Die Definition der Aggression: Faktizität und Normativität des UN-Konsensbildungsprozesses der Jahre 1968 bis 1974. Zugleich ein Beitrag zur Strukturanalyse des Völkerrechts [1 ed.] 9783428447695, 9783428047697

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Die Definition der Aggression: Faktizität und Normativität des UN-Konsensbildungsprozesses der Jahre 1968 bis 1974. Zugleich ein Beitrag zur Strukturanalyse des Völkerrechts [1 ed.]
 9783428447695, 9783428047697

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Schriften zum Völkerrecht Band 66

Die Definition der Aggression Faktizität und Normativität des UN-Konsensbildungsprozesses der Jahre 1968 bis 1974 zugleich ein Beitrag zur Strukturanalyse des Völkerrechts

Von

Thomas Bruha

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS BRÜHA

Die Definition der Aggression

Schriften zum

Völkerrecht

Band 66

D i e D e f i n i t i o n der Aggression Faktizität und Normativität des UN-Konsensbildungsprozesses der Jahre 1968 bis 1974 zugleich ein Beitrag zur Strukturanalyse des Völkerrechts

Von D r . Thomas Bruha

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1980 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1980 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04769 9

Vorwort Diese Untersuchung beruht auf einer Dissertation, die ich i m Herbst 1979 dem juristischen Fachbereich der Universität Gießen vorgelegt habe. Sie ist für den Druck überarbeitet und soweit wie möglich auf den Stand von A p r i l 1980 gebracht worden. Noch neuere Veröffentlichungen sind vereinzelt in den Anmerkungen berücksichtigt. A n der Konzeption der Arbeit habe ich nichts geändert, obwohl die zwischenzeitlich entflammten Konflikte u m Afghanistan und den Iran (Irak) es sicherlich nahegelegt haben, diese Vorgänge an der Definition zu messen. Das ist hier dennoch nicht geschehen. Die Tatsache, daß i m Zusammenhang m i t diesen Vorgängen viel von Aggressionen, kaum aber von der Aggressionsdefinition die Rede war und ist, läßt m i r den Wert derartiger Funktionstests gegenwärtig als zweifelhaft erscheinen. Zumindest beruhen sie sehr stark auf judiziellen Funktionsvorstellungen und lassen meines Erachtens außer acht, daß formaler Definitionsanspruch und reale Bedeutung auch i n verschiedene Richtungen weisen können. Mehr möchte ich nicht vorwegnehmen. Ich bedanke mich bei allen, die die Untersuchung gefördert haben: So vor allem Herrn Prof. Dr. Heinhard Steiger, der sie betreut hat und sich stets sehr viel Zeit für Gespräche m i t m i r nahm; Herrn Prof. Dr. Helmut Ridder, der das Zweitgutachten angefertigt hat, und dessen kritische Anregungen ich weitgehend noch für den Druck berücksichtigen konnte; sowie meinem ersten Völkerrechtslehrer, Herrn Prof. Dr. Hans Ulrich S cupin, in dessen „staatsphilosophischem und staatspolitischem Seminar" ich zum ersten Mal auf die damals noch laufenden Arbeiten zur Definition der Aggression gestoßen bin. Zu Dank bin ich aber auch dem Direktor des Heidelberger „MaxPlanck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht", Herrn Prof. Dr. Rudolf Bernhardt, verpflichtet, der während meiner Tätigkeit am Institut den Fortgang der Arbeit ermöglicht und unterstützt hat. Darüber hinaus hatte ich dort — wie zuvor schon i m „Institut für Internationales Recht an der Universität K i e l " — reichlich Gelegenheit, Fachkenner u m Rat zu fragen: So besonders Herrn Prof. Dr. Michael Bothe und Herrn Priv. Doz. Dr. Theodor Schweisfurth, aber auch Frau Petra Weiler, deren Hilfe bei der Erschließung der UNO-Dokumentation unentbehrlich war.

6

Vorwort

Schließlich danke ich meiner Kollegin Christa Pfannenschmidt die kritische Korrektur der Druckfahnