h o l i c a contra ludaeos'. Der I.s Schwester Florentina gewidmete Traktat sucht im 1. Buch den Beweis der Göttlichkeit Christi gegen deren Leugnung durch die Juden zu führen. Inkarnation, Christi Leiden und Tod, Auferstehung und Himmelfahrt erscheinen als Erfüllungen alttestamentarischer Prophetien und Präfigurationen. Thema des 2. Buches ist die Berufung der Juden und Heiden zum Christentum: Nach dem Abfall der Juden von ihrer wahren Bestimmung werden an ihre Stelle als Gottesvolk die Heiden treten. Die Bekehrung der Juden soll nicht durch Gewalt, sondern durch Überzeugungsarbeit erreicht werden. Ü b e r l i e f e r u n g . Vgl. DIAZ Y D'IAZ, Index, S. 35 Nr. 113, u. OSTBERG, 1979, S. 352-365. Ein Inkunabeldruck: [Rom, um 1485] (HAIN 9306). A u s g a b e . PL 83, Sp. 449-538. Der dogmatische Traktat, der mit großen Teilen seines 1. Buches in die Predigtsammlung des Alanus von Farfa (f 770) einging, erhielt im ausgehenden 8. Jh. im Streit der karolingischen Theologie gegen die christologischen und trinitarischen Anschauungen der spanischen Adoptianer neue Aktualität. In der antihäretischen Polemik des späteren MAs wurde das 1. Buch als Abriß der katholi-

A u s g a b e . A. C. VEGA, S. Isidori Hispalensis episcopi de haeresibus liber (SS eccles. Hispanolatini veteris et medii aevi 5), El Escorial 1936, 2 1940. Korrekturen der Ausg.: V. BEJARANO, Algunes notas gramaticales al 'De haeresibus über' isidoriano, Emerita 26 (Madrid 1958) 65-76.

4. 'De e c c l e s i a s t i c i s o f f i c i i s ' . Der erste Teil ('De origine officiorum') handelt von den liturgischen Gebräuchen und Formen, der zweite ('De origine ministrorum') vom geistlichen Stand (Priestertum, Mönchtum), seinen verschiedenen Stufen und Ämtern, bezieht abschließend Jungfrauen-, Witwen- und Ehestand und Katechumenat (mit kurzer Glaubenslehre) ein. Ü b e r l i e f e r u n g . 61 Hss. des 7. —15. Jh.s bei LAWSON, Ausg., S. 19*-33*. A u s g a b e . PL 83, Sp. 737-826; C. M. LAWSON, S. Isidori episcopi Hispal. De eccl. officiis (CC, Ser. Lat. 113), Turnhout 1989.

In den Münchener Hss. clm 6325 (aus Freising) und clm 14461 (aus St. Emmeram) folgen dem Text von 'De eccl. off.' Weisungen (Haec sunt quae iussa sunt discere omnes ecclesiasticos] aus dem Anfang des 9. Jh.s, welche die Geistlichen u. a. zur Kenntnis von I.s Schrift verpflichten

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(MGH Capitularia reg. Franc. I, S. 235). Zusammen mit den 'Etymologiae' sind I.s Officia' in großem Umfang Quelle von Hrabans 'De institutione clericorum' (819), bes. des 1. und 2. Buchs. Auf I.s Schrift stützte sich schon der Hrabans 'De inst, cler.' unmittelbar vorausgehende Traktat 'De benedictionibus Dei' (PL 129, Sp. 1399-1436; zur Autorschaft vgl. B. BISCHOFF, Mal. Stud. II, 1967, S. 77 f.) und die Beschlüsse des Aachener Konzils von 816 zur Unterweisung des Klerus (MGH Cone. Aevi Karolini, Bd. l, Nr. 39). Weitere Zeugnisse früher Rezeption bei LAWSON, Ausg., S. 146* —159"". -» Konrad von Megenberg zog für den 2. Traktat von Buch III seiner 'Ökonomik', der dem geistlichen Stand und der Liturgie gewidmet ist, nach eigenen Worten vornehmlich die sententiae [...] Ysidori in libro suo De ecclesiasticis personis heran.

neue Gliederung des gesamten historischen Stoffes wurde in der Überlieferung bald auch auf die 'Chronica maiora' übertragen. Überlieferung. nennt bereits 90 Hss.

MOMMSEN,

S. 396—407,

Inkunabeldrucke der 'Chronica minora': HC 9303 u. HAIN 9304. A u s g a b e . TH. MOMMSEN, MGH Auct. ant. XI 424—481 (zusammen mit den 'Chronica minora').

Die isidorianische Sechsteiligkeit der Weltchronik gemäß den sex aetates mundi wurde, wesentlich über Bedas Lehrbücher 'De temporibus' (703) und 'De temporum ratione' (725/26), in der mal. Weltchronistik die übliche. Der Anonymus des -* 'Rudimentum noviciorum' [NB] (um 1475) war der letzte, der I. ausdrücklich als eine seiner Quellen nannte.

I.s 'Chronica' zählen zu den führenden Quellen der Weltchroniken u. a. des Ado von Vienne (um/ vor 870; PL 123, Sp. 23-138) und des Marianus Scottus (1082; MGH SS V 481-562), des 'Chronicon Wirziburgense' (nach 1050; MGH SS VI 17—32), das den Anfang der 'Chronica maiora' ausschreibt, der 'Imago mundi' des -» Honorius (um 1135; PL 172, Sp. 115-186), der Chronik des Petrus von Tours (1138; s. MGH SS XXVI 477 f.). Für die 'Annales Hildesheimenses' (um 1030/40; MGH SS rer. Germ. 8), die I.s Vorrede vorangehen Ü b e r l i e f e r u n g . DIAZ Y DIAZ, Index, Nr. 115. lassen, waren sie das maßgebliche Fundament. Das Reichenauer Hs.: Karlsruhe, Bad. LB, cod. Aug. 'Speculum regum' -> Gottfrieds von Viterbo ist XVIII, 19r, Anf. 9. Jh.; Abschrift davon durch Siegeine versifizierte Kompilation hauptsächlich von mund Lang OSB v. J. 1514: Augsburg, SB u. StB, Hieronymus' Chronik und I.s 'Chronica maiora'. 2° Cod 517, 98r-99r. Der Anonymus der -» 'Flores temporum' bemerkt in der Einleitung, daß er inter veteres Orosium et A u s g a b e . PL 83, Sp. 867-894. Dt. Übers, von Isidorum Ethimologiarum zugrundegelegt habe. K. S. FRANK, Frühes Mönchtum im Abendland I, Den Fortsetzungen der 'Flores temporum' (Red. II) 1975, S. 366-396. sind häufiger I.s Aetates-Listen angehängt.

5. 'Regula m o n a c h o r u m ' . Der auf asketisch-monastischer Tradition fußende Entwurf mönchischer Lebensform bestimmte zusammen mit anderen Mönchsregeln das klösterliche Leben in Spanien bis zu ihrer Verdrängung durch die Benediktregel im ./ll.Jh. Die 'Regula' I.s war jedoch im 9. Jh. auch auf der Reichenau bekannt.

IV. G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g . 1. ' Ch r on i ca'(Weltchronik). I.s 'Chronica (maiora)', die bis zum Jahre 615 reichen, sind Weltchronistik in den Bahnen des Eusebius-Hieronymus. Sie erhielten 627 eine geraffte Fassung ('Chronica minora'), die in die 'Etymologiae' (V 38—39) einging. Diese aber gliedert das im ganzen übernommene (dazu MOMMSEN, Ausg., S. 394 f.; VON DEN BRINCKEN, S. 93) chronistische Material erstmals nach den augustinischen sechs Weltzeitaltern. Die

2. 'De o r i g i n e G o t h o r u m ' ('Historia de regibus Gothorum, Vandalorum et Suevorum'). Geschichte der in Spanien seit 508 zum Staatsvolk aufgestiegenen (West-) Goten von ihrem ersten Auftreten unter Kaiser Valerian (253-260) (c. 4) bis zu König Svinthilas (624). Angeschlossen sind eine knappe Geschichte der Vandalen von 406 bis 535 (c. 71 — 84) und, noch knapper, eine Geschichte der Sueben (c. 85 — 92), die 585 im westgot. Reich aufgingen. Die Dar-

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Stellung beginnt mit dem Ursprung der Goten vom Stamme Magog aus der Linie des Noahsohns Japhet. Am Anfang steht eine ausgiebige Eloge Spaniens.

A u s g a b e n . PL 83, Sp. 893-914; G.B. FORD, The Letters of St. Isidore of Seville, Amsterdam 2 1970. Die Korrespondenz mit Braulio auch eingangs von LINDSAYS Ausg. der 'Etym.'.

Ü b e r l i e f e r u n g . 19 Hss. des 7.-15.Jh.s bei RODRIGUEZ ALONSO, Ausg., S. 123 — 135.

2. Vermutlich von I. verfaßte distichische Versus waren in der Wohnung und der Bibliothek des Bischofs angebracht. Die der Bibliothek zugewiesenen sind rühmende Epigramme auf einige antike Autoren, vornehmlich aber auf griechische und lateinische Kirchenväter. Die Verse sind öfter benutzt in späteren Bibliotheksgedichten, so in -* Theodulfs 'Praefatio bibliothecae' (c. XLI 1; MGH Poet. lat. I, S. 532-538).

A u s g a b e n . TH. MOMMSEN, MGH Auct. ant. XI 267—303; C. RODRIGUEZ ALONSO, La historia de los Godos, Vindalos y Suevos de Isidore de Sevilla, Leon 1975. - Dt. Übers, von D. COSTA (GdV 2. Fortsetzung, Bd. 10),31909.

3. 'De v i r i s i l l u s t r i b u s ' . Verfaßt um 615/618 als Fortsetzung der Schriftstellerkataloge des ->· Hieronymus und des Gennadius, mit denen I.s Schrift meist auch gemeinsam überliefert ist. Das 33 Kap. mit ebenso vielen Autoren zählende Opusculum erscheint erstmals in einer Hs. des 13. Jh.s in einer erweiterten, 46 Kap. und eine Praefatio umfassenden Redaktion, die aber sicherlich älter ist. I. führt über Hieronymus und Gennadius hinaus nur mehr lateinisch schreibende Autoren an, am zahlreichsten spanische. Ü b e r l i e f e r u n g . CODONER MERINO, S. 87103, verzeichnet 36 Hss. (kaum die Hälfte aller erhaltenen) des 9. —16. Jh.s. Ein Inkunabeldruck [Köln, um 1480], HAIN 8582. A u s g a b e n . PL 83, Sp. 1081-1106; G. VON DZIALOWSKI, Isidor u. Ildefons als Literarhistoriker, 1898, S. 3-80; C. CODONER MERINO, El 'de viris illustribus' de Isidoro de Sevilla, Salamanca 1964, S. 131-153.

In starker Kürzung seiner einzelnen Kapitel, erweitert aber um sieben Autoren, kehrt I.s Katalog als 3. Buch von Honorius' 'De luminaribus ecclesiae' (PL 172, Sp. 221 — 228) wieder. -> Sigebert von Gembloux und der Anonymus Mellicensis (-> Wolfger von Prüfening) kannten ihn nicht. Erst von -> Trithemius [NB] ('De script, ecclesiast.') wurde er wieder genutzt.

Ü b e r l i e f e r u n g . DIAZ Y DIAZ, Index, Nr. 123. A u s g a b e . BEESON, 1913, S. 157-166. VI. Pseudo-Isidoriana. Von den zahlreichen I. irrig zugeschriebenen Traktaten, Briefen, Predigten (vgl. DIAZ Y DIAZ, Index, Nr. 134, u. ROBLES CARCEDO; s. auch oben C. I.2.C.) seien hier nur wenige wichtige genannt. 1. 'De o r d i n e c r e a t u r a r u m ' . Die kleine kosmologische Schrift, die gegen das überwiegende Zeugnis der Überlieferung heute als unecht gilt, ist wahrscheinlich ein nach I.s Tod entstandenes Werk eines unbekannten irischen Autors. Ü b e r l i e f e r u n g . 25 Hss. des 8. — 15. Jh.s bei DIAZ Y DIAZ (Ausg.), S. 47-60. A u s g a b e . PL 83, Sp. 913-954; M. C. DIAZ Y DIAZ, Liber de ordine creaturarum. Un anonimo irlandes del siglo VII. Estudio y edicion critica, Santiago de Compostela 1972. 2. ' L i b e r de n u m e r i s ' . Ein 'Wegweiser durch das zahlengebundene Wissen und Denken des frühen Mittelalters' (B. BISCHOFF, Mal. Stud. Ill, 1981, S. 248), entstanden wahrscheinlich in der Umgebung des irischen Bischofs Virgil von Salzburg (f 784). Ü b e r l i e f e r u n g . Zehn Hss. des 8. —13. Jh.s bei R. E. McNALLY, Der irische Liber de numeris. Eine Quellenanalyse d. ps.-isidorischen Lib. de num., Diss. (masch.) München 1957, S. 2 f. u. 11-21.

V. B r i e f e und Verse. A u s g a b e . PL 83, Sp. 1293-1302, nach dem 1. Von elf Briefen, die I. zugeschrieben werden, gelten heute sieben — zwei amt- unvollst, cod. Vat. Reg. lat. 199. liche Briefe des Bischofs, fünf kurze Schrei3. 'De v e t e r i et novo t e s t a m e n t o q u a e ben an den Schüler und Freund Braulio — s t i o n e s ' . als echt. Hinzu kommen die WidmungsDer kleine katechetische, in 55 Fragen und Antbriefe zu einigen Schriften. worten abgefaßte Traktat wurde aufgrund des

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Alters und des Schriftcharakters des Codex unicus (Vat. Pal. Lat. 277, 94r-114v, 8. Jh.) von AREVALO (PL 83, Sp. 201) für echt erachtet, wird heute jedoch einem irischen, vielleicht um die Mitte des 8. Jh.s in Süddeutschland wirkenden Verfasser zugeschrieben.

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schiedener Körperteile (Hss. u. Ausg. BAESECKE, 1921; Ahd. Gll. III 432 ff. u. IV 356). III. Während I. mit den 'Etymologiae' bei Notker d. Dt. (z. B. in den RhetorikKapiteln der Boethius-Übersetzung [II A u s g a b e . PL 83, Sp. 201-208; R. E.McNALLY, 10 ff.]) oder in der -» 'Altdeutschen GeneScriptores Hiberniae minores I (CC Ser. Lat. 108 B), sis' (Erschaffung des Menschen, ParadieTurnhout 1973, S. 189-205. sesschilderung u. a.) noch zu den StanD. Rezeption in d e u t s c h e r Spra- dardquellen zählt, ist im hohen und späten MA, auch im dt. geistlichen und naturche. kundlichen Schrifttum, nur mehr mit mitI. Volkssprachige I.-Rezeption, die sich telbaren Rezeptionen I.s zu rechnen (so nicht aus zweiter Hand, sondern selbstän- schon in den -> 'Idsteiner Sprüchen der Vädig und unmittelbar an Schriften I.s voll- ter'), selbst dann, wenn — wie häufig in -> zog, ist im dt. MA deutlich und in beacht- Konrads von Megenberg 'Buch der Natur' licher Breite für die ahd. Zeit bezeugt, da- oder in -» Albrechts von Eyb 'Spiegel der nach bis ins 15. Jh. nur noch sporadisch Sitten' — I. mit Namen als Quelle angeführt und unsicher. So ist auch die einzige Über- wird (Konrad und Albrecht übernehmen setzung einer Schrift I.s, von der man aus ihren lat. Vorlagen Zitate samt den Naweiß, die um 800 im Lothringischen ent- men ihrer Verfasser). Als gelehrte und als standene Übersetzung von 'De fide catho- geistliche Autorität, zitiert meist in einem lica contra ludaeos' (-»· 'Althochdeutscher Ensemble anderer großer Namen mit ihren Isidor u. Monsee-Wiener Fragmente'); sie Dicta, bleibt I. gegenwärtig, etwa bei ->· gehört einem Corpus von volkssprach- Hugo von Langenstein ('Martina' 16,96; lichen Versionen an, welches vermutlich 51,90; 242,1), -»· Hugo von Trimberg ('Render karlischen Reformgesetzgebung zur ner' 15287-89, 18685-87, 19481, 20283), Glaubensunterweisung der Laien ver- Michel -»· Beheim (Nr. 71,379-381; Nr. pflichtet war. 187,70-75; Nr. 307,64-72), Seb. -» Brant II. Die Glossierung von Schriften I.s be- (Additiones zum 'Esopus', 1501, Nr. 5: ginnt, wie die dt. Glossierung im ganzen, Quam venalis sit iusticia [L, Sent. Ill 54,4]). in der 2. Hälfte des 8. Jh.s : Basel, ÜB, cod. Er kann auch mit seinem bloßen Namen als F III 15 f, 'Synonyma' (Ausg. von P. LEH- Autoritätsfigur verwendet werden, etwa, MANN, PBB 52 [1928] 169); München, clm zusammen mit Aristoteles, Albertus Mag6433, 'Synonyma'; clm 14166, 'Quaestio- nus und anderen Naturkundigen, als bestänes in vetus testamentum'), kommt aber tigende Instanz für das einmalige Wunder erst seit dem frühen 9. Jh. zu planvoll zu- der unbefleckten Empfängnis Marias (-* sammenhängenden Leistungen. Die drei Folz, Meisterlieder Nr. 75, 210) oder, zubair. Glossierungen von I.s 'De officiis sammen mit Ps.-Dionysius, für die Vorsteleccl.' (München, clm 6325, 14461 u. lung der Hierarchie der Engel (-»· Suchen19410; Ahd. Gll. II 341-347, IV 335), das wirt, Nr. 41, 1032). Vgl. auch RSM, Bd. 16, in karolingischer Zeit zum Kanon geistli- S. 127s. v. . . S.'. cher Bildung (s. o. C. III.4.) gehörte, gehen Als noch unersetzte Quelle betrachtete vermutlich auf ein fränkisch-fuldisches Heinrich -* Steinhöwel I.s ausführliches Original von ca. 805-812 zurück (UL- Kapitel über die Fabel (Etym. I 40); er RICH; BAESECKE, 1947). In -» Walahfrid übersetzte es, ergänzt durch Etym. I 44,5, Strabos Nachschrift eines auf Etym. XI l als Gattungseinweisung für seinen 'Äsop' basierenden Lehrvortrags Hrabans über (ÖSTERLEY, S. 5 f.). den Aufbau des menschlichen Körpers, die L i t e r a t u r . Werkverzeichnisse und Bibliograer 826 — 829 während seines Aufenthalts in phie: M. C. DIAZ DIAZ, Index scriptorum LatinoFulda anfertigte, sammelte sich ein fülliges rum medii aevi Hispanorum, Bd. l, Salamanca Glossar von 63 dt. Bezeichnungen ver- 1958, S. 28-47; FONTAINE, 1959, 21983, S. 889-

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926 u. 1193-1233; Rep. font., Bd. 6, Rom 1990, S. 456—460; E. DEKKERS, Clavis patrum Latinorum, Steenbrugge 31995, S. 398-413. - Letzter Forschungsbericht: J. N. HILLGARTH, The Position of Isidorian Studies. A Critical Review of the Literature 1936-1975, Studi medievali, 3a ser., 24 (1983) 817-905. Gesamtdarstellungen: J. PEREZ DE URBEL, I. v. S., sein Leben, sein Werk u. seine Zeit, 1962 (span. Ausg. Barcelona 1940); J. FONTAINE, Isidore de Seville et la culture classique dans l'Espagne wisigothique, 2 Bde, Paris 1959, 21983 (mit einem 3. Bd.: ergänzende Anmerkungen u. bibliograph. Supplement); BRUNHÖLZL, LG I 74—90,520 f. u. ö. (Reg.); R. J. H. COLLINS, Early Medieval Spain, London 1983; M. REYDELLET, I. v. S., in: M. GRESCHAT (Hg.), Gestalten d. Kirchengesch. 3, MA I, 1983, S. 47-57; H. N. HILLGARTH, Art. . of Seville', in: Dictionary of the Middle Ages 6, New York 1985, S. 563-566; J. FONTAINE, Art. . v. S.', in: Lexikon d. MAs 5, 1991, Sp. 677-680; ders., in: Reallex. f. Antike u. Christentum 18, 1998, Sp. 1002-1027. Aufsatzsammlungen: Miscellanea Isidoriana. Homenaje a San Isidoro de Sevilla, Rom 1936 (= Misc.); Isidoriana. Estudios sobre San Isidoro de Sevilla en el XIV centenario de su nacimiento, Leon 1961 (= Isid.); M. C. DIAZ DIAZ, De Isidoro al siglo XI, Barcelona 1976; J. FONTAINE, Tradition et actualite chez Isidore de Seville, London 1988 (= FONTAINE, Trad.); L'Europe heritiere de l'Espagne wisigotique (Collection de la Casa de Velazquez 35), Madrid 1992 (= L'Eur. her.). Zur Chronologie der Schriften: J. A. DE ALDAMA, Indicaciones sobre la cronologia de las obras de S. Isidoro, in: Misc., S. 57—89. Zur Überlieferung u. mal. Rezeption allgemein (weiteres bei den einzelnen Werken): CH. H. BEESON, I.-Studien (Quellen u. Unters, z. lat. Phil. d. MAs 4,2), 1913; A. E. ANSPACH, Das Fortleben I.s im VII. bis IX. Jahrhundert, in: Misc., S. 323-356; E. R. CURTIUS, Europ. Lit. u. lat. MA, 21952 u. ö., S. 53 f., 85, 447-452, 487 u. ö. (Reg.); WATTENBACH/LEVISON/LÖWE, Geschichtsquellen I, S. 86— 90, 111-113, 115 f., 118; J. FONTAINE, La diffusion de Pceuvre d'Isidore de Seville dans les scriptoria helvetiques du haut moyen-äge, Schweizer Zs. f. Gesch. 12 (1962) 305-327; B. BISCHOFF, Die europ. Verbreitung der Werke I.s v. S., in: Isid., S. 317-344, wieder in: ders., Mal. Stud. I, 1966, S. 171-194 (zit.); P. VON Moos, Consolatio. Stud, zur mlat. Trostlit. über den Tod u. zum Problem d. christl. Trauer (MMS 3,1-4), 1971 passim (Registerbd., S. 92); J. FONTAINE, La figure d'Isidore de Seville ä l'epoque carolingienne, in: L'Eur. her., 1992, S. 195-211; C. CODONER, Influence isidorienne sur ['evolution des artes liberales, ebd., S. 231-241; J. VERGER, Isidore de Seville dans les

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Issickemer, Jakob — lupiter (Monoculus, Francigena)

Beginn der Neuzeit I 1), 21995, S. 251-256; H.W. EROMS, Verbale Paarigkeit im Ahd. u. das 'Tempussystem' im 'Isidor', ZfdA 126 (1997) 1-31. Zu D. II. G. BAESECKE, Hrabans I.glossierung, Walahfrid Strabo u. das ahd. Schrifttum, ZfdA 58 (1921) 241-279, wieder in: ders., Kl. Schriften z. ahd. Sprache u. Lit., 1966, S. 7—37; E. ULRICH, Die ahd. Glossen zu I.s Büchern über die Pflichten, Diss. Halle 1938; G. BAESECKE, Unerledigte Vorfragen der ahd. Textkritik und Lit.gesch., PBB 69 (1947) 361-409, hier S. 385-398; B. MEINEKE, Althochdeutsches aus dem 15. Jh. (Stud. z. Ahd. 16), 1990, Reg. Zu D. III. A. WELLER, Die frühmhd. Genesis nach Quellen, Übersetzungsart, Stil u. Syntax (Palaestra 123), 1914, S. 45-48, 50-52, 55, 84 f. u.ö.; H. KOLB, I.s 'Etymologien' in dt. Lit. d. MAs, Herrigs Archiv 205 (1968) 431-453; ders., I.sche 'Etymologien' in Wolframs 'Parzival', in: Wolfram-Stu-

746

dien [1] 1970, S. 117-135; G. DICKE, Heinrich Steinhöwels 'Esopus' und seine Fortsetzer (MTU 103), 1994, S. 29-32, 39, 42, 48, 143-145. F. J. WORSTBROCK

Issickemer, Jakob [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 427: Zum Werktypus vgl. auch -» Heiltumsbücher [NB].

lupiter (Monoculus, Francigena) [Korr.] Bd. 4, Sp. 430 Überl.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 908" korr.: ..., cod. 929 (olim 908; Q 47). Ebd.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 171" korr.: ..., cod. 54 (olim 171; D 7). Ebd.: "[Melk, Stiftsbibl.], cod. 180" korr.: ..., cod. 1941 (olim 180; D 17). Ebd.: "Oxford, Bodl. 22 Auct. F. 3.9" korr.: ..., Bodleian Libr., MS. Auct. F. 3.9.

Jacob van Maerlant

J

Niederländischer Autor des 13. Jh.s. I. Leben. Das erste Werk Jacobs van Maerlant ('Alexanders geesten') wird um 1260 datiert. Es wäre deshalb vertretbar, sein Geburtsjahr zwischen 1230 und 1235 anzusetzen. J. v. M. ist in Flandern, in der Gegend von Brügge, geboren und aufgewachsen; an zwei Stellen in seinem Werk erklärt er, er sei ein geborener Flame. Weiter ist von seinem Leben nur wenig bekannt, aber die große Gelehrsamkeit, die sich in seinem Werk zeigt, und seine gründlichen Sprachkenntnisse müssen der Erfolg einer gediegenen — obwohl keiner akademischen — Ausbildung sein; er hat sie mutmaßlich in der Domschule Sint Donaas in Brügge erhalten. Diese Schule pflegte enge Beziehungen mit den nahegelegenen Zisterzienserabteien Ter Duinen und Ter Doest; deren Bibliotheken verdankt J. v. M. zum großen Teil seine Textkenntnisse. Von etwa 1257 bis nach 1266 lebte J. v. M. auf der holländisch-seeländischen Insel Voorne in der später mit Brielle zusammengewachsenen Pfarrei Maerlant. Er stand dort als Kustos in Diensten der Herren von Voorne; Herrn Albrecht van Voorne widmete er sein zweites Werk ('Historic van den Gräle'). Der holländische Graf Floris V. war Adressat und Gönner von mindestens zwei weiteren Werken. Nach dem Aufenthalt auf Voorne kehrte J. wieder heim nach Flandern (Damme), wo er seine schriftstellerische Tätigkeit fortsetzte und wo er, wahrscheinlich kurz nach 1291, gestorben ist. II. Werk. 1. Ausgaben. M. DE VRIES / E. VERWIJS / [F. VON HELLWALD], J. v. M.'s Spiegel historiael,

met de Fragmenten der later toegevoegde gedeelten, bewerkt door Philip Utenbroeke en Lodewijc van Velthem, 4 Bde, Leiden 1863 u. 1879; E. VERwijs, J. v. M.'s Naturen bloeme, 2 Bde, Groningen 1878 (Nachdr. Arnhem 1980); J. FRANCK, Alexanders geesten van J. v. M., Groningen 1882; N. DE PAUW / E. GAILLARD, Dit is die Istory van Troyen van J. v. M., 4 Bde, Gent 1889-1892; A. A. VERDENIUS, J. v. M.'s Heimelijkheid der heimelijkheden, Amsterdam 1917; J. VERDAM / P. LEENDERTZ, J. v. M.'s Strofische gedichten, Leiden 1918; P. MAXIMILIANUS, Sinte Franciscus leven van J. v. M., 2 Bde, Zwolle 1954; M. u. J. HOGENHOUT, Torec, Abcoude 1978; T. SODMANN, J. v. M.: Historic van den Gräle und Boek van Merline, 1980; M. GYSSELING, Corpus van Middelnederlandse teksten (tot en met het jaar 1300). Reeks II., Literaire Handschriften, Bd. 2: J. v. M., Der naturen bloeme, Leiden 1981; ders., Rijmbijbel, Leiden 1983; I. BIESHEUVEL, Maerlants werk. Juweeltjes van zijn hand, Amsterdam 1998 (Auswahl aus dem Gesamtwerk); J. v. M. Der Naturen Bloeme. Farbmikrofiche-Edition der Hs. Detmold, Lippische LB, Mscr. 70, hg. v. A. BERTELOOT (Codices illuminati medii aevi 56), 1999.

2. Das Gesamtwerk J.s v. M., durchweg in Versform, ist umfangreich, und es erstreckt sich auf viele Fachgebiete. Außer drei nicht überlieferten Werken (einem Buch über Traumdeutung, 'Sompniarys', einem Lapidarium und einem Leben der hl. Clara) verfaßte er: 'Alexanders geesten' (um 1260, ca. 14000 vv.; eine Lebensbeschreibung Alexanders des Großen; Auftraggeber vermutlich Aleide van Avesnes, Vormund des jungen Floris V.; Quelle: die lat. 'Alexandreis' Walters von Chätillon). 'Historic van den Gräle' und 'Boek van Merline' (um 1261, ca. 10000 vv., eine Geschichte des Grals, des jungen König Arthur und Merlijns; Auftraggeber Albrecht van Voorne; Quelle: der 'Joseph d'Arimathie' und 'Merlin' des Robert de Boron in der afrz. Prosafassung).

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Jacob van Maerlant

Torec' (urn 1262, ca. 4000 vv., Ritterroman; Auftraggeber unbekannt; Quelle: wahrscheinlich ein nicht überliefertes afrz. Gedicht). 'Historic van Troyen' (um 1264, ca. 40000 vv., Geschichte der Argonauten, des Trojanischen Kriegs und der Wanderungen des Aeneas; Auftraggeber unbekannt; Hauptquelle: der afrz. 'Roman de Troie' von Benoit de Sainte-Maure, zudem -> Ovids 'Metamorphosen', Statius' 'Achilleis' und -» Vergils 'Aeneis'). 'Heimelijkheid der heimelijkheden' (um 1266, ca. 2000 vv.; Fürstenspiegel für Floris V. anläßlich seines Regierungsantritts; Quelle: das lat. ps.-aristotelische -» 'Secretum secretorum'). 'Der naturen bloeme' (um 1270, ca. 16000 vv., Naturenzyklopädie; Auftraggeber Nicolaas van Cats, Herr von NoordBeveland; Quelle: 'De natura rerum' des -> Thomas von Cantimpre). Sog. 'Rijmbijbel' (oder 'Scolastica', wie J. v. M. das Werk bezeichnete) inkl. 'Wrake van Jerusalem' (1271, ca. 35000 vv., Geschichte des Alten und Neuen Testaments und der römisch-jüdischen Kriege; Auftraggeber ein nicht näher identifizierter goede vrient; Quellen: 'Historia scholastica' des -» Petrus Comestor [NB] und 'Bellum judaicum' des Flavius Josephus). 'Sinte Franciscus leven' (um 1275, ca. 10000 vv., Leben des Franziskus von Assisi; Auftraggeber die Utrechter Franziskaner; Quelle: 'Legenda maior' des -> Bonaventura). 'Spiegel historiael' (um 1284 begonnen, ca. 90000 vv. von J. v. M. verfaßt, Weltgeschichte von der Schöpfung bis zur eigenen Zeit; Auftraggeber Floris V.; Quelle: 'Speculum historiale' des -> Vinzenz von Beauvais). Der 'Spiegel historiael' besteht aus sog. 'Partien', die in 'Bücher' und 'Kapitel' unterteilt sind. J. v. M. verfaßte die 1. und die 3. Partie; die 2. Partie stammt von einem Zeitgenossen J.s v. M., Philip Utenbroeke. Die 4. Partie wurde nur bis Buch 3, Kapitel 34 von J. v. M. verfaßt, wurde aber durch Lodewijk van Velthem fortgesetzt, der auch eine 5. Partie beisteuerte.

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Abgesehen von diesen mehr oder weniger genau datierbaren Werken verfaßte J. v. M. einige kurze strophische Gedichte, in welchen er gegen gesellschaftliche und religiöse Mißstände seiner Zeit Stellung nahm. Die bekanntesten sind die vier sog. 'Martijns', Dialoge zwischen den Freunden Jacob und Martijn, 'Der kerken claghe' (über Mißstände in der Kirche) und 'Van den lande van oversee' (eine Klage über den Fall Akkons am 12. Mai 1291), ein Werk, das als der Schwanengesang J.s v. M. betrachtet werden kann. 3. Durch dieses vielseitige und umfangreiche Werk — von keinem anderen volkssprachlichen Autor des europäischen MAs ist ein so großes Oeuvre überliefert — ist J. v. M. der wichtigste mndl. Dichter des 13. Jh.s. Er vermittelte einem Laienpublikum wissenschaftliche Kenntnisse aus lat. Quellen; einige seiner Übersetzungen lat. Standardwerke waren die ersten in eine europäische Volkssprache. Als Phänomen läßt sich J. v. M. am besten wohl mit -» Rudolf von Ems vergleichen, der seine Werke für fürstliche Gönner verfaßte, eine ähnliche Schulbildung genossen haben dürfte und teilweise auf dieselben frz. und lat. Stoffe zurückgriff. Jüngere Generationen von Autoren hat J. v. M. stark beeinflußt. Zwei seiner Werke wurden von Lodewijk van Velthem, Pfarrer in Veltem (Flämisch-Brabant), der auch für die Haager 'Lancelot-compilatie' (Koninkl. Bibl., cod. 129 A 10) verantwortlich war, fortgesetzt ('Spiegel historiael' 1315/16, ca. 29000 vv., verfaßt im Auftrag von Herrn Gerard van Voorne, Sohn von Maerlants Gönner Albrecht; 'Boec van coninc Arthur' oder 'Merlijncontinuatie' 1326, ca. 26000 vv., mndl. Versbearbeitung einer lückenhaften Fortsetzung des Prosaromans 'Estoire de Merlin' aus dem 'LancelotGraP-Zyklus, vgl. BRUGGER-HACKETT, S. 195). Jan van Boendale (14. Jh., Antwerpen) verweist oft auf J. v. M. und nennt ihn vader der Dietsche dichteren algader. Besonders die strophischen Gedichte ('Martijns') haben nachweislich viele spätere Autoren inspiriert; einige von ihnen sind ins Frz. und Lat. übersetzt worden.

751

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Jacob van Maerlant

4. Die Ü b e r l i e f e r u n g weist ein uneinheitliches Bild auf. Von einigen Werken ('Historic van den Gräle' und 'Boek van Merline', 'Torec') ist nur eine einzige vollständige Hs. erhalten. Andere Werke ('Alexanders geesten', 'Historic van Troyen' und 'Spiegel historiaeF) sind in einer vollständigen Hs. und in einer Anzahl von Frgm.n überliefert — im Falle des 'Spiegel historiael' sind die Fragmente sehr zahlreich. Von 'Der naturen bloeme' und der 'RijmbijbeP ('Scolastica') sind mehrere vollständige Hss. und Frgm.e überliefert. J. v. M. schrieb in erster Linie für ein adliges, fürstliches Publikum (Floris V, Albrecht van Voorne, Nicolaas van Cats), das des Lateinischen nicht mächtig war, was aus den Prologen des 'Spiegel historiaeP, der 'Historic van den Grale'/'Boek van Merline' und 'Der naturen bloeme' hervorgeht. In welchem Maße sein Werk in späterer Zeit auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen rezipiert wurde, ist wegen des großen Anteils der Fragmente an der Hss.-Überlieferung schwer zu sagen. Der 'Spiegel historiael' dürfte, wie aus Einträgen in mal. Bibliothekskatalogen, Testamenten und Inventaren aus den Haushalten bemittelter Bürger hervorgeht, auch in klösterlichem und städtischem Milieu verbreitet gewesen sein. Die Exzerptüberlieferung läßt erkennen, daß der Umfang dieses Werkes für problematisch gehalten wurde. Exzerpte aus 'Der naturen bloeme' und die Einzelüberlieferung der Gesundheitslehre aus der 'Heimelijkheid der heimelijkheden' bezeugen die Rezeption dieser Werke im Bereich der Artes-Literatur. III. R e z e p t i o n in m n d . und m h d . Sprache. Die umfangreichen erzählenden Versdichtungen J.s v. M. wurden ohne Ausnahme in niederrheinischen oder mnd. Umschriften rezipiert, und zwar in einem Maße, das als Gesamtphänomen von der Forschung bisher nicht ausdrücklich wahrgenommen wurde. 'Alexanders geesten' und die 'Historic van Troyen' sind beide in Hss. aus dem maasländisch-niederrheinischen Grenzbereich (zwischen Kleve und

Jülich) unikal überliefert — und unterscheiden sich deswegen in ihrer Schreibsprache nur graduell von den auf dem Gebiet der heutigen Niederlande geschriebenen (fragmentarischen) Textzeugen. Die 'Historie van den Gräle' (mit Fortsetzungen) ist nur in einer westfälischen Umschrift erhalten. Die '4. Partie' des 'Spiegel historiael' ist als Ganzes nur in einer mhd. Prosaauflösung überliefert; von den anderen Teilen dieses voluminösen Werks sind jedoch keine Rezeptionszeugen aus dem deutschsprachigen Gebiet erhalten. Von den sonst breit überlieferten Werken 'Der naturen bloeme' (Hss.-Liste bei VAN PANTHALEON

VAN

ECK-KAMPSTRA;

ÜES-

CHAMPS, S. 79) und 'RijmbijbeP (Hss.Liste bei VAN MOOLENBROEK/MULDER, S. 145) wurden bisher keine östlich der modernen Sprachgrenze entstandenen Textzeugen nachgewiesen; eine westmndl. Hs. von 'Der naturen bloeme' befand sich seit dem 16. Jh. im Besitz der Grafen von Salm-Reifferscheid auf Schloß Dyck südwestl. von Neuß (seit 1991 Münster, ÜB, Ms N. R. 381). 1. 'Alexanders Geesten'. Die einzige erhaltene Hs. ist ein Rezeptionszeugnis aus dem ostndl.-niederrheinischen Gebiet zwischen Kleve und Jülich: München, cgm 41 (14./15. Jh.; 1664 in der Bibliothek des Herzogs von Berg in Düsseldorf). Vgl. DESCHAMPS, S. 31-33; KIENHORST, S. 8; mndl. Fragmente S. 8 — 13. A u s g a b e n . F.-A. SNELLAERT, Alexanders geesten van J. v. M., Brüssel 1860/61; FRANCK (s. o. . .).

2. 'Historie van den Gräle' und 'Boek van Merline', zusammen mit der Fortsetzung ('Boec van coninc Arthur') des Lodewijk van Velthem. Die einzige vollständige Hs. (Burgsteinfurt, Fürst zu Bentheimsche Schloßbibliothek, cod. B 37), die um 1422/ 25 im Auftrag Graf Everwins I. von Bentheim (1397—1454) entstanden sein dürfte, überliefert die Werke in einer mnd. (westfälischen) Umschrift; zu den Bearbeitungsprinzipien s. SODMANN, S. 81 — 89. Über den lit. Kontext, in dem das Werk gelesen wurde, informiert das Bücherverzeichnis Everwins, das am Schluß der Hs. eingetra-

753

Jacob van Maerlant

gen wurde (SODMANN, S. 425). Ein mndl. Fragment des 'Merlijn' und 3 mndl. Fragmente vom 'Boec van coninc Arthur' bei DESCHAMPS, S. 35; KIENHORST, S. 140— 143. A u s g a b e n . J. VAN VLOTEN, J. v. M.s Merlijn, naar bet eenig bekende Steinforter handschrift, Leiden 1880; SODMANN (s. o. H.I.).

3. 'Historic van Troyen'. J.s v. M. Trojaroman ist in einer einzigen vollständigen, um 1470—1480 entstandenen Hs. aus dem ostndl.-niederrheinischen Grenzgebiet (Bereich Kleve/Geldern) erhalten, Brüssel, Koninkl. BibL, cod. IV 927 (bis 1973 in Wissen bei Kevelaer, Schloßbibl.), die aus dem Besitz der Freiherren und Grafen von Loe in Wissen stammt. Zur Schreibsprache s. VERDAM, S. 38 f. Ein Eintrag deutet auf Wessel IV. van den Loe (seit 1461 in Wissen, gestorben 1518) als Auftraggeber der Hs. Die umfangreiche mndl. frgm. Überlieferung bei KIENHORST, S. 197-210; JONGEN, S. 205-210.

754

A u s g a b e der Prosaauflösung fehlt. Auszüge bei PALMER, 1976, S. 106-110; ders., 1982, S. 195-201; WEIGAND, S. 203-205. L i t e r a t u r (Auswahl). J. TE WINKEL, Maerlant's werken, beschouwd als Spiegel van de dertiende eeuw, Gent 21892 (Nachdr. Utrecht 1979); J. VAN MIERLO, J. v. M. Zijn leven — zijn werken — zijn beteekenis, Antwerpen 1946; A. VAN PANTHALEON VAN ECK-KAMPSTRA, J. v. M.'s 'Der naturen bloeme': Twee notities over handschriften, Het Boek 36 (1963-64) 222-232; J. DESCHAMPS, Middelnederlandse handschriften uit Europese en Amerikaanse bibliotheken. Tentoonstelling [...] 1970, Leiden 21972; L. JONGEN, Van Achilles teilen langhe. Onderzoekingen over Maerlants bewerking van Statius' Achilleis in de Historic van Troyen, Deventer 1988; H. KIENHORST, De handschriften van de Middelnederlandse ridderepiek, Deventer 1988; S. BRUGGER-HACKETT, Merlin in d. europäischen Lit. d. MAs, 1991, S. 181-206; J. VAN MOOLENBROEK / M. MULDER (Hgg.), Scola-

stica willic entbinden. Over de Rijmbijbel van J. v. M., Hilversum 1991; P. BERENDRECHT, Proeven van bekwaamheid. J. v. M. en de omgang met zijn Latijnse brennen, Amsterdam 1996; F. VAN OOSTROM, Maerlants wereld, Amsterdam 1996; J. A. A. M. BIEMANS, Onsen Speghele Ystoriale in A u s g a b e n . J. VERDAM, Episodes uit Maerlant's Vlaemsche'. Codicologisch onderzoek naar de Historic van Troyen naar her te Wissen gevonden overlevering van de Spiegel historael van J. v. M., handschrift, Groningen 1873; DE PAUW/GAILLIARD Philip Utenbroeke en Lodewijk van Velthem, met (s.o. ILL). een beschrijving van de hss. en fragmenten, 2 Bde, 4. 'Spiegel historiael'. Von der gemein- Löwen 1997; K. VAN DALEN-ÜSKAM, Studies over sam von J. v. M. und Lodewijk van Vel- J. v. M.s Rijmbijbel, Hilversum 1997; R. HARPER, them verfaßten '4. Partie' (= lib. 16-23 Als God met ons is ... J. v. M. en de vijanden van der lat. Vorlage des Vinzenz von Beauvais) het christelijk geloof, Amsterdam 1998; M. C. dieses sehr umfangreichen Werks, von dem SHERWOOD-SMITH, Studies in the Reception of the nur der von J. v. M. verfaßte Teil in einer Historia scholastica of Peter Comestor. The Schwarzwälder Predigten, the Weltchronik of Ruvollständigen Hs. erhalten ist, existiert dolf von Ems, the Scolastica of J. v. M. and the eine frühnhd., in Nürnberger Hss. überlie- Historiebijbel van 1360, Oxford 2000, S. 133ferte Prosaauflösung.· Berlin, mgq 2018 146; M. MEUWESE, Beeidend verteilen. De ver(dat. 1431, aus dem Besitz des Nürnberger luchte handschriften van J. v. M.s Rijmbijbel en Bürgers Erhard ->· Schürstab d. J.); Wien, Spiegel Historiael, [o. O. u. J., 2001]. cod. 2902 (dat. 1438, aus dem Besitz des Zur mnd. u. mhd. Rezeption: E. T. KUIPER Nürnberger Bürgers Leonhard Volkamer, (Hg.), Karel ende Elegast, Amsterdam 1891, S. 56 Abschrift der Berliner Hs.). WEIGAND er- mit Anm. 1; N. F. PALMER, Eine dt. Übers, von der wägt die Möglichkeit, daß das 'Speculum Vierten Partie des Spiegel Historiael, De nieuwe historiale', das im Bücherverzeichnis des taalgids 69 (1976) 102-110; H. BECKERS, Mnd. Grafen Ludwig XI. von Oettingen um Lit. — Versuch einer Bestandsaufnahme, Nd. Wort 1430 angeführt wurde, mit diesem Werk 14 (1977) 1-58, bes. S. 25; N. F. PALMER, Visio Tnugdali. The German and Dutch Translations identisch sein könnte. Die Rezeption des and their Circulation in the Later Middle Ages, 'Spiegel historiael' am Niederrhein ist 1982, S. 191-201; H. TERVOOREN, Statt eines Vordurch die Verwendung von Exzerpten im wortes: Lit. im maasländisch-niederrheinischen III. u. VI. Teil der -> 'Karlmeinet'-Kompi- Raum zwischen 1150-1400, ZfdPh 108 (1989), lation (Aachen, Anfang 14. Jh.) bezeugt Sonderheft S. 3-19, bes. S. 18; R. WEIGAND, Vin(KUIPER; VAN ANROOIJ). zenz v. Beauvais. Scholastische Universalchronistik

755

Jacobus Magni — Jan Bertrand

als Quelle volkssprachiger Geschichtsschreibung, 1991, S. 186-205; W. VAN AANROOIJ, Maerlant, Boendale oder Velthem? Mögliche Quellen der 'Karlmeinet'-Kompilation, in: Sprache u. Lit. d. MAs in den Nideren Landen. Gedenkschrift f. Hartmut Beckers, hg. v. V. HONEMANN u. a. (Nd. Stud. 44), 1999, S. 9-20.

INGRID E. BIESHEUVEL (I.-II.) NIGEL F. PALMER (III.)

756

krieg in Thorn (Torun), ÜB, Rps 28/111 (gilt seit 1960 als verloren). Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 91-93.

Jakob s. auch -> Jacob(us) Jakob am Grund -> 'Luzerner Weltgerichtsspiel'

Jacobus Magni [Nachtr./Korr.]

Jakob zu der Kannen -> 'Jehoschua' (2.); Bd. 4, Sp. 440 zu 2.: Zur lat. Rezeption des 'So- -+ 'Schoftim' (2.)

philogium' vgl. Thomas ->· Ödenhofer. Ebd. zu 3.: "[Berlin], mgf 677" korr.: mgf 477.

Jakob von Landsberg [Nachtr.]

'Jacobus maior' (Legende) -»· Kistener, Kunz

Bd. 4, Sp. 475: Zum statt artzat zu Landsperg s. unter -> Landsberg.

Jacobus de Theramo [Korr.]

Jakob von Paradies [Nachtr./Korr.]

Bd. 4, Sp. 442, 2. Abschnitt Ende: Den angegebenen Katalognr.n (nach J. TRUHLÄR, Catalogus codicum manu scriptorum latinorum II, Prag 1906) "Prag, ÜB, codd. 1293, 1440, 1865, 1876 [...], 1888, 1958" entsprechen die Signaturen: ..., codd. VII E 4; VIII B 4; X C 12; X C 23; X D 9; XG4. Ebd., 4. Abschnitt Ende: "Prag, ÜB, cod. 1811" korr.: gemeint ist die Kat.-Nr. 2811; Sign.: cod. adlig. 44 D 2. Vgl. K. BURDACH, Der Dichter des Akkermann aus Böhmen u. seine Zeit (Vom MA zur Reformation 111,2), 1926-32, S. 505.

Bd. 4, Sp. 484 zu den dt. Übers.n ergänze: Die Übers, von 'De apparitionibus animarum separatarum' in München, cgm 6940 (2.b) sowie diejenige von 'De praeparatione ad sacramentum Eucharistiae' (5) werden neuerdings Thomas -» Finck [Bd. 2 u. NB] zugeschrieben. Auch Georg -» Antworters 'Belehrung über das Beschwören von Geistern' ist ein Exzerpt aus 'De apparitionibus'. Vgl. CH. FASBENDER, Von der Wiederkehr der Seelen Verstorbener: Unters, zu Überl. u. Rezeption eines Erfolgstextes Jakobs v. Paradies (Jenaer german. Forschg.n NF 12), 2001 (dort auch zu weiteren dt. Bearbeitungen). Ebd., 1. Abschnitt Mitte: "Wolfenbüttel, Hzg.Aug.-Bibl., cod. 2229, 30.1. Aug. fol." korr.: ..., cod. Guelf. 30.1. Aug. fol. (Kat.Nr. 2299 [sie!]).

Jacobus de Verona [Korr.] Bd. 4, Sp. 448 Überl.: "Minnesota, ÜB, cod. B 1424 Si" korr.: Minneapolis, University of Minnesota Library, The James Ford Bell Collection, MS. 1424/Co, der Text des J in Bd. II, f. 87-173. Vgl. P. O. KRISTELLER, Iter italicum, vol. V, London 1990, S. 274.

Jacobus a Voragine [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 459 oben: "Hs. Hannover 189a" korr.: ..., LB, cod. I 189a. Sp. 460 zu 5.b) Ausg.: "... Bd. II: Das Sondergut, hg. v. K. KUNZE, 1982 (Texte u. Textgeschichte 3 u. 7)" korr.: ..., 1983 (TTG 3 u. 10). Ergänze: Bd. III: U. WILLIAMS, Die lexikalische Überlieferungsvarianz. Register. Indices (TTG 21), 1990.

'Jagdallegorie' [Korr.] Bd. 4, Sp.468: "Königsberg, ÜB, cod. 898, ... (Verbleib unbekannt)" korr.: nach dem 2. Welt-

Jakob von Ratingen [Korr.] Bd. 4, Sp. 487 Überl.: "Marburg, SB, Mscr. 54" korr.: ..., ÜB, ... . Ebd. Lit.: "L. OELSNER, ... (1864) 57-114" korr.: ...-144. - "M. BRAUN" korr.: M. BRANN.

'Die Jakobsbrüder' (Prosafassungen) Kistener, Kunz [Bd. 4 u. NB]

->

Jan Bertrand [Korr.] Bd. 4, Sp. 504 oben: Die von R. Müller angekündigte Ausgabe ist nicht erschienen.

Jan de Giere (Jan van Boendale) s. auch ->· 'Spiegel der Laien' (III.); -»· 'Vision auf das Jahr 1401' ( . .).

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'Jenaer Liederhandschrift' — 'Von Jesu Bettlein'

Jan van Denemarken -» 'Anna' (B.II.) [NB] Janko von Wirsberg ->· 'Wirsberger-Prophezeihungen' [NB] Jans von Wien -»· Enikel, Jans [Bd. 2 u. NB] 'Jasenitzer Marienklage' -»· 'Bordesholmer M.' 'Jenaer Liederhandschrift' [Korr.] Bd. 4, Sp. 513 Z. 8/7 von unten: "das Fragment Soest, Stadtarch., V Ee 8.10" korr.: Soest, Wiss. StB u. Stadtarchiv, Fragm. 157 (ausgelöst aus Bd. 5 Ee 8.10). Vgl. T. BRANDIS, Kurzes Verzeichnis d. mal. Hss.fragmente, in: B. MICHAEL, Die mal. Hss. d. Wiss. StB Soest, 1990, S. 264.

'Von Jesu Bettlein' ('Von Jhesus pettlein') Geistlicher 15. Jh.s.

Sendbrief,

1. Hälfte

des

Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. VI, 43 b, 83V-92V, 2. H. 15. Jh.; aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina, Nürnberg. Zur Hs.: SCHNEIDER, Nürnberg, S. 78 — 82. A u s g a b e n . HAMBURGER, 1998, S. 418-426; ders., 2001.

Pastoraler Sendbrief, der an eine Nonne (mein auszerwelte tochter) adressiert ist und wahrscheinlich ein Produkt der dominikanischen Reform darstellt. Der Sendbrief bietet eine architektonische und bildliche Allegorie des connubium spirituale, welches er auf verschiedene monastische Tugenden bezieht und in eucharistischen Begriffen definiert (vgl. -»· 'Geistlicher Neujahrsbrief'; -> 'Sendbrief Ain wares uff dringen der begird'; -* 'Sendbrief Auß dem hünigfliessenden herczen'). Das Ergebnis ist eine etwas forcierte Kombination von lebhafter geistlicher Erotik und einer Aufforderung zum contemptus mundi. Der Titel, der möglicherweise nicht dem Original entspricht, bezieht sich nicht auf das Christkind in der Wiege, ein Thema, das bei den Nonnen auch sehr beliebt war,

758

sondern auf den lectulus noster floridus von Ct l, 15, in welchem Christus seine Hochzeit mit der tugendhaften Seele vollzieht (vgl. ->· Veghe, Johannes, 'Lectulus noster floridus'; vgl. DOYLE; LERCHNER). Das Bett ist die behütung deiner fünff synn; die leylacken stellen das gute Gewissen dar, die deck Dankbarkeit für alles Gute, das Gott der Seele geschenkt hat. Der Autor charakterisiert das hercz der Nonne als einen Palast — geschaffen für Christus den König — mit einer Reihe von Vorzimmern, die zum Schlafzimmer führen (vgl. -»· Herzklosterallegorien). Das Bild von Christus, der an die Tür klopft, bezieht sich auf Apo 3, 20 (ecce sto ad ostium et pulso) und Mt 25, 1 — 12 (die klugen und törichten Jungfrauen). Die Nonne fleht Christus an, ihr pawmon und pawmeister zu sein, da ihr Herz ein sweinstal vol vnflaczs sei (vgl. ->· Seuse, 'Lectulus noster floridus', Ausg. BIHLMEYER, 1907, S. 495, und 'Büchlein der ewigen Weisheit', ebd., S. 222). Der Fußboden ist ein stetige gedult in aller widerivertikeit. Die vier Wände sind sweygen, ein wolbehüttes lediges freyes gemüt, ein ledigs vnbekümmercz hercz von aller zeitlicher sorgfeltigkeit, und ein steter fleiß den du solt haben zu allen fugenden. Gegenüber der ersten Tür öffnet sich eine zweite, die in die Ewigkeit führt und für ein herczenliche begerung dy du solt haben nach deynem mynniglichen preutigam steht. Der Sendbrief ist gekennzeichnet von vielfältigen Bezügen auf Kunstwerke, sowohl in Wirklichkeit als auch in der Phantasie (vgl. -> 'Mea carissima'). Vier Gruppen von Gemälden korrespondieren mit den vier Wänden der Brautkammer (vgl. Margarete -> Ebner, hg. v. STRAUCH, 1882, S. 23 u. 110). Auf die erste Wand wirt dann gemalt wy Cristus sein geköß hatt mit der sei [...]. Auf die zweite Wand soltu malen mit dem leben vnd mit dem leyden Cristi ihesu do mit du dein hercz zirn solt. Komplementär zu den arma Christi finden sich die arma diaboli, die für boß vnkeusch gedancken stehen. Auf der dritten Wand ist dy lieb mitsamkeit Cristo dye dy er mit der sei hatt gemalt. Die vierte Wand zeigt ein würczgart vol schöner lüstiger blümen 'Wurzgarten des Herzens').

Der Sendbrief ist voll von alltagsbezogener und erotischer Bildlichkeit. Wenn die Nonne den 'Kuß' der Hostie in ihrem

759

760

'Jesu dulcis memoria' — 'Jodocus'

Mund empfängt, soll sie sich das pild des hern für dich als do er enblöst ward vor dem creucz vorstellen. Die Kommunion wird der unio mystica gleichgestellt: Wann auff dy zeit wirstu in got verwandelt recht als sich ein laß semmelein in einen guten malmosir verwandelt wenn es lang dar innen gelegen ist. Die Beschreibung der ekstatischen Verbindung endet mit der Evozierung der beglückenden Vision von Angesicht zu Angesicht.

mehr verschollen, vgl. Hss. in Osnabrück, beschrieben v. U. KÜHNE u. a. [Mal. Hss. in Niedersachsen. Kurzkatalog 2], 1993, S. 177 f.). Sp. 520 zu Nr. 9: "Hs. Basel, ÜB, B XI 8, l r v (gegen 1400)" korr: ... (wohl frühes 14. Jh.; vgl. J. HANDSCHIN, Die Schweiz, welche sang, in: Fs. K. Nef, 1933, S. 125; CH. BERTELSMEIER-KIERST, in: Blütezeit. Fs. L. P. Johnson, 2000, S. 92 mit Anm. 16: um 1300).

Der Sendbrief schließt abrupt mit einer schematischen Liste von sechzehn Gründen, warum die Nonne Christus als ihren Geliebten anerkennen sollte. Diese Aufzählung konzentriert sich überwiegend auf die körperlichen Charakteristica Christi, welche meist, wenn nicht sogar in jedem Einzelfall, durch Bibelzitate definiert werden. Sie beginnt mit der Jungfräulichkeit Christi und endet mit einer Eigenschaft, die nicht verkörpert werden kann, dem apophatischen 'Ich' von Ex 3, 14: Das xvi darvmb das er got ist.

Bd. 4, Sp. 520 Überl.: Zur Hs. Wolfenbüttel vgl. -» 'Hildesheimer Nonnengebetbuch'. Ebd. Ausg. ergänze: E. LÖFSTEDT, Ein mittelostfäl. Gebetbuch, Lund 1935, S. 48-54.

L i t e r a t u r . Zur Thematik des lectulus floridus: A. I. DOYLE, 'Lectulus noster floridus': An Allegory of the Penitent Soul, in: Literature and Religion in the Late Middle Ages: Philological Studies in Honor of Siegfried Wenzel, hg. v. R. G. NEWHAUSER (Medieval and Renaissance Texts and Studies 118), Binghampton, NY, 1994, S. 179190; K. LERCHNER, Lectulus floridus. Zur Bedeutung des Bettes in Lit. u. Hss.Illustrationen d. MAs (Pictura et poesis 6), 1993, S. 45-59 u. 301-306. Zu 'J. B.': J. HAMBURGER, The Visual and the Visionary, New York 1998, S. 418-426; ders., 'Von Ihesus pettlein'. Pictorial Piety and Monastic Reform, in: Predigt im Kontext. Internationale Fachtagung am Fachbereich Germanistik der Freien Univ. Berlin vom 5. —8. Dez. 1996, hg. v. V. MERTENS u. H.-J. SCHIEWER, (im Druck).

JEFFREY F. HAMBURGER 'Jesu dulcis memoria' [Korr.]

'Jesu Gespräch mit der treuen Seele' [Nachtr.j

'Jesu, nostra redemptio' -» Bruder Dietrich [Bd. 2 u. NB] 'Jesu Unterweisungen' [Korr.] Bd. korr.: ehem. Halle,

4, Sp. 521 Überl.: "Halle ..., 67V-103V" ..., ... -102V. Vgl. J. FLIEGE, Die Hss. d. Stifts- u. Gymnasialbibl. Quedlinburg in 1982, S. 274.

'Der Jesusknabe in der Schule' [Korr.] Bd. 4, Sp. 522 Überl.: "Kölner Druck um 1520 ... Seit dem 2. Weltkrieg verschollen" korr.: Der Berliner Sammelband kölnischer Drucke dürfte jetzt in toto in Krakau, Bibl. Jagiellonska, sein. Vgl. den Druck Yg 6377, -> 'Jüngere niederrheinische Marienklage' [Korr. im NB]. Zum Druck des 'Jesusknaben' ([Köln, Servais Kruffter, um 1520], 4°, 2B11.) vgl. BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr., Nr. 661.

'Jhesus collacien' (mndl.) len'

'Vierzig Zel-

Jizchak ben Elieser von Worms entfällt (wohl 13. Jh., aber hebr. Text; jidd. Übers, erst im 16. Jh.; vgl. -» Eisek der Schreiber [Korr. im NB])

Bd. 4, Sp. 519 zu II. Vorspruch und Sp. 520 Jodeke, Nicolaus ->· 'Zerbster RatschroNr. 7: Auch Nr. 7 ist noch im 14. Jh. entstanden; nik' vgl. die Datierung von Berlin, mgf 1107: 1387. Sp. 519 zu II.2.: "Wien, Schottenkloster, Hs. 203" korr.: ..., cod. 295 (Kat. HÜBL, 1899, 'Jodocus' Nr. 203). Deutsche Legenden. Ebd. zu 11.4: "Ms. C. IX (deponiert im StadtarNach den 3 lat. Viten, verfaßt um 800 chiv Osnabrück ...)" korr.: ... im Staatsarchiv Osnabrück; Sign.: Dep. 58 Hs C IX; die Hs. ist nicht (Vita I, hg. v. TRIER, S. 19-35) bzw. Ende

761

Jodocus Berthold von Ziegenhals — 'Jonannes Baptista'

10. Jh. von Isembard (II) und 1015 von Florentius (III; hg. v. TH. GRAESSE, Jacobus de Voragine, Legenda aurea, 1890, Appendix S. 859-861), lehnte J. (t 669) die Nachfolge auf dem bretonischen Fürstenthron ab, um Priester und Einsiedler zu werden. WILLIAMS-KRAPP registriert außer 4 Legendarfassungen noch 6 weitere dt./ndl. Prosaversionen der Legende, davon Nrn. 3 — 6 als Sondergut der 'Südmittelndl. Legenda aurea' (-> Jacobus a Voragine, V. 2.; -* Bijbelvertaler van 1360, B. 1. [NB]). Nr. 4 und Nr. 6 sind nur in ndl. Hss. derselben verbreitet, Nr. 3 entstand wohl anläßlich ihrer Drucklegung, ist jedenfalls nur in (allen 13) Drucken von 1478-1516 und in Abschriften aus diesen überliefert. Nr. 5 findet sich in drei Hss. dieses Legendars aus dem Kölner Raum und in zwei weiteren Kölner Legendaren. Vorlage für Nr. 3 und 5 ist die Vita des Florentius. Ü b e r l i e f e r u n g von Nr. 5: Darmstadt, LB, Hs814, 41rb-45ra; Düsseldorf, ÜB, Ms. C 20, 237ra-241ra; Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. W 169, 41va-44va. Außerdem: Berlin, mgq 1687, 83r-87r; Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 1731, 151r-156r.

Süddt. sind Nr. l und 2. Nr. l, eine rhfrk. Kurzfassung auf Basis des Florentius-Textes, entstand für den WinterteilAnhang der 'Elsässischen Legenda aurea' (-> Jacobus a Voragine, V. 5.). ra

vb

Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 495, 231 -232 ; Mainz, StB, Hs. I 49, 190ra-192"; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 79. l Aug. 2°, 42va46 . A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXII f., LI, Text S. 55-61.

Nr. 2 findet sich in einem Schweizer Legendär, welches der lermeister Heinrich ->· Kramer aus Zürich 1478 zusammenstellte (Engelberg, Stiftsbibl., cod. 240, 69V-72V. L i t e r a t u r . J. TRIER, Der hl. Jodocus. Sein Leben u. seine Verehrung, 1927 (Neudr. 1977); W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 421 f.

KONRAD KUNZE

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Jodocus Berthold von Ziegenhals [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 529 zu Lit. ergänze: L. MATUSIK, Ze studiow nad srednionvieczna kultura umystowa kanonikow regularnych na Slasku. Jodok z Gtucholazow, Slaski kwartalnik historyczny sobotka 22 (1967) 35-64 (S. 63f. dt. Zusammenfassung: Aus den Studien über die mal. geistige Kultur der regulierten Kanoniker in Schlesien); H. HOFFMANN, Sandstift u. Pfarrkirche St. Maria in Breslau, 1971, S. 75 u. ö. (s. Reg.). - Über den Briefwechsel zwischen Jodocus u. der Univ. Wien vgl. P. UIBLEIN (Hg.), Ein Kopialbuch der Wiener Univ. als Quelle zur örtl. Kirchengesch. unter Herzog brecht V. (Fontes rer. Austr., 2. Abt., Diplomata et Acta, 80. Bd.), Wien 1973, S. 59-68 u. die Briefe Nr. 35, 36 u. 39-44 (= S. 142-162) (betr. Einrichtung einer Burse f. schles. Studenten in Wien).

Johannes [Nachtr.]

(Stadtschreiber

von

Brunn)

Bd. 4, Sp. 532 zu Ausg. ergänze: M. FLODR, Prävni kniha mesta Brna z poloviny 14. stoleti, 3 Bde (I: Einl., Ausg.; II: tschech. Kommentar; III: Glossar), Brno 1990—93 {nach dem 'Codex Johannis', Brunn, Stadtarch., Ms. 2; lat.; im Anhang, S. 450—490, auch dt. Texte: Stadtrechte König Wenzels IV. für die Bürger von Brunn u. a.). Sp. 533 zu 3. Nachwirkung: Vgl. auch -> Wenzel von Iglau ( .2.).

Meister Johannes -> Tommersfeldener (schlesisches) Augenbüchlein' Johannes von Andernach von Brabant' [NB]

'Genovefa

Johannes aurifaber de Treveri entfällt (vgl. -> Bodenze, Conrad [Bd. l, Sp. 906]) 'Johannes Baptista' [Nachtr./Korr.] Bd. 4, Sp. 539, Anfang ergänze: Zu Verslegenden vgl. -> Adelbrecht; -» Ava; -> 'Baumgartenberger Johannes Baptista'. Eine weitere gereimte 'J. B.'-Legende ist frgm. erhalten in Klagenfurt, Archiv der Diözese Gurk, Bischöfl. Gurker Mensalbibl., Hs. XXIXe 27.01, 13. Jh., obd., die Falzstreifen mit der Legende als Bl. 2V, 3r u. 3V; damit verbunden sind Frgm.e einer gereimten Psalterparaphrase ( , l v , 2 r ). Vgl. H. MENHARDT, Frühmhd. Bruchstücke aus Klagenfurt, ZfdA 67 (1930) 257-262; K. SCHÖNDORF, Die Tradition d. dt. Psalmenübers. (Md. Forschg.n 46), 1967, S. 150. Sp. 539, zu L: Zum cod. Hist. 152 der Bamberger SB vgl. auch Agnes -» Sampach.

763

764

Johann von Brabant — Johannes Cassianus

Sp. 540, zu III.: "Freiburg, Stadtarchiv, cod. 115" korr.: ..., B l Nr. 115.

Johannes Barlierer de Esslingen -> Barlierer, J. [NB] Johannes von Basel -> Hiltalingen, Joh., v. B. [NB] Johann von Brabant [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 544f.: Vgl. auch -> 'Lob der ritterlichen Minne' und -»· Totenklage auf Herzog Johann I. von Limburg und Brabant.

Johannes von Brakel OESA [Korr.] Bd. 4, Sp. 546 Überl.: "Ehern. Wernigerode, Fürst zu Stolbergische Bibl., cod. ZB 37 ... verschollen" korr.: Die Hs. ist heute in Halle, ÜB u. LB, Stolb.-Wernig. Zb 37. Vgl. H. HERRICHT, Die ehem. Stolberg-Wernigerödische Hss.abteilung, 1970, S. 30.

Johannes von Breitenbach [Nachtr.] Zu Bd. 4, Sp. 551. Nach E. FRIEDBERG wurde J. v. B. in Köstritz geboren, im Jahre 1464 an der Leipziger Univ. immatrikuliert und erreichte 1465, bevor er nach Perugia ging, den Grad eines Baccalaureus Philosophiae (bacc. art.). Auf der Univ. Perugia soll er sich als gelehrter und schlagfertiger Disputant Ruhm erworben haben und wurde nach seiner Rückkehr im Jahre 1476 Official des Bischofs von Meißen zu Stolpen. Auch ernannte ihn Herzog Albert zum Vorstand des Oberhofgerichts. Mit den Dominikanern in Leipzig war er in heftige Streitigkeiten über das Dogma der unbefleckten Empfängnis verwickelt, das er im Interesse der Franziskaner verteidigte. Ferner bestritt er die Rechtmäßigkeit eines 1491 von Papst Innozenz VIII. für die Wiederherstellung des Freiburger Doms erlassenen Ablaßbriefs. In den ersten Jahren des 16. Jh.s besaß das Ordinariat der Leipziger Juristenfakultät ein Haus am Peterskirchhof, in dem J. v. B. gewohnt hat. Über seine Schriften vgl. auch JÖCHER und MUTHER (mit Hinweis auf die lat.-dt. Hs. der ehem. Ratsbibl., jetzt ÜB Leipzig: Rep. II. 10a; vgl. Verz. d. dt. mal. Hss. in d. ÜB Leipzig, bearb. v. Fj. PENSEL [DTM LXX/3], 1998, S. 314-316).

MUTHER unbekannt geblieben ist ein zweiter Codex mit den von J. v. B. zusammengestellten dt. und lat. Rechtsentscheidungen. Über diesen Codex berichtet bereits KAPP, S. V—VIII. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelte es sich um das heute in der ÜB Leipzig aufbewahrte Ms 2450 (geschrieben 1530 von Jhan von Heldorff) oder seine Vorlage. Die Leipziger Hs. enthält 106 Decisiones (oder Informationes bzw. Consilia), darunter ebenfalls als Informacio prima auch den Rechtsstreit der Teilung zwischen den beiden anhaltischen Fürsten -> Magnus und Philipp. Den Zusammenhang beweist mit großer Wahrscheinlichkeit der Anfang der Informacio xlviij auf Bl. 109r, der mit der Anführung bei KAPP, S. VII, weitgehend übereinstimmt. In der Dessauer Hs. Georg. 153.4° steht dieser Text auf Bl. 286V als Decisio Cv.

Eine genauere Analyse der Dessauer und Leipziger Hs. wäre wünschenswert und dürfte Aufschlüsse über die Rezeption des römischen Rechts im mitteldeutschen Gebiet geben. L i t e r a t u r . CH. GOTTL. JÖCHER, Allg. Gelehrten-Lexikon, 1. Th., Leipzig 1750, Sp. 1356; J. E. KAPP, 'De Johanne a Breitenbach iurisconsulti et praecipue de eius consiliis mss. CVI ...', Leipzig, Rumpff 1754; [K. F. W. v. GERBER], J. v. B., in: v. GERBER, Die Ordinarien d. Juristenfacultät zu Leipzig = Herrn Carl Georg von Wächter ... z. Feier s. 50jähr. Professorjubiläums ..., 1869, S. 22 f.; TH. MUTHER, Zur Gesch. d. Rechtswissenschaft u. d. Universitäten in Deutschland, 1876, S. 89—92; E. FRIEDBERG, Das Collegium Juridicum. Ein Beitrag z. Gesch. d. Leipziger Juristenfacultät, 1882, S. 92; ders., Die Leipziger Juristenfakultät. Ihre Doktoren u. ihr Heim. 1409-1909 (Fs. zur Feier d. 500jährigen Bestehens d. Univ. Leipzig 2), 1909 (Reg. u. S. 115, mit weiterer Lit.).

FRANZJOSEF PENSEL Johannes Cassianus [Korr.] Bd. 4, Sp. 568 zu III.2.a) Überl.: "Gent, Minderbroedersklooster, cod. U a 40" korr.: die Hs. ist heute in Sint Truiden, Instituut voor Franciscaanse Geschiedenis, unter derselben Signatur; vgl. -> Bijbelvertaler van 1360 (B.5.) [NB]. Sp. 569 zu c), Überl.: "Medingen, ..., verschollen" korr.: Die Hs. ist heute in Prag, Nationalmuseum, cod. XIII C 20.

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Johannes Chrysostomus

Johannes Chrysostomus I. L e b e n . a. Der um 350 in Antiochien geborene J. Chr., hellenistisch gebildet (v. a. bei dem Rhetor Libanios), wird um 367 getauft, schließt sich der Asketenschule des Diodor von Tarsus an und zieht sich 372 zu einem Leben als Koinobit und dann als Anachoret aus der Welt zurück. 380/81 zum Diakon und 386 zum Presbyter geweiht, wird er rasch einer der bedeutendsten Prediger des byzantinischen Reiches und 397 Bischof von Konstantinopel, wo er mit großer Radikalität innere Reformen des Klerus wie eine Rückkehr der Oberschicht zu einer christlichen Lebensführung durchzusetzen versucht. 403 abgesetzt und 404 endgültig verbannt, stirbt er 407 bei der Deportation auf dem Wege zum Schwarzen Meer. b. Zu den bald entstehenden Lebensbeschreibungen und Legenden und deren reich entfalteten dt. Versionen (mit der 'Waldbüßer-Episode' vom behaarten Anachoreten) s. -» 'Chrysostomus' sowie WILLIAMS-KRAPP, 1986, S. 422 und D. WALZ, J. Chr., in: Enzyklopädie d. Märchens 7, 1993, Sp. 583-586. Die Beliebtheit des J. Chr. im 15. und frühen 16. Jh. (die in manchem in Parallele zu der des -* Hieronymus steht) zeigt sich auch in berühmten bildlichen Darstellungen (Dürer u. a.); eine solche bietet z. B. auch die Hs. Leipzig, ÜB, Ms 1552, 202V (ab 203r die J.Chr.-Legende aus -> 'Der Heiligen Leben'). In Willibald Pirckheimers 'Eckius dedolatus' erscheint J. Chr. zusammen mit Origenes und Hieronymus als poeta (ed. N. HOLZBERG, 1983, S. 64), was die Beliebtheit des J. Chr. bei den deutschen Humanisten erkennen läßt. II. Werke. a. Als Heiliger verehrt ist J. Chr. derjenige der vier griechischen Kirchenlehrer, der bei weitem den größten Einfluß auf den Westen ausgeübt hat. Grundlage dafür ist ein riesiges schriftstellerisches Oeuvre, das formal aufs stärkste von der überwältigenden rednerischen Begabung des J. Chr. (die sich in seinem auch in die

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Volkssprachen übergehenden Beinamen 'Goldmund' niederschlägt), inhaltlich von seinem ihn ganz erfüllenden seelsorgerischen Impetus geprägt ist. Es umfaßt 16 Abhandlungen (asketische, katechetische und pädagogische, so z. B. 'Über das Priestertum', 'An eine junge Witwe', 'Über Hoffart und Kindererziehung'), drei Bibelkommentare, über 700 Predigten (sowohl Auslegungen des AT — in Teilen erhalten — wie nahezu des ganzen NT, Predigten gegen die Juden, daneben Gelegenheitsreden, auch aus politischen Anlässen, entstanden zwischen 386 und 404) und etwa 240 Briefe, darunter die berühmten 17 Trostbriefe an Olympias. A u s g a b e . PG 47—64 (umfaßt nicht alle Texte des J. Chr. und bietet auch zahlreiche unechte). Der Umfang des Oeuvres ist bis heute nicht abschließend gesichert; vgl. M. GEERARD, Clavis Patrum Graecorum, Turnhout 1972, Nrn. 4305 — 5197. Zu weiteren Editionen — darunter vor allem modernen Ausgaben einzelner Schriften — s. Diet. Spir. 8, Sp. 331-334.

b. Zu den authentischen Schriften tritt ein kaum zu überschauender Komplex von P s e u d e p i g r a p h a , die seit dem 6. Jh. sowohl in griech. wie in lat. Sprache entstanden. 571 Titel bei J. A. ALDAMA, Repertorium pseudo-chrysostomicum, 1965 (unvollständig, umfaßt nur die Ps.-Chrysostomica mit griech. Grundlage); weitere Ps.-Chrysostomica bei E. DEKKERS/ AE. GAAR, Clavis patrum latinorum, Brügge — Den Haag 1961, S. 539; Verzeichnis der 'spirituellen' Ps.-J.-Chr.-Schriften mit Abdruck in den Bänden der PG s. Diet. Spir. 8, Sp. 355-362.

Besondere Bedeutung kommt hier dem Opus imperfectum in Matthaeum' (PG56, Sp. 611-946) zu, dem 'umfangreichsten und detailliertesten Kommentar über das erste Evangelium, den die lat. Antike uns hinterlassen hat' (Diet. Spir. 8, Sp. 362-369, Zit. 362). III. L a t . Ü b e r s e t z u n g e n . Die noch nicht systematisch erforschte Übersetzungstätigkeit beginnt bereits im frühen 5. Jh. und hält das ganze MA über an; für das Lateinische sind insbesondere zu nennen die Übertragungen der 90 Matthäus-Homilien durch Burgundio von Pisa (gest. 1193) und das sehr lebhafte Interesse

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Johannes Chrysostomus

des Humanismus an J. Chr.: Es erfolgten Neuübersetzungen zahlreicher Predigten und einiger Abhandlungen durch den griechischen Humanisten Georg von Trapezunt, durch Pietro Balbo, Hieronymus Donatus, Francesco Griffolini = Aretini, Christophorus Persona, Ambrogio Traversari = A. von Camaldoli, Laelius Tifernas, Theodor Gaza und andere; diese gelangten rasch zum Druck (HC 5024-5055, COP. 1605—1606), während griechische Originale erst im 16. Jh. gedruckt wurden. Besondere Bedeutung kommt der lat. J.-Chr.Ausgabe des Erasmus von Rotterdam (VD 16, J 399, 5 Bde, Basel 1530, mit Übersetzungen zweier Traktate durch Erasmus und Neuübersetzungen durch weitere dt. Humanisten) zu. IV. D e u t s c h e R e z e p t i o n . 1. Übersetzungen von Traktaten des J. Chr. ins Deutsche (der hier sowohl als Johannes Crisostimus wie als Johannes Guldenmunt bezeichnet wird) sind bisher erst in geringer Zahl bekannt geworden: a. Zu nennen ist hier an chronologisch erster Stelle eine Übertragung des Traktats 'Quod nemo laeditur nisi a se ipso' durch -> Simon von Ruckersburg, Priester an St. Stephan in Wien. Der lat. Traktat ist sehr reich überliefert (und um 1470 auch separat zum Druck gelangt: HC5052). - Ausgabe durch A.-M. MALINGREY (Sources Chretiennes 103), Paris 1964.

Die die lat. Vorlage stark bearbeitende Übersetzung, die im Kontext der sog. 'Wiener Schule' zu sehen ist, dürfte um 1400 entstanden sein {Ausg. in Vorbereitung durch G. Diehl / V. Honemann). Ein für das Jahr 1500 veröffentlichter Neumondkalender (Einblattdrucke 1499) bietet ein Gedicht über die böse und die gute Zunge (Abbildung bei F. SCHANZE, Gutenberg-Jb. 69 [1994] 71), das durch diesen Traktat stark beeinflußt zu sein scheint. Eine dt. Neuübersetzung des Traktats durch Jakob Wimpfeling wurde 1514 gedruckt (VD 16, J 439); 1550 und 1559 erschien der Traktat, wohl in anderer Übersetzung, von neuem (J440 und 441).

b. Eine Predigt des J. Chr. in mndl. Übertragung bietet die Hs. Wien, cod. 15415 (Suppl. 2629, um 1444, aus dem

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Kloster Bethlehem bei Löwen, zum Gebrauch der Laienbrüder) auf den Bll. I ra — lVb (Omelia sinte lan guldemont. Ic meyne het eyschet wel dat wy vraghen: lesus quam stadeltken te iherusalem ...). c. Ungleich bedeutender ist die Übersetzung des überaus beliebten paränetischen Traktats 'De reparatione lapsi' (= 'Ad Theodorum lapsum'), die der Humanist Johannes Pinicianus 1516 für Herzogin Kunigunde von Bayern anfertigte. Der Text belehrt den Mönch Theodor nach seinem Sturz in die Sünde darüber, daß es für jede Sünde ein Heilmittel gebe. A u s g a b e n der Vorlage: PG 47, Sp. 277-316; J. DUMORTIER (Sources Chretiennes 117), Paris 1966. Ü b e r l i e f e r u n g des dt. Widmungsexemplars: München, cgm 1146, vgl. SCHNEIDER, München IV, S. 167f. (Lit.). Diese Übersetzung gelangte 1520 in Augsburg zum Druck (Von widerbringung des sinders, VD16, J453). d. Einen Schub dt. J.-Chr.-Übersetzungen, die durch den Druck teils stark verbreitet wurden, brachte dann die Reformation mit Übertragungen einzelner Schriften durch Urbanus Rhegius (Predig, das man die sunder lebendig und tod klagen vnd bewainen so/, 1521, VD 16, J 464), Johann Diebolt (Sermo ... von dem almuoßen, 1523, J 468), Georg Witzel d. Ä. (Wider den vncbristlichen 'Wucher, 1539, J429), Kaspar Hedio (Außlegung über die Evangelia Sancti Matthäi vnnd Sancti Johannis, 1540, J 430 und 431), Georg Witzel d. Ä. (Der heiligen Messen brauch, 1540, 1541, J 480 und 481, dass. mit der Missa S. J. Chr. dt., 1546, J 482), Kaspar Huberinus (Sermo von der gedult, 1552, 1557, 1560, 1574, J 511-513, 515) und Thomas Zellius (gleicher Text, 1562, J 514).

2. Bei einigen kurzen Traktaten und Textstücken ist die Vorlagenfrage noch nicht geklärt: Der lere Johannes mit dem guidein munde folgt ein in der Hs. Nürnberg, StB, Cent. VII, 28, 1. H. 15. Jh., 280 r —284 r unvollständig tradierter Traktat von den fünf Tugenden eines Büßers. — Vier Lehren nach J. Chr. zum Vermeiden von Todsünden bot auf Bl. IIICr die verschollene Hs. 404 der Langerschen Bibliothek in Braunau/Böhmen. Wohl der gleiche Text steht in der Hs. Nürnberg, StB, Cent. VI, 46 c, 15. Jh., 252rv. - Eine dt.

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Johannes Chrysostomus

'Betrachtung' des J. Chr. bringt die Hs. Rom/Vatikan, Bibl. Vaticana, cod. Ross. 90 (ehem. Lainz, Jesuitenbibl., cod. VIII 32), 171r-172r. - Die große Beliebtheit des J. Chr. als Autor zeigt sich auch darin, daß ihn die sog. Dicta-Fassung des ->· 'Physiologus' (III.4) als Autor nennt, vgl. HENKEL, S. 29-34, Überlieferung ebd., S. 29 f. Anm. 43. 3. Eine J. Chr. zugeschriebene 'Regel und Leben Marias nach Christi Himmelfahrt' erscheint in der dt. Literatur zuerst in der -* 'Vita beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica' (ed. VÖGTLIN, v. 6612-6741; J. Chr. wird nicht hier, wohl aber in den Glossen zur 'Vita rhythmica' als Quelle genannt, vgl. MASSER, S. 182), danach deutsch z. B. in München, cgm 348, 2. H. 15. Jh., 108r-109v; Wien, Schottenkloster, cod. 313 (HüBL, Kat. Nr. 336), 15. Jh., 91r-94v (s. HILG, S. 406); eine lat. Fassung in Nürnberg, StB, Cent. V, 79, 122r-123r. In Rezeption der 'Vita rhythmica' nennen dann -> Walther von Rheinau (v. 3438-3442, 3930 ff.), und Priester -» Wernher (v. 3245-3248) J. Chr. als Quelle. Ob auch die J.-Chr.-Zitate bei -» Heinrich von St. Gallen (ed. HILG, S. 205 [IX, 34-40] und S. 218 [XI, 2428]) hierher stammen, ist unklar. Sie könnten auch aus dem Opus imperfectum' entnommen sein, das großen Einfluß auf die Darstellung der Kindheit Jesu ausübte, so z. B. — auf dem Wege über die 'Legenda aurea' des -»· Jacobus a Voragine — auf das -»· 'Passional' (vgl. MASSER, S. 216 — 218). Auch die dem J. Chr. zugeschriebenen Marienpredigten (PG 98, Sp. 309320, 65, Sp. 721-757, 50, Sp. 791-796, 59, Sp. 707-710, s. ALDAMA, Nrn. 193, 230, 250, 389, 407) sind als Quelle nicht auszuschließen. Entsprechendes gilt für einen Verweis auf den hohen lerer, der da heisset Johannes Chrysostomus, mit dem guldin munde in der Vita Heinrich -> Seuses (ed. BIHLMEYER, S. 50, 22 ff.). 4. Gebete. Ein dem J. Chr. zugeschriebenes Gebet zu den sieben Worten Christi am Kreuz bietet die Hs. München, cgm 4637, Ende 15. Jh., 146r-182v (!); es wird

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in anderen Hss. dem hl. Hieronymus zugeschrieben, vgl. SCHNEIDER, München VII, S. 248 mit Angabe der Parallelüberlieferung und der lat. Vorlage. — Ein von J. Chr. empfohlenes Meßgebet enthält die um 1525 in Holland geschriebene Hs. Darmstadt, Hess. LB, Hs 1962, 157V159V, s. ACHTEN/KNAUS, S. 328 (dort auch zur lat. Vorlage), ein Kommuniongebet die Hs232 (Niederrhein, um 1550), 90V der selben Bibliothek (ebd. S. 57). 5. Dicta und Zitate. Dicta und Sentenzen, die J. Chr. in den Mund gelegt sind, erscheinen gelegentlich in gereimten Spruchsammlungen, so in -» 'Autoritäten (gereimt)', sehr viel häufiger in prosaischen Dictasammlungen. Schier unübersehbar ist die Menge der J.-Chr.-Zitate in der dt. Lit. seit dem 13. Jh. Hervorgehoben sei -> Johannes von Frankenstein, der sich im 'Kreuziger' über 30mal auf Chrysostomus oder den guldin Johannes beruft (vgl. Register). Gedanken und Formulierungen des J. Chr. werden z. T. aber auch ohne Namensnennung angeführt, so mehrfach bei Meister -» Eckhart. Die meisten der Dicta, Sentenzen und Zitate, durch die der Name des Kirchenlehrers im dt. SpätMA verbreitet war, dürften nicht unmittelbar aus den Werken geschöpft sein, sondern aus lat. Sammlungen und Zitierungen stammen. Gleichwohl gilt auch für diesen Zweig der Rezeption, daß dem Opus imperfectum in Matthaeum' besondere Bedeutung zukommt. Nachweise und Nennungen in DictaSammlungen und von Zitierungen bei DlEHL/HONEMANN (s. O. IV.l.a.). L i t e r a t u r , a) zu J. Chr.: R. BRÄNDLE/V. JEGHER-BucHER, J. Chr. I, in: Reallexikon f. Antike u. Christentum, Lfg. 139/140, 1997, Sp. 426-503; S. J. Voicu, J. Chr. II (Ps.-Chrysostomica), in: ebd., Sp. 503—515 (jeweils mit reichen Lit.-angaben). b) zur J.-Chr.-Rezeption: K. RULING, Kleinere mhd. Erzählungen, Fabeln u. Lehrgedichte (DTM 14), 1908; W. L. SCHREIBER, Hdb. der Holz- u. Metallschnitte des 15. Jh.s, Bd. IV, 1927; J. VAN ROOIJ, Gerard Zerbolt van Zutphen I, Nijmegen 1936; G. ACHTEN/H. KNAUS, Dt. u. ndl. Gebetbuchhss. der Hess. LB Darmstadt, 1959; A. MASSER, Bibel, Apokryphen u. Legenden. Geburt u. Kindheit Jesu in der religiösen Epik d. dt. MAs, 1969, S. 162, 182,

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Johannes von Erfurt — Johannes von Iglau

216 Anm. 22, 217 f. und Anm. 26, 222 u. Anm. 38, 243, 276, 280; B. ADAM, Katechetische Vaterunserauslegungen (MTU 55), 1976; N. HENKEL, Stud, zum Physiologus im MA (Hermaea NF 38), 1976; H. HILG, Das 'Marienleben' des Heinrich v. St. Gallen (MTU 75), 1981; Hj. KIEPE, Die Nürnberger Priameldichtung (MTU 74), 1984; W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986.

VOLKER HONEMANN Johannes Climacus - Johannes Klimakos

[NB]

Johannes von Ehingen entfällt (kein Autor! Vgl. PH. STRAUCH, Margaretha Ebner u. Heinrich v. Nördlingen, 1882, S. 348 f.).

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Johannes von Gmunden [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 631, 2. Abschnitt Ende: "... eine Widerlegung der astrologischen Vorhersagen des Erfurter Mönchs Jakob von Clusa aus dem Jahre 1432" korr.: ... Vorhersagen eines mayster Jakobus von ertfurt ... [so im Text!] Dieser Jakobus kann nicht Jakob von Clusa sein, denn der Name J. v. C. bezeichnet allein -» Jakob von Paradies [Bd. 4 u. NB], der erst zehn Jahre später aus der polnischen Zisterze Claratumba nach Erfurt wechselte (Hinweis Christoph Fasbender, Jena). Ebd. zu Überl. ergänze: Eine dt. Übers, des Kalenders von 1439 in London, University College, MS. Germ. 2; vgl. N. F. PALMER, MLR 79 (1984) 207.

Johannes von Gorze ->· Johann von St. Arnulf

Johannes von Erfurt [Korr.] Bd. 4, Sp. 588 Überl.: "Linz, Studienbibl., cod. 107" korr.: ..., Oberösterr. LB, cod. 455 (antea Cc VII 10; Katalog K. SCHIFFMANN, Die Hss. der Öffentl. Studienbibl. in Linz, masch. Linz 1935, Nr. 107).

Johannes de Esslingen -> Barlierer, Joh.

[NB]

Johann von Eych [Korr.] Bd. 4, Sp. 592 zu II.l, Überl.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 752,2 (olim 729-0.52)" korr.: ..., cod. 751,2 (otim 730). Sp. 594 Z. 3: "elm 155481"' korr.: clm 18548b.

Johannes von Freiburg [Korr.]

Johann von Göttingen [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 632, 4. Abschnitt: "Bischof von Werden an der Ruhr" korr.: Bischof von Verden an der Aller (Hinweis Th. Vogtherr). Sp. 635 zu Lit. ergänze: K. SUDHOFF, Aus d. Schrifttum Johannis von G., in: O. Glauning zum 60. Geb. Fg. aus Wiss. u. Bibl., Bd. l, 1938, S. 188-190.

Johannes von Hamburg -»· Rode, Johannes, von H. Johannes von Hären [Korr.] Bd. 4, Sp. 637 Überl.: "Gotha, Forschungsbibl., Ms. 60" korr.: ..., Forschungs- u. Landesbibl., cod. Chart. B 60.

Bd. 4, Sp. 608 Z. 5/6 von unten: "Klagenfurt, Kärntner Landesarch., Pg. 16" korr.: ..., ÜB Johannes von Iglau (ehem. Studienbibl.), Perg. 16. Vgl. H. MENHARDT, Hss.Verzeichnis der Kärntner Bibliotheken, Bd. I, Im mittleren 14. Jh. begegnen in bair.Wien 1927, S. 91. österr. Hss. ein dt. und ein lat. Text mit Sp. 609 zu 2.a): "Eine überlieferungskritische der Autorangabe 'Bruder J. v. EventuEdition [...] wird [...] bis 1983 erscheinen" korr.: ell sind sie von ein und derselben Person Erschienen sind: Die 'Rechtssumme' Bruder Bertverfaßt. holds, eine dt. abecedarische Bearbeitung der 'Summa confessorum' des J. v. F. Synoptische EdiI. Ein relativ früher Dekalogtraktat tion der Fassungen B, A. u. C, Bd. 1—4, hg. v. G. (vgl. -> 'Zehn Gebote' A.3., B.I.a.) beSTEER u. a. (TTG 11-14), 1987; Bd. 6 u. 7: Quelginnt: Die zehen geboth die got selber gab lenkommentar, hg. v. M. HAMM u. H. ULMSCHNEIMoysi geschriben mit gotes fingern an DER (TTG 16 u. 17), 1991.

Johannes de Garlandia [Korr.] Bd. 4, Sp. 621 zu d): "Melk, Stiftsbibl., cod. 212" korr.: ..., cod. 48 (olim 212; E 2).

zwain staynen tauein die seh ölt du merchen an disem brief (Wl, buche L, W2). Laut Schlußschrift hat ihn bruder lohannes von der Ygla gelesen vnd erclaubt aus der hailigen schrift und hi czu ein ander bracht

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Johannes von Jenstein

(Wl, L). J. bietet einen Sündenkatalog: Jedes Gebot wird lat. zitiert, übersetzt, knapp erläutert; es folgen 7 Übertretungen. Zum 4. Gebot gibt J. zuletzt ein Exempel für das Schicksal derer, die es mißachten (Absalom). Beim 5. Gebot unterscheidet er zwischen leiblichem Töten (5A.1 — 7.) und geistlichem Töten (5B.1 — 7.) und untergliedert 5B.7. (afterred} nochmals in sieben Punkte. Zu 8.7., der Lüge, zählt J. unter Berufung auf -» Augustinus (den er auch zu 1.7. zitiert) acht Arten auf. Die letzten beiden Gebote (sie ligen an der begerunge und an dem willen) stellt er den ersten acht gegenüber (sie ligen an den werchen] und setzt das 9. Gebot zum 7., das 10. zum 6. in Beziehung. Ü b e r l i e f e r u n g (Datierungen von K. Schneider). Leipzig, ÜB, Ms 758, 154r-158r (L, Mitte/ 3. V. 14. Jh., zwischen lat. Texten über die Sakramente und den Eucharistieempfang); Wien, cod. 1646, 2 V -5 V (Wl, nach dem Register zu einem lat. Predigtwerk, Mitte/3. V. 14. Jh.; zit.); ebd., cod. 2956, 118V-123V (W2, 3. V. 14. Jh., Schluß fehlt, voran ein dt. Sündenspiegel). - Unediert. L i t e r a t u r . Allgemein s. 'Zehn Gebote'. Zu J. v. I.: G. Eis, Die sudetendt. Lit. d. MAs (1959), wieder in: G. E., Kl. Schr.n z. altdt. weltl. Dicht. (Amsterdamer Publ. z. Sprache u. Lit. 38), Amsterdam 1979, S. 409-458, hier S. 454; U. STÖRMERCAYSA, Gewissen u. Buch (QuF z. Lit.- u. Kulturgesch. 14), 1998, bes. S. 202 Anm. 3.

II. Ein lat. Sammelband in Vorau enthält an drei Stellen neumierte Nachträge von mehreren Händen (Anfang bis Mitte 14. Jh.), zunächst dt. — zuerst ->· Frauenlobs Lied l — , dann lat.: Benedicamus- und Kyrie-Tropen, Cantiones (u. a. in Tönen des -» Marner, ->· Regenbogens, -» Reinmars v. Brennenberg) und vier leichförmige Stücke (a—d). b, ein Marienpreis in 38 Doppelversikeln (Florens iuventus virginis ...), ist das carmen mellicum eines fratris Johannis ... de Yglavia, der sich pauper und mendicus nennt. Von gleicher Hand sind c und d eingetragen (Mundi status per vicium l depravatus ...; Ad te, regina virginum ...); in d wird Maria gebeten, fratri Johanni zu Hilfe zu kommen. Autor beider Stücke könnte ebenfalls J. v. I. sein. Um 1400 wurden c und d in einer anderen Hs. mit Liniennotation auf-

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gezeichnet. Von b existiert eine stark gekürzte, anonymisierte, auf Christus umgedichtete Fassung mit Melodie in den 'Piae cantiones ecclesiasticae et scholasticae veterum episcoporum, in Inclyto Regno Sveciae passim usurpatae', die der Finne Theodoricus Petri herausgegeben hat (Greifswald, Augustin Ferber 1582 = VD 16, P 1765; erw. Ausg. 1625). Möglicherweise sind b—d auf die Melodien dt. Leichs gedichtet, wie es für andere lat. Stücke bereits erschlossen oder bezeugt ist (vgl. z. B. -»· Tannhäuser II. 1.; -> 'Augsburger Cantionessammlung' [NB]). Ü b e r l i e f e r u n g und Ausgaben. Vorau, Stiftsbibl., cod. 401, 248r-249v (b), 263v/264r-265r (c, d); ehem. Berlin, Preuß. SB, jetzt Krakau, Bibl. Jagiellonska, Mus. ms. 40580, 71r-72V72v-76r (c, d). Proben aus b und d: KORNRUMPF, S. 253 f., 255. — Junge Fassung von b: Anal. hymn. 45 b, Nr. 163 (konjizierter Text), Musik-Beilage I (Versikel 1—4); Piae cantiones ..., Facsimile, hg. v. E. MARVIA, Nachwort v. T. MÄKINEN (Documenta musicae Fennicae 10), Helsinki 21982, hier Nr. [17], S. [37]-[49]. L i t e r a t u r . RSM Bd. l, 1994, S. 262 (zur Vorauer Hs.); G. KORNRUMPF, Der Conductus Florens iuventus virginis des J. v. L, in: Musik in Mecklenburg ..., hg. v. K. HELLER u. a. (Stud. u. Materialien z. Musikwiss. 21), 2000, S. 249-257.

GISELA KORNRUMPF Johannes von Jenstein entfällt (tschech. Autor; keine dt.sprachige Rezeption bekannt) Die lat. Cantio des J. v. J. Quid modo dictarem (SPUNAR, S. 75 Nr. 142) ist auf die Melodie der Weihnachts-Cantio Quid admiramini gedichtet und geht somit vielleicht auf eine dt. Vorlage zurück; vgl. G. KORNRUMPF, Quid admiramini, quid opinamini, filiae Jerusalem, de partu novitatis? Eine Weihnachts-Cantio in Böhmen und anderswo, in: Dt. Lit. d. MAs in Böhmen u. über Böhmen. Vorträge der internal. Tagung ... Univ. Ceske Budejovice 1999, hg. v. D. FLIEGLER u. V. , Wien 2001, S. 181-203, hier S. 186 f. Zu einer Nachwirkung des Weihnachtsliedes Die, quaedam doctrina bei -> Johannes von Tepl vgl. M. STOLZ, Die künst helffen zuinale nichts. Zur Nichtigkeit menschlichen Wissens im 'Ackermann', Kap. 26, in: ebd., S. 247-261, hier S. 260 f. Vgl. ferner -» Adalbert Rankonis de Ericinio. L i t e r a t u r (allg.). R.E. WELTSCH, Archbishop John of Jenstein (1348-1400). Papalisme, Huma-

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Johannes von Kastl — Johannes Klimakos

nisme and Reform in pre-hussite Prague, The Hague — Paris 1968 (mit lat. Textausg.n im Anhang); J. POLC, in: Diet. Spir. VIII, 1974, Sp. 558-565; P. SPUNAR, Repertorium auctorum Bohemorum provectum idearum post universitatem Pragensem conditam illustrans, torn. I (Studia Copernicana XXV), Wroclaw 1985, S. 57-77; J. KADLEC, Jan z Jenstejna, in: Bohemia Sancta. Zivotopisy Ceskych svetcü a pfatel bezieh, Praha 1989 [1990], S. 194207 (Lit.); J. HANCIK, Jan z Jenstejna (13791396), in: Prazske arcibiskupstvi 1344-1994, Praha 1994, S. 302ff. (Lit.). - Hinweise Gisela Kornrumpf.

Johannes von Kastl [Korr.] Bd. 4, Sp. 655 zu 2): "dem Inhalt der 'kleinen Traktate' nachstehend" korr.: ... nahestehend.

Johannes Klimakos (Climacus, Climax) 1. Griechischer Eremit und Abt des Sinai-Klosters, Verfasser monastischer Schriften, geb. um 575, gest. um 650. Sein Hauptwerk ist die 'Himmelsleiter' (lat. 'Scala paradisi'; i. F. 'Sc. p.'), nach der er seinen Namen führt. In dreißig Stufen schildert er den geistlichen Aufstieg des Mönchs von seiner Abkehr von der Welt über die Aneignung christlicher Tugenden, den Sieg über den Körper und die Erlangung höherer Tugenden zur Vereinigung mit Gott, die in Ruhe, Gebet, Freiheit von Leidenschaften (apatheia) und Liebe geschieht. Die 'Sc. p.', die vielfach in griechischen Bilderhss. verbreitet wurde, hatte eine nachhaltige Wirkung v. a. im byzantinisch-slawischen Osten. A u s g a b e n (griech.): PG 88, Nachdr. Turnhout 1978, Sp. 624—1209 (zusammen mit einer lat. Übersetzung durch Matthaeus Rader S. J., 1561 — 1634); S. Giovanni Climaco, Scala paradisi, hg. u. übersetzt v. P. TREVISAN, 2 Bde, Turin 1941. Dt. Übersetzung: F. HANDWERCHER, Die Leiter z. Paradiese, Landshut 1834, Nachdr. Heppenheim 1987.

2. Die Rezeption der 'Sc. p.' im Westen erfolgt in mehreren Etappen. Das in Montecassino entstandene 'Florilegium Casinense' (Anfang 11. Jh.) enthält Exzerpte in lat. Übersetzung (gradus 3 über Weltabkehr und gradus 23 über die Blasphemie). Um 1300/1305 verfaßte der italienische

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Franziskanerspirituale Angelo Clareno da Cingoli (alias Pietro da Fossombrone) eine vollständige Übersetzung der 'Sc. p.' (samt Scholien) zusammen mit dem 'Sermo ad pastorem', der (in der lat. Fassung noch ungedruckten) 'Vita Johannis Climaci' des Mönchs Daniel (BHL 4381) und den 'Litterae mutuae abbatis Raithuni et Johannis Climaci'; zur Überl. s. ÖLIGER, S. XLI — XLIX; GRIBOMONT. Eine verbesserte Fassung dieser Übersetzung wurde um 1420 durch Ambrogio Traversi erstellt. Johannes -+ Gerson bezieht sich auf J. K. in seiner Kritik an -» Ruusbroec. Vor 1454 verfaßte -> Dionysius der Kartäuser einen Kommentar zur 'Sc. p.'. Als Druck erschien die 'Sc. p.' zuerst i. J. 1478 in italienischer Sprache (Torrebelvicino, bei Giovanni Leonardo Lungo), in der lat. Übersetzung durch Angelo Clareno erstmals in einer undatierten Ausgabe um 1505 in Paris. A u s g a b e n (lat.): a. Bibliotheca Casinensis, torn. 3, Montecassino 1877, Textanhang S. 328 — 330 ('Florilegium Casinense'); b. Übersetzung durch Angelo Clareno enthalten in: Dionysius Cartusianus: Dionysii Opera omnia, torn. 28, Tournai 1905, S. 13-497 ('Scala paradisi', Epistolae); Scholien (Ps.-Johannes de Raithu), in: PG 88, Sp. 1211 — 1248; 'Sermo ad pastorem' in: Sacra bibliotheca sanctorum patrum, hg. v. M. DE LA BIGNE, 2. Aufl., Paris 1589, torn. 5, S. 1381-1390; c. Umarbeitung der älteren Übersetzung durch Ambrosius Traversari, in: Sacra bibliotheca sanctorum patrum, hg. v. M. DE LA BIGNE, Paris 1576, tom. 3, S. 387 —514 ('Scala paradisi', Epistolae, Vita); 2. Aufl., Paris 1589, torn. 5, S. 307-446.

3. Die deutsche und niederländische Rezeption, deren Konturen sich noch nicht deutlich abzeichnen, beginnt mit Exzerpten aus dem buch von den stigen eins volkumen lebens im dominikanischen ->· 'Buch des Gehorsams' um 1400. Einzelne Exzerpte aus der 'Sc. p.', die bei der Katalogisierung spätmal. Erbauungsbücher gebucht wurden, sind wahrscheinlich als Zeugnisse eines neuen Interesses an der Altväterspiritualität zu verstehen, das im Ausstrahlungsbereich der Devotio moderna zu beobachten ist und durch Autoren wie ->· Gallus von Königssaal, Florens -» Radewijns, Gerard -»· Zerbolt van Zut-

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Johannes von St. Lambrecht

phen und Johannes Mombaer (vgl. COUILLEAU, Sp. 387) gefördert wurde; vgl. Berlin, mgo 120, 27r (Sprüche von ->· Bernhard von Clairvaux, -» Basilius dem Großen, J. K. und ->· Ägidius von Assisi, mndl.); mgo 353, 159r-160r (Exempel, mndl.); Darmstadt, LB, Hs 1906, 9V-13V (Exzerpte aus -» Anselm von Canterbury und J. K.)- Zitiert wird die 'Sc. p.' auch in Kap. 9 (über das Schweigen) des franziskanischen Traktats 'Von der -» göttlichen Liebe' [NB] (Ausg. RUH, Franzisk. Schrifttum II 245). Ein bislang nicht näher untersuchter rhfrk. Traktat 'Gegen die Gotteslästerung' (eyn gute lere wyder den geyst der lesterunge gemacht von dem heyligen vater Johannes Climacus genant das buch von den drissig staffeln) ist durch zwei Hss. bezeugt: Trier, StB, Hs. 813/1343 8°, 42r43r, und einen Codex, der sich 1892 im Besitz von F. W. E. Roth befand (heute, wie alle Hss. dieser Privatsammlung, verschollen). L i t e r a t u r . F.W.E. ROTH, Mittheilungen XII, Germ. 37 (1892) 286f.; L. ÖLIGER (Hg.), Expositio regulae fratrum minorum auctore Angelo Clareno, Quaracchi 1912, S. XXXIV-LV; B. ALTANER, Die Kenntnis des Griechischen in den Missionsorden während des 13. u. 14. Jh.s, ZKG 53 (1934) 436493, bes. S. 482-485; A. SIEGMUND, Die Überl. der griechischen christlichen Lit. in der lat. Kirche bis zum zwölften Jh., 1949, S. 180; J. GRIBOMONT, La Scala Paradisi, Jean de Ra'ithou et Ange Clareno, Studia monastica2 (1960) 345-358; G. CouiLLEAU, in: Diet. Spir. VIII, Paris 1974,369-389; Clavis Patrum Graecorum, Bd. 3, ed. M. GEERARD, Turnhout 1979, S. 476-478; K. WARE, in: John Climacus, The Ladder of Divine Ascent. Translation by C. LUIBHEID and N. RUSSELL, London 1982, S. 1-70; CH. JOEST, in: 3LThK III 925 f.

NIGEL F. PALMER Johannes von St. Lambrecht I. Leben. Als eines der wenigen Zeugnisse für das Echo, das der bedeutende Aristoteliker -» Engelbert von Admont (f 1331) zu Lebzeiten fand, registrierte schon B. PEZ die Widmung eines Traktats über die Befugnis der Mönche zu predigen (s. II.1.), dessen Autor sich magister Johannes dictus de sancto Lamperto humilis monachus,

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Mönch der Benediktinerabtei St. Lambrecht in der südwestl. Obersteiermark, nennt. Man hat für möglich gehalten, daß er Schüler Engelberts gewesen ist; die Widmung allein reicht freilich für eine solche Annahme nicht aus. Ob es sich bei dem Magistertitel um einen an einer Universität erworbenen Magistergrad handelt, muß offen bleiben. In der in einigen Hss. seines Passionstraktats (s. II.2.) überlieferten Einleitung bezeichnet J. sich als lector (sacre) theologie ordinis sancti Benedicti monachus sancti Lamperti, aber nicht als Magister, sondern nur als frater. Die Stätte seines Wirkens ist nicht sicher auszumachen, es muß sich keineswegs zwangsläufig um die St. Lambrechter Klosterschule handeln. Das kanonistische Interesse, das sich in der Befassung mit der 'Summa Raimundi' (s. .3.), der allbekannten Beichtsumme des Raymund von Penyafort, äußert, ist ein Indiz für die mögliche Identität J.' mit dem 1325 in Bologna nachweisbaren Rechtsstudenten gleichen Namens. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er Angehöriger der Familie von Laa, die im 14. Jh. in vielfältigen Beziehungen zu St. Lambrecht und zur Diözese Seckau stand, verwandt mit dem St. Lambrechter Abt Otto von Laa (1311-1329), der ihm wohl das Rechtsstudium in Bologna ermöglichte. Aufgrund einer päpstlichen Expektanz (1329) wurde er Prior der auf dem Wallfahrtsweg nach Mariazell gelegenen St. Lambrechter Zelle Aflenz. 1341 erfolgte seine Wahl zum Abt seines Klosters. Er hatte eine gute Hand für die administrativen Belange, förderte den Ausbau des bedeutenden Wallfahrtszentrums Mariazell, das von seinem Kloster betreut wurde, und den Um- bzw. Neubau der Wallfahrtskirche. Durch ihn kamen mindestens acht Hss. an die Klosterbibliothek, von denen einige in seinem Auftrag hergestellt worden waren (G. MÖSER-MERSKY, Mal. Bibl. Kat. Österreichs 3: Steiermark, 1961, S. 78). Er starb am 10. Jan. 1359. II. S c h r i f t e n . 1. 'Tractatus quod liceat predicare monachis'.

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Johannes von St. Lambrecht

Gewidmet Abt Engelbert von Admont, ist der Traktat vor dessen Tod (1331), allenfalls vor dessen Resignation (1327) entstanden. Dem streitbaren Prolog und Epilog zufolge hatten ihm Attacken eines ungenannten persecutor persönlichen Anlaß gegeben, doch führt er eine grundsätzliche Debatte um die ungeachtet der Bulle 'Super cathedram' Bonifaz'VIII. (1300) immer noch von Teilen des Weltklerus angefochtene Befugnis der Mönche, öffentlich zu predigen. J.' als dreiteilige Disputation aufgebauter Traktat ist eine der sehr wenigen benediktinischen Stimmen zu diesem Konflikt. Der kurze erste Teil (f. 8 r — ll r ) versammelt auctoritates und rattones, die den Mönchen die Vollmacht zu predigen bestreiten; im ausgedehnten zweiten Teil (f. ll r —45 r ) wird sie ihnen dagegen ex dictis sanctorum patrum et rationibus nachdrücklich zugebilligt, im dritten (f. 45r-80v) schließlich werden die gegen das monastische Predigtrecht vorgetragenen Argumente in verschiedenen methodischen Schritten (Widerlegung, Unterscheidung, Auslegung) entkräftet. Der Disputation folgt ein epilogartiges Zwiegespräch mit dem unterlegenen Gegner; es bricht f. 86V fragmentarisch (Blattverlust) ab. Unter den Autoritäten, die J. in Teil 2 und 3 anführt, tritt deutlich -* Rupert von Deutz hervor. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 9619, Pergament, 1. H. 14. Jh., aus Oberaltaich.

2. 'Tractatus de passione domini', auch: 'Exposicio passionis dominice', 'Exposicio super concordiam passionis Jesu Christi'; 'Exposicio passionis secundum Johannem'. Hauptwerk J.', nach der Untersuchung durch KNAPP, S. 312 f. (nach der Hs. Admont) ganz in der Tradition der spätscholastischen Bibelexegese ohne Verbindung zur Passionsmystik; vgl. auch -»· 'Myrrhenbüschel-(Fasciculus-myrrhae-)Texte', II. a. Ausgehend von einem nach dem Beispiel der Hoheliedpredigten -> Bernhards von Clairvaux als 'MyrrhenbüscheP (fasciculus mirre) bezeichneten Exzerpt aus den vier Evangelien werden zunächst vier grundlegende Quaestiones gestellt und danach die

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Texte Vers für Vers ausgelegt. Die unterschiedlichen Textfassungen der Überlieferung wurden noch nicht näher untersucht. Ü b e r l i e f e r u n g . Admont, Stiftsbibl., cod. 629, 37v-178r, v. J. 1436; Graz, ÜB, cod. 457, aus Millstatt, 22 r —62 r ; ebd., cod. 876, aus St. Lambrecht, 33 r — 108r (unvollst.); Kremsmünster, Stiftsbibl., cod. 43, l ra -67 va ; ebd., cod. 218, l ra -53 rb (keine direkte Textverwandtschaft mit cod. 43); Maribor (Slowenien), Skofijska Knjiznica (Bischöfl. Bibl.), cod. 121; München, clm 12713, 235va-286rb, aus Ranshofen, geschr. von Thomas Wismayer, 15. Jh.; Salzburg, ÜB, cod. M II 183 (olim Studienbibl., cod. V. 2. G. 84), 194r-250r; Vorau, Stiftsbibl., cod. 112, lr-71r, 15. Jh.; Wien, cod. 1563, aus Salzburg, 190r-250v. Die bei PEZ, S. LXII, genannte Hs. aus dem Stift St. Dorothea in Wien ist offenbar verschollen.

3. Opusculum super Summam Raimundi'. Das Opusculum' (ine. In summis festis. Tollite hie vobiscum munere et ite ad dominum) ist entgegen dem verkürzten Werktitel, der sich in den Kolophonen der beiden Hss. findet, nicht ein Kommentar zur weitverbreiteten 'Summa de casibus poenitentiae' des Raymund von Penyafort selbst, sondern zur 'Summula de Summa Raymundi' (Redaktion B, ine. In summis festis ad missam dicitur una] des Magister ->· Adam, einem — hier anonym geführten — metrischen Kompendium der Beichtsumme des Raymund, das in Deutschland ähnlich verbreitet war wie das Ausgangswerk. Der mit einem ausgreifenden Prolog eröffnete umfangreiche Kommentar folgt detailliert dem Text der Vorlage und gliedert sich nach deren Abschnitten. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 5609, 15. Jh., aus Diessen, 73va-134vh; clm 19635, 15. Jh., aus Tegernsee, 66 r —132 V (?), stark verwirrte Blätterfolge (75r: Explicit Opusculum pulchrum super partem summam (!) Reitnundi editum a magistro Jobanne monacho de sancto Lamperto), auch mehrere verschiedene Blattzählungen. Irrig zugeschrieben wurde J. in clm 5609 das 'Horologium aureum' Heinrich -> Seuses. L i t e r a t u r . PEZ, Thes., Bd. l, Diss. isagogica, S. LXII f.; O. WONISCH, Wer war J. v. St. L.?, Aus Archiv u. Chronik. Bll. f. Seckauer Diözesangesch. 3 (1950) 137-145; STEGMÜLLER, Rep. III u. IX Nr. 4938; B. PLANK, Gesch. d. Abtei St. Lambrecht, 1976, S. 34 f., 38 f.; W. STELZER, Gebildete

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Johannes Librarius — Johannes von Lübeck

Zeitgenossen im Umkreis Engelberts von Admont, in: J. TOMASCHEK (Hg.), Abt Engelbert von Admont (Schriften z. Kultur- und Kunstgesch. d. Benediktinerstiftes Admont 6), 1998, S. 18 — 35, hier S. 23 u. 28; F.-P. KNAPP, Die Lit. d. SpätMAs in den Ländern Österreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg u. Tirol von 1273 bis 1439, 1. Halbbd.: Die Lit. in der Zeit der frühen Habsburger bis zum Tod Albrechts II. 1358 (H. ZEMAN [Hg.], Gesch. d. Lit. in Österreich 2, 1), Graz 1999, S. 311-313. — Wesentliche Hinweise zu II. l. und II.3. sind F. J. Worstbrock zu verdanken.

WINFRIED STELZER Johannes Librarius [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 672 Z. 7 ff. von unten: "seit dessen Tod (1879) das Original verschollen ist" korr. hierzu: A. SPARBER lag i. J. 1950 (S. 375 f.) die Originalhs. des Johannes Librarius vor (Neustift, Stiftsarch., Nr. 21), die zwischenzeitlich verschollen gewesen war; vgl. seinen Abdruck des Bischofskatalogs S. 377—385. Die Hs. scheint aber neuerdings wieder verschollen zu sein. Sp. 673 zu Lit. ergänze: A. SPARBER, Der Brixner Bischofskatalog, MIÖG 58 (1950) 373-385.

Johannes von Lindau OP [Korr./Nachtr.]

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ser Zeit als Bakkalaureus der Theologie bezeichnet. In tschechischen Quellen wird er auch Libek genannt. B. Werke. 1. 'Lectura super libros Sententiarum Petri Lombardi'. Vorlesungen an der Univ. Prag, gehalten in den Jahren 1470—1471, abgeschlossen 12. 7. 1471. Ü b e r l i e f e r u n g . Brunn, Mährische LB (Moravskä zemskä knihovna Brno), Mk 71 (1470—71), früher in der Dietrichsteinschen Bibl. Nikolsburg (Mikulov). Text erst ab Buch I, Dist. 3 erhalten.

2. 'De existencia Christi in divinissimo sacramento'. Ü b e r l i e f e r u n g . Brunn, Mährische LB, Mk 109, 51r-55r.

3. Traktat(e) über die Auffassung der Eucharistie bei den Hussiten. Die Autorschaft J.' v. L. ist sehr wahrscheinlich, aber nicht bewiesen. Ü b e r l i e f e r u n g . Brunn, Mährische LB, Mk 109, l r —5 r . Es ist unklar, ob die zwei nachfolgenden Stücke mit dem ersten eine Einheit bilden sollen oder selbständige Traktate sind: Inc.: Bohemi sumentes venerandam eucaristiam utraque sub specie. De [!] prelatis ecclesie absoluta sit prestanda obediencia (5r —19 V ) bzw. Quant firmissimo raciatur [!] fundamento quantoque specimine abundet veritatis comunio utriusque speciei (20 r — 50V).

Bd. 4, Sp. 673 Über!.: "(30r-51v und 102rlll r ) ... harkommen"' korr.: (30 r -lll r ) die unikal überlieferte Sonderfassung des Traktats über die Erneuerung der Straßburger Ursulabruderschaft; vgl. auch -»· 'Geistliche Badestube' [NB]. Sp. 674 zu Lit ergänze: M. ROSZONDAI, Die Bü4. Auslegung der sog. katholischen cher eines Dominikaners d. 15. Jh.s, Joh. v. LinBriefe. In den Jahren 1481-1488 entstandau, Gutenberg-Jb. 57 (1982) 186-192.

Johannes von Lobkowitz und Hassenstein ->· Boguslav v. L. u. H. [Korr. im NB] Johannes von Lübeck A. Leben. Geb. um 1430 in Lübeck [?]; f 6. 1. 1502 in Prag. — J. v. L. war Magister der Univ. Rostock (er ist jedoch in der Universitätsmatrikel unter mehreren Lübeckern nicht identifizierbar; Belege bei BARTOS, 1956, S. 66 Anm. 6). Im Januar 1467 kam er nach Prag, leistete dem Kelch den Eid (d. h. er schloß sich den Hussiten an) und wurde Lehrer an der Prager Univ. Hier hielt er theologische Vorlesungen, mindestens bis 1497. Manchmal wurde er zu die-

den; J.' Autorschaft ist in hohem Maße wahrscheinlich wegen kurzer nd. Bemerkungen in der unter seiner Aufsicht geschriebenen Prager Hs. V D 14. Laut BARTOS bildete die tschechische Auslegung des hussitischen Erzbischofs Jan Rokycana (t 1471) die Vorlage des Werkes. Ü b e r l i e f e r u n g . Prag, Nationalbibl. (Närodni knihovna Praha), cod. V D 14; eine zweite Hs., jedoch ohne die Auslegung des Jacobusbriefes: ebd., cod. Ill F 2 (15. Jh.).

5. Lat. Psalmenkommentar, wahrscheinlich wegen seines großen Umfangs nicht vollendet. Die verstreut erhaltenen Teile enden mit dem Kommentar zu PS 67. Ü b e r l i e f e r u n g . Kommentar zu PS 1—25 (ohne Anfang, Abschrift am 23. 8. 1496 beendet):

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Johann von Lünen — Johannes von Lutrea

Königgrätz, Staatliches Kreisarchiv (Stätni okresni archiv Hradec Krälove), Fonds Sbirka rukopisü, Sign. 37; zu PS 26—51: Prag, Nationalbibl., cod. III F 14; zu PS 38-50: Brunn, Mährische LB, Mk 82, 124r—247V (mit einer Notiz über den Anfang der Arbeiten am PS 38 i. J. 1497); zu PS 52-67 ebd., Mk82, 29r-120r.

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L i t e r a t u r . F. M. BARTOS, Nemecky husita na Karlove universite a nejstarsi tisk Husova dila (Ein dt. Hussit an d. Karlsuniversität u. d. älteste Druck einer Schrift von Hus), Jihocesky sbornik historicky 13 (1940) 54—57; ders., Novy husitsky theolog a nove dilo M. Jana z Lubeku (Ein neuer hussitischer Theologe u. ein neues Werk von Mag. J. v. L.), Jihocesky sbornik historicky (1951) 156 — 157; ders., PHspevky k dejinim Karlovy university v dobe Husove a husitske (Beitr. z. Gesch. d. Karlsuniversität in d. Zeit von Hus u. d. Hussitentum), Sbornik historicky 4 (1956) 33-70, hier bes. Nemecky bohoslovec husitsky na Karlove universite (Ein dt. hussitischer Theologe an d. Karlsuniv.), S. 65-70; STEGMÜLLER, Rep. VII, 1961, Nrn. 10904, 10918-24, u. IX, 1977, S. 211 f.

6. Predigten bzw. 'Postilla de sanctis', nicht erhalten bzw. nicht identifiziert. Erwähnung in Rerum Bohemicarum Ephemeris (1578) des Prokop Lupac von Hlavacov: Sunt penes me eius theologi libro manu scripto condones seu Postillae de Sanctis, opus non indoctum neque lectu luceve indignum. VACLAV BOK 7. Kommentar zu den Paulusbriefen, nicht erhalten bzw. nicht identifiziert; in der Einleitung zur Auslegung der katholi- Johann von Lünen OP [Korr.] schen Briefe erwähnt. Bd. 4, Sp. 675 zu Z. 8 ff.: Die Verfasserschaft Alle lat. Werke unediert. Beschreibung der Hss.: J. TRUHLAR, Catalogue codicum manu scriptorum latinorum qui in c. r. Bibliotheca publica atque universitatis Pragensis asservantur l, Prag 1905; J. PATERA, Bohemika knizeci dietrichsteinske knihovny v Mikulove (Bohemica d. fürstl. Dietrichsteinischen Bibl. zu Nikolsburg), Prag 1915; V. DOKOUPIL, Soupis rukopisü mikulovske dietrichsteinske knihovny (Verzeichnis d. Hss. d. Nikolsburger Dietrichsteinischen Bibl.), Brunn 1958.

des Johann von Lünen für das Gedicht 'De origine et incendio oppidi Lünen' ist aus inhaltlich-chronologischen Gründen auszuschließen (Hinweis G. Kornrumpf).

Johannes von Lutrea I. Leben.

Geburtsjahr und Herkunft sind unbekannt, seinen auf den Beruf des Vaters verweisenden Beinamen Carnificis legte 8. 'Dat Bokeken van deme repe. De uth- J. v. L. nach 1456 ab (korrekte, authentilegghinge ouer den loueri', Druck Lübeck sche Ansetzung: J. de Lutrea). Im Sommer um 1482. Nd. Übersetzung von zwei Wer- 1452 wurde er an der Universität Erfurt ken des tschechischen Reformators Jan intituliert, wo er im Frühjahr 1454 zum Hus (ohne Nennung des Autors und des Baccalarius artium, 1456 zum Magister arÜbersetzers); die Übersetzung wurde frü- tium graduierte und nach längerer Lehrtäher Nicolaus -» Rutze zugeschrieben. Zur tigkeit im Winter 1466 das Theologiestuvermuteten neuen Zuweisung an J. v. L. dium als Lizentiat abschloß. Bereits Anund zur Charakteristik der Übersetzung fang November 1466 war er als Nachfols. d. Es handelt sich um die erste Druckle- ger Gabriel -> Biels für die neu eingerichgung von Hus' Schriften überhaupt. tete Predigerstelle am Mainzer Dom vorgesehen, die er wohl erst Anfang 1467 antrat F a k s i m i l e des Druckes. Jan Hus, Dat bokeken van deme repe. De uthlegghinge ouer den louen. und bis zu seinem Tod in Mainz im FrühAus dem Tschechischen ins Niederdeutsche überjahr (vor dem 19. März) 1479 innehatte. tragen v. Johann v. Lübeck. Mit einer Einleitung v. A. MOLNÄR (Nikolaus Ludwig v. Zinzendorf, Materialien u. Dokumente, Reihe l, Bd. II), 1971. A u s g a b e der tschechischen Vorlagen: J. ERSIL (Hg.), Mistr Jan Hus, Vyklady (= Magistri Johannis Hus opera omnia, Tom. I: Expositiones Bohemicae), Prag 1975; dass., Drobne spisy ceske (= Tom. IV: Opera Bohemica minora), Prag 1985, S. 147-162 (tschech.) u. S. 494-509 (lat.).

Hss. aus seinem Besitz in Gießen und Köln (s. u.); ferner Gotha, Forschungs- u. LB, Chart. A I , A 10, A 12 (Bibel, Albertus Magnus u. a.; Glossen und Register J. v. L.), aus der Dombibl. Mainz, die aus seinem Nachlaß auch seinen Sentenzenkommentar (II.A.3.) und eine Hs. von 1389 mit Werken u. a. des Robert Kilwardby erhielt; der ÜB Erfurt schenkte J. v. L. eine Hs. mit Predigten des Albertus von Padua.

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Johannes von Lutrea

II. Werke. Das Gesamt werk dürfte nachfolgend im wesentlichen erfaßt sein, doch sind Ergänzungen durch weitere Hss.-Funde durchaus zu erwarten. A. E r f u r t e r S c h r i f t e n . Überwiegend obligatorische Studienarbeiten, um 1452/ 66: 1. 'Exercitium librorum de anima'. Quaestionen zu Aristoteles, 'De anima'; nach FALK, S. 120 f., evtl. identisch mit A.4.; dagegen VENNEBUSCH, S. 56 Anm. 7. D r u c k e . Erfurt 1482 (HAIN 10350; C. H. LOHR, Medieval Latin Aristotle Commentaries, Traditio 27 [1971] 257); Wien 1520 (VD 16, A 3335).

2. 'Scripta circa Donatum per figuras'. Ehem. in einer Sammelhs. der Erfurter Kartause, Mal. Bibl. Kat., Bd. 2, 1928, S. 486.

3. 'Super Sententias libri quattuor'. Erwähnt bei TRITHEMIUS; ein Exemplar (Autograph?) früher in der Mainzer Dombibl., V. DE GuDENUS, Codex diplomaticus, Bd. 2, Frankfurt/M. 1747, S. 591.

4. 'Quaestiones disputatae'. Evtl. identisch mit A.l. Erwähnt bei TRITHEMIUS; dort ferner aufgezählt (nicht identifizierbar): 'quaedam in philosophia'.

B. M a i n z e r S c h r i f t e n (außer Predigten, vgl. C). 1. 'Tractatus de indulgentiis', um 1467/ 68. Wichtigste Schrift des J. v. L., der darin als erster namentlich bekannter deutscher Theologe das Ablaßsystem prinzipiell ablehnt: Ablaßgewährung übersteige menschliche Fähigkeit und Befugnis, sie könne allein von Gott/Christus, nicht also von kirchlichen Amtsträgern kommen. Weder aus der Bibel noch aus der Alten Kirche sei die aktuelle Ablaßpraxis zu legitimieren. Für die Zeit ungewöhnlich deutliche Position, die heftige Kritik hervorrief. Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB4°17, 73r-80v (Abschrift). Auf Anfrage des J. v. L. erstellte Gutachten: Johannes -> Hagen (Erfurt), ebd., 21r-62v (1468; Abschrift): scharf ablehnend; -* Johannes von Dorsten (Erfurt), ebd., 63 r —71 V (Autograph): moderat kritisch.

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2. 'Tractatus de iusta rerum possessione sive iusto rerum dominio', um 1468/70. Detaillierte Analyse des aktuellen Vertragsrechts; lat., nach eigener Auskunft in dt. Predigten vorgetragen. Eigentumsrecht wird (gegen Hussiten und Taboriten) befürwortet, Rentenkauf mit Zinsnahme als Wucher verurteilt. Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB4° 17, 115v-140r (Autograph); Abschrift ebd., 84r-108v, mit autograph, variiertem Schluß 109r110V, hier eingearbeitet: 'De vitalitiis'; Urfassung davon (um 1468/70) ebd., 143V-144V (Autograph).

3. Reden auf Mainzer Synoden. Für J. v. L. als Mainzer Domprediger obligatorisch; erhalten sind: a. 'De simonia' ('Collatio synodalis de statutis ecclesiarum'), 29. 5. 1471. Kritisch aufgenommene Rede gegen die Simonie, theologisch und sozialkritisch (reiche Pfründeninhaber werden reicher, arme ärmer) ausgerichtet, mit mutigen Ratschlägen für die Finanzierung der Mainzer Kirchenfabrik. Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB4°81, lr-10r; Trier, StB, Hs. 1925/1482 8°, 422 r —429 r (jeweils Abschriften). Kritische Gutachten von -> Johannes von Dorsten und Heinrich Ludovici (Erfurt): Köln, GB 4° 81, 10v-12r; Trier, Hs. 1925/1482/8°, 429v-430r; Severinus von Moneta (Köln): Köln, GB 4° 81, 12V-13V. D r u c k . Erfurt 1489 (HAIN 10351), mit den Gutachten Dorstens und Ludovicis.

b. 'De pluralitate beneficiorum', September 1472. Gegen mehrfachen Benefizienbesitz, der vom Besitzer nicht zu bewältigen und von Gott nicht gewollt sei. Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB4° 129, l r -8 r (Abschrift).

4. 'Epistola de sollemnitatibus non canonizatis', 1471. Plädoyer gegen die vom Mainzer Erzbischof verfügte Feier des Festes Praesentatio Mariae, verfaßt auf Bitte des Mainzer Domdekans Richard von Stein. Entgegen vorherrschender Meinung befürchtet J. v. L. einen Schaden für die Marienverehrung; die Quellenlage sei zu unsicher.

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Johannes von Magdeburg

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Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB4° 129, 9r-14v (Autograph); Mainz, StB, Hs I 298, 32r—37r. Ablehnende Stellungnahme eines unbekannten Mainzer Theologen: Mainz, StB, Hs I 175, 90r-114r.

dert, stets auf der Höhe aktueller theologischer wie gesellschaftlicher Dispute. Als streitbarer Domprediger war er ein wichtiger Protagonist der Mainzer Kirche, der auch um das 'einfache Volk' mit deutsch 5. Briefwechsel mit Johann -» Rucherat übertragenen Texten bemüht war. Obwohl von Wesel, Herbst 1472. Von J. v. L. (pro; er rhetorisch weniger begabt war und als Briefe vom 22. 10., 13. 11.) initiierter Dis- treuer Anhänger der konventionellen Kirput mit dem Wormser Amtskollegen (con- che seine Ansichten oft selbstkritisch beurtra; zwei Briefe) zur Frage, ob Papst und teilte, fand er wiederholt den Mut, fromm Konzilien etwas bei Strafe der Todsünde moralisierend die Abschaffung etablierter verbieten dürfen und ob der Papst Christi Praktiken (Ablaß!) zu fordern; mitunter klingen hier bereits Grundtöne der ReforStellvertreter sei. mation an. Ü b e r l i e f e r u n g . Stockholm, Königl. Bibl., Cod. V. a 2, 283r-286v (Abschrift); Würzburg, ÜB, M. eh. o. 34, 69r-71r (Exzerpte).

A u s g a b e . G. RITTER, Studien zur Spätscholastik III, 1927 (HSB 1926/27, 5. Abh.), S. 63-81, zum Inhalt S. 19-25.

Literatur. J. TRITHEMIUS, De scriptoribus ecclesiasticis, Basel 1494 (HC 15613), 122r-123v; F. FALK, Dom- u. Hofpredigerstellen in Deutschland im Ausgange des MAs, Hist.-polit. Bll. 88/2 (1881) 1 — 15, bes. S. 11 f.; ders., Kommentar zu des Trithemius Catalogus scriptorum ecclesiasticorum, ZfB15(1898) 112-124, bes. S. 119-121; E. KLEINEIDAM, Universitas studii Erffordensis, 21985/92 (Erfurter Theol. Stud. 14; 22), Bd. l, S. 385, 442f., Bd. 2, S. 115, 312 u. ö.; J. VENNEBUSCH, Zeitkritische Schriften des Mainzer Dompredigers J. de L. (gest. 1479) in einem Kodex aus seinem Besitz, Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. 52 (2000) 5597.

C. M a i n z e r Predigten. Seine 1467 — 1478 im Mainzer Dom (selten in anderen Kirchen in Mainz und Umgebung) gehaltenen Sermones de tempore et de sanctis schrieb J. v. L. in zwölf Büchern nieder (ein 13. Buch für 1479 vermutlich noch begonnen), zwei sind erhalten (s.u.). Die sprachlich wie inhaltlich einfachen lat. JOACHIM OTT Volkspredigten trug er offenbar direkt übersetzend deutsch vor. Ereiferung in aktuellen kirchenpolitischen Fragen offenba- Johannes von Magdeburg OP ren Predigten gegen die Hussiten oder die Verfasser der lat. Vita der Margareta conJuden und ihre Förderer. tracta, um 1260/1270. Ü b e r l i e f e r u n g . Autographen: Gießen, ÜB, Hs 828 (1470; 84 Predigten) und Hs 856 (1472; 75 Predigten), beide mehrfach überarbeitet, dabei Verweise auf Predigtbücher zu 1467-1469, 1471, 1473—1478 (so auch in den o. g. Gothaer Hss. und Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB 4° 17). Hs 828 und 856 waren bereits 1480/81 im Fraterherrenstift Butzbach vorhanden und wurden dort gebunden und exzerpiert: Gießen, ÜB, Hs 766, 2 r -23 r (2 Predigten aus 1472; 5 Predigten aus mindestens einem der verlorenen Jahrgänge; daher waren auch diese zumindest kurzzeitig in Butzbach); Hs 772, 394 rb-vb (Kirchweihpredigt aus 1470, Abschrift Wendelin -> Steinbachs).

III. Würdigung. Heute nahezu vergessen, war J. v. L. ein seinen Zeitgenossen wohlbekannter Gelehrter, in der Bibel, in Patristik, Scholastik, Philosophie und Kanonistik bewan-

1. Ü b e r l i e f e r u n g . 10 Hss., alle aus Deutschland und Brabant. Die älteste aus der Zisterzienserabtei Villers-la-Ville (Belgien), Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 195 (Be), ist um 1270/1280 anzusetzen. Dem frühen 14. Jh. gehört die Brüsseler Hs. 8609—8620 aus dem Zisterzienserinnenkloster Ter Kameren an. 6 Hss. stammen aus dem 15., zwei aus dem frühen 16. Jh. Bemerkenswert ist der Umstand, daß die älteste Überlieferung brabantisch ist. Knappe Beschreibung der Hss. SCHMIDT, S. XV-XVIII. Im frühen 17. Jh. entstand eine ndl. Übersetzung (Antwerpen, Arch. d. Minderbroeder Kapucijnen, cod. V 149), unediert. A u s g a b e . J. v. M., OP, Die Vita der M. c., einer Magdeburger Rekluse des 13. Jh.s, erstmals ediert von P. G. SCHMIDT, 1992. Die Bollandisten kennen die M.-c.-Vita nicht. In den Heiligen-Lexika gilt M. c. als Neapolitanerin,

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Johannes von Magdeburg

weil man die Ortsangabe Partenopolis auf Neapel, nicht auf Magdeburg bezog.

2. J. v. M. wird von Ordensschriftstellern als Johannes Dominicanus erwähnt, aber es fehlen jegliche biographischen Hinweise wie Geburt und Tod, Ausbildung und Aufgabenbereich. Allein seine Vita, das heißt sein Umgang mit der ihm anvertrauten Gelähmten, ermöglicht ein Bild seiner Persönlichkeit. Er hat besonders in den Anfängen seiner Aufgabe als consiliarius nicht immer das nötige Verständnis für die Askese seines Beichtkindes aufgebracht. Er tadelt sie häufig, ist reizbar und emotional, droht mit dem Entzug seiner Betreuung. Erst allmählich wird ihm die Einzigartigkeit ihrer Lebensform bewußt. 3. Margareta wurde schon als noch nicht einjähriges Kind gelähmt. Gott wollte 'einen kostbaren Schatz in einem schnöden Sack verbergen, um ihn sicher zu bewahren' (c. l, S. 3). Solange sie im Elternhaus lebte, führte sie eine blinde Hausgenossin zur Kirche: ein groteskes Paar, das den Spott der Leute auslöste. Herangewachsen führte sie das Leben einer Reklusin, und dies an einer öffentlichen Straße, um der Verachtung der Menschen ausgesetzt zu sein. Als 'ihren Teil' wollte sie 'Qual, Schmach und Armut' (c. 35, S. 38), 'Schmach und Schande' (c. 57, S. 64), 'Abscheu des Volkes und Gelächter entarteter Menschen' (c. 58, S. 68). Sie führte aber auch geistliche Gespräche mit Besuchern und Passanten, und dies auf Grund von Inspirationen der Gottesmutter (c. 3, S. 4), denn eine Ausbildung hatte sie als Kind unbemittelter Leute nicht erhalten. Da ihre spirituellen Aussagen oft in entstellter Form verbreitet wurden, geriet M. c. sogar in den Verdacht der Häresie (c. 63, S. 86 u. 87). Dies und ihr immer schlimmer werdender Gesundheitszustand führten zu ihrer Einweisung (mutmaßlich) ins Zisterzienserinnenkloster St. Agnes in der Magdeburger Neustadt, jedoch nicht als eingesegnete Klosterfrau, sondern als in Schutz und Pflege aufgenommene Begine. Sie starb dort in ihrem 33. Lebensjahr (wie Christus), mit SCHMIDT (S. XII) gegen 1260, spätestens 1270, nach WEISS 'mit großer Wahrscheinlichkeit' 1270 (S. 35).

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Das Eigenste von M.s Reklusenleben waren Schmach und Selbsterniedrigung. Was bei ändern heiligmäßigen Frauen ein äußerster Zustand war, der amor deficiens, die Gottesfremdheit, war ihre Existenzform. J. sieht sie zusammen mit den mulieres religiosae in Brabant (u. a. c. 66, S. 93), stellt aber auch die Unterschiede heraus: Bei M. c. fehlen Ekstasen und Visionen, Entrückungen in den Himmel und ins Fegefeuer, der Umgang mit dem gekreuzigten Heiland und mit dem Jesuskind, das brautmystische Element, die Wundererscheinungen schlechthin. An deren Stelle tritt das innere Wunder. Gott spricht zu ihr nicht in tranceähnlichen Auditionen, sondern in corde (c. 55, S. 59). Das alles heißt auch, daß diesem Gnadenleben die Farbigkeit, das Emotionale, Ekstatische, Übersinnliche fehlt. Es muß am Lehrgehalt gemessen werden. Interessant ist, daß die von J. betonte Nähe der M. c. zu den brabantischen mulieres religiosae dem Überlieferungsbefund entspricht. Die Kontexte der M.-c.-Vita sind Viten der Marie von Oignies, Lutgart von Tongeren, Christina von Sint Truiden, Aleydis von Scharmbeck. Dazu treten Lebensbeschreibungen der Elisabeth von Thüringen (-> Dietrich von Apolda u. a.) und Angela von Foligno sowie der 'Liber specialis gratiae' der -> Mechthild von Hackeborn.

4. Noch ein weiteres situiert das M.-c.Leben in Brabant. Im 'Eselsweg' der Alijt Bake (1415-1455) teilt uns diese ein Exempel mit: Eine Klausnerin Machtelt wurde mit Visionen begnadet, mußte sich jedoch vom Herrn belehren lassen, daß in ihrer Nachbarschaft eine Schwester lebe, 'die allezeit in Mühsal und Leiden stand, keine Visionen von Gott empfing', indes dem Herrn mehr behagte als sie (B. SPAAPEN, OGE 42 [1968] 30). Es kann kaum ein Zweifel bestehen, daß von ->· Mechthild von Magdeburg und der M. c. die Rede ist. Daß Alijt Bake letztere nannte, ist im Blick auf die Überlieferung kein Problem. Daß Mechthild zur selben Zeit in Magdeburg lebte, war aus ihrem Beinamen zu erschließen. Auch A. B. MULDER-BAKKER kennt die AlijtBake-Nennung S. Margriete de lamme, übersieht indes die entscheidende Stelle (S. 30), mutmaßlich

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Johannes de Marignolis

weil der Herausgeber nichts mit ihr anzufangen wußte.

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zog J. seine Reiseerfahrungen ein; diesen Partien galt, da ein eigener Bericht fehlt, lange das Hauptaugenmerk der Forschung, L i t e r a t u r . P. G. SCHMIDT, Lat. Lit. Magdelib und Illb fußen v. a. auf -» Cosmas burgs von ottonischer zu staufischer Zeit, in: E. ULLMANN (Hg.), Der Magdeburger Dom, 1989, von Prag und seinen Fortsetzern; ohne S. 221-225; K. RUH, Gesch. d. abendländischen chronikalische Grundlage ist die — in Ha Mystik II, 1993, S. 125-129; ebd. IV, 1999, vorbereitete — fabelhafte genealogische S. 265 f.; B. WEISS, Margareta v. Magdeburg. Eine Verankerung des Kaisers zu Beginn von gelähmte Mystikerin des 13. Jh.s, 1995; A. B. Hb. Beide Bücher wirken unfertig: lib enMULDER-BAKKER, Lame Margaret of Magdeburg: det mit der Rückkehr des jungen Königs -»· The Social Function of a Medieval Recluse, JourWenzel (II.) nach Prag 1283, einer bloßen nal of Medieval History 22, Nr. 2 (1996) 155-169. K. RUH Liste von Herrschernamen und Versen auf Karl IV.; für die jüngste Vergangenheit wird auf Karls eigene 'Vita' verwiesen. Illb Johannes de Marignolis (Giovanni de' Ma- springt vom 1. Drittel des 13. Jh.s zu Karls rignolli) OFM Bemühen, die Kapitelkirche auf dem Vysehrad in den Rang eines zweiten Sitzes des I.I. Der Florentiner Franziskaner, von hl. Petrus zu erheben. Papst Benedikt XII. mit einer Gesandtschaft Ü b e r l i e f e r u n g (2. H. 15. Jh.). Prag, Närodni nach China betraut, brach 1338 in Avignon Knihovna, cod. I D 10, lr-102v (Abb.: BLÄHOVÄ, auf und kehrte 1353 zurück. Die Audienz 1987, S. 444, 446 f.); in zeitl. Folge schließen an: beim Großkhan (19. August 1342) fand in die Böhmenchronik des -> Pulkava [NB] (bis der chinesischen Literatur ein Echo wegen 1330), die Vita -» Karls IV. (bis 1346), die Hussides von den Europäern überreichten wun- tenchronik des Lorenz v. Brezovä (1414 — 1421) u. derbaren Rappen, der als glückverheißende sein Lobgedicht auf den Sieg der Hussiten bei Taus Tributgabe aufgefaßt und gefeiert wurde (1431). - Nur bis Buch Ha (£MLER, S. 492-519): Venedig, Bibl. Nazionale Marciana, cod. lat. X. (s. FRANKE). r v -> Karl IV., 1355 in Rom zum Kaiser ge- 188 (aus Schlesien?), 243 -263 , dazu HILGERS, 1980; es folgt die 'Historia Bohemica' des Aeneas krönt, holte J., inzwischen Bischof von Bi- Silvius -» Piccolomini (VI.5.). — Exzerpt: Prag, signano in Kalabrien, als commensalis und Närodni Knihovna, cod. I C 24, 202r~v, s. BLÄHofkaplan nach Prag. 1358 oder 1359 ist HOVÄ, 1992 u. VIDMANOVÄ. er gestorben. A u s g a b e n . J. de M., Cronica Boemorum 2. In kaiserlichem Auftrag schrieb J. (Kronika Marignolova), hg. v. J. EMLER, in: Fontes eine 'Cronica Boemorum', die, mit Adam rer. Bohem. 3, Prag 1882, S. 485-604 (s. auch beginnend, usque ad felicia tempora no- www.clavmon.cz). — Neuausg. (durch K. Engstra reichen sollte. J. kombiniert böhmi- stova) in Vorber., s. L. JiROUSKOVÄ, Mlat. Jb. 36,1 sche mit Universalgeschichte (für Kaiser- (2001) 195. und Papstgeschichte verweist er auf die bei t e r a t u r (Auswahl). A.-D. v. DEN BRINCKEN, kannten Werke). Buch I (thearchos) führt DieLuniversalhist. Vorstellungen d. J. v. Marignola bis zur Sintflut; Buch II (monarchos) be- OFM, AKG 49 (1967) 297-339; H. FRANKE, Die richtet, ausgehend von Noahs Söhnen, Gesandtschaft d. J. v. Marignola im Spiegel d. chiüber die Reiche und Herrscher bis Augu- nes. Lit., in: Asien. Tradition u. Fortschritt, hg. v. stus (a) und über die böhmischen Herr- L. BRÜLL u. U. KEMPER, 1971, S. 117-134; H.A. scher (b, mit besonderem Prolog). Buch III HILGERS, Zum Text d. 'Cronica Boemorum' d. J. (ierarchos) behandelt das sacerdotium na- de M., Mlat. Jb. 15 (1980) 143-154; M. BLÄHOVÄ, turale, legale und spirituale bis zu den er- Kroniky doby Karla IV, Prag 1987, bes. sten Päpsten (a), dann die böhmischen Bi- S. 580-583, 593 f.; dies., Die mal. Sammelhss. d. lat. hist. Texte in Böhmen, Studie o rukopisech 29 schöfe (b). (1992) 35-52, bes. S. 44f., 52; R. JANDESEK, Das Für I, Ha und lila hat J. neben der Bibel fremde China. Berichte europäischer Reisender ... zahlreiche Quellen benutzt, als eine der (Weltbild u. Kulturbegegnung 3), 1992, bes. S. 59jüngsten -» Johannes de Utino OFM [Bd. 4 79; X. v. ERTZDORFF, Et transivi per principaliores u. NB]. Wo sich eine Gelegenheit bot, be- mundi provincias: J. Marignoli als weitgereister

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Johann von Morschheim

Erzähler d. 'Böhmenchronik', in: "WolframStud. 13, 1994, S. 142-173 (Lit.); N. KERSKEN, Geschichtsschreibung im Europa d. 'nationes'. Nationalgeschichtl. Gesamtdarstellungen im MA (Münstersche hist. Forschungen 8), 1995, bes. S. 587-603, 610-613, 639 f., 644 (Lit.); A. VIDMANOVÄ, Die mal. 'Belletristik' ..., in: King John of Luxembourg (1296-1346) and the Art of His Era, Prag 1998, S. 46-52, bes. S. 51; M. BLÄHOVÄ, Geograph. Vorstellungen u. Kenntnisse d. böhm. mal. Chronisten, in: Raum u. Raumvorstellungen im MA, hg. v. J. A. AERTSEN u. A. SPEER (Miscellanea Mediaevalia 25), 1998, S. 540-556, bes. S. 553 f.; dies., Offizielle Geschichtsschreibung in d. mal. böhm. Ländern, in: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte u. Forschungsprobleme, hg. v. J. WENTA (Subsidia historiographical), Torun 1999, S. 21-40, bes. S. 28-32 (Lit.).

II. l. Die 'Cronica' des J. de M. fand in Böhmen kaum Anklang, wurde jedoch offenbar in Wien bekannt: Aus den universalhistorischen Passagen sind viele Angaben in die um 1390 entstandene "Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften' {-> Leopold von Wien, II.7.) übernommen. Darüber hinaus mag die 'Cronica' die 'Fabelfürstenreihe', die in Redaktion B der 'Ö. Ch.' eingefügt wurde, mitangeregt haben (s. LHOTSKY). 2. SEEMÜLLER erwähnt in der Edition der 'Ö. Ch.' unter den Quellen J. de M. noch nicht. Eine punktuelle Abhängigkeit stellte 1973 v. DEN BRINCKEN fest. Die intensive Benutzung der 'Cronica' hat erst HILGERS 1980 im Kommentar zur Chronik 'Von den -» fünf Zeiten vor Christi Geburt' (Hs. v. J. 1469) nachgewiesen; unbemerkt blieb, daß diese Chronik der 'Ö. Ch.', Redaktion B, entnommen wurde (SEEMÜLLER §§ 9—39) und als deren Bestandteil breit überliefert ist. HILGERS hat ferner die Anleihen bei -> Otto von Freising hervorgehoben. Sie wurden auch von SEEMÜLLER registriert und reichen über § 39 der 'Ö. Ch.' hinaus. SEEMÜLLER führt sie auf eine interpolierte Fassung der -> 'Flores temporum' zurück; kritisch dazu LHOTSKY. Ü b e r l i e f e r u n g der 'Ö. Ch.' (Nachtrag zu Bd. 5, Sp. 721 u. [NB]). Mailand, Bibl. Nazionale Braidense, AE XIII 13, 274™-283ra: 'Fünf Zeiten'; Ausg. u. Kommentar: HILGERS, 1980. Exzerpte aus der 'Ö. Ch.' sind auch die bei HILGERS, 1973, S. 53

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angeführten Texte 6-9 (283V-293V), darunter die -* 'Vita Maximilian!' (III.3.; vgl. III.2.). — Ferner: BODEMANN, bes. S. 244. L i t e r a t u r . LHOTSKY, Quellenkunde, S. 315 — 317; A.-D. v. DEN BRINCKEN, Die 'Nationes Christianorum orientalium' ... (Kölner Hist. Abhh. 22), 1973, S. 410; H. A. HILGERS, Die Überl. d. Valerius-Maximus-Auslegung Heinrichs v. Mügeln (Kölner German. Stud. 8), 1973, S. 52-55; ders. (Hg.), Von d. fünf Zeiten vor Christi Geburt. Ein spätmal. Grundriß d. alten Gesch. nach J. de M. u. Otto v. Freising (WPM 15), 1980; U. BODEMANN, in: Katalog d. dt.sprachigen illustrierten Hss. d. MAs, Bd. 3, Lfg. 4, 2001, S. 244-291: Chroniken 26A.14.

GISELA KORNRUMPF Johann von Morschheim (Morsheim) [Nachtr. zu Bd. 4, Sp. 683 ff.] J. v. M. verfaßte auch eine Chronik der französischen Könige. Ü b e r l i e f e r u n g . Paris, Bibl. Nat., ms. allem. 84, Pap., Fol., 138 Bll., illustr., geschrieben zwischen 1502 und 1504 für den frz. König Ludwig XII. (Widmungsbild auf f. ). Nicht ediert. Abdruck der Vorrede (2r-5r) bei BACKES, S. 213-215.

Die dt. Übersetzung einer frz. Chronik über Herkunft und Geschichte der frz. Könige entstand während J.s Aufenthalt am Hof Ludwigs XII. in Blois (1502-04), wo er zum Gefolge des Heidelberger Pfalzgrafen Ludwig V. gehörte. Die Chronik reicht von der Erschaffung der Welt bis zur Regierungszeit Ludwigs XII. und nennt als letzte Ereignisse die Einnahme Neapels und den Krieg der frz. Flotte gegen die Türken im Dez. 1501. Laut Vorrede verfolgte J. mit diesem Werk zwei Ziele: Zum einen diente die Übersetzung ihm als Hilfsmittel für den Französischunterricht des jungen Pfalzgrafen. Zum anderen wollte er die von ihm bewunderte Bibliothek in Blois um ein Buch inn dewtscber sprach gemelter Meyntzer prouintz (f. 4r) bereichern. Als Vorlage diente ihm ein zeitgenössischer Druck der ab 1490 in verschiedenen Ausgaben weit verbreiteten 'Chroniques abregees des rois de France' (GW 6678 — 85). Stichproben zeigen, daß er dem frz.

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Johann von Neumarkt — Johannes von Sommerfeld

Text sehr eng folgte. Genauere Untersuchungen zur Ubersetzungstechnik fehlen. Die Handschrift wurde von dem in Lyon ansässigen Maler Guillaume Leroy mit 21 ganzseitigen Miniaturen ausgeschmückt. Ein eingelegtes Pergamentblatt enthält überdies allegorische Darstellungen des Verhältnisses zwischen Frankreich und der Kurpfalz. Der Plan J.s, die Chronik nach der Rückkehr in Deutschland drucken zu lassen, ließ sich offenbar nicht verwirklichen. L i t e r a t u r . G. HUET, Catalogue des manuscrits allemands de la Bibl. Nat., Paris 1895, S. 47 f.; M. BACKES, Das lit. Leben am kurpfälzischen Hof zu Heidelberg im 15. Jh., 1992, S. 154 f.; F. AVRIL / N. REYNAUD, Les manuscrits ä peintures en France 1440-1520, Paris 1993, S. 362.

MARTINA BACKES Johannes a Mortiliano Utino [Bd. 4 u. NB]

Johannes de

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logny-Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodmer 59. Vgl. R. WETZEL, Dt. Hss. des MAs in der Bodmeriana (Bibl. Bodmeriana. Kataloge VII), ColognyGeneve 1994, S. 47 ff.

Johann von Paltz [Nachtr./Korr.] Bd. 4, Sp. 699 zu II. Schriften: Zu einer weiteren dt. Schrift vgl. -» 'Der eren tafel' [NB] (in Wolfenbüttel, cod. Guelf. 1121 Heimst., 96 r -99 r ). Ebd. zu Ausgabe: Die 3 Bde der Ausg. v. CH. BURGER, F. STASCH u. B. HAMM in der Reihe 'SpätMA u. Reformation' sind 1983 und 1989 erschienen. Sp. 703 zu 12., Überl.: "Autograph von J. ..." bis "Augustiner-" ersetze durch: 3 Drucke: Erfurt, Wolfgang Schenck 1504; Leipzig, Martin Landsberg 1510.

Johannes de Ratisbona [Korr.] Bd. 4, Sp. 718 Überl.: "Bamberg, SB, cod. N.I.16" korr.: ..., Msc. Phil. 18 (olim N.I.16).

Johann von Sachsen [Korr.] Johann von Neumarkt [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 687 zu II.La., Überl., und Sp. 688 zu b., Überl.: "Vorau, Stiftsbibl., olim cod. 156 (verschollen)" korr.: ..., olim cod. CLVI (verschollen). [Die olim-Sign. CLVI ist nicht identisch mit der aktuellen Sign. 156! Mitt. Dr. Hutz, Stiftsbibl. Vorau.] Sp. 687 ebd.: "Wien, Schottenkloster, cod. 209 (53.C.6)" korr.: ..., cod. 145 (olim 53.C.6; Kat. HÜBL, Nr. 209). Sp. 688 zu b., Überl.: "Wien, Schottenkloster, cod. 403 (55.g.l3)" korr.: ..., cod. 61 (olim 55.g.l3; Kat. HÜBL, Nr. 403). Ebd. ergänze: Pommersfelden, Graf v. Schönborn Schloßbibl., HS 120, Bl. 132-245; vgl. Konrad von Liebenberg. Sp. 690 f. zu d. "Gebete" ergänze: Vgl. auch -> 'Gebetbuch für Barbara Ulstatt'; -> 'Gebetbücher für Erzherzog Albrecht V; -> 'Hortulus animae' (2. c.); -> Privatgebetbücher; -» 'Salve regina' (II.); -> 'Sieben Freuden Mariens' (B.VI.i); -+ Stundenbücher; ->· Tagzeitengedichte; -> Thomas von Aquin (B.IV.2.C.); -*· 'Veni sancte Spiritus' (II.). Sp. 691 vor 2. ergänze: Vgl. auch -> Innozenz III. (II.2.); -» Psalmenübersetzungen (spätmal, dt.) (B.IIL). Ebd. zu 2.a., Überl.: "Uppsala, ÜB, cod. 682" korr.: ..., cod. C 682.

Bd. 4, Sp. 730 Überl.: "Gotha, Forschungsbibl., cod. Ampl. 501, 273r-280r" korr.: ..., cod. Chart. A 501, 273r-285r (Hinweis Elisabeth Wunderle, BSB München).

Johann von Soest [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 752 zu 7., Überl.: Die Hamburger Hs. cod. germ. 2 ist seit 1998 wieder an ihrem alten Ort. Vgl. E. HORVÄTH, Zur Rückkehr weiterer Hamburger Hss. aus der Kriegsauslagerung, ZfdA 128 (1999) 62-65. Sp. 753 zu 8.: Die 'Erklärung des Textes der Evangelien ... in Reimen' ist durch eine Ausgabe vor Verbrennung der Hs. erhalten geblieben: vgl. Arthur WIEGAND, Die Handschrift Nr. 166 des Freiherrl. von Fichardschen Familienarchivs als Grundlage für die Beurteilung von Sprache, Stil u. Metrik des Johann von Soest, Diss. (masch.) Marburg, 1922, S. 46—95. Es handelt sich um einen (unvollständigen) Zyklus von 34 Sonn- und Festtagsgedichten, die überwiegend Perikopenparaphrasen und -auslegungen zum Inhalt haben, zum Teil auch Legendarisches u. ä. Vgl. M. SCHUMACHER, Ein 'Geistliches Jahr' um 1500, ZfdA 122 (1993) 425-452 (mit mehreren Textproben). Hinweis Frieder Schanze.

Johannes von Sommerfeld [Korr.] Johannes von Nördlingen [Korr.] Bd. 4, Sp. 697 Z. 7 f.: "Braunau, Langersche Bibl., cod. 467", korr.: Die Hs. ist heute in Co-

Bd. 4, Sp. 755 Überl.: "Prag, ÜB, cod. 1771" korr.: ..., Nirodni Knihovna, cod. IX F l (Kat. Nr. 1771).

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Johannes von Tepl — Johannes von Thurocz

Sp.756 oben: "Prag, ÜB, cod. 1081 [...] und cod. 1461" korr.: ..., Närodni Knihovna, cod. V I C 2 2 (Kat. Nr. 1081) [...] und cod. VII B 25 (Kat. Nr. 1461).

Johannes von Tepl [Nachtr.] Bd. 4, Sp.766f. zu III., petit-Abschnitt: "L. L. HAMMERICH / G. JUNGBLUTH, J. v. S. ... II: Sachkommentar nicht erschienen" korr.: als Bd. II der Ausg. v. G. JUNGBLUTH, 1969: Kommentar. Aus dem Nachlaß von Günther Jungbluth hg. v. R. ZACK, 1983.

Johannes Teutonicus [Korr.] Bd. 4, Sp. 782 Überl. oben: vor "Univ. of Pennsylvania" ergänze: Philadelphia.

Johannes von Thurocz (Thuroczy Jänos) Ungarischer Chronist. I. Autor. Geb. um 1435 (in Liptoszentmihäly?), Jurist weltlichen Standes (zu seiner Familie u. a. FITZ, 1937, S. 98), urkundlich belegt (KASZÄK, 1906, S. 9-16) als Notar (1468-69 und 1481-86), später unter Kanzler Thomas de Drag als Protonotar (1486 — 88) der königlichen Kanzlei in Buda, daneben als Notar des Prämonstratenser-Konvents in Sag (Sahy/Slowakei, 1465-66 und 1470-79); gest. zwischen Juni 1488 und Juli 1489 (in Buda?). II. Werk. J. v. Th. verfaßte zwischen den frühen 1480er Jahren und 1487 die 'Chronica Hungarorum', die umfangreichste spätmal. Prosa-Chronik der ungarischen Geschichte in lat. Sprache. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss. sind nicht bekannt. — Drucke: Brunn, [Conrad Stahel, Mathias Preinlein], 20. März 1488 (HAIN S15517, 42 Holzschnitte) [Druck b der krit. Ausg.]; Augsburg, Erhard Ratdolt für Theobald Feger in Buda, 3. Juni 1488 (HAIN *15518 = 15516; 66 Holzschnitte [Druck a der krit. Ausg.]; eine verkürzte Druckvariante [a2 der krit. Ausg.] zeichnet sich durch Texteingriffe in den äußeren Bogen der Lagen a und v aus, wodurch sowohl die Bezeichnung des ungarischen Königs Matthias Corvinus als Austriaeque ducis als auch die Erwähnung von dessen Einnahme von Wien und Wiener Neustadt wegfallen). A u s g a b e n . J. G. SCHWANDTNER, Scnptores Rerum Hungaricarum Veteres ac genuini, l, Wien 1746 (2°), S. 39-291 (und Nachdrucke). - Maß-

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gebliche krit. Ausg.: Johannes de Thurocz, Chronica Hungarorum. I—II, ed. E. GALÄNTAI/J. KRISTO/E. MÄLYUSZ (Bibl. Scriptorum medii recentisque aevorum. S. N. 7,9), Budapest 1985-1988. Engl. Teilübers.: Chronicle of the Hungarians [from] Jänos Thuroczy. [Übers.: F. MANTELLO] (Indiana University Uralic and Altaic series 155 / Medievalia Hungarica series 2), Bloomington/Ind. 1991. — Ungar. Übers.n: Thuroczi Jänos Magyar Kronika. Johannes de Thwrocz. Chronica Hungarorum primum edita in lingua latina anno 1488. [Übers.: L. GEREB] (Monumenta Hungaria I), Budapest 1957; Thuroczy Jänos, A magyarok kronikäja. Az 1486-ban [!] Augsburgban nyomtatott, az Orszägos Szechenyi Könyvtärban örzött ösnyomtatväny szinezett fametszeteinek hasonmäsäval illuszträlva. [Übers.: J. HORVÄTH], Budapest 1978; A magyarok kronikäja. [Bd. l Faks. Budapest, Orzägos Szechenyi Könyvtir, Inc. 1143, Bd. 2 Übers.: J. HORVÄTH], Budapest 1986; Thuroczy Jänos. A magyarok kronikäja. Rogerius mester. Siralmas enek. [Übers. O. KIADO], Budapest 2001.

J. v. Th. arbeitete kompilatorisch; er begann mit einer Prosabearbeitung der Geschichte der Thronstreitigkeiten nach dem Tod König Ludwigs I. (f 1382) nach Laurentius de Monachis, 'Descriptio miserabilis casus Caroli regis cognomento Parvi, nee non lugubrefactum reginarum Hungarie', die er Stephanus de Hasshag, seinem Vorgänger im Amt des Protonotars (bis 1486), widmete. Dieses Werk ergänzte er sukzessive nach weiteren Quellen; nur für die Berichterstattung über das 15. Jh. bis an die eigene Gegenwart heran ist er unter Nutzung von Kanzleiurkunden als Autor allein verantwortlich. Die endgültige Fassung der 'Chr. Hung.' ist Thomas de Drag gewidmet. Sie umfaßt im einzelnen folgende Teile: Widmungsvorrede an Thomas de Drag (c. 1), Geschichte der Skythen und Hunnen (u. a. unter Benutzung der 'Gesta Hungarorum' des Simon von Keza, c. 2 — 26), Geschichte der Ungarn bis 1342 (Variante der in mehreren Redaktionen vorliegenden 'Chronikfassung des 14. Jh.s', c. 27—129), 'Chronicon de Ludovico rege' nach Jänos Küküllei, einschließlich dessen Prolog (c. 130—185), Prosabearbeitung des Gedichts von Laurentius de Monachis (s. o.) mit Widmungsvorrede an Stephanus de Hasshag (c. 186-194), Geschichte Ungarns 1386—1487 mit Vorrede an den hier nicht namentlich genannten Thomas de

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Johannes von Thurocz

Drag (c. 195-262). J. v. Th. behandelt die Ereignisse unter der Regentschaft von Janos Hunyadi besonders ausführlich, während er den Aufstieg Ungarns unter Matthias Corvinus nach dessen Anfangserfolgen eher knapp zusammenfaßt; er schließt mit der Schilderung des Friedens von Olmütz (1478) und erwähnt nur stichpunktartig noch die Eroberung von Wiener Neustadt am 17. August 1487 [nur in b]. Auf Veranlassung des Bischofs von Varad, Olmütz und Brunn, Johannes Filipecz, wird die Chronik in Brunn zum Druck gebracht; auf Filipeczs Initiative geht der Beidruck des 'Carmen miserabile' des Erzbischofs Rogerius von Split (ca. 1201/05 — 1266) über den Mongolenzug von 1242 zurück. Obwohl im höfischen Umfeld von Matthias Corvinus tätig, zeigt sich J. v. Th. wenig beeinflußt von durch den König geförderten humanistischen Tendenzen, seine 'Chr. Hung.' wurde jedoch als Quelle von Pietro Ransano für seine 'Epithoma rerum Hungararum' genutzt (1488/89, Druck Wien 1558). III. Übersetzungen ins Deutsche. 1. Kaum nach 1490 entstand eine nur in einer Hs. erhaltene Übersetzung der 'Chr. Hung.' nach dem Brünner Druck [Variante b]. Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 156 (bair., mit kolorierten Federzeichnungen; 170 Bll.).

Der Übersetzer nennt weder sich selbst noch benennt er seine Vorlage. Er verzichtet auf die skythische Vorgeschichte (c. l — 11) und läßt offensichtlich aus Gründen der formalen Glättung auch weitere Zwischenkapitel fort: Capitulum de Siculis (c. 26), Metra de morte Karoli regis (c. 129), Prologus in Cronicam Lodowid regis (c. 130), Dedicatio (c. 186), Praefatio (c. 195). Ebenfalls nicht aufgenommen ist das 'Carmen miserabile'. Ansonsten hält sich der Verf. in wortgetreuer Übersetzung unmittelbar an den lat. Text; dem Brünner Druck folgt auch der Illustrator der Heidelberger Hs. 2. Eine zweite, wenig später zu datierende Übersetzung ist ebenfalls unikal

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überliefert; sie hat den Augsburger Druck in der verkürzten Fassung [Variante a2] zur Vorlage. Ü b e r l i e f e r u n g . Cambridge/Mass., Harvard Univ., The Houghton Library, fMS Ger 43 (österr., anfangs Bildfreiräume; 201 Bll.).

Der gleichfalls anonyme Übersetzer folgt in Umfang, Anlage und Wortlaut genau seiner lat. Vorlage (einschließlich aller Vorreden und der Widmung des mayster hannsen von türotz an Thomas de Drag); das mitübersetzte 'Carmen miserabile' wurde nachträglich (durch Umstellung der Lagen) in die Chronologie der Berichterstattung eingegliedert. 3. Kein Zusammenhang besteht zwischen den beiden hs.lich überlieferten Übersetzungen und der nach 1526 entstandenen, kürzenden dt. Bearbeitung der 'Chr. Hung.' durch den Ritter Hans Haug zum Freystein, Rat und Diener Ferdinands von Habsburg (ungar. König 1536—64). Druck: Der hungern Chronica inhaltend wie sie anfengklich ins land kommen sind, mit anzeygung aller irer Koenig, und was sie namhafftigs gethon haben. Angefangen von irem ersten Koenig Athila, vnd volfueret biß auff Koenig Ludwig, so im 1526. ]ar bey Mohatz vom Tuercken umbkommen ist. [Nürnberg, Johann Petreius/Wien, Johann Singriener d. Ä.] (auf Kosten vnd darlegen Hansen Metzgers Buerger in Wien ...) 1534, mit Holzschnitten von Peter Flötner (VD 16, T 1212-13). Neudruck: [Augspurg, Philipp Ulhart] 1536 (VD 16, T 1214); hs.liche Kopie: Fulda, Hess. LB, B 21 (1589).

Hans Haug zum Freystein strukturiert den Stoff neu und gliedert seine Chronik in 5 Bücher, wobei die ersten beiden (über die 1. und 2. Landnahme mit Verzicht auf die skythische Vorgeschichte) sich noch deutlich an die lat. Vorlage halten, während die beiden folgenden stärker bearbeitet sind und das 5. Buch (beginnend mit der Königswahl des Matthias Corvinus) die Vorlage ganz eigenständig behandelt und nach zeitgenössischen Berichten bis zum Tod Ludwigs II. in der Schlacht von Mohacs 1526 fortsetzt. 4. Inwieweit die 'Chr. Hung.' von Jakob -» Unrest für seine bis 1490 reichende 'Ungarische Chronik' benutzt wurde oder ob

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Johann von Toggenburg — Johannes de Utino

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die Übereinstimmungen auf gemeinsame Vorlagen zurückzuführen sind, ist noch nicht eindeutig geklärt.

kunftsnamen Johannes a Mortiliano bei SBARALEA, S. 106 ff. verzeichnet; demnach war er Magister theol. und Inquisitor in der Diözese Aquileia; er starb 1363 in seiL i t e r a t u r . Zu L: J. KASZÄK, Thuroczy Jänos nem Konvent in Friaul. Zumindest ein weielete es kronikäja, Budapest 1906; FITZ (s. u. II); F. teres Werk ist nur mehr mit seinem Titel GLATZ, Thuroczy Janos, in: Great Historians from Antiquity to 1800. An international dictionary, ed. ('Pantheon') bezeugt. Ob die Weltchronik L. , New York etc. 1989, S. 206-208; P. J. de U. in allen drei Teilen zuzuschreiben KULCZÄR, Thuroczy Janos, in: Uj magyar irodalmi ist, ist in der Forschung umstritten; zuletzt lexikon, hg. L. PETER, Bd. 3, Budapest 2000, VESZPREMY vertrat den Standpunkt, daß S. 2249 f. - Zu .: . VARJU, A Turoczi-kronika auf ihn wohl nur der universalchronistikiaddäsai es a Magyar Nemzeti Muzeum Könyvsche Teil des Werkes (von Adam bis Chritärban örzött peldänyatri, Magyar Könyvszemle stus) zurückgehe, während der Papst-Kai1902, S. 362-402; J. FITZ, Die Ausgaben der Thuser-Teil und die Chronologie der ungariroczy-Chronik aus dem Jahr 1488, Gutenberg Jb. schen Könige von einem Kompilator des 1937, S. 97-106; I. HUBAY, Die illustrierte Ungarnchronik des Johannes von Thurocz, Guten15. Jh.s stammten, der spezielles Interesse berg Jb. 1962, S. 390-399; E. MÄLYUSZ, A Thuan bayerischen Ereignissen zeige. roczy-kronika es forrasai. Budapest 1967; ders., A Thuroczy-kronika XV. szäzadi kiadasai, Magyar Könyvszemle 1967, S. 1-11; H. KUNZE, Geschichte der Buchillustration in Deutschland. Das 15. Jh., 1975, Bd. l, S. 243 f., Bd. 2, Abb. 92-100; J. SKUTIL, Brnensky tisk dila Jana Thuroczyho Chronica Hungarorum z roku 1488 a jeho povest o Svatoplukovi a o Arpädovi, in: Inihtisk v brne a na morave. Sbornik z konference Brno, 4. zärr 1986, Brno 1987, S. 92-102; N. KERSKEN, Geschichtsschreibung im Europa der „nationes". Nationalgeschichtliche Gesamtdarstellungen im MA (Münstersche Hist. Forsch.n 8), 1995, S. 652-739. — Zu III.3.: G. J. HANER, De scriptoribus rerum Hungaricarum, Wien 1774, S. 127; K. KERTBENY, Ungarn betreffende dt. Erstlings-Drucke. 1454— 1600 (Bibliographie der ungar. nationalen u. internationalen Lit. 1), Budapest 1880, S. 111 f.; J. BENZING, 'Der Hungern Chronica' (Wien 1534) u. ihr Drucker, in: Amor librorum. Fs. Abraham Horodisch, Zürich-Amsterdam 1958, S. 59—64; G. BORSA, Adalekok a 'Hungern Chronica' 1534. evi kiadäsanak törtenetehez, Magyar Könyvszemle 1961, S. 186-290.

ULRIKE BODEMANN Johann von Toggenburg [Korr.] Bd. 4, Sp. 784 zu 4.: "Bern, Burgerbibl., cod. VII.118" korr.: ..., Ms. h. h. VII.118.

Johannes von Tornamira [Bd. l u. NB]

Andree, Hans

Johannes de Utino [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 785 zu I. ergänze: Der Franziskaner J. de U. ist unter seinem Her-

Ebd. zu II., Lat. Überl. ergänze: STEGMÜLLER, Rep. III, 1951, Nr. 5025 (14Hss.); dazu Korrekturen und Ergänzungen bei VIZKELETY, S. 290—292 (insg. 15 lat. Hss.) und FROHNE, S. 3 —13 (insg. 8 Pergamentrotuli und 12 lat. Codices). Sp. 786 zu 2., Dt. Überl. ergänze: Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. germ. fol. 12 (ohne den Ungarn-Teil); vgl. B. WEIMANN, Die mal. Hss. der Gruppe Manuscripta germanica (Kataloge d. StB u. ÜB Frankfurt am Main 5, IV), 1980, S. 6 f.; Identifizierung bei KORNRUMPF, S. 507 Anm. 44. Der dt. Text des - 'Papst-Kaiser-Rotulus' [NB] in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 143, dürfte (gegen VESZPREMY, S. 232 Anm. 14) nicht mit dem betr. Teil der Chronik des J. de U. identisch sein. Ebd. zu 3. ergänze: Zu den wichtigsten Quellen der Kompilation zählen -> Petrus Pictaviensis [NB] und -> Petrus Comestor [NB], ferner die Weltchronik des Paulinus Minorita, daneben aber auch -> Heinrich von München (KORNRUMPF). Sp. 788 zu Lit. ergänze: J. H. SBARALEA, Supplementum et castigatio ad scriptores trium Ordinum S. Francisci a Waddingo aliisque descriptos ... Editio nova. Tom. II, Rom 1921; H. VOLLMER, Dt. Bibelauszüge d. MAs zum Stammbaum Christi mit ihren lat. Vorbildern u. Vorlagen (BdK 1), 1931, S. 18—21, 24-26; G. MELVILLE, Geschichte in graphischer Gestalt. Beobachtungen zu einer spätmal. Darstellungsweise, in: Geschichtsschreibung u. Geschichtsbewusstsein im späten MA, hg. v. H. PATZE (Vorträge u. Forschungen 31), 1987, S. 57-154, hier S. 76-79 u. 150 f.; G. KORNRUMPF, Die 'Weltchronik' Heinrichs v. München. Überl. u. Wirkung, in: Fs. f. I. Reiffenstein zum 60. Geb. (GAG 478), 1988, S. 493-514, hier S. 507f.; A. VIZKELETY, Zur Weltchronik d. J. v. U., in: W. MILDE/W. SCHUDER (Hgg.), De captu lectoris. Wirkungen d. Buches im 15. u. 16. Jh., 1988,

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Johannes von Vippach — Johann von Wiesbaden (Gispaden)

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delt hatte. In seinem über Jahrzehnte geführten Manual erfaßte er (nicht anders als das Hans ->· Seyff gemacht hatte) in drei verschiedenen Sprachen Auszüge aus chirurgischen Werken (-» Wilhelm von Saliceto; Bernhard Alberti [Montpellier, 1339 — 1358], 'Introductorium in practicam pro provectis in theorica'; Antonio dalla Scar'Einsiedeln-Zür- paria, 'De signis febrium'), trug tagebuchJohannes Vingartensis artige Notizen ein und berichtete kasuieher Lektionar' [NB] stisch von zahlreichen Behandlungen, die vielfach anonym blieben und nur mit OrtsJohannes von Vippach [Korr./Nachtr.] angabe ausgestattet sind, in 142 Fällen aber auch den Namen des Patienten bieten Bd. 4, Sp. 793 Überl.: "Göttingen, ÜB, cod. phiV V vb vb (greuff van Genff, richtter van Chambriaci los. 21, 12 -130 " korr.: ..., 12 -138 . Ergänze r r [Chambery]; myn herrder grauffvan Gipff; die Hs. Karlsruhe, LB, cod. K 380, 226 -284 messager I'eveque de Geneve usw.). Zu sei(mnd.; s. -> Aristoteles, 5.1.)· Vgl. die neue Ausg. ner Klientel gehörten höchste geistliche v. M. MENZEL, Die 'Katherina Divina' des J. v. V. Ein Fürstenspiegel des 14. Jh.s (Md. Forsch.n 99), Würdenträger, Vertreter des niederen und 1989. mittleren Adels, zahlreiche Klöster männliZu Lit. ergänze: B. SINGER, Die Fürstenspiegel cher wie weiblicher Konvente, aber auch in Deutschland im Zeitalter des Humanismus u. Angehörige des Bürgertums und der Unterder Reformation (Humanist. Bibl. 134), 1981, schichten (eyn juffrauwe van Darbeir, yn S. 148. eyme messer smeyt husß). In seiner Niederlassungsankündigung auf 3V weist er sich als Spezialisten für therapieresistente Fi'Johann aus dem Virgiere' [Korr.] steln, Unterschenkelgeschwüre und chirurBd. 4, Sp. 794 Ausg.n: "R. PRIEBSCH, ... 1866, gisch einschlägige Genitalerkrankungen S. 241-260" korr.: ..., 1896, S. 241-285. aus; sein wundärztliches Können schloß Ebd.: "ders., ... 1932" korr.: ..., 1931. indessen Schußverletzungen, Knochenaffektionen und Arthropathien mit ein; er operierte bereits vor Caspar Stromayr und Johannes der Weise [Nachtr.] Pierre Franco Leistenhernien hodenschoBd. 4, Sp. 798, Abschnitt 3: "... im Rahmen einer nend. Seine Illustrationen, die böhmische katechetisch-erbaulichen Kompilation in Versen" ('Krankheitsfrau' der 'Dreibilderserie'), ergänze: vgl. [u. a.] -»· 'Waldbruder'; -> 'Der siecht französische ('Skelett') sowie toletanische weg zuo dem himelrich' [NB] (mit einer weiteren Traditionen (Abulkasim) zusammenführen Hs.). und darüber hinaus eigenes Instrumentar ausweisen, bestechen durch ihre klare Johann von Wiesbaden (Gispaden) Strichführung, plastische Darstellung und eindrucksvolle Wiedergabe komplexer Ü b e r l i e f e r u n g . Paris, Bibl. nat., ms. lat. Strukturen (beispielsweise des gezähnelten r v 7138, l -247 , 2. H. 15. Jh., rhfrk., frankoproInneren konkaver Branchen von Schnabelvenz., lat. zangen). Inwieweit J. v. W. auch als ArzRhfrk. Wundarzt, der von Beaucaire aus neimittelproduzent tätig war, läßt sich zunächst als Wanderchirurg im Mittel- noch nicht abschätzen; es fällt auf, daß das meerraum (bis nach Kreta) tätig war, be- von ihm zuletzt bewohnte Anwesen 'de vor er in Grenoble das Bürgerrecht erwarb Quintal' zu Annecy 1506 an einen 'apothiund anschließend nach Annecy umzog, wo caire' verkauft wurde. er die wesentlich jüngere Schwester des L i t e r a t u r . K. SUDHOFF, Ein Beitrag zur Gesch. (Barbierchirurgen?) Charles Barbier heira- d. Anatomie im MA, speziell d. anatomischen Gratete, die er schon als Zweijährige behan- phik (Stud. z. Gesch. d. Medizin 4), 1908, Neudr. S. 289-309 (weitere Lit.); R- FROHNE, Die Historienbibel des J. v. Udine (Ms 1000 Vad) ausgewählt u. bearb. v. R. F., Bern (u. a.) 1992; L. VESZPREMY, Martin v. Troppau in der ungarischen Historiographie des MAs, in: Die Anfänge des Schrifttums in Oberschlesien bis zum Frühhumanismus, hg. v. G. KOSELLEK (Tagungsreihe d. Stiftung Haus Oberschlesien 7), 1997, S. 225-236, hier S. 231-236.

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Johannes von Winterthur — Johann von Würzburg II

1964, S. 42-44 u. Abb. l auf Taf. VIII; L. CHOULANT, History and Bibliography of Anatomie Illustration, übers, v. M. FRANK, Chicago 1920, Taf. nach S. 70 f Skelett' aus SUDHOFF]; E. WICKERSHEIMER, Maitre Jean Gispaden, Chirurgien annecien et grenoblois de la fin du XV6 siecle. Ses dessins ä la plume (anatomic, instruments de chirurgie), in: [Societe internationale d'histoire de la medecine:] V16 Congres internationale d'histoire de la medecine, Genf 1926, S. 163 — 174; ders., Dictionnaire biographique des medecins en France au moyen age, I-II, Paris 1936, Neudr. Genf 1979, I, S. 409 b f.

G. KEIL Johannes von Winterthur [Korr.] Bd. 4, Sp. 817 Mitte, zu Überl.: "Heidelberg, ÜB, cod. 359.76" korr.: ..., Heid. Hs. 163 (Auskunft der Bibl.).

Johann von Wünschelburg [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 820 zu 3.: "nach dem Kriegsverlust der Magdeburger Hs. (ehem. GymnasialbibL, Ms. 103)" korr.: Die Hs. befindet sich heute in Berlin, SBB-PK, Ms. Magdeb. 103 (Mitt. der Bibl.).

Sp. 821, zu 4. ergänze: Die Prophetic des Gamaleon in der Form eines auf das Jahr 1394 datierten Briefes an Papst BonifatiusIX. (1389-1404) ('Epistola Gamaleonis de novissimis temporibus ad Bonifacium papam nonum') existierte auch unabhängig von der Predigt J.s v. W. bereits im 15. Jh. Zu Ü b e r l i e f e r u n g und Fassungen der lat. Texte vgl. BEZOLD, 1884, S. 570-580. Weitere Hss.: Augsburg, SB u. ÜB, 4° Cod. 10, 74r-76r (Ende 15. Jh.; vgl. C. GOTTWALD, Die Musikhss. d. SB u. StB Augsburg, 1974, S. 20); Graz, ÜB, Ms. 532, 231r-233v; ebd., Ms. 870, 193v-196r; ebd., Ms. 967, 308r-311v; ebd., Ms. 1093, 253V258V (alle vier Hss. stammen aus St. Lambrecht, 15. Jh.; vgl. M. KERN, Die Hss. der ÜB Graz, Bd. l, 1942, S. 311; Bd. 2, Wien 1956, S. 88, 161, 227). Ein Hinweis auf Gamaleon in Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Q 127 (ca. 1460/70), 130V (vgl. K. GRAF, ZfdA 118 [1989] 207). Ebd., zur dt. Version korr.: Der dt. Text der Grazer Hs. 1748, 243rv (Practica maister Hannsens von Wunschltvurg; abgedruckt v. LAUCHERT, 1898, S. 849-851, und HERMANN, S. 114f.; aber nicht bei REIFFERSCHEID, vgl. unten!) handelt nicht von der Gamaleon-Vision und hat mit J.s lat. Predigt keine gemeinsame Basis.

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Es existieren aber auch dt. Fassungen der Gamaleon-Prophetie (ohne Zusammenhang mit J. v. W.). 1. Inc. (nach cgm 267): Gamaleon schreibt zu dem babst, der do genant was Innocencius [!] wie im erschein ein gar hubscher knabe bei dreien jaren ... Ü b e r l i e f e r u n g im Kontext von Sammlungen prophetischer Texte (vgl. u. a. auch -» 'Vision auf das Jahr 1401'; -> Hildegard von Bingen [NB], VI.C.a.2.): Coburg, LB, Ms. Sehe. 16, 320vb-322vb (um 1427; vgl. K. REDDER, Jean de Mandevilles 'Reisen' [MTU 99], 1991, S. 47); München, cgm 267, 249r-251r (um 1448; vgl. SCHNEIDER, München II, S. 184); München, ÜB, 2° cod. ms. 684, 100r-102v (dat. 1465; vgl. KORNRUMPF/VÖLKER, München, S. 59). A u s g a b e v. REIFFERSCHEID, 1905, S. 47-50 (nach cgm 267).

2. Inc. Die dinck sein ausgezogen vnd nomen aus der epistel Gamaieonis des frumen mans vnd diner gates die er geschriben bat dem pabst Bonifacio dem newnden von den letzten Zeiten der werlde; es folgt nur der 2. Teil der Vision: ... ein gewapenter man der get von mittentag aus kurcz an dem leichnam ... Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 3002, 38v-44r (im Anschluß an die Prophetic des -> Telesforus von Cosenza; 15. Jh.).

3. Michel -> Beheim versifizierte i. J. 1461 die dt. G.-Prophetic in seiner Osterweise (21 Strr.; mit dem Papstnamen Innocentius). Ausg. GILLE/SPRIEWALD, Bd. l, 1968, S. 390396 Nr. 110; vgl. RSM Bd. 3, 1986, ^eh/ 110a-d.

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Johannes von Würzburg I [Korr.] Bd. 4, Sp. 823 Überl.: "Berlin, SB Preuß. Kulturbes., cod. lat. 861" korr.: ..., Ms. lat. oct. 32 (Kat. Nr. 861).

Johann von Würzburg II [Korr.] Bd. 4, Sp. 824 Überl.: "Gotha, Forschungsbibl, cod. membr. IV 39" korr.: ..., Memb. II39. "Den Haag, Kgl. Bibl., cod. 720" korr.: ..., cod. 128 E l (Kat. Nr. 720). - "Berlin, mgf 923" vollst.: ..., mgf 923/11. - "Düsseldorf, LB u. StB,

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Johannes von Zazenhausen — Johanniterregel und -Statuten

cod. Z 15/5" korr.: ..., ÜB u. LB, Ms. fragm. K 20: Z 15/5. — Vgl. C. DIETL, Minnerede, Roman u. historia. Der 'Wilhelm v. Österreich" J.s v. W. (Hermaea NF 87), 1999, S. 402. Sp. 825 Ausg.n: Die angekündigte krit. Ausg. ist nicht erschienen.

Johannes von Zazenhausen [Korr.] Bd. 4, Sp. 828 Überl.: "Wien, cod. s. n. 3023" korr.: ..., cod. 3023. Vgl. MENHARDT, Hss. II 803f.

Johannes von Zierikzee -»· Almanache (11.21.) [NB] 'Johannes-Evangelium' (Dramatisierung) -+ Raber, Vigil (C.I.I 1. u. 14.) 'Johannes-Evangelium' 1,1 — 14 (Mystische Auslegung) -> 'Diu glose über daz ewangelium S. Johannis'; ->· 'Sant Johannes sprichet "ich sach daz wort in gote" ' (...) 'Johannisminne' [Korr.] Bd. 4, Sp. 834 zu a.: "Heidelberg, cpg 193/366" korr.: ..., cpg 366 (Kat. Nr. 193). Ebd. Z. 5 von unten; "Wien, Schottenkloster, cod. 336" korr.: ..., cod. 313 (Kat. Nr. 336).

Johanniterregel und -Statuten (mal. dt. Übersetzungen) I. Das älteste erhaltene Zeugnis für die Regel der Johanniter stellt ein anglo-normannisches Gedicht wohl schon vom Ende des 12. Jh.s über die Gründung des Spitals in Jerusalem dar, das 18 von 19 Punkten der Regel zitiert und kommentiert (vgl. -* 'Spital von Jerusalem'). Die erste amtliche Kompilation von Gesetzestexten erfolgte durch Guglielmo di Santo Stefano, den Prior der Lombardei (1287-90). Der in seinem Auftrag geschriebene Vat. lat. 4852 enthält die vor 1153 entstandene und von Papst Lucius III. 1185 beglaubigte Regel, ein Privileg zur Krankenversorgung von 1177, Vorschriften für den Gottesdienst, die Statuten von 1181 — 1288 in zeitlicher Abfolge und die Esgards, die von einem Gerichtshof (sgardium) festgelegten Strafbestimmungen. Die in anderen Quellen häufig damit verbundenen Usances oder Gewohn-

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heiten, die hier fehlen, waren nicht Gegenstand der Beschlußfassung des Generalkapitels. Dagegen zeigt eine jüngere Sammlung Guglielmos, die er als Kommendator von Zypern (bis 1303) veranstaltete, ganz privaten Charakter. Eine Kopie des damals redigierten Originals, Paris, Ms. fr. 6049, beinhaltet den bis 1304 ergänzten offiziellen Teil (Abbruch mitten im Statut), Glossen zu der von Papst Bonifaz VIII. 1300 neu bestätigten Regel, zu den Usances und Esgards, zwei verschiedene Versionen der Miracles nebst einer Abhandlung über den Wahrheitsgehalt dieser Gründungslegenden, Kurzbiographien der Großmeister und zahlreiche Stücke zur Ordensgeschichte. Eine wichtige Rolle spielte das Nationalitätenproblem. Verhandlungssprache war zunächst Frz., doch wurde auf Veranlassung von Roger des Pins 1357 eine lat. Übersetzung der Regel, Statuten und Begleittexte angefertigt mit der Absicht einer späteren Übertragung in die jeweilige Landessprache. Ü b e r l i e f e r u n g . Umfassende Zusammenstellung des Quellenmaterials: DELAVILLE LE ROULX, Ausg., torn. I, 1894, Introd.; übersichtlicher ebd. bei den einschlägigen Dokumenten; vgl. auch ders., De prima origine Hospitalariorum Hierosolymitanorum, These Paris 1885; ders., Les Statuts de POrdre de PHöpital de Saint-Jean de Jerusalem, Bibl. de l'Ecole des Chartes 48 (1887) 341-356. Wichtigste Hss. (frz.): Rom, Bibl. Apost. Vaticana, cod. Vat. lat. 4852 (die älteste frz. Version, 1287-90); Paris, Bibl. nat., Ms. fr. 6049 (um 1330); Marseille, Arch, depart., Bestand Ordre de Malte, 56 H 4055 n. l (früher H. 55; Pergamentrolle, frz., um 1300). - Weitere Hss. durch DELAVILLE (Ausg.) nachgewiesen in den Archiven von Arles und Toulouse (provenzal., 14. Jh.) sowie in Madrid, Arch. Hist. Nac., Ordenes Militares, San Juan-Aragon legajo 717 n. 39 (früher 'Alcalä de Henares'; katalan., 14. Jh.); La Valetta, Malta Nat. Libr., Order of St. John, Arch. 69 (lat., 1357); ebd., Arch. 1698 (lat., 1446). A u s g a b e n und Ü b e r s e t z u n g e n . P. A. PAOLI, Dell'origine ed istituto del Sacro Militär Ordine di S. Giovambattista Gerosolimitano, Rom 1781, App. instrum. S. XVIII-XXXI u. XL-L (Regel u. Statuten bis 1181 aus Vat. lat. 4852); M. L. DE MAS LATRIE, Notices sur les archives de Malte, a Citela-Valette, Archives des missions scient. et litt. 6

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Johanniterregel und -Statuten

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ten bis 1288; ab 107r lat., 1252 datiert: einzelne (1857) 26-30 (Chronologie der Meister aus der Malteser Hs. 69); H. PRUTZ, Kulturgesch. d. KreuzEsgards u. Abschnitte aus älteren Statuten); zusätzzüge, 1883, S. 601-618 (bis 1292 aus der Malte- lich zu DELAVILLE: Köln, Hist. Arch. d. Erzbisser Hs. 69); J. DELAVILLE LE ROULX, Cartulaire tums, Sign. Pfarrarchiv St. Remigius, Königswingeneral de l'Ördre des Hospitaliers de S. Jean de ter, C I 1.5, aus der Kölner Kommende St. JohanJerusalem (1100-1310), 4vol., Paris 1894-1906 nes u. Cordula (mhd.-ripuar., 1381: Regel, Statu(Nachdr. 1980), passim (die relevanten Texte frz./ ten, Usagien ind goide gewoenten; ab 48r lat.; vgl. lat.); E. J. KING, The Rule Statutes and Customs Handschriftencensus Rheinland 2, 1993, S. 802 f.); of the Hospitallers, 1099-1310, London 1934 Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GA 129a, gleicher Her(Nachdr. New York 1981), S. 20-201 (engl.); kunft (Frgm., mhd.-ripuar., Ende d. 14. Jh.s: ReC. H. CH. FLUGI VAN ASPERMONT, De Johanniter- gel, Statuten u. Gewohnheiten; vgl. ebd., S. 929); Orde in het Heilige Land (1100-1292), Assen Freiburg i. Br., ÜB, Hs. 467, aus der Straßburger 1957, S. 93-158 (frz.). Kommende zum Grünenwörth (lat./dt.-oberrhein., Mitte d. 15. Jh.s: Regel; Aufnahmezeremoniell in Eine weitere lat. Redaktion von 1446 den Orden u. seine Bruderschaften; Usagia u. Esdurch den Vizekanzler Melchiore Bandini, guardiä). die von der bisherigen chronologischen Von den 'Stabilimenta' in der Redaktion des Reihung der Statuten abwich, fand keine Guillaume Caoursin ist keine dt. Fassung bekannt.

allgemeine Billigung. Immerhin wurde die sachliche Anordnung des Stoffes in der Neubearbeitung von Bandinis Nachfolger Guillaume -» Caoursin übernommen. Dessen 'Stabilimenta Rhodiorum militum' von 1489 sind in vier Teile gegliedert, und zwar mit Angabe der Großmeister, unter deren Regierung die Verfügungen erlassen wurden: Ursprung des Ordens, Regel, Aufnahmeritus; Kirchliches, Hospitalität, Regierung — Ämter — Mitglieder (übergreifend); Wahlverfahren, Verwaltung. Zwei frz. Druckausgaben (vor 1500) sind bekannt. II. D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . Es ist ungeklärt, ob die Vorlagen der voneinander abweichenden dt. Zeugen frz. oder lat. abgefaßt waren, zumal clm 4620 der Schrift nach eher vor 1350 zu datieren ist; er bietet den Text der Regel in der reinsten Form. In 19 Punkten sind folgende Vorschriften verzeichnet: Kleidung und Verhalten bei allerlei Verrichtungen in der Ordensgemeinschaft, Weisungen für die Aufnahme und Betreuung von Kranken, Verordnungen für Reisen sowie Strafverfügungen bei Vergehen. In den anschließenden ersten Statuten sind die Zuteilung von Brot an die Kranken und kirchliches Brauchtum festgelegt, in der wichtigen Hospitalordnung von Roger des Moulins genaue Richtlinien zur Krankenfürsorge; die Statuten können demnach als Ausführungsbestimmungen der Regel gelten. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 4620, 73 r — 114V (mhd.-bair., Mitte d. 14. Jh.s: Regel u. Statu-

A u s g a b e n . G. T. LAGLEDER, Die Ordensregel d. Johanniter/Malteser, 1983, S. 89-115 u. 117128 (die Regel bis 1181, Faksimiles mit dipl. Abdruck von Vat. lat. 4852 bzw. clm 4620), 130-187 (Synopse dieser Texte u. nhd. Übers.); WIENAND (s. Lit.), S. 261 f. (Exzerpte aus der frgm. Hs. in Köln u. Schriftprobe). L i t e r a t u r , s. Ausg.n. — L. DELISLE, Maitre Jean d'Antioche, traducteur, et frere Guillaume de Saint-Etienne, hospitalier, in: Histoire litteraire de la France 33, Paris 1906, S. 1—40; M. AMBRAZIEJUTE, Studien über d. Johanniter-Regel, Diss. Freiburg (Schweiz) 1929; R. VALENTINI, Redazioni italiane quattrocentesche di Statuti della Religione Giovannite, Archivum Melitense 9 (1933) 73-90; ders., Un capitolo generale degli Ospitalieri di S. Giovanni tenuto in Vaticana nel 1446, Archivio storico di Malta 7 (1936) 133-168; E. NASALLI ROCCA, Origine ed evoluzione della Regola e degli Statuti dell'Ordine Gerosolimitano degli Ospedalieri di San Giovanni, in: Atti del primo congresso europeo di storia ospitaliera 1960, Reggio Emilia 1962, S. 901-925; J. RILEY-SMITH, The Knights of St John in Jerusalem and Cyprus, c. 1050—1310, London 1967; CH. L. TIPTON, The 1330 Chapter General of the Knights Hospitallers at Montpellier, Traditio 24 (1968) 293-308; B. WALDSTEIN-WARTENBERG, Rechtsgesch. d. Malteserordens, 1969; R. HIESTAND, Vorarbeiten z. Oriens pontificius I (Abhh. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen, philol.-hist. Kl. III, 77), 1972; B. BEAUCAGE, Le röle constitutif des usances et des esgards dans l'Ördre de SaintJean de Jerusalem, in: B. ROY / P. ZUMTHOR (Hgg.), Jeux de memoire, Montreal 1985, S. 123 — 130; A. WIENAND (Hg.), Der Johanniter-Orden. Der Malteser-Orden, 31988; B. WALDSTEIN-WARTENBERG, Die Vasallen Christi, 1988; W. G. RODEL, Reformbestrebungen im Johanniterorden in

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Jonghe Lanfranc — 'Von der Juden jrrsall'

der Zeit zwischen dem Fall Akkons u. dem Verlust von Rhodos (1291-1522), in: K. ELM (Hg.), Reformbemühungen u. Observanzbestrebungen im spätmal. Ordenswesen (Berliner hist. Stud. 14), 1989, S. 109-129.

GÜNTER GLAUCHE Jonghe Lanfranc [Korr.] Bd. 4, Sp. 838 zu Ausg.n: Die angekündigte Ausgabe ist nicht erschienen.

Jordan von Boizenburg [Korr.] Bd. 4, Sp. 852 zu Lit., unten: " .- . ROSENFELD, J. v. B., Nd. Korrespondenzbl. (im Druck)" korr.: ..., J. v. B. Ein bedeutender Vertreter der mnd. Rechtsprosa, Ndjb 105 (1982) 7-20.

Jordan von Quedlinburg [Nachtr./Korr.] Bd. 4, Sp. 858, zu c.: Vgl. auch -» 'Krone Unserer Lieben Frau', IV. (mit e. weiteren Hs.). Sp. 859, 3. Abschnitt ergänze: Eine umfangreiche md. (rhfrk.) Sammlung von Predigten des J. aus dem Opus postillarum' enthält die Hs. Eichstätt, ÜB, cod. st. 349, 5r-282v; vgl. D. SCHMIDTKE, Geistliche Schiffahrt II, PBB (Tüb.) 92 (1970) 115-177, hier S. 138-140. Ebd.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 271 [705], f. 226 ff." korr.: ..., cod. 705 [371/G 33], 292ra297rb (eine Antichrist-Predigt); vgl. F. LÖSER, Meister Eckhart in Melk (TTG 48), 1999, S. 229 u. 185 mit Anm. 275 u. 276.

'Jordansegen' -»· Wund- und Blutbeschwörungen [NB] Josef, Hermann -* Hermann Josef von Steinfeld Jost von der Neißen -> Döbringer, Hanko [NB] 'Judaslegende' [Korr.] Bd. 4, Sp. 885 Überl.: "Verlorene Hs.: Stettin, Gymn. Bibl., cod. 18 ... (Kriegsverlust)" korr.: Die Hs. ist wieder aufgetaucht (Hamburg, Antiquariat Jörn Günther; Hinweis H. W. Stork, Sept. 2001).

'Der Jude und das Rebhuhn' -» 'Die Ermordung eines Juden und die Rebhühner' [NB] Jude von Salms [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 889 zu L: "Französischer (okzitanischer?) Judenarzt ..." korr.: Lt. dürfte der J. v. S. deutschsprachiger Herkunft gewesen sein. Sein in den Hss. stets genannter Rufname lautet Hesse. Die Herkunftsbezeichnung von Salms bezieht MATUSCHKA jedoch nicht auf die hessische Grafschaft Solms, sondern auf eine der beiden ehem. Grafschaften Salm (Saulm[s]) in den Ardennen bzw. den Vogesen, die durch frz./dt. Zweisprachigkeit geprägt waren. Sp. 890 zu 3. ergänze zwei ältere Parallelhss. des Übersetzungswerks: Krumau (Cesky Krumlov), Krumauer Zweigstelle des Staatlichen Regionalarchivs Tfebon, Hs. 448, 1. H. 15. Jh., westmd., l ra -255 vb (vgl. ; mit Abdruck des Textes 'Visitation des krancken' S. 94—96); Zürich, Zentralbibl., cod. C 4a, v. J. 1462, lv-278r (vgl. - Agrius von Brune). L i t e r a t u r . M.E. Graf v. MATUSCHKA, Hesse, der Jude v. Salms (Solmes), Arzt u. Schriftgelehrter, Würzburger med.hist. Mitt. 8 (1990) 207-219; V. , Einige Beobachtungen zum sogen. Juden v. Solms anhand der Krumauer Sammelhs. seiner med. Werke, in: "Ik lerde kunst dor lust". Ältere Sprache u. Lit. in Forschung u. Lehre, Fs. Ch. Baufeld (Rostocker Beitr. z. Sprachwiss. 7), 1999, S. 87-97.

'Von den Juden' Juden irren'

'Bewährung, daß die

'Von der Juden jrrsall' und weitere ContraJudaeos-Traktate 1. Der dt. Prosatraktat 'Von der Juden jrrsall und irem ungelawben', überliefert in Wien, cod. 2846, 119ra-127va (15. Jh.), greift aus dem lat. Sammelwerk des ->· Passauer Anonymus (PA) die Kapitel 31, 32 (in Auswahl) und 68 des Judenteils in der Redaktion B auf (Inhaltsangaben bei PATSCHOVSKY). Ein in Red. A des lat. Werks fehlender Abschnitt in Kap. 68 (München, clm 9558, 94V) fordert unter Berufung auf den 'Codex Justinianus' (CJ) die Todesstrafe bei Beschneidung eines Christen (CJ 1,10,1 — jedoch nur auf christliche Sklaven bezogen, vgl. sonst 1,9,16), bei Apostasie (dagegen CJ 1,7) und Blasphemie gegen Christus (nicht in CJ)

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'Von der Juden jrrsall'

sowie eine Geldbuße von 50 Pfund Gold bei Errichtung einer neuen Synagoge (CJ 1,9,18). Kap. 31 (nur Red. B) enthält außerdem eine Glosse zu Ex 21,17, nach der die Juden als Gotteslästerer zu töten sind (clm 9558, 45 r-v ).

Der Text beginnt mit einer Aufzählung jüdischer antichristlicher Blasphemien, darunter der als Verfluchung der Christen aufgefaßte sog. 'Ketzersegen' (birkat haminitn, die zwölfte Benediktion des täglichen Achtzehnbittengebets). Knapp kommentierte Exzerpte aus dem Talmud stellen diesen als eine von Gotteslästerungen, Lügenmärchen, unsinnigen Vorschriften und falschen Bibelauslegungen überquellende Schrift vor, die von den Juden höher geschätzt werde als das Alte Testament. Die Forderung des PA, die Juden als Gotteslästerer zu töten (s. o.), wird zusätzlich mit dem Bruch des mosaischen Gesetzes begründet. Eine thematisch untergliederte Sammlung mit kurzen Glossen versehener Bibelzitate soll belegen, daß Gott sich von den Juden abgewandt habe. Schließlich schränkt eine lange Reihe traditioneller kirchlicher Gebote und vor allem Verbote die Kontakte zwischen Christen und Juden ein, da diese angeblich danach trachten, Christen dem Glauben abspenstig zu machen. Hier und da wurde die Vorlage — z. B. durch zusätzliche Banndrohungen — verschärft. Insgesamt ist neben der Kritik an den Landherren, die nach Ansicht des Autors nicht streng genug gegen die Juden vorgehen, v. a. der an sieben Stellen eingefügte Häresievorwurf hervorzuheben, der hier nicht nur — wie seit der Pariser Talmudverurteilung 1242 immer wieder — gegen die jüdischen Schriften, sondern gegen die Juden selbst gerichtet wird. In Kombination mit den — ohne Berufung auf den CJ — aus der Quelle übernommenen Forderungen nach der Todesstrafe (s. o.) wird den Juden damit das traditionelle Existenzrecht innerhalb der christlichen Gesellschaft grundsätzlich abgesprochen. 2. Michel -» Beheim hat den Traktat in seinen 'Contra-Judaeos'-Liedern 227—234 verarbeitet. 3. Den Traktat 'Von der Juden jrrsall' und fünf weitere in derselben Hs. überlie-

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ferte Traktate (vgl. zuletzt KNAPP, 1999 b, S. 216 f.; -» Wolfhart) schrieb als erster BERGELER dem Autor des -> 'Klosterneuburger Evangelienwerks' ('KEW) und des -> 'Schlierbacher Alten Testaments' zu, den er allerdings fälschlich mit -»· Heinrich von Mügeln identifizierte (BERGELER, 1937, S. 48; BERGELER, 1944). Die Schrift dürfte vor dem 'KEW, vielleicht im ersten oder zweiten Jahrzehnt des 14. Jh.s (KNAPP, 1999 b, S. 216), entstanden sein. KORNRUMPF, S. 120, erwog erstmals die Autorschaft desselben -* Österreichischen Bibelübersetzers [NB] an zwei weiteren Judentraktaten, die Cod. 222 (198) der Stiftsbibl. Göttweig (15. Jh.) als Einschub in die spätestens 1330 zu datierende Erstfassung des 'KEW überliefert: a. Traktat über die Feste der Juden und Christen, 263vb-265vb; auch in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 411 (15. Jh., mit Auszügen aus dem 'KEW, Hinweis Kornrumpf), Nachweise der Übereinstim77 va_ 79 rb mungen mit dem 'KEW und mit 3. b (s. u.) demnächst bei NIESNER. Terminus post quern vielleicht 1323, das Jahr der Heiligsprechung des -» Thomas von Aquin (sand Thomas 264ra). Der Text behandelt die Ablösung des Sabbats durch den Sonntag und weiterer sieben jüdischer durch christliche Feste: In Verbindung gebracht werden Pessach und Ostern, Schawuot und Pfingsten, Neumond und sand Marien hochzeit (wohl PL), Neujahr und die Apostelfeste, der Versöhnungstag und die Feste der Märtyrer und Bekenner, das Laubhüttenfest und Kirchweihe sowie ein 'Fest der Sammlung' (vgl. Lv 23,36) und aller heiligen vnd (aller) engein tag vnd auch aller seien tag, außerdem das tägliche Tempelopfer und das christliche Meßopfer. Die Schrift kombiniert zwei Stellen aus der 'Summa theologiae' des Thomas von Aquin (11,1, qu. 103,3, ad 4; qu. 102,4, ad 10). Ausführungen zum Sabbat mit Berufung auf Thomas beruhen wohl auf PS. (P)-Thomas, 'De duobus praeceptis charitatis', 'De tertio praecepto'. Die heilsgeschichtliche Sichtweise des Thomas wird durch moralische Deutungen ergänzt, die die erlösende Wirkung der christlichen Feste hervorheben, und durch den kontro-

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'Judenpflaster von Jerusalem' — 'Juliana'

verstheologischen Grundsatz von jüdischem Unglauben und christlichem Glauben überlagert. b. Judendisputation, 265 vb —274 ra ; auch in Wien, cod. 2907, 27V-36V (nach zwei 'KEW-Auszügen); vgl. -» Paschalis von Rom. 18 Bibelzitate zeigen weitgehende Übereinstimmung mit dem 'KEW (vgl. demnächst NIESNER). Es handelt sich um eine insgesamt recht getreue Wiedergabe des Originals in gutem Deutsch. Auslassungen fallen kaum ins Gewicht. Umschreibungen und kleine Zusätze dienen der Verdeutlichung. Ausgabe der drei Texte in Vorher. L i t e r a t u r . Vgl. -> 'Klosterneuburger Evangelienwerk': HAUPT; BERGELER, 1937 u. 1944; PATSCHOVSKY, S. 13-15, Anm. 54, S. 171-198. Ferner: J. E. SCHERER, Die Rechtsverhältnisse der Juden in den dt.-österr. Ländern (Beitr. zur Gesch. d. Judenrechts im MA mit bes. Bedachtnahme auf d. Länder d. österr. Monarchie 1), 1901, S. 433-435; G. DAHAN, Paschalis Romanus. Disputatio contra Judaeos, Recherches Augustiniennes 11 (1976) 161-213 (mit Ausg.); G. KORNRUMPF, Das 'KEW des österr. Anonymus, in: Vestigia bibliae 9/10 [1987/88], 1991, S. 115-131; H. SCHRECKENBERG, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte. [Bd. II:] 11.-13. Jh. (Europ. Hochschulschr.n XXIII, 335), 1988, 3., erg. Aufl. 1997, S. 193; ders., [Bd. III:] 13.-20. Jh. (dass. XXIII, 497), 1994, S. 531 f. (irriger Titel u. irrige Datierung!); F. P. KNAPP, Nikolaus v. Heiligenkreuz u. die Judenpolemik in Österreich zu Anfang des 14. Jh.s, in: Österreich im MA, hg. v. W. ROSNER (Stud. u. Forschungen aus d. Niederösterr. Inst. f. Landesk. 26; Niederösterreich-Schr. 109), 1999, S. 293-308 (a); ders., Die Lit. des SpätMAs I (Gesch. d. Lit. in Österreich 2,1), 1999, S. 216-221 (b); W. ROLL, Ein ältestes Zeugnis d. jiddischen Gebetssprache?, Jiddistik-Mitt. 22 (1999) 1-4; M. NIESNER, Deutschsprachige Contra-Judaeos-Lit. des SpätMAs, in Vorher.

MANUELA NIESNER 'Die Juden von Sternberg' ->· 'Sternberger Hostienschändung' 'Judenpflaster von Jerusalem' entfällt (als Text nicht genügend konsistent). Vgl. I. ROHLAND / G. KEIL, Das 'Judenpflaster von Jerusalem'. Anmerkungen zu einem galenischen Kurztraktat, Farmaceutisch tijdschrift voor Belgie58 (1981) 139-142.

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Judensint, Hans [Korr.] Bd. 4, Sp. 896 Stichwort: Der Name des Autors lautete wohl Judenfint/Judenfeind. Vgl. K. GRAF, Die 'Speyrer Chronik'. Ein vergessenes Werk der Geschichtsschreibung aus dem 15. Jh., in: Protokoll Nr. 309 der Arbeitsgemeinschaft f. geschichtl. Landeskunde am Oberrhein, Karlsruhe 1991, S. 11 f.; F. SCHANZE, Überlieferungsformen polit. Dichtungen im 15. u. 16. Jh., in: H. KELLER u. a. (Hgg.), Schriftlichkeit u. Lebenspraxis im MA (MMS 76), 1999, S. 299-331, hier S. 312.

'Juliana' Lat. u. dt. Legenden. A. Lat. Legende. Die hl. Juliana (von Nikomedien; BHL 4522—25) gehört zu der Gruppe der heiligen Jungfrauen. Ihr Kult ist zuerst für Süditalien (Neapel) bezeugt (GEITH, S. 8-20). Die lat. Legende dürfte auch dort etwa im 6. Jh. entstanden sein. Sie gelangte früh (nach 670) nach England, wo sie Ende des 8. Jh.s Vorlage des ags. Gedichtes von Cynewulf wurde. Mit der ags. Mission wurde, wie die ältesten Hss. bezeugen, die Legende nach Deutschland und Frankreich übertragen. Sie ist in über 300 Legendaren vertreten. Im Laufe ihrer Textgeschichte haben sich vier Hss.-Familien ausgebildet, die sich vor allem in sachlichen Details (Form der Marter und Gebete) unterscheiden (GEITH, S. 27—113). Kurzfassungen stammen von Jean de Mailly, Bartholomäus von Trient und -+ Jacobus de Voragine ('Legenda aurea'). B. Deutschsprachige Legenden. I. Versfassungen. Die erste dt.sprachige Versfassung der Legende stammt von Priester -*· Arnolt und dürfte um 1150 in Schäftlarn entstanden sein. Weitere Verslegenden sind im -» 'Buch der Märtyrer' und im -» 'Passional' enthalten. Ein umfangreiches Juliana-Gedicht (1371 vv.) ist in der aus Würzburg stammenden Hs. Chart. A 216, 82va-91rb, der Forschungsbibl. Gotha überliefert. Die Sprache der Hs. ist ostfrk. Bestimmte Merkmale (Reime, Wortschatz, Syntax)

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'Jüngere Hildesheimer Briefsammlung'

verweisen aber auf moselfrk.-luxemburgische Herkunft des Gedichtes (WlMMERER, 1933, S. 238 ff.). Wahl des Stoffes und andere Indizien weisen den Autor als Geistlichen aus (WIMMERER, 1933, S. 252). A u s g a b e . I. WIMMERER, Von sant Julian, ZfdA 71 (1934) 227-258.

Im Unterschied zu den übrigen dt. Versund Prosafassungen der Legende, die alle die lat. J.-Legende oder die 'Legenda aurea' als Quelle benutzen, ist ein Anfang des 13. Jh.s entstandenes afrz. Juliana-Gedicht (hg. v. FEILITZEN, 1885) Vorlage dieser Fassung; sie wurde vom dt. Bearbeiter stellenweise wortgetreu übertragen. Das afrz. Gedicht, dessen Autor ziemlich selbständig mit der lat. Legende umgegangen ist, erweitert gelegentlich die Angaben seiner Quelle, läßt aber auch manches aus und ist in den Schilderungen der Marter und Teufelstaten bildhafter und ausführlicher. Diese Tendenzen werden vom dt. Autor aufgenommen und teilweise noch verstärkt. Neu gegenüber der lat. Legende ist am Schluß (vv. 1340-59) die Nachricht von der Bestattung der Gebeine der Heiligen in Esturges in Spanien, die sich ebenfalls der afrz. Vorlage verdankt. An zwei Stellen (nach v. 410 und v. 625) sind Lücken im Text zu konstatieren. II. Prosafassungen. Prosafassungen, teils Übersetzungen der lat. Legende, teils Kurzfassungen davon, sind überliefert im Legendär des Marquard -> Biberli, im -> 'Bebenhauser Legendär', in der 'Elsässischen Legenda aurea' (-» Jacobus a Voragine, V. 5.), in -> 'Der Heiligen Leben' (vgl. die Ausg. v. M. BRAND u. a., Der Heiligen Leben, Bd. II: Winterteil [TTG 51], im Druck), -> 'Der Heiligen Leben, Redaktion', im -»'Darmstädter Legendär' [NB] sowie in weiteren 'Legenda aurea'-Übersetzungen (WILLIAMS, S. 424). Von diesen Fassungen unabhängig sind: 1. Eine 'J.'-Legende im Rahmen einer kleineren Sammlung von Prosalegenden weiblicher Heiliger ('Jungfrauenbüchlein') in Melk, Stiftsbibl., cod. 1569 (615; L 27), nach 1440 geschrieben von Lienhart -+

Peuger, Bl. 53r-57v (LÖSER, S. 152-154). Das Fragment einer 'J.'-Legende mit verwandtem Initium in Gießen, ÜB, Hs 705 A, 190va"vb (SCHIEWER, S. 154). 2. Eine nd. Übersetzung der lat. Legende vom Typ der C-Familie ist in Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 704 Heimst., 131r-135v, überliefert. L i t e r a t u r . H. v. FEILITZEN, Li vers del Ju'ise, Uppsala 1885, Appendices, S. 7 24; ders., La vie Sainte Julienne, publiee d'apres le Ms. F. Fr. 2094, Uppsala 1885; I. WIMMERER, Die Julianenlegende der Gothaer Hs. Ch. A. 216, ZfdA 70 (1933) 237256; dies., 1934 (s. o. B. I. Ausg.); K.-E. GEITH, Priester Arnolts Legende von der hl. Juliana. Unters, zur lat. Juliana-Legende u. zum Text des dt. Gedichtes, Phil. Diss. Freiburg 1965; W. WILLIAMS, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 29, Reg. S. 424; H. J. SCHIEWER, 'Die Schwarzwälder Predigten' (MTU 105), 1996, S. 154; F. LÖSER, Meister Eckhart in Melk. Stud, zum Redaktor Lienhart Peuger (TTG 48), 1999, S. 152-154.

KARL-ERNST GEITH 'Jüngere Hildesheimer Briefsammlung' 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Leipzig, ÜB, Ms 350, 132r-146v, Ende 12. Jh. A u s g a b e . R. DE KEGEL, Die Jüngere Hildesheimer Briefsammlung (MGH, Die Briefe d. dt. Kaiserzeit 7), 1995.

2. Die lat. Sammlung — in der Edition von l bis 144 durchnumeriert — setzt sich aus drei selbständigen Teilen zusammen: I. Urkundenlehre des Bernhard von Meung (1-40), II. Hildesheimer Briefe (41-133), III. 'Aurea Gemma Oxoniensis' (134 — 144). Die drei Teile zusammen geben der Sammlung das Gepräge eines Handbuches zur Ars dictandi. 3. Teil I. Bernhard von Meung und seine Schule erarbeiteten in mehreren Redaktionsstufen die erste vollständige Urkundenlehre des 12. Jh.s. Frankreich löste damit Italien ab, das sich nach Alberichs von Montecassino kurzen Erörterungen der materia in privilegiis (um 1100) mehr auf die Entwicklung der Brieflehre verlegt hatte. Die in der 'J. H. B.' überlieferte Fassung ist ein klassischer Vertreter der späten

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'Jüngere Hildesheimer Briefsammlung'

zwischen 1185 — 1187 entstandenen Redaktion (ine. Tractaturi de privileges; der definitorischen Einleitung folgen die Theorien zu den Papst-, Kaiser- und Bischofsurkunden). Der Theorie folgen 39 Urkundenbeispiele (2 Papst-, 5 Herrscher-, 10 Bischofs- und 22 Privaturkunden). Die Urkunden wurden in Lüttich zwischen 1189-1192 aktualisiert (26, 29). 4. Teil III. Die 'Aurea Gemma Oxoniensis' (= AGO, weitere Hs. in Oxford, Bodleian Library, MS. Laud Misc. 569, 178V —190 r ) ist eine anonyme, wohl zwischen 1126 und 1139 in Oberitalien entstandene Ars dictandi. Der erste Abschnitt hält sich stark an die 'Praecepta dictaminum' des Adalbertus Samaritanus und behandelt die Salutations- und Briefgliederungslehre, die modi positionutn sowie Satzzeichen, die brevitas und obscuritas. Der zweite Abschnitt, der dem Briefanfang, den Epitheta ornantia, den stilistischen Wendungen von Lob und Tadel und den Salutationsformeln gewidmet ist, ist z. T. autochthones Material, z. T. von der 'Aurea Gemma' des Henricus Francigena und vom 'Breviarium de dictamine' des Alberich von Montecassino abhängig. Der dritte ganz von Henricus Francigena durchdrungene Teil wendet sich den Salutationsregeln, der materia, der captatio benevolentiae, den Regeln stilistischer Komposition und der rechten Anordnung mehrerer sich unterscheidender Sachverhalte (negotia) in einem Brief zu und schließt mit einer Sammlung von Synonyma und ungewöhnlichen Redensarten. 10 Briefbeispiele runden die Theorie ab. Die AGO ist mehr als eine bloße Kompilation. Die Darstellung verschiedener Lehrmeinungen wird in c. 134,17 zum programmatischen Anspruch des ganzen Werks erhoben; ein Indiz dafür, daß die Ars dictandi im Sinn einer einheitlichen Lehre (mit einheitlicher Terminologie) noch keineswegs gefestigt war. Die AGO bemüht sich um eine Sichtung und Bilanzierung des bisher auf dem Feld der Ars dictandi Erreichten, ohne aber selbst weitere Perspektiven zu eröffnen. Aktualisierungen in einigen Briefbeispielen (137, 138) weisen auf eine um 1190 im

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Kölner Raum vorgenommene Bearbeitung der in der 'J. H. B.' überlieferten Fassung hin. 5. Teil II. Den Kern der 'J. H. B.' bilden 93 als Unikate überlieferte Briefe. Weil in mehr als einem Drittel der Briefe die Hildesheimer Bischöfe Adelog (1170/711190), Berno (1190-1194) oder Hildesheimer Domkapitulare als Absender/Adressaten auftreten, dürfte die Sammlung im Umkreis von Domkanzlei und Domschule entstanden sein. Die Frage, wieweit die Briefe echt oder fingiert sind, ist mit letzter Sicherheit nicht zu beantworten. Die Anhaltspunkte, die aus einer stilistischen Untersuchung des Formulars zu gewinnen sind, reichen im Fall der 'J. H. B.' nicht aus, um eindeutig fingierte Briefe nachweisen zu können. Das heißt aber nicht, daß alle Briefe in der vorliegenden Form echt sein müssen. Viele Briefe scheinen überarbeitet und mehr oder weniger auch gekürzt worden zu sein. Trotzdem ist davon auszugehen, daß in den Briefen noch ein originales Substrat vorhanden ist. Dank des ausgedehnten Beziehungsnetzes von Bischof, Domkapitel und Stadt Hildesheim stand dem Redaktor der Sammlung verschiedenstes authentisches Briefmaterial (Konzepte, gelaufene Briefe, Abschriften) zur Verfügung. Für viele Briefe, die von ihrem Inhalt her Alltägliches behandeln, gilt, daß eine der wenigen Überlieferungschancen in der Aufnahme in Brief- und Formelsammlungen liegt, die, zu Lehrzwecken abgefaßt, eben auch oder gerade das Typische, das Wiederholbare tradieren wollen. Eine erste Gruppe (41—77) umfaßt Briefe von reichs- und landesgeschichtlicher Bedeutung, deren prostaufischer Tenor klar zu fassen ist. Unter den Absendern oder Adressaten finden sich u. a. Papst Urban III., Kaiser Friedrich I. Barbarossa, König Heinrich VI., der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg, Herzog Heinrich der Löwe. Eine zweite Gruppe (78—133) enthält hauptsächlich Briefe zu Hildesheimer Diözesan- und Stadtangelegenheiten. Viele Briefe spiegeln den Alltag: Studenten- und Geschäftsbriefe, Briefe aus Pfarrei und Diözese, Briefe von kleinen, den Alltag der Menschen in den 1180er und frühen 1190er Jahren prägenden Fehden, Überfällen und Machenschaften. Solche Briefe konnten gut als Beispiele dienen, falls man selber

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in eine vergleichbare Situation geraten sollte. Die Sammlung läßt sich damit von zwei Seiten her fassen: von einer zeitgeschichtlich-politischen und von einer didaktisch-exemplarischen.

6. Die Teile I und III sind aufgrund der guten Beziehungen mit Lüttich und Köln nach Hildesheim gekommen und um 1195 mit Teil II verbunden worden. Noch nicht eindeutig geklärt ist die Frage nach dem Namen des Redaktors der Sammlung. Er dürfte aber Angehöriger des Hildesheimer Domkapitels gewesen sein. LANDAU vermutete jüngst, indem er die 'J. H. B.' mit der 'Rhetorica ecclesiastica' in Verbindung brachte, den Eilbertus von Ölsburg. Im Verlauf des 13. Jh.s muß die 'J. H. B.' in die Bibliothek des sächsischen Zisterzienserklosters Altzelle gelangt sein, wo sie mit anderen Texten zu einer Sammelhs. vereinigt wurde. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit der Entstehung und Verbreitung der 'Summa dictaminum' des ->· Ludolf von Hildesheim (nach 1240), die einen moderneren Typus der Ars dictandi verkörpert und die 'J. H. B.' verdrängt haben dürfte. Außerdem mußten viele der zeitgeschichtlich auf das ausgehende 12. Jh. ausgerichteten Hildesheimer Briefe in ihrem Aktualitätswert veralten. L i t e r a t u r . Lit. bis 1994 s. Ausg., S. 40-49; P. LANDAU, Eilbert von Bremen, Eilbert von Hildesheim u. die jüngere Hildesheimer Briefsammlung, in: K. BORCHARDT / E. BÜNZ (Hgg.), Forschungen zur Reichs-, Papst- u. Landesgesch. Fs. P. Herde z. 65. Geburtstag, 1998, S. 231-237.

ROLF DE KEGEL 'Jüngere

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'Jüngere niederrheinische Marienklage' — 'Der Junker und der treue Heinrich'

niederrheinische

Marienklage'

[Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 926 Überl. u. Ausg.n: Es gibt nicht sechs, sondern nur fünf verschiedene Drucke. Vgl. BERGMANN, Spiele, MD 6, MD 7, MD 9, MD 10 und MD 13. Demnach (MD 10) ist BoRCHLiNG/ CLAUSSEN, Nr. 530 mit Nr. 553 identisch. Der zeitweilig verschollene Druck Nr. 667 (nicht Nr. 553!) = Ex. Berlin, SBB-PK, Yg 6377 Nr. l befindet sich heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Ebd. ergänze: Eine ndl. Fassung in Leuven, ÜB, ms. 2 (olim A3; G 6; wohl Brügge, ca. 1425 — 1435), 80r-86r. Ausg.: K. C. J. W. DE VRIES, De

Mariaklachten, Zwolle 1964, S. 302-308, vgl. S. 25 f., 152-159. Vgl. M. MEERTENS, Een merkwardig Latijnsch-Middelnederlandsch Getijdenboek ..., in: Miscellanea Historica, Fs. A. de Meyer, Leuven 1946, S. 722-736, bes. S. 733 f.; J. B. OOSTERMAN, De gratie van het gebed (Nederlandse literatuur en cultuur in de middeleeuwen 12), Amsterdam 1995, Teil 2, S. 301 Nr. 280, S. 345. Hinweise Gisela Kornrumpf.

'Jüngeres (ostmd.) Marienlob' [Korr.] Bd. 4, Sp. 927 Überl.: "Dessau, StB, cod. Nr. 24" korr.: ..., Anhaltische Landesbücherei, Hs. Georg. 24.8°. - Die Signatur der sog. Königsberger Passional-Hs. lautet: ehem. SB u. ÜB, Hs. 2914, Bl. 40 vb ~ c (die Hs. ist weiterhin verschollen; vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg [Schriften d. Bundesinstituts f. ostdt. Kultur u. Gesch. 15], 2000, S. 152 f.); im Schluß der Titel 'Unser Frauen Krone', ebenso in dem weiteren Textzeugen Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1184 Heimst., 173V—182V (vgl. -> 'Krone Unserer Lieben Frau', X. 3.). Sp. 928 unten:"-»· 'Marien Rosenkranz'" korr.: -» 'Marien Kranz', II. [Bd. 5 u. NB].

'Jüngere Zeichenlehre' [Korr.] Bd. 4, Sp. 929 Überl.: "Stuttgart, LB, cod. cam. et oec. 9" korr.: ..., cod. cam. et oec. 4°/8° 9.

'Von dem Jungesten tage' [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 930 zu Ausg.n: "London, British Library, Ms. Add. 34392" korr.: ..., Ms. Add. 343927 II. Ebd. ergänze: L. ZATOCIL, Zwei altschlesische Gedichte, Sbornik Praci Filosoficke Fakulty Brnenske University, Jg. 16, Rada Literärnevedna 14 (1967) 109-124, hier S. 112-117 (nach Wien, cod. 3007, 8r-14r).

'Jüngstes Gericht (westmd.)' Weltgericht' [NB]

'St. Galler

'Der Junker

Heinrich'

und der treue

[Nachtr.] Bd. 4, Sp. 933 zu Ausg.n ergänze die krit. Ausg. unter dem ursprünglichen Titel: W. SCHRÖDER, Variable Verschriftlichung eines Märe. Ein history von eim edelman vnd sinem knechte Heinrich (SB d. Wiss. Ges. an d. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M., Bd. XXXIV, Nr. 3), 1996.

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Justinger, Konrad

Justinger, Konrad [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 935 Überl.: "Bern, StB u. ÜB, Mss. H.H.X.69" korr.: Bern, Burgerbibl., ... . Ebd. zu 3.: "Bern, StB u. ÜB, cod. 452" korr.: Bern, Burgerbibl., ...

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Sp. 936 zu Lit. ergänze: H. STRAMM, Der Chronist Conrad Justinger u. seine Berner Chronik von 1420, Bern 1978. Dazu vgl. auch -» 'Zürcher Stadtchroniken', 3. (deren Redaktion B war Quelle für J.s 'Berner Chronik').

s. auch C Kager (Kae-, Kegerl), Ulrich -> Ulrich von Landau

Der Kanzler [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 991 zum Kurzen Ton vgl. auch riger.

Jö-

'Kaiserchronik' [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 950 Z. 13 von unten: "München, cgm 189" korr.: ..., cgm 197. Vgl. K. KLEIN, ZfdA 121 (1992) 64 ff. Sp. 961 unten: "... bei -> Heinrich von München (nach Rez. C)" korr.: P. GICHTEL zufolge wurden in der Heinrich-von-München-Kompilation [s. auch NB] neben Rez. C der 'Kehr.' auch Rez. A und B exzerpiert und benutzt (Hinweis G. Kornrumpf). Sp. 962 oben, zur lat. Prosaübersetzung vgl. -> Albertus de Constantia [NB]. Sp. 962-964 zu Lit. ergänze: P. GICHTEL, Die Weltchronik Heinrichs v. München in d. Runkelsteiner Hs. des Heinz Sentlinger, 1937, S. 205— 229; D. NEUENDORFF, Studie z. Entwicklung d. Herrscherdarstellung in d. dt.sprachigen Lit. d. 9. bis 12. Jh.s, Stockholm 1982, S. 34-150, 228240.

Kaps, Nikolaus ->· Lankmann, Niklas, von Falkenstein (von K. stammt die dt. Übers, von Lankmanns Bericht über die Hochzeits- und Krönungsreise der Kaiserin Eleonore).

'Kardobenediktentraktat' do[ne] benedicto')

('De

car-

Zu den Wunderdrogentraktaten gehörende Drogenmonographie aus dem frühen 15. Jh., verfaßt in Südwestdeutschland oder Burgund. Cardo benedicta ... das ediist krautt unter allen kräutern (Überschrift von B.5.), ist vor allem als Antidot geschätzt und zur Pestbekämpfung eingesetzt worden.

A. Lat. Fassung. Die lat. Version hat nur acht ParagraBd. 4, Sp. 973 oben, Überl.: "Paris, Bibl. nat., phen, geordnet in der Reihenfolge: 1. Vercod. 1506" korr.: ..., ms. lat. 1506. giftung oral; 2. Vergiftung durch SchlanEbd. zu 15): "Rom, Bibl. Vaticana, cod. lat. genbiß oder Skorpionstich; 3. Vergiftung 999" korr.: ..., cod. Vat. lat. 999. durch die Luft: Pest; 4. gegen Malaria: Sp. 975 zu 32): "Rom, Bibl. Vaticana, cod. lat. Kardobenediktenwasser; 5. gegen Fall3878" korr.: ..., cod. Vat. lat. 3878. sucht: Pulver, Wasser, Kraut; 6. Fallbericht Ebd. zu 36), Überl.: "München, ÜB, Ms. theol. vom epileptischen Sohn eines griechischen 3099" korr.: ... ÜB, Theol. 3099 (es handelt sich Popen; 7. Fallbericht von einem an Genicht um eine Hss.Signatur, sondern um einen Druck mit beigebundenen hs.liehen Blättern). sichtskrebs Erkrankten auf Kreta; 8. äußerliche Behandlung des Krebs (geschwür)es. Kammermeister, Härtung [Nachtr.] Kalteisen, Heinrich [Korr.]

Bd. 4, Sp. 983 Z. 1: "... I 443-449" ergänze: ..., vgl. -> Rosenberg.

Ü b e r l i e f e r u n g . Basel, ÜB, Hs. D III 16 (1. H. 15. Jh., alem.), 71rv; Paris, Bibl. nat., ms. lat. 7138 (-> Johann von Wiesbaden [NB]), 193vf.

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'Kardobenediktentraktat'

B. Deutsche Versionen. 1. (Teil-) Übersetzung. Ü b e r l i e f e r u n g . Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 2942 (Ende 15. Jh., Frankfurt a. M.), (Johannes -> Heyse [NB]).

Teilübersetzung, die nur die ersten vier Paragraphen bietet. Der Pest-Paragraph ist durch zusätzliche Materia medica mal. Loimologie und insbesondere durch den Schluß-Paragraphen des -»· 'Briefs an die Frau von Flauen' erweitert. Trotzdem hat der Schreiber (der zugleich der Übersetzer gewesen sein dürfte) der allzu optimistischen Prognose mißtraut und den Vermerk eingeschoben: Ego non credo. 2. Die kürzere Schwellform. Ü b e r l i e f e r u n g . Einsiedeln, Stiftsbibl., Hs. 297 (Ende 15. Jh., hochalem.), S. 441 f. A u s g a b e . H.E. SIGERIST, Dt. med. Hss. aus Schweizer Bibliotheken, Sudhoffs Arch. 17 (1925) 205-240, hier S. 239.

Der Bearbeiter hat die ursprüngliche Reihung der Paragraphen gekentert (8, l, 2, 4, 5) und durch zusätzliche Heilanzeigen auf 29 Paragraphen erweitert. Die Einschübe stehen nach dem urspr. § 8 bzw. am Ende. Bemerkenswert ist eine Dreiergruppe von Paragraphen mit Ausrichtung auf die ausscheidenden Organe (Niere, Blase, Enddarm). Als pharmakobotanischer Kenner der Stammpflanze Cnicus benedictus L. erweist sich der Bearbeiter im ersten Zusatzparagraphen, wo er die Samenhaare der Benediktendistel zur Anwendung bringt (ein tuullen, die vmb den samen stat). Seine dt.sprachige Vorlage war vermutlich identisch mit jenem Text, den der Autor der 'längeren Schwellform' benutzte. — Weitere Indikationen entstammen wiederum dem Pest-'Brief an die Frau von Flauen' (§ 10). Die ebenso konzise wie prägnante Ausdrucksweise erlaubt, den Bearbeiter im Bereich der Wundärzte oder Apotheker zu suchen. 3. Die längere Schwellform. Ü b e r l i e f e r u n g . Hamburg, SB u. ÜB, cod. med. 8014° (1494, Freiburg i. Br.), S. 281-284 (H); Wien, cod. 2999 (1501, ostmbair.), 121v-124r

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(W); Heidelberg, cpg 262 (-> Ludwig, Pfalzgraf bei Rhein, 'Med. Sammlung', Bd. II), 102 r f. (L). A u s g a b e n . A. KNAPP, Thomas v. Wasserburg, ein obd. Wundarzt u. Apotheker d. 15. Jh.s, Diss. München 1954, S. 46-48 (H); VERMEER, S. 426429 (W).

Auf 36 Paragraphen ausgeweitet, mit zwei Auffindungslegenden versehn und auf gleiche Textlänge gebracht, konnte der 'K.' zusammen mit dem -> 'Melissentraktat' auf einem Schreizettel verbreitet und zur Arzneimittelwerbung benutzt werden. Dem christlich motivierten Pflanzennamen entspricht als Referenz der bischoff von Augspurg, der als Gewährsmann bemüht wird und sowohl als Verordner wie als Arzneistoffprüfer in Erscheinung tritt. Darüber hinaus werden Basel und Pavia (Baffey) als topographische Bezugspunkte für die Arzneimittel-Erprobung genannt. Zum Sohn des Priesters gesellt sich in der Kasuistik ein krebskranker Dominikaner. Beide Auffindungslegenden akzentuieren indischen Ursprung des Textes; als Autor konkurriert der -» 'Priesterkönig Johannes' mit einem Maharadscha; als Empfänger ist Kaiser Friedrich III. alternierend zu Papst Martin V. eingesetzt. Die initialen 25 Paragraphen zeigen Quellengemeinschaft mit (oder Benutzung) der 'kürzeren Schwellform'; ab § 26 ist mit Hinweis auf Basler Provenienz der ursprüngliche Textkern mit all seinen acht Segmenten präsent. An die Herkunft aus der Pharmazie erinnert das aus B. 2. übernommene Klistier, für dessen Setzen die Apotheker privilegiert waren. 4. 'Kardobenediktenwasser'. Ü b e r l i e f e r u n g . Augsburg, ÜB, cod. III. 2. 8° 34 (1489[-1516], Bamberg), 122r-126r; ebd., cod. III. 2. 2° 6 (1565, bair.), 139V [nur die PestIndikation]. — Den Hinweis auf eine heute verschollene Abschrift gibt Heinrich -> Breyell in Kap. 79 seines -> 'Gart der Gesundheit', Halle, Univ., Botanisches Institut, cod. Ha 3, 53r: Cardo benedictus ...; ... super (hunc) ... require ... omnia in paruo libeüo de destillacione aquarum. A u s g a b e . VERMEER, S. 429—432.

An die 'kürzere Schwellform' angelehnte Bearbeitung, die das Destillat (bzw. De-

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'Karlmeinet'-Kompilation - 'Kasseler (mittelniederdeutsche) Paradiesspiel-Fragmente'

kokt) der Benediktendistel in 24 durchgezählten Indikationsparagraphen verordnet, vereinzelt auch die pulverisierte Droge empfiehlt und in der Abfolge der Heilanzeigen die originäre Reihung der acht ursprünglichen Paragraphen noch erkennen läßt. Die zweiteilige Textschleppe befaßt sich mit den Benennungen der Stammpflanze und bringt dann eine Krankengeschichte nach dem Bericht von prüder kristoff siech maister. Eine tschech. Übers, wahrscheinlich dieser dt. Fassung überliefert Schriesheim, Slg. Eis, Hs. 33, um 1800 aus e. Vorlage des 16. Jh.s abgeschrieben (nach Mitt. v. G. Eis drei unpaginierte S.); Eis, S. 425; VERMEER, S. 429. Der Text (25 Paragraphen) nennt Budweis und läßt einen Barfüßermönch die Wunderdistel nach Böhmen gebracht haben. Den Namen cardus benedictus habe der geheilte Papst erfunden.

5. Streuüberlieferung. Bei der Streuüberlieferung dominiert die loimologische Indikation (vgl. B.4.; Augsburg, ÜB, cod. III. 2. 2° 39 [1. H. 16. Jh., bair.], 5V, Abdruck bei VERMEER, S. 430), wobei die Raute als Ersatzdroge genannt wird. Es kommen aber auch andere Heilanzeigen zum Tragen (beispielsweise die onkologische [§ 8]: -» Streler [mit Anlehnung an das 'Kardobenediktenwasser']). Die Verwendung als Aphrodisiakum bzw. als allgemeines Korroborans (Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 2° 43 [1495, ostfrk.], 12r, Abdruck: VERMEER, S. 429) ist indessen vom 'K.' unabhängig, ebenso die häufige traumatologische Verordnung, die der Beliebtheit des Cardo benedictus bei dt. Wundärzten des SpätMAs Rechnung trägt. L i t e r a t u r . G. Eis, Zu dem Carlina-Bild des Münchner Cod. icon. 26, Sudhoffs Arch. 50 (1966) 423—425 [grundlegend]; G. KEIL, Zauberpflanzen u. Wunderdrogentraktate, Leuv. Bijdr. 57 (1968) 165-175, hier S. 168 f.; H. J. VERMEER, Cardo benedicta das ediist krault: Hss.texte aus Wien, Harburg u. Böhmen, in: Fachlit. d. MAs, Fs. G. Eis, hg. v. G. KEIL u. a., 1968, S. 421-432; V. ZIMMERMANN, Der Rosmarin als Heilpflanze u. Wunderdroge. Ein Beitr. zu d. mal. Drogenmonographien, Sudhoffs Arch. 64 (1980) 351-370, hier S. 353; J. MILDENBERGER, Anton Trutmanns 'Arzneibuch'. Teil II: Wörterbuch (WmF56), I-V, 1997, hier I, S. 308 f.

G. KEIL 'Karlmeinet'-Kompilation [Korr.] Bd. 4, Sp. 1016 zu 2., Überl.: "ehem. Berlin, mgq 666 [seit 1945 verschollen, ...]" korr.: jetzt

830

in Krakau, Bibl. Jagiellonska, unter der Berliner Signatur.

Karrer, Heinrich OFM (f 1483) entfällt (keine Schriften bekannt!) 'Kartenkönig' (KELLER, Fsp. 8a) -» 'Die drei Brüder und das Erbe' [NB] 'Kaschauer Ratsordnung' -»· Hebenstreyt, Hans [NB] Kaspar von Oegsburg (Augsburger) ->· Heiltumsbücher [NB] (St. Georgenberg/ Tirol) 'Kasseler (mittelniederdeutsche) spiel-Fragmente'

Paradies-

Ü b e r l i e f e r u n g . Kassel, Gesamthochschul.Bibl., 4° Ms. ehem. 5 [Frgm. 1]. Drei aufeinander folgende, aber unvollständige Bll., zusammengesetzt aus 22 beidseitig beschriebenen Pergamentstreifen, 2. H. 14. Jh. Ausgabe. Hj. LINKE, ZfdA 98 (1987) 4149 mit Vollfaksimile (schwarz-weiß) S. 50-52.

Die Abschrift einer noch älteren Vorlage ist fortlaufend geschrieben, auch die Rotschriften der Regieanweisungen sind in die Zeilen integriert. Inhaltlich bieten die erst 1985 aufgefundenen Fragmente einen Ausschnitt aus Gn 2,15—3,20 — Erschaffung Evas (v. 1 — 17), Einsetzung der Ureltern ins Paradies (v. 17a—36), Verführung Evas durch Satan im Auftrage des durch die Erschaffung des Menschen beunruhigten und auf ihn neidischen Lucifer (v. 36a—114), Sündenfall (v. 114a —130), Vertreibung aus dem Paradies (v. 130a—186) - sowie den Anfang einer Teufelsversammlung (v. 186a— 201). In den mnd. Text sind zehn nicht notierte lat. Responsorien aus den Lesungen von Montag bis Mittwoch nach Septuagesima eingelegt, meist nur mit Angabe des Incipit, bloß viermal im Volltext. Mit linienlosen Neumen notiert sind allein die nichtliturgischen Rufe Adam (v. 135) und Ecce Adam (v. 131). Das Bruchstück ist in dreifacher Hinsicht bedeutsam: wegen seines für volkssprachige Spiele hohen Alters, als eines der wenigen erhaltenen mnd. Spiele und als ei-

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'Katharina von Alexandrien' — 'St. Katharinentaler Liedetsammlung'

nes der ebenfalls seltenen Beispiele eines Paradiesspiels. Unter den mnd. Textzeugen hat es einzig eine Passage (v. 802 — 1109b) in Arnold -*· Immessens Spiel von 'Sündenfall und Erlösung' neben sich. Ob es zu einem selbständigen Paradiesspiel gehört oder Teil eines umfassenderen geistlichen Dramas ist, läßt sich nicht erkennen. L i t e t a t u r . H. BROSZINSKI u. Hj. LINKE, ZfdA 98 (1987) 36-41. HANSJÜRGEN LINKE Katalanisch-deutsches Glossar lari molt profitos' [NB]

'Vocabu-

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auch -* 'Der eren tafeP [NB]); Ausgabe der Conversio und der Einleitung zur Passio v. L. ZATOCIL, Eine mnd. Katharinenlegende in Prosa u. ihre Beziehung zur alttschechischen Version, Sbornik Praci Filosoficke Fakulty Brnenske University, Jg. 29, Rada Literärnevedna 27 (1980) 141-154. Vgl. auch JEFFERIS, 1982 (s. o.), S. 204-211. Vgl. ferner W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 425f. (verzeichnet insg. 21 dt. Legendarfassungen und 19 Einzellegenden). Sp. 1071 zu V: "Burg Kreuzenstein, cod. lat. 5865/11" korr.: jetzt in Wien, ÖNB, cod. Ser. nova 35754.

'St. Katharinentaler Liedersammlung' I. Die älteste Hs. des 'St. Katharinentaler (früher: -> Dießenhofener) Schwesternbuchs' (wohl noch 1. Drittel 15. Jh.) überBd. 4, Sp. 1056 Mitte: "Hs. Caligula A. VIII der liefert am Schluß eine zweiteilige SammBrit. Library London" korr.: Cotton Caligula MS. lung geistlicher Lieder ohne Autornamen A. VIII ... und Noten: A l —19 von der Hand des Sp. 1060 zu VI.: "Hs. H 17 des österr. Stifts Göttweig" korr.: cod. 206 (rot), 155 (schwarz) (an- Schwesternbuchs, B l —9 kaum viel später tea H 17) ... Ergänze die Ausgabe: L. ZATOCIL, Die von einer zweiten Hand (Zählung nach gereimte Katharinenlegende im Cod. 206 der MEYER) . 'Katharina Nachtr.]

von

Alexandrien'

[Korr./

Stiftsbibl. in Göttweig nebst einem Prager Fragment, Sbornik Praci Filosoficke Fakulty Brnenske University, Jg. 21, Rada Literärnevedna 19 (1972) 51-75. Ebd. zu VII.: "ein Foliobl. (14. Jh.) der ÜB Königsberg" korr.: Die Signatur der aus Fragmenten zusammengesetzten Hs. lautet 2914 (seit 1945 verschollen); vgl. R. G. PÄSLER, Katalog der mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 152 f. Sp. 1061 zu X.: "zwei zu Wolfenbüttel (Landeshauptarchiv) und Hannover (Staatsarchiv) aufgefundene Hss.-Bruchstücke ..." korr.: Die Wolfenbütteler Bruchstücke jetzt in der Herzog August Bibl., cod. Guelf. 404.9 (20) Novi; die Hannoverschen Bruchstücke sind wahrscheinlich 1943 verbrannt. (Mitt. Niedersächs. Staatsarchiv/Hinweis Klaus Klein). Sp. 1063 zu XIII. ergänze die Ausgabe: S. JEFFERIS, Ein spätmal. Katharinenspiegel aus dem Cod. Ger. 4 der University of Pennsylvania, Diss. Univ. of Pennsylvania, Ann Arbor (Mich.) 1982, Anhang S. 424-442 (nach Heimst. 1086). Sp. 1070 vor D. ergänze: XXX. Eine mnd. K.-Legende (Conversio und Passio), die v. a. auf der 'Legenda aurea' des -> Jacobus a Voragine basiert (nordmndl. Übertragung), ist überliefert in den Hss. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1228 Heimst., 41V100r, und cod. Guelf. 1121 Heimst., 56r-95v (vgl.

Ü b e r l i e f e r u n g . Frauenfeld, Thurgauische Kantonsbibl., cod. 74, p.H7a-144a (A), p.!44b154a (B). Zur Hs. s. MEYER, 1995, S. 6-9 u. Abb. 6 (S. 57). A u s g a b e in Vorher, durch G. Kornrumpf für 2003. - Lieder A 11 u. A 10: MEYER, 1996, S. 306 f.

II. Die beiden Gruppen haben nach Thematik und Formtypen ein ganz verschiedenes Profil. 1. Gruppe A (ohne Überschriften) enthält mehrstrophige Lieder, überwiegend mit Refrain; es dominiert die sog. 'VirelaiBallade' (Bau: AAB/B), die im 14. Jh. in Mode kam und vor allem aus den weltlichen Liedern des -» Mönchs von Salzburg geläufig ist. Den Hauptbestand bilden in einzigartiger Fülle mystisch-aszetische und mystisch-spekulative Lieder in abwechslungsreichen, teils anspruchsvollen Formen (A 3-13. 15. 19, bis auf A 8 Unica; vgl. MEYER, 1994 und 1996); solche mystischen Lieder kannte man bisher nur aus Einzelaufzeichnungen, allenfalls Kleinstgruppen. Vorangestellt sind zwei auch andernorts bezeugte vielstrophige Marienlieder: A l

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834

Kebicz, Jakob

und A 2. Vom gotlichen meyen handelt A 14. Mit A 16 ist die älteste Aufzeichnung von -» 'Es kommt ein schiff geladen' bekanntgeworden (dazu MEYER, 1996, S. 304 f.). A 17 und A 18 in einem ausladenden unstolligen Ton (Bau wohl: AB/B) sind der Inkarnation und Weihnachten gewidmet; A 17 ist bereits zuvor mit Melodie überliefert; A 18 kehrt in vier jüngeren Hss. wieder, darunter in zwei -* Meisterliederhandschriften als -»· Leschs Kurzer Reihen ('Dresdener Meisterliederhandschrift') bzw. als Goldener Reihen -> Konrads von Würzburg (-> 'Kolmarer Liederhandschrift', mit Melodie), beidemal ohne den Refrain. P a r a l l e l ü b e r l i e f e r u n g (und Abdrucke). A 1: Nürnberg, StB, Cent. VI, 82, 24V-26V (hg. v. BARTSCH, Erlösung, S. 298-300, Nr. XXIV, vgl. S. LXIII). - A 2 (15 Neunzeiler aaabbbccc, auf der Grundlage des -+ 'Jüngeren [ostmd.] Marienlobs'): Basel, ÜB, cod. B XI 11, 104V-110V (mir nachgewiesen von H. Hilg). Erweitert zu 50 Dreizeilern, mit ausführlicher Ablaßbestimmung (-» 'Marien Kranz' II): ehem. Nürnberg, StB, Cent. VI, 43, unter dem Titel Crinale virginis virginum (Text hg. v. BARTSCH, Erlösung, S. 279-284, Nr. XVIII, vgl. S. LVI; danach WACKERNAGEL, KL II, Nr. 483); diese 4 Bll. der aufgelösten Hs. (-+ 'Christe qui lux es et dies' [NB]) später Braunau, Bibl. E. Langer, ms. 464 (Beschreibung v. W. Dolch v. J. 1909 im Hss.-Arch. d. Berlin-Brandenburgischen Ak. d. Wiss.), 1957 erworben v. G. Eis, jetzt Schriesheim b. Heidelberg, Slg. Eis, Hs. 108 (als vermeintliche neue Überlieferung mit der Ablaßangabe hg. v. G. Eis, 1959, wieder in: G. E., Altgerman. Beitr. z. geistl. Gebrauchslit., 1974, S. 305-312). Ferner: Stockholm, Kgl. Bibl., cod. A 87 a, 112r-113v (Auszüge); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 2.4 Aug. 2°, 234va-235ra (Auszüge mit Zusätzen; hg. v. K. EULING, Kleinere mhd. Erzählungen, Fabeln u. Lehrged. II [DTM 14], 1908, Nr. 892). - A 8, Str. I u. II: Colmar, Bibl. de la ville, ms 268 (Kat.-Nr. 210), 147V (hg. v. K. BARTSCH, Beitr. z. Quellenkunde d. altdt. Lit., 1886, S. 318). - A 16 s. o. - A 17: s. RSM 'Lesch/ 10/la-e (mit dieser Hs.). - A 18: s. RSM:Lesch/ 10/2a-b (mit dieser Hs.).

2. Gruppe B ist ganz auf den Marienpreis konzentriert und umfaßt Lieder und Einzelstrophen in 9 Tönen, hauptsächlich aus älterer Formtradition (B l und B 3 mit Refrain); viermal sind Überschriften beigegeben, einmal ist ein Tonname genannt.

B l (aabccbddb/EEFF) mag zu Maria Himmelfahrt gedichtet sein und feiert ihre neun himmlischen Freuden (vgl. -» 'Sieben Freuden Mariens'). B 3 (Bau: AAB/B) machet ain jud vber das wort Aue vnd ward getöfft; es handelt sich vermutlich um eine Minnelied-Kontrafaktur. B 4, Ain taglied, dürfte ebenfalls ein weltliches Vorbild haben. B 2 und B 5 — 9, mit Ausnahme von B 8 Einzelstrophen und Strophenpaare, sind in Sangspruchtönen verfaßt: B 2 in ->· Stolles Alment, B 5 in der Rohrweise des -> Pfalz von Straßburg, B 6 in einem Ton des 13. Jh. s, den -»· Wernher von Honberg in Lied 4 und der -> Mönch von Salzburg in G 12 verwenden, B 8 in fro eren don -> Reinmars von Zweter, B 9 in -> Kelins Ton III (Ps. -Frauenlobs Hundweise); den Ton der Strophe B 7 konnte ich bislang nicht anderweitig nachweisen. B 1—7 sind Unica. B 8, die 5str. Auslegung des Namens M-AR-I-A, erscheint schon im Reinmar-vonZweter-Corpus der ->· 'Heidelberger Liederhandschrift C' und später in der 'Kolmarer Liederhandschrift'; letztere und die -» 'Donaueschinger Liederhandschrift' enthalten die Strophe B 9 als Bestandteil eines Bars. N a c h w e i s e (und Abdrucke). B 2: RSM 100 (Nachtrag in RSM l, S. 28). - B 5: RSM 'Pfalz/V (ebd. S. 27). B 6: RSM 'Mönch/4/2 (ebd. S. 26). - B 7: RSM 'ZX/140/1 (ebd. S. 28). - B 8: s. RSM1ReiZw/l/235-239a-c (mit dieser Hs.). - B 9: RSM 'Kel/S/lOOa (Nachtrag in RSM l, S. 25), s. 'Kel/SASOOa-b, Str. 2. L i t e r a t u r . R. MEYER, Maister Eghart sprichet von wesen bloss. Beobachtungen z. Lyrik d. dt. Mystik, ZfdPh 113 (1994), Sonderheft S. 63-82, bes. S. 69; dies., Das 'St. Katharinentaler Schwesternbuch'. Unters., Edition, Kommentar (MTU 104), 1995; dies., Die 'St. K. L.'. Zu Gehalt u. Funktion einer bislang unbeachteten Slg. geistl. Lieder d. 15. Jh. s, in: Lied im dt. MA, hg. v. C. EDWARDS u. a., 1996, S. 295-307; RSM l, 1994, S. 159 f. - Für Materialien danke ich R. Meyer.

GISELA KORNRUMPF 'St. Katharinentaler Schwesternbuch' 'Dießenhofener Seh.' [Bd. 2 u. NB]



Kebicz, Jakob [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 1088 f. zu 2. ergänze: Die Töne aller in der Schlußpartie von K.' Liederbuch enthaltenen

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Keck, Johannes — Kempf, Elisabeth

Meisterlieder (Bll. 50-72; KEINZ, Nrn. 35-51) wurden durch KORNRUMPF identifiziert: Brennenbergers Spruchton (-» Reinmar von Brennenberg), -» Regenbogens Briefweise, PS.-Frauenlobs Zugweise, -» Frauenlobs Langer Ton (oder -> Junger Meißner), -> Leschs Zirkelweise, -> Zwingers Goldener Ton. Sp. 1090 zu Lit. ergänze: G. KORNRUMPF, Mülich v. Prag, Pfalz v. Straßburg, Albrecht Lesch. Neues zur Überl., ZfdA 106 (1977) 121-137, hier S. 134 f.

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Bibl. Kat. Österreich I, S. 576 Z. 26-36, hier Z. 33. Sp. 1099 zu 36.: "Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. 17. 18 Aug." korr.: ..., cod. 17. 18. Aug. 4°. Ebd. zu 38.: Streiche "Melk, Stiftsbibl., cod. 372". Gemeint ist wohl der ebd. i. F. genannte cod. 778 (olim 342!). Ebd. zu 40.: "Melk, Stiftsbibl., ... cod. 662, 13r-v" korr.: ..., 13r. Ebd. streiche: "(Abschrift vom 11.3. 1446)". Sp. 1101 zu 52.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 4" korr.: ..., cod. 1926 (olim 4). Ergänze hier die nach Nr. 53 genannte Hs. cod. 916, 118r-127r. Keck, Johannes [Korr.] Ebd. zu 53.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 4" korr.: ..., cod. 1926 (olim 4). - "cod. C. 30. 4° (= Signatur Bd. 4, Sp. 1092 zu 1.2.: Streiche "früher auch in aus dem ... Katalog ... v.J. 1517 ...), 118ff." Melk" (kein Hinweis darauf, auch nicht in den korr.: die Hs. ist identisch mit dem heutigen cod. alten Katalogen von 1483 und von 1517). Sp. 1093 zu .6.: Streiche "(s. a. cod. F. 188 des 916; sie ist jedoch hier zu streichen, vgl. Nr. 52. Ebd. nach 53.: "cod. F. 61 des Katalogs von Bibl.-Katalogs von 1483)"; die Hs. ist identisch mit 1483" ist identisch mit dem heutigen cod. 1926 der ebd. genannten Wien, cod. 4957. Vgl. CH. (olim 4)! GLASSNER, Schreiben ist lesen und studiern, der sei Hinweise zu den Melker Hss. von Christine speis und des herczen jubiliern. Zu den mal. Hss. Glaßner, Wien. des Benediktinerstiftes Melk, Stud. Mitt. OSB 108 (1997) 283-320, hier S. 314 Nr. 74. Sp. 1094 zu 7.: Streiche "ehem. Melk, cod. Kekh, Dionysius -»· Almanache (11.15.) F. 188 des Katalogs von 1483"; identisch mit Wien, [NB] cod. 4957 (s. o.). — "Kartause Aggsbach, cod. I. 11" [recte: I 11.1 = Mal. Bibl. Kat. Österreich I, Kemenade, Heinrich -»· Heinrich von S. 604 Z. 6-15] korr.: Die Hs. ist heute in Wien, Coesfeld [NB] ÖNB, als cod. 3473. Ebd. zu 8. u. 9.: "Ehem. Melk, Stiftsbibl., cod. F. 99 des Katalogs von 1483": Die Hs. ist in Melk Kemli, Gallus [Korr./Nachtr.] nicht mehr vorhanden. Sp. 1095 zu 17.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 1647, Bd. 4, Sp. 1109 zu 2.d.): "Bern, StB u. ÜB, cod. 226 v ff." korr.: ..., 226V. - "ebd., cod. 1653, 452" korr.: Bern, Burgerbibl., .... 181 v ff." korr.: ..., 181V. - "ebd., cod. 3" korr.: ..., Sp. 1110 oben zu Abschnitt 2 ergänze: Vgl. auch cod. 959 (olim 3). -> 'Geistlicher Mai' [NB]. Sp. 1096 zu 19.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 873, Ebd. Mitte: "Bern, StB u. ÜB, cod. B 32" korr.: 315r-337r" korr.: ..., S. 315-337. - "ebd., cod. Bern, Burgerbibl., .... J. 51, 4° des Katalogs von 1517": Die Hs. ist möglicherweise heute verloren. — "cod. 68" korr.: cod. Kempensen [Korr.] 1561 (olim 68). Ebd. zu 21.: Streiche "Melk, Stiftsbibl., cod. Bd. 4, Sp. 1114 Überl.: "Lüneburg, ... Ratsbü778, 64 f."; der Text ist in der Hs. nicht enthalten. cherei, Fol. A 122" korr.: jetzt ebd., Stadtarch., AB - "cod. C. 87. 4° des Katalogs von 1517" korr.: 1116 a; vgl. Marquard -> Mildehovet (II.). identisch mit dem heutigen cod. 1918, der Text v r Bl. 54 -55 . Ebd. zu 22.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 907, Kempf, Elisabeth [Korr.] 117r~v" korr.: ..., 117r-130r (ein Begleitschreiben: r v Bd. 4, Sp. 1116 zu 2. korr.: E. K. ist nicht die 117 ~ ). Übersetzerin des 'Leben Jesu' in der Hs. 267 (Kat. Sp. 1098 zu 34.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 3" korr.: ..., cod. 959 (olim 3). - "cod. F. 54 des Ka- Nr. 363) [sie!] der StB Colmar. Der Text ist vielmehr eine alem. Adaptation des ndl. 'Leven van talogs von 1483": die Hs. ist vermutlich heute verJezus' (vgl. -* Ludolf von Sachsen, C. [Bd. 5 u. loren. — "Wien, Schottenabtei, ...; cod. 405 (55.g.l6)" korr.: ..., cod. 312 (olim 55.g.l6; Kat. NB]), das eine Übers, der 'Vita Jesu Christi' (des HÜBL, Nr. 405). — "ehemals ... Kartause Aggsbach ->· Michael de Massa?) darstellt (Hinweis K.-E. ... . cod. E. 87" korr.: ..., cod. E. 7.4; vgl. Mal. Geith).

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Kerkering, Dietrich, von Münster — Kienast, Jörg

Sp. 1117 zu 3.: "Colmarer Hs. 208 (271)" korr.: ...271 (Kat. Nr. 208). Ebd.: "... Hs. 210 (268)" korr.: ... 268 (Kat. Nr. 210).

Kerkering, Dietrich, von Münster [Korr.] Bd. 4, Sp. 1131 zu 4.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 361 (900)" korr.: ..., cod. 900 (olim 361). Ebd.: "Berlin, SB Preuß. Kulturbesitz, cod. theol. oct. 37" korr.: ..., Ms. theol. lat. oct. 37.

'Kern der alten ee' -> 'Kurze Bibel' (II.) [NB] Kersten van den Gheren ->· Christian von Geren [NB] Kettner, Fritz [Korr.] Bd. 4, Sp. 1140 Ende des petit-Abschnitts: "K. KRAMER, Die Melodien ... (... in Vorb.)" korr.: Die Edition ist nicht erschienen.

Ketzel, Martin [Nachtr.] Bd. 4, Sp. 1142 zu Lit. ergänze: TH. AIGN, Die Ketzel. Ein Nürnberger Handelsherren- u. Jerusalempilgergeschlecht (Freie Schriftenfolge d. Ges. f. Familienforschg. in Franken 12), 1961, bes. S. 26 — 32 u. 60-62.

Kienast (Künnast), Jörg dichtete 1518 in Straßburg drei Lieder, die er selbst im Druck herausbrachte. Demnach dürfte er von Beruf Buchdrucker gewesen sein, doch scheint er nur ausnahmsweise auf eigene Rechnung gearbeitet zu haben, denn weitere Druckerzeugnisse von ihm sind nicht bekannt. Er stammte aus Freiburg i. Br. und war nach eigener Aussage weit herumgekommen, bevor er zu einer Zeit allgemeiner Not in das großzügige Straßburg kam, wo er sich aber wohl nur vorübergehend aufhielt. So beschreibt er sich am Schluß des ersten Liedes als armen fahrenden Sänger, der eine Gabe erbittet und Fürsten und Herren seine Dienste anbietet. Er war 1518 schon nicht mehr jung, behauptet er doch, er habe seit seinen jungen Tagen vil gegichtet (lies gedichtet?). Die erhaltenen drei Lieder

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sind in gängigen Tönen abgefaßt und gelten einzig und allein dem Lob Straßburgs, zwei betreffen speziell die städtische Sozialfürsorge in der aktuellen Notsituation. Alle drei sind so weitschweifig wie umfangreich, doch zeugen Inspirationsbitten und Schlußsignaturen von Autorbewußtsein und Kunstanspruch. Der Dichter will warheit singen, nicht stempenei, wie er zweimal ausdrücklich sagt. 1. Dz's is das lied von der gilgen (43 Siebenzeilerstrr. im Ton -»· 'Ich stund an einem morgen'). Das Lied preist zum Lob Marias sowie des Bistums und der Stadt Straßburg die Lilien im Wappen der Landgrafschaft Elsaß. Sie werden hergeleitet von den drei Lilien in der Fahne Karls des Großen, welche später halbiert an seine Söhne Ludwig in Frankreich und Lotharius im Elsaß übergingen. Diese 'historische' Begründung führt der Autor dann mit einer etwas verworrenen Garten-Allegorie weiter, die darauf hinausläuft, daß der Gärtner, dem der französische König die Lilie rauben wollte, den Liliengarten, das Elsaß, an Maria verschenkt. Die Wurzel der elsässischen Lilie befindet sich in Rufach, dem Hauptort der oberen Mundat (d. i. ein Bezirk mit besonderen Privilegien) des Hochstifts Straßburg, ihr Stengel ist die gesamte Mundat, die Blüte die Stadt Straßburg, wo sie im Münster sich täglich öffnet und beim 'Salve regina' abends wieder schließt, vierundzwanzig Blätter an je einem Stengel sind die Straßburger Domherren und die Vikare usw. Wiederholte Bitten an Maria als Schirmherrin Straßburgs wechseln ab mit Ermahnungen an die Stadt, das ganze Elsaß zu beschützen und sich nicht auf ein unvorteilhaftes Bündnis einzulassen. Und zwischendurch findet sogar noch Erwähnung, daß es in Straßburg eine Frühmesse für Pilger gibt und die Stadttore nirgendwo sonst so lange geöffnet sind. Ü b e r l i e f e r u n g . Quart-Druck Straßburg, J. Kienast, Pfingsten 1518, Ex. Berlin, SB, Ye 2571/ 2. A b d r u c k . GOSCHE, S. 151-158.

2. Dis lied ist wie man den Burgern von der stat Straßburg in den türen iarenl körn

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'Kirchweih zu Affalterbach'

vnd meel mitgeteilt hat (19 Strr. in Jörg -»· Schillers Hofton). Lobpreis der Stadt Straßburg für ihre Armenfürsorge in den Teuerungsjahren 1517/18. Während andernorts Elend herrschte, ließ der Straßburger Rat ein halbes Jahr lang vorrätiges Korn und Mehl billiger an die Bürger verkaufen, machte eine neue Armenordnung und verbot den Fürkauf. Ü b e r l i e f e r u n g . Quart-Druck [Straßburg, J. Kienast 1518], Ex. Berlin, SB, Ye 2571/1 (nachgebunden ist Lied Nr. l, dessen Kolophon, falls eine originäre buchhändlerische Kombination beider Stücke vorlag, auch hier gälte); RSM l, S. 389, Nr. 129.

A b d r u c k . GOSCHE, S. 138-144. 3. Ein lobgesang von der statt Strasburgl Erzalt die gutat, so armen lüten da beschehen ist/ in den türen iaren (23 Strr. in Schillers Hofton). In der Notzeit hat Straßburg den Bettlern und Armen seine Tore nicht verschlossen, sondern ihnen in eigens errichteten Häusern Unterkunft und Nahrung gewährt und die Hungernden und Frierenden so vor dem Tod bewahrt. Besonders ausführlich und detailliert schildert der Autor die Verhältnisse im Spital, erwähnt aber auch die Waisenfürsorge und hebt außerdem die Wohltätigkeit der Geistlichen hervor, einschließlich des Papstes, der einen Ablaß gewährte. Ü b e r l i e f e r u n g . Quart-Druck mit Titelholzschnitt [Straßburg, J. Kienast 1518], Ex. Berlin, SB, Ye 2572; RSM l, S. 389, Nr. 130. A b d r u c k e . R. REUSS, Loblied auf Straßburg [...], Alsatia9 (1868/72) 151-165; GOSCHE, S. 144-151. L i t e r a t u r . R. GOSCHE, Die Lieder u. Reime auf Straßburg, Archivf. Lit.gesch. 2 (1872) 94158, hier S. 128-131; RSM 4, S. 180 f.

FRIEDER SCHANZE 'Kirchberger Schwesternbuch' -*· Elisabeth von Kirchberg 'Kirchweih zu Affalterbach' Lieder und Sprüche über die Schlacht zwischen den Nürnbergern und einem Heer des Markgrafen von Brandenburg,

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die am 19. Juni 1502 in nächster Nähe Nürnbergs stattfand. I. Die beständigen Spannungen zwischen der Reichsstadt Nürnberg und den Markgrafen, die auf alten Interessenkonflikten beruhten, sollten im Juni 1502 in Erfurt durch Verhandlungen zwischen Vertretern Nürnbergs und dem persönlich anwesenden Markgrafen Friedrich beigelegt werden. Strittig war u. a. die Frage des Kirchweihschutzes in dem nürnbergischen Weiler Affalterbach (südöstl. von Feucht), dessen Ausübung der Markgraf für sich beanspruchte. Da der Markgraf ein Heer zusammenzog und es bereits mehrfach zu Reibereien gekommen war, rüstete sich Nürnberg zur Verteidigung seiner Ansprüche. Am Kirchweihtag wurden Truppen nach Affalterbach geschickt, während eine kleinere Schar unter Ulman Stromer die Stadt schützen sollte. Als diese von den überlegenen Feinden unter dem jungen Markgrafen Kasimir überraschend angegriffen wurde, ließ Stromer sich zur offenen Schlacht verleiten. Die Nürnberger erlitten eine empfindliche Niederlage. Erst nach dem Abzug des Markgrafen, der reiche Beute gemacht hatte, aber ebenfalls nicht ohne Verluste davongekommen war, traf das Nürnberger Hauptheer ein. Zehn Tage später wurde in Erfurt Friede geschlossen. Die Auseinandersetzung war damit aber nicht zu Ende, sie wurde mit publizistischen Mitteln weitergeführt, denn beide Seiten stellten sich als Sieger hin und versuchten, dem Gegner die Schuld am Kampf zuzuschieben. II. Die Nürnberger Sicht der Ereignisse wird in einem Lied des Peter -» Hasenstaud (LiLiENCRON, Nr. 225) sowie zwei anonymen Liedern und einer Reimpaarrede formuliert. 1. Reimpaarrede mit Widmung an Gemeinde und Rat von Nürnberg (200 vv.). Nach einer Klage über den an den Nürnbergern verübten hocbmut wird der fränkische Adel als Kriegstreiber namhaft gemacht. Die folgende Schlachtschilderung stellt den erfahrenen Hauptmann Ulman Stromer ins Zentrum und zeigt die Feinde

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'Kirchweih zu Affalterbach'

als haßerfüllte Bluthunde. Der Markgraf wird der kalomnie bezichtigt: er hat den Nürnbergern Unrecht getan, da er sie ohne Kriegserklärung überfallen hat und das Morden demzufolge nicht in redlichen raisen, d. h. einem rechtmäßig geführten Krieg, geschehen ist. Ü b e r l i e f e r u n g , a. München, cgm 5919, 114r-118r (Ulrich Mostl, 1501/10); vielleicht Abschrift eines verlorenen Druckes. — b. in Hss. zur Geschichte Nürnbergs: Nürnberg, StB, Will I, 286, 184r-187v, 188rv; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs4415, 96V-100V; Hamburg, StB u. ÜB, Cod. hist. 55, S. 203-208; Nürnberg, Staatsarchiv, Rst. Nürnberg, Hss. Nr. 143 (ehem. Nr. 83), 159r163V; Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. germ. qu. 37, 247"—250r; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs. Merkel 520, l r -6 v . A b d r u c k . SODEN, S. 156 — 161; LILIENCRON II, Nr. 224.

2. Lied eines freien Knechts, der sich als Kirchweih-Besucher ausgibt und der offenbar am Kampf nicht teilgenommen hat. Der in Vierzeilern abgefaßte Text ist in drei Versionen von unterschiedlicher Länge überliefert. A und B differieren nur geringfügig, wobei B, das mehrere Plusstrophen aufweist, etwas konsistenter wirkt und die Urfassung sein könnte (HAASE, S. 31 — 33). Der Text zeigt Ähnlichkeit mit Nr. 1: Auch hier steht die Klage am Anfang, und dem Markgrafen wird die fehlende Kriegserklärung vorgeworfen; die Polemik ist jedoch weniger scharf. Version B zählt die beiderseitigen Verluste korrekter als AC (nur 300 statt 700 Markgräfliche, dafür 500 statt 300 Nürnberger) und gibt überdies Ulman Stromer die Schuld an der Niederlage. Der Bearbeiter der jüngsten Version C, der das Lied 'von neuem' gedichtet hat, bezeichnet sich selbst als Beck (Bäcker). Er hat mehr als die Hälfte der Strophen weggelassen, einige umgestellt und vor allem die Form geändert (Achtzeilerstrr. aus kombinierten Vierzeilern). Ü b e r l i e f e r u n g . A. 34 Strr.: a. Einblattdruck Ein lieplichs gesang in hertzog Cristofs thon, [Nürnberg, Drucker des Bannholtzer-Blattes 1502] (der Text ist in Abschnitten gesetzt, die jeweils zwei oder drei Strr. zusammenfassen; die Tonangabe bezieht sich auf ein verlorenes Lied über den im Jahr 1493 auf einer Pilgerreise verstorbenen

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Herzog Christoph von Bayern); Ex. in München, SB, Einbl. I, 11; vgl. R. W. BREDNICH, Die Liedpublizistik im Flugblatt d. 15. bis 17. Jh.s, Bd. II (Bibl. bibliogr. Aureliana 60), 1975, Nr. 209; Reproduktion bei G. ECKER, Einblattdrucke von d. Anfängen bis 1555 (GAG 314), 1981, Bd. II, Abb. 44; zum Drucker F. SCHANZE, Zu Erhard Etzlaubs Romweg-Karte, dem Drucker Kaspar Hochfeder in Nürnberg u. einem unbek. Nürnberger Drucker in d. Nachfolge Hochfeders, GutenbergJb. 1996, S. 126-140, hier S. 132 mit Abb. S. 129. — b. Nürnberg, Staatsarchiv, Rst. Nürnberg, Hss. Nr. 70 (ehem. Nr. 113), 320 -32 (1549 von P. Bernhaupt gen. Schwenter geschrieben). — B. 36 Strr., nur in den Hss. von Michael Eisenharte Rothenburger Chronik: Nürnberg, Staatsarchiv, Rst. Rothenburg, Akten Nr. 70 fol., 164v-166r; München, cgm 4996, 140 -14 ; Rothenburg o. d. Tauber, Stadtarchiv, B 20, 169v-171r, ebd., B 21a, S. 166-168; ebd., B 21b, S. 210-212. - C. 16 Strr., von denen je zwei zu einer Achtzeilerstrophe zusammengefaßt sind (vgl. LILIENCRON, Nr. 226, Str. 4/5, 8/9, 10/16, 17/18, 6/7, 27/28, 29/ 32, 33/34); in Nürnberger Chroniken: Kassel, Gesamthochschulbibl. - LB, 2° Ms. hist. 65, 515V516V; Nürnberg, StB, Willi, 286, 188v-190r; Würzburg, ÜB, M. eh. f. 330, 234V-235V; Budapest, Nationalmus., Ms. germ. fol. 386. A b d r u c k . HORMAYRS Taschenbuch f. d. vaterländ. Gesch. 1830, S. 77-81 (A); SODEN, S. 146150 (A), 162f. (C); LILIENCRON II, Nr. 226 (A, im Apparat die Zusätze und Varianten von B).

3. Lied eines beckenknechts (Bäckergeselle), 16 Fünfzeilerstrr. des -»· 'Lindenschmidt'-Typs. Die Melodieangabe ]n deß Pfaltzgraffen Thon: Da er die drey Fürsten fieng bezieht sich auf ein anonymes Lied über die Schlacht bei Seckenheim (LILIENCRON I, Nr. 114). Wie im Lied des Peter Hasenstaud wird die Nürnberger Niederlage zum Sieg umgefälscht, an die Stelle der Schlachtdarstellung tritt Hohn über den Gegner. Ob der beckenknecht, der in Würzburg kühlen Wein trinkt, möglicherweise mit Hans -> Peck identisch ist, der im selben Jahr ein Lied über frühere Unternehmung der Nürnberger gegen die Markgräflichen gedichtet hat (LILIENCRON, Nr. 223), muß offenbleiben (der unter 11.2. genannte Beck dürfte dagegen jünger sein). Ü b e r l i e f e r u n g . Unbekannt (SODEN druckte das Lied ohne Nennung seiner Quelle; diese konnte bisher nicht ermittelt werden).

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Kistener, Kunz

A b d r u c k . SODEN, S. 164—166; LILIENCRON II, Nr. 227.

III. Die markgräfliche Publizistik ist etwas weniger umfangreich und vor allem schwächer überliefert. 1. Lied eines freien Landsknechts, der selbst am Kampf teilgenommen hat. Er gibt in 12 Fünfzeilerstrr. des 'Lindenschmidt'Typs einen knapp gefaßten, ziemlich sachlichen Bericht, in dem u. a. die Beute an Kriegsmaterial Erwähnung findet. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 718, 50V-51V (Claus ->· Spauns Liederbuch, Augsburg vor 1520); vielleicht Abschrift eines verlorenen Druckes. A b d r u c k . LILIENCRON II, Nr. 229.

2. Lied eines Brandenburgers (15 Fünfzeilerstrr. des 'Lindenschmidt'-Typs). Anders als der Landsknecht von Nr. l war er kein Augenzeuge, bediente sich vielmehr aus dessen Lied (Str. 11, 3—5 vgl. LILIENCRON, Nr. 229, Str. 10, 3-5). Den Ton bestimmt eine spöttische Botenszene zu Beginn. Die Schlachtdarstellung beschränkt sich auf das Verhalten Stromers, dem Eidbruch aus Feigheit unterstellt wird, und den Tod des Nürnberger Fähnrichs. Ü b e r l i e f e r u n g . In den Hss. von Michael Eisenharts Rothenburger Chronik: Nürnberg, Staatsarchiv, Rst. Rothenburg, Akten Nr. 70 fol., 164rv; München, cgm 4996, 139V- 140V; Rothenburg o. d. Tauber, Stadtarchiv, B 20, 168V-169V; ebd., B 21a, S. 165 f.; ebd., B 21b, S. 209 f. A b d r u c k . LILIENCRON II, Nr. 230.

3. Reimpaarrede eines Autors, der seinen Namen bewußt verschweigt und beiläufig die Rolle des weisen Narren spielt (226 vv. mit einem nachträglichen Anhang von 50 vv.). Das Ganze ist reines Pamphlet, nach einleitender Inspirationsbitte und parteiischer Skizzierung des Geschehens adressiert zuerst an Ulman Stromer und dann an den Nürnberger Rat insgesamt. Dieser wie jener haben schwere Schuld auf sich geladen, Stromer durch feige Flucht, der Rat durch Schandtaten wie die Ermordung Gefangener und Übergriffe gegen den Adel. Deswegen verdiente der Rat, kopfüber aus dem Rathaus gestürzt zu werden.

Auf diesen Text bezieht sich ein Nürnberger Ratserlaß vom 8. Okt. 1502, wonach dem Caspar Nützel befohlen wurde, er solle die gedieht am markt gedruckt die slachtung betreffend aufheben lassen und verprennen (TiMANN, S. 71). Die Zensurmaßnahme wird von TIMANN irrtümlich auf LILIENCRONS Lied Nr. 226 bezogen, das jedoch anders als das bissige Reimpaargedicht inhaltlich dafür keinerlei Handhabe bietet (und auf das auch das Wort gedieht weniger gut paßt als auf dieses). Ü b e r l i e f e r u n g , a. Quart-Druck [Straßburg, J. Prüß d. Ä. 1502], nur v. 1-226 enthaltend; Ex. Zwickau, Ratsschulbibl., 8.7.8., Nr. 9 (Titelblatt mit v. 1—33 verloren). — b. Nürnberg, Staatsarchiv, Rst. Nürnberg, Hss. Nr. 70 (ehem. Nr. 113), 171r-175r. - c. Nürnberg, Scheurlsche Bibl., cod. L2 (Findbuch S. 135 c, Nr. 82), 323r-327v. A b d r u c k . SODEN, S. 150-156; LILIENCRON II, Nr. 228. L i t e r a t u r . E v. SODEN, Gesch. d. ehem. Weilers Affalterbach, 1841; LILIENCRON, Hist. Volkslieder II, S. 463-489; A. HAASE, Die Schlacht bei Nürnberg vom 19. Juni 1502, Diss. Greifswald 1887, bes. S. 27—37; E. STRASSNER, Polit. Relevanz 'historische Volkslieder', in: O. WERNER u. B. NAUMANN (Hgg.), Formen mal. Lit. Fs. S. Beyschlag (GAG 25), 1970, S. 229-246, hier S. 238 f.; U. TIMANN, Unters, z. Nürnberger Holzschnitt u. Briefmalerei in d. ersten Hälfte d. 16. Jh.s mit bes. Berücksichtigung v. Hans Guldenmund u. Niclas Meldeman, 1993, S. 71; S. KERTH, der landsfrid ist zerbrochen (Imagines medii aevi 1), 1997, S. 16f., 34, 238, 300.

FRIEDER SCHANZE Kistener, Kunz [Korr./Nachtr.] Bd. 4, Sp. 1158 zu Ausg.n: Die angekündigte Ausgabe der Prosaauflösung der 'Jakobsbrüder' ist bisher nicht erschienen. Sp. 1160 vor Lit. ergänze: Eine weitere Prosafassung ist enthalten in Berlin, mgq 189, aus Straßburg, Mitte 15. Jh. (Hs. der 'Elsäss. Legenda aurea'), 195r—204r, im Mirakelanhang einer umfangreichen Legende des Jacobus maior. Vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die grasten zeichen di kein heilige getun mac di tut dirre heilige. Zu den dt. Jakobuslegenden, in: K. HERBERS u. D. R. BAUER (Hgg.), Der Jakobuskult in Süddeutschland

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'Klage um eine edle Herzogin' — 'Klage eines Liebenden' III

(Jakobus-Stud. 7), 1995, S. 233-248, hier S. 243245.

'Klage' ->· auch 'Totenklage'

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'Klage eines Liebenden' II Anonym überlieferte Minnerede Reimpaarversen (102 vv.).

in

Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 313, 362 V — 364r. Im Bestand dieser Hs. gehört der Text ebenso 'Klage um eine edle Herzogin' [Nachtr.] wie -> 'Das Wesen der Minne' I u. II zu den wenigen Stücken, für die bislang keine ParallelüberliefeBd. 4, Sp. 1162 zu Ausg. ergänze: M. SCHIERLING, 'Das Kloster der Minne' (GAG 208), 1980, rung nachgewiesen werden konnte, vgl. GLIER, Nachwort zu BRAUNS/THIELE, Minnereden, S. 185 — 204 (u. d. T. 'Totenklage um Herzogin BeS. 255 f. atrix von Tirol').

'Klage einer jungen Frau' [Korr.] Bd. 4, Sp. 1165 Über!.: "Salzburg, ÜB" korr.: ..., Stiftsbibl. St. Peter.

'Klage einer Liebenden' Anonyme Minnerede. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 922 (nördl. Niederrhein, 1. Viertel 15. Jh., vgl. -* 'Berliner Liederhandschrift mgf 922'), 26ra-26vb und ein zweites Mal 123ra-123vb (142 vv.). A u s g a b e . BRAUNS/THIELE, Minnereden, S. 150-154, Nr. 28.

Das im 14. oder frühen 15. Jh. entstandene Paarreimgedicht, dessen Autor und Entstehungsort unbekannt sind, gehört zu den wenigen Ich-Reden einer Frau im Korpus der Minnereden, vgl. H.-J. ZIEGELER, Erzählen im SpätMA, 1985, S. 73 Anm. 41. Das Gedicht verkehrt die übliche Minnesituation: hier klagt die Sprecherin die Mynne an, der sie onderdaen sei, die sie aber als morderinne bezeichnet, weil ihr Geliebter sie nicht erhört. Die (teilweise anaphorische) Anrede an die Mynne wird unterbrochen durch die flehentliche Bitte an die reyne mannes vrucht selbst (v. 49 — 71). Der Schlußteil (ab v. 85) wendet sich zunächst an die reynen wyve tzairt, dann werden Stede, Troest, Truwe und Hoeffen als Helferinnen herbeigerufen. Die Hoffnung spricht das zuversichtliche Schlußwort: dyns arbeits win dir noch geloent. L i t e r a t u r . BRANDIS, Minnereden, Nr. 64.

HORST BRUNNER 'Klage eines Liebenden' I [Bd. 4]

'Klage e. L.'

A u s g a b e . BRAUNS/THIELE, Minnereden, S. 9f., Nr. 4.

Im Morgengrauen gibt sich der von seiner Geliebten getrennte Sprecher so intensiv dem Liebeskummer hin, daß er sein Leben durch einen Herzanfall bedroht glaubt. Um diesem zu entgehen, versucht er, seine Gedanken in eine positive Richtung zu lenken, wobei er zu dem Schluß gelangt mir macht kein drost gescheen (v. 19). Leitmotiv des sich anschließenden Klagemonologs (vv. 26 — 85) sind Vorwürfe gegen das Scheiden (vgl. v. 44, 53, 77). Der Schlußteil (vv. 86-102) entwickelt dann etwas unvermittelt doch noch eine trostreichere Perspektive mit Versatzstücken wie Treueversicherung (vv. 90 f.) und der abschließenden Bitte um Gottes Schutz für die Geliebte (vv. 98 f.). L i t e r a t u r . W. BLANK, Die dt. Minneallegorie, 1970, S. 47 Anm. 11; BRANDIS, Minnereden, Nr. 35; GLIER, Artes amandi, S. 366; H.-J. ZIEGELER, Erzählen im SpätMA (MTU 87), 1985, Reg.; W. WITTSTRUCK, Der dichterische Namengebrauch in der dt. Lyrik des SpätMAs (MMS 61), 1987, S. 265 Anm. 231.

JÜRGEN SCHULZ-GROBERT 'Klage eines Liebenden' III Anonym überlieferte Minnerede Reimpaarversen (120 vv.).

in

Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 313, 364 r — 366r. Weitere Nachweise fehlen bislang wie im Fall der unmittelbar vorausgehenden -> 'K. e. L.' II. A u s g a b e . BRAUNS/THIELE, Minnereden, S. 1013, Nr. 5.

In Anschluß an ein ausführliches Lob seiner Geliebten (vv. 1—43) gesteht der Sprecher, daß er ihr bislang keine Liebeser-

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'Klage um den Tod einer Frau' — 'Klage über die Trennung von der Geliebten G'

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klärung zu machen wagte (vv. 44—77). Als Begründung dafür verweist er auf die von 'Klaffern' (v. 49) drohende Gefahr, andererseits befürchtet er, den Unmut seiner Dame zu erregen. Mit Selbstvorwürfen über eine derartige Naivität setzt sich der Monolog fort (vv. 78—95), um im Schlußteil (vv. 96 —120) der Hoffnung Ausdruck zu geben, die Huld der Dame vielleicht doch noch erwerben zu können.

nesherz aus der Trauer zog, werden den Würmern zuteil. Warum hast du, Jesus Christus, dem Tod das erlaubt? Wie Enoch und Elias sollten die Frauen lebend ins Paradies eingehen. Doch sollte man deine gotlich ordenung nicht kritisieren. Denke daran, daß du deine Mutter in den Himmel geführt hast, und mehre ihre Schar mit ihnen! Mutter Gottes, lasse die Frauen das beste Teil dessen genießen, was dein Kind dir gegeben hat. Wenn Frauen bestattet L i t e r a t u r . H. NIEWÖHNER, Rez. zu Brauns/ werden, sollte zur Freude eines ganzen Thiele, Minnereden, AfdA 59 (1940) 131-136, Landes Balsam aus ihrem Grab strömen, bes. S. 132; W. BLANK, Die dt. Minneallegorie, 1970, S. 47 Anm. 11; BRANDIS, Minnereden, auf ihren Wegen sollten Heilkräuter wachNr. 36; GLIER, Artes amandi, S. 366; H.-J. ZIEGEsen, und man sollte zu ihren Ehren täglich LER, Erzählen im SpätMA (MTU 87), 1985, Reg.; am Grab ritterschafft treiben. Gott möge W. WITTSTRUCK, Der dichterische Namengebrauch die Seelen der Frauen retten und sie zu seiin der dt. Lyrik des SpätMAs (MMS 61), 1987, ner ewigen Gottheit geleiten. S. 265 Anm. 231. Erst am Schluß zeigt sich, daß das ReimJÜRGEN SCHULZ-GROBERT paargedicht als Klage auf den Tod einer bestimmten Frau zu verstehen ist: Die ich 'Klage um den Tod einer Frau' mit minem tickten klag (Wortlaut nach ra), / der biß genedig aller meist (v. 254 f.); Anonyme Minnerede. auf einige Parallelen zum 'Ackermann aus Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 355 (Hs. b; Böhmen' des -»· Johannes von Tepl vernordalem.-schwäb., 2. H. 15. Jh.), 156r-161r (geweist CH. KIENING, Schwierige Modernikürzte Fassung, 224 vv.); Prag, Narodni Knihovna, tät, 1998, S. 236 Anm. 178. R VI Fc 26 (Hs. ra; schwäb. 1464/67), S. 455-463 (256 vv., Überschrift: Veni sancti Spiritus). L i t e r a t u r . BRANDIS, Minnereden, Nr. 37. HORST BRUNNER A u s g a b e . BRAUNS/THIELE, Minnereden, S. 109-113, Nr. 21 (mit Fehler in der Zeilenzählung: statt 100 lies 99; daher ist die Gesamtzahl der Zeilen falsch angegeben).

Das aus der 2. Hälfte des 15. Jh.s überlieferte Gedicht, dem sich über Autor, Entstehungszeit und -ort nichts entnehmen läßt, beginnt mit dem Lob der Freude, die reine Frauen ausstrahlen. Der Gedanke an ihren Tod bedrückt das Sprecher-Ich. (Nur in ra: Der tugendhafte Mann dient den Frauen, er beweist seine Beständigkeit durch menge aubentüren, aufgrund derer Lobgedichte auf ihn verfaßt werden.) Einen Ritter oder Knappen lobt man nach seinem Ende, mancher beschreibt seine Taten in einem Gedicht. (Nur ra: Sein Lob wird verbreitet und seiner Seele Heil wird gewünscht.) Um die Frauen hingegen wird selten geklagt, obwohl es leicht wäre, sie zu loben. Das Sprecher-Ich wünschte, dazu in der Lage zu sein. Ihre Wänglein und Mündlein und ihr Angesicht, das das Man-

'Klage über die Trennung von der Geliebten G' Anonym überlieferte Reimpaarversen (95 vv.).

Minnerede

in

Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 104 (-» 'Liedersaal-Hs.'), 49 ra ~ va n. Z. (= 58 a. Z.); Trier, StB, Hs. 1120/128 a 4°, 1 ~ (70 vv.). A u s g a b e . Liedersaal, Bd. l, Nr. 46, S. 351353.

In Erinnerung an den Augenblick einer schmerzvollen Trennung von der Geliebten, die im Text mit dem wohl als Anfangsbuchstabe ihres Namens gedachten 'G' (v. 35) bezeichnet wird, monologisiert der Sprecher zunächst (vv. 1—66) über die Trostlosigkeit seiner Situation. Auf seine direkt an 'Frau Minne' gerichteten Vorwürfe (vv. 67—81) folgt abschließend die

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'Klagspiegel' — 'Kleine Stamser Chronik'

Versicherung ewiger Treue auch für den Fall, daß sich die Dame als treulos erweisen sollte. L i t e r a t u r . H. NIEWÖHNER, Der Inhalt von Lassbergs Liedersaal-Hs., PBB 66 (1942) 153-196, bes. S. 154 u. 168; BRANDIS, Minnereden, Nr. 62; GLIER, Artes amandi, S. 382.

JÜRGEN SCHULZ-GROBERT 'Klagegedicht auf Herzog Johann von Brabant' -»· 'Lob der ritterlichen Minne' 'Klagspiegel' [Korr.] Bd. 4, Sp. 1170 Überl.: "Bamberg, SB, cod. P. VI. 11" korr.: ..., Msc. Can. 68 (ohm P. VI. 11).

Klara von Assisi [Korr.] Bd. 4, Sp. 1176 zu Ill.l.b) Überl.: Die Hs. Braunau, Langersche Bibl., cod. 77 (verschollen), ist identisch mit "Wien, cod. Ser. nov. 3825! Sie wird hier also irrtümlich zweimal aufgeführt (Hinweis Gisela Kornrumpf). Sp. 1177 oben, Überl.: "London, Brit. Library, cod. 20034" korr.: ..., Add. MS. 20034.

Klara von Rietheim -» 'Söflinger Briefe und Lieder' 'Klarissenregel' [Korr.] Bd. 4, Sp. 1186 oben, zu 4.: "Prag, Lobkow. Bibl., cod. 503" korr.: heute Prag, Tschech. Nationalbibl. (Narodni Knihovna), XXIII F 141.

'Klarissenstatuten' [Korr.] Bd. 4, Sp. 1189 zu 2.: "Prag, Lobkowitzsche Bibl., cod. 503" korr.: heute Prag, Tschech. Nationalbibl. (Narodni Knihovna), XXIII F 141. Sp. 1190 zu 4.: "Stuttgart, Staatsarch., Nr. 3 482a, Nr. 4" korr.: ..., B 482a Nr. 4.

Klaus der Schirmer [Korr.] Bd. 4, Sp. 1194: "Pommersfelden, Schloßbibl., cod. LXII/120" korr.: ..., HS 120. Zur Hs. vgl. auch -> Heinrich von Schaffhausen [NB] (Lit.!).

'Kleine Stamser Chronik' Graf Meinhard II. von Tirol-Görz ließ in dem von ihm gestifteten Zisterzienser-

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kloster Stams (Tirol) die Grablege der Stifterfamilie einrichten (letzte Beisetzung 1335). Im Zuge der Etablierung einer eigenen Tiroler Linie der Habsburger, die 1363 Tirol erworben hatten, griff Herzog Friedrich IV. 1409 die Tradition der meinhardinisch-landesfürstlichen Grablege in Stams auf und ließ hier laufend Angehörige beisetzen. Zur Pflege der memoria entstand noch zu Lebzeiten des Herzogs (f 1439) wohl in Stams eine kleine dt. Chronik, die in annalistischer Form für die Zeit von 1253 bis 1432 Informationen über die beiden Dynastien bereitstellt. Der enge Zusammenhang mit dem etwas späteren lat., von PEZ so bezeichneten 'Breve chronicon monasterii Stamsensis' (ed. H. PEZ, Scriptores rerum Austriacarum 2, Leipzig 1725, Sp. 457—460) ist evident. Offenkundig handelt es sich um die Kontamination eines Verzeichnisses der Fürsten und Fürstinnen, die in der Stamser Grablege beigesetzt wurden, ergänzt durch Daten über Gründung und Weihe des Klosters, mit einem — vorläufig nur über verwandte Ableitungen faßbaren — Nekrolog der Habsburger, in dem besonderes Augenmerk auf genealogische Zusammenhänge und die jeweiligen Grabstätten gelegt wurde. Die Titelrubrik Vermerkht der fursten und furstinnen von Osterreich abganng und etlich irer stifft und begrebnuss etc. entspricht nicht dem Inhalt der vorliegenden Kompilation, sie wird aus dem habsburgischen Text stammen. KOLLER wies in seiner Edition die Übereinstimmungen mit zwei eng miteinander verwandten dt. Habsburgergenealogien bzw. -nekrologen aus (MGH Necr. 5, 1913, S. 124-127 bzw. A. RAUCH, Rerum Austriacarum scriptores l, Wien 1793, S. 380 — 388). Ergänzend sei auf die noch weitergehenden Übereinstimmungen mit der Überlieferung der Habsburgergenealogie in Admont, Stiftsbibl., cod. 19 (vgl. dazu Rep. font. VIII/2, Rom 1998, S. 269 s. v. Notae Admuntenses 1273-1424) hingewiesen. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, Haus-, Hof- u. Staatsarchiv, cod. Blau 43 (Böhm Nr. 107), 115r-118v (um 1500); ebd., cod. Blau 38 (Böhm Nr. 84), 132r-137v (18. Jh., aus anderer Vorlage); Kopien aus cod. Blau 43: ebd., cod. Rot 8/2 (Böhm

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Klenegker, Ulrich — 'Klever Totentanz'

Nr. 115/2), S. 125-132 (Kollektaneen von Anton Stcyerer, f 1741); Klosterneuburg, Stiftsarchiv, Slg. Freisieben (f 1788), Karton 5:10.

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STOETT ediert wurden, sind die 133 Verse der drei weiteren Frgm.e, die bei Restaurierungsarbeiten aus zwei Bänden von Akten des niederrhein. Stifts Wissel herausgeA u s g a b e . H. KOLLER, Eine dt. Fassung der Kl. löst wurden, erst seit 1996 bekannt. DaSt. Chr., Rom. Hist. Mitt. 28 (1986) 178-183. mals haben CLAASSENS/STERNBERG alle vier L i t e r a t u r . H. KOLLER, Ausg., S. 169-177; W. Frgm.e gemeinsam ediert, da ihre kodikoSTELZER, Jb. des Stiftes Klosterneuburg NF 16 logische, paläographische und dialektgeo(1997) 342 f. graphische Analyse ergab, daß die PergaWINFRIED STELZER mentstreifen ursprünglich wohl zu ein und derselben Hs., vielleicht einem Rotulus, Klenegker, Ulrich [Korr./Nachtr.] gehörten und ins 15. Jh. zu datieren seien. Die herrschende Auffassung, das von Bd. 4, Sp. 1205 zu 2.: Bei der 'Kunst genannt STOETT edierte Frgm. sei der älteste überdie Dewtsch Rethorichken' handelt es sich um eine selbständige dt. Ars dictandi aus der ->· Friedrich lieferte Zeuge eines ndl. Totentanzes, havon Nürnberg-Tradition; sie hat also nicht K. zum ben CLAASSENS/STERNBERG in dem Sinne Verfasser (Hinweis F. J. Worstbrock). modifiziert, daß es unter sprachwissenSp. 1206 zu Teilabdrucken ergänze: F. LAUschaftlichen Aspekten gleich den anderen CHERT, Materialien z. Geschichte d. KaiserpropheFrgm.en 'der Übergangszone zwischen tie im MA, Hist. Jb. 19 (1898) 844-872 passim dem mndl. und dem mnd. Sprachraum zu(Ausg. mehrerer Prophetien, u. a. nach der Grazer zuordnen' und 'im Gebiet des Kleverländi[damals Dresdner] Hs.). Vgl. auch -> 'Vision auf schen' anzusiedeln sei, der Totentanz also das Jahr 1401'. durchaus in Stift Wissel oder seiner näheren Umgebung entstanden sein könnte Kienkok, Johannes [Korr.] (S. 71 f.). Während ROSENFELD das ihm bekannte Bd. 4, Sp. 1208 Z. 5 f.: "Königsberg, ÜB, cod. Frgm. 4 als Bearbeitung des sog. -» 'Mittel161" korr.: ..., ehem. Staatsarch., Hs. 31; vgl. rheinischen Totentanzes' klassifizierte und STEFFENHAGEN, Catalogue I, S. 71, Nr. CLXI (Hinweis R. G. Päsler). ins ausgehende 15. Jh. datierte, schließen Sp. 1209 zu II. (2. petit-Abschnitt): "WernigeCLAASSENS/STERNBERG in Kenntnis aller rode, cod. Zb. 4" korr.: heute in Halle/Saale, ÜB vier Frgm.e trotz der Übereinstimmungen u. LB, cod. Stolb.-Wernig. Zb 4. ein unmittelbares Abhängigkeitsverhältnis Sp. 1210 zu e., Überl.: "Ehem. Münster, ÜB, aus. Grund hierfür ist der 'einzigartige' cod. 627 (366) korr.: ..., cod. 366 (Kat. Nr. 627). Prolog (S. 57) und eine Figur wie des woSp. 1211 zu d., Überl.: "Oxford Bodl. Library, keners erue 'Erbe des Wucherers', die kein cod. 24463" korr.: ..., MS. Hamilton 33 (Kat. Nr. anderer als der 'K. T.' überliefert. In An24463). lehnung an SCHULTE erwägen sie als gemeinsame Quelle für den 'Mittelrheini'Klever Totentanz' schen' und den 'K. T.' die afrz. danse macabre von 1424/25 oder eine andere TotenÜberlieferung. Frgm. 1 — 3: Düsseldorf, tanz-Version mit dem von ihr abhängigen Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv, Anachtzeiligen Strophenschema und der vornex zu zwei Aktenbdn, Stift Wissel, Akten Nr. 17 herrschenden Dialogfolge mit der Anrede und 17a; Frgm. 4: Leeuwarden, Provinciale Bibliodes Todes an den Sterbenden und dessen theek van Friesland, 150 Hs. a. — Faksimile von Antwort. Frgm. 1—3 bei CLAASSENS/STERNBERG, S. 74-76. Frgm. l umfaßt die predigthafte Vorrede A u s g a b e n . STOETT, S. 156f. (Frgm. 4); ROSENeines Sprechers (1—38); Frgm. 2 die zweite FELD, S. 335 f. (Frgm. 4); CLAASSENS/STERNBERG, Hälfte der Antwort eines Sterbenden auf S. 77-83 (maßgeblich; zit.). die mutmaßliche Aufforderung des Todes, Während die 47 Verse des sog. Over- ihm in den Tanz zu folgen, die Dialogstroijsselschen Totentanz-Fragments' bereits phen von Tod und Kaufmann sowie Tod Ende des 19. Jh.s von dem Niederlandisten und Wucherer und zwei Drittel der Anrede

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Klinger, Hans — 'Klosterneuburger Bußpredigten'

des Todes an den Erben des Wucherers (39-85); Frgm. 3 die zweite Hälfte der Antwort eines Sterbenden auf die mutmaßliche Anrede des Todes, die Dialogstrophen von Tod und Bürger sowie Tod und Handwerker und gut zwei Drittel der Strophe des Todes an den Jüngling (86— 133); Frgm. 4 (der ehemals sog. Overijsselsche Totentanz') die Dialogstrophen von Tod und Bürgerin sowie Tod und Waldbruder (Eremit), die Anrede des Todes an jedermann (alreley volck) und den ersten Vers der Antwort des Jedermann (134—180). Über die paarweise gereimten Verse hinaus enthalten die Strophen, soweit sie vollständig überliefert sind, auch gleichsam eine Überschrift in Prosa, die den jeweiligen Sprecher vermerkt (z. B. Die doit roept den bantwerck.es man; Die hantwerckers man antwort}. L i t e r a t u r . F. A. STOETT, Spreekwijzen verklaard. III. Den dans entspringen, Nord en Zuid 14 (1891) 153-158; H. ROSENFELD, Der mal. Totentanz. Entstehung, Entwicklung, Bedeutung (Beih. zum AKG 3), 1954. 21968. 31974, S. 253 f. mit Anm. 16a; B. SCHULTE, Die dt.sprachigen spätmal. Totentänze. Unter bes. Berücksichtigung der Inkunabel 'Des dodes dantz'. Lübeck 1489 (Nd. Stud. 36), 1990, S. 186-191; G. H. M. CLAASSENS und B. STERNBERG, Ein Klever Totentanz? Neu entdeckte Frgm.e, ZfdPh 115 (1996) 55-83; H. FREYTAG, Ein Klever Totentanz aus dem 15. Jh. Über Beziehungen der jüngst entdeckten Frgm.e zum Totentanz der Marienkirche in Lübeck u. dem Totentanz der Nikolaikirche in Reval, ZfdPh 116 (1997) 90-93.

HARTMUT FREYTAG Klinger, Bernhard -> 'Vom Würfelspiel'

Klinger, Hans Verfasser eines Marienliedes, das um 1500 in Basel gedruckt wurde. Das in der Schlußstrophe mit Autorsignatur versehene Lied (13 Fünfzeilerstrr. des -» 'Lindenschmidt'-Typs) kontrafaziert laut Überschrift ein weltliches Lied, das nicht erhalten ist und wohl nur die Melodie geliefert hat. Der anspruchslos gereimte Text reiht Stationen des Marienlebens aufzählend

aneinander. Nur die einleitende Verkündigungsszene ist etwas breiter ausgeführt. Hauptinhalt sind die fünf 'Schwerter' Maria: die Weissagung des Simeon, der zwölfjährige Jesus im Tempel, seine Marter und Kreuzigung und die Compassio. Ü b e r l i e f e r u n g . Einblattdruck mit Verkündigungsholzschnitt, Titel: Ursely holder büle min geistlich zu syngen, [Basel, L.] Ysenhut [1498/ 1502?]; Ex. in München, SB, Einbl. III, 47 (aus Tegernsee, beschriftet 1508); Reproduktion bei R. W. BREDNICH, Die Liedpublizistik im Flugblatt d. 15. bis 17. Jh.s, Bd. II (Bibl. bibliogr. Aureliana 60), 1975, Abb. 15. - Text unediert. L i t e r a t u r . F. HIERONYMUS, Oberrhein. Buchillustration 2: Basler Buchillustration 1500-1545 (Publ. d. ÜB Basel 5), 1984, Nr. 10b; F. SCHANZE, Inkunabeln oder Postinkunabeln?, in: V. HONEMANN u. a. (Hgg.), Einblattdrucke d. 15. u. frühen 16. Jh.s, 2000, S. 45-122, Nr. 50.

FRIEDER SCHANZE Klosener, Pritsche [Korr.] Bd. 4, Sp. 1234 Mitte: "cod. 966 der Klosterbibl. Melk" korr.: cod. 585 (olim 966) ....

'Klosterneuburger Bußpredigten' Ü b e r l i e f e r u n g . Klosterneuburg, Stiftsbibl., CC1 1118, l r (I), 159v-160r (II), 160V (III). A u s g a b e n . J. M. WAGNER, Predigtentwürfe, ZfdA 15 (1872) 439-442; PALMER, S. 229-238.

Ihre Bekanntheit verdanken die drei kurzen Predigttexte in bair.-österr. Schreibsprache, die um 1190—1220 in einer heute in Klosterneuburg aufbewahrten lat. Predigths. nachgetragen wurden, ihrer unberechtigten Frühdatierung ('frühes 12. Jh.') durch den ersten Herausgeber WAGNER, der die vollständig ausgearbeiteten, aber teilweise in lat.-dt. Mischsprache verfaßten Texte zu Unrecht als 'Entwürfe' bezeichnete. Inhaltlich behandeln alle drei Predigten verschiedene Aspekte des Jüngsten Gerichts. Für Predigt I über lac 1,22 ist bislang keine lat. Quelle bekannt. Predigt II über Mi 6,3 konnte als eine Bearbeitung der lat. Predigt Nr. 24 der Sammlung 'Dicite pusillanimes' des französischen Scholastikers Geoffroi Babion (1. H. 12. Jh.) identifiziert werden. Predigt III (Fragment) über PS 33,12 ist nach Babions Predigt

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'Klosterneuburger Evangelienwerk' — 'Klosterneuburger Ständepredigten'

Nr. 23 übersetzt. Predigten II und III sind weiterhin in den etwas früher zu datierenden -» 'Zürcher Predigten' (Nr. VII u. VI) überliefert. Es gibt Indizien dafür, daß weitere Texte dieser im alemannischen Raum entstandenen Sammlung entstehungsgeschichtlich mit den 'K. B.' zusammenhängen. Die 'K. B.' vertreten einen Typ in der frühen mhd. Predigtliteratur, der sich durch enge Anlehnung an lat., in diesem Falle aus Frankreich importierte Vorbilder auszeichnet. Die hier bezeugte Rezeption der Predigten Babions (weitere Beispiele in der Liste bei PALMER, S. 222 f., u.a. -*· Oberaltaicher Predigtsammlung' und ->· 'Speculum ecclesiae deutsch') ist im Zusammenhang mit der dt.sprachigen Rezeption weiterer Bestseller der internationalen Homiletik wie z. B. der Werke des Hildebert von Le Mans, -» Honorius Augustodunensis und Odo von Cheriton zu sehen.

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A u s g a b e n . Die Sammlung ist als ganzes nicht ediert. — Predigt 1: F. J. , Altdt. Predigten, AnzfKdVz7 (1838) 510-513 (nach B); Predigt 36: MERTENS, S. 101-114 (nach B).

Die fünf Predigten gegen unwürdige und unfähige Weltgeistliche, die die Bezeichnung 'Ständepredigten' begründen, sind ohne markierte Abgrenzung im Rahmen einer Sammlung von 46 (B) bzw. 47 (K) Predigten und predigtähnlichen Stücken überliefert; die beiden letzten gehören -» Berthold von Regensburg (B Nr. 45: Überschrift; Nr. 46: Apostrophe im Text) und sind inhaltlich teilweise vergleichbar mit PFEIFFER/ STROBL Nr. 6 und Nr. 15 (hg. RICHTER, Berthold, 1968, S. 247-259). Den Ständepredigten geht eine Klage Gottes über die Christenheit (die prologhaft wirkt) voraus, es folgt eine Kirchweihpredigt. In den fünf Ständepredigten werden die Habgier der Geistlichen (36 Von den reihen pfaffen) kritisiert, ferner die säumigen Prälaten (37), die Ungelehrten und die L i t e r a t u r . MORVAY/GRUBE, Predigtbibliogr., Priesterfrauen mit ihrem Kleiderluxus T 7; G. VOLLMANN-PROFE, Von den Anfängen zum (38), die Pfarrherren, die nur so lange enthohen MA. 2: Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit im hohen MA, 1986, S. 67 L; N. F. haltsam leben, bis sie ihre Pfründe haben PALMER, Die 'K. B.'. Unters, u. Edition, in: K. KUNZE (39), die faulen und unwürdigen Priester, u. a. (Hgg.), Überlieferungsgeschichtl. Editionen u. die gleichwohl die Sakramente wirksam Stud, zur dt. Lit. des MAs (TTG 31), 1989, spenden, da Gott selbst diese wirkt (40). S. 210-244. Die Standesschelte ist vornehmlich auf einNIGEL F. PALMER schlägige Aussagen der Bibel gegründet und zitiert an Autoritäten neben Gregorius 'Klosterneuburger Evangelienwerk' [Nachtr./ vornehmlich Augustinus, seltener Bernhard. Die Kritik wird mit Exempeln verKorr.] deutlicht und gelegentlich redensartlich Bd. 4, Sp. 1254 zu 5. a.: "Die sogenannte 'Schlierpointiert; breit ausgeführt ist der Vergleich bacher Bibel'" ergänze: (vgl. -> 'Schlierbacher Alder ungebildeten und ungeeigneten Priester tes Testament'). mit einer Vogelscheuche (B 145v-146r). Ebd.: "überliefert im Ms. I 15 ... der Stiftsbibl. Der Prediger bezieht sich selbst in die kritiSchlierbach" korr.: ... im Ms. I 16 .... Zur Verfasserschaft vgl. auch -> Wolfhart; -» sierte Gruppe ein (wir pfaffen 132V). Da Österreichischer Bibelübersetzer [NB]. der Tadel hauptsächlich das Besitzstreben, Sp. 1255 zu b.: "VOLLMER, Materialien II, 2, die Eitelkeit, die Priesterehe und die S. 823-827" korr.: ..., S. 823-837. schlechte theologische Qualifikation der Pfarrherren und Prälaten betrifft, wird man 'Klosterneuburger Ständepredigten' ('Ber- an mendikantischen Ursprung denken; dafür spricht die Mahnung, unwürdigen Prieliner Predigten') stern das Almosen zu verweigern und nur Dt. Predigtsammlung, 14. Jh. würdigen zu geben, was als Reflex der Konkurrenz um die Stolgebühren und Almosen Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 1976 (Ende V V zwischen Weltgeistlichen und Bettelorden 14. Jh., ostobd.), 121 -149 (B; zit.); Klosterneuv r zu verstehen ist. Für franziskanischen Urburg, Stiftsbibl., CC1 902 (um 1400), 197 -235 sprung könnten auch die beiden Berthold(K).

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'Der Knappe und die Frau' — 'Kochrezepte der Konstanzer Hs. A

predigten sprechen. Als Adressaten haben Laien zu gelten. Die übrigen Texte, die vielleicht einem anderen Entstehungs- und Rezeptionskontext als die Ständepredigten zuzuordnen sind, weisen keine entsprechenden Indizien einer geistlichen Standesschelte auf. Es sind mit geringen Ausnahmen Sermones, die meist die Thematik, seltener den Anlaß (23 Allerheiligen, 34 Mariae Geburt, 41 Kirchweih, 42 Weihnachten [Inhalt, nicht Anlaß], 44 Johannes, 46 Petri Kettenfeier) angeben. Predigt l geht auf ->· Honorius Augustodunensis, 'Speculum ecclesiae' (PL 172, Sp. 861-863, 867-870) zurück; vgl. . Die Hss. sind nahe verwandt; K enthält eine Predigt zum Tag der Unschuldigen Kinder, die in B fehlt, und ordnet genauer nach dem Kirchenjahr. Beide wurden vermutlich als Materialsammlung zur Predigtvorbereitung genutzt, K enthält Bl. 253 r — 254r ein Register von späterer Hand, in B fehlen allerdings vergleichbare Fundhilfen; maniculi und andere sparsame Auszeichnungen sprechen jedoch für solchen Gebrauch. Für eine vorgängige Mündlichkeit gibt es keine sicheren Anzeigen. Die sehr unterschiedliche Länge dürfte das Ergebnis kompilierender Textarbeit sein; gelegentlich sind Umarbeitungsprozesse (Johannespredigt aus Petruspredigt) greifbar. Der Predigtcharakter mit Thema, Einleitung/Anrede und Schlußformel ist unterschiedlich ausgeprägt, auch traktathafte Texte wie die -> 'Fünfzehn Zeichen' (B48r-53r, K74 v -79 r ) nach dem -»· 'Lucidarius' (genannt 50r) enthalten Anreden; in der Predigt 41 findet sich die formelhafte Anrufung des Predigers um den Beistand des Heiligen Geistes (B 149V) als situationsspezifisches Signal.

Kochbuch Nachtr. l

(Verweisstichwort)

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[Korr./

Bd. 5, Sp. 1: Streiche die Verweise auf 'Mühlberger Kochbuch' und auf Thomas van der Noot! — Ergänze die Verweise:

Meister -» Hans; -*· Jamboninus von Cremona; -> 'Salzburger Kochbuch'; ->· 'Innsbrucker Kochbuch' [NB]; -> 'Kochrezepte der Konstanzer Hs. A 11' [NB]. 'Der Köcher wider die Juden' dus de Sexannia (III.3.)

Theobal-

'Kochrezepte der Konstanzer Hs. A l l ' Eine zwischen 1459 und 1466 in Marginalien aufgezeichnete Sammlung von 42 Kochrezepten, Küchen- und Kellerkniffen sowie Hinweisen zu Obstbau, Fischfang und diätetischer Wirkung bestimmter Pflanzen in alem. Dialekt. Ü b e r l i e f e r u n g . Konstanz, Stadtarchiv, cod. A I l (olim W VI 18), Rezepte auf den Bll. 24V, 25r, 26', 36", 37r, 60V, 61r, 62r, 63r, 64r, 72V, 73r, 74r, 83r"v, 93V-94V, 97V, 103V. Eine zwischen 1390 und 1420 entstandene Hs. mit legendarischen, erbaulichen u. chronikalischen Texten, u. a. -> Hartmanns von Aue 'Gregorius' (= Hs. K). A u s g a b e . T. EHLERT, Die (Koch-)Rezepte der Konstanzer Hs. A l l . Edition u. Kommentar, in; Von wyßheit würt der mensch geert ..., Fs. f. M. Lemmer, hg. v. I. KÜHN/ G. LERCHNER, 1993, S. 39-64.

Trotz gewisser Ähnlichkeiten zu Kochrezepten des Meister -* Eberhart von Landshut sowie solchen aus dem 'Alemannischen Büchlein von guter Speise' (Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 20291), dem 'Grazer Kochbuch' (Graz, ÜB, cod. 1609; vgl. dazu -> 'Salzburger Kochbuch'), dem -> 'Kochbuch von St. Dorotheen zu L i t e r a t u r . V. MERTENS, Der implizierte SünWien' und dem -»· 'Mondseer Kochbuch' der, in: W. HAUG u. a. (Hgg.), Zur dt. Lit. u. Sprache des 14. Jh.s, Dubliner Colloquium 1981, 1983, sind die Differenzen im Wortlaut wie auch S. 76—114 (mit Verzeichnis der Predigten nach B). in der beschriebenen Zubereitungsweise so VOLKER MERTENS groß, daß eine gemeinsame schriftliche Quelle kaum angenommen werden kann. Neben den Kochrezepten finden sich An'Der Knappe und die Frau' [Nachtr.] weisungen zum Konservieren (von frischen Bd. 4, Sp. 1272 zu Überl. ergänze: Berlin, SBBr r Trauben [1.4.] bzw. von Wein [2.1.], von PK, Hdschr. 115, 19 -21 . Vgl. T. BRANDIS, Eine Fleisch [4.1.]). Andere vermitteln Küchenspäte Minneredenhs., Codices manuscript! 9 (1983) 19-25. und Kellerkniffe, z. B. wie Fleisch schneller

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Kolde, Dietrich, von Osnabrück — Koler, Konrad, von Soest

gar wird (4.1.; 5.1.), wie ein Huhn oder ein Ei mit indirekter Hitze gegart werden kann (10.1.; 10.2.; 18.1.) oder wie Spießbraten saftig bleibt (14.2.) und wie man vermischten Wein erkennt (17.1.); zu diesen Rezepten konnten bislang keine Quellen oder wörtlichen Übereinstimmungen eruiert werden. Demgegenüber sind die diätetischen Abschnitte über Quitten und ihre medizinische Verwendung (6.1.), über Eicheln und Galläpfel (15.1.), über Weißund Schwarzpappeln (16.1.), über Weintests (17.1.) und über Bilsenkraut (19.1.) überwiegend wörtliche, wenn auch z. T. umgeordnete Auszüge aus -» Konrads von Megenberg 'Buch der Natur'. Die Kochrezepte werden überwiegend mit der wiltu- oder der /fem-Formel eingeleitet; einige zeigen den üblichen dreiteiligen Aufbau: Gerichtname, Zubereitung, Abschlußformel (z. B. so ist es berait), letztere fehlt allerdings mehrfach. Der Kompilator der Konstanzer Rezepte erweist sich als gebildeter, historisch und medizinisch-diätetisch interessierter Laie, der eine von anderen mit erbaulichen und chronikalischen Texten begonnene Hs. um annalistische Notizen und um Texte erweitert, die auf die erfolgreiche Führung eines Hauses zielen. L i t e r a t u r zur Hs.: W. DITTMANN, Hartmanns Gregorius. Unters, zur Überl., zum Aufbau u. zum Gehalt (Phil. Stud. u. Qu. 32), 1966, S. 38 f.; B. WACHINGER, Hartmann v. Aue, Gregorius (ATB 2), "1984, S. XII f.; EHLERT, S. 39 f.

TRUDE EHLERT Kolde, Dietrich, von Osnabrück [Korr./ Nachtr.] Bd. 5, Sp. 24 zu 2., Überl.: "Brunn, ÜB, cod. 69" korr.: ..., Moravska Zemskä Knihovna (Mährische LB), NR. 69; vgl. V. DOKOUPIL, Soupis rukopisu z knihovny minoritu v Brne, frantiskänü v Moravske Trebove a premonsträtü v Move Risi (Catalogus codicum manu scriptorum in Bibliotheca Univ. Brunensis asservatprum 3), Prag 1959, S. 124— 127. Die Hs. wurde (1996?) dem Prämonstratenserstift Nova Rise (Neureisch/Mähren) zurückerstattet. Sp. 26 zu Lit. ergänze: B. DE TROEYER, Dietrich v. Münster (um 1435—1515), Franzisk. Stud. 65 (1983) 156-204.

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Koler, Konrad, von Soest (Conradus de Susato, Conrad von Sust) Theologe, Rat König Ruprechts, Bischof von Regensburg. A. Leben. K., geb. um 1370 aus einfacher Bürgerfamilie in Soest, Kleriker der Kölner Erzdiözese, immatrikulierte sich im SS 1387 an der Univ. Heidelberg, erwarb 1391 den Magistergrad und promovierte 1401 zum Baccalaureus sowie 1407 zum Lizentiaten der Theologie; seit 1410 wurde er als 'professor Theologiae' bezeichnet. 1397, 1401 und 1410 fungierte er als Rektor der Univ., 1400 als Vizerektor und Dekan der Artistenfakultät. — Seit 1400 Chorherr und später Propst des Stifts Neuhausen bei Worms, wurde er von König Ruprecht 1401 für ein Kanonikat der Utrechter Salvatorkirche und 1402 dem Bischof von Worms für eine Pfründenanwartschaft an der Marienkirche in Neustadt präsentiert. Als Domherr in Speyer ist er 1409 bezeugt. Die Ernennung zum päpstlichen Subdiakon durch Gregor XII. um dieselbe Zeit bestätigte das Konstanzer Konzil 1415. Seine kirchliche Karriere war mit der kirchenpolitischen Rats- und Gesandtentätigkeit für König Ruprecht bzw. die rheinischen Pfalzgrafen verbunden. 1396 hielt er sich als Prokurator des kurpfälzischen Kanzlers in Rom auf. Als öffentlicher Notar beglaubigte er 1400 die Absetzungsurkunde gegen König Wenzel in Oberlahnstein, und 1401/02 sowie 1405 agierte er als Gesandter der Heidelberger Univ. erneut in Rom, wohl in Zusammenhang mit Ruprechts Italienzug und Approbationsverhandlungen. Einen Höhepunkt seiner kirchenpolitischen Aktivität bildete seine führende Teilnahme an der Gesandtschaft König Ruprechts zum Konzil von Pisa und zum Gegenkonzil Gregors XII. in Cividale 1409 (Dt. Reichstagsakten VI, S. 493). Gegen die Konzilsberufung der Pisaner Kardinale und zur Unterstützung Gregors XII. verfaßte er die 'Heidelberger Postillen'. In Pisa legte er entsprechende 'Dubia' gegen das Kardinalskonzil vor sowie eine Appellation an ein legitimes Konzil und an Jesus

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Koler, Konrad, von Soest

Christus. 1412 ernannte ihn Gregor zum Legaten für Deutschland. Da der Bischof von Regensburg sich wie die meisten Reichsstände der Pisaner Obödienz angeschlossen hatte, erreichten König Ruprechts Söhne von Papst Gregor für ihren oberpfälzischen Teil des Bistums die Einsetzung eines eigenen Titularbischofs. Seit 1413 übte K. dieses Amt, wohl in Verbindung mit seiner Legatenfunktion, bis 1415 aus. Auf dem Konzil von Konstanz wurde er 1415 als Theologe des Konzilsprotektors, des pfälzischen Kurfürsten Ludwig III., Mitglied der allgemeinen Kommission, begleitete König Sigismund zu den Verhandlungen mit Benedikt XIII. nach Perpignan und war an der Wahl Martins V. beteiligt. Auf dem Konzil von Pavia-Siena (1423 — 24) Gesandter Ludwigs und der Heidelberger Universität, fungierte er als Präsident der deutschen Nation. Auf Fürsprache des Kurfürsten ernannte der Papst ihn 1428 gegen den vom Kapitel Gewählten zum Bischof von Regensburg. Zur Reform des Klerus hielt er 1429, 1434 und 1435 Diözesansynoden ab. Im Streit um kirchliche Rechte mit dem Adel setzte er sich auf dem Gerichtsweg mehrfach erfolgreich durch. 1436 vermittelte er in der Fehde der bayerischen Herzöge. — Auf dem Konzil von Basel war er einer der drei Vorsitzenden der Glaubenskommission und als solcher an den Verhandlungen mit den Hussiten beteiligt, deren Delegationen er 1432 nach Basel geleitete. K. starb am 18. 5. 1437 in Regensburg und wurde im Dom beigesetzt. B. S c h r i f t e n . 1. 'Lectura mag. Conradi de Susato super II et III libro Sententiarum', ein Kommentar zu den Sentenzen des -> Petrus Lombardus als theologische Schulschrift in Zusammenhang mit K.s Universitätstätigkeit. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14202, 15. Jh., aus St. Emmeram. Vgl. F. STEGMÜLLER, Repertorium Commentariorum in sententias Petri Lombardi, Bd. l, 1947, S. 76 Nr. 177.

2. 'Quaestio de usura circa quartum ethicorum determinata per magistrum Conradum de Zozato', in der Tradition

der Heidelberger nominalistischen Scholastik. Verwandt mit K.s 'Quaestio' ist ein Traktat des -» Johannes von Frankfurt (München, clm 18401 u. 11468; Wien, cod. 4748). Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Bibl., cod. Guelf. Heimst. 178.

Hzg.

Aug.

3. 'Postillen'. Die 'Heidelberger Postillen' (Glossen) wurden im Herbst 1408 für den Frankfurter Fürstentag (Januar 1409) von K. verfaßt und von Job -» Vener kanonistisch bearbeitet. Das Ziel war, die Reichsstände auf die röm. Obödienz und gegen das Konzil von Pisa einzuschwören. Die unsystematischen Glossen zum Konzilsberufungsschreiben der Kardinale bilden ein Argumentationsarsenal gegen den Entzug der Obödienz Papst Gregors sowie gegen die Unterstützung des Pisaner Konzils und richten sich ausschließlich an die röm. Obödienz. Vier Argumentationslinien lassen sich unterscheiden: a) Der Obödienzentzug ist unbegründet, da Papst Gregor seiner Verpflichtung zur Beseitigung des Schismas nachkam, b) Die vereinigten Kardinalskollegien haben kein Recht für ihr weiteres Vorgehen, da sie nicht zweifelsfrei Kardinale sind und da sie weder eine ständige Kontrollfunktion über den Papst haben noch Gericht über ihn zum Zweck der Absetzung halten können, c) Das Konzil ist nicht rechtmäßig, denn: Die Kardinale usurpieren das Recht zur Konzilsberufung, das bei negligentia der Päpste nur dem römischen König zukommt; das Konzil in Pisa ist nicht frei, da Zielsetzung und Gegenstand festgelegt sind; es findet unter dem Einfluß der französischen Obödienz statt, d) Das Konzil wird Papsttum und Kirche zum Schaden des röm. Königtums wieder in französische Abhängigkeit bringen.

In Pisa legte König Ruprechts Gesandtschaft ihre 'Bedenken' ('Dubia') vor, die sich so sehr an den Inhalt der 'Postillen' halten, daß man auch sie dem Autor K. zuschreiben darf. Eine Kompilation aus 'Postillen' und 'Dubia' stellt dann die Appellation K.s im Namen des römischen Königs gegen das Konzil dar. Weder den Frankfurter Fürstentag noch das Konzil beeindruckten die 'Postillen'. Die meisten Reichsstände traten auf die Seite des Pisaner Konzils. Dessen Scheitern

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Kölner, Friedrich — 'Kölner Inschrift'

in der Beseitigung des Schismas ist jedoch weitgehend der Heidelberger Politik zuzuschreiben. A u s g a b e . Dt. Reichstagsakten VI, Nr. 268, S. 387—422; die 'Bedenken' und die Appellation ebd. Nr. 296, S. 497-503, und Nr. 297, S. 503515.

4. Denkschrift im Auftrag Kurfürst Ludwigs III. von 1418 für seinen Schwager, König Heinrich V. von England, über seine Beziehungen zu König Sigismund, nachdem dieser den Kurfürsten öffentlich des Treubruchs bezichtigt hatte (Dt. Reichstagsakten VII, Nr. 237, S. 351-359). Die Verfasserschaft K.s wird vermutet, da er in Art. 10 (S. 356) genannt ist. 5. 'Tractatus contra Hussitas anno dni. 1421 16 mense Septembris in campo Bohemie prope Sacz ad unum milliare magistri Conradi de Sußato', im Auftrag von Kurfürst Ludwig III. als Widerlegung der hussitischen Vier Artikel, die die Hussiten dem Kurfürsten im Feldlager bei Saaz übergeben hatten. Er bleibt im Rahmen der üblichen scholastischen Hussitenwiderlegungen. Zum Inhalt vgl. RITTER, S. 358. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 5411, 14567 57, geschr. von Liebhardus Hyebles de Allershausen; Wien, cod. 4215. L i t e r a t u r . F. JANNER, Gesch. der Bischöfe von Regensburg, Bd. 3, 1885, S. 414-450; G. RITTER, Die Heidelberger Univ., 1936; J. KIST, Das Bamberger Domkapitel von 1399 bis 1556, 1943, S. 285; ders. (Hg.), Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg 1400-1556, 1956, S. 228; E. HERRMANN, Zum Schisma in der Diöz. Regensburg 1409-1415, Zs. f. bayer. Kirchengesch. 34 (1965) 1-18; W. BRANDMÜLLER, Das Konzil von PaviaSiena 1423-24, Bd. l, 1968, S. 17, 20 u. 99; H. WEISERT, Die Rektoren der Ruperto-Carola zu Heidelberg u. die Dekane ihrer Fakultäten 1386— 1968, 1968, S. 100; R. BÄUMER, Konrad von Soest u. seine Konzilsappellation 1409 in Pisa, Westfalen 48 (1970) 26-37; K. WRIEDT, Der Heidelberger Hof u. die Pisaner Kardinale, in: H. FUHRMANN u. a. (Hgg.), Aus Reichsgesch. u. Nordischer Gesch., Fs. f. K. Jordan (Kieler Hist. Studien 16), 1972, S. 272-288; H. HEIMPEL, Konrad von Soest u. Job Vener, Verf. u. Bearbeiter der Heidelberger Postillen (Glossen), zu der Berufung des Konzils von Pisa, Westfalen 51 (1973) 115-124; E. WOLGAST, Die Univ. Heidelberg, 1986; W. EBERHARD,

Konrad K. von Soest, in: H.-D. HEIMANN (Hg.), Von Soest - aus Westfalen, 1986, S. 93^123; K. HAUSBERGER, Konrad von Soest, in: E. GATZ (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Rom. Reiches 1198 — 1448, 2001, Sp. 636 f.

WINFRIED EBERHARD 'Kölner Ablässe und Heiltümer' -»· 'Ablässe und Heiltümer der Stadt Köln' [NB] Kölner, Friedrich [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 47 zu Lit. ergänze: E. BAUER, Die obd. Über), der Imitatio Christi, in: J. HOGG (Hg.), Spätmal, geistl. Lit. in der Nationalsprache, Bd. l, Salzburg 1983, S. 111-135, bes. S. 126-129.

'Kölner Inschrift' (ahd.) Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, Arnold Mercator, Stadtplan von Köln, v. J. 1571. Plankammer 2/5/1—2. — Der zum Teil verstümmelte Text ist aufgrund sprachlicher Merkmale ins 9. Jh. datiert worden. Mercator hat den Text von einer Tafel am Haus des Kölner Domprobstes abgeschrieben, die dort im 16. und 17. Jh. eingemauert war. Ursprünglich stand die Tafel wohl am Eingang einer auf Veranlassung von Erzbischof Gunthar von Köln zwischen 850 und 858 errichteten Kölner Domschule oder -bibliothek. A u s g a b e n . FRENKEN, 1934, S. 117f.; BERGMANN, S. 66 f. (mit Übers, u. Abb.); BRAUNE, Leseb., Nr. VIII,1 (fälschlich unter 'Prosa'); H. NAUMANN / W. BETZ, Ahd. Elementarbuch, 41967, S. 99. — Übersetzung u. Abbildung auch bei KRUSE, S. 165 u. 386 (Abb. 6).

Die wenigen Zeilen bezeugen den frühesten Gebrauch von Endreim in dt. (mittelfrk.) Sprache. Der Versbau ist mit demjenigen -> Otfrids vergleichbar, ein Halbvers ist zusätzlich durch das stabende Substantivpaar welog inde wi[s]duom geschmückt. Der an die Domschüler und Bibliotheksbenutzer sowie an lesekundige Passanten gerichtete Bibliotheks- und Bildungspreis ist durch die frühe Überlieferung, durch die leider verlorene epigraphische Schriftform und durch seine Überlieferungsgeschichte auffällig und einmalig. Eine Quelle wurde bislang nicht nachgewiesen (dazu JEEP, S. 120-122). Literatur. G. FRENKEN, Kölnische Funde u. Verluste, ZfdA 71 (1934) 117-122 u. 72 (1935)

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'Kölner Jahrbücher' — 'Kolumbusbrief'

256; R. BERGMANN, Zu der ahd. Inschrift aus Köln, Rhein. Bll. 30 (1965) 166-169; R. SCHÜTZEICHEL, Zur Erforschung des Kölnischen, in: Fs. E. Ennen, 1972, S. 44-55; N. KRUSE, Die Kölner volkssprachige Überlieferung des 9. Jh.s (Rhein. Archiv 95), 1976, S. 133-178; BRAUNE, Leseb., 1979, Nr. IV,1; R. SCHÜTZEICHEL, Ahd. Wörterbuch, 51995, S. 24 f.; J. M. JEEP, Alliterating Word-pairs in Old High German (Stud. z. Phraseologie u. Parömiologie 3), 1995, S. 119-121; W. HAUBRICHS, Die Anfänge: Versuche volkssprachiger Schriftlichkeit im frühen MA (700-1050/60), 21995, S. 175 f.

JOHN M. JEEP 'Kölner Jahrbücher' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 49 zu Lit. ergänze: J. B. MENKE, Geschichtsschreibung u. Politik in dt. Städten d. SpätMAs, Jb. d. kölnischen Geschichtsvereins 33 (1958) 1-84, bes. S. 42-52.

Kölner, Paul [Korr.] Bd. 5, Sp. 60 zu 2., Überl.: "St. Florian, Stiftsbibl., cod. 326" korr.: ..., cod. XI 326. Ebd. zu 3., Überl.: "Wien, Schottenstift, cod. 239" korr.: ..., cod. 299 (HüBL, Kat. Nr. 239).

'Kolumbusbrief' (dt.) 1. Christoph Kolumbus (1451-1506) verfaßte am 15. Feb. 1493, auf der Rückfahrt von seiner ersten Reise über den Atlantik, den 'Brief über die jüngst entdeckten Inseln'; er ist adressiert an Luis de Santangel, Rechnungsführer des spanischen Königs. Der ursprünglich spanisch abgefaßte Briefbericht wurde schon im selben Jahr mehrfach gedruckt, zuerst in der lat. Übersetzung des Leandro di Cosco. Erstdruck: Epistola Christofori Colom ...de insulis Indie supra Gangem nuper inuentis, [Rom, Stephan Plannck 1493]. - Vgl. GW 7171-7179, 7999-8003 u. HC 15942 (als Anhang an C. Verardus, 'Historia Baetica'); ALDEN, Nrn. 493/3-15, 494/9,495/3-4, 497/10-11,500/2,522/14, 533/6. HIRSCH verzeichnet insg. 21 lat. und volkssprachliche Drucke bis 1522 (span., ital. [Versbearb. v. G. Dati],dt.,engl.). Faksimileausgaben: 16 Drucke u. 3 Hss. im Faks. bei SANZ, 1958 u. 1959 (z.T. mit Transkription u. Übers.). — Faks. des ersten (lat.) Drucks im dt. Sprachraum [Basel, M. Furter für J. Bergmann? Oder J. Wolff? Nach 29. 4. 1493]: L. SCHELBERT, Der Kolumbusbrief. Mit dt. Übers. (Bibliophile Drucke), Dietikon - Zürich 1976.

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Dieser erste 'Brief enthält, anders als das umfangreiche Logbuch der Reise (zuletzt hg. v. F. LARDICCI, A Synoptic Edition of the Log of Columbus's First Voyage [Repertorium Columbianum VI], Turnhout 1999), keine Angaben zur Überfahrt. Er beschreibt vor allem fünf der vermeintlich in der Nähe Indiens gelegenen, sehr fruchtbaren und an Gütern reichen Inseln, darunter Johana (Kuba) und Hispana (Haiti). Ihre Einwohner, die Kolumbus für die spanische Krone und das Christentum gewinnen will, werden als friedliebend und gastfreundlich charakterisiert (die Ankömmlinge werden als vom Himmel kommende Wesen, gentes ethereas betrachtet), ohne Metallwaffen und gewaltsame Herrschaft, ohne Städte, ohne Privateigentum, nackt, quasi im Goldenen Zeitalter lebend. Von einigen weiteren Inseln berichtet Kolumbus, ohne sie selbst besucht zu haben, darunter über eine von Kannibalen, eine nur von Frauen und eine von Menschen mit Schwänzen bewohnte — ein erkennbarer Bezug auf tradionelle Vorstellungen und Topoi der Reiseliteratur. 2. Eine anonyme dt. Übersetzung dürfte von einem Ulmer Gelehrten stammen: Eyn schoen hübsch lesen von etlichen inßlen die do in kurtzen zyten funden synd durch den künig von hispania ... Getüetschet uß der kanonischen zungen vnd uß dem latin zu Ulm... Straßburg, Bartholomäus Kistler 1497, 8 Bll., 4° (GW 7179). — HAEBLER hielt einen voraufgehenden Ulmer Druck für wahrscheinlich. Faksimileausgaben: K. HAEBLER, Der dt. Kolum busbrief (Drucke u. Holzschnitte d. XV. u. XVI. Jh.s in Nachbildung 6), Straßburg 1900; SANZ, 1958, S. 201-216.

Der dt. Übersetzer erweitert den Text seiner beiden Vorlagen (eine katalanische Fassung ist nicht erhalten, aber bezeugt) um einige Einschübe. So versucht er, anhand des ptolemäischen Koordinatennetzes (vgl. -» 'Ptolemäus') die geographische Lage der 'neuen Inseln' im indischen mor zu bestimmen; daraus ergibt sich ein unaufgelöster Widerspruch, da dieses Meer auf den 'Ptolemäus'-Karten ein Binnenmeer ist QAHN).

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Komanisch-deutsches Glossar

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3. Eine frühe dt. Reaktion auf den 'Kolumbusbrief' findet sich im 1494 erschienenen 'Narrenschiff' (Kap. 66, v. 53 ff.) Sebastian -» Brants, der auch am (lat.) Basler Druck des 'K.s' von 1494 (HC 15942) beteiligt war. Die revolutionäre Bedeutung der Entdeckungen wurde jedoch nirgends erfaßt; dies änderte sich erst mit dem zehn Jahre später publizierten Bericht des Amerigo -> Vespucci [NB], der kosmographisch präzise Angaben bot (vgl. VOGEL).

hagen 1936 (Faksimileausg.); RmcKE,S. 67-85 (das kom.-dt. Glossar).

Ü b e r l i e f e r u n g . Venedig, Bibl. Nazionale Marciana, cod! Marc. Lat. 549 (= 1597), 56r, 57r-59v und80 v -82 v .

1980; V. DRIMBA, Quelques mots comans precises par leurs gloses allemandes, Harvard Ukrainian Studies III/IV (1979/80) 205-214; L. LIGETI, Prolegomena to the Codex Cumanicus, in: KUUN, Ausg., 1981; M. MOLLOVA, Codex Cumanicus, le bouddhisme et le turk oriental, Wiener Zs. für die Kunde des Morgenlandes 80 (1990) 141-165; dies., Nouveaux cötes devoiles du Codex Cumanicus, ebd. 83 (1993) 117-148; J. RIECKE, Der dt.

Die als Codex Cumanicus bekannte Papierhs. aus der ersten Hälfte des 14. Jh.s ist das wichtigste Sprachdenkmal jener türkischen Stämme, die im MA unter dem Namen Komanen, Kiptschaken und Polovzer große Teile des heutigen Rußlands und einige Gebiete Westasiens beherrschten. Sie erscheinen u. a. im -» 'Summarium Heinrici' und im -» 'König Rother' als falwen. Den Grundstock des Codex bildet ein L i t e r a t u r . HAEBLER, Ausg. (s.o.2.), S. 7—24; nach Sachgruppen geordnetes lat.-pers.C. SANZ, Henry Harrisse (1829-1910) ... Con nuekomanisches Glossar (l r —55 V ), das i.J. vas adiciones a la Bibliotheca Americana Vetustissima, Madrid 1958, S. 63—244; ders., El gran se1303 im Franziskanerkloster des hl. Johancreto de la Carta de Colon y otras adiciones a la Bines in Serai an der unteren Wolga abgebliotheca Americana Vetustissima, Madrid 1959; schrieben wurde. Dessen Vorlage dürfte SCHELBERT, Ausg. (s. o. 1.), S. 19-32, 51-56 (Lit.); um 1294 für den Gebrauch von Händlern R. HIRSCH, Printed Reports on the Early Discoveries entstanden sein. Auf freigebliebenen Blätand their Reception, in: F. CHIAPPELLI (Hg.), First tern und in einem weiteren Faszikel wurImages of America. The Impact of the New World den dann zwischen 1310 und 1350, wohl on the Old, Bd. 2, Berkeley — Los Angeles 1976, im selben Kloster für den Gebrauch von S. 537—558; J. ALDEN, European Americana. A Missionaren, von verschiedenen Händen Chronological Guide to the Works Printed in Eintragungen in komanischer, lat., italieniEurope Relating to the Americas, Bd. 1: 1493 — scher und dt. Sprache vorgenommen, die 1600, New York 1980; F. GEWECKE, Wie die neue Welt in die alte kam, 1986, S. 89-97, 126-128; W. offenbar der Erlernung des Komanischen NEUBER, Fremde Welt im europ. Horizont. Zur Todienten, u. a. komanische Rätsel, Übersetpik der dt. Amerika-Reiseberichte der Frühen Neuzungen lat. Hymnen z. T. mit Noten, katezeit (Philol. Stud. u. Qu. 121), 1991 bes. S. 235-242 chetische Texte, Gebete, Predigtmateriau. ö. (Reg.); K. A. VOGEL, Amerigo Vespucci u. die lien, Glossare und grammatische Notizen. Humanisten in Wien ..., in: ST. FUSSEL (Hg.), Die An zwei Stellen finden sich komanisch-dt. Folgen der Entdeckungsreisen für Europa (PirckheiGlossare, außerdem verstreut im dreispramer Jb. 7), 1992, S. 53-104, bes. S. 53-61 (Lit.); CH. DIPPER, Guanahani, 12. Okt. 1492, in: ders./M. chigen Glossar des Grundstocks 15 nachträglich zugesetzte dt. Glossen. Der ostmd. VOGT (Hgg.), Ringvorlesung [TH Darmstadt]: Entdeckungen u. frühe Kolonisation, 1993, S. 135 — geprägte Wortschatz umfaßt 481 Lexeme, meist Alltagswortschatz, teils Einzelwör163, bes. S. 157—161; B. JAHN, Raumkonzepte in der Frühen Neuzeit. Zur Konstruktion von Wirkter, teils kürzere Syntagmen (ha hat die erlichkeit in Pilgerberichten, Amerikareisebeschreimel uf geft[ri]che; fchupe[n] ofim hoypte; bungen u. Prosaerzählungen (Mikrokosmos 34), ftet pitte u. a.). Der Codex gelangte i. J. 1993, bes. S. 144-149,173-182 (Lit.). 1356 unter ungeklärten Umständen in den CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Besitz eines Antonio de Finale und mit ihm nach Italien. Romanisch-deutsches Glossar L i t e r a t u r . D. DRÜLL, Codex Cumanicus,

A u s g a b e n . G. KUUN, Codex cumanicus bibliothecae ad templum Divi Marci Venetiarum Prolegominis notis et compluribus glossariis instruxit, Budapest 1880, Nachdr. Budapest 1981 (der gesamte Codex); K. GRONBECH, Codex Cumanicus, Kopen-

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Wortschatz des Codex Cumanicus, Sprachwissenschaft 19 (1994) 62-114.

JÖRG RIECKE Kone, Johannes blut'

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'König Lasla' — 'Vom Königssohn von Frankreich'

'Wilsnacker Wunder-

'König Lasla' [Korr.] Bd. 5, Sp. 76 Liberi.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 730" korr.: ..., cod. 751,2 (olim 730).

'König Rother' [Korr.] Bd. 5, Sp. 83 zu 3: "E = (zuletzt) Ermlitz (Dr. Apel, noch 1922) ... verschollen" korr.: jetzt in München, BSB, cgm 8797 (nicht 8798! So SCHNEIDER, Gotische Schriften in dt. Sprache I, 1987, S. 234 Anm. 117; vgl. N. F. PALMER, PBB 113 [1991] 227).

'König Tirol' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 95 zu a) und Sp. 98 zu Lit. ergänze: CH. GERHARDT, Zu den Rätselallegorien in Tirol u. Fridebrant, Euph. 77 (1983) 72-94.

'Die Königin von Frankreich, Cronica' Dieser frühnhd. Kurzroman ist eine Prosabearbeitung der Novelle (Märe) gleichen Namens von ->· Schondoch, überliefert in einer schlesischen Hs. von 1465. Der anonyme Autor fügte der Erzählung, als Haupteingriff, am Anfang Werbung und Hochzeit hinzu. Die Quelle dafür ist entweder der Roman 'Sibille' von -» Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, um den Kurzroman wieder an die ursprüngliche Form der Chanson de geste anzugleichen, oder der ganz ähnliche Anfang aus der in der Hs. folgenden Prosabearbeitung von -» 'Valentin und Namelos' (6.); möglicherweise zählten auch die Berichte über die Hochzeit von Kaiser Friedrich III. und Eleonora von Portugal i. J. 1452 dazu. Außerdem wird die anonyme Königin hier als Person genauer bestimmt; sie wird zur Schwester von Herzog -» Leopold III. von Österreich gemacht. Am Schluß wird ein Ausblick auf die Regierung des Prinzen hinzugefügt mit der Erwähnung, daß der Köhler in den Adelsstand erhoben wurde und eine Tochter aus adligem Hause heiraten konnte.

Neben diesem Kurzroman ging aus Schondochs Novelle ein Meisterlied -» 'Die Königin von Frankreich und der ungetreue Marschall' hervor, das Hans Sachs als Quelle für sein Schauspiel von 1549 diente. Es sind außerdem fünf Bildzyklen bekannt: Illuminationen in Wien, cod. 2675*, 1. H. 15. Jh.; Fresken im Palazzo Nero in Coredo am Nonsberg, Italien, von ca. 1460—1465; ein Wandteppich aus dem Elsaß von 1472 in Nürnberg, Germ. Nationalmus.; Holzschnitte zum Meisterlied, Druck Erfurt, H. Sporer 1498, Ex. in Washington, Library of Congress; und ein Wirkteppich (Rücklaken) von 1554 mit md. Inschriften (Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg). Ü b e r l i e f e r u n g . Einzige Hs. ehem. Breslau, StB, Hs. R 304, lr-13r, schles., 1465 von Johannes Clemens geschrieben (verbrannt). Ausgabe. W. SÜSSMANN, Eine schlesische Fassung d. Erzählung 'Die Königin v. Frankreich u. der ungetreue Marschall', PBB 64 (1940) 244-263. L i t e r a t u r . W. LIEFE, Elisabeth v. Nassau-Saarbrücken: Entstehung u. Anfänge d. Prosaromans in Deutschland, 1920, hier S. 273-277; S. JEFFERis, Die neuaufgefundene Heidelberger Hs. von Schondochs 'Königin v. Frankreich u. d. ungetreue Marschall', in: New Texts, Methodologies, and Interpretations in Medieval German Literature (Kalamazoo Papers 1992—1995), hg. v. S. JEFFERIS (GAG 670), 1999, S. 209-228, hier S. 212.

SIBYLLE JEFFERIS 'Königsberger Marienklage' [Korr.] Bd. 5, Sp. 105 Überl.: "Königsberg, SB u. ÜB, Nr. 905" korr.: Die Hs. ist jetzt verzeichnet in Thorn (Torun), ÜB, als Rps 7/II; dzt. dort nicht auffindbar. Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 101-103.

'Königsberger Weltchronik' (lat.) -> 'Sächsische Weltchronik' [Erg. im NB] 'Königsfeldener Chronik' [Korr.] Bd. 5, Sp. 107, 2. Abschnitt: "in der Hs. A 45 der StB Bern ..." korr.: in cod. A 45 der Burgerbibl. Bern ... .

'Vom Königssohn von Frankreich' Exempelhaft-legendarische Prosaerzählung, nordbair., 15. Jh. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . 5 Hss.: Dreimal im Anhang zu -> 'Der Heiligen Leben, Redaktion', Teil 3: Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 2° (Nürnberg, dat.

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'Vom Königssohn von Frankreich'

1447), 388V-395V; München, cgm 537 (nordbair., aus dem Augustiner-Chorherrenstift Rebdorf, 3. V. 15. Jh.), 457ra-467va; ebd., cgm 539 (nordbair., aus dem Zisterzienserkloster Aldersbach [?], 3. V. 15. Jh.), 262™-271rb. Ferner in 2 Hss. mit Legenden u. a. geistl. Texten; auf 'K.v. F.' folgt hier jeweils -» 'Die Wette um Wahrheit oder Lüge': Nürnberg, StB, Cent. VI, 43g (nürnbergisch, aus dem Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina, 2. H. 15. Jh.), 278r-290r (im Anschluß an Bußpredigten); bisher nicht bekannt: Scheyern, Stiftsbibl., Ms. 48 (olim Ms. 6; geschr. 1482 von Magdalena Topplerin im Dominikanerinnenkloster Maria Medingen b. Dillingen), 273ra-278va. A u s g a b e . BORINSKI, S. 46-56 (nach cgm 537, mit Laa. von cgm 539).

2. Der Erzählstoff von Übeltaten, Umkehr und Sühne des Fürstensohns, der mithilfe des Teufels gezeugt wurde, blieb bis ins 19. Jh. in verschiedenen literarischen Gattungen fruchtbar. Die älteste erhaltene Fassung ist der frz. Versroman 'Robert le diable' (Ende 12./Anf. 13. Jh.). Eine lat. Exempelfassung findet sich im 13. Jh. zuerst bei Stephan von Bourbon ('Tractatus de diversis materiis predicabilibus', lib. Ill, Nr. 168). Diesen beiden Versionen steht der dt. Text inhaltlich am nächsten; mit ihnen teilt er v. a. den asketischen Schluß (sonst nur noch in einer Chronik der Normandie, Anf. 14. Jh.). Gegen ältere Versuche, einen historischen Ansatzpunkt des Stoffes (v. a. in der Person Roberts L, Herzogs der Normandie, t 1035) zu bestimmen, wird er heute als religiöse Umformung eines Märchentyps ('Eisenhans') beurteilt. Dem entspricht der märchenhafte Schluß mit Heirat und Herrschaftsübernahme, den alle übrigen (frz., engl. u. a.) mal. Bearbeitungen aufweisen (vgl. zuletzt BERLIOZ, 1988). Zu ihnen zählt auch die zweite dt. Version des Stoffes, die mnd. Verserzählung -> 'Der verlorene Sohn' (Anf. 15. Jh.).

3. Die dt. (nordbair.) Prosaversion ist durchgehend namenlos. — Einem König von Frankreich wird nach langer Kinderlosigkeit mithilfe des von der Königin angerufenen Teufels ein Sohn geboren. Dieser wächst trotz größter Fürsorge zu einem gefürchteten Gewalttäter heran. Er wird Nachfolger seines Vaters. Als er von seiner satanischen Abstammung erfährt, sucht er betroffen den Weg der Sühne und findet schließlich Hilfe bei einem Einsiedler in

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der Nähe von Rom. Ein vom Himmel herabgereichter Brief teilt ihm die Aufgaben seiner Buße mit: sechs Jahre lang zu schweigen, auf allen Vieren zu kriechen und nur das zu essen, was er Hunden aus dem Maul nehmen kann. Er gelangt in das lant gen Pullen an des kunigs hoff gen Napels, wo er, als Narr geduldet, unter den Hunden lebt. Als der König Krieg gegen die vngelaubigen und die Turcken führen muß, wird der Büßer durch einen Engel mit einem weißen Roß und einer Rüstung ausgestattet und trägt zweimal entscheidend zum Sieg bei, um danach unerkannt zu verschwinden. Die stumme Tochter des Königs aber hat beobachtet, wer der weiße Ritter ist; als ein Betrüger sich für diesen ausgibt, um die Belohnung zu erhalten, gewinnt sie durch das ein sprechen des heiligen geistes die Fähigkeit zu sprechen und klärt die Identität des Narren auf. Nach Ablauf seiner Bußzeit werden dem Helden die Hand der Königstochter und die Herrschaft des Landes angetragen. Er weist jedoch beides zurück und schließt sich für den Rest seines Lebens demütig dem Einsiedler an. 4. Die schlichte, durch direkte Rede aufgelockerte Prosa erzählt die Geschichte unter Reduzierung der weltlich-abenteuerlichen Handlungselemente und ihrer poetischen Ausgestaltung, wie sie den frz. Versroman kennzeichnen. So erwähnt die dt. Version nichts von der Schönheit und unglaublichen Stärke des Protagonisten (der im frz. Roman Sohn des Herzogs der Normandie ist); auch seine Schandtaten werden nur summarisch berichtet; die Ernennung zum Ritter fehlt. Schon von Anfang an wird er moralisch entlastet: er verursacht zwanghaft Schaden und Leid, ohne es zu wollen. An die Stelle des Kaiserhofs in Rom tritt der Hof des Königs von Neapel, es finden statt drei nur zwei Kriegszüge statt. Die Gestalt der Prinzessin bleibt im Hintergrund; auch der betrügerische Seneschall, im älteren Text als zurückgewiesener Werber um ihre Hand ein Gegenspieler von größerem Gewicht, ist im dt. ein nicht näher bestimmter Graf, der erst im letzten Teil der Erzählung auftritt (zu weiteren Abweichungen vgl. LÖSETH, S. XXff.).

In der dt. Erzählung fungiert der namenlose Held so vor allem als Beispielfigur für

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'Die Königstochter von Reußen'

die heilende Kraft von Reue, Beichte und Buße im Sinn der kirchlichen Lehre. Der ambivalente Stoff, der weltlich-ritterliche, märchenhafte und religiöse Züge vereint, wurde dem Stil einer Heiligenlegende angenähert und dem Zweck erbaulich-religiöser Lektüre angepaßt. Dem entspricht auch der Kontext der Überlieferung, der hauptsächlich in Legenden und Bußpredigten besteht.

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pen, Nr. 706). Die Tochter des Königs von Reußen verweigert sich ihrem Vater, der sie nach dem Tod der Königin zur Gemahlin begehrt. In ein Faß gesperrt und dem Meer preisgegeben, gelangt sie nach Griechenland, wo sie Gemahlin des Königs wird. Als sie einen Sohn zur Welt bringt und die freudige Nachricht dem abwesenden Ehemann mitgeteilt werden soll, vertauscht die feindlich gesonnene Schwiegermutter den Brief gegen einen anderen, der A u s g a b e n . Frz. Versroman: E. LÖSETH, Robert die Geburt eines Teufelskindes vermeldet. le diable (Societe des Anciens Textes Francais 48), Paris 1903. - Dt. Übers, v. A. KELLER, Afrz. Sa- Die Königin wird samt Kind ein zweites gen, 21876, S. 234 ff. (danach die überarb. AusMal dem Meer übergeben. In Rom findet wahlausg. v. L. HOEVEL, Afrz. Sagen, 1967, sie Zuflucht, und dort trifft schließlich, S. 110-204). unter Mithilfe des Papstes, die zersplitterte Lat. Exempel Stephans von Bourbon: A. LECOY Familie wieder zusammen. DE LA MARCHE, Anecdotes historiques, tagendes et Enikels Version, nach einer unbekannapologues tires du recueil inedit d'Etienne de Bourten Vorlage bearbeitet, stimmt in den bon, Paris 1977, S. 145-148; neue Ausg. v. J. BERLIOZ, Turnhout [im Druck]. — Dt. Übers, bei A. Grundzügen mit zahlreichen anderen VerWESSELSKI, Mönchslatein, 1909, S. 15-18 Nr. XI, sionen überein. Im Zentrum der generell Kommentar S. 202 f. mehr final- als kausallogisch geprägten Geschichte steht eine MinimalkonstellaL i t e r a t u r . K. BORINSKI, Eine ältere dt. Bearbeitung von Robert le Diable, Germ. 37 (1892) tion von (nicht nur bei Enikel namenlosen) 44-62, 201-203; H. TARDEL, Die Sage von RoFiguren in zwei homolog strukturierten bert dem Teufel in neueren dt. Dicht.n u. in MeyerReichen. Die Heldin, Opfer und zugleich beers Oper (Forsch.n z. neueren Lit.gesch. XIV), Retterin des patriarchalen Systems, durch1900, Neudr. 1977; LÖSETH (s.o.), Einl., läuft verschiedene Stationen der Aus- und S. I—XXXVI; AARNE/THOMPSON, Märchentypen, Wiedereingliederung, an deren Ende das Nr. 314/Subtyp 3 u. 532; TUBACH, Ind. ex., anfängliche Krisenmoment der auf geneaNr. 4119; J. BERLIOZ, Les versions medievales de logische Sukzession gegründeten Feudalgel'histoire de Robert le Diable: presence du conte et sens des recits, in: Le Conte. Tradition orale et sellschaft bewältigt ist. identite culturelle, Lyon 1988, S. 149-165; ders., Auch spezifische Einzelmotive besitzen Robert le Diable, in: Formes medievales du conte Parallelen in anderen Texten. Daß der (als merveilleux. Textes traduits et presentes sous la dibesitzgierig geschilderte) Papst einen Disrection de J. BERLIOZ [u. a.] (Serie 'Moyen Age'), pens für die geplante Heirat zwischen Vater Paris 1989, S. 41-55 (mit e. kürzenden frz. Übers, und Tochter erteilt, begegnet u. a. auch im des mal. dt. Textes von J.-L. EICHENLAUB); ders., Robert le Diable, in: Lexikon d. MAs VII, 1995, 'Manekine'-Roman des Philipp de BeaumaSp. 914 f. (Lit.). noir. Daß die Königstochter sich nicht die CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Hand abschlägt, sondern nur äußerlich verunstaltet, gilt auch für ->· 'Mai und Beaflor' 'Die Königstochter von Frankreich' -> und die 'Königstochter von Frankreich' des Hans von Bühel -> Hans von Bühel. Wie dort fehlt damit zugleich die wunderbare Restitution des fehlenden Gliedes, die in Versionen, welche die 'Die Königstochter von Reußen' Geschichte als (Marien-)Mirakel erzählen, 1. Gegen Ende von Jans ->· Enikels eine zentrale Rolle spielt. 'Weltchronik' (ed. STRAUCH, vv. 266772. Eine Prosaversion, inhaltlich weitge27356; auch GA 2, S. 593-613, 715-719) findet sich eine Version des international hend mit der 'Weltchronik' übereinstimverbreiteten Stoffes vom 'Mädchen ohne mend, findet sich in der 1457 von Caspar Hände' (AARNE/THOMPSON, Märchenty- Wabrer geschriebenen Hs. München, cgm

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Konrad — Konrad von Eichstätt

521 zwischen -> Historienbibel und -» 'Der Heiligen Leben' (146vb-149va; abgedr. in: Mai und Beaflor [hg. v. VOLLMER/ PFEIFFER], 1848, S. IX-XV). Ungewöhnlich hier: der König nimmt nach dem Scheitern des inzestuösen Eheversuchs eine gerade am Hof anwesende Fürstentochter an siner tohter stat zur Frau. Der Sohn der Königstochter trägt den Namen Constantinus. Reußen und Griechenland, die beiden in der Person der Königstochter verbundenen Reiche, bieten am Ende den Anknüpfungspunkt für eine (bruchlos anschließende) Aufstellung der zwölf christlichen unter den insgesamt 72 Sprachen bzw. Kulturen (gedr. Kunst- und Literaturbl. aus Baiern 31 [1819], S. 121 f.). Auch hier steht eine Passage aus Enikels 'Weltchronik' im Hintergrund (vv. 27395-27562). Doch sind die einzelnen Gruppen umgestellt und die völkerkundlichen Charakteristika verkürzt, gelegentlich auch aktualisiert (Hinweis auf Jan Hus). Betont wird der Sittenverfall bei allen Gruppen — mit Ausnahme der deutschen: so lob ich die taüczen land vber die ändern all. L i t e r a t u r . J. F. L. TH. MERZDORF (Hg.), Des Bühelers Königstochter von Frankreich, 1867, S. 29 f.; H. SUCHIER (Hg.), CEuvres poetiques de Philippe de Remi. Bd. l, 1884, S. XXXVXXXVIJ; H. DÄUMLING, Studie über den Typus des 'Mädchens ohne Hände' innerhalb des Konstanzezyklus, Diss. München 1912, S. 23 f.; CH. KIENING, Genealogie-Mirakel. Erzählungen vom 'Mädchen ohne Hände', in: CH. HUBER, B. WACHINGER und H.-J. ZIEGELER (Hgg.), Geistliches in weltl. und Weltliches in geistl. Lit. des MAs, 2000, S. 237-272 (Lit. zur Stoffgesch.).

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Cologny-Geneve 1994, S. 213-215 (mit Abdruck des Liedes ohne Erkennen der strophischen Form). Sp. 111: "Daß [das Gedicht] 4mal 7 Strr. enthielt ... ist zu bezweifeln" korr.: Es handelt sich um vier siebenzeilige Strr. Vgl. auch RSM 5, 1991, S. 637f. unter 1 ZX/70/l-4.

Konrad von Ammenhausen [Korr.] Bd. 5, Sp. 137 Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. 91 b in scrin. 2° 15" korr.: ..., cod. 91 b in scrin., lr-368r.

Konrad von Bondorf [Korr.] Bd. 5, Sp. 143 zu Liberi.: "Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, ... Büschel 54" korr.: Die Briefe sind seit 1970 in Ludwigsburg, Staatsarchiv, Sign. B 509, Bü 2. Vgl. auch Jodocus -> Wind.

Konrad von Brauweiler [Korr.] Bd. 5, Sp. 147 Überl.: "Köln, Hist. Arch., cod. C 17" korr.: jetzt in Düsseldorf, Hauptstaatsarchiv, Dep. Stadt Köln Akten Nr. 108.

Konrad von Brundelsheim [Korr.] Bd. 5, Sp. 149 petit-Abschnitt: "cod. 1869 der ÜB Prag" korr.: cod. X C 16 (Kat. Nr. 1869) der Nationalbibl. Prag (Närodni Knihovna).

Konrad von Butzbach [Korr.] Bd. 5, Sp. 155 Lit.: Die angekündigte Arbeit von W. F. Daems / W. C. Crossgrove ist bisher nicht erschienen.

CHRISTIAN KIENING Meister Konrad buch' [NB]

'Abdinghofer Arznei-

Konrad (von Rheinau?) [Korr.] Bd. 5, Sp. llOf.: Die Hs. der ehem. Gräflich Thun-Hohensteinschen Bibl. in Tetschen befindet sich jetzt in Cologny-Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodmer 30, dort der Text Bl. 10r. Vgl. E. PELLEGRIN, Manuscrits latins de la Bodmeriana (Bibl. Bodmeriana. Catalogus5), Cologny-Geneve 1982, S. 66-79; R. WETZEL, Dt. Hss. d. MAs in der Bodmeriana. Katalog (Bibl. Bodmeriana. Catalogus 7),

Konrad von Eberbach [Korr.] Bd. 5, Sp. 157 Überl.: Die als verschollen bezeichnete, aus Eberbach stammende Hs. befindet sich seit 1965 in Wiesbaden, Hess. LB, mit der Signatur Hs. 381 (Hinweis N. F. Palmer).

Konrad von Eichstätt [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 163 zu II. Mitte: "-> 'Salernitanisches Gesundheitsgedicht'" korr.: -> 'Regimen sanitatis Salernitanum'. Sp. 164 Überl., Z. 3 f.: Streiche "München, clm 12389, 256r-274r (um 1400)". Diese Hs. bietet das

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Konrad von Esslingen — Konrad von Haslau

'Urregimen' zusammen mit 'De qualitatibus ciborum' (vgl. 2.). Sp. 164 zu Ausg.n, Ende: Die angekündigte kritische Edition ist erschienen: CH. HAGENMEYER, Das Regimen Sanitatis K.s v. E. Quellen — Texte — Wirkungsgesch. (Sudhoffs Arch., Beih. 35), 1995,5.64-118. Sp. 167 zu IV.3. bzw. zu Lit. ergänze: B. WEINMAYER, Stud. z. Gebrauchssituation früher dt. Druckprosa (MTU 77), 1982, bes. S. 36-44 ('Hohenberger Regimen sanitatis'). Sp. 169 zu V.: "Augsburg, ÜB [...], cod. Öttingen-Wallerstein I 4° 15" korr.: ..., cod. 11.1.4° 15.

Konrad von Esslingen [Korr.]

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sche Predigten, die in Form eines privaten 'Predigttagebuches' (WALZ, Predigten, S. 93) überliefert sind. Die daraus zu erschließenden Daten ermöglichen die Füllung zeitlicher Lücken in K.s Biographie: 1480—84 hielt er sich im mittelrheinischen Gebiet im Umkreis von Worms auf, 1385 — 87 in Bologna. Cod. Pal. lat. 606, 124r-132r, 136V, 138r-159r, 162r-168v, 175V-176V, 178r-182v, 184r-213r, 218r u. 220V; Cod. Pal. lat. 991, 140r-162v. Chronologisch gereihte Liste der Predigten mit ausführlichen Daten bei WALZ, Predigten, S. 85 — 92.

Ausgabe (Auswahl) bei WALZ, Habil. (masch.) Bd. 5, Sp. 170 zu 1.: "Freiburg, Stadtarch., 1995. — Eine Edition sämtlicher Predigten ist in Hs. 98" korr.: ..., B l Nr. 98. Vorbereitung. Sp. 170 zu 3.: "Münster, ÜB, cod. 438" b. 'Sequentiae et orationes in honorem (= STAENDER, Kat. Nr. 158): Die Hs. ist 1945 verSS. Heinrici et Kunigunde'. Zyklus von brannt!

Konrad von Fußesbrunnen [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 172 Über!.: Das Frgrn. "München, cgm 5249, Nr. 34" heutige Sign.: cgm 5249/34a; hinzu tritt cgm 5249/34b, ein neu aufgetauchtes weiteres Frgm. Vgl. K. SCHNEIDER, Die Fragmente mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (cgm 5249/1 - 79) (ZfdA Beih. 1), 1996, S. 64 f. Ebd.: Das als verschollen bezeichnete Fragment Tepl befindet sich immer noch dort, Hist. Bibl., unter der Nr. 846 fragm. 36. Vgl. K. KLEIN, ZfdA 121 (1992) 73 f.

Konrad von Geinhausen [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 180 zu II. 1. ergänze:

Von K.s (= Konrad Sif[f]ridi von Geinhausen) Werken sind weitere aufgefunden bzw. aufgrund der autographen Überlieferung in zwei Hss. aus seiner Bibliothek (Rom, Bibl. Apostol. Vaticana, codd. Pal. lat. 606 und 991 [1375-vor 1390]) identifiziert worden. a. Sermones. Insg. 77 lat. Predigten und Predigtentwürfe, z. T. mit dt. Einschüben bzw. Übersetzungen, aus dem Zeitraum von ca. 1375 bis 1389 (die meisten sind datiert und lokalisiert). Zeitlich am Anfang steht die von K. in Bologna gehaltene Collatio anläßlich seiner Promotion im Kanonischen Recht. Bei den übrigen handelt es sich fast ausnahmslos um themati-

sechs Sequenzen und zwei Orationes, die große formale Vielfalt aufweisen. Den vier Texten auf Heinrich entsprechen thematisch und formal vier auf Kundigunde. Cod. Pal. lat. 991, 45v-47r; Sequenz III außerdem in Budapest, Szechenyi-Nationalbibl., cod. lat. medii aevi 259, 15. Jh., 179r-180v. A u s g a b e . WALZ, 1997, S. 348-358. L i t e r a t u r . D. WALZ, K. v. G., Dompropst von Worms u. erster Kanzler der Univ. Heidelberg (t 1390). Neuentdeckte Autographe u. Predigten, Habil. (masch.) Heidelberg 1995; dies., K. v. G. u. die Heiligen Heinrich u. Kunigunde, in: Miscellanea Bibliothecae Apostolicae Vaticanae, V. Palatina-Studien, hg. v. W. BERSCHIN, Cittä del Vaticano 1997, S. 329-358 u. Taf. XLVIIf.; dies., Die Predigten K.s v. G. (f 1390), in: Predigt im Kontext, hg. v. V. MERTENS u. a., im Druck, S. 73-97.

Konrad von Haimburg [Korr.] Bd. 5, Sp. 183 zu a): "Wien, Schottenstift, cod. 50.g.9" korr.: ..., cod. 402 (olim 50.g.9; Kat. HÜBL, Nr. 66). Ebd., zu c): "Wien, Schottenstift, cod. 54 (50.f.27)" korr.: ..., cod. 59 (olim 50.f.27; Kat. HÜBL, Nr. 54).

Konrad von Haslau [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 198 zu Lit. ergänze: H. SCHÜPPERT, Spätmal. Didaktik als Quelle für adeliges Alltagsleben?, in: Adelige Sachkultur des SpätMAs (Veröff. d. Inst. f. mal. Realienkunde Österreichs 5 = WSB 400), Wien 1982, S. 215-257.

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Konrad von Heimesfurt — Konrad von Soltau

Konrad von Heimesfurt [Korr.] Bd. 5, Sp. 199 Überl.: "E) Frankfurt/M., Privatbesitz (verschollen)" korr.: Das Fragment ist jetzt in Karlsruhe, LB, Cod. K 2037. Vgl. -> 'St. Galler Handschrift 857' [NB] (mit Lit.!). Ebd.: "K) Berlin, mgf 757, 8" korr.: ..., mgf 7577 28.

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Konrad von Oppeln -> 'Magdeburger Rechtsbücher' (III.) [NB] Konrad von Sandomir -»· 'Magdeburger Rechtsbücher' (III.) [NB] Konrad von Soest ->· Koler, Konrad, von S.

[NB] Konrad von Hirsau [Korr.] Bd. 5, Sp. 207, Z. 4f.: "K. verwendete -- Bernhards von Utrecht 'Ecloga' als Quelle" korr.: K. verwendete -> Bernhards von Utrecht Kommentar zur 'Ecloga' des -> Theodolus als Quelle.

Konrad von Soltau (Soltava, Solto, Sulcow, Zoltaw, Zolto u. a.)

bibl., cod. 321 (olim 291)" korr.: ..., cod. 291 (rot), 321 (schwarz). Ebd., Z. 6 von unten: "t ca. 1260" korr.: f 1360. Sp. 226, Z. 4 f.: "Brunn, Mährisches Landesarchiv, Ms. 149 (348)" korr.: ..., (= Moravsky Zemsky Archiv), cod. G 11, 149 (348). Sp. 231 zu 25., Überl.: "G. STEER, Zur Überl. ..., ZfdA 113 (1984)" ist nicht erschienen. Vgl. aber G. HAYER, K. v. M. 'Das Buch der Natur'. Unters, zu seiner Text- u. Überlieferungsgesch. (MTU 110), 1998 (173 Textzeugen).

Während seines Rektorats kam es an der Universität zum ersten Konflikt zwischen der böhmischen Nation und der bayerischen, sächsischen und polnischen, deren gemeinsamer Prokurator K. war. Die Forderung auf eine Neuverteilung der Plätze am Karlskolleg zugunsten böhmischer Kandidaten fand K.s entschiedenen Widerstand; sie setzte sich indes, massiv unterstützt vom Prager Erzbischof Johann von Jenstein, schließlich durch. Der vom Erzbischof zeitweilig exkommunizierte K. fand auch bei König Wenzel keine Unterstützung.

A. Leben. K., geb. in Soltau oder Lüneburg, wurde Konrad von Höxter OP entfällt (vgl. KAEP- am 27. 2. 1368 in Prag durch Heinrich -» Totting von Oyta [NB] zum Magister arPELI, Scriptores 1283—285). tium promoviert. Er lehrte durchgehend bis 1385 in der artistischen Fakultät und Konrad von Liebenberg [Korr.] war im WS 1372/73 deren Dekan. Anfang Bd. 5, Sp. 218: "Pommersfelden, Gräflich Schön1371 ist er als Student des kanonischen bornsche Bibl., cod. LXII/120" korr.: ..., HS 120. Rechts bezeugt, doch wandte er sich bald Zur Hs. vgl. auch -> Heinrich von Schaffhausen der Theologie zu. 1375 erscheint er als [NB] (Lit.!). theolog. Baccalaureus, 1383 als Baccalaureus formatus, 1384 als Magister und ProKonrad von Megenberg [Korr.] fessor theologiae. Im WS 1384/85 hatte er das Amt des Rektors der Universität inne. Bd. 5, Sp. 223 zu 5., Überl.: "Göttweig, Stifts-

Konrad von Mure [Nachtr./Korr.]

Gewiß haben K. — wie auch Heinrich Totting und einige Jahre später -» MatBd. 5, Sp. 239 zu III. Überl. von 'Libellus de nathäus von Krakau — die unguten Erfahturis animalium' ergänze: 3 weitere Hss. bei WALrungen, die er im Laufe des Streits mit der THER, Initia 11619, bzw. bei N. HENKEL, Studien zum Physiologus im MA (Hermaea NF 38), 1976, böhmischen Partei machte, zum Abschied S. 42 Anm. 115: St. Florian, Stiftsbibl., cod. XI von Prag veranlaßt; er ist dort zuletzt am 166, 272r-307v; Leipzig, ÜB, Ms 1294, l r -36 r ; 18. Okt. 1386 bezeugt. 1387 lehrte er beMünchen, clm 14062, lll r -116 r . reits, berufen durch Kurfürst Ruprecht III., Vgl. auch die Ausg. v. A. P. ORBÄN, K. v. M., als Theologe in Heidelberg. De naturis animalium (Editiones Heidelbergenses K. trug viel zum Ansehen der neugeXXIII), 1989, zu den Hss. S. 12-15; dazu die Rez. gründeten Heidelberger Universität bei v. U. BODEMANN, ZfdA 120 (1991) 347-351, hier und war 1393 ihr Rektor. Er hatte indes S. 348 Korrektur der Blattangaben von clm 14062. auch Gegner. 1389 mußte er sich wegen Ebd., zu 'Commendatitia': "Kollegium Sarnen/ Schweiz, cod. 10" korr.: ..., Ms. membr. 10. eines Häresieverdachts, den man auf seine

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Konrad von Soltau

erste große Heidelberger Vorlesung (s. u. B.III.) glaubte stützen zu können, in Rom verteidigen. Am kurfürstlichen Hof gewann er bald eine Vertrauensstellung und übernahm diplomatische Aufgaben für Ruprecht an der Kurie. So bahnte sich eine politische Karriere an. Nach einer seiner mehrfachen Romreisen kehrte er im Sommer 1395 zum Unmut der Universität nicht mehr auf seinen Lehrstuhl zurück. 1397 verwandte er sich in Rom für den zum Mainzer Erzbischof gewählten Johann von Nassau und wurde nach dessen Bestätigung Mainzer Kanzler. 1398, nach scharfer Abmahnung seitens der Heidelberger Universität wegen steter Absenz, ließ er sich in die Erfurter theol. Fakultät aufnehmen, ohne jedoch dort noch tätig zu werden (nach nicht glaubhafter Angabe in der Hs. Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 704, S. 487, soll er in Erfurt seine [Heidelberger] 'Lectura super Firmiter credimus' gelesen haben). Die Beziehungen zum Heidelberger Hof pflegte er weiter; 1400—02 verhandelte er an der Kurie um die Anerkennung Kurfürst Ruprechts als deutscher König. K. war von früh an im Besitze kirchlicher Pfründen, die er reichlich zu mehren wußte; sie gestatteten ihm offenbar eine aufwendige Lebensführug, die ihre Kritiker fand (vgl. RITTER, S. 246 ff.). 1399 wurde er vom Papst zum Bischof von Verden ernannt, aber erst 1401, nach zweijährigem Kampf gegen einen Konkurrenten, in diesem Amt bestätigt. Er starb am 11. Jan. 1407 und wurde in St. Michael in Lüneburg bestattet. Als theologischer Lehrer hatte K. in seiner Zeit und auch über seinen Tod hinaus beträchtliches Renommee. Noch 1451 zählte Heinrich -> Toke ihn in seiner Magdeburger Synodalrede zu den führenden Theologen der letzten Jahrzehnte und nannte ihn als ersten. B. Werk. Das erhaltene Werk K.s besteht in der Hauptsache aus Schriften des artistischen und theologischen Universitätslehrers. Eine Heuristik der umfangreichen Überlieferung, geschweige denn eine kritische, fehlt. Auch

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dem folgenden Aufriß liegt eine nur annähernd vollständige Sammlung der insgesamt mehr als 160 erhaltenen Hss. zugrunde, und nur die Münchener Codices und wenige weitere wurden genauer geprüft.

I. S c h r i f t e n der P r a g e r Zeit. 1. An Schriften zum Prager Artesstudium sind bekannt: a) 'Argumenta contra conclusiones quaestionum Buridani de generatione et corruptione et de caelo', eine 1377 verfaßte Auseinandersetzung mit Buridans Aristoteles-Kommentar; Stettin, Wojewodzka i Miejska Biblioteka Publiczna (ehem. Marienstift-Gymnasium), cod. Cam. 5, 293r-309v, 14. Jh. - b) 'In De caelo', ein Kommentar zu Aristoteles' 'De caelo'; Stettin, ebd., 309V-314V, unvollst. — c) 'Dicta super Veterem artem'; Krakau, Bibl. Jagiellonska, cod. 757, 19r— 48r, v. J. 1379. - d) 'Argumenta Veteris artis'; Prag, Närodni Knihovna, cod. IV H 5, lr-101r, v. J. 1384. 2 . ' Q u a e s t i o n e s super q u a t t u o r libros sententiarum'. K.s Kommentar zu den Sentenzen des -> Petrus Lombardus (ine. Circa initium libri sententiarum queritur: Utrum per Studium s. scripture acquiratur habitus alius a fide] hat die Form einer Serie von scholastisch aufgebauten Quaestiones, ist darin den 'Quaestiones sententiarum' seines Lehrers Heinrich Totting ähnlich. Der Text des Lombardus tritt hinter den Quaestiones, die sich weithin verselbständigen, völlig zurück. Inhaltliche Grundlage war für K. der verbreitete Sentenzenkommentar des -» Thomas von Straßburg, aber er folgte vielfach auch Tottings Kommentar. Der Sentenzenkommentar ist vermutlich um 1377/79 entstanden, als K. im Zuge seiner theologischen Laufbahn über die Sentenzen des Lombardus zu lesen hatte. RITTER, S. 213, datierte ihn hingegen in die erste Heidelberger Zeit. Es liegen indes Hss. bereits von 1385 vor (s. u.). In der Münchener Hs. clm 18359 ist der Kommentar ein Werk Cünradi Soltaw doctoris pragensis vniuersitatis (f. 211 rb ), im clm 14259 ähnlich Chonradi Soltaw präge. Ü b e r l i e f e r u n g . Mindestens 37 erhaltene, aber unterschiedlich vollständige Hss., teilweise bei F. STEGMÜLLER, Repertorium Commentariorum in sententias Petri Lombardi, Bd. l, 1947, S. 73-75;

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Konrad von Soltau

älteste datierte: München, ÜB, 2° Cod. ms. 65, lr-144r, v.J. 1385, u. Prag, Narodni Knihovna, cod. I D 23, -180 , v. J. 1385. Ausgabe der Quaestiones I-IX u. XI-XXI von Z. CHMYLKO u. a., in: Acta mediaevalia, Bd. 5, Lublin 1989, S. 7-142 (nach den Krakauer Hss.). Text der Quaestio X bei MARKOWSKI, S. 638-649.

3. 'Expositio in P s a l m o s ' . K.s spätestens 1386 in Prag — nach RITTER, S. 497, irrig wiederum erst in Heidelberg — entstandene Psalmenauslegung (inc. Psallam Deo meo quamdiu fuero ... Cupientem me immaculatae legis) ist ein Kommentar der Schultheologie. Er verfügt über die Geschichte der Psalmenexegese und dokumentiert immer wieder ihre verschiedenen Auslegungen. Hauptquellen sind -»· Nikolaus von Lyra und die 'Glossa ordinaria'. Ü b e r l i e f e r u n g . Mindestens 33 Hss. (z. T. unvollst.). STEGMÜLLER, Rep. bibl. 2018. Ferner: Augsburg, StB u. SB, 2° Cod 368; Basel, ÜB, cod. A V 24; St. Gallen, Stiftsbibl., codd. 301 u. 316; Hildesheim, Dombibl., Hs 654; Mainz, StB, Hs I 86 u. Hs I 88; München, clm 18523a. Älteste Hss.: Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 682, 2r-221v, Prag 1386; Prag, Narodni Knihovna, cod. III A 8, lr-202v, v. J. 1388. Ob der von STEGMÜLLER unter Nr. 2019 genannte ein weiterer Psalmenkommentar K.s ist, steht dahin. Der unter Nr. 2020 ist identisch mit Nr. 2018, Psalm 1-67 (Mitteilung von K. Schmuki, St. Gallen). Der von STEGMÜLLER, Rep. bibl. 5429, verzeichnete Psalmenkommentar ist in der Hs. Ansbach, Staatliche Bibl., Ms. lat. 2, 15"-136", wohl irrig K. zugewiesen; vgl. K. H. KELLER, Katalog d. lat. Hss. d. Staatl. Bibl. (Schloßbibl.) Ansbach, Bd. l, 1994, S. 9. Die Auslegung der biblischen Cantica, die STEGMÜLLER, Rep. bibl. 2021—22, unter K.s Namen verzeichnet, stammt von Dietrich -> Engelhus (KÜHNE).

II. ' L e c t u r a super F i r m i t e r c r e d i mus'. Die am 19. April 1388 in Heidelberg abgeschlossene 'Lectura' ist ein umfassender theologischer Kommentar zum 1. Kap. der Dekretalen Gregors IX. ('Liber Extra'), das in offizieller Fassung die Kernsätze des christlichen Glaubens formuliert. Mit der Gliederung in vier Bücher lehnte K. sich ausdrücklich an den 'Sentenzenkommen-

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tar' des Petrus Lombardus an, und demnach sind Gegenstand des 1. Buchs die Trinität, des 2. die Schöpfung, des 3. die Menschwerdung Christi, des 4. die Sakramente und die Lehre von der Kirche. K. selber hat das Buch als compilatio bezeichnet. Die Einleitung über Begriff und Wesen des Glaubens (fides) ist stark dem Traktat 'De fide' Wilhelms von Auvergne verpflichtet (LANG, S. 239), die große Einleitung im cod. Vat. Pal. lat. 330 Heinrich Totting. Die bemerkenswert reiche Überlieferung spricht für den erheblichen praktischen Nutzen, den das systematische Werk hatte. Ü b e r l i e f e r u n g . Etwa 80 erhaltene, teilweise unvollst. Hss. des späten 14. und des 15. Jh.s. Die ältesten: Bamberg, SB, Msc. Theol. 90 (Q.III.10), 107r-190r, v.J. 1390; St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 734, S. 22-402, v. J. 1393; Mainz, StB, Hs I 29, 64ra-136vb, Ende 14. Jh.; München, clm 28448, lva-70vb, Ende 14. Jh.; Stuttgart, Württ. LB, cod. HB I 84, 275ra-356va, Ende 14. Jh. Eine Notiz am Ende der Hs. Prag, Archiv Prazskeho Hradu (Knihovna Metropolitni Kapituli), cod. C. XXX, 76r, v. J. 1402 belegt, daß K. auch nach seinem Abschied von Prag dort noch geschätzt war.

III. P r e d i g t e n . 1. 'Sermones breves'. Die von SCHNEYER als Werk K.s entdeckte Sammlung, entstanden 1389 während seines Häresieprozesses in Rom, umfaßt keine ausgeführten Predigten, sondern nur gleichartig angelegte Notizen für 64 Sermones de sanctis und 103 Sermones de tempore. Sie gibt für nahezu jede Predigt ein typologisches Paar (eine figura aus dem AT und ihr Signifikat im NT oder in der Person eines Heiligen) sowie ein exemplum aus der Natur an. Für die Sermones de tempore wird meist auch ein Thema genannt. Ü b e r l i e f e r u n g . Rom, Bibl. Vaticana, cod. Pal. lat. 123, 105ra-123ra, um 1400, aus Heidelberg, 123ra: sermones breves domini Chunradi [...]; Lübeck, StB, Ms. theol. lat. 2° 58, 59rb-81vb; München, clm 11040, 217ra-243vb, 15. Jh. (die Sermones de tempore gehen den Sermones de sanctis hier voran). — Die Initien der Sermones bei SCHNEYER, S. 505-516. 2. Ein 'Sermo de sacramento Eucharistie' K.s (Conradus de syloto) findet sich in Basel, ÜB, cod. A IX 2, 151V, eine Weihnachtspredigt in München,

885

886

Konrad von Stoffeln — 'Konstanzer Weltchronik'

clm 26938, 34ra-38rb (der Überlieferungszusammenhang weist nach Heidelberg: 33vb: Questiones prescriptas compilauit [...] frater Gregorius de Valkenstein [...] propter sinceras peticiones [...] domini Hartlieb senioris plebani in heidelberga [...]). 3. Bei den Tostillae super dominicalia evangelia estivalia et hiemalia', die u. a. V. ROSE (Katalog, zu Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 88) K. zuschrieb, handelt es sich um -+ Konrads von Waldhausen Tostilla studencium'; vgl. SCHNEYER, S. 501 Anm. 22.

IV. E i n z e l n e s . Auf der Prager Synode 1381 trug K. eine Quaestio 'Utrum mater domini, virgo beata, fuerit in peccato originali concepta' vor (Prag, Narodni Knihovna, cod. X C22, 439r). Im Ms. 6, 296vb-297va, der Dombibl. Fritzlar steht unter K.s Namen eine 'Questio de articulis Johannis Müntzinger', anonym in Eichstätt, ÜB, cod. st. 448, 282rb-283ra. L i t e r a t u r . K. E. H. KRAUSE, Dietrich von Niem, Konrad von Vechta, K. v. S., Bischöfe von Verden 1395-1407, Forschungen z. dt. Gesch. 19 (1879) 592-610; G. TOEPKE, Die Matrikel d. Univ. Heidelberg, Bd. l, 1884, S. 676; E. WINKELMANN (Hg.), Urkb. d. Univ. Heidelberg, 1886, Bd. l, Nr. 10, 17, 31, 37; Bd. 2, Nr. 49, 55, 73-77, 108; L. SCHMITZ, Conrad v. S., 1891; A. LANG, Die Wege der Glaubensbegründung bei den Scholastikern des 14. Jh.s (Beitr. z. Gesch. d. Philosophie u. Theologie d. MAs 30, 1-2), 1933, S. 234f., 238240, 243, 247; G. RITTER, Die Heidelberger Univ. I, 1936, S. 60-62, 93, 213 f., 246-248, 330 f., 337 f.; A. LANG, Heinrich Totting von Oyta (Beitr. z. Gesch. d. Philosophie u. Theologie d. MAs 33, 4-5), 1937, S. 14f., 27, 36, 65f., 140; G. TELLENBACH, Repertorium Germanicum II, 1933-38, Reg.; H. LAUE, Alte Adelsgeschlechter der Heide III: Die v. Soltau, in: Norddt. Familienkunde 9/10, 1960/61, S. 162-172; J. B. SCHNEYER, Eine Sermonesreihe des K. v. S. (f 1407) im Cod. Vat. Pal. lat. 123, ZGO112 (1964) 497-516; CH. H. LOHR, Medieval Latin Aristotle Commentaries. Authors A-F, Traditio 23 (1967) 313-413, hier S. 395; M. MARKOWSKI, Das Problem 'An Deus sit in praedicamento substantiae' im Sentenzenkommentar des K. v. S., in: Wahrheit u. Verkündigung. Fs. M. Schmaus, 1967, Bd. l, S. 639-649; H.-J. BRANDT, Universität, Gesellschaft, Politik u. Pfründen am Beispiel K.s v. S. (f 1407), in: J. IJSEWIJN / J. PAQUET (Hgg.), The Universities in the Late Middle Ages, Louvain 1978, S. 614-627; ders., Art. K. v. S., in: NDB 12, 1980, S. 531 f.; J. TRISKA, Repertorium biographicum Universitatis Pragensis

praehussiticae 1348-1409, Prag 1981, S. 82; E. KLEINEIDAM, Universitas Studii Erffordensis I, 2 1985, S.274f. u. ö. (Reg.); M. GERWING, Malogranatum oder der dreifache Weg zur Vollkommenheit. Ein Beitrag zur Spiritualität d. SpätMAs (Veröff. des Collegium Carolinum 57), 1986, S. 95 f.; M. KALUZA-BAUMRUKER, Das Schweriner Domkapitel (1171-1400) (Mitteidt. Forschungen 96), 1987, S. 271 f.; U. KÜHNE, Engelhus-Studien. Zur Göttinger Schullit. in der ersten Hälfte d. 15. Jh.s (Scrinium Friburgense 12), 1999, S. 30 u. 43-47. E J. WORSTBROCK

Konrad von Stoffeln [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 254 Überl.: "München, cgm 5249/9" heutige Sign.: cgm 5249/9a; hinzu tritt cgm 5249/ 9b, ein weiteres, neu entdecktes Frgm.; vgl. W. ACHNITZ / H.-J. SCHIEWER, Ein bisher unbekanntes 'Gauriel'-Frgm. in München, ZfdA 118 (1989) 57—76 (mit Abdruck); K. SCHNEIDER, Die Fragmente mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (cgm 5249/1-79) (ZfdA Beiheft 1), 1996, S. 32. Ebd. ergänze: Eine verlorene Hs. ist durch eine Ausleihnotiz des späten 15. Jh.s nachgewiesen in Berlin, mgq 361, Vorderdeckel; Abdruck bei NIEWÖHNER, Die Ged. Heinrichs d. Teichners, Bd. l, 1953, S. LXXXIV (Hinweis Nikolaus Henkel).

Konrad von Waldhausen [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 266 zu 2., Überl. ergänze: Zur Überlieferungsgemeinschaft von K.s 'Applicatio sentenciarum Valerii Maximi ad theologiam' mit der Valerius-Maximus-Auslegung -> Heinrichs von Mügeln in den Hss. Wien, cod. 2905 und cod. 3140 sowie zu weiteren Hss. vgl. H. A. HILGERS, Die Überlieferung der Valerius-Maximus-Auslegung Heinrichs von Mügeln, 1973, S. 65 u. Anm. 140 u. S. 73 f.

Konrad von Würzburg [Korr.] Bd. 5, Sp. 298, ca. Mitte: "... des trojanischen Heeres (4662-25088)" korr.: ... (24662-25088).

'Konstanzer Minnelehre' Konstanz

Johann von

'Konstanzer Weltchronik' Anonyme volkssprachliche Weltchronik-Kompilation in Prosa, von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht reichend, mit deutlichen Bezügen zur Geschichte der

887 Konstanzer Bischöfe, 1384 geführt.

'Konstanzer Weltchronik'

ursprünglich

bis

888

-» Martins von Troppau für die Geschichte Roms und der römischen Kaiser und Päpste sowie v. a. dem 'Pantheon' - Heinbrary, Spencer Collection of Illustrated Books, rich von Diessenhofen fortgesetzt wurde. Ms. 100; Zürich, Zentralbibl., cod. A 172, l r -20 r Diesem Text verdankt der Verfasser auch (urn 1500). die Nachrichten zur Geschichte der KonAusgaben, v. KERN, S. 198-235 (nach cgm stanzer Bischöfe, die er durch eigene Beob426; mit erheblichen Kürzungen in den Teilen zur achtungen über die Judenverfolgung und Welt- und Kaiser-Papst-Geschichte und ohne die Geißlerzüge von 1349, das große Erdbeben eschatologischen Teile der Hs.); Fortsetzungen zur im Oberrheingebiet von 1356 und die jüngGeschichte der Konzilien von Konstanz und Basel ste Geschichte der Konstanzer Bischöfe bis und zur eidgenössischen Geschichte bei WEISZ 1384 ergänzt hat. Aufgrund der aus der (1934), S. 250-255. Weltchronik Heinrichs von Diessenhofen Nach der Vorrede des Textes wollte der übernommenen und der selbständigen anonyme Verfasser ein knappes universal- Nachrichten über Konstanzer Ereignisse ist chronistisches Kompendium schaffen, das gegenüber WEISZ die Entstehung der Kom1. Geschehnisse aus der Zeit vor Christi pilation nicht in Zürich, sondern in KonGeburt mit ethnographischen Exkursen, 2. stanz anzunehmen. die Geschichte der Päpste, Kaiser und KöDie Rezeption des Textes seit dem ausnige und 3. die Ankunft des Antichrist mit gehenden 15. Jh. beruhte wohl weniger auf den 15 Zeichen des Jüngsten Gerichts zu- seiner heilsgeschichtlichen Anlage als vielsammenstellt. Diese Anlage des Werkes, mehr auf der äußerst knappen universaldas die Zeit der Schöpfung mit der des historischen Darstellungsform, die seine Weltendes zusammenschließt, spiegelt sich Adaptationen in regionalen Zusammenin der älteren hs.liehen Überlieferung, in hängen erleichterte. Für die Geschichte seider an die Weltchronik der -» 'Antichrist- ner Benutzung und Bearbeitung in FortsetBildertext' und die -*· 'Fünfzehn Vorzei- zungen und durch Zusammenbinden mit chen des Jüngsten Gerichts' angeschlossen städtischen Chronikalien (Ulrich -> Risind. Darüber hinaus betont der Verfasser chentals Konstanzer Konzilschronik, den hier wie an anderen Stellen, an denen er -> 'Zürcher Stadtchroniken', den Nürnberseine Vorlagen erheblich verkürzt, sein ger Chroniken u. a. des Heinrich -> 'brevitas'-Prinzip, damit die einfeltigen leut Deichsler) bedarf es allerdings noch einer den Text besser verstehen und memorieren gründlichen Untersuchung der hs.liehen könnten. Gedächtnisstützende Funktionen Überlieferung. hatten offenbar auch die Illustrationen zenL i t e r a t u r . TH. v. KERN, Eine Konstanzer traler Ereignisse und Persönlichkeiten aus Weltchronik aus dem Ende des 14. Jh.s, Zs. f. Beder biblischen, Kirchen- und Zeitgeschichte förderung d. Geschichts-, Alterthums- u. Volkssowie die zahlreichen Wappen der Päpste, kunde l (1869) 179-253; TH. LUDWIG, Die KonKaiser, Könige und Fürsten, die im Text an- stanzer Geschichtsschreibung bis zum 18. Jh., gekündigt werden und die ihre Fortsetzung Diss. Straßburg 1894, S. 117 f.; A. POTTHAST, Biim Bilderzyklus zum Antichrist und zum bliotheca historica medii aevi II, 1896, S. 1108 f.; Jüngsten Gericht finden. Der Text ist in VOLLMER, Materialien I, 2, 24 u. 94-99; L. WEISZ, Aus einer Luzerner Hs., ZSchwKG 28 (1934) 241großen Teilen eine verkürzende, aneinan- 255; ders., Die politische Erziehung im alten Züderreihende Kompilation aus den -> 'Flores rich, Zürich 1940 [SA aus: Neue Zürcher Zeitung], temporum' [Bd. 2 u. NB] für die vorchristli- S. 11-13; SCHNEIDER, München III, S. 231-234; che Geschichte, der Papst-Kaiser-Chronik R. JENNY, Hss. aus Privatbesitz im Staatsarchiv

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'Kopenhagener chirurgisches Fragment' — 'Koeppelsches Psalmenfragment'

Graubünden, Chur 1974, S. 111-117; R. CAMPER, Die Zürcher Stadtchroniken u. ihre Ausbreitung in die Ostschweiz, Zürich 1984, S. 120 f. mit Anm. 371, 176 f. u. 180-182; J. SCHNEIDER, Heinrich Deichsler u. die Nürnberger Chronistik des 15. Jh.s, 1991, S. 52, 64, 71, 100 u. 223; N. F. PALMER, Latein u. Deutsch in den Blockbüchern, in: N. HENKEL / N. F. PALMER (Hgg.), Latein u. Volkssprache im dt. MA, 1992, S. 312 Anm. 6.

BIRGIT STUDT 'Kopenhagener chirurgisches Fragment' Ü b e r l i e f e r u n g . Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS 1663 4° (spätes 15. Jh., ostfäl), 207r-225v. A u s g a b e . A. LINDGREN, Ein Kopenhagener mnd. Arzneibuch aus d. Ende d. 15. Jh.s, Würzburger med.hist. Mitt. 4 (1986) 135-178.

Bruchstückhaft überlieferter wundärztlicher Traktat, der zum besten gehört, was die dt. chirurgische Fachliteratur des MAs zu bieten hat. Die 33 erhaltenen Kapitel sind nach pathologischen Gesichtspunkten in sechs Segmente gegliedert: I. Krebsgeschwüre, 1—5; II. nicht durchgebrochene äußere Geschwülste (einschließlich Aneurysmen, Skrofeln u. a.), 7—15; III. Verrenkungen, 16 — 20; IV. Knochenbrüche, 21 — 26; V. Verletzungen durch Blankwaffen: Hiebwunden, 27—30; VI. Verletzungen durch Blankwaffen: Stichwunden, 31 — 33 ff. Verlorengegangen sind mindestens zwei Abteilungen: VII. Schußwunden; VIII. Chirurgisches Rezeptar. Die Segmente reihen ihrerseits die Kapitel in anatomischer Folge vom Scheitel bis zur Sohle. Diesen interferierenden Gliederungsprinzipien der Makrostruktur entspricht auf Kapitelebene die übliche mikrostrukturelle Dreiteilung (a. Definition, b. Beschreibung bzw. Diagnostik, c. Therapie), die lediglich in segmenteinleitenden Kapiteln zugunsten einer Übersicht oder vereinzelt auch bei differentialdiagnostischen Unterscheidungen aufgegeben wird. Das Wissen ist aus zünftischer Tradition erwachsen (sommyghe mester), der Arzneischatz erprobt und auf wenige Zubereitungen oder Arzneistoffe beschränkt, das Instrumentar hochentwickelt (Mamma-Amputation). Als Zielgruppe lassen sich berufserfahrene Wundärzte ausmachen, denen diagnostisches oder therapeuti-

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sches Sonderwissen (de rechte kunst) vermittelt wird. Hervorgehoben zu werden verdient die Lippenplastik (cap. I), die Beschreibung des Plantarpapilloms (cap. 5) und die Früherkennung des Brustkrebses (cap. 3). Im 'K. eh. F.' wird jene hochstehende wundärztliche Tradition greifbar, wie sie den ostfälisch-nordniedersächsischen Raum seit dem 13. Jh. kennzeichnet und wie sie im Instrumentar des -* Chirurgen von der Weser (Sudhoffs Arch. 77 [1993] 174-192) ebenso aufscheint wie im HirnoperationsKapitel der -> 'Düdeschen Arstedie'. G. KEIL 'Kopenhagener Wundarznei' [Korr.] Bd. 5, Sp. 312 zu Lit.: "Eine Ausgabe von CH. TENNER ist in Vorbereitung" korr.: CH. TENNER/ G. KEIL, Die 'K. W.', Bibliothek u. Wissenschaft 33 (2000) 188-194 [Einleitung]; die Edition d. Textes ist zu finden auf dem Server der Niedersächs. SB u. ÜB Göttingen mit d. URL http://webdoc.sub.gwdg. de/ebook/m/2000/wundarznei.pdf.

Koplär (Koppler), Hans [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 316: K. gehörte dem Salzburger Patriziat an und wurde 1455 durch Kaiser Friedrich III. nobilitiert. Er ist sicher nicht identisch mit dem Kammerdiener Landgraf Wilhelms III. von Thüringen (von Sachsen), in dessen Reisegesellschaft er sich befand. — Von der betr. Reise existieren außer dem Bericht K.s zwei weitere Pilgerberichte; vgl. -> Heinrich zu Stolberg [Bd. 3 u. NB] und -> 'Wilhelms von Thüringen Pilgerfahrt ins Hl. Land'. Zu einem zweiten Textzeugen von K.s Reisebericht vgl. -> Pilgerreiseberichte (anon.), Nr. 18. Vgl. R. HERZ, Hans Koppler, 'Rais in das heilig land', in: ders. u. a. (Hgg.), Fünf Palästina-Pilgerberichte d. 15. Jh.s (Wissenslit. im MA 33), 1998, S. 175—224 (mit Textausg.).

'Koeppelsches Psalmenfragment mit Interlinearglossen' Ein heute in Privatbesitz (Chapel Hill, North Carolina) befindliches Doppelblatt einer Perg.hs. vom Ende des 12. Jh.s, das ursprünglich die Mitte einer Lage bildete, überliefert PS 34,1—36,14 mit interlinearer Übersetzung. A u s g a b e . A. KOEPPEL / P. W. TAX, Ein neues lat. Psalmenfrgm. (Ps 34,1 — 36,14) mit mhd. Inter-

891

Krane, Klaus — Kremerin, Magdalena

linearglossen (um 1200), PBB 113 (1991) 53-66, hier S. 54-58.

Lat. und dt. Text sind jeweils von einer Hand geschrieben. Der Glossenhand unterliefen einige Ungenauigkeiten, darunter auch Verschreibungen, die auf Benützung einer älteren Vorlage schließen lassen. Die Schreibsprache weist westmd. und bair. Merkmale auf. KOEPPEL/TAX lokalisierten die Abschrift deshalb im 'südlichen (Ost-) Mitteldeutschen' (Ostfranken, Thüringen; S. 63). Doch läßt sich der uneinheitliche Lautstand auch als Ergebnis einer vermutlich westmd. Bearbeitung einer älteren bair. Vorlage interpretieren. Als Herkunftsraum der Hs. käme danach am ehesten das Westmd. in Betracht. Der lat. Text des Frgm.s gehört, wie der aller anderen vollständig oder fragmentarisch überlieferten Interlinearversionen zum Psalter aus dem 12. Jh. auch (z. B. -» 'Windberger' und -> 'Wolfenbütteler Interlinearversion ...'), zur gallikanischen Rezension des Psalteriums. Daneben hat er Fremdlesarten aus der Vetus latina (uenient PS 36,13) und aus dem Psalterium Romanum aufgenommen (vgl. ebd.). Der dt. Text stellt den 'NormalfalP einer interlinearen Übersetzung mit enger Bindung der Volkssprache an den lat. Basistext dar. Dieser kann jedoch nicht mit dem lat. Text der Vorlage identisch gewesen sein; gelegentlich geben die dt. Worterklärungen die ursprüngliche gallikanische Lesart wieder, stehen indes über einem textgeschichtlich jüngeren lat. Lemma (vgl. deuorabimus — wir vraezzin 34,25; astitit — zu stuint 35,5). Weitere Divergenzen kamen durch Fehlübersetzung bzw. falsche Verknüpfung zustande (vgl. etwa die Wiedergabe von tamquam fenum [Akk.] ... arescent 36,2 mit als hov ... dorrit, von zelauens 36,1 mit virhil, in diesem Fall liegt Verwechslung von celare/zelare aufgrund der Gleichwertigkeit der Anlautgraphie c/z im Dt. zugrunde). Aussagen über Verwandtschaft mit anderen Psaltern bzw. Psalterfrgm.en läßt das vorhandene Material nicht zu. L i t e r a t u r s. Ausg.

DOROTHEA KLEIN 'Vom Krämer Jesu Christi' und die sieben Laden'

'Christus

892

Krane, Klaus [Korr.] Bd. 5, Sp. 337 Überl.: "Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preuß. Kulturbes., Staatsarchiv Königsberg Hs. l ..." korr.: ..., XX. H A Msc A 191.

Kremerin, Magdalena OP Ü b e r l i e f e r u n g . Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, A 493 (R 530). A b d r u c k . CH. F. SATTLER, Gesch. des Herzogtums Würtenberg unter der Regierung der Graven, Bd. 3 u. 4, Tübingen 1768, hier Bd. 3, Beilagen S. 114-116, Nr. 74-76, S. 172-189, Nr. 108114 (Schriftstücke); Bd. 4, Beilage S. 173-280, Nr. 42 (Chronik) [eine 2. Aufl. Tübingen 17731777 enthält bis auf die Paginierung keine Änderungen].

Die Hs. (293 S.) stammt aus dem im Laufe der Reformation aufgelösten Dominikanerinnen-Kloster Kirchheim unter Teck und wurde um 1490 von M. K., der custerin, texturschriberin, nouitzien meysterin und obersengerin des Klosters, geschrieben. Die Verfasserin, die über eine ausgeprägte, im kirchlichen Schrifttum wurzelnde Bildung verfügte, ist zweifellos mit der Schreiberin identisch. Sie kam aus Straßburg in das 1464 der Observanz gewonnene Kloster Silo in Schlettstadt. Dort erreichte sie 1478 der Ruf der Ordensleitung, mit fünf weiteren Chorschwestern nach Kirchheim zu ziehen. Auf ihrer Reise machte die Gruppe im Kloster Pforzheim Station, wo eine der Schwestern, die Textur schreiben und malen konnte, dortigen Dominikanerinnen Unterricht erteilte, wie die Verfasserin notiert — ohne sich auch hier zu erkennen zu geben. M. K. starb, wie im Nekrolog des Klosters festgehalten, an einem 2. Oktober. Der Eingang des in der Literatur als Chronik bezeichneten Berichts in dt. Sprache schildert kurz die auf Wunsch Graf Ulrichs V. von Württemberg erfolgte Reform des Konvents von 1478. Dann gehört das Hauptaugenmerk dem Kampf des Klosters mit Graf Eberhard VI. von Württemberg in den Jahren 1487 und 1488. Weitschweifig, mit eingeschobenen Briefabschriften versehen, werden die dramatischen Bedrängnisse geschildert, mit denen der Graf und sein Handlanger, der ehemalige Au-

893

'Kremsmünsterer Marienklage

— 'Kreuztragende Minne'

894

gustinereremit Dr. Konrad Holzinger, die der Observanz anhängenden Konventualinnen zu vertreiben und die Reform rückgängig zu machen versuchten. Erst das militärische Eingreifen von Graf Eberhard V. und die folgende Entmachtung seines gleichnamigen Vetters beendeten die Bedrückungen.

Nr. 1227; vgl. auch -> 'Welser PassionsspieP (Frgm.e). Ebd. zu Ausgaben ergänze: Die geistlichen Spiele des Sterzinger Spielarchivs. Nach den Hss. hg. v. W. LIPPHARDT u. H.-G. ROLOFF. Bd. 1: Der Debs-Codex, bearb. v. W. LIPPHARDT f (Mittlere dt. Lit. in Neu- und Nachdrucken 14), Bern u. a. 1981, 21986, S. 51-71 u. 347-371.

L i t e r a t u r . U. P. ECKER, Die Geschichte des Klosters S. Johannes Baptista der Dominikanerinnen zu Kirchheim u. Teck, Diss. phil. Freiburg i. Br. [von 1981] 1985, passim; R. GÖTZ, Eine einmalige Gelegenheit. Hss. aus dem Kirchheimer Kloster werden in St. Blasien ausgestellt, in: Beitr. z. Heimatkunde des Bezirks Kirchheim unter Teck NF 38 (1984), S. 3-8 [zuerst in: Teckbote vom 17. Sept. 1983]; D. STIEVERMANN, Der Augustinermönch Dr. Conrad Holzinger, Kaplan, Rat und Kanzler des Grafen bzw. Herzogs Eberhard d. J. von Württemberg am Ende des 15. Jh.s, in: Mittel und Wege früher Verfassungspolitik, hg. v. J. ENGEL (SpätMA u. Frühe Neuzeit 9, Kl. Sehr. 1), 1979, S. 356-405.

'Kreuzensteiner Legendär' [Korr.]

SÖNKE LORENZ

'Kremsmünsterer Marienklage

[Korr.]

Bd. 5, Sp. 355 f.: Der Text des Fragments (Sign.: VI/271) wurde von Gisela Kornrumpf mit v. 6999-7091 von Bruder -- Philipps 'Marienleben' identifiziert; vgl. BERGMANN, Spiele M 76. Sp. 356 zu Lit.: "33. Progr." korr.: 32. Progr.

Kreß, Caspar [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 358: Zu einer weiteren Hs. vgl. -> 'Ötenbacher Schwesternbuch, Fortsetzung' [NB].

'Das Kreuz' ('Der listige Pfaffe') [Korr.] Bd. 5, Sp. 363 Überl.: "Straßburg, ehem. Privatbesitz des Bibliothekars L. Müller (verschollen)" korr.: Das Frgm. befindet sich heute in Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs42531 (aus dem Besitz Hardenbergs; vgl. L. KURRAS, Die Hss. des Germ. Nationalmuseums I, l, 1974, S. 148).

'Kreuzabnahmespiele' [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 365 zu Überl.: "Kodex des Benedikt -> Debs, Innsbruck, ..." korr.: Die Hs. befindet sich wieder in Sterzing (Vipiteno), Stadtarchiv, mit der Sign. Hs. IV. Ebd.: "Wels, Stadt. Arch., Inv. Nr. 22.196" korr.: ..., Stadt. Arch., Hist. Arch., Akten, Seh.

Bd. 5, Sp. 368 Abschnitt l des Artikels: "Burg Kreuzenstein in Niederösterreich (Signatur: 58657 I—IV)" korr.: Die vier Codices sind heute in Wien, codd. Ser. nova 35753 — 56. Sp. 369 unten Z. 4/3 vor Lit.: "... des Wiener Schottenstiftes (cod. 115 ..." korr.: ... (cod. 126 [Kat. HÜBL Nr. 115] ....

'Kreuzesholzlegende' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 372 ergänze: Vgl. ferner -> Sibyllenweissagungen; -» 'Vita Adae et Evae' (red. Notiz). Eine weitere eigenständige dt. 'K.' (Göttingen, SB u. ÜB, cod. ms. theol. 285, 84r-88r) und zahlreiche Fassungen von Legenden zur Kreuzauffindung und solchen zur Kreuzerhöhung, vor allem aus Legendaren, verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 429. Vgl. auch A. R. MILLER, German and Dutch Versions of the Legend of the Wood of the Cross Before Christ. A Descriptive and Analytical Catalogue, 2 Bde, Diss. Oxford Univ. 1992 (im dt. Leihverkehr nicht zugänglich); ders., Die dt. Prosafassungen der Kreuzholzlegende 'Post peccatum Adae'. Anläßlich der Auffindung einer neuentdeckten Fassung (Cujik, Kreuzherrenkloster St. Agatha, Hs. C 10), in: Wirkungsgeschichte der Bibel im dt.sprachigen MA [Tagung in Trier 4. —6. Sept. 2000] (erscheint in Vestigia Bibliae).

'Kreuztragende Minne' [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 377 zu 1.1. 'Kreuztragende Minne', Überl.: "Wien, ..., cod. 3000, 17v-72r" korr.: ..., 71v-72r. Ebd. zu 3. ergänze: Abdruck (nach HOFFMANN) auch bei WACKERNAGEL, KL II, Nr. 847. Sp. 378 zu II.l. 'Jesus und die Braut', Überl. ergänze: -> 'Wienhäuser Liederbuch', Nr. 19 (mit Melodie; Ausg. in Geistliche Gesänge des dt. MAs, hg. v. M. LÜTOLF, M. SCHIENDORFER u. a., Bd. 2, im Druck, Nr. 305); eine Osnabrücker Hs. aus der Bischöflichen Privatbibl. erwähnt bei BORCHLING, Mnd. Hss. I 127 u. 314. Zu dieser nd. Fassung gehört auch Ebstorf, Klosterbibl., VI 12 [sie! Nicht

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'Kriegseid der Eidgenossen'

IV 12, wie fälschlich bei STAMMLER], das im Artikel irrtümlich der ndl. Fassung (II.2.) zugeordnet wurde; vgl. Hss. des Klosters Ebstorf. Beschrieben v. R. GIERMANN u. H. HÄRTEL, 1994, S. 187. Ebd. zu II.2. Ndl. Fassung, Überl.: Streiche die Ebstorfer Hs. (s. o.). - Die ndl. Hs. M (= MOLLS Hs.) ist heute Brüssel, Bibl. Royale, Ms. II 270, der Text 145r~v, mit Melodie-Angabe: In tono conditor alme siderum; vgl. F. LYNA, TNTL 43 (1924) 289-323, hier S. 312. - Ergänze: München, cgm 103 (ndl. Gebetbuch, v. J. 1464), 188V-190V; gedr. C. G. N. DE VOOYS, Verspreide Mndl. geestelijke gedichten, liederen en rijmspreuken TNTL 23 (N. R. 15) (1904) 41-79, hier S. 69. Vgl. jetzt auch Repertorium van het Nederlandse lied tot 1600, samengesteld door M. DE BRUIN u. J. OOSTERMAN, Gent-Amsterdam 2001, Bd. l, S. 248: T 2685, u. Bd. 2, S. 742: H 078. Ebd. zu H.3.: "Hs. aus Privatbesitz" = die sog. Schmidlsche Hs.; vgl. J. JANOTA, Stud, zu Funktion u. Typus d. dt. geistlichen Liedes im MA (MTU23), 1968, S. 97. Hinweise Gisela Kornrumpf.

Krieg, Ulrich ->· 'Zürcher Stadtchroniken'

'Kriegseid der Eidgenossen' 1. Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Original-Hs. v. J. 1476: Basel, Staatsarch., Politisches G 1,3, 110r-112r; 2. Karlsruhe, LB, Hs. Durlach 18, 87v-91r (15. Jh.; im 'Kriegsbuch' des -> Philipp von Seldeneck); 3. Druck: Christian Wurstisen, Baszier Chronick, Basel 1580, S. 451 f. [Neudr. Genf 1978]. 2 und 3 sind voneinander unabhängig und weichen z. T. erheblich von l ab. Nach NEUBAUER, S. 40, sind weitere Abschriften/Bearbeitungen nicht bekannt, aber im süddt. Raum wahrscheinlich. Kryptische Hinweise auf zusätzliche Überlieferungsträger begegnen in der älteren Literatur, so bei BECK, ERBEN und FRAUENHOLZ. A u s g a b e n . Basler Hs.: G. F. OCHSENBEIN, Die Urk.n d. Belagerung u. Schlacht von Murten, Freiburg/Schw. 1876, S. 46—48 (zit.; Neuausg. mit Kommentar und Nachweis zusätzlicher spätmal, militärischer Rechtstexte durch R. Vollmuth in Vorbereitung); Karlsruher Hs.: NEUBAUER, S. 8086; Druck von 1580: FRAUENHOLZ, S. 137-141 [nach einer Ausgabe von 1765].

2. Diese Kriegsordnung wurde nach der Schlacht von Grandson (2. März 1476) auf dem 'Tag von Luzern' am 18. März 1476 vereinbart und ist dem 'Basler Abschied' [= Abschlußprotokoll] des Tages von Lu-

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zern als Beilage angebunden. Das Basler Original ist in hochalem. Mundart abgefaßt. Der 'K. d. E.' enthält zunächst vier spezifische Artikel für den Hauptmann, den Fähnrich, dessen Helfer und die zum Schutz der Fahne bestimmten Soldaten. Den Hauptanteil machen Bestimmungen für das übrige Kriegsvolk aus, die eine Reihe von Geboten und Verboten — zum Teil mit konkreten Strafandrohungen — umfassen, um die Ordnung der Truppe aufrechtzuerhalten: So ist es verboten, Kirchen zu schänden, zu fliehen, sich unerlaubt von der Truppe zu entfernen oder ohne Erlaubnis des Hauptmanns Mühlen zu zerstören, zu brandschatzen, Glücksspiel zu treiben u. a. m. Andererseits besteht die Verpflichtung, Streitigkeiten zu schlichten, stets gerüstet und bewaffnet zu sein, dem Hauptmann zu gehorchen, den Feind zu schädigen u. a. Wesentlich stärker bearbeitet als im Druck von 1580 ist der 'K. d. E.' in der Karlsruher Hs.: Diese ostfrk. Fassung wurde durch Änderungen und Zusätze den organisatorischen wie rechtlichen Strukturen in den deutschen Heeren angepaßt. 3. Der 'K. d. E.', der hier exemplarisch vorgestellt wird, steht wie andere schweizerische Kriegsordnungen inhaltlich in der Tradition des 'Sempacherbriefs' von 1393 und gehört in das Vor- und Umfeld der dt. Artikelbriefe (und damit der späteren Kriegsartikel), durch die in den spätmal.frühneuzeitlichen Söldnerheeren die rechtliche Beziehung zwischen Söldner und Kriegsherrn geregelt wurde; kennzeichnend für den Artikelbrief ist die Verbindung von Treueeid und einer Feldordnung, welch letztere Rechte und Pflichten regelte, die Aufrechterhaltung der Ordnung zum Ziel hatte und in der die wesentlichen Verfehlungen mit Strafandrohungen belegt waren. L i t e r a t u r . Zum 'K. d. E.': E. v. FRAUENHOLZ, Das Heerwesen in d. Zeit d. freien Söldnertums. I: Das Heerwesen d. Schweizer Eidgenossenschaft (Entwicklungsgesch. d. dt. Heerwesens, Bd. 2, 1), 1936, S. 43-45 u. ö.; K. NEUBAUER, Das Kriegsbuch d. Philipp v. Seideneck vom Ausgang d. 15.Jh.s, Diss. Heidelberg 1963, bes. S. 14, 16 f., 39-44 u. ö.; V. SCHMIDTCHEN, Kriegswesen im

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'Krone Unserer Lieben Frau' — 'Die kurze Bibel'

späten MA. Technik, Taktik, Theorie, 1990, S. 71 f., 94f., 242-244, 264 u. ö. Zum 'Sempacherbrief und zu den Artikelbriefen s. darüber hinaus: C. v. ELGGER, Kriegswesen u. Kriegskunst d. schweizerischen Eidgenossen im XIV., XV. u. XVI. Jh., Luzern 1873, S. 27, 214216; M. JÄHNS, Gesch. d. Kriegswissenschaften vornehmlich in Deutschland, Bd. I, 1889 (Neudr. 1966), S. 208 f.; W. ERBEN, Ursprung u. Entwicklung d. dt. Kriegsartikel, MIÖG Erg.bd. 6 (1901) 473-529; W. BECK, Die ältesten Artikelsbriefe für d. dt. Fußvolk. Ihre Vorläufer u. Quellen u. d. Entwicklung bis zum Jahre 1519, 1908; H.-M. MÖLLER, Das Regiment d. Landsknechte. Unters, zu Verfassung, Recht u. Selbstverständnis in dt. Söldnerheeren d. 16. Jh.s (Frankfurter Hist. Abhh. 12), 1976, bes. S. 31-43, ferner S. 82-85, 92f. u. ö.

RALF VOLLMUTH 'Kriegs- und Pixenwerch' ->· Tixen, Kriegsrüstung, Sturmzeug und Feuerwerch' [Bd. 7 u. NB] 'Krone Unserer Lieben Frau' [Korr.] Bd. 5, Sp. 387 zu 3.: "Karlsruher Hs. (LB, cod. pap. germ. 96, 122 " korr.: ..., cod. St. Georgen 96, 122r. Sp. 390 zu X.l. Druck: "Vgl. HAIN 16279 ...": Gemeint ist nicht dieser Druck, sondern der bei HAIN nicht verzeichnete Beiband zum Münchner Exemplar dieser Inkunabel (8° Inc. c.a. 159m/l): [Nürnberg, Friedrich Creußner um 1493], BSB-Ink H-241; der Hauptinhalt ist eine dt. Übers, von -> Hieronymus, Ep. XXII (Hinweis Gisela Kornrumpf).

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Ebd. Lit.: "KLEBS, ..., 1925, S. 28, Nr. 28" korr.: ... 1926, S. 28 Nr. 41.

Kumanisch-deutsches Glossar -> Komanisch-deutsches G. [NB] Künlin, Johannes [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 438: Vgl. -» 'Zehn Gebote', B.II.b.5. (mit Angabe zum Abdruck des Gedichts).

Kürenberg [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 455 oben zu Überl. ergänze: Vgl. auch -> 'Budapester Liederhandschrift' [NB].

Kurtz, Johann [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 468 vor Lit., zu III. Sonstiges ergänze:

6. K. verfaßte 1493 in Freiburg eine geraffte Version der ps.-ciceronianischen 'Rhetorica nova' (-» 'Rhetorica ad Herennium' [NB]); den Stoff der Vorlage setzte er stichwortartig in eine Folge von 20 Schemata (figurae) um. Gedruckt wurde das kleine Schulbuch (10 Bll. 2°) von Johann Otmar in Reutlingen (GW 7882). Einige Jahre später hat K. an der Textgestaltung der kommentierten Terenz-Ausgabe mitgewirkt, die Anfang 1499 in Straßburg erschien (HC 15432; vgl. -> Terenz, D. L). Hinweis Frieder Schanze. 'Die kurze Bibel'

Kuel (Kuyl), Albert -» Suho, Albert Kulmacher (Culmacher), Philipp [Korr./ Nachtr.] Bd. 5, Sp. 433: Das dt. Pestregimen, "um 1490 bei Martin Landsberg in Leipzig" korr.: um 1495; vgl. GW 7845. Ebd. ergänze weitere unter K.s Namen (Culmacher) erschienene Drucke: Lat.: Elixir fite philosophice [...] contra quam plures egritudines curatiuum ..., [Leipzig, Martin Landsberg, um 1495], 8°, 6 Bll. (GW 7844). Dt.: Eyne fast fruchtbarliche vnderweysunge [...] allen menschen die mit scharffer Plage der pestilentz beschwert seyn tzugebruchen, [Leipzig, Jacob Thanner von Wurtzburgk, 1507], 4°, 8 Bll. (VD 16, C 6227; Ex. in Brunn, Bibl. des Mährischen Landesarchivs; Hinweis Vaclav Bok).

Mindestens drei sehr verschiedenartige dt. Bibelauszüge führen diesen Titel. I. Eine alttestamentliche Kompilation aus dt. Vers- und Prosaquellen, die man bedingt zu den -> Historienbibeln rechnen kann, dürfte im 14. Jh. in Nürnberg entstanden sein. In der jüngeren der beiden Hss. (Lö) ist sie überschrieben: Hi vindet ir dy kurczen wibeln. Den ausgewählten Geschichten von Joseph bis Judas Makkabäus des -*· 'Buchs der Könige alter e' ('Schwabenspiegel'-Fassung W [M]) ist ein Abriß von der Schöpfung bis zu Jakob und Esau vorangestellt; er basiert auf v. 2000-8700 der -> 'Christherre-Chronik' [Bd. l u. NB], deren Reimpaare streckenweise beibehalten wurden.

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'Die kurze Bibel'

In Wo fungiert die Zusammenstellung entsprechend der ursprünglichen Bestimmung des 'Buchs der Könige' noch als Vorspann zum -» 'Schwabenspiegel'. Spätestens in Lö wurde die Verbindung zum Rechtsbuch gelöst und der Beginn des 'Buchs der Könige' nicht mehr optisch hervorgehoben; ferner sind ein Prolog (42 vv.) und eine Beratung Gottes mit den Tugenden vor der Schöpfung (130 vv.) vorgeschaltet. Dies Gedicht wurde im späteren 14. Jh. auch in die 'Weltchronik' des sog. -» Heinrich von München [Bd. 3 u. NB] aufgenommen (-> 'Streit der vier Töchter Gottes' A.; RETTELBACH) .

900

schreiber (A2, G) und von Konrad -> Bollstatter (-> 'Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh.s', 3. [NB]), der sich auch hier als Bearbeiter betätigte (AI, Ml). Überlieferung. Augsburg, Stadtarch., Schätze 121, Teil I: *lv. l ra -29 va (AI, mit Zusätzen in sunderhait auß eim lateinischen puch ... in ... Andechs}, Teil II: 31ra-58rb (A2, 1465); Göttingen, SB u. ÜB, 2° Cod. MS. theol. 293, 71ra-94vb (G, 1467); Klagenfurt, Bischöfl. Bibl., cod. XXXI b 6 (Inhalt wie M2), 86v-115r (K); München, cgm 252, 138ra-145vb (Ml, frgm., Interpolation vor 128,16: Adam und das Buch der Weisheit); cgm 564, 99va-128rb (M2, 1455).

A u s g a b e . VOLLMER, 1931, S. 127-188, nach M2, mit Varianten von G (Text ohne Stammbäume Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Germ. Nationalu. Schemata; vgl. Tafel 8 aus G). Die mitabgedr. mus., Löffelholz-Arch. D 654 (Anfang/l. H. lat. Version vertritt nicht die Vorlage; zum Prolog 15. Jh., wohl in Bamberg von Fritz Löffelholz gevgl. den Text bei MELVILLE, S. 149. - Vorrede u. schrieben), 284rb-318ra (Lö); Wolfenbüttel, Hzg. 129,5-7 nach G: VOLLMER, Materialien 1,2, 1916, Aug. Bibl, cod. Guelf. 1.6.2 Aug. 2° (Mitte 14. Jh., S. 34 f. wohl Nürnberg), 2 ra —40 rb , dazu Inhaltsverzeichnis L i t e r a t u r . VOLLMER, Materialien 1,1, 1912, l r -2 r (Wo). S. 16 Anm. 1; ders., Dt. Bibelauszüge d. MAs z. A u s g a b e n . Die Beratung mit den Tugenden: Stammbaum Christi mit ihren lat. Vorbildern u. RETTELBACH, Bd. 2,2, S. 88—92 (mit den Varianten Vorlagen (BdK 1), 1931, S. 31 f.; A. HÜBNER, von Lö zu v. 3 — 134). — Gn 1-3: H. REINITZER, AfdA51 (1932) 199 f.; PH. S. MOORE, The Works Biblia deutsch (Ausstellungskataloge d. Hzg. Aug. of Peter of Poitiers (Publications in mediaeval stuBibl. 40), 1983, S. 75 (Wo). - 'Buch der Könige': dies 1), Notre Dame, Indiana 1936, S. 97-117, K. A. ECKHARDT, Schwabenspiegel Langform M bes. S. 100, 106; STEGMÜLLER, Rep. IV, Nr. 6779 (Bibl. rer. hist., Studia 5), 1971, S. 68-131 (Wo); (M2, G); K. GRAF, Exemplarische Geschichten. ebd. S. 53—55 das Inhaltsverzeichnis aus Wo. Thomas Lirers 'Schwab. Chronik' u. d. 'Gmünder Kaiserchronik' (Forschungen z. Gesch. d. älteren L i t e r a t u r . G. KORNRUMPF, Das 'Klosterneudt. Lit. 7), 1987, S. 192-199; G. MELVILLE, Gesch. burger Evangelienwerk' d. österr. Anonymus, in: Vestigia bibliae 9/10, 1987/88 (1991), S. 115-131, in graphischer Gestalt, in: Geschichtsschreibung u. hier S. 120 f. (zu Lö); dies., Das 'Buch d. Könige'. Geschichtsbewusstsein im späten MA, hg. v. H. Eine Exempelslg. als Historienbibel, in: Es. W. PATZE (Vortrr. u. Forschungen 31), 1987, S. 57Haug u. B. Wachinger, hg. v. J. JANOTA u. a., 1992, 154, bes. S. 68-73, 149. Bd. l, S. 505-527, hier S. 510-514; R. PLATE, Die III. Wie ein unfertiges Experiment muÜberl. d. 'Christherre-Chronik', Diss. (masch.) Trier 1996, bes. S. 31 (zu Wo); Stud. z. 'Weltchro- tet eine Kompilation an, die eine strophinik' Heinrichs v. München (Wissenslit. im MA sche 'K. B.' enthält (Hs. Anfang 16. Jh.). 29-31), 1998, Bd. 2 v. J. RETTELBACH, hier Das sog. 'Heidelberger Mischgedicht', ein Bd. 2,1, bes. S. 114 f., 244. mnemotechnisches Surnmarium in lat. Di-

II. Dem 'Compendium historiae in genealogia Christi' des -* Petrus Pictaviensis [NB] gibt eine dt. Übersetzung den Titel die kurtz Bibel und ein kern der alten ee (128,2). Sie endet mit dem Martyrium des Petrus und des Paulus unter Nero. Zugrunde liegt eine noch nicht näher bestimmte interpolierte Version (MOORE). Bekannt sind seit GRAF zwei bair. und vier schwäb. Abschriften des 15. Jh.s; letztere sind angefertigt vom sog. Aalener Stadt-

stichen und korrespondierenden dt. Strophen zu Gn —IV Rg und Mt— (gefolgt von Rm 1—5, dt. Rm 1—4 sowie als Nachtrag Act 20), wird von lat. Zusätzen begleitet, die evtl. sämtlich aus einer interpolierten Version des 'Compendium historiae in genealogia Christi' des Petrus Pictaviensis geschöpft sind und über IV Rg hinaus weitergeführt werden: stammbaumartig gereihte Namensschilder sowie Zitate aus der Vulgata, -» Petrus Comestor [NB], Pe-

901

'Die kurze Bibel'

trus Pictaviensis, -» Nikolaus von Lyra. Die rollenähnliche Einrichtung des Codex (Querformat, Beschriftung parallel zum linken Außenrand) begegnet in der Überlieferung des 'Compendium' und seiner Nachfolgewerke häufiger, z. B. bei -» Johannes de Utino [Bd. 4 u. NB] und der dt. Übersetzung. Ein erster lat. Prosaprolog wiederholt den des Petrus Pictaviensis und erwähnt ergänzend die Evangelien; der zweite Prolog ist präziser auf die Kompilation abgestimmt, ohne die dt. Strophen zu streifen. Die Vorrede in Reimpaaren für zweisprachige und nur des Deutschen kundige Rezipienten gibt den Titel an: Die bibel kurtz bin ich genant. Eine Bücherübersicht (die am Schluß den Römerbrief anführt!) deutet mit Die bibel kurz ... geteutscht auf einen lat. Titel biblia abbreviate, o. ä. in der Vorlage. Die lat. Verse entstammen dem beliebten, früh gedruckten, öfter nachgeahmten 'Roseum memoriale divinorum eloquiorum' des -» Petrus von Rosenheim (II. 1.) [Bd. 7 u. NB]. Jedes Distichon abbreviiert ein Kapitel, die Anfangsbuchstaben (A—V, A — V usw.) sichern die Kapitelfolge innerhalb der Bücher. Das dt. Summarium folgt diesem Prinzip (an die Stelle von C, /, Q treten Z, K, W); im übrigen verfährt der Dichter eigenständig, ist bes. an Namen und Zahlen interessiert und bezieht öfter außerbiblisches Wissen ein. Manche Details scheinen Rücksicht auf das Kompilationsprogramm zu verraten; doch mag die strophische 'K. B.' — vielleicht verschränkt mit dem 'Roseum memoriale' — in einer umfänglicheren Version schon zuvor existiert haben. Der Wortschatz läßt einen alem. Autor vermuten. Unbemerkt blieben drei nachreformatorische Teildrucke des dt. Summariums: a) der Pentateuch unter dem Titel 'K. B.', b) zwei Drucke der vier Evangelien samt der in der Hs. nicht enthaltenen Apostelgeschichte (1537 ohne Act 20, mit Ankündigung der Paulus-Briefe und des AT). Der Speyrer Drucker von 1525 könnte mit meister Hans eckardt gemeint sein, den ein Eintrag in der Hs. nennt.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 110 u. 110a (Makulatur mit dt. Text), s. ZIMMERMANN. — Drucke: a) Die kurcz Bibel ..., Speyer, Johannes Eckhart 1525 (VD 16, B 2981 [Titelbl. fehlt] u. K 2637); b) Ein aller nüczlichsts büchlin ..., Speyer, Johannes Eckhart 1525 (VD 16, A 1921; FLOOD); Eyn nüw Christenlich Lied ..., Basel, Lux Schauber 1537 (WACKERNAGEL, KLI, S. 749-751 Nr. 470: Berlin, SBB-PK, Hymn. 1128). A u s g a b e n . VOLLMER, 1931, S. 35 —126 (Gedicht, nach cpg 110, die verlorenen Distichen zu Gn 1—4 erg.); die verlorenen Strr. zu Gn 1—3 nach cpg 110 a bei ZIMMERMANN, 2001, S. 65. Proben aus dem begleitenden lat. Text: VOLLMER, 1931, S. 27—31; vgl. Tafel 1. — Proben aus den Drucken: a) WACKERNAGEL, KL I, S. 385; b) ebd. S. 749-751 (nach der Basler Ausg.; die als Bogenfüllsel beigefügten Lieder ebd. III, Nr. 936. 937).

In der hs.lichen Vorrede heißt es: Ob yemants het zu singen lust: / in gsangs wis hat es keinen gebrust. Die Drucke nennen Melodien: für die Sechszeiler des AT die tag weyß Des morgens do der tag herscheyn (Text nd. bezeugt 1570; dieselbe Form: ->· 'Carmina Burana' 183/183 a, -*· Hadlaub 16) und für die seit Mitte des 15. Jh.s häufig belegten Siebenzeiler des NT den 'Abendgang' (DV l, Nr. 19) bzw. -»· 'Ich stund an einem morgen' [Bd. 4 u. NB]. Die Bibeldichtung in Meistertönen, insbes. die AT-Summarien -» Heinrichs von Mügeln (III.5.) und Michel -* Beheims (Lied 148), braucht der Autor nicht gekannt zu haben. Besser vergleichbar erscheinen nachreformatorische Texte wie Joachim Aberlins 'Kurtzer begriff vnd innhalt der gantzen Bibel in drew Lieder zu singen gestellt' ([Augsburg, Philipp Ulhart d. Ä.] 1534 = VD 16, A 34), 227 Strr. in dreierlei geläufigen Formen für AT, Psalter, NT, darunter die des ->· 'Lieds von Dole' (vgl. JENNY). L i t e r a t u r . VOLLMER, Materialien 1,1, 1912, S. 16 Anm. 1; ders., Dt. Bibelauszüge, 1931 (s. o. II), bes. S. 1-3, 7-10, 14f., 27-31; A. HÜBNER, AfdA 51 (1932) 197-199; M. JENNY, Gesch. d. dt.schweizerischen evangelischen Gesangbuches im 16. Jh., Basel 1962, S. 71-73, 170-173, 281 f., 297; MELVILLE (s. o. II.); K. STACKMANN, Die Bedeutung d. Beiwerks f. d. Bestimmung d. Gebrauchssituation vorlutherischer dt. Bibeln, in: de captu lectoris. Fs. W. Schmidt, hg. v. W. MILDE u. a., 1988, S. 273-288, bes. S. 278-282 (wieder

903

Kuttenmann — Kyeser, Konrad

in: K. ST., Philologie u. Lexikographie, hg. v. J. HAUSTEIN, 1998, S. 62-78); F. J. WORSTBROCK, Libri pauperum, in: Der Codex im Gebrauch, hg. v. CH. MEIER u. a. (MMS 70), 1996, S. 41-60; J. L. FLOOD, Offene Geheimnisse, in: Autor u. Autorschaft im MA, hg. v. E. ANDERSEN u. a., 1998, S. 370-396, hier S. 377; K. ZIMMERMANN, Neues z. sog. 'Heidelberger Mischged.' in Cod. Pal. germ. 110, ZfdA 130 (2001) 63-65; dies. u. a., Die Codices Palatini germanici in d. ÜB Heidelberg (cpg l — 181), im Druck.

GISELA KORNRUMPF kurcz ordenonge in gemeyne allen den die da regieren huß dorffere oder stede' -* 'Fürstenspiegel Eyn kurcz ordenonge ...'

904

befindet sich in Eisleben, Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt Depositum: Hss. der St. Andreaskirche. Vgl. R. SCHIPKE / K. HEYDECK, Hss.census der kleineren Slg.n in den östlichen Bundesländern Deutschlands (SBB-PK. Kataloge. Sonderband), 2000, S. 74 f. (Nr. 77). Ebd.: "Weimar, qu 10 h" korr.: ..., Q 10b. Ebd. ergänze: München, cgm 4581, 51r-88v (vgl. E. WEIDENHILLER, Unters, zur dt.sprachigen katechetischen Lit. des späten MAs [MTU 10], 1965, S. 154).

Kydrer, Wolfgang, von Salzburg [Korr.] Bd. 5, Sp. 477 Lit.: "elm 1149" korr.: cgm 1149. Kyeser, Konrad [Korr.]

Kuttenmann [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 472 Überl.: "Ms. fol. 77 der Slg. Ebner, Nürnberg ... verschollen" korr.: Die Hs. ist jetzt in Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Fol. 11, der Traktat des K. dort Bl. 136va-152rb. Ebd.: "Nicht mehr verifizierbar ...: Eisleben, Kirchenbibl. St. Andreas, M 960" korr.: Die Hs.

Bd. 5, Sp. 477 Z. 5/6 des Artikels und Sp. 481 petit-Abschnitt: "Göttingen, ÜB, cod. ms. phil. 63" korr.: ..., cod. ms. philos. 63. Sp. 481 petit-Abschnitt: "Erlangen, ÜB, Ms. 1390" korr.: ..., Ms. B 26 (Kat. Irm. 1390). Ebd.: "Frankfurt, StUB, ..., Ms. Ausstellung 48" korr.: ..., Ms. germ. qu. 14 (Ausst. 48).

L 'Des Labers Lehren' [Korr.]

'Lancelot' [Korr./Nachtr.]

Bd. 5, Sp. 485 Überl.: "Salzburg, ÜB, cod. b IV 3" korr.: ..., Stiftsbibl. St. Peter, ....

Bd. 5, Sp. 530 Überl.: "Heidelberg, cpg 147, um 1430" korr.: ..., nach 1455, wahrscheinlich erst um 1475; vgl. G. STEER, Der Heidelberger 'Prosa-Lancelot'-Codex Pal. germ. 147, in: Wolfram-Studien IX, 1986,5.10-16. Sp. 531 Ausg.n: "Eine Edition der in P nicht berücksichtigten Partien ..." korr.: Vgl. die neue Gesamtausg. v. H.-H. STEINHOFF, Lancelot u. Ginover: Prosalancelot. I. 1. 2.; nach d. Heidelb. Hs. cpg 147 hg. v. R. Kluge, ergänzt durch die Hs. Ms. allem. 8017-8020 der Bibl. de l'Arsenal Paris, übers., kommentiert u. hg. v. H.-H. St. (Dt. Klassiker-Verlag), 1995 (= bisher 2 der auf 5 Bde geplanten Ausg.). Sp. 533 unten/534 oben ergänze zur frz. Ausg. MICHA die Bde 7-9, Paris-Genf 1980-83 (enth. auch das Anfangsdrittel sowie Namens-, Motiv-, Themen- u. Situationsindices, Glossar, Errata). Sp. 543 Z. 8/9: "P von Ludwig III. von der Pfalz veranlaßt?" korr.: ... von Pfalzgraf Friedrich I. dem Siegreichen von Heidelberg (reg. 1449 — 1476), Bruder der Erzherzogin Mechthild von Rottenburg, veranlaßt?

'Des Labers Rat' [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 486 Überl.: "Salzburg, ÜB, cod. b IV 3" korr.: ..., Stiftsbibl. St. Peter, ... . Ebd. ergänze: Berlin, SBB-PK, Hdschr. 115, 23 r —23 V . Vgl. T. BRANDIS, Codices manuscript! 9 (1983) 19-25, hier S. 21.

Lakmann, Nikolaus [Korr.] Bd. 5, Sp. 488 zu 2. b., Überl.: "Augsburg, SB u. StB, cod. 413" korr.: ..., 2° cod 413. Ebd.: "Rom, Bibl. Vat., cod. lat. 4289" korr.: ..., cod. Vat. lat. 4289. Ebd., zu c., Überl. und Sp. 489 zu e., Überl.: "Göttingen, ÜB, cod. 156h" korr.: ..., cod. Ms. theol. 156h.

Lambert von Lüttich OSB [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 492 f. zu II. 2. u. 3.: Zur dt. Übers, von Lamberts Prosawerken vgl. auch -» 'Matthias, Apostel' [NB].

Landau -> auch Mauricius von L.; rieh von L.

Lambsheim -> auch Johannes von L.

'Landrechtsbuch Bayerns' -> 'Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern [NB]

Ul-

Lampert von Hersfeld [Korr.] Bd. 5, Sp. 514 Überl.: "Trier, StB, cod. 1151/422 vol. IV" korr.: ..., Hs. 1151/456 4°, Bd. 4.

Stadtarzt von Landsberg [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 549 ergänze: Vgl. auch -* Jakob von Landsberg.

Lamprecht von Regensburg [Korr.] Bd. 5, Sp. 521 zu 2., Überl.: "Prag, Narodni Muzeum, cod. XJ 13" korr.: ..., cod. X I 13.

Lamspring [Korr.] Bd. 5, Sp. 529 Z. 5: "London, British Library, Ms. 3640" korr.: ..., Sloane MS. 3640.

'Landshuter Erbfolgekrieg' [Nachtr./Korr.] Bd. 5, Sp. 550 ergänze: vgl. auch Crist -» Netzenbart [NB]. Sp. 551 zu 1., Überl.: Der Spruch befindet sich in cgm 1586, 390rv. Sp. 553 zu 5., Abdruck: "LiUENCRON, Nr. 232" korr.: ..., Nr. 238.

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Lanfrank von Mailand — Lang, Stephanus

Sp. 555 zu 12., Über].: "Druck o. O. u. J. ..." korr.: Quart-Druck [München, J. Schobser, Dez. 1504], Ex. in Privatbesitz nachgewiesen bei K. SCHOTTENLOHER, Der Münchner Buchdrucker Hans Schobser 1500-1530, 1925, Nr. 16. Hinweise Frieder Schanze.

Lanfrank von Mailand [Korr.] Bd. 5, Sp. 562 zu 1.: "um 1493-94" korr.: um 1293-94. Sp. 569 zu c.: "cod. 750 der Hildesheimer StB" korr.: ... der Hildesheimer Dombibl.

Lang, Stephanus I. In drei österreichischen Hss. wird L. mit einer bisher nur als anonym bekannten lat.-dt. 'Memento mori'-Textkompilation bzw. deren lat. Hauptteil ('Memoria improvisae mortis') in Zusammenhang gebracht. Die meisten biographischen Hinweise bietet die Hs. Göttweig, Stiftsbibl., cod. 245 rot (olim 250), 151ra: Ista est tabula quam Steffanus Lang civis biennensis olim baccularius in artibus alme universitatis Pragensis eddidit et ad sanctum Steffanum litterarum impressione promulgavit etc. (ähnlich Klagenfurt, ÜB, cod. Pap. 157, 74V). 1399 ist tatsächlich ein St. L. an der Prager Universität nachweisbar, der in diesem Jahr zur Prüfung zur Erlangung des Bakkalargrades zugelassen wurde (J. TRISKA, Zivotopisny slovnik predhusitske Prazske univerzity 1348-1409, Prag 1981, S. 491). Ab 1412 war L. in der Wiener Stadtadministration, zunächst als Grundbuchverwalter, dann als Ratsherr tätig. Im Jahr 1419 bekleidete er als solcher auch das Amt des Kirchmeisters zu St. Stephan (PERGER, S. 219 Nr. 316; PETRIN, S. 173, dazu S. 441 Anm. 7—9). Von der Tätigkeit L.s als Schreiber zeugt eine 1413 datierte, illustrierte Hs. der 'Concordantiae caritatis' -> Ulrichs von Lilienfeld (Budapest, Zentralbibl. des Piaristenordens, CX 2; vgl. zuletzt A. BORECZKY, Imitation und Invention. Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der Illustrationen der Budapester Concordantiae caritatis-Handschrift, Acta historiae artium Academiae ScientiarumHungaricae41 [1999/2000] 1-62, bes. S. 6 f.). Ein genaues Todesdatum ist nicht

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bekannt, es muß jedoch zwischen dem 13. November 1419 und dem 20. Jänner 1420 liegen (PETRIN, S. 441 Anm. 8). Sein Testament weist ihn u. a. auch als Büchersammler aus (GOTTLIEB, S. 451 Nr. 55). II. Der L. zugeschriebene Text liegt in drei verschiedenen Fassungen vor: Ursprünglich muß nach der Überlieferungslage die lat.-dt. Kompilation (KORNRUMPF: 'Kerngruppe') sein, die den -> 'Spruch der Engel' (lat. u. dt.), das Exempel -»· 'Gute Meinung von dem Sünder' ('Tod des Sünders') (dt.) und die 'Memoria improvisae mortis' (lat.; RUDOLF, S. 18 u. Anm. 34) umfaßt (I; ursprünglich illustriert?); weiters sind eine Reduktionsfassung (II; vgl. KORNRUMPF, Sp. 182) mit 'Spruch' (lat.) und 'Memoria' (lat.) und am häufigsten eine Rumpffassung (III), die die lat. 'Memoria' allein überliefert, belegt. Eine Tafel im Wiener Stephansdom, die von KORNRUMPF, Sp. 181 f., nach München, clm 8858, als Archetyp in Betracht gezogen wurde, wird auch in der Göttweiger und Klagenfurter Hs. (Fassung III) genannt; Hinweise auf eine 'Tabula' geben außerdem die überlieferten Werktitel in mehreren weiteren Hss. Darüber hinaus deutet der Überlieferungsbefund auf eine Entstehung der Kompilation im Wiener Raum vor 1420 hin (älteste dat. Hs. 1422), wodurch die hs.liehe Zuweisung an einen Kompilator, Redaktor oder Verfasser L. gestützt wird. Spruch und Exempel begegnen jedoch auch allein und in anderen Kompilationen (vgl. KORNRUMPF, Sp. 180f.). Ü b e r l i e f e r u n g . Fassung I: 9 Hss., davon 7 bei KORNRUMPF, Sp. 182 (Nr. 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10), weiters: Melk, Stiftsbibl., cod. 152 (olim 1065; Q57), lr-17r (älteste dat. Hs. 1422 [Zuweisung an L. im 18. Jh. nachgetragen; Titel Tabula picture mortis von einer Hand des 19. Jh. wohl anläßlich der Neubindung der Hs. nach altem Inhaltsverzeichnis vermerkt, vgl. GOTTLIEB, S. 254, Z. 25], mit Hinweisen auf Illustrationen in der Vorlage); ebd., cod. 979 (olim 784; O 20), 150r-158r (ca. 1420—1430, mit fünf Federzeichnungen und Zuweisung an L. von der Schreiberhand: Hoc Stefanus Lang fecit opusculum qui fuit civis Wiennensis - Fassung II: 4 Hss. bei KORNRUMPF, Sp. 182, darunter auch Melk, cod. 627 (olim 888; Q 25), 187v-198r (nicht wie WALTHER, Initia, Nr. 11079 irrtümlich '87V'); dazu: Rom, Bibl. Apostolica Vati-

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Legendare

cana, cod. Pal. lat. 683, 249r-253r. - Fassung III: 17 Hss., davon 6 bei RUDOLF, S. 18 Anm. 34, eine fragmentarische ebd., S. 19 Anm. 35 (unter anderem Titel); eine weitere bei KÜNZLE, S. 242 f. Vollständiges Hss.Verzeichnis bei GLASSNER. — Die bei RUDOLF (S. 18 Anm. 34) genannte Hs. München, cgm 3974 enthält nicht die 'Memoria', sondern einen anderen Text gleichen Incipits (SCHNEIDER, München VI, S. 510), eines Zitats aus Sir 41,1 (O mors quam amara est memoria tua), das auch den mit der 'Memoria' nicht identischen Traktat 'De desiderio moriendi' -» Jakobs von Paradies einleitet (vgl. M. W. BLOOMFIELD, [u. a.], Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices, 1100— 1500 A. D. [The Mediaeval Academy of America 88], Cambridge, Mass. 1979, Nr. 3542). A b d r u c k e . CosACCHi, S. 266—268 ('Spruch' lat. u. dt., 'Gute Meinung von dem Sünder' und Beginn der 'Memoria' nach den Hss. München, clm 7747 und clm 23833). Weitere Teilabdrucke s. KORNRUMPF, Sp. 182.

Alle Teile der Kompilation behandeln das Thema des nur unzureichend auf den Tod vorbereiteten Menschen. Vers und Prosa, Erzählung und Dialog, Latein und Deutsch, ferner die bildliche Darstellung (vgl. dazu G. FISCHER-HEETFELD, in: Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. d. MAsI, 1991, S. 274, S. 281 f. [9.1.7] u. Abb. 146, S. 285 f. [9.1.11], S. 289 [9.1.13] u. Abb. 149) werden für die Gestaltung eines eindringlichen 'Memento mori' aufgeboten. Die lat. 'Memoria improvisae mortis' erweist sich überwiegend als textnahe Bearbeitung von Heinrich ->· Seuses 'Horologium sapientiae' 11,2 (so, bisher unbeachtet, schon KÜNZLE, S. 242 f. u. S. 243 Anm. 1) und 1,10 sowie des 35. Kapitels der pseudo-augustinischen 'Soliloquia animae ad Deum' (-» Augustinus, III.3.; PL 40, 894 f.). Weitere Quellen sind bisher nicht identifiziert, jedoch scheint der Anteil an Eigenständigem eher gering zu sein. Der Dialog des discipulus mit dem ihm in einer Vision erscheinenden Sterbenden im 'Horologium sapientiae' (11,2) wird in der 'Memoria' zu einem Zwiegespräch zwischen dem in Todesbanden liegenden Menschen und dem Tod, am Ende mit dem Teufel (demon), umgearbeitet, der den Toten schließlich den Höllenqualen zuführt.

Gegenüber dem 'Horologium' lassen sich verstärkte didaktische Züge und eine drastischere Darstellungsweise feststellen. Damit entspricht die Bearbeitungsweise ganz jener Tendenz, die auch für das vorhergehende dt. Exempel herausgearbeitet wurde (-> 'Gute Meinung von dem Sünder'). III. Bisher nicht genauer untersuchte hd. Versionen der Kompilation bzw. der 'Memoria' sind in drei Hss. (alle 3. Viertel 15. Jh., obd.) überliefert: Heidelberg, cpg 60, 117vb-126vb (um 1460; [nord-] schwäb., illustriert. Farbmikrofiche-Ed.: Historienbibel/Sankt Brandans Meerfahrt. Heidelberg, ÜB, Cod. Pal. germ. 60. Beschreibung d. Hs. v. U. BoDEMANN. Literarhistorische Einführung zu 'Sankt Brandans Meerfahrt' v. K. A. ZAENKER [Codices illuminati medii aevi 25], 1993); München, cgm 351, 155r-169r (3. Viertel 15. Jh., mittelbair.); ebd., cgm 758, l r -27 r (dat. 1471, ostschwäb.; nur 'Memoria'). - Drucke: HAIN 11628-11629). L i t e r a t u r . TH. GOTTLIEB, Mal. Bibl. Kat. Österreichs I, 1915 (Neudr. 1974), S. 451, Nr. 55; R. RUDOLF, Ars moriendi, 1957, S. 18 f. u. Anm. 34 u. 35; ST. COSACCHI, Makabertanz, 1965, S. 260-268; S. PETRIN, Perchtoldsdorf im MA (Forschungen z. Landeskunde v. Niederösterreich 18), 1969, S. 173 (dazu S. 441 Anm. 7-9); P. KÜNZLE, Heinrich Seuses Horologium sapientiae (Spicilegium Friburgense 23), 1977, S. 242 f.; R. PERGER, Die Wiener Ratsbürger 1396-1526 (Forschungen u. Beitr. zur Wiener Stadtgeschichte 18), 1988, S. 219; G. KORNRUMPF, in: 2VL 9, 1995, Sp. 180-182; CH. GLASSNER, Stephanus Lang fecit opusculum. Zu Autorschaft u. Überl. einer spätmal. 'Memento mori'-Kompilation [in Vorbereitung].

CHRISTINE GLASSNER Laßtafeln, Laßzettel ->· Almanache [NB] Lautenbach ->· Manegold von L. 'Leben Jesu' s. auch -»· Ludolf von Sachsen [Bd. 5 u. NB]; -» Merswin, Rulman (III. 7.); -»· Michael de Massa [Bd. 6 u. NB] Legendare (lat.) [Korr.] Bd. 5, Sp. 652 zu c) 1.: "Bonn, ÜB, cod. 369" korr.: ..., S 369. Ebd. zu 3.: "Den Haag, Kgl. Bibl., cod. L. 29" korr.: ...,70 E 21 (olim L. 29). Ebd. zu 4., unten: "auf Schloß von Brenken in Erpernburg" korr.: in Buren, auf Schloß Erpern-

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'Van lehengude unde dat to entfangende' — 'Leipziger Drogenkompendium'

burg, Archiv und Bibl. der Freiherren von und zu Brenken. Sp. 654 zu 2.: "eine Colmarer (Bibl. Municipale, cod. 358" korr.: ..., cod. 20 [Kat. Nr. 358].

'Van lehengude unde dat to entfangende'

Nd. Traktat über die Lehnsfähigkeit der Bürger. Ü b e r l i e f e r u n g . Götdngen, Stadtarch., Ms AB II 11, S. 331-335, 1. H. 15. Jh. (Opprrz, Rechtsbücher II, Nr. 611).

Ausgabe. FRENSDORFF, S. 423-433.

Der unbekannte Verfasser dieses Traktats in nd. Sprache behandelt in 23 Artikeln auf der Grundlage der Bibel, des 'Sachsenspiegels' (-> Eike von Repgow) und der -* 'Sachsenspiegelglosse' die Frage, ob Bürger Lehen empfangen können. Er wendet sich damit gegen Art. 2 § l des Lehnrechts des 'Sachsenspiegels'. Dem Adelsvorrecht auf Empfang des Lehens stellt der Verfasser die Lehre von der Gleichheit aller Menschen, dem erblichen Recht die Herkunft aller öffentlichen Ämter van köre entgegen. Seine Argumente entnahm der Verfasser den Verhältnissen des täglichen Lebens, die er frisch und drastisch vortrug: War zur Zeit der Entstehung des 'Sachsenspiegels' der Lehnsdienst persönlich zu leisten, so konnten dies die oft reisenden Kaufleute nicht erfüllen. Seit die Lehnsdienste durch Geldzahlung ersetzt sind, ist dieser Ausschließungsgrund entfallen. Die Argumente zur Lehre von der Gleichheit der Menschen und der Exkurs zum Adel (Art. 14) zeigen Anklänge an Sprüche aus -> Freidanks 'Bescheidenheit'. Entstehungszeit und -ort sind nicht festlegbar. Das Vorkommen der Bezeichnungen plocke, lantridder und selenvoghede für Vögte deutet auf die Altmark. L i t e r a t u r . F. FRENSDORFF, Die Lehnsfähigkeit der Bürger im Anschluß an ein bisher unbekanntes nd. Rechtsdenkmal, GGN phil.-hist. Klasse 1894 (1895) 403-458.

ULRICH-DIETER OPPITZ 'Die Lehre von den fünf Worten' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 660 ergänze: vgl. auch -* 'Zehn Gebote', B.I.b.6. (mit einer weiteren Hs.).

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'Lehre vom Haushaben' [Korr.] Bd. 5, Sp. 662 Überl.: "Graz, Franziskanerkloster, s. n." korr.: ..., A 67/15. Ebd.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 865" korr.: ..., cod. 849 (olim 865/P50). Ebd.: "Memmingen, StB, cod. 2° 32" korr.: ..., cod. 2° 2,32.

'Lehre eines Kriegsrates' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 669 zu Lit. ergänze: B. SINGER, Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus u. der Reformation (Humanist. Bibl. R. I, Bd. 34), 1981, S. 69-71 (weitere Lit.).

'Lehre von der Messe' [Korr.] Bd. 5, Sp. 669 Überl.: "Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, cod. 6 V 9" korr.: ..., cod. b V 9.

'Leipziger Drogenkompendium' ('Von den eynveldighen arcztyen') Die bislang größte dt.sprachige Drogenkunde aus der Zeit vor 1500 auf der Basis einer Übersetzung des -» 'Circa instans' vor der Mitte des 15. Jh.s. Ü b e r l i e f e r u n g . Leipzig, ÜB, Ms. 1224, l ra 192vb u. 193"-194vb (Register über die Buchstabenbereiche A—P); Beschreibung d. Hs.: SCHNELL, 1999, S. 294 f. Zahlreiche Abschreibefehler legen die Vermutung nahe, daß es sich nicht um das Autograph der Kompilation handelt. A u s g a b e . W. DAMM, Die einzige bisher bekannte dt. Fassung d. Buches Circa instans (de simplicibus) nach einer Hs. d. 15. Jh.s (Leipzig, ÜB Nr. 1224), Diss. Berlin 1939 (Teilausg.).

Der Text wird nur in der Leipziger Hs. in ostmitteldt. Schreibsprache überliefert. Auf 384 zweispaltig beschriebenen FolioSeiten werden 337 Drogenmonographien geboten (die bisherige Literatur nennt andere Zahlen), die durch zwei weitere Kapitel eingeleitet werden; daneben findet sich noch ein Abschnitt zu den Gewichten zwischen den Buchstabenbereichen A und B. Das Werk ist halbalphabetisch nach den Drogennamen aufgebaut, d. h. nur der Anfangsbuchstabe wird bei der Zuordnung genutzt; das Drogenkompendium beginnt, wie seine Hauptquelle, mit Aloe, während acacia, die vollalphabetisch den Anfang

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'Leipziger Drogenkompendium'

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bilden müßte, erst auf Position 11 folgt. Ganz überwiegend behandeln die Kapitel Pflanzen, es finden sich jedoch auch Metalle und Mineralien und einige tierische Drogen. Dem Text sind keine Abbildungen beigegeben.

des Textes erfolgt sein. In verschiedenen Fassungen des 'Circa instans' finden sich Auszüge aus dem 'Liber graduum' und dem 'Liber iste', z. B. in der verschollenen Breslauer Hs. 1302, die allerdings selbst nicht als Quelle in Frage kommt, weil die entsprechenden Zusätze im 'L. D.' nicht alle von dieser Hs. abgedeckt werden können.

Quellen. Das 'L. D.' übertrifft an Textmasse alle volkssprachigen Werke vor 1500 im Bereich der Arzneimittelkunde. Auch die ersten Drucke, wie etwa der -» 'Gart der Gesundheit' erreichten nicht diesen Textumfang. Wie im 'Gart' ist das 'Circa instans' die Hauptquelle, wobei — anders als im Mainzer Druck — die hochsalernitanische Arzneimittellehre nicht nur in Auszügen präsentiert wird; vielmehr liegt mit dem 'L. D.' eine der wenigen dt. Gesamtübertragungen dieses Textes vor. Gegenüber der edierten lat. Fassung der Erlanger 'Circa-instans'-Hs. (WÖLFEL), die wahrscheinlich der Urfassung nahe steht, besitzt das 'L. D.' etwa 1/3 mehr Kapitel, während die Kapitelanzahl der Fassung A des verlorenen 'Breslauer Circa instans' (HOLLER) nicht erreicht wird. Kennzeichnend für das 'L. D.' sind die extrem großen Pflanzenkapitel in der ersten Hälfte des Werkes, die bis zu 8 Seiten umfassen. Diese Textmasse kam durch eine umfangreiche kompilatorische Arbeit zustande (beschrieben bei MAYER, S. 216— 262). Der pseudoserapionische 'Aggregator' wurde in großen Teilen übersetzt und in die 'Circa-instans'-Kapitel integriert bzw. über zusätzliche Kapitel eingeschoben, wenn die Droge nicht durch das 'Circa instans' abgedeckt wird (SCHNELL, 1999; MAYER). Damit ist das 'L. D.' der älteste Zeuge einer 'Aggregator'-Übersetzung ins Dt. (vor der Übers, des Hans -> Minner). Als dritte Quelle konnte der 'Ältere dt. -* Macer' ausgemacht werden (SCHNELL, 1999). Wenigstens 28 Kapitel gingen nahezu vollständig in das 'L. D.' ein (Nachweis: MAYER, S. 212-214). Weitere Vorlagen waren der 'Liber graduum' des Constantinus Africanus sowie der -» 'Liber iste' (MAYER, S. 257-260).

Um die Mitte des Textes, nachdem erst die Drogen mit den Initialen A bis C im Arzneistoff-Namen abgehandelt wurden (Bl. 98rb), hat der Kompilator seine Tätigkeit nahezu völlig eingestellt. Der Text erweist sich von da an als eine fast ausschließliche Übertragung des 'Circa instans'. Zur Übersetzung: Die dt. Übers, ist sichtlich bemüht, die lat. Vorlagen soweit irgend möglich bis in Wortstellung und Satzbau nachzubilden. Bei guter Kenntnis der Vorlagen kann man den Vorlagenwechsel allein am dt. Text erkennen. Die Fachterminologie bleibt weitgehend unübersetzt, teilweise kommt es jedoch zu sehr interessanten Wortbildungen. Das 'L. D.' stellt eine hervorragende Zusammenfassung des drogenkundlichen Wissens vor 1500 dar, wobei die ersten Drucke sowohl an Qualität wie an Quantität deutlich übertroffen werden.

Die Einarbeitung der letzten beiden Werke muß jedoch nicht erst durch den eigentlichen Hersteller

L i t e r a t u r . H. WÖLFEL, Das Arzneidrogenbuch Circa instans in einer Fassung d. XIII. Jh.s aus d. ÜB Erlangen, Diss. Berlin 1939; C. H. BECK, Stud, über Gestalt u. Ursprung d. Circa instans durchgeführt an den drei ältesten bisher bekannten Hss., Diss. Berlin 1940; F.-H. HOLLER, Das Arzneidrogenbuch in d. Salernitanischen Hs. d. Breslauer StB (Nr. 1302) (Texte u. Unters, z. Gesch. d. Naturwiss. 5), 1941; G. KEIL/E. WÜRL, Die 'Leipziger Rogerglosse' u. d. 'Hübsch Chirurgia' d. Niklas von Mumpelier. Eine Konkordanz zu zwei Denkmälern altschlesischer Lit. d. 14. Jh.s, Jb. d. Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Univ. zu Breslau 29 (1988) 15-71; B. SCHNELL, Von den würzen. Textu. überlieferungsgeschichtl. Stud, zur pharmakographischen dt. Lit. d. MAs, med. Habilschr. [masch.] 1989; G. KEIL, Phytotherapie im MA, Scientiarum historia 20 (1994) 7-38, hier S. 31; B. SCHNELL, Von den eynveldighen arcztyen. Zu den Quellen d. Kräuterbuchs Ms. 1224: eine bislang unbekannte dt.sprachige Übers, d. Ps.-Serapion, in: fata Libellorutn, Fs. F. Pensel, hg. v. R. BENTZINGER/U.-D. OPPITZ (GAG 648), 1999, S. 293-312; J. G. MAYER, Das 'L. D.' (Leipzig, ÜB, Cod. 1224) u. seine Quellen, in: Editionen u. Stud, zur lat. u.

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'Leipziger Predigten' — 'Leipziger Schluß der Christherre-Chronik'

dt. Fachprosa d. MAs, Fg. G. Keil, hg. v. K. GOEHL/J. G. MAYER (Texte u. Wissen 3), 2000, S. 207-263.

JOHANNES GOTTFRIED MAYER 'Leipziger Predigten' [Korr.] Bd. 5, Sp. 696 Überl.: Das Frgm. "Klagenfurt (?), hg. v. A. JEITTELES" (= MORVAY/GRUBE, T 14) ist jetzt in Berlin, SBB-PK, Fragm. 55. Ebd.: "Meiningen, Hofbibl. (verschollen)" ergänze die Signatur: Hs. 28 (olim 66); die Hs. ist weiterhin verschollen. Sp. 701 zu Lit.: "V. MERTENS, ..., PBB 106 (1984), im Druck" korr.: ..., PBB 107 (1985) 240265.

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bereits in Y2 erschien oder erst auf einer späteren Zwischenstufe. A u s g a b e n . Gottfried SCHÜTZE, Die historischen Bücher des Alten Testaments, [...] so wie sie [...] in der Mitte des 13. Jh.s in einer gereimten Übersetzung entworfen worden sind. Aus einer gleichzeitigen Hs. der Stadt-Bibl. zu Hamburg [= Ha], 2 Teile, Hamburg 1779/81, hier Bd. II, S. 86 (beginnend nach dem als Abschnittsüberschrift abgedruckten Bildtitulus Hie starp Moises swester Maria) - S. 108 u. Bd. I, S. 3-21 Z. 5 v. u.; GÄRTNER/PLATE, 2000, S. 338-342 (Abdruck der fünf Inzidenzien vv. 1258-1263, 1317-1323, 1481-1486, 1667-1678, 1754-1839 nach L mit Varianten von Ha und Do).

Der Text ist keine Bearbeitung des entsprechenden Teils der 'Christherre-Chro'Leipziger Psalmen-Fragmente' [Korr.] nik', auch Rudolfs 'Weltchronik' war dem anonymen Verfasser nicht bekannt. Ob für Bd. 5, Sp. 701 f.: "Leipzig, Bibl. der Dt. Geselldie biblische Geschichte außer der Vulgata, schaft, o. Sign., 3 Perg.-bll. ..." korr.: Die Frgm.e die zweimal wörtlich zitiert ist, ein anderes befinden sich heute in Berlin, SBB-PK, als Fragm. 49 (Hinweis Klaus Klein). Hilfsmittel (etwa die 'Historia scholastica' des -»· Petrus Comestor [NB]) benutzt 'Leipziger Schluß der Christherre-Chronik' wurde, bleibt fraglich, auch für die Inzidenzien konnte keine bestimmte Quelle nachRaffende Erzählung (2002 Reimpaar- gewiesen werden. Inhaltlich bemerkensverse) der biblischen Geschichte der Bü- wert ist das völlige Fehlen von Kommentar cher Numeri (ab 17), Josua und Richter oder Auslegung, was vom Verfasser gegen mit kurzen Inzidenzien zur gleichzeitigen die Leser-/Hörererwartung mit seiner fehaußerbiblischen Geschichte. Der Text er- lenden Kompetenz verteidigt wird. Das Erscheint in einer bestimmten Gruppe der -> scheinen des Textes in der 'Christherre'Christherre-Chronik'-Überlieferung nach Chronik'-Überlieferung dürfte sich einem v. 20728 (Nm 17) anstelle des ursprüngli- Überlieferungsdefekt verdanken, einer bei chen Textes (der mit v. 24331 zu Beginn v. 20728 oder kurz danach abbrechenden Hs., die mit dem 'Leipziger Schluß' komvon Idc fragmentarisch abbricht). plettiert wurde (absichtliche Ersetzung des Ü b e r l i e f e r u n g . Vollständig (bis auf kleinere ursprünglichen Schlusses ist weniger wahrLücken) nur in: L = Leipzig, ÜB, Ms 791, 162varb scheinlich). Offen bleibt dabei, ob der vor176 (ostmd., 2. Viertel 14. Jh.). Unvollständig liegende 'Schluß'-Text eigens für diesen bzw. stark gekürzt in zwei jüngeren Hss., die unabZweck verfaßt wurde oder ob es sich nur hängig voneinander mit Text der 'Weltchronik' -> um den Schlußteil einer (nicht erhaltenen) Rudolfs von Ems fortsetzen, aber auf eine gemeinsame Vorstufe zurückgehen: Ha = Hamburg, SB eigenständigen Dichtung handelt, die eru. ÜB, cod. 40b in scrin. (Mittelrhein um 1410), heblich kürzer als Rudolf, -» Enikel [Bd. 2 46 v -69 r (vv. 1-1387, anschließend Rudolf ab u. NB] oder die 'Christherre-Chronik', v. 17944) und Do = Karlsruhe, Badische LB, cod. aber ausführlicher als etwa die ->· 'HistoDon. 78 (rhfrk., Anf. 15. Jh.), 322r-334r (vv. 1rien der alden E' die biblische Geschichte 92, 427-921 u. 1854-98, anschließend Rudolf ab bis zum Ende der Richterzeit behandelte. v. 21056). L und HaDo sind die Haupthss. der Textstufe Y2 der 'Christherre-Chronik'. Y2 wird bereits in Fragmenten vom Ende des 13. Jh.s und Anfang des 14. Jh.s bezeugt, von denen aber keines Text aus dem Bereich nach v. 20728 überliefert, so daß es offen bleibt, ob der sekundäre Schlußtext

L i t e r a t u r . R. PLATE, Die Überl. d. 'Christherre-Chronik', Diss. phil. Trier 1996 [überarb. Fassung in Druckvorbereitung (Wissenslit. im MA28)], S. 58 f. (zur Textstufe Y2) u. S. 113-124 (Inhaltsübersicht; Vergleich von L, Ha u. Do; Hin-

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'Leipziger Wundarznei' — Leonhard von Chios

weise zu Quellen, Sprache und Stil); K. GÄRTNER/R. PLATE, Troja im 'Leipziger Schluß der ChristherreChronik', in: Vom MA zur Neuzeit. Fs. Horst Brunner, hg. v. D. KLEIN u. a., 2000, S. 333-345.

RALF PLATE

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Der sog. 'Lentulus-Brief über Christi Gestalt' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 707 unten: "H. MARTENS, ..., aus einem Gebetsbuch": d. i. eines der -> 'Medinger Gebetbücher', Bremen, SB u. ÜB, msc 0066, p. 447450 (Hinweis Gisela Kornrumpf).

'Leipziger Wundarznei' Ü b e r l i e f e r u n g . Leipzig, ÜB, Ms 1224, 236rb242va. A u s g a b e . H.-M. GROSS/G. KEIL, Die 'L.W.', in: Sammeln — Erforschen — Bewahren. Zur Gesch. u. Kultur d. Oberlausitz, Fs. E.-H. Lemper, hg. v. M. SCHMIDT (Neues Lausitzisches Magazin, Sonderh. [1]), 1999, S. 123-141.

Der -» 'Leipziger Rogerglosse' nachgestellt und vom selben Schreiber aufgezeichnet wie das -» 'Leipziger Drogenkompendium' [NB], bietet der kleine chirurgische Traktat Aphorismen für den wundärztlichen Fachmann, die sich als praxisnahe Ratschläge verstehen. Das Themenspektrum reicht von allgemeiner Wundtraumatologie bis zum Beheben iatrogener Kunstfehler; besondere Aufmerksamkeit verdienen die Anleitungen zur Geschwürsbehandlung und zum Extrahieren von Fremdkörpern einschließlich Sequestern. Die Pfeil- bzw. Speerspitze im Hals, die abgebrochnen Schwertklingen in Lunge und Leber, die traumatische Peritonitis und die mit eynem giftigen messer addir swerte ... geslagene wunde deuten auf den feldchirurgischen Alltag des 14. Jh.s. Der Autor, der in der 'ich'-Form von sich redet, war in einem Bergbaugebiet tätig und verwendet die beim Montan- bzw. Hüttenbetrieb anfallenden Mineralien. Das mundartliche Substrat unter meißnischem Schreibdialekt weist auf west-oberschlesische Entstehung. Neben dem Roger-Komplex wird der durch Rhases vermittelte Wissensstand greifbar. L i t e r a t u r . A. HIRSCHMANN, Die Leipziger Rogerglosse. Ein chirurgischer Text aus d. meißnischnordschles. Raum. I: Text (WmF 33), 1984, S. 22 f.

HILDE-MARIE GROSS/G. KEIL 'Lelienstoc' ('Jhesus collacien', mndl.) -» 'Vierzig Zellen'

Lenz, Hans [Nachtr./Korr.] Bd. 5, Sp. 709 ff.: Vgl. auch unter -> 'Schwabenkrieg'. Sp. 709 (zur Biographie) korr.: H. L. stammte nicht aus Rottweil, sondern aus Heilbronn; 1478 in Heidelberg immatrikuliert, 1481 Bacc. art. (vgl. G. TÖPKE, Die Matrikel der Univ. Heidelberg I, 1884, S. 357); bereits 1488 ist L. in der Eidgenossenschaft bezeugt, seit 1491 als Schulmeister in Freiburg i. Ue.; er unterrichtete u. a. die Söhne der Patrizierfamilie Perroman (jedoch nicht als Privatlehrer). Sp. 710 Mitte: Die Reimchronik wurde nicht "auf Neujahr 1500" nach Bern geschickt, da nicht vor Feb. 1500 beendet. Ebd. Überl.: "Die einzige Hs. ..." korr.: z. Zt. in Schweizer Privatbesitz (Heribert Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen). Es handelt sich um die Originalhs. Ludwig -» Sterners von 1501; Teilfaks. des Codex hg. v. F. SCHANZE, Bibermühle 2001; vgl. F. SCHANZE, Ludwig Sterners Chronikhs. von 1501, Librarium 45 (2002) 2-16. Hinweise Frieder Schanze.

Leonhard von Chios Geb. um 1395 in Chios, wurde L. 1444 Erzbischof von Mytilene und starb 1459 in Genua (?). Gemeinsam mit Kardinal Isidor von Kiew hielt er sich als päpstlicher Legat seit 1452 in Konstantinopel auf, um die Beendigung des Schismas zwischen Rom und Byzanz zu konsolidieren. Während seines Aufenthaltes wurde er Augenzeuge der türkischen Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453, deren Ereignisse er in einem in lat. Sprache verfaßten Brief an Papst Nikolaus V. festhielt. A u s g a b e n . Leonardus Chiensis, Historia Constantinopolitanae Urbis a Mahumete II Captae (...) (PG 159), Paris 1866, Sp. 923-944; A. PERTUSI (Hg.), La Caduta di Constantinopoli, Bd. 1,1: Le testimonianze dei contemporanei, Milano 1976, S. 120-171 (mit ital. Übersetzung).

Diejenigen Passagen dieses Briefes, die den Verlust kirchlicher Besitztümer und

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Herzog Leopold III. von Österreich — Lerer, Heinrich

die Schändung von Reliquien betreffen, wurden in den 70er Jahren des 15. Jh.s in die Vorreden der dt. Bibelhs. Nürnberg, StB, Ms. Solg. 16. 2° (-> Rellach, Johannes) integriert und mit einer nicht auf L. zurückgehenden Klage über die im Rahmen der türkischen Eroberung zerstörten Bibliotheken und den damit einhergehenden Verlust von Bibelhss. verbunden. Diesen Verlust verknüpft der ebenfalls anonyme Verfasser der Vorreden mit seinem Anliegen, eine Bibel in der Volkssprache zu schaffen. Er stellt damit sein Konzept einer dt. Bibelhandschrift in die Tradition der in Konstantinopel verlorenen Bibelcodices. Eine in den Deutschen Reichstagsakten (Dt. Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., V. Abt., 1. H., Bd. 19,1, hg. v. H. WEIGEL u. H. GRÜNEISEN, 1969, S. 16 Anm. 2) erwähnte dt. Übersetzung des L.Briefes aus dem 15. Jh. ist nicht mehr nachweisbar. Im Jahr 1551 wurde eine weitere dt. Übersetzung des L.-Briefes gedruckt: Heinrich von Eppendorff: Kriegsübung dess Roemischen kaisers Julij (...). Die belegerung vnnd eroberung der (...) statt Constantinopolis ( . . . ) durch Leonardum den Ertzbischoff zu Mytilene (...). Straßburg 1551 (Exemplar: London, British Libr. 1605/709).

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Leopold von Wien [Nachtr./Korr.] Bd. 5, Sp. 719-721: Zu Überl.: "Die einzige Hs. der Redaktion A ... im Besitz des Grafen Siegmund von Attems auf Schloß Podgora bei Görz" korr.: Die Hs. ist heute in Chicago, University Library, als Ms. 978 u. 978 a (zwei zusammengebundene Hss.); eine zweite Hs. von Red. A ist Wien, cod. Ser. n. 4212. Zu den Quellen und weiterer Überlieferung vgl. ->· Johannes de Marignolis [NB].

Lerer, Heinrich Über den Münchner Kaufmann Heinrich (nicht Hans, so PENNDORF und EIKENBERG) L. ist wenig bekannt. Er war einer der vier Vorstände der Kramerzunft; in den Münchner Steuerbüchern wird er von 1453 — 1456 genannt. Im letzteren Jahr starb er. Erhalten hat sich sein Handlungsbuch, eines der wenigen dt.sprachigen aus dem obd. Raum im 15. Jh., die noch vor der Jahrhundertmitte begonnen wurden. Ü b e r l i e f e r u n g . München, Stadtarch., Zimelie Nr. 22. Ausgabe. Ungedruckt. 2 Faksimileabb. (S. 86f., 148 f.) bei BASTIAN, S. 256. Kritische Edition: 'Das Lererbuch', in Vorbereitung durch I. Schwab (Stadtarch. München).

L. führte sein Handlungsbuch von 14407 44 bis 1456 — ab 1450 meisterte er die L i t e r a t u r . ST. RUNCIMAN, The Fall of Constan- arabischen Ziffern, die er zur Gedächtnisstütze von l bis 100 in sein Buch eintrug; tinopel 1453, Cambridge 1965, S. 196; CH. WULF, Eine volkssprachige Laienbibel des 15. Jh.s weitergeführt wurde das Buch bis 1458, (MTU 98), 1991, S. 92-99, S. 153-159. vermutlich durch L.s Bruder Peter. Im GeCHRISTINE WULF gensatz zu den erhaltenen Handlungsbüchern von Fern- und Großkaufleuten (Ott -»· Ruland, -» 'Runtingerbuch', ->· VeckinHerzog Leopold III. von Österreich chusen, ->· Vicko von Geldersen, -*· Wit[Nachtr.] tenborg) dokumentiert L.s Buch die GeBd. 5, Sp. 715, Z. 5/4 v. u. "Kum glück vnd tu schäfte eines Kleinhändlers (Kramers), der ... spät noch frü". Das Lied ist überliefert: Die von in München einen Laden betrieb und auf Niklas von Wyle zitierten Zeilen sind identisch mit den Jahrmärkten der Umgebung seinen Zeile l und 3 des Refrains eines Liedes der -» 'SterStand aufschlug: Einnahmen, Steuern, Einzinger Miszellaneen-Hs.' (ed. ZIMMERMANN Nr. 5) und Verkäufe, Tauschgeschäfte, Schuldner und des -> 'Augsburger Liederbuchs' (ed. SEIDEL und verlorn gelt. Der Kundenkreis reichte Nr. 77). Vgl. M. ZIMMERMANN, Die Sterzinger von Köchin und Handwerker über KloMiszellaneen-Hs., Innsbruck 1980, S. 81, 246sterfrau und Bürgersgattin bis zum Patri249; E. C. LUTZ, Das Dießenhofener Liederblatt, ziat. Die Münchner Kramerzunft, z. T. 1994, S. 67-74 (hier doch auch Leopold IV. als Autor erwogen); CHR. MÄRZ, Die weltl. Lieder des auch L. persönlich, erwarb Gewürze in Venedig, Eisenwaren im österreichischen Mönchs v. Salzburg (MTU 114), 1999, S. 28, 126, 483. Steyr und Wels, hochwertige Metallerzeug-

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Lesch, Albrecht — 'Liebe und Schönheit'

nisse in Nürnberg, in Nördlingen Glas, Perlen und Steine; daneben bezog L. auch Waren von Münchner Großkaufleuten. Das Spektrum der gehandelten Güter ist breit: Von Schmuck und Südfrüchten über Perlmutterkreuze und Paternoster aus Korallen, Wachs, Zwirn und Bettbezügen, Vitriol, Papier, Fingerhüten bis zu Hering war alles zu haben. Insgesamt entfaltet sich ein kulturgeschichtlich reizvolles Bild des teilweise aufwendigen Lebensstils der Münchner zu seiner Zeit, dem L.s eigener äußerst karger Hausstand (im ebenfalls eingetragenen Inventar) gegenübersteht. Größter Luxus waren zwei Lauten und eine Rüstung. L i t e r a t u r . B. PENNDORF, Gesch. der Buchhaltung in Deutschland, 1913, S. 30 f.; F. SOLLEDER, München im MA, 1938, S. 39-41; F. BASTIAN, Das Runtingerbuch 1383 — 1407 u. verwandtes Material zum Regensburger-südostdeutschen Handel u. Münzwesen, Bd. l (Dt. Handelsakten d. MAs u. d. NZ6), 1944, S. 210-214, 254-260; W. EIKENBERG, Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, 1976, S. 16, 205.

'Liber Godeschalcus' schalci'

-»· 'Visio Gode-

'Liber ignium' (dt.) -» Achilles Thabor [NB] 'Liber de simplici medicina' -»· 'Circa instans' 'Lichtenthaler (bairisches) Osterspiel-Fragment' II Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. Lichtenthal 30 (aus der Zisterzienserinnen-Abtei Lichtenthal in Baden-Baden), 82 rb -82 va , Ende 13. Jh., Perg. Ausgabe. F. J. , Schauspiele d. MAs I, Karlsruhe 1846, S. 36 f. (v. 146a-172).

21 fortlaufend geschriebene Verse umfassender, trümmerhafter Anfang eines lat.-dt. Osterspiels mit den drei Marien auf dem Wege zum Grabe Christi. Die drei HELGARD ULMSCHNEIDER Wegstrophen in Fünfzehnsilbern (A) unvollständig und fehlerhaft; AI und A2 zu einer Strophe zusammengezogen. A3 fehlt Lesch, Albrecht [Korr.//Nachtr.] der Schluß. Den beiden lat. Strophen folBd. 5, Sp. 731 zu 9., Überl.: "München, ... cgm gen jeweils acht dt. Vierheber, die das Lat. 911" korr.: ..., cgm 811 (= Liederbuch des Jakob nur zum geringeren Teil übersetzen. -» Kebicz [Bd. 4 u. NB]). Der Text schließt ähnlich dem ->· 'TrieSp. 732 zu 10., Überl. ergänze: -> 'St. Katharinentaler Liedersammlung' [NB] (Teil A Nr. 18 u. rer Osterspiel' — jedoch ungleich diesem 17 neue Parallelüberl. zum 'Kurzen Reihen' und zu ohne eigene Überschrift und Seitenwende dem geistlichen Lied gleichen Tons). — unmittelbar (sogar noch in derselben Zeile [8 v. u.]) an eine Marienklage an (-> Levold von Northof [Korr./Nachtr.] 'Lichtenthaler Marienklage') und bricht auf f. 82va mitten in Z. 21 ab; die restliBd. 5, Sp. 742 oben: Die Hs. Schloß Anholt (in chen Zeilen der a- und die ganze b-Spalte Isselburg), Fürstl. Salmsches Archiv, cod. 42, stammt nicht aus dem Raum Jülich, sondern aus sind leer. dem ndfrk.-ostndl. Grenzgebiet, vermutlich aus Geldern. Vgl. die detaillierte Sprachanalyse von H.-F. ROSENFELD, Mndl. Reimchroniken, Memoires de la Sociere neo-philologique de Helsinki XIII (1938) 252-397, zur Hs. S. 257-299.

Libek -* Johannes von Lübeck [NB]

L i t e r a t u r . E. WILKEN, Gesch. d. geistl. Spiele in Deutschland, 1872, S. 76; A. E. SCHÖNBACH, Über die Manenklagen, Graz 1874, S. 18; R. WIMMER, Deutsch u. Latein im Osterspiel (MTU 48), 1974, S. 47, 117 Anm. 3; BERGMANN, Spiele, 1986, S. 429 f., Nr. M 68.

HANSJÜRGEN LINKE

'Libellus de lapide philosophorum' -> 'Donum Dei' [NB]

'Liebe und Schönheit' [Korr.]

'Liber Floretus' [Korr.]

Bd. 5, Sp. 783 Überl.: "Straßburg, ÜB, cod. A 94" korr.: ..., StB, cod. A 94.

Bd. 5, Sp. 757 Überl.: "St. Paul (Kärnten), Stiftsbibl., codd. hosp. chart. 214 u. 239" korr.: ..., Stiftsarchiv, Cod. 214/4 u. Cod. 239/4.

'Liebesbriefe' (lat.) -> 'Regensburger L.'; -»· 'Tegernseer L.'

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'Liebesbriefsteller aus Köln' — Lirer, Thomas

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Im Gegensatz zum Grundstock der Chronik (cronica der alden fursten und berrn von Polen] beschränkt sich der Bd. 5, Sp. 791: Die Formulierung des Stichworts Autor der Fortsetzung zur vorendung der ist mißverständlich und sollte besser in 'Liebesalden cronica auf die Geschichte der Piagrüße' geändert werden. Die Herkunft aus Köln bezieht sich nur auf eine angenommene ursprüngli- sten-Linie Liegnitz-Brieg, deren regierenche Sammlung, die PRIEBSCH aufgrund einer regioden Fürsten er sein Werk widmet. Die Kanalen Anspielung in einem der Gedichte vermutete pitel über die anderen Linien einschließlich (ZfdPh 38 [1906] 313). Die späte Hs. selbst der polnischen Mazowier und Kujawier bis stammt jedoch aus dem dt.-ndl. Grenzgebiet zu Kazimir III. (f 1370) wurden durch den (ehem. Geldrisches Oberquartier) (Hinweis H. Übersetzer vom Ende in die Frühzeit der Tervooren). Piasten-Geschichte umgestellt (STENZEL, Vgl. -» 'Venlo-Geldernsches Hausbuch' [NB]. S. XVI), so daß die Geschichte der Lieg'Minne- nitz-Brieger Fürsten danach ein Konti'Liebesfreuden und -leiden' nuum bildete. — Nähere Untersuchungen klage' II [Erg. im NB] zur Übersetzungsweise fehlen. Die Fortsetzung rückt die Biographie der Fürsten 'Liebesklage' -» 'Die rechte Art der Minne' (Ausbildung, Reisen) und den Erbgang zwischen den Verwandten in den Mittel'Liegnitzer Chronik' ('Chronik der alten punkt, übergeht aber z. B. die Einzelheiten Fürsten und Herren von Polen') im Streit um den Status der Stadt Liegnitz und die Niederlage Herzog Johanns gegen Ü b e r l i e f e r u n g . Wroclaw (Breslau), ÜB, r v die aufständische Bürgerschaft bei Waldau B 1692, l -110 (16. Jh.); München, cgm 1225 1448. (v. J. 1564). Fragmente, 16. Jh.: Wien, cod. 8761, 'Liebesbriefsteller

aus

Köln'

[Korr./

Nachtr.]

lr-97r; Wroclaw, ÜB, IV F 122, lr-6v. Verschollen sind: Breslau, ehem. StB, M 1093 (16. Jh., danach Ausg. WÄCHTER; Abschrift dieser Hs. 18. Jh., heute: Wroclaw, Staatsarchiv, Klose 147); Liegnitz, Stadtarchiv, A 234 (16. Jh. mit weiterer Forts, bis 1610). (Ich danke Herrn Dr. Wojciech Mrozowicz, Univ. Wroclaw, für frdl. Auskünfte.)

L i t e r a t u r . Rep. font. III, 1970, S. 415 (Lit.); G. A. STENZEL, SS Rerum Silesiacarum l, Breslau 1835, S. XVI f.; L. SANTIFALLER, Liebentals Kopialbüchcr des Prämonstratenserstiftes zum Hl. Vinzenz in Breslau (MIÖG Erg.bd. XV), 1947, S. 88103; J. SCHNEIDER, Zweisprachigkeit als eine Chance der Chronisten im SpätMA, in: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa, hg. v. J. WENTA (Subsidia Historiographica I), 1999, S. 249-276, S. 270f. (Lit.).

A u s g a b e n . Dt. Forts.: F. WÄCHTER, Geschichtsschreiber Schlesiens des XV. Jh.s (SS Rerum Silesiacarum 12), 1883, S. 93-106. WidJOACHIM SCHNEIDER mungsprolog dt.: SANTIFALLER, S. 85 — 87. — Ausg. d. dt. Übers, fehlt. Ausg.n d. lat. Vorlage s. Rep. font. III, 1970, 'Die Lilie' [Korr.] S. 415. Bd. 5, Sp. 830 unten/831 oben: "In der verscholDie ca. 1385 sehr wahrscheinlich von lenen Königsberger Hs. 905 der ehem. SB u. ÜB" Peter Bitschin (Peter von Pitschen), Kano- korr.: Die Hs. ist jetzt verzeichnet in Thorn (Toniker am Brieger Hedwig-Stift verfaßte lat. run), ÜB, als Rps 7/II; dzt. nicht auffindbar. Vgl. 'Chronica principum Polonie' wurde i. J. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. 2000, S. 101-103. 1506 ins Deutsche übersetzt. (Überset- d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, Sp. 831 oben: "Bl. 22v-25r (ein Auszug von 146 zungsvermerk WÄCHTER, S. XVIII Anm. 4) Versen)" korr.: Bl. 22v-27r (ein Auszug von 266 und mit einer Fortsetzung bis 1506 verse- Versen).

hen. Übersetzung und Fortführung entstanden höchstwahrscheinlich in Liegnitz, der Hauptresidenz der Piasten-Linie von Liegnitz-Brieg, vielleicht durch einen Angehörigen des Kollegiatstifts zum Hl. Grab, worauf mehrere Bemerkungen zu Beginn der Fortsetzung hindeuten.

'Limburgischer Aiol' -» 'Aiol' [NB]

Lirer, Thomas [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 847 zu 1.: "ein Thoman Lür ..., der mit unserem Verfasser identisch sein dürfte" korr.:

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'Lob der beständigen Frauen' — 'Lorscher Arzneibuch'

Bei dem Namen Th. L. dürfte es sich um ein scherzhaftes Pseudonym handeln (vgl. GRAF, S. 81 ff.). Ebd. zu 2., Drucke: "Im Jahre 1500 veranstaltete der Straßburger Drucker Johannes Knobloch einen Nachdruck des zweiten Teils (... HAIN 4993)" korr.: Der Nachdruck HAIN 4993 stammt von Bartholomäus Kistler [1499 oder 1500]; er enthält sowohl L.s 'Schwäbische Chronik' als auch die -> 'Gmünder Chronik' [Bd. 3 u. NB], die aber nicht als 2. Teil von L.s Chronik zu bezeichnen ist (GRAF, S. 33-35). Sp. 850 zu Lit. ergänze: R. KÖHN, Der Bauernaufstand von 922 bzw. 992 in Th. L.s Schwäbischer Chronik: Fiktion, Realität und Projektion in einem Historienbuch d. 15. Jh.s, ZGO 132 NF 93 (1984) 57-105; K. GRAF, Exemplarische Geschichten. Th. L.s 'Schwäbische Chronik' und die 'Gmünder Kaiserchronik' (Forsch.n z. Gesch. d. älteren dt. Lit. 7), 1987, S. 25-157.

Liudprand von Cremona entfällt (kein dt. Autor) Livin von Wirsberg ->· 'Wirsberger Prophezeiungen' [NB] 'Lob der beständigen Frauen' [Nachtr.]

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'Lobgesang auf Maria' [Korr.] Bd. 5, Sp. 885 oben: "[Karlsruhe], LB, cod. Perg. Germ. XXXVIII" korr.: ..., cod. St. Georgen 38.

Lochner, Hans [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 897 Überl.: Die neue Signatur der Hs. (ehem. Günther, Hamburg) in Nürnberg, Germ. Nationalmus., lautet: Hs 198392 (-* 'Ansbacher Arzneibuch' [NB]).

Lodewijk van Velthem -»· Jacob van Maerlant [NB] 'Londoner Arzneibuch' -> 'latromathematisches Corpus' [NB] 'Longinussegen' -> Wund- und Blutbeschwörungen [NB] 'Lorengel' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 907 Überl.: Zur Überl. in 'Linhart Scheubels Heldenbuch' vgl. G. KORNRUMPF, Strophik im Zeitalter der Prosa, in: Lit. u. Laienbildung im SpätMA u. der Reformationszeit, hg. v. L. GRENZMANN u. K. STACKMANN, 1984, S. 316340, hier S. 322 mit Anm. 24, S. 336.

Bd. 5, Sp. 865 zu Ausg. ergänze: M. SCHIERLING, 'Das Kloster der Minne' (GAG 208), 1980, 'Lorscher Arzneibuch' Anhang, S. 205-210.

'Lob der guten Fut' [Korr.] Bd. 5, Sp. 869 f.: "Bozen, Hauptstaatsarchiv, -> 'Sterzinger Miszellaneenhs.'" korr.: Die Hs. befindet sich wieder in Sterzing (Vipiteno), Stadtarch.

Lobenzweig, Hans, von Riedlingen [Korr./ Nachtr.] Bd. 5, Sp. 882 oben: "Übersetzung einer anonymen 'Expositio somniorum' (Paris, Bibl. Nationale, Ms. 16610 ...)" ergänze: ... Es handelt sich bei der Vorlage um den 'Liber thesauri occulti' des -> Paschalis von Rom (nach der Hs. Paris, Bibl. nationale, Ms. lat. [sie!] 16610 hg. v. S. COLLINROSET, Le liber thesauri occulti de Pascalis Romanus, Archives d'histoire doctrinale et litteraire du Moyen Äge 30 [1963] 111-198, Text S. 141 ff.); vgl. dazu -> Traumbücher, I. (Sp. 1016 f.) u. U.E. (mit weiterer Lit.).

Lat. medizinisches Kompendium des späten 8. Jh.s. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, SB, Msc. med. l (olim L III 8), um 788, Lorsch. A u s g a b e n . U. STOLL, Das 'L. A.'. Ein med. Kompendium d. 8. Jh.s (Codex Bambergensis medicinalis 1). Text, Übers, u. Fachglossar (Sudhoffs Arch., Beihefte, H. 28), 1992; G. KEIL, Das L. A. I: Faks., II: Übers, (zusammen mit U. STOLL, A. OHLMEYER), 1989. Einzelne Texte: K. SUDHOFF, Eine Verteidigung d. Heilkunde aus d. Zeiten d. Mönchsmedizin, Sudhoffs Arch. 7 (1914) 223-237 u. 362 [nur l r 5r]; ders., Die Verse Isidors von Sevilla auf d. Schrank d. med. Werke seiner Bibliothek, Mitt. z. Gesch. d. Med. u. Naturwiss. 15 (1916) 200-204 [nur 5r].

2. Datierung, Lokalisierung. Angelegt um 788 (KEIL / SCHNITZER, 1991, S. 14—16) und anscheinend von Richbödö, dem vierten Abt von Lorsch, als

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'Lorscher Arzneibuch'

programmatisches Werk konzipiert sowie teilweise auch verfaßt (KEIL, 1993, S. 113 f.), läßt sich das 'L. A.' aufgrund der Mundart vereinzelter Glossen nach Rheinfranken (STOLL/KEIL) und anhand des Schreibstils nach Lorsch lokalisieren (BiSCHOFF [1989]). Das häufige Zitieren der -> 'Benediktinerregel' sowie der wiederholte Rückgriff auf das 2. Buch der 'Dialogi' ->· Gregors des Großen weisen den Autor als Benediktiner aus, der — wie ein Hinweis auf Caelius Aurelianus deutlich macht — mit dem Buchbestand der Reichsabtei Lorsch bestens vertraut war und sich darüber hinaus als hervorragender Kenner der 'Göttlichen Bücher' zu erkennen gibt (Bibel, Patristik und Hagiographie). 3. Aufbau. (a) Den Kern des Werkes machen fünf capitulationes (17 V —70 V ) aus, die — von detaillierten Inhaltsverzeichnissen erschlossen — überwiegend pharmazeutisch ausgerichtet sind, beiderlei Rezepttypen berücksichtigen (Antidot- sowie Kopfmarken-Rezepte) und in ihre Materia medica Kleinschrifttum unterschiedlicher medizinischer Gattungen einbeziehen (Tabelle der Arzneigewichte [23r], Kurztraktat über Medizinalgewichte und -maße [54rv], Drogenaustauschliste 'antemballomena' [8V], halbalphabetisches Kräuterglossar [15r—17r], Galenik einfacher Arzneistoffe [54 V —55 r ], Gewürzpharmakographien [54rv]; KEIL, 1989, II, S. 9 f.), wobei die Anordnung nach der Arzneiform mit der indikationsbezogenen Reihung 'a capite ad calcem' konkurriert. — (b) Den 'capitulationes' voraus gehen Kurztexte zu einer Heilkunde im Jahresrhythmus bzw. im Einklang mit den Monaten (8 r ) (->· 'Verworfene Tage' ['Dies aegyptiaci'], 'Pariser Verworfene Tage', teils aus Krankheitsspeziallunar entlehnt, lütertranc; Monats-Regeln; 'Vier-Jahreszeiten-Trank'). Diesen biorhythmischen Texten vorangestellt sind (c) zwei eisagogische Schriften, von denen die 'Initia medicinae' (6r) mit einer Kurzfassung des hippokratischen Eides beginnen und mit einem Überblick über die Geschichte der Medizin, die medizinischen Fächer und die Anatomie enden, während

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die 'Problemata Aristotelis' (6 V -7 V ) im Frage- und Antwort-Stil eine Einführung in die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Medizin versuchen: ihre einseitig pneumatische Darstellung wird durch einen humoralpathologischen Nachtrag aus dem 'Pentadius-Brief des -» Vindicianus korrigiert. — (d) Den Abschluß des Werkes bildet die Nahrungsmittellehre von -» Anthimus [NB] (72r-75r). - (e) Diesen für die damalige Zeit umfassenden Textbestand, der (wenngleich rudimentär) sogar die Chirurgie einbezieht, hat der Autor durch zwei programmatische Schriften eingeleitet, von denen die 'Defensio artis medicinae' (l r —5 r ) eine Rechtfertigung der Heilkunde versucht, während die (von ->· Isidor [NB] abhängigen) Kosmas-und-Damian-Verse (5r) medizinalpolitisch ausgerichtet sind, für Autarkie und Kostendämpfung auf dem Arzneimittelsektor eintreten und eine gleich gute medizinische Versorgung für jedermann im Reich propagieren. 4. Zum Inhalt. Von teilweise hochinnovativen Inhalten therapeutischer Versorgung hat insbesondere der Antibiotika-Einsatz bei infizierten Wunden Beachtung gefunden (Penicillin, 31V; KEIL, 1989, S. 14*) und die äußerliche Verwendung von Herzglykosiden bei orthostatischen Ödemen Aufmerksamkeit auf sich gelenkt (Scillaren; KEIL, 1989). Von größerer Bedeutung waren die medizinalpolitischen Konzepte, und die 'Rechtfertigung der Heilkunde' gewann der Medizin jenen Autonomieraum zurück, den sie für ihren Neuanfang im HochMA benötigte. Sie tut dies nicht etwa durch Negieren der christlicherseits vorgebrachten Ursachen-Kategorien — Krankheit als Strafe oder als Prüfung Gottes —, sondern dadurch, daß sie den beiden transzendentalen Kategorien eine dritte immanent zugesellt: nämlich jene der beiläufigen oder Bagatell-Krankheiten, deren Bekanntsein der Autor anhand der sacrae scripturae belegt und deren Therapiewürdigkeit er mit zahlreichen Behandlungsbeispielen biblischer und hagiographischer Schriften beweist. Diesen Bereich nicht göttlicherseits verfügter Erkrankungen macht die 'Defen-

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'Losbuch' (gereimt) II

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Lychnos (1950/51) 104-136, bes. S. 105 [m. Erstabdruck d. Monatsregeln]; L. C. MAcKiNNEY, Medical Ethics and Etiquette in the Early Middle Age: the Persistence of Hippocratic Ideals, Bulletin of the History of Medicine 26 (1952) 1-31, hier S. 5 f. [m. auszugsweiser engl. Übers, d. 'Verteidigung']; W. WIEDEMANN, Unters, zu dem frühmal. Briefbuch d. Codex Bruxellensis 3701 — 15, Diss. FU Berlin 1976, S. 150 f., 153, 162, 179 f., 183, 209f.; F. KNÖPF, Biographien von Äbten: [2.:] Richbod, (Erz-)Bischof v. Trier, in: ders. (Hg.), Die Reichsabtei Lorsch. Fs. zum Gedenken an ihre Stiftung 764, I-II, 1973, hier I, S. 247-251; B. BISCHOFF, Lorsch im Spiegel seiner Hss., in: ebd., II, S. 7—128; dass. [selbständig] (Geschichtsbll.f. den Kreis Bergstr., Sonderbd. 10), 1989, hier S. 32 f., 102; W. LIZALEK, Heilkundliche Rezepte aus d. 5. Historisches Umfeld. Lorscher Klosterbibl., in: F. KNÖPP (Hg.), Beitr. zur Um 791/92 als (Erz-)Bischof von Trier Gesch. d. Klosters Lorsch (Geschichtsbll. f. d. inthronisiert und vorher schon eng mit -» Kreis Bergstr., Sonderbd. 4), 1978, 21980, S. 253Alkuin verbunden, konnte Richbod seinen 264; U. STOLL/G. KEIL, Ahd. uuizebluomen. Eine Einfluß auf die Hofakademie ab den späten zweite Bestätigung v. Sudhoffs Lokalisierung d. 80er Jahren verstärken und damit seinem 'Bamberger Kodex', ZfdA 117 (1988) 274-277; medizinalpolitischen Konzept bei höchsten Das L. A. Klostermedizin in d. Karolingerzeit. u. Beiträge, hg. v. A. u. KH. Entscheidungsträgern Geltung verschaffen: Ausgewählte Texte 2 Die Reichsdomänenordnung von 792/93 — PLATTE, 1989, 1990; U. STOLL/B. MÜLLER, Alte das 'Capitulare de villis' — verrät bereits Rezepte modern betrachtet: Ein Versuch z. Beurteilung frühmal. Pharmakotherapie aus heutiger seine Handschrift, und die auf pharmazeu- Sicht, Gesch. d. Pharmazie 42 (1990) 33n-40c; G. tische Autarkie zielenden Regularien für KEIL/P. SCHNITZER (Hgg.), Das L. A. u. die frühReichsfronhofverwalter, denen das Anlegen mal. Medizin. Verhandlungen d. med.hist. Sympoeines Kräutergartens zur Aufgabe gemacht siums ... 1989 in Lorsch (Geschichtsbll. f. d. Kreis wird, spiegeln das Lorscher Reformpro- Bergstr., Sonderbd. 12), 1991; K. BERGDOLT, Die gramm ebenso wider wie die 'Brevium Kritik am Arzt im MA — Beispiele u. Tendenzen exempla' bzw. die 'Statuta' Adalhards von vom 6. bis zum 12. Jh., Gesnerus 48 (1991) 43Corbie (um 800; 812), wie der idealtypi- 64, hier S. 47-50, 59; G. KEIL, Klostermedizin im sche Klosterplan von der Reichenau frühen MA, dokumentiert am 'L. A.' von etwa 790, in: B. K. VOLLMANN (Hg.), Geistliche Aspekte (St. Galler Klosterplan, 820) oder das mal. Naturlehre. Symposion (in Eichstätt) 1990 'Hortulus'-Gedicht -» Walahfrid Strabos (Wissenslit. im MA 15), 1993, S. 11-25, 112-116; (nach 838). Der Neubeginn abendländi- A. ÖNNERFORS, Sprachliche Bemerkungen zum scher Heilkunde, der gegen 1000 unüber- sog. L. A., in: M. ILIESCU/M. MARXGUT (Hgg.), sehbar sich abzuzeichnen beginnt und in Latin vulgaire — latin tardif, III (Actes du IIIeme der Salerner Hochschule genauso zum Aus- Colloque intern, sur le latin vulgaire et tardif), Tüdruck kommt wie im dreistufig sich entfal- bingen 1992, S. 255 — 281; U. STOLL, Traditional tenden -*· 'Macer'-Kräuterbuch Odos von Latin Medicine in the Carolingian Era, Forum. Meung, hat seinen Ursprung in karolingi- Trends in Experience and Clinical Medicine 6 (1996) 439-449.

sio' nun zum Aufgabengebiet der Ärzte und motiviert sie von der Caritas aus. Auch jene von Gott als Strafe oder Prüfung gesandten Erkrankungen schließt sie darin ein, weil diese einerseits diagnostisch schwer ausgrenzbar sind, anderseits aber auch von christlicher Liebestätigkeit her sich als behandelbar erweisen. — Das Lesen heidnischer Fachtexte wird aus diesem Argumentationszusammenhang heraus empfohlen; halte die medizinische Fachliteratur der Antike doch 'Gold' bereit sowohl für den therapeutisch handelnden wie für den karitativ tätigen Arzt.

scher Zeit, und die theoretischen Voraussetzungen, von denen er ausgeht, zeigen sich erstmals in der Lorscher Medizinalreform, die sich im 'L. A.' dokumentiert.

'Losbuch' (gereimt) II

L i t e r a t u r (Auswahl). E. HIRSCHFELD, Deontologische Texte d. frühen MAs, Sudhoffs Arch. 20 (1928) 353-371, bes. S. 360f.; E. FARBER, Mal. Kritik am Arzte, Diss. Bonn 1950 [masch.], S. 16, 19-21; G. Eis, Meister Alexanders Monatsregeln,

Ü b e r l i e f e r u n g . Hss.: Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs7032, l r -55 r (Wien, 3. Viertel 15. Jh., Schreiber: Procopius de Crumlovia studens Wiennensis); München, cgm 472, l r —55 r (nordbair., 4. Viertel 15. Jh., seitengleich mit der Nürn-

G. KEIL/ALBERT OHLMEYER OSB f

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'Lübecker Ratschronik von 1401 — 1482' — 'Lübisches Recht'

berger Hs.); Heidelberg, cpg 552, —40 V (Grünsfeld 1492, Schreiber: Heinrich Meise von Würzburg für Graf Asmus von Wertheim); frgm. in München, cgm 252, 129r-137r (Augsburg 1475, Schreiber Konrad -> Bollstatter; enthält nur die gereimten Lossprüche). — Druck: Bearbeitete Fassung des Augsburger Schulmeisters Bernhardt Heupoldt Ein künstlich lustig und sehr kurtzweylig loßbüchlin, Frankfurt/M. 1595. - Unediert.

Gemeinsamkeiten des dt. Losbuchs in Aufbau und Inhalt der Fragen mit dem lat. Losbuch König Wenzels (Wien, cod. 2352, 83r-95r) stellte BOLTE, S. 317, fest, auch die teilweise lat. Beschriftungen weisen auf eine lat. Vorlage; von Wien scheint die Überlieferung ihren Ausgang genommen zu haben. Der Schreiber der jüngeren Heidelberger Hs. Heinrich Meise kommt jedenfalls nicht als Verfasser in Frage, wie irrtümlich von SUDHOF und BROD angenommen. Mit dem Losbuch lassen sich 24 Fragen zu allgemein menschlichen Problemen beantworten. Der eigentliche Losmechanismus, ein drehbarer Zeiger an einer in 12 Sektoren geteilten Scheibe im Vorderdekkel, ist in keiner der Hss. erhalten geblieben. Man ermittelte damit einen der 12 Apostelnamen, der zusammen mit der Buchstabenkombination der betreffenden Frage zu einem von 24 je zwölfgeteilten Ringen führte, die in ihren Sektoren Pflanzen-, Tier-, Edelstein-, Fluß-, Städte-, Planeten- u. a. Namen enthalten. Der dort aufgefundene Apostelname verweist auf 12 X 12 Vierzeiler, die in einfacher, vielfach stereotyper Formulierung Antworten auf die gestellten Fragen erteilen. L i t e r a t u r . J. D. F. SOTZMANN, Die Loosbücher d. MAs, Serapeum 12 (1851) 312-315; J. BOLTE (Hg.), G. Wickrams Werke 4 (StLV 230), 1903, S. 315-317 (Losbuch E); S. SUDHOF, in: ] VL V, Sp. 674 f.; G. Eis, Wahrsagetexte d. SpätMAs (TspMA 1), 1956, S. 11; W M . BROD, Fränkische Schreibmeister u. Schriftkünstler (Mainfrk. Hefte 51), 1968, S. 17 f. u. Abb. 2; L. KURRAS, Die dt. mal. Hss. (Kataloge des Germ. Nationalmuseums Nürnberg 1,2), 1980, S. 32 f.; H. EHMER, Graf Asmus v. Wertheim (1453?-1509), Beitr. z. Erforschung d. Odenwaldes u. seiner Randlandschaften 5 (1992) 151-184, hier S. 160-163, Anm. 62-66, Abb. 9-12.

KARIN SCHNEIDER

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Losbücher [ergänze Verweise:] ->· auch Ortenburger Losbuch'; -> 'Würfelbuch für Liebende'; -> 'Geistliches Würfelbuch' [NB] Lübeck -» auch Johannes von L. [NB] 'Lübecker Ratschronik von 1401-1482' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 933 zu Abschnitt l ergänze: Zu einem ins Lat. übersetzten Auszug des 1. Teils der Chronik vgl. -» Christian von Geren [NB].

'Lübecker Totentänze' [Nachtr./Korr.] Bd. 5, Sp. 935 zu L, Überl. ergänze: Vgl. auch -» 'Revaler Totentanz'. Sp. 936 Mitte: "-+ 'Würzburger Totentanz'" korr.: -» Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz' [NB] (mit weiterer Lit.). Sp. 938 zu Lit. ergänze: E. KOLLER, Totentanz. Versuch einer Textembeschreibung, Innsbruck 1980,5.543-548.

'Lübisches Recht' 'L. R.' bezeichnet das im 12. Jh. in Lübeck entstandene Stadtrecht, das — anders als das nur innerhalb der Stadt geltende 'lübeckische Recht' — in Lübeck selbst und in den ca. 100 Städten des lübischen Rechtskreises gegolten hat, sowie dessen spätere Ergänzungen durch Rechtsweisungen und Entscheidungen des Lübekker Rats. Das 'L. R.' ist neben dem -* 'Magdeburger Recht' [NB] das wichtigste dt. Stadtrecht des MAs, das in Teilen noch bis ins 20. Jh. Gültigkeit besaß. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Eine neue Zusammenstellung der Hss., die die Archivlage von 1945 und besonders seit 1989 berücksichtigt, fehlt. Daher muß weiter auf die Übersicht bei EBEL, 1971, S. 194—211 verwiesen werden. Zu Hss., wo 'L. R.' zusammen mit anderen Rechtstexten erscheint, vgl. OPPITZ, Bd. II, Nrn. 229, 261, 283, 361, 374378, 478, 480, 481, 485, 670 a, 845, 846, 848, 931, 1259, 1296, 1311, 1421, 1454, 1459, 1466, 1471, 1533. Im folgenden werden nur die wichtigsten erhaltenen Hss. aufgelistet. Wo moderne Archivangaben fehlen, konnte der Verbleib nicht ermittelt werden. a. Lat. Hss. (vgl. EBEL, 1971, S. 201-202): Lübisches Fragment: ca. 1230—1240, urspr. Lübeck,

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'Lübisches Recht'

verschollen, Fotoband im Arch. d. Hansestadt Lübeck A 3/1; Breslau-Krakauer Hss.-Gruppe: um/ nach 1241, Krakau, Uniw. Bibl. Jagiellonska, cod. 169; Tondernsche Hs.: 1243, Kopenhagen, Kgl. Bibl., Slg. Thott 2061 4°; Memeler Hs.: 1254, urspr. Königsberg; -> 'Revaler Rechtsbuch': 1257, Tallinn (Reval), Stadtarch., Bestand 230, Cm 5; Danziger Hs.: 1263, Göttingen, SB u. ÜB, 8° Cod. Ms. jurid. 807 Cim.; Tristes Reliquiae (lat.-dt.): 13. Jh., urspr. Lübeck, StB, Ms. Lub. 2° 583, verschollen.

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S. 215-232. (Tondernsche Hs.); F. EBEL u. R. SCHELLING, Das lat. lübische Recht in der schlesisch-polnischen Fassung des 13. Jh.s, ZRG German. Abt. 110 (1993) 93-148 (Krakauer Hs.); F. EBEL, Eine bislang unbekannte Hs. des lübischen Rechts, Zs. d. Ver. f. Lübeckische Gesch. u. Altertumskunde 77 (1997) 226-231 (Belgarder Hs.); Der Revaler Kodex des lübischen Rechts 1282. Transkription u. Übers, ins Estnische v. TUNA KALA, Tallinn 1998, S. 119-171 ('Revaler Rechtsbuch', mnd.).

2. Herkunft/Entstehung. Entstehungsdatum und Herkunft des 'L. R.s' bleiben letztlich unklar. Die frühesten Erwähnungen des Begriffs 'L. R.' in der Gründungsurkunde des Grafen Adolf III. für Hamburg-Neustadt von 1188 (Hambg. Urkb. I, Nr. 285) und 1218 in einem Privileg für Rostock, in dem den Rostockern das dort geltende ius Lubicense bestätigt wird (Mecklenb. Urkb. I, Nr. 244), zeigen, daß am Ende des 12. Jh.s der Begriff 'L. R.' einen festen und bekannten Rechtsinhalt bezeichnete. Die von -* Arnold von Lübeck erwähnte Vorbildfunktion des Soester Rechts (iustitiae secundum jura Sosatiae) beschränkt sich auf einen allgemeinen Einfluß, der durch den großen Anteil westfälischer Siedler in Lübeck zu erklären ist. Hinweise auf eine direkte Übertragung des erst im 13. Jh. kodifizierten Soester Rechts (oder des Kölner Rechts), wie sie die ältere A u s g a b e n . J. F. HACH, Das alte Lübische Forschung angenommen hatte, gibt es Recht, Lübeck 1839 (Nachdr. 1969), S. 185-216, 246—376 (Danziger Hs. und Bardewikscher Konicht. Statt dessen enthält das 'L. R.' nedex); Urkb. der Stadt Lübeck, Bd. l, Lübeck 1843, ben wenigen Übereinstimmungen mit dem Nr. 32 (Lübisches Frgm.); G. F. VON BUNGE, Die Soester Recht (Vorsate) Elemente des holQuellen des Revaler Stadtrechts I, Dorpat 1844, steinischen Landrechts und des SchleswiS. 1-39 u. 40-71 ('Revaler Rechtsbuch', lat. und ger Stadtrechts (Seerecht). mnd.); H. RIEMANN, Gesch. der Stadt Colberg, Zu diesen allgemeinen Rechtstraditio1873, S. II, Beilagen S. 100, 104 f. (Kolberger Konen treten die sog. 'lübischen Freiheiten', dex); F. FRENSDORFF, Tristes Reliquiae, Hansische d. h. die Zoll-, Handels- und anderen PriGesch.bll. 8 (1879) 33-48 (Tristes Reliquiae); L. vilegien der Stadt Lübeck, die in dem um ANDRESEN, Acta Tuderensia, Zs. f. Schleswig-Hol1225 gefälschten Diplom Friedrich Barbasteinische Gesch. 38 (1908) 355-402 (nd. Übers, rossas (MGH DD F I, Nr. 981) und in der der Tondernschen Hs. aus dem 16. Jh.); A. METHBestätigung durch Friedrich II. von 1226 NER, Altpreuß. Forschungen 10 (1933) 262~298 (Memeler Hs.); ders., Die älteste dt. Hs. des Lübiformuliert sind (vgl. WALTHER). Ergänzt schen Rechts für Elbing, Elbinger Jb. 14 (1937) wurde dieser ursprüngliche Kern des 59-110 (Elbinger Kodex); G. KORLEN, Norddt. 'L. R.s' durch Rechtsweisungen und Stadtrechte II — Das mnd. Stadtrecht von Lübeck Rechtsbelehrungen, die vom Lübecker Rat nach seinen ältesten Formen (Lunder Germ. an die Tochterstädte versandt wurden. b. Mnd. amtliche Hss. (vgl. EBEL, 1971, S. 202-206 u. KORLEN, S. 11-25): Elbinger Kodex: älteste mnd. Fassung, wahrscheinlich kurz vor 1282, urspr. Elbing, Stadtarchiv, jetzt Danzig, Wojewodzkie Archiwum Panstwowe, APG 369, l/l; Lübecker Kanzleikodex: dt. Hauptkodex, 1270— 1350, Kiel, Stadtarchiv, unsigniert; -> 'Revaler Rechtsbuch': 1282, Tallinn (Reval), Stadtarch., Bestand 230, Cm 6; Bardewikscher Kodex (->· Albrecht von Bardewik): 1294, Lübeck, Arch. d. Hansestadt Lübeck, Hs. 753; Kopenhagener, ehemals Kieler Ratskodex: wahrscheinlich vor 1294, Kopenhagen, Kgl. Bibl., Slg. Thott 1003 4°; Kolberger Kodex: 1297, urspr. Kolberg, Ratsarchiv, verschollen, Fotoband im Arch. d. Hansestadt Lübeck B 15; Tidemann-Güstrowscher Kodex: 1348, Kopenhagen, Kgl. Bibl., Ledreborg 13-2°; Oldenburger Kodex: um 1400 (evtl. früher), Schleswig, Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv, 400.3 Oldenburg Nr. 5; Belgarder Hs.: 15. Jh., Stettin, Staatsarch., unsign.

Forsch.n23), 1951, S. 83-158, 170-188 (Lübekker Kanzleikodex und Oldenburger Kodex); Danmarks gamle Kabstadtlovgivning, Bd. I, hg. v. E. KROMAN u. P. J0RGENSEN, Kopenhagen 1951,

3. Textentwicklung. Diese Grundbedingungen haben sich auch in der Überlieferungsgeschichte nie-

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'Lübisches Recht'

dergeschlagen: Die lat. Überlieferung setzt mit der Reichsunmittelbarkeit Lübecks 1226 ein (Lübisches Fragment von 1230/ 40) und weist einen relativ einheitlichen Textbestand sowohl in Artikelzahl (ca. 90 Artikel) als auch -abfolge auf. Diese älteste Gruppe, die zu den vom Rat der Stadt Lübeck genehmigten Hss. zählt, endet im dritten Viertel des 13. Jh.s (Danziger Hs., 1263). Die mnd. Fassungen beginnen im letzten Drittel des 13. Jh.s (Elbinger Kodex vor 1282 und Lübecker Kanzleikodex 1270—1350) und laufen möglicherweise eine gewisse Zeit parallel mit den lat. Texten. Anders als die lat. Überlieferung weisen die mnd. Hss. eine starke Erweiterung des ursprünglichen Textbestandes (161 bis 257 Artikel) auf. Da keinerlei Übereinstimmung in der Artikelabfolge mit den lat. Hss. festzustellen ist, handelt es sich nicht um Übersetzungen. In der Mitte des 14. Jh.s enden die zusammengehörenden, auf amtliche Texte zurückgehenden Hss. (Tidemann-Güstrowscher Kodex und Oldenburger Kodex); danach beginnen die privaten, mehr oder weniger willkürlich zusammengestellten Hss. Als Produktionsort dieser späten Abschriften tritt vor allem das Lübecker Burgkloster hervor. Aus dem 15. Jh. stammen zunehmend Rechtsbücher, die 'L. R.' zusammen mit hamburgischem ('Hamburg-lübisches Rechtsbuch', Hamburg, Staatsarch., Handschr. Sammlung Nr. 507 [OriTZ, Nr. 670a]), dann auch mit römischem und sächsischem Recht enthalten. Diese Entwicklung beleuchtet das veränderte Nutzungsinteresse der privaten Besitzer, neben dem eigenen Recht auch über das Recht ihrer Handelspartner informiert zu sein. Eine Spätphase der Überlieferung stellen verschiedene zum Teil bereits gedruckte Hss. des 16. Jh.s dar, in denen 'L. R.' mit anderen fremden Rechtssätzen, vor allem hamburgischem Recht, vermischt erscheint. Wirkung besaßen diese Hss. vor allem durch ihren Einfluß auf das 1586 gedruckte 'Revidierte Lübeckische Stadtrecht', das aus diesem Grund verschiedene Artikel des hamburgischen Rechts enthält. Die Reform des 'L. R.s' im 16. Jh. wurde notwen-

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dig durch die vielen stark voneinander abweichenden Rechtshss., die zu einer zunehmenden Rechtsunsicherheit geführt hatten. Im 17. —18. Jh. war das 'L. R.' Gegenstand einer umfangreichen Kommentarliteratur (Jurisprudentia Lubecensis), bis es schließlich im 19. Jh. seine Gültigkeit verlor. 4. Inhalt. Das 'L. R.' ist in erster Linie das Recht einer Kaufmannsstadt, das vor allem die Belange des Handels, des See- und Schiffsverkehrs behandelt. Anders als das 'Magdeburger Recht' kennt das 'L. R.' kein Landrecht. Sein Kennzeichen ist die starke Stellung des Rates, der die rechtsetzende Gewalt und die oberste Gerichtsbarkeit innehatte. Der Rat, der durch Kooptation auf Lebenszeit ergänzt wurde (Ratswahl jährlich am 22. Februar}, beschränkte sich auf die Schicht der Fernkaufleute und Händler. Handwerker und Kleinhändler galten bis in die Neuzeit als nicht ratsfähig. Im materiellen Recht trugen besonders das Grundpfandrecht und das Erb- und Ehegüterrecht — z. B. durch das seit dem 14. Jh. geltende Prinzip der Gütergemeinschaft (Verfügungsgewalt des Ehemannes über die Mitgift) — dem Rechtsleben einer Kaufmannsstadt Rechnung. Besonders herauszuheben ist das im 'L. R.' stark ausdifferenzierte Schuld- und Konkursrecht und der Einfluß auf das gesamthansische Seerecht. 5. Verbreitung. Während der Magdeburger Rechtskreis vor allem Städte der binnenländischen Ostsiedlung umfaßte, breitete sich das 'L. R.' entlang der südlichen Ostseeküste bis ins estländische Narwa aus. Hamburg, das bis 1270 'L. R.' besaß, folgten die Städte in Holstein (Kiel 1232) und Lauenburg (ausgenommen Schleswig), in Mecklenburg (Rostock 1218, Wismar 1226), Pommern (Stralsund 1234, Greifswald 1250, Kolberg 1255), Preußen (Elbing 1246) und Estland (Reval 1248, Narwa 1345). Ausgenommen waren das Gebiet des livländischen Schwertbrüderordens (Recht von Riga) und das Gebiet des Deutschen Ordens, in dem das 'Magdeburger Recht' galt. Auch die Städte Stettin, Dan-

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Ludolf von Hildesheim — Ludolf von Sudheim

zig, Königsberg, Riga und Memel übernahmen letztendlich nicht das 'L. R.', sondern folgten Magdeburger bzw. Kulmer Recht, während Schwerin mit seinen Tochtergründungen eigenes Recht besaß. Der Bedeutung Lübecks als Hansestadt entsprechend dominierte 'L. R.' in den hansischen Kontoren von Bergen und Nowgorod und in den schonischen Messeplätzen Skan0r und Falsterbo. Einflüsse des 'L. R.s' sind in verschiedenen skandinavischen Stadtrechten zu finden, so in Wisby (-»· 'Visbysches Stadtrecht'), Ripen und Stockholm. Träger dieser Ausbreitung waren sowohl lübische Familien, die in den neu gegründeten bzw. aufgebauten Städten ansässig wurden, als auch die jeweiligen Stadt- und Landesherren, die die Übernahme des 'L. R.s' unterstützten. 6. Organisation. Wichtig für die innere Struktur des Rechtskreises war die Funktion Lübecks als Appellations- und Rechtweisungsinstanz. Nachdem in der Frühzeit noch ein mehrstufiges Oberhofsystem existierte (Greifswald als Oberhof für Kolberg, Kammin und Usedom), waren im Laufe des 14. Jh.s fast alle Städte auf Lübeck und den dortigen Oberhof ausgerichtet. Eine Ausnahme bildete Narwa, das aufgrund der weiten Entfernung nach Reval als Oberhof schickte. Die Rechtsweisungen Lübecks, die verbindlichen Charakter besaßen, führten zu zahlreichen Ergänzungen und Erweiterungen, die sich in den unterschiedlichen Fassungen des 'L. R.s' niederschlugen.

49-74; H. P. GLÖCKNER, Bürgerliches Recht u. Handelsrecht im Ostseeraum zu Zeiten d. Lübischen Stadtrechts, in: W. DRECHSLER (Hg.), Die selbstverwaltete Gemeinde. Beitr. zu ihrer Vergangenheit, Gegenwart u. Zukunft in Estland, Deutschland u. Europa (Schr.n z. Öffentlichen Recht 784), 1999, S. 19-49.

ANGELIKA LAMPEN Ludolf von Hildesheim [Korr.] Bd. 5, Sp. 963 Überl.: "Prag, ÜB, cod. Lobk. 571f" korr.: ..., Tschech. Nationalbibl. (Narodni Knihovna), XXIII G 70 (olim Lobk. 571f).

Ludolf von Sachsen [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 973 Mitte: "Karlsruhe, Bad. LB, cod. pap. germ. 67" korr.: ..., cod. St. Georgen 67. Sp. 974 zu C., Überl.: "Cambridge, Fitzwilliam Mus., cod. 6 G 8" korr.: ..., MS. 25 (olim 6.G.8). Ebd. ergänze (vor "Druck:"): Zu einer alem. Umsetzung des ndl. 'Leven van Jezus' vgl. Elisabeth -»· Kempf [Bd. 4 u. NB]. Sp. 975, petit-Abschnitt vor 3.: "WiEUMiERSCHALIJ" korr.: WILLEUMIER-SCHALIJ. Ebd. zur Kritik an BAIER ergänze: G. HENDRIX, Refutatie inzake de relatie Michael de Massa / Ludolf von Saksen, OGE 59 (1985) 17-26. BAIERS These, nach der die lat. Vorlage des ndl. sog. 'Bonaventura-Ludolphianischen Leven van Jezus', die 'Vita Christi' -+ Michaels de Massa (?), älter sei als Ludolfs 'Vita Jesu Christi' und das Abhängigkeitsverhältnis daher umgekehrt sei, wurde von GEITH wiederaufgegriffen und weitergeführt. Demnach wäre auch die Bezeichnung 'Bonaventura-Ludolphianisches L. v. J.' unzutreffend. Vgl. zuletzt K.-E. GEITH, Lat. u. dt.sprachige Leben Jesu-Texte, Jb. d. Oswald von WolkensteinGes. 12 (2000) 273-289 (mit weiterer Lit.). Zu einer weiteren (obd.) Übers, der fraglichen 'Vita Christi' vgl. auch -» Michael de Massa [Erg. im NB]·

L i t e r a t u r . W. EBEL, Lübisches Recht, I, 1971 (Lit.); ders., Art. Lübisches Recht, in: Hwb. z. dt. Rechtsgesch. III, 1984, Sp. 77-84; ders., Jurisprudentia Lubecensis. Bibliographie des lübischen Ludolf von Sagan [Korr.] Rechts (Veröff. zur Gesch. der Hansestadt Lübeck), 1980; H. G. WALTHER, Kaiser Friedrich BarBd. 5, Sp. 981 zu 5., Überl.: "Wroclaw (Bresbarossas Urk. für Lübeck vom 19. September lau), ÜB, cod. IF 715, 245V-349V" korr.: ..., 1188, Zs. d. Ver. f. Lübeckische Gesch. u. 345V-349V (vgl. Sp. 980 zu 4., Überl.!). Altertumskunde 69 (1989) 11-48; OPPITZ, Rechtsbücher; L. WEYE, Art. Lübisches Recht, in: Lexikon d. MAs V, 1991, Sp. 2150-2151; J. HARDER, Ludolf von Sudheim [Korr.] Die Revision des lübischen Rechts in den Jahren 1579 — 1587 und die Mission des Bürgermeisters Bd. 5, Sp. 985 oben, Überl.: "Erfurt, Wiss. Bibl., Schabbelt aus Wismar im Juni 1585, Zs. d. Ver. f. cod. Amplon. 393" korr.: ..., Stadt- u. RegionalLübeckische Gesch. u. Altertumskunde 77 (1997) bibl., CA 4° 393.

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'Ludwig IX.' — (Pseudo-)Lull, Raimund

'Ludwig IX. (frz. König)'

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Ludwig von Eyb d. J. zum Hartenstein [Korr.]

Deutsche Legenden. Bd. 5, Sp. 1009 f. zu 3.: "Wilwolt von SchaumWegen seines gewissenhaft-christlichen Regiments, seines karitativen Engagements berg" bzw. "Schaumburg" korr.: Gemeint ist jeweils das fränkische Adelsgeschlecht von Schaumund seiner asketischen Lebensführung berg. wurde L. (1214-1270) 1297 heilig gesprochen. Die vier lat. Viten des Königs von Gottfried von Beaulieu (1272/73), Wilhelm 'Ludwigs von Greiffenstein Pilgerfahrt' von Chartres (1276/82), Wilhelm von [Korr.] Saint-Pathus (nach 1297) und Johannes Bd. 5, Sp. 1015 unten: "... in der Gesellschaft von Joinville (1298/1309) wurden in dt. des -> Boguslav von Lobkowitz und Hassistein" Sprache nur wenig rezipiert. WILLIAMS- korr.: ... in der Gesellschaft des Johannes von LobKRAPP führt außer den Fassungen in -> kowitz (vgl. dazu den Korrekturnachtrag unter -> Boguslav!). 'Der Heiligen Leben' und ->· 'Der Heiligen Leben, Redaktion' noch eine ndl. (Nr. 2) und vier dt. Versionen an (Nrn. l, 3, 4 u. 5). Ludwig V., Pfalzgraf bei Rhein [Korr.] Mehrfach — im Mosel- und NiederBd. 5, Sp. 1023 Z. 16/15 von unten: "des -» rheingebiet — überliefert ist nur Nr. 3. 'Astronomischen Lehrbüchleins' (Nachtragsbd.)" Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 1687, 60vb-65vb; Paris, Bibl. nat., ms. allem. 35, 195va-202vb; Wien, cod. 13655, 158r-167v; ferner Frankfurt/M., StB, Privatbibl. Dr. Franz Schulz, o. Sign., 61 r —65 r .

Nr. 4 findet sich in einem elsässischen Legendär, 2. Hälfte d. 15. Jh.s, aus dem Kloster St. Nicolaus in undis in Straßburg (Berlin, mgq 190, 38r-45v); Nr. 5 im Druck der 'Südmndl. Legenda aurea' (-» Jacobus a Voragine, V. 2.; -»· Bijbelvertaler van 1360, B. 1. [NB]) durch Ludwig van Renchen, Köln 1485. Nr. l wurde um 1465/67 von der Zisterzienserin -> Regula anläßlich ihrer Bearbeitung der 'Elsässischen Legenda aurea' (-» Jacobus a Vor., V. 5.) teils aus einer lat. Abbreviation der Vitenfassung (BHL 5043), teils aus dieser selbst übersetzt (Straßburg, Bibl. nat. et univ., ms. 2542, 239ra-241ra). Anlaß dafür war wohl, daß die Zisterzienserin Ludwig IX. (irrtümlich, durch Verwechslung mit Ludwig VII.) Beziehungen zu -»· Bernhard von Clairvaux zuschreibt. A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXV, XXXI, LV, Text S. 223-230, 387 f. (mit den lat. Vorlagen). L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 434.

KONRAD KUNZE

korr.: Streiche den Verweis auf den Nachtragsband. Es handelt sich um Texte des -> 'latromathematischen Hausbuchs' und des -* 'latromathematischen Corpus' [NB]; vgl. -* Planetentraktate, III. 1. u. 2.

'Ludwigslied' [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1036 Liberi.: "Rufinus von Marseille" korr.: Rufinus von Aquileia. Ebd., Neuere Übertragungen ergänze: Die älteste Übertragung stammt von JOH. G. HERDER, Volkslieder, Zweiter Theil, Leipzig 1779, 3. Buch, Nr. 8 (S. 490-493).

Lügenreden [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1043 zu 12. korr.: Die Lügendichtung (Titel: 'Spruch, daß alles in der Welt gut geht') stammt sehr wahrscheinlich nicht von Hans -» Rosenplüt (s. d., mit Lit.). Sp. 1044 nach 14. ergänze: 15. Vgl. auch -> Rosner, (Hans?), 'Die Handwerke' (Reimpaarrede).

(Pseudo-)Lull(us), Raimund(us) [Korr.] Bd. 5, Sp. 1046, Ende 1. Absatz: Die sog. Ts.lullische Geburtshilfe' ist identisch mit der dt. Übersetzung des 'Apertoriums' aus dem PS.-LullCorpus (vgl. Sp. 1048, Il.S.f). Sp. 1048, 3.f): "Prag, ÜB, cod. Lobk. 491 ..." korr.: Prag, Närodni Knihovna Cesky Republiky, cod. XXIII F 129 (olim Lobk. 491), 386r-424r. Vgl. H. BECKERS, Eine spätmal, dt. Anleitung z. Teufelsbeschwörung mit Runenschriftverwendung, ZfdA 113 (1984) 136-145, hier S. 138.

941

'Lumen anime' — 'Von Luzifers und Adams Fall'

942

'Lumen anime' [Korr.]

Lurcker, Erhart [Korr.]

Bd. 5, Sp. 1053 zu 4.: "Opava [Olmütz], Statni Archiv, cod. 505" korr.: Opava [Troppau], Statni Archiv, cod. 505 (aus Olmütz).

Bd. 5, Sp. 1082 Mitte: "nach Arigo- -> Schlüsselfelders Übersetzung" korr.: nach -> Arigos [NB] Übersetzung,

Lunare [Nachtr.]

Lüttich -> auch Rather von Verona und L.

Bd. 5, Sp. 1054-1062: Vgl. auch bücher, II.B.a) (zu Überl. u. Ausg.n).

Traum-

Lütticher Anonymus -»· 'Rithmimachia' (3.)

'Lüneburger Prälatenkrieg' [Korr.] Bd. 5, Sp. 1066 Überl.: "Lüneburg, Ratsbücherei, A 122" korr.: heute ebd., Stadtarch., AB 1116 a. Vgl. Marquard -> Mildehovet (II.).

'Lüneburger [Korr.]

(Wiener)

Stuhlschau-Text'

Bd. 5, Sp. 1067 Überl.: "Lüneburg, Ratsbücherei, Hs. D 2° 1, 214vb-216rb" korr.: ..., Ms. Miscell. D 2° l, 221vb-223rb. Vgl. M. WIERSCHIN, Hss. d. Ratsbücherei Lüneburg [1.], Miscellanea und Historica, 1969, S. 1—5.

'Luneten Mantel' [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1069, 2. Abschnitt: "-> Ulrichs von dem Türlin" korr.: "-> Heinrichs von dem Türlin"; vgl. zur Verfasserfrage aber auch unter 'Der -> Mantel' [NB].

'Von Luzifers und Adams Fall' [Nachtr./ Korr.] Bd. 5, Sp. 1102 zu Überl. u. Ausg.n ergänze: Zürich, Zentralbibl., cod. A 131, 83r-85r (v. J. 1393; 261 vv.); B. MURDOCH, Das spätmal. Gedicht vom Sündenfall aus Hs. A 131 der Züricher Zentralbibl., Beitr. z. Erforschung d. dt. Sprache l (1981) 212-222, Text S. 214-219. Vgl. auch B. MURDOCH, Genesis and Pseudo-Genesis in Late Mediaeval German Poetry, Medium Aevum 45 (1976) 70-78, bes. S. 70-74. Der Text gehört nicht in die Gattungstradition biblischer Kleinepik, sondern in die der geistlichen Spiele (Oster- und Passionsspiele mit Teufelsszenen). Vgl. CH. GERHARDT, Von der biblischen Kleinerzählung zum geistlichen Spiel. Zur Neubestimmung der Gattung von Von Luzifers und Adams fall u. seiner Stellung in der Spieltradition, Euph. 93 (1999) 349-397.

Lur, Heinrich [Korr.] Bd. 5, Sp. 1081 Überl.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 1973 (K 56)" korr.: ..., cod. 1793 (olim 581; K 56).

'Luzifers und seiner Gesellschaft Fall' ->· 'Erschaffung Adams' [NB]

M 'Madelger-Traktat'

vierten Teil um die Begattung: so hant ir die matricem, probatum est. Ü b e r l i e f e r u n g . Wernigerode, Fürstl. StolberDer Verfasser hatte gute botanische gische Bibl., Hs. Zb 4 m (Mitte 15. Jh., thürinKenntnisse; er beschreibt exakt das grupgisch), 76"; verschollen, Abschrift: Freiburg i. Br., penweise Zusammenstehn am Standort, Dt. Volksliedarch. (Hinweis v. Peter Assion f). nutzt die Wuchsform in mehreren StenAusgabe in Vorbereitung. geln, verweist auf den perforierten WurzelMagischer Wunderdrogentraktat für ei- stock und fängt die tetradisch-gegenstännen amulett-vermittelten Liebeszauber. dige Blattanordnung im initialen Vierreim Der Text gliedert sich in drei Teile, von der Beschwörungsformel auf. In der Aldenen der erste das Gewinnen des Kreuz- ternative man ader wib hat der KompilaEnzians (Gentiana cruciata L., madelger] tor des vierten Teils die Anwendbarkeit vorschreibt, der zweite — mit einem vier- des Madelger-Zaubers auf weibliches Liehebigen Vierreim einsetzend — die Be- besbegehren ausgedehnt und zugleich die schwörung der Pflanze bietet, deren For- Homosexualität einbezogen. — Die Sexumel gegen Ende noch ein dreihebiges alsymbolik von Petrus-stab, perforiertem Reimpaar aufweist; der dritte Teil bringt, Wurzelstock und volksetymologischer Deuwie der erste in Prosa, die Applikations- tung des Namens madel-ger ist nicht zu vorschriften. Ein im 15. Jh. angehängter übersehen. vierter Teil ist aus der Erfahrung frustraMARIANNE HALBLEIB/G. KEIL nen Anwendens erwachsen; er weicht in der Anrede ab, indem er von der zweiten Person Singular in den Plural springt, und Magdalena von Freiburg [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1118 zu 2., Überl.: "Mainz, StB, cod. empfiehlt, die möglicherweise unzureichende Wirkung der Enzian-wurzen durch 410" korr.: ..., Hsl 410. Sp. 1119 oben: "cod. 217 des Landesarch. zusätzlichen Einsatz von Magneten sowie Karlsruhe; ... ebd., cod. 214" korr.: cod. 65/217 eines (hexen-ybesems zu steigern. ...; ... ebd., cod. 65/214. Vgl. Die Hss. 65/1-1200 An mehreren Stellen sichtbare Textzer- im Generallandesarchiv Karlsruhe, beschrieben v. setzung läßt an einen längeren Überliefe- M. KLEIN (Die Hss. der Staatsarchive in Badenrungsweg und damit an eine Entstehung Württemberg, Bd. 2), 1987, S. 90f. Sp. 1120 zu 3. ergänze die Ausg.: K. GREENSPAN vor 1400 denken. Die Vorschriften zur Gedes Vaterunsers. A Critical Ediwinnung der Zauberpflanze erinnern an (Hg.), Erklärung th die entsprechenden Anweisungen des -* tion of a 15 Century Mystical Treatise by Magda'Verbenatraktats'; beschrieben ist ein klas- lena Beutler of Freiburg, Diss. Amherst (Mass.), Univ. of Massachusetts 1984 (Univ. Microfilms sischer Binde-Zauber, der schon vor dem PSZ 84-10292, 1985). Ernten einsetzt und mit der SilberdrahtBindung der Enzian-Stengel in Distanz- Magdalena von Suntheim -> 'Söflinger Magie beginnt, um in Kontakt-Magie mit Briefe und Lieder'; -* Wind, Jodocus dem vmb fahen oder vmb griffen der fraw mittels des madelgers zu enden. Während der ursprüngliche Text auf eine längerfri- 'Magdalenenbalsam' [Korr.] stige Bindung mit ganzen truwen on Bd. 5, Sp. 1123 zu 3.: "Solothurn, Zentralbibl., vnderloß zielt, geht es dem angehängten cod. 297" korr.: Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 297.

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'Magdeburger Rechtsbücher'

'Magdeburger Rechtsbücher' ('Magdeburgisches Weichbild', 'Sächsisches Weichbild') I. Magdeburger Stadtrecht. Magdeburg, bereits um 800 ein bedeutender Handelsplatz an der Slawengrenze und seit 968 Sitz eines Erzbistums, entwikkelte sich bis zum 12. Jh. zu einer bedeutenden Stadt des Reichs mit großer Ausstrahlungskraft nach Ostmitteleuropa. Mit der Ausgestaltung der städtischen Autonomie ist die Ausbildung eines Stadtrechts verbunden, das zwischen 1138 und 1154 als ius civile bezeugt ist und in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s etwa auf Stendal (wohl 1151), Leipzig (1156/70) und Jüterbog (1174) als iusticia Magdeburgensium oder ius Magdeburgense übertragen, sowie 1159 den Kaufleuten von Groß-Wusterwitz gewährt wurde. Daneben lebte offenbar bereits die erzbischöfliche Stadt Halle nach Magdeburger Recht, die bei dessen Ausbreitung eine bedeutende Rolle spielen sollte. Einen Einblick in dieses ius civile gewährt ein Privileg Erzbischof Wichmanns von 1188, mit einer Reihe von Verfahrensregeln betreffend Beweis und Prozeß, ohne daß es den gesamten Umfang des Stadtrechts erfaßt. Die Handhabung des Stadtrechts im Gericht lag bei den Schöffen, die seit der Mitte des 12. Jh.s als indices scabini bezeugt sind und die seit 1238/41 auch als Ratsmannen tätig waren, bis seit 1261 auch Nichtschöffen in den Rat gelangten und seit dem Erwerb des Schultheißenamtes durch die Stadt (1293/94) Rat und Schöffenkollegium auseinander zu treten begannen. Die Schöffen wurden durch Kooptation auf Lebenszeit gewählt, uff das dat recht deste fester blebe unde in gedechtnisse in der irvarunge des rechtes queme und bestünde (-> 'Magdeburger Fragen', 1.1 — 2), und nach der -> 'Magdeburger Schöppenchronik' beschlossen sie 1214, daß man ihre Sprüche scholde in ein bok schriven (Chron. dt. St. 7, S. 142). Verschriftlicht wurden durch die Magdeburger und Hallenser Schöffen in der ersten Hälfte des 13. Jh.s Rechtsweisungen für Herzog Heinrich I. von Schlesien betr. Goldberg

946

oder Breslau (1211-1238; vgl. dazu EBEL, Magdeburger Recht II, 2, Nr. 718, 738740), für Neumarkt in Schlesien (1135) und 1261 für Breslau. Bereits das Stadtrecht für Stendal sah in Zweifelsfällen die Anfrage um Rechtsauskunft in Magdeburg vor. Vergleichbares wurde im 13. Jh. immer häufiger bei Stadtrechtsbewidmungen zu Magdeburger Recht in Ostmitteleuropa vorgesehen, hervorzuheben sind dabei Kulm (1238) und Krakau (1257). Damit war der Grund gelegt für die Rezeption von Texten Magdeburger Rechts wie für die schriftlichen Rechtsmitteilungen der Schöffen (-> Schöffenspruchsammlungen). II. Die 'Magdeburger Rechtsbücher'. Zu einer vollständigen Aufzeichnung Magdeburger Stadtrechts ist es während des MAs nicht gekommen. Wohl aber entstand während des 13. Jh.s offenbar im Umkreis der Magdeburger Schöffen eine Darstellung des städtischen Rechts in der Form eines mehrteiligen Rechtsbuches, das als 'Magdeburgisches' oder 'Sächsisches Weichbild' oder 'M. R.' bezeichnet wird. Seinen Kern bilden zwei kürzere Rechtsaufzeichnungen, an die mit fortschreitender Zeit weiteres Material angelagert wurde: das 'Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung' und das 'Magdeburger Schöffenrecht'. Hinzu tritt noch die 'Weichbildchronik' und im 14. Jh. vor 1387 eine Glosse. Insgesamt enthalten 134 Hss. und Fragmente Texte der 'M. R.' (SCHELLING, S. 120); sie stehen damit nach dem 'Sachsenspiegel' (-» Eike von Repgow) und dem - Oberdeutsches Färbebüchlein'.

Mande, Hendrik I. Leben. Hendrik Mande stammte aus Dordrecht, sein Alter ist unbekannt, das Geburtsjahr wurde in der älteren Forschung um 1360 angesetzt, ohne daß hierfür Beweise vorliegen. Er war Schreiber am Hof der Grafen von Holland und 'bekehrte sich dort unter dem Einfluß der Predigten von Geert [-*·] Groote und schloß sich der Devotio moderna an'. Vor der Mitte des Jahres 1391 muß er nach Windesheim gekommen sein, dort wurde er am 11. Nov. 1395 als redditus geweiht. Auf einer Reise nach Delft 1430 erkrankte er und starb 1431 im Kloster Sion zu Beverwijk (vgl. MERTENS, 1986, S. 19ff.). II. Werke. Johannes -* Busch nennt in 'De viris illustribus' vierzehn Prosaschriften, deren lat. Titel weitgehend identifiziert werden konnten (MERTENS, 1986, S. 48 — 66), weitere fünf können M. zugeschrieben werden (ebd. S. 73—76). Die Werke sind — zum größten Teil anonym — vorwiegend im ndl. Raum überliefert, zu einzelnen Ausgaben s. MERTENS, 1986, und TH. MERTENS,

960

H. M. (± 1360-1431). Een geannoteerde bibliografie van de werken over hem en van de uitgaven van zijn geschriften, OGE 52 (1978) 363-396.

Das Werk M.s liegt nur zu geringem Teil in modernen wissenschaftlichen Ausgaben vor und ist damit noch weitgehend unerforscht, die seit 1977 bestehende 'Werkgroep Hendrik Mande' (Th. Mertens, H. Vekeman) leistet hier Pionierarbeit. RUH (vgl. S. 175) ist zuzustimmen, daß die Geringschätzung M.s als reiner Bearbeiter und Kompilator einer genaueren Untersuchung der zugrundeliegenden Quellen und deren Umsetzung bedarf. Eine erste Einschätzung von M.s Leistung als Übersetzer-Bearbeiter und eine kurze Vorstellung seiner Werke bietet RUH. III. R e z e p t i o n . Die Rezeption dürfte sich vorwiegend im Bereich der Devotio moderna bewegen, genauere Untersuchungen fehlen allerdings. 1. M.s Schrift 'Een devoet boecskijn van der bereydinghe ende vercieringhe onser inwendigher woeninghe' (MERTENS, 1986, S. 61 u. 99 f.) wurde möglicherweise im 'Lectulus noster floridus' verarbeitet, vgl. Pseudo- ->Veghe (4.c.). 2. Eine der Visionen M.s (Vision 16, Redaktion a) wird in nd. Sprache überliefert: Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 4° 17 (15. Jh., St. Michael, suster Elsebe, 90 r — 94V; jetzt in Moskau, Rossijskaja Gosudarstvennaja biblioteka [SB; ehem. Leninbibl.], Fond 755, Nr. 71, vgl. SCHIEWER/ SCHIEWER, S. 488 u. 494 f., Nr. 26) und Ms. theol. germ. 4° 19 (4. Viertel 15. Jh., Herkunft unbekannt, 177V-184V; 1990 zurückgekehrt; MERTENS, 1986, S. 114 ff. u. 147; vgl. HAGEN, S. 15: 'Nd. mit ndl. Spuren'). Zu den Lübecker Hss. vgl. P. HAGEN, Die dt. theol. Hss. der Lübeckischen StB, 1922, S. 12-15; H.-J. SCHIEWER u. R. SCHIEWER, Norddt. Hss. in Moskau, in: P. J. BECKER u. a. (Hgg.), Scrinium Berolinense. Fs. T. Brandis zum 65. Geb., 2000, Bd. l, S. 486-498; J. FLIGGE, A. MIELKE, R. SCHWEITZER, Die nd. Hss. der StB Lübeck nach der Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung: Forschungsbilanz nach einem Jahrzehnt (mit e. Liste aller nd. Hss.), in: R. PETERS u. a. (Hgg.), Vulpis Adolatio. Fs. H. Menke zum 60. Geb., 2001, S. 183-237, bes. S. 187.

961

Mandeville, Jean de — 'Der Mantel'

3. Umfangreiche nd. (?) Exzerpte aus 'Een devoet boexken hoe dat wij uut seien doen den ouden mensche mit sinen werken ende ons mit Cristo overmids warachtighe doechden seilen verenighen' liegen in der Hs. Berlin, mgq 525, 168vb-186rb vor (MERTENS, 1986, S. 85 f. u. 132).

Manegold von Lautenbach [Korr.]

4. Daß eine Rezeption der Schriften M.s im Bereich der Devotio moderna — v. a. im ndl.-nd. Grenzraum — nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit einer Übertragung seiner Werke, zeigt die Hs. Köln, Hist. Archiv der Stadt, GB 8° 65 aus dem Kreuzbrüderkloster Köln (Ende 15. Jh.): Sie enthält f. 18r-45v (als Kompilation) Paraphrasen aus den drei Werken 'Een boecskijn van drien staten eens bekierden mensche dairin begrepen is een volcomen geestlic leven', 'Van enen geestliken of ynnighen leven, wat een gheestlic leven is ende wairin dattet gheleghen is ende wat hem hijndert', 'Van enen scouwenden leven ende wat een scouwende leven is ende wairin dattet ghelegen is ende van sommighen punten die daerin hijnderen' (MERTENS, 1986, S. 95).

'Der Mantel'

L i t e r a t u r . TH. MERTENS, H. M. (?—1431). Teksthistorische en literairhistorische studies, Nijmegen 1986 (mit weiterer Lit.); K. RUH, Gesch. d. abendländischen Mystik IV. Die ndl. Mystik d. 14. bis 16-Jh.s, 1999, S. 174-185. GUNHILD ROTH

Mandeville, Jean de [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1209 Mitte: "Köln, ..., Hs. 278, Kasten A. Nr. 89" korr.: ..., Hss-Frgm A 89 (Kat. Nr. 278; verschollen). Ebd.: "Rom, Bibl. Vaticana, Rossiana X, 88", korr.: ..., cod. Ross. 708 (olim X, 88). Vgl. K. RIDDER, Jean de Mandevilles 'Reisen'. Studien z. Überlieferungsgesch. der dt. Übers, des Otto v. Diemeringen (MTU 99), 1991, S. 82 f. u. 128 f. Sp. 1211 zu d) ergänze: Eine bisher unbekannte ripuar. Mandeville-Hs.: Dyck, Schloßbibl., Hs. Var. et Curiosa 40, vor 1400 (mittlerweile an einen frz. Privatsammler verkauft); ob eine eigenständige mfrk., von der ndl. Übers, unabhängige Übers, vorliegt, wäre erst zu prüfen. Vgl. H. BECKERS, Die mfrk. Rheinlande als lit. Landschaft 1150-1450, ZfdPh 108 Sonderheft (1989) 19-49, hier S. 48 mit Anm. 74; vgl. auch RIDDER (s. o.), S. 266 f.

Mandl, Johannes -* Mendel, J.

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Bd. 5, Sp. 1216 zu 2., Überl.: "Karlsruhe, Bad. LB, cod. 93 (Rastatt 27)" korr.: ..., cod. R. 27. Vgl. Die Hss. d. Großherzogl. Bad. Hof- u. Landesbibl. in Karlsruhe. III. Die Durlacher u. Rastatter Hss., beschrieben v. A. HOLDER, 1895, S. 117-119.

Höfische Versnovelle eines unbekannten Verfassers. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. Ser. nova 2663 (-> 'Ambraser Heldenbuch'), 28rc-30rb, zwischen 1504 und 1516 von Hans Ried geschrieben. Der 'Mantel' (M) geht absatzlos und ohne Lücke in -> Hartmanns 'Erec' über. M fehlt der Schluß, dem 'Erec' der Anfang. Eine Überschrift bezieht sich auf beide: Aber von künig Artus vnd seinem Hofgesind. auch Helden vnd handlungen. als von her Gabein. Khay. Yrecken. eins Mantelshalben. so künig Artus hausfraw. vnd ander frawen anlegen muesten. dardurch man Ynnen ward her trew. Sunderlich von Erick. vnd seiner hausfrawen ein tail ain schon lesen. A u s g a b e n . Textabdrucke von M. HAUPT, Altdt. Bll. 2 (1840) 217-241, und K. MÜLLENHOFF, in: Altdt. Sprachproben, 31878, S. 125-136. — Kritische Ausgaben: O. WARNATSCH, Der Mantel. Bruchstück eines Lanzeletromans des Heinrich v. d. Türlin (German. Abhh. 2), Breslau 1883. W. SCHRÖDER, Das Ambraser 'Mantel'-Frgm., SB d. Wiss. Ges. a. d. Univ. Frankfurt a. M., Bd. XXXIII, Nr. 5, 1995 (zit.).

2. I n h a l t . König Artus hat, wie jedes Jahr, an dem phingestage /geboten eine hochgezit (v. 129f.). Kein Geladener wagt fernzubleiben. Der Hof macht einen heruntergekommenen Eindruck. Artus benimmt sich wie ein polternder Haustyrann. Sein Hofmeister Keie ist seiner eitermeiligen zunge (v. 277) halber von der Tafel verbannt und muß an einem Katzentisch essen, wozu die ihm belassene Rolle als Truchseß und Zuchtmeister schlecht stimmen will. Das Festmahl kann nicht beginnen, weil Artus zuvor etliche aventiure (v. 448) hören will. Endlich kommt ein höfisch erzogener juncherre (v. 463). Eine vornehme Dame hat ihn geschickt, mit einem kostbaren Geschenk, falls man es anzunehmen bereit sei, was Artus auf Gaweins Rat gelobt. Es

963

'Der Mantel'

ist ein Zaubermantel, der von einer Fee gewirkt und zur Aufdeckung weiblicher Untreue bestimmt ist: der mantel ir niender rehte stat, l ern si ze kurz oder ze lanc: / sus meldet er valscher minne kranc (v. 596-598). Die Damen des Hofes werden herbeigeholt und müssen sich eine nach der anderen der Mantelprobe unterziehen, die Keie boshaft kommentiert: er vröute sich uf der vrouwen val (v. 670). Die Königin macht den Anfang, aber der Mantel ist ihr zu kurz und deutet zu ihrer Beschämung und zum Mißfallen des Königs auf untriuwe (v. 749). Als nächste fordert Keie seine vriundinne (v. 854) auf, wan ir diu getriuweste sit (v. 862), doch reicht ihr der Mantel nur bis zum Gürtel, da von ir der ars so blecket (v. 898). Engreweins und Gaweins Freundinnen geht es nicht besser. Erecs Enite als vorerst letzte hätte am ehesten den Preis verdient, weil ihr der Mantel nur drei Finger breit zu kurz war. Leider bricht das Fragment hier ab mit nochmaligem Tadel von Keies bosheit (v. 987) als zuhtlos (v. 992). 3. Q u e l l e . Als Vorlage diente das frz. Fabliau 'Du mantel mautaillie', das zuvor schon -» Heinrich von dem Türlin benutzt hatte. A u s g a b e n . Du mantel mautaillie, in: Recueil general et complet des fabliaux, par A. DE MONTAIGLON et G. RAYNARD, Tome 3, Paris 1878, Nr. LV; F. A. WULFF, Le conte du mantel, edite d'apres tous les mss., Romania 15 (1885) 343 — 380, Text S. 358-380.

4. V e r f a s s e r f r a g e . In Heinrichs Roman 'Diu Cröne' gibt es gleich zwei Keuschheitsproben: das erste Mal mit Hilfe eines gefüllten Bechers, aus dem nur die oder der Tugendhafte, ohne etwas zu verschütten, trinken kann; und noch einmal mit Hilfe eines Handschuhs, der die eine Körperhälfte des Trägers verschwinden läßt, wobei immer derjenige Körperteil, mit welchem gesündigt wurde, sichtbar bleibt. Der Text der Becherprobe (v. 918-2631) und der Handschuhprobe (v. 23006-24699) ist jetzt neu herausgegeben von W. SCHRÖDER, Herstellungsversuche an dem Text der 'Crone' Heinrichs von dem Türlin, Ak. d. Wiss.n u. d. Lit. Mainz,

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Geistes- u. Sozialwiss. Kl., Abhh. Jg. 1996, Nr. 2 und Nr. 4; der Text der Becherprobe auch in: Heinrich v. d. T., Die Krone (Verse 1-12281), hg. v. F. P. KNAPP u. M. NIESNER (ATB 112), 2000.

Bevor in der 'Cröne' die Handschuhprobe beginnt, versichert der Erzähler, er wolle das heimliche stuften und klagen (v. 23496) der Damen vor ihrem Auftritt nicht noch einmal schildern, weil ich die selbe klage / und daz gemein vrouwen leit l da vor e ban geseit l an dem köpf und an dem mandel (v. 23502—23505). Das bezieht sich auf die vorausgehende Becherprobe, wo aber nur von dem köpf die Rede ist. Daraus hat WARNATSCH geschlossen, daß Heinrich das Thema dreimal behandelt haben müsse, und zwar zuerst in unserem 'ManteP-Fragment. Die Forschung ist ihm in dieser Annahme gefolgt, zuletzt CORMEAU, der 2VL 3, Sp. 895 von einem 'Selbstzitat' spricht. Zweifel hatte KRATZ (1977, S. 13-16) angemeldet. Heinrich v.d.T. läßt in der Crone die Königin Ginover beide Keuschheitsproben am besten bestehen: als sie den Becher absetzt, fallen bloß versehentlich ein paar Tropfen auf ihren Schoß, daz man ez käme gesach (Cr 1281); der Handschuh läßt gerade mal die linke Hälfte ihres roten Mundes bleich werden (Cr 23627-29), was sogar der Spötter Keie mit Gasozeins Vergewaltigungsversuch entschuldigt: ir stüende ouch der mantel wol (Cr 23656). Das ist kein Rückverweis, und Cr 23505 muß es auch nicht sein, und wenn, dann sicher nicht auf die korrespondierende Szene im 'Mantel'. An dem köpf und an dem mandel bezeichnet vielleicht nur die Requisiten des allgemein bekannten Stoffes, von denen Heinrich selbst nur eine aufgegriffen hatte mit den beschriebenen larmoyanten Wirkungen. Die Interpreten hätten sie zu Unrecht als echte mögliche Werktitel mißverstanden.

Daß die pseudo-höfische Welt und ihre Schilderung in M nicht recht mit der abenture Crone (so die Überschrift im Heidelberger cpg 374) zusammenstimmen, hat auch WARNATSCH nicht geleugnet, jedoch damit erklärt, daß M ein Jugendwerk Heinrichs v. d. T. sei. Der unhöfische Artus und der gehässige Keie seien vom Dichter erst in der 'Cröne', unter dem Einfluß Hartmanns und -» Wolframs, aufgehellt worden. Wie ein höfischer Roman Hartmannscher Observanz auszusehen hatte,

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'Mantel Unserer Lieben Frau' — 'Marburg-Kasseler Bibel-Fragmente'

wußte man im dritten Jahrzehnt des 13. Jh.s längst und wußte Heinrich v. d. T., als er zu schreiben anfing. Er war sogar ein besonders belesener Autor und nicht so einfallslos, daß er sich selbst ausgeschrieben und dreimal dasselbe Thema traktiert hätte. Viel wahrscheinlicher ist, daß die zahlreichen inhaltlichen und stilistischen Übereinstimmungen zwischen 'Cröne' und M — von der gemeinsamen Quelle abgesehen — von einem Nachahmer herrühren. Die Entlehnungsrichtung ist umzukehren. Von einer Mantelprobe, und zwar einer glücklich bestandenen, hatte schon -> Ulrich von Zatzikhoven in seinem 'Lanzelet'-Roman erzählt, wo des Helden Geliebte Iblis den mantel an leite (v. 6129), der ihr wie angegossen paßte. Heinrich v. d. T. kannte auch diese Geschichte und hat kritisch auf sie Bezug genommen. Janphie (wie sie bei ihm heißt) sei nur um Lanzelets willen nicht gerüeget (v. 24090) worden, swie ir doch missez&me l der mantel vil sere (v. 24109f.). WARNATSCH hat den 'Cröne'-Dichter unterschätzt, als er ihm M als Anfangsteil eines unvollendeten 'Lanzelet'-Romans zuschrieb.

Heinrich v. d. T. hat Übernommenes immer variiert (SCHRÖDER, 1992) und den vorgefundenen mantel mautaillie gleich durch zwei neue Enthüllungswerkzeuge ersetzt: einen köpf und einen hantschuoch. Der M-Erzähler dagegen hat den mantel beibehalten und sich bei seiner versuchsweisen Höfisierung des Fabliaus aus Heinrichs 'Cröne' bedient. Das kann frühestens im vierten Jahrzehnt des 13. Jh.s geschehen sein, weil 'Diu Cröne' kaum vor 1230 fertiggestellt wurde. L i t e r a t u r . WARNATSCH, s.o. Ausg., S. l—7, 55 — 136; B. KRATZ, Die Ambraser Mantel-Erzählung u. ihr Autor, Euph. 71 (1977) 1-17; CH. CORMEAU, 'Wigalois' und 'Diu Cröne'. Zwei Kapitel zur Gattungsgeschichte des nachklassischen Aventiureromans (MTU 57), 1977; ders., Heinrich von dem Türlin, in: 2VL, Bd. 3, 1981, Sp. 894-899; W. SCHRÖDER, Zur Literaturverarbeitung durch Heinrich v. d. Türlin in seinem Gawein-Roman 'Diu Cröne', ZfdA 121 (1992) 131-174; wieder in: ders., Klassisch, Nachklassisch, Unklassisch. Dt. Dichtung im 13. Jh. und danach, Kleinere Schriften VII, 1995, 315-358; ders., s. o. Ausg., S. (7)(11), (46)-(57).

W. SCHRÖDER

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'Mantel Unserer Lieben Frau' [Nachtr./ Korr.] Bd. 5, Sp. 1222 Mitte, zu L: "mit marianischem 'Te deum'..." ergänze: Vgl. -> 'Te deum', marianische Bearbeitungen [NB]. Sp. 1223 Überl., c): "Bonn, ÜB, cod. 390, 12°" korr.: ..., cod. S 390, 4°.

'Marburg-Kasseler Bibel-Fragmente' Durch den Neufund von weiteren Perg.Bll. zu den bisher allein bekannten Kasseler Fragmenten (s. u.) können die bislang als 'Evangelien-Übertragung' bzw. als vollständige Übersetzung des Neuen Testaments angesehenen Bll. (vgl. -> EvangelienÜbertragungen, III.) nunmehr als Reste der Übersetzung einer Vollbibel eingeordnet werden. Neben den auf den Kasseler Bll. erhaltenen Passagen aus den drei Synoptikern (Mt, MC, Lc) überliefern die Marburger Bll. Teile aus Mt, den Propheten Micha und Zacharias; der Arolser Fund (Identifizierung durch H. Broszinski) bietet Teile aus der Genesis. Ü b e r l i e f e r u n g . Kassel, LB u. Murhardsche Bibl. d. Stadt, 2° Ms. theol. 169 (11 Bll.); Marburg, Staatsarchiv, Hr 13,14 (4 Bll.); Bad Arolsen, Waldeckische Hofbibl-, Heftstreifen vor dem Titelblatt eines Druckes von 1548 (nicht ausgelöst; Sign, des Druckes: III 62a-d/26).

Die dreispaltig mit je 40 Zeilen eingerichtete großformatige Perg.-Hs. ist im westmd. (hess.?) Raum in der Mitte bis 3. Viertel 14. Jh. entstanden (K. Schneider, brief!.); mit weiteren Funden der im 16. Jh. makulierten Hs. ist vor allem im Marburger Staatsarchiv zu rechnen. L i t e r a t u r . H. HEPPE, Frgm.e einer mal. Evangelien-Übers., ZfdA 9 (1853) 264-302 [mit fehlerhaftem Teilabdruck der Kasseler Blätter]; WALTHER, Bibelübers., Sp. 513-516 [22. Übers.zweig]; F. MAURER, Stud, zur md. Bibelübers. vor Luther (German. Bibl. II 26), 1929, S. 45-47; J. SPLETT (Hg.), das hymelreich ist gleich einem verporgen schätz in einem acker. Die hd. Übers, v. Mt 13,44— 52 in mal. Hss. (Litterae 108), 1987, S. 29* u. 87 [Abb. einer Seite der Kasseler Frgm.e]; K. WIEDEMANN, Manuscripta Theologica. Die Hss. in Folio (Die Hss. der Gesamthochschul-Bibl. Kassel 1,1), 1994, S. 244 f.; Kurzbeschreibung und Farbabb. der Marburger Fragmente siehe http://www.

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Mardach, Eberhard — 'Marien Himmelfahrt'

marburger-repertorien.de; K. KLEIN, Die 'Marburg-Kasseler Bibel-Fragmente', ZfdA 133 (2004) [in Vorbereitung].

Ebd. Mitte des Abschnitts: "auf die auch die Klage ..." korr.: auf der auch die Klage ... Zur 'Magdalenenklage' vgl. auch Pseudo- -> KLAUS KLEIN Origenes [NB]. Sp. 1261 zu III., Überl.: "Ein ... Frgm. (verschollen)" korr.: Das Frgm. (14. Jh., früher im Besitz M. Mardach, Eberhard [Korr.] Haupts) gelangte in den 20er Jahren des 20. Jh.s nach Berlin, dort als mgq 1895/6 [nicht mehr bei Bd. 5, Sp. 1238 Überl.: Streiche "München, cgm DEGERING, Kat. 2], jetzt in Krakau, Bibl. Jagiellon830, 48r-60r"; zum betr. Text s. -» 'Von Unterska unter dieser Sign, (nachgewiesen durch Gisela scheidung wahrer und falscher Andacht'. Kornrumpf). Ebd.: "Berlin, mgf 245, 71r-122v" korr.: ... 'Margareta von Antiochien' [Korr.] — 106r (bis dahin nach der sog. 'Episode'); ab Bl. 106/107 folgt M. M.s Büßerleben; vgl. 1VL III Bd. 5, Sp. 1240 zu A.I., Überl.: "Uppsala, ÜB, V 243 u. 242. cod. 497, 23 -4 " korr.: ..., cod. C497, 22 Sp. 1262 zu IX.: "Donaueschingen, cod. VI B 2" 39V. Vgl. Mal. Hss. der ÜB Uppsala. Katalog über korr.: heute Karlsruhe, LB, cod. Don. B VI 2 [sie!]; die C-Sammlung von M. ÄNDERSSON-ScHMiTT ebenso zu XII. u. a., Bd. 5, Stockholm 1992, S. 241 f. Ebd. zu XI. und XII. vgl. auch Pseudo- ->· OriSp. 1244 zu IX., Überl.: "Dessau, StB, cod. genes [NB]. 72.8°" korr.: ..., cod. Georg. 72.8°. Sp. 1263 zu XIII., Überl.: "Straßburg, ÜB, cod. Sp. 1246 zu XV. korr.: Der Hamburger cod. lat. 273" korr: ..., Bibl. nat. et univ., Ms. 324 Theol. 2083 (noch immer verschollen) enthielt (olim L lat. 273). keine dt., sondern eine lat. Margareten-Legende; vgl. N. KRÜGER, Die theol. Hss. der SB u. ÜB Ebd. zu XIV: "Freiburg, Stadtarchiv, cod. 115" Hamburg, Bd. II, 3, 1993, S. 179. Der ebd. zitierte korr.: ..., B l Nr. 115. dt. Textanfang nach LAPPENBERG [sie!] stammt Sp. 1258—64 ergänze: Insg. 38 verschiedene dt. nicht aus dieser Hs., sondern aus dem Cod. 213 M. M.-Legenden u. a. -Texte (einschließlich der in scrin. der SB u. ÜB Hamburg und ist Teil des Legendarfassungen und M. M.-Legenden als Be'Väterbuchs' (v. 35787—36230); in der einschlägistandteil größerer Werke) verzeichnet M. BOXLER, gen 'Väterbuch'-Lit. unter der Sigle Q verzeichnet; "ich bin ein predigerin und appostlorin". Die dt. vgl. K. HOHMANN, Beitr. zum Väterbuch (HerMaria Magdalena-Legenden des MAs (1300 — maea 7), 1909, S. 9 u. 16 (Hinweise K. Klein). 1550). Unters, u. Texte (Dt. Lit. von den Anfängen bis 1700), Bern u. a. 1996, S. 67-69; ebd. S. 213'Margareta von Magdeburg' ->· Johannes 576 diplomatische Umschriften von 35 Fassungen.

von Magdeburg [NB] 'Margareta von Ungarn' [Nachtr./Korr.] Bd. 5, Sp. 1248 f. zu Übersetzung II ergänze: Eine dritte Hs. im Grazer Dominikanerkloster (Sign.?), kürzer und auszughafter als die Münchner Hs. Vgl. ELEMER LOVAS, Boldog Margit törtenetenek reszletes forräskritikäja. A Pannonhalmi föapatsägi föiskola evkönyve, Pannonhalma 1916 (= Zur speziellen Quellenkritik der Gesch. der sei. Margarete). Ebd. ergänze die Ausg. der Legende nach cgm 750: CYRILL HORVÄTH, A Margit legenda forräsai (= Die Quellen der Margareten-Legende), Budapest: Szekesföväros Hazinyomdaja 1908, S. 23—53. Sp. 1249 zu Übersetzung III, Ausg.: "S. GABOR" korr.: GABOR SALACZ. Hinweise Barbara Madaras, Wien.

'Maria Magdalena' [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1260 zu A.I.: "Wien, cod. 15275" korr.: ..., cod. 15225.

'Maria zart' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1266 zu Überl., a) ergänze: Die 11 strophige Fassung auch im -» 'Wienhäuser Liederbuch', Nr. 43.

'Marias 72 Namen' Namen Marias' [NB]

' Zweiund siebzig

'Marien Himmelfahrt' [Korr./Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1271 zu H.2., Überl.: "Moskau, Central'nyi..." korr.: Moskau, Rossijskij archiv drevnych aktov (Russisches Archiv der alten Akten), Fond 181, Nr. 1405, Opis' 16. Vgl. R. D. SCHIEWER u. H.-J. SCHIEWER, Amorbacher Hss. in Moskau, in: Fata Libellorum. Fs. f. Fj. Pensel (GAG 648), 1999, S. 239-261, hier S. 252. Sp. 1276 vor Lit. ergänze: V. Deutsche Prosafassungen der Erzählung von M. H.: Zahlreiche Legendär- und drei eigenständige Fassungen verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare

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'Marien Kranz' — 'Marienmesse Salve sancta parens'

des MAs (TTG20), 1986, S. 438. Eine davon stammt von -» Regula und ist hg. v. K. KUNZE, Die Elsäss. 'Legenda aurea', Bd. II. Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. 146-173, Nr. 27 (synoptisch mit ihrer Vorlage, Kap. 6 von 'De vitiis et virtutibus' des -» Nikolaus von Dinkelsbühl [B.III.5.]). 'Marien Himmelfahrt' (Spiele) vgl. auch ->· 'Benediktbeurer Spiele' (5.; lat.) [NB] 'Marien Kranz' [Nachtr.] Bd. 5, Sp. 1277 zu L, Überl.: "Lage einer Papierhs. ... im Besitz des Freiherrn von Hardenberg": jetzt in Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 42545 (vgl. Kat. v. L. KURRAS, I, l, 1974, S. 153), hier l r -8 r . Ebd., zu II. Überl.: "Nürnberg, StB, ... (Cent. VI, 43)": Die Nürnberger Hs. Cent. VI, 43 (Signatur so richtig!) wurde später in Teile aufgelöst und verkauft; der betr. Teil jetzt in Schriesheim bei Heidelberg, Slg. Eis, Cod. 108; zu Verbleib der Hs., Parallelüberlieferung und Ausgaben vgl. 'St. -> Katharinentaler Liedersammlung' II. 1. [NB]. 'Marien Rosenkranz' [Korr.] Bd. 5, Sp. 1279 zu III.: "Berlin, mgf 836" korr.: ..., mgf 863. 'Marien Tagzeiten' s. auch -» 'Sieben Leiden Unserer Lieben Frau'; -»· Tagzeitengedichte [Bd. 9 u. NB] 'Marien Verkündigung' (Legende) ->· 'Darmstädter Legendär' [NB] 'Marien-ABC' [Korr.] Bd. 5, Sp. 1281 Überl.: "Osnabrück, Bischöfl. Archiv, Hs. 5" korr.: ..., Hs. Gertrudenberg 5.

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BARTSCHS Abdruck beruht, sind erhalten: München, cgm 8498 (Nachweis G. Kornrumpf). Nach BARTSCH, S. LVI waren sie Bestandteil des Codex Cent. VI, 43 (der später zerlegt wurde, s. -> 'Christe qui lux es ...' [NB]). Ursprünglich haben sie zu der von BARTSCH ebenfalls benutzten Hs. Nürnberg, StB, Will II, 19.8° gehört und bildeten mit dessen Bl. 120 eine Lage; s. K. SCHNEIDER, Die Bibl. des Katharinenklosters in Nürnberg u. die städtische Gesellschaft, in: Stud. z. städt. Bildungswesen d. späten MAs u. der frühen Neuzeit (Abhh. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen, Philol.-hist. Kl., 3. F., Nr. 137), 1983, S. 70-82, hier S. 76 Anm. 30. Ebd., vor Lit. ergänze:

1) [Nicht bei APPELHANS:] Nd. 'Mariengrüße' (19 Strr., 4abab, jeweils beginnend Wes ghegrotet ...). Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1318 Heimst. (-> 'Hildesheimer Nonnengebetbuch'), 95r-97r, 14. Jh. A u s g a b e . E. LÖFSTEDT, Ein mittelostfrk. Gebetbuch (Lunds Universitets Ärsskrift, NF Avd. l, 30, 5), Lund 1935, S. 75-79. Hinweise G. Kornrumpf. 'Marienklage O laid und klag' und klag' [NB]

laid

Marienklagen s. auch -» 'Himmelgartner M.' [NB]; -» 'Innsbrucker M.' [NB] Bd. 6, Sp. 10 [Verweis]: Streiche 'Lambacher M.' (spätes 16. Jh.!) 'Marienleben der Königsberger Hs. 905'

[Korr.] Bd. 6, Sp. 14 Überl.: "Königsberg, SB u. ÜB, Hs. 905, ... (seit 1945 verschollen)" korr.: Die Hs. ist jetzt verzeichnet in Thorn (Torun), ÜB, als Rps 7/II; dzt. dort nicht auffindbar. Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 101-103.

'Mariengrüße' [Nachtr./Korr.] Bd. 6, Sp. 4 zu a) Überl.: "Salus anime, Nürnberg 1503" ergänze: (-> 'Salus animae'). Ebd. zu d) Überl.: "Nürnberg, StB, Cent. VI, 43 r "korr.: ..., Cent. VI, 43P. Sp. 6 zu g) Überl.: Weitere Überl. s. H. HILG, Das 'Marienleben' des Heinrich von St. Gallen (MTU75), 1981, S. 38 f. Sp. 7 zu h) Überl.: "Frgm. aus Grafenegg ...": = heute Graz, ÜB, Ms. 1703/107. Ebd. zu i) Überl.: "Nürnberg, StB, nicht identifizierbare Hs. ..." korr.: Die Bll., auf denen

'Marienleich Hai rose ob allen bluomen dar' [Korr.] Bd. 6, Sp. 17 Artikelstichwort: "Hai rose ..." korr.: Du rose. Vgl. L. KURRAS, Kat. l, l, 1974, S. 42.

'Marienmesse Salve sancta parens' (dt.) I. 1. Wochenvotivmessen kamen im 9. Jh. in Gebrauch. Die Messe am Samstag

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'Marienmesse Salve sancta parens'

zu Ehren Marias mit dem Introitus Salve sancta parens ... (aus dem 'Carmen paschale' des -» Sedulius [NB]) war besonders beliebt. Die Wahl des Tags wurde u. a. mit der wunderbaren Selbstenthüllung eines Marienbilds in Konstantinopel jeweils von Freitag- bis Samstagabend begründet. Ein Pfarrer, der nur die 'M.' zu lesen imstande war und deshalb sein Amt verlor, erhielt es dank Marias Eingreifen zurück. Beide Legenden werden dt. zuerst im -» 'Passional' erzählt (Marienlegenden Nr. 13 und 8). 2. Übertragungen des Meßformulars begegnen seit dem 1. Viertel des 14. Jh.s im Kontext geistlicher Dichtungen, zusammen mit Übersetzungen von Offizien (bes. dem Kleinen Marienoffizium), in Gebetbüchern und in Meßbüchern (-»· 'Missale' [dt.]). Sie dienten der andaht, der Vorbereitung auf die Messe und dem Mitbeten. Die meisten Übertragungen berücksichtigen neben dem Proprium der 'M.' — dessen einzelne Bestandteile abhängig u. a. vom Kirchenjahr und von unterschiedlichen Diözesantraditionen dem Wechsel unterliegen — auch Texte des Ordo missae, vor allem 'Kyrie', 'Gloria in excelsis', 'Sanctus' und 'Agnus dei'.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Jena, Thüringer ÜB u. LB, Ms. Bös. q. 8, 79rb-80vb (1. V. 14. Jh.); Klosterneuburg, Stiftsbibl., CC1 1242 (v.J. 1338), 196V200r; München, cgm 5249/59 d (Mitte 14. Jh.), 2r (nur 6 vv.); Nürnberg, StB, Cent. VI, 86, 13r-16v (nach Karin Schneiders Urteil 3. Drittel 14. Jh. [!], Anfang bis 'Gloria in excelsis' verloren), als Marienmesse identifiziert von JANOTA, S. 38 Anm. 45; Kremsmünster, Stiftsbibl., CC 5 (Mitte 15. Jh.), 15v-17r (unter dt. Offizien in Prosa). A u s g a b e in Vorber. durch K. Gärtner u. A. Heinz. — Proben: BARTSCH, Erlösung, S. LX-LXII (Nürnberg); J. M. WAGNER, AnzfKdVz NF 8 (1861) 193 (Klosterneuburg); HUGO SCHMID, Catalogus codicum manuscriptorum ... monasterii Cremifanensis ..., Linz 1877, S. 95f. Vom selben Dichter könnte die Dreifaltigkeitsmesse übertragen sein, die in der Jenaer Hs. folgt (80vb-82rb): Benedicta sit ... Gesegent sei drivalt genant l Dein nam vnd ein von vns erchant ... Auch das -» 'Salve regina' mit Versikel und Kollekte in dt. Versen in Melk, Stiftsbibl., cod. 1547 (1859, 1848, R 18, Mitte 14. Jh., -»· StrickerHs. M), p. 293 — 295 mag von ihm stammen: Der gruz von vnser vrowen ist: l wol im der in mit andacht list. Salve ... Gegruzet von uns ruche sin, l der erbarmunge kunegin ... Hg. v. A. LEITZMANN, Kleinere mhd. Erzählungen, Fabeln u. Lehrgedichte I (DTM 4), 1904, Nr. 48.

2. a) Eine andere bair. Version (mir nachgewiesen von R. Cermann) ist aus dem späteren 14. Jh. erhalten: Salue vol Die Sequenzübersetzung wird gelegentlich for- aller selichait, / Maria muter vnd ewige mal aus der Reimpaar- oder Prosaumgebung hermaid ... (marianisches 'Gloria in excelsis'; ausgehoben, s. II.3. und III.B.1.a. Manchmal wird Ep. Sir 24,14—16; Sequenz 'Ave praeclara', sogar eine präexistente formgetreue, sangbare BeVersikel 7-9; Ev. Lc 11,27 f.); die Kollekte arbeitung eingefügt: -> 'Ave praeclara maris stella' am Ende ist in Prosa abgefaßt. [Bd. l u. NB] (Nr. 3: -» Mönch von Salzburg, G 6; Nr. 6) bzw. 'Verbum bonum et suave' (Sebastian -> Brant); s. II.l. und I.e., III.A.2. (München, cgm 6887), III.B.l.b. und 2.

II. Übertragungen in Reimpaaren. 1. Eine bair.-österr. Fassung ist zuerst als Anhang zu Bruder -» Philipps 'Marienleben' in den frühen Hss. J und N bezeugt: Daz ampt von vnser vrowen ist, l Wo/ im, der ez mit andaht list... Gegrvzt wis, magt an meil, l Der engel lob, der werden (lies: wende) hail ... (Ep. Prv 31,25-29; Sequenz 'Ave praeclara', Versikel 7 — 9; Ev. Lc 11,27 f.). In der Nürnberger Hs. ist die Teilparaphrase der Sequenz gegen G 6 des Mönchs von Salzburg ausgetauscht (Hs. m).

Ü b e r l i e f e r u n g . 's-Heerenberg, Huis Bergh, Hs. 52 (Inv. 239), 246r-249v (Nachtrag); zur Hs. künftig CERMANN (Nr. 43.1.72).

b) Eine Prosaübersetzung (ine. Salve voller heilikait ...) übernimmt daraus den Introitus samt Versikel (8 vv.). Ü b e r l i e f e r u n g und A b d r u c k . Nürnberg, StB, Cent. VI, 43P (Mitte 15. Jh.), 131v-134r; die Verse bei BARTSCH, Erlösung, S. LXVIII.

c) In der Prosaübertragung (ine. Salve vol aller heilikeit ...) eines frühen dt. Stundenbuchdrucks sind umfangreiche Partien aus dem Anfang (bis zum Evangelium) und das 'Benedicamus'-Reimpaar aus dem Schluß von 2.a entlehnt. Die gereimte Teil-

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'Marienmesse Salve sancta parens'

paraphrase des 'Ave praeclara' ist hier als Traktus deklariert; als Sequenz folgt G 6 des Mönchs von Salzburg. Die Messe schließt mit 1,1 — 14 ab. Sie ist in das Kleine Marienoffizium (Prosa) zwischen Terz und Sext eingeschaltet. Der Druck, der — entgegen der Angabe Alles getützet durch ainen hochgelerten doctor — nicht nur in der 'M.' auf dt. (nordbair.?) Hss. basieren dürfte, oder seine Vorlage wurde 1490 bis auf den Kalender vollständig abgeschrieben und diente später dem Gebetbuch für Eberhard im Bart (Stephan -> Schriber, Wendelin -* Steinbach, -»· Stundenbücher) zumindest bei der 'M.' als Grundlage. Ü b e r l i e f e r u n g . [Horae.] Das biichlein halt Jnn von erst Die siben zyt von unser lieben frowen ... [Urach, Konrad Fyner, um 1480-1482] (Cop. 4841; GW, Nachtr. zu HAIN ..., 1910, Nr. 393), 36V-45V; Stuttgart, LB, cod. brev. 48 (v. J. 1490), 46r-60r; cod. brev. l (um 1492-1496; CERMANN Nr. 43.1.173), 43r-51r. A b d r u c k e . ESCHWEILER, S. 41—48 (nach Stuttgart, cod. brev. 1). — Verspartien (nach dem Druck): HOFFMANN, KL, S. 259-262, hier Nr. 127-128; K. S. MEISTER, Das katholische dt. Kirchenlied in seinen Singweisen I, 1862, Anhang III (nahezu vollständig); WACKERNAGEL, KL II, Nr. 51-55 [unter '12. Jh.'] u. Anm. zu Nr. 586 (ferner Nr. 45-46, -> 'Veni creator Spiritus' Nr. 23). L i t e r a t u r . J. ESCHWEILER, Das Eberhardgebetbuch, 1951, S. 22-28; IRTENKAUF, bes. S. 197199; JANOTA, S. 38 f., 41; V. E. FIALA / W. IRTENKAUF, Codices breviarii (Die Hss. d. Württ. LB Stuttgart 1,3), 1977, S. 3-5, 66f.

3. Die 1886 nach der Abschrift einer mal. Hs. veröffentlichte -» 'Marienmesse' (nd.) ist im 15. Jh. mehrfach in z. T. besseren Aufzeichnungen überliefert; ine. O (var. Grot zystu) hillighe godes moder, l Dyn sone is worden vnse broder ... ('Kyrie fons bonitatis', Anal. hymn. 47, Nr. 5, l a. 2 a. 3c; Ep. Sir. 24,23 — 31; Sequenz 'Gaude, Maria, templum summae maiestatis', Anal, hymn. 54, Nr. 213, in Kreuzreimen übertragen; Ev. Lc 11,27 f.). Der Prolog von 4 einreimigen Vierzeilern (ine. O Maria, reyne koninginne, l Du bist der engele kayserinne ...) war eventuell ursprünglich für ein anderes Werk bestimmt.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Bremen, SB u. ÜB, msc 0025, 52V-63V (ohne Prolog); Oldenburg, LB, Cim I 73, 139V-144V (ohne Prolog); Salzwedel (18. Jh., s. 2 VL6, Sp. 18 u. 19); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1228 Heimst., 235r-247v (ohne Prolog); cod. Guelf. 1279 Heimst., 9v-34r. - Prolog (Z. 1-16): Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 8° 72, 37r; Uppsala, ÜB, cod. C 496, lll r " v (24 vv.); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1172 Heimst., 125r; cod. Guelf. 1293 Heimst., 396 r ~ v (hier folgen -> 'Zweiundsiebzig Namen Marias' [NB] in Prosa). — Das Offertorium 'Recordare, virgo' (Z. 247-254): cod. Guelf. 1278 Heimst., Qr—V

A b d r u c k . J. LUTHER, Marienmesse, Ndjb 12 (1886) 143-150 (Salzwedler Hs.). L i t e r a t u r . BORCHLING I 94, 191; II 129; III 34, 47 f., 67, 68, 75; JANOTA, S. 82 f. Anm. 329; ders., in: Marienlexikon, hg. v. R. BÄUMER u. L. SCHEFFCZYK, Bd. 4, 1992, S. 313.

4. Eine ndl. Übertragung in 213 vv., die bereits mit dem 'Confiteor' einsetzt (ine. Ich zondich mensche gode belye, l Der helegher maghet sente Marie ...), ist im 15. und 16. Jh. in 7 Hss. nachgewiesen. L i t e r a t u r . J. B. OOSTERMAN, De gratie van het gebed (Nederlandse literatuur en cultuur in de middeleeuwen 12), Amsterdam 1995, Teil 2, S. 275, Nr. 188.

III. Prosaübersetzungen bis ca. 1520 (hd. und nd., ohne Anspruch auf Vollständigkeit). A. Handschriften. 1. Ein südbair. Stundenbuch aus der Mitte des 14. Jh.s (München, cgm 87; s. K. SCHNEIDER, Die datierten Hss. d. Bayer. SB, Teil l, 1994, S. 8) enthält als erste von mehreren Messen die 'M.' (113r—127V mit 'Ave praeclara' [dt.], Nr. 9; 118v-119r und ab 121V Bestimmungen und Texte für Advents-, Fasten-, nachösterliche Zeit). Eng verwandt ist die 'M.' im -» 'Gebetbuch des Wolfgang Schreiber' v. J. 1475 (cgm 136, 247r-263v). 2. Seit Anfang des 15. Jh.s. Berlin, mgo 504, 57 V (-63 V ); Brüssel, Bibl. Royale, Ms. IV 924 (CERMANN Nr. 43.1.33), 34V-37V. 46r-51v; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1852, 100r-105r; Hs 1867, 14V-27V; Karls-

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'Marienmesse Salve sancta parens'

ruhe, LB, cod. Karlsruhe 2968 (CERMANN Nr. 43.1.81), 177r-179r; cod. St. Georgen 41 (CERMANN Nr. 43.1.83), 104r-108r; Köln, Erzbischöfl. Diözesan- u. Dombibl., Hs. 1588 (CERMANN Nr. 43.1.86), 9 -97 ; Köln, Hist. Arch., cod. W 62, 55r(-65v); Leipzig, ÜB, Ms 672 {CERMANN Nr. 43.1.91), 116r-126r (Anfang verloren, Fassung des 'Seelengärtlein', s. III.B.l.b.); London, Brit. Libr., MS Arundel 312, 36V-40V; Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 8° 58, 201 (-225 ); München, cgm 105 (CERMANN Nr. 43.1.118), 43v-48r mit 'Ave praeclara' (dt.), Nr. 11; cgm 857, 154V— 156V; cgm 4378 (dt. Missale, HÄUSSLING Nr. 6), 127r-129r; cgm 6887, 38r-43r mit 'Ave praeclara' (dt.), Nr. 6; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs5832, 38r-43v; Hs 117192, 110r-121r (HÄUSSLING Nr. 14); Nürnberg, StB, Cent. VI, 43d, 230r233r (HÄUSSLING Nr. 13); Cent. VI, 43P, 131V134r (s. II.2.b.); Rostock, ÜB, Mss. theol. 28, 224r-226v; Wien, cod. 3030, 128r(-134v).

B. Drucke. 1. Abgesehen von H.2.C. (Fyner-Druck), gibt es mindestens drei hd. Gebetbücher und ein nd. mit Übertragungen des Meßformulars. a) Der 'Wurzgarten' (-»· 'Hortulus animae' 2.b.) schließt an eine Meßauslegung mit Gebeten die 'M.' (L 12 = VD 16, H 5079, 86r-89v) an. Die Sequenz 'Verbum bonum et suave' ist in lOzeiligen Strr. wiedergegeben (->· 'Mariengrüße' e.}, der Tropus 'Ab hac familia' zum Offertorium 'Recordare, virgo' (Anal. hymn. 49, Nr. 634) in Versen. A b d r u c k . Sequenz und Tropus: WACKERNAGEL, KL II, Nr. 1085, 1086.

b) Das 'Seelengärtlein' (-»'Hortulus animae' 2.c./d.) bringt ab 1502 zusammen mit einer Meßauslegung die 'M.' und darin Brants 'Verbum bonum et suave'-Übertragung. Dasselbe gilt für die nd. Umsetzung des Gebetbuchs (z. B. BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr., Nr. 522 = VD 16, H 5108 v.J. 1513). A u s g a b e n . Faksimile der Druckabschrift Wien, cod. 2706 (-> 'Hortulus animae' 3.; CERMANN Nr. 43.1.191) mit Erläuterungsbd. v. F. DÖRNHÖFFER, 1907-1911, Teil 3, S. 801-816, vgl. S. 1046 f. u. DÖRNHÖFFER, S. 15. — Sequenz: WACKERNAGEL, KL II, Nr. 1101; J. KNAPE, Sebastian Brant als Liederdichter, in: Lied im dt. MA,

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hg. v. C. EDWARDS u. a., 1996, S. 309-333, hier S. 327 f.

c) Ein 'M.'-Formular ohne Sequenz erscheint im 'Gilgengart' (Augsburg, Hans Schönsperger 1520 u. ö.; VD 16, G 2035 u. G 2036). Den Inhalt der Sammlung überblickt man bei VIZKELETY, Altdt. Hss. II, S. 80-86. A u s g a b e n . Faksimile mit Einleitung v. O. CLEMEN (Zwickauer Facsimiledrucke 16), 1913, c3v— c8v; mit Kommentar (ungarisch) v. E. KNAPP, Budapest 1993, nach Budapest, ÜB, cod. germ. 3, einem Pergamentdruck [!] ohne Kolophon, dem das Titelbl. fehlt (CERMANN Nr. 43.3C.5.a.), 18V-22V.

2. Die hd. und nd. Plenar-Drucke seit 1473 bzw. 1475 (-» Plenarien II.A.c. und B.b., -» 'Speculum humanae salvationis' II.B.2.a.) enthalten die Perikopen der 'M.' (s. PIETSCH, S. 80f.). Zu einem Meßbuch vervollständigt ist das Plenar, das Adam Petri in Basel 1514 herausbrachte (-> 'Missale' [dt.] . .3., -> Plenarien III.C). Aber erst die Ausgaben von 1518 und 1522 (VD 16, E 4462 u. E 4464) bieten unter den Votivmessen am Schluß vier Formulare für die Samstagsmesse zu Ehren Marias (s. PIETSCH, S. 82); im ersten Formular ist Brants 'Verbum bonum et suave'-Übertragung verwendet. L i t e r a t u r . P. PIETSCH, Ewangely u. Epistel Teutsch, 1927; HÄUSSLING, Nr. 117-120. L i t e r a t u r zu I. —III. A. FRANZ, Die Messe im dt. MA, 1902, bes. S. 136-154, 718-720; J. A. F. KRONENBURG, Maria's heerlijkheid in Nederland, II, Amsterdam 1904, bes. S. 22-55: De Mis der H.Maria, S. 313-323: De Zaterdag; F. X. HAIMERL, Mal. Frömmigkeit im Spiegel d. Gebetbuchlit. Süddeutschlands (Münchener theol. Stud. I 4), 1952; J. A. JUNGMANN, Missarum sollemnia, 2 Bde, 5Wien 1962; W. IRTENKAUF, Zur liturgischen Seite d. Eberhardgebetbuches, in: In libro humanitas. Fs. W. Hoffmann, 1962, S. 189-203; J. JANOTA, Stud, zu Funktion u. Typus d. dt. geistl. Liedes im MA (MTU 23), 1968; A. A. HÄUSSLING, Das Missale dt., Teil l (Liturgiewissenschaftl. Quellen u. Forschungen 66), 1984; R. CERMANN, Gebetbücher, in: Katalog d. dt.sprachigen illustrierten Hss. d. MAs5, Lfg. 1/2 (Nr. 43.1.1-42), 2002, Lfg. 3 ff. in Vorher. — Hinweise und Materialien von R. Cermann, K. Gärtner, H. Fill.

GISELA KORNRUMPF

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Marienmirakelsammlungen — Martin von Amberg

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Marienmirakelsammlungen [Korr./Nachtr. ]

Der Marner [Korr./Nachtr.]

Bd. 6, Sp. 23, Abschnitt l: "Schlag!, Stiftsbibl., cod. 125/73" korr.: Aigen im Mühlkreis, Stift Schlägl, Cpl 73 [453.b] (Kat. Nr. 125). Sp. 31 zu .3.: "Berlin, mgf 863, ..., Mitte 14. Jh." korr.: ..., 2. Drittel 15. Jh. Vgl. DEGERING, Hss. I 120 f.; U. WILLIAMS, Die 'Alem. Vitaspatrum' (TTG 45), 1996, S. 24*. Sp. 36 unten zu 15.: Zum 'Leben der Väter" vgl. -> 'Vitaspatrum', II. l.

Bd. 6, Sp. 76 Mitte: "II (4 Strr. über Sünde ...)" korr.: I (...). Sp. 77 zu 4.: Zur Verwendung von Marners Langem Ton in lat. Dichtungen vgl. auch -> 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] (hier wird z. T., der Fehlzuweisung der Hs. folgend, auch Marners Ton XVIII aufgeführt; dabei handelt es sich aber um Ton XVII des Meißners! Hinweis G. Kornrumpf).

'Marienpsalter' und 'Rosenkranz' [Nachtr./ Korr.] Bd. 6, Sp. 44 zu 2.: Vgl. auch -> 'Te deum', marianische Bearbeitungen [NB]. Sp. 45 unten: "Mainz, StB, Ms. 322, 33V-112" korr.: ..., Hs I 322, 83v-112r.

'Mariensequenz aus Muri' [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 50 Überl.: "Samen/Schweiz, Professorenbibl. d. Kantonalen Lehranstalt, Hs. 69" korr.: ..., Benediktinerkollegium, Bibl., Cod. membr. 69. Sp. 51 ergänze zu Überl. u. Ausg.n: Oxford, Bodleian Library, MS. Can. lit. 325, 12V (Anf. 13. Jh., bair.-österr.); vgl. B. GUTFLEISCH, Eine ostobd. Hs. der 'M. a. M.', ZfdA 119 (1990) 61-75 [mit Textpublikation]; R. FLOTZINGER, Zur Melodie der sog. 'M. a. M.' in Can. lit. 325 der Bodleian Library zu Oxford, ebd., S. 75-82 [mit Rekonstruktion der Melodie].

'Marientide' (nd.) s. auch -> Tagzeitengedichte [NB] Marienwerder, Johannes [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 59 zum 'Septililium': Vgl. auch -» 1binger Beichtbüchlein des Deutschen Ordens' [NB]. Sp. 60 zu Überl.: Die ehem. Königsberger Hs. 1128 befindet sich jetzt in Torun (Thorn), ÜB, Rps 37/111. Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. d. ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 110 f.

'Markgrafenkrieg' [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 66 zu 3., Überl.: "Nürnberg, ScheurlBibL, Papierhs. ...": Es handelt sich um Cod. D2 (Inventarbuch S. 135 b, Nr. 70), 301r-302v. Sp. 67 unten: zu LILIENCRON, Nr. 190 vgl. -> Pochsfleisch.

Marquard von Lindau [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 87 unten u. Sp. 96 Mitte: "Colmar, Bibl. Municipale, cod. 203 (269)" korr.: ..., ms. 269 (Kat. Nr. 203). Sp. 88 Mitte: "Paris, Bibl. Nat., cod. suppl. fr. 1329" korr.: ..., Ms Neerl. 37. Sp. 98 zu A. 6., Überl.: "Mainz, StB, cod. 51" korr.: ..., Hs I 51. Sp. 99 zu A. 7., Überl. a.: "Colmar, Bibl. Municipale, cod. 204 (263)" korr.: ..., ms. 263 (Kat. Nr. 204). Sp. 99 f. zu Überl. a. ergänze: Vgl. auch -> 'Meßerklärung Sider nu die heilig messe'. Sp. 100 zu b.: "Colmar, Bibl. Municipale, cod. 102 (623)" korr.: ..., ms. 623 (Kat. Nr. 102). Sp. 103 zu A. 9., Überl.: "Göttingen, ÜB, cod. 285" korr.: ..., SB u. ÜB, cod. ms. theol. 285. Sp. 111 zu B. 4., Sp. 112 zu B. 6., Sp. 114 zu B. 8 u. Sp. 115 zu B. 11., Überl.: "Regensburg, Schottenbibl., cod. l" korr.: heute in Regensburg, Bischöfl. Zentralbibl., cod. l Schottenbibl. Sp. 112 zu B. 6., Überl.: "Berlin, SB Preuß. Kulturbes., Ms. lat. fol. 157" korr.: ..., Ms. theol. lat. fol. 157.

Marquart von Stadtkyll [Korr.] Bd. 6, Sp. 128 Mitte: "Eine früher in Wien befindliche Hs. ... (Privatbesitz Ignaz Schwarz ...)" korr.: jetzt in Cologny-Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodmer 145, die Texte Bl. 5r-58v. Die anschließende (59r-109r) dt. Rezeptsammlung stammt möglicherweise ebenfalls von M. Vgl. Dt. Hss. d. MAs in der Bodmeriana. Katalog, bearb. v. R. WETZEL, Cologny-Geneve 1994, S. 164-169.

'Der Marschall und die Königin von Frankreich' -> 'Die Königin von Frankreich, Cronica' [NB] Martin(us) -»· 'Novus Cato' Martin von Amberg [Korr.] Bd. 6, Sp. 145 unten: "nach einer Michelstedter Hs. (Chart, saec. XV in 2°, 223 V -224 V " korr.: =

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Martin von Troppau — Matthias, Johannes, von Gengenbach

Michelstadt (Odenwald), Nicolaus-Matz-Bibl. (Kirchenbibl.), Hs. D 685; der von HAUPT abgedruckte Traktat heute auf den Bll. 214vb-215vb (alte Zählung 223-224). Vgl. Die mal. Hss. der Nicolaus-Matz-Bibl. (Kirchenbibl.) in Michelstadt. Ein Katalog v. J. STAUB u. K. H. STAUB mit e. Beitrag v. B. WEITEMEIER, 1999, S. 37-42.

Martin von Braga -> Seneca d. J. (B.V.l. u. C.H.2.); ->· 'Buch von den vier Angeltugenden' [Erg. im NB] Martin von Troppau [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 160 zu B.L: Auch das weit verbreitete Tromptuarium exemplorum' (= Exempla im Anhang der Sermones) wird M. v. T. zugeschrieben. Vgl. WELTER, L'exemplum, S. 228-230; KAEPPELI, Scriptores III, S. 115, Nr. 2972. Sp. 165 unteres Drittel, zu Übersetzungen: KAEPPELI, S. 123, nennt 9 Hss. mit dt. Übersetzungen des 'Chronicon'. Vgl. ferner Berlin, mgf 696, 229ra-294rb (Papstteil) und 314ra-381ra (Kaiserteil); Bruder -> Hermann II [Korr. im NB]; vgl. K. GRAF, Exemplarische Geschichten, 1987, S. 193 mit Anm. 29 (weitere Hss.). Exzerpte aus M.s Chronik enthalten auch die Weltchronik von -> Platterberger und -» Truchseß und die -» 'Konstanzer Weltchronik' [NB].

Mässinger -> Messinger 'Maternus' (dt. Legenden) -» 'Eucharius, Valerius und M.' [NB] 'Matthias (Apostel)' Deutsche Legenden. Die Gebeine des nach Act l, 15—20 als Ersatz-Apostel für Judas gewählten M. sollen durch Kaiserin Helena nach Trier gekommen sein, wo sie um 1050 und nochmals 1127 'wiederaufgefunden' wurden. Der Trierer Benediktiner ->· Lambert von Lüttich verfaßte um 1186 verschiedene lat. Texte in Vers und Prosa De vita, inventione, translatione et miraculis des Apostels. Vor 1460 entstand eine Übersetzung (WiLLlAMS-KRAPP, Nrn. 3 und 4) von Lamberts Prosaversion (-» Lambert v. L., II.2.-3.; AASS Febr. III, S. 442-447). Sie ist in 8 moselfrk., ripuar. und niederrhein.

980

Hss. überliefert. In der Trierer Hs. bildet sie den Anfang eines Legendars der Heiligen des gestifftz van Trere. Die anderen Hss. enthalten zwei Kölner Legendare sowie fünf Kölner Exemplare der 'Südmndl. Legenda aurea' (-*· Jacobus a Voragine, V.2.; -> Bijbelvertaler van 1360, B.l. [NB]). Die Inventio/Translatio ist auch in einer mndl. Hs. dieses Legendars überliefert. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss. der 'Südmndl. Leg. aur.': Darmstadt, LB, Hs 447, 370r-399r; ebd., Hs 814, 132rb-143va; Düsseldorf, ÜB, Ms. C 20, 223ra236rb; Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. W 169, 181vb-191va; Paris, Bibl. nat., Ms. allem. 35, 381ra-393vb. Ferner: Berlin, mgq 1687, 87r-97v, von 1463; Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 1731, 251r-275v, Ende 15. Jh.; Trier, StB, Hs. 809/1341 8°, 189r-206v, aus Eberhardsklausen.

Aus Ungenügen an der M.-Legende der 'Legenda aurea', welche mehr von Judas berichtet als von M. (-»· 'Judas', I.3.; dazu vgl. auch Nr. 2 der Matthias-Legenden bei WILLIAMS-KRAPP), verfaßte -> Regula um 1465 in Lichtenthal für ihre Bearbeitung der 'Elsässischen Legenda aurea' (-> Jacobus a Vor., V.5.) eine eigene Kurzversion (Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms. 2542, 94rb-97ra). Ausgabe. K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXIV f., LIII, Text S. 116-120 (der Text ebd. S. 121 — 125 ist die Fassung aus -> 'Der Heiligen Leben').

Eine kurze schwäbische Version enthält die 1412 geschriebene Predigtsammlung in Augsburg, StB, 2° cod 438, 224V-226V, aus der Diözese Augsburg. WILLIAMS-KRAPP verzeichnet außer den genannten Legenden noch 24 dt. und ndl. Legendarfassungen. L i t e r a t u r . R. M. KLOOS, Lambertus de Legia De vita, translatione, inventione et miraculis s. Matthiae apostoli libri quinque, 1958, S. 168, 182 f.; W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 442.

KONRAD KUNZE Matthias, Johannes, von Gengenbach entfällt (f 1486 in Basel; keine Schriften bekannt).

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Matthias von Kemnat — 'Medizinalwsser'

Matthias von Kemnat [Korr.] Bd. 6, Sp. 189 Überl.: "Hs. der 'Chronik' in der Slg. Ludwig, Köln" korr.: Die Hs. wurde zunächst nach Malibu/Los Angeles, The John Paul Getty Museum, verkauft und gelangte 1997 von dort an die ÜB Heidelberg (neue Sign.: Cod. Heid. N. F. 9).

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Sp. 257 zu b): "mndl. Bruchstück aus dem Besitz von Huis Bergh, Nr. 7" ergänze: = 's-Heerenberg, Stichting Huis Bergh, Collectie, hs. 6 (= Nr. des Katalogs VAN HEEK, 1974; Katalog v. VAN LUTTERVELT, 1948: Nr. 288), dort Text Nr. 7 der Hs. Sp. 260 Lit.: "M. ZIEGER, Textgeschichtl. Unters. ... (Druckmanuskript)" korr.: Die (Göttinger) Arbeit wurde nicht publiziert.

Matthias von Neuenburg [Korr.] Bd. 6, Sp. 194 Überl.: "Bern, StB u. ÜB, cod. 260" korr.: ..., Burgerbibl., ... Ebd.: "ehemals Straßburg, Bibl. nat. et univ., ... 1870 verbrannt" korr.: ... Straßburg, Bibl. de la Ville ... (1870 verbrannt).

Mauricius von Landau [Korr.] Bd. 6, Sp. 201 Überl.: "Quedlinburg, ehem. Gymnasialbibl., cod. 89" korr.: heute in Halle, ÜB u. LB, als Qu. Cod. 89. Vgl. J. FLIEGE, Die Hss. d. ehem. Stifts- u. Gymnasialbibl. Quedlinburg in Halle, 1982,5.92-102.

Kaiser Maximilian I. [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 215 zu 2., Überl.: "Stuttgart, Galerieverein (G)" korr.: jetzt Boston, Museum of Fine Arts. Sp. 220 Z. 1: "Augsburg 1517 ..." korr.: Nürnberg 1517 ... Sp. 229 zu 7., Überl.: "Wien [...], cod. 5213": Bei diesem Jagdbuch des Sebastian -» Ranck handelt es sich um eine gekürzte Abschrift aus Heinrich -» Münsingers 'Buch von den falcken, hebichen, Sperbern, pferden vnd hünden' (nach ->· Albertus Magnus, 'De animalibus'). Hinweise J.-D. Müller.

Mayr, Martin [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 247 vor Lit. ergänze: 4. M. M. verfaßte auch eine Reichsreformschrift in dt. Sprache für den Reichstag zu Prag i. J. 1463; gedruckt bei C. HÖFLER, Über die politische Reformbewegung in Deutschland im 15. Jh. u. den Anteil Bayerns an derselben. Eine Rede, gehalten am 91. Stiftungstag der k. Bayer. Akademie d. Wiss.n zu München am 28. März 1850, München 1850, S. 1-77, I. Beilage S. 37-43. Vgl. auch M. WATANABE, Imperial Reform in the Mid-Fifteenth Century: Gregor Heimburg and Martin Mair, The Journal of Medieval and Renaissance Studies 9 (Durham 1979) 209-235, hier S. 222ff.

'Media vita in motte sumus' [Nachtr.] Sp. 274 vor Ausg.n u. Lit. füge ein: III. Reimübertragung. -> Hartmann von Aue gibt im 'Armen Heinrich' das lat. Initium wieder und überträgt es: daz diutet sich alsus, l daz wir in dem tode sweben l so wir aller beste waenen leben, (vv. 93-95). Hinweis N. Henkel.

Medibardus -> Wolfhart von Herrieden 'Medinger Gebetbücher' [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 275 zu Überl. ergänze: Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2199 (nd. Osterorationale, Medingen um 1525), s. Hss.katalog v. N. KRÜGER, Die theol. Hss. der SB u. ÜB Hamburg, 4. Nachträge, 1998, S. 161 f. (Lit.); - Stuttgart, LB, cod. brev. 22 (lat.-nd. Osterorationale, Neukloster bei Buxtehude, 1524), s. W. IRTENKAUF, Ndjb 97 (1974) 108-112 (mit Abdr. d. nd. Stücke); V. FIALA / W. IRTENKAUF, Codices breviarii (Die Hss. d. Württ. LB Stuttgart. I. Reihe, Bd. 3), 1977, S. 34-36. Vgl. ferner -+ Privatgebetbücher (Nrn. 16 u. 17). Sp. 275 u. 277: Zu LIPPHARDTS Frühdatierungen einiger Hss. und damit der Anfänge der Tradition: "Aus kodikologischen und kunsthistorischen Gründen aber muß die Entstehung all dieser Hss. zwischen 1470 und 1520 angesetzt werden. Sie dokumentieren die Rückbesinnung der Schwestern von Medingen und Wienhausen auf ihre eigene Zisterzienserspiritualität nach der aufgezwungenen Reform unter Johannes Busch um 1468." G. ACHTEN, De gebedenboeken van de Cistercienzerinnenkloosters Medingen en Wienhausen, in: Miscellanea Neerlandica, Fs. Jan Deschamps Bd. III, Leuven 1987, S. 173-188 (S. 188 dt. Zusammenfassung). Vgl. auch -> 'Wichmannsburger Antependium' [NB]; -* Zisterzienser-Konstitutionen (dt.) [Erg. im NB].

'Medizinalwässer' [Korr.]

Mechthild von Hackeborn [Korr./Nachtr.]

Bd. 6, Sp. 292 zu Überl.: "Mainz, StB, Hs. 1514" korr.: ..., Hs I 514.

Bd. 6, Sp. 256, petit-Abschnitt, Mitte: "Heidelberg, ÜB, cod. 33 (olim Heid. 358, 38)" korr.: ..., Heid. Hs. 33.

Megenhart von Bleidenstadt -> Meginhart von Fulda [NB]

983

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Meginhart von Fulda — 'Meininger Reimbibel'

dern begleitete Translation des Heiligen (c. 6 — 7) und gab die Berichte von dessen 1. M. setzte die 'Translatio s. Alexanzahlreich in ganz Sachsen geschehenen dri' seines Lehrers -» Rudolf von Fulda Wundern (c. 8-15). M.s Schrift, die si(f 865) fort und vollendete sie; Bericht von den Umständen der Fortsetzung gibt er im cherlich den Vorstellungen seines Lehrers entsprach, ist ein frühes Beispiel der hagioWidmungsbrief an den Priester Sundrolt, graphischen Gattung der Translationes, den späteren Erzbischof von Mainz (889 — die sich, den zahlreichen Reliquienübertra891). Nur aus der Verbindung mit Rudolf gungen der karolingischen Zeit folgend, — magister noster im Brief an Sundrolt — ist auf seine Zugehörigkeit zum Fuldaer im 9. Jh. etablierte. Ü b e r l i e f e r u n g . Hannover, Niedersächs. LB, Konvent zu schließen. Im übrigen läßt sich über seine Person — anders, als die ältere Ms. I 186, Fulda, um 865, nach dem Eintrag f. V SUM wahrscheinlich M.s HandForschung bis zu SCHMID, 1978, meinte — MEGENHARTI r v exemplar. l -13 die 'Translatio', 15v-16r der keine weitere zuverlässige Aussage treffen. Widmungsbrief an Sundrolt. Die große Zahl der Träger des Namens A u s g a b e n . MGH SS II, S. 673-681, überholt Meginhart, die in den Fuldaer Totenannalen des 9. Jh.s erscheinen, erlaubt keine si- durch KRUSCH, S. 423-436. BHL Nr. 283. Faksicheren Zuweisungen urkundlicher Zeug- mile: Translatio S. Alexandri auctoribus Ruodolfo nisse an M., den Schüler Rudolfs. Seit der et Meginharto Fuldensibus. Mit einer Einf. v. H. ihm lange zugeschriebene Traktat 'De fide, HÄRTEL (Facsimilia textuum mss. 5), 1979. L i t e r a t u r . MANITIUS, LG I 645 f., 668-673; S. varietate symboli, ipso symbolo et pestibus HELLMANN, Einhard, Rudolf, M. Ein Beitrag zur heresium' als Werk ->· Meinhards von Frage der Annales Fuldenses, Hist. Jb. 34 (1913) Bamberg erkannt ist (FICKERMANN), ent40-64, bes. S. 62-64 mit Anm. 1; N. FICKERbehrt auch die Annahme, er sei in Fulda MANN, Eine bisher verkannte Schrift Meinhards Vorsteher der Klosterschule gewesen, ihrer von Bamberg, NA 49 (1932) 452-455; B. KRUSCH, einzigen Handhabe. Unsicher ist selbst das Die Übertragung des Hl. Alexander von Rom nach Datum seines Todes. Die Entscheidung für Wildeshausen [...], GGN 1933, H. 4, S. 405-436; 888 setzt M.s Autorschaft an einem 3. Teil A. F. , Die Abtei Bleidenstadt im MA, Diss. der 'Annales Fuldenses' voraus, die indes (masch.) Mainz 1952, S. 37; ders., Gestalt u. Wirvöllig spekulativ ist. KRUSCH, S. 417, er- ken der Abtei Bleidenstadt im MA, Archiv f. mitwog 868 oder 872. Auch als Autor der telrhein. Kirchengesch. 6 (1954) 75-108, hier 'Passio s. Ferrucii' (AASS Okt. 12, 1867, S. 79; K. SCHMID (Hg.), Die Klostergemeinschaft S. 538 — 542) scheidet M. aus; sie gehört von Fulda im früheren MA, 1978, Bd. 2,1, S. 259 f., u. Bd. 3, S. 281 f.; WATTENBACH/LEVISON/LÖWE, wohl einem Mönch Megenhartus, der sie Geschichtsquellen VI, 1990, S. 673, 679, 681 f., Ende des 11. Jh.s dem Abt Adelger von 713 f.; W. BERSCHIN, Biographie u. Epochenstil im Bleidenstadt widmete und um 1100 dessen lat. MA, Bd. 3: Karolingische Biographie, 1991, Nachfolger war ( ). S. 264; T. REUTER (Übers.), The Annals of Fulda, Meginhart von Fulda

2. ' T r a n s l a t i o s. A l e x a n d r i ' . Graf Waltbert, Enkel des Sachsenführers Widukind, hatte 850/51, so M.s Bericht, die Gebeine des hl. Alexander von Rom nach Wildeshausen überführt und danach Rudolf gebeten, die Wunder aufzuzeichnen, die der Heilige seither in Sachsen gewirkt habe. Während Rudolf bis zu seinem Tode nur noch die historiographisch bedeutsame Einleitung — Herkunft, Siedlungs- und Bekehrungsgeschichte der Sachsen — abfassen konnte, fuhr M. mit der eigentlichen Aufgabe fort, beschrieb Waltberts Romreise (c. 4—5) und die von Wun-

Manchester/New York 1992, S. 5-7. F. J. WORSTBROCK

'Meier Betz' (Nachtr.) [NB]

'Bauernhochzeit'

'Meininger Reimbibel' [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 313 f. zur Überl. und Datierung der 'M. R.': Die Hs. ist verschollen (Kriegsverlust?). RUHS Vermutung, der Text der 'M. R.' sei wesentlich früher entstanden als diese Hs., wird durch 1882 veröffentlichte Reste eines bebilderten rhfrk. Codex bestätigt, der um 1300 (GÜNTHER) oder in der 1. H. des 14. Jh.s (HORVÄTH) denselben Text

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Der Meißner — 'Meißnische Chronik'

als Fortsetzung der 'Weltchronik' -» Rudolfs von Ems [Bd. 8 u. NB] überliefert (KORNRUMPF): Kopenhagen, Kgl. Bibl. NKS 17m 2° (Bl. 3-12 aus Idt, Dn, I Mcc). Ein weiteres Blatt wurde 2000 bekanntgemacht: Hamburg, SB u. ÜB, Fragmentenslg. Nr. l (aus Idt). L i t e r a t u r . A. EDZARDI/E. MOGK, Kopenhagener Bruchstücke v. Rudolfs Weltchronik, Germ. 27 (1882) 60-101 (Textabdruck S. 62-100); G. KORNRUMPF, Die 'Weltchronik' Heinrichs v. München, in: Fs. I. Reiffenstein (GAG 478), 1988, S. 492-509, hier S. 494 f.; J. GÜNTHER, Die illustrierten mhd. Weltchronikhss. in Versen (tuduvStud., Reihe Kunstgesch. 48), 1993, S. 167-170 Nr. 19; D. KLEIN, Die Überl. der mhd. gereimten Weltchroniken, in: Stud, zur 'Weltchronik' Heinrichs v. München, Bd. l, hg. v. H. BRUNNER (Wissenslit. im MA29), 1998, S. 74-112, hier S. 106 Nr. 135; E. HORVÄTH, Rudolf v. Ems: Weltchronik. Ein neugefundenes Frgm. in der SB u. ÜB Hamburg ..., in: Scrinium Berolinense. Fs. T. Brandis, Bd. I, 2000, S. 297-305 (mit Abb.). - Hinweis G. Kornrumpf.

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Dresden, LB, Mscr. H 170m, 77r-144r (SCHNORR l, 1882, S. 569 f.), nur die meißn./thür. Forts, der Hss. 2/3, hier aber in erweiterter Form (Red. b; 15. Jh.; Schreibervermerk 109V deutet auf Neustadt a. d. Orla). Red. III: Drucke 1518/1522-1553: VD 16, M 2265-2270. Hss. der lat. Fassung: MARQUIS, S. 150—161. A u s g a b e n . Grundstock in dt. Fassung bis 1346 unediert. Dt. Fortsetzung 1426-1488 (sie): J.B. MENCKE, Res Misnicae, in: SS Rerum Germanicarum II, Leipzig 1728, Sp. 417—434. Lat. Fassung s. Rep. fönt. 2, S. 345 (Edd. Annales Vetero-Cellenses continentes ...).

2. Als 'M. Ch.' werden drei verschiedene dt. Übertragungen der Dynastiegeschichte 'De origine principum marchionum Misnensium et Thuringiae lantgraviorum' (auch sog. 'Annales Vetero-Cellenses maiores') bezeichnet: Red. I und Red. II reichen von 785 bis 1346 (Eroberung von Langensalza durch Markgraf Friedrich II.). Kaum stärker verbreitet als die erste ÜberMeise, Heinrich, von Würzburg entfällt setzung von 1426 (Red. I; Hs. 1) ist die (kein Autor); vgl. -»· 'Losbuch' (gereimt) II zweite, unabhängig von Red. I angefertigte Übertragung des späteren 15. Jh.s (Red. II; [NB] Hss. 2, 3). Diese ist zusammen mit einer Fortsetzung (Red. a) von 1426 bis 1478 (in Der Meißner [Nachtr.] der hs.liehen und der Druck-Überlieferung fälschlich 1488; -»· Bucheler, Hans) überlieBd. 6, Sp. 324 vor Lit. ergänze: Vgl. auch -> fert. Zwischen 1346 und 1426 blieb hier 'Augsburger Cantionessammlung' [NB], in der Meißners Ton XVII verwendet wird (im Artikel, eine zeitliche Lücke. In Hs. 4 tritt der Fortder Fehlzuweisung der Hs. folgend, z. T. noch setzungstext der Hss. 2 und 3 als eine dt. fälschlich als Marners Ton XVIII bezeichnet!). Ergänzung zu einer lat. thüringischen Landgrafenchronik (sog. 'Historia Pisto'Meißnische Chronik' ('Chronik der riana'; vgl. Johannes -> Rothe) auf. Der Text erscheint dabei in einer erweiterten Markgrafen von Meißen') Fassung (Red. b) u. a. mit Bezügen auf 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Red. I: 1. Zwickau, Rats- Neustadt a. d. Orla, die in Hss. 2 und 3 schulbibl., Ms. 1,6, 25 Bll. (v. J. 1426; Cronike von (und im Druck bei MENCKE) fehlen (dazu latin in deüczsz der hochgebornen fursten von BALTZER). Im 16. Jh. (Red. III) wurden meyszen gruntlichen von irem herkommen vnd ir u. d. T. 'Meyssenische Cronica, wye dye schepphunge; SCHIPKE, S. 24 f.). hochgeboren Fürsten von Meyssen ... herRed. II: 2. Weimar, Herzogin Anna Amalia r r komen syndt' mehrere Drucke mit einer Bibl., Q 206, 2 —64 (cronike der margrauen von ins Deutsche übersetzten und bis 1440 misßen vnd wie sye an dye margrauenschafft vnd fortgesetzten Exzerptsammlung aus 'De furstenthum körnen seynt noch laudt der kronikorigine principum ...' veranstaltet und daken auff sant peters perge), Fortsetzung (Red. a) Bl. 64v-90r (frühe Besitzervermerke in der Hs. bei z. T. auch mit einer kurzen Universaldeuten auf Leipzig 2. H. 15. Jh.); 3. Halle/Saale, geschichte zusammengestellt. Erst diese dt. ÜB u. LB, ThSGV 3147, 100r-127v, Fortsetzung Kurzfassung von 'De origine principum ...' (Red. a) Bl. 127"-138V (lat./dt. hist. Sammelhs. wurde weiter verbreitet. mit Haupttexten zur Gesch. der Wettiner; Prov. Thomaskloster Leipzig; Schreibervermerk zur Übers. Bl. 127V v. 1508; Titel entspricht Hs. 2); 4.

3. Der Horizont der lat. Vorlage, die von Johannes Tylich, Propst des Naumburger

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Meister des Lehrgesprächs — 'Melker Gebete an die Dreifaltigkeit'

Augustinerchorherrenstiftes St. Moritz, nach 1407 (in Leipzig?) verfaßt worden war (so zuletzt MARQUIS, S. 162-169), blieb für die dt. Übersetzungen des 15. Jh.s (Red. I und II) bestimmend. Das Ziel dieses wichtigsten Werkes der spätmal, meißnischen Geschichtsschreibung war gewesen, Herkommen (fiktive Abstammung vom Sachsen-Herzog Widukind), Genealogie und wichtige Daten der politischen Geschichte der Wettiner aus erreichbarem Material, das v. a. in den Klöstern von Altzella und Lauterberg gesammelt worden war, zusammenzustellen. Der Übersetzer der dt. Red. II erkannte die intensive Verwendung der Lauterberger Chronik und hob dies durch seine Titelgebung hervor (s. o.). Die Dynastie der Wettiner wird als die Klammer dargestellt, durch die die einzelnen Herrschaftsteile des Gesamtraumes miteinander verschmolzen (MARQUIS, S. 372 f.). 4. Die Fortsetzung des späteren 15. Jh.s, die in beiden Redaktionen (a und b) mit einem Bericht über die Schlacht von Außig 1426 einsetzt und mit der Briefzeitung eines Hans -» Bucheler aus Florenz endet (die Briefzeitung in Red. b von anderer Hand), weitet sich gegenüber dem Grundstock thematisch aus und präsentiert eine breitere Mischung von zeitgeschichtlichen Berichten mit Schwerpunkt im meißnischthüringischen Raum (u. a. Hussiten, wettinischer 'Bruderkrieg', Kauffungen-Fehde). Textbestand und Entstehung dieser Fortsetzung sowie die Übersetzungsweise des Grundstocks bedürfen weiterer Erforschung. 5. Nicht zu verwechseln mit den drei Versionen der 'M. Ch.' ist das sog. 'Chronicon parvum Dresdense' (lat. Titel im Text: 'Coronica [!] principum Misnensium'), eine kleine dt., wohl in Dresden in der 2. H. des 14. Jh.s entstandene Dynastiegeschichte der Wettiner mit knappen, annalistisch gehaltenen Angaben von 1175 bis 1349. Als Quellen wurden eine lat. genealogische 'Tabula', die in Kloster Altzella angebracht war, dort entstandene lat. 'Annales Veterocellenses (minores)' (MGH SS XVI S. 41-57) sowie Material, das

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auch in 'De origine principum ...' einging, ermittelt. Ü b e r l i e f e r u n g . Dresden, LB, J 46 (SCHNORR 2, 1883, S. 27). Ausgabe. L. SCHMIDT, Das sog. Chronicon parvum Dresdense, Dresdner Geschichtsbll. 28 (1919) 203-205. L i t e r a t u r . Rep. font. 2, S. 384 ('Chronicon parvum Dresdense'); J. O. OPEL, Annales Veterocellenses (Mittheilungen der Dt. Ges. Leipzig 1/2), 1874, S. 17-19 u. S. 25-30; F. SCHNORR VON CAROLSFELD, Katalog der Hss. der kgl. öffentl. Bibl. zu Dresden 1/2, 1882/1883; O. LANGER, Die sog. Annales Vetero-Cellenses, Neues Archiv f. Sachs. Gesch. 17 (1896) 75-120, hier S. 84-86; M. BALTZER, Zur Kunde thüring. Geschichtsquellen des 14. u. 15. Jh.s, bes. ihrer hs.liehen Überl., Zs. d. Ver. f. Thüring. Gesch. 18 (1897) 1-60, bes. S. 9, 4345; R. SCHIPKE, Die mal. Hss. der Ratsschulbibl. Zwickau (Dt. SB Hss.inventare 13), 1990, S. 24 f.; S. PÄTZOLD, Die frühen Wettiner. Adelsfamilie u. Hausüberl. bis 1221 (Gesch. u. Politik in Sachsen 6), 1997, bes. S. 265-362 (Chronicon Monds Sereni); B. MARQUIS, Meißnische Geschichtsschreibung des späten MAs (ca. 1215-1420), 1998, bes. S. 150-172, 126-136.

JOACHIM SCHNEIDER Meister des Lehrgesprächs [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 331 ff.: Zur Person vgl. Johannes -» Hiltalingen von Basel [NB].

Meisterlin, Sigismund [Korr.] Bd. 6, Sp. 361 zu 4., Sp. 362 zu 5., Sp. 365 zu 10., jeweils Überl.: "Augsburg, SB u. StB, cod. Aug. 320" korr.: ... 2° Cod Äug 320. Sp. 363 zu 8., Überl. lat.: "Nürnberg, StB, cod. Scheurl L" korr.: Nürnberg, Scheurl-Bibl., cod. L. Ebd., Überl. dt.: "Nürnberg, StB, codd. Schwarz 198.2° [...], Schwarz 199.2°, Schwarz 405.2°" sind alte Signaturen. Heute: Schwarz 198.2° = Amb. 3152°; Schwarz 199.2°= Amb. 3162°; Schwarz 405.2° ist nicht zu verifizieren (Mitt. Christine Sauer, StB Nürnberg).

'Melker Gebete an die Dreifaltigkeit' Ü b e r l i e f e r u n g . Melk, Stiftsbibl., 2 Perg.bll. im Duodezformat, deren oberer Teil weggeschnitten wurde; 14. Jh. (nach DIEMER). Verschollen. Ausgabe. J. DIEMER, Bruchstücke dt. Gebete an die H. Dreieinigkeit, Germ. 3 (1858) 355-359.

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'Memento Mori' — Mengin, Nikolaus

Die vier fragmentarisch überlieferten, paargereimten Gebete an Vater, Sohn und Hl. Geist (insgesamt 125 Verse) in bair.österr. Schreibsprache sind nur aus dem Abdruck DIEMERS bekannt. Da sie überwiegend in Ich-Form gehalten sind und damit eher privaten als liturgischen Charakter aufweisen, könnte nach OCHSENBEIN (S. 381 f.) u. a. auch die Herkunft aus einem (möglicherweise gemischtsprachigen) Privatgebetbuch in Erwägung gezogen werden. Eine lat. Vorlage war bisher nicht zu ermitteln, auch nicht für den in der Wir-Form stehenden Teil (v. 66 — 87), der mit dem Beginn Ungeteiltiu unitas ! Und die hohiu trinitas (v. 66 f.) Anklänge an lat. Dreifaltigkeitsgebete aufweist. Lob des Schöpfers und der Schöpfung (dargeboten in einer Aneinanderreihung von Gegensatzpaaren) sowie Bitte um Erlösung von den Sünden und ewiges Leben sind die Grundkonstanten der Gebete. L i t e r a t u r . P. OCHSENBEIN, Dt.sprachige Privatgebetbücher vor 1400, in: Deutsche Handschriften 1100-1400. Oxforder Kolloquium 1985, hg. v. V. HONEMANN u. N. F. PALMER, 1988, S. 379-398, hier S. 381 f.; U. SCHULZE, Reimgebet (IV), in: Lexikon d. MAs 7, 1995, Sp. 655 f. (mit weiterer Lit.).

CHRISTINE GLASSNER 'Memento Mori' [Korr.] Bd. 6, Sp. 381 Überl.: "Straßburg, Bibl. nat. et univ., cod. germ. 278" korr.: ..., ms. l (olim L germ. 278 2°).

'Memoria improvisae mortis' -»· Lang, Stephanus [NB] Mengin, Nikolaus übersetzte die 'Legende des Venitiens' des Jean Le Maire de Beiges (1473 — ca. 1525), die 1509 unter Beifügung zweier Dichtungen Le Maires ('La plaincte du desire' und 'Les regretz de la dame infortunee') in Lyon publiziert wurde, aus dem Französischen ins Deutsche. In einer Vorbemerkung zu der mehrfach als Flugschrift gedruckten dt. Übersetzung wird M. als

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'Secretarius' bezeichnet und Nancy als sein Heimatort genannt. Le Maire selbst, der in den Jahren 1504 bis 1512 Historiograph der Erzherzogin Margarethe von Österreich, der Statthalterin der habsburgischen Niederlande, war, erwähnt ihn in einem Brief vom 8. Sept. 1511 an Margarethes Sekretär Louis Barangier (STECHER IV, S. 383). Daraus geht hervor, daß M. ebenfalls im Dienst der Erzherzogin stand. Ü b e r l i e f e r u n g . Drei Drucke des 16. Jh.s: a. [Augsburg, E. Öglin 1514]; WELLER 515/516 (identisch!) und VD 16, L 1089. - b. [Straßburg, J. Schott für G. u. N. Lud in Saint-Die, um 1517]; WELLER 514 und VD 16, L 1090; Mikrofiche-Reproduktion: Flugschriften d. frühen 16. Jh.s, hg. v. H.-J. KÖHLER u. a., Zug 1978-1987, Fiche 1495/ 3930. - c. Frankfurt a. M., C. Jacob [1539/51]; VD 16, L 1091. A u s g a b e . Die 'Legende des Venitiens' ist nach der Folio-Werkausgabe Lyon 1549 gedruckt bei STECHER III, S. 361-409; hier wie dort fehlt der nur in der ersten Ausg. enthaltene Widmungsbrief an Louis de Gorrevod, Bischof von Maurienne, vom Juni 1509 (ed. BECKER, S. 358-360). - Die dt. Übersetzung ist unediert. Ihr Text entspricht dem frz. Text bei STECHER III, S. 361-399, 402405 (Mitte) und, als Nachwort zu den 'Regretz de la dame infortunee' mit etwas abweichender Reihenfolge, S. 194 f.

Le Maires Werk ist ein politisches Pamphlet, nicht eine Chronik, wie der dt. Titel Venediger Chronica suggeriert. Anlaß war die Liga von Cambrai gegen Venedig, die am 10. Dez. 1508 zwischen Kaiser Maximilian, dem Papst und den Königen von Frankreich und Spanien geschlossen wurde. An den Verhandlungen war Erzherzogin Margarethe maßgeblich beteiligt. Die Schrift versammelt in drei Kapiteln Beispiele aus der venezianischen Geschichte für den schändlichen Umgang der Venezianer mit ihrem eigenen Führungspersonal wie auch mit ihren Untertanen und für ihre Mißachtung der Kaiser und Fürsten sowie des Papstes und der Geistlichkeit, gipfelnd im Vorwurf der Verbindung mit den Ungläubigen. Die bewußt ohne rhetorischen Aufwand vorgelegte Beispielsammlung soll beweisen, daß der in verschiedenen Weissagungen prophezeite Untergang Venedigs nicht auf den

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Mennel, Jakob - Merbot, Cunrad, von Weida

Einfluß der Gestirne zurückzuführen ist, sondern Gottes Strafe für die Übeltaten der Venezianer darstellt. Im 3. Kapitel wird deswegen abschließend ihre Niederlage bei Agnadello am 14. Mai 1509 herausgestellt (im frz. und dt. Text fälschlich auf den 18. Mai datiert). Den Beschluß der Schrift bildet dann ein von zwei Gedichten (sie fehlen der dt. Übersetzung) eingerahmter Brief an den Lyoner Messekonservator und königlichen Rat Claude Thomassin. Er enthält in der Übersetzung eine Schlußpartie, die in der frz. Ausgabe fehlt (sie wurde von Le Maire aber den erwähnten 'Regretz de la dame infortunee' angehängt). Beginnend mit einem Lob der Erzherzogin Margarethe werden hier die Eroberungen des Papstes, des Kaisers, Frankreichs, Spaniens, Mantuas und Ferraras aufgezählt. Der Passus über den Kaiser beruht auf einem Brief Maximilians I. an seine Tochter Margarethe vom 8. Juni 1509 (BECKER, S. 129, Text S. 361—363). Ihrem nochmaligen Lob dienen zwei Schlußverse, die auf Französisch und auf Deutsch abgedruckt sind. Der Übersetzung folgt in a. und b. am Ende Ein freüntliche Warnung an die Venediger in 20 vv.; Abdrucke: HORMAYRS Taschenbuch f. d. vaterländische Geschichte, München 1834, S. 21; E. BÖKKING (Hg.), Ulrichi Hutteni ... opera, Bd. III, 1862, S. 190; G. Eis, Mhd. Lieder u. Sprüche, 1949, S. 210 u. 230 f. Die vv. l und 11 f. finden (zufällige?) Entsprechung in einem Gedicht des Hans -> Schneider (LiLiENCRON, Hist. Volkslieder III, Nr. 259, v. 11 f.). L i t e r a t u r . J. STECHER (Hg.), Jean Lemaire de Beiges. CEuvres, 4 Bde, Louvain 1882-91; PH. A. BECKER, Jean Lemaire, der erste humanist. Dichter Frankreichs, 1893, S. 126-130, 358-360, 363 Anm., 377, 380f.

FRIEDER SCHANZE Mennel, Jakob [Nachtr./Korr.] Bd. 6, Sp. 389 unten: "'Passion in form ...' ..., 1514 von Johannes Adelphus im Druck herausgebracht" ergänze: vgl. J. Adelphus -»· Muling, B. I. 30. [NB]. Sp. 391 f. zu 6.: Eine lat.-dt. Sammlung historischer Quellen in München, cgm 1218 (aus Tegernsee, 1. V. 16. Jh., wohl aus dem Umkreis M.s stammend) enthält Genealogien der Grafen von Holland (lat.-dt.), der Grafen von Flandern (lat.-dt.),

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der Herzöge von Kleve (dt.), der Grafen von Geldern (dt.), der Grafen von Berg und Altena (dt.), der Grafen von Jülich (dt.), schließlich der hl. Hedwig und der Herzöge von Schlesien (lat.). Es könnte sich dabei um Vorarbeiten zu M.s 'Geburtsspiegel Kaiser Maximilians' handeln, die evtl. auf Material des Ladislaus -» Sunthaym basieren. Vgl. SCHNEIDER, München VI, 1991, S. 178-181. Die Genealogie der Grafen von Geldern ist hg. v. W. JAPPE ALBERTS, Een Gelderse kroniek te München, Bijdragen en Mededelingen van het Historisch Genootschap Gelre 52 (1952) 194-210, Komm. S. 185-193. Sp. 392 oben zu 6. Überl. ergänze: Entwürfe zu M.s 'Die Seligen und Heiligen des Hauses Habsburg' in der Hs. Wien, cod. 8994. Als Quelle benutzte M. 'Der -> Heiligen Leben'; vgl. W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, S. 338-340. Ebd. Mitte: "Wien, cod. 1377""' korr.: Wien, cod. 3077***. Sp. 393 Z. 17: "Schaffhausen, StB, Hs. 74" korr.: Gen. 62; vgl. Verzeichnis d. Inkunabeln u. Hss. der Schaffhauser StB, bearb. v. H. Boos, Schaffhausen 1903, S. 79.

Merbot, Cunrad, von Weida (Beichtspiegel des C. M.) Ü b e r l i e f e r u n g . Jena, ÜB, Ms.El.f.48, 267ra268va (Weida 1399). A u s g a b e . METTKE, S. 20—28.

C. M., zu dessen Person sonst nichts bekannt ist, gehörte möglicherweise dem Prämonstratenserkloster Mildenfurt bei Weida an, woher die Hs. stammt. Er schrieb in Weida 1399 einen Faszikel von 3 Sexternionen, der einer lat. Sammelhs. kanonistischtheologischen Inhalts beigebunden ist. Auf die Quaestiones in Summam Heinrici (-*· Heinrich von Merseburg) und ein lat. Confessionale folgt ein Confessionale teutunycale, eine Beichtformel in ostthüringischer Schreibsprache, für die er wohl, ebenso wie für die beiden vorhergehenden Texte, nur als Schreiber, nicht als Verfasser in Frage kommt. Der kurze, für die seelsorgerische Praxis bestimmte, offensichtlich nur in dieser Hs. überlieferte Beichtspiegel ist schematisch nach aufsteigender Reihenfolge der katechetischen Stücke angelegt: wenig geläufig in dt. Beichttexten sind die anfangs aufgezählten zweierlei (innere und äußere), drei-

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'Merlin' und 'Lüthild' — Pseudo-Mesue

erlei (Leib, Welt, böser Geist) und viererlei Sünden (nach den 4 Elementen); die nachfolgenden Sünden gegen die 6 Werke der Barmherzigkeit, die 7 Hauptsünden und Sakramente, die 9 fremden Sünden und die 10 Gebote werden dagegen in den meisten Beichtformeln abgehandelt. Jedes dieser katechetischen Stücke wird eingeleitet mit der Formel Ich gebe mich schuldig daz ich gesundigit han my t ... und schließt ... daz ru mich vnd yst mir leyt. Die Aufzählung der einzelnen Sünden unter diesen Punkten ist knapp auf das Wesentliche beschränkt, einzig zum 7. Gebot zählt ein Reimpaar auf, was man nicht stehlen soll: huner gense enten swin / holcz fleysch benke vnd wyn. L i t e r a t u r . H. METTKE, Die Beichte des Cunrad Merbot von Weida, 1958; ders., Sprachgeschichte, WZUJ 16 (1967) 301-305, hier S. 302 f., 305 Anm. 17, mit Abb. aus der Hs. 268V; F. PENSEL, Verzeichnis d. altdt. u. ausgewählter neuerer dt. Hss. in d. ÜB Jena (DTM LXX/2), 1986, S. 264-266.

'Von der Messe' Reimfassung einer Predigt -> Bertholds von Regensburg, 638 vv. Von den publizierten Versionen dieser weit verbreiteten Predigt kommt der zu erschließenden Vorlage am ehesten WACKERNAGEL, Altdt. Predigten, S. 69—76 nahe. Einleitung und Schlußverse sind selbständig, in bescheidenem Maße hat der Versifikator auch im Inneren freier ausgestaltet. Ü b e r l i e f e r u n g . Annaberg-Buchholz, Kirchenbibl., St. Anna, cod. 329, 155ra-259ra (geschrieben 1447 von Johannes Pauli, Notar der Stadt Meißen). A u s g a b e . F. PENSEL, PBB 117 (1995) 65-91.

RED. 'Meßerklärung Ego sum [Nachtr.]

pants

uiuus'

Bd. 6, Sp. 443 Überl.: Zu einer weiteren Hs. vgl. -> Heinrich von Friemar [Erg. im NB].

KARIN SCHNEIDER 'Merlin' und 'Lüthild' [Korr.]

'Meßerklärung Man findet vil buchlein vnd lere' [Nachtr.]

Bd. 6, Sp. 406, Z. 4 des Artikels: "Berlin, mgq 1402" korr.: ..., mgq 1409. Sp. 409 zu Ausg.n bzw. Lit.: "T. EHLERT (u. a.), Merlin u. Lüthild, Bonn 1986 (in Vorbereitg.)" korr.: Der Rheinische Merlin. Text. Übers. Unters, der 'Merlin'- u. 'Lüthild'-Frgm.e. Nach d. Hs. Ms. germ. qu. 1409 der SB Preuß. Kulturbesitz neu hg. u. erläutert v. H. BECKERS. Übers, u. Unters, v. G. BAUER, T. EHLERT u. a. (Schöninghs mediävist. Editionen 1), 1991.

Bd. 6, Sp. 444 ergänze die Ausgabe: F. X. WÖBER, Ain guet ler von der mess tzu nuz vnd haill allen layen durch Nicolaum Tzipser. Anno domini MCDLXX. Aus der hs. hg. u. mit einer gegenüberstehenden Übersetzung versehen (JB des K. K. Obergymnasiums zu Przemysl für das Schuljahr 1855/56), Przemysl 1856 (nach einer Hs. des Textes aus der Bibl. des Domkapitels von Przemysl, geschrieben von Nikolaus Zipser 1470; Zipser ist - entgegen ^L IV 1164 - nicht der Autor!).

Mersburg - 'Augsburger Cantionessammlung' [NB]

Pseudo-Mesue [Nachtr.]

Merswin, Rulman [Korr.] Bd. 6, Sp. 423 zu 2. u. 3.: "Hs. 2185 des Straßburger Bezirksarchivs" korr.: Hs. H 2185 ... Sp. 427 zu 3., Überl.: "Magdeburg, Bibl. d. Domgymnasiums, cod. 174" korr.: heute in Berlin, SBB-PK, Ms. Magdeb. 174. Sp. 430 zu 7., Überl.: "Salzburg, ÜB, cod. V 3 H 148" korr.: ..., cod. M I 476 (olim V 3 H 148). Sp. 435 zu 17., Überl.: "Bamberg, StB, Msc. hist. 160" korr.: Bamberg, SB, Msc. hist. 160. Ebd.: "Mainz, StB, cod. 221; cod. 322" korr.: ..., Hs. 1221; Hs. 1322, 39r-83r.

Bd. 6, Sp. 453 vor Lit. ergänze: 3. Obd. Ps.-Mesue-Übersetzung. Ü b e r l i e f e r u n g . Neu Titschein (Novy Jicin/ CR), Schloßmuseum, Schloßbibl. Kunin (Kunewalde), R 16, l r -47 r in Folio, um 1460-70, hochalem.-bair., aus dem Besitz des Vorarlberger Geschlechts derer von Hohenembs (Erstbesitzer: Marx v. H., 1466—1533, Landeshauptmann von Vorarlberg, Hss.-Sammler).

Die einzige bekannte zusammenhängende Übersetzung des 'Grabadin' wurde aufgezeichnet von einem Berufsschreiber

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Pseudo-Methodius

im hochalem.-bair. Übergangsgebiet — wahrscheinlich in Vorarlberg oder im Allgäu. Wegen des Buchschmucks an eine oberschichtliche Auftragsarbeit erinnernd (goldgrundierte Initiale l r ), weist der NeuTitscheiner 'Mesue' von seinen Begleittexten her (lat.-dt. Drogennamen-Glossar, zweispaltig, 48 r —76 r ; pharmazeutisch unterfüttertes -» 'Pariser Pestgutachten' mit chirurgischem Einschlag, 77 r —82 r ; Geschwürslehre in Anlehnung an -* Guy de Chauliac, 90 V —92 V ) eher auf jenes Apotheker-Milieu, wie es gleichzeitig im Oeuvre des Zürcher Apothekerknechts Hans -» Minner begegnet. Der Übersetzer des 'Mesue' war jedenfalls mit der pharmazeutischen Fachsprache bestens vertraut; er bietet den gesamten Text und hat den hochkomplexen Wortlaut pharmazeutischer Technologie bei allen zwölf arzneiformbezogenen Arzneimittelgruppen beispielhaft bewältigt. L i t e r a t u r . B. LIFKA, Knizni dedictvi Hohenembsfi z Kunvaldu, in: Strahovskä knihovna. Sbornik Pamatniku narodniho pisemnictvi, Prag 1969, S. 154f. [ohne Identifizierung]; M. TOSNEROVÄ, Prüvodce po rukopisnych fondech v CR I. Rukopisne fondy zämeckych, hradnich a palacovych knihoven, Prag 1995, S. 75-76 [mit Identifizierung].

LENKA VANKOVÄ Pseudo-Methodius I. Die 'Revelationes Methodii', vorgeblich von dem Märtyrer Methodius, Bischof von Olympos (bzw. Patara) (3. Jh.) stammend, stellen einen eschatologisch orientierten Abriß der sieben Jahrtausende währenden Weltgeschichte von Adam bis zum Weltende dar. Der Bericht im Gewand visionärer Erfahrungen, ursprünglich in syrischer Sprache, entstand aber wohl erst Ende des 7. Jh.s zur Zeit der Umaiyaden, gegen deren sich ausbreitende islamische Herrschaft sich der christliche Autor polemisch richtet. Er verknüpft in typologischer Manier einen historischen Teil, in dem nur bestimmte Ereignisse vor allem des AT zur Sprache kommen, mit einem prophetischen über das Ende der Zeiten. Als Präfiguration bedeutsam ist die erste

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Zurückschlagung der filii Istnahel (d. i. der Midianiter) durch die Israeliten unter Gideon. Einen wichtigen Angelpunkt bilden Alexander der Große und die Verbindung des griechisch-römischen Reiches mit Äthiopien: Alexanders Mutter ist PS.-M. zufolge die äthiopische Königstochter Chuseth, die in zweiter Ehe Byzas, den Gründer von Byzanz, heiratet; die Nachkommen dieser Verbindung begründen das römisch-byzantinische Kaisertum. PS.-M. demonstriert, daß das römische (d. i. das christliche) als letztes der vier Weltreiche Daniels nicht durch ein islamisches abgelöst werden wird. Die Maske eines Autors aus dem 3. Jh. ermöglicht ihm, das tatsächlich zu seiner Zeit erfolgte militärische Vordringen der islamischen Araber gegen das byzantinische Reich als Prophezeiung in die Zukunft zu versetzen (die filii Ismahel werden zum zweiten Mal zu Beginn des siebten Weltalters die Welt bedrohen); er interpretiert es als Strafe Gottes für die Sünden der Christen und erstes Signal der Endzeit. PS.-M. ermahnt die Christen leidenschaftlich zur Standhaftigkeit im Glauben gegen den Islam und prophezeit den baldigen Sieg des rex Grecorum et Romanorum. Nach einer hierauf folgenden Zeit des Friedens werde das Ende der Welt anbrechen (Rückkehr der einst von Alexander eingeschlossenen unreinen Völker [Gog und Magog], Übergabe der Krone des Reiches an Gott auf Golgotha in Jerusalem durch den letzten römischen König, der ex semine filiorum Chuseth stamme — als Interpretation von PS 68,32 Aethiopia praeveniet manus eins Deo —, Herrschaft des Antichrist und Wiederkunft Christi mit Weltgericht). A u s g a b e . G. J. REININK, Die syrische Apokalypse des PS.-M. (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 540 u. 541. Scriptores Syri 220 u. 221), 2Bde, Lovanii 1993 (krit. Ausg. mit dt. Übers.; vgl. dort weitere Ausg.n).

II. Lateinische Fassungen. Das Werk wurde mehrfach ins Griechische und bereits im 8. Jh. durch einen Petrus monachus wohl im merowingischen Frankenreich ins Lateinische übersetzt; v. a. in Westeuropa erfuhr es im MA eine

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Pseudo-Methodius

sehr große Verbreitung (mind. 4 lat. Rezensionen). Die ältere lat. Fassung (Rez. I), die auch in die frühen Drucke Eingang fand (anders AERTS/KORTEKAAS, Ausg., S. 35), entspricht i. W. dem ursprünglichen Text. Die weiteste hs.liehe Verbreitung erfuhr aber die wesentlich umgestaltete lat. Kurzredaktion (= Rez. II), die im 8. Jh. entstand, vermutlich in einem Kloster im süddt. Raum (St. Gallen? Erwähnung der Svvaves und Bagivvarios neben den Germanen), und die Bezug auf die Kämpfe gegen die Sarazenen in Spanien und Frankreich nimmt. Hier sind die Passagen über die orientalischen Großreiche der Frühzeit stark gekürzt; die Alexandergeschichte und die Verknüpfung des Kaisertums mit Äthiopien fehlen; der von den Sarazenen bedrohte geographische Raum wird um westeuropäische Territorien (Gallia, Germania, Aquitania) erweitert, der Endkaiser nicht mehr mit Byzanz assoziiert. Die Warnungen des Autors vor Konversion zum Islam sind weggefallen. Ü b e r l i e f e r u n g . Die Liste bei LAUREYS/VERHELST, 1988, führt insg. 196 Hss. auf; 7 weitere bei MÖHRING, S. 321 ff., darunter München, clm 2574b (das Brief- und Memorialbuch -> Albert Böheims), 15r-23r. Ferner: Melk, Stiftsbibl., cod. 647 (olim 355; G 15), 193r-195r (dat. 1463); ebd., cod. 945 (olim 406; H 18), S. 333-344 (dat. 1481); ebd., cod. 1917/2 (olim 534; K 4 b ) , 245r-248v (dat. 1472) (Hinweise Ch. Glaßner, Wien). LAUREYS/VERHELST, Nr. 89 (Melk, cod. 68) ist zu korrigieren in Melk, cod. 1561 (olim 68; B 33). Drucke. Rez. I: 4 Inkunabel- und 2 Frühdrucke (von ihnen abhängig die beiden dt. Drucke, s. u. IV.): Libellus diuinarum reuelationum sancti Methodii martyris et episcopi Patinensis ecdesie..., HC 11119-22 u. 11124; VD 16, M4934-4935; der älteste Druck [Köln, Ulrich Zell, ca. 1475] mit abweichendem Titel (HC 11124). Die nachfolgenden Drucke (seit Augsburg 1496), die punktuell auch von Rez. II beeinflußt sein dürften, werden durch eine eigene praefatio eingeleitet (Inc. Homo cum in honors esset ...) und sind durch einen Traktat Wolfgang Aytingers ergänzt (s. u. III.); der von Seb. -» Brant hg. Druck Basel 1498 (Nachdrucke 1504, 1516 u. ö.) ist außerdem mit einer Widmung an Johannes -> Meder OFM, mit Kapiteleinteilung und zahlreichen Holzschnitten versehen. — Weitere Drucke im 16. u. 17. Jh., darunter auch Rez. II: W. LAZIUS, Fragmentum vaticinii cui-

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usdam Methodii, Viennae 1547 (Ex.: Göttweig, Stiftsbibl., XIV F a 1; nach Wien, cod. 492). A u s g a b e n . Rez. I: SACKUR, 1898, S. 59-96; W. J. AERTS/G. A. A. KORTEKAAS, Die Apokalypse des PS.-M. Die ältesten griech. u. lat. Übers.n (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 569 u. 570, Subsidia 97 u. 98), 2 Bde, Lovanii 1998 (synopt. mit der ältesten griech. Rez.); TH. FRENZ/P. HERDE, Das Brief- u. Memorialbuch des Albert Beheim (MGH Briefe d. späteren M As I), 2000, Nr. 43, S. 134-178 (entstellte Fassung; nach München, clm 2574b). Rez. II: RUDOLF, 1976, S. 77-91 (auf der Grundlage von Wien, cod. 492, 10. Jh., südwestdt., 3 V —8 V ); synoptisch mit einer der dt. Übers.n [s. u. IV. 2.]); PRINZ, 1985, S. 6-17 (nach Zürich, Zentralbibl., cod. C 65, aus St. Gallen, 8. Jh., 80 V -88 V ); weitere Ausg.n s. AERTS/KORTEKAAS (s. o.), S. 33 Anm. 55. Von den 'Revelationes' zu unterscheiden ist die sog. 'Epistola Methodii de Antichristo', bei der es sich um eine der Bearbeitungen von Adsos 'Libellus de ortu et tempore Antichristi' handelt; Ausg.: D. VERHELST, Adso Dervensis. De ortu et tempore Antichristi (CC Cont. Med. XLV), Turnhout 1976, S. 139 (146)-152.

III. Zur Rezeption im deutschsprachigen Raum, Über die direkte Verbreitung des Textes in Hss. und Drucken hinaus erzielte Ps.M. im gesamten mal. Abendland eine bedeutende Wirkung, die schon bei -»· Aethicus Ister [NB] ihren Anfang nimmt. Sie erreichte über das lat. Schrifttum, vor allem die großen Enzyklopädien, auch die volkssprachliche Literatur. Die breiteste Rezeption erfuhr das Werk durch die Vermittlung des -»· Petrus Comestor [NB], der Ps.M. häufig zitiert; über ihn fand der historische Teil der 'Revelationes' (und damit z. B. die Gestalt von Noas viertem — nichtbiblischen — Sohn Jonitus, dem weisen Erfinder der Astronomie) Eingang auch in die dt. Bibeldichtung, in Weltchronistik und Historienbibeln. -> Vinzenz von Beauvais verarbeitete daneben die Aussagen des PS.-M. (Rez. II) über die künftige letzte Bedrohung durch die Ismaeliten und ihre Überwindung durch den Rex christianorum auch direkt in seinem Traktat über die Letzten Dinge ('Speculum historiale', Ausg. Douai 1624, lib. XXXI, cap. CVII u. CX). Als Quelle für die Geschichte der

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Pseudo-Methodius

Frühzeit diente PS.-M. punktuell auch in mal. Alexanderdichtungen ('Historia de preliis' [Rez. J3], Quintilinus von Spoleto: Einschließung der Völker Gog und Magog; nicht aber die Legende von der äthiopischen Mutter Alexanders und ihren Nachkommen, die nirgends übernommen wurde). Vor allem beeinflußte PS.-M. aber die eschatologische Literatur des MAs, nicht nur, wo er direkt und namentlich zitiert wird. Neben der Tiburtinischen Sibylle (vgl. -»· Sibyllenweissagungen) vermittelte im wesentlichen er dem christlichen MA die Gestalt des Endkaisers, die jeweils unterschiedlichen politisch-religiösen und nationalen Zwecken angepaßt wurde (vgl. zuletzt MÖHRING). Schon Adso von Montier-en-Der griff direkt oder indirekt auf PS.-M. zurück; er übertrug in seinem 'Libellus de ortu et tempore Antichristi' das Endkaisertum von den Byzantinern auf die Franken als den legitimen Erben des römischen Reiches. Vgl. zahlreiche spätere Versionen der Endkaiserprophetie (die dt. Friedrichs- und die frz. Karlssage u. a.). Die Benutzung der 'Revelationes' im -> 'Tegernseer Ludus de Antichristo' ist nicht gesichert. Hingegen beruft sich der Autor des dt. -» 'Väterbuchs' im Kapitel über das Jüngste Gericht und den Antichrist ausdrücklich auf sie (Kap. 294, vgl. vv. 40227ff.), desgleichen das ndl. 'Boec van der Wraken' des Jan van Boendale (vgl. VOLTMER, S. 97 f.). Auch in gelehrter lat. Literatur über das Weltende und in reformpolitischen Schriften wurde PS.-M. herangezogen: im 14. Jh. von -> Engelbert von Admont ('De ortu, progressu et fine regnorum ...'), -» Nikolaus von Straßburg ('De adventu Christi et Antichristi et fine mundi', worin N. den betr. Traktat des Johannes Quidort von Paris übernimmt), im 15. Jh. von dem Juristen ->· Peter von Andlau ('Libellus de cesarea monarchia') sowie in dem früher Thomas -*· Ebendorfer [Bd. 2 u. NB], jetzt Peter Reicher von Pirchenwart zugeschriebenen Traktat 'De antichristo et fine mundi', aber auch von Ebendorfer selbst (Promotionsrede v. J. 1463; ed. SCHRAUF, Acta facultatis med., Bd. 2, Wien 1899, S. 237f.). Er wird ferner in Johannes -»

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Lichtenbergers lat. und dt. erschienener astrologischer 'Prognosticatio' zitiert (vgl. auch -> Reinhard der Lollarde). Auch der -* Oberrheinische Revolutionär beruft sich auf ihn (ed. FRANKE, 1967, S. 211, 229 u. 371). PS.-M. blieb angesichts der verschiedenen islamischen Expansionszüge und anderer Bedrohungen des Abendlandes aus dem Osten (Mongolen) bis in die Neuzeit als Trost- und Propagandaschrift der Christenheit aktuell und wurde historisch adaptiert (in der Drucküberlieferung werden die filii Ismahel zu den Turci). Anspielungen an seine Vorstellungen finden sich in dt. Türkenliteratur z. B. bei Ulrich -> Hopp (Gedicht auf Kaiser Friedrich III.) und mit Rückgriff auf diesen bei Jörg Graff (LILIENCRON, Hist. Volkslieder III, S. 212-216 Nr. 306, vgl. vv. 164ff.); in der -+ 'Türkenmahnung an Kaiser Friedrich III.' (stannd auffvon dem slaff...); in der dt. Tractica' des Jakob -» Pflaum für das Jahr 1520, in einem fiktiven 'Sultansbrief' von 1526, vgl. auch C. GöLLNER, Turcica, Bd. III, Bukarest 1978, S. 336-339 (ohne Nennung des Ps.-M.). Im Fastnachtspiel 'Der Nollhart' des Pamphilius Gengenbach v. J. 1517 tritt (Ps.-)Methodius als Figur auf (Ausg. V. WERREN-UFFER, 1983, S. 44-46 u. 59-64).

Der Augsburger Kleriker und Jurist Wolfgang Aytinger (ca. 1460-nach 1508) verfaßte einen 'Tractatus super Methodium', der zusammen mit den 'Revelationes' herausgegeben wurde (Erstdruck 1496; s. o. II.). Er setzt den Beginn der apokalyptischen Ereignisse mit dem Fall Konstantinopels [1453]; im Kontext scharfer Kritik am Zustand der Kirche und unter Bezugnahme auch auf Joachim von Fiore, Birgitta von Schweden, die Sibylle von Cumae u. a. prognostiziert er das Ende der türkischen Herrschaft durch einen westlichen Herrscher P. (Philipp der Schöne? Daneben andere Deutungen) für das Jahr 1509. Die Auseinandersetzung mit Ps.-M. wird im 16. Jh. und darüber hinaus fortgesetzt (Berthold Pürstinger, Onus ecclesiae'; Wolfgang Lazius u. a.). Zu Aytinger vgl. F. ZOEPFL, W. A. — Ein dt. Gesinnungsgenosse Savonarolas, Zs. f. dt. Geistesgesch. l (1935) 177-187; zur Bedeutung seines Traktats für Seb. Brant vgl. zuletzt LUDWIG.

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Meyer, Adam

Zur Rezeption in weiterem Rahmen vgl. zuletzt MÖHRING, S. 332 — 349 u. ö. Zur Abgrenzung der byzantinischen von joachitischer Apokalyptik vgl. ALEXANDER, 1980.

IV. Deutsche Bearbeitungen/Übersetzungen. 1. Versbearbeitung. -> Rudolf von Ems benutzte zwar in seiner 'Weltchronik' PS.-M. nur indirekt über Comestor (s. o.); in seinen 'Alexander' inserierte er jedoch einen ausführlichen heilsgeschichtlichen Exkurs, in dem er Rez. II der 'Revelationes' direkt und unter mehrfacher Berufung auf den beilegen Metödius kürzend verarbeitete (Buch V, vv. 16998 — 17576). 2. Prosaübersetzungen. Zwei voneinander unabhängige obd. Prosaübersetzungen basieren auf Rez. II, beide zudem auf einer nahe verwandten Vorlage: Der Geburtsort des Antichrist ist jeweils Babylon (wie bei Adso u. a.) anstelle des ursprünglichen Chorazin. a. Brüssel, Kgl. Bibl., ms. 8879-80 (geschrieben 1451 — 53 von Liebhard -> Eghenvelder), 11V-23V; Ausg. RUDOLF, 1976, S. 77-91. b. Melk, Stiftsbibl., cod. 1560 (olim 61; B 26), 222v-228r, geschrieben von Joh. -» Schlitpacher; mit lat. Prologue; Inc.: Es ist ze wissen ir liebsten prüder, wie am anfanck got beschaffen hat himel vnd erd vnd durch in sind alle ding geschöpft worden ... Die Hs. enthält u. a. einige lat. Schriften zur Türkenproblematik. Ob die Übersetzung von Schlitpacher selbst stammt, ist nicht untersucht; ein Indiz dafür ist, daß der lat. Text der 'Revelationes' auch in den Melker Hss. 647 und 1561 [s. o. II.] von seiner Hand stammt.

c. Die beiden dt. Drucke sind dagegen eine weitgehend wortgenaue Übersetzung von Rez. I (wohl nach einem lat. Druck): Inc. der vorred: Do der mensch waz in eren er verstund sin nit ...; Inc. des Textes: Es ist ze wissen das Adam vnd Eva als sy auß giengend vß dem paradis warent sy baide iunckfrawen — Memmingen, [Albrecht Kunne] 1497, 22 Bll., 4°: Ain biechlin sancti Methodtj martlers vnd bischoffs zu Partinentz jn kriechen land [...] vnd künffte Überwindung wider die Turcken [...]

(HC11123; Inkunabelkatalog BSB-Ink, Bd. 4, 1998, M-355); Basel, Michael Furter [1504], 33 Bll., 6° (VD 16, M 4936). L i t e r a t u r (Auswahl). E. SACKUR, Sibyllinische Texte u. Forschungen. Pseudomethodius, Adso u. die Tiburtinische Sibylle, 1898, S. 3-59; H.-D. RAUH, Das Bild des Antichrist im MA: Von Tyconius zum dt. Symbolismus, 1973,21979, S. 145152, s. Reg.; R. RUDOLF, Des Ps.-M. 'Revelationes' (Fassung B) u. ihre dt. Übers, in der Brüsseler Hs. Eghenvelders, ZfdPh 95 (1976) 68-91; B. McGiNN, Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle Ages, New York 1979, 21998, S. 70-76, 301-303 u. ö.; P. J. ALEXANDER, The Diffusion of Byzantine Apocalypses in the Medieval West and the Beginnings of Joachimisme, in: Prophecy and Millenarianism. Essays in Honour of M. Reeves, Harlow, Essex 1980, S. 51-106, bes. S. 62—68; ders., The Byzantine Apocalyptic Tradition, Berkeley/Calif. 1985, S. 13-60, 151-225 pass.; O. PRINZ, Eine frühe abendländische Aktualisierung der lat. Übers, des Ps.-M., DA 41 (1985) 1-23; G. J. REININK, Ps.-M. u. die Legende vom römischen Endkaiser, in: The Use and Abuse of Eschatology in the Middle Ages, hg. v. W. VERBEKE u. a. (Mediaevalia Lovaniensia I, Studia XV), Leuven 1988, S. 82-111; M. LAUREYS/ D. VERHELST, Ps.-M., Revelationes: Textgeschichte u. krit. Edition. Ein Leuven-Groninger Forschungsprojekt, ebd., S. 112-136 (Hss.liste); REININK, 1993 (s. o. Ausg.n), Einl.; W. LUDWIG, Eine unbekannte Variante der Varia Carmina Sebastian Brants u. die Prophezeiungen des Ps.-M., Daphnis 26 (1997) 263-299; AERTS/KORTEKAAS, 1998 (s. o. Ausg.n), Einl.; H. MÖHRING, Der Weltkaiser der Endzeit (MA-Forsch.n 3), 2000, S. 54-104, 136-143, 321-349 u. ö; E. VOLTMER, Prophetic u. Reform der Kirche am Ende des MAs. Wie der Dichter Michael Beheim an die 'Weissagung auf das Jahr 140 (...) geraten ist, in: 'Das Wichtigste ist der Mensch'. Fs. K. Gerteis, hg. v. A. GIEBMEYER u. H. SCHNABEL-SCHULE, 2000, S. 75-113, hier S. 97 f.; CH. STÖLLINGER-LÖSER, Chuseth, Ps.-M. u. Rudolf v. Ems, Herrigs Archiv 155 (240) (2003) 347-354 (mit Abdruck des Alexander-Abschnitts aus dem dt. Memminger Druck [o. IV. 2,c.]).

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER 'Metzen Hochzeit' (Nachtr.) hochzeit' [NB]

'Bauern-

Meyer, Adam [Korr.] Bd. 6, Sp. 471 zu 3. b) u. Sp. 472 zu 4.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 1085" korr.: ... cod. 20 (olim 1085).

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Meyer, Johannes — Michael de Massa

Meyer, Johannes [Nachtr.] Die 1994 entdeckte Hs. Breslau (Wroclaw), UB, Ms. IV F 194a (aus St. Katharina in Nürnberg, um 1460; Beschreibung s. SCHNEIDER-LASTIN} konnte als zweiter Teil einer von M. zusammengestellten und redigierten Ausgabe dominikanischer Schwesternleben und Chroniken identifiziert werden. Der bereits bekannte erste Teil (s. 2VL Bd. 6, Sp. 483) in Nürnberg, StB, cod. Cent. V, 10a, bestehend aus dem Tösser' (Elsbeth -> Stagel), dem -> 'Dießenhofener' (besser: 'St. Katharinentaler') und dem -> 'Otenbacher Schwesternbuch', wird nunmehr komplettiert durch die Fortsetzung der Otenbacher Viten (->· 'Otenbacher Schwesternbuch', Fortsetzung [NB]) sowie die bisher verschollene (s. Bd. 6, Sp. 484 zu C. 5.), von M. selbst verfaßte 'Chronik des I n s e l k l o s t e r s St. Michael in Bern'. Ü b e r l i e f e r u n g . Breslau, UB, Ms. IV F 194% 81vb-148va; mit figürlichen mehrfarbigen Initialen auf f. 82rb, 87va, 98vb u. 109va. Im lat. Incipit zum Prolog wird die Chronik lediglich als Werk cuiusdam fratris quondam confessoris nostrt (82ra) bezeichnet, doch sprechen alle Indizien entschieden für die Autorschaft M.s (s. SCHNEIDER-LASTIN, S. 207; anders FECHTER, 2VL Bd. 6, Sp. 484). Eine Mitwirkung der Priorin -> Anna von Sissach [NB] an der Abfassung der Chronik (ENGLER, 1999, S. 629) ist denkbar, aber nicht zwingend. Eine Ausgabe ist geplant.

Die Entstehung der Chronik fällt in M.s Zeit als Beichtvater bei den Berner Inselschwestern (1454—1458?); er selbst gab seinem Werk, für dessen Abfassung er sich auf das Klosterarchiv stützte (f. 82vb), den Titel Das buch der Stiftung vnd wider bringung des dosters jn sant Michels jnseln (83ra). Es beschreibt (nach einem Prolog und einem Register) in 55 Kapiteln die wechselvolle Geschichte des Konvents. Sie beginnt mit der Vorgeschichte der Stiftung von 1286, endet jedoch nicht, wie der Titel nahelegen könnte, mit der Reform 1439, sondern umfaßt auch noch die Zeit nach Einführung der Observanz bis hin zu M.s Amtszeit (letztes erwähntes Datum: 1. Mai 1455, f. 133rb). Kap. 45-50 widmet M. den Viten vorbildlicher Schwestern aus der Zeit der Reform, die Schlußkapitel 51 —

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55 enthalten geistliche Unterweisungen und Ermahnungen für ein regelkonformes, gottgefälliges Leben. Die Chronik zeigt M. sowohl als eifrigen Anhänger und Promotor der Observanzbewegung wie als sorgfältigen Chronisten seines Ordens. Nach den Untersuchungen von ENGLER 1998 neu unter die Werke M.s aus seiner Berner Zeit zu buchen ist auch die Redaktion eines ' R e g e l b u c h s des Inselklosters', einer Zusammenstellung von Ordenskonstitutionen, Briefen und Reformstatuten, sowie der daran anschließende, zusammen mit Anna von Sissach erstellte 'Liber vitae', ein Verzeichnis der Schwestern und Beichtväter mit kurzen historischen Einschüben (beide Werke in Bern, Burgerbibl.,cod. A 53). Der'L. v.' ist vor M.s'Buch der Reformacio Predigerordens' von 1468 ein frühes Rezeptionszeugnis für die Chronik; mehrfach wird (wenngleich mit offen gelassenen Bl.-Angaben) auf sie verwiesen (SCHNEIDER-LASTIN, S. 207; ENGLER, 1998). L i t e r a t u r . W. SCHNEIDER-LASTIN, Die Fortsetzung des Otenbacher Schwesternbuchs u. andere vermißte Texte in Breslau, ZfdA 124 (1995) 201210; C. ENGLER, Regelbuch u. Observanz. Der Codex A 53 der Burgerbibliothek Bern als Reformprogramm des J. M. für die Berner Dominikanerinnen, Diss. phil. Bern 1998 (unveröff.); dies., St. Michael in der Insel (Helvetia sacra IV/5/2), 1999, S. 610-630.

WOLFRAM SCHNEIDER-LASTIN 'Meyers WeihnachtsspieP [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 490 Überl.: Das verschollene Frgm. wurde 1988 wieder aufgefunden; jetzt München, clm 29920(20. Vgl. Hj. LINKE, ZfdA 119 (1990) 139-154 (m. neuer Ausg.). Jetzt besser als 'Münchner Weihnachtsspiel' II zu bezeichnen.

Michael de Massa [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 505 zu 'Vita Christi' (Michaels de Massa?): Das in der Forschung umstrittene Abhängigkeitsverhältnis zur 'Vita Jesu Christi' -> Ludolfs von Sachsen wurde von GEITH (2000) wieder im Sinne BAIERS (1977) umgekehrt. Ebd. ergänze: Volkssprachliche Übersetzungen der 'Vita Christi': 1. Ndl. Übersetzung = das (zu Unrecht so bezeichnete?) 'Bonaventura-Ludolphiaanse Leven van Jezus' (->· Ludolf von Sachsen, C. [Bd. 5 u. NB]); zu einer alem. Adaptation des ndl. Textes vgl. Elisabeth -» Kempf, 2. [Bd. 4 u. NB].

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Mile, Jan, von Kremsier — 'Mitteldeutsche Magnificat-Paraphrase'

2. Obd. Übersetzung, vgl. -» Regula, IV. B. [Bd. 7 u. NB]; die Übersetzung wurde Regula durch GEITH, S. 284 ff., jetzt aber abgesprochen. Insg. 12Hss. (ebd., S. 282). Vgl. K.-E. GEITH, Lat. u. dt.sprachige Leben Jesu-Texte, Jb. d. Oswald von Wolkenstein-Ges. 12 (2000) 273-289 (mit weiterer Lit.).

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Minnerede (Europ. Hochschulschr.n R. 1/Nr. 848), 1985.

'Minnemähr' -»· 'Sieben Frauen und ein Mann' Minner, Hans [Korr.]

Milic, Jan, von Kremsier [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 526 nach 5. ergänze: Zur Magdalenenpredigt des J. M., die von Lienhart -> Peuger auch ins Deutsche übersetzt wurde, vgl. Pseudo- -> Origenes [NB].

'Militarius' [Korr.] Bd. 6, Sp. 528 Überl.: "Danzig, Marienbibl., cod. Q 24" korr.: Die Hs. befand sich seit 1912 bis zum 2. Weltkrieg in der Danziger StB; seither verschollen. Vgl. K. ALAND, Die Hss.bestände der polnischen Bibl.n ..., 1956, S. 58. Ebd.: "Kopenhagen, Kgl. Bibl., cod. 1634 4°" korr.: ..., GKS 16344°.

'Millstätter Blutsegen' [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 531: Vgl. auch schwörungen (II.) [NB].

Wund- und Blutbe-

'Von der Minne' II [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 544-548: Zur möglichen Autorschaft des Traktats vgl. Johannes -> Hiltalingen von Basel [NB]; vgl. ebd. die Neuausg. v. K. RUH, 1987.

'Minnebestiarium' [Korr.] Bd. 6, Sp. 566, 2. Abschnitt: "... Prosaübersetzung des 'Moralium dogma philosophorum' -> Wilhelms von Conches" korr.: ... Prosaübersetzung des -> 'Moralium dogma philosophorum' [NB].

Bd. 6, Sp. 589 zu 3 a) bzw. 3b): "Fr, 70r-85r" bzw. "Fr, 86r-123v" korr.: Fr, 54r-69r bzw. Fr, 70r-108v [heutige Zählung]. Vgl. W. HAGENMAIER, Die dt. mal. Hss. der ÜB u. die mal. Hss. anderer öffentlicher Slg.n [= Katalog Freiburg/Br. 4], 1988, S. 37. Sp. 590 oben zu b), Ausg.: Die angekündigte Ausgabe ist nicht erschienen. Ebd. zu c): "Ausgabe von U. SCHMITZ angekündigt" korr.: Ausgabe von M. E. POLHILL, Materia medica animalis. Unters, zum Tierbuch (1478) des Apothekerknechts H. M. [mit Textausg.], Diss. Cornell Univ. Ithaca, NY 2002 (erscheint in Würzburger med.hist. Forschungen).

'Mirabilia Romae' [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 603 zu 2. korr: Die -> 'Indulgentiae [ecclesiarum] urbis Romae' [NB] sind ein von den 'Mirabilia Romae' unabhängiger Text, wenn auch häufig mit diesen gemeinsam überliefert. Zu den Textfassungen und neuer Lit. s. d.

'Missale' (deutsch) [Nachtr./Korr.] Bd. 6, Sp. 610 unten/611 oben zu (8.) ergänze: Vgl. auch -> Vaterunserauslegungen in der Volkssprache und -*· Glaubensbekenntnisse [NB]. Sp. 611 zu B., Abschnitt 2: "Wien, cod. 2714, ... aus dem Umkreis des -> Heinrich von Mügeln" korr.: Die Perikopen entstammen nicht dem Umkreis des H. v. M.; sie entsprechen dem 'Evangelienbuch des Matthias von Beheim' (-> EvangelienÜbertragungen, II.); vgl. MENHARDT, Hss. I 212; weitere Untersuchungen fehlen. Vgl. auch H. VOLLMER [u. a.], BdK VIII, 1938, S. 147.

'Minnejagd einer innigen Seele' -» 'Geistliche Minnejagd' [NB]

'Missum imperatori' [Bd. 2 u. NB]

'Minneklage' II [Nachtr.]

'Mitteldeutsche Magnificat-Paraphrase'

Bd. 6, Sp. 578 nach Überl. ergänze die Ausgabe: M. MAREINER, Mhd. Minnereden u. Minneallegorien der Wiener Hs. 2796 und der Heidelberger Hs. Pal. germ. 348. Hg., übers, u. untersucht von M. M. Bd. 13: Liebesfreuden u. -leiden. Eine mhd.

Gallus von Prag

Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, ÜB, Heid.Hs. 212 (olim Heidelb. 362a). Pergamentdoppelblatt, außen heute stark abgerieben, 13. Jh. A u s g a b e . K. BARTSCH, Germ. 20 (1875) 3-7.

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'Mitteldeutsche Predigten* - 'Mittelniederdeutsches Ostergedicht'

Bruchstück einer erläuternden Paraphrase des 'Magnificat' (Lc l, 46—55). Auf das rot geschriebene Zitat eines kurzen lat. Textstücks folgen zwischen 2 und 34 dt. Reimpaarverse. Aufgrund der Reimtechnik nimmt BARTSCH Entstehung des Gedichts im 12. Jh. an. Anders als die ->· 'Rheinfränkische Magnificat-Paraphrase', die durchweg als Du-Anrede an Maria gefaßt ist, spricht dieser Text von Maria in der dritten Person und gibt ihr teilweise auch das Wort (Dar umme sprah siu rechte 'mich seligin al gesiechte [...]'). In die Paraphrase werden auch Sacherläuterungen eingefügt, so wird z. B. deposuit potentes auf die Teufel bezogen, die Gott in der Welt versprengt habe, daz sin nickere unde twerge, [...] elve, dhorse und wichte. Für den Quellenhorizont ist aufschlußreich die Erklärung von sanctus l heilich als an erdhe nach einer nicht allzu häufig belegten Etymologie von griech. als a gi = sine terra (vgl. R. KLINCK, Die lat. Etymologie des MAs [Medium Aevum 17], 1970, S. 133). B. WACHINGER 'Mitteldeutsche Predigten' [Korr.] Bd. 6, Sp. 614 Überl.: Das "verschollene Klagenfurter (?) Frgm. (K)" (= MORVAY/GRUBE, T 14) ist jetzt in Berlin, SBB-PK, Frgm. 55.

'Mittelniederdeutsches Ostergedicht' Ü b e r l i e f e r u n g . Hildesheim, Stadtarch. u. StB, Best. 52 Nr. 383 (olim HM 383), 36r-39r, 15. Jh., Kloster Medingen, ostfäl. (H); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Heimst. 1082, 39r-40v, Kloster Medingen (?), ostfäl. (W). A b d r u c k e . HOLMBERG, S. 162-166 (nach W) [zit.]; LIPPHARDT, S. 73—75 (nach H).

An die Liturgie des Ostertages angelehntes Preisgedicht auf den osterdach / paschedach (120 vv.), das in zwei -> 'Medinger Gebetbücher (n)' [Bd. 6 u. NB] überliefert ist. HOLMBERGS Annahme, die Dichtung sei noch im 13. Jh. entstanden, basiert auf einer heute nicht mehr haltbaren Frühdatierung der Hs. W (vgl. ACHTEN, S. 188). Gepriesen werden Christi Höllenfahrt (v. 11—23), seine Auferstehung (als

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liebende Krönung des Sohns durch den Vater unter dem Jubel der Natur v. 36—58), die visitatio sepulcri sowie Christi Hochzeit mit der geistlichen Braut in der Osterkommunion (v. 88 —120). Die Form des Gedichts läßt sich kaum einem bestimmten Typus zuordnen; es handelt sich um Lyrik mit sehr freier Versfüllung. Die in Paaren und Häufungen auftretenden Reime weisen zahlreiche Assonanzen auf. Gelegentlich sind Waisen frei eingestreut. In der Hs. H sind die Verse durch Punkte abgegrenzt. Die unterschiedlich langen Absätze beginnen (mit stets variiertem Epitheton): Dit is de wnfchede (woldigeite l luftelikefte l benedide usw.) osterdach. Charakteristisch für das Gedicht ist ferner ein 3-zeiliger Refrain: Des moten (oder scolen) de feyden dingen, ! de orghelen foze finghen l vn alle herze van vrowden fpringen; ihm korrespondiert das Bild der musizierenden Dreifaltigkeit: Sin vader was de harpen dang, / de föne de orghelen fang, l de heylige gheyft dar de bafunen bles (v. 50 — 52). Die Osterkommunion wird als Hochzeit geschildert. Der undotlike brodegam Christus habe seiner Braut (der Christengemeinde) als Morgengabe den speyghel der hilgen dreuoldicheyt geschenkt, to befcowende an der tit der ewecheyt, / an deme ere feie fcal raften vn fwauen l an der luft der etveghen falicheit (v. 95-98). Von v. 66 an geht die gedrängte hymnisch-preisende Rede über in eine breitere narrative Darstellung mit umfangreichen Dialoganteilen. Durch Aufgreifen lat. liturgischer Wendungen sowie durch Anzitieren volkssprachiger geistlicher Lieder weist das Gedicht im ganzen eine Nähe zum Gottesdienst auf (älteste nd. Bezeugung der Lieder ->· 'Christ ist erstanden' [v. 58] und -» 'Helf uns das heilige grab' [v. 82]). L i t e r a t u r . BORCHLING, Mnd. Hss. 3, 1902, S. 23; J. HOLMBERG, Ein mnd. osterged., StN XV (1942) 157-172; G. KORLEN, Die mnd. Texte d. 13.Jh.s, 1945, S. 71 f.; W. LIPPHARDT, Nd. Reimged. u. Lieder des 14. Jh.s in den mal. Orationalien der Zisterzienserinnen von Medingen u. Wienhausen, Ndjb 95 (1972) 66-131, hier S. 73-75; G. ACHTEN, De gebedenboeken van de Cistercienzerinnenkloosters Medingen en Wienhausen, in: Miscel-

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'Mittelrheinischer Totentanz' — 'Der Mönch am Kreuz'

lanea Neerlandica, Fs. Jan Deschamps, Bd. III, Leuven 1987, S. 173-188.

DIETLIND GAD E 'Mittelrheinischer

Totentanz'

[Korr./

Nachtr.1 Bd. 6, Sp. 626 oben zu Oberysselscher Totentanz': vgl. -> 'Klever Totentanz' [NB]. Sp. 627 zu 4., unten: "-> 'Würzburger Totentanz'" korr.: vgl. ->· Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz" [NB] (vgl. dort auch Literaturnachträge).

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255v-256r; cgm 829, 103r-105r; Nürnberg, Germ. Nationalmus., HR 131, 63 r ~ v u. 94r-96v, mit einer den Holzschnitt imitierenden Federzeichnung; eventuell aus dem Besitz von Claus -> Spaun, der als Abschreiber von Drucken bekannt ist (zur Hs. SEEBOHM, S. 86f.). - Lat. Überlieferung des Eingangsakrostichons verzeichnet bei WALTHER, Initia, Nr. 11015, und EISERMANN, S. 53 Anm. 35. A u s g a b e . Zu Abb. der Einblattdrucke s. o. Der lat. Text ist in veränderter Reihenfolge abgedruckt bei SEEBOHM, S. 85 f. Anm. 132-150.

Die acht Eingangsverse des lat. Textes bilden akrostisch das Wort 'MOMolitor, Konrad -* auch Öttinger, Konrad NACHVS'; dabei handelt es sich um eine seit dem 14. Jh. als Definitio monachi häufig überlieferte Merkversreihe. Es folgen 'Momordica-Traktat' [Korr.] Verse und (Reim-)Prosa über das rechte Bd. 6, Sp. 646 zu Ausg.: "Eine Edition des dt. Verhalten und tugendhafte Leben des ideaTextes ..., voraussichtlich 1987" korr.: J. DOMES/ len Mönchs, angereichert mit auslegenden G. KEIL, Der 'Momordica-' oder 'Balsamöl-TrakBeischriften zum Bild. Benutzt werden vor tat': Ein Beispiel für die Indikationsübertragung allem der Psalter und die Evangelien, als vom Erdöl auf den Jerusalemsapfel, in: 'ein teutsch weitere Autorität wird Hugo (wohl -» puech machen' ..., hg. v. G. KEIL (Wissenslit. im MA 11), 1993, S. 480-498, hier S. 495-498. Hugo von St. Viktor) genannt. Eine unmittelbare Vorlage ist nicht bekannt. Als motivliche Grundlagen kommen aszetische Mönch von Heilsbronn [Korr./Nachtr.] Schriften des 13. Jh.s wie das Exempel 'De Bd. 6, Sp. 651 zu 2., Überl.: "Prag, Lobkowitzcrucifixione religiosorum' des -* Caesarius sche Bibl., cod. 405" korr.: = jetzt Prag, Närodni von Heisterbach ('Dialogus miraculorum' Knihovna, cod. XXIII D 178. VII,19; SEEBOHM, S. 69 f.) und thematisch Ebd., Ausg.n: Die der Ausg. BIRLINGERS zugrun- geordnete Bibelflorilegien in Betracht. Die deliegende Hs. (damals in seinem Besitz; mögliwortgetreue dt. Übertragung löst alle cherweise die älteste des Textes) ist heute StraßTexte in Prosa auf. burg, Bibl. nat. et univ., Ms. 2080 (olim L germ. Die Wirkung des Blattes beruht auf der 156); vgl. A. BECKER, Die dt. Hss. d. Kaiserl. ÜB u. Spannung zwischen der didaktischen LB zu Straßburg (Katalog Bd. 3), Straßburg 1914, 1 Grundhaltung des Textes und der ungeS. 11; bei KREBS, VL III 428, Nr. 22. mein direkten Bildaussage. Der Text kontrastiert körperliche Sündhaftigkeit und 'Der Mönch am Kreuz' Unzulänglichkeit mit dem mönchischen Illustrierte Spruchsammlung zum Or- Streben nach spiritueller Vervollkommdensleben, überliefert in lat. und oberdt. nung und gibt zugleich pragmatische Instruktionen für den monastischen Alltag Einblattdrucken und Hss. (probus monachus debet septem facere: Ü b e r l i e f e r u n g . Lat. Einblattdruck, Inc.: Mopsallere, legere, orare ...). Das vom Text nachus est miles strenuus, [Augsburg, Johannes umgebene Bild zeigt einen gekreuzigten Schobser um 1489 — 98, oder Johannes Froschauer Mönch, an dessen Brustwunde sich eine um 1494-95] (Einblattdrucke 1017). Exx.: GöttinSchlange nährt; in Anknüpfung an pasgen, SB u. ÜB, 2° Hll 1,751:15 Inc. Rara; München, sionsmystische Traditionen wird er nicht BSB, Einbl. VII, 19. Abb.: EISERMANN, S. 54; SEEin seiner Eigenschaft als pflichtbewußter BOHM, S. 84. - Dt. Übersetzung aus derselben Ofund aszetischer Diener Gottes, sondern als fizin, Inc.: Ein münch ist ein gestrennger ritter. Ex.: unmittelbar am Heilsgeschehen Beteiligter Linz, Oberösterreich. LB, Druckfragmentenslg., und imitator Christi gezeigt. So bleibt der Karton 4/5. Abb.: HOLTER, S. 105. Hss. (teils von den Drucken abweichend): München, cgm 690, Text-Bild-Bezug lose, die Darstellung hat

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Mönch von Salzburg — 'Moralium dogma philosophorum'

eine gewollte Eigenfunktion als 'memory image' (SEEBOHM, S. 82). In dieser originellen Kombination entsteht ein Konstrukt von großer Appellationskraft, dessen Wirksamkeit sich darin zeigt, daß es bis ins 19. Jh. in unterschiedlichen Medien weitertradiert wurde, z. B. in Hss. (etwa Lüttich, ÜB, cod. 1986, 309r, v. J. 1557), in der Druckgraphik (BANGERTERSCHMIDT, S. 102 —107; SEEBOHM, S. 88 — 102) sowie in osteuropäischen Wandmalereien, z. B. in den Athos-Klöstern; KRETZENBACHER, der die westliche Tradition nicht kannte, vermutete im byzantinischen Kulturkreis irrtümlich auch die Herkunft des Motivs. Die überwiegend aus Deutschland stammende hs.liehe Überlieferung läßt indes erkennen, daß es sich um eine genuine Schöpfung mal. monastischer Frömmigkeit handelt, die möglicherweise auf zisterziensische oder mendikantische Reformbestrebungen zurückgeht und ihre Wirkung offenbar vor allem durch die Einblattdrucke entfaltete.

Jahren 1570-1670 (Mikrokosmos 20), 1986, S. 102-107, 246 Nr. 95; A. SEEBOHM, The Crucified Monk, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 59 (1996) 61-102; F. EISERMANN, Medienwechsel — Medienwandel. Geistliche Texte auf Einblattdrucken u. anderen Überlieferungsträgern d. 15. Jh.s, in: W. HARMS / M. SCHILLING (Hgg.), Das illustrierte Flugblatt in d. Kultur d. Frühen Neuzeit (Mikrokosmos 50), 1998, S. 3558, bes. S. 53-56.

FALK EISERMANN Mönch von Salzburg [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 664 f. zu 2. a) ergänze: Zu G 6 (-» 'Ave praeclara maris stella') vgl. auch -> 'Marienmesse Salve sancta parens', II.l. u. 2. c) [NB].

Montigel, Rudolf [Korr.] Bd. 6, Sp. 683 zu 2.: "21 Sechszeilerstrophen" korr.: 30 Sechszeilerstrr.

Moralitäten s. auch -»· 'Des Entkrist Vasnacht' [Bd. 2 u. NB]; -» 'Münchner Eigengerichtsspiel'; -»· 'Berliner M.' [NB].

Die Illustration ist in zwei älteren Hss. vorgeBd. 6, Sp. 686 [Verweis]: Streiche 'Zürcher Moprägt, die jedoch weitgehend abweichende lat. ralitäten-Fragment' (16. Jh.!). Texte aufweisen: London, Wellcome Institute for V the History of Medicine, Ms. 49, 63 , und Rom, Bibl. Casanatense, cod. 1404, 35V (beide 1. H. 'Moralium dogma philosophorum' 15. Jh.; SEEBOHM, S. 61 — 83; A. SEEBOHM-ÖESAUTELS, Texts and Images in a Fifteenth-Century Ger1. Das unter verschiedenen Titeln überman Miscellany [Wellcome MS 49], Diss. London lieferte moralphilosophische Kompendium [Warburg Institute], 1982; vgl. auch K.-A. WIRTH, wurde im 12. Jh. (vor 1170—80) im nordNeue Schriftquellen zur dt. Kunst d. 15. Jh., Stä- französischen Raum verfaßt; es hat zur del-Jb. NF 6 [1977] 319-408, hier S. 370 Abb. 32; Absicht, die antike Ethik und insb. TuF. SAXL, 'Aller Tugenden und Laster Abbildung', gendlehre über Definitionen und Distinkin: A. WEIXLGÄRTNER / L. PLANISCIG [Hgg.], Fs. f. J. Schlosser z. 60. Geburtstage, 1927, S. 104-121, tionen konzis und systematisch darzustellen (HOLMBERG, 1929, S. 5). In unterhier S. 107, 115 u. 121). Die Illustration der Drucke, die ikonographisch von diesen Hss. geschiedlich umfangreiche Teile gegliedert, ringfügig abweicht, ist eine der herausragenden diskutiert es dazu zunächst das SittlichLeistungen des Augsburger Formschnitts im 15. Jh. Gute (honestum) und die darunter fallenL i t e r a t u r . K. DZIATZKO, M. a. K. (Einblattdruck), in: Beiträge z. Kenntnis d. Schrift-, Buchu. Bibliothekswesens III (Slg. bibhothekswissenschaftl. Arbeiten 10), 1896 (Neudr. 1968), S. 5865; K. HOLTER, Über einige unbekannte Wiegendrucke in oberösterreichischen Sammlungen, Gutenberg-Jb. 1970, S. 97-107, bes. S. 106f.; L. KRETZENBACHER, Der M. a. K. Ein Meditationsbild d. frühen Mönchsaskese in Ost u. West, in: ders., Bilder u. Legenden (Aus Forschung u. Kunst 13), Klagenfurt 1971, S. 129-149; E.-M. BANGERTERSCHMIDT, Erbauliche illustrierte Flugblätter aus d.

den Tugenden bzw. Untertugenden, um dann deren Interdependenz und Hierarchie zu bestimmen (De comparatione honestorum); darauf folgen eine vergleichbar gebaute Darstellung des Nützlichen (De utili] und eine Comparatio utilium; ein letzter Teil sucht zu zeigen, daß Rechtes und Nützliches stets nur scheinbar in einen Gegensatz zu treten vermögen (De conflictu honestorum et utilium). Abgesehen von einer mit visionären Elementen durchsetzten

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'Moralium dogma philosophorum'

Vorrede, Überleitungen, Begriffsdefinitionen und einigen kürzeren Passagen besteht der Text ausschließlich aus kohärent aneinander montierten Zitaten: neben den antiken Schuldichtern sind dabei insbesondere Macrobius, -> Seneca und v. a. -» Cicero zentral, dessen 'De officiis' Aufbau, Argumentationsgang und Gehalt des gesamten Werkes, aber auch zahlreicher einzelner Passagen (v. a. im ersten Teil) bestimmt. Biblische und patristische Zitate finden sich demgegenüber kaum. Die übernommenen Passagen, die in einer Reihe von Hss. mit Autorennamen ausgewiesen sind, werden dabei teils wörtlich zitiert, teils auf Wesentliches reduziert und ihrer rhetorisch-lit. Elemente entkleidet. Diese starke Abhängigkeit darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß dem Verfasser nicht an einer enzyklopädischen Zusammenstellung, sondern an eigenständiger systematischer Durchdringung und Darstellung des vorgefundenen Materials gelegen ist. Ü b e r l i e f e r u n g . Zusammenstellung von 50 Hss. und ansatzweise Diskussion von deren Abhängigkeiten bei HOLMBERG, 1929, S. 12-15, 1729. Hinzuzufügen sind die in den Gesamtüberblick von DELHAYE, S. 228 Anm. 4 aufgenommenen 37 Ergänzungen. Mit weiteren Hss. ist wohl zu rechnen. Zu Erwähnungen in mal. Katalogen vgl. MANITIUS, S. 219. Die Drucke von 1486, 1511, 1512 u. 1513 sind verzeichnet bei HOLMBERG, 1929, S. 15 f.

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dem 14. Jh. überlieferte Vorrede (HoLMBERG, 1929, S. 77-80) Walter von Chatillon und Wilhelm von Conches als mögliche Verfasser. Da Wilhelm in mindestens drei Hss. (früheste: Ende des 13. Jh.s) tatsächlich als Autor genannt wird und zudem Lehrer Heinrichs II. von England war, wurde ihm das Werk vom überwiegenden Teil der Forschung zugeschrieben (dazu insb. HAUREAU und die Arbeiten DELHAYES). Freilich sprechen nicht nur Widersprüche zu den gesicherten und ansonsten hohe interne Kohärenz aufweisenden Schriften Wilhelms gegen diese Zuschreibung (GRABMANN). Bei kritischem Hinsehen läßt die vorhandene externe und interne Evidenz vielmehr keine eindeutige Bestimmung von Verfasser, Widmungsträger und präzisem Entstehungskontext zu (vgl. insb. WILLIAMS): ähnlich begründbar und ebenfalls nicht hinreichend sicher ist etwa die Zuschreibung an Walter von Chatillon (mit Heinrich, Erzbischof von Reims, als Widmungsträger; vgl. WILLIAMS, GAUTHIER). Weitere moderne Attributionen (Hildebert von Lavardin bzw. -» Alanus ab Insulis) sind dagegen nicht haltbar.

3. Ein im 'M. d. ph.' oft vermerkter Einfluß bzw. 'Geist' der sog. 'Schule von Chartres' hält einer Kontextualisierung nicht stand. Das Werk ist vielmehr Symptom einer im 12. Jh. stark zunehmenden A u s g a b e n . A. BEAUGENDRE, in: Venerabilis Tendenz, antike auctoritates in Florilegien Hildeberti [...] Opera, Paris 1708, S. 959-998; V. enzyklopädisch bzw. systematisch zusamDE VIT, in: PL 171, 1854, Sp. 1003-1056; TH. menzufassen. Zumindest ansatzweise ist es SUNDBY, Philippi Gualteri ab Insulis dicti de Ca- auch mit der zunehmenden 'Scholastisiestellione [...] M. D., Kopenhagen 1869; HOLM- rung' des Wissens verbunden; dies zeigt BERG, 1929. sich an seiner engen Beziehung zu der im 2. Das in zahlreichen und allen bekann- Umkreis des Petrus Abaelard entstandenen ten frühen Hss. des 12. Jh.s anonym über- 'Ysagoge ad theologiam' und zu moralphilieferte Werk ist einem vir optime et libera- losophischen Traktaten des Alanus ab Inlis (in mehreren Hss. vir [...] H. bzw. Hen- sulis (vgl. DELHAYE, GAUTHIER) sowie in rice] gewidmet, auf dessen politische und einer Passage, in der der Verfasser einen gesundheitliche Schwierigkeiten im Prolog zentralen Gedanken Ciceros über eine diaangespielt wird. Während die meisten, lektisch-logische 'Quaestio' zu begründen überwiegend dem 14. und 15. Jh. entstam- sucht (HOLMBERG, 1929, S. 69). menden, mittelalterlichen Zuschreibungen 4. Die zahlreichen, über ganz Europa (u. a. an Cicero, Seneca, Jean de Courte- verstreuten Hss. zeugen von der großen cuisse) keinen kritischen Wert besitzen, Popularität des Werkes, das unter anderem nennt eine dem Traktat beigegebene, seit von Gilbertus Cambrensis, Jean de la Ro-

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Mulberg, Johannes

chelle, -> Wilhelm Peraldus, -* Vinzenz von Beauvais, Johannes Baibus, ->· Albertanus von Brescia rezipiert wurde. -> Wernher von Elmendorf bearbeitete es um 1170-80 in dt. Versen. Spätestens im letzten Drittel des 13. Jh.s entstand eine kürzende afrz. Bearbeitung, die reich überliefert ist (mindestens 38 Hss.), hg. von HOLMBERG, 1929, S. 84-182. Auf sie gehen eine mittelniederfränkische (s. u. 5.) und eine italienische Übersetzung (Trattato di Virtu Morali, hg. v. R. DE VISIANI in: Scelta di curiosita letterarie, no. 61, Bologna 1865) zurück. Zu einer island. Übersetzung s. SUNDBY (s. o. 1. Ausg.), S. CXXI-CXXVII. Sowohl lat. Original wie volkssprachliche Bearbeitungen zeitigten eine reiche Nachwirkung in den volkssprachigen Literaturen (u. a. -»· Thomasin von Zerklsere, Alart von Cambrai, Brunetto Latini). Zur Debatte um einen möglichen Einfluß auf ein höfisches Wertesystem vgl. Art. Wernher von Elmendorf. 5. Mittelniederfränkische Übersetzung. Ü b e r l i e f e r u n g . Hannover, LB, Ms IV 369, S. 1-77. Ohne Absatz anschließend S. 77-139 eine Sentenzensammlung, die z. T. wörtlich Sätze aus dem Traktat übernommen hat, dann S. 139— 206 eine Übersetzung des 'Bestiaire d'amour' Richards von Fournival (-> 'Minnebestiarium'). Die prächtig ausgestattete Hs. — Goldinitialen, im 'Minnebestiarium' auch Bilder — ist Ende des 13. Jh.s am Niederrhein entstanden, vgl. H. HÄRTEL (Hg.), Hss. d. Niedersächs. LB Hannover II, 1982, S. 128 f. A u s g a b e . HOLMBERG, 1929, S. 83-183 (synoptisch zum afrz. Text).

Die Übersetzung geht nicht auf eine lat. Fassung, sondern auf die afrz. Bearbeitung zurück, eine verlorene mndl. Zwischenstufe ist möglich, aber nicht bewiesen. Die meisten hist. Exempla sind weggelassen. Andererseits finden sich einige wenige Zusätze, so eine kurze Bemerkung über die Entstehung von Liebestorheit (dülle minne, 151,1 — 11), und vor dem Epilog gibt eine längere nicht ganz durchsichtige Passage über den Vorrang der vrutscap (sonst für afrz. sapience, savoir, sachant, lat. sapientia, scientia, peritia) vor der reden (sonst für afrz. raison, lat. ratio) mit

predigtartigen Mahnungen zu bedenken, daß der Mensch von Adam abstammt und daß der Leib den Würmern, die Seele Gott oder dem Teufel zuteil wird (175,5 — 181,12). Der lat.-afrz. Prolog ist größtenteils durch den Prolog des in derselben Hs. überlieferten 'Minnebestiarium' nach Richard von Fournival ersetzt und durch autobiographische Elemente ergänzt. Alle diese Abweichungen von den afrz. Hss. könnten sehr wohl schon der verlorenen unmittelbaren Vorlage des Übersetzers eigen gewesen sein. L i t e r a t u r . B. HAUREAU, Notices et extraits de quelques manuscrits latins, Bd. l, Paris 1890, S. 99-108; J. HOLMBERG, Eine mnfrk. Übertragung des Bestiaire d'Amour, Uppsala 1925, S. l — 11; ders., Das M. D. Ph. des Guillaume de Conches, lat., afrz. u. mnfrk., Uppsala 1929; MANITIUS, LG, Bd. 3, S. 219 f.; J. R. WILLIAMS, The Authorship of the M. D. Ph., Speculum 6 (1931) 392-411; M. GRABMANN, Hs.liche Forschungen z. Schrifttum des Wilhelm v. Conches, MSB 1935, Heft 10, S. 11-18; C. G. N. DE VOOYS, De vertaling van het M. D. Ph.: Middelnederfrankies of Meddelnederlands?, TNTL 54 (1935) 24-27; P. GLORIEUX, Le M. D. Ph. et son auteur, Recherches de theologie ancienne et medievale 15 (1948) 360— 366; PH. DELHAYE, Une adaptation du De officiis au Xlle siecle. Le M. D. Ph., ebd., 16 (1949) 227258 u. 17 (1950) 5-28; ders., Gauthier de Chatillon est-il l'auteur du M. D.?, Analecta Mediaevalia Namurcensia, Namur-Lille o. J. [1953]; R.-A. GAUTHIER, Pour Pattribution ä Gauthier de Chatillon du M. D. Ph., Revue du Moyen Age Latin 7 (1951) 19-64; P. VON Moos, Geschichte als Topik, 1988, S. 463 Anm. 920 a, 491 f., 497 f.; K.-H. GÖTTERT, Thomasin v. Zerclacre u. die Tradition der Moralistik, in: Architectura Poetica. Fs. J. Ratshofer, 1990, S. 179-188.

FRANK BEZNER Mulberg, Johannes [Korr.] Bd. 6, Sp. 727 Z. 9 von unten: "Colmar, StB, cod. 474 (29)" korr.: ..., Ms 29 (Kat. Nr. 474). Ebd., Z. 6 von unten: "Aarau, Kantonsbibl., cod. Wett. 26:4" korr.: ..., cod. Wett. F 26:4. Sp. 730 Z. 3 von unten: "ÜB Würzburg, cod. M.ch. 20" korr.: ..., cod. M.ch. fol. 20. Sp. 733 zu 6., Überl.: "Basel, ÜB, cod. IV 14" korr.: Basel, ÜB, A lambda IV 14; es handelt sich nicht um eine Hs., sondern um einen Druck v. J. 1507 mit hs.liehen Zusätzen.

Mulich (Mülich) -» Muling [NB]

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Muling, Johann Adelphus

Muling, Johann Adelphus I n h a l t . A. Leben. B. Werk. I. Herausgeber und Korrektor. II. Deutsche Übersetzungen, 1. Medizin. 2. Antike Autoren. 3. Brants 'Esopus-Additiones'. 4. Geschichte und Zeitgeschichte, a) 'Von der Venedier Krieg', b) 'Historia von Rhodis', c) 'Türckisch Chronica', d) 'Barbarossa'. 5. Predigtzyklen Geilers von Kaisersberg. 6. Erasmus, 'Enchiridion'. III. Lateinische Schriften, 1. 'Facetiae Adelphinae'. 2. Sequenzenkommentar. IV. Deutsche Schriften, 1. Trierer Heiltumsschriften. 2. Gedichte. — Literatur.

A. Leben. Mitteilungen über M.s Lebensgang erhält man fast einzig aus seinen eigenen Schriften und den von ihm besorgten Ausgaben, und diese geben nur punktuelle Lebensdaten, karge Angaben über berufliche Tätigkeiten und eine Anzahl von Personenbeziehungen an die Hand. Von seiner Korrespondenz, die umfangreich gewesen sein muß (vgl. GOTZKOWSKY, 1991, S. 191 f.), sind außer etlichen Widmungsepisteln nur vier Briefe an Joachim Vadian aus den Jahren 1520-23 (E. ARBENZ [Hg.], Die Vadianische Briefsammlung der StB St. Gallen, Bd. 2-3, 1894-97, Nr. 182, 272, 321, 358) erhalten und einer des späteren Wiedertäufers Balthasar Hubmair von 1522 an M. (Zürich, Staatsarchiv, E II 343). In seinen Briefen und Gedichten, in Titeln und Kolophonen von Drucken begegnet M. unter wechselnden Namen, von Abkürzungen und orthographischen Varianten dabei abgesehen: 1505 Johannes Adelphi; 1507-1509 meist der volle Name, der Familienname Muling(us) 1508/09 häufig in den Varianten Mulich(us) und Mülich; ab 1512 mit einer Ausnahme nur noch Johannes Adelphus und Adelphi. Bei den Datierungen von M.s Widmungsbriefen ist darauf zu achten, daß er offenbar nach dem Weihnachtsstil verfährt.

M., geb. in Straßburg, besuchte die Schule in Schlettstadt unter ihrem Rektor Kraft Hofmann (1477-1501). Mitschüler, mit denen er auch in späteren Jahren noch nähere Verbindung hatte, waren Leo Jud (*1482), Beatus Rhenanus (*1485) und der mit ihm eng befreundete Joh. Spiegel ("'um 1482/83). Sein Geburtsjahr könnte demnach in den Zeitraum 1482 — 85 fallen. Vermutlich hat er wie Spiegel in Heidelberg die Artes studiert; dafür spricht auch, daß er sich als Schüler des Jod. Gallus bezeichnet (Widmung zu Geilers 'Scommata', s. u. B. I. 11. b). Doch fehlt für Hei-

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delberg wie auch für andere Universitäten jeder Nachweis einer Immatrikulation. Den Titel eines Magisters hat er nie geführt. Neigungen zur Medizin und Pharmazie belegt bereits seine erste Veröffentlichung, die 1505 erschienene (Teil-)Übersetzung von -»· Ficinos [NB] 'De vita'. Wann und wo er mit dem Studium der Medizin begonnen und es absolviert hat, ist wiederum unbekannt. Als Studienort kommt, wenigstens für eine Strecke, Trier in Frage, wo er sich nachweislich im November 1507 und März 1508 sowie im Frühjahr (bei der Ausstellung des Hl. Rocks) und noch im Dezember 1512 aufgehalten und anscheinend auch Gönner gesucht hat; die Trierer hohe schul hatte sein Lob (Warhafftig sag oder red von dem Rock Jhesu cristi [...], s.u. B. IV.L, Bl. [a4]v). Ausweislich zahlreicher Widmungen bemühte er sich 1507—09 um Freundschaften und Förderer auch in Mainz und Koblenz. 1512 zeichnete er, nun medicinarum licentiatus, erstmals als physicus (nicht schon 1505, wie SCHMIDT angab); den Titel eines doctor der Medizin legten ihm bisweilen andere bei. Über seine medizinische Ausbildung äußerte er sich später sehr unzufrieden (an Vadian, 29. Febr. 1520). Als Arzt versuchte M. 1512 zunächst in Straßburg Fuß zu fassen, orientierte sich aber, wiederum nach dem Zeugnis von Widmungen, gleichzeitig weiter nach Süden. Ende 1513 ging er als Stadtarzt nach Überlingen, ließ sich dann jedoch spätestens im Mai 1514 und nun auf Dauer als Stadtarzt in Schaffhausen nieder. M. hatte regen Austausch mit ärztlichen Kollegen im Südwesten und der Schweiz. Sein letztes Lebenszeugnis ist ein Brief an Vadian, Stadtarzt in St. Gallen, vom 6. Aug. 1523. M. war von früh an Literat und Übersetzer und von 1505 bis 1513 mit Unterbrechungen zugleich bei Straßburger Drukkern als Herausgeber und Korrektor tätig, in der Offizin Grüninger zeitweilig zusammen mit Matthias -»· Ringmann [NB]; die Angabe Adelpho castigatore begegnet freilich nur in Kolophonen von Drucken der Jahre 1508 und 1509, Adelpho correctore in einem Druck von 1513. M. kannte und verehrte Wimpfeling, -» Geiler und -»

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Muling, Johann Adelphus

Brant, den er noch 1520 ('Barbarossa', Kap. 100) zu seinen besonderen Gönnern zählte. In der frühen Straßburger Zeit gehörte er vor allem zu Wimpfelings nächster Gefolgschaft (s. u. B. I. 2, 5, 6, 10, 13; IV. 2), so bei dessen Streit mit Jakob Locher, den Attacken gegen die antiken heidnischen und manche neuen poetae, dem Werben für die christlichen Dichter und die alten Theologen. Doch zog er sich Wimpfelings Unmut zu, als er für dessen Gegner Murner 1509 eine Ausgabe seines 'Chartiludium logicae' (s. u. B. I. 19) besorgte. M. verfügte über eine ungewöhnlich vielseitige wissenschaftliche Bildung; die Stadt Straßburg — ihr Kanzler war Brant — attestierte sie ihm, als sie ihn 1513 dem Rat von Überlingen als Stadtarzt empfahl: Dr. Adelphy ist in drei Schulen approbiert und in allen anderen Künsten erfahren und geschickt und gelehrt in allen Fakultäten [...] (GoTZKOWSKY, 1991, S. 190). Nach 1512, noch in Straßburg und dann in Schaffhausen, wo er zum Gelehrtenkreis um Michael Eggenstorfer, den Abt von Kloster Allerheiligen, stieß, zogen zunehmend Theologie und Frömmigkeit sein Interesse als Übersetzer an, und es erreichte auch ihn die Ausstrahlung, die Erasmus' kritische Theologie seit seiner Übersiedlung nach Basel gerade im Südwesten ausübte. Bereits 1520 ist er als Anhänger der reformatorischen Bewegung klar erkennbar. Andreas Frank in Leipzig nennt ihn im Sept. 1520 einen der wenigen Ärzte in Deutschland, die im Interesse einer pietas sincera über kirchliche Mißstände miteinander diskutieren (W. Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 4, 1997, S. 281). Seine Briefe von 1521 und 1522 an Vadian weisen ihn als begierigen Leser von Schriften Luthers und Melanchthons aus. B. Werk. M. schrieb lateinisch und, bewußt und engagiert, in der Volkssprache, ist damit als Autortyp Brant und Wimpfeling, aber auch Murner verwandt, doch überwiegt bei ihm der deutsche Anteil bei weitem. Fast alle seiner deutschen Arbeiten sind Übersetzungen oder dt. Bearbeitungen eigener Kompilate lat. Quellen. Ein Interesse

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an originärer Autorschaft hat er nicht entwickelt, vielmehr stets die Vermittlung wichtiger Leistungen anderer und die Erschließung von Wissen für möglichst viele und gerade die des Lateins Unkundigen als seine Aufgabe betrachtet, durchaus, wie seine Vorrede zu 'Doctor Keiserspegrs Passion' von 1513 (s. u. B. H. 5. a) unzweifelhaft macht, als Lebensaufgabe. Er faßt dort von seinen bisherigen Arbeiten zehn Stücke zu einer ersten Dekade zusammen (Bl. V), unterbreitet den Plan einer zweiten (Bl. VIr) und hofft mit einer dritten, so Gott wolle, einem dritten zehenden [...] grosser werck der heiligen lerer, einmal abschließen zu können. Von diesem schriftstellerischen Lebensprogramm ist freilich nur gut ein Drittel verwirklicht worden und noch weniger erhalten. Das 6. und das 8. Stück der ersten Dekade, ein versamlunge der teutschen Cronica und ein Comment vber den Horatium, sind wohl Manuskript geblieben und verschollen. Von der geplanten zweiten Dekade liegt gedruckt einzig die Übersetzung der Paternoster-Predigten Geilers (s. u. B. III. 5. b) vor, von den übrigen Titeln, auch dem lat.dt. Wörterbuch (Calepinus abbreuiatus [...]), fehlt jede Spur. Ungeachtet der unerfüllten Pläne und auch der Verluste hat M. ein CEuvre von beträchtlichem Umfang und einem ungewöhnlich reichen Spektrum seiner Gegenstände hinterlassen: Medizin, Fazetie, Fabel, antike Dichtung, Sequenzenkommentar, Geschichte, Zeitpolitisches, Predigt, christliche Lebenslehre. Nicht trennbar von seiner Tätigkeit als Literat und Übersetzer, aber auch als angehender Arzt ist in seiner Straßburger Zeit die des Herausgebers. Sie glänzt durch eine Anzahl von Erstausgaben. Verzeichnis der D r u c k ü b e r l i e f e r u n g , insbesondere der im folgenden nicht aufgeführten weiteren Auflagen und Nachdrucke, bei GOTZKOWSKY, 1991, S. 198-244. Lücken und Irrtümer sind stillschweigend korrigiert. A u s w a h l a u s g a b e . B. GOTZKOWSKY, Johannes Adelphus, Ausgewählte Schriften, Bd. 1: 'Barbarossa', 1974; Bd. 2: 'Historia von Rhodis'. 'Die Türckisch Chronica', 1980; Bd. 3: 'Das buch des lebens', 1980. Dazu: D. MERTENS, ZGO 123 (1975) 309 f. u. 129 (1981) 560-562; F. J. WORSTBROCK, AfdA 86 (1975) 174-178.

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Muling, Johann Adelphus

I. H e r a u s g e b e r und K o r r e k t o r . Zu unterscheiden sind a) Ausgaben, die M. selber initiierte und besorgte und mit Widmungsbriefen oder größeren eigenen Beigaben versah, b) Druckwerke, für die er, bezeugt in den Kolophonen, als Korrektor tätig war, c) Ausgaben, in denen er, zusammen mit anderen, nur durch kleine begleitende Carmina vertreten ist; hier dürfte eine Mitarbeit M.s an der Ausgabe selbst durchweg zweifelhaft sein. Es ist im Einzelfalle freilich nicht auszuschließen, daß hinter einer poetischen Beigabe ein Korrektor oder sogar ein Herausgeber steht. Im folgenden chronologisch geordneten Verzeichnis der Ausgaben ist auf M.s Art der Beteiligung, soweit sie erkennbar ist, hingewiesen. 1. Oratio prouerbiorum condita a Philippo Beroaldo [...] Ad lectorem Epigramma. /(obannisy A(delphiy. Straßburg, Matthias Hüpfuff 1505. VD 16, B 2129. Voranging der Druck Bologna 1499 (GW 4142). Nachwort M.s an den Leser über Wert und Wirksamkeit des Sprichworts und der kleinen literarischen Form (Straßburg, 1. Juni 1505). 2. lacobi wimpfe \ lingij de arte metrifican= \ d'i. Libellus. \ Tetrastichon Johannis Adelffi. Ad lectorem. Straßburg, Matthias Hüpfuff 1505. VD 16, W 3345. Erste Ausgabe der sonst nur anonym gedruckten Verslehre unter dem Namen ihres Autors, mit einer Condusiuncula M.s (Straßburg, 18. Juli 1505). 3. Hieronymus Vehus, Deo Auspice \ Pro divo M.aximi(Jianoy [...] Boemicus Triumphus. Straßburg, Joh. Grüninger [1505]. VD 16, V 492. M. trug zusammen mit anderen mehrere Carmina bei. 4. Petri Schotti Argen(tinensis) Epithoma De sillabarum \ quantitate ac versuum connexione. \ In commendationem opens \ distichon Jo. Adel. Straßburg, Matthias Hüpfuff 1506. VD 16, S 3999. Vorrangig der Druck Erfurt 1504. 5. Alcimi Aviti Viennen \ sis episcopi poetae \ christianissimi libri VI. Straßburg, Joh. Grüninger 1507. VD 16, A 4512. Abschriften: München, clm 24515; Berlin SBB-PK, Ms. Theol. lat. fol. 265. Erstausgabe des biblischen Epos 'De spiritalis historiae gestis' (5 Bücher) und des Gedichts 'De virginitate' des Alcimus Avitus nach einer wohl in einer oberrheinischen Bibliothek gefundenen Hs. Widmung M.s an den Trierer Erzbischof Jakob II. Markgraf von Baden, mit Erläuterung der Umstände der Ausgabe und — von Wimpfeling inspiriert — entschiedenem Eintreten für die christliche

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Dichtung wider die mythologischen Fabeleien der heidnischen Antike (Straßburg, 21. Aug. 1507). 6. Marsilii Ficini Floren- tint. De religione christiana Scfi \ deipietate opusculum [ . . . ] . Straßburg, Joh. Knobloch 1507. VD 16, F 940. Die Widmung an Joh. Geiler und Jakob Wimpfeling (Straßburg, 15. Okt. 1507), die zu Ficinos Theologia platonica keinen Zugang hatten, war ein wohl prekärer Einfall. 6.a. Xenocrates de morte in der lat. Übers. Ficinos. In: Nr. 6, Bl. [q 3 ] v -r iiij r . 7. Arator poeta christia \ nissimus in actus \ apostolorum. Straßburg, Joh. Grüninger 1507. VD 16, A 3184. Widmung M.s an den Straßburger Bischof Wilhelm von Honstein. Am Ende ein Brief M.s an Georg Holensteiner, Rektor der Straßburger Domschule, und Hier. Gebwiler, Rektor der Schule in Schlettstadt (Trier, 1. Nov. 1507). 8. Johann Eck, Bursa pauonis \ Logices exercitamenta [ . . . } . Straßburg, Matthias Hüpfuff, 1507. VD 16, E 281. M. steuerte neben anderen Beiträgern ein Epigramm bei. 9. PS.-Aeneas Silvius -»· Piccolomini, Aeneas Sil= | uius de pravis mulieribus \ Epitaphia Clarorum virorum & alia multa. Straßburg, Joh. Grüninger 1507. VD 16, P 3131. Abdruck des letzten Viertels der irrig dem Aeneas Silvius (Pius II.) zugeschriebenen Epitaphiensammlung Pii II. de laude atque epitaphiis virorum illustrium (CAMPBELL, Annales de la typographic neerlandaise au XVe siecle, 1874, Nr. 1186), dem M. eine aus weiteren Epitaphien und allerlei anderen Exzerpten gemischte Sammlung anschloß (BERTALOT, S. 295— 301 mit Teilausg.). Widmung M.s an Heinrich Menn in Koblenz (Trier 1507). Bl. a v : In Libellum aenee Siluij [...] Elegiacum, I^ohannis") A(delphi~) M.(ulingiy A(rgentinensisy. 10. Gregor von Nazianz, Hi sunt in Codice libelli \ X. diui Gregorij Nazanzeni [ . . . ] . Straßburg, Joh. Knobloch 1508. VD 16, G 3032. Erstausgabe von Schriften Gregors (in der lat. Übers, des Rufin). Widmung an die Pfarrer Georg Bohem in Mainz und Joh. Flamingus (Flemming) in Boppard (Straßburg, 31. Dez. 1507): Es fehle an energischer christlicher Unterweisung der Jugend, für die sich - mit Verweis auf Wimpfeling, 'De integritate', c. 29 — besonders Schriften der patristischen Lehrer eigneten; ihre Würdigung macht den Brief zu einer de laude antiquorum theologorum epistola. 11. Margarita facetiarum Alfonsi Aragonum Regis Vafredicta [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1508. VD 16, A 225. Sammeldruck mit fünf Teilen, von denen jeder mit einem Widmungsbrief M.s und einem Carmen beginnt. Die von Ermolao Barbaro und Marsilio Ficino aufgenommenen Stücke haben, fern jeder Fazetie, im Kreise der übrigen keinen Anschluß.

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Muling, Johann Adelphus

H.a. Bl. A ij r -D iij v : Antonio Beccadelli, 'De dictis et factis Alfonsi Aragonum regis' in der erweiterten Fassung des Aeneas Silvius Piccolomini, Auswahl. Widmung an den Trierer Magister Leonhard Nußbaum (Straßburg, 1. März 1508). 11.b. Bl. D iiij r —G iij v : Scomata loannis Keisersbergii concionatoris ecdesie Argentinensis [...]. Sammlung von gut 270 Sprichwörtern, Aphorismen, Bonmots, Fazetien, bildkräftigen Vergleichen, die das ganze Feld menschlicher Schwächen und Laster und allerlei Lebensweisheiten und Ratschläge für den Alltag zum Gegenstand haben, aufgelesen angeblich aus Predigten Geilers; ihn nennt M. in der Widmung an Jodocus Gallus (Straßburg, 27. Febr. 1508) ausdrücklich den autor. Die Sammlung gehört gleichwohl M., der den einzelnen Stükken auch Überschriften gab, und er hat vieles in sie aufgenommen, das schwerlich mit Geilers Namen zu verbinden ist. Eine ähnliche Sammlung aus Geilers Predigten, die alles Fazetuöse jedoch meidet, hatte zuvor schon Peter -» Schott angelegt ('Lucubratiunculae', Nr. 233); M. druckte sie mit ab. M. meinte, mit den gesammelten 'Scommata' ebenso erfahrenen wie jungen Predigern nützlich zu sein und ihren Dank verdient zu haben, erregte aber mit einigen Geiler diskreditierenden Sottisen Anstoß. Im Neudruck 1509 entschuldigte er sich für das 'Versehen' (Titelbl/), tauschte aber einzig eine Grobheit über die Franziskaner (Bl. F iiij v ) aus und ersetzte im übrigen nur den Titelbegriff Scomata durch Tropi siue sales und similitudines. 11.c. Bl. G iiij r —L iij v : Ermolao Barbaro, Orationes contra poetas. Widmung M.s an Dietrich Gresemund d. J. (Straßburg. 1. März 1508). 11.d. Bl. Liiij r -O v : Marsilio Ficino, De sole und Auszug aus De lumine. Widmung an Joh. Spiegel (Trier, 16. März 1508). ll.e. Bl. Oiij r -[Q 5 ] r : Adelphus Muling, Facetiae Adelphinae. Widmung an Georg Ubelin, einen Beamten der Straßburger bischöfl. Kanzlei (Straßburg, l.Febr. 1508). 12. Gregor Reisch, Margarita philosophica nova. Straßburg, Joh. Grüninger 1508. VD 16, R 1037. Weitere Drucke 1512 u. 1515: VD 16, R 1038 u. 1039. M. trug neben Ulr. Zasius, Dietr. Ulsenius, Adam -> Wernher, Jak. Locher, Ringmann u. a, unter der Überschrift Ex arte fieri omnia meliora Carmen I(ohannisy A(delphf) ein Gedicht aus 32 katalektischen iambischen Trimetern bei (ine. Natura meliusve fiat arte}; es tritt in den späteren Drucken anonym auf. 13. Plautus \ poeta comicus. Straßburg, Joh. Grüninger 1508. VD 16, P 3379. Erste nicht-italienische Ausgabe der 20 erhaltenen plautinischen Komödien. Die Vorrede M.s an Joh. Dynchin, den Kanzler des Trierer Erzbischofs (Straßburg, 1. April 1508), enthält eine rhetorisch-poetologische Abhandlung und einführende Erläuterungen

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der Gattung Komödie und ihrer spezifischen Metrik. 14. Jakob Wimpfeling, Argentinensium episcoporum Cathalogus [ . . . ] . Straßburg, Joh. Grüninger 1508, Castigatoribus loanne Adelpho [...} et Geruasio Souphero. VD 16, W 3344. 15. Ulrich Zasius, Questiones de paruulis ludeorum Baptisandis [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1508, lo. Adelpho castigatore. VD 16, Z 178. 16. In hoc libro continentur \ Haec Bebeliana opuscula noua [ . . . ] . Straßburg, Joh. Grüninger 1509, /. Adelpho castigatore. VD 16, B 1208. 17. Martin Waldseemüller, Der weh kugel Beschrybung der weit vnd deß gan \ tzen Ertreichs [...}. Straßburg, Joh. Grüninger 1509, Johanne Adelpho castigatore. VD 16, W 1161. 18. Martin Waldseemüller, Globus mundi \ Declaratio siue descriptio mundi [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1509, Adelpho castigatore. VD 16, W 1160. 19. loannis Francisci Pici Mirandu= \ lae [...] liber de provi= \ dentia contra philosopha — \ stros. Straßburg, Joh. Grüninger 1509, lohannes Adelphus Recognouit. VD 16, P 2654. 20. Thomas Murner, Logica \ memoratiua Chartiludium logice [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1509. VD16, J661. Bl. A ii r -iij v : Prologus Murners an M. (Freiburg 1508). In Murners conclusio operis: [...} loanni Adelpho [...] hitius opens castigatori [...]. 21. Jakob Henrichmann, Prognostica alioquin barbare practica nun \ cupata. Persiflage der Jahresprognostik. Straßburg, Joh. Grüninger 1509, Adelpho castigatore. VD 16, H 2041. 22. Walter Lud/ Matthias Ringmann Philesius/ Martin Waldseemüller, Cosmographie intro \ ductio [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1509, loanne Adelpho Mulichio Argentinensi castigatore. VD 16, W 1159. Nachdruck der 1. Ausgabe St. Die, 25. April 1507. 23. Calepinus \ F. Ambrosij Bergomatis \ professionis eremitane dictionarium [...] Preterea ex Suida greco: alijsque compluribus maxime neotericis Philippo Beroaldo Petro Mär so [...] Studiose a lo. Adelpho collectum: \ et ab Ascensio diligenter recognitum. [Straßburg, Joh. Grüninger 1510]. VD 16, C 226. Nach der Angabe auf der Titelseite, die aber sonst nicht wiederholt oder näher erläutert wird, hat M. das Material des bedeutenden Wörterbuchs durch Exzerpte aus einschlägigen Schriften ital. Humanisten bereichert. — Der Druck ist nicht zu verwechseln (so GOTZKOWSKY, 1991, S. 194) mit dem Calepinus abbreviatus mit seinen teutschen Vocabulen, den M. in seiner Werkliste in Geilers 'Passion' (s. u. B. II. 5. a) nennt; er ist weder eine Kurzfassung, noch enthält er ein einziges dt. Wort.

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24. Heinrich Reitzmann, Festum dine virginis Marie di \ ctum ad niues Rome ortum [...]. Straßburg, Joh. Prüß 1510. Am Ende ein Epigramm M.S. Zu den Drucken s. J. BENZING, Die verschiedenen Drucke des Aschaffenburger Maria-SchneeOffiziums, Aschaffenburger Jb. f. Gesch., Landeskunde u. Kunst des Untermaingebietes 7 (1981) 238-241. 25. -> Hermann von Sachsenheim, Die Marin \ Ein schon kürtzweilig le= sen welches durch weiland Herr herman von Sachzenheim Ritter [...] lieplich gedieht vnd hernach / die Mörin genempt ist [ . . . ] . Straßburg, Joh. Grüninger 1512. VD 16, H 2448. Widmung an den Ritter Jakob Bock (Straßburg, 1. Nov. 1512). Die vorred ist nachgetragen (BI. LIir-LIIF). Ihr folgt als letztes Stück des Buchs anonym und daher lange für ein Gedicht M.s selbst gehalten (vgl. BEHREND) Hieronymus Emsers 'Satyra', eine Invektive gegen das Laster des Ehebruchs, zum größeren Teil aber ein Preis der Ehe und ehelichen Treue. 26. Grammaticae institutions \ loannis Brassicani Tubingensis denuo accurate revisae. Straßburg, Joh. Prüß d. J. 1512. VD 16, B 7120. Mit einem Nachwort M.s an den Leser: Lob der Grammatik als der Schwelle zur gesamten litteratura. 27. [Thomas Murner], Prophetia mirabilis ad an = \ num domini Millesimum quingentesimum \ Tredecimum pro = \ xime futurum. Am Ende: . Adel, scripsit et publicavit. Straßburg, Joh. Prüß d.J. 1512. VD16, M 7050. 28. Eucharius -> Rößlin, Der Swangern \ Frauwen vnd hebammen Rose \ garten. Straßburg, Martin Flach d. J. 1513, Correctore Joanne Adelpho physico qui singula hec approbat atque commendat [...]. VD 16, R 2848. Erstdruck von Rößlins bis weit ins 18. Jh. gebrauchtem Handbuch der Geburtshilfe. 29. Walter von Chätillon, Regis Macedonum vita [...]. Straßburg, Renatus Beck 1513. VD 16, G 3848. Erstausgabe der 'Alexandreis'. Widmung M.s an den Wormser Offizial Jakob Schenck, mit Erläuterung der Umstände der Edition und Empfehlung der spontanen Tatkraft Alexanders für den allzu bedächtigen Kaiser Maximilian (Straßburg, 25. Dez 1512 [!]). 30. Mundinus de Lenciis, Mundinus \ De omnibus hutnani corporis \ interioribus menbris Anathomia. Straßburg, Martin Flach 1513. VD 16, M 6790. Erstdruck Pavia 1478, in Deutschland Leipzig [um 1493]. M. hat dem Text des Mundinus aus anderen Autoritäten einige Additiones Adelphi beigefügt. Widmung an den Freund Leonhard, Arzt und Apotheker in Basel (Straßburg 1513): Durch die Anatomie trete die wunderbare hominis compositio vor Augen; nicht nur die philosophia moralis, auch die naturalis diene seiner Selbsterkenntnis.

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31. Jakob -> Mennel, Das ist der Passion \ Jn form eins gerichthandels [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1514. VD 16, A 221. Vorrede M.s an den Autor (o. O. u. D.), der die Schrift bereits 1508 verfaßt hatte. Wohl aufgrund einer mißverstandenen Passage in M.s Widmung — er nennt hier seine Übersetzung von Geilers 'Passion' — erschien sie in den Drucken seit 1516 unter Geilers Namen. 32. Joan. Eckii Theologi in \ summulas Petri Hispani extempo \ raria et succincta: sed succola explanatio [...]. Augsburg, Joh. Miller 1516. VD 16, J671. Ein Epigramm M.s, übernommen aus der Logica memoratiua von 1509 (Nr. 20).

II. Deutsche Übersetzungen. Unter die 'Übersetzungen' sind hier auch jene Arbeiten M.s gestellt, denen statt einer geschlossenen Vorlage eine eigene Quellenkompilation M.s zugrundeliegt. Zwei seiner Übersetzungen erschienen anonym, eine dritte sogar unter falschem Namen. Kenntlich ist seine Autorschaft hier allein durch sein Selbstzeugnis in der Widmungsvorrede zu Geilers 'Passion' (s. u. B. U. 5. a). Die Gründe für ihr Verschweigen liegen nicht zutage. M. hat sonst, schon im Druck seiner ersten, der Ficino-Übersetzung, auf seinen Namen als Übersetzer spürbar Wert gelegt, 1512 auf Bekanntheit über die gantze teutsche nation hin (Geilers 'Passion', Bl. V). M. handhabt nicht stets den gleichen Übersetzungsstil, sondern verhält sich je nach Adressatengruppen und der Aufgabe der Übersetzung verschieden, bevorzugt bald betont Vorlagennähe, bald freien Abstand. Vgl. DICKE, S. 196-199. 1. M e d i z i n . a) Marsilio -> Ficino [NB], 'De vita libri tres'. M.s Ficino-Übersetzung, seine erste Veröffentlichung, wie er in der Widmung an den Straßburger Domherrn Heinrich Graf von Werdenberg angibt, umfaßt nur die beiden ersten Bücher von 'De vita', De vita sana (Gesundheitslehre für den geistig tätigen Menschen) und De vita longa (über die Kunst, lange zu leben); das astrologische dritte ließ er aus, da es gar hoch zu verston (S. 15) sei. Auch die beiden ersten Bücher übersetzte M. nicht vollständig; er kürzte vor allem medizintheoretische und mythologische Passagen, und diesen Eingriffen

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fielen erhebliche Teile gerade von Ficinos Theorie über den Zusammenhang von Melancholie und Ingenium (13 — 6) zum Opfer. Druck. M.s Ficino-Übersetzung ist das 2. Stück eines mehrteiligen Sammeldrucks: Medicinarius Das buch der Gesuntheit \ [Hieronymus -* Brunschwig] Liber de arte distillandi Simplicia et Composita. | Das nüv bück der rechten kunst zu distillieren [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1505. VD 16, B 8718. M.s Ficino-Bearbeitung folgt der 'Destillierkunst' Brunschwigs mit neuer Titelseite: Das buch des lebens Marsilius ficinus von \ Florentz von dem gesunden vnd langen leben [ . . . ] , aber fortlaufender Blattzählung (Bl. [CXXXI]rCLXVIir). Angehängt ist, aber nur im Druck von 1505, ein zweisprachiges Register der appoteck, das die lat. botanische und pharmazeutische Fachterminologie von Ficinos Rezepten deutsch wiedergibt. — Die weiteren Drucke bei GOTZKOWSKY, Ausg., S. 321-409. A u s g a b e . GOTZKOWSKY, Ausgew. Schr.n, Bd. 3, 1980, S. (1)-158, nach dem revidierten Druck von 1508.

b) PS.- -» Albertus Magnus, 'Liber aggregationis'. Die anonym erschienene Übersetzung des 'Liber aggregationis', des in der Frühdruckzeit verbreitetsten Buches über die Kräfte von Krautern, Steinen und Tieren (50 lat. Inkunabeldrucke, GW 617-666), erscheint in M.s erster Werk-Dekade als 7.: Zu dem sibenden Albertum magnum von den fügenden. Dem Text des Ps.-Albertus schließen sich ein astrologischer Abriß und eine umfängliche Rezeptsammlung (ein tractat von vil kostbaren stücken l besunder der quinta essentia vnd lebendigen wassern) an. D r u c k . Albertus Magnus. \ Das buch der versatnlung oder das buch der heymligkeiten Magni Alberti von \ den lügenden der \ kruter l vnd edel= \ gestern vnd \ von etlich \ en thie= ren. Straßburg, Martin Flach 1508. VD 16, A 1371.

c) 'Hortus sanitatis'. Der Prüßsche Druck von 1509 umfaßt eine anonyme Neuredaktion des ->· 'Gart der Gesundheit', der hier erstmals mit einer ebenfalls anonymen Teilübersetzung des ->· 'Hortus sanitatis' verbunden wurde. In M.s Werkliste ist sie notiert als Zu dem ändern ein buch heisset Ortus sanitatis.

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D r u c k . In disem Buch ist \ der Gart der gesuntheit (zu latin Ortus sanitatis) in \ vier theyl getheylet [...]. Straßburg, Joh. Prüß 1509. VD 16, H 5124.

2. A n t i k e A u t o r e n . a) C. Suetonius Tranquillus, 'Divus lulius'. Matthias -» Ringmanns [NB] 1507 erschienene Caesar-Übersetzung erhielt bereits 1508 eine veränderte Neuauflage. Sie ist gekürzt um Teile der großen Vorrede und um die Übersetzung von Lukians XII. 'Totengespräch'. Die dt. Caesar-Vita Plutarchs wurde gegen Suetons 'Divus lulius' in der Übersetzung M.s ausgetauscht. Ob die Neuredaktion von Ringmanns 'Caesar' im ganzen auf M. zurückgeht und von ihm durchgeführt wurde, ist ungeklärt. D r u c k . Julius der erste Römisch \ Keiser von seinem leben vnd Kriegen [...] mit ander Ordnung der capittel vnd vil züsetz nüw getruckt. Straßburg, Joh. Grüninger 1508. VD 16, C 55.

b) P. Vergilius Maro, 'Bucolica'. M.s Übersetzung von -> Vergils 'Bucolica', die erste vollständige, hat ein hermeneutisches Programm. Sie sucht ein sicheres Verständnis von Wortlaut und Sinn der Eklogen in drei Schritten zu erreichen: durch eine bis in die Wortfolge möglichst eng dem Original nachschreitende Übersetzung, durch eine interlinear gesetzte verdeutlichende Paraphrase (g/o/?), durch einen marginal (teils beidseitig) angebrachten erläuternden und auslegenden Kommentar (vßlegung). Dieses Verfahren war nicht zuletzt jungen anfahenden schülern zugedacht, die mit seiner Hilfe auch das lat. Original selbst erreichen sollten. Der Kommentar entschlüsselt das nach traditionellem Verständnis allegorische Personal der 'Bucolica', ist im übrigen einem moralistischen Dichtungsverständnis dienstbar. Jede der zehn Eklogen ist an einen oder zwei, insgesamt 18 verschiedene Freunde oder Gönner in Mainz, Koblenz, Trier adressiert. D r u c k . P. Virgilij Bucolica zu tütsch das Hirten \ vnnd buren werck der .x. Eglogen publy Virgily Maronis von Mantua. [Straßburg, Joh. Grüninger, um 1508/09]. VD 16, V 1529. Zur Datierung des Drucks und der Übersetzung s. WORSTBROCK, S. 204—206. Hinzuzufügen ist,

1029 daß nur und faßt

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M. wie hier mit der Namensform Mülich sonst 1508/09 auftritt und sich mit der Übersetzung Edition antiker Autoren ebenfalls nur 1508 behat.

3. Brants 'Esopus-Additiones'. 1501 gab Seb. Brant in einer neuen Redaktion den lat. 'Esopus' Heinrich -» Steinhöwels heraus und gab ihm eine eigene Sammlung von Additiones bei, 140 höchst vermischte, aus antiken, mal. und neueren Autoren gezogene, aber auch selbstverfaßte Texte. 1508 erschien das dt. Gegenstück, Steinhöwels dt. 'Esopus', gefolgt von einer Übersetzung der Brantschen Additiones. Daß M. ihr Übersetzer war und nicht Brant, wie der Inhaltshinweis der ersten Seite mitteilt, ist wiederum seiner Werkliste in Geilers 'Passion' zu entnehmen: zu dem dritten Doctor Brandes fabelbüch zu dem Esopo (Bl. V1"). Steinhöwels Text redigierte M. nur spärlich. In die Additiones griff er stärker ein. Zwar nahm er Brants fabeln und exempeln sämtlich auf, doch blieben die Verseinleitungen, die Brant jedem Stück vorangestellt hatte, unübersetzt. Damit nahm er der Vorlage nicht nur ihren besonderen Formcharakter, er kürzte sie auch um die besonderen Deutungsperspektiven, die Brants Verse enthalten. Im übrigen bemühte er sich um eine sowohl leicht verständliche als auch getreue Übersetzung, ohne Interesse freilich, dem mannigfach verschiedenen Stilcharakter der einzelnen Stücke Rechnung zu tragen. D r u c k . In disem Buch ist des ersten teils: das leben vnd fabel Eso \ pi [...] Des ändern teils vszüge schöner fabeln vnd ex= empelen Doctoris. S. Brant [ . . . ] . Straßburg, Joh. Prüß 1508. VD 16, A 546. Dokumentation der Druckgeschichte, die bis 1676 reicht, bei DICKE, S. 417-432.

4. G e s c h i c h t e und Z e i t g e s c h i c h t e . a) Papst Julius II., 'Monitorium contra Venetos'. Im Konflikt mit der venezianischen Expansionspolitik 1508/09 adressierte Julius II. am 27. April 1509 ein scharfes Ultimatum an Venedig, die kirchlichen Besitzungen in der Romagna zurückzugeben. Das 'Monitorium', das er in Drucken und Übersetzungen allerorten verbreiten ließ,

konnte auch in Deutschland, da Kaiser Maximilian ebenfalls mit Venedig im Krieg lag, auf günstige Resonanz rechnen. Eine der drei dt. Übersetzungen verfaßte M. D r u c k . Von der Vene \ dier Krieg. Straßburg, Joh. Grüninger 1509. Johanne Adelpho Mülich Argentinensi interprete et castigatore. VD 16, K 256. — Die beiden anderen dt. Übersetzungen: VD 16, K 251 f. u. 253.

b) 'Historia von Rhodis'. Die Belagerung der Johanniterfeste Rhodos durch die Türken 1480 und ihre Verteidigung und Befreiung war ein Ereignis, das als gefeiertes Beispiel des Widerstands gegen die osmanische Gefahr im Abendland lange Widerhall fand. M. übersetzte die von Wilhelm -* Caoursin, Vizekanzler von Rhodos, verfaßte lat. Darstellung der Vorgänge nach dem Ulmer Druck von 1496. Seine Widmung vom 1. Okt. 1512 ging an den elsässischen Ritter Maximin Schmaßmann von Rappoltstein. D r u c k . Historia Von Rhodis \ Wie ritterlich sie sich gehalten \ mit dem Tyrannischen keiser Machomet \ vß Türckyen [...]. Straßburg, Martin Flach 1513. VD 16, C 790. A u s g a b e . GOTZKOWSKY, Bd. 2, S. (l)-246.

Ausgew.

Schr.n,

c) 'Türckisch Chronica'. Die Ende 1512 (!) mit einer Widmung an Petermann -» Etterlin, den Verfasser der ersten gedruckten Schweizerchronik, abgeschlossene 'Türckisch Chronica' knüpft an die 'Historia von Rhodis' an und will sie ergänzen. Völlig abhängig von ihren verschiedenen verfügbaren Quellen, die sie kompiliert — ->· Jörg von Nürnberg, Aeneas Silvius ->· Piccolomini ('Europa'), Hartmann -> Schedel ('Weltchronik'), Marcus Ant. Sabellicus ('Enneades'), Nicolaus Sagundinus ('De Turcarum origine', 'De Turcarum imperio'), Seb. -> Brant, Wilhelm Caoursin —, erhebt sie keinen Anspruch auf geschlossene und gleichmäßige Darstellung türkischer Geschichte. Leitender Gesichtspunkt der versamlung der Türckischen händel ist die das christliche Europa mehr und mehr einschnürende osmanische Expansion, gegen die M. zur Abwehr aufruft.

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Der Chronik voran geht eine für sich stehende, an die gemein eidgenoßschafft und sonderlich den Berner Schultheiß Wilhelm von Dießpach gerichtete Oration über die — gemäß antiker politischer Theorie — drei Staatsformen, unter denen M. der Monarchie den Vorzug gibt, ohne damit andere Ansichten in dieser Frage beschränken zu wollen.

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Barbarossa wichtigste Quelle, Ottos von Freising und -> Rahewins 'Gesta Frederici', kam ihm, wie er bedauerte (S. 8), nicht rechtzeitig zu Gesicht. M. erkannte die Verschiedenheit historischer Quellen und dokumentierte wie schon Nauclerus nicht selten bewußt ihre Widersprüchlichkeit; die Italiener verdächtigte er dabei freilich der Parteilichkeit gegen die Deutschen. Andererseits ließ er im D r u c k . Die Türckisch Chronical Von irem vrVerfahren der Kompilation kommentarlos sprung anefang \ vnd regiment l biß vff dise zeit [...]. Straßburg, Martin Flach 1513. VD 16, A 236. Berichtsparallelen zu, die nur verwirren. Die Integration der verschiedenen QuelA u s g a b e . GOTZKOWSKY, Ausgew. Schr.n, lenstränge ist ihm nur unvollkommen geBd. 2, S. 249-414. lungen. Seine Quellen übersetzte M. meist textnah, doch stets geneigt zu erklärender d) 'Barbarossa' Das 100 Kapitel umfassende Buch er- und ausschmückender Zutat. M. lag alles an dem Eindruck der Vorzählt nach einem einleitenden Kapitel über bildlichkeit Barbarossas. Nach der Vorrede die Herkunft und Genealogie Kaiser Friedan den Basler Stadtschreiber Hans Gerster rich Barbarossas seine Geschichte von der (Schaffhausen, 27. Dez. 1519[!j) galt er Wahl zum dt. König 1152 (M. mit Eck und Nauclerus: 1153) an. Es ist das erste histo- ihm für ein lautern claren weltspiegel aller riographische Werk zur mal. Kaiser- und fürsten und herren, das eigene Buch somit Reichsgeschichte in dt. Sprache. M.s Leit- ebenso als Fürstenspiegel wie als historiquelle war die Barbarossa-Vita des Johann sche Erzählung. Daher konnte er den 'BarEck (ungedruckt; einzige Hs.: Leipzig, ÜB, barossa' und die Übersetzung des 'EnchiriRep. II. 73 c, gewidmet dem Eichstätter Bi- dion' als Zwillingswerk betrachten, eines schof Gabriel von Eyb am 1. Okt. 1514), zur weltlichen, das andere zur geistlichen die ihm in Schaffhausen durch einen unge- Lehre (Widmung zur 'Enchiridionübers.', nannten Bekannten zugänglich geworden s. u. II. 6.). war. Er übernahm ihren Text nahezu vollD r u c k . Barbarossa. \ Ein warhafftige beschreiständig und kompilierte ihn, offenbar um bung des \ lebens vnd der geschickten, keiser fri möglichst vollständig über Barbarossa zu derichs des ersten [...]. Straßburg, Joh. Grüninger berichten, mit großen einschlägigen Aus- 1520. VD 16, A 215. Zu den sieben weiteren Drukzügen aus der Chronik -» Burchards von ken (bis 1629) s. GOTZKOWSKY, Ausg., S. 285-341. A u s g a b e . GOTZKOWSKY, Ausgew. Schr.n, Ursberg und der Weltchronik des Johannes Nauclerus; beide können für eine Serie von Bd. l, S. (1)-199. Kapiteln durchaus die Führung überneh5. Predigtzyklen Geilers von Kaisersmen. Aus dem 'Ligurinus' (vv. l, 282— berg. 293) des -» Günther von Pairis zog er für Die Veröffentlichung von Geilers PreKap. 3 eine Preisrede auf seinen Helden, digten in deutscher Übersetzung setzte in die er in dt. Reimpaare umsetzte. Auszüge voller Breite erst nach seinem Tode 1510 aus anderen Geschichtsschreibern, deren ein; sie war ein zentrales Programm der Namen er in der Vorrede und häufig auch Offizin Grüninger. M. lieferte als erster die in der Darstellung nennt >· Otto von St. Blasien, -» Otto von Freising, Johannes Übersetzung großer Predigtzyklen. von Cremona, Flavius Blondus, Platina a) Geilers 'Passion'. u.a. —, sind sämtlich Nauclerus entnomVorlage war die von Jakob Other bemen. Nach Kap. 81 schob er, sonst ein Kri- sorgte lat. Ausgabe Fragmenta passionis tiker fabulöser Überlieferung, das kleine domini nostri Jesu Christi [...] sub typo weithin sagenhafte Volksbuch -> 'Friedrich placente mellee predicate, Straßburg, M. Barbarossa' (ohne den Schluß) ein. Die für Schürer 1508 (u. 1511). Zur Widmungs-

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vorrede an den Trierer Domkustos Christoph von Reineck (Straßburg, 29. Sept. 1513), in der M. sein schriftstellerisches Programm darlegt, s. o. B. Am Ende kleinere Beigaben M.s: Beschluß dis buchs Conclusio Adelffi und zwei Gedichte zu 12 und 18 Reimpaarversen. D r u c k . Doctor Keiserspegrs [!] | Passion Des Heren ]esu [...]. Straßburg, Joh. Grüninger 1514. VD 16, G 747.

b) Geilers 'Pater noster'. Die Übersetzung der 64 Vaterunser-Predigten, die Geiler 1508 von Perpetua und Felicitas bis zum 8. Sonntag nach Trinitatis gehalten hatte, richtet sich vor allem an andächtige personen in clöstern [...] die vyllycht des latyns kein verstandt hettenn (Bl. [A5]r). Vorlage war Others lat. Ausgabe Celeberrimi [...] Joannis Geiler Keiserpergii [...] De oratione dominica Sermones, Straßburg, M. Schürer 1509 (u. 1510, 1515). M. hat den Predigtzyklus mit weiteren Texten gerahmt. Der Widmung an den Straßburger Bischof Wilhelm von Honstein (Schaffhausen, 25. Mai 1514) folgen die Übersetzung einer Vaterunser-Betrachtung PS.-Bernhards von Clairvaux (Bl. [A 6 ] r —B ijv, ine. Wir lesen vieler heiligen gebet als Moysi und andre [...]; den Text kannte M. vermutlich aus dem Druck [Straßburg], Joh. Knoblouch [1507], VD 16, B 1948) und eine dt. Additio Adelphi (B ij v -B iij v ). Den Schluß bilden eine Versübersetzung (178 Reimpaarverse) der metrischen Paternoster-Meditation des Ludovicus Bigus (V iij r —V iiijr, ine. Was macht ich o herr des hymels iron) und nach dem umfangreichen Sachregister, das den Index von Others lat. Ausgabe wiedergibt, eine Beschlussrede in Gebetsform ([X7]r - v ) . D r u c k . Doctor keiserspergs pater noster [...]. Straßburg, Matthias Hüpfuff 1515. VD 16, G 786.

6. Erasmus von Rotterdam, 'Enchiridion militis Christiani'. Vorlage der von Beatus Rhenanus angeregten Übersetzung war die Neuauflage des 'Enchiridion' von 1518 mit Erasmus' bedeutender Vorrede an Paul Volz. In M.s sehr programmatischer Zueignung an den Junker Hans von Schönau

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(Schaffhausen, 4. April 1519) steht scharfe Kritik am Klerus: ihm sei die Unterweisung des Volkes gleichgültig geworden, daher müßten die Laien zu lesen bekommen, was ihnen fromme. Als einen Beitrag dazu betrachtet M. seine Übersetzung, die das lat. 'Enchiridion' widergeborn vnd der weit kuntbar gemacht, sunderlich tütscher nation. M. plädiert mit Erasmus ('Paraclesis') für den unmittelbaren Zugang aller zur christlichen Lehre, zur Bibel in der Volkssprache und so auch für die Fähigkeit aller, das nicht für Gelehrte geschriebene Evangelium ohne gelehrte Hilfe selber zu verstehen. M. hat seinem dt. Handbüchlin ein instruktives Register vorangestellt, welches den Inhalt der einzelnen Kapitel jeweils in einer Serie von Leitsätzen zu fassen trachtet. Schon 1521 wurde die Übersetzung durch Felix Jud erneuert, erschien aber mit M.s Widmung, in der erasmianische Gesinnung und beginnende Reformation noch ungeschieden beisammen sind. D r u c k . Enchiridion \ oder handbüchlin eines Christenlichen vnd Ritterlichen \ lebens [ . . . ] . Basel, Adam Petri 1520. VD 16, E 2787.

III. L a t e i n i s c h e S c h r i f t e n . 1. 'Facetiae Adelphinae'. M. knüpfte mit seinen gut 80 Stücken ausdrücklich an die Fazetien Bebels an, von denen die beiden ersten Bücher bis 1508 vorlagen. Er teilt mit Bebel die bewußte Verankerung des größtenteils wohl mündlich überkommenen Materials im eigenen lokalen, zumindest näheren regionalen Umfeld, aber auch die moralische Legitimierung der Fazetie. Auffällig häufig begegnet die Entlarvung von Gebrechen des Klerus und der Mönche, ihrer Unbildung, Habsucht und sexuellen Sünden. D r u c k . Margarita facetiarum, s. o. B. I. 11.e.

2. Sequenzenkommentar. Mit Widmung vom 15. Dezember 1512 an Johannes Enen in Trier, den er als den besten Freund rühmt, veröffentlichte M. 1513 zusammen mit Wimpfelings Hymnenkommentar seine eigene 'Sequentiarum interpretatio'. Sie gilt einem Zyklus von 63 alten und geläufigen liturgischen Sequenzen (nicht etwa von ihm selbst 'in Prosa

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verfaßten', wie GOTZKOWSKY, 1991, S. 194, meint) für kirchliche Festtage von Weihnachten bis zum Advent. Der Kommentar, der sich zu jeder Sequenz in drei Abschnitte gliedert, in ordo (Aufbau und Inhalt), vocabula (Worterklärungen) und notabilia (Erläuterungen von Bildlichkeit, Theologischem u. a.), will Schülern und Studenten (adolescentes), aber auch Pfarrgeistlichen ein gründliches Sprach- und Sachverständnis der Texte vermitteln. Am Anfang (BI. a ij r ) steht eine Skizze Wimpfelings zur Geschichte der Sequenz, für die er deutschen Ursprung reklamiert. D r u c k . Sequentiarum luculenta interpretatio: nedum scholasticis l sed \ et ecdesiasticis cogni tu necessaria [...]. Als 2. Teil des Drucks folgt mit eigener Titelseite sowie eigener Blatt- und Lagenzählung Wimpfelings Hymnenkommentar. Am Ende: Straßburg, Joh. Knobloch 1513. VD16, S 5978.

IV. D e u t s c h e S c h r i f t e n . 1. Trierer Heiltumsschriften. Kaiser Maximilian veranlaßte 1512 auf dem Reichstag zu Trier die Erhebung und Ausstellung des Hl. Rocks (vgl. M. EMBACH, Jb. f. westdt. Landesgesch. 21 [1995] 409-438). Es gab Zweifel an der Echtheit der Christusreliquie und daneben verschiedene Versionen ihrer Translation. M. engagierte sich in drei Schriften für den Aufweis der Echtheit des Hl. Rocks und für die Klärung seiner Translationsgeschichte. Die D r u c k e der drei Schriften: a) Warhafftig abschrifft von erfin= düng des hailthums vnd dem Rock vnsers hernn \ Jhesu christi zu Trier geschehen [...]. [Straßburg, Matthias Hüpfuff 1512]. Die Schrift enthält den auch separat gedruckten (Nürnberg, Joh. Weißenburger 1512) Bericht von der Erhebung des Hl. Rocks, erweitert nur seine Reliquienbeschreibungen. b) Warhaftig sag \ oder red von dem Rock \ Jhesu christi. Neulich in \ der heyligen stat Trier erfunden [...]. Straßburg, Matthias Hüpfuff 1512. VD 16, A 240. M., hier bemüht als Historiker, beginnt mit einer Abhandlung Von der stat Trier vnd ir erbauun% und versucht sich an einer eingehenden Rekonstruktion des Weges, den der Hl. Rock dank der Kaiserin Helena von Jerusalem nach Trier genommen habe. c) Declaration vnnd ercle rung der warheit des Rocks Jesu christi l newlicb zu Trier erfunden l das es der recht vnd wor sye [ . . . ] . Straßburg, Mar-

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tin Flach d. J., 1513. VD 16, A 241. Widmung an den Domkustos Christoph von Reineck; ein in Straßburg Laetare (6. März) 1513 verfaßtes Schlußwort. Nochmalige, aber erheblich veränderte Rekonstruktion der Translationsgeschichte des Hl. Rocks; die Kaiserin Helena gilt ihm nun als unbeteiligt. Nachdrücklich zurückgewiesen wird in einem Nachtrag die Herkunftssage des -* Orendel', die M. in dem Druck des Versepos von 1512 gelesen hatte.

2. Gedichte. a) M. hat seinen dt. Prosaarbeiten häufiger Verspartien inseriert, metrische lat. Vorlagen in dt. Versen wiedergegeben ('Buch des lebens', S. 5, 'Türckisch Chronica', S. 363-369, 'Barbarossa', S. 21 f., Pater-noster-Meditation des Luigi Bigi u. a.), aber nur zwei selbständige größere dt. Gedichte verfaßt. Sein Vers ist stets der vierhebige Reimpaarvers mit Auftakt (strenger Knittel). Statt einer zunächst geplanten Übersetzung von Baptista Mantuanus' Ekloge von der bösen weiber natur (Ecl. 4, 110-241) fügte M. seiner Ausgabe der 'Mörin' Hermanns von Sachsenheim (s. o. B.1.25) Hieronymus Emsers 'Satyra' an. b) 'Ludus novus'. 1516 erschienenes illustriertes Flugblatt, das unter seinem ironischen Titel satirisch den heillosen Zustand der europäischen Politik in den Auseinandersetzungen um Oberitalien taxiert. Im Bildteil sind die beteiligten Mächte, angefangen bei Papst und Kaiser, in jeweils verschiedener Tiergestalt um einen Tisch beim Trictrac versammelt. Im Textteil (139 Verse) präsentieren sich die Fürsten nacheinander mit ihren Wünschen an das Würfelglück und bekommen jeweils in einer Antwurt das Ergebnis ihres Wurfs genannt und erläutert. D r u c k . Ludus nouus. [Basel, M. Furter] 1516. Abb. bei F. HIERONYMUS, Basler Buchillustration 1500-1545, 1984, S. 619, dazu S. 280 f., u. GOTZKOWSKY, 1991, S. 218. A u s g a b e des Textes: E. WELLER, Der Dichter Joh. Adelphus, Serapeum 20 (1859) 12-16. L i t e r a t u r . CH. SCHMIDT, Histoire litteraire de l'Alsace a la fin du XVC siecle et au commencement du XVIe siecle, Paris 1879, ND 1966, Bd. 2, S. 133-149 u. 401-406; J. KNEPPER, Beiträge zur

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Müller, Peter — Mulner, Sebald

Würdigung d. elsäss. Humanisten Adelphus M. mit bes. Berücksichtigung seiner dt. Übersetzungen u. Gedichte, Alemannia NF 3 (1903) 143-192; W. KAHL, Die älteste Hygiene d. geistigen Arbeit, Neue Jbb. f. das klass. Altertum, Gesch. u. dt. Lit. u. f. Pädagogik 18 (1906) II. Abt., 482-491, 525546, 599-619; K. VOLLERT, Zur Gesch. d. lat. Facetiensammlungen d. XV. u. XVI. Jh.s (Palaestra 113), 1912, S. 82-98; L. BERTALOT, Die älteste gedruckte Epitaphiensammlung, in: Collectanea variae doctrinae Leoni S. Olschki oblata, 1921, S. l — 28, wieder in: ders., Studien zum ital. u. dt. Humanismus, Rom 1985, Bd. l, S. 268-301, hier S. 295—301; F. RITTER, Histoire de l'imprimerie alsacienne aux XVs et XVIe siecles, Strasbourg/ Paris 1955, Reg.; B. MILT, Vadian als Arzt, 1959, S. 121 f. mit Anm. 203 f.; B. GOTZKOWSKY, Die Übersetzertätigkeit d. Humanisten Joh. Adelphus, in: Studies in German in memory of R. L. Kahn (Rice University Studies 57), Houston 1972, S. 47—54; F. J. WORSTBROCK, Adelphus M.s Vergilübersetzung, ZfdA 102 (1973) 203-210; B. GOTZKOWSKY, Unters, zur Barbarossa-Biographie (1520) d. Joh. Adelphus u. ihr Verhältnis zum Volksbuch (1519) vom Kaiser Friedrich, Daphnis 3 (1974) 129-146; D. BENESCH, Marsilio Ficino's 'De triplici vita' (Venedig 1489) in dt. Bearbeitungen u. Übersetzungen. Edition d. Cod. pal. germ. 730 u. 452, 1977, S. 114-120, 122 f., 128; B. SARAN, Reitzmanns Maria-Schnee-Stiftung u. Grünewalds Altar — humanistisch gesehen, Aschaffenburger Jb. f. Gesch., Landeskunde u. Kunst des Untermaingebietes 7 (1981) 263-363, hier S. 290-293, 347-354; B. PLATE, Orendel - König von Jerusalem. Kreuzfahrerbewußtsein (Epos d. 12. Jh.s) u. Leidenstheologie (Prosa von 1512), Euph. 82 (1988) 168-210, bes. S. 195-201; B. GOTZKOWSKY, Art. 'Adelphus, Johannes Muling (Mulich)', in: H.-G. ROLOFF (Hg.), Die Deutsche Literatur, Reihe 2: Die Dt. Lit. zwischen 1450 u. 1620, Abt. A: Autorenlexikon, Bd. l, 1991, S. 188-245; Abt. B: Forschungslit.il (Autoren), Lfg. 1~2, 1985, S. 47-53; W. BEHRENDT, Hieronymus Emsers 'Satyra', Joh. Adelphus u.d. 'Wormser Freidank', ZfdA 119 (1990) 185-191; F. SCHANZE, Kartenspiel der Mächte, in: Fs. W. Haug u. B. Wachinger, 1992, Bd. 2, S. 849-872, dort S. 863; G. DICKE, Heinrich Steinhöwels 'Esopus' u. seine Fortsetzer (MTU 103), 1994, S. 193-216 u. ö.

F. J. WORSTBROCK Müller, Konrad -» auch Öttinger, Konrad Müller, Peter [Korr.] Bd. 6, Sp. 748 zu 2., Überl.: "Ludwig -> Sterners 'Chronik' ... Privatbesitz" korr.: Sterners Chronik ist im Original von 1501 erhalten (nicht in einer

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Abschrift von 1524!); heute in Schweizer Privatbesitz (Heribert Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen). Hinweis F. Schanze.

Mulner, Bernhard -» Müller, B. (vgl. auch -> Mulner, Sebald [Korr. im NB]) Mulner, Konrad -> Wagner, K. (vgl. auch -> Mulner, Sebald [Korr. im NB]) Mulner, Sebald [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 749f.: S. M. ist identisch mit Sebald -> Wagner; sein Bruder ist Konrad -»· Wagner, sein Neffe Bernhard - Müller. S. M. wurde um 1415 in Nürnberg geboren, studierte 1438—52 in Wien (Bakkalar der Medizin 1449, Lizentiat 1452) und 1453 zusammen mit Hartmann -> Schedel in Padua (Rektor der Artistischen Fakultät 1453, Dr. med. 1454); 1454 kehrte er an die Wiener Fakultät zurück. 1455 stand er im Dienst des Bischofs von Agram. Er wurde Zeuge der Schlacht von Belgrad 1456 und der darauffolgenden Flucht der Türken, 1459 der Einnahme und Plünderung der Stadt Raab (Györ) durch böhmische Söldner; seine mündlichen Berichte darüber an Nürnberger Gesandte sind in deren Korrespondenz indirekt erhalten. 1460 trat M. seine Stelle als Nürnberger Stadtarzt an. Er war in kinderloser Ehe mit Ursula Stromer verheiratet, war begütert und wirkte in zahlreichen städtischen Gremien. 1475 trat er in die Dienste Ottos II. ein, des Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg, der den Arzt mehrfach auch als Gesandten zum ungarischen Königshof einsetzte. M.s Verbindung zu König Matthias Corvinus führte zeitweilig zum Konflikt mit Kaiser Friedrich III.; ihm drohte sogar die Ausweisung aus der Reichsstadt Nürnberg, was aber durch seine fürstlichen Gönner verhindert werden konnte. M. starb 1495. Hartmann -* Schedel bezeichnete ihn als gloria medicorum Nuremberge (München, clm 31, hinterer Spiegel). Außer zu Hartmann stand M. in enger Beziehung zu dessen Oheim Hermann -* Schedel. Die aus seiner Bibliothek in den Besitz Hartmann Schedels übergegangenen Hss. (München, clm 10, 31, 37 u. 161) bieten konventionelles medizinisches Hochschulschrifttum (Averoes, 'Colliget'); aus einem Salzburger Kodex geht hervor, daß M. auch wundärztliche Texte kaufte (Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, cod. b XII 18: Petrus von Argellata, 'Practica chirurgiae'). L i t e r a t u r . N. DAMM, Der Nürnberger Stadtarzt S. M. (f 1495). Eine biograph. Skizze, Mitt. d. Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 88 (2001) 139-170.

G. KEIL

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München, Fritz — 'Münchner Nachtsegen'

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München, Fritz [Korr.]

gen korrelieren, so der mehrfach samt Vater, Mutter, Schwester und Kindern angeBd. 6, Sp. 751: Stichwort zu korrigieren in redete alb, aber auch die guten, die zu dem Münch, Fritz. brochelsberge sin gerant, wutan und tvutaEbd., Überl.: "Pommersfelden, Schloßbibl., Hs. nes her, pilewizze, trute, mär, clagemutir LXII, 24 (2761), 38 Bll." korr.: ..., Graf von Schönsowie die Geister von Hingerichteten. Teilborn Schloßbibl., Hs 24 (olim 2761), 92 Bll.; der Text M.s Bl. lr-89r; die Zugehörigkeit der folgenweise scheint es sich auch um Dämonen zu den Bll. ist nicht gesichert. handeln, die bestimmte Krankheiten verursachen (vgl. GRIENBERGER zu biuer und 'Münchner Bibel des Johannes Viler' vuzspor, SCHULZ zu herbrant). Bei der schlechten Überlieferung und der Dürftig[Korr.] keit des Vergleichsmaterials muß da aber Bd. 6, Sp. 753 Abschnitt 3: "Stuttgart, LB, cod. manches unsicher bleiben. Schwierig ist Bibl. 15" korr.: ..., cod. bibl. 2° 15. auch die Deutung der positiven Schutzmächte, auf die sich der Spruch beruft. Gott selbst ist allenfalls in einigen entstell'Münchner Marienklage' [Korr.] ten Formulierungen direkt genannt, die Bd. 6, Sp. 763 Z. 4 f.: "des Gottfried von BreHeiligen fehlen. Überwiegend werden liteuil" korr.: des Gottfried von St. Viktor. Dieser, turgische Formeln angeführt: daz heylige geb. um 1125-1130, gest. um oder nach 1194, war sancte Spiritus (3) und Ich besuere dich vil Subprior zu St. Viktor in Paris; er ist nicht idensere bi dem miserere, bi dem laudem deus tisch mit Gottfried von Breteuil, Subprior von Ste. [laudemus?], bi dem voce meus [?], bi dem Barbe-en-Ange. Vgl. CB I, 3, S. 131. de profundis ... (63ff.). Schutzinstanz ist aber auch der Fisch, der da zelebrant in 'Münchner Nachtsegen' der messe wirt genant, was mit einer Vorr stellung zusammenhängen dürfte, die -» Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 615, 127 , md., Konrad von Megenberg im 'Buch der Na14. Jh.; Eintrag auf dem letzten Blatt einer med.tur' (ed. PFEIFFER, S. 107) als türsenmcer naturwiss. Hs., die in einem lat.-dt. Pflanzenglosabtut (vgl. GRIENBERGER, S. 359 f., dazu sar auch polnische Wörter enthält und im 16. Jh. der als Aberglaube verurteilte Fisch conim Besitz eines Henricus de prusia videlicet de coto [...] (Cottbus?) war; es handelt sich um eine viel- czelebrand im 'Hort von der Astronomie' fach mißverstehende fehlerhafte Abschrift. [-» 'Wartburgkrieg' C.III.]). A u s g a b e n . KEINZ, S. 7f.; ROTH, S. 183 — 186; GRIENBERGER, S. 336—339 (Transkription), 363 (Versuch einer Herstellung); K. MEISEN, Die Sagen vom Wütenden Heer und Wilden Jäger, 1935, S. 72 f.; SCHULZ, S. 152-154.

Der Reimpaarspruch (75 vv., Dreireim zum Abschluß, vereinzelt Zusatzreim im Versinneren) ruft zu Beginn (1 — 4) und am Ende (58—73) eine Reihe positiver Mächte zum Schutz gegen allerlei dämonische Bedrohungen an. Diese werden im Hauptteil in einem langen Katalog auch direkt beschworen, z. B. alb mit diner crummen nasen, ich vorbithe dir aneblasen (33 f.). Daß es sich um einen Segen zur Nacht handelt, geht aus v. 5 hervor: daz müze mich noch hint bewarn. Die gebannten Dämonen, deren schädliche Absichten öfter konkretisiert werden, lassen sich nur teilweise sicher mit anderweitig bezeugten Vorstellun-

L i t e r a t u r . F. KEINZ, MSB 1867 Bd. II, 1867, S. 1-16; C. HOFMANN, ebd., S. 159-172, 470; I.V. ZINGERLE, ebd., S. 461-469; K. ROTH, Kl. Beitr. zur dt. Sprach-, Geschichts- und Ortsforschung IV, 1867, S. 183-192; TH. v. GRIENBERGER, Der M. N., ZfdA 41 (1897) 335-363; E.-D. GüTING, Michel Beheims Gedicht gegen den Aberglauben u. seine lat. Vorlage, in: I. HAMPP / P. ASSION (Hgg.), Forschungen u. Berichte zur Vk. in Baden-Württemberg 1974-1977, 1977, S. 197220, wieder in: D.-R. MOSER (Hg.), Glaube im Abseits, 1992, S. 310-367, dort S. 207/337, 210/344, 216/360; M. SCHULZ, 'Vneholden' u. anderes: Bemerkungen zum sog. 'M. N.' (clm 615, fol. 127r), Linguistica e Filologia 11 (2000) 129-160.

B. WACHINGER 'Münchner Weihnachtsspiel' II -> 'Meyers Weihnachtsspiel' [Bd. 6 u. NB] 'Münchner Wundsegen' -> Wund- und Blutbeschwörungen (I.l.a.) [NB]

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Münsinger, Heinrich — Munthart, Paulus

Münsinger, Heinrich [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 790 vor Lit. einzufügen:

6. 'Pestbüchlein' Wiltu sicher syn in der zyt der pestilentz (Consilium magistn Henrici Munsingen). Wenig originell, mit zahlreichen Versatzstücken aus dem Pesttraktat Jakob -> Engelins und einigen Anleihen aus dem Pest- -»· 'Brief an die Frau von Flauen'. Ü b e r l i e f e r u n g . Hs.: Freiburg i. Br., Univ.arch., Sign. B 37/7, 3 Bll. Einblattdruck: Augsburg, Hans Schaur [zwischen 1491 u. 1500] in d. Faks.ausgabe v. H. PETERS, Der Arzt u. die Heilkunst in der dt. Vergangenheit (Monographien zur dt. Kulturgesch. III), 1900, Abb. 65. L i t e r a t u r u. A u s g a b e . H. MAYER, Zur Gesch. der Pest im 15. u. 16. Jh., Schauinsland. Jahresheft d. Breisgau-Geschichtsver. 28 (1901) 13-32, hier S. 17-20, 29f., Textabdruck S. 18a20b (mit Fehllesungen u. Irrtümern). — Hinweis Wolfgang Rohe, Bonn.

G. KEIL Munsterbergen, Albertus -> 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Munthart, Paulus P. M. stammte aus Offenburg und wurde nach einem Rechtsstudium in Italien 1431 als Notar im päpstlichen Palast in Rom angestellt. Er war seit 1434 Kanoniker des St. Thomasstifts in Straßburg, dem er 1480 seine reichhaltige wissenschaftliche Bibliothek vermachte (Abdruck des Testaments bei SCHMIDT, S. 457—461). Er wurde Propst von Jung St. Peter in Straßburg und war außerdem Vicarius und damit Stellvertreter des Generalpropstes des Reuerinnenordens im Kloster St. Maria Magdalena. In dieser Eigenschaft legte er am 20. Januar 1478 den Grundstein zur neuen Kirche des Magdalenenklosters in Anwesenheit von Egeling ->· Becker (Meister Engelin von Braunschweig) und dem erst kürzlich nach Straßburg berufenen Münsterprediger Johannes -> Geiler von Kaysersberg. Er starb i. J. 1481. Er dürfte ein wichtiger Förderer der Klosterreform gewesen sein.

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Zusammen mit Egeling Becker verfaßte P. M. i. J. 1480 eine Agenda für die Nonnen des Magdalenenklosters, die Anleitungen zur Beichte und zum Empfang des Sakraments bei kranken und sterbenden Schwestern, zur letzten Ölung, zum Ritual beim Tod einer Mitschwester, zur Aufbarung der Toten, zum Begräbnisritual und zur Visitation des Grabs enthält. Als Quellen benutzten sie nach Angabe der Einleitung schriftliche Aufzeichnungen und mündliche Berichte der Schwestern über die alten Gebräuche im Reuerinnenkloster. Die drei bisher bekannten Handschriften, alle aus dem Bücherbestand des Magdalenenklosters, überliefern das Werk in verschiedenen Fassungen: 1. die lat. Version 'Ritus administrandi infirmos et sepeliendi' (Straßburg, Bibliotheque des Musees de Strasbourg, LA.8 —175, datiert 1490, vgl. WALTER, mit Abb.); 2. eine 'Agenda infirmorum et defunctorum' in lat.-dt. Bearbeitung (Berliner Privatbesitz, Sammlung Leuchte, Ms. XIV, 73ra-112vb, geschrieben nach 1489 von der Hand der aus anderen Hss. bekannten Katherina Ingolt), die den Schluß eines umfangreicheren Rituale (lat. u. dt., mit Noten) bildet, das im ersten Teil ein Prozessionale und das Zeremoniell für die Aufnahme von Novizinnen und Schwestern in den Reuerinnenorden enthält; 3. eine Ordnung so man einer suchen swester daz heilige sacrament gibet' (Budapest, Orszagos Szechenyi Könyvtar, cod. Germ. 6, 107r— 177V, um 1490, bisher zu Unrecht ins 14. Jh. datiert), dt. mit einzelnen Stellen in lat. Sprache, ohne den Prolog und ohne die Zuschreibung an P. M. und Egeling Bekker. Das Interesse an der Wiederherstellung und Kodifizierung der von alters her im Magdalenenkloster gepflegten Sterbepraktiken bietet eine genaue Parallele zu den von HEINZER beobachteten Entwicklungen in der Sterbeliturgie observanter Dominikanerinnenklöster im Elsaß. Ergänzung zu Egeling -» Becker: Die lat. Marienpredigt Beckers ist vollständig erhalten in Mainz, StB, Hs. I 175, 66r-71r; vgl. Die Hss. der StB Mainz, Bd. II, bearb. v. G. LIST, 1998, S. 121; vgl. ebd.: Die in 2 VL Bd. l, Sp. 658 genannte Frag-

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Müntzinger, Johannes — Mysner

mentenmappe war bei der Katalogisierung nicht auffindbar. L i t e r a t u r . CH. SCHMIDT, Histoire du chapitre de Saint-Thomas de Strasbourg pendant le moyen äge suivie d'un recueil de chartes, Straßburg 1860, S. 189 f.; E. SITZMANN, Dictionnaire de biographic des hommes celebres de l'Alsace depuis les temps les plus recules jusqu'ä nos jours, Rixheim 1909— 1910 (repr. Paris 1973), Bd. II, S. 348; J. WALTER, Un manuscrit liturgique du couvent des Penitentes de Sainte-Marie-Madeleine de Strasbourg de 1490 (Ritus administrandi infirmos et sepeliendi), Archives alsaciennes d'histoire de I'art 7 (1928) 57—61; F. RAPP, Reformes et reformation a Strasbourg, Paris 1974, S. 230 f., 300; F. HEINZER, 'Dis liset man, so ein swester hinzuht': Sondergut in der Sterbeliturgie der elsässischen Dominikanerinnenklöster, Archives de l'Eglise d'Alsace 44, 3. serie 5 (1985) 337-342; Nouveau dictionnaire de biographic alsacienne 6, 1997, S. 2776.

NIGEL E PALMER Müntzinger, Johannes [Korr.] Bd. 6, Sp. 795 petit-Abschnitt oben: "Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. Praed. 88" korr.: ..., Ms. Praed. 88 Nr. 5. Vgl. POWITZ, Die Hss. des Dominikanerklosters ... in Frankfurt a. M. (Kataloge der Stadt- u. ÜB Frankfurt a. M. 2), 1968, S. 204-207.

Münzer, Hieronymus [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 800 unten l.a.: "Hartmann Schedel" korr.: Hermann Schedel. Sp. 801 zu b. Überl.: "München, clm 431, 51r54'" korr.: ..., clm 441, 51rv u. 54rv; vgl. Hermann -» Schedel, B. I. d. Sp. 804 zu Lit. ergänze: J. ROSENTHAL, Hss. u. Frühdrucke in dt. Sprache. Katalog 91, 1929, Nrn. 375, 512 u. 513 (Nachweis von drei Autographen M.s mit Texten antiker Autoren sowie med. Lit., geschrieben in Leipzig und Pavia) (Hinweis U. D. Oppitz).

'Murbacher Hymen' [Nachtr.j Bd. 6, Sp. 804 ff.: Die 'M. H.' enthalten auch eine Interlinearversion des -» 'Te deum' [NB],

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Mustio (dt. Rezeption) -» Rößlin, Euchariusd.Ä. (H.l.a.) Mutel, Antonius -> 'Ansbacher Arzneibuch' [NB] 'De mynnen rede' [Korr.] Bd. 6, Sp. 830 Überl.: "Göttweig/N. 0., Stiftsarch., cod. B 25 (alt 426)" korr.: ..., Stiftsbibl., cod. 426 (rot), 195 (schwarz) [antea B 25].

'Myrrhenbüschel-Texte' [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 833 zu II.: "(eine Rezeptsammlung [?] in Weimar, Zentralbibl. d. Dt. Klassik, cod. oct. 52, 258r-265v ist 'Fasciculus mirre ... betitelt)" korr.: Der genannte Titel bezieht sich zutreffend auf den voraufgehenden Text der Hs., 254r—258r, der eine kurze Zusammenfassung des Lebens Christi enthält, nicht auf das nachfolgende Rezept gegen Hauterkrankungen. Die Bibliothek ist heute in Herzogin Anna Amalia Bibl. umbenannt (Hinweis B. Bushey). Ebd., zu H.a.: Vgl. -» Johannes von St. Lambrecht [NB]. Sp. 835 zu 2., Überl.: "ehem. Braunau, Langersche Bibl., cod. 482, 352ra-359vb" korr.: heute in Prag, Nationalmuseum, cod. XVII D 33, 325ra [sie] - 359vb; vgl. K. KLEIN, Rez. zu: Rukopisne Fondy Muzei a Galerii v Ceske Republice, Prag 2001, ZfdA 132 (2003) 108-110, hier S. 110. Sp. 837 zu C. 8.: "Colmar, Bibl. municipale, cod. 206 [273]" korr.: Ms. 273 (Kat. Nr. 206). Kein Zusammenhang besteht zwischen den 'M.Texten' und der Bezeichnung hercz mirre puschlein für einen Gebetszyklus; vgl. -> 'Der himmlische Rosenkranz', 3. [NB].

Mysner [Nachtr./Korr.] Bd. 6, Sp. 839, 1. Abschnitt ergänze: Ein Sprecher Peter Mysner ist 1405 auf der Marienburg bezeugt (H. MUNDSCHAU, Sprecher als Träger der 'tradition vivante' in der Gattung 'Märe' [GAG 63], 1972, S. 46), er könnte mit dem Dichter identisch sein (Hinweis F. Schanze). Sp. 840 Lit.: "... Cgm 1028" korr.: Cgm 1020.

N Naghel, Petrus OCart -»· Bijbelvertaler van 1360 [NB] 'Von der Natur der Frauen und ihren Krankheiten' Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 1069 (2. H. 15. Jh., westl. Niederalem.), 198r-207r. Ausgabe. KRUSE, 1996, S. 273-297. Nhd. Übersetzung. KRUSE, 1999, S. 228-260, 316.

Der gynäkologische Traktat ist im Rahmen eines 'med. Hauskalenders' überliefert. Der Autor schreibt den elichen lütten durch nutzes willen mengerley vnderscheit dz sy och mogent verstan der frowen heimlikeit. Der erste Teil (198r-201va) handelt nach Maßgabe der Gesundheitsregimina von den natürlichen Bedingungen von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt, über die Funktionen der weiblichen Sexualorgane (u. a. die Vorstellung der matrix mit sieben Kammern), von Gefährdungen des Föten, den Zeichen der Schwangerschaft und Gründen für Unfruchtbarkeit. Er kompiliert verschiedene, z. T. widersprüchliche sexualkundliche und embryologische Theorien, wobei er sich auf eine laienastrologische -* Temperamentenlehre bzw. die Humoralpathologie bezieht. Exzerpte stammen aus den -» 'Secreta mulierum' (genannt wird dabei meister Alherchtus [Magnus]); der Autor beruft sich ferner auf Galen, ->· Trotula (meister Troculal) und meister Yppocras. Der zweite Teil (201vb-207rb) ist eine Sammlung gynäkologischer Rezepte, die zu Indikationsblöcken zusammengefaßt sind: sie betreffen Unfruchtbarkeit, Erkrankungen der Brust, Menstruationsstörungen, Fruchtbarkeitsproben, Keuschheitsproben, Erleichterung der Geburt, Be-

handlung der Wöchnerin, Stillen; abschließend finden sich einige pädiatrische Rezepte. Eine Quellenuntersuchung steht noch aus; doch zeigen sich jetzt schon Versatzstücke aus dem -> 'Bartholomäus' und dem ->· 'Macer': Aus dem 'Älteren dt. Macer' wurde z. B. das spitzenständige Beifuß-Kapitel nahezu vollständig und geschlossen exzerpiert. L i t e r a t u r . B.-J. KRUSE, Verborgene Heilkünste. Gesch. der Frauenmedizin im SpätMA (Quellen u. Forschungen z. Lit.- u. Kulturgesch. 5 [239]), 1996, S. 42-45 u. ö.; dies., 'Die Arznei ist Goldes wert'. Mal. Frauenrezepte, 1999, S. 99f., passim; M. H. GREEN, Women's Healthcare in the Medieval West. Texts and Contexts (Variorum Collected Studies Series CS 680), Aldershot-Burlington/USA u. a. 2000, App. S. 22.

G. KEIL Naturselbstdrucke entfällt (kein Text; zur Überl. vgl. -» Konrad von Butzbach [Bd. 5 u. NB]). Nawer, Andreas Im SS 1474 immatrikulierte sich an der Univ. Erfurt ein Andreas Nauwer de Urspringen. Vermutlich ist er identisch mit dem gleichnamigen einzigen dt. Übersetzer der im 15. und frühen 16. Jh. verbreiteten 'Ars notariatus' ('Tractatus notariatus'). Er erscheint im Titel der 1502 gedruckten Kunst deß Notariat als Arcium Magister, der tzeit Pfarer zu Lorch. Weitere Lebenszeugnisse N.s sind nicht bekannt. Die lat. 'Ars notariatus', zwischen 1474 und 1517 mindestens 41mal gedruckt (zunächst nur in Rom, dort aber ausschließlich von kleinen deutschen Druckern; GW 2636-2662; VD 16, A 3810-3823), ist eine kurzgefaßte Notariatslehre, die hauptsächlich auf dem verbreiteten 'Speculum

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Netzenbart, Crist — 'Das neue Deutsch'

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mdiciale' (1289-91) des Wilhelm -» Du- auf dem Kölner Reichstag (19. Mai bis randus fußt (WEIMAR). Ausweislich einer 31. Juli) durch einen Schiedsspruch König Hs. der ÜB München (4° Cod. ms. 262, Maximilians. 99 r —104 V ) wurde sie von ihrem anonymen Ü b e r l i e f e r u n g . Ein newer Spruch von dem Verfasser spätestens deutlich vor, nicht erst anstellen des kriegs zu hagnaw, Einblattdruck 'nach 1450' (WEIMAR), zusammengestellt. [Nürnberg, W. Huber 1505], Ex. Gotha, SchloßIhre 26 Kapitel enthalten nach einem ein- museum, Inv.nr. G. 35, 2/1925. — Unediert. leitenden Teil über Beruf, Befähigung und L i t e r a t u r . Zum histor. Zusammenhang H. Bestallung des Notars (c. 1—5) zunächst WIESFLECKER, Kaiser Maximilian I, Bd. III, 1977, allgemeine Anweisungen für seine Tätig- S. 141 u. 206. keit (c. 6-8) und behandeln danach die FRIEDER SCHANZE wichtigsten notariellen Rechtsgeschäfte, am eingehendsten das Testament (c. 13 — 22 u. 25). Die Übersetzung N.s entspricht 'Das neue Deutsch' der lat. Vorlage vollständig und getreu, Anonymes Reimpaargedicht (94 vv). fügt nur bisweilen kurze Erläuterungen Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. Donauvon Fremdwörtern oder lat. Termini bei, eschingen 104 (-+ 'Liedersaal-Hs.'), 220rv (alte ist in ihrem Wortlaut anspruchslos klar. rv Zählung: 229 ).

D r u c k . Kunst deß Notariat und wie sich der Notarius in seinem Ampt halten und regieren soll. 1st verdeutscht. Durch [...] Andressen naiver [...]. Nürnberg, Georg Schenck 1502. Ex.: München, ÜB.

A u s g a b e . Liedersaal III, Nr. 215, S. 327-329.

Der Verfasser kritisiert sprachliche Erscheinungen des 'neuen Deutsch' (v. 5), bei denen rede und meine nicht zusammenL i t e r a t u r . R. STINTZING, Gesch. d. populären stimmen, so daß man einen Dolmetscher Lit. d. röm.-kanon. Rechts in Deutschland am brauche (v. 1—5). Kritisiert werden u. a. Ende d. 15. u. im Anfang d. 16. Jh.s, 1867, Nachdr. Metaphern (buochbiz 'Gelehrter', holzboc 1959, S. 297-299; P. WEIMAR, Art. 'Ars notariae', 'Bauer'), neue Wortbedeutungen (rennen in: Lexikon d. MAs I, 1980, Sp. 1045 f. 'rasch laufen', merbe 'Pferd'), Redensarten F. J. WORSTBROCK (vögelin funden hän 'fröhlich sein', niht apfel ezzen mügen 'keine Lust zur minne haben'), Derbheit (höchseicher 'HochmüNetzenbart, Crist tiger', verschizzen hän 'pleite sein'). Der verfaßte nach dem von König -> Maxi- Text schließt mit einer Verwunderung darmilian am 13. April 1505 zu Hagenau er- über, wie ein walscher man l iemer tiutsch lassenen allgemeinen Friedensgebot einen gelernen kan (v. 91 f.). Reimpaarspruch über den ->· 'Landshuter Der Text spiegelt z. T. subliterarischen Erbfolgekrieg' (95 vv., ein Vers fehlt nach Sprachgebrauch. Manches taucht später in v. 81). Nach einem einleitenden Lob des Königs informiert er darin oberflächlich Mundartwörterbüchern wieder auf. Andeüber Anlaß und Verlauf des Krieges, tadelt res (vor allem Redensarten) ist nur hier bedann eine Reihe von Städten, die sich ihren legt, was den Text phraseologisch interesneuen Herren nicht fügen wollen, und sant macht. Der Wortschatz der Sexualkommt zum Schluß kurz auf den Frieden und Fäkalsprache, vor -> Wittenwilers zu sprechen, den der König per Mandat 'Ring' nicht üblich, spricht für späte Entund durch in den Städten ausgehängte stehung (Hs.: 1430/40). Die Reime sind prieff verkündet hat. Der Spruch schließt großenteils rein; Bindungen wie liht: giht mit einer Bitte um Bewahrung des Friedens und küt: nüt ('nichts') passen gut in den und Nennung des Autornamens (Pseud- alem. Sprachraum. Dorthin (Bodenseegeonym?). Er wurde offensichtlich mit Blick biet?) weist auch ein Teil des Wortschatzes. auf die baldt (v. 90) bevorstehende endgülL i t e r a t u r . DE BOOR, LG III 2/GLiER, S. 138; tige Beilegung des Konflikts gedichtet und E. NELLMANN, Die Reimrede 'Das neue Deutsch' publiziert. Diese erfolgte am 30. Juli 1505 ein Leckerbissen für Lexikonmacher, in: Mhd. Le-

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Neujahrsprognosen — 'Niederrheinisches Augustinusbuch'

xikographie u. Grammatik, hg. v. J. FOURNIER u. a. (in Vorb.); ders., 'Das neue Deutsch', ZfdPh 122 (2003) (in Vorb.).

EBERHARD NELLMANN Neujahrsprognosen [Korr.] Bd. 6, Sp. 916 unten, Überl.: "Karlsruhe, LB, cod. 2790" korr.: ..., cod. K 2790.

'Neumarkter Cantionale' [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 919, 3. Absatz: "Mensch nu leit smerczyn ..." bis " filii ecclesiae' ": Vgl. dazu -> filii ecclesiae' / 'Homo, tristis esto', 1.1. [NB]

'Neusohler Cato' [Korr.] Bd. 6, Sp. 924 Z. 2: "Westslovenien" korr.: Westslowakei.

Niavis, Paulus -> Schneevogel, Paul Nider, Johannes [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 973 zu (5.), petit-Absatz: "Leitmeritz, Kapuzinerkloster, cod. 13" korr.: Die Hs. befindet sich heute in Prag, Närodni Knihovna, (Kapucini Litomerice Ms 4=) Cod. XXVII B 11 (Hinweis K. Klein).

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wohl um die Mitte des 15. Jh.s, ein Augustinusleben (s. u. II., Niederrheinische Redaktion a) und volkssprachige Predigtübersetzungen aus -*· Jordans von Quedlinburg 'Sermones de sanctis' (Opus Dan') überliefert. Es sind die Predigten 'De translatione sancti Augustini' (Nr. 185), die Predigt des Fernandus de Hispania zum Festtag Augustins (Nr. 150) und die 10 'Sermones de sancto Augustino' (Nrn. 129—149). Einige Hss. nehmen Ergänzungen auf. Als Nebenbestand treten volkssprachige Fassungen der pseudoaugustinischen 'Sermones ad Fratres in eremo', Teile der 'Soliloquia' Augustins und der pseudoaugustinischen 'Soliloquia' auf. Ü b e r l i e f e r u n g . 9 Textzeugen: Berlin, mgq 1101, 204 Bll.; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs540, 179 Bll.; ebd., Hs 734, 207 Bll.; ebd., Hs 2458, 248 Bll.; Düsseldorf ÜB u. LB, Ms. C 21, 225 Bll.; Göttingen, SB u. ÜB, Ms. theol. 200, l r 202r; Köln, Hist. Arch., cod. W f. 173, lra-217rb; London, Univ. College Library, MS. Germ. 17, 13ra-24vb; Münster, ehem. Bibl. Paulina, cod. 531 (verbrannt), 235 Bll. Vgl. OBHOF, S. 31, 70-82. Teilausgabe s. u. II.2.

Vor das Augustinusleben ist ein zweiteiliger Prolog gestellt: Nach einer Etymologie des Namens Augustinus folgt ein Gebet Niederdeutsche Bibeldrucke [Nachtr.] um Gottes Beistand, in dem Funktion und Bd. 6, Sp. 982 Abschnitt 2: "die unter ndl. Ein- Adressatenkreis des 'N. A.s' genannt werfluß (einer älteren hs.liehen Fassung ...)" ergänze: den: dat vnse eirwirdige susteren dae ynne vgl. -> Bijbelvertaler van 1360, B. 2. [NB]. gebessert inde verblyt mögen werden ind auch alle goede mynschen ... Die Prove'Niederdeutsche Cronick aller konninge nienzen weisen auf geistliche Frauengetho Dennemarken' [Korr./Nachtr.] meinschaften, vor allem im Raum Köln, Bd. 6, Sp. 986 unten: "vom sagenhaften Humble und auf der Devotio moderna nahesteDan" korr.: Bei Humble und Dan handelt es sich hende Reformbewegungen als Träger der um zwei Personen. Überlieferung.

Sp. 987, Überl.: "Kopenhagen, Kgl. Bibl., cod. Nr. 820 fol." korr.: ..., cod. GKS 820, 2°. Es gibt zudem weitere nd. Überlieferung der Chronik; vgl. TOLBERG, Ausg. Ebd., zu Ausg. ergänze: H. TOLBERG, Den danske Rimkronike I-III, Kopenhagen 1958 — 61, Bd. III: Nedertysk oversaettelse (KobenhavnsHandskriftet), 1959. Vgl. auch -* 'Denscke Kroneke' [NB].

'Niederrheinisches Augustinusbuch' I. Als Schriftenverbund zum Lob des hl. ->· Augustinus sind im 'N. A.', entstanden

II. Zur Augustinusvita. a. Die im 'N. A.' enthaltene dt. Fassung einer Lebensbeschreibung Augustins (Niederrheinische Redaktion a) fußt auf der lat. Augustinusvita BHL 787. Diese ist eine Kompilation, die aus den 'Confessiones' Augustins und der von Possidius verfaßten Augustinusvita (BHL 785) schöpft. Ü b e r l i e f e r u n g der lat. Vita. 7 Textzeugen bei OBHOF, S. 31, 90-95. Hinzu kommen Koblenz, Landeshauptarchiv, Best. 701, Nr. 113 a, 85ra-

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Niklas von Wyle — Nikolaus von Dinkelsbühl

98va (14. Jh., aus Stift Münstermaifeld); Münster, ehem. Bibliotheca Paulina, cod. 348, 165v-187r (15. Jh., Teil des Legendars von Böddeken, verbrannt). Räumlich konzentriert sich die Überl. in der Diözese Trier. Ob die Vita im mittelrhein. Bereich auch entstanden ist, ist ungewiß. Die frühen Hss. des 12./13. Jh.s finden sich bei Prämonstratensern und Zisterziensern, die späten des 15. Jh.s in Stiften der Augustinerchorherren der Windesheimer Kongregation. Nur ein Textzeuge ist aus einem Frauenkonvent überliefert, dem um 1170 für Adlige gestifteten Zisterzienserkloster St. Thomas an der Kyll (Mons, Universite de I'Etat, Bibl., cod. signatus 26/210). A u s g a b e n . Vita D. Aur. Augustini episcopi Hipponensis auctore incerto. Ex antique codice nunc primum edidit ANDR. GUIL. CRAMER, Kiel 1832 (basierend auf London, British Library, Add. MS. 15621). Wiederabdr. von MICHAEL SINTZEL, Sulzbach 1845.

b. Volkssprachige Fassungen der Vita (Sprachbezeichnungen nach dem Hauptüberlieferungsraum; Siglen nach OBHOF): 1. Ndl. Augustinusleben A. Die Fassung kann im wesentlichen als Übersetzung der Vita BHL 787 gelten. Ü b e r l i e f e r u n g . 5 Textzeugen bei OBHOF, S. 31, 97-101.

2. Das Augustinusleben in der Niederrheinischen Redaktion a. Diese Redaktion a bearbeitet die Übersetzung A stilistisch und inhaltlich und weist Kapitelgliederung auf. Sie entwickelt Merkmale weiter, die ansatzweise bereits in A erkennbar sind, z. B. die Ausgestaltung von Episoden, Rückgriffe auf lat. Quellen und Einbeziehung weiterer Augustinus betreffender Literatur. Ü b e r l i e f e r u n g außer den Hss. des 'N. A.s' (s. o. L): London, University College Library, MS. Germ. 17, nimmt als Legendär lediglich ein Kapitel auf (s. o. L). A u s g a b e . Teiledition bei OBHOF, S. 125-208.

3. Ndl./niederrheinische Kurzfassung B, eine Version für Legendare. Hauptmerkmale sind Straffungen und Auslassungen gegenüber BHL 787 und dem ndl. Augustinusleben A. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgq 1687, 316va327vb; Deventer, Stads- of AthenaeumbibL, ebd.

101 F 11 (Kat.nr. 1,45), 237va-262v; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 14.21 Aug. 4°, 54"100ra (104rb). Vgl. OBHOF, S. 31, 102-104. L i t e r a t u r . U. OBHOF, Das Leben Augustins im 'N. A.' des 15. Jh.s Überlieferungs- u. Textgesch. (Germ. Bibl. NF: Reihe 3, Unters.), 1991.

UTE OBHOF Niklas von Wyle [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1020 zu Überl. unten: "Luzern, Zentralbibl, cod. M 320" korr.: ..., BB Ms. 320. 2°. Sp. 1024 zu 1. "Triest, Bibl. civka, cod. II. 24" korr.: ..., Ms. II18; vgl. M. DALLAPIAZZA, Rez. zur Ausg. v. E. J. Morrall, Aeneas Silvius Piccolomini and Niclas von Wyle, The Tale of the two Lovers Eurialus and Lucretia. Ed. With Introduction, Notes and Glossary (Amsterd. Publikationen zur dt. Sprache u. Lit. 77), Amsterdam 1988, Arbitrium 8 (1990) 33-35. Sp. 1032 Mitte, zur Verdeutschung des 'Arbor consanguinitatis' des Joh. Andreae: Vgl. Johannes -> Barlierer [NB]. Ebd., Abschnitt 3: "in der medizinischen Hs. 631 c" korr.: in cod. P 6118 der Zentralbibl. Zürich (Kat. Nr. 631 c).

Nikolasch Chodi -»· Traumbücher Nikolaus (Verf. der lat. Chronik 'De preliis et occasu ducis Burgundiae') vgl. -» Rusch, Nikiaus Nikolaus von Bibra [Korr.] Bd. 6, Sp. 1043 Überl.: "cod. ms. theol. 2038 der SB und ÜB Hamburg (z. Zt. Berlin DDR, Deutsche SB)" korr.: Die Hs. befindet sich wieder in Hamburg; vgl. N. KRÜGER, Die theol. Hss. der SB u. ÜB Hamburg, Bd. 3, 1993, S. 121.

Nikolaus von Dinkelsbühl [Korr./Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1052 zu 1., Überl.: "Wien, codd. 5353 und 5354" korr.: ..., codd. 4353 und 4354. Ebd., zu 2., Überl.: "Wien, Schottenstift, cod. 4354" korr.: Wien, cod. 4354 (= Österr. Nat. bibl.!). Ebd., zu 3., Überl.: "Prag, ÜB, cod. 2193" korr.: ..., Närodni Knihovna, cod. XII F 7 (Kat. Nr. 2193). Sp. 1054 zu 5., Überl.: "Wien, cod. 4355" korr.: ..., cod. 4353. Ebd., zu Deutsche Übers.n.: vgl. auch unter -> Nikolaus-von-Dinkelsbühl-Redaktor [Nachtr.]. Ebd., zu IV. 1., Überl.: "Wien, cod. 4354" korr.: ..., cod. 4353.

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Nikolaus-von-Dinkelsbühl-Redaktor — Nikolaus von Popplau

Nikolaus-von-Dinkelsbühl-Redaktor [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1060 zu l.b) ergänze die Ausgaben: — Die deutsche Übersetzung von 'De vitiis et virtutibus', Sermo Nr. 6 a (aus den 'Tractatus octo'), ist mit ihrer lat. Quelle synoptisch ediert bei K. KUNZE, Die 'Elsässische Legenda aurea', Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. 146173; vgl. S. LIV (= Predigt zu Mariae Himmelfahrt; der dt. Text aus Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms. 2542, 206vb-212ra, aus der 'Elsäss. Legenda aurea'-Redaktion der Lichtenthaler Schreibmeisterin -> Regula). — Die dt. Fassung von Nikolaus' Predigtzyklus über den Dekalog aus den 'Tractatus octo' ist abgedruckt bei K. BAUMANN, Aberglaube für Laien, 2 Bde, 1989, S. 495-680 (nach München, cgm 392, 22r-228r); vgl. -+ 'Zehn Gebote', B. La.

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Nikolaus von Kosel [Korr.] Bd. 6, Sp. 1092 zu b.: Bei dem Glosarius de diversis vocabulis mit dt. Interlinearglossen handelt es sich nicht um die 'Termini iuristarum', sondern um den in Hexametern abgefaßten -> 'Glosarius' [NB].

Nikolaus von Landau [Korr.] Bd. 6, Sp. 1114 Überl.: "Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, Mss. theol. 11 und 12" korr: ...,4° Mss. theol. 11 und 12.

Nikolaus von Lyra [Korr./Nachtr.]

Nikolaus von Heiligenkreuz -» Vischel, Nikolaus

Bd. 6, Sp. 1119 oben b): "von -> Heinrich von Mügeln" korr.: Die Übersetzung des Psalmenkommentars wurde H. v. M. von der neueren Forschung abgesprochen; vgl. -» Österreichischer Bibelübersetzer [NB]. Ebd. zu c) korr.: Die Tübinger Hs. Md. 129 enthält überhaupt keine Ecclesiastesübers., sondern als 1. Text die -> 'Passionsbetrachtung Die hohe des birnels" (beginnend mit einem Sir-Zitat). Sp. 1122 (zur Wirkungsgeschichte): Vgl. auch -> Petrus Comestor, 3. c. [NB], zu einer Übers, des AT mit zahlreichen Inserten aus der 'Postilla' des N. v. L. in Berlin, mgf 1277; s. A.-K. HAHN, Die ebreyscben sprechen dorobir — die 'Postilla' des N. v. L. in der Historienbibel Berlin, SBBPK, mgf 1277, in: Metamorphosen der Bibel, hg. v. R. PLATE u. a. (Vestigia Bibliae 24/25, 2002/03), 2004 (im Druck).

Nikolaus von Jauer [Korr.]

Nikolaus von Nürnberg I [Korr.]

Bd. 6, Sp. 1079 Überl.: "Mainz, StB, cod. 37" korr.: ..., Hs. 137.

Bd. 6, Sp. 1125, dritter Absatz Mitte: "Windesheim, Ratsbibl., cod. 102" korr.: Bad Windsheim, StB (früher Ratsbibl.), Hs. 86 (Schirmer 102); vgl. E. STAHLEDER, Die Hss. der Augustiner-Eremiten u. Weltgeistlichen in der ehem. Reichsstadt Windsheim, 1963, S. 147-149.

Nikolaus von Flüe [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1069 zu I. Leben, petit-Abschnitt, ergänze: Vgl. auch die dt. Legende des N. v. F. in München, cgm 244 (als Sondergut in einer Hs. von 'Der -> Heiligen Leben'), 2. H. 15. Jh., bair., aus dem Dominikanerinnenkloster Altenhohenau a. Inn, 324va-325vb (Hinweis W. Williams-Krapp).

Nikolaus von Graz (Grätz) entfällt (vgl. -> Geuß, Johannes [II. 1.])

Nikolaus von Jeroschin [Korr.] Bd. 6, Sp. 1084 zu 3., Überl.: "Königsberg, Staatsarch., Schiebl. LXII, ... verloren" korr.: Das Frgm. ist heute in Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preuß. Kulturbes., XX. HA Hs. 34, Bd. 1; vgl. H.G. KICHERT, Über einige Frgm.e geistlicher dt. Dichtung, PBB (Tüb.) 91 (1969) 302-312, hier S. 310-312; R. G. PÄSLER, Katalog der mal. dt.sprachigen Hss. der ehem. Staats- u. ÜB Königsberg [...], 2000, S. 199f. Sp. 1085 zu 4., Überl.: "Torun, Biblioteka Glowna, rps. 54" korr.: ..., Rps. 54/111; vgl. PÄSLER, Kat. S. 121 f. - Neuordnung u. z. T. neue Lokalisierung der Überl. bei U. BARTELS u. J. WOLF, ZfdA 127 (1998) 299-306, u. bei K. KLEIN u. R. G. PÄSLER, ZfdA 132 (2003) 77-84.

Nikolaus von Nürnberg II [Korr.] Bd. 6, Sp. 1127 zu 4., letzter Absatz: "nach (Pseudo-?) -> Richard von St. Viktor (= PL 117, Sermol, Sp. 901-903)" korr.: nach -> Richard von St. Victor (= PL 177, ...). Sermo l gilt heute als echt; vgl. dazu Diet. Spir. XIII, 1988, Sp. 624 f.

Nikolaus von Popplau [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1133: "Ritter aus Dresden" korr.: ... aus Breslau; N. gehörte zur Breslauer Kaufmanns-

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Nikolaus von Straßburg - Noltz, Reinhard

Familie Popplau; geb. wohl 1443 in Breslau, gest. 16. 6. 1490 in Nürnberg (?); er war 1456 an der Univ. Leipzig immatrikuliert. Vgl. K. HERBERS, in: NDB 20, 2001, S. 629 f.; vgl. auch Art. über seinen Bruder Kaspar -» Popplau (Lit.!).

Nikolaus von Siegen entfällt (lat. Autor, nach 1480) Nikolaus von Straßburg [Korr.] Bd. 6, Sp. 1158 Überl.: "Samen, Benediktmerkollegium, cod. 238/170" korr.: ..., cod. chart. 170 (olim 238). Ebd.: "Stuttgart, LB, cod. ascet. 6" korr.: ..., HBI6. Ebd. zu Überl., dritter Absatz: ... Das Predigtstück in Berlin, mgq 191, 393r~394r (Der lesemeister von Köln, bruder Nicolaus. Von dem würdigen liden unsers herren) ist nicht bei PFEIFFER, Germ. 3 (1858 [sie!]) 241 f. gedruckt. Der Text, der in dieser Hs. außerhalb der ->· Zitatensammlung des Berliner mgq 191 steht, stammt aber vielleicht von N. — Bei dem von PFEIFFER, S. 241 f. gedruckten Text handelt es sich um ein Predigtstück aus der Straßburger Hs. A 98 (14. Jh.; 1870 verbrannt), 185V-186V (Der lesemeister von Kollen sprach, ein vollekomen mensche sollte haben disiu seh s dinc an ime ...), das möglicherweise auch N. v. St. zuzuschreiben ist, vgl. HILLENBRAND, S. 44 (Hinweis H. J. Schiewer).

Nizo von Mettlach entfällt (= Abt Nithart III. von M., 11. Jh.; Auftraggeber der 'Vita s. Liutwini' -> Thiofrids von Echternach; Verf. der 'Vita Basini'?). Noltz, Reinhard Verfasser eines 'Tagebuchs' ('Tb.') mit Ereignissen der Jahre 1493-1509, die Stadt Worms betreffend. N. stammte aus einer vermögenden Handwerkerfamilie, wurde wohl um 1450 geboren, studierte 1471 in Heidelberg, wo er den Magistergrad erwarb, und 1472 in Köln. Seit 1489 war er Mitglied des Wormser Rats, Schultheiß (1490), Baumeister des Liebfrauenstifts und zwischen 1495 und 1516 mehrfach Bürgermeister; zwischen 1498 und 1502 war er zeitweise erblindet (Bericht von seiner Star-Operation: Boos, Ausg., S. 474). Seit 1493 befand er sich häufig auf diplomatischen Missionen, vor

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allem am Kaiser- und Königshof; gest. Ende 1518 (zur Biographie Boos, Ausg., S. XXXVIIf.; REUTER, S. 125 f.). Ü b e r l i e f e r u n g . Worms, Stadtarch., Abt. l B Nr. 10, v. J. 1714; fehlerhafte Abschrift einer verschollenen Hs. aus der Sammlung Zacharias Conrad von Uffenbachs in Frankfurt, die dem Original nahestand, der jedoch Anfang und Schluß fehlten. Blinde Verweise lassen auf Lücken in der Abschrift schließen, jedoch hat auch der Autor selbst wohl gelegentlich Zeiträume ohne berichtenswerte Ereignisse übergangen. Ausgabe. H. Boos, Monumenta Wormatiensia. Annalen u. Chroniken (Quellen z. Gesch. d. Stadt Worms III), 1893, S. XXXV-XLII, 371543. Die Edition bietet einen schreibsprachlich rekonstruierten Text ('auf die alamannisch-oberfränkische Lautstufe zurückgeführt', S. XLI; Probe des originalen Lautstands: S. XLII). In Exkursen, Inseraten und Fußnoten sind dem 'Tb.' ausführliche Exzerpte aus den offiziellen Aufzeichnungen der Stadt ('Acta Wormatiensia') von 1487—1501 beigegeben (vgl. Boos, Ausg., S. XL). Auszüge der 'Acta': Dt. Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 5: Reichstag v. Worms 1495, bearb. v. H. ANGERMEIER, 1981 (3 durchpag. Bde), S. 1675-1687. Erhalten sind außerdem elf Briefe von N. an städtische Institutionen und Funktionsträger (Boos, Ausg., S. 570—584) mit Berichten über seine Missionen und über Wormser Ereignisse 1494—1507. REUTER, S. 126, vermutet außerdem eine Mitarbeit von N. an der 1499 publizierten 'Reformation der Stadt Worms' (HC 13719).

Die von Boos eingeführte Bezeichnung 'Tb.' ist irreführend. Es handelt sich nicht um regelmäßig geführte, persönliche und subjektive Notizen, sondern um einen — an eine Öffentlichkeit gerichteten — städtischen Ereignisbericht mit gelegentlichen autobiographischen Anmerkungen (z. B. Geburt einer Tochter); N. selbst bezeichnet den Text als chronick (Boos, Ausg., S. 513). Er spricht von sich in der 1. Person oder nennt sich meister Reinhart. Große Bedeutung kommt, vor allem in den ersten Berichtsjahren, der Schilderung protokollarischer Fragen sowie ritueller und zeremonieller Handlungen zu, etwa bei königlichen Entrees anläßlich der Wormser Reichstage, bei der Übergabe von Geschenken seitens der Stadt an hochrangige Persönlichkeiten und bei der Beschreibung von Turnieren. Demgegenüber treten poli-

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'Nordböhmischer Totentanz' — 'Novus Cato'

tische Themen zurück, etwa die Verhandlungen und Reformbeschlüsse des Reichstags von 1495. Im Fall des bayerischen Erbfolgekriegs von 1504 sowie bei der Behandlung nachbarschaftlicher Konflikte (etwa zwischen dem Erzbischof von Trier und Boppard) wird indes auch der Ereignisgeschichte größere Beachtung geschenkt. Eingestreut sind Hinweise auf jahreszeitliche Gegebenheiten (Wetter, Ernten) und auf aktuelle Geschehnisse wie Hinrichtungen, Brände, Natur- und Wunderereignisse. Ein weiteres wichtiges Thema des 'Tb.' ist der lang andauernde Streit um den Status der Stadt Worms zwischen Bischöfen und Klerus auf der einen sowie der politischen Führung und den Bürgern auf der anderen Seite (vgl. REUTER, S. 123 — 126), in dessen entscheidender Phase N. als Bürgermeister und reisender Diplomat eine zentrale Rolle spielte. Zusammen mit den 'Acta Wormatiensia', die möglicherweise auch von N. gemeinsam mit dem Wormser Stadtschreiber Adam von Schwechenheim verfaßt wurden, ist das 'Tb.' 'die wichtigste erzählende Quelle' zur Wormser Geschichte um 1500 (REUTER, S. 126). Es enthält neben dichten Informationen zu politischen Ritualen und städtischer Diplomatie eine Fülle kulturhistorisch und alltagsgeschichtlich relevanter Mitteilungen etwa über die Aufführung lat. Lieder (die im Wortlaut wiedergegeben werden) im Rahmen von Schulfesten, über Organisation und Ablauf von Prozessionen, über den Auftritt des päpstlichen Legaten Raimund -»· Peraudi im benachbarten Stift Neuhausen usw. Immer wieder spielen Drucke eine Rolle; in den 'Acta' wie im 'Tb.' werden z. B. Auflagenhöhen amtlicher Ausschreiben (Einblattdrucke 1548-1551), Details zu Druckaufträgen und zur Praxis des öffentlichen Aushangs von Mandaten mitgeteilt. Eine historisch-philologische Gesamtinterpretation, vergleichende Gattungszuordnung und Analyse der eigentümlichen Mischung von pragmatischem Bericht und subjektiver Autor-/Erzählerperspektive des 'Tb.' fehlen. Der Text wurde bislang über die seltene Benutzung als dokumentarische Quelle hinaus wenig beachtet, etwa in

seiner Eigenschaft als Zeugnis der Selbstdarstellung einer Stadt in einer andauernden Spannungs- und Krisensituation, aber auch im Hinblick auf seine Bedeutung als 'Ego-Dokument'. L i t e r a t u r . K. MORNEWEG, Johannes von Dalberg. ein dt. Humanist u. Bischof, 1887, Reg.; H. Boos, Ausg. (s. o.); ders., Gesch. der rhein. Städtekultur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart mit bes. Berücksichtigung der Stadt Worms, Tl. 4, 1901; F. REUTER, Worms als Reichstagsstadt 1495, in: 1495 — Kaiser, Reich, Reformen. Ausstellungskat. Koblenz / Worms 1995, S. 123-138.

FALK EISERMANN 'Nordböhmischer Korr.]

Totentanz'

[Nachtr./

Bd. 6, Sp. 1182 Überl.: "Religiöse Sammelhs. ... Weißkirchlitz bei Teplitz (verschollen)" korr.: Die Hs. ist wieder aufgetaucht, heute in Prag, Archiv hlavniho mesta prahy (Archiv der Stadt), rkp. 8200. Vgl. A. HAUSMANN, Der 'Nordböhm. Totentanz' im Stadtarch. Prag, ZfdA 133 (2004) (im Druck). Ebd. Z. 10 von unten u. Sp. 1183 oben: "-> 'Würzburger Totentanz'" korr.: -» Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz' [NB]. Der 'Nordböhm. T.' wäre demnach besser als 'Jüngerer vierzeiliger Totentanz' zu bezeichnen. Sp. 1183 oben: "München, cgm 2997" korr.: ..., cgm 2927.

Nordhausen -» Günther von N. [NB]

Norennberga, Johannes [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1184: Der aufgeführte Text über Kindererziehung (Bl. 77 V —87 r ) ist eine Übersetzung aus 'De regimine principum' des Aegidius Romanus (Buch II, c. 8 — 17); vgl. -> 'Wie man kinder sal regiren'.

Notker I. von St. Gallen [Korr.] Bd. 6, Sp. 1189 zu 1., Überl.: "Bamberg, SB, cod. Ed III 7 (lit. 6)" korr.: Ms. Lit. 6 (olim Ed III 7). Sp. 1194, zu 4., Überl.: "Zürich, Zentralbibl., cod. 131", korr.: ..., cod. Rh. 131.

'Novus Cato' [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1240 Z. 5 ergänze: Eine weitere dt. Reimpaarübersetzung in Wien, cod. 4117, 114r—

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Nunnenbeck, Lienhard — 'Vom Nutzen des Schweigens'

128r (Hs. des Johannes -> Hauser). Vgl. N. HENKEL, Dt. Übers.n lat. Schultexte (MTU 90), 1988, S. 274-276.

'De nummo' -> 'Quid suum virtutis' [NB] Nunnenbeck, Lienhard [Korr.] Bd. 6, Sp. 1248 Überl.: "Nürnberg, Staatsarchiv, Rep. 52a Nr. 70 ..." korr.: ..., Reichsstadt Nürnberg, Hss. Nr. 70 (alte Nr. 113).

Nürnberger, Hans verfaßte ein Lied in 18 Fünfzeilerstrophen über einen nächtlichen Überfall auf die Stadt Wunsiedel im Jahre 1462 während des Krieges zwischen Markgraf Albrecht Achilles und Herzog Ludwig von Bayern. Die Angreifer, Böhmen und Bürger von Eger, wurden mit Unterstützung der Stadt Hof zurückgeschlagen. Der Autor nennt seinen Namen in der Schlußstrophe und widmet das Lied denen von Wunsiedel.

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Ü b e r l i e f e r u n g . J. G. PERTSCH, Origines Voitlandiae et Celebris in hac urbis Bonsideliae tractatus bipartitus ... o. O. 1677, S. 91-93 (vielleicht den verlorenen Aufzeichnungen des Wunsiedler Stadtschreibers Zeidler entnommen), mit Melodie; danach handschriftlich in Mathias Salomon Schnizzers 'Chronika der Statt Neustadt an der Aysch', 1708 (Nürnberg, Staatsarchiv, Ansbacher Historika, Nr. 334/1, S. 571-576). A u s g a b e . E. SCHIRNDINGER VON SCHIRNDING, Anhang zur Schirndingerschen Familiengeschichte, München 1887, S. 10-12 (nach Schnizzer). L i t e r a t u r . A. ZEHETER, Das Wunsiedler Siegeslied. In: Jubiläumsschrift d. Stadt Wunsiedel zur Erinnerung an d. Verleihung d. Stadtrechts durch Friedrich IV, Wunsiedel o. J. [um 1928], S. 24-26.

FRIEDER SCHANZE 'Vom Nutzen des Schweigens' [Nachtr.] Bd. 6, Sp. 1262 unten, Ausg.n: "Frgm. aus BARTSCHS Privatbesitz, Verbleib unbekannt, nicht ÜB Heidelberg" ergänze: Das Frgm. war danach im Besitz E. Langers, Braunau/Böhmen, als Ms. 458; seit dem 2. Weltkrieg wieder verschollen (Hinweis K. Klein).

filii ecclesiae' / 'Homo, tristis esto' (lat. und dt.) I. 1. Zwei lat. Lieder, die zur Betrachtung der Passion Christi aufrufen, sind seit etwa 1400 einzeln bezeugt, immer (außer in Hs. R) strophenweise von einer dt. Version begleitet: O filii ecclesiae in einreimigen Siebenzeilern mit Strophenanapher O (CHEVALIER 12986) - O lieben kint der cristenheit (Reimschema meist aabbccc) und Homo, tristis esto in ungleichversigen Zehnzeilern mit Paarreim (CHEVALIER 7986) — Mensche, nu (Sich, mensch, und l O mensch, nu} leit smerzen. Zuerst um die Mitte des 15. Jh.s begegnen beide lat.-dt. Lieder ineinandergeflochten im Kontext von lat. (und in Hs. NC und P auch lat.-dt.) Gesängen zu den Matutinae tenebrarum der drei Kartage (vgl. -> 'Rex Christe factor omnium'). Die Reihung der Lieder, Strophenfolge und -bestand, Wortlaut und selbst Zuordnung der dt. Strophen variieren von Hs. zu Hs. Als Einheit überliefert, sollte das Doppellied nicht unbedingt in einem Zug vorgetragen werden: Laut einer Rubrik in Frgm. G wurden Strophenfolgen (von einem Solisten) im Wechsel mit Strophen des Passionshymnus 'Rex Christe' und dem 'Laus tibi Christe' (vom Chor) sowie 'Christe audi nos' (von den pueri) gesungen. Eine nachreformatorische Hs. (s. u. 2.) sieht die Aufteilung auf drei Tage vor. Die Überlieferung konzentriert sich im ostmd. und südostdt. Sprachgebiet. Ü b e r l i e f e r u n g und A b d r u c k e (Siglen u. Strophenzählung [ filii' arab., 'Homo' röm. Zahlen] gemäß ScHMixz/RANKE, S. 418 f., mit Tabelle; noch nicht bekannt waren: IN [1—4. 6. 5. (10)]; R [1-7]; G [2. II. 3. Ill], LE [I. 1. II. 2. III. 3. IV. 6. VI. 4. 7]). filii ecclesiae' (zu Str. l s. u. II.): (IN) Innsbruck, ÜB, cod. 457, Teil II (Cantionen, Tropen,

um 1400, aus Neustift?), 102r, mit anderer dt. Version als üblich, Str. 1/lat. unter Noten; als Abschluß von Passionsgesängen. Melodie u. Text der Str. l/dt. bzw. lat.-dt.: LIPPHARDT, 1971, S. 98 f., u. 1976, S. 146 f.; Abb. ebd., S. 129. Zum Musikteil der Hs. STENZL. - (R) Zämek (Schloß) Nelahozeves, CR, Roudnicka lobkowickä knihovna, cod. VI Fb 16 (Responsoriale aus Böhmen), p. 156 (Nachtrag 15. Jh.), nur lat.; die Strr. sollen alternierend mit denen des Hymnus 'Rex Christe' gesungen werden. 'Homo, tristis esto': (L) Prag, Närodni knihovna, cod. XXIII F 128 (olim Lobk. 490), 55V56r, nach dem -> 'Prager (ostmd.) Abendmahlspiel' (hg. v. C. KUNE, ZfdA 128 [1999] 414-424), beide Texte nach K. Schneiders Urteil spätestens um 1400 aufgezeichnet. - (B) Breslau, ÜB, cod. I Q 233, Teil II (15. Jh.), 174r~v, Str. I/lat. unter Noten. Text: WACKERNAGEL, KL II, Nr. 523 (dazu SCHMITZ/RANKE, S. 418 Anm. 2); Melodie mit Str. I/lat.: K. S. MEISTER, Das kath. dt. Kirchenlied in seinen Singweisen ... I, 1862, Faksimile VII. — (W) Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 30.9.2 Aug. 4° (15. Jh.), 114r, bricht nach Str. II,4/ dt. ab, Str. I/lat. unter Noten. — (K) Köln, Hist. Arch, der Stadt, cod. GB P 47, Teil I (Mitte 15. Jh.), 87va~vb, nur Str. I/dt., nach einem - Tagzeitengedicht [Bd. 9 u. NB] vom Mitleiden Marias. Abdr. K. MENNE, Dt. u. ndl. Hss. (Mitt. aus d. Stadtarch. v. Köln, Sonderreihe X,l), 1937, S. 466. Doppellied (O/H bzw. H/O), ganz unter Noten, meist in der Nachbarschaft der Lamentationes Jeremiae und eines Conflictus Justitiae et Misericordiae: (G) Göttingen, SB u. ÜB, Nachlaß Friedrich Ludwig, XXX.l (Reste einer Papierhs., wohl schlesischer Herkunft, um Mitte 15. Jh.), Bl. E 6v.6r O/ H, erhalten O Str. 2,1/dt. bis H Str. III/lat. Abb. STAEHELIN, S. 125 f. Zur Hs. ebd., bes. S. 12-17, 20, 26 f. - (LE) Leipzig, ÜB, Ms 770 (2. H. 15. Jh.), 43r-51r H/O, erhalten ab H Str. 1,7/dt. — (NC) Breslau, Archiwum Archidiecezalne (Diözesanarch.), Ms. 58 (-» 'Neumarkter Cantionale'), Teil IV, 247r-257v H/O, mit dt. Zusatz- u. Dublettenstrr. zu O. Teilabdr. des Textes SCHMITZ/ RANKE, S. 419-421. - (Z) Zwickau, Ratsschulbibl., Ms. CXIX.l (olim XVIII, um 1520), 15 160V O/H, sub hymno 'Rex Christe' etc. Text:

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filii ecclesiae' / 'Homo, tristis esto'

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WACKERNAGEL, KLII, Nr. 524 (dazu SCHMITZ/ RANKE, S. 418 Anm. 1); Melodie zu Str. l/dt. u. I/ dt.: BÄUMKER, KL I, Nr. 205 a. - (P) Prag, Närodni knihovna, cod. VII C 10 (v. J. 1556, angeblich Abschrift eines Autographs des Prager Erzbischofs Ernst v. Pardubitz, t 1364), 56r-69r O/H (jeder dt. O-Str. folgt eine einreimige dt. Str. gleichen Versmaßes). Lat. u. dt. Text gesondert: Anal, hymn, l, 1886, Nr. 40. 40 a (dazu SCHMITZ/RANKE, S. 418 Anm. 1; ebd., S. 419 zu DREVES' unzutreffender Bezeichnung 'Leich').

Sprachgebiet. III. Frgm.e d. mittleren 15. Jh.s mit Mensuralmusik im Nachlaß v. Friedrich Ludwig (GGN Philol.-hist. Kl., Jg. 2001, Nr. 2), 2001, mit Faksimile; EdK (s. o.), Bd. II, vorgelegt v. J. STALMANN, 2002, E6fB; Geistl. Gesänge d. dt. MAs (= GGdM), in Verbindung mit M. SOBIELA-CAA-

1997, E6f; J. STENZL, Die Hs. 457 d. ÜB Innsbruck, Schweizer Jb. f. Musikwiss. 20 (2000) 143-201, bes. S. 148, 162-166, 183; M. STAEHELIN, Kleinüberl. mehrstimmiger Musik vor 1550 in deutschem

A u s g a b e n mit Melodie (soweit nicht in den zit. Artikeln nachgewiesen). 'Erlauer Marienklage' in: Texte u. Melodien d. 'Erlauer Spiele', hg. v. W. SUPPAN, ... Textübertragung v. J. JANOTA (Musik-

NITZ, C. HOSPENTHAL U. M. SCHIENDORFER hg. V.

M. LÜTOLF, Bd. Iff., 2003ff. - Für Materialien und Hinweise danke ich M. Schiendorfer.

II. Die Eingangsstrophe von filii ecclesiae' ist Maria in den Mund gelegt und A u s g a b e aller Melodien u. zugehörigen Texte gehört zum Repertoire von Gesängen der (mit Kommentar) künftig in: GGdM, Nr. 783 (IN), dt. Marienklagen und Passionsspiele (i. F. Nr. 646 A. B (B, W), Nr. 589 A. B. c (Z, G, P), genannt: BERGMANN, Spiele, Nr. M 44; Nr. Nr. 512 A. B (NC, LE). - Veröff. der ohne Melodie M 124 u. Nr. 137; Nr. 136 u. Nr. M 125; überlieferten Lieder (R, L) in Vorbereitung. Nr. 161; Nr. 166; Nr. M 128 u. Nr. 70). 2. Eine Aufzeichnung des lat.-dt. Doppelliedes Möglicherweise handelt es sich um eine in einer 'alten Hs.', beginnend mit filii' [1. I. 3. Einzelstrophe, die erst sekundär zum PasII; 4. III. 2. IV; (6a). (VI). (11) (12)], wurde 1607 revidiert und war bis ca. 1800 in Gebrauch: Guben sionslied erweitert wurde; in den dt. Lied(a. d. Neiße), Musikalisches Arch, der Stadt- u. fassungen wird mehrfach Maria als KlaHauptkirche, o. S. (Verbleib nicht ermittelt); vgl. gende aus Str. l getilgt (so schon in WERNER, Archivalische Mitt., Monatschrift f. Got- Hs. IN). tesdienst u. kirchl. Kunst 5 (1900) 265-267, mit Im frühen 15. Jh. erscheint die Strophe Melodieanfang und Text. Zu Str. l/dt. vgl. Hs. IN, lat. u. dt. in der -> 'Erlauer Marienklage' Str. l/dt, und bes. SCHMITZ/RANKE, S. 420, Dublet- [Bd. 2 u. NB]; die dt. Version steht der Doptenstr. l (Hs. NC), zu Str. (6 a) vgl. Anal. hymn, l, pellied-Überlieferung nahe (bes. Hs. Z). Nr. 40 a, Str. 6, 8-14 (Hs. P). Str. (11) und (12) im Nur die dt. Strophe enthalten, meist ohne Ton von filii' stammen einem Druck von 1580 v. 7 (~ v. 2), die 'Bozner Marienklagen' I/ zufolge von J. Mathesius (1504-1565); Text: WAKII und die 'Bozner Grablegungsspiele' I/II KERNAGEL, KL III, Nr. 1341, Melodie: EdK II, (Nr. 9, 12 und Nr. 2, 14 im Debs-Codex; 2002, Ef6B (vgl. Krit. Bericht). - Zwei Lieder im thon der Lamentacen mensch nun leyd schmert- s. -» Debs, Benedikt [Bd. 2 u. NB], -» zen' etc. erschienen 1527 (Königsberger Gesangbü- 'Kreuzabnahmespiele' [Bd. 5 u. NB] IV.l. cher); Text: WACKERNAGEL, KL III, Nr. 713 und u. 3.) sowie das 'Bozner Passionsspiel von 714; Melodie: EdK 1,2, Ef6A (vgl. Krit. Bericht, 1514' und die 'Tiroler Marienklage' von auch zur Frage der Textautorschaft). 1521 (Vigil -» Raber, C.I.2. u. 15.); eine L i t e r a t u r . A. SCHMITZ/F. RANKE, Ein schlesi- Synopse der Tiroler Überlieferung bietet sches Cantional aus d. 15. Jh., AfMF l (1936) LIPPHARDT, 1976, S. 146 f. Auch im -> 385-423, bes. S. 386, 387, 399-402, 418-421; J. 'Welser Passionsspiel' (Fragmente) ist die JANOTA, Stud, zu Funktion u. Typus d. dt. geistl. Verwendung der dt. Strophe bezeugt (zit. Liedes im MA (MTU 23), 1968, S. 155-167, bes. bei BERGMANN, Spiele, S. 351). Noch das S. 165 mit Anm. 788; W. LIPPHARDT, Stud. z. Musikpflege in d. mal. Augustiner-Chorherrenstif- -> 'Wiener Passionsspiel von St. Stephan' (17. Jh.) bringt daraus vv. 1—4 (p. 400, in ten d. dt. Sprachgebietes, Jb. d. Stiftes Klosterneuburg N. F. 7 (1971) 7-232; ders., Musik in d. spät- der Ausg. v. HADAMOWSKY, 1981, S. 120). mal. Passionsspielen u. Osterspielen v. Bozen, SterDie dt. Strophe (ohne v. 7; v. 3/4 umforzing, u. Brixen in: Tiroler Volksschauspiel, hg. v. muliert) leitet die Marienklage im -»· 'AisE. KÜHEBACHER, Bozen 1976, S. 127-166; Das dt. felder Passionsspiel' [Bd. l u. NB] und fast Kirchenlied. Krit. Gesamtausg. d. Melodien, Abt. gleichlautend die -> 'Trierer Marienklage' III: Die Melodien aus gedr. Quellen bis 1680 ein. (= EdK), Bd. 1,2, vorgelegt v. J. STALMANN, 1996/

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laid und klag' — O-Antiphonen'

ethnolog. Sammelbde 11), 1990, s. S. 184 f. - Marienklagen u. Spiele des Debs-Codex in: Die geistl. Spiele d. Sterzinger Spielarchivs (Mittlere Dt. Lit. in Neu- u. Nachdrucken 14—19,1.2), Bern usw. 1980ff., Bd. l, hg. v. W. LIPPHARDT, 2., verb. Aufl. 1986, s. S. 220 f., 313 u. S. 56 f., 353, Corrigenda zum Text S. 525; zu den Melodiewiedergaben vgl. Bd. 6,2, 1996, bearb. v. A. TRAUB, S. 144, 151 u. S. 140, 153. - 'Bozner Passionsspiel von 1514' u. 'Tiroler Marienklage' in: ebd., Bd. 3, hg. v. H.-G. ROLOFF u. A. TRAUB, 1996, s. S. 52 u. 340. - 'Alsfelder Passionsspiel' mit der Parallele der Trierer Marienklage' in: Die Hessische Passionsspielgruppe, hg. v. J. JANOTA, Bd. II (Edition d. Melodien v. H. BRUNNER), 2002, s. S. 685. L i t e r a t u r . E. A. SCHULER, Die Musik d. Osterfeiern, Osterspiele u. Passionen d. M As, 1951, S. 198 f. Nr. 212-213; LIPPHARDT, 1976 (s.o. L); G. TAUBERT, Zwei Kreuzabnahmespiele aus d. Debs-Kodex, ZfdA 106 (1977) 32-72, hier S. 32; U. MEHLER, Marienklagen im spätmal, u. frühneuzeitlichen Deutschland, 2 Bde (Amsterdamer Publikationen z. Sprache u. Lit. 128, 129), AmsterdamAtlanta 1997, Bd. [1], bes. S. 81, 94 f., 101 f., 105.

GISELA KORNRUMPF laid und klag' Geistlicher Gesang mit Passionsthematik, nur in Handschriften aus St. Peter in Salzburg etwa ab Mitte des 15. Jh.s überliefert; von BERGMANN, Spiele (M 83 a, M 119, M 120, M 135) fälschlich zu den Marienklagen gestellt (MEHLER, S. 25). Ü b e r l i e f e r u n g . Michaelbeuern, Benediktinerstift, Man. cart, l, 72r (mit Melodie; M 83 a); Salzburg, Bibl. d. Erzabtei St. Peter, a I 14, 118V-120V (M 119); ebd., b IX 17, 173v-174r (M 120); Wien, cod. 3835, lll r / v (frgm., mit Melodie; M 135). A u s g a b e n . J. E ANGERER, Lat. u. dt. Gesänge aus der Zeit der Melker Reform (Forschungen zur älteren Musikgesch. 2), Wien 1979, S. 146 f. (M 83 a; mit Melodietranskription); M. SCHIENDORFER, Geistl. Gesänge des dt. MAs (in Bearb.), Nr. 587 (auf der Grundlage von M 83 a und 135).

Der zehnstrophige Gesang (M 119, 120V mit dem Hinweis Precedens carmen canitur in nota hymni Rex christe factor; -» 'Rex Christe factor omnium') steht in M 83 a unter der Überschrift Zu lob dem leyden christi ihesu vnd mitleyden seiner lieben mutter; die Benennungen vnser lieben frawn chlag (M 119) und Ain rueff

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von vnser Üben frawen klag (M 135) führten zur falschen Zuordnung zu den Marienklagen, an die bestenfalls einige Formulierungen anklingen. Der Gesang (rueff} reicht von Jesu Leidensankündigung über dessen Gefangennahme am ölperg, Verhör bei Kaiphas, Dornenkrönung, Urteil des Pilatus, Gang nach Golgatha, bis zu Kreuzigung und Tod Jesu. In den narrativen Rahmen sind Gespräche (Str. 1 — 4 zwischen Jesus und seiner Mutter, Str. 5: Maria überantwortet ihren Sohn an seine Jünger) als Redeteile eingelagert. ANGERER sieht den Gesang (Melodie), dem gleichfalls unter Noten zwei Gesänge Zu lob vnser lieben frawn der syben schmerczen oder layd unmittelbar vorausgehen, im Zusammenhang mit der Melker Reform. L i t e r a t u r . ANGERER, S. 141-150; W. LIPPHARDT, Mensurale Hymnenaufzeichnungen in einem Hymnar des 15. Jh.s aus St. Peter, Salzburg (Michaelbeuern Ms. cart. 1), in: Ut mens concordet voci. Fs. Eugene Cardine, hg. von J. BERCHMANS GÖSCHL, 1980, S. 458-487, hierzu S. 461465; ders., Dt. Antiphonlieder des SpätMAs in einer Salzburger Hs., JbLH 27 (1983) 39-82, hierzu S. 41; U. MEHLER, Marienklagen im spätmal, u. frühneuzeitl. Deutschland. Darstellungsteil (Amsterdamer Publikationen zur Spr. und Lit. 128), 1997, S. 25.

JOHANNES JANOTA O-Antiphonen' (dt.) Antiphonen zum Magnificat der Vesper an den Tagen vor Weihnachten, alle beginnend mit O. Auch 'Antiphonae maiores' genannt. I. L a t . T r a d i t i o n . 1. Geschichte. Der Ursprung der Reihe aus dem Übergang von der Spätantike zum FrühMA ist unbekannt (mailändisch? kaum jedoch römisch). Hypothetisch müssen auch die Umstände der Zusammenstellung bleiben, die in Gallien oder im Frankenreich bis zum Ende des 8. Jh.s vorgenommen wurde: Nach dem Muster eines (ostkirchlichen?) Hymnus wurden 7 Texte (an Christus gerichtet) mit einem (wohl neugedichteten) Text (O virgo virginum, an Maria) so verbunden, daß der dem eröffnenden O folgende Buchstabe, vom Ende her

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-Antiphonen'

gelesen, das Akrostichon vero eras (wenn ohne den 8. Text: er o eras] ergibt und somit die Textreihe, markiert durch die charakteristische und eindrückliche Melodie, sich stimmig in die Liturgie der letzten Tage des Advents (ab 16. oder 17. Dezember) einfügt, welche die Erwartungshaltung auf das Kommen Christi in der Weihnachtsfeier spielerisch dramatisiert. Im 11. Jh. ist diese Antiphonenreihe, freilich oft ohne die 8. Strophe, offenkundig im ganzen Bereich der römisch-fränkischen Liturgie einschließlich England verbreitet. Dabei kennt der Ordo deutscher Diözesen, mit Unterschieden im einzelnen, auch noch weitere (meist insgesamt 12) O-Antiphonen, jedoch nicht mehr in der Strenge von Form und Aussage wie die reine Siebenerreihe. 2. Form, Aussage. Die Texte stellen Centones aus biblischen Zitaten dar, typische Beispiele einer deutenden Lesung des Alten Testamentes aus der Zeit der spätantiken Kirche. Der weit ausholenden Christus-Prädikation, eröffnet mit vokativischem O, folgt der Bittruf veni, jeweils erweitert um eine Konkretion (veni et ..., veni ad salvandwn [o. ä.]). Eine Systematik der Aussage in der Gesamtreihe ist nicht zu erkennen; allenfalls mag die Selbstbezeichnung der Betenden in 1—3 mit «os, in 4—6 mit homo allgemein, in 7 mit gentes und nos auffallen. 3. Wirkungsgeschichte. Die O-Antiphonen, nach Form und Melodie einzigartig, werden an ihrem liturgischen Ort oft zeremoniell ausgezeichnet und szenisch überhöht, ebenso auch in der zeitgenössischen Sekundärliteratur kommentiert (beginnend mit -> Amalar von Metz [NB], Liber de ord. ant. XIII: J. M. HANSSENS (Hg.), Amalarii episcopi opera liturgica omnia, Bd. III, 1949, S. 44-49). Sie werden auch als persönliche Gebete gebraucht (markantes Zeugnis: ->· Alkuin: Vita Alcuini, MGH, SS 15,1, S. 196) und daher später, auch außerhalb der Übersetzungen des -» Breviers [NB], in muttersprachlichen Gebet- und Betrachtungsbüchern wiedergegeben (z. B. im -+ 'Spiegel der samwitticheit', III., Buch II). Sie sind auch Muster für weitere Antiphonen geworden (z. B. in Hein-

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rich -> Seuses 'Cursus de aeterna sapientia', verbunden mit dem 'Horologium sapientiae', Antiphon O rex gloriose zum Canticum Simeonis der Komplet). Eine wissenschaftliche Bearbeitung der mal. Rezeptions-, Übersetzungs- und Wirkungsgeschichte fehlt noch. A u s g a b e n . Die Texte sind in jedem Brevier, meist nach dem 3. Adventssonntag, eingetragen; ohne wesentliche Varianten in der wissenschaftlichen Edition von R.-J. HESBERT, Corpus antiphonalium officii (CAO), Bd. 3, Rom 1968: Text-Nrn. 4081, 3988, 4075, 4010, 4050, 4078, 4025, 4091; in der erweiterten Reihe noch Text-Nrn. 4028, 4034, 4048, 4080, 4083.

II. Die volkssprachliche Rezeption der O-Antiphonen im MA ist noch nicht erforscht. Hier können nur vorläufige Hinweise auf einige selbständig überlieferte Übersetzungen gegeben werden (Übersetzungen im Rahmen deutschsprachiger Breviere werden nicht berücksichtigt). Neben wenigen Rezeptionszeugnissen der 7erReihe ist es vor allem die 12er-Reihe, die ins Deutsche übertragen wurde. a. 7 Antiphonen. 1. O ewige weyßheit die du pist außgangen auß dem mund dez allerhöchsten (CAO 4081). Augsburg, ÜB, cod. III. 1.8° 7 (4. V. 15. Jh.), 106v-108r, expl. kum uns zu behalten h err unser got amen (CAO 4025). 2. O wißheit die do ist us gangen von dem mund des obersten. Karlsruhe, Bad. LB, cod. St. Peter pap. 9 (2. H. 15. Jh.), 63 V —64 r , expl. kom zu behalten vns got vnser herre. b. 9 Antiphonen. Hie begynnen die ix antiffen die men heldt in dem aduent ... O ewyge wysheit die vßgegangen bis uß dem monde des aller ouersten. Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2059 (15. Jh.), 71r-73r. Diese Reihe umfaßt die 7 kanonischen Antiphonen, außerdem CAO 4083 (O thomas dydime) und CAO 4091 (O jonffrauwe der jonffrauwen). Nach Ausweis der Überschrift sollte die Reihe am Lucia-Tag begonnen

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Oberaltaicher Predigtsammlung' — Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs'

werden, was dafür spricht, daß nicht die 7er-Reihe erweitert, sondern eine 12erReihe gekürzt wurde. c. 12 Antiphonen. Bislang bekannt ist eine Gruppe von Textzeugen ab der Mitte des 15. Jh.s, die offenbar dieselbe Übersetzung tradieren (1.). Die Übersetzungen 2. bis 8., hier in chronologischer Folge der Hss., scheinen unabhängig voneinander zu sein. 1. O ewige weishait die du außgangen pist aus dem mund des allerhöchsten, expl. der auch regirt die steren (CAO 4048). München, cgm 777 (1445-1447), 157r158r; cgm 4593 (Ende 15. Jh.), 189V~190V; cgm 4701 (3. V. 15. Jh.), 110r-112r. Wohl dieselbe Übers, auch in Nürnberg, Germ. Nat.mus., Hs 28860 (15. Jh.), 93r-94r; Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, a VI 48 (1447), 169v-170v/171r?; ebd., b I 2 (Ende 15. Jh.), 184r-186v; ebd., b V 19 (1449), 175v-176V177r?. 2. O weishait die aus ist gangen aus dem mund des öbristen; expl. der da lait das gestirn. München, cgm 784 (1458), 84v-85r. 3. O weishait des obersten vatters wan dw vrsprung hast aus dem mu(nydt des ebensten; expl. hie in diser krippen leyd der hitnel vnd erden berichten ist (CAO 4048). München, ÜB, 8° cod. ms. 215 (1480-85), 116v-119r. 4. München, cgm 4685 (1502), 190r193r (Anfang defekt, setzt ein mit dem Schluß der 3. Antiphon); expl. in der czwkunft des strengen richters Xpi Jhsu Amen (CAO 4083). Diese Fassung hat offenbar ursprünglich 13 Antiphonen beinhaltet; an die verbreitete Zwölferreihe fügt sie die Antiphon O Thoma du klaingelaubiger an. 5. O wyßheyt die do vß dem mund des aller obersten bist vor gangen; expl. der do rengnirt (?) die Sternen. Karlsruhe, Bad. LB, cod. Lichtenthal 92 (1520-1540), 45v-48r. 6. O weyshait die da aus ist gangen aus dem mundt des allerhöchsten; expl. der do

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laitet daß gestirm (sie) der himel amen. München, cgm 4640 (1. V. 16. Jh.), 125V128V. 7. O du ewige wyßheit die do vßgot von dem munde des allerobersten; expl. der die Sternen regiert Amen. München, cgm 856 (16. Jh.), 13r-14v. S. O du aller unerforlichste weiszhait und unbegreiffliehe unerschöpfliche tieffe, der du aufgegangen bist (sie). Münster, ÜB u. LB, Ms. N. R. 5500 (um 1600), 194V199r. d. Auslegung. Die siben O. Eya allerlibsten kinder gotes so wir erkennen auß der heiligen geschrift. München, cgm 432 (2. H. 15. Jh.), 301r-304r; Nürnberg, StB, Cent. VII,91 (2. H. 15. Jh.), 51r-52v (kürzere Fassung). Keine Übersetzungen der O-Antiphonen sind die folgenden Gebete (sie teilen nur das Incipit mit ihnen). 1. Karlsruhe, Bad. LB, cod. St. Peter pap. 16 (1458-1460), 170r-172v. 2. München, cgm 4688 (Anfang 16. Jh.), 19r-20v. L i t e r a t u r . S. GASSER, Les andennes O, Etudes gregoriennes 24 (1992) 53 — 84 (materialreich); TH. J. KNOBLACH, The ' Antiphons, Ephemerides liturgicae 106 (1992) 177-204; J. BARSCH, OAntiphonen, in: LThK, 3. Aufl., Bd. 7, 1998, Sp. 953 f.

ANGELUS A. HÄUSSLING (I.) / NICOLA (II.) Oberaltaicher Predigtsammlung' [Korr.] Bd. 6, Sp. 1273 Überl.: "'Hoffmanns Bruchstück'" korr.: = heute Berlin, mgf 736/24.

Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern' Rechtsbuch. 1. Ü b e r l i e f e r u n g des Landrechtes von 1346. a. Hss.: Bislang wurden ca. 150 Hss. ermittelt (JAROSCHKA, 1997, S. 139), von denen neun vollständig als Ausfertigungen der 2. Hälfte des 14. Jh.s zu bestimmen sind (SCHWAB, 2002, S. 328) und sich durch einige wenige, aber klar ausweisbare Zusätze zwei unterschiedlichen Hauptlinien

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Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern'

zuordnen lassen (SCHWAB, in: SCHLOSSER/SCHWAB, Ausg., 2000, S. 22): München, Stadtarchiv, Zimelie 12; München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Staatsverwaltung 1942c; München, cgm 1506; Cambridge, Fitzwilliam-Museum, MS. 185; Wien, cod. 2786; cod. 2856; Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 2699; Berlin, mgq 1013; mgf 1164. b. Inkunabeln u. Frühddruck: Landrechtsbuch Bayerns, Augspurg 1484 (HAIN 9866); Das Bayrisch Landszrechtspuch, Augspurg 1495 (HAIN 9867); Das Bayrisch Lantrechtpuch, München 1516 (VD 16, B 955).

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A u s g a b e . I. SCHWAB, Das Landrecht von 1346 für Oberbayern u. seine Gerichte Kitzbühel, Kufstein u. Rattenberg: Krit. Edition der Georgenberger Hs. Ms. 201 (Fontes rerum Austriacarum 3. Abt.: Fontes Iuris 17), Wien 2002.

4. Inhalt. Das OLR' gliedert sich in 28 Titel, denen zunächst 350 Einzelartikel zugeordnet sind, die wohl bereits im 14. Jh. um einige wenige Artikel ergänzt wurden. Die Forschung sieht in ihm ein 'allumfassendes Gesetzgebungswerk', in dem 'Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht gleicherA u s g a b e n . lohannis HEUMANNI Opuscula quimaßen abgehandelt' werden (LIEBERICH, bus varia iuris Germanici itemque historica et phi1984, Sp. 1131), wobei es 'eine alle Hochlologica argumenta explicantur, Nürnberg 1747, und Niedergerichte ... umfassende RechtsS. 54-144, 184-288; Maximilian] Frhr. VON ordnung' anstrebte (JAROSCHKA, 1997, FREYBERG, Sammlung hist. Schriften u. Urkunden. S. 141). Beachtung fanden in der ForGeschöpft aus Hss., 4. Bd., 3. Heft, Stuttgart-Tüschung zunächst die erheblichen Weiterunbingen 1834, S. 381-500; L. ROCKINGER, Kaiser gen des OLR' gegenüber seinen VorläuLudwigs erstes oberbaierisches Land- u. Lehnfern um über 160 Artikel QAROSCHKA, recht, Abhh. d. hist. Kl. d. kgl. bayer. Ak. d. 1980, S. 381), wovon das LiegenschaftsWiss.n 24 (1909) 461-563; H. SCHLOSSER/ I. SCHWAB, Oberbayerisches Landrecht, 2000. recht, das Land- und Schuldrecht und vor 2. Die Benennung bezieht sich auf den allem die Regelungen im Beweis- und Vereinleitenden Prolog, nach dem die Nieder- fahrenswesen profitierten. Die zumal bis schrift des Gesetzes auf Befehl Ludwigs des zur Ermittlung des Georgenberger TextBayern erfolgte und es formell von seinen zeugen mit dem Nachweis eines älteren Söhnen erlassen und 1346 publiziert wurde Landrechtes ungelösten Fragen standen eo (JAROSCHKA, 1980, S. 379; LIEBERICH, ipso bei der älteren Forschung im Vordergrund (ROCKINGER, S. 470); jüngere lan1984, Sp. 1131). 3. Entstehung. Der Text des OLR' von desgeschichtlich orientierte Überlegungen 1346 verweist an prominenter Stelle zwi- schätzten es als herausragendste Rechtsschen Prolog und eigentlichem Beginn des schöpfung Kaiser Ludwigs des Bayern ein Rechtsbuches auf redaktionelle Vorläufer: (JAROSCHKA, 1997, S. 135) und würdigten seine die Landeseinheit sichernde Intention Daz ist daz recht puch also gantz, alt pezzert und auch new artickel ... Unstrittige (LIEBERICH, 1984, Sp. 1131). Die rechtsIndizien für eine ältere Fassung ('Das Alte historische Auseinandersetzung mit dem Landrecht', vgl. JAROSCHKA, 1980, S. 379) OLR' erfährt durch die jüngsten Forsind Urkunden, die sich vor 1346 seit schungsergebnisse eine Neuorientierung, indem diese Einflüsse des römisch-kanoniMitte der 1330er Jahre expressis verbis auf ein rechtsbuech beziehen (SCHWAB, 2002, schen Rechts nachweisen und seine Klassifizierung als germanisches RechtsdenkS. 329). mal entkräften (SCHLOSSER, 2002, S. 282). Bislang konnten als in Frage kommende ältere Seine besondere in die Zukunft weisende Stücke folgende Hss. ermittelt werden: München, Qualität besteht in seiner Eigenschaft als Bayer. Hauptstaatsarchiv, Staatsverwaltung 1942; lex scripta: Während die archaische, geBerlin, mgf 1111; Mals, Benediktinerstift Marienwohnheitliche Rechtsfindung durch ein berg, Stiftsarchiv, fol. 115 — 135; München, Stadtaus dem Umstand zu berufendes Gremium archiv, Zimelie Nr. 2; Fiecht, Benediktinerabtei, erfolgte, wird diese nun ergänzt durch die Ms. 201 (= Georgenberger Hs.; vgl. SCHWAB, Gesetzgebungshoheit des Landesherrn, der Ausg., 2002, S. 20 u. 140ff.). Als maßgeblicher sich auf die Mitwirkung gelehrter Juristen Entwurf des Gesetzeswerkes darf die Georgenberger Hs. gelten. stützt (SCHLOSSER, 2000, S. 197).

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Oberdeutsche Bibeldrucke — Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz'

5. Verbreitung. Im Gegensatz zum Einführungspatent des OLR', wonach es in unserm land ze Bayern über al in steten, in maergten und auf dem land Geltung beanspruchte, blieb es — ungeachtet späterer Landesteilungen und Schmälerungen — mit wenigen Ausnahmen auf Oberbayern (samt der Gerichte Kitzbühel, Kufstein und Rattenberg) bezogen; dort blieb es bis 1518 ('Reformation der Bayrischen Lanndrecht'), in den 1505 an Tirol abgetretenen Gerichten bis 1805 gültig. L i t e r a t u r . Juristischer Kommentar u. Übers.: H. SCHLOSSER, in: SCHLOSSER/SCHWAB, Ausg., 2000, S. 192-385. E. OSENBRÜGGEN, Das Strafrecht in Kaiser Ludwigs Landrechtsbuch von 1346, Kritische Vjs.f. Gesetzgebung u. Rechtswiss. VIII (1866) 123-156, 213—239; L. VON DER PFORDTEN, Stud, zu Kaiser Ludwigs Oberbayerischem Stadt- u. Landrechte, 1875; ders., Die Beweisführung nach Kaiser Ludwig's Oberbayerischem Landrechte von 1346, ZRG XII (1876) 346-430; L. ROCKINGER, 1909 (s. o. Ausg.n); O. RIEDNER, Die Rechtsbücher Ludwigs d. Bayern (Deutschrechtliche Beitr. Forschungen u. Quellen z. Gesch. d. Dt. Rechts, VI, H. 3), 1911; H. LIEBERICH, Kaiser Ludwig d. Baier als Gesetzgeber, ZRG German. Abt. 76 (1959) 173245; H. SCHLOSSER, Spätmal. Zivilprozeß nach bayerischen Quellen, 1971; W. JAROSCHKA, Das oberbayerische Landrecht Kaiser Ludwigs d. Bayern, in: Die Zeit der frühen Herzöge. Beitr. z. Bayer. Gesch. u. Kunst 1180-1850, hg. v. H. GLASER, 1980, S. 379-387; H. LIEBERICH, Oberbayerisches Landrecht, in: A. ERLER / E. KAUFMANN (Hgg.), Hwb. z. dt. Rechtsgesch. III, 1984, Sp. 1129-1133; W. JAROSCHKA, Ludwig d. Bayer als Landesgesetzgeber, Zs. f. Bayer. Landesgesch. 60/1 (= Fs. Ziegler) (1997) 135-142; M. R. SAGSTETTER, Hoch- u. Niedergerichtsbarkeit im spätmal. Herzogtum Bayern als Ausdrucksformen herzoglicher, adeliger u. kirchlich-klösterlicher Herrschaftsausübung (Schr.nreihe z. Bayer. Landesgesch. 120), 2000; I. SCHWAB, Ausg., 2002 (s. o. 3.), Einleitung; ders., Die Georgenberger Hs., ZRG German. Abt. 119 (2002) 326-342; H. SCHLOSSER, Das Rechtsbuch Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346, in: H. NEHLSEN / H.-G. HERMANN, Kaiser Ludwig d. Bayer (Quellen u. Forschungen aus d. Gesch. NF 22), 2002, S. 261-284.

INGO SCHWAB Oberdeutsche Bibeldrucke [Korr.] Bd. 6, Sp. 1277 Z. 7 von unten: "die Pergamenths. VI. 139 des Stiftes Tepl (heute: Prag, ...)"

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korr.: Die Hs. befindet sich heute wieder im Stift Tepl, Sign.: b 10. Vgl. F. HOFFMANN, Soupis rukopisu knihovny klastera premonstratü Tepla, 2 vol., Praha 1999, Nr. 431 (olim 19). Sp. 1278, Abschnitt 1: "Nürnberg, StB, cod. Cent. III 41-43" korr.: ..., Cent. II, 40, 41 u. 42; diese 3 Bände (verschiedene Teile des AT) gehören zum 2. Übersetzungszweig, Cent. II, 42 aber nicht zur selben mehrbändigen Bibel wie die beiden anderen! Cent. III, 43 dagegen ist ein NT aus dem 9. Übersetzungszweig. Vgl. SCHNEIDER, Nürnberg, S. 1-8, bes. S. 2. Sp. 1280 Z. l "Graz, ÜB, Hs. IV 48" korr.: ..., Hs. 48.

Oberdeutsches Färbebüchlein' entfällt (vgl. -> 'Was du verwen wilt von siden oder zendel'; Ausg. DRESSENDÖRFER, S. 68 Nr. VI.) Oberdeutscher Servatius' [Nachtr.] Bd. 7, Sp. l Überl.: "München, ÜB, o. S., ... verbrannt" korr.: Das Frgm. hatte die Nr. 156.

Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz' 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Augsburg, SB u. StB, 2° Cod 157, 18ra-20ra (= A, um 1457); Berlin, mgf 19, 224r-227v (= B, um 1460); Budapest, Bibl. et Archivum P. P. Franciscanorum, Cod. Esztergom 11, 137 -14 (= Bu, um 1500; -* 'Güssinger Totentanz' [NB]); Heidelberg, cpg 314, 79r-80v (= H1, lat.-dt., um 1443/47, Schreiber: Sigismund Gossembrot); ebd., cpg 438, 129r-142v (= H2, Blockbuch, kurz vor 1460); München, cgm 270, 192V-197V (= M1, um 1464); ebd., cod. xyl. mon. 39 (= M2, Verso-Seite: ausgeschnittene Blockbuchholzschnitte, Recto-Seite: handschriftl. Text, um 1470/80); ebd., cgm 2927, 13r-15v (= M3, 1446). A u s g a b e n , a) kritische: MASSMANN, nach S. 127 (Kombination verschiedener Hss. in synopt. Gegenüberstellung mit den Texten der Basler Tradition); W. FEHSE, Der obd. vierzeilige Totentanztext, ZfdPh 40 (1908) 67-92 (Kombination verschiedener Hss.); ROSENFELD, S. 308-323 (Kombination verschiedener Hss., transponiert in normalisiertes Mhd. des 14. Jh.s). b) einzelne Textfassungen: FEHSE, S. 50-58 (H 1 ); COSACCHI, S. 735-740 (H1); HAMMERSTEIN, S. 31-39 (H1 mit Umstellungen u. Ergänzungen); KOLLER, Anhang (Faks. von H 2 ); KAISER, S. 276-329 (Faks. und Übers, von H2); Hj. LINKE, Der Güssinger Totentanz, in: U. ERNST u. B. SOWINSKI (Hgg.), Architectura poetica (Fs. J. Rathofer), 1990, S. 277-297 (Bu); W. WERNER (Hg.), Die Zehn Gebote [...]. Farbmikrofiche-

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Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz'

Edition der Hs. u. der Blockbücher in dem Cod. Pal. Germ. 438 der ÜB Heidelberg (Monumenta xylographica et typographies 3), 1994 (H2).

2. Die Totentanztradition formiert sich, auf Vorläufern wie den -» 'Vadomori'-Gedichten, den Dialogen zwischen Mensch und Tod (-» 'Dialogue mortis cum homine') und den Ständedidaktiken ('Des -> Teufels Netz' u. a.) aufbauend, im 15. Jh.: Eine lat. Fassung kursierte im frz. Raum unter dem Namen des Jean -»· Gerson. Entscheidende Impulse gingen von dem Wandgemälde auf dem Friedhof von SS. Innocents in Paris (1424/25) und demjenigen im Dominikanerkloster in Basel (um 1440) aus. Etwa zur gleichen Zeit, als in Basel das Konzil tagte, die Pest wütete und von einem unbekannten Maler das Totentanzgemälde angefertigt wurde (->· 'Basler Totentanz'), scheinen auch zum ersten Mal deutschsprachige Versionen in Umlauf gewesen zu sein. Der lange einflußreiche Versuch ROSENFELDS, u . a . mit Hilfe nationalpsychologischer Argumente den Ursprung des Totentanzes [i. F. T.] für Deutschland zu reklamieren, auf das 14. Jh. zu datieren und mit der Ausbreitung der Pest (seit 1347) zu verbinden, kann heute als obsolet gelten (SCHULTE, S. 162-168). Vor dem 15. Jh. sind weder T.-Texte noch -Bilder überliefert. Direkte Anknüpfungen an Pestkatastrophen lassen sich sowenig wie für die meisten anderen Zweige der Memento-mori- und Contemptus-mundi-Literatur nachweisen. Die Annahme, die älteste dt. Fassung sei im Umkreis der Würzburger Dominikaner entstanden, ist schon sprachgeschichtlich nicht zu sichern, die Vorstellung, der T. sei primär durch illustrierte 'Bilderbogen' verbreitet worden, mediengeschichtlich nicht plausibel zu machen (einige wenige kostbare Stücke von T.-Bilderbogen sind erst aus der 2. Hälfte des 15. Jh.s erhalten).

3. Die älteste überlieferte Totentanzfassung auf deutschsprachigem Gebiet stammt aus der Feder des Augsburger Humanisten Sigismund -> Gossembrot, der in seinen Hss. zahlreiche Texte der Todesdidaktik zusammentrug. Er schrieb sich u. a. Fassungen des 'Vadomori'-Gedichts und des Exempels von den -> 'Drei Lebenden und drei Toten' ab, von denen er wiederum auf den T. zurückverwies: vide in commenda artium remissiones de morte a k. 14 (Budapest, Nationalbibl., CLMAE 276, 252V;

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s. CH. KIENING, Schwierige Modernität [MTU 113], 1998, S. 60f.). Der T. besteht in Gossembrots Abschrift aus einem in leonin. Hexametern gehaltenen lat. Text, der nur die Verse der 24 Standesvertreter bietet und strophenweise von einer jeweils vierzeiligen paargereimten dt. Übersetzung begleitet ist. Man kann in dieser Fassung eine Zwischenstufe zwischen den monologischen lat. 'Vadomori'-Gedichten und den dialogischen volkssprachigen Totentänzen sehen. Doch ist es auch denkbar, daß Gossembrot, am T. vor allem wegen der Kombination von Standes- und Todesthematik interessiert, nur die Verse der Standesvertreter auswählte. Sie geben jedenfalls zu erkennen, daß sowohl die Vorstellung des Tanzen-Müssens wie die der umherspringenden Toten schon bestand. 4. Der Obd. T.' scheint von vornherein als Text-Bild-Kombination gedacht gewesen zu sein. Eine vor dem T. angebrachte Notiz Gossembrots (vide de hoc in albo codice de commenda artium a princtpio picturas) setzt allerdings nicht eine bebilderte T.-Hs. voraus. Sie verweist vielmehr auf einen illustrierten Artescodex, der sich in Gossembrots Besitz befand und dessen Illustrationen er in einer Hs. (München, clm 3941) beschreibt, die auch die mit dem T. verwandte -> 'Vermahnung der geistlichen und weltlichen Stände Deutschlands' enthält.

Die Predigereinleitung (s. u. 5.) spricht von pictura exempli atque figura (des gemäldes figuren) und dürfte sich damit auf ein bekanntes T.-Wandgemälde beziehen. Die Malereien in Basel (Dominikanerkloster), Basel-Klingental (Dominikanerinnenkloster) und Ulm (Wengenkloster, -» 'Ulmer T.') boten ihrerseits einen Text, der der obd. Tradition folgt, vermehrten aber (so in Basel), einer Tendenz zur sozialen Ausdifferenzierung entsprechend, die Zahl der Figuren von 24 auf 37 und schließlich 39. Die Hss. des obd. Textes haben auf Illustration durchgehend verzichtet, doch weisen die beiden voneinander unabhängigen Blockbücher Wege, die wenig später auch die im Typendruck hergestellten Buchtotentänze einschlagen werden. Mit unterschiedlichen Anordnungen von Text

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Oberdeutscher vierzeiliger Totentanz'

und Bild bezeugen sie zugleich das für die Zeit des medialen Wandels und den Typus der Todesdidaktik charakteristische Experimentieren mit neuen Formen der Visualisierung (-» 'Spiegelbuch'). 5. Die rahmenden Partien im Obd. T.' machen den Charakter der Bußpredigt explizit, dem der T. generell verpflichtet ist. In Anklang an Dn 12,2 und I Cor 1,20 fordern sie die Rezipienten auf, sich von falscher Weltlichkeit abzuwenden, die Polarität von Heil und Unheil zu erkennen und die Drohung des doppelten Todes (von Leib und Seele) vor Augen zu haben; zudem erinnern sie an die Gewißheit des Todes und die Ungewißheit seines genauen Eintretens. Der T. selbst demonstriert dies an 24 Figuren, angeordnet in einer mit Papst und Kaiser beginnenden, mit Kind und Mutter endenden hierarchischen Reihe, die geistliche und weltliche Vertreter noch nicht so konsequent trennt wie dann die meisten Totentänze der Folgezeit. Die Figuren, Vertreter ihres Standes und der Gesellschaft im ganzen, werden konfrontiert mit einem Tod, der spöttisch oder kritisch auf die spezifische Lebens- oder Erscheinungsform des Gegenübers referiert und dieses zugleich unwiderstehlich in seinen Tanz hineinzieht. Sie resümieren momenthaft ihr Dasein und konstatieren einsichtig, bedauernd oder reumütig die radikale Differenz zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Doch ihre Rede geht ins Leere: ein Zeichen vielleicht nicht nur für den ursprünglichen monologischen Charakter des T.es, sondern auch für den kategorialen Bruch, der die noch Lebenden von den schon Gestorbenen trennt. Die Standesvertreter sind nicht definitiv der Verdammung, wohl aber einer fragwürdigen Zukunft anheimgegeben. Das Motiv des dämonisierten und pervertierten Tanzes versieht ihr Schicksal mit heilsgeschichtlich negativen Konnotationen. Es stellt zugleich einen der zentralen Reizpunkte des Typus dar - zusammen mit der Figur des Todes, der im Bild in deformierter Spiegelfunktion als Kadaver erscheint und auch im Text immer wieder von seiner grausigen Totenschar, von affenartigen, unge-

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stalten Wesen spricht (das Kind nimmt ihn als 'schwarzen Mann' wahr). Uneindeutigkeiten wie diese machten den T. attraktiv und ambivalent in einem: Obschon Verkörperung der Gleichheit aller vor dem Tod, manifestiert er zugleich die fortdauernde Ungleichheit der Welt. 6. Der Bestand des obd. Textes blieb in der Überlieferung relativ konstant. Der Schreiber von B ging in der Wortwahl freier mit seiner Vorlage um. Der von M3 hängte am Ende eine dritte Predigt an, die aus einem dt. Contemptus-mundi-Gedicht stammt (->· 'De contemptu mundi' 3.b und -> 'Wiener Elsässische Verachtung der Welt') und auch bei der späteren Umarbeitung des achtzeiligen ->· 'Mittelrheinischen T.es' zu einem wiederum vierzeiligen Text (-> 'Nordböhmischer T.', besser: 'Jüngerer vierzeiliger T.') Verwendung fand. Anklänge an den Obd. T.' begegnen, dem Charakter der ständig um- und neugeschriebenen spätmal. Vergänglichkeitsliteratur gemäß, in zahlreichen ähnlichen Werken, z. B. der 'Vermahnung'. Weiterwirkungen des Textes ergaben sich v. a. über die monumentale Basler Version. Das Wandgemälde am Karner der Pfarrkirche von Metnitz/Kärnten (um 1500) griff darüber hinaus sogar direkt auf das Heidelberger Blockbuch (H2) oder eine ihm verwandte Fassung zurück. L i t e r a t u r . H. F. MASSMANN, Die Baseler Totentänze, Stuttgart 1847; W. FEHSE, Der Ursprung der Totentänze, 1907; ders., Das Totentanzproblem, ZfdPh 42 (1910) 261-286; W. STAMMLER, Die Totentänze des MAs, 1922 (Neuausg.: Der T. Entstehung u. Deutung, 1948); E. BREEDE, Studien zu den lat. u. dt.sprachlichen Totentanztexten d. 13. bis 17. Jh.s, 1932, S. 106-109; L. P. KURTZ, The Dance of Death and the Macabre Spirit in European Lit., New York 1934, S. 93-120; J. M. CLARK, The Dance of Death in Medieval Literature, MLR 45 (1950) 336-345; ST. COSACCHI, Makabertanz, 1965, S. 733-758; H. ROSENFELD, Der mal. Totentanz, 31974, S. 89-102; R. HAMMERSTEIN, Tanz u. Musik des Todes, 1980; E. KOLLER, T. Versuch einer Textembeschreibung, Innsbruck 1980; G. KAISER (Hg.), Der tanzende Tod, 1982 u. ö.; P. GiLOY-HiRTZ, Mal. T.-Dichtung, in: H. H. JANSEN (Hg.), Der Tod in Dichtung, Philosophie und Kunst, 1989, S. 123-143; B. SCHULTE, Die dt.sprachigen spätmal. Totentänze, 1990, S. 157—

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Oberrheinisches Aderlaßbüchlein' — Öhem, Gallus

179; F. EGGER, Der Basler T., 1990; G. KAISER, T. u. verkehrte Welt, in: F. LINK (Hg.), Tanz u. Tod in Lit. u. Kunst, 1993, S. 93-118; N. F. PALMER, Ars moriendi und T., in: A. BORST u. a. (Hg.), Tod im MA, 1993, S. 313-334; A. KRÜGER, Heilsgeschichtl. Bezüge in spätmal. Totentänzen, Ndjb 117 (1994) 109-129; CH. KIENING, Contemptus mundi in Vers u. Bild am Ende des MAs, ZfdA 123 (1994 [1995]) 409-457, 482; ders., Totentänze Ambivalenzen des Typus, Jb. für Internat. Germanistik 27 (1995) 38-56; V. LEPPIN, Der lat. Totentanz aus Cpg 314 als Ursprungstext der europ. Totentanztradition, AKG 77 (1995) 323-343; J. HÖFLER, Mal. Totentanzdarstellungen im AlpenAdria-Raum, in: M. WENNINGER (Hg.), du guoter tot. Sterben im MA (Schriftenreihe der Akademie Friesach 3), Klagenfurt 1998, S. 131-144; B. SPÖRRI, Die Spiegelmetapher u. das Spiegelbild in den Totentänzen von 1400 bis zur Mitte des 18. Jh.s, in: ebd., S. 157-180; B. REUDENBACH, Tod u. Vergänglichkeit in Bildern des SpätMAs u. der frühen Neuzeit, in: R. VAN DüLMEN (Hg.), Erfindung des Menschen, 1998, S. 73-91; I. WILHELM-SCHAFFER, 'Ir mußet alle in diß dantzhus'. Zu Aussage, Kontext u. Interpretation des mal. T.es, in: W. FREY u. H. FREYTAG (Hgg.), 'Ihr müßt alle nach meiner Pfeife tanzen'. Totentänze vom 15. bis 20. Jh. [...], 2000, S. 9-24; CH. KIENING, Das andere Selbst. Figuren des Todes an der Schwelle zur Neuzeit, 2003.

CHRISTIAN KIENING Oberrheinisches Aderlaßbüchlein' Ü b e r l i e f e r u n g . Bad Berleburg, Fürstl. SaynWittgenstein'sche Bibl., cod. RT 2/6 (3. Viertel 15. Jh., rhfrk.), 212va-216va. Ausgabe. Älterer dt. 'Macer' — Ortolf v. Baierland 'Arzneibuch' ...: Die oberrhein. med. Sammelhs. d. Kodex Berleburg. FarbmikroficheEdition, hg. v. W. DRESSENDÖRFER, u. a. (Codd. illuminati medii aevi 13), 1991, S. 56 f.

Neben dem -> 'Asanger A.', ->· 'Bairischen A.', ->· 'Genter A.' und ->· 'Haager A.' klassischer Vertreter des spätmal, ärztlichen Vademecums, das sich aus neun Segmenten aufbaut: 1. Allgemeine Laßregeln; 2. 'Dreierschema'/'Oribasius-RegeP, Blutschau nach -»· Maurus; 3. erweiterte Fassung der Pariser -> 'Verworfenen Tage', 4. Kopfvenen, Jahreszeit und Seitigkeit; 5. Hundstage-Laßverbot; 6. ruortranc-R.ege\n für den Jahreslauf; 7. Die '(Drei) besonders gefährlichen Tage' nach Ps.-Beda; 8. -> 'Vierundzwanzig-Paragraphen-Text'

[ähnlich 7.]; 9. -» Schröpf Stellentext (II.l.c). Über Maurus- und -> Konrad-von Eichstätt-Exzerpte besteht Quellengemeinschaft mit dem -> Oberdeutschen AderlaßbücheP, das seinerseits stark redigiert weiter vorne in der Hs. begegnet (106vb— 113rb). L i t e r a t u r . DRESSENDÖRFER (s. Ausg.), S. 51.

G. KEIL Oberrheinisches Erbauungsbuch' ->· 'Der siecht weg' und das . E.' [ND] Oberrheinischer Revolutionär [Korr.] Bd. 7, Sp. 11 zu 5.: "die -» 'Reformatio Friderici'." korr.: Gemeint ist hier die sog. falsche 'Reformatio Friderici': Teütscher Nation nodturfft, Druck [Bamberg 1523] (VD 16, D 799); Zwickau [1523] (VD 16, D 800) u.ö. Vgl. K. ARNOLD, Reichsherold u. Reichsreform. Georg Rixner u. die sog. 'Reformation Kaiser Friedrichs III.', Hist. Ver. Bamberg. 120. Bericht: Fs. Gerd Zimmermann (1984) 91-109.

Ödenhofer, Thomas [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp. 15 Z. 8-11: "ist das letzte ... Dekan zu St. Moritz in Augsburg ... S. 108)" zu ersetzen durch: sind die letzten seine Bezeugung als Dekan in Habach i. J. 1480 (C. KHAMM, Hierarchie Augustana, Pars II, Tom. l, Augsburg 1709, S. 108) und 1481 durch seinen Briefwechsel mit Abt Narcissus von Benediktbeuren. Sp. 16 vor Lit. füge ein: Ein Briefwechsel aus d. J. 1481 zwischen Ö. und Abt Narcissus von Benediktbeuren, der ihn um einen tractatus pro metris faciendis gebeten hatte, ist in München, cgm 2930, S. 473-476 u. 516-518, überliefert. F. J. WORSTBROCK

Odo -» 'Rithmimachia' (Odo von Tournai: Bd. 8, Sp. 88 f.) Odo Magdunensis (Meung-sur-Loire) -> 'Macer' Öhem, Gallus [Korr.] Bd. 7, Sp. 30, Z. 8 von unten: "Karlsruhe, Bad. Generallandesarch., Hs. 313 a" korr.: ..., cod. 65/ 1101 (olim 313 b!), 119r-158v (?); vgl. M. KLEIN, Die Hss. 65/1 — 1200 im Generallandesarchiv

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Olmützer medizinisches Kompendium' — Onufrius'

Karlsruhe (Die Hss. der Staatsarchive in BadenWürttemberg, Bd. 2), 1987, S. 321 u. Konkordanz S. LXII.

Olmützer medizinisches Kompendium' Ü b e r l i e f e r u n g . Olmütz (Olomouc), Statni vedecka knihovna, cod. M I 204 (2. Drittel 15. Jh., obd. [südmährisch mit alem. Substrat]), 5 r —362 V . Ausgabe. L. VANKOVÄ, Medizinische Fachprosa aus Mähren. Sprache — Struktur — Edition, 2 Bde, phil. Habil.schr. Würzburg 2002 [masch.], hier Bd. II, S. 1-56 [Auszüge].

Internmedizinisches Kompendium nach Art der salernitanischen Praktiken, dessen Autor den 5. Traktat des 'Arzneibuchs' -»· Ortolfs von Baierland streckenweise als Kompilationsleittext nutzt, die Versatzstücke des Würzburger Textes aber modernisierend bearbeitet und ihren Bestand von etwa 70 Krankheitsbildern auf mehr als das Doppelte erweitert. Hochinnovativ sind seine psychiatrischen Ausführungen (Hypericin!); als besonders modern erweisen sich seine Vorschläge zum Behandeln von Schlafstörungen. Mit der dt. wie der lat. Fachsprache gleichermaßen vertraut, hat der Autor seinen einzelnen, auf Krankheitsbilder ausgerichteten Kapiteln jeweils auch einen Anhang aus lat. Diagnostik und Materia medica angefügt. Dabei gibt er sich selber gelegentlich als Verfasser und auch als Therapeut zu erkennen (so bei seiner niemals wirkungslosen Krätzesalbe: vngentum meum infallibile contra scabiem). Seine hervorragende Arzneimittel-Kenntnis scheint darauf hinzudeuten, daß er — wie etwa Hans -» Minner — Apotheker war. Seine Materia medica-Versatzstücke bezog der Autor aus dem gesamten obd. Raum. Neben der Äbtissin von Seckau und dem Innsbrucker Hof werden Basel greifbar sowie diejenigen elsässischen Städte, die im 15. Jh. böhmische Lehen waren. Als offene Form angelegt, weist das . m. K.' hinter jedem Textsegment Freiraum für Zusätze auf, der von mindestens acht mährisch-schlesischen Nachtragshänden für Ergänzungen genutzt wurde. Diese Nachträge sind durchweg deutsch und führen zeitlich bis ins frühe 16. Jh.

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Einzelne Fachtermini hat der Autor in Geheimschrift verschlüsselt. — Sein Rezept für einen narkotisierenden 'Dollentrank' findet sich auch im anästhesiologischen Abschnitt der 'Wündärznei' ->· Heinrichs von Pfalzpaint. L i t e r a t u r . VANKOVÄ, Bd. I, S. 34-41, 123129, 150 f. u. ö.; dies. / J. G. MAYER / G. KEIL, 'Von unrechtem wachen', Scientiarum Historia 28 (2002) 23-29.

LENKA VANKOVÄ Onufrius' Deutsche Legenden. Die von Paphnutius (gest. um 360) verfaßte griechische Vita des O., der als Eremit 60 Jahre in der Thebais lebte, wurde in lat. Fassung vor allem im Rahmen der -»· 'Vitaspatrum' verbreitet (BHL Nr. 6336; PL 73, Sp. 211-220). Daraus wurde sie auf deutsch neben den dt. 'Vitaspatrum'Bearbeitungen auch für das Legendär -> 'Der Heiligen Leben' und auf mndl. als Sondergut zweier Hss. der 'Südmndl. Legenda aurea' (->· Jacobus a Voragine, V. 2.; -> Bijbelvertaler van 1360, B. 1. [NB]) übersetzt. Eine weitere, ostfrk. Übersetzung der lat. Vitenversion BHL, Novum supplementum Nr. 6336 b enthält die Sammelhs. Brixen, Klarissenkloster, cod. S 13, 158r— 177V, die aus dem Nürnberger Klarissenkloster stammt. Ferner wurde in der 1. Hälfte des 15. Jh.s eine sehr wörtliche oberelsässische Übersetzung der abbreviierten lat. Vita aus dem 'Provincia-Anhang' der 'Legenda aurea', der im Südwesten verbreitet war, in die Hs. München, cgm 343, 268r-271r als Ergänzung der 'Elsässischen Legenda aurea' (-» Jacobus a Vor., V. 5.) eingeschoben. A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXXIX-XLIV, Text S. 339-348 (eis. Übers. mit der lat. Vorlage). L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare d. MAs (TTG 20), 1986, Reg. S. 445 f.

KONRAD KUNZE

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Onulf von Speyer — Ordo iudiciarius'

Onulf von Speyer [Nachtr./Korr.] Bd. 7, Sp. 39 Z. 3ff.: Die Bezeugung Onulfs im Speyerer Totenbuch des 13. Jh.s relativiert sich durch sein Fehlen in der rekonstruierbaren Fassung des 11. Jh.s; vgl. DA 43 (1987) 246. Sp. 42 zu Lit.: "BSB 220 (1894) 361-368" korr.: ... 361-386.

Ordo Antequam' -» Ordo iudiciarius' (III.) [NBJ Ordo iudiciarius' I. Im Zuge der Intensivierung der Beschäftigung mit dem römischen Recht kam es im 12. Jh. zu Darstellungen des Zivilprozeßrechts, die das verstreute Material im Codex Justiniani zusammenfaßten und systematisierten, insbesondere zu Darstellungen des Prozeßganges. Für sie bürgerte sich die Bezeichnung . i.' oder Ordo iudiciorum' ein. Im Gefolge der Abfassung des Dekrets des Gratian wuchs das Interesse der Kanonisten an den justinianischen Rechtsregeln, die sie für den kanonischen Prozeß adaptierten und die seit Papst Alexander III. und vor allem unter Innozenz III. durch einschlägige Dekretalen der Päpste ergänzt wurden. So entstand seit etwa 1170 vor allem in Bologna, Frankreich und England eine große Zahl dieser Darstellungen, wobei kurz nach 1200, etwa mit dem Ordo des Tancred von Bologna (etwa 1216) ein Höhepunkt erreicht wurde, ohne daß diese Literaturgattung damit abbrach. Erst das 'Speculum iudiciale' des Wilhelm -* Durandus (t 1296) schließt die Entwicklung ab. Diese Darstellungen betrafen zunächst den gesamten Prozeßgang, später auch einzelne Teile (Aktionen, Libelli, Exceptionen) und enthielten in der Regel auch Formulare für die im Verfahren notwendigen Schriftstücke. Sie waren damit praxisorientiert, und Entstehung, Weiterentwicklung und Überlieferung sind nicht selten mit den geistlichen Gerichten, insbesondere den im 13. Jh. entstehenden Offizialatsgerichten verbunden. Innerhalb der . i.'-Literatur zeigt sich eine Zweiteilung. Auf der einen Seite stehen die für die gelehrten Advokaten verfaßten Schriften

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mit ausführlicher Behandlung der verfeinerten Rechtstechnik und der juridischen Begriffe, auf der anderen knappe Kompendien für die Praktiker, die oft auch regionale und lokale Gebräuche der Gerichte berücksichtigen und darauf bezügliche Formulare enthalten (Übersichten über die Autoren und Werke bei NÖRR, 1973, u. FOWLER-MAGERL, 1984, vgl. auch dies., 1994). Offenbar haben nur zwei dieser Werke eine Übersetzung ins Deutsche erfahren, der Ordo Tancreds von Bologna und der Ordo Antequam'. II. Tancred von Bologna, Ordo iudiciarius'. Tancred darf als einer der bedeutendsten Kanonisten des 13. Jh.s bezeichnet werden. Etwa 1185 in Bologna geboren, studierte er dort bei Azo, Johannes Galensis und Laurentius Hispanus. Er begann kurz nach 1210 selbst zu lehren, seit 1214 wird er magister decretorum genannt, 1215/16 Domkanoniker in Bologna, 1226 Archidiakon, gestorben zwischen 5. 10. 1234 und Mai 1236. Von ihm stammt eine 'Summa de sponsalibus et de matrimonio', die 'Glossa ordinaria' zu den 'Compilationes antiquae' I—III sowie ein . i.' Ü b e r l i e f e r u n g . DOLEZALEK, Bd. 3, 1972, Abt. Auctores, s. v. Tancredus verzeichnet 101 Hss., vgl. auch FOWLER-MAGERL, 1984, S. 128. Ausgabe. F. Ch. BERGMANN, Pillius, Tancredus, Gratia, Libri de iudiciorum ordine, Göttingen 1842 (Neudr. 1965), S. 87-316.

Tancred hat seinen Ordo' auf der Grundlage eigener Aufzeichnungen der Jahre 1210—1215 nach dem Tod Innozenz' III. wohl 1216 abgeschlossen, wobei er Richard Anglicus und den Ordo Invocato nomine', den er für ein Werk des Pillius hielt, als seine Vorbilder nennt. Er übernahm das Gliederungsprinzip des letzteren in vier Teile, die 1. die Personen des Gerichts, 2. die prozessualen Handlungen bis zur Litis contestatio, 3. die prozessualen Handlungen bis zum Urteil, 4. die Urteile sowie die Rechtsmittel (wie Exekution und Restitution) äußerst detailliert abhandelt. Der Ordo' hat in Paris zwei Umarbeitungen (vermutlich 1225 und 1234) erfah-

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Ordo iudiciarius'

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Der Ordo Antequam' hat nach Ausweis der Überlieferung besonders in Deutschland und Ostmitteleuropa weite Verbreitung gefunden. Er dürfte hier das gebräuchlichste der kurzen Kompendien dargestellt haben, während in Westeuropa (Frankreich, England, Spanien) andere Werke vorherrschten (FOWLER-MAGERL, 1994, S. 56). Er gehört zu dem Typ, dem als OrdÜ b e r l i e f e r u n g . Dresden, LB, Mscr. M 64, nungsprinzip die Beschreibung der Ge15. Jh. richtsämter und Gerichtspersonen zuAusgabe fehlt; Prologteil, Kapitelüberschrif- grunde gelegt ist, gefolgt von der Erläuteten- oder -eingänge sowie Verdeutschung wichtiger rung der einzelnen Stationen des Prozesses Termini bei J. CH. GOTTSCHED, Beyträge zur Criti(Citatio, Termine, Kontumaz, Exceptioschen Historic der Deutschen Sprache, Poesie und nen, Libelli, Litis contestatio, KalumnienBeredsamkeit, 21. Stück. Leipzig 1739 (Neudr. Bd. VI, 1970), S. 5-10; wiederholt in: ders., De eid, Beweise und Beweismittel, Sententia antiqua versione magistri Tancredi, Leipzig 1750, diffinitiva und Appellation), wobei FormuS. VIII-XI. lare inseriert sind. Abgefaßt wurde er unter Benutzung einer der in Paris entstandeNach den von Gottsched gebotenen Pronen Fassungen des Ordo Tancreds von Boben handelt es sich um eine Wort-fürlogna (s. o. II.). Datierung und EntsteWort-Übersetzung mit teilweise unglücklihungsort sind in der Forschung verschiecher Wortwahl. Gottsched datierte sie an den beurteilt worden. Der Autorname des die Wende des 14. zum 15. Jh., doch wird man eher von einer Entstehung in der Johannes -> Andreae (f 1348) [Bd. l u. NB], den der älteste Druck (HAIN 1067), zweiten Hälfte des 15. Jh.s auszugehen ha- nicht aber die hs.liehe Überlieferung bietet ben. Eine Untersuchung des Textes ist bis- und unter dem das Werk lange Zeit belang nicht erfolgt; die Hs. wurde 1945 kannt war, beruht auf einem Mißverständstark beschädigt, ist jedoch benutzbar. nis, das von ROCKINGER 1855 korrigiert wurde. Er datierte die Entstehung auf ca. III. 'Ordo A n t e q u a m ' . 1220 und suchte den Verfasser und Entste1. Zu den knappen Compendien unter hungsort in Deutschland, ohne sich näher den Ordines iudiciarii gehört der Ordo festzulegen. RIEDNER nahm wegen der in Antequam'. einigen Formularen enthaltenen OrtsnaÜ b e r l i e f e r u n g . Vgl. RIEDNER, 1907, S. 46-48 men eine um 1220 in Paris entstandene (54 Hss.), WAHRMUND, 1901, S. 13 Anm. 3 (wei- verlorene Erstfassung an, betonte jedoch tere 10 Hss.), vgl. FOWLER-MAGERL, 1984, S. 151die Rolle des geistlichen Gerichts in Speyer 153; die Zahl der Hss. läßt sich sicher noch bedeu- für die Form, in der die Überlieferung den tend vermehren. Linda Fowler-Magerl bereitet eine Ordo' präsentiert. Seine Entstehung setzte Liste zur Publikation vor, eine Sammlung von Mier auf etwa 1260 an. FOWLER-MAGERL krofilmen befindet sich im Max-Planck-Institut für schließlich sprach sich für eine Entstehung Rechtsgeschichte in Frankfurt a. M.; weiter: in Speyer um 1260 ohne frz. Vorstufe aus. ältester Druck: HAIN 1067, vgl. dazu STINTZING, Wie immer in der Frage der frz. Erstfas1867, S. 203—205 mit weiteren Hinweisen und sung zu entscheiden sein wird, sicher ist, Übersicht über die Drucke des frühen 16. Jh.s. daß die Speyerer Fassung die Überlieferung Ausgaben. HÖRN, 1837, S. 37-52 (Nachdr. d. geprägt und ihre Verbreitung in DeutschAusg. Nürnberg, Johannes Weyssenburger 1510); land und Ostmitteleuropa bestimmt hat. A. WUNDERLICH, Joannis Andreae Summula de Wie der Ordo' Tancreds hat der Ordo processu judicii, Basel 1840 (nach Basel, ÜB, cod. Antequam' eine Rezeption in die VolksC V 19); ROCKINGER, 1863/64, Bd. 9,2, S. 9851026 (Teilabdruck nach 13 Hss.); RIEDNER, 1915, sprachen erfahren. Neben dt. BearbeitunS. 3-48 (nach 5 Hss.). gen (s. u.) ist er — wiederum im Zusamren und ist von dort aus weiter verbreitet worden. Er ist ein Werk für die Praxis gelehrter Juristen mit einer Darstellung, die sowohl das römische wie das kanonische Recht berücksichtigt und ausführlich allegiert. Er ist in ganz Europa rezipiert worden; an Übersetzungen ist eine ins Französische (sechs Hss., vgl. DOLEZALEK, a. a. O.) sowie eine ins Deutsche bekannt.

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Ordo iudiciarius'

menhang mit dem geistlichen Gericht — vor der Mitte des 15. Jh.s ins Friesische übertragen worden (Ausg. v. RICHTHOFEN, 1840, S. 248-257: Das Verfahren der Sendgerichte [Fortgongh des gastelika riuchtes], vgl. dazu GERBENZON, 1956, S. 227-237, sowie HERMESDORF, 1968, S. 149). Auch eine dänische Fassung des Bischofs Knut von Viborg ist bekannt geworden (D. KOLDERUP-ROSENVINGE, Om Rettergangsmaaden ved de geistlige Retter af den Viborgske Biskop Knud, Kopenhagen 1832). Beide gehören zum Typ der Wort-für-Wort-Übersetzungen. 2. Deutsche Bearbeitungen des Ordo Antequam'. a) Ordenung des geistlichen Gerichts'. Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Heidelberg, cpg 169, 132r141r, 2. H. 15. Jh.; 2. Stuttgart, LB, cod. iur fol. 11, 129ra-142va (1458). Ausgabe fehlt.

Es handelt sich um eine Wort-für-WortÜbertragung, die sich sehr eng an die Vorlage anschließt, die erkennbar von der Speyerer Fassung geprägt war. Sie dürfte um die Mitte des 15. Jh.s entstanden sein. Wie den meisten Wort-für-Wort-Übertragungen juridischer Texte blieb ihr eine größere Wirkung versagt (ULMSCHNEIDER, 1985, S. 87). b. 'Von ordenunge ze reden'. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss. (vermutlich teilweise Druckabschriften): 1. Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 730, 296™-302vb (= OPPITZ, Nr. 388), nach 1478; 2. ebd., Hs 1426,157r-178r {= OPPITZ, Nr. 389), ausgehendes 15. Jh.; 3. Gießen, ÜB, cod. 907, 119r-135v, 15. Jh.; 4. Göttingen, SB u. ÜB, Ms. jurid. 390, 189r-189v (frgm. ) (= OPPITZ, Nr. 598), 15. Jh.; 5. Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 741, 83r-91r (= OPPITZ, Nr. 426), 1463; 6. München, cgm 252, 96rb-104vb; 7. ebd., cgm 7376, 87r-94r, 2. H. 15. Jh.; 8. ebd., clm 6008, 186r-207r (von 1518); 9. ebd., clm 6009, 180r-204v (von 1529); 10. München, Hauptstaatsarch., Staatsverwaltung 1938, 144va-154vb (= OPPITZ, Nr. 1026), spätes 15. Jh.; 11. Tübingen, ÜB, cod. MC 340, 108r-119r, 15. Jh.; 12. ebd., Md 440, lr-12v; 13. Wien, cod. 2975, 167r-173r; 14. Wien, Haus- Hof- u. Staatsarch., Böhm Suppl. Nr. 1015, 41r-50r, um 1480; 15. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 26 Aug. fol., 103r-110r (= OP-

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PITZ, Nr. 1575), um 1475. - Drucke (seit ca. 1472): HAIN 12066-12073, 10006; zu weiteren frühen Drucken bis 1531 vgl. STINTZING, 1867, S. 215-217. A u s g a b e n . G. G. KÖNIG DE KÖNIGSTHAL, Corpus iuris Germanici publici ac privati, Bd. 1/2, Frankfurt a. M. 1760, S. 145-155 (nach Nr. 3); HÖRN, 1837, S. 1-35 (Paralleldruck von KÖNIG DE KÖNIGSTHAL u. HAIN 12072); BENNA, 1949, S. 527-537 (nach Nr. 14); ROLL, 2002, S. 305318. Das Stück über Höfe, Zehnten und Mühlen allein auch bei F. W. UNGER, Des richtes stig oder der Richtsteig Landrechts samt Cautela und Premis nebst einem Stücke von Zehnten, Mühlen und Höfen, Göttingen 1847, S. 107-111 (nach Nr. 4).

Der Verfasser dieser Sensus-de-sensuÜbertragung hat als Vorrede eine kurze Rhetorik vorangestellt, die Regeln für die Komposition von Texten, ein Verzeichnis von Anredeformeln und Anweisungen für das Verhalten vor Gericht enthält. Der Text der Vorlage ist bei Beibehaltung der Grunddisposition stark bearbeitet, die Formulare sind entfallen. Als Anhang werden in der hs.liehen Überlieferung und in einigen Drucken (vgl. STINTZING, S. 219) drei Stücke über das Leihen von Höfen, Zehnten und Mühlen angefügt, die in der Art von Formularen eine Auflistung über die dabei zu beachtenden rechtlichen Fragen bieten. IV. Die hier beschriebenen Übersetzungen der Textgattung . i.' bezeugen zum einen die Wirkungsmächtigkeit ihrer älteren Vertreter in der gerichtlichen Praxis bis in das 15. Jh. neben dem 'Speculum iudiciale' des Wilhelm Durandus, das die Grundlage für Ulrich -»· Tenglers 'LaienspiegeF von 1509 abgab. Zum anderen stellen insbesondere die Übertragungen des Ordo Antequam' ein Zeugnis für das Bestreben des 15. Jh.s dar, den Gang des kanonisch-römischrechtlichen Prozesses auch für Nichtjuristen in dt. Sprache verständlich zu machen, wie dies etwa auch der 'Belial' (-*· Jacobus de Theramo) in der Einkleidung des Satansprozesses unternahm. L i t e r a t u r . H. HÖRN, Senckenbergs Gerichtsbücher, schon 1437, dann 1490 und öfter gedruckt, als: Ordnung ... zu Rechten. Zugleich Uebersetzung des Proc. judiciarius Johannis Andreae, München 1837; K. Freiherr von RICHTHOFEN (Hg.),

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Pseudo-Origenes

Friesische Rechtsquellen, Berlin 1840; A. F. RuDORFF, Ueber den Processus iuris des Johannes Andreae, Zs.f. geschichtl. Rechtswissenschaft 11 (1842) 99-109; L. ROCKINGER, Über einen ordo iudiciarius, bisher dem Johannes Andrea zugeschrieben, München 1855; ders. (Hg.), Briefsteller u. Formelbücher des 11. bis 14. Jh.s (Quellen u. Erörterungen z. bayer. u. dt. Gesch. 9,1—2), 1863/ 64 (Neudr. 1961); R. STINTZING, Gesch. der populären Lit. des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland am Ende des 15. und im Anfang des 16. Jh.s, 1876 (Neudr. 1959), S. 202-220; L. WAHRMUND, Der parvus Ordinarius, Arch. f. kath. Kirchenrecht 81 (1901) 3-37; O. RIEDNER, Das Speierer Offizialatsgericht im 13. Jh., Mitt. d. Hist. Ver. d. Pfalz 29/30 (1907) 1-107, hier S. 43-60; ders., Die geistlichen Gerichtshöfe zu Speyer im MA, Bd. II, 1915; W. STAMMLER, Popularjurisprudenz u. Sprachgesch. im 15. Jh., in: ders., Kleine Schriften zur Sprachgesch., 1954, S. 13-18; A. H. BENNA, Jurisprudentia medii aevi: Eine Hs. der dt. Bearbeitung des Ordo Antequam', Mitt. d. österr. Staatsarchivs, Ergänzungen B. II l (1949) 527— 537; P. GERBENZON, Excerpta legum. Onderzoekingen betreffende enkele Friese rechtsboeken uit de vijftiende eeuw, Groningen 1956; H. COING, Römisches Recht in Deutschland (lus Romanum Medii Aevi V 6), Mailand 1964, S. 148 f.; B. H. D. HERMESDORF, Römisches Recht in den Niederlanden (lus Romanum Medii Aevi V 5 a), Mailand 1968; G. DOLEZALEK, Verzeichnis der Hss. zum römischen Recht, Bd. 3—4, 1972 [nicht paginiert]; K. W. NÖRR, Die Lit. zum gemeinen Zivilprozeß, in: H. COING (Hg.), Hdb. der Quellen u. Lit. der neueren europäischen Privatrechtsgesch., 1. Bd.: Mittelalter (1100-1500). Die gelehrten Rechte u. die Gesetzgebung, 1973, S. 382-397; K. KROESCHELL, Dt. Rechtsgesch., Bd. 2 (1250-1650), 1973, S. 49-51; R. FRAHER, Tancred's 'Summula de criminibus': A New Text and a Key to the Ordo iudiciarius, Bulletin of Medieval Canon Law 9 (1979) 23-35; G. BRINKHUS, eine bayerische Fürstenspiegelkompilation des 15. Jh.s. Unters, u. Textausg., 1978, S. 35; H. ULMSCHNEIDER, Die Rezeption dt. kanonistischer Lit. durch mal. Rechtsbücher. Zur Wirkungsgesch. der 'Rechtssumme' Bruder Bertholds u. des Buchs der Tugenden, in: M. HAMM/ H. ULMSCHNEIDER (Hgg.), Die 'Rechtssumme' Bruder Bertholds. Eine dt. abecedarische Bearbeitung der 'Summa Confessorum' des Johannes von Freiburg, Unters. I, 1980, S. 143-259, hier S. 153 f, 180 f; L. FOWLER-MAGERL, Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius. Begriff u. Literaturgattung, 1984; M. HAMM/ H. ULMSCHNEIDER, Übersetzungsintention u. Gebrauchsfunktion. Die 'Rechtssumme' Bruder Bertholds im Kontext volkssprachlich-kanonistischer Rechtslit., in: K. RUH, Überlieferungsgeschichtl. Prosaforschung, 1985, S. 53 —

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88, hier S. 84 f.; L. FOWLER-MAGERL, Ordines iudiciarii and Libelli de ordine iudiciorum from the Middle of the Twelfth to the End of the Fifteenth Century (Typologie des sources du moyen age occidental, fasc. 63), Turnhout 1994; B. ROLL in: J. KNAPE/ B. ROLL (Hgg.), Rhetorica deutsch (Gratia 40), 2002, S. 289-318.

PETER JOHANEK Pseudo-Origenes, Predigt Maria stabat ad monumentum A. Verfasser. Als Urheber der in lat. Sprache überlieferten Predigt galt im MA überwiegend der griechische Kirchenvater Origenes (ca. 185/6, Alexandrien bis 253/4, Tyrus [?]). Von den 14 frühesten Hss. nennt eine -* Gregor den Großen als Verfasser (Verwechslung mit dessen 25. Homilie), vier tradieren den Text anonym, zwei schreiben ihn wohl fälschlich (WILMART) -» Anselm zu, alle anderen erklären Origenes zum Autor. Heute gilt, daß der Verfasser in Frankreich lebte, Benediktiner oder Zisterzienser war (fünf der frühesten Hss. sind zisterziensischen Ursprungs) und im späten 12. oder frühen 13. Jh. wirkte. Origenes kommt als Verfasser schon deshalb nicht in Frage, weil er die drei Frauen der Evangelien klar scheidet: die namenlose Prostituierte, die Jesus salbte (Lc7); Maria, die Schwester der Martha und des Lazarus ( 11, Lc 10); und schließlich Maria Magdalena, der Jesus sieben Teufel austrieb (Lc 8) und der er nach der Auferstehung als erster am Grab erschien (Io20). Die vorliegende Homilie folgt dagegen der Linie, die sich im christlichen Westen spätestens seit Gregor durchgesetzt hatte, und verschmilzt die drei Personen zu einer Figur. B. Die 'Homilia de Maria Magdalena'. Ü b e r l i e f e r u n g . Mehr als 130 Hss., die frühesten aus dem 13. Jh., eine davon aus der ersten Hälfte (Zusammenstellung bei McCALL). Neuere A u s g a b e n . F. COMBEFIS, Bibliotheca Patrum concionatoria, Bd. 5, Venedig 1749, S. 580-584 (Prologfassung); L. BOURGAIN, La Chaire Francaise au XIIe Siecle d'apres les Manuscrits, Paris 1879 (Nachdr. Genf 1973), S. 373-383

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Pseudo-Origenes

(ohne Prolog, unvollst.); A. PATERA, Hradecky Rukopis, Praha 1881, S. 438-449 (zur Hs. S. V-XI).

Zwei Fassungen: Prologlose Version mit dem Incipit Audivimus fratres Mariam ad monumentum foris stantem; Fassung mit Prolog: De presenti solemnitate locuturo. Der Evangelientext, der der Homilie zugrunde liegt (In illo tempore Maria stabat ad monumentum foris plorans) wird am Donnerstag nach Ostern gelesen; ursprünglich wurde der Homilientext wohl für diesen Tag konzipiert. Die Prologversion hingegen schafft die Möglichkeit, die Predigt auf den Festtag der Maria Magdalena zu legen; de presenti solemnitate, von deutschsprachigen Bearbeitern als gegenwertig hochzeit wiedergegeben, meinte dann den 22. Juli. Anders als bei Odo von Cluny wird nicht das Leben der Maria Magdalena (vgl. dazu die Legenden unter ->· 'Maria Magdalena') beschrieben; der Text konzentriert sich auf die Szene am Grab. Die Monologund Dialogstruktur der Predigt entwickelt sich aus dem biblischen Bericht: Marias Klage, die Frage der Engel, Marias Antwort, ihr innerer Monolog, die Begegnung mit Christus als Gärtner. Der Prediger als Erzähler und Sprecher nimmt regen Anteil an diesem inneren Geschehen: Er tröstet Maria, er reflektiert die Gründe Christi, der sich ihr entzieht, er spricht den Herrn an und macht sich zum Verteidiger Marias; er betont ihre Furchtlosigkeit und ihre Treue und versucht den Vorwurf der Affektbestimmtheit zu entkräften. Stärker als andere Autoren sieht er aber auch Maria Magdalenas Verzweiflung, die bis an die Grenze der Trostlosigkeit und Gottesferne führt. Die Predigt zeigt in ihrer schillernden, halb österlichen, halb karfreitäglichen Beurteilung der Magdalenenklage, wie intensiv das Paradox von Gottverlassenheit und Gottessehnsucht erfahren werden konnte (VON Moos). Aber Maria Magdalenas übergroße Liebe entschuldigt ihren scheinbaren Glaubenszweifel. Die Predigt besteht aus einer kurzen Einleitung, sechs einzelnen Szenen und den dazugehörigen Betrachtungen, sowie einem Schlußwort, das die moralische Ausdeutung des Ganzen noch einmal explizit

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zusammenfaßt. Die Einleitung verweist mit dem Feuer der Liebe auf den Zentralbegriff der Predigt. C. Deutsche Rezeption. Im Folgenden werden nur einläßliche Bearbeitungen des Textes genannt. Nicht berücksichtigt sind evtl. punktuelle Einflüsse bei den Magdalenenklagen und im Bereich des geistlichen Spiels.

I. Poetische Texte. 1. Im bald nach 1298 entstandenen Gedicht 'Der -»· Salden Hort' (vielleicht aus dem Basler Maria-Magdalenen-Kloster an den Steinen) wird in den vv. 9676—9904 auch die PS.-O.-Homilie wiedergegeben. Der Mut Maria Magdalenas erfährt gesteigerte Betonung, sie wird dadurch zur Heldin im Stil des höfischen Romans (v. 9859 ff.). Die Perspektive verschiebt sich dabei aus der verzweiflungsnahen Innenperspektive der trauernden Seele hin zur Außenperspektive (v. 9676 ff., 9690 ff.). 2. Genauer und unter explizitem Hinweis auf die Quelle (v. 3709 ff.) folgt -> Heinrich von Neustadt der Homilie ('Von Gottes Zukunft'; vom Beginn des 14. Jh.s). Man kann über weite Strecken fast von einer Versübersetzung sprechen. Aber auch hier werden theologische Reflexionen durch eine Beschreibung der äußeren Zeichen der Liebeskrankheit ersetzt. Die moraldidaktische Auslegung wird verstärkt: Nu merke, mensch, nu merke: I Din hertze in äugenden Sterke (v. 4115 ff.). 3. Die 'Bairische Magdalenenklage' (1035 vv., entstanden Ende des 13. Jh.s, bair. Raum, evtl. Regensburg) bietet eine geschickte, dabei quellentreue Übertragung der Homilie (-> 'Maria Magdalena', A. L). Programm des Textes ist es, Maria Magdalenas Trauer am Grab geradezu als vorbildhaft zu erweisen (KÜSTERS). Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 15225, lr-33r, l.H. 14. Jh. A u s g a b e n . G. Eis, Beitr. zur mhd. Legende u. Mystik (Germ. Stud. 161), 1935, S. 315-350; BOXLER, Nr. 8.33, S. 545-555.

II. Predigt. Als Beispiele für die Wirkungsgeschichte im Bereich der dt. Predigt (vgl. LÖSER) können vorläufig die Namen Meister -*

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Pseudo-Origenes

Eckhart und ->· Marquard von Lindau, im lat. Bereich Jan -» Milic von Kremsier stehen. Eckhart gibt in zwei dt. Predigten (DW II Nrn. 55 u. 56) den Inhalt der Homilie deutlich verkürzt wieder, unter Verschiebung der Auslegung weg von der Verteidigung der Affekte hin zu seinem zentralen Gedanken vom göttlichen Unum. Dennoch ist die Entdeckung von Eckharts Quelle von erheblicher Bedeutung für die Textkritik. Marquard stellt in einer dt. Predigt (Nr. 40 der Ausg. v. R. BLUMRICH, M. v. L., Dt. Predigten [TTG 34], 1994, S. 301 — 309) die wichtigsten Stationen des Magdalenen-Lebens vor und befaßt sich auf der Grundlage der Ps.-O.-Homilie ausführlich mit der Szene am Grab. Auch er wählt die Aspekte aus, die den Gedanken der Einheit mit Gott sunder mittel betonen. Als erster Rezipient benutzt er die Stelle zu einer Höherbewertung der vita contemplativa. Jan Milic gibt in einer lat., später durch Lienhart -*· Peuger (s. u.) ins Deutsche übertragenen Predigt (um 1372) unter genauer Angabe der Quelle den Text nahezu unverändert wieder, stellt ihm aber ein eigenes Prothema voran: mulier ista que valde mane vigilat ad te. Konkret wird dies dahin gedeutet, daß man den Gottesdienst nicht versäumen, sondern den Herrn früh mit andächtigem Gebet suchen solle. Milics Appell an sein Publikum, von einer Sünderin zu lernen, verbindet seine Predigt mit seinem Anliegen, 'gefallenen' Frauen in einer Prager Institution, die Maria Magdalena geweiht war, Schutz zu bieten. — Mit weiteren Rezeptionszeugnissen ist zu rechnen. III. Prosaübersetzungen. 1. Eine erste Übertragung findet sich im 'Maria-Magdalena-Libellus' (-* 'Maria Magdalena', B. V.), entstanden wohl noch im 14. Jh. in Nürnberg. Besonders gegen Ende der Passage aus der Ps.-O.-Homilie wird der Text spürbar erweitert. Die Übersetzung nimmt deutliche Anleihen bei der Terminologie der dt. Mystik. Ü b e r l i e f e r u n g . Bamberg, SB, Msc. Hist. 159, 53r-81r.

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A b d r u c k des 'Libellus': BOXLER, Nr. 8.3, S. 250-303, die P.s.-O.-Homilie S. 267-276 (ohne Identifizierung).

2. Heinrich -»· Hallers Übersetzung der Homilie (vor 1464) bleibt relativ nahe am Ausgangstext, in ainer schlechten gemainen teücz [...], die man dennoch tvol versten mag. Als Publikum hat Haller wohl die Laienbrüder seiner Kartause Allerengelberg im Südtiroler Schnals vor Augen. Ü b e r l i e f e r u n g . Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, cod. FB 1065, S. 284—307 (Übersetzungskonzept); Innsbruck, ÜB, cod. 979, 81 vb_ 90 va (Abschrift der Reinschrift). A b d r u c k e . BOXLER, Nr. 8.30, S. 512-523; E. BAUER, in: Die Kartäuser u. das Hl. Römische Reich, Bd. 3 (Analecta Cartusiana 140), Salzburg 1999, S. 1-61, dort S. 26-61 synopt. Abdruck von Konzept u. Abschrift.

3. Für die Laienbrüder im benediktinischen Kloster Melk übersetzte um 1450 Lienhart -> Peuger Milics Predigttext und Prothema in gut lesbares Deutsch. Besonders Milics Prothema wird unmittelbar auf die Lebenswirklichkeit der Melker Laienbrüder bezogen: das ist wider dy langen slaffer, dy predig vnd den dienst gots versawmen. Ü b e r l i e f e r u n g . Melk, Stiftsbibl., cod. 1865 (586; L 5), 171rb-176rb.

4. Die Lichtenthaler Schwester -> Regula zielt mit ihrer Übersetzung im 3. Viertel des 15. Jh.s auf die ungelerten, die das latin nit verstand. In ihrem -> 'Buch von den heiligen Mägden und Frauen' folgt dem Prolog als erstes 'Lebensbild' dasjenige der Maria Magdalena, eingeleitet durch die Übersetzung der Ps.-O.-Homilie. Regula übersetzt zwar für ihre Mitschwestern, aber dennoch sehr eng am lat. Text. So werden sogar die dort angesprochenen fratres mit O liebe brüedere wiedergegeben. A b d r u c k . BOXLER, Nr. 8.32, S. 537-544.

5. Mfrk. Übersetzung aus dem 16. Jh., sehr vorlagentreu. Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen B VI 2, 191rb-201va (-»· 'Maria Magdalena', B.XIL). A b d r u c k . BOXLER, Nr. 8.31, S. 524-536.

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Ortenburger Losbuch' — Ortolfische Anatomie'

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D. Europäische Rezeption. Es existieren Übersetzungen ins Französische, Italienische, Provenzalische (noch aus dem 13. Jh.), Portugiesische, Niederländische und Tschechische. Im 15. und 16. Jh. bildete der Text die Grundlage dreier englischer Magdalenenklagen. Der berühmteste Fall ist Chaucers verschollene Bearbeitung, von der wir aus einer Art Werkkatalog wissen: He made also, gon is a gret while, I Origenes upon the Maudeleyne. In der Neuzeit reicht die Rezeption bis zu Rainer Maria Rilke (vgl. LÖSER).

altdt. Hss. für die SB, Jb. Preuß. Kulturbesitz XXX, 1993 (1994) 247-280, hier S. 275-278; zuletzt P. J. BECKER/ E. OVERGAAUW (Hgg.), Aderlaß u. Seelentrost. Die Überl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. u. Inkunabeln [Ausstellungskatalog], 2003, S. 359-362 (Nr. 171), S. 373-375 (Nr. 178).

L i t e r a t u r . C. CHABANEAU, Sainte Marie Madeleine dans la litterature provenjale, Revue des Langues Romanes 24 (1883) 53-63; A. WILMART, Les Homelies attribuees ä S. Anselme, Archives d'histoire doctrinale et litteraire du Moyen Age II (1927) 23 f.; H. HANSEL, Die Quelle der bayr. Magdalenenklage, ZfdPh 62 (1937) 363-388; J. P. McCALL, Chaucer and the Pseudo Origen De Maria Magdalena: A Preliminary Study, Speculum 46 (1971) 491-509; P. VON Moos, Consolatio. Stud, zur mlat. Trostliteratur über den Tod u. zum Problem der christlichen Trauer, 1971/72, hier Bd. 3/ 2, S. 57, 183; G. SCHMITZ, Die Frauenklage. Stud, zur elegischen Verserzählung in der englischen Lit. des SpätMAs u. der Renaissance, 1984, S. 193 — 226; U. KÜSTERS, Maria Magdalena u. die Legitimität der Trauer. Zu den mhd. Magdalenenklagen, in: C. BRINKER u. a. (Hgg.), Contemplata aliis tradere. Stud, zum Verhältnis von Lit. u. Spiritualität (Fs. Alois M. Haas zum 60. Geb.), 1995, S. 175216; M. BOXLER, "ich bin ein predigerin und appostolorin". Die dt. Maria Magdalena-Legenden des MAs (1300-1550). Unters, u. Texte, 1996; F. LÖSER, Jan Milic in europäischer Tradition. Die Magdalenen-Predigt des PS.-O., in: D. FLIEGLER / V. BOK (Hgg.), Dt. Lit. des MAs in Böhmen u. über Böhmen, 2001, S. 225-246.

Ortenstein, Hans [Nachtr.]

FREIMUT LÖSER Ortenburger astronomisches Handbuch' entfällt (gehört zu den Heften und Blättern, die bereits unter -» Ortenburger Losbuch' bzw. -> Ortenburger Prognostiker [Bd. 7 u. NB] vorgestellt werden).

Ortenburger Prognostiker [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 52 Überl.: "Ehem. Gräfl. Ortenburgische Bibl. auf Schloß Tambach ..." korr.: Die Hss. sind jetzt in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 384a-i. Vgl. Lit. wie oben unter -> Ortenburger Losbuch'.

Bd. 7, Sp. 55 Überl.: "Drei Drucke" korr.: "Vier Drucke". Ebd. ergänze: d. Zweibrücken, J. Geßler [1492], Ex. Rastatt, Bibl. d. Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums, F. 10 (10). Ebd. ergänze: Literatur. E. ADERLASSNIG, Der Zeitungscharakter nachrichtendominanter Wiener Massendruckschriften. Seine Ausprägung u. seine Weiterentwicklung zwischen 1492 u. 1570, Diss. Wien (masch.) 1980, S. 32-62. Hinweis F. Schanze.

Ortolf von Baierland [Korr.] Bd. 7, Sp. 69 oben: "Eine kritische Ausgabe ... ist in Vorbereitung ..." korr.: Die Ausgabe ist bisher nicht erschienen. Sp. 76, 2. petit-Absatz: "G. HEULER/ G. KEIL/ J. MAYER, Verzeichnis bisher nachgewiesener O.Hss., ..., 1987; G. KEIL, Vorläufiges zu den O.Drucken, ebd." korr.: Diese Arbeiten sind bisher nicht erschienen.

Ortolfische Anatomie' Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 644 (2. Drittel 15. Jh., ostfrk.), 132r-134r. Ausgabe. K. SUDHOFF / CH. FERCKEL, Ein weiterer anatomischer Text in dt. Sprache aus d. Mitte des 15.Jh.s, Sudhoffs Arch. 7 (1914) 319-322, hier S. 320-322 (fehlerhaft).

Anatomischer Kurztraktat, dessen Verfasser den Stil -> Ortolfs von Baierland 'Ortenburger Losbuch' [Nachtr.j imitierte und kurze Versatzstücke aus den Kapiteln 7—11 sowie 32 des 'Arzneibuchs' Bd. 7, Sp. 49 f.: "Ehem. Gräfl. Ortenburgische übernahm. Wie der Würzburger Chirologe Bibl. auf Schloß Tambach ..., Perg.hs." korr.: Die Hs. ist jetzt in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 386. Vgl. akzentuiert er die 'Hauptglieder' (membra P. J. BECKER/ T. BRANDIS, Eine Slg. von vierzig principalia), deren jeweilige Erkrankung

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Osnabrücker OsterspieP — Österreichischer Bibelübersetzer

anhand topographisch charakteristischer Schmerzen er zu diagnostizieren lehrt. Er kennt die Schriften Konstantins von Afrika, benutzt die Toletaner Übersetzung des 'Liber Almansoris' von Rhases, greift auf Vindizian zurück (-» Vindicianus) und kennt darüber hinaus frühmal. Kleinschriften ('Trierer Rezepte'). Im Schlußkapitel schlägt theologischer Einfluß durch. Charakteristische Formeln wie Man sol mercken und Man sol wissen deuten darauf hin, daß die . A.' wie Ortolfs 'Arzneibuch' für den Unterricht bestimmt war. Vielleicht stammt sie aus einer der Würzburger Schulen. G. KEIL Osnabrücker OsterspieP [Korr.] Bd. 7, Sp. 89 Überl.: "Osnabrück, Archiv des Bischöflichen Generalvikariats, Hs. Gertrudenberg l" korr.:..., Bischöfliches Archiv,.... Vgl. Hss. in Osnabrück, beschrieben v. U. KÜHNE, B. TÖNNIES, A. HAUCAP (Mal. Hss. in Niedersachsen. Kurzkatalog 2), 1993, S. 51.

Österreicher, Heinrich [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 110 f.: CH. BERTELSMEIER-KIERST, 'Griseldis' in Deutschland, 1988, S. 184, erwog versuchsweise die Identität H. Ö.s mit -> Arigo [NB], dem Übersetzer von Boccaccios 'Decamerone'.

Österreichischer Anonymus ('Geschrift und Weisung für die Fahrt zum Hl. Grab') -» Bassenhaimer, Johannes [Bd. l u. NB] Österreichischer Bibelübersetzer (um 1330) I. Ein historisch noch nicht nachgewiesener Anonymus hat in der ersten Hälfte des 14. Jh.s in Österreich, genauer: wohl im Herzogtum Österreich, ein Corpus von Texten verfaßt, die vielfältig — durch Selbstzitate, Gedankengut, Stil — vernetzt sind und erstmals von BERGELER als 'dt. Bibelwerk' und 'kleine Schriften' -» Heinrichs von Mügeln zusammengeführt wurden. Die Zuschreibung an Mügeln muß aufgegeben werden (s. zu A.2.); ob ein -»Wolfhart an seine Stelle tritt, ist ungewiß (s. A.5.). BERGELERS Corpus wurde erwei-

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tert (A.3., A.6., A.7., B.1./2., B.9.), und Zuwachs ist zu erwarten. Der folgende Artikel schreibt die Artikel zu B.3., B.9., A.5., A.I., B.4./1.—2. fort und kann Autor und CEuvre noch keineswegs verläßlich skizzieren. Die Schaffenszeit des Ö. B. begann vielleicht schon kurz nach der Jahrhundertwende und reichte evtl. noch über die Jahrhundertmitte hinaus; Angelpunkt der Datierung ist das Jahr 1330 (s. A.5.). Nach Österreich weisen Ortsnamen-Nennungen, Quellen und Wortschatz. Die erhaltene Überlieferung setzt um 1340 ein (A.5.; s. a. A.2.) und konzentriert sich in Österreich, mit Ausläufern nach Norden und nach Westen; das gilt insbes. für den wirkungsmächtigen 'Psalmenkommentar' (A.2.). Der Anonymus war nach eigenem Bekunden Laie — 'sei es in der Welt oder im Kloster' (KNAPP, 1999, S. 222) -, kein studierter Theologe, nicht befugt zu predigen. Er will sich nicht zu den litterati rechnen, muß jedoch in seiner Heimat eine solide Ausbildung genossen haben und war imstande, nicht nur lat. Schriften zu übersetzen und zu bearbeiten, sondern selbständig mit einschlägigen Kommentaren u. ä. umzugehen. Wiederholt beruft er sich auf die Inspiration durch den Hl. Geist, ebenso indes auf Hilfe und Rat wolgelerter oder geistleicher und gelerter leute (viri idonei, periti, docti, doctores). Letzteres dürfte mehr als eine Absicherung gegen den Verdacht der Häresie sein: Dem nirgends näher definierten Kreis — manches deutet auf Franziskaner — wird er Neuerscheinungen wie die Psalmenpostille des Lyranus, Argumente für die Verteidigung seiner Arbeit gegenüber Theologen und Kenntnisse über die aktuelle religiöse Praxis von Laien in Paris und Italien (falls er nicht selbst dort war) verdanken. Von diesen gelerten leuten mag auch der Anstoß gekommen sein, Teile der Hl. Schrift — zunächst die vier Evangelien — für nicht des Lateins kundige Laien (und simplices litteratil) zu übertragen und auszulegen. Zuvor hatte der Ö. B. wohl bereits mehrere Schriften über Themen, die seine Zeit und Umgebung bewegten, vorgelegt. Vornehme Laien, die ungenannt bleiben (herren;

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Österreichischer Bibelübersetzer

magnifici et potentes, nobiles), scheinen zumindest später seine Förderer gewesen zu sein. 'Das Auftreten von Häresien und Ketzerverfolgungen in Österreich bildet den zeitgeschichtlichen Hintergrund für das Bibelwerk des Anonymus' (LöSER/STÖLLiNGER-LöSER, 1989, S. 253), wie er selbst in seiner lat. Verteidigungsschrift (A.7.) bezeugt. Er weiß von älteren -» EvangelienÜbertragungen [Bd. 2 u. NB] und sogar dt. Vollbibel(n). Von den meist erst im 15. Jh. überlieferten dt. Vollbibeln wird zur Zeit des Ö. B. zumindest die -»· 'Wien-Zürcher Bibel' (vertreten durch das frühe 'Ezechiel'Frgm.) vorgelegen haben (vgl. auch -> 'Marburg-Kasseler Bibelfragmente' [NB]). Seinerseits nach und nach ein vollständiges dt. Äquivalent der Vulgata zu schaffen, hat er kaum beabsichtigt; der Umgang mit der Quelle ist recht unterschiedlich. Wichtiger war es, die für die Laien ausgewählten Teile nicht bloß in ein meist flüssiges Deutsch zu übertragen, sondern sie mit einer bedeutnus zu versehen, einer begleitenden Glossierung, in der die Abwehr von Irrlehren der Ketzer, der Juden und 'falschen Philosophen' und die Pflicht des Klerus, den Gläubigen die Hl. Schrift zu 'öffnen', großen Raum einnehmen. Schon in den Traktaten spielt beides eine herausragende Rolle. Die Schärfe der Contra-Judaeos-Äußerungen hat KNAPP 1999 betont; vgl. dazu jetzt NIESNER, 2002. Allem Anschein nach eröffnet der Ö. B. — als Laie, wenn auch mit gelehrter Rükkendeckung — im 14. Jh. die spätmal. Verteidigung der Bibel für Laien, eine Generation vor dem -» Bijbelvertaler van 1360 OCart (?) [NB], der ihm in mancher Hinsicht vergleichbar ist. Vgl. LÖSER/STÖLLINGER-LÖSER, 1989, bes. S. 256-259. Vordringliche Aufgabe der Forschung ist es, die unedierten Texte des Ö. B. zugänglich zu machen, das Gesamtcorpus in seinem inneren Zusammenhang zu erschließen und aus einer genauen Analyse der Quellen und der Überlieferung den 'Sitz im Leben' seines Bibelwerks zu konkretisieren. Verblüffend ist die Nähe zu -» Heinrich dem Teichner (LÖSER, 1991, S. 140148). Ähnliche Positionen vertreten später,

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als Kleriker, Johannes -»· Bischoff, -»· Simon von Ruckersburg, -» Ulrich von Pottenstein (RoTH). Einen Traktat des Ö. B. (B.3.) hat nach anderthalb Jahrhunderten Michel -»· Beheim als Grundlage eines Liederzyklus verwendet. II. Die relative Chronologie der dem Ö. B. zugeschriebenen Texte ist noch nicht durchgängig gesichert. Die Teilübersetzungen der Bibel sind i. F. entsprechend der Vulgata geordnet, die Traktate nach ihrer Corpusüberlieferung. A. Bibelübersetzungen (mit Auslegung). 1. -» 'Schlierbacher Altes Testament' ('SAT': Gn, Ex, Tb, lob und an der Spitze Dn in auszugsweiser, sparsam glossierter Übertragung; vgl. auch KNAPP, 1999, S. 229-232) mit den 'Vorreden I und (diese untersucht u. mit Kommentar hg. v. LÖSER/STÖLLINGER-LÖSER, 1989). Ein erst kürzlich entdecktes AT-Corpus von ca. 1380 mit Schriften des Ö. B. (KORNRUMPF, 2004) bietet die dritte, bisher älteste Vollüberlieferung des 'SAT' mit beiden Vorreden: Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. Ross. 694 (olim Lainz b. Wien, Jesuitenbibl., cod. X. 74), hier 9 va 86ra. Voran geht eine lat. Verteidigungsschrift (s. A.7.); es folgen ein Auszug aus der Erstfassung des 'KEW' (A.4.) sowie eine Prv- und Ec-Übersetzung (s. A.3.). Den Hiob des 'SAT' enthalten auch zwei bei KORNRUMPF, 1991, noch nicht genannte Hss. der Historienbibel III a/b in Privatbesitz bzw. in Giissing (Bibl. des Franziskanerklosters, cod. 1/45).

2. Der 'Psalmenkommentar' ('Psk') dürfte zu Lebzeiten des -» Nikolaus von Lyra OFM (f 1349) verfaßt sein und stellt damit ein frühes Zeugnis dt.sprachiger Rezeption seiner Psalmenpostille (11322, 2 1326) dar, die freilich kürzend und mit Zusätzen übertragen ist. — In der Regel wird der 'Psk' von einer Vorrede (A, B oder C) begleitet. Nicht ohne Kenntnis des 'Psk' (mit Vorrede B) scheint die dt. Version von Lyras Psalmenpostille in Leipzig, ÜB, Ms 59 (v. J. 1459, ostmd.) angefertigt worden zu sein. Im Gegensatz zum 'Psk' hält sich diese Übersetzung jedoch 'streng an die Vorlage' (BERGELER, 1937, S. 6).

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Österreichischer Bibelübersetzer

Ü b e r l i e f e r u n g . 60 (RATCLIFFE, 1965: 41) hs.liehe Textzeugen, teils Frgm.e ('Leobener Frgm.': Graz, Steiermarkisch.es Landesarchiv, FG 10), Exzerpte oder der Text ohne die glosa, öfter mit Beigaben (Register, Cantica usw.); 2 Drucke (ca. 1478, 1504). Entlehnt wurden für andere Psalmenübersetzungen Vorrede C (3 Hss., darunter Innsbruck, ÜB, cod. 631) u. die Psalmenüberschriften (mindestens l Hs., frgm.). Übersicht über die bei RATCLIFFE noch nicht erwähnten Textzeugen in Vorber. Davon seien hervorgehoben: Altenburg (Niederösterr.), Stiftsbibl., cod. AB 15 B 8 (v. J. 1418); Altenburg (Thür.), Thüringisches Staatsarchiv, Sammlung Z, Nr. 290 (Frgm.); Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 2° 34 (SCHNEIDER, Augsburg, S. 214: 'um 1400'); Krumau (Cesky Krumlov), Zweigstelle des Staatl. Archivs Wittingau (Tfebon), o. S. (Frgm.). A u s g a b e n . Ratcliffes Ausg. ist noch nicht erschienen. — Teilausg.n u. -abdrucke (Auswahl): Vorreden A, B, C: RATCLIFFE, 1965, S. 49-59; Bußpsalmen mit Überschrift u. Kommentar (Ps 6, 31, 37, 50, 101, 129, 142): H. VOLLMER, in: BdK 2, 1932, S. 17(-)96; PS 21, 22 mit Überschrift u. Kommentar (Ilfelder Hs.): FREYER, 1873; Altenburger Frgm.: HASE, 1867; Krumauer Frgm.: / GÄRTNER, 1992 (mit Abb.); 'Leobener Frgm.': KiBELKA/HILGERS, 1970. Vgl. auch die Drucke HAIN 13508 u. VD 16, B 3268. - Vorrede C (aus fremdem Kontext): H. VOLLMER, in: BdK 3, 1933, S. 45-48, vgl. S. l, 9, 40; Überschriften (mit fremdem Kontext): ANDRASCHEK-HOLZER, 1994b. — Leipzig, Ms 59: BERGELER, 1937, S. 6-8 (Überschrift zu PS 80); J. ERBEN, Ostmd. Chrestomathie, 1961, S. 123-132 (Ps 6 mit Überschrift zu PS 7, PS 22 mit Überschrift zu Ps 23, Ps41); vgl. H. VOLLMER, in: BdK 8, 1938, S. 159-161.

Ins zweite Drittel des 14. Jh.s setzt K. Schneider das Krumauer Frgm. (s. / GÄRTNER, S. 291); ähnlich alt dürfte das 'Leobener Frgm.' sein. Die älteste vollständige Hs. (Rein, Stiftsbibl., cod. 204) ist 1372 geschrieben, der vorgeschaltete Kalender (-> Wurmprecht) 1373 in Wien. Nur der Reiner Codex nennt als Übersetzer den getrewen Mann Hainreichen vom Mugellein. Sonst wird der Tsk' wie die meisten ->· Psalmenübersetzungen (spätmal., dt. und ndl.) anonym überliefert, oder es wird (in Vorrede B) Nikolaus von Lyra zum Übersetzer erklärt. Die Forschung hat den getrewen Mann mit ->· Heinrich von Mügeln identifiziert, bis 1983 GÄRTNER (2VL Bd. 4, Sp. 1256 f.) Zweifel anmeldete. Inzwischen wird der 'Psk' Mügeln definitiv

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abgesprochen (LÖSER, 2003; künftig auch KNAPP) . RATCLIFFE hat 1965 drei Hss.gruppen unterschieden: I — unterteilt in 1.1/I.2 (mit Vorrede A) und 1.3 (mit C) — sowie die Bearbeitungen II (mit B; hierzu gehören die Drucke) und III (mit A). RATCLIFFES Einschätzung von 1.1, wozu der Reiner Codex zählt, als archetypnächster Untergruppe bedarf möglicherweise der Revision: Vertreter von 1.3 (mit Vorrede C) waren bislang erst ab 1405 bekannt; nach kursorischen Vergleichen scheinen sich mir die frühen Fragmente zu 1.3 zu stellen, und die Vertreter von 1.1/I.2 scheinen demgegenüber auf einen korrupten Hyparchetyp zurückzugehen. Es könnte also die — nach RATCLIFFE sekundär aus A erweiterte — Vorrede C doch ursprünglich sein; Vorrede A wäre dann für *I.1/1.2 aus C verkürzt worden. Sowohl C [!] wie A erwähnen Nikolaus von Lyra im Präsens. In C bezieht sich der Übersetzer auf die eigene Tätigkeit zurück (s. A.7.). Die nur in C vorhandene Partie berührt sich in ihrem apologetischen Teil v. a. mit den 'Vorreden I und des 'SAT' (was früh bemerkt wurde) und ist zugleich der Hauptquelle des 'Psk', Lyras Psalmenpostille, und ihrer Praefatio verpflichtet (BERGELER, 1937, S. 30—37); hinzu kommen Bezüge zwischen C und dem 'Psk'. Der 'Psk' wiederum ist durch Parallelen mit den 'Vorreden I und , dem 'SAT' und dem 'KEW verknüpft (ebd., S. 12-30, 50 f.; LÖSER/STÖLLINGERLÖSER, 1989; LÖSER, 2003). Darüber hinaus stimmt die Übersetzung von Psalmen im 'Psk' und anderwärts, bes. im 'KEW, weitgehend überein (s. GÄRTNER, 1991 u. ö.). Der Wortlaut des 'Psk' wird von 'Vorrede vorausgesetzt; demnach ist der 'Psk' wohl vor 'Vorrede — und der zugehörigen Übertragung - entstanden (LÖSER, 2003). Nur in Hss. der Gruppen 1.1, 1.2 des 'Psk' und den Bearbeitungen ist den kommentierten Ps l — 15 und 73—76 sporadisch der sog. 'schlichte Text' vorangestellt (vgl. RATCLIFFE, 1965, S. 59-64), eine unglossierte Übersetzung wohl desselben Mannes, die näher beim lat. Text bleibt (GÄRTNER, 1991, S. 98 f.). RATCLIFFE vermutet, daß im Archetyp allen Psalmen ein 'schlichter Text' beigegeben war. Falls seine Auffassung der Textgeschichte modifiziert werden muß, stellt sich die Frage nach der Herkunft des 'schlichten Textes' in 1.1/I.2 neu. Ein Vergleich des Kommentars mit der Hauptquelle fehlt. Zu Tendenzen der Auswahl im Hinblick auf das anvisierte Laienpublikum vgl. WALTHER, Sp. 590 f.; BERGELER, 1937, S. 21. Eine Reihe aufschlußreicher Zusätze und Änderungen gegenüber Lyra hat BERGELER ebd. nachgewiesen, bes. S. 12—29, 50 f., 55, 61 (Nennung der Donau mit

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Österreichischer Bibelübersetzer

Krems, Wien und Regensburg zu PS 23,2); s. auch HENNIG, 1972, S. 146f., 157-164, HILGERS, 1979, S. 128.

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Die Erstfassung des 'KEW' blieb schlechter erhalten, war jedoch verbreiteter als die Bearbeitung; aktualisierende Angaben: KORNRUMPF, 2003 (hinzu kommt ein Exzerpt aus der Bearbeitung: Wien, cod. 2907 [Hs. W3], 136v-138r). Reste eines 24. Textzeugen hat F. Löser entdeckt (Veröff. in Vorber.). Nur zusammen mit der Erstfassung bzw. Auszügen daraus sind andere Werke des Ö. B.s überliefert: der 'Psk' mit Vorrede C (A.2., Hs. Scho; KORNRUMPF, 1991, S. 121 f.), s. ferner zu A.l., B.1./2., B.5.—9. Eventuell sind weitere den Exzerpten benachbarte Texte (-> 'Sermo de corpore Christi', ->· 'Lehre vom Haushaben' II.1.) dem Ö. B. zuzuschreiben.

3. Von intensivem Umgang mit den -» Salomonischen Schriften [NB] (ohne das 'Hohelied') zeugen eine Traktatgruppe (s. zu B.5.-9.) und 'Vorrede des 'SAT' (A.L). Eine glossierte Übersetzung der 'Proverbia' und des 'Ecclesiastes' ist mit dem Codex Rossianus (s. A.l.) ans Licht gekommen, dort 123ra-197vb. Ein Frgm. des 14. Jh.s hat G. Hayer identifiziert (Veröff. in Vorber.). WALTHER kannte die ÜbersetUntersuchungen zur Gesamtkomposizung ohne glosa aus Dresden, LB-SB u. tion und zu Quellenfragen müßten von der ÜB, Mscr. M 208 (15. Jh.), lr-102v (mit Erstfassung ausgehen. Seinen EvangelienLücken) und hat sie für 'viel älter' gehal- text hat der Ö. B. selbständig erstellt (s. ten. BERGELER, 1937, S. 56), der lat. Verteidigungsschrift (A.7.) zufolge secundum conTextproben aus dem Cod. Ross.: KORNRUMPF, cordancias Ewangelistarum; und für die 2004. - Prv 1,1-10 und Ec 1,1-6 nach der DresGlossierung las er multas omelias et glosas dener Hs.: WALTHER, Sp. 542, vgl. Sp. 541-545 (28. Zweig); H. VOLLMER, in: BdK 10, 1940, exposicionesque sanctorum et doctorum S. 45*. (ebd.). Auch die vorangegangene Arbeit an den Traktaten vom Antichrist und vom Vollständige Übersetzungen von 'SaJüngsten Gericht (B.3./4.) und die Beschäfpientia' und 'Jesus Sirach' bleiben noch tigung u. a. mit dem Sammelwerk des -> aufzufinden. Passauer Anonymus (B.3.; B.5., 6 a., 8.) 4. An eine Prophetenübersetzung dachte wirkten sich hier aus. Im Hinblick auf die BERGELER (1937, S. 61). Das 'KEW'-Flori- zahlreichen Contra-Judaeos-Äußerungen leg im Codex Rossianus (s. A.L), 86ra — hat jetzt NIESNER die Erstfassung gründ123ra. 197vb-203rb, kommt zumindest ei- lich analysiert (mit mehreren Inhaltsübernem glossierten 'Prophetenauszug' nahe, sichten). Die ergänzende Benutzung von da der Redaktor die Weissagungskapitel Apokryphen und Legenden begründet der bevorzugte. Ö. B. schon im Prolog zum 'KEW (in der Erstfassung außerdem zu Beginn des Pas5. Das -»· 'Klosterneuburger Evangelienwerk' ('KEW'; ergänzend -» Wolfhart) ist sionsteils). Daß er z. T. eine dt. Reimfasin GÄRTNERS Artikel und durch KNAPP sung zugrunde legte (-» Gundacker von Ju(1999, S. 221-229) in der zuerst um 1340 denburg [Bd. 3 u. NB], ->· Konrad von Fuüberlieferten Bearbeitung vorgestellt wor- ßesbrunnen [Bd. 5 u. NB]), sagt er nicht den, die vom Ö. B. selbst oder von einem explizit; Vertrautheit mit dt. Dichtung beDritten stammt. Die Existenz einer groß- kundet er aber durch seine Berufung auf -*· räumiger strukturierten, anders ordnenden Wolfram von Eschenbach (vgl. auch VÖLErstfassung habe ich 1991 bekanntge- KER, 1970, S. 14), -» Konrad von Würzburg macht (s. a. KORNRUMPF, 2003 und NIES- und -> Frauenlob in der lat. VerteidigungsNER, 2002); der systematische Vergleich schrift (A.7.) und eine Reimpaarrede über steht aus. Die Jahreszahl 330' im Text die huote der Frauen im Daniel des 'SAT' der Bearbeitung bezieht sich auf diese oder (A.l.). auf die unmittelbare Vorlage oder auf die Zu der von K.-E. Geith entdeckten Beziehung Erstfassung. Offen bleibt, ob der Name zwischen Gundackers 'Christi Hort' und dem — 'Wolfhart' schon im Archetyp der Erstfas- mehrfach selbständig, aber immer zusammen mit sung stand (und wenn ja, in welcher Funk- Exzerpten aus der Erstfassung überlieferten — tion). Schlußteil des 'KEW' s. zuletzt GEITH, 2000 (je-

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doch noch ohne Kenntnis von HOFFMANN, 1997, S. 295, 306-308). Ausg. (nach der Bearbeitung), zs. mit den -» 'Evangelium Nicodemi'-Partien: MASSER/SILLER, 1987, S. 396-444, hier S. 428 ff. Eine genauere Lokalisierung ermöglicht evtl. die 'für den Raum ungewöhnliche' Erwähnung des hl. Servatius (LÖSER, 2000, S. 313). In der Passionsglosse des 'KEW erläutert der Ö. B. zu Mt 26,73 (Petrus wird in Jerusalem an seiner rede als Galiläer erkannt): ... als Swaben vnd Payrn vnd Steyrer sind ainr sprach vnd helent doch mit der rede nicht gleich (Göttweig, cod. 222, 307va; Hinweis von W. Hebeda). — Die der Bearbeitung öfter beigegebenen Perikopenverzeichnisse sind kein fester Bestandteil des 'KEW und lassen sich lediglich als Indiz für den Gebrauchsumkreis der jeweiligen Hs. auswerten.

6. Aus der 'Apokalypse' hat der Ö. B. im 'Büchlein vom Antichrist' (B.3.) viele Passagen und Verse zitiert und glossiert. Nur eine von vier Hss. überliefert Kap. 10 und 12; nach VÖLKER (1970, S. 27) ein sekundärer Einschub, entsprechen sie vollkommen dem Stil des Anonymus (KORNRUMPF, 1991, S. 115 mit Anm. 4). Eventuell entstammen sie einer vollständigen Apo-Übersetzung des Ö. B. (LöSER/SröLLINGER-LÖSER, 1989, S. 248 Anm. 7). Weitere glossierte Kapitel und Versfolgen enthalten das 'Büchlein vom Jüngsten Gericht' (B.4.) und das 'KEW (A.5.). 7. Der Ö. B. hat sich im Prolog des 'KEW über Anlaß und Anlage seiner Übersetzung geäußert und die Laienbibel programmatisch in Vorrede C zum 'Psk' (A.2.), in 'Vorrede und 'Vorrede des 'SAT' (A.I.), im Prolog und Epilog zum Tobias des 'SAT' verteidigt. Seine Übersetzungsprinzipien erörtert er nicht. Die beiden mit dem 'SAT', jedoch 7mal auch separat bzw. in fremdem Zusammenhang überlieferten Verteidigungsschriften sind als Vorreden konzipiert; unsicher bleibt, für welche Übersetzungen sie ursprünglich bestimmt waren. 'Vorrede IP ist anläßlich der Wiederaufnahme der Übersetzungstätigkeit nach längerer Pause verfaßt, 'Vorrede P offenbar erst nach dem 'Psk' (s. A.2.). Erst, als der Ö. B. bereits ettleich tayl der Hl. Schrift für die Laien ze deutsch pracht hatte, hat er Vorrede C zum 'Psk' (Z. 15—17) und den Prolog zum Tobias des 'SAT' (LÖSER, 1991, S. 136) formuliert.

Eine lat. Verteidigungsschrift, die den Codex Rossianus eröffnet (s. A.I., l ra —

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9 rb ), ist in ihrem ersten Teil die unmittelbarste und facettenreichste Reaktion auf Angriffe, denen das 'KEW und sein LaienAutor seitens einer kleinen Gruppe von Theologen ausgesetzt war, und ist ganz auf diesen Kreis berechnet. Auf neuerliche Anfeindungen geraume Zeit später antwortet der Ö. B. dezidiert nur noch mit der Hl. Schrift (divine auctoritatibus pagine ... cupio respondere). Adressaten sind neben den gelehrten Gegnern die herren, deren Beifall sein Übersetzungswerk findet, und dessen Zielpublikum im weiteren Sinn. So erklärt sich, daß dieser Abschnitt eine dt. Parallelfassung in 'Vorrede des 'SAT' hat, die im Codex Rossianus direkt folgt. Vgl. KORNRUMPF, 2004, Abschnitt II. Ausg. in Vorber.

B. Traktate. a) Göttweig, cod. 222 (15. Jh.), überliefert innerhalb der Erstfassung des 'KEW zwei Traktate, die einzeln je l mal in Exzerpt-Hss. begegnen ('Von der -> Juden jrrsalP und weitere Contra-Judaeos-Traktate [NB] 3.a.b.; untersucht u. hg. v. NIESNER, 2002): 1. Traktat über die Feste der Juden und Christen (Terminus a quo evtl. 1323, s. NIESNER); 2. Übertragung der 'Disputatio Judaeorum contra Anastasium' des -» Paschalis von Rom (c). b) Wien, cod. 2846 (beendet 1478), bietet vor und nach der ->· 'Summa bonorum' (dt.) [NB] Traktate des Ö. B. Davon sind Nr. 3 sowie Nr. 5, 6 a, 8 dem Sammelwerk des -» Passauer Anonymus über Juden, Antichrist, Ketzer mit einem Anhang u. a. über heidnische Philosophen verpflichtet (PATSCHOVSKY, 1968; vgl. auch KNAPP, 1994, S. 170-172, und 1999, S. 218 f.) und vielleicht sämtlich vor dem 'KEW entstanden. 3./4. (l ra -53 ra ) Dem 'Büchlein vom -» Antichrist' (4 Hss. des 15. Jh.s; untersucht u. mit Anm. hg. v. VÖLKER, 1970) ist hier und in Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 189, Teil II, das 'Büchlein vom Jüngsten Gericht' beigesellt (unediert). — Vgl. A.6.

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Zum Zusammenhang beider Traktate VÖLKER, S. 26 f. Der Anonymus verweist im 'KEW auf sie (HENNIG, 1972, S. 290), auch bereits in der Erstfassung. — Aus dem 'Büchlein vom Jüngsten Gericht' übernimmt er Ez 37,1-14 (30rb-31ra) und lob 19,25-27 (31va-32ra) mit Glosse im 'KEW (vgl. BERGELER, 1944, S. 182-184, 181 f.). Den zweiten Passus greift er noch einmal im Hiob des 'SAT' auf (ebd. 1937, S. 48-50; LÖSER, 1991, S. 135).

5.—9. Diese Gruppe, auf die noch ein Exzerpt aus der Erstfassung des 'KEW (Hs. W2) und ein lat.-dt. -> 'Donat' [Bd. 2 u. NB] folgen, bildet offenbar die zweite Hälfte eines Ensembles, das mit Prv l, beginnt und in dem Auszüge aus den vier Salomonischen Weisheitsbüchern den meisten Raum einnehmen. Das geht aus einer älteren Hs. (in Privatbesitz, Verbleib noch nicht wieder ermittelt) hervor, die darüber hinaus ebenfalls Auszüge aus der Erstfassung des 'KEW enthält. Beidemal bricht die Traktatgruppe mitten im Satz ab; eine Vorstufe war also evtl. noch umfangreicher. Konzept und Gliederung der Sammlung werden vom Gesamtbestand her zu klären sein, ebenso das Verhältnis zur Prvund Ec-Übersetzung (A.3.); ein bloßes Florileg liegt nicht vor. Die vom Passauer Anonymus ausgehenden Texte (i. F. Nr. 5, 6 a, 8) wurden möglicherweise zuvor als separates Corpus überliefert. — An dieser Stelle kann nur über den Wiener Bestand berichtet werden.

5. (119ra-127va) 'Von der -» Juden jrrsall' [NB] 1. (untersucht u. hg. v. NIESNER, 2002). Vgl. KNAPP, 1999, S. 218-221. - Zu Michel -» Beheims Liederzyklus 227—234, der auf diesem Traktat beruht und nicht nach 1460 gedichtet ist (F. SCHANZE, Meisterliche Liedkunst I [MTU 82], 1983, S. 211), vgl. NIESNER.

6a/b. (127va-135ra) Von Philosophen, Ketzern, falschen Christen. Von 128vb an (6 b) überwiegen glossierte Verse aus Prv, EC, Sap, Sir. Zu 6 a vgl. PATSCHOVSKY, 1968, S. 14 Anm. 54. - Zu 6b: Vergleichstext zu 128vb-129ra und 130ra-13rn aus der Prv- und der Ec-Übersetzung (A.3.) bei KORNRUMPF, 2004; zum zweiten Passus vgl. auch den Kommentar zu 'Vorrede des 'SAT' bei LÖSER/STÖLLINGER-LÖSER, 1989, S. 301-303, 306 f.

7. (135ra-137rb) Von Träumen und falschen Traumdeutern, von Zauberern und

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Wahrsagern. Glossierte Verse aus Ec und Sir, aus Is und Prv. Is 47,11 — 15 mit Einleitung und Glosse ( 136 ra-vb) ist der Glosse zu Mt 16)1_12 im 'KEW entnommen; der Passus kehrt z. T. im Daniel des 'SAT' wieder. Vgl. BERGELER, 1944, S. 179-181 (ohne Einleitung und Schluß); 1937, S. 46-48.

8. (137rb-146va) Ketzertraktat. Vgl. HAUPT, 1902, mit Abdr. des Anfangs; PATSCHOVSKY, 1968, S. 14 Anm. 54; LÖSER/STÖLLINGER-LÖSER, 1989, S. 250 Anm. 21 (Ersetzung der Ybbs durch die Enns); NIESNER, 2002. — Ein verschollenes Frgm. des 14. Jh.s (LöSER, 2003) haben F. Löser und Ch. Stöllinger-Löser jetzt wiederentdeckt (Veröff. in Vorher.).

8 a. (146va-147ra) Berechtigte Kritik an vngefurten pfaffen macht Laien nicht zu Ketzern. Vgl. HAUPT, 1902, S. 188, mit Abdr. S. 190. Mit Nr. 8 a setzt eine lückenhafte Abschnittszählung 1-9 ein, die das 'KEW-Exzerpt 169va-184rb einbezieht; Überschriften sind nicht mehr eingetragen.

9. (147ra-169rb) Diese Partie, als 'christlich-paränetisch ausgerichteter FürstenspiegeP charakterisiert (-» 'Fürstenspiegel All hie ist mit fleiss ze mericken" [Bd. 2 u. NB]), versammelt in mehreren Abschnitten Verse mit Glossierung aus Sap, EC, bes. aber Sir und Prv zu den Pflichten der Machthaber, dann der Richter, über Geiz und Habgier, über Reichtum und Armut, über weise und tumbe Söhne und die Liebe zu den Eltern sowie Lehren des Vaters für den Sohn. Vgl. BERGELER, 1944, S. 182; SINGER, 1981, S. 58. - Zu Parallelen in 'Vorrede des 'SAT' vgl. LÖSER/STÖLLINGER-LÖSER, 1989, S. 248, 296 ff. Vergleichstext zu 151rh~va und 168vb-169rb aus der Ec- und der Prv-Übersetzung (A.3.) bei KORNRUMPF, 2004. L i t e r a t u r (nur soweit in Bd. l, Sp. 399; Bd. 2, Sp. 1026; Bd. 4, Sp. 1257 f.; Bd. 8, Sp. 726; Bd. 10, Sp. 1362f.; Bd. 11, Sp. 815 noch nicht genannt oder im Art. zit.). E. HASE, Bruchstück einer vorlutherischen dt. Psalmen-Uebers. u. Erklärung aus dem Kloster Roda, in: Mitth. d. Geschichts- u. Alterthumsforschenden Ges. d. Osterlandes Bd. 7, H. l, Altenburg 1867, S. 27-36; FREYER (Ilfeld), Über eine Hs., enthaltend Text u. Erklärung der Psalmen, Zs. f. d. ges. lutherische Theologie u. Kir-

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'Ostschwäbisches Briefformular'

ehe 34 (1873) 417-429; WALTHER, Bibelübers., bes. Sp. 541-545, 588-600; H. HAUPT, Ein dt. Traktat über die österr. Waldenser des 13. Jh.s, Zs. f. Kirchengesch. 23 (1902) 187-190; A. BERGELER, Das dt. Bibelwerk Heinrichs v. Mügeln, Diss. Berlin 1937; ders., Kleine Schr.n Heinrichs v. Mügeln im Cod. Vind. 2846, ZfdA 80 (1944) 177184; F. W. RATCLIFFE, The Psalm Translation of Heinrich v. Mügeln, Bulletin of The John Rylands Library 43 (1960-61) 426-451; ders., Die Psalmenübers. Heinrichs v. Mügeln: die Vorrede, der 'schlichte' Psalmentext u. Probleme einer Herausgabe, ZfdPh 84 (1965) 46-76; K. E. SCHÖNDORF, Die Tradition der dt. Psalmenübers. (Md. Forschungen 46), 1967, bes. S. 26, 56 f., 69, 78-83, 151; A. PATSCHOVSKY, Der Passauer Anonymus (Schriften d. MGH 22), 1968, S. 13-15 Anm. 54; P.-G. VÖLKER (Hg.), Vom Antichrist. Eine mhd. Bearbeitung des Passauer Anonymus (WPM 6), 1970; J. KIBELKA/ H. A. HILGERS, Unbeachtete Frgm.e v. Werken Heinrichs v. Mügeln im Sreiermärkischen Landesarch. 3. Aus der Psalmenauslegung, ZfdPh 89 (1970) 378-394; J. HENNIG, Chronologie der Werke Heinrichs v. Mügeln (Hamburger Phil. Stud. 27), 1972, bes. S. 135167, 276-291, dazu H. HILGERS, ZfdPh 98 (1979) 122-128; B. SINGER, Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus u. der Reformation, 1981; A. MASSER/ M. SILLER (Hgg.), Das Evangelium Nicodemi in spätmal, dt. Prosa (Germ. Bibl., 4. Reihe), 1987; F. LÖSER/ CH. STÖLLiNGER-LöSER, Verteidigung der Laienbibel. Zwei programmatische Vorreden des Ö. B. der 1. H. des 14. Jh.s, in: Überlieferungsgeschichtl. Editionen u. Stud, zur dt. Lit. des MAs. Fs. K. Ruh, hg. v. K. KUNZE u.a. (TTG31), 1989, S. 245-313; Dt. Bibelübers.n des MAs. Beitrr. eines Kolloquiums im Dt. Bibel-Archiv, unter Mitarb. v. N. HENKEL hg. v. H. REINITZER (Vestigia Bibliae 9/10), Bern usw. 1991 (darin die Beitrr. v. GÄRTNER, GÄRTNER/ SCHNELL, KORNRUMPF, LÖSER); V. / K. GÄRTNER, Frgm.e des Heinrich v. Mügeln zugeschriebenen Psalmenkommentars, PBB 114 (1992) 288305; K. GÄRTNER, Die erste dt. Bibel? Zum Bibelwerk des Ö. B. aus der 1. H. des 14. Jh.s. Mit zwei neuen Hss.funden ..., in: Wissenslit. im MA u. in der Frühen Neuzeit, hg. v. H. BRUNNER/ N. R. WOLF (Wissenslit. im MA 13), 1993, S. 273-295; R. ANDRASCHEK-HOLZER, Die Psalmenübers. im Cod. Altenb. AB 15 B l, in: ders. (Hg.), Benediktinerstift Altenburg 1144-1994 (Stud.Mitt.OSB, Erg.bd. 35), 1994, S. 195-214 (= 1994a); ders., Der Geras-Pernegger dt. Psalter aus dem 15. Jh. Text, Unters, u. kulturgeschichtl. Beurteilung (Stud. u. Forschungen aus d. Niederösterr. Inst. f. Landeskunde 19), Wien 1994 (= 1994 b); A. MENTZEL-REUTERS, oufsliessen deiner schrifte tor. Md. Biblizismus u. die Wenzelsbibel, in: Wolfram-

Stud. 13, 1994, S. 174-206; F. P. KNAPP, Die Lit. des Früh- u. HochMAs (Gesch. d. Lit. in Österreich 1), Graz 1994; ders., Die Lit. des SpätMAs I (ebd. 2,1), Graz 1999, bes. S. 215-233, 516 f.; W. J. HOFFMANN, The Gospel of Nicodemus in High German Literature of the Middle Ages, in: The Medieval Gospel of Nicodemus ... in Western Europe, ed. by Z. IZYDORCZYK, Tempe, Arizona 1997, S. 287-336; K.-E. GEITH, Die Pilatus-Veronika-Gesch. im 'KEW', in: Als das wissend die meister wol. Beitr. zur Darstellung u. Vermittlung v. Wissen ... Fs. W. Blank, hg. v. M. EHRENFEUCHTER u. a., 2000, S. 237-251; F. LÖSER, Dt. Bibelübers.n im 14. Jh. Zwölf Fragen, Jb. d. Oswald v. Wolkenstein Ges. 12 (2000) 311-323; CH. ROTH, Wie not des ist... Zum Predigtzyklus des Johannes Bischoff, ZfdA 130 (2001) 19-57, bes. S. 33-36; M. NIESNER, Wer mit Juden well disputiren. Dt.sprachige Adversus-Judaeos-Lit. des 14. Jh.s, Habil.schr. Heidelberg 2002; E. UKENA-BEST, Domine, memento mei — herre, nü erbarm dich. Die Lebensgesch. des rechten Schachers in Konrads v. Fußesbrunnen 'Kindheit Jesu' zw. lat. Quelle, lat. Adaptation u. dt. Prosaauflösung, in: Scripturus vitam. ... Fg. W. Berschin, hg. v. D. WALZ, 2002, S. 185—206; F. LÖSER, Heinrich v. Mügeln u. der Psalmenkommentar des 'Ö. B.', in: Magister et amicus. Fs. K. Gärtner, hg. v. V. / F. SHAW, Wien 2003, S. 687-706; G. KORNRUMPF, Das 'KEW' des Ö. B. Bemerkungen zur Erstfassung anhand v. Wülckers Frgm., ebd., S. 675—686; dies., Nova et vetera. Zum Bibelwerk des österr. Laien der 1. H. des 14. Jh.s, in: Metamorphosen der Bibel. Beitrr. zur Tagung 'Wirkungsgesch. der Bibel im dt.sprachigen MA' ... Trier, hg. v. R. PLATE u. a. (Vestigia Bibliae 24/25, 2002/03), Bern usw., 2004 (im Druck); F. P. KNAPP, Heinrich v. Mügeln u. der anonyme dt. Psalmenkommentar, in: ders., Die Lit. des SpätMAs II (Gesch. d. Lit. in Österreich 2,2), Graz, im Druck. — Noch in Vorber.: G. KORNRUMPF, Die Passionsglosse aus dem 'Evangelienwerk' des Ö. B.; W. HEBEDA, Das 'Leben Christi' des Ö. B., Diss. Eichstätt. - Für Hilfe und Hinweise danke ich U. Bodemann, R. Cermann, Ch. Glaßner, G. Hayer, Ch. und F. Löser sowie H. Reinitzer.

GISELA KORNRUMPF Ostschwäbisches Briefformular' Der Münchener cgm 655 enthält auf den Bll. 444ra-480rb in einer ostschwäb. Schreibsprache eine Folge von epistolographischen Instrumenten, die von ihrem Schreiber als zusammengehörig, als Teile einer Gebrauchseinheit betrachtet wurden: 1. (444 ra ~ rb ) Sammlung formelhafter stan-

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Leutpriester Oswald — Oswald von Anhausen

destypischer Attribute weltlicher und geistlicher Personen, die für Adressen (Superscriptiones) gebraucht werden (die merita in der Terminologie der spätmal. Ars dictaminis), 2. (444rb-445A) Beispielbrief, 3. (445rb-446ra) anleitende Hinweise für die Abfassung von Briefen, die mit verschiedenen Grußformeln (affectus nach der spätmal. Ars dictaminis) beginnen, zu einer eigentlichen Brieflehre aber nicht ansetzen, 4. (446 ra —480 rb ) eine Sammlung von Briefmustern (häufig als Forma bezeichnet) vornehmlich für geschäftliche Schreiben, Urkunden und Verträge. Das Briefformular dürfte nach den historischen Personen und den Ortsnamen, die in den Briefmustern auftreten, um oder bald nach 1400 im Nördlinger Raum zusammengestellt worden sein. Die Abschrift im cgm 655 ist im Explicit (480rb) auf 1427 datiert. A u s g a b e der Stücke 1—3 u. zweier Briefmuster (444ra_4 46 vb). j KNAPE/ . RoLL (Hgg.), Rhetorica deutsch. Rhetorikschriften des 15. Jh.s (Gratia 40), 2002, S. 43-52.

Eine zweite, z. T. aber gänzlich veränderte Überlieferung des . B.' bieten die Bll. 172ra-211v im 2° Cod. 260 a der SB u. StB Augsburg. Die Folge der Textsorten ist die gleiche wie im cgm 655. Die Brieflehre (3) erscheint in nur leicht veränderter Form. Die Sammlung der Briefmuster (4) jedoch stimmt nur zu Beginn mit der des cgm 655 überein, und die Formelsammlung (1) und der Beispielbrief (2) sind beide im ganzen verschieden. Die hier sehr reichhaltige Formelsammlung dürfte nach den in ihr auftretenden historischen Personen um 1440 oder wenig später verfaßt sein; unter den Briefmustern finden sich datierte aus den Jahren 1438-1443. Orte und Personen der Briefmuster weisen auf schwäbischen Ursprung hin, die Personenbeispiele der Formelsammlung sind dagegen eher württembergisch orientiert. Anscheinend war der Sammler/Schreiber in württembergischen Diensten (Bl. 174va: allen stetten meinß h[erren] von ivirtemberg). Die Rekonstruktion eines Ausgangstextes mag für die bescheidenen anleitenden Hinweise (3) angehen, für das gesamte Briefformular wäre der Versuch aussichts-

los und auch nicht sinnvoll. Textensembles wie dieses Briefformular haben stets nur eine zeitlich und örtlich sehr begrenzte Geltung und sind jederzeit für pragmatische Veränderungen ihrer Teile und deren vollständigen Austausch offen. L i t e r a t u r . K. SCHNEIDER, Die dt. Hss. der Bayer. SB München, Cgm 501-690, 1978, S. 334336; W. GEHET, Die Hss. der SB u. StB Augsburg. 2° Cod. 251-400 e (Hss.kataloge d. SB u. StB Augsburg 4), 1989, S. 6-10. F. J. WORSTBROCK

Leutpriester Oswald Weltgeistlicher am Straßburger ster, 15. Jh.

Mün-

Ü b e r l i e f e r u n g . Von O. überliefert die vermutlich aus dem Straßburger Dominikanerinnenkonvent St. Nikolaus in undis stammende Hs. Berlin, mgq 35, 23V-33V, eine Predigt über 16,23 f. Die Hs. stellt eine Sammlung von Predigten ausschließlich Straßburger Autoren (neben O. Bechthold -» Fil[l]inger, Meister -> Ingold [Wild], -> Heinrich von Offenburg, -» Hugo von Ehenheim, -> Erhard von Dürningen) dar, die zum Teil in der sog. Predigtsammlung der Agnes Sachs in Berlin, mgq 206 (vgl. SCHIEWER, S. 887 f.; s. auch -> Schoup, Johannes) parallel überliefert sind. A u s g a b e fehlt.

Hauptthema der Predigt ist das Gebet, das als Bitte um weltliches Gut, geistliches Gut (= Wort Gottes und die Sakramente) und himmlisches Gut (= ewige Seligkeit) aufgefaßt wird. Ausgehend von einer Deutung des Herrengebets, werden Einsichten in die angemessene Form des Gebetsinhalts, die richtige Gebetshaltung und die Situationen, in denen gebetet werden soll, vermittelt. In zum Teil allegorischer Auslegung beschließt eine Betrachtung zum Nutzen des Gebets die Predigt. L i t e r a t u r . L. PFLEGER, Zur Gesch. d. Predigerwesens in Straßburg, 1907, S. 67 f.; H.-J. SCHIEWER, German Sermons in the Middle Ages, in: The Sermon, directed by B. M. KIENZLE, Turnhout 2000,5.861-961.

JOCHEN CONZELMANN Oswald von Anhausen [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 129 f.: O. v. A. dürfte identisch sein mit dem Verf. der lat. Redaktion des Traktats -> 'Schwester Katrei'!

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'Ötenbacher Schwesternbuch'

'Ötenbacher Schwesternbuch', Fortsetzung Der 1994 entdeckte Fortsetzungsteil des -> 'Ötenbacher Schwesternbuchs' besteht aus den drei Viten der Ötenbacher Dominikanerinnen -» Elsbeth von Oye (wahrsch. 1289-1339), Adelheit von Freiburg (ca. 1275 — 1325) und Margarethe Stülinger (f 7. April 1449). Jede dieser umfangreichen, hinsichtlich ihrer Thematik höchst unterschiedlichen Viten war ursprünglich selbständig und wurde erst nachträglich an den in der 1. Hälfte des 14. Jh.s entstandenen Grundstock der Ötenbacher Nonnenviten angehängt. Damit wird deutlich, daß das 'Ö. Seh.', ausgehend von Viten des 13. Jh.s, über einen langen Zeitraum hinweg gewachsen ist und in der vorliegenden Form erst im 15. Jh. mit der von Johannes -»· Meyer [Bd. 6 u. NB] redigierten und ergänzten Fassung seinen Abschluß fand.

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Vita fügt sich damit gut in die Gesamtkonzeption des 'Ö. Seh.s', zu dessen übergreifenden Themen die Passion Christi gehört. Zur Überl. von Elsbeths OEuvre s. SCHNEIDERLASTIN, 1994, S. 53 f. (die frühere Forschung korrigierend). — Abdruck der Offenbarung über Meister -> Eckhart in ders., 1995, S. 210 (sicher echt, entgegen S. 209). — Elsbeths Vita wird rezipiert in Kap. 15 u. 16 von Heinrich -» Seuses 'Vita' (ed. BIHLMEYER, 1907, S. 39~41).

2. 'Leben der Adelheit von Freiburg' (33vb-63ra). In der 1. Hälfte des 14. Jh.s zumindest partienweise von einer oder mehreren Ötenbacher Schwestern (nach mündlichen oder schriftlichen Aussagen Adelheits?) verfaßte, mehrfach geschichtete Vita, die in ihrem ersten, eher biographisch-narrativen Teil das 'Vorleben' Adelheits als Begine auf dem Lande und als Magd im Kloster Adelhausen, im zweiten dagegen die spirituelÜ b e r l i e f e r u n g . Breslau (Wroclaw), ÜB, Ms. len Erlebnisse einer theologisch höchst IV F 194a [B] (aus St. Katharina in Nürnberg, um interessierten Ötenbacher Chorschwester 1460; Beschreibung s. SCHNEIDER-LASTIN, 1995), ra vb präsentiert. Hier zeigt sich eine von Elsl -81 . Es handelt sich dabei um die direkte beth verschiedene Form der GotteserfahFortsetzung des . Seh.s' in der ebenfalls in rung: Ging es bei dieser um eine GottesbeSt. Katharina entstandenen Zwillingshs. Nürnberg, StB, Cent. V, 10a [N], 118va-141va. N und B gegnung im Leiden, stehen jetzt theologiüberliefern zusammen die einzige erhaltene Absche Themen wie die Dreifaltigkeit, die schrift der Schwesternbücher-Sammlung des JoSchöpfung und die Menschwerdung Chrihannes Meyer, wobei die Bandgrenze mitten durch sti im Zentrum der göttlichen Offenbarundas . Seh.' verläuft. Die Auflösung des Nürnbergen. ger Konvents im 16. Jh. führte zur Trennung der Bände und damit auch der beiden Teile des Schwesternbuchs. Eine A u s g a b e des nunmehr kompletten Schwesternbuchs ist in Vorbereitung; Vorabedition der Adelheit-Vita bei SCHNEIDER-LASTIN, 2000.

1. 'Leben und Offenbarungen der Elsbeth von Oye' (l ra -33 vb ; die Vorrede dazu am Ende von N, 140rb-141va). Kurz nach Elsbeths Tod zu einer Vita zusammengefügte und nach Themen geordnete, den Wortlaut weitgehend bewahrende Kompilation ihrer Leidensschilderungen und Offenbarungen, die dem Redaktor, einem anonymen Dominikaner, in mehreren, mit einer Ausnahme heute verlorenen Aufzeichnungen der Autorin vorlagen. Inhaltlicher Schwerpunkt ist der körperliche und seelische Nachvollzug des Leidens Christi mit dem Ziel der völligen Gleichwerdung mit dem Gekreuzigten. Die

Bei der Kompilation und Montage der Vita fand offenbar auch Fremdmaterial Eingang, z. B. in Kap. XV ein Stück aus der Predigt Der wissage sprichet in dem saltere des -» Johannes von Sterngassen, vgl. SCHNEIDER-LASTIN, 2000, S. 524 f. u. 550 f.

3. 'Leben der Margarethe Stülinger' (64 va -81 vb ). Die den Schluß des 'Ö. Sch.s' bildende Vita wurde (zusammen mit einer vorgeschalteten 'Geistlichen Ermahnung', 63 ra — 64va) von Johannes Meyer während seiner Zeit als Beichtvater in Bern (1454-1458?) unter Mithilfe der dortigen Priorin -> Anna von Sissach [NB] verfaßt. Glaubt man seinen Ausführungen (81ra —81 va ), so hat er dabei Material verwendet, welches die Ötenbacher Schwestern in Ermangelung eigener Aufzeichnungen Margarethes nach deren Tod aufgeschrieben und ihm

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Otfrid von Weißenburg — Otloh von St. Emmeram

geschickt hatten. Die ganz im Sinne der dominikanischen Ordensreform des 15. Jh.s konzipierte Vita präsentiert Margarethe als Vorbild für besondere Frömmigkeit, Gehorsam und andere klösterliche Tugenden und damit als exemplarische Schwester der Observanz. Die Hinzufügung dieser 'neuen' Vita ist ein Beispiel dafür, wie Meyer die im 14. Jh. entstandenen Schwesternbücher für die Durchsetzung seiner Reformziele in den Frauenklöstern modifizierte und funktionalisierte. L i t e r a t u r . W. SCHNEIDER-LASTIN, Die Fortsetzung des Ö. Seh.s u. andere vermißte Texte in Breslau, ZfdA 124 (1995) 201-210; G. J. LEWIS, By Women, for Women, about Women. The SisterBooks of Fourteenth-century Germany, Toronto 1996, S. 25-28 u. passim; W. SCHNEIDER-LASTIN, Lit.Produktion u. Bibliothek in Oetenbach, in: B. HELBLING u. a. (Hgg.), Bettelorden, Bruderschaften u. Beginen in Zürich, Zürich 2002, S. 188 — 197; J. THALI, Gehorsam, Armut u. Nachfolge im Leiden. Zu den Leitthemen des 'Ö. Seh.s', in: ebd., S. 198-213. - Zu Elsbeth: P. OCHSENBEIN, Die Offenbarungen Elsbeths v. Oye als Dokument leidensfixierter Mystik, in: K. RUH (Hg.), Abendländische Mystik im MA. Symposion Kloster Engelberg 1984, 1986; W. SCHNEIDER-LASTIN, Das Handexemplar einer mal. Autorin. Zur Ed. der Offenbarungen Elsbeths v. Oye, editio 8 (1994) 53-70; M. GSELL, Das fließende Blut der Offenbarungen' Elsbeths v. Oye, in: W. HAUG/W. SCHNEIDER-LASTIN (Hgg.), Dt. Mystik im abendländischen Zusammenhang. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, 2000, S. 455-482. - Zu Adelheit: W. SCHNEIDERLASTIN, Von der Begine zur Chorschwester: Die Vita der Adelheit von Freiburg aus dem 'Ö. Seh.'. Textkritische Ed. mit Kommentar, in: ebd., S. 515—561.

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Otloh von St. Emmeram (Otloch, Otlohc, Othloch, Othlochus) OSB I n h a l t . A. Leben u. Persönlichkeit. - B. Werk. I. Prosaschriften. 1. Schriften zu theologischen Fragen, 2. Schriften zur Exegese, 3. Predigten, 4. Gebete, 5. Hagiographie, 6. Visionsliteratur, 7. Autobiographie, 8. Kollektaneen, 9. Verlorenes, 10. Zweifelhaftes. II. Carmina. 1. 'Libellus de doctrina spirituali', 2. 'Liber proverbiorum', 3. 'Sermo ad avaros', 4. 'Sermo ad clericos', 5. Kleinere Gedichte. III. O.s 'Gebet'. - C. O. als Schreiber. D. Nachleben. — E. Würdigung. — Literatur.

A. Leben und P e r s ö n l i c h k e i t . O.s Werke, v. a. der 'Liber visionum' und der 'Liber de temptatione', berichten über Erlebnisse und Ereignisse seines Lebens. Weil jedoch diese Schilderungen jeweils einem spirituellen Zweck dienen und nicht als Bausteine einer Vita gedacht waren, bleibt vieles, insbesondere die Chronologie, unsicher.

O. wurde vor 1010 als Kind einer begüterten bayerischen Familie geboren und erhielt seine erste schulische Ausbildung im Kloster Tegernsee. Hier dürften seine vortrefflichen Lateinkenntnisse, seine Leichtigkeit im Verfassen lat. Verse und seine Liebe zur klassischen Literatur grundgelegt worden sein. Vor allem aber entwickelte er hier seine besondere Begabung und Leidenschaft, die Schreibkunst, die ihm um 1024 eine Einladung an die Klosterschule Hersfeld und um 1030 einen Ruf nach Würzburg eintrug. Zur Zeit des Würzburger Aufenthalts war er bereits Kanoniker. Bei seiner herausragenden Begabung und WOLFRAM SCHNEIDER-LASTIN Ausbildung hätte der von den Eltern erhofften geistlichen Karriere, obwohl er Vater von Kindern war, nichts im Wege geOtfrid von Weißenburg [Nachtr./Korr.] standen, hätte er sich nicht mit dem einBd. 7, Sp. 179 zu H. Lit. ergänze: A. SCHWARZ, flußreichen Propst des Freisinger DomkaGlossen als Texte, PBB (Tüb.) 99 (1977) 25-36. pitels Werinhar überworfen. Der Streit esEbd. Zu III. Überl. ergänze: eine Abschrift von kalierte so sehr, daß O. 1032 nach RegensP durch Achilles Pirmin Gasser (von 1560) in burg flüchten mußte, wo ihm die Abtei Wien, Schottenstift, cod. 733 (Kat. HÜBL Nr. 605) St. Emmeram gastliche Aufnahme ge(Hinweis N. Henkel). Zu drei bis fünf verlorenen Otfrid-Hss. vgl. E. währte. Dort drängten ihn die Mönche HELLGARDT, ... der alten Teutschen spraach und zum Klostereintritt, zu dem er sich auch gotsforcht zuerlernen. Über Voraussetzungen u. auf Grund eines früheren Gelübdes verZiele der O.-Ausgabe des Matthias Flacius Illyricus pflichtet fühlte; doch zögerte er, den ent(Basel 1571), in: Fs. W. Haug u. B. Wachinger, scheidenden Schritt zu tun. Es fiel ihm 1992, Bd. l, S. 267-286, bes. S. 269-277. schwer, die gewohnte Lebensweise aufzuEbd. zu Überl.: "Bonn, ÜB, cod. 499" korr.: ... cod. S 499. geben, die Erwartungen seiner Eltern und

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Otloh von St. Emmeram

Verwandten zu enttäuschen und sich seiner Verantwortung gegenüber Frau und Kindern zu entziehen (... torquebar quod sie liquisse videbar l Caros et parvos — dictu miserabile — natos / [Et non] more patris providissem super ipsis — autographe Zusatzverse zu 'Doctrina' c. 17, v. 51 [PL 146, Sp. 282 A] in clm 14756, 137V, von PEZ, Thes. III 2, Sp. 456, übergangen). Physische und psychische Krankheiten (Depressionen, Lähmungserscheinungen, vielleicht auch Halluzinationen) veranlaßten ihn schließlich, die Mönchsgelübde abzulegen. Er wurde rasch Leiter der Klosterschule und empfing nach Erreichung des kanonischen Alters die Priesterweihe. Innerhalb des Klosters scheint er persönliche Beziehungen und Gedankenaustausch insbesondere mit dem geistesverwandten Propst -» Arnold und mit seinem Schüler ->· Wilhelm, dem späteren Abt von Hirsau, gepflegt zu haben. Eine Reise führte ihn nach Montecassino, um die 'Hierarchia caelestis' des PS. -> Dionysius Areopagita zu kopieren (BiscHOFF, 1967, S. 97); sie dürfte mit dem seit 1049/50 aufblühenden Emmeramer Dionysiuskult in Verbindung gestanden haben. In den 50er Jahren wurde O. Dekan der Mönchsgemeinschaft. Als solcher hatte er für die Disziplin im Kloster Sorge zu tragen, eine Aufgabe, die ihm v. a. dadurch erschwert wurde, daß Abt Reginward (1048-1060) die Zügel schleifen ließ ('Liber visionum', Ausg. SCHMIDT, 1989, S. 54,13-23). Dem von seiten Bischof Ottos (1061-1089) und der jüngeren Mitbrüder ausgeübten Druck weichend, begab er sich nach Fulda, wo er zwischen 1062 und 1066 vier glückliche, mit Schriftstellerei und Kopistentätigkeit ausgefüllte Jahre verbrachte (s. HEIKKILÄ, 1998). Zurückgerufen, hielt er sich noch ein Jahr im Kloster Amorbach auf, bevor er 1067 nach St. Emmeram zurückkehrte, wo er bis zum Jahr 1070 weiterhin eine reiche Tätigkeit als Autor und Kopist entfaltete. Er starb wohl bald danach an einem 23. November (vgl. DÜMMLER, 1895, S. 1071-1086). Wenn man O. vorwiegend mit Blick auf die Krisenjahre um 1032 beurteilt, könnte man versucht sein, in ihm einen Neuroti-

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ker zu sehen. Damit würde man ihm jedoch nicht gerecht. Von Haus aus war O. ein selbstbewußter, willensstarker, nach Anerkennung strebender Mensch, der aber auch für mitmenschliche Beziehungen offen und für alles Schöne empfänglich war — wie geschaffen für ein Leben in der Welt. Die aus dem Geist der Zeit geborene religiöse conversio verlief qualvoll, konnte ihn aber weder brechen noch seine Persönlichkeitsstruktur entscheidend verändern. Was sich änderte, waren nur die Bereiche, in denen er seine Persönlichkeit zur Entfaltung brachte. Sein Selbstbewußtsein manifestierte sich nunmehr im Kampf um die Rechte des Klosters und die Aufrechterhaltung der Disziplin ebenso wie in seiner eigenständig-unkonventionellen Theologie und Schriftauswertung; seine Willensstärke bewies er im lebenslangen unermüdlichen Kopieren von Büchern; Anerkennung suchte er für und durch seine Schriften, in deren Dienst er auch seine Verse und seine Fähigkeit stellte, eine sprachlich durchgefeilte Prosa zu verfassen (zu O.s Sprache und Stil s. BISCHOFF, 1943, Sp. 668; GÄBE, 1999, S. 97-99). O. war kein Genie, wohl aber ein Talent und ein Charakter. B. Werk. Obwohl O. in den Titeln seiner Schriften seinen Namen verschwieg und nur zwei seiner Schriften seinen Namen im Kontext enthalten ('De doctrina spirituali', Prolog, v. 55; 'Dialogus de III quaestionibus', c. 1), steht der Umfang seines CEuvres, von wenigen Unsicherheiten abgesehen (s. u. 1.5.1 u. 1.10), fest. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß O. gegen Ende seines Lebens eine detaillierte Beschreibung seiner Werke verfaßt hat (Tiber de temptatione', Ausg. GÄBE, S. 318 — 352), zum anderen darauf, daß nicht wenige von ihnen als Autographe oder als vom Autor korrigierte Abschriften auf uns gekommen sind. BISCHOFF, 1933a, gelang es, in mehr als 25 Hss. O.s Hand zu bestimmen und damit die Otloh-Forschung auf eine gesicherte Grundlage zu stellen. Insbesondere ist es seitdem möglich, im Vergleich der verschiedenen autographen

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Rezensionen desselben Werks O.s Arbeitstechnik zu analysieren und den Entstehungsprozeß seiner Schriften zu verfolgen.

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A u s g a b e n . PEZ, Thes. III 2, Sp. 141-247; PL 146, Sp. 59-131.

Die drei Fragen, auf die sich der Titel bezieht, sind die nach der Güte (pietas) I. P r o s a s c h r i f t e n . Gottes, seinen Ratschlüssen (indicia) und 1. S c h r i f t e n zu theologischen Fra- der Fähigkeit des Menschen, Gutes oder gen. Böses zu tun. Der Gesprächspartner HeinO.s Zugang zur Theologie ist nicht sy- rich formuliert die Zweifel, O. behebt sie stematisch, sondern persönlich-existenziell mit Argumenten aus der historia sacra und (SCHAUWECKER, 1963, S. 134-150). Er be- der Alltagserfahrung, gibt freilich zu, daß handelt die Probleme, die ihn in seiner es göttliche Ratschlüsse gibt, die rational Jugend am Glauben zweifeln ließen: Got- nicht erklärbar sind (iudicia occulta). Die tes Existenz, Gottes Gerechtigkeit/Güte, sich daran anschließende Deutung der Trimenschliche Willensfreiheit und Prädesti- nität aus der Symbolik der Zahlen l — nation, Inspiration der Hl. Schrift. Die 3 (4), die mystische Deutung der Zahlen Antworten auf diese quaestiones werden 4—10 und die Anwendung der musiktheoin einem argumentativen Verfahren (ra- retischen Harmonielehre auf harmonische tione) gesucht, freilich nicht mit Hilfe von Proportionen und Spannungsverhältnisse Begriffsanalysen und logischen Schlüssen im Bereich der menschlichen Gesellschaft (Dialektik), sondern mit Hilfe von Analo- und der Natur scheinen ursprünglich eine gieschlüssen (similitudines) aus der Hl. selbständige Abhandlung gebildet zu haSchrift und der Natur. O. ist noch weit ben — der Interlokutor Heinrich tritt entfernt von der gedanklichen Schärfe des kaum mehr in Erscheinung, und c. 23 nur wenig jüngeren -> Anselm von Canter- (PL 146, Sp. 103 AB) enthält Prologtopik bury, aber in dem offenen Aussprechen sei- —, wurden jedoch nach Ausweis des 'Liber ner intellektuellen Probleme und im Rin- de temptatione' (GÄBE, S. 328,16—21) von gen um deren Lösung ist er ein Zeuge des O. als Teil des 'Dialogue' betrachtet. Dagegeistigen Umbruchs des 11. Jh.s und der gen ist die bei PEZ und in der PL als c. 50 erste deutsche Theologe seit ->· Hrabanus des 'Dialogus' abgedruckte Proverbienslg. (s. u. II.2.D) abzutrennen (BISCHOFF, Maurus und seinen Schülern. 1936, S. 17 f.). a. ' D i a l o g u e de t r i b u s q u a e s t i o n i b. ' S u m m a d i c t o r u m de m y s t e r i i s bus' ('Dialogue'), ein um 1055 verfaßtes n u m e r i t e r n a r i i ' ('De mysteriis numeri Lehrgespräch über Theodizee, die hl. Dreiternarii'), eine kleine Slg. von Dreiereinfaltigkeit, Willensfreiheit und Zahlensym- heiten (Dreifaltigkeit, drei Heiligkeitsstubolik, basierend auf Unterhaltungen mit fen, Gegensätze, Prüfungen, Zeiten, göttlidem Reichenauer Mönch Heinrich, der che Sprechweisen, Tugenden), abgeschlos1054 und 1055 in St. Emmeram zu Gast sen von der Klage über die Undankbarkeit war. eines Schülers. Ü b e r l i e f e r u n g . Heiligenkreuz, Stiftsbibl., cod. 148, 12. Jh., 72va-101rb; Berlin, SBB-PK, Ms. lat. qu. 922, 12. Jh. (Kriegsverlust; ehemals Lambach, Stiftsbibl., Cml XCVII; enthielt f. lr-53r des Hieronymus und f. 53 V —85 V -> Alkuins Kommentar zu Ec, dann f. 86 r —143 den 'Dialogue', die 'Proverbia', den sog. 'Epilogus' und 'De mysteriis numeri ternarii' [frdl. Mitteilung B. Michael, SBBPK; BISCHOFF, 1936, S. 18 Anm. 9]); ehemals Lambach, Stiftsbibl., Cml LXXVII, 12. Jh. (Verbleib unbekannt; enthielt f. 1-52 -> Isidors [NB] 'Sententiae', f. 53 ff. 'Dialogus', 'Proverbia', 'Epilogus' und 'De mysteriis numeri ternarii').

Ü b e r l i e f e r u n g . Heiligenkreuz, Stiftsbibl., cod. 148, 12. Jh., 102rb-103rb; bezügl. der verschollenen Lambacher Überl.träger Cml LXXVII u. XCVII s. o. l.a ('Dialogus'). A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 247-250; PL 146, Sp. 133-136.

c. ' E x p l a n a t i o q u a l i t a t i s h o m i n u m i u x t a n u m e r i m y s t e r i u m ' , eine knappe zahlenmystische Abhandlung samt erläuterndem Schema über die Bedeutung der Zahlen l —12, worin den Zahlen mit

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dem Faktor 2 negative, den Zahlen mit dem Faktor 3 positive Wertigkeit zugemessen wird. Die Aufgabe des Menschen, dessen Grundzahl die 2 ist, besteht darin, zur 3 (Trinität, Engelschöre) aufzusteigen. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 109 v -lll r (Autograph). Ausgabe. DÜMMLER, 1895, S. 1100-1102. A b b i l d u n g . W. ARNDT / M. TANGL, Schrifttafeln zur Erlernung der lat. Paläographie,41, 1904, Taf. 19b, Sp. l (clm 14756, lll r ).

d. ' E p i s t o l a ad q u e n d a m a m i c u m n o s t r u m f a c t a ' ('Epistola ad amicum'), eine Spätschrift (1068—70), die das Thema des 'Dialogus' wieder aufnimmt: Warum läßt Gott das Übel/das Böse (malum) zu?

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der sichtbaren Welt Stärkung ihres Glaubens und Hinweise auf richtiges Handeln finden können. Ü b e r l i e f e r u n g . Cod. Amerbacensis (?) deperditus, vermutlich autograph (s. Ausg.n); München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., -16 (Autograph). A u s g a b e n . Text nach dem Codex deperditus u. d. T. 'De substantiis liber' bei J. HERWAGEN, Opera Bedae Venerabilis, Basel 1563, Bd. II, S. 302311 (sie!) (dazu BISCHOFF, 1933b, S. 175 f.), nachgedruckt in PL 90, Sp. 1113-1126; PEZ, Thes. III 2, Sp. 401—428 (mit hinzugefügter Kapiteleinteilung), nachgedruckt in PL 146, Sp. 243-262.

Nach einer praefatio klagt O. more prologi über den trostlosen Zustand von Kirche und Gesellschaft und leitet daraus die Aufgabe des 'Libellus manualis' ab, die Ler ser und Hörer (lectores et auditores) vom Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14490, 49 r 'Fleischlichen zum Geistigen, vom Sichtba51 . ren zum Unsichtbaren' zu führen (c. 1). A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 251-256; Dann deutet er Sonne, Feuer, Wasser als PL 146, Sp. 137-140. Hinzuzufügen sind die auf f. 5 das Werkchen abschließenden, in den Druck- Abbilder der Trinität (c. 2 f.), stellt Parabeln und Personen der Hl. Schrift als Beiausgaben übergangenen Dedikationsverse Ista met spiele vor Augen (c. 4 f.) und zeigt, wie die uilis, quia uos mea scripta petistis, l Sumite digKleriker die Laien lehren sollen, aus positinanter multorum iure magister. ven wie negativen Dingen und Erfahrun2. S c h r i f t e n zur Exegese. gen geistlichen Nutzen zu ziehen (c. 6—9). Mit seiner Schriftstellern verfolgt O. b. 'De c u r s u s p i r i t u a l i ' ('Cursus'), das Ziel, die Menschen ermahnend und eine Lehrschrift, wie die Hl. Schrift nutzunterweisend auf den Weg des Heils zu bringend zu 'lesen' ist, verfaßt in St. Emführen. Die Unterweisung in der doctrina meram zwischen 1068 und 1070, und zwar spiritualis besteht wesentlich darin, die vor dem 'Liber de temptatione'. Menschen zu lehren, die beiden Bücher der Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 18611, 2. H. Offenbarung, das Buch der Hl. Schrift und 11. und 15. Jh., lr-121v (f. l, 9V ab Z. 16, 12 f., das Buch der Natur, zu lesen und in ihnen Gottes Wesen, Wirken und Wollen zu er- 17f., 21-24, 27-109 autograph; die Folia 10f., 14-16, 19 f., 25 f., 110-121, 15. Jh., ergänzen die kennen. In diesem Sinne ist O.s gesamtes nach Niederschrift des clm 18611 eingetretenen Werk ein exegetisches, das freilich insofern Textverluste aus clm 14490 [GÄBE, S. 231]); clm aus der Tradition herausfällt, als es die Bü- 14490, 2. H. 11. Jh., 55V-155V (Reinschrift nach cher der Hl. Schrift nicht nach der Textab- clm 18611; f. 19—151 autograph); der 'autobiografolge durchgeht, sondern sprunghaft Stel- phische' Abschnitt (= c. 21—25) ist auch überlielen aushebt, die geeignet erscheinen, dem fert als 1. Tl. des 'Liber de temptatione': München, Menschen bei seiner Suche nach der wah- clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 62v-94r (autoren Erkenntnis und dem richtigen Weg zu graph); zudem sind Anfang und Schluß (= c. 1—3 überliefert in Zürich, Zentralbibl., C 57, helfen (SCHAUWECKER, 1963, S. 127-134). u. 26) r r a. 'Liber m a n u a l i s pro a m m o n i t i o n e c l e r i c o r u m et l a i c o r u m ' ('Liber manualis'), eine in der Fuldaer Zeit verfaßte Lehrschrift mit Beispielen, wie die Kleriker v. a. aus der Lektüre der Hl. Schrift, die Laien v. a. aus der Betrachtung

202 —210 (s. u. 3.c 'Sermo de cursu spirituali').

A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 257-398; PL 146, Sp. 139—242; der 'autobiographische' Teil bei GÄBE, S. 246,8-318,11.

Der Titel spielt an auf den 'Lauf um den Siegeskranz, zu dem der Apostel Pau-

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lus jeden Gläubigen auffordert (I Cor 9,24), und auf die Tätigkeit O.s als Autor, der die Wiese der Hl. Schrift durchläuft, um geistliche Blumen zu pflücken (c. 15 [PL 146, Sp. 192 AB] u. ö.), d.h. Schriftstellen auszuheben und zu erklären, die geeignet erscheinen, Glauben und Tugendeifer (studiosos mores] zu fördern. Bei der Auswahl der Texte berücksichtigt O. zwar die Bucheinteilung der Hl. Schrift: Pss (PL 146, Sp. 148-191), lob, Is, ler, Ez, Dan, Soph (Sp. 191-194), Evangelien (Sp. 194-213), aber innerhalb der Bücher ist der Zugriff thematisch ausgerichtet: Sprecher (Gottvater, Christus, Psalmist, Prophet), Sprechweisen (Lehre, Ermahnung, Trost, Tadel), Jesu Lehrweise (Beantwortung von Fragen, Parabeln), Nutzen der allegoretischen Exegese. Dieses Kernstück (c. 4—20) wird gerahmt von einem Prolog und Ausführungen über den Begriff cursus (c. 1 — 3) sowie von O.s Bericht über die teuflischen Versuchungen, die er erleiden mußte, als er sich ernsthaft dem Schriftstudium zuwandte (c. 21 — 25). Den Abschluß bildet eine Betrachtung über den 'Lauf des gläubigen Menschen, dem nach Bestehen der Prüfungen (temptationes] der Siegeslohn zuteil wird (c. 26).

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334,17), in dem O. zeigt, wie man die sichtbaren Dinge geistlich 'lesen' kann. Ü b e r l i e f e r u n g . Cod. Amerbacensis (?) deperditus, vermutlich autograph (s. Ausgaben); clm 14490, 2. H. 11. Jh., 164r-167v; Inc.: ... gratiam perducere solent; Expl. ... in eorum dispensatione sibi-... (autograph). In der Hs. fehlen ca. 10 Bll. vor und ca. 21 Bll. nach den erhaltenen 4 Bll. ( = PL 93, Sp. 1110C-1113C). Das Fehlende wurde als Bindematerial verbraucht. Ein aus clm 14512 ausgelöstes, beschnittenes Einzelbl. ist erhalten in clm 29469(1 (früher clm 29172). Vgl. H. HAUKE, Katalog d. lat. Frgm.e d. Bayer. SB München, Bd. 2, 2001, S. 443. Dagegen bewahrt der clm 14941, 15. Jh., 20 Fragmente des clm 14490 in situ auf: 19 Falze und das (beschnittene) hintere Schutzbl. Dessen Verso beginnt mit accensa candela, und endet mit paradytus Spiritus sanctus ( = PL 93, Sp. 1126 BC); das (stark beriebene) Recto beginnt: sie et ille qui und endet super quem requiescit Spiritus (= PL 93, Sp. 1126D-1127A). A u s g a b e n . J. HERWAGEN, Opera Bedae Venerabilis, Basel 1563, Bd. VIII, S. 1063-1088, nachgedruckt in PL 93, Sp. 1103-1128. Der vollständige Text von 'Quomodo legendum sit' ist nur in den Druckausgaben erhalten.

Die mit einem Prolog ausgestattete Schrift deutet nur durch ihre Anreden an die fratres charissimi und ihre Schlußdoxologie die Zugehörigkeit zur Gattung 'Sermo' an; insgesamt ist sie mehr eine Lehrschrift für geistliche Dingdeutung. 3. P r e d i g t e n . Auf die ersten fünf Vergleichsbeispiele (Ge'Das 11. Jh. begnügte sich im allge- rüst, Wasser, Sonne, Hofleben, Schmuck) meinen mit dem homiletischen Vorrat der folgt eine Reihe von 51 similitudines, die Väterzeit, den karolingische Autoren wei- stereotyp mit Sicut eingeleitet und anfängter vermehrt hatten. Es entstanden noch ei- lich breit ausgeführt sind, dann aber deutnige Patrocinienpredigten; die Übung, eine lich knapper werden. An sie schließt sich unterweisende oder schriftauslegende Pre- eine zweite Sicwi-Reihe an mit 53 kurzgedigt selbst zu verfassen, war dagegen fast faßten Vergleichen (similitudines sentengänzlich abhanden gekommen. Wenn O. es tiae brevioris). In einem erneut mit Vertat, war das etwas durchaus Ungewöhnli- gleichen durchsetzten Resümee fordert O. ches, und das Fehlen einer Kunst der Kan- die fratres charissimi auf, seine Methode zelberedsamkeit, die das 12. Jh. in hohem anzuwenden, bevor er mit TrinitätsgleichMaße pflegte, zeigt sich in der Verschie- nissen 'seinem geistlichen Gebäude das denheit seiner vier Predigten, deren Stil Dach aufsetzt' (PL 93, Sp. 1126 A). sich mit seiner aszetischen Schriftstellerei b. 'Sermo in n a t a l i A p o s t o l o r u m ' , berührt' (BISCHOFF, 1936, S. 18). eine Predigtskizze über die Auserwählta. ' Q u o m o d o l e g e n d u m sit in re- heit, die Taten und Wunder der Apostel bus v i s i b i l i b u s ' ('Quomodo legendum und Evangelisten. Auffällig, weil der Gatsit'), ein 1067 auf Bitten des Abtes für den tung Predigt fremd, ist die Insertion von Amorbacher Konvent verfaßter Sermo metrischen Versen in den Prosatext (s. u. ('Liber de temptatione', GÄBE, S. 332,24 —

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Ü b e r l i e f e r u n g . München, elm 14490, 2. H. 11. Jh., 19V-22V (Autograph). A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 537-544; PL 146, Sp. 337-340.

c. 'Sermo de c u r s u s p i r i t u a l ! ' , als Predigt firmierende Kombination des Anfangsteils (c. 1—3) mit dem Schlußteil (c. 26) des 'Cursus' (2.b), wobei die beiden Teile durch einige überleitende Sätze miteinander verbunden sind. Entstehungszeit 1068-1070. Ü b e r l i e f e r u n g . Zürich, Zentralbibl., C 57, 9. u. 2. H. 11. Jh., 202r-210r. Inc.: Vox apostolica; Expl.: que creditur esse perennis (f. 202r — 203V Z. 14, 204 r -208 r Z. 14, 209V Z. l f., 15 - 210r autograph). A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 261-269, 390-398; PL 146, Sp. 141 B-148 A, 236 B-242 C. Die Verbindungssätze sind abgedruckt bei BISCHOFF, 1936, S. 19.

d. 'Sermo q u a l i t e r possimus congregari in n o m i n e Domini', verfaßt nach 1063 (BISCHOFF, 1936, S. 19). Ü b e r l i e f e r u n g . Zürich, Zentralbibl., C 57, 9. u. 2. H. 11. Jh., 198v-202r (f. 198V - 199r Z. 13, 20 Z. 16 - 202r autograph; Korrekturen O.s auf f. 200r u. 201r). A u s g a b e . BISCHOFF, 1936, S. 19-23.

O. legt das Bibelzitat (Mt 18,20) aus als 'Sich-Zusammentun zu dem, was unserem Heil dient', und erklärt dann, worin das Heil besteht: Erkennen der eigenen Schuld, Reue, Bekehrung, Bekehrung anderer, Sich-Fügen in Gottes Ratschlüsse (indicia). 4. Gebete. a. O r a t i o c u i u s d a m p e c c a t o r i s ' ('Oratio'), eine Bitte um den Beistand Gottes und der Heiligen für den Beter, die Mitbrüder, geistliche und weltliche Obrigkeit, Verwandte und Wohltäter, das ganze christliche Volk und die Verstorbenen. Wie die Oratio metrica' (s. u. II.5.d) ist auch das Prosagebet in vier Fassungen unterschiedlicher Länge überliefert. Alle Textzeugen sind nach 1067 geschrieben, alle von O.s Hand. Von ihnen, denen WILHELM, Denkm., die Siglen A, C, D, E zugewiesen hat, ist D die jüngste Fassung, A die längste, D eng verwandt mit C und E.

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Die verschiedenen Fassungen stellen jedoch nicht Stufenfolgen einer Entwicklung dar, sondern sind Adaptationen an die Bedürfnisse unterschiedlicher Rezipienten und an unterschiedliche Gebrauchssituationen. Ü b e r l i e f e r u n g . Rez. A: München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., 158 -16 ; Rez. C: dieselbe Hs., 51r-54r; Rez. D: clm 14756, 2. H. 11. Jh., 101V106r (Tl. des 'Liber de temptatione'); Rez. E: clm 18937, 15. u. 2. H. 11. Jh., 256V-259V. A u s g a b e n . PEZ, Thes. I l, Sp. 421-426, und PL 146, Sp. 429-434 (Rez. A); WILHELM, Denkm. B, S. 4-10 (zit. [A, C, E]); GÄBE, S. 338,12-348,9 (zit. [D]).

Anders als etwa -» Gottschalks des Sachsen Verse ist O.s Gebet nicht der Aufschrei einer von Sündennot gequälten Seele, sondern ein Lehrstück, wie man beten soll (vgl. 'Liber de temptatione', GÄBE, S. 338,6—8). Anregung empfing O. aus den Fürbitten der Karfreitagsliturgie und den Anrufungen der Allerheiligenlitanei. b. 'Benedictiones in n a t a l i Domini', 12 Segensgebete in Reimprosa zu den 12 Lektionen der Christmette. O.s Autorschaft ist wahrscheinlich. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14756, 2. H. 11. Jh., 62r (Autograph).

Ausgabe. BISCHOFF, 1967, S. 114f. 5. H a g i o g r a p h i e . a. ' T r a n s l a t i o et i n v e n t i o S. Dion y s i i ' ('Translatio ), ein zur Abgrenzung von einer jüngeren (um 1080 geschaffenen) Bearbeitung als 'Translatio vetus' oder 'Translatio bezeichneter, höchstwahrscheinlich von Abt Reginward (1048 — 1060) in Auftrag gegebener 'Bericht' über die Entführung der Gebeine des hl. Dionysius aus St-Denis durch Kaiser Arnulf i. J. 899 und deren Erhebung in St. Emmeram i. J. 1049. Die Fälschung wurde nach 1052, vermutlich in den ausgehenden 50er Jahren hergestellt (ScHMio, 1989, S. 120f.). O.s Autorschaft ist umstritten. HEINEMANN, 1890, S. 336-340, DÜMMLER, 1895, S. 1085 Anm. 3, KRAUS, 1972, S. 20 u. a. bejahen sie, PHILIPP-SCHAUWECKER, 1966, RÄDLINGER-PRÖMPER, 1987, S. 204 f., 209 mit Anm. 1401, BRUNHÖLZL,

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LG II 483 f., und WEISS, 1994, S. 101-103 verneinen sie oder halten sie zumindest für sehr unwahrscheinlich. Für O.s Autorschaft spricht jedoch der unverkennbare O.-Ton in der allegorischen Erklärung der Zahl 150 (c. 11) sowie die Tatsache, daß O. die Dionysius-Sequenz 'Audite, fideles populi' (s. u. II.5.k) zumindest geschrieben, wenn nicht selber gedichtet hat. Hätte er sich der Propagierung des Dionysiuskultes gegenüber so ablehnend verhalten, wie WEISS annimmt, wäre die Eintragung der Sequenz in den Kontext seiner Werke sicher nicht erfolgt. BHL 2194. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 1805, 15. Jh., 133"-141"; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 534.3 Novi 2°, 2. H. 15. Jh., 50r-58v; clm 2230, v. J. 1493, 95r-98v (= Veit - Arnpecks Exzerpt der 'Translatio aus einer verlorenen St. Emmeramer Hs. in 'Chronica Baioariorum' III, 12). A u s g a b e n . HEINEMANN, 1890, S. 340-358; A. HOFMEISTER, MGH SS XXX 823-837 (zit.); Arnpecks Exzerpt in: G. LEIDINGER, Veit Arnpeck, Sämtl. Chroniken (Quellen u. Erörterungen zur bayer. u. dt. Gesch. NF. Bd. III), 1915, S. 109-112.

Für den 1. Teil der 'Translatio , die Schilderung der listigen Entwendung einer Reliquie, findet sich Vergleichbares z. B. bei -> Einhard, 'Translatio et miracula SS. Marcellini et Petri', oder in der 'Vita Symeonis Achivi' (W. BERSCHIN, Biographie u. Epochenstil, IV, 1999, S. 14f.). Die Authentisierung der wiederaufgefundenen Reliquien durch Beglaubigungszettel und Inschriften in Teil 2 sind 'typische Requisiten jeder Reliquienerhebung' (WATTENBACH/HOLTZMANN/SCHMALE, GeschichtS-

quellen 1275 [O. Meyer]). b. 'Vita S. Wolfkangi', eine auf einer älteren, aus Franken (ex Francis) nach Regensburg gelangten Vita, Teilen von -»· Arnolds von St. Emmeram 'Liber de memoria b. Emerami' und mündlicher Überlieferung fußende Darstellung des Lebens, der Taten und Wunder des Regensburger Bischofs (f 994), verfaßt auf Bitten der Mitbrüder vor 1062, vielleicht in zeitlichem Zusammenhang mit der Erhebung der Gebeine des hl. Wolfgang i. J. 1052. BHL 8990. Ü b e r l i e f e r u n g . Auflistung von 31 Textzeugen in AASS Nov. II 529—534. Die möglicherweise autographe Hs. Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 365 (BISCHOFF, 1967, S. 91) ist identisch mit der

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in den AASS S. 529, mit der Sigle AI bezeichneten Hs. Cheltenham, Phillipps 16339; sie befindet sich jetzt in Krakau. Dem Hss.-Verzeichnis in den AASS sind hinzuzufügen: Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 272, 2. H. 15. Jh., 251r-273r; clm 28596, v.J. 1472, 75r-90r (ohne Prolog u. Capitulatio); cgm 2928, 1434-1436, 213r-225r (ohne Prolog u. Capitulatio); München, ÜB, 2° Cod. ms. 313, um 1458, 154ra-168va; 2° Cod. ms. 149, 2. H. 15. Jh., 278 rh ~ vh (Auszüge); Nürnberg, StB, cod. Theol. 358.2°, 2. H. 15. Jh., 37"-38vb (unvollst, wegen Blattverlustes); Freiburg/B., ÜB, Hs. 392 a, 2. V. 15. Jh., 3r-22r (ohne Prolog u. c. 42); Fritzlar, Dombibl, Ms. 82, v.J. 1483, lr-10v (Abschrift der Ausg. HAIN 16221); Würzburg, ÜB, M. eh. q. 156, v. J. 1480, 193V-216V (mit unwesentl. Kürzungen). D r u c k : Burgdorf 16221).

(Kt. Bern) 1475 (HAIN

A u s g a b e n . AASS O.S.B. VII, 21739, S. 789809; G. WAITZ, MGH SS IV 525-542, nachgedr. in PL 146, Sp. 391-422; AASS Nov. II 565-583 (zit.).

c. 'Vita S. Nicolai', nach Auskunft des Prologs von O. aus zwei libelli kompiliert, einer verbreiteten und einer singulären Nikolausvita, die 'aus einer fernen, Griechenland nahen Gegend' nach St. Emmeram gelangt war (ed. WATTENBACH, 1885, S. 408). Ein Vergleich mit den oft wörtlich übereinstimmenden, aber umfangreicheren Nikolausviten im 'Magnum legendarium Austriacum' und 'Legendarium Windbergense' (-» Legendare) legt dagegen die Vermutung nahe, daß O. und die Legendare eine gemeinsame Vorlage benutzten, die O. stilistisch überarbeitete, teils auskürzte, teils erweiterte (Prolog, Schlußkapitel). Nach dem 'Liber de temptatione' (GÄBE, S. 334,23-336,2) wurde die Vita auf Bitten der St. Emmeramer Mitbrüder vor dem Weggang nach Fulda verfaßt; dagegen wird im Prolog ein Abt Wicrad — wohl identisch mit dem Fuldaer Abt Widerad (1060-1075) - als derjenige genannt, auf dessen Bitten hin O. die Vita geschrieben habe. Wicrad/Widerad veranlaßte wohl eine Abschrift (dazu SCHAUWECKER, 1963, S. 41 f.). Auf das Fuldaer Exemplar dürfte auch der Auszug (Schlußkapitel) im Legendär von Münstermaifeld zurückgehen (s. Überl. u. Ausg.n). BHL 6126.

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Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14419, 12. Jh., 20 —36 r ; das letzte Kapitel ist auch überliefert im Münstermaifelder Legendär: Koblenz, Landeshauptarch., Best. 701, Nr. 113a, 1. H. 14. Jh., 303"; neu hinzu kommt Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Weissenburg 38, Mitte 15. Jh., 172r-180v (Prolog mit eigenem Schluß). V

A u s g a b e n . Teiled. (Prol. und Schlußkapitel) in: W. WATTENBACH, Aus Hss., NA 10 (1885) 407-411, hier 407-409; Vergleich von Kapitelbestand und Kapitelincipits der o. g. Legendare mit O.s Vita in: Appendix XXII. De S. Nicolao Myrensi episcopo, Anal. Boll. 17 (1898) 204-210; HODDICK, 1928, S. 32 (Schlußkapitel).

d. ' V i t a S. A l t o n i s ' . O. beschreibt Leben und Taten des hl. Alto, eines wohl angelsächsischen Missionars, Einsiedlers und Gründers des Klosters Altomünster/ Obb. (2. H. 8. Jh.), dann die Erneuerung (um 1000) des im Ungarnsturm zerstörten Klosters und dessen Besiedlung durch Weif III. mit Benediktinerinnen i. J. 1056. Den Abschluß der Vita bildet die Rechtsfrage der Benützung eines Brunnens durch die Nonnen. Entstehungszeit: vor 1062. BHL 316. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 21707, 15. Jh., 21r-24v. A u s g a b e . G. WAITZ, MGH SS XV, 2, S. 843846.

e. 'Vita S. B o n i f a t i i ' , eine auf Bitten der Fuldaer Mönche zwischen 1062 und 1066 durchgeführte Bearbeitung der Bonifatius-Vita des -> Willibald von Mainz, die sich jedoch nicht auf stilistische Erneuerung beschränkte, sondern auch neues Material einfügte: Nachrichten aus Eigils 'Vita Sturmi' und der 'Vita Bonifatii Moguntina', 29 Bonifatiusbriefe, l (unechte) Urkunde. Das so trotz Auslassung von Willibalds Schlußkapitel nahezu verdoppelte Textvolumen verteilte O. auf zwei Bücher, von denen das erste die Zeit vor, das zweite die Zeit nach Übernahme des Mainzer Erzbistums behandelt. BHL 1403.

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124rb-127va (B. I als Epitome, B. II wörtlich), u. B IX 19, 2. H. 14. Jh., 119va-122ra (Auszüge); Würzburg, ÜB, M. eh. q. 16/1, 15. Jh., 2 r -4 v (Epitome) u. M. eh. q. 156, v.J. 1480, 173r-181v (Kurzfassung). A u s g a b e n . W. LEVISON, MGH SS rer. Germ. 57, 1905, S. 111-217 (zit.). Ebd. S. LXXVIIILXXX die älteren Ausg.n. Dt. Ü b e r s e t z u n g e n . PH. H. KÜLB, Sämmtl. Schriften des hl. Bonifatius, Bd. 2, 1859, S. 337395 (ohne die Briefe); M. TANGL, Leben des hl. Bonifazius von Willibald bis O. [...] (GdV II, 13), 3 1920, S. 67-82 (nur Prolog, I 25, 35, 37-39, 44; II 16).

f . ' V i t a S. M a g n i ' , eine um Prolog und Epilog erweiterte und stilistische Überarbeitung der Magnus-Vita des 9. Jh.s, verfaßt zwischen 1068 und 1069 auf Bitten des St. Emmeramer Mitbruders und ab 1069 Abtes von Hirsau, Wilhelm, sowie des Füssener Mönchs und seit 1069 (?) Abtes von St. Afra in Augsburg, Adalhalm. BHL 5163. Ü b e r l i e f e r u n g . Stuttgart, Württ. LB, cod. bibl. fol. 58, Mitte 12. Jh., 27ra-36rb (aus Zwiefalten; ohne Prolog u. Epilog); Kynzvart (Königswart), Zämeckä knihovna, Ms. 20.D.22,II, 2. H. 12. Jh., 141v-157r (aus Ochsenhausen; Prolog vollständig, Epilog auf l Satz reduziert); Brüssel, Bibl. des Bollandistes, Ms. 139, um 1650, 349r358V (Abschrift einer heute verlorenen Hs. aus St. Ulrich u. Afra, Augsburg, in Auftrag gegeben und nachkollationiert von dem Bollandisten P. Johannes Gramans S. J.; Prolog u. Epilog vollständig); hinzu kommt cgm 2928, 1. H. 15. Jh., 172r-187r (ohne Prolog u. Epilog; der Brüsseler Textfassung nahestehend). A u s g a b e n . M. COENS, La vie de S. Magne de Füssen par Otloh de Saint-Emmeran, Anal. Boll. 81 (1963) 159-227, hier S. 184-227 (zit.); ders., Un ancien temoin retrouve de la 'Vita Magni' d'Otloh (Ms. Kynzvart 20.D.22.II), Anal. Boll. 88 (1970) 129-139 (S. 135-139 Textvarianten); Anfang und Schluß der Vita bei DÜMMLER, 1895, S. 1098-1100. A b b i l d u n g . SPAHR, 1970, S. 123 (Stuttgart, Württ. LB, cod. bibl. fol. 58, 36r).

Ü b e r l i e f e r u n g . S. die Ausg. von LEVISON, Dt. Ü b e r s e t z u n g . SPAHR, 1970, S. 79-120. S. LXIX-LXXIV; dazu K. O. MÜLLER, Eine neue Hs. (Bruchstück) der Vita s. Bonifatii von Otloh, 6. V i s i o n s l i t e r a t u r . NA 41 (1917/19) 691-704; hinzu kommen: Münr v Erscheinungen, (Traum-)Visionen und chen, cgm 2928, 1. H. 15. Jh., 98 -103 (ab 14 stark gekürzt); Basel, ÜB, B VII 11, Ende 14. Jh., Auditionen spielten in O.s religiöser Vor-

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stellungsweit eine bedeutende Rolle; war er doch ebenso wie seine Zeitgenossen davon überzeugt, daß die übersinnlichen Mächte des Guten (Gott, Engel) wie des Bösen (Teufel) auf diese Weise Kontakt zu den Menschen aufnehmen, um sie auf den rechten Weg zu führen bzw. von diesem abzubringen. O. selbst schrieb seine Bekehrung vom 'fleischlichen' Weltleben zum 'geistlichen' Mönchsleben der Wirkung solcher Visionen (in Verbindung mit den in den Visionen angekündigten oder gedeuteten Krankheiten) zu, und in der Form von Auditionen erlebte/schilderte er seine (vom Teufel inspirierten) inneren Zweifel und deren (von Gott inspirierte) Überwindung. Die real erfahrbare Einflußnahme der beiden antagonistischen übersinnlichen Mächte an glaubwürdigen Beispielen vorzuführen, um dadurch die 'Gläubigen zu erbauen' ('Liber visionum', Prolog), war denn auch der Grund für die literarische Fixierung eigener und fremder visionärer Erfahrungen. 'Liber visionum', eine zwischen 1062 und 1066 in Fulda niedergeschriebene Slg. von 23 Visionserzählungen, in die O.s selbsterlebte Visionen (visio 1—4), mündliche Berichte (visio 5 — 18 und 23) sowie literarische Zeugnisse (visio 19—22, aus Bonifatius u. Beda) eingegangen sind.

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bilis und zu Beginn des 13. Jh.s mit der großen Visionssammlung des Peter von London eine Fortsetzung fand' (SCHMIDT, Ausg., S. 18). O.s Vorbild war gewiß das 4. Buch der 'Dialogi' -» Gregors des Großen. Doch während Gregor fast ausschließlich Nahtod- und Jenseitsvisionen bietet, sind in 13 von 23 Berichten O.s die Visionäre Personen, die mitten im Leben stehen und durch die Schauungen ermuntert werden sollen, Buße zu tun, ihrem Leben eine andere Richtung zu geben oder Wiedergutmachung für die Sünden anderer zu leisten. Dies gilt auch für die von O. selbst erlebten Visionen, v. a. für die Visionen 3—4, die nach O.s Aussage seine innere Umkehr erzwangen. Sie haben wegen der minutiösen Schilderung psychischer und psychosomatischer Phänomene das besondere Interesse der Forschung gefunden (MiscH, 1959 = 21976; SCHAUWEKKER, 1963, S. 106-118; VINAY, 1970; RÖKKELEIN, 1987), sind jedoch nicht isoliert, sondern im Kontext des gesamten 'Liber visionum' zu betrachten und zu werten (SCHMIDT, Ausg., S. 20). 7. ' A u t o b i o g r a p h i e ' .

O.s Schriften sind von der ersten ('Doctrina') bis zur letzten ('Liber de temptatione') durchzogen von kürzeren oder längeren Mitteilungen über seine eigene PerÜ b e r l i e f e r u n g . München, clm 14673, 2. H. son, seinen Lebensweg, seine äußeren 11. Jh. u. Anf. 14. Jh., 1V-46V (Verlust von je l Bl. Kämpfe und seine seelischen Leiden. Keine nach f. 2 und f. 4; f. 1—38 von O. durchkorrigiert, Schrift ist jedoch eine Autobiographie im f. 39-46 autograph); elm 14682, Ende 14. Jh., rb vb strengen Sinn, vielmehr werden Lebens36 -38 (visio 16, 18, 10, 5 in stark überarbeiteter Form inseriert in Petrus Venerabilis, 'De mirabruchstücke in Werke mit unterschiedliculis'); Hildesheim, Stadtarchiv, Best. 52 Nr. 369, cher Zielsetzung eingebaut. In drei zusamAnf. 16. Jh., 114V-116V (visio 17 u. 5). menhängenden Kapiteln der 'Doctrina' (s. u. II. 1.) beschreibt O. die qualvollen A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 545-612; Phasen seiner Bekehrung und die VersuPL 146, Sp. 341-388; R. WILMANS, MGH SS XI 376-387 (nur visio 5-11, 13-15, 17, 23; visio 10 chungen nach der Bekehrung, um seinen u. 14 gekürzt); P. G. SCHMIDT, O. v. St. E., Liber Mitbrüdern im geistlichen Amt am eigenen Visionum (MGH Quellen z. Geistesgesch. d. MAs Beispiel vorzuführen, daß Gott Weltliebe 13), 1989 (zit.). bei seinen Dienern ebenso verabscheut, A b b i l d u n g e n . A, CHROUST, Monumenta pawie der Teufel sie fördert. Diese fortlaulaeographica, Serie I, 1902-1908, Lief. 3, Taf. 8b fende Erzählung der 'Doctrina' wird in den (clm 14673, 3 r ); SCHAUWECKER, 1964 (SonderProsaschriften 'Liber visionum' und 'Curausg.), gegenüber S. 176 (clm 14673, ll v ). sus' auseinandergenommen und neu aus'Otloh hat mit seiner Sammlung ein gerichtet. Die erste Hälfte ('Doctrina' Werk geschaffen, das erst im 12. Jh. mit c. 14 f.) erfährt im 'Liber visionum' nicht der Mirakelsammlung des Petrus Venera- nur eine materielle Ausweitung und des-

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kriptive Intensivierung, sondern v. a. einen Wechsel der Blickrichtung hin auf die Mittel/Methoden Gottes, mit denen er das störrische Weltkind O. zur Bekehrung drängte. Ebenso wird die andere Hälfte ('Doctrina' c. 17) im 'Cursus' nicht nur stark erweitert und durch die Gliederung in die zwei Reden des Teufels und Gottes neu organisiert, sondern auch dem Thema des 'Cursus' untergeordnet: Wer sich dem Schriftstudium hingibt, ruft den Teufel auf den Plan, der mit allen Mitteln versucht (temptatio), den Menschen davon abzubringen. Der autobiographische Teil des 'Cursus' erscheint wiederum in wörtlicher Übernahme als erster Teil des 'Liber de temptatione', losgelöst vom skripturistischen Kontext und verknüpft mit O.s Werkkatalog. In dieser Verbindung kommt O.s Schilderung seiner inneren Kämpfe der Gattung 'Autobiographie' am nächsten. Im Ringen mit den ihn bedrängenden Zweifeln zeichnen sich die Themen ab, die seinen geistigen Weg und sein literarisches Schaffen prägen: die Auseinandersetzung mit der 'Welt' und ihren Verlockungen, das Lesen in den Büchern Gottes, das Problem des Bösen/des Leides in der Welt. a. ' L i b e r de t e m p t a t i o n e c u i u s d a m m o n a c h i ' ('Liber de temptatione'), O.s letztes größeres Werk, geschrieben 1069/1070 (GÄBE, S. 54 Anm. 7). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 62V-111V (Autograph); der 'autobiographische' Tl. l ist auch überliefert innerhalb des 'Cursus' (s.o. 2.b) in clm 18611, 84r-118v, und clm 14490, 127v-151r. A u s g a b e n . J. MABILLON, Vetera Analecta IV, 1685, S. 402-450, nachgedruckt in PL 146, Sp. 27-58; R. WILMANS, MGH SS XI 387-393 (nur Tl. 2 u. 3); GÄBE, 1999, S. 242-361 (mit dt. Übers.; zit.). A b b i l d u n g e n . W. ARNDT / M. TANGL, Schrifttafeln zur Erlernung der lat. Paläographie, 41, 1904, Taf. 19a, Sp. 1-2 (clm 14756, 99v-100r); Taf. 19b, Sp. 1-2 (clm 14756, lll r ~ v ). Ü b e r s e t z u n g e n . W. BLUM, O. v. St. E. Das Buch von seinen Versuchungen (Aevum Christianum 13), 1977; GÄBE, Ausg.

Das Werk ist aus drei Teilen zusammengesetzt, die in (nicht sehr langen) zeitlichen

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Abständen aufgezeichnet wurden. Teil l ist die dem 'Cursus' entnommene Schilderung der Versuchungen 'eines Klerikers' (GÄBE, S. 245—318,11); Teil 2 ein sich daran unmittelbar anschließender, aber mit anderer Tinte geschriebener Werkkatalog, in den die Oratio' (s. o. 4.a) und die Oratio metrica' (s. u. II.5.d) eingefügt sind (GÄBE, S. 318,12-356,21); Teil 3, in clm 14756 von Teil 2 durch den Kurztraktat 'Explanatio qualitatis' (s.o. l.c) getrennt, eine Auflistung der von O. kopierten Bücher. Daß O. jedoch die drei Teile als zusammengehörig verstanden wissen wollte, geht daraus hervor, daß er Teil 2 ohne Alinea auf Teil l folgen ließ und die Insertion von Teil 3 nach Teil 2 durch Verweiszeichen und Umstellungsanordnung regelte (GÄBE, S. 356—358, Fußnote g). Zum Verständnis des Werks vgl. GÄBE, S. 43-229. b. Der sogenannte ' E p i l o g u s ' ist ein Aufruf O.s, seine Schriften ohne Vorurteile und Schmähsucht zu lesen. Der Titel stammt von PEZ, der das Stück zu Unrecht als den Schluß des 'Dialogus' ansah (BiSCHOFF, 1936, S. 18). O. hielt die kleine Schrift für so wichtig, daß er sie einer Geschenksendung von 'Dialogus', 'Proverbia' (Auswahl) und 'De mysteriis numeri ternarii' an ein österreichisches Kloster ebenso beigab wie einer Geschenksendung von Predigten, 'Versus de die iudicii' und 'Proverbia' (Auswahl) nach St. Gallen. Sie ist aufschlußreich für O.s Selbstverständnis als monachus litteratus (GÄBE, S. 228 f.). Ü b e r l i e f e r u n g . Heiligenkreuz, Stiftsbibl., Ms. 148, 12. Jh, 102rh; bezüglich der verschollenen Überlieferungsträger aus Lambach s. o. l.a ('Dialogus'); Zürich, Zentralbibl., C 57, 9. u. 2. H. 11. Jh., 213V (Autograph). A u s g a b e n . PEZ, Thes. III 2, Sp. 247; PL 146, Sp. 134.

8. ' K o l l e k t a n e e n ' , Erklärungen der Termini mulomedicus und tripedica (aus Gregor d. Gr., 'Dialogi' 2, 30) und collibertus (aus Arnold v. St. Emmeram, 'Liber I de miraculis S. Emmerami', c. 17 [PL 141, Sp. 1018 C]). Sie bezeugen O.s philologische Interessen und enthalten ei-

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nen Hinweis auf seinen Aufenthalt in Montecassino. Ü b e r l i e f e r u n g u. A u s g a b e n bei BISCHOFF, 1967, S. 112 f. 9. V e r l o r e n e s . Im 'Liber de temptatione' (GÄBE, S. 338,1-4) nennt O. eine Schrift 'De confessione actuum meorum', geschrieben 'vor mehreren Jahren' (d. h. mehrere Jahre vor 1070), doch ist keine Schrift mit diesem Titel überliefert. Wenn man sie nicht mit Teil l des 'Liber de temptatione' identifizieren will, muß sie als verloren gelten (Forschungsdiskussion bei GÄBE, S. 56—64). Gegen eine Identifizierung spricht v. a. O.s Charakterisierung der Schrift als einer schriftlichen Beichte zum Ersatz für ein mündliches Sündenbekenntnis, falls O. in articulo mortis zu einem solchen nicht mehr fähig sein sollte. Keines der überlieferten O.-Werke entspricht jedoch diesem Profil (GÄBE, S. 63 f.). 10. Z w e i f e l h a f t e s . a. Die St. Emmeramer Fälschungen. Im Kampf, den St. Emmeram mit dem Ortsbischof um die Rechte und die Besitztümer der Abtei führte, wurden zwischen 1052 und 1056 folgende Urkunden gefälscht: MGH DD Karl d. Gr., Nr. 258; eine Urkunde Ludwigs des Frommen, PEZ, Thes. 13, Sp. 6; MGH DD Otto L, Nr. 457 und eine Urkunde Leos III., PEZ, Thes. 13, Sp. 3 f. (WEISS, 1994, S. 78). Sicher ist, daß O. die Fälschungen kannte und approbierte (privilegia monasterii nostri interim inventa: 'Liber visionum', visio 10). Ob er sie selber produzierte, ist in der Forschung umstritten (Forschungsdiskussion bei WEISS, S. 78 — 83 u. 100-107). b. Die Fuldaer Fälschungen. RATHSACK, 1980 und 1989, suchte nachzuweisen, daß O. an der in der Abtei Fulda durchgeführten Fälschung von Papstprivilegien beteiligt gewesen sei; dem widersprach JACOBS, 1981, mit guten Gründen. c. 'Vita et miracula S. Florini' Die Zuschreibung der Vita (BHL 3063) beruht auf einer Subskription in clm 14966, 17. Jh., 74r. Der Sammler der Hs. schöpfte zwar aus Emmeramer Codices, doch ist von der 'Vita S. Florini' keine ältere Emmeramer Hs. vorhanden, und O. selbst erwähnt ein solches Werk nicht (BISCHOFF, 1933a, S. 142).

11. C a r m i n a . O. kommt von der Dichtung her. Metrische Hexameter zu schreiben, hatte er in seiner Kindheit und Jugend gelernt (vgl. P.

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STOTZ, Dichten als Schulfach, Mlat. Jb. 16 [1981] 1-16); sie flössen ihm leicht aus der Feder, ursprünglich sogar leichter als Prosa ('Doctrina', Prol., vv. 24—26). So war denn auch sein erstes größeres Werk, die 'Doctrina', ein Lehrgedicht, und selbst als er sich längst für seine Lehrschriften des Prosastils bediente, drängte es ihn, in diese Verse einzuflechten — bis hin zu seinem letzten größeren Werk, dem 'Liber de temptatione' (s. u. 5.g). 1. ' L i b e l l u s de d o c t r i n a s p i r i t u a l i ' ('Doctrina'), O.s erstes größeres Werk, eine kurz nach 1032 (SCHAUWECKER, 1963, S. 30, 66; SCHMIDT, 1989, S. 11), zw. 1032 und 1042 (GÄBE, S. 38) oder 'vielleicht einige Jahre vor 1049' (BISCHOFF, 1967, S. 98) verfaßte christliche Glaubensund Lebenslehre (1584 vv., zumeist leoninische Hexameter, überwiegend einsilbig gereimt). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 112v-154r (112V-126V, 143V Z. 6 154r autograph). Die vv. 39-136 von c. 13 (PL 146, Sp. 274 f.) sind als Bestandteil des 'Sermo ad clericos specialiter dictus' mit geringen Veränderungen ein 2. Mal überliefert in München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., 16V-18V (mit autographen Korrekturen); ebenso von c. 14 die vv. 90 f., 93 f., 96-98, 127, 99-109, 145, 141 f. und von c. 8 v. 20 (PL 146, Sp. 279 AB, 280 A, 279 D, 284 C) als Bestandteile von Visio 3 und 14 des 'Liber visionum' (SCHMIDT, 1989, S. 48 f. u. 85) in München, clm 14673, 8 r ~ v und 28r (mit autographen Korrekturen). A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 429-475; PL 146, Sp. 263-293. A b b i l d u n g . SCHAUWECKER, 1964 (Sonderausg.), gegenüber S. 112 (clm 14756, 115r).

Nach einem Intention und Stil des Autors rechtfertigenden und erläuternden Prolog (vgl. BISCHOFF, 1943, Sp. 660 f.) unterweist O. Geistliche und Laien in der sana doctrina (II Tim 4,3), d. h. in der zum ewigen Heil führenden Lehre. Diese besteht in der Vermittlung des wahren Glaubens (c. 1 — 4), in der Ermahnung zu einem diesem Glauben entsprechenden, d. h. auf die geistigen Güter ausgerichteten Denken (c. 12 f., 19, 26) und Handeln (c. 5-10, 13, 20—25, 27 — 39) sowie in der Warnung vor überflüssigem und schädlichem, 'ungeistlichem' Weltwissen (c. 11). Als Beispiel für

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die Bekehrung zu wahrem Erkenntnisstreben führt O. sich selber an: Gottes Eingreifen führte ihn weg von den 'heidnischen Büchern' und hin zum Studium der Hl. Schrift (c. 14—18). Dieser 'autobiographische' Teil, der von einer Klerikerermahnung (c. 13) und einer Laienermahnung (c. 19) gerahmt wird, bildet mit diesen zusammen eine Predigt, die nach Auskunft des 'Liber de temptatione' (GÄBE, S. 322, 11—22) erst nachträglich in die 'Doctrina' eingefügt wurde. 2. 'Liber p r o v e r b i o r u m ' ('Proverbia'), eine alphabetisch geordnete Sammlung von Sprüchen und Sentenzen in Prosa und daktylischen Versen. Die 'Proverbia' wurden nach O.s Aussage ('Liber de temptatione', GÄBE, S. 332, 12 f.) während des Fuldaer Aufenthalts begonnen, nach Ausweis der autographen Hss. aber in den folgenden Jahren mehreren Überarbeitungen unterzogen, die zumeist in Erweiterungen, bisweilen auch in Kürzungen bestanden (BISCHOFF, 1937). Greifbar sind vier Fassungen, von denen die kürzeste, von HERWAGEN 1563 wohl aus einem Amorbacher Kodex abgedruckte (= A), die älteste sein dürfte. Die drei anderen, die aus St. Emmeram (= E), Tegernsee (= T) und Prül (= P) stammen, sind von O. eigenhändig geschrieben oder von ihm durchkorrigiert. Darüber hinaus hat O. selbst Auszüge aus seinen 'Proverbia' hergestellt und an Freunde verschickt ('Liber de temptatione', GÄBE, S. 360,5 f.). Erhalten haben sich ein knapper, eigenhändiger Auszug in einer ehemals St. Galler, jetzt Zürcher Hs. (= Z) sowie der relativ umfangreiche Auszug, der in Verbindung mit dem 'Dialogus' in Umlauf kam (D) und in drei Hss. des 12. Jh.s das 20. Jh. erreichte. Ein weiterer Auszug (W), der 48 Hexameter (und l Prosaproverb) umfaßt, gibt schon durch seine Konzentration auf die Versform zu erkennen, daß er nicht von O. zusammengestellt wurde: in allen Slg.en, die nachweislich auf O. zurückgehen, überwiegen die Prosasprüche. Eine in Tegernsee geschriebene Slg. (V) enthält zwar wiederum mehr Prosa- als Versproverbien, doch macht hier die wenig planvoll wirkende Auswahl und v. a. das in den einzelnen Abschnitten stark schwankende numerische Verhältnis von Vers- und Prosateilen eine Verfasserschaft O.s unwahrscheinlich. Dies gilt noch

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mehr für eine Exzerptenslg. aus Oberaltaich (Y), die O.s Proverbien mit denen anderer Autoren mischt. Ü b e r l i e f e r u n g . 'Proverbia' A: cod. Amerbacensis (?) deperditus (s. Ausgaben). Inc.: Adjutorium nostrum in nomine Domini; Expl.: V/5 ingens animi, nullius laude moveri (876 Prosaproverbien, 121 Hexameter; vermutlich autograph). — E: München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., 23r-49r. Inc.: Adiutorium nostrum; Expl.: V/r sapienter agens aliis est sol quasi lucens (1056 Prosa-, 207 Versproverbien [228 Hexameter, l Pentameter]; Autograph). - T: München, clm 18937, 15. und 2. H. 11. Jh., 230r-256r. Inc.: Alter alterius onera portate; Expl.: Vilia quam plura sunt mysterio preciosa (938 Prosa-, 166 Versproverbien [185 Hexameter, l Pentameter]; es fehlen der Prolog, der Anfang von Buchstabe A und ca. 46 Proverbien von Buchstabe D [Blattverlust]; f. 230r-233v, 238V239r Z. 7 [?], 240r-256r autograph). - P: München, clm 536, 2. H. 11. Jh., 102r-136r. Inc.: Adiutorium nostrum; Expl.: Vilia quam plura sunt mysterio preciosa (1003 Prosa-, 169 Versproverbien [187 Hexameter, l Pentameter]; Korrekturen und Zusätze von O.s Hand). — Z: Zürich, Zentralbibl., C57, 9. und 2. H. 11. Jh., 211vb-213r. Inc.: Ad dominum fugite; Expl.: Ultra modum sunt delicati, qui nulla adversa volunt pati (Reihe I [211vb-211ara]: 38 Hexameter, Reihe II [212r213r]: je 4 Prosaproverbien pro Buchstaben [5 beim Buchstaben U/V], jeweils eingeleitet von einem metrischen Proverbium: 17 Doppelhexameter [A, C-I, L-P, R-U/V], l Dreifachhexameter [B], l Distichon [OJ; Autograph). — D: Heiligenkreuz, Stiftsbibl., cod. 148, 12. Jh., 101rb-102ra. Inc.: Ante Dei vultum; Expl.: Ultra modum sunt delicati, qui nulla adversa volunt pati (I. Reihe: 40 Hexameter, II. Reihe: 70 Prosaproverbien); bez. der verschollenen Lambacher Überl.träger Cml LXXVII u. XCVII s.o. I.l.a. ('Dialogus'). - W: Wien, cod. 2521, 12. Jh., 4 V -5 V , 48V. Inc.: Ante Dei vultum; Expl.: Rebus in adversis ne motus destitutaris (l Prosaproverb, 48 Hexameter; unvollständig); 18 vv. dieser Slg. stehen auch in München, clm 4660, 13. Jh., 3V, 4V, 6v-7r, 52r (-> 'Carmina Burana' 28, 32.11, 38, 125). - V: München, clm 19411, 2. H. 12. Jh., 49 vb -52™. Inc.: Amicus in necessitate probatur; Expl.: Utilitas grandis latet in rebus quoque parvis (207 Prosa-, 54 Versproverbien [57 Hexameter]). — Y: München, clm 9510, 12. Jh., 102ra. Inc.: Decet regem discere legem; Expl.: Virtus est grandis benedicere pro maledictis (die Slg. enthält l Prosaproverb und 8 Hexameter Otlohs; vgl. WALTHER, Initia 4201). A u s g a b e n . 'Proverbia' A: J. HERWAGEN, Opera Bedae Venerabilis, Basel 1563, Bd. II, S. 284-302 (sie!), nachgedruckt in PL 90, Sp. 1089-1114 (dazu BISCHOFF, 1933b, S. 175f.). - E: PEZ, Thes.

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III 2, Sp. 483-536; PL 146, Sp. 299-338; KORFMACHER, 1936, S. 1-91 (vermischt mit den Proverbien der Redaktionen T, P, W, V, Y; zit.). - T, P, W, V, Y: KORFMACHER, ebd. (vermischt mit den Proverbien der Redaktion E). — Z: J. WERNER, Zur mlat. Spruchdichtung, RF 26 (1909) 167-180, hier 179f. (nur Reihe I). - D: PEZ, Thes. III2, Sp. 245-247; PL 146, Sp. 131-134.

Das Besondere an O.s Proverbienslg.(en) ist das Nebeneinander von Vers und Prosa, wobei in den eigenständigen, ungekürzten Slg.en (A, E, T, P) die Prosasprüche zahlenmäßig überwiegen und den Versproverbien vorangestellt sind. Das ungewöhnliche Vorgehen erklärt sich aus der moralischen Ausrichtung des v. a. für Schüler (paruuli scholastici] bestimmten Werks, die die fundamentalen Wahrheiten und Lebensregeln des christlichen Glaubens in sich aufnehmen sollten, bevor sie im Unterricht der artes liberales notwendigerweise mit den saeculares litterae der heidnischen Antike in Berührung kommen (Prolog, §§14—19, KORFMACHER, S. 2; PL 146, Sp. 300 C-302 A). Die Grundlehren christlichen Lebens sind in der Hl. Schrift enthalten; diese übt aber die nachhaltigste Wirkung aus, wenn sie wörtlich zitiert und nicht poetisch umgeformt wird. Daher beginnen in A, E, T, P alle Prosaabschnitte mit markanten Sätzen aus dem AT und NT. Nichtbiblische Lebensweisheiten in Prosa treten hinzu und schließlich auch Verse. Diese sind z. T. O.s Eigengut, z. T, Fremdgut, das überwiegend aus Horaz, PS. Seneca und den 'Disticha Catonis' (-» 'Cato' [Bd. l u. NB]) geschöpft ist (Nachweise bei KORFMACHER). Die Aufnahme von Dichtung war schon deshalb nicht zu vermeiden, weil O. beabsichtigte, mit seinen Sprichwörtern -> Avian [NB] und die 'Disticha Catonis' aus der Anfangslektüre zu verdrängen (Prolog, ebd.). 3. ' S e r m o ad a v a r o s vel s u p e r b o s ' ('Sermo ad avaros'), eine an die fratres (Kleriker) gerichtete Mahnrede mit der Warnung vor Habsucht, Ehrgeiz und Stolz (99 Hexameter). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 154r-156r (Autograph). Die vv. 210, 25-28, 30-38 (PL 146, 293C-294B) sind als erster Teil des 'Sermo ad clericos' ebenfalls überlie-

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fert in München, clm 14490, 16V. WALTHER, Initia 12663. A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 475-477; PL 146, Sp. 293C-295B.

Der 'Sermo ad avaros' steht in enger thematischer Verbindung mit 'Doctrina' c. 12 f. und 18 f., dem 'Libellus manualis' und dem 'Sermo ad clericos', mit dem er zudem das Incipit O fratres cari teilt. Alle vier Stücke dürften auch zeitlich zusammengehören und ebenso wie der 'Libellus manualis' in der Fuldaer Zeit geschaffen worden sein. Für diese zeitliche Ansetzung des Mittelteils der 'Doctrina' spricht gleichfalls die Textbeziehung von c. 14 der 'Doctrina' zum 'Liber visionum'. Doch während der 'Libellus manualis' v. a. auf den Erwerb und die Vermittlung geistlichen Wissens zielt und die 'Doctrina' die Verfehlungen des Klerus vornehmlich unter pastoralem Aspekt verurteilt, geht es im 'Sermo ad avaros' primär um das gefährdete Seelenheil der angesprochenen Kleriker selbst. 4. ' S e r m o m e t r i c u s ad clericos s p e c i a l i t e r d i c t u s ' ('Sermo ad clericos'), ein wohl zwischen 1062 und 1066 verfaßtes Mahngedicht (129 Hexameter). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., 16 V —18 V (mit autographen Korrekturen); Zürich, Zentralbibl., C 57, 9. und 2. H. 11. Jh., 210va-211rb (Autograph). Zu den in der 'Doctrina' und im 'Sermo ad avaros' überlieferten Parallelvv. s. o. unter 1. und 3. WALTHER, Initia 12662. A u s g a b e . PL 122, S. XV-XVII.

Das Gedicht dürfte das jüngste der o. unter 3. genannten vier Stücke sein. Die vv. 4—25 haben ihre Entsprechung im 'Sermo ad avaros', die vv. 29 — 120, 123 u. 125 — 129 in der 'Doctrina' und sind wohl eher Auszüge aus den umfangreicheren Texten als Vorstufen dieser (vgl. O.s Vorgehensweise in den 'Proverbia'). Ohne Entsprechung sind nur die Gelenkstellen (vv. 1 — 3 u. 26—28) sowie die vv. 121 f. u. 124. Bezüglich der Thematik gilt das o. unter 3. zum 'Sermo ad avaros' und zur 'Doctrina' Angemerkte. 5. K l e i n e r e G e d i c h t e . a. 'Versus super s e q u e n t i a m S. S p i r i t u s ' . Metrische Umdichtung (30 Hexameter) von ->

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Notkers I. des Stammlers Pfingstsequenz Sancti Spiritus assit nobis gratia (SCHALLER-KÖNSGEN, Initia 14655). Ü b e r l i e f e r u n g . München, elm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 156v-157r (Autograph). WALTHER, Initia 544. A u s g a b e n . PEZ, Thes. III 2, Sp. 477f.; PL 146, Sp. 295 BD; Anal. hymn. 50, S. 326 f. Nr. 253 (zit.). b. ' E p i p h a n i e h y m n u s ' . Verifizierung (17 sapphische Strr.) des Evangeliums zum Epiphaniefest (Mt 2,1-12). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 157r-158v (f. 157r autograph). WALTHER, Initia 3275. A u s g a b e n . PEZ, Thes. III 2, Sp. 478 f.; PL 146, Sp. 295D-297A; Anal. hymn. 50, S. 323f. Nr. 250 (zit.). c. ' W e i h n a c h t s h y m n u s ' (9 sapphische Strr.) Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 158v-159r (f. 158V Z. 3 - 159r autograph). WALTHER, Initia 12969 a. A u s g a b e n . PEZ, Thes. III2, Sp. 479f.; PL 146, Sp. 297 AC; Anal. hymn. 50, S. 322 Nr. 249 (zit.). d. O r a t i o m e t r i c a ad S. T r i n i t a t e m ' (Oratio metrica'). Anrufung der Trinität und Bitte um die Gnade rechter Lebensführung. Das hexametrische Gebet ist in einer frühen Fassung (Rez. I; wohl vor der Reise nach Montecassino; vgl. BISCHOFF, 1967, S. 96) und drei Umarbeitungen unterschiedlicher Länge überliefert (Rez. II-IV; Rez. III-IV um 1069-70). Die Ausweitung von I zu II—IV erstrebt Verdeutlichung in der Trinitäts-, Erlösungs- und Gnadenlehre. Ü b e r l i e f e r u n g . Rez. I: München, clm 4549, 8./9. Jh., (2. H. 11. Jh.). Inc.: O princeps pads ac [sie!] principium pietatis; Expl.: Qui sancto tecum cum flamine regnat in evum (31 vv.; Autograph). - Rez. II: München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., 54r—55r. Inc.: O princeps pads recolendus nomine patris; Expl.: Qui tecum, pater, et cum pneumate regnat in %uum (45 vv.; Autograph). — Rez. III: München, clm 14756, 14. u. 2. H. 11. Jh., 159r—160r. Inc.: O pater eterne, cut semper idem manet esse (ganzer v. auf Rasur); Expl.: Qui tecum, pater, et cum pneumate regnat in euum (44 vv., davon 5 nachgetragen; Autograph). - Rez. IV: München, ebd., 106r-107r. Inc.: O pater externe, cui semper idem manet esse; Expl. wie in III (42 v v., davon 2 nachgetragen; Autograph). A u s g a b e n . Rez. I: BISCHOFF, 1967, S. 113f. II: WILHELM, Denkm. B, S. 10 f.; Anal. hymn. 50, S. 320 f. Nr. 248 (zit.). - III: PEZ, Thes. III 2, Sp. 480 f.; PL 146, Sp. 297C-298B. - IV: WILHELM, Denkm. B, S. 10f.; GÄBE, S. 348-352 (zit.).

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Die späten Rezensionen III und IV übernehmen v. l aus dem 'Kyrietropus' (s. u.); umgekehrt sind höchstwahrscheinlich 4 vv. der Oratio metrica' (Rez. I, vv. l, 5—7) in den 'Kyrietropus' eingegangen, woraus sich eine Datierung der Ur-'Oratio metrica' nicht nach 1060, eher vor 1049 ergibt. e. 'Versus de die iudicii'. Mahnung an alle Christen, sich das Jüngste Gericht vor Augen zu halten und das Leben dementsprechend einzurichten (29 Distichen). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., 19r und 18V. Inc.: O uos cbristicol^ Expl.: Ne mortis turbo vos capiat subito (Autograph); Zürich, Zentralbibl., C 57, 9. u. 2. H. 11. Jh., 211rb-211vb (Autograph); München, ÜB, 2° Cod. ms. 133, 15. Jh., 116v-117r; München, clm 9806, 14. u. 15. Jh., 220r (15. Jh.; nur vv. l - 23). WALTHER, Initia 13059. A u s g a b e n . PEZ, Thes. III 2, Sp. 481 f.; PL 146, Sp. 298 B-300 A; Anal. hymn. 50, S. 327 f. Nr. 254 (zit.). A b b i l d u n g e n . A. CHROUST, Monumenta palaeographica, Serie I, 1902-1908, Lief. 3, Taf. 8a (clm 14490, f. 19r); SCHAUWECKER, 1964 (Sonderausg.), gegenüber S. 160 (dass.). f. ' K y r i e t r o p u s ' , unter Benützung der Oratio metrica' und der 'Doctrina' in Montecassino (wohl um 1049) gedichtet und als Zusatz zu einer Dionysiussequenz in ein St. Emmeramer Tropar eingetragen (BISCHOFF, 1967, S. 93 u. 96; 9 Hexameter). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14083, 11. Jh., 62V (Autograph); Neapel, Bibl. Naz., VI. G. 34, 12. Jh., 28r-29r (Tropar aus Troja). A u s g a b e n . Anal. hymn. 47, S. 98f. Nr. 33. Die im Tropar aus Troja überlieferte Fassung ist die ursprüngliche — sie war dem Zugriff des stets ändernden O. entzogen. Drei ihrer vv. weisen eine Entsprechung zu O.s Oratio metrica' auf: 2a,l (= Oratio metrica' Rez. I, v. 1), 2b,l (= dass., v. 6), 2c,l (= dass., v. 5). Im St. Emmeramer Tropar beließ O. 2a,l unverändert, ersetzte jedoch v. 2b,l durch Oratio metrica', Rez. I, v. 7 und v. 2c,l durch 'Doctrina' 2,18. g. Verse in O t l o h s P r o s a s c h r i f t e n , die diese einleiten oder abschließen oder in diese integriert sind. Letztere sind in den Hss. und dementsprechend in den älteren Ausgaben zumeist nicht von ihrer Prosaumgebung graphisch abgesetzt. Drucktechnisch herausgehoben sind O.s Verse in SCHMIDTS Ausgabe des 'Liber visionum' (59 Hexameter [einschließlich 23 vv. aus der 'Doctrina'; s. o. II. 1.], l Distichon; hinzuzufügen ist Prol., 1. Absatz: Ver-

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bula protulerit), in GÄBES Ausgabe des 'Liber de ternptatione' (ca. 18 verstümmelt überlieferte Widmungsverse [BiSCHOFF, 1967, S. 114], 32 Hexameter, z.T. von Prosa unterbrochen), in der AASSAusgabe der 'Vita S. Wolfkangi' (10 Hexameter) und in LEVISONS Ausgabe der 'Vita S. Bonifatii' (17 Hexameter; dazu BISCHOFF, 1967, S. 101 Anm. 105). Weitere vv. finden sich im 'Dialogue' (vor c. l [3 vv.; WALTHER, Initia 15157a], nach c. 49 [4 vv.]), in 'De mysteriis numeri ternarii' (Schluß [2 vv.]), in der 'Epistola ad amicum' (Schluß [3 + 2 vv.; s. o. zu I.l.d]), in 'De cursu spirituali' (Schluß [3 vv.]), in den 'Proverbia' (Schluß des Prologs [2 vv.]), im 'Sermo in natali apostolorum' (1. Absatz: Cui rogo tale aliquid [l v.]; 3. Absatz: Si cuiquam placeat [2 vv.]; 4. Absatz: Continet et Thomas [l v.] und Et tu Sorte pia [2 vv., von Prosa unterbrochen]; 5. Absatz: De quatuor reliquis [l v.] und Hostis enim magnus [l v.]). h. Verse in O t l o h - H a n d s c h r i f t e n . Die Verse und ihre Fundorte verzeichnet BISCHOFF, 1967, S. 89-92. i. Verlorene Gedichte. Die 'Vita S. Altonis' war begleitet von Gedichten auf den Heiligen ('Liber de temptatione', GÄBE, S. 336,2 f.); diese sind jedoch verschollen. k. Zweifelhaftes. In clm 14490, f. 163V, findet sich der Anfang einer neumierten rhythmischen Sequenz mit dem Incipit Audite, fideles populi, causam rumoris maximi (BHL 2195). Von O.s Hand geschrieben, folgt sie der 'Translatio (s. o. 1.5.a) bis zu c. 2, wo Kaiser Arnulf sich mit seinen Vertrauten berät, wie man die Reliquien des hl. Dionysius gewinnen könne. Der größere Teil des Gedichts ist nicht erhalten; er befand sich auf den verlorenen Lagen vor f. 164r, die außer der Sequenz auch den Anfang des Traktats 'Quomodo legendum sit' (PL 93, Sp. 1103B-1110C; s.o. I.3.a) enthielten. DÜMMLER, 1895, S. 1085, hält die Sequenz für ein Werk O.s. Dagegen könnte sprechen, daß O. das Gedicht nicht unter seinen Werken aufzählt und auch sonst, soweit wir wissen, keine rhythmischen Gedichte verfaßt hat. Für O.s Autorschaft spricht jedoch, daß er die Sequenz in clm 14490 unmittelbar nach seinem 'Gebet' (s. u. C.) eingetragen hat, so als wollte er in seiner 'Ausgabe letzter Hand' die beiden für ein breiteres Publikum (populi) bestimmten Stücke zusammenstellen. A u s g a b e n . PEZ, Thes. III 2, Sp. 400; PL 146, Sp. 387D-390A. 1. Falsche Z u s c h r e i b u n g e n . Die von fremden Händen um 1100 auf das erste Blatt der O.-Hs. München, clm 14490 eingetragenen und von DREVES in den Anal. hymn. 50,

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S. 324—326 Nr. 251 f. unter O.s Gedichten abgedruckten Osterhymnen Oblato Christo (17 Hexameter) und Vocibus altisonis (56 Hexameter) stehen O. thematisch fern (SZÖVERFFY, Hymnendicht, l, S. 403 f.) und sind ihm gewiß zurecht abgesprochen worden (BISCHOFF, 1967, S. 90).

III. O t l o h s dt. ' G e b e t ' ('Gebet'). O. tat sich schwer mit der Volkssprache (communis lingua}. In Fulda aufgefordert, am Osterfest eine Predigt ad populum zu halten, lehnte er ab mit der Begründung, 'niemals öffentlich das Wort an das Volk gerichtet zu haben' ('Liber de temptatione', GÄBE, S. 334,6 f.). Er entwarf stattdessen einen lat. Sermo. Die Gedanken seines umfangreichsten Werks, des 'Cursus', entwickelte er in der ihm vertrauten lat. Schriftlichkeit, weil ihm, wenn er deutsch redete, niemand zuhören mochte (op. cit., GÄBE, S. 336,12 f.). Dennoch trieb ihn sein im gesamten CEuvre zu beobachtendes Bemühen um die religiöse Förderung der illiteraten Laien dazu an, ein Gebet in dt. Prosa zu verfassen. Es ist, wie die Überschrift mitteilt, ein Auszug aus der lat. Oratio' (s, o. 1.4.a): Oratio theutonica ex superiori oratione edita. Das 'deutsche Gebet' ist — anders als die lat. Oratio' — nur einmal überliefert, wohl auch ein Indiz für den geringeren Stellenwert, den es in O.s Augen besaß: Es ist in keiner der überlieferten 'Geschenksendungen' enthalten. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14490, 2. H. 11. Jh., 161V-163V (Autograph). A u s g a b e n . WILHELM, Denkm. A, (zit.). Die älteren Ausg.n ebd., B, S. 1.

S. l — 3

A b b i l d u n g . E. PETZET/ O. GLAUMING, Dt. Schrifttafeln d. IX. bis XVI. Jh.s aus Hss. d. K. Hof- u. Staatsbibl. in München, 1. Abt., 1910, Taf. 13 (clm 14490, 161v-162r).

Die lat. Textvorlage für das 'Gebet' muß eine Mischform gewesen sein, die typische Elemente der Kurzfassung (Rezensionen C, D, E) mit solchen der Langfassung (Rezension A) vereinigte. Das 'Gebet' enthält fast alle Bitten der Oratio'. Weggelassen sind nicht in den Mund eines Laien passende Bitten wie die um Ausdauer in der geistlichen Berufung oder um Kraft gegen die Verlockungen weltlichen Ruhms oder die

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Bitten 'für das christliche Volk'. Die Anrufungen werden teils vereinfachend zusammengefaßt — unsre rihtara phaffon iouh leigun ersetzen pro papa et cesare uel rege nostro necnon pro cunctis rectoribus atque principibus nostris —, teils formelhaft erweitert wie z. B. durch den mehrfach wiederkehrenden Zusatz also ih des bidurfi. Diese wie auch andere Zusätze (spenstif vara des leidigin viantes; durh mina brodi unta durch mina unröucha, odo durh mina tumpheit) dürften ebenso vertrauten volkssprachlichen Gebetsformeln entnommen sein wie die stereotype Einleitung der Bitten mit dara nah. Rätselhaft bleibt dagegen die Aufschwellung des Heiligenkatalogs durch kaum volksnahe Kirchen- und Mönchsväter. Die Sprache des 'Gebets' ist bairisch. Die Einmischung lat. Wendungen in den Anrufungen der Heiligen, die lat. Namensformen sowie das abschließende lat. Zitat entsprechen mal. Predigtstil. C. O t l o h als Schreiber. Von früher Jugend an bis zu den letzten Lebensjahren galt O.s Liebe dem Abschreiben von Büchern. Er ist der bekannteste Vertreter des sogenannten 'schrägovalen' Stils der karolingischen Minuskel, einer Schriftform, 'die über Südostdeutschland hinaus nahezu 200 Jahre in Geltung gestanden hat' (B. BISCHOFF, Kalligraphie in Bayern. Achtes bis zwölftes Jahrhundert, 1981, S. 34). Im 'Liber de temptatione' (GÄBE, S. 318— 338) zählt O. die wichtigeren Werke auf, die er bis dahin verfaßt und mit eigener Hand geschrieben hat. Im 3. Teil desselben Buches (GÄBE, S. 354,22—356,18) nennt er dann noch die von ihm kopierten Fremdwerke größeren Umfangs: 19 Missalien, 3 libri evangeliorum (Evangeliare oder Evangelistare), 2 Lektionare, 2 Offiziumsbücher, 4 patristische Hss. (Augustinus, Cassian, PS. Dionysius), 4 Matutinalien, l Psalter. (Nicht erwähnt in dieser Aufstellung ist clm 14871, 1-45: Hilduins 'Passio Dionysii Areopagitae'.) Das Erhaltene hat BISCHOFF, 1967, S. 89—93, zusammengestellt. Von den Autographa haben erstaunlich viele überlebt, dagegen ist der Verlust bei den Litur-

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gica, wie zu erwarten, sehr hoch. Die vier genannten patristischen Kodizes sind alle auf uns gekommen. D. N a c h l e b e n . Die Nachwirkung von O.s CEuvre war gering, obwohl O. selbst durch Zusendung seiner Werke an befreundete Personen und Klöster um deren Verbreitung bemüht gewesen war. Eine ganze Reihe seiner Gedichte und Prosaschriften ist nur ein einziges Mal in einem der Emmeramer 'Hausexemplare', andere sind nur in einem der nach außen gegebenen Geschenkexemplare überliefert. Von einem verlorenen Dedikationsexemplar wurden noch im 12. Jh. in Österreich wenigstens drei Abschriften genommen, und drei bescheidene Auszüge aus den 'Proverbia', ebenfalls aus dem 12. Jh., bezeugen ein gewisses Interesse an dieser Sammlung. Die 'Proverbia' sind außerdem in der 'Vita Heinrici IV (-»· Erlung von Würzburg) und in einigen jüngeren Sprichwörtersammlungen benutzt worden, der 'Dialogue de III quaestionibus' und das Prosagebet in einem privaten Gebetbuch (Zürich, Zentralbibl., C 171, saec. XL), die 'Vita S. Nicolai' (BHL 6126) in einem anderen Nikolausleben (BHL 6127) (BISCHOFF, 1943, Sp. 668). Weitere Verbreitung erlangten nur die 'Vita S. Wolfkangi' und die 'Vita S. Bonifatii'; letztere wurde noch von dem humanistischen Geschichtsschreiber Hermannus Piscator OSB in seinem 'Chronicon urbis et ecclesiae Maguntinensis' (1526) ausgewertet (GOERLITZ, 1999, S. 288-291); zu dt. Legenden vgl. -> 'Wolfgang von Regensburg' und -> 'Bonifatius' [NB]. Der Person des Autors kam aber auch eine etwas umfangreichere Überlieferung nicht zugute; sie verblieb weitestgehend in der selbstauferlegten Anonymität. So bieten denn auch von den 18 Textzeugen, die LEVISON (s. o. 1.5.e) für die 'Vita S. Bonifatii' auflistet, ganze zwei O.s Namen — und dies in verstümmelter Form. Daher geriet O. 'sogar im eigenen Kloster in Vergessenheit, und erst der Emmeramer Bibliothekar Dionysius Menger (um 1500, in clm 14490) entdeckte ihn wieder' (BISCHOFF, 1943, Sp. 669). Es dauerte freilich weitere 100 Jahre,

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bis die Druckausgabe eines O.sehen Werks wenigstens geplant wurde (SCHMIDT, 1989, S. 26), und fast weitere 100 Jahre, bis MABILLON 1685 zum ersten Mal ein Werk, nämlich den 'Liber de temptatione', veröffentlichte. Selbst die Publikation der meisten Schriften O.s durch PEZ i. J. 1723 führte nicht zu intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Autor. Diese setzte erst gegen Ende des 19. Jh.s ein. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten außerordentlich verstärkt. E. W ü r d i g u n g . In O.s Schriften — und nur aus ihnen kennen wir ihn — tritt uns ein genuiner Repräsentant des unruhig-suchenden Halbjahrhunderts vor der Wende zum HochMA entgegen. Die 'Doctrina' spiegelt in der Schilderung des mehrfach verschobenen Klostereintritts die Spannung zwischen der überkommenen nicht-zölibatären Lebensform des Weltklerus und der sich intensivierenden Forderung nach Einhaltung des Priesterzölibats, und wo immer sich O. an die Weltkleriker wendet, um Habsucht, Kleiderluxus und Karrierestreben zu tadeln, vernehmen wir den zeittypischen Aufruf, zur vita apostolica zurückzukehren. Die Klage über die Unterdrückung der Klöster durch weltliche und geistliche Herren ist die Klage der monastischen Reform, die in Sorge ist um die religiöse Entfaltung der Mönchsgemeinschaften. Auch das zentrale Anliegen seines Werks, die Warnung vor den Lockungen der 'Welt' (des Teufels) und die Mahnung, sich am Jenseits zu orientieren, sind in ihrer Dringlichkeit und Kompromißlosigkeit charakteristisch für den Mentalitätswandel nach der Jahrtausendwende. Daß O. dabei für eine verfehlte Weltzuwendung den Terminus philosophia (carnalis) wählt, ist bezeichnend: die Antike, der die karolingische und ottonische Epoche mit ihrem ungebrochenen Selbstwertgefühl unbefangen gegenüberstand, wird nunmehr als bedrohlich empfunden, und zwar gerade wegen ihrer ästhetischen und denkerischen Attraktivität, die als Vermittlerin paganer Weltsicht und paganen Lebensgefühls das Seelenheil gefährdet. Wie allgemein und wie groß zu

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dieser Zeit die Anziehungskraft der antiken 'Philosophie' gewesen sein muß, zeigt der sprunghafte Anstieg von Artes-Schrifttum (v. a. Grammatik, Dialektik und Quadrivium) in den Hss. des 11. Jh.s (vgl. B. K. VOLLMANN, Das Bayern des 11. Jh.s im Lichte der Hss. der Bayer. Staatsbibl. München, in: M. W. HERREN u. a. [Hgg.], Latin Culture in the Eleventh Century. Proceedings of the 3rd International Conference on Medieval Latin Studies. Cambridge September 9—12 1998, vol. 2, Turnhout 2002, S. 503-510). Auch O. war nach Anlage und Bildungsgang von den klassischen Studien überaus angetan, und selbst nach seiner conversio kann das Interesse nicht völlig erloschen sein. O. dürfte — entgegen der Meinung von ENDRES, 1915, S. 72-74, und anderer - der Dialogpartner in -» Wilhelms von Hirsau 'De astronomia' und 'De musica' gewesen sein (SCHAUWECKER, 1963, S. 225—235; KROGMANN, 1993, S. 43 —52). Zwar hat man ihn wegen seiner in verschiedenen Schriften anzutreffenden Artes-feindlichen Äußerungen als Antidialektiker bezeichnet, doch erscheint eine solche Charakterisierung als zu pauschal und unpräzis. Sie übersieht, daß O. das Problem der antiken Philosophia nicht generell-systematisch behandelt, sondern im Zusammenhang einer zielgerichteten speziellen Polemik, die sich gegen die Instrumentalisierung des ArtesStudiums als Karrieresprungbrett, gegen den Vorrang des Artes- vor dem Schriftstudium und gegen den unbedachten Einsatz von Grammatik und Dialektik in Glaubensdingen wendet. Noch mehr als von der antiken Gelehrsamkeit und ihrer gedanklichen Schärfe war O. fasziniert von der antiken Literatur und ihrer sprachlichen Schönheit. Zwar wurde ihm durch Eingreifen des Himmels die Lektüre des geliebten Lukan verleidet ('Liber visionum', visio 3), aber der durch die Alten geweckte und genährte ästhetische Anspruch mußte nicht unterdrückt werden, er konnte sich vielmehr an 'auferbauenden' Stoffen bewähren: in belehrender, mahnender und liturgischer Dichtung sowie in der stilistischen Bearbeitung von Heiligenleben.

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O.s theologisches Denken kreist im Grunde um einen einzigen Gegenstand: die Theodizee. Was er zur Lösung des Problems anbietet, ist unter spekulativem Gesichtspunkt kaum bahnbrechend zu nennen; es reduziert sich nahezu auf biblische Vorbildfiguren, insbesondere Hiob, und auf das Vertrauen in die Wirkung des Gebets ('Liber de temptatione', GÄBE, S. 260). Beeindruckend neu ist dagegen die Höhe seines Problembewußtseins, die Schärfe, mit der er das Problem anspricht, und sein Versuch, seine persönliche Erfahrung mit körperlicher und seelischer Krankheit als Teil dieses Problems zu begreifen und es so zu bewältigen. Kaum irgendwo wird die mit dem 11. Jh. beginnende Intellektualisierung und Subjektivierung des MAs so deutlich wie in O.s Anstrengung, seine neurotischen Zustände zu beschreiben, zu analysieren und als Teil der göttlichen Ratschlüsse (iudicia) zu rationalisieren. O. war kein großer Systemdenker, er war aber auch kein schlichter Kompilator von Althergebrachtem. Sein Ansatz, theoretische Probleme von der subjektiven Erfahrung aus anzugehen, barg in sich dynamisches Potential für die Zukunft. L i t e r a t u r . Generell. E. DÜMMLER, Über den Mönch O. v. St. E., BSB, 1895, S. 1071-1102; F. TIMANN, O. v. St. E., Phil. Diss. (masch.) Berlin 1920; MANITIUS, LG II 83-103; A. HAUCK, Kirchengesch. Deutschlands III, 3·41920, S. 945 f., 968-971; B. BISCHOFF, Lit. u. künstlerisches Leben in St. Emmeram (Regensburg) während d. frühen u. hohen MAs, Stud. Mitt. OSB 51 (1933) 102143, hier S. 114-134, 139-142 (= BISCHOFF, 1933a; wieder, leicht überarbeitet, in: BISCHOFF, 1967); ST. ABT, Othlon de Saint-Emmeram. Les confessions d'un moine du Xleme siecle, Collectanea Theologica Societatis Theologorum Polonorum 16 (1935) 216-244, 340-372; BISCHOFF, O. v. St. E., in: 'VL III 658-670 (= BISCHOFF, 1943); H. SCHAUWECKER, O. v. St. E. Ein Beitrag z. Bildungs- u. Frömmigkeitsgesch. des 11. Jh.s, Stud. Mitt. OSB 74 (1963) [1964], 3-240; dies., [bebilderte Sonderausg. des vorigen], 1964; BISCHOFF, Mal. Stud. II, 1967, S. 77-115 (leicht überarb. Fassung von BISCHOFF, 1933a); WATTENBACH/HO LTZMANN/SCHMALE, Geschichtsquellen l, 1967, S. 264-275, u. 3, 1971, S. 81*-83*; R. KOTTJE, Klosterbibliotheken u. monastische Kultur in d. 2. Hälfte d. 11. Jh.s, ZKG 80 (1969) 145-162, bes. S. 152—155; K. J. BENZ, Regensburg in d. geistigen

1150

Strömungen des 10. u. 11. Jh.s, in: Zwei Jahrtausende Regensburg, hg. v. D. ALBRECHT (Schr.nreihe d. Univ. Regensburg 1), 1979, S. 75-95, bes. S. 83-88; P. G. SCHMIDT, Heinrich III. - Das Bild d. Herrschers in d. Lit. seiner Zeit, DA 39 (1983) 582-590, hier S. 583-585; E. PREISE, Kalendarische u. annalistische Grundformen der Memoria, in: K. SCHMID / J. WOLLASCH (Hgg.), Memoria. Der geschichtl. Zeugniswert d. liturg. Gedenkens im MA (MMS48), 1984, S. 441-577, bes. S. 467-481; E. PREISE, Die Äbte u. d. Kovent v. St. Emmeram im Spiegel d. Totenbuchführung d. 11. u. 12. Jh.s, in: E. PREISE / D. GEUENICH / J. WOLLASCH (Hgg.), Das Martyrolog-Necrolog v. St. Emmeram zu Regensburg (MGH Libri Memoriales et Necrologia, N.S. III), 1986, S. 96-106; CL. MÄRTL, Regensburg in d. geistigen Auseinandersetzungen d. Investiturstreits, DA 42 (1986) 145 — 191, bes. S. 149 f.; CH. RÄDLINGER-PRÖMPER, St. Emmeram in Regensburg. Struktur- u. Funktionswandel eines bayer. Klosters im frühen MA (Thurn- u. Taxis-Studien 16), 1987, bes. S. 194209; M. HEIM, O. v. St. E. (um 1010 - um 1070), in: G. SCHWAIGER (Hg.), Lebensbilder aus d. Gesch. d. Bistums Regensburg (Beitr. z. Gesch. d. Bistums Regensburg 23/24), 1989, S. 124-131; BRUNHÖLZL, LG II 473-483, 629 f.; H. WEISS, 0. v. St. E. — ein Mönch d. 11. Jh.s, Mag.-Arbeit Erlangen-Nürnberg, 1994; W. GOEZ, O. v. St. E.: Mönch, Kopist, Literat, in: ders., Lebensbilder aus dem MA, 21998, S. 168-177; Rep. font. VIII, 2000,5.426-429. Zu 1.1. u. 2. J. A. ENDRES, Forschungen z. Gesch. d. frühmal. Philosophie (Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. MAs, Bd. 17, 2-3), 1915, S. 64-87; B. BISCHOFF, Zur Kritik d. Heerwagenschen Ausg. von Bedas Werken (Basel 1563), Stud. Mitt. OSB 51 (1933) 171-176, hier S. 175f. (= BISCHOFF, 1933b); W. SCHRÖDER, Der Geist v. Cluny u. d. Anfänge d. frühmhd. Schrifttums, PBB 72 (1950) 321-386, hier S. 371-382; I. SCHRÖBLER, O. v. St. E. u. Hieronymus, PBB 79 [Tüb.] (1957) 355362; J. GROSS, O.s v. St. E. Apologie d. Erbsündendogmas, Zs. f. bayer. Kirchengesch. 27 (1958) 121 — 135; G. R. EVANS, 'Studium discendi': O. of St. E. and the Seven Liberal Arts, Recherches de theologie ancienne et madievale 44 (1977) 29—54; 1. M. RESNICK, 'Litterati, Spirituales' and Lay Christians According to O. of St. E., Church History 55 (1986) 165 — 178; ders., 'Scientia überaus', Dialectics and O. of St. E., Rev. Ben. 97 (1987) 241 — 252; ders., Attitudes Towards Philosophy and Dialectic During the Gregorian Reform, Journal of Religious History 16 (1990) 115-125; L. STURLESE, Die dt. Philosophie im MA, 1993, bes. S. 66-76; A. KROGMANN, Die Einstellung zur weltl. Bildung bei Wilhelm v. Hirsau — Die Emmeramer Dialoge mit Otloh, Mag.-Arbeit Regensburg

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Otto von Freising

1993, bes. S. 24-35; H. N. HAGOORT, Droefheid en Angst: De bestudering van het quadrivium in de elfde eeuw, in: R. E. V. STUIP (Hg.), Scholing in de Middeleeuwen (Utrechtse bijdragen tot de medievistiek 13), Hilversum 1995, S. 159-172; T. HEIKKILÄ, Schriftl. Kultur als Mittel gegen äußere Feinde u. innere Unruhe. Das Kloster Fulda unter Abt Widerad (1060-1075), in: J. HAMESSE (Hg.), Roma, magistra mundi. Itineraria culturae medievalis. Melanges offerts au Pere L. E. Boyle a l'occasion de son 75e anniversaire, voll. I —III (Textes et etudes du moyen ige 10, 1—3), Louvain-La-Neuve 1998, III, S. 155-171, bes. S. 159-167. Zu 1.3. B. BISCHOFF, Über unbekannte Hss. u. Werke O.s v. St. E. (Regensburg), Stud. Mitt. OSB 54 (1936) 15-23. Zu 1.5. L. VON HEINEMANN, Die älteste Translatio d. heil. Dionysius, NA 15 (1890) 331-361; F. HODDICK, Das Münstermaifelder Legendär, Diss. Bonn 1928; G. SPAHR, Der hl. Magnus: Leben, Legende, Verehrung (Allgäuer Heimatbücher 75), 1970; K. F. MORRISON, The Structure of Holiness in Otloh's 'Vita Bonifatii' and Ebo's 'Vita Ottonis', in: ders., Holiness and Politics in Early Medieval Thought (Variorum Reprints. Collected studies series 219), London 1985, [V], S. 131-156; R. STANCHI, Fondare una tradizione. Appunti su due 'Vitae' di O. di St. E., Revista di storia e letteratura religiosa 25 (1989) 404-422; D. WALZ, Auf den Spuren der Meister. Die Vita des hl. Magnus v. Füssen, 1989; U. GOERLITZ, Humanismus u. Gesch.Schreibung am Mittelrhein. Das 'Chronicon urbis et ecclesiae Maguntinensis' d. Humanisten Piscator OSB (Frühe Neuzeit 47), 1999, bes. S. 288-291. Zu 1.6. H. RÖCKELEIN, O., Gottschalk, Tnugdal: Individuelle u. kollektive Visionsmuster des HochMAs (Europ. Hochschulschr.n, III 319), 1987, bes. S. 21-99. Zu 1.7. G. MISCH, Gesch. d. Autobiographie, Bd. 3,1, Teil 2, 1959,21976, S. 57-107; G. VINAY, Otlone di Sant'Emmeram ovvero l'autobiografia di un nevrotico, in: Settimane del Centro italiano, vol. 17/1 (La storiografia altomedievale), Spoleto 1970, S. 13-37; J. LECLERCQ, Moderne Psychologie u. d. Interpretation mal. Texte, Erbe u. Auftrag 51 (1975) 409-426, bes. S. 411-413 (gegen VINAY, 1970); M. BANNIARD, Vrais aveux et fausses confessions du IXe au XIC siecle: vers une ecriture autobiographique?, in: L'aveu. Antiquite et moyen äge. Actes [...], Rome, 28-30 mars 1984 (Collection de l'ecole Francaise de Rome 88), Rom 1986, S. 215-241; J.-CL. SCHMITT, L'autobiografia sognata, in: ders., Religione, folklore e societä nelPOccidente medievale (Quadrante 14), Rom/Bari 1988, 22000, S. 269-286; B. STOCK, Writing and Internal Time-Consciousness: O. of St. E., in: Y. BONNEFOY u. a. (Hgg.), Le nombre du temps: en hommage ä Paul Zumthor (Nouvelle bibliotheque

du moyen age 12), Paris 1988, S. 263-271; H. RÖCKELEIN, Hochmal. Autobiographien als Zeugnisse d. Lebenslaufs u. d. Reflexion über Erziehung. Das Beispiel O.s v. St. E. u. Guiberts v. Nogent, in: R. W. KECK/ E. WIERSING (Hgg.), Vormoderne Lebensläufe — erziehungshistorisch betrachtet (Beitr. z. hist. Bildungsforschung 12), 1994, S. 151 — 186; dies., Reflexionen über Erziehung u. Lebenslauf in Autobiographien d. HochMAs, Jb. f. Hist. Bildungsforschung 2 (1995) 33-58; G. GÄBE, O. v. St. E., 'Liber de temptatione cuiusdam monachi'. Untersuchung, krit. Ed. u. Übers. (Lat. Sprache u. Lit. d. MAs 29), 1999; P. R. ROMANELLO, II labirinto della storia. La logica delle tentazioni diaboliche in Otlone di Sant'Emmerano (Quodlibet 11), Bergamo 1999; N. F. USKOV, Die Conversio eines Mönches im 11. Jh.: O. v. St. E. bei der Arbeit an seinen Erinnerungen, Verh. d. Hist. Ver. f. Oberpfalz u. Regensburg 139 (1999) 7-45. Zu 1.10. R. BUDDE, Die rechcl. Stellung d. Klosters St. Emmeram in Regensburg zu d. öffentl. u. kirchl. Gewalten vom 9. bis zum 14. Jh., Arch, f. Urkundenforschung 5 (1914) 153-238, bes. S. 175—194; H. PHILIPP-SCHAUWECKER, O. u. d. St. Emmeramer Fälschungen d. 11. Jh.s, Verh. des Hist. Ver. f. Oberpfalz u. Regensburg 106 (1966) 103-120; A. KRAUS, Die Translatio S. Dionysn Areopagitae von St. Emmeram in Regensburg, in: MSB 1972/4, S. 1-70; M. RATHSACK, Fuldaforfalskningerne. En retshistorisk analyse af klostret Fuldas pavelige privilegier 751 —ca. 1158, Kebenhaven 1980; H. JAKOBS, Zu neuen Thesen über die Fuldaer Papsturkunden, DA 37 (1981) 792-795 (gegen RATHSACK); A. KRAUS, St-Denis u. Regensburg: Zu d. Motiven u. z. Wirkung hochmal. Fälschungen, in: H. FUHRMANN (Hg.), Fälschungen im MA, Bd. Ill (MGH Schr.n 33, III), 1988, S. 535549; M. RATHSACK, Die Fuldaer Fälschungen. Eine rechtshist. Analyse d. päpstl. Privilegien d. Klosters Fulda von 751 bis ca. 1158 (Päpste u. Papsttum, 24/1-2), 1989, S. 453-468, 550-553 (dt. Übers, von RATHSACK, 1980, mit Verbesserungen u. Ergänzungen); A. SCHMID, „Auf glühendem Thron in der Hölle". Gebhard III., O. v. St. E. u. die Dionysiusfälschung, in: Ratisbona Sacra. Das Bistum Regensburg im MA (Kunstslg.n d. Bistums Regensburg, Diözesanmuseum Regensburg. Kataloge u. Schr.n 6), 1989, S. 119-121. Zu II.2. ST. W. C. KORFMACHER, Othloni Libellus proverbiorum, Chicago 1936; BISCHOFF, Rez. Korfmacher, Hist. Jb. 57 (1937) 674 f.

BENEDIKT KONRAD VOLLMANN Otto von Freising [Korr.] Bd. 7, Sp. 216 Z. 5 und Sp. 222, 3. Absatz: "Papst Hadrian III." korr.: Papst Hadrian IV. Vgl. DA 46,2 (1990) 565.

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Otto von Lüneburg — Otto von Sonnenberg

Otto von Grüssau ->· 'Vokabulariengruppe Abba, Avis, Abbreviare' Otto von Lüneburg [Korr.] Bd. 7, Sp. 227, petit-Absatz: "Bamberg, SB, cod. L. III. 54" korr.: ..., Msc. Med. 13 (olim L. III. 54).

Otto von Passau [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp.229 Überl.: Die bei SCHMIDT (S. 390 f.) als Nr. 92 a gezählte ostmd. Hs. ehem. Leitmeritz, Bibl. des Kapuzinerklosters, Ms I l, befindet sich jetzt in Prag, Närodni, Knihovna, (Kapucini Litomerice Ms. 3 = ) Cod. XXVII B 10 (Hinweis K. Klein). Sp. 230 oben, zu Nachträge zu SCHMIDT ergänze: G. J. JASPERS, Otto von Passau in Nederlandse handschriften, OGE 60 (1986) 302-348. Ebd., 1. Absatz Mitte: "[München, ÜB,] ein frgm. Bl. ... verbrannt (P. LEHMANN/O. GLAUNING, ..., Nr. CLXVI" korr.: ..., Nr. CXLVI (das Frgm. hatte die Nr. 146!).

Otto der Rasp [Nachtr./Korr.] Bd. 7, Sp. 234 Überl.: Die Hs. ehem. "Laibach (Ljubljana), Fideikommißbibl. der fürstl. Familie Auersperg ..." ist heute in New Haven, Conn., Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, MS 653. Ebd.: "524 Bll." korr.: 262 Bll. (mit Blattverlusten). Ebd.: "Bl. 477-524v" korr.: Bl. 238ra-259vb (die Hs. enthält sowohl eine Paginierung als auch eine Foliierung; von SCHÖNBACH verwechselt). Hinweise N. H. Ott.

Otto von Sonnenberg I. O., nachgeborener Sohn Eberhards I. Truchsesses von Waldburg, der 1455 die Herrschaft Sonnenberg kaufte, immatrikulierte sich am 14. April 1451 in Wien (Otto Truchsesß zu Waltpurg). 1454 ist er als Student der Rechte in Pavia bezeugt; einen akademischen Grad hat er dort nicht erworben. 1466 ist er als Chorherr in Lindau, 1472 als Rat Eberhards im Bart von Württemberg, am 30. April 1474 als Domherr in Konstanz nachgewiesen. Nach dem Tod des Konstanzer Bischofs Hermann von Breitenlandenberg wählte ihn die Mehrheit des Domkapitels am 30. Sept. 1474 zum Nachfolger. Mit O.s rechtmäßi-

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ger Wahl kollidierte jedoch die päpstliche Provision auf den Konstanzer Stuhl, die wenig zuvor Ludwig von Freiberg als Koadjutor Bischof Hermanns erhalten hatte. Der Einspruch Sixtus' IV. gegen O.s Wahl vom 4. Dez. 1474 löste ein Schisma aus, in dem Kaiser Friedrich III. und die Stadt Konstanz für O. eintraten, Herzog Sigismund von Tirol seinen Gegner stützte. Den langwierigen, diplomatisch und juristisch, auch mit publizistischen Mitteln (vgl. SCHMIDT) geführten Bistumsstreit beendete erst der Tod Ludwigs von Freiberg im Herbst 1480. O. wurde, bestätigt nun auch vom Papst, am 31. März 1481 zum Priester und Bischof geweiht. Die dringendsten Aufgaben des neuen Bischofs waren die Überwindung der verheerenden finanziellen Lage, in die das Bistum geraten war, und die Wiederherstellung eines geordneten kirchlichen Lebens. Beide Anliegen veranlaßten die Abhaltung der mit ihren Erlassen und Initiativen wegweisenden Diözesansynode am 24. Sept. 1481, an der 450 Geistliche teilnahmen. Eine in der Forschung regelmäßig angenommene zweite Synode von 1483 ist nicht bezeugt (s. u. .3.). Der Versuch der wirtschaftlichen Sanierung des Bistums und die kirchliche Reform bestimmten auch die weitere Amtstätigkeit O.s bis zu seinem frühen Tod am 21. März 1491. Er wurde in einer von ihm erbauten Kapelle des Konstanzer Münsters beigesetzt. Unter den amtlich am Konstanzer Bischofshof tätigen oder mit ihm verbundenen Personen waren einige Literaten, Ulrich -» Molitoris, Notar am bischöflichen Vikariat, der im Bistumsstreit 1475 mit dem 'Somnium comedie' die Sache O.s und des Domkapitels vertrat, Michael -> Christan, der 1474 als Übersetzer O.s (s. u. III.) tätig wurde und ihm 1491 seine Ausgabe von Aeneas Silvius -» Piccolominis 'Europa' widmete. Die Teilnahme des Konstanzer Bischofshofs am literarischen Leben der Zeit, an der Förderung des frühen Humanismus blieb unter O. indes sehr begrenzt. II. O.s Bemühungen um eine angemessene Amts- und Lebensführung des Klerus

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Otto von Sonnenberg

manifestieren sich in einer Anzahl liturgischer und pastoraler Druckwerke: 1. 'Breviarium Constantiense', redigiert im Auftrage O.s. D r u c k . [Basel, Michael Wenßler, vor dem 21.5. 1480]; GW 5318. Bis 1491 erschienen fünf weitere Konstanzer Breviere; GW 5319—5323. 2. 'Directorium Constantiense'. Gebetbuch für das tägliche Stundengebet das Jahr hindurch. D r u c k e . Basel, M. Wenßler 1481 u. 1482; GW 8449-50. 3. 'Statuta synodalia Constantiensia'. Wichtigstes Dokument der Reformsynode von 1481 zu Pflichten und Lebenswandel der Geistlichen. Mit Vorwort von Bischof O. D r u c k . [Basel, Michael Wenßler, um 1481/82]; HAIN 12123. Zur Datierung des Drucks auf 14817 82 und damit der 'Statuta' selber auf 1481 statt 1483 (so die gesamte frühere Forschung) vgl. V. SACK, Die Inkunabeln der ÜB u. anderer öffentl. Sammlungen in Freiburg i. Br. u. Umgebung, Bd. 2, 1985, S. 1132. 4. Obsequiale sive benedictionale secundum ecclesiam Constantiensem'. Enthält nach einer einleitenden knappen Sakramentenlehre die Riten der sieben Sakramente sowie die wiederkehrender Weihehandlungen, Segenspendungen, Prozessionen des Kirchenjahrs, der Kartage (mit Osterfeier'), schließlich den des adventus prtncipis. Nach O.s Geleitwort war das Obsequiale' für die Praxis der Priester seiner Diözese verbindlich und von jedem anzuschaffen. D r u c k e . [Basel, Michael Wenßler, um 14817 82]; COP. 4451. Zur Datierung vgl. DOLD, Ausg., S. XVIII, u. V. SACK (s. o. H.3.), Nr. 3079. Verbesserte Neuausg.: [Basel, M. Wenßler, um 1482]; V. SACK, Nr. 3080. Ausgabe. A. DOLD, Die Konstanzer Ritualientexte in ihrer Entwicklung von 1482 bis 1721 (Liturgiegeschichtl. Quellen 5-6), 1923, S. 1-169. 5. 'Missale Constantiense', auf Veranlassung O.s redigierte Ausgabe. D r u c k . Basel, Peter Kollicker 1485; HAIN 11283. 6. Nach VOCHEZER (S. 880) hat O. auch ein 'heute verlorenes Handbuch für Priester' herausgegeben (ine. Pro rudioribus et simplicioribus sacerdotibus dictum sit quod septem sunt sacramenta), das Anweisungen für die Sakramentenspendung und für die Erteilung des Religionsunterrichts enthalten haben soll.

III. 'De c o n t e m p t u m u n d i ' . Den kleinen Traktat, den Michael Christan im März 1484 übersetzte, eröffnet ein Prolog, in dem O. als Motiv seiner Schrift das Bewußtsein der menschlichen Hinfäl-

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ligkeit angibt, dabei auch erwähnt, noch nicht das 50. Lebensjahr erreicht zu haben. Die folgenden insgesamt vier Kapitel bilden eine komponierte Einheit. Das 1. handelt, meist in enger Anlehnung an den Text der Genesis, von der Erschaffung des Menschen, Sündenfall, Engelsturz, vom Ursprung des Bösen und der Sünde, das 2. von der Vertreibung aus dem Paradies, ergeht sich aber bald und zum größeren Teil in einer auffälligen, zahlreiche Quellen von -»· Isidor [NB] ('Etym.') bis -» Vinzenz von Beauvais exzerpierenden Beschreibung des irdischen Paradieses, der verlorenen Stätte glückseligen Lebens. Diese kontrastiert dem 3. Kap., welches das trübselige Dasein des gefallenen Menschen in allen seinen sechs Lebensaltern (nach -> Hrabanus, 'De universo' 6) vor Augen hält. Das abschließende 4. Kap. blickt auf die Freuden der ewigen Seligkeit und das Unheil der Verdammnis. O.s Schrift ist keine Abhandlung eines Theologen von Profession, nur eine schlichte Gelegenheitsarbeit, die auch kein asketischer Eifer bewegt. Sie bleibt elegische Betrachtung, von der nur die Vorstellung dereinstigen jenseitigen Glücks befreit. Zu ihren gewinnend persönlichen Zügen zählt die mahnende Bemerkung, Gott habe die Frau nicht als serva, sondern als socia des Mannes geschaffen. D r u c k . [Basel, Johann Amerbach, nicht nach 1488]; HAIN 12126; V. SACK (s. . .3.) Nr. 2625. L i t e r a t u r . J. VOCHEZER, Gesch. d. fürstl. Hauses Waldburg in Schwaben, Bd. l, 1888, S. 801899 u. ö. (Reg. S. 975); A. SCHMIDT, Beiträge z. ältesten Druckgesch. der Schweiz, ZfB 25 (1908) 107-131; E. GÖLLER, Sixtus IV. u. der Konstanzer Bistumsstreit, Freiburger Diözesanarchiv NF 25 (1924) 1-60; A. BRAUN, Der Klerus des Bistums Konstanz im Ausgang d. M As (Vorreformationsgeschichtl. Forschungen 14), 1938, S. 15-22, 101, 132, 153, 175 f., 185; L. BERTALOT, Stud, zum ital. u. dt. Humanismus, Rom 1975, S. 85; P. F. KRAMML, Kaiser Friedrich III. u. die Reichsstadt Konstanz, 1985, S. 223-231 u. ö. (Reg.); J. MAUZ, Ulrich Molitoris. Ein süddt. Humanist u. Rechtsgelehrter, 1992, S. 23-31, 70 f. u. ö. (Reg.); Helvetia Sacra, Abt. I, Bd. 2: Erzbistümer u. Bistümer II, 1993, 1. Teil, S. 114-120, 366-371 u. ö., 2. Teil, Reg. F. J. WORSTBROCK

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Ottokar von Steiermark

Ottokar von Steiermark [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 239 zu I. Leben ergänze: Ein Student der Rechtswissenschaften namens Odacker de Stiria ist i. J. 1291 in Bologna bezeugt (dieser Aufenthalt würde in das unbeurkundete Jahrzehnt im Leben O.s 1287-1297 passen!); vgl. O. HAGENEDER, Über das fürstl. Gesetzgebungsrecht beim steir. Reimchronisten, in: Fs. Nikolaus Grass zum 60. Geb., hg. v. L. CARLEN u. F. STEINEGGER, Bd. l, Innsbruck 1974, S. 459-481, hier S. 462. Ebd. zu II., Überl. ergänze: München, cgm 5249/24 a (Frgm., Perg.doppelbl., Mitte 14. Jh.), in SEEMÜLLERS Ausg. nicht berücksichtigt, aber vgl. ders., ZfdA 38 (1894) 368-376 (Sigle 61) u. K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung d. Bayer. SB München (Cgm 5249/1-79), 1996, S. 52 f.; ein weiteres Frgm. in Berlin, Geheimes Staatsarch. PK, XX.HA Hs. 34 (= ehem. Königsberg, Staatsarchiv), vgl. L. DENECKE (Hg.), Oren-

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del. Prosafassung (Slg. Metzler 111), 1972, S. 13 (Überl. im Deutschen Orden). Sp. 243 f. zu Wirkungsgeschichte ergänze: Das 'Historienbuch' Jörg -> Stulers enthält eine Prosafassung von Teil II der 'StR' (über den Fall Akkons 1291); vgl. K. GRÄSSNER, Komposition u. Quellen von Jörg Stulers Historienbuch, Diss. Marburg 1931, S. 57-94. Die Akkon-Prosa der Mailänder Hs. Bibl. Nazionale Braidense, AE XIII 13 beruht zwar auf O. (so H. HILGERS, Die Überl. der Valerius-MaximusAuslegung Heinrichs v. Mügeln, 1973, S. 52—55), jedoch nur indirekt; sie ist ein Ausschnitt aus -» Leopolds von Wien 'Chronik der 95 Herrschaften', die von O. abhängig ist (Hinweise von G. Kornrumpf).

Overij sseischer Totentanz' tentanz' [NB]

'Klever To-

P/Q 'Palestra' [Korr.] Bd. 7, Sp. 275 Überl.: "... einer Hs. der ehem. Kaiserl. Öffentl. Bibl. zu Petersburg (cod. Lat. XVII, ...)" korr.: Die vollständige Sign, lautete cod. Lat. Q. XVII. 18 (durch Kriegseinwirkung vernichtet); vgl. -> Tidericus.

'Palmbaumtraktate' [Korr.] Bd. 7, Sp. 279, zu -Red, mnd.: "Hannover, Niedersächs. LB, Ms. 239" korr.: ..., Ms. I 239.

Palmieri, Matteo (Palmerius, Matthaeus) -» 'Brünner Weltchronik' [NB] Panholz (Panholcz, Bonholcz), Leonhard 1. Der aus Opperkofen bei Straubing stammende P. immatrikulierte sich am 29. Aug. 1453 an der Univ. Heidelberg, wechselte aber schon im Jahr darauf an die Hohe Schule in Wien, wo er am 13. Okt. 1454 die Studiengebühr von 4 Groschen entrichtete. Der baccalanus Viennensis P. ist am 4. Sept. 1456 als rector iuvenum an der Schule des Benediktinerklosters Prüll bei Regensburg bezeugt; am 2. April 1459 ist er erstmals als Lehrer an der Schule des Regensburger Minoritenklosters St. Salvator nachzuweisen, eine Funktion, die er bis zu seinem Lebensende ausgeübt zu haben scheint, da er im Nekrolog dieses Klosters als Informator iuvenum bezeichnet wird. Daneben konnte der seit 1462 als presbiter Ratisponensis diocesis erscheinende P. seine Einnahmen durch Pfründenerwerb und Ankauf von Leibgedingen bei der Stadt Regensburg aufbessern. Im März 1474 erwarb er in der kaiserlichen Kanzlei für 7 Gulden eine an die Äbtissin von Niedermünster in Regensburg gerichtete 'Erste Bitte'

Friedrichs III. auf die nächste freiwerdende Pfründe (HEINIG, S. 579), und noch im selben Jahr ist er als Pfarrer von Oberviehbach (bei Dingolfing/Niederbayern) zu belegen. Wie seine Brüder Lorenz P. (rusticus in Opperkofen) und Hans P. (Kaplan in Mötzing, Landkreis Regensburg, später Pfründner im Heilig-Geist-Spital in Neumarkt in der Oberpfalz) kaufte L. P. seit 1462 wiederholt Renten bei der Stadt Regensburg; über ein Dutzend Leibgedingsquittungen (München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Reichsstadt Regensburg, Urkunden) und Auszahlungsverbuchungen (Stadtarchiv Regensburg, Cameralia) aus den Jahren 1462 bis 1498 belegen den steigenden Wohlstand des Schulmannes, dem der Regensburger Rat am 24. August 1476 den Ankauf eines Hauses in der Nähe des Haidplatzes erlaubte, obwohl er als Geistlicher kein Bürgerrecht nehmen mußte (München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, RL Regensburg, Nr. 408, Bl. 204r).

P. starb am 20. Juni 1498 und wurde in der Regensburger Minoritenkirche beigesetzt, wofür er dem Kloster plura bona volumina pro libraria hinterließ. Von seinem Buchbesitz konnten allerdings bislang nur wenige Bände nachgewiesen werden (München, clm 26611, Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., 534.3 Novi, sowie die Inkunabel Oxford, Bodleian Library, Auct. IQ 3.19 [1]). 2. In Regensburg verfaßte P. in lat. Sprache um 1490 eine mit einer prefaciuncula eingeleitete Fortsetzung der 'Chronica de principibus terrae Bavarorum' des ->· Andreas von Regensburg, eine Darstellung der bayerischen Geschichte, die bei mehrfacher Durchbrechung der chronologischen Reihung mit der Schilderung des Konflikts zwischen Herzog Ludwig dem Bärtigen von Bayern-Ingolstadt und seinem gleichnamigen Sohn einsetzt (1438 — 1445) und mit dem Tode des Pfalzgrafen Johann im Heiligen Land (1486) endet,

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'Papst-Kaiser-Rotulus'

wobei gelegentlich auch Aktenstücke und Gedichte inseriert werden. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 8232, 95r— 100r (die Hs. wurde im April 1960 vom Antiquariat Helmut Tenner für die Bayerische SB erworben; diese Hs. lag der Ausgabe von FREHER zugrunde). A u s g a b e n . M. FREHER, Andreae Presbyteri Ratisponensis Chronicon de ducibus Bavariae, Amberg 1602, S. 145-159, danach bei J. H. BOECKLER, Aeneae Silvii, episcopi Senensis, postea Pii papae II., historia rerum Friderici tertii imperatoris, Straßburg 1685, (R.), S. 62-72, und J. SCHILTER, Scriptores rerum germanicarum a Carolo Magno usque ad Fridericum III., Straßburg 1702, (R.), S. 62-72. L i t e r a t u r . Bibliographie: Rep. font. VIII 470 f. — G. LEIDINGER (Hg.), Andreas v. Regensburg Sämtliche Werke (Quellen u. Erörterungen z. bayer. u. dt. Gesch., NF 1), 1903, S. LXXIIf.; J.M. MOEGLIN, Les ancetres du prince. Propagande politique et naissance d'une histoire nationale en Baviere au Moyen Age (1180-1500), Geneve 1985, S. 207 u. 259; B. STUDT, Fürstenhof u. Geschichte (Norm u. Struktur 2), 1992, S. 351; J. SCHNEIDER, Neue Aspekte zu Auftrag, Strategie u. Erfolg einer zweisprachigen Dynastiegeschichte des 15. Jh.s: Die 'Bayerische Chronik' des Andreas von Regensburg lat. u. dt., in: R. SPRANDEL (Hg.), Zweisprachige Geschichtsschreibung im spätmal. Deutschland, 1993, S. 129-172, hier S. 151153; H. MÖHRING-MÜLLER u. a., Prosopographie: Autoren u. Publikum der untersuchten zweisprachigen Geschichtsschreibung (Beiträge Nr. 3.—8. und 11.), in: ebd., S. 317-384, hier S. 357f.; W. KNORR / G. ZIPP (Hgg.), Die Inschriften der Stadt Regensburg. I. Minoritenkirche, 1995, S. 82; P.-J. HEINIG / I. GRUND, Das Taxregister der römischen Kanzlei 1471-1475 (Haus-, Hof- u. Staatsarchiv Wien, Hss. 'weiß 529' und 'weiß 920') (Regesten Kaiser Friedrichs III. 1440-1493, Sonderband 2), 2001, S. 579.

FRANZ FUCHS Tapst und Kaplan' entfällt (Predigtexempel; kein selbständiger Text; -»· vgl. tulus animae' (2.b) [Bd. 4 u. NB]) 'Papst-Kaiser-Rotulus' Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, SBB-PK, Hdschr. 143 (6,67 m lange, 18 — 20 cm breite Pergamentrolle, parallel zu den Rändern der Langseite bemalt und beschrieben; rhfrk., 1431-1433). - Abb.: BRAN-

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DIS, 1984; Preuß. Kulturbes. ..., 1986, S. 411; SCHIEWER, S. 27; Glanz alter ..., 1988, Nr. 81; BRANDIS, 2002, Taf. XXIX. Inhaltlich verwandt ist Wien, cod. Ser. nova 2653 (ebenso angelegt; bis 1452/55 geführt; mit lat. Text).

Die historiographische Darstellung des Rotulus, die die Zeit von Christi Geburt bis zu Papst Eugen IV. bzw. zu König Sigismund (etwa 1431/33) umfaßt, erfolgt in der Kombination von Bild und Text. Mit seiner Anlage der synoptisch geführten Papst- und Kaiserreihen steht das Werk in der Tradition der Chronik -* Martins von Troppau. Zwei Reihen von einander gegenüberstehenden Brustbildern der Päpste, beginnend mit Christus (obere Reihe; insg. 232 Bilder) und der Kaiser seit Julius Caesar (untere Reihe, jeweils mit Wappen; zu Beginn zwei Ganzkörperfiguren; insg. 133) werden jeweils durch kurze dt. Texte ergänzt (Namen, Daten, Regierungsdauer, Todesarten). Das Textinitium der Rolle ist zerstört; die geistliche Reihe beginnt danach mit: Crist der herre hat gelebet xxxiiij jar. Der oberen Reihe sind Angaben auch zu den Konzilien zugeordnet, während am unteren Rand diverse weitere Personen (Dichter, Gelehrte, Ketzer und Propheten) und reichspolitisch relevante Ereignisse verzeichnet werden. Diese jüngere Form historiographischer Rotuli hat sich erst später als die 'Genealogia Christi'-Rollenhandschriften (-> Petrus Pictaviensis [NB]) entwickelt. In der graphischen Anordnung bestehen gewisse Parallelen zu dem betr. Teil der Chronik des -> Johannes de Utino [Bd. 4 u. NB], die nicht nur in Codices, sondern auch in Rotulus-Form tradiert wurde; die Texte sind jedoch nicht identisch. — Für diesen Typus spätmal. Geschichtsrotuli ließ sich z. T. adeliger Besitz nachweisen; sie wurden vermutlich an der Wand aufgehängt und dienten als Anschauungsmaterial beim Unterricht (zuletzt STUDT, 1995, S. 338 ff.). L i t e r a t u r . T. BRANDIS, Ein mhd. Papst-KaiserRotulus des 15. Jh.s, in: Fs. f. Albi Rosenthal, hg. v. R. ELVERS, Tutzing 1984, S. 67-80; Preußischer Kulturbesitz. 25 Jahre in Berlin (Jb. Preuß. Kulturbes. Sonderbd. 3), 1986, S. 188, 411; H.-.J. SCHIEWER, Berlins schöne Hss., Jahresgabe der Leuchte

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'Paradisus animae' — Tassio Pragensium'

Versicherungsmakler GmbH, 1987, S. 23/25; Glanz alter Buchkunst. Mal. Hss. der SB Preuß. Kulturbesitz Berlin, hg. v. T. BRANDIS / P. J. BEKKER (Ausstellungskataloge 33), 1988, S. 174 f., Nr. 81; B. STUDT, Fürstenhof u. Geschichte (Norm u. Struktur 2), 1992, S. 284-287; dies., Gebrauchsformen mal. Rotuli, in: Vestigia Monasteriensia. Westfalen — Rheinland — Niederlande, hg. v. E. WIDDER u . a . 1995, S. 325-350, bes. S. 339 Anm. 48, S. 350; T. BRANDIS, Mal. dt. Hss. 25 Jahre Neuerwerbungen der SB zu Berlin — Preuß. Kulturbesitz, in: Die Präsenz des MAs in seinen Hss., hg. v. H.-J. SCHIEWER / K. STACKMANN (Berliner Tagung 2000), 2002, S. 303-335, hier S. 306, 313 Nr. 23 u. Tafel XXIX.

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Taradisus animae' [Korr.] Bd. 7, Sp. 296 Überl.: "Mainz, StB, Hs. 51" korr.: ... Hs. I 51. Sp. 298 Lit.: Die angekündigte Arbeit von B. SÖLLER (Diss. [masch. u. Teildruck] Würzburg 1986), ist nicht vollständig im Druck erschienen.

rona 1594 erschien in Prag 1605-15 (TiMM, S. XIV-XVHI). A u s g a b e n . V. MARCHETTI et al., Elia Bahur Levita, Paris un Viene, Francesco Dalle Donne, Verona 1594, Bologna 1988 (Faksimile mit verfrühter literarhistorischer Einleitung von J. BAUMGARTEN); CH. SHMERUK, Paris un' Viene, Jerusalem 1996 (Text des Veroneser Drucks in hebr. Quadratschrift, Einleitung und Anmerkungen hebr.); E. TIMM unter Mitarbeit v. G. A. BECKMANN, Paris un Wiene, 1996 (Transkription mit Einleitung und Kommentar). L i t e r a t u r . G. E. WEIL, Elie Levita, humaniste et massorete (1469-1549), Leiden 1963. Zum nd. Roman ergänze: G. DIEKMANNDRÖGE, Paris und Vienna in Antwerpen. Der mnd. Frühdruck aus d. Offizin Gheraert Leeus, Nd. Wort 226 (1986 [87]) 55-76.

WULF-OTTO DREESSEN Paschalis von Rom [Nachtr.]

Bd. 7, Sp. 298 Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2057 (H) [z. Z. in der DDR ausgelagert]" korr.: Die Hs. befindet sich wieder in Hamburg.

Bd. 7, Sp. 317 zu c): Die österr.-bair. Version stammt vom -» Österreichischen Bibelübersetzer [NB]. Ein zweiter Textzeuge ist Göttweig, Stiftsbibl., cod. 222 (198), 265vb-274ra; vgl. G. KORNRUMPF, Das 'Klosterneuburger Evangelienwerk' des Österr. Anonymus, in: Vestigia bibliae 9/10 (1987/88, ersch. 1991) 115-131, hier S. 120. Vgl. auch -» 'Von der Juden jrrsall', 3. b. [NB].

'Paris und Vienna' [Nachtr.]

Passauer Anonymus [Korr./Nachtr.]

Taradisus anime intelligentis' [Nachtr.]

Bd. 7, Sp. 309 oben ergänze:

Eine jiddische Fassung in 717 Stanzen geht wahrscheinlich (TiMM, S. CXXXVI— CXLV) zurück auf Elia Levita (geboren am 13. 2. 1469 in Ipsheim bei Neustadt an der Aisch, gestorben am 28. 1. 1549 in Venedig), der nach 1532 eine oder mehrere Vorlagen aus der italienischen Prosa-Drucktradition der Zeit um 1520 umarbeitete (TiMM, S. XXXIII); sie geht also nicht auf den nd. Roman zurück. Die Strophenform, die Einteilung in 10 Canti und die Stillage rücken den Roman in die Nachfolge Ariosts, nichtsdestoweniger aus jüdischem Blickwinkel. Ü b e r l i e f e r u n g . Vom ersten sicher bezeugten Druck (Sabioneta 1556) ist kein Exemplar bekannt, der früheste erhaltene (Verona 1594) läßt mindestens einen weiteren unbekannten Datums vermuten; wahrscheinlich ein Nachdruck von Ve-

Bd. 7, Sp. 323 Ausg.n: "Eine kritische Gesamtausgabe des Ketzerteils ... wird von PATSCHOVSKY für die MGH vorbereitet." korr.: Die Ausgabe ist bisher nicht erschienen. Ebd., zu III.: Vgl. dazu auch -> 'Schlierbacher Altes Testament', 4. (1), 'Von der -> Juden jrrsall' [NB] und -> Österreichischer Bibelübersetzer (II. B.) [NB].

'Passienbüchlein von den vier Hauptjungfrauen' [Korr.] Bd. 7, Sp. 326 Überl.: "Uppsala, ÜB, cod. 497" korr.: ..., cod. C 497.

'Passio Pragensium' Die vier Blätter umfassende dt. Flugschrift mit der Überschrift 'P. P.' berichtet vom blutigen Aufstand der tschechischen Bewohner Prags, d. h. der Utraquisten, der sich am 24. September 1483 ereignete. Er

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'Passion Christi in Reimversen' — 'Passionsbetrachtung Die hohe des himels'

richtete sich insbesondere gegen die Prager Ratsherren wie den katholischen Klerus und zog die deutsche Bevölkerung Prags stark in Mitleidenschaft. Religiöse Spannungen zwischen den Utraquisten und der vom böhmischen König Vladislav II. gestützten katholischen Partei bilden den Hintergrund des Aufstandes, der im sog. 'Ersten Prager Fenstersturz' kulminierte. Der anklägerische und polemische Text kann wohl als eines der frühesten Beispiele der Reportage von aktuellen Tagesereignissen in Druckform gelten. Ü b e r l i e f e r u n g . Zwei Drucke. Erstausgabe: [Leipzig, Marcus Brandis, nach dem 30. 9. 1483], 4° (Bibliotheca Nationalis Polona. Incunabula quae in Bibliothecis Poloniae asservantur ..., WroclawWarszawa-Krakow 1970, Nr. 4171 u. Tf. XXVII; nur ein Exemplar ist bisher bekannt: Wroclaw, Biblioteka Napituna); Nachdruck: [Leipzig, Konrad Kachelofen, ca. 1485] 4° (HAIN *12455; Inkunabelkatalog BSB-Ink, Bd. 4, 1998, P-25; Catalogue of Books Printed in the XVth Century Now in the British Museum [heute: British Library], London 1908-1985, Bd. Ill, Nr. 623), zwei Exemplare erhalten, das Münchener Ex. stammt aus dem Besitz Hartmann -» Schedels (Sign.: 4° Inc. s. a. 1402).

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beginnen läßt (die nehste mytwoch nach Michaelis], in Erwägung zu ziehen. Der am Ende des 15. Jh.s tätige Chronist Adam Ursinus benutzte die Flugschrift als Grundlage für seinen Bericht über den Prager Aufstand in der lat. 'Thüringer Chronik' (Ausg.: J. B. MENCKE, SS rer. Germ. III, Leipzig 1730, Sp. 1347; vgl. dazu BACHMANN, 1881, S. 244f.). L i t e r a t u r . PANZER, Annalen, S. 140 Nr. 180; F. PALACKY, Gesch. von Böhmen. Fünfter Bd., erste Abt., 1865, S. 247-275; A. BACHMANN, Zur Gesch. des Aufstandes des Prager September 1483, Mitth. d. Ver. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen, 19. Jg., H. 4 (1881) 241-255; R. PROCTOR, An Index to the Early Printed Books in the British Museum, Bd. 1,1, London 1898, S. 217 Nr. 3259; J. SCHWITALLA, Flugschrift, 1999, S. 47 f. (ohne Kenntnis des Textes).

RANDALL HERZ 'Passion Christi in Reimversen' [Korr.] Bd. 7, Sp. 330 zu 4., Überl.: "Ceske Budejevice (Budweis) ..., Ms. l VB 8 b" korr.: Die Hs. befindet sich wieder in Hohenfurt (Vyssi Brod), Zisterzienserkloster; vgl. -» 'Hohenfurter Liederbuch' [Nachtr. im NB].

A u s g a b e . BACHMANN, S. 253—255.

Der erste Teil der Flugschrift beschreibt den Beginn und Verlauf des Aufstandes vom Mittwoch bis Samstag; wegen der detaillierten Kenntnisse des Geschehens läßt sich darin die Aussage eines geflüchteten Augenzeugen, möglicherweise eines Prager Ratsherrn, vermuten. Die darauf folgende Berichterstattung über den weiteren Verlauf des Aufstandes erfaßt auch Ereignisse der Zeit danach (u. a. einen Briefwechsel zwischen den böhmischen Städten Saaz [tschech. Zatec], Komotau [Chomutov] und Brugkß [Brux = Most] und den Bau von Häusern aus Steinen der abgerissenen Klöster). Dies läßt erkennen, daß es sich hier nicht mehr um die ursprüngliche Erzählung handelt, sondern um einen für ein deutschsprachiges Publikum redigierten Bericht, der die Aufständischen als ketzer, die Getöteten als Märtyrer hinstellt. Neben BACHMANNS Datierungsvorschlag auf Ende Oktober (1881, S. 246) wäre auch das im Druck eingangs erwähnte Datum, das den Aufstand unkorrekterweise am 2. Oktober

'Passional' [Korr.] Bd. 7, Sp. 332 Überl.: "Königsberg, SB u. ÜB, Hs. 889" korr: jetzt in Thorn, ÜB, Rps 50 IV. Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.sprachigen Hss. der ehem. SB u. ÜB Königsberg [...], 2000, Nr. 889. Sp. 333 Überl.: "[Berlin,] mgf 1722" korr.: ..., mgq 1722 [!] (dzt. in Krakau, Bibl. Jagiellonska, unter derselben Signatur).

'Passionsbetrachtung Die hohe des himels' [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 344 Überl.: Auch Heidelberg, cpg 93 (um 1500), überliefert diese Betrachtung; vgl. GLAUCH/MILLER. Dem Explicit zufolge stellt sich Eichstätt, Benediktinerinnenkloster St. Walburg, cod. germ. 5 (v. J. 1489), zu cpg 93. - Hinzu kommt als älteste Hs. (Widmungsexemplar?): Krakau, Bibl. Jagiellonska (olim Berlin, SB), mgq 1146 (Perg., v.J. 1479), 20 r -258 v (voran: die Passion nach den vier Evangelisten); vgl. WEGENER, S. 110 mit Abb. 89 (20 r ).

Die Betrachtung umfaßt in den älteren Hss. ein gottlich gerichte, ob Cristus solt

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Tassionshistorie Do es nahet ...' — 'St. Pauler Interlinearversion zu Lc 1,64—2,51'

sterben umb vnnser hail (Krakau, mgq 1146, 61r-73r), eine Quaestio zur Höllenfahrt (252 V —256 r ) und einen Epilog (256 r —258 V ), die später weggelassen wurden. Die fürstliche Adressatin spricht der Verfasser nicht nur eingangs an, sondern noch einmal zu Beginn eines Abschnitts (75r) und — als vor kurzem Verwitwete — im Epilog (256V); ihr zuliebe hat er dise materj geschriben vnnd in dises teütsch gebracht (75r). -»· Bernhard von Clairvaux wird in der Betrachtung öfter vnnser vatter genannt (z. B. 21r, 52r, 74V, 116r). Berufungen auf Autoren des 14. und 15. Jh.s haben GLAUCH/MILLER nachgewiesen; der jüngste ist -* Johannes von Capestrano OFM (f 1456), den der Verfasser selbst als Prediger erlebt haben mag (116r).

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'St. Pauler Evangelienreimwerk' [Korr./ Nachtr.] Bd. 7, Sp. 364 Überl.: "Hs. 25. 2. 37 ... St. Paul im Lavanttal" korr.: Die heute gültige Signatur lautet: Cod. 53/1 (olim 25. 2. 37). Sp. 364 unter Ausgabe ergänze: Die angekündigte Ausgabe ist erschienen: J. FOURNIER, Das St. P. E., Bd. 1: Text, Bd. 2: Unters. (Vestigia Bibliae 19 u. 20), 1997/98.

'St. Pauler Interlinearversion zu Lc 1,64— 2,51' (sog. 'St. Pauler Lukasglossen') Älteste Übertragung der Geburts- und Kindheitsgeschichte Jesu ins Deutsche.

Ü b e r l i e f e r u n g . Cod. 1/8 des Benediktinerstifts St. Paul im Lavanttal (Kärnten/Österr.), in den 70er Jahren des 20. Jh.s ausgelöst aus Cod. L i t e r a t u r . H. WEGENER, Beschreibende Ver- l/l (alt: 25.3.19; zuvor: XXV a/l). Das an den Rändern beschnittene Perg.doppelblatt diente vor zeichnisse der Miniaturen-Hss. der Preuß. SB zu seiner Auslösung als doppeltes Schutzblatt (gezählt Berlin, Bd. 5, 1928; S. GLAUCH / M. MILLER, in: als fol. l u. 2) für die Ambrosiushs. Cod. l/l ('De Die Codices Palatini germanici in der ÜB Heidelfide ad Gratianum augustum'), dem ältesten heute berg (cpg 1-181), im Druck (2003). GISELA KORNRUMPF in St. Paul aufbewahrten Codex (2. H. 5. Jh.; Italien). Für diese bibliotheksgeschichtliche Einheit (Cod. 1/8 u. Cod. l/l), die in der Folge der AuflöTassionshistorie Do es nahet das di zit' sung des Benediktinerklosters St. Blasien 1809 nach St. Paul kam, ist spätestens für das ausgeÜ b e r l i e f e r u n g . Bregenz, Archiv des Zisterhende MA Reichenauer Provenienz nachweisbar. zienserklosters Mehrerau, Hs. V.3.a, S. 54—127 Die beiden Bll. der 'St. P. I.' (Cod. 1/8) bildeten ur(um 1400). Unediert. sprünglich das innere Doppelblatt einer Lage eines Der Prosatext erzählt nach den Evange- sonst verlorengegangenen lat. Evangeliars (6.— lien, schiebt aber, ähnlich wie der 'Exten- 7. Jh.; wohl Italien). Dem zweispaltigen lat. dit-manum'-Traktat (-* Heinrich von St. 'Grundtext' dieses Evangeliars sind im südwestdt. Gallen .3.), zahlreiche Glossen aus Kir- Sprachraum von einer Hand des ausgehenden chenvätern und anderen üblichen Autori- 8. Jh.s interlinear verschiedene lat. und ahd. Eintragungen hinzugefügt worden.

täten ein, so daß der betrachtenden Zisterzienserin (die Hs. kommt aus einem Kloster in der Schweiz) das Geschehen aktuell wird. Den weiteren Inhalt dieser einzigen bislang bekannten Hs. bilden überwiegend Privatgebete, auch sie meist auf die Passion bezogen. L i t e r a t u r . P. OCHSENBEIN, Passionsfrömmigkeit einer Zisterzienserin um 1400, in: Jb. Vorarlberger Landesmuseum 1995 (Jahrgang 139 = Fs. P. Kolumban Spahr), Bregenz 1995, S. 107-123.

PETER OCHSENBEIN t Paul von Bernried [Korr.] Bd. 7, Sp. 361, zu 2. Überl.: "Melk, Stiftsbibl, cod. 675 (M 5)" korr.: ..., cod. 492 (olim 675; M 5).

A u s g a b e . VOETZ, 1985 (mit Angabe der älteren Ausg.n und ausführlicher Kritik), S. 184 — 255 (Text), nach S. 176 (vollst, farbiges Faksimile aller 4 Seiten).

Der Korrektor des lat. Textes und ahd. Übersetzer hat aus dem ihm vorliegenden 'alten' Evangelientext nach der Vetus Latina durch verschiedene Tilgungen, Korrekturen und Hinzufügungen von lat. Wörtern einen zeitgemäßen Bibeltext nach der Vulgata erstellt. Als Vorlage für diesen 'modernisierten' lat. Bibeltext diente jedoch nicht ein Evangeliar, sondern ein zeitgenössisches Evangelistar (VOETZ, 2001), in dem die einzelnen Perikopen nach ihrer liturgischen Verwendung im

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'St. Pauler Predigten' — 'St. Pauler ReimbibeP

Verlauf des Kirchenjahres angeordnet sind. Der solchermaßen hergestellte und intendierte 'neue' lat. Text ist in einem im ganzen gleichzeitigen Schritt weitgehend Wort für Wort und Form für Form ins Ahd. übertragen worden; die sog. 'St. Pauler Lukasglossen' sind somit eindeutig als Interlinearversion aufzufassen (VoETZ, 2001). Von der Schreibsprache der ahd. Wörter her ist die 'St. P. I.' eindeutig dem alem. Sprachraum zuzurechnen, wobei die meist als sicher behauptete ursprünglich Reichenauer Herkunft bisher keineswegs zweifelsfrei nachgewiesen ist. Vom Sprachstand, vom Wortschatz, aber auch vom Verfahren der Interlinearversion und von bestimmten auffallenden Formen der unvollständigen Wiedergabe von ahd. Wörtern her ergeben sich insbesondere zur Interlinearversion der 'Ahd. Benediktinerreger (-> 'BenediktinerregeP, II.) deutliche Parallelen. Zeitlich gehen die 'St. P. I.' und die bisher gleichfalls nicht als Interlinearversion erkannten 'Glossen' zu 19,38 (St. Gallen, Kantonsbibliothek [Vadiana], Vadianische Sammlung, Ms. 70 a; vgl. VOETZ, 1997) als älteste Interlinearversionen des Althochdeutschen der 'Ahd. BenediktinerregeP voraus. Auf Grund der besonderen Anlage der 'St. P. I.' handelt es sich bei diesem frühen ahd. Denkmal nicht um abschriftliche Überlieferung, sondern um den seltenen Fall eines Originalen Stücks' Althochdeutsch. L i t e r a t u r . L. VOETZ, Die St. Pauler Lukasglossen. Unters., Edition, Faksimile (Stud, zum Ahd. 7), 1985 (mit der älteren Lit.); ders., Die ahd. 'Glossen1 zu Joh. 19,38 (St. Gallen, Kantonsbibl. [Vadiana], Vadianische Sammlung, Ms. 70 a) — eine Interlinearversion, in: Grammatica ianua artium. Fs. R. Bergmann, hg. v. E. GLASER / M. SCHLAEFER, 1997, S. 185-195; ders., Zur lat. Vorlage u. zum 'Charakter' der sog. St. Pauler Lukasglossen, in: Mal. volkssprachige Glossen, hg. v. R. BERGMANN u. a. (German. Bibl. 13), 2001, S. 411427. — Zur Systematik u. zur Funktion der nur unvollständig mitgeteilten ahd. Wörter s.u. a.: L. VOETZ, Formen der Kürzung in einigen alem. Denkmälern des achten u. neunten Jh.s, Sprachwissenschaft 12 (1987) 166-179; N. HENKEL, Die ahd. Interlinearversionen. Zum sprach- u. literarhist. Zeugniswert einer Quellengruppe, in: Wolfram-Studien 14, 1996, S. 46-72 [u. 5 Abb. nach

S. 483]; ders., Verkürzte Glossen. Technik u. Funktion innerhalb der lat. u. deutschsprachigen Glossierungspraxis des frühen u. hohen MAs, in: Mal. volkssprachige Glossen (s. o.), S. 429—451 (mit weiterer Lit.); A. MASSER, Kommentar zur lat.ahd. Benediktinerregel des Cod. 916 der Stiftsbibl. St. Gallen. Unters., philologische Anmerkungen, Stellennachweis, Register u. Anhang (Stud, zum Ahd. 42), 2002, S. 27-34 ('Versparungen').

LOTHAR VOETZ Sog. 'St. Pauler Lukasglossen' -»· 'St. Pauler Interlinearversion zu Lc 1,64—2,51' [NB] 'St. Pauler Marienklage' -> 'Innsbrucker M.' [NB] 'St. Pauler Predigten' [Korr.] Bd. 7, Sp. 367 oben: "27. 5. 26 (olim 109/3 ...)" korr.: Die heute gültige Signatur lautet Cod. 1097 3 (olim 27. 5. 26).

'St. Pauler ReimbibeP 1. Das Werk erhielt seinen Namen von SCHÖNBACH aufgrund des Fundortes und des Inhalts der Fragmente b und e. Es ist bislang nur durch einen großformatigen Pergamentcodex (bair.-österr., wohl noch 14. Jh.) bekannt, der von einem in oder für Stift Spital am Pyhrn tätigen Buchbinder zerschnitten wurde. Bewahrt sind mindestens 11 Bll.: aus Ex (a), Nm (b), los (c), Idc (d, e), I Sm (f). Möglicherweise ging ein anderes Großwerk voran (MENHARDT, S. 430). Ü b e r l i e f e r u n g und A b d r u c k e , a) Wien, cod. 15338, 1B1. Abdr. ZUPITZA, S. 105-110. - b) St. Paul im Lavanttal, Stiftsbibl., cod. 2/5 (olim 29.4.6), l Doppelbl. Abdr. SCHÖNBACH. S. 249252; vgl. H. GRÖCHENIG u. a., Hss.fragmente v. 500—1500. Katalog d. Ausstellung (armarium 1), St. Paul 1977, S. 189-192 mit Abb. (2 r ); ders., in: Schatzhaus Kärntens. Landesausstellung ..., St. Paul 1991, I, Nr. 9.35, II, S. 610 f. - c) Wien, cod. Ser. nova 32699 (erworben 1989), Bl. 2, Bl. 1. Ungedruckt. - d) Wien, cod. 15294, Bl. 2, Bl. 1. Abdr. ZUPITZA, S. 110-119; vgl. HRANITZKY, Abb. 518 (2V, Ausschnitt). - e) Innsbruck, ÜB, Frg. B/8 (aus dem Nachlaß von A. Hittmair, 11911, seit 1902 Direktor der ÜB Innsbruck), l Doppelbl. Abdr. SCHRÖDER, S. 252-256. Für

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Pauli, Johannes — Paulus Diaconus

Mitteilungen danke ich W. Neuhauser und P. Zerlauth. - f) Wien, cod. Ser. nova 4400, l Doppelbl. Abdr. V. JUNK, WSB 153,7, Wien 1906,

2. Die 'Reimbibel' dürfte höheren Alters sein und ist einer der seltenen Belege, daß alttestamentliche Bibelepik auch neben den weitverbreiteten Weltchroniken des 13. Jh.s (- Rudolf von Ems [Bd. 8 u. NB], -> 'Christherre-Chronik' [Bd. l u. NB], Jans -» Enikel [Bd. 2 u. NB]) sowie den daran anschließenden Kompilationen, Bearbeitungen und Fortsetzungen des 14. Jh.s (u. a. ->· 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB], -+ Heinrich von München [Bd. 3 u. NB], ->· 'Leipziger Schluß der ChristherreChronik' [NB], -> 'Meininger Reimbibel' [Bd. 6 u. NB]) gedieh. Der Autor selbst oder ein späterer Redaktor hat Anleihen bei Rudolf gemacht: Dessen 'Weltchronik' entstammen die Partien aus Ex (a), los (c, nur l™.20-vbj und I Sm (f). Die übrigen zwei Drittel des Textes, darunter die Samson-Geschichte (e), sind unabhängig und meist breiter erzählt, mit Details, die in der Vulgata fehlen (s. SCHRÖDER, SCHÖNBACH, VOLLMER zu b und e; MENHARDT zu d). Wie weit die Erzählung reichte und ob der biblische Stoff durch profangeschichtliche Incidentia ergänzt war, muß offenbleiben. 3. Kein Zusammenhang besteht wohl mit der Reimbibel oder Weltchronik eines obd. Codex discissus vom Ende des 13. Jh.s (KORNRUMPF, S. 494; SCHNEIDER, S. 82). Die ausführlichen apokryphen Erzählungen von David (Berlin, mgf 923/34) und Salomo (München, cgm 5249/51 a) müssen noch in die Tradition eingeordnet werden. Flankiert war die biblische Dichtung hier durch Rez. B der -» 'Kaiserchronik' (Frgm. Nr. 20, heute Berlin, mgf 923/12: K. KLEIN, ZfdA 121 [1992] 64-66) oder zumindest deren Crescentia-Geschichte; s. CH. BERTELSMEIER-KIERST, PBB 121 (1999) 302. L i t e r a t u r . J. ZUPITZA, Bruchstücke mhd. Dicht.n III.7.B-C, ZfdA 18 (1875) 105-119 (zu a/d); E, SCHRÖDER, Aus einer unbekannten Reimbibel, ZfdA 39 (1895) 251-256 (zu e); A.E. SCHÖNBACH, Aus d. SPauler Reimbibel, ZfdA 45 (1901) 248-252 (zu b/e); H. MENHARDT, Zur Weltchronik-Lit., PBB 61 (1937) 402-462, hier S. 429-431 (zu a/d/f); H. VOLLMER, Die dt. Bibeldicht, d. MAs, in: BdK 8, 1938, S. 92-115, hier S. 94 (zu b/e); G. KORNRUMPF, Die 'Weltchronik' Heinrichs v. München, in: Fs. I. Reiffenstein (GAG

478), 1988, S. 493-509, hier S. 494-496 (Anm. 14 zu b/e und a/d/f); K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdicht, d. Bayer. SB München (ZfdA Beih. 1), 1996; D. KLEIN, Die Überl. d. mhd. gereimten Weltchroniken, in: Stud. z. 'Weltchronik' Heinrichs v. München, Bd. l, hg. v. H. BRUNNER (Wissenslit. im MA29), 1998, S. 74-112, hier S. 86 f. Nr. 56; K. HRANITZKY, in: A. FINGERNAGEL u. a., Mitteleuropäische Schulen II (ca. 1350— 1410) (Die illuminierten Hss. u. Inkunabeln d. Österr. Nationalbibl. 11), 2002, S. 388 f. Nr. 206 (mit erstmaliger Nennung von c).

GISELA KORNRUMPF Pauli, Johannes [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 374 zu Lit. ergänze: M. BAMBECK, Johannes Pauli u. Konrad v. Eberbach, GRM N. S. 35 [66] (1985) 437 f.

Taulinische Briefe' [Korr.] Bd. 7, Sp. 374, Abs. l des Artikels: "Salzburg, Stiftsbibl. Nonnberg, cod. 26 A *1" korr.: ..., cod. 23 B 19 (olim 26 A *1).

Paulinus, Johannes [Korr.] Bd. 7, Sp. 383 Ausg.n: Die angekündigte Edition ist bisher nicht erschienen. Sp. 384 Z. 3: "[Heidelberg], cpg 262, 230r-231v (P); -* Ludwigs, Pfalzgrafen bei Rhein, medizinische Sammlung, Bd. 2" korr.: ... (P) = -» Ludwigs ... medizinische Sammlung, Bd. 2 (streiche den Strichpunkt nach "(P)" und ersetze durch " = ").

Paulus Diaconus OSB

A. L e b e n . P.' Biographie ist nur in wenigen gesicherten Daten und im übrigen nur in vagen Umrissen greifbar. Ihre Quellen sind nahezu ausschließlich seine eigenen Schriften und Gedichte. Unbekannt und entsprechend umstritten ist auch das wichtigste Datum seines Lebens, der Zeitpunkt seines Eintritts in Montecassino und dessen Umstände und Motive. Jüngste rekonstruierende Diskussion der Vita bei GOFFART, 1988, S. 333-347.

Geb. in den 720er Jahren in Cividale (Friaul) aus langobardischem Adel als Sohn des Warnefrit und der Theudelinda. Wahrscheinlich unter König Ratchis (744—749) erhielt er am Hof in Pavia eine gelehrte Bildung, die noch stark aus antik-römischen Traditionen lebte, aber auch Theolo-

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Paulus Diaconus

gie umfaßte. Vielleicht ist er damals Diakon geworden. Daß er weiterhin am Paveser Hof verblieben, Lehrer Adelpergas, der Tochter des Königs Desiderius (757—774), geworden sei und Adelperga ihn später, als Gattin des Herzogs Arichis (758 — 787), an den Hof in Benevent gezogen habe: diese vielfach vertretene Meinung bleibt Mutmaßung ohne zureichend festen Boden in den Quellen. Ebensogut könnte P., bevor sich seine engen Beziehungen zu Adelperga und Arichis knüpften, somit vor 763, bereits Mönch des in Benevent gelegenen Klosters Montecassino gewesen sein; darauf deuten die religiöse Geschichts- und Lebenssicht in dem 763 an Adelperga adressierten Gedicht über die Weltzeitalter (NEFF, 1908, Nr. 2) und in der Widmung der 'Historia Romana' (um 770) an sie die betonte Demutsgeste (exiguus et supplex), die sich in späteren Schriften des Mönchs P. wiederholt (MENGHINI, 1904, zuletzt GOFFART, 1988). Den Anlaß seiner Entscheidung für die monastische Lebensform vermuten WATTENBACH/LÖWE, 1953, BRUNHÖLZL (LG) u. a. in der Unterwerfung des Langobardenreiches 774 durch Karl d. Gr. und setzen sie daher erst nach diesem Zeitpunkt an. 776, bei Niederschlagung einer langobardischen Rebellion in Friaul, war P.' Bruder gefangengesetzt und ins Frankenreich deportiert worden. Um endlich seine Freilassung zu erreichen, begab P. sich 782 an den fränkischen Hof. Der renommierte gebildete Langobarde war willkommen. Vielleicht aber ist er König Karl bereits 781 bei dessen Romreise begegnet und hat sich schon damals — wie zu gleicher Zeit in Parma der Angelsachse -> Alkuin — von Karl für gelehrte und literarische Dienste gewinnen lassen (GOFFART).

Zusammen mit Alkuin und den beiden anderen Langobarden, -» Paulinus von Aquileja und Petrus von Pisa, gehörte P. für einige Jahre zu der geistigen Elite, die Karls umfassendes Programm der kirchlich-kulturellen Reform trug und führend an seiner Umsetzung arbeitete. Karls älteste Tochter Hrothrud, die mit dem byzantinischen Thronfolger verlobt war, wurde

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von P. anscheinend vor der Abreise nach Byzanz zusammen mit ihren Begleitern im Griechischen unterwiesen (vgl. NEFF, 1908, Nr. 13). Der Aufenthalt an Karls Hof entsprach indes, wie P.' Brief vom 10. Jan. 783 an seinen Abt in Montecassino (MGH Epist. Karolini aevi II, S. 506 — 508) bekundet, nicht seiner freien Wahl und Neigung. 785/86, nach kaum vier Jahren, zog er sich wieder in die Stille von Montecassino zurück. Wie die Totenklage auf Herzog Arichis (t 787; NEFF, 1908, Nr. 35) zeigt, blieben die engen Beziehungen zum beneventanischen Hof erhalten. P.' Todesjahr ist unbekannt; tastend vorgeschlagen werden meist 'um 797' und '799'. Sein Schüler Hildric dichtete ihm ein Grabepigramm (MGH Poet. lat. I, S. 85 f., u. SS. rer. Lang., S. 23 f.; NEFF, 1908, Nr. 36). P. hatte in der beneventanischen Chronistik seit dem späten 10. Jh. ein besonderes Nachleben. Der Verf. des 'Chronicon Salernitanum' (hg. v. U. WESTERBERGH, Stockholm 1956) stellte um 975 einige Anekdoten, in denen P. als Stimme langobardischer Selbstbehauptung gegen die fränkische Unterjochung erscheint, zu einem patriotischen Porträt zusammen (Kap. 9—10; auch Kap. 17, 20 u. 36). Die entstandene P.-Legende nahmen danach Leo von Ostia (um 1060), Johannes von S. Vincenzo am Volturno (Anf. 12. Jh.) und Romuald Guarna (f 1181) in ihre Chroniken auf und führten sie weiter. Sie kehrt noch bei Fortsetzern von P.' 'Historia Langobardorum' im 13. und 14. Jh. wieder (vgl. TAVIANI-CAROZZI, 1990).

B. Werk. Erste Carmina wie das Gedicht über den Corner See (NEFF, 1908, Nr. 1) könnten bereits in den Paveser Jahren entstanden sein. Doch fällt P.' eigentliche erste Schaffensphase in die Zeit seiner engen Beziehung zum Hof in Benevent seit den 760er Jahren. Die wichtigere zweite begann um 782 im Dienste Karls. Noch Jahre nach dem Abschied vom fränkischen Hof war P. in Montecassino für Aufträge Karls tätig. Sein letztes Werk, die 'Historia Langobardorum', ist wieder ein beneventanisches. I. G r a m m a t i k . Der Erwerb sprachlicher rectitudo, Beherrschung und Gebrauch des Lateins

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nach den alten Normen, hatte in der Bildungsreform Karls d. Gr. eine unverzichtliche Position. Für die Wiederherstellung sprachlicher Richtigkeit einschließlich der Emendation verderbter Überlieferung hat er durch die an den Hof berufenen Gelehrten und zugleich durch seine Verordnungen epochemachend gewirkt. 1. 'Expositio Artis Donati'. Die nach dem Eintrag im Lorscher Bibliothekskatalog III (um 850) Karl gewidmete, wohl noch am fränkischen Hof abgefaßte Elementargrammatik, deren Schwerpunkte bei der Deklination der Nomina und Pronomina und Teilen der Konjugation liegen, ist eine Kompilation verschiedener Vorlagen. Grundstock war eine interpolierte Fassung der 'Ars minor' des -> Donat insularer Herkunft (didaktische Ergänzungen, bisweilen Ersetzung paganen Beispielmaterials durch christliches), die auch -» Erkanbert von Freising benutzte. Der Abschrift der interpolierten 'Ars minor' fügte P. nach jedem Kapitel Ergänzungen aus kleineren grammatikalischen Traktaten verschiedener Herkunft an; vermutlich lagen sie in einer Sammlung am Hofe Karls vor. Die ältere Auffassung, P.' Änderungen und Erweiterungen des Donat seien teils eigene, teils von ihm aus Priscian, Charisius, Diomedes gezogen, ist durch die Arbeiten LAWS überholt. Ü b e r l i e f e r u n g . Nur eine vollst. Hs.: Rom, Bibl. Vat., cod. Pal. lat. 1746, 27r-40r, geschr. im frühen 9. Jh. in Lorsch ('jüngerer Lorscher Stil'); vgl. B. BISCHOFF, Lorsch im Spiegel seiner Hss., 1974, S. 22, 29. Die Hs. enthält die Widmung an Karl nicht. Der Eintrag im Katalog III der Lorscher Bibliothek item (sc. ars gramtnatica) Pauli Diaconi ad Carolum regem bezieht sich demnach auf eine andere, verlorene Hs. der Grammatik; vgl. G. BEKKER, Catalog! bibliothecarum antiqui, Bd. l, 1885, S. 110, Nr. 37, 416-417. A u s g a b e n . A.M. AMELLI, Ars Donati quam Paulus Diaconus exposuit, Monte Cassino 1899; M. F. BUFFA GIOLITO, Paulus Diaconus, Expositio Artis Donati (Collana di Grammatici Latini), Genova 1990 [mit ital. Übers, u. Komm.].

2. 'De speciebus praeteriti perfecti'. Eine versifizierte Lehre der Formenbildung des Perfekts der lat. Verben nach der

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'Ars grammatica' des Diomedes in 23 abcdarischen Strophen zu je drei rhythmischen 15-Silblern und einer Fortsetzung in 10 Strophen mit dem Akrostichon PAULUS F£C/; ältestes mal. Schulgedicht. NEFF, 1908, S. 74 f., möchte den ersten, abcdarischen Teil Petrus von Pisa zuweisen. Ü b e r l i e f e r u n g . Paris, Bibl. nat., ms. lat. 7530, ein Grammatikercodex, geschr. in Montecassino 'wohl noch zu Lebzeiten des P.' (BiSCHOFF, S. 220), 7 V —8 r ; den Strophen geht in der Hs. eine Unterweisung über den gleichen Gegenstand in Prosa voran. Vgl. L. HOLTZ, Le Parisinus Latinus 7530, Synthese cassinienne des arts liberaux, Studi medievali, ser. 3a 16 (1975) 97-152. A u s g a b e n . E. DÜMMLER, MGH Poet. lat. I, S. 625-628; NEFF, 1908, Nr. 15.

3. 'Epitoma S. Pompei Festi'. M. Verrius Flaccus, der berühmteste Grammatiker der augusteischen Zeit, hatte ein alphabetisches Lexikon der lat. Sprache ('De verborum significant') verfaßt, in dem viel älteres Wortgut verzeichnet und kommentiert war, ein umfangreiches Werk, das als ganzes verloren ist. Von diesem veranstaltete ein jüngerer Grammatiker, der sonst nicht bekannte S. Pompeius Festus, wohl im späten 2. Jh. eine stark gekürzte Version, die ihrerseits nur zur Hälfte erhalten ist. P. machte aus dem Lexikon des Festus, das ihm offenbar noch vollständig vorlag, ein nochmals gekürztes conpendium, das er König Karl um 786 von Montecassino zusandte. Ebenso wie Festus hat P. zu seinem Lexikon kaum Eigenes beigetragen. So bewahrt es in seinen Grenzen im wesentlichen Material des alten Grammatikers Verrius und diente damit eher einem antiquarischen als einem praktischen Interesse. In der Widmung an Karl bemerkt P., daß in dem conpendium vieles auch die Topographie 'seines' Rom (civitatis vestrae Romuleae) und altrömische Sitten und Gebräuche betreffe. Ü b e r l i e f e r u n g . Älteste Hss.: Escorial, Real Biblioteca, cod. O.IH.31, Mitte 9. Jh.; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Aug. 4° 10.3, Mitte 9. Jh.; München, clm 14734, 10. Jh.; clm 28796, spätes 10. Jh.; Troyes, Bibl. mun., cod. 2291, Ende 10. Jh.

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Paulus Diaconus

A u s g a b e . W. M. LINDSAY, Sexti Pompei Festi de verborum significatu quae supersunt cum Pauli epitome, 1913.

II.

Geschichtsschreibung.

1. 'Historia Romana'. P. bearbeitete um 770 im Auftrage der Adelperga Eutrops 'Breviarium Ab urbe condita' (um 365); es erschien ihr zu gerafft, und sie vermißte in ihm besonders die christliche Geschichte. Doch erweiterte P. die zehn Bücher des Eutrop nicht nur durch Exzerpte aus der Chronik des Hieronymus, der 'Historia adversus paganos' des Orosius, der anonymen 'Epitoma de Caesaribus', den 'Strategemata' Frontins u. a., er setzte sie auch mit weiteren sechs Büchern bis zu Justinian fort, so weit, wie ihm neben dem 'Liber Pontifkalis', den Chroniken des Marcellinus Comes, Prosper, -> Isidor [NB] und Beda erzählende Quellen, die er auszog, zur Verfügung standen, und diese waren neben einigen Viten vor allem die 'Getica' und 'Romana' des Jordanes, die bis 551 reichen. Er benutzte seine kompilierten Quellen weithin wörtlich. Die Weltherrschaft Roms ist für P. mit dem Ausgang des 5. Jh.s beendet, so eindeutig, daß er ab Buch 16 die Jahre ausdrücklich nicht mehr nach römischer Zeitrechnung (ab urbe condita), sondern nach christlicher (ab incarnatione domini] zählt. Ein offenbar geplantes 17. Buch, das die Zeit Justinians behandeln sollte, blieb ungeschrieben. Die 'Historia Romana' war ein erfolgreiches Buch. Sie vermochte Eutrops 'Breviarium' vielfach zu verdrängen und blieb eine der Standardquellen der mal. Chronistik. Anfang des 11. Jh.s stellte ein sonst nicht bekannter Landulfus Sagax von ihr eine erweiterte Fassung her und führte sie bis ins frühe 9. Jh. fort. Ü b e r l i e f e r u n g . Beschreibung von 113 Hss. (52 der ersten, 61 der zweiten Klasse) bei A. CRIVELLUCCI, Per l'edizione della Historia Romana, Bulletino dell'Istituto storico italiano 40 (1921) 7— 103. Älteste erhaltene Hs.: Paris, Bibl. nat., Collection Baluze, ms. 270, f. 76-94, 8./9. Jh., Frgm.; vgl. CH. H. BEESON, The oldest ms. of P. D.' 'Historia Romana', Memorie storiche forogiuliesi 25 (1929) 15-22. Ausgabe. H. DROYSEN, MGH Auct. ant. II, 1879, S. 1—224 (zusammen mit Eutrop), S. 225 —

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376 die Erweiterungen des Landulfus Sagax; ders., SS rer. Germ. 49, 1879 (Nachdr. 1978); A. CRIVELLUCCI, Pauli Diaconi Historia Romana (Fonti per la storia d'Italia 51), Rom 1913.

2. 'Gesta episcoporum Mettensium'. Die 'Gesta', entstanden um 784 auf Veranlassung des Metzer Bischofs Angilram (766—791), der damals zugleich Erzkaplan Karls d. Gr. war, stehen am Anfang der mal. Literaturgattung der Gesta episcoporum. Ihr Strukturtypus besteht in der Verbindung von zählender (Chronographie) und erzählender (Historia) Geschichte. In das Gerüst einer kargen chronologischen Liste von 37 Metzer Bischöfen bis auf Angilram sind vier je für sich selbständige historiographische Partien eingehängt: 1. die Gründung der Kirche von Metz angeblich durch den Petrusjünger Clemens, 2. ihre Verteidigung unter Bischof Auctor während des Hunnensturms, 3. ihre Zeit unter Bischof Arnulf, einem Ahnherrn Karls d. Gr. in direkter Linie, 4. ihre fränkische Erneuerung unter Bischof Chrodegang, Angilrams unmittelbarem Vorgänger. Von den vier Stücken sprechen die beiden ersten Interessen der Kirche auch über Metz hinaus, die beiden letzten deutlich Interessen König Karls an. Sie sollten die Metzer Kirche anscheinend für einen höheren, metropolitanen Rang empfehlen. Ü b e r l i e f e r u n g . Paris, Bibl. nat., ms. lat. 5294, 11.712. Jh.; drei Drucke nach verlorenen Hss., s. PERTZ, Ausg., S. 260 f. A u s g a b e . G. H. PERTZ, MGH SS II, 1829, S. 260-268.

3. 'Vita beati Gregorii papae'. Unbestimmte Zeit vor der 'Historia Langobardorum' (III 24: ante aliquot annos) entstand P.' Gregorius-Vita (-* Gregor d. Gr.). Sie ist zweiteilig angelegt — die Jahre vor dem Pontifikat (c. 1 — 9), die Jahre im Pontifikat (c. 10 — 17) — und strukturiert nach dem Prinzip symmetrischer Korrespondenz (GOFFART, 1988). Ihre wichtigste Quelle war Bedas 'Historia ecclesiastica gentis Anglorum', deren Gregor-Kapitel (II 1) sie vieles wörtlich entnahm, mit Abstand danach Gregors von Tours 'Historia Francorum' (X 1) und die biographische

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Notiz zu Papst Gregor im 'Liber pontificalis'; P. zog nur sporadisch Schriften Gregors selbst heran. Er hatte einen kritischen und differenzierenden Umgang mit seinen Vorlagen, kollationierte und kontrollierte sie (BERSCHIN, 1988). Nach Art seiner Quellen schrieb er freilich keine Biographie des kirchenpolitisch bedeutenden Papstes, sondern die Vita eines monastisch geprägten, der Seelsorge und Mission verpflichteten Vaters der Christenheit. Die Vita liegt, wie GRISAR (1887) nachwies, in einer ursprünglichen Fassung (BHL 3639) und in einer interpolierten längeren (BHL 3640) vor; diese stützt sich stark auf die ältere Gregorius-Vita des Anonymus von Whitby (Anf. 8. Jh.), die P. noch nicht kannte. Ü b e r l i e f e r u n g . LIMONE (1988) weist 67 Hss. der ursprünglichen, 134 Hss. der interpolierten Fassung nach. Korrekturen, Ergänzungen und weitere Hss. bei L. CASTALDI, Nuovi testimoni della Vita Gregorii di Paolo Diacono (BHL 3639), in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., S. 75-126.

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Zeit Justinians (527—565) fehlt, schlösse sich die . L.' ihr allerdings erst nach einer erheblichen Lücke an. Leitgestalt des 2. Buches ist König Alboin (566—572), der den Einfall der Langobarden von Pannonien nach Italien anführte, im 3. Buch König Authari (584—590), der den byzantinischen Versuch der Rückgewinnung der langobardisch besetzten Teile Italiens abwehrte. Im Zeitabschnitt des 4. Buches (591-661) ragt Rothari (636-652) heraus, letzter arianischer König, Eroberer der noch von Byzanz gehaltenen Gebiete Oberitaliens; 643 veranlaßte er die erste Aufzeichnung langobardischen Rechts ('Edictus Rothari'). Das 5. Buch ist größtenteils eine Geschichte König Grimualds (661—671), dem die Vereinigung der langobardischen Teilreiche und nach außen entscheidende Erfolge gegen fränkische und byzantinische Angriffe gelangen. Das 6. Buch gehört dem Höhepunkt langobardischer Machtentfaltung unter König Liutprand (712-744).

P.' Darstellung greift über das engere Gesichtsfeld einer langobardischen Geschichte immer wieder in größere historische Zusammenhänge aus und bringt daher zahlreiche Nachrichten auch zur GeA u s g a b e n . PL75, Sp. 42-59; GRISAR, 1887, schichte der Franken, Bayern und besonS. 162-173 (zit.); W. STUHLFARTH, Gregor I. ders von Byzanz. Vor allem aber hat die d. Gr., 1913,5.98-108. Kirchengeschichte Italiens seine Aufmerk4. 'Historia Langobardorum'. samkeit. Ausführlich sind Papst Gregor P.' in sechs Büchern überlieferte 'Histo- d. Gr., sein Wirken und seine Schriften, beria Langobardorum' ( . L.') enthält im dacht — ganze Briefe von ihm sind aufgeI.Buch eine Volksgeschichte der Lango- nommen — und ebenso der Ordensgrünbarden von ihren mehr oder minder sagen- der Benedikt, dessen Leben und Wundertahaften Ursprüngen in Skandinavien an, im ten (nach Gregors d. Gr. 'Dialogi' II) ein 2. —6. eine Geschichte ihrer Herrschaft in inseriertes Carmen (65 Dist.) und nochItalien seit 568, allerdings nur bis zum Tod mals ein Hymnus (16 ambros. Strr.) preiKönig Liutprands, 744. Der oft wiederhol- sen (beide I 26). Hauptquellen P.' waren die knappe Oriten Meinung, P. habe bewußt hier eingego gentis Langobardorum' (Mitte 7. Jh.) halten, weil er von der schmerzlichen Unund die verlorene 'Historiola' des von ihm terwerfung des Reiches durch die Franken mehrfach genannten Secundus von Trient i. J. 774 nicht habe sprechen wollen, stehen Indizien entgegen, daß P. das Werk un- (f 612). Daneben zog er Gregors von vollendet hinterließ; es endet abrupt, und Tours Frankengeschichte, Bedas englische ihm fehlt auch die Vorrede. GOFFART (1988) Kirchengeschichte, den 'Liber pontificalis' möchte mit einem geplanten Umfang von u. a. heran. In weitem Umfang nahm er acht Büchern rechnen. Er sieht in der aber auch mündliche Überlieferung und . L.' darüber hinaus weniger eine Volks- dabei vieles aus langobardischer Sagentrageschichte der Langobarden — so die her- dition auf. Die Brüder Grimm entnahmen . L.' 21 Stücke für den 2. Bd. der kömmliche Sicht — als vielmehr einen der 'Deutschen Sagen'. Abschnitt der Geschichte Italiens und damit eine bewußte Fortsetzung der 'Historia Zu den zahlreichen Fortsetzern der . L.' und Romana'. Da dieser die Darstellung der ihrer Rezeptionsgeschichte vgl. WAITZ, Ausg.,

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S. 22, MANITIUS, LG I, S. 709-710, POHL, 1994, S. 388-405. Ü b e r l i e f e r u n g . Verzeichnis von 107 (109) Hss. bei WAITZ, Ausg., S. 23—44, von 115 Hss. bei PANI, 2000, S. 404-412. - Erstdrucke, unabhängig voneinander: Paris 1514 (hg. von Jod. Badius Ascensius) und Augsburg 1515 (VD 16, P 1048; hg. von Konrad Peutinger). A u s g a b e n . L. BETHMANN / G. WAITZ, MGH SS rer. Lang., 1878, S. 12-187; G. WAITZ, MGH SS rer. Germ. 48, 1878 (Nachdr. 1987); E. BARTOLINI, Milano 21990 (mit ital. Übers.). Zum editorischen Problem vgl. POHL, 1994, S. 388-390. Dt. Übers.: Paulus Diakonus u. d. Gesch.Schreiber d. Langobarden, nach der Übers, v. O. ABEL neu hg. v. A. HEINE, 21992.

III. H o m i l i a r . Im Zuge seiner Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Gottesdienstes beauftragte Karl seinen familiaris clientulus P., aus Predigten und anderen Schriften der 'katholischen' Väter in korrekter, von Fehlern gereinigter Abschrift ein Homiliar für das ganze Kirchenjahr zusammenzustellen. P. erfüllte diese Aufgabe nach seiner Rückkehr ins Kloster Montecassino. Das zweibändige, einen Winter- (110 Stücke) und einen Sommerteil (134 Stücke) umfassende Werk, das P. dem König mit einem Widmungsgedicht übersandte, wurde von diesem durch einen Erlaß an die Bischöfe (MGH Capit. I 80 f.; GREGOIRE, 1980, S. 423 f.) in den Kirchen des Reiches für das officium nocturnum (Nachtgebet) der Kleriker verpflichtend eingeführt. Doch ist anzunehmen, daß es bald auch im Gemeindegottesdienst Verwendung fand. Das Homiliar wurde eine der Hauptquellen mal. Sermonessammlungen. Selber unterlag es in seinem Textbestand fortwährenden Veränderungen. Übersicht über den ursprünglichen Textbestand und die Quellen — führend sind Maximus von Turin, Beda, Leo L, danach erst folgen Gregor d. Gr. und Augustin - bei GREGOIRE, 1966 u. 1980. Die frühere Meinung, das Homiliar des P. sei die Hauptquelle von -> Otfrids 'Evangelienbuch' gewesen, hat sich als irrig erwiesen; eine Benutzung von P.' Homiliar durch Otfrid ist nicht wahrscheinlich zu machen (HELLGARDT, 1981). Ü b e r l i e f e r u n g . Älteste Hss.: Bamberg, SB, Msc. Patr. 155 (Winterteil) + München, clm 6264 a

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(Sommerteil), vor 836, aus Freising; Karlsruhe, Bad. LB, cod. Aug. XXIX, 1. H. 9. Jh., aus Reichenau, Winterteil. Zu weiteren Hss. und zur ursprünglichen Gestalt des Homiliars s. WIEGAND, 1897, S. 5-10; GREGOIRE, 1980, S. 425. Drucke. Speyer, P. Drach 1482 (HAIN 8790) und weitere 14 Drucke des 15. u. 16. Jh.s (HAIN 87898793; VD 16, P 1050-1059). A u s g a b e . PL 95, Sp. 1159-1566, nach dem Druck Köln 1539. Das Widmungsgedicht an Karl: NEFF, 1908, Nr. 32; GREGOIRE, 1980, S. 424.

Von Horn. XII, 'In annuntiatione beatae Mariae vel potius in adventu domini' (PL 95, Sp. 1470-75), ist eine dt. Bearbeitung in Reimpaaren überliefert (14. Jh.), jedoch unter dem Namen Augustins, vgl. -»· Augustinus, III. 10. (370 vv., 2 Hss.). IV. Eine Auswahl aus den Briefen ->· Gregors d. Gr. besorgte P. vor 787 für Adalhard, einen Vetter Karls d. Gr. und seit etwa 781 Abt von Corbie. In der Dedikation der 54 Stücke umfassenden Sammlung versichert er, die Texte kritisch gelesen und emendiert zu haben (MGH Epist. Karolini aevi II 508 f.). Originalhs.: St. Petersburg, Öffentl. M. E. Saltykow-Scedrin Nationalbibl., cod. Lat. F. v. 1.7, geschr. 786/787 in Oberitalien von mehreren Händen. Vgl. O. DoBiAS-RoZDESTVENSKAjA, Memorie storiche forogiulesi 25 (1929) 1-15 u. 27 (1931) 55—72. Zur weiteren Überlieferung s. E. POSNER, Das Register Gregors d. Gr., NA 43 (1921) 243315, hier S. 249 f.

V. Irrtümlich zugeschrieben wurde P. schon früh und z. T. noch in der jüngeren Forschung ein Kommentar zur -* 'Benediktinerregel'; vgl. W. HAFNER, in: B. STEIDLE (Hg.), Commentationes in Regulam S. Benedicti (Studia Anselmiana 42), Rom 1957, S. 347-358. VI. Carmina. Unter den gut 30 Carmina, die von P. überkommen sind, finden sich bis auf die beiden Preisgedichte auf Benedikt, die P. der . L.' einfügte (NEFF Nr. 6—7), keine religiösen. Die meisten gehören einer nicht weiter auffälligen Gebrauchspoesie an, so die Inschriften für Bauten Herzog Arichis' in Benevent (Nr. 4, I—III), die Epitaphien für Angehörige des langobardischen Kö-

1183

Paulus Diaconus

nigshauses (Nr. 9—10), die eher unpersönlich gehaltenen Epitaphien für Frauen aus der Familie König Karls (Nr. 24-28), die Beispiele poetischer Korrespondenz mit Karl und mit Petrus von Pisa samt den Beiträgen zur literarischen Geselligkeit am Hof wie den Rätselgedichten (Nr. 13, 16, 18-20, 22; dazu TOMASEK, 1994). Für sich stehen das frühe Gedicht auf den Corner See (Nr. 1) und das bewegende, in seiner Zeit einzigartige Bittgedicht an Karl um die Freilassung des gefangenen Bruders (Nr. 11).

1184

15-100, 231-285, 313-366; MANITIUS, LG I 257-272, II Reg.; H. LÖWE, Von Theoderich d. Gr. zu Karl d. Gr. Das Werden des Abendlandes im Gesch.bild d. frühen MAs, DA 9 (1952) 353401; D. BIANCHI, Di alcuni caratteri stilistici della Historia Langobardorum di Paolo Diacono, Memorie storiche forogiuliesi 40 (1953) 1-75; K. K. KLEIN, Die Anfänge d. dt. Lit. Vorkarlisches Schrifttum im dt. Südostraum, 1954, S. 58-84; WATTENBACH/LÖWE, Geschichtsquellen II, 1953, S. 203 — 224; D. NORBERG, Le developpement du latin en Italie de s. Gregoire le Grand a Paul Diacre, in: Caratteri del secolo VII in occidente (Settimane di studio del centre italiano di studi sull'Alto Medioevo 5), Spoleto 1958, S. 485-503; L. J. ENGELS, P. verwendet mit Vorzug das elegische Distichon Observations sur le vocabulaire de Paul Diacre, — auch in der Schmuckform des distichon reciproNymwegen 1961; P. RICHE, Education et culture cum (die erste Hexameterhälfte kehrt als zweiter dans POccident barbare, Paris 1962, 41989, Halbvers des Pentameters wieder) — und den HeS. 461-466 u. ö.; BRUNHÖLZL, LG I, S. 165 f., xameter, daneben die ambrosianische Hymnen257-268, 515, 546; E. SESTAN, La storiografia delstrophe und rhythmische Formen (Strophen aus je Pltalia longobarda: Paolo Diacono, in: La storiodrei 15-Silblern, trochäischen Septenaren; NEFF grafia altomedievale (Settimane di studio del CenNr. 2 u. 15). Er behandelt den Hexameter nach tro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo 17), Spoantiker Art mit häufiger Synalöphe, seltener Pentleto 1970, S. 357-386; BISCHOFF, Mal. Stud., hemimeres. Bd. 3, 1981, Reg.; M. OLDONI, Paolo Diacono, in: F. AVAGLIANO (Hg.), Montecassino dalla prima alia Ü b e r l i e f e r u n g . Beschreibung der wichtigsten seconda distruzione (Miscellanea Cassinese 55), Hss. bei NEFF, S. XIII-XX. Übersicht über die Montecassino 1987, S. 231-258; W. GOFFART, heute bekannten Textzeugen bei STELLA, 2000. The Narrators of Barbarian History (A. D. 550— A u s g a b e n . E. DÜMMLER, MGH Poet. Lat. I 800), Princeton 1988, S. 329-431 u. ö. (Reg.); L. 35-86; überholt durch K. NEFF, Die Gedichte des CAPO, Paolo Diacono e il problema della cultura P. D. Krit. u. erklärende Ausg. (Quellen u. Unters, dell'Italia Longobarda, in: ST. GASPARRI u. a. zur lat. Philologie d. MAs 3, 4), 1908; STRECKER, (Hgg.), Langobardia, Udine 1990, S. 169-235; B. MGH Poet. lat. IV 2, S. 911-12. BISCHOFF, Manuscripts and Libraries in the Age of Charlemagne, Cambridge 1993, Reg.; H. TAVIANIDer späteren Zuschreibung des seit dem 9. Jh. CAROZZI, Le souvenir et la legende de Paul Diacre, überlieferten Hymnus auf Johannes d. T. Ut quein: Haut moyen-äge: culture, education et societe, ant laxis an P. fehlen, wenngleich DREVES, Anal, La Garenne-Colombes 1990, S. 555-573; R. SAhymn. 50, S. 120 f., sie entschieden unterstützte, sichere Gründe. Gänzlich zweifelhaft ist P.' Autor- VIGNI, Europa e nazioni cristiane nella prima eta carolingia: Paolo Diacono e Alcuino, in: C. TUGschaft an drei metrischen Tierfabeln (NEFF, NOLI (Hg.), L'ereditä dell'Europa. Momenti di forS. 191-198). mazione dell'identitä europea nei secoli V—VIII, L i t e r a t u r . Über zahlreiche Fragen der ForBologna 1997, S. 133-167; C. LEONARDI, La fischung unterrichten instruktiv und weiterführend gura di Paolo Diacono, in: Paolo Diac. e il Friuli, die Beiträge in: P. CHIESA (Hg.), Paolo Diacono. 2001, S. 13—24; O. CAPITANI, Paolo Diacono e la Uno scrittore fra tradizione longobarda e rinnovastoriografia altomedievale, ebd. S. 25—44; G. mento carolingo, Atti del Convegno Internazionale GANDINO, La dialettica tra il passato e il presente di Studi, Cividale del Friuli-Udine 1999, Udine nelle opere di Paolo Diacono, ebd. S. 67 — 98. 2000 (= CHIESA, Paolo Diac.). Eine Anzahl förderZu I.: D. BIANCHI, Paolo Diacono e l"Ars Dolicher Beiträge auch in: Paolo Diacono e il Friuli nan', Atti e memorie della deputazione di storia altomedievale (secc. VI—X), 2 Bde (Atti dei Conpatria per le antiche provincie modenesi ser. VIII, gressi 14), Spoleto 2001 (= Paolo Diac. e il Friuli). 10 (1958) 185-202; R. CERVANI, L'Epitome di L, BETHMANN, P. D., Leben u. Schriften, Archiv Paolo del 'De verborum significatu' di Pompeo d. Ges. f. alt. dt. Gesch.kunde 10 (1849) 247-334; Festo. Struttura e metodo, Roma 1978; C. VILLA, G. WAITZ, Einleitung zur Ausg. d. 'Hist. LangobarUno schedario di Paolo Diacono, Festo e Grauso dorum', 1878; E. MENGHINI, Dello stato presente di Ceneda, Italia medioevale e umanistica 27 degli studi intorno alia vita di Paolo Diacono, Bol(1984) 56-80; V. LAW (Hg.), Erckanbert and the letino della Societa pavese di storia patria 4 (1904) Interpolator. A Christan Ars minor at Freising Clm

1185

Paulus von Freiberg — 'Pehemische Cronica dewcz'

6414, in: dies., History of Linguistic Thought in the Early Middle Ages (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science 70), Amsterdam 1993, S. 223-243; dies., The Sources of the 'Ars Donati quam Paulus diaconus exposuit', Filologia mediolatina 1 (1994) 71-80; dies., Grammar and Grammarians in the Early Middle Ages, London/New York 1997, S. 100 f., 104, 134; S. LANCIOTTI, Tra Festo e Paolo, in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., 2000, S. 237-250. Zu ILL: GOFFART, 1988, S. 347-370; L. B. MORTENSEN, Impero Romano, Historia Romana e Historia Langobardorum, in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., 2000, S. 355-366. Zu .2.: W. GOFFART, Paul the Deacon's 'Gesta episcoporum Mettensium' and the Early Design of Charlemagne's Succession, Traditio 42 (1986) 5993; ders., 1988, S. 370-378; BERSCHIN (wie H.3.), S. 183 f.; M. SOT, Gesta episcoporum, Gesta abbaturn (Typologie des sources du moyen age occidental 27), Turnhout 1985, S. 33-35; ders., Le Liber de episcopis Mettensibus dans l'histoire du genre 'Gesta episcoporum', in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., 2000, S. 527-549. Zu II.3.: H. GRISAR, Die Gregorbiographie des P. D. in ihrer ursprüngl. Gestalt nach ital. Hss., ZfkTh 11 (1887) 158-173; GOFFART, 1988, S. 370373; O. LIMONE, La tradizione manoscritta della Vita Gregorii Magni di Paolo Diacono (BHL 3639). Censimento dei testimoni, Studi medievali, serie 3% 29 (1988) 887-953; W. BERSCHIN, Biographie u. Epochenstil im lat. MA, Bd. 2, 1988, S. 149-154 u. ö., Bd. 3, 1991, Reg. Zu H.4.: G. WAITZ, Über die hs.liche Überl. u. die Sprache der Historia Langobardorum des P. D., NA l (1876) 533-566; TH. MOMMSEN, Die Quellen der Langobardengesch. des P. D., 1880, wieder in: ders., Ges. Schriften, Bd. 6, 1910, S. 484-539; G. VINAY, Alto Medioevo latino, Neapel 1978, S. 125-149; F. VAN DER RHEE, Die germ. Wörter in der Historia Langobardorum des P. D., Romanobarbarica 5 (1980) 271-296; D. A. BULLOUGH, Ethnic History and the Carolingians: An Alternative Reading of Paul the Deacon's Historia Langobardorum, in: CH. HOLDSWORTH/ T. P. WISEMAN (Hgg.), The Inheritance of Historiography, 350900, Exeter 1986, S. 85-106, wieder in: ders., Carolingian Renewal: Sources and Heritage, Manchester 1991, S. 97-122; GOFFART, 1988, S. 378-423; W. POHL, P. D. u. die 'Historia Langobardorum': Text u. Tradition, in: A. SCHARER/ G. SCHEIBELREITER (Hgg.), Historiographie im frühen MA (Veröff. d. Inst. f. österr. Gesch.forschung 32), 1994, S. 375—405; L. PANI, Aspetti della traduzione manoscritta dell'Historia Langobardorum, in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., 2000, S. 367-412; W. POHL, Paolo Diacono e la costruzione dell'identitä longobarda, ebd., S. 413-426; P. CHIESA, Caratteristi-

1186

che della trasmissione dell'Historia Langobardorum, in: Paolo Diac. e il Friuli, 2001, S. 45 — 66. Zu III.: F. WIEGAND, Das Homiliarium Karls d. Gr. auf seine ursprüngl. Gestalt hin untersucht, 1897 (Neudr. 1972); ders., Ein Vorläufer des Paulushomiliars, Theol. Stud. u. Kritiken 75 (1902) 188-205; R. GREGOIRE, Les homeliaires du moyen ige. Inventaire et analyse des mss. (Rerum ecclesiasticarum documenta, Ser. maior, Fontes 6), Rom 1966, S. 71 —114; ders., Homeliaires liturgiques medievaux. Analyse de mss., Spoleto 1980, S. 423 — 486; E. HELLGARDT, Die exegetischen Quellen von Otfrids Evangelienbuch. Beiträge zu ihrer Ermittlung (Hermaea 41), 1981, S. 9f. u. 119-141. Zu VI.: K. NEFF, Ausg., 1908 (s. o. B. VI.); G. VINAY, Paolo Diacono e la poesia, Convivium l (1950) 97-113; SZÖVERFFY, Annalen I, 1964, S. 186-188; W. VON DEN STEINEN, Karl u. die Dichter, in: W. BRAUNFELS (Hg.), Karl d. Gr. Lebenswerk u. Nachleben, Bd. 2: Das geistige Leben, 1965, S. 63-94, hier S. 67-73; J. SZÖVERFFY, Weltl. Dichtungen des lat. MAs, Bd. l, 1970, S. 415-418, 423-440 u. ö. (Reg.); P. GODMAN, Poetry of the Carolingian Renaissance, London 1985, S. 2f., 6-10, 82-89; T. TOMASEK, Das dt. Rätsel im MA (Hermaea 69), 1994, S. 136-140 u. ö. (Reg.); M. GIOVINI, 'Sophia' come 'Daphnis', ' e 'Alcimus': risonanze classiche in alcuni epicedi 'al femminile' di Paolo Diacono, Maia 49 (1997) 109-118; ders., 'Quel ramo del lago di Como' visto da Paolo Diacono, ebd., S. 119—128; P. MASTANDREA, Classicismo e cristianesimo nella poesie di Paolo Diacono, in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., 2000, S. 293-311; F. DE RUBEIS, La tradizione epigrafica in Paolo Diacono, in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., 2000, S. 139-162; F. STELLA, La poesia di Paolo Diacono: nuovi manoscritti e attribuzioni incerte, in: CHIESA (Hg.), Paolo Diac., 2000, S. 551-574. F. J. WORSTBROCK

Paulus von Freiberg [Korr.] Bd. 7, Sp. 388 zu Ausg.: "J. DOMES ..., in Vorbereitung" korr.: Die Ausg. ist bisher nicht erschienen.

Paumgartner -> Baumgartner Tehemische Cronica dewcz' Titel der spätmal, dt. Prosaübersetzung der alttschechischen sog. -» 'DalimiPChronik [Bd. 2 u. NB], überliefert in München, cgm 3967 (St. Emmeram 1444); cgm 3968 (= Abschrift davon durch Chri-

1187

Peregrinus von Oppeln — Peter von Dusburg

stoph Hoffmann, v. J. 1515); Leipzig, UB, Ms 1328 (Ende 15. Jh.). Zu Lit. ergänze: N. KERSKEN, Geschichtsschreibung im Europa der "nationes" (Münstersche Hist. Forschg.nS), 1995, S. 583-587 (auch mit älterer Lit.) u. ö. (Reg.).

RED. Peregrinus von Oppeln OP [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp. 403 Überl.: "Linz, Studienbibl., cod. 179" korr.: ..., cod. 265 (antea Cc IV 12; Katalog K. SCHIFFMANN, Die Hss. d. öffentl. Studienbibl. in Linz, masch. Linz 1935, Nr. 179). Ebd. vor Lit. ergänze: Zu einer dt. Übersetzung seiner 'Sermones de sanctis' vgl. -* 'Buchwaldsche Heiligenpredigten' [NB].

Perikopen(bücher) (dt.) [Verweisstichwort] [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp. 408 [Verweisstichw.]: "- 'Das Samenkorn' und Perikopen-Texte (dt.)" korr.: -> 'Trierer Perikopen'.

Ergänze: -»· 'Einsiedeln-Zürcher Lektionar' [NB]; -» Treiburger Perikopen' [NB]. Zu dt. Perikopentexten vgl. auch -» Brevier [Bd. l u. NB]; -* Österreichischer Bibelübersetzer [NB], H.A.5.; s. auch einzelne Predigtsammlungen. Perikopengedichte -» 'Evangelien-Perikopen' (gereimte Glosse); -» 'Evangelien-Perikopen der Passion' (mhd. Verse) [Bd. 2 u. NB]; -» Johann von Soest, II.8. (Gedichtzyklus) [Bd. 4 u. NB] Person, Gobelinus [Korr./Nachtr.] Bd. 7 Sp. 413 unten / 414 oben: 365" korr.: ..., cod. S 365. Sp. 414, 3. Absatz: vgl. Art. ->· Ebd. zu b. Überl.: "Münster, korr.: ..., Ms N. R. 4000. Ebd. zu c. Überl.: "Münster, korr.: ..., Ms N. R. 4001.

'Von der pestilenzien' zepte' [NB] Peter s. auch -> Petrus

"Bonn, UB, cod. Sigeward. ÜB, Ms. 4000" ÜB, Ms. 4001"

Tuldaer Pestre-

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Peter von Arberg [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 427 zu Bl: "Grazer Hs. von 1402" korr.: Die Signatur lautete Ms. 542.

Peter von Dusburg I. Leben. VOIGT bezieht den Herkunftsnamen P.s, des Verf. der 'Chronica terrae Prussiae', auf Duisburg im Herzogtum Cleve, POLLAKOWNA auf Doesburg in Gelderland. P.s Beziehungen zum Niederrhein sind unbestritten. Im zeitgenössischen dritten Teil seiner 'Chronica' (litauische Kriege) nennt er die von dort stammenden Kreuzritter; er kennt auch die von Utrecht und von Gelderland. Seine Herkunft von Gelderland ist die wahrscheinlichere. In seiner 'Chronica' schenkt P. den Komturen von Königsberg, Albrecht von Meißen und Berthold von Brühaven, als Vorbildern der Frömmigkeit besondere Aufmerksamkeit. TOEPPEN verband P. mit dem samländischen Domkapitel, PERLBACH mit dem Königsberger Konvent, hielt aber die Selbstidentifizierung des Domherrn mit dem Ordensangehörigen für zweifelhaft. Die Domkapitel sind jedoch als Konvente von Deutschordenpriestern zu betrachten. Offenkundig sind die Beziehungen P.s zu Ragnit (PERLBACH, POLLAKOWNA). Er nennt sieben dortige Komture, besitzt genaue Angaben über die Ordensbrüder und die litauischen Kreuzzüge. Nach POLLAKOWNA soll er Kaplan des Hochmeisters Werner von Orseln gewesen sein und sich ständig in Marienburg aufgehalten haben. Diese Meinung ist unzureichend begründet. Die meisten Indizien sprechen für eine Verbindung P.s mit Ragnit und Königsberg. Nach einer neuen Hypothese sind der anonyme Verfasser der 'Epitome', ein samländischer Domherr (bisher unter -» Canonicus Sambiensis; vgl. dort zu einer anderen Identifizierung) und P. v. D. ein und dieselbe Person (LABUDA, WENTA). Der Autor der 'Chronica' kannte jedenfalls die annalistischen Vermerke aus der 'Epitome' samt den Listen der Hoch- und Landesmeister. Der Verfasser der 'Epitome' schrieb, er habe das samländische Kanonikat 1313 am Tage der hl. Lu-

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Peter von Dusburg

cia erhalten. Möglicherweise ist er identisch mit dem Domherrn Peter, der i. J. 1318 Offizial war. Die Prälaturen (auch Offizialate) wurden gemäß der Regel für einige Jahre übernommen und danach vor dem Domkapitel niedergelegt. Dieser Offizial Peter wird in den Urkunden - im Unterschied zu Peter, einem Domherrn von Elbing — der Ältere genannt. 1331 wurde er Dekan. Im selben Jahr legte Peter sein Amt als Offizial nieder und erlangte die Würde des Kustos. 1335—1340 war er wiederum Offizial, 1342 erneut Dekan und blieb bis 1356 im Amt. Nach diesem Jahr begegnet Peter der Ältere in den Quellen nicht mehr.

Wahrscheinlich also war P. v. D. zuerst Geistlicher in Ragnit, dann ab 1313 Domherr in Königsberg und beendete seine Karriere als Dekan. Demnach wäre er nach mindestens 43 Jahren ununterbrochener Bezeugung durch die Quellen als ein Mann gestorben, der ausweislich der Ämter, die er versah, geistige Kompetenz und Autorität bis an sein Lebensende besaß. P. verfügte unverkennbar über theologische, vielleicht auch juristische Bildung. Ein Studienort ist allerdings nicht bekannt. Wenngleich KWIATKOWSKI meint, er habe kein Theologiestudium absolviert, war er doch scholastisch gebildet. Er zitiert AT und NT, Augustin, Boethius, Bernhard von Clairvaux, Johannes Chrysostomus, Gregor d. Gr., Hieronymus, Paulinus von Nola, Macrobius, Horaz, kannte die 'Summa de arte praedicandi' des Thomas von Chobham und das -» 'Polethicon' [NB], Tolomeo von Lucca und Wilhelm von Tyrus und benutzte ein nicht näher bestimmtes Florilegium. II. S c h r i f t e n . P. v. D. ist Verfasser der lat. 'Chronica terrae Prussiae' und mutmaßlich auch der 'Epitome gestorum Prussiae'. 1. ' C h r o n i c a t e r r a e P r u s s i a e ' . Ü b e r l i e f e r u n g . Torun (Thorn), Archiwum Panstwowe w Toruniu, II, XIII, l, 17. Jh.; Torun, Biblioteka Uniwersytecka, Rps 111/26 (ehem. Königsberg, ÜB, cod. 1568 Pol.), 16. Jh.; Berlin, SBBPK, Ms. Boruss. fol. 68, 16. Jh.; Fragmente: Berlin, SBB-PK, Ms. Boruss. fol. 245; Wien, cod. 9093, 17. Jh.; Vilnius (Wilna), Lietuvos TSR Mokslu Akademijos Centrine Biblioteka, F. 15—438, v. J. 1781. Kompendium der Chronik: Gdansk (Danzig), Archiwum Panstwowe w Gdansku, 300 R/LI, ql, 492/971.

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Ausgaben. CH. HARTKNOCH, Petri de Dusburg Chronicon Prussiae, Frankfurt/Leipzig 1679; M. TOEPPEN, SS rerum Prussicarum I, 1861 (Neudr. 1965), S. 3—219 (umgeordnet, vgl. unten); ders., Fortsetzung zu P.s v. D. Chronik von Conrad Bitschin, SS rerum Prussicarum III, 1866, S. 472—506. - K. SCHOLZ / D. WOJTECKI, P. v. D., Chronik d. Preußenlandes, Lat. u. dt., 1984 (nach der Ausg. von TOEPPEN).

Die 1326 entstandene 'Chronica' umfaßt vier Teile; vorangehen der Widmungsbrief an den Hochmeister Werner von Orseln und ein Prolog. Der erste Teil berichtet über die Gründung des Deutschen Ordens während der Belagerung Akkons und enthält Listen der Stifter und der ersten vier Hochmeister. Der zweite Teil handelt von der Stiftung des Deutschen Ordens in Preußen durch Herzog Konrad von Masovien; inseriert ist hier eine allegorische Predigt über materielle und geistige Waffen und ihren Gebrauch. Den dritten Teil bilden chronologisch geordnete Episoden aus den preußischen und litauischen Kriegen des Ordens, die öfter den Charakter von Exempla haben, auch mit bestimmten kirchlichen Festen verbunden werden; die 'Chronik' tendiert hier zu einer Exempelsammlung. Der vierte Teil besteht aus den Inzidentien, die in den jeweils zweiten Spalten der Hss. parallel zum Text der Ordenschronik erscheinen (Angaben der kontemporären Päpste und Kaiser, bemerkenswerter anderer gleichzeitiger Ereignisse u. a.). Die Teilung in zwei Spalten, Chroniktext und erläuternde Inzidentien, wies schon der Archetypus auf; die Inzidentien dienten dem Ordenspriester zur Erklärung des Textes oder — im Falle der Predigt — des Exemplums. TOEPPEN setzte den Inzidentien-Teil an das Ende seiner Ausgabe und machte aus ihm eine Landeschronik. Seine editorische Maßnahme beeinflußte entscheidend die Auslegung der Geschichte Preußens und des Deutschen Ordens im 13. und ersten Viertel des 14. Jh.s. Eine korrekte Edition der 'Chronica' bleibt ein Desiderat.

P. kannte die Hoch- und Landesmeisterlisten, Berichte über die Gründung des Ordens im Hl. Land und in Preußen, die ältesten preußischen Annalen, den Bericht über den Krieg gegen den Danziger Herzog Swantopolk, die Translation der hl. Barbara, die aus der 'Epitome' bekannten An-

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Peter von Haselbach

nalen und Nekrologe. Er hielt sich konsequent an die augustinische Lehre vom gerechten Krieg und bezog Distanz zur Rezeption des Aristoteles. Grundlage seiner Beurteilung des Menschen war die Liebe zu Gott bzw. deren Absenz. Sein Haß gegen die Heiden gründet in deren Mißachtung dieses Liebesgebots. Umgekehrt ist Gottesliebe das Handlungsmotiv der Ordensbrüder. Der Kreuzzug dispensierte sie von jeder Pflicht der Heidenliebe. Der Missionszweck wurde erreicht, wenn die in Kreuzzugskategorien verstandene Gottesverehrung den Neophyten zuteil wurde. Für die Heiden brachte man weder Verständnis noch Verzeihung auf. Der erste, bis 1330 reichende Teil der Fortsetzung der 'Chronica' wird P., der zweite, bis 1433 reichende dem Kulmer Schreiber Konrad -> Bitschin oder jemandem vom jüngeren Kanzleipersonal zugeschrieben. Etwa zwischen 1331 und 1341 fertigte -» Nikolaus von Jeroschin eine in Reimpaare gefaßte dt. Version der 'Chronica' an. 2. ' E p i t o m e g e s t o r u m P r u s s i a e ' . Ü b e r l i e f e r u n g . Königsberg, ÜB, cod. 1119 (Xx. 51), 14. Jh., 156r-166r, verschollen. Vgl. E. J. H. STEFFENHAGEN, Catalogue codd. mss. Bibliothecae Regiae et Univ. Regiomontanae, Bd. 2, 1867-72, S. 8. A u s g a b e n . M. TOEPPEN, Die neuen Preuß. Provinzial-Bll. N. F. 4 (1853) 27-44; ders., Canonici Sambiensis epitome, SS rerum Prussicarum I, 1861, S. 272-290; W. ARNDT, Canonici Sambiensis annales, MGH SS XIX, 1866, S. 696-708. Die Beschreibungen der verschollenen Hs. sind unpräzis. In den Ausgaben ist der Text in mit Titeln versehene Kapitel geteilt (TOEPPEN: 9, ARNDT: 13). Nur ARNDT gibt den gesamten Text nach der Hs. wieder.

Die 'Epitome' beginnt mit den österr. und livländischen Annalen. Sie besteht aus dem Verzeichnis der Ordensgründungen, der in Preußen gegründeten Burgen und Städte, der Hoch- und Landesmeister und Notizen über die Kriege 1249-1338. Die letzten beiden Reihen von Notizen (1234— 1303, 1310-1336) sind mit Königsberg und dem Bistum Samland verbunden. PERLBACH nahm an, die 'Epitome' sei eine Exzerptensammlung, entnommen

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z. T. auch aus P.s 'Chronica' oder Nikolaus' von Jeroschin dt. Version. In der jüngeren Forschung (LABUDA, WENTA) gewinnt die Meinung an Raum, die 'Epitome' sei eine Sammlung selbständiger Annalen und Verzeichnisse, die P. während der Arbeit an der 'Chronica' gesammelt und in dieser benutzt habe. L i t e r a t u r . J. VOIGT, Gesch. Preußens, Bd. l, Königsberg 1828, S. 603-623; M. TOEPPEN, Gesch. d. Preuß. Historiographie, 1853, S. 1—5; M. PERLBACH, Eine Spur P.s v. D., Altpreuß. Monatsschrift 9 (1872) 491; ders., Preuß.-poln. Stud. z. Gesch. d. MAs, H. 2, 1886, S. 71-94, hier 88 f.; W. ZIESEMER, Nikolaus von Jeroschin u. seine Quelle (Berliner Beitr. z. germ. u. rom. Philologie 31), 1907; H. BAUER, P. v. D. u. die Gesch.Schreibung des Dt. Ordens im 14. Jh. in Preußen (Hist. Stud. 272), 1935; M. POLLAKOWNA, Kronika Piotra z Dusburga, Wroclaw 1968; G. LABUDA, O zrodlach Kroniki pruskiej Piotra z Dusburga, Kommunikaty Mazursko-Warminskie, 111-114 (1971) 228 f.; J. WENTA, Kronika Piotra z Dusburga a dzieje zakonu krzyzackiego zawarte w kronice oliwskiej, Studia Zrodloznawcze 25 (1980) 121132; G. LABUDA, Zu den Quellen der 'Preuß. Chronik' P.s v. D., in: Der Deutschordensstaat Preußen in der polnischen Geschichtsschreibung der Gegenwart, hg. v. U. ARNOLD u. M. BISKUP, 1982, S. 133 — 164; J. WENTA, Dziejopisarstwo w Klasztorze cysterskim w Oliwie, Gdansk/Oliva 1990, S. 74—78; S. KWIATKOWSKI, Zakon niemiecki w Prusach a umysiowosc sredniowieczna, Torun 1998; J. TRUPINDA, Ideologia krucjatowa w kronice Piotra z Dusburga, Gdansk 1999; S. KWIATKOWSKI, Scotistische Einflüsse in der Chronik von P. v. D., in: Die Gesch.Schreibung in Mitteleuropa (Subsidia historiographica 1), 1999, S. 135-137; J. WENTA, Studien über die Ordensgeschichtsschreibung am Beispiel Preußens (Subsidia historiographica 2), Torun 2000, S. 178-182, 205-217; ders., Kazanie i historyczne egzemplum w poznosredniowiecznym Chelmnie, in: Ecclesia et civitas, Warszawa 2002, S. 473-482; ders. Kronika Piotra z Dusburga. Szic zrodloznawczy, Torun 2003; G. VOLLMANN-PROFE, Ein Glücksfall in d. Gesch. d. preußischen Ordenschronistik: Nikolaus v. Jeroschin übersetzt P. v. D., in: Forschungen zur dt. Lit. des SpätMAs. Fs. J. Janota, hg. v. H. BRUNNER u. W. WILLIAMS-KRAPP, 2003, S. 125-140.

JAROSLAW WENTA Peter von Haselbach (Eckel, Peter) [Korr.] Bd. 7, Sp. 436: Die Bezeichnung "OSA" hinter dem Namen P. v. H. ist zu streichen. P. Eckel v. H.

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Peter van Hemerden — Peter von Schaumberg

war nicht Augustiner-Chorherr, sondern Weltpriester mit Wohnung im Stift. Vgl. P. UIBLEIN, Zur ersten Dotation der Univ. Wien, Jb. des Stiftes Klosterneuburg NF 16 (1997) 353-367, hier S. 363 f.

Bruder Peter van Hemerden Unter den Titeln 'Regimen pestilenciale' und 'Regimen de epidemia' firmiert der umfangreichste (30 Folioseiten) dt.sprachige Traktat zur Pest im MA. Dem Explicit zufolge wurde er von einem weiter nicht bekannten Bruder Peter van Hemerden i. J. 1490 verfaßt. Bei dem Herkunftsort könnte es sich um Hemmerden im Landkreis Grevenbroich handeln, der zur Reichsherrschaft Dyck gehörte. Im zweiten Teil des Traktates berichtet P. v. H. davon, daß er in der Stadt Lemgo selbst von der Pest infiziert worden sei. Ü b e r l i e f e r u n g . Darmstadt, Hessische LB u. Hochschulbibl., Hs 405, Bl. 322r-337v, aus ripuar.-niederrhein., dem Ndl. benachbartem Raum. A u s g a b e . J. G. MAYER, Gegen Pest u. Laienmedizin. Der niederrheinische Pesttraktat 'Regimen de epidemia' von 1490, in: Editionen u. Stud, zur lat. u. dt. Fachprosa des MAs, Fs. Gundolf Keil, hg. v. K. GOEHL u. J. G. MAYER (Texte u. Wissen 3), 2000,5.173-191.

I n h a l t . Das 'Regimen de epidemia' besitzt einen systematischen Aufbau: Es beginnt mit einer dreiteiligen Einleitung, die zuerst einen Autoritätenkatalog der Medizin bringt, sodann eine Stellungnahme gegen die Laienmedizin. Eine die Einleitung abschließende Gliederung teilt das Werk in drei Hauptteile: Demnach behandelt der 1. Teil die Prävention, der 2. die Therapie der Erkrankten, der 3. bietet Pflaster für Pestbeulen. Diese Gliederung entspricht jedoch nicht ganz dem wirklichen Text. Dieser beginnt nämlich mit einer Darstellung der Ursachen der Pest, wobei drei aufgeführt werden: nicht näher bestimmte Planetenkonstellationen, 'Fäulnis' an manchen Orten, aber auch sündhaftes Verhalten der Menschen. Interessant ist, daß von einer Disposition (ys disponeert) mancher Menschen für die Pest gesprochen wird. Erst danach folgen die Präventionsmaßnahmen, die von Meidung quader lucht

(schlechter Luft) über die regelmäßige, aber nicht zu häufige Einnahme von Theriak bis hin zu einem kurzen Regimen reichen. Der Therapieteil wird mit einem Aderlaßtraktat eröffnet, liefert sodann eine Rezeptsammlung und drei Krankheitsregimina. Der dritte Teil bietet nur vier Rezepte für Pflaster zur Behandlung von Pestbeulen. Q u e l l e n . In keinem Abschnitt zeigen sich direkte Übernahmen bereits bekannter Quellen. Der Autor kannte jedoch sicherlich das ->· 'Pariser Pestgutachten' ('Compendium de epidemia per collegium facultatis medicorum Parisius ordinatum') oder eine der zahlreichen Bearbeitungen. Außerdem zeigen sich Parallelen zum 'Pestregimen' des Hans -» Andree [Bd. l u. NB]. Als jüngste medizinische Autorität wird im Autoritätenkatalog Mattheus Moretus genannt, dessen verbesserte Ausgabe des 'Matthiae Sylvatici liber pandectarum medicinae' 1488 in Venedig erschien. L i t e r a t u r . H. E. REBOUIS, Etüde historique et critique sur la peste, Paris 1888; R. SIES, Das 'Pariser Pestgutachten' von 1348 in afrz. Fassung (WmF 7), 1977; MAYER, Ausg., S. 167-172.

JOHANNES G. MAYER 'Peter Leu' entfällt (Erstdruck 1559; vgl. Philipp -» Frankfurter [NB]). Peter von Molsheim [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 438 Überl. ergänze: Zur Hs. St (1501) vgl. auch Ludwig -> Sterner [Bd. 5 u. NB].

Peter von Pitschen (Bitschin) ->· 'Liegnitzer Chronik' [NB] Peter von Schaumberg entfällt Zu Rezepten in einem Roßarzneibuch unter seinem Namen vgl. -* Hartmann von Stockheim; W. SCHMITT, P. v. Seh. [Nachträge zu 'VL], StN 39 (1967) 98. Zur Person des Bischofs von Augsburg und Kardinals (t 1469) vgl. zuletzt 3LThK 8, 1999, Sp. 139. Zur bedeutenden Bücherschenkung P.s an das Kloster St. Mang b. Füssen i. J. 1460 vgl. zuletzt CH. ROTH, Lit. u. Klosterreform. Die Bibliothek der Benediktiner von St. Mang zu Füssen im 15. Jh. (Studia Augustana 10), 1999, s. Reg.

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Peter von Schwäbisch-Hall — Peter von Unicov

Peter von Schwäbisch-Hall (Petrus de Hallis) Der cod. 167 rot (ehem. 183) der Stiftsbibl. Göttweig (Perg., 148 Bll., 1. H. 14. Jh.) ist ein umfassendes Handbuch für alle Geschäfte eines öffentlichen Notars. Es enthält Lehrschriften und kleinere praktische Anleitungen, zum weitaus größten Teil aber sog. Formelsammlungen (Musterbeispiele für Urkunden aller Art) und eine Briefsammlung. Zusammengestellt und geschrieben wurde es um 1337 in Wien von dem bisher sonst nicht nachgewiesenen P. Er war nach eigener Angabe Sohn eines Conradus de Hallis Herbipolensis diocesis (i. 98r) und selber kaiserlich bestellter öffentlicher Notar (f. 94r). Die Hauptstücke des Handbuchs sind der um 1216 entstandene -> Ordo iudiciarius' [NB] des Magister Tancredus (f. 2r-15v), ein 'Tractatus de matrimonio et eius impedimentis' (f. 22 V —26 V ), eine von P. selbst kompilierte 'Summa notaria in foro ecclesiastico' (f. 27 r —94 r ), eine 'Summa de formationibus privilegiorum et instrumentorum' (f. 98V-117V) und eine 'Summa de litteris missilibus in curiis principum et aliorum nobiliorum' (f. 118r-147r). P. hat am Ende der 'Summa notaria in foro eccl.' mit dem Schreiberspruch Petre modo cessa quoniam ntanus est tibi fessa und einem biographisch sprechenden Kolophon innegehalten (f. 94r) und nach einigen Addenda f. 98r sein Notariatszeichen eingetragen, sein Handbuch danach aber noch mit den weiteren 'Summae' ausgestattet. Die letzte 'Summa', eine Sammlung von Briefen und Urkunden, fällt weniger in den Bereich eines öffentlichen Notariats als vielmehr in den einer fürstlichen Kanzlei. Der größere Teil der 290 Stücke betrifft Geschäfte von Hof und Herrschaft, doch greift das soziale Spektrum in kleineren Briefgruppen auch weiter, bezieht Korrespondenz geistlicher Personen (Nr. 204— 241) ein, Briefe ad literatos et literatorum inter se ipsos (Nr. 242 — 261) und am Ende Freundschaftsbriefe. Während FIRNHABER meinte, P. habe Originalurkunden vor Augen gehabt, ist eher anzunehmen, daß er sich zeitgenössi-

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scher und älterer 'Formelsammlungen' bediente. Für die Benutzung älterer Sammlungen spricht schon die Tatsache, daß zahlreiche Muster aus der Zeit König Ottokars II. und Rudolfs von Habsburg stammen. ROCKINGER wies auf gleiche Stücke im -» 'Baumgartenberger Formularius' (Anf. 14. Jh.) hin. Ausgabe des Briefbuchs: F. FIRNHABER, Summa de literis missilibus. Ein Formelbuch aus Petri de Hallis kaiserl. Notars Processus judiciarius (Fontes rer. Austriacarum, 2. Abt., Bd. 6), Wien 1853, S. 9-123. L i t e r a t u r . FIRNHABER, Ausg., S. 1-8; L. ROCKINGER, Briefsteller u. Formelbücher d. 11. bis 14. Jh.s, 1863-64, Nachdr. 1969, S. 793,795, 804; F. SCHULTE, Die Rechtshss. d. Stiftsbibl.en von Göttweig [...], WSB 57 (1867) 559-616, hier S. 573. F. J. WORSTBROCK

Peter von Unicov (Mährisch Neustadt) OP 1. Leben. P. stammte aus dem mittelmährischen Neustadt und studierte an der artistischen Fakultät der Prager Univ., wo er später auch wirkte; das Baccalaureat legte er in Köln ab. Er war Mitglied des Dominikanerordens und Prediger der Deutschen in der Dominikanerkirche zu Sent Clementen (nahe der heutigen Karlsbrücke) in Prag; am dortigen Generalstudium der Dominikaner war er Lektor der Theologie, nach dem Generalkapitel von Genua (1413) und dessen Beschluß auch regens studii. Zwischen 1407 und 1417 war P. als Gegner der Hus'schen Reformen tätig. Nach dem Prager Prozeß von 1417, bei dem er seine antihussitischen Äußerungen widerrufen mußte, fehlen weitere Lebenszeugnisse. Erwogen wurde Identität P.s v. U. mit Peter Mangold OP. Mangold studierte in Bologna, war 1402 magister studencium in Köln und konkurrierte 1407/8 mit Jan Hus, als dieser die ersten beiden Bücher der Sentenzen des Petrus Lombardus auslegte. Spätere Nachrichten fehlen. Allerdings hat man gegen eine Identität eingewandt, daß Mangold Mitglied der provincia Teutoniae, P. v. U. dagegen Mitglied der provincia Bohemiae war (KADLEC, 1966).

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Peter von Unicov

2. Werk. a. Verschollen ist ein lat. Traktat mit dem Titel 'Auctoritates contra utramquem speciem' (wohl vom Beginn des Jahres 1414), der sich gegen die durch Jacobellus von Mies (Jakoubek ze Stfibra) aufgestellte Forderung nach der Kommunion unter beiderlei Gestalt richtete.

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gegen Hus. Im Nov. 1414 ging P. nach Konstanz und trat als einer der Zeugen gegen Hus auf. Bei dieser Gelegenheit bezeichnete ihn Hus (laut Peter von Mladonovice) als einen seiner führenden und größten Feinde. Auch in Breslau, wo er sogar zum Kreuzzug gegen Böhmen aufgerufen haben soll, trat P. gegen die böhmische Reformbewegung auf. 1415 (oder 1416) b. Möglicherweise ist P. der Verf. eines nach Prag zurückgekehrt, war er weiter anonymen Flugblattes, das am 2. Jan. 1417 gegen die Reformbewegung tätig. Wohl im (am Vorabend des Quodlibets des MagiZusammenhang mit dem oben genannten sters Prokop von Kladruby) erschien, mit Magistri de Constantia unterzeichnet war Flugblatt wurde P. verhaftet (zwischen Jaund die Position des Konzils verteidigte. nuar und Mitte März 1417), entweder Inc.: Utrum licet magistris studii pragensis durch Intervention der Universität (KEJR.) illa diffinire et approbare, que auctoritate oder auch unter Beteiligung des Stadtrats tocius orbis dampnantur? (SEDLÄK, von Alt-Prag (MEZNIK). Ein tschechisches Lied (s. u.) erwähnt seine Gefangennahme S. 396-398). im Rathaus. P. war einige Zeit vor seinem c. Widerruf früherer antihussitischer Widerruf bei einer Verhandlung der UniÄußerungen am 13. März 1317. versität anwesend und sollte sich als beÜ b e r l i e f e r u n g . Fünf lat. Hss.: Brunn, Mo- kannter Gegner der Eucharistie unter beiravsky Zemsky Archiv (Mähr. Landesarch.), cod. derlei Gestalt für diese aussprechen, was G 12, 20 (Ende des Textes wohl Bl. 4 bzw. 5); Prag, er verweigerte. Ende Februar 1417 legte Archiv Prazkeho Hradu, Bibl. des Metropolitanka- Jacobellus von Mies die auf P. zielende pitels, Kat. Nr. 1657, 144v-147r; Prag, Nirodni 'Posicio pro informacione monachi praediKnihovna (Nat.bibl. im Clementinum), cod. III r v V V catoris S. dementis' vor, die P. nur anhöG 16, 73 -74 ; cod. VIII G 13, 180 -182 ; cod. V V ren, gegen die er jedoch nicht disputierten X F 10, 25 -27 . Eine dt. und eine tschech. Version ebd., cod. IX E 3, Bl. 96-99. Dreisprachig durfte. Am 10. März bekannte sich die (lat./dt./tschech.) in Wien, cod. 4937, 36v-45r Universität zum Kelch. Am 13. März (wohl aus der Prager Kartause). mußte P. seinen feierlichen Widerruf leiAusgabe des lat. Textes: J. LOSERTH, Hus u. Wi- sten und die Position der Universität anclif. Zur Genesis der hussitischen Lehre, 1884, nehmen. S. 296-298 (Beilage 10). In diesem angeblich freiwillig abgelegten Im Zusammenhang mit dem Widerruf Widerruf beschuldigt er sich selbst, Hus stehen zwei weitere lat. Dokumente: Eine und seine Anhänger als Ketzer und Gekurze Abschwörungsformel P. s und ein an walttäter verleumdet zu haben. Insbesonihn gerichteter Vergebungsbrief des Rek- dere bekennt er, Zwistigkeiten geschürt zu tors der Universität ( /LöSER). haben, um zu reiczen das auslenderisch volk wider das [...] konigreich zu Behem. 3. B e d e u t u n g . Der Text, der in dieser Form kaum von P. P. war aktiver und eifriger Gegner der Prager Reformbewegung: Man hält es für selbst stammen kann, geht sogar so weit möglich, daß er bereits in den Jahren zu behaupten, das Sacrament des heiligen 1407—1409 mit Jan Hus disputierte. Als leichnams vnd des heiligen bluts vnsers der Prager Erzbischof i. J. 1408 allen Besit- herren Jhesu christi vnder beider gestalt zern von Schriften Wyclifs befahl, diese des brots vnd des weyns sei nicht nur ein auszuliefern, prangerte P. von der Kanzel gesatzung christi vnd des heiligen ewangeherab öffentlich diejenigen an, die das Ge- lium, sondern ein offenbar bekentnuß vnd bot mißachteten. Schon 1410 forderte er — beczeugnuß des Concilium zu Costnicz. erfolglos — im Zentrum der Dominikaner Auf diese Weise wurden die Beschlüsse des in Bologna die Eröffnung eines Prozesses Konzils geradezu in ihr Gegenteil verkehrt.

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Peter von Zittau

Der Widerruf erfolgt vor der Universitätsgemeinde, nennt aber auch weltliche Würdenträger von König Wenzel bis zu den Geschworenen der Prager Städte. P. bittet um eine heilsame Strafe und um die Wiederaufnahme in die Universitätsgemeinde. Der Text läßt ihn ausdrücklich auch für die schriftliche Verbreitung seines Widerrufs eintreten. Die ursprüngliche Fassung war lateinisch. Die deutsche und die tschechische Fassung sind Übersetzungen, die bald danach entstanden. Diese Übersetzungen und die hs.liche Verbreitung bezeugen die Bedeutung, die man dem Vorfall beimaß. 4. W i r k u n g . Nachrichten in Chroniken fehlen. Aber die anonyme antihussitische Schrift 'Planctus super civitatem Pragensem' (wohl v. J. 1421; Verf. ist möglicherweise Andreas von Brod) behauptet, P. sei gefoltert und vor die Wahl zwischen Widerruf und Tod gestellt worden (KADLEC, 1986, S. 61). Ein anonymes tschechisches Gedicht (wahrscheinlich vom Nov. 1420, Abdruck bei NEBESKY) berichtet, P. sei gefoltert worden, um ihm den Widerruf abzupressen. Später jedoch habe er seinen Widerruf zurückgenommen (BOK/LÖSER). L i t e r a t u r . V. NEBESKY, Verse na husity. Ze zacatku XV. stoleti [Verse über die Hussiten. Vom Beginn des 15. Jh.s], Casopis ceskeho musea 26 (1852) 141-151; V. BRANDL, Osvedceni Petra z Unicova, kterym drivejsi käzani svä proti Cechach, Husu, Jeronymu a proti prijimani pod oboji odvolal. 13. bfezna 1417 [Die Verkündigung P.s v. U., durch die er seine früheren Predigten gegen Böhmen, Hus, Hieronymus u. gegen die Kommunion unter beiderlei Gestalt widerrufen hat. 13. März 1417], Casopis Madce moravske 11 (1879) 95105; J. SEDLÄK, Petr z Unicova {Teil der umfangreichen Studie Pocätkove kalicha [Die Anfänge des Kelchs]), Casopis katolickeho duchovenstva 55 [80] (1914) 315-322; J. KEJR, Deklarace prazske univerzity z 10. brezna 1417 o prijimäni pod oboji a jeji historicke pozadi [Die Deklaration der Prager Univ. vom 10. März 1417 über die Kommunion unter beiderlei Gestalt u. ihren hist. Hintergrund], Sbornik historicky 8 (1961) 133-156; J. KADLEC, Reholni generälni studia pri Karlove universite v dobe predhusitske [Die Ordensgeneralstudien an der Karls-Univ. in der Zeit vor der Hussitenbewegung], Acta Universitatis Carolinae — Historia

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Universitatis Carolinae Pragensis 7 (1966, Heft 2) 63—108; ders., Planctus super civitatem Pragensem a jeho autor, Studie o rukopisech 25 (1986) 47 — 73; ders., Katolicti exulanti cesti doby husitske [Tschechische katholische Emigranten der Hussitenzeit], Prag 1990; J. MEZNIK, Praha pred husitskou revoluci [Prag vor der Hussitenrevolution], Prag 1990; J. KADLEC, Hussovi odpurci [Die Widersacher von Hus], in: Jan Hus na prelomu tisicileti (Husitsky Täbor, Supplementum 1), hg. v. M. DRDA/ F. HOLECEK/ Z. VYBIRAL, Täbor 2001, S. 325-342, hier S. 333-335; V. /F. LÖSER, Der Widerruf des P. v. U. vor der Prager Universitätsgemeinde (1417), in: F. P. KNAPP/ J. MIETHKE (Hgg.), Das lat. u. volkssprachige Schrifttum im Umkreis der Universitäten Prag, Wien u. Heidelberg am Ende des 14. u. am Beginn des 15. Jh.s, im Druck.

FREIMUT LÖSER Peter von Zittau OCist A. Leben. P. trat zwischen 1297 und 1305 in das 1292 von König -> Wenzel II. als Königskloster und -grablege gegründete Zisterzienserkloster Königsaal (Zbraslav) bei Prag ein, dessen Abt er ab 1316 für mehr als zwanzig Jahre war; er starb nach seiner Resignation von diesem Amt wohl 1339. Neben die intensive Förderung des Klosters in weltlicher Hinsicht (zum Grundbesitz s. das frgm. erhaltene Urkundenbuch; zu Bauten, Geschichte und politischer Stellung von Königsaal s. die Chronik) trat die des geistlichen Lebens der Zisterze, die sich in einer Reihe von lat. Schriften niederschlug. Für P.s Bedeutung spricht auch, daß -> Wilhelm von Boldensele ihm seinen Reisebericht übersandte. B. Werk. 1. Das bei weitem wichtigste Werk ist die umfangreiche 'Chronica Aulae Regiae' P.s, die inhaltlich wie literarisch bedeutendste lateinischsprachige böhmische Chronik des SpätMAs (Berichtszeitraum 1253-1338). Ü b e r l i e f e r u n g . Mal. Hss.: Rom, Bibl. Vaticana, cod. Pal. lat. 950, nur Buch I, wohl Autograph; Iglau (Jihlava), Magistratsarchiv, o. Sign., v. J. 1393; Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 697, Ende 15. Jh., 122r-284r (nur Buch I); Zämek Nelahozeves, Roudnickä lobkowickä knihovna, o. Sign., v. J. 1464, nur Buch I. Verweis auf ein

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Peter von Zittau

Frgm. bei LOSERTH, 1881, S. 379. Neuzeitliche Hss. s. Ausg. LOSERTH, S. 4 f.; ders., 1874, S. 452-455. A u s g a b e n . J. LOSERTH, Die Königsaaler Geschichts-Quellen (...) (Fontes rerum austriacarum, 1. Abt., VIII. Bd.), Wien 1875; J. EMLER, Chronicon Aulae Regiae (...) (Fontes rerum bohemicarum t. IV), Prag 1884 (auf der Grundlage der Iglauer Hs.). Tschech. Übers, mit wichtiger Einleitung: V. NOWOTNY, Kronika zbraslavskä trans. J. V. NoVÄK, Prag 1905, vgl. weiterhin: Zbraslavskä kronika — Chronicon Aulae Regiae, Prag 1976.

Die Chronik ist das zentrale Stück der sog. 'Königsaaler Geschichtsquellen'; voraus gehen ihr (s. Ausg. LOSERTH) knappe 'Annales Aulae regiae' (ebd. S. 21—29); es folgt nach Buch III die 'Continuatio Francisci Pragensis' (ebd. S. 535-606). Verfaßt ist die Chronik auf Bitten des Abtes Johannes von Waldsassen (-» Johannes von Ellenbogen). Buchl (Jahre 1253-1316, 130 Kap.) bietet vor allem eine Vita König -> Wenzels II. (1283-1305) und seiner Vorfahren, wofür P. für die Kap. 1—51 auf eine Arbeit seines Vorgängers, des Abtes Otto zurückgreifen konnte. In den Büchern II (1317-1334, 34 Kap.) und III (1335-1337, 15 Kap.) bietet P. Zeitgeschichte, die er, wegen der Nähe Königsaals zum Königshause (und vor allem zu Elisabeth, der Tochter Wenzels II.) teils auch selbst mitgestaltet hat. P.s Interesse gilt der Geschichte und Gegenwart ganz Böhmens, was auch die mit den Premislyden verbundenen Fürsten des Reiches einschließt. Grundlage der sehr lebendig erzählten Darstellung ist jedoch die Geschichte von Königsaal, dessen Abt P. in seinem persönlichen Handeln und Erleben immer wieder in den Blick genommen wird (von 'Memoiren' P.s — LOSERTH, 1874, S. 469 — sollte man gleichwohl nicht sprechen). Auch formal gesehen ist die Chronik höchst bemerkenswert: Sie ist in gepflegter Reimprosa gehalten, die immer wieder durch Verstexte (meist zweisilbig leoninisch gereimte Hexameter) unterbrochen wird (2651 vv. in 363 metrischen Partien); sie ist so das bedeutendste Werk des prosimetrischen Stils im 14. Jh., vgl. PAUST, S. 961978. Eingelegt in den Text sind Briefe, Reden, Lamentationes (z. B. die der personifizierten Aula regia auf Wenzel II.), Gebete,

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Totenklagen, Wundererzählungen, Träume und Visionen; am Ende von Buch I bietet P. sein eigenes Testament. Der Brief der personifizierten Kaiserkrone an Heinrich VII. (I, Kap. 120) stammt von Francesco da Barberino, s. BUJNOCH. Auch literarische Anspielungen fehlen nicht. So wird im Anschluß an die Darstellung von Modetorheiten in Buch II, Kap. 23 auf Nithardus verwiesen {-*· Neidhart), der darüber bona plura cotnposuisset; ebd. erwähnt P. als Neuheit auch den mehrstimmigen Gesang (vgl. BATKA). In 11,27 ist von einer tabula rotunda sive foresta regis die Rede. — Auf die Geschichtsschreibung der Folgezeit hat die Chronik großen Einfluß ausgeübt. Im späteren 14. Jh. hat Franz von Prag das Werk des P. in seine Prager Chronik eingearbeitet, vgl. ZACHOWÄ. 2. Predigten, die P. für die Mönche seines Klosters gehalten hatte, stellte er in zwei Büchern mit insgesamt 131 Stücken zusammen. Ü b e r l i e f e r u n g . Leipzig, ÜB, Ms 434, 1. H. 14. Jh. (1316-1340), ganze Hs. Ausgabe fehlt; Abdruck des Prologus sermonum per dominum Petrum abbatum compilatorum bei LOSERTH, 1881, S. 393 f. sowie des ersten Sermo de passione Christi des zweiten Buches (140 V —142 r ) ebd. S. 398—402. Verzeichnis der Predigtinitien bei SCHNEYER Rep. 4, S. 807-817.

P. bezeichnet seine Predigten 'eher als fabulaciones denn als sermones', die er, gezwungen durch sein Amt und den seinem Orden geschuldeten Gehorsam auf Bitten einiger fratres devoti, familiäres michi ... sub notula manu mea propria aufgezeichnet habe. Es handelt sich durchweg um Sermones de tempore, wobei für den einzelnen Anlaß jeweils mehrere Predigten (bis zu zehn, so für Ostern, 32 r —46 V ) geboten werden. Dabei wird das Kirchenjahr zweimal durchlaufen (Buchl: 3r-98r, Buch 2: 102V-178V). Der Inhalt des ersten Buches wird durch eine alphabetische Tabula (98 V —100 V ) erschlossen. P. bietet nüchterne und inhaltlich einfache Predigtskizzen, die sich auf die Bibel, liturgische Texte und vor allem -> Bernhard von Clairvaux stützen; 41 der Predigten legen jeweils einen Ct-Vers nach dessen Hohelied-Predigten aus. Dabei ist nicht auszuschließen, daß P. in dt. Spra-

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ehe gepredigt hat, vgl. die von LOSERTH, 1881, S. 390 zitierte Stelle. Die ebd. S. 398402 abgedruckte Passionspredigt geht aus von dem Bibelwort O vos omnes qui transitis (Lam 1,12) und warnt die Zuhörer unter Rückgriff auf Bernhard vor impaciencia und superbia; am Ende werden fünf Zeichen der durch das Feuer der Liebe Christi entstehenden Hitze, teils unter Verweis auf das Hohelied, beschrieben. Vorläufige Charakterisierung der Predigten bei LOSERTH, 1881, S. 384-392, vgl. MIKKERS, Sp. 1678. 3. Mit der 'Formula domini Petri abbatis Aulae regiae in aedificationem fratris et monachi devoti' verfaßte P. ein Lehrgedicht (13 leoninische Hexameter und 50 Vagantenstrophen, also 213 vv., Initium: O hone daustralis, s. WALTHER, Initia 12522), in dem er — ohne spezifischen Bezug auf den Zisterzienserorden — einem Mönch stark alltagsbezogene Ratschläge und Ermahnungen für sein Leben im Kloster erteilt. So wird z. B. das Problem der Konzentration auf das Lob Gottes während der langen Gottesdienste (Str. 7) und die nötige Geduld bei der harten Handarbeit (Str. 10) angesprochen. Ab Str. 20 bis Str. 42 folgt jeweils auf die Beschreibung eines Aspekts des Klosterlebens dessen Vergleich mit dem Leben Jesu (z. B.: Str. 26: Wenn du wegen Nachlässigkeiten getadelt wirst, sei geduldig und gib keine Widerworte — Str. 27: der Knabe Jesus fürchtete die Rute seiner Mutter und gehorchte ihr). Inhaltliche Analyse bei GERWING, 1992. — Die Zuschreibung des Textes an P. ist nicht völlig sicher: Dieser erscheint in der Überlieferung vielfach ohne die 13 Eingangsverse (Initium dann: Christus nobis tradidit, WALTHER, Initia 2772) und wird gelegentlich -> Heinrich von Langenstein zugeschrieben, s. HOHMANN, 1976, Nr. 30. Textabdruck dieser Version Anal. hymn. 33, S. 201-208. Ü b e r l i e f e r u n g mit Zuschreibung an P. z. B. Wien, cod. 3655,15. Jh., 109V- 114r; München, clm 28399, 1. H. 15. Jh., 238va-240rh; Vorau, Stiftsbibl., cod. 178, 2. H. 15. Jh., 248v-250r; weitere Hss. (teils des 14. Jh.s) bei WALTHER, Initia 12522. Überl. der Version ohne die Eingangsverse s. ebd. 2772. Insg. sind z. Zt. ca. 50 Hss. bekannt; der Überlieferungskontext legt den Gebrauch des Textes im Rahmen der Ordensreformen des 15. Jh.s nahe.

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A u s g a b e n . [J.] LOSERTH, Ein religiöses Gedicht P.s v. Z., Mitt. d. Ver. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen XIV Nr. l (1875) 149-155; P. VIKTORIN PANHÖLZL, Des Petrus v. Z. klösterliche Lebensregeln in lat. Versen, Cistercienser-Chronik 49 (1937) 353-358 (Wiederabdruck des LOSERTHschen Textes); maßgeblich jetzt: J. NECHUTOVÄ, Formula ad edificacionem fratris et monachi devoti v rukopisech Rakouske narodni knihovny ve Vidni, Listy filologicke CXXII (1999) 176-193. Zur Seite zu stellen ist der 'Formula' eine 498 Verse umfassende 'Epistola, quam misit quidam novicius commendans ordinem Cisterciensem', die P. als Novize seinem frater, dem Kreuzritter Johannes sandte; sie bildet den zweiten Teil von Buch I, Kap. 87 der Chronik (ed. EMLER, S. 116-122).

4. Nur zum kleinen Teil erhalten ist anscheinend eine Sammlung der Wunder, die sich seit den Anfängen von Königsaal dort zugetragen hatte. Einen Auszug dieses 'Liber secretorum Aulae regiae' bietet Buch II, Kap. 18 der Chronik (ed. EMLER, S. 251-254). 5. Ungewiß bleibt letztlich, ob P. auch den berühmten 'Malogranatum'-Traktat (-> Gallus von Königsaal [Bd. 2 u. NB]) verfaßt hat, vgl. GERWING, 1986, bes. S. 168-173 undders., 1992. L i t e r a t u r . J. LOSERTH, Die Königsaaler Geschichtsquellen, Arch. f. österr. Gesch. 51, 2. H. (1874) 449-499; ders., Die geistl. Schriften P.s v. Z., WSB 98 (1881) 379-402; LORENZ, Geschichtsquellen, I, 31887, S. 292-303; A. BACHMANN, Beitr. z. Kunde böhmischer Geschichtsquellen des XIV. u. XV. Jh.s, Mitt. d. Ver. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen 36 (1897) 1-30, 261-291; A. SEIET, Stud, zu den Königsaaler Geschichtsquellen (Prager Stud, aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft II), Prag 1898; R. BATKA, Cantus fractis vocibus, Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen 45 (1907) 5-10; TH. HOHMANN, Initienreg. der Werke Heinrichs v. Langenstein, Traditio 32 (1976) 399-426; E. MIKKERS, Pierre de Zittau, in: Diet. Spin 12,2, 1986, Sp. 1677-1679; M. GERWING, Malogranatum oder der dreifache Weg zur Vollkommenheit (Veröff. d. Collegium Carolinum 57), 1986; K. CHARVÄTOVÄ, Petr Zitavsky, opat Zbraslavskeho klästera (1316-1339), Sbornik spolecnosti pratel starozitnosti 2 (1991) 87—107; M. E. FRANKE, Kaiser Heinrich VII. im Spiegel der Historiographie, 1992, S. 202—223 u. passim; M. GERWING, Das Lehrgedicht des Abtes P. v. Z. u. das Malogranatum — ein Vergleich, in: Serta devota in memoriam Guillelmi Lourdaux, pars prior (Me-

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'Petroltraktate' — Petrus Comestor

diaevalia Lovaniensia Ser. I/Studia XX), Löwen 1992, S. 305-320; J. SPEVACEK, Peer Zitavsky a pocätky Lucemburske dynastic v ceskych zemich, Mediaevalia Historica Bohemica 3 (1993) 177-197; B. PABST, Prosimetrum (Ordo. Stud, zu Lit. u. Ges. d. MAs u. d. frühen Neuzeit 4,2), T. 2, 1994; M. BLÄHOVÄ, Offizielle Geschichtsschreibung in den mal. böhmischen Ländern, in: J. WENTA (Hg.), Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa (Subsidia historiographica 1), Torun 1999, S. 21-40, hier S. 22 f. (Lit.); J. ZACHOVÄ, Die Chronik des Franz von Prag, ebd., S. 331-338; J. BUJNOCH, Bilder aus der Königsaaler Chronik, in: E. HLAWITSCHKA (Hg.), Vorträge u. Abhh. aus geisteswissenschaftl. Bereichen (Schr.n d. Sudetendeutschen Ak. d. Wiss.n u. Künste 20), 1999, S. 75-96; V. HONEMANN, P. v. Z. als Literat, in: Dt. Lit. des MAs in Böhmen u. über Böhmen II, hg. v. V. u. H.-J. BEHR (im Druck).

VOLKER HONEMANN Tetroitraktate' [Korr.] Bd. 7, Sp. 491 zu 2.c. Ausg.: "G. KEIL ..., in Vorbereitung für Sudhoffs Arch." korr.: G. KEIL ..., Petrol-Reklamezettel, in: 'ein teutsch puech machen'. Unters, z. landessprachlichen Vermittlung med. Wissens, hg. v. G. KEIL u. a. ("Wissenslit. im MA 11), 1993, S. 470-479, hier S. 478 f.

Petrus Comestor (Manducator) A. Person. Über das Leben P. C.s ist wenig bekannt: Geb. um 1100 in Troyes, war er vielleicht schon seit 1145, spätestens aber seit 1152 Dekan der Kathedralschule und Canonicus Augustinianus von S. Loup in Troyes. Bis 1169 lehrte er Theologie an der Kathedralschule Notre Dame in Paris, von etwa 1164 bis 1178 war er dort auch Kanzler; nach der Aufgabe des Lehrstuhls zog er sich als Regularkanoniker nach St. Victor zurück, wo er wahrscheinlich am 22. Oktober 1178 starb. P. C. hat schon früh, beinahe noch zu Lebzeiten, Berühmtheit erlangt. -> Otto von St. Blasien etwa zählt ihn in seiner kurz nach 1209 entstandenen lat. Chronik zu den großen zeitgenössischen Gelehrten und charakterisiert knapp sein Werk. B. Werk. 1. ' H i s t o r i a s c h o l a s t i c a ' ( . s.'). Berühmt wurde P. C. vor allem durch seine wahrscheinlich zwischen 1169 und

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1173 abgeschlossene . s.'. Es handelt sich hierbei um eine fortlaufende Darstellung der biblischen Geschichte, bestehend aus — der Textchronologie der Bibel folgenden — Inhaltsangaben zu den historischen Büchern des Alten und Neuen Testaments, vom Pentateuch bis zu Christi Himmelfahrt, die um wörtliche Zitate, grammatische und Sachkommentare und apokryphes Material erweitert sind, aber auch um knappe incidentia, d. h. Anmerkungen zu zeitgleichen profangeschichtlichen Ereignissen; wohl der Nachfolger P. C.s im Kanzleramt, -> Petrus Pictaviensis [NB], ergänzte den ntl. Teil um eine Darstellung der Apostelgeschichte. Hauptquellen sind die Vulgata und die 'Antiquitates Judaicae' des jüdischen Historiographen Flavius Josephus. Daneben zog P. C. apokryphes Material, -* Hieronymus und andere Väter (u. a. -» Augustinus, -» Beda und -> Isidor von Sevilla [NB]), Pseudo -» Methodius [NB], die 'Glossa ordinaria' sowie -» Hugo und Andreas von St. Viktor heran. Für manche Details aus der jüdischen exegetischen Tradition rechnet man überdies mit mündlicher Vermittlung. A u s g a b e . PL 198, Sp. 1045-1722.

Die Bedeutung der . s.' für die Weitergabe von Bibelwissen an die angehenden litterati wie an die illiterati kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ihre große Wirkung bestätigen einige hundert Textzeugen, viele erweitert, glossiert und kommentiert, aus beinahe der gesamten abendländischen Welt. Das Verzeichnis mit ca. 230 Hss. bei STEGMÜLLER, Rep., Bd. 4, S. 280-291, und Bd. 9, S. 341 f. ist überholt, bislang aber nicht durch eine aktuelle Liste der hs.lichen Überlieferung ersetzt; die Drucke wurden zuletzt von SHERWOOD-SMITH, 2000, S. 20, zusammengestellt.

Eine nicht minder breite indirekte Wirkung entfaltete die . s.' als Quelle für die lat. Historiographie, Geschichts- und Bibeldichtung des 13. bis 15. Jh.s (vgl. z. B. die -» 'Chronica S. Pantaleonis', die Chroniken -> Gottfrieds von Viterbo, -* Johannes' von Winterthur und -» Siegfrieds von Balnhausen, die 'Historia de

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ortu Jerusalem et eius variis eventibus' -> Olivers von Paderborn, das 'Speculum historiale' des -> Vinzenz von Beauvais; die allegorische Bibeldichtung 'Betel' -> Eberhards von Heisterbach, die 'Aurora' des Petrus Riga; das -» 'Benediktbeurer Weihnachtsspiel'). Exzerpiert wurde sie aber auch für Kommentare und Wissenskompendien aller Art (z. B. für die 'Summa super V libros decretalium' -> Heinrichs von Merseburg, den 'Hortus deliciarum' -> Herrads von Hohenburg und -»· Konrads von Mure 'Fabularius'). Über Art und Umfang dieser lat. Rezeption ist bis heute keine Klarheit gewonnen. Als Standardwerk des Unterrichts dürfte die . s.' allerdings mehr oder weniger omnipräsent gewesen sein. Darüber hinaus wurde sie in verschiedene Volkssprachen übersetzt und exzerpiert; sie diente als Quelle für die volkssprachige Bibeldichtung und -paraphrase in ihren verschiedenen Erscheinungsformen, u. a. für Weltchroniken und Reimbibeln, für Historienbibeln und Bibliae pauperum, Antikenroman, Dramen, Sermones und Homilien, Lehr- und Erbauungsbücher, Rechtstexte u. a. Selbst für den Reisebericht Jean de -» Mandevilles wurde sie mit herangezogen. Vgl. u. C. 2. Von P. C.s Predigten, theologischen Traktaten, Kommentaren (Sentenzenkommentar, Evangelien-Glossen, Glossen zum Psalmenkommentar des -» Petrus Lombardus) und Quaestiones ist das meiste unediert und noch nicht aufgearbeitet. A u s g a b e n . Die Sermones sind in PL 171, Sp. 339-964 (unter dem Namen Hildeberts von Lavardin) und PL 198, Sp. 1721-1844, ediert; eine Ausg. der Sententiae de sacramentis und des Prologs zum Sentenzenkommentar in: R. M. MARTIN, Spicil. sacr. Lovan. XVII, Louvain 1937 (Anhang); die Quaestiones Nr. 288-334 sind unter dem Namen Odos von Soissons hg.: J. B. PITRA, Questiones Mag. Odonis Suessinensis, Analecta novissimi Spicilegii Solesmensis, Continuatio altera, II, Paris 1888,5.98-197.

3. Z u g e s c h r i e b e n e Werke. P. C. werden fälschlicherweise ein 'Liber super expositionem canonis missae' und 'Notule quedam super Psalterium glosatum' zugewiesen, die beide unikal überlie-

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fert sind. Außerdem schreibt ihm Alberich von Troisfontaines den 'Liber Pancrisis' zu; in manchen Hss. gilt er auch als Autor der 'Flores de gestis beatae Mariae Virginis' des -*· Nikolaus von Straßburg. L i t e r a t u r . Die umfassendste Information geben immer noch N. IUNG im DThC 12, 1935, Sp. 1918-1922, und J. LONGERE im Diet. Spir. 12, 1985, Sp. 1614-1626; zu P. C.s Leben und Werk, Quellen und Nachwirkung vgl. auch S. R. DALY, Peter Comestor: Master of Histories, Speculum 32 (1957) 62-73; B. SMALLEY, The Bible in the Middle Ages, Oxford 31984, S. 196-263; D. E. LUSCOMBE, Peter Comestor, in: K. WALSH / D. WOOD (Hgg.), The Bible in the Medieval World. Essays in Memory of Beryl Smalley, Oxford 1985, S. 109-129; J. H. MOREY, Peter Comestor, Biblical Paraphrase, and the Medieval Popular Bible, Speculum 68 (1993) 6-35; L. H. FELDMANN, The Jewish Sources of P. C.'s Commentary on Genesis in his . s.', in: Begegnung zwischen Christentum u. Judentum in Antike u. MA. Fs. für H. Schrekkenberg, hg. v. D.-A. KOCH u. H. LICHTENBERGER (Schr.n d. Institutum Delitzschianum), 1993, S. 93-121; D.E. LUSCOMBE, P.C., in: Theologische Realenzyklopädie 26, 1996, S. 291-293; O. RAMONAT, P. C.s Handbuch der biblischen Geschichte — ein populäres Buch des MAs, in: C. KRETSCHMANN (Hg.), Wissenspopularisierung (Wissenskultur u. gesellschaftlicher Wandel 4), 2003, S. 79—87. — Zu den zahlreichen Überarbeitungen und Auszügen der . s.' vgl. R. M. MARTIN, Notes sur l'oeuvre litteraire de Pierre le Mangeur, Recherches de theologie ancienne et medievale 3 (1931) 54-66.

C. D e u t s c h s p r a c h i g e Rezeption der 'Historia scholastica'. Dominanten Einfluß hatte die . s.' auf drei große, sachlich-inhaltlich sich eng berührende Bereiche: Weltchronistik, Bibeldichtung und Historienbibeln. Kaum überschaubar sind Übersetzung und Bearbeitung einzelner Kapitel und kleinerer Auszüge aus der . s.'. Die hier zusammengetragenen Funde können sicherlich vermehrt werden. Überdies wäre bei der Mehrzahl der nachfolgend genannten Werke die Quellenfrage neu zu stellen, d. h. einläßliche Untersuchungen zu Aufnahme und Verarbeitung der . s.' stehen noch aus. Die Benutzung der . s.' läßt sich freilich nicht immer mit Sicherheit nachwei-

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sen. Das hängt zum einen damit zusammen, daß viele Textpartien wörtlich mit der Vulgata übereinstimmen, zum anderen damit, daß die Text- und Überlieferungsgeschichte der . s.' noch nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet ist. In vielen Fällen wird man auch mit der Benutzung glossierter und kommentierter Hss. der . s.' rechnen dürfen, ohne dies beim gegenwärtigen Stand der heuristischen Aufarbeitung verifizieren zu können. 1. W e l t c h r o n i k e n . An der Entstehung einer Universalchronistik in mhd. Versen hatte die . s.' maßgebenden Anteil; auch wenn volkssprachige Vorbilder und Vorstufen geltend gemacht werden können, so ist der eigentliche Durchbruch der Gattung im 13. Jh. in Verbindung mit der . s.' zu sehen. Die mhd. gereimten Weltchroniken des 13. Jh.s sind so mit das früheste Zeugnis einer Rezeption der . s.' in der dt. Literatur. a. Für die 'Weltchronik' -> Rudolfs von Ems (begonnen vermutlich in den frühen vierziger Jahren; abgebrochen bei III Rg 11,43, wohl nach dem Tod des Auftraggebers Konrad IV. 1254) war die . s.' Hauptquelle und Modell; gegen seine Vorlage, die biblische und außerbiblische Ereignisse synchronisiert, sammelt Rudolf jedoch die profangeschichtlichen Partien am Ende eines jeden Weltalters. Der . s.' verdanken sich nicht nur eine Vielzahl historischer Ereignisberichte, sondern auch ätiologische, ethnische und geographische Informationen, Erläuterungen zu schwierigen Textstellen der Vulgata und jüdische apokryphe Geschichten wie z. B. die Berichte über die Kindheit Mosis. b. Auch für die in Thüringen zwischen 1242 und 1247 oder zwischen 1254 und 1263 entstandene, nur bis Idc 1,7 geführte -* 'Christherre-Chronik' war die . s.' (neben der Vulgata und dem 'Pantheon' Gottfrieds von Viterbo) Hauptquelle; sie lieferte nicht nur reiches Erzählmaterial für die biblischen und profangeschichtlichen Ereignisse — so ist ein Großteil des Buches Exodus teils wörtlich, teils in Auswahl und freier Bearbeitung aus der . s.' kompiliert (SCHWABBAUER, S. 99—107) — ,

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sondern auch ein wichtiges Ordnungsmuster: Nach ihrem Vorbild sind die Inzidentia innerhalb der Bibelbücher mit den heilsgeschichtlichen Ereignissen synchronisiert. c. Die -> 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB], eine Kompilation aus den Weltchroniken Rudolfs von Ems, des Thüringer Anonymus und Jans ->· Enikels [Bd. 2 u. NB] sowie weiteren Geschichtsdichtungen und versifizierten Prosaquellen, zieht zur Ergänzung ihrer bis zum Beginn von IV Rg reichenden Darstellung der alttestamentlichen Geschichte nicht nur die . s.', sondern auch das -» 'Buch der Könige (alter e)' heran, das seinerseits die . s.' zur Quelle hat (vgl. RETTELBACH, Bd. 2,1, S. 1-100). d. Für die große, unter dem Namen -> Heinrichs von München überlieferte Weltchronik-Kompilation wurde die . s.' mittelbar — über die Basistexte: die 'Erweiterte Christherre-Chronik' und das 'Buch der Könige (altere)' — und unmittelbar benutzt: Sie gehört zu den vier Hauptquellen, die der Kompilator bzw. Versifikator der Erstfassung für seine Darstellung der Geschichte Judäas von der nachsalomonischen Zeit bis zur Herrschaft des Augustus, d. h. für den Bereich IV Rg bis II Mcc, für den keine durchgängig gereimten Quellen verfügbar waren, heranzog. Darüber hinaus wurde die . s.' nahezu für jede Folgeredakion und auf jeder Bearbeitungsstufe der Kompilation wiederholt konsultiert: für Sachinformationen, Erläuterungen historischer (auch profangeschichtlicher) Details auf der Ebene des sensus litteralis und dunkler Textstellen, Berichte über die primi inventor es und Apokryphes. e. In der ältesten in Prosa abgefaßten Universalchronik, der -> 'Sächsischen Weltchronik', spielt die . s.' aufs Ganze gesehen — die biblische Geschichte wird eher resümierend abgehandelt — eine marginale Rolle. Dennoch wurde sie in dem allen Hss. gemeinsamen Bestand über den gesamten Text hinweg breiter herangezogen als lange angenommen. Ausgeschrieben wurde sie vor allem für genealogische Ergänzungen und — besonders in der Dar-

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Stellung der ersten drei Weltreiche — für biblischen und legendenhaften Stoff zur zeitgleichen jüdischen Geschichte (MENZEL, S. 75—78). Zusätzlich wurde sie in einzelnen Hss. der Fassungen B — Hs. 14 etwa überliefert die 'Sächsische Wehchronik:' mit zahlreichen Interpolationen u. a. aus der Vulgata und der . s.' (WOLF, S. 85, 387) — und C benutzt, hier für Inserte über die Kainsgenealogie und den Turmbau zu Babel (MENZEL, S. 26—99, 77), ferner für eine Zeittafel, die als Anhang der Hss. 20, 21, 23, 231, 24 und 15 (lat.) erscheint (hier Anhang VII; ed. WEILAND, S. 278,2-279,24). f. Für den ersten Teil der WeltchronikKompilation des -»· Johannes de Utino [Bd. 4 u. NB] war die . s.' eine der Hauptquellen. g. Jakob -> Twinger von Königshofen zog auch die . s.' für seine 1382 begonnene und bis in die letzten Lebensjahre fortgesetzte dt. Chronik heran; für das erste Kapitel, das die Weltgeschichte von der Schöpfung bis Alexander d. Gr. behandelt, ist sie die Hauptquelle (vgl. C. HEGEL, Chronik des Jakob Twinger von Königshofen [Chron. d. St. 8 u. 9], 1870/71 [Nachdr. 1961], S. 175 f. und die Nachweise in der Edition). h. Noch kaum erforscht ist die 1447 abgeschlossene nd. 'Weltchronik' Albert -> Suhos, gen. Kuel, die im wesentlichen Heilsgeschichte bietet. Aufgrund der Orientierung am historiographischen Modell der . s.' ist damit zu rechnen, daß diese auch als Quelle für die biblische und außerbiblische Geschichte sowie die kulturhistorischen Exkurse benutzt wurde. 2. R e i m b i b e l n und a n d e r e B i b e l dichtungen. a. Für die 1271 abgeschlossene 'Scholastica' oder 'Rijmbijbel' -* Jacobs von Maerlant [NB] ist die . s.' Hauptquelle. Sie ist nahezu vollständig, von Genesis bis Christi Himmelfahrt, in mndl. Verse übertragen. Verkürzt wurde dabei die Darstellung der Prophetenbücher Is, ler, Ez und Dn, übergangen dabei vorzugsweise das gelehrte Beiwerk, technische Anmerkungen und Quellenverweise; öfter sind je-

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doch die ätiologischen und etymologischen Erläuterungen P. C.s beibehalten (vgl. die detaillierte Beschreibung und Einzelanalyse bei SHERWOOD-SMITH, 2000, S. 133 — 145). b. Die wichtigste Quelle ist die . s.' auch für die vermutlich in der 1. Hälfte des 14. Jh.s entstandene, nur frgm. überlieferte -> 'Meininger ReimbibeP [Bd. 6 u. NB]; erhalten sind Partien aus IV Rg, Tob, Jonas, Dn, lud, Est und I Mcc (VOLLMER, Mat. I 2, S. 29). Ob sie tatsächlich eine vollständige Reimbibel repräsentieren, lassen die Bruchstücke nicht erkennen. Möglicherweise ist die 'Meininger ReimbibeP als Ergänzung zu der Torso gebliebenen 'Weltchronik' Rudolfs von Ems konzipiert gewesen, worauf die Fragmente einer mit der 'Meininger Reimbibel' fortgesetzten Rudolf-Hs. hinweisen könnten: Kopenhagen, Kgl. Bibl., NKS 17 m 2°; dazu gehört noch Hamburg, SB u. ÜB, Frgm.nslg. Nr. 1. c. Eine nur in wenigen Fragmenten (zus. 350 vv. aus Dt, Idc, Esr und Is) erhaltene Reimbibel, die -> Könemann von Jerxheim vermutlich zwischen 1275 und 1285 verfaßt hat, beruht ebenfalls zur Hauptsache auf der . s.'; diese wurde teils gekürzt, teils erweitert. Die erhaltenen Textpartien lassen indes erkennen, daß auch die Vulgata selbst benutzt wurde (L. WOLFF, Die Dichtungen Könemanns. Kaland, Wurzgarten, Reimbibel [Nd. Denkmäler 8], 1953, S. 26 f.). d. Für die in der 1. Hälfte des 14. Jh.s, wohl nach 1338 entstandenen -»· 'Historien der alden E', eine Dichtung aus dem Deutschen Orden, die die historischen Bücher des AT zum Gegenstand hat, ist die . s.' neben der Vulgata wiederum die Hauptquelle; sie erläutert und erweitert einerseits den Bibeltext (z. B. v. 168-79: die sieben Sünden der Kainstat, v. 3499 f.: Hinweis auf die Profangeschichte; v. 5657— 6092: Aufzählung der Wunder Christi) und wurde andererseits z. T. stark gekürzt (vgl. W. GERHARD, 'Historien der alten E' [StLV 271], 1927, S. XLVIII-LVII und die Quellennachweise in der Edition). e. Der um 1331 ebenfalls im bzw. für den Deutschen Orden gedichtete ->· 'Da-

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niel', eine kommentierte Übersetzung des biblischen Buches, muß eine lat. Kompilation aus Vulgata, . s.' und den Postillen -* Nikolaus' von Lyra sowie Hugos und Andreas' von St. Caro zur Vorlage gehabt haben. Diese hat insbes. Kap. 2—4 der Vulgata auf der Mikroebene durch ergänzende und erläuternde Kommentare erweitert, auf der Makroebene hingegen durch längere Exkurse unterbrochen. Der . s.' verdanken sich bes. die Auslegung des tönernen Standbildes (v. 1119-64), der Bericht über die Verwandlung Nebukadnezars (v. 3809-3905) und die Anmerkungen zu den kanonischen Hören (v. 5123 — 5310; vgl. A. HÜBNER, Die poetische Bearbeitung d. Buches Daniel, aus d. Stuttgarter Hs. hg. [DTM 19], 1911, passim). f. Das vielleicht vom Komtur, später Hochmeister des Deutschen Ordens -> Luder von Braunschweig gedichtete 'Buch der Makkabäer' (um 1320) basiert zur Hauptsache auf der Vulgata und der . s.'; für die Fortsetzung der jüdischen Geschichte ab v. 11261 ist diese beinahe die einzige Quelle. Während der Bibeltext nahezu wörtlich übersetzt ist, lieferte die . s.' etymologische Erklärungen sowie detaillierte historische und andere Sachinformationen. Ob lat. Vulgata und . s.' direkt verwendet oder über eine Vorlage vermittelt wurden, läßt sich nicht klären (vgl. Das Buch der Makkabäer, hg. v. K. HELM [StLV 233], 1904, S. LIII-LXXV). g. Für die ursprünglich als selbständige Dichtung konzipierte und in die 'Weltchronik' Heinrichs von München einkompilierte dt. Versübersetzung der 'Vita Adae et Evae (-»· 'Adam und Eva') samt ihrer aus der lat. Vorlage stammenden Insertion der -» 'Kreuzholzlegende' konnte B. MILLER eine Benutzung der . s.' nicht bestätigen. Gleiches gilt für die u. d. T. -» 'Adambuch' publizierte Prosaauflösung der obd. Reimfassung (anders H. VOLLMER, Ein dt. Adambuch, Progr. Hamburg 1908, S. 38; B. MURDOCH, 2VL l, Sp. 61). 3. H i s t o r i e n b i b e l n und an dere Bibelprosa. a. Für seine Beispielerzählungen von vorbildlichen oder negativen Richter- und

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Herrschergestalten des ATs schöpfte das zwischen 1274/75 und 1282 entstandene, als historischer Vorspann für den -» 'Spiegel aller deutschen Leute' konzipierte 'Buch der Könige (alter e)' aus der Vulgata und aus der . s.' in gleicher Weise. — Zu der über das 'Buch der Könige' vermittelten Rezeption der . s.' s. u. D. b. Der -» 'Propheten-Auszug', eine nach Ausweis der ältesten Überlieferung um oder vor Mitte des 14. Jh.s entstandene glossierte Auswahlübers. aus den atl. Prophetenbüchern der Vulgata (nicht Bar, Agg und Mal), hat für die Bücher Jeremias und Daniel auch die . s.' konsultiert; der Daniel stellt eine kürzende Paraphrase des Bibeltextes mit längeren narrativen und kommentierenden Zusätzen aus der . s.' dar (vgl. VOLLMER, Mat. Ill: Ein dt. glossierter Auszug des 15. Jh.s aus den atl. Propheten, 1927, passim). c. Das mnd. 'Evangelium Christi, de passione eius', das cod. theol. 2° 83 der Ratsbücherei Lüneburg überliefert (->· 'Evangelium Nicodemi' [Bd. 2 u. NB]), ist die Übertragung der cap. CXIIIff. der . s.', wobei die das Passionsgeschehen erläuternden und kommentierenden Zusätze P. C.s weitgehend übergangen sind (Hinweis von MASSER, S. 56 f.). d. Für die vermutlich älteste, noch aus dem 14. Jh. stammende Historienbibel I a (-»· 'Historienbibeln'), die nur die Alte Ee enthält, sind die bekannten Quellen verwendet: neben der Vulgata und der . s.' die 'Weltchronik' Rudolfs von Ems und die 'Christherre-Chronik'. Diese Kompilation ist Textbasis auch für die Historienbibel I b, die um umfangreiche Partien aus der Historienbibel II a, einer Prosifizierung von Rudolfs Chronik und Bruder -»· Philipps 'Marienleben', ergänzt ist. Damit sind die Gruppen I b, II a und II b über ihre unmittelbaren Vorlagen Zeugnisse auch für eine indirekte Rezeption der . s.'. A u s g a b e der zur Gruppe I b gehörenden Historienbibel VOLLMER Nr. 26: Historienbibel. Farbmikrofiche-Ed. der Hs. SB u. ÜB Hamburg, Cod. 7 in scrin. Einführung z. Werk u. Beschreibung d. Hs. v. H. REINITZER (Codices illuminati medii aevi6), 1988.

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e. Die vermutlich zwischen 1380 und 1420 entstandene atl. Historienbibel III a (ein gegenüber VOLLMER, Mat. 1,1, S. 137146, aktualisiertes Verzeichnis der Hss. bei KORNRUMPF, 1991, S. 354-356) beruht ganz überwiegend auf einem Auszug aus der . s.'. Der biblische Stoff ist dabei oftmals in konzentrierter Form dargeboten, grammatische und Sachkommentare sind häufig, die Inzidentia vollständig übergangen. Noch nicht geklärt ist, "ob der III aAutor den Volltext der . s.' oder eine kürzende Bearbeitung selbständig exzerpierte, unter mehreren Fassungen diejenige auswählte, die ihm für seinen Zweck am geeignetsten erschien, oder lediglich einen verfügbaren interpolierten lat. Auszug getreu verdeutschte" (KORNRUMPF, 1991, S. 354). f. Die textgeschichtlich jüngste Hss.Gruppe der Historienbibel III a erweitert ihren Textbestand um den auch selbständig überlieferten Auszug aus den Propheten (s. o.), diese freilich in geänderter Reihenfolge. Die solchermaßen ergänzte Historienbibel III a wird spätestens um 1450 mit Hilfe der 'Weltchronik' Heinrichs von München überarbeitet, der Auszug aus der . s.' dabei teils ersetzt, teils erweitert, vor allem um zahlreiche profangeschichtliche Inzidentia. Diese Historienbibel III b besteht also aus einer gekürzten Übersetzung des atl. Teils der . s.', prosifizierten Auszügen aus der 'Weltchronik' Heinrichs von München und einem glossierten Auszug aus den prophetischen Büchern. A u s g a b e der IIIb-Hs. VOLLMER Nr. 60: Farbmikrofiche-Ed. d. Hs. Hamburg, SB u. ÜB, Cod. 8 in scrinio. Einf. u. kodikolog. Beschr. von A. K. HAHN (Codices illuminati medii aevi 47), 1997.

g. Eine um Auszüge aus einer dt. Bibelübersetzung ergänzte und um zahlreiche Einschübe aus dem -> 'Speculum humanae salvationis' erweiterte Übersetzung des atl. Teils der . s.' stellt die vor der Mitte des 15. Jh.s entstandene ostmd. Mühlhausener Historienbibel (Mühlhausen, Thüring. Stadtarch., Ms. 22) dar; übergangen sind allerdings die profangeschichtlichen Inzidentien und ein Großteil des gelehrten Beiwerks. Bei der Berliner Hs. mgf 1277

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(ehem. Cheltenham), die VOLLMER mit der Mühlhausener zur Gruppe V zusammengefaßt hatte, handelt es sich im wesentlichen um eine ausführliche Übersetzung des AT mit zahlreichen Inserten aus der 'Postilla' des ->· Nikolaus von Lyra; einige Partien stammen dabei aus der Historienbibel I a; textliche Übereinstimmungen mit der Mühlhausener Hs. bestehen nur im Hinblick auf die Vulgataübersetzung (vgl. zu beiden Hss. jetzt HAHN). h. Die wohl im 1. Viertel des 15. Jh.s in Thüringen entstandene Historienbibel VI, die von Gn bis Dn reicht und mit einem Ausblick auf den Antichrist schließt, besteht aus einer ebenfalls selbständigen, Vulgata und . s.' kompilierenden Übersetzung bzw. Bearbeitung; der Text der Vorlagen ist stark gekürzt, allerdings nicht so radikal wie in der Historienbibel I a. Als direkte Quelle läßt sich auch ein lat. Bibelsummarium denken (A.-K. Hahn, Berlin, mündlich). Der Quellenwechsel vom Text der Vulgata zur . s.' wird im übrigen jeweils deutlich markiert, z. B. durch Wendungen wie die meister sprechent. i. Für die in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s entstandenen ostmd. Historienbibeln der Gruppe VII (Zwickau, Ratsschulbibl., Ms. I,IV,6, und Dessau, Anhaltische LB, Hs. Georg. 7b [ehem. Coethen]), glossierte Kompilationen auf der Basis der Vulgata, gehört die . s.' wiederum wie Rudolfs Chronik, die 'Sächsische Weltchronik', die 'Postilla' des Nikolaus von Lyra u. a. zu den Nebenquellen (zu V-VII vgl. VOLLMER, Mat. I 1, S. 3740; ferner HAHN). j. Gleiches gilt für die vor 1466 entstandene nd. Historienbibel VIII, die im Buch der Richter mit dem Tod Samsons abbricht. k. Die Lübecker Historienbibel (Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 2° 8, seit 1990 zurück), die VOLLMER mit einer Parallelhs. (heute Cambridge, Mass., Houghton Library, fMS Ger 184; vgl. E. SIMON in ZfdA 107 [1978] 113-121) zur Gruppe IX zusammenfaßte, ist die nd. Übertragung der Nordndl. Historienbibel, die von Gn bis Tb zur Hauptsache auf der Vulgata beruht, von Godolyas bis Esther ganz überwiegend

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auf der . s.', für Mcc, Herodes und Augustus aber primär auf Jacobs van Maerlant 'RijmbijbeP; in den Vulgatatext sind einzelne Sätze und Begriffe, aber auch längere historische und kulturgeschichtliche Kommentare aus der . s.' einmontiert. Für die Lübecker Bibel ist diese damit indirekte Quelle (vgl. die Quellenübersicht in: Die Lübecker Historienbibel. Die nd. Version d. nordndl. Historienbibel hg. v. M. ANDERSSON-SCHMITT [Nd. Studien 40], 1995, S. XXVIf.). Die Parallelhs. aus Cambridge, Mass., zeigt im Vergleich mit der Lübecker Historienbibel zahlreiche Ergänzungen und Doppelungen u. a. aus der . s.'. 1. Für die 'Loccumer Erzählungen', eine im Ms. Nr. 6 der Bibl. des Predigerseminars Loccum (VOLLMER Nr. 95) frgm. überlieferte nd. Historienbibel von der Mitte des 15. Jh.s, wurde neben der Vulgata ausgiebig die . s.' herangezogen (BARKER), für eine Reihe von Erzählungen und für zahllose bibelwissenschaftliche Details und Ergänzungen auf der Ebene des Litteralsinns indes auch Lyras 'Postilla' (HAHN). m. Die mndl. 'HistorijebijbeP (-»· Bijbelvertaler van 1360 [NB]) besteht aus der Übertragung des AT nach der Vulgata und, gesondert davon in einer eigenen Spalte, einer freien, wie im Buch Hiezecihel z. T. stark kürzenden Übersetzung der . s.', die vor allem die apokryphen Geschichten berücksichtigt. Aus der . s.' entlehnte kürzere Sachinformationen sind indes als Glossen der Übersetzung der Vulgata fortlaufend inseriert (vgl. die Analyse von Ex 2 bei SHERWOOD-SMITH, 2000, S. 147—164). Teile dieser 'Historijebijbel' sind in die 'Kölner Bibeln' (zwei mnd. Inkunabeln, um 1478; ->· Niederdeutsche Bibeldrucke) eingegangen. n. Verschollen ist das von einem Einband abgelöste nd. Frgm. einer Kompilation aus dem Buch Ex der Vulgata und der . s.' (Hand des 15. Jh.s) aus dem Archiv der Hansestadt Lübeck; knappe Beschreibung P. Karstedts von 1937 im Hss.archiv der Berlin-Brandenburgischen Ak. der Wiss.n, Kasten 173.

4. A n t i k e n r o m a n . Direkte Quelle für einen mhd. Antikenroman war die . s.' nur ein einziges Mal:

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für den 'Alexander' -» Rudolfs von Ems, der teilweise parallel zur 'Weltchronik' entstanden sein dürfte. Rudolf beruft sich auf sie explizit lediglich in einer quellenkritischen Anmerkung v. 192, doch ist sie Hauptquelle für seine Darstellung der jüdischen Geschichte vor allem nach der Teilung der beiden Reiche. Auf sie gehen u. a. zurück: der Bericht über Manasse und Saraballa (v. 9734 ff.), Nebukadnezars Traum vom Standbild mit den tönernen Füßen (v. 15377 ff.) und die Geschichte von der Einschließung der zehn Stämme der Israeliten und Ismaeliten durch Alexander (v. 15870 ff.), die Rudolf Josephus entnommen haben will (vgl. ZINGERLE, S. 97— 106; weitere Nachweise im Stellenkommentar der Ausgabe von V. JUNK [StLV 272/274], 1929, S. 758-776). Die Deutung Alexanders als Gründer des dritten Weltreiches und als Geißel Gottes ist ebenfalls in der . s.' vorgebildet (PL 198, Sp. 1449 u. 1454; vgl. dazu WISBEY, S. 19-46). Zur indirekten Rezeption der . s.' in den spätmal. Alexanderromanen s. u. D. 5. Ü b e r s e t z u n g e n . Vereinzelt und relativ spät scheinen Übersetzungen entstanden zu sein, die den Wortlaut der . s.' genau und weitgehend vollständig wiedergeben. Die . s.' gehört so zu jenen lat. Werken, die so gut wie immer ausgeschrieben und kaum je durch Vollübersetzung ins Dt. verbreitet wurden. Bei frgm. Überlieferung ist freilich eine zweifelsfreie Zuordnung nicht möglich. a. Eine hd. Übersetzung der . s.' überliefert ein nur in sechs Blättern (Vll—XII) erhaltener Druck (Ex.: Kgl. Bibl. Stockholm [vermutlich Speyer, Peter Drach II., um 1515 oder ein Jahrzehnt später]; nicht im VD 16 verzeichnet). Erhalten sind die Kapitel 11—27 aus dem Liber Genesis, 11 und 27 dabei unvollständig, d. h. die Geschichte von der Erschaffung des ersten Menschen bis zum Brudermord Kains an Abel. Der lat. Text wurde, soweit erkennbar, recht getreu, ohne Kürzungen oder Interpolationen aus der Vulgata, übertragen (freundl. Hinweis von Wolfgang Undorf, Stockholm). b. Das Frgm. einer mndl. Übers, der . s.' überliefert Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 404.10 (5 A) Novi; s. H. BUTZMANN, Die mal. Hss. der Gruppen Extravagantes, Novi und

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Novissimi (Kataloge der Hzg. Aug. Bibl. Wolfenbüttel: Neue Reihe 15), 1972, S. 327 L Erhalten sind Ausschnitte aus den Evangelien Mt und .

6. P r e d i g t e n . a. Die Verfasser der -> 'Schwarzwälder Predigten' haben ihre Textvorlage, die 'Sermones de tempore' -+ Konrads von Sachsen, mit biblischem Ereignisbericht angereichert. Dabei ziehen sie gelegentlich die verkürzende, prägnante Wiedergabe des (lat.) Bibelworts durch die . s.' der Vulgata vor; zusätzlich entlehnen sie Glossen zu den historischen Fakten und andere Kommentare, übersetzt oder auch nicht. b. Bereits die ältere, wohl noch aus dem 12. Jh. stammende -» 'Hoffmannsche Predigtsammlung' hat gelegentlich die . s.' benutzt; mit Sicherheit ist das Exempel der zweiten Predigt daraus genommen. 7. -* ' F ü n f z e h n V o r z e i c h e n des Jüngsten Gerichts'. Die Version der 'Fünfzehn Vorzeichen', die P. C. in seine . s.' aufgenommen hat (PL 198, Sp. 1611; sog. Comestor-Version), wurde oft ins Dt. übertragen. Bekannt sind inzwischen 99 Texte (gegenüber 34 bei EGGERS, 2VL, Bd. 2, Sp. 1017-1020), über deren textgeschichtliche Einordnung noch keine abschließende Klarheit gewonnen ist. Vgl. die Zusammenstellung in der Neuausgabe: CH. GERHARDT/ N. F. PALMER (Hgg.), Das Münchner Ged. von den 15 Zeichen vor dem Jüngsten Gericht. Nach der Hs. der BSB Cgm 717. Ed. u. Komm. (TspMAs 41), 2002, S. 159-165. Mit Sicherheit auf P. C. geht eine nd. Fassung zurück, die sich im Anhang der Hss. 18 — 23 der 'Sächsischen Weltchronik' findet; Abdruck nach den Hss. 20 und 22 bei WOLF, S. XXVI.

8. R e c h t s b ü c h e r . Verschiedentlich erscheint die . s.' auch in Text und Kontext von dt. Rechtsbüchern. Gesichert ist ihre Benutzung für den 'Sachsenspiegel' -> Eikes von Repgow; die rund 50 Textzitate, drei Viertel davon aus Gn, die übrigen aus Ex, Lv, Nm und Dt (genaue Stellennachweise bei KISCH, S. 198) dienen wie die hohe Zahl von Zitaten aus der Vulgata der historischen Herleitung und Legitimation aktuellen Rechts; ausgiebig genutzt werden Bibel und . s.'

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etwa bei der Diskussion um die Entstehung und rechtliche Begründung von Leibeigenschaft (Landrecht 111,42). An dieser P. C.-Rezeption haben indirekt auch die obd. Bearbeitungen des 'Sachsenspiegels' teil, der -» 'Spiegel aller deutschen Leute', der das Rechtsbuch außerdem mit dem auf der Bibel und der . s.' basierenden 'Buch der Könige' verbindet (s. o.), und der -> 'Schwabenspiegel', mit dem der obd. Umformungsprozeß zum Abschluß gelangte; die Bearbeiter des 'Schwabenspiegels' greifen auch noch einmal selbst u. a. auf die . s.' zurück und erweitern ihre Textvorlage um umfangreiche Inserte. Auch das Magdeburger 'Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung' (-* 'Magdeburger Rechtsbücher' [NB]), das im weltgeschichtlichen Vorspann Nimrods Babylon mit einem Weichbildrecht ausstattet, benutzt für die Begegnung Nimrods mit Jonithus vermutlich die . s.' (PL 198, Sp. 1088 C; Hinweis von VOLLMER, Mat. 11,1, S. XXV). 9. Lehr- und E r b a u u n g s l i t e r a t u r . a. Deutlich von der . s.' beeinflußt ist auch eine zwischen 1430 und 1450 entstandene mnd. Lehrdichtung über die sieben Hauptsünden eines geistlichen Autors, der sich selbst -» Josep nennt. Die . s.' ist Quelle namentlich für zahlreiche Exempel (z.B. v. 778 —805: Versuchung Mosis, v. 808 — 875: Strafgericht an Nebukadnezar) und historische Ereignisberichte wie den über die Einschließung der jüdischen Stämme durch Alexander d. Gr. (v. 933 — 948) (s. E. SCHÜTZ, Joseps Sündenspiegel [Nd. Studien 19], 1973, Reg.). b. Jan van -> Ruusbroec benutzte für die Bibelexegese in seinem Traktat 'Vanden gheesteliken tabernakeP die . s.' (vgl. 'Ruusbroec hertaald', hg. v. L. MOEREELS, Bd. 10, Tielt 1983, passim). 10. Sonstiges. a. Im Zusammenhang mit seiner Kritik an -* Leopolds von Wien fabulöser Darstellung der österr. Ur- und Frühgeschichte zitiert Hans ->· Ebran von Wildenberg in seiner 'Chronik von den Fürsten aus Baiern' (Redaktion B) ausführlich aus der

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warbafftigen geschrift (26—32), worunter sich vor allem die . s.' verbirgt. b. Eine reich mit Zitaten von Kirchenvätern und Kirchenlehrern glossierte hochalem. Evangelienkonkordanz -» 'Leben Jesu Induimini dominum1 (Engelberg, Stiftsbibl, cod. 244, Anf. 15. Jh.) beruft sich wiederholt auf P. C. und seine historien. Zu den zitierten Autoren gehört der maister in historia, d. i. P. C., auch in der offenbar 1472 angefertigten, auf einer Evangelienharmonie beruhenden Passionserzählung Heinrich ->· Becks. c. Für das -»· 'Anegenge' wurde die Benutzung der . s.' vermutet (E. SCHRÖDER, Das .', 1881, S. 47), bisher indes nicht nachgewiesen. d. Die Benutzung der . s.' in Sangspruch und Meisterlied ist wahrscheinlich, aber kaum verifizierbar. Das RSM gibt jeweils die Bibelstelle an, was Vermittlung durch die . s.' nicht ausschließt. D. M i t t e l b a r e Rezeption.

deutschsprachige

Vielfach wird man in dt. Texten auch mit einer indirekten, durch die unmittelbaren lat. oder volkssprachigen Vorlagen vermittelten Benutzung der . s.' rechnen müssen. Eine systematische Beschreibung wird dadurch erschwert, daß die lat. Rezeption der . s.' noch nicht einmal in Ansätzen aufgearbeitet ist. 1. Mittelbar ist die . s.' jedenfalls in den von der -+ 'Vita beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica' abhängigen dt. Bearbeitungen präsent, insbesondere in den Marienleben -» Walthers von Rheinau (letztes Viertel 13. Jh.), Bruder -» Philipps (Anf. 14. Jh.) und -»· Wernhers des Schweizers (1. Hälfte 14. Jh.). Die um 1230 in Süddeutschland entstandene lat. 'Vita' ist zur Hauptsache aus kanonischen und apokryphen Evangelien, einer Evangelienharmonie und der . s.' kompiliert; diese ist ausgiebig für das dritte Buch, aber auch für sonstige inhaltliche Ergänzungen und Sachkommentare benutzt. Ob die dt. Bearbeiter ihre stofflichen Zusätze der primären lat. Quelle verdanken oder eigenständig auf deren lat. Basisquellen, insbeson-

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dere auf die 'H.s.' zurückgegriffen haben, läßt sich beim derzeitigen Stand der textund überlieferungsgeschichtlichen Aufarbeitung der 'Vita' nicht ausmachen (MASSER, S. 47-57). 2. Die . s.' gehört auch zu den wichtigsten Quellen des lat. -»· 'Speculum humanae salvationis' (Nachweise bei P. PERDRIZET, Etude sur le 'Speculum humanae salvationis', Paris 1908, S. 47-109). Die dt. und ndl. Vers- und Prosabearbeitungen sind insofern einmal mehr, einmal weniger Zeugnis einer indirekten Verarbeitung der 'H.s.'. Einfluß der 'H.s.' läßt sich auch für die ikonographischen Darstellungen nachweisen (vgl. die Beispiele bei ANDERSSON-SCHMITT, 1985). 3. Die 23 meist umfangreichen biblischen Erzählungen nach der . s.', die der in der 2. Hälfte des 14. Jh.s entstandene 'Große ->· Seelentrost' enthält, sind sekundär vermittelt. Sie stammen, wie ANDERSSON-SCHMITT 1982 wahrscheinlich gemacht hat, in erster Linie aus der nicht erhaltenen Vorlage, die der 'Seelentrost' mit der Nordndl. Historienbibel gemeinsam hat (eine Übersicht über alle 231 Exempel mit Angaben zu Quelle oder Parallelüberlieferung ebd., S. 22-28). Der 'Alexander' des 'Großen Seelentrostes' beruht auf einer Kompilation aus dem Roman des Archipresbyters Leo und Auszügen aus der Kurzfassung des Julius Valerius. Für den Stoffkomplex 'Alexander und die Juden' mit dem Besuch Alexanders in Jerusalem kommt nach ANDERSSONSCHMITT, 1960, jedoch nur die . s.' als Quelle in Frage. Diese Alexander-Kompilation, eine 'interpolierte Bearbeitung' der . s.' (ebd., S. 104) dürfte als Ganzes über die gemeinsame Vorstufe von 'Großem Seelentrost' und Nordndl. Historienbibel vermittelt worden sein. A u s g a b e der Langversion in cod. Thott. 58 fol. der Kgl. Bibl. Kopenhagen von P. H. ANDERSEN, Deux temoins en prose du roman d'Alexandre ä la fin du Moyen Age en Allemagne. L'Alexandre du 'Großer Seelentrost' et l'Alexandre de Wichbolt (Medievales 15), Universite de Picardie, Amiens 2001, S. 16-48.

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Über seine lat. Vorlage, ebenfalls eine "Kompilation aus dem Roman des Archipresbyters Leo und der Epitome zu Julius Valerius mit Stücken aus des Orosius 'Historiae adversus paganos' und P. C." (2VL, Bd. 3, Sp. 491), partizipiert auch Johannes -* Hartliebs 'Alexander' an der . s.'. Die Quellenangabe -» Seifrits, der die . s.' zu den Quellen seiner Alexanderdichtung (v. 1985 f.) zählt, trifft hingegen nicht zu. 4. Reichlich aus der . s.' geschöpft hat auch -> Vinzenz von Beauvais für seine Darstellung der biblischen Geschichte im 'Speculum historiale'. Es bleibt zu prüfen, inwieweit Reflexe der . s.' sich auch in den dt. Auswahlübertragungen des 'Speculum historiale' finden. Zu der z. T. auch mittelbaren Rezeption der . s.' in den kompilierten Weltchroniken und Historienbibeln s. o. C. 1. —3. Dazu sind noch folgende Zeugnisse zu stellen (vgl. KORNRUMPF, 1992): a. eine im Ms. 305 der Bibliotheque de la ville Colmar (v. J. 1459) überlieferte atl. Reimbibel, die aus der 'Weltchronik' Rudolfs, Auszügen aus der 'ChristherreChronik', dem Buch Ruth und gereimten Auszügen aus dem 'Buch der Könige' kompiliert ist; b. die in Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1.6.2. Aug. fol., 2 ra -40 rb , und Nürnberg, Germ. Nationalmus., Löffelholz-Archiv D 654, 284rb-318ra überlieferte sog. -> 'Kurze Bibel', I. [NB], eine Ergänzung des 'Buchs der Könige' durch die Geschichte von der Schöpfung bis Jakob nach der 'Christherre-Chronik' (prosifiziert); c. die von Johannes -> Platterberger und Dietrich Truchseß 1459 zu einer Weltchronik zusammengestellten cerpta cronicarum', für deren ersten Band u. a. die Historienbibel I a, das 'Buch der Könige' und Vinzenz von Beauvais benutzt wurden; d. Jörg -»· Stulers 'Historienbuch', dessen erste Folge alttestamentlicher Historien dem 'Buch der Könige', die zweite dem 'Großen Seelentrost' entlehnt ist. 5. Ob und inwieweit die . s.' über die Comestor-Tradition der 'Fünfzehn Vorzeichen' Eingang in die Weltgerichtsspiele ge-

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funden hat, wäre gesondert zu prüfen. Unmittelbar auf -* Jacobus a Voragine, der in der 'Legenda aurea', Kap. l, eine um Zutaten aus -*· Petrus Damiani ergänzte Version der . s.' bietet, fußen die 'Fünfzehn Vorzeichen' zumindest im -> 'Berliner Weltgerichtsspiel', -> 'Berner W.', -» 'Churer W.', ->· 'Kopenhagener W.', -»· 'Luzerner Antichrist- und W.' sowie im -»· 'Luzerner W.'. L i t e r a t u r . O. ZINGERLE, Die Quellen zum Alexander des Rudolf v. Ems (German. Abh. 4), 1885, Nachdr. 1977; VOLLMER, Mat. I-III; P. GICHTEL, Die "Weltchronik Heinrichs v. München in der Runkelsteiner Hs. des Heinz Sentlinger, 1937; G. KISCH, Sachsenspiegel and Bible. Researches in the Source History of the Sachsenspiegel and the Influence of the Bible on Medieval German Law (Publications in Medieval Studies. The University of Notre Dame, Vol. V), Notre Dame (Indiana) 1941, Nachdr. 1960; M. ANDERSSONSCHMITT, Über die Verwandtschaft der Alexandersagen im Seelentrost u. in der ersten ndl. Historienbibel, in: Münstersche Beiträge zur nd. Philologie (Nd. Stud. 6), 1960, S. 78-104; R. WISBEY, Das Alexanderbild Rudolfs v. Ems (Phil. Stud. u. Qu. 31), 1966; A. MASSER, Bibel, Apokryphen u. Legenden. Geburt u. Kindheit Jesu in der religiösen Epik des dt. MAs, 1969; G. STAMM, Stud, zum 'Schwarzwälder Prediger' (Medium Aevum 18), 1969, S. 46-48; W. WILLIAMS-KRAPP, Das Gesamtwerk des sog. 'Schwarzwälder Predigers', ZfdA 107 (1978) 50-80, passim; M. ANDERSSONSCHMITT, Mitt. zu den Quellen des Großen Seelentrostes, Ndjb 105 (1982) 21-41; dies., Zwei nd. Bibelfrgm.e u. die Überlieferungsgesch. der 'sog. ersten' ndl. Historienbibel, Nd. Wort 23 (1983) 1 — 37; dies., Die Verwendung der . s.' in einigen volkssprachigen Bibelwerken des MAs, Kungl. Humanistika Vetenskaps-Samfundet i Uppsala (1985) 5-31; M. MENZEL, Die 'Sächsische Weltchronik'. Quellen u. Stoffauswahl (Vorträge u. Forsch.n, Sonderbd. 34), 1985; G. KORNRUMPF, Die österr. Historienbibeln III a u. III b, in: Dt. Bibelübers.n des MAs, hg. v. H. REINITZER (Vestigia Bibliae 9/ 10), 1991, S. 350-374; dies., Das 'Buch der Könige'. Eine Exempelsammlung als Historienbibel, in: Es. W. Haug u. B. Wachinger, Bd. l, 1992, S. 505—527; M. SCHWABBAUER, Profangesch. in der Heilsgesch. Quellenunters, zu den Incidentien der 'Christherre-Chronik' (Vestigia Bibliae 15/16), 1996; M. C. SHERWOOD-SMITH, Die . s.' als Quelle biblischer Stoffe im MA, in: Die Vermittlung geistlicher Inhalte im dt. MA. Internationales Symposium, Roscrea 1994, hg. v. T. R. JACKSON u. a., 1996, S. 153-165; J. WOLF, Die Sächsische Weltchronik im Spiegel ihrer Hss. Überl., Textent-

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Petrus Damiani — Petrus Pictaviensis

wicklung, Rezeption (MMS 75), 1997; Studien zur '"Weltchronik' Heinrichs v. München (Wissenslit. im MA 29-31), 1998 (in 3 Bdn. bzw. 5 Teilen): Bd. l, hg. v. H. BRUNNER: Überl., Forschungsbericht, Unters., Texte; Bd. 2,1 u. 2: J. RETTELBACH, Von der 'Erweiterten Christherre-Chronik' zur Redaktion a; Bd. 3,1 u. 2: D. KLEIN, Text- u. überlieferungsgeschichtl. Unters, zur Redaktion ß; B. MILLER, Eine dt. Versübers. der lat. 'Vita Adae et Evae' in der 'Weltchronik' Heinrichs v. München, ebd., Bd. l, S. 240-332; U. BARKER, Die Loccumer Erzählungen. Stoffe einer mnd. Historienbibel, Nd. Wort 38 (1998) 1-35; M. C. SHERWOOD-SMITH, Studies in the Reception of the 'Historia scholastica' of Peter Comestor (Medium Aevum Monographs, N.S. 20), Oxford 2000; A. K. HAHN, Die ebreyschen sprechen dorobir — die 'Postilla' des Nikolaus von Lyra in der Historienbibel Berlin, SBPK, mgf 1277, in: Metamorphosen der Bibel, hg. v. R. PLATE u.a. (Vestigia Bibliae 24/25, 2002/03), 2004 (im Druck).

DOROTHEA KLEIN Petrus Damiani [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp. 502 zu 3.: Zu einer weiteren Übers, aus den Predigten Nr. 63 u. 64 s. unter -> Scotus, Joh. Eriugena [Erg. im NB]. Sp. 503 zu 5.: vgl. -» 'Te deum', marianische Bearbeitungen [NB],

Petrus Dorlandus -» 'Anna' (B. III.) [NB] Petrus de Hallis -> Peter von SchwäbischHall [NB] Petrus Pictaviensis (Peter von Poitiers) 1. Leben. Die hs.liehe Überlieferung der Werke, die wenigen chronikalischen Erwähnungen (Alberich von Trois-Fontaines, Ralph von Coggeshall, Odo von Cheriton) sowie die urkundlichen Zeugnisse und sein Siegel bezeichnen ihn als Petrus Pictaviensis oder Pictavinus, so daß seine Herkunft aus Poitiers gesichert ist. Mehr ist allerdings über seine Biographie bis 1169 nicht bekannt. Seine Geburt wird zwischen 1125 und 1135 angesetzt, sein enger Anschluß an die Lehren des -> Petrus Lombardus legt nahe, daß er längere Zeit vor dessen Erhebung zum Bischof von Paris 1159 sein Studium begann, das seinen Schwerpunkt in der Theologie fand, auch wenn er über Kennt-

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nisse im kanonischen Recht verfügte. Seit 1167 scheint P. in der theologischen Fakultät gelehrt zu haben, 1169 folgte er -*· Petrus Comestor [NB] auf dessen theologischen Lehrstuhl bei den Schulen von Notre Dame. Von einer vorhergehenden artistischen Lehrtätigkeit, die vorauszusetzen ist, haben sich keine Zeugnisse erhalten. Seit 1193 ist er urkundlich als Kanzler von Notre Dame bezeugt, dem die Leitung des höheren Schulwesens oblag, verschiedentlich ist er als delegierter Richter tätig gewesen. Am 3. September 1205 ist er gestorben. Er wird im Nekrolog von Notre Dame als Diakon bezeichnet, hat also die Priesterweihe nicht empfangen. 2. Theologische S c h r i f t e n . P. gehört zum Kreis jener Gelehrten, durch deren Tätigkeit und Einfluß die Pariser Stiftsschulen während des 12. Jh.s zur Universität geformt wurden und deren Lehrprogramm mit seinen spezifischen Methoden ausgebildet wurde. Er war maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der Lehrbuchliteratur im Anschluß an die Sentenzen des Petrus Lombardus, die unter dem beginnenden Einfluß der aristotelischen Schriften den Weg zum kritischen Umgang mit den biblischen Texten und der patristischen Überlieferung erschloß. Einen Überblick über das Werk und dessen Chronologie, Ausgaben und Überlieferung bieten: MOORE, 1936; STEGMÜLLER, Rep., Bd. 4, S. 362369, Bd. 9, S. 350 f., Ergänzungen bei LONGERE, 1986; SCHNEYER, Rep. 4, 719-723. A u s g a b e n . PL 211, Sp. 779-1280, sowie PH. S. MOORE/ J. A. CORBETT, Petri Pictaviensis, Allegoriae super tabernaculum Moysi, Notre Dame 1938; PH. S. MOORE/ M. DULONG/ J. N. GARVIN, Sententiae Petri Pictaviensis, Books 1 — 2, Notre Dame 1950-61.

Als Hauptwerk muß seine Sentenzensammlung ('Sententiarum libri quinque') gelten. Sie entstand 1168/75 als eines der letzten Beispiele dieser Literaturgattung und ist in ihrer umfassenden und systematischen Darlegung der Grundwahrheiten des christlichen Glaubens bereits eher als Summe zu bezeichnen. Sie steht in starker Abhängigkeit zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, doch teilt P. anders als dieser den Stoff in 5 Bücher, verbessert dessen

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Petrus Pictaviensis

Gliederung, greift eine große Zahl dort nicht behandelter Themen auf und räumt vor allem der Darstellung der Ethik einen prominenten Raum ein. Das Werk läßt die Herkunft aus dem Unterricht erkennen und spiegelt in seiner Bevorzugung der dubitabilia gegenüber den Fragen, in denen Konsens besteht, eine starke Vorliebe für die Dialektik auf der Grundlage der logica nova wider. Sie wird, zusammen mit dem Werkzeug der spekulativen Grammatik und semantischen Überlegungen, zu einer Neuformulierung der Lehren des Petrus Lombardus in einem der Zeit gemäßen theologischen Vokabular genutzt. Einen wichtigen Beitrag hat P. zur Weiterentwicklung der Bibelexegese, insbesondere der allegorischen Interpretation, geleistet. Seine 'Distinctiones super psalterium' (vor 1196) markieren zusammen mit der 'Summa super psalterium' des Prepositinus von Cremona und der 'Summa quae dicitur Abel' des Petrus Cantor die Anfänge eines Kommentartyps, wie er in den Pariser Schulen entwickelt wurde; dabei wird die Reihung von Väterzitaten durch die Interpretation nach dem vierfachen Schriftsinn ersetzt. In einer weiteren Schrift 'Allegoriae super tabernaculum Moysi', die eine allegorische Exegese von Ex 25 — 40 darstellt, entwirft P. in der Ausdeutung der Stiftshütte, ihrer Bauteile, Gerätschaften und Diener eine Präfiguration der christlichen Kirche. Ähnliche allegorische Ausdeutungen sind von ihm auch für die Bücher Lv und Nm überliefert, ebenso ein CEuvre von 59 Predigten, von denen 9 auf Synoden gehalten wurden. Es ist vermutet worden, daß ihm auch eine der anonymen Quaestionensammlungen der Zeit zuzuschreiben ist (LANDGRAF, 1939); dagegen sind ihm verschiedene, ihm von der Tradition zugeschriebene Werke von der Forschung abgesprochen worden, vor allem die Glossen zu den Sentenzen des Petrus Lombardus ('Glossae super sententias'; MOORE, 1936, S. 144-170; LOTTIN, 1960; COLISH, 1994, S. 20 f.). Insgesamt darf P. zu den bedeutendsten und einflußreichsten spekulativen Theologen der Pariser Schulen um 1200 gerechnet werden, die fest in der Tradition des Petrus

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Lombardus verwurzelt waren, jedoch einer anderen Gruppe, die durch Gilbert de la Porree geprägt war, gegenüberstand. Scharfe Kritik erfuhr P. auch von Gegnern der dialektischen Methode, so bezeichnete ihn Walter von Saint-Victor 1177/78 neben Abaelard, Petrus Lombardus und Gilbert de la Porree als eines der 'vier Labyrinthe Frankreichs' (GLORIEUX, 1954). Sein verhältnismäßig reich überliefertes theologisches CEuvre ist überwiegend in Hss. des 13. und frühen 14. Jh.s mit Schwerpunkt in Frankreich und England erhalten und hat in dieser Periode die Diskussion und Lehre der Schulen beeinflußt, während es im ausgehenden MA seine Wirkungskraft einbüßte. 3. S c h r i f t e n zur G e s c h i c h t s s c h r e i bung. Anders als die theologischen Schriften des P. P. haben seine Arbeiten zur Geschichtsschreibung Langzeitwirkung ausgeübt. Auf der Grundlage der von -» Hugo von St. Viktor im 'Didascalicon' (VI, c. 3, PL 176, Sp. 799 C) vermittelten Auffassung waren sowohl er wie sein Vorgänger Petrus Comestor der Überzeugung, daß die allegorische, anagogische und tropologische Auslegung der Bibeltexte auf einem sicheren Verständnis des historischen Sinnes aufbauen müsse. Vor diesem Hintergrund sind die Arbeiten zur Geschichtsschreibung zu sehen. a. 'Historia Actuum apostolorum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Vgl. -» Petrus Comestor [NB], B. 1. Ausgabe. PL 198, Sp. 1616-1722.

Nach Aussage des Widmungsbriefes der 'Historia Scholastica' an Erzbischof Wilhelm von Sens beabsichtigte Petrus Comestor, das Werk mit der Himmelfahrt Christi abzuschließen (PL 198, Sp. 1053/54). Dennoch enthält die hs.liehe Überlieferung fast ausnahmslos eine Fortführung, die die in der Apostelgeschichte berichteten Ereignisse bis zur Hinrichtung der Apostel Petrus und Paulus wiedergibt. Lediglich in den ältesten Hss. (z. B. Paris, Bibl. nationale, Mss. lat. 5503 und lat. 5121) fehlt dieser Teil und in zwei Hss. (Cambridge, Corpus Christi College, MS. 313, 12. Jh.

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u. London, British Library, MS. Stowe 5, sp. 13. Jh.) wird er P. P. zugeschrieben. Die Forschung hat aus diesem Befund geschlossen, daß P. P. das Werk seines Vorgängers um diesen Teil ergänzt hat, wobei er wie dieser den biblischen Text mit chronologischen Erörterungen und Ergänzungen aus der Profangeschichte zu untermauern suchte. Der Terminus ante quem dieser Fortführung ist 1183 (Paris, Bibl. nationale, Ms. lat. 16943). Zur dt.sprachigen Rezeption im Rahmen der 'Historia scholastica' vgl. unter ->· Petrus Comestor, C.

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Das Compendium ist konzipiert als mnemotechnisches Hilfsmittel zum Studium der Heiligen Schrift, das die Fülle ihres Stoffes wie in einem sacculus zusammenfassen, den Studierenden vor Augen führen und ihrem Gedächtnis einprägen soll (Prolog). Geboten wird die Genealogie Christi von Adam an, und zwar in einer Kombination von graphischen Elementen (Linien, Kreisen u. einzelnen Illustrationen, etwa: Arche, Stiftshütte) und textlicher Erläuterung. Der erfaßte Zeitraum endet mit der Kreuzigung und der endgültigen Formierung des Apostelkollegiums einschließlich des Paulus und Barnabas. b. 'Compendium historiae in genealogia Dabei sind die graphischen Elemente und Christi'. ihre Anordnung das leitende GestaltungsÜ b e r l i e f e r u n g . Die Literatur verzeichnet bisprinzip. Linien verdeutlichen genealogilang insgesamt 123 Hss., vgl. MOORE, 1936, S. 101-106; STEGMÜLLER, Rep. 4, 362-364; 9, sche Zusammenhänge und Herrscherabfolgen, Kreise die Personen. P. hat sich auf 350; HILPERT, 1985, S. 329-330; MELVILLE, 1987; PANAYOTOVA, 2001, S. 328 Anm. 8 u. 9; diese Liste die biblische Geschichte konzentriert; die läßt sich vermutlich noch erheblich erweitern (vgl. Hauptlinie, die senkrecht auf die Mitte des auch HILPERT, S. 327 Anm. 4), für den deutschen Schreibspiegels gesetzt wird, verdeutlicht Sprachraum sei etwa hingewiesen auf: Admont, den Stammbaum Christi. Jedoch hat P. Stiftsbibl., cod. 128, 2r-12v; ebd., cod. 585 (?); diese Genealogie parallelisiert mit anderen Augsburg, SB u. StB, 2° cod 48, l v -6 r ; Frankfurt Personen, Personengruppen und Ämterr r a. M., StB u. ÜB, Ms. germ. Qu. 13, 130 -140 ; r v sukzessionen der biblischen Geschichte ebd., Inc. Qu. 706 a, l -4 (Hs. an einen Druck und der Weltgeschichte allgemein bis zum angebunden); Freiburg i. Br., ÜB, Hs. 36 a, — ; Freiburg i. Br., Erzbischöfl. Priesterseminar Beginn der römischen Kaiserreihe, indem St. Peter, cod. ms. 8 (Frgm., vorderer Spiegel); er sie der Hauptlinie zuordnet (vgl. Abb. Hamburg, SB u. ÜB, cod. Petri 36, 63V-67V; ebd. bei VOLLMER; MELVILLE, 1987; PANAYOcod. theol. 1052, l r -ll r ; Hannover, StB, Ms. TOVA, Abb. 20-24). Obwohl diese graphiMag. 27 (Inc. 146), l r -8 r ; Heidelberg, ÜB, cod. schen Elemente in der Überlieferung geleva vb Sal. IX 40, 2 -7 ; Klosterneuburg, Stiftsbibl., gentlich fehlen, kommt dem Text lediglich V cod. 696; München, ÜB, 2° cod. ms. 88, 227 Erläuterungsfunktion zu. Er zielt nicht auf V 230 (?); ebd., 4° cod. ms. 989 (Perg.-Rotulus); OtV V die narrative Darstellung von Zusammentobeuren, Stiftsbibl., Ms. O 53, 53 —66 ; Stuttgart, r r hängen und 'somit liegt eindeutig eine UnLB, HB III 39, 175 -202 ; ebd., cod. theol. et phir v r r terordnung des Textes gegenüber den planlos. 2° 100, 28 -39 ; Wien, cod. 2162, 103 -108 ; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 25.1 Ex- imetrischen Konditionen der Graphik vor' trav., 483r-489r (?). (MELVILLE, 1987, S. 70). Dieses Konzept ermöglichte bei geringem Umfang komA u s g a b e n . U. ZWINGLI jr., Petri Pictaviensis pakte Information zur Erschließung des biGalli genealogia et chronologia sanctorum patrum, Basel 1592; VOLLMER, 1931, S. 127-186 (nach blischen Stoffes bei der Erarbeitung der Hamburg, cod. theol. 2029); MOORE, 1936, S. 99 historischen Grundlagen für dessen Exe(Prolog; nach Paris, Bibl. nat., Ms. lat. 14435); gese, wie sie P. forderte. So ist das Werk MELVILLE, 1987, S. 149 (Prolog; auf der Grundlage seiner Intention nach in enger Nachbarvon 8 Hss.); PANAYOTOVA, S. 336—339 (Auszüge schaft zur 'Historia scholastica' des Petrus nach verschiedenen Hss.). Comestor zu sehen und nicht selten im ZuFaksimile-Ausg. der Hs. Rom, Bibl. Casanasammenhang mit ihr überliefert. Die Datense 4254: M. ALGAS/ M. MIRO (Hgg.), Genealotierung ist unsicher, möglicherweise entgia Christi. Magister Petrus Pictaviensis, Barcelona stand es im Zusammenhang mit der Er2000, mit e. Kommentarbd. u. e. Übers, ins Engl. v. A. BARTON DE MAYOR. gänzung der 'Historia scholastica'.

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Petrus Pictaviensis

Die reiche Überlieferung, die sich im ausgehenden MA verdichtet, zeigt jedoch auch, daß das Werk früh von seiner Autorintention gelöst und für andere Gebrauchssituationen adaptiert wurde. P. hatte mit dem Gestaltungsprinzip des 'Compendium' eine offene Form geschaffen, die Erweiterungen und Einfügung in andere historiographische Zusammenhänge nicht nur ermöglichte, sondern geradezu herausforderte. Obwohl auch die ursprüngliche, mit dem Tod Christi endende Form bis in das 15. Jh. tradiert wurde, kam es daneben, vermutlich auch unter dem Einfluß der seit Mitte des 13. Jh.s entstehenden Papst-Kaiserchroniken (-> Martin von Troppau, -»· 'Flores temporum'), zu Ausweitungen und Fortführungen bis auf die jeweilige eigene Gegenwart, wobei vor allem in Westeuropa (Frankreich, England) häufig eine Aufzeichnung in Rotuli zu beobachten ist, die den optisch bedingten didaktischen Effekt besonders eindrucksvoll hervortreten läßt. Daneben entstanden neue Werke, die das Gestaltungsprinzip P.s zugrunde legten. Hervorzuheben sind die 'Compilatio librorum historialium totius bibliae' des -»· Johannes de Utino [Bd. 4 u. NB] sowie die beiden bereits dem Druckzeitalter angehörenden Werke, das -> 'Rudimentum novitiorum' [NB] und der 'Fasciculus temporum' des Werner -> Rolevinck. Vor allem aber sind die verschiedenen Formen und Bearbeitungen des 'Compendium' in Sammelhss. historiographischer Werke als Hilfsmittel zur raschen Orientierung überliefert worden. Damit gehörte das Werk zu den wichtigsten Arbeitsinstrumenten der spätmal. Geschichtsschreibung. Im Kontrast dazu steht die relativ geringe Rezeption des Werkes in dt. Sprache, lediglich eine in sechs Hss. überlieferte Übersetzung des Textes ist bekannt geworden: 'Kurtz bibel und ein kern der alten ee' ('Die -> kurze Bibel', II. [NB]). Bislang fehlen Untersuchungen zur Rezeption des 'Compendium' als Quelle dt.sprachiger Chroniken. Die geringe Verbreitung des Textes in dt. Sprache mag damit zusammenhängen, daß die Darstellungsweise des

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Werkes auch Lesern mit geringer Sprachkompetenz des Lateinischen die Benutzung ermöglichte. L i t e r a t u r . M. GRABMANN, Die Gesch. der scholastischen Methode, Bd. II, Freiburg i. Br. 1911 (Nachdr. 1957), S. 501-524; H. VOLLMER, Dt. Bibelauszüge des MAs zum Stammbaum Christi mit ihren lat. Vorbildern u. Vorlagen (BdK I), 1931; O. LOTTIN, Le prologue des gloses sur les sentences attribuees ä Pierre de Poitiers, Recherches de theologie ancienne et medievale 7 (1935) 70-73; PH. S. MOORE, The Works of Peter of Poitiers. Master in Theology and Chancellor of Paris (1193-1205), Notre Dame 1936; A. LANDGRAF, Petrus von Poitiers und die Quästionenliteratur des 12. Jh.s, Philosophisches Jb. 52 (1939) 202-222, 348-358; B. SMALLEY, The Study of the Bible in the Middle Ages, Oxford 1952, 31983; P. GLORIEUX, Mauvaise action et mauvais travail. Le 'Contra quatuor labyrinthos Franciae', Recherches de theologie ancienne et medievale 21 (1954) 179 — 193; O. LOTTIN, A propos des 'Glossae super Sententias' attribuee a Pierre de Poitiers, in: ders., Psychologie et morale aux 12e et 13e siecles, t. 6: Problemes d'histoire litteraire de 1160 a 1300, Louvain u.a. 1960, 119-124; H. WIPFLER, Die Trinitätsspekulation des Peter von Poitiers u. die Trinitätsspekulation des Richard von St. Viktor, 1965; J. LONGERE, CEuvres oratoires de maitres parisiens au siecle. Etude historique et doctrinale, Bd. 1-2, Paris 1975; G. MELVILLE, Spätmal. Geschichtskompendien — Eine Aufgabenstellung, Rom. Hist. Mitt. 22 (1980) 51-104; H.-E. HILPERT, Geistliche Bildung u. Laienbildung: Zur Überl. der Schulschrift 'Compendium historiae in genealogia Christi' (Compendium veteris testamenti) des Petrus von Poitiers (f 1205) in England, Journal of Medieval History 11 (1985) 315-331; J. LONGERE, Pierre de Poitiers, in: Diet. Spir. 12,2, 1986, Sp. 1639-1648; G. MELVILLE, Gesch. in graphischer Gestalt. Beobachtungen zu einer spätmal. Darstellungsweise, in: H. PATZE (Hg.), Geschichtsschreibung u. Geschichtsbewußtsein im späten MA (Vortrr. u. Forsch.n 31), 1987, S. 57-154; P. JOHANEK, König Arthur u. die Plantagenets. Über den Zusammenhang von Historiographie u. höfischer Epik in mal. Propaganda, Frühmal. Stud. 21 (1987) 346-389, hier S. 354-357; K. GRAF, Exemplarische Geschichten. Thomas Lirers 'Schwäbische Chronik' u. die 'Gmünder Kaiserchronik', 1987, S. 192—199; B. STUDT, Fürstenhof u. Gesch. Legitimation u. Überl., 1992, S. 52-54, 281-284; M. L. COLISH, From the Sentence Collection to the Sentence Commentary and the Summa: Parisian Scholastic Theology 1130-1215, in: J. HAMESSE (Hg.), Manuels, programmes de cours et techniques d'enseignement dans les universites medievales. Actes

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Petrus von Rosenheim — Herzog Philipp von Kleve

du Colloque international de Louvain-la-Neuve (9-11 sept. 1993), Louvain-la-Neuve 1994, S. 929; B. STUDT, Gebrauchsformen mal. Rotuli. Das Wort auf dem Weg zur Schrift — Die Schrift auf dem Weg zum Bild, in: E. WIDDER/M. MERSIOWSKY/P. JOHANEK (Hgg.), Vestigia Monasteriensia. Westfalen - Rheinland - Niederlande, 1995, S. 325-350; ST. PANAYOTOVA, Peter of Poitier's 'Compendium in Genealogia Christi': the Early English Copies, in: R. GAMESON/ H. LEYSER (Hgg.), Belief and Culture in the Middle Ages: Studies presented to Henry Mayr-Harting, Oxford 2001, S. 327-341.

PETER JOHANEK Petrus von Rosenheim [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 519 f.: Vgl. auch -*· Schlitpacher (mnemotechnische Verskompendien nach dem Vorbild des P. v. R.). Ebd., zum 'Heidelberger Mischgedicht' vgl. auch - 'Kurze Bibel' III. [NB]. Sp. 521 zu Lit. ergänze: STEGMÜLLER, Rep. Bibl. IV, Nrn. 6836-6837; WALTHER, Initia 156, 1641, 1648, 2157, 4529, 6060, 6552, 12471, 16905, 19295, 20029.

Petschacher, Nikolaus [Korr.] Bd. 7, Sp. 526, Z. 2 f.: "Admont, Stiftsbibl., cod. 596" korr.: Die Hs. befindet sich jetzt in Oxford, Bibl. Bodleiana, Ms. Lyell 51 (vgl. Jodocus -> Weiler, II. 1.).

Peuger, Lienhart [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 536 zu 3.: Zu den aus dem Lat. übersetzten Texten P.s vgl. auch Pseudo -> Origenes [NB] (Magdalenenpredigt des Jan -» Milic von Kremsier).

Peuntner, Thomas [Korr./Nachtr.]

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Pfettisheim, Konrad [Korr.] Bd. 7, Sp. 564f. Überl.: "Balterswil/Fribourg ... nach dem verlorenen Original von 1501" korr.: Bei der angeblichen Abschrift von 1524 handelt es sich tatsächlich um Sterners Originalhs. von 1501; neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/Schweiz. Vgl. Ludwig -> Sterner [Korr. im NB].

Phaedrus -» Äsop (II.) [NB] Bruder Philipp [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp. 590 zu 2.: "Alba lulia/Rumänien, Batthyaneum, cod. 263, I.Viertel 13. Jh." korr.: ... Ms. II - 104 (Kat. Nr. 263), 1. Viertel 14. Jh. Sp. 592 zu 8.: Der ehemalige Cod. ÖttingenWallerstein I. 3. 2°, I befindet sich jetzt in Los Angeles/California, The John Paul Getty Museum, als MS. 33. Vgl. J.-U. GÜNTHER, Die illustrierten mhd. Weltchronikhss. in Versen. Katalog der Hss. u. Einordnung der Illustrationen in die Bildüberlieferung (tuduv-Studien, Reihe Kunstgeschichte, Bd. 48), 1993, S. 194-204, bes. S. 194, 196, 204; D. JAURANT, Rudolfs 'Weltchronik' als offene Form. Überlieferungsstruktur u. Wirkungsgeschichte (Bibl. Germanica 34), 1995, S. 163 ff.; D. KLEIN, Heinrich v. München u. die Tradition der gereimten dt. Weltchronistik, in: Studien zur 'Weltchronik' Heinrichs v. München, Bd. l, hg. v. H. BRUNNER (Wissenslit. im MA 29), 1998, S. 1112, vgl. Anhang, hier S. 104, Nr. 129. Ebd. zu 9.: München, cgm 353 enthält nicht die Passion, sondern v. 9196—10065 des 'Marienlebens' (Hinweis N. Henkel). Sp. 593, 2. Absatz: "Die lat. Verse des Benedikt Chelidonius ... Jacobus de Voragine)" korr.: Die Verse des Chelidonius sind, wie schon ihr Titel Epitome in Divae Parthenices Mariae historiam nahelegt, eine Bearbeitung der zeitgenössischen 'Parthenices libri tres' des Giovanni Battista di Spagnuoli (Baptista Mantuanus). Vgl. A. SCHERBAUM, Das Marienleben, in: R. SCHOCH/ M. MENDE/A. SCHERBAUM, Albrecht Dürer, Das druckgraphische Werk, Bd. 2: Holzschnitte u. Holzfolgen, 2002, S. 214-279, bes. S. 218-220 (Hinweis Claudia Wiener).

Bd. 7, Sp. 539 Überl.: "Prag, ÜB, cod. 151" korr.: ..., cod. I D 11 (Kat. Nr. 151). Sp. 544 zu Lit. ergänze: P. ERNST, Das Graphemsystem in Th. P.s "Kunst des heilsamen Sterbens" nach der Hs. W (cpv 2800), in: Stud, zum Herzog Philipp von Kleve [Korr./Nachtr.] Frühneuhd. E. Skala zum 60. Geb., hg. von P. WIEBd. 7, Sp. 599 zu I. korr./ergänze: Philipp von SINGER u. a. (GAG 476), 1988, S. 47-67. Kleve, Herr zu Ravenstein (1456 — 1528), war nicht Herzog von Kleve, sondern Neffe bzw. Vetter der Pfeiffers 'Sprüche deutscher Mystiker' -»· Herzöge Johann I. und Johann II. von Kleve. Er Zitatensammlung der Berliner Hs. mgq lebte wie sein Vater am Burgundischen Hof, wo 191 er als Politiker und Hofmann eine zentrale Rolle

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Physiognomik

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spielte. Er war Humanist und Mäzen; u. a. beaufwurde Anfang des 12. Jh.s wiederentdeckt tragte er Jean Molinet mit der Erstellung der ersten (hg. v. ANDRE). frz. Prosafassung des 'Roman de la rose'. Berühmt Die Ph. war im lat. MA bereits kurz war seine Bibliothek. nach Mitte des 12. Jh.s bekannt (Balderich Sp. 601 zu 2., Überl.: "Erlangen, ÜB, cod. 1620" von Florennes, 'Gesta Alberonis' [PL 154, korr.: ..., Ms. B 213 (Kat. IRMISCHER Nr. 1620). Sp. 602 zu Lit. ergänze: A. DE Fouw, Philips van Sp. 1332 B—1333 C], Johannes von Salisbury, 'Policraticus' [PL 199, Sp. 576 C], Kleef. Een bijdrage tot de kennis van zijn leven Hugo Etherianus, 'De haeresibus' [PL 202, en karakter, Groningen 1937; K. OUDENDIJK, Een Sp. 253 A]). bourgondisch ridder over den orlog ter zee. PhiErste eigenständige Werke entstanden lipps van Kleef als leermeister van Karel V. (Nederlandische Akademie van Wetenschapen: Werken Ende des 12. Jh.s durch Gilles von Corbeil uitgegeven door de Commissie van Zeegeschiede(hg. v. V. ROSE, Egidii Corboliensis de phynis 7), Amsterdam 1941. — Hinweise H. Tervoosionomiis, in: ders., Anecdota graeca et ren. graecolatina I, 1864, S. 171-201) und die

Physiognomik Physiognomische Texte behandeln die Kunst oder Wissenschaft, aus dem Äußeren des Menschen auf seinen Charakter zu schließen. Sie sind meist katalogartig entlang der Körperteile von Kopf bis Fuß gegliedert; teils enthalten sie auch Listen von Charaktertypen mit ihren körperlichen Merkmalen. Meist ist den Texten ein methodischer Teil vorangestellt. A. Antike, arabische und lateinische Texte. Die Ursprünge der Ph. liegen im mesopotamischen Raum (2. Jahrtausend v.Chr.). Für die folgende Tradition sind v. a. die antiken und arabischen Texte maßgebend geworden. Aus der Antike sind 3 Abhandlungen erhalten: die ps.-aristotelischen 'Physiognomika' (4. Jh. v. Chr.; -»· Aristoteles, 5.), die Ph. des Polemon (2. Jh. n. Chr.) und ein anonymer lat. Traktat (4. Jh. n. Chr.). Die ersten beide Texte gelangten im 9. Jh. in den arabischen Raum und bildeten dort die Basis für eine reiche Ph.-Tradition seit dem 10. Jh. Von den antiken und arab. Texten sind nur 4 im Abendland rezipiert worden: die Abhandlung in Rhazes' 'Liber ad Almansorem' II 26—58 (übers. 1175 v. Gerhard von Cremona), die Ph. des -> 'Secretum secretorum' (übers, ca. 1220 v. Philipp von Tripoli) und die 'Physiognomika' (übers, ca. 1258 — 66 v. Bartholomaeus von Messana) (alle hg. v. FoERSTER); der Anonymus Latinus war im Westen erhalten geblieben und

'Quaestiones Nicolai Peripatetici' (hg. v. ST. WIELGUS, Mediaevalia Philosophica Polonorum 17 [1973] 57-155). Seit dem 13. Jh. entwickelte sich eine lebhafte und umfassende mal. Ph.-tradition. Zu den wichtigsten lat. Autoren zählen: Michael -* Scotus ('Liber phisionomie', Druck Venedig 1477), -» Vinzenz von Beauvais ('Speculum naturale', c. XXXVIII, Ausg. Duaci 1624), Gilbertus Anglicus ('Compendium medicinae', Druck Lyon 1510), -> Albertus Magnus ('De animalibus' 12, hg. v. H. STADLER, 1916), -> Hugo Ripelin von Straßburg ('Compendium theologicae veritatis', Buch II, c. 58—59, hg. v. A. BORGNET, B. Alberti Magni Opera omnia XXXIV, Paris 1895, S. 79-82), Pietro d'Abano ('Liber compilationis phisionomie', u. a. in München, clm 637, 12 r —66 V ) und Michele Savonarola ('Speculum physionomie', Teilausg. v. THOMANN). Eine mal. Besonderheit war die Entwicklung einer universitären Ph.tradition seit Ende des 13. Jh.s (vgl. v. a. AGRIMI). Ü b e r l i e f e r u n g . THOMANN, S. 135-147, führt 78 Texte in knapp 300 Hss. an.

B. Die d e u t s c h e n B e a r b e i t u n g e n . Seit der Mitte des 13. Jh.s wurde die lat. Ph. auch in den europäischen Volkssprachen rezipiert, u. a. im Ndl., Engl., Frz. und Ital. Aus dem Deutschen sind bisher 8 eigenständige Texte bekannt: 7 Prosatraktate und eine Reimpaardichtung. Hinzu kommen die einschlägigen Kapitel in den dt. Bearbeitungen von Hugo Ripelins von Straßburg 'Compendium theologicae veritatis' ('CTV') und des 'Secretum secreto-

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Physiognomik

rum' ('Secretum') sowie in -»· Konrads von Megenberg 'Buch der Natur'. Vgl. auch Michael -» Scotus, 3. c). Alle Texte sind auf lat. Traditionen zurückführbar, die im wesentlichen 3 Stränge bilden: allen voran Hugo Ripelins 'CTV, daneben das 'Secretum' und Rhazes' 'Liber ad Almansorem'. I. P r o s a f a s s u n g e n . 1. Hugo Ripelin von Straßburg, 'CTV II, c. 58—59 war der wirkungsreichste Text zur Ph. im dt. MA. Von den beiden Kapiteln wurde v. a. das erste mit den Deutungen von Kopf bis Fuß aufgegriffen. Der Text war außer in den dt. Bearbeitungen des 'CTV (vgl. -»Hugo R. v. St., V. 2.— 7.) in fünf Einzelfassungen verbreitet: Drei niederdeutsche Teilbearbeitungen (a-c): a. Bremen, SB u. ÜB, msa 30 a, f. 26— 27, v. J. 1342 (Ausg. HECK). Die 1342 in Rostock beendete Hs. überliefert eine stark gekürzte Fassung des Kapitels II 58. Sie konzentriert sich auf das Gesicht; die übrigen Körperteile wurden stark gekürzt oder ganz ausgelassen. Die Aussagen sind auf eine Eins-zu-einsZuordnung von Zeichen und Merkmal geglättet. b. Trier,

7 va_gvb.

StB,

Mappe X, Fragm. 5, 2. H. 14. Jh. (Ausg.

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Gesicht und Nase. Für die Aussagen zur Nase ist bisher keine Quelle nachweisbar. In der Einleitung wird die Prägung des Menschen aus dem Lauf der Planeten begründet. d. Mitteldeutsche Bearbeitung: Paris, Bibl. nat., Ms. allem. 335, 10v-14r, 14. Jh. (Ausg. HECK). Die md. Übertragung enthält fast den kompletten Text der Ripelinschen Ph. einschließlich der Einleitung und der Angaben zu Quellen, Komplexionen und Geschlechtsunterschieden. Am Schluß steht ein kurzer Methodenteil aus Kap. II 59. e. Bairische Teilübersetzung: Regensburg, Staatl. Bibl., Inc. Patr. et Schol. 412, 2 r —3 r (hs.liches Frgm., einem Druck beigebunden), 1. H. 15. Jh. (Ausg. HECK). Der Text bietet eine wortgetreue Übertragung der Kapitel zu Kopf, Stirn, Brauen, Augen und Ohren aus dem 'CTV (II 58). Nach den Augen folgt als Einschub der Beginn des entsprechenden Kapitels aus dem 'Secretum'. Der Text des Hugo Ripelin findet sich außerdem anstelle der ursprünglichen Ph. in mindestens einer Hs. der -»· Hildegard von Hürnheim zugeschriebenen Übersetzung des 'Secretum' (München, cgm 288, 289ra-291rb; nach dieser Hs. auch die Ausg. v. MÖLLER [DTM 56]).

2. 'Secretum secretorum'. Das physiognomische Kapitel aus dem HECK). 'Secretum' (hg. v. FOERSTER II, S. 183 — In der leicht gekürzten Fassung der Ph. fehlen die allgemeinen Paragraphen zu Be- 222) war im Dt. durch die Bearbeitungen ginn sowie die Kapitel zu Gesicht, Stimme des gesamten Textes verbreitet; außerdem und Hals. Die Kapitel zu Kopf und Augen ist eine eigenständige Fassung bekannt: Oberdeutsche Teilbearbeitung, 4. V. sind deutlich gekürzt, die übrigen PrognoAugsburg, ÜB, cod. III.l 2° 42, sen z. T. vereinfacht. Vom Methodenkapi- 15.raJh.: rb 43 ~ , 4. V. 15. Jh.; München, cgm 720, tel II 59 wurde nur der erste Satz übernomr r 93 -94 , 4. V. 15. Jh. (Ausg. HECK). men. Der Text enthält die Kap. 9-22 des c. Kassel, LB, 4° Ms. med. 10, 26v-27r, 'Secretum' von den Lippen bis zum Gang. I.V. 15. Jh. (Ausg.n: A. LONKE, Physio- Die Aussagen sind meist leicht gekürzt und gnomische Lehren, Ndjb 20 [1894] 122; vereinfacht. Die Abschnitte über Haare, HECK). Augen, Wimpern, Nase und Mund fehlen, Die äußerst knappe Bearbeitung des ebenso der allgemeine Vorspann und der Kap. II 58 enthält nur 9 ausgewählte Deu- Schluß. Der Text wird Hippokrates zugetungen zu Haaren, Brust, Stirn, Lippen, schrieben.

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Physiognomik

Einzelne Deutungen aus der 'Secretum'Ph. wurden auch in andere physiognomische Traktate aufgenommen (vgl. 1. e, 3. b).

1240

A u s g a b e . SCHNELL, S. 379—390.

Frau Physonomia, die mit einem Gefolge anderer schöner Frauen aus des himels paradis kam, bittet den Dichter per3. Rhazes, 'Liber ad Almansorem'. Im dt. MA waren vom 'Liber ad Alman- sönlich, daß er ihre hübsche kunst in teutsorem' nur Auszüge bekannt. Zu ihnen sche Reime fasse. Im zweiten Teil des Prozählte die Ph. aus Buch II 26-58 (hg. v. logs (v. 29 — 32) wird knapp das Ziel des FOERSTER II, S. 163 — 179); sie wurde von Werks umrissen und die Tradition genannt, in der es steht. Das Buch lehrt uns, zwei Autoren rezipiert: wie wir am Äußeren wahrnehmen können, a. -»· Konrad von Megenberg, 'Buch der welche Charaktereigenschaften jemand beNatur', I, 49 (Ausg. PFEIFFER, 1861, sitzt. An der Gestalt kann man erkennen, S. 42-53). welche Gesinnung dem Menschen inneDie vollständige Übersetzung von Rha- wohnt. Als Verfasser dieser kunst wird im zes' Ph. bei Konrad v. M. steht im Rahmen Prolog -» Aristoteles genannt (vgl. o. L). der Abhandlung über den Menschen im erNach dem zweigeteilten Prolog werden sten Buch. Der Text nennt Rhazes auch als zunächst die vier Temperamente (-* TemQuelle. Er enthält sowohl Körperteil- als peramentenlehre, III.2.) behandelt. Ihre auch Charakterkatalog. Die methodischen Darstellung steht ganz in der Tradition des Ratschläge sind dem Text vorangestellt. medizinischen Wissens der Zeit. Das durch die salernitanische Medizin rezipierte b. Teilbearbeitung des -» Konrad von r v antike Modell besagt, daß die vier KörperButzbach (Salzburg, ÜB, M I 36, 39 ~39 , säfte von entscheidendem Einfluß auf die v.J. 1425 [Ausg. HECK]). Gesundheit und den Charakter des MenDie Beschreibung konzentriert sich im schen sind. Im Zentrum der Darstellung wesentlichen auf das Gesicht und enthält nach zwei Deutungen zu Antlitz und Nase des Textes steht entsprechend die Schildedas fast ungekürzte Kapitel über die Augen rung der vier menschlichen Typen sowie sowie die Abschnitte zu Brauen und Stirn. die Beschreibung ihrer Charaktere. Im zweiten Teil des Gedichts, der PhysioDer letzte Teil mit Hinweisen über die gnomik, werden nach dem traditionellen Kennzeichen vertrauenswürdiger Menschen medizinischen Schema a capite ad calcem und über die Haare stammt aus dem 'Secrevon der äußeren menschlichen Gestalt, vor tum' (2-4, FOERSTER II, S. 193-198). allem des Gesichts und der Augen, Schlüsse Das Textkorpus zur mal. dt. Ph. ist noch nicht auf die Charaktereigenschaften gezogen. vollständig erschlossen. Zu überprüfen wären u. a. Dies erfolgt stets nach dem Muster: Wenn noch die Hss. Berlin, mgq 2004, 180r; Weimar, jemand das und das hat, dann hat er folHerzogin Anna Amalia Bibl., Hs. Oct. 90; Wien, gende Eigenschaften. Nicht selten werden Schottenkloster, cod. 145 (Kat. HÜBL Nr. 209), die Aussagen auf Stichwörter reduziert, so 276r-281r (vgl. SCHNELL, S. 372). daß sehr oft Zweizeiler entstehen. Da der II. Versbearbeitung. Sinn vor allem über diese Figur vermittelt Anomymes Reimpaargedicht (Titel: wurde, spielt die Syntax nur eine unterge'Getihte von der physonomie') in 396 Ver- ordnete Rolle. Selbst syntaktische Brüche sen, das auf Grund der Überlieferung vor wurden vom Autor dabei in Kauf genomder Mitte des 14. Jh.s möglicherweise im men. Das Publikum hatte mit diesem Vorgehen vermutlich keine Verständnisproobd. Sprachraum entstanden ist. bleme. Das Gedicht endet abrupt und ohne r v Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 539, l -5 jede Schlußfloskel. (3. V. 15. Jh., rhfrk.); 'Hausbuch' des - Michael va Die einzelnen Aussagen zu den verschiede Leone, München, ÜB, 2° cod. ms. 731, 235 va rh vb denen Körperteilen und die Schlüsse auf 238 ; Salzburg, ÜB, M III 3, 26 -27 (um 1460, den Charakter des Menschen stellen weitvom Schreiber B der -» 'Kolmarer Liederhs.'); r v verbreitetes Wissen dar, wie es sich in allen Trier, StB, Hs. 1025/1944 8°, 8 -13 (um 1450, moselfrk.). oben angeführten Texten nachweisen läßt.

1241

'Physiologus' — 'Pilgerfahrt des träumenden Mönchs'

Es ist daher nicht möglich, sie auf eine Autorität oder auf eine bestimmte (lat.) Quelle zurückzuführen. L i t e r a t u r . Zu A.: R. FOERSTER, Scriptores Physiognomici Graeci et Latini (Bibl. script. Graec. et Roman. Teubn.), 2 Bde, 1893; J. SCHMID, Physiognomik, in: PAULYS Real-Encyclopädie der class. Altertumswiss. 21, 1921, Sp. 1064-1074, F. R. KRAUS, Die physiognomischen Omina der Babylonier (Mitt. d. Vorderasiat.-ägypt. Ges. 40,2), 1935; Y. MOURAD, La Physiognomie arabe, Paris 1939; T. FAHD, La divination arabe, Leiden 1966; E. C. EVANS, Physiognomies in the Ancient World (Transactions of the American Philol. Soc. 59,5), Philadelphia 1969; J. ANDRE, Anonyme latin, Paris 1981; P. GETREVI, Le scritture del volto, Mailand 1991; J. THOMANN, Stud, zum 'Speculum physionomie' des Michele Savonarola, Zürich 1992; J. AGRIMI, Fisiognomica e 'scolastica', Micrologus 1 (1993) 235-271; M. M. SASSI, Fisiognomica, in: G. CAMBIANO u. a. (Hg.), Lo spazio letterario della Grecia antica 1,2, Rom 1993, S. 431-448; T. S. BARTON, Power and Knowledge, Ann Arbor 1994; D. JACQUART, La physiognomic ä 1'epoque de Frederic II: Le traite de Michel Scot, Micrologus 2 (1994) 19-37; R. CAMPE/M. SCHNEIDER, Geschichten der Physiognomik: Text, Bild, Wissen, 1996; J. AGRIMI, La ricezione della fisiognomica pseudoaristotelica nella facoltä delle arti, Archives d'histoire doctrinale et litteraire du Moyen Age 64 (1997) 127-188; B. BOCK, Die babylonisch-assyrische Morphoskopie (Archiv f. Orientforschg., Beih. 47), Wien 2000; HECK, s.u. (Textgesch. u. Lit.verz.). Zu B.: I. GLIER, Kleine Reimpaargedichte u. verwandte Großformen, in: DE BOOR, LG III 2/GuER, 1987, S. 130 f.; H. WENZEL, Hören und Sehen, in: H. BRALL u. a. (Hgg.), Personenbeziehungen in der mal. Lit., 1994, S. 191-218; B. SCHNELL, 'Gedihte von der physonomie'. Eine dt. gereimte Physiognomie des 14. Jh.s, in: Fs. Horst Brunner, 2000, S. 369-390; C. HECK, Traditionen der Physiognomik im MA, Diss. Berlin 2003.

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Sp. 647, zu 2.: "Prag, ÜB, cod. XXII F 112" korr.: ..., cod. XXIII F 112; vgl. E. RAUNER, Petrarca-Hss. in Tschechien u. in der Slowakischen Republik, Padua 1999, S. 355-391, hier S. 390. Sp. 654 zu 3. ergänze: Die fiktive 'Epistola Morbosani' wurde irrtümlich als Antwort auf P.s 'Epistula ad Mahumetem' betrachtet; vgl. -> Sultansbriefe 1.2. [NB]. Sp. 662 zu 2.: "Wien, cod. 3498" korr.: jetzt in Trient, Bibl. Comunale, W 3498; vgl. Joh. -» Hinderbach (Bd. 4, Sp. 44); "Pro bibliotheca erigenda": manoscritti e incunaboli del vescovo di Trento lohannes Hinderbach (1465-1486)/Bibliotheca comunale di Trento ... [Catalogo della mostra ...], Trento 1989, S. 17 Anm. 13. Ebd.: "und besorgte seinem Freund Ulrich Greywolf ein Exemplar ..." korr.: und besorgte es seinem Freund Ulrich Greimolt [sie!], allerdings in einer stark verändernden Bearbeitung.

Sp. 664 vor 2. ergänze: Neben der Übersetzung -» Wilhelms von Hirnkofen ist eine zweite, zeitgenössische, anonyme Übersetzung von 'De curialium miseriis', überliefert: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, cod. FB 1050, 129r— 175V; vgl. P. WEINIG, ZfdA 120 (1989) 7382; s. auch -» Vegetius III. 4. bb. [NB]. Ebd. zu 3.: Zur Rezeption der 'Historia Bohemica' vgl. auch ->· 'Brünner Weltchronik' [NB]. Sp. 665 vor Lit. ergänze: 5. Von zwei Reden P.s (MANSI, Bd. l, S. 288-306 u. 316-328) existieren dt. Übersetzungen durch Hans -» Pirckheimer [s. NB]. Tilatus' [Korr.]

Bd. 7, Sp. 676 zu L, Überl.: "Straßburg, StB, cod. C. V. 16b 4° ..." korr.: ehem. Straßburg, Bibl. du Seminaire Protestant, cod. C. V. 16. 6. 4°; vgl. CHRISTINA HECK/ CH. MACKERT, ZfdA 130 (2001) 143-165, bes. f. BERNHARD SCHNELL (B. II.) S. 162 Sp. 680, petit-Abschnitt vor Lit.: "die von KLEINMAYR herausgegebenen Budapester VersFragmente": = Budapest, Szechenyi-Nationalbibl., 'Physiologus' [Korr.] cod. Germ. 54; vgl. A. VIZKELETY, Beschreibendes Bd. 7, Sp. 628 zu 1., Überl.: "Wien, cod. 233" Verzeichnis der altdt. Hss. in ungar. Bibl.n, Bd. l, korr.: ..., cod. 223. Vgl. MENHARDT, Hss. I 36f. 1969, S. 129 f.

Piccolomini, Nachtr.]

Aeneas

Silvius

[Korr./

Bd. 7, Sp. 646, zu . .: "in mehr als 200 Versen" korr.: in mehr als 2000 Versen.

'Pilgerfahrt des [Korr./Nachtr.]

träumenden

Mönchs'

Bd. 7, Sp. 685 zu 2., Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. germ. 18, verschollen" korr.: Die Hs. ist

1243

Pilgerreiseberichte — Finder, Ulrich

seit 1998 wieder in Hamburg; vgl. E. HORVÄTH, ZfdA 128 (1999) 62-65. Sp. 687 oben zu Lit. ergänze: I. GLIER, Allegorien des 14. Jh.s: Normen, Vernunft, Phantasie, in: Entzauberung der Welt. Dt. Lit. 1200-1500, hg. v. J. F. POAG u. TH. C. Fox, 1989, S. 133-145.

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hier S. 4-7, 20; R. KEMPER, Sodalitas litteraria ..., Euph. 68 (1974) 119-184, hier S. 125 ff. Anm. 1.

Bei den Drucken P.s handelt es sich einerseits um religiöse Andachtsbücher in spätmal. Tradition, andererseits um philosophische und medizinische Werke, die auch humanistischen Einfluß aufweisen. Pilgerreiseberichte (dt., anon.) [Bd. 7, Über seine verlegerische Tätigkeit hinaus Sp. 687 ergänze Verweise:] -» 'Andächtige gilt P. dabei auch als Autor bzw. KompilaProzession' [NB]; -> Bassenhaimer, Johan- tor, ohne daß bisher sein jeweiliger Anteil nes [Bd. l u. NB; = Österreichischer An- durch einläßliche Untersuchungen geklärt onymus]; -> Rheinfränkischer Anonymus worden wäre. [NB]; vgl. auch -» 'Von der Schickung vnd Die wichtigsten Drucke sind: gestalt des heyligen grabs' [Bd. 8 u. NB; 1. Der -» Beschlossen gart des Rosenkrantz Ma= Bairischer Anonymus]. Pilgerreiseberichte über Palästina [Korr.] Bd. 7, Sp. 692, Nr. 46: "Wachendorf, ehem. Archiv ..." korr.: Starzach-Wachendorf, Archiv der Freiherren von Ow-Wachendorf (das Archiv besteht noch!). Vgl. zu dem Text auch -* 'Ludwigs von Greiffenstein Pilgerfahrt'.

Pinder, Ulrich P. war 1484-89 Arzt in Nördlingen, danach am Hof Kurfürst Friedrichs III. des Weisen von Sachsen in Wittenberg; 1491 — 1517 war er Stadtarzt in Nürnberg. Gest. im Dez. 1518. Zu seiner Beteiligung an einem Lepraschaubrief s. Hartmann -> Schedel, III. 3. u. 5.

P. begründete 1505 in Nürnberg eine Privatdruckerei, die er in Zusammenarbeit mit Friedrich Peypus, seinem späteren Schwiegersohn, der wohl der eigentliche Drucker war, betrieb; Peypus führte später seine eigene Druckerei weiter. Zu den insg. 11 Drucken mit dem Namen P.s (3 dt., 8 lat.) in den Jahren 1505-13, die sich durch zahlreiche herausragende Holzschnitte auszeichnen, vgl. SCHEJA, S. 438 f.; BENZING, 1955, S. 9 ff.; JUNGHANS, S. 7-10. BENZING, 1955, wies nach, daß P. dieselben Drucktypen benutzte wie der anonyme 'Drucker der Sodalitas Celtica' mit den Initialen A. P., der 1501 die von Conrad Celtis hg. Werke der -» Hrotsvit von Gandersheim (u. a.) druckte; P. hat demnach die Typen bei Einrichtung seiner Druckerei übernommen. Vgl. auch H. GRIMM, Des Conradus Celtis editio ..., Philobiblon 18 (1974) 3-25,

nae ... gedrükt vnd volendet zu Nürmberk durch doctor Vlrichen pinter ..., 1505, 2 Teile (je ca. 300 Bll., 2°, mit insg. 1008 Holzschnitten aus der Dürerwerkstatt, v. a. von Hans Schäufelein und Hans Baidung Grien); VD 16, P 2806. - Im Exemplar der Pariser Bibl. nat. wird durch einen hs.liehen Zusatz die Zusammenstellung des Werks dem Nürnberger Dominikaner Johannes -> Henlein zugeschrieben (JUNGHANS, S. 7). 2. Epiphanie medicorum: Speculum videndi urinas hominum; clavis aperiendi portas pulsuum; berillus discernendi causas & differentias febrium ... per Udalricum Binder composite ..., 1506 (209 Bll., 4°). Med. Kompilation, der P. Lehrsätze in Hexametern voranstellt. 3. Speculum passionis domini nostri Ihesu Christi ... per Udalricum Pinder convexum, 1507 (90 Bll., 2°), mit 77 Holzschnitten von Hans Schäufelein, Hans Baidung Grien, Hans Süß von Kulmbach u. a.; VD 16, P 2807; weiterer Druck durch F. Peypus 1519, VD 16, P 2808. Handbuch zur Passionsbetrachtung unter Einbeziehung des Evangelientextes und Berufung auf zahlreiche Quellen, am häufigsten -»· Bernhard von Clairvaux, aber auch -> Ludolf von Sachsen und -> Jordan von Quedlinburg (von Sachsen). — Dt. Übers.: Speculum passionis, das ist: Spiegel deß bitteren Leydens vnnd Sterbens Jesu Christi ..., Druck Salzburg 1663; Neudr. der Übers, mit kompletter Wiedergabe der Holzschnitte aus dem Druck Nürnberg 1507, kommentiert v. H. JUNGHANS u. CH.-M. DREISSIGER, 1986. 4. Speculum patientiae cum theologycis consolationibus fratris loannis de Tambaco ... per doctorem Vdalricum Pinder compilatum, 1509 (177 Bll., 4°); VD 16, P 2809 u. 2811. Die Kompilation enthält u. a. Exzerpte aus 'De patientia' (aus der 'Summa de virtutibus') des -> Wilhelm Peraldus und vor allem 'De consolatione theologiae' des -> Johannes von Dambach; vgl. AUER. 5. Speculum intellectuale felicitatis humane. Compendium breve de bona valetudinis cura. Spe-

1245

1246

Pirckheimer, Hans — Placitus Papyriensis, Sextus

culum Phlebotomiae, per ... Vdalricum Finder litteraria incude excussum, 1510 (insg. 156 Bll., 2°; Ex.: Würzburg, ÜB, Med. q. 117). Das dreiteilige Werk handelt von den geistigen Grundlagen für ein glückliches Leben, sodann von den Regeln für körperliche Gesundheit. Für die med. Teile vgl. VD16, P 2810 u. 2812. 6. Die bruderschafft sancte Vrsule, 1513 (28 Bll., 4°); VD16, B 8454. Traktat über die Straßburger Ursulabruderschaft (dieser bereits seit 1482 in Straßburg mehrfach gedruckt); darin das Bruderschaftslied des Johann -> Gösseler, und der Traktat des Jörg -» Ranshover über die Braunauer Bruderschaft in gekürzter Fassung; Ausg.n bei SCHNYDER, S. 191-221, 372-375. L i t e r a t u r . A. AUER, Johannes v. Dambach u. die Trostbücher vom 11. bis zum 16. Jh., 1928, S. 220f., 228 f. (zu 4.); G. SCHEJA, Über U. P., in: Fs. f. Wilhelm Pinder zum 60. Geb., 1938, S. 434440; J. BENZING, Wer war der Drucker für die Sodalitas Celtica in Nürnberg?, Mitt. aus d. StB Nürnberg 4 (1955) Heft 2, S. 1-14; ders., Die Buchdrucker des 16. u. 17. Jh.s im dt. Sprachgebiet, 2., verb. u. erg. Aufl. 1982, S. 353; K. SCHLEMMER, in: Caritas Pirckheimer. Katalog der Ausstellung Nürnberg 1982, Nr. 132 b (zu 3.); JUNGHANS, 1986 (s. o. 3., Kommentar; zu 3.), S. 3-34; A. SCHNYDER, Die Ursulabruderschaften des SpätMAs, Bern 1986, S. 181, 286, 288, 293 f. (zu 6.); Fünf Jahrhunderte Buchillustration. Meisterwerke der Buchgraphik aus der Bibl. Otto Schäfer. Germ. Nationalmuseum Nürnberg [Ausstellungskatalog], 1987, S. 63 (zu 3.); K. H. SCHREYL, Hans Schäufelein. Das druckgraphische Werk. Bd. I: Katalog, Bd. II: Bilddokumentation, 1990, Nrn. 2-338 (zu 1.), 359-387 (zu 3.); U. KÖPF, Die Passion Christi in der lat. religiösen u. theologischen Lit. des SpätMAs, in: W. HAUG/ B. WACHINGER (Hgg.), Die Passion Christi in Lit. u. Kunst des SpätMAs, 1993, S. 21-41, hier S. 40 f. (zu 3.).

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Pirckheimer, Hans [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 702 f. ergänze:

Aus P.s Tätigkeit als Diplomat erwuchsen in den Jahren 1458/59 seine Gesandtschaftsberichte vom kaiserlichen Hof in Wien, Wiener Neustadt und Graz an den Rat der Stadt Nürnberg, insg. 61 z. T. umfängliche Schreiben in dt. Sprache. Überliefert in Nürnberg, Staatsarch., Rep. 2c, Akten des 7-farbigen Alphabets Nr. 145; hg. und

kommentiert von F. FUCHS, Hans Pirckheimer am Hofe Kaiser Friedrichs III. (1458/59), Habilschr. (masch.) Mannheim 1993.

An lit. Arbeiten nachzutragen ist ferner P.s Übersetzung zweier Reden des Aeneas Silvius -» Piccolomini. Überliefert in Nürnberg, Staatsarch., Rep. 15 a, -Laden, Akten S I L 79 Nr. 26 a u. 26 b; neu hg. u. gewürdigt v. J. HELMRATH, Reichstag u. Rhetorik. Die Reichstagsreden des Enea Silvio Piccolomini auf den Reichstagen 1454/55, 2 Bde, Habil.schr. (masch.) Köln 1994. Vgl. F. FUCHS, dem Hecht der sunnen mit fackeln zu helfen. Zu H. P.s Gesandtschaftsberichten vom Hofe Kaiser Friedrichs III., Pirckheimer Jb. 14 (1999) 11-35.

Piscatoris, Thomas [NB]

Thomas von Baden

'Fixen, Kriegsrüstung, Feuerwerch' [Korr.]

Sturmzeug und

Bd. 7, Sp. 711 Überl.: "Wien, Kunsthist. Museum, Inv.-Nr. 5135" korr.: ..., Waffensammlung, Inv.-Nr. P 5014 (urspr. Ambraser Slg. Nr. 52). Der authentische Titel lautet 'Kriegs- und Pixenwerch'. Vgl. [B. THOMAS/ O. GAMBER], Kunsthist. Museum, Wien. Waffensammlung. Katalog der Leibrüstkammer. I. Teil, Wien 1976, S. 65 f.

Placitus Papyriensis, Sextus Spätlat. Pharmakologe des frühen 5. Jh.s, der mit seinem 'Liber medicinae ex animalibus' ein therapeutisches Tierbuch bereitstellte, das sich älteren Gattungsvertretern (von Dioskurides ['Mat. med.' II], Nikander ['Theriaka'] und zwei Anonymi) anschließt, aus Plinius schöpft und mit seinem Bild-Archetypus noch in der Tradition der PapyrusRollenillustrationen steht. Der nicht rekonstruierbare Text-Archetypus hat mindestens 33 Kapitel umfaßt. Die beiden Hyperarchetypi a (14 Kapitel) und b (31 Kapitel) sind seit dem FrühMA mit dem 'Batungentraktat' ('De -> vettonica herba' von Ps.-Antonius Musa, dem 'Kräuterbuch' von PS.- -> Apuleius [NB] und dem 'Dachstraktat' ('De -> taxone über') im sog. 'Herbarienkorpus' zusammengeschlossen. I. Lat. Version. Ü b e r l i e f e r u n g . Wie PS.- -> Apuleius. A u s g a b e n . Vier Editionen seit 1538 bei SABBAH/CORSETTI/FISCHER, S. 130 f., Nr. 480-483,

1247

Planetentraktate — Platterberger, Johannes

1248

darunter die maßgebende von E. HOWALD/ H. E. SIGERIST, Antonii Musae De herba uettonica über. Pseudo-Apulei Herbarius. Anonymi, De taxone liber. Sexti Placiti Liber medicinae ex animalibus (Corpus medicorum latinorum IV), 1927, S. 233 — 286 [beide Versionen in synoptischer Wiedergabe].

Stiftsbibl. St. Peter, cod. a VI 10, 76r-78v, (1. H. 15. Jh., ostmbair.). 2. Bair.-österr. Übers.: zu erschließen ist der Text auch für Wien, cod. 2898 (Textverlust nach 77va). Ausgabe der ungardt. Übers, l von A. Groos in Vorbereitung.

L i t e r a t u r . H. GRAPE-ALBERS, Spätantike Bilder aus d. Welt d. Arztes, 1977, S. 21-37 [mit weiterführender Lit. u. Darstellung der Wirkungsgesch. bis hin zum 'Falkenbuch' -> Friedrichs II. und darüber hinaus]; G. SABBAH/ P.-P. CORSETTI/ K.-D. FISCHER, Bibliographie des textes medicaux latins (Centre Jean-Palerne, Memoire VI), St.Etienne 1987, S. 130; G. KEIL, S. P. P., in: Lexikon d. MAs VII, 1995, Sp. 1811; M. P. SEGOLONI, Libri medicinae S. P. P. ex animalibus pecoribus et bestiis vel avibus concordantiae, Hildesheim-ZürichNew York 1998; A.TouwAiDE, Placitus P., in: Der Neue Pauly IX, 2000, Sp. 1060.

L i t e r a t u r . WILHELM, Denkm. B, S. 143 — 145; A. VIZKELETY, Beschreibendes Verzeichnis d. altdt. Hss. in ungar. Bibliotheken II, 1973, S. 120; G. HAYER, Die dt. Hss. d. MAs der Erzabtei St. Peter zu Salzburg, Wien 1982, S. 81 [ohne Zuweisung]; R. MÖHLER, 'Epistula de vulture' (WmF 45), 1990, S. 45—48; G. MELLBOURN, Eine zweite Fassung d. Benediktbeurer Rezeptars (Schriften d. dt. Instituts Univ. Stockholm 19), Stockholm 1988, S. 26, 35, 48 f.; A. HAGEN, 'De vettonica herba' dt.: Der 'Batungentraktat' in südostdt. Überlieferungen. III. Nachträge..., med. Diss. Würzburg 2001, S. 11 f.

II. Volkssprachige Fassungen. Durch Konstantin von Afrika (f 1087) bearbeitet, hat der 'Liber medicinae ex animalibus' eine Wirkungsgeschichte entfaltet, die — bisher wenig erforscht — von den Abbildungen wie vom Text ausgeht und bis in die Enzyklopädik hineinreicht. a. Zur Übersetzung ins Angelsächsische kam es bereits im 10. Jh. A u s g a b e . H. J. DE VRIEND, The Old English Medicina de quadrupedibus, Diss. Groningen 1972, S. 12-60 u. 73-92 [3 Hss.].

(3.) Georg Henisch (geb. in Bartfeld [Bartov] 1549, gest. in Augsburg 1618) schuf i. J. 1574 eine dt. Gesamtübers., für die er den lat. Zweitdruck von Gabriel Hum(m)elburg (Zürich, Ch. Froschauer 1539) zugrunde legte: Artzney Buch || Sexti Ptoo=|| nid philosophi l Von voglen /|| wilden vnd zamen tkieren l wie man die\\selb in der artzney für allerbandt kranck-\\heiten brauchen soll / gantz lustig l nutzlich || vnnd gut gemeinen haußhaltern l auch || allen liebhabern der artzney l || zu lesen vnnd zu || wissen. \\ · 'Historia Welforum' [s. NB]) sowie 257rv 'Vom Ursprung der Franken' nach -* Sigebert von Gembloux (Hinweis G. Kornrumpf). Ebd.: "Nürnberg-Altenfurt, Familienarchiv v. Scheurl, cod. D" korr.: Nürnberg, Scheurl-Bibl., cod. D2.

1249

Der Fleier — Tolethicon'

Der Fleier [Korr.] Bd. 7, Sp. 731 Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. germ. 11, ... (verschollen)" korr.: Die Hs. ist wieder zurück in Hamburg; vgl. E. HORVÄTH, ZfdA 128 (1999) 62-65. Sp. 736 Z. 2: "Brno [Brunn], Staatsarch., cod. 10, c. 558" korr.: ..., Moravsky zemsky archiv (Mähr. Landesarchiv), G 10, 558.

Plenarien [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp. 740 oben, vor 4. füge ein: Basel, ÜB:. Sp. 742 zu Nr. 50: "cod. Lichtenthal 39" korr.: cod. Lichtenthal 30. Sp. 743 zu Nr. 65: "14. Jh. ..." korr.: um 1480. Vgl. -» 'Freiburger Perikopen' [NB]. Sp. 744 zu Nr. 104: "Ms. 2 VIII 36" korr.: M I 348 (olimZ VIII 36). Sp. 745 zu Nr. 114: "cod. L. lat. 96" korr.: Ms. 99 (olim L. lat. 96). Sp. 746 zu Nr. 143 und Sp. 749 zu c.: Vgl. -» 'Einsiedeln-Zürcher Lektionar' [NB]. Sp. 748 zu Nr. 27: "cod. 8" korr.: cod. Gen. 8. Sp. 750 zu Nr. 9: Die Lübecker Hs. ist wieder an ihrem alten Standort; vgl. J. FLIGGE u. a., Die nd. Hss. der StB Lübeck nach der Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung ... (mit e. Liste ...), in: Vulpis Adolatio, Fs. H. Menke, 2001, S. 163217. Sp. 751 zu Nr. 11: "Ms. D 36" korr.: Ms. Miscell. D 2° 36. Sp. 763 oben: "Vestigia bibliae 9/10 (1989) ..." korr.: ... (1987/88, 1991). Ebd., zu Verweisen ergänze: ->· 'Trierer Perikopen'; -> 'Einsiedeln-Zürcher Lektionar' [NB]; 'Freiburger Perikopen' [NB].

Pleningen (Plieningen) -» Dietrich von P.

[NB] Poeta Saxo [Korr.] Bd. 7, Sp. 769 Z. 2: "Im 11. Jh." korr.: Im 12. Jh. Vgl. F. TENCKHOFF (Hg.), Das Leben des Bischofs Meinwerk von Paderborn (MGH SS rer. Germ. [59]), 1921 (Nachdr. 1983), S. Vif.

'Polethicon' ('Flores poetarum de vitiis et virtutibus') Lat. Versflorileg des 13. Jh.s. Ü b e r l i e f e r u n g . Fast ausschließlich aus dem dt. Sprachraum stammend. Fünf Hss. des 14. und 15. Jh.s bei ORBÄN, S. XV-XXIII; weitere fünf

1250

Hss. und die Drucküberlieferung (6 Ausgaben von etwa 1477-1505) bei HENKEL. A u s g a b e . A. P. ORBÄN, 'Polythecon' (CG Cont. Med. 93), Turnhout 1990; dazu HENKEL, 1995.

Das rd. 5000 vv. umfassende Werk ist in 10 Bücher und je bis zu 60 Kapitel gegliedert. B. I—VIII sind den Kardinallastern nach dem SALIGIA-Schema gewidmet (einschließlich des remedium contra luxuriant, B. VIII). Buch IX handelt von der Virtus und gibt eine komplette Erziehungslehre. Die Gaben des Heiligen Geistes sind Gegenstand des abschließenden X. Buchs, das ganz aus dem 'Anticlaudianus' des -> Alanus ab Insulis exzerpiert ist. Die Kapiteleinteilung der Bücher schafft dem Werk eine inhaltliche und systematisch gliedernde Erschließung. Das Werk wird in der Überlieferung unterschiedlich bezeichnet. Polythecon ('Buch, das Vieles umfaßt'), wofür sich ORBÄN entschieden hatte, ist in nur zwei Zeugen belegt. Die Bezeichnung Polethicon ('Viel Ethisches umfassend') und Schreibvarianten ist weitaus häufiger belegt und dürfte die ursprüngliche Bezeichnung sein (HENKEL, 1995). Außerdem erscheinen 'Speculum poetrie' oder 'Flores poetarum' (dies ist der Titel der Druckausgaben). Der Kompilator des 'P.' ist unbekannt. Anlage und Inhalt des Werks zeugen aber von stupender Belesenheit. Reich sind die römischen Klassiker vertreten (Horaz, -> Vergil, dazu, in übergroßem Umfang, -»· Ovid, auch Juvenal und -> Persius), ebenso Dichter der Spätantike und der frühchristlichen Literatur (u. a. -»· Cato, -»· Boethius, Claudian, Arator, -» Prudentius [NB]). Aber der unbekannte Bearbeiter zeigt sich auch in der Literatur des HochMAs, des 12. und beginnenden 13. Jh.s, ausgesprochen bewandert. Mehrere der sog. Elegienkomödien sind exzerpiert, natürlich auch die im Schulbetrieb vorherrschenden Texte wie die 'Ecloga' des -» Theodolus oder der 'Esopus' des Anonymus Neveleti (-» Äsop, III.l. [NB]), von den französischen Autoren etwa Alanus ab Insulis, Bernardus Silvestris, Petrus Riga, Matthäus von Vendöme, Walter von Chätillon.

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'Polnisches Recht"

Ist die Breite der Exzerpierung schon erstaunlich, so trifft dies in noch höherem Maße auf die Organisation des Materials und die Montagetechnik zu. Der Bearbeiter notiert jeweils am Rand die exzerpierte Autorität, doch verbindet er die einzelnen Zitate durch so geschickte und vielfach nicht zu bemerkende Übergänge, daß ein bruchlos glatter, vielfach sogar eleganter Argumentationsgang entsteht. Hierin darf man die bedeutendste intellektuelle Leistung des Werks sehen. Die Entstehung des 'P.' läßt sich nur ungefähr datieren. Zahlreiche Autoren des 12. Jh.s sind aufgenommen, aus dem 13. Jh. jedoch nur -»· Bernhard von der Geist und -» Eberhard der Deutsche (1. H. 13. Jh.), dessen 'Laborintus' zitiert wird. Die Überlieferung setzt im 14. Jh. ein. Angesichts des erkennbaren Strebens nach Aktualität der exzerpierten Quellen wird man die Entstehung des 'P.' in die Mitte oder 2. Hälfte des 13. Jh.s setzen dürfen. Nach dem Befund der Überlieferung dürfte das Florileg in Deutschland entstanden, seine Rezeption im wesentlichen auf Deutschland beschränkt geblieben sein. Zwei kleinere, thematisch auf die Erziehung ausgerichtete Auszüge aus dem 'P.' mit einer abschnittsweise folgenden dt. Reimpaar-Übertragung sind in einer Leipziger Studienhs. (um 1494/96) überliefert (Gotha, Forschungsbibl., Cod. gym. l, 284r-285v), s. HENKEL, 1979 (mit Textabdruck) . L i t e r a t u r . Ysengrimus. Hg. u. erkl. v. E. VoiGT, 1884 (Nachdr. 1974), S. CXXII; A. P. ORBÄN (s. Ausg.) S. V-XXXIV; N. HENKEL, Anmerkungen zur Rezeption der röm. Satiriker in Deutschland um 1500, in: Befund u. Deutung, 1979, S. 451-469, hier S. 454-460; ders., Anmerkungen zum 'P.' u. seiner Überl., Mlat. Jb. 30 (1995) 39-46.

NIKOLAUS HENKEL 'Polnisches Recht' ('Ältestes polnisches Gewohnheitsrechtsbuch', dt.) Gewohnheitsrecht der im Preußenland lebenden polnischen — aber auch pomesanisch-prußischen — Bevölkerung, deren Gerichtsherr der jeweilige Landesherr

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(Hochmeister des Deutschen Ordens bzw. in den bischöflichen Territorien der jeweilige Bischof) war; zugleich älteste Quelle des poln. Privatrechts. Im 'Christburger Vertrag' von 1249 wurde das P. R. von Pomesanien gewählt (WENSKUS, S. 424). Ü b e r l i e f e r u n g . Ehem. Elbing, StB, cod. Q 84, S. 120-168 (Anf. 15. Jh.; seit 1945 verschollen); Faksimile (nach einem 1985 wiederentdeckten Mikrofilm): MATUSZEWSKI/MATUSZEWSKI, 1995, S. 109-157; vgl. zur Hs. PÄSLER, S. 153-155. A u s g a b e n . E. VOLCKMANN, Das älteste geschriebene polnische Rechtsdenkmal, Progr. Elbing 1869; A. Z. HELCEL, Starodawne prawa polskiego pomniki (Alte Denkmäler des poln. Rechts), Bd. 2, Krakow 1870, S. 13-33; J. MATUSZEWSKI, Najstarszy Zwod Prawa Polskiego, Warszawa 1958; GREKOW, S. 411—438; JOSEF MATUSZEWSKI / JACEK MATUSZEWSKI, Das Älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch / Najstarszy Zwod Prawa Polskiego, Lodz 1995 (zit.).

Die Entstehung des in md. Schreibsprache aufgezeichneten Textes wird allgemein in die Jahre zwischen 1252 und 1320 datiert; während TISCHER (S. 24—28), die älteren Hypothesen diskutierend, sich auf 'um 1280' (S. 27) festlegt, nehmen MATUSZEWSKI/MATUSZEWSKI den 'Anfang des 14. Jahrhunderts' (S. 42 f.) als wahrscheinlich an. Als Entstehungsraum gilt das Preußenland (bei WENSKUS, S. 424, Pomesanien), wenngleich in der Forschung mit weniger stichhaltigen Gründen auch Schlesien (VETULANI) genannt wird. Ein Verfasser nennt sich nicht; viel spricht für einen Angehörigen (oder Beauftragten?) des Deutschen Ordens; der einzige Überlieferungsträger, der auch das -» 'Lübische' [NB] und das -» 'Preußische Recht' [NB] enthält, stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Deutschordensbesitz (VOLCKMANN, S. 4; MATUSZEWSKI/MATUSZEWSKI, S. 29; PÄSLER, S. 235 f.). Zielgruppe war — was bereits die Aufzeichnung in dt. Sprache nahelegt — nicht die polnische Bevölkerung, sondern jene Deutschen, die mit polnischem Recht umgehen mußten (vgl. VETULANI, S. 179). Der Text beginnt mit einem 100 vv. umfassenden Prolog, in dem das polnische Recht aus biblischen Zeiten hergeleitet und die Freiheit der Polen betont wird; nach

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Poloner, Johannes

§ l sind sie nur dem Apostolischen Stuhl Untertan. Vergleichend wird verschiedentlich dt. Recht herangezogen (TISCHER, S. 21 f.). Behandelt werden vor allem Strafrecht (Art. 7—20, 26), aber auch Staats(Art. 1-2) und Prozeßrecht (Art. 3-5); die Art. 4—5 und 23—25 regeln zudem die Herbeiführung von Gottesurteilen. Der gleiche Text der in Art. 24 beschriebenen Eisenprobe (vgl. NOTTARP, S. 188) findet sich auch in der ebenfalls aus dem Preußenland stammenden Hs. Berlin, SBB-PK, Ms. Boruss. fol. 240, 126va-127va, als Anhang zum 'Sachsenspiegel' (-> Eike von Repgow). Unterschiede zum deutschen Recht liegen z. B. in der Einrichtung eines Dorfstarosten oder bei der Besetzung des Gerichts (keine Schöffen). L i t e r a t u r . Lit.verz.e bei TISCHER (bis 1969) und MATUSZEWSKI/MATUSZEWSKI (bis 1995); H. NOTTARP, Gottesurteilstudien, 1956; B. /L KOB, HsöpaHHbie Tpyabi, TOM. l (B. D, GREKOW, Ausgewählte Arbeiten, Bd. 1), Moskau 1957, S. 278-442; A. VETULANI, Über den Ursprung des Polenspiegels aus der Mitte des XIII. Jh.s, Studia Gratiana 9 (1966) 171-198; K. TISCHER, Das älteste Polnische Gewohnheitsrechtsbuch. Ein Beitrag zur hist. Rechtsvergleichung sowie zur Gesch. des Straf- u. Verfahrensrechts, Diss. jur. Freiburg/ Br. 1969, vgl. dazu die Rez. von J. MATUSZEWSKI, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 39 (1971) 126-129; R. WENSKUS, Ausgewählte Aufsätze zum frühen u. preußischen MA. Fg. zu seinem 70. Geb., hg. v. H. PATZE, 1986, Reg.; G. LABUDA, 'lus Slavicum', in: Lexikon d. MAs 5, 1991, Sp. 818; R. G. PÄSLER, Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500. Unters, zu ihrer Überl., 2003.

RALF G. PÄSLER Poloner, Johannes 1. Zur Biographie des J. P., der 1421 von Regensburg aus ins Heilige Land reiste und sich bis zum Ende des folgenden Jahres dort aufhielt, konnten bislang keine Quellenzeugnisse außerhalb seines Reiseberichtes nachgewiesen werden; nach einer Vermutung RÖHRICHTS dürfte er mit einem Johannes exul identisch sein, der einige Notizen über seine zur selben Zeit unternommene Palästinareise in eine in der Stiftsbibl. St. Peter in Salzburg überlieferte

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(b. IX. 22) Hs. der 'Descriptio terrae sanctae' des -* Burchardus de Monte Sion eintrug. Es spricht einiges dafür, den Autor J. P. mit dem gleichnamigen, aus Glogau in der Diözese Breslau stammenden und in Regensburg tätigen Notar gleichzusetzen, der am 13. Sept. 1436 für den Rat dieser Stadt ein Privileg Kaiser Sigmunds vidimierte (München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Reichsstadt Regensburg, Urkunden) und der auch sonst in den 30er Jahren des 15. Jh.s als Hausbesitzer und Bürger von Regensburg nachgewiesen werden kann. 1431 und 1432 fungierte er als Wachtschreiber in der Westnerwacht (FORNECK, 5. 68, 172, 186); am 29. März 1435 stellte er einen Kaufbrief aus (Regensburg, Stadtarchiv, Allgemeine Urkundenreihe), und im Februar 1437 war er für den Rat tätig (Regensburg, Stadtarchiv, Cameralia 12, Bl. 18V). In den erhaltenen Steuerverzeichnissen kann er von 1431 bis 1439 mehrfach nachgewiesen werden; da in den späteren Jahren seine Witwe die Steuern beglich, dürfte er um das Jahr 1440 verstorben sein. 2. Die bald nach 1422 entstandene lat. 'Descriptio terrae sanctae' verarbeitet zwar ältere Palästinabeschreibungen und lehnt sich teilweise wörtlich an den Text des Burchardus de Monte Sion an, weist aber in der Anordnung des Stoffes in 9 Kapiteln Eigenständigkeit auf: 1. De portis civitatis Jerusalem. 2. Ordo peregrinationis civitatis Jerusalem et aliorum locorum ibidem. 3. Peregrinatio a civitate Jerusalem versus orientem ad Bethaniam. 4. Peregrinatio de Jerusalem ad Bethlehem. 5. Peregrinatio de Bethlehem ad vallem Hebron. 6. Peregrinatio de Hebron ad Jerusalem. 7. Oivisio Terrae Sanctae. 8. De civitaübus et locis terrae sanctae. 9. De terra Aegypti. Besonders hervorzuheben sind die genauen Entfernungsangaben der besichtigten Örtlichkeiten, die in eine verlorene Karte des Heiligen Landes eingezeichnet wurden. Ü b e r l i e f e r u n g . 7 Hss. bei 1-2RöHRiCHT, Bibl. geogr. Palaest. S. 106 f. u. HALM, S. 68; hinzu kommt noch ein kurzes Exzerpt in Nürnberg, StB, Cent. III, 93, 171r (vgl. -> Pilgerreiseberichte über Palästina, Nr. 40).

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Polster, Georg — 'Pommersfeldener (schlesisches) Augenbüchlein'

Ausgabe. T. TOBLER, Descriptiones Terrae Sanctae ex seculo VIII. IX. XII. et XV., 1874, S. 225-281, 497-522. (nach zwei aus Regensburg stammenden Hss.: München, clm 721 aus dem Besitz des Ulrich Onsorg, Kanoniker bei der Alten Kapelle in Regensburg, und clm 7188 aus dem Besitz von dessen Bruder Konrad Onsorg, Domkanoniker in Regensburg). Engl. Übersetzung: John Poloner's Description of the Holy Land, translated from Tobler's Text by A. STEWART (Palestine Pilgrims' Text Society 6), London 1894.

chungen, Korrekturen und Zusätzen in Form lat. und dt. Notizen, auch an den Blatträndern, als echtes Arbeitsmanuskript des Autors zu erkennen. Geplant war ein sehr breit angelegter Traktat, der zunächst die Reue und Allgemeines zum Wesen der Beichte behandelt und anschließend die Sünden anhand des Dekalogs umfassend aufführen sollte, nach dem 2. Gebot jedoch abbricht; ab 89r wird der Anfangsteil in überarbeiteter erweiterter Fassung wiederholt. Dem eigentlichen Beichtspiegel ist L i t e r a t u r . Bibliographie: CH. HALM, Europäieine gereimte Dekaloglehre (-> 'Zehn Gesche Reiseberichte des späten MAs. Eine analyti2 bote') vorangestellt. Die Sünden gegen das sche Bibliographie, 2001, S. 67-69. - G. M. 1. Gebot enthalten eine ungewöhnlich umTHOMAS, Ein neuer Palästinafahrer (J. P.), mit einifangreiche und volkskundlich interessante gen bibliographischen Bemerkungen, in: MSB 2, 1872, S. 718-720; RÖHRICHT/MEISSNER, PilgerAberglaubenliste. P. nennt selbst als seine reisen, S. 471; RÖHRICHT, Pilgerreisen, S. 104; Quellen Buch IV der Sentenzen des -» Pe12 RöHRiCHT, Bibl. geogr. Palaest., S. 106 f; F. trus Lombardus, Johannes -» Gersons SCHULTZ, Das öffentliche Notariat in Regensburg Opus tripartitum' und das 'Confessionale' von den Anfängen bis zum Beginn des 16. Jh.s, von Antoninus Florentinus, doch wirkt Diss. (masch.) München 1976, S. 123; U. GANZsein Text nirgends wie auß der latein in BLÄTTLER, Andacht u. Abenteuer. Berichte europäiteutsch zogen, sondern wie - zudem stark scher Jerusalem- u. Santiago-Pilger (Jakobus-Stumundartlich gefärbte - direkte Rede, in die dien 4), 1990, S. 373; CH. FORNECK, Die Regensgelegentlich persönliche, auch polemische burger Einwohnerschaft im 15. Jh.: Stud, zur BeStellungnahme einfließt. völkerungsstruktur der Sozialtopographie einer dt. Großstadt des SpätMAs, 2000.

FRANZ FUCHS Polster, Georg [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 775 ff., zu II. bzw. Lit. ergänze: R. SCHMIDT, Reichenau u. St. Gallen. Ihre lit. Überl. zur Zeit d. Klosterhumanismus in St. Ulrich u. Afra zu Augsburg um 1500, 1985, S. 52-54 (zu 1493/97 verfaßten Inschriften für die neue Bibliothek von St. Ulrich u. Afra). Sp. 777 vor Lit. ergänze:

III. Von Georg Polster ist das unvollständige Arbeitsmanuskript eines deutschen Beichttraktats erhalten in München, cgm 1004, 37r-98v (Andechs, 4. Viertel 15. Jh.), nach Schriftvergleich mit einem Autograph P.s (München, clm 3058) eigenhändig, mit einer Notiz 46V von anderer Hand: dominus reverendus Jeorius Pollster hoc volumen transtulit in teutunicum, Jeorius erscheint in der gesamten Literatur irrtümlich zu Jeronimus ('Hieronymus') verlesen. Der Text, teils in Bastarda, teils in flüchtiger, schwer lesbarer Notizenkursive aufgezeichnet, ist an seinen zahlreichen Strei-

Unediert; Exzerpte bei J. STABER, Ein altbayerischer Beichtspiegel, Bayer. Jb. f. Volkskunde (1963) 7-24; Dekalogverse abgedr. v. WEIDENHILLER, S. 192 f. L i t e r a t u r . N. PAULUS, Die Reue in d. dt. Beichtschriften d. ausgehenden MAs, ZkTh 28 (1904) 30-32; B. KRAFT, Andechser Studien, Oberbayer. Arch. 73 (1937) 255; E. WEIDENHILLER, Unters, z. dt.sprachigen katechetischen Lit. d. späten MAs (MTU10), 1965, S. 238 Nr. 11, S. 192f.; J. JANOTA, Stud, zu Funktion u. Typus d. dt. geistlichen Liedes im MA (MTU 23), 1968, S. 76; K. BAUMANN, Aberglaube für Laien (Quellen u. Forschungen zur Europ. Ethnologie 6, l u. 2), 1989, Reg. s. v. Pollster, Hieronymus; K. SCHNEIDER, München VI, 1991, S. 49 f.

KARIN SCHNEIDER Polster, Hieronymus [Nachtr. im NB]

Polster, Georg

Tomesanisches Recht' Recht' [NB]

'Preußisches

'Pommersfeldener büchlein' [Korr.]

(schlesisches)

Augen-

Bd. 7, Sp. 779 Überl.: "..., Hs. 2760 (alt: LXII, 23), ..." korr.: ..., HS 23 (olim 2760).

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Magister Poncius

Ebd.: Die angekündigte Ausgabe ist bisher nicht erschienen.

Magister Poncius Unter dem Namen eines sonst nicht bekannten Magister Poncius geht eine um/ vor 1450 in Deutschland — nach den ältesten Hss. vermutlich in Mitteldeutschland — entstandene Ars dictandi, die auch nur in Hss. deutscher Herkunft und einem Straßburger Druck von 1486 überliefert ist. Magister P. wurde von J. J. MURPHY, Rhetoric in the Earliest Years of Printing, 1465-1500, The Quarterly Journal of Speech 70 (1984) 1-11, hier S. 6 f., irrig mit Poncius Provincialis, dem Verfasser der 'Summa de competenti dogmate dictaminis' (um 1250), identifiziert. Die Ars dictandi des Magister P. ist auch keine Bearbeitung der 'Summa' des Poncius Provincialis; die beiden Traktate haben ebenso im Wortlaut wie in der Art ihres Aufbaus nichts miteinander gemein. —Der Versuch W. LUDWIGS, der Datierung und Lokalisierung dieser Ars sowie der Identität ihres Autors nachzuspüren, konnte nicht gelingen, da er sich allein auf den Straßburger Druck stützte.

Der in den Hss. meist als Modus dictandi geführte Traktat des P. beschränkt sich nach einem einleitenden allgemeinen Teil auf die Lehre der zwei partes accidentales (Suprascriptio, Subscriptio) und der fünf partes essentiales (Salutatio, Exordium, Narratio, Petitio, Conclusio) des Briefs. Stark formalisiert in der Gesamtanlage und darin wohl bestimmt von der allerorten verbreiteten 'Practica' des Laurentius von Aquileja / Johannes Bondi, sucht sie innerhalb der Schemata stets einem differenzierten Bedarf an stilistischer Variation und Ausdrucksfülle Rechnung zu tragen. Auffällig ist die Erweiterung der üblichen Standesgliederung in geistliche und weltliche Personen um einen dritten Stand, den der Gelehrten und Studierenden (status studentium). Nach Ausweis der Hss. war der 'Modus dictandi' des P. ein Unterrichtsbuch sowohl an Schulen als auch an Universitäten (Wien, Leipzig, Erfurt). Bei den Humanisten hatte er freilich bald ausgespielt. Heinrich Bebel diskriminierte ihn als Muster einer abwegigen Schule des Schreibens

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(Commentaria contra Modum epistolandi Pontij, in: ders., Commentaria epistolarum conficiendarum, Tübingen 1511), und so zählt er auch in den 'Epistolae obscurorum virorum' (II 31) zu den mit Hohn abgetanen Büchern. Die Ü b e r l i e f e r u n g läßt sich nach den verschiedenen Redaktionen des Eingangs ordnen, ohne daß damit über deren Chronologie und über die Textgeschichte des Traktats selbst befunden sei. In der Red. A gehen dem Traktat (ine. Circa modum [auch: materiam] dictandi sciendum est] als Eingang einige dt. Verse (proposicio vulgaris, inc. Got grüez dich zarte jungfraw fein [...]) mit allegorischer Auslegung (die begrüßte junkfraw ist die Dame Rhetorica usf.) voran. In der Red. B stehen als Eingang die ersten acht Verse der verbreiteten lat.-dt. Pastourelle Pertransivit clericus l durch einen grüenen wait (WALTHER, Initia 14008) samt ähnlich ausgerichteter Allegorese. In der Red. C fehlen solche Eingänge. In einigen Hss. folgt dem ursprünglichen Schluß des Traktats (expl. ... in precordialem meum promotorem confugiat) ein Anhang zu Conclusio und Valedictio. Red. A: Graz, ÜB, cod. 1559, 58r-109v (?), geschr. nach einer md. Vorlage im Zisterzienserstift Neuburg, den hist. Personen der Salutationes zufolge um 1452—55; ab f. 98r ein von der gesamten übrigen Überlieferung abweichender Schlußteil, dessen Ende vorerst nicht sicher anzugeben ist; Olmütz, Stätni Vedeckä Knihovna, cod. M I 357, 94r-117r, 2. H. 15. Jh.; Wilhering, Stiftsbibl., cod. 79, 30r-47v, um 1452, dt. Text noch ohne Diphthongierung (in den Salutationsbeispielen sind Erfurt u. Göttingen genannt); Wien, cod. 13855, 35 r —50 r , geschr. 1469 in Wien von Ägidius Halmaschlager. - Red. B: München, clm 14654, 72r-94r, um 1455 (dem Eingang Pertransivit ... folgt ein Preis der Rhetorik; der Traktat setzt Z. 17 ein); Würzburg, ÜB, cod. M. eh. q. 18, 428r-449v (!), geschr. 1467 in Leipzig von Heinrich Kunstadt. — Red. C: Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. qu. 272, 226r—245r, um 1465 (als Universitätsort erscheint Leipzig); Prag, Närodni Knihovna, cod. adlig. 44. G. 61, lr-21r, v. J. 1496; Budapest, ÜB, cod. lat. 111, l r —28 r , geschr. von Vinzenz Budweis 1512 in Tfebon; München, clm 6008, 23r—74r, geschr. von Erhard Geyt 1518 in Melk (Abschrift des Drukkes?).

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'Pontus und Sidonia'

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D r u c k (Red. C): Rhetorica Poncij I Copia latinitatis / Epistola Bruti et Gratis l De arte notariatus, [Straßburg, Joh. Griininger], 1486, Bl. . HAIN 13255.

Geste 'Hörn et Rimenhild'. Die wichtigsten Textzeugen des frz. Pontusromans hat DE CRECY 1997 kritisch ediert. Inhaltlich unterscheidet sich C kaum L i t e r a t u r . C. J. CLASSEN, Zu Heinrich Bebels von A und B. Der Handlungsablauf wird Leben u. Schriften, GGN 1997/1, S. 23-25, 37der Kürzung wegen vereinzelt und gering41; W. LUDWIG, Der Humanist Ortwin Gratius, fügig verändert. Heinrich Bebel u. der Stil der Dunkelmännerbriefe, Sprache, Stil und Form von C zeigen, in: G. HUBER-REBENICH / W. LUDWIG (Hgg.), Hudaß es sich um eine vollkommen eigenmanismus in Erfurt, 2002, S. 131-158, hier ständige Übersetzung und Redaktion einer S. 146-152. bislang noch nicht identifizierten frz. VorF. J. WORSTBROCK lage handelt. Sprachlich weist C in den nordost-alem. Raum. Der Text umfaßt 85 'Pontus und Sidonia' (Fassung C) Seiten, ist in 23 Kap. gegliedert und noch Prosaroman. Anonyme Übersetzung des stärker gerafft als Fassung A. Umständliche Handlungsabläufe werden auf das Nöfrz. Prosaromans 'Ponthus et Sidoine'. tigste beschränkt, ausführliche AufzählunÜ b e r l i e f e r u n g . Bern, Burgerbibl., Ms. Mül. gen, Beschreibungen etc. werden oft abge619, 2. Stück eines Sammelbandes mit eigener Seikürzt. Gemessen an den Vergleichspassatenzählung. Der Band enthält u. a. auch einen gen bei SCHNEIDER, S. 10—28, unterscheiDruck von -> Jacobus de Theramo, 'Litigatio Chridet sich C von A und B durch das alem. sti contra Belial', und eine nicht näher untersuchte Sprachgepräge, den Verzicht auf die Überhs.liche Fassung von -> 'Der Bräutigam im Paranahme frz. Wörter, die eigenständige Wiedies', das Fragment eines Tageliedes, ein Waffeninventar und das Familienverzeichnis Kaspars von dergabe von Eigennamen, Irrtümer, die Mülinen (1481—ca. 1538), dessen Familienwappen klar aus der Übertragung vom Frz. ins und Besitzvermerk auf dem Vorsatzblatt des SamDeutsche stammen, und die weder in A melbandes zu finden sind. Die von Mülinen gehörnoch in B vorkommen, sowie durch die ten zu den führenden Geschlechtern im Stadtstaat Wiedergabe von Textstellen, die entweder Bern. Kaspar v. M. selbst war Ratsmitglied und akin A oder in B fehlen. tiver Politiker. Er hatte wahrscheinlich Kontakt zu Fassung C des Pontusromans hat wie literarisch interessierten Kreisen, die sich v. a. in schon die frz. Bearbeitung eine pädagogiden führenden Zunftgesellschaften der Stadt forsche Funktion. Die Erzählung soll jungen mierten. -> Thüring von Ringoltingen (t 1484), ebenfalls einem führenden Geschlecht angehörend, Adligen eine Anleitung für die richtigen Ratsmitglied in Bern und Verfasser eines Melusigesellschaftlichen und religiösen Handnenromans, erwähnt daselbst 1456 einen 'Pontus'. lungsweisen ihres Standes geben. Für diese Funktion sprechen auch die BesitzverhältA u s g a b e . K. STREUN, 'Pontus u. Sidonia', ein spätmal. Prosaroman. Textedition u. Kommentar nisse des Sammelcodex. Allerdings war der Hs. C (Burgerbibl. Bern, Ms. Mül. 619/2), Li- auch eine Lektüre nur zur Unterhaltung zentiatsarbeit Bern 1994 (Typoskript in der Burger- kaum ausgeschlossen. bibl. Bern).

Datierung. Aufgrund sprachlicher Kriterien ist die Entstehung in der Mitte des 15. Jh.s anzusetzen, etwa zeitgleich mit Fassung A (vormals -* Eleonore von Österreich [Bd. 2 u. NB] zugeschrieben) und der ebenfalls anonymen ->· 'Pontus und Sidonia' - Fassung B. Vorlage war wie für die Fassungen A und B auch für C 'Ponthus et la belle Sidoyne', eine wahrscheinlich von Geoffroy de La Tour Landry verfaßte Prosabearbeitung der anglonormannischen Chanson de

L i t e r a t u r . K. SCHNEIDER, Pontus u. Sidonia in der Verdeutschung eines Ungenannten (TspMA 9), 1961; U. M. ZAHND, Die autobiographischen Aufzeichnungen Ludwig v. Diesbachs, Bern 1986, S. 428—432; ders., Laienbildung u. Lit. im spätmal. Bern, in: Kommentarbd. Diebold Schilling Spiezer Chronik, Luzern 1990, S. 158-160; R. HAHN, 'Von frantzosischer zungen in teutsch'. Das lit. Leben am Innsbrucker Hof des späteren 15. Jh.s u. der Prosaroman 'Pontus u. Sodonia' (A) (Mikrokosmos 27), 1990; STREUN (s. Ausg.); M. C. DE CRECY, Pontus et Sidoine. Edition critique, Genf 1997.

KRISTINA STREUN

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Posser, Hieronymus — Predigten und Predigtsammlungen

Posser, Hieronymus [Korr.] Bd. 7, Sp. 793 Mitte: "Expositio decem praecepti decalogi" korr.: ... decem praeceptorum ....

Trager (ostmitteldeutsches) Abendmahlspiel' [Nachtr.j Bd. 7, Sp. 803 f.: Zur Hs. Prag, Närodni knihovna, cod. XXIII F 128 und zur neuen Ausg. des Textes vgl. -» filii ecclesiae' / 'Homo, tristis esto', 1.1 [NB] (Datierung: um 1400).

'Prager Sendbrief Missum imperatori' -»· Gallus von Prag [Bd. 2 u. NB] Praepositus Glogoviensis -*· 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Predigten und Predigtsammlungen (frühe deutsche; fragmentarische Überlieferung) I. Allgemeines. Unter den Terminus 'frühe deutsche Predigt(sammlung)en' faßt man die Predigten des ausgehenden 12. und des beginnenden 13. Jh.s bis zur Bettelordenspredigt zusammen. Allerdings sind zeitliche Überschneidungen der Entstehung einzelner 'früher' Sammlungen mit dem Beginn der Bettelordenspredigt anzunehmen. Die Überlieferung erfolgt noch bis ins 14. Jh. parallel. Das Corpus der frühen dt. Predigten besteht aus ca. 870 Einzelpredigten. Die Form der Predigten ist in der überwiegenden Zahl der Fälle die Homilie, doch insbesondere bei hohen Feiertagen und Heiligenfesten finden sich auch Sermones, vielfach auch Mischformen. Die Inhalte werden vor allem durch die liturgischen Texte für den jeweiligen Predigtanlaß bestimmt. Dies ist der Grund für eine weitreichende thematische Übereinstimmung der Predigten zu einem bestimmten Anlaß. Überliefert sind die frühen dt. Predigten zumeist in größeren Sammlungen oder als Fragmente solcher Sammlungen. Die Überlieferung von Einzelpredigten ist selten ('Alemannische Predigtbruchstücke', s. u. Nr. 16; 'Predigt von Christi Geburt', Nr. 12). Die Sammlungen waren als Predigthilfe für die Hand des Seelsorgers gedacht. Sie sind nach dem Kirchenjahr

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strukturiert, wobei die Predigten des Sanctorale zumeist blockweise in die Zyklen des Temporale eingefügt werden. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Temporaleund Sanctorale-Predigten beträgt 2:1. Konstitutiv für die frühe dt. Predigt sind zwei verschiedene Sammlungstypen: 1. Sammlungen, deren Anlage und/oder Predigttexte keine einheitliche Struktur aufweisen und die thematische Redundanzen enthalten (-> 'Speculum Ecclesiae deutsch', Teilsammlung VI der -» 'Leipziger Predigten'), und 2. Sammlungen, in denen corpuseigene Predigtmuster dominieren ('Millstätter [s. -» Kuppitsch'sche] Predigtsammlung', Priester -» Konrad, -» Oberaltaicher Predigten'). Charakteristisch ist die Instabilität der Textcorpora. Es finden sich keine Parallelüberlieferungen geschlossener Sammlungen aus der Zeit um 1200. Parallelüberlieferungen einzelner Predigten oder Predigtgruppen dagegen begegnet man in großer Zahl in anderen Sammlungen. Solche Parallelen lassen eine Gliederung der frühen dt. Predigten in zwei große Komplexe zu, einen mit partiellen Beziehungen zu den 'Leipziger Predigten' und einen mit derartigen Beziehungen zum Priester Konrad. Diesem Befund entspricht auch die frgm. Überlieferung, die i. F. vorgestellt wird. Nur vereinzelt begegnen Fragmente, die offensichtlich auf Sammlungen hinweisen, die uns in Gänze oder zu großen Teilen unbekannt sind. II. Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e n . Die Ausgaben sind jeweils verzeichnet bei MORVAY/GRUBE; hier werden sie nur, soweit vorhanden, bei den dort noch nicht genannten Textzeugen angegeben. — Zu einigen neu aufgetauchten Frgm.n vgl. das Marburger Repertorium dt.sprachiger Hss. des 13. Jh.s (im Internet unter http:// www.uni-marburg.de/hosting/mr/mrl3/mr). Basel, ÜB: 1. Cod. N i l Nr. 51 a.b., 2 Perg.bll., um 1200; 'Bruchstücke des 12. Jh.s aus Wilhelm Wackernagels Altdt. Predigten'; MORVAY/GRUBE, T 36 (b). Berlin, SB Preußischer Kulturbesitz: 2. Hdschr. 415, l Querstreifen eines Doppelbl.s, Mitte. 13. Jh. 3. Hdschr. 418, 4 Längsstreifen, um 1300.

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Predigten und Predigtsammlungen

4. mgq 502 (jetzt Krakau, Bibl. Jagiell., Berol. mgq 502), l unvollst. Bl„ 2. H. 13. Jh. 5. mgq 1671 (jetzt Krakau, Bibl. Jagiell., Berol. mgq 1671), 12. Jh.; 'Bruchstücke des 12. Jh.s aus Wilhelm Wackernagels Altdt. Predigten'; MORVAY/GRUBE, T 36 (c). Franfurt a. M., StB u. ÜB: 6. Fragm. germ. I 1, 8 Perg.bll., um 1200; 'Frankfurter Bruchstücke'; MORVAY/GRUBE, T37c. Graz, ÜB: 7. Cod. 1703 Nr. 100, um 1300; 'Schönbachs Predigtbruchstücke ; MORVAY/GRUBE, T 18. Karlsruhe, Badische LB: 8. Cod. Donaueschingen B IV 8, Reste von 2 Doppelbll., um 1200. Leipzig, StB: 9. ohne Sign., 2 Perg.bll., verschollen, um 1200; 'Leipziger Predigtbruchstücke'; MORVAY/ GRUBE, T 37 d. Linz, Oberösterr. LB: 10. Hs. 590 (früher Aurolzmünster, Schloßarchiv, ohne Sign.), 1. H. 13. Jh.; 'Aurolzmünsterer Predigtfrgm.'; MORVAY/GRUBE, T37b. London; British Library: 11. Add. MS. 34392, Bl. l, l Querstreifen eines Blattes, 1. H. 13. Jh.; Ausg.: R. PRIEBSCH, Dt. Hss. in England, Bd. 2, 1901, S. 269 (Nr. 310, I). London, University College: 12. MS. Germ 16, 36v-40r, 12. Jh.; 'Predigt von Christi Geburt'; MORVAY/GRUBE, T 38. München, Bayerische SB: 13.a/b. cgm 88 (ehemals Hofbibl., cod. 863), l r 5r, 71r-78r, 3. V. 13. Jh.; 'Mettener Sammlung I und IP; MORVAY/GRUBE, T 40. 14. cgm 5153k, 2 Perg.bll., 1. H. 14. Jh.; 'VorBertholdisches'; MORVAY/GRUBE, T 47 (a). 15. cgm 5248/12, 2 Perg.bll., 3. V. 12. Jh., 'Bruchstücke aus cgm 5248/12'; K. SCHNEIDER, Neue Funde frühmhd. Hss.-frgm.e, in: Philologische Unters., gewidmet Elfriede Stutz zum 65. Geburtstag, hg. v. A. EBENBAUER, 1984, S. 392397. 16. cgm 5250/6 b, 2 Perg.doppelbll., 12. Jh.; 'Alemannische Predigtbruchstücke'; MORVAY/ GRUBE, Predigtbibliographie, T 37 a. 17. cgm 5250/6 d, Stücke aus 2 Perg.doppelbll., l.H. 13. Jh.; 'Strauchs Predigtliteratur IP; MORVAY/GRUBE, T 41. 18. clm 2982, 45r-46v, 13. Jh.; 'Vor-Bertholdisches'; MORVAY/GRUBE, T 47 (c). 19. clm 7775, 189v-191r, 1. H. 13. Jh.; 'Vor-Bertholdisches'; MORVAY/GRUBE, T 47 (b). München, ÜB: 20. Fragm. 133 (verbrannt), l Doppelbl. in 4 Stükken, 13. Jh.; Ausg.: P. LEHMANN u. O. GLAUNING, Mal. Handschriftenbruchstücke der ÜB

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und des Georgianum zu München, ZfB, Beiheft 72, (1940) 133-135. 21. Fragm. 136 (verbrannt), 2 Stücke eines Blattes, 13. Jh.; Ausg.: LEHMANN/GLAUNING, S. 138 — 140. Münnerstadt/Unterfranken, Augustinerkloster: 22. Ms. 381, 1. V. 13. Jh.; 'Münnerstadter Predigtfragment'; MORVAY/GRUBE, T 42. Prag, Bibl. des Domkapitels: 23. ohne Sign., 2 Perg.bll., Anf. 13. Jh.; 'Prager Predigtentwürfe'; MORVAY/GRUBE, T 31. Prag, SB u. ÜB: 24. Kleinoktavdoppelbl., hinten in cod. XI F 7 eingeheftet, Mitte 13. Jh.; 'Prager Bruchstücke'; MORVAY/GRUBE, T 44. Schriesheim bei Heidelberg, Privatsammlung Eis: 25. Hs. 8, 5 Perg.streifen, Mitte bis 3. V. 13. Jh.; 'Frühmhd. Fragmente aus der Slg. Eis'; MORVAY/GRUBE, T 46. Unbekannt: 26. 3 beschnittene Querstreifen, Perg., 12. Jh.; 'Bruchstücke des 12. Jh.s aus Wilhelm Wakkernagels Altdeutschen Predigten'; MORVAY/ GRUBE, T 36 (a). Wien, Österreichische Nationalbibl.: 27. cod. 1864 (Univ. 670), 320r-321v, Ende 12. Jh.; 'Wiener Bruchstücke'; MORVAY/ GRUBE, T 43. Wolfenbüttel, Herzog August Bibl.: 28. cod. Novi 404.9 (22), 2 Perg.bll., I.Drittel 13. Jh.; 'Wolfenbütteler Bruchstücke'; MORVAY/GRUBE, T 20.

III. I n h a l t e . Die meisten der Fragmente zeugen von Sammlungen, die ursprünglich Predigten des Temporale sowie des Sanctorale für das ganze Kirchenjahr vereinigten. Allerdings lassen einige Sammlungsfragmente die Annahme einer Konzeption zu, die nach dem Muster des 'Speculum Ecclesiae deutsch' oder der -> 'Mitteldeutschen (Heiligen-)Predigten' zumindest die einfachen Sonntage des Kirchenjahres ausschloß (Nrn. 5, 6, 9, 10, 12, 17, 18, 20, 24, 25, 26, 28). Aus dem Rahmen des Üblichen fallen die 'Mettener Sammlung (Nr. 13 a) und die 'Alemannischen Bruchstücke' (Nr. 16). Bei den als 'Mettener Sammlung bezeichneten drei Predigten handelt es sich um eine Vaterunserauslegung und zwei exhortative Texte. Sie sind nicht innerhalb einer Predigtsammlung überliefert, sondern in einer dt.-lat. offensichtlich zur Pre-

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Predigten und Predigtsammlungen

digtvorbereitung intendierten Sammelhs. aus dem 12. bis 14. Jh. Auch wenn inhaltlich vergleichbare Texte in frühen dt. Predigtsammlungen belegt sind ('Speculum Ecclesiae'), so unterscheidet sich der emphatische, mit den Predigten -> Bertholds von Regensburg vergleichbare Redestil der 'Mettener Sammlung deutlich von dem in den frühen Musterpredigten üblichen. Die 'Alemannischen Predigtbruchstücke' sind Randeinträge, die den freien Raum um einen Boethiustext und zwischen dessen Zeilen nutzen. Bei dem größeren, inhaltlich zusammenhängenden Teil scheint es sich um eine ausführliche Auslegung der Verse Apo 12,1—2 zu handeln, die durch eine Predigtschlußformel und die Zwischenüberschrift Item de eodem zweigeteilt ist. Soweit es sich beurteilen läßt, liegen uns hier thematische Sermones mit zahlreichen Dilatationen vor, die weder in ihrem Inhalt noch in ihrer Form den Musterpredigten der frühen Predigtsammlungen gleichen. Der zweite Text, überschrieben mit De occultis ivdicüs, weist keine Predigtmerkmale auf. Der Beginn des Textes beschäftigt sich mit der Frage nach der Theodizee, einer Frage, die von den frühen dt. Predigten sonst mit Hinblick auf ihre Zielgruppe (Laien) bewußt ausgeklammert wird. Einige der Sammlungsfragmente zeugen von in ihrer Gänze unbekannten Sammlungen, die sich durch partielle Parallelüberlieferungen den beiden großen Überlieferungskomplexen zuordnen lassen. Es handelt sich aber um durchaus eigenständige Sammlungen, die als mögliche Quellen insbesondere der spät überlieferten 'Leipziger Predigten' bedeutsam sind. 'Schönbachs Predigtbruchstücke (Nr. 7) überliefern 34 Predigten oder Predigtfragmente. 26 dieser Predigten finden sich auch in der Leipziger Teilsammlung VII (-> 'Leipziger Predigten'). Die Anlässe der übrigen Predigten sind der 2., 3. und 4. Advent und das Fest der hl. Agnes; von ihnen ist nur die Predigt zum 3. Advent vollständig erhalten. Vier weitere Textfragmente lassen sich nicht identifizieren. Die 'Wolfenbütteler Bruchstücke' (Nr. 28) gehören wie die Leipziger Teilsammlungen III, IV

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und V in den komplizierten Überlieferungszusammenhang der 'Mitteldeutschen Predigten', da sich für eine der beiden Osterpredigten sowie die Himmelfahrtspredigt Parallelüberlieferungen in der Leipziger Teilsammlung IV finden, die offensichtlich Bearbeitungen von 'Mitteldeutschen Predigten' sind. Auch die drei Kirchweihpredigten (davon zwei frgm.), die die 'Prager Bruchstücke' (Nr. 24) überliefern, sind dem Überlieferungskomplex 'Leipziger Sammlung' zuzurechnen: Die vollständige der drei Predigten weist eine Parallelüberlieferung im 'Speculum Ecclesiae deutsch' auf, welches als eine der Quellen der Leipziger Teilsammlung VI anzusehen ist. Ähnlich verhält es sich mit der 'Mettener Sammlung IP (Nr. 13 b), die durch ihre Parallelüberlieferungen in der -> 'Hoffmannschen Predigtsammlung' sowie in Sammlung VI der 'Leipziger Predigten' eindeutig diesem Überlieferungskomplex zuzurechnen ist, wenn sie auch darüber hinaus mit ihren 22 Sonntagspredigten und Predigten zur Decollatio des Johannes Baptista, zu Allerheiligen und auf die Apostel mehr Aufmerksamkeit beanspruchen darf. Charakteristisch für sie sind die Kurzpredigten zu den Sonntagsevangelien, für die sich im Textcorpus der frühen dt. Predigt nichts Vergleichbares findet. Die Berlin-Krakauer 'Bruchstücke des 12. Jh.s aus Wilhelm Wackernagels Altdt. Predigten' (Nr. 5) überliefern Predigten des Sanctorale (Matthias, Philippus und Jacobus, Kreuzauffindung und zweimal Maria Himmelfahrt). Eine der beiden Marienpredigten ist sehr wahrscheinlich als ältere Fassung einer -+ 'Basler Predigt' anzusehen, die auch bei den -» 'Tiroler Predigten' überliefert ist und somit dem Überlieferungskomplex 'Priester Konrad' angehört. Für die verschollenen 'Leipziger Predigtbruchstücke' (Nr. 9) von zwei Predigten zu den Fastensonntagen existieren widersprüchliche Datierungen vom ausgehenden 12. bis ins 14. Jh. Die Parallelüberlieferung in den 'Mattighofener Predigtbruchstükken' (MORVAY/GRUBE, T 37 c) stammt aus dem späten 13. Jh. Inhaltlich bieten die Bruchstücke keine Parallelen zu den frühen

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'Preußisches Recht'

dt. Predigten, so daß eine spätere Datierung auch aus dieser Sicht berechtigt wäre. L i t e r a t u r . A. LINSENMAYER, Gesch. der Predigt in Deutschland von Karl dem Großen bis zum Ausgange des vierzehnten Jh.s, 1868; R. CRUEL, Gesch. der dt. Predigt im MA, 1879 (Nachdr. 1966); A. E. SCHÖNBACH, Stud, zur Gesch. der altdt. Predigt, 1896-1907 (Nachdr. 1968); V. MERTENS, Das Predigtbuch des Priesters Konrad (MTU 33), 1971; MORVAY/GRUBE, Predigtbibliogr.; V. MERTENS, Stud, zu den 'Leipziger Predigten', PBB 107 (1985) 240-266; K. KLEIN, Erneut zu 'Verbleib unbekannt'. Wiederaufgefundene Hss., ZfdA 127 (1998) 69-84, hier S. 72-74. H.-J. SCHIEWER, German Sermons in the Middle Ages, in: The Sermon, hg. v. B. KIENZLE (Typologie des sources du moyen äge occidental 81 — 83), Turnhout 2000, S. 861-961 (Lit. S. 115-142); R. D. SCHIEWER, Predigtforschung im Aufwind, Jb. d. Oswald v. Wolkenstein-Ges. 12 (2000) 291-309; dies., Predigten zum Fest der Epiphanie — Predigten auf die hl. Engel. Theologie in der Volkssprache um 1200, in: Predigt im Kontext. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Univ. Berlin vom 5. —8. Dez. 1996, hg. v. V. MERTENS u. a., im Druck; dies., Die 'Millstätter Predigtsammlung' u. die frühe dt. Predigt. Katechese in der Volkssprache um 1200, Phil. Diss. Berlin 2003.

REGINA D. SCHIEWER Predigten (frühe dt.) s. a. -» 'Basler Predigten'; ->· 'Grieshabersche Sammlung ; 'Hoffmannsche Sammlung'; Priester -» Konrad; -»· 'Kuppitsch'sche Predigtsammlung'; -> 'Leipziger Predigten'; -* 'Leysersche Predigten P; -»· 'Mitteldeutsche Predigten'; -> Oberaltaicher Predigtsammlung'; -> 'St. Pauler Predigten'; ->· 'Speculum Ecclesiae deutsch'; ->· 'Strauchs altdeutsche Predigten aus cgm 4880'; -»· 'Weingartner Predigten'; -> 'Wolfenbütteler Predigtbruchstücke IP; -*· 'Züricher Predigten'; -> 'Klosterneuburger Bußpredigten' [NB], Preuß, Niclas -» Döbringer, Hanko [NB] 'Preußisches Recht' (dt.) Im Preußenland geltendes Recht für die pomesanische und prußische Bevölkerung, deren Gerichtsherr der jeweilige Landesherr (Hochmeister des Deutschen Ordens bzw. in den bischöflichen Territorien der jeweilige Bischof) war.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Ehem. Elbing, StB, cod. Q 84, S. 100-120 (Anf. 15. Jh.; Sigle nach MATUSZEWSKI: N; OPPITZ, Nr. 485; verschollen; eine Abschrift des 19. Jh.s findet sich in Danzig (Gdansk), Archiwum Panstwowe, Arch. m. Elblaga - ohne Signatur, vgl. MATUSZEWSKI, 1963, S. 9); Königsberg, SB u. ÜB, WB 83.2°, 159r-164r (v.J. 1433; W; OPPITZ, Nr. 793; vgl. PÄSLER, 2000, S. 190193; verschollen). Jüngere Hss., insb. des 16. Jh.s, sind OPPITZ, Nrn. 105 (B); 369 (Hl); 384 (H2); 790 (R); 791 (O); 808 (S); 813 (T). Nicht bei OPPITZ: Gotha, Forschungs- u. LB, cod. Chart. A 817, 277r-284r (G); Hamburg. SB u. ÜB, cod. jur. 2443, S. 159-169 (Z); Wilna, Bibl. der Litauischen Akademie d. Wiss.n, Fond 15 Nr. 49, 114r-123r (olim Königsberg, Staatsarchiv, Msc. B 42 2°; Y) sowie in Wilna, ebd., die Abschrift einer unbekannten Vorlage des 16. Jh.s (P). A u s g a b e n . P. LABAND, Jura Prutenorum saeculo XIV condita nunc primum e libris manuscriptis, Königsberg 1866 (nach S unter Hinzuziehung von H, O, R, W); W. PIERSON, Aus einem Kollektaneenbuche Kaspar Hennebergers, Zs. f. Preußische Gesch. u. Landesk. 11 (1874) 28-32 u. 357364 (Abdruck von G); B. T. FlamyTO, 633 TloMesancKaa FIpaBAa' (W. T. PASCHUTO, Pomesanien. 'Das Pomesanische Recht'), Moskau 1955, S. 114-160 (nach S, W, R, O, H; auf der Grundlage von LABAND) und S. 162-178 (nach P); ders., OöpasoeaHHe AHTOBCKOIO Focy^apCTBa (Die Entstehung des litauischen Staates), Moskau 1959, S. 512-525 (Abdruck von Y); J. MATUSZEWSKI, lura prutenorum, Torun 1963 (zit.; bezieht die Gesamtüberl. ein und benutzt N nach der Abschrift im Danziger Archiv).

Das in md. Schreibsprache aufgezeichnete 'P. R.' geht nach Angabe der späten Hs. S (LABAND, Ausg., S. 6 u. 7) auf eine 1340 angefertigte Vorlage zurück und stellte 'ein besonderes pomesanisches Recht' (WENSKUS, S. 397; vgl. auch ebd. S. 256 f.) dar, das später über seinen Ursprungsort hinaus allgemeinere Geltung erhielt und als 'P. R.' bezeichnet wurde (ebd.). Eine eigene Aufzeichnung in prußischer Sprache läßt sich nicht nachweisen. Die älteste Hs., N, die auch das -> 'Lübische' [NB] und das ->· 'Polnische Recht' [NB] enthält, stammt sehr wahrscheinlich aus Deutschordens besitz (VOLCKMANN, S. 4; MATUSZEWSKI/ MATUSZEWSKI, S. 29; PÄSLER, 2003, S. 235—238); als Zielgruppe kommen weniger die Pomesanen und Prußen als vielmehr jene Deutschen in Frage, die mit die-

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'Privatbesitz im Ordensleben' - Prudentius

sem Recht umgehen mußten. Wahrscheinlich ist eine Entstehung durch einen Angehörigen oder Beauftragten des Deutschen Ordens. Behandelt werden vor allem Strafund Erbrecht, aber auch Sachen- und Güterrecht sowie Prozeßrecht (Übersicht bei LABAND, S. 5). MATUSZEWSKI, 1963, S. 15 f., unterscheidet einen systematischen (W, R, O, HU-2, P) und einen unsystematischen Überlieferungszweig (N, S, G, Y). Während die meisten systematischen Hss. bei einem Umfang von 102 Artikeln stehen bleiben, zeigt die unsystematische Fassung eine kontinuierliche Weiterentwicklung von 86 (Hs. N) auf 111 und dann 127 Art. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt im 16. Jh.; daß der Text zu jener Zeit juristisch (noch) relevant war, zeigt die nach 1539 erfolgte Ergänzung um die Art. 112— 127.

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von Gmünd u. Straßburg, 1982, Bd. 3, S. 12671284. Vgl. ebd. Bd. 2, S. 934 ff.).

Privatgebetbücher (dt., nach 1400) [Bd. 7, Sp. 853 ergänze Verweise:] s. auch Bruder -» Berthold ('Zeitglöcklein'); Stephan -* Fridolin ('Schatzbehalter'); -» 'Herzmahner' [Bd. 4 u. NB] -»· 'Hortulus animae' [Bd. 4 u. NB]; -> 'Medinger Gebetbücher' [Bd. 6 u. NB]; -» 'Salus animae'; -> Thomas Hemerken von Kempen (Orationes et meditationes de vita Christi', dt.) [Bd. 9 u. NB]; -> Waidmann, Johannes; u. a. 'Pro nessia' / 'Contra vermes' [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 853: Vgl. auch -»· Wurmbeschwörungen [NB].

'Processus Sathanae' (dt.) -» Alt, Georg (II.3.) [NB]

L i t e r a t u r . Vgl. Ausg.n; E. VOLCKMANN, Das 'Proverbia Salomonis' [Nachtr.] älteste geschriebene polnische Rechtsdenkmal, Elbing 1869; F. GAUSE, Organisation u. Kompetenz Bd. 7, Sp. 874 ergänze: Zu einer Übersetzung der Landgerichte des Ordenslandes Preußen, Altdes 15. Jh.s vgl. -» Johannes von Speyer (Melk, preuß. Monatsschrift 59 (1922) 115-156; PAStiftsbibl., cod. 570, 193ra-210vb). SCHUTO, 1959 (s. Ausg.n), S. 508-511; J. MATUVgl. auch -»· Salomonische Schriften (dt.) [NB]. SZEWSKI, Les manuscrits du coutumier Pruthene, in: Etudes d'histoire du droit prive offertes ä Pierre Petot, Paris 1959, S. 407-412; R. WENSKUS, AusPrudentius (Aurelius Prudentius Clemens) gewählte Aufsätze zum frühen u. preußischen MA. A. Leben und Werk. Fg. zu seinem 70. Geb., hg. v. H. PATZE, 1986; Reg.; OPPITZ, Rechtsbücher I u. II, 1990; Rep. P., geb. 348 in Spanien, vermutlich in fönt. VI, 1990, S. 479 f.; JOSEF MATUSZEWSKI / JACalahorra, gest. nach 405, bedeutendster CEK MATUSZEWSKI (Hgg.), Das älteste polnische christlicher Dichter der lat. Spätantike. Gewohnheitsrechtsbuch / Najstarzy Zwod Prawa Sein Lebenslauf ist fast nur aus der autoPolskiego, Lodz 1995; R. G. PÄSLER, Katalog d. mal. dt.-sprachigen Hss. der ehem. SB u. ÜB Köbiographischen Praefatio der 404/405 von nigsberg, 2000; ders., Deutschsprachige Sachlit. im ihm abgeschlossenen Ausgabe seiner nach Preußenland bis 1500. Unters, zu ihrer Überl., 392 verfaßten Dichtungen bekannt. Dem2003. nach war er Anwalt, zweimal Statthalter

RALF G. PÄSLER

'De principe mundi' bergensis [NB]

Anonymus Bam-

Trivatbesitz im Ordensleben' [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 846 zu II.: Der in der Überl. zumeist Heinrich von Langenstein zugeschriebene lat. Traktat 'De proprietate1 wurde von HEIMPEL für Job -» Vener (II.3; s. dort mit weiterer lat. Überl.) in Anspruch genommen (u. d. T. 'Compendium de vicio proprietatis'; hg. v. H. HEIMPEL, Die Vener

einer spanischen Provinz, danach in einem hohen Amt in unmittelbarer Nähe Kaiser Theodosius' I. In fortgeschrittenem Alter gab er seine Karriere auf, um sich allein der christlichen Dichtung zu widmen. Der literarische Charakter von P.' Dichtungen ist grundlegend durch ihre christlichen 'Transformationen klassischer Gattungen' (W. LUDWIG) bestimmt. Das CEuvre umfaßt in der Reihenfolge von P.' eigener Ausgabe: 1. 'Cathemerinon' ('Tageslieder'), 6 Hymnen in lyrischen Stro-

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Prudentius

phen für die Tagzeiten in der Art eines Stundenbuchs und weitere 6 für bestimmte Tage und Anlässe im Jahreslauf; 2. 'Apotheosis' (1084 Hexameter), Lehrgedicht, das gegen die Häresien die orthodoxe Trinitätslehre und Christologie darlegt; 3. 'Hamartigenia' (967 Hexam.), Lehrgedicht über den Ursprung der Sünde, gegen abweichende Auffassungen Priszillians und Markions; 4. Tsychomachia' ('Kampf um die Seele'), allegorisches Epos (Praefatio, 915 Hexam.), das in sechs Paaren den Kampf der christlichen Tugenden gegen die entsprechenden heidnischen Laster und in einem siebten den Sieg der Eintracht über die Zwietracht (Häresie) darstellt, schließend mit dem Bau des Tempels der Sapientia durch Fides; 5. zwei Bücher 'Contra Symmachum' (657 u. 1132 Hexam., jedes mit einer Praefatio), deren erstes mit dem römischen Polytheismus und deren zweites mit der Verteidigung der alten Kulte durch den Senator Symmachus abrechnet; 6. 'Peristephanon', 14 umfangreiche (bis zu 1140 vv.) Hymni in lyrischen Strophen auf christliche Märtyrer. Nicht in P.' Ausgabe erschienen die 'Tituli historiarum' ('Dittochaeon'): 48 (49) vierzeilige Epigramme zu je 24 Personen oder Szenen aus dem AT und NT, als Inschriften zu Wandmalereien einer Basilika dienlich. A u s g a b e n . J. BERGMAN (Corpus SS eccl. lat. 61), 1926; M. P. CUNNINGHAM, Aurelii Prudentii Clementis carmina (CC Ser. Lat. 126), Turnhout 1966.

B. Mal. R e z e p t i o n . I. P. galt im MA als der christliche Dichter schlechthin. Er war entsprechend verbreitet, war viel gelesen und hatte auch seinen Ort in der Schule. Über 320 Hss. sind erhalten. Die Tsychomachia' hatte in den mal. Literaturen traditionsbildende (-> Eupolemius, 'Rosenroman', -»· 'Minneburg' u. a.), in Einzelmotiven eine kaum ermeßbare Wirkung. Sie gehörte auch zu den bevorzugten Sujets der Buchillustration. II. Deutsche Rezeption. Die intensive, vor allem auch schulmäßige P.lektüre schlug sich im MA in einer

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breiten Glossierung des Autors nieder. Neben die das ganze MA hindurch übliche und weit überwiegende lat. Glossierung traten seit dem 9. Jh. auch dt. Glossen. P. ist unter den antiken und christlich-spätantiken Autoren der am stärksten deutsch glossierte überhaupt. Dagegen scheinen seine Dichtungen nicht übersetzt worden zu sein, ausgenommen einige Hymnen im 15. Jh. und 1497 die 'Tituli historiarum'. Die Beschreibung des Tempelbaus im Schlußteil der Tsychomachia' (v. 827— 887) gehört zu den Quellen des -»· 'Himmlischen Jerusalem'. 1. Ahd. und äs. Glossen. Ü b e r l i e f e r u n g . Nachgewiesen sind 57 Überlieferungsträger des 9. bis 13. Jh.s mit ahd. oder äs. Glossen. 2 heute getrennt aufbewahrte Fragmente (Bergmann/Stricker, Katalog [s. Lit., i. F. BStK.] 36 und 822) gehörten ehemals einer St. Galler Hs., 2 heute zusammengebundene Fragmente [BStK. 821 (I) und (II)] ursprünglich verschiedenen Codices an. Von den 57 Überlieferungsträgern enthalten 45 einen glossierten Werktext, 6 einen glossierten Werktext und ein Textglossar sowie 6 ausschließlich ein Textglossar. Reine Werktexthss. sind: BStK. 8c, 36, 65, 81, 82, 102, 105, 106, 126, 128, 129, 150, 162, 186, 187, 188, 270b, 324b, 340, 344, 348, 363, 388, 402, 453, 462, 563, 579, 658, 701, 723, 770, 771, 821 [I], 822, 824, 834, 835, 874, 881, 896, 901, 960, 1008, 1014. Den Werktext und ein Textglossar tradieren die Hss. BStK. 108, 263, 389, 713, 785, 976. Reine Textglossarhss, sind die Hss. BStK. 151, 221, 324, 813, 821 [II], 877. Die Hss. BStK. 107 (36 Glossen; LANGBROEK, 1995, S. 94-108) und BStK. 620 (5 Glossen) enthalten Glossen zu P.kommentaren. Die Hs. BStK. 7 weist 3 Glossen auf, die eventuell mit P. in Verbindung stehen, ebenso die Hs. BStK. 667, die marginal am oberen Rand l Glosse enthält.

a. Entstehung und Ausbreitung. Die ersten Glossierungen galten noch nicht dem P.text, sondern einem lat. Kommentar, der u. d. T. Glosa super libros Prudentii in zahlreichen Hss. den Werken des P. angehängt oder eingeschoben ist. Die Scholien der Glosa sind auch den entsprechenden Stellen des P.textes über- und beigeschrieben. Außerdem weist die Glosa eine Reihe dt. Glossen auf, die in nahezu allen glossierten P.hss. wiederkehren. Der Kommentar findet sich mit einer Anzahl

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dt. Glossen bereits im 9. Jh. in Weißenburg so zwischen frk. und äs. Hss. (KLEIN, (BStK. 976); zur selben Zeit dürfte er auch S. 20-158; ROLLING, 1983, S. 55-66; ins Bair. gelangt sein, wo er im 11. Jh. mit LANGBROEK, S. 191-228). nahezu identischem Glossenbestand beDer Archetyp *x der dt. P.glossen ist zeugt ist (BStK. 389 aus Salzburg). Eine wahrscheinlich während der Abtschaft -*· Gruppe von 20—30 Glossen kehrt in kaum Walahfrid Strabos (838-849) auf der Reiveränderter Form in allen glossierten Hss. chenau oder in St. Gallen entstanden (dazu des Kommentars wieder und bildet, an den s. u. die f-Kennzeichnung). Wenn auch die entsprechenden Stellen in den P.text über- Reichenau der Ursprungsort der P.glossen nommen, den Grundstock der ahd. Glos- gewesen sein mag, so ist die weitere Pflege sierung (so in den Hss. BStK. 65, 107, 186, und Verbreitung in St. Gallen geleistet 187, 188, 263, 340, 348, 389, 579, 658, worden. Dort bilden die P.glossen in der 771, 785, 976). Da der gemeinsame Glos- zweiten Hälfte des 9. und im 10. Jh. einen senbestand der Gesamtüberlieferung aber Schwerpunkt der glossographischen Tätigdeutlich über den der Glosa hinausgeht, keit. scheint sich unabhängig davon eine erweiZeitliche Streuung der Überlieferung: terte Fassung entwickelt zu haben. Erst Die Hss. stammen aus dem 9. bis 13. Jh.; von dieser Stufe aus leitet sich die Haupt- der Schwerpunkt liegt auf dem 9. bis masse der ahd. P.glossen her. 11. Jh. (49 von 57 Überlieferungsträgern). Ausgangspunkt der dt. Textglossierung b. Umfang der Glossierung. von P. war der alem. Raum, wohin nicht Die 57 dt. glossierten P.hss. enthalten nur die frühesten erhaltenen Hss. [St. Gallen: BStK. 36/822, 821 (I), 188, 186, 835, zusammen über 12 000 dt. Glosseneintra187; Vorlage von 976; Reichenau: BStK. gungen; die Zahl der dt. Glossen variiert zwischen l und 2500. Die reichhaltigste 65], sondern auch zahlreiche stehengeblieP.glossierung weist der aus Augsburg bene alem. Dialektformen in Hss. anderer Provenienz (BStK. 126, 340, 348, 579, 771, stammende Parisinus Nouv. acq. lat. 241 960) weisen. Vom Alem. aus schritt die (BStK. 771) mit seiner Regensburger Abschrift, dem clm 14395 (BStK. 579 [dazu Glossierung gen Norden ins Moselfrk. BERG, 1889; MEINEKE, 1997; beide (BStK. 81 aus Trier; BStK. 881 aus Echter11. Jh.]), auf. Beide Hss. tradieren zusamnach), in der 1. Hälfte des 10. Jh.s rheinabwärts bis an den nördlichsten Endpunkt men gut 4 100 dt. Glossen. In den Textim äs. Kloster Werden (BStK. 106: KLEIN, glossaren sind nicht ganz l 000 dt. Glossen enthalten. Die dt. Glossierung erstreckt 1977, S. 154-158); die ältesten Werdener sich über das ganze Werk. Am stärksten P.glossen geben noch ihre alem. Vorlage zu sind das 'Cathemerinon' und die 'Psychoerkennen. Gegen Ende des 10. Jh.s wird in machia' glossiert. Werden eine alem.-frk. Mischglossierung teils im originalen Lautstand abgeschriec. Mundart der Glossen. ben, teils ins As. transponiert und durch Dialektgeographisch zeigt sich bei den zahlreiche genuin äs. Glossen ergänzt. Glossen ein Schwerpunkt im Alem. (BStK. Diese äs. Hs. (BStK. 105: STÜHRENBERG, 36, 65, 108, 126, 128, 129, 162, 186, 187, 1974) enthält nun wie viele frk. Hss. eine 188, 221, 713, 822, 835, 874). Halb so große Zahl an Glossen, die auf der Strecke viele Glossen sind bair. (BStK. 8 c, 263, vom Alem. zum As. isoliert stehen, aber in 340 [einzelne alem.; dazu KÖLLING], 388, bair. Hss. des 11. Jh.s wiederkehren. Da 389, 453, 658). Mehrere Glossen weisen die bair. Hss. oft alem. Lautung zeigen, ist Mischungen obd. Merkmale auf (BStK. auch hier altes alem. Gut bewahrt. Insge- 324b, 579, 771, 785, 813, 901, 1014). samt gibt es eine frk.-äs. und eine bair. 4 Hss. haben äs. Glossen (BStK. 82, 105, Gruppe, die je alem. Wurzeln haben. Die 106, 150). Ein weiterer Schwerpunkt wird Wege sind allerdings nicht geradlinig in im Frk. sichtbar (BStK. 105, 221, 324 b, nur einer Richtung verlaufen; es zeigen 344, 877), wobei in mehreren Hss. neben sich auch wechselseitige Beeinflussungen, dem frk. Dialekt noch eine obd. (BStK. 81,

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881) oder alem. Vorlage (BStK. 348, 960) erkennbar ist (dazu BERGMANN, 21977, S. 135 f., 156f., 208-210,318). Auch Dialektmischungen zwischen dem Obd. und Frk. und/oder dem As. begegnen (BStK. 151, 324, 402, 770, 1008). d. Eintragungsweise, Glossierungsverfahren, Übersetzungstechnik. Die dt. Glossen sind mehrheitlich interlinear, zuweilen marginal eingetragen. In der Regel handelt es sich um Einzelwörter, allerdings kommen auch Syntagmen vor. Der clm 14395 (BStK. 579) weist einen relativ hohen Anteil an Syntagmen auf ( NEKE, S. 54-91). Mehrere Hss. haben Eintragungen in der sog. ^/^-Geheimschrift. Das gilt für BStK. 65 (Mehrzahl der 172 Glossen in Geheimschrift; dazu BERG), 82, 129, 348, 579, 658 und 344. In einigen Glossen hat sich der Zusatz f (= francice) erhalten, so in BStK. 263, 348, 389, 771, 785. Die /"-Glossen sind auch für den Archetyp der P.glossen (*x) anzunehmen. Da die glossographische Übung der f-Kennzeichnung wohl von der Reichenau stammt, möglicherweise initiiert durch Walahfrid Strabo, und von dort auf St. Gallen übergegangen ist, werden die /"-Glossen als Indiz für eine Entstehung der ahd. P.glossen nach 838 auf der Reichenau oder etwas später in St. Gallen gewertet (KLEIN, S. 37-43). Für die P.glossen bislang noch nicht oder nicht hinreichend untersucht sind Fragen der Formenkongruenz zwischen lat. Bezugswort und dt. Interpretament (zu syntaktischen Übersetzungsproblemen, besonders beim finiten Verb, BIENER, 1940, S. 308—334), Fragen zu Kontext- oder Vokabelübersetzung, zu Besonderheiten des Wortschatzes (Glossierung traditionellen Wortgutes oder [autoren] spezifisch verwendeter Lexeme; Auftreten von Hapaxlegomena; Mehrfachbelegung von Wörtern) oder zum Auftreten von Fehlglossierungen. Da P. zum Lektürekanon der frühmal. Schule gehörte, ist die dt. Glossierung vor allem in den Zusammenhang des Grammatikunterrichts zu stellen (für die Hs. BStK. 340: KÖLLING, S. 235). Ausgaben. Ahd. Gll. II, S. 382-596 (Nr. DCCLXXX-DCCCXX); S. 776 (Nr. DCCCXXb

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Nachtr.); IV, S. 344-346 (Nr. DCCXCIV, DCCXCIX" Nachtr., DCCXCIXb Nachtr., DCCCXI, DCCCXXC Nachtr., DCCCXXd Nach«.); V, S. 32 (Nr. DCCLXXX, DCCCXI}. H. HOFFMANN, Beitr. zum mhd. Wörterbuche, in: M. HAUPT/ H. HOFFMANN, Altdt. Bll. 2 (1840) 195-200, hier S. 196f. (BStK. 8c); H. GALLEE, As. Sprachdenkmäler, Leiden 1894, S. 320-323 (BStK. 82), S. 132-149 (BStK. 105), S. 329 (BStK. 106); E. WADSTEIN, Kleinere äs. Sprachdenkmäler mit anmerkungen u. glossar (Nd. Denkm. 6), 1899, S. 89-104 (BStK. 105), S. 105 (BStK. 106); P. KATARA (s. u. Lit.), 1912, S. 81-224 (BStK. 877); W. SCHULZE, Zu den altir. Glossen, Zs. f. celtische Phil. 17 (1928) 102-106, S. 103 (BStK. 188); LEHMANN, Mitt. II (BStK. 723); H. MERITT, Old High German Scratched Glosses, American Journal of Philology 55 (1934) 233 f. (BStK. 723); K.J. HEINISCH, P.-Hss. aus Freiburg, ZfdA 72 (1935) 207 f. (BStK. 162); A. WILMART, Codices Reginenses Latini, II. Codices 251-500, Rom 1945, S. 631 (BStK. 824); T. STARCK, 1948, S. 301-317, hier S. 304-308, 314 f. (BStK. 713); H. THOMA, Altdeutsches aus Londoner Hss., PBB 73 (1951) 197271, S. 205 (BStK. 388), S. 201 f. (BStK. 389), S. 202-204 (BStK. 402); ders., Altdeutsches aus Vatikan, u. Münchener Hss., PBB 85 (Halle 1963) 220-247, hier S. 232 f. (BStK. 36), S. 242 (BStK. 824), S. 229-232 (BStK. 834), S. 238 (BStK. 835); W. KLEIBER, Otfrid von Weißenburg. Unters, zur hs.liehen Überl. u. Stud, zum Aufbau d. Evangelienbuches (Bibliotheca Germanica 14), 1971, S. 150 Anm. (BStK. 976); TH. STÜHRENBERG (s. u. Lit.), 1974, S. 40-72 (BStK. 105); H. MAYER, Ahd. Glossen: Nachträge. Old High German Glosses: A Supplement, Toronto-Buffalo [1975], S. 42 (BStK. 344), S. 45 (BStK. 363); B. HERTENSTEIN, Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger. Melchior Goldast. Die Beschäftigung mit dem Ahd. von St. Gallen in Humanismus u. Frühbarock (Das Ahd. von St. Gallen. Texte u. Unters, zur sprach!. Überl. St. Gallens vom 8. bis zum 12. Jh. 3), 1975, S. 152 Anm. 101 (BStK. 36); U. BLECH, German. Glossenstud. zu Hss. aus frz. Bibliotheken (Monographien zur Sprachwissenschaft 4), 1977, S. 400-411 (BStK. 770); TH. KLEIN, 1977 (s. u. Lit.), S. 79 (BStK. 344); R. REICHE, Krit. Nachträge zu den ahd. Glossen, in: G. KEIL (Hg.), Fachprosa-Stud., 1982, S. 479-496, S. 483 Anm. 17 (BStK. 8c); K. SIEWERT, Korrektur zu Göttweig StiftsB. 34/44, in: R. SCHÜTZEICHEL, Addenda u. Corrigenda zu Steinmeyers Glossenslg., NGG Philol.-Hist. Kl. 1982. Nr. 6 (1982) S. 17f. (BStK. 263); B. KÖLLING (s. u. Lit.), 1983, S. 69-142 (BStK. 340); H. TIEFENBACH, Nachträge zu äs. Glossen aus dem Damenstift Essen, in: R. SCHÜTZEICHEL, Addenda u. Corrigenda (II) zur ahd. Glossenslg. (Stud. z. Ahd. 5), 1985, S. 113-

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121, hier S. 116 (BStK. 106); H. TIEFENBACH, in: ebd., S. 122 (BStK. 263); K. SIEWERT, Zu neuentdeckten Glossenhss. u. zu neuentdeckten Glossen, in: ebd., S. 77-112, hier S. 87f. (BStK. 324b), S. 110 (BStK. 960). 2. A l t e n g l i s c h e Glossen. Ae. Glossen begegnen in mindestens 6 P.-Hss., wobei die Glossen zur 'Psychomachia' voranstehen, so in: Cambridge, Corpus Christi College, MS. 223 (9./10. Jh., Saint-Bertin in Saint-Omer); ebd., MS. 23 (Ende 10. Jh., unbek. engl. Zentrum); London, British Library, Cotton Cleopatra MS. C. viii (10./11. Jh., Canterbury); Oxford, Bodl.Libr., MS. Auct. F. 3. 6 (Anf. 11. Jh., Exeter); München, clm 29031 b (Anf. 11. Jh., Fragment unbek. Herkunft); Cambridge, ÜB, Gg. 5. 35 (Mitte 11. Jh.). Die Anzahl der Glossen variiert zwischen 2 (Cambridge, ÜB, Gg. 5. 35) und 58 (in der Londoner Hs.). Einige Lemmata sind in mehreren Hss. glossiert.

3. Ü b e r s e t z u n g e n . a. H y m n e n . Die Hymnen von P.' 'Cathemerinon', deren lat. Überlieferung und Rezeption noch nicht annähernd überschaut werden, erscheinen in mal. Hymnaren und Brevieren regelmäßig nur in stark gekürzten Auszügen. Von daher sind auch die dt. Übertragungen einzelner Hymnen, die, soweit bekannt, um 1400 einsetzen, aber spärlich blieben, stets nur Teilübertragungen. Vorzug genoß anscheinend, wie auch in der lat. Rezeption (vgl. den Kommentar des Anton -> Liber), der in der Osterliturgie verwendete Hymnus Inventor rutili. Der -» Mönch von Salzburg (Ausg. SPECHTLER, G 26) übersetzte 9 seiner 41 Strophen; eine andere Auswahl bietet z. B. die 'Auslegung der Hymnen' zusammen mit einem kurzen Kommentar (vgl. -* Hymnare und Hymnenerklärungen in dt. Sprache I.I., hier nach der dort nicht genannten Hs. München, cgm 3898, 19rb-20rb). Eine Übersetzung des 15. Jh.s von Strophen aus dem Weihnachtshymnus Corde natus ex parentis bei WACKERNAGEL, KL, Bd. 2, Nr. 761. b. 'Tituli historiarum'. Im Text der 'Tituli historiarum' der Hs. Q 76, 92r-103r, der Herzogin Anna Amalia Bibl. zu Weimar ist jedes der 48 Tetrasticha mit einer dt. Übersetzung in 2 bis 5 Reimpaaren versehen. Die auf 1497 datier-

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bare Übersetzung dürfte dem damaligen Leipziger Übersetzungszentrum zuzuordnen sein. Die dt. Reimpaarübersetzung weist verschiedene divergierende dialektale Merkmale auf, so daß möglicherweise von einem überregional kompilierenden Übersetzer und Versifikator auszugehen ist. Die starke Annäherung der Vokale a und o, ä und o in ihrer Lautqualität könnte auf eine primär bair. Schreibsprache deuten, die md. und ostmd. Einflüsse aufgenommen hat. L i t e r a t u r . Zu A.: R. HERZOG, Die allegor. Dichtkunst des P., 1966; W. LUDWIG, Die christl. Dichtung des P. u. d. Transformation d. klass. Gattungen, in: Christianisme et formes litteraires de l'antiquite tardive en Occident (Entretiens sur l'antiquite classique 23), Genf 1977, S. 303-372; M. VON ALBRECHT, Gesch. d. röm. Lit., Bd. 2, 21994, S. 1076-1086 (mit Bibliogr.). Zu B.I.: M. SCHANZ, Gesch. d. röm. Lit., Bd. 4,1, 21914, S. 255-258; A. KATZENELLENBOGEN, Die Psychomachie in d. Kunst d. MAs, 1933; ders., Allegories of the Virtues and Vices in Medieval Art, London 1939; M. LAVARENNE (Hg.), Prudence, Bd. 3, Paris 1948, S. 25-45; H. SILVESTRE, Apercu sur les commentaires carolingiens de Prudence, Sacris erudiri 9 (1957) 50-74; H. R. JAUSS, Form u. Auffassung d. Allegorie in d. Tradition d. 'Psychomachia', in: Medium Aevum. Fs. f. W. Bulst, 1960, S. 179-206; G. GLAUCHE, Schullektüre im MA (Münchener Beitr. zur Mediävistik u. Renaissance-Forschung 5), 1970, Reg.; G. R. WIELAND, The Latin Glosses on Arator and P. in Cambridge Univ. Libr. MS Gg. 5.35, Toronto 1983. Zu . . .: BStK. = R. Bergmann/ St. Stricker, Katalog der ahd. u. äs. Glossenhss. [in Vorbereitung]. - E. STEINMEYER, Glossen zu P., ZfdA 16 (1873) 1-110; J. BERG, Die Ahd. P.glossen der Codd. Paris. (Nouv. acq. 241) u. Monac. 14395 u. 475, Diss. Halle 1889; R. STETTINER, Die illustrierten P.hss., Diss. Straßburg 1895; P. KATARA, Die Glossen d. Cod. Seminarii Trevirensis R. III. 13. Textausg. mit Einl. u. Wörterverzeichnissen, Helsingfors 1912; H. WOODRUFF, The Illustrated Mss. of P., Art Studies 7 (1929) 33-79; M. MANITIUS, Kleine Mitt. zu den P.glossen, Hist. Vjs. 28 (1933/34) 142-152; K. J. HEINISCH, P.glossen aus Freising, ZfdA 72 (1935) 207-208; C. BIENER, Syntaktische Beobachtungen an d. ahd. P.glossen, PBB 64 (1940) 308-334; T. STARCK, Unpublished Old High German Glosses to Boethius and P., in: U. T. HOLMES / A. L. DENOMY (Hgg.), Mediaeval Studies in Honor of J. D. M. Ford, Cambridge

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'Prüler Steinbuch' — Prunner, Erhard

(Mass.) 1948, S. 301-317; G. WOLF, Der Sprachstand d. ahd. Glossen d. Codex 81 d. Kölner Erzdiöz.bibl., 1970; TH. STÜHRENBERG, Die ahd. P.glossen d. Hs. Düsseldorf F l (Rhein. Archiv 91), 1974; H. LAUFFER, Der Lehnwortschatz d. ahd. u. äs. P.glossen (Münchner German. Beitr. 8), 1976; R. BERGMANN, Mfrk. Glossen, Stud, zu ihrer Ermittlung u. Sprachgeograph. Einordnung (Rhein. Archiv 61), 21977; TH. KLEIN, Stud, zur Wechselbeziehung zwischen äs. u. ahd. Schreibwesen u. ihrer sprach- u. kulturgeschichtl. Bedeutung (GAG 205), 1977; B. KÖLLING, Kiel ÜB. Cod. MS K. B. 145. Stud, zu d. ahd. Glossen (Stud. z. Ahd. 1), 1983; G. R. WIELAND, The Latin Glosses on Arator and P. in Cambridge Univ. Libr. MS Gg. 5.35 (Studies and Texts 61), Toronto 1983; H. HOFFMANN, Buchkunst u. Königtum im otton. u. frühsal. Reich (Schriften der MGH 30), 1986, Textbd. S. 330 (BStK. 388), 395 (BStK. 821), 402 (BStK. 713); Tafelbd. T. 71 (BStK. 324), 158 (BStK. 388), 199 (BStK. 402), 264 (BStK. 658), 308 (BStK. 881); E. LANGBROEK, Zwischen den Zeilen. Unters, zu d. lat. Kommentaren u. d. dt. Glossen d. Edinburgher Hs. Adv. Ms. 18.5.10, Akad. Proefschrift, Amsterdam 1995; B. MEINEKE, Syntaktische u. semantische Aspekte ahd. P.glossen, in: Y. DESPORTES (Hg.), Semantik d. syntaktischen Beziehungen. Akten d. Pariser Kolloquiums zur Erforschung d. Ahd. 1994, 1997, S. 54-91; C. WICH-REIF, Stud. zur Textglossarüberlieferung. Mit Unters, zu d. Hss. St. Gallen, Stiftsbibl. 292 u. Karlsruhe, Bad. LB, St. Peter perg. 87 (Germanist. Bibl. 8), 2001, S. 331 f. Zu B.H.2.: A. S. NAPIER, Old English Glosses Chiefly Unpublished (Anecdota Oxoniensia, Medieval and Modern Ser. 11), Oxford 1900, S. 211212, 214, 215 f.; H. D. MERITT, Old English Glosses (A Collection) (The Modern Language Association of America, General Ser. 16), New York — London 1945, S. 27-29; R.I. PAGE, More Old English Scratched Glosses, Anglia 97 (1979) 2745, S. 32—43; G. R. WIELAND, The Anglo-Saxon mss. of P.'s Psychomachia, Anglo-Saxon England 16 (1987) 213-231,5.228. Zu . .3.: F. PENSEL, Die 'Tituli Historiarum' des P. in einer dt. Reimpaarübersetzung, ZfdA 126 (1997) 64-85.

STEFANIE STRICKER 'Prüler Steinbuch' [Korr.] Bd. 7, Sp. 875, Z. 12 von unten: "Ex 17-21" korr.: Ex 28, 17-21.

'Prüler Wurmsegen' -» Wurmsegen [NB]

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Prunner, Erhard (Eberhard; von Indersdorf) 1495 erschien bei Nik. Keßler in Basel das Predigthandbuch Sermones breues: sed perutiles (Amici dicte) Diuersis ex doctoribus; eorumque dictis: sparsim hincinde collecte (GW 1616 unter dem inkorrekten Lemma 'Amici'). Dem Druck gingen zahlreiche Hss. des stets anonym überlieferten 'Amicus' (auch: 'Amicus anime') voraus. Eine von ihnen, München clm 7517, l ra — 61ra, enthält indes auf dem vorderen Spiegel den Eintrag: hte liber qui intytulatur Amicus anime est Beate Marie in Vndensdarff quem venerabilis pater ac dominus Erhardus venerabilis prepositus huius monasterij compilauit Sub anno christi 1412. Aufgrund dieser Angabe von Autor und Abfassungsdatum - im Kolophon Bl. 58va lautet es 1410 und Bl. 61ra 1411 - wurde der 'Amicus' 1967 von KNAUS Erhard Prunner (dem Halbbruder des -> Johannes von Indersdorf) zugewiesen, der 1412— 1442 Propst in Indersdorf war. Allerdings hatte SCHNEYER bereits 1958 als den Autor des 'Amicus' im clm 7517 'Eberhard, praepositus Undensdorffensis' genannt; deutlicher gab er 1978 mit KNAUS 'Eberhardus Prunner de Indersdorf' an. Doch der Eintrag im clm 7517 trügt. H. SPILLING stellte 1978 fest, daß die Überlieferung des 'Amicus' im Augsburger 2° Cod 31, 66ra157vb, bereits der Mitte des 14. Jh.s angehört, und es lassen sich weitere Hss. nennen, deren Alter die Autorschaft P.s für den 'Amicus' ausschließt. Aus dem schriftlichen Nachlaß P.s sind zwei Briefe (clm 7841, 38r-40r; clm 21660, 278r) erhalten. Der 'Amicus' aber hat bis auf weiteres als anonym zu gelten. Zu unterschiedlicher Zuweisung vgl. auch Johannes -> Himmel ( .2.). Der 'Amicus' ist eine zweiteilige Anleitung zur Abfassung von Predigten. Der erste Teil (ine. Amicus. Nota quod homo habet triplicem amicum) besteht aus 81 (82) predigtmäßig ausgeführten distinctiones von gut 40 alphabetisch gereihten Lemmata (Amicus, Ascendere, Beatus, Confortat usf.); von etlichen Lemmata liegen mehrere distinctiones vor. Der zweite Teil

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1282

Psalmenübersetzungen — Pulkava, Pribik, von Radenin

enthält themata (Bibelworte) aus der Liturgie der Sonn- und Festtage nach der Ordnung des Kirchenjahrs; die themata sind jeweils einer divisio unterzogen, aus der sich Stichwörter ergeben, an die eine passende distinctio des ersten Teils angeschlossen werden kann. Zwischen den beiden Teilen besteht somit ein operativer Zusammenhang: Die distinctiones des ersten Teils enthalten ausgeführtes Predigtmaterial, das aber nur nach Maßgabe der themata und ihrer divisiones des zweiten Teils verwendbar wird. Die Streuung der Überlieferung weist auf süddt. Herkunft des 'Amicus'.

Psalterparaphrase, gereimt (obd. Fragm.) ->· 'Johannes Baptista' [Nachtr. im NB] Pseudo- [...] s. unter dem jeweiligen Hauptteil des Namens Puchhauser, Berthold, von OESA entfällt

Regensburg

Vgl. A. B. EMDEN, A Biographical Register of the University of Oxford to A. D. 1500, vol. Ill, Oxford 1959, s.v. Regensburg, S. 1563f.; A. ZUMKELLER, in: Diet. Spir. XII, 1986, Sp. 2606 f.

'Puer natus in Bethlehem' [Korr.]

Ü b e r l i e f e r u n g . Mindestens 21 Hss. Die nächst dem Augsburger 2° Cod 31 ältesten: Prag, Archiv Prazskeho Hradu (Metropol. bibl.), cod. D. CXXXIII, 4v-77r, 14. Jh.; Hamburg, SB u. ÜB, cod. Petri 30b, 202r-219v, 14. Jh. unvollst. Die Hss. variieren besonders stark im themata-Teü. Mehrmals enthalten sie nur die distinctiones.

Bd. 7, Sp. 904 Überl.: "Ceske Budejovice, Statni vedeckä knihovna (ehem. Hohenfurt), 1 VB 28" korr.: Die Hs. befindet sich wieder in Hohenfurt (Vyssi Brod), Stiftsbibl., unter der Sign. cod. 28.

L i t e r a t u r . J.B. SCHNEYER, Beobachtungen zu lat. Sermoneshss. der SB München, MSB 1958/8, S. 51 u. 121; H. KNAUS, Amicus, Beiträge zur Inkunabelkunde 3. Folge (1967) 184-186; H. SPILLING, Die Hss. d. SB u. StB Augsburg, Bd. 2, 1978, S. 55 f.; J. B. SCHNEYER, Winke für die Sichtung u. Zuordnung spätmal, lat. Predigtenreihen, Scriptorium 32 (1978) 231-258, hier S. 235. F. J. WORSTBROCK

Bd. 7, Sp. 907 zu 7.: "Wien, ..., Schottenabtei, cod. 174" korr.: ..., cod. 72 (Kat. Nr. 174).

Puff, Michael, aus Schrick [Korr.]

Pulkava, Pribik, von Radenin (unrichtige Schreibungen auch von Tradenin, Stradenin).

I. Leben. P., möglicherweise kleinadliger Abstammung, war Doktor artium der Prager Psalmenübersetzungen (spätmal., dt. u. Univ., 1373 — 1378 Lehrer und Rektor der ndl.) [Korr.] Schule zu St. Ägidius in Prag-Altstadt. 1378 erhielt er als Pfründe die Pfarre in Bd. 7, Sp. 886, petit-Absatz oben: "Trier, StB, Chudenice (Westböhmen), hatte selber Ms. 51", korr.: Trier, Bistumsarchiv (mit Domwohl keine Priesterweihe und ließ sich bibl.), Abt. 95 Nr. 51. dort vertreten. Zwischen 18.9.1378 und Sp. 887 zu III., Mitte: "Olomouc (Olmütz), Stätni Vedecka Knihovna, cod. 2. V. 10", korr.: ..., 24. 9.1380 ist er gestorben. M 123 1 (olimZ. V. 10). Sp. 888 zu IV.: Vgl. auch -+ Österreichischer Bibelübersetzer [NB], II.A.2. Ebd. zu V. "Hs. Hohenfurt 27 (heute Ceske Budejovice ...)" korr.: Die Hs. ist heute wieder in Hohenfurt (Vyssi Brod), Zisterzienserkloster. Sp. 892, 2. Absatz: "Leiden, ÜB, cod. 46 B" korr.: ..., cod. BPL 46 B. Sp. 895 zu Nr. XVI: Zu Walthers 23. Psalter vgl. auch unter -> Hymnare, II. und -> Brevier [NB], II.b.12.: Brevier des Erasmus Werbener. Sp. 897, Z. 1: "Lübeck, StB, Ms. 35" korr.: ...; Ms. theol. germ 35. Ebd., zu XXIII: "... Lübecker Psalter (StB, Ms. 36)" korr.: ..., Ms. theol. germ. 36.

II. Werk. Im Auftrag Kaiser -» Karls IV. schrieb P. 1374 eine umfangreiche lat. Chronik von Böhmen (ohne einen festen Titel), die als offizielle Darstellung der Geschichte des böhmischen Staates konzipiert war. Karl IV. (in manchen Hss. als Autor bezeichnet) übte auf die Konzeption der Chronik maßgeblichen Einfluß aus, stellte P. historische Quellen zur Verfügung (u. a. Urkunden aus dem böhmischen Kronarchiv, von denen einige in die Chronik inseriert sind). P. nahm auch Karls Legende über den böhmi-

1283

Pulkava, Pribilc, von Radenin

sehen Landespatron -*· Wenzel auf. Er benutzte fast alle älteren böhmischen Chroniken, u. a. die von -> Cosmas von Prag, ->· Dalimil und ->· Peter von Zittau [NB]. Die Chronik, die mit dem Auszug der Slawen beim Bau des Turms von Babel anfängt, sollte wohl zumindest bis zum Beginn der Regierung Karls IV. reichen, führt jedoch nur bis zum Tode von dessen Mutter Elisabeth (1330); einige Fassungen enden schon mit dem Beginn der 20er Jahre des 14. Jh.s. Sie stellt die böhmische Geschichte als Geschichte der Herrscher des Landes dar. Der historische Wert ist unterschiedlich, eher niedrig, es kommen jedoch auch glaubwürdige, sonst nicht belegte Nachrichten vor. Das literarische Niveau ist mittelmäßig. P.s Chronik liegt in mehreren Fassungen vor. Zur Zeit werden 6 Rezensionen unterschieden (BLÄHOVA, 1987, S. 577-578, mit Aufzählung der Hss.). Nachdem Karl IV. 1373 die Mark Brandenburg erworben hatte und sie zum dauerhaften Bestandteil des böhmischen Staates machen wollte, wurden in einer Fassung Exzerpte aus einer (sonst nicht erhaltenen) lat. Chronik Brandenburgs als Marginalien hinzugefügt, in der nächsten Fassung schon in den Text aufgenommen, jedoch nur mechanisch, chronologisch, ohne eine Verbindung mit den böhmischen Ereignissen. Eine der Fassungen ist die beträchtliche Erweiterung der Chronik durch Nikolaus ->· Glasberger aus den 80er oder 90er Jahren des 15. Jh.s. Kulturhistorisch ist die umfassende Darstellung der böhmischen Sagen zu Beginn der Chronik von Interesse und Nachwirkung. Eine tschechische Übersetzung stammt wahrscheinlich von P. selbst. Sie ist in 16 Hss. des 14.-18. Jh.s (BLÄHOVA, 1987, S. 578-579) erhalten. A u s g a b e n . Lat. Text: J. B. MENCKEN, Scriptores rerum Germanicarum 3, Leipzig 1730, S. 1618-1766; J. P. LUDEWIG, Reliquiae manuscriptorum 11, Frankfurt-Leipzig 1737, S. 128 — 383; G. DOBNER, Monumenta historica Bohemiae 3, Prag 1774, S. 63 — 290; J. EMLER in: Fontes rerum bohemicarum 5, Prag 1893, S. 3 — 207 (maßgebliche Ausgabe, alle Fassungen); A. F. RIEDEL, Bruchstücke einer Brandenburgischen Chronik in

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Pulcawa's Böhmischer Chronik, in: Codex diplomaticus Brandenburgensis IV,1, Berlin 1862, S. l — 22. Alttschech. Fassung: F. F. PROCHÄZKA, Kronyka Ceskä öd Pribika Pulkavy z Tradenina, Prag 1786 (Tschechische Chronik von P. P. von T; sprachlich modernisiert); J. GEBAUER in: Fontes rerum bohemicarum 5, Prag 1893, S. 211-326.

III. R e z e p t i o n . P.s Werk ist die am stärksten verbreitete böhmische Chronik. Sie hat die tschechische Historiographie des 15. und 16. Jh.s in bedeutendem Maße beeinflußt. In der lat. Gestalt wurde sie auch außerhalb Böhmens viel gelesen. Aeneas Silvius -> Piccolomini hat für seine 'Historia Bohemica' viele Passagen stellenweise wörtlich übernommen. Durch sein Werk wurde sowohl die Kenntnis der böhmischen Geschichte als auch der Sagen (insbesondere der über die Fürstin Libuse und der über den Mädchenkrieg) in europäischen Literaturen bekannt und literarisch bearbeitet. Die Hs. München, clm 476, in der sich u. a. P.s Chronik und Piccolominis 'Historia Bohemica' befinden, war im Besitz von Hartmann -* Schedel. Die P.-Chronik wurde in mehreren schlesischen und polnischen Geschichtswerken benutzt, auch im bedeutendsten Werk, der 'Historia Polonica' des Jan Dlugosz (1455-1480 verfaßt). IV. D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . Im 15. Jh. entstanden zwei anonyme, voneinander unabhängige dt. Übertragungen. Die eine stammt höchstwahrscheinlich aus Nordbayern, möglicherweise aus dem sog. Neuböhmen. Sie bricht bei den Ereignissen des Jahres 1310 ab. Hss.: München, cgm 1112, 53r-169v (spätes 15. Jh.): Cronicka des kunigrichs tzu Behemen; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 90 Aug. 2°, 35r-46v (um 1520 geschrieben, reicht nur bis 949). Die andere Übersetzung, wohl im damals zu Böhmen gehörenden Schlesien entstanden, befand sich in der Hs. R 304, 160r-259r, der Breslauer StB (geschrieben 1465); sie ist im 2. Weltkrieg verbrannt. A u s g a b e . A. BLASCHKA, Die St. Wenzelslegende Kaiser Karls IV., Prag 1934, S. 64-80 (Parallelabdruck der Legende aus beiden Übersetzun-

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Püterich, Jakob, von Reichertshausen — 'Quid suum virtutis'

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gen); sonst nur kleine Textproben bei PALACKY (1829, 1869) und EMLER (1878, 1893).

Ü b e r l i e f e r u n g . Zu den bislang 17 nachgewiesenen Hss. (PARAVICINI, s. Ausg., S. 15 —18), die mehrere Bearbeitungsstufen dokumentieren, kommt L i t e r a t u r . F. PALACKY, Würdigung der alten eine Kurzfassung: Erfurt, ÜB, Dep. Erf. CA 8° 8, böhmischen Geschichtsschreiber, Prag 1829; ders., 126V—127r (LENDINARA). Sie gehören sämtlich dem O Pfibiku Pulkawowi z Radenina a jeho kronice 12. und beginnenden 13. Jh. an und stammen, mit Ceske [Über P. P. von R. und seine Böhmische Ausnahme von fünf Hss. aus dem belgisch-frz. Chronik], in: SB der kgl. böhmischen Ges. der Raum, aus Süddeutschland. Hinsichtlich des ÜberWissenschaften in Prag, Jg. 1869, Prag 1869, lieferungstyps (Glossierung, Kommentierung) und S. 39—50; J. EMLER, O rukopise knihovny mestske der Mitüberlieferung handelt es sich in den meisten ve Vratislavi, kde jest preklad nemecky kroniky Fällen um Schulhss. (PARAVICINI, s. Ausg., S. 10 — Pulkavovy [a] zivota Karla IV. [Über die Hs. der 12; die Signatur der Hs. Mo lautet richtig: clm Breslauer Bibl., in der sich die dt. Übers, der P.29910(1 [ehem. 29112d]; die Hs. Berlin, ehem. Chronik u. des Lebens Karls IV. befindet], SB der Preuß. SB, Ms. lat. qu. 915 [aus Lambach, 12. Jh.] kgl. böhmischen Ges. der Wissenschaften in Prag, befindet sich unter dieser Signatur in der Biblioteca Jg. 1877, Prag 1878, S. 359-367; F. TADRA, 'Zaltar Jagiellonska, Krakow). Podebradsky' a 'kronika ceska', rukopisy byvale knihovny Olesnicke ['Das Podebrader Psalterium' A u s g a b e n . PL 171, Sp. 1402-1406 (nur v. 1und die 'tschechische Chronik', die Hss. der ehe200; unter den Gedichten Hildeberts von Lavarmaligen Bibl. von Oels], in: Vestnik Kralovske din); A. PARAVICINI, Q. s. v. Eine Lehrdichtung des ceske spolecnosti nauk, trida filos.-hist.-filoloXI. Jh.s (Editiones Heidelbergenses 21), 1980 (zit.; gickä, Jg. 1886, Prag 1887, S. 142-157; J. MÜLdort weitere ältere Ausg.n genannt). LER, O rukopisich kroniky Prib'ika z Radenina, pfijDer Verfasser ist unbekannt. Die Zumim Pulkavy, zvläste pak o rukopisu krakovskem [Über die Hss. der Chronik des P. v. R., mit Zunaschreibung an Thierry von Saint-Trond men Pulkava, bes. über die Krakauer Hs.], Prag (PREAUX, S. 354) ist ungesichert und aufge1887; J. EMLER, in: Fontes rerum bohemicarum 5, geben. Die frühen Zuweisungen sind unPrag 1893, S. III-XX; M. BLÄHOVÄ, Kroniky doby einheitlich: so in Hs. P: Versus CynomaKarla IV. [Chroniken der Zeit Karls IV.; auch neunensis episcopi de nummo, was auf Hildetschechische Übertragung], Prag 1987; V. , bert von Lavardin (um 1056—1133) hinWolfenbüttelsky fragment nemeckeho prekladu deutet. Als Werk eines nicht näher bekannPulkavovy kroniky [Das Wolfenbütteler Fragment der dt. Übersetzung von P.s Chronik], Listy filoloten Mamucius (Nebenform zu Mahumet) gicke 113, Prag 1990, S. 24-31; N. KERSKEN, Ge- erscheint 'Q. s. v.' in Hs. L. Einen Kalschichtsschreibung im Europa der 'nationes' phurnius als Autor nennt ->· Hugo von (Münster, hist. Forschg.n 8), 1995, S. 598-603 Trimberg (s. u.; 'Registrum', v. 466). u. o.

Der Werktitel ist ungewöhnlich, wird aber durch die Überlieferung nahezu ausnahmslos bestätigt, ebenso durch das ZeugPüterich, Jakob, von Reichertshausen nis Hugos von Trimberg. Die Nähe zu den [Nachtr.] moralisch-satirischen Dichtungen der Zeit und ihrer topischen Thematik, dem Verfall Bd. 7, Sp. 920 Überl.: "Malibu, The J. P. Gettyder Tugenden und dem Überhandnehmen Museum, Ms. Ludwig XV 10" korr.: Die Hs. ist der Laster, bestätigt ein in Hs. M vorgejetzt in München, als cgm 9220. Vgl. das Faks., hg. v. d. Bayer. SB, Jakob Püterich von Reichertsschalteter Eintrag (clm 28547, 170r): Über hausen. Der Ehrenbrief. Cgm 9220, 1999 (mit e. iste intitulatur Quid suum virtutis, Satirici Einf. v. K. GRUBMÜLLER u. e. Beschreibung der dicuntur a copia fandi quia de moribus et Hs. v. U. MONTAG). similibus rebus loquuntur, vt Persius, Horatius, worauf dann die auch in La und S überlieferten Verse über das Anliegen des (anonymen) Autors folgen: Versibus his 'Quid suum virtutis' ('De nummo') quidam virtutibus esse ruinam l Et vires 'Was das Wesen der Tugend sei'. Lat. viciis satirizat crescere cunctis. Der Titel Schuldichtung (rd. 600, z. T. gereimte ele- 'De nummo' (Hs. P) bezieht sich nur auf gische Distichen) des beginnenden 11. Jh.s einen Teilaspekt des Werks, die Satire auf zur Moraldidaxe und Naturkunde. das Geld. VACLAV BOK

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'Quid suum virtutis'

Die Datierung von 'Q. s. v.' in das 11. Jh. kann sich auf die Zitierung bei Thierry von Saint-Trond sowie in der ->· 'Ecbasis cuiusdam captivi' stützen (PARAVICINI, S. 8), die Entstehung läßt sich nur unsicher im belgisch-frz.-dt. Grenzraum vermuten, die weitere Wirkung im (süd-)deutschen Sprachraum bezeugt die Überlieferung. Eröffnet wird 'Q. s. v.' durch eine Klage über den Verfall der Tugenden virtus, pietas, fides (v. 1—66); nun herrschen die Hauptlaster avaritia (v. 67—200) und invidia/lwor (v. 201-498). Neid (v. 239-268) wird als Urgrund des Übels ausgemacht, schlimmer als das Gift von Schlangen (inserierter Schlangenkatalog v. 269 — 330). In die Geschichte von Orpheus ist der Hauptteil des Werks eingebettet (v. 499-1024); er hat mit seiner Stimme die gesamte Natur bezwungen, was einen umfangreichen Abschnitt zur Naturkunde begründet (v. 499—748). In knapper Aufzählung werden Bäume und andere Pflanzen (v. 507— 540) genannt, Vögel (v. 541-624) und Insekten (v. 625—632), die wilden (v. 633 — 666) und die Haustiere (v. 667—676) sowie Fische und weitere Wasserbewohner (v. 677—724), schließlich die Sonnenrosse (v. 725-748). Weitere Beispiele belegen die Macht der Musik, vielfach in Bezug auf 'De musica' des -> Boethius. Umfangreiche Ermahnungen an den Leser, nicht vom steinigen Weg der Tugend zu weichen, beschließen das Werk (v. 1025-1190). Reich sind die Bezüge zur literarischen Tradition; sie kennzeichnen das Bildungsprofil des Verfassers wie auch der angezielten Benutzer des Werks. Eine Satire auf das Geld (nummus), v. 105 — 200, wie sie in der satirischen Dichtung des 12. Jh.s reich belegt ist (-»· 'Carmina Burana', CB 11 mit breiter Überl.; auch -» Freidank 147,1 ff.), durchgängig gereihte Exempla aus der My-

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thologie und zahlreiche Reminiszenzen an die römischen Klassiker (kaum an die Bibel oder mal. Autoren) geben dem Text seine spezifische Literarizität. Es sind vor allem reiche Anspielungen auf Horaz und Juvenal als Satiriker sowie auf -» Vergil, ->· Ovid und Lucan, in geringerem Maße auch Statius, als Epiker. Für die Ausführungen zur Natur sind die 'Etymologiae' -> Isidors von Sevilla [NB] als Grundlage erkennbar. Ästhetische Qualitäten strebt das Werk nicht an. Vielmehr bieten die zahlreichen mythologischen Beispielfiguren wie auch die Tier- und Pflanzennamen durchgängig die Möglichkeit zur belehrenden Verknüpfung mit den einschlägigen Wissensfeldern. Die Wirkung des Werks im SpätMA ist nicht erforscht, dürfte aber eher geringfügig sein. Hugo von Trimberg empfiehlt es im 'Registrum' (v. 462—466) neben -»· Theodolus und dem Satiriker -» Amarcius als Schullektüre. Das Interesse des -» Nikolaus von Kues an 'Q. s. v.' bezeugt die in seinem Besitz befindliche und von ihm annotierte Hs. Brüssel, Bibl. Royale, Cod. 10615-10729 (12. Jh., aus St. Eucharius/ Trier). L i t e r a t u r . MANITIUS, LG III, S. 859f.; WALTHER, Initia 4293; J. G. PREAUX, Thierry de SaintTrond, auteur du poeme pseudo-ovidien 'De mirabilibus mundi', Latomus 6 (1947) 353-366; P. LEHMANN, Eine SIg. mlat. Gedichte aus dem 12. Jh. (1935), in: LEHMANN, Erf. 4, 1961, S. 283316, hier S. 301 f.; P. DRONKE, The Return of Eurydice, Classica et mediaevalia 23 (1962) 198-215; iM. BLOOMFIELD, Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices, 1100-1500 A. D., Cambridge, Mass. 1979, Nr. 1531; PARAVICINI (s. Ausg.), S. 523; N. HENKEL, Dt. Übers.n lat. Schultexte (MTU 90), 1988, S. 59; P. LENDINARA, Una nuova versione del 'Q. s. v.', Schede medievali. Rassegna deH'Officina di studi medievali 14/15 (1988) 1528; TH. RICKLIN, Orphee et les animaux de l'antiquite tardive au XIIe siecle, Mikrologus 8 (2000) 47-64.

NIKOLAUS HENKEL

R Raber, Vigil [Nachtr./Korr.] Bd. 7, Sp. 945 f. zu C. I. 2., u. Sp. 948 zu C. I. 15.: Vgl. auch -> filii ecclesiae' / 'Homo, tristis esto' [NB], II. (vgl. ebd. weitere Ausg.n!). Sp. 956, petit-Absatz: "Wappenbuch der St. Christophs-Bruderschaft ... Weimar, Staatsarch." korr.: ..., Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., cod. Fol. 220.

Bl. 162"-165r. Vgl. R. D. u. H.-J. SCHIEWER, Amorbacher Hss. in Moskau, in: Fata libellorum. Fs. Fj. Pensel (GAG 648), 1999, S. 239-261, hier S. 249-252. Ebd. zu 14.: "Utrecht, ÜB, Ms. var. arg. 414" korr.: ... Ms. 1355 16° (olim var. arg. 414). Sp. 1011, zu 2.: "Wien, cod. 2605 (A 187)" korr.: ..., cod. 2705, 148ra~rb (MENHARDT, Hss. I, S. 185, Text Nr. 187; vgl. auch -> 'Wiener Kleinepikhs. cod. 2705').

Rafold, Heinrich [Korr.] Bd. 7, Sp. 975 Überl.: "Torun (Thorn) ... (früher: Königsberg, ÜB, Ms. 970 b" korr.: Die ehem. Königsberger Sign, lautete 907 b; R. PÄSLER, Katalog der mal. dt.sprachigen Hss. der ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 106-108.

Raimund von Capua [Korr./Nachtr.] Bd. 7, Sp. 984 unten, Überl.: "Paris, Bibl. Nat., Suppl. franc. 396" korr.: ...ms. allem. 34 (Suppl. franc,. 396); vgl. G. HUET, Catalogue des manuscrits allemands de la Bibl. nat., Paris 1895, S. 32. Sp. 985 ergänze: Zwei weitere nd. Fassungen der Legende der hl. Katharina von Siena verzeichnet W. WILLIAMS-KRAPP, Kultpflege u. lit. Überl. Zur dt. Hagiographie der Dominikaner im 14. u. 15. Jh., in: Ist mir getroumet nun leben? Vom Träumen u. vom Anderssein, Fs. K.-E. Geith (GAG 632), 1998, S. 147-173, hier S. 164f. (Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 4° 20, Mitte 15. Jh., 45r-62r; ebd., Ms. theol. germ. 8° 66, Mitte 15. Jh., 88r).

'De ratione dicendi' -> 'Rhetorica ad Herennium' [NB] 'Das Rätselspiel' [Bd. 7, Sp. 1046 korr. Verweis] -> 'Der Freihart' (KELLER, Fsp. 63) [NB] 'Die Rebhühner' ->· 'Die Ermordung eines Juden und die Rebhühner' [NB] 'Rechtsbuch der Stadt Herford' -» 'Herforder Stadtrechtsbuch' [NB] 'Reformatio Friderici' [Nachtr.]

'Rat der Vögel' [Korr.]

Bd. 7, Sp. 1070, 1. Absatz Schluß: "die sog. falsche 'RF', die im frühen 16. Jh. entstand" ergänze: Es handelt sich um den Druck Teütscher Nation nodturfft: Die Ordnung und Reformation aller Stendt im Römischen Reych durch Keyser Fridrich den driten, [Bamberg 1523] (VD 16, D 799); Zwikkau [1523] (VD 16, D 800) u. ö. Autor ist möglicherweise der Reichsherold Georg Rüxner (s. -*· 'Turnierchronik' [NB]). Vgl. K. ARNOLD, Reichsherold u. Reichsreform. Georg Rixner u. die sog. 'Reformation Kaiser Friedrichs III., in: Hist. Verein Bamberg. 120. Bericht: Fs. Gerd Zimmermann (1984) 91-109.

Bd. 7, Sp. 1010 zu 9.: "ehemals Amorbacher Hs., später 'Moskau, Reichsarchiv'" korr.: Die Hs. ist heute in Moskau, Rossiskij archiv drevnich aktov, Fond 181 Nr. 1357, der 'Rat der Vögel'

'Regel des Heilig-Geist-Spitals zu Eichstätt' -> 'Eichstätter Konventsregel des H.-G.Sp.s' [NB]

Ramung, Matthias entfällt (kein Autor; zu einem tiermed. Rezept unter seinem Namen vgl. Eis, StN 43 [1971] 408 f.).

1291

Burggraf von Regensburg — Reicher, Leonhard

Burggraf von Regensburg [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 1087 ff. ergänze: In der -> 'Budapester Liederhandschrift' [NB] erscheint das Strophencorpus des Burggrafen von -» Riedenburg unter der Überschrift Der Burggraue von Regenspurch.

'Regensburger Liebesbrief [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 1095 zu Überl. ergänze: Eine zweite Hs., auf der die von ROTH gedruckte Abschrift Hundeshagens beruht haben muß, ist verschollen; dies ist aufgrund der Abweichungen dieses Textes von cgm 189 zu erschließen. Ebd. zu Ausgaben ergänze: H. MASCHEK, Lyrik des späten MAs, 1939, S. 122-124. - Hinweise N. Henkel.

'Regimen de epidemia' (dt.) Hemerden [NB]

Peter van

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Grad des Magisters ab. Am 19. Juli 1515 ließ er sich als Magister Leonhardus Reicher clericus Augustensis diocesis erneut in Ingolstadt einschreiben. Vermutlich begann er damals mit dem Studium des kanonischen Rechts; einen weiteren akademischen Grad erwarb er jedoch nicht. Sein juristischer Lehrer war der angesehene Hieronymus von Croaria, der 1497 bis zum Juni 1516 in Ingolstadt das Erste kanonistische Ordinariat versah. Die Beziehungen R.s zu Croaria waren so eng, daß dieser 1516/17, nun als Rat der Fürsten von Pfalz-Neuburg, R. für eine ErasmusÜbersetzung gewinnen konnte. Beruflich war R. als Pfarrer in Mündung (b. Donauwörth) und Lauterbach tätig. Er starb am 5. Nov. 1518.

2. R. übersetzte Isokrates' 'De regno administrando ad Nicoclem' in der lat. 'Regimen sanitatis Salernitanum' [Nachtr.] Version des Erasmus von Rotterdam und Bd. 7, Sp. 1108 zu c., Überl., nach "KURZE" füge Erasmus' eigene 'Institutio principis Chriein: und ein zusätzliches Frgm. (16. Jh.) bei PFAFF. stiani'. Die beiden Fürstenspiegel standen Ebd. zu Ausg. ergänze: Abdruck eines Fragbereits in der Vorlage, der Editio prinments (6 lat.-dt. Strr.) bei F. PFAFF, Gesundheitsreceps von Erasmus' 'Institutio' (Basel, geln, Alem. 19 (1892) 168 f. April/Mai 1516), zusammen. So erscheinen sie in R.s Übersetzung auch mit gemeinsamer Vorrede an die Pfalzgrafen OttRegiomontanus, Johannes [Korr.] heinrich (»1502) und Philipp (*1503). R. Bd. 7, Sp. 1130 zu 11., Überl.: "Nürnberg, StB, wollte die vom fürstlichen Rat Croaria cod. Cent. app. 56c" korr.: ..., Cent. V, App. 56c. veranlaßten Übersetzungen, wie er in der Vorrede erklärt, nicht allein den jungen Regula, Lichtenthaler Schreibmeisterin Pfalzgrafen zugedacht wissen, sondern ausdrücklich nicht minder dem Hof, ja al[Korr./Nachtr.] len im Dienste einer Herrschaft — nicht Bd. 7, Sp. 1133 zu 3.: "L 79" korr.: L 82. Regula also allein der pfalzgräflichen - beratend ist wohl nicht die Übersetzerin; vgl. -> 'Zehntautätigen Personen, soweit sie des Lateins send Märtyrer', 1. nicht gehörig mächtig seien. Ebd. zu B. 'Leben Jesu' korr.: Die VerfasserDie sprachlich anspruchslose Übersetschaft an der Übersetzung wurde R. abgesprochen zung hält sich durchweg eng an ihre Vorladurch K.-E. GEITH. Lat. u. dt.sprachige Lebengen, erstrebt dabei einfache VerständlichJesu-Texte, Jb. d. Oswald-v.-Wolkenstein-Ges. 12 (2000) 273-289, hier S. 284ff. (S. 282 f. weitere keit. R. selber gibt der sprachlichen Ebene Hss.); R. ist demnach nur für deren sprachlich-stiseiner Übersetzung in der Vorrede eine — listische Überarbeitung verantwortlich. ungeachtet üblicher Bescheidenheitsgeste — zutreffende Bestimmung: Als die dem zier'Regula solitariorum' -»· Grimlaicus [NB] lichen Latein angemessene deutsche Norm erkennt er die kanzleisprachliche (rechte Cantzleyische art], gesteht aber, in dieser Reicher, Leonhard (Lienhart) hoflichen zierlichen teutsch nicht bewan1. R. aus Donauwörth immatrikulierte dert zu sein. sich am 14. Jan. 1501 in Ingolstadt für das R.s Übersetzung könnte noch an die Studium der Artes. Er schloß es mit dem Heidelberger Übersetzungstradition (Jo-

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Reicher, Peter, von Pirchenwart — 'Reimpaargedichte der Gothaer Handschrift ...'

Kann -»· Gottfried, Adam ->· Wernher, Johann Reuchlin) angeknüpft haben, die er aber nicht genauer kennt. Näher liegt als inspirierendes Beispiel die Plinius-Übersetzung -» Dietrichs von Pleningen [NB]; sie erfüllte ebenfalls die Aufgabe eines Fürstenspiegels und war im Druck verbreitet; überdies waren Pleningen und Croaria — dieser bis 1516 — lange Jahre gemeinsam Räte der bayerischen Herzöge Wilhelm und Albrecht. R. überschreitet freilich das nahezu ganz auf die Antike fixierte Programm der Heidelberger und Pleningens. Seine Übersetzung von Erasmus' 'Institutio' ist nicht allein die erste - ihr folgten, beide 1521, die Georg Spalatins und die Felix Juds -, mit ihr begann überhaupt die deutsche Erasmus-Übersetzung. Weder die Übersetzungen noch ihre gemeinsame Widmungsvorrede sind datiert. Ihr Terminus post quem (Erscheinungsdatum der Vorlage) und ihr Terminus ante quem (R.s früher Tod) lassen jedoch wenig mehr als zwei Jahre Spielraum. Da R. nach eigenem Bekunden des längeren mit der Übernahme des Auftrags gezögert hat, läßt sich 1517 als Entstehungsjahr anvisieren.

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Reicholf, Oswald [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 1138 f. ergänze: O. R. war 1438-54 mehrfach Ratsherr, Stadtrichter und Bürgermeister der Stadt Wien. 1454 wurde er durch König Ladislaus Posthumus zum Ritter geschlagen. Nach Ladislaus' Tod war er in die Streitigkeiten um die Stadtherrschaft über Wien verwickelt und wurde als Anhänger Kaiser Friedrichs III. am 15. April 1463 durch Enthauptung hingerichtet; die Vorgänge werden u. a. auch von Michel -> Beheim berichtet ('Buch von den Wienern', Ausg. KARAJAN, 1843, vgl. Reg. unter Reiholff). Vgl. P. CSENDES, Geschichte Wiens, 1981, S. 53; R. PERGER, Die Wiener Ratsbürger 1396-1526, Wien 1988, vgl. Reg. Nr. 399 (S. 233) (mit weiterer Lit.).

'Reimbibel' s. auch -> 'Historien der alden e'; ->· Könemann von Jerxheim; -* 'Meininger R.' [Bd. 6 u. NB]; -> Jacob van Maerlant [NB]; -»· 'St. Pauler R.' [NB]; vgl. auch ->· Petrus Comestor (C.2.) [NB]; -» Weltchroniken (gereimte) [Verweisstichwort; NB] 'Reimpaargedichte der Gothaer Handschrift Chart. B 53'

Die Hs. Gotha, Forschungsbibl., Chart. B 53 (elsässisch, um 1430-40; -» Freidank, Hs. B; -> Winsbecke, ->· Winsbeckin, Hs. g) überliefert 6 anonyme didaktische Reimpaargedichte unterschiedlichen UmA b d r u c k der Widmungsvorrede bei D'AsciA, fangs, die sonst offenbar nicht bezeugt S. 4 f. (fehlerhaft). sind. Ungedruckt. L i t e r a t u r . J. N. MEDERER, Annales IngolstaDen Reden fehlen aktuelle Bezüge, die diensis Academiae I, Ingolstadt 1782, S. 107 f.; O. es ermöglichen, ihre Entstehung zeitlich HERDING, Die dt. Gestalt der Institutio Principis oder räumlich genauer zu bestimmen. Christiani des Erasmus, in: J. FLECKENSTEIN / K. Reimgebrauch und Wortschatz deuten auf SCHMID (Hgg.), Adel u. Kirche. Fs. G. Tellenbach, alemannischen Ursprung. Die einzige Äu1968, S. 534-551, hier S. 535 Anm. 2 a; L. o'AsCTA, Die erste Übersetzung der 'Institutio Principis ßerung von Autorbewußtsein findet sich Christiani': Ein Beitrag zum 'Erasmus Deutsch', gegen Ende des letzten Texts: dise mere het Wotfenbütteler Renaissance-Mitt. 14 (1990) 1-14. ein ende I vnser berre got der sende l gut F. J. WORSTBROCK heil dem dihtere (160r). Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 125, zeitgenöss. Abschrift: lr-2v Widmungsvorrede, 3 -1 Übers, des Isokrates-Erasmus, 12r-104v Übers, der 'Institutio principis Christiani'.

Reicher, Peter, von Pirchenwart P. R., nicht Thomas -* Ebendorfer [Bd. 2 u. NB] ist Autor des Traktats 'De antichristo et fine mundi' v. J. 1435. Vgl. P. UIBLEIN, Thomas Ebendorfer von Haselbach (1388-1464), Perchtoldsdorf 1988, S. 37f.

RED.

In der Hs. sind thematisch, strukturell und vom Umfang her vergleichbare Texte jeweils paarweise zusammengestellt. Die Titel von l und 2 sind vom Schreiber der Hs., die Titel der folgenden Stücke wohl von jüngerer Hand eingetragen.

1. 'Fünf Fragen' (97r-108v), Inc.: Maniger sprichet zu mir das: l Nü dar, sage vns etwas. 482 vv. Didaktische Zeitklage in sieben Abschnitten: Vorrede mit fünf an

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'Reimverse der Kremser Ketzer'

den Dichter gerichteten Fragen; fünf Antworten; Schluß mit Mahnung, der Passion zu gedenken, und Anrufung Marias. Behandelt werden die Falschheit und Verderbtheit 1. der Welt (vor allem unter dem Aspekt widerrechtlichen Gewinnstrebens), 2. der minne, 3. der Herrscher und Adligen, vor allem der Ritterschaft, 4. der Geistlichkeit, 5. der Richter. Anders als im vergleichbaren -» 'Buch der Rügen' werden Bauern und niedere Stände nicht thematisiert, des öfteren ist aber die Rede von der Benachteiligung der Armen, z. B. vor Gericht. 2. Der milte vnd der karge (109r- 124V), Inc.: In einer stat eins moles waz, l also ich wart bescheiden daz. 671 vv. (Dreireim am Schluß). Streitgespräch in einem Gasthaus zwischen dem milten und dem kargen über den Vorrang von Freigebigkeit oder Geiz. Wie 'Fünf Fragen' in sieben Abschnitten: Vorrede mit Vorstellung der Kontrahenten; fünf Wechselreden; Schluß: dem milten wird der Sieg zugesprochen, Bitte um die rehte mittelmasse. — Nicht identisch mit dem Freidank-Kapitel Von den milten unde kargen (86,10—91,11), das im Freidank-Text von Chart. B 53 fehlt. Vielleicht wurde die Rede aufgrund ihres Titels ersatzweise angefügt. 3. 'Von dem alten Mann' (125r-126v), Inc.: Hie vor, do ich jung waz, I do misseuiel mir alles daz. 68 vv. Jugenderinnerung eines Greises, Klage über Alter und körperlichen Verfall (ähnlich, aber nicht identisch -»· 'Greisenklage'). 4. 'Von einer schönen Frau' (127r— 128V), Inc.: Ich wil uch sagen, ob ich kan, l ich bin ein sinneloser man. 80 vv. Minnerede, Beschreibung einer Geliebten a capite ad calcem; v. 79 f.: Das ist der minner claff, l der daz nit globt, der ist ein äff. Der Text weist Anklänge und z. T. wörtliche Übereinstimmungen mit dem topischen Schönheitspreis im ersten Teil der Minnerede 'Der -> Minne Klaffer' auf. 5. 'Warnung vor Trunksucht' (157r— 158V), Inc.: Wiltu sin ein gut man / vnd die worheit erkant han. 72 vv. 6. 'Vom maßvollen Leben' (159r-160v), Inc.: Wer noch eren welle streben, l der sol noch sinem gelte leben. 64 vv. Aufruf zum

maßvollen Leben und Warnung Minne, Wein und Gefräßigkeit.

vor

L i t e r a t u r . F. JACOBS/ F. A. UKERT, Beiträge zur altern Litteratur oder Merkwürdigkeiten der Herzogl. Öffentl. Bibl. zu Gotha, Bd. 2, Leipzig 1836, S. 318-322; RSM, Bd. l, S. 167f. (zur Hs.).

FALK EISERMANN 'Reimverse der Kremser Ketzer' Daß Häretiker ihre Positionen auch in dt. Liedern und Gedichten vertreten und verbreitet haben, ist bereits aus dem 13. Jh. bezeugt, vgl. -» David von Augsburg, 'Tractatus de inquisitione hereticorum', ed. PREGER, S. 205; -»Berthold von Regensburg, ed. PFEIFFER/STROBL, Bd. l, S. 406. Überliefert werden solche Verse, soweit ich sehe, nur einmal im Zusammenhang mit der Inquisition, die 1312—15 in Krems und Umgebung stattfand und sich nach UBL vermutlich gegen Waldenser richtete. Mehrere lat. Inquisitionsberichte, die eng miteinander verwandt sind, aber in Wortlaut und sachlichen Einzelheiten differieren, zitieren mit nur ganz geringfügigen Varianten sechs dt. Reimpaarverse, die besagen, seit Eva habe noch nie eine Frau ohne Mann ein Kind geboren. Die Verse könnten auch ein für die Inquisitoren besonders anstößiger Auszug aus einem längeren Gedicht sein. Die Erläuterung dicentes earn [ — Mariam] fuisse angelum et incorruptam aut mulierem et penitus violatam findet sich nur in solchen Berichten, die aus der Tradition der Ketzertraktate angereichert sind. Welche genauen Vorstellungen mit der Leugnung der Jungfrauengeburt verbunden waren, ist darum unsicher. Deutsche Zitate finden sich auch sonst in den Berichten, aber nur noch eine Absolutionsformel könnte allenfalls als Reimvers aufgefaßt werden. Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e n . A. Authentischster Bericht: St. Florian, Stiftsbibl., cod. XI 328, 148v-149r; hg. v. H. PEZ, Scriptores rerum austriacarum, Bd. 2, Leipzig 1725, Sp. 533—536; NICKSON, S. 311-313; Übersetzung MALECZEK, S. 36-39. - B. Klosterneuburg, Stiftsbibl., cod. 933, 180r-181r; 'Annales Matseenses' im 'Liber traditionum' der Propstei (Kollegiatsstift) Mattsee

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Reinbot von Durne — 'Rezeptsammlung ...'

bei Salzburg; Wien, Dominikanerkonvent, cod. 188/154, 58ra-59ra; hg. nach der Klosterneuburger Hs. v. G. E. FRIESS, Österr. Vjs. f. kath. Theol. 11 (1872) 254—257; nach den 'Annales Matseenses' von W. WATTENBACH, MGH SS 9, 1851, S. 825827; nach allen drei Hss. NiCKSON, S. 304-311; hierher wohl auch Michaelbeuern, Stiftsbibl., Man. cart. 85, 125V-126V, unediert. - C. Vorau, Stiftsbibl., Hs. 73, ; hg. v. W. WATTENBACH synoptisch zu B. — D. Als fides et opinio Katharorum de incarnacione Christi werden die Verse zitiert in einem rubrikartigen Vorspann zum Traktat 'De incarnatione verbi contra Katharos' des Nikolaus -» Vischel von Heiligenkreuz, Heiligenkreuz, Stiftsbibl., cod. 84, 32vab, vgl. UBL, S. 205-210. L i t e r a t u r . M. NICKSON, The 'Pseudo-Reinerius' treatise ..., Archives d'histoire doctrinale et litteraire du Moyen Age 42 (1967) 255-314, dort S. 303—314; A. PATSCHOVSKY, Der Passauer Anonymus (Schriften der MGH 22), 1968, S. 138140; P. SEGL Ketzer in Österreich (Quellen u. Forschungen aus d. Gebiet der Gesch. NF 5), 1984, S. 284-341; W. MALECZEK, Die Ketzerverfolgung im österr. Hoch- u. SpätMA, in: E. ZÖLLNER (Hg.), Wellen der Verfolgung in der österr. Gesch., Wien 1986, S. 18-39; F. P. KNAPP, Die Lit. des SpätMAs in den Ländern Österreich ..., Bd. l, Graz 1999, S. 98 f.; K. UBL, Die österr. Ketzer aus der Sicht der zeitgenöss. Theologen, in: G. PFEIFER (Hg.), Hss., Historiographie u. Recht. Fs. W. Stelzer (MIÖG Erg.bd. 42), 2002, S. 190-224.

B. WACHINGER Reinbot von Durne [Korr.] Bd. 7, Sp. 1157 Überl.: "München, cgm 5249/15 (M u. m2)" korr.: ... (m 2 und m [nicht M!]); heutige Sign, cgm 5249/15 a + 15 b. Vgl. K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (ZfdA Beih. 1), 1996, S. 38 f.

'Reinfried von Braunschweig' [Nachtr.] Bd. 7, Sp. 1176 zu Lit. ergänze: O. NEUDECK, Continuum historiale. Zur Synthese von tradierter Geschichtsauffassung u. Gegenwartserfahrung im 'R. v. B.' (Mikrokosmos 26), 1989; W. SCHRÖDER, Zur Wolfram-Kenntnis im 'Reinfrit von Bruneswic', in: Aspekte der Germanistik, Fs. H.-F. Rosenfeld (GAG 521), 1989, S. 123-145.

Magister Reinher von Paderborn [Korr.] Bd. 7, Sp. 1170 Überl.: "Prag, SB u. ÜB, cod. 2346" korr.: ..., Närodni Knihovna (Nationalbibl.), cod. XIII F 8 (Kat. Nr. 2346).

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Reinmar der Alte [Korr.] Bd. 7, Sp. 1181 zu 2.: "-+ 'Berliner Liederhs. mgf 922', Anf. 14. Jh." korr.: ..., Anf. 15. Jh.

Reinmar von Zweter [Korr.] Bd. 7, Sp. 1201 zu 2., Überl.: "Kassel, ... 2° Ms. poet, et roman. 30[1" korr.: ..., 20 Ms. poet, et roman. 30[3 + 4; vgl. -> 'Schönrainer Hs.' [NB].

Renbold, Heinrich, der Matzensüß entfällt (kein Autor; zu einem med. Rezept unter seinem Namen vgl. Eis, StN 43 [1971] 418) 'Revaler Totentanz' [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 6 zu Lit. ergänze: H. FREYTAG, Der Lübeck-Revaler Totentanz von 1463 — spectel, 'geistliches Schauspiel' oder spegel, 'Speculum', in: Architectura poetica, Fs. J. Rathofer, 1990, S. 299-306. Vgl. auch -> 'Klever Totentanz' [NB] (weitere Lit.!).

'Rex Christe factor omnium' [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 9 unten: Zur Ausgestaltung der Matutinae tenebrarum vgl. auch -> filii ecclesiae'/ 'Homo, tristis esto' [NB]. Sp. 10, petit-Absatz: Zur 'Marienklage' O laid und klag vgl. -» laid und klag' [NB].

'Rezeptsammlung Wie man den frauwen ir czyt wider bringen solle1 Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgo 121 (2. H. 15. Jh., thüringisch), 99r-102r. Ausgabe. B.-J. KRUSE, Verborgene Heilkünste. Gesch. d. Frauenmedizin im SpätMA (Quellen u. Forschg.n z. Literatur- u. Kulturgesch. 5 [239]), 1996, S. 379-384.

Sorgfältig aufgebautes Büchlein aus 25 gynäkologischen Rezepten, die sich zu 7 + 7 + 1 1 auf drei Kapitel verteilen. Der Autor befaßt sich auf oberer Gliederungsebene mit I. Amenorrhöe, II. Hypermenorrhöe, III. Fruchtbarkeitsförderung (auch beim männlichen Partner) und ordnet auf zweiter Ebene nach der Leitdroge, nach der Applikation, nach dem Verlauf sowie nach der zitierten Autorität. Die sieben genannten Gewährsleute (von Dioskurides und Galen über Avicenna, Isaak Judäus und den exemplator [< experimenta-

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Rheinfränkischer Anonymus — 'Rhetorica ad Herennium'

tor, gemeint ist -> Thomas von Cantimpre] bis zu -> Roger Frugardi und zum Meister -» Trotula) dienen der Referenzwerbung und sind meist ohne Quellenwert. Die Anwendung gilt überwiegend dem äußeren und inneren Genitale; bevorzugt verwendet der Autor Pessare, verordnet aber auch Scheidenspülungen und -einlagen. Seine — gelegentlich chemotherapeutischen — Verfahren sind, wie er sehr wohl weiß, keineswegs immer ungefährlich, so daß er wiederholt vor ihnen auch warnt: doch sol man es [das Arzneimittel] nit lange darin [nämlich in der mutzen] laszen, wan es sehet der macht, oder wan es gar sorglich were. G. KEIL Rheinfränkischer Anonymus Der Rh. A. unternahm i. J. 1441 eine Reise ins Heilige Land, über die er einen Reisebericht in dt. Sprache verfaßte (vgl. -> Pilgerreiseberichte über Palästina, B. 3.). Der Bericht, der als Abschrift in einer wenig später entstandenen Sammelhandschrift überliefert ist, weist überwiegend mfrk. bzw. rhfrk. Sprachmerkmale auf. Der Autor wird heute der sprachlichen Heimat der Hs. zugeordnet — entgegen der von RÖHRICHT (1880) eingeführten Bezeichnung 'Anonymus aus Donaueschingen', die nur den ehemaligen Aufbewahrungsort der Hs. berücksichtigt. Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, Hs. Donaueschingen 484, l r -15 v (2. H. 15. Jh.). A u s g a b e n . RÖHRICHT/MEISNER, Pilgerreisen, 1880, S. 100f. (Auszug); U. REINEKE, Der Palästina-Pilgerbericht im Codex Donaueschingen 484: Text, Beschreibung, Interpretation. Zulassungsarbeit Würzburg 1987, S. 10-39; R. HERZ, Rh. A., 'Fahrt zum heiligen Grab' (1441 — 1442), in: ders./ D. HUSCHENBETT/ F. SZESNY (Hgg.), Fünf Palästina-Pilgerberichte aus dem 15. Jh. (Wissenslit. im MA 33), 1998, S. 150-174.

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beiden Pilgergaleeren in Akkon einzulaufen, so daß die Pilger von dort über den Landweg nach Jerusalem gelangten. Der Bericht des Rh. A. gliedert sich in ein kurzes Reiseitinerar der Hinreise, ein Stationenverzeichnis der hl. Stätten im Hl. Land und eine knappe Übersicht über die Gesamtdauer der Reise einschließlich eines Exkurses über den Besuch in der Stadt Zadar. Er bietet bemerkenswerte beschreibende Einschübe (z. B. über Rhodos und seine Hafenanlage, die Stadtansicht Jerusalems, miracula). Das Augenmerk des Autors, der wohl ein Geistlicher war, ist insbesondere auf sakrale Gegenstände gerichtet, wobei er bei einem Vergleich des Chorumgangs der Jerusalemer Grabeskirche mit einer Kirche in Gemynde (wohl Schwäbisch Gmünd) besondere Kenntnisse der Architektur aufweist. Im Texteingang empfiehlt sich der Bericht als Ablaß- und Stationenverzeichnis (vgl. Hje ist zu wisßen der ablaß vnd genad vnd die walfart des helgen landes ...), woraus die religiöse Intention der Niederschrift hervorgeht. L i t e r a t u r . K. A. BARACK, Die Hss. der Fürstl. Fürstenbergischen Hofbibl. zu Donaueschingen, 1865, S. 329 f.; RÖHRICHT, Bibl. geogr. Palaest., S. 111 Nr. 215; RÖHRICHT, Pilgerreisen, 1900, S. 116; EHRISMANN, LG II, 2, 2, 1935, S. 524; B. WALDSTEIN-WARTENBERG, Die Vasallen Christi, Kulturgesch. d. Johanniterordens im MA, Wien u. a. 1989, S. 514, 422; REINEKE (s. Ausg.), S. 19, 40-51; HERZ (s. Ausg.), S. 139-148.

RANDALL HERZ 'Der Rheinische Merlin' -» 'Merlin' und 'Lüthild' [Bd. 6 u. NB] 'Rhetorica ad Herennium'

I. Die nach herkömmlicher Meinung um 86 — 82 v. Chr., nach DOUGLAS in den 50er Jahren v. Chr. entstandene 'R.' ist neben -> Ciceros 'De inventione' (um 86 — 84) die Der Rh. A. trat die Reise am 20. Sept. erste rhetorische Lehrschrift in lat. Spra1441 von Venedig aus an und kehrte wohl che, verfaßt auf der Grundlage einer helleAnfang März 1442 dorthin zurück. Die nistischen Quelle (vielleicht auch deren lat. ungewöhnlich späte Reisezeit hat eine Par- Übersetzung) von einem nicht mehr beallele in der Ende Sept. 1436 unternomme- kannten Autor, einem vornehmen Römer, nen Reise des Nürnbergers Jörg -» Pfin- für seinen Freund C. Herennius. Die vier zing. Heftige Gegenwinde zwangen ihre Bücher umfassende systematische Einfüh-

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'Rhetorica ad Herennium'

rung stellt das Geschäft des Redners nach seinen fünf Hauptaufgaben dar: 1. inventio, Auffindung und Entwicklung des Stoffes, ausführlich für die Gerichtsrede und ihre Teile, vor allem für den Beweisgang (1,4—2,50), knapp für die politische Rede (3,1-9) und die Festrede (3,10-15), 2. dispositio, Gliederung (3,16—18), 3. actio, Technik des Vertrags (3,19—27), 4. memoria, Auswendiglernen (3,28—40), 5. elocutio, Stil (4. Buch). Der weitaus größte Anteil entfällt mit jeweils ca. 45% auf die Inventio und die Elocutio. Als Titel der 'R.' wird häufig die der Widmung an Herennius entnommene Bezeichnung de ratione dicendi gewählt.

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nenswerte Resonanz. Es wird in der bekannten Überlieferung erstmals von -» Hieronymus (Abdias-Kommentar, um 395; 'Apologia adversus Rufini libros', 402) erwähnt, hier aber bereits als eine Schrift angeblich Ciceros. In der Spätantike zitieren es, ebenfalls unter Ciceros Namen, sonst nur noch die Grammatiker Rufinus (5. Jh.) und Priscian (6. Jh.); auch der Rhetor Grillius (5. Jh.) hat die 'R.' gekannt. Bis ins 9. Jh. findet sich von ihr sonst keine weitere Spur; weder -> Isidor [NB] noch Beda und -> Alkuin hatten sie in der Hand. Die erhaltene Überlieferung setzt um/nach 830 ein (Bern, Burgerbibl., cod. 433, aus Corbie) — die 'R.' wird zu diesem Zeitpunkt auch erstmals wieder erwähnt (bei Lupus A u s g a b e n . F. MARX, Incerti auctoris de ravon Ferneres, MGH Epist. VI, S. 8: Fultione dicendi ad C. Herennium libri IV, 1894; daer Hs.); sie weist im 9. Jh. bereits fünf ders., 1923 (Editio minor); G. CALBOLI, Cornifici Rhetorica ad C. Herennium, Bologna 1969 (mit Textzeugen auf. Seit dem 11. Jh. steigt die Kommentar); G. ACHARD, Rhetorique a HerenZahl der Hss. rapide an: Die 'R.' wird nenius, Paris 1989 (mit frz. Übers.); TH. NÜSSLEIN, ben Ciceros Schrift 'De inventione', mit Rhetorica ad Herennium. Lat.-dt. (Slg. Tusculum), der sie nicht von vornherein, aber seit dem 1994 (nach ACHARD, mit abweichenden Lesarten 11. Jh. überwiegend gemeinsam überliefert nach HAFNER). ist, nun auf Jh.e zum meistgefragten Buch Die Ausgabe von F. MARX, die lange als musterihrer Gattung. Nach den Verzeichnissen gültig galt und allen neueren Ausgaben mehr oder von MUNK OLSEN und einer eigenen minder noch zugrunde liegt, ist seit K. MANITIUS Sammlung liegen vom 9. bis ins frühe (1956) durch neue Beobachtungen zur Überliefe16. Jh. mehr als 520 hs.liehe Textzeugen rung und revidierende Hss.Studien nach und nach in ihren textgeschichtlichen Prämissen fragwürdig der 'R.' vor. Ihre Zahl kulminiert im geworden. Zusammenfassung der Kritik und neuer, 12. Jh. in Frankreich, geht seit dem 13. aber betont vorläufiger Entwurf der Textgeaber deutlich zurück. Ihr erneutes mächtischichte bei HAFNER (vgl. die Rez. von G. CALges Ansteigen im späten 14. und im 15. Jh. BOLI, Gnomon 68 [1996] 211-218, u. ders., Zur fand weit vorwiegend auf italienischem Textüberl. d. Rhet. ad Her., Papers on Rhetoric 1 Boden statt und ist hier einem bereits früh[1993] 1-18). Seither sind profunde weitere Überhumanistischen Interesse zuzuordnen. lieferungsstudien (M. SPALLONE, R. TAYLOR) in Das Paar 'De inv.' und 'R.' wurde seit Gang gekommen, die das Bild jedesmal veränderdem frühen 12. Jh. als Ciceros Rhetorica ten. Eine bisher unbekannte Hs. des 9. Jh.s (Rom, prima (prior) und Rhetorica secunda Bibl. Nazionale Centrale, cod. Vitt. Em. 1630) wurde 1997 von M. SPALLONE analysiert. (posterior] geführt, bald auch und im späteren MA regelmäßig als Rhetorica vetus II. Stadien und Merkmale der (antiqua] und Rhetorica nova. In einem Überlieferung. großen Teil der Überlieferung, bereits der Eine Skizze der mal. Überlieferung und Rezepfrühesten, ist die 'R.' durch Aufgliederung tion der 'R.' versuchte, vielfach sich stützend auf des 4. Buchs in sechs Bücher geteilt; die MARX (Ausg. 1894, Prolegomena), erstmals BUR- Wortfiguren (4,19-46) bilden dann das 5., DACH; sie ist wegen mancherlei Irrtümer und mandie Sinnfiguren (4,47 — 69) das 6. Buch. gels einer wirklichen Kenntnis der großen ÜberlieDie 'R.' verdankte ihren mal. Erfolg ihferung allenfalls im groben noch konsultierbar. rer faßlichen, schulmäßigen Anlage, aber Das von seinem Autor kaum für eine auch dem Prestige ihres vermeintlichen weitere Öffentlichkeit bestimmte Buch Verfassers Cicero (Tullius), dessen Namen hatte in der Antike offenbar keine nen- sie ihrerseits zugute kam; mit Tullius ist,

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wenn er gerühmt wird, im SpätMA regelmäßig der Verfasser der 'R.' gemeint. Die Autorfrage kam erst im Renaissancehumanismus zur Debatte, erstmals durch Lorenzo Valla, der sich nun deutlich gegen Ciceros Autorschaft aussprach (ALESSIO, S. 146f.), und nach ihm entschieden sich ebenso u. a. Filippo Beroaldo (S. 149) und, in einer eigenen Abhandlung (Quaestio utrum Ars rhetorica ad Herennium Ciceroni falso inscribatur, Venedig 1492; HAIN 13809), Raffaele Regio; doch setzte sich das neue Votum, das mit dem Herkommen und auch ausdrücklichem Widerspruch (Antonio Mancinelli, Rhetoricen ad Herennium esse Ciceronis, in: ders., Opuscula, Venedig 1493; HAIN 10601) zu kämpfen hatte, nur allmählich durch. Zugleich war ein anderer Verfasser ins Spiel gekommen, Q. Cornificius, und diesem Vorschlag, der von Petrus Victorius (Variarum lectionum libri XXV, Florenz 1553, S. 210, 327 u. 354) bis in die jüngste Vergangenheit (CALBOLI, Ausg.) seine Anhänger hatte, schlössen sich weitere andere an; keiner von ihnen hat allgemein überzeugen können. III. E l e m e n t e der R e z e p t i o n l a t . MA.

im

1. Aneignung der 'R.' beobachtet man zuerst in den Wiener Horazscholien (9./ 10. Jh.), die aber nur die Vitia-Lehre aus dem 4. Buch der 'R.' aufnehmen (QuADLBAUER, S. 46—53), und in der Rhetorik -» Notkers des Deutschen, die in Kap. 40 (Ausg. P. PIPER, S. 663 f.) aus der 'R.' zur Gänze das exemplum iudiciale für den erhabenen Stil (4,12) zitiert, sonst freilich nur auf das inhaltliche Verhältnis von 'De inv.' und 'R.' verweist (Kap. 58; PIPER, S. 681). Insgesamt tritt die 'R.' bei Notker gegen 'De inv.' und Martianus Capella weit zurück. Das ist auch noch in der -» 'Wormser Briefsammlung', die größtenteils in die 1030er Jahre zurückreicht, der Fall. Eine Wende zur 'R.' zeigt sich zuerst in Italien, in der 1048 Kaiser Heinrich III. gewidmeten 'Rhetorimachia' des Anselm von Besäte; an die 130mal zitiert Anselm in seiner fiktiven controversia, die er als Specimen angewandter Rhetorik verfaßte,

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im Text oder in Randglossen aus der 'R.' - neben ca. lOOmal aus 'De inv.' oder bezieht sich auf sie. Ende des 11. Jh.s beginnt die Kommentierung der 'R.', teils in Glossenkommentaren, teils in selbständigen Kommentarwerken (Wilhelm von Champeaux, um 1095; Thierry von Chartres, um 1130/50; Petrus Helias, um 1160; -» Alanus [ab Insulis], um 1170). Betont sei, daß das Hauptgewicht dieser Kommentare auf der Argumentationstheorie (Inventio) liegt; dem entspricht die im 12. Jh. häufige Mitüberlieferung von Boethius' 'De differentiis topicis'. Nach einer Pause im 13. Jh. setzt die Kommentierung um 1290 neu ein. 2. Das in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s aufkommende Sonderinteresse für Stilistik wird mit Vorzug aus der 'R.' befriedigt. Die ersten separaten mlat. Figurenlehren, die 'Colores rhetorici' des -* Onulf von Speyer (Mitte 11. Jh.) und Marbods von Rennes 'De ornamentis verborum' (Ende 11. Jh.), sind aus dem 4. Buch der 'R.' gezogen. Entsprechend interessieren nun gesonderte Abschriften allein der Elocutio-Lehre der 'R.', z. B. München, clm 22281, 162r-196v, 12. Jh.; Rom, cod. Vat. lat. 9991, 85r-87v, 12. Jh.; Vorau, Stiftsbibl., cod. 277, 148ra-160vb, 12. Jh.

Mit Onulf und Marbod setzen jene Colores-Lehren ein, die in Prosa, Metren oder Rhythmen Serien von Wort-, seltener auch Sinnfiguren und Tropen in der Reihenfolge und nach den Definitionen der 'R.' bieten und zugleich mit eigenen Beispielen illustrieren, auch Beispielreihen, die unter sich einen eigenen fortlaufenden Text ergeben (so schon Onulf, dann -» Heinrich von Isernia [NB], 'De exornationibus verborum', u. a.). Eine Variante bilden jene Texte, die als Beispielreihen sämtlicher Figuren der 'R.' formuliert sind, ohne daß die Bezeichnungen oder gar Definitionen der Figuren mitgegeben wären — diese erscheinen nur in Glossen oder Kommentaren (vgl. -> Nikolaus de Dybin, Oratio de s. Dorothea'; -> 'Candela rhetoricae' u. a.). Zu weiterer Wirkung kam das Figureninventar der 'R.' durch seine Aufnahme (häufig in Auswahl) in zahlreiche Artes

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dictandi, weit mehr aber noch durch seine vollständige Rezeption in das Stilprogramm der 'Poetria nova' (vv. 765 — 1587) Galfrids von Vinsauf (mehr als 200 Hss.) und des 'Laborintus' (vv. 385-598) -»· Eberhards des Deutschen. Bei Galfrid und Eberhard sind die Figuren der 'R.' freilich nach neuen Kategorien der Funktion aufgeteilt, im einzelnen dabei nicht mit Begriff und Definition, sondern allein durch Beispiele vorgestellt: Die 10 Tropen bilden den 'schweren Schmuck' (ornatus difficilis mit einer als transsumptio bezeichneten Teilgruppe), die 35 (36) Wortfiguren (colores) und die 20 Sinnfiguren (flores) den 'leichten' (ornatus facilis). Galfrids System wurde im SpätMA nördlich der Alpen weithin beherrschend. Seine (ps.-)ciceronianische Substanz blieb dabei durchaus bewußt. 3. Wie und in welchem Maße die 'R.' literarische Technik und lat. Literatursprache im hohen und späteren MA mitgeformt hat, ist ohne systematische Untersuchung eines größeren repräsentativen Textcorpus nicht zu ermessen (vgl. ROBINSON, 1976). Auffällig sind in der lat. Dichtung des 12. und 13. Jh.s die sich häufenden Beispiele rhetorischformtypischer Textbildung durch serielle Verwendung bestimmter Wortfiguren (Correctio, Anadiplosis, Gradatio usf.) aus dem Inventar der 'R.'. Die im 12. Jh. ausgehend von den frz. Schulen kultivierte Mode der Personenbeschreibung könnte, legt man den Kommentar des Thierry von Chartres (K. M. FREDBORG [Hg.], The Latin Rhetorical Commentaries by Thierry of Chartres, Toronto 1988, S. 234 f.) zugrunde, schulmäßig aus dem kleinen Lehrstück der 'R.' über die narratio in personis (l, 10, 13) entwickelt worden sein; die Beziehung zwischen Thierry und Matthäus von Vendome, der in der 'Ars versificatoria' das Beschreibungswesen am stärksten propagierte, ist hier manifest.

4. Die 'R.' enthält in Buch 3, 16,2824,40 die einzige vollständige Abhandlung zum Aufbau eines künstlichen Systems des Memorierens, die aus der Antike erhalten ist. Sie war daher in der Tradition der Gedächtnislehren die Hauptquelle. Jede spätere Ars memorativa hat bei ihrer Kombinatorik aus Orten (loci) und Bildern (imagines) angeknüpft. Der Bedarf einer Ge-

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dächtniskunst für rhetorische Zwecke war im MA freilich zunächst hinfällig geworden, und so war sie im FrühMA auch kaum mehr von Interesse, wenn überhaupt noch bekannt. Im Zuge der großen Verbreitung der 'R.' im 12. Jh. aber kam auch die Gedächtniskunst wieder zu einiger Aufmerksamkeit; sie konnte nun, wie bei -* Albertus Magnus in 'De bono' und bei -» Thomas von Aquin in der 'Summa theologica' (II—II q. 48 u. 49), eine außerrhetorische Bestimmung als Teilgebiet der Prudentia und so einen Ort in der Ethik erhalten. Wichtiger aber waren die Wiederentdeckung und Weiterbildung der Gedächtniskunst der 'R.' in der spätmal. Ars praedicandi; nur ein erwarteter Nutzen für die Praxis des Predigers erklärt die erstaunliche Vielzahl der in Fülle (meist anonym) überlieferten Artes memorativae des 14./ 15. Jh.s. 5. An den mal. Universitäten, die der Pariser Wissenschaftsordnung folgten, stand Rhetorik nicht im obligatorischen Lehrplan; sie war nur ein geringes Nebenfach, das angeboten werden konnte oder auch nicht. So hatte auch die 'R.' im Artesstudium keine Position. In Deutschland war sie in der ersten Hälfte des 15. Jh.s auch sonst durch eine andere 'Rhetorik', durch die Artes dictandi und Bücher wie den 'Laborintus' Eberhards des Deutschen, weitgehend verdrängt. Die Vorlesung über die Rethorica noua Tullii, die 1451 Philipp Mautter von Stockerau in Wien hielt, war daher bereits Zeugnis einer frühhumanistischen Wende an der Wiener Universität. Zu der Gruppe der jungen Magister, die in Wien in den 1450er Jahren über antike Autoren lasen, gehört auch Paul Hebenkrieg, der 1458 in Wien ein Kompendium der 'R.' ([...] breue compendium artis rhetorice noue Marci tuly Ciceronis, München, clm 18802, l r -75 r ) vortrug. Die Rückkehr der 'R.' als eines führend orientierenden rhetorischen Unterrichtsbuchs bezeugen im deutschen Frühhumanismus deutlich die 'Epitoma in utramque Ciceronis rhetoricam' (1492) des Konrad Celtis und die 1493 von Johannes -* Kurtz [Bd. 5 u. NB] besorgte geraffte Version der 'R.', die den Stoff der Vorlage stichwortartig in 20 Schemata (figurae) umsetzt (GW 7882).

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IV. D e u t s c h e R e z e p t i o n . Die Beteiligung der lat. Rhetorik und rhetorischen Poetik an der Herausbildung der neuen Literatursprachen des 12. Jh.s wird schwerlich zu bestreiten sein. Träger des Vorgangs waren in der Romania wie in Deutschland maßgeblich Litterati, und nicht von ungefähr haben typische sprachliche und gedankliche Formen in Minnesang und höfischem Roman zahlreich exakte Entsprechung im Figureninventar und in der formalen (!) Topik der Rhetorik. Das rhetorische Ferment zeigt seine Wirksamkeit gerade in so authentischen Autorsprachen wie denen Hartmanns von Aue, Gottfrieds von Straßburg, Wolframs von Eschenbach, auch wenn seine Beobachtbarkeit sich nicht so unvermittelt aufdrängt wie partienweise bei — um nur sie zu nennen — Chrestien von Troyes oder Thomas von Bretagne. Insoweit werden auch die volkssprachlichen Literaturen seit dem hohen MA als bedeutendes wirkungsgeschichtliches Feld der unter ihresgleichen führenden 'R.' zu betrachten sein. Ausdrücklich und sogleich programmatisch hat sich, in einer rhetorik- und dichtungsgeschichtlich weit späteren Epoche, erst -» Heinrich von Mügeln zu Tullius bekannt, vor der humanistischen Ära er als einziger. Der Tullius, den er als der künste winkelmaß, als Lehrmeister seiner blünden Sprüche, als höchste Instanz seiner poetischen Orientierung apostrophierte, war freilich nicht nur ein bloß vermeintlicher, sondern — um/nach Mitte des deutschen 14. Jh.s kaum anders erwartbar — auch ein verstümmelter, auf die sechzig färben (Wort- und Sinnfiguren) reduzierter Tullius. Die deutschen 'Colores rethoricales' des -» Niklas von Wyle, welche in ihrem erhaltenen Teilstück die ersten sechs Wortfiguren nach der Reihung der 'R.' traktieren, sind nicht, wie P. JOACHIMSOHN (Württ. Vjh. f. Landesgesch. NF 5 [1896] 91) meinte, eine 'Verdeutschung der Colores rhetoricales des Cicero', vielmehr waren für Definition und Exempla der einzelnen Figuren Lehrschriften des Nikolaus von Dybin die Vorlage. Das im Frühhumanismus und für lange Zeit einzige Zeugnis ei-

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ner Rezeption der 'R.' in dt. Sprache blieb Friedrich ->· Riedrers 'Spiegel der waren Rhetoric' von 1493, ein umfassendes Kanzleihandbuch, dessen erster Teil in einer selbständig freien Übersetzung der 'R.' besteht; Riedrer zog für sie auch 'De inventione' und die Oratoriae artis epitome' des Jacobus Publicius bei und arbeitete in sie immer wieder eigenes Beispielmaterial ein. L i t e r a t u r . Zu L: K. MANITIUS, Zur Überl. des sog. Auctor ad Herennium, Philologus 100 (1956) 62-66; M. FUHRMANN, Das systematische Lehrbuch, 1960, S. 41-58 u. 159-161; A. E. DOUGLAS, Clausulae in the R. a. H., Classical Quarterly 54 (1960) 65-78; P. L. SCHMIDT, Die Anfänge d. institutionellen Rhetorik in Rom, in: E. LEFEVRE (Hg.), Monumentum Chiloniense. Kieler Fs. f. E. Burck, Amsterdam 1975, S. 183-216; A. HAFNER, Zur Überlieferungsgesch. der R. a. H., 1989; R. TAYLOR, Codices integri and the Transmission of the Ad Herennium in Late Antiquity, Revue d'histoire des textes 23 (1993) 113-142; dies., PreHistory in the Ninth-Century Mss. of the Ad Herennium, Classica et Mediaevalia 44 (1993) 203 — 211; dies., Post-Classical Scholarship as Evidence of Textual Authority: The Expleti-Recension of the Ad Herennium Re-examined, Revue d'histoire des textes 25 (1995) 159-188; M. SPALLONE, Testo e dintorni in un nuovo testimone della Rhetorica ad Herennium, ebd. 27 (1997) 109-149. Zu II.: K. BURDACH, Schlesisch-böhmische Briefmuster aus der Wende des 14. Jh.s (Vom MA zur Reformation 5), 1926, S. 58 — 74; M. SPALLONE, La trasmissione della R. nell'Italia meridionale tra XI e XII secolo, Bolletino dei classic! dell'Accademia nazionale dei Lincei, ser. 3a, Bd. l (1980) 158190; B. MUNK OLSEN, L'etude des auteurs classiques latins aux et XIIe siecles, Bd. 1: Catalogue des mss. classiques latins copies du IXe au XIIe siecle, Paris 1982, S. 128 f., 136-319; Bd. 3,2: Addenda et Corrigenda, Paris 1989, S. 14-52; ders., Chronique des mss. classiques latins (IX e — XII e siecles), Revue d'histoire des textes 21 (1991) 37-77, 24 (1994) 199-249, 27 (1997) 29-85, 30 (2000) 123 — 188; G. C. ALESSIO, An rhetorica falso adscripta sit ad Herennium. Un promemoria, Ciceron i a n a N . S. 11 (2000) 141-158. Zu III.: E. FARAL, Les arts poettques du XII e et du XIIP siecle, Paris 1923 (Nachdr. 1961 u. ö.), S. 52-54 u. ö.; F. QUADLBAUER, Die antike Theorie der genera dicendi im lat. M A (WSB 241/2), 1962, S. 7 (§1), 30-32 (§24), 57 (§26c) u. ö., Reg.; F. A. YATES, The Art of Memory, London 1966, Reg., dt. Ausg.: ders., Gedächtnis u. Erinnern, 1990, S. 12-23, 29f., 44-49, 54-60, 63-

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Richard von St. Viktor — Ringmann, Matthias

65 u. ö., Reg.; M. DICKEY, Some Commentaries on the De inventione and Ad Herennium of the Eleventh and Twelfth Centuries, Medieval and Renaissance Studies 6 (1968) 1—41; H. BLUM, Die antike Mnemotechnik (Spudasmata 15), 1969, S. 1-37, 133-135; H. CAPLAN, On Eloquence. Studies in Ancient and Mediaeval Rhetoric, Ithaka/ London 1970, Reg.; S. JAFFE, Nicolaus Dybinus' Declaracio Oracionis de beata Dorothea. Studies and Documents in the History of Late Medieval Rhetoric, 1974, S. 53, 64, 86-91; J. J. MURPHY, Rhetoric in the Middle Ages, Berkeley/Los Angeles 1974 u. ö., Reg.; F. J. WORSTBROCK, Rhetorische Formtypen d. mal. Lyrik, DVjs 49 (1975) 8-31; I. S. ROBINSON, The 'colores rhetoric!' in the Investiture Contest, Traditio 32 (1976) 209-238; J. O. WARD, From Antiquity to the Renaissance: Glosses and Commentaries on Cicero's Rhetorica, in: J. J. MURPHY (Hg.), Medieval Eloquence, Berkeley/Los Angeles 1978, S. 25-67; K.M. FREDBORG, Twelfth-Century Ciceronian Rhetoric: Its Doctrinal Development and Influences, in: B. VICKERS (Hg.), Rhetoric Revalued, Binghamton/ New York 1982, S. 87-97; U. KÜHNE, Art. 'Colores rhetorici', in: Hist. Wörterbuch d. Rhetorik, Bd. 2, 1994, S. 282-290; J. O. WARD, Ciceronian Rhetoric in Treatise, Scholion and Commentary (Typologie des sources du moyen age occidental 58), Turnhout 1995. Zu IV.: K. STACKMANN, Rhetoricae artis practica fontalisque medulla. Zu Theorie u. Praxis des Blümens bei Heinrich von Mügeln, in: Festgruß f. H. Pyritz, Euph. Sonderh. 1955, S. 21-26; J. KiBELKA, Der wäre meister. Denkstile u. Bauformen in der Dichtung Heinrichs von Mügeln (Phil. Stud, u. Qu. 13), 1963, S. 247-260; E. KLEINSCHMIDT, Humanismus u. urbane Zivilisation. Friedrich Riedrer [...] u. sein 'Spiegel der waren Rhetoric', ZfdA 112 (1983) 296-313; F. J. WORSTBROCK, Die Colores rethoricales des Niklas von Wyle, in: Respublica Guelpherbytana. Fs. P. Raabe (Chloe 6), Amsterdam 1987, S. 189-210; A. VOLFING, Heinrich von Mügeln, 'Der meide kränz'. A Commentary (MTU 111), 1997, S. 95-97; J. KNAPE, Allgemeine Rhetorik, 2000, S. 207-236 (Riedrer).

F. J. WORSTBROCK 'Rhythmimachia' ->· 'Rithmimachia' Richard von St. Viktor [Korr./Nachtr.] Bd. 8, Sp. 49 zu 4. a), Überl.: "Düsseldorf, LB, cod. 30b" korr.: ..., ÜB u. LB, Ms. B 30b. Sp. 50 nach 5. ... ergänze:

6. Dt. Rezeption des 'Benjamin minor'. Einer in Ulm gehaltenen und Felix -> Fabri [Bd. 2 u. NB] zugeschriebenen Weih-

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nachtspredigt liegt als Gerüst der 'B. m.' zugrunde. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 5140, 270r31 lv. L i t e r a t u r . K. SCHNEIDER, Felix Fabri als Prediger, in: Fs. W. Haug u. B. Wachinger, Bd. I, 1992, S. 457-468, hier S. 468 Anm. 28.

Dem gedanklichen Gerüst des 'B. m.' folgt ebenfalls der mystische Traktat -»· 'Schule des Geistes'. Ein neu aufgefundenes Hs.-fragment (Schriesheim bei Heidelberg, Slg. Eis, Frgm. o. S., 2 Bll. bair.-frk., Anf. 15. Jh., Autor unbek.) bietet eine paraphrasierende, den Inhalt stark kürzende Wiedergabe des 'B. m.'. Das Fragment steht in einem noch nicht näher untersuchten Verhältnis zu dem mystischen Traktat 'Von dreierlei Wesen' des -> Johannes von Indersdorf. A u s g a b e u. L i t e r a t u r . E. HABERKERN, Richard v. St. Viktor: 'Benjamin Minor', deutsch. Ein neugefundenes Hs.frgm. (Edition u. Unters.) (GAG 685), 2000 (Text S. 89-92).

Burggraf von Riedenburg [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 64 zu Überl., c) ergänze: Vgl. dapester Liederhandschrift' [NB].

'Bu-

Ringmann (-us), Matthias (Philesius Vogesigena, Vosegigena) A. Leben. R. stammte aus einem Ort der Vogesen, der von ihm oder einem Zeitgenossen jedoch nicht genannt wird. Einem Wappen am Ende der 'Grammatica figurata' (s. u. B.III.2.) zufolge war es Eichhoffen nördl. Schlettstadt ( ). R.s Beiname Philesius weist allerdings auf das Weilertal (Val de Ville) nordwestl. Schlettstadt, das im 6. Buch der 'Rusticias' seines jüngeren Zeitgenossen Laurentius Pilladius mehrfach als vallis Philesia erscheint (CoLLicNON). Aus den Andeutungen zweier Verse in R.s Vogesengedicht meinte VULPINUS auf Reichsfeld (westl. Eichhoffen) schließen zu können; seine Annahme ist, in Unkenntnis der Arbeiten COLLIGNONS und HEITZ', meist wie ein gesicherter Nachweis übernommen worden. Den Beinamen Philesius führte R. bereits 1503 in seiner ersten Veröffentlichung, dem Begleitgedicht auf dem Titelbl. der Straßburger Ausgabe

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Ringmann, Matthias

von -» Albrechts von Eyb 'Margarita poetica'. SCHMIDT, 1879, S. 89, identifizierte Philesius als einen (seltenen) Beinamen Apollos, den R. übernommen habe. Philesius wird von R. und anderen auch selbständig, wie sein eigentlicher Name, verwendet.

Nach der Grabschrift, welche die Freunde Beatus Rhenanus und Joh. Ruser ihm widmeten, starb er 1511 im Alter von 29 Jahren; demnach war 1482 sein Geburtsjahr. Vermutlich hat er die Schule im nahe gelegenen Schlettstadt besucht. Zwischen Aug. 1498 und Juli 1501 muß er in Heidelberg unter Jakob Wimpfeling studiert haben; zwar erscheint er nicht in der Matrikel, doch nannte er später wiederholt und mit größter Verehrung Wimpfeling seinen Lehrer. In die Gruppe der Schüler Wimpfelings, die in seiner 'Adolescentia' (abgeschl. Ende 1499) mit einer Serie von Epigrammen vertreten sind, wurde R. erst in der 2. Aufl. (1505) von deren Hg., seinem Freund Joh. Gallinarius, eingereiht.

Ebenfalls zu seinen Lehrern zählte er Gregor Reisch, der in der Freiburger Kartause, seit 1501 dort Prior, 1502/03 auch Joh. Eck u. a. in Mathematik und Geographie unterrichtete; der Zeitpunkt, zu dem R. bei ihm die ersten, für ihn wegweisenden mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse erwarb, ist nicht sicher zu erschließen. Von Heidelberg und jedenfalls nach seinem Unterricht bei Reisch ging er, wohl spätestens 1501, nach Paris, hörte dort 'einige Jahre', wie er später erwähnt, den renommierten italienischen Humanisten und Dichter P. Faustus Andrelinus und vertiefte bei Faber Stapulensis seine mathematischen und geographischen Studien. Bei einem Byzantiner eignete er sich in Paris auch das Griechische an. Einen akademischen Grad jedoch hat er wie in Heidelberg auch in Paris nicht erworben. 1503 wandte er sich nach Straßburg, erneuerte die Beziehung zu Wimpfeling, dem er in seinen Streitigkeiten (Jak. Locher, Augustiner) und zeitkritischen Positionen loyal anhing. Über ihn gewann er eine enge Verbindung mit Thomas Wolf und seinem Kreis hinzu. Seinen Lebensunterhalt suchte er zunächst als Korrektor in der Offizin

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des Joh. Prüß, konnte bald aber in Colmar die Schule bei St. Martin übernehmen, kehrte von dort jedoch, weil anscheinend seine Methoden nicht gefielen, noch 1504 nach Straßburg zurück und eröffnete hier eine eigene Schule. Neben der Lehrtätigkeit ging er seinen geographischen Studien nach und begann mit der Arbeit an eigenen Schriften und der Ausgabe anderer. Im Okt. 1505 reiste er im Auftrage Wolfs nach Italien, um von Gianfrancesco Pico della Mirandola Manuskripte zu deren Druck in Straßburg in Empfang zu nehmen. 15067 07 war er, teilweise zusammen mit Joh. Adelphus -» Muling (NB), in beträchtlichem Umfang als Korrektor bei Joh. Grüninger und Joh. Knobloch und ebenso intensiv als Übersetzer tätig. Ob er gleichzeitig noch seine Schule betrieb, ist zweifelhaft. In den Straßburger Jahren knüpften sich wichtige Beziehungen auch zu Auswärtigen, u. a. zu Konrad Peutinger in Augsburg (1506) und zu Heinrich Bebel in Tübingen (1506). Ein neuer Lebensabschnitt begann im Frühjahr 1507 mit seiner Tätigkeit in St. Die in Lothringen. Offenbar hatte ihn der Kanoniker Walter Lud (1448-1527), der bereits auch den Kartographen Martin Waldseemüller nach St. Die gezogen hatte, für die Zusammenarbeit an einem geographischen Projekt gewonnen, dessen Hauptziel eine lat. Neuausgabe der 'Geographia' des Ptolemäus auf dem Stande des zeitgenössischen, durch die Entdeckung der Neuen Welt dramatisch erweiterten Wissens sein sollte. Das erste Gemeinschaftswerk: eine neue Weltkarte, ein Globus und eine zugehörige Einführung, gedruckt am 25. April 1507 in einer eigens gegründeten Offizin (s. u. B.IV.l.), deren wichtigste Kraft der im Druckgewerbe erfahrene R. war. Feste Bindungen zu Lud müssen bereits in R.s letzter Straßburger Zeit bestanden haben, denn R. ist für ihn in seiner noch vor der 'Cosmographie introductio' gedruckten 'Speculi orbis declaratio' (Straßburg, Joh. Grüninger [1507]) bereits Philesius noster.

In St. Die traf R. auf nicht wenige weitere Gelehrte und Literaten, u. a. den Notar der Kanoniker Jean Basin de Sandau-

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Ringmann, Matthias

court (Joh. Basinus), Verfasser eines umfangreichen 'Novus elegansque conficiendarum epistolarum ac alias de arte dicendi modus' (St. Die 1507), und Pierre de Blarru (Petrus de Blaro Rivo), den Dichter der 'Nanceis', eines panegyrischen Epos auf den Sieg Renes II. von Lothringen 1479 über Karl d. Kühnen. Irrige Spekulation ist die öfter gedruckte Meinung, R. sei nach St. Die an eine Schule berufen worden und habe dort, gar zusammen mit Waldseemüller, unterrichtet. Das gymnasium Vosagense, das in zwei Versionen der 'Cosmographie introductio' von 1507 als deren Hg. und einzig nur hier erscheint, bezeichnet die an der 'Introductio' beteiligte fünfköpfige Gruppe (GALLOIS, 1900; RONSIN, 1969 u. 1992), die sich weitere Ziele gesteckt hatte, somit auch nicht eine feste größere Sodalität oder Akademie, auf die man glaubte schließen zu können (o'AvEZAC, COLLIGNON u. a.).

Anfang 1508 hielt R. sich in Basel auf, trug dort an der Universität über die neue Kosmographie vor, privat bei Bischof Christoph von Utenheim. Im gleichen Jahre unternahm er eine zweite Italienreise, auf der er in Ferrara von Lilio Gregorio Giraldi (nicht von Pico, vgl. KLEMENT) eine griech. Hs. der 'Geographia' des Ptolemäus erhielt. Seit 1509 machte ihm Krankheit (Lungenschwindsucht?) zu schaffen, die ihn nicht mehr losließ. Er arbeitete in St. Die gleichwohl unermüdlich an der PtolemäusAusgabe weiter, versah an der Seite Waldseemüllers ein neues geographisches Projekt, besorgte Ausgaben — weiterhin meist bei Straßburger Druckern — und ließ sich auch vom lothringischen Hof als Editor gewinnen. Die von Herzog Antonius erwünschte Ausgabe der 'Nanceis' des am 23. Nov. 1510 verstorbenen Pierre de Blarru hat er nicht mehr besorgen können. Ein am 1. Aug. 1511 aus Straßburg an Andre Reynette gerichteter Brief (s. u. B.I.6.), in dem er noch auf Heilung hofft, ist das letzte von ihm erhaltene Lebenszeichen. B. Werk. Das hinterlassene Werk des Schriftstellers R., das in nicht mehr als sieben Jahren entstand, umfaßt Schulschriften, geographische Einführungen, Übersetzungen, thematisch breiter gestreute Ausgaben, zahlreiche kleinere Gedichte.

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I. H e r a u s g e b e r . Unter R.s Ausgaben werden allein die gezählt, für die er aufgrund eigener Initiative oder einer Beauftragung verantwortlich zeichnete, nicht aber Drucke, für die er nur als Korrektor und Beiträger tätig war. Er stattete seine Ausgaben in der Regel mit Widmungen und weiteren Texten aus. 1. Amerigo -> Vespucci [NB], 'Mundus novus'Brief: De ora antarctica \ per regem Portugallie \ pridem inuenta. Straßburg, Math. Hüpfuff 1505. VD16, V 937; SABIN/EAMES/VAIL, S. 444 f. Widmung an Jak. Brun (Straßburg, ex scholis nostris, 1. Aug. 1505). Vespuccis Bericht von seiner 3., 1501/02 im Auftrage König Manuels von Portugal unternommenen Entdeckungsreise in der lat. Übersetzung des Fra Giovanni Giocondi. Nicht, wie regelmäßig angenommen, nach dem Pariser Erstdruck von 1503, sondern nach der römischen Ausgabe des Euch. Silber von 1504 (so, aufgrund von Textkollation, SABIN/EAMES/VAIL, S. 445). R.s Ausgabe unterscheidet sich von den zahlreichen übrigen der Zeit durch den fachkundigen Titel, der auf die Entdeckung von Land auf der südlichen Hemisphäre hinweist, ist vermehrt um ein verbreitetes, auch andernorts gedrucktes Gedicht R.s über die neuen Entdeckungen und ihre Bedeutung für die Vorstellung von der Erde (ine. Rura papyriferus qua irrorat pinguia Sirtis, 11 Dist.) und um ein beglaubigendes Zeugnis des Notars Joh. Michaelis, der im öffentlichen Konsistorium beim Papst einen Bericht portugiesischer Gesandter über die Entdekkungen selbst gehört hatte. 2. Jacobi Vimpfelingij \ Schletstattensis Theosopbi \ Oratio de sancto spiritu. Pforzheim, Th. Anshelm, Mai 1507. VD 16, W 3392. Widmung an den Straßburger Dompropst Philipp von Daun u. Oberstein (Straßburg, 1. Sept. 1506). Dank an den Lehrer Wimpfeling, unter dessen Schriften, die er in großer Zahl aufzählt, er das Manuskript der ungedruckten (scharf zeitkritischen) Heidelberger Universitätsrede vom 26. Mai 1482 gefunden hat. 3. Joh. -> Geiler von Kaysersberg: Passionis Christi unum \ ex quattuor euangeli-\stis textum. \ Ringmannus Philesius \ ad lec. \ (10 jamb. Trimeter mit Akrostichon MORS CHRISTI und Telestichon VITA NOSTRA). Straßburg, Joh. Knobloch [1506]. Mit 25 Holzschnitten (einer doppelt) von Urs Graf. Widmung an Wimpfeling, auf dessen Anregung hin R. Petrarcas Carmen an Maria Magdalena beifügte, das Geiler 1482/83 bei einer Wallfahrt zu ihrer angeblichen Grabstätte, einer Grotte bei Marseille, dort notiert hatte. — Vier Drucke, s. L. DACHEUX, Die ältesten Schriften Geilers von Kaysersberg, 1882 (Nachdr. 1965), Bibliogr. Nr. 2630. 4. Renati secundi Syciliae \ regis et Lotharingiae \ duds vita per Joannem Aluysium \ Crassum Ca-

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labrum \ edita. [St. Die, W. Lud 1510]. RONSIN, 1969, S. 418 f. Widmung an Hugues des Hazards, Bischof von Toul (St. Die 1510). 5. Continentur in hoc libello \ quattuor Plauti comoe\diae Amphitryo: Au= \ lularia duo Cap\tivi: et Menech(miy Familiaribus \ annotatio\nibus \ dedaratae. Straßburg, Joh. Grüninger [1511]. VD 16, P 3401. Widmung an Andre Reynette (Straßburg, I.Juli 1511). Die 'Aulularia' wiederholt typengleich und mit allem Beiwerk die von Joh. Prüß um 1510/11 gedruckte Einzelausgabe (VD 16, P 3411), die als Neudruck im April 1511 auch bei Math. Schürer (VD 16, P 3413) erschien. 6. Lilii Gr&gorii Ziraldi \ Ferrariensis Synta\gma de Musis. Straßburg, Math. Schürer, 12. Aug. 1511. VD 16, G 2111. Freundschaftliche Widmung an seinen Meccenas Andre Reynette in St. Die (Straßburg, 1. Aug. 1511). R. hatte das Manuskript der Sammlung antiker Mitteilungen und Meinungen über die Musen schon 1508 von Giraldi erhalten, es aber wegen fortwährender Krankheit nicht eher zum Druck bringen können. Er beschließt das Buch mit einem kleinen Essay über die Frage, warum die Tugenden, geistigen Qualitäten und Wissenschaften stets sprachliche Feminina seien. 7. Apologia mtdierum \ in viros probrosos ]oannis \ Motis Neapolitan! [ . . . ] . Baden, R. Beck, 24. Dez. 1511. VD 16, M 6450. R. besorgte die posthum erschienene Ausgabe der Verssatire gemeinsam mit Joh. Heusing (Hiso) und versah sie mit einem Anhang thematisch ähnlicher Epigramme verschiedener Verfasser.

II. C a r m i n a . R. verfaßte Verse, wie Gelegenheit und Zweck es verlangten. Sie können geistreich sein und Witz aufbringen, etwa mit der ironischen Anziehung einer Horaz-Ode ('Grammatica figurata', s. B.III.2., Bl. 32r: Nunc opus exegi...) oder einer in der Art der 'Dunkelmänner' karikierenden Persiflage Lochers (Wimpfeling, 'Contra turpem libellum Philomusi', [1510], Bl. [d4]v), machen sich anderseits gern durch die gewählte Form (seltenere Versmaße, Akro- u. Telesticha) auffällig. Unter den — vom Anhang der 'Hemistichia' abgesehen — etwa 35 Stücken überwiegen weit die empfehlenden Begleitgedichte zu Drucken. R. wußte, daß diese Species von manchen verächtlich taxiert wurde, und verteidigte sie (Rodericus Zamorensis, 'Speculum vitae humanae', Straßburg 1506, Bl. A iij r : Sunt prefixa aliis epigrammata nostra libellis

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...). Das Vogesengedicht ist sein einziges zweckfreies Carmen; es geriet — ausdrücklich nur als Blattfüllsel — in den von ihm betreuten Druck von Köchlins 'De imperii a Graecis ad Germanos translatione' (1506, Bl. Biiij r -Bv r ). A u s g a b e n des Vogesengedichts mit Übers.: H. RUPPRICH, Humanismus u. Renaissance in den dt. Städten u. an d. Univ.en, 1935, S. 78 f., 316 f.; H. C. SCHNUR, Lat. Gedichte dt. Humanisten, 1967, S. 334-337.

III. S c h u l s c h r i f t e n . R.s Schulschriften bestehen aus originell entwickelten Unterrichtsmitteln. Die Gattung des eigentlichen Lehrbuchs fehlt. 1. 'Hemistichia poetarum sententiosiora pro pueris'. Ein für Schüler, die den Elementarunterricht absolviert haben, bestimmtes kleines Lesebuch aus Sentenzen. Sie sind in Halbverse gefaßt und alphabetisch gereiht; R. entnahm sie meist antiken Autoren. Beigefügt ist eine Anzahl gemischter eigener Carmina R.s, neben einigen religiösen Gedichten vor allem Verse an Freunde, Gönner, Lehrer, Schüler, darunter die amüsante Eloge auf Th. Wolfs Hund. Widmung dieser ersten Schrift R.s an Andreas Sprung, seinen Nachfolger in Colmar (Straßburg, 1. Okt. 1505). D r u c k . Hemistichia poetarum \ sentenciosiora \ pro pueris. Straßburg, Joh. Knobloch [1505]. SCHMIDT, Rep. VII Nr. 13.

2. 'Grammatica figurata'. Um R. eine erholsame Pause von den Anstrengungen der Ptolemaeus-Ausgabe zu gönnen, empfahl ihm Walter Lud im Spätherbst 1508 die Abfassung der neuartigen Bildergrammatik, über deren Idee R. ihn freilich zuvor unterrichtet haben muß. Es handelt sich um die Beschreibung eines Kartenspiels, mit dessen Hilfe die Elementargrammatik des -> Donat [Bd. 2 u. NB] ('Donatus minor', über die acht Wortarten, in der Kommentierung des Remigius) leicht und heiter eingeübt und eingeprägt werden soll. Das Spiel, das sich nach R.s Anleitung vollständig aufbauen läßt, besteht aus 130 Karten, deren

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mnemotechnische Abbildungen jeweils einer Wort- l IV. G e o g r a p h i e . art und einer ihrer Akzidentien zugeordnet sind. 1. 'Cosmographie introductio'. Die Kombination der Abbildungen auf einer Karte Im Jahre 1507 fertigte Martin Waldseeentspricht jeweils einer Frage, bei deren richtiger müller in St. Die eine große neue, dem Beantwortung ein Spieler die Karte ablegen darf. Genaue Beschreibung der Regeln und ihrer Anjüngsten Stande des Wissens entsprechende wendung bei F. STEPHAN-KÜHN, 1987, Sp. 344Weltkarte und einen kleinen Globus an. In 361. der von Lud eingerichteten Druckerei er-

Für die Idee des Lernspiels im allgemeinen kann R. Anregung von der 'Rithmimachia' des Faber Stapulensis (-»· 'Rithmimachia', 22.), die er kannte (Hinweis von Lud im Brief an Hugues des Hazards, Bl. 2 r ~ v ), genommen haben, das weit nähere Vorbild aber werden die mnemotechnischen Kartenspiele Th. Murners gewesen sein. D r u c k . Grammatica \ figurata \ Octo partes orationis/ secun= \ dum Donati editionem et regulam Remigij \ ita imaginibus expressae [...]. St. Die, Walter Lud u. Ringmann Philesius, 1. Juni 1509. RONSIN, 1969, S. 413-417; STEPHAN-KÜHN, Sp. 346 u. 1171. Faksimiledruck hg. von F. R. VON WIESER (Drucke u. Holzschnitte d. 15. u. 16. Jh.s in getreuer Nachbildung 11), 1905.

3. 'Speculum Donati'. Der Einblattdruck, ebenfalls eine bildlich-mnemotechnische Unterweisung, gliedert sich in einen kleineren zweispaltigen Textteil und einen das Blatt beherrschenden Holzschnitt. Dieser stellt, ganz entsprechend dem Bild der ersten Karte in der 'Grammatica figurata', die lat. Sprache als eine Burg dar, bewohnt von acht verschiedenen Personen, deren jede eine der acht Wortarten des 'Donatus minor' bezeichnet (Priester = Nomen, König = Verb etc.). Der Text beschreibt zur Linken mit je einem Distichon die Wortarten und die ihnen vorgeordneten Begriffe, erläutert sie zur Rechten mit einem glossema in Prosa. Nach seinem beschränkten Ausführungsgrad der Bildergrammatik wird das Blatt nicht jünger sein als die 'Grammatica figurata' und vielleicht in die Zeit von R.s Straßburger Schulpraxis fallen. D r u c k . [Straßburg], Joh. Grüninger o. J. — Abdruck des Textteils bei KNEPPER, 1905, S. 244 f., nach G. FISCHER, Beschreibung typograph. Seltenheiten u. seltener Hss. [...], Nürnberg 1804, S. 97102.

schien dazu eine Einführungsschrift; ihr folgt als zweiter Teil des Drucks in lat. Übersetzung der Bericht der vier Entdekkungsreisen Amerigo Vespuccis, die Herzog Rene II. von Lothringen 1505 in einer frz. Version angeblich von Vespucci selber erhalten hatte (diese Herkunft wird durchaus bestritten, zuletzt von QUARITCH, S. IX f., der eine Fälschung des ital. Originals annimmt, das nach Florenz gegangen war). Die im Druck anonyme lat. Übersetzung des Vespucci-Berichts stammt von Jean Basin. Als Verfasser der ebenfalls anonym auftretenden 'Introductio' galt lange Zeit Waldseemüller, LAUBENBERGER (1959, erneut 1982) hingegen hat sie nach neuer Würdigung der Quellen mit starken Gründen R. zugewiesen. Zumindest die Mitwirkung R.s am Text der 'Introductio' dürfte dadurch gesichert sein, daß Bl. a iiij r Verse des Joh. Gallinarius zitiert werden, die wohl nur sein Freund R. kannte. Aber auch eine Mitwirkung Luds kann nicht ausgeschlossen werden, jedenfalls sind in Kap. 2 und Kap. 4 zwei kleinere Passagen aus seiner 'Speculi orbis declaratio' übernommen worden. LAUBENBERGER macht geltend, daß die Erstausgabe der 'Introductio' nur eine Widmung R.s an Kaiser Maximilian (5 Dist.), die sich auf das Gesamtwerk beziehe, und eine zweite, briefliche Waldseemüllers begleiten und keine weitere, Waldseemüller aber in seiner Widmung allein die Weltkarte und den Globus beanspruche (Bl. A ij r : totius orbis typum tarn in solido quam piano). Die Zusammenarbeit zwischen ihm und R. könnte schon hier wie in späteren Fällen so ausgesehen haben, daß es - bei gegenseitiger Beratung und Anregung — eine kartographische Zuständigkeit und eine für die Formulierung der geographischen Texte gab.

Die 'Cosmographie introductio' führt in acht Kapiteln in die geometrischen, astronomischen und klimatographischen Grundlagen der Erdbeschreibung ein. Das umfangreiche 9. Kapitel, De quibusdam Cosmographie Rudimenta, gibt eine Flächenbeschreibung der Erde nach den Erd-

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teilen. Hier ist erstmals von einem vierten seiner Gesamtgestalt zu vermitteln, sie eiErdteil die Rede, und bei der Frage seiner ner Pyramide vergleichend mit der Spitze Bezeichnung wird für ihn der Name Ame- im Westen, der Basis im Osten. Die Skizrica, abgeleitet von Amerigo (Vespucci), zierung der einzelnen Länder nimmt regeldem vermeintlichen Entdecker, gefunden mäßig Rekurs auf die antiken Geographen, (Bl. a iij r ). Der Verfasser der 'Introductio' und für jedes größere Land sind Verse aus muß im April 1507 in St. Die nicht not- antiken und den von R. bevorzugten zeitwendig auch der Namengeber Amerikas genössischen Dichtern (Baptista Mantuagewesen sein. Daß es aber R. war, dafür nus, Franc. Pico della Mirandola, Faustus spricht die vorgeführte sprachlich experi- Andrelinus) zur Hand. Das 9., letzte Kamentierende Art der Findung, die R. eher pitel handelt von den europäischen Mächeigentümlich war als einem anderen aus sei- ten (Kaiser, Papst, frz. Krone) und ausner Gruppe: Sie spielt zunächst mit einer führlich über die Herrschaftsgliederung in gräzisierenden Bildung (Amerigen quasi Deutschland. Amend terram ...) und begründet dann das r u c k . Instructio manuductionem \ praestans gewählte lat. Femininum mit der Analogie in D cartam itine\rariam Martini Hilaco\mili [...] a zu Europa und Asia (... siue Americam di- Rin\gmanno Philesio conscripta. Straßburg, Joh. cendam: cum et Europa et Asia a mulieri- Grüninger, April 1511. VD 16, R 2453-54. bus sua sortita sint nomina). Den neuen 3. Ptolemäus-Übersetzung. Namen trug Waldseemüller entsprechend Text und Karten der Neuausgabe von in seine Weltkarte ein; nach R.s Tod hat er ihn auf seinen Karten nicht mehr verwen- Ptolemäus' 'Geographia', an denen Lud und vor allem Waldseemüller und R. jahdet. relang gearbeitet hatten, müssen bei R.s Drucke. Cosmographie introdu=\ctio/ cum Tod im wesentlichen vollendet vorgelegen quibus\dam geome\triae \ ac \ astrono\miae princihaben; für die neue lat. Übersetzung des piis ad earn rent necessariis [...]. St. Die, Walter Ptolemäus (Teil I der Ausg.) ist dies sicher. Lud u. a., 25. April 1507. Textgleicher Neudruck: Die Herstellung der Holztafeln für die 27 Cosmographiae \ introductio \ cum quibus\datn geome\triae \ ac astrono\miae principiis [ . . . ] . Karten von Teil I und die 20 von Teil II St. Die, Walter Lud u. a., 29. Aug. 1507. Beide (Supplementum zu Ptolemäus aufgrund Drucke erhielten unter denselben Erscheinungsdader neueren Erkundungen von Land und ten jeweils eine Redaktion, in der R.s metrische Meer bis in die Gegenwart) und die weiteWidmung an Maximilian getilgt und die Waldseeren Kosten des Drucks könnten das Ermüllers notdürftig zu einer Widmung des gymnascheinen des Werks in Schwierigkeiten gesium Vosagense verändert wurde. Unterscheidung bracht haben. Es geriet in die Hände der und Ordnung der Drucke zuerst bei o'AvEZAC, Straßburger Juristen Jak. Oeßler und GeS. 50-59; vgl. RONSIN, 1969. - Weiterer Nachorg Übelin, die sich der Drucklegung erdruck der Erstausg.: Cosmographie intro\ductio: cum quibusdam Geome=\triae ac Astronomiae folgreich annahmen, allerdings nicht zögerprinci\pijs [...]. Straßburg, Joh. Grüninger, 1509. ten, sich in der Widmung (an Kaiser MaxiVD 16, W 1159. milian) der 1513 erschienenen Ausgabe wie Faksimiledruck der Erstausg. hg. von F. R. VON deren — auch fachliche — Urheber zu präWIESER (Drucke u. Holzschnitte d. 15. u. 16. Jh.s sentieren. Während die Namen Luds und in getreuer Nachbildung 12), 1907. Waldseemüllers gänzlich verschwiegen 2. 'Instructio manuductionem praestans wurden, blieb R.s Verdienst um den Text in cartam itinerariam'. immerhin nicht unerwähnt. Erläuterungsschrift zu Waldseemüllers A u s g a b e . Claudii Ptolemei \ viri Alexandrini \ europäischer Reisekarte von 1511, gewid- Mathematicae disciplinae philosophi \ doctissimet Herzog Antonius von Lothringen. R. mi | Geographiae opus nouissima traductione e liefert eine kurzgefaßte Beschreibung Eu- Graeco=\rum archetypis castigatissime pressum ropas von West nach Ost. Das einleitende [...]. Straßburg, Joh. Schott, 12. März 1513. Kapitel sucht eine Vorstellung von der Er- VD 16, P 5207. Eines der Hauptwerke der Straßstreckung und Gliederung Europas und burger Druckkunst im frühen 16. Jh.

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V. D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . Der Umfang von R.s Übersetzungswerk ist bisher nicht untersucht. Neben der Geiler-Übersetzung und dem dt. 'Caesar' liegen drei anonyme Übersetzungen vor, als deren Verfasser R. vermutet werden kann. 1. Von Geilers 'Passio domini nostri lesu Christi', die R. 1506 herausgegeben hatte (s. . . .2.), erschien im selben Jahre in derselben Offizin die Übersetzung eines Ungenannten. Das Titelbl. zieren fünf dt. Reimpaare mit dem Akrostichon RINGMANNVS, und in der umfänglichen Schlußschrift des Druckes äußert sich ein Selbstverständnis des Übersetzers, das an Standpunkte in der Vorrede des 'Caesar' erinnert. Daß R. tatsächlich der Übersetzer ist, entnimmt man der Widmung an Wimpfeling in der lat. Ausgabe. R. sparte in der Übersetzung die Widmung und Petrarcas Magdalenengedicht aus. Drucke. Der text des passions, oder lidens christi/ \ vß den vier evangelisten zusammen, inn \ eyn syn bracht mitt schonen figuren. Straßburg, Joh. Knobloch, 1506. Der Druck wiederholt die Stiche des Urs Graf aus der lat. Ausgabe, ersetzt den vorletzten aber durch Wechtelins 'Auferstehung'. - Sechs Drucke, s. L. DACHEUX, Die ältesten Schriften Geilers von Kaysersberg, 1882 (Nachdr. 1965), Bibliogr. Nr. 31-35 u. 82.

2. Der deutsche 'Caesar'. Gegenstand des dt. 'Caesar' ist nicht allein das lit. Werk Caesars oder gar dieses für sich, im Blickpunkt steht vielmehr die historische Gestalt Caesars, die Geschichte des 'ersten römischen Kaisers' in seinen Selbstzeugnissen und den Zeugnissen anderer. Daher enthält das Buch sowohl eine Übersetzung des 'Bellum Gallicum' und des 'Bellum civile' als auch eine geraffte Paraphrase der übrigen 'Kriege' — die, wie R. weiß, nicht Caesars Autorschaft haben —, des 'Bellum Alexandrinum', 'Bellum Africanum', 'Bellum Hispaniense', dazu, damit zu des Keisers Historien von anfang bis zu end nichts gebräste (Bl. II V ), die Übersetzung der Caesar-Vita Plutarchs und, zur abschließenden Apotheose, die des 12. Totengesprächs Lukians in der erweiterten Fassung Aurispas, die Caesar den Vorrang noch über Alexander d. Gr.

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erteilt. Das Geschichtswerk, das R. liefert, empfiehlt er in der Widmung an Maximilian als eines, das vieles das Keiserthum vnd sunst Tütsch nation berürende ( ) enthalte. Es gehört in der Tat in den Diskurs von Kaiser, Reich und deutscher Nation, der im dt. Südwesten in der Ära Maximilians am lebhaftesten verlief. Die 15 Folioseiten umfassende Vorred, die nach ihrem Programm der Vermittlung eines historisch entfernten Stoffes an den volkssprachigen Leser in der Übersetzungsliteratur der Zeit nicht ihresgleichen hat, konzentriert sich auf verschiedene Themen: 1. Problem der Übersetzung, 2. geographische Kommentierung (des 'Bellum Gallicum') anhand einer alphabetischen Liste lat. Namen zahlreicher Orte, Länder und Völker mit ihren modernen Entsprechungen (R. benutzte den 'Index locorum in commentariis Cesaris belli Gallici descriptorum' des Raimundus Marlianus), 3. historischer Kommentar, bestehend aus einem Abriß der römischen Geschichte bis auf die Begründung der Monarchie durch Caesar mit Ausblick auf die Translationes imperii, danach einer Liste der 118 Kaiser (jeweils mit ihrer Regierungsdauer) von Caesar bis zu Maximilian, 4. Erläuterung des römischen Militärwesens nach antiken Militärschriftstellern, vff das die nachuolgend history vnd geschickten dester baß vnd leichtlicher verstanden werden (VIF), 5. Über Nutzen und Vergnügen der Beschäftigung mit Geschichte, mit dem besonderen Hinweis, daß keine vnder allen historien Teütscher nation fruchtbarer vnd anmutiger als der Ursprung des Kaisertums und was der erst Römisch Keiser Julius gehandelt und wie er sich einen unsterblichen Namen erworben habe. In der Auffassung von Methode und Ziel des Übersetzens bricht R. mit der von -> Niklas von Wyle begründeten Tradition. Vertraut mit Grundsätzen Leonardo Brunis, der die Erkenntnis der Verschiedenheit des Sprachbaus von Ausgangs- und Zielsprache und die Kenntnis der Idiomatik beider als Bedingung jeder adäquaten Übersetzung verlangte, plädiert er für eine sprachlich strikt eigenständige Überset-

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zung, die ihre Verständlichkeit aber keineswegs mit dem Verlust von Werktreue und Genauigkeit erkauft. R. versteht sein Verfahren als Übersetzer nicht zuletzt als Dienst am volkssprachigen Leser. Sein Interesse am gemeinen man aber ist tiefer fundiert. Er verteidigt sein mächtiges Werk des dt. 'Caesar' mit einer Widerrede gegen diejenigen, die es grundsätzlich ablehnen, das der Ley und gemein man durch solche vertütschung wissen werd, was heimlichkeit in dem latyn verborgen sei (IIP). Übersetzung heißt für R. Niederlegung der soziokulturellen Barriere des Lateins. In diesem Bestreben, dem die breit instruierende Vorred als ganze dient, trifft er sich mit Adelphus ->· Muling, Murner und ändern Oberrheinern. Drucke. Julius der erst Römisch \ Keiser von seinen kriegen, erstmals vß dem Latin in Tütsch bracht/ vnd nüw getruckt. Straßburg, Joh. Grüninger, 7. März 1507. VD 16, C 54; WORSTBROCK, Antikerez., Nr. 43. Schon 1508 kam bei Grüninger eine veränderte Neuauflage heraus; die Vorrede wurde stark gekürzt, die Übersetzung von Lukians XII. Totengespräch getilgt, die Übersetzung der Caesar-Vita des Plutarch gegen die von Adelphus Muling gefertigte des Sueton ausgetauscht. VD 16, C 55; WORSTBROCK, Nr. 44. — Die späteren Drucke Mainz 1530 und 1532, die der Erstausgabe folgen, aber mit anderer Ordnung der Texte und fast vollständiger Löschung der .Vorrede: VD 16, C 56-57; WORSTBROCK, Nr. 45-46.

3. 1507 druckte Grüninger in Straßburg neben Walter Luds 'Speculi orbis declaratio' (VD 16, L 3128) bereits auch die dt. Übersetzung dieser Schrift. In die lat. Ausgabe war R. mit zwei Carmina einbezogen, mit einem Lobgedicht auf Herzog Rene II. als Förderer der Wissenschaften und auf Lud als gelehrten Kosmographen (Titelbl/) und mit den schon in seiner Ausgabe 'De ora antarctica' (s. o. B.I.l) veröffentlichten Versen auf die neuen portugiesischen Entdeckungen (Bl. IIP). Luds Vereinbarung mit R. — noster Philesius — zu künftiger Zusammenarbeit stand damals wohl schon fest. So könnte R., der durch den 'Caesar' ausgewiesene Übersetzer, in Luds und Grüningers Umgebung auch für die dt. Version von Luds 'Decla-

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ratio' die nächstliegende Wahl gewesen sein. D r u c k . Erclarnis und usslegung der Figur und Spiegels der Welt. Straßburg, Joh. Grüninger 1507. Nachweis bisher nur bei J. ALDEN, European Americana, Bd. l, New York 1980, S. 10 f.; das angegebene Exemplar der ÜB Breslau ist dort gegenwärtig unbekannt. 4. Zu beachten sind zwei weitere Fälle zeitlicher und lokaler Parallelität der Drucke von lat. Vorlage, die R. selber herausgab oder die seiner Arbeitsgruppe in St. Die entstammt, und ihrer anonymen dt. Übersetzung. Nach den genannten Kriterien ist auch für sie R. als möglicher Übersetzer ins Auge zu fassen. Weitere Klärung könnte erst eine eingehende Vergleichung der Übersetzungsstile bringen. a) Vespuccis brieflicher Bericht von seiner 3. Reise, dessen lat. Version R. 1505 bei M. Hüpfuff veröffentlicht hatte ('De ora antarctica', s. o. B.I.l.), kam dort im gleichen Jahr in dt. Übersetzung heraus. Ein guter schwatzmann, heißt es im vorletzten Kapitel, habe den ital. Text ins Lat. und diesen ins Dt. übertragen; damit ist die lat. Übersetzung fälschlich, die dt. bewußt anonymisiert. D r u c k . Von den nüwen In=\sulen vnd landen so yetz kürtzlichen er\funden synt durch den König von Portugal!. \ Straßburg, Math. Hüpfuff, 1505. VD 16, V 926. Fünf Nachdrucke bis 1508: SABIN/ EAMES/VAIL, S. 457-460; VD 16, V 924, 926-28, 931-32. b) Desgleichen folgte 1509 bei Grüninger dem lat. Druck von Vespuccis Bericht über seine vier Entdeckungsfahrten (im Anhang der 'Cosmographie introductio', s. o. B.IV.l.) eine dt. Übersetzung. D r u c k . Diss büchlin saget wie die zwen durchlüchtigsten herren her Fernandus K. zu Castilien \ vnd herr Emanuel. K. zu Portugal haben das weyte \ mör ersuchet vnnd funden vil Insulen [...]. Straßburg, Joh. Grüninger, 18. März 1509. SABIN/ EAMES/VAIL, S. 464 f. L i t e r a t u r . Zu A. u. zum Werk allgemein: CH. SCHMIDT, M. R. (Philesius) humaniste alsacien et lorrain, in: Memoires de la Societe d'archeologie lorraine et du musee historique lorrain, Nancy 1875, S. 165-233; ders., Histoire litteraire de 1 1sace [...], Paris 1879 (Neudr. 1966), Bd. 2, S. 87132 u. ö. (Reg.); A. COLLIGNON, De Nanceide Petri de Blarro Rivo Parisiensis, Nancy 1892, S. 12-14, 16, 18, 78; L. GALLOIS, Le gymnase vosgien, Bulletin de la Societe de geographic de l'Est 21 (1900) 88-94; J. KNEPPER, Jakob Wimpfeling (14501528). Sein Leben u. seine Werke, 1902 (Nachdr.

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1965), Reg.; TH. VULPINUS, M. R. 1482-1511, Jb. f. Gesch., Sprache u. Lit. Elsaß-Lothringen 18 (1902) 127-130; K. KLEMENT, Neue Belege für das Lebensbild des Philesius Vogesigena, ebd. 20 (1904) 298-301; A. OHL, M. R. dit 'Philesius' graveur en bois, Bulletin de la Societe philomatique Vosgienne 59 (1933) 27-42; F. HEITZ, Quelques alsatiques anciens repatries en Alsace, Revue d'Alsace 83 (1936) 3-25 u. 142-160, hier S. 9-18; R. NEWALD, M. R., in: ders., Elsäss. Charakterköpfe, [1944], wieder in: ders., Probleme u. Gestalten des dt. Humanismus, 1963, S. 443-457; A. RONSIN, L'imprimerie humaniste ä Saint-Die au XVIe siecle, in: Refugium animae bibliotheca. Fs. Albert Kolb, 1969, S. 382-425; O. HERDING/ D. MERTENS (Hgg.), Jakob Wimpfeling, Briefwechsel, 1990, Reg. S. 935. Zu B.H.: G. ELLINGER, Gesch. der neulat. Lit. Deutschlands im 16. Jh., Bd. l, 1928, S. 383 f. u. 428. Zu B.III.: J. KNEPPER, Eine altelsässische Figurengrammatik, Neue Jbb. f. Pädagogik 8 (1905) 236—245; ders., Das Schul- und Unterrichtswesen im Elsaß [...], 1905, S. 233 f., 377-392, 446 f. u. ö. (Reg.); L. VOLKMANN, Ars memorativa, Jb. d. Kunsthist. Sammlungen in Wien N.F. 3 (1929) 111-200, hier S. 143 f.; F. STEPHAN-KÜHN, Ludus Latinus. Ein lat. Kartenspiel aus d. J. 1509, Der Altsprachl. Unterricht 29 (1986) 75-87; dies., in: TH. BRÜGGEMANN, Hdb. der Kinder- u. Jugendlit., Bd. l, 1987, Sp. 344-361 u. 1170-1172. Zu B.IV.: M. A. P. o'AvEZAC, Martin Hylacomylus Waltzemuller, ses ouvrages et ses collaborateurs, Paris/Straßburg 1867; L. GALLOIS, Les geographes allemands de la Renaissance, Paris 1890; ders., Americ Vespuce et les geographes de SaintDie, Bulletin de la Societe de geographie de l'Est 21 (1900) 66-87; J. FISCHER, Die Straßburger Ptolemäus-Ausg. d. J. 1513, Stimmen aus MariaLaach 86 (1914) 359 f.; H. CHARLES, Der dt. Ursprung des Namens America, New York 1922; J. SABIN/W. EAMES/R. W. G. VAIL, Bibliotheca Americana. A Dictionary of Books Relating to America, Bd. 26, New York 1935; F. LAUBENBERGER, R. oder Waldseemüller? Eine krit. Unters, über den Urheber des Namens Amerika, Erdkunde. Archiv f. wiss. Geographie 13 (1959) 163 — 179; ders., The Naming of America, Sixteenth Century Journal 13 (1982) 91-113; M. KUBLER, M. R. nomme l'Amerique. Le trait de genie d'un humaniste alsacien, Saisons d'Alsace 115 (1992) 9-19; B. QUARITCH (Hg. u. Übers.), Amerigo Vespucci, Letters of the Four Voyages to the New World, 1992; A. RONSIN, Decouverte et bapteme de l'Amerique, Jarville—La Malgrange 21992, S. 76, 88-90, 104-118 u. ö. (Reg.); K. A. VOGEL, 'America': Begriff, geograph. Konzeption u. frühe Entdeckungsgesch. in der Perspektive der dt. Hu-

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manisten, in: K. KOHUT (Hg.), Von der Weltkarte zum Kuriositätenkabinett. Amerika im dt. Humanismus u. Barock, 1995, S. 11-43, bes. S. 15-17. F. J. WORSTBROCK

'Von einem Ritter, der seinen Sohn die Wahrheit lehrt' -» 'Die Wette um Wahrheit oder Lüge' Ritter, Andreas 1. R. wurde etwa 1440 in Grünberg (Schlesien) geboren, war ab 1471 Augustinerchorherr in Sagan, ein bedeutender Prediger, der sich abwechselnd in Sagan, Grünberg (wo Sagan eine Propstei besaß) und in Freystadt aufhielt. Dem 'Catalogue abbatum Saganensium' zufolge endete R. 1480 nach einer Auseinandersetzung mit dem Abt durch Selbstmord. R. war nach eigenen Angaben zwischen 1464 und 1477 in Sagan und Grünberg als Prediger tätig, s. die diesbezüglichen autobiographischen Notizen in der Hs. Breslau, ÜB, cod. I Q 387. Ebensolche finden sich in einer ganzen Reihe weiterer, aus der Saganer Bibliothek stammenden Breslauer Hss., so vor allem dem cod. I O 139, R.s 'Rapularius'. Die Notizen erlauben einen ungewöhnlich genauen Einblick in Arbeitsweise und Biographie eines spätmal. Predigers. Sie lassen auch erkennen, daß R. massiv unter der eigenen Sündhaftigkeit, vor allem seiner Neigung zum Alkohol, litt ( I Q 387, 61r: Warnung vor Freß- und Trunksucht, 106r: Endirleyn thuß nymme, 138r: ritter stat in periculo huius religionis, 304r: Brengit byer myr och}. Im Rapularius (184r) teilt R. zwei Träume des Jahres 1472 mit (Abdruck in Monumenta Palaeographica, Stück a). Juristische Interessen R.s (s. u.) erklären sich vielleicht dadurch, daß sein Vater, Konrad R., Notar (und Schulmeister) in Grünberg war. R. scheint lokal eine gewisse Berühmtheit genossen zu haben, worauf eine auf ihn (um 1465?) verfaßte mehrstimmige lat. Cantio des -> 'Glogauer Liederbuches' verweist (Nr. Ill, Inc. Probitate eminentem), die R. einerseits z. B. als singularem/Fautorem clerici ethici (Str. 2,2 f.) preist, aber auch 'eine sehr drastische Spottmotette'

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Ritter, Andreas

ist, die u. a. auf R.s Hang zum Besuch der taberna verweist (Text RINGMANN, S. 9— 13; s. VÄTERLEIN, S. 348 [Zitat] und 374, s. weiterhin FELDMANN, S. 139—141, 205). Da die Cantio in etwas jüngeren Mensuralfragmenten aus Lemberg (Lvov) Ohne Ritters Namensnennung und wohl an einen anderen Adressaten gerichtet' erscheint, wurde sie wohl nicht von Petrus Wilhelmi verfaßt, s. STAEHELIN, S. 95. 2. Ein schriftstellerisches CEuvre im üblichen Sinne läßt sich R. bisher nur bedingt zuschreiben (am ehesten noch im Bereich der Predigtentwürfe), doch dürften die von ihm angelegten Hss. nicht weniges Eigengut, darunter auch Übersetzungen enthalten. — Alle im folgenden genannten Hss. befinden sich in der ÜB Breslau. a. Von R. benützte Handschriften. Seinen Predigten legte R. u. a. den in der Hs. I Q 393 überlieferten 'Thesaurus pauperum' zugrunde (Eintrag auf dem Schutzblatt P), er besaß eine Hs. mit der 'Expositio missae' des Nikolaus ->· Stoer (ebd., I Q 164), der R. zahlreiche Notate beifügte (295 r —298 V : theologische Autoritäten, z. B. -» Cyprian von Karthago, 'De XII abusionibus', 302 V —309 r ein 'Praeparatorium ad missam', 318V —334 V Predigtmaterialien). 1477 las er die in der Hs. I F 632 enthaltenen 'Sermones super Cantica' des -» Bernhard von Clairvaux diligenter durch et haust mel de petra oleum de saxo durissimo (Notiz Innenseite des Vorderdeckels). b. Handschriften mit Eigengut R.s, teils von ihm geschrieben. Die Hs. I O 122 b enthält ebenfalls Predigtmaterialien, zunächst (l r —241 V ) 'Sermones varii de tempore et de sanctis', die nicht von der Hand R.s herrühren, von ihm aber wiederholt mit Zusätzen versehen wurden (z.B. 119V, 229V, jeweils über den Begriff der Sünde). Der von R. geschriebene zweite Teil der Hs. (242r-292v) bringt zuerst ein alphabetisches Register super libros legales, danach, ab 280r, Predigtnotizen, Auszüge aus den 'Revelationes' der (Ps.) -> Birgitta von Schweden, Begriffsdefinitionen (z. B. eines devotus homo] u. a.

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Von besonderem Interesse ist Cod. I Q 387 (331 Bll.), ganz von der Hand R.s, der sich vielfach mit Namen nennt (Andreas Kitter, Andriß, Endirleyn, Ritter, Andreas Veltus). Er enthält — neben einer Vita der hl. Katharina von Siena (-» Raimund von Capua) — viele Predigtentwürfe R.s, wobei Ort und Zeit mitunter genau angegeben werden; hinzu treten zahlreiche autobiographische Notizen (wie etwa die Zeichnung eines fantasma auf 59r). Die Abfolge der Predigten richtet sich nicht nach dem Kirchenjahr. Dem einzelnen Entwurf sind sehr häufig Materialien in Gestalt von Autoritätenzitaten (z. B. 74r: aus Holkot super sapiencia, 75V: aus dem Liber spiritualis grade [-»Mechthild von Hackeborn]) beigefügt, die die sehr beträchtliche Bildung R.s erkennen lassen. Neben den Patres begegnen auch moderne Theologen wie z. B. -> Heinrich von Friemar (176r). Am Ende einer Predigtskizze werden häufig Exempla geboten oder anzitiert, darunter solche sonst unbekannten Inhalts (s. die bei KLAPPER, S. 28 f. gebotenen Beispiele). Neben dem grundständigen Latein begegnet dabei an vielen Stellen lat.-dt. Mischprosa, daneben auch rein dt. Kurztexte, so Gebete (Mariengebete 241r und 330r), daneben Meditationen zum Hohen Lied (sowohl dt. wie lat., 329 r ~ v ) u. a. m. Inwieweit R. hier nicht nur Schreiber, sondern auch — wie anzunehmen ist — Übersetzer und vielleicht sogar Verfasser war, wäre zu ermitteln. Von Interesse für die Geschichte des frühen dt. Kirchenliedes ist der Umstand, daß R. im Anschluß an Predigtentwürfe mitunter dt. (seltener lat. und lat.-dt.) Liedinitien bietet, einmal sogar einen vollständigen Text (76r: O cleynis kint, 103V: Nw bitte wir den hylgin geist, 169r und 21 l r : regina celi letare, 232r: O florens rosa [auf die hl. Katharina], 241V: Puer natus est nobis Eyn kyndelin so labelich (-> 'Puer natus in Bethlehem'), 243V: gelobit seystu ihesu crist der do mensch ... Eya wer wir do (vgl. -* 'Gelobet sistu Jesu Christ', dazu die Korrektur zur Datierung unter -> 'Medinger Gebetbücher' [NB]). Daß R. ein 'Weihnachtsspiel' kleines Kind, o großer Gott' verfaßt habe (Limos, 1960, S. 33) beruht auf einem Mißverständnis, vgl. KLAPPER S. 28.

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'Ritterschaft Jesu Christi'

c. R.s 'Rapularius'. R.s geistige Prägung und seine Interessen läßt besonders deutlich der von ihm angelegte, in Hs. I O 139 (260 Bll.) erhaltene, mehrfach das Jahr 1472 nennende, von der Forschung so bezeichnete 'Rapularius' erkennen, der, wieder mit Beimengung dt. Notizen und Kurztexte (darunter Gebete), ebenfalls Predigtmaterialien, ein Abkürzungsverzeichnis für die Namen von Rechtsgelehrten (ac: accursius, 17r), ein lat.-dt. Vokabular (22v-25r), ein Verzeichnis der Bücher des Kirchenrechts (51 V — 52r), eine Crux spiritualis (85V), ein dt. Alexiusgebet (127r), Zitate aus Plato, Boethius, Enea Silvio Piccolomini und vielen anderen Autoritäten, excerpta de erroribus iudeorum (201r-229r), einen Brief des -> Alfonsus Bonihominis (229 r —246 V ), ein Verzeichnis der höre planetarum (246 V — 260V) und vieles weitere enthält. Eine genauere Untersuchung von R.s CEuvre ist sehr erwünscht.

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sti die sol man when die ganczen carwöchen.... Am palmtag so fach an vnd wbe dich wider hoff art ... (nach Hs. St. Georgen 74, 6 V ). Ü b e r l i e f e r u n g . Frankfurt, StB u. ÜB, Ms. Praed. 159, 149r-152v (im Anschluß an -* 'Paulus u. Thekla' II); Karlsruhe, LB, Hs. St. Georgen 74, 6 V -8 V ; München, cgm 523, 204r/v; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 226 Extrav., 105V107r; Zürich, Zentralbibl., Ms. C 162, 143r-147r (-> 'Gebetbuch für Margaretha von Kappel'). Die Hss. sind alle ungefähr Mitte bis Ende 15. Jh. datiert u. stammen aus dem bair.-schwäb. Sprachraum. Möglicherweise sind noch weitere Textzeugen in geistlichen Sammelhss. zu finden. — Nicht ediert.

I n h a l t . Die geistlichen Übungen sollen vollzogen werden mit gedencken vnd worten vnd wercken. Sie beginnen am Palmsonntag und enden in der Osternacht. Jedem Tag entspricht eine Tugend, für die es riterlich zu streiten gilt gegen die sie bedrohende Todsünde (Hochmut, Neid/Haß, Zorn, Gier, Trägheit, Gefräßigkeit, Unkeuschheit L i t e r a t u r . Catalogus abbatum Saganensium, = SIIAAGL-Reihenfolge). Gleichsam als in: G. A. STENZEL (Hg.), Scriptores rerum Silesiawaffen claid Christi soll man an jedem Tag carum I, Breslau 1833, S. 173-528, hier S. 373 f.; als Symbol ein Attribut, das die Marter A. CHROUST (Hg.), Monumenta Palaeographica Christi bis zu seinem Tod am Kreuz und Abt. l, 3. Serie, II. Bd., Lfg. 15, 1935 Tafel 2b~c; der Auferstehung nachempfinden hilft, in J. KLAPPER, Dt. Schlesier des MAs, 1937, S. 27dem hertzen gedencken und tragen (Dor30; Das Glogauer Liederbuch, 2. T., hg. v. H. nenkrone, Speer, Geißel und Rute, Jesu RINGMANN (Erbe d. dt. Musik 8), 1937, S. 9-14, Kleider bzw. Geldbeutel des Judas, Kreuz 79 f., 82; dass., 4. T., hg. v. CH. VÄTERLEIN (Erbe mit drei Nägeln, Essigschwamm, Christi d. dt. Musik 23), 1981, S. 347 f. u. 374; F. FELDMANN, Musik u. Musikpflege im mal. Schlesien Grab mit den weißen Leinentüchern). Zu(Darstellungen u. Quellen z. schles. Gesch. 37), sammen mit den gesprochenen Worten von 1938; A. LUBOS, Das schlesische Geistesleben im fünf Vaterunsern (bzw. in einem Teil der MA, Jb. d. schles. Friedrich Wilhelms-Umv. l Überlieferung zusätzlich fünf Ave Maria) (1955) 71-111, S. 77 f.; ders., Gesch. der Literatur und den jeweiligen symbolischen HandSchlesiens I, 1960, S. 33; dass., [Neufassung], 1995, lungen (Niederknien, Hände kreuzweise S. 46 f. u. 353 f.; A. SWIERK, Sredniowieczna Biauf das Haupt oder an das Herz legen, sich blioteka klasztoru kanonikow Regularnach 'sw. geißeln, sich mit beiden Händen umfanAugustyna w Zaganiu, Wroclaw 1965, S. 49, 57, gen, Arme emporstrecken, kreuzweise mit 59, 154 f.; M. STAEHELIN, Kleinüberlieferung mehrstimmiger Musik vor 1550 im dt. Sprachgebiet III: zertanen armen stehen, einen Fuß über Neues zu Werk und Leben von Petrus Wilhelmi dem anderen) ergibt dies die rechte Buß(GGN, I. Philol.-Hist. KL, Jg. 2001, Nr. 2), 2001. übung gegen die sieben Todsünden. VOLKER HONEMANN In Ms. Praed. 159 folgt jeder geistlichen Übung die allegorische Beschreibung der zu bekämpfenden Todsünde; ähnlich wie 'Ritterschaft Jesu Christi' die bildhaften Darstellungen im -> 'EtymaProsatraktat, der Anleitung gibt zu chietraktat' werden sie hier beschrieben als geistlichen Übungen während der Karwo- auf verschiedenen Tieren reitend mit Tierche. Inc. Diß ist die Ritterschaft ihesu Cri- emblemen auf Helm und Schild und be-

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'Robert von Molesme(s)' — 'Rosenkranz unserer lieben Frau'

stimmte symbolische Gegenstände in der Hand haltend. Möglicherweise gehen diese Textpassagen auf bildliche Darstellungen zurück; zumindest deutet die Aussage Bl. 150V über einen dieser Gegenstände, ...in der Hand ainen hagen oder ist ain krewal (...'einen Haken oder ist es eine Kralle') darauf hin. Vgl. auch die -* Ulrich von Lilienfeld zugeschriebene Bildallegorie von der geistlichen Ritterschaft des Menschen. In den anderen Hss. fehlen diese Allegorien, stattdessen heißt es im Vorspann, daß die 'R. J. Ch.' einem Kartäuser in welschen Landen offenbart worden sei (diese Zuschreibung fehlt in Ms. C 162). Der Ostertag wird in beiden Textversionen als Tag der Freude beschrieben, an dem Gott zu loben sei, das Waffenkleid ist ain kirchen und jeder, der mit diesen Bußübungen ritterlich gegen die sieben Todsünden gefochten hat, gehört nun zur 'R. J. Ch.'. Der Text ist zu unterscheiden von -* 'Die Ritterschaft' und dem strophischen Gedicht ->· 'Ritterschaft Christi'. MONIKA KASPER-SCHLOTTNER Robert Holcot OP (dt. Übers.) von Ruckersburg [Bd. 8 u. NB]

Simon

'Robert von Molesme(s)' (Rupert, Ruprecht) OCist Deutsche Legende. R. war Abt der von ihm 1075 gegründeten Abtei M. (dort gest. 1111) und gilt als der eigentliche Schöpfer der Spiritualität des Zisterzienserordens. Eine lat. Vita entstand im Rahmen seiner Kanonisation um 1221 (hg. v. K. SPAHR, Das Leben des hl. R. v. M., 1944). -* Regula, Schreibmeisterin des Klosters Lichtenthal, fertigte um 1465/70 als 'zisterziensische' Ergänzung ihrer Bearbeitung der 'Elsässischen Legenda aurea' (-»· Jacobus a Voragine, V. 5.) für die Tischlektüre eine verkürzende Übersetzung der Vita R.s an, der bei ihr Rupertust'Ruprecht heißt. Gegenüber der Vorlage fehlen vor allem der Prolog, die Kap. 2-5 und die Mirakel Kap. 15-24.

Ü b e r l i e f e r u n g . Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms. 2542, 124v-126r. A u s g a b e . K. KUNZE, Die Elsässische Legenda aurea, Bd. II: Das Sondergut (TTG 10), 1983, S. XXIX, TextS. 135-138.

KONRAD KUNZE Rode, Johannes, von Hamburg [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 127 f. zu Lit. ergänze: F. KOEHLER, Der Kartäuserprior Johannes v. Hamburg u. die Schwestern des Birgittenklosters bei Reval, in: Revaler Beobachter. Okt. 1892, Sonderabdruck, S. 1-8; J. DESCHAMPS, in: De kartuizers en hun klooster te Zelem, hg. v. F. HENDRIKX (Diestsche Cronycke7), Diest 1984, S. 201-204 [zu dem Brief an die Hamburger Benediktinerinnen, mit Abb. von 's-Gravenhage, Kgl. Bibl., cod. 73 H 24, 1 -

Rom s. auch -> 'Stationes ecclesiarum urbis Romae'; -> 'Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae' [NB] Romulus, 'Romulus-Corpus' -» Äsop [NB] Roritzer, Matthäus [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 171 zu Lit. ergänze: H. GERICKE, Mathematik im Abendland, 1990, S. 179-186.

'Rosa von Viterbo' [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 171 nach Überl. ergänze: Ausgabe v. P. GIANCROSSO, Four Franciscan Saints' Lives: German Texts from Codex Sangallensis 589 (Stuttgarter Arbeiten z. Germanistik 186), 1987, S. 120138, vgl. S. 8-14.

'Der Rosendorn' [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 185 zu Lit. ergänze: CH. GERHART, Kröte u. Igel in schwankhafter Lit. d. späten MAs, Medizinhist. Journal 16 (1981) 340-357.

'Rosenkranz' s. auch R.' [NB]

'Der himmlische

'Rosenkranz unserer lieben Frau' [Korr.] Bd. 8, Sp. 195, nach Z. 22 "... um damit wohl spezifi-" ergänze die ausgefallene Zeile: sehen Bedürfnissen laikaler Frömmigkeit zu ...

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Rosenplüt, Hans — Ruchamer, Jodocus

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Rosenplüt, Hans [Nachtr.]

'Rothsche Predigtsammlung' [Korr.]

Bd. 8, Sp. 205, 2. Absatz: zu 'Spiegel und Igel' vgl. unter -» 'Der Spiegel'; -> 'Der Bildschnitzer von Würzburg' [NB].

Bd. 8, Sp. 286 Überl.: "'Proveiser Fragmente' (verschollen)" korr.: jetzt in Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Hs. 95; vgl. -> 'Tiroler Predigtsammlung'.

'Rosmarintraktat' [Korr.] Bd. 8, Sp. 236, II. Überl. a: "ms. Sloane 1313" korr.: ... Sloane MS. 3131. Sp.237, III.l.c: ebenso! Ebd., Ill.l.a: "Rom, Bibl. Nazionale Centrale Virtorio Emanuele I, cod. Farfensis 24, 51 V —53 r " korr.: ...Bibl. Naz. Centr. Vittorio Emanuele II, cod. 200 (olim cod. Farfensis 24), 59v-61r. Sp. 239, Z. 7 f.: "Basel, ÜB, cod. M V 85" korr.: ..., cod. H V 85. Ebd., Lit.: "G. KEIL, Der 'R.' ... 1991" korr.: G. KEIL/ H. STAUB/ V. ZIMMERMANN, Der 'R.Traktat' aus einem alem. Apotheker-Autograph vom spätmal. Oberrhein, in: Würzburger Fachprosa-Studien, Fs. M. Holler, hg. v. G. KEIL (WmF 38), 1995, S. 178-200.

Rosner der ciain man [Nachtr.] Vom selben Verfasser stammt ein mit der Autorsignatur Roßler der klain man versehenes Loblied auf Kaiser Friedrich III., überliefert in der Hs. Wien, Haus-, Hof- u. Staatsarchiv, Cod. Blau 658, 85V— 86r ('Kopialbuch Kaiser Friedrichs IIP; ebd., Bl. 146v-147r eine weitere Überlieferung der Reimrede über die Judenpredigt). Vgl. F. FUCHS/ K.-F. KRIEGER, Aller tugent ist er ein faß - ein Lobgedicht auf Kaiser Friedrich III. (1440/52-1493), in: B. KRAUSE (Hg.), Verstehen durch Vernunft, Fs. W. Hoffmann (Philologica Germanica 19), 1997, S. 98-112 (mit Textabdruck); F. SCHANZE, Überlieferungsformen polit. Dichtungen im 15. u. 16. Jh., in: H. KELLER u. a. (Hgg.), Schriftlichkeit u. Lebenspraxis im MA. Erfassen, Bewahren, Verändern (MMS 76), 1999, S. 299-331, hier S. 313, 326 mit Anm. u. 328-330 (Textabdruck).

FRIEDER SCHANZE 'Roßaventüre' [Korr.] Bd. 8, Sp. 242 Überl.: "Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 731" korr.: ..., cod. 730 (444); vgl. Papst -» Clemens' Roßarzt [NB].

Rothe, Johannes [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 279 zu b), Überl.: Zu dem Text über die Sieben Freien Künste (korr.: Eigenkünste) vgl. -» 'Die sieben Eigenkünste' [NB].

Ruchamer, Jodocus (Rucheimer, Rochomer, Rukhamer; Jobst) 1. J. R., Sohn eines gleichnamigen Färbers in Nürnberg, ist im WS 1485 in den Matrikeln der Univ. Ingolstadt verzeichnet. 1489, bereits als bacc. artium, gewährte ihm der Rat der Stadt Nürnberg das Konhofersche Stipendium für ein Studium der Medizin; R. verpflichtete sich dafür in einem Revers, danach in den Dienst der Stadt zu treten. Nach dem Studium in Pavia (Promotion am 10. April 1494, unter den Zeugen auch Willibald Pirckheimer) ist er 1495 bis 1510 als geschworener Arzt in Nürnberg bezeugt, danach nur noch durch einen Brief an Willibald Pirckheimer (mit einer Empfehlung von Johann Schöners Kosmographie), den R. im April 1515 in Bamberg schrieb. Vgl. G. A. WILL, Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon..., 4. Teil, Altdorf 1758, S. 466 u. 7. Teil (= 3. Suppl.-bd., v. CH. C. NOPITSCH), Altdorf 1806, S. 335 f.; die dort (und in späterer Lit.) genannten Daten stimmen nicht mit den archivalisch gesicherten überein; für das Todesdatum 1549 findet sich kein Nachweis. Archivalische Quellen: R.s Revers an den Rat der Stadt in Nürnberg, Stadtarch. (StadtAN), A l, 1489 April 27. — Zu seinem Amt als Stadtarzt vgl. ebd., Staatsarch., Reichsstadt Nürnberg, Ämterbüchlein, Nrn. 21—30; im Ämterbüchlein von 1510 ist sein Name gestrichen; ebd., Stadtarch., Ämterbuch B 11 Nr. 125 (17. Jh.): Jodocus Buchaimir [!], wohl verlesen aus älterer Vorlage. — Bei einem Eintrag unter dem Namen Jobst Ruchhamer in den Nürnberger Totengeläutbüchern zum Jahre 1503 (bearb. v. H. BURGER, Bd. II, St. Lorenz, 1454-1517, 1967, Nr. 3886) handelt es sich offenbar um den Vater des Arztes. — In den 'Libri Litterarum' (Grundverbriefungsbüchern) des Stadtgerichts zum Jahre 1508 (Stadtarch., B 14/1 Nr. 23, Bl. 46-47) ist J. R. mitsamt seinen Geschwistern im Zusammenhang des Nachlasses seines Vaters bezeugt. — R.s Wappen ist im Geschlechterbuch des Lazarus -» Holzschuher d. Ä. [NB] überliefert: Nürnberg, Staatsarch., Reichsstadt Nürnberg, Hss., Nr. 281, 4V (betr. die Nürnberger Archivalien

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Ruchamer, Jodocus

freundl. Mitteilungen durch Staatsarchiv und Stadtarchiv Nürnberg). Vgl. Die Matrikel der Ludwig-MaximiliansUniv. Ingolstadt-Landshut—München, hg. v. G. Frhr. von PÖLNITZ, 1937, S. 156 (lodocus Rucheimer ex Nürnberga); A. SOTTILI, Tune floruit Alamanorum natio: Doktorate dt. Studenten in Pavia in der 2. Hälfte des 15. Jh.s, in: W. REINHARD, Humanismus im Bildungswesen des 15. u. 16. Jh.s (Mitt. XII d. Kommission f. Humanismusforschg.), 1984, S. 25-44, hier S. 33 f., 39 (lodochus Ruchamer)·, B. EBNETH, Stipendienstiftungen in Nürnberg (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- u. Landesgesch.), 1994, S. 234, 235 Anm. 104, 240. Willibald Pirckheimers Briefwechsel, hg. v. E. REICKE, Bd. II, 1956, Nr. 356.

2. R. übersetzte i. J. 1508 das erst ein Jahr zuvor in ital. Sprache erschienene Sammelwerk des Antonio Fracanzano da Montalboddo, die 'Paesi novamente retrovati', für einen ungenannten Freund ins Deutsche, etwan zu meinen massigen zeyten. In seiner vorrede hebt er hervor, daß das Werk wunderbare und bisher unbekannte Dinge eröffne, die den geschrifften der alten Natürlichen Mayster vnd hochgelerten tvyderwertige seien. R. übersetzt — von einzelnen Abweichungen abgesehen (vgl. NEUBER, 1993) - textgenau bis hin zu Verdeutschungen der Orts- und Personennamen, allerdings ohne selber über fundierte geographische Kenntnisse und Vorstellungen zu verfügen. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck Nürnberg, G. Stuchs 1508: Newe vnbekannthe landte und ein neive weldte in kurtz verganger zeyhte erfunden auß wellischer sprach in die dewtschen gebrachte... durch Jobsten Ruchamer der freyen kunste vnd artzenneien Doctorem..., 68 Bll., 2° (VD 16, C 21 [unter Cadamosto]). R.s hd. Übersetzung wurde noch im selben Jahr durch den Lübecker Henning Ghetelen ins Nd. umgesetzt: Druck Nürnberg, G. Stuchs 1508 (BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr., Nr. 441; VD16, C22). F a k s i m i l e a u s g a b e des hd. Druckes in 2 Bdn, hg. v. U. SADIJ, Cadomostos [sie!] Beschreibung von Westafrika. Der Druck der dt. Übers, von 1508 (Newe unbekanthe landte [...], Buch I/II) (Litterae 77), 1980; dies., Entdeckungsreisen nach Indien u. Amerika. Der Druck [...] (Newe [...], Buch IIIVI) (Litterae 83), 1983. Erstdruck der 'Paesi' (ital.): Paesi novamente retrovati. Et Nouo Mondo Da Alberico Vespu-

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tio Florentine» intitulato, Vicenza 1507. Weitere Drucke (auch lat. u. frz.) bis 1535: SABIN u. a., Nrn. 50050-64; HIRSCH, Appendix I, Nrn. 55, 59, 61-63, 73, 77-80, 82, 83, 95, 96; ALDEN, vgl. Index S. 392.

3. Die Kompilation Fracanzanos (142 [im dt. Druck 143] Kapitel in 6 Büchern) dient dem Interesse an konkreter kaufmännischer Information, darüber hinaus aber der Information über die neuen geographischen und kulturellen Räume sowohl im Osten wie im Westen und deren Einordnung in das christliche Weltbild. Sie enthält Berichte über portugiesische und spanische Entdeckungs- und Handelsreisen im Zeitraum von der Mitte des 15. Jh.s bis ca. 1504, die zum Teil Autoren benennen, zum Teil anonym sind: In Buch 1—2 (c. 1—47 bzw. 48—70) die Berichte des venezianischen Kaufmanns Alvise Cadamosto über Reisen im Auftrag des portugiesischen Infanten Heinrich des Seefahrers entlang der Westküste Afrikas (1455/56 bzw. 1461; die erste Reise unternahm Cadamosto selbst, über die zweite berichtet er aufgrund von Mitteilungen eines Teilnehmers), anschließend (ab c. 51) einen Bericht über die Fahrt des Vasco da Gama (Vascus von Gymari) über das Kap der Guten Hoffnung nach Indien (1497-1499) sowie (ab c. 63) über die Reise unter Pedro Alvarez Cabral (Peter Aliares} mit demselben Ziel (der südindischen Stadt Calicut), wobei aber zunächst auf Südwestkurs ungewollt die Küste Brasiliens erreicht wurde (c. 64 ff.) und erst danach die Fahrt über die Südspitze Afrikas nach Osten erfolgte (1500/02); Buch 3 (c. 71-83) setzt den Bericht derselben Reise fort. Buch 4 (c. 84— 113; übernommen von einer ital. Druckausgabe Venedig 1504) enthält die ersten drei transatlantischen Fahrten des Columbus (Christoffel Dawber; 1492/93, 149395 und 1498-1500) nach den 'Dekaden' des Petrus Martyr de Anghiera (in der Kurzfassung Angelo Trevisanos), anschließend Berichte über zwei Reisen der Gefährten des Columbus, Alonso Nino und Vicente Pinzon (1499 und 1500); Buch 5 (c. 114—124) Amerigo -» Vespuccis [NB] 'Mundus novus' über seine brasilianische Reise 1501/02, gewidmet Lorenzo di Pier-

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Rucherat, Johann, von Wesel — Rüdiger von Hainburg

francesco de' Medici (Laurencio petri artzte [!] zu Florentia). Buch 6 (c. 125 — 143) bietet eine Sammlung weiterer Berichte über portugiesische Fahrten in den ersten Jahren des 16. Jh.s nach Indien und gewaltsame Auseinandersetzungen mit dem Herrscher von Calicut, ferner (c. 126) über eine Fahrt zweier Schiffe nach Nordwesten entlang der Eismeerküste (1501); abschließend über den Priester Joseph, einen indischen Christen, der i. J. 1502 mit der zurückkehrenden Expedition Cabrals aus seiner Heimat Caranganor nach Lissabon kam, um Rom und Jerusalem zu besuchen, und der ausführlich über Religion, Sitten und Gebräuche der speziell den hl. Apostel Thomas verehrenden Christen in Indien berichtete. Die dt. Ausgabe enthält außerdem als 143. Kapitel (wohl aus der lat. Fassung der 'Paesi' übernommen) einen Brief des portugiesischen Königs Manuel I. an Papst Julius II. (dat. 12. Juni 1508), der eine religiöse Rechtfertigung portugiesischer Eroberungen im arabischen Meer und in Indien sucht, und abschließend den Bericht eines deutschen Kaufmanns aus Lissabon über eine weitere (kriegerische?) Expedition im Jahr 1508. Der Brief König Manuels erschien dt. auch als separater Druck, vgl. VD 16, P 4368: [Nürnberg, Johann · Springer [NB]; -»· Vespucci [NB]). 4. Die lat. Fassung der 'Paesi' (Titel: Itinerarium Portugallensium e Lusitania in Indiam et inde in ocddentem et demum ad aquilonem, zuerst Mailand 1508) fand Aufnahme in das Sammelwerk Johann Huttichs (mit einem Vorwort des Simon Grynaeus), Novus orbis regionvm ac insvlarvm veteribus incognitarvm, zuerst gedruckt Basel, J. Hervagium 1532; mit dessen Übersetzung durch Michael Herr (Die New weit, der landschaften vnnd Jnsulen

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..., Straßburg, G. Ulricher 1534) wurde das Werk Fracanzanos auch auf diesem Weg — unabhängig von R.s Übersetzung aus dem Italienischen — im Deutschen verfügbar. L i t e r a t u r (Auswahl). J. SABIN u. a., Bibliotheca Americana. A Dictionary of Books Relating to America from its Discovery to the Present Time, New York 1868-1936, repr. Amsterdam 1961/62, vol. XII [1880], S. 297-301; M. BÖHME, Die großen Reisesammlungen des 16. Jh.s u. ihre Bedeutung, Straßburg 1904 (Nachdr. Amsterdam 1962), S, 15 — 47; R. HIRSCH, Printed Reports on the Early Discoveries and their Reception, in: F. CHIAPPELLI (Hg.), First Images of America. The Impact of the New World on the Old, Bd. 2, Berkeley-Los Angeles 1976, S. 537-558; J. ALDEN, European Americana, Bd. 1: 1493-1600, New York 1980, vgl. Index S. 392 (unter Fracanzano da M.); SADJI, Nachwort zur Faks.-Ausg., 1980, S. I-XIV, u. 1983, S. I-VIII; H. KÄSTNER, Der Arzt u. die Kosmographie, in: L. GRENZMANN/ K. STACKMANN (Hgg.), Lit. u. Laienbildung im SpätMA u. in der Reformationszeit [Symposion Wolfenbüttel 1981], 1984, S. 504-533, hier S. 513 f.; U. KNEFELKAMPF u. H.J. KÖNIG, Die Neuen Welten in alten Büchern. Ausstellung in der SB Bamberg, 1988, S. 273-275; W. NEUBER, Fremde Welt im europäischen Horizont. Zur Topik der dt. Amerika-Reiseberichte der Frühen Neuzeit (Philol. Stud. u. Quellen 121), 1991, passim (s. Reg.); ders., Die erste KolumbusReise u. ihre narrative Tradierung in Deutschland bis zum Jahr 1600, in: A. PROSPERI/ W. REINHARD (Hgg.), Die neue Welt im Bewußtsein der Italiener u. Deutschen im 16. Jh. (Schr.n d. Ital.-Dt. Hist. Inst, in Trient6), 1993, S. 135-155, hier S. 147 ff.; B. BOROWKA-CLAUSBERG, Balthasar Sprenger u. der frühneuzeitliche Reisebericht, 1999, S. 151153.

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Rucherat, Johann, von Wesel [Korr.] Bd. 8, Sp. 300, zu 2. a) Überl. u. Sp. 302, zu 2. c) Überl.: "Bonn, ÜB, cod. 747" korr.: ..., cod. S 747 (Kriegsverlust!).

Rüdeger, Rüdiger -» auch Ruodgerus Rüdiger von Hainburg Kanzleischreiber und Kompilator eines Formularbuchs. 1. Rüdiger war nach eigenem Zeugnis (cf. die Privat-Urkunden Nr. LXIV u.

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Rüdeger von Munre — 'Rudimentum noviciorum'

XCV) die zeit pharrer zu Haymburg und schriber in unser [Albrechts III. von Niederösterreich] kanzley und derselben seiner kirchen. Da Anton de Stuben im September 1380 bereits als Pfarrer und somit Nachfolger auf der landesfürstlichen Patronatspfarre in Hainburg bezeugt ist (LACKNER, S. 323), kann R. vielleicht mit dem öffentlichen Notar Rüdiger von Hendschiken identifiziert werden, der bis 1373 als Schreiberhand der herzogl. Kanzlei nachweisbar ist (LACKNER, S. 314 f.). Als Pfarrer von Hainburg hinterließ er eine Reihe von Büchern, die sein Nachfolger Anton inventarisierte (BRUNNER). 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Gießen, ÜB, Hs 632, Bl. 25r-45r (Fasz. II; Niederösterreich, um 1380; aus dem Besitz von Z. C. v. Uffenbach und H. C. Senckenberg); zu Beginn fehlt ein Blatt. Ausgabe. H. C. SENCKENBERG, Selecta iuris et historiarum, Tom. IV, Frankfurt/M. 1738, Fase. II, S. 161—314 (ohne Wiedergabe der deutschen Verwendungsanweisungen); vgl. Praefatio, S. 15—21.

3. Es handelt sich um ein recht frühes Zeugnis eines Formularbuchs aus einer landesfürstlichen Kanzlei, das ausschließlich aus volkssprachigen Urkunden (insges. 105 Urkunden u. Briefe) zusammengestellt wurde. Vorbild für den Kanzlisten Albrechts III. (1365-1395) dürfte die Kanzlei Kaiser Karls IV. in Prag gewesen sein, die durch entsprechende Formularbücher (-> Johann von Neumarkt, 'Summa cancellarii') repräsentiert wird. Neben fürstlichen Urkunden landespolitischen wie privatrechtlichen Zuschnitts (u. a. finanzielle Anleihen unter gleichzeitiger Verpfändung; Zuweisung von Pfründen) kommen auch einige wenige Urkunden von Angehörigen des engeren österreichischen Rates wie auch solche des Kanzleischreibers (und Pfarrherrn) vor. Die Urkunden sind durchgehend ohne Datum wiedergegeben, enthalten jedoch den vollständigen Wortlaut, mitunter auch das Bezugsjahr (nur Urkunde 105 bietet noch vollständig Ort und Datum: cze Wien an samcztag nach Johannis LXXX [Juli 1]); die meisten annähernd datierbaren Stücke stammen aus den Jahren 1369 bis 1373. Alle Urkunden wurden mit einer Überschrift versehen, die Art

(freybrief, puntnuzz, gemechbrief, lehenbrief) und Verwendungszweck knapp benennen: Ain aufslagbrief daz man ein gelt an ainer vesten verpawn sol (Nr. VI), Ein geltschuld brief als ich (!) ainem mein getraid ze chouffen geben han (Nr. XVIII). Zahlreiche Urkunden aus der Landesgeschichte Niederösterreichs sind nur hier bezeugt; dennoch ist die (überholungsbedürftige) Edition SENCKENBERGS weitgehend unbeachtet geblieben. L i t e r a t u r . F. KURZ, Oesterreich unter Herzog Albrecht III., 1827-1830, Tl. 2, S. 254 ( = Nr. LXXVIII); J. V. ADRIAN, Catalogue codicum manuscriptorum bibl. acad. Gissensis, 1840, S. 191 f.; L. WEILAND, Beschreibung einiger Hss. d. ÜB zu Giessen, NA 4 (1879) 59-85, hier S. 72 f.; O. BRUNNER, Zwei Bücherverzeichnisse der Pfarre Hainburg a. d. Donau aus dem 14. Jh., Anz. d. Philos.-hist. Kl. d. Österr. Ak. d. Wiss. 83 (1946) 292-297; C. LACKNER, Hof u. Herrschaft. Rat, Kanzlei u. Regierung d. österr. Herzoge (1360 — 1406), 2002.

ULRICH SEELBACH Rüdeger von Munre [Korr.] Bd. 8, Sp. 310 Überl.: "Ehem. Königsberg, ÜB, Ms. 907 b..." korr.: Die Hs. befindet sich jetzt in Torun (Thorn), Bibl. Glowna, Sign. Rps 10/1; vgl. R. PÄSLER, Katalog der mal. dt.sprachigen Hss. der ehem. SB und ÜB Königsberg, 2000, S. 106-108.

'Rudimentum noviciorum' Lateinische Weltchronik. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Die mehr als 60 erhaltenen Exemplare des Drucks von 1475 teilen sich in zwei Hauptgruppen mit unterschiedlicher Blattzahl (474/464 Bll.). Es handelt sich aber um denselben Druck. Die Zahlendifferenz erklärt sich daraus, daß eine Lage (10 Bll.) synchronistischer Tabellen (Kettengliedergraphik), die dem Band als separate Orientierungshilfe beigegeben war, bei vielen Exemplaren eingebunden wurde. — Eine zweite, in Text und Ausstattung vereinfachte Auflage ist offenbar über das Stadium von Probedrucken nicht hinausgekommen (KOHLFELDT, ALTMANN, SCHMIDT).

2. Titel, D a t i e r u n g , V e r f a s s e r f r a g e . Der Kolophon (Bl. 463) hält den Druckort Lübeck, das Abschlußdatum (5. Aug. 1475) und den Namen des Druk-

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'Rudimentum noviciorum'

kers Lucas Brandis fest. Auch der Werktitel wird hier genannt und begründet: Epithoma istud partes in sex iuxta mundi sex etates divisum prius alibi non repertum. Quod placuit rudimentum noviciorum intitulari [...]. HAIN 4996 registriert das Werk unter dem Stichwort 'Chronicarum et historiarum epitome, rudimentum novitiorum nuncupata'. SCHWARZ (S. 16-24) vermutet, der unbekannte Verfasser sei Mitglied des Lübecker Domkapitels gewesen; er habe den Dominikanern nahegestanden. Eine ausführliche Buchanzeige, mit der Lucas Brandis das Buch beworben hat (WINTEROLL, S. 387; ALTMANN, S. 77), bestätigt den Werktitel Rudimentum noviciorum und macht es denkbar, daß Brandis in einem gewissen Maß als Redaktor, nicht nur als Drucker tätig gewesen ist.

3. A u f b a u und I n h a l t . Das 'R. n.' ('Elementarbuch für Anfänger') bietet ein Kompendium der Weltgeschichte im Gliederungsschema der sechs Weltalter von der Schöpfung bis zur Gegenwart. 'Arme, die sich nicht viele Bücher leisten können', sollen hier alles in einem Handbuch beisammen haben (Kolophon). Einem relativ knapp bemessenen Abschnitt über das Sechstagewerk und die Aetas I (BI. 3—36) folgen gemäß den üblichen Zeiträumen des AT die Aetates II (Bl. 37-111), III (Bl. 111-189), IV (Bl. 189-218) und V (Bl. 218-289) in synchronistischer Darstellung der biblischen und nichtbiblischen Geschichte. Die Aetas VI (Bl. 289-407) reicht bis ins Jahr 1473. Die annalistisch dargebotene Zeitgeschichte hat ihren Schwerpunkt im norddeutschen Raum. Ein umfänglicher Heiligenkalender (Martyriologicum vel Calendarium Usuardi [vgl. -> Usuard]) schließt sich an (Bl. 398-426), gefolgt von einem mehr als 5000 Lemmata enthaltenden Register (Bl. 427—463). Die Lemmata sind, anders als der Band selbst, mit Blattzahlen versehen. Eine Vorbemerkung bittet den Benutzer, die im Druck unterbliebene Foliierung des Buchs von Hand nachzutragen. In der Anlage orientiert sich das Werk an der 'Historia scholastica' des -> Petrus Comestor [NB] und der Papst-KaiserChronik -> Martins von Troppau. Doch

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wahrt der Autor zu seinen Vorlagen kritische Distanz, zieht konkurrierende Darstellungen bei und gibt durch eingestreute Zitate und Verweise zu erkennen, daß er, wo immer es ging, auf die Originaltexte zurückgegriffen hat. In den Erörterungen der Glaubensfragen, der Kirchengeschichte, der Ordensgründungen, der Häresien, beweist er nicht nur gute Kenntnis der Kirchenschriftsteller, sondern zitiert auch reichlich Ovid, Vergil, Horaz, Terenz und besonders Cicero und Seneca. Das 'R. n.' ist als 'Mendikantenhistoriographie' (VON DEN BRINCKEN, S. 403) unzureichend charakterisiert. Das Interesse des Verfassers weist über die Zwecke eines Predigerhandbuchs erkennbar hinaus und richtet sich auf das gelehrte Studium als einen eigenständigen Bereich. Deutlichster Beleg dafür sind (innerhalb der Aetates V und VI) knapp 50 'Autorenporträts' antiker Philosophen und Schriftsteller (hervorgehoben durch typisierte Holzschnittporträts). In der Chronistik sind sie 'etwas Neues' (LEHMANN, S. 95). Der Autor strebte offenbar ein Geschichtsverständnis an, das neben den tradierten lineae der Kaiser und Päpste eine dritte linea, die der Gelehrten und Poeten, als tragendes Strukturelement begreift. Das machen auch die periodisch eingeschalteten KettengliedGraphiken sinnfällig, indem sie neben den beiden Papst- und Kaiser-Linien regelmäßig eine linea doctorum et poetarum mitführen. Die Aetas II enthält eine Descriptio orbis terrarum (Bl. 87—118), die, eingeleitet durch eine doppelseitige Weltkarte (Bl. 85v-86r), die Provinzen der drei Erdteile in alphabetischer Folge abhandelt, und zwar im engen Anschluß an -> Bartholomaeus Anglicus, 'De proprietatibus rerum' (VON DEN BRINCKEN). Die Karte zeigt den auf Jerusalem zentrierten geosteten Orbis tripartitus in eigenwilliger graphischer Gestaltung: Auf das trennende T-förmige Wasserband des Mittelmeers ist verzichtet, alle Länder und Provinzen sind durch stereotype Hügelformen markiert. Im Paradies am oberen Rand halten zwei Männer (Enoch und Elias) Zweige in der Hand. Die Karte gilt als die älteste gedruckte Ökumene-Karte (ÜESTOMBES, S. 252). Von einer doppelseitigen Karte des Hl. Landes (Bl. 174v-175r) wird in der Aetas III ein zweiter

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Rudolf von Ems

geographischer Exkurs eingeleitet (Bl. 174—188). Es handelt sich um die — hier erstmals zum Druck gelangte — 'Descriptio Terrae Sanctae' des -> Burchardus de Monte Sion.

Eine 'stadtbürgerliche' Perspektive bezeugen die zahlreich eingestreuten, z. T. mit stilisierten Holzschnitten markierten Stadtgründungsvermerke. Innerhalb der Aetas VI konzentrieren sie sich vor allem auf den norddeutschen Raum. Lübeck, Lüneburg, Wismar, Stargard sind mit Sorgfalt behandelt. Süddeutsche Städte kommen nicht vor. Die Städteartikel sind freilich nur knapp und dem annalistischen Schema untergeordnet, haben nicht die geschlossene Porträt-Form wie in -> Schedels 'Weltchronik'.

dem 'R. n.' bis in die Aetas VI weitgehend treu überein, legt aber ab der Zeit Karls d. Gr. einen Akzent auf die frz. Geschichte und weicht damit vom 'R. n.' stark ab. Parallel geht erst wieder das abschließende Martyrologicum.

L i t e r a t u r . Histoire litteraire de la France. Bd. 19, Paris 1838, S. 391-395: Jean de Columna; TH. SCHWARZ, Über den Verfasser u. die Quellen des 'R.n.' Preisschrift d. Phil. Facultät d. Univ. Rostock, 1888; H. WOLFFGRAM, Neue Forschungen zu Werner Rolevinck's Leben u. Werken (I.Teil), Zs. f. vaterländ. Gesch. u. Althertumskunde [...] Westfalens 48 (1890) 95-130; G. KOHLFELDT, Zur Druckgesch. des Lübecker R. N. vom Jahre 1475, ZfB 24 (1907) 26-31; A. SCHMIDT, Neue Funde von Probedrucken des Lukas Brandis in Lübeck in der LB zu Darmstadt, Nordisk Tidskrift för bok- och biblioteksväsen 12 (1925) 93-106; A. 4. Q u e l l e n v e r a r b e i t u n g . Die Quel- SCHRAMM, Der Bilderschmuck der Frühdrucke 10: len und ihre Verarbeitung im 'R. n' sind Die Drucker in Lübeck 1: Die beiden Brüder Brannoch nicht hinlänglich geklärt. SCHWARZ dis, 1927, bes. S. 8; LEHMANN, Erf., Bd. l, 1941, hat zwar eine Vielzahl direkt oder indirekt S. 95; M. DESTOMBES, Mappemondes A. D. 1200verwendeter Quellen aufgelistet, sein Au- 1500: Catalogue ..., Amsterdam 1964; R. BRUN, La genmerk aber vor allem auf die lübische 'Mer des histoires' de Pierre Le Rouge offerre ä Landesgeschichte gerichtet. Hier weist er Charles III, in: Humanisme actif. Melanges d'art de litterature offerts a Julien Cain, Paris 1968, das 1459 in Lübeck fertiggestellte 'Chroni- et Bd. 2, S. 191-197; U. ALTMANN, Die Leistungen con Slavicum' als eine Hauptquelle nach. der Drucker mit Namen Brandis im Rahmen der Ob die deutliche Akzentuierung der Ge- Buchgesch. des 15. Jh.s, Berlin (DDR) phil. Diss. lehrten- und Poetengeschichte einem Vor- masch. 1974; A.-D. VON DEN BRINCKEN, Universalbild folgt, ist nicht erforscht. Unklar ist kartographie u. geograph. Schulkenntnisse im Inferner das Verhältnis zur frz. Geschichts- kunabelzeitalter (Unter besonderer Berücksichtienzyklopädie 'La mer des histoires' (s. u.). gung des 'R. n.' u. Hartmann Schedels), in: B. MOELLER/ H. PATZE/ K. STACKMANN (Hgg.), Stu5. N a c h w i r k u n g . WOLFFGRAM (S. 226) dien z. städt. Bildungswesen des späten MAs u. der sieht das 'R. n.' als Hauptquelle von -»· frühen Neuzeit (Abh. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen, Rolevincks 'Fasciculus temporum' an. — Phil.-hist. Kl., 3. Folge, Nr. 137), 1983, S. 398Eine Fassung des 'R. n.' erscheint 1485 auf 429; G. BARONE, Giovanni Colonna OP, in: Lexifranzösisch unter dem Titel 'La mer des kon d. MAs 3, 1986, Sp. 56; H. M. WINTEROLL, innumerae. Die Buchanzeigen der Inkuhistoires' (weitere Auflagen 1488, 1491, Summae nabelzeit u. der Wandel lat. Gebrauchstexte im 1503; Histoire litteraire, S. 393). Dieses frühen Buchdruck, 1987, bes. S. 383-405; M. Werk gilt als Übersetzung des 'R.n.'; im HERKENHOFF, Die Darstellung außereurop. Welten Vorwort ist freilich nicht das 'R. n.', son- in Drucken dt. Offizinen d. 15. Jh.s, 1996, bes. dern ein lat. 'Märe historiarum' als Vor- 110-114.

lage genannt. Was sich hinter diesem Titel verbirgt, ist ungeklärt. Das 'Märe historiarum' des Giovanni Colonna (Johannes de Columpna) dürfte nicht gemeint sein; dieses 1343 abgebrochene und ungedruckt gebliebene Werk ist anders aufgebaut (BARONE) .

'La mer des histoires' stimmt — in erheblich verbesserter Ausstattung — mit

HARTMUT KUGLER Rudolf von Ems [Korr./Nachtr.] Bd. 8, Sp. 329 zu III., Überl. ergänze: H. BEKKERS, ZfdA 120 (1991) 314-322. - Zwei der als verschollen bezeichneten Hss. (K und K;,) sind jetzt nachgewiesen in Torun (Thorn), ÜB, als Rps 28/ III (= ehem. Königsberg, SB u. ÜB, Hs. 898; seit 1960 in Thorn nicht auffindbar) und als Rps 407

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Rudolf von Liebegg — Rülein, Ulrich, von Kalbe

IV (ehem. Königsberg, SB u. ÜB, Hs. 890 b). Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog der mal. dt.-sprachigen Hss. der ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 91-93 u. 80-82. Sp. 330, 3. Absatz: zu weiteren dt. Versionen des Stoffes vgl. -» 'Barlaam und Josaphat' [NB]. Sp. 334 f. zu V., Überl. ergänze die Zusammenstellung v. E. NELLMANN, 'Wilhelm von Orlens'Hss., in: Fs. W. Hang u. B. Wachinger, 1992, Bd. II, S. 565—587 (vgl. hierzu auch die folgenden Korrekturen). Sp. 335, Z. 9: "Münster, ÜB, Ms. N. R. 7000" korr.: ..., ÜB u. LB, Ms N. R. 380 (olim N. R. 7000); vgl. E. OVERGAAUW, Die mal. Hss. der ÜB u. LB Münster, 1996, S. 151 f. Ebd., Z. 14: "Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 5383" korr.: ..., Hs. 998 (olim 5383). Ebd., Z. 17-21: "Einzigartig sind ... Hs. 5384, und ... 5385" korr.: Es handelt sich um Kopien des 19. Jh.s (Hinweis Lotte Kurras). Sp. 338 zu VI., Z. 3 f. von unten: "die Hs. ehem. Oettingen-Wallerstein, cod. 1. 3. fol. I..." befindet sich in Los Angeles/California, The John Paul Getty Museum, MS. 33. Vgl. J. GÜNTHER, Die illustrierten mhd. Weltchronikhss. in Versen (tuduvStud., Reihe Kunstgesch. 48), 1993, S. 194-204 Nr. 23; zuletzt die Zusammenstellung der Überl. bei D. KLEIN, Heinrich v. München u. die Tradition der gereimten dt. Weltchronistik, in: Studien zur 'Weltchronik' Heinrichs v. München, Bd. l, hg. v. H. BRUNNER (Wissenslit. im MA 29), 1998, S. 1-112, hier S. 104 Nr. 129. Sp. 339, 2. Absatz: Zu den Kompilationen vgl. auch -> 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB], -> 'Meininger Reimbibel' [Bd. 6 u. NB] und -> 'St. Pauler Reimbibel' [NB].

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(Bakkalar 1487, Mag. artium 1490, Dr. med. vor 1497) und Lehrtätigkeit in Leipzig 1485 — 97, anschließend Stadtarzt von Freiberg; Ratsmitglied; 1514 und 1517 Bürgermeister; 1519 in Leipzig, dort 1523 gestorben. Universal begabt, ist R. als Maler, Geologe, Montanunternehmer, Mathematiker, Epidemiologe, Städteplaner (Annaberg) und Hochschulgründer hervorgetreten. Beim Einrichten einer Freiberger Universität ('Albertina') gelangte er über Anfangserfolge nicht hinaus; seine Versuche, ein Freiberger Bistum zu gründen, scheiterten an der Reformation. Ins Freiberger Patriziat aufgestiegen, waren zwei seiner Söhne als Montan-Industrielle tätig; andere Söhne bekleideten hohe öffentliche Ämter.

II.'Werk. 1. Mathematik. a. Der lat. 'Algorithmus linealis' seines Schülers Balthasar Licht versteht sich dem Vorwort zufolge als Zusammenfassung der mathematischen Sondervorlesungen, die R. bis 1497 bei den Leipziger Artisten hielt (5 Drucke, alle Leipzig, Melchior Lotter 1500-1515: HAIN 829 u. 830; VD 16, L 1587-89; PIEPER, S. 31-33). Beziehungen (Versatzstücktausch) bestehen zu R.s mathematischem Lehrer Johannes -> Widmann von Eger ('Rechenbuch', 1489) und zu den von Licht abhängigen Rechenmeistern Heinrich Stromer von Auerbach ('AlRudolf von Liebegg [Korr.] gorithmus linealis', Leipzig, Martin Landsberg 1504; VD 16, S 9649) und Adam Ries Bd. 8, Sp. 361 unten, Überl.: "Sarnen (Schweiz), Benediktiner-Kollegium, Hs. 10" korr.: ..., Cod. (Rechnung auff der linihen ... 1518, Druck mernbr. 10. Erfurt 1525; VD 16, R 2358 u. ö.). b. Ein Beispiel angewandter MathemaRudolf von Meran entfällt (vgl. 'VL III tik gab R. 1517 mit seiner 'Brotrechnung', 1129 f.) die den Backen (zu freibergky zur nachrichtung erlassen ist und bei konstantem Rudolf von Rheinfelden entfällt (kein Verkaufspreis von zwei Pfennigen Anzahl Autor) und Gewicht der Laibe in reziproke Beziehung zum Kornpreis setzt (Freiberg, RatsRügen, Jörg -» 'Turnierchronik' [NB] arch., Rotes Buch, 204v-205r [zum Jahr 1517]; Ausg. PIEPER, S. 49 f. Vgl. KEIL u.a., S. 230 f.). Rülein, Ulrich, von Kalbe (Dr. Kalb) 2. Medizin. I. L e b e n . Geboren als Müllerssohn um 1470 im Zwei Pestschriften für den Rat der Stadt württembergischen Calw (Kalbe), Studium Freiberg:

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Ruodgerus Cartusiensis

a. Ein kurtz regiment vor die Pestelentz ..., Leipzig, Martin Landsberg 1507, 15 Bll., 4°; VD 16, R 3501. b. Vnderweisung wie man sich tzu der tzeit der pestilenz halten sol, Leipzig, Valentin Schuman 1521, 4 Bll., 4°; VD 16, R 3509; Faks. bei PIEPER, S. 55-61. R. entwickelt bemerkenswerte sozialmedizinische Konzepte und wartet mit modernen immunologischen Erkenntnissen auf (KEIL u. a., S. 232-234). c. Bezeugt, aber nicht erhalten ist ferner eine Pestordnung für die Stadt Freiberg, die am 19. August 1521 erlassen wurde und für die R.s Verfasserschaft angenommen wird. d. Auf dem Vorsatzblatt zu Wenzel Bayers von Elbogen Traktat über die Karlsbader Wildbäder (Tractatus de thermis ..., Leipzig, Valentin Schuman 1522; VD 16, B 952; Ausg. PIEPER, S. 53 f.) hat R. ein lat. Empfehlungsschreiben beigegeben, in dem er die chemische Quellenanalyse als Grundlage nimmt, die Wasser für Trinkkuren vorsieht, sie medizinischer Diagnostik und Verordnung zuführt und sie gleichzeitig ärztlicher Gebührenordnung unterwirft (KEIL u. a., S. 234f.).

3. Montanistik. a. 'Bergbüchlein': Ein nutzlich bergbüchleyn..., [Leipzig, Martin Landsberg, um 1501], 24 Bll. 8°; VD 16, R 3502; weitere Drucke R 3503-08. Bis 1698 insg. 11 Auflagen. R.s Autorschaft ist nur durch das Zeugnis Georg Agricolas (Epistola zu seinem Werk 'De re metallica', Druck Basel 1556; VD 16, A 933) belegt. Der wirkungsmächtige Text wurde in montanistische Lehrbücher (Paracelsus; Georg Agricola) übernommen, seit 1523 mehrfach bearbeitet, ins Spanische übersetzt, ins Deutsche rückübersetzt und hat den Anden-Bergbau von Potosi maßgeblich beeinflußt. Als autoritativer Text der Montanliteratur behauptete sich das 'Bergbüchlein' bis ins 19. Jh.; einzelne Versatzstücke begegnen in bergmännischen Nachschlagewerken bis ins 20. Jh.; seine Terminologie und seine Definitionen haben sich weltweit durchgesetzt (KEIL u. a., S. 235 — 244). A u s g a b e n , Übersetzungen (frz., engl.) und Rückübersetzung(en) verzeichnen KEIL u. a., S. 235 f. u. 243 f. Kritische Edition von MENDELS, S. 1-33.

b. Ab der dritten Aufl. (Worms, Peter Schöffer 1518; VD 16, R 3504) ist dem 'Bergbüchlein' ein Verzeichnis der Bercknamen beigegeben, das sich als fortlaufender Kommentar zu den wichtigsten Fachausdrücken der Hüttentechnik und Bergmannsprache erweist. Bemerkenswert sind die Termini aus der Markscheidekunde und Metallurgie. Der Autor war Alemanne, ist aber nicht mit R. identisch. c. Das sog. 'Probierbüchlein' (Probir büchlein vff Golt/ Silber/ Kupfer/ Blei und allerley ertz ..., [Worms, Peter Schöffer ca. 1518]; VD 16, P 4865; weitere Drucke P 4866-76) wurde 1533 und 1535 (Frankfurt, Ch. Egenolff) zusammen mit dem 'Bergbüchlein' gedruckt; insg. seit 1518 5mal auch mit dem Namensverzeichnis (b). U. R. ist als Autor dieses Werks diskutiert worden, kommt aber höchstens als Kompilator in Frage, und selbst hierfür ist die Wahrscheinlichkeit gering. Dieses metallurgisch wichtigste Werk mal. Fachprosa ist älter als das 'Bergbüchlein' und setzt sich aus Versatzstücken unterschiedlicher Provenienz zusammen. Die schreibdialektalen und wortgeographischen Merkmale schwanken nicht unerheblich und weisen auf mehrere dt. Sprachlandschaften, darunter auch die Niederlande. In metallurgischen Labors der Vereinigten Staaten wurde nach seinen Vorschriften bis Mitte des 20. Jh.s gearbeitet (SISCO/SMITH).

R. ist auch als Rezeptautor bezeugt (KEIL u.a., S. 231 f.) und als technischer Zeichner hervorgetreten. Zur komplexen Wirkungsgeschichte der Bild-Archetypen von 'Bergbüchlein' und 'Probierbüchlein' s. KEIL u. a., S. 242 f. L i t e r a t u r (in Auswahl). A. G. Sisco/ C. S. SMITH, 'Bergwerk- u. Probierbüchlein' (The American Institute of Mining and Metallurgical Engineers: Seeley W. Mudd Series), New York 1949; J. I. H. MENDELS, Das 'Bergbüchlein'. A Text Edition, phil. Diss. John Hopkins Univ., Baltimore, Maryland 1953 [masch.]; W. PIEPER, U. R. v. Calw u. sein Bergbüchlein (Freiberger Forschungshefte, D 7), 1955; G. KEIL [u.a.], 'ein kleiner Leonardo': U. R. v. K. als Humanist, Mathematiker, Montanwissenschaftler u. Arzt, in: Würzburger FachprosaStudien, Fs. M. Holler, hg. v. G. KEIL (WmF 38), 1995,5.228-247 (Lit.).

G. KEIL Ruodgerus Cartusiensis (von Erfurt) Der große Bibliothekskatalog der Erfurter Kartause, spätestens seit 1477 angelegt (-»· Volradi, Jakob [I.]) verzeichnet als In-

1349

Ruodgerus Cartusiensis

1350

lesten ziten so das ende der weit nahet (l v ) wähnt, in denen aber ungeachtet der allgemeinen Schlechtigkeit auch in den Klöstern einige noch nach einem wahren geistlichen Leben strebten, weshalb er uch nouicien (2r) in disem buchlin eyn kurcze meynunge bij nah von allen materien der andeht beschriben habe (2V). Die Novizen sollen nicht Kunst, sondern Andacht und geistliche Begierde suchen und üben (3r), damit sie von anfahenden zu zuonemenden Die hier genannten Hss. scheinen nicht erhalten und schließlich zu volkomenen Menschen zu sein, wohl aber findet sich der Text der 'For(3 V ) werden, die von bedechtnisse zu bemula' jeweils als erstes Stück in den Hss. Basel, trachtunge und von da aus zur beschoÜB, codd. A VIII 27 (2. H. 15. Jh., aus der Basler wunge voranschreiten könnten (4r). Die Kartause), l r -88 v , A X 61 (v.J. 1474, aus dem Basler Chorherrenstift St. Leonhard), lr-101v, Übersetzung wendet sich zusätzlich an und A X 89 (15. Jh., aus der Basler Kartause), l r Laien (Ouch so hab ich vmb liebe willen 88r, siehe STEINMANN, S. 179. etlicher dise stuck von latin zu tutsch ze leyen darjnn utzit Über den Autor ist bisher nur aus den bringen ob villicht die V vinden mögen... (4 ), während das lat. Angaben im Mal. Bibl. Kat. bekannt, daß Original, wie das Explicit der drei Basler er im 15. Jh. in der Erfurter Kartause geHss. erkennen läßt, ausdrücklich für Novilebt haben muß. Einen Hinweis auf die zen bestimmt war. Der augenscheinlich Entstehungszeit der 'Formula' bietet R. möglicherweise an deren Ende (f. 58 r ~ v der von einem erfahrenen Novizenmeister herÜbersetzung, s. u.), wo er darauf zu spre- rührende Traktat ist — auch schon im lat. chen kommt wie zwen gekriegt hant vmb Original — in eine Vorrede und in drei gegliedert ein bisthum, womit wohl, trotz Schwierig- Teile mit 22, 32 und 21 Kapitel V V (s. das Inhaltsverzeichnis 60 —61 ); er bekeiten im einzelnen, die Mainzer Stiftshandelt praktisch alle Materien eines geistfehde von 1459/61 ff. gemeint ist. lichen und insbesondere klösterlichen LeEine mhd. Übersetzung findet sich in einem Sammelband der Laienbibliothek der bens. Dabei orientiert sich der Text zum Basler Kartause (B 35), der im Anschluß an einen an den mehrfach durchlaufenen Taeinen Druck der 'Vierundzwanzig gol- gen der Woche und innerhalb der Tage an denen Harfen' des Johannes ->· Nider den Tagzeiten, zum anderen am Leben und (HAIN *11849; v. J. 1476) hs.lich ein buch- Leiden Christi (Teil l und 2 bis c. 7) und lin der ler (ordenunge, so am Ende der dem weiteren Verlauf der Heilsgeschichte Vorrede) der geistlichen vbunge enthält sowie deren 'Trägern' (Engel, Patriarchen, Heilige etc.). Teil 3 geht dann deutlicher (f. l r -61 v ); heute Basel, ÜB, Inc. 288. und auf höherem Niveau auf die ErforderDer dt. Text könnte in der Basler Kartause entnisse eines geistlichen Novizenlebens ein standen sein, worauf die Schreibsprache hinweist. (z. B. c. V: Das du allczit gedenkst dich czu Merkwürdig ist allerdings, daß ab f. 36V Schreiberreformiern). Auf gelehrte Nachweise verhand und Layout wechseln (ab da ein 'niederdt. zichtet der Verfasser weitgehend. Er bietet Schreiber, der nachträglich seinen Teil korrigiert am Ende des MAs eine geradezu vorbildliund Kapitelzählung und fehlende Titel im ganzen Text eingetragen hat', Mitteilung der ÜB Basel); che, ebenso nüchterne wie engagierte und hinzu tritt eine ripuarische Überschrift (wohl von praxisbezogene Summe dessen, was ein einer 3. Hand) auf Bl. l r (Van der forme sich czu Novize (und daneben ein geistlich lebender üben in betrachtung und wercken eynes buyssers Laie, so z. B. ein Laienbruder) zur Ausbilder dysse jamerdayl wyl truelich ober wandelen in dung eines geistlichen Lebens brauchte. dasß watter lant}. Ein Vergleich des lat. Originals mit der Es handelt sich um einen Novizentrak- Übersetzung sowie eine Edition der beiden tat, dessen Verfasser sich selbst Jn disen Texte ist sehr erwünscht. halt der Hs. F 58 u. a. eine Formula spiritualium exerdciorum, incipit 'Meditatus sum node' eiusdem Rüdcheri Cartusiensis huius domus; als ersten Text der Hs. nennt er De institucione noviciorum ad Quodlibet fratris Rucheri Carthusiensis, babens 50 capitula (Mal. Bibl. Kat. 2, S. 358, Z. 11 — 13 und 4 f.). Weitere Exemplare der 'Formula' waren in den Bänden D ll und D 21 vorhanden (ebd. S. 324, Z. 34f.).

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'Ruodlieb' — RUSS, Melchior, der Jüngere

L i t e r a t u r . Mal. Bibl. Kat. 2, S. 324 u. 358; V. HONEMANN, Dt. Lit. in der Laienbibl. der Basler Kartause 1480-1520, Habil.-Schrift. (masch.) Berlin 1982, S. 56-58 u. 265 f.; M. STEINMANN, Die Hss. der ÜB Basel, Register zu den Abtlg.n A I A XI und O, Basel 1982, S. 179.

VOLKER HONEMANN 'Ruodlieb' [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 396 zu Ausg.n ergänze: W. HAUG/ B. VOLLMANN, Frühe dt. Lit. u. lat. Lit. in Deutschland 800-1150, 1991, S. 388-551 (mit dt. Übers, u. Kommentar).

'Rupert', 'Ruprecht' lesme' [NB]

'Robert von Mo-

Rupert (Ruodpertus) von Reichenau entfällt (Oheim -» Hermanns von Reichenau; sein 'Planctus de calamitate Augiae sub Immone' ist nicht erhalten; vgl. MANITIUS, LG II 760f.). RUSS, Melchior, der Jüngere 1. Leben. M. R. wurde um oder nach 1450 geboren. Er war der Sohn des gleichnamigen Luzerner Stadtschreibers (M. R. der Ältere, f 1493), den man wohl zu Unrecht für den Verfasser einer verlorenen Chronik gehalten hat. Durch seine Mutter verfügte R. über verwandtschaftliche Beziehungen zur Urner Führungsschicht. Er war verheiratet mit der Berner Ratsherrentochter Dorothea Schöpfer. — R. immatrikulierte sich 1471 in Basel und 1473 in Pavia. Bei seinen Studien kam er mit dem Frühhumanismus in Berührung. Von 1477 bis ca. 1490 arbeitete R. gelegentlich in der Luzerner Stadtkanzlei mit. Er gehörte seit 1480 dem Großen Rat an. 1479/1480, 1488 und 14897 1490 reiste er zu Matthias Corvinus, der ihn 1488 zum Ritter schlug. R. dürfte 1497 aus Luzern verbannt worden sein. Er nahm 1499 im Urner Kontingent am Schwabenkrieg teil und fand dabei den Tod. 2. S c h r i f t e n . a. Chronik. In dem 1482 begonnenen, unvollendeten oder unvollständig überlieferten Werk in dt. Sprache stellt R. die Lu-

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zerner Geschichte vom FrühMA bis 1412 dar und bezieht die übrige Eidgenossenschaft mit ein. Über große Strecken diente ihm die Chronik der Berner Dittlinger und -»· Tschachtlan als Vorlage. Darüber hinaus bietet R. eine Übersetzung der 'Amoenitates urbis Lucernensis' des Heinrich ->· Gundelfingen, rückt das sog. kleine Sempacherlied (-»· 'Schlacht bei Sempach', 1.) ein und berichtet allerhand Sagenhaftes. Von besonderem Interesse ist dabei seine Version der Innerschweizer Befreiungslegende, welche von der Version in der kaum viel älteren -»· 'Chronik im Weißen Buch von Sarnen' erheblich abweicht und auf Urner Quellen zurückgeht (mit Erwähnung des Liedes -> 'Vom Ursprung der Eidgenossenschaft'). Ü b e r l i e f e r u n g . Luzern, Zentral- u. Hochschulbibl., BB Ms. l a fol. (Autograph). Einzige Ausgabe. J. SCHNELLER, Melchior Russen, Ritters von Lucern, Eidgenössische Chronik ..., Der Schweizerische Geschichtsforscher 10 (1838) 1-232 (auch separat in 2 Teilen, 1834, 1838).

b. Bericht über die Reisen zu Matthias Corvinus. An den Luzerner Rat gerichtete dt. Rechtfertigungsschrift, in der R. darstellt, wie es zu dem finanziellen Mißerfolg der Reisen kam. Ü b e r l i e f e r u n g . Luzern, Staatsarchiv, URK 42/951 (Autograph). A u s g a b e . PH. A. VON SEGESSER, Die Beziehungen der Schweizer zu Matthias Corvinus, in: ders., Sammlung kleiner Schriften 2, 1879, S. 169-282, dort S. 262-282.

c. Ein Luzerner Kanzlei-Formularbuch, an dessen Entstehung R. beteiligt war, enthält auch lat. Privatbriefe, von denen zwei oder drei möglicherweise von R. selbst stammen. Ü b e r l i e f e r u n g . Luzern, Staatsarchiv, COD 1435/32, Bl. 4-63. A u s g a b e / Ü b e r s e t z u n g (ohne Zuweisung an R.): R. DURRER/ P. HILBER, Diebold Schillings Luzerner Bilderchronik, Genf 1932, S. 241 ff. (Anhang). L i t e r a t u r . VON SEGESSER (s.o.) S. 209-219, 224-227; A. BERNOULLI, Die Luzernerchronik des Melchior RUSS, Diss. Basel 1872; P. BÄNZIGER,

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Rutze, Nicolaus

Beitr. zur Gesch. der Spätscholastik u. des Frühhumanismus in der Schweiz (Schweizer Stud, zur Geschichtswissenschaft NF 4), 1945, S. 106 f.; 2FELLER-BONJOUR, Geschichtsschreibung l, S.62f.; K. WANNER, Schreiber, Chronisten u. Frühhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jh., Jb. der Hist. Ges. Luzern 18 (2000) 2-44, dort S. 14ff., 28-34, 38 f.; W. KOLLER, Wilhelm Teil - ein humanistisches Märchen, in: Aegidius Tschudi u. seine Zeit, hg. v. K. ROLLER-WEISS und CH. SIEBER, Basel 2002, S. 237-268, bes. S. 259 f.

KONRAD WANNER

1354

Rutze, Nicolaus [Korr./Nachtr.] Bd. 8, Sp. 435, letzte Zeile: "(= Kap. 39)" korr.: (= Kap. 40 des Hus'schen Textes bzw. Kap. 39 der dt. Übers.). Sp. 436 zu Lit. ergänze die tschech. Ausg. der Werke Hus', hg. v. J. ERSIL, Mistr Jan Hus, Vyklady (Magistri lohannis Hus opera omnia, Tom. I: Expositiones Bohemicae), Praha 1975; dass., Drobna spisy ceske (= Tom. IV: Opera Bohemica minora), Praha 1985, S. 147-162 (= Proväzek tripramenny) u. S. 494—509 (lat. Text.).

s 'Saalfelder Stadtrechtsbuch' Zusammenstellung des in Saalfeld/Thüringen gebräuchlichen Gewohnheitsrechts, städtischer Satzungen, entstanden wohl Anf. des 14. Jh.s. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Saalfeld, Stadtarch., C III l (letztes Viertel 14. Jh.), 1-35. A u s g a b e n . C. F. WALCH, Vermischte Beyträge zu dem deutschen Recht I, Jena 1771, S. 13 — 66; [F. MEINEL], Das älteste Ortsstatut der Stadt Saalfeld I (mehr nicht erschienen), Saalfelder Weihnachtsbüchlein 39 (1893) 11-28 (Abdr. Art. 170). Neuausg. in Vorbereitung durch Hans Becher (Saalfeld).

2. Die Entstehungszeit des 'S. SRb.', von dem nicht das Original, sondern eine frühe Abschrift überliefert ist, ist ungewiß. Während WALCH Ende 13. Jh. (um 1286) annimmt, hat die Datierung von SCHULTES' (Anf. 14. Jh.) Zustimmung gefunden. Das 'S. SRb.' ist zu keiner Zeit von den Grafen von Schwarzburg, dem nach den Wettinern einflußreichsten thür. Herrscherhaus, förmlich bestätigt worden. Nach Art. 74 überlassen die Grafen Günther und Heinrich von Schwarzburg dem Stadtrat einen von den Juden jährlich zu erhebenden Zins von 4 feisten Gänsen. Die Vornamen waren bei den Grafen von Schwarzburg traditionell und häufig gebraucht. Mangels einer genauen Bezeichnung der Grafen eignet sich Art. 74 weder zu einer Datierung noch zu weiteren Schlüssen. Es wird lediglich eine Sonderabgabe an den Rat nach dessen Wahl und zu seinem Amtsantritt bestätigt. Der Text ist in einem nur allgemein bestimmbaren territorialen Mischdialekt mit md. und obd. Elementen und nd. Bestandteilen (Ende 13. Jh. bis Mitte 14. Jh.) verfaßt. In 198 Artikeln, die Verfassung und Rechte der Stadt, Stellung des Gerichtes

und des Richters, Strafrecht, Erbrecht, Familienrecht, Schuldrecht und verfahrensrechtliche Bestimmungen behandeln, sind unsystematisch städtische Gewohnheiten und Ratswillküren zusammengefaßt. Als Quellen kommen sehr eigenständig bearbeitete gemeinlandrechtliche (z. B. 'Sachsenspiegel' [->· Eike von Repgow] I 62 § l zu Art. 95; II 31 §§ l, 2 zu Art. 15; III 88 § 4 zu Art. 6; -»· 'Schwabenspiegel' LASSBERG Art. 93 zu Art. 79) und örtliche Grundelemente in Frage. Ohne daß direkte Übernahmen zu belegen sind, ähneln einzelne Artikel Kapiteln aus den Stadtrechten von Freiberg/Sa, und Goslar. Die Textentstehung hat sich über einen längeren Zeitraum hingezogen; dies ist ersichtlich an der Behandlung gleicher Materien in weit auseinander stehenden Artikeln (z.B. Art. 4, 110 u. 138; 18 u. 124; 20, 56, 142 u. 194; 28 u. 183; 70, 75, 90 u. 191; 79, 116 u. 122; 81 u. 110; 102 u. 111). Der Text enthält zahlreiche Wortbelege, die im Deutschen Rechtswörterbuch nicht, erst für spätere Zeiträume (frybote, Art. 54; huzlodentuch, Art. 90) oder dort nur aus Tochterrechten (Jahrmarktfriede Leuchtenberg; nachtbrant Rudolstadt) belegt sind. 3. Das 'S. SRb.' wurde in anderen schwarzburgischen Städten, Pößneck, Rudolstadt (1404, 1488 überarbeitet) und Leutenberg (Ende 14. Jh., 1496 überarbeitet), mit geringfügigen textlichen Abwandlungen übernommen. Mit den revidierten Saalfelder Statuten (1558), die unter dem Einfluß römischrechtlicher Elemente abgefaßt sind, endete die Anwendungszeit. L i t e r a t u r . C. F. WALCH (s. Ausg.n), S. l —9; J. A. v. SCHULTES, Sachsen Coburg-Saalfeldische Landesgesch. II, Coburg 1820, S. 50; S. MEINEL (s. Ausg.n), S. 3-10; W. BAUER, Das Gerichtsver-

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'Sächsische Weltchronik' — Salomonische Schriften

fahren im alten Saalfelder Stadtbuch, Saalfelder Geschichtsbll. (1932) Nr. 4-7; H. WAGNER, Aus der Stadt- und Rechtsgesch. von Leutenberg, in: Landkreis Saalfeld-Rudolstadt (Hg.), Jb. 1996 (1995) 102-106; H. BECHER, "Dytz ist der Stadbuch czu Salueld", Rudolstädter Heimathefte 45 (1999) 49-54, 122-127, 166-170.

ULRICH-DIETER OPPITZ 'Sächsische Weltchronik' [Nachtr./Korr.] Bd. 8, Sp. 473 Z. 14 von unten: "... Alba lulia, Bibl. Batthyaneum, Ms. 115" korr.: ... Ms. 1-115 (Kat.Nr. 115!). Sp. 474 Z. 1: "Riga, Frgm., Verbleib unbekannt" korr.: heute Riga, Bibl. der Lettischen Akademie der Wissenschaften, Ms. Nr. 397. Sp. 477 ff. zu 5. Quellen: Vgl. auch -> Petrus Comestor (C.l.e) [NB]. Sp. 494 f. zu 12. ergänze: Die lat. sog. 'Königsberger Weltchronik' ist z. T. eine frühe, nahezu wörtliche Übersetzung der 'Sachs. Weltchronik'; Hss.: ehem. Königsberg, SB u. ÜB, Nr. 1150 (ehem. 85), verschollen, 126r-180r (nach 1290, möglicherweise aus dem Umfeld des Deutschen Ordens); Gdansk, Bibl. Polskij Akadcmia Nauk, Ms. Mär. F 305 (ehem. Danzig, Kirchenbibl. St. Marien, G 9 u. Ms. Mär. 305), -43 (dat. 1427, Danziger Raum). Vgl. J. WOLF, Die Sächsische Weltchronik im Spiegel ihrer Hss. (MMS 75), 1997, S. 68-72, 205 f. u. ö. (s. Reg.).

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1983, S. 656; A. HILZ, Die Minderbrüder von St. Salvator in Regensburg (1226-1810) (Beitr. z. Gesch. d. Bistums Regensburg 25), 1991, S. 149, 280, 296. - Hinweise J. Schneider.

Salicetus, Nicolaus [Korr./Nachtr.j Bd. 8, Sp. 512 Überl.: "Colmar, Bibl. Municipale, cod. 112 (322)" korr.: ..., cod. 322 (Kat. Nr. 112). Sp. 514 vor 3. ergänze: Eine wichtige Quelle für den 'Antidotarius animae' bildeten die Orationes et meditationes de vita Christi' des -» Thomas Hemerken von Kempen [Bd. 9 u. NB] (vgl. M. J. POHL, Thomae Hemerken a Kempis Opera omnia, Bd. V, 1902, S. 380 f. [f1] u. 403). Ebd. zu 3. korr.: Der -> 'Herzmahner' enthält keine aus dem 'Antidotarius' übertragenen Stücke, die Übereinstimmungen beider Texte erklären sich daraus, daß es sich bei dem 'Herzmahner' um eine Übersetzung der Orationes' des -> Thomas H. v. Kempen [NB] handelt. - Hinweis W. J. Hoffmann.

'Salman und Morolf [Korr.] Bd. 8, Sp. 515, Z. 3 von unten: "Marburg, Hess. Staatsarchiv, 147 Hr. 8" korr.: ..., Best. 147 Hr l, Nr. 8.

Salomonische Schriften (deutsch) Sailer, Johannes [Korr.] Bd. 8, Sp. 502, letzte Zeile: "... Einsiedeln, Stiftsbibl., Ms. 731" korr.: Gemeint ist wohl cod. 730 (444), der dt. Texte enthält.

Sakch, Hermann [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 503 ergänze: Hermann Sakch (am 1.3, 1440 als verstorben bezeichnet) und Johannes Sakch (geb. 1396, gest. 1438 in Ulm) waren Brüder. Die Söhne eines Müllers stammten aus Rottenburg/Neckar. Der Büchernachlaß der beiden gelangte nach dem Tode Hermanns an das Münchner Franziskanerkloster (Vermächtnis mit Bücherverzeichnis von 1439 in München, clm 8826). Zu Lit. ergänze: B. KRAFT, Der Bücherrücklaß der Minderbrüder Hermann u. Johann Sack (1438/ 40), AFH 28 (1935) 35-37; H. VOGEL (Bearb.), Die Urk.n des Heiliggeistspitals in München (Quellen u. Erörterungen zur Bayer, u. Dt. Gesch. NF 16/1), 1954, Nr. 228; G. GLAUCHE, Hinterlassene Bücher der Brüder J. u. H. Sack, in: ders., Das Bistum Freising (Mal. Bibl.Kat. IV,2), 1979, S. 691-695; K. BOSL, Bosls Bayer. Biographie,

Aufgrund der biblischen Berichte von König Salomo (III Rg 1-11 und II Par 19) und der Deutungen und Ausschmückungen, die sich in der jüdischen und der christlichen Tradition daran anlagerten, ist Salomo in der mal. Literatur unter vielerlei Aspekten als Figur präsent: als weiser Richter und König, Typus Christi, Rätsellöser, Minnesklave usw., auch als Magier. Eine wichtige Position hat Salomo vor allem in den Weltchroniken und den -» Historienbibeln; vgl. ferner u. a. -» 'Lob Salomons', -> 'Salomons Haus', -> Herrad von Hohenburg; -» 'Das salomonische Urteil', -> Jacobus de Theramo; -* 'Kreuzesholzlegende' [Bd. 5 u. NB]; -> Sibyllenweissagungen; -> 'Dialogus Salomonis et Marcolfi' und dessen viele Ableger (s. unter -> 'Salomon und Markolf).

Hier ist die deutschsprachige Rezeption derjenigen Schriften vorzustellen, die in der Tradition als von Salomo verfaßt gelten: der Weisheitsbücher des AT (A), von

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Salomonische Schriften

denen das Hohelied, soweit für sich überliefert, einer gesonderten Darstellung bedarf (B). Auf Salomo als angeblichen Autor naturkundlich-magischer Schriften soll wenigstens hingewiesen werden (C). A. Salomonische Weisheitsbücher. Hd. und nd. Fassungen der Salomo zugeschriebenen (auch apokryphen) Weisheitsbücher des AT ('Proverbia' [Prv], 'Ecclesiastes' [Ec], 'Canticum Canticorum' [Ct], 'Sapientia' [Sap] und 'Jesus Sirach' [Sir]) wurden im späten MA insgesamt oder einzeln, vollständig oder auszugsweise, allein oder zusammen mit anderen Texten überliefert. Eine gemeinsame lat. Vorlage ist ebensowenig nachweisbar wie Merkmale eines gemeinsamen Übersetzungszweiges. Die älteste bekannte deutschsprachige Überlieferung aller S. Schr.n bietet um 1400 die -»· 'Wenzelsbibel', ein Vertreter von WALTHERS 2. Zweig. Nach dem 23. 6. 1361 übersetzte der -> Bijbelvertaler van 1360 [NB] das Corpus in seiner 'Historiebijbel' im Auftrag des Jan Tay ins Ndl. Einzelne Bücher übertrug bereits früher der ->· Österreichische Bibelübersetzer [NB], s.u. 1. Die relativ eigenständige Überlieferung in dt. Sprache beginnt noch im 14. Jh., gehört aber vor allem der 2. Hälfte des 15. Jh.s an und wird (variiert) bis ins 17. Jh. in Bibeldrucken fortgesetzt. Abschnitte aus Prv und Ct, vor allem aber Sap und Sir, nicht aber aus Ec, stehen in liturgischem Gebrauch, und zwar fast ausschließlich im Proprium sanctorum, und finden Aufnahme z. B. in -> Plenarien und Andachtsbücher (PiETSCH, S. 64 — 80). Wohl nicht ohne Einfluß der Lesung von Prv 31,10—31 (zum Tag der Maria Magdalena, Anna, sieben Brüder Makkabäer, Elisabeth) und von Sir 26,16—24 (Martha) entwickeln sich das Lob der beständigen Frauen und die danach gebildeten Reinen von Exempelfiguren. Prv 31,25 — 29, aber auch Sir 24,23 — 31 werden in der Votivmesse zu Ehren Marias am Samstag gelesen. Der liturgische Gebrauch der S.Schr.n erklärt Anklänge und Zitate aus den Weisheitsbüchern in der Mariendichtung (STOLZ,

1360

S. 195 ff. und 515 f.). - Auch in der Sangspruch- und Meisterlieddichtung wird auf die S. Schr.n Bezug genommen (STACKMANN). Überliefert werden die dt. Fassungen der Weisheitsbücher öfter zusammen mit anderen biblischen Texten bis hin zu Vollbibeln (->· Niederdeutsche Bibeldrucke, -»· Oberdeutsche Bibeldrucke, -»· 'WenzelsbibeP, -> 'Wien-Zürcher Bibel' (WULF, BODEMANN), mit -* Historienbibeln oder dem -> 'Buch der Könige alter e'. Mitüberlieferung von Texten wie dem -> 'SchwabenspiegeP, von religiöser und moraldidaktischer Erbauungsliteratur oder auch Chroniken läßt darauf schließen, daß die Weisheitsbücher auch als Lebenslehre für geistliche oder weltliche Stände, auch als Fürstenspiegel geschätzt wurden. Vgl. auch noch B. SCHUPP, Salomo, oder Regenten-Spiegel: Vorgestellt Aus denen eilff ersten Capituln des ersten Buchs der Könige, o. O. 1658; BRINKHUS; SINGER.

Insgesamt sind die dt. Fassungen der Weisheitsbücher hinsichtlich ihrer Funktionen und Ausstrahlungen noch nicht zureichend erforscht. Ü b e r l i e f e r u n g . Eine Gesamtordnung des bislang bekannten Materials nach Übersetzungen und Fassungen ist noch nicht möglich. In der folgenden Liste werden daher nur solche Hss. unter einer Nummer zusammengestellt, bei denen ein Zusammenhang eindeutig besteht oder zumindest höchst wahrscheinlich ist. I. H o c h d e u t s c h . 1. -> Österreichischer Bibelübersetzer, II.A.3. und B.5.-9., bes. 6b. 7. 9. [NB]. la. WALTHERS 28. Zweig. Übers, von Prv und Ec mit Glosse. Bis vor kurzem war nur die Dresdener Hs. M 208 (ohne die Glosse) bekannt. Zu dieser vgl. WALTHER, Sp. 541-545 (mit Abdr. von Prv 1,1-10); VOLLMER, in: BdK 7, S. 26, 36, 44, 94-98: Synopse zu Prv 31,10.14.18 u. 22.24.25 (Nr. 14); ders., in: BdK 10, 1940, S.45!:-f. (mit Abdr. von Ec l, 1-6); ROST, S. 333, Nr. 16. Ib. Thematisch geordnete, glossierte Auszüge aus Prv, Ec, Sap, Sir (darunter der sog. 'Fürstenspiegel All hie ist mit fleiss ze mericken'); die Glossen zu Prv und Ec decken sich teilweise mit denen zur Übers, la. 2. WALTHERS 11. Zweig (umfaßt auch eine Übers, der Propheten [-» Konrad von Nürnberg] und weiterer Bücher des AT).

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2a. München, cgm 353, 2. V. 15. Jh., bair., 3 r — 8b. Karlsruhe, LB, cod. Ettenheim-Münster 11, 117": Prv, EC, Ct, Sap, Sir mit Gebet Salomos. Die von 1467, alem., 376ra-390va: Prv (in 31 Kapiteln, Vorlage muß auch IV Rg und I—II Par enthalten wie üblich!). Bl. 171-390 wohl direkte Abschrift haben. Vor jedem Buch Prolog(e) und Summarien, von Hs. 8a, Teil I. - OPPITZ, Rechtsbücher II, Nr. die nicht der nachfolgenden Kapiteleinteilung ent742. sprechen. In der Vorrede zu Ct wird Salomo als 9. Zu WALTHERS 2. Zweig. Lehrer der Griechen für Ethicam, Phisicam und Fragment Golde (ehem. im Besitz des Pfarrers Popticem [!] die kunst uon der besehende bezeichPaul Golde in Großbothen, Bez. Leipzig; Verbleib net; Prv lehrten die sittliche, Ec die natürliche und unbekannt). 18 verstümmelte Halbbll. u. 3 BlattreCt die ansichtickliche kunst, da man in diesem ste, spätes 15. Jh., md.: Stücke aus Prv, Ec, Sap, Buch die minnen der heimlichen vnd der gütlichen Sir. Nicht zu klären ist, ob die Fragmente zu einer begirde eindrucket der sele, Vnder der geleichnusse vollst. Übers, der Bibel gehören oder als Teilübers. des prutigams vnd der prute. Die Schlußverse von geplant waren. - VOLLMER, in: BdK 7, S. 172Prv (31,10—31), das carmen de muliere forti im 194 (mit Abdr.); ROST, S. 332, Nr. 7. kirchlichen Gebrauch, weisen die hebräische Zäh10. Zu WALTHERS 10. und 11. Zweig? lung nach dem Alphabet auf (ebenso Hs. 6 und Berlin, mgf 1231, Ende 15. Jh., alem., 144r12). - WALTHER, Sp. 241/245/249 (Textproben), 153V: Prv, frgm., nur bis 16,32.33. - VOLLMER, 390-401; ROST, S. 332, Nr. 4. Mat. 1,2, S. 26 f., 100 f.; ROST, S. 332, Nr. 2; OP2b. München, cgm 232, vom Neustädter GePITZ, Rechtsbücher II, Nr. 185. richtsschreiber Cunradus Trayner für Marquard 11. WALTHERS 29. Zweig. Hintzenhauser, Pfleger zu Pfaffenhofen 1467 geHeidelberg, cpg 37, um 1495, schwäb., 30rV r schr., bair., 295ra-411rb: die S. Schr.n, wie Hs. 2a; 62 : Ec, 63 leer, 63V Autorenbild Salomos, 64 r — wohl direkte Abschrift. - WALTHER, Sp. 390 ff.; 103r: Sap; sy«w-!//?-s;yH«-Übertragungen im AufROST, S. 332, Nr. 5. trag Graf Eberhards von Württemberg (im Bart), 3. -> Johannes von Speyer (II.2.c.) (?) Übers, der beide mit Vorwort des Übersetzers (evtl. Konrad Prv. - F. P. KNAPP, Die Lit. des SpätMAs II (Gesch. -> Summenhart, s. HOFFMANN). — WALTHER, d. Lit. in Österreich 2,2), Graz 2004, S. 252-256 Sp. 545-547 (mit Abdr. von Ec 12); W. HOFF(mit Abdr. von Prv 23,31-35). MANN, in: Graf Eberhard im Bart v. Württemberg 4. Breslau, ÜB, cod. I F 333, 1. H. 15. Jh. (vor im geistigen u. kulturellen Geschehen seiner Zeit, 1435?), schles., 347ra-382vb: Prv, Ec (bis 9,1, Rest 1938, S. 48-50, 62; ROST, S. 333, Nr. 7; BODEverloren) lat.-dt. MANN, S. 95 u. 123 (Nr. 14.0.7), Abb. 71. 5. München, clm 16431, (1. H.) 15. Jh., bair., 12. Zu WALTHERS 1. Zweig. 305ra-327vh: Prv, Ec (bis 5,14, Rest verloren). Heidelberg, cpg 385, Ende 15. Jh., schwäb., 6. Karlsruhe, LB, cod. Don. 179, 2. H. 15. Jh., 86V-143V: Prv (31,10-31 mit hebräischer Verszähalem., 123va-154rb: Prv (31,10-31 mit hebräilung). - WALTHER, Sp. 705; VOLLMER, in: BdK 7, scher Verszählung), Ct, Exzerpte aus Sir. — Vgl. S. 27, 35f., 44, 94-98: Synopse zu Prv 31,10(-)25 VOLLMER, Mat. 1,1, S. 64, 65 f. u. 1,2, S. 41 f. (Abdr. (Nr. 17); ROST, S. 332, Nr. 6 (seine Bemerkung von Prv 1,1 -10, Ct 5,1-6); ders., in: BdK 7, S. 26, zum Schreiber Conrad Trayner gehört zu Hs. 2b); 35 f., 44, 94-98: Synopse zu Prv 31,10(-)25 (Nr. H. PYRITZ (Hg.), Die Minneburg (DTM 43), 1950, 15). S. XXXVIf. 7. WALTHERS 10. Zweig. 13. Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 8" 37, Ende 7a. Solothurn, ZentralbibL, cod. S I 145 (olim 15. Jh., ostschwäb., 76v-84r: Exzerpte aus Ec r V provisorisch 190), 1457, hochalem., l —107 : Prv, 1,3-12,7. Ec, Ct, Sap, Sir; Vorworte des Übersetzers bei Prv 14. WALTHERS 30. Zweig. und Sap. Danach vier moralphilos. Schriften des Heidelberg, cpg 468, geschr. 1502 v. Nikolaus (Ps.-)Seneca (-> Seneca, C.II.2.a.). - VOLLMER, Numan aus Frankfurt, Regularkanoniker und PrieMat. 1,2, S. 27, 139-141; ders., in: BdK 7, S. 28, ster am Augustinerchorherrenstift Groß-Franken35 f., 44, 94-98: Synopse zu Prv 31,10(-)25 (Nr. thal: Sir, glossiert, mit Gebet Salomos. Numan hat 16); ROST, S. 332, Nr. 1. zwischen 1488 und 1508 mehrere tat. u. dt. Hss. 7b. Nürnberg, StB, Solg. Ms. 15. 2°, um 1465, r V geschrieben. - WALTHER, Sp. 547-550 (mit Abdr. aus dem Neckartal (südrhfrk.), l —77 : die von Sir 15,1 — 6); KOZIOL (mit Abdr. mehrerer KaS. Schr.n, wie Hs. 7a. Danach dasselbe (Ps.-)Seneca-Corpus. - WALTHER, Sp. 240/244/248 (Text- pitel u. zahlreicher Proben); ZIMMERMANN, S. 59 mit Anm. 9; ROST, S. 333, Nr. 17; A. COHENproben), 385-390; ROST, S. 332, Nr. 3. MUSHLIN, A Medieval Scriptorium. Sancta Maria 8. Zu WALTHERS 10. Zweig? Magdalena de Frankendal (Wolfenbütteler MA8a. Stuttgart, LB, cod. HB V 70, Teil I von Stud. 3), Text- u. Bildbd., 1990, bes. S. 138-142, 1459, alem., 183V-200V: Prv. - OPPITZ, Rechts153 f., Abb. 393-395. bücher II, Nr. 1395.

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II. N i e d e r d e u t s c h . Sangspruchtradition, hg. v. M. EGIDI u. a. (Kultur, 1. WALTHERS 40. Zweig. Wiss., Lit. 5), 2004, S. 73-88. - Hinweise v. G. 's-Gravenhage, Kgl. Bibl., cod. 75 A 2, olim C Kornrumpf. 4 (Z 62), ehem. in der Bibl. der Oranier auf Schloß Dillenburg, 15. Jh. (um 1439-1447?), niedersächs., B. 'Cantica canticorum'. aus St. Maria Magdalena, Hildesheim: Sir mit umUnter den Schriften, die Salomo verfaßt fangreicher Glosse (Autograph?). — G. W. LORSBACH, Arch. f. die Bibl. u. Morgenland. Lit. II, Mar- haben soll, kommt den Cantica canticoburg 1794, S. 55-238 (mit Abdr. von c. 26 u. 49 sorum (Ct) besondere Bedeutung zu; diese wie zahlreichen Exempeln aus der Glosse); WALschlägt sich in der Zahl der (dt.sprachigen) THER, Sp. 681 f.; BORCHLING I 249 (mit Lit.); ZIMEinzelüberlieferungen, Kommentierungen MERMANN, S. 67; ROST, S. 333, Nr. 4; K. BECKEY, und Bearbeitungen nieder. Zu verweisen in: BdK 10, 1940, S. 483; STEGMÜLLER, Rep. 9312. ist auf -»· Williram von Ebersberg und das 2. -> Heinrich von Dissen (II.7.), auszugsweise 'St. -> Trudperter Hohelied', auf das Übers, der Prv (1,5—25,1) mit wenigen Glossen, 'Hohe Lied' des -» Brun von Schönebeck, Autograph nach 30. Juli 1474 im St. Barbarajüngere -»· Hoheliedauslegungen (s. a. -> kloster in Köln, unvollendet: Berlin, mgf 1236 (ehem. Cheltenham, Phill. 26), 105r-112v. - DEGregor d. Gr. [und Robert von TombeGERING, Neue Erwerbungen I 66—70; E. ZIMMERlaine], III.E., und Wolfgang -» Walcher; MANN, in: BdK 7, S. 195-197 (mit Abdr. von c. -»· Richard von St. Viktor, II.4.) sowie 1-4); ders., 1938, S. 29; ROST, S. 332, Nr. 8. Übersetzungen der Hoheliedpredigten -» 3. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Bernhards von Clairvaux (v. a. durch den 1135 Heimst., 15. Jh., Norddeutschland, 151r-> Tegernseer Anonymus). Der Marienr 158 : Prv 1,1-3,29. - BORCHLING III 162; K. leich ->· Frauenlobs, III.4., wurde nicht zuBECKEY, in: BdK 10, 1940, S. 483. L i t e r a t u r .WALTHER, Bibelübers., 1892; BORCHLING, Mnd. Hss. I-IV, 1898-1913; W. KOZIOL, Die mhd. Übers, des Jesus Sirach in der Heidelberger Hs., Diss. Greifswald 1908; VOLLMER, Materialien 1,1, 1912 u. 1,2, 1916; P. PiETSCH, Ewangely u. Epistel Teutsch. Die gedr. hd. Perikopenbücher (Plenarien) 1473-1523, 1927; Atl. Texte z. Bibelverdeutschung des MAs ..., hg. v. H. VOLLMER (BdK 7), 1937; E. ZIMMERMANN, Die dt. Bibel im religiösen Leben des SpätMAs, in: BdK 8, 1938, S. 1-91; H. VOLLMER, Die dt. Bibeldicht, des MAs, ebd. S. 92-115; H. ROST, Die Bibel im MA, 1939; G. BRINKHUS, Eine bayer. Fürstenspiegelkompilation (MTU 66), 1978; B. SINGER, Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus u. der Reformation, 1981; H. REINITZER, Biblia deutsch. Luthers Bibel u. ihre Tradition, 1983; CH. WULF, Tituli, Kapitelreihen, Buchsummarien. Überlegungen zu texterschließenden Beigaben in vorlutherischen Bibeln, in: Vestigia bibliae 9/10 (1987/1988), Bern usw. 1991(a), S. 115 — 131; dies., Eine volkssprachige Laienbibel des 15. Jh.s (MTU 98), 1991(b); U. BODEMANN, Bibeln, in: Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. des MAs, Bd. 2, 1996, S. 95-209 (Gruppe 14); M. STOLZ, 'Tum'-Studien. Zur dichterischen Gestaltung im Marienpreis Heinrichs v. Mügeln (Bibl. Germ. 36), 1996; K. STACKMANN, Salomdnes lere. Spruchweisheit des AT in der Sangspruchdicht., in: Vestigia bibliae 24/25 (2002/2003), Bern usw. 2004, S. 47-75; A. VOLFING, wisheit hat alle ding getickt. Spruchdichtung als Weisheitslit., in:

fällig Cantica canticorum betitelt (s. GÄRTNER). Das 'Hohe Lied in Minneliedern' der -» Historienbibeln la —c paraphrasiert eine Gruppe marianischer Ct-Antiphonen (GÄRTNER, S. 108 Anm. 18), während die Historienbibel IV einige glossierte CtVerse (aus einer Auslegung?) bietet. Einen 88str. Marienpreis supra Canticum canticorum dichtete Heinrich ->· Laufenberg (vgl. WACKERNAGEL, KL II, Nr. 768). Weitere Übersetzungen und Auslegungen:

I. H o c h d e u t s c h . a) Ct lat. und deutsch. 1. Prag, Narodni knihovna (olim Ossegg, Stiftsbibl.), cod. Osek 18, 14. Jh., südböhm., 126r159r; s. SCHMID, S. 206-208. Ebd. S. 201 weitere 13 Hss. (meist 15. Jh., bair.-österr.); ferner Innsbruck, ÜB, cod. 207, 121ra-124vb; München, ÜB, 8° cod. ms. 83, 208v-214r (bis c. 5,11); Wien, cod. 2907 (um 1400), 85rb-89va; cod. 3970, 70va-75rb; cod. 4645, 49ra-53vb; cod. 4734, 215r-222r. Die Texteinteilung entspricht weitgehend der Willirams; die eigenständige Übersetzung zeigt Spuren einer Kenntnis seiner Verdeutschung. — Vgl. bes. SCHMID, außerdem WOLKAN, S. 230; VOLLMER, in: BdK 10, 1940, S. 2*, 29* f. (mit c. 5,1-6 nach dem lückenhaften Wiener cod. 4734); STEGMÜLLER, Rep. 10887 u. 11707; BARTELMEZ. 2. Augsburg, ÜB, cod. II. 1. 2° 18, Teil III, 2. Drittel 14. Jh., südböhm., 221r-234v, mit lat. Kommentar. — STEGMÜLLER, Rep. 9765. Vgl. ROTH

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(mit Auszügen aus c. l u. 7). Das Verhältnis von Nr. 2 zu Nr. l bedarf weiterer Untersuchung. 3. Bamberg, SB, Msc. theol. 94, 15. Jh., bair., 193r-203v, mit lat. Expositio historialis. — Vgl. STEGMÜLLER, Rep. 8533; SCHMID, S. 202, 206. b) Ct deutsch. 4. Berlin, mgf 13, 15. Jh., ostmd., 310va318rb. - ROST, S. 332, Ct Nr. 8. 5. Berlin, mgf 516, um 1457-1460, rip., 255va259ra (Ct vollst.!); voran illustrierte Historienbibel (-» Niederdeutsche Bibeldrucke, B.I.). - Vgl. VOLLMER, Mat. 1,2, S. 22, 83. 6. Wiesbaden, LB, cod. 52, von 1469, rip., 381 -388 . Danach Beginn der -> 'Hoheliedauslegung Die sin van desen boeke es'. 7. Zu WALTHERS 12. Zweig. Karlsruhe, LB, cod. St. Peter pap. 17, um 1477— 1480, oberrhein., 194r-207v. 8. WALTHERS 26. Zweig. Der Übers, der Hoheliedpredigten Bernhards v. Clairvaux durch den -> Tegernseer Anonymus, II. 1., ist eine nach HOVER eigenständige Ct-Übers. vorgeschaltet in: München, cgm 814, von 1478, mittelbair., 2 r —17 V ; cgm 817, um 1500, Tegernsee, 201r-204r, wohl direkte Abschrift. - Vgl. WALTHER, Sp. 521/522 (Abdr. von c. 5,1—6 nach cgm 814), 538-540; ROST, S. 332, Ct Nr. 9; W. HÖVER, Theologia Mystica in altbair. Übertragung (MTU 36), 1971,5.147-150. 9. Zu WALTHERS 1. Zweig (Abschrift aus einem der -> Oberdeutschen Bibeldrucke)? Frankfurt a. M., StB u. ÜB, Ms. Praed. 92, Teil I, v. Johannes Lenglin OP 1501 — 1502 im Dominikanerinnenkloster Medingen geschr., 194V—197r. c) Ct deutsch mit Auslegung. 10. WALTHERS 27. Zweig. Augsburg, ÜB (olim Maihingen), cod. III. 1. 2° 8, v. Kunigund Niklasin 1437 im Nürnberger St. Katharinenkloster geschr., 3ra-106rb. Vgl. WALTHER, Sp. 522 (Abdr. von c. 5,1-6), 540f.; ZIMMERMANN, S. 66. — Es handelt sich um Buch I—II der -* 'Hoheliedauslegung Meliora sunt ubera tua'; vgl. dort (nach 9 jüngeren Hss.; "Mainz, StB, cod. II 36" korr.: ... I 36). Von 1419 stammt München, clm 14157, nordbair. (?), 216va~313rb (mit Buch III, ohne Bucheinteilung). Weitere 11 Hss.: F. LöSER, ZfdA 115 (1986) 226; http://users.ox.ac.uk/ -npalmer/kat.pdf, K 26 (Stand 18.6.2000); Berlin, mgq 187. 11. WALTHERS 25. Zweig. München, cgm 459, von 1446, mittelbair. — Vgl. WALTHER, Sp. 521 (Abdr. von c. 5,1-6), 537 f.; ROST, S. 332, Ct Nr. 6; - Gregor d. Gr. (und Robert v. Tombelaine) III.E. 12. 'Hoheliedauslegung Got ist die minne (liebe)'. Übers, mit Betrachtungen für gute und

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vollkommene Leute; vor der Lektüre durch Sünder wird gewarnt (WOLKAN, S. 231). Prag, Närodni knihovna, cod. XVI F 8, 15. Jh., südböhm./bair., l r —65 r , datiert 1448 (von gleicher Hand 65"—99V eine Hoheliedauslegung, gegliedert in 34 pilde, das man dester paß erkenne, was fruchtlicher lere leuchtet auß den pilden vnd auß den warten der liphabenden sele); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 17. 9 Aug. 4°, 2. H. 15. Jh., Pillenreuth, 208r-260r (mit Bitte eines prüder Wernher [des Autors?] um Fürbitte), beendet 1455 v. Anna -> Ebin (für Hilfe danke ich H. Härtel); ehem. Reichenberg (Böhmen), Slg. Friedrich Katzer, Dt. Hs. 13, jetzt Berlin, mgo 842 (Hinweis v. U.-D. Oppitz), v. Anna Jäckin 1464 in Inzigkofen geschr., 91r-143v. - Vgl. WOLKAN, S. 230, 231; ZIMMERMANN, S. 52 Anm. 9; W. FECHTER, Dt. Hss. des 15. u. 16. Jh.s aus ... Inzigkofen (Arb. z. Landeskunde Hohenzollerns 15), 1997, S. 95 f. 13. Ein Zyklus von 32 Bildern mit dt. Ct-Versen in den Spruchbändern als Annex zum Hohen Lied in der Furtmeyr-Bibel der ÜB Augsburg: cod. I. 3. 2° III/IV, Regensburg 1468/1472, Bd. 2, 76r-83v. Vorlage war das um 1460/65 wohl in den Niederlanden gedr. Ct-Blockbuch. - Vgl. JANOTA, S. 17, 79, 110 f., 137-169 (Faks. mit Erläuterung); BoDEMANN, bes. S. 97 u. 102 (Nr. 14.0.1). Zur Interpretation s. M. ENGAMMARE, in: Blockbücher des MAs. Bilderfolgen als Lektüre. Gutenberg-Mus. Mainz, 1991, S. 319-327; s. a. S. 162 f. u. 439 f. II. N i e d e r d e u t s c h . 1. Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 442 Heimst., Mitte 15. Jh., aus Celle, Franziskaner, 12 -125 : Ct dt., dann lat. - MARGANI, mit Abdr. 2. Ebd., cod. Guelf. 474 Heimst., von 1437, aus Steterburg, -218 : Ct dt. mit Auslegung. Von gleicher Hand im selben Jahr geschr., nur Schluß erhalten: cod. Guelf. 458 Heimst., l ra ~ va . - Vgl. BORCHLING III 13. 3. -> 'Hoheliedauslegung An Hymmel vnde an erden' [Bd. 4 u. NB]. Auch in Lübeck, StB, Mss. theol. germ. 4° 26, 155r-194v, 8° 59, 107r-233r, 8° 60, 181r~v. 202r (Versprolog); s. ZIMMERMANN, S. 52 Anm. 10. 4. Zu WALTHERS 38. Zweig? Hildesheim, Dombibl., Hs 733, 1. Drittel 16. Jh., 144v-157r: Ct dt. - Vgl. die Ct-Übers. (ohne die Glosse) der Lübecker Bibel v. 1494, hg. v. G. ISING (DTM 54/4), 1971, S. 391-403; Niederdeutsche Bibeldrucke, A. u. B.2. L i t e r a t u r . WALTHER; BORCHLING; VOLLMER, Mat.; ZIMMERMANN, bes. S. 51 — 53; ROST; BODEMANN [wie A.]. Ferner: R. WOLKAN, Gesch. der dt. Litt, in Boehmen bis z. Ausgange des 16. Jh.s, Prag 1894; E. H. BARTELMEZ, Williram's Text of the

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'Salve regina' — 'Satyra de amicicia et de conubio Saxonice et Franci'

Song of Solomon and its Distribution, Manuscripta 16 (1972) 165-168; K. GÄRTNER, Das Hohelied in Frauenlobs Marienleich, in: WolframStud. 10, 1988, S. 105-116; J. JANOTA (Hg.), Die Furtmeyr-Bibel in der ÜB Augsburg. Kommentar, 1990; H. U. SCHMID, Eine spätmal, bair. Übers, des Hohenliedes, in: Latein u. Volkssprache im dt. MA 1100-1500, hg. v. N.HENKEL u. N. F. PALMER, 1992, S. 199-208; A. MARGANI, Eine mnd. Fassung des Hohenliedes aus dem 15. Jh. u. ihre lat. Vorlage ..., Ndjb 116 (1993) 28-71; CH. ROTH, Ein dt. Hohes Lied im Kontext mal. Hoheliedstud. im Benediktinerkloster St. Mang in Füssen, in: Forschungen z. dt. Lit. des SpätMAs. Fs. J. Janota, hg. v. H. BRUNNER u. W. WILLIAMSKRAPP, 2003, S. 191-210.

C. S a l o m o als A u t o r m a g i s c h naturkundlicher Schriften. Spätestens seit Flavius Josephus (Antiquitates lud. VIII, 44—49) und bis ins 18. Jh. galt Salomo auch als großer Magier und Naturkundiger. Die Schriften solcher Thematik, die ihm zugeschrieben wurden — am bekanntesten 'Testamentum Salomonis' und 'Clavicula Salomonis' — wurden jedoch erst vom 16. Jh. an auch deutsch rezipiert. Die vereinzelte Zuweisung des ->· 'Physiologus' an Salomo ist nicht im deutschsprachigen Bereich belegt. Zu den pseudo-salomonischen Schriften zusammenfassend: K. PREISENDANZ, in: Paulys Realencyclopädie, Suppl. VIII, 1956, Sp. 660-704; vgl. auch CH. CH. McCowN (Hg.), The Testament of Solomon (Unters, z. NT), 1922; P. RIESSLER, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, übers, u. erläutert, 1928; S. L. M. MATHERS, Der Schlüssel von König Solomon = Clavicula Solomonis. Übers, u. Ed. von Mss. aus dem Brit. Museum [1889], ins Dt. übertragen u. kommentiert von M. M. JUNGKURTH, 1985; N. HENKEL, Stud, zum Physiologus im MA (Hermaea NF 38), 1976, S. 12 u. 20. Zur neuzeitlichen Rezeption s. z. B. K. D. L. ENGEL, Bibliotheca Faustiana: Zusammenstellung der Faust-Schriften vom 16. Jh. bis Mitte 1884, 21885, Nachdr. 1970, Nr. 414-420; C. KIESEWETTER, Faust in der Gesch. u. Tradition, 1893 (Nachdr. 1978), S. 319-341.

Einzelmotive von Salomos Magier-Rolle werden jedoch sehr wohl rezipiert, so die talmudische Ausschmückung von III Rg 6,7 zu einer Erzählung vom Tempelbau mit Hilfe des Würmleins Thamir (-» 'Lob Salo-

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mos', 'Großer -> Seelentrost', S. 207-215; ->· 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB], vgl. RETTELBACH). Salomos magischer Siegelring wird in -> 'Carmina Burana' 54, 2.9 genannt; vgl. auch BURDACH. Orientalische Erzählungen von Salomos Verbindung mit einer heidnischen Frau und von Salomo als Dämonenbeherrscher stehen hinter -»· 'Salman und Morolf. L i t e r a t u r . S. SINGER, Salomosagen in Deutschland, ZfdA 35 (1891) 177-187; K. BURDACH, Der Gral. Forschungen über seinen Ursprung u. seinen Zusammenhang mit der Longinuslegende, 1938, S. 111-113; J. RETTELBACH, Stud, zur 'Weltchronik' Heinrichs v. München 2, l u. 2 (Wissenslit. im MA 30/1 u.2), 1998, Reg.

HEIMO REINITZER GISELA KORNRUMPF (B.) 'Salve regina' [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 556, vor 7. (zu II. 1.-6.: Texte d. 13. —14. Jh.s) ergänze: 6a. Melk, Stiftsbibl., cod. 1547, p. 293^295 (vgl. —* 'Marienmesse Salve saneta parens', II.l [NB]).

Sansedoni, Ambrosius, von Siena entfällt (keine dt. Rezeption bekannt) 'Satyra de amicicia et de conubio Saxonice et Franci' Hexametrisches Gedicht (fragm., 44 einsilbig leoninisch gereimte Verse, dazu 10 Widmungsverse) eines Freigelassenen an seinen Herrn Heidenrich über die ideale, auf Tugend gegründete Freundschaft (ICL Nr. 10580 u. 10846). Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 29111, zwei Pergamentbll. (S. 1—4), ausgelöst aus einer St. Emmeramer Hs. des 15. Jh.s (clm 14826), 1./2. Viertel des 11. Jh.s, wohl autograph, da die Widmungsverse (auf Rasur, vielleicht eine Retractatio) von der Texthand mit genauer Kenntnis der dort genannten Personen glossiert sind. A u s g a b e n . F. KEINZ, Wicharts Sohn. Ein lat. Dichter des dt. MAs, ZfdPh 4 (1873) 143-146; RÄDLE, S. 180-183 (mit dt. Übers.).

Das am Beginn nicht ganz vollständige Widmungsgedicht exponiert folgende Situation: der Autor als 'rußiger Sohn' des armen Bäckers Wichart (wichardi [glos-

1369

'Säulen des Hauses der Weisheit' — Saxo Grammaticus

siert: miseri pistoris] fusca probago) ist von seinem Herrn, dem Grafen Heidenrich, durch den Spruch des iudex Liebger freigelassen worden. Der Autor bewertet sein neues Verhältnis zum Grafen als amicicia, die er in dem nun folgenden sprachlich schwierigen Gedicht nach antiker, nirgends ausdrücklich christlicher Doktrin (u. a. mit dem Exempel des Thebanischen Bruderzwists Amphion-Zethus) im Sinne einträchtigen humanen Zusammenlebens, entsprechend der von Cicero so genannten amicitia inter bonos, beschreibt: ihr Zentrum ist virtus, ihre Bedingung Freiheit und die (bei den fliegenden Kranichen zu beobachtende) gleichberechtigte Teilhabe an Leistungen (sudores) und sozialer Anerkennung (honores). Im zweiten Teil (v. 30 ff.) beklagt der Autor, daß die praelati derzeit ihren christlichen fratres nicht mit solcher Freundschaft begegnen, sondern ihre Macht mißbrauchen. Deshalb schwindet der soziale Zusammenhalt, Pax und Virtus ziehen sich (nach antikem Muster) aus den heillosen irdischen Verhältnissen zurück. An dieser Stelle endet das Fragment; die im Titel angekündigte Hochzeit zwischen der Sächsin und dem Franken, der möglicherweise mit dem Grafen Heidenrich identisch war (HAUCK), bleibt unbesungen. Daß dieses Hochzeitspaar allegorisch für die unter Konrad II. sich aussöhnenden Stämme der Sachsen und Franken stehen könnte (RÄDLE, S. 179 f.), ist eher unwahrscheinlich. Der Text ist als erstes mal. Gedicht im Titel als Satire bezeichnet (KINDERMANN), was sich aus seiner gattungstypischen Thematik der laus virtutum bzw. vituperutio vitiorum erklärt. Er ist gedanklich und formal entscheidend von der antiken Literatur (bes. Cicero, 'Laelius de amicitia' und 'De officiis', Horaz, 'Sermones', 'Epistolae' sowie 'Carmina', Persius) geprägt; offenbar hatte der Autor Zugang zu einer reichen Bibliothek (St. Emmeram?). Vergleichbar an Belesenheit und liberalem Denken ist ihm von den Zeitgenossen -> Wipo. Der amicitia-Regritf der 'Satyra' ist im traditionell antiken Sinne 'personal' (vgl. EPP, S. 28-129), nicht von der Art sozial und politisch 'geregelter' mal.

1370

Freundschaftsbündnisse (ALTHOFF, S. 88 — 119). L i t e r a t u r . K. HAUCK, Mlat. Lit., in: DPhiA, Bd. 2, Sp. 2555-2623, hier Sp. 2561 u. 2602; U. KINDERMANN, Satyra. Die Theorie der Satire im Mittellateinischen, 1978; F. RÄDLE, Satyra de amicicia ... (Clm 29111). Das Freundschaftsideal eines Freigelassenen, in: Lat. Dichtungen des X. u. XI. Jh.s. Fg. f. W. Bulst zum 80. Geburtstag, 1981, S. 162-185; G. ALTHOFF, Verwandte, Freunde u. Getreue, 1990; V. EPP, Amicitia. Zur Geschichte personaler, sozialer, politischer u. geistlicher Beziehungen im frühen MA, 1999; M. RENER, Ein Humanist im zwölften Jh.: Aelred von Rievaulx, De spiritali amicitia, in: B. KÖRKEL u. a. (Hgg.), Mentis amore ligati. Lat. Freundschaftsdichtung u. Dichterfreundschaft in MA u. Neuzeit, Fg. f. R. Düchting zum 65. Geburtstag, 2001, S. 395-409.

FIDEL RÄDLE 'Säulen des Hauses der Weisheit' [Korr.] Bd. 8, Sp. 588: Bei diesem Text handelt es sich um ein Fragment aus dem Anfangsteil der -> 'Christherre-Chronik'; vgl. D. KLEIN, Heinrich von München u. die Tradition der gereimten dt. Weltchronistik, in: Studien zur 'Weltchronik' Heinrichs v. München, Bd. l, hg. v. H. BRUNNER, 1998, S. 1-112, s. Liste der Überl. im Anhang, S. 95 Nr. 96. — Die erhaltenen Partien lassen den Bezug auf das Sechstagewerk und den Weltchronik-Kontext jedoch nicht erkennen.

Saxo Grammaticus Deutsche Bearbeitungen von Saxos 'Gesta Danorum' und ihrer Fortsetzung ('Compendium Historiae Danicae'/'Jütische Chronik'): 1. Nd. Prosaübersetzung I: Ü b e r l i e f e r u n g . Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS 819, 2°, dat. 1476, 158 beschriebene Bll.; Stockholm, Kgl. Bibl., K 11, Mitte 15. Jh., lr-137v. Inc. (nach Hs. Stockholm): Cronica Danorum. In den iaren na goddes bort MCXC do was tho Lunden in Schone ein ertzebiscop de was gebeten Absalon ...

2. Nd. Prosaübersetzung II: -» 'Denscke Kroneke' [NB]. Dazu (Bd. 11, Sp. 344) ergänze zu Überl. die Hs. Stockholm, Kgl. Bibl., K 34, 2. H. 15. Jh., l r —166 V , nordnd., von der der Druck von M. Brandis abstammt (LEEGAARD KNUDSEN). Inc. ...De werke vnde

1371

Schachaufgaben — Schallermann, Johannes

hanteringhe der Denen de heft to hope screven en de dar was wys in der kunst gramattica ... unde het syk Saxo ... 3. Reimchronik: -» 'Niederdeutsche Cronick aller konninge tho Dennemarken' [Bd. 6 u. NB]. L i t e r a t u r . A. LEEGAARD KNUDSEN, Saxostudier og rigshistorie pä Valdemar Atterdags tid, Kopenhagen 1994, S. 37—62 (mit Textproben aus den Hss. der Prosafassungen), vgl. engl. Zusammenfassung, bes. S. 132 f.; L. KURRAS, Dt. u. ndl. Hss. der Kgl. Bibl. Stockholm. Hss.katalog (Acta Bibliothecae regiae Stockholmiensis 67), 2001, S. 82 f.

RED. Schachaufgaben Die Hs. XXIII F 135 der SB u. ÜB Prag (Närodni knihovna; ehemals Lobkowicz cod. 497a, ursprünglich wohl aus der Blankenheimer Bibl.) überliefert 31 Schachprobleme. Das Corpus nimmt eine einzeln überlieferte Lage ein, einen zweispaltig geschriebenen Pergamentquaternio in kleinem Quartformat. Dieser beginnt mit dem Anfang des Corpus, der durch eine Spaltenbreite Miniatur, zwei Schachspieler unter einem Baum zu beiden Seiten eines Schachbretts, ausgezeichnet ist. Am Ende des Fragments könnten einige Aufgaben verloren gegangen sein. Die Probleme haben die Form von Diagrammen mit darüberstehendem dt. (ripuar.) Begleittext, der — ganz technisch, ohne moralische Anwendung oder sonstige Übertragung — Aufgabenstellung und Lösung angibt. Die Sammlung ist eine Auswahl aus dem 'Bonus Socius', der wichtigsten lat. Problemsammlung des MAs, zusammengestellt in der Lombardei teilweise aus arabischem Gut. Die der dt. Sammlung nächststehende Redaktion umfaßt 192 oder 194 Stücke, geordnet nach der Zahl der Züge bis zum Matt. Die Auswahl hält sich eng an die Reihenfolge der Vorlage, am genauesten an die durch die Hss. H und A vertretene Fassung, indem sie z. B. die Nummern l, 7, 8, 23 usw. und am Schluß 126, 133 und nach einem unidentifizierten Stück die Nr. 171 übernimmt, ziemlich gleichmäßig Zwei- bis Siebenzüger, nur Fünfzüger fehlen, was wohl Zufall ist. Die

1372

Art der Diagramme mit lat. Abkürzungen für die Steine und Strichlein für die Zugrichtung ist ganz die des 'Bonus Socius'. Daß viele Aufgaben der dt. Sammlung unlösbar sind, mag an der Überlieferung liegen; sie verstärkt einen Zug der Vorlage zu komplizierten zusätzlichen Bedingungen und zu Wettspielen, bei denen es darauf ankommt, die richtige Partei zu wählen, im Fall der Unlösbarkeit also Schwarz. Das Deutsch des Beitexts hält sich recht wörtlich an das Lateinische, verwendet aber gänzlich dt. Fachausdrücke (etwa kvninginne für die Dame). Das Fragment dürfte auf den Anfang des 14. Jh.s zu datieren sein. Wenn man es früher ansetzt, gar in die Mitte des 13. Jh.s, müßte die übliche Datierung des 'Bonus Socius' auf etwa 1295 oder um 1300 revidiert werden; seine früheste Überlieferung könnte noch dem 13. Jh. angehören. Ausgaben und L i t e r a t u r . J. KELLE, Schachaufgaben aus dem XIV. Jh., ZfdA 14 (1869) 179189; A. VAN DER LINDE, Gesch. u. Lit. des Schachspiels, 1874; H. J. R. MURRAY, A History of Chess, 1913, S. 618-703; Die Manderscheider. Eine Eifeler Adelsfamilie. Herrschaft - Wirtschaft - Kultur. Kat. z. Ausstellung Blankenheim, Gildehaus, 1990, S. 203 f.

PAUL SAPPLER 'Schachzabelbücher' [Korr.] Bd. 8, Sp. 591 zu L: "cod. Georg. 5 4° der Dessauer LB" korr.: cod. Georg. 231. 8° (olim Georg. 4°, 5) der Anhaltischen LB Dessau (früher: StB); vgl. Fj. PENSEL, Verzeichnis der altdt. Hss. in der StB Dessau (DTM LXX, Bd. 1), 1977, S. 179-182. Ebd., letzte Zeile: "Zürich, Schachbibl. von Dr. R. Blass, Hs. Nr. 7 a" korr.: Die Hs. ist heute in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 411; vgl. P. J. BECKER, Ankauf einer Slg. von vierzig altdt. Hss., Mitt. der SB zu Berlin - Preuß. Kulturbes. NF 3 (1994) 122130, hier S. 127.

Schallermann (Scallerman, Scalderman, Scildermand, de Susato, de Westfalia, de Bescvalia u. ä.), Johannes 1. Seh. wurde 1374 in Soest als Sohn des Kölner Bürgers Hermann Brun und seiner Frau Kunigunde geboren; früh verwaist, wuchs er unter der Obhut seines Großva-

1373

Schanz, Mathes

ters mütterlicherseits, Lambert Sch., auf, von dem er auch den Familiennamen übernahm. Nach Schulbesuchen in Soest und Paderborn immatrikulierte er sich — bereits 27jährig — im WS 1401/02 als pauper in Heidelberg und begab sich nach Erlangung des Baccalaureats in den Freien Künsten nach Italien, wo er an den Universitäten Bologna, Perugia und zuletzt in Padua dem Studium beider Rechte oblag. Am 11. Juni 1411 wurde er hier kostenlos (propter deurn) zum Doktor des Kirchenrechts promoviert; schon ein Jahr später erhielt er durch die Vermittlung des österreichischen Kanzlers Andreas Plank, dem er in Padua als pedagogus gedient hatte, die lectura Sexti decretalium an der Univ. Wien, wo er als Nachfolger des Heinrich Fleckel aus Kitzbühel über ein Jahrzehnt das kanonische Recht lehrte. Daneben vertrat er mehrfach seine Landesherren als Gesandter an der römischen Kurie und in Frankreich. Am 30. September 1423 von Papst Martin V. zum Rotarichter ernannt, übersiedelte er, jetzt wohl versorgt durch Domkanonikate in Olmütz, Brixen und Speyer sowie mehrere Pfarreien in Österreich und Kärnten, für ein Jahrzehnt nach Rom. 1433 ernannte Papst Eugen IV. Sch. zum Bischof von Gurk, doch konnte er sich dort erst nach jahrelangem Streit und nach erfolgreich bestandenem Prozeß vor dem Basler Konzil durchsetzen. 1453 resignierte er als Bischof und verbrachte seine letzten Lebensjahre, durch einen Schlaganfall halbseitig gelähmt, in Straßburg im Gurktal. Dort starb er 1465 im 92. Lebensjahr. Kurz nach seinem Tod verfaßte einer seiner Gurker Kapläne — als Autor könnte durchaus auch Johann -» Turs in Frage kommen — eine hagiographisch gefärbte Lebensbeschreibung des Bischofs, in der die heiligmäßige Lebensführung sowie die liturgische und seelsorgerische Tätigkeit und die einzigartige Marienverehrung Sch.s breit dargestellt werden. Die nur bruchstückhaft überlieferte Vita, die Sch. als Spiegel und leuchtendes Vorbild des Klerus schildert, könnte als Materialsammlung für ein geplantes Kanonisationsverfahren angelegt worden sein.

1374

Ü b e r l i e f e r u n g . Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52 a, Nürnberger Hss. Nr. 2, Bl. 1-25, dazu FUCHS, S. 147 f.

2. Neben der Geschäftskorrespondenz und den amtlichen Aufzeichnungen als Rotarichter und Bischof sind kaum eigene literarische Werke Sch.s erhalten geblieben. Ein kurzes Bruchstück einer Arenga des Johannes de Westfalia ist im hinteren Schmutzblatt des Cod. 5107 der Österr. Nationalbibl. in Wien überliefert; seine mit einem Bild geschmückte kurze Stellungnahme zur Zollfreiheit des Bacharacher Pfarrweines hat -» Winand von Steeg 1426 in eine Sammelhs. aufgenommen (München, Bayer. Hauptstaatsarch., Abt. III = Geheimes Hausarchiv, Hs. 12, Bl. 16V). Ein am 24. April 1434 vorgetragenes Monitorium ad concilium Basiliense tradiert der Cod. 637 A der Stiftsbibliothek Klosterneuburg. L i t e r a t u r . H. SCHWARZ, Ein Soester als Bischof in Kärnten, Soester Zs. 74 (1961) 7-12; A. A. STRNAD, Zum Studiengang des Dekretisten J. Sch., MIÖG 74 (1966) 108-117, überarbeitet in: ders., Dynast u. Kirche. Studien zum Verhältnis von Kirche u. Staat im späteren MA u. in der Neuzeit, hg. von J. GELMI/ H. GRITSCH unter Mitw. von C. BALDEMAIR, 1997, S. 345-380, hier S. 337-344; J. OBERSTEINER, Die Bischöfe von Gurk 1072-1822 (Aus Forschung u. Kunst 5), 1969, S. 233-248; A. SCHMIDT/ H. HEIMPEL, Winand von Steeg (1371 — 1453), ein mittelrhein. Gelehrter u. Künstler u. die Bilderhs. über Zollfreiheit des Bacharacher Pfarrweins auf dem Rhein aus d. J. 1426 (Hs. 12 des Bayer. Geheimen Hausarchivs zu München), Bayer. Ak. d. Wiss.n, Philos.Hist. Kl., Abhh. NF 81), 1977; CH. TROPPER, Sch. J., in: E. GATZ unter Mitw. von C. BRODKORB (Hgg.), Die Bischöfe des Hl. Römischen Reiches 1448-1648. Ein biograph. Lexikon, 1996, S. 620; F. FUCHS, Ein Westfale in Kärnten. Eine unbekannte Vita d. Bischofs J. Sch. v. Gurk (t 1465), Carinthial 191 (2001) 143-163.

FRANZ FUCHS Schanz, Mathes [Korr.] Bd. 8, Sp. 603 Überl.: " 'Chronik' Ludwig -+ Sterners ... Fribourg" korr.: Die angebliche Abschrift von 1524 ist tatsächlich die Originalhs. Sterners von 1501; neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/ Schweiz. Vgl. Ludwig -> Sterner [Korr. im NB].

1375

Der von Scharfenberg — Der Schenkenbach

Der von Scharfenberg [Nachtr.]

1376

Schelling, Konrad [Korr./Nachtr.]

Bd. 8, Sp. 605 zu Ausg.n ergänze: W. HOFMEISTER, Die steirischen Minnesänger. Edition, Übers., Kommentar (GAG 472), 1987, S. 103-127.

Bd. 8, Sp. 633 z. 3.a.: "Heidelberg, ÜB, cod. Pal. lat. 1175" korr.: Rom, Bibl. Apostol. Vaticana, cod. Pal. lat. 1175. Ebd., zu 3.b.: "Heidelberg, ÜB, cod. Pal. lat. Schatzgeyer, Kaspar entfällt (| 1527; 1319" korr.: Rom, Bibl. Apostol. Vaticana, cod. Schriften erst seit 1522; vgl. TRE 30, 1999, Pal. lat. 1319. Vgl. L. SCHUBA, Die med. Hss. der Codices Pal. S. 76-80). Lat. in der Vatikan. Bibl. (Kataloge der ÜB Heidelberg I), 1981, S. 133-137, 414-418. Sp. 634, vor Lit. ergänze: Seh. wurde als Autor 'Vom Schauen Gottes durch die wirkende einer anonym überlieferten Übersetzung von MarVernunft' silio -» Ficinos [NB] 'De triplici vita' erwogen; ein Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. VI, Schriftvergleich mit Seh.s Autographen bestätigt r v 46h, 78 -83 (v.J. 1461). diese Vermutung jedoch nicht. Ausgabe. PREGER, Mystik I, S. 484-488 (Anhang VII).

Schelling, Thomaes entfällt (ndl. Autor)

Der Text wird von PREGER als 'Traktat' bezeichnet. SCHNEIDER führt ihn (S. 159 Nr. 14) ohne Begründung, aber zu Recht als 'Predigt'. Er behandelt eingangs PS 35,10 (Der kunig Davit sprach: herr in deinem liecht stillen wir sehen das Hecht), wendet sich dann der Bedeutung der Gnade zu (anhand von I Cor 15,10: Sant Paulus spricht: der gnaden gottes bin ich das ich pin) und kehrt am Schluß zum Eingangstextwort zurück. Dieser Schluß faßt das Thema des Textes prägnant zusammen: Es geht um das Wesen der Gnade und damit um das Verhältnis zwischen göttlicher Gnade und dem Durchbruch zur einigkeit mit Gott. Auch wenn PREGER nicht darin zuzustimmen ist, daß der Text 'der letzten Periode' Meister -» Eckharts zuzuordnen sei (S. 321), so ist es doch verwunderlich, daß man seine Zuweisung an Eckhart bisher nicht verfolgt hat. Der Text trägt unverkennbar eckhartsches Gepräge. Ein Rückverweis nimmt eindeutig auf einen Eckhart-Text Bezug (Ich han gesprochen unter wilen: das got got ist, des bin ich ein sache). Es handelt sich wahrscheinlich um eine später bearbeitete Predigt Eckharts. L i t e r a t u r . PREGER, Mystik I (s. o.), S. 316 f. u. 321-324; SCHNEIDER, Nürnberg, S. 158-162.

FREIMUT LÖSER Schedel, Hermann [Korr.] Bd. 8, Sp. 622, 2. Absatz: "Im WS 1444 ..." korr.: Am 14. Juli 1442 ... (Hinweis F. Fuchs).

Vgl. die Ausgabe: E. C. VAN LEERSUM, Het 'Boec van surgien' van Meester Thomaes Scellinck van Thienen, Amsterdam 1928. Fünf mndl. Hss. des 15. u. 16. Jh.s bei R. JANSEN-SiEBEN, Repertorium van de Mndl. artes-literatuur, Utrecht 1989, S. 191b, 326 b f., 392 a f., 409a, 413bf., 425bf.

Der Schenkenbach Lieddichter Anfang des 16. Jh.s in Franken; archivalisch nicht nachgewiesen. Mit seinem Namen sind in identischer Formulierung (singt vnß der Schenckenpach) zwei Lieder signiert, von denen das eine sich für den rentiers orden engagiert (1.), während das andere gegen den orden der reutterey gerichtet ist (2.). Da das zweite Lied deutlich auf das erste Bezug nimmt, dürfte nur dieses authentisch sein; die Signatur des zweiten ist satirisches Zitat. Beide Lieder betreffen das städtefeindliche Fehdewesen des fränkischen Niederadels in den Jahren 1512/13, vor allem wohl die Fehde des Götz von Berlichingen mit der Reichsstadt Nürnberg. 1. Lied der fränkischen rentiers knahen gegen die reichen Kaufleute, Initium: Von erst so woll wir loben l Maria die raine maidt (9 Neunzeilerstrophen aus Dreihebern mit Kreuzreim, weibl. Dreireim und abschließendem männl. Paarreim). Nach dem Lob der Gottesmutter und einer Anrufung des Ritterheiligen Georg als rottmeisters werden die verächtlich als 'Bau-

1377

Der Schenkenbach

era' bezeichneten Städter (von SEIBERT irrigerweise wörtlich verstanden) des Hochmuts und der tödlichen Feindschaft gegen den Adel bezichtigt. Deswegen müsse der von Armut bedrohte reutterß orden mit Brennen und Rauben gegen sie vorgehen und die Kaufleute 'beerben'. Die adlige Räuberei wird als muntere Jagd auf Wildbret, Vögel und Fische dargestellt. Das Lied endet mit der Bitte um Gottes Beistand gegen die 'Bauern', die vielen reuttern das Leben nähmen und dafür Rache verdienten. Das könnte eine Anspielung u. a. auf die Hinrichtung des 'Plackers' Sebastian von Seckendorf am 22. Jan. 1512 in Nürnberg sein (vgl. LILIENCRON III, Nr. 265), womit auch ein terminus post quem für die Entstehung des Liedes gegeben wäre. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehört es also ins Jahr 1512, sicherer terminus ante quem ist die Verwendung des Initiums als Tonangabe eines 1514 entstandenen Liedes des Veit -> Schreiber [NB] (LILIENCRON III, Nr. 288).

1378

Hans Otts erstem Ldb. von 1534 (Das Erbe deutscher Musik I, 15), 1940, Nr. 18.

Das 'Reuterlied' hatte beträchtliche Wirkung. Nicht nur provozierte es mehrere scharfe Gegenreaktionen (2. und 3.), es wurde auch geistlich kontrafaziert (4.), und überdies wurde seine Form gern für andere, vorwiegend politische Lieder benutzt (LILIENCRON III, Nrn. 288, 294, 295, 297, 302, 309, 316, 340, 350 u. ö.).

Als Tonangabe erscheint wie üblich meist das Liedinitium, vereinzelt auch mit einem Zusatz: Jn des ritters weis (1515, LILIENCRON, Nr. 294) oder in dem Reütter thon (1524, WACKERNAGEL, KL III, Nr. 452). Auch das Stropheninitium Merkt auff jr reitersknaben (Str. 4,1, vgl. auch 1,5) wird als Tonangabe verwendet (1534, LILIENCRON IV, Nr. 449, unter Benutzung des reformatorisch veränderten Liedinitiums in Str. 2, l f.: Voran so wein wir loben I got in der trinitat). Bei einem 1519 in der Strophenform des Schenkenbach-Liedes gedichteten politischen Lied (LILIENCRON III, Nr. 316, vgl. ergänzend R. W. BREDNICH, Die Liedpublizistik im Flugblatt d. 15. bis 17. Jh.s, Bd. II, 1975, Nr. 244 mit Abb. 49) err r scheint überdies die Tonangabe Wo/ auff jr Reuters Ü b e r l i e f e r u n g , a. Berlin, mgq 718, 44 -45 knaben. Es findet Entsprechung in einem Quodli(Claus -»· Spauns Liederbuch, Augsburg vor 1520); bet in Wolfgang Schmeltzels Liederbuch von 1544 vermutlich Abschrift eines verlorenen Druckes. — b. Nürnberg, Germ. Nat.mus., Hs. Merkel 2° 966, (s. o., Nr. XX, ed. FLOTZINGER, S. 122-130, hier S. 128, Textabdruck S. XVIIf.): Wo/ auff j r Reu124rv (Augsburg 1524/1526); nur geringe Abweiters knaben l vnd haben frischen mut, mit einer chungen gegenüber a, vermutlich ebenfalls Druckvom Schenkenbach-Ton abweichenden Melodie abschrift. — c. Str. 1 — 3 (von a und b stärker ab(so LILIENCRON, Nachtrag, S. 97, Ton CXIII; anweichend) mit einem Tonsatz von Ludwig Senfl in ders BÖHME, Ad. Ldb., S. 533). Ob es sich dabei Johann Otts Liederbuch, Druck Nürnberg 1533 [recte 1534], Nr. 38; dass. mit dem Text von Str. 3 nur um eine Zitat-Variante zu Str. 4,1 des Schenkenbach-Liedes oder aber um das Initium eines in den 'Gassenhawerlin und Reutterliedlin', Frankselbständigen Liedes handelt, dessen Text nicht erfurt a. M. 1535 (Faks. hg. v. H. J. MOSER, 1927), halten ist, muß offenbleiben. Ein Lied mit einem Nr. 7. — d. Nur den Textanfang bietet ein Tonsatz verwandten Initium Wo// vff yr frien knaben l al von Matthias Greiter in der Musikhs. Basel, ÜB, die gern kriegen wend (Einblattdruck [Basel, um Ms. F X 1-4, Nr. 59 (1522/24). - e. Ebenfalls nur 1520], vgl. BREDNICH [s. o.], Nr. 512), bei dem das Initium enthält die Baßstimme eines Quodliallerdings eine Strophenvariante mit einem Zusatzbets in Wolfgang Schmeltzels Liederbuch, Nürnvers am Schluß vorliegt, verweist durch die Tonanberg 1544, Nr. XI; Partiturausg. v. R. FLOTZINGER gabe auf das Schenkenbach-Lied. (Denkmäler d. Tonkunst in Österreich 147/148), Graz 1990, S. 78-80, hier S. 80, Textabdruck 2. Gegenlied mit der (fingierten) AutorS. XIV. A u s g a b e n . UMLAND, Volkslieder, Nr. 141A (b), 141 B (c); BÖHME, Ad. Ldb., Nr. 426 (c/b, mit Melodie); R. v. LILIENCRON, Dt. Leben im Volkslied um 1530 (DNL 13), [1884], Nr. 127 (b mit Tonsatz); 2ERK/BöHME III, Nr. 1292 (wie BÖHME, mit Melodie). - Melodie: LILIENCRON, Hist. Volkslieder, Nachtrag, S. 87 f., Ton XCIX, u. Beilage 15 (Tonsatz); Partiturausg.: A. GEERING/ W. ALTWEGG, Ludwig Senfl, Dt. Lieder, Tl. II: Lieder aus

signatur 'Schenkenbach': Jch wais ain newen orden / nent man die reutterey (14 Achtzeilerstrophen). Das mit eigener Melodie überlieferte Lied, dessen Strophenform die des Schenkenbach-Liedes variiert (v. 9 fehlt, dafür v. 8 mit Kornreim-Bindung zur Folgestrophe), beschreibt auf drastische Weise den orden der reutterey: Er ist mit dem Teufel im Bund und vergeht

1379

Der Schenkenbach

sich an den fromen, den redlichen Leuten; Ordensregel ist die buberey, Ordenspflicht der Verrat, die Ordensbrüder sind Kaufleute, die ohne Geld kaufen wollen und Straßenraub, Brandschatzung, Entführung, Verschleppung, Erpressung und Mord begehen; das Kloster ist der Rabenstein (d. i. die Richtstatt), der Abt der Henker. Demgegenüber wird in den Schlußstrophen der ehrenhafte Adel gelobt, zugleich jedoch warnend auf die im Bundschuh vereinten Bauern hingewiesen (d. h. auf die Bauernverschwörung im Breisgau 1513). Ü b e r l i e f e r u n g , a. Von einer Hand des frühen 16. Jh.s sind auf dem Vorsatzblatt einer Ausgabe der 'Sermones pomerii' des Pelbartus de Themeswar in der ÜB Heidelberg die Strr. 1-7,1 mit Melodie notiert (z. Z. nicht auffindbar). — b. Berlin, mgq 718, 43r-44r (s.o. 1.}; vermutlich Druckabschrift. Ausgabe. F. L. v. SOLTAU, Ein Hundert Deutsche Historische Volkslieder, Leipzig 21845, Nr. 29; BÖHME, Ad. Ldb., Nr. 380 (a/b, mit Melodie); 2 / II, Nr. 259 (dito). - Melodieabdruck mit dem Text von Str. l in: AnzfKdVz 6 (1837), Musikbeilage II, hier Nr. 8.

3. Zwei weitere Gegenlieder sind im Ton des Schenkenbach-Liedes selbst gedichtet. a. Zu dagen ist vor ougen I vil tamers hyn vnd har (12 Strophen). Der von einem Kaufmann gedichtete Text beginnt als Zeitklage — Laster gilt dem Adel jetzt als Ehre — und wendet sich dann direkt gegen das Schenkenbach-Lied, indem es Motive desselben polemisch zitiert. Die Schlußstrophen preisen Kaiser Maximilian und seinen Feldhauptmann Paul von Liechtenstein für die Einnahme der Burg Hohenkrähen im Hegau mit Hilfe des Schwäbischen Bundes (13. Nov. 1512). Ü b e r l i e f e r u n g . Einblattdruck Ein new lied wider die fränckischen rüter [Straßburg, M. Schiirer 1513]; Ex. Berlin, SB, Yd 7803 (3), vgl. BREDNICH (s. o.), Nr. 220. A u s g a b e . UHLAND, Volkslieder, Nr. 142; LiLIENCRON, Dt. Leben im Volkslied um 1530 (DNL 13), [1884], Nr. 128.

b. Wer hat ye gesehen l solch gewaltt vnd sträfflich thatt (7 Strophen). Nach ei-

1380

ner einleitenden Zeitklage über Gewalt, Verbrechen und Not der Armen wird der neue orden der reitter als Verbrecherbande charakterisiert, die an den Galgen gehöre. Vorbild war, wie wörtliche Anklänge zeigen, das Lied des Pseudo-Schenkenbach (2.). Wie dort steht am Schluß die akute Androhung bäuerlicher Gewalt: es facht yetz darzu an (in der Hs. folgt danach aktualisierend das Datum 1525!). Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs. Merkel 2° 966, 129r (Valentin Holls Hs., Augsburg 1524/26). A u s g a b e . UHLAND,Volkslieder, Nr. 143.

4. Geistliche Kontrafakturen des Schenkenbach-Liedes. a. Marienpreis mit zahlreichen Prädikationen und Präfigurationen (12 Strophen). Die erste Strophe zitiert mit geringfügigen Abweichungen die Anfangsstrophe des Schenkenbach-Liedes. Ü b e r l i e f e r u n g . Rom, Bibl. Vat., cod. Pal. lat. 1273, 174v-176r (1514/16): Von dem lob marie Der schenckenbacb geistlich, vgl. L. SCHUBA, Die med. Hss. d. Codices Palatini Latini in d. Vatikan. Bibl., 1981, S. 352. - Unediert.

b. Lutherische Polemik gegen den Papst als Antichrist aus dem Jahr 1523 (30 Strophen) . Lediglich die ersten drei Verse zitieren das Schenkenbach-Lied, doch ist der Name Maria durch got ersetzt. Ü b e r l i e f e r u n g . Oktavdruck Ein neus lied vom Antichrist zu Köm vnd seinen Aposteln, o. O. 1523; Ex. London, Brit. Library, 3437.ee.49, vgl. VD 16, N 1237. A u s g a b e . WACKERNAGEL, KL III, Nr. 477. L i t e r a t u r . LILIENCRON, Hist. Volkslieder III, S. 67 f.; P. SEIBERT, Aufstandsbewegungen in Deutschland 1476—1517 in d. zeitgenöss. Reimlit. (Reihe Siegen 11), 1978, S. 131-148; S. KERTH, Der landsfrid ist zerbrochen (Imagines medii aevi 1), 1997, S. 6, 15, 17, 24, 233; H. BRUNNER u. a., Dulce bellum inexpertis (Imagines medii aevi 11), 2002, S. 42. - Zum hist. Hintergrund: P. RITZMANN, "Plackerey in teutschen Landen". Unters, z. Fehdetätigkeit d. frk. Adels im frühen 16. Jh. ..., Diss. München 1995; R. SEYBOTH, 'Raubritter' u. Landesherren. Zum Problem territorialer Friedenswahrung im späten MA am Beispiel d. Markgrafen v. Ansbach-Kulmbach, in: K. ANDERMANN (Hg.),

1381

1382

Scherer von Hau — Schlitpacher, Johannes

'Raubritter' oder 'Rechtschaffene vom (Obcrrhein. Stud. 14), 1997, S. 115-131.

Adel'

FRIEDER SCHANZE Scherer von Hau [Korr.] Bd. 8, Sp. 643 Überl.: "In Ludwig -» Sterners 'Chronik' von 1501 ... Fribourg" korr.: Die angebliche Abschrift von 1524 ist tatsächlich das Original von 1501; neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/Schweiz. Vgl. Ludwig -> Sterner [Korr. im NB].

Scherer, Jörg, von Rüdesheim ->· Andree, Hans [Nachtr. im NB] 'Von der Schickung vnd gestalt des heyligen grabs' [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 662 zu Ausg.: Die Ausg. von F. SCZESNY ist erschienen u. d. T.: Bairischer Anonymus, 'Von der Gestalt des Heiligen Grabes zu Jerusalem und des Heiligen Landes darum', in: R. HERZ u. a. (Hgg.), Palästina-Pilgerberichte aus dem 15. Jh. (Wissenslit. im MA 33), 1998, S. 2396 (Text S. 51-96).

'Schlacht bei Hemmingstedt' [Korr.] Bd. 8, Sp. 692, zu 1. Überl., b.: "Hs. der Chronik des ->· Ernst von Kirchberg: Schwerin, Landeshauptarchiv, 1198 Chroniken" korr.: ..., 1.12—1 Chroniken (olim 1198 Chroniken).

'Schlacht bei Sempach' [Korr.] Bd. 8, Sp. 701 Überl.: "München, cgm 899" korr.: ... cgm 8990.

Schleusinger, Eberhard [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 717 zu 3.: Zu den Horoskop-Drucken Seh.s vgl. auch Jörg -+ Hochmut [NB].

'Schlierbacher Altes Testament' vgl. auch ->· Österreichischer Bibelübersetzer [NB] 'Schlierbacher Brevierfragmente mit Interlinearglossen' ('Schlierbacher Psalmenfragmente') Cod. 6 der Stiftsbibl. Schlierbach, eine Hs. des 14. Jh.s mit den Homilien Gregors d. Gr., enthält auf dem vorderen und hin-

teren Spiegel zwei Doppelbll. einer um 1200 entstandenen Hs., die einmal die erste und dritte Lage eines Quaternios aus einem Offizium gebildet haben müssen. Bl. I a und I b enthalten den Schluß einer Oratio sowie die Kommemorationen des Hl. Martinus Trevirensis und der Hl. Margaretha, Bl. IIa und lib PS 148,8-149,3, Bl. II c und II d den Schluß eines Hymnus, Versikel, Responsorium, Antiphon ad benedictus und v. l —8 des Canticum Zachariae, Bl. Ic und Id dessen Fortsetzung ab v. 11 bis zum Schluß und weitere für das Stundengebet typische Textelemente. Alle Texte sind interlinear in (ost-)obd. Schreibsprache glossiert; zum Typus vgl. -»· Brevier, H.a. [NB], KRIEDTE vermutet, daß der Cod. mit den Frgm.n ursprünglich aus dem 1130 gegründeten Zisterzienserinnenkloster Reun in der Steiermark stammt, welches das ehemalige Kloster Schlierbach 1620 mit Nonnen beschickt hatte. A u s g a b e n . K. SCHIFFMANN, Altdt. Funde aus Schlierbach, ZfdA 42 (1898) 220-226, Text S. 222226; KRIEDTE, Bibelfrgm.c, S. 48-51, 140-144 (Text).

Der lat. Text der Psalmenbruchstücke folgt wörtlich der gallikanischen Rezension des Psalteriums. Der dt. Text stellt eine strenge Wort-für-Wort- und Form-fürForm-Übertragung dar, die wohl, wie die kontinuierliche Glossierung der anderen Texte auch, als Verständnishilfe für die Nonnen beim Stundengebet gedacht war. Der geringe Textumfang erlaubt keine genauere Einordnung in die Tradition der dt. Psalmenübers.; die wenigen Divergenzen zwischen lat. Lemma und dt. Interpretament (Tempusdifferenz 148,14: exaltauit — erhöhet, Modusdifferenz 149,2: exultent — scherzent} sind text- und übersetzungsgeschichtlich nicht verwertbar. L i t e r a t u r s. Ausg.n; K.E. SCHÖNDORF, Die Tradition der dt. Psalmenübers. (Md. Forsch.n 46), 1967, S. 150 (Nr. 7).

DOROTHEA KLEIN Schlitpacher, Johannes [Korr.] Bd. 8, Sp. 727, Z. 5 v. unten: "Melk, cod. 1860" korr.: ..., cod. 1560 (olim 61; B 26).

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Schmuttermayer, Hans — 'Schönrainer Handschrift'

Bd. 8, Sp. 771 zu 1.: "1503 wurde er unter Markgraf Friedrich von Wardein ... angestellt" korr.: ... als Wardein ...

hoben werden die Herzöge Wolfgang und Christoph von Bayern; den ersten bezeichnet der Dichter als seinen Herrn (v. 162). Der Text ist in zwei Versionen überliefert: die erste (a) schließt mit der Schilderung eines Gefechts vom 26. Juni; die zweite (c) hat mehrere Zusätze (v. 213 — 216, 269— 284, 315—370) und erwähnt noch ein Gefecht vom 18. Juli, dafür fehlen u. a. 12 vv. nach v. 306 und 6 vv. am Schluß mit der Autorsignatur.

Schneevogel, Paul [Nachtr.]

Ebd., 3. Ausg. "Liliencron II, Nr. 18" korr.: LiLIENCRON, Hist. Volkslieder II, Nr. 181.

Sp. 734, zu IV., Überl.: ebenso. Sp. 737, Überl.: ebenso. Sp. 746, Z. 20: ebenso. Sp. 747, Z. 2: ebenso. Sp. 748, Z. 10 f.: "Stift Melk, Gesch. u. Gegenwart 5" korr: ... 4.

Schmuttermayer, Hans [Korr.]

Bd. 8, Sp. 779 zu 2.: Vgl. auch die Vorlesungsanzeige zu den 'Epistulae mediocres' aus dem Leipziger Studienbetrieb: Druck [Leipzig, Martin Landsberg, um 1492]; Einblattdrucke, Nr. 103 f. (Hinweis N. Henkel).

Schneider, Hans [Korr./Nachtr.] Bd. 8, Sp. 787, Überl. c. Das Unicum des Pforzheimer Druckes ist vorhanden in der SB/StB Augsburg unter der Signatur 8° Ink. 107. — Eine weitere, anonyme Version des Textes wurde 1488 in Nürnberg gedruckt (GW 2031, -> 'TürkenkriegsAnschläge', 3.). Sp. 788, nach 2. ist einzufügen:

2 A. Spruch über König Maximilians Gefangenschaft in Brügge 1488 (314/370 vv.). Überlieferung, a. Halle, ÜB u. LB, cod. Hist. 2° 183, 26 r —29 V Carmen de Maximiliane Flandrensium insidns exposito, 314 vv., mit Autorsignatur (Hinweis von Brigitte Pfeil-Amann, Leipzig). — b. ehem. Schloß Molsberg bei Wallmerod/Westerwald, Gräfl. Walderdorffsche Bibl., Nr. 3597, 277r-283r (verschollen, vgl. A. WYSS, Eine Limburger Hs., NA 7 [1882] 569-584, hier S. 576). c. Quartdruck [Nürnberg, M. Ayrer] 1488, Ex. Berlin, Inc. 1898, 370 vv., ohne Autorsignatur. A u s g a b e . LILIENCRON, Hist. Volkslieder II, Nr. 167 (nach c.).

Nach einleitendem Lob des Adels und Tadel der Untertanen, die selber Herren sein wollen, schildert der Verfasser, der sich als Augenzeugen ausgibt (v. 207 ff., 340 ff.), die Festsetzung des Königs in Brügge bis zu seiner Freilassung und den Feldzug des Reichsheeres unter Kaiser Friedrich in Flandern. Besonders herausge-

Sp. 790, 3. Z. v. u. ergänze: Quartdruck [Leipzig, M. Landsberg 1504], Ex. Zwickau, Ratsschulbibl., 22.9.6 (13).

FRIEDER SCHANZE 'Schole der hemmelschen ovinghe' -* 'Scola celestis exercitii' [NB] Schönmerlin, Ludwig [Korr.] Bd. 8, Sp. 828 zu 2.: "Abschrift eines -» 'Bihtebuochs' ... (ehem. Straßburg, Johanniterbibl., A 100; Abschrift ... cod. 810b)" korr.: ... ehem. Straßburg, Johanniterbibl., Signatur unbekannt. Die Hs. Oberlins war 'kleinsten Formats', mit 69 BII., ohne Mitüberlieferung. Weder die Hs. A 100 (14. Jh.) noch die Teilabschrift daraus in der Bibl. mun., cod. 810 b (alter Zählung) enthielten das 'Bihtebuoch'. Vgl. zu jenen zuletzt N. PALMER, ZfdA 108 (1979) 174 (mit weiterer Lit.).

'Schönrainer Handschrift' ('Büdinger Fragmente') Fragmente einer md. Hs. aus dem 2. Viertel des 14. Jh.s (Karin Schneider, brief 1.) mit dem Anfang des 'Trojanerkrieges' -+ Konrads von Würzburg, Strophen -> Reinmars von Zweter und des -> Litschauer sowie Teilen des -» 'Wartburgkriegs'. Alle heute vorhandenen Fragmente wurden im Fürstlich Ysenburg- und Büdingenschen Archiv zu Büdingen aufgefunden, wo sie für verschiedenartige Archivalien als Umschläge verwendet worden waren. Da die zuerst entdeckten Blätter mit Archivalien des ehemals zur Herrschaft Büdingen gehörenden Amtes Schönrain zusammenhingen, nahm CRECELIUS an, die Hs. habe sich ursprünglich in dem im Bauernkrieg zerstörten Kloster Schönrain befunden. Neu aufgetauchte Blätter waren jedoch

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'Schönrainer Handschrift'

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teils für Akten eines Rechtsstreits benutzt worden, 56 A (l def. Bl.): Konrads 'Trojanerkrieg', v. den die Stadt Büdingen 1617 gegen die Herrschaft 1794-1808, 1815-1829; Abdruck SCHANZE. Ysenburg führte, teils für Büdinger Küchenrech3.—6. ehem. Büdingen, Frgm.e 57a—d (6 Bll.): nungen des 16. Jh.s. Statt von der 'Schönrainer Reinmar von Zweter, ROETHE 10—17, 55 — 58, Hs.' wäre also besser von der 'Büdinger Hs.' oder 61-67, 74-77; Abdruck CRECELIUS, S. 274-281. noch besser von den 'Büdinger Fragmenten' zu - 7. ehem. Büdingen, Frgm. 57Ba (l Bl.): ROETHE sprechen. Daß die Hs. in Büdingen entstand, ist 78-81; Abdruck SCHANZE. - 8. Basel, N I l, 73 c wenig wahrscheinlich. Die erhaltenen Blätter (1B1.): ROETHE 88-91; Abdruck MEYER, S. 81 f. könnten auch als Makulatur nach Büdingen ge- 9. ehem. Büdingen, Frgm. 57Bb (l Bl.): ROETHE kommen sein, möglicherweise unter Graf Wolf101-104; Abdruck SCHANZE. - 10. Kassel, 2° poet, gang Ernst I. (1560-1633), der von 1601 an die et roman. 30[3 (l BL): ROETHE 111-114; Abdruck Verwaltung der Herrschaft Büdingen reorganiSCHANZE. - 11. ehem. Büdingen, Frgm. 57 Aa sierte und wiederholt auf der Frankfurter Messe (1BL): ROETHE 114-117; Abdruck SCHANZE. Pergament zum Bücherbinden kaufen ließ (DEK12. Basel, N i l , 73d (l Bl.): ROETHE 117-121; KER). Abdruck MEYER, S. 82 f. - 13. Kassel, 2° poet. et. Von der ursprünglich wohl ziemlich umfangreiroman. 30 [4 (l Bl.): ROETHE 121-124; Abdruck chen Hs. sind 28 Blätter (darunter 2 defekte) erhalSCHANZE. - 14. ehem. Büdingen, Frgm. 55 (l Bl.): ten. Die Fragmente werden heute an vier verschieROETHE 199 u. 252, dazwischen 2 bisher unbedenen Orten aufbewahrt: a. Basel, ÜB, N i l , kannte Strophen; Abdruck SCHANZE. — 15. ehem. 73 c. d (unten Nr. 8 u. 12). —b. Büdingen, PrivatBüdingen, Frgm. 57e (l Bl.): Reinmar, ROETHE besitz der Familie Isenburg, Hss.frgm. 54 c (unten 252, Ende; 4 Strr. des Litschauer (HMS II, S. 386 f., Nr. 18) und 56A (Nr. 2). - c. ehem. Büdingen, 1 — 4); Abdruck CRECELIUS, S. 281 f. — 16. ehem. Fürstl. Ysenburg- u. Büdingensches Archiv (z. Z. Büdingen, Frgm. 57 Ab (l BL): Schluß der 4. Litim Besitz des Antiquariats Dr. Jörn Günther in schauer-Str.; Reinmar von Zweter, ROETHE 75, 93, Hamburg), Hss.frgm. 54ab (unten Nr. 17 u. 18), 61, 270 (hiervon nur das Initium mit Hinweis auf 55 (Nr. 14), 56 (Nr. 1), 57a-e (Nr. 2-6 u. 15), 57 eine frühere Aufzeichnung); Abdruck SCHANZE. — Aab (Nr. 11 u. 16) und 57Bab (Nr. 7 u. 9). - d. Kassel, Gesamthochschulbibl. (bis 1923 Marburg, 17. ehem. Büdingen, Frgm. 54a (l BL): Anfang des 'Fürstenlobs' des 'Wartburgkrieges' mit Vorspann, Staatsarchiv), 2° Ms. poet, et roman. 30 [3.4 (unten dazu die Strr. ROMPELMAN l—3; Abdruck SCHANZE. Nr. 10 u. 13). 18. Büdingen, Frgm. 54 c (l BL): Schluß des 'FürAufgrund des Erhaltenen läßt sich der originale stenlobs', ROMPELMAN 21—24; Abdruck SCHANZE. Codex folgendermaßen beschreiben: Er war zu- 19. ehem. Büdingen, Frgm. 54 b (l BL): Strophen sammengesetzt aus Lagen zu je 4 Pergament-Dopaus dem 'Rätselspiel' des 'Wartburgkrieges', ROMpelblättern mit einer Blattgröße von ca. 17,5 X PELMAN 38-42.; Abdruck CRECELIUS, S. 282f. — 13 cm (Schriftspiegel ca. 12,5 X 8), dem Format Es ist nicht auszuschließen, daß weitere Fragmente gemäß einspaltig eingerichtet mit regelmäßig 21 in bisher nicht erschlossenen Büdinger Archivalien Zeilen auf jeder Seite; geschrieben von einer einziverborgen sind. gen geübten Hand in einer gleichmäßigen Textualis; Textgliederung durch farbige Anfangsinitialen Die Hs. bot eine nicht gewöhnliche in gestufter Größe und zweizeilige rote oder blaue Kombination von Roman und Sangspruch: Abschnittslombarden; beim 'Trojanerkrieg' abgeAm Anfang stand Konrads 'Trojanerkrieg' setzte Verse mit Rubrizierung, bei den Sangsprüohne Prolog (ab v. 325, Anfangsinitiale chen fortlaufender Text und Kennzeichnung der fünfzeilig), wahrscheinlich jedoch nur ein Strophenanfänge durch Lombarden. Folgende Fragmente sind bis jetzt aufgefunden worden (angeführt in der Reihenfolge, die ihrer vermutlichen Stellung in der Hs. entspricht, vgl. die genaue Rekonstruktion der Blattfolge bei SCHANZE): 1. ehem. Büdingen, Frgm. 56 (7 B1L, l Blattrest): Konrad von Würzburg, 'Trojanerkrieg', v. 325-408, 451-660, 913-954 (Blattrest, hier recto nur Ende von v. 922 erhalten, verso die Anfänge der vv. 934-954); CRECELIUS, S. 283-287, verzeichnet die Abweichungen von Hs. A (ehemals Straßburg, Johanniterbibl., A 90, Abdruck bei CH. H. MYLLER, Samlung dt. Ged. d. 12., 13. u. 14. Jh.s, Bd. 3, Berlin 1785). - 2. Büdingen, Frgm.

Ausschnitt davon, da die Hs. ihrer ganzen Anlage nach für den gesamten Torso oder auch nur sehr umfangreiche Partien kaum geeignet war; der erste Quaternio ist bis auf Bl. 3 vollständig vorhanden, vom zweiten ein Blattrest (= Bl. 15), außerdem l Blatt des fünften (Bl. 36). - Es folgte danach in mindestens neun Lagen (72 Bll.) eine umfangreiche Sammlung von Strophen Reinmars von Zweter, die im wesentlichen der Sammlung der Reinmar-Hs. D entsprach (->· 'Heidelberger Liederhs. cpg

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'Der Schreiber' — Schreiber, Veit

350'); in einem Anhang u. a. zwei unbekannte Strophen in Reinmars Frau-EhrenTon und der bei ROETHE fehlende Anfang der Reinmar-Str. 252 sowie vier Strophen des Litschauer ohne besondere Kennzeichnung, also für Reinmarsches Gut gehalten. — Wenn nicht noch weitere Stücke existierten, bildeten den Schluß der Hs. vermutlich drei Lagen mit Teilen des 'Wartburgkriegs': Erhalten sind ein Blatt mit dem Anfang des 'Fürstenlobs' (mit dreizeiliger Initiale), dem eine sonst nirgends belegte kurze Prosa-Einleitung vorangestellt ist, ein weiteres Blatt mit den Schlußstrophen des 'Fürstenlobs' und ein Blatt mit Strophen des 'Rätselspiels' (aus dem 'Königstöchterrätsel'). Wahrscheinlich folgte wie im 'Wartburgkrieg'-Komplex der 'Manessischen Hs.' (-> 'Heidelberger Liederhs. C'), deren Text weitgehend mit den Büdinger Fragmenten übereinstimmt, den beiden anderen Texten noch 'Zabulons Buch'. Für die Herkunft der Hs. kommt wohl am ehesten der rheinfränkische Raum in Betracht. Die Schreibsprache weist freilich nur Merkmale eines Durchschnittsmitteldeutsch auf (u für uo, üe, iu; o für , u, oe; e für Kurtz (III.l.), der - dies zur Korrektur - nicht 14907 1500, sondern erst zwischen 1505 und 1515 bei Johann Otmar in Augsburg gedruckt wurde. Ausgabe. LILIENCRON, Hist. Volkslieder III, Nr. 28 8. L i t e r a t u r . P. SEIBERT, Aufstandsbewegungen in Deutschland 1476-1517 in d. zeitgenöss. Reimlit. (Reihe Siegen 11), 1978, S. 147 f.; G. MÖNCKE, Der 'Friesländische Krieg' von 1514 in der zeitgenöss. Publizistik: Flugschriften u. Lieddrucke, Jb. d. Ges. f. bildende Kunst u. Vaterland. Altertümer zu Emden 73/74 (1993/94) 51-64, hier S. 55 f.

FRIEDER SCHANZE Schriber, Stephan [Korr.] Bd. 8, Sp. 854, 2. Absatz: "Stuttgart, LB, 2° 421" korr.: ..., cod. hist. 2° 421.

Schryver, Arent, von Dalen Ü b e r l i e f e r u n g . Isselburg, Wasserburg Anholt, Fürstl. Salm-Salm'sche Bibl., Hs. 33 (15. Jh., hd.ostmndl. Mischhs.), 43r~63r. Ausgabe. JANSEN-SIEBEN, S. 116-139.

A. Seh., Lizentiat der Medizin, stammte aus Dalen (Drente) bei Coevorden und verfaßte ein Buch 'Von der pestilencien', das er in drei Traktate gliederte (I. Oyrspronk der pestilencij, II. natuyrlichste leven [Prävention], III. medicinen [Therapie]) und detailliert durchstrukturierte: Vom Aufbau her hat er sich an das -> 'Pariser Pestgutachten' gehalten, das er dem ersten und punktuell auch noch dem zweiten Traktat zugrunde legt, indessen durch modernere Quellen ergänzt, denen er in der Prophylaxe weitgehend, in der Therapie ausschließlich folgt. Stark ist der Einfluß der Regimina sanitatis, die mit ihren Sex res non naturales auf zweiter Gliederungsebene die Struktur für die Prävention bestimmen; deutlich wird bei der Therapie die Rezeption des -> 'Straßburger Skabiosenwassertraktats'; die Transplantatio morbi in einen Hahnen-After ist beim Straßburger -> Johann von Sachsen vorgege-

ben; die Pulver-Rezepturen kommen aus 'De epidemia' Johanns von Burgund, und die Aderlaßvorschriften sind dem 'Sendbrief' des -» Gallus von Prag entnommen, aus dem auch die häufige Verordnung von waichollenter hoilt stammt. Die (mißverstandene) Buttermilch-Empfehlung deutet auf Schlesien. Die Kenntnis des 'Antidotarium Nicolai' (-> Nicolaus Salernitanus) wird vorausgesetzt. Trotz hervorragender Sachkenntnis schreibt A. einen lockeren, redundanten Stil, der geminierende Synonymie benutzt (sonder vetrekken ofte marren), und flicht immer wieder persönliche Vorlieben und Ansichten ein.

A. Sch. wendet sich mit seinem Pestbuch an ärztliche Kollegen, Pharmazeuten, Wundärzte (later für den Aderlaß) und gebildete Laien des Stadtbürgertums. Sein Schreibdialekt mengt nordniedersächsische mit westfälischen sowie ostndl. Formen, übernimmt hd. Wortschatz und einzelne verschobene Laute (auslautendes -k [> ch] und das vereinzelt affrizierte bzw. verschobene -t-: eitsich neben eyssich; vgl. auch bis < bet). Wie -» Peter van Hemerden [NB] läßt er sichtbar werden, daß ausgangs des MAs in Nordwestdeutschland die Tendenz zu enzyklopädischer Bearbeitung loimologischer Fachliteratur bestand. L i t e r a t u r . L. SCHMITZ[-KALLENBERG], Inventare der nichtstaatlichen Archive des Kreises Borken, Bd. l, H. 2 (Veröff. d. Hist. Kommission d. Provinz Westfalen), 1901, S. 19 Nr. 33 [zur Hs.]; R. JANSEN-SIEBEN, Het pestregimen van A. Sch., in: De pest in de Nederlanden: medisch-historische beschouwingen 650 jaar na de Zwarte Dood. 21 maart/mars 1998. Vierde Symposium 'Geschiedenis der geneeskundige wetenschappen', ingericht door de Koninklijke Academie voor Geneeskunde van Belgie (Academia Regia Belgica Medicinae, Dissertationes, Series Historica 7), Brüssel 1999, S. 109-140.

G. KEIL

'Der Schüler zu Paris' A, B, C [Korr.] Bd. 8, Sp. 867 Überl.: "Pommersfelden, Gräfl. Schönbornsche Bibl., cod. 2798" korr.: ..., HS 54 (olim 2798).

Schulordnungen 1. Begriff und Entstehungsbedingungen. Unter Sch. versteht man 'Schulbestimmungen, die im Auftrag der Obrigkeiten oder

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Schulordnungen

von ihnen direkt getroffen worden sind' (HETTWER, S. 10). Sie kommen auf im Zuge des allmählichen Ausbaus eines 'öffentlichen' Schulwesens im SpätMA, v. a. der Entstehung von Pfarr- und Stadtschulen. Von besonderer Bedeutung werden sie im Verlaufe der Reformation durch die schon von Luther propagierte Verpflichtung der weltlichen Obrigkeit auf die Sicherstellung eines zureichenden 'Bildungsangebotes' ('An die Ratsherrn aller Städte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen', 1524). Von dieser Forderung und von der notwendigen Neuausrichtung der Pastoren- und Beamtenausbildung nimmt die grundsätzliche Neuorganisation des Schulwesens im 16. Jh. ihren Ausgang. Diese reformatorischen Seh. werden für ganze Territorien erlassen (Kursachsen 1528, Pommern 1535, Schleswig-Holstein 1542, Mecklenburg 1552, Württemberg 1559 etc., Texte bei MERTZ, S. 457 — 648) und regeln einheitlich die Organisation der Schulen, Rechte und Pflichten aller Beteiligten, die Lehrinhalte und ihre Aufteilung auf Schülerjahrgänge und Gruppen. Die reformatorischen Seh. nehmen ihren Ausgang von der 'Kursächsischen Schulordnung', also dem weitgehend auf Melanchthon zurückgehenden Abschnitt 'Von Schulen' (VORMBAUM, S. 1 — 8) aus dem von Luther veranlaßten 'Vnterricht der Visitatorn ym Kurfürstenthum zu Sachssen', 1528. Er ist die Grundlage der zahlreichen Seh., die Johannes Bugenhagen zwischen 1528 (Braunschweig) und 1542 (SchleswigHolstein) für eine ganze Reihe norddeutscher Städte und Länder verfaßte, und auch für die noch von Melanchthon überwachte Schulordnung in der 'Mecklenburgischen Kirchenordnung', 1552. Wesentlich über sie hinaus geht dann erst die für lange Zeit überregional vorbildlich gewordene Ordnung der 'Württembergischen Kirchenordnung', 1559. Die mal. Vorläufer dieser großflächigen Ordnungen entstehen dagegen aus lokalen und punktuellen Regelungsbedürfnissen, vor allem aus der notwendigen Kompetenzabgrenzung zwischen Rat und Kirche

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(Pfarrei), aber auch zur Behebung von Mißständen im Unterricht. 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Als Gegenstand obrigkeitlicher Anordnungen oder vertraglicher Abmachungen sind Seh. bis zur Reformation so gut wie ausschließlich urkundlich überliefert, entweder als Einzeltexte (wie schon die älteste: die Festlegungen des Mainzer Bischofs für Schulmeister und Schüler in Erfurt von 1282, vgl. CRAMER) oder im Rahmen umfassender Rechtsverordnungen (so die erste Wiener 'Schulordnung' als Artikel 9 und 10 des von Albrecht I. i. J. 1296 erlassenen Wiener Stadtrechts); gelegentlich sind sie auch in nachträglich angelegte Sammlungen von Magistratsverordnungen aufgenommen worden (z. B. die Münchner Schulgeld-Verordnung von ca. 1300, vgl. MÜLLER I, S. 3), oder sie sind Bestandteil von adhoc angelegten 'Merkbüchern' für die Praxis wie etwa im Crailsheimer Pfarrbuch (-> 'Crailsheimer Schulordnung'). Auch nach der Reformation bleibt die unselbständige Überlieferung erhalten. Aufgabe und Verfassung der Schulen werden jetzt im Rahmen der neu formulierten Kirchenordnungen bestimmt. Sie sind gleichfalls urkundlich niedergelegte obrigkeitliche Erlasse und werden dementsprechend mündlich proklamiert {Johann Bugenhagens 'Braunschweigische Kirchenordnung' wird z. B. am 6. September 1528 in allen Braunschweiger Kirchen verlesen); sie werden zunehmend aber auch im Druck verbreitet (Bugenhagens Ordnung noch im gleichen Jahr) und entfalten damit Wirkungen über den konkreten Anlaß hinaus (1531 erscheint in Nürnberg eine obd. Übersetzung der 'Braunschweigischen Kirchenordnung'). A u s g a b e n . R. VORMBAUM, Evangelische Seh., Bd. 1: Die ev. Seh. des 16. Jh.s, 1860; J. MÜLLER, Vor- und frühreformatorische Seh. u. Schulverträge in dt. und ndl. Sprache, 1. Abt.: Seh. aus den Jahren 1296-1505, Zschopau 1885; 2. Abt.: Seh. aus den Jahren 1505-1523, Zschopau 1886; E. SEHLING, Die Evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jh.s, 14 Bde, 1902-1969; F. CRAMER, Die Erfurter Schulordnung von 1282, Hist. Jb. 31 (1910) 290-292.

3. Inhalte. Erste vertragliche Regelungen (beginnend mit Erfurt 1282) gelten noch ausschließlich organisatorischen, finanziellen und auch disziplinarischen Fragen. So beschließen Domstift und Rat zu Stendal 1342 die Einrichtung einer den Bürgern zugänglichen Schule an der Domkirche (MÜLLER I, S. 14 f.); der Münchner Rat setzt um 1300 ein gestuftes Schulgeld fest

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Schulordnungen

(MÜLLER I, S. 3); Herzog Albrecht I. verleiht der Wiener Stephanskirche 1296 ein Schulprivileg und legt gleichzeitig Verhaltensregeln und Strafen fest, z. B. für das Tragen von Messern und das Spiel in der Taverne (MÜLLER I, S. 11 — 13). Inhalte und Gestaltung des Unterrichts treten erst später in den Blick, zuerst in dem 1446 wegen der grossen Unordnung auf Veranlassung von Bürgermeister, Richter und Rat der Stadt Wien durch den Rechtsprofessor Hans Polzmacher für die Stephansschule ausgearbeiteten Unterrichtsprogramm (MÜLLER I, S. 56 — 65), dann erst wieder zum Ende des 15. Jh.s: Nördlingen 1499 (MÜLLER I, S. 119-122), Ulm um 1500 (MÜLLER I, S. 125-128), Stuttgart 1501 (MÜLLER I, S. 128-135), Nürnberg 1505 (MÜLLER II, S. 148-151) als Vorbild für Nördlingen 1512 (MÜLLER II, S. 169175), Memmingen 1513 (MÜLLERII, S. 180188), Nördlingen 1521 (MÜLLER II, S. 212228).

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(-* 'Cato'), -+ Avian [NB], -» Äsop [NB], d. i. der Anonymus Neveleti, -» Terenz, -» Boethius. c. Die Seh. legen eine Lehrmethode offen, die in ihrer auf das Memorieren ausgerichteten Kleinschrittigkeit (man lernt einen oder mehrere Verse auswendig und exponirt sie Wort für Wort; d. h. man erklärt sie grammatisch) nicht ohne Einfluß auf Denk- und Schreibgewohnheiten geblieben sein kann. Literaturhistorische Rückschlüsse auf die Verfaßtheit spätmal. Texte sind daraus bisher noch nicht bedacht worden.

d. Die Seh. liefern aufschlußreiche Einblicke in die prekäre Allianz von Humanismus und Reformation, einerseits im noch vorreformatorischen Eindringen humanistischer Ansprüche und Texte, z. B. in den Ordnungen von Nördlingen 1512 (MÜLLER II, S. 212-228) und Zwickau 1523 (... auff drey hauptsprachen Hebraysch Kriechisch Launisch Gesteh, 4. Bedeutung für die Literaturge- MÜLLER II, S. 244), andererseits in der anschichte. fänglichen Übernahme der vorreformatorischen Strukturen und Inhalte (z. B. in a. Die Seh. demonstrieren eindrucksvoll Melanchthons 'Kursächsischer Ordnung': die Übermacht des Lateinischen im Bil- ausdrücklicher Ausschluß des Griechidungswesen. Deutsche Schulen sind kaum schen und Hebräischen, selbstverständlich jemals ihr Gegenstand (Ausnahme: Ham- auch des Deutschen) und der allmählichen burg 1456 zu den nur für dt. Schriftstücke Aufnahme der neuen Gelehrsamkeit, v. a. zuständigen scryfscholen, MÜLLER I, S. 69— in den Ordnungen Bugenhagens, die auch 72); meist werden sie nur als unerwünschte das Griechische und Hebräische in den Konkurrenz abgewiesen (z. B. Nördlingen Sprachunterricht einführen. 1472, MÜLLER I, S. 87). Selbst die Verwen5. Zur Forschungssituation. Die Seh. dung der dt. Sprache im Unterricht, aber auch außerhalb, wird immer wieder ausge- waren bisher v. a. Gegenstand erziehungsschlossen (z. B. Bayreuth 1464, MÜLLER I, wissenschaftlicher Forschungen (zusammenfassend HETTWER, sehr knapp REBLE). S. 82; vgl. dazu HENKEL, S. 94-102). Dabei galt die Aufmerksamkeit fast ausb. Die Seh. machen mit dem kaum vari- schließlich den nachreformatorischen Ordierten und auch seit dem frühen MA nur nungen und ihren Anlässen und textgewenig veränderten Kanon der im Unter- schichtlichen Zusammenhängen (RÜDE). richt behandelten Texte einen Wissensbe- Die mal. Seh. werden in der Regel nur kurstand sichtbar, mit dessen Kenntnis bei al- sorisch gemustert. Ihre Entstehungsumlen gerechnet werden kann, die eine La- stände liegen weitgehend im Dunkeln; teinschule durchlaufen haben: neben den nach textgeschichtlichen Abhängigkeiten grammatischen Hilfsmitteln und Einfüh- wurde noch nicht gefragt. Für literaturgerungsschriften ('Dominus quae pars', 'Ta- schichtliche Zusammenhänge sind sie bisbula', -> 'Donat', 'Doctrinale' des -> Alex- her nur sporadisch herangezogen worden ander de Villa Dei [NB]) sind das vor (GRUBMÜLLER, HENKEL). Mentalitätsgeallem der Psalter, die 'Disticha Catonis', schichtliche Studien fehlen.

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'Schwäbisches Weihnachtsspiel' — 'Der schwierige Brief

L i t e r a t u r . A. RÜDE, Die bedeutendsten evangelischen Seh. des 16. Jh.s nach ihrem pädagogischen Gehalt, 1893; G. MERTZ, Das Schulwesen der dt. Reformation im 16. Jh., 1902; H. HETTWER, Herkunft u. Zusammenhang der Seh., 1965; A. REBLE, Seh., in: Lexikon der Pädagogik. Neue Ausg., Bd. 4, 1971, S. 36 f.; R. ENDRES, Das Schulwesen in Franken im ausgehenden MA, in: B. MOELLER u. a. (Hgg.), Studien zum städt. Bildungswesen des späten MAs u. der frühen Neuzeit (Abhh. d. Ak. d. Wiss.n Göttingen, Philol.-hist. Kl. III 137), 1983, S. 173-214; K. GRUBMÜLLER, Der Lehrgang des Triviums u. die Rolle der Volkssprache im späten MA, in: ebd., S. 371—397; N. HENKEL, Dt. Übersetzungen lat. Schultexte (MTU 90), 1988; M. KINTZINGER u. a. (Hgg.), Schule und Schüler im MA, 1996; K. GRUBMÜLLER (Hg.), Schullit. im späten MA (MMS 69), 2000.

KLAUS GRUBMÜLLER

1396

Salzburger Raum stammt oder dort tätig gewesen ist. Die Anweisungen umfassen einen Schlaftrunk, zwei Verordnungen gegen die rote Ruhr, eine gegen Erbrechen und Magenschmerzen sowie Rezepturen gegen Augenerkrankungen und Steinleiden. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 3724, 71 V — 72 . r

A u s g a b e und L i t e r a t u r . G. BRACHVOGEL, Das 'Münchner Salbenbuch'. Eine spätmal. Rezeptsammlung vom Ende des 15. Jh.s, Diss. München 1973, S. 53, 172 f. Nr. 456-461 [Ausg.].

RALF VOLLMUTH 'Der schwierige Brief Minnerede in Reimpaaren, ca. 200 vv.

'Schwäbisches WeihnachtsspieP [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 913 zu Lit. ergänze: BERGMANN, Spiele, Nr. 30; NEUMANN, Schauspiel, Bd. 2, S. 854 Nr. 3655.

Schwarz, Ulrich [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 918, 3.: Erstdruck 1483 (nicht 1478!); eine weitere Ausgabe erschien 1488, ebenfalls bei J. Bämler in Augsburg, vgl. F. SCHANZE, Seltene Drucke in einem Sammelbd. d. 16. Jh.s aus d. Dombibl. Hildesheim, in: J. BEPLER u. TH. ScHARF-WREDE (Hg.), Die Dombibl. Hildesheim, Bücherschicksale, 1996, S. 353-375, hier S. 370 f.

Ü b e r l i e f e r u n g . Zämek Nelahozeves CZ, Roudnicka lobkowicka knihovna, VI Fc 26, S. 483 — 487 (ostschwäbisch, im Kontext einer 1467 aufgezeichneten Gruppe von Minnereden, Überschrift Wie ain fröw ain prief schrib). Die Hs. befand sich früher in Raudnitz, dann bis 2000 in Prag, Närodni knihovna. Ausgabe. MAREINER, S. 116 — 131 (mit teilweise unnötigen, vereinzelt irreführenden Konjekturen, parallel eine Übersetzung).

Der Text ist stellenweise dunkel, sicher mehrfach gestört, vielleicht auch von vornherein nicht sorgfältig abgefaßt. Der von BRANDIS eingeführte Titel 'Der schwierige Liebesbrief trifft den Sachverhalt nicht ge'Schwester Katrei' [Korr.] nau; es handelt sich um einen Absagebrief: Bd. 8, Sp. 948 Überl.: "BIRLINGERS Druck nach Der Icherzähler beobachtet heimlich, wie einer verlorenen alem. Hs. des 14. Jh.s" korr.: eine Frau zweimal zu einem Brief ansetzt, Diese Hs. (ehem. in Birlingers Besitz) ist jetzt aber nach wenigen Zeilen jeweils das Blatt Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms 2080 (olim L zerreißt. Als er hervortritt und sie fragt, germ. 156). Vgl. A. BECKER, Die dt. Hss. der erzählt sie ihm, sie habe einem gesel ganz kaiserl. ÜB u. LB zu Straßburg, 1914, S. 11. Farbvertraut, durchschaue aber nun seine abb. der gesamten Hs. sind im Internet zugänglich Falschheit. Der Erzähler warnt sie zuunter der Adresse: http://www-bnus.u-strasbg.fr/ nächst vor Übereilung, sie könne auch journauxnumerises/msrhenane.asp. durch Verleumdungen getäuscht worden sein. Sie antwortet, sie sei sich schon seit Schwiegerin von Salzburg gut einem halben Jahr sicher, doch spreche Dem 'Münchner Salbenbuch' (um 1490) sie jetzt erstmals darüber. Da rät ihr der von späterer Hand zu Beginn des 16. Jh.s Erzähler, einen knappen höflichen Absageangehängt sind u. a. sechs Rezepte mit der brief ohne Scheltworte zu schreiben und Zuweisung Das ist von der schwiegerin alles nicht zu schwer zu nehmen. Die Frau von Saltzpurg, d[er] tefte iudin, also von würde dem Ungetreuen eigentlich gern einer getauften Jüdin, die wohl aus dem Vorhaltungen machen, läßt sich aber über-

1397

'Scola celestis exercitii'

zeugen und schreibt rasch den empfohlenen knappen Brief, während sie den Erzähler ein gemeinsames Essen bereiten läßt. L i t e r a t u r . BRANDIS, Minnereden, Nr. 355; M. MAREINER, Mhd. Minnereden u. Minneallegorien der Prager Hs. R. VI Fc 26, Bd. 4: 'Der schwierige Liebesbrief, 'Der Rat der Einsiedlerin' (Europ. Hochschulschr.n I 1729), 1999, S. 13-201; dazu L. LIEB, ZfdA 131 (2002) 539-544.

B. WACHINGER 'Scola celestis exercitii' ('Schole [Ere] der hemmelschen ovinghe') Lehrhafter, kurzer Prosatraktat, lat. und volkssprachlich breit überliefert. Auch unter den Titeln 'Vita religiosi' und 'Speculum perfectionis'. Inc., lat.: Quicumque es qui cupis scholas caelestis exercitii ...; nd. (nach REIFFERSCHEID, S. 187): To deme ersten hebbe lef god vnd dynen negesten sotliken, wisliken vnd kreftliken. Proue vnd bekenne dy suluen in allen dynghen. [...] Expl.: ... vnd in duldicheit mit stedicheit, so gift dy god de ewigen salicheit (REIFFERSCHEID, S. 191). 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Lat. Hss.: Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 510, 349r; ebd., Ms. theol. lat. qu. 165, 135r-137r; ebd., Ms. theol. lat. qu. 643, 193r (alle 15. Jh., Kartause Erfurt); Cambrai, Bibl. municipale, ms. 261 (251), 136 r ff. (BLOOMFIELD, Nr. 4755); Hannover, LB, Ms I 251 a, 57V-60V (Mitte 15. Jh., Zisterzienser Marienrode); München, cgm 3974, 122ra~va (1460er Jahre, Regensburg, St. Emmeram); ebd., clm 3003, Bl. 55 (BLOOMFIELD, Nr. 4754); ebd., clm 27419, 315r316V; Prag, Närodni Knihovna, cod. X F 21, 76r77V (14. Jh.; älteste Hs.; BLOOMFIELD, Nr. 4755); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 900 Heimst., 124r-144r; ebd., cod. Guelf. 1234 Heimst., 122r-127r (s. a. BORCHLING, Mnd. Hss. III, S. 51). Mnd.: Emden, Bibl. d. Ges. f. bildende Kunst u. vaterländ. Altertümer, Hs. 64, 209r-212v (REIFFERSCHEID: 151r—154V; zur Hs. s.a. -> Josep); s'-Gravenhage, Kgl. Bibl., cod. 73 E 23 (olim V 52), l"-2vb (Mitte 15. Jh.); Halle/S., ÜB u. LB, Qu. cod. 145 (ehem. Quedlinburg, Gymnasialbibl.), 65r-75r (15. Jh.); Kopenhagen, Kgl. Bibl., GKS fol. 94, 92 ra -99 va (dat. 1448); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1254 Heimst., 245V250V (15. Jh.). Vgl. BORCHLING, Mnd. Hss. I, S. 83 u. 254 f.; II, S. 21; III, S. 51 u. 248; SCHÜTZ, S. 9 Anm. 33.

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Mndl.: München, cgm 5205, 37r-42v (Ende 15. Jh., Augustinerchorfrauen Maaseik, limburgisch). Obd.: München, cgm 844, 69r-73r (16. Jh. [1527], nordbair. [Rebdorf]); Wien, cod. 3009, 169r-171v (1437, elsäss.). Nur zwei Hss. (Prag; cgm 844) sind nicht aus dem 15. Jh., und alle bisher bekannten lat. u. volkssprachl. Hss. stammen — sofern angegeben — aus Klosterprovenienz. D r u c k (nd.): s. -> 'Spiegel der Tugenden': Lübeck, Bartholomäus Ghotan 1485 (HAIN 14952; BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr., Nr. 87), Buch

, Bl. cxcvr-ccv.

In vier Hss. (Emden, 's-Gravenhage, Halle, Kopenhagen) und im Druck schließt sich unmittelbar ein weiterer kurzer Absatz an, der mit Myne alderleueste, betrachtet vnd bedencket alle tyt de graten barmherticheit godes beginnt und in einer allgemeinen Verheißung des ewigen Lebens bei Gott und seinen Heiligen endet (nach REIFFERSCHEID, S. 191 f. mit Anm. 3). A u s g a b e . A. REIFFERSCHEID, Geistliches u. Weltliches in mnd. Sprache nach d. Emdener Hs. Nr. (139) 64, Schluß, Emdener Jb. 15 (1903) 187271, hier S. 187—192. Lat. Text anscheinend unediert.

2. I n h a l t . Der kurze Traktat enthält in einfachen Sätzen Verhaltens- und Lebensregeln allgemeiner und spezieller Art für nahezu alle Bereiche des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens (im Haus — außer Haus; gegen sich selbst — gegenüber anderen). Der Leser wird dabei direkt im Imperativ angesprochen, viele der teilweise recht rigorosen Regeln beginnen mit Du schalt oder Ok schaltu: Bescherme de warheyt vnd de rechtuerdicheyt, wor du machst. Ok schalte vor de rechtuerdicheyt steruen, eft des not were. [...] Böse lüde lyt vnd slyt [ertrage und nimm sie hin]. Gude lüde de ere vnd volge. Kum yo nicht myt ydelcheit tho den luden vnd wes mank en nicht lichtuerdich myt worden edder werken [...] (REIFFERSCHEID, S. 189). Der Adressatenkreis läßt sich schwer eingrenzen (Geistliche, Hausväter, auch Frauen?); die Regeln zielen auf ein auf Gott ausgerichtetes Leben, das auch 'in der Welt' stattfinden kann: Wes eyn spegel den leuendighen, eyn trost den doden, eyn hulpe den armen, eyn medelider den bedroueden. Bystu eyn prester, betrachte vnd

1399

Scotus, Johannes Eriugena — 'Secreta antiquorum philosophorum'

richte dyn eghene leuent, wes eyn gud bilde den luden [...] Bystu eynn geystlik mynsche, beware dyne kuscheyt [...] Wat to der menen nud höret vnd to deme menen gude drapet, dar wes vlitich to vnd truwe ane, vnd do alle dingh myt beschedenheyt in deme vruchten godes vnd diner ouersten [...] (REIFFERSCHEID, S. 190). 3. Der -» 'Spiegel der Tugenden' enthält im Buch III, CXCVar-CCVir das 'Boeck der samwitticheyt effte consciencien', nach -> Augustinus, 'De interiori domo'. Allerdings wird hier anstelle der ersten Augustinus-Kapitel (über das Haus als Ganzes) der Text der 'Schole' (Bl. CXCVIr-CCv) gesetzt; der Augustinus-Traktat beginnt erst Bl. CCIT mit den Ausführungen zur ersten Säule bzw. Stütze des (geistlichen) Hauses (= PL 184, Sp. 511); die Angaben in 2VL 9, Sp. 131 sind entsprechend zu korrigieren. Auch die Hss. 's-Gravenhage, Halle und Kopenhagen sowie auch Emden (vgl. SCHÜTZ, S. 9 Anm. 34) enthalten diese Symbiose, allerdings in vom Druck abweichender Reihenfolge. Die Prager Hs. X F 21 (lat., 14. Jh.) enthält unmittelbar nach der 'Scola' auf Bl. 78r-99v den Tractatus de interiori domo', so daß hier möglicherweise die Grundlage für die Überlieferungssymbiose erhalten ist.

4. Autor und Quellen sind unbekannt; Autorzuschreibungen in den Hss. scheinen kaum vorzuliegen (zweimal -> Bernhard); im volkssprachlichen Text selber werden weder Autoritäten noch Bibelstellen genannt. (Die Katalogbeschreibung zur lat. Hs. München, clm 27419 gibt 'Commendacio meditacionis et oracionis' [Augustinus]; 'De perfectione contra auariciam et honorem' [Chrysostomus und Seneca] als 'Auctoritates' an.) Literatur. REIFFERSCHEID, s. Ausg.; E. SCHÜTZ, Joseps Sündenspiegel (Nd. Stud. 19), 1973, S. 3-13 (zur Emdener Hs.); M. W. BLOOMFIELD, Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices, 1100-1500 A. D., Cambridge, Mass. 1979; I. STAHL, Hss. in Nordwestniedersachsen, 1993, S. 51-53 (zur Emdener Hs.).

GUNHILD ROTH Scotus, Johannes Eriugena [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 965 vor Lit. ergänze:

6. Teile aus Eriugenas Homilie 'Vox spiritualis aquilae' sind im Zusammenhang einer Predigt über Johannes Evangelista

1400

ins Deutsche übersetzt worden. Diese dt. Predigt wurde irrtümlich -» Bernhard von Clairvaux zugeschrieben; sie enthält aber tatsächlich zunächst die Eriugena-Partien und anschließend wesentliche Teile von zwei Predigten des -» Petrus Damiani (ed. LUCCHESI, CG Cont. Med. 57, 1988, Nrn. 63 u. 64). Die Predigt ist zweimal — mit Varianten — im größeren Kontext eines Johannes-Libellus (vgl. -» 'Johannes Evangelista', II. u. III.) überliefert: Basel, ÜB, cod. A VI 38, 47r-60r; und Karlsruhe, LB, cod. St. Peter pap. 21, 151r-174v. Die übersetzten Eriugena-Partien in der Basler Hs. sind folgende (mit Bezug auf die Ausg. des dt. Textes bei HAMBURGER, 2002): § l, 1-12 (Z. 67-74); § l, 13-16 (Z. 80-82); S 4, 1-4, (Z. 89-91); § 4, 4-16 (Z. 94101); § 5, 1-17 (Z. 103-113); § 14, 1-5 (Z.75—77). — Eine unabhängige Übers, von §4, 4—16 findet sich als Teil eines Cento im selben Ms., 30vb. A u s g a b e u. L i t e r a t u r . J. F. HAMBURGER, St. John the Divine: The Deified Evangelist in Medieval Art and Theology, Berkeley 2002, S. 213-229; ders., Johannes Scotus Eriugena deutsch redivivus: German and French Translations of the Vox spiritualis and their Implications for the History of German Art and Mysticism at the Time of Eckhart, in: Meister Eckhart in Erfurt, hg. v. A. SPEER, in Vorb.

JEFFREY HAMBURGER 'Die sechs Kronen' [Korr.] Bd. 8, Sp. 981 Überl.: "Roths Hs. ... Verbleib unbekannt..." korr.: Der Nachlaß von Ferdinand Wilhelm Emil Roth befindet sich nicht in Frankfurt, sondern in Darmstadt, LB u. Hochschulbibl. Die betr. Hs. ist jedoch nicht darunter (Mitt. der Bibl. Darmstadt).

'Secreta antiquorum philosophorum'

('Alchimi vnd Bergwerck') Ü b e r l i e f e r u n g . Hs.: St. Gallen, Kantonsbibl. (Vadiana), Ms. 407, 156r-206r (Abschrift einer älteren Vorlage, redigiert 1522 von Michael Cochem, westmd./bair.). — Druck: Alchimi vnd Bergwerck, Straßburg, Jakob Cammerlander 1534, kompiliert vom Mainzer Alchemisten Peter Kertzenmacher, 40 Bll., 4° (VD 16, K 776; weitere 6 Drucke des 16. Jh.s, s. VD 16, K 777-782). Der

1401

1402

'Secreta mulierum' — 'Secundus'

Druck geht auf eine andere Vorlage zurück als die Handschrift.

Eine ursprünglich aus Tirol stammende Kompilation chemisch-technischer Anweisungen in dt. Sprache, in der Hs. in 68 gezählten und weiteren ungezählten Kapiteln, im Druck dazu in zwei Teile geteilt; verfahrenstechnisch dem md. 'Probierbüchlein' (vgl. Ulrich -* Rülein [NB]; Erstdruck 1518) vergleichbar. Beschrieben wird die Herstellung von Farben und anderen chemischen Stoffen, vor allem durch metallurgische Verfahren des Kalzinierens, denen der Kompilator kontrastiv ein Segment über das Reduzieren oxidierter Metalle an die Seite stellt (159v-160r). Das Interesse des spätmal. Autors galt der Zubereitung von Zinnober, Lasur, Grünspan und Bleiweiß; zusätzlich beschriebene Verfahren befassen sich mit den Salzen: Weinstein, Vitriol, Natron (sal alcali), Borax, Salpeter und auch mit der Gewinnung von Salpetersäure, was dann zu den Scheideprozessen und der Darstellung von Gold und Silber überleitet. Ab Kap. 61 bzw. im zweiten Teil des Druckes, der mit der Hs. nur mehr teilweise übereinstimmt, werden vor allem alchemistische Verfahren der Goldmacherkunst (vom golt machen) geboten. Cochem äußert sich hierzu skeptisch (Ego non credo super scriptum). Die ursprüngliche Bildausstattung — bei Cochem in einfachen Strichzeichnungen noch erhalten, beim Druck verlorengegangen — skizzierte Öfen, Kolben sowie andere Laboreinrichtungen und entsprach dem Abbildungsstil der -» 'Ulmer Wundarznei'.

407) aus d. J. 1522, Mitteilungen der Fachgruppe "Gesch. der Chemie" der Ges. Dt. Chemiker 15 (2000) 32-61.

G. KEIL

'Secreta mulierum' [Korr.] Bd. 8, Sp. 990 Ausg.: "M. SCHLEISSNER ... vorauss. 1993": Die Ausg. ist bisher nicht im Druck erschienen. Sp. 991 zu 2., Überl.: "Mailand, Bibl. Naz. Braidense, cod. 986" korr.: ..., cod. AE.IX.34 (Kat.nr. 986). Sp. 992 zu 5. unten: Bei dem Text der Hs. Berlin, mgf 1069, 198r—201V, handelt es sich um den ersten Teil des Traktats 'Von der -» Natur der Frauen und ihren Krankheiten' [NB].

'Secretum secretorum' [Korr.] Bd. 8, Sp. 1008 zu 16.: Zum Inhalt des Gedichts vgl. - Physiognomik [NB], B. II.

'Secundus' Vita und Dialog mit Hadrian. I. Griechisch-lateinische Tradition.

1. Inhalt der Vita nach Willelmus Medicus (ca. 1167). S., von seinen Eltern zum Studium nach Athen geschickt, hört dort den Lehrsatz, daß jede Frau zur Hurerei bereit sei, wenn es verborgen bleibe. Nach dem Studium — sein Vater ist inzwischen verstorben — will er diesen Satz an seiner Mutter erproben. Als Pilger verkleidet wird er unerkannt im Elternhaus aufgenommen. Mit Hilfe einer Magd und mit Geldversprechungen gewinnt er seine Mutter für eine Nacht. Aber er schläft wie ein Kind zwischen ihren Brüsten. Am Morgen von der Mutter nach seiner Absicht gefragt, gibt er sich zu erkenFür ärztliche Benutzer wie Michael Cochem nen, worauf die Mutter vor Scham stirbt. war der Traktat insbesondere wegen der leicht zu Weil er seine Mutter durch Reden getötet gewinnenden chemotherapeutischen Arzneistoffe hat, will er hinfort bis zu seinem Tod nicht von Bedeutung. mehr sprechen. L i t e r a t u r . E. DARMSTÄDTER, Berg-, Probier- u. Kaiser Adrianus hört bei einem Besuch Kunstbüchlein (Münchener Beitr. z. Gesch. u. Lit. in Athen von S. und läßt ihn kommen. Es der Naturwiss.u. Med. 2/3), 1926, S. 41-43 u. gelingt ihm aber nicht, ihn zum Reden zu 156; J. TELLE, Alchimi und Bergwerck, in: H. G. bewegen. Er läßt es Tyrpon versuchen; dieROLOFF (Hg.), Die dt. Lit. Biograph, u. biblioser ruft den Henker und befiehlt ihm, den graph. Lexikon, R. II: Die Dt. Lit. zwischen 1450 Philosophen, der mit dem Kaiser nicht reu. 1620, Bern 1991, S. 78-83; U. L. GANTENBEIN, Das Kunstbuch des Michael Cochem (Ms. Vad. den wolle, zu töten. Adrianus aber trägt

1403

'Secundus'

dem Henker heimlich auf, Secundus gut zuzureden. Wenn er dann angesichts des Todes doch rede, möge er ihn köpfen; bleibe er aber standhaft, solle er ihn wiederbringen. S. besteht die Probe. Als er wieder vor Adrianus steht, bittet ihn dieser, mit Hilfe einer Schreibtafel zu antworten. Dies tut S., und so kommt es zu einer langen Folge von Fragen des Kaisers und Antworten des Philosophen. Am Ende befiehlt der Kaiser, diese Antworten in seiner Bibliothek aufzubewahren. 2. Überlieferung. Diese Erzählung, die auch auf Syrisch, Armenisch, Arabisch und Äthiopisch überliefert ist, wird zuerst durch ein griech. Papyrusfrgm. des 3. Jh.s bezeugt. 8 griech. Hss. des 11. bis 15. Jh.s enthalten nur den Dialog mit Hadrian. Die, wie es scheint, einzige griech. Hs., die die vollständige Vita einschließlich Dialog enthält, stammt aus dem 11. Jh., war schon im 12. Jh. im Westen und ist vermutlich identisch mit der Vorlage des Willelmus Medicus, später Mönch und dann Abt von St. Denis, der 1167 griech. Hss. aus Konstantinopel mitbrachte und den Text ins Lateinische übersetzt hat. Als 'Vita Secundi philosophi' ist diese Übersetzung in zahlreichen Hss. überliefert. Außerdem war eine leicht kürzende Bearbeitung des -> Vinzenz von Beauvais ('Speculum historiale' X, c. 70 f.) weit verbreitet. So drang die Erzählung samt dem Dialog, den sie enthält, auch in den Walter Burleigh (Burlaeus) zugeschriebenen 'Liber de vita et moribus philosophorum et poetarum veterum' sowie in verschiedene Chroniken ein. Zum frauenfeindlichen Exempel verkürzt erscheint der erste Teil der Vita bei Johannes Gobii Junior, s. M.-A. POLO DE BEAULIEU (Hg.), La scala coeli de Jean Gobi, Paris 1991, Nr. 514 (dazu Nachweise von Parallelen S. 680). — Vielleicht aus dieser Tradition ist S. in eine Reihe von Frauensklaven und Minnesündern geraten in der Bilderhs. Washington D.C., Libr. of Congress, Rosenwald Collection, MS 4 (!), 8 ; vgl. . A. WIRTH, Lat. u. dt. Texte in einer Bilderhs. aus der Frühzeit des 15. Jh.s, in: N. HENKEL/ N. F. PALMER (Hgg.), Latein u. Volkssprache im dt. MA 1100-1500, 1992, S. 256-295, dort S. 261 f. Anm. 19 u. S. 294; M. CASTELBERG, Wissen u. Weisheit. Die spätmal. Ta-

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felsammlung Washington D.C., Libr. of Congr., Rosenwald Coll., MS 4. Edition — Kommentar — Untersuchung, Diss. Freiburg/Schw. (masch.) 2003. Mit einem Zitat seiner Antwort auf die Frage 'Was ist Gott?' findet sich der schweigende Philosoph S. auch als heidnischer Zeuge christlichen Glaubens im Ulmer Chorgestühl des Jörg Syrlin, und ebenso wird er in der 'Weltchronik' von Hartmann -> Schedel/ Georg -» Alt [NB] vorgestellt (Bl. CXIIF). Ausgaben. HILKA, 1910, S. 6-23; SUCHIER, 1939, S. 152-159; PERRY, 1964 (griech. u. orientalische Fassungen mit engl. Übers.; lat. Fassungen nach SUCHIER und 'Speculum historiale', Nürnberg 1483).

3. Die Fragen und Antworten. Die ersten 21 Fragen und Antworten in der Fassung des Willelmus entsprechen ziemlich genau denen der griech. Hs.: Der Kaiser fragt Quid est mundus (oceanus, deus, dies... bis vita und mors}} S. antwortet jeweils mit mehreren Umschreibungen, z. B. sompnus: Mortis imago, laborum quies, medicorum experimentum, vigilantium sapientia, vinctorum solutio, infirmantium votum, miserorum desiderium, universi Spiritus requies. Die Umschreibungen können Philosopheme transportieren (z. B. mundus: per se genitum theorema), sind aber auch öfter eher poetischer Natur (z. B. navis: domus absque fundamento). In den von HILKA und SUCHIER ihren Ausgaben zugrundegelegten Hss. folgen noch weitere 50 Fragen dieses Typs, die jedoch ganz überwiegend nur mit einer einzigen Umschreibung beantwortet werden. Diese zweite Serie ist nicht in der griech. Hs. der Vita bezeugt, offenbar ist sie (von Willelmus?) aus anderen Traditionen eingefügt. Daß es aber auch Hss. gegeben hat, deren Bestand an Fragen und Antworten näher bei der griech. Vorlage blieb, dafür spricht die dt. Verserzählung (s. u. II. 1.). 4. Zur Genese des Komplexes. Die Lebensgeschichte und die Themen der Fragen und Antworten haben, abgesehen von einer äußerst negativen Bewertung der Frauen in beiden Teilen, nichts mit einander zu tun; insbesondere findet das für die Vita zentrale Thema des Schweigens kein Echo im Dialog. Damit stellt sich die

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'Secundus'

Frage nach der Genese beider Teile. PERRY vermutet als Kern eine reale Begegnung Kaiser Hadrians mit einem sonst unbekannten Philosophen Secundus, der sich die fünfjährige Schweigeübung der Pythagoreer auferlegt hatte. Die acht griech. Hss., die nur die Fragen und Antworten in geringfügig variierender Zusammensetzung enthalten, führt er ohne genauere Begründung auf Exzerpte aus der Vita zurück. Das Gesamtbild der Überlieferung scheint mir eine andere Genese nahezulegen. Auszugehen ist vom Dialog. Vergleichbare Frage-Antwort-Sammlungen oder -Dialoge sind aus dem lat. MA in großer Zahl und Vielfalt überliefert und haben breit auch in die Volkssprachen gewirkt, insbesondere in die romanischen Sprachen ('Enfant sage'). Neben dem hier interessierenden Frage-Antwort-Typus waren beliebt u. a. kurios pointierte biblische Wissensfragen ('loca monachorum', z. B. Quis est mortuus et non natus? — Adam.), reine Wissensfragen (z. B. Quis primus imperator? — lulius.) und genuine Rätsel (z. B. Quid est domus eradicata? — navis; vgl. die umgekehrte Frage bei S.). Die S.-Tradition stellt sich innerhalb dieser breiten und sich vielfach vermischenden Traditionsströme zu dem Typus, der einen Kernbegriff vorgibt und Umschreibungen erfragt. Eine Gruppe derartiger Fragesammlungen mit partiellen Textübereinstimmungen hat SuCHIER 1939, S. 101-146, untersucht und ediert. Drei dieser Texte, die mit ihrer Überlieferung bis in die Zeit vor Willelmus Medicus zurückreichen, nennen auch Namen, allerdings ohne Erzählrahmen: 'Disputatio regalis et nobilissimi iuvenis Pippini cum Albino scholastico' (vgl. -> Alkuin X.8., älteste Hs. 9./10. Jh.), 'Augustini dicta ad omnes docendos' (9. Jh.) und 'Disputatio Adriani Augusti et Epicteti philosophi' (seit dem 11. Jh.). Sie alle bevorzugen, wenn auch ohne Ausschließlichkeit, den beschriebenen Typus, bieten allerdings teilweise oder überwiegend nur eine einzige Umschreibung als Antwort. Gelegentliche inhaltliche Parallelen zum Hadrian-Secundus-Dialog sind nicht zu übersehen. Von den Namen sind Pippin-Albinus offenbar eine Neubesetzung mit dem Sohn Karls d. Gr. und Alkuin; Augustinus dürfte aus (H)Adrianus Augustus entstellt sein; das Paar Adrianus-Epictetus wird kaum unabhängig von Adrianus-Secundus sein, wobei der berühmtere Philosophenname Epiktet leichter sekundär in die Tradition geraten sein kann als umgekehrt der Name S. Entgegen der in der älteren Forschung vorherrschenden Meinung scheint mir jedenfalls die Vermutung nahezuliegen, daß in dieser Textgruppe schon vor Willelmus Me-

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dicus reduzierende halb- und unterliterarische Ausstrahlungen und Fortschreibungen der elaborierten griech. S.-Tradition vorliegen, wobei die Vermengung mit anderen Fragetypen schon früh eingesetzt hat. Sehr weit fortgeschritten ist die Typenvermengung in 'Adrian und Epictitus', hg. v. SUCHIER 1955, überliefert seit dem 10. Jh. Hier ist auch eine kleine erzählende Einleitung vorangestellt, die jedoch nichts mit der S.-Vita gemein hat.

Mir scheint demnach die Hypothese plausibel, daß als Kern der Tradition ein (als gesprochen gedachter) Dialog Hadrian-Secundus aus dem 2. Jh. n. Chr. anzusetzen ist, ein Text, in dem alles auf die rhetorisch-philosophische Qualität der Umschreibungen ankam. Der Kaisername mag sich einer Huldigung verdanken. Dieser Kern könnte dann im späteren 2. oder im 3. Jh. durch eine ihn umrahmende, auf andere Pointierung zielende Erzählung erweitert worden sein und in dieser Fassung Willelmus Medicus erreicht haben. Andererseits aber scheint der griech. Dialog schon früher auf die lat. Tradition der Fragebüchlein ausgestrahlt zu haben. Geht man von dieser Hypothese aus, so ist die von der älteren Forschung angenommene Identität des S. mit einem Athener Sophisten, der zur Zeit Hadrians lebte, Lehrer des Herodes Atticus war und rhetorische Übungen verfaßt haben soll, nicht auszuschließen. Die Häufigkeit des Namens S. erlaubt allerdings keine sichere Festlegung. L i t e r a t u r (vielfach verbunden mit Textabdrukken). W. WILMANNS, Disputatio regalis et nobilissimi iuvenis Pippini cum Albino scholastico, ZfdA 14 (1869) 530-555; J. BACHMANN, Die Philosophie des Neopythagoreers S., 1888; R. ZENKER, Das provenz. 'Enfant sage', Version B, RF 23 (1907) 919-968, dort S. 919-931; A. HILKA, Das Leben u. die Sentenzen des Philosophen S. des Schweigsamen in der afrz. Lit. nebst krit. Ausg. der lat. Übers, des Willelmus Medicus, Abtes von SaintDenis, JB d. Schles. Ges. f. Vaterland. Cultur 88 (1910) IVc, S. 1-42; F. PFISTER, Rez. Hilka, Wochenschrift f. klass. Philol. 28 (1911) 539-548; LL. W. DALY/ W. SUCHIER Altercatio Hadriani Augusti et Epicteti philosophi (Illinois Studies in Language and Literature 24/1 - 2), Urbana 1939; W. SUCHIER, Das mittellat. Gespräch Adrian u. Epictitus nebst verwandten Texten (Joca Monachorum), 1955; B. E. PERRY, S. the Silent Philosopher (Philo-

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Sedulius

logical Monographs 22), Ithaca N. Y. 1964; V. RoLOFF, Reden u. Schweigen. Zur Tradition u. Gestaltung eines mal. Themas in der frz. Lit., 1973, S. 73-77; W. BERSCHIN, Greek Letters and the Latin Middle Ages, Washington D. C. 1988, S. 241 u. Anm. S. 343.

II. Deutsche Rezeption. 1. Die Verserzählung. Eine thüringische Bearbeitung von Vita und Dialog in 518 Reimpaarversen, entstanden wohl im 15. Jh., ist überliefert als Einschub in einer Hs. der Weltchronik des Jans von Wien (Jansen -> Enikel, Bd. 4 u. NB), dürfte aber ursprünglich ein selbständiges Gedicht sein. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 927, 177r-180v. In dieser Hs. ist Jansens Weltchronik von Augustus an ergänzt durch eingeschobene Stücke einer Prosaübersetzung der 'Chronica minor' eines Erfurter Minoriten, als 'Compilatio chronologica', hg. v. J. PiSTORlUS, Scriptores rerum germanicarum I, Frankfurt 1538, S. 705 ff., 3. Aufl. durch B.C. STRUVIUS, Ratisbonae 1726, S. 1057 ff., vgl. auch O. HOLDER-EGGER, MGH SS 24, 1879, S. 172178; diese Übersetzung scheint sonst nicht belegt zu sein. In diese Prosachronik ist wiederum das S.Gedicht eingeschoben, chronologisch ein wenig zu spät erst bei Antoninus Pius. Vgl. auch PH. STRAUCH, Jansen Enikels Werke (MGH Dt. Chron. 3), 1900, S. XXI f.

Reihe von Fragen und Antworten inseriert. Die Erzählung ist recht genau wiedergegeben, nur am Ende gegenüber dem Text SUCHIER 1939 leicht erweitert: Der Kaiser berät sich über den rechten Lohn für S.; da zeitliche Güter dem Philosophen unwichtig sind, wird sein Buch zum Lehrbuch für alle ausgerufen. Es folgt noch eine Ermahnung zum rechten Umgang mit der Zunge. Die umfangreiche Frage-Antwort-Reihe entspricht ungefähr dem Text SUCHIER 1939, die Kürze der Antworten im zweiten Teil wird mit dem brevitas-Argument begründet. Der Anfang allerdings ist durch Umstellungen, Erweiterungen und Umformulierungen in Richtung auf eine kleine Enzyklopädie für christlich-mittelalterliche Leser umgearbeitet. Ü b e r l i e f e r u n g . Zwei Schwesterhss., etwa Mitte 15. Jh.: Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs2667, 262r-267r; Westfäl. Privatbesitz, 391r400r. Zu den Hss. vgl. K. H. STAUB/ TH. SÄNGER, Dt. u. ndl. Hss. (Die Hss. d. Hess. Landes- u. Hochschulbibl. Darmstadt 6), 1991, S. 123-128; G. ROTH, Die 'Tafel vom christlichen Glauben u. Leben', ZfdA 130 (2001) 291-297. - Nicht ediert. 3. Zur Rezeption im 16. Jh. u. a. bei Hans Sachs vgl. U. RUBERG, Beredtes Schweigen (MMS 32), 1978, S. 103-105; RSM 2S 680,2Simon 4.

B. WACHINGER

Ausgabe. PH. STRAUCH, Secundus, ZfdA 22 (1878) 389-406, dort S. 389-398.

Das Gedicht hält sich an die Fassung des Willelmus Medicus. Die Handlung ist nur in Nuancen verändert, so nimmt S. nachts die Mutter liebevoll in den Arm, statt sich wie ein Kind zwischen ihre Brüste zu legen, und am Ende erhält er von Adrianus ein Pferd zum Geschenk. Bemerkenswert ist, daß die Frage-Antwort-Serie mit nur einer Ausnahme (Freiheit) auf den ersten Teil mit den ausführlichen Antworten beschränkt bleibt und damit der griechischen Tradition näher steht als die Hss., denen die Ausgabe von SUCHIER 1939 folgt. 2. Prosabearbeitung. In der 'Tafel vom christlichen Glauben und Leben', einer westdt. Bearbeitung der 'Tafel van den kersten ghelove' des -» Dirk van Delft, II.l. [NB], findet sich außer anderen Einschüben auch eine Bearbeitung der Vita des S. einschließlich einer langen

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Sedulius I. Über Herkunft und Lebenszeit des christlichen Dichters S., der nach alter Überlieferung unter den Kaisern Theodosius II. (408-450) und Valentinian III. (424—455) lebte, ist Genaueres, das gesichert wäre, nicht bekannt. Der Vorname Caelius, der in den Hss. nur selten und in keiner der älteren begegnet, bleibt zweifelhaft. Verläßlich bezeugt ist, daß i. J. 495 Turcius Rufus Asterius, Exconsul und patricius, aus dem Nachlaß des S. eine Werkausgabe besorgte. Doch war die Bibeldichtung des S. im 5. Jh. zuvor schon bekannt {vgl. HUEMER, Ausg., Testimonien, S. 361 — 371). In der Widmung des 'Carmen paschale' an den Presbyter Macedonius blickt S. reuig auf seine frühere Beschäftigung mit eitler weltlicher Wissenschaft und eigene profane Dichtung zurück und dankt

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Sedulius

Gott, ihn zu Umkehr und im Dienste der Wahrheit zu religiöser Dichtung gewiesen zu haben. Vermutlich gehörte er damals schon dem geistlichen Stand an. Im späteren MA ist er bisweilen mit dem Iren Sedulius Scottus (9. Jh.) identifiziert worden, so noch von -»· Trithemius [NB]. A u s g a b e n . J. HUEMER, Sedulii opera omnia (CSEL 10), 1885; H. WOJTOWICZ, Sedulius Caelius, Opera omnia. Tekst tacinskopolski, Lublin 1999 (ohne jede editor. Begründung, vermutlich unveränderte Wiederholung der Ausg. HUEMERS). Eine Ausg. aufgrund der heute bekannten Überlieferung fehlt. — Ausg. der 'Elegie' und des Hymnus: Anal. hymn. 50, S. 51-60.

II. Schon bei Venantius Fortunatus (ca. 540—600) gehört S. zum festen Kreis der lat. Bibelepiker, seit der karolingischen Zeit zum Kanon der Schulautoren. ->· Konrad von Hirsau eröffnet im 'Dialogus super auctores' mit S. die Gruppe der christlichen Dichter. In der mal. literarischen Bildung ist das 'Carmen paschale' allgegenwärtig (vgl. MANITIUS, LG I—III, Reg.). Überliefert ist das 'Carmen paschale' (178 Hss. bei SPRINGER, 1995) weit überwiegend zusammen mit der 'Elegie' ('Hymnus ), häufig tritt der Hymnus (II) hinzu; dessen übrige (Teil-)Überlieferung, eine teils literarische, teils liturgische (seit dem 10. Jh.), wird vorerst nicht überschaut. 1. Das in epischen Hexametern verfaßte ' C a r m e n paschale', das fünf Bücher umfaßt — Buch 2 — 5 Darstellung der Wunder Jesu, im 1. Buch Wunder des AT —, arbeitete S. auf Veranlassung des Presbyters Macedonius in eine — stilistisch aufwendige — Prosaversion um. Das neue Opus p a s c h a l e ' ist keine bloße Prosaisierung des 'Carmen', ausdrücklich keine Übersetzung, sondern eine sowohl im biblischen Stoff vollständigere als auch exegetisch bereicherte Neufassung, die an die Stelle des 'Carmen' treten sollte (HERZOG). Diese Intention hatte freilich wenig Erfolg; das Opus paschale' fand eine nur schmale Rezeption (7 Hss. bei SPRINGER). Zum ändern aber wurden früh schon 'Carmen' und Opus' als zusammengehörig, ja als konzipiertes Doppelwerk aufgefaßt. Damit

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geriet S. — neben Prosper von Aquitanien — in die Rolle eines Begründers des mal. Formtypus Opus geminum (geminatum)', der reich vertreten ist durch Beda, Aldhelm, ->· Alkuin, -» Hrabanus Maurus, -* Bruun (Candidus) von Fulda, -> Onulf von Speyer, -»· Williram von Ebersberg, -> Thiofrid von Echternach u. a. Dem 'Carmen paschale' widmete Remigius von Auxerre einen umfänglichen Kommentar (Auszüge bei HUEMER, Ausg., S. 319—359). Vom heroischen Hexameter, mit dem sich S. der antiken Epik anschloß, rückte eine (nur in einem spärlichen Fragment überkommene) rhythmische Bearbeitung in Strophen zu je vier Elfsilblern ab (Paris, Bibl. nat., ms. lat. 9347, 9. Jh.), die W. MEYER als irisch lokalisierte. Liturgische Verwendung fand der Marienpreis II 63 — 68 Salve sancta par ens (-» 'Manenmesse Salve sancta parens" [NB]). Das Eingangsgebet der -> 'Goldenen Bulle' Karls IV. besteht zum größeren und wesentlichen Teil aus den vv. I 60 f. und 53 — 59. 2. In dem meist als ' H y m n u s oder als 'Elegie' (beide Bezeichnungen sind unpassend) geführten Gedicht (55 eleg. Distichen) bilden in jedem Distichon Hexameter und Pentameter ein typologisches Paar (Adam — Christus usf.) oder eine andere der christlichen Glaubenswelt entnommene Vergleichsbeziehung. Das inhaltliche Kontrastverhältnis von Hexameter und Pentameter ist dabei in die artifizielle Form der Versus reciproci (epanalectici) eingelassen: die erste Hexameterhälfte kehrt stets als zweite Pentameterhälfte wieder, aber kontextgemäß in kontrastiver Bedeutung. Für die in der karolingischen Dichtung und im 12. Jh. beliebten Carmina aus Versus reciproci bot die 'Elegie' des S. das prototypische Beispiel. 3. S. hat nur einen eigentlichen H y m nus ('Hymnus IP) hinterlassen, den Abecedarius A solis ortus cardine (23 ambrosianische Strophen, häufig mit einsilbigem Reim), der von der Empfängnis bis zur Himmelfahrt das Erdenleben Christi in seinen Wundern feiert. Für den liturgischen Gebrauch wurden früh schon die

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Sedulius

Strophen A—G als selbständiger Weihnachtshymnus abgetrennt und mit eigener Doxologie versehen. Das in Hymnenstrophen gefaßte Leben Jesu machte Schule und stand das ganze MA hindurch im typischen Repertoire geistlicher Dichtung (vgl. die bei CHEVALIER s. v. A solis ortus cardine verzeichneten Nachahmungen). III. Rezeption in dt. Sprache. Die dt. Rezeption des S. beschränkt sich auf eine ansehnliche Glossierung sowie eine Interlinearversion des 'Carmen paschale', auf Übersetzungen des Hymnus und auf eine fragmentarische Übersetzung der 'Elegie'. 1. Glossen. Heute sind 19 glossierte S.-Hss. mit insgesamt ca. 430 dt. Glossen bekannt, bis auf eine sämtlich Hss. des 'Carmen paschale'. Übersicht bei SIEWERT, S. 58 f.; hinzu kommt Prag, Narodni knihovna, cod. XXIII. F. 137, 12. Jh., T. A u s g a b e n . Ahd. Gll. II, S. 614-622 (14 Hss.); V, S. 32 (2 Hss.); SIEWERT, S. 53 f.

2. Hymnus. Der abecedarische Hymnus scheint nur in seiner zum Weihnachtshymnus verkürzten Fassung mit neuer Doxologie auch deutsch rezipiert worden zu sein. So findet er sich in jeder größeren dt. Hymnensammlung, vgl. -> Hymnare und Hymnenerklärungen in dt. Sprache (ergänzend dazu HENKEL, 1988, S. 112-115, 264f.). Sangbare Versfassungen sind bislang nur bekannt vom -> Mönch von Salzburg, von Heinrich ->· Laufenberg und nd. in Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Heimst. 632, 85rv; vgl. -»· solis ortus cardine', Nr. 3, 4 und 5. 3. 'Carmen paschale'. Den einzigen bekannten Fall einer mal. dt. Übersetzung bieten die Bruchstücke einer um 1200 geschriebenen md. Interlinearversion im Ms. Theol. 4° 5 der Ratsbücherei Lüneburg. Die Interlinearversion ist hier einem lat. Text übergeschrieben, in dem der hexametrische Wortlaut des 'Carmen' weithin in eine 'natürliche' Wortfolge überführt ist und ihm überdies Kontext-

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glossen und grammatikalische Hinweise eingefügt sind. Die lemmatisch verlaufende Übersetzung ist ein Zeugnis der Schulpraxis. Sie beansprucht keinerlei Selbständigkeit, liefert aber durchweg einen kohärent lesbaren Text. Ausgabe. M. STÄHLI, Sedulius: Carmen paschale — Bruchstücke einer frühen dt. Interlinearversion, ZfdA 114 (1985) 330-337 (mit Faksimile).

4. 'Elegie' ('Hymnus!'). Die Hs. München, clm 15147 enthält auf den Bll. 270r—271v zusammen mit dem lat. Text der 'Elegie' eine Teilübersetzung, niedergeschrieben vermutlich 1501 in Zwickau; sie reicht bis v. 66. Der Übersetzer hat für seinen Versuch keine Form gefunden. Die vv. 1—4 und 5—8 gab er mit jeweils sechs dt. Reimpaarversen wieder, in den folgenden Vierergruppen aber sah er für jeden lat. Vers nur mehr eine dt. Zeile vor; jede reimt zwar weiterhin, ist aber von wechselnder Länge und ohne rhythmische Gestalt. Datierung und Lokalisierung ergeben sich aus den ausdrücklichen Daten der fortlaufend geschriebenen Hs. Der Schreiber, der Bl. 314V am Ende des 'Carmen paschale' zeichnet: Scriptum per me Franciscum Dresdensem wiezbauer(?), erscheint in den Schlußschriften auf Bl. 192V und Bl. 267V als F. W. Der Name scheint sonst, etwa in der Leipziger Matrikel, nicht faßbar. Vermutlich steht der Versuch dieser Übersetzung im Zusammenhang mit den Übersetzungen des Leipziger Studienbetriebs um 1500 (-> Prudentius [B. II.3. b], -» Theodolus [5.], HENKEL, S. 162-170). L i t e r a t u r . Bibliographie bis 1985 bei SPRINGER, 1988 (unvollst.), bis 1998 bei WOJTOWICZ, Ausg., S. 61—71 (unvollst.). - W. MEYER, Rythmische Paraphrase des S. von einem Iren, GGN 1917, S. 594-596; M. SCHANZ/ C. Hosius, Gesch. d. röm. Lit. IV/2, 1920 (Nachdr. 1971), S. 368-374; SZÖVERFFY, Hymnendicht. I, S. 98-101 u. ö. (Reg.), II 449f.; G. GLAUCHE, Schullektüre im MA (Münchener Beitr. z. Mediävistik u. RenaissanceForschung 5), 1970, Reg.; E. WALTER, Opus geminum, 1973, S. 7-17 u. ö.; R. HERZOG, Die Bibelepik der lat. Spätantike, Bd. l, 1975, S. XLI, Lllf. u. ö.; D. KARTSCHOKE, Bibeldichtung. Stud. z. Gesch. d. epischen Bibelparaphrase von Juvencus bis Otfrid von Weißenburg, 1975, S. 41-45, 6468, 78-82, 87-90 u. ö. (Reg.): R. BERGMANN, Mittelfrk. Glossen, 21977, S. 161, 228 f., 245 f.,

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'Der Seele Kranz' — Segen und Beschwörungen (altjidd.)

315; R. KURZ, Zu Konrads von Hirsau Dialogue super auctores 590 über das Leben des S., Mlat. Jb. 14 (1979) 265-272; P. GODMAN, The AngloLatin Opus Geminatum from Aldhelm to Alcuin, Medium Aevum 50 (1981) 215-229; C, E. P. SPRINGER, Sedulius' A Solis Ortus Gardine: The Hymn and its Tradition, Ephemerides Liturgicae 101 (1987) 69-75; ders., The Gospel as Epic in Late Antiquity. The Paschale Carmen of Sedulius, Leiden u. a. 1988 (bisweilen verzerrende Beurteilung der Forschung); N. HENKEL, Dt. Übersetzungen lat. Schultexte (MTU 90), 1988, S. 263 f., 305 f.; K. SIEWERT, Glossenfunde (Stud. z. Ahd. 11), 1989, S. 52-60; C. E. P. SPRINGER, The Manuscripts of S. A Provisional Handlist (Transactions of the American Philosophical Society 85/5), Philadelphia 1995. F. J. WORSTBROCK

B. WACHINGER (III.2.)

'Der Seele Kranz' [Nachtr./Korr.] Bd. 8, Sp. 1017 Überl.: "(Ha) Slg. V. Hasak (f 1889 Weißkirchlitz bei Teplitz), o. Sign. ..." korr.: Die Hs. befindet sich heute in Prag, Archiv hlavniho mesta prahy (Archiv der Stadt), rkp. 8200. Vgl. A. HAUSMANN, Hss.funde, ZfdA 133 (2004), im Druck. Ebd.: "Königsberg, ehem. SB u. ÜB, Hs. 905" korr.: Die Hs. ist jetzt verzeichnet in Torun, ÜB, als Rps 7/II, dzt. dort nicht auffindbar. Vgl. R. G. PÄSLER, Katalog der mal. dt.sprachigen Hss. der ehem. SB u. ÜB Königsberg, 2000, S. 101-103. Sp. 1018 Z. 7: "München, cgm 5249 Nr. 31" korr.: jetzt cgm 5249/37. Vgl. K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (cgm 5249/1-79).

'Seelentrost' [Korr.]

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Umfange dt. Volksglaubensbrauchtum aus der christlichen Nachbarschaft übernommen und sich durch geringfügige Judaisierung bzw. Entchristlichung für den eigenen Gebrauch anverwandelt. Schon GÜDEMANN hat dieses Phänomen ausgiebig untersucht (1875 passim, 1880 spez. S. 199227: jidd. Glossen wie 'Mare', 'Werwolf, 'HolleLocke' u. ä., Talisman mit den Namen der Hl. Drei Könige in hebr. Hss.), ebenso PERLES (S. 24—37: Randnotizen in einer hebr. Hs. des 14./15. Jh.s, darunter ein hebr. verfaßtes Liebesrezept, für dessen Gelingen in einer jidd. Schlußzeile 'Frau Venus und -» Tannhäuser' herangezogen werden); später betont z. B. Gerschom SCHOLEM (Sp. 1528, 1532), daß die Kabbala vielfältige Elemente aus dem dt. Volksglauben bezogen habe, und daß schon in den Werken Judas des Frommen und seiner Schüler (13. Jh.) reichhaltige dt. Einflüsse auf dem Gebiet der Dämonologie erkennbar seien.

An primär volkssprachlichen Segensund Beschwörungsformeln — eine klare Grenzziehung ist nicht möglich — sind aus der Frühzeit folgende unter 1.—4. aufgeführte Texte überliefert (alle in hebr. Schriftzeichen). Eindeutig ins 16. Jh. gehört hingegen mit STEINSCHNEIDER, S. 216 f., gegen PERLES, S. 28, eine hebr. Hs. mit vereinzelten jidd. Formeln, München, Chm "42", heute 393.

1. 'Frau-Holle-Beschwörung'. Gereimte Formel, die sich an Ver Holde (Frau Holle) wendet: sie möge dem Sprecher das Pflükken eines zauberkräftigen Blattes (herzblat [Circaea lutetiana L.]), in ihrem hof erlauben, welches den Gegner (vor Gericht) seine Argumente vergessen machen soll.

Bd. 8, Sp. 1030 Überl. "Osnabrück, Bischöfl. Ü b e r l i e f e r u n g . Bern, Burgerbibl., cod. 200 Generalvikariat, Hs. Frensw. 7" korr.: ..., Bischöfl. (hebr.-aram. Hs., geschrieben 1290 von -> Ascher Archiv, Hs. Getrudenberg 7. Vgl. Hss. in Osnaben Jakob Halevi [NB]), auf einer der letzten zubrück, beschrieben v. U. KÜHNE u. a. (Mal. Hss. in nächst leergebliebenen Seiten (256V) Anf. 14. Jh., Niedersachsen, Kurzkatalog 2), 1993, S. 59. zwischen med. Notizen; sprachlich stark ripuarisch Sp. 1034 Z. 5/4 von unten: "Ebstorf, Klostergefärbt. bibl., cod. 10 kl. 8" korr.: ..., cod. VI 10. Vgl. Hss. des Klosters Ebstorf, bearb. v. R. GIERMANN/ H. A u s g a b e hebr.- u. lat.schriftl.: PERLES, S. 24; HÄRTEL (Mal. Hss. in Niedersachsen. Kurzkatalog TIMM, S. 17 f. 10), 1994, S. 180ff.

Segen und Beschwörungen (altjiddisch) Spätestens im 13. Jh. und bis mindestens gegen Ende des 15. Jh.s haben die mitteleuropäischen Juden in bemerkenswertem

Formal folgt der Spruch dem zweiteiligen Schema des Analogiezaubers, indem zunächst eine einstige Tat der angerufenen übernatürlichen Helferinstanz zitiert wird — sie schlug Vater und Mutter mit blutigen Händen und machte die unwürdigen

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Segen und Beschwörungen (altjidd.)

Richter den Urteilsspruch vergessen —, um dann deren Hilfe in der jetzigen, mehr oder minder vergleichbaren Situation herbeizunötigen. Hinzugefügt ist van godes namen amen und auf hebr. 'der Erzengel Uriel möge mir helfen (dreimal)'. Die zitierte einstige Tat der Frau Holle ist sonst ganz unbekannt, doch ist sie ohne Zweifel nichtjüdischer Herkunft (PERLES, S. 25 ff.; TRACHTENBERG, S. 41; TIMM, S. 19 ff.). In dieser synkretistischen Form bezeugt der Spruch nicht nur die Bekanntheit der Gestalt bei den dt. Juden im MA, sondern er stützt auch Jacob GRIMMS These (spez. Vorrede S. XVI) von Frau Holle als einer schon vorchristlichen Gestalt göttlicher Dimension. 2. 'Bärmuttersegen'. Gereimte Beschwörungsformel gegen Schmerzen im Unterleib. Ü b e r l i e f e r u n g . London, Jews' College, cod. Montefiore 115 (hebr. Sammelhs.), auf Bl. 88V als Marginalnotiz zum Thema Geburtshilfe im hebr. Haupttext (wohl noch 14. Jh.). A u s g a b e hebr.- und lat.schriftl.: GüDEMANN, 1875, S. 271; HOWARD, 1978, S. 211 ff.; ders., 1979, S. 255 ff.

Die Gebärmutter galt im Volksglauben des MAs wie schon in der Antike als dämonisches Tier, das im Körper des Menschen herumzieht und Schmerzen, bei Frauen insbes. Geburtsschmerzen verursacht (KRUSE, S. 51 f.; SCHULZ, 2000, spez. S. 65; dies., 2003, S. 162f.). Der noch nicht in allen Einzelheiten entschlüsselte jidd. Spruch verbindet zwei sonst getrennt überlieferte Formeltypen miteinander: a) Die Bärmutter möge sich (selbst) an den rechten Ort zurücklegen und dort liegenbleiben, anderenfalls werde sie zusammen mit N. N. sterben, b) Drei nornenähnliche Gestalten — hier Meerfrauen (mer-minden) — sitzen im Sand, halten die Gedärme des N. N. in der Hand und bringen sie in drei Schritten zurück in die richtige Lage. Parallelen zu a): dt. seit dem 13. Jh., teils oberflächlich verchristlicht, bei KRUSE, S. 50-53, SCHULZ, 2003, S. 162 f.; zu b) SCHULZ, 2000, spez. S. 168 f.: ansatzweise schon in der Spätantike allgemein gegen

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Darmerkrankungen (3 Jungfrauen entwirren und ordnen menschliche Gedärme), mit Bezug auf die Bärmutter aus mündl. Überlieferung mehrfach im Dresdner 'Corpus der deutschen Segen und Beschwörungsformeln' (im Sand sitzen 3 Weiber bzw. 3 reine Jungfrauen u. ä. und tun dasselbe). Für den verbindenden Mittelteil des jidd. Spruchs — die Krankheit bzw. das dämonische Tier möge durch die Fußsohle in die Erde und weiter in einen bodenlosen See fahren, dort einen grätenlosen Fisch fressen und den Menschen in Ruhe lassen — ist m. W. noch keine Parallele beigebracht worden. Eine Scheu vor nomina sacra bezeugt der Eingriff in goltes (statt gotes) namen. 3. Gereimter 'Reisesegen'. Ü b e r l i e f e r u n g . Parma, Bibl. Palatina, cod. 2895 (hebräischsprachiges Gebetbuch), 152V (geschrieben in diesem Teil 1450 in Ulm, vollendet 1453 in Treviso). Unediert. - Faksimile: TURNIANSKY/TIMM, S. 26.

Nach Inhalt und Form ist der Spruch ein volkstümlicher Diebesbann: angerufen wird die (stark riechende und deshalb früher im Zauber und Gegenzauber gebrauchte) Pflanze Albrot [Artemisia Abrotanum L.], sie möge die Diebe mit deren eigenen Därmen binden und ouf der erden bewegungslos stehen lassen wie die Toten unter der erden (in gotes namen omen selo dreimal zu sagen). Erst die hebr. Überschrift 'Reisegebet' macht klar, daß an das Bestohlenwerden auf Reisen gedacht ist. Die exponierte Stellung in einem hebr. Gebetbuch und die Mitteilung des Kopisten, er habe diese Verse aus dem Munde eines ehrwürdigen Rabbis gehört, der sie seinerseits 'in alten Büchern' gefunden habe, weist dem einfachen Spruch mentalitätsgeschichtlich eine gewisse Bedeutung zu. (Strukturell ähnliche Diebesbannformeln im HddA, s. v. 'Diebessegen'. Zum Thema 'Reise' s. u. 4.). 4. Sammlung von volksmedizinischen Rezepten. Ü b e r l i e f e r u n g . Stuttgart, LB, cod. HB XI 17, 156 Bll. (1474 in Mestre bei Venedig im Hause des Mose b. Seligman Ulm kopiert ous ainem büchlein;

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Segen und Beschwörungen (altjidd.)

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men' schon früh in das alltägliche Leben samt der Volkssprache eingedrungen ist, wenn auch in elementarer Weise, z. B. Nr. 531: wen man über veld get sage man die Namen Argiel, Sargiel, Nargiel (aus Das Corpus umfaßt nach Verlust der er- den drei Konsonanten des Wortes >äsö« sten EIL noch fast 1000 durchnumerierte 'Unglück', Gn 42.4, gebildete Engelna'Rezepte' ohne thematische Ordnung für men), die Jakob seinen Söhnen mit auf die alle nur denkbaren körperlichen Beschwer- Reise nach Ägypten gegeben habe. den und sonstige Nöte des täglichen Le- Nr. 565: Wenn einer in Seenot gerät, sage bens, meist in Prosa, gelegentlich (einer er mit Inbrunst AGLA (Abbreviatur der älteren Sprachstufe angehörend) in Versen. Anfangsworte der 2. Benediktion des AchtDie Sammlung ist weitgehend unbearbeitet zehngebets, Atta Gibbor Le-olam Adonai (kurz vorgestellt von BERNSTEIN); nach 'Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr'). Das vorläufiger Analyse enthalten mehr als 50 Wort AGLA ist auch in christlichen Quel'Rezepte' eine Segens- bzw. Beschwörungs- len seit dem MA u. a. auf Amuletten bekomponente. Auch bei diesen geht es meist legt, insbes. sollte es (noch 1742!), mit um Heilung von Krankheiten: z. B. Blut- Kreuzeszeichen auf hölzerne Teller gestillen (Nr. 502), Wurmbeschwörung mehr- schrieben, gegen Feuersbrünste schützen, fach, darunter eine Variante des im Dt. wobei die Buchstaben umgedeutet wurden weitverbreiteten 'Hiobsegens' gegen Zahn- zu 'Allmächtiger Gott, lösch aus!' (GüDEschmerzen (Nr. 939), beginnend Ijov saß MANN 1884, S. 336 f., HddA s. v.) - ein ouf ainem stain, im oßen di wurm sein ge- exemplarisches Zeugnis dafür, daß sich in bain (vergleichbare Formeln bei SPAMER, christlich-jüdischer Nachbarschaft die ReS. 76-94; SCHULZ, 2003, S. 44ff.; vgl. zeption von Brauchtum in beiden Richtunauch -» Wurmbeschwörungen [NB]); doch gen vollzog. finden sich auch Schutzformeln z. B. gegen L i t e r a t u r . J. GRIMM, Dt. Mythologie, Bd. l, schlechtes Urteil (Nr. 718, im Beschwö- 21844 (Nachdr. 1981); M. GÜDEMANN, Vermirungsteil strukturell vergleichbar mit der schungen von Jüdischem u. Heidnischem aus neuer Frau-Holle-B., s. o. 1.), gegen den 'bösen u. alter Zeit, Monatsschr. f. Gesch. u. Wissenschaft Blick' (Nr. 885), Dämonen (Nr. 941) u. ä. des Judentums 24 (1875) 269-273; ders., Gesch. Sehr vielfältig sind die Formeln zum Schutz des Erziehungswesens u. der Cultur der Abendlängegen Reiseunfälle (oft mit thefilass hade- dischen Juden, Bd. l, Wien 1880, Bd. 2, 1884 rech 'Reisegebet' überschrieben), ein Typ, (Nachdr. Amsterdam 1966); J. FEHLES, Die Berner der in Anbetracht der hohen — freiwilligen Hs. des kleinen Aruch, in: Jubelschr. zum 70. Geb. wie unfreiwilligen — Mobilität der Juden des Prof. Dr. H. Graetz, Breslau 1887, S. 1-38; HddA = Hwb. des dt. Aberglaubens, hg. v. H. im MA beträchtlichen Stellenwert hat (vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI, 10 Bde, 1927-42 (Nachdr. auch o. 3.). In dieser Kategorie finden sich 1987); J. TRACHTENBERG, Jewish Magic and Superhäufiger synkretistische Formeln, wo dann stition, New York 1939 (Nachdr. 1977); A. SPAals Analogie meist ein Ereignis der jüdi- MER, Romanusbüchlein, 1958; M. BERNSTEIN, Two schen Heilsgeschichte beschworen wird, Remedy Books in Yiddish from 1474 and 1508, in: z. B. Nr. 768: eingebettet in einen dt. Bann- Studies in Biblical and Jewish Folklore, hg. v. R. spruch erfolgt die Beschwörung der Feinde PATAI u. a., Bloomington 1960; G. SCHOLEM, Art. auf dem Reiseweg mit dreien Wörter ... di Demons, Demonology (In Kabbalah), in: EncycloMasche rabenu sprach, do in unser her got paedia Judaica, Jerusalem 1972, Bd. 5, Sp. 1528 — durch den wölken an-sach (gemeint ist 1533; J. HOWARD, Der 'Bärmuttersegen' - Ein mhd. Spruch, Colloquia Germanica 11 (1978) vermutlich der dreiteilige Vers Nm 10.35). 211 — 232; ders., Der 'Bärmuttersegen' wiederentIn einigen Fällen offenbart sich (hier erst- deckt, ZfdA 108 (1979) 252-258 (wo manches mals in jiddischsprachigem Kontext), daß fraglich bleibt); B.-J. KRUSE, Verborgene Heildie kabbalistische Inanspruchnahme ver- künste, 1996; M. SCHULZ, Magie oder Die Wiederborgener übernatürlicher Kräfte mit Hilfe herstellung der Ordnung, 2000; dies., Beschwörunvon schejmess '(Gottes- oder Engel-)Na- gen im MA, 2003; E. TIMM, Frau Holle, Frau auch inhaltliche Indizien weisen auf Herkunft aus Süddeutschland; vgl. auch -» Jiddische Arzneibücher). Unediert. Textproben bei BERNSTEIN, passim, Faksimile (2 S.) bei TURNIANSKI/TIMM, S. 143.

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'Segremors' — 'Sendbrief Carissima soror Agnes'

Percht u. verwandte Gestalten, 2003; CH. TURNIANSKY u. E. TIMM, Yiddish in Italia, Mailand 2003.

ERIKA TIMM

Segen und Beschwörungen (frühe deutsche) vgl. -» Zaubersprüche und Segen [Verweisstichwort in Bd. 10] Segen und Beschwörungen (spätmal, deutsche) vgl. -» 'Cambridger Augensegen' [NB]; - 'Münchner Nachtsegen' [NB]; -> Wund- und Blutbeschwörungen [NBj; ->· Wurmbeschwörungen [NB] 'Segremors' [Korr.] Bd. 8, Sp. 1045 Überl.: "Weimar, Staatsarchiv, Reg. l" korr.: Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. V l (Hinweis B. Bushey).

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988, 44r-66v, v. J. 1410 (B); Freiburg, Erzbischöfl. Arch., Hs. 28, 107v-131r, um 1504-1506 (F). Alle Hss. stammen aus Frauenklöstern. In Nürnberg, StB, Cent. VI, 46d (2. V. 15. Jh., aus St. Katharina in Nürnberg; N) ist der 'S.' in einer Sammlung von 'Briefen eines Geistlichen an eine Klosterfrau über praktische Fragen des Klosterlebens' (10r-93v) überliefert. — Die den 'S.' eröffnende Konstitution Papst Urbans V. (s. u.) auch separat in z. T, anderen Übertragungen: Augsburg, ÜB, cod. II. 1. 4° 48, 68r-69"; Eichstätt, St. Walburg, cod. germ. 6, 171r-175r; München, cgm 452, 202V-204V (gekürzt); Stuttgart, LB, cod. hist. 4° 177, 31r-33v ('Pfullinger Statutenbuch', vgl. -> 'Klarissenstatuten', C. 5.). Ripuar.-ndl. Hss.: Trier, StB, Hs. 2017/ 660 8°, 158r-160r, und Hs. 2345/2287 8°, 119r120r; Brüssel, Bibl. Royale, cod. 2192-93, 11 112V (alle um 1500). A u s g a b e . EISERMANN (nach B).

Der Verf. bezeichnet sich als gelerter und gelebter munch bredger ordens (B, 66V) und gehörte sicher dem südwestdt. Reformkreis der Dominikaner an. Er ziSehusen, Nicolaus -+ 'Huwilogus' [NB] tiert u. a. -»· Thomas von Aquin, die Bibel, Kirchenrecht, Patristik und RegelkommenSeifrit [Korr.] tare und bedient sich einer sehr anschauBd. 8, Sp. 1051 Überl.: "Cologny-Geneve, ... lichen Sprache, bisweilen mit lat. Eincod. 151 (... olim Nikolsburg, Fürst!. Dietrichsprengseln und predigthaften Elementen. steinsche Bibl., cod. ms. 96)" korr.: ... (... olim Der 'S.' ist nach dem Beginn des Schismas Nikolsburg, ..., cod. 138 [Kat. DUDIK, Arch. f. 1378 und vor 1410 (Datierung von B) entösterr. Gesch. 39 417-534, Nr. 96]). Vgl. standen, wohl nach 1388 — 1390, als die erU.-D. OPPITZ, Die dt.sprachigen Hss. der Fürsten sten Beschlüsse zur Reform der dt. OrdensDietrichstein aus Nikolsburg/Mähren, in: Fata liprovinz gefaßt wurden; Reformziele der bellorum, Fs. Fj. Pensel (GAG 648), 1999, S. 187Dominikaner werden mehrfach themati214, hier S. 196. siert (Johannes -> Nider kommt somit Sp. 1052, Z. 5 von unten: Die vollständige Sign, kaum als Verfasser in Frage). Die unbeder Stuttgarter Hs. lautet: Cod. hist. 2° 411. Vgl. W. v. HEYD, Die Hist. Hss. der Kgl. off. Bibl. zu kannte Adressatin war eine gewöhnliche Stuttgart, I, 1889/90, S. 185-187; S.v. BORRIESNonne, weder Äbtissin noch KonversSCHULTEN/ H. SPILLING, Die roman. Hss. der WLB oder Laienschwester; Regel, Gelübde und Stuttgart, Teil I: Prov. Zwiefalten, (Kat. d. illustr. sonstige Vorschriften galten für sie und Hss. d. WLB Stuttgart H/1), 1987, S. 112-114 ihre Gemeinschaft uneingeschränkt. Ihr (Nr. 66). Konvent befand sich zur Abfassungszeit des 'S.s' wegen simonistischer Vergehen im 'De semine scripturarum' -> Anonymus Kirchenbann (B, 47r). Hinweise auf voranBambergensis [NB] gegangene Schreiben zeigen, daß der Verf. eine kontinuierliche Ratgeberfunktion für die Frauen wahrnahm. 'Sendbrief Carissima soror Agnes' Dem 'S.' vorangestellt ist die dt. ÜberAnonymer dominikanischer Sendbrief, tragung der Simonie-Konstitution Ne in viadressiert an eine Zisterzienserin, entstan- nea domini Papst Urbans V. vom 4. April den um 1400 in Südwestdeutschland. 1369; Fragen der Simonie und der klösterlichen Lebensführung sind auch die TheÜ b e r l i e f e r u n g . Augsburg, ÜB, cod. III. 1. 4° 42, 82r-123r, v.J. 1453-1454 (A); Berlin, mgq men des 'S.s'. Behandelt werden Probleme

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'Sendbrief vom Betrug ...' — 'Sendbrief über das Verhalten ...'

des Klostereintritts, der Einhaltung der Klausur und des Privateigentums der Nonnen (vgl. -»· 'Privatbesitz im Ordensleben'); auch Fleischgenuß, Ordensregel, Offizium u. a. werden erörtert. Dabei erklärt der Autor jeweils sehr differenziert die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Mißständen. Im Abschnitt über Gottesdienst und klösterliche Aufgaben kommt auch der Zusammenhang von Askese, Devotion und Vision zur Sprache, wobei harsche Kritik an mystischen Offenbarungserlebnissen von Nonnen geübt wird. Meist handele es sich um Betrug und 'angenommene Heiligkeit', vor allem dann, wenn das Gemeinschaftsleben verfalle, weil die Betroffenen ihren alltäglichen Pflichten nicht nachkämen. Wie in vergleichbaren Texten ist unklar, ob der Anlaß für die Abfassung des 'S.s' eine reale Ratsuche war oder ob eine Aufzeichnungsfiktion inszeniert wurde, um Anliegen der Klosterreform legitimieren und verbreiten zu können. Zahlreiche rechtliche Allegationen strukturieren den Text, der dadurch eine juristisch-konsilienartige Bedeutungsebene erhält; das seelsorgerische Medium 'Sendbrief' öffnet sich hin zu einem juristischen Gebrauch. Der Text repräsentiert somit ein außergewöhnliches Zeugnis reformerischer Bemühungen um die Bildungsemanzipation geistlich lebender Frauen. Die Briefsammlung in N wurde zur Gänze von dem unbekannten Dominikaner verfaßt. Sie ist in 23 mit einem Buchstaben des Alphabets bezeichnete Kapitel und weitere 60 durchnumerierte Abschnitte unterteilt; inseriert ist auch Ne in vinea domini (18 r —20 r ). Kapitel A—I sind eng an den 'S.' angelehnt, weitere Abschnitte beruhen zu großen Teilen darauf. Andere Elemente, etwa die Ausführungen zur Klausur, fehlen in N. Die Briefe behandeln stattdessen weitere Fragen des monastischen Lebens, etwa das Schweigen und die Kleiderordnung. In N liegt somit eine seelsorgerische Enzyklopädie des aszetischen Lebens vor, die sowohl für Nonnen als auch für andere klösterlich lebende Menschen geeignet war: so gehören diße

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ding allen geistlichen geborsampten personen in den clöstern (10 r ). L i t e r a t u r . F. EISERMANN, Carissima soror Agnes, in: ders., E. SCHLOTHEUBER u. V. HONEMANN (Hgg.), Studien u. Texte zur lit. u. materiellen Kultur der Frauenklöster im späten MA (Studies in Medieval and Reformation Thought), Leiden 2004, im Druck.

FALK EISERMANN 'Sendbrief Jhesus der junckfrawen Maria sun' ->· 'Von Jesu Bettlein' [NB] 'Sendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen' [Korr./Nachtr.] Bd. 8, Sp. 1076 Überl.: "Cheb (Eger), Franziskanerkloster, cod. 45/330" korr.: Die Hs. befindet sich dzt. in Verwaltung des Chebske muzeum. Ebd.: Streiche "München, cgm 830, 48V-60V"; die Hs. enthält nicht diesen Text, sondern den Traktat 'Von -> Unterscheidung wahrer und falscher Andacht'. Vgl. die Ausgabe des 'Sendbriefs' v. U. WILLIAMS u. W. WILLIAMS-KRAPP, Eine Warnung an alle, dy sych etwas duneken. Der 'Sendbrief vom Betrug teuflischer Erscheinungen', in: Forschungen zur dt. Lit. des SpätMAs. Fs. J. Janota, hg. v. H. BRUNNER u. W. WILLIAMS-KRAPP, 2003, S. 167189, hier S. 169 Anm. 12, S. 170 (Textausg. S. 175-189).

'Sendbrief über ein geistliches Würfelspiel' - 'Geistliches Würfelspiel' [NB] 'Sendbrief über das Verhalten in mystischer Begnadung' Ü b e r l i e f e r u n g . Zürich, Zentralbibl., Hs. C96 (14./15.Jh., alem.), 131r-132r; Kölner Taulerdruck (Petrus Canisius) v. J. 1543, 329v-330r (fehlerhaft); lat. Paraphrase durch Surius, Köln 1548 (-> Tauler, Johannes, II.6.). Ausgabe. K. BIHLMEYER, Kleine Beitr. zur Gesch. der dt. Mystik, in: Beitr. zur Gesch. der Renaissance u. Reformation, Fg. f. J. Schlecht, hg. v. L. FISCHER, 1917, S. 45-62, hier S. 58 f. (Titel: 'Anfrage eines Mystikers bei einer Gottesfreundin über das Verhalten in mystischer Begnadung'; nach der Hs. mit den Varianten des Taulerdrucks.

Der Text beschreibt den Zustand wahrer Gelassenheit als ein wite ungemessen

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'Sendbrief über wahre Gelassenheit'

armüt, eilend und ein wüste, da kein bilde der gedank, gut noch bös, stat gehaben mag. Ziel ist die lere und das bevinden jenes heimlichen begirlichen funken, in dem man alles insprechen zitlicher süssikeit verachtet. Der Schreiber wendet sich dabei hilfesuchend an die Empfängerin, da die gegenwärtige Stätte (hier wohl wirklich als 'Aufenthaltsort' zu lesen) nicht geeignet sei: Nu beger ich ze habent ein abgescheiden statt, daz ich disem werk genug mähte sin; des enmag nu nit geschehen in den stellen, da ich nu bin. Liebu müter, dis nim als under dem ingesigel der bible. Tu wol! Diesem Schluß des Textes korrespondiert der Anfang: In Cristo Jhesu alle geminteste müter ... Daß hier tatsächlich eine weibliche Empfängerin und ein männlicher Absender vorliegen oder als Fiktion intendiert sind, macht die in der Zürcher Hs. folgende Antwort (im Register der Hs. als nütze lere bezeichnet) deutlich: Sun, von der gnaude gottes hier uff entwurt ich dir ... Die Antwort ist durch ein fehlendes Doppelblatt unvollständig; die Hs. trägt als ganze den Charakter einer Briefsammlung. Der Text und seine Überlieferung sind unter Aspekten der gender-Forschung von Interesse: Im Kölner Taulerdruck, der keine Antwort kennt, ist am Anfang und am Schluß die Anrede müter weggelassen, so daß es scheint, als handle es sich um eine Anfrage eines Beichtkindes bei seinem geistlichen Leiter. In der lat. Paraphrase des Kölner Kartäusers Surius wird der Anschein erweckt, der Empfänger sei männlich, die Schreiberin weiblich. Inhaltlichstilistisch läßt sich der Text keinem der bekannten Mystiker zuordnen, auch nicht, wenn man die 'männlich-kernhafte Natur' Taulers und die 'empfindsame und anlehnungsbedürftige Natur' -» Heinrichs von Nördlingen (BIHLMEYER, S. 61) bemüht. L i t e r a t u r . BIHLMEYER (s. o.), S. 60f.

FREIMUT LÖSER 'Sendbrief über wahre Gelassenheit' Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 4715 (v.J. 1491 u. a.), vorderer Spiegel-Ir. Inc.: In nomine domini amen. Liebe Schwester in Christo Jesu, ewer

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anligen und klagen ban ich vernumen ...so hat der glaub kein stat. Ausgabe. K. BIHLMEYER, Kleine Beitr. zur Gesch. der dt. Mystik, in: Beitr. zur Gesch. der Renaissance u. Reformation, Fg. f. J. Schlecht, hg. v. L. FISCHER, 1917, S. 45-62, hier S. 56 f. (Titel: 'Von wahrer Gelassenheit'). Nhd. Übersetzung. W. OEHL, Dt. Mystikerbriefe des MAs 1100-1500, 1931, S. 63 f., Nr. XXXVI, 2.

Der — nach gegenwärtigem Forschungsstand — singular in einer Hs. aus dem Augustinerinnenkloster Mariastein bei Eichstätt überlieferte kurze Text stammt wohl als solcher wie die Abschrift der anderen Texte der Hs. aus dem letzten Viertel des 15. Jh.s und steht mit dem Klosterleben dort in Zusammenhang. Zwar wird eingangs nach der Begrüßungsformel die war gelaszenheit angesprochen; diese hat hier aber nicht mystischen Charakter wie in anderen Texten der Hs., wo in der Nachfolge Meister -» Eckharts sogar vom Lassen Gottes die Rede ist ('Vom -»· verborgenen Gott zum bloßen Gott' [NB]). Vielmehr geht es hier zunächst einfach darum, ynnerlich truck und getreng standzuhalten, die sonst dazu führen würden, daß man sich und ander leut nit wol geleyden mag. Um dies zu vermeiden sei wahre Gelassenheit nötig. In einem zweiten Abschnitt (Liebe Schwester, solt yr wiszen ...) wird der Verunsicherung entgegengewirkt, die entstehen kann, wenn man hewt sich nit entpfinden kann als gestern. Rechte Gelassenheit beruhe nit auff der enpfindtlichkeit und Gott sei an mytel erst entpfenglich, wenn die sei von dem corper erledigt wird. Der Text enthält sich jeder mystischen Spekulation und wendet sich statt dessen mit einfachen, konkreten und klaren Worten an die Empfängerin. Es handelt sich wohl tatsächlich um einen Brief eines Geistlichen (Augustiners?) aus dem Umfeld des Klosters. L i t e r a t u r . BIHLMEYER (s.o.), S. 59 f. (eher irreführend).

FREIMUT LÖSER 'Sendbrief über den Weg zu Gott' -> 'Vom verborgenen Gott zum bloßen Gott' [NB]

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Seneca d. J., Lucius Annaeus — Siber, Martin

Seneca d. J., Lucius Annaeus [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 1093 f. (Übersetzungen) ergänze: Eine dt. Übers, existiert auch von 'De remediis fortuitorum' (o. B. V. 8.); vgl. P. OCHSENBEIN, ZfdA 126 (1997) 53-63. Sp. 1094, zu h) - i) ergänze: P. OCHSENBEIN, "Der wise heidenische meister Seneca sprichet". Seneca-Dicta in der dt. Lit. des SpätMAs, in: Lit. Formen des MAs, Florilegien, Kompilationen, Kollektionen, hg. v. K. ELM (Wolfenbütteler MA-Studien 15), 2000, S. 25-37.

Senior Zadith [Nachtr.] Bd. 8, S. 1101, zu III.l. Ausgabe: "M. VOGG, ...." korr.: M. MARiNOViC-VoGG, Codex 2372, l ra -30 rb ...,Diss. Wien 1989.

Pseudo-Serapion ('Aggregator') -» Minner, Hans (II.4.d.); -» 'Abdinghofer Arzneibuch' [NB]; -» 'Leipziger Drogenkompendium' [NB] 'Sermo de corpore [Nachtr.]

Christi' (deutsch)

Bd. 8, Sp. 1105 f.: Vgl. auch -» Österreichischer Bibelübersetzer, II. A. 5. [NB].

'Sermo de matrimonio' (deutsch) [Korr.]

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Ravenna geweiht wurde, ist in sechs dt. Legendaren und in sieben unabhängigen dt. Versionen überliefert (verzeichnet bei WILLIAMS-KRAPP, S. 459), die alle noch zu untersuchen wären. L i t e r a t u r . W. WILLIAMS-KRAPP, Die dt. u. ndl. Legendare des MAs (TTG 20), 1986, S. 459 (Reg.).

Eine weitere dt. S.-Legende ist auf einer Bildtafel in Regensburg überliefert (heute im Museum der St. Ulrichskirche). Dort stiftete die Bruderschaft der Wollwirker i. J. 1456, wahrscheinlich für die Dominikanerkirche, eine dreiteilige Bilderwand mit sechzehn Tafelbildern, die das Leben des Heiligen darstellen; sie werden durch lat. und dt. Spruchbänder erläutert und zusätzlich durch eine fortlaufend geschriebene S.-Legende am unteren Rand der Bilderwand ergänzt. Quelle ist, wie für die Version in 'Der -» Heiligen Leben', Liutolfs von Mainz 'Vita Severi' (AASS Feb. I [1863], S. 88E-89D). A u s g a b e der Spruchbänder und der Legende: H. U. SCHMID, Die mal. dt. Inschriften in Regensburg [Regensburger Beitr. zur Dt. Sprach- u. Lit.wiss./ B, 40], 1989, S. 32-36 bzw. 36 f.). Vgl. A. KRAUS/ W. PFEIFFER, Regensburg. Geschichte in Bilddokumenten, 21986, Nr. 195.

WERNER WILLIAMS-KRAPP

Bd. 8, Sp. 1106, Überl., b.: "Hs. in Privatbesitz (früher Zürich, Schachbibl. des Dr. Robert Blass, Nr. 7a ...)" korr.: Die Hs. ist jetzt in Berlin, SBBPK, Sign. Hdschr. 411.

Sextus Placitus Papyriensis ->· Placitus P., S. [NB]

Seuse, Heinrich [Nachtr.]

Siber, Martin

Bd. 8, Sp. 1116 f. bzw. 1123 f. zum 'Horologium sapientiae' ergänze: Eine obd. Übersetzung der Höllenvision aus Buch I, Kap. 10 überliefert Salzburg, ÜB, M I 476, 90r-90v; gedr. v. P. DINZELBACHER, Ungedruckte frühnhd. Jenseitsvisionen aus der Hs. M I 476 der ÜB Salzburg, in: Ir suit sprechen willekomen, Fs. H. Birkhan, 1998, S. 157164, hier S. 158-161. Vgl. ders., Eine Höllenvision aus Seuses 'Horologium sapientiae' in obd. Übers., ABäG51 (1999) 195 f.

Name des Verfassers einer kurzen gereimten Fechtlehre, die das Fechtbuch des ->· Hans von Speyer eröffnet. Zum Autor ist nichts Näheres bekannt, der Text nur hier überliefert. Die Überschrift (l r ) bringt den Autornamen (meinster mertin Siber} und spricht von einer neuen Kurzfassung (nuwe zettel} bekannter Fechtlehren (ein zuck auß mangerley meinster gefechtenn). Diese Kurzfassung gliedert sich in eine Vorrede mit 32 nicht abgesetzten Reimpaarversen (l r/v ), es folgen die sechs sog. 'Gänge' des Fechtens (l v —2 V , ebenfalls in Reimpaaren zu je 8 — 12 vv., nicht alle entsprechend abgesetzt). Die abschließende Lehre (3r) mit 27 Reimpaarversen (darun-

'Severus von Ravenna' Deutsche Legenden. Die Legende des verheirateten Wollwirkers S., Patrons der Weber, der durch ein Zeichen des Hl. Geistes zum Bischof von

1427

'Die sieben Eigenkünste' — 'Sieben Erklärungen zur weiblichen Sexualität ..."

ter ein Dreireim) wird trotz des Finis-Vermerks nach dem 6. 'Gang' ebenfalls S.s Fechtlehre angehören. Obwohl sich die Vorrede u. a. auf ungarische, italienische, französische, englische und russische (!) Meister beruft, verraten die fachspezifische Terminologie und der stark verkürzte, hermetische Stil leicht die Tradition Johann ->· Liechtenauers (HlLS, 1985, S. 113; vgl. WIERSCHIN, 1965, S. 1). Der Text wendet sich offenbar an Eingeweihte der Kunst. Der Merkverscharakter der sechs 'Gänge' wird aufgrund der Kehrreime deutlich. Ü b e r l i e f e r u n g . Salzburg, ÜB, M I 29, lr-3r. Beschr. bei A. JUNGREITHMAYR, Die dt. Hss. des MAs der ÜB Salzburg (Österr. Ak. d. Wiss.n, Veröffentlichungen d. Kommission f. Schrift- u. Buchwesen des MAs III, 2), Wien 1988, S. 5-7. L i t e r a t u r . M. WIERSCHIN, Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens (MTU 13), 1965; H.-P. HlLS, Meister Johann Liechtenauers Kunst des langen Schwertes (Europ. Hochschulschr.n III 257), 1985, S. 113, 114.

MANFRED KERN Sicke, Örtelin OP -»· Zitatensammlung der Berliner Hs. mgq 191 'Die sieben Eigenkünste' Berufskundlicher Traktat zu den Eigenkünsten (artes mechanicae). Ü b e r l i e f e r u n g . Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, Ms. poet, et roman. 4° 8, 150r-152r, im Kontext des 'Eisenacher Rechtsbuch' des Johannes -> Rothe, 1. H. 15. Jh., nordhess.-thüringisch. A u s g a b e n . W. CRECELIUS, Die sieben freien [!] Künste, AnzfKdVz NF 4 (1856) (9), 273 f., 303305; P. RONDI, Eisenacher Rechtsbuch, 1950, S. 244-251 (mit nhd. Übers.).

Der Traktat benutzt das auf das 'Didascalicon' -»· Hugos von St. Viktor zurückgehende gängige Schema der Eigenkünste (artes mechanicae), das er im einzelnen abwandelt, zu einer Darstellung der handwerklichen Berufe. Der ostmd. — wahrscheinlich schlesische — Verfasser baut den Textkern aus sieben Kapiteln auf, wobei er jeweils eines für eine der sieben eygin kunste bereithält

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(die buwinde, webinde, schiffinde kunst, die ackerkunst, die spisinde, arczinde und die hofekunst). Dabei ordnet er jeder kunst nach dem Werkstoff-Prinzip (beispielsweise syde, wolle, lynen, bast, ruchwerg, slechtwerg bei der webinden kunst) möglichst sechs houpt hantwerke zu, unter denen er Gewerbe-Bereiche versteht, die er anschließend in die zugehörigen ändern hantwerke — und das sind die einzelnen Berufe — untergliedert. Besonders gut kennt er sich im Bauhandwerk sowie im nahrungsmittelverarbeitenden Gewerbe aus. Die geschilderte Professionalisierung spiegelt oderländische Verhältnisse und greift im slangenfenger der arczinden kunst auf spezifisch oberschlesische, durch -> Nikolaus von Polen (bzw. -*· Nikolaus von Mumpelier) geschaffene Sonderbedingungen der Heilberufe zurück. Für die Fachprosaforschung gewann der Text insofern Bedeutung, als der berufskundliche Traktat G. Eis zu seiner Untergliederung der 'ungeordneten Masse' an 'Denkmälern der Fachliteratur' veranlaßte. L i t e r a t u r . F. BECH, Über Johannes Rothe, Germ. 6 (1861) 79 f.; G. Eis, Die sieben Eigenkünste u. ihre altdt. Lit.denkmäler, FuF 26 (1950) 269-271; P. ASSION, Altdt. Fachlit., 1973, S. 82158 passim; F. KRAFFT, Art. 'Artes mechanicae', in: Lexikon d. MAs I, 1980, Sp. 1063-1065 (allg.; Lit.!); G. KEIL, Medizinische Bildung u. Alternativmedizin, in: Nicht Vielwissen sättigt den Menschen: Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute, hg. v. W. BÖHM u. M. LINDAUER (Würzburger Symposien 3), 1988, S. 245-271, hier S. 251.

BERNHARD D. HAAGE / G. KEIL 'Sieben Erklärungen zur weiblichen Sexualität und zur Reproduktion' ('Die gehaim der frowen') Gynäkologisch-sexualkundlicher Traktat aus dem westlichen Oberdeutschland. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgf 1069, 196ra197vh (im Anschluß daran der Traktat 'Von der -> Natur der Frauen und ihren Krankheiten' [NB]); München, cgm 723, 216r-219r; Stuttgart, LB, cod. med. et phys. 2° 5, 147v-149r. A u s g a b e . B.-J. KRUSE, Verborgene Heilkünste. Gesch. der Frauenmedizin im SpätMA (Quellen u. Forschg.n z. Literatur- u. Kulturgesch. 5 [239]), 1996, S. 268-271 (nach der Berliner Hs.).

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'Sieben Freuden Mariens' — 'Siebenhardenbeliebung' und 'Krone der rechten Wahrheit'

N h d . Ü b e r s e t z u n g . Dies., 'Die Arznei ist Goldes wert'. Mal. Frauenrezepte, 1999, S. 223228 (nicht ohne Mißverständnisse).

Der sorgfältig strukturierte Text befaßt sich in sieben Abschnitten mit Menstruation und Störungen des weiblichen Orgasmus. Der Verfasser wurzelt in der Humoralpathologie, zeigt sich vertraut mit den gängigen Zeugungslehren (Rechts-linksTheorie, Zwei-Samen-Lehre, sieben-kammeriger Uterus). Daß viele Männer ihren mütwillen zu rasch vollzögen und die Frauen zwar anzünden, aber nicht zu ihrem gelust kommen lassen, führe zu Schäden, die der Verfasser mit dem Oppilationsmodell in bezug auf verhaltene Katamenien sowie fehlgeleiteten Samen erklärt; daran stürben Tausende von Frauen. Darum sollte eine Frau vor der Ehe mit ein ändern rissen mit schimpffen, mit küssen vnd halsen den Mann prüfen, ob sie spürt, daß sich ihr schlos gegen jm entzündet. Damit nimmt der Verfasser die 'solutuscum-soluta'-Thesen des Alexander Seitz (Basel 1533) schon teilweise vorweg. In der Berliner Hs. wird dieser Text gerahmt von einem gynäkologischen Rezeptar. L i t e r a t u r . KRUSE, 1996, S. 43, 73, 220, 231 u. ö.; dies., 1999, S. 7, 20, 36, 63 u. ö.; M. H. GREEN, Women's Healthcare in the Medieval West. Texts and Contexts (Variorum Collected Studies Series CS 680), Aldershot-Burlington/USA - Singapur — Sydney 2000, Appendix S. 31.

G. KEIL 'Sieben Freuden Mariens' [Korr./Nachtr.] Bd. 8, Sp. 1159 zu A. L, Überl. 7 Freuden, c) ergänze: = 'Wurzgarten', Abdruck WACKERNAGEL, KL II Nr. 1087; vgl. -» 'Hortulus animae' [Erg. im NB]. Sp. 1160, zu V. u. Sp. 1165, zu XIV. h) ergänze den Abdruck aus dem 'Hildesheimer Nonnengebetbuch' bei E. LÖFSTEDT, Ein mittelostfäl. Gebetbuch, Lund 1935, S. 59 f. Sp. 1162 Z. 8 von unten: "New York, Pierpont Morgan Library, Ms. 76" korr.: ..., M. 76. Sp. 1165 zu h) ergänze die Ausg. bei LÖFSTEDT (s.o.), S. 60-67. Sp. 1166, zu XV. c): "Osnabrück, Gymn.-Bibl., mscr. C. IX, Nr. 3; ebd., mscr. C. XVI, Nachträge Nr. d" korr.: ..., Niedersächs. Staatsarchiv, Dep.

1430

58 Hs C IX ...; ebd., Dep. 58 Hs C XVI; vgl. Hss. in Osnabrück, beschrieben v. U. KÜHNE u. a. (Mal. Hss. in Niedersachsen. Kurzkatalog 2), 1993, S. 177f. [A. HAUCAP]. Sp. 1167, Z. 7: Die Sign, der Hs. in s'-Heerenberg, Stichting Huis Bergh, lautet hs. 6 (Cat. VAN LUTTERVELT, Nr. 288). Vgl. J. H. VAN HEEK, Huis Bergh: Kasteel en Collectie, Nijmegen 1987, S. 84.

'Sieben weise Meister' [Korr.] Bd. 8, Sp. 1176 Z. 15: statt "der 'SwM'-Leser" korr.: den 'SwM' Leser. Sp. 1182 Z. 13 von unten: "VII. 'Versio Italica' (I)" ergänze: , lat. Sp. 1183, 2. Absatz: "Es gibt zwei ... genannt hat." Korr.: Es gibt zwei mit dem lat. Text inhaltlich genau übereinstimmende ital. Fassungen: die eine hat A. CAPPELLI (II libro dei sette savi di Roma, Bologna 1865), die andere F. ROEDIGER (Libro de' sette savi di Roma, Firenze 1883) herausgegeben. Alle drei Fassungen gehören zusammen mit einigen Varianten zu einer Textgruppe, die MUSSAFIA (1868), um ihre Heimat zu bezeichnen, 'Versio Italica' genannt hat. Sp. 1188, im Lit.verz. ergänze: H. L. WARD, Catalogue of Romances in the Department of Mss. in the British Museum II, London 1893 (Nachdr. 1962), S. 190-234. Hinweise U. Gerdes

'Siebenhardenbeliebung' und 'Krone der rechten Wahrheit' Nordfriesische Rechtsquellen des 15. Jh.s, die zeitgleich verfaßt wurden. 1. 'Siebenhardenbeliebung'. Ü b e r l i e f e r u n g . 12 Abschriften des 16.-18. Jh.s beschrieben bei PAPPENHEIM, Ausg., S. 65 f.; Differenzen der Laa. legen die Zusammenfassung in 2 Gruppen nahe (A: 8 Hss., B: 4 Hss.). A u s g a b e . M. PAPPENHEIM, Die Siebenhardenbeliebung vom 17. Juni 1426, Flensburg 1926, S. 67-76; Rez.: R. His, ZRG German. Abt. 47 (1927) 770-772. - Älterer Druck: K. VON RICHTHOFEN, Friesische Rechtsquellen, Berlin 1840, S. 578-582.

Im Jahre 1426 wurde durch Beschluß der Vertreter der einzelnen Bezirke (Harden) der nördlichen Außenlande Nordfrieslands das Recht in nd. Sprache festgelegt, auch um es gegen Eingriffe der Schleswiger Herzöge und Einflüsse des jütischen Rechts (Jyske lov) zu schützen. PAPPEN-

1431

'Siebenhardenbeliebung' und 'Krone der rechten Wahrheit'

HEIM (S. 9) schreibt Magnus Hayessen als Vertreter des Herzogs Heinrich von Schleswig Einfluß auf die Formulierung des Textes zu. Die sieben Harden, aus denen Vertreter an der Sitzung in Föhr teilnahmen, waren 1405/1411 aus der schauenburgischen Landesherrschaft entlassen worden. Bei Anlaß ihrer neuerlichen Zuwendung zu den Schauenburgern wurden die für sie wesentlichen Rechtsmaterien kodifiziert. Die Bezeichnung 'S.' ist erstmals im Landrechtsentwurf überliefert, der 1558 Herzog Johann d. Ä. zur Genehmigung vorgelegt wurde. Art. 1 — 5 handeln vom Erbrecht, darauf folgt eine Anzahl verschiedenartiger, systematisch geordneter Vorschriften (Art. 6— 11). Art. 6 droht Verlust von Leben und Gut wegen gewisser Friedensbrüche an, Art. 7 regelt die Friedlosigkeit einer 'Neidingstötung', Art. 8 behandelt Bußen, die durch eine Straftat verwirkt sind, Art. 9 schränkt das Strandrecht zugunsten der beteiligten Harden gegen das Recht des Herzogs ein. Art. 10 enthält einen der seltenen Fälle eines in gebundener Rede gefaßten Einschubs in einem juristischen Text: De dar land will kopen, de schal lüde ropen, de dar will land seilen, de schall lüde bellen. Den Schluß bilden wieder erbrechtliche Regelungen (Art. 12—23). Die Ausführlichkeit des letzten Teiles läßt vermuten, daß der Text ursprünglich nach Art. 11 endete. Die formelle Geltung der 'S.' endete noch im 15. Jh. mit der Erstarkung der Landesherrschaft, die die Autonomie der Friesen zurückdrängte. Materiell haben die Regelungen durch ihre Übernahme in das Nordstrander Landrecht (Entwurf von 1558, Gesetz Herzog Johanns d. Ä. von 1572) bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) gegolten. L i t e r a t u r . PAPPENHEIM (s.o. Ausg.); W. CARSTENS, Zur Entstehungsgesch. der nordfriesischen 'S.' u. der Eiderstedter 'Krone der rechten Wahrheit' v.J. 1426, Zs. d. Ges.f. schlesw.-holst. Geschichte 65 (1937) 368-378; O. HARTZ, Die Entstehung der 'S.' von 1426, Jb. d. Heimatbundes Nordfnesland 24 (1937) 158-168; E. WOHLHAUPTER, Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. l,

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1938, S. 43-45; O. HARTZ, Die Rechtssätze der 'S.' von 1426, ZRG German. Abt. 60 (1940) 300313; W. CARSTENS, Die 'S.' u. die politische Entwicklung Nordfrieslands im MA, ZRG German. Abt. 62 (1942) 358-371; K. VON AMIRA/ K. A. ECKHARDT, Germ. Recht, Bd. l, Rechtsdenkmäler, 4 1960, S. 141; K. BOYSEN, Das Nordstrander Landrecht von 1572, 1967; H. SCHLOSSER, in: Hwb. z. dt. Rechtsgesch., Bd. l, 1971, Sp. 1303.

2. 'Krone der rechten Wahrheit'. Ü b e r l i e f e r u n g . Zeitgenössische Hss. sind nicht vorhanden. Der Text ist in der hs.liehen Chronik von Petrus Sax, 'Nova totius Frisiae septentrionalis Descriptio ..." von 1636 überliefert (z. B. Kiel, ÜB, cod. ms. 216 C, S. 185-190; u. a.), hg. vom Nordfriisk Instituut in Braist/Bredstedt, NF. 1986, S. 247-250. Eine weitere Überl. bei J. H. C. DREYER, Slg. vermischter Abhh. zur Erläuterung der teutschen Rechte u. Alterthümer, T. 3, Rostock/Weimar 1763, S. 1745 ff. Ausgabe. I. Low, Die Eiderstedter Landrechte von 1426 bis 1591, 2003, S. 187-194. Älterer Druck: VON RICHTHOFEN, 1840 (s.o. 1.) S. 561 — 568 (benutzte neben DREYERS Druck eine Abschrift von Sax durch A. J. L. Michelsen).

Die Dreilande Eiderstedts (Eiderstedt, Utholm, Everschop) hatten 1414 den Schauenburgern gehuldigt, so daß die Rechtsaufzeichnung von 1426, die sich in ihrem Vorspruch als Krone der rechten warheit bezeichnet, nicht auf eine Rechtsschöpfung durch die Gemeinden Bezug nehmen, sondern nur das überlieferte Recht (ein recht wilkörtes recht) niederlegen konnte. Der Name des Textes soll vielleicht die Übereinstimmung mit kanonischem oder natürlichem Recht betonen (vgl. Art. II 42 § 6 'Sachsenspiegel' Landrecht [-» Eike von Repgow]). Der Text umfaßt 25 Artikel, zu denen 6 ergänzende Artikel hinzukamen. Die Datierung der Ergänzungen ist unsicher, 1466 war ihre Formulierung abgeschlossen. Die Artikel behandeln Erbrecht, Ehegüterrecht und Verfahrensrecht. Löw hat gezeigt (S. 158 — 169), daß der Kern dieser Regelungen materiell in das Eiderstedter Landrecht von 1572 (insbes. Art. 29) übernommen wurde und dort weiterwirkte. L i t e r a t u r . E. BRUHN, Die K. d. r. W., in: A. GEERKENS (Hg.), Fg. zum Eiderstedter Heimatfest 1927, 1927, S. 14-22 (teilweiser Nachdr.: F. Jo-

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Sigebert von Gembloux — Sigehard von St. Alban

HANNSEN [Hg.], Die K. d. r. W., 1976); CARSTENS, (1937, s. o. 1.); Low (s. Ausg.).

ULRICH-DIETER OPPITZ 'Siebzig (Siebenundsiebzig) Namen Marias' -> 'Zweiundsiebzig N. M.s' (III.3.a., 3.b., 5.a) [NB] Sieg- ->· auch Sig-, SigeSigebert von Gembloux [Korr.] Bd. 8, Sp. 1217 zu 4. und Sp. 1218 unten zu 6., Überl.: "Berlin, SB, cod. Theol. oct. 94" korr.: ..., cod. Theol. lat. oct. 94; die Hs. befindet sich heute in Krakau, Bibl. Jagiellonska. Vgl. Katalog v. P. J. BECKER/ T. B. BRANDIS, Die theol. lat. Hss. in Folio der SB Preuß. Kulturbesitz Berlin, 1985, Ein!. S. 7. Sp. 1218 zu 5. und Sp. 1223 zu III.l., Ausg.: "Leipzig, ÜB, cod. civ. Rep. II" korr.: ..., Rep. 11.69.

Sigeboldus Hermita -» Sigwalt Sog. Sigehard von St. Alban Mainzer Hagiograph um 1297. 1. Um 1297 entstand im traditionsreichen Benediktinerkloster St. Alban bei Mainz auf der Basis älterer Überlieferungsschichten die 'Passio, inventio et translatio sanctorum Aurei et lustinae' eines St. Albaner Mönches, der seit dem 16. Jh. unter dem Namen Sigehardus figuriert (BHL 826). In der an Abt Konrad (III., 12771307) und den Konvent von St. Alban gerichteten Dedikationsepistel weist sich der Verfasser dagegen lediglich als frater S. aus (s. u. 3.). Ü b e r l i e f e r u n g . Zu früheren Stufen des gesamten Legendenkomplexes (s. u. 2.) s. Art. -» Gozwin von Mainz, STAAB, S. 37 — 39 mit Anm. 22 u. 24, S. 67 f. mit Anm. 131; zur spätmal. Überl. GOERLITZ, 1999 a, S. 278-288 u. S. 297 mit Anm. 489. Die Überl. gliedert sich in zwei Gruppen, die den Text in 60 lectiones (A) bzw. in 20 capita (B) präsentieren. A: u. a. Würzburg, ÜB, M. eh. f. 67, 5r-15v (Abschr. d. 17. Jh.s, mit gekürzter Dedikationsepistel u. ohne den Prolog, jedoch mit der charakteristischen Einteilung in lectiones, wahrscheinlich aufgrund der Endredaktion der Chronik des Humanisten H. Piscator, der die Legende vollständig in seine Chronik inserierte, so etwa auch in München, clm 28200, 102V-141"; s. GOERLITZ, 1999 a, S. 101-163, 280f. mit Anm. 421,

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u. ergänzend GOERLITZ, 2000); verschollen ist die von SERARIUS, Hb. I, c. 40 u. ö., erwähnte Überl. — B: verschollene Hs. der Kölner Kartause (Vorlage für die Ausg. v. PAPEBROCH, s. ebd., S. 39, Nr. 12). A u s g a b e n . Auszüge hg. v. D. PAPEBROCH, AASS Juni Bd. 4, 31867, S. 37-79, hier S. 38-40, Nr. 7, 11 f., 15 f., u. S. 62-65, Nr. 1-15 (zit., Nennung des Datums 1297 S. 64 [Nr. 13]; danach G. CHR. JOANNIS, Rerum Moguntiacarum vol. II, Frankfurt a. M. 1722, S. 7-11, 15-22).

2. Im Zentrum stehen Leben und Nachwirken des Mainzer Bischofs Aureus und seiner legendären Schwester lustina, die am 16. Juni 454 durch die Hunnen das Martyrium erlitten und in St. Alban ihre Grablege gefunden haben sollen. Beide Märtyrer gehören dem Legendenkreis um den Mainzer Heiligen Alban an, welcher in der Mitte des 11. Jh.s in der gegen Trierer Primatsansprüche gerichteten 'Passio sancti Albani' des Domscholasters -*· Gozwin von Mainz ausgeformt worden war. Auf Dedikationsepistel und Prolog, in dem eine Quellenbenennung erfolgt, schließt sich der an Gozwin anknüpfende, weit ausgreifende Legendentext an. Zunächst wird von dem von Trier abgeleiteten, legendären Ursprung von Mainz erzählt. Es folgt eine von Fiktionen durchsetzte Darstellung der Geschichte von Stadt und Bistum in römischer und fränkischer Zeit, die über die Zerstörung von Mainz durch die Hunnen und den Wiederaufbau durch König Dagobert bis auf Erzbischof Bonifatius und die frühe Blütezeit des Klosters St. Alban geführt wird. Indem die pagane Profangeschichte von Mainz funktionell auf Christianisierung und Aufstieg des Bistums mit seinen heiligen Märtyrern Aureus und lustina hin zugeordnet wird, fügt sich das hagiographische Anliegen des sog. Sigehard in diesen historiographisch weitgespannten Rahmen ein, und über inventio und translatio der Reliquien der St. Albaner Heiligen im 12. und 13. Jh. sowie ihre Wundertätigkeit bindet die Legende unmittelbar an die (spät-)mal. Gegenwart an. 3. Wirkung und Rezeption des sog. Sigehard von St. Alban reichen bis in die Neuzeit (s. PAPEBROCHS Komm, zur Ausg.; STAAB, S. 37 Anm. 24; GOERLITZ, 1999 a, S. 279-283 mit Anm. 426; dies., 1999b,

1435

Simon von Ruckersburg — Sittich, Erhard

S. 202-212; dies., 2004). Im Zeitalter des Humanismus wurde der Text nicht zuletzt wegen der Bezugnahme auf die frühe Geschichte von Mainz rezipiert, und wohl zuerst Joh. -» Trithemius [NB] löste die Namensinitiale (s. o. 1.) zu Sigehardus auf. N. SERARIUS schrieb diesen Autornamen Anfang des 17. Jh.s in seiner lange maßgeblichen Geschichte des Erzstifts Mainz fest, was in der Teilausgabe der 'Acta Sanctorum' übernommen wurde. Eine nähere textwissenschaftliche Analyse hätte u. a. dem erst im Ansatz untersuchten Verhältnis zu dem bedeutenden Erzählkomplex der -» 'Gesta Treverorum' (GoERLixz, 2004) nachzugehen. L i t e r a t u r . BHL 826. — Zur älteren Lit. s. STAAB, S. 36 f., 67 f.; GOERLITZ, 1999 a, S. 278285; GOERLITZ, 2004, Anm. 58. - N. SERARIUS, Moguntiacarum rerum [...] libri quinque, Mainz 1604 (erneut hg. v. G. CHR. JOANNIS, Rerum Moguntiacarum vol. I, Frankfurt a. Main 1722, S. l — 906); F. STAAB, Die Mainzer Kirche, in: ST. WEINFURTER (Hg.), Die Salier u. das Reich, Bd. 2, 1991, S. 31-77; R. SCHMID, Die Abtei St. Alban vor Mainz im hohen u. späten MA (Beitr. z. Gesch. d. Stadt Mainz 30), 1996, bes. S. 58-65; U. GOERLITZ, Humanismus u. Geschichtsschreibung am Mittelrhein, 1999 (= 1999a); dies., Wissen u. Repräsentation, in: U. SCHAEFER (Hg.), Artes im MA, 1999, S. 198-212 (= 1999b); dies., Zu Überl. u. Rezeption der Chron. des Hermannus Piscator, Arch. f. Hessische Gesch. u. Altertumskunde NF 58 (2000) 209-231; dies., Facetten lit. Lebens in Mainz zwischen 1250 u. 1500, in: M. MATHEUS (Hg.), Lebenswelten Gutenbergs (Mainzer Vortrr. 7), 2004 (im Druck).

UTA GOERLITZ Sog. 'Sigunenklage' -* Albrecht (Dichter des 'Jüngeren TitureP) (III.A.5.) Simon von Ruckersburg [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 1260: "Teilausgabe in Vorbereitung": Vgl. V. HONEMANN u. G. DIEHL, Vom Bibelkommentar zur Predigt: Robert Holcot u. S. v. R. über die Verderblichkeit der Lüge, in: Fata libellorum, Fs. f. Franz Josef Pensel (GAG 648), 1999, S. 79-93.

'Simon von Trient' [Korr./Nachtr.] Bd. 8, Sp. 1262, Z. 12 f.: Die Hs. Philadelphia, Rosenbach Foundation, befindet sich jetzt in New York, Yeshiva Univ. Libr., 1478 German Ms. Vgl. R. Po-chia HSIA, Trient 1475, 1997, S. 181, Nr. 11.

1436

Sp. 1267 unten, zu 3., Überl.: "Melk, Stiftsbibl., cod. 1860" korr.: ..., cod. 1560 (olim 61; B 26). Sp. 1274, zu 'Ulmer Simon-Gedicht' ergänze: Druck, [Ulm, J. Zainer d. J. um 1500]; ein weiterer Einblattdruck [Nürnberg, J. Weißenburger um 1506/07], Ex. Bamberg, SB, VI. G 75, vgl. P. SCHÖNER, Judenbilder im dt. Einblattdruck der Renaissance (Saecvla spiritalia 42), 2002, S. 128-131, 354—357, mit Abb. (Hinweis F. Schanze). Sittich, Erhard [Nachtr.] Bd. 8, Sp. 1288 f. ergänze:

E. S. ist auch Verfasser einer 'Nativität' für Herzog Johann den Beständigen von Sachsen (1468-1532). Ms.: Gotha, Forschungsbibl., Chart. B 62, 74 Bll. (evtl. Autograph), im Text datiert auf den 30. 9. 1499. — Biographische Daten zu S. bisher nicht bekannt. Der Text ist ein frühes Beispiel der seltenen Gattung volkssprachiges Individualhoroskop. Den Auftrag zur Abfassung erteilte Wolfgang von Ahaim, Hofmeister Herzog Albrechts IV. von Bayern-München (1447—1508), nachdem S., der sich astrologus nennt (34V), dem Bayernherzog ain judicium vber seiner fürstlichen gnaden gepurdt überreicht hatte, so ich beschriben (34r; offenbar nicht erhalten). Inhalt: 12 Kapitel, 'was zu welchem Zeitpunkt zu tun und zu lassen sei', Auslegung des Kalenders, die eigentliche Nativität mit Zeichnung der 'Figura nativitatis' (mit lat. Beischriften), Erklärung der Sternzeichen, Aderlaßanweisungen, Wochenhoroskop, prognostische Hinweise u. a. zu den färben seiner klaider und den farbenn seiner pfärde (69 V —71 r ). Es zeigen sich mithin gattungstypische ebenso wie eher ungewöhnliche Elemente. Da eine individualisierte biographische Bezugnahme auf den Empfänger fehlt, dürfte es sich um eine astrologische Routinearbeit handeln, die ohne Mitwirken des Adressaten aus der Ferne erstellt wurde. Ein persönlicher Bezug zwischen Autor und Empfänger läßt sich bislang nicht feststellen. Weiterhin verfaßte S. eine dt. Practica auf das Jahr 1498 (Druck: [Nürnberg: Ambrosius Huber], 8 Bll.; Ex.: Wien, ÖNB, 11 G 70).

1437

'Der siecht weg' und das Oberrheinische Erbauungsbuch'

L i t e r a t u r zur Gattung 'Nativität', indicium magnum: R. REISINGER, Historische Horoskopie, 1997; H. UNTERREITMEIER, Dt. Astronomie/Astrologie im SpätMA, AKG 65 (1983) 21-41, bes. S. 35-37.

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größere Auslassungen oder Zusätze einzelner Hss. bedürfen noch genauerer Untersuchung.

Papst Sixtus IV. -» Ablaßgebete [NB]

1. K 2 r —6 V (Nachtrag von anderer Hand, nicht in BDDDP, nicht Teil des . E.'): Glossenlied über das 'Ave Maria', vgl. ->· 'Goldenes Ave Maria' II.3. Danach leer bis ll v .

'Der siecht weg' und das Oberrheinische Erbauungsbuch'

2. K 12r-54v: Über die Herkunft der Seele von Gott und ihre Reinigung durch Beichte. 1882 vv.

FALK EISERMANN

Fünf Hss., entstanden seit dem 2. Viertel des 15. Jh.s im oberrheinischen Raum, überliefern eine umfangreiche Kompilation von geistlichen Gedichten in Reimpaarversen, hier das Oberrheinische Erbauungsbuch' ( . E.'). Eine große Partie daraus trägt in drei Hss. (B, D D und K) den Titel 'Der siecht weg zu dem himelrich' ('sl. w.'), nur in einer (K) wird auch ein Ende dieser Partie markiert, ohne daß von den Texten her ein Einschnitt an dieser Stelle zwingend wäre. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Die meisten Texte des . E." finden sich ausschließlich in folgenden fünf Hss.: B = Berlin, mgf 742 (elsäss., Mitte 15. Jh.; Lücken durch Blattverluste, falsch gebunden); D = Düsseldorf, ÜB, Ms. F 55 (früher Schloß Dyck; rhfrk., ca. 1460-80); DD = Dresden, LB, cod. M 60 (elsäss., aus der Werkstatt Diebolt Laubers, wohl um 1427-35); K = Karlsruhe, LB, cod. Lichtenthal 77 (rhfrk., wohl nach 1430); P = Paris, Bibl. nat., Ms. Allem. 117 (elsäss., zweites Viertel 15. Jh.). B, D und DD sind illustriert, zusammen mit der nicht illustrierten Hs. P gehören sie zu einer Redaktion, K zu einer anderen. DD und P enthalten ein Register. Ausgabe. OTTO, Bd. l (Druck in Vorb.).

2. I n h a l t . Die folgende Übersicht geht von der reichhaltigsten Hs. K aus und nennt nur deren Blattzahlen. Weder die Abgrenzung des . E.' von anderen Texten noch die Grenzziehung zwischen den einzelnen Texten der Kompilation ist immer ganz klar. Die Übersicht erfaßt daher auch die offensichtlich nicht zum . E.' gehörigen Texte von K. Die durch Überschriften markierten 'Kapitel' von K werden nach inhaltlichen Gesichtspunkten zusammengefaßt. Soweit nichts anderes vermerkt, finden sich die Texte in allen fünf Hss. und nur in diesen. Die angegebenen Verszahlen sollen nur einer vorläufigen Orientierung dienen; kleinere und

3. K 54 V —75 r : Lebenspraktische Lehren auf geistlicher Grundlage, außer in den Hss. des . E.' auch schon etwas früher überliefert in: Paris, Bibl. nat., Ms. Allem. 150 (Speyer 1419), 263r-268r, 345r-356v. 3 a. 'Meister Albertus Lehre', über rechtes Reden, Schweigen und Ratfragen nach der 'Doctrina dicendi et tacendi' und dem 'Liber consolationis et consilii' des ->· Albertanus von Brescia. 438 vv. 3 b. Über Ehe, Kinder und Gesinde. 530 vv., nicht nach Albertanus von Brescia und wohl eigener Text. Beide Texte nach B, DD und Ms. Allem. 150 hg. v. J. BOSTOCK, Albertanus Brixiensis in Germany, Oxford 1924, S. 79-106; vgl. auch S. 34-70, 117-123. 4. K75 r -77 v : -> Mönch von Salzburg, Marienlied, ed. SPECHTLER G 10, auch sonst breit überliefert, im . E.' mit einer Ablaßzusage von Papst Bonifaz IX. 5. K77 v -119 r : 'Der siecht weg zu dem himelrich', erster Teil. Lehrdialog eines frommen Menschen mit einer Stimme, die er als Gottes Stimme wahrnimmt, die aber von Gott in der 3. Person spricht; dazwischen nicht-dialogische Einschübe. 5 a. Einleitung, fehlt DP, 17 vv. 5 b. Dialog über richtige Vorbereitung aufs Sterben und gottgefälliges Leben, 648 vv., fehlt B. 5 c. Einschub, Lehrgedicht von den Zehn Geboten und ihrer Erneuerung durch Christus, 336 vv., fehlt B. 5d. Einschub, Mahnungen zu frommem Leben und zur Unterscheidung von guten und schlechten Gedanken, 38 vv., fehlt DP. 5 e. Dialog über das geistliche Finden Gottes in der Eucharistie und im täglichen Glaubensleben 790 vv. 5 f. Dialog über rechtes Gotteslob, 172 vv., fehlt B, in D und P früher abbrechend, auch in K ohne eigentlichen Schluß.

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'Der siecht weg' und das Oberrheinische Erbauungsbuch'

Dialogform kommt sonst im . E.' nicht vor. Es scheint, daß ein fragmentarisches Dialoggedicht durch thematisch passende Einschübe erweitert wurde. Möglicherweise bildete dies dann den Kern zur ganzen Kompilation. 6. K 119r-142v (fehlt in BDDDP): 'Der siecht weg zu dem himelrich', zweiter Teil. 6 a. Über irdisches Leid, das Leiden Christi und das rechte Leid der Reue, 730 vv. 6b. Über Glaube, Liebe und Hoffnung, mit Autoritätenzitaten und gezählten Katalogen (z. B. Sancte Bernhart leret uns fünff ding, die war minne zeichen sint), 436 vv. 7. K 142r-199r: 'Der siecht weg zu dem himelrich', dritter Teil. Auch hier finden sich wie in 6 b, aber anders als in 5, Autoritätenzitate und gezählte Merkpunkte. Die Themen: 7 a. Über Reue und Buße, 544 vv. 7 b. Über Gebet und Passionsbetrachtung, 1310 vv., daraus ein Abschnitt über das Gebet des hl. Franziskus (68 vv.) nach BDDP hg. v. K. RUH, Franzisk. Schrifttum II, S. 325 —327. 7c. Exempel zu Gebet und Passionsbetrachtung 'Der -> Waldbruder', 140 vv., hg. v. CLOSS, S. 114—119. 7d. Exempel zur Passionsbetrachtung 'Der Söldner als Barfüßer', 74 vv. 7 e. Über böse und fromme Gedanken, den Willen des Menschen und den Willen Gottes, 732 vv. 7 f. Wie man der Gnade Gottes gewiß sein kann, 80 vv., fehlt B. — 199r: hie ist der siecht weg des büches zu ende körnen, Got muß vns alle in daz ewige leben fronten. Amen. 8. K 199r-206v (fehlt BDDDP, nicht Teil des . E.'): Geistliche Texte, überwiegend in Prosa, darunter Kommuniongebet Heinrich -»· Seuses aus dem 'Büchlein der ewigen Weisheit' Kap. 23. 9. K 206V-238V (in BDDDP zwischen 4 und 5 eingeordnet): Weitere geistliche Texte des O.E.'. 9a. Gedicht über die zehn Gebote, die sieben Sakramente, die sechs Werke der Barmherzigkeit, die sieben Tagzeiten der Passion, Warnung vor dem Antichrist und Mahnung, sich auf Christi Passion zu berufen, die sechs Farben von Christi Passion, 948 vv. 9 b. -> 'Weltlohn', 722 vv., vielleicht dazu gehörig eine kurze

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Paraphrase der zehn Gebote (20 vv.), die sich in B und DD anschließt. Zu diesem Block gehört auch 9c. Die -» 'Teufelsbeichte' (237 vv.), die jedoch in K fehlt. Versucht man Texttypen und Überlieferungsbefunde zusammenzusehen, so erweisen sich Nr. l und 8 des Inhalts von K als offensichtliche Fremdbestandteile, die man nicht zum . E.' rechnen sollte, 3 und 4 als thematisch randständig, aber doch wohl zu der gegenüber dem 'sl. w.' erweiterten Sammlung gehörig. Nr. 6 ist Sondergut von K, fügt sich aber gut in den Charakter von 'sl. w.' und . E.'; es bleibt zu prüfen, ob dieses Stück sekundär aufgenommen wurde oder ob es zum ursprünglichen Bestand gehört hat und in der Redaktion BDDDP einer Kürzung zum Opfer gefallen ist. Wie K so enthalten auch die zu einer anderen Redaktion gehörigen übrigen Hss. des . E.' Sondergut. Durch alle vier Hss. dieser Redaktion sind bezeugt die 'Teufelsbeichte' (oben 9 c) und das Marienlob -» Johannes des Weisen, der einzige Text des gesamten Komplexes mit einer Autorsignatur; es ist eine Frage des Ermessens oder der Definition, ob man sie zum Corpus des . E.' rechnet. Sicher sekundäre Erweiterungen sind die übrigen Texte. Erwähnt seien noch ein Glossenlied über 'Ave regina celorum', ine. Gegrusset sist du tnaget reine, Maria ußerweltes faß (B 69v-73r, D 158r-159v, 178rv, P 207r-209v), eine knappe Prosaanweisung, zu welchen Anlässen und Zwecken die einzelnen Psalmen (nur PS l-60) zu beten sind (D 153V155V, DD 170 -17 , 202 r -204 v ), sowie eine geistliche Paränese in Reimpaaren 'Daz den gensen nit ist daz himelrich gemäht' (337 vv.), die in D160 v -164 r und P209 v -216 r am Schluß der Textsammlung erscheint, aber durch ihren sehr unregelmäßigen Versbau von den Reimpaartexten des . E.' absticht.

3. P r o f i l e . Der 'sl. w.', wie ihn die Hs. K abgrenzt, wie er aber sicher nicht in einem Zug entstanden ist, stellt sich dar als eine recht einheitliche Sammlung von erbaulichen Reimpaartexten schlichten Stils, die vor allem um die Themen Zehn Gebote, Reue, Buße, Gebet, Passionsbetrachtung und inneres Glaubensleben kreisen. Ein strikter

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'Söflinger Briefe und Lieder' — 'Spiegel der Tugenden'

Gesamtaufbau ist nicht erkennbar. Als Autoritäten werden außer der Bibel zitiert Hieronymus, Gregor d. Gr. und besonders häufig Augustinus und Bernhard von Clairvaux. Franz von Assisi wird als vorbildlicher Beter genannt. Ob Quellenuntersuchungen zu einer genaueren Bestimmung der frömmigkeitsgeschichtlichen Position der Sammlung führen, bleibt abzuwarten. Der Titel 'Der siecht weg zu dem himelrich' trifft jedenfalls die Intention der Sammlung gut. Im . E.' erscheint diese Sammlung erweitert um ähnliche Texte (2, auch 9 a), aber auch offen für andere geistliche Themen und für geistlich fundierte Lebenslehre. Erst hier beginnt die Marienverehrung eine deutlichere Rolle zu spielen (4), die sich dann in den Einzelhss. in weiteren zugefügten Mariendichtungen äußert. Auch die Lockerung der formalen Geschlossenheit im . E.' durch Aufnahme eines Liedes (4) setzt sich in den Einzelhss. mit weiteren strophischen Texten und Prosa fort. L i t e r a t u r . A. CLOSS, Weltlohn, Teufelsbeichte, Waldbruder, 1934, S. 21-42; J. GEISS, Vorarbeiten für die Edition einer oberrhein. katechetisch-erbaulichen Reimpaarsammlung (um 1400), Mag.Arb. Tübingen 1993; A. OTTO, Images Bindings, Blocks of Texts, Mediaevalia 20 (1997) 227-253; ders., Die Bibel in der spätmal. Gebrauchslit., Fifteenth Century Studies 27 (im Druck); ders., Der siecht weg zu dem himelrich, Diss. Düsseldorf 2002, 2 Bde (Druck in Vorb.); J. G[EISS], in: P. J. BECKER/ E. OVERGAAUW (Hgg.), Aderlaß u. Seelentrost, 2003, S. 225-227 (mit Abb. aus B).

ARNOLD OTTO/ B. WACHINGER 'Söflinger Briefe und Lieder' [Korr.] Bd. 9, Sp. 14 Überl.: "Ludwigsburg, Staatsarchiv, Bestand 509, Büschel 54" korr.: heute ..., B[estand] 509 Bü 2 (Mitt. des Staatsarchivs); vgl. Jodocus -> Wind (dort weitere Lit.).

Soltau -»· Konrad v. S. [NB] Spechtshart, Hugo von Reutlingen [Korr.] Bd. 9, Sp. 40, Schluß des Lit.verz.: "vgl. die Beiträge ..., in: Studien zur Überlieferungstypologie spätmal. Schulliteratur, hg. v. K. GRUBMÜLLER

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(voraussichtlich 1994)" korr.: ..., in: K. GRUBMÜLLER (Hg.), Schulliteratur im späten MA (MMS 69), 2000.

'Speculum consulum' des Rates' [NB]

'Weseler Spiegel

'Speculum humanae salvationis' [Korr./ Nachtr.] Bd. 9, Sp. 53 zu 1.1. Überl.: "Brno (Brunn), Statni Vedecka Knihovna, Fonds Nova Rise, Ms. 80" korr.: Die Hs. wurde dem Prämonstratenserkloster Nova Rise (Neureisch/Mähren) zurückerstattet (Hinweis F. Löser). Sp. 58 zu II. 1.: "Die bei NEUMÜLLER angekündigte Edidon ...": Vgl. die seither erschienene Edition von M. NIESNER, Das 'SHS' der Stiftsbibl. Kremsmünster: Edition der mhd. Versübers. u. Studien zum Verhältnis von Bild u. Text (Pictura et poesis 8), 1995. Sp. 59 f. zu 3. Konrad von Helmsdorf ergänze die Lit.: M. CURSCHMANN, Facies peccatorum — Vir bonus, in: Poesis et pictura. Fs. D. Wuttke, hg. v. ST. FUSSEL u. J. KNAPE, 1989, S. 157-189, bes. S. 176-178 u. Abb. 8 u. 9. Sp. 61 zu Überl., a): Vgl. dazu auch -> 'Freiburger Perikopen' [NB]. Sp. 62 zu 4.: "(- Symbola)" korr.: (-> Glaubensbekenntnisse [NB]).

'Speculum perfectionis' -» 'Scola celestis exercitii' [NB] Spengler, Lazarus entfällt (f 1534; beteiligt an der Einführung der Reformation in Nürnberg) 'Spiegel des Rates' - 'Weseler Sp. d. R.' [NB] 'Spiegel der Tugenden' [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 131 zu Überl. (oben): "Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 17 (verschollen)" korr.: Die Hs. befindet sich heute in Moskau, Rossijskaja Gosudarstvennaja biblioteka (Russ. SB; ehem. LeninBibl.), Fond 755 Nr. 71. Vgl. J. FLIGGE/ A. MIELKE/ R. SCHWEITZER, Die nd. Hss. der StB Lübeck nach der Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung ..., in: Vulpis Adolatio. Fs. H. Menke, hg. v. R. PETERS u. a., 2001, S. 167. Ebd. unten (zu Buch III): "Die beiden ersten Teile... 'De interior! domo'" korr.: Zu Beginn stehen nicht die ersten Kapitel von Augustinus 'De

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Sprichwörtersammlungen — Springer, Balthasar

interior! domo', sondern der kurze Traktat -» 'Scola celestis exercitii' [NB]; die Übereinstimmung mit dem Augustinus-Traktat beginnt erst mit dem Text von PL 184, Sp. 511 (erste Säule bzw. Stütze des geistlichen Hauses).

Spielberger, Michael -> Cyprian von Karthago (5.); -* Ficino, Marsilio (4.) [NB] 'Splendor solis' entfällt (alchem. Text/ Bild-Traktat; Überl. beginnt 1532/35; vgl. Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. des MAs, Bd. I, S. 44-55) Sprichwörtersammlungen [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 167 zu 3., Überl.: "Ehem. Stettin, Marienstift-Gymnasium, cod. Nr. 18 ... (verschollen)" korr.: Die lat.-dt. Freidank-Hs. ist i. J. 2001 wieder aufgetaucht, jetzt in Hamburg, Antiquariat J. Günther (Hinweis H. W. Stork).

Springer (Sprenger), Balthasar 1. Biographisch ist über Sp. wenig bekannt. Er nennt sich, mit Namen und Wappen (springender Hund) ainn bestelter von wegen der Welser zu Augspurg ('Bilderfries') und bezeichnet Filß (Vils bei Füssen am Lech) als seinen Heimatort; möglicherweise ist er ein Verwandter (Sohn?) eines dort 1484 und 1486 bezeugten Hans Springer und der Anastasia Steidlin (SCHULZE, S. 4 f.). Ein Geburtsdatum ist ebensowenig überliefert wie Nachrichten aus seinem Leben vor 1505, dem Jahr, in dem er, am 15. Januar von Antwerpen nach Lissabon aufbrechend, als Beauftragter des Augsburger Handelshauses, an der ersten Seefahrt deutscher Kaufleute nach Indien 1505/06 teilnahm und darüber — vielleicht im Auftrag der Welser (Überlieferung des 'Bilderfrieses'!) Berichte verfaßte, die 1508/09 zum Druck gelangten. Sp.s späteres Schicksal liegt ebenfalls im Dunkeln. 2. Es existieren vier zeitgenössische Versionen von Sp.s Reisebericht, mit verwikkelten Überlieferungsverhältnissen. Ü b e r l i e f e r u n g . 3 Drucke: (A) Ein 'Bilderfries' von sechs aneinandergereihten Holzschnitten (insg. ca. 27 X 230 cm) von Hans Burgkmair d. Ä. mit erläuterndem Text von Sp. [Speyer, Peter

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Drach d. J. ?] 1508: ß. Springer (über Wappen). Dise nachuolgenden figüren des wandels vnnd gebrauchs der kunigreich ... (Ein koloriertes Ex. mit 5 Holzschnitten im Besitz der Freiherrl. von Welserschen Familienstiftung, Neunhof; zu den ergänzenden Einzelblättern der Serie BURKHARD, S. 32, Nr. 13 sowie STIELAU, S. 65 f.); (B) Die Merfart vnd erfarung nüwer Schiffung vnd Wege zu viln onerkanten Inseln vnd Künigreichen ... wie ich Baltbasar Sprenger sollichs selbs in kurtzuerschynen zeiten gesehen vnd erfaren habe etc. [Oppenheim, Jakob Köbel] 1509 mit 15 Holzschnitten, darunter Wappen Sp.s (VD 16, S 8379; 5 Exx., STIELAU, S. 66f.); (C) eine flämische Fassung: Die reyse van Lissebone om te varen na dat eylandt Naguaria in groot Indien gheleghen ..., Antwerpen, Jan van Doesborch 1508 mit 8 Holzschnitten (2 Exx., BoROWKA-CLAUSBERG, S. 30 f.). Ferner gibt es (D) eine lat. handschriftliche Fassung Relatio Balthasaris Springer de maxima sua marina peregrinatione ex partibus Hollandie in Ulixbonam Portugalie ac deinde per occeanum australe versus polum antharticum in Indiam et eius insulas (Gießen, ÜB, Hs. 219, f. 36-45, 1506-1508?). A u s g a b e n . (A) HÜMMERICH, 1918, S. 13-18 (Text; Beschreibung der Holzschnitte); Faks. mit Holzschnitten: Katalog Burgkmair 1973, Abb. 30^33; Teilfaks. Monumenta Ethnographica, Tafel 2-4, S. *4; FALK, 1968, S. 155. (B) Faks. SCHULZE, Anhang; HÜMMERICH, 1918, S. 104126 (Text mit Kommentar); ERHARD/RAMMINGER, Faks. u. nhd. Übers. (C) Faks. und engl. Übers.: C. H. COOTE, The Voyage from Lisbon to India 1505—6. Being an account and journal by Albericus Vespuccius ..., London 1894. (D) E. MARTENE/ U. DURAND, Iter Indicum Balthasaris Spinger [!], in: Voyage litteraire de deux religieux Benedictins de la Congregation de S. Maur, Bd. 2, Paris 1724, S. 361 —378; Teilfaks.: Monumenta Ethnographica, Tafel 6-7, S. M f.

3. Als Handelsagent der Welser nahm Sp., nach der Entdeckung des Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung durch Vasco da Gama 1498, an der Ostindienexpedition des Jahres 1505/06 teil. Mit der durch den Welser-Faktor in Lissabon, Lucas Rem, erwirkten Genehmigung König Manuels I. von Portugal und unter Leitung der Armada des designierten portugiesischen Vizekönigs von Indien, Francisco d'Almeida, segelte ein Konvoi von Schiffen, unter denen sich drei eines deutschitalienischen Handelssyndikats (ausgerüstet von den Augsburger und Nürnberger Handelshäusern der Fugger, Welser, Hoch-

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Springer, Balthasar

stetter, Hirschvogel, Imhof u. a.) befanden; Sp. reiste auf der Leonhard. Der 1508 gedruckte 'Bilderfries' (A) ist mit qualitätvollen Illustrationen des Augsburgers Hans Burgkmair d. Ä. zu den Völkerschaften Afrikas und Indiens ausgestattet (Gennea [tropisches Westafrika], Allago [AlgoaBucht], Arabia [arab. Ostafrika], Gros India, Triumphzug des Kvnig von Gutzin [Cochin] — letzterer ohne Text, jedoch vorgesehen), die auf Skizzen Sp.s wie von den Kaufleuten von der Reise zurückgebrachten Trophäen beruhen dürften (hierzu ein Brief Konrad Peutingers an Sebastian -» Brant v. 7. April 1507, FALK, 1987, S. 50). Sp.s stichwortartiger Begleittext kommentiert das gesehene Fremde: Reiseroute, Geographie und Klima; Nacktheit bzw. Kleidung, Hautfarbe, Haartracht, Schmuck, Waffen, Wohnstätten, Handelsgewohnheiten, Viehzucht und Sprache der moren, Hottentotten, Araber und Inder. All dies wird in der 'Merfart' (B) wieder aufgegriffen und in einen größeren Rahmen eingebettet: Start vom Kloster Rastello bei Lissabon, zum Kap Verde, entlang der Westküste Afrikas, um das Kap der Guten Hoffnung, nordwärts entlang der afrikanischen Ostküste bis Malindi, über den indischen Ozean zur westindischen Insel Angediva, dann entlang der Malabarküste über Cannanore und Calicut bis Cochin und wieder zurück — insgesamt 20 Monate vom 23. März 1505 bis zum 15. November 1506. Eingestreut sind, wie zu Beginn angekündigt ('neue Länder, Menschen, Tiere, Früchte') Schilderungen exotischer Land- und Meerestiere, Bäume, Pflanzen, Edelsteine und Metalle, Geographisch-Ethnographisches (Entfernungen, Königreiche, Bevölkerungsgruppen, Kasten der Malabarküste), Begegnungen mit befreundeten und verfeindeten lokalen Potentaten, die Eroberung von Kilwa und Mombasa im Zuge der portugiesischen Kolonialpolitik, schließlich Kauf von Pfeffer und anderen Spezereien sowie Schilderungen bestandener Fährnisse auf Land und See, v. a. auf der Heimfahrt — alles knapp aber anschaulich, ohne viel persönliche Wertung und von spätmal. Frömmigkeit durchdrungen. Fragen zur Religion

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der bereisten Länder finden nicht Sp.s Interesse, ebensowenig greift er auf zeitgenössische Reiseberichte oder ältere literarische Traditionen zurück. Auffallend ist auch das Desinteresse des Kaufmanns an der kommerziellen Seite des Unternehmens (vgl. das 'Tagebuch' des Lucas Rem zu den späteren gewaltigen Streitigkeiten zwischen Portugiesen und Deutschen um die Gewinne, S. 8) — ein Defizit, das vielleicht im Rahmen seines Amtes in gesonderten Berichten an die Welser abgedeckt wurde. Ausgestattet ist die 'Merfart' mit wesentlich gröberen Holzschnitten (Volkstypen Afrikas und Indiens, Affenbrotbaum, König von Cochin), die vermutlich in Augsburg entstanden und z. T. dem Nürnberger Wolf Traut zugeschrieben wurden. 4. Die gleichzeitig von Doesborch gedruckte flämische, auf dem 'Bilderfries' und der 'Merfart' beruhende Übertragung (C) gehört bereits der Rezeption des rasch verbreiteten Textes an. Entstanden aus kommerziellen Gründen, versucht das Vorwort den Eindruck zu vermitteln, der Bericht stamme von Amerigo -» Vespucci [NB] und sei an Lorenzo di Pier [Francesco] de Medici gerichtet. Der Text diente (neben der 'Merfart') offenbar als Vorlage der ebenfalls zu dieser Zeit entstandenen, nur in einer Hs. tradierten, lat. 'Relatio' (D). Die Holzschnitte von C erscheinen auch in einem von Doesborch gedruckten lat. Flugblatt De novo mondo (Ex.: Rostock, ÜB, Qi-39: ca. 1509/10, BoROWKA-CLAUSBERG, Faks. S. 32), das den Springerschen 'Bilderfries'-Text mit einem Brief des Vespucci vermischt. (Faks. u. Ed. KRONENBERG, 1927, hier auf 1520 datiert; Text: HÜMMERICH, 1918, S. 31—34). Ebenfalls auf der flämischen Fassung beruht eine von Doesborch gedruckte englische Übersetzung (nach 1515?): Of the new landes of ye people ... (STIELAU, S. 68). Den nachhaltigsten Effekt hatte jedoch der 'Bilderfries' mit Burgkmairs Holzschnitten, die zu den frühesten völkerkundlichen Bilddokumenten des Entdeckungszeitalters gehören. Bereits 1511 von ihm selbst neuaufgelegt und in den 'Leuten von Calicut' in Kaiser -> Maximilians I. 'Triumphzug' zitiert (QUETSCH, S. 77-79, Abb. 113 a - c), schon 1509 und 1511 von Georg Glockendon nachgeschnitten, später auch mit einem von Albrecht Glockendon 1541 gereimten Bericht über Sp.s Reise versehen (Text u. Faks. BOROWKA-CLAUSBERG, S. 216 f.), fanden sie bald gesamteuropäische Verbreitung. Zusammen mit dem auf dem deutschen Schwesterschiff Raphael entstandenen, früher dem Faktoreischreiber Hans Mayr zugeschriebenen (portu-

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'Spruch der Engel Uns engel wundert all geleich' — 'Stabat mater dolorosa'

giesischen) Bericht (überliefert in München, SB, cod. hisp. 27; zur Autorfrage HÜMMERICH, 1922, S. 146 f.), und den knappen Notizen eines weiteren Deutschen aus Lissabon, liegt in Sp.s Reisetagebuch die wichtigste dt. Quelle für die Handelsreise von 1505/6 vor, die sich als Augenzeugenbericht vom Orient mit ihren detaillierten geographisch-ethnographischen Angaben deutlich von der auf literarischer Tradition gegründeten legendenumworbenen mal. Reiseliteratur abhebt. L i t e r a t u r . F. KUNSTMANN, Die Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien, 1861; Tagebuch des Lucas Rem aus den Jahren 1494— 1541, hg. v. B. GREIFF, 1861; H, HARRISSE, Americus Vespuccius, London 1895; F. SCHULZE, B. Sp.s Indienfahrt 1505/06. Wiss. Würdigung der Reiseberichte Sp.s z. Einführung in den Neudr. seiner "Meerfahrt" v. J. 1509 (Drucke u. Holzschnitte des XV. u. XVI. Jh.s in getreuer Nachbildung 8), 1902; F. HÜMMERICH, Quellen u. Unters, z. Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien 1505/6 (Abhh. d. kgl. Bayer. Ak. d. Wiss., Philos.philol. u. hist. Kl. 30/3), 1918 (grundlegend); ders., Die erste dt. Handelsfahrt nach Indien 1505/06. Ein Unternehmen der Welser, Fugger u. anderer Augsburger sowie Nürnberger Häuser, 1922; M. E. KRONENBERG, De novo mondo. Antwerp. Jan van Doesborch [about 1520]. A Facs. of an unique broadsheet containing an early account of the inhabitants of South America together with a short version of Heinrich [!] Sprenger's voyage to the Indies, Den Haag 1927; A. BURKHARD, Hans Burgkmair d. A. (Meister der Graphik 15), 1932; W. HIRSCHBERG (Hg.), Monumenta Ethnographica. Frühe völkerkundliche Bilddokumente 1: Schwarzafrika, Graz 1962, Tafel 2-15, S. *3-*6; R. KLEINSCHMIDT, B. Sp., Diss. Wien 1966; T. FALK, Hans Burgkmair, 1968, S. 67f., 106, 155; 14731973 Hans Burgkmair. Das graphische Werk. Ausstellungskatalog Augsburg 1973, Abb. 30—34; H. STIELAU, B. Sp. Meerfahrt von 1509, Acta Germanica 12 (1980) 61-114; C. QUETSCH, Die 'Entdekkung der Welt' in der dt. Graphik der beginnenden Neuzeit, 2 Bde, Diss. Erlangen-Nürnberg 1983; CH. VON IMHOFF, Nürnbergs Indienpioniere. Reiseberichte von der ersten oberdt. Handelsfahrt nach Indien (1505/6), Pirckheimer Jb. 2 (1986 [1987]) 11-44; T. FALK, Frühe Rezeption der Neuen Welt in der graphischen Kunst, in: Humanismus u. Neue Welt, hg. v. W. REINHARD (DFG: Mitt. XV d. Komm, für Humanismusforschung), 1987, S. 37— 64, hier S. 41-51; W. FREY, B. Sp.s 'Merfart', in: D. HUSCHENBETT/ J. MARGETTS (Hgg.), Reisen u. Welterfahrung in der dt. Lit. des MAs (Würzburger Beitr. z. dt. Philol. 7), 1991, S. 277-289; G. WOLF, Das Individuum auf dem Weg zu sich selbst? Frühneuzeitliche Reisen nach Osten: Hans Dernschwam, B. Sp. u. Fortunatus, ebd., S. 196 — 214;

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B. BOROWKA-CLAUSBERG, Bericht als Berichtigung, B. Sprengers Indienfahrt, Anz. d. Germ. Nationalmus. Nürnberg 1991, S. 95-101; G. DHARAMPALFRICK, Indien im Spiegel dt. Quellen der Frühen Neuzeit (1500-1750) (Frühe Neuzeit 18), 1994, bes. S. 21-31, 204-209, 260-65, 271-273; A. ERHARD/ E. RAMMINGER, Die Meerfahrt, B. Sp.s Reise zur Pfefferküste; mit einem Faks. des Buchs von 1509,1998; B. BOROWKA-CLAUSBERG, B. Sprenger u. der frühneuzeitliche Reisebericht, 1999 (Lit.).

HELGARD ULMSCHNEIDER 'Spruch der Engel Uns engel wundert all geleich' [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 181 f. zu I b: "-» 'Memoria improvisae mortis' ..." korr.: Streiche Verweispfeil; ergänze: (vgl. unter Stephanus -» Lang [NB]); — Ergänzungen zur Überlieferung [Sp. 182] ebd. Sp. 182 unten: "Melk, Stiftsbibl., cod. 627 ..., nicht." korr.: Die Hs. enthält den Text doch, jedoch Bl. 187v-198r; vgl. -» Lang [NB] (Fassung II).

Sog. 'Sprüche deutscher Mystiker' -+ Zitatensammlung der Berliner Hs. mgq 191 'Sprüche der fünf Lesemeister' I und II [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 193, zu Fassung II: "Sarnen, Benediktinerkolleg, Nr. 170" korr.: ..., cod. chart. 170 (olim 238). Ebd. zu Abdruck ergänze: D. A. BRINKERINK, Uitspraken en exempelen, De Katholiek 130 (1906) 185-198, hier S. 187-189 (nach 's-Gravenhage, Kgl. Bibl., cod. 133 F 22, 82v-83r; hier zusammen mit den Sprüchen -> 'Von fünf Meistern' [NB]).

'Sprüche der zwölf Anachoreten' [Korr.] Bd. 9, Sp. 197: Die als "mhd. Separatüberlieferungen" angeführten beiden Baseler Hss. enthalten in Wirklichkeit den Gesamttext der 'Alem. Verba seniorum' (= Hss. Bs 3 und Bs l [= Leiths.!] der Edition von U. WILLIAMS, Die 'Alem. Vitaspatrum' [TTG 45], 1996, das betr. Stück dort S. 264-266 als Nr. 156); vgl. ->· 'Vitaspatrum', II. l.b.

'Spruchsammlung zum Ordensleben' -» 'Der Mönch am Kreuz' [NB] 'Stabat mater dolorosa' [Nachtr./Korr.] Bd. 9, Sp. 208^ Überl.: "ehem. Hohenfurt ..., cod. 42 (heute Ceske Budejovice, Krajskä Knihovna)" korr.: Die Hs. befindet sich wieder im Kloster Hohenfurt (Vyssi Brod).

1449

Stadtbücher

Sp. 211 zu 3.: "Wien, Schottenstift, cod. 336" korr.: ..., cod. 313 (Kat. Nr. 336). Sp. 212 zu 4.: "Eger (Erlau), Erzdiözesanbibl., cod. 61" korr.: ..., cod. U.X.l (Kat. Nr. 61). Ebd. zu II.2: "Esztergom (Gran), Kathedralbibl., cod. 63" korr.: ..., MS. III.171 (Kat. Nr. 63). Sp. 213 zu II.6: Vor "Mach ..." (= Inc. einer späteren Strophe) ergänze das eigentliche Incipit: die muter was ston vol schmertzen ... (bei WAKKERNAGEL und HOFFMANN fehlt es, weil sie das defekte Meusebachsche = Berliner Exemplar des Druckes benutzt haben). Vgl. A. KRASS, Stabat mater dolorosa. Lat. Überl. u. volkssprachliche Übertragungen im dt. MA (Forschg.n z. Gesch. d. älteren dt. Lit. 22), 1998, S. 280 (Hinweis G. Kornrumpf).

1450

in ein bok schriven, de me under koningbanne geven, und für 1227 ist in Lübeck ein heute verlorener über civitatis, in quo debita conscribuntur belegt (BEYERLE, S. 158). Als ältestes erhaltenes Beispiel hat der Hamburger Liber actorum coram consulibus in resignatione hereditatum zu gelten (BEYERLE, ebd.). Der Übergang zur Anlage von St.n verstärkt sich offenbar um 1260/80 (vgl. die Liste bei BEYERLE, S. 187 f.) und erhält Schübe um 1320/30 sowie im Ausgang des 14. Jh.s (vgl. dazu etwa die Übersichten bei BEYERLE, S. 158-182; REHME, 1916; ; KRETER; GIESSMANN). Auch wenn die ältesten Erwähnungen spezialisierte AufStadtbücher zeichnungen betreffen, herrscht bei den Als St. bezeichnen Verwaltungsgeschichte frühen erhaltenen St.n gemischter Inhalt und Archivwissenschaft in Buchform getä- vor, wobei diese Mischcodices in den städtigte schriftliche Aufzeichnungen, die von tischen Kanzleien häufig besondere Namen städtischen Schreibern, städtischen Amts- erhalten, wie Hirsuta Hilla oder Nudus trägern oder städtischen Kanzleien im Laurentius (Breslau, 1312—1331 bzw. Zuge ihrer amtlichen Tätigkeit angelegt 1361 — 1373) oder dat ruve bok (Göttinworden sind (vgl. BEYERLE, S. 146; GIESS- gen, 1340—1648) oder nach den Farben MANN, S. 167). Sie betreffen die Tätigkeit des Einbandes das 'Rote', 'Schwarze' oder von Rat, Schöffen und Verwaltung der 'Gelbe' Buch. In diesen Fällen handelt es Stadt, insbesondere Verfassung (Privile- sich zumeist um die Verzeichnung zentragien, Stadtrecht) und Rechtsetzung (Statu- ler Texte aus dem Rechtsbereich, auf die ten, Willküren, Satzungen, Eide) sowie immer wieder zurückgegriffen werden Ämterwesen (Rats- und Amtsträgerlisten; mußte. Daneben vollzog sich während des Bürger- und Neubürgerverzeichnisse), Rats- 14. Jh.s im Zuge der Entwicklung 'neuer protokolle, Missiv- und Briefregister, städ- Typen des Geschäftsschriftgutes' (PATZE) tische Rechtssprechung und freiwillige Ge- eine Differenzierung der St. in spezialirichtsbarkeit (Renten, Testamente, Schul- sierte Registerserien, die sich im 15. Jh. den etc.) und städtisches Finanzwesen. Im noch verfeinerte und zu einem InformaKern sind sie als Registrierung des Voll- tionssystem führte, das den Überblick über zugs von Amtshandlungen im Gebrauch und den Rückgriff auf Verwaltungsakte städtischer Amtsträger zu betrachten. Sie der Vergangenheit erlaubte. Als häufigste werden in der städtischen Kanzlei aufbe- zeitgenössische Bezeichnungen dieser Büwahrt, sind für einen Gebrauch von langer cher (wenn sie nicht nach dem spezialisierDauer bestimmt und stehen am Beginn des ten Inhalt gewählt wurden) sind überliefert liber civitatis, liber memorialis oder denkelstädtischen Aktenwesens. Erste Vorläufer sind im zweiten Viertel buch, seit dem 15. Jh. auch stadtbuch, stades 12. Jh.s in den Kölner Schreinsurkun- desbok, ratsbuch und rades bok, auch die den und Schreinsbüchern der dortigen Bezeichnung 'Schöffenbuch' erscheint häuSondergemeinden ( , S. 59 f.) zu fassen, fig (vgl. die Liste bei BEYERLE, S. 188 — außerdem in einem 1190 einsetzenden 191). Generelle Aussagen über die Sprache, in städtischen Rotulus aus Andernach (BEYERLE, S. 187). Ein erstes Zeugnis für St. der die St. geführt wurden, lassen sich bietet die -» 'Magdeburger Schöppenchro- kaum treffen; entscheidend ist die Entnik', die berichtet, 1215 hätten die Schop- wicklung des jeweiligen Kanzleigebrauchs pen beschlossen dat men de gifte scholde und selbstverständlich die Sprache, in der

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Stadtbücher

die zu kopierenden Texte vorlagen. In den Anfängen herrscht das Latein vor, während sich seit etwa 1300 das Deutsche in den Vordergrund schiebt. Auffallend ist jedoch, daß (insbes. bei St.n im Gerichtswesen) der Anteil des Lateinischen vor allem bei der Bezeichnung einzelner Bücher oder Bücherserien sowie bei protokollarischen Texten bis ans Ende des MAs hoch bleibt. Die Frage bedarf systematischer und vergleichender Untersuchung.

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selbe Buch erscheint vorwiegend bald als Urkundensammlung, bald als Chronik, bald als eigentliches Verwaltungsbuch' (REHME, 1916, S. 75; dazu Chron. dt. St. 6, S. XXXVI f.). Selbst wenn die Braunschweiger Überlieferung einen außergewöhnlichen Befund bietet, ist es auch in anderen Fällen immer wieder zur Eintragung von Berichten über hervorstechende Ereignisse, insbesondere Schlachten, kriegerische Tätigkeiten und innere Unruhen, Für die Literaturgeschichte (im weiteren von Relationen und Denkschriften, von Sinn) liegt die Bedeutung der St. darin, rechtlichen Präzedenzfällen und Mitteilundaß sie eng mit der Überlieferung von gen über Bautätigkeit in die St. gekommen, Rechtstexten und Rechtsbüchern sowie wobei davon vor allem die Mischformen von Geschichtsschreibung verknüpft sind. betroffen sind. Gelegentlich ist die AnordWährend Statuten-Hss. sowie die Codi- nung überliefert, die betreffende Begebences, die Stadtrechte, Privilegien, Willkü- heit in die St. einzutragen (Hannover 1491: ren, Satzungen und unter Umständen auch in unser stad bemelke bok). Man kann da-»· Stadtrechtsbücher (z. B. -» 'Herforder her geradezu von einer 'StadtbuchchroniStadtrechtsbuch' [NB]; -> 'Lübisches Recht' stik' sprechen, die von der legitimatori[NB]) in Mischung mit anderen Texten schen Kraft des amtlichen Buchs profienthalten, von Verwaltungsgeschichte und tierte (vgl. WRIEDT, 1987, S. 414-416; Archivwissenschaft gewöhnlich als St. an- ders., 2000, S. 45-47; JOHANEK, S. 566gesehen werden, erscheinen die Rechts- 569; so auch -> 'Chronikalien der Ratsbücher-Hss. nicht in den gebräuchlichen bücher von Basel', weitere Fälle etwa in systematisierenden Gruppenbildungen der Regensburg, vgl. ENGELKE, Nrn. 6, 19, 21 St. Doch wird man nach Überlieferungs- u. ö.; Schweiz, vgl. BENNIGHOVEN, S. 62; und Funktionszusammenhang eine große Bayreuth, vgl. MÜLLER, S. 204f.). SchließZahl von Rechtsbücher-Hss., wie etwa die lich sei noch festgehalten, daß sich in St.n Handschriftenkomplexe der Räte von Lü- nicht selten auch Einträge anderer Textneburg, Görlitz und Breslau (ÜPPITZ, sorten finden, etwa zu politischen TheoRechtsbücher II [1990], Nrn. 970-977, rien (-* 'Stadtregimentslehren', s. z. B. bzw. Nrn. 271-278; 577-578; 580, bzw. auch Hans -* Hebenstreyt [NB]; -> 'WeseNrn. 291—300) oder Einzelhss. wie etwa ler Spiegel des Rates' [NB]; -> Wenzel von in Kaikar oder Werne (ÜPPITZ, Nr. 740 Iglau; oder die Quaternionentexte in den bzw. 1489), insbes. aber auch die Stadt- Augsburger Stadtbüchern, vgl. -> 'Augsrechtsbücher-Hss. im engeren Konnex mit burger Stadtbuch' [NB]; SCHMIDT, S. 108f.) den St.n zu sehen haben. Sie dürfen als oder auch poetische Texte historischer 'Ratshandschriften' bezeichnet und damit Natur oder zum Städtelob (vgl. etwa dem Umkreis der St. zugerechnet werden SCHMIDT, S. 109f.). (vgl. dazu u. a. SCHMIDT-WIEGAND, S. 74L i t e r a t u r . C. G. HOMEYER, Die St. des MAs, 76). insbes. die St. von Quedlinburg, 1860; K. BEYERLE, Hss. von im Auftrag des Rates entstan- Die dt. St., Dt. Geschichtsbll. 11 (1910) 145-200; dener oder von städtischen Amtsträgern P. REHME, Über St. als Geschichtsquelle, 1913; P. verfaßter Historiographie und Chronistik REHME, Stadtbuchstudien, ZRG Germ. Abt. 37 hat man aus dem Kreis der St. ausdrück- (1916) 1-93; E. PITZ, Schrift- u. Aktenwesen der Verwaltung im SpätMA. Köln, Nürnlich ausgeschieden (REHME, 1913, S. 7; städtischen berg, Lübeck, 1959, S. 17-29, 466-480; H. BEYERLE, S. 146), doch ist auch hier ein en- PATZE, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im ger Zusammenhang nicht zu übersehen, 14. Jh., in: ders. (Hg.), Der dt. Territorialstaat im zumal die Stadtbuchforschung etwa zu den 14. Jh., Bd. I (Vorträge u. Forsch.n 13), 1970, S. 9 Braunschweiger St.n konstatierte: 'Das- — 64; W. MÜLLER, Das erste Bayreuther Stadtbuch

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Stadtrechtsbücher

(1430-1463), Archiv f. Gesch. v. Oberfranken 50 (1970) 183-282; H.-D. SCHROEDER, St. der Hansestädte u. der Stralsunder 'Liber memorialis', in: Neue hansische Studien, hg. v. K. FRITZE u. a., 1970, S. 1-13; F. BENNIGHOVEN, Das Stadtbuch von Schweiz 1374-1454, Zs.f. Ostforschung 21 (1972) 42-69; R. SCHMIDT, Zum Augsburger Stadtbuch von 1276, Zs. d. Hist. Ver. f. Schwaben 70 (1976) 80-179; K. COLBERG, Amtsbücher, in: Lexikon des MAs I, 1980, Sp. 563-564; K. WRIEDT, Geschichtsschreibung in den wendischen Hansestädten, in: H. PATZE (Hg.), Geschichtsschreibung u. Geschichtsbewußtsein im späten MA (Vorträge u. Forsch.n 31), 1987, S. 401-426; E. ISENMANN, Die dt. Stadt im SpätMA 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, 1988, S. 166-170; W. KLÖTZER, Stadtbuch, in: Hwb. zur dt. Rechtsgesch. IV, 1990, Sp. 1849-1851; K. KRETER, St. u. Register 12891533. Inventar der mal. gebundenen Hss. im Stadtarchiv Hannover, Hannoversche Geschichtsbll. NF 48 (1994) 47-168; T. ENGELKE (Hg.), Eyn grosz alts Statpuech. Das 'Gelbe Stadtbuch' der Stadt Regensburg, 1995; D. HÜPPER, Städtische Rechtsbücher im Gebrauch — Das Oldenburger Stadtbuch, in: der sassen speyghel. Sachsenspiegel Recht - Alltag, hg. v. E. KOOLMAN u. a., Bd. l, 1995, S. 279-302; P. JOHANEK, Geschichtsbild u. Geschichtsschreibung in den sächsischen Städten im 15. u. 16. Jh., in: Hanse - Städte — Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe u. Weser um 1500, hg. v. M. PUHLE, 1996, S. 557-574; M. KINTZINGER, St., in: Lexikon des MAs 8, 1996, Sp. 12 f.; R. SCHMIDT-WIEGAND, Gebrauchssituationen im Spiegel der Mitüberlieferung. Die dt. Rechtsbücher des 13. u. 14. Jh. u. ihre Codices, in: Der Codex im Gebrauch, hg. v. CH. MEIER u. a., 1996, S. 69-86; TH. GIESSMANN, Zur Quellentypologie der St. — am Beispiel der Altstadt Hildesheim, in: L. KERY u. a. (Hgg.), Licet preter solitum. Ludwig Falkenstein z. 65. Geburtstag, 1998, S. 165-175; S. PÄTZOLD, Amtsbücher des MAs. Überlegungen zum Gang ihrer Erforschung, Archivalische Zs. 81 (1998) 87-111; F. DEBUS (Hg.), St. als namenkundliche Quelle, 2000; D. GEUENICH, Was sind eigentlich 'St.'? Versuch einer Definition, in: DEBUS, 2000, S. 17-29; R. KLUGE, Das Stadtbuch als onomastische Quelle. Entstehung, Funktion u. Stand der Erfassung in den neuen Bundesländern, ebd., S. 31-43; K. WRIEDT, Bürgerliche Geschichtsschreibung im 15. u. 16. Jh. Ansätze u. Formen, in: P. JOHANEK (Hg.), Städtische Geschichtsschreibung im SpätMA u. in der frühen Neuzeit (Städteforschung A 47), 2000, S. 19-50; J. HARTMANN, Amtsbücher, in: F. BECK/ E. HENNING (Hgg.), Die archivalischen Quellen, 32003, S. 4073, 362-363.

PETER JOHANEK

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Stadtrechtsbücher Als St. bezeichnet die rechtsgeschichtliche Forschung die Aufzeichnung und kompilierende Verarbeitung städtischen Rechts im wesentlichen in dt. Sprache (Privilegien, Statuten, Satzungen und Ordnungen), häufig unter Hinzuziehung anderer Rechtsquellen, vor allem aus dem Bereich der dt. Rechtsbücher (z. B. 'Sachsenspiegel' [-» Eike von Repgow], -> 'SchwabenSpiegel', -» 'Kleines Kaiserrecht', -> 'Magdeburger Rechtsbücher' [NB] und aus ihnen abgeleitete Rechtsbücher). Die rechtsgeschichtliche Forschung hat stets den privaten Charakter solcher Aufzeichnungen hervorgehoben, doch ist dies für die Rezeptions- und Funktionsgeschichte im Grunde ohne Belang. Eine große Zahl der St. ist von namentlich bekannten Stadtschreibern, also städtischen Amtsträgern, verfaßt worden (z. B. ->· Bernhard von Peisern, 'Posener Rechtsbuch'; Johannes ->· Emmerich, 'Frankenberger Rechtsbuch'; -» Johannes, Stadtschreiber von Brunn, 'Brünner Schöffenbuch'; Nikolaus -»· Wurm, 'Liegnitzer Rechtsbuch'), und fast stets zeigt die handschriftliche Überlieferung ihre Nutzung im Umkreis des Rates und städtischen Gerichts. Damit ist ihre gewohnheitsrechtliche Anerkennung als verbindliches städtisches Recht belegt, und sie sind, wie auch andere Rechtsbücher und Rechtsbücher-Hss. zum Umkreis der -» Stadtbücher [NB] zu zählen. In der Regel sind die St. für eine einzelne Stadt abgefaßt und auch nur dort oder in benachbarten Städten überliefert (vgl. etwa die Übersicht bei OPPITZ, Rechtsbücher), lediglich die -» 'Magdeburger Rechtsbücher' [NB] sind im gesamten Bereich der mit Magdeburger Stadtrecht bewidmeten Städte rezipiert worden; Vergleichbares gilt für sie ergänzende Werke (z. B. -»· 'Alter Kulm', -> 'Magdeburger Fragen') und das seiner Intention nach für die Städte sechsisszer art verfaßte -> 'Meißner Rechtsbuch'. Vgl. ferner -»· 'Berliner Schöffenrecht'; -» 'Elbinger Rechtsbuch'; -> 'Löwenberger Rechtsbuch'; -* 'Mühlhäuser Reichsrechtsbuch'; -» 'Neumarkter Rechtsbuch'; -* 'Ofener Stadtrechtsbuch'; Johannes -»·

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'Stadtregimentslehren' — Starck, Ulrich

Purgolt; Johannes -» Rothe; -»· 'Revaler Rechtsbuch'; -> Ruprecht von Freising; -» 'Silleiner Stadtrechtsbuch'; -» 'Troppauer Rechtsbuch'; -» Wenzel von Iglau; -» 'Wiener Stadtrechtsbuch'; -» 'WienerNeustädter Stadtrechtsbuch'; -» 'Augsburger Stadtbuch' [NB]; -» 'Herforder Stadtrechtsbuch' [NB]; -» 'Saalfelder Stadtrechtsbuch' [NB]; -» 'Zwickauer Rechtsbuch' [NB]. L i t e r a t u r . A. WOLF, Die Gesetzgebung der entstehenden Territorialstaaten, in: H. GOING (Hg.), Hdb. der Quellen u. Lit. der neueren europäischen Privatrechtsgesch. : -1500, 1973, S. 517-800, hier S. 606-612; D. MUNZEL, St., in: Hwb. zur dt. Rechtsgesch. IV, 1990, Sp. 18731877; OPPITZ, Rechtsbücher I, 1990, S. 46-63.

PETER JOHANEK 'Stadtregimentslehren' (nd.) [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 217 Überl., b.: "Düsseldorf, Hauptstaatsarch., cod. 80, ..., und ebd., cod. 81" korr.: K III 21 (früher Ms. A 80), und ebd., K III 19 (früher Ms. A 81). — "Düsseldorf, Hauptstaatsarch., cod. 79" korr.: ...K III 20 (früher Ms. A79). Vgl. F. W. OEDINGER, Das Hauptstaatsarch. Düsseldorf u. seine Bestände, Bd. 5: Archive des nichtstaatl. Bereichs. Handschriften, 1972, S. 312-315. Erg.: Weiteres Material u. hist. Einordnung bei ST. ALTENSLEBEN, Politische Ethik im späten MA: Kurfürstenreime, Autoritätensprüche u. Stadtregimentslehren im Kölner Rathaus, Wallraf-RichartzJb. 64 (2003) 125-185.

Staffelsteiner, Johann -» Almanache (II.1.) [NB] 'Stamser Chronik' -> 'Kleine Stamser Chr.' [NB] Starck, Ulrich U. St., Nürnberger Patrizier und Handelsherr, entstammte der (ursprünglich aus dem frk. Weißenburg kommenden) reichsstädtischen Familie Starck, die am 17. 11. 1417 einen Wappenbrief von Kaiser Sigismund erhalten hatte; er war Sohn des Kaufmanns Hans II. St. (t 1427), der 1387 das Nürnberger Bürgerrecht erworben hatte, und der Clara Tracht (f 1414), Tochter des Nürnberger Kirchenmeisters an St. Sebald, Marquart Tracht. Mehrfach

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in Urkunden der Reichsstadt und Briefbüchern des Rats bezeugt (NEUKAM, S. 180 f.), heiratete U. 1417 Elisabeth, Tochter des Friedrich Pirckheimer (Nürnberg, Stadtarch., Genealogische Papiere Starck, Nr. 338: Ehevertrag, Testament U.s u. a.), verfügte über reichen Häuser- und Grundbesitz in Nürnberg wie auf dem umgebenden Land und gelangte 1453 in den Rat. Aufenthalte in Venedig (1440) und Rom (1450) sind bezeugt. Nach St. Sebald stiftete er die Kopie eines Gemäldes aus St. Lorenz: Christi Geburt mit symbolischen Ausdeutungen. Beginnend 1426, legte U. St. Wirtschaftsbücher der Familie an, die später von seinen Nachkommen weitergeführt wurden. Er starb im Februar 1478 (am 21. 2. wurde für ihn geläutet). Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Staatsarch., Reichsstadt Nürnberg, Salbücher, Rep. 59, Nr. 285 b — 285 d (1426-1435; 1444-1453; 1454-1463). Fortsetzung: 285e-285h (1473-1546).

Interessant sind unter den sieben Starckschen Zins- und Einkunftsbüchern vor allem die drei ersten, von U. St. wohl eigenhändig geschriebenen (285 b—d), weil sie, neben dem Verzeichnis von Geldzinsen und Naturalien aus dem Grundbesitz, Leibgedingen und Ewiggeldern auch handelsgeschichtliche Einträge enthalten, die ein anschauliches Bild von einem Nürnberger vermitteln, der zusätzlich einen ausgedehnten Warenhandel betrieb. In Kontakt mit Verwandten, Handelspartnern, Kommissären, Agenten und Faktoren wurden, neben dem fränkischen Lokalhandel, Geschäfte von Frankfurt bis Leipzig, Wien und Ungarn, von Süddeutschland bis St. Gallen, Zürich, Venedig und Rom geführt. Die Palette reichte von Gewürzen, Rosinen und Feigen über Wein und Bier, Korn, Stockfisch und Wolle bis hin zu Blei, Pretiosen, Rubinen, Korallen und Diamanten, Rüstungen und Vieh. Daneben betrieb U. St., der selbst kaum reiste, Darlehensgeschäfte, verwaltete Gelddepots für Verwandte und Kunden und unterhielt in zentraler Lage Nürnbergs eine Herberge für auswärtige Kaufleute (so etwa der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, die seit 1444 bei ihm ein Gelieger besaß), deren Namen, Handelsziele und Pensionskosten detailliert verzeichnet werden.

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Steinbach, Wendelin — 'Steirisches Landrecht'

U. St.s kulturgeschichtlich ergiebige Wirtschaftsbücher (zu denen noch weitere, in den Salbüchern erwähnte, aber nicht erhaltene Hilfs- und Memorialbücher zählten), gehören in die Reihe der raren frühen deutschsprachigen Zeugnisse dieser Art (Ott ->· Ruland; -» 'Runtingerbuch'; Ulmann -» Stromer; Berthold und Endres -» Tucher; Hildebrand und Sieve« -» Veckinchusen; Hermann und Johann -»· Wittenborg; -> Vicko von Geldersen; Heinrich -* Lerer [NB]), während ab der Mitte des 15. Jh.s der Strom dieser Quellen reichlich fließt. L i t e r a t u r . König Sigmunds Wappenbrief für Hanns, Ulrich u. Hanns die Starken v. J. 1417, in: J. CH. SIEBENKEES, Materialien zur Nürnbergischen Gesch. l, Nürnberg 1792, S. 293-295; H. THODE, Die Malerschule von Nürnberg im XIV. u. XV. Jh. in ihrer Entwickelung bis auf Dürer, 1891, S. 53; A. KÖBERLIN, Aus dem Hausbuch eines Nürnberger Kaufherren im 15. Jh. Beilage z. Allgemeinen Zeitung Nr. 101 v. 3. 5. 1901, S. 5 f.; A. SCHULTE, Gesch. der Grossen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380-1530 (Dt. Handelsakten des MAs und der Neuzeit 1-3), 1923, Bd. I, S. 465f.; J. MEYER, Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg, Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 27 (1928) 1-96, hier S. 74-77, 93; H. BURGER, Nürnberger Totengeläutbücher, Bd. 1: St. Sebald 14391517, 1961, Nr. 2899 und Bd. 2: St. Lorenz 14541517, 1967, Nr. 1726; W. Frhr. STROMER VON REICHENBACH, Die Nürnberger Handelsgesellschaft Gruber-Podmer-Stromer im 15. Jh. (Nürnberger Forschungen 7), 1963, S. 60, 114: R. 33; W. G. NEUKAM, U. St., ein Nürnberger Handelsherr u. Unternehmer (f 1478), in: Beitr. z. Wirtschaftsgesch. Nürnbergs l (Beitr. z. Gesch. u. Kultur der Stadt Nürnberg l l/l), 1967, S. 177-220; CH. SCHÄFER, Die Familie Tracht - Kaufleute u. Unternehmer, Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 64 (1977) 46-85, hier S. 61-65, 81; W. EIKENBERG, Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg (Veröff. des Max-Planck-Instituts f. Gesch. 43), 1976, S. 16 f.; G. FRIEDRICH, Bibliographie zum Patriziat der Reichsstadt Nürnberg (Nürnberger Forschungen 27), 1994, S. 170 f.; Art. Stark von Röckenhof, Patrizierfamilie, in: Stadtlexikon Nürnberg, hg. v. M. DIEFENBACHER u. R. ENDRES, 1999, S. 1034 f.

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Steinhöwel, Heinrich [Nachtr./Korr.] Bd. 9, Sp. 271 ff. zu 7.: Vgl. dazu auch Joh. Adelphus ->· Muling, B.II.3. [NB]. Sp. 273 zu III.: "cod. 407 des Schottenstifts Wien" korr.: cod. 33 (Kat. Nr. 407).

'Steirisches Landrecht'

Zusammenstellung des in der Steiermark angewandten Gewohnheitsrechtes, entstanden um die Wende vom 14. zum 15. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . BISCHOFF, Ausg., hat 10 Hss. beschrieben, dazu 3 weitere Hss., vgl. BISCHOFF, 1878 und 1882 (ehem. Slg. Hardenberg = jetzt Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 42535, Bl. l — 7; OPPITZ, Rechtsbücher II, Nr. 1175 a). Ausgabe. F. BISCHOFF, Steiermärkisches Landrecht des MAs, Graz 1875, S. 73 — 175 (Ausgangstext: Art. 1-35: Wien, Haus-, Hof- und Staatsarch., Böhm Nr. 107; Art. 36-252: Graz, Steiermärk. Landesarch., Nr. 907, OPPITZ Nr. 630).

Steinbach, Wendelin [Nachtr.]

Das 'St. LR' ('Landlauf von Steyr': Wien, cod. 8065, f. 189) ist die Arbeit eines rechtskundigen Gerichtsbeamten aus Graz aus der Wende vom 14. zum 15. Jh., jedoch vor 1422 (OPPITZ Nr. 1175 a). AMIRA bezeichnet es als 'ein durch Selbständigkeit und Eigenart höchst wertvolles Landrechtsbuch'. BISCHOFF unterscheidet 5 Redaktionen, von denen die umfangreichste 252 Artikel hat. Die Mehrzahl der Art. 1 — 84 bezieht sich auf das gerichtliche Verfahren; Art. 85 — 120 auf das Dienst- und Landrecht; Art. 121-129 auf Bürgschaft; Art. 130—203 auf verschiedene Materien; Art. 204—242 auf Straf- und Strafverfahrensrecht; Art. 246—252 auf Judenrecht. Übernahmen aus anderen Rechtsquellen oder Rechtstexten sind selten. Art. 242— 245 stimmen fast wörtlich zum -> 'SchwabenspiegeP, Art. 1 — 6 des steirischen (Wein-) Bergrechtes sind als Art. 101-103, 187, 196 und 200 übernommen. Andere Übernahmen sind nicht belegt. Das 'St. LR' war in Innerösterreich verbreitet und mehrere Hss. bezeichnen es als Recht und Gewohnheit der Landschaft Kärnten.

Bd. 9, Sp. 253 zu V.: "... das Marianische Offizium mit einer Marienmesse" vgl. dazu -»· 'Marienmesse Salve sancta parens\ II.2.c [NB].

L i t e r a t u r . F. BISCHOFF (s. Ausg.), S. 3—72; ders., Notiz über eine steiermärk. Landrechtshs., Beitr. zur Kunde steiermärk. Geschichtsquellen 15

HELGARD ULMSCHNEIDER

1459

Stercker, Heinrich — Stoffel, Balthasar

(1878) 133 f.; ders., Ueber zwei Hss. d. steiermärk. Landrechtes, ebd. 18 (1882) 112-116; J.E. SCHERER, Die Rechtsverhältnisse der Juden in den deutschesten·. Ländern, 1901, S. 488-490; A. MELL, Das steirische Weinbergrecht u. dessen Kodifikation im Jahre 1543, WSB 207 Heft 4 (1928) 60—67; K. VON AMIRA/ K. A. ECKHARDT, Germ. Recht, Bd. l, Rechtsdenkmäler, 41960, S. 164; H. BALTL, Österr. Rechtgesch., 31977, S. 126; P. PUTZER, 'Der Landlauf von Steyr', in: Hwb. z. dt. Rechtsgesch. II, 1978, Sp. 1514 f.; OPPITZ, Rechtsbücher I, S. 44 f. (mit weiterer Lit.).

ULRICH-DIETER OPPITZ Stephanus de Borbone -» 'Summa bonorum' [NB] Stercker, Heinrich [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 304, nach Z. 6, ergänze: Auf ein weiteres Gedicht St.s, das in Gotha, Forschungsbibl., cod. Chart. A 239, 219r~v, erhalten ist (ine. Ey qutdnam video quod tarn mea pectora ledat, 27 Dist.), weist jetzt E. WUNDERLE (Die Hss. d. Forschungsbibl. Gotha, Bd. 1: Kat. d. mal. lat. Papierhss., 2003, S. 96 u. 99) hin. Es handelt sich um eine Elegie zum Tod des Caspar Philippi, eines Freundes St.s, die in ihrem szenischen Entwurf — geschilderte Situation ist der Trauerzug zum Grabe, danach Apostrophe der Umstehenden, Dialog mit dem Toten, Lebewohl — an Grabgedichte italienischer Humanisten (A. Beccadelli, A. Poliziano u. a.) erinnert.

1460

chivs, Bd. 4, 1990: Edition der Spiele in M (Palmsonntags- und Gründonnerstagsspiel, S. 97—180 u. S. 181-255, vgl. S. 358-365).

Stetter, Johannes [Korr.] Bd. 9, Sp. 328, zu a.: "Überlingen, Leopold-Sophien-Bibl., Reutl. Coll., Bd. l" korr.: Die 18 Bde der Reutlingerschen Kollektaneen sind heute im Stadtarchiv Überlingen.

'Stimulus amoris (dilectionis)' von Schönau

Ekbert

Dieser Text Ekberts ist identisch mit Ps.-Anselm von Canterbury, 'Meditatio de humanitate Christi' (PL 158, Sp. 748-761) bzw. mit Ps.-Bernhard von Clairvaux, 'Sermo de vita et passione Domini' (PL 184, Sp. 953 — 966); er ist zu unterscheiden von -> 'Stimulus amoris' des Franziskaners Jakob von Mailand, der zumeist unter dem Namen Bonaventuras überliefert ist.

'Stimulus amoris' [Korr.] Bd. 9, Sp. 337 zu II.l, Überl.: "Olomouc (Olmütz), Studienbibl., cod. 74 ...; ebd. cod. 11" korr.: ..., Statni vedeckä knihovna, M I 74 (Kat. Nr. 15) ...; ebd., cod. M i l l (Kat. Nr. 5). Vgl. F. EISERMANN, 'Stimulus amoris' (MTU 118), 2001, S. 364 f.

F. J. WORSTBROCK

Stocker, Johannes [Nachtr.] Sterner, Ludwig [Korr.]

Bd. 9, Sp. 343 zu II.8: Die Pestschrift ist eine Übersetzung (Stockers?) von Marsilio -> Ficinos [NB] 'Consiglio contro la pestilenzia'.

Bd. 9, Sp. 309 zu 3., Überl.: "Original verloren ... nicht zugänglich" korr.: Die angebliche Abschrift von 1524 ist tatsächlich die Originalhs. Sterners v. J. 1501 selbst; neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/ Schweiz. Teilfaksimile des Codex hg. v. F. SCHANZE, Bibermühle 2001; vgl. ders., Ludwig Sterners Chronikhs. von 1501, Librarium 45 (2001) 2-16.

Bd. 9, Sp. 354 zu 2., Überl.: Vgl. auch Vinzenz -> Grüner, B. V. [NB]; ferner Andreas -> Ritter, 2. a. [NB].

Sternhals, Johann [Korr.]

Stoffel, Balthasar [Nachtr.]

Bd. 9, Sp. 311 Überl.: "Prag, SB u. ÜB ..., Ms. Lobkovitz VI Fg 12" korr.: Die Hs. ist seit 2000 auf Zämek (= Schloß) Nelahozeves, Roudnicka lobkowicka knihovna, unter derselben Sign.

Bd. 9, Sp. 355 ergänze: Die Rezepte B. St.s (Stöffler) im Gothaer cod. Membr. I 112, f. 15r17r sind hg. v. B. D. HAAGE, B. Stöffler, Augsburger Stadtwundarzt zu Beginn d. 16. Jh.s. Biograph. Nachweis u. bisher unveröffentlichte Rezepte, Med. Mschr. 23 (1969) 504-506. Eines der Rosenöl-Salbenrezepte übernahm St.s Schüler (?) Caspar Stromayr in seine berühmte 'Practica copiosa' (Lindau 1559-67, 175"; Faks.-Edd. 1925 u. 1983,

'Sterzinger Passionsspiele' [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 318 zu 4., Ausg.n ergänze: H.-G. RoLOFF, Die geistlichen Spiele des Sterzinger Spielar-

Stoer, Nikolaus [Nachtr.]

1461

'Straßburger Blutsegen' — Sultansbriefe

hier Bd. II [Kommentarbd., hg. v. W. F. KÜMMEL u. a.], S. 3 a u . 180).

Stöffler, Johannes entfällt (hauptsächlich lat. Autor, als solcher zeitlich zu spät; t 1531) 'Straßburger Blutsegen' [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 376: Vgl. auch - Wund- und Blutbeschwörungen (II.) [NB].

'Straßburger Malerbuch' [Korr.] Bd. 9, Sp. 380 Überl.: "Straßburg, ehem. StB, Hs. A IV 19" korr.: ..., AVI 19.

'Streit der vier Töchter Gottes' [Nachtr.]

1462

Sp. 471 Z. 1: "Stuttgart, LB, codd. brev. 28" korr.: ..., cod. brev. 25. Ebd. Z 2 f.: "München, cgm 87 (v.J. 1441)" korr.: ... (Mitte 14. Jh.; v. J. 1442 stammen nur die sekundären Ergänzungsblätter. Vgl. K. SCHNEIDER, Die datierten Hss. der Bayer. SB, Teil l, 1994, S. 8).

Stuten, Albert -> Albert OCist [NB] Suchendank, Konrad [Korr.] Bd. 9, Sp. 478 Überl.: "Darmstadt, Landes- u. Hochschulbibl., Hs. 1225" korr.: Hs. 2225.

Suchenwirt, Peter [Korr. ] Bd. 9, Sp. 483 Überl. unten: "Berlin, mgf 1386" korr.: ... mgf 1396.

Bd. 9, Sp. 397, nach Mitte: "(bei -> Heinrich von München findet sich eine eigenständige FasSultansbriefe sung ...)" ergänze dazu: Eine unabhängige parallele Überlieferung dieses Gedichts (130 vv.) als Zu den Brieffiktionen des 14. und Vorspann zu 'Die -> kurze Bibel', I. [NB] in Nürn15. Jh.s gehören auch Schreiben, die von berg, Germ. Nationalmus., Löffelholz-Arch. D 654; einem Sultan an den Papst oder andere vgl. G. KORNRUMPF, in: Vestigia Bibliae 9/10, westliche Herrscher gerichtet sind. In ih1987/88 (1991), S. 115-131, hier S. 120 f.

'Streitgespräch zwischen Wisheit und Manheit' -» Kerchoff Stuler, Jörg [Korr. ] Bd. 9, Sp. 466 zu Lit., Ende: "G. KORNRUMPF, ...; dies. ..., Das Historienbuch d. Deutschordensritters J. St. ... (in Vorber.)": Der Beitrag ist erschienen u. d. T.: 'Der Herr von Braunschweig'. Eine unbeachtete Prosaerzählung aus dem Historienbuch des Deutschordensritters J. St., in: Vom MA zur Neuzeit. Fs. H. Brunner, hg. v. D. KLEIN [u. a.], 2000, S. 473-485.

Stülinger, Margarethe -» 'Ötenbacher Schwesternbuch' (Forts.) [NB]

nen verbindet sich Kritik an der westlichen Gesellschaft, insbesondere an den als aussichtslos und inhuman verurteilten Kreuzzugsplänen, mit der Demonstration orientalischer Machtfülle, wobei auch Anklänge an den Brief des -> 'Priesterkönigs Johannes' erkennbar sind. Die Briefe treten häufig in Überlieferungsgemeinschaften mit anderen (authentischen oder fingierten) Briefen, mit Reiseberichten wie dem 'Itinerarius' des Johannes -» Witte de Hese sowie mit Chroniken wie der des -» Andreas von Regensburg auf. I. L a t e i n i s c h e F a s s u n g e n .

Stundenbücher [Nachtr./Korr. ]

Eine systematische Aufarbeitung der Überlieferung fehlt. Drei Fassungen haben eine breitere Wirkung entfaltet.

Bd. 9, Sp. 469, Abschnitt 2: "im Gegensatz zum -> Brevier": Vgl. auch -* Brevier [NB]. Sp. 470, Abschnitt l, Ende, ergänze: Zu den frühen dt. Stundenbuch-Drucken gehört auch [Urach, Konrad Fyner, um 1480 — 1482]; dazu vgl. unter -> 'Marienmesse Salve sancta parens', II.Z.c) [NB]. Ebd., Überl.: "Luzern, Zentralbibl., P. Msc. 6" korr.: ..., KB P Ms. 6.4°.

Von diesen abweichende Fassungen enthalten die Hss. Augsburg, ÜB, cod. I. 3 2° 18, 23v-25r; Göttingen, ÜB, cod. Ms. hist. 61, 301r-302v; Heidelberg, ÜB, cod. Sal. VIII 41, 128V; Kremsmünster, Stiftsbibl., CC 335, 169V (2 Abschriften); München, clm 19542, 260rb-261va; clm 21656, 142V (s. u. II.3); clm 24598, 7v-8r; Orleans, Bibl. mun., ms. 262 (218), 133rb (gleicher Text in Rom,

1463

Sultansbriefe

Bibl. Apostol. Vat., cod. Ottob. lat. 1555, 131V135r); Wien, cod. 2373, 163r-v; cod. 4498, 150r156'.

1. 'Epistola Soldani' Aufgrund der historischen Anspielungen vermutet WATTENBACH die Entstehung in Frankreich zwischen 1291 und 1314. Der Brief (inc. Balthasar dan illustris filius, Soldanus rex Babiloniorum ... magno sacerdoti Romanorum salutem quam palpitat queritando et querit palpitando. Orthodoxe fidei fundamentum ...) ist meist an einen Papst adressiert, in den Hss. des 14. Jh.s gelegentlich identifiziert als Clemens (V. oder VI.), im 15. Jh. als Nikolaus V., Calixtus III. oder Sixtus IV.; in den Drucken durchweg als Pius II. Unter Hinweis auf die Eroberung von Jerusalem, Akkon und Tripolis warnt der Sultan vor einem Angriff und beschuldigt den Papst, das christliche Heer sinnlos opfern zu wollen. In zahlreichen Hss. und allen Drucken ist dem S. ein Antwortbrief des Papstes beigegeben (inc.: Candor lucis aeternae ...), in dem biblische Exempla für den Sieg des Schwächeren über den Stärkeren angeführt werden. Ü b e r l i e f e r u n g . Von den mehr als 40 Textzeugen stammt etwa ein Drittel aus dem 14. Jh.; ein deutlicher Überlieferungsschwerpunkt liegt im süddt. Raum. Vgl. WAGNER S. 667 Anm. 16. Zu den frühesten Textzeugen gehören Berlin, SBB-PK, Ms. lat. fol. 212, 34r; Graz, ÜB, Ms. 1470, 60r-64r; Köln, Hist. Arch. d. Stadt, GB 4° 169, 129r-130r; Kremsmünster, Stiftstbibl., CG 335, 169 va-vb. Lam bach, Stiftsbibl., cod. chart. 307, 233v-234r; Melk, Stiftsbibl., cod. 664, 35rv; München, clm 15956, 163ra~va; clm 16201, 31vb-32ra; clm 22294, 107"- 108ra; clm 22377, 214 ta ~ rb ; Wien, cod. 352, 110V-111V; cod. 1065, 92r-93v. D r u c k e . Gedruckt in Ausgaben von Johannes -» Witte de Hese, Itinerarius per diversas partes mundi, Erstdruck Köln, Johann Guldenschaff, ca. 1490 (Cop. 2951) und 10 weitere Drucke, s. S. D. WESTREM, A Critical Edition of Johannes Witte de Hese's Itinerarius, the Middle Dutch Text, an English Translation, and Commentary, Together with an Introduction to European Accounts of Travel to the East (1240-1400), Diss. Northwestern Univ., Evanston, 111. 1985, S. 394-469, sowie in 10 Drukken zusammen mit dem lat. Brief des -> 'Priesterkönigs Johannes', s. WAGNER, S. 138 — 149.

1464

Ausgabe. W. WATTENBACH, Fausse correspondence du Sultan avec Clement V, Archives de l'Orient latin 2 (1884) 297-300 (nach Berlin, Ms. lat. fol. 220, 259r-260r, dat. 1463).

2. 'Epistola Morbosani'. Der Brief (ine. Morbosanus hebrei et gesii cum suis fratribus ... Nuper auribus nostris intonuit quod in partibus Ytalie ...) ist an verschiedene Päpste adressiert und häufig auf die Jahre 1344—1346 datiert. Der Briefautor bezeichnet sich als collateralis pugil des osmanischen Sultans Orhan Beg (reg. 1326-1362). Als Reaktion auf päpstliche Kreuzzugsaufrufe in venezianischen Kirchen betont er die Unschuld der Türken am Tod Christi und plädiert für eine friedliche Koexistenz. Die . .' ist irrig als Antwort auf den (authentischen) Brief angesehen worden, den Papst Pius II. (-» Piccolomini, B. V. 3.) um 1460 an Mehmet II. (1451-81) richtete und den Michael -»· Christan ins Deutsche übersetzte. Ü b e r l i e f e r u n g . Mehr als 15 Textzeugen überwiegend des 15. Jh.s Vgl. WAGNER, S. 667 Anm. 16. - U. a. Augsburg, ÜB, cod. I. 3. 2° 18, 113r-114r; Genua, Archivio Storico Comunale, MS. 360, 93r~v; London, British Library, Add. MS 8799, 158-159; Add. MS 26784, 103r; München, clm 4143, 114r; clm 5141, 125r; clm 14610, 194r~v; Venedig, Bibl. Naz. Marciana, cod. Marc. lat. XIV 264, 38r; Wien, cod. 3121, 182r~v; cod. 3479, 31r32V; cod. 3520, 29r-30r; cod. 3609, 280r-281r; cod. 4764, 168r-169v. Drucke. Rom, Ulrich Han, ca. 1473 (Einblattdrucke 1018) sowie in italienischen Ausgaben von Pius II. 'Epistola ad Mahumetem' (u. a. COP. 40, HAIN 173). Ausgabe. G. TOFFANIN, Lettera a Maometto II (Epistola ad Mahumetem) (Collezione umanistica 8), Neapel 1953, S. 181 f. L i t e r a t u r . N. JORGA, Notes et extraits pour servir i Phistoire des croisades au XVe siecle, 3e serie, Bukarest 1902, S. 333 f.; 4e serie (14531476), Bukarest 1915, S. 151 f. Anm. 2; 6e serie, Bukarest 1916, S. 55 Anm. 1; A. R. BACA, Aeneas Silvius Piccolomini, Epistola ad Mahomatem (American University Studies II, 127), New York u. a. 1990, bes. S. 7 u. Anm. 17; WAGNER, S. 668 Anm. 18.

3. Laudivius Zacchia, 'Epistolae Magni Turci'. Die angeblich von Mehmet II. an verschiedene Herrscher gerichteten Briefe

1465

Sultansbriefe

wurden tatsächlich von ihrem Herausgeber L. Z. (geb. um 1435), der möglicherweise über Beziehungen zu Papst Nikolaus V. verfügte und an der Akademie zu Neapel wirkte, verfaßt. Die Brieffiktion wird kaum aufrecht erhalten; die Briefe sind großteils eine Sammlung von Dicta antiker Autoren. L. Z. verfaßte daneben 'De laudibus sapientiae ac virtutis exhortatio' (gedruckt Rom um 1474) und eine 'Vita beati Hieronymi' (gedruckt Neapel 1473 u. ö.). Ü b e r l i e f e r u n g . Erstdruck Neapel, Arnold von Brüssel 1473. 20 weitere Inkunabelausgaben und zahlreiche Drucke bis 1691, s. BABINGER (1960) S. 39—42. Bei den bisher bekannten hs.liehen Textzeugen handelt es sich um sekundäre Druckabschriften. L i t e r a t u r . F. BABINGER, Laudivius Zacchia, Erdichter der 'Epistolae Magni Turci' (Neapel 1473 u. ö.), in: MSB, Jg. 1960, Heft 13 (1960), S. 1-44.

II. D e u t s c h e Fassungen. Dt. Übersetzungen der 'Epistola Soldani' und der Briefe von L. Z. konnten bisher nicht nachgewiesen werden. In mehreren Hss. sind jedoch dt. Fassungen der 'Epistola Morbosani' sowie anderer, an weltliche Herrscher adressierter Briefe überliefert. Die Verbreitung von S.n bezeugt auch ein Aufruf zum Türkenkrieg in einem Lied des Peter -»· Frey [NB]. Eine vollständige Aufarbeitung der Überlieferung steht noch aus. 1. 'Epistola Morbosani' dt. Der Inhalt des Briefes (ine. Morbasmus des hebreischen fest mit den prüdem Cerabi vnd bus balcie des kayser organi nagsten kempher...) entspricht der lat. Version (1.2.). Die Übersetzung entstand wohl um die Mitte des 15. Jh.s; als Empfänger erscheint Papst Nikolaus V. Ü b e r l i e f e r u n g . 5 Hss. aus der 2. H. des 15. Jh.s: München, cgm 216, 162v-163r; cgm 317, v v V 142 ra-va. cgm 4692; io -13 ; clm 9503, 353 ; v r Wien, cod. 4205, 197 -198 .

2. Fehdebrief an den Herzog von Burgund. Der Drohbrief (ine. Machamet pey den gnaden des grossen gottes ein rechter erb

1466

genant...}, in dem Sultan Mehmet II. seinen Zorn und seine Feindschaft ankündigt, ist an den Herzog von Burgund adressiert. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 27063, 13 (dat. 1456); cgm 216, 160r (dat. 1479, adressiert an Maximilian); Wien, cod. 4764, 147v-148r (16. Jh.). A u s g a b e . N. JORGA, Notes et extraits ... (s. o. I.2.), 4e serie (1453-1476), Bukarest 1915, S. 126127 Nr. 58 (nach clm 27063).

3. Angebot der Ehe mit der Sultanstochter. Der Brief (ine. Wyr Bertoldus soldanus zcu Grossen Babilonien...) ist selbständig sowie in veränderter Form in der 'Kurzen Fortsetzung der Chronik von den Fürsten zu Bayern' des ->· Andreas von Regensburg überliefert. Während die selbständigen Fassungen an Friedrich III. oder Maximilian I. adressiert sind, ist der Brief bei A. v. R. an Christoph III. von Bayern, König von Dänemark, Norwegen und Schweden (1440—48), gerichtet und zusammen mit Kurzfassungen der lat. 'Epistola Soldani' und des päpstlichen Antwortbriefes sowie einem dt. Einladungsschreiben an den König von Polen überliefert. Der Sultan, der sich in den unterschiedlichen Fassungen Baricoldus, Bertholdus, Parleus oder Walthasar nennt, bietet seine zum Christentum konvertierte Tochter zusammen mit einer großen Mitgift zur Ehe an. Als Überbringer des Briefes und von Geschenken fungieren der Bruder des Sultans und der indische Priesterkönig Johannes. Ü b e r l i e f e r u n g . An Friedrich III.: Augsburg, ÜB, cod. I. 3. 2° 18, 74r-75r (dat. 1470); Gießen, ÜB, Hs329, 35v-36r; Leipzig, ÜB, Ms 1249, 216r; München, clm 3586, 260V-261V. An Maximilian L: München, clm 14668, 50V-51V (dat. 1512); clm 21656, 143v-144r. Nur den Briefkopf enthält München, clm 19542, 261vb. Zur Überlieferung bei A. v. R. s. LEIDINGER S. LXXXXV-LXXXXVII; außerhalb der Chronik ist eine lat. Fassung des Briefs an Christoph III. in clm 21656, 142V, dat. 1444, überliefert. Ausgabe. TH. v. KERN, in: Die Chroniken der frk. Städte. Nürnberg. 4. Bd. (Chron. dt. St. 10), 1872, S. 169-171; G. LEIDINGER, A. v. R. Sämtliche Werke (Quellen u. Erörterungen z. bayer. u. dt. Gesch., NF 1), 1903, S. 713 f.

1467

1468

'Die Sultanstochter im Blumengarten' — 'Summa bonorum'

4. Einladungsschreiben des Sultans von Babylon. Der Brief (ine. Wir Salmanser almechtiger keiser von Karthago...) enthält eine Einladung an den Papst, den Kaiser und alle Könige zu einem Turnier in der Stadt Babylon. Ein Schreiben ähnlichen Inhalts an den König von Polen wurde in die Fortsetzung der Chronik des A. v. R. aufgenommen (s. . .3.).

L i t e r a t u r , (allg.). M. STEINSCHNEIDER, Polemische u. apologetische Lit. in arabischer Sprache, zwischen Muslimen, Christen u. Juden (Abh. f. d. Kunde d. Morgenlandes 6,3), 1877, S. 237 f.; L. PASTOR, Gesch. der Päpste im Zeitalter der Renaissance bis zur Wahl Pius'II., 3-41901, S. 600 Anm. 1; B. WAGNER, Die 'Epistola presbiteri Johannis' lat. u. dt. Überl., Textgesch., Rezeption u. Übertragungen im MA (MTU 115), 2000, S. 337, 340, 666—668; B. GUTHMÜLLER u. W. KÜHLMANN (Hgg.), Europa u. die Türken in der Renaissance (Frühe Neuzeit 54), 2000.

BETTINA WAGNER

Ü b e r l i e f e r u n g . Hamburg, SB u. ÜB, cod. germ. 6, p. 567-569 (geschrieben 1451/2). Ausgabe. C. H. F. WALTHER, Zwei Strassburgische Hss. der Hamburger StB, in: Verzeichnis der Vorlesungen, welche am Hamburgischen Akademischen u. Real-Gymnasium von Ostern 1880 bis Ostern 1881 gehalten werden sollen, hg. v. H. G. REICHENBACH, 1880, S. 9 f. L i t e r a t u r . Von Rittern, Bürgern u. von Gottes Wort. Volkssprachige Lit. in Hss. u. Drucken aus dem Besitz der SB und ÜB Hamburg [Ausstellungskatalog], hg. v. E. HORVÄTH u. H.-W. STORK (Schriften aus dem Antiquariat Dr. Jörn Günther, Hamburg!}, 2002, Nr. 23 (mit weiterer Lit.). (5.) Nicht in Briefform verfaßt ist ein Reimpaargedicht (inc. Turckischer kaiser bin ich Machametus Bely von Chomani genant...), das als Begleittext zu einem Holzschnittporträt eines türkischen Sultans um 1474—76 von Albrecht Kunne in Trient gedruckt wurde und nur unvollständig in einem einzigen Exemplar erhalten ist (Einblattdrucke 1464). Der Text enthält eine Darstellung der türkischen Eroberungen und weist keine inhaltlichen Übereinstimmungen mit den lat. oder dt. S.n auf. Faks.: M. (i. e. Wilhelm), SCHMIDT, Die frühesten u. seltensten Denkmale des Holz- u. Metallschnittes aus dem vierzehnten u. fünfzehnten Jh. nach den Originalen im k. Kupferstich-Cabinet u. in der k. Hof- u. Staats-Bibl. in München durch Lichtdruck als Facsimiles reproducirt, 1883 — 86, Abb. 6. L i t e r a t u r . F. SCHANZE, Inkunabeln oder Postinkunabeln? Zur Problematik der 'Inkunabelgrenze' am Beispiel von 5 Drucken u. 111 Einblattdrucken, in: Einblattdrucke des 15. u. frühen 16. Jh.s. Probleme, Perspektiven, Fallstudien, hg. v. V. HONEMANN u. a., 2000, S. 45-122, hier S. 53 Anm. 30; F. EISERMANN, Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15. Jh.s im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (VE 15), 3 Bde, 2004 (im Druck), Nr. T-25.

'Die Sultanstochter [Nachtr. ]

im Blumengarten'

Bd. 9, Sp. 499 zu 2., Überl. ergänze: Budapest, Bibl. et Archivum P. P. Franciscanorum, cod. Esztergom 11, um 1500, 123r-131r; vgl. A. VIZKELETY, Aspekte zur Entstehung u. Funktion spätmal. Sammelhss., in: Dt. Lit. des SpätMAs. Ergebnisse, Probleme u. Perspektiven der Forschung (ErnstMoritz-Arndt-Univ. Greifswald. Sektion Germanistik .... Dt. Lit. des MAs3), 1986, S. 385-392, bes. S. 387 f.

'Summa bonorum' Deutsche Exempelsammlung aus dem 15. Jh., Teilübersetzung des 'Tractatus de diversis materiis predicabilibus' (= 'Tr.') von Stephanus de Borbone (St. de Bellavilla, Etienne de Bourbon OP). Auftraggeber und Übersetzer sind unbekannt. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 619, 339rb422vb, mittelbair., um 1462; Wien, cod. 2846, 53rb-118va, mittelbair., vor 1478. A u s g a b e . BAUMGARTE, S. 111-282.

Quelle. Die Quelle der 'S. b.' ist der im Zuge der dominikanischen Predigtreform als Alterswerk des Etienne de Bourbon zwischen 1256 und 1261 entstandene 'Tr.'. Der ehemalige Prediger und Inquisitor im albigensischen Südfrankreich eröffnet damit die Reihe dominikanischer Predigtmaterialsammlungen (-> Humbert von Romans 'De dono timoris'; -» Arnold von Lüttich 'Alphabetum narrationum'; Johannes Gobii Junior 'Scala celi'; John of Bromyard 'Summa predicantium' [WELTER, S. 224-228, 304-319, 319-325, 328-334] u. a. m.). Der 'Tr.' ist eine nach

1469

1470

'Summa recreatorum' — Swende, Valentin

den Sieben Gaben des Hl. Geistes geordnete Sammlung von argumentativ ableitenden Begründungen (raciones) zu bestimmten Glaubensfragen, Autoritätenzitaten (auctoritates) und Exempeln (exempla) zum Predigtgebrauch. Der nur in der Wiener Hs. überlieferte Titel 'S. b.' verweist spielerisch oder verfälschend auf 'Summa donorum', den Titel der übersetzten lat. Redaktion des 'Tr.' (BAUMGARTE, S. 19-23. 262 App. 10-12 [gem. Zusatz mit der lat. Hs. Heiligenkreuz, Stiftsbibl., cod. 313]). I n h a l t und A u f b a u . Die 'S. b.' ist eine kürzende Übersetzung des 'Tr.'. Sie enthält ca. 200 Exempel unterschiedlichen Umfanges, die den übersetzten Abschnitten des 'Tr.' entsprechend 7 thematischen Schwerpunkten zugeordnet sind: Gottesfurcht ('Tr.' Buch I, tituli 1-2), Hölle ('Tr.' 1,4), Fegefeuer ('Tr.' 1,5), Jüngstes Gericht ('Tr.' 1,6), Memento Mori ('Tr.' 1,7), [Sünden ('Tr.' 1,8)], Gottes Wort ('Tr.' 11,1). Der Exempelbestand der übersetzten Partien ist fast vollständig übernommen. Starken Kürzungen hingegen unterliegen die argumentativen Abschnitte, in die die Exempel eingebettet sind, sowie der Bestand an Autoritätenzitaten. Der Entstehungsrahmen der 'S. b.' läßt sich bisher nur vage bestimmen. Die Überlieferung der lat. Quellenredaktion (Heiligenkreuz, Hohenfurt, Reun; vgl. WELTER, S. 222) weist auf eine zisterziensische Vermittlung und den österr. Raum hin. Die Überlieferungssymbiose der 'S. b.' mit dem -> Passauer Anonymus und Texten aus dem -»· 'Klosterneuburger Evangelienwerk' (vgl. auch -»· Österreichischer Bibelübersetzer [NB]) im thematisch eng auf Häresiefragen zugespitzten Wiener Codex aus dem Besitz der in Ostbayern ansässigen Herren von Trennbach, sowie der in Braunau beschäftigte Schreiber des vor der 'S. b.' liegenden Teils der Münchner Hs. könnten auf eine Entstehung der Übersetzung im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Hussiten im österr.-bayer. Donauraum Mitte des 15. Jh.s deuten. L i t e r a t u r . 1. Zu Stephanus de Borbone und dem 'Tractatus de diversis materiis predicabilibus':

QUETIF/ECHARD, SS, Bd. l, S. 76, 184-194; WELTER, L'exemplum, S. 215—223; KAEPPELI, Scriptores, Bd. 3, 1980, S. 345; R. SCHENDA, Art. 'Etienne de Bourbon', in: Enzyklopädie d. Märchens, Bd. 4, 1984, Sp. 511-519; J. BERLIOZ, Les recherches en France sur les exempla medievaux 1968 — 1988, in: Exempel u. Exempelsammlungen, hg. v. W. HAUG u. B. WACHINGER (Fortuna Vitrea 2), 1991, S. 288-317; CH. DAXELMÜLLER, Art. 'Stephanus de Bellavilla', in: Lexikon d. MAs, Bd. 8, 1997, Sp. 128-129. A u s g a b e n . Anecdotes historiques, legendes et apologues tires du recueil inedit d'Etienne de Bourbon, hg. v. A. LECOY DE LA MARCHE, Paris 1877 [Auszüge]; Stephanus de Borbone, Tractatus de diuersis materiis predicabilibus, sous la direction de J. Berlioz. De dono timore, hg. v. J. BERLIOZ et J.-L. EICHENLAUB, Turnhout (im Druck). 2. Zur 'Summa bonorum': S. BAUMGARTE, Summa bonorum. Eine dt. Exempelsammlung aus d. 15. Jh. nach Stephan von Bourbon. Edition u. Unters. (TspMA 40), 1999.

SUSANNE BAUMGARTE 'Summa recreatorum' [Korr.] Bd. 9, Sp. 504 Z 8: "Wien, cod. 4137" korr.: ..., cod. 4134.

'Summarium Heinrici' [Korr.] Bd. 9, Sp. 511 unten: "Klagenfurt, ÜB, cod. 11" korr.: ..., cod. Perg. 11. Sp. 512 zu d): "Erlangen, ÜB, cod. 2006" korr.: ..., Ms. B 23 (Kat. STEINMEYER Nr. 2006).

Summenhart, Konrad [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 523 f., zu 3.: Der 'Tractatulus pro monialibus' wurde von Thomas -» Finck [Bd. 2 u. NB] ins Deutsche übersetzt (Hs.: Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms 2797, lr-27r. Sp. 526 vor C. ergänze: K. S. ist evtl. der Übersetzer von Ec und Sap in Heidelberg, cpg 37, 30r — 103r; vgl. -» Salomonische Schriften, A.I.ll.

Sune (Svnye) (dt.) [NB]

'Gutalag' und 'Gutasaga'

Suppan, Wolfgang -» Wolfgang von Steyr Swende, Valentin [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 555 zu 2., Ausg.: "S. NAGELE in Vorbereitung": Erschienen u. d. T. Valentin Schwendes

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'Systematisches sächsisches Landrecht'

'Buch von menicherhande geschlechte kornnes und menicherley fruchtte' ... (WmF 76), 2001.

Symbola-Übersetzungen und -Auslegungen (spätmal, deutsche) ->· Glaubensbekenntnisse [NB]

Symonis, Nicolaus -»'Anna' (C.III.4.) [NB] 'Systematisches [Korr. ]

sächsisches

Landrecht'

Bd. 9, Sp. 561 Überl.: "Osnabrück, Staatsarch., Dep. 2 Nr. 22" korr.: ..., Rep. 2 Nr. 22.

'Tabula maioris scientiae' [NB]

'Donum Dei'

Taddeo (degli) Alderotti [Korr.] Bd. 9, Sp. 574 oben: "G. PRiOL-HöFER, ..., vorauss. 1995" korr.: Die Diss. ist bisher nicht erschienen.

'Tafel der christlichen Weisheit' [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 574 zu Überl. ergänze: Heidelberg, cpg 471, 66r-68v (Anfang des Textes; vgl. Joh. -> Vorster).

Tageno (Tagno, Taegno, Tegno) von Passau 1. Der Passauer Domherr T., Verfasser eines Tagebuchs zum 3. Kreuzzug, an dem er im Gefolge Bischof Dietpolds teilnahm, ist urkundlich erstmals am 21. Juli 1183 nachweisbar. Seit 1184 erscheint er als notarius und protonotarius der bischöflichen Kanzlei, seit 1187 als Passauer Domdekan, 1188 außerdem als Kanoniker des Chorherrenstifts St. Andrä a. d. Traisen. In Passau ist er zuletzt am 16. Mai 1189 bezeugt. Er starb während des Kreuzzugs im Sommer oder Herbst 1190 in Tripolis. 2. Das Tagebuch, das T. für die Zeit vom Aufbruch Bischof Dietpolds am 15./ 16. Mai 1189 bis zur Ankunft des Heeres in Antiochia am 21. Juni 1190 geführt hat, das älteste mal., von dem man weiß, ist nur unvollständig erhalten, überdies nur in mittelbarer Überlieferung, zum einen in einer der drei bekannten Fassungen der 'Annalen' des -» Magnus von Reichersberg [NB], zum ändern in einem von Johannes Aventin redigierten Druck von 1522. Die

beiden Textzeugen sind sachlich und stilistisch deutlich verschieden, doch über weite Strecken hin immer wieder auch gleich. Das Verhältnis, in dem sie zueinander stehen, ist in der Forschung strittig geblieben. Magnus versichert, er habe T.s Bericht getreu wiedergegeben. Allerdings bietet sein Text nur für 1190 tagebuchmäßige Aufzeichnungen, während über die Stationen und Ereignisse d. J. 1189 in der Hauptsache ein inserierter Brief Bischof Dietpolds an Leopold von Österreich berichtet; gänzlich fehlen dabei Notizen für den Zeitraum bis zum 28. Juni 1189 und von Anfang Nov. 1189 bis zum 15. Jan. 1190. Ähnlich verhält es sich indes auch in Aventins Druck. Seit KAUFMANN hält die Forschung an der Ansicht fest, daß Aventin eine Hs. von T.s Diarium, das er um 1517 in Reichersberg gefunden haben wollte, gar nicht in Händen gehabt habe, seine Quelle vielmehr die 'Annalen' des Magnus gewesen seien, allerdings nicht deren älteste erhaltene, sondern eine ihr vorangehende verlorene Fassung. KAUFMANNS Meinung jedoch, in Aventins Redaktion sei vom Original des Tagebuchs fast nichts erhalten, dieses werde vielmehr am besten durch den bei Magnus erhaltenen Text vertreten, wurde von GÜTERBOCK überzeugend revidiert. Nach GÜTERBOCK darf T.s Diarium für 1190 als im wesentlichen erhalten gelten, und zwar — ungeachtet Aventins sprachlich-humanistischer Überarbeitung — in seiner ursprünglichen Form besser bei diesem als bei Magnus. Daß der durchgehend subjektive Berichtsstil des Kreuzzugsteilnehmers allein bei Aventin bewahrt ist, in dem von Magnus wiedergegebenen Text sich dagegen vielfach der objektive Berichtsstil des Chronisten durchsetzt, hatte man immer schon beobachtet.

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Tagzeitengedichte

Nicht beizutreten ist der einhelligen Meinung der Forschung, Aventin habe T.s Diarium nicht in einer selbständigen Hs., sondern einzig aus jener verlorenen Fassung von Magnus' 'Annalen' gekannt. Als Aventins Fund der Hs. bekannt wurde, bat Peutinger ihn am 1. Jan. 1519 dringlich um ihre zeitweilige Überlassung, Konrad Adelmann am 11. Sept. 1519 und nochmals am 5. Febr. 1520 um eine Abschrift. Adelmann erhielt noch 1520 anscheinend die Hs. selbst, kam aber Aventins Bitte um baldige Veröffentlichung nicht nach. Die Hs. ging erst nach langen Jahren, im Juli 1527 durch Peutinger, nachdem er nun eine Abschrift genommen hatte, an Aventin zurück. Vgl. Johannes Turmair's genannt Aventinus sämmtl. Werke, Bd. 3, 1883, S. 247; Bd. 6, 1908, S. 83-87. Nirgends ist in diesen Nachrichten davon die Rede, daß damals statt des Tageno-Berichts ein Exemplar der 'Annalen' des Magnus, einer umfänglichen Chronik, durch die Hände gegangen sei. Allerdings ist zu beachten, daß Aventin, als er 1522 den Kreuzzugsbericht veröffentlichte, die Hs. wohl nicht vor Augen hatte, da sie an die Augsburger verliehen war. Die Tatsache, daß Peutinger 1527 eine Abschrift der Hs. herstellen ließ, darf als Indiz dafür gelten, daß Aventins Druck von 1522 mit ihr nicht übereinstimmte. Peutingers Abschrift ist verschollen. Es ist denkbar, daß Aventin, dessen Text nach GÜTERBOCKS vergleichender Analyse dem Original im ganzen näher steht als der erhaltene des Magnus, einem Exemplar des Tagebuchs folgte, in dem T.s Notizen des Jahres 1189 bereits durch den Brief Dietpolds ersetzt und dem die Briefe Friedrichs I. und der Königin Sibylla, die nur Aventin, nicht Magnus wiedergibt, beigefügt waren. Die prekäre Annahme einer 4. Fassung von Magnus' 'Annalen' — vier Fassungen binnen fünf Jahren (1190— 1195); KAUFMANN postulierte gar deren sechs — erübrigte sich damit. Nach einer solchen Vorlage könnte auch Magnus gearbeitet haben, und in diesem Falle könnte man seine Erklärung, er habe T.s Aufzeichnungen fideliter notiert, eher beim Worte nehmen. Im Anschluß an GÜTERBOCK und im Blick auf den verläßlich bezeugten Hs.fund Aventins wären eine neue Prüfung der T.-Frage und der Versuch einer Rekonstruktion des Diarium-Textes erwünscht.

Wie GÜTERBOCK gezeigt hat, wurde T.s Diarium in der zeitgenössischen -> 'Historia de expeditione Friderici imperatoris' und in der -»· 'Historia peregrinorum' benutzt. Ü b e r l i e f e r u n g und D r u c k e . Der Kreuzzugsbericht in der erhaltenen Fassung des Magnus: CHR. GEWOLD (Hg.), Chronicon Monasterii Rei-

cherspergensis in Baioaria, ante annos CD congestum, München 1611, S. 261—286 (Abdruck einer verbrannten Reichersberger Hs.); W. WATTENBACH, MGH SS XVII, S. 509-517. - Die redigierte Ausgabe Aventins: Clarissimo principi et dotnino Arionisto Pientissimo Bathauiensium Pontifici designato [..,} Dedicatum. Expeditio Asiatica aduersus Turcas O1 Saracenos Imperatoris Friderici Primi [...], [Nürnberg, F. Peypus] 1522. Abdruck bei M. FREHER, Germ. rer. SS l, 1624, App. S. 6— 15; u. Straßburg 1717, S. 405-416. L i t e r a t u r . K. FISCHER, Gesch. d. Kreuzzuges Kaiser Friedrichs L, 1870, S. 6-16; S. O. RIEZLER, Der Kreuzzug Kaiser Friedrichs L, Forschungen zur dt. Gesch. 10 (1870) 1-149, bes. S. 87-98; A. CHROUST, T., Ansbert u. d. Historia peregrinorum. Drei krit. Untersuchungen zur Gesch. d. Kreuzzugs Friedrichs L, 1892, bes. S. 12-47; K. ZIMMERT (Hg.), T. u. d. Brief Diepolds Bischofs von Passau, 19. JB des k. k. Staatsgymnasiums in Nikolsburg 1901/1902; L. GROSS, Über das Urkundenwesen d. Bischöfe von Passau im 12. u. 13. Jh. (MIÖG Erg.Bd. 8), 1911, S. 540-545; M. KAUFMANN, Das Tagebuch des T, 1924; H. STEINACKER, Zu Aventin u. d. Quellen d. dritten Kreuzzugs, MÖIG 41 (1926) 159-184; K. ZIMMERT, Zur T.-Ansbertfrage, MÖIG 41 (1926) 389-411; A. CHROUST (Hg.), Quellen zur Geschichte d. Kreuzzuges Kaiser Friedrichs I. (MGH SS rer. Germ. N.S. 5), 1928, Einl.; F. GÜTERBOCK, II diario di T. e altri fonti della terza crociata, Bolletino dell'Istituto storico italiano per il medio evo 55 (1941) 223 — 275; WATTENBACH/SCHMALE, Geschichtsquellen I, S. 96-99; E. BOSHOF (Bearb.), Die Regesten d. Bischöfe von Passau, Bd. l, 1992, Nr. 893, 900, 915, 916, 918, 922, 923, 927, 938, 941, 944, 956. F. J. WORSTBROCK

Tagzeitengedichte [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 579, Abs. 2 korr.: 'Patris sapientia' und 'Matutino tempore' bestehen aus je einer Strophe für die 7 Tagzeiten und einer Schlußstrophe. Sp. 581, zu 2. ->· Hartwig von dem Hage. Ältester Textzeuge (3. Drittel 13. Jh.) jetzt: München, cgm 5249/54; s. SCHNEIDER, S. 86 f. Sp. 581 f., zu 3. u. 4. Zur Datierung s. -» 'Medinger Gebetbücher' [NB]. Sp. 582 f., zu 6. Das zit. Initium gehört zu 'Großer -> Seelentrost' III, 29, Reimgebet [8]. Das Tagzeitengedicht umfaßt die Reimgebete III, 29, [1] bis [7] (Gründonnerstag, Vesper bis Karfreitag, Non) mit dem Beginn: Ik danke dij, benedide here Ihesu Crist, l Wente du myn god vnde myn heylant bist. Dazu gehört das Exempel III, 28 in Prosa (entspricht -> 'Speculum humanae salvationis', Vulgatfassung, c. 43.a; s. a. -> 'Waldbruder'). Vgl.

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Tagzeitengedichte

SCHMITT, Ausg., S. 118*-124*. - Die Strr. 2-7 des nd. Gedichts liegen v. 7—109 der ->· 'Bordesholmer Marienklage' zugrunde (s. KÜHL, Ausg., S. 28-31). Ü b e r l i e f e r u n g des Gedichts. (A) Separat, öfter aber in der Nachbarschaft anderer Reimgebete aus 'Großer Seelentrost' III, 29. 30. 32c. 33/33a [- 'Sieben Freuden Mariens' C.VIII.d.-f.]: Außer in der Dessauer Hs. u. dem Druck v. 1521 (s. 2VL 8, Sp. 1031; BORCHLING III 253, II 37) auch in Kopenhagen, Kgl. Bibl., cod. GKS 8° 3423, Rostock, ÜB, Mss. theol. 48, Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., codd. Guelf. 894 [?], 1189, 1288, 1318, 1329 Heimst., s. BORCHLING II 36 f., 181 f., III 19, 38 f., 73, 88, 90 (codd. Guelf. 1272 u. 1279 Heimst, enthalten entgegen BORCHLING III 66 u. 68 Reimgebete von Christi Tränen aus 'Großer Seelentrost' III, 30); London, Brit. Libr., Sloane MS. 2601, 2 r 7V, frgm. (voran Bl. l* 'Großer Seelentrost' III, 28, frgm.); Lübeck, StB, Mss. theol. germ. 8° 52, 57 (III, 29-30, Anfang fehlt), 76 (2004 noch verschollen), 92, 95 (2004 noch verschollen), s. P. HAGEN, Die dt. theol. Hss. der Lübeckischen StB, 1922, S. 39, 45, 66, 77, 79. - (B) Eine Kompilation (Matutin bis Komplet) verschränkt Str. 3—7. 1—2 (a) mit 9.XII., Str. 1-7 (b) und 10.IV., Str. 1-6 (c): Stunden- u. Gebetbuch [Lübeck, Lucas Brandis, um 1478] (BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr., Nr. 24; Ex.: Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., 1222.26 Th [2], 86v-95r); vgl. BORCHLING III 174 f. - (C) Nach BORCHLING II 182 f. u. III 19 ist das Gedicht strophenweise eingefügt in ProsaTagzeiten in Joachim Slüters nd. Bearbeitung von Martin Luthers Betbüchlein, Ausg. [Magdeburg, Heinrich Öttinger, um 1529] (BORCHLING/CLAUSSEN, Nd. Bibliogr., Nr. 1016; Ex.: Rostock, ÜB, Mss. theol. 48, erster Beiband). Sp. 583, zu 7. Mönch von Salzburg, G 23: Str. l Prolog, Str. 2—8 Passion Christi (die mitleidende Maria ist konsequent einbezogen!) nach den sieben Tagzeiten mit Ausblick auf den Ostermorgen; Geleit. RSM ^önch/l/l. Weitere Hs.: Berlin, mgf 634, 120va-121vb, s. M. BALDZUHN, Teichnerreden u. Meisterlieder, ZfdA 133 (2004) 151-176. Vgl. unten zu 22. Zu 9.1. Überl.: "Göttweig, ... cod. 195 / R 426" korr.: ... cod. 426 (rot), 195 (schwarz); der Text folgt nicht unmittelbar auf 'De -> mynnen rede' [Bd. 6 u. NB], die genaue Datierung ist unsicher. 8 Reimpaarstrophen zu 10 oder 12 vv., mit Kollekte (12 vv.) und Ablaßzusage (8 vv.; vgl. Anal, hymn. 30, Nr. 13, Apparat S. 35). Es folgt 10.1. Auch Erlangen, ÜB, cod. B 16 (-> 'Gebetbuch für Barbara Ulstatt'), 24V-27V (nach Str. 7 größere Abweichungen, die Ablaßzusage nennt Papst Johannes [XXII.]). Die Strr. 1-7 von 9.1 und 10.1 sind in ein dt. Passionsoffizium in Prosa jeweils am

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Ende einer Höre eingefügt: München, cgm 79, 88r-102v. Sp. 584, zu 9.V. Überl.: Auch Wien, cod. 4091, 180r-182r. - Ausg. nach Wien, codd. 3027 u. 4091 mit Melodie jetzt: GGdM, Bd. l, Nr. 143 u. 172; vgl. Bd. 6 (Krit. Bericht), im Druck (2004). Sp. 585, zu 10.1. Überl.: Das Gedicht folgt auf 9.1. und umfaßte ursprünglich wohl 8 Reimpaarstrophen zu 10 vv. — Str. 1—7: Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 22403, 169v-173r (s. BORCHLING IV 150; OCHSENBEIN, S. 106 Anm. 51); ferner in einem Prosaoffizium, s. o. zu 9.1. Zu 10.11. Ausg. mit Melodie künftig: GGdM, Bd. 3, Nr. 502. Zu 12. Ausg. jetzt: Sangsprüche in Tönen Frauenlobs, hg. v. J. HAUSTEIN u. K. STACKMANN (Abhh. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen, Phil.-Hist. Kl., 3. Folge, Nr. 232), 2000, VIII,216. Zu 14. Zum Autor s. Fürst -> Magnus von Anhalt. Zu 15. Das Gedicht umfaßt Gründonnerstag, Vesper bis Karfreitag, Non. 7 Reimpaar-Abschnitte zu je 30 vv. (Non: 40 vv.). Auf die an Christus gerichtete Betrachtung des Leidens folgt jeweils eine kurze Mahnung oder Bitte, einer Sünderin in den Mund gelegt. Vgl. SCHÖNBACH, S. 254. - Danach Gedicht 23. Sp. 586, zu 17. Überl. u. Ausg.: Die Augsburger Kompilation (mit Einarbeitung der dort folgenden Tagzeitengebete) auch in Karlsruhe, LB, cod. Licht. 48, 208V-270V (zit.). - Die anaphorische Betrachtung (Alle frewde wart betrübet] begegnet mit oder ohne Tagzeiten-Einteilung und meist mit dem Beginn Alle herschaft (hat) gedienet separat häufig, auch noch im 'Wurzgarten' und im 'Seelengärtlein' (-> Hortulus animae' 2.b., 2.c.); vgl. z. B. J. KLAPPER (Hg.), Die Schriften Johanns v. Neumarkt, 4. Teil (Vom MA z. Reformation 6,4), 1935, Nr. 103. — Die den Abschnitten zugeordneten Reimpaargebete (zu 6 bis 10 vv.) beginnen: Ich man dich, suezzer Jesu Christ, I wan du von der rainen magt geporn bist. Zu 19. Vgl. SCHÖNBACH, S. 254. - Überl.: zs. mit Gedicht 24 auch Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Q 48/9, 206r-208v u. Q 48/12, 10V13r (wie München, cgm 718); Berlin, mgo 578, 168v(-172r) u. Halle, ÜB u. LB, Qu. Cod. 142, 84v-90r ('Wurzgarten'-Fassung). Zu 21. Gebetszyklus ohne Bezug zu Christi Leidensstationen (Von got und von der mueter sein / Ist dicz chlain [!] chuerzlein [lies: curslein, SCHÖNBACH]. / Vo« got haizt ez 'der vreuden ger', l Von sand Marien 'vreuden gewer' ... Ich pitt dich, herr, suzzer got, l Christus Jbesus chunich Sabaoth). Prolog und Gebetsanleitung (16 vv., sekundär?), zu den acht Tagzeiten 32 Vierversgruppen, abwechselnd an Gott (bzw. Christus) und an Maria gerichtet; insgesamt 144 vv. Vgl. SCHÖNBACH, S. 253 f.

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Tagzeitengedichte

Sp. 587, zu 22. 'Tagzeit vnser frawen' (Maria muter, raine Maid, / Ze metten ward dir hertzigs laid l Verkünt ...). 8 Reimpaarstrophen zu 6 vv., in Anlehnung an 'Matutino tempore'. Ü b e r l i e f e r u n g und A b d r u c k e . (A) Prag, Knihovna Narodniho Muzea, cod. X A 12 (Ldb. der Klara -* Hätzlerin, Augsburg 1471), 244V245r, im Anschluß an -> Mönch v. Salzburg, G 23 (s. o. 7.). Ausg.: HALTAUS, Hätzlerin, Nr. II, 84 (Corrigenda S. 423), zit.; danach WACKERNAGEL, KL II, Nr. 663. - (B) Einblattdruck (mir nachgewiesen von R. Cermann): [Augsburg, Günther Zainer, um 1475], mit bevelchnuß des Münchs von Salczburg gegen unser frawen (G 10 V; Ldb. der Hätzlerin Nr. II, 66). Vgl. EISERMANN Nr. T-6 (mit Lit. u. Abb.nachweisen). — Wohl auf einen solchen Druck gehen zurück: Wien, cod. 3835, 106rv. 107r (MENHARDT, Hss. 2, S. 950, Nr. 7 zuzüglich Nr. 8, v. 1—4, von der Hand des Johann -+ Hauser [Bd. 3 u. NB]; nach 106V fehlt Str. 7,5 bis Mönch G 10 V,20); ebd., cod. Ser. nova 13245, 66v-71r (v. J. 1503; mir nachgewiesen von R. Cermann, s. künftig CERMANN Nr. 43.1.201). - (C) Druck in: 'Geistliche Auslegung des Lebens Jesu Christi', [Ulm, Johannes Zainer d. Ä., um 1482] (GW 3084, Bayer. SB. Inkunabelkatalog, Bd. 2, 1991, G-63), y3 v —y5 v , mit eingefügten Prosagebeten. Abdr. der Verse: WACKERNAGEL, KL II, Nr. 1027, vgl. KL I, S. 372. — (D) Gebetbuch-Hss. seit dem späten 15. Jh.: München, cgm 4640, 59r-61r; cgm 4685, 69r—72r; New Haven, Conn., Yale Univ., Beinecke Rare Book and Ms. Libr., MS 28, 50r(-51r); Salzburg, St. Peter, cod. b IX 10, 13 V —15 V , mit eingefügten Prosabetrachtungen u. -gebeten. Zu 23. Bitte um Marias Fürbitte in 8 den acht Tagzeiten zugeordneten Reimpaarabschnitten zu 28 bis ca. 58 vv., an Christi Leben (Verkündigung bis Himmelfahrt) orientiert. Vgl. SCHÖNBACH, S. 252 f. — Anderer Beginn: Gelobt seyst du, rayny chunniginn, l durch dy grozzen gotez minn. Zur Überl.: CC1 1170, in Klosterneuburg vermißt, befindet sich in Straßburg, Bibl. nat. et univ., ms. 2523 (olim L germ. 498; Identität bei A. BECKER, Die dt. Hss. der kaiserl. ÜB u. LB zu Straßburg, 1914, S. 25 f. nicht erkannt). In CC1 1222 geht Gedicht 15 voran. — Frgm. um Mitte / 3. V. 14. Jh. (SCHNEIDER, S. 95 f.): München, cgm 5249/59 f, 2V mit Abschnitt l, v. 1-3 (zit.) u. l rv [!] mit Abschnitt 2, v. 1-40. Hier geht 2 rv Gedicht 27 voran. Zu 24. Lit. u. Überl.: s. o. zu 19. Zu 25. Ausg. auch: W. WALTHER, Die zu Lübeck gedr. nd. Psalter, Theol. Stud. u. Kritiken 62 (1889) 573-598, hier S. 582 f.; s. BORCHLING III 36 Anm. 1.

Im folgenden sind weitere einzelne Tagzeitengedichte, einige in größerem Zusam-

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menhang (45—48) sowie Reimoffizien (49—51) angeführt. Gedichte vom Leiden Christi und von Marias Mitleiden werden öfter als Paare oder verschränkt überliefert: 6/9.XII/10.IV, 7/22, 9.I/10.I, 15/23, 19/24,27/23, 30/41; drei Gedichte oder Gedichtpaare des 14. Jh.s sind später in Passionsoffizien in Prosa eingefügt worden: 6, 9.I./10.I., 27. Zu 9. 'Patris sapientia', dt. (eine Übersetzung von 1331 s.u. 47). Fassung VIII (Almechtig ewig ane drum l In gottelicher steite), 71 vv. OCHSENBEIN Nr. 8. Ü b e r l i e f e r u n g . Engelberg, Stiftsbibl., cod. 155, 23V-25V (-> 'Engelberger Gebetbuch' Nr. 6). Es folgt Gedicht 28.

Fassung IX (Des vaters wisheit Ihesus Crist I got und mensch wart gefangen}. 8 kreuzgereimte Achtzeiler. Ü b e r l i e f e r u n g . Heidelberg, cpg 63, 135r— 136r (zit.), mit Prosakollekte u. Reimpaar; London, Brit. Libr., Arundel MS 312, 35r-36v; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 296 Blank., 209r—213V, u. weitere in Paris für Nürnberg angefertigte dt. Stundenbücher (s. CERMANN, S. 14f.); Str. 1-7: München, cgm 424, 234va-235rb.

Fassung X (Got Jhesus Crist war mensche ist l synes vaters weysheyt). 8 Strophen zu 6—10 vv. mit absichtlich wechselnder Reimbindung; auch Kollekte und Ablaßzusage Papst Johannes' (XXII.) in Versen. OCHSENBEIN Nr. 7. Ü b e r l i e f e r u n g . Augsburg, SB u. StB, 2° Cod 197, Teil V, 156r-157r (alt 194r-195r).

Fassung XI, Hs. A (Vaterlicher weishait wort l und gütlicher warhait hört}, Ägidius (Romanus) zugeschrieben, mit Ablaß von Papst Johannes (XXII.); Hs. B «D>r vater sein ewigeu beishait l Und ymmer gotleiche worhait). 8 Reimpaarstrophen zu 8 vv. (Prim: 6 vv.), mit Vers und Kollekte in Prosa nach Str. 1. OCHSENBEIN Nr. 9 (Hs. B). — Verwandt mit Fassung IV? Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 4701, 179V— 182V (Hs. A); ebd., ÜB, 4° cod. ms. 489, 136r-138r (Hs. B).

Fassung XII (Codes wäre wysheyt Crist I to metten tid gevangen is). 7 Reim-

1481

Tagzeitengedichte

paarstrophen zu 10 vv. (Komplet: 14 vv.), Str. 8 kreuzgereimt (12 vv.), mit Vers und Kollekte in Prosa. An die Wiedergabe des Hymnus in v. 1 — 6 schließt jeweils eine Anrufung Christi an. Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1313 Heimst., 72V-79V (zit.); Str. 1—7: Kompilation [1478], Bestandteil b, s.o. zu 6. - Vgl. BORCHLING III 85, 174.

Fassung XIII (Prol. O mylde goddes telerynne, l vorluchte unse herte und synne ... Str. l Des vaders hogeste wisheit, l war god an mynscliker art). Reimpaar-Prolog (14 vv.), 8 kreuzgereimte Achtzeiler. Str. 8 mit Reimpaar-Versikel und -Kollekte (2 bzw. 10 vv.) scbaltu lesen to allen tyden; sie steht daher bereits nach Str. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1279 Heimst., 74r-80r (zit.); Rostock, ÜB, Mss. theol. 48, 26" (nur Str. 1-3,5, Rest verloren), voran Gedicht 6. — Vgl. BORCHLING III 68 f., II 182.

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Jordan v. Quedlinburg (II.3.b., ohne diese Hs.) u. Gebete. - Vgl. BORCHLING IV 14 f., II 180; BERGMANN Nr. M 7, M 117.

Fassung IV (To metten tyd to mydder nacht I do wort Marien de bodeschop gebracht ... Str. 2 To prime tyt toch men ene vor gerichte I to Pylatus hus in iamers gesiebte). 8 Reimpaarstrophen, Matutin bis Vesper: 6 bis 10 vv., Komplet- und Schlußstr. erweitert: 14/16 bzw. 18/20 vv. Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e . Bremen, SB u. ÜB, msc 0024, 180v-183r, abgedr. A. LÜBBEN, Mnd. Gedichte, Oldenburg 1868, S. 34-37, Nr. V (zit.), danach H. OESTERLEY, Nd. Dicht, im MA, Dresden 1871, S. 63 f.; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 289.3 Extrav., 243v-246r; Str. 1—6: Kompilation [1478], Bestandteil c, s.o. zu 6. - Vgl. BORCHLING I 105, III 132, 174 f.; BERGMANN Nr. M 27, M 138, MD 17.

Vgl. auch oben zu 22 und unten zu 42— 44.

26. Von Christi Leiden u. a. (Herr vater Fassung XIV (Ich pit dich, herr Xp Jhu Ihesu Crist, l ich man dich auch, daz du [lies: Jesu Christ], l der dy war Weisheit pist l durch uns gevangen und geslagen). pist). 8 Reimpaarstrophen zu 6 vv. (Non: 7 Reimpaarabschnitte zu 10—20 vv., jeder mündet in eine Bitte; einige andere Ge4 vv.). schehnisse der Heilsgeschichte (z. B. PfingÜ b e r l i e f e r u n g . Augsburg, ÜB, cod. III. 1. sten) sind einbezogen. 8° 31, Teil I, 148v-149r. Fassung XV von Albrecht Dürer, 1510 (Deß Vatters ewige weißheit l Die götlich menscheit Christ/ leit). 8 Reimpaarstrophen zu 10 vv., voran und am Ende ein Reimpaar. OCHSENBEIN Nr. 11.

Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 87 (-» Stundenbuch, Mitte 14. Jh. [!], s. -> 'Marienmesse Salve sancta parens', III.A.l. [NB]), 53V-56V (zit.); cgm 136 (-> 'Gebetbuch des Wolfgang Schreiber'), 197v-201r.

27. Von Christi Leiden u. a. zu den acht Tagzeiten (Matutin [1] Herr lesu Christe, i durch unser schuld geschach dir we. / czu mitter nacht wurd du geporn ... Vesper Zu Zu 10. 'Matutino tempore', dt. vesperczeit, herr, du säst / Mit deinen JunFassung III (To metten tyd und tho myd- gern, herr, und äst). 10 Reimpaarabder nacht l wart Marien de hodeschop schnitte (zu Matutin und Laudes je zwei, ghebracht ... Str. 2 To pryme tyd wart he das zweite Laudes-Gebet an Maria gerichvor gherychte trecket. ! Ok, wo sere wart tet) zu 14—32 vv. Kurze Mahnungen Chrido Maria vor schrecket). 8 Reimpaarstro- sti an die Leidensstationen vom Abendmahl bis zur Grablegung und andere Gephen zu 6 vv. schehnisse der Heilsgeschichte (Geburt; Ü b e r l i e f e r u n g . Göttingen, SB u. ÜB, 8° Cod. Höllenfahrt bis Pfingsten), verbunden mit Ms. Theol. 242f (bis 1909 Berklingen, Karl Diestel- längeren Bitten. r r Ü b e r l i e f e r u n g u n d A u s g a b e . Dürer. Schriftl. Nachlaß, hg. v. H. RUPPRICH, Bd. l, 1956, S. 135137, Nr. 12 (zit.), vgl. S. 128.

mann), 101 -103 ; Rostock, ÜB, Mss. theol. 47, 174r-177v (zit.), Papst -> Clemens (VI.) zugeÜ b e r l i e f e r u n g . München, cgm 5249/59 f, 2rv (s. o. zu 23), nur Schluß des Vespergebets u. das schrieben, am Ende des Samstag-Abschnitts der auf die Tage der Woche verteilten 65 Artikel des -> Kompletgebet erhalten. — Abschnittsweise in ein

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Tagzeitengedichte

dt. Passionsoffizium in Prosa nach jeder Höre eingefügt: Karlsruhe, LB, cod. Licht. 48, 74r-107v (Beginn mit Vesper), zit.; Kremsmünster, Stiftsbibl., CC 5, 17v-25r (ebenso); München, cgm 136 (- 'Gebetbuch des Wolfgang Schreiber'), 14r-66v (Beginn mitMatutin); cgm 8836, I ra -l4 vb (ebenso). Exzerpt: Nürnberg, StB, Cent. VI, 97, 192r-193r (beide Matutin-Gebete, Laudes-Kollekte in Prosa, Abbruch im ersten Laudes-Gebet). — Proben: HucoScHMiD, Catalogus codicum mss. ... monasterii Cremifanensis ..., Linz 1877, S. 96 — 98.

28. Ich dank dir, herre Ihesus Crist, I Daz du durch mich mensch worden bist; ca. 50 vv. Ü b e r l i e f e r u n g . Engelberg, Stiftsbibl., cod. 155 (-» 'Engelberger Gebetbuch' Nr. 7), ab 25" (voran geht 9.VIII.). Vgl. SCHNEIDER, Augsburg, S. 251; MENHARDT, Hss. l, S. 337.

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zeit lob ich dich herre Jhesu Crist, l wann du von der meyd geporn pist). 7 Reimpaarstrophen zu 4 vv., mit Prosakollekte. Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, StB, Cent. VI, 97, 191r-192r. Str. l abgedr. bei BARTSCH, Erlösung, S. LXVIII, Str. 7 bei SCHNEIDER, Nürnberg, S. 253.

34. Von Christi Leiden (Zu der mettin zeit wardest du verraten und gefangen, l o herr Ihesus Crist, erloße mich von des veindes banden}. 7 Reimpaarstrophen zu 6 vv. (Non: 4 vv.), mit Prosakollekte. Ü b e r l i e f e r u n g . [Horae. Gebetbuch] Augsburg, Günther Zainer 1471 (HAIN 7508), [f6 r ][f8v].

35. Aller dinge ein schöpffe mit gewalt, l Ich manen dich so manigfalt.

29. God here de to metten stunt I dynen soten werdyghen munt.

Ü b e r l i e f e r u n g . Straßburg, Bibl. nat. et univ., ms. 2307 (olim L germ. 332), 109r-116v.

Ü b e r l i e f e r u n g . Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 8° 76 (noch verschollen), 148v-150r. Voran geht Gedicht 6.

36. Von Christi Leiden (Gott sich in die monscheit barg, / das er unß von des tufels arg / und von der helle erlaß). 8 Reimpaarabschnitte, mit Versikel und Kollekte in Prosa nach Abschnitt 1; der Betrachtung der Leidensstation folgt jeweils ein Gebet an Christus und eins an Maria. Im gereimten Kolophon (wohl des Schreibers) werden die rymen nit vast gut genannt.

30. Von Christi Leiden (Herre Ihesus, aller enget czire, l wy soll ich immer gedanken dir}. 7 unterschiedlich lange Reimpaarabschnitte. Ü b e r l i e f e r u n g . Brixen, Bibl. d. Priesterseminars, Nr. 151, Standort T 7 (CERMANN Nr. 43.1.32), 224v-229r, mit Ablaßzusage, wenn man die arnta Christi (Miniatur 225r; CERMANN, Taf. XVb) mit diesem Gedicht ehrt. Nach zwei kurzen Gebeten folgt 229v-234r Gedicht 41.

31. Von Christi Leiden (Dang lob und er mit vollem priß I Si Jhesu Crist in gantzem fliß). In Reimpaaren. r

Ü b e r l i e f e r u n g . Basel, ÜB, cod. A V 33, 19 . Schlußstr. abgedr. bei BINZ, Basel, S. 45.

32. Von Christi Leiden u. a. (O leve here Ihesu Crist, l werliken des ewighen godes sone du bist}. 7 Reimpaarstrophen zu 6— 10 vv., jeweils mit Bitten schließend; miterwähnt sind andere Geschehnisse der Heilsgeschichte (Abendmahl bis Pfingsten).

Ü b e r l i e f e r u n g . Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 34031, lr-12r.

37. Von Christi Leiden (Almechtiger herre, schopfer mein, l nun las mich dir befolhen sein); bevelhnus und pitung wechseln ab. Reimpaarabschnitte zu 8 bis 30 vv. Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 2.4 Aug. 2°, 194rh196rb/va; ed. K. EULING, Kleinere mhd. Erzählungen, Fabeln u. Lehrged. II (DTM 14), 1908, Nr. 685-699/701. Vgl. Hj. KIEPE, Die Nürnberger Priameldicht. (MTU 74), 1984, S. 265.

Ü b e r l i e f e r u n g . Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 804 Heimst. (1461, 1462), 71r-72r.

38. -» 'Ebstorfer Liederbuch' (2. V. 16. Jh.), ed. SCHRÖDER Nr. 19 (Unß daghet hüte en ßalich dach, l de mach unß vroude bringhen). 7 Vierzeiler (xaxa). Die Stationen von Christi Passion sind verknüpft mit der Suche nach dem Geliebten.

33. Lob der Geschehnisse der Heilsgeschichte (Christi Geburt, Abendmahl bis Pfingsten) zu den Tagzeiten (Czu metten

39. Von Christi Leiden und Marias Mitleiden (Marie der vil reynen meydt l Z« der metten zeit wardt geseyt}. 7 Reimpaar-

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Tagzeitenged ichte

Strophen (alle zu 8 vv.?), mit 'Salve regina' und Kollekte. Überlieferung. London, Univ. College Libr., MS. Germ. 24, 34r-36r. Str. 7 abgedr. bei D. K. COVENEY, A Descriptive Catalogue of Mss. in the Libr. of Univ. College London, London 1935, S. 74.

40. -» Winand von Steeg (II.5.), Von Marias Mitleiden, lat. u. dt., 1417. A u s g a b e n . Anal. hymn. 30, Nr. 49; zs. mit W.s übrigen Offiziendicht.n: W. SCHOUWINK, in: Palatina-Studien, hg. v. W. BERSCHIN (Studi e testi 365), Cittä del Vaticano 1997, S. 237-286, hier S. 264268 (mit Taf. XXXIV u. XXXV).

41. Gebete (Mahnungen) zu Marias Mitleiden (Prol. Kum, edeler beyliger geist, l mit deyner hilf volleist ... Matutin In gottes nomen heb ich an. / Dich czarte hymelfraue ich mone). 7 unterschiedlich lange Abschnitte zu den Tagzeiten mit Prolog und Epilog, in Reimpaaren. Im Epilog puchlein genannt; evtl. aus dem 14. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g s. o. zu 30.

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44. Von Marias Mitleiden (Tzo metten zyt such Maria mit grotzen smerten ind noit, l dat lesus ir live kint gegangen, gebunden ind geslagen wort}. Wohl ursprünglich 7 Reimpaarstrophen zu 4 vv., vermutlich in Anlehnung an 'Matutino tempore'. Ü b e r l i e f e r u n g . Den Haag, Kgl. Bibl., cod. 133 D 9, 131rv. Vgl. BORCHLING I 250. Um zwei Marienoffizien in Prosa, nicht um Tagzeitengedichte handelt es sich bei: ehem. Wernigerode, Zb 14m, d. i. Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2182a (noch verschollen), 8r-94v, s. BORCHLING III 224 Anm. l zu I 105; BERGMANN Nr. M 64. Kein Bezug zu den Hören ist in vier Reimpaargedichten über Marias sieben Schmerzen hergestellt: Frgm. aus 'Münster, Incunabel No. 133' (verschollen), Bl. 2, s. BORCHLING 1105 u. 282 f. (mit Abdr.; Schluß einer Versübertragung von -> 'Speculum humanae salvationis', Vulgatfassung, c. 44, s. H. BROSZINSKI/ J. HEINZLE, ZfdA 112 [1983] 58 Anm. 21); BERGMANN Nr. M 32 (-> 'Sieben Leiden ... Unserer Lieben Frau' L); BERGMANN Nr. M 142-144 (ebd. II., bisher nicht als Separatüberlieferung von c. 44.b—h der md./nd. Versübertragung des -* 'Speculum humanae salvationis', H.A.2., erkannt); Oldenburg, LB, Cim I 73, 133r137r (frgm.), abgedr. LÜBBEN [wie 10.IV.], S. 2834, Nr. IV, s. BORCHLING I 105; Dessau, Anhalt. Landesbücherei, Georg Hs. 73, 189r-192r (frgm., unvollst.), s. BORCHLING IV 261.

42. Von Marias Mitleiden (Marien ir hertze war l betrübet hart und sivere, i Do sy horte daz ir soen l nu gefangen were], evtl. — wie auch 9.III — von -> Dominikus von Preußen (2.). 8 Strophen zu 12 vv. (xa45. —48. Tagzeitengedichte in größerem xaxbxbxcxc; Prim, Terz: 8 vv.). Erweiternde Übertragung von 'Matutino tem- Zusammenhang: pore', falls nicht ein anderes lat. Gedicht 45. -» Mechthild von Magdeburg, 'Das zugrunde liegt. fließende Licht der Gottheit', I 30. Vgl. dazu G. VOLLMANN-PROFE in ihrer Ausg. Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, (Bibl. des MAs 19), 2003, S. 717. cod. GB f° 47, Teil I, 86vb-87va. 43. Von Marias Mitleiden (To metten tit, o juncvrouwe dar, I Din herte was van sorgen swar), Papst Bonifaz (VIII.? IX.?) zugeschrieben. 7 Reimpaarstrophen zu 12 vv., jeweils mit einer Bitte schließend, und Kollekte in Reimprosa. Eine freie, erweiternde Bearbeitung von 'Matutino tempore', falls nicht ein anderes lat. Gedicht zugrunde liegt. Ü b e r l i e f e r u n g . Hamburg, SB u. ÜB, cod. Conv. IX, 218r-221r (zit.); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1229 Heimst., 145r-146r (anonym, nur bis Str. 2,10). Vgl. BORCHLING I 105, III 49.

46. 'Von der Kirchweihe', Nr. l des -» 'Wienhäuser Verslegendars' [NB], belehrt einleitend über die Geschehnisse der Heilsgeschichte (von der Schöpfung bis zu Pfingsten und dem Jüngsten Gericht), um derentwillen man Gott zu den acht Tagzeiten loben soll. Ü b e r l i e f e r u n g und Ausgabe. Wienhausen, Klosterarch., Hs. 3, l r —22 V . Anfang abgedr. bei A. CLASSEN, 'Mein Seel fang an zu singen' (Studies in Spirituality, Suppl. 6), Löwen usw. 2002, S. 99 — 105, s. hier S. 100-102.

47. -» Tilo von Kulm, 'Von siben ingesigeln' (1331), v. 4579-4640: T. beschließt

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'Tagzeiten-Traktat' — Tauler, Johannes

den Passionsabschnitt mit einer Übersetzung von 'Patris sapientia', Str. 1—7, nach einer , Hymnen I, Nr. 82 entsprechenden Fassung.

tuur en cultuur in de middeleeuwen 12), Amsterdam 1995, Reg. S. 449 (s. v. droefheden van Maria: getijden van de), 457 (s. v. passiegetijden; Patris sapientia).

48. Im gereimten Oberrheinischen Erbauungsbuch' ('Der -> siecht weg' [NB]) erscheint nach Kapiteln über die -> 'Zehn Gebote' (B.II.d.l.), die sieben Sakramente, die sechs Werke der Barmherzigkeit auch eine Betrachtung von Christi Leiden nach den Tagzeiten (Sit das uns got die [die] genade git, l So sollen wir die sieben gezit l betrachten und bedencken ... Zu metten zit die erste wz, l dz der vil arge schalk Judas l den hochgelopten got verriet). 194 vv.

L i t e r a t u r . A. SCHÖNBACH, AfdA 7 (1881) 252-254; GOEDEKE, Grundriß I, S. 229 f.; BORCHLING, Mnd. Hss. I-IV, bes. I 105, II 180, III 36 Anm. l, IV 15; P. OCHSENBEIN, Eine bisher unbekannte böhm. Hs. mit Gebeten Johanns v. Neumarkt, ZfdPh 98 (1979) 85-107, bes. S. 106 Anm. 50 (zu 9.) u. Anm. 51 (zu 10.); BERGMANN, Spiele (1986), S. 401; K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdicht, der Bayer. SB München (ZfdA Beih. 1), 1996; R. CERMANN, Gebetbücher, in: Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. des MAs 5, Lfg. 1/2 (Nr. 43.1.1-42), 2002, Lfg. 3 ff. (Nr. 43.1.43 ff.) in Vorher.; Geistl. Gesänge des dt. MAs (= GGdM), in Verbindung mit M. SOBIELA-CAA-

Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. Licht. 77, NITZ, C. HOSPENTHAL U. M. SCHIENDORFER hg. V. 216r-220r (zit.). Auch in den übrigen 4 Hss. vor- M. LÜTOLF, Bd. l ff., 2003 ff.; F. EISERMANN, Verz. der typographischen Einblattdrucke des 15. Jh.s handen. ..., im Druck (2004).

49.—51. Reimoffizien:

49. Marienoffizium, fast durchgehend in Reimpaaren, in nd. Hss. seit ca. 1450. Ü b e r l i e f e r u n g . Dessau, Anhalt. Landesbücherei, Georg Hs. 72 (1458), lr-61r; Halle, ÜB u. LB, Qu. Cod. 75b, lr-50r; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1184 Heimst., 183V-239V; cod. Guelf. 1228 Heimst., 100v-153r. - Vgl. BORCHLING III 252, 242, 36, 47.

50. Marienoffizium, zumeist kreuzgereimt, nd. Ü b e r l i e f e r u n g . Gotha, Forschungsbibl., cod. Memb. II 80/81 (1459), 71r(-120v). Für Hilfe danke ich F. Eisermann. — Vgl. F. JACOBS/ F. A. UKERT, Beitr. z. altern Litt, oder Merkwürdigkeiten der Herzogl. offend. Bibl. zu Gotha, II, Leipzig 1836, S. 369; BORCHLING I 105.

51. Tagzeiten von der hl. -> Ursula und den 11000 Jungfrauen (O Jr cristi glentzende rose, l o ir schonen speciose), bestehend aus 3str. Liedern (aabbcck) mit gereimter Doxologie (aabb) und Antiphon, Vers, Kollekte in Prosa. Ü b e r l i e f e r u n g und A u s g a b e . Berlin, mgq 201, 127v-137r; Eisenach, Bibl. d. Wartburg-Stiftung, Ms. 1358-60, 138r-151r; Heidelberg, cpg 108, 70V-75V; Straßburg, ehem. Bibl. de la Ville, cod. G 93 (verbrannt), abgedr. WACKERNAGEL, KL II, Nr. 840 (zit.). Ndl. Tagzeitengedichte: s. J. B. OOSTERMAN, De gratie van het gebed, 2 Teile (Nederlandse litera-

GISELA KORNRUMPF 'Tagzeiten-Traktat' [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 588 f.: Der Verfasser des Textes ist Thomas -» Finck OSB [Bd. 2 u. NB]. Der Text ist zudem in drei weiteren Hss. überliefert: Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 422, l r —69 V ; ebd., cod. St. Georgen 84, 2r-44r; München, cgm 6940, 351va-381vb. Vgl. W. FECHTER, Dt. Hss. des 15. u. 16. Jh.s aus der Bibl. des ehem. Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen, 1997, S. 136.

Tancred von Bologna (II.) [NB]

Ordo iudiciarius'

'Tannhäuser-Ballade' [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 612 zu D: "ehem. Cheltenham, cod. Phill. 6781" korr.: Die Hs. ist heute in Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. II 2631. Vgl. J. A. N. KNÜTTEL, Het geestelijk lied in de Nederlanden voor de Kerkhervorming, Rotterdam 1906, S. 63-67 (als Hs. E; fälschlich mit Phillipps-Nr. 6751!). - Hinweis G. Kornrumpf.

Tauler, Johannes [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 635 zu 4., Z. 7 des Abschnitts: "nachdem Ludwig 1330 ..." korr.: ... 1338 ... Ebd., zu T.s Aufenthalt in Basel bzw. Sp. 636 ff. zu II. Überl. ergänze: In der Mechthild-Hs. Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 277, 221 ra ~ va ist ein Auszug einer von T. im Basler Dominikanerinnenkloster

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Tauler-Cantilenen — 'Te deum'

Klingental gehaltenen Predigt überliefert, vgl. W. STAMMLER, Tauler in Basel, in: J. T. ein dt. Mystiker. Gedenkschrift zum 600. Todestag, hg. v. E. FILTHAUT, 1961, S. 75 f., mit Abdruck; Mechthild v. Magdeburg, 'Das fließende Licht der Gottheit', hg. v. H. NEUMANN, Bd. II: Unters, von G. VOLLMANN-PROFE (MTU 101), 1993, S. 184. Sp. 639 zu e.: "Hildesheim, StB, cod. 724 b" korr.: ..., Dombibl., Hs. 724b. Sp. 651 Mitte, zu b.: "'Institudones taulerianae'" ergänze: Diese Schriften basieren z.T. auf der -- 'Evangelischen Perle' [NB].

Tauler-Cantilenen [Korr.] Bd. 9, Sp. 658 Überl.: "Haelen, Hs. Dr. P.S. Everts" korr.: Die Hs. ist heute in Maastricht, Gemeentearchief, mit der Sign. 479. Vgl. K. STOOKER u. TH. VERBEIJ, Collecties op orde. Middelnederlandse hss. uit kloosters en semireligienze gemeenschappen in de Nederlanden. II. Repertorium, Leuven 1997, S. 293 f. Nr. 879 (Lit.).

'De taxone Über' [Korr.] Bd. 9, Sp. 663 Ausg.: "Eine krit. Neuausg. ... für Sudhoff s Arch." korr.: Die Ausg. ist nicht erschienen.

'Te deum'

I. L a t e i n i s c h e Tradition. Der altkirchliche Hymnus, in freiem Rhythmus gehalten, ist auch im MA einer der überall gebrauchten und bekanntesten Texte der liturgischen Tradition. Der Verfasser ist nicht bekannt; legendär wird der Hymnus -> Ambrosius und -» Augustinus als gemeinsamer Lobgesang nach des letzteren Taufe (Ostern 483) zugeschrieben (so Hinkmar von Reims, -> Jacobus a Voragine in der Augustinuslegende u. a.; deshalb: 'Ambrosianischer Hymnus'; vgl. dt. Belege unten, II.A.3, B.4 und D.7). Seit dem frühen 20. Jh. wird häufig Nicetas von Remisiana (um 350—nach 414) als Autor genannt, was jedoch unwahrscheinlich ist. Der wichtigste liturgische Ort des Hymnus ist im Stundengebet am Morgen der Sonn- und Feiertage. Hauptsächlich aus der Verbindung mit der visitatio sepulchri am Ostersonntagmorgen (-* Osterfeiern II.l und III.3.1) wächst dem Hymnus eine eigene Rolle zu; er steigt zum gro-

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ßen Festgesang der Kirche auf. Seine Bedeutung zeigen die zahlreichen, auch selbständigen Übersetzungen, Verfremdungen (->· 'Te deum', marianische Bearbeitungen [NB]), sogar Parodien. -> 'Christ ist erstanden' und andere dt. geistliche Lieder sind häufig gerade in der Nachbarschaft des 'Te deum' in gottesdienstlichem Gebrauch bezeugt, vgl. J. JANOTA, Stud, zu Funktion u. Typus des dt. geistl. Liedes im MA (MTU 23), 1968, Reg.

Der Text, vielleicht aus einzelnen Elementen zusammengewachsen, ist doch streng aufgebaut und recht einheitlich überliefert. Varianten gibt es im dritten Teil, den frei aneinander gereihten Psalmversen in der Stilform der capitella per psalmos. Der erste Teil ist ein Lobpreis der Kirche in Einheit mit den Engeln des Himmels auf Gott, der zweite Teil ein der Mysterien des Lebens Jesu gedenkendes Preislied auf Christus, entfaltet im Anschluß an das altkirchliche Verständnis von PS 23[24] (KAHLER). Konzentriert wie nur wenige andere Texte spiegelt der Hymnus die Mitte des Glaubens und der Frömmigkeit der alten Kirche. — Der Text wird nur voll gewürdigt, wenn die zweiten Akkusative der ersten drei Verse (nicht wie in den meisten Übersetzungen als Vokative, sondern) als Prädikatsnomina verstanden werden: 'Dich loben wir als den Gott' (Bekenntnisstil). Der Vers Aeterna fac cum sanctis tuis gloria munerari wird seit dem 15. Jh. vielfach geglättet: Aeterna ... in gloria numerari: Christus gibt der Kirche nicht etwas, sondern sich selbst, was später, wohl weil zu stark, abgemindert wird: Er nimmt die Glaubenden unter die Heiligen (Engel) auf. Entsprechend variieren die Übersetzungen. — Eine Rezeptionsgeschichte des Hymnus fehlt noch. L i t e r a t u r . E. KAHLER, Te Deum laudamus. Stud, zum Te Deum u. zur Gesch. des 24. Psalms in der alten Kirche, 1958; C. P. E. SPRINTER, Te Deum, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 33, 2002, S. 23-28 (beste Zusammenfassung; Lit.).

II. D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . Die dt. Übersetzungen des 'Te deum' sind bislang noch nicht gesammelt und untersucht worden. Hier können deshalb nur

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'Te deum'

erste Hinweise gegeben werden. Die folgende Liste nennt alle mir bekannt gewordenen Fassungen, soweit sie nicht im Kontext von ganzen Offizien (-* Breviere [NB]) überliefert sind (Ausnahme: F). Häufig steht das 'Te deum' mit anderen biblischen und nichtbiblischen Cantica im Anschluß an den Psalter (-* Psalmenübersetzungen), wobei die jeweilige Auswahl der Gesänge stark variieren kann. Besonders häufig findet es sich (auch ohne Zusammenhang mit dem Psalter) gemeinsam mit deutschen Fassungen von Magnificat, Nunc dimittis, Benedictus, Credo und Quicumque (vgl. -»· Glaubensbekenntnisse, II. u. III. [NB]). Aber auch andere Gebete und Erbauungstexte kommen als Kontexte vor. Gegliedert ist die Liste, soweit es mir möglich war, nach den Initien. Diese können nicht mehr als eine vorläufige Orientierung bieten. Die Frage, um wie viele verschiedene Übersetzungen es sich handelt, könnte nur eine eingehende Untersuchung klären. Deutlich ist jedoch, daß die lat. Wortstellung am häufigsten belegt ist; so schon in den Interlinearübersetzungen -> 'Murbacher Hymnen' (thih cot lobomes thih truhtinan gehemes) und -» 'Wolfenbütteler Interlinearversion zu Psalter, Cantica u. a.\ Gebraucht wurden die dt. Fassungen des 'Te deum' zweifellos überwiegend in privater Frömmigkeitspraxis. Bemerkenswert ist jedoch die Aufzeichnung mit Melodie A.7. Nach HOFFMANN, KL, S. 357 f., wurde in Braunschweig seit 1490 regelmäßig an einem Gedenktag ein dt. 'Te deum' gesungen. L i t e r a t u r . H. A. DANIEL, Thesaurus hymnologicus II (Halle 1844), Nachdr. 1973, S. 276-299. A. Dich got loben wir. 1. Augsburg, ÜB, cod. 1.3.8° 10 (1. H. 16. Jh.), 21V-22V. 2. Basel, ÜB, Hs. A IV 44 (um 1360), 172V173r, ... dich herren beiehen wir. Ausg. M. WALLACH-FALLER, Ein alem. Psalter aus d. 14. Jh., Freiburg/Schw. 1981, S. 472 f., dazu S. 135. Zum Versuch, die Übersetzung Marquart -*· Biberli zuzuschreiben, s. -> Psalmenübersetzungen XIV. 3. Berlin, mgq 600 (15. Jh.), 112rv, ... Dich eynen heren ghien wir. Im Anschluß kurze Entstehungslegende des 'Te deum'.

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4. Ebd., mgo 563 (16. Jh.), 440V-442V, ... Dich einen eynigen herren bekennen wir. 5. Budapest, Ungar. Akad. der Wiss.n, K. 538 (1465), ab S. 84. 6. Heidelberg, cpg 483 (1389), 155r, ... dich herre veriehen wir. Abdruck: J. GÖRRES, Altdt. Volks- und Meisterlieder aus den Hss. der Heidelberger Bibl. (1817), Nachdr. 1967, S. 329 f. 7. Michaelbeuern, Bibl. des Benediktinerstiftes, Man. cart, l (I.Drittel 16. Jh.), 115" (mit Melodie), ... Dich herr bekennen wir. Unmittelbar voraus geht das lat. 'Te deum', ebenfalls unter Noten. Ausg. Geistl. Gesänge des dt. M As (= GGdM), in Verbindung mit M. SOBELLA-CAANITZ, C. HOSPENTHAL U. M.

SCHIENDORFER hg. V. M. LÜTOLF,

Bd. l, 2003, Nr. 136. 8. München, cgm 1004 (4. V. 15. Jh.), geschrieben (und übersetzt?) von Georg -> Polster [NB], 100r, ... dich herr ern wir. 9. Ebd., cgm 1117a (2. V. 15. Jh.), 119rv; cgm 1117b (1403), 137V-138V; cgm 1117c (I.Drittel 15. Jh.), 203r ... dich herren very eben wir (3 Fassungen desselben Textes). 10. Ebd., cgm 4685 (1502), 88V, ... dir herr veriehen dir (!). 11. Paris, Bibl. nat. de France, ms. allem. 331 (2. H. 15. Jh.), 155V-156V, ... dich herren vergehen wir. 12. Soest, StB, cod. 5 (1435-1440), 271"-™, ... di here belien wi. 13. Unbekannt, nach einer Hs. des 15. Jh.s in seinem Besitz abgedruckt von v. SOLTAU, AnzfKdVz4 (1835), Sp. 329 f. Di god hue wy dy here bekenne wy. B. Wir loben dich got. 1. Augsburg, ÜB, cod. 111.1.8° 24 (3. Drittel 15. Jh.), 103V—105r, ... wir veriehend dich ainen heren, am Schluß Jahresangabe: 1470. 2. Berlin, mgo 28 (14. Jh.), 332V-334V, ... wir begehen dir einen herre. 3. Ebd., mgo 54 (15. Jh.), 351v-353r, ... wir verjehent dich zu einem herren. 4. Brixen/Bressanone, Bibl. des Priesterseminars, Nr. 151 (Standort T 7) (um 1457), 171r172r, ... vnd kundigen dich herren (voraus geht kurze Entstehungslegende). 5. Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Hs. Georg. 2.4° (15. Jh.), 95 rb -96 r % ... dich herre bekennen wir. 6. Einsiedeln, Stiftsbibl., cod. 620 (15. Jh.), 92v-93r. 7. Jena, ÜB, Ms. Bös. o. 9 (14. Jh.), 247V-248V, ... wir verjehent dich herre. 8. Karlsruhe, LB, cod. St. Peter pap. 17 (um 1480), 55V—56V, ... wir bekennen dich einen herren. Vgl. unten III.

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'Te deum'

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F. Übertragungen in Versen haben sich vor der Reformation bisher nur innerhalb zweier gereimter Marienoffizien gefunden: 1. We louen dy myt eren I vnd nomen dy openbar eynen heren. -» Tagzeitengedicht [NB], Nr. 45 (4 Hss. des 15. Jh.s, hier zit. nach Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1184 Heimst., 203V205r). C. Got wir loben dich. 2. Wy louen vnd bekennen dt. l dat du bist eyn 1. Augsburg, ÜB, cod. 111.1.8° 26 (Ende 15., here, l wente wi sint gheworden vry. l hir vmme Anf. 16. Jh.), 251V-253V. 2. Berlin, mgf 630 (15. Jh.), lllva-112rb, ... si dy lof vnd ere. -» Tagzeitengedichte [NB], Nr. 46 (l Hs. von herr wir vergehen dich. 1459, ab 79V); zit. nach F. JACOBS / F. A. UKERT, 3. Heidelberg, cpg 63 (Anf. 15. Jh.), 114v-115r, Beitrr. z. altern Litt, oder Merkwürdigkeiten der ... herre wir veriehen dir. 4. Ebd., cpg 425 (15. Jh.), 118V-119V, ... wir Herzog!, öffentl. Bibl. zu Gotha II, Leipzig 1836, S. 369. veriehen dein zuo einem herren. 5. Ebd., cpg 474 (15. Jh.), 128va-129ra, ... her Die erste selbständige Versbearbeitung scheint wir veriehen dich. die von Martin Luther zu sein: Herr Gott, dich 6. Nürnberg, StB, Cent. VI,82 (I.V. 15. Jh.), loben wir. l Herr Gott wir danken dir. l Dich, Va20V; unvollständig (nur bis v. 10), ... herr veriehe ter inn ewigkeit. l Ehrt die weit weit und breit. wir dich ewigen vater. (1528/29). Ausg. M. JENNY, Luthers geistl. Lieder 7. Ebd., Will II, 19.8° (1. H. 15. Jh.), 131Vu. Kirchengesänge, 1985, Nr. 31. 132r; unvollständig (bricht ab in v. 21), ... herre Für Hinweise danke ich G. Kornrumpf, Münwir veriehen dir. chen und A.-B. Riecke, Berlin. 8. Worms, StB, Ms. VII (14. Jh.), 129V-130V, ... herre wir beiehen dir. 9. München, cgm 1151 (3. V. 15. Jh.), S. 493, ... wir veriechen dich herren. 10. München, ÜB, 8° cod. ms. 280 (1448), 85r86", ... vnd bechennen dich herren. 11. Nürnberg, StB, Cent. VI.44 (Anf. 15. Jh.), l v —2 r , ... wir vergehen dich herre.

D. Sonstige 1. Augsburg, ÜB, cod. 111.1.8° 11 (1490), 339V342r, (D)ich herr loben wir, dir herr trauren wirr. 2. Berlin, mgf 62 (15. Jh.), nd., 198V, Here got wy lauet dy wy bekennen des alle dat du bist vnse here. 3. Ebd., mgq 600 (15. Jh.), 103v-104r von einer anderen Hand als A.3., Here wir louen dich vnd bigeten (!) dir eynen got. 4. Ebd., mgo 115 (16. Jh.), 30V-32V, O Got wir loben dich wir bekennen dich einen heren. 5. München, cgm 101 (frühes 14. Jh.), 157r158r, W;'r loben dich almehtigen got vnd vergehen daz dv bist vnser genediger herre. 6. Ebd., cgm 3894 (1458), 257va-258rb, Dich loben wir dich herr veriehen wir. 7. Der 'Große ->· Seelentrost', hg. v. M. SCHMITT, 1959, 111,32 e, S. 100 f. Here god, wij louen dij, wij bekannen des, dat du eyn here bist. Voraus gehen zwei Exempla zum 'Te deum' und die Entstehungslegende. E. Initium unbekannt. 1. Karlsruhe, LB, cod. Lichtenthal 37 (2. H. 13. Jh.), 256v-264r (mit anderen Cantica). 2. Lambach, Benediktinerstift, Ms. cart. 322, 114V-115V. 3. Leipzig, ÜB, Ms. 22 (14. Jh.), 136r-137r. 4. Ebd., Ms 23 (1356), 52rb. 5. Ebd., Ms 1502 (1471), 308r. 6. Ebd., Rep. II. 61 (1386), 93va-94".

III. Dialog deum'.

und Vision zum 'Te

Hinzuweisen ist auf eine längere deutsche Textgruppe zum 'Te deum', die bislang weder untersucht noch ediert worden ist. Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, St. Peter pap. 17, 25V-56V (um 1480, wohl aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina Freiburg i. Br.; es folgt ein ähnliches Gespräch über -> 'Veni creator spiritus' [B.II.13.]).

Überschrift (25V): Ein andechtiges heimliches gesprech zwischen einer liebhabenden sei vnd got über daz lob gesang Te deum laudamus, von einem armen waldbrüderlin karthuser ordens gedichtet von gottes genoden. Es folgt 25 V —53 V ein Dialog zwischen einer frommen Seele und der Trinität, später auch Christus, in dem die Seele bei einem Durchgang durch die Verse des 'Te deum' lernt, wie Gott recht zu preisen sei. Bemerkenswert ist ein Verweis auf die Melodie 45V (es spricht die driualtikeit}: benedicimus. in dem vers per singulos: So sich, wie die noten fa sol la fa mi re sich so hertziklichen jn mich stvingen, des glichen die anderen vers alle vier, dorum daz du die wissest zu singen, so setz

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'Te deum', marianische Bearbeitungen

gantz hindan waz vor gesungen ist vnd los dir sin, wie alle dise weh gantz mit dir si ... mich ... zu loben. An den Dialog schließt sich 53 v —54 r eine Vision an, die St. Bernhard gehabt haben soll, als ein Sänger im Chorgebet das 'Te deum' anstimmte. Als Quelle wird das buch der sex vnderscheyd genannt, d. h. -> Konrad von Eberbach, 'Exordium magnum Cisterciense', hg. v. B. GRIESSER (CG Cont. Med. 138), Tournholt 1994, distinctio II, cap. IV (Hinweis N. F. Palmer). Ein Epilog des Verfassers (54V —55r), gerichtet an Min aller liepsten jn christo, besagt, daß er diesen Text slechtiglichen gemacht habe, damit ihn jeder verstehe; manches, was zu worer contemplacion gehöre, habe er ausgelassen, besonders solche materye, die lustig ist zu latin vnd nit zu tutsch. Das Liebesgespräch solle vielmehr die Seele entzünden, daß sie nach letzgen, psalmen vnd omelygen sich zum Gotteslob sammle. Den Abschluß bildet 55V-56V der lat. Text des 'Te deum', versweise durchschossen von einer dt. Übersetzung (oben II.B.8). ANGELUS A. HÄUSSLING OSB (I.) NICOLA (II.) B. WACHINGER (III.) 'Te deum', marianische Bearbeitungen Vor 1200 hat man begonnen, das -» 'Te deum' [NB] auf Maria umzudichten. (Marianische Adaptationen des Paternosters, der Bußpsalmen u. a. scheinen erst später vorzukommen.) Ein fester Terminus für die Umdichtungen hat sich weder im MA noch in der Forschung eingebürgert. In der Überlieferung begegnen Bezeichnungen wie: aureum Te deum laudamus in laudem beute virginis Marie, Canticum de beata virgine super Te deum laudamus, Canticum sanctorum Ambrosii et Augustini transmutatum in laudem gloriose virginis Marie, Eyn suverlich Tedeum van onser liever vrauwen. 'Parodie' lehnt LEHMANN (1922/63) als unangemessen ab. I. L a t e i n i s c h e Texte. A. Die Adaptationen (CHEVALIER 2014849, 20156-61, 33903-04 mit Nachträgen; WALTHER, Initia Nr. 19052) begegnen im

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Prinzip in denselben Verwendungszusammenhängen wie das 'Te deum', d. h. an dessen Stelle in Marienoffizien, daneben als Lobpreis, Dankgebet, in MarienpsalterAnhängen usw., ferner in Salve-Andachten. Sie kommen auch mit dem nachtridentinischen Breviarium Romanum Pius' V. (1568) nicht außer Gebrauch, da Pilgerfahrten zu Marienwallfahrtsorten, Marienpsalterbruderschaften u. ä. ausreichend Anlässe für ihr Weiterleben boten und zudem die alten Riten in einigen Diözesen und Orden beibehalten wurden. Vgl. z. B. CORBIN, 1952; VAN DEN OUDENRIJN, 1954; LECLERCQ, 1954/63, S. 178; DE Loos, 2003. Eine Umdichtung auf Maria von 1955 bei COMBALUZIER, 1961. Eine Aufarbeitung fehlt. Im folgenden werden — auf der Basis eines Versuchs, verstreute Angaben in Repertorien, Handschriftenkatalogen, Datenbanken und Untersuchungen zu ordnen und zu bündeln — einige Adaptationen knapp vorgestellt, die im dt.sprachigen Bereich verbreitet oder wirksam waren oder verfaßt wurden. Weiterführende Hinweise finden sich insbes. bei: CHEVALIER; ESSER, 1897; VAN WELY, 1941; LECLERCQ, 1954/63, S. 178 Anm. 1; WALTHER, Initia; KIRSCH, 1964; MEYER/BURCKHARDT, 1966; LABHARDT, 1977; manuscripta-mediaevalia; In principio.

1. Ein 'Te deum' mariale, das sich möglichst eng an den Text des Originals hält (CHEVALIER 20161 mit Nachtrag; ine. Te matrem laudamus, te virginem confitemur), ist schon zu Ende des 12. Jh.s sowohl im Marienoffizium eines Seckauer Breviers (CANAL, 1963) wie in Nordfrankreich (LECLERCQ, 1958) bezeugt und später auch in Lüttich, Italien, Spanien und Portugal nachgewiesen. In der Liturgie von Braga war es wohl weit über 1568 hinaus in Gebrauch (s. CORBIN, 1952). Ü b e r l i e f e r u n g . 12.-13.Jh.: Graz, ÜB, Ms. 1244 aus Seckau, 21v-22r; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1012, 38 r ~ v ; St. Marienthal, Zisterzienserinnenabtei (b. Ostritz, Sachsen), Ms. F 5 ('St. Marienthaler Psalter'), 7V (Nachtrag; für Hilfe danke ich H. Engelhart). Hierzu vermutlich auch CHEVALIER 33904. - Mindestens 9 weitere Hss. dt. Provenienz bis ca. 1500. Ausgaben. , 1854, Nr. 501; LEGG, 1891, S. 38 f.; LECLERCQ, 1958; CANAL, 1963; s. ferner

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'Te deum', marianische Bearbeitungen

FROST, 1941, S. 198; ders., 1942; VAN DEN OUDENRIJN, 1954, S. 201-204. Abdrucke verwandter Versionen, inc.: Te Mariam ... dominant oder Te matrem ... dominatn: a) FROST, 1941, S. 196-198 (CHEVALIER 20149, Nachtrag); b) COLE, 1858, S. 164f., LEGG, 1891, S. 39 f. (genannt zu CHEVALIER 20161!), LECLERCQ, 1954/63, S. 179f. (d.i. Thomas v. Elmham, 'Liber metricus de Henrico V, c. 24); c) COLE, 1858, S. LXif. (Johannes Brac(e)y); d) MOREL, 1868, LEGG, 1891, S. 38 f. (CHEVALIER 20160).

2. Das 'Te deum' mariale des Ps.-Bonaventura (CHEVALIER 20157 mit Nachtrag, dazu 33903 und wohl 20158 sowie 20159; WALTHER, Initia 19052; ine. Te matrem Dei laudamus, te Mariam virginem confitemur [var. profitemur]) gilt zu Recht als die wirkungsmächtigste Adaptation (bis weit in die Neuzeit hinein). Erweitert sind vv. 3, 7-9 und 14/15 des 'Te deum'. Zwei Hauptversionen unterscheiden sich v. a. durch den Umfang der dritten, litaneiartigen Erweiterung. Die längere Version ist mir vor 1400, die kürzere bisher erst nach Mitte des 15. Jh.s begegnet. Vermutlich wurde die Adaptation mehrmals sekundär mit dem 'Psalterium maius BMV ('PsM'; -» Bonaventura, 2. D., -* 'Marienpsalter und Rosenkranz' 2.) verbunden. Das 'PsM' ist mit wechselnden oder ohne Beigaben, ohne oder mit wechselnden Verfassernamen überliefert. Die Bonaventura-Attribution des 'PsM' dürfte kaum viel älter sein als der erste Druck (GW 4798, ca. 14731475), der unter mehreren Begleittexten auch die längere Version des 'Te deum' mariale umfaßt. Dieses 'PsM'-Corpus ging in die Opuscula Bonaventuras (GW 4648, 1495) und in die neuzeitlichen Gesamtausgaben (bis 1868) über, womit sich die Zuschreibung auch der speziellen 'Te deum'Adaptation an Bonaventura festigte. Sonst wird am häufigsten -» Bernhard von Clairvaux als Autor des 'PsM' — und ggf. eines mitüberlieferten 'Te deum' mariale — genannt (vgl. auch CHEVALIER 20158). a) Längere Version (Erweiterung von v. 14/15 endet meist: honor et festivitas virginum). Älteste mir bekannte Hs. (2. H. 14. Jh.): München, clm 28397, 13 r ~ v (ine. Te matrem ... matrem virginem). Als Bestandteil des 'PsM', Bonaventura zugeschrieben: Freiburg i. Br., ÜB, Hs. 617 (2. H. 15. Jh.), vor 64r (Druckabschrift?); GW 4798,

1498

[41]r-[42]v (auch GW 4799); GW 4648, Bd. 2, Q i r b —va

A b d r u c k e . Bonaventura, Opera omnia, Editio Vaticana, Bd. 6, Rom 1596, S. 515 f. usw.; zuletzt: ed. A. C. PELTIER, Bd. 14, Paris 1868, S. 222 f. L i t e r a t u r . BEISSEL, 1909a; DISTELBRINK, 1975; PÖRNBACHER, 1993.

b) Kürzere Version (Erweiterung von 'Te deum' v. 14/15 endet meist: tu refugium peccatoris, tu es mater salvatoris; z. T. ist die Umdichtung von v. 17 ausgelassen). Anscheinend im späten 15. und im 16. Jh. in Brevieren, -+ 'Hortuli animae' und für mehrstimmige Vertonungen bevorzugt, wie sie z. B. für eine 1505 in Nürnberg gestiftete SalveAndacht vorgesehen waren (SCHLEMMER, 1980; KRAUTWURST, 1999). Älteste mir bekanntgewordene Hs. (1460/62, 1478): Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 521, 190vb-191ra (nicht 'Chev. 20161'). A b d r u c k e . COLE, 1858, S. Lixf.; ROTH, 1887; LEGG, 1891, S. 35-37; LEGG, 1908, S. 393 f.; KIRSCH, 1964, S. 130-134 (Spalte C); BLACKBURN, 1967, S. 69-72. Exzerpte: VAN DEN OUDENRIJN, 1954, S. 209. c) Abdrucke jüngerer Varianten: KETTERING, 1960, S. 278 f. (nach Hs. 16./17. Jh.); A. WICHMANS, Sabbatismus Marianus, Antwerpen 1628, S. 249-251 (mit Bernhard-Zuschreibung); LEGG, 1891, S. 38 f. (nach D. G. Corner, 17. Jh.).

3. Eine Adaptation aus dem späten 14. oder dem 15. Jh. (CHEVALIER 20156 mit Nachtrag; ine. Te matrem Dei [var. matrem] laudamus, te dominam confitemur, te ... templum ..., te ... thalamum ..., te ... sacrarium) entfernt sich stärker von Versfolge und -bestand und Wortlaut des Vorbilds; Einschübe arbeiten die Beziehung Marias zur Trinität heraus (1. 2. a. b. 5. 4. 3. c. 6. d. 10-15. e-h. 18-29). Diese Umdichtung ist in den Niederlanden lat. u. volkssprachlich verbreitet, in Deutschland aber vorläufig nur dt. nachgewiesen ( . .3.). Nur aus den Übertragungen kennt man bisher die Zuschreibung an -> Petrus Damiani, die sich aus seinem Eintreten für die Feier des Kleinen Marienoffiziums erklären mag (vgl. RoSCHINI, 1972). Älteste mir bekannte Hs.: Porto (Portugal), Bibl. publica municipal, cod. 97 (Santa Cruz 52, v.J. 1395), 44 va - vb (Nachtrag?). Nach Mitte des 15. Jh.s in mindestens drei lat.-ndl. Liedersammlungen (unter Noten, ohne v. 2): Berlin, mgo 190,

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'Te deum', marianische Bearbeitungen

1500

62r-65r; Brüssel, Kgl. Bibl., ms. IV 421, 141r144r; Wien, cod. Ser. nova 12875, 94v-98r. - Vermutlich auch in der 'PsM'-Überlieferung vertreten. A b d r u c k . VILLANUEVA, 1802 (1803), S. 108110. [RoTH, angeführt zu CHEVALIER 20156, gehört zu 20157, s. I.A.Z.b.]

singen; Johannes de Monte OP, Weihbischof von Trier (1419—1443), habe dann das canticum mit der Maßgabe approbiert, einige auf Maria bezogene Indikative durch Optative zu ersetzen.

4. Ein 'Te deum' mariale, das sich öfter der Reimprosa nähert, bietet das Gebetbuch des Zürcher Bürgermeisters Felix Maness (1401 — 1436) im Marienoffizium (ine. Te virginem Mariam laudamus, te dominam gloriosam confitemur; Basel, ÜB, cod. B X 41, 22v-24r). Vgl. unten II.A.4.

Das Canticum war über Kartäuserkreise hinaus weit verbreitet. D. selbst und andere bauten es in verschiedene Kontexte ein. Es beschließt beispielsweise D.' (?) gereimte 'Horae breves de assumptione BMV (einmal mit Melodie) — diese bilden u. a. einen Annex zu D.' 'Corona gemmaria BMV -, folgt D.' 'Pallium Mariae' (-» 'Mantel Unserer Lieben Frau' A.I.) als dritter Hymnus, wird mit einer kleinen 'Corona BMV verknüpft, ist in das lat.-dt. Liederbuch der Anna von Köln (Berlin, mgo 280, 2. V. 16. Jh., unvollst., mit Melodie) und in Gerhard Kalckbrenners 'Hortulus devotionis' v. J. 1541 (VD 16, K 49) aufgenommen. Dt. Fassungen s. u. II.B. Ausgaben. ESSER, 1897, S. 357f. (danach VAN DEN OUDENRIJN, 1954, S. 206 f.); VAN WELT, 1941, S. 26, vgl. S. 25 f.; SALMEN/KOEPP, 1954 (mit der Melodie). — Auszüge aus der Rahmenerzählung in D.s' 'Libri experientiarum' 1,22: ESSER, 1897, S. 359 (resümiert bei BEISSEL, 1909a, S. 315); KLINKHAMMER, 1972, S. 284 Anm. 29, vgl. S. 19.

5. -»· Albrecht von Bonstetten (4.e.) behält in seiner marianischen Adaptation des gesamten Marienoffiziums den Wortlaut des 'Te deum' mit sparsamen Umformulierungen und Zusätzen weitgehend bei (ine. Te dominant sanctum laudamus, te dominam püssimam confitemur, GW 4920, a7 v -a8 r ). 6. Ein rhetorisch ambitioniertes Canticum ... sub nota cantici 'Te deum laudamus' im Cantionale des Basler Kartäusers Thomas Kreß (um 1517/18 bis 1525) greift meist nur Stichwörter der 'Te deum'-Verse auf (ine. Te dei matrem laudamus, te dominam nostram confitemur. Te superni sponsi thalamum omnia astra matutina simul admirantur, mit Melodie; LABHARDT, 1977, mit Abdr. der Erläuterung zur liturgischen Verwendung). B. Zwei Marienpreisgedichte knüpfen an das 'Te deum' an, ohne als Umdichtungen gelten zu können: 1. Der Trierer Kartäuser -» Dominikus von Preußen berichtet in seiner Selbstbiographie, daß er für einen Vikar ein dictamen über die zwölf privilegia Marias im Anschluß an Apo 12,1 (mulier ... in capite eius corona stellarum duodecim) gedichtet habe (CHEVALIER 20222; WALTHER, Initia 19037; ine. Te celi reginam laudamus, l te mundi dominam honoramus, l te laudent e iure). Eine Anlehnung an den 'Amictus' -»· Konrads von Haimburg (B.2.b.) ist nicht erkennbar; dagegen sind zahlreiche Wendungen aus dem 'Te deum' übernommen. Später hörte D. denn auch Engel sein dictamen auf die Melodie des 'Te deum'

2. Ein 30str. Gedicht (ine. Te deam digne laudibus et dominam fatemur] in einer Hs. des frühen 15. Jh.s aus Pettau an der Dräu zeigt in den Strophen- bzw. Versanfängen engsten Anschluß an den Text des Te deum' (Anal. hymn. 31, Nr. 210; CHEVALIER 33870). C. Bearbeitungen des 'Te deum' im Hinblick auf ein Herren- oder Heiligenfest scheinen zahlreich, in ihrer Faktur aber nur ausnahmsweise den marianischen Adaptationen vergleichbar zu sein, z. B. CHEVALIER 20066, weniger schon CHEVALIER 20229. Ein Passionshymnus hat tot versus et in eisdem versibus totidem sillabas, sicut Te deum laudamus (Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 521, 188ra; ine. Te Jesum laudamus quem et Christum confitemur}. Meist wurden einzelne charakteristische Wendungen übernommen, so in der wohl — auch im dt.sprachigen Gebiet und v. a. in Passionsoffizien — verbreitetsten Bearbeitung: CHEVALIER 20088, ine. Te deum [var. Christum} laudamus, te Jesum [var. Christum] benedicimus, te regem regum, te dominum confitemur (ed. KIRSCH, 1966, S. 499). — Ein Lobpreis des Hl. Geistes in Vagantenzeilen in Wien, cod. 4347 (s. MENHARDT, Hss. 2, S. 1023) greift Stichwörter aus v. 7 ff. des 'Te deum' auf (Anal. hymn. 31, Nr. 116; CHEVALIER 33895).

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'Te dcum', marianische Bearbeitungen

II. Deutsche Ü b e r t r a g u n g e n (mit Hinweisen auf ndl.). A. Es sind bisher nur Prosaübertragungen seit dem 15. Jh. bekannt. 1. Das älteste 'Te deum' mariale, dt.

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20, 27V-28V; cod. St. Peter pap. 9, Teil I, 18v-20r u. cod. Wonnenthal 12, 285r-286v (ine. Wir l. d. gottes mutter; danach bzw. voran 'Te deum' dt.); München, cgm 857, Teil II, 191V-193V; Nürnberg, StB, Cent. VII, 66, 54V-59V (ine. Dich m. g. wir loben). — Hierzu wohl auch Salzburg, St. Peter, cod. b IX 10, 29r-30r.

Fassung von MONES Hs. C dt.: Basel, DB, Inc. 35, 148V (ine. Dich gott loben wir, dich iunpfrowen Mariam veriechen wir], gegenüber 149r der lat. Text (ine. Te deum ... te Mariam virginem). — Zu prüfen sind: Budapest, Ungar. Ak. d. Wiss., cod. K. 538, p. 116-119 (ine. Dich muter loben wir}; Utrecht, Museum Catharijneconvent, BMH h 96 (ehem. Haarlem, Bissch. Mus., Hs. 96 [vorher 123], ndl., 15. Jh.), 112V-113V (ine. Die Maria loven wi, di onse vrowe), als Bestandteil des 'Psalterium maius BMV (Bernhard zugeschrieben), s. a. KRONENBURG, 1906, S. 370.

3. Die Adaptation I.A.3. erscheint nach Mitte des 15. Jh.s westmd., niederrheinisch und ndl. separat, in einem Anna-Offizium und bes. häufig im Gefolge von Übersetzungen des 'Psalterium maius BMV (dieses anonym oder Bernhard zugeschrieben). Viermal wird -» Petrus Damiani bzw. Peter als Autor der Adaptation genannt (zuerst 1456). Die Übersetzungen beginnen wie . .2.: Dich muoter gotes loben wir.

2. 'Te deum' mariale des Ps.-Bonaventura, dt. In der Regel beginnen die Übertragungen: Dich muoter gotes loben wir.

Ü b e r l i e f e r u n g (nur beispielhaft erfaßt). Brüssel, Kgl. Bibl., ms. 11231-36 (ndl.), 344r-345v (MEERTENS, 1934, S. 68); Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1869, 199r-200v (peter domyanus; voran II.B.a.); Hs 1876 (v. J. 1456), 96r-98r (Peter damyanus; 'PsM': Bernhard); Hs 1939, 103v-107r (Peter; 'PsM'); Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2058 (ndl.), 28 r ~ v . 39r~v; Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. GB 8° 17, 155v-157r ('PsM': Bernhard); cod. GB 8° 49, 35r-38v; London, Brit. Libr., MS Egerton 677 (ndl.), 41v-43r; München, cgm 5203 (ndl.), 50r-51r ('PsM'); Strackes Hs. (ndl.); Trier, StB, Hs. 825/1697 8°, 191r-193v (peter damianus; voran II.B.b.); Hs. 826/1699 8°, 172V175r (in Anna-Offizium, auf die hl. Anna nimmt der Schluß Bezug). A b d r u c k e (ndl.). DE FLOU/GAILLIARD, 1896; STRACKE, 1940; VAN DEN OUDENRIJN, 1954, S. 207 f.

a) Längere Version. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgo 106, 30r-37r (für Hilfe danke ich R. Schipke); Greifswald, ÜB, nd. Hs. 9 (ndl.!), 180V-182V (für Hilfe danke ich J.Geiß); Leipzig, ÜB, Ms 672 (CERMANN Nr. 43. 1.91), 148V-153V; München, cgm 850, 35r-39v (ine. Wir loben vnd eren dich gotes muter); cgm 7315, 4 V —5 V (ine. Wir l. d. die muter gocz); Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 114263 b, 61r-70r (wie cgm 850). - Als Bestandteil von Übertragungen des 'PsM': a) Berlin, SB, Hdschr. 367 (md., um 1470-1480), 99r-102v ('PsM': Bonaventura, s. BRANDIS, 2002; für Hilfe danke ich R. Schipke). - b) Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 61.14 Aug. 8° (nd., 15. Jh.), 67r-69v ('PsM': Bernhard; s. BORCHLING, Mnd. Hss. III 108). - c) GW 4800 (Nürnberg, 1500), 67v-70r ('PsM': Bonaventura). Weitere Auflagen, mit Vorrede und ordenung und maynung der prüderschafft unnd schwesterschafft diss heyligen psallters der junckfrawen Marie, 1511 — 1521 (VD 16, B 6574-6578); vgl. , 1854, S. 251 f. Wohl nicht hiervon abhängig: München, cgm 150 (1616), 212r-213v {'PsM': Bonaventura). - d) Wohl auch Freiburg i.Br., Erzbischöfl. Arch., Hs. 15 (oberrheinisch, um 1510-1512), nach 89V ('PsM': Damaßcenus). — e) Hierzu wohl auch: Brüssel, Kgl. Bibl., ms. 21953 (ndl., 15. Jh.), als Teil des 'PsM' (89r-132v), vgl. MEERTENS, 1934, S. 133.

4. Eine nd. Übertragung von I.A.4. bietet Rostock, ÜB, Mss. theol. 38 (wohl Hildesheim, um 1470), 46V-47V (ine. Wy loven dy iuncfrauwe Maria, wy bekennen dy eynen erliken \iunc\frauweri). 5. Eine obd. Adaptation (wohl nach lat. Vorlage) dürfte in Kenntnis der Ps.-Bonaventura-Adaptation abgefaßt sein, bleibt aber möglichst nah am Text des 'Te deum' und nimmt in zwei Marienoffizien die Stelle des 'Te deum' ein: München, cgm 8237, 103r~v (ine. Dich gottes muter loben wir, dich Maria ain junckfrawen veriehen wir, dich ain gemahel unt tochter des ewigen vaters); 'Die Siben Cürs zu Teütsch' b) Kürzere Version. v.J. 1517 (VD 16, B 8111), 141v-143r Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. St. Peter r v perg. 111, Teil II, 218 -219 u. cod. St. Peter pap. (Probe: SIEBERT, 1907).

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'Te deum', marianische Bearbeitungen

B. Das Canticum I.B.I, des -» Dominikus von Preußen (2.) wurde sowohl in Versen wie in Prosa übertragen. a) Eine 'freie dt. Nachgestaltung' in Reimpaaren (von D. selbst?) ist einzeln und in der Nachbarschaft anderer Texte des D. bzw. als Bestandteil seines -*· 'Mantels Unserer Lieben Frau' (A.L) noch vor Mitte des 15. Jh.s überliefert (ine. Dich hiemelkonigyn wir eren l Dyn lob wir alleczijt meren}. Zwei Versionen und unterscheiden sich besonders im letzten Drittel. Zu Version gehört die 'MantePFassung (ine. Dych edele koentnckynne wir eren l Frau van hemel dyn loffwir meren), von der sich die in katholischen Gesangbüchern seit spätestens 1607 begegnenden Lieder herleiten. Ü b e r l i e f e r u n g . Version (44 vv.): Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1869, 197V-198V (ine. Dich moder gotz w. e,; danach II.A.3.); Mainz, StB, Hs I 322 (olim Karth. 570), 112v-113r (s. Ausg., zit.; v. 41 f. ausgefallen, Schlußgebet von 6 vv.); Nürnberg, StB, cod. Will II, 19. 8°, Teil I, 30V-34V (Text aufgeschwellt, Schlußgebet von 14 vv. u. Kollekte in Prosa). — Version (46 vv.): Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. GB f° 47, Teil I, 66r; Trier, StB, Mappe IV, Frgm. 7 (Reste einer Tafelbeklebung), l rc (Anfänge von v. 1-23, 30-46 erhalten); 'Mantel'-Fassung: Hamburg, SB u. ÜB, cod. theol. 2178 (noch verschollen), ?-128v; Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. GB f° 129, 64 ra ~ va (zit.). - Gesangbücher des 17. Jh.s: s. Ausg.n; ferner BÄUMKER, KL IV, S. 32 Nr. 21 (1607). Ausgaben. , 1854, S. 231. Gesangbuchfassungen: KEHREIN, 1860; KÖRNER, 1841. Melodien aus Gesangbüchern: BÄUMKER, KL II, Nr. 17 I. II. (der Hinweis auf , Nr. 501 als lat. Textgrundlage ist unzutreffend). L i t e r a t u r . MENNE, 1937;jANOTA, 1968; KLINKHAMMER, in: 2VL 2, Sp. 191 f.

b) Prosaübersetzungen: mindestens drei dt. und eine ndl. Ü b e r l i e f e r u n g . Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs 1903, 220V-223V (ine. Wyr loven dich koningynne des kernels, mit Vers u. Kollekte); 's-Gravenhage, Kgl. Bibl., cod. 71 H 51 (s. KRONENBURG; ine. Di coningynne des hemels lauen wij); München, cgm 856, 222 V —224 r (ine. In Maria dinem wunder loben wir dich hymmelsche kyngin, s. HAIMERL, 1952, bes. S. 41; Schluß durch marianische Umdichtung von 'Te deum' v. 22—29 ersetzt); Trier, StB, Hs. 825/1697 8°, 189r-191r (ine.

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Dich konnynckynne des hemels loven wi; danach . .3.). A b d r u c k (ndl.). KRONENBURG, 1906, S. 444; vgl. S. 370 f. C. Die Umdichtung CHEVALIER 20088 ist öfters übersetzt worden, in Geert -> Grootes 'Getijdenboek' (ed. VAN WIJK, S. 120) und z. B. in München, cgm 6887, 87V, u. cgm 8836, 2vb. - Eine gereimte dt. Umdichtung des 'Te deum' in Prosa-Tagzeiten vom Leiden Christi und Mitleiden Marias: München, cgm 8887, 68r-69r (ine. Dich got loben wir, der du mensche bis wurden l Unde undir der menscheit die gotheit hattist vorborgen). L i t e r a t u r . J. L. ViLLANUEVA, Viage literario a las iglesias de Espana, Bd. l, Madrid 1802 (1803), S. 108-110; PH. M. KÖRNER (Hg.), Marianischer Liederkranz, Augsburg 1841, S. 238, 364-366; H. A. DANIEL, Thesaurus hymnologicus II, Leipzig 1844, S. 293; , Hymnen II (1854), S. 229231, 251 f.; CH. A. COLE (Hg.), Memorials of Henry the Fifth, King of England (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores), London 1858, S. Lixf., Lxif., 164 f. (vgl. S. XLvf.); J. KEHREIN, Die ältesten kathol. Gesangbücher II, Würzburg 1860, Nr. 392; G. MOREL (Hg.), Lat. Hymnen des MAs, Einsiedeln usw. 1868, Nr. 183; F. W. E. ROTH (Hg.), Lat. Hymnen des MAs, Augsburg 1887, Nr. 182; J. W. LEGG, Some Imitations of Te Deum, Transactions of the Saint Paul's Ecclesiological Society 3, London 1891(-1895), S. 34-40; CHEVALIER (1892-1921); K. DE FLOU/ E. GAILLIARD, Beschrijving van mndl. en andere hss. ... in Engeland ... [II], Gent 1896, S. 22-24; TH. ESSER, Der Katholik, 77/2 (1897) 357-359; J. A. F. KRONENBURG, Maria's heerlijkheid in Nederland, IV, Amsterdam 1906, bes. S. 370 f., 444; H. SIEBERT, Beitr. z. Vorreformator. Heiligen- u. Reliquienverehrung (Erläuterungen u. Erg.n zu Janssens Gesch. d. dt. Volkes VI,1), 1907, S. 29 f.; J. W. LEGG (Hg.), The Second Recension of the Quignon Breviary (Henry Bradshaw Society 35 u. 42), London, Bd. 1, 1908, S. 393 f. u. Bd. 2, 1912, S. 272; ST. BEISSEL, Gesch. der Verehrung Marias in Deutschland während des MAs, 1909a, S. 314f.; ders., Gebetbücher der 2. H. des MAs, Stimmen aus Maria Laach 77 (1909b) 169-185, bes. S. 169; P. LEHMANN, Die Parodie im MA, 1922, 2., neubearb. u. erg. Aufl. 1963, S. 2; M. MEERTENS, De Godsvrucht in de Nederlanden, VI, o. O. 1934; K. MENNE, Dt. u. ndl. Hss. (Mitt. aus d. Stadtarchiv v. Köln, Sonderreihe X,l), 1937, bes. S. 461; D. A. STRACKE, Een Maria-lofzang uit de Middeleeuwen, OGE 14 (1940) 203-207; M. FROST, Adaptations of the Te Deum laudamus, The Journal of Theological Studies 42 (1941) 195-198; ders., Addendum, ebd. 43 (1942) 68; D. VAN WELY, Het kransje der twaalf sterren in de ge-

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'Tegernseer Wirtschaftsbüchlein'

schiedenis van de rozenkrans (Collectanea Franciscana Neerlandica 6, 1), VHertogenbosch 1941, bes. S. 25 f.; S. CORBIN, Essai sur la musique religieuse portugaise au moyen äge (1100-1385) (Collection portugaise 8), Paris 1952, bes. S. 351 f.; F. X. HAIMERL, Mal. Frömmigkeit im Spiegel der Gebetbuchlit. Süddeutschlands (Münchener theol. Stud. I 4), 1952, bes. S. 40-44; J. LECLERCQ, La Maison-Dieu 38 (1954) 130-132, wieder in: ders., La liturgie et les paradoxes chretiens (Lex orandi 36), Paris 1963, S. 178-180 (zit.); M. A. VAN DEN OUDENRIJN, Eine armen. Fassung des 'Te matrem', Freiburger Zs.f. Philos. u. Theol. l (1954) 200210; W. SALMEN/ J. KOEPP (Hgg.), Ldb. der Anna v. Köln (Denkmäler rhein. Musik 4), 1954, Nr. 62; J. LECLERCQ, Le plus ancien temoin connu du 'Te matrem', Ephemerides liturgicae 72 (1958) 292 — 294; WALTHER, Initia (1959/69); H. KETTERING, Quellen u. Stud. z. Essener Musikgesch. des Hohen MAs (Beitr. z. Rhein. Musikgesch. 17), 1960, S. 19-21, 277-279; F. COMBALUZIER, Te Mariam laudamus, Ephemerides liturgicae 75 (1961) 354 f.; J. M. CANAL, Otro antiguo testimonio del Te matrem', Ephemerides Mariologicae 13 (1963) 449451; W. KIRSCH, Varianten u. Frgm.e des liturg. Te Deum-Textes in den mehrstimm. Kompositionen des 15. u. 16. Jh.s, Kmjb 48 (1964) 118-134; ders., Die Quellen der mehrstimm. Magnificat- u. Te Deum-Vertonungen bis z. Mitte des 16. Jh.s, 1966; G. MEYER/ M. BURCKHARDT, Die mal. Hss. der ÜB Basel, Abt. B, Bd. 2, Basel 1966, S. 803 f.; B. J. BLACKBURN, Te Matrem Dei laudamus: A Study in the Musical Veneration of Mary, The Musical Quarterly 53 (1967) 53-76; J.JANOTA, Stud, zu Funktion u. Typus des dt. geistl. Liedes im MA (MTU 23), 1968, S. 217; K.J. KLINKHAMMER, Adolf v. Essen u. seine Werke (Frankfurter Theol. Stud. 13), 1972, bes. S. 19 u. 284 Anm. 30; G. M. ROSCHINI, La Mariologia di S. Pietro Damiano, in: San P. D. nel IX centenario della morte I, Cesena 1972, S. 195-237; B. DISTELBRINK, Bonaventurae scripta authentica, dubia vel spuria critice recensita (Subsidia scientifica Franciscalia 5), Rom 1975, S. 172, Nr. 185; F. LABHARDT, Das Cantionale des Kartäusers Thomas Kreß (Publikationen d. Schweiz. Musikforsch. Ges. II, 20), Bern/Stuttgart 1977, S. 161; K. SCHLEMMER, Gottesdienst u. Frömmigkeit in der Reichsstadt Nürnberg am Vorabend der Reformation (Forschungen z. frk. Kirchen- u. Theologiegesch. 6), 1980, S. 294-299, 540-542; M. PÖRNBACHER, Psalterium BMV. I. (lat.), in: Marienlexikon, hg. v. R. BÄUMER u. L. SCHEFFCZYK, Bd. 5, 1993, S. 357-362, bes. S. 360; P. OCHSENBEIN, Psalterium BMV. II. (dt.), ebd. S. 362-364, bes. S. 362; K. H. SCHLAGER/ W. KIRSCH, Te Deum, in: MGG, 2. Aufl., Sachteil Bd. 9, 1998, Sp. 430-443; F. KRAUTWURST, Zur Musikgesch. Nürnbergs um 1500, Neues Musik-

wiss. Jb. 8 (1999) 93-106, hier S. 100-102; T. BRANDTS, Mal. dt. Hss., in: Die Präsenz des MAs in seinen Hss., hg. v. H.-J. SCHIEWER u. K. STACKMANN, 2002, S. 303-335, hier S. 317 Nr. 45; R. CERMANN, Gebetbücher, in: Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. des MAs 5, Lfg. 1/2 (Nr. 43.1.1-42), 2002, Lfg. 3 ff. (Nr. 43.1.43 ff.) in Vorher; I. DE Loos, Liturgy and Chant in the Northern Low Countries, Tijdschrift van de Koninklijke Vereniging voor Nederlandse muziek geschiedenis 53 (2003) 9-47, bes. S. 38-41.

GISELA KORNRUMPF 'Tegernseer Wirtschaftsbüchlein' Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 8137 (Klein8°), 12r-85r (15./16. Jh.). Ausgabe. A. BIRLINGER, Kalender u. Koch(!)büchlein aus Tegernsee, Germ. 9 (1864) 192-207 (Teiledition).

Das 'T. W.' setzt sich zusammen aus einem zwischen 1453 und 1463 von unterschiedlichen Beiträgern zusammengestellten Speisenbuch (45 r —85 r ) und zwei Eintragskalendern (jüngerer von 1534: 12r— 30V; älterer: 36 r —44 r ). Die Texte wurden in der ersten Hälfte des 16. Jh.s aus funktionellen Gründen zu einem 'Kloster-Wirtschaftsbuch' zusammengefaßt. Sie stammen — wie auch das der Hs. als letzter Text beigebundene -»· 'Tegernseer Angelund Fischbüchlein' — aus Tegernsee. Das 'T. W.' dient gastronomischen Aufgaben und regelt nach hauswirtschaftlichen Voraussetzungen das Führen der Klosterküche. Es geht dabei weniger um den Jahreshaushalt als um das aufgabengerechte Decken des im Jahresablauf schwankenden Nahrungsmittelbedarfs. Dieser Bedarf unterliegt saisonalen Einflüssen genauso wie den kalendarisch festgelegten Anforderungen der Festtage, der Festkreise (mit ihren Fastenzeiten) und dem Wochenablauf. Berechnet wird der Bedarf auf die jeweiligen Verpflegungs-Anforderungen hin unter Zugrundelegung einer Refektorienbelegung von 40; daneben begegnen gelegentlich auch Berechnungen für acht Esser. In der Sommersaison ist die Bewirtschaftung des Klostergartens einbezogen, wobei hier ins einzelne gehende Vorschriften für den Gartenbau gegeben wer-

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Tempelfeld, Nikolaus

den. — Der Aufbau vor allem des Speisenbuchs zeigt Traktat-Struktur und folgt in seiner Anlage dem Jahreslauf. Als Vertreter einer Gattung, die sonst im altdt. Schrifttum nicht vorzukommen scheint, ist er mehr als hundert Jahre verkannt und als 'Kochbüchlein' fehlgedeutet worden. L i t e r a t u r . W. KOCH, Fs. zum 100jährigen Fischereijubiläum in Bayern, Allg. Fischerei-Ztg. 81 (1956) 302-325, hier S. 313a; H. WISWE, Kulturgesch. der Kochkunst. Kochbücher u. Rezepte aus zwei Jahrtausenden ..., 1970, S. 87, 106, 108.

MONIKA REININGER Tempelfeld, Nikolaus (Nikolaus Tempelfeld de Brega, poln. Mikolaj Tempelfeld z Brzegu) A. Leben. T. (*Brieg um 1400, f Breslau 1474) studierte an der Univ. Krakau seit dem Wintersemester 1414 zunächst die Artes, wurde im Winter 1419 Baccalar, im Winter 1421 Magister; seit 1421 Studium der Theologie, 1435 'zum Professor der Heiligen Schrift ernannt' (ÜRABINA, 2000, S. 103); er war im Sommer 1428 Dekan der Artistenfakultät und im Sommer 1433 Rektor der Universität (s. a. BAUCH, S. 110). Zwei seiner Brüder, Augustinus (1420 Baccalar) und Hieronymus (1427 Baccalar, 1430 Magister) studierten ebenfalls in Krakau (vgl. BAUCH, S. 111 u. 113). Außerdem war Nikolaus T. Prediger an der Marienkirche in Krakau. 1445 wurde er Kantor und Kanonikus am Dom St. Johannis in Breslau, daneben bis 1467 Prediger an St. Elisabeth. Er übersiedelte 1447 nach Breslau und starb dort 1474. In Breslau trat er als einer der schärfsten Gegner des hussitischen böhmischen Regenten und späteren Königs Georg von Podiebrad auf, gegen den er nicht nur von seiner Kanzel in St. Elisabeth wetterte, sondern auch schrieb (s. u.). Er war einer der Hauptkontrahenten des (böhmischen) Breslauer Bischofs Jodocus von Rosenberg. Die klerikalen Kontroversen um den 'ungläubigen' Landesherrn beeinflußten stark die Stimmung der Bevölkerung, die sich, aufgehetzt und im Gegensatz zur Po-

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sition des Breslauer Rates, der Huldigung Georgs von Podiebrad zum Landesherrn widersetzte. Die vernichtende Niederlage der Breslauer Truppen bei Frankenstein (Juni 1467) verringerte T.s Einfluß und führte zur Aufgabe seines Predigeramtes an St. Elisabeth. Peter ->· Eschenloer, Breslauer Stadtschreiber 1455 — 1481, beschrieb diese Krisenzeit ausführlich in seiner 'Geschichte der Stadt Breslau' und hielt auch die Positionen T.s und die schädlichen Folgen seines Einflusses auf den städtischen pöfel fest (ed. ROTH, s. bes. S. 173, 520 ff., 609f., 636, 798; s. a. Register). Ein Testament T.s von 1464 (KLOSE, S. 334), in dem er dem Predigeramt von St. Elisabeth sein Haus als Stiftung vermacht, widerruft er 1471; in seinem Testament vom 12. Dez. 1472 werden dagegen die 'armen kranken Schüler in Brieg, in longa platea gegenüber der Nicolaischule' bedacht (GRÜNHAGEN, Nr. 1035, S. 148), zu deren Gunsten T. bereits 1454 eine Stiftung gemacht hatte (vgl. GRÜNHAGEN, Nrn. 962 u. 963, S. 137). Hss. aus Tempelfelds Besitz — er tritt als Autor, Besitzer oder Schreiber auf — sind v. a. in den Bibliotheken in Krakau (u. a. Cod. 1176, Cod. 423) und Breslau (16 Hss., s. MROZOWICZ, S. 59-65) erhalten. Eine Gesamtübersicht über seine Büchersammlung und deren Profil fehlt weitgehend; Ansätze bietet W. SZELINSKA, Biblioteki profesorow Uniwersytetu Krakowskiego w XV i poczatkach XVI wieku [Die Bibliotheken der Professoren der Univ. Krakau im 15. u. beginnenden 16. Jh.], Wroclaw u. a. 1966, S. 55 — 61. Außerdem Hss. in Prag (s. u.) und in Italien: Venedig, Bibl. Nazionale Marciana, cod. lat. X. 188: Hie volumen comparavit Magister Nicolaus Tempelfelt de Brega sacre theologie professor, cantor ecclesiae Wratislaviensis (LOSERTH, S. 127 f. u. S. 128 Anm. 2), und Rom, Bibl. Vaticana, cod. Ottob. lat. 348 (DRABINA, 2000, S. 110 Anm. 30).

B. Werke. I. Aus der Krakauer Zeit: 1. Lat. Universitäts- und Gelegenheitsreden (u. a. zur Bakkalaureatur seiner Brüder Hieronymus und Augustinus T.), ungedruckt. Ü b e r l i e f e r u n g . Breslau, ÜB, I Q 380, 288 BlL 'Sammelband von Universitätsreden entworfen und gehalten von dem Schreiber des Bandes Nikolaus Tempelfeld de Brega in der Krakauer ArtistenFakultät' (MROZOWICZ, S. 62-64); Krakau, cod.

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Tempelfeld, Nikolaus

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Bibl. Jagiellonska, cod. 1272, Bl. 12-13; ebd., cod. gründung erfolgt mit biblischen Beispielen 2014, 289v-294r (DRABINA, 2000, S. 104 Anm. 3). und Argumenten aus dem Kanonischen

2. Leichenpredigten auf den Breslauer Abt Matthias Hering, die Krakauer Professoren Nikolaus Goldberg von Neiße, Joannes de Papia, Magister Sigismundus u. a.; ungedruckt.

Recht.

Ü b e r l i e f e r u n g . Breslau, ÜB, I Q 381, 8r-19r, 179r-184r, 196r-201r, 210v-217r; Krakau, Bibl. Jagiell., cod. 325, Bl. [S. ?] 424-430 (DRABINA, 2000, S. 104 Anm. 3; laut Hss.-Katalog Bl. 212V215V).

Ü b e r l i e f e r u n g . Breslau, ÜB, I Q 155, 243r253V; Krakau, Bibl. Jagiell., cod. 423, 253r-259r (DRABINA, 2000, S. 107 Anm. 16; laut Katalog Bl. 226r-232r); Leipzig, ÜB, Ms 1092, 196r-205r; Prag, Archiv Prazkeho Hradu, Bibl. des Metropolitankapitel, D XIV 2, 204v-213r (Kat. Nr. 580); Prag, Narodni knihovna, cod. adlig. 40 E 21, l r —5 r

3. Universitätspredigten: Dispositiones pro sermonibus de animabus ('PredigerNotate', vgl. MROZOWICZ, S. 64), ungedruckt. Ü b e r l i e f e r u n g . Breslau, ÜB, I Q 381, 31r44 . V

4. Kanzel-Predigten, nicht erhalten. 'Über den Inhalt seiner Predigten wissen wir leider nichts. Nur Joannes Dlugosz erwähnt in seiner Chronik, daß er die Sittenverderbtheit und den Luxus bekämpfte.' (DRABINA, 2000, S. 104). H. In Breslau entstanden 1458 drei Traktate, die zu der Wahl und Krönung Georgs von Podiebrad zum böhmischen König Stellung nehmen. Sie sind durchweg antihussitische Parteischriften, fundiert argumentierend, dabei agitativ und gelegentlich übertreibend. Sie enthalten das politische Testament des Verfassers. 1. 'Tractatus venerabilis viri magistri N. T. sacre theologie professoris'. Inc. Non licet christiano populo hereticum redpere ...

2 a. 'Tractatus cuiusdam doctoris de eleccione Georgii qui post mortem Ladislai electus est in regem Bohemie', Inc.: Ordo nature et racionis exigit...

(LOSERTH, S. 117).

Ausgabe. M. JORDAN, Das Königthum Georgs von Podebrad. Ein Beitrag zur Gesch. der Entwicklung des Staates gegenüber der katholischen Kirche, zumeist nach bisher unbekannten u. in Auswahl mitgetheilten Urkunden, Leipzig 1861, Beilage N. I. G (S. 372-388; gekürzt).

Der Inhalt entspricht im wesentlichen dem von l, die Argumentation ist hier allerdings ausgreifender und mit historischen Beispielen zusätzlich untermauert. 2 b. Eine bisher weitgehend unbeachtete dt. Übers, dieses Traktats, die vielleicht von -» Eschenloer stammt, enthält die autornächste Hs. von dessen 'Geschichte der Stadt Breslau', ÜB, IV F 151 a, S. 813835, Inc.: Ordenunge der Natur vnd vornunfft lernet, wo vil ferlikeit entsteen das doselbist vil warnunge vnd Sicherheit zuhaben sein ... (Ausg. durch Verf. i. Vorb.).

Ü b e r l i e f e r u n g . Krakau, Bibl., Jagiell., Cod. 423, 289 r ~ v (ÖRABINA, 2000, S. 106 Anm. 13; laut Hss.-Katalog Bl. 263 r ~ v ); ungedruckt.

3. 'Tractatus contra Hussitas et Georgium de Podiebrad', Inc.: Ad questionem qua queritur Utrutn salva consciencia in regno Bohemie heresi et scismata infecto dari polest obediencia regt eiusdem condicionis electo ...

L i t e r a t u r . DRABINA, S. 106f. u. LOSERTH, S. 122.

Ü b e r l i e f e r u n g . Breslau, ÜB, I Q 90, 2r-175r, Register 2r-10r, Textbeginn ll r .

Inhalt: Georg von Podiebrad — der Name fällt lediglich einmal in der polemischen Form Girsic — kann als König nicht anerkannt werden, weil dies sowohl 'gegen die göttlichen wie menschlichen Gesetze wie auch gegen die guten Gewohnheiten' (DRABINA, 2000, S. 106) verstößt. Die Be-

Ausgabe. LOSERTH, S. 133-187, Abdruck des lat. Textes in Auszügen.

Inhalt: 'Die ganze Arbeit des Verfassers ist [...] die Beantwortung einer einzigen Frage [...]: "Kann irgend Jemand mit gutem Gewissen im Königreiche Böhmen, das von Häresien und vom Schisma ange-

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Temperamentenlehre — Thangmar von Hildesheim

steckt ist, einem gewählten Könige, der gleichfalls Häretiker und Schismatiker ist, Obedienz leisten?" Mit vieler Gründlichkeit, mit grossem Aufwande an Gelehrsamkeit, an juristischen und anderen Spitzfindigkeiten und mit noch größerem Aufwand an Leidenschaft geht der Autor an die Beantwortung dieser Frage.' (LOSERTH, S. 96 f.). Die Ungültigkeit der Wahl Georgs wird letztendlich festgestellt und ausführlichst begründet (vgl. LOSERTH, S. 112). Eine Kurzfassung der Argumente des Traktats liegt laut LOSERTH (S. 115 f.) in einem Schreiben an die päpstliche Kanzlei vor: H. MARKGRAF (Hg.), Politische Correspondenz Breslaus [...] 1454— 1463 (Scriptores rerum Silesiacarum 8), Breslau 1873, Nr. 16, S. 16-20.

4. Laut DRABINA (2000, S. Ulf.) ist T. vielleicht eine Polemik gegen den Breslauer Bischof zuzuschreiben: 'Invectiva preclara contra Jodocum episcopum Wratislaviensem', gedr. H. MARKGRAF (Hg.), Politische Correspondenz Breslaus [...] 1463 — 1469, Breslau 1874 (Scriptores rerum Silesiacarum 9), Nr. 375, S. 244-248. L i t e r a t u r . S. B. KLOSE'S Darstellung der inneren Verhältnisse der Stadt Breslau vom Jahre 1458 bis zum Jahre 1526 (SS rer. Silesiacarum 3), Breslau 1847; C. GRÜNHAGEN, Urkunden der Stadt Brieg [...] bis [...] 1550 (Codex Diplomaticus Silesiae9), Breslau 1870; G. BAUCH, Schlesien u. die Univ. Krakau im XV. u. XVI. Jh., Zs. d. Ver. f. Gesch. Schlesiens 41 (1907) 99-180; Z. KoztowsKA-BuDKOWA, Kodeks Mikolaja Tempelfelda, Sprawozdania Polskiej Akademii Umiejetnosci (PAU) 53 (1952) 466-469 (zur Hs. Breslau, ÜB, IQ 381); J. DRABINA, Mikotaj Tempelfeld z Brzegu, Colloquium salutis 2, Wrociawskie Studia Teologiczne (Wroclaw 1970) 83-102; M. KOWALCZYKOWA, Mikolaj Tempelfeld z Brezgu, in: Polski Stownik Biograficzny Bd. 21, Krakow 1976, S. 107-109; J. DRABINA, Nicolaus Tempelfeld von Brieg u. seine antihussitischen Traktate, in: Oberschlesische Dichter und Gelehrte vom Humanismus bis zum Barock. Im Auftrag der Stiftung Haus Oberschlesien hg. v. G. KOSELLEK (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien Bd. 8), 2000, S. 103-112 (mit weiterer Lit.); W. MROZOWICZ, Mal. Hss. oberschlesischer Autoren in der ÜB Breslau/Wroclaw (Archivreihe der Stiftung Haus Oberschlesien 5), 2000, S. 59-65 (mit weiterer Lit.); Peter Eschenloer, Geschichte der Stadt Bres-

lau, hg. u. eingeleitet v. G. ROTH (Quellen u. Darstellungen z. schles. Gesch. 29,1-11), 2003.

GUNHILD ROTH Temperamentenlehre [Korr.] Bd. 9, Sp. 686 zu 12., Ausg. streiche: "hinzu kommt: München, cgm 376, 212r~v". Vgl. SCHNEIDER, München III, S. 92-94.

'Tepler Bibel' [Korr.] Bd. 9, Sp. 696: "Die Hs. Prag, Närodni knihovna, Ms. Tepla Cod. 19 ..." korr.: Die Hs. befindet sich heute wieder im Stift Tepl, neue Sign.: b 10. Vgl. F. HOFFMANN, Soupis rukopisü knihovny klastera premonsträtü Teplä, 2 vol., Praha 1999, Nr. 431 (olim 19).

Terenz [Nachtr.] Sp. 704 unten, zum Druck der Terenz-Ausgabe Straßburg 1499: Vgl. dazu auch Johann -» Kurtz [Erg. im NB].

Teuberstein -» 'Schedels Liederbuch' 'Der Teufel in der Kirche und das Sündenregister auf der Kuhhaut' -> 'Von der unnutzen zungen' [NB]

'Teufelsbeichte' [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 728 oben: "Die Erzählung erscheint im Überlieferungsverbund ..." ergänze: vgl. dazu -> 'Der siecht weg' und das Oberrheinische Erbauungsbuch' [NB].

Thangmar von Hildesheim I. Leben. Th. dürfte zwischen 940 und 950 vielleicht in der Hildesheimer Diözese, sicher aber in Sachsen geboren sein. Denn über seinen Lieblingsschüler Bernward, der 993 zum Bischof von Hildesheim aufstieg und wohl um 960 geboren wurde (SCHUFFELS, Bd. l, S. 29), sagt er im 1. Kap. der 'Vita Bernwardi', dieser sei claro nostrae gentis sanguine ('Vita Bernwardi' [künftig: VB] c. l, S. 758 Z. 13). Schon als junger Mann wirkte Th. als Lehrer und später Leiter (primicerius) der Hildesheimer Domschule.

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Thangmar von Hildesheim

Dieses Amt legte er wahrscheinlich schon vor 1001 nieder, um Domdechant zu werden. Zwar heißt es in der 'Denkschrift' (s. u. H.2.), er habe sich a primaeva iuventute usque ad caniciem scolari studio den Zöglingen des Stifts gewidmet (VB c. 34, S. 773 Z. 30 f.), doch bezeichnet ihn die 'Vita Godehardi prior' zu 1001 als Domdechanten, wohingegen er als Scholaster eatenus laudabiliter emeritu(sy sei (c. 21, MGH SS XI, S. 182 Z. 31 f.). Als Bibliothekar und Notar war er wohl schon unter Bischof Osdag (984/85-993) tätig und dürfte diesem schon beim ersten Aufflammen des Streits mit Erzbischof Willigis von Mainz um die Bischofsrechte über das Reichskanonissenstift Gandersheim (zuletzt HEHL, 1998) als kundiger Berater in rechtlichen Fragen gedient haben. Jedenfalls rühmt er sich, viele Synoden besucht zu haben (VB c. 33, S. 773 Var. p). Von seinen kanonistischen Studien zeugen autographe Randbemerkungen in kirchenrechtlichen Hss. Hildesheimer Provenienz (SCHUFFELS, Bd. 2, S. 483, 487 f.). Th. hat Bischof Bernward als Berater, Reisebegleiter und Gesandter gedient. Im Spätherbst des Jahres 1000 begleitete er ihn auf dessen Italienreise (VB c. 34, S. 773 Z. 29 f.). Im Sommer 1001 vertrat er auf einer Reichssynode in Frankfurt (17./ 18. Aug.; VB c. 33, S. 773 Z. 9 ff.), zu der ihn der erkrankte Bernward entsandt hatte, die Hildesheimer Rechtsposition im Gandersheimer Streit. Im Spätherbst 1001 reiste er erneut nach Italien, wo er in der zweiten Dezemberhälfte mit Kaiser Otto III. zusammentraf, auf der Weihnachtssynode vor dem Kaiser und Papst Sylvester II. als Vertreter Bernwards sprach und am l I.Jan. 1002 die Rückreise antrat (VB c. 34, S. 773 f. Z. 29 ff.). Vor 1013 legte er auch das Amt des Domdechanten nieder, sicherlich wegen seines bereits hohen Alters, vielleicht auch, um sich verstärkt seinen Studien zu widmen und sich schriftstellerisch zu betätigen. In der Subskriptionszeile einer Urkunde Bernwards von vor 1013 Juli 16 wird bereits ein Landuuardus als Domdechant genannt, ihm folgt Th. als erstgenannter archipresbyter QANICKE, Nr. 49,

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S. 38). Th. subskribiert danach die Stiftungsurkunde Bernwards für St. Michael vom 1. Nov. 1019 QANICKE, Nr. 62, S. 58) und wird in einer — allerdings gefälschten — Urkunde eines Dompropstes Bodo von 1019—1022 in der Liste der Zeugen aufgeführt (JANICKE, Nr. 63, S. 59f.). Bekannt ist darüber hinaus aus dem Nekrolog des Klosters St. Michael von 1496, daß er diesem 55 Bücher vermachte, an einem 25. Mai starb und in der Antoniuskapelle von St. Michael beigesetzt wurde (LüNTZEL, S. 312 Anm. 5). Freilich wurde die Antoniuskapelle erst 1444 erbaut, so daß die Authentizität des Eintrags zweifelhaft ist (HAARLÄNDER, S. 538 f. mit Anm. 443). II. Werke. 1. 'Annales Hildesheimenses'. Überlieferung. Paris, Bibl. nat., Ms. lat. 6114. Ausgabe. G. WAITZ, MGH SS rer. Germ. [8], 1878 (zit.).

Am Pariser Autograph der von der Schöpfung der Welt bis zum Jahr 1137 geführten Hildesheimer Jahrbücher haben zahlreiche Hände des 10. —12. Jh.s mitgewirkt, darunter auch Th., der an mehreren Jahresberichten aus dem letzten Jahrzehnt des 10. Jh.s beteiligt gewesen zu sein scheint (SCHUFFELS, Bd. 2, S. 474ff.). Von seiner Hand stammen Korrekturen auf f. 35r sowie die Jahresberichte zu 995, 996 und 997 auf f. 35V und 36r. Es liegt daher nahe, in ihm den vorübergehend federführenden Betreuer des Annalenwerkes zu sehen. 2. 'Hildesheimer Denkschrift zum Gandersheimer Streit'. Ü b e r l i e f e r u n g . Dresden, Sachs. LB u. ÜB, Mscr. J 206 (durch Kriegseinwirkung stark beschädigt); Hss. der 'Vita Bernwardi' (s. u.). A u s g a b e . Eine krit. Edition auf Basis der Dresdner Hs. fehlt. Der Text ist gedruckt nur in seiner der 'Vita Bernwardi' inserierten Fassung zugänglich: vgl. G. PERTZ, Vita Bernwardi [...], MGH SS IV, 1841, c. 12-22, 28-39, S. 762-769, 771—775, mit den Laa. der Hs. 2 (zit.).

Bei der sog. 'Denkschrift' handelt es sich um einen konsequent die Hildesheimer Po-

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sition vertretenden Bericht zum Streit zwischen den Hildesheimer Bischöfen und den Erzbischöfen von Mainz um die Ausübung bischöflicher Rechte über das Kanonissenstift in Gandersheim. Geschildert wird der Ausbruch des Konflikts unter Bischof Osdag (984/85-989), ausgelöst durch die anfängliche Weigerung der Sophia, Tochter Ottos II., sich von Osdag als Kanonisse einkleiden zu lassen (GoETTiNG, S. 159 f.); als Kaisertochter — so legt ihr der Hildesheimer Bericht in den Mund — stehe ihr zu, daß die Weihe von einem Palliumsträger, konkret: Erzbischof Willigis von Mainz, vollzogen werde. Die vorläufige Beilegung des Konflikts erfolgte schließlich durch einen Kompromiß, nämlich einen gemeinsamen Weiheakt Osdags und des Mainzer Erzbischofs. Unter Bischof Bernward flammte der Streit, dann umso heftiger, erneut auf, als im Sept. 1000 die Gandersheimer Klosterkirche geweiht werden sollte. Indem sich das Stift an Willigis wandte, die Weihe zu vollziehen, während man Bernward lediglich einlud, brach der Streit, ob Gandersheim in der Mainzer Erzdiözese oder der Hildesheimer Diözese liege, voll aus. Bernward zog in Begleitung Th.s mit unterstützenden Schreiben vieler Bischöfe (so VB c. 19, S. 767 Z. 24 f. mit Var. p) nach Italien, traf mit Kaiser Otto III. und Papst Sylvester II. zusammen und wurde in seinen Diözesanrechten voll bestätigt. Freilich zeigt der weitere Verlauf des Streits, wie schwach die Autorität römischer Synoden und päpstlicher Sentenzen diesseits der Alpen ausgeprägt war und wie wenig selbst die Entsendung eines päpstlichen Legaten gegen die Macht und Entschlossenheit des Mainzer Erzbischofs wog (ALTHOFF, S. 160 f.). Auf einer Synode in Pöhlde an der Jahreswende 1006/7 wurde schließlich eine Verständigung erzielt, und der Gandersheimer Streit mit der Weihe der Klosterkirche am 5. Januar 1007 bzw. einer feierlichen Erklärung des Erzbischofs Willigis, mit der er die Diözesanrechte Hildesheims anerkannte, beendet. Bei der Interpretation der Quelle ist stets ihr Charakter als Parteischrift zu beachten. Dies scheint trivial, doch ist festzu-

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stellen, daß das Bild der Sophia in der modernen Forschung dank der Darstellung in der 'Denkschrift' nach wie vor verdunkelt ist. Die einzige bekannte Hs. des Werkes ist eine Abschrift aus dem 2. oder 3. Jahrzehnt des 11. Jh.s, die nicht frei von Schreibfehlern und Flüchtigkeiten ist, im ganzen aber den Text sorgfältig überliefert. Ihre Schriftheimat ist Hildesheim (SCHUFFELS, Bd. 2, S. 489 ff.). G. H. PERTZ, der die 'Vita Bernwardi' 1841 für die MGH edierte, die Hs. aber nicht aus eigener Anschauung kannte, unterlag dem folgenreichen Irrtum, es handele sich bei dem darin überlieferten Text um ein Exzerpt der 'Vita Bernwardi', in der sich der Text der Streitschrift tatsächlich leicht verkürzt findet. Anstatt den eigenständigen Charakter der Schrift zu erkennen, verbannte er ihre Lesarten in den Variantenapparat. Obwohl die Forschung diesen Grundirrtum schon recht bald erkannte (BEELTE, DIETERICH), sorgen die Überlieferungszusammenhänge — erschwert durch den Umstand, daß der Textzeuge im II. Weltkrieg schweren Schaden durch Feuer und Wasser erlitt — bis heute für kontroverse Diskus-

Daß Th. als Autor der 'Denkschrift' angesehen wird, beruht lediglich auf der Insertion der Schrift in die 'Vita Bernwardi'. Allerdings wird von Th. in der Streitschrift stets in der 3. Person gesprochen (VB c. 33, S. 773 Z. 11, 21; c. 34, S. 773 Z. 29), während sich der Autor zweimal in der 1. Person Sing, nennt (VB c. 12, S. 763 Z. 48; c. 13, S. 764 Z. 1), weshalb einige (zuletzt GÖRICH/KORTÜM, bes. S. 53 f.) Th. die Autorschaft vollständig absprechen. Der bis 1007 reichende Bericht der Streitschrift ist wohl zwischen 1007 und 1013 entstanden (HEHL, S. 316 f. Anm. 60). In welchem Maß Th. damit befaßt war, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten. Zu spärlich sind die Hinweise in den Quellen, zu unzuverlässig ist die Editionslage. Als aussagekräftiges Indiz für eine maßgebliche Beteiligung Th.s kann allerdings gelten, daß sich in einer aus Hildesheim stammenden kanonistischen Materialsammlung, die Argumente für die Denkschrift geliefert hat, Randnotizen von seiner Hand finden (so SCHUFFELS, Bd. 2, S. 489). Die Frage, ob er selbst schrieb, diktierte oder unter seiner Leitung ge-

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schrieben wurde (vgl. HEHL, S. 336 f. Anm. 117), ist nicht endgültig zu entscheiden. 3. 'Vita Bernwardi'. Ü b e r l i e f e r u n g . Bonn, ÜB, S 324, 207r-213r (2. H. 15. Jh.); Brüssel, Bibl. Royale, Ms. 895052, 54r-56r, 60r-62v (17. Jh.); Gotha, ÜB u. Forschungsbibl., Membr. 164, 115vb-133vb (14. Jh.); Hannover, Niedersächs. Hauptstaatsarchiv, Ms. F5, S. 2-80 (nach 1186, vor Mitte 1192); Hildesheim, Dombibl., Hs 123 b, l r -42 v (Anf. 16. Jh.); ebd., Hs 124/1, 1V-18V (Ende 15. Jh.); ebd., Hs 726, 77r-96v (2. H. 15. Jh.); ebd., Hs 727, 201r219r (1441/43, Paraphrase); ebd., Hs 739 f., 24V27r (1. H. 15. Jh.); Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95, Nr. 100, 69va-71rb (14. Jh.); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 353 Heimst., 261v-284r (15. Jh.); ebd., cod. Guelf. 19. 26. 7. Aug. 4°, 18r55V (15. Jh.). Für den Hinweis auf den Bonner Textzeugen und die Hs. Hildesheim, Dombibl. 123 b, danke ich Frau Dr. Martina Giese, München. A u s g a b e n . CH. BROWERUS, Sidera illustrium et sanctorum virorum qui Germaniam praesertim magnam olim gestis rebus ornarunt [...], Mainz 1616 (editio princeps); G. PERTZ, MGH SS IV, 1841, S. 754-782 (zit.); Vita sancti Bernwardi episcopi Hildesheimensis auctore Thangmaro (?), in: Lebensbeschreibungen einiger Bischöfe des 10.-12. Jh.s, übers, von H. KALLFELZ, 1973, S. 265-361 (lat.-dt.).

Nur wenige Quellen des 10. und 11. Jh.s sind in ihrem Wert so umstritten wie die Lebensbeschreibung Bernwards von Hildesheim. Von der älteren Forschung gerühmt als zeitgenössische 'Quelle von außerordentlicher Wichtigkeit, eine lebensvolle Biographie, die das Wesen des Helden zu erfassen sucht und intimen Reiz ausströmt' (WATTENBACH u. a., S. 62), ist ihre zeitgenössische Entstehung und damit auch ihr Quellenwert bezweifelt worden: Es handele sich vielmehr mit Ausnahme der 'Denkschrift' zum Gandersheimer Streit um ein im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Kanonisation Bernwards Ende des 12. Jh.s entstandenes Konstrukt der Mönche des Klosters St. Michael; Th. sei nicht Autor, sondern Autorfiktion (DRÖGEREIT, 1959 u. 1960; GÖRICH/ KORTÜM, S. 54 f.; HAARLÄNDER, S. 494 f., 538 f.).

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Maßgeblich für diesen fundamentalen Wandel in der Einschätzung des Textes sind die desolate Editionslage, die Uneinheitlichkeit des Textes und die Zweifel am Verfasser. Solange eine kritische Neuedition nicht vorliegt, bleibt jeder Versuch einer zusammenfassenden Würdigung der Quelle unsicher (so zu Recht GÖRICH, 2001, Sp. 1364f.). Die Autorschaft Th.s ist insbesondere mit dem Argument bezweifelt worden, daß bereits 1013 ein anderer als Domdechant urkundlich erwähnt wird. Ferner fiel auf, daß Th. nach 1002 in der Gandersheimer Denkschrift nicht mehr als Handelnder auftritt. Übersehen wurde dabei, daß Th. das Dechantenamt aufgegeben haben kann, wie er zuvor als Scholaster demissioniert hatte. Zudem unterblieb eine Prüfung der urkundlichen Zeugnisse. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die oben angeführten Belege eines Erzpriesters Th. zu 1013 und 1019 in Hildesheimer Urkunden nicht auf den Th. der 'Vita Bernwardi' bezogen werden sollten (STUMPF, S. 494 ff.), zumal dessen hervorgehobener Rang durch seine Plazierung in den Subskribentenlisten direkt hinter den Bischöfen, dem Dompropst und dem Domdechanten deutlich wird. Die 'Vita Bernwardi' besteht in ihrer überlieferten Form aus mindestens zwei textgeschichtlich voneinander zu unterscheidenden Teilen, den biographischen Kapiteln im engeren Sinne einerseits, der früher entstandenen und in das biographische Werk nachträglich eingeschobenen und sicher nicht — wie PERTZ annahm — aus der 'Vita Bernwardi' extrahierten 'Denkschrift' zum Gandersheimer Streit andererseits. Wann die Zusammenfassung der Teile geschehen ist, bleibt ungewiß: Ein Einschub in c. 17 der Vita, der dem von der Vita unabhängigen Dresdner Textzeugen der 'Denkschrift' fehlt (s. o. H.2.; VB, S. 766 Z. 20-28 mit Var. e), setzt den Tod Bernwards voraus, da dieser als dignae memoriae vir bezeichnet wird. Die Einschaltung der 'Denkschrift' muß also einige Zeit nach dem Todestag Bernwards (20. Nov. 1022) erfolgt sein, am wahrscheinlichsten vor dem 13. Juli 1024, dem Todestag Kaiser Heinrichs II., da dieser in

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Thangmar von Hildesheim

c. 22, 38 und 43 in einer Weise erwähnt wird, die dafür spricht, daß er bei der Redaktion des Textes noch am Leben war. Insbesondere die Formulierung in c. 22, die Heinrich als 'unvergleichliche Zierde des Reiches' und einen 'Mann, dem der Herr alle Schätze der göttlichen und menschlichen Weisheit verliehen hat' (VB, S. 768 Z. 31 ff., übers, nach KALLFELZ, S. 313), feiert, erscheint als panegyrische Aussage über den noch lebenden Kaiser, da hier Epitheta wie piae oder dignae memoriae fehlen. Doch auch die biographischen Kapitel (VB Prolog, c. 1-11, 23-27, 40-57) sind nicht aus einem Guß, sondern zerfallen anscheinend in einen zeitgenössischen Hauptbestand und einige weitere Kapitel mehr hagiographischen Zuschnitts, die wohl erst im ausgehenden 12. Jh. hinzugefügt wurden. Der zeitgenössische Kernbestand ist eine im Grundton panegyrische, dabei überaus detailfreudige Lebensbeschreibung Bischof Bernwards. Mit großer Sympathie für seinen Protagonisten schildert der Autor dessen Herkunft, Kindheit und Jugend, wobei er in kunstvoller Weise biographische Fakten mit literarisch-topischen Elementen verwebt (STUMPF, S. 479 ff.). Es fehlt nicht an mal. Lesern/Hörern vertrauten literarischen Topoi, die das reale Tun des Hildesheimer Bischofs literarisch stilisieren und so in den göttlichen Heilsplan einbetten. Bei Bedarf wird daher die chronologische Ordnung zugunsten einer sachlichen durchbrochen (insbes. c. 1 — 3: Kindheit und Jugend), auch werden Ereignisse und Handlungen verschwiegen, wenn sie in die 'Erfolgsstory' nicht recht passen wollen (anfängliche Opposition Bernwards gegen die Kandidatur Heinrichs II. nach dem Tode Ottos III. 1002; Dombrand in Hildesheim 1013). Geschildert wird der Aufstieg des jungen Geistlichen zunächst im Dienst seines Onkels, Bischof Folkmars von Utrecht, dann als Mitglied der Hofkapelle zum Vertrauten und Lehrer Ottos III. (seit 987), schließlich zum Bischof von Hildesheim (993). Seine Tatkraft in der Fürsorge für sein Bistum (Kämpfe gegen aufständische

1520

Elbslaven, Burgenbau, Ausbau der diözesanen Kirchenorganisation) wird mit Detailfreude dargestellt, ebenso seine Erfolge im Reichsdienst für Otto III. (Belagerung von Tivoli 1000-1001, römischer Aufstand 1001) und Heinrich II. (Feldzug gegen Balduin IV. von Flandern). Breit ausgemalt wird Bernwards aktive Förderung der bildenden Künste (liturgische Prachthss., Bronzeguß- und Goldschmiedearbeiten; dazu GALLISTL, S. 9 ff.) und Architektur (Gründung und Bau des Klosters St. Michael; dazu BINDING; BERSCHIN, S. 193). Th. zeigt große sprachliche Selbständigkeit. Festzustellen ist lediglich die Kenntnis von ->· Einhards 'Vita Karoli Magni' und der Martinsvita des Sulpicius Severus, auch weist der Text einige Anklänge an -» Vergil auf (MANITIUS, S. 208 f.). Den Text der Vita ausgeschrieben haben später die 'Vita Godehardi posterior' von -*· Wolfhere und die 'Fundatio ecclesiae Hildeshemensis'. Im letzten Abschnitt des Werkes finden sich einige Kapitel, die in Stil und inhaltlicher Hinsicht aus dem übrigen biographischen Werk herausfallen (VB c. 51-52, 56—57). Sie fügen an Fakten nichts mehr hinzu, sondern muten wie Beiwerk an: c. 51 gibt den Text der Stiftungsurkunde Bernwards für St. Michael vom Jahr 1019 wieder QANICKE, Nr. 62, S. 55-59), die von der Forschung häufig als 'Testament' bezeichnet worden ist. Ihre Einschaltung ist ohne Zweifel recht lange nach dem Tode Bernwards erfolgt, zumal dieser mehrfach als beatus vir bezeichnet wird. Für diese Kapitel, welche die wohl zum älteren Kernbestand gehörende Schilderung des Todes Bernwards (c. 53 und 54) umrahmen, mag die Vermutung zutreffen, daß sie erst im 12. Jh. im Zusammenhang mit der angestrebten Kanonisation entstanden sind und mit der Vita Th.s verbunden wurden: Die Hannoveraner Hs. der Vita, Leiths. der PERTZschen Edition, ist nachweislich im späten 12. Jh. im Kontext der Kanonisationsbemühungen entstanden. Inwieweit der darin überlieferte Text dabei redaktionell bearbeitet worden ist, läßt sich derzeit nicht sicher bestimmen. Doch erweist der Vergleich der Lesarten zwischen dem Text dieser Hs. und der Hs. Gotha, Membr. I

1521

1522

Theodericus — Theodolus

64, daß beide nicht direkt von einander abhängen, sondern eher auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen (STUMPF, S. 468 ff.). L i t e r a t u r . H. A. LÜNTZEL, Gesch. d. Diöcese u. Stadt Hildesheim, Bd. l, 1858, S. 311 f., 312 Anm. 5; CH. BEELTE, Thangmar. Sein Leben u. Beurteilung seiner Vita Bernwardi, in: Bischöfl. Gymnasium u. damit in Verbindung stehende höhere Bürgerschule zu Hildesheim. Progr. für das Schuljahr 1880-1881, 1881, S. 1-26:M. MANITIUS, Zu Th.s Vita Bernwardi, NA 13 (1888) 208 f.; K. JANICKE, Urkb. d. Hochstiftes Hildesheim u. seiner Bischöfe, Bd. l, 1896; J. R. DIETERICH, Ueber Th.s Vita Bernwardi episcopi, NA 25 (1900) 425-451; B. GERLACH, Th.s Lebensbeschreibung des hl. Bischofs Bernward, in: Unsere Diözese in Vergangenheit u. Gegenwart. Zs. des Ver. f. Heimatkunde im Bistum Hildesheim 15 (1941) 1-66; R. DROGEREH·, Die Vita Bernwardi u. Th., in: Unsere Diözese in Vergangenheit u. Gegenwart. Zs. des Ver. f. Heimatkunde im Bistum Hildesheim 28 (1959) 2—64; ders., Bischof Bernward von Hildesheim, in: Jb. der Ges. f. Niedersächs. Kirchgesch. 58 (1960) 5-22; WATTENBACH/HOLTZMANN/SCHMALE, Geschichtsquellen I 60-62, III 23* f.; F. LOTTER/ V. H. ELBERN, Art. Bernward, in: Lexikon d. MAs, Bd. l, 1980, Sp. 2012-2014; H. GOETTING, Das Bistum Hildesheim, Bd. 3: Die Hildesheimer Bischöfe von 815 bis 1221 (1227), 1984, S. 159-163, 166-230; G. BINDING, Bischof Bernward als Architekt der Michaeliskirche in Hildesheim (1987); ders., Bischof Bernward von Hildesheim — architectus et artifex?, in: M. GOSEBRUCH (Hg.), Bernwardinische Kunst, 1988, S. 27-47; K. GÖRICH/ H.-H. KORTÜM, Otto III., Th. u. die Vita Bernwardi, MIÖG 98 (1990) 1-57; H. J. SCHUFFELS, Die Erhebung Bernwards zum Heiligen, in: Bernward von Hildesheim u. das Zeitalter der Ottonen, Bd. l, 1993, 407-417; ders., in Bd. 2, S. 10-13, 474-476, 483-491, 538-540; E. BÜNZ/ K.-H. BAJORATH, Bischof Bernward von Hildesheim, die Vita Bernwardi episcopi u. das Benediktinerkloster St. Michael, in: ders. (Hg.), Gründliche Nachricht von dem Leben u. Tode des Heiligen Bernward. Nachdruck der Ausg. Hildesheim 1767, 1993, S. 323-345; K. GÖRICH, Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus, 1993, S. 92-113; H. JAKOBS, Anmerkungen zur Urkunde Benedikts VIII. für Bernward von Hildesheinr (JL. 4036) u. zu den Anfängen von St. Michael, in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 62 (1994) 204-214; G. ALTHOFF, Otto III., 1996; E RÄDLE, Der heilige Benno von Meißen u. Hildesheim. Texte aus d. Hs. Dombibl. Hs 123 b, in: J. BEPLER/TH. SCHARF-WREDE (Hgg.), Die Dombibl. Hildesheim. Bücherschicksale, 1996, S. 271304; K. GÖRICH, Art. Thangmar', in: Lexikon d. MAs, Bd. 8, 1996, Sp. 610; M. STUMPF, Zum Quel-

lenwert von Th.s Vita Bernwardi, DA 53 (1997) 461 — 496; E.-D. HEHL, Der widerspenstige Bischof, in: G. ALTHOFF/ E. SCHUBERT (Hgg.), Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, 1998, S. 295—344; W. BERSCHIN, Biographie u. Epochenstil im lat. MA, Bd. IV/1-2: Das hohe MA 9201220 n. Chr., 1999/2001, S. 187-192; ST. HAARLÄNDER, Vitae episcoporum. Eine Quellengattung zwischen Hagiographie u. Historiographie, untersucht an Lebensbeschreibungen von Bischöfen des Regnum Teutonicum im Zeitalter der Ottonen u. Salier, 2000, passim; B. GALLISTL, Der Dom zu Hildesheim u. sein Weltkulturerbe, 2000; K. GöRICH, Art. 'Thangmar', in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 18, 2001, Sp. 13591365.

MARCUS STUMPF Thein -> Christoph von Th. Theodericus [Korr.] Bd. 9, Sp. 742 Überl.: "Minneapolis, Univ. Library, cod. 13" korr.: ..., Univ. of Minnesota Library, The James Ford Bell Collection, MS. 1424/Co. Vgl. W. H. BOND, Supplement to the Census of Medieval and Renaissance Manuscripts in the United States and Canada, New York 1962, S. 300 Nr. 13 (hier irrtümlich: B 1424 Si); P. O. KRISTELLER, Iter italicum, vol. V, London 1990, S. 274.

Theodolus [Korr.] Bd. 9, Sp. 761 Z. 2-4: "St. Paul/Lavanttal, Stiftsbibl., cod. Hosp. memb. 120; ebd., cod. Hosp. chart. 255" korr.: ..., Stiftsarchiv, cod. 1207 3; ebd., cod. 255/4. Vgl. CH. GLASSNER, Signaturenkonkordanz der Hss. des Benediktinerstiftes St. Paul im Lavanttal, 1995-2002 (Internetpublikation). Ebd. Z. 10: "Zwickau, Ratsschulbibl., cod. III.II.5." korr.: ..., Ms. XIII, II, 5. Vgl. R. SCHIPKE, Die mal. Hss. der Ratsschulbibl. Zwickau, 1990, S. 115-119. Sp. 763 zu 5., Überl.: "Halle, ÜB u. LB, Archiv der Franckeschen Stiftungen, cod. 61. F. 15" korr.: jetzt Halle, Bibl. der Franckeschen Stiftungen, Sign. BFSt: 61 F 15. Es handelt sich um eine Hs., die an einen Druck angebunden ist (Hinweis J. Gröschl, Halle).

Theodoricus -» Dietrich; -» Dirk; -» Theodericus; -> Thiodericus

1523

'Theoria metrica' — Thomas von Baden

1524

rum II, Leipzig 1725, Sp. 445-456, hier Sp. 451); zweimal, 1455-1459 unter Abt Bd. 9, Sp. 785 Überl.: "Brüssel, Kgl. Bibl., cod. V V V V Johannes Hausheimer von Welming (Re1291-1311, 339 -341 " korr.: ..., 338 -341 . gierungszeit 1453-1474) und 1475-1478 Ebd.: "Utrecht, ÜB, cod. 337" korr.: cod. 377 unter Abt Ludwig Schanzler von Krems (= Kat.nr.; Eccl. 385). Vgl. Catalogus codicum manu scriptorum bibliothecae universitatis Rheno(Regierungszeit 1474—1480), übte er in Trajectinae [L], Utrecht 1887, Nr. 377. Melk das Amt des Priors aus. 1459 folgte Sp. 788 zu Lit. ergänze: H. RÜTHING, Der Karer seinem Melker Mitbruder Melchior von täuser Heinrich Egher von Kaikar 1328-1408 Steinheim (Stam[m]heim), der im Zuge der (Veröff. d. Max-Planck-Inst. f. Geschichte 18. Stud, Ordensreform als Abt (Regierungszeit z. Germania Sacra 8), 1967, S. 144-148 (zur Dis1458-1474) in das Kloster St. Ulrich und kussion der Überlieferung und der Autorschaft; Afra in Augsburg berufen worden war mit einer weiteren Hs.). (BRÜCK, S. 150—153), und er wirkte auch dort bis zu seiner Rückkehr nach Melk im Thiodericus von Deutz [Korr./Nachtr.] Jahr 1465 als Prior. Er starb an einem 18. August (MGH Necr. V, S. 142), wohl Bd. 9, Sp. 802 Überl.: Die Sigmaringer Hs. ist seit 1947 verschollen (aus dem Kunstschutzdepot des Jahres 1478, in dem die Quellen das Kloster Marienstatt/Westerwald verschwunden). Ende seines zweiten Priorats vermerken Eine Abschrift aus dem 19. Jh. in Köln, Hist. Ar(vgl. GLASSNER, S. 83 Anm. 27). 'Theoria metrica' [Korr.]

chiv der Stadt unter der Sign. Deutz, Abtei RH 2. Vgl. H. MÜLLER, Zur Kanonisationsbulle für Erzbischof Heribert von Köln, Rhein. Vjbll. 40 (1976) 69 f.; M. SINDERHAUF, Die Abtei Deutz u. ihre innere Erneuerung: Klostergeschichte im Spiegel des verschollenen Codex Thioderici (Veröff. d. Köln. Gesch.ver. 39), 1996.

II. Werk.

Das Schrifttum Th.', das erst nach einer Auswertung vor allem der Melker Hss. des 15. Jh.s, aus denen es bisher ausschließlich bekannt ist, in seiner Gesamtheit zu beurteilen sein wird, steht im Zeichen seines Wirkens als Prior und Ordensreformer. Er Thomas von Aquin [Korr.] war sowohl als Schreiber und Redaktor als Bd. 9, Sp. 826 oben: Vgl. auch -» 'Der Tugenden auch als Übersetzer und Autor lat. und dt. Buch' [NB]. Texte tätig. In cod. 774 nennt sich Th. als Sp. 830 zu 5.: "St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 1916, Übersetzer und Schreiber: Item ain predig 137r-151v" korr.: ..., cod. 1915, S. 273-285. von Sand Pauls bekerung fratris Thome von Paden profess zu Melkch der auch ditz puech hat vmbtragen vnd geschriben (II V ). Thomas von Baden (Piscatoris, Th.) OSB Seine Autorschaft kann dort angenommen I. L e b e n . werden, wo unikale Überlieferung von seiner Hand besteht, und wo bei dt. Texten Geboren um 1410 in Baden bei Wien zudem keine lat. Textvorlagen nachzuwei(KROPFF, S. 363; BRÜCK, S. 153), studierte er ab 1429 an der Artistenfakultät der Wie- sen sind. ner Universität (Matrikel d. Univ. Wien, Ü b e r l i e f e r u n g . Die Werklisten von KROPFF 1429 II A 9: Thomas Piscatoris de Faden); (S. 365 f.) und BRÜCK (S. 153) stützen sich hauptdort wurde er am 4. Juli 1433 als Bakkalar sächlich auf die Hs. Melk, Stiftsbibl., cod. 774 rezipiert, während sich eine Determination (354, G 14), v. J. 1465, das einzige bisher bekannte oder Promotion in den Akten der Wiener Autograph. Der Hand des Th. v. B. können jedoch Artistenfakultät nicht nachweisen läßt weitere Überlieferungsträger in Melk zugewiesen (GLASSNER, S. 82). 1435 trat er in das Be- werden (in chronologischer Reihung): Cod. 1102 (480, H 102), Mitte 15. Jh. nediktinerstift Melk ein (GLASSNER, S. 84 Cod. 887 (727), um 1459, und cod. 1153 (906, Abb. l [Profeßurkunde]), wo er im Jahr Q45), f. 1-12, um 1459 (diese 12 Bll. waren ur1451 als magister coquinae exterioris be- sprünglich als 1. Faszikel dem cod. 887 vorgebunzeugt ist {-> Wolfgang von Steyr, Itinera- den; unter der Signatur F 166 im Melker Bibliorium, in: H. PEZ, SS rerum Austriaca- thekskatalog v.J. 1483 [Mal. Bibl. Kat. Öster-

1525

Thomas von Baden

reichs I, 1915, S. 255 Z. 27]); Iat.-dt. Mischhs., angelegt als Handbuch für die monastische Seelsorge (Predigten, Exempel, etc.) und Verwaltung (Urkundenabschriften und -formulare). Cod. 763 (818, P 4), um 1465 (zur Datierung vgl. GLASSNER, S. 85; der Schriftbefund wird durch ein zeitgenössisches Titelschild mit Th.' Namen bestätigt). Zu weiteren Hss. mit einzelnen von Th. geschriebenen Texten s. u. Die Zuschreibung mehrerer dt. Werke in cod. 1602 (245, E 37) durch KROPFF (S. 366), mit ihm STAMMLER, (S. 844), erweitert durch STAUFER (S. 337-339), mit ihm BRÜCK (S. 153), muß hingegen — vorbehaltlich genauerer Analysen — fraglich bleiben, da Th. aus paläographischen Gründen zumindest als Schreiber der Hs. ausscheidet.

I. F. werden diejenigen Schriften aufgeführt, für die Autorschaft oder Übersetzertätigkeit des Th. angenommen werden kann.

1526

et promiscuis balneis religiosorum' v. J. 1455 zu (cod. 800 [863, P 57], 17r; Abschrift, 2. H. 15. Jh.; voraus geht der Brief Capestranos). Ausgabe. PEZ, Bibl. asc. VIII, 1725, S. 573. 2. Deutsche Schriften.

Gesichert ist Th. als Übersetzer bzw. Verfasser der in den codd. 774 und 763 überlieferten dt. Texte (a—f): a. Übersetzung des 'Speculum B. Mariae Virginis' -> Konrads von Sachsen ('Spiegel der junkfraun Marie'): cod. 774, l r —90 r . Der dt. 'Marienspiegel' war durch STAMMLER und RUPPRICH (LG, S. 94) als Originalwerk des Th. gewertet worden. A u s g a b e durch Thomas Chlastak in Vorbereitung.

b. Zwei Exempel über die Freuden des Paradieses: cod. 774, 90r-91r (Überset1. Lateinische Schriften. zung wohl aus dem Melker cod. 860, a. Ein Konvolut lat. Sermones de tem- 120rv, dort unmittelbar auf das lat. 'Specupore et de sanctis mit dt. Interpretamenten lum BMV folgend (cod. 860 könnte demin cod. 887, l r —165 V , nach derzeitigem nach auch die Vorlage für den 'MarienForschungsstand in unikaler Überliefe- Spiegel' gewesen sein). rung. Dies gilt auch für die Bl. 140v-142r c. Übersetzung der 'Lamentationes Jeeingeschobene lat.-dt. 'Ars praedicandi' remiae' für die Liturgie des Triduum in (CHARLAND, Artes Praed., S. 96; CAPLAN, Melk, mit Vorrede: cod. 774, 91r-95r. Artes Praed., S. l, Nr. a). d. Auslegung der 'Lamentationes JereWeiters schrieb Th. vier lat. Predigten miae': cod. 774, 95V-118V. im cod. 641 (837, P 27), 132r-143v (um e. Predigt zum Fest Pauli Bekehrung 1460), von denen die ersten beiden (zum (25. Januar) v. J. 1465 über I Cor 4,16 und 2. Adventsonntag und zum Dreikönigsfest) 11,1: cod. 774, 119r-124v. ebenfalls dt. Interpretamente aufweisen. f. Übersetzung von 59 Jahrespredigten: b. Möglicherweise kann Th. als Verfas- Den Grundstock bilden 'Sermones de temser eines bisher nicht aufgefundenen lat. pore' -> Jordans von Quedlinburg mit EinMusiktraktats, von dem er eigenhändig in schüben aus Predigten des Kartäusers Nicod. 1099 (417, H 34), p. 1-20 (dat. 1441) kolaus -> Kempf von Straßburg und solu. d. T. 'Excerptorium de semitoniis' einen chen des -»· Nikolaus von Dinkelsbühl. Am Auszug herstellte, namhaft gemacht wer- Beginn der einzelnen Predigten wird jeden. weils auch die gesamte Evangelienperikope Ausgabe. A. RAUSCH, Neue Quellen zur Reübersetzt: cod. 763, lr-362v. zeption des 'Prologus in tonarium' des Bern von g. Th. kommt ferner als Verfasser einer Reichenau, in: Beiträge zur Musik, Musiktheorie dt. Weihnachtspredigt v. J. 1468 ('Collacio u. Liturgie der Abtei Reichenau, hg. v. W. PASS u. vulgaris de nativitate Christi domini anno A. RAUSCH (Musica mediaevalis Europae occidenetc. 68') über Is 9,6 in Betracht (cod. talis 8), 2001, S. 69-98. 751/2 [730], 301V-305V), zu der bisher c. PEZ schrieb Th. die lat. Gegenargu- keine lat. Vorlage bekannt ist, außerdem mente zu dem an ihn adressierten Brief des als Übersetzer eines Exempels aus dem -* Johannes von Capestrano 'De publicis 'Bonum universale de apibus' des -> Tho-

1527

Thomas von Cantimpre — Thomas Hemerken von Kempen

mas von Cantimpre (cod. E 24], p. 31-34; 2. Viertel Vorlage wohl in cod. 282 128v-129r); beide Texte sind schrieben.

1528

1759 [233, 15. Jh.; lat. [517, 136], von Th. ge-

Thomas Hemerken von Kempen [Korr./ Nachtr.]

CHRISTINE GLASSNER

durchaus beachtliche hs.liche Verbreitung (vom 'Parvum alphabetum boni monachi' sind beispielsweise mehr als 60 lat. Hss. erhalten). Auch in der Volkssprache wurden zumindest einige dieser Schriften recht breit rezipiert, jedenfalls beschränkt sich die dt. und ndl. Rezeption — entgegen der Bd. 9, Sp. 872 u. 878 geäußerten Ansicht — nicht auf vereinzelte Übertragungen weniger Werke.

Bd. 9, Sp. 864 Mitte, zu "Erstdruck der opera ... hg. v. G. Pirckamer" korr.: hg. v. P. Danhauser (auf Veranlassung des Kartäuserpriors G. Pirckheimer). Sp. 872, petit-Absatz: "Münster, Paulin. Bibl., h. Im Kontext der dt. -> Sibyllenweissagungen cod. 207 (olim 730)" korr.: ..., ÜB, cod. 730 (Kat. (cod. 1153, -11 ) ist der Abschnitt über die -STAENDER, Nr. 207), 1945 verbrannt. 'Fünfzehn Vorzeichen des Jüngsten Gerichts' uniSp. 875 f. zu 11. ergänze: Alle drei Hss. stamkal erweitert nach dem 1. Kapitel der 'Legenda aumen aus dem Augustinerchorherrenkloster Rebrea' des -* Jacobus a Voragine; unmittelbar daran dorf. Dazu kommt noch eine weitere Hs., die aufanschließend die lat. Fortsetzung (ll v —12 V ; Ausg.: GRAESSE, Leg. aur., S. 7,23 — 11,22; die dt. Erweite- grund zahlreicher Indizien ebenfalls in Rebdorf entstanden sein dürfte: Straßburg, Bibl. nat. et univ., rung der 'Fünfzehn Zeichen' bei I. NESKE, Die dt. Ms. 1997 (olim L germ. 80), 63r-83v; vgl. Inc. bei Sibyllenweissagung, 1985, S. 181 f.). A. BECKER, Die dt. Hss. der kaiserl. ÜB u. LB zu i. Ob Th. als Schreiber eines dt. -> 'Salbei-' und -» 'Kranewittbeer-Traktats' (cod. 1088 [604, L 25], Straßburg, 1914, S. 8; Farbabb. der gesamten Hs. p. 150-151 bzw. p. 158-159) und des ersten Teils im Internet unter der Adresse: http://www-bnus. u-strasbg.fr/journauxnumerises/msrhenane.asp. (dat. 1443) der dt. -> 'Visiones Georgii' im Melker Sp. 877 zu IV.l., Liberi.: "Lübeck, StB, ..., Ms. cod. 1102, p. 299-372 (p. 373-423 von anderer theol. germ. 15, 4° ... verschollen" korr.: Die Hs. Hand) auch in die Textgestaltung eingegriffen hat, ist wieder zurück in Lübeck, vgl. J. FLIGGE/ A. bleibt noch zu klären. MIELKE/ R. SCHWEITZER, Die nd. Hss. der StB LüZu weiteren dt. Texten, für die Th. nur als Schreiber bzw. Redaktor zu gelten hat, vgl. GLASS- beck nach der Rückkehr aus kriegsbedingter Auslagerung ..., in: Vulpis Adolatio. Fs. H. Menke, NER, S. 93 f. hg. v. R. PETERS u. a., 2001, S. 167, 208 mit L i t e r a t u r . M. KROPFF, Bibliotheca MellicenAnm. 10. sis, Wien 1747, S. 363-366; [V. Staufer,] CataloSp. 882 zu Lit. ergänze: U. NEDDERMEYER, Ragus codicum manu scriptorum, qui in bibliotheca tio Studii et Speculum Vitae. Verbreitung u. Rezepmonasterii Mellicensis O. S. B. servantur I (Mss. tion der 'Imitatio Christi' in Hss. u. Drucken bis 1-234 [alte Signaturen]), Wien 1889 (H-III zur Reformation, in: J. HELMRATH/ H. MÜLLER, hs.lich, auch in photomechan. Reproduktion vorStudien zum 15. Jh. Fs. E. Meuthen, Bd. l, 1994, liegend: University Microfilms International, Ann S. 457-481. Arbor, Michigan, USA); Die Matrikel d. Univ. Ergänzungen zu Sp. 878 f.: Wien l, Graz-Köln 1956, S. 166; STAMMLER, Prosa, S. 766, 844, 1030; M. BRÜCK, Profeßbuch D. Ü b e r s e t z u n g e n und B e a r b e i des Klosters Melk (I.Teil 1418-1452), in: Stift t u ngen weiterer Schriften. Melk, Geschichte u. Gegenwart 4, 1985, S. 79Eine ganze Reihe der 'Kleineren Werke' 202, hier S. 153 f.; CH. GLASSNER, Leben u. Werk des Melker Priors Th. v. B., Codices manuscript! des Th. v. K. fand, wie BODEMANN-KORN18/19 (1997) = Fs. O. Mazal, S. 81-95. HAAS kürzlich nachweisen konnte, eine

Thomas von Cantimpre [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 844, zu 5. b.: "... v. J. 1438/50" korr.: v. J. 1348/50. Sp. 847, zu c. Christina von Sint Truiden vgl. auch unter -» 'Christina Mirabilis' [NB] (auch eine mfrk. Fassung der Legende).

Thomas von Erfurt [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 856 zu Lit. ergänze: S. LORENZ, Studium generale Erfordense. Zum Erfurter Schulleben im 13. u. 14. Jh. (Monographien z. Gesch. d. MAs 34), 1989, S. 312-325.

Zu den i. F. behandelten Texten bietet der Hauptartikel nur zu den Abschnitten 1. —4. einige Überlieferungsnachweise (bei dem dort unter 2. als einziger Überl. angeführten Text handelt es sich um eine Druckabschrift).

1529

Thomas Hemerken von Kempen

1. 'Dialogus n o v i c i o r u m ' . Als Verfasser der freien Übertragung von Buch II—V gilt inzwischen Thomas -» Finck (vgl. Bd. 11, Sp. 445).

1530

2. H. 15. Jh.; vgl. POHL V, S. 372 [q*]); 8. Essen, Domschatzkammer, Hs. 28, lra-121ra (wahrscheinlich aus dem Schwesternhaus im Kettwich in Essen, 2. H. 15. Jh.; zur Provenienz s. COSTARD, S. 38 Anm. 23); 9. Den Haag (VGravenhage), Kgl. Bibl., cod. 133 D 33, l r -349 v (ostmndl.); 10. Halle a. S., Franckesche Stiftungen, Archiv, AFSt/H P 6, l r -308 r (nordostmndl., v.J. 1502; vgl. POHL V, S. 372 f. [*r]); 11. Leiden, ÜB, cod. Lett. 1990 (ostmndl., ca. 1500); 12. Münster, ÜB, Ms N. R. 1550, l r -274 r (1480 im Fraterhaus in Münster geschrieben). Mit Ausnahme von Nr. 4—6 enthalten diese Hss. den Gesamttext der Orationes', d. h. beide Traktate; der Prolog fehlt in den Hss. 1—6 u. 8.

Ü b e r l i e f e r u n g . Außer in cod. Donaueschingen 422 der LB Karlsruhe noch in einer zweiten vollständigen Hs.: Berlin, mgo 484, -72 (aus dem Klarissenkloster Söflingen bei Ulm); vgl. DEGERING, Neue Erwerbungen II, 1917, S. 149-151. Beide Hss. bieten eine identische Datierung auf den 15. März 1498 (Zeitpunkt des Abschlusses der Übersetzung?). Exzerpte in einer dritten Hs., Stuttgart, LB, cod. theol. et phil. 4° 219, 66v-88r (Dialogus 111,29 [= Brief des Florens ->· Radewijns ad A u s g a b e n . L. OOSTERLINCK, Th. a. K.' gebequendam regulärem in Windesem] und IV,12—13 den op het leven van Christus. Tekstuitgave hs. [= Vita des Johannes -> Kessel]). Brüssel, Koninkl. Bibl., 12082. Licentiaatsverhan2. Die O r a t i o n e s et m e d i t a t i o n e s deling (masch.) Katholieke Universiteit Leuven, de vita Christi' sind das Werk des Th., 1974. Abdrucke von Auszügen: R. WINDEL, Gedas nach der 'Imitatio Christi' die breiteste bete u. Betrachtungen über das Leben Jesu in Rezeption in der Volkssprache erfuhr. Es Mndl. Sprache aus einer in der Hauptbibl. der besteht aus zwei (vielfach separat überlie- Franckeschen Stiftungen zu Halle a, S. befindliferten) Traktaten. Aus dem 15. und 16. Jh. chen Hs., in: Aus der Hauptbibl. der Franckeschen ... dargebracht von dem Kollegium der lassen sich mindestens 6 dt. und ndl. Über- Stiftungen Lat. Hauptschule, 1903, S. 27-50 (Kap. 1-21 setzungen dieses umfangreichen Leben- nach Hs. 10); MEERTENS, S. 90 (ein Gebet nach Jesu-Gebetszyklus nachweisen, der damit Hs. 4); COSTARD, S. 42 u. 44 (drei Stücke aus 'zu den Klassikern der spätmal. Gebetslite- Hs. 1).

ratur zu zählen' ist (CERMANN, S. 20). Die meisten Übersetzungen umfassen — wie der Großteil der lat. Überlieferung — nur den ersten der beiden Traktate, der bis zur Grablegung Christi reicht.

a. Im ostndl.-niederrhein.-westfälischen Raum war eine Übersetzung des Gesamttexts der Orationes' verbreitet, die in einigen Hss. den Titel myrren boeck (Hs. 10 u. 11) bzw. bundeken van myrren (Hs. 11 u. 12) trägt. Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Berlin, mgq 1099, l r -160 v (aus dem Augustinerinnenkloster Nazareth in Geldern, 2. H. 15. Jh.; Abb. von Bl. bei COSTARD, S. 48); 2. ebd., mgq 1337, 100r-258v (ebenfalls aus dem Kloster Nazareth, v. J. 1489); 3. ebd., mgo 404, l r -188 v (niederrhein.); 4. Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. 12082, -193 [nur Traktat I] (nordostmndl., aus einem Schwesternhaus, Ende 15. Jh.); 5. ebd., Ms. IV 1215, lr-110r [nur Traktat I] (aus dem Augustinerinnenkloster St. Agnes in Tienen in Brabant, Mitte 15. Jh.); 6. Budapest, Orszägos Szechenyi Könyvtar, cod. holl. 7, 146r—314V [nur Traktat II] (ostmndl., aus einem Schwesternhaus, ca. 1500); 7. Deventer, Stads-of Athenaeumbibl., cod. 101 E 11 (Kat. Nr. I 26), lr-336v (aus dem Augustinerinnenkloster in Diepenveen bei Deventer,

Die vor 1480 entstandene Übersetzung wurde hauptsächlich in Frauenkonventen am Niederrhein und in den nordöstlichen Niederlanden gelesen, die der Devotio moderna zuzuordnen sind. Stilistisch zeichnet sie sich durch eine recht enge Anlehnung an den Wortlaut der lat. Vorlage aus. Ihre Überlieferung verdient sowohl wegen ihres Umfangs (zu Exzerpten s. u. c.) als auch wegen ihrer räumlichen Nähe zu Th. Beachtung, denn der lat. Text der Orationes' hat sich nur in sehr wenigen Hss. (insg. 5) erhalten, die allesamt aus dem obd. Raum stammen. Bemerkenswert ist ferner, daß die Übersetzung auch Traktat II umfaßt, für dessen lat. Fassung POHL nur auf Ausgaben des 17. Jh.s zurückgreifen konnte und von der erst in jüngster Zeit eine einzige lat. Hs. (Separatüberl., ohne Traktat I) bekannt geworden ist (vgl. CERMANN, S. 16). Angesichts der ansonsten durchgehend anonymen Überlieferung der Orationes' kommt auch der Autornennung, die sich in zwei Hss. (10 und 11) findet, eine gewisse Bedeutung zu: een deuoet

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Thomas Bemerken von Kempen

monyck geheyten broeder thomas vander kartuser oerden (Hs. 11, 2V). b. Neben der Gesamtübersetzung ist aus den Niederlanden noch eine freiere, etwa zwei Drittel des Traktats I umfassende Übertragung bekannt, die in einer 1940 verbrannten Löwener Hs. (ÜB, cod. G 222, lr-143v; holländ. [?]) enthalten war (vgl. MEERTENS, S. 88 f., mit Abdruck des Prologs). c. In zahlreichen ndl. Gebetsbuchhss. sind darüber hinaus Exzerpte aus den Orationes' überliefert (vgl. WILLEUMIER-SCHALIJ, S. 50f., 54~58), von denen einige anscheinend aus der Gesamtübersetzung (a) stammen, viele jedoch einen wohl von dieser unabhängigen oder stark redigierten Text bieten. d. Eine kürzende Bearbeitung der Orationes' liegt in den durch eine ndl. u. eine rip. Hs. bezeugten und dort — wohl zu Unrecht — Johannes -» Brugman [II. d) 2.] zugeschriebenen sog. Ontboezemingen' vor (vgl. WILLEUMIER-SCHALIJ, S. 40— 48; mit Argumenten gegen die ältere Forschungsmeinung, die eine Abhängigkeit des Th. von diesem Text annahm).

e—h. Aus dem obd. Raum sind mehrere im Druck verbreitete Übersetzungen der Orationes' (jeweils nur vom Traktat I) bekannt. Höchstwahrscheinlich bildete Basel bzw. die Basler Kartause den Ausgangspunkt der gesamten frühen lat. u. dt. Drucküberlieferung (CERMANN, S. 16 f.): Von der ca. 1489 bei Johann Amerbach (vielfach als Wohltäter der Basler Kartause belegt) erschienenen lat. Inkunabel (HAIN * 10992, POHL: e) sind alle späteren Ausgaben des 15. und 16. Jh.s abhängig. Zu den dt. Drucken vgl. POHL V, S. 373-377 (Beschreibungen), S. 403 u. 408 (lat. Vorlagen und Abhängigkeitsverhältnisse). e. Die früheste gedruckte Übersetzung (nicht bei POHL, identifiziert von CERMANN, S. 17^20) findet sich innerhalb der Bereitung zu dem heiligen sacrament mit andechtigen betrachtungen und gebetten vor vnd nach des Basler Kartäusers Ludwig -> Moser, erschienen um 1489 in Basel bei J. Amerbach (Cop. 4368). Die Schrift besteht aus 3 Teilen: Teil l bietet eyn nützliche vnderwysung dryer staten der guten menschen ... wie yeglichen sich gebürt ze bereitten (3 r — 18r), Teil 2 andechtig gebett ... die vor nyeßung des heiligen sacraments ze betten synd (18 V —34 r ); die Übertragung

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der Orationes' füllt den weitaus umfangreichsten 3. Teil (34r-255r), der den Titel trägt lob vnd danck mit andechtigen betrachtungen ... Druckabschriften: Basel, ÜB, cod. B XI 26, 123r-139r (Exzerpte innerhalb des -> 'Gebetbuch des Nikiaus Meyer zum Pfeil'); Schäftlarn, Stiftsbibl., o. S.

f. Eine weitere Fassung wurde in den 90er Jahren des 15. Jh.s [1496/97] von Caspar Hochfeder in Nürnberg u. d. T. 'Herzmahner' gedruckt (HAIN ::'8534; POHL: s); ein sprachlich revidierter Nachdruck erschien 1586 bei Wolfgang Eder in Ingolstadt (VD 16, H 2655; POHL: y). Die Angabe in der Vorrede, das Werk sei zu erst durch eynen andechtigen hochgelerten vatter Cartewser ordens in latein gemacht, darnach durch eynen ändern vertewtscht worden, ist nach CERMANN (S. 17) wohl so zu erklären, daß der Verfasser der Übersetzung ein Nürnberger Kartäuser war, der wußte, daß die lat. Vorlage ursprünglich aus der Basler Kartause stammte, und der deshalb auch in dem Autor des Textes einen Mönch seines Ordens vermutete. Im Anschluß an die Übersetzung der Orationes' bietet der 'Herzmahner' noch einen Anhang mit weiteren weitverbreiteten Gebeten; vgl. dazu 'Der ->· Herzmahner' [Bd. 3 u. NB] (ohne Kenntnis der Hauptvorlage). Die in der bisherigen Forschung (ebd., Sp. 1169) vermutete Abhängigkeit des 'Herzmahners' von dem 'Antidotarius anime' des Nicolaus -» Salicetus trifft nicht zu; die Übereinstimmungen zwischen den beiden Texten erklären sich aus der gemeinsamen Quellengrundlage: Der 'Antidotarius' enthält einen umfangreichen Teil, den POHL (V, S. 380f. u. 403 [f1]) als kürzende Bearbeitung der Orationes' des Th. identifizieren konnte. g. Eine dritte obd. Übersetzung wurde 1521 von Sigismund Grimm und Marx Wirsung in Augsburg herausgegeben (VD 16, D 1305; POHL: t). Vorlage war ein im Jahr zuvor in derselben Offizin veröffentlichter lat. Druck der Orationes' (VD 16, D 1304; POHL: 1). Sowohl der lat. als auch der dt. Druck sind mit Holzschnitten des Petrarca-Meisters illustriert. Die Übersetzung wurde im 16. Jh. zweimal nachgedruckt: ca. 1545 in Augsburg durch Valentin Othmar und 1557 in Innsbruck

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Thomas Bemerken von Kempen

durch Ruprecht Höller (VD 16, D 1306-1307; POHL: u, v). Der Druck von 1521 bildete auch die Vorlage für drei reich illuminierte, im Auftrag des Kardinals Albrecht von Brandenburg angefertigte hs.liche Gebetbücher (vgl. PLOTZEK; CERMANN, S. 22 Anm. 7): Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig IX 19 (ca. 1526—28, mit Miniaturen von Simon Bening); Modena, Bibliotheca Estense Universitaria, cod. Est. 136 = a. U. 6.7 (1533/34, mit Miniaturen von Nikolaus Glockendon); Wien, cod. 1847 (1536/37, mit Miniaturen von Gabriel Glockendon).

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sti' (vgl. DE BRUIN, 1954, S. 11). Außerdem gibt es von diesen beiden Texten eine Inkunabel u. d. T. Dat vijfste en seste boeck van Qui sequitur me: Leiden, Hugo Janszoon van Woerden [1496?] (COP.

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(vgl. BODEMANN-KORNHAAS, S. 127

Anm. 38).

In dem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß in der Leidener Hs. Lett. 339 unmittelbar auf die vier Bücher der 'Imitatio' (vor den oben genannten Texten) noch ein anderes Werk u. d. T. Dat vijfte boeck [van qui sequitur} folgt (vgl. DE BRUIN, 1954, Abb. vor S. 201). Auch in einigen h. Im Jahr 1585 veröffentlichte losias Werly in weiteren Hss. erscheint dieser in 14 Kapitel unterAugsburg noch eine weitere, von den älteren Fasteilte asketische Traktat in enger Verbindung mit sungen unabhängige Übersetzung mit dem Titel der 'Imitatio' (z. B. in den Hss. 3 u. 7, in denen er 'Schöpfbrunnen geistlicher andacht', deren Verfasals dat derde boeck auf 'Imitatio' I—II folgt). Trotz ser der protestantische Publizist Samuel Dilbaum dieses Überlieferungsverbunds stammt er kaum war (VD16, S 3748; POHL: x). von Th. v. K. (zu Vermutungen über den Autor s. DE BRUIN, 1954, S. 11); fest steht auch, daß es sich 3. ' H o r t u l u s r o s a r u m ' . Außer der nicht um eine Übersetzung aus dem Lat. handelt, 1497 zweimal (in Basel und in Augsburg) sondern um eine volkssprachliche Kompilation, gedruckten Übersetzung Ludwig Mosers denn einige Kapitel sind wörtlich aus den Kollatiogibt es noch weitere (dt. u. ndl.) Überset- nen des Johannes -> Brinckerinck übernommen zungen, die nur hs.lich überliefert sind (Identifizierung durch W. J. Hoffmann; Untersu(vgl. POHL, Opera IV, S. 495 f., 506 f.; VAN chung von Thom Mertens in Vorb.).

GEEST, S. 318—323). Im ndl. Sprachraum waren mindestens zwei verschiedene Übersetzungen verbreitet (vertreten von den Hss. Nr. l u. 5; vgl. DE VOOYS, S. 65).

Ü b e r l i e f e r u n g des 'Vijfte boeck'. 1. Berlin, mgf 1169, 156vb-159vb (zur Hs. s.u. 9.); 2. ebd., mgo 478, 259V-269V (rhfrk., Ende 15. Jh.); 3. Brüssel, Kgl. Bibl., cod. 3041, 177r-191v; 4. olim Deventer, Bibliotheek van de Parochiekerk, ohne Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. II r r Sign. [1940 verbrannt] (aus dem Lamme van Die2271, l -27 (südmndl., ca. 1470); 2. Den Haag r senhuis der Schwestern vom gemeinsamen Leben ('s-Gravenhage), Kgl. Bibl., cod. 75 H 42, 103 in Deventer, 1. H./Mitte 15. Jh.); 5. Leiden, ÜB, 180r (aus dem Antwerpener Beginenhof, v. J. cod. Lett. 339, 118v-124r (zur Hs. s.o. 3.); 6. 1473); 3. ebd., cod. 133 F 22, 91r-93v [Auszug] ebd., cod. BPL 48 E, 252vb-258vb (aus dem Begi(aus dem Augustinerinnenkloster Jerusalem in Venray, Mitte 15. Jh.); 4. Karlsruhe, Bad. LB, cod. nenhof in Mechelen, 2. H. 16. Jh.); 7. Utrecht, Rijksmuseum Het Catharijneconvent, BMH h 99, St. Peter pap. 44, 158r-225r (alem., Anf. 16. Jh.); r V V 79 —91 r (aus dem Augustinerinnenkloster Naza5. Leiden, ÜB, cod. Lett. 339, 143 -164 (holreth in Rijswijk, 15. Jh.). länd., Mitte [?] 15. Jh.); 6. München, cgm 844, 75r—105r (aus dem Augustinerchorherrenkloster A u s g a b e n . WOLFSGRUBER, S. 311-328 (nach Rebdorf, v.J. 1526); 7. Nijmegen, ÜB, HS 302, Hs. 5); J. F. VREGT, Eenige ascetische tractaten, af 343 r —368 r (aus dem Tertiarinnenkloster in Bree komstig van de Deventersche Broederschap van [Belgien], Ende 15. Jh.). het Gemeene Leven ..., Archief voor de Geschiedenis van het Aartsbisdom Utrecht 10 (1882) 321 — A b d r u c k e von Auszügen: BRINKERINK, S. 288-290 (Hs. 3); C. C. DE BRUIN, Middelneder- 498, hier S. 342-358 (nach Hs. 4). lands geestelijk proza, Zutphen 1940, S. 308-310 5. Die Übersetzung einer umfangreichen (aus Hs. 1); DE VOOYS, S. 66 f. (aus Hs. 5).

4. ' L i b e l l u s s p i r i t u a l i s e x e r c i t i i ' und ' L i b e l l u s de r e c o g n i t i o n e p r o priae fragilitatis'. Ü b e r l i e f e r u n g . Außer im cod. 314 des Wiener Schottenklosters auch in Leiden, ÜB, cod. Lett. 339, 125V—143r; sie folgen hier ebenso wie in der Wiener Hs. auf die vier Bücher der 'Imitatio Chri-

S a m m l u n g von S c h r i f t e n des Th. ist in einer rip. Hs. aus der Zeit um 1500 enthalten: Köln, Hist. Archiv der Stadt, cod. W 138 (246 Bll.); vgl. K. MENNE, Dt. u. ndl. Hss. (Mitt. aus d. Stadtarchiv von Köln, Sonderreihe: Die Hss. des Archivs HeftX, Abt. 1), 1937, S. 115-121. Die Sammlung (17 Nrn. in der Beschreibung

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Thomas Hemerken von Kempen

von MENNE) umfaßt Predigten (Nr. 1 — 2), Buch I des 'Dialogus noviciorum' (Nr. 3), Briefe (Nr. 4—6), eine größere Anzahl asketischer Schriften (Nr. 7—17) sowie zwei Cantica (PoHL II u. VI, als Appendix zu Nr. 14 ['Vita boni monachi'] 225 rb ~ va ; nicht bei MENNE erwähnt). (Einzige) Vorlage war offenbar der ca. 1474 von N. Ketelaer und G. de Leempt in Utrecht hg. lat. Druck HAIN 9768. Mit dieser frühesten (Teil-)Ausgabe der Schriften des Th. stimmt die Kölner Übersetzung sowohl in der Auswahl als auch in der Reihenfolge der Texte genau überein (Ausnahme: Von den 7 Cantica des lat. Drucks wurden nur 2 übersetzt [vgl. POHL IV, S. 517], unberücksichtigt blieben dagegen die dort als Textblock auf den 'Dialogus noviciorum' folgenden 5 Cantica XCVII [!], XXII/ XXIII, XIV, III [Auskunft G. Kornrumpf]). Auch auf der Ebene des Wortlauts scheint der Übersetzer sich um einen engen Anschluß an die lat. Vorlage zu bemühen; Bibelzitate am Beginn der asketischen Traktate führt er stets zuerst in ihrem lat. Wortlaut an, bevor er sie übersetzt. Die Art der Korrekturen (MENNE, S. 115) läßt vermuten, daß in der Kölner Hs. W 138 das Autograph des Übersetzers vorliegt. 6. ' S o l i l o q u i u m a n i m a e ' und 'Libellus de d i s c i p l i n a c l a u s t r a l i u m ' . a. Eine Übertragung der beiden Schriften ist als Autograph in der aus dem Kartäuserkloster Buxheim stammenden Hs. Berlin, mgq 1926, 2r-90r u. 100r-131r, erhalten (Beschreibung: SEXAUER, S. 293 f. [ohne Identifizierung des ersten Textes]). Laut Kolophon (193r) wurden die beiden Werke des Th. — zusammen mit weiteren, hauptsächlich ps.-augustinischen Schriften (u. a. 'De vita christiana' und 'De vanitate saeculi'; vgl. -*· Augustinus III. 14. —15. [ohne diese Übersetzung]) — im Jahre 1499 von Bruder Johann Fabri profeß daseibist verdeutscht und geschrieben. Johannes Fabri (f 1505; mit keinem der in Bd. 2, Sp. 691, genannten Autoren gleichen Namens identisch) war 1495 — 97 Prior der Kartause Buxheim; nach einer Apostasie am Ende seiner Amtszeit wurde er bei der Rückkehr ins Kloster zu jahre-

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langer strenger Kerkerhaft verurteilt, während der er wahrscheinlich sein Übersetzungsoeuvre verfaßte (zur Biographie vgl. Sexauer, S. 132). Von Fabris Übersetzungswerk ist noch eine zweite, inhaltlich gänzlich mit mgq 1926 übereinstimmende Hs. bezeugt, die heute verschollen ist (vgl. SEXAUER, S. 147). b. Eine Teilübersetzung des 'Soliloquium animae' (Kap. 7) findet sich u. d. T. Von winschung eines guten endes (mit Nennung des Th. als Verfasser) auf Bl. 69 r —73 V der Hs. Budapest, Orszagos Szechenyi Könyvtar, Cod. germ. 33 (nürnberg. [?], Anfang 16. Jh.). 7. Übersetzungen von einzelnen Stücken (nur von Nr. 1 — 5) der O r a t i o n e s de p a s s i o n e D o m i n i et beata virgine et aliis sanctis' fanden Aufnahme in eine ganze Reihe von mndl. Gebetbuchhss. Vgl. die Nachweise bei WILLEUMIER-SCHALIJ, S. 58-60, zu ergänzen: Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. II 5573, 81V-82V (Gebet Nr. 3).

8. Aus den 'Sermones ad n o v i c i o s r e g u l ä r e s ' wurden nur kurze Auszüge, hauptsächlich Gebete, ins Deutsche übertragen. Ü b e r l i e f e r u n g . Übersetzung von 3 am Schluß der Sermones 20, 25 u. 27 (PoHL VI, 198,9199,27; 233,19-239,13; 269,14-270,5) stehenden Orationes (gepet gezogen auss den puchern Thome Kempis): Kopenhagen, Kgl. Bibl., NKS 649, 261r271r (bair., aus dem Augustinerinnenkloster Marienstein bei Eichstätt, v. J. 1492). — Übersetzung von Oratio de laude sanctae crucis' (= Ende von Sermo 20): Augsburg, ÜB, cod. 111.1.8° 33, 198r201r [Text wohl identisch mit dem 1. Gebet der Kopenhagener Hs.] (schwäb., 16. Jh.); Darmstadt, Hess. LB u. Hochschulbibl., Hs 193, 84v-86r (aus dem Tertiarinnenkonvent in Sonsbeck, um 1490); ebd., Hs 1864, 202V-206V (Köln, um 1520); ebd., Hs 1911, 290V-293V (Köln, um 1524); Hs 1915, 358v-362r (Köln, v. J. 1524). - Übersetzung von Sermo 7: Berlin, mgq 1135, 100r-102r (aus dem Kartäuserkloster Buxheim, 15. Jh.).

9. 'De m o r t i f i c a t a v i t a pro C h r i sto'. Eine bislang unbekannte Übertragung der Schrift ist in zwei niederrhein. Hss. (anonym) überliefert: Berlin, mgf 1169, 155va-156vh (2. H. 15. Jh., aus dem Augustinerinnenkloster Nazareth in Gel-

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Thomas von Kleve

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S. 132, 147, 185 f., 293 f.; J. M. PLOTZEK, Das Gebetbuch des Kardinals Albrecht von Brandenburg aus der Hss.-Sammlung Ludwig, 1980; PH. E. WEBBER, Varieties of Popular Piety Suggested by Netherlandic 'Vita Christi' Prayer Cycles, OGE 64 10. Ndl. und dt. Fassungen des 'Par- (1990) 195-226; P. J. J. VAN GEEST, Th. a. K. vum a l p h a b e t u m m o n a c h i i n schola (1379/80—1471). Een studie van zijn mens- en Dei'. Sie lassen sich in mehreren Hss. godsbeeld. Analyse en tekstuitgave van de 'Hortunachweisen. In einer dt. Hs. (Nr. 2; vgl. lus rosarum' en de 'Vallis liliorum', Kämpen 1996, RUH, Bonav. dt., S. 283) ist der Text — wie S. 318-323; R. CERMANN, Der Verfasser der Gehäufig auch in der lat. Überlieferung (v. a. bete: Th. v. K., in: Das Glockendon-Gebetbuch. in Drucken) — -> Bonaventura zugeschrie- [Modena] Biblioteca Estense Universitaria a. U. [Kommentarband zur Faksimileausg.], Luzern ben. In einer ndl. Hs. (Nr. 4) ist eine (Pro- 6.7 1998, S. 7-30; M. COSTARD, ... Ende pinen hosa-) Übersetzung von Canticum V (v. 1 — 2) nich te sueken wt den steen. Die Orationes et meangehängt, diese Verbindung findet sich ditationes de vita Christi' des Th. v. K. als Lektüre ebenfalls mehrfach in lat. Hss. (vgl. POHL, in spätmal. Frauenklöstern, in: Kempener ThomasOpera IV, S. 624f.). Vorträge [hg. v. U. BODEMANN], 2002, S. 33-53; U. BODEMANN-KORNHAAS, Die kleineren Werke Ü b e r l i e f e r u n g . 1. Brüssel, Kgl. Bibl., Ms. r r des Th. v. K. Eine Liste der hs.liehen Überl., OGE 4660-61, 116 -126 [Bearbeitung] (aus dem Kar76 (2002) 116-154; U. BODEMANN/ N. STAUBACH täuserinnenkloster in St. Andries bei Brügge, (Hgg.), Aus dem Winkel in die Welt. Die Bücher 16. Jh.); 2. Bamberg, SB, Msc. Lit. 178 (olim Ed. des Th. v. K. u. ihre Schicksale, Kolloquium KemVIII 6), 199r-205r (aus dem Klarissenkloster zu pen 3. bis 5. Okt. 2002 [erscheint voraussichtlich Bamberg oder Nürnberg, um 1500; vgl. Heinrich r v 2004 in der Reihe 'Tradition — Reform — Innova-» Vigilis, III.); 3. Gent, ÜB, Hs. 1351, 103 -108 tion'; mit Beitrr. von CH. FASBENDER zu Thomas [unvollständig] (südwestmndl., 3. V. 16. Jh.); 4. Fincks Übertragung des 'Dialogus noviciorum* soDen Haag ('s-Gravenhage), Kgl. Bibl., cod. 133 wie von M. COSTARD und W. WILLIAMS-KRAPP zu F 22, 88 -9 (zur Hs. s. o. 3.); 5. Münster, Nordden ndl.-nd. und den obd. Übers.n der 'Imitatio rhein-Westfäl. Staatsarch., Bibl. des Vereins für Gesch. u. Altertumskunde Westfalen, Abt. Mün- Christi']. — Die über die bisherige Forschungslit. hinausgehenden Überlieferungsnachweise dieses ster, Msc. AV, Nr. 213 (nd., spätes 16. Jh.). Artikels (bes. zu 6.a./b., 8. u. 10.) basieren zum A b d r u c k . BRINKERINK, S. 283—287 (nach größten Teil auf Materialien, die U. Bodemann Hs. 4). (Thomas von Kempen-Archiv, Kempen) freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. L i t e r a t u r . Zu D.: C. WOLFSGRUBER (Hg.), WERNER J. HOFFMANN Vander Navolginge Cristi ses boeke. Aus dem Codex ms. der Bibliothek des Benedictinerstiftes Schotten zugleich mit einem 'vijften boeck van Qui Thomas von Kleve (de Clivis) sequitur' nach der Hs. der Maatschappij van nederl. letterkunde zu Leiden, Wien 1879; M. J. I. Th. war 1376-1380/81 Leiter (scolaPOHL (Hg.), Thomae Hemerken a Kempis ... sticus] der Stephansschule in Wien. Wie Opera omnia, 7 Bde, 1902-1922; D. A. BRINKEzuvor schon -> Albert von Sachsen [NB] RINK, Uit de kleinere ascetische geschriften van lehrte er in diesen Jahren — immatrikuliert Th. a. K., De Katholiek 128 (1905) 276-290; jedenfalls vor 1377 — gleichzeitig in den C. G. N. DE VOOYS, Middelnederlandse vertalinArtes an der Universität. Thomas -» Ebengen van Th. a. K.' Hortulus rosarum, Nederlands archief voor kerkgeschiedenis N. S. 40 (1954) 65dorfer rühmte ihn zusammen mit Albert 67; M. MEERTENS, De godsvrucht in de Nederlansogar als Begründer des Wiener artistiden. Naar handschriften van gebedenboeken der schen Studiums, und er erwähnte dabei AlXVe eeuw, Bd. l, o. O. 1930, S. 87-90; C. C. DE berts wie Th.' Herkunft von der Univ. PaBRUIN (Hg.), De Middelnederlandse vertaling van ris. So ist er wahrscheinlich mit dem ThoDe imitatione Christi (Qui sequitur) van Th. mas Zeghenandi de Clivis identisch, der, a. K. ..., Leiden 1954; J. M. WILLEUMIER-SCHALIJ, promoviert in Paris am 10. Febr. 1364 zum Onbekende hss. van 'Het leven van Jezus' van Magister artium, dort bis 1375 — anscheiTh. a. K. en nieuwe argumenten voor zijn auteurnend mit Unterbrechungen — in der Artischap, TNTL 92 (1976) 33-60; W. D. SEXAUER, Frühnd. Schriften in Kartäuserbibliotheken, 1978, stenfakultät gelehrt hat. Er war Priester dem); Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms. 2932 (L germ. 724), 311v-312r (Exzerpte, Anf. 16. Jh., aus einem niederrhein. Augustinerinnenkloster). — Edition und Untersuchung in Vorb.

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Thomas von Kleve

der Diöz. Köln und seit 1371 bei St. Georg in Köln bepfründet. 1375/76 ging er nach Wien. Hier ist er als examinator pro baccalauriandis electus noch am 8. Dez. 1385 bezeugt. Spätestens 1391 kehrte er in seine niederrhein. Heimat zurück. Er immatrikulierte sich in diesem Jahre an der 1389 eröffneten Univ. Köln und hat demnach dort vielleicht noch gelehrt. 1399 erhielt er eine Pfründe in Kleve. Da sie am 14. Juni 1412 einem anderen übertragen wurde, wird er zu diesem Zeitpunkt verstorben sein. In Th. ist, wie READ wahrscheinlich gemacht hat, jener Thomas de Clivis zu erkennen, der als Logiker bis zu Johannes Eck ('Bursa pavonis', 1507, Bl. Dv; 'In summulas Petri Hispani [...] explanatio', 1516, Bl. XCIIPb) einen Namen hatte. Schriften von ihm sind bezeugt, aber anscheinend nicht erhalten. Zitiert wird unter seinem Namen ein Traktat über das Zentralstück der terministischen Logik, die suppositiones. Seinem 'Tractatus de conceptibus' (auch: 'Speculum loycale', 'Loyca divina') widmete sein Schüler Georg von Giengen einen mehrfach überlieferten Kommentar: München, ÜB, 2° Cod. ms. 102, 141r-161r; clm 19849, 186r-197v; Göttingen, ÜB u. SB, cod. Ms. Lüneb. 20, 2 r — 29V. Besondere Resonanz hatte Th.' Behandlung der Suppositiones mit ihrer Erweiterung der drei Species der Suppositio communis um eine vierte, die Suppositio collectiva (vgl. READ). II. Von Th. zu unterscheiden ist ein jüngerer Thomas de Clivis, der sich 1383 ebenfalls in Wien immatrikulierte, 1385 dort Bakkalaureus, 1388 Magister wurde, im WS 1393/94 Dekan der artistischen Fakultät war, Theologie studierte und am 9. März 1397 die Zulassung für den Cursus biblicus erhielt; sie ist das letzte bekannte Datum seiner Vita. III. Ein Thomas de Clivis ist Verfasser eines fünfteiligen 'Liber de sacramentis, de praeceptis decalogi, de virtutibus, de articulis fidei, de oratione dominica, de peccatis' (ine. De sacramentis dantur quattuor diffiniciones)., dessen Überlieferung klar auf eine Wiener Herkunft weist. Der 'Li-

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ber' wird eher dem jüngeren Th., dem Theologen, als dem älteren, dessen Metier offensichtlich die Logik war, zuzuweisen sein. Allerdings käme es auf die Datierung des Traktats im Klosterneuburger cod. 804 an, in dem die auf f. l r —109 V vorhergehenden 'Allegoriae utriusque testamenti' Hugos von St. Viktor i. J. 1377 geschrieben sind. Ü b e r l i e f e r u n g . Klosterneuburg, Stiftsbibl., cod. 194, 141r-170v, Anf. 15. Jh.; cod. 804, 110r149r; Wien, Schottenkloster, cod. 286 (olim 54. c. 9; Kat. HÜBL Nr. 290), v. J. 1464, 107r-133v.

IV. Unter dem Namen des Thomas de Clivis ist schließlich ein kurzer 'Tractatus de arte praedicandi' (ine. Cuius est predicare rectam habeat intencionis simplicitatem) überliefert, dessen Spektrum der Textzeugen wiederum für eine Wiener Herkunft spricht. Er handelt zum einen über die Art und Weise, in der ein Prediger sich vor seinen Hörern verhalten und zu ihnen sprechen soll — dabei ist entsprechend alter Lehrtradition insbesondere die Verschiedenheit der Hörer nach Stand und geistiger Fassungskraft von Belang —, unterrichtet zum ändern nach bekannten Gesichtspunkten (biblisches Thema, Prothema, Divisio thematis, Subdivisio, Membra divisionis) über den Aufbau der Predigt und die Technik ihrer gedanklichen Entwicklung; den größten Raum nimmt dabei die Dilatatio mit ihren acht Modi (clm 11927, 33v-43r) ein. Die Hauptstücke des Traktats lagen dem Verfasser in älteren Merkversen vor, mit denen er zusammenfaßt oder von denen er ausgeht. Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 5966, 58 V — 66 , 15. Jh.; clm 11927, 27v-43r, v.J. 1442; clm 18888, 36r-49r, 15. Jh.; clm 26691, 193r-194r, unvollst.; Salzburg, St. Peter, cod. b. X. 30, 168rb175va, 15. Jh.; Innsbruck, Prämonstratenser-Chorherrenstift Wilten, Bibl., cod. XXXII B. 4, Nr. 9, 15. Jh. — Der Tractatus de modo predicandi magistri Thome de Clivis O. P. in der ehem. Hs. (Kriegsverlust) Münster, ÜB, cod. 433 (Kat. STAENDER Nr. 476), 139r-155r, ist ein anderer Text; ein Dominikaner Thomas de Clivis ist sonst nicht bekannt. Vgl. TH. M. CHARLAND, Artes praedicandi, 1936, S. 89. V

L i t e r a t u r . P. UIBLEIN, Beitr. zur Frühgesch. d. Univ. Wien, MIÖG 71 (1963) 284-310, hier

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'Die thronende Minne' — Totting, Heinrich, von Oyta

S. 308-310; ST. READ, Th. of Cleves and Collective Supposition, Vivarium 29 (1991) 50-84 (grundlegend); F. MORENZONI, La litterature des 'artes praedicandi' de la fin du Xlle au debut du XVe siecle, in: ST. EBBESEN (Hg.), Sprachtheorien in Antike u. MA (Gesch. d. Sprachtheorie 3), 1995, S. 339-359, hier S. 352 u. 353 f. F. J. WORSTBROCK

Thomas von Liegnitz entfällt (Gewährsmann für lat. Einzelrezept in Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs 9715, 175V und Hs 198353, 93V) 'Die thronende Minne' [Korr.] Bd. 9, Sp. 904, 1. Abs.: Der Bildteppich befindet sich nicht mehr im Rathaus, sondern im Historischen Museum der Stadt Regensburg. Vgl. H. U. SCHMID, Die mal. dt. Inschriften in Regensburg. Edition, Unters, zur Sprache, Abbildungen (Regensburger Beitr. zur dt. Sprach- u. Lit.wiss. 40), 1989, S. 26 f. Nr. 21 (Text), S. 174-177 Abb. 2124. Thuroczy, Jänos

Johannes de Thurocz

[NB] Tierkreiszeichenlehre [Korr.] Bd. 9, Sp. 927, zu h): "im rhfrk. -> 'Kodex Kohlhauer' (2. H. 15. Jh.)" ergänze: Die Hs. ist seit 1988 in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 319 (um 1434). Vgl. P. J. BECKER/ E. OVERGAAUW (Hgg.), Aderlaß u. Seelentrost. Die Überl. der dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. u. Inkunabeln. SB zu Berlin — Preuß. Kulturbes., 2003, S. 354-356, Nr. 168 (B.-J. KRUSE).

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hann] von Toggenburg), 168r—174r (u. d. T. Des menschen inwendig gestalt}. Ausgabe. E. HINTZSCHE, Ein dt. anatomischer Text aus dem 15. Jh. (Berner Beitr. z. Gesch. d. Medizin u. d. Naturwiss. 2), Bern 1943, S. 7-22. Späte Überlieferung einer alem. Fassung der frühsalernitanischen Tieranatomie ('Anatomia parva', . Gallieni', . porci Cophonis'). Der stark verderbte Text läßt erkennen, daß dem Bearbeiter vor allem an etymologischer Deutung von Fachtermini gelegen war; die morphologischen Details treten hinter seinem wortreichen Interpretieren von Benennungsmotivationen zurück. Welche der zahlreichen Versionen der 'Anatomia parva' er benutzt hat, ist noch nicht geklärt; da er Humansektionen bereits kennt, kann davon ausgegangen werden, daß er nicht vor dem 14. Jh. arbeitete. L i t e r a t u r . K. SUDHOFF, Beiträge zur Gesch. d. Chirurgie im MA (Stud. z. Gesch. d. Medizin 10— 11/12), 1914/18, I-II, hier II, S. 537f.; B.-J. KRUSE, Verborgene Heilkünste. Gesch. d. Frauenmedizin im SpätMA (Quellen u. Forschg.n z. Literatur- u. Kulturgesch. 5 [239]), 1996, S. 238 f.; dies., 'Die Arznei ist Goldes wert'. Mal. Frauenrezepte, 1999, S. 206 f. G. KEIL Tornamira, Hans -> Andree, Hans [Bd. l

u. NB] Tortsch, Johannes [Nachtr.]

'Tiroler Predigtsammlung' [Korr.] Bd. 9, Sp. 937 Z. 8: nach "(R; T 16)" setze Strichpunkt statt Komma. Ebd. Z. 11: "(P; T 23)" korr.: (P; T 27). 'Tochter Sion-Traktat' [Korr.]

Bd. 9, Sp. 982 f., zu Onus mundi' ergänze: Vgl. auch -> Hildegard von Bingen, VI.C.b.6. [NB] (mit einer weiteren lat. Hs.). 'Tösser Schwesternbuch' -> Stagel, Elsbeth (II.2.); vgl. auch -> Meyer, Johannes (III.C.l.)

Bd. 9, Sp. 957, zu 9., Überl.: "Hs. Hamburg, SB u. ÜB, cod. Theol. 1082 ..." korr.: Die Hs. ist doch Totentanz [Verweisstichw.] s. auch -»· 'Klever Totentanz' [NB] nach Hamburg zurückgekehrt; der 'Tochter Sion'Text befindet sich auf S. 68a-74a. Vgl. N. KRÜGER, Die theol. Hss. der SB u. ÜB Hamburg. 4. NachTotting, Heinrich, von Oyta träge (Cod. theol. 1002-2256), 1998, S. 18-26. I. L e b e n . 'Toggenburger Anatomie' Ü b e r l i e f e r u n g . Bern, Burgerbibl., Ms. Hist. Helv. VII 118 (geschrieben 1477 für Hans [-» Jo-

Quellen der Biographie. Suppliken (rotuli) Karls IV. an Urban V. (20. 6.1365, 28. 5.1366, 25. 7. 1366): Monumenta Vaticana res gestas Bohemicas

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Totting, Heinrich, von Oyta

illustrantia, Bd. 3, l, Prag 1944, S. 353, 433-434, 453. Die Supplik vom 17. Jan. 1363: Rom/Vatikan, Archivio Segreto Vaticano, Reg. Suppl. 37, 178V. Prager 'Liber decanorum': Monumenta hist. Univ. Pragensis, Bd. 1,1, Prag 1830, bes. S. 133-142; in Bd. III, S. 68 f., ist T. für 1383 in Prag bezeugt. Das Protokoll des Prozesses in Avignon bei SOMMERFELDT, 1904, S. 585-596 (s. u. H.Z.b. 'Libellus questionum'). Für die Pariser Jahre vgl. H. DENIFLE/ E. CHATELAIN, Auctarium Chartularii Univ. Parisiensis, Bd. l, Paris 1894, S. 527, 530, 540, 592. Die in verschiedenen Universitätsquellen enthaltenen Belege für die Wiener Jahre bei LANG, S. 37— 43. Vgl. auch UIBLEIN, 1999, bes. S. 102-105. Die Bio- und Bibliographie T.s ist erschwert durch die Existenz zweier Zeitgenossen ähnlichen Namens: Henricus Olthingh de Oyta, dessen 'Quaestiones de anima' aus Wien von 1393 erhalten sind (LoHR, S. 226 f.), und Henricus Pape de Oyta, der nur als Magister artium in Prag im Jahr 1369 nachgewiesen ist. Zu diesen Personen s. LANG, S. 7, 44-45, 127-130. Die ausführliche Biographie von LANG, S. 6— 43, ist mit den Korrekturen von COURTENAY, S. 146 f., und LORENZ, S. 185 — 191, zu lesen. Da die erste Supplik Karls IV. zugunsten T.s auf 1365 (und nicht 1355, wie DENIFLE annahm) datiert werden muß, ist es, wie LORENZ gezeigt hat, sehr unwahrscheinlich, daß T. seine Studien in Prag begonnen hat. COURTENAY argumentiert überzeugend für Paris statt Prag als Entstehungsort von T.s 'Abbreviatio' des Sentenzenkommentars von Adam Wodeham um 1375; für eine Rückkehr nach Prag in den Jahren 1373—77, die LANG vermutete, gibt es daher keinen Beleg.

T. (Henricus Totting de Oyta, meistens nur Henricus de Oyta} stammt aus Oyta in der Diöz. Osnabrück, wohl dem heutigen Friesoythe in der Nähe von Vechta. Das Geburtsjahr ist unbekannt. Eine Notiz des Jahres 1360 weist ihn als Rektor der Schule des Marienstifts in Erfurt und Autor der 'Expositio in libros metheororum' aus (MICHAEL, I, S. 333). Zu diesem Zeitpunkt wird er sicher älter als 20 Jahre gewesen sein, so daß seine Geburt wahrscheinlich in die 1330er Jahre fällt. Er hat seine Studien vermutlich an einer Schule seines Bistums oder gleich in Erfurt begonnen (LoRENZ, S. 185 — 191). In einer Supplik an Papst Urban V. vom 17. Jan. 1363 wird er als rector superior des Erfurter Generalstudiums bezeichnet. Dies wurde in Rom offenbar mißverstanden und so gedeutet, als hätte T. sich als Rektor einer Erfurter Uni-

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versität bezeichnet. 'Einige Neider' bezichtigten ihn daher der Erschleichung eines Amtes, ein Vorwurf, den Karl IV. selbst in der Supplik vom 28. Mai 1366 zurückwies. 1365 ist T. als Magister in artibus und Student der Theologie in Prag nachgewiesen, 1366 auch als Cursor in theologia. Da das Prager Theologiestudium bis zum Cursor einige Jahre erforderte, wird er bald nach 1363 von Erfurt nach Prag gewechselt sein. Der 1367 einsetzende 'Liber decanorum' der Prager Artistenfakultät bezeugt zahlreiche Promotionen durch T. Aus der Erfurter und Prager Lehrzeit als Magister stammen höchstwahrscheinlich alle philosophischen Werke T.s. Im Jahr 1371 war er schon theologischer Bakkalar und hatte seine Erklärung der Sentenzen abgeschlossen; diese Lehrtätigkeit schlägt sich in seiner 'Lectura textualis' nieder. 1371 entbrannte ein öffentlicher Streit zwischen T. und dem Domscholaster —»· Adalbert Rankonis de Ericinio, der am 24. April 1371 einige Thesen T.s beim päpstlichen Hof in Avignon zur Prüfung eingereicht hatte. Während des folgenden zweijährigen Prozesses, der am 12. Aug. 1373 mit Freispruch vom Häresieverdacht endete, wurde T. in Avignon festgehalten (LANG, S. 17-28, KADLEC, S. 14-18). Die einzige Nachricht, die von T. in den folgenden Jahren überliefert ist, betrifft seine 'Abbreviatio' des Sentenzenkommentars von Adam Wodeham, die in Paris zwischen 1373 und 1378 entstanden sein muß (COURTENAY, S. 146-147). T.s Aufenthalt in Paris läßt sich in den Universitätsakten für die Zeit von 1377 bis 1380 nachweisen, hat aber sicherlich schon einige Jahre früher begonnen. In Paris schrieb er auch sein drittes Sentenzenwerk, die 'Quaestiones sententiarum'. Spätestens 1380 wurde er theologischer Lizentiat. Wahrscheinlich wechselte er 1381 auf Wunsch des Prager Erzbischofs Johannes von Jen(zen)stein von Paris nach Prag. Hier wurde er, wie eine Notiz des Jahres 1384 zeigt, Professor der Theologie und Vizekanzler der Universität und damit Stellvertreter des Erzbischofs (LANG, S. 35). Zur Entfremdung vom Erzbischof führte 1384 der böhmisch-deut-

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Totting, Heinrich, von Oyta

sehe Streit um die Besetzung der Stellen des Karlskollegs. In dieser Situation erging an T. der Ruf an die in demselben Jahr gegründete theologische Fakultät der Universität Wien. Dies geschah sicher auf Veranlassung -> Heinrichs von Langenstein, den T. aus Paris kannte. Im Herbst 1384 nahm er die Vorlesungen auf, 1385 ist er als Vertreter des Kanzlers bezeugt, 1388 und 1395 als Dekan der theologischen Fakultät (UiBLEIN, 1978, S. VIII). Sein EinOuß schlägt sich in den Statuten der theologischen Fakultät, in politischen und theologischen Erklärungen, Ansprachen und zahlreichen Predigten nieder. Das Hauptwerk dieser Zeit ist der umfangreiche Psalmenkommentar. Spätestens seit 1366 besaß T. die Propsteipfründe von Wiedenbrück in seiner Heimatdiözese Osnabrück; in Wien wurde er Kanoniker von St. Stefan und Mitglied des herzoglichen Kollegs. Heinrich von Langenstein, dem er theologisch und persönlich verbunden war, setzte ihn zum Testamentsvollstrecker und Teilerben ein. Wenige Monate nach seinem Kollegen starb T. am 12. Mai 1397 (nicht erst am 20. Mai; s. UIBLEIN, 1968, S. 149 Anm.). Beide zusammen galten schon den Zeitgenossen als eigentliche Gründer der Wiener Universität. II. Werk. T. war einer der bedeutendsten Gelehrten der Frühzeit der deutschen Universitäten und ein ausgesprochen produktiver philosophischer und theologischer Schriftsteller. Seine z. T. sehr einflußreichen Werke sind jedoch nur in Bruchstücken ediert und harren noch weitgehend der Erforschung. 1. Philosophische Werke (vornehmlich Aristoteleskommentare). a) 'Expositio in libros metheororum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, SBB-PK, Ms. lat. fol. 411 (v.J. 1360), 3va-101rb (diese von LANG noch unberücksichtigte Hs. enthält im Explicit den Hinweis auf T.s Rektorat am Erfurter Marienstift; s. MICHAEL, I, S. 333).

Die umfangreiche 'Expositio' ist das einzige Werk T.s, das sich eindeutig seiner frühen Erfurter Lehrzeit zuweisen läßt.

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b) 'Translationes super libros Priorum, Posteriorum, Elenchorum, Veteris artis, Physicorum, De coelo, De generatione, Metheororum, De anima, Yconomicorum, Pöliticorum, Ethicorum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Leipzig, ÜB, Ms 1413, 87vb202r. Vgl. die Beschreibung der Hs. bei LANG, S. 124-125 u. S. 131-133, und bei LORENZ, S. 194-199. Weitere Hss. existieren noch zu den Translationes zur 'Physik' (3 Hss.), 'De caelo' (l Hs.) (s. LORENZ, ebd.), Oeconomica' (2 Hss.) und 'Politik' (5 Hss. und 3 Frgm.e) (s. FLÜELER, I, S. 24-25). In der Hs. Breslau, ÜB, cod. IV Q 51, werden die Translationes zu Oeconomica' und 'Politik' einem Conradus de Vormacia zugeschrieben, der in Prag von 1376 bis 1388 als Magister bezeugt ist (FLÜELER, ebd.). Ausgaben. 'Translatio Yconomicorum': SLOMCZYNSKA, S. 58-70. Translatio Pöliticorum': GRABMANN, S. 61—62 (nur der Anfang). 'Translatio super De anima': PLUTA, S. 96-97 (Ausschnitt).

c) 'Quaestiones super arte veteri'. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 5461 (v.J. 1369), 23r-87v; ein Teil der Quaestiones (47r-87v) wurde per Petrum de Treysa reportate (-> Peter von Treysa [ohne Hinweis auf Totting]). Beschreibung bei LANG, 1937, S. 127, 133, und SCHNEIDER, S. 1-3. A u s g a b e . 'Quaestiones in Isagogen Porphyrii': SCHNEIDER.

Diese Schrift enthält Quaestionen zur 'Isagoge' des Porphyrius, zu den 'Kategorien' und zu 'Perihermeneias' des Aristoteles. Eine wichtige Quelle T.s sind die Quaestionen -» Alberts von Sachsen [NB] zu Porphyrius. T. vertritt im Isagoge-Teil dezidiert nominalistische Thesen: Alles Seiende ist individuell (qu. 10); das Universale ist ein durch Konvention in seiner Bedeutung festgelegtes Zeichen (oder ein mentaler Begriff), das von vielen Individuen ausgesagt werden kann (qu. 5); das Prinzip der Individuation ist kein reales Prinzip, das das Universale zum Individuum kontrahierte; vielmehr ist die Seele des Individuums Prinzip der Individuation, insofern das Prinzip ein mentaler Begriff ist (qu. 11) (GORMAN, S. 135-148; SCHNEIDER, S. 3 —9).

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Totting, Heinrich, von Oyta

d) 'Quaestiones consequentiarum cum textu'. Ü b e r l i e f e r u n g . Krakau, Bibl. Jagiell., cod. 2132, lr-43v.

e) 'Quaestiones metaphysicae' (Bücher 7-12). Ü b e r l i e f e r u n g . Erfurt, ÜB u. Forschungsbibl., Cod. Amplon. Fol. 329, -97 .

Unsicher: f) 'Quaestiones circa De substancia orbis' (des Averroes). Ü b e r l i e f e r u n g . Erfurt, ÜB u. Forschungsbibl., Cod. Amplon. Fol. 297, 149r-158r. Das Werk ist im nicht zuverlässigen Verzeichnis des Amplonius Ratinck T. zugewiesen (s. u. H.l.k. zu 'Quaestiones physicorum' und LORENZ, S. 191 — 192).

g) 'Lectura Metaphysicae'. Ü b e r l i e f e r u n g . Melk, Stiftsbibl., cod. 1785 (580, K 55), l r -58 v . LANG, S. 129, schließt Henricus Olthingh de Oyta als Autor nicht aus.

Sehr zweifelhaft: h) 'Quaestiones physicorum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Erfurt, ÜB u. Forschungsbibl., Cod. Amplon. Fol. 297, 45r-129v, und 3 weitere Hss. Amplonius Ratinck weist dieses Werk T. zu. In den Hss. finden sich aber nur zwei Zuschreibungen an einen Magister Theodoricus (LoRENZ, S. 191-192).

2. Theologische Werke. a) 'Lectura textualis super libros sententiarum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Mind. 7 Hss. bieten einen vollst. Text, bei einigen fehlen die vier Principia und der Prolog; zahlreiche Hss. mit Fragmenten (STEGMÜLLER, Repertorium commentariorum in Sententias Petri Lombardi I, 334, vgl. die kürzere Liste bei LANG, S. 46—48; S. WLODEK im Bulletin de philosophic medievale 5 (1963) 146 ergänzt: Gniezno (Gnesen), Archivum Archidiecezjalne i Biblioteka Kapitulna, cod. 52, f. 131—239 (v.J. 1427).

Die 'Lectura' zum Sentenzenwerk des -» Petrus Lombardus präsentiert eine an frühscholastischen Autoritäten, insbesondere ->· Hugo von St. Viktor und Praepositinus von Cremona orientierte augustinische

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Theologie. Im Laufe des Sentenzenkommentars, der in der Prager Lehrzeit entstand, wird der Einfluß des -»· Thomas von Aquin dominierend (s. LANG, S. 139—158). b) 'Libellus questionum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Auszüge aus diesem nicht erhaltenen Werk zitiert das Protokoll des Prozesses von Avignon, nämlich die 6 Conclusionen, welche die inkriminierten Sätze betreffen (11 Hss. bei LANG, S. 19). A u s g a b e . SOMMERFELDT, 1904, S. 587 (Est igitur istarum conclusionum prima ...) bis S. 594 (... deo servire et mammone etc., Mathei 6).

c) 'Abbreviatio lecturae sententiarum Adami Wodeham'. Ü b e r l i e f e r u n g . 14 Hss. mit vollständigem Text, 3 Hss. mit Fragmenten (CouRTENAY, S. 223). A u s g a b e . Adam goddam super quattuor libros sententiarum, Paris 1512, besorgt durch Johannes Major.

Die in Paris erstellte Abbreviatio der Oxforder Sentenzenlesung des OckhamSchülers Adam Wodeham markiert einen Wendepunkt in T.s theologischer Lehre, insofern als er sich nun intensiv mit den nominalistischen Autoren und Doktrinen des 14. Jh.s beschäftigt. Er beschränkt sich auf Kürzungen und Zusammenfassungen seiner Vorlage, ohne, bis auf wenige Ausnahmen, eigene Positionen einzubauen (LANG, S. 54—61, aber vgl. COURTENAY, S. 146-147, 223-228). d) 'Quaestiones sententiarum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Mindestens 13 Hss. mit vollst. Text (STEGMÜLLER, Repertorium commentariorum in Sententias Petri Lombardi I, 336, vgl. die kürzere Liste von LANG, S. 63 — 65). Die Hs. München, clm 17468 (v. J. 1389), dient LANG, 1953, als Basis seiner Teiledition. A u s g a b e n . Quaestio 2: LANG, 1953. Quaestio 8, Art. 2: MAIERU, 1981, S. 496-512. Ausschnitte aus Quaestio 6, Art. 3, Quaestio 7, Art. 1-3: MAIERU, 1986, S. 202-212.

Die 'Quaestiones sententiarum' sind das systematische Hauptwerk T.s. Es ist das Resultat seiner Vorlesungen während der Vorbereitung auf das Lizentiat in den Jahren 1378-1380 (LANG, S. 68) und besteht aus dreizehn Quaestionen mit in der Regel

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Totting, Heinrich, von Oyta

drei Artikeln: zum Wissenschaftscharakter der Theologie (qu. 1), zum Offenbarungscharakter der Bibel (qu. 2), zur Glaubensbegründung (qu. 3), zur Abgrenzung von frui und uti (qu. 4), zur Trinitätslehre (qu. 5, 7 — 9), zur Gotteserkenntnis und zu den Gottesbeweisen (qu. 6), zur Kontingenz des Zukünftigen (qu. 10), zur Schöpfungslehre (qu. 11), zur Christologie (qu. 12), zur Sakramentenlehre (qu. 13) (vgl. die Übersicht bei LANG, S. 70—72). T. entwikkelt seine Theologie nunmehr in Auseinandersetzung mit den Autoren des 14. Jh.s insbesondere nominalistischer Richtung wie Wilhelm von Ockham, Adam Wodeham und Gregor von Rimini. Besondere Erwähnung verdienen die folgenden Positionen T.s: In Hinblick auf die Prinzipiengrundlage der Theologie argumentiert er, daß die Theologie zunächst die Offenbarungsinhalte anhand von principia extrinseca apologetisch und positiv als göttliche erweisen muß, um sie dann als principia intrinseca zur Grundlage spekulativer Auslegung zu machen (qu. l, a. l u. 2). Es gibt Wahrheiten, die nicht in der Schrift enthalten, aber trotzdem zu glauben sind, z. B. Wahrheiten, die von den Aposteln oder den Chroniken vermittelt wurden. Die Kirche bestätigt diese Wahrheiten, fügt aber keine hinzu. Letztlich haben aber alle theologischen Aussagen in der Bibel ihr Fundament (qu. 2, a. 3) (LANG, 1964, S. 203-204; LANG, 1965). In der Frage der Glaubensbegründung (qu. 3) wählt T. einen 'mittleren' Weg, wie er selbst sagt: Der Glaube ist ein Akt, dem die Vernunft zustimmt, für den sich der Wille entscheidet und der wesentlich von der Einwirkung der Gnade abhängig ist (LANG, 1930, S. 225-230). T.s Position zur Verwendung der Logik in der Trinitätslehre (qu. 8, a. 2) ist eine vermittelnde; sie ist maßgeblich von Adam Wodeham beeinflußt. T. akzeptiert zwar die anseimische Regel zur Unterscheidung von wahren und falschen Schlüssen in der Trinitätsspekulation, beschränkt ihren Geltungsbereich aber auf Gläubige. Aristoteles' Lehre vom Syllogismus hingegen gelte universell, für Gläubige wie Ungläubige, und auch in der Trinitätslehre. Hätte Ari-

stoteles die christlichen Mysterien gekannt, wäre dies ohne Einfluß auf die formale Struktur seiner Syllogismen geblieben (hg. MAIERU, 1981, S. 511 f.; SHANK, S. 89-96). Eine besonders umfangreiche Quaestio ist der Frage gewidmet, ob sich die Kontingenz des Zukünftigen mit dem göttlichen Vorherwissen vereinbaren lasse (qu. 10). T. antwortet, daß die Zukunft von Gott vorherbestimmt sei, aber auf kontingente Weise hervorgebracht werde. Daß die zukünftigen Dinge kontingent seien, habe seinen Grund in der libertas contingentiae des göttlichen Willens, argumentiert T. mit Duns Scotus (a. l, concl. 1). Er bezieht Position gegen Aristoteles mit der These, daß Sätze über die Zukunft notwendigerweise entweder auf bestimmte Weise wahr oder auf bestimmte Weise falsch seien; diese jeweilige Wahrheit sei aber eine kontingente (a. l, concl. 2). In der Frage des göttlichen Vorherwissens schließt sich T. der Position Wodehams an: Die Unermeßlichkeit (immensitas) göttlichen Wissens erkläre, warum Gott auch das kontingent Zukünftige wisse (a. 2). (Zu T.s Lehren über Gotteserkenntnis, Schöpfung, Trinität, Christologie und Sakramente s. LANG, S. 171 — 188 und 196-210.) e) 'Quaestio collativa in aula'. Überlieferung. MS. 72, f. 170.

Oxford, Balliol

College,

Diesen Vortrag über die Mitteilbarkeit der göttlichen Weisheit und ihre formale Funktion als Glückseligkeit des Menschen hat T. in Prag anläßlich seiner eigenen Magisterpromotion gehalten (LANG, S. 72 f.). f) 'Collacio super primum [sie] sentenciarum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Rouen, Bibl. mun., ms. A 465, 186V-190V.

Tatsächlich handelt es sich um ein Principium zum zweiten, und nicht zum ersten Sentenzenbuch. Es ist am Beginn der Pariser Lehrzeit entstanden (LANG, S. 73—74). g) 'Sacramentale per questiones compilatum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Pelplin, Seminarbibl., cod. 263, 194V-237V (LANG, S. 75).

1551

Totting, Heinrich, von Oyta

h) 'Postilla super evangelia Marci'. Ü b e r l i e f e r u n g . Krakau, Bibl. Jagiell., cod. 1306 (AA. VII. 8),f. 309-408; Prag, Närodni Knihovna, cod. IV B 7, 232r-257v (STEGMÜLLER, Rep. bibl. III, 39). A u s g a b e . LANG, S. 77—78 (Ausschnitte).

i) 'Lectura in evangelium sancti Johannis'. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 4001, 197 Bll.; Erlangen, ÜB, cod. 574, f. 49-142 (STEGMÜLLER, Rep. bibl. III, 39). Das Explicit der Erlanger Hs. weist T. als Verfasser aus. In der Wiener Hs. geschieht dies nur durch eine Bleistiftnotiz auf dem Rücken des Einbandes (LANG, S. 78).

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3. Kirchen-, sozial- und universitätspolitische Schriften. a) 'Tractatus de contractibus scilicet reddituum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Mindestens 45 Hss. (TRUSEN, S. 15-16; vgl. die kürzere Liste bei LANG, S. 101102). D r u c k . Johannes Gerson, Opera omnia, Köln 1483-84, Bd. 4, 224r-253v.

Der 'Tractatus' ist das handschriftlich am besten überlieferte und einflußreichste Werk T.s. Er ist wahrscheinlich 1393, kurz nach dem 'Tractatus de contractibus' des Heinrich von Langenstein entstanden, auf j) 'Lecturae super Psalterium'. den sich T. bezieht, und kurz vor dem Traktat 'Super quaestiones de contractiÜ b e r l i e f e r u n g . Das Autograph ist in einer vierbändigen Hs. erhalten: Wien, codd. 4235 (224 bus' des Johannes Reuter. Es handelt sich Bll.), 3953 (224 + l Bll.), 3957 (230 Bll.), 4359 bei diesen Werken um die frühesten dt. (218 Bll.) (LANG, S. 81-83). Es existieren 6 weitere Universitätsgutachten, die sich allgemein frgm. Hss. (STEGMÜLLER, Rep. bibl. III, 38). Außer- zur Gesetzgebung äußern. Wohl im Aufdem sind 2 Hss. überliefert, die nur die Quaestio- trage des Wiener Stadtrats klären diese nen ohne die exegetischen Passagen enthalten; Gutachten, ob bestimmte Rechtsgeschäfte, 5 weitere Hss. bieten ausgewählte Quaestionen. nämlich der Darlehensvertrag, der KaufZu letzteren gehört Klagenfurt, Bischöfl. Bibl., vertrag, Verträge mit Juden und Wuchecod. XXX c7, welche einige Quaestionen zum v r 50. Psalm anführt (59 -76 ), die nicht im Auto- rern sowie insbesondere die Rentenkaufgraph enthalten sind. 4 Hss. überliefern eine Quae- verträge, mit dem Recht im Einklang stestio zum 3. PS. 'De fructibus orationis' separat hen. Anlaß waren die umstrittenen Gesetze (LANG, S. 84-86, S. 99 u. S. 109-111; STEGMÜL- Rudolfs IV. von Österreich aus den Jahren LER, Rep. bibl. III, 39). 1360-1361. T. nimmt im 'Tractatus de contractibus' A u s g a b e . LANG, S. 90—99 (Index der Quaeverschiedentlich Stellung gegen die vom stionen). kirchlichen Wucherverbot geprägte PosiDer äußerst umfangreiche Psalmenkom- tion Heinrichs von Langenstein, indem er mentar ist das Resultat von T.s magistra- die Gültigkeit von Rückkaufverträgen und len Vorlesungen in Wien und neben den von lebenslänglichen Rentenverträgen prin'Quaestiones sententiarum' sein theolo- zipiell befürwortet. In diesen Passagen ergisch bedeutsamstes Werk, in systemati- hält sein Traktat den Charakter eines Gescher wie exegetischer Hinsicht. Anders als gengutachtens (TRUSEN, S. 86 u. 128). Wie im Pariser Hauptwerk stehen nun Pro- die anderen Gutachten auch hat es zum bleme der praktischen Theologie im Vor- Zweck, die weltliche Obrigkeit zu bewedergrund. Nominalistische Positionen er- gen, die von den Gesetzen Rudolfs verurscheinen nur noch höchst selten. Der Ein- sachten Mißstände zu beseitigen. So forfluß des Thomas von Aquin, insbesonde- dert T., daß die betroffenen Güter und re der 'Summa theologiae', dominiert. Die Rechte der Kirche ohne zeitliche Verzögein Avignon inkriminierten Meinungen der rung in den alten Zustand zurückgeführt Prager Lehrzeit, z. B. zur Gottbezogenheit werden. Der Einfluß von T.s Schrift zeigt sittlichen Handelns und zur Absolutions- sich nicht nur in den Vertragstraktaten des gewalt des Priesters, sind nun verschwun- 15. Jh.s, sondern auch in der abschließenden oder gänzlich revidiert (LANG, S. 215 — den Stellungnahme Heinrichs von Langen231). stein an den Wiener Stadtrat, in der er be-

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Totting, Heinrich, von Oyta

stimmte Positionen T.s zu Rückkaufverträgen übernimmt (TRUSEN, S. 87 — 89, 212— 219). b) 'Avisamenta decem'. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 4710, 70r-71r.

Stellungnahme zu Mißständen in der Diözese Passau. c) 'Solutiones quarundam quaestionum ad Dominum Rudolphum,' oder 'Quattuor Notabilia'. Ü b e r l i e f e r u n g . Mindestens 22 Hss., die jedoch nicht immer alle vier Notabilia enthalten (LANG, S. 105 f.).

T. antwortet in diesem kurzen, aber häufig kopierten Traktat auf vier Fragen eines Kartäusermönches mit Namen Rudolph: De praedestinatione, De cogitationibus turpium, De corpore Christi, De modo vincendi seipsum. d) 'Disputacio deos'.

katholica

contra

Ju-

Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 18531, 7 r ~12 r u. clm 8826, 323ra-325vb. Vgl. NIESNER, S. 371375.

e) 'De revelationibus et visionibus'. Ü b e r l i e f e r u n g . Elblag (Elbing), Biblioteka Miejska, Q. 76, f. 4—6, frgm.

f) 'Recommendatio magistrandorum'. Ü b e r l i e f e r u n g . Pommersfelden, Gräfl. Schönbornsche Bibl., HS 190 (2808), 211r-215r.

Diese Rede hat T. 1384 bei der Graduierung von Prager Lizentiaten gehalten. Das Incipit enthält die für die Biographie wichtige Nachricht, daß er zu diesem Zeitpunkt in Prag Professor der Theologie und Vizekanzler der Universität war. g) 'In adventu episcopi Pataviensis Viennam'. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 4017, 144r-146r. A u s g a b e . SOMMERFELDT, 1905, S. 320-323.

Mit dieser Rede begrüßte T. einen Bischof von Passau in Wien, wohl Georg von Hohenlohe, der die Stadt im Jahr 1389 besuchte (UIBLEIN, 1999, S. 64).

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h) Verschollen sind nach heutigem Wissen zwei von T. selbst als 'Rapularii' bezeichnete Bücher unterschiedlicher Länge, die T. der Dombibliothek schenkte und die, dem Katalog der Dombibliothek zufolge, 'Quaestionen und feierlichste Akte verschiedener Fakultäten' enthielten (LANG, S. 111-114). 4. Predigten. Ü b e r l i e f e r u n g . Erhalten sind nach LANG 8 Predigten auf die Feste des Herrn (2 Predigten De adventu Domini, 2 De passione, 2 De resurrectione, jeweils eine zu De spiritu sancto und zu De corpore Christi); 10 Manenpredigten; 6 Predigten zu den Festen der Heiligen; 3 in der Kartause von Mauerbach gehaltene Predigten; 2 Predigten auf die Sonntage des Jahres, die T. von Amplonius Ratinck zugeschrieben werden. Der Katalog der Kartause von Aggsbach verzeichnet 4 weitere heute nicht mehr erhaltene Predigten. Am besten überliefert (11 Hss.) ist die Predigt 'De conceptione Mariae Virginis' (LANG, S. 115-121). A u s g a b e n . 'Sermo in adventu domini de gradibus obediencie', eine in Mauerbach gehaltene Weihnachtspredigt: SOMMERFELDT, 1904, S. 598603. 'De adventu domini', eine Weihnachtspredigt: SOMMERFELDT, 1908, S. 296-297 (Ausschnitt). 'De conceptione Mariae Virginis', gehalten 1390 oder 1391: LANG, S. 231-239 (Ausschnitte).

T.s Predigten stehen in engem Zusammenhang mit seiner Wiener Lehrtätigkeit. Sie wurden fast ausnahmslos an kirchlichen Festtagen gehalten, die die Universität offiziell feierte, und haben auf weite Strecken den Charakter theologischer Abhandlungen. 5. Brief: 'Johanni Munczinger'. Ü b e r l i e f e r u n g . Wien, cod. 3603,f. 172. A u s g a b e . LANG, S. 68—69.

T. antwortet im August 1385 seinem ehemaligen Prager Studenten und jetzigen Ulmer Schulmeister Johann -> Müntzinger, der einige öffentlich der Häresie verdächtigte Thesen vertreten und T. um eine private Stellungnahme gebeten hatte. T. hält die Thesen für wahr und gewiß und verweist auf seine Pariser 'Quaestiones' (LANG, 1935). III. E i n f l u ß . Während T.s 'Abbreviatio' wesentlich zur Verbreitung der Ansichten von Adam

1555

'Traktat von Empfängnis und Geburt'

Wodeham beitrug und der 'Tractatus de contractibus' großen Einfluß auf die Vertragslehre hatte, sind die 'Quaestiones sententiarum' T.s einflußreichste theologische Schrift. Zu ihren Lesern gehören eigene Schüler wie ->· Konrad von Soltau [NB] und Johann Müntzinger, sowie namhafte Theologen der Folgezeit: -*· Marsilius von Inghen, -»· Petrus de Alliaco, Joh. -* Gerson und Gabriel -> Biel. In der Frage der Glaubensbegründung wurde die via Henrici de Oyta als via media bekannt (LANG, 1930, S. 234-237). Einflußreich war auch T.s Position zur Verwendung der Logik in der Trinitätstheologie (MAIERÜ, 1986). Guillaume Euvrie rechnete T. zusammen mit Gregor von Rimini und Adam Wodeham zu den nominales (Brief an Gerson von 1403; s. KALUZA, S. 16). L i t e r a t u r . G. SOMMERFELDT, Zu H. T. V.O., MIÖG 25 (1904) 576-604; ders., Zwei polit. Sermone des H. v. O. u. des Nikolaus von Dinkelsbühl (1388 und 1417), Hist. Jb. 26 (1905) 318327; ders., Aus der Zeit der Begründung der Univ. Wien, MIÖG 29 (1908) 291-322; A. LANG, Die Wege der Glaubensbegründung bei den Scholastikern des 14. Jh.s (Beitr. z. Gesch. d. Philos. u. Theol. d. MAs 30), 1930; ders., Johann Müntzinger, ein schwäbischer Theologe u. Schulmeister am Ende des 14. Jh.s, in: Aus der Geisteswelt des MAs. Fs. M. Grabmann, 1935, S. 1200-1230; ders., H. T. v. O.: Ein Beitrag zur Entstehungsgesch. der ersten dt. Univ. u. zur Problemgesch. der Spätscholastik (Beitr. z. Gesch. d. Philos. u. Theol. d. MAs 33), 1937 [zit.: LANG]; M. GRABMANN, Die mal. Kommentare zur Politik des Aristoteles, MSB 1941/11 10; A. LANG, H. T. v. O.: Quaestio de sacra scriptura et de veritatibus catholicis, editio altera, 1953; W. TRUSEN, Spätmal. Jurisprudenz u. Wirtschaftsethik (Vjs. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch., Beih. 43), 1961; A. LANG, Die theolog. Prinzipienlehre der mal. Scholastik, 1964; ders., Das Verhältnis von Schrift, Tradition u. kirchl. Lehramt nach H. T. v. O., Scholastik 40 (1965) 214-234; P. UIBLEIN, Acta Facultatis artium Universitatis Vindobonensis, 1968; CH. LOHR, Medieval Latin Aristotle Commentaries. Authors G-I, Traditio 24 (1968) 229-232; J. KADLEC, Leben u. Schriften des Prager Magisters Adalbert Rankonis de Ericmio (Beitr. z. Gesch. d. Philos. u. Theol. d. MAs NF 4), 1971; H. ROSSMANN, Joh. Marienwerder O. T., ein ostdt. Theologe des späten MAs, Archiv f. Kirchengesch. von Böhmen-Mähren-Schlesien 3 (1973) 221-253 (ausführl. Bibliographie zu T. auf S. 227 u. 251 —

1556

253); W. J. COURTENAY, Adam Wodeham. An Introduction to his Life and Writings, Leiden 1978; P. UIBLEIN, Die Akten der theol. Fakultät der Univ. Wien, 1978; J. SCHNEIDER, H. T. v. O.: Quaestiones in Isagogen Porphyrii, 1979; A. MAIERÜ, Logica aristotelica e teologia trinitaria. Enrico T. da O., in: ders./A. PARAVICINI BAGLIANI, Studi sul XIV secolo in memoria di Anneliese Maier (Storia e Letteratura 151), Rom 1981, S. 481-512; B. MICHAEL, Johannes Buridan: Studien zu seinem Leben, seinen Werken u. zur Rezeption seiner Theorien, 1985; A. MAIERÜ, Logique et theologie trinitaire dans le moyen-äge tardif, in: M. ASZTALOS, The Editing of Theological and Philosophical Texts, Stockholm 1986, S. 185-212; A. StOMCZYNSKA, Ab Henrico de O. usque ad Georgium Libanum Lignicensem quinque commentariorum in Aristotelis 'Economica' conscriptorum editio, Mediaevalia Philosophica Polonorum 28 (1986) 53 — 71; O. PLUTA, Kritiker der Unsterblichkeitsdoktrin in MA u. Renaissance, 1986; M. H. SHANK, 'Unless You Believe, You Shall not Understand'. Logic, University, and Society in Late Medieval Vienna, Princeton (N. J.) 1988; Z. KALUZA, Les querelies doctrinales ä Paris: nominalistes et realistes aux confins du XlVe et du XVe siecles, Bergamo 1988; S. LORENZ, Studium Generale Erfordense. Zum Erfurter Schulleben im 13. u. 14. Jh., 1989; CH. FLÜELER, Rezeption u. Interpretation der Aristotelischen 'Politica' im späten MA, 1992; M. GORMAN, Henry of Oyta's Nominalism and the Principle of Individuation, The Modern Schoolman 69 (1992) 135-148; P. UIBLEIN, Mal. Studium an der Wiener Artistenfakultät, 21995; ders., Die Univ. Wien im , 1999; M. NiESNER, Wer mit Juden well disputieren. Dt.sprachige Adversus JudaeosLit. des 14. Jh.s, Habilschr. (masch.) Heidelberg 2002, S. 371-375.

DAG NIKOLAUS HASSE 'Traktat von Empfängnis und Geburt' Embryologisch-geburtshilflich-frauenheilkundliche Lehrschrift für Hebammen mit drei angefügten gynäkologischen Rezeptaren. Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 728 (um 1480/ 90, ostmbair. mit südbair. Substrat), 136V-141V: erstes Rezeptar; 144r-172v 'T. v. E. u. G.' (Von naturis rerum der menschenn werdung auf erden = Textkern); 172V—176r zweites Rezeptar; 176r— 189r: drittes Rezeptar. A u s g a b e . B.-J. KRUSE, Verborgene Heilkünste. Gesch. d. Frauenmedizin im SpätMA (Quellen u. Forschg.n z. Literatur- u. Kulturgesch. 5 [239]),

1557

Tränkle, Ulrich - Trienter Algorismus'

1996, S. 316-336 (das dritte Rezeptar nur in Auszügen).

Laienärztlicher, astromedizinisch ausgerichteter Traktat, der alle 'weisen, bewährten Hebammen' anspricht, seinen Lerninhalt als unverzichtbares Fachwissen ausweist und dem üblicherweise niedrigen Kenntnisstand der Ammen entgegentritt (u/an dysse kunst wyssen gar lüczel hebamenn vnd ist doch ain grosse notturft zu wissenn). Angeboten wird ein weiter Themenfächer, der die Ursachen der Mißgeburten ebenso erläutert wie das Wachsen des Keimlings oder das Zustandekommen von Unfruchtbarkeit, und der in seinen therapeutischen Ansätzen bis zum Betreuen der Wöchnerinnen ausgreift. Die anfangs angestrebte und für die Mikrostruktur vorgesehene Siebenergliederung wurde bis zum Ende des Büchleins nicht durchgehalten. Die Tendenz, neben den weiblichen auch männliche Patienten zu behandeln, ist unübersehbar; die Kenntnisse vom Kristellern und die Anweisungen, mit äußerlichen Griffen vor Geburtsbeginn den Föten günstig einzustellen (also das das haüpt körne gen dem ausgang), lassen eine Hebamme (oder einen Geburtshelfer) als Verfasserin wahrscheinlich werden. Auffällig ist das Zitieren des Paulus von Ägina (Pollinas}. Die beiden unmittelbar anrainenden Rezeptare sind offensichtlich vom Autor des Traktats verfaßt worden: Das erste Rezeptar zeigt die gleiche Tendenz wie der Textkern, auch bei wenig sinnvollen Indikationen männliche Patienten in die Behandlung einzubeziehen (Für die müter frawen vnd mannen; Für den flus [Fluor albus] frawen vnd mannen}. Das zweite Rezeptar beruft sich wie der Traktat auf Paulus von Ägina, den kriechischen maister, und bietet denselben hohen Kenntnisstand in Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Blut-, Fleischmole; Chorionepitheliom; Schwangerschaftspsychosen); die Schuldzuweisung bei Frauenkrankheiten an die vnuerstantnus der Ammen bzw. an die grob mann, die jr[er frawen] nit schonnent, läßt auch hier an eine Frau als Verfasserin — vor allem an eine Hebamme — denken. — Beim dritten Rezeptar, das allgemeinmedizimsch ausgerichtet ist, machen die gynäkologisch-obstetrischen Verordnungen nur noch 15 % des Formelbestands aus; allerdings werden die kriechischen doctor[es] weiterhin zitiert; Gebärmutter und Magen stehn nach

1558

wie vor im Zentrum der ätiologischen Deutung, und außerdem besteht Quellengemeinschaft über den 'Älteren dt. -* Macer' (etwa zu 139V des ersten Rezeptars), so daß auch beim dritten der AssistenzTexte der Autor des Textkerns als Verfasser bzw. Kompilator in Frage kommt. L i t e r a t u r . SCHNEIDER, München V, S. 158 — 164; B.-J. KRUSE, 'Die Arznei ist Goldes wert'. Mal. Frauenrezepte, 1999, S. 38-41 u. ö.; M. H. GREEN, Women's Healthcare in the Medieval West. Texts and Contexts (Variorum Collected Studies Series CS 680), Aldershot-Burlington/USA — Singapur — Sydney 2000, S. 35 [behandelt nur den Textkern].

G. KEIL Tränkle, Ulrich [Korr.] Bd. 9, Sp. 1006 Überl.: "Überlingen, LeopoldSophien-Bibl., Reutl. Coll. Bd. I" korr.: heute im Stadtarchiv Überlingen.

'Der Traum' [Korr.] Bd. 9, Sp. 1009 Überl., Z. 3 von unten: Ersetze "danach der Druck" durch: ferner der Druck.

Traumbücher [Korr.] Bd. 9, Sp. 1026 Ausg.: "H. PSILANDER, ... 380" ergänze: (nach Hs. c). Sp. 1027, zu 2., Überl.: "Solothurn, ..., 235V236 v "korr.: ..., 235v-236r. Hinweise v. K. Speckenbach.

'Trienter Algorismus'

Gedrucktes Rechenbuch. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck o. O. u. J. [Trient, Albrecht Kunne um 1475], eingebunden in die Hs. Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Hs. Georg. 866 (3) 8°, 152r-158v (komputistische Hs., 2. H. 15. Jh.; Hinweis von Anette Gerlach, Dessau). GW 1279 (7B11.). A u s g a b e . K. VOGEL, Der T. A. von 1475, in: Beitr. zur Gesch. der Medizin u. der Naturwiss., Fs. R. Zaunick (Nova acta Leopoldina, NF, 27 Nr. 167), 1963, S. 183-200, hier S. 185-196.

Älter als das 'Rechenbuch von Treviso' (1478) und wohl auch früher anzusetzen als das -» 'Bamberger Rechenbuch (Blockbuch)' [NB], stellt sich der T. A.' zeitlich an die Spitze der zahlreichen Algorismus-

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'Trierer Marienklage' — Trithemius, Johannes

/m£ Widmann von Eger; GW 1269 — 1271). Der Text zeigt bair. Schreibdialekt mit thüringischem Substrat und befaßt sich mit sieben mathematischen Operationen (Addieren, Subtrahieren, Halbieren, Verdoppeln, Multiplizieren, Dividieren und der Bildung arithmetischer Reihen), denen eine Anleitung zum Rechnen auf der Linie vorausgeht und elf typische Problemlösungen nachgestellt sind. Die behandelten Aufgaben entstammen der kaufmännischen Praxis, der Erbteilung und der Unterhaltungsmathematik; die Währungseinheiten kommen aus Deutschland, wohin auch die meisten Quellenbezüge weisen (J. Widmann von Eger, Gottfried Wollack; mathematische Kodizes aus Tegernsee und Rott am Inn), was nicht ausschließt, daß auch italienische Vorlagen verarbeitet wurden, beispielsweise bei der Dreisatzregel oder bei der Reisezeitberechnung für Romfahrer. L i t e r a t u r . A. C. KLEBS, Incunabula scientifica et medica, Osiris 4 (1938) 1-359, Nachdr. 1963, S. 35, Nr. 53.1.

G. KEIL 'Trierer Marienklage' [Nachtr.] Bd. 9, Sp. 1050 unten: "dt. Übertragung des Kirchenliedes O filii ecdestae ...": Vgl. dazu -» filii ecclesiae / Homo, tristis esto' [NB].

'Trierer Wurmsegen' -» Wurmsegen [NB] Tringenberg, Ludwig -»· Dringenberg, L. [Bd. 2 u. NB] 'Tristan als Mönch' [Korr.] Bd. 9, Sp. 1062, Überl.: "Hamburg, SB u. ÜB, cod. germ. 12; Kriegsverlust" ist wieder zurück an seinem alten Ort; die ehem. Straßburger Hs. von 1489 jedoch ist weiterhin verschollen (wahrscheinlich 1870 verbrannt). Vgl. E. HORVÄTH/ H.-W. STORK (Hgg.), Von Rittern, Bürgern u. von Gottes Wort. Volkssprachige Lit. in Hss. u. Drucken aus dem Besitz der SB u. ÜB Hamburg [Ausstellungskatalog], 2002, S. 74 f. Nr. 27 u. S. 142 f. Anm. 189-202.

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Trithemius, Johannes OSB I. Leben. T., geb. am 1. 2. 1462, entstammte einer Winzerfamilie ('Heidenberger'[?] bzw. nach dem Stiefvater 'Zellfer]') aus Trittenheim an der Mosel und benannte sich lat. nach seinem Geburtsort Tritemius (so die von ihm gewählte Schreibweise). Nach Studien in Trier und an der Univ. Heidelberg trat er 1482 in das Benediktinerkloster Sponheim bei (Bad) Kreuznach ein und wurde bereits 18 Monate später zum Abt gewählt. Neben der monastischen und wirtschaftlichen Reform des Konvents wurden Sponheim und die von T. aufgebaute Bibliothek (mit über 2000 Bänden) rasch zu einem Zentrum des deutschen Humanismus. Der Abt erwarb sich Ruhm als Redner und Schriftsteller im Dienst seines Ordens, als Verfasser der ersten gedruckten Literaturgeschichte ('De scriptoribus ecclesiasticis', 1494), als Geschichtsschreiber (der auch vor Fiktionen: Wastald, Hunibald, Meginfried nicht zurückschreckte), als Freund und Korrespondenzpartner — erhalten sind 269 Briefe von namhaften deutschen Humanisten und an sie (Johannes von Dalberg, Konrad Celtis, Johannes Reuchlin u. a.) — und Mitglied der Heidelberger 'Sodalitas litteraria Rhenana' sowie in Diensten Kaiser -» Maximilians und des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg als Verfasser von Geheimschrifttraktaten ('Polygraphia', 'Steganographia'). Seine Bücherleidenschaft, die häufige Abwesenheit von seinem Kloster und nicht zuletzt der Vorwurf okkulter Neigungen führten schließlich dazu, daß er 1506 Sponheim mit der unbedeutenden Abtei St. Jakob in Würzburg vertauschen mußte. Dort ist er am 13. Dez. 1516 gestorben. II. Werke. Zur hs.liehen und gedruckten Überlieferung sowie zu den Ausgaben, zu verlorenen Werken und Spuria s. ARNOLD, 1991, S. 228-260.

1. Literaturgeschichtliche Schriften. Zum 'Vater der Bibliographie' wurde T. durch den 1494 beendeten und in Basel bei

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Trithemius, Johannes

Joh. Amerbach im Druck erschienenen Schriftstellerkatalog 'De scriptoribus ecclesiasticis'. Nahezu 1000 christliche Autoren von den Kirchenvätern bis zur Abfassungszeit sind bio-bibliographisch erfaßt, darunter auch drei Frauen (-» Hrotsvit, -»· Hildegard von Bingen, -* Elisabeth von Schönau). Die Angaben zu den einzelnen Autoren stammen teils aus entsprechenden älteren Zusammenstellungen (-» Hieronymus, Gennadius, -* Sigebert von Gembloux und Katalogen der verschiedenen Ordensschriftsteller), teils sind sie aus der hs.liehen und gedruckten Überlieferung übernommen. Sie beruhen immer dort auf Autopsie und verdienen uneingeschränkte Glaubwürdigkeit, wo vom Verfasser Werktitel und Incipit verzeichnet sind; dagegen sind Angaben wie et quaedam alia, sermones plures, epistolae ad diversos lediglich als Füllsel zu werten. Aus dem gesammelten Material erschienen drei Separatausgaben: der 'Catalogue illustrium virorum Germaniae' (Mainz, Peter Friedberg, 1495) für Deutschland, 'De laudibus ordinis fratrum Carmelitarum' und 'De viris illustribus ordinis sancti Benedicti' für die entsprechenden Orden. Im 'Catalogue' hat zum ersten Mal die karolingische Erneuerung mit ->· Einhard, -> Hrabanus Maurus, ->· Walahfrid Strabo, -» Notker I. und ->· Otfrid von Weißenburg Würdigung erfahren; auch Karl der Gr. wurde wegen seiner Bemühungen um die Volkssprache in den Kreis der Autoren aufgenommen. 2. Monastische Werke. Aus der Tätigkeit für die Reform des Benediktinerordens gingen seit 1486 eine Vielzahl von (auch gedruckten) Reden auf den Generalkapiteln der Bursfelder Kongregation und den Provinzialkapiteln der Benediktiner, Statutensammlungen etc. hervor ('Über penthicus seu lugubris de statu et ruina ordinis monastici', 'De regimine claustralium', 'Exhortationes ad monachos', 'De triplici regione claustralium'), die den Autor zuerst in der Ordenswelt bekannt machten.

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3. Theologische Schriften. Darunter finden sich Anweisungen für die rechte Lebensweise der Priester ('De institutione vitae sacerdotalis'), exegetische Traktate ('Libellus de quaestionibus psalterii', 'Quaestiones in evangelium Johannis'), Gebete und Auftragsarbeiten wie die Beantwortung von acht Fragen Kaiser Maximilians I. ('Liber octo quaestionum'). Große Resonanz ging insbesondere von den Schriften aus, die von seiner Verehrung für die Gottesmutter Maria und die Hl. Familie zeugen. Vor allem die 1494 gedruckte Schrift 'De laudibus sanctae Annae', in der er die unbefleckte Empfängnis Mariens propagierte (vgl. -> 'Anna' [NB]), rief in einer daraus resultierenden literarischen Fehde Gegner (Wigand Wirt) und Verteidiger aus dem Kreis christlicher Humanistenfreunde des T. (Rutger Sicamber de Venray, Johannes Oudewater, Dietrich Gresemund d. J., Jakob Wimpfeling u. a.) auf den Plan. 4. Zu den historischen Schriften im weiteren Sinn zählen neben den genannten literarhistorischen Sammlungen hagiographische ('Vita beati Maximi episcopi Moguntini', 'Vita beati Rabani Mauri') sowie ordensgeschichtliche Texte ('De origine, progressu et laudibus ordinis fratrum Carmelitarum'). Im engeren Sinn sind hier die Chroniken der Klöster Sponheim und St. Jakob in Würzburg zu nennen ('Chronicon Sponheimense', 'Compendium breve fundationis et reformationis monasterii sancti Jacobi OSB in suburbio Herbipolensi'). Gelegenheitsarbeiten mit teils erfundenen Gewährsleuten oder kühnen astrologischen Spekulationen ('De septem secundeis, id est intelligentiis sive spiritibus orbes post deum moventibus') sowie genealogische Konstruktionen zur Geschichte der Franken und der Herzöge von Bayern ('Compendium sive breviarium primi voluminis chronicarum sive annalium de origine regum et gentis Francorum', 'De origine gentis Francorum compendium', 'Chronicon successionis ducum Bavariae et comitum Palatinorum') stehen neben kleineren Wallfahrtsgeschichten mit Mirakelsammlungen ('De laudibus et mi-

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Trithemius, Johannes

raculis in Urticeto [Heilbronn] factis', 'Miracula beatae Mariae semper virginis [...] in Dettelbach'). Das historiographische Hauptwerk des T. sind die 1514 in zwei Bänden vollendeten 'Annales Hirsaugienses' (erst 1690 in St. Gallen im Druck erschienen). Begonnen 1495, dann als 'Chronicon Hirsaugiense' unvollendet liegengeblieben, wuchs die Darstellung über die Klosterchronik zu einer allgemeinen Geschichte des Reichs bis in die eigene Zeit an. Wie für die sagenhafte Vorzeit der Franken die fiktiven Chronisten Wasthald und Hunibald dienen mußten, wurde zum Beweis einstiger benediktinischer Größe ein Mönch Meginfried erfunden; dies hat den Autor in den nachfolgenden Jh.en als notorischen 'Geschichtsfälscher' in Verruf gebracht. Doch hat T. für seine Recherchen eine Vielzahl seltener Quellenzeugnisse herangezogen; eine endgültige Wertung seiner historiographischen Leistung steht bis heute aus. 5. Als Selbstzeugnis des T. hat sich neben der Zusammenstellung der Briefe aus den letzten Monaten in Sponheim und der ersten Zeit im Würzburger Schottenkloster ('Epistolae familiäres') eine im Jahr 1507 abgefaßte kurze Autobiographie mit Werkverzeichnis ('Nepiachus — lucubrationum mearum recapitulatio'; jetzt nachgedr. bei ARNOLD, 2003, S. 47-68) erhalten.

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nes', 'De daemoniis') hat insbesondere der schon zeitgenössische Verdacht von magisch-okkulten Neigungen des Abtes zu einer negativen Einschätzung seines Charakterbildes beigetragen. Diese Verdächtigungen basieren vornehmlich auf zwei Geheimschrifttraktaten: Während man der 'Polygraphie' ('Vielschrift') ihren kryptographischen Charakter noch abnahm, trug der Autor durch seine Geheimniskrämerei selbst viel dazu bei, daß die drei Bücher seiner unvollendet gebliebenen 'Steganographia' ('Geheimschrift') immer erneut dem Bereich der schwarzen Magie zugerechnet wurden. Nachdem bereits im 17. Jh. Wolfgang E. HEIDEL (lohannis Trithemii ... Steganographia ..., Mainz 1676; Nachdr. Nürnberg 1721) die Aufbrechung der mehrfach verschlüsselten Codes gelungen war, erbrachten zuletzt ERNST (1996) und REEDS (1998) — offenbar unabhängig voneinander — den Nachweis, daß es sich wirklich nur um (freilich sehr elaborierte) Anweisungen des vielseitigen Autors T. zur Verschlüsselung von Texten handelt.

8. Die Schriften einschließlich der Briefe des T. sind ohne Ausnahme in Latein abgefaßt. Bisher sind aus dem 15. und 16. Jh. folgende Übersetzungen ins Deutsche bekanntgeworden: 'Exhortationes ad monachos' (St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 590, S. 314-334, v. J. 1522); '(Oratio) De cura pastorali' (Brüssel, Bibl. Royale, cod. 6. Besondere Erwähnung verdient eine 8084-8107, v. J. 1583, fläm.); 'De triplici kleine Schrift, die — bereits im Zeitalter regione claustralium' (... von teglicher des Buchdrucks — dem Lob der mönchiubung geistlicher closterpersanen, Münschen Schreibtätigkeit gewidmet ist und chen, cgm 4439, l r -48 r , um 1500); 'De noch im gleichen Jahr 1494 im Druck erlaudibus s. Annae' (Berlin, mgo 484, 93Vschien: 'De laude scriptorum [manualium]' 112V, v. J. 1495, aus Söflingen); 'Liber octo (Ausgaben: ARNOLD, 1991, S. 247, sowie: quaestionum' (Antwort Herrn Johan Abts J. T., Elogio degli amanuensi, a cura di A. zu Spanheim auff acht fragstuck., gedr. InBERNARDELLI, Palermo 1997). T. selbst hat golstadt 1555, 1556; Auszüge in: Theaim Lauf seines Lebens eine Vielzahl von trum de Veneficiis, Frankfurt/M. 1586); Hss. kopiert, von denen sich etwa 20 auto'De septem secundeis, id est intelligentiis graphe Codices (Abschriften und eigene sive spiritibus orbes post deum moventiWerke) erhalten haben. bus' (Von den syben Geysten, Druck 7. Neben den historiographischen Fik- Nürnberg, H. Höltzel 1522; danach Abtionen und dem Vorwurf allzu naiver schrift in Hs. Lübeck, Bibl. der HanseHexengläubigkeit im Gefolge des 'Hexen- stadt, 4° ms. math. 9 [verschollen], 135r— hammers' (-» Institoris und -» Sprenger) 138V, 16. Jh.); 'Steganographia' ('Von der ('Antipalus maleficiorum', Octo quaestio- Steganographie', Berlin, mgf 177, 16. Jh.).

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'Trojanerkrieg'-Fortsetzung — Tudel, Georg, von Giengen

L i t e r a t u r . K. ARNOLD, J. T. (1462-1516), 1970; 2., bibliogr. u. überlieferungsgesch. neu bearb. Aufl. 1991 (dort die bis 1990 erschienene Lit.). — K. SCHREINER, Gesch.Schreibung im Interesse der Reform. Die 'Hirsauer Jbb.' des J. T., in: ders. (Hg.), Hirsau St. Peter u. Paul 1091-1991, T. II, 1991, S. 297-324; R. AUERNHEIMER/ F. BARON (Hgg.), J. T.: Humanismus u. Magie im vorreformatorischen Deutschland, 1991; K. ARNOLD, 'De viris illustribus'. Aus den Anfängen der humanist. Lit. gesch.Schreibung: J. T. u. andere Schriftstellerkataloge, Humanistica Lovaniensia 42 (1993) 52— 70; TH. ERNST, Schwarzweiße Magie. Der Schlüssel zum dritten Buch der Steganographia des T., Daphms 25 (1996) 1-205; K. ARNOLD, J. T., in: Rhein. Lebensbilder 16, 1997, S. 53-64; J. REEDS, Solved: The Ciphers in Book III of T.' Steganographia, Cryptologia 22, 4 (1998) 291-317; K. ARNOLD, Warum schrieben u. sammelten Humanisten ihre Briefe? Beobachtungen zum Briefwechsel des J. T., in: Fs. E. Opitz, 1999, S. 19-32; N. L. BRANN, T. and Magical Theology, Albany, New York 1999; U. GOERLITZ, Wissen u. Repräsentation. Zur Auseinandersetzung des Hermannus Piscator mit J. T., in: U. SCHAEFER (Hg.), 'Artes' im MA, 1999, S. 198-212; M. EMBACH, J. T. (14621516) als Propagator Hildegards v. Bingen, in: A. HAVERKAMP (Hg.), Hildegard v. Bingen in ihrem hist. Umfeld, 2000, S. 561-598; ders., Skriptographie versus Typographie: J. T.' Schrift 'De laude scriptorum', Gutenberg-Jb. 2000, S. 132-144; H. MÜLLER, Graecus et fabulator. J. T. als Leitfigur u. Zerrbild des spätmal. 'Klosterhumanisten', in: Inquirens subtilia diversa. Fs. D. Lohrmann, 2002, S. 201-223; K.-U. NORDMANN, Die Magie des J. T, Ebernburg-Hefte 36 (2002) 45-59; K. ARNOLD, Eine Frage der Glaubwürdigkeit — J. T. in seinen Briefen u. Selbstzeugnissen (mit Abdruck von dessen 'Nepiachus' ...), in: F. BARON/ R. AUERNHEIMER (Hgg.), War Dr. Faustus in Kreuznach? Realität u. Fiktion im Faust-Bild des Abtes J. T., 2003, S. 13 — 81; P. ZAMBELLI, Pseudoepigrafia e magia secondo l'abbate J. T., in: Ratio/Superstitio. Studi in onore di G. Vescovini Federici, Turnhout 2003, S. 1-22.

KLAUS ARNOLD 'Trojanerkrieg'-Fortsetzung [Korr.] Bd. 9, Sp. 1070 oben: "Zeil, Fürstl. WaldburgZeiPsches Gesamtarch." korr.: Leutkirch/Allgäu, Schloß Zeil, Fürstl. Waldburg zu Zeil und Trauchburgsches Gesamtarchiv. Vgl. T. BRANDIS, Hdb. der Hss.bestände in der Bundesrepublik Deutschland. Teil l, 1992, S. 296.

Trotula, Trotula' [Korr./Nachtr] Bd. 9, Sp. 1083 unten Ausg. von 'Practica secundum Trotam': Die Ausg. von M. H. GREEN ist erschienen u. d. T.: The Trotula: a medieval compendium of women's medicine, Philadelphia 2001 [Text engl. u. lat., engl. Kommentar]. Sp. 1086 zu 2.: "Der im -> 'Kodex Kohlhauer' enthaltene Text ...": Diese Hs. ist seit 1988 in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 319; vgl. P. J. BECKER/ E. OVERGAAUW (Hgg.), Aderlaß u. Seelentrost. Die Überl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. u. Inkunabeln. SB zu Berlin - Preuß. Kulturbes., 2003, S. 354-356, Nr. 168 (B.-J. KRUSE). Der angesprochene Text ist nach einer anderen Hs. (Stuttgart, LB, cod. med. 4° 24, 88r-94v) abgedruckt bei B.-J. KRUSE, Verborgene Heilkünste (Quellen und Forschg.n z. Lit. u. Kulturgesch. 5 [239]), 1996, S. 373-378 (Traktat über die Menstruation'), vgl. S. 370 ff. (dort Hinweis auf eine weitere Hs.: London, Wellcome Library, MS. 283, S. 160-172).

'Das St. Trudperter Hohelied' [Korr.] Bd. 9, Sp. 1090 Überl.: "München, ÜB, ohne Sign." korr.: Das vernichtete Frgm. hatte die Sign. Frgm. Nr. 134 + 155 (aus derselben Hs.!). Sp. 1091 Ausg.n: "formkritische Leseausg. ... von F. OHLY, im Druck" korr.: ... erschienen 1998; dazu Rez. v. W. SCHRÖDER, Friedrich Ohlys 'St. Trudperter Hoheslied', formkritisch in Anmerkungen zur Edition ..., SB d. Wissenschaft!. Ges. an d. Johann Wolfgang Goethe-Univ. Frankfurt a. M., Bd. XXXVII, Nr. 5 (1999) 119-148, hier S. 123136.

Tucher, Sixtus -»· Pirckheimer, ( .4.)

Caritas

Tudel, Georg, von Giengen I. L e b e n . T. war Weltgeistlicher und von 1434 bis 1459 Magister an der Wiener Artistenfakultät sowie mehrfach deren Dekan. Procurator der natio rhenensis war er in den Jahren 1443 und 1446. 1459 erwarb er das Licentiat, 1460 wurde er Mitglied der theologischen Fakultät, 1461 deren Dekan. Das Rektorat hatte er 1453 und 1462 (arcium ac sacre pagine professor] inne. Er starb nach 1465.

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'Der Tugenden Buch'

II. Werke. 1. Deutsche Predigtreihe zum Thema Hochmut und Demut. Ü b e r l i e f e r u n g . Olim Geras/Niederösterr., Prämonstratenserstift, cod. 9 f. 20 (A) u. cod. 9 f. 19 (B), heute: Trogen, Kantonsbibl., codd. 208 I (A) u. 208 II (B), 310 u. 262 Bll., zweispaltig. Die beiden Quarthss. stammen aus dem Chorfrauenstift Pernegg und entstanden 1459 und 1460. In A nennt sich als Schreiberin eine swester Barbara, die die Abschrift im Auftrag der Priorin Ludmilla angefertigt hat. Beide Hss. enthalten fast gleichlautende Autorzuweisungen: Das gemacht vnd gepredigtt hat der hoch gelert maister Gong von Gierigen zu wien (nach A). Pernegg war wie das Wiener Chorfrauenstift Himmelpforte von Geras abhängig. — Vgl. Katalog der datierten Hss. in der Schweiz III, bearb. v. B. v. SCARPATETTI, R. GAMPER u. M. STÄHLI, 1991, S. 145 Nr. 405 u. 406, Abb. 266-268. Teilausgabe. C. M. BLAAS, Aus den Predigten Georgs von Giengen, Germ. 30 (1885) 88-98 [Textauszüge].

Es handelt sich um eine der wenigen umfangreichen Predigtreihen, die sich thematisch auf einzelne Laster und Tugenden konzentrieren — im Rahmen der Wiener Schule kein Einzelfall. Die Kritik bezieht sich auf den städtischen Lebensraum und zielt auf Kleiderluxus, Feste etc. Die Predigten sind numerisch gegliedert und bieten narrative Exempla und Tierallegorese. 2. Das lat. Werk G. T.s ist bislang unbeachtet geblieben und unerforscht., Beachtung fand nur seine Verbindung mit Johannes -»· Schlitpacher. a. 'De novem peccatis alienis' (München, ÜB, 2° Cod. ms. 678, 233ra-311ra; Wien, cod. 4256, l r -74 r ). -b. 'De scandalo' (Wien, cod. 4256, 317r-332r). c. 'De extremo judicio' (Wien, cod. 14352, 61r-105r). d. 'De corea et de ludis' (Wien, cod. 14352, 105r-114v). e. Fernandus de Cordoba: 'Quaestio disputata cum Georgio T. de G. in universitate Viennense anno 1448' (Basel, ÜB, cod. O III45; Mainz, StB, Hs I 121, 125r-136v). f. 'Epistola ad lohannem Schlitpacher' (Melk, StiftsbibL, cod. 1767, p. 444-446).

L i t e r a t u r . Gesch. der kaiserlichen Univ. zu Wien, Bd. 1/2, 1854, S. 99 f.; J. ASCHBACH, Gesch. der Wiener Univ., 1865, S. 526 f.; Die Matrikel der Univ. Wien, II, Graz-Köln 1959, S. 17, 76; F. HUBALEK, Aus dem Briefwechsel des Joh. Schlitpacher von Weilheim, Diss. (masch.) Wien 1963; I. S. FRANK, Hausstudium u. Universitätsstudium der Wiener Dominikaner bis 1500, 1968, S. 216; MORVAY/GRUBE, Predigtbibliogr., T 182; Die Akten der Theol. Fak. d. Univ. Wien (1396-1509), hg. v. P. UIBLEIN, Wien 1978, Reg. S. 645 f.; R. ANDRASCHEK-HoLZER, Der Geras-Pemegger dt. Psalter aus dem 15. Jh., 1994, S. 219-222.

HANS-JOCHEN SCHIEWER 'Der Tugenden Buch' [Korr./Nachtr.] Bd. 9, Sp. 1137 Z. 8: "Stuttgarter Hs. cod. Ascet. 161" korr.: Die aktuelle Signatur lautet: HB I 161. Ebd. vor Lit. ergänze:

d. Knapp 60 Kapitel aus den Büchern 1.3 (Liebe) und II.2 (Gerechtigkeit) wurden, zusammen mit umfangreichen Exzerpten aus der dt. 'Summa Pisana' (-»· Bartholomäus von Pisa), von Johannes Lose in seine zweite Bearbeitung (1444) der 'Neun Bücher Magdeburgischen Rechts' des Walter ->· Ekhardi aufgenommen. Es handelt sich durchgehend um Texte, die das 'bdt' der 'Secunda Secundae' des -» Thomas von Aquin verdankt — ein weiteres Zeugnis für die Thomas-Rezeption in dt. Rechtsbüchern des 15. Jh.s (vgl. 'Rechtsabecedar der 2200 Artikel', im Art. -» Rechtsabecedarien). Ü b e r l i e f e r u n g . 4 Hss. des 15. Jh.s: Tepl, StiftsbibL, D 13 (im Katalog von F. HOFFMANN, Soupis rukopisü knihovny klästera premonsträtü Tepla, 1999, Bd. l S. 191 f. (Nr. 230 [alt 41]) irrtümlich als 'Meißner Rechtsbuch' identifiziert); Rostock, ÜB, Mss. jur 5 (früher Dr. Crull, Wismar; s. K. HEYDECK, Die mal. Hss. der ÜB Rostock [Kat. d. ÜB Rostock 1], 2001, S. 74-78). Heute verschollen: Elbing, StB, F 9, v. J. 1444?; Danzig, Ratsbibl., v. J. 1445? L i t e r a t u r . H. ULMSCHNEIDER, Kanonistische Lit. in mal. Rechtsbüchern. Zu den Quellen der '9 Bücher Magdeburgischen Rechts' in der Bearbeitung des Johannes Lose, in: Überlieferungsgeschichtl. Editionen u. Studien zur dt. Lit. des MAs. Kurt Ruh zum 75. Geburtstag, hg. v. K. KUNZE u . a . (TTG31), 1989, S. 168-188; R. PÄSLER,

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'Turnierchronik'

Dt.sprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500. Unters, zu ihrer Überl., 2003, S. 259 f.

HELGARD ULMSCHNEIDER 'Turnierchronik' 1. Wohl gegen Ende des 15. Jh.s, zur Zeit der Wiederbelebung des Turnierwesens durch die großen Reichsturniere zwischen 1479 und 1487 im süddeutschen Raum wie genereller retrospektiver Bemühungen um die Vergangenheit des Rittertums, entstand eine fiktive Chronik über die angebliche Begründung des Turnierwesens durch König Heinrich I. im 10. Jh. Sie gehört zur Kategorie der historischen Turnierbücher, im Gegensatz zu den persönlichen (-» Maximilian I., 'FreydaP) und den genealogischen einzelner Adelsfamilien. 2. Die älteste Überlieferung liegt vor in einer frgm. Hs. des bayerischen Persevanten (Unterherolds) Jörg Rügen von 1494 ('Cronick vnnd verzaichnus ...', s. u.). Von Rügen sind weitere Werke bekannt: Ein 'Wappenbuch' (um 1495-1498), das am Ende (265 r —313 V ) eine kronigk des edlen geplüzs der fürsten zu Pairnn und des löblichen hauss von Pairnn, eine z. T. mit Phantasiewappen illustrierte Geschichte der Herzöge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein vom anfangk der weit bis hin zu Pfalzgraf Albrecht, Bischof von Straßburg (f 1506) enthält, ist seinem gnadigen herrn Herzog Georg von Bayern (f 1503) gewidmet (Innsbruck, ÜB, Ms. 545; BERCHEM, Nr. 56; detaillierte Inhaltsangabe bei HYE, S. 298-300; Abb. 3). An Graf Eberhard im Bart von Württemberg richtet sich ein auf Anforderung übersandtes Schriftstück über die Gliederung des Reichs nach dem Quaternionensystem (Stuttgart, Hauptstaatsarch., A 602 Nr. 364 b, um 1495; Druck: MOLITOR/GRAF, 1995, S. 72). Ferner existiert von Rügen eine Beschreibung der Wappen der byzantinischen Kaiser (Augsburg, SB u. StB 2° Cod 263) von 1505 (GRAF, 1993). In Teil 2 (olim Hist. prof. 782) der Hs. Wien, cod. 2936, einem Wappen/Ahnenbuch (Anfang 16. Jh.), findet sich sein ganzseitiges Bild (f. l l v ) mit dem Text: Ich heiss Jörg Rügen perssofanndt l fremde land sind mir bekannt l Des edlen hauss zu Beirnn knecht l Ich wölt das all krum sach wem schlecht. Darunter das Motto £5 was vnd wirt. Rugn (BERCHEM, Nr. 65; Abb. S. 161).

Auf Rügens 'Cronick vnnd verzaichnus' beruht (fast wörtlich — direkte Vorlage ?) der 1. Teil des 'Turnierbuchs' -> Ludwigs von Eyb d. J. von 1519. Die von dem

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Augsburger Bürger Marx Würsung 1518 gedruckte 'Turnierchronik' repräsentiert eine Bearbeitungsstufe des Textes. Von ihr sind eine Göttinger Bilderhs. vom Anfang des 16. Jh.s sowie v. a. der 1. Teil des dem Pfalzgrafen Johann II. von Pfalz-Simmern gewidmeten Rixnerschen 'Turnierbuchs' von 1530 abhängig. Rügen bezeichnet seine Hs. in der Vorrede als einen vßzug der chronik. Ob ihr ein von ESTOR 1761 erwähnter angeblicher 'erster Entwurf der 'Turnierchronik', der um 1430 in Magdeburg auf Veranlassung von Kaspar Schlick, Kanzler Kaiser Sigismunds entstanden sei, vorausgeht (auch Rixner zitiert in seinem Vorwort ein [fiktives?] Magdeburger Original), ist fraglich und ließ sich jedenfalls bisher nicht nachweisen (STAMM, S. 44, 63-67). Allerdings wird bereits in der -> 'Magdeburger Schöppenchronik' des 14. Jh.s von einer Einführung des Turniers durch Heinrich den Vogler berichtet. 3. Ü b e r l i e f e r u n g . Hss.: München, Bayer. Hauptstaatsarch., Notthafft Lit. 62, 689, 1200: Jörg Rügen, Cronick vnnd verzaichnus von vrsprung vnd anfanng der turnir (1494, Frgm.e); München, cgm 961: 'Turnierbuch' Ludwigs v. Eyb d. J., Teil 1: f. 13r-51r; Göttingen, SB u. ÜB, cod. Histor. 98 (1526?, mit ca. 500 gemalten Wappen). Drucke: Wann vnd vmb wellicher vrsachen willen das loblich Ritterspil des turniers erdacht vnd zum ersten geübet worden ist, Augsburg, [Marx Würsung] 1518; Georg Rüxner, Anfang, vrsprung vnnd herkommen des Thurnirs in Teutscher nation..., Simmern, [Hieronymus Rodler] 1530. Dritte erweiterte Ausgabe von Sigmund Feyerabend, Frankfurt/M. 1566 (Nachdr. hg. v. K. R. PAWLAS, 1964). Weitere Drucke bei STAMM, S. 299 f., Anm. 7. A u s g a b e . H. STAMM, Das Turnierbuch des Ludwig von Eyb (cgm 961). Edition u. Unters. Mit einem Anhang: Die Turnierchronik des Jörg Rügen (Textabdruck) (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 166), 1986.

4. Die 'T.' schildert Kaiser (!) Heinrichs des voglers Kampf gegen die Ungarn, seinen Sieg und den anschließenden Auftrag an die vier Reichsfürsten (Pfalzgraf bei Rhein, die Herzöge von Franken, Schwaben und Bayern), mit Hilfe seines Sekretärs meyster Philipp das erste deutsche Turnier auszurichten. Eine IZteilige Turnierordnung wird beschlossen. Das erste Turnier

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'Di tutsch kronik von Behem lant'

findet von Montag bis Donnerstag nach Dreikönigstag 939 (Heinrich war bereits drei Jahre tot!) in Magdeburg statt und endet mit Dankverteilung und Tanz. Abschließend wird den Fürsten der vier lande das Amt der obersten Turnierrichter verliehen mit dem Auftrag, das Turnierwesen in ihren Ländern zu pflegen, wo es sich bis heute erhalten habe. 5. Schon früh war die 'T.' den Historikern suspekt, so etwa Melchior Goldast (f 1635), dem das erste Turnier unter König Heinrich als von einem 'wahnsinnigen Hirn erdacht und gespunnen' (zitiert bei KURRAS, 1992) erschien. Ihre nachhaltigste Rezeption erreichte die 'T.' in der berühmt-berüchtigten Version Georg Rixners (Rüxners), des Reichsherolds Jerusalem, der als Verfasser von Genealogien (Herzöge von Mecklenburg, Grafen von Simmern, Grafen von Henneberg) wie eines Berichts über die Frankfurter Wahl Karls V. von 1519 bekannt ist und auch als Autor der sog. falschen 'Reformation Kaiser Friedrichs III.' wahrscheinlich gemacht wurde (ARNOLD). Er läßt der einleitenden 'T.' in seinem Werk in einem zweiten dokumentarischen Teil ein Verzeichnis aller Turniere vom Anfang bis hin zum Wormser von 1487 folgen (ähnlich Teil 2 bei Eyb, der aber erst auf solidem Grund Ende des 13. Jh.s einsetzt). Erst ab dem 15. Turnier (Regensburg 1284) kann Rixner, durch andere Quellen bestätigt, Glaubwürdigkeit beanspruchen. Eine auf seinem Opus beruhende gereimte Bearbeitung von Hans Sachs erschien 1541: Historia. Ursprung und ankunfft des thurniers, wie, wo, wenn unnd wie viel der im Teutschland sind gehalten worden. Im frühen 17. Jh. erfuhr Rixners außerordentlich erfolgreiches Werk (Genealogien!) sogar eine handschriftliche Renaissance: in farbenprächtige Bilder umgesetzte Auszüge vermittelten im 'Kraichgauer Turnierbuch' (insg. 5 Hss. und Faks. bei KURRAS 1983, 1996) dem eingesessenen Adel die Anfänge des Turnierwesens unter König Heinrich wie, jeweils nach Teilnehmern der Familien sortiert, den Nachweis der frühen Turnierfähigkeit des eigenen Geschlechts. L i t e r a t u r . JOHANN GEORG ESTOR, Neue kleine Schriften. Bd. l, Marburg 1761, S. 331-340; E.

KUPHAL, Ludwig von Eyb der Jüngere (14501521), Arch.f. Gesch. u. Altertumskunde von Oberfranken 33 (1927) 6-58, hier S. 27-39; E. Frhr. v. BERCHEM/ D. L. GALBREATH/ O. HUPP, Beitr. zur Gesch. der Heraldik (Schriftenreihe d. Reichsstelle f. Sippenforschung 3), 1939 (Nachdr. 1972), S. 77-79 (Nr. 56), 86-88 (Nr. 65), 160162; A. v. KELLER (Hg.), Hans Sachs, Bd. 2 (StLV 103), 1870 (Nachdr. 1964), S. 342-352; L. KURRAS, Georg Rixner, der Reichsherold 'Jerusalem', Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 69 (1982) 341—344; K. ARNOLD, Reichsherold u. Reichsreform. Georg Rixner u. die sogenannte 'Reformation Kaiser Friedrichs III.', Hist. Ver. Bamberg. 120. Bericht: Fs. Gerd Zimmermann (1984) 91109; L. KURRAS, Turnierbuch aus der Kraichgauer Ritterschaft. Faksimileausgabe des Cod. Ross. 711 u. Kommentar (Codices e Vaticanis select! LVII), 2 Bde, 1983; dies., Ritter u. Turniere, 1992, S. 1517, 42—45; dies., Das große Buch der Turniere, 1996; K. GRAF, Geschichtsschreibung u. Landesdiskurs im Umkreis Graf Eberhards im Bart von Württemberg (1459-1496), Bll. f. dt. Landesgesch. 129 (1993) 165-193, hier S. 185 Anm. 84; ders., Eberhard im Bart u. die Herzogserhebung 1495, in: 1495: Württemberg wird Herzogtum. Dokumente aus dem Hauptstaatsarch. Stuttgart zu einem epochalen Ereignis, bearb. v. S. MOLITOR. Mit Beitrr. von K. GRAF u. P. SCHÖN, 1995, S. 9-43, hier S. 12 u. Dokument Nr. 6, S. 72; F.-H. HYE, Ausgewählte heraldische Quellen in der Innsbrukker ÜB, Biblos 46 (1997) 295-304.

HELGARD ULMSCHNEIDER 'Di tutsch kronik von Behem lant' Titel der mhd. Versübersetzung der alttschechischen sog. -» 'DalimiP-Chronik [Bd. 2 u. NB], überliefert in Prag, Archiv Prazkeho Hradu (Bibl. des Domkapitels), cod. G 45 (v.J. 1389). Zur Lit. unter -> 'Dalimil' ergänze: P. HiLSCH, Di tutsch kronik von Behem lant. Der Verf. der Dalimilübertragung u. die deutschböhmische Identität, in: Ex libris rerum documentis. Beitr. zur Mediävistik. Fs. f. H. Zimmermann, hg. v. K. HERBERS u.a., 1991, S. 103-115; N. KERSKEN, Geschichtsschreibung im Europa der "nationes" (Münstersche Hist. Forschg.n 8), 1995, S. 583587 (auch mit älterer Lit.) u. ö. (Reg.).

RED. Tylich, Johannes -> 'Meißnische Chronik' [NB] Tylo -* 'Augsburger Cantionessammlung' [NB]

u Ultnannus Angeblich Verfasser des dt. theoalchemischen 'Buchs der Heiligen Dreifaltigkeit'. 1. Ü b e r l i e f e r u n g . BUNTZ, 1972, erfaßte 16 vollständige Hss. und 8 Frgm.e des 15. bis 18. Jh.s, dazu 2 Hss. mit frz. Übers.n. Aus dem 15. Jh. stammen davon: a. Illustrierte Vollfassungen: Berlin, Staat!. Museen Preuß. Kulturbes., Kupferstichkabinett, Ms. 78 A 11, -201 ; St. Gallen, Kantonsbibl., cod. 428; London, Wellcome Institute for the History of Medicine, MS. 164 (einige B11. fehlen; veränderte Reihenfolge der Texte); München, cgm 598; Nürnberg, Germ. Nationalmus., Hs. 80061 [zit. mit SigleN]; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 433 Heimst., 3r-171r. - b. Eine 1433 auf der Cadolzburg bei Nürnberg entstandene (auf Anregung des Nürnberger Burggrafen Friedrich von Hohenzollern für seinen Sohn Markgraf Johann von Brandenburg, 'den Alchimisten'?) geschaffene Fassung: Dresden, LB, Mscr. N 110, lr-153v; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 188 Blank., lr-151v. - c. Die stark abweichende, nicht vollständige Fassung Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen 811, l r —89 r . — d. Exzerpte in Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., HS 299, 77r84r u. 120r-123v. Im Anschluß an BUNTZ entstanden die Verzeichnisse illustrierter 'BdHD'-Überlieferungen von OBRIST (S. 261-275), PUTSCHER (S. 152f.) und Orr (S. 29-42). Bislang unerfaßt blieben: Darmstadt, Hessisches Staatsarchiv, Abt. Cl, Hs. 285,5 (16. Jh.; illustr.); Glasgow, University Library, Ferguson MS. 4 (17. Jh.; illustr.; Cadolzburger Fassung); Hannover, Niedersächs. LB, Ms IV 341, S. 618n, 623a (Anfang 17. Jh.; kurze Auszüge); Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 2° Ms. ehem. 11/4, S. 365 (Anfang 17. Jh.; eine Figur); ebd., 4° Ms. ehem. 72, 291r295r (um 1600; einige fyguren); ebd., 4° Ms. ehem. 82, 24-29 (1. H. 16. Jh.; 'BdHD'-Illustrationen als Sinnbilder für fünf chemische Operationen); Leiden, ÜB, cod. Voss. ehem. F. 29, 24v-32r (Anfang 16. Jh.; Planetenlauf-Tabellen); New Haven/Conn., Yale Univ., Beinecke Library, Mellon Ms. 74 (um 1700; frz. Übers.; illustriert um 1875); Prag, Archiv

mesta Prahy (Archiv der Stadt Prag), rkp 7955 (15. Jh.; illustr.); Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, cod. Pal. lat. 1885 (2. H. 16. Jh.; Bilder). Nach Erwägungen von GANZENMÜLLER (S. 233236) und BUNTZ (1972, S. 159 f.) gelangte PUTSCHER unter Nichtbeachtung von OBRIST zu dem Ergebnis, das Berliner Ms. 78 A 11 biete das Original' (S. 153, 168) bzw. die am 28. Juni 1419 dem Burggrafen Friedrich überreichte Hs. (S. 152); ferner handele es sich bei London, Wellcome Institute, Ms. 164 um ein 'Notizbuch' des (unbekannten) Urhebers der Cadolzburger 'BdHD'-Fassung v.J. 1433 (S. 159f.) und bei der Hs. Nürnberg 80061 um eine Hs., die Kaiser Friedrich III. während seiner Krönung (1442) überreicht worden sei (S. 154f.). Außerdem erblickte man in der Nürnberger Hs. eine Überlieferung, deren Illustrationen unter Aufsicht des Texturhebers entstanden seien (OBRIST, S. 142). Alle diese überlieferungsgeschichtlich weitreichenden Behauptungen entbehren argumentativen Rückhalts. Eine einläßliche kritische Musterung der Gesamtüberlieferung fehlt. Ausgaben. Es existiert keine kritische Ausg. Einen Behelf bietet JUNKER (S. 90-301: Transkription der 'BdHD'-Abschrift in Wolfenbüttel, cod. Guelf. 188 Blank, [stark fehlerhaft]). B i l d w i e d e r g a b e n . 'BdHD'-Bilder gehören zu den heute bekanntesten Zeugnissen der spätmal. Alchimia-picta-Tradition. Bildproben bieten DuVEEN, 1948, BUNTZ, 1970, OBRIST, van Lennep, PUTSCHER, OTT, BACHMANN/ HOFMEIER u. v. a.

2. A u t o r . Das 'BdHD' (auch: Über sancte trinitatis, N, 155vl) u. ö.) stammt von einem Verfasser, der sich in mehreren Selbsterwähnungen der von der junckfrawen ort nannte (55va u. ö.), ein unstetes Wanderleben führte (49ra: ich muste [...] in elende wandern; u. ö.) und sich 1416/17 während des Konzils in Konstanz befand. Er begann seine Schrift 1410; bestimmte Abschnitte datierte er in die Jahre 1415 bis 1419. Während seines Aufenthalts in Konstanz übergab er dem nachmaligen Kaiser Sigmund eine vß geschrift seines Werks

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Ulmannus

(55rb-55va: Dieses buches ein vß geschrift hat [...] keyßer Sygmundus enpfangen zu Constancia in dem heyligen concilia in seine bant von dem der von der junckfrawen ort). Im Jahr 1419 richtete er das 'BdHD' an den Nürnberger Burggrafen Friedrich (VI.) von Hohenzollern und Markgrafen von Brandenburg (155va). Seinen Namen und Stand verrät das 'BdHD' nicht; seine Lebensumstände entziehen sich einer näheren Kenntnis.

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Auch ein von frühneuzeitlichen Autoren erwähnter 'Monachus Ulmensis' wurde mit U. in Zusammenhang gebracht (so z. B. BUNTZ, 1972, S. 151, ohne dies zu begründen). Jedenfalls bietet sich für die Annahme, jener 'vor ungefähr zweihundert Jahren' tätige monachus quodam Vlmae, dem Paracelsus arzneikundliches Wissen verdankt habe (so J. Crato, Brief an Th. Erastus, in: Erastus, 'De medicina [...] Paracelsi'. Tl. 4, Basel 1573, S. 300), sei mit dem 'BdHD'-Verfasser identisch, kein fester Anhalt.

3. I n h a l t . U. bezeichnet das 'BdHD' als ein grosse[s] secreten buch, das wäre astronomia, alchimia, theologia und war prophecia vereine (38va). Tatsächlich bietet das Werk astronomisch-astrologisches Wissen, namentlich tabellarische Angaben über günstige Zeitpunkte für chemische Verrichtungen (49ra-56vb) und vorab etliche Anweisungen zur Alchemia practica (dazu PETERS). In der theologia des U. kommt Lehren über Maria eine wichtige Rolle zu: U. vertritt die Lehre von der 'reinen' (ohne alle Erbsünde erfolgten) Empfängnis Marias, Seit dem 15. Jh. erblickten vereinzelte Maria mit Jesus Christus (N, Tradenten in dem Autor einen Minoriten- identifiziert vb frater namens 'Almannus', aber auch 7 : Als daz er [Christus] ist, daz ist sy, 'Ulmannus' (s. GANZENMÜLLER, S. 240 f.; beide seien ein stuke) und rastatuiert eine BUNTZ, 1972, S. 150-152). Diese bis heute Maria-Hl. Trinität-Einheit (7 : Jhesus, Mageltende Identifikation des Autors ist un- ria, menscheit, gotheit, dy künde sich nie zureichend gesichert. Die Annahme, der niht teilen). Seine prophecia reformuliert Verfasser sei ein 'Niederdeutscher von Ge- den Wunsch nach einem 'Friedenskaiser'; des rechten keysser Fredrick burt' gewesen und habe das 'BdHD' 'ur- die rErwartung rb rb (26 , 125 , 121 f.) zeigt U. in der Tradisprünglich niederdeutsch' geschrieben (GANZENMÜLLER, S. 237f.), blieb unbestä- tion eschatologisch-apokalyptischer Kaidem tigt, ebenso die Ansicht (GANZENMÜLLER, sersagen. Zugleich gilt sein Kampf va S. 241, im Anschluß an PETERS), er habe 'neu geborenen' Antichristen (3 : Ditz buch win engegen entecrist gesetzet zu zum Hofstaat Friedrichs VI. gehört. streytende) und mit ihm auch 'Heiden', Spätestens seit dem 16. Jh. wurde ein 'Johannes 'Juden' und 'Häretikern'; U. verkündet, Ulmannus', Minorit, der zu Konstanz gelebt habe, daß man den teufel vnd menschen antezu den alchemischen Autoren gezählt (AutorenverV crist besiegen und mit seinen gesellen zu zeichnis, m: Wien, cod. 11196 [16. Jh.], 37 ). Zum bösen toden bringen werde (84 ). Endzeit anderen wurden von einem 'Johannes Ulmannus' und Weltgeschichte charakterisiert ein Kurztexte aufgezeichnet: Kassel, Murhardsche Bibl. u. LB, 2° Ms. ehem. 11/4, 395-396 (um Kampf zwischen gut vnd böß (123r). AI1600; mit 'Liber trinitatis'-Nennung); ebd., 4° Ms. chemisches Offenbarungswissen soll in ehem. 60/1,1, 55V (um 1600; mit Vermerk: Ulmandieser 'letzten Zeit' dem 'rechten Kaiser nus [Hinweis von H. Broszinski, Kassel]); NürnFriedrich' Machtmittel an die Hand geben berg, Germ. Nationalmus., Hs 22811, 89v~90r und dem Wohl der 'armen kranken Chri(Anfang 17. Jh.; De materia lapidis ex libro Trinitatis Fr. Joann. Vlmensis [!]); Wolfenbüttel, Hzg. stenheit' dienen. Es besteht manche InterAug. Bibl., cod. Guelf. 74 Blank., 41V-42V (16. Jh.; ferenz zwischen Zielsetzungen des Konstanzer Konzils (Verurteilungen der Lehren 'Practica'). Ein Vergleich dieser Texte mit dem 'BdHD' steht aus. des J. Hus, Reformen), Reichspolitik und

Der Autor des 'BdHD' stilisiert sich mehrfach zu einem Auserwählten Gottes und vngelerten, der auf göttlichen Befehl göttliches Wissen über Wunderwerke offenbare: Zwar habe er sich in czorniger vngedult göttlichem Willen widersetzt (N, 5 rb f.: Ich wolle dez mich anders sere wer en [...], daz got wolte, daz ich vngelerter von der Junkfrawen art ... von gote diß buch ... enphahen sollte), auch hätten ihn dy tewfel wegen seines Schreibens gepeinigt (3 rb ); Gott aber habe mit seinem heiligen czwange durchgesetzt, daß er hier Innen lese vnd schreibe und diss buch gottez von Gott zu leben empfing (5 rb f.).

1577

Ulmannus

den Intentionen des Verfassers. Letztlich zielen alle Lehren seines Werks auf die Frage, wie auß der gotheit jn die nature und umgekehrt zu wurcken sei (59rb). Zur Antwort verknüpft U. mit Hilfe von Allegorien christliche mit alchemischen Lehren. Analogische Verschränkungen naturkundlicher und religiöser Doktrinen (Stein der "Weisen/Hl. Trinität; chemische Vorgänge/Passion Christi) und alchemische Deutungen christlich-theologischer Überlieferung (Auferstehung Christi/Vollendung des Opus alchemicum; Evangelistenattribute/aristotelische Elemente) sichern dem 'BdHD' als einem frühen Werk chymischen Christentums in der dt. Alchemieliteratur einen singulären Rang. Die Nennung alchemischer Autoritäten (99r, 101": Aristoteles, Hermes [Trismegistus]; 150V: Albertus Magnus), ein Zitat aus der -> 'Tabula smaragdina' (99s) oder Similien (Dictum vom Drachen, 99r: -> 'Rosarium philosophorum', Frankfurt/M. 1550, S. K. 2V; Dictum vom Fermentum, 38rb: ebd., S. O. 4V) verraten enge textliche Abhängigkeiten von Alchemica. Auch die Lehre von den sieben Todsünden bzw. Tugenden und andere ursprünglich nichtalchemische Aufbauteile (s. den quellenkundlichen Vorstoß von GANZENMÜLLER, S. 253268) lassen an der Traditionsgebundenheit des Verfassers keine Zweifel, doch sind deren Ausmaße noch weitgehend ungeklärt. Die Illustrationen setzen sich aus konventionellen Bildtypen der christlich-sakralen Kunst (Gottvater-, Christus-, Marienbilder, Evangelistensymbole), einem Rad der Planeten bzw. Tugenden (N, 8 r ), einem Lehrschema und Darstellungen alchemischer Gerätschaften zusammen. Hinzu kommen vier markante Frühformen theoalchemischer Sinnbildkunst: (1) eine forma speculi trinitatis (24V: gekreuzigter Doppeladler-Christus); (2) eine figura speculi sancte trinitatis (26r: Krönung Mariae durch die Trinität; dazu Doppeladler-Christus); (3) ein Rex noster dyademate coronatus (99r: alchemischer Hermaphrodit); (4) eine figur der grausanlikeit des ewigen todes (100r: hermaphroditischer Antichristus). Im Kontext wird für alle Bilder ein alchemischer Sensus statuiert. Beschreibungen des Bildbestandes ausgewählter Überlieferungen bieten DUVEEN (1948), OBRIST, PUTSCHER (S. 161-168) und OTT.

Dispositionelle Wirrnisse, eine assoziative Reihung inhaltlich heterogener Aufbauteile, kompilatorische Rauheiten und unklare Text-Bild-Bezüge machen das

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'BdHD' für heutige Leser zu einem ungewöhnlich opaken Gebilde. Ferner verursachen eine streckenweise vertrackte Syntax, etwa ein auffällig häufiger Apokoinu-Gebrauch (BiRKHAN, S. 50), Übergänge in eine Art Telegrammstil, Buchstabensymbolik, allegoristische Analogisierungen und andere darstellerische Eigenarten manche Verständnisschwierigkeiten, so daß die Ansicht aufkam, es handele sich bei dem 'BdHD' um ein 'schizophrenes Geistesprodukt' (so unter Vorbehalt HARTLAUB, 1991, S. 117), ja um das Dokument eines 'ziemlich vollendeten Wahnsystems' (PUTSCHER, S. 158), das an 'schizophasische Befunde' erinnere (BiRKHAN, S. 47). Einer solchen Pathologisierung widerstreiten indes die nüchtern-sachlichen Anweisungen zur laborantischen Praxis, aber auch viele durchaus zeitübliche Darlegungen theologisch-religiösen Inhalts oder die konventionell gefaßten astronomisch-astrologischen Tabellen.

4. Wirkung. Eine Vollfassung des Werkes gelangte nicht in den Druck; allerdings suchte der Drucker J. Petreius zu editorischen Zwecken nach 'Liber trinitatis'Zeugnissen (De alchemia, Nürnberg 1541, S. 374 f.; ein knapper Auszug ist gedruckt bei F. KIESER, in: Concordantia chymica, Mühlhausen 1606, S. 241-251: Practica ex libris Trinitatis}. Die bislang bekannten Überlieferungen, aber auch ein Angriff des Görlitzer Alchemikers Georg -> Klet auf U.' 'Geschwätz und Lügen' (um 1500) weisen indes auf eine beachtliche Präsenz unter frühneuzeitlichen Alchemikern. Sie wurde durch den (im 15. Jh. erfolgten) Übergang mancher 'BdHD'-Bilder in zwei wirkmächtige Frühzeugnisse der dt. Alchimia-picta-Tradition beträchtlich intensiviert: 1. in eine Fassung des Bildgedichts -> 'Sol und Luna' (erstmals gedruckt im 'Rosarium philosophorum', Frankfurt/M. 1550), und 2. in die Text-Bild-Sammlung -> 'Vera scientia alchimiae' (erstmals gedruckt in der 'Pandora', hg. v. H. REUSNER, Basel 1582). Die weitgreifende Ansicht, daß zwischen dem 'BdHD' und der Entstehung der Paracelsischen Drei-Prinzipien-Lehre ein enger Zusammenhang bestehe (ÜAEMS, 1993), ist unzureichend gesichert. Frühneuzeitliche Rezeption ist jedoch mehrfach festzustellen: Vgl. Anonymus, Liber de arte chemica, in: Ars aurifera, Tl. l, Basel 1572, Kap. 17, S. 666; H. Jamsthaler, Viatorium spagyricum,

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'Ulmer Annalen' und 'Ulmer Chronik'

Frankfurt/M. 1625, S. 195-197; R. Egli, Cbeiragogia Heliana, Marburg/L. 1612, S. 72-74; Hermetico-Spagyrisches Lustgärtlein, Frankfurt/M. 1625; C. Hörn, Dedikation, in: Bernardus Trevisanus, Schrifften, Nürnberg 1643, S. B 3; J. C. Creiling, Die [...] Jungfrau Alchymia, Tübingen 1730, S. 391. L i t e r a t u r . H. PETERS, Die Chemie des Markgrafen Friedrich I. v. Brandenburg, Mitt. aus dem germ. Nationalmus. Jg. 1893, S. 98-108; D. DuVEEN, Notes on some Alchemical Books, in: The Library Serie V/Bd. 1 (Transactions of the Bibliographical Society III/l), 1947, S. 56-61, hier S. 58 f.; ders., Le Livre de la Tres Sainte Trinite, Ambix3 (1948) 26-32; W. GANZENMÜLLER, Das 'BdHD', AKG 29 (1939) 93-146, Nachdr. in: ders., Beitr. zur Gesch. d. Technologie u. d. Alchemie, 1956, S. 231-272 (grundlegend); G. F. HARTLAUB, Der Stein der Weisen. Wesen u. Bildwelt der Alchemic (Bibl. d. Germ. National-Museums z. dt. Kunst- u. Kulturgesch. 12), 1959, S. 25, Abb. 714; H. BUNTZ, Dt. alchimistische Traktate des 15. u. 16. Jh.s, phil. Diss. München 1968, S. 24-38; ders., Die europäische Alchimie vom 13. bis zum 18. Jh., in: E. E. PLOSS u. a., Alchimia. Ideologie u. Technologie, 1970, S. 164-169; ders., Das 'BdHD'. Sein Autor u. seine Überl., ZfdA 101 (1972) 150-160; M. NOIZE, Le Grand CEuvre, liturgie de Palchimie chr6tienne, Revue de l'histoire des religions 186 (1974) 149-183, hier S. 154156; J. TELLE, Sol u. Luna. Literar- u. alchemiegeschichtl. Stud, zu einem altdt. Bildgedicht (Schr.n z. Wissenschaftsgesch. 2), 1980, s. v.; B. OBRIST, Les debuts de l'imagerie alchimique (XIV e —XV e siecles), Paris 1982, S. 117-182, 261-275 (grundlegend); J. VAN LENNEP, Alchimie. Contribution ä l'histoire de l'art alchimique. Deuxieme edition revue et augmentee, Brüssel 1985, S. 70-78; M. PUTSCHER, Das 'BdHD' u. seine Bilder in Hss. des 15. Jh.s, in: CH. MEINEL (Hg.), Die Alchemic in der europäischen Kultur- u. Wissenschaftsgesch. (Wolfenbütteler Forschg.n 32), 1986, S. 151-178; U. JUNKER, Das 'BdHD' in seiner zweiten, alchemistischen Fassung (Kadolzburg 1433) (Kölner med.hist. Beitr. 40), 1986; G. F. HARTLAUB, Signa Hermetis. Zwei alte alchemistische Bilderhss. (1937), in: ders., Kunst u. Magie. Gesammelte Aufsätze, hg. v. N. MILLER (Veröff. d. dt. Akademie f. Sprache u. Dichtung Darmstadt 65), 1991, S. 112-143, hier S. 115-126; N. H. OTT, in: Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. des MAs l, 1991, S. 29—42; I. FLOR, Die Krönung Mariae u. der 'Christus-Adler'. Zur Herrschaftssymbolik spätmal. Endzeitprophetie. Die Marienkrönungsminiatur im BdHD des Franziskaners Ulmannus, Umeni 40 (1992) 392-412; W. F. DAEMS, 'Sal-Merkur-Sulfur' bei Paracelsus u. das 'BdHD' (1982), in: ders.,

1580

'Denn der Himmel ist der Mensch, und der Mensch ist der Himmel' ... Paracelsica, Dornach 1993, S. 28-57; H. BIRKHAN, Das alchemistische Zeichen. Allgemeines zur wissenschaftl. Axiomatik der Alchemic u. Spezielles zum BdHD, in: S. ZIELINSKI (Hg.) unter Mitarb. v. A. HUEMER, Keith Griffiths, The Presence, Graz o. J. [1994], S. 40—53; M. GABRIELE, Alchimia e Iconologia, Udine 1997, S. 45-48; M. BACHMANN/ . HOFMEIER, Geheimnisse der Alchemic, Basel 1999, S. 114-123; J. J. BERNS, Aquila Biceps. Die mnemotechnische Belastbarkeit des Reichsadlers u. das Problem der Schemaüberblendung, in: J. J. BERNS/ W. NEUBER (Hgg.), Seelenmaschinen. Gattungstraditionen, Funktionen u. Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten MA bis zum Beginn der Moderne, 2000, S. 407-461, hier S. 418-425 (zum Doppeladler-Christus).

JOACHIM TELLE 'Ulmer Annalen' und 'Ulmer Chronik' Anders als das benachbarte Augsburg (->· Augsburger Stadtchroniken [NB]) weist die Reichsstadt Ulm nach Ausweis der Überlieferung keine umfangreiche mal. Stadtchronistik auf. Der 'Tractatus de civitate Ulmensi' des Ulmer Dominikanermönchs Felix ->· Fabri (um 1490 entstanden) ist eher eine gelehrte Stadtbeschreibung, nicht chronologisch, sondern thematisch angeordnet. Warum Fabri den Ulmer Bürgermeister Hans -» Neithart, den Übersetzer der 1486 in Ulm gedruckten Terenzausgabe, litteratus historiographies nennt, ist unbekannt. P. AMELUNGS Vermutung, Neithart habe als Redaktor bei der Ausgabe des -» Lirer und der -» 'Gmünder Chronik' (besser 'Gmünder Kaiserchronik') gewirkt und könnte für die Fortsetzung der Gmünder Chronik bis 1462 (-» 'Stuttgarter Stiftschronik') verantwortlich gewesen sein ( 2 VL 6, Sp. 902 f.), ist nicht beweisbar. Bislang noch nicht untersucht sind die im Ulmer Dominikanerkonvent entstandenen chronikalischen Nachträge (1475 — 1496) zu einer Chronik der Generalmagister des Dominikanerordens (Wien, cod. 1507, 244va245va [nach Mitt. H. Weigl]), die Fabri mehrfach in auffälliger Weise erwähnen. Der Schwerpunkt dieser lat. Notizen liegt allerdings nicht auf der Ulmer Stadtgeschichte, sondern auf der des Dominikanerkonvents.

Obwohl eher bescheidene Texte, verdienen die im folgenden vorgestellten dt.

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'Ulmer Annalen' und 'Ulmer Chronik'

Zeugnisse als Reste eines sicher größeren Bestands mehr Beachtung als bislang. 1. Als 'Ulmer Annalen' können zwei kurze, in Hss. des 15. Jh.s enthaltene dt. Notizenreihen zum 14./15. Jh. angesprochen werden, deren Nachrichten sich teilweise überschneiden. Ü b e r l i e f e r u n g . Karlsruhe, LB, cod. St. Georgen 71, 147V-148V; Wien, cod. 2908 (datiert 1477), 189V-190V. Ausgabe. F. J. 229 f. (nach Karlsruhe).

, AnzfKdVz 3 (1834)

Während die Karlsruher Reihe von 1397 bis 1487 reicht, betrifft die Wiener die Jahre 1300 bis 1452. Beide haben lokalhistorischen Schwerpunkt, weisen aber auch einzelne Notizen zur Geschichte Schwabens und des von Ulm angeführten Städtebündnisses auf. Die Karlsruher Nachrichten beginnen mit: Item es ist ze wissen, das vor vil ziten ze Ulm und auch in disen landen grössi ding beschechen sint. Es folgt die auf 1307 datierte Ermordung der Ulmer Zunftmeister (in Wien an zweiter Stelle mit dem Datum 1314), gleichsam der gewaltsame Stiftungsakt der Zunftverfassung. Es gibt Indizien, daß der Ulmer Chronist Sebastian Fischer in der Mitte des 16. Jh.s neben der 'Ulmer Chronik' noch auf weitere Aufzeichnungen in der Art der 'Ulmer Annalen' zurückgreifen konnte. Chronikalische Nachrichten zum Flüßchen Blau 1461/62 entnimmt er jedenfalls uß einer gar alten gschryfft (ed. VEESENMEYER, S. 41).

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Annalen'. Er verweist ebenso wie deren beiden Textzeugen auf historiographische Bemühungen von Ulmer Bürgern im SpätMA, die v. a. in kürzeren annalistischen Aufzeichnungen ihren Niederschlag gefunden haben dürften. PFEIFER vermutete, der nach 1476 verstorbene Ulmer Maler Hans Haller genannt Moser könne der Verfasser gewesen sein, da in der um 1700 entstandenen Chronik Johann Georg Vischers Haller als eine der Hauptquellen für die Zeit vor Fabri namhaft gemacht werde. Zur Überprüfung dieser Hypothese wäre aber das ganze auf das SpätMA bezogene Nachrichtengut der frühneuzeitlichen Ulmer Chronistik zu sichten. Dabei hätte man auch die Frage zu klären, ob die in der aus dem 17. Jh. stammenden Hs. Ulm, Stadtarchiv, G 1/1630.2 (14 Bll.) enthaltenen Ulmer Nachrichten zu den Jahren 1137, 1352-1462, 1490-1492 auf ein mal. Geschichtswerk zurückgehen oder eine frühneuzeitliche Kompilation darstellen.

In SEUFFERS Hs., von der die Ehingersche nicht abweicht, setzt die Chronik mit der Grundsteinlegung der Pfarrkirche (der gleichen nit in Schwaben war) angeblich im Jahr 600 ein, um rasch zu einer stadtgeschichtlichen Notizenreihe überzuwechseln, die wieder mit den erschlagenen Zunftmeistern (hier 1311) beginnt und bis 1474 (verschrieben: 1374) reicht. Schwerpunkt sind die Fehden, in die der bedeutende Vorort der niederschwäbischen Städte verwickelt war. Es folgt als ausführlichstes Stück eine schwankhafte Belagerungserzählung (SEUFFER, S. 31 f.): Kaiser Karl IV. bricht 1377, als die Ulmer Nahrungsmittelüberschuß vortäuschen (ein weitverbreitetes Erzählmotiv), die Belagerung ab. Nach2. 'Ulmer Chronik'. richten zu 1458 — 1462 schließen sich an (S. 32f.), wobei ausführlich über den Ü b e r l i e f e r u n g . J. W. F. Seuffers Hs. (verschollen, Anf. 16. Jh.); Ulm, Stadtarchiv, G 1/1529 Reichskrieg von 1462 berichtet wird. Der (geschrieben von Hans Ehinger 1529). — Wörtliche folgende Quaternionentext über die GlieÜbernahme in Sebastian Fischers Chronik, v. a. die derung des Reiches (S. 33 f.) ist aufgenomPassage VEESENMEYER, S. 43-45. men, da Ulm zu den 'vier Dörfern' des ReiAusgabe. J. W. F. SEUFFER, Anonyme Chronik ches zählte. Das nächste Stück (S. 34) ohne von Ulm. Nach einer Hs. aus dem Anfang des XVI. eine einzige Jahreszahl war wohl schon für Jh.s, Verh. d. Ver. f. Kunst u. Alterthum in Ulm den zeitgenössischen Leser ein verwirrenu. Oberschwaben NF 3 (1871) 29-36 (nach der der Zusatz: ein bruchstückhafter Auszug eigenen Hs.; zit.). aus einer offenbar sonst nicht bekannten Der bis 1474 reichende Text nimmt, wie bayerischen Chronik über Ludwig den Verstöße gegen die Chronologie und Du- Bärtigen von Bayern-Ingolstadt und seinen bletten zeigen, unterschiedliches älteres Sohn Ludwig den Buckligen, der den Vater Nachrichtengut auf, u. a. aus den 'Ulmer absetzte (Berichtszeitraum 1419-1445).

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Ulrich von Türheim — Ulrich von Zell

Ohne Kennzeichnung beschließt eine in Unordnung geratene Abschrift der -» 'Scheyerer Fürstentafel' (S. 34—36) die Hs., also ebenfalls ein der Historiographie der Wittelsbacher zuzuordnender Text. Indem die Chronik in ihrem stadtgeschichtlichen Teil erfolgreich bewältigte Gefahren thematisiert, ist sie so etwas wie ein Spiegel des Selbstbewußtseins einer der mächtigsten obd. Städte am Ende des MAs. L i t e r a t u r . F. PRESSEL, Der ulmische Chronist Sebastian Fischer, Verh. d. Ver. f. Kunst u. Alterthum in Ulm u. Oberschwaben NF 2 (1870) 110; Sebastian Fischers Chronik bes. von Ulmischen Sachen, hg. v. K. G. VEESENMEYER, 1896; H. BETZ, Die Reichsstadt Ulm im Lichte ihrer frühen Geschichtsschreibung, Schwäbische Heimat 5 (1954) 180-184; V. PFEIFER, Die Geschichtsschreibung der Reichsstadt Ulm von der Reformation bis zum Untergang des Alten Reiches, 1981, S. 14; K. GRAF, Schlachtengedenken in der Stadt, in: Stadt u. Krieg, hg. v. B. KIRCHGÄSSNER/ G. SCHOLZ, 1989, S. 83-104, hier S. 94, 98 f.

KLAUS GRAF Ulrich von Türheim [Korr.] Bd. 10, Sp. 31, zu III., Überl. Mitte: "*S: Hamburg, SB u. ÜB [verschollen, Kopie v. J. 1722 ebd., cod. ms. germ. 12 = S]" korr.: Die elsäss. Hs. des 15. Jh.s (*S) war nicht in Hamburg, SB u. ÜB, sondern ehemals im Privatbesitz von Joh. Georg Scherz, Straßburg; sie ist nach wie vor verschollen (wahrscheinlich 1870 verbrannt). Die im Auftrag Z. C. von Uffenbachs erstellte Hamburger Kopie von 1722, cod. germ. 12, ist wieder zurück in der SB/ÜB Hamburg. Vgl. E. HORVÄTH u. H.-W. STORK (Hgg.), Von Rittern, Bürgern u. von Gottes Wort. Volkssprachige Lit. in Hss. u. Drucken aus dem Besitz der SB u. ÜB Hamburg [Ausstellungskatalog], 2002, S. 74 f. Nr. 27 u. S. 142f. Anm. 189-202.

Ulrich von dem Türlin [Korr.] Bd. 10, Sp. 42 Z. 16 von unten: "Frgm. Nr. 18" korr.: Frgm. Nr. 16.

Ulrich von Zell (von Cluny, von Regensburg) I. Leben. Hauptquelle zu U.s Biographie sind zwei Lebensbeschreibungen, die wohl in kurzem zeitlichem Abstand im zweiten Jahrzehnt des 12. Jh.s

1584

entstanden sind. Von der in Regensburg von -> Paul von Bernried und seinem Freund Gebhard im Auftrag eines Inklusen Adalbert verfaßten Vita prior (BHL 8369) sind nur Bruchstücke überliefert, die in einem Lektionar aus St. Blasien (St. Paul im Lavanttal, Stiftsbibl., cod. membr. 79/1, 12./ 13. Jh.) und im Nachlaß des Weingartener Mönches Gabriel Bucelin (Stuttgart, LB, HB V 4 a) erhalten geblieben sind; Bucelin (t 1681) lag noch der vollständige Text in einer seitdem verschollenen Hs. aus St. Trudpert im Schwarzwald vor (FUHRMANN, S. 374f.; STRATMANN, S. 132—171). Die vollständig, aber anonym tradierte Vita posterior (BHL 8370) ist ebenfalls nur in frühneuzeitlichen Kopien auf uns gekommen (Paris, Bibl. nat., ms. lat. 11773, v.J. 1561 und Stuttgart LB, HB I 66, v. J. 1592); sie dürfte entgegen neueren Forschungsmeinungen (STRATMANN, S. 259 ff.; TUTSCH, 1998, S. 17) doch in der Nähe von U.s letztem Wirkungsort, St. Ulrich/Zell im Möhlintal, entstanden sein, da der Verf. sich mehrfach auf das Zeugnis namentlich genannter Mönche dieses Cluniazenserpriorats berief und die meisten der berichteten Wunder in unmittelbarer Umgebung der Begräbnisstätte U.s angesiedelt sind. Außer den beiden Viten bieten der Anonymus Mellicensis (-» Wolfger von Prüfening), Kap. 110, die 'Constitutiones Hirsaugienses' (-» Wilhelm von Hirsau), die 'Vita Herlucae' und die Briefe des -» Paul von Bernried sowie nicht zuletzt die epistola nuncupatoria und die Proömien zu U.s Consuetudines wichtige Nachrichten zu seinem Leben und Wirken.

U. wurde 1029 als einziger das Kindesalter überlebender Sohn vornehmer Eltern in Regensburg geboren, wo der junge König Heinrich III. als sein Taufpate fungierte; sein Vater Bernold war ein Bruder Bischof Nitkers von Freising (1039-1052), über seine schwäbische Mutter Bucca, eine Nichte Bischof Gebhards II. von Regensburg (1023 — 1036), war er wohl mit dem hl. Ulrich von Augsburg verwandt. Früh zum Kleriker bestimmt, wurde er in der Schule von St. Emmeram ausgebildet, die damals unter der Leitung -> Otlohs [NB] eine Blütezeit erlebte; hier lernte er den gleichaltrigen -> Wilhelm von Hirsau kennen. Um 1043 wurde er, mit den niederen Weihen versehen, in die königliche Hofkapelle aufgenommen, doch sollte seine Karriere als Hofkaplan schon bald ein jähes Ende finden, als sein Vater Bernold im Juli 1044 des Hochverrats überführt und hingerichtet wurde. U. wurde zunächst von

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Ulrich von Zell

seinem Onkel Nitker mit dem Archidiakonat und der Dompropstei von Freising ausgestattet, verzichtete aber schon nach einigen Jahren auf diese Ämter, um eine Wallfahrt nach Jerusalem anzutreten. 1052, nach dem Tode seines Onkels, vom Hl. Land zurückgekehrt, versuchte er zunächst vergeblich, wieder in den Besitz seiner Freisinger Pfründen zu gelangen, und zog sich dann in seine Vaterstadt Regensburg zurück, wo er ein Domkanonikat inne hatte. Hier wollte er auf seinem väterlichen Erbe bei der Magnus-Kirche ein Kloster gründen, doch ist dieses Projekt am Widerstand der Regensburger Bischöfe gescheitert. Ein neuer Lebensabschnitt begann für U., als er im Frühjahr 1061 gemeinsam mit dem Regensburger Domscholaster Gerald, der später als Kardinalbischof von Ostia ein enger Mitarbeiter Papst Gregors VII. werden sollte, endgültig die Donaustadt verließ, um nach einer Pilgerreise nach Rom in Cluny unter Abt Hugo I. (1049— 1109) die Ordensgelübde abzulegen. Zum Priester geweiht, wurde er bald zum Sekretär des Abtes und zum Beichtvater der Mönche berufen und wirkte dann zwischen 1065 und 1070 als Claustralprior im Cluniazenserinnenkloster Marcigny. Als er dieses Amt wegen eines Augenleidens aufgeben mußte, kehrte er zunächst nach Cluny zurück, wurde aber schon um 1072 mit der Gründung des ersten cluniazensischen Priorats im deutschsprachigen Raum in Rueggesberg (Schweiz, Kt. Bern) betraut. Um 1075 war er kurz als Prior in Payerne (Peterlingen) tätig, mußte aber dieses Amt bald wegen massiver Auseinandersetzungen mit dem Bischof von Lausanne aufgeben. Als Vertrauter seines Abtes wurde U. mehrfach mit politischen Aufträgen nach Deutschland entsandt, u. a. auch an den Hof Kaiser Heinrichs IV.; 1084 wirkte er gemeinsam mit Kardinal Odo von Ostia, dem späteren Papst Urban II., bei der Wahl Bischof Gebhards III. von Konstanz mit. Danach war er v. a. in der Basler Diözese für die cluniazensische Reform tätig; ein in Rimsingen errichtetes Cluniazenserpriorat wurde unter U.s Leitung zunächst nach Grüningen verlegt,

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fand aber erst nach einem Gütertausch, der mit Bischof Burkard von Basel am 5. Juni 1087 abgeschlossen wurde, in der cella im Möhlintal (dem heutigen St. Ulrich) seinen endgültigen Standort. In dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Bollschweil gründete U. um 1090 nach dem Vorbild Marcignys ein cluniazensisches Frauenkloster. In seinem Priorat ist er am 14. Juli 1093 völlig erblindet verstorben und wurde zunächst innerhalb des Klosterbezirkes begraben. Auf Anweisung des Abtes Hugo von Cluny wurden U.s Gebeine später in einem feierlichen Akt in die Klosterkirche übertragen und dort vor dem Kreuzaltar beigesetzt. II. Werke. 1. 'Consuetudines Cluniacenses'. Ü b e r l i e f e r u n g . Nach TUTSCH, 1996, S. 252 und ders., 1998, S. 7, sechs vollständige Hss., von denen zwei aus Cluny selbst stammen (Paris, Bibl. nat., ms. lat. 18353 [11. Jh.] und ms. lat. 117321 und II [17. Jh.]); eine weitere Hs. enthält nur eine Bearbeitung des dritten Buches. Von der an Wilhelm von Hirsau gerichteten epistola nuncupatoria ist nur ein Textzeuge bekannt. Die Hss. weisen z. T. signifikante Textabweichungen auf und wurden mitunter den örtlichen Gegebenheiten angepaßt oder durch andere Vorlagen ergänzt. U.s Werk bildet über weite Strecken die Grundlage der 'Constitutiones Hirsaugienses', von denen bislang 17 Hss. bekannt geworden sind (-> Wilhelm von Hirsau). Nach dem Zeugnis des Anonymus Mellicensis, Kap. 110 war die Schrift im 12. Jh. weit verbreitet (Preterea scripsit volumen consuetudinum Cluniacensium monachorum, quod pene legitur ubique terrarum). A u s g a b e n . L. D'ACHERY, Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum qui in Galliae bibliothecis delituerant [...], Bd. l, Paris 1723, S. 641-703, danach PL 149, Sp. 635-778.

Mit der Abfassung der 'Bräuche' Clunys kam U. einem Wunsch seines Jugendfreundes Wilhelm von Hirsau nach, den er 1079 zweimal im Schwarzwald besucht hatte. Bald danach dürfte er in Cluny das umfangreiche, in Form eines allerdings nicht ganz durchgehaltenen Dialoges mit Wilhelm geschriebene Werk in Angriff genommen haben, das spätestens 1084 dort abgeschlossen wurde (WOLLASCH, 1993, S. 342). Zur selben Zeit war in Cluny der

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Ulrich von Zell

Mönch Bernhard mit der Niederschrift des Abt Hugo gewidmeten Ordo Cluniacensis' (hg. v. M. HERRGOTT, Vetus disciplina monastica [...], Paris 1726, S. 375 —570) beschäftigt, dessen Text teilweise mit U.s 'Consuetudines' wörtlich übereinstimmt. Das Verhältnis der beiden Schriften zueinander ist umstritten. Nachdem man lange von der Priorität von Bernhards Werk ausgegangen war (HALLINGER, 1959), konnten neuere Forschungen zeigen, daß beide Texte gleichzeitig unter Benutzung einer gemeinsamen, nicht erhaltenen Vorlage entstanden sein dürften, aber unterschiedliche Ziele verfolgten; während Bernhards Ordo' für die Verwendung in Cluny selbst bestimmt war, um bei Kontroversen über die Regelauslegung im Konvent als Nachschlagewerk zu dienen, waren U.s 'Consuetudines' als flexible Orientierungshilfe für den Export nach Hirsau bestimmt, wo auf Empfehlung des päpstlichen Legaten, Abt Bernhard von St. Victor in Marseille, eine Reform nach cluniazensischem Muster durchgeführt werden sollte (WoLLASCH, 1993, TUTSCH, 1998). In der zeitgenössischen Rezeption wurden beide Aufzeichnungen zu den Bräuchen Clunys als komplementäre Einheit aufgefaßt (TuTSCH, 1996 u. 1999). U.s Werk ist in drei Bücher eingeteilt, die jeweils mit einem Proömium eingeleitet werden. Die Disposition des Stoffes wird in dem Begleitschreiben an Wilhelm von Hirsau (epistola nuncupatoria] angekündigt, in welchem auch nachdrücklich auf die Funktion der Kapitelüberschriften hingewiesen wird, die dem Leser eine schnelle Orientierung ermöglichen sollen. Das 1. Buch handelt über die Liturgie im Lauf des Kirchenjahres (de opere divino], wobei die Gründonnerstagsfeier als Ausgangspunkt dient. Das 2. Buch befaßt sich mit der Novizenausbildung (de eruditione noviciorum] und erörtert Fragen der Klosterdisziplin von der Tischlesung bis zu der Aderlaßpraxis und dem Küchendienst. Das 3. Buch über die 'Gehorsamsleistungen' (de obedientns] beschreibt zunächst Ämterorganisation und Verwaltungspraxis und endet mit der letzten obedientia, dem vorbildlichen Sterben der Mönche und des Abtes. U.s 'Consuetu-

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dines' bieten — gemeinsam mit den gleichzeitigen Aufzeichnungen Bernhards — ein anschauliches und umfassendes Gesamtbild der Lebensgewohnheiten Clunys auf dem Zenith seiner Bedeutung als monastischer Reformmittelpunkt in Europa. Das Werk zeichnet sich durch eine stringente Systematik und sprachliches Geschick aus; besondere Beachtung verdienen auch gelegentlich eingeflochtene persönliche Bemerkungen des Verf.s, der mitunter an einzelnen cluniazensischen Bräuchen Kritik übt. 2. Verlorene Werke. Nur dem Anonymus Mellicensis, Kap. 110, ist die Nachricht zu verdanken, daß U. eine Lebensbeschreibung und Grabschrift des Zähringer Markgrafen Hermann I. von Verona, des Stammvaters der späteren Markgrafen von Baden, geschrieben hat (Composuit quoque vitam et epitaphium sancti Herimanni ex marchione monachi, filii ducis Berthaldi, fratris Gebehardi Constantiensis episcopi). Hermann hatte 1073 noch in jugendlichem Alter seine Frau und seinen unmündigen Sohn verlassen, um Mönch in Cluny zu werden, wo er bereits im Jahr darauf verstarb. U.s ausgedehnter Briefwechsel wird sowohl vom Melker Anonymus als auch von der Vita posterior, Kap. 19, erwähnt, doch hat sich außer der auch vom Anonymus verbuchten epistola nuncupatoria an Wilhelm von Hirsau nichts davon erhalten. L i t e r a t u r . WATTENBACH/HoLTZMANN, Geschichtsquellenll, S. 386-393 u. 550-552; E. HAUVILLER, Ulrich v. Cluny (Kirchengeschichtl. Stud. 3,3), 1896; K. HALLINGER, Klunys Bräuche zur Zeit Hugos des Großen, ZRG Kanon. Abt. 45 (1959) 99-140; H. On, Probleme um Ulrich v. Cluny, Alem. Jb. (1970) 9-29; E. M. WISCHERMANN, Marcigny-sur-Loire. Gründungs- u. Frühgesch. des ersten Cluniacenserinnenpriorates (1055 — 1150) (MMS 42), 1986; H. FUHRMANN, Neues zur Biographie des U. v. Z. (f 1093), in: Person u. Gemeinschaft im MA. Fs. Karl Schmid, 1988, S. 369378; M.-C. GARAND, Les plus anciens temoins conserves des 'Consuetudines Cluniacenses' d'Ulrich de Ratisbonne, in: Scire litteras. Forschungen zum mal. Geistesleben (Bayer. Ak. d. Wiss.n, Philos.hist. KL, Abhh. NF 99), 1988, S. 171-179; W. STRATMANN, Gabriel Bucelin u. die Vita des U. v. Z., Diss. (masch.) Regensburg 1988; F. FUCHS, Bildung u. Wissenschaft in Regensburg. Neue Forschungen u. Text aus St. Mang in Stadtamhof (Beitr. z. Gesch. u. Quellenkunde d. MAs 13), 1989, S. 17f. u. S. 23—28; K. SCHMID, Vom Werdegang des badischen Markgrafengeschlechtes, ZGO 139 (1991)

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'Die undankbare Wiedererweckte' — 'Von der unnutzen zungen'

45-77; J. WOLLASCH, Zur Verschriftlichung der klösterlichen Gewohnheiten unter Abt Hugo v. Cluny, FMSt 27 (1993) 317-349; A. KOHNLE, Abt Hugo v. Cluny (1049-1109) (Beih. der Francia 32), 1993, S. 41-43 u. 140-143; G. MICHIELS, Art. 'Ulrich de Cluny/Zell', in: Diet. Spir., Bd. 16, 1994, Sp. 24 f.; J. WOLLASCH, Cluny - "Licht der Welt". Aufstieg u. Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft, 1996, S. 150, 156 f. u. 252-265; B. TUTSCH, Die Consuetudines Bernhards u. Ulrichs v. Cluny im Spiegel ihrer Überl., FMSt 30 (1996) 248-293; E. TREMP, Art. 'U. v. Z.', in: Lexikon d. MAs, Bd. 8, 1997, Sp. 1205 f.; B. TUTSCH, Stud, zur Rezeptionsgesch. der Consuetudines Ulrichs v. Cluny (Vita regularis 6), 1998; A. KOHNLE, Cluniazenserklöster u. ihre Stifter in Deutschland, der Schweiz u. im Elsaß, in: G. CONSTABLE u. a. (Hgg.), Die Cluniazenser in ihrem politisch-sozialen Umfeld (Vita Regularis 7), 1998, S. 469-484; B. TUTSCH, Zur Rezeptionsgesch. der Consuetudines Bernhards u. Ulrichs von Cluny, in: H. KELLER u. a. (Hgg.), Schriftlichkeit u. Lebenspraxis im MA (MMS 76), 1999, S. 79-94; B. HENZE, Art. 'U. v. Z.', in: LThK, Bd. 10,32001 Sp. 360; W. BERSCHIN. Biographie u. Epochenstil im lat. MA IV/2, 2001, S. 513-515; F. LAMKE, Die Viten des U. v. Z. Entstehung, Überl. u. Wirkungskontext, in: in frumento et vino optima. Fs. f. Thomas Zotz zum 60. Geb., hg. v. H. KRIEG u. A. ZETTLER, 2004, S. 163-180.

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Ü b e r l i e f e r u n g . Straßburg, Bibl. nat. et. univ., ms. 2205 (olim L germ. 247.8E), Sammelhs. (frgm.), 3 V —6 V . Abgesehen von kleineren punktuellen Lücken in einzelnen Versen ist bei 'V. d. u. z.' der Textbestand möglicherweise am Ende unvollständig. Ausgabe. K. A. BARACK, Bruchstücke mhd. Gedichte in der ÜB u. LB zu Strassburg, Germ. 25, NF 13 (1880) 161-191, hier S. 188-190; danach RÖHRICH, S. 113 f. (nur 85 vv).

Anhaltspunkte zur genaueren Datierung und Lokalisierung des im 14. Jh. wohl in Bayern aufgezeichneten Textes fehlen. In einem Einleitungsteil (v. 1—57) wird allgemein über die vornehmlich negativen Eigenschaften der menschlichen Zunge reflektiert. Ihre Zuspitzung erhält diese Warnung vor der Gefährlichkeit des Sprechorgans durch den wohl biblisch motivierten Vergleich mit einem Schwert (v. 29 f., vgl. Prv 25,18). Im Zentrum des Textes (v. 58100) steht ein Predigtexempel, das vor Geschwätz und Unaufmerksamkeit während der Predigt warnt. Es handelt sich um eine Teufelserzählung, als deren Protagonist der hl. Martin erscheint. Er beobachtet, FRANZ FUCHS wie der Teufel von allen anderen Kirchgängern unbemerkt das Geschwätz in der Ulsenius, Theodoricus entfällt (vgl. *VL IV Gemeinde protokolliert. Über den geschei630 f.) terten Versuch des Teufels, sein sich als viel zu klein erweisendes Pergamentstück aus'Die undankbare Wiedererweckte' [Korr./ zudehnen, muß der hl. Martin laut lachen und sieht sich so genötigt, der Gemeinde Nachtr.] seine Beobachtungen zu offenbaren. Die Bd. 10, Sp. 71 Überl.: Der Nachlaß von Ferd. Schlußpassage (v. 101 — 145) richtet an die Wilh. Emil Roth befindet sich nicht in der StB u. Adresse der Frauen eine erneute Warnung ÜB Frankfurt/M., sondern in Darmstadt, LB u. Hochschulbibl. Die Hs. Roths befindet sich jedoch vor fehlender Andacht in der Kirche und nicht darunter (Mitt. d. Bibl. Darmstadt)! ermahnt zur Aufrichtigkeit beim Gebet. Ein weiterer Textzeuge war die 1870 verbrannte Während der Einleitungsteil nur eine allHs. des Straßburger Heldenbuchs, geschr. v. Dier v gemein bleibende Affinität zur Tradition bold v. Hanowe (- Heldenbücher), Bl. 371 -372 ; mal. 'Schweige-Texte' aufweist (vgl. z. B. Überschrift und Beginn der Erzählung bei J. SCHILdas Material bei U. RUBERG, Beredtes TER, Thesaurus antiquitatum Teutonicarum ecclesiasticarum, civilium, literarium, Bd. 3, Ulm 1728, Schweigen ..., 1978, S. 72-92), gibt es für S. XL. Vgl. W. KOFLER, Das Straßburger Heldendie Teufelserzählung konkretere Quellenbuch. Rekonstruktion der Textfassung des Diebold bezüge. Es handelt sich um einen internav. Hanowe (GAG 667), 1999 (Ausg.), S. 39 u. ö., tional bis in die frühe Neuzeit hinein weit r Bl. 371 nebst S. 801-809 (Abdruck der Wiesbadeverbreiteten Erzählstoff ('Der Teufel in der ner Hs.), S. 838 (Hinweis W. Kofier). Kirche und das Sündenregister auf der Kuhhaut'), dessen schriftliterarischer Ur'Von der unnutzen zungen' sprung in der lat. Exempelliteratur zu finAnonym überlieferte geistliche Rede in den ist und bereits in der 1. Hälfte des Reimpaarversen (145 vv.) 13. Jh.s bei Jacques de Vitry begegnet. Be-

1591

'Von unwürdigen Priestern und von der Würde des Sakraments'

merkenswert reich dokumentiert ist im gesamten europäischen Raum auch die Rezeption des Exempels in verschiedenen Bildgattungen.

1592

Dieser zeigt ihm, daß an der Quelle ein verwesender Hund liegt, durch dessen Maul das Wasser strömt. Der aber könne das Wasser nicht verunreinigen. Und ebenL i t e r a t u r . J. BOLTE, Der Teufel in der Kirche, sowenig könne ein unwürdiger Priester die Zs. f. vergleichende Litteraturgesch. NF 11 (1897) Präsenz der Trinität in der Messe beein249-266; A. GÖTZE, Das geht auf keine Kuhhaut, trächtigen, solange er die heiligen Worte Zs.f. Mundartforschung 11 (1935) 162-168; R. und Handlungen beachte. Der Alte verWILDHABER, Das Sündenregister auf der Kuhhaut schwindet, der Belehrte aber geht zu dem (FFC 163), 1955, bes. S. 18 f.; L. RÖHRICH, Erzäh- Pfaffen und erzählt ihm, was er gesehen lungen des späten MAs u. ihr Weiterleben in Lit. u. hat. Daraufhin bessert der Pfaffe sein LeVolksdichtung bis zur Gegenwart I, 1962, S. 267— ben. 274; E. MOSER-RATH (Hg.), Predigtmärlein der BaDer Stoff der Erzählung, entstanden rockzeit. Exempel, Sage, Schwank u. Fabel in geistwohl als Variante der älteren Erzählung, lichen Quellen des obd. Raumes, 1964, Reg.; O. die III zugrundeliegt, war vor allem durch MOSER, Der Teufel mit dem Sündenregister am einen Zweig der ->· 'Gesta Romanorum' Kircheneingang. Zu den romanischen Sockelskulpverbreitet (ed. DICK, Nr. 12; ed. OESTERturen des Millstätter Westportales, Carinthia I 168 (1978) 147-167. LEY, Nr. 12), findet sich aber auch bei -» JÜRGEN SCHULZ-GROBERT Hugo von Trimberg, Solsequium, hg. v. A. STRAUSS (Wissenslit. im MA 39), 2002, 'Unterlindener Schwesternbuch' Katha- Nr. 1,39. Etwas abgewandelt erscheint er in rina von Gebersweiler dem Reimpaargedicht 'Der häßliche Pfaffe' des -* Schweizer Anonymus (III.4.c). II. Daz got ist in des priesters hant Daz 'Von unwürdigen Priestern und von der wart einem man bekant, ine. In der veter Würde des Sakraments' leben wir lesen Waz bi den ziten ist geweDrei Exempelerzählungen in Reimpaa- sen (60 vv.). Ein Mönchsbruder konnte nicht glauben, daß in der Eucharistie Gott ren. selbst in der Hand des Priesters ist. Seine Ü b e r l i e f e r u n g . Klosterneuburg, Stiftsbibl., Brüder beteten für ihn. Da hatte er eine CC1 1244 (14. Jh.), 27 -3 . Die Hs. ist seit dem 19. Jh. verschollen. Beschreibung: J. M. WAGNER, Vision: Auf dem Altar saß ein Kind. Der AnzfKdVz NF 9 (1862) 191-195; zum Verbleib Priester zerschnitt es mit Hilfe eines EnH.-G. RICHERT, Wege u. Formen der Passional- gels, der das Blut auffing, und gab es den überl. (Hermaea NF 40), 1978, S. 75. Gläubigen. Auch der Bruder nahm ein Stück und glaubte hinfort. Ausgabe, J. STROBL, Drei Gedichte von der Die Quellenberufung führt auf die -» Würdigkeit der Priester, ZfdA 16 (1873) 467-474. 'Vitaspatrum', PL 73, Sp. 978 f. Während Innerhalb einer Sammlung geistlicher dort das gute Leben des Bruders bei Reimpaargedichte mit gereimten Über- schwachem Glauben betont wird, spricht schriften bilden die drei schlichten Erzäh- das Gedicht nur von seinem bösen wanch. lungen thematisch eine Gruppe, wenn III. Man sol doch die priester liden Ob auch das Lehrziel des mittleren Gedichts si die svnde halt nit vermiden, inc. Vns sa(II) von dem der beiden anderen abweicht. get auch der veter leben Daz sie geschriben I. Die messe div ist wandels fri Swie des haben geben (52 vv.). Ein Waldbruder pfäffen leben si, inc. Ez waz ein frier pfaffe empfängt immer zu den heiligen Tagen eigar Der hete keine(ry zuhte war (106 vv.). nen Priester. Als ihm ein anderer Bruder Ein Mann geht nicht zur Messe, weil der von dessen Leben erzählt, will er den PriePfaffe unkeusch lebt und dem Trunk erge- ster nicht mehr aufnehmen. Da sieht er ben ist. Auf einem Spaziergang trinkt er einen goldenen Brunnen mit goldenem aus einem Bach und ist erstaunt über die Eimer und glaslauterem Seil. Daraus Süße des Wassers. Er sucht nach der schenkte ein Aussätziger süßes, reines Quelle und begegnet einem alten Mann. Wasser aus. Eine Stimme mahnt den Bru-

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'Vom Ursprung der Eidgenossenschaft' — 'Ursula und die elftausend Jungfrauen'

der zu trinken. Er erkennt seine Schuld und sendet wieder nach dem Priester. Auch hier führt die Quellenberufung auf die 'Vitaspatrum' als Vorlage: PL 73, Sp. 911. Verbreitet war die Erzählung auch in verschiedenen mal. Exempelsammlungen. L i t e r a t u r . TUBACH, Ind. ex., Nr. 2672 (I und III) und 4050 (II); zu I vgl. auch B. WEISKE, Gesta Romanorum, 2 Bde (Fortuna vitrea 3.4), 1992, Register s. v. 'Hundsquelle'.

B. WACHINGER 'Uppsalaer Blutsegen' -> Wund- und Blutbeschwörungen (II.) [NB] 'Urban' (Legende/Predigt) -» 'Darmstädter Legendär' [NB] Papst Urban V. -> 'Sendbrief Carissima soror Agnes' [NB]

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'Ursprung und Anfang der Stadt Augsburg' ->· Augsburger Stadtchroniken des 15. Jh.s (4.) [NB] 'Vom Ursprung der Eidgenossenschaft' [Korr.] Bd. 10, Sp. 125 Überl.: "Ludwig -> Sterners Chronik ... nach dem verlorenen Original von ca. 1501)" korr.: Die angebliche Abschrift von 1524 ist tatsächlich die Originalhs. Sterners von 1501; neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/Schweiz. Vgl. Ludwig -»· Sterner [Korr. im NB].

'Ursula und die elftausend Jungfrauen' [Korr.] Bd. 10, Sp. 140 zu 5.: "Karlsruhe, Bad. LB, cod. L 96" korr.: ..., cod. L 69.

v Valckenstein entfällt (vgl. -»· 'Von guten Pflastern und Salben' [Bd. 3 u. NB]) 'Valerius' (dt. Legenden) -» 'Eucharius, V. und Maternus' [NB] 'Väterbuch' [Nachtr./Korr.] Bd. 10, Sp. 164 zu Überl. ergänze: CH. BERTELSMEiER-KiERST, Tiroler Findlinge, II. (Hss.funde ... 115), ZfdA 123 (1994) 336-338. Ebd. Überl./Ausg. und Sp. 170, Lit.verz.: "D. BORCHARDT, ... in Vorher." korr.: Die Arbeit ist bisher nicht abgeschlossen worden.

Vaterunserauslegungen in der Volkssprache [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 173, 1. Absatz ergänze die Verweise: Vgl. auch -» Johannes von Speyer, 2.C.; -» Geiler von Kaysersberg, dessen 64 Paternoster-Predigten Joh. Adelphus -» Muling (B. II. 5.b) [NB] ins Deutsche übersetzte und herausgab. Sp. 174 oben: "vgl. ... Peter -* Christanni" ergänze: ..., dazu auch -* 'Münchner Reimpredigt über das Vaterunser'. Sp. 178 zu 5. Überl. und Ausgaben, a: Die Pap.hs. der ehem. Slg. Hardenberg ist verschollen. Sp. 180 oben zu 7.: "fand ... Eingang in größere Texte, ..." ergänze: auch in den -> 'Spiegel der Tugenden', Buch II.

'Vaticinia de summis pontificibus' I. Die 'V.' (auch 'Vaticinia de papis', 'Papalista') bezeichnen zwei Reihen von jeweils zumeist 15 Weissagungen, die zunächst je für sich bestanden. Die beiden Weissagungsfolgen wurden später aneinandergereiht und konnten dadurch für einen erweiterten Zeitraum in die Zukunft hinein Gültigkeit beanspruchen (die Bezeichnung 'V. d. s. p.' wird in der neuesten Forschung meist dieser Version vorbehal-

ten). Die Prophetien umfassen neben den eigentlichen Orakeltexten kurze Devisen und emblematische Illustrationen als wesentliche Bestandteile; z. T. wurden sie durch (nachträgliche) Rubriken bestimmten Päpsten zugeordnet. Die dunklen und schwer verständlichen Texte wie die Bildsymbole waren für immer wieder neue Deutungen offen, die der jeweiligen politischen Situation angepaßt wurden (vgl. zuletzt die Analyse der Bildvarianten bei MILLET). Die 'V.' sind zumeist anonym überliefert. Als Verfasser der älteren Reihe wird jedoch früh (z. B. bei Arnald von Villanova, um 1305) ein sonst nicht faßbarer Rabanus Anglicus genannt, bisweilen aber auch der Zauberer Merlin; später galt Joachim von Fiore als Autor. Seit dem 15. Jh. gibt es zudem Zuschreibungen der kombinierten 'V, in denen Joachim als Autor des ersten Teils (d. i. der jüngeren Reihe), ein fiktiver Bischof Anselm von Marsico als derjenige des zweiten Teils (hier datiert auf 1278) bezeichnet wird. Die ältere Reihe (Inc. Genus nequam; auch u. d. T. Principium malorum; 14—16 Weissagungen) ist eine lat. Prosabearbeitung der griechischen sog. Leo-Orakel (in Versen; wohl um 1180 verfaßt), die sich auf vergangene und künftige griechischbyzantinische Kaiser bezogen (PG 107, Sp. 1129—1137); vgl. zuerst GRUNDMANN, 1928. Die Übertragung (FLEMING unterscheidet 3 Rezensionen) wurde zunächst dem Kreis der franziskanischen Spiritualen in Italien um ca. 1304 (Tod des Papstes Bonifatius VIII.) zugeschrieben. Dagegen postulieren REHBERG, 1991, und MILLET/ RIGAUX, 1992, eine Entstehung der ersten sechs oder acht lat. Vatizinien schon um 1287 bzw. 1285, und zwar im Interesse der

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'Vaticinia de summis pontificibus'

pro-angevinischen/guelfischen Partei am Hof in Neapel, das gegen die Orsini-Fraktion im Kardinalskollegium gerichtet war ('Kardinalsorakel'); die Umdeutung auf die Päpste sei erst danach erfolgt. — Das erste Vatizinium wurde auf den Orsini-Papst Nikolaus III. (reg. 1277-1280) bezogen, der für seinen Nepotismus berüchtigt war (Devise: Principium malorum); das fünfte wurde bald auf den Eremitenpapst Cölestin V. (reg. 1294), der nach wenigen Monaten zurücktrat, ausgelegt. Vor allem die vier letzten Prophetien haben positiv-utopischen Charakter; die Vierzahl der gelpäpste' wird im kurze Zeit später entstandenen 'Liber de flore' — erst dort verbunden mit der Bezeichnung pastures angelici — übernommen, später auch von -> Telesforus u. a. Die Genus-nequam-Prophetien wurden auch von der 'Visio fratris Johannis' (vgl. -» 'Vision auf das Jahr 1401') benutzt (zuletzt KELLY). Die jüngere Reihe (Inc. Ascende calve; vgl. II Sm 2,24) entstand wohl als kritische Neuinterpretation der älteren in der 1. Hälfte des 14. Jh.s, und zwar nach SCHWARTZ/LERNER aus dem Blickwinkel der Franziskanerspiritualen in Südfrankreich, MILLET/RIGAUX zufolge als ghibellinisches Gegenmodell im Umkreis der Visconti in der Lombardei. Die Orakel wurden auf Päpste von Nikolaus III. bis zum Antichrist (Bild des apokalyptischen Drachen) bezogen. Bis zum 9. Vatizinium, das auf den Pontifikat Johannes XXII. (1316 — 1334) anspielt, scheint es sich um vaticinia ex eventu zu handeln, deren Bezug auf reale Ereignisse erkennbar ist. Bei der Kombination der beiden Reihen, die nun 30 Weissagungen ergab, wurde die ältere Reihe in den meisten Hss. der jüngeren nachgestellt, wodurch wieder die 'Engelpäpste' und nicht der Antichrist ans Ende zu stehen kamen; zu den Varianten bei der Reihung der Vatizinien (v. a. der Nrn. 21-26) vgl. MILLET, S. 64 f. Die Orakel der älteren Reihe wurden entsprechend auf spätere Päpste bezogen (beginnend mit Bonifatius IX. [1389-1404]). Die Verbindung erfolgte wahrscheinlich zur Zeit des Konstanzer Konzils (MILLET), älterer Forschung zufolge (REEVES) vielleicht schon

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früher, vor dem Hintergrund des Großen Schismas (1378-1417). Ü b e r l i e f e r u n g . Die neueste Zusammenstellung von MILLET, S. 260—262, verzeichnet insg. 102 Hss., davon 10 nur mit der älteren und 8 nur mit der jüngeren Reihe. 24 (25? Vgl. HAIN 9376) Druckausgaben von 1505 bis 1670 unter dem Namen Joachims von Fiore, vgl. F. Russo, Bibliografia gioachimita, Florenz 1954, S. 44-48. Moderne A u s g a b e n . Ältere Reihe: M, H. FLEMING, The Late Medieval Pope Prophecies: the Genus nequam Group, Tempe, Ariz. 1999. Jüngere Reihe: SCHWARTZ/LERNER, 1994, S. 187-191. Die kombinierten 'V.': Eine krit. Ausg. fehlt. — Faksimileausg. der kostbar illuminierten Hs. Rom, Bibl. Vaticana, cod. Ross. 374 (aus Norditalien, ca. 1410-1417): Weissagungen über die Päpste. Vat. Ross. 374. Mit Ergänzungsbd.: Transkription der lat. Texte u. Übertragung ins Deutsche v. W. SIMON (Belser Faksimile Editionen aus der Bibl. Apostolica Vaticana), Zürich 1988 (enthält auch die Fassung der [maßgeblichen] Druckausg. des Paschalinus Regiselmus, Venedig 1589). Zahlreiche Abb. (s. Lit.).

II. D e u t s c h e Rezeption. 1. Die 'V fanden durch das Konzil von Konstanz, auf dem das Schisma schließlich beendet wurde, weite Verbreitung. Neben im dt. Sprachraum entstandenen lat. Hss. (WiLCKENS; MILLET, S. 128 ff.) ist dafür auch Thomas -> Prischuch ein Zeugnis, der sich in seiner 1418 entstandenen Reimrede von 'Des Consili Gruntvest' auf das buch, da ich dreissig Pebst innen find bezieht, das er Von Calabria Apt Joachim zuschreibt. Auch Hermann -> Korner erwähnt die 'V.', allerdings mit Skepsis ('Chronica novella', dieser Teil nur in der Ausg. v. ECCARD, 1723, Sp. 794). Thomas -» Ebendorfer verarbeitet in seiner 'Chronica pontificum Romanorum' die 'V bei den einzelnen Papstbiographien, z. T. mit genauer Bildbeschreibung und vollständiger Zitierung (ed. H. ZIMMERMANN [MGH SS rer. Germ. N. S. 16], 1994; vgl. Einl. S. 10 Anm. 38). 2. In dt. Sprache ist aus mal. Hss. bisher nur ein Auszug des 15. Jh.s bekannt, der drei der Vatizinien wiedergibt (Nrn. 18, 20 und 23 [zu letzterem gehört ikonographisch das Bild einer Stadt]). Sie wer-

1599

1600

Veckinchusen, Hildebrand und Sievert

L i t e r a t u r (Auswahl). H. GRUNDMANN, Stud, den auf die Päpste Gregor XII., Johannes [XXIII.J und die Stadt Prag bezogen. Ein- über Joachim v. Floris, 1927, S. 196-198; ders., leitende Erläuterungen datieren die Pro- Die Papstprophetien des MAs, AKG 19 (1928/29) 77-138; M. E. REEVES, The Influence of Prophecy phezeiungen, die hier Anselm von Marsico in the Later Middle Ages, Oxford 1969, S. 193 f., zugeschrieben werden, auf 1278 (bzw. 214f., 401-415, 453-462 u. ö.; dies., Some Popu1228 bei Windeck) und beziehen sie auf lar Prophecies from the Fourteenth to the Sevenden Zeitraum von Papst Bonifatius IX. bis teenth Centuries, in: Popular Belief and Practice. zum Antichrist. Der Grund für die Aus- Papers [...] of the Ecclesiastical History Society, wahl der drei Stücke ist nicht ersichtlich. hg. v. G. J. CUMING u. D. BAKER, Cambridge 1972, 107-134; L. v. WILCKENS, Die Prophetien über — Alle Textzeugen sind ohne Illustrationen S. die Päpste in dt. Hss. Zu Illustrationen aus der Paund gehen auf dieselbe Vorlage, eine grö- riser Hs. Lat. 10834 ..., Wiener Jb. f. Kunstgesch. ßere Sammlung prophetischer Texte (Bru- 28 (1975) 171-180 u. Abb. 180-204; Weissagunder -» Sigwalt, -»· 'Vision auf das Jahr gen über die Päpste. Vat. Ross. 374. Eine Einfüh1401', -»· Hildegard von Bingen, VI.C.2. rung von R. E. LERNER u. R. MOYNIHAN (Einführungsbd. zur Faks.ausg., s. o. L), Zürich 1985; [NB] u. a.) zurück. Ü b e r l i e f e r u n g . In den Hss. von Eberhard -> Windecks 'Kaiser Sigismunds Buch'; außerdem in: Berlin, mgo 101, 148r-149v, dat. 1438; München, ÜB, 2° cod. ms. 684, v. J. 1465, 94v-95r; Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibl., Q 127, ca. 1460/70, 130 -13 . Vgl. KORNRUMPF/VÖLKER, München, S. 56-60 u. 348; K. GRAF, ZfdA 118 (1989) 203216, hier S. 207f., Anm. 26. A u s g a b e . W. ALTMANN, Eberhard Windeckes Denkwürdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters Kaiser Sigismunds, 1893, § 392, 392 a, 392 b, S. 360 f.; danach abgedruckt v. SIMON (s. o.), S. 87.

3. Im 16. Jh. wurden die 'V.' von Berthold Pürstinger in seinem Onus ecclesiae' (1519; Drucke VD 16, P 2927-35) verwendet. Vor allem aber wurden sie im Zusammenhang reformatorischer Ideen bedeutsam. Andreas Osiander gab die Bilder, die er in zwei Hss. des Nürnberger Kartäuserklosters gefunden hatte, 1527 mit dt. Vorrede und Kommentar heraus und gab ihnen eine neue Deutung (das Bild Nr. 20 — ein Mönch mit Sichel und Rose — wurde z. B. auf Martin Luther umgedeutet); die 30 Holzschnitte wurden zudem von Hans Sachs mit je einem erläuternden Vierzeiler versehen: Eyn wunderliche Weyssagung von dem Babstumb ... (VD 16, W 4642-45; A. Osiander d. Ä., Gesamtausg., Bd. 2, 1977, Nr. 84, S. 421-484, vgl. Einl. S. 403-420 [bearb. v. H.-U. HOFMANN]); zu Luthers Reaktion sowie weiteren Bearbeitungen und Gegenschriften, darunter eine Auslegung der 'V.' von Paracelsus, s. REEVES, 1969, S. 453 ff.; HOFMANN, S. 414 ff.

R. LERNER, On the Origins of the Earliest Latin Pope Prophecies, in: Fälschungen im MA, Teil V (MGH Schriften, Bd. 33, V), 1988, S. 611-635; B. McGiNN, Pastor angelicus: Apocalyptic Myth and Political Hope in the Fourteenth Century, in: Santi e santitä nel secolo XIV. Atti del XV convegno ... Assissi 1987, Assissi 1989, S. 219-251, bes. S. 233-239 u. Abb. 1-5; A. REHBERG, Der 'Kardinalsorakel'-Kommentar in der 'Colonna'-Hs. Vat. lat. 3819 u. die Entstehungsumstände der Papstvatizinien, Florensia. Bolletino del Centro Internazionale di Studi Gioachimiti 5 (1991) 45-112; H. MILLET u. D. RIGAUX, Ascende calve. Quand 1'historien joue au prophete, Studi medievali, 3. Ser., 33 (1992) 695-719; diess., Aux origines du succes des 'V. d. s. p.', in: Fin du monde et signes des temps. Visionaires et prophetes en France meridionale, Toulouse 1992, S. 129-156; R. E. LERNER, Recent Work on the Origins of the 'Genus nequam' Prophecies, Florensia. Bolletino ... [s. o.] 7 (1993) 141-157; O. SCHWARTZ u. R. E. LERNER, Illuminated Propaganda: The Origins of the 'Ascende calve' Pope Prophecies, Journal of Medieval History 20 (1994) 157-191; S. KELLY, The Visio Fratris Johannis: Prophecy and Politics in Late Thirteenth-Century Italy, Florensia. Bolletino ... [s. o.] 8-9 (1994-95) 7-42; FLEMING, 1999 (Einleitung zur Ausg., s. o. L); H. MILLET, II libro delle imagini dei papi, Rom 2002 (weitere Lit.).

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER Veckinchusen, [Nachtr.]

Hildebrand

und Sievert

Bd. 10, Sp. 186 zu Überl. ergänze: Urspr. waren 17 Bücher vorhanden. Ebd. zu Ausg.: Auch das Stück Af 5 hg. v. M. P. LESNIKOV, Istoriceskij Archiv 2 (1958) 134-153. Sp. 189 zu Lit. ergänze: M. P. LESNIKOV, Der hansische Pelzhandel zu Beginn des 15. Jh.s, in: Hansische Studien. Fs. H. Sproemberg zum 70. Geb., 1961, S. 219-272.

1601

Vegetius, Publius Flavius

Vegetius, Publius Flavius I. A u t o r . Publius Flavius Vegetius Renatus nennt sich der spätantike Autor eines kriegs- und militärtheoretischen Werks ('Epitoma rei militaris', i. F. 'Epitoma') und einer tierheilkundlichen Schrift ('Mulomedicina'). Über den Verfasser ist weiteres nicht bekannt; aus seiner Selbstnennung als comes sacr[ar]um [largitionum] wird geschlossen, daß er eine Art staatlicher Finanzminister am kaiserlichen Hofe war. Einige inhaltliche Indizien der 'Epitoma' deuten auf die Zeit von Theodosius I. (379—395), so daß beide Werke auf das Ende des 4. Jh.s anzusetzen sind. II. ' M u l o m e d i c i n a ' . Die 'Mulomedicina' ist in vier Bücher geteilt, die eine allgemeine Tier- (I—III) und eine spezielle Rinderkunde (IV) bieten. Als Quellen benutzt V. Pelagonius und Chiron für die Bücher I—III und Columella für das vierte Buch. — Im MA wurde die 'Mulomedicina' nach Ausweis der hs.liehen Überlieferung (3 Hss. bis 1300, 3 Hss. im 14., 11 Hss. im 15. Jh.) vor dem 14. Jh. kaum rezipiert, wobei die Rezeption weitgehend auf den ital. Raum beschränkt blieb; Auszüge sind von Teoderico da Cervia (f 1298) in dessen 'Mulomedicina' gemacht worden, Dino Dini benutzte sie in seiner volkssprachlichen 'Mascalcia' (um 1352/59), vier anonyme ital. Übersetzungen erfolgten im 14. und 15. Jh. Einflüsse auf die einschlägige dt.sprachige veterinärmedizinische Literatur (Meister ->· Albrants 'Roßarznei') sind nicht bekannt. Der Erstdruck erfolgte 1528 (Basel; VD 16, V 468), die erste dt. Übersetzung wurde 1532 gedruckt (Augsburg; VD 16, V 470). A u s g a b e . E. LOMMATSCH, Publii Vegetii Renati digestorum artis mulomedicinae libri, 1903.

III. ' E p i t o m a rei m i l i t a r i s ' . 1. I n h a l t , Q u e l l e n , F u n k t i o n . Im Gegensatz zur 'Mulomedicina' hat die 'Epitoma' im MA eine überaus breite Rezeption erfahren, die sie zu einem der

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meistgelesenen antiken Texte und zu der wichtigsten militär- und kriegstheoretischen Schrift des MAs überhaupt machte. Auch sie ist in vier Bücher gegliedert, die über die Ausbildung der Rekruten (I), über die Legion, ihre Aufteilung, Schlachtordnung und Waffengattungen (II), über die logistischen Probleme eines marschierenden Heeres, die Vorbereitungen zu einer Feldschlacht und den taktischen Einsatz des Heeres und seiner Teile (III) sowie über die Befestigung der zu verteidigenden Plätze, die Vorbereitungen zur Verteidigung und die Werkzeuge und Möglichkeiten einer Belagerung und ergänzend über die Seeschlacht informieren; Quellen sind die 'Strategemata' des Frontinus (III —IV), die Enzyklopädie über die Artes des Celsus (I) und die Schrift 'De re militari' des Tarrutemus Paternus (II). Der Grund für diese Zusammenstellung aus dem gesamten Kriegswissen der Römer ist nach Aussage des Verfassers seine Sorge um den Bestand des römischen Reichs angesichts der Verwahrlosung des Heeres, das der äußeren Bedrohung nicht mehr standhalten könne und das daher einer grundlegenden Reform bedürfe; er versteht so seinen Auszug als Programm- und Anleitungsschrift für den Kaiser als obersten Heerführer, dem er sein Werk auch widmet. A u s g a b e . A. ÖNNERFORS, P. Flavii Vegeti Renati Epitoma Rei Militaris (Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana), 1995.

2. Lateinische Rezeption. a. Handschriften, Überlieferungskontexte, Besitzer, Illustrationen, Drucke. Die 'Epitoma' ist in über 270 Hss. vollständig oder als Exzerpt erhalten (SHRADER, 1976; ders., 1979; Nachträge bei REEVE, 2000), wobei das älteste Fragment aus dem 7. Jh. (Vat. Reg. lat. 2077), die ältesten vollständigen Abschriften aus dem 9. Jh. (ÖNNERFORS, S. XI—XIII) datieren, der Großteil aber aus dem 14. u. 15. Jh. stammt.

Die Überlieferung ist rezeptionsgeschichtlich noch nicht eingehend untersucht (Übersicht bei SHRADER, 1976; eine stemmatologische Einordnung aller Textzeugen mit Ausnahme der Exzerpte bei REEVE), es läßt sich jedoch schon reststel-

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Vegetius, Publius Flavius

len, daß neben dem großen Anteil der Einzelabschriften (57 Hss. überwiegend aus dem 10. bis 13. Jh.) und der Exzerptüberlieferung (26 Hss.) sich vor allem im 14. u. 15. Jh. typische Überlieferungsgemeinschaften gebildet haben. An erster Stelle steht hier der Typus 'Kriegswissenschaftliches Lehrbuch' (bes. mit den 'Strategemata' des Frontinus [33 Hss.]), gefolgt von den Typen 'Fürstenspiegel' (bes. mit dem 'Regimen principum' des Aegidius Romanus [9 Hss.]), '(Kriegs-)Geschichtsbuch' (bes. mit der 'Historia Troiana' [10 Hss.] und der 'Historia Romana' des Eutrop [7 Hss.]) und 'Classic! Latini' (mit Cicero, Sallust und bes. mit Palladius und Vitruv [15 Hss.]). Die dadurch indizierten unterschiedlichen Gebrauchsinteressen finden sich so auch in den Rubrizierungen mal. Kataloge wieder; die 'Epitoma' erscheint unter den libri morales (Amplonius Ratinck; als Teil der Staatslehre innerhalb der philosophia practica, vgl. u. 2.b.), den historici (Hartmann -> Schedel) oder den littet-ae humaniores (Ambraser Slg.). Von daher erklärt sich auch die breite soziale Streuung der Besitzer; Exemplare der 'Epitoma' gehörten nicht nur dem kriegführenden Adel (kgl. Besitz SHRADER, 1979, Nrn. 194, 6, 123), sondern auch Bischöfen, Klöstern, Universitäten und Gelehrten. Die Hss. sind zum größten Teil, mit Ausnahme von gelegentlichen Miniaturen und Verzierungen, nicht illustriert; eine Veranschaulichung bes. der Ausführungen des vierten Buchs durch die Beigabe von technischen Illustrationen geschieht erstmals Ende des 15. Jh.s in der gedruckten Übersetzung Hohenwangs (s. u. 4.b.). Die Editio princeps erfolgte 1473/74 in Utrecht (HC 15190); im 15. Jh. wurde die 'Epitoma' insgesamt fünfmal aufgelegt (A. C. KLEBS, Incunabula scientifica et medica, Bruges 1938, Nr. 1019.1-5), bis 1806 noch in mindestens 22 Ausgaben und Auflagen gedruckt, z. T. in Gemeinschaft mit anderen kriegswissenschaftlichen Werken der Antike und des MAs.

b. Bearbeitungen, Exzerpierungen. Abgesehen von naturkundlichen Exzerpten bei -> Beda Venerabilis (u. a. 'De temporum ratione', aus IV, 35 f.) ist eine aktive Beschäftigung mit der 'Epitoma' zuerst in der Karolingerzeit festzustellen, in

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der die 'Epitoma' von gelehrter Seite als Kriegsbuch für den Hochadel empfohlen wurde. Frechulf von Lisieux und Sedulius Scottus haben den Widmungsexemplaren für Karl den Kahlen und Graf Eberhard von Friaul jeweils Begleittexte beigegeben; -* Hrabanus Maurus hat seiner Tugendlehre für Lothar II. ('De anima') einen Auszug aus Buch I über die Ausbildung der Rekruten angehängt ('De procinctu romanae miliciae'), weil dies 'bei den häufigen Einfallen der Barbaren' (propter frequentissimas barbarorum incursiones] nützen könne. Diese gelehrten Versuche einer Adaptation der 'Epitoma' für zeitgenössische Kriegszwecke setzen sich auch in den hochmal. Fürstenspiegeln fort; insbesondere Johannes von Salisbury hat in seinem 'Policraticus' (um 1159) ebenfalls das erste Buch der 'Epitoma' benutzt. Ab dem 13. Jh. fächern sich die Wege der Vegetius-Rezeption auf. ->· Vinzenz von Beauvais hat in seinem 'Speculum doctrinale' (1256/59) die 'Epitoma' benutzt, wobei er der Anordnung seiner Vorlage folgt, insgesamt aber die Kapitel kürzt und zum Teil auch wegläßt, wenn sie zu spezifisch oder nicht zeitgemäß sind (z. B. II, 7—9, über die röm. Rangstufen; III, 10, über unritterliche Listen). Durch die Einordnung als sdentia rei militaris unter die artes mechanicae gilt sie ihm als lehr- und lernbare Kunst und verliert damit ihre fürstenspezifische Ausrichtung. In der Tradition der Fürstenspiegel dagegen steht die Schrift 'De regimine principum' (um 1277) des Thomas-Schülers Aegidius Romanus (s. -> 'Fürstenspiegel nach Aegidius Romanus'), der allerdings mit der Strukturierung seines Buches nach dem arabisch-aristotelischen Modell der Einteilung des Handlungswissens (philosophia practica) in ethica, oeconomica und politica einem neuen Paradigma für die Beschäftigung mit der 'Epitoma' folgt. Die sdentia rei militaris gilt danach als spezifisches Fürstenwissen für den Fall des Krieges und wird im Rahmen der politica abgehandelt (wobei Aegidius die Ausführungen des V. über den Aufbau einer Legion [B. II] und den Seekrieg [B. IV] nicht übernimmt). Die 'Epitoma' wird mit diesem Paradigma, ne-

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Vegetius, Publius Flavius

ben -»· Ciceros 'De officiis' für die ethica und der -»· 'Lehre vom Haushaben' Ps.Bernhards, zu einem kanonischen Text für den kriegskundlichen Teil der politica, was ihr nicht allein den Weg in das Studium der Artes liberales* ebnet, sondern auch dazu führt, daß schon ihr Besitz den Fürsten als idealen Herrscher ausweist (vgl. auch die Lektüreempfehlungen in den Fürstenspiegeln von ->· Engelbert von Admont, Johannes ->· Gerson, Enea Silvio -> Piccolomini; FÜRBETH, Epitoma). Ein weiterer großer Bereich der mal. 'Epitoma'-Rezeption sind Exempel- und Spruchsammlungen. Insbesondere die 'Regulae belli', aber auch zahlreiche Beispiele und dictumartige Exzerpte erscheinen in Predigerhandbüchern und anderen Kompilationen (John of Wales, 'Communiloquium', John Bromyard, 'Summa praedicantium', -» 'Mensa philosophica' u. a.). Die Exzerpte sind noch nicht systematisch erfaßt und ihre Verbreitungswege noch nicht untersucht (Hinweise bei SHERWOOD; RICHARDOT, 1998); einige haben den Weg in den mal. und neuzeitlichen Sprichwortschatz gefunden (Si vis pacem, para helium; III, Prol.; WALTHER, Prov., 29404 a).

1606

rat, Bono Giamboni); im 14. Jh. erfolgen mehrere frz. Übersetzungen, darunter diejenige von Jean de Vignai, die von Christine de Pizan für ihren 'Livre des faits d'armes et de chevalerie' (s. u. 4.) benutzt wird. Erst im 15. Jh. wird die 'Epitoma' auch ins Kastilische (Fra Alonso de San Cristobal) und mehrfach ins Englische (John Trevisa [?], Robert Parker, Adam Loutfut) übertragen; der englischsprachige Erstdruck von W. Caxton (Westminster 1484) ist dagegen eine von diesem vorgenommene Übersetzung des Buchs von Christine de Pizan.

3. V o l k s s p r a c h l i c h e R e z e p t i o n außerhalb des dt. Raums.

A u s g a b e n . U. ROBERT, Li Abrejance de l'ordre de Chevalerie, mise en verse de la traduction de V. de Jean de Meun par Jean Priorat de Besannen, Paris 1897; L. LÖFSTEDT, Li abregemenz noble honme Vegesce Flave Rene des estabissemenz apartenanz a chevalerie. Traduction par Jean de Meun, Helsinki 1977; dies., Li livres Flave Vegece de la chose de chevalerie par Jean de Vignay, Helsinki 1982; dies., Le livre de l'art de chevalerie de Vegesce. Traduction anonyme de 1380, Helsinki 1989; CH. M. LAENNEC, Christine 'antygrafe': Autorship and Self in the Prose Works of Christine de Pizan with an Edition of B. N. 603 'Le livre des Fais d'armes et de Chevallerie', Diss. York 1988. - G. MARENGHI, Di V. F. dell'Arte della guerra libri IV. Volgatizzamento di Bono Giamboni, Florenz 1815. — A. T. P. BYLES, The Book of Fayttes of Armes and of Chyvalrye by Christine de Pisan. Transl. and printed by William Caxton, London 1932; R. DYBOSKI u. Z. AREND, Knyghthode and Bataile. A XVth century verse paraphrase of F. V. R.' treatise 'De Re Militari', London 1935 (Repr. 1990); D. BORNSTEIN, The Scottish Prose Version of V. 'De re militari', Studies in Scottish Literature 8 (1971) 174—183; M. L. FALLWELL, 'De Re Militari'. An Edition of the Middle English Prose Translation of V 'Epitoma rei militaris', Diss. Nashville 1973; G. LESTER, The Earliest English Translation of V.' De re militari (Middle English Texts 21), 1988.

Die 'Epitoma' wurde mindestens elfmal in die nichtdt. Volkssprachen übertragen; hinzu kommen volkssprachliche Bearbeitungen sowie einige Übersetzungen und Exzerpte, die noch nicht untersucht bzw. identifiziert sind. Zu beobachten ist eine anfängliche Konzentration auf den frz. und ital. Sprachraum, die zeitgleich mit dem allgemein zunehmenden Interesse an der 'Epitoma' Ende des 13. Jh.s einsetzt (Maitre Richard, Jean de Meun, Jean Prio-

Die volkssprachliche Rezeption unterscheidet sich von der lat. signifikant durch Auftraggeber, Besitzer und Überlieferung. Der Großteil der Übersetzungen ist Angehörigen des Adels gewidmet oder von diesen initiiert, die identifizierbaren Provenienzen stammen ebenfalls überwiegend aus adeligen Kreisen, und unter den Hss. mit anderen Texten fehlen die Überlieferungsgemeinschaften 'Geschichtsbuch' und 'Classici latini' völlig. Die Übersetzungen

A u s g a b e n . MGH Ep. V 514f. (Hrabanus, Vorrede) u. 618 f. (Frechulf); E. DÜMMLER, De procinctu romanae miliciae, ZfdA 3 (1872) 443 — 451; MGH Poetae III 212 (Sedulius); lohannis Saresberiensis [...] Policratici [...] libri VIII, hg. v. CH. C. WEBB, 1909 (Repr. 1964); Vincentius Bellovacensis, Speculum quadruplex, Douai 1624 (Repr. 1964); D. Aegidii Romani [...] De regimine principum libri III, Rom 1556 (Repr. 1968).

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Vegetius, Publius Flavius

werden zum größten Teil allein abgeschrieben (41 von 62 Hss.), mitüberliefert werden hauptsächlich die 'Strategemata' des Frontinus und 'De regimine principum' des Aegidius Romanus in Übersetzungen, außerdem heraldische und kriegswissenschaftliche Fachtexte. All dies deutet darauf, daß das volkssprachliche Interesse sich auf den genuinen Gebrauchszweck der 'Epitoma', die Instruktion des fürstlichen Heerführers, konzentriert, und daß historiographische und philologische Leseperspektiven weiterhin den gelehrten Kreisen vorbehalten bleiben. 4. D e u t s c h s p r a c h i g e R e z e p t i o n . a. Übernahmen und mittelbare Übersetzungen. Erst um die Wende zum 15. Jh. erscheint die 'Epitoma' auch in drei Werken dt. Sprache, was mit einer Verzögerung ihrer lat. Rezeption im dt. Raum um etwa ein Jh. korreliert. Die Texte, Johann -»· Seffners 'Lehre vom Krieg', Johannes -»· Rothes 'Ritterspiegel' und Heinrich ->· Wittenwilers 'Ring', stehen sämtlich in der Tradition der Fürsten- und Adelsunterweisung, was besonders an der Dreiteilung des 'Ring' nach dem Paradigma der philosophia practica zu sehen ist (FÜRBETH, nutz). Infolgedessen ist für ihre kriegspraktischen Teile die 'Epitoma' die maßgebliche Quelle, die allerdings nur zu kleinen Teilen exzerpiert wird. Welche Vorlagen jeweils benutzt wurden, ist noch nicht untersucht; angesichts der exzerptartigen Benutzung sind als Quellen die genannten Spruchsammlungen (III.2.b.) nicht auszuschließen (Diss. zur V.-Rezeption in den drei Texten v. P. Kalning in Vorbereitung). Ebenfalls um 1400 wird der Fürstenspiegel des Aegidius Romanus für den Wiener Hof übersetzt (-» 'Fürstenspiegel nach Aegidius Romanus', II.2.d.); um 1450 erfolgt eine Übertragung des 'Livre des fais d'armes et de chevalerie' von -» Christine de Pizan [NB] in Bern. b. Übersetzungen. aa. Wiener Übersetzung. Überlieferung. Seitenstetten, Stiftsbibl., cod. LXV, 2r-146v.

1608

Ausgabe durch F. Fürbeth in Vorbereitung.

Die erste integrale dt. Übersetzung der 'Epitoma' ist 1437/38 in Wien, wahrscheinlich für Herzog Albrecht V. (König A. II.), erfolgt. Der anonyme Übersetzer bleibt eng an dem lat. Text, ein späterer Redaktor hat jedoch zwei längere Einschübe über den Gebrauch der Armbrust und über das Ringen eingefügt, wobei die Ringerkunst in einigen wenigen Stücken Verwandtschaft mit derjenigen des Juden -»· Ott aufweist, insgesamt aber selbständig ist. Durch die beiden Insertionen wie auch durch die Bezeichnung der Ringerkunst als ritterspil [...] von dem auch Vegecius nichcz geseczt hat (63V) wird die übersetzte 'Epitoma' aktualisiert und ihre Bestimmung als Informationsschrift über zeitgenössische Kriegsführung und Waffenhandwerk deutlich. In dem einzigen erhaltenen Textzeugen allerdings, der aus der Wiener Artistenbibliothek stammt, lassen zahlreiche marginale Kommentare, Verweise auf antike Autoren und Wortund Sacherklärungen ein eher historiographisches Interesse an der 'Epitoma' vermuten. bb. Annenberger Übersetzung. Ü b e r l i e f e r u n g . Innsbruck, Bibl. des Museums Ferdinandeum, cod. FB 1050, 178r-210r. A u s g a b e fehlt.

Eine zweite anonyme Übertragung findet sich in einer Hs. aus der Bibl. des Südtiroler Adligen Anton von Annenberg, die um 1470/72 entstanden ist und außerdem Übersetzungen von Ciceros 'De officiis', Joh. -> Hartliebs 'Ars memorativa' und -* Piccolominis 'De miseriis curialium' enthält. Die Übertragung hat nicht die 'Epitoma' selbst zur Vorlage, sondern den 'Pulcher tractatus de materia belli', eine um 1320 in Oberitalien verfaßte Bearbeitung, die aus der 'Epitoma' hauptsächlich das 3. Buch verwendet und insgesamt weniger auf die kriegswissenschaftliche Information als auf den politischen Aspekt des Krieges zielt, der möglichst zu vermeiden ist. Diesen Tenor übernimmt die Übersetzung, da sie in ihre Vorlage nicht eingreift;

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Vegetius, Publius Flavius

verstärkt wird diese Perspektive zudem durch die Zusammenstellung der Hs., die mit ihren Übersetzungen genau die drei Bereiche der philosophia practica abdeckt. cc. Übersetzung von Ludwig -» Hohenwang [Bd. 4 u. NB]. Ü b e r l i e f e r u n g . Druck [Augsburg, Johann Wiener, um 1474/76]. HC 15916. Abschriften des Drucks: Karlsruhe, LB, Ms. Durlach 18, lr-77r ('Kriegsbuch' des -» Philipp von Seideneck); Linz, Oberösterr. LB, cod. 420 (ehem. Studienbibl., Cc V 11), S. 1-8. Farbmikrofiche-Edition: F. V. R., Von der Ritterschaft. Aus dem Lat. übertragen von Ludwig Hohenwang. In der Ausg. Augsburg, Johann Wiener, 1475/76. Farbmikrofiche-Edition des Exemplars der Herzog August Bibl. Wolfenbüttel, 296.3 Hist. 2°. Einführung zum Werk u. zur Druckgesch. v. F. FÜRBETH. Beschreibung des Bildkatalogs kriegstechnischer Geräte v. R. LENG (Monumenta xylographica et typographica 6), 2002.

Direkt für den Druck übersetzt wurde die 'Epitoma' um 1470 von Ludwig Hohenwang, der von 1461 bis 1508 in Basel, Augsburg und Straßburg als Schreiber, Drucker und Herausgeber nachweisbar ist. Hohenwang gehörte nicht zum Kreis der südwestdt. Frühhumanisten (so zuletzt 2 VL, 4, 1983, Sp. 101), sondern hat die 'Epitoma' wohl in der Hoffnung auf einen Verkaufserfolg übertragen, worauf insbesondere die verschiedenen von ihm angesprochenen Interessen hindeuten. Der Druck besteht aus einer Widmungsadresse an Graf Johann von Lupfen-Stühlingen, der eng der Vorlage folgenden Übersetzung, einem dreiseitigen, dann abgebrochenen lat.-dt. Glossar der wichtigsten kriegstechnischen Begriffe und einem Figurenatlas mit Illustrationen vor allem der Belagerungswerkzeuge des 4. Buchs, die der 1472 in Verona erschienenen Schrift 'De re militari' von Roberto Valturio folgen. In der Vorrede spricht Hohenwang von dem Nutzen der Übersetzung als einer kunst der Rettery (V), worunter er ausdrücklich die Reiter, nicht die Ritter verstanden wissen will, so daß sein Fokus hier auf dem kriegspraktischen Nutzen der 'Epitoma' zu liegen scheint; das Glossar dagegen bedient mit seiner Erklärung der lat. Begrifflichkeit eher ein historiogra-

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phisch-literarisches Interesse. Auch die Illustrationen sollen nach Hohenwangs Worten die wort der 'Epitoma' durch zaigen ains monsters (2r) veranschaulichen, dienen allerdings mit der Darstellung von spätmal., bei V. nicht enthaltenem Kriegsgerät wieder einem praktischen Interesse. Der Markterfolg hat der von Hohenwang angelegten Multiperspektivität seiner Ausgabe recht gegeben; neben den erstaunlich zahlreich erhaltenen Exemplaren des Druckes, die auf eine Auflage von 700 Exemplaren schließen lassen, zeigen dies vor allem die (allerdings veränderten) Neuauflagen seiner Übersetzung im 16. Jh. (VD 16, V 465-467). dd. Falsches. SHRADER, 1976, Nr. 143, weist auf eine kunst des (sieges) und ungesieges in der Hs. München, SB, cod. mon. hebr. 235, 126V-114V (sie!) hin, die 'probably excerpted from Vegetius' sei. Tatsächlich handelt es sich um eine Kompilation aus fünf Wahrsageverfahren nach dem Buchstabenwert des Namens, die textlich der Johannes -» Hartlieb zugeschriebenen 'Namenmantik' ('Erhaltung des Sieges') nahesteht. - Zu dieser Hs. E. BERNINGER, Die technischen Hss. des 15. Jh.s in der Bayer. SB München, in: Konrad Kyeser, Bellifortis. Clm 30150, 2000, S. 61-91, hier S. 74 f.

IV. W ü r d i g u n g . Die breite Rezeption des V. im MA darf nicht dahingehend gedeutet werden, daß die 'Epitoma' tatsächlich auch als Kriegshandbuch benutzt wurde. Ihre Ausrichtung auf das aus Berufssoldaten bestehende römische Heer steht einer Verwendung für die Kampfweise des mal. Ritterverbandes im Grunde entgegen; und auch das vierte Buch über die Belagerung und Verteidigung befestigter Stätten, in dem nach gängiger Meinung 'der für das MA brauchbarste Teil des Werkes' lag (JÄHNS, 1889, S. 120), war hinsichtlich seiner technischen Informationen nicht zu verwenden (SCHMIDTCHEN, S. 124 — 126). Nachrichten über einen praktischen Gebrauch sind daher selten (so durch Geoffrey Plantagenet; Heinrich II., Richard Löwenherz, vgl. JÄHNS, S. 120, SHRADER, 1976, S. 69, CONTAMINE, 1999, S. 211 f.) und können auch als Inszenierung idealen Herrschertums

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Vegetius, Publius Flavius

verstanden werden. Vielmehr hat die 'Epitoma' im Laufe ihrer Rezeption immer wieder neu Autorität und Interesse erlangt durch ihre Monopolstellung in kriegs- und militärtheoretischen Fragen (die 'Strategemata' des Frontinus bieten vor allem Exempla richtigen kriegerischen Verhaltens, stellen also keine Lehrschrift i. e. S. dar), durch ihre Kanonisierung im Rahmen der philosophia practica und, damit zusammenhängend, in den Fürstenspiegeln, durch ihre Exzerpierbarkeit hinsichtlich allgemeinster moralischer, politischer und philosophischer Sprüche über den Krieg, und nicht zuletzt durch ihre antike Herkunft, die den Verfasser in die Reihe der 'Alten Weisen' einreihte (in der Widmungsabschrift der Übersetzung von Maitre Richard wird V. in einer vorangehenden Miniatur als bärtiger Philosoph dargestellt; Abb. bei THORPE, 1952) und die 'Epitoma' für die Humanisten neben Sallust u. a. als Geschichtswerk über römische Kriegsführung interessant machte. Erst gegen Ende des MAs, im Kontext einer veränderten Kriegsführung, scheint die 'Epitoma' auch wieder unter praktischem Aspekt gelesen worden zu sein, da die aufkommenden Söldnerheere wieder strukturelle Gemeinsamkeiten mit der römischen Legion aufzuweisen schienen. Alle diese Zusammenhänge sind noch nicht systematisch erforscht. Zukünftige Untersuchungen über die Rezeption der 'Epitoma' im MA hätten sich dabei vordringlich auf Funktionsanalysen der lat. Bearbeitungen und der volkssprachlichen Übersetzungen zu konzentrieren. L i t e r a t u r . Die Lit. bis 1985 ist aufgeführt bei: R. SABLAYROLLES, Bibliographie sur l'Epitoma rei militaris de V., Cahiers du Groupe de recherches sur l'armee romaine et les provinces 3 (1984) 139 — 146; R. G. B. MONGEAU, The 'Epitoma rei militaris' of F. V. R. A Bibliographical Report, Mlat. Jb. 20 (1985) 314-322. Ergänzungen u. Korrekturen bei RICHARDOT, 1998, u. F. L. MÜLLER, P. F. V. R., Abriß des Militärwesens, 1997. Die ältere Lit. daher i. F. nur in Auswahl. CH. SCHÖNER, Stud, zu Vegetius, 1888; M. JÄHNS, Gesch. d. Kriegswissenschaften vornehmlich in Deutschland, Bd. l, 1889; P. MEYER, Les anciens traducteurs francais de Vegece et en particulier Jean de Vignai, Romania 25 (1896) 401-423;

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J. PETERSEN, Das Rittertum in der Darstellung des Johannes Rothe, 1909; D. SCHENK, F. V. R. Die Quellen der Epitoma Rei Militaris, 1930; K. HOPPE, [Art.] Mulomedicina, in: RE31, 1933, Sp. 503—513; L. THORPE, Mastre Richard. A Thirteenth-Century Translator of the 'De Re Militari' of V., Scriptorium 6 (1952) 39-50; C. F. BÜHLER, The Earliest Appearances in Print of V., in: Gutenberg-Jb. 1956, S. 91-93; A. R. NEUMANN, [Art.] V., in: RE, Supplementbd. X, 1965, Sp. 992-1020; CH. R. SHRADER, The Ownership and Distribution of Manuscripts of the De Re Militari of F. V. R. Before the Year 1300, Diss. Columbia 1976; W. GOFFART, The Date and Purpose of V.' 'De re militari', Traditio 33 (1977) 65-100; CH. R. SHRADER, A Handlist of Extant Manuscripts Containing the De Re Militari of F. V. R., Scriptorium 33 (1979) 280-305; M. SPRINGER, Vegetius im MA, Philologus 123 (1979) 85-90; J. A. WISMAN, L'Epitoma rei militaris de Vegece et sä fortune au Moyen Age, Le Moyen Age 85 (1979) 13-31; F. H. SHERWOOD, Studies in Medieval Uses of V.' Epitoma rei militaris, Diss. (masch.) Los Angeles 1980 (vervielfältigt als University Microfilm, Ann Arbor, Michigan); PH. CONTAMINE, "War in the Middle Ages, Oxford 1984, 101999 (zuerst Paris 1980 u. d. T. La guerre au moyen äge); V. SCHMIDTCHEN, Kriegswesen im späten MA. Technik, Taktik, Theorie, 1990; A. ÖNNERFORS, Zu Person u. Werk des P. F. V. R., in: Yearbook of the New Society of Letters at Lund 1991, S. 142-173; F. FÜRBETH, Eine unbekannte dt.sprachige Vegetius-Übers. aus der Bibl. des Anton von Annenberg, ZfdA 124 (1995) 278-297; V. ORTOLEVA, La tradizione manoscritta della 'Mulomedicina' di Public Vegezio Renato, Acireale (Catania) 1996; W. SCHNEIDER-LASTIN, Christine de Pizan deutsch. Eine Übers, des 'Livre des fais d'armes et de chevalerie' in einer unbekannten Hs. des 15. Jh.s., ZfdA 125 (1996) 187-201; P. KALNING, Die V.-Rezeption in Johannes Rothes 'Ritterspiegel', Mag.arb. Tübingen 1998; PH. RICHARDOT, Vegece et la culture militaire au Moyen Age (Ve— XVe siecles), Paris 1998; M. D. REEVE, The Transmission of V.'s Epitoma Rei Militaris, Aevum 74 (2000) 243-354; F. FÜRBETH, Die dt.sprachige Rezeption des V. im MA, in: H. BRUNNER (Hg.), Die Wahrnehmung u. Darstellung von Kriegen im MA u. in der Frühen Neuzeit (Imagines Medii Aevi 6), 2000, S. 141-166; H. LÄHNEMANN, Didaktische Verfahrensweisen im 'Ritterspiegel' des Johannes Rothe, in: E. HELLGARDT u. a. (Hgg.), Lit. u. Macht im mal. Thüringen, 2002, S. 181-192; F. FÜRBETH, nutz, tagalt oder mär: das wissensorganisierende Paradigma der philosophia practica als lit. Mittel der Sinnstiftung in Heinrich Wittenwilers 'Ring', DVjs 76 (2002) 497-541; ders., Die 'Epitoma rei militaris' des V. zwischen ritterlicher

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'Veit' — 'Venloer-Geldrisches Hausbuch'

Ausbildung u. gelehrt-humanistischer Lektüre. Zu einer weiteren unbekannten dt. Übers, aus der Wiener Artistenfakultät, PBB 124 (2002) 302-338.

FRANK FÜRBETH 'Veit' [Korr.] Bd. 10, Sp. 200, zu 2. Überl.: "St. Paul in Kärnten, Stiftsbibl., cod. 371.4" korr.: ..., cod. 25/8 (olim 371/4).

'Venediger Chronica' -»· Mengin, Nikolaus [NB] Vener, Job [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 211 zu 2.b.: "Konrad Koler von Soest": Vgl. den Art. unter -» Koler (B.3.) [NB].

'Venloer-Geldrisches Hausbuch' Der Name steht für den ersten Teil (l r — 113V) eines Konvoluts (Pap., Kleinfolio), das in der Kgl. Bibliothek zu Brüssel unter der Signatur II, 144 aufbewahrt wird und aus dem Nachlaß des Historikers und späteren Rektors der Univ. Gent, C. P. Serrue (1805-1872) stammt. Dem Hausbuch folgen drei weitere Faszikel: Faszikel II (114r-120r) enthält acht Lieder und vier Sprüche, die alle das Thema 'Liebe' behandeln. Faszikel III überliefert die bisher einzig bekannte hs.liehe Fassung des 'Straßburger Rätselbuches' (vgl. -> Rätselbücher, 2.) mit 233 Rätseln (und Antworten), und das letzte Faszikel (149r-169r) ist eine Sammlung humanmedizinischer und hippiatrischer Rezepte. Die Lieder- und Rezeptsammlungen sind in einer raumtypischen 'ndl.-dt.' Mischsprache abgefaßt und gehören schon dem 17. Jh. an, das 'Straßburger Rätselbuch' ist in einer obd. Varietät geschrieben und kann noch ins 16. Jh. gesetzt werden. A u s g a b e n . Teilausg. der ersten beiden Faszikel bei PRIEBSCH, 1906, 1907; Ausg. einzelner Texte in den Abhandlungen DE KEYSER, 1956; JANSENSIEBEN, 1987, 1989; BRAEKMANS, 1989; TERVOOREN, 1999. Eine vollständige Transkription und Edition des Hausbuches ist für die Reihe 'Middeleeuwse Verzamelhandschriften uit de Nederlanden' in Vorbereitung.

Das Hausbuch, der nach Umfang und Inhalt bedeutendste Teil des Konvoluts, enthält 476 einzelne Texte, in der Regel li-

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terarische Kleinformen in Vers und Prosa. Sie tragen keine Autorsignatur. Jedoch sind zu den Nrn. 37, 105 und 118 Namen bzw. Herkunftsbezeichnungen notiert: splinter, heynrickus, dominicij degelria. Die Sprache verweist in das niederrhein.-ndl. Grenzland, speziell auf das Geldrische Oberquartier um die Städte Geldern und Venlo. Die Schrift und einige Anspielungen in den Cisioiani (TERVOOREN, 1999) setzen die Aufzeichnung in die erste Hälfte des 16. Jh.s. Im einzelnen überliefert das Hausbuch Sprüche in verschiedener inhaltlicher und formaler Ausprägung (Merkverse, Redewendungen, Sprichwörter), Priameln, geistliche und weltliche Lieder, Minnereden, ->· Cisioiani, Schwanke, (parodierte) Predigten (-»· 'Predigt im Namen des Papstes ...') und Rezepte. Eine locker gehaltene Anordnung wird durch Gattung und Thema organisiert: Es gibt Blöcke mit gnomischer Dichtung (lr-10r, 47V-48V, 50v-54r, 61r-63v) und Liebesgrüßen (10 r ~ v und 43r-47r [-* 'Liebesbriefsteller aus Köln', Bd. 5 u. NB]), Sammlungen von Minnefragen (40r-42v [-» 'Minnekatechese'I u. II]), Zusammenstellungen von geistlichen Liedern der Devotio moderna (etwa 29 r — 31V, 48 V -50 V ) und Liebesliedern, besonders Tageliedern (65v-79r, 90r-96r). Als Quelle für das weltliche Lied wird die Hs. dadurch aufgewertet, daß fast die Hälfte der überlieferten Lieder in der nordwestlichen Germania keine Parallelüberlieferung hat. Charakteristisch sind Texte, die preisend, parodierend, spielend Essen und Trinken zum Thema haben (18 V —22 V ; 102r—113r). Oft sind so zusammengestellte Blöcke darüber hinaus über gattungsandeutende Namen, Rückverweise, Themenaufgaben oder Hinweise auf die Gebrauchsfunktionen vernetzt. Der älteste Text dürfte eine Strophe des -» Archipoeta, Meum est propositum (58V) sein. In die höfische Zeit zurück reichen auch Fragen, die minnekasuistische Probleme diskutieren, wie es an sog. Minnehöfen üblich war (40 r —42 V ). Ansonsten ist Höfisches trotz vereinzelter Minnereden, für welche die Hs. eines der spätesten Sammelbecken ist, nicht präsent. Das Minne-

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'Vom verborgenen Gott zum bloßen Gott'

lied ist zum Liebeslied geworden. Die geistlichen Lieder tragen den Stempel der Devotio moderna. Das auch sonst in dem Raum oft überlieferte 'Lehrerlied' 'Ho luyde sanck der leerer vp der tinnen' (96r [-» 'Wächter an der zinnen']) ist gleichsam das Leitlied. Die Texte dienen praktischen, regional-, wenn nicht lokalgefärbten Zwecken im Rahmen von Freundeskreisen, Bruderschaften, Schulen oder Gilden, wohl auch Familien als Lebenshilfe, als Lesetexte für erbauliche Stunden, aber auch zur Unterhaltung als Spiel- und Vortragstexte (z. B. in der Fastnacht). Die Erzählung vom Schlaraffenland (Dat lant von cockaningen, 102V), misogyne Schwanke (z. B. Wan er dye winter heft gedaen 85V), erotische Lieder (Te Venloe al in dye goyde stat 81V, Och u>at mach ick buwens vernieten 88r) oder — mit Blick auf die Schule — makkaronische Texte (19 V —22 r ) sind Beispiele.

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rischen Oberquartiers im 16. Jh. Bemerkungen zur Brüsseler Hs. II, 144, in: A. LEHMANN-BENZ, U. ZELLMANN, U. KÜSTERS (Hgg.), Schnittpunkte. Dt.-ndl. Literaturbeziehungen im späten MA, 2003, S. 223—236; ders., Was liest man in niederrhein. Kleinstädten im 15. u. 16. Jh.?, in: Lit. — Gesch. — Lit.gesch., Fs. V. Honemann, 2003, S. 277-293.

HELMUT TERVOOREN 'Vom verborgenen Gott zum bloßen Gott' Ü b e r l i e f e r u n g . München, cgm 4715, 15. Jh., aus dem Augustinerinnenkloster Mariastein bei Eichstätt, 63r-64r; vgl. SCHNEIDER, München VII, S. 380 f. A u s g a b e . K. BIHLMEYER, Kleine Beiträge zur Gesch. der dt. Mystik, in: Beitr. zur Gesch. der Renaissance u. Reformation, Fg. f. J. Schlecht, hg. v. L. FISCHER, 1917, S. 45-62, hier S. 57 f. Nhd. Übersetzung. W. OEHL, Dt. Mystikerbriefe des MAs 1100-1500, 1931, S. 635 f.

Das anonyme Fragment eines geistlichen Sendbriefes, überliefert im Rahmen weiteL i t e r a t u r . R. PRIEBSCH, Aus dt. Hss. der Kgl. rer mystischer Kurztexte und Exzerpte, ist Bibl. zu Brüssel III, ZfdPh 38 (1906) 301-333, 436-467 und ZfdPh 39 (1907) 156-179; P. DE ein kleiner Edelstein der apophatischen KEYSER, De nieuwe reis naar luilekkerland, Ars Mystik des dt. SpätMAs. Der Brief eines Folklorica Belgica 2 (1956) 7-41; BRANDIS, Min- geistlichen Ratgebers ist an eine (weiblinereden, S. 222; A. HOLTORF, Neujahrswünsche che) Person gerichtet, die ein Leben der im Liebeslied des ausgehenden MAs (GAG 20) Gelassenheit im Sinne der Gottesfreunde 1973, S. 15, 367; M. RHEINHEIMER, Rhein. Minnegewählt hat. Das geht aus dem Eingangsreden. Unters, u. Edition. (GAG 144) 1975; W. L. satz hervor: Lern Got laszen durch Got, BRAEKMAN, Zestiendeeeuwse veterinaire literatuur den verporgen Got durch den ploszen Got. uit de Nederlanden (Scriptia 20), 1987; R. JANSENDieselbe Botschaft beschließt den Text, SIEBEN, Van körte borsten en wassen hoofden, in: Rapiarijs. Een afscheidsbundel voor H. van Dijk. verbunden mit der Aufforderung, Gott für Onder redactie van S. BUITINK u. a., Utrecht 1987, den Zustand der Gelassenheit zu danken. S. 55—57; dies., Burleske recepten, in: K. PORTEDer Text gehört im weiteren Sinn zur dioMAN u. K. E. SCHÖNDORF (Hgg.), Liber amicorum, nysischen Tradition, steht aber vor allem Prof. dr. Kare Langvik-Johannessen, Leuven 1989, Meister -> Eckhart und seinen NachfolS. 109-114; J. SCHULZ-GROBERT, Dt. Liebesbriefe gern nahe, besonders -» Seuse, dessen Terin spätmal. Hss. (Hermaea NF 72) 1993, S. 92minologie einige der verwendeten Begriffe 97; H. TERVOOREN, Wittenwiler-Rezeption im rheisehr nahe kommen ('Vita' c. 52; 'Büchlein msch-maasländischen Raum, ZfdPh 115 (1996) der Wahrheit', c. 2 u. 4). 437 f.; D. HOGENELST, Sproken en sprekers. Inleiding op een repertorium van de Middelnederlandse In rhythmischer Prosa werden Maximen sproke. 2 Bde (Nederlandse literatuur en Cultuur spiritueller Haltungen und Übungen aufgein de Middeleeuwen XVI), Amsterdam 1997; H. stellt, die von dem in den Schleiern der OfPLEIJ, Dromen van Cocagne. Middeleeuwse fantafenbarung(en) und der menschlichen Sprasieen over het volmaakte leven, Amsterdam 1997, che verborgenen Gott zum nackten Gott S. 69-73, 434 f. (dt. u. d. T. Der Traum vom jenseits aller Dinge führen sollen. Die LehSchlaraffenland, 2000); H. TERVOOREN, Drei nieren basieren auf biblischen Bildern (wiltu derrheinische Cisioiani, in: V. HONEMANN, H. TERlernen Jhesum sehen an dem gestat [ VOOREN u. a. (Hgg.), Sprache u. Lit. des MAs in 21,4], so lern yn dem mer vor versincken den nideren landen (Nd. Studien 44), 1999, S. 291-308; ders., Lit. Leben in Städten des Geld- [Mt 14,30]). Die Sprache umfaßt prakti-

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'Veronika' I — Vespucci, Amerigo

sehe Emfehlungen (wiltu meiden, so lern leiden), einfache Anweisungen (hör, sich, leyd und sweig) und das göttliche Mysterium preisende Epitheta, einige in der Form eines Oxymorons (blosze verporgenheit; du styles geschrey). Der wesentliche Gedanke — nur indem man Gott läßt, kann er gefunden werden — taucht auch bei Eckhart auf (z. B. in der 'Armutspredigt'). Loslösung von der geschaffenen Wirklichkeit, sogar vom Gott der menschlichen Vorstellungen, ist mit Leiden verbunden, aber Leiden ist kein Weg zu Gott; vielmehr ist es ein Weg zu erfahren, daß Gott nicht auf bestimmten Wegen gefunden werden kann. Der Text ist durchdrungen von absolutem Vertrauen auf Gott, wie es auch für Eckhart charakteristisch ist — keine Kreatur kann uns von Gott trennen, es sei denn, wir wollen das selbst. L i t e r a t u r . D. SOLLE, Mystik u. Widerstand: 'Du stilles Geschrei', 1997, S. 116 f.

BERNARD McGiNN 'Über das Verhalten in mystischer Begnadung' -» 'Sendbrief über das Verhalten ...' [NB] 'Veronika' I [Nachtr./Korr.] Bd. 10, Sp. 295 f., zu 5. vgl. auch -> 'Die Ärzte'. Sp. 296 Mitte: "Apo 17" korr.: Act 17.

Vespucci, Amerigo A. Unter dem Namen des Florentiner Bankiers und Kosmographen A. V. (1454— 1512; zum Geburtsjahr vgl. zuletzt CARACI, 1999, S. 103 f.) sind insg. sechs Briefe überliefert, die über seine vier transatlantischen Reisen berichten. Die erste und die vierte Reise sind nur durch diese Briefe belegt und wurden von der Forschung teilweise, sogar mit dem Vorwurf bewußter Fälschung, bestritten. Aber auch die Echtheit der zwei publizierten Briefe wurde — wohl zu Unrecht — angezweifelt. Diese beiden Briefe ('Mundus Novus' und 'Lettera delle isole') waren offenbar neben ihren Adressaten zugleich für die Öffentlichkeit bestimmt und sind in zeitgenössischen

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Drucken tradiert; sie wurden in der Folge auch ins Deutsche übersetzt. Vier weitere, nur hs.lich überlieferte Briefe an V.s Dienstherrn, den Bankier Lorenzo di Pier Francesco de' Medici, haben privaten Charakter. G e s a m t a u s g a b e n . M. Pozzi, A. V., II Mondo Nuovo. Scritti vespucciani e paravespucciani, Milano 1984, Alessandria 21993: L. FORMISANO, A. V., Lettere di viaggio, Milano 1985 (die ital. Briefe; ohne 'Mundus Novus'); I. L. CARACI, A. V., Tomo I: Document! (Nuova raccolta colombiana), Rom 1996. Zur hist. Einordnung der Reisen vgl. zuletzt CARACI, Tom. II, 1999; zur Authentizität der Texte ebd., S. 63-99; WALLISCH, 2002, S. 104-120.

I. ' M u n d u s N o v u s ' . Dieser Brief, adressiert an Lorenzo di Pier Francesco de' Medici (f 20. Mai 1503), geschrieben in Lissabon nach der Rückkehr von der dritten Reise, ist im Original nicht erhalten, sondern nur in der publizierten lat. Übersetzung eines locundus interpres. Der Übersetzer wurde mit dem Veroneser Dominikaner Giovanni del Giocondo, königlicher Architekt in Paris, identifiziert, was sich auf einen Hinweis in Walter Luds 'Speculi Orbis Declaratio', Straßburg 1507, stützt (vgl. EAMES bei SABIN, vol. XXVI, S. 439); dagegen steht die Identifizierung mit Giuliano del Giocondo, der zur Zeit der Abfassung in Lissabon lebte (CARACI, 1999, S. 72 ff.). V. berichtet in seinem Brief über die Expedition vom 14. Mai 1501 bis 7. Sept. 1502 unter dem Kommando des Portugiesen Goncalo Coelho (dessen Name nicht erwähnt wird). V. war an der Reise aufgrund seiner astronomischen und theoretischen geographischen Kenntnisse in der Rolle eines wissenschaftlichen Beobachters und Beraters beteiligt. Ü b e r l i e f e r u n g . 12 (13) lat. Druckausgaben der Jahre 1503 (oder 1504) bis 1506, mit Holzschnitten, verzeichnet mit detaillierten Beschreibungen EAMES in: SABIN u. a., Nrn. 99327-339; vgl. auch die Liste bei HIRSCH, Appendix I, Nrn. 19-30, 32-34 (mit der Konkordanz der Nrn. von HARISSE, BAGINSKY u. a.); ALDEN, Nrn. 503/9, 504/5-8, 505/12 u. 15, 17, 17 a, 18, 506/8-10; VD 16, V 933-937; CARACI, 1999,

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Vespucci, Amerigo

S. 583-585, dazu S. 357f., mit z. T. anderen Datierungen. Als Erstdruck galt seit langem Paris, F. Baligault u. J. Lambert [1503] (ohne Titel). CARACI, 1999, S. 74 ff., hält dagegen den ersten datierten Druck — Augsburg, J. Otmar 1504, Titel: Mundus Nouus — für den frühesten. — Unter verändertem Titel: Straßburg, M. Hüpfuff [1505], hg. v. Matthias -> Ringmann [NB]: De ora antarctica per regem Portugallie pridem inuenta. Der 'M. N.' erschien auch mehrfach als Teil von Sammelwerken, v. a. in Fracanzanos da Montalboddo 'Paesi nuovamente retrovati' und dessen Übersetzungen (SABIN u. a., Nrn. 50050-54; CARACI, 1999, S. 590 f., dazu S. 361-363; vgl. u. B.I.3.); im Rahmen dieser Sammlung auch im Novus Orbis regionum ac insvlarum incognitarum von Johannes Huttich und Simon Grynaeus, Erstdruck Basel 1532 (SABIN u.a., Nrn. 34100-107; ALDEN, Nrn. 532/17, 537/14, 555/42; VD16, G 3827-29). - Insg. bis z. J. 1555 ca. 60 Ausgaben des 'M. N.' in verschiedenen Sprachen. Faksimileausg.: E. SARNOW, Mundus novus (Drucke u. Holzschnitte des XV. u. XVI, Jh.s in getreuer Nachbildung 9), Straßburg 1903 (von dem Druck [Rostock, H. Barckhusen 1505], 4 EIL, 2°). A u s g a b e n (u.a.). Pozzi (s.o.); J. KLOWSKI, Mundus novus. Einleitung, Text u. Kommentar zu A. V.s Schreiben, Der Altsprachliche Unterricht 30 (1987), H. 2, S. 47-64; CARACI, 1996 (s.o.), S. 303-319 (lat. u. ital.; nach dem Druck Augsburg 1504 u. nach der Fassung in den 'Paesi nuovamente retrovati', Vicenza 1507), vgl. S. 521 f.; R. WALLISCH, Der 'Mundus Novus' des A. V. (Wiener Studien. Beih. 27), Wien 2002, S. 12-31 (nach dem Druck Augsburg 1504; mit dt. Übers.; Kommentar S. 32-103).

Nach V.s eigener Aussage handelt es sich um seine dritte Reise. Deren Ziel war die Küste Brasiliens, die weit in Richtung Süden befahren wurde. Der Autor setzt die neuen Entdeckungen selbstbewußt vom Kenntnisstand der antiken Wissenschaft ab. Im 'M. N.' wird erstmals nicht nur von neu entdeckten Inseln im westlichen Atlantik gesprochen, sondern von einem vierten continens (= Südamerika), der der Antike unbekannt gewesen war. Der Bericht mit dem Anspruch, Neues und Außerordentliches dokumentarisch festzuhalten, gliedert sich in sachlich geordnete Kapitel, deren Anzahl in den einzelnen Drucken leicht variiert (i. F. nach der Ausg. WALLISCH): Nach der Einleitung behandeln c. 2 und 3 nautische Fragen mit der eigentlichen See-

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fahrt, zunächst entlang der afrikanischen Westküste bis Capo Verde, danach über den Atlantik und entlang der Küste Brasiliens; c. 4 und 5 anthropologische und ethnographische Angaben, klimatische Bedingungen — V. beschreibt die Einwohner Brasiliens (Völker der Tupi) unter Anklang von Topoi antiker und christlicher Paradiesvorstellungen als freundlich und naturhaft lebend, aber auch mit befremdlichen sexuellen Sitten, andererseits als grausame Kannibalen; c. 6 Landwirtschaft, Flora, Bodenschätze; c. 7 Klima; c. 8 —10 astronomische Beobachtungen; in c. 11 und 12 teilt V. seine Absicht mit, weitere Schriften über seine Reisen zu verfassen, sofern er dazu die nötige Muße (ocium) finden werde, und spricht vom Plan einer vierten Reise; c. 13 ist die abschließende Äußerung des Übersetzers. V. verweist auf sein diarium der Reise mit ausführlicheren Angaben; es stehe ihm aber gegenwärtig selbst nicht zur Verfügung, da er es dem portugiesischen König überreicht habe. Über dieselbe Reise existiert ein weiterer, privater Brief V.s an Lorenzo di Pier Francesco, der gleichen Inhalts, aber sprachlich-stilistisch verschieden ist (sog. Bartolozzi-Brief, ital.).

II. 'Lettera d e l l e isole n u o v a m e n t e r e t r o v a t i i n q u a t t r o viaggi' (lat.: 'Quattuor navigationes'). Der ursprüngliche Brief in ital. Sprache ist in Lissabon am 4. Sept. 1504 datiert. Im ital. Erstdruck fehlt der Name des mit vostra Magnificentia angesprochenen Adressaten; er wird durch die Hss. mit Piero Soderini, Gonfaloniere von Florenz, identifiziert; V. bezeichnet ihn als früheren Studienfreund. Weitere Verbreitung als die ital. erfuhr die lat. Fassung u. d. T. 'Quattuor navigationes', von Jean Basin angeblich aus frz. Vorlage übersetzt, mit einer Widmung im Namen V.s an Herzog Rene II. von Lothringen, König von Neapel. Sie erschien im Rahmen von Martin Waldseemüllers bzw. Matthias -> Ringmanns [NB] 'Cosmographiae introductio'; in dieser wurde die Neue Welt erstmals nach V.s latinisiertem Vornamen als America bezeichnet. Die lat. Ausgabe weicht von der ital. in Daten und Zahlenangaben mehrfach ab.

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Vespucci, Amerigo

Ü b e r l i e f e r u n g . 3 ital. Mss. sowie mehrere mit Holzschnitten versehene Drucke: SABIN u. a., Nrn. 99353 (ital.), 99354-55 u. 101017-23 (lat.); vgl. HIRSCH, Appendix I, Nrn. 45 (ital.), 51-54, 6067 u. 70 (lat.); ALDEN, s. Index S. 462; CARACI, 1999, S. 593-595, dazu S. 359 f. Ital. Erstdruck: [Florenz 1505/06]: Lettera dt Amerigo Vespucci delle isole nuovamente trovate in quattro suoi viaggi (ALDEN, Nr. 505/16), 16 Bll., 4°. Faksimileausg. v. B. QUARITCH, A. V., Letters of the Four Voyages to the New "World, Hamburg 1992 (mit engl. Übers.). Lat. Fassung: Saint-Dife, W. Lud 1507: Quattuor Amend Vesputii Navigationes, als 2. Teil der Cosmographiae introductio (2 Drucke in jeweils 2 Varianten im Jahr 1507; u. ö.); ALDEN, Nrn. 507/10— 14; VD 16, V 938 = ebd., W 1159. Faksimileausg. v. F. R. WIESER, Die Cosmographiae Introductio des Martin Waldseemüller (Drucke u. Holzschnitte d. XV. u. XVI. Jh.s in getreuer Nachbildung XII), Straßburg 1907, die 'Quat. nav.' S. 41-103. Die 'Quat. nav.' wurden außerdem — ebenso wie der 'M. N.' — in Huttichs/Grynaeus' 'Novus Orbis' aufgenommen (vgl. o. L). Ausgaben. Pozzi (s.o.); FORMISANO (s.o.), S. 37-66 (Text), S. 163-222 (Überl., Kommentar, Apparat); CARACI, 1996 (s. o.), S. 321-383 (ital. u. lat.), vgl. S. 522.

Das Werk (auch 'Soderini-Brief') bietet eine Beschreibung aller vier Reisen V.s in den Jahren von 1497 bis 1504, davon die beiden ersten im Dienste der spanischen, die dritte und vierte im Dienste der portugiesischen Krone (vgl. die Reisedaten bei WALLISCH, S. 127-129). V. nennt keinen der Kommandanten oder Teilnehmer mit Namen. Die erste Reise führte in die Karibik (1497/98) und erreichte das mittelamerikanische Festland (Honduras), die zweite (1499-1500) an die Küste von Guayana, nach Venezuela und auf verschiedene Inseln (Bahamas). Die dritte Reise ist die bereits im 'M. N.' beschriebene Fahrt nach Brasilien, dem Ziel auch der vierten (1503 — 04); auf dieser letzten Fahrt hatte V. erstmals auch das Kommando über eines der Schiffe. Der Brief intendiert ein Gesamtbild von V.s Reisen in die Neue Welt. Im Rahmen des ersten viaggio erfolgt die ausführlichste ethnographische Beschreibung, die allgemeinere Relevanz beansprucht und auch Elemente aus dem 'M. N.' aufnimmt, wobei aber Konflikte und negative Zeichnung

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stärker hervortreten. Die Berichte über die weiteren Expeditionen bieten hauptsächlich geographische und astronomische Angaben sowie solche zur eigentlichen Seefahrt; von der dritten Reise wird anders als im 'M. N.' auch ein Bericht der stürmischen Rückreise gegeben. Bei der letzten wird massive Kritik am Kommandanten der Flotte deutlich — V.s Schiff verlor den Kontakt mit den anderen und kehrte alleine heim. Berichtet wird auch von den Aspekten materiellen Gewinns, etwa durch den Verkauf gefangener Eingeborener als Sklaven oder den Handel mit Perlen. V. bezieht sich mehrmals auf sein umfassenderes Werk mit dem Titel Le quattro giornate, das er jedoch noch nicht publiziert habe. Dieses Werk ist nicht erhalten.

B. D e u t s c h e Ü b e r s e t z u n g e n . In den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jh.s ist der Anteil der dt.sprachigen Drucke an der europäischen Entdeckungsliteratur zur Neuen Welt herausragend groß (vgl. HIRSCH), den Hauptteil bilden dabei die zahlreichen dt. Ausgaben der Vespucci-Briefe. Bisher existiert zu ihnen jedoch keine nähere Untersuchung; vgl. die Kommentare von EAMES bei SABIN u. a., bes. Bd. XXVI. I. ' M u n d u s Novus'. 15 (bzw. 17) mit Holzschnitten illustrierte Drucke aus den Jahren 1505 — 1508 sind drei voneinander unabhängigen Übersetzungen zuzuordnen; eine vierte entstand später. 1. Basler Übersetzung (so nach dem Druck [Basel, M. Furter 1505], 16 S., 8°; vgl. SABIN u. a. [EAMES]): Von der neu gefunden Region so wol ein weit genempt mag werden, durch den Cristenlichen künig von Portigal wunderbarlich erfunden ... U ytalischer sprach in latin der hüpscb Tollmetsch dyss epistel gezogen hat ... Uß latin ist diß missiue in Tütsch gezogen vss dem exemplar das von Pariss kam im Meyen monet mitle ... Vorlage dürfte der Pariser Druck (s. o. A. I.) gewesen sein.

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Insg. 5 Drucke der Jahre 1505 u. 1506: SABIN u. a., Nrn. 99340-44; vgl. HIRSCH, Appendix I, Nrn. 38-40, 42, 44; ALDEN, Nrn. 505/22-24, 506/16-17; VD 16, V 922, 923, 925, 929, 930; CARACI, 1999, S. 585 f. Dazu Auszüge dieser Übers, in 2 verschiedenen druckgraphischen Fassungen (insg. 3 [4?] Drucke): a. Das sind die new gefunden menschen oder volcker, [Nürnberg, G. Stuchs 1505 — 06 und/ oder Leipzig 1505?], Breitformat, 2°, SABIN u. a. Nr. 99360; ALDEN, Nr. 505/11; FALK, S. 40 f., 43 Abb. 2. — b. Diese figur anzaigt vns das volck vnd insel die gefunden ist durch den cristenlichen Künigzü Portigal [Augsburg, J. Froschauer 1505 — 06], Breitformat, 2° (2 Drucke). SABIN u. a., Nrn. 99361-62; HIRSCH, App. I, Nr. B; ALDEN, Nrn. 505/13-14. Vgl. GEWECKE, S. 146 f. u. Abb. 20; JAHN, S. 187 ff.; CARACI, 1999, S. 587 f.

von Francanzanos da Montalboddo Sammlung von Reiseberichten (vgl. -> Ruchamer [NB], Newe vnbekandte landte ...), darin als Buch 5: Buche der newen weldte: auß Hyspanyscher [!] spräche in weihische vnd auß der wellischen in dewtsche verwandelt. Noch im selben Jahr erschien eine auf der hd. Fassung basierende nd. Umsetzung der Sammlung. Die Fassung Ruchamers ist eigenständig; mit Übers. 2 verbinden sie jedoch strukturelle Gemeinsamkeiten, was auf Nähe der Vorlage Fracanzanos (denkbar sind die lat. Ausg.n [Venedig 1504/05] oder [Rom 15047 05]) zu derjenigen von Übers. 2 schließen läßt.

2. Straßburger Übersetzung (so nach dem Druck Straßburg, M. Hüpfuff 1505, 15 Bll. 4°; vgl. SABIN u. a. [£AMES]): Von den nüwen Jnsulen vnd landen so yetz kürtzlichen erfunden synt durch den Künig von Portugall ... Vss Italischer zung in die Latinisch vnd yetz in teütsch Ein guter schwatzman diese epistel gekert hat. Vorlage war die Ausgabe [Rom 1504/05] oder diejenige Ringmanns, Straßburg [1505] (s. o. A. L). Zu -» Ringmann [NB] als möglichem Übersetzer s. d. (B. V. 4. a). Ihrer lat. Vorlage entsprechend weist die Übersetzung eine Einteilung in 10 Kapitel und verschiedene Kürzungen (etwa bei den astronomischen Angaben) auf.

SABIN u. a., Nrn. 50056—57; HIRSCH, App. I, Nrn. 61-63; ALDEN, Nrn. 508/5 u. 508/6; CARACI, 1999, S. 591.

Insg. 7 Drucke der Jahre 1505 u. 1506, darunter auch eine nd. Bearbeitung: SABIN u. a., Nrn. 99345-51; vgl. HIRSCH, App. I, Nrn. 41, 43, 47-50, 60; ALDEN, Nrn. 505/20-21, 506/11, 1315; VD 16, V 924, 926-28, 931-32; CARACI, 1999, S. 586 f. Faksimileausgabe der nd. Bearbeitung (Magdeburg, J. Winter 1506; 8 Bll., 4°): T. SODMANN, A. V., Van den nygen Insulen und landen. Magdeburg 1506. Faksimile uitgave van het oudste bericht in het Nederduits over de ontdekking van de Nieuwe Wereld, mit e. Nachwort, Borken/Winterswijk 1991 (ohne Zuordnung zu dieser Übers.).

4. Eine weitere Übersetzung entstand später im Rahmen von Michael Herrs Übersetzung des 'Novus Orbis' (s. o. A. I. u. II.): Die New weit der landschaften vnnd Jnsulen ..., Straßburg, G. Ulricher 1534. SABIN u. a., Nr. 34106; ALDEN, Nr. 534/ 20; VD 16, G 3830.

II. ' Q u a t t u o r n a v i g a t i o n e s ' . Die beiden dt. Fassungen basieren auf der lat. Übersetzung des Jean Basin in der 'Cosmographia' Ringmanns; letzterer kommt auch als dt. Übersetzer in Frage (s.d. B. V. 4.b). 1. Druck Straßburg, J, Grüninger 1509, 32 Bll., 4° (2 versch. Drucke, mit Holzschnitten): Diss büchlin saget wie die zwen durchliichtigsten herren her Fernandus K. zu Castilien vnd herr Emanuel K. zu Portugal haben das weyte mor ersuchet vnnd funden vil Insulen vnnd ein Nüwe weit ... Die Übersetzung folgt ihrer lat. Vorlage in Struktur und Inhalt genau; sie ist zusätzlich mit einem Nachwort versehen, das die Frage aufwirft, ob die Menschen der Neuen Welt von Adam abstammten.

Der Name des Übersetzers der lat. Vorlage, locundus interpres, wurde in beiden Übersetzungen mißverstanden (der hiipsch Tollmetsch bzw. ein guter schwatzman [im nd. Druck: ein guder dichterl).

SABIN u. a., Nrn. 99356-57 (ebd. Nrn. 9935859 zwei weitere dt. Drucke des 18. Jh.s); ALDEN, Nrn. 509/11-12; CARACI, 1999, S. 595.

3. 1508 entstand aus ital. Vorlage eine dt. 'M. N.'-Fassung im größeren Rahmen

III. Fälschlich unter dem Namen des A. V. erscheint der Reisebericht des Balthasar -> Springer

2. In Michael Herrs Übersetzung des 'Novus Orbis' (s.o. B. I. 4.).

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'Vierundzwanzig-Paragraphen-Text' — 'Vierzehn geistliche Jungfrauen'

[NB] in einer fläm. Fassung (Reyse van Lissebone om te varen na dat eylandt Naguaria in groot Indien ghelegen ..., Antwerpen, Jan van Doesborch 1508 (2 Drucke, SABIN, Nrn. 99363-64; auch lat. u. d. T. De novo mondo, Sabin u. a., Nr. 99365; CARACI, 1999, S. 588 f.). Dabei sind V.s Einleitung aus dem 'M. N.' und das kosmographische Schlußkapitel übernommen. L i t e r a t u r (Auswahl). Verzeichnisse der frühen Drucke: H. HARISSE, Bibliotheca Americana Vetustissima. A Description of Works Relating to America Published between the Years 1492 and 1551, New York 1866, Madrid 21958; ders./ C. SANZ, dass., Additions, Paris 1872, Madrid 21958; J. SABIN/ W. EAMES/ R. W. G. VAIL, Bibliotheca Americana. A Dictionary of Books Relating to America from its Discovery to the Present Time, New York 1868—1936, Repr. Amsterdam 1961/62, vol. XII [1880], S. 2831 [s. v. Montalboddo], vol. XXVI [1935], S. 436484 [s. v. Vespucci], vol. XXVII [1936], S. 249252 [s. v. Waldseemüller] (grundlegend); P. BAGINSKY, German Works Relating to America. 1493—1800. A List Compiled from the Collections of the New York Public Library, New York 1942, Nrn. 10—34 u. a.; R. HIRSCH, Printed Reports on the Early Discoveries and their Reception, in: F. CHIAPELLI (Hg.), First Images of America. The Impact of the New World on the Old, Bd. 2, Berkeley/Los Angeles 1976, S. 537-558; J. ALDEN, European Americana. A Chronological Guide to the Works Printed in Europe Relating to the Americas, Bd. 1: 1493-1600, New York 1980, s. Index S. 462; CARACI, 1999 (s. u.), S. 583-597. Allg.: K. TRÜBENBACH, A. V. Reise nach Brasilien in den Jahren 1501-1502, Flauen 1898; SARNOW/TRÜBENBACH, Einl. zur Faks.-Ausg., 1903 (s. o. A. L), S. 7-23; Die Neue Welt in den Schätzen einer alten europäischen Bibliothek [Ausstellungskatalog Wolfenbüttel], 1976, Nr. 3; D.B. QUINN, New Geographical Horizons: Literature, in: CHIAPELLI (s. o.), S. 635-658, bes. S. 639649; F. GEWECKE, Wie die neue Welt in die alte kam, 1986, S. 98-113 u. Anm. S. 128-132, S. 146 f. u. Abb. 16-22; G. CARACI (Hg.), Problemi vespucciani (Letteratura e cultura delPAmerica latina. Memorie, viaggi e scoperte3), Rom 1987; T. FALK, Frühe Rezeption der Neuen Welt in der graphischen Kunst, in: Humanismus u. Neue Welt, hg. v. W. REINHARD (Mitt. XV der Kommissionf. Humanismusforschung), 1987, S. 37—64, hier S. 40 f., 43; U. BITTERLI, Die Entdeckung Amerikas von Kolumbus bis Alexander v. Humboldt, 1991, S. 112-117 u. ö. (Reg.); W. NEUBER, Fremde Welt im europ. Horizont. Zur Topik der dt. Amerika-Reiseberichte der Frühen Neuzeit (Philol. Stud. u. Qu. 121), 1991, bes. S. 235-242 u. ö.

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(Reg.); A. RONSIN, Decouverte et bapteme de PAmerique, Jarville 21992; D. WUTTKE, Humanismus in den dt.sprachigen Ländern u. Entdeckungsgeschichte 1493-1534, in: ST. FUSSEL (Hg.), Die Folgen der Entdeckungsreisen für Europa (Pirckheimer Jb. 7), 1992, S. 9-52; K. A. VOGEL, Amerigo Vespucci u. die Humanisten in Wien ..., in: ebd., S. 53 — 104; A. DELGADO-GOMEZ, The Earliest European Views of the New World Natives, in: J. M. WILLIAMS/ R. E. LEWIS (Hgg.), Early Images of the Americas, Tucson 1993, S. 3-20; B. JAHN, Raumkonzepte in der Frühen Neuzeit. Zur Konstruktion von Wirklichkeit in Pilgerberichten, Amerikareisebeschreibungen u. Prosaerzählungen (Mikrokosmos 34), 1993, S. 182-198 u. ö.; H.-J. KÖNIG, Vielfalt der Kulturen oder europäisches Muster? Amerika u. Indios in frühen dt. Schriftzeugnissen, in: A. PROSPERI/ W. REINHARD (Hgg.), Die neue Welt im Bewußtsein der Italiener u. Deutschen im 16. Jh. (Schr.n d. Ital.-Dt. Hist. Inst, in Trient6), 1993, S. 175-213; K. A. VOGEL, "America": Begriff, geograph. Konzeption u. frühe Entdeckungsgesch. in der Perspektive der dt. Humanisten, in: K. KOHUT (Hg.), Von der Weltkarte zum Kuriositätenkabinett. Amerika im dt. Humanismus u. Barock, 1995, S. 11-35; I. L. CARACI, A. V., Tomo II (Nuova raccolta colombiana), Rom 1999; WALLISCH, 2002 (s. o. A. L), S. 32-134.

CHRISTINE STÖLLINGER-LÖSER 'Victoria' -» 'Anatolia und Victoria' [NB] 'Vier Liebesbriefe' -* 'Mattseer L.' 'Vierundzwanzig-Paragraphen-Text'

[Nachtr.] Bd. 10, Sp. 336 zu 3.: "- 'Kodex Kohlhauer'" ergänze: Die Hs. ist seit 1988 in Berlin, SBB-PK, Hdschr. 319. Vgl. P. J. BECKER/ E. OVERGAAUW (Hgg.), Aderlaß u. Seelentrost. Die Überl. dt. Texte im Spiegel Berliner Hss. u. Inkunabeln, 2003, S. 354-356 Nr. 168 (B.-J. KRUSE).

'Vierzehn geistliche Jungfrauen' ('Zwölf g- J·')

In zahlreichen (lat., dt. und ndl.) Versionen verbreitete Tugendallegorie. KATARA hat zwei nd. Bearbeitungen des Stoffes u. d. T. 'Zwölf g. J.' ediert; der Titel trifft jedoch nur für die sehr freie Helmstedter Bearbeitung (III.5.) zu; in allen übrigen Fassungen (auch in der zweiten von KATARA edierten Lübecker [III.4.]) geht es dagegen um vierzehn Jungfrauen.

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'Vierzehn geistliche Jungfrauen'

L I n h a l t (nach Fassung B). Der Text, in eine Weihnachtspredigt eingekleidet, behandelt in allegorischer Form die geistliche Geburt des Gottessohns in der Seele des Menschen. Nach dem einleitenden Bibelwort Een kijnt is ons gheboren (Is 9,6) werden die in der Predigt angeredeten susteren darüber belehrt, wie sie das in ihnen geborene Jesuskind pflegen und ihm dienen sollten: Sie müßten es 1. in Windeln wickeln, 2. in eine Wiege legen, 3. bewachen, 4. aus dem Bett hochnehmen, 5. baden, 6. aus dem Bad tragen, 7. ihm zu essen geben. Zur Verrichtung dieser Dienste seien geeignete Ammen (jonghe jofferkens] zu suchen. Die Tätigkeiten der jeweils paarweise auftretenden Jungfrauen (lat. Namen nach Fassung N) werden anschließend ausführlich beschrieben und jeweils mit einem Zitat aus der Bibel (am häufigsten aus dem Hohenlied) kommentiert: Rouwe/Contrido (l a) wäscht die Windeln, und Bicht/Confessio (l b) hängt sie zum Trocknen auf; Puerheit/Puritas (2 a) macht das Bett, und Gotlike Mynne/Caritas (2b) wickelt das Kind und legt es ins Bett; Kusttcheit/Tranquillitas (3 a) bewacht seinen Schlaf, und Neerstighe Huede/ Emulaäo (3 b) beschützt es vor bösen Worten; Guede Ghedachte/ Meditatto Sancta (4 a) weckt es, und Ghebet/Oracio (4b) spricht mit ihm; Mildicheit/Pietas (5 a) bereitet das Bad, und Innicheit [= G, Name fehlt in B]/Devocio (5 b) wäscht das Kind; Ghehoersamheit/Obediencia (6 a) und Voersienicbeit/Circumspectio (6 b) tragen es aus dem Bad; Barmherticbeit/Misericordia (7 a) speist das Kind, und Sachtmoedicheit/Mansuetudo (7 b) gibt ihm die Brust. Die Namen der allegorischen Personen, ihre Tätigkeiten und die zitierten Bibelstellen bleiben in allen dt. Fassungen (außer in Fassung H) die selben. II. L a t e i n i s c h e Quelle. KATARA (1934, S. 338) vermutet, daß der Allegorie eine 'mndl. Vorlage' zugrunde liege. Es läßt sich jedoch nachweisen, daß sie auf eine lat. Quelle zurückgeht. Ein solcher lat. Text findet sich nämlich in Kap. 1,11 des 'Arbor vitae crucifixae' des -> Hu-

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bertinus von Casale. Der betreffende Abschnitt (Nachdr. der Ausg. Venedig 1485 v. CH. T. DAVIS, Turin 1960, S. 67a-68a) beginnt mit dem (den Inhalt der Allegorie zusammenfassenden) Satz: si istum paruulum in te natum uis nutrire et fouere, attende quia est inuoluendus, reclinandus, custodiendus, leuandus, lauandus, deducendus et cibandus; er entspricht in allen Details des Aufbaus und größtenteils auch des Wortlauts den dt. Texten, zeigt jedoch auch einige auffällige Abweichungen von jenen (abweichend sind z. B. die Namen der Tugenden 2 a [Sancta Meditatio], 4 a [Sollicita Deuotio] und 5 b [Perseuerantia]), so daß er nicht als direkte Vorlage in Frage kommt. Bei dem allen dt. Fassungen zugrundeliegenden Text dürfte es sich um eine lat. Weihnachtspredigt handeln, die in großen Teilen wörtlich mit dem Hubertinus-Abschnitt übereinstimmte. III. D e u t s c h e und n i e d e r l ä n d i s c h e Fassungen. Die folgende Zusammenstellung der (nach dem Grad ihrer Nähe zum lat. Grundtext geordneten) Bearbeitungen hauptsächlich aus dem nd. Sprachgebiet beruht auf Zufallsfunden und erfaßt sicher nur einen Teil der überlieferten Texte.

1. Berliner (niederrhein.) Fassung (B). Ü b e r l i e f e r u n g . Berlin, mgo 353, 138r-142r (aus dem Augustinerinnenkloster Nazareth in Geldern, 2. H. 15. Jh.); 's-Gravenhage, Kon. Bibl., cod. 73F27, 59 V —67 V (aus dem Augustinerinnenkloster St. Agnes in Maaseik, Mitte 15. Jh.). A u s g a b e . A. VAN DIJK, Jan Brugman, Verspreide sermoenen (Klassieke Galerij 41), Antwerpen 1948, S. 89-94 (nach der Berliner Hs.).

Die nur aus der 14-Jungfrauen-Allegorie bestehende, an eine weibliche Klostergemeinschaft gerichtete Weihnachtspredigt schreibt VAN DIJK (S. XIII f.) Johannes -> Brugman zu, weil dieser die gleiche Tugendallegorie in seiner 'Devote Oefeninge der kijnsheit, des middels ende des eyndes ons Heren Christi' (Ausg. W. MOLL II, Amsterdam 1854, S. 308 f.) verwendet habe. Der entsprechende Abschnitt der Oefeninge' basiert jedoch, wie das gesamte Werk, auf dem 'Arbor' des Hubertinus von Casale. Angesichts der weiten Ver-

1629

'Vierzehn geistliche Jungfrauen'

breitung der Allegorie von den 14 Jungfrauen ist die Zuschreibung der Berliner Fassung an Brugman sicher nicht haltbar. Für eine andere Predigtversion der Allegorie dürfte Brugman dagegen als Autor feststehen (Ausg.: P. GROOTENS, Onuitgegeven sermoenen van Jan Brugman, Tielt 1948, S. 64; zur Verfasserund Quellenfrage: ebd., S. LXIXf.), da sie sich innerhalb einer Sammelhs. mit weiteren Predigten Brugmans findet (Antwerpen, Ruusbroec-Genootschap, Hs. 14, 25r; nur der Schluß des Textes erhalten [zur Tugend 7 b: saechtmoedicheit ende uredsamheit in woerden]).

2. Göttinger Fassung (G). Ü b e r l i e f e r u n g . Göttingen, ÜB, cod. theol. 242f, 193r-201r (westfäl., Ende 15. Jh.; zit.); Leiden, ÜB, cod. Lett. 223, 86v-95r (mndl. [holländisch], v.J. 1503; Inhaltsübersicht nach dieser Hs. bei VAN BUUREN, S. 123 f.); ebd., Lett. 239, lll r 118r (ostmndl., ca. 1490); Münster, ÜB, Ms. N. R. 1552, 288rb-292ra (westf., v.J. 1500). Einen sehr stark gekürzten Text bietet: Brüssel, Kon. Bibl., cod. 22006,158vb-159rb (mndl., 16. Jh.; Zuschreibung an -> Ruusbroec: wt ruysbroecs boecskijn).

Der Text, wohl ebenfalls eine Predigt zum Weihnachtsfest (vgl. 193V Dusse gbebort hört to der ieghenwordighen festen), wird durch eine Abhandlung über die dreifache Geburt Jesu — die immerwährende Geburt aus dem Vater, die leibliche Geburt durch die Jungfrau und die geistliche Geburt in den mensche ouermydest syner genaden — eingeleitet. Die anschließende Allegorie, die sich mit der dritten Geburt befaßt, ist durch Überschriften in sieben officien unterteilt; die allegorischen Figuren werden immer mit ihren lat. u. dt. Bezeichnungen angeführt. Als Entstehungsraum dieser Fassung kommt sowohl das ndl. als auch das westfäl. Sprachgebiet in Frage. 3. Predigt des ->· Nikolaus von Gießen (N). Ü b e r l i e f e r u n g . Münster, ÜB, Ms N. R. 5000, 16 V —24 r (aus dem Kölner Benediktinerinnenkloster St. Mauritius, 2. Viertel 16. Jh.). A u s g a b e . KATARA, 1934, S. 347f. ( n u r der allegor. Schlußteil).

Die collude hat Nikolaus yn den cristhilgen dagen vor den Benediktinerinnen

1630

des Klosters St. Mauritius in Köln gehalten, wo er ab 1488 als Beichtvater wirkte. Das Thema der Predigt lautet: Accipe puerum bunc et nutri eum et ego dabo tibi praemium (Ex 2,9); die Allegorie von den 14 Jungfrauen wird zur Auslegung des zweiten Teils des Themas nutri eum herangezogen und bildet den Schlußteil der Predigt (der 3. Teil des Themas ego dabo tibi praemium wird nur noch im letzten Satz kurz angedeutet). Zumeist ist die Darstellung, die aufgrund zahlreicher wörtlicher Berührungen von der Fassung G abhängig sein dürfte, recht knapp gehalten; ein längerer Exkurs ist bei der Behandlung der Devocio (5 b) eingeflochten. 4. Lübecker Fassung (L). Ü b e r l i e f e r u n g . Hamburg, SB u. ÜB, cod. Conv. VI, 285r-292v (aus dem Hamburger Beginenkonvent, Ende 15. Jh.); Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 8° 56, 260v-264r; ebd., Ms. theol. germ. 8° 74, 38 V —40 V (beide aus dem Michaeliskonvent der Schwestern vom gemeinsamen Leben in Lübeck, Ende 15. Jh.). A u s g a b e . KATARA, 1934, S. 342-346 (Paralleldruck der beiden Lübecker Hss.).

Trotz der Überschrift Van den twelf gheestliken iuncvrowen geht es auch in dieser Version um 14 Tugenden. Es handelt sich um eine zumeist etwas kürzende Bearbeitung. Ganz gestrichen ist der Anfangsteil der Allegorie: Nach dem Einleitungssatz Een dene kint dat is vns geboren beginnt der Text gleich mit der Beschreibung der Tätigkeiten der allegorischen Personen. Am Schluß ist (nur in einer Hs.) eine Ermahnung an eine suster angefügt, Jesus mit den beschriebenen Tugenden zu dienen, so werde er sie in ihrer Todesstunde als seine liebe Braut empfangen. 5. Helmstedter (ostfäl.) Fassung (H). Ü b e r l i e f e r u n g in 4 ostfäl. Hss. der 2. H. des 15. Jh.s: Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. Heimst. 1155, 123v-130r (v.J. 1473); ebd., cod. Guelf. Heimst. 1240, 103r-109r; ebd., cod. Guelf. Heimst. 1245, 80r-86r; ebd., cod. Guelf. 1025 Novi, 179r-185v (v.J. 1483). A u s g a b e . KATARA, 1932, S. 279-286.

In dieser freien und originellen Bearbeitung ist die Allegorie in den Rahmen einer

1631

1632

Vigilis, Heinrich — Vinzenz von Beauvais

Vision eingebettet: Nach einem Gebet zum hl. Stephan (Festtag am 2. Weihnachtsfeiertag) wird einer geistlich, iuncfrouwe in einem Traum geoffenbart, wie Joseph, Maria mit dem Jesuskind und St. Stephan in den Chor einer Kirche kommen. Auf die Aufforderung Stephans hin versammeln sich 12 Jungfrauen vor dem Hochaltar, stellen sich um das Kind herum auf und bieten deme iunghen konynge nacheinander ihre Dienste an. Im Gegensatz zu den übrigen Fassungen treten die Jungfrauen hier nicht paarweise, sondern einzeln auf; die Reduzierung ihrer Zahl von 14 auf 12 kommt dadurch zustande, daß die Tugenden 3 a und 3 b durch eine einzelne Tugend, die Vraude Codes (Nr. 5), ersetzt sind und die letzte Tugend 7b (Sachtmoedicheit) weggelassen wurde (vgl. die Tabelle bei KATARA, 1934, S. 337, aus der dieser Sachverhalt nicht zu ersehen ist). 6. 'Van die gheestelike kintscheyt Jhesu ghemoraliseeret ende vander jacht der minnen tusschen die devote innighe ziele ende dat dierken Jhesus'. Ü b e r l i e f e r u n g . Ndl. Druck: Antwerpen, Gheraert Leeu 1488 (HAIN 9781); reich illuminiert (Abb. zu Deuocio und Pietas bei WÜSTEFELD, S. 114).

Im ersten Hauptteil dieses Traktats treten im Anschluß an die üblichen 7 Jungfrauen-Paare (6b heißt hier Providentia [statt Circumspectio]) noch drei weitere Paare auf, die dem Jesuskind dienen: Veritas und Justicia, Penitencia und Gratitudo, Paupertas und Innocentia (vgl. VAN BuUREN, S. 113 — 115). Jeder der insgesamt 20 allegorischen Figuren ist als Typus eine Frau aus dem AT beigegeben (z. B. der Pietas: Rebecca [Gn 24,10—21], der Devocio: Susanna [Dn 13]). Zum weiteren Inhalt vgl. -+ 'Geistliche Minnejagd' [NB].

(-» 'Söflinger Gebetbücher für Klarissen'), S. 70— 81 (v. J. 1521). Stärker abweichende Fassungen mit 7 allegorischen Tugenden (vgl. RINGLER, S. 139) überliefern: Berlin, mgo 554, 146V— 149r (schwäb., 15. Jh.); Wien, Schottenstift, cod. 308 (234), 174r (aus dem Augustinerchorfrauenkloster Inzigkofen, v. J. 1451). Verwandte Allegorien mit den Ammen des Jesuskinds sind auch aus der altfrz. Lit. bekannt (RINGLER, S. 140, mit Lit.). L i t e r a t u r . P. KATARA, Die zwölf geistl. Jungfrauen. Eine mnd. Beginenvision, in: Nd. Studien. Fs. C. Borchling, 1932, S. 273-286; ders., Die mnd. Allegorie von zwölf geistl. Jungfrauen. Die Lübecker Fassung, in: Germ.-rom. Studien. Fs. H. Suolahti, Helsinki 1934, S. 333-348; RUH, Bonav. dt., S. U l f . ; S. RINGLER, Viten- u. Offenbarungslit. in Frauenklöstern des MAs (MTU 72), 1980, S. 138-140; F. VAN BUUREN, 'Van die gheestelike kintscheyt Jhesu ghemoraliseeret'. Een verkenning, in: K. GOUDRIAAN u. a. (Hgg.), Een drukker zoekt publiek. Gheraert Leeu te Gouda 1477—1484, Delft 1993, S. 111-132; K. LERCHNER, Lectulus floridus. Zur Bedeutung des Bettes in Lit. u. Hss.illustration des MAs (Pictura et poesis 6), 1993, S. 326-328; W. C. M. WÜSTEFELD, Middeleeuwse boeken van Het Catharijneconvent, Zwolle, Utrecht 1993, S. 114.

WERNER J. HOFFMANN Vigilis, Heinrich [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 345 f. zu 5.: Vgl. auch Bruder -> Heinrich [NB],

Vigilius, Johannes -* Wacker, J. [NB] Vindicianus, Avianus [Korr.] Bd. 10, Sp. 354 zu Ausg.: "Sudhoffs Arch. 9 (1916) 302-318" korr.: Sudhoffs Arch. 7 (1914) 303-318.

Vinzenz von Aggsbach [Nachtr.]

Bd. 10, Sp. 362 Überl. zu 9.: Die 'Replicatio contra Defensorium Laudatorii doctae ignorantiae' ist auch in der Hs. Manchester, John Rylands 7. Obd. (noch nicht näher untersuchte) VersioUniv. Library, MS. Lat. 459 (ehem. Melk, cod. 862 nen der Allegorie (ebenfalls mit 14 Jungfrauen) [antea I 53]), 48 V -50 V , überliefert. Zur Hs. vgl. -> sind erhalten in: Berlin, mgq 164, 268V-273'V (elsäss., v. J. 1489; -»Vigilis, Heinrich III.; vgl. RUH, Bernhard von Waging [Korr. im NB]. S. 111); München, cgm 854, 180r-187r (aus dem Münchener Pütrich-Regelhaus, Ende 15. Jh.); Prag, Vinzenz von Beauvais [Nachtr.] Narodni knihovna, cod. XVI G 33, Bd. 2, 168rV 178 (aus dem Klarissenkloster in Eger, 2. H. Bd. 10, Sp. 366, zu 2. a) ergänze: Zur (lat.) Fa15. Jh.); Stuttgart, LB, cod. theol. et phil. oct. 197 beltradition bei V. vgl. -» Äsop, III.2. [NB].

1633

Vischel, Nikolaus — 'Visio Arislei'

Sp. 368, zu 3.d) ergänze: Zu den legendarischen Texten vgl. auch -> 'Amicus und Amelius' [NB]; -> 'Barlaam und Josaphat', II.3. [NB].

Vinzenz (Haller) von Freiberg -»· Grüner, Vinzenz (B.V.) [NB] Vinzenz von Zwickau -> Grüner, Vinzenz [NB]

1634

S. 63 f. (Vorlage: 'V. A.'-Abdruck in 'Ars aurifera', Basel 1593, S. 146-154).

2. Metrische lat. Fassung (131 leoninische Hexameter). Ü b e r l i e f e r u n g . Zürich, Zentralbibl., Ms. Rh. 172, 97V-99V {15. Jh.). Ausgabe. LIMBECK, S. 185-190.

II. Die 'Visio Arislei' deutsch. Vischel, Nikolaus [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 396 zu 6.: Zu dem dt. Spottvers auf die Jungfräulichkeit der Mutter Jesu vgl. -> 'Reimverse der Kremser Ketzer" [NB].

'Visio Arislei' Alchemische Traumallegorie. I. Zur arabisch-lateinischen Textstufe. Die 'V. A/ entstand im engsten Anschluß an die ->· 'Turba philosophorum' (um 900) und führte in der arabischen Tradition den Titel 'Risälat Madd al-bahr dät ar-ru'yä' / 'Das im Traume offenbarte Sendschreiben über die Meeresflut' (ULLMANN, 1972, S. 153). Sie gelangte dann im Zuge der (spätestens im 13. Jh. beginnenden) 'Turba'-Rezeption in den lat. Westen und blieb hier bis weit in die Neuzeit im lat. und landessprachigen Schrifttum europäischer Alchemiker präsent. 1. Lat. Prosaübersetzung. Zur Ü b e r l i e f e r u n g s. RUSKA, 1931, S. 323; PLESSNER, S. 162 f. — Die 'V. A.' tritt gewöhnlich als Textsegment der 'Turba' (Sermo 74) auf oder schließt sich der Turba' an. Aufgrund dieser engen Überlieferungsgemeinschaft mit einem Hauptwerk der europäischen Alchemic dürften bei künftigen Sichtungen von 'Turba'-Zeugnissen manche 'V. A.'Texte ermittelt werden. Erstdruck: Auriferae artis, quam chemiam vocant, antiquissimi authores, sive Turba philosophorum, Bd. l, Basel 1572, Nr. 4: Aenigmata ex visione Arislei. Ausgabe. RUSKA, 1931, S. 324-328 (Wiedergabe von zwei Fassungen: Ehem. Berlin, SB, Ms. lat. qu. 584 [jetzt Krakau, Biblioteka Jagiellonska], 21 V —22 V ; Bibliotheca chemica curiosa, ed. J. J. MANGET, Bd. l, Genf '1702, S. 495 f.). Übers.n ins Nhd.: RUSKA, 1930, S. 22-26 (Vorlage: Berlin, Ms. lat. qu. 584). - FIERZ-ÖAVID,

Der Übergang der 'V. A.' in die dt. Landessprache erfolgte spätestens im 15. Jh. Ü b e r l i e f e r u n g . Halle, LB, Hs. 1/C a/2, 102r106' (15. Jh.; entstanden im Zuge einer 'Turba'Übers.). Weitere (auf ältere Verdeutschungen gestützte?) Übersetzungen folgten: a. Leiden, ÜB, cod. Voss. ehem. F. 20, 98-101 (1574; geschaffen von Lorenz Zatzer; Vorlage: Der 'V. A.'-Abdruck in der 'Ars aurifera'). b. Turba Philosophorum; Das ist l Das Buch von der güldenen Kunst, hg. v. Philipp Morgenstern, Basel 1613, Tl. l, Nr. 3: Ettliche Rätzel auß dem Traum oder Gesicht Arislei (Vorlage: Abdruck in der 'Ars aurifera').

Außerdem gelangten 'V. A.'-Exzerpte durch die Übersetzung 'V. A.'-haltiger Alchemica wie etwa der 'Aurora consurgens' und des -» 'Rosarium philosophorum' in die Landessprache. III. I n h a l t und Gestalt. Seinen Ruhm verdankte Arisleus (< arab. Arsiläwus < griech. Archelaos) der 'Turba philosophorum', die sich als ein von Arisleus verfaßtes Protokoll über die auf der 'Dritten Pythagoreischen Synode' unter Vorsitz des Pythagoras geführten Alchemikerdebatten darbot. Im engsten Anschluß an die 'Turba' schuf der 'V. A.'-Urheber eine Rahmenhandlung, der zufolge Pythagoras nach Abschluß der 'Dritten Pythagoreischen Synode' seinen Schüler Arisleus um Darlegungen über die Pflanzung eines Baumes bittet (nämlich über Grundlagen der alchemischen Kunst), dessen Früchte (die alchemische Universalmedizin) auf immer den Hunger stillen (unsterblich machen). Arisleus erfüllt diese Bitte mit der Wiedergabe eines Traumgesichts (visio}. In dieser Traumallegorie verspricht der Ich-Erzähler Arisleus, einem

1635

'Vocabolari molt profitos'

Meereskönig, der über ein fortpflanzungsunfähiges, weil homosexuelles Volk und ein unfruchtbares Land herrscht, zu Fruchtbarkeit und Fortpflanzung zu verhelfen; um dieses Ziel zu erreichen, sorgt Arisleus für einen Inzest, die Vermählung des Königssohnes Cabritis (< arab. kibrit/Sulphur) mit seiner Schwester Beida/Beya (< baidä'/die Weiße, Mercurius). Allegorisch verkappt erscheint mithin Alchemic als eine scientia gignendi, die auf einer Mischung stofflicher Prinzipien beruhe, nämlich gemäß der metallogenetischen Sulphur-Mercurius-Doktrin auf einer Vereinigung von Sulphur/Brennbarkeit (personifiziert in Cabritis) und Mercurius/Schmelzbarkeit (personifiziert in Beya). Insgesamt gesehen findet man in der 'V. A.' 'eine der Grundlehren arabisch-lat. Alchemic in ein hermeneutisch vielschichtiges erzählerisches Gebilde transponiert, in dem fachlicher Gehalt und literarische Darstellungsform zu einer komplexen Textur verwoben sind' (LIMBECK, S. 178; zu Einzelheiten s. ebd.).

'Vita religiosi' [NB]

1636 'Scola celestis exercitii'

'Vocabolari molt profitos' (Katalanischdeutsches Vokabular) Im Jahr 1502 druckt der aus Heidelberg stammende Drucker Hans Rosenbach (Johan Rosembach, 1491 — 1530) in Perpignan (Perninya) ein katalanisch-deutsches Vokabular nach der Vorlage des zuerst von -» Adam von Rottweil [NB] gedruckten ital.dt. Sprachbuches. Ü b e r l i e f e r u n g . Druckexemplar: Barcelona, Biblioteca de Catalunya, ll-V-28. Bibliographische Beschreibung bei ROSSEBASTIANO BART, S. 66-69. A u s g a b e n . Vocabulari Catalä-Alemany de l'any 1502. Edicio facsimil segons l'unic exemplar conegut. Acompanyada de la transcripcio, d'un estudi preliminar i de registres alfabetics per P. BARNILS, Barcelona 1916; Nachdr. mit einem Vorwort von T. D. STEGMANN, Frankfurt a. M. 1991.

Das in zwei Bücher bzw. 56 + 8 Sachkapitel geordnete Vokabular umfaßt knapp L i t e r a t u r . J. RUSKA, Die Vision des Arisleus, 3000 Stichwörter und kurze idiomatische in: Hist. Stud. u. Skizzen zur Natur- u. HeilwissenWendungen vom Vatter Unser und dem schaft, Fg. G. Sticker, hg. v. K. SUDHOFF, 1930, Grusst sistu Maria (auf der katalanischen S. 22—26; ders., Turba Philosophorum. Ein Beitrag Seite lat.) bis zu Gegenständen und Tätigzur Gesch. der Alchemic (Quellen u. Stud. z. keiten des Alltagslebens. Vorlage für RoGesch. d. Naturwiss. u. d. Med. 1), 1931; H.E. senbach ist nicht die von Adam von RottFIERZ-DAVID, Die Entwicklungsgesetz der Chemie. weil 1477 gedruckte Erstausgabe des Eine Studie. Mit einem Beitrag von M. FIERZ, Ba! troito e porta', sondern die Folgeausgabe sel, 2. erweiterte Aufl. 1952 ( 1945), S. 63-65; M. Bologna, Dominico de Lapi 1479 (5 erhalPLESSNER, The 'Turba Philosophorum'. A Preliminary Report on Three Cambridge MSS., Ambix 7 tene Ex., darunter München, BSB, 4° Inc. (1959) 159-163; G.G. JUNG, Psychologie u. Alc. a. 149, s. ROSSEBASTIANO BART, S. 47). chemic (Gesammelte Werke 12), 1972 (11944), s. v. Die dt. Teile der Vorlage werden mit or'V. A.'; M. ULLMANN, Die Natur- u. Geheimwiss.n thographischen Veränderungen in Rosenim Islam (Hdb. d. Orientalistik, Abt. l, Erg.-Bd. bachs Druck übernommen, die italieniVI/2), Leiden 1972; S. LIMBECK, Die 'V. A.'. schen ins Katalanische übersetzt, zudem Überl., Inhalt u. Nachleben einer alchemischen sind auf den beiden einleitenden Seiten Allegorie. Mit Edition einer Versfassung, in: Iliaund im Kolophon einige Sätze verändert. ster. Lit. u. Naturkunde in der frühen Neuzeit, Fg. Auf a iir ist der dt. Text der katalanischen J. Teile, hg. v. W. KÜHLMANN/ W.-D. MÜLLERJAHNCKE, 1999, S. 167-190; U. L. GANTENBEIN, Übersetzung nicht angepaßt worden, so Die 'Alchimia Theophrasti Paracelsi'. Eine pseudodaß welsch als Äquivalent für Catalan erparacelsische Rezeption der 'V. A.' u. des 'Donum scheint. Eine ausführliche moderne linguDei', Salzburger Beitr. zur Paracelsusforschung 35 istische Auswertung gibt es weder für den (2002) 36-62 (die Titelgebung beruht auf groben katalanischen noch für den dt. Teil des Fehlurteilen: bei der 'Alchimia Theophrasti Para'Vocabulari'. celsi' [16. Jh.] handelt es sich um kein 'V. A.'-Rezeptionszeugnis).

JOACHIM TELLE

L i t e r a t u r . G. COLON, Concerning the Catalan-German Vocabulary of 1502 Vocabolari molt

1637

'Vocabularius teutonico-latinus' — 'Vorauer Handschrift 276'

profitos per apendre Lo Catalan Alemany y lo Alemany Catalan, Quaderni di semantica 4 (1983) 395-399; A. RosSEBASTiANO BART, Antichi vocabolari plurilingui d'uso popolare: La tradizione del 'Solenissimo Vochabuolista', Alessandria 1984, S. 66-69; Bibliographie bei STEGMANN (s. Ausg.n) S. 41-44.

FRANZISKA KÜENZLEN 'Vocabularius teutonico-latinus' [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 482 f., zu Liberi.: Das Wörterbuch ist auch hs.lich überliefert: Stuttgart, LB, Cod. poet, et phil. 2° 98 (Nürnberg? 3. Viertel 15. Jh.), l r 372r; vgl. W. IRTENKAUF/ I. KREKLER, Die Hss. d. Württemb. LB Stuttgart I, 2: Codices poetici et philologici, 1981, S. 63 (Hinweis G. Kornrumpf).

1638

'Vokabulariengruppe Abba — Avis — Abbreviare' [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 493, Lit.: "B. SCHNELL ... (im Druck)" ergänze: erschienen in: Studien zu Forschungsproblemen der dt. Lit. in Mittel- u. Osteuropa, hg. v. C. GOTTZMANN/ P. HÖRNER, 1998, S. 133-147.

Volmar [Korr.] Bd. 10, Sp. 497 Überl.: "Karlsruhe, LB, Frgm. Donaueschingen A.III.85" korr.: ..., cod. Donaueschingen 85. Vgl. K. A. BARACK, Die Hss. der Fürstl.-Fürstenberg. Hofbibl. zu Donaueschingen, 1865, S. 71 f.

'Vorauer Handschrift 276' [Korr.] Bd. 10, Sp. 519 Mitte.: "WAAG, 1911" korr.: ..., 1886.

W Wacker (Vigilius), Johannes

berger Universität lehrte er noch bis 1509. 1513, nun Wormser Generalvikar, verwenI. W. aus Sinsheim (Kraichgau) immatridete er sich für Reuchlin, als diesem im kulierte sich am 24. Nov. 1480 in HeidelStreit um die Judenbücher auf Betreiben berg für das Studium der Artes und schloß der Dominikaner ein Ketzerprozeß drohte; es 1485 mit dem Grad des Magisters ab. Reuchlin nannte W. damals seinen einzigen Er schlug die Laufbahn eines Universitätsrechtzeitigen Helfer und wünschte ihn sich lehrers der Rechte ein, wurde 1487 Bakkaals Anwalt bei einem möglichen Schiedslaureus, 1490 Lizentiat iur. utr., war in dieverfahren. 1520 war er in einem von Franz sen Jahren aber weiterhin in der Artistenvon Sickingen veranlaßten Vergleich Reuchfakultät tätig und 1491 ihr Dekan. 1492 lins mit den Dominikanern als Vermittler erhielt er auf Vorschlag Kurfürst Philipps tätig. Er ist zuletzt durch eine Wormser Urals Nachfolger seines Vetters Peter Wacker kunde vom 12. Aug. 1522 bezeugt. ein juristisches Ordinariat. 1493 wurde er zum Dr. iur. utr. promoviert. 1492 und II. Außer einer Anzahl von Briefen, von 1500 hatte er das Amt des Rektors inne. denen nicht mehr als ein Dutzend (an CelW. genoß das Vertrauen des Kurfürsten, tis, Reuchlin, Wimpfeling aus den Jahren der ihn zu seinem Rat (consiliarius) er- 1496—99) erhalten ist, hat W. nur eine nannte und häufig zu Geschäften heran- akademische Rede und eine Beroaldozog, die eine Beurlaubung von der Univer- Übersetzung hinterlassen. 1489 besorgte er sität erforderlich machten. Zugleich über- zusammen mit Jodocus Gallus eine Ausnahm er Aufträge des Wormser Bischofs gabe der -» 'Mensa philosophica' ([Heiund — bis 1498 — kurfürstlichen Kanzlers delberg, H. Knoblochtzer] 1489. HAIN Johann von Dalberg; so wurde 1496 das 11080). Kloster Lorsch seiner Verwaltung unter1. 1495 stellte W. der juristischen Fakulstellt. Nicht zuletzt diente W. Dalberg als tät Adam ->· Wernher und Jakob Han bei Verbindungsmann zu den humanistischen ihrer Promotion zu Lizentiaten des Rechts Freunden am Orte und außerhalb Heidelin ausführlicher Rede als würdige Kandibergs. Sein Haus war der bevorzugte Treffdaten vor. punkt der 1495 von Celtis gegründeten Ü b e r l i e f e r u n g . Schlettstadt, Bibl. mun., ms. rheinischen Sodalitas, zu der neben Dalr r berg und Celtis u. a. Reuchlin, Wimpfe- 116, 73 -78 . ling, ->· Trithemius [NB] zählten. Hier erA u s g a b e . HARTFELDER, S. 230-235. hielt W. wohl auch seinen Humanistenna2. Unter dem 6. Jan. 1502 widmete Jomen Vigilius, den er aber nur in seinem hann Wacker doctor Kurfürst Philipp seine Freundeskreis führte, und dort war er stets Übersetzung von Filippo Beroaldos d. Ä. Vigilius noster. Celtis widmete ihm damals 'De felicitate'. eine Ode (Od. 3,5), Wimpfeling 1499 seine Schrift 'De hymnorum et sequentiarum Die Person des Übersetzers stand in der Forauctoribus'. schung nicht von vornherein fest. Während BEN1507 wurde W., der bereits 1499 zum ZING, der Entdecker der Übersetzung, sie wohl weKapitel des Wormser Stifts St. Andreas ge- gen ihrer Mainzer Überlieferung dem in Mainz lehhörte, Domherr in Worms. An der Heidel- renden Lizentiaten der Theologie Joh. Wacker

1641

Wagenburgordnungen

(f Aug. 1502) zuschrieb, plädierte BACKES mit überzeugenden Gründen für W. als den Verfasser. Die Heidelberger Übersetzungstradition, in der W. steht, läßt sich spezifisch verdeutlichen: Wimpfeling hatte seinem Freunde W. gut ein Jahr zuvor ein erstes Beispiel einer Beroaldo-Übersetzung ('De tribus fratribus', VD 16, B 2090; mit Widmung an Friedrich von Dalberg vom 13. Dez. 1500) gegeben. Beroaldo hält es in 'De felicitate' weder mit denen, die Lust, Ruhm, Macht oder Reichtum als Quelle höchsten Glücks auf Erden betrachten, noch mit der stoischen Lehre, daß der Besitz von virtus für sich schon Glückseligkeit gewährleiste. Er folgt der aristotelischen Sicht, daß der aus Leib und Seele zusammengesetzte Mensch zu vollkommenem Glück ebenso der bona corporis (Gesundheit, Kraft, Schönheit u. a.) und der bona fortunae (Wohlstand, Freunde u. a.) wie der gewiß erstrangigen bona animi bedürfe. Eine Glückseligkeit, die den vollkommenen Besitz aller dieser Güter meine, schwebt für Beroaldo freilich in unerreichbarer Höhe. Die erkannte ideale felicitas hat für ihn keine Lebensrealität.

1642

Opus de felicitate' von Phil. Beroaldus (1502), The Library Cronicle 40 (1974) 55-61; E. SCHWAN, Wormser Urkunden (Repertorien des Hess. Staatsarchivs Darmstadt 18), 1985, Nr. 923, 949, 961; O. HERDING / D. MERTENS (Hgg.), Jakob Wimpfeling, Briefwechsel, 1990, Reg.; M. BACKES, Das lit. Leben am kurpfälz. Hof zu Heidelberg im 15. Jh., 1992, S. 149-152 u. ö.; H. PETERSE, Jacobus Hoogstraeten gegen Johannes Reuchlin. Ein Beitrag zur Gesch. d. AntiJudaismus im 16. Jh., 1995, S. 136; U. FRIEDRICH, Joh. Reuchlin am Heidelberger Hof [...], in: ST. RHEIN (Hg.), Reuchlin u. die polit. Kräfte seiner Zeit, 1998, S. 163-186, hier S. 177 mit Anm. 77-79; M. DALL'ASTA / G. DÖRNER (Hgg.), Joh. Reuchlin, Briefwechsel, Bd. l, 1999, Reg. F. J. WORSTBROCK

Wagenburgordnungen

Wagenburgen stellten eine technischtaktische Neuerung dar, die aus dem böhmischen Heerwesen zur Zeit der Hussitenkriege in den 20er Jahren des 15. Jh.s herBeroaldo hatte seine Abhandlung als vorging. Nach der ersten W. des Jan Zizka Einleitungsrede zu einer Vorlesung über folgten weitere Beschreibungen dieses Typs Vergils 'Georgica' und Columellas 'De re in tschechischer Sprache. Die Reichsaufrustica' verfaßt, hatte sich zu seinem gebote reagierten mit eigenen WagenburThema von Vergils Lob des Landlebens als gen. Die älteste dt. W. wurde von schlesieiner idealen Lebensform (Georg. 2, 458 — schen Fürsten und Ständen 1421 in Grott540; vgl. Columella l, 13—20) anregen las- kau beschlossen (SS rer. Siles. VI, S. 11). sen. Der Rahmen einer akademischen ora- In der Folgezeit beschäftigten sich mehrere tio ist in der Übersetzung getilgt; der Titel Reichstagsbeschlüsse mit der Aufstellung und die Widmungsvorrede an Jakob von von Wagenburgen (Dt. Reichstagsakten Baden fehlen, die mit einem Distichon ab- IX, S. 165, 313 f., 537 f.). Umfangreichere schließenden Zeilen der Rede sind - etwas W. stammen schließlich von Markgraf Alnotdürftig - gekürzt. Die dergestalt redi- brecht Achilles von Brandenburg aus den gierte Übersetzung bietet einen klaren und Jahren 1462, 1475 und 1477 (LENG, 2002, Bd. l, S. 293). Jene W. und Anschläge flüssig lesbaren Text. stammten aus administrativer SchriftlichÜ b e r l i e f e r u n g . Mainz, StB, Hs II 387, 1 -8 , keit. Sie blieben auf konkrete kriegerische frühes 16. Jh. Es fehlen Bl. 4 und ein weiteres Bl. Ereignisse bezogen und befassen sich ausAbdruck der Widmung an Kurfürst Philipp bei schließlich mit der Berechnung von KonBENZING, S. 59 f. tingenten und Finanzierung von Material L i t e r a t u r . K. HARTFELDER, Zur Gelehrtengeund Mannschaften, bereiteten aber den schichte Heidelbergs am Ende des MAs, ZGO 45 Boden für eine theoretische Durchdrin(1891) 141 — 171, wieder in: ders., Studien zum gung der Materie. pfälz. Humanismus, hg. v. W. KÜHLMANN / H. Der Übergang zur normativen DarstelWIEGAND, 1993, S. 215-245, hier S. 226-235; H. lung erfolgte zunächst ikonographisch in RUPPRICH (Hg.), Der Briefwechsel d. Konrad Celden Bilderhss. der Kriegstechniker (älteste, tis, 1934, Reg.; G. RITTER, Die Heidelberger Uninoch hussitisch gekennzeichnete Darstelversität im MA (1386-1508), 1936, S. 477 u. lung in Wien, cod. 3062, 148r; [Pseudo-] -» 481 f.; H. J. COHN, The Early Renaissance Court Hartlieb, 'Iconismis bellicis', 1437). Einin Heidelberg, European Studies Review 1 (1971) 295-322; J. BENZING, Eine dt. Übersetzung des zelne Abbildungen im -» 'Hussitenkriege-

1643

1644

Wagner, Sebald — 'Der Wartburgkrieg'

Ingenieur' (München, elm 197, I, 23 V ), im -» 'Wolfegger Hausbuch' (51b, 52al, 53a53al) und in den -» Formschneider-Hss. (München, cgm 356, S. 59 und Gotha, ÜB u. Forschungsbibl., cod. Chart. B 1032, 52v/53r) präzisierten idealtypische Ansichten von Wagenburgen in Zugformation und Aufbau bereits mit erläuternden Marginalien. Eine in den Kriegsbüchern des 16. Jh.s oft kopierte Serie kommentierter Wagenburgvarianten bietet das 'Kriegsbuch' des ->· Ludwig von Eyb d. J. (Erlangen, ÜB, Ms. B 26, 62r-66v). Im letzten Viertel des 15. Jh.s vollzog sich der Schritt zu umfangreicheren und kaum noch bebilderten theoretischen Schriften über die Wagenburg. Ob hierzu bereits ein verlorenes puchlein ... zu der wagenpurg zählt, das Markgräfin Anna ihrem Gemahl Albrecht Achilles in das Feldlager vor Neuss nachsandte, bleibt unklar (Begleitbrief bei F. PRIEBATSCH, Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles l, 1894, S. 775 f.). Erhalten sind die Wagenburgordnung von Hanns -* Schermer sowie umfangreichere Abschnitte in den 'Kriegsbüchern' von -> Philipp von Seideneck und -» Philipp von Kleve [Bd. 7 u. NB]. In die großen gedruckten (Leonhart Fronsperger, Graf Reinhard von Solms) und hs.lichen (bes. Franz -* Helm) Kriegskompendien des 16. Jh.s werden regelmäßig teils auf älteren Materialien beruhende W. aufgenommen; gelegentlich erfolgt sogar umfangreichere monographische Aufarbeitung (z. B. Wien, cod. 10 778). L i t e r a t u r . G. KÖHLER, Die Entwicklung des Kriegswesens u. der Kriegführung in der Ritterzeit von der Mitte des 11. Jh.s bis zu den Hussitenkriegen 3,1889, S. 353 f.; M. JÄHNS, Gesch. der Kriegswiss. vornehmlich in Deutschland l, 1889, S. 273, 303-309, 312-314; B. RATHGEN, Das Geschütz im MA, 1928, S. 59 f.; J. DuRDiK, Hussitisches Heerwesen, 1961, S. 55-76; V. SCHMIDTCHEN, Karrenbüchse u. Wagenburg. Hussitische Innovationen zur Technik u. Taktik des Kriegswesens im späten MA, in: Beitr. z. Erforschung der Kulturbeziehungen in Deutschland u. Osteuropa, Fs. f. A. Timm, hg. v. V. SCHMIDTCHEN/ E. JÄGER, 1980, S. 83 — 108; ders., Kriegswesen im späten MA. Technik, Taktik, Theorie, 1990, S. 30-33, 212220, 297; R. LENG, Franz Helm u. sein 'Buch von

den probierten Künsten'. Ein hs.lich verbreitetes Büchsenmeisterbuch in der Zeit des frühen Buchdrucks (Imagines medii aevi 9), 2001, S. 55 — 58, 323-337; ders., Ars Bellt. Dt. taktische u. kriegstechnische Bilderhss. u. Traktate im 15. u. 16. Jh. (Imagines medii aevi 12/1 u. 2), 2 Bde, 2002, hier Bd. l, S. 9, 98 f., 262, 292 f., 375 u. Bd. 2, Reg.

RAINER LENG Wagner, Sebald [Korr.] Bd. 10, Sp. 571 f.: S. W. ist identisch mit Sebald -» Mulner [Bd. 6 u. NB]! Korr. Bd. 11, Sp. 1038: Absatz 2 streiche: "zusammen mit Hartmann -* Schedel". Ebd.: "in die Dienste Ottos II. ein, des Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg" korr.: in die Dienste Herzog Ottos II. von Pfalz-Neumarkt/Mosbach. Absatz 3: "zu dessen Oheim Hermann -» Schedel" korr.: zu dessen Vetter ... (Hinweise F. Fuchs)

'Von wahrer Gelassenheit' -»· 'Sendbrief über wahre Gelassenheit' [NB] Waler, Caspar OFM [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 620 ergänze am Ende des Artikels:

W. ist ferner bezeugt im Rahmen der Ablaßkampagne gegen die Türken, die in Unteritalien (Otranto) gelandet waren (vgl. die Bulle Papst Sixtus' IV. 'Domini et salvatoris' vom 4. 12. 1480). Als Subkommissar des Emerich von Kernel, Prokurator des Franziskanerordens an der römischen Kurie, gab W. einen lat. Ablaßbrief heraus, der am 10. 5. 1482 bei Johann Sensenschmidt in Bamberg gedruckt wurde (Einblattdrucke 1497), s. PAULUS 3, S. 206 (Hinweis F. Eisermann). Zu Lit. ergänze: N. PAULUS, Gesch. des Ablasses am Ausgange des MAs 3, 1923, S. 204-207.

VOLKER HONEMANN 'Waltharius' [Korr.] Bd. 10, Sp. 637 zu 6.: "SAWO" korr.: LAWO. Sp. 638 unten, Lit.: ebenso.

'Der Wartburgkrieg' [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 743 Überl.: "Frgm. Bd = Büdingen, ... Ms. 54" korr.: Die Fragmente sind dzt. teilweise im Besitz des Antiquariats Dr. Jörn Günther, Hamburg. Vgl. auch -> 'Schönrainer Handschrift' [NB].

1645

'Was allerlei Blätter bedeuten' — Weinreich, Caspar

'Was allerlei Blätter bedeuten' [Korr.] Bd. 10, Sp. 768, Überl.: Bei der Hs. München, cgm 439, handelt es sich nicht um das -> 'Augsburger Liederbuch' (= cgm 379!).

'Was ist Minne' [Korr.] Bd. 10, Sp. 772 Überl.: "München, cgm 52497 35" korr.: ... cgm 5249735a; vgl. K. SCHNEIDER, Die Frgm.e mal. dt. Versdichtung der Bayer. SB München (ZfdA Beiheft 1), 1996, S. 65.

Weber, Veit [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 778 Überl., Mitte: "in Ludwig -> Sterners Chronik" ergänze: Die Hs. von 1501 ist neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/Schweiz. Vgl. Ludwig -»· Sterner [Korr. im NB].

Weinreich, Caspar C. W., Autor einer Danziger Chronik in dt. Sprache, die die Jahre 1461 — 1496 umfaßt, gehörte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der vom 14. bis 16. Jh. in Danzig urkundlich reich bezeugten Fernhandels- und Reeder-Familie gleichen Namens. Seine Aufzeichnungen aus den Jahren 1461 — 1480 lassen vermuten, daß er sich in dieser Zeit hauptsächlich in den Niederlanden, vielleicht auch in England aufhielt und dann nach Danzig zurückkehrte. Er gehörte offenbar nicht dem städtischen Patriziat an, war aber über politische Vorgänge, die seine Heimatstadt betrafen, sehr gut informiert. Dies veranlaßte HIRSCH zu der Annahme, er könne vielleicht Mitglied des sich gerade etablierenden Kollegiums der Bürgerrepräsentanten gewesen sein. Ü b e r l i e f e r u n g . Das Werk ist erhalten in einer Abschrift Stenzel Bornbachs, des Danziger Chronisten und Sammlers von Quellen zur preußischen Geschichte, aus der 2. H. des 16. Jh.s (Danzig, Archiwum Panstwowe w Gdansku, Abt. Stadtarch. 300, R/L1 32q). A u s g a b e n . TH. HIRSCH/ F. A. VOSSBERG, Caspar Weinreichs Danziger Chronik. Ein Beitr. zur Gesch. Danzigs, der Lande Preußen u. Polen, des Hansabundes u. der nord. Reiche, 1855 (Nachdr. 1973); TH. HIRSCH, SS rer. Pruss. IV, 1870 (Nachdr. 1965), S. 725-800 (Übernahme der Ausg. von 1855, doch mit Angleichung der Graphie an die

1646

Prinzipien der Reihe; Einleitung und Kommentar stark gekürzt.

Quellen. Der weitaus überwiegende Teil der Chronik beruht auf eigenen Beobachtungen W.s. Darüber hinaus nahm HIRSCH Einflüsse des zeitgenössischen Danziger Chronisten Chr. Beyer und der sog. -> 'Chronik vom Pfaffenkrieg' an. Da die Überlieferungssituation aber in beiden Fällen schwierig ist (bei der 'Chronik vom Pfaffenkrieg' handelt es sich um eine nicht unproblematische Rekonstruktion HIRSCHS; bei Beyer ging HIRSCH von einem nicht erhaltenen chronikal. Werk aus) und überdies in W.s Text mögliche Ergänzungen des Abschreibers nicht mit der von HIRSCH vorausgesetzten Eindeutigkeit ausgeschieden werden können, sind Art und Umfang dieser möglichen Einflüsse kaum zu präzisieren. W.s Chronik berichtet über höchst unterschiedliche Ereignisse; die Spanne reicht von den Rosenkriegen über Auseinandersetzungen Westpreußens mit dem polnischen König, Piraterie, städtische Wahlergebnisse und Bauvorhaben, Salzpreise u. ä. bis zu Vermerken über die Eheschließungen Danziger Bürger. Diese scheinbar diffusen Mitteilungen haben ihr Zentrum im Interesse eines engagierten Kaufmanns und stolzen Bürgers einer der führenden Hansestädte seiner Zeit, der alles vermerkt, was den Handel und das damit verbundene Wohlergehen der Stadt betrifft. Die Notizen, abgefaßt in einem sehr nüchternen Berichtsstil und von unterschiedlicher Länge (vom kurzen Satz bis zur halben Druckseite reichend) stehen unverbunden, nur der chronologischen Ordnung folgend, nebeneinander. Sie sind so knapp gehalten, daß sie z. T. nur sehr gut informierten Lesern verständlich gewesen sein können. Die Chronik zielte also wohl nicht auf Außenwirkung, sondern war primär für den 'Hausgebrauch' gedacht. Sie nimmt aufgrund der zwar ganz persönlichen, aber weitreichenden Interessen ihres Verfassers eine Zwischenstellung ein zwischen den etwa zeitgenössischen Danziger Chroniken Jakob -»· Lubbes (reine Familienchronik) und Johannes -» Lindaus (engagiert politische Chronik). Alle drei vertreten den Ty-

1647

'Weltgerichtsspiel der Sammlung Jantz' — 'Von der werlde ythelkeyt'

pus einer Vor- oder Frühform der Stadtchronik, für den die Geschichte der Stadt zwar noch nicht den zeitlichen Rahmen für die Aufzeichnungen abgibt, die städtische Gegenwart aber das prägende Element darstellt. L i t e r a t u r . S. Ausg.n; D. DWORZACZKOWA, Dziejopisarstwo Gdanskie do polowy XVI wieku (Die Danziger Geschichtsschreibung bis zur Mitte des 16. Jh.s), Gdansk 1962; U. ARNOLD, Geschichtsschreibung im Preußenland bis zum Ausgang des 16. Jh.s, Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 19 (1970) 74-126.

1648

von 1501; neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/Schweiz. Vgl. Ludwig -» Sterner [Korr. im NB].

'Wendesche Kroneke' -» 'Chronicon Sclavicum' [NB] 'Wenzelsbibel' [Korr.] Bd. 10, Sp. 872 zu 4., petit-Abschnitt: "Nürnberg, StB, cod. Cent. III, 40, 41 u. 43" korr.: streiche 43 (= NT, 9. Übersetzungskreis). Sp. 874 Mitte: "Ec 24" korr.: Sir 24.

GISELA VOLLMANN-PROFE 'Weißenburger Chronik' -> Artzt, Eikhart 'Welt' s. a. - 'Werlde', -> 'Werlt' 'Die Welt' (Die werlt; Fabel- u. Bispelsammlung im 'Hausbuch' des Michael de Leone) -*· Reimbispel-Sammlungen (3.a) Weltchroniken (gereimte) -» 'ChristherreChronik' [Bd. l u. NB]; -» Enikel, Jans [Bd. 2 u. NB]; -»· Heinrich von München [Bd. 3 u. NB]; -> 'Meininger Reimbibel' [Bd. 6 u. NB]; -> Rudolf von Ems [Bd. 8 u. NB]; -»· 'Erweiterte Christherre-Chronik' [NB]; 'Leipziger Schluß der Christherre-Chronik' [NB]; vgl. auch -» 'St. Pauler Reimbibel' [NB]; -> Petrus Comestor (C.l.a.-d.) [NB]

'Von der werlde ythelkeyt' Spätmal. Reimpaarrede in der Tradition der 'Contemptus mundi'-Dichtung (129 vv.). Ü b e r l i e f e r u n g . Leipzig, ÜB, Ms 1279,15. Jh., 110V—113V, unmittelbar vor einer dt. Fassung der -> 'Visio Philiberti' (II.7.); zur Hs., die wahrscheinlich aus dem Leipziger Thomasstift stammt und von einer Hand geplant und redigiert wurde, s. u. a. auch -> 'Leipziger Apollonius', -> 'Leipziger Äsop' -* 'Leipziger Griseldis'. Ausgabe. H. L. MARKSCHIES, Ein unbekanntes Gedicht 'Von der werlde ythelkeyt' u. sein Verf., PBB [Tüb.] 78 (1956) 302-310.

Das ostmd. Gedicht (Inc. Sich mensche wye dy werlt yß thod / Begraben yn manicher sünde not ...} ist eine Nachbildung der verbreiteten lat. Dichtung Ecce mundus moritur vitio sepultus (bis zu 17 Vagantenstrophen; WALTHER, Initia 5114; 'Weltgerichtsspiel der Sammlung Jantz' hg. nach verschiedenen Hss. und in unterschiedlichem Umfang bei: WRIGHT, S. 149 — [Nachtr.] 151; DU MERIL, S. 229 f.; Florilegium CasiBd. 10, Sp. 833 Überl.: Die Hs. ist jetzt in Karlsnense, S. 257; BRANDES, S. 25-28; Anal, ruhe, Bad. LB, Hs. K 3166. Vgl. Hj. LINKE (Hg.), hymn. 33, S. 264—266; KOZÄKY I, 262 f.; Die dt. Weltgerichtsspiele des späten MAs. Synoptische Gesamtausg. I. Einleitung, II. 1. u. 2. Texte, ZATOCIL, S. 37 — 39). Der Zusammenhang 2002, hier Einl., S. 18-22. mit dem lat. Gedicht, das dem dt. Dichter in der Langfassung von 17 Strr. zur Verfügung stand (wie in den Ausgaben in den 'Weltlohn' [Nachtr.] Anal. hymn. u. bei ZATOCIL), wurde vom Bd. 10, Sp. 838 Überl.: Zur Kompilation der Herausgeber nicht erkannt. 'Ecce mundus Texte vgl. -> 'Der siecht weg' und das Oberrheinimoritur' steht in zahlreichen lat. Hss. unsche Erbauungsbuch' [NB]. mittelbar vor oder nach der 'Visio Philiberti', manchmal sogar als vom Schreiber Wenck, Balthasar [Korr.] so verstandene Einleitung zu dem bekannten Streitgespräch zwischen Seele und Leib Bd. 10, Sp. 840 Überl.: "Chronik Ludwig -> (vgl. ZATOCIL, S. 27-34). Es handelt sich Sterners ... Balterswil" korr.: Die angebliche Abschrift von 1524 ist tatsächlich Sterners Originalhs. um einen Monolog, in dem der Sprecher

1649

'Von der werk bcesen löuften'

1650

Kapitelregister (I r —VP) und eine kurze Inhaltsangabe (VIF): Dyses büchlein ist der mertheyll vonn bösenn lewften der werlt dor zuo sie der dewfell vbt durch jr neygvng vnd böse begir vnd ferloßvng der gotlichen guttikeyt vnd milthikeyt. Ein Gottespreis am Anfang (Ir) und ein Schlußgebet (190V, v. 6431 ff.) rahmen das Gedicht. Eine systematische Konzeption ist nicht zu erkennen. Weder die verschiedenen Stände noch die unterschiedlichen Sünden dienen als Aufbaugerüst. Getadelt werden gleicherweise die unersättlich nach leben jagenden und dem Spiel ergebenen Geistlichen (33V, v. 1081 ff. u. 108V, v. 3619 ff.; L i t e r a t u r . TH. WRIGHT, The Latin Poems 110V, Kap. 84), die herausgeputzt in die Commonly Attributed to Walter Mapes, London r 1841; E. DU MERIL, Poesies populaires latines ante- Kirche gehenden Frauen (57 , Kap. 50), die sich an Dirnen, Wein und Spiel haltenden rieures au douzieme siecle, Paris 1843; Florilegium Männer (62V, v. 2061 f.), die spielenden Casinense, Beilage zu: Bibliotheca Casinensis seu Codicum manuscriptorum [...] series, Bd. IV, und hochmütigen Fürsten (110V, v. 3698 u. Montecassino 1880; H. BRANDES, Zur Visio Ful132V, v. 4446), die käuflichen und rechtberti, Mitt. aus Berliner u. Wernigeroder Hss., Pro- beugenden Richter (149r, v. 5009 f.) sowie gramm Potsdam 1897; ST. KOZÄKY, Gesch. der die listig betrügenden Handwerker und Totentänze, Budapest 1936, Bd. I, S. 254 f.; L. ZAKaufleute (162r-165r, Kap. 119 u. 120). TOCIL, Die Visio Fulberti nach einer bislang unbeLediglich den unterdrückten und ausgeachteten Brünner Hs. aus dem Ende des 14. Jh.s, beuteten Bauern bringt der Dichter SymSbornik Praci filosoficke Brnenske university D 21 pathie entgegen (165V, v. 5568 f. u. 186r, (1974) 23-48. NIGEL F. PALMER v. 6275 ff.). Besonderes Gewicht erhalten die in jeweils mehreren Kapiteln abgehandelten 'Von der werlt boesen löuften' Laster Spiel (damit verbunden Trunksucht und Unzucht), Habgier und Hoff art. Das Zeitklage (6476 vv.), Ende 15. Jh. Spiel wird als 'Gleichmacher' beschrieben, Ü b e r l i e f e r u n g . Bremen, SB u. ÜB, msc 0051 durch das jeder, ganz gleich welchen Stan(192 B1L), ostmd./ostobd. ( ? ) . Korrekturen wie des, ob arm oder reich, den Höllenqualen nachgetragene Verse oder Wörter könnten auf Abanheimfalle (118r, v. 3956 ff.). Seine besonschrift deuten. — Ausgabe fehlt, Textproben bei dere Verwerflichkeit wird auf die KreuziGADE. gung Christi zurückgeführt: Indem der E n t s t e h u n g . Im Explicit (189r, v. Teufel den krewcziger spilbuben eingege6375 ff.) wird das Gedicht auf das Jahr ben habe, um Jesu Kleider zu spielen, sei 1496 datiert. An geographischen Ortsna- das Spiel zu einem Teil seiner Leiden men werden der Rhein und der Main, geworden (7 r ~ v , v. 217—219). Ironisch beSchwaben, Franken sowie die Stadt Dürr- richtet der Dichter von der spiller herten wangen/Mittelfranken (als Henkerstätte) or den vnd glawben (119V, Kap. 90): Nächgenannt. Der Autor war vermutlich Geist- telang sitzen sie beim Spiel auf harten Bänlicher. ken und fasten dabei länger als die KartäuI n h a l t . In 132 unterschiedlich langen ser. Auch die einzelnen Bestandteile ihrer Kapiteln (24 bis 174 vv.) prangert der 'Messe' spielt er sarkastisch durch (120r, Dichter den lasterhaften Lebenswandel der Kap. 91) und erläutert ihren trinitarischen Zeitgenossen quer durch alle Stände an. Gott: Lucyfer /st der fater (...) Der sun ist Vorweggeschickt sind ein alphabetisches sathynas (...) Jr heylig geyst ist belczebock nach einer Klage über die verkehrte Welt sich gegen die Edlen und Reichen richtet und gegen diejenigen, die noch nicht gelernt haben, ihre Sterblichkeit richtig einzuschätzen. Im Schlußteil läßt er einen Weisen zu Worte kommen, der die Welt zu verachten gelernt hat, und bezieht sich auf Meister Ydumeus (im lat. Gedicht Jeronimus) und Homer als Gewährsmänner für die richtige Einstellung zum Tode. Zwei weitere, selbständige dt. Versübersetzungen von 'Ecce mundus moritur' sind im Kontext der dt. Fassungen (8) und (9) der 'Visio Philiberti' erhalten (-»· 'Visio Philiberti', II.8.-9.).

1651

Wernher, Peter

(...) /50 ist der spiller goth (122r, v. 4082 ff.). Das andere große Laster der Zeit, die Hoffart, zeige sich vor allem daran, daß ein jeder über seinen Stand hinausstrebe (184V, v. 6219ff.). So erzögen die Bürger ihre Kinder stolz (187r, v. 6313), und junger Adel gebe sich den Anschein, alt zu sein, indem er Wappen auf Grabsteinen austausche und damit ein neues Wappen alt erscheinen lasse (185V, v. 6255 ff.). Kontrastiv zum adel Gottes, dessen gute und milte in der creatio continua Ausdruck finde, werden die Fürsten, die sich eigentlich als imago Dei behaupten sollten, in ihrer hoffart und eitlen Titelheischerei bloßgestellt (Kap. 102, 136V-139V). Nur vereinzelt geht der Dichter auf das vorbildliche Leben derer ein, die got dut mit demut kleyden (70r, v. 2327); stattdessen wird er nicht müde, die Laster all jener zu schildern, die das hoffgewand des Fürsten der Welt, des Teufels, tragen (u. a. 76r, 2517ff.). Immer wieder wird die sündhafte Lebensweise der Zeitgenossen heilsgeschichtlich gedeutet als Manifestation des bis zum Jüngsten Tage fortdauernden Aufbegehrens des Teufels gegen Gott. Entsprechend kehrt das Bild von den Böcken und den Schafen regelmäßig wieder, und die namentlich aufgeführten 7 Hauptsünden werden als bissige Hunde bezeichnet, mit denen der Teufel auf Jagd geht (153V, v. 5146ff.). Verstärkt paränetisch wird der Ton zumeist gegen Kapitelende durch Eröffnung einer eschatologischen Perspektive. Diese wird dann im Schlußgebet (190V, v. 6431 ff.) bestimmend: Nachdem der Dichter die Leserschaft rein rhetorisch aufgefordert hat, ein jeder, der älter werde, solle acht darauf geben, ab doch besser werd die weit (189V, v. 6385), deutet er die zuvor geschilderten sündhaften Zustände (lewft ... wie hie forn jm büchlein sten (189r, v. 6378 f.) als Zeichen des nahenden Jüngsten Tages (189V, v. 6387ff.). Vor dem Hintergrund dieser Endzeiterwartung wird Gott in dem durchweg in der wir-Form gehaltenen Schlußgebet um die Fähigkeit zu Reue, Beichte und Buße, um Vergebung und um das ewige Heil gebeten.

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Form und Stil. Das insgesamt eher anspruchslose Reimpaargedicht weist neben zahlreichen Assonanzen und unreinen Reimen vielfach allerdings auch Binnenreime und Reimhäufungen auf. Es ist reich an sentenzartigen Sätzen wie auch an Tiergleichnissen und enthält vereinzelt gebetartige Einschübe (z. B. 77r, v. 2553 ff.; 137r, v. 4586 ff.). Gelehrte Anklänge, die allerdings nicht überzubewerten sind und kaum Rückschlüsse auf den Bildungsstand des Verfassers erlauben, finden sich lediglich in der Wesensbestimmung des gütigen Schöpfergottes, die sich einer neuplatonischen Emanationsbildlichkeit bedient und die Vorstellung der creatio continua formuliert (137r, v. 4596 ff.). Bisweilen tritt der Dichter kommentierend und den Leser führend hervor. In den Kapiteln 13 und 14 (15V-17V, v. 497-564) gibt er sich als Geistlicher zu erkennen und formuliert sein seelsorgerisches Anliegen in polemischer Abgrenzung von der Geldgier der zeitgenössischen Geistlichkeit. L i t e r a t u r . D. GADE, Von der werlt baesen lauften. Ein satirisch-didaktisches Reimpaargedicht aus dem späten 15. Jh., PBB 126 (2004) [i. Dr.].

DIETLIND GADE Wernher, Peter veröffentlichte i. J. 1515 Übersetzungen zweier Schriften aus dem Italienischen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er identisch mit einem Nürnberger Kaufmann, der in Italien als Buchführer tätig war, wo er zuerst 1484 in Florenz bezeugt ist; nach Bologna wurden ihm aus Nürnberg 40 Exemplare der 1493 gedruckten lat. 'Weltchronik' Hartmann ->· Schedels geliefert. In Nürnberg hatte er 1503 eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Rechenmeister Ruprecht Kolberger. 1508 verstarb dort seine Ehefrau. 1. 'Von der großen Schlacht, geschehen dem Türken von dem großen Sophi in Calimania'. Bericht über kriegerische Handlungen, die i. J. 1514 während der Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Sultan Selim I. (1512-1520) und dem Sophi, d. i. Ismail L, Schah von Persien

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'Weseler Spiegel des Rates'

(1501-1524), stattfanden. Es geht vor allem um die kriegsentscheidende Schlacht bei Tschaldyran am 23.724. August, die im Titel der Drucke fälschlich auf den 17. Juni verlegt ist. Der reichlich fabulöse Text stellt den Sieg der Türken als Niederlage dar und berichtet ebenso unzutreffend vom Tod des Sultans am 20. August, desgleichen vom Tod des Schahs, dem überdies christlicher Glaube angedichtet wird. Die Übersetzungsvorlage ist bisher nicht sicher ermittelt; GÖLLNERS Verweis auf einen 'Succeso di una littera mandata da Constantinopoli' bleibt zu überprüfen (eine Beziehung zu der bei R. WILHELM, Italien. Flugschriften d. Cinquecento [Beih. z. ZfromPh 279], 1996, S. 525, verzeichneten 'Copia de la littera venuta a la Signoria di Venetia' scheint nicht zu bestehen). Ob die deutsche Übersetzung noch 1514 auf den Markt kam, wie gewöhnlich angegeben wird, ist zweifelhaft, trägt doch einer der Drucke das Datum 1515. Ü b e r l i e f e r u n g . Drei Quartdrucke (VD 16, V 2593-2595): a. Nürnberg, H. Höltzel [1515?]; Ex. Edinburg, Nat. Libr., RB. s. 156 (22); Frankfurt, StB u. ÜB, GF XII, 143 (Microfiche: Flugschriftensammlung Gustav Freytag, 1980/81, Nr. 1630); London, Brit. Libr., 1312.C.17; München, BSB, 4° Turc. 80(18 u. 80(18 a; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., GvKaps, 7 (38); ehem. Schaffhausen. - b. Augsburg, E. Öglin [1515?]; Ex. Berlin, SBB-PK, Flugschr. 1514-2; Innsbruck, ÜB, 161.E.26 (7); München, BSB, 4° Turc. 80(17; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., 115.2 Quodl. (21, defekt); Zwickau, Ratsschulbibl., 8.7.8 (4). - c. [München, H. Schobser] 1515; Ex. München, BSB, 4° Turc. 80(16.

2. 'Historia von Philoconio, des Königs Sohn aus Portugal, und der schönen Eugenia, des Königs Tochter aus England'. Vorlage ist eine Novelle des Giovanni Sabadino degli Arienti, enthalten in seiner Novellensammlung 'Le Porretane' (1478, gedruckt Bologna 1483, neueste Ausg. durch B. BASILE [I novellier! italiani 13], Rom 1981, hier Nr. XXII). Es handelt sich um eine Variante des ->· 'Magelone'-Stoffes (vgl. die knappe Inhaltsangabe bei BOLTE). Die Übersetzung folgt der Vorlage Wort für Wort und wirkt dadurch oft unbeholfen. Das dürfte einer der Gründe gewesen

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sein, weswegen dem Text eine längere Nachwirkung versagt blieb. Ü b e r l i e f e r u n g . Zwei Quartdrucke (VD 16, F 633-634): a. Nürnberg, J. Gutknecht 1515; Ex. Zwickau, Ratsschulbibl., 24.8.21 (7); ehem. München und Schaffhausen. — b. [Nürnberg, J. Gutknecht nach 1515]; Ex. Berlin, Yu 3221; Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., Lo 3041.2; ehem. München. L i t e r a t u r . J. BOLTE (Hg.), Valentin Schumanns Nachtbüchlein (StLV 197), 1893, S. 399 f.; H. ULLMANN, Das Volksbuch von Philoconio u. Eugenia, Euph. 14 (1907) 689-695; C. GÖLLNER, Turcica. Die europ. Türkendrucke d. 16. Jh.s, Bd. I, 1961, S. 56 f.; P. ZAHN, Die Endabrechnung über d. Druck d. Schedelschen Weltchronik (1493) vom 22. Juni 1509, Gutenberg-Jb. 66 (1991) 177213, hier S. 197, Nr. 54.

FRIEDER SCHANZE Wernher(us) plebanus de Odra ->· 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Wern(h)er von Schartau ->· 'Magdeburger Rechtsbücher' (II.4.) [NB] 'Weseler Spiegel des Rates' ('Speculum consulum') Anonymer, wohl Ende des 15. Jh.s in Wesel entstandener Prosatraktat, der in allen Hss. jeweils lat. und volkssprachig (ndrhein.) überliefert ist. Ü b e r l i e f e r u n g . Düsseldorf, Hauptstaatsarchiv, Hs. K i l l 18 (olirnA 81a), 9r-18v, Ende 15. Jh. (Bl. 9r lat. Schlußzeilen, 9V-18V ndrhein.); Greifswald, ÜB, nd. Hs. 36 2°, Anf. 16. Jh., Vll r ; Wesel, Stadtarchiv, Hs. AI/219,5 (3. V. 17. Jh.), 18 -193 . - Alle drei Hss. stammen ursprünglich aus Wesel und überliefern den 'Spiegel' im Kontext des Weseler Stadtrechts. A u s g a b e in Vorbereitung durch H. Bierschwale.

Der Traktat, der verschiedene Aspekte des städtischen Rats behandelt, stellt zu einem großen Teil eine Zitatensammlung aus Aristoteles, Aegidius Romanus, verschiedenen atl. Büchern, Paulus, Valerius Maximus, Cicero, Ambrosius, Seneca und Gregor I. dar. Zudem sind zahlreiche Verweise auf das römische und das kanonische Recht vorhanden.

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'Wichmannsburger Antependium'

Ausgehend von einer Erörterung des Begriffs und der Institution des 'Rats' wird das korrekte Vorgehen in einer Ratsversammlung erläutert. Sodann folgen in direktem Rückgriff auf Aegidius Romanus, 'De regimine principum', lib. II, pars , c. 17, sechs Punkte über das richtige Verhalten im städtischen Rat sowie über die Dinge, die dort zu beratschlagen sind. Weiterhin werden ethische Anforderungen an Ratsleute abgehandelt: erforderlich sind Weisheit, Gerechtigkeit und Erfahrung, zu vermeiden sind Übereilung, Grausamkeit und Zorn. Daneben wird die herausragende Bedeutung des Rechts für das menschliche Zusammenleben dargelegt, dessen Kenntnis von Ratsleuten gefordert wird. Der Traktat schließt mit Ausführungen über die sittlichen Qualitäten des Richteramtes und einer Richterparänese. Eine Quelle für den Text ist vor allem das dritte Buch des Fürstenspiegels des Aegidius Romanus, 'De regimine principum' (-> 'Fürstenspiegel nach Aegidius Romanus'). Weitere Quellen sind — neben den genannten Autoritäten — nicht festzustellen. L i t e r a t u r . F. FRENSDORFF, Dortmunder Statuten u. Urtheile (Hansische Geschichtsquellen 3), 1882, S. 255-259; BORCHLING, Nd. Hss. IV, S. 54; J. DEUTSCH, Die Hss. des Weseler Stadtrechts in der Abteilung für nd. Lit. bei der ÜB in Greifswald, in: Westfälische Stud., Fs. A. Bömer, 1928, S. 233—247, bes. 236; Handschriftencensus Rheinland, Bd. 1: Aachen bis Köln, 1993, S. 261 f.

HEIKE BIERSCHWALE 'Wichmannsburger Antependium' Das Antependium (Ende 15. Jh.), das aus dem Zisterzienserinnenkloster Medingen bei Lüneburg in die Pfarrkirche Wichmannsburg gelangte (Kestner-Museum Hannover, W. M. XXII,8), zeigt eine komplexe Passionsikonographie mit lat. und einzelnen nd. Beischriften in großformatiger Mischtechnik. Auf der an den Rändern beschädigten und restaurierten noch 0,82 m hohen 3,42 m breiten Leinwand sind Stoff- und Pergamentstücke aufgenäht, Umrisse gestickt und Details und Texte gemalt. Mittelstück ist ein Kruzifix,

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aus dem Zweige mit Propheten-, Apostelund Heiligenbüsten wachsen, die Schriftbänder mit lat. Zitaten aus Bibel, Liturgie und Hymnik ('Vexilla regis prodeunt' u. ä.) halten, an den Rändern sind in vier großen Medaillons die Medinger Klosterheiligen Maria und Mauritius sowie die Lüneburger Stadtpatrone Michael und Johannes d. T. zu sehen. Die eigentlichen Szenen sind dagegen vorwiegend niederdeutsch beschriftet, teils auf Pergamentstreifen. Vom unteren Rand sendet ein Teufel mit Hirschgeweih Pfeile hinter einer Nonne her, die auf einer Leiter zum Kreuz heraufsteigt (Nonne: An dessen bom wil ik stighen. vn de vruch...; Schriftbänder hier und an anderen Stellen zerstört; einige Inschriften waren von vornherein nicht vollständig; Teufel: Ik will so vele scheten. de schal uns weghes verdreten). In einem eingezäunten Garten unter dem Kreuz finden sich eine Nonne und ein Mönch (Nonne: Wan ik in dessem gharden mach rowen. und min lef an dessem borne schowen. de rasen in minen schot lesen ..., Mönch: Crist du bist milde vnd gut. gnade vns here ...). Der untere Rand ist ansonsten mit einer Bildbordüre gefüllt, die links die Geburtsszene (nach -» Birgitta von Schweden, 'Relevationes' IX,21; Maria hält als Schriftband das Zitat Wes wilkome min got. min here, min sun), rechts die Auferstehung zeigt, die beide von Kommentarfigürchen begleitet werden, auf deren Schriftbändern sich die Incipits niederdeutscher Hymnen in der gleichen Form finden, wie sie auch in den Marginalien der Medinger Osterorationalen auftreten (-» 'Medinger Gebetbücher' [Bd. 6 u. NB]; -»· 'Gelobet sistu Jesu Christ', -* 'Christ ist erstanden' und 'Also heilig ist dieser tag'). Dazwischen sind kleinere, teilweise typologische Szenen angeordnet (Abraham und Isaak, Kundschafter mit Traube). L i t e r a t u r . Erwähnung bei B. UHDE-SlAHL, Figürliche Buchmalereien in den spätmal. Hss. der Lüneburger Frauenklöster, Nd. Beitr. z. Kunstgesch. 17 (1978) 25-60, hier S. 32. Eine Dokumentation soll im Ausstellungskatalog 'Krone und Schleier', Bonn 2005, erfolgen.

HENRIKE LÄHNEMANN

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Wick, Hans — Wigand von Marburg

Wick, Hans [Korr.] Bd. 10, Sp. 987 zu L, Überl.: "'Chronik' Ludwig Sterners ... Fribourg" korr.: Die angebliche Abschrift von 1524 ist tatsächlich die Originalhs. Sterners v. J. 1501; neuerdings im Besitz von H. Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Ramsen/ Schweiz. Vgl. Ludwig -»· Sterner [Korr. im NB].

'Wiener Evangelistar' (um 1300) -» Plenarien (II.A.a. 126.) 'Wiener Oswald' [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1027 Überl.: "Eine vierte Hs. ..." ergänze: Die Hs. ist heute als Depositum Esztergom, cod. 11, in der Bibl. des Franziskanerordens in Ungarn (Bibliotheca et Archivum P. P. Franciscanorum) in Budapest; der 'W. O.' auf Bl. 150r187V. Vgl. A. VIZKELETY, Aspekte zur Entstehung u. Funktion spätmal. Sammelhss., in: Dt. Lit. des SpätMAs. Ergebnisse, Probleme u. Perspektiven der Forschung (Dt. Lit. d. MAs 3), Greifswald 1986, S. 385-392, hier S. 386-389.

'Wienhäuser Verslegendar' Früheste erhaltene Sammlung mnd. Verslegenden (nach der 'Legenda aurea' des -*· Jacobus a Voragine). Bei dem 'W. V.' (Wienhausen, Klosterbibl., Hs. 3) handelt es sich um einen Sammelcodex im schmalen Oktavformat (ca. 14,5 X 7 cm), der über die Schrift (eine schlichte, aber gut lesbare Textualis) in die Zeit um 1300 datiert werden kann (Karin Schneider, brieflich). Er tradiert auf 48 einspaltig beschriebenen Blättern 11 bislang unbekannte, allem Anschein nach unikale Texte (in 3565 abgesetzt notierten mnd. Versen), die sich ganz eng an die 'Legenda aurea' anschließen: eine Rede über die Kirchweihe und eine Meßauslegung (samt einem als narede bezeichneten Kommentar), ferner zwei erzählende Stücke über die Himmelfahrt und die Geburt Mariens sowie sechs Legenden weiblicher Heiliger (Katharina von Alexandrien, Maria Magdalena, Cäcilia, Lucia, Agnes und Agathe). Auf Bl. 48V bricht der Text am Lagenende, mitten im Satz, ab, so daß ein mechanischer Verlust von mindestens einem Blatt, evtl. sogar von ein bis zwei Lagen, eingetreten sein dürfte.

Der unscheinbare Codex tradiert nicht nur das älteste Corpus mnd. Verslegenden, sondern stellt überdies das erste erhaltene hs.liehe Zeugnis einer systematischen deutschsprachigen Rezeption der 'Legenda aurea' dar; überdies liegt mit ihm ein sehr frühes Beispiel des im 14.715. Jh. beliebten Handschriftentyps vor, der auf die Sammlung volkssprachiger Verslegenden spezialisiert war (-»· 'Buch der Märtyrer', ->· 'Passional', -> 'Väterbuch'). Sollte es sich sichern lassen, daß der Codex im Kloster Wienhausen — das um 1300 eine kulturelle Blüte erlebte — entstanden ist, würde er überdies noch interessante Aufschlüsse über die literarischen und religiösen Interessen der dort lebenden Zisterzienserinnen erlauben. L i t e r a t u r . T. MATTERN, Die Hs. 3 des Klosters Wienhausen. Ein bislang unbekanntes Rezeptionszeugnis der 'Legenda Aurea' des Jacobus de Voragine. Staatsexamensarbeit Köln 2000 (mit Edition). Diss. i. Vorber. (voraussichtlich Köln 2004).

FRANZ-JOSEF HOLZNAGEL Wierstraet, Christian [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1058 Nachtr. vor Lit.: Eine ins Niederdeutsche umgesetzte Abschrift des Drucks von 1497, angefertigt 1521 von Ebbeke Vincke, ist in Berlin, mgq 1148, l r -68 v , überliefert. Vgl. K. E. H. KRAUSE, Nd. Hss., Ndjb 15 (1889) 3338. Zur Hs. vgl. -> Kerchoff. — Hinweis F. Schanze.

Wigand von Marburg

Verfasser einer Reimchronik, die die Geschichte des Deutschen Ordens im 14. Jh. darstellt. 1. Zur Person. W. war Herold des Dt. Ordens, wie ein Eintrag im Treßlerbuch von 1409 beweist (Item marc wygant von Marburg eym herolde gegeben). Er stand mindestens seit 1393 im Dienste des Ordens, da er sich in diesem Jahr mit dem Hochmeister Conrad von Wallenrod in Danzig aufhielt und dort die Olivenser Chronik' (-» Gerhard von Braunswalde) kennenlernte, die für die Abfassung seines eigenen Werkes entschei-

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Wigand von Marburg

dend wurde. Als seine Heimat hat die Forschung bislang stets Marburg angesehen, wofür neben der Namensform auch die Anrufung der heiligen Elisabeth am Anfang des Werkes als Argument angeführt wurde. In jüngster Zeit wurde die Möglichkeit der Zugehörigkeit zu einer steirischen ritterlichen Familie 'von Marburg' (heute Maribor/Slowenien) erwogen (ZONENBERG). Urkundlich nachweisbar ist ein Wigand von Marburg weder in Hessen noch in Österreich. 2. Ü b e r l i e f e r u n g . Von der auf 16500-17000 Verse (THOMA) veranschlagten Chronik sind nur knappe vier Prozent erhalten. Das Gesamtwerk ist allein aus einer (kürzenden) lat. Übersetzung bekannt, die Konrad ->· Gesselen, ein Kaplan der Thorner Marienkirche, 1464 für den polnischen Historiker Johannes Dlugosz anfertigte, als dieser während des Thorner Friedenskongresses in der Stadt weilte. Reflexe von W.s Werk in jüngeren Chroniken (zu Caspar Schütz s. u.) ermöglichen punktuelle Verbesserungen der eher flüchtigen Übersetzung Gesselens. Erhalten sind in 10 (nach HIRSCHS Zählung 12) Fragmenten 645 (teilweise verstümmelte) Verse, davon 51 doppelt überliefert. Die Frgm.e, deren Umfang zwischen 10 und 140 vv. schwankt, verteilen sich über nahezu das gesamte Werk. Fünf davon (Nrn. II, III, VII-IX bei HIRSCH) sind Wigand-Zitate, die Caspar Schütz in seiner 'Historia rerum Prussicarum' aufführt. Die übrigen sind die spärlichen Überreste zweier Pergamenthss. (i. F. Hs. l und 2), deren Niederschrift nach dem paläographischen Befund in großer zeitlicher Nähe zur Werkentstehung erfolgt sein muß.

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HIRSCH); Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen A III 9 a, l r -2 v (Sigle: A [BARACK, HIRSCH]; vgl. Kap. 34—36 ed. HIRSCH); ebd., cod. Donaueschingen A III 9b, l r —2 V (vorher: Memmingen, StB, ohne Signatur; Sigle: B [BARACK, HIRSCH]; vgl. Kap. 43 ed. HIRSCH). Aus Hs. 2, ebenfalls um 1400, stammt das Frgm. Karlsruhe, LB, cod. Donaueschingen A III 10, l r -2 v (vorher: Slg. Eduard Krömecke, K. a. 12; Sigle: Frgm. IV-VI [HIRSCH]; vgl. Kap. 38, 43 ed. HIRSCH). Die der Hs. l zeitlich und formal sehr nahe stehende Hs. 2 könnte im selben Verbreitungsraum hergestellt worden sein. Hs. 2 ist jedoch mit Sicherheit von Hs. l zu unterscheiden, da Frgm. IV—VI eine Versreihe aufweisen, die gleichlautend auch in Frgm. B steht. Ausgaben. Frgm.e II-III, VII-IX: Wigand-Zitate in C. Schütz, Historia rerum Prussicarum, Zerbst 1592. Frgm.e I-IX: TH. HIRSCH, in: SS rer. Pruss. II, 1863 (Nachdr. 1965), S. 468-471, 482, 486, 512 f., 532, 534-536, 615 (zit.). HIRSCH druckt den von ihm in Kapitel eingeteilten lat. Text von Gesselens 'Cronica nova Prutenica' ab und inseriert die Wigand-Frgm.e an den entsprechenden Stellen. Frgm. I: E. v. KAUSLER, in: Mittheilungen aus dem Gebiete der Gesch. Liv- Est- und Kurlands, T. III, Riga 1845, S. 129-133. Frgm. M: H. THOMA, ZfdA 74 (1937) 39-45; U. ARNOLD, in: SS rer. Pruss. VI, 1968, S. 44-49 (zit.). Frgm.e A und B: K. A. BARACK, Germ. 12 (1867) 194-205; TH. HIRSCH, in: SS rer. Pruss. IV, 1870 (Nachdr. 1965), S. 1-8 (zit.). Frgm.e IV-VI: E. KRÖMECKE, AnzfKdVz 10 (1858) 335 f.

3. I n h a l t .

W.s Thema sind die Kämpfe der Ordensritter und ihrer geste gegen die Litauer. Mit großem Interesse am kriegerischen Geschehen berichtet er von immer neuen Auseinandersetzungen. Dabei wird die Höhe der jeweiligen Verluste meist exakt, wenn auch nicht immer zuverlässig, mitgeteilt, ebenso die Anzahl der 'BeuteDie Frgm.e werden in der Literatur z. T. mit rö- stücke' — Männer, Frauen, Kinder, Tiere. mischen Ziffern, z. T. mit Großbuchstaben be- Geländevorteile werden erwähnt, Witzeichnet; diese Unterscheidung ordnet jedoch nicht terungsunbilden, die Anzahl und Beschafnach den verschiedenen Überlieferungsträgern. fenheit von Belagerungsmaschinen und Aus Hs. l, um 1400, stammen: Wien, Zentralr v arch. des Dt. Ordens, Hs. 565, l -2 (vorher: die mit wechselndem Erfolg eingesetzten Stuttgart, Staatsarch., ohne Signatur; Sigle: Frgm. I Kriegslisten beider Seiten. Auch die Schil[HIRSCH]; vgl. Kap. 11 ed. HIRSCH); München, derung von Kriegsgreueln fehlt nicht. Neben all dem bleiben die in der Forschung cgm 5249/24 m, —2 V (vorher: Ottobeuren, ohne Signatur; Sigle M [THOMA]; vgl. Kap. 23, 30, 31 ed. häufig erwähnten, aber kaum belegten rit-

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Wigbodo

terlichen Elemente eher marginal — auch wenn sich der Herold W. etwas mehr für Fahnen und Fahnenträger interessiert als andere preußische Chronisten. Das Material für seine Darstellung lieferten vor allem das 'Chronicon Olivense' und -» Hermanns von Wartberge 'Chronicon Livoniae'. Daneben stützte er sich wohl auch auf die 'Epitome gestorum Prussie' des ->· Canonicus Sambiensis (vgl. jetzt ->· Peter von Dusburg [NB]), und er scheint die 'Thorner Annalen' gekannt zu haben. Ferner standen ihm offenkundig ordensinterne Schriftstücke zur Verfügung wie etwa die sogenannten Wegeberichte (vgl. HIRSCH, SS rer. Pruss. II, 1863, S. 662708); mündliche Überlieferung kam hinzu, und manches berichtet W. aus eigener Erfahrung. Dagegen hat ->· Nikolaus von Jeroschin keine erkennbaren Spuren im Werk hinterlassen, möglicherweise weil sich ein auf Anerkennung bedachter Autor als 'Nachdichter' des bekannten Jeroschin weit weniger profilieren konnte denn als volkssprachlicher Versifikator lat. Chroniken, die seinem Laienpublikum unbekannt waren. W. hat aber keineswegs nur übersetzt und kompiliert, sondern dem Werk durchaus seinen persönlichen Stempel aufgeprägt. Seine Stärke liegt, soweit die Überlieferung ein Urteil zuläßt, in der Lebendigkeit seines Erzählens. Verschiedene Elemente tragen dazu bei, etwa der geschickte Einsatz der direkten Rede. Vor allem aber gewinnt W.s Erzählen dadurch an Lebendigkeit, daß das kriegerische Geschehen als solches nicht nur handlungsbestimmendes Element, sondern selbstgenügsames Ziel der Darstellung ist. Größere Zusammenhänge, Hintergründe oder gar Rechtfertigungen des Ordensvorgehens interessieren W. jedoch nicht. Das bedeutet auch, das der Glaubenskampf für ihn kein zentrales Thema ist, woraus sich konsequenterweise eine gewisse Aufwertung der Gegner ergibt: Sie sind nicht primär vernichtungswürdige Heiden, sondern ernst zunehmende Gegner mit beachtlichen kämpferischen Qualitäten. Selbstverständlich kann W. gleichwohl, wenn es im Gang der Erzählung passend erscheint, Kreuzzugs-

1662

töne anschlagen, und ebenso selbstverständlich ist die Ordensseite die gute und sind die Ordensritter fromme Leute, die Gott für den Sieg danken und Klöster stiften. W. unterscheidet sich mit dieser, ganz in der Ereignisschilderung verbleibenden Darstellungsweise sowohl von seinem Vorgänger in der preußischen ordensinternen Chronistik wie von seinem Nachfolger: Er ist ebenso weit von Jeroschins Kreuzzugsideologie entfernt wie vom Problembewußtsein des Autors der -» 'Älteren Hochmeisterchronik'. Die Gründe dafür mögen sowohl in seinem Beruf wie in Publikumsrücksichten liegen: Erreicht werden sollten wohl nicht nur Ritterbrüder, sondern auch die geste. Die überwiegend nach Mitteldeutschland weisende Überlieferung der hs.liehen Frgm.e läßt vermuten, daß W. tatsächlich außerhalb des Ordenslandes Erfolg hatte, vielleicht sogar mehr als in Preußen selbst. Hier hat W. die jüngeren ordensinternen Geschichtswerke nicht beeinflußt, doch hat die ordensexterne preußische Chronistik durchaus auf ihn zurückgegriffen (Schütz, Bornbach, Grunau [vgl. HIRSCH, SS rer. Pruss. II, 1863, S. 431-436]), und er wirkte über Dlugosz auch auf die polnischen Geschichtsdarstellungen ein. L i t e r a t u r . TH. HIRSCH, Die Chronik W.s v. M. Originalfrgm.e, lat. Übers, u. sonstige Überreste, in: SS rer. Pruss. II, 1963, S. 429-488; H. BAUER, Peter v. Dusburg u. die Gesch.Schreibung des Dt. Ordens im 14. Jh. in Preußen (Hist. Studien 272), 1935, S. 60-78; K. HELM/ W. ZIESEMER, Die Lit. des Dt. Ritterordens, 1951, S. 165-167; M. FISCHER, 'Di himels rote'. The Idea of Christian Chivalry in the Chronicles of the Teutonic Order (GAG 525), 1991, S. 223-236; S. ZONENBERG, Kronika Wiganda z Marburga, Bydgoszcz 1994; knappe Erwähnung in den meisten Übersichtsdarstellungen, zuletzt bei J. WENTA, Studien über die Ordensgeschichtsschreibung am Beispiel Preußens, Torun 2000, S. 228 f.

GISELA VOLLMANN-PROFE Wigbodo [Korr.] Bd. 10, Sp. 1065 Z. 3 f.: "Isidors Gn-Kommentar (PL 83, Sp. 287-424)" korr.: -> Isidors [NB] 'Quaestiones in vetus testamentum' (PL 83, Sp. 207-424). Ebd. Z. 9: "Isidors Gn-Kommentar" korr.: Isidors 'Quaestiones'.

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'Wilhalm von Orlens' — Wilhelm von Conches

'Wilhalm von Orlens' (Reimpaarerzählung) [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1084 Überl.: Das Exemplar des Augsburger Druckes (Cop. 3550) ist nicht mehr in Marburg, sondern wieder in Berlin, SBB-PK (Hinweis G. Kornrumpf).

Magister Wilhelm [Korr.] Bd. 10, Sp. 1089 Z. 9/8 v. u.: "München, cgm 3961" korr: ..., cgm 3969 (Hinweis G. Roth).

Wilhelm von Conches I. Leben. W. v. C., geb. um 1080/90 in Conches b. Evreux in der Normandie, wird im 'Metalogicon' seines berühmten Schülers Johannes von Salisbury (ca. 1115 — 1180) als führender Gelehrter in der Grammatik und als Schüler Bernhards von Chartres (gest. ca. 1130) gepriesen. Er gilt als ein Hauptvertreter der durch neuplatonische, kosmologische und rationalistische Interessen geprägten 'Schule von Chartres' und damit als einer der wichtigsten Wegbereiter der 'Renaissance des 12. Jh.s'. Über seine tatsächliche Lehrtätigkeit an der Kathedralschule in Chartres und in Paris sind wir freilich nur sehr dürftig und indirekt unterrichtet. W.s Position in der Geschichte der Hermeneutik dürfte durch seinen Lehrer Bernhard bestimmt gewesen sein: Seine Methode zielte auf die Aufdeckung einer Wahrheit, die in ein erfundenes, fiktives integumentum gekleidet ist (so z. B. bei seiner Deutung der Rippe Adams bei der Erschaffung Evas oder bei seinen Auslegungen der Mythographie). Neben den von ihm kommentierten antiken Schriften zog er salernitanische Übersetzungsliteratur (u. a. Nemesius, 'De natura hominis', in der lat. Version des Alfranus von Salerno), das arabische medizinische Schrifttum in der Übersetzung des Constantinus Africanus, und ->· Senecas 'Naturales quaestiones' heran. Sein besonderes Interesse galt der Naturlehre und der Kosmologie. Daß er eine rationalistische, 'physikalische' Erklärung der Phänomene der Natur einer theologischen vorzog, stieß auf heftigen Widerspruch bei -* Wilhelm von

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Saint-Thierry, der i. J. 1141 in einem an -> Bernhard von Clairvaux gerichteten offenen Brief, der 'Epistola de erroribus Guillelmi de Conchis' (ed. LECLERQ), W.s Position scharf verurteilte. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens treffen wir W. wieder in der Normandie, wo er nach Auskunft des Prologs zum 'Dragmaticon philosophiae' im Dienst von Gottfried (Geoffroy) Graf von Anjou und Herzog der Normandie als Erzieher des künftigen Königs Heinrich II. von England bezeugt ist. Gestorben ist er, wie aus einer Erwähnung in der Chronik des Alberich von Trois-Fontaines hervorgeht, nach 1154. II. Werk. Zu einer Produktionsphase, die mit dem Anfang seiner Lehrtätigkeit in Chartres um 1120 anzusetzen ist, gehören die 'Glosae super Boetium' und Glossen über Macrobius. Um 1124 entstand sein erstes systematisches, enzyklopädisches Werk, die ' P h i l o s o p h i a m u n d i ' (— 'Ph.'), deren vier Bücher von der Schöpfung und Entstehung der Lebewesen und Menschen, von der Kosmologie, von der Beschaffenheit der Erde (mit einer Zeugungslehre, Gynäkologie und Erörterung des menschlichen Körpers) handeln. Die 'Ph.' gehört zum Texttyp der 'De natura'-Schriften und stellt sich in die Reihe von -> Isidors [NB] 'De natura rerum', -> Bedas 'De natura rerum', -»· Hrabanus Maurus' 'De rerum naturis' und dem ungefähr gleichzeitig in Süddeutschland entstandenen kosmologischen Traktat 'De mundi constitutione' (Ps.-Beda, ed. CH. BURNETT, London 1985). In der Überlieferung wurde die 'Ph.' manchmal zur 'Imago mundi' des -> Honorius Augustodunensis gestellt. Ungefähr gleichzeitig mit der 'Ph.' werden die 'Glosae super Platonem' (über den 'Timaios') und die erste Fassung der Priscian-Glossen angesetzt (zur relativen Chronologie und zur Datierung der Glossen s. zuletzt NAUTA, S. xx—xxiii). Verloren, aber bezeugt sind Glossen zu Martian. Gut zwanzig Jahre nach der 'Ph.' entstand nach einer Angabe in dem an Herzog Gottfried gerichteten Prolog eine zweite naturkundliche und kosmologische

1665

Wilhelm von Conches

Summe, das ' D r a g m a t i c o n p h i l o s o phiae' (= 'Dr.'), das sich als Fürstenspiegel präsentiert und auf die Jahre 1144— 1149 (wahrscheinlich 1147-1149) zu datieren ist. Der Stoff der 'Ph.' wurde in diesem Werk gründlich revidiert, in Auseinandersetzung mit der theologischen Kritik teilweise korrigiert, und zu einem Dialog zwischen dem Philosophen und dem Herzog umgearbeitet. Der These, daß auch weitere Schriften W.s in mehreren Autorfassungen überliefert seien, steht die heutige Forschung eher skeptisch gegenüber. Die Zuschreibung des -> 'Moralium dogma philosophorum' [NB] an W. v. C. ist nur noch von forschungsgeschichtlichem Interesse. Ausgaben. a. Ältere Druckausgaben. 'Ph.': Philosophicarum et astronomicarum institutionum, Guilielmi Hirsaugiensis olim abbatis, libri tres, Basel 1531 (VD 16, G 4078); D. Honor»' Augustodunensis presbyteri libri septem [...] III. De Philosophia mundi. Libri iiii, hg. v. JOANNES HEROLD, Basel 1544 (VD 16, H 4770), wieder in: M. DE LA BIGNE, Maxima bibliotheca veterum patrum, Lyon 1677, Bd. 20, S. 995-1020; Peri didaxeon sive elementorum philosophiae libri quatuor, in: Opera Bedae venerabilis presbyteri, hg. v. JOHANN HERWEGEN d. J., Basel 1563, Bd. 2, S. 311-343 (VD 16, B 1418); PL 90, Sp. 1127-1178 (Nachdr. der Ausg. v. 1563); PL 172, Sp. 39-102 (Nachdr. der Ausg. v. 1677, angeblich der bessere Text). — 'Dr.': Dialogus de substantiis physicis ante annos ducentos confectus a Vuithelmo aneponymo philosopho, hg. v. GUGLIELMO GRATAROLO, Straßburg 1567, Nachdr. 1967. b. Kritische Ausgaben der enzyklopädischen Schriften. G. MAURACH/ H. TELLE, W. v. C.: Philosophia, Pretoria 1980; I. RONCO, Guilielmi de Conchis Dragmaticon philosophiae (CG Cont. Med. 152), Turnhout 1997, S. 1-273. c. Kommentare und Glossen. E. JEAUNEAU, Guillaume de Conches: 'Glosae super Platonem', Paris 1965; H. RoDNiTE-LEMAY, The Doctrine of the Trinity in Guillaume de Conches' Glosses on Macrobius: Texts and Studies, Diss. Columbia University 1972 [Exzerpte]; B. WILSON, Guillaume de Conches: Glosae in luvenalem, Paris 1988 [wohl unecht]; L. NAUTA, Guilielmi de Conchis Glosae super Boetium (CC Cont. Med. 158), Turnhout 1999. Die Glossen zu Priscian sind in ihrer Gesamtheit noch unediert. d. Übersetzungen. MAURACH/TELLE, S. 117204 (dt. Übers, der 'Ph.'); E. MACCAGNOLO, II di-

1666

vino e il megacosmo. Testi filosofici e scientific! della scuola di Chartres, Mailand 1980, S. 211240 (ital. Übers, der 'Ph.', Buch I), 241-453 (ital. Übers, des 'Dr.'); I. RONCA/ M. CURR, William of Conches: A Dialogue on Natural Philosophy, Notre Dame 1997 (engl. Übers, des 'Dr.').

III. Rezeption. Immer wieder wurde in der Tradition der mal. Enzyklopädien auf W. v. C. zurückgegriffen. Gregor Abt von Montesacro (Apulien) machte ausgiebigen Gebrauch von dem 'Dr.' in den kosmologischen und astronomischen Teilen seiner Versenzyklopädie 'De hominum deificatione' (um 1231 — 1239); er kannte auch die 'Glosae super Platonem' (PABST). -» Bartholomaeus Anglicus zitiert die 'Ph.' in seiner umfangreichen Enzyklopädie 'De proprietatibus rerum' (30er Jahre des 13. Jh.s) unter dem Namen Bedas (SEYMOUR). Für die Texttradierung im späteren MA ist es wichtig, daß die 'Ph.' von -* Vinzenz von Beauvais für das 'Speculum naturale' ausgeschöpft wurde, während das zweite Buch der 'Ph.' in der überarbeiteten Version von -»· Thomas von Cantimpre, 'Liber de naturis rerum', als Buch 20 aufgenommen wurde. Die Druckausgaben des 16. Jh.s, die in Straßburg und Basel erschienen, bringen die 'Ph.' unter den Namen von -» Wilhelm von Hirsau, Honorius Augustodunensis und Beda Venerabilis; das 'Dr.' erschien unter dem Namen des Philosophen 'Wilhelm'. Die in Ansätzen sichtbare Wirkung der Naturphilosophie W.s auf die lat. Kommentartradition müßte noch untersucht werden. In den deutschsprachigen Ländern blieb die aktive Auseinandersetzung mit den Schriften W.s trotz einer beachtlichen Handschriftenüberlieferung vorwiegend auf das spätere 12. Jh. beschränkt. Der älteste Beleg steht in einem Brief des Magisters Manegold von Paderborn an Abt -> Wibald von Corvey v. J. 1149 (STURLESE, S. 203). Im letzten Jahrhundertviertel (nach 1176) fanden Exzerpte aus den Kapiteln über die Sonnenfinsternis in den 'Annales Ratisbonenses' des Regensburger Domherrn Hugo von Lerchenfeld Verwendung (ebd., S. 254f.). Eine umfangreichere

1667

Wilhelm von Conches

Benutzung der 'Ph.' wurde unlängst von L. STURLESE in der u. d. T. 'Memoria saeculorum' bekannten Vorstufe (1185) zum 'Pantheon' (1186/87) ->· Gottfrieds von Viterbo entdeckt, wo u. a. W.s Unterscheidung des Begriffspaares elementum/elementatum und seine Darstellung der Erschaffung des Kosmos aus hyle mit der anschließenden Trennung von Feuer, Luft und Erde dem ersten Buch der 'Ph.' entlehnt sind. Bei der Wahl dieser Vorlage ging Gottfried, der am Stauferhof als Kaplan tätig war, von einem 'philosophierenden Fürsten' als Adressaten aus; bei den späteren Bearbeitungsstufen des 'Pantheon' wurde dagegen unter Berücksichtigung des niedrigeren Bildungsstandes seines Publikums anstatt der 'Ph.' das 'Elucidarium' des Honorius Augustodunensis als Quelle bevorzugt. Gegen Ende des 12. Jh.s findet eine sehr bemerkenswerte und umfängliche Rezeption von W.s 'Ph.' in der dt. Volkssprache im ersten Buch des -»· 'Lucidarius' statt. Die Themenbereiche, für die der unbekannte Autor auf ihn zurückgriff, sind die Kosmologie, die Erdkunde und die Physiologie. Die Hinwendung zur 'Ph.' als Quelle, die mit 'Lucidarius' 1,21 beginnt, ist strukturbestimmend und läßt eine Akzentverschiebung zugunsten eines Interesses an der wissenschaftlichen Begründung der Naturerscheinungen erkennen, die bei den anderen Hauptquellen, den traditionellen monastischen Naturlehren des Honorius Augustodunensis, nicht gegeben war. Im späteren 13. Jh. wurde die 'Ph.' als Quelle bei der Erörterung der Temperamente in der -> 'Mainauer Naturlehre' herangezogen (MOSIMANN). Dort, wo in der spätmal. Spruchdichtung vereinzelt individuelle Motive und in einem Fall (RSM J Regb/4/619) eine längere Textstelle aus der 'Ph.' aufgegriffen wurden, handelte es sich um Vermittlung durch den 'Lucidarius' (GADE; HAMM). Die gelegentlich behauptete Verwendung der 'Ph.' in der altfrz. Quelle des ->· 'Buch Sidrach' läßt sich nicht verifizieren. Eigenständige dt. Übersetzungen der Werke des W. v. C. sind nicht erhalten. Die

1668

unmittelbare Rezeption in den dt.sprachigen Ländern bleibt, soweit bisher bekannt, auf die 'Ph.' beschränkt und erstreckt sich nicht auf das später entstandene Hauptwerk W.s, das 'Dr.'. L i t e r a t u r . A. VERNET, Le remaniement de la Philosophia de Guillaume de Conches, Scriptorium l (1946-1947) 243-259 [68 Hss. der 'Ph.', 67 Hss. des 'Dr.'], Nachträge in: Etudes medievales, Paris 1981, S. 660-666; T. GREGORY, Anima mundi. La filosofia di Guglielmo di Conches e la scuola di Chartres, Florenz 1955; E. JEAUNEAU, L'usage de la notion d'integumentum ä travers les gloses de Guillaume de Conches, Archives d'histoire doctrinale et litteraire du Moyen Age 24 (1957) 35-100; J. LECLERQ, Les lettres de Guillaume de Saint-Thierry a Saint-Bernard, Rev. Ben. 79 (1969) 375-391; R.W. SOUTHERN, 'Medieval Humanism' and 'Humanism and the School of Chartres', in: ders., Medieval Humanism and Other Studies, Oxford 1970, S. 61-85; E. JEAUNEAU, 'Lectio philosophorum'. Recherches sur cole de Chartres, Amsterdam 1973; P. DRONKE, Fabula. Explorations into the Uses of Myth in Medieval Platonism, Leiden 1974; N. M. HÄRING, Chartres and Paris revisited, in: Essays in honour of A. Ch. Pegis, hg. v. J. R. O'ÖONNELL, Toronto 1974, S. 268-329; D. E. ELFORD, Developments in the Natural Philosophy of William of Conches, Diss. (masch.) Cambridge 1983; dies., William of Conches, in: A History of Twelfth-Century Western Philosophy, hg. v. P. DRONKE, Cambridge 1988, S. 308-327; M. C. SEYMOUR u. a., Bartholomaeus Anglicus and his Encyclopaedia, Aldershot/ Brookfield 1992; L. STURLESE, Die dt. Philosophie im MA. Von Bonifatius bis zu Albert dem Großen (748-1280), 1993 [Übers, v. J. BAUMANN], S. 239244, 252—263; M. MOSIMANN, Die 'Mainauer Naturlehre' im Kontext der Wissenschaftsgesch., 1994, S. 226-231; A. SPEER, Die entdeckte Natur. Unters, zu Begründungsversuchen einer 'scientia naturalis' im 12. Jh., Leiden 1995, S. 130-221; D. GADE, Hoch in dem lufft wht vns erzogt ir wunder. Eine versifizierte 'Lucidarius'-Passage in Regenbogens Langem Ton, PBB 123 (2001) 230-252; F. BEZNER, Latet omne verum? Mal. 'Literatur'Theorie interpretieren, in: U. PETERS (Hg.), Text u. Kultur, 2001, S. 575-611, bes. S. 597-601; ST. GERSH/ M. J. M. HOENEN (Hgg.), The Platonic Tradition in the Middle Ages. A Doxographic Approach, 2002, darin die Beiträge v. F. BEZNER, . RICKLIN u. L. NAUTA; M. HAMM, Der dt. 'Lucidarius'. Bd. 3: Kommentar (TTG 27), 2002, S. 18*21* u. ö.; B. PABST, Gregor v. Montesacro u. die geistige Kultur Süditaliens unter Friedrich II., 2002, bes. S. 485 f.

NIGEL F. PALMER

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Wilhelm Peraldus - Wilhelm von Wallis

Wilhelm Peraldus [Korr./Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1117 unten, Überl.: "London, University of Notre Dame" korr.: Notre Dame, Indiana, University of Notre Dame. Sp. 1125 zu 3. (vor a.) ergänze: Eine deutsche (Teil-?)Übersetzung der 'Summa de vitiis' bereits aus dem 13. Jh. bezeugt ein bair. Fragment aus Kap. 8, 'De ira': München, cgm 5250/9 n. Vgl. K. SCHNEIDER, Guilelmus Peraldus in früher dt. Übers., in: Fata Libellorum. Fs. f. Fj. Pensel zum 70. Geb. (GAG 648), 1999, S. 279-291 (mit Textabdruck).

Wilhelm von Wallis (von Leuk; Willermus Perroneti de Leuca) 1. W.v.W. ist urkundlich von 13351365 belegt; er wurde um 1300/10 als Sohn des Arztes Perronet von Leuk geboren und war in Leuk ansässig. Die Bezeichnungen magister und phisicus lassen auf ein akademisches Studium schließen. W. war als Syndicus der sieben deutsch-walliser Orte (Zenden) in Auseinandersetzungen mit dem Sittener Bischof verwickelt. Er versuchte, z. T. in Kooperative mit dem Sittener Domkapitel (dem er ab 1359 angehörte), auch durch Appellation an den deutschen König, den er 1354 aufsuchte, den savoyischen Einfluß im wallisischen Rhönetal zurückzudrängen und für die Oberwalliser Zenden die Reichsunmittelbarkeit durchzusetzen. Das entsprechende Dekret Karls IV. wurde am 27. 2. 1355 vor W.s Haus in Leuk promulgiert. 1364—65 diente W. Jean de Montferrat als markgräflicher Leibarzt. Er wurde mehrmals seitens der Savoyer unter Acht gestellt, seiner Residenzpflicht entbunden und durch den Bischof von Sitten exkommuniziert. 1365 festgesetzt, blieb W. v. W. trotz päpstlicher Intervention Gefangener des Sittener Bischofs und hat an einem 15. Juni sein Leben in den Verliesen des Valerien-Burghügels beendet. L i t e r a t u r . H. A. VON ROTEN, Zur Zusammensetzung des Domkapitels v. Sitten im MA, Vallesia 3 (1948) 81-126, hier S. 95a-96a; R. VON WERRA, Leuk im späten MA, Vallesia 49 (1994) 1-137, hier S. 93-97 (Hinweis v. H. Rindiisbacher, ZB Solothurn).

2. W. v. W. wird die Vorschrift für ein Gesundheitsbad zugeschrieben, das der

1670

arczet von locken ... gab gescriben ... seynen heimlichen frunden vnd aller besten gisellen: Das aus Krauter-Absud und Schwefel zubereitete wasser bad soll besser sein als Wildbäder (nuczer den das du furrist uff oder nider zu allen baden die runnent vber schwebet vnd über allun). Als Indikation erscheinen die charakteristischen Leiden der unter extremen klimatischen Bedingungen lebenden Oberwalliser, denen das blüt in den andren verdorben (wer) von keltten oder ... das marck jn den bainen verdorret. Ü b e r l i e f e r u n g . Solothurn, Zentralbibl., cod. S 386 (Ravensburg 1463/64), 165rv; Wolfenbüttel, Hzg.-Aug.-Bibl., cod. 69.14 Aug. 2° (vor 1481, ostfrk.), 62r; Heidelberg, cpg 272 (-» Ludwig V., Pfalzgraf bei Rhein, 'Med. Sammlung', Bd. VII), 191r. — Gedruckt im 'Thesaurus pauperum': Ein fürtreflich vnd volkomne Haußapoteck ... Von Hieronymo Braunschweig (->· Brunschwig, Hieronymus), Frankfurt a. M., Christian Egenolf 1539 [!] (Nachdrucke ebd. bis 1598, VD 16, B 87408750), hier im Kapitel Da ein mensch alle seine krafft verloren hett nach eim siechtagen, Bl. Liij rv : meister Wilhelmus bad von Wallis. 3. Unter den Namen Magistri Wilhelmy de Löga bzw. Wilhelm von Longhem sind einige lat. Pestverse (5 — 6 paarreimende Leoniner) überliefert, die SCHÖNHERR (S. 40) ohne nähere Begründung für W. v. W. in Anspruch nimmt (Überl.: Solothurn, Zentralbibl., cod. S 386, 126vf.; München, cgm 591, Maulbronn 1470, 125V [hier teilweise interlinear übersetzt — z. B. spiramen fugias hominum: Fluch den autem der menschen — und marginal glossiert]. Ausg. K. SUDHOFF, Pestschriften aus den ersten 150 Jahren nach der Epidemie des 'schwarzen Todes' 1348, Sudhoffs Arch. 8 [1915] 270, 278 Nr. 90). Eine Kompilation zweier Fassungen des Pest- ->· 'Briefs an die Frau von Flauen' (mit nahrungsmitteldiätischer Zwischenzeile) wurde an den Bischof von Trier gesant ... von maister Wilhalm von Lanck. Ob dieser mit dem Verf. der Pestverse oder mit W. v. W. identisch ist, ist nicht untersucht (Überl.: Straßburg, Bibl. nat. et univ., Ms. 20, Maulbronn, 15. Jh., 79r. Ausg. E. WICKERSHEIMER, Recettes centre la peste, Janus 30 [1926] 1-7, hier S. 4). L i t e r a t u r . G. KEIL, Die 'Cirurgia' Peters von Ulm (Forschg.n z. Gesch. d. Stadt Ulm 2), 1961, S. 110; A. SCHÖNHERR, Die mal. Hss. der Zentralbibl. Solothurn, Solothurn 1964, S. 40 f.; I. ROH-

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Willetrudis — 'Wirsberger-Prophezeiungen'

LAND, Das 'Buch von alten Schäden'. Teil II: Kommentar u. Wörterverzeichnis (WmF 23), 1982, S. 79 —81 (Mineralien im Quellwasser).

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ägyptische Joseph (v. 333 — 343). In der Erzählung ist es Christus, auf den die schuldlose Angeklagte baut (v. 186), Christus, G. KEIL der dem Daniel die Worte eingibt, welche die Verleumder entlarven (v. 268), ist ChriWillelmus Medicus -»· 'Secundus' [NB] stus der gerechte Richter (v. 300). Als Gedicht einer Frau sind die versus de Susanna, wenn man sie zu Recht in die Willetrudis 1230er Jahre datiert, eine literarhistorische Dichterin der 'Versus de Susanna', Seltenheit. W. hatte freilich mit der lat. 13. Jh. Verssprache Schwierigkeiten; manche geIm Jahre 1240 schrieb im Zisterzienser- zwungene Formulierung kommt erst durch kloster Raitenhaslach a. d. Salzach der die beigefügten Glossen (von W. selbst?) sonst nicht bekannte Novize Liutoldus zum Verständnis. Deutlich ist die Bemünach eigenem Eintrag (f. 105V, 8 leon. He- hung um literarisches Kolorit (epische Verxameter) den heutigen clm 12513 der gleiche, klassische Halbzitate und AllusioBayer. SB München. Die durch ein 'hohes nen, rhetorisch beteiligter Erzähler, häukalligraphisches Niveau' (K. SCHNEIDER) fige Alliteration, gelegentlich forcierte ausgezeichnete Hs. enthält Dichtungen Paronomasie u. a.), ohne daß dessen Inprominenter lat. Autoren des 12. Jh.s (Hil- strumente frei beherrscht wären. debert von Tours, Petrus Pictor, Bernhard A u s g a b e . SILAGI, S. 375-384. von Morlas), daneben f. 23 r —32 r in unikaL i t e r a t u r . K. SCHNEIDER, Gotische Schriften ler Überlieferung die wohl erst im 13. Jh., in dt. Sprache I, 1987, S. 122 f. u. Abb. 64 (zur vermutlich nicht lange vor 1240, entstanHs.); G. SILAGI, Willetrudis versus de Susanna: denen versus de Susanna einer Willetrudis. eine unbeachtete Frauendichtung aus dem 13. Jh., Man entnimmt dem Gedicht, das die bibli- Aevum. Rassegna di scienze storiche, linguistiche sche Susanna im Prolog den sorores (v. 18) e filologiche 73 (1999) 371-384. und am Ende den matres (v. 354) als leuchF. J. WORSTBROCK tendes Beispiel der Keuschheit empfiehlt, daß die Verfasserin einem Nonnenkloster angehörte, das indes ungenannt bleibt; Willibald von Mainz [Nachtr.] weiteres zu ihren Lebensumständen aber Bd. 10, Sp. 1155 f. zur 'Vita Bonifatii': Zu dt. liest man nicht. Vielleicht ist sie in dem Bearbeitungen s. -» 'Bonifatius' [NB]. 1232 gegründeten Zisterzienserinnenkloster Seligenthal b. Landshut zu suchen, dessen Seelsorge Raitenhaslach oblag (vgl. Winrich von Trier [Korr.] Bd. 10, Sp. 1220 Überl.: "Berlin, SBB-PK, Ms. SILAGI, S. 273). Das außer dem Prolog (32 vv.) 381 leo- lat. qu. 915 (Kriegsverlust)" korr.: Die Hs. ist heute ninische (bald ein-, bald zweisilbig rei- in Krakau, Bibl. Jagiellonska, unter derselben Simende) Hexameter umfassende Gedicht gnatur. (WALTHER, Initia 3778 u. 6669) gibt bis v. 319 stofflich recht getreu die Susanna- Wintersulger, Lienhardt -» Zetler, Conrad Erzählung des Buches Daniel (13,1 — 64) wieder. Doch ist der biblische Bericht um- 'Wirsberger-Prophezeiungen' standslos in eine christlich-hagiographi1. Umfangreiche chiliastische Prophezeische Sphäre transponiert. Die standhafte Susanna wird im Epilog der Schar der hl. ungen und Mahnungen an die Stadt NürnJungfrauen zugezählt (v. 365—367) und berg in lat.-dt. Mischtext (längere lat. Paskann so als himmlische patrona der Or- sagen aus AT und NT, v. a. aus ler, Is und densfrauen wider die Versuchungen des Apo); in ihnen wird vor dem Hintergrund Teufels angerufen werden (v. 344—364); des auf 1467 berechneten Auftretens des das männliche Pendant ist der keusche Antichrist (sage uch zu das Antichristus

1673

'Wirsberger-Prophezeiungen'

der trügner erschynlichen geboren wirt Jn wendig II iaren) und des für 1471 prophezeiten Weltendes in eschatologischer, über weite Strecken alle Formen sprengender Erregtheit zur Umkehr und zu einem radikal neuen Schriftverständnis aufgerufen: Verflucht ist alles sechen hören erkennen außlegen vnd sagen der geschrifft gottes zu menschlichem geschleckt selikait biß her gemessen. Als Verbreiter der nach eigenen Aussagen schon seit zehn Jahren zirkulierenden, in den Jahren 1465/1466 offensiv an keyser künig fürsten, an etlich studia vnd gelert sowie an eine Vielzahl von Reichsstädten ausgeschickten Schriftauslegungen und Prophezeiungen sind die Brüder Janko (Johannes) und Livin von Wirsberg, zwei auf dem Gut Höflas bei Eger ansässige Niederadlige, namhaft zu machen, die im Auftrag eines ungenannten Spiritus rector agieren. Der Text bietet erhebliche, nur teilweise durch Schreiberfehler erklärbare Verständnisschwierigkeiten, die bereits der Kopist registrierte: Hec scripta infra notata tarn occultum sensum habent quod nee auctor scitur nee scripta intelliguntur. Et nemo hactenus nouit quid designent aliqui putant quod quidam heresiarcha composuit. Acta sunt 1465. Der bisher einzigen bekannten Überlieferung (Inc. Neürenberg ach Nürenberg we Nürenberg Jch hab mein höchste botschafft bey dir zu trei malen gehabt von der such wegen die dir vnd aller menschait leib sele guot und ere an trifft] geht der Brief eines Unbekannten (wohl Livin von Wirsberg) an Johannes de Oriente (= Janko von Wirsberg?) voraus. Livin warte gespannt auf die Prüfung der ausgeschickten Schriften. Bisher sei den Brüdern von nymet antwort widerfaren ...ob sollich sach von got oder von dem teyfel kummen; deswegen hätten sie sich durch Gott vnd der hailigen cristenhait wegen für genommen dar ab zu sein, das söllichs gewogen werd vnd versuchen, ob wir den, der die Sachen auß schribt, zu weg bringen mochten da mit man der sach auf ain grund kam. Der geheimnisvolle, im Hintergrund agierende Autor wolle sich von den genannten Autoritäten geren wisen lassen vnd furder kein bewegung under dem folck machen. Aus

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inhaltlichen Gründen ist die Abfassung des Begleitschreibens auf die Zeit kurz vor Pfingsten 1466 anzusetzen. Ü b e r l i e f e r u n g . Augsburg, ÜB (Slg. Oettingen-Wallerstein), Cod. 11.1.2° 85, 190r-191v (Brief an Johannes de Oriente), 192r—214r (Prophezeiungen). Nürnberg um 1466, nordbair./lat. Vgl. G. HAGELE, Lat. mal. Hss. in Folio der ÜB Augsburg (Die Hss. d. ÜB Augsburg 1,1), 1996, S. 326 f.

2. S e k u n d ä r e Quellen. a. Neben dem Brief an die Stadt Nürnberg und den Vorgängen in Eger und Regensburg in den Jahren 1466—1468 (s. unten b. —e.) ist die umfangreichste Quelle zum Verständnis der Prophezeiungen die 'Quaestio quodlibetalis de tertio statu mundi contra errores abbatis Joachim de Fiore' aus dem Erfurter Universitätsbetrieb von 1465 des Augustiner-Eremiten -» Johannes [Bauer] von Dorsten, dem weitere bisher unbekannte Schriften der Wirsberger vorgelegen haben müssen. Deren Name findet in der 'Quaestio' selbst keine Erwähnung, ist aber durch teilweise inhaltliche Übereinstimmungen mit dem Wirsberger-Schreiben an die Stadt Nürnberg sowie mit den im späteren Prozeß den Brüdern zur Last gelegten Glaubensartikeln eindeutig zu erschließen. Dorsten klassifiziert die apokalyptischen Erwartungen, die sich auf einen unmittelbar bevorstehenden chiliastischen Heilszustand der Welt richten, als joachimitisch. Ü b e r l i e f e r u n g . Trier, StB, Ms. 2064/2252 4°, 61r-76r; Gießen, ÜB, Ms. 696, 216r-218v und 25r-32v (beide bald nach 1465/66, die Gießener Hs. wohl im Erfurter Umkreis Dorstens entstanden). A u s g a b e . Auszüge aus beiden Hss. bei R. KESTENBERG-GLADSTEIN, The 'Third Reich'. A XVth century polemic against Joachim and its background, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 18 (1955) 245-295. Vgl. dazu P. ZiMDARS-SwARTZ, John of Dorsten's Response to Apocalyptical Prophecy in the 1466 Erfurt Quaestio, in: II Profetismo Gioachimita tra Quattrocento e Cinquecento (Atti del III Congresso Internazionale di Studi Gioachimiti 1989), Genua 1991, S. 259-271; E. KLEINEIDAM, Universitas studii Erffordensis II, 21992, S. 101-104. - Dorstens Schüler -> Johann von Paltz rekurriert 1486 in einer Erfurter 'Quaestio determinata contra tripli-

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'Wirsberger-Prophezeiungen'

cem errorem', die sich gegen die Berechnung des Jüngsten Tages, gegen die pseudoaugustinische, wohl -* Honorius Augustodunensis zuzuweisende Schrift 'De cognitione verae vitae' sowie gegen den Traktat 'De futuris christianorum triumphis in Saracenos' (GW 2017-2024) des Dominikaners Giovanni Nanni de Viterbo richtet, ausführlich auf Dorstens Quaestio (HAIN 1154 u. 1155). Paltz' Quaestio hg. von A. CzOGALLA, Quaestio determinata contra triplicem errorem, in: Johannes von Paltz, Werke, hg. von C. BURGER, Bd. 3: Opuscula (SpätMA u. Reformation 4), 1989, S. 40-44 (Einleitung), S. 45-138 (Text).

b. Anfang Juni 1466 schritt der päpstliche Legat Rudolf von Rüdesheim, Bischof von Lavant, der zu dieser Zeit von Breslau aus den Kampf gegen den böhmischen König Georg von Podiebrad organisierte, mit einem Brief an den zuständigen Regensburger Bischof Heinrich von Absberg gegen die Wirsberger-Brüder ein. Das treffend als 'Denunziationsbrief (PATSCHOVSKY) gekennzeichnete Schreiben, das die Brüder als seminatores novae et stultissimae sectae — also nicht als Urheber — benennt, zeichnet folgendes Bild von der von den Brüdern verbreiteten Lehre: Es stehe der öffentliche Auftritt eines unctus salvatoris (!) unmittelbar bevor, eines 'zweiten Jesus', der geboren sei de muliere amicta sole (Apo 12,1); auf diesen seien in Wirklichkeit alle bisher auf Jesus gedeuteten Schriftstellen zu beziehen. Er lasse seine Anhänger die Geheimnisse der göttlichen Offenbarung und der Dreifaltigkeit erkennen; mit ihm beginne das geisterleuchtete Dritte Testament als letzte der drei Zeiten. Als Sprachrohr bediene sich dieser unctus eines zweiten Johannes (i. e. der Täufer), der als sein Vorläufer gelte, eben der genannte Johannes de Oriente, den Rudolf von Rüdesheim mit Janko von Wirsberg gleichsetzt.

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S. 625 f. (nach der Pariser Hs.); Chronica fratris Nicolai Glassberger, in: Analecta Franciscana, torn. II, Quaracchi 1887, S. 422 f. (nach der Hs. München, St. Anna).

c. Damit war der Regensburger Bischof Heinrich von Absberg, der erst seit einem halben Jahr amtierte, zum Handeln aufgefordert. Den zusammengerufenen Oberen der vier in Regensburg vertretenen Bettelorden ließ er eine Liste mit den inkriminierten häretischen Lehrsätzen zur Begutachtung übergeben, die im wesentlichen das von Rudolf von Rüdesheim gezeichnete Bild bestätigt. D r u c k . Chronica fratris Nicolai Glassberger, in: Analecta Franciscana, torn. II, Quaracchi 1887, S. 423-425.

d. In der zweiten Jahreshälfte entwikkelte sich ein hektischer Briefwechsel zwischen Regensburg und dem in den Verdacht der Häresie gekommenen Egerer Minoritenkonvent, der Stadt Eger selbst, dem als Anhänger denunzierten Egerer Bürger Hans Schönbach sowie den beiden Wirsbergern, die sich in Briefen an den Bischof vehement gegen den Vorwurf der Ketzerei verwehrten, weil sie doch immer nur um die autoritative Prüfung der Schriften eines Dritten gebeten hätten, der sie sich jederzeit anschließen würden. Ü b e r l i e f e r u n g . Das einschlägige umfangreiche Material befindet sich im Stadtarchiv Eger. Teilabdruck bei H. GRADL, Die Irrlehre der Wirsberger, Mitt. des Ver. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen 19 (1880/1881) 270-279, sowie bei K. SIEGL, Zeugnisse für die Rechtgläubigkeit der Stadt Eger u. Verhängung des Interdikts im J. 1467, ebd. 42 (1904) 393-420.

e. Anfang Dez. 1466 erfolgte die kanonische Ladung nach Regensburg, der die Brüder jedoch nicht nachkamen. Während Janko in den Quellen seither keinerlei ErÜ b e r l i e f e r u n g . Colmar, Bibl. de la Ville, wähnung mehr findet, wurde Livin, als er Ms. 45, 171r; München, clm 3550, 379vb-380rb, v r rv clm 17796, 167 -168 und clm 18930, 85 ; Mün- sich um die Mitte d. J. 1467 auf Oberpfälzer Gebiet begab, bei Kemnath von Leuten chen, Franziskanerkloster St. Anna, Ms. 8° des Pfalzgrafen ergriffen und nach RegensCmm 7; Paris, Bibl. nat., ms. lat. 5178, 53v-54r; Wien, cod. 4764, 191r-192v. burg überstellt. Anfang 1468 wurde ihm in Regensburg der Prozeß gemacht; nach A u s g a b e . J. G. SCHELHORN, Acta historico-ecWiderruf wurde er im Dom öffentlich als clesiastica saeculi XV et XVI, Teil l, Ulm 1738, Ketzer zu ewigem Kerker verurteilt. Von S. 66-69 (Vorlage unbekannt); I. v. DÖLLINGER, Beitr. zur Sektengesch. des MAs, Bd. 2, 1890, diesem Prozeß existiert eine Liste mit 16

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knappen Artikeln, die sich in drei Gruppen einteilen lassen: apokalyptische Elemente (quod anticristus iam sit in mundo) und die damit zusammenhängende Rolle des unctus, einzelne Komponenten seiner Schriftauslegung sowie allgemeine Kirchenkritik (Armutsforderung für den Klerus, Ungültigkeit von Exkommunikationen, Kritik am Schriftauslegungsmonopol des Klerus, Ablaßkritik). Livin, der seinen Widerruf alsbald zurückgenommen zu haben scheint, verstarb bereits um die Jahreswende 1468/1469 in seinem Gefängnis, der hochstiftisch-regensburgischen Hohenburg bei Parsberg in der Oberpfalz. Ü b e r l i e f e r u n g (Artikelliste). Bamberg, SB, J. H. Msc. theol. 20, 68r; Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, cod. Vat. Pal. lat. 870, 157r. A u s g a b e . G. RITTER, Zur Gesch. des häretischen Pantheismus in Deutschland im 15. Jh., ZKG 43 (1924) 150-159, hier S. 158 f. (nach dem Palatinus).

3. E i n o r d n u n g . Die durch die Augsburger Hs. nunmehr wesentlich erweiterte Quellenlage wirft derzeit noch mehr Fragen auf, als sie Antworten ermöglicht. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der formsprengende Text nur das Ergebnis einer extrem übersteigerten chiliastischen Erregtheit ist oder aber pathologische Züge trägt, welche die häufigen Wiederholungen, die grammatikalischen Brüche sowie den erregten Stil erklären würden, der weit über all das hinausgeht, was wir aus vergleichbaren Texten des 15. Jh.s kennen. Für die Annahme eines pathologischen Autors scheinen gewichtige Gründe zu sprechen. Bereits die zeitgenössische Beurteilung zielt in diese Richtung. Die Wirsberger Brüder seien seminatores cujusdam novae et stultissimae sectae (Rudolf von Rüdesheim), ihre Schreiben seien durch einflus der melankolia oder fantasia zu erklären (so der Sekretär des böhmischen Königs, Jobst von Einsiedel), es handle sich um eine haeresis ... stultissima ('Annales Mellicenses' zu 1466), der Autor sei tarn hereticus quam stultus reputandus (Johannes von Dorsten). Völlig übergangen hat die Forschung in diesem Zusammenhang bisher die freilich sehr knappen

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Hinweise in der Gießener und der Trierer Hs. auf ein ganz Erfurt bewegendes Ereignis des Jahres 1454/1455, also kurz vor jener Zeit, in der die Wirsberger nach eigener Aussage begannen, sich mit der Sache zu befassen. Der Gießener Codex mit der Dorstenschen 'Quaestio quodlibetalis', der möglicherweise in Erfurt selbst entstanden ist, überliefert in einer Randnotiz zum Urheber der Prophezeiungen: Johannes de Castro Coronato legatus regni Ciprie ... Erfordie deprehensus dixit se filium deum. Und in der zweiten Überlieferung der 'Quaestio', dem Trierer Codex, heißt es (hier im Text): Johannes de Castro Coronato ... veniens ad Erffordiam incidit ibidem illam vesaniam quod dicit se filium dei paciendum pro redemptione hominis. Der Name Johannes de Castro Coronato taucht auch im Brief der Wirsberger an Nürnberg auf: Nun haben die von Erdfurt statt vnd collegium sollichs von der vnderihtunge Johannis de Castro Coronati getlich offenwarunge vnder ander redenn. Noch konkreter äußert sich zu diesen hier nur vage angedeuteten Vorgängen ein intimer Kenner der Erfurter Szene. In einem Brief vom 1. 1. 1458 — also drei Jahre später — berichtet der Jurist und Erfurter Professor Simon Baechz von Homburg, 1457 Rektor der Universität, an seinen künftigen Arbeitgeber, den Rat der Stadt Lübeck, er habe entphangen eynen ganczen sexterne fol von eyner vngenanten personen ... in der genanten schrifft wyrt berurt wye woyl unde ntogelik sin II sone in der eywycheyt des eywigen vaders vnde dat Johannes de Castro Coronato der dan nun eyn tijt gefangen gelegen hat to Erfford ... derselbigen sune eyn sij. Dieser Johannes de Castro Coronato, in zeitgenössischen Quellen als Dominikaner und Lizentiat beider Rechte faßbar, ist kein Unbekannter. Als Subkommissär für Mittel- und Norddeutschland des zypriotischen Adeligen Paulinus Chappe, der in Deutschland den Türkenablaß zugunsten des Königreichs Zypern verkündete (Ablaß Papst Nikolaus' V. vom 12. 8. 1451), hielt er sich im Oktober 1454 zur Ablaßverkündung in Erfurt auf. Eine gewisse Bekanntheit hat Johannes de Castro bisher dadurch er-

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'Wirsberger-Prophezeiungen'

langt, daß er sich im Rahmen dieser Ablaßkampagne des ersten datierten Drukkerzeugnisses aus der Gutenbergpresse, des 31zeiligen Mainzer Ablaßbriefes, bediente (die von ihm persönlich ausgestellten erhaltenen Exemplare sind verzeichnet bei ZEDLER; auch in Erfurt wurde die technische Revolution und das innovative Element des Buchdrucks im Zusammenhang mit dem Türkenablaß aufmerksam registriert, wie aus einem bisher übersehenen Zeugnis des Erfurter Kartäusers Johannes -»· Hagen hervorgeht. In seiner Mission über Lüneburg, Schwerin und Braunschweig 1455 nach Erfurt zurückgekehrt, wurde Johannes de Castro Coronato dort propter deliramenta festgesetzt, wie die Chronik des Franziskaners Matthias -» Döring ohne Nennung seines Namens berichtet: Legatus earum in Erfordia tamquam erroneus detentus fuit. Asseruit namque, quendam natum ex mutiere corrupta, sed conceptum ex virgine, qui intra paucos annos reformaturus sit omnia vicia clericorum, ipsumque in aere passurum ab angelis etc. ipsum fieri deum, sicut in Christo Deus factus est homo. Dörings Darstellung wird gestützt durch die Chronik des Erfurter Bürgermeisters Härtung -> Kammermeister, der ebenfalls von dieser Festsetzung berichtet: Er liez etliche torliche worte von sich, doch konnten die beigezogenen Gelehrten nicht anders vormergkin wann das er fantasirte. Die Quersumme aus diesen bisher nirgendwo zusammengeführten zeitgenössischen Belegen deckt sich aber nun frappierend mit den Kernaussagen des Nürnberger Briefs, mit den Behauptungen des Denunziationsschreibens wie auch mit den zentralen Punkten der Regensburger Artikellisten. Ohne jeden Zweifel gibt es enge Verbindungen zwischen den Erfurter Vorgängen von 1454/1455 und der nach eigener Aussage wenig später beginnenden Wirsberger Briefflut, ohne daß wir bisher in der Lage sind, das Bindeglied zwischen Erfurt und Eger namhaft zu machen. Nur soviel scheint klar: Die Häresie ist nicht 'nach Erfurt gekrochen' (so Johannes von Paltz), sondern vielmehr von Erfurt nach Eger gewandert und 10 Jahre später von dort aus

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wieder nach Erfurt zurückgekehrt — wo man sich nach Ausweis der Hss. auch noch 10 Jahre später an Johannes de Castro erinnert hat. Über das missing link zwischen Erfurt und Eger kann nur spekuliert werden, die Existenz des von den Brüdern immer wieder zitierten 'großen Unbekannten' ist jedenfalls nicht mehr von der Hand zu weisen. Nur eine detaillierte Neubewertung auf der Basis des gesamten, nunmehr erheblich erweiterten Quellenmaterials kann hier, wie auch bei der Beantwortung des späten, dann aber umso rigoroseren Einschreitens gegen die Wirsberger, möglicherweise weiterführen. Es ist angesichts der unzweifelhaft breiten Streuung Wirsbergischen Materials nicht ausgeschlossen, daß sich diese Basis durch gezielte Suche in Bibliotheken und Archiven weiter verbreitern läßt. Q u e l l e n . J. B. MENCKE, SS rerum Germanicarum, praecipue Saxonicarum, t. III, Leipzig 1730, S. 21 (Chronik des Matthias Döring); W. WATTENBACH (Hg.), Annales Mellicenses ad a. 1466, MGH SS IX, 1851, S. 521; F. KÜRSCHNER, Jobst von Einsiedel u. seine Korrespondenz mit der Stadt Eger, Archiv f. österr. Gesch. 39 (1868) 245-292, hier: S. 280—283; Die Chronik Härtung Cammermeisters, bearb. v. R. REICHE (Gesch.quellen der Provinz Sachsen 35), 1876, S. 154 f.; Urkb. der Stadt Lübeck IX: 1451-1460 (Codex Diplomaticus Lubecensis 1,9), 1893, Nr. 623 S. 567 f. (Brief des Simon Baechz von Homburg); J. KLAPPER, Der Erfurter Kartäuser Johannes Hagen, Bd. 2 (Erfurter Theolog. Stud. 10), 1961, S. 79. L i t e r a t u r . C. TH. GEMEINER, Der Regensburgischen Chronik III. Band, Regensburg 1821, S. 393 f., 413 f., 451-454; H. HAUPT, Zur Gesch. des Joachimismus, ZKG 7 (1885) 372-425; F. JANNER, Gesch. der Bischöfe von Regensburg, Bd. 3, 1886, S. 564-571; H. HAUPT, Eine verschollene kirchenfeindliche Streitschrift des 15. Jh.s, ZKG 16 (1896) 282-285; G. ZEDLER, Die Mainzer Ablaßbriefe der Jahre 1454 u. 1455 (Veröff. d. Gutenberg-Ges. 12/13), 1913; L. V. PASTOR, Gesch. der Päpste, Bd. l, 5.-7. Aufl. 1925, S. 600 mit Anm. 10; O. SCHIFF, Die Wirsberger. Ein Beitrag zur Gesch. der revolutionären Apokalyptik im 15. Jh., Hist. Vjs. 26 (1931) 776-786; A. PATSCHOVSKY, Die Wirsberger: Zeugen der Geisteswelt Joachims von Fiore in Deutschland während des 15. Jh.s?, in: II Profetismo Gioachimita tra Quattrocento e Cinquecento (Atti del III Congresso Internazionale di Studi Gioachimiti 1989), Genua

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Wittenwiler Heinrich — 'Der wucherische Wechsler'

1991, S. 225-257 (bester Überblick über die Quellen u. Versuch einer Einordnung in die häretischen Strömungen des 15. Jh.s, jedoch noch ohne Kenntnis des umfangreichen Schreibens der Wirsberger an die Stadt Nürnberg sowie der Erfurter Vorgänge um Johannes de Castro Coronato).

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'Wöltingeroder Gebetbücher' -> Brevier (H.a.) [NB] Wonnecker, Johannes -* Almanache (II.4.) [NB]

GÜNTER HAGELE 'Der Wirt der Seele' -» 'Der gute Wirt' [NB] Witigo plebanus de Adlungsdorf -> 'Augsburger Cantionessammlung' [NB] Witten, Johannes -* 'Wilsnacker Wunderblut' Wittenwiler Heinrich [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1281 unten, Überl.: "Codex unicus ... Perg.hs. 502 des Staatsarchivs Meiningen" ergänze: Die Hs. wurde i. J. 2001 dem Haus Sachsen-Meiningen zurückerstattet, von diesem an den Freistaat Bayern verkauft; heute in München, SB, cgm 9300. Sp. 1287, I.Absatz nach "'De bello, ... Duello'" ergänze: und die 'Epitoma rei militaris' des -» Vegetius (IIIAa.) [NB].

'Wolfenbütteler Erec-Fragmente' ->· Hartmann von Aue [NB]; -> 'Zwettler Erec' [NB] Wolgemut, Niklas [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1418: Ein N. W. ist von 1494—1505 in Augsburg als Buchführer bezeugt, der u. a. mit den Straßburger Druckern Johann Grüninger und Johann Prüß in Geschäftsverbindung stand (J. KÜNAST, "Getruckt zu Augspurg" [Studia Augustana 8], 1997, S. 112, 117, 124, 144). Ob es sich dabei um den Dichter handelt, läßt sich nicht entscheiden. Sp. 1420, Z. 4 ergänze: Oktavdruck [Nünberg, F. Gutknecht um 1560], Ex. Rom, Bibl. Vat., Pal. V 2071 (10). Ebd., vor Lit. ergänze: Ein weiterer Einzeldruck der lat. Übersetzung des Cyclopius ist GW VII, Sp. 227 vermerkt: Heidelberg [J. Stadelberger 15127 15].

FRIEDER SCHANZE Wolfhart vgl. auch Bibelübersetzer [NB]

Österreichischer

'Der wucherische Wechsler' Geträumter Dialog in 266 Reimpaarversen. Ü b e r l i e f e r u n g . Erlangen, ÜB, Ms. B 10, 134V-145V (E); München, cgm 714, 267r-273v (M); Nürnberg, Germ. Nat.mus., Hs 5339 a, 241r247V (N). - Ausgabe fehlt.

Alter und Provenienz der Hss. sprechen für Entstehung um die Mitte des 15. Jh.s im Nürnberger Raum. Die Reimgrammatik paßt dazu. — In einem knappen Rahmen berichtet der Icherzähler von einem Gespräch, das er im Traum mit einem Wucherer und Wechsler geführt habe. Im Dialog selbst werden die Redeeinsätze nur durch Überschriften markiert: Der wuchrer — Der frum antwort. Der Wucherer rät dem Träumenden, er solle, um reich zu werden, Haus und Hof verkaufen und mit dem Geld zu ihm kommen. Der frum möchte zuerst wissen, was der Wucherer dann vorhabe. Darauf rühmt sich dieser, daß er durch seine Geldgeschäfte schon viele um ihren Besitz gebracht habe. Als er reich genug war, habe er es noch besser gemacht (N: noch erlicher, d. h. mehr Ansehen einbringend) und habe als Kaufmann Wechselgeschäfte zwischen Frankfurt und Venedig betrieben und damit andere in den Ruin gestürzt. In der zweiten Hälfte des Gedichts mahnt der frum den Wucherer-Wechsler, alles zurückzugeben und an Tod und Jenseits zu denken. Dieser aber will den erreichten gesellschaftlichen Status nicht aufgeben. Daraufhin beschimpft ihn der frum, er sei schlimmer als Judas, der die Silberlinge zurückgegeben habe, schlimmer als ein Dieb, der doch etwas riskiere, schlimmer als ein Räuber, der wenigstens im Schlaf nicht unrecht tue usw. Als der Träumende zornig erwacht, ist der Wucherer verschwunden, zweifellos, weil ihn der Teufel geholt hat. Von differenzierten Blicken auf Geldgeschäfte, wie sie lat. etwa -> Heinrich von

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Wund- und Blutbeschwörungen

Langenstein (II.l.c) und Heinrich -»· Totting [NB] (II.3.a), deutsch Christoph -»· Kuppener vermitteln, ist der Text weit entfernt. Angesprochen sind Fürkauf, Pfandleihe mit Fristsetzung und Bürgschaft, vielleicht auch der sog. Trockenwechsel zur Ausnutzung von Kursdifferenzen (vgl. Lexikon des MAs 8, 1997, Sp. 2088). Doch bleiben die Verfahren im Vagen und sollen auch als undurchsichtig erscheinen, da es sich um die moralische Selbstentlarvung des Wucherer-Wechslers geht. Ziel der Kritik sind offenbar vor allem angesehene Großkaufleute, nicht wie eine Generation später bei Hans -» Folz (V.3.g.) die Juden. Von diesen wird sogar gesagt, daß sie wenigstens mit ihresgleichen keine trüben Geschäfte machen. B. WACHINGER Wund- und Blutbeschwörungen Die Blut- und Wundbeschwörungen (-segen) bilden neben den -» Wurmbeschwörungen [NB] die größte Gruppe der mhd. Beschwörungen (vgl. SCHULZ, 2002). I. Die W u n d b e s c h w ö r u n g e n . 1. Der 'Drei-gute-Brüder-Segen'. a. Typisch für viele Wundbeschwörungen ist die Historiola von den Drei guten Brüdern, die sich bis in die Neuzeit hält. Der Typus hat eine längere Vergangenheit; die Begegnung mit dem Helfer ist mindestens aus dem griechisch-ägyptischen Altertum belegbar. Der älteste bekannte dt. Segen dieses Typs ist der sog. 'Münchner Wundsegen': Dri gut prüder giengen ceinen wech [...] (München, clm 23374, 16V, um 1200, WILHELM, S. 52). Folgender Aufbau liegt den Drei-Brüder-Texten zugrunde: In der Historiola wird einleitend die Begegnung von Jesus Christus mit den drei guten Brüdern inszeniert; auf Christi Frage nach dem Wohin erklären die Brüder, sie seien auf der Suche nach einem Heilkraut für Wunden; Christus läßt sie schwören, das Wissen, das er ihnen vermittelt (die Verwendung von Öl und Schafwolle), weiterzugeben, aber für die Behandlung keinen Lohn zu nehmen. Dazu sollen sie einen

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Segen sprechen, der an Longinus erinnert (s. u. 2.). Öl und Schafwolle scheinen Ingredienzien einer profanen Behandlung zu sein, der Ölberg, von dem die Heilmittel stammen sollen, weist auf den heilsgeschichtlichen Zusammenhang; Jesus Christus figuriert als medicus coelestis. Die Handlungsanweisung belegt die Praxis einer zeitgleichen Rezitation des Beschwörungstexts mit der Heilhandlung. Deutlich zeigt dies die Beschwörung London, British Library, Add. MS. 33996, 138V, 15. Jh., ein ansonsten lat. Text, wo es gegen Ende heißt: and hold the wolle wyth the oyle in thyn bond, and tauche the wounde, and sey thys charme ihre tymes.

b. Lat. Fassungen des einleitenden DreiBrüder-Teils finden sich z. B. in: Leipzig, ÜB, Ms 73, 142V (letztes Blatt, ausgestrichen): Tres boni fratres ambulabant per unam viam et occurrit illis dominus ihesus xpc (Altdt. Bll. 2 [1840] 323); München, clm 19440, S. 282 (11./12. Jh.): In nomine patris et filii et Spiritus sancti. Tres boni fratres per unam uiam ambulabant et obuiauit eis dominus; St. Florian, Stiftsbibl., cod. XI. 119, Vorsatzblatt: In nomine patris et filii et Spiritus sancti. Tres boni fratres per unam viam ambulabant et interrogabat eos dominus (Germ. 18 [1873] 234); London, British Library, Sloane MS. 962, 63 : charme for a wounde. Tres boni fratres ibant l et per vnam viam ambulabant^ ebenso ebd., Add. MS. 33996, 109r; ebd., 138V (s.o. l.a.), sind die drei Brüder von vornherein zum Ölberg unterwegs: Ibant tres boni fratres ad montem oliueti. c. Deutsche Fassungen des 13. bis 16. Jh.s: In London, British Library, Arundel MS. 295, 117r (13. Jh.), steht hinter einer lat. Fassung eine dt. Übersetzung mit dem Vorspann: Item eadem Benedictio ritmizata theutonice secundum Gotefridum, inc. In nomine patris et filii et Spiritus sancti/ Dirre segen gesprochen si.l Dri guote bruoder giengen,/ einen wec sie geviengen (40 vv., Ausg. SIEVERS, ZfdA 15 [1872] 452 f.); Wien, cod. 2442, 10r (13. Jh.): ein ivunt segen Iz ginch unser vater Jesum Christ und begegentem in drei brüder. ivaz sucht ir lieb brüder, München, clm 18921, 47V (14. Jh., ebd. auch eine lat. Version): Oaz ist der wunt seng. Ez gien-

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"Wund- und Blutbeschwörungen

gen drey gut prüder an ainem beg. do wider ging in unser herre Jhesus Christus, er sprach wo weit ir hin; Heidelberg, cpg 214, 17vb (datiert 1321, innerhalb des -> 'Bartholomäus'): Dis ist ein segen da ein iegliche wunde von heilet und ist bewart daz ez war ist. Es giengen drie gute gebrüder ein guten wek und suchtent krut daz gut zu der wunden were; Hamburg, SB u. ÜB, cod. 99 in scrin., S. 11: Dit ist der gut wundtsagen. lz gingen dri gvde brvdere einen weg, in hegende vnsir herre iesus christus (Altdt. Bll. 2 [1840] 267); Dresden, LB, Mscr. M 180, 83v: Ain wund segen auß gienge seliger guter prieder drey/ sy gienge aine selige wey/ In kurczer frist da gägnote (Neues Archiv f. Sachs. Gesch. 10 [1889] 156 f.); Stuttgart, Württ. LB, cod. med. et phys. 4° 29, 8r: Der wuntsegen. Hie hept sich an der wuntsegen. Dry vil guot brüeder [...] giengen/ ain sälligen weg sy gefiengen,/ do begegnet in in kurczer frist. Mehrere Fassungen finden sich in der medizinischen Sammlung Pfalzgraf -» Ludwigs V. (vgl. u. 2.), so: Bd. IV, Heidelberg, cpg 264, 81V —82 r : ein wundt segen Sprich/ Drei seligen brüder gingen ein seligen wege Do begegnet in unser her Jhesus Cristus Er sprach was wölt ir seligen brüder drei; und Bd. VI, cpg 266, 129V: Sprich: Es gingen drei brüder gudt Ein seligen wege do empfingen sie In kurtzer frist vnsern lieben herren Jhesu Crist. 'Ir brüder all drei wen süech ir'; die Beschwörung ebd., 128r, ist aus zwaien ein gezogen und bietet mehrfach durch oder markiert alternative Formulierungen zur Auswahl, so am Anfang: Sprich: Drei seligen bruder giengen ein seligen wege Oder: Drei viele gudte brüder die giengen ein guoten wege. d. Im 16. Jh. mehren sich die Hinweise darauf, daß sich der ursprüngliche Zusammenhang der Historiola verunklart. So läßt die Beschwörung Wien, cod. 2999, 279V, die drei guten Brüder im Wald unterwegs sein: Da giengen gueter sälger prueder drei in ainen wald und walten söechen ein craut. In der Beschwörung Heidelberg, cpg 266, 13 ', wird der Brüdertext weggelassen, nur vor einem Longinussegen die für den Brüdersegen traditionelle Hand-

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lungsanweisung erteilt: Druck schoffwollen in öle das lege über die wunden. 2. Die Longinusmotivik. In viele Drei-Brüder-Beschwörungen ist ein Textteil einbezogen, der eine vorbildhafte analogische Heilssituation mit Longinus als Urheber der Lanzenwunde Jesu präsentiert. Dabei wird entgegen dem biblischen Bericht ( 19,34) teilweise behauptet, daß die Seitenwunde Jesu nicht geblutet habe, um so ein analoges 'Nichtbluten' der präsentischen Wunde zu imaginieren (in Beschwörungen für kranke Augen wird dagegen gerade das aus der Seitenwunde Christi reich fließende Blut als Garant der Heilung aufgerufen). Während der 'Münchner Wundsegen' (s. o. 1. a.) hinsichtlich Jesu Lanzenwunde nur beteuert noch enblütet zeuil, und ähnlich auch die Beschwörung London, British Library, Arundel MS. 295, 117r, lediglich versichert: lützel bluotes dar uz flöz-, entfernen sich andere Texte weit unbedenklicher vom biblischen Bericht, so Leipzig, ÜB, Ms 73 (s. o. 1. b.): Sicut longinus miles latus saluatoris aperuit. non diu sanguinavit; München, clm 19440, S. 282: nee diu languet; München, clm 18921, 47V: Longinus der Jude der stach sein sper in dey seyten unsers herren der wunde plüt nicht lange; London, British Library, Add. MS. 33996, 109r: neque sanguinauit; vgl. auch ebd., 109V: ne blede usf. Wenn die Überlieferung nicht täuscht, scheinen sich im 15.716. Jh. die Longinusinserate von den langatmigen Dreibrüdertexten zu lösen. Die Beschwörungen beschränken sich fortan auf den Bericht einer schnell heilenden Longinuswunde, die ein analoges Heilen der präsentischen Wunde verbürgen sollte. Derartige selbständige Longinussegen finden sich besonders zahlreich in der Sammlung -» Ludwigs V., Pfalzgrafen bei Rhein; vgl. die Initien der Segen bei K. BARTSCH, Die altdt. Hss. (Katalog der Hss. der ÜB Heidelberg 1), 1887, S. 53-55, bes. zu cpg 264 und 266; daß Longinus genannt wird, geht allerdings nicht immer schon aus dem Initium hervor.

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Wund- und Blutbeschwörungen

3. Die Formel vom Nichtschwären oder Nichteitern.

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Stillestehens an das personal gedachte Blut. Die Motivik der Historiola kommt Der zweite der -> 'Bamberger Blutsegen' aber auch in anderen Beschwörungen vor, die ein 'Stillstehen' eines anderen Übels, (Bamberg, SB, Msc. med. 6, 139rb, STEINMEYER, Sprachdenkm., S. 377), der eigent- z. B. Durchfall, Fieber, Unwetter, einer mißlichen Lage etc. intendieren. Als analolich eine Wundbeschwörung ist, fügt an die ger Bezug ist hier primär an das StillesteWunden Christi die verbreitete Formel des hen des Jordan in los 3,14—17 zu denken; Nichtschwärens an: iz neblötete, noch nesvar.l noch nechein eiter nebar.l taz was dieses wird aber mit der Taufe Christi im ein file göte stunte.l heil sis tu wnte. Der Jordan vermengt, wobei möglicherweise noch weitere Bibelstellen verarbeitet sind explizite Hinweis auf Longinus fehlt hier; (Ex 14,15-23; PS 76,17-21 und das 'Padoch ebenso wie in den meisten Longinusscha-Lied' PS 113,1-3). Vorstufen solcher rekursen wird explizit von einem Nichtbluten gesprochen. Die Wundmale Christi, Verknüpfung finden sich u. a. im spätdie in Gal 6,17 quasi als Phylakterion ge- antik-frühmal. Taufritual. Meist tritt als nannt sind, werden in vielen Wundbe- weitere Konstituente das Umhergehen der heiligen Personen hinzu (vgl. die Engel der schwörungen als sozusagen 'reine' Wun-» Wurmbeschwörungen und die Brüder den angeführt, obwohl der biblische Beoben I.I.). Die älteste bekannte Formel, die richt darüber schweigt. Bereits der Dreivon einem Stillestehen des Jordan vor brüdertext des 'Münchner Wundsegens' (s.o. l.a.) holt hinsichtlich der Wunden Christus und Johannes (ohne expliziten Jesu weiter aus: [...] dazen eitert nith. Hinweis auf die Taufe) erzählt und dieses in Analogie setzt zu einer gewünschten noch gewan hitze. noch enswar. noch enBlutstillung, findet sich in Rom, Bibl. Vat., blutet zeuil. noch enfuelt. Die lat. Variante cod. Vat. lat. 5359, am Rand von fol. 30V, Leipzig, ÜB, Ms 73 (s.o. l.b.), verzeichwohl 9.710. Jh.: Christus et sanctus Johannet: [...] non diu sanguinavit. non ranca- nes ambelans ad flumen Jordane, dixit vit. non doluit. non tumuit, non putruit. Christus ad sancto Johanne 'restans flunee ardorem tempestatis habuit. sie plaga men Jordane'. Commode restans flumen ista quam carmino. non sanguinet. non Jordane: sie restet vena ista in homine isto. rancet. non doleat. non tumeat. non pu- Ähnlich die spätahd. Beschwörung -»· 'Ad treat. nee ardorem tempestatis habeat. fluxum sanguinis narium' (Paris, Bibl. Glückvolle Vergangenheit und erhoffte nat., Nuov. acq. lat. 229, 10r, STEINMEYER, Zukunft sind in eins gesetzt. Dies ist deut- Sprachdenkm., S. 379). Jesu Taufe ist einlich z. B. auch in der Beschwörung Heidel- bezogen in der Historiola einer der lat. berg, cpg 266 (Pfalzgraf Ludwig, Bd. VI), Blutstillbeschwörungen der Mülinenschen 129r: Sprich: hailig ist die wunde Selig ist Rolle des 11. Jh.s (Bern, Burgerbibl., die stunde hailig ist der dage do es an ge- Ms. 803 [Rolle des Grafen von Mülinen], schach [...]; ebd., 130V: Sprich: Crist von Z. 800—09, STEINMEYER, Sprachdenkm., hiemell ivarde wundt das was uff dieser S. 377f.): + Xristus ibat ad lordanem, ut erden ein glückhafft stunde [...]. Vor allem baptizaretur a lohanne. lordanis stetit et in den späten umfangreichen Beschwörun- stupuit. Hier ist das Stillstehen nicht expligen für das Wundwasser (z. B. Dresden, zit als durch Christus inauguriert ausgeLB, Mscr. C 317, 147r, 16. Jh.) kommt es wiesen, die Taufe selbst scheint Anlaß dazu einer weiteren Ausdifferenzierung hin- für zu sein. Dies ist auch der Fall beim besichtlich der gewünschten Eigenschaften. kannten -> 'Millstätter Blutsegen' des r II. B e s c h w ö r u n g e n für B l u t s t i l - 12. Jh.s (Wien, cod. 1705, 32 , MSD I 118). Der Jordan wird hier in die Tradition lung (sog. 'Jordansegen'). der heiligen Orte Bethlehem und JerusaDie wesentlichen Konstituenten der lem gestellt und damit das Stillstehen des Blutbeschwörungen sind der analoge Re- Jordan bei Jesu Taufe als verbürgtes Dakurs auf den Jordan sowie der Befehl des tum der Heilsgeschichte suggeriert. Der

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'Von der Würde des Priesters'

klar gegliederte Text findet sich nahezu wortwörtlich auch in der Beschwörung Wien, cod. 2817, 29r, 14. Jh., sowie in Berlin, mgq 1484, 315V, 15. Jh. (früher Cheltenham), s. MSD II 273. Im 'Uppsalaer Blutsegen' (Uppsala, ÜB, cod. C 664 [cod. med. 6], hinteres Spiegelblatt recto, um 1200, MSD II 273) geht der Befehl des Beschwörers voraus und richtet sich direkt an das personal gedachte Blut: stant bluot, stode bluot, stant bluot inne. Die legitimierende Historiola beruft sich auf die Jordangeschichte (hier mit Hinweis auf die Taufe dessen, der geheilt werden soll) und auf die Heilsgeschichte von der Verkündigung bis zum Tode Christi. Aus dem SpätMA überliefert die Sammlung Pfalzgraf Ludwigs V. (s. o. 1.2.) zahlreiche Jordansegen. In einigen von ihnen liefert die Historiola einen deutlicheren, aber zweifellos sekundären Erklärungszusammenhang für das Stillstehen des Jordan. Demnach hätte Jesus selbst den Jordan zum Stillstand gebracht, und zwar auf die Bitte des Johannes, weil dieser ihn sonst in dem stark fließenden Gewässer nicht hätte taufen können; vgl. Heidelberg, cpg 264, 12r und 14r. In einigen anderen Blutbeschwörungen ist die Jordanmotivik vage mit der virga von Ex 14,16 vergemeinschaftet und von dort aus weitergesponnen; so im -» 'Utrechter Arzneibuch' Kap. 85 'Weder dat blot': Min vrowe sunte Maria scot ene roden in dbe Jordanen. De rode untstunt. Also de rode untstunt also untsta du blot nu unde immermer\ in Wien, cod. 3000, 6r (Anf. 16. Jh.), heißt es: Unser herre Jesus Christus der schoz iii rüten in den Jordan der Jordan wider stund [...] also müstu plut wider sten und ain tropff nit für past gen. Aber schon im -> 'Straßburger Blutsegen' (11. Jh., Hs. verbrannt) verarbeitet die Historiola Versatzstücke aus unterschiedlichen Kontexten. Der Jordan ist hier zu einem Namen für eine Person geworden, der 'Schuß' bzw. Stich zitiert die Longinusmotivik, ebenso die Seitenwunde ( uersoz Genzan lordane te situn); der Befehl des Stillstehens ist aus dem Jordankontext bekannt. Die Verwundung des 'Jordan' setzt implizit den Bezug zum stillstehenden Jordanfluß,

was die Blutstillung der Wunde imaginiert. Die Historiola berichtet also ebenso wie viele andere von einer beispielhaften Heilung. Einem anderen Typus von Beschwörungen zugehörig ist die Nennung des Jordan als Wasser, in dem Jesu Glieder gebadet wurden, vgl. etwa SIEVERS, ZfdA 15 (1872) 454-456. Eine Blutbeschwörung ganz anderer Art ist der sog. Botensegen, bei dem der abwesende Blutende geheilt werden soll, indem ein Bote beschworenes Wasser trinkt. Vgl. G. KEIL, Der Botensegen, Med. Monatsschr. 11 (1957) 541-543;BRAEKMAN,S. 53 f. L i t e r a t u r . MSD I 18, 180 f., II 52f. 272-276, 282; R. KÖHLER, Der Wundsegen von den drei guten Brüdern, Germ. 13 (1868) 184-188; O. EBERMANN, Blut- u. Wundsegen in ihrer Entwicklung dargestellt (Palaestra 24), 1903; A. FRANZ, Die kirchlichen Benediktionen im MA, 1909, Bd. 2, S. 510-513; V. J. MANSIKKA, Über russische Zauberformeln. Mit Berücksichtigung d. Blut- u. Verrenkungssegen, Helsingfors 1909; STEINMEYER, Sprachdenkm., 1916, S. 375-380; F. OHRT, Zu den Jordansegen, Zs.f. Vk. NF I (1930) 269-274; ders., Über Alter u. Ursprung der Begegnungssegen, Hessische Bll.f. Vk. 35 (1936) 49-58; WILHELM, Denkm., Teil A, S. 52, Teil B, S. 132-134; G. KEIL, Jordansegen, in: Lexikon d. MAs V, 1991, Sp. 627; ders., Longinussegen, ebd., Sp. 2107; W. L. BRAEKMAN, Middeleeuwse witte en zwarte magie in het Nederlands taalgebied. Gecommentarieerd compendium van incantamenta tot einde 16de eeuw (Verhandelingen Koninkl. Ac. voor Nederlandse Tal- en Letterk. VI, 127), Gent 1997, S. 50-63, 174-183 u. ö.; M. SCHULZ, Magie oder: Die Wiederherstellung d. Ordnung (Beitr. z. europ. Ethnologie u. Folklore, Reihe A: Texte u. Unters. 5), 2000, S. 48-91 u. 322-328; V. HOLZMANN, 'Ich beswer dich wurm vnd wyrmin ..." Formen u. Typen altdt. Zaubersprüche u. Segen (Wiener Arbeiten z. germ. Altertumsk. u. Philologie 36), 2001; M. SCHULZ, Beschwörungen im MA. Einführung u. Überblick, 2003, S. 66-101.

MONIKA SCHULZ 'Von der Würde des Priesters' [Korr.] Bd. 10, Sp. 1431 Überl.: "94vb-95va" korr.: Textbeginn 93vb.

'Von der Würdigkeit der Priester' -»· 'Von unwürdigen Priestern und von der Würdigkeit des Sakraments' [NB]

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Wurmbeschwörungen

'Vom Würfelspiel' s. auch -»· 'Geistliches Würfelbuch' [NB]; -» 'Geistliches Würfelspiel' [NB] Wurmbeschwörungen Die Beschwörungen (Segen) gegen den Wurm bilden neben den -» Wund- und Blutbeschwörungen [NB] die größte Gruppe der mhd. Beschwörungen, die in den meisten Fällen Krankheitsbeschwörungen (vgl. SCHULZ, 2003) sind. Die Wurmbeschwörungen sind durchwegs von einer archaischen dämonistischen Ätiologie geprägt. Die Texte intendieren die Exorzisierung dämonischer Wurmwesen im Sinne der bekannten ahd. Wurmbeschwörungen (-»· 'Pro nessia'). 1. Der sog. 'Drei-Engel-Segen'. Von außerordentlicher Bedeutung hinsichtlich der ahd. und mhd. Krankheitsbeschwörungen im allgemeinen ist die bislang unbekannte lat. Wurmbeschwörung einer Tegernseer Hs. (München, clm 27152, 53r, 9. Jh., die Beschwörung von einer Hand des 10. Jh.s). Hier wandern drei Engel am monte synai und treffen dort auf den Schadensdämon, der mit nessia bezeichnet ist. Die Engel fragen ihn nach dem Wohin; nessia verkündet die Schadensabsicht des Knochenbrechens und Aussaugens des Knochenmarks eines Menschen, danach beschwören ihn die drei Engel. Der 'Drei-Engel-Segen' ist für Krankheitsbeschwörungen bis in die Neuzeit typbildend. Zugrunde liegt das Gerüst einer Begegnung des Heilenden mit der Schadensmacht. Dabei handelt es sich um ein außerordentlich altes und produktives Schema; bereits altorientalische Texte kennen die Begegnung des babylonischen Gottes Ea mit einem theriomorphen Krankheitsdämon (Zahnwurm), die ebenso der eigentlichen Beschwörung vorgeschaltet ist. Die Anwendung der Beschwörung in der Jetztzeit, wenn also der Beschwörer die Worte der Engel nachspricht, suggeriert die Wiederholung der Heilung durch die Engel selbst. Dem Schadensbericht des dämonischen Wurmes unterliegt eine stereo-

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type Formel, die genauso wie der Begegnungstypus selbst in älteste Zeiten zurückweist; das Brechen der Knochen, Aussaugen des Knochenmarks und Trinken des Bluts erscheint als fixes Schadensmuster bereits in der Beschreibung der altorientalischen Krankheitsdämonin 'Lamastu'. Spätere Varianten des genannten nessiaTypus belegen die Ausdifferenzierung hinsichtlich der Ätiologie; auch treten weitere volkssprachlich-lat. Krankheitsbezeichnungen bzw. Symptomatiken hinzu. Der Text Engelberg, Stiftsbibl., cod. 33 (olim 3/2) Vorsatzblatt, 12. Jh., nennt z. B. Nessia, Nagedo, Stechedo, Troppho, Crampho, Gigihte, Paralisis (K. BARTSCH, Germ. 18 [1873] 45 f.; ähnlich auch Basel, ÜB, cod. B V 21, 120V, von einer Hand des 13. Jh.s, sowie Zürich, Zentralbibl., Ms. Rh. 67, S. 46 unten am Rand, von einer Hand des ausgehenden 13. Jh.s, vgl. STEINMEYER, ZfdA 22 [1878] 246). Die Überlieferung solcher Drei-Engel-Texte scheint mit dem Ende des 13. Jh.s zu versiegen. Der Begegnungstypus an sich, nur mit anderem Personal, sowie die stereotype Formel der Schadensabsicht halten sich jedoch bis in Beschwörungen des 20. Jh.s. 2. Der Rekurs auf Hiob. Bereits der sog. 'Trierer Wurmsegen' Ad uermem qvi dicit[ur] talpa tollendvm (Trier, StB, Hs. 40/1018 8°, 41v) des 10. Jh.s kennt den Rekurs auf Hiob, wenn auch nur als knappes Inserat in dem umfänglicheren Text. Repräsentativ für den Typus sind jedoch der sog. 'Prüler Wurmsegen' (ine. Job lag in dem miste, l er rief ze Criste, München, clm 536, 84r; MSD I 181), und der Wurmsegen aus Seckau (ine. Der herre Job lach in miste, l rief üf ze Christe, Graz, ÜB, cod. 1501, 132V133r[!]; MSDI 181), die beide aus dem 12. Jh. stammen. Bis in die Neuzeit werden Versatzstücke dieser teilweise endreimenden Texte weiter tradiert. Zentrales Analogon ist die leibliche Restitutio Hiobs, angelehnt an lob 7,5. In der Finaldetermination der wrm ist tot l tot ist der wrm wird der Tod des Schädigers und die Gesundung des Kranken proleptisch konstatiert. In ei-

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Wyß, Hans

nigen Beschwörungen ist Hiob selbst als Heiler reklamiert. Spätestens seit dem 15. Jh. zeigen sich aufgrund von Reduktionen und mannigfachen Kompilierungen dieses Typs von Wurmbeschwörungen Auflösungstendenzen bis hin zur bloßen Nennung des Namens Job als 'Zauberwort'. In der Sammlung -* Ludwigs V., des Pfalzgrafen bei Rhein, finden sich beispielsweise in Heidelberg, cpg 266, 141r— 145r zwischen und in Verbindung mit Wurm-Rezepten 6 verschiedene Hiob-Wurmbeschwörungen. Vgl. aber auch schon die lat.-dt. Wurmbeschwörung des -> 'Innsbrucker Arzneibuchs' des 12. Jh.s (WILHELM, Denkm., A, S. 41).

3. Zahn wurmtexte. Typisch für die Zahnwurmtexte, die eine größere Gruppe innerhalb der Wurmbeschwörungen stellen, ist die in der Historiola berichtete Begegnung des Leidenden, der selbst zum Kreis heiliger oder auserwählter Personen gehört, mit dem Heiler bzw. der Heilerin. Die älteste bekannte Beschwörung, die von einer solchen Begegnung berichtet, ist eine lat. Fieberbeschwörung aus der Zeit um 800, die Helena als Leidende auf einem Felsen sitzend zeigt (Verona, Bibl. capitolare, cod. XC [85], 2r, Abdruck E. DÜMMLER, ZfdA 23 [1879] 261 f. Anm. 1). Die meisten mal. Zahnwehbeschwörungen berufen sich in ihrer Historiola auf Petrus, der auf einem Marmorstein sitzt (Mt 16,18), aber auch Christus wird als auf einem Felsen sitzend vorgestellt. Die älteste bekannte Zahnwurmbeschwörung dieses Typs stammt aus dem 10. Jh.; der lat. Text (London, British Library, Harley MS. 585, 183r) zeigt Christus auf dem Marmorfelsen sitzend, der leidende Petrus steht davor, Christus selbst beschwört das personal gedachte Übel adiuro te migranea; das genannte Schadensmuster ist das nämliche des Knochenbrechens und Fleischessens eindringender Dämonen, die hier in einer interpretatio christiana als Teufel identifiziert sind. Die ebenfalls lat. Beschwörung London, British Library, Vesp.D. MS. 20, 93r, wohl ll./ 12. Jh., läßt Petrus als den Leidenden auf dem Felsen sitzen. Spätere Texte variieren

teilweise die Handelnden der lat. Historiola, jedoch kann letztere auch als sakrosanktes Inserat nach der vorgeschalteten volkssprachlichen Anweisung erscheinen, so etwa in der Beschwörung München, clm 7021, 160vb, wohl 14. Jh.: Daz ist gut für den zanswern. Sanctus Petrus sedebat super marmoream petram [...]. Manche Zahnwurmbeschwörungen bieten jedoch insgesamt eine volkssprachliche Übersetzung, so z. B. Wien, cod. 2849, 85r (15. Jh.): Sand peter saß ains tagz auf ainem marbelstainl und habet sein haubt vil vast mit paiden seinen henden wann in der zan swer müt. L i t e r a t u r . MSD II 276-281; O. EBERMANN, Die Entwicklung der Drei-Engel-Segen in Deutschland, ZfVk 26 (1916) 128-136; F. OHRT, Beitr. z. Segenforschung, ZfVk 37 (1927) 1-9, hier S. 1-5; ders., Über Alter u. Ursprung d. Begegnungssegen, Hessische Bll. für Vk. XXXV (1936) 49-58; E. GRABNER, Der 'Wurm' als Krankheitsvorstellung, ZfdPh 81 (1962) 224-240; I. HAMPP, Beschwörung, Segen, Gebet. Unters, zum Zauberspruch aus d. Bereich der Volksheilkunde, 1963; E. HELLGARDT, Die dt. Zaubersprüche u. Segen im Kontext ihrer Überl. (10.-13. Jh.), in: Atti Academia Peloritana dei Pericolanti. Classe di Lettere, Filosofia e Belli Arti, Vol. 71, Messina 1997, S. 5-62; M. SCHULZ, 'Vneholden' und anderes: Bemerkungen zum sog. 'Münchner Nachtsegen' (clm 615, fol. 127r), Linguistica e Filologia 11 (2000) 129-160; dies., Magie oder: Die Wiederherstellung d. Ordnung (Beitr. zur europäischen Ethnologie u. Folklore, Reihe A: Texte u. Unters.), 2000, S. 48-91 u. S. 211 — 224; dies., Beschwörungen im MA. Einführung u. Überblick, 2003 (m. weiterer Lit.).

MONIKA SCHULZ 'Württembergische Chronik' s. auch -» 'Chronik der Kaiser, Könige und Päpste sowie der Grafen von Württemberg' [NB] Wyck -» Engelbert van der W. [NB] Wyß, Hans [Nachtr.] Bd. 10, Sp.1467 zu Lit. ergänze: Katalog der dt.sprachigen illustrierten Hss. des MAs, Bd. l, 1991, S. 464-466 Nr. 11.4.46 u. Abb. 227 (U. BoDEMANN u. G. FISCHER-HEETFELD).

'Yolanda von Vianden' mann I [Bd. 3 u. NB]

Bruder Her-

Ysopus -» Äsop [NB]

Z Zayner, Andreas [Korr./Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1482, Z. 16 des Artikel: "Rock" korr.: Stock. Ebd., 1. Absatz, Z. 7 von unten: "beim Besuch Pfalzgraf Ruprechts in Landshut" korr.: ... in Ingolstadt. Sp. 1483, 2. Absatz: "Edition ... in Vorbereitung": H. ULMSCHNEIDER, Buch der cronicken vnd seltsamen vnd vnerhorlichen geschickten ... Des Ingolstädter Stadtschreibers A. Z. 'Chronik zum Landshuter Erbfolgekrieg' 1504—1505 u. ihre Fortsetzung bis 1509, in: Literatur — Geschichte — Literaturgeschichte. Fs. f. Volker Honemann, hg. v. N. R. MIEDEMA u. R. SUNTRUP, 2003, S. 585-606.

Zisterzienser-Konstitutionen (dt.) [Nachtr.] Bd. 10, Sp. 1563 nach 3. ergänze:

3.a. Die Hs. Oxford, Bodleian Library, Ms. lat. liturg. e 18, ein Liber Ordinarius des 15. Jh.s aus dem Zisterzienserinnenkloster Medingen (-> 'Medinger Gebetbücher', Sp. 275) enthält auf Bl. 112r-114r nd. 'Statuta et conswetudines fratrum et sororum in Curia claustri Medingen in observando vitam corporis' (Ausgabe: HOMEYER, S. 37 f.). Bestimmt sind die Statuten für die brodere und sustere werlik edder geystlik (112r) des Klosters, womit allerdings, wie der Text zeigt, die Konver'Zehn Gebote' [Korr.] sen beiderlei Geschlechts gemeint sind. Besonders betont wird der Gehorsam, den Bd. 10, Sp. 1499 zu c. 1.: "Posen, Raczynskische rb sie dem Propst des Klosters in allem schulBibl., 162.11. H.d.7, 25 " korr.: ..., cod. 162 (frürb va den. Aufgefordert wird im einzelnen zu her II. H.d.7), 25 -25 (Hinweis K. Klein). Eintracht und friedfertigem Verhalten, zu Keuschheit; dies gilt besonders für die Zerbolt, Gerard, van Zutphen [Nachtr.] Konversen, die afgeschedne woninge hebben (112V). Einzelne Bestimmungen betrefBd. 10, Sp. 1540 oben ergänze: Eine weitere fen den Verzicht auf aufwendige Kleidung, obd. Übers, von 'De spirit asc.', stammt von Heindas Verbot, das Kloster ouer der vrowen rich -> Haller [NB]; hg. v. E. BAUER (Analecta Cartusiana 165), Salzburg 2000. kor hemelken edder openbar sunder orlof des prouestes (113r) zu betreten, die AbfasZipser, Nikolaus -> 'Meßerklärung Man sung eines Testaments im Falle schwerer findet vil buchlein vnd lere' [Erg. im NB] Krankheit, das Vermeiden von quade wort

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Zitatensammlung der Berliner Hs. mgq 191 — 'Zweiundsiebzig Namen Marias'

vnd schellent (113r), die Hühnerhaltung und — mehrfach — die Bereitschaft, alle den Konversen seitens des Propstes oder der anderen Amtsinhaber aufgetragenen Arbeiten auszuführen; im Weigerungsfalle wird mit Entzug der prouende gedroht. Der wenig systematisch wirkende, kurze Text scheint ganz auf die aktuellen Medinger Bedürfnisse abgestimmt. — Auf Bl. 114r der Hs. folgen noch kurze Consuetudines distribuendi panem in Curia rusticis diebus festiuis, die die Termine verzeichnen, an denen den Knechten in dem vorwerke die Eucharistie gespendet werden soll. Auf Bl. 114v-116r schließt sich als letzter Text der Hs. ein lat. Ordo in oblacione puellarum an.

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'Zweiundsiebzig Namen Marias' (lat. und dt.) Häufungen von Ehrentiteln für Maria — gezählten und ungezählten — sind im MA in allen Gattungen keine Seltenheit. Im folgenden geht es um einen Katalog von Namen, der — mit Diva beginnend — relativ fest tradiert, mit der samstäglichen Ehrung Marias verknüpft und vorwiegend mit der Zahl 72 verbunden wird, sowie um dessen Zusammenhang mit einem Traktat aus dem 12. Jh. und um die Rezeption des Katalogs in dt. Sprache. I. ' A d v o c a t i o n e s b. Mariae'.

Die Auslegung von 68 Namen Marias (dieser, der 'richtige' Name, mitgezählt) ist ohne Titel und Autorname in einer Hs. des L i t e r a t u r . J. HOMEYER, Statuten für Konverse späten 12. oder des 13. Jh.s aus Ripoll (Kades Klosters Medingen, in: ders., Kloster Medingen talonien) überliefert. Der Anonymus hat 1788-1988. 200 Jahre Neubau. Kleine Beiträge sie laut Epilog mit Hilfe des Hl. Geistes zum Jubiläum, 1988, S. 30-38, Text S. 37 f. - Inverfaßt. Wer die Namen an den Samstagen formationen von H. Lähnemann. VOLKER HONEMANN Maria zu Ehren lese oder höre, werde sich am Jüngsten Tag auf ihrer Seite befinden. Maria habe die Namen antistiti insclavoZitatensammlung der Berliner Hs. mgq niensi [!], sancto Evagrio, offenbart und ihn 191 [Korr.] von siebenjährigem Aussatz geheilt mit der Weisung, ihre sacra sabbata das Jahr hinBd. 10, Sp. 1567 Z. 16: "anders RUH, Bruder ->· durch zu feiern und deren Begehung allen Thomas" korr.: vgl. D. GOTTSCHALL, Bruder -> zu predigen. — Den Anstoß zur AufzeichThomas OESA. (Der von Ruh behandelte Prediger nung des Textes in Ripoll könnte die 1157 Bruder Th. ist ein anderer als der hier gemeinte.) vom Konvent beschlossene feierliche Ehrung der Patronin an den Samstagen (s. Zittau -» Peter von Z. [NB] BEER) gegeben haben. BARAUT (1956) denkt an eine Entstehung 'vers la segona 'Der züchte lere' [Korr.] meitat del segle in einem südfrz. Benediktinerkloster. Bd. 10, Sp. 1593 Überl.: "ehem. Cheltenham, Phillips Library, cod. 16376" korr.: heute Berlin, mgq 1484.

Ü b e r l i e f e r u n g und Ausgabe. Barcelona, Archivo de la Corona de Aragon, cod. Ripoll 193, 4 r —27 V (ine. Multociens contingit ut huius seculi 'Zürcher AntichristspieP 'Des Entkrist homines); hg. v. SINUES Ruiz, S. 10-34. (Die anschließende Marienmirakelsammlung hg. v. BAVasnacht' [Bd. 2 u. NB] RAUT, 1956; die in Montserrat lokalisierten Marienmirakel am Ende der Hs. hg. v. dems., Estudis 'Zürcher Buch vom heiligen Karl' romänics 2 [1949/50] 89-92.) - Hinzu kommen mindestens vier Textzeugen aus dem 13. und [Nachtr.] 14. Jh.: Vallbona de las Monjas (Lerida), Archivo Bd. 10, Sp. 1598 zu Überl. ergänze: Schaffhau- del Monasterio, cod. 3 (14. Jh.), 23v-57r (hier 69 sen, StB, Msc. Gen. 16, l ra -69 va . Vgl. B. BUSHEY, Namen), s. JANINI; Paris, Bibl. nat. de France, ms. Neues Gesamtverzeichnis der Hss. der 'Arabel' Ul- lat. 3456, und Bibl. Ste-Genevieve, ms. 24 (beide richs v. d. Türlin, in: Wolfram-Stud. VII, 1982, aus Südfrankreich) sowie Florenz, Bibl. Medicea S. 235, 272f.; -> 'Willehalm' (Prosa). Laurenziana, Plut. XXXIV Sin. cod. 3 (wohl aus

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'Zweiundsiebzig Namen Marias'

Frankreich), s. Catalogue general 5. Voraus geht dreimal ein 'über XL florum (Florale, Floreale) beatae Mariae virginis', editus a b. Evagrio episcopo Esclavonensi (Isclavonensi, Clavonensi], der ebenfalls der Ehrung des Mariensamstags gilt; dem 'Liber' sind in den Pariser Hss. ein Schreiben Papst Eugens III. (1145 — 1153) und ein Prolog b. Lucini episcopi vorangestellt. In der Florentiner Hs. sind die 'Advocationes' (hier 70) als Werk dieses Lucinus bezeichnet, der 'Liber XL florum' steht weiter vorn und ist anonym. - BARAUT (f 2003) hat 1956 eine Neuausgabe der 'Advocationes' zusammen mit dem 'Liber XL florum' angekündigt; ich konnte sie nicht nachweisen. L i t e r a t u r . R. BEER, Die Hss. des Klosters Santa Maria de Ripoll II (WSB 158,2), Wien 1908, S. 62, 64; A. SINUES Ruiz, Advocaciones de la virgen en un codice del siglo XII, Analecta sacra Tarraconensia 21 (1948) 1-34; C. BARAUT, Un recull de miracles de Santa Maria, precedent de Ripoll ..., in: Maria — Ecclesia, Regina et Mirabilis (Scripta et documenta 6), Montserrat 1956, S. 127-161, hier S. 127 Anm. 2; MEERSSEMAN, S. 94 f.; J. JANINI, Hispania sacra 15 (1962) 442; Bibliotheque Nationale. Catalogue general des manuscrits latins, Bd. 5, Paris 1966, S. 439 f.

II. Der l a t e i n i s c h e N a m e n k a t a l o g . 1. MEERSSEMAN hat 1958 den Zusammenhang der Namenliste des 'Advocationes'-Traktats mit einem separat überlieferten Katalog eingliedriger Ehrentitel Marias erkannt. Dieser ist seit dem 14. Jh. bezeugt — wobei Namen und Reihenfolge bei erkennbar gleichem Grundbestand durchaus variieren — und bisher in Spanien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, England, Dänemark und im dt.sprachigen Gebiet nachgewiesen, zumeist lat., aber auch volkssprachlich. Den Katalog begleitet oft (anscheinend jedoch nicht in den MEERSSEMAN bekannten Hss.) ein längerer Bericht: 72 Namen seien Maria — wie man in ihren miracula lesen könne — vom Hl. Geist gegeben worden; Maria habe sie einem ihrer Diener, dem Bischof einer Stadt namens Sclavonia, (oder: einem episcopo sdavoniensi] offenbart mit der Verheißung, wer diese Namen mit sieben Ave Maria jeden Samstag in wahrer Andacht vor ihrem Bild in ihrer Kirche bete, dem werde sie rechtzeitig vor seinem Tod erscheinen, und sie werde ihn des ewigen Lebens teilhaftig machen.

1700

Dieser Offenbarungsbericht (i. F. O bzw. vO oder nO, je nachdem, ob er dem Katalog vorangestellt ist oder folgt) stimmt in wesentlichen Zügen mit dem 'Advocationes'-Epilog überein. Offen bleibt, ob er samt dem Katalog aus dem Traktat abzuleiten ist oder nicht vielmehr beide Überlieferungsstränge auf ein Marienmirakel (des 12. Jh.s?) zurückgehen, das der Förderung der Marienverehrung am Samstag dienen sollte. Die vorherrschende Festlegung auf 72 nomina (die Namen bleiben auch ungezählt, oder es werden die Zahlen 70, 75, 77, 80 genannt) erfolgte eventuell sekundär, am wahrscheinlichsten in Anlehnung an die ältere Tradition der '72 Namen Christi' (die häufig in Segen und Beschwörungen begegnen, z. B. im 'Älteren -> Verbenatraktat'). Gelegentlich werden beide Namenkataloge zusammen überliefert (s. 2.a. ehem. München; 2.b. Opava; 3. München, clm 19635); gemeinsam mit vielen anderen einschlägigen Texten bietet sie ein süddt. Amulett (s. 2.b. Hamburg). Als Amulett mag der Mariennamen-Katalog häufiger verwendet worden sein, als die erhaltenen Aufzeichnungen erkennen lassen. Eine Beziehung zur Zahl der Lebensjahre Marias (die verschieden berechnet wird, auf 72 kommen im Anschluß an Epiphanius z. B. die ->· 'Vita beatae virginis Mariae et salvatoris rhythmica', v. 7982 ff. und die 'Legenda aurea' des -»· Jacobus de Voragine, ed. GRAESSE c. 119, ed. G. P. MAGGIONI, Florenz 1998, c. 115) ist erst spät und vereinzelt hergestellt (IH.4.a. Berlin, mgo 38). L i t e r a t u r zu den '72 Namen Christi' und zur Zahl 72 allgemein (Auswahl). J. BOLTE, Über die 72 Namen Gottes, ZfVk 13 (1903) 444-450 (S. 449 zu den Mariennamen); ergänzend: P. v. WINTERFELD, ebd. S. 442-444; I. FRANKO, ZfVk 14 (1904) 408-413 [mit einer kirchenslawischen Version der 72 Namen Christi u. der 72 Namen Marias]; s. ferner Heidelberg, cpg 169, 162r~v; Mainz, StB, Hs I 80, 41vb; München, cgm 5250/24a (frgm. Amulett; HERNAD [s. u. 3.], Nr. 181, S. 126 f. u. Abb. 401). - L. KRETZENBACHER, Die hl. Rundzahl 72. Zur Zahlenmystik in Legende u. Sakralbau, in Volksglaube u. Redensart, Bll. f. Heimatkunde, hg. vom Hist. Ver. f. Steiermark 26 (1952) 11 —18; D. SCHMIDTKE, Geistl. Tierinterpretation in der dt.sprachigen Lit. des MAs, Diss. FU Berlin 1968, S. 156 f., 540f. (mit Lit.); M. STOLZ, 'Tum'-Studien. Zur dichterischen Gestaltung im Marienpreis Heinrichs v. Mügeln (Bibl. Germanica 36), 1996, S. 90 f. (mit Lit.).

1701

'Zweiundsiebzig Namen Marias'

1702

Hs 521 (um 1460/62 bzw. 1478), 255vb (vO); Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Georg Hs. 56 (15. Jh.), 178r-179r (nO); Georg Hs. 57, Teil I (1477/78), 2v-3r; Ebstorf, Klosterbibl., cod. IV 4 (I.V. 16. Jh.), 145v-148r (vO, Ablaß von Papst Innozenz); St. Gallen, Stiftsbibl., cod. 519 (vor 1439), 94v-95r (nO); Gdansk, Bibl. Gdanska PAN (früher Danzig, StB), Ms. Mar. F 250, Teil I (Anf. 15. Jh.), 95r; Gotha, ÜB u. Forschungsbibl., cod. Memb. II 80/81 (1459), 143v-145r (Rubrik nd.); a) Ü b e r l i e f e r u n g außerhalb des dt. SprachgeHalle, LB u. ÜB, Qu. Cod. 75 (15. Jh.), 198ra-vb biets (exemplarische Zusammenstellung). Aschaf(mit Kollekte, nO); Hamburg, SB u. ÜB, cod. in fenburg, Hofbibl., Ms. 7 (Gent, 1. H. 15. Jh.), scrin. 31, Frgm. 19: Amulett (Pergament-Einzelbl., 189r-190r (Rubrik fläm.; inc. Viva, virgo); Avica. 67 X 54 cm, Rückseite leer, gefaltet, süddt., gnon, Bibl. du musee Calvet, ms. 207 (Gebetbuch Anf. 15. Jh.), Sp. l (vO, mit Zusatz Et quicumque r des Kardinals Peter von Luxemburg, 14. Jh.), 140 ea secum portaret ...); Köln, Hist. Arch. d. Stadt, (s. MEERSSEMAN, S. 95); Basel, ÜB, cod. A XI 74 cod. W* 16 (15. Jh.), 211v-212r (vO); Linköping, (Bl. 183 ff. aus der Utrechter Kartause, um 1400), s. Hl.Z.b.; Mainz, StB, Hs I 110 (Ende 15. Jh.), 70V 227V (vO); Brüssel, Kgl. Bibl., ms. 19588 (15. Jh.), (nO); Hsl 127 (Ende 15. Jh.), 8r (Sonderfassung); 174V-175V (Rubrik ndl.; s. M. MEERTENS, De München, clm 672 (15. Jh.), 69v-70r ('80 noGodsvrucht in de Nederlanden VI, o. O. 1934, mina', ine. Aue digna, aue virga, von Hartmann -> S. 119); Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., Hs. Schedels Hand, mit Oratio); clm 3702 (v. J. 1468), v r 2242 (Diözese Utrecht, 14. Jh.), 19 -20 ; Kopen74 r ~ v (ine. Virgo, viva); clm 10125 (15. Jh.), 157rhagen, ÜB, cod. AM 76, 8° (Mitte 15. Jh.), 10r~v 158r; clm 11922 (1501-1503), 69V (nO); clm (vO dän., die Stadt Slauonia wird in Hispania 14926 (15. Jh.), 100V (vO); clm 20015 (um 1500), lanth situiert); London, Brit. Libr., MS Royal 7 A 138V (vO, aber Maria erscheint hier einem Kaplan; VI (wohl Durham, 14. Jh.), 109V (O); Montserrat, mit Gebet); ebd., clm 26770 (15. Jh.), 46r (nO); Bibl. del monestir, Ms. 830 (wohl Spanien, Oldenburg, LB, Cim I 72 (Mitte 15. Jh.), 126V (Ru15. Jh.), 128r-129v (ine. Aue digna, aue uirgo); brik nd.); Prag, Archiv Prazskeho hradu, Knihovna ehem. München, Antiquariat Jacques Rosenthal, Metropolitni Kapituly, cod. D 87 (l.H. 15. Jh.), Livre d'heures (Spanien, 14. Jh.), 55 V —56 r , voran 144V (Schluß fehlt; vO); Weimar, Herzogin Anna 'Nomina Jesu Christi' (s. MEERSSEMAN, S. 96 Amalia Bibl., Oct 54 (v. J. 1443), 87V-88V (mit GeAnm. 1); Paris, Bibl. nat. de France, mss. lat. 1283, bet zuvor und Kollekte, mit Ablaß von Innozenz 1352,18203 (15./16. Jh., 14. Jh., 15. Jh., s. MEERS- XII. [!], nO); Oct 58 (1. Drittel 15. Jh.), 45v-46r SEMAN, S. 95); ebd., ms. n. a. fr. 4232 (provenzali(mit Versikel und Kollekte, lückenhafter nO); Oct sche Sammelhs., 14. Jh.), 13V (66 Namen, lat., 62 (15. Jh.), 89 r ~ v (alle Weimarer Hss. mir nachgevoran ein 72str. provenzalisches Gedicht über die wiesen von B. C. Bushey); Zwettl, Stiftsbibl., cod. Namen Marias); Rom, Bibl. Apostolica Vaticana, Zwetl. 135, 175v-176r (Nachtrag, wohl Mitte V cod. Reg. lat. 121 (Frankreich, 2. H. 14. Jh.), 255 . 14. Jh.; nO). — Gedruckt im Anschluß an den 'Sermo de presentacione beatissime virginis Marie' A b d r u c k e . P. MEYER (Hg.), Daurel et Beton, Werner -» Rolevincks (II. 1.); s. E. VOULLIEME, Der Paris 1880, S. cvm (Paris, ms. n. a. fr. 4232; Kölner Buchdruck bis zum Ende des 15. Jh.s, S. cm—cvm das provenzalische Gedicht); K. DE Nachdr. 1978, Nr. 1052+4 = COP. 5393 ([Köln], GHELDERE (Hg.), Dietsce Rime. Geestelijke gedienGoswin Gops aus Euskirchen 1475), 14V. — Hier e e e ten uit de XIII , XIV en XV eeuw naar een hs. zuzuordnen ist vermutlich auch: Opava (Troppau), van het einde der XV6 eeuw, Brügge 1896, S. 52 f. Slezske zemske muzeum, Knihovna slezskeho (mir nicht zugänglich); En klosterbog fra Middelalustavu, RA-6 (bair., 14. Jh.), 176v-177r ('62 Naderens slutning (AM 76, 8°), hg. v. M. KRISTENSEN men', Rubrik dt., mit lat. Gebeten); anschließend (Samfund til udgivelse af gammel Nordisk littera'70 Namen Christi' (Rubrik dt.). tur 54), Kopenhagen 1933, S. 15 f., vgl. auch: A 3. Selten, bisher nur südostdt. nachgeDanish Teacher's Manual of the Mid-fifteenth wiesen, aber früh bezeugt ist der ImperaCentury (Cod. AM 76, 8°), hg. v. S. KROON u. a., -Katalog (ine. Imperatrix, domina, Bd. 1: Transcription and Facsimile, Lund 1993; theothocos, virgo, regina), der im wesentMEERSSEMAN, S. 96 Anm. l (ehem. München).

2. Der Katalog beginnt üblicherweise: Diva, virgo, flos, nubes, regina. Ob in den nicht-dt.sprachigen Regionen bestimmte Fassungen dominieren, wäre zu untersuchen. Im dt.sprachigen Bereich scheint sich eine Art Vulgatfassung durchgesetzt zu haben, die recht gut durch den ältesten Textzeugen in Zwettl repräsentiert wird.

lichen denselben Namenbestand in anderer

b) Ü b e r l i e f e r u n g im dt. Sprachgebiet. AviOrdnung aufweist. Vgl. Ill.l.b. und 3.c. gnon, Bibl. du musee Calvet, ms. 208 (Anf. 15. Jh., v süddt. Herkunft), 243 ff.; Basel, ÜB, Inc. 35 (Hs., Ü b e r l i e f e r u n g . München, clm 14528 (Re15. Jh.), 226"; Darmstadt, LB u. Hochschulbibl., gensburg, St. Emmeram, l.H. 14. Jh. [nach K.

1703

'Zweiundsiebzig Namen Marias'

SCHNEIDER 'Schrift um oder kurz nach 1300', s. B. HERNAD, Katalog der illuminierten Hss. der Bayer. SB in München, Bd. 5,1, 2000, Nr. 23, S. 27]), 232rv (vO; zit.); clm 19635 (Tegernsee, 14. Jh.), 148V (voran '72 nomina Christi'); Zwickau, Ratsschulbibl., Ms. I, XV, 3 (Hs. A der -» Zwickauer Osterspiele', um 1500), 134r.

4. 'LXXII nomina beatae Mariae virginis', Glossengedicht zum Diva-Katalog (1456 oder früher): In tuo o beatissima virgo conspectu Os meum diutine pollutum defectu ... 'Dyua' dei ab angelo de celo nominaris Ex quo dea in seculo diues significaris ... 'Virgo' namque diceris cum virginitatis Decorem seruaueris, mater deitatis ... Finis. Maria mater animas redimens in agone ... Das Gedicht umfaßt einen Prolog (8 vv.), 72 Strr. (zu 6 Vagantenzeilen mit Zäsurreim) und den Epilog (14 Vagantenzeilen mit Zäsurreim}; danach der Offenbarungsbericht in Prosa (s. SCHÜTZ). Ü b e r l i e f e r u n g . Köln, Hist. Arch. d. Stadt, cod. GB 8° 124, p. 151-168 (Köln, Kreuzherren, 1456). Auszüge: J. H. SCHÜTZ (Hg.), Summa Mariana II, 1908, S. 787. 5. Das 'Centinomium' des Ulrich -> Stöcklin (B.II.4.) scheint mir entgegen MEERSSEMAN (S. 95) nicht von diesem Katalog angeregt zu sein. Für andere Lieder mit Kaskaden eingliedriger Titel (z. B. Anal. hymn. 40, Nr. 105 = MEERSSEMAN, S. 187 f., Nr. 36, Str. 9 ff.; oder , Hymnen II, Nr. 600) kommt der von MEERSSEMAN angenommene Einfluß eher in Frage.

III. B e a r b e i t u n g e n Sprache.

in

deutscher

1. Zwei Meisterlieder integrieren, was bisher unbemerkt blieb, in ihren Marienpreis die lat. (!) Namen vollständig, jedoch form- und reimbedingt in veränderter Folge: a) Michel -»· Beheim legt zwischen 1449 und 1457 einem Lied in seiner Hofweise (Nr. 304, RSM 1Beh/304; zur Datierung vgl. SCHANZE) den fast unglossierten DivaKatalog zugrunde. Die Zahl '72' erscheint nur in der Überschrift. b) Um 1460 überliefert die -»· 'Kolmarer Liederhandschrift' erstmals das Lied des magister .s. scriptor huius libri (->· Nestler von Speyer; RSM 'Nestl/l) im eigens er-

1704

fundenen Unerkannten Ton (mit bislang unbeachtetem verborgenen Reim v. 19: 21). Es fußt auf dem seltenen ImperatrixKatalog einschließlich des Offenbarungsberichts; beides fand der Dichter der Rubrik zufolge auf einer tafel im Regensburger Dom. Das erscheint angesichts der Provenienz von clm 14528 (s. . .3.) glaubwürdig, auch wenn sich keine Inschrift mehr nachweisen läßt (s. SCHMID). Unüblich und eventuell sekundär ist die Einbeziehung des -» Theophilus in die Offenbarung der Namen. Daß zu jedem Namen ein Ave Maria gebetet werden soll, ist ebenfalls ein spezieller Zug. Auf '72 Namen Marias' nehmen zwei oder drei Lieder Bezug, die u. a. in der Kolmarer Hs. von derselben Hand (A) und in derselben Phase wie Lied b aufgezeichnet wurden: Fritz -> Kettners (?) titelreicher Marienpreis RSM 'Ketn/3/l (Überschrift und Str. 1,4; Neuausg.: GGdM; zur Autorschaft s. a. RETTELBACH), -» Muskatbluts Weihnachtsmarienlied GROOTE Nr. 22 (RSM 'Musk/3/ 4), v. 51 f. (s. STACKMANN) und die Sündenklage RSM 'Tanh/o/l (-» Tannhäuser IV.4.C.; Str. 4,21 auf Maria oder/und Christus zu beziehen?). Muskatblut weiß, daß Maria die 72 Namen vom Hl. Geist erhalten hat. Literatur (zitierte). K. STACKMANN, Der Spruchdichter Heinrich v. Mügeln, 1958, S. 44; F. SCHANZE, Meisterl. Liedkunst zw. Heinrich v. Mügeln u. Hans Sachs I (MTU 83), 1982, S. 184-187, 214 f.; H. U. SCHMID, Die mal. dt. Inschriften in Regensburg (Regensburger Beitr. z. dt. Sprach- u. Lit.wiss. 40), 1989; J. RETTELBACH, Variation - Derivation - Imitation (Frühe Neuzeit 14), 1993, S. 196; GGdM: Geistl. Gesänge des dt. MAs, in Verbindung mit M. SOBIELA-CAANITZ, C. HOSPENTHAL U. M. SCHIENDORFER hg. V. M. LÜTOLF (Das

dt. Kirchenlied, Abt. II), Bd. l, 2003, Nr. 117.

2. Selten ist der Dz'ytf-Katalog ohne weitere Zutaten übersetzt: a) Berlin, mgo 403, Teil I, 9 r ~ v (bair., Nachtrag von besonderer Hand, etwa Mitte 14. Jh.; mir nachgewiesen von K. Bertau): Gotleichew, Magt, Pluem, Wolkh ..., mit kurzer Einleitung. (Teil II: -* Frauenlobs Marienleich, Hs. L.) b) Linköping (Schweden), StB, Stiftsavdelningen, cod. T 10 (Köln, St. Barbara OCart, 15. Jh.; s. BORCHLING, Mnd. Hss. II 138 f.), 107v-108r lat. und interlinear

1705

'Zweiundsiebzig Namen Marias"

dt.: Hemelch, Junfra, bloem, wülck ... (nO dt., die Namen wurden einem Kaplan offenbart). c) Trier, StB, Hs 823/1696 8° (moselfrk., 2. H. 15. Jh.), 176V-178V (vO): Eyn rijche, Eyn Juncfrauwe, Eyne bloem, Eyne freidesame, Eyn gotliche, Eyn wolcken ..., am Schluß um rund 20 Namen erweitert (verwandt ist die 'Wurzgarten'-Version, s. u. 5.b.). Die Namen sollen hier auch Papst -» Gregor d. Gr. [Bd. 3 u. NB] offenbart worden sein. 3. Drei Reimpaargedichte. a) 'Siebzig Namen Marias', Glossengedicht anhand des D/Vtf-Katalogs (nd., 14. Jh.): O Maria giff my ramen Lauen dine seuentich namen ... (v. 5) 'Diua'. Du bist eyn godinne rechte genant Wente neyn so hillich wart ie bekant ... (v. 291) Dese seuentich namen vore gesecht Vnser vrowen werdigen to gelecht ... Mit Prolog und Epilog 306 vv. (ursprünglich evtl. 310 vv.); jedem Namen gelten in der Regel 4 vv., dem letzten, 'rechten' Namen Maria jedoch 10 vv. Laut Epilog sach ein Bischof die Namen; Papst Innozenz IV. hat einen Ablaß gewährt. Ü b e r l i e f e r u n g . Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95 Nr. 540 (wohl Hildesheim, OCart, um 1400), 227r—233V (zit.; voran geht -* 'Ave praeclara maris stella' dt. [NB], Nr. 15). Jüngere Hss.: Lübeck, StB, Ms. theol. germ. 8° 72, 184r-192v (Epilog als Rubrik vorangestellt); Ms. theol. germ. 8° 85, 256V270r (Epilog in Prosafassung vorangestellt); Ms. theol. germ. 8° 93 (2004 noch verschollen), 83r97r (Anordnung wie Trier); Wolfenbüttel, Hzg. Aug. Bibl., cod. Guelf. 1142 Heimst., 30r-38v (ine. O leue iuncvrowe sunte Mari, ek bidde dek otmodichliken dat du mek gheuest ramen; anstelle des Epilogs nur Ablaßvermerk in Prosa).

1706

dreualdicheit wolde wonende syn (v. 257) 'Maria' bistu genant Dat wert uns an viff bockstauen bekant. 'Mediatrix' Eyne middelerynne bistu geheiten Hijr vmme lat dy nicht vordreten ... Das Gedicht umfaßt 282 vv. (A. Prolog, 62 Namen, Epilog, je 4 vv.; B. ein Zweizeiler, je 4 vv. für die fünf Namen und den Epilog), ursprünglich evtl. 40 v v. für zehn Namen mehr. Ü b e r l i e f e r u n g . Uppsala, ÜB, cod. C 496 (nd., nach 1471), 81r-88r. L i t e r a t u r . BORCHLING, Mnd. Hss. II 127f.; M. ANDERSSON-SCHMITT u. a., Mal. Hss. der ÜB Uppsala. Katalog über die C-Slg., Bd. 5, Stockholm 1992, S. 238 f.

c) 'Lobpreis zu den zweiundsiebzig Namen Marias' (hd., wohl 14. Jh.): C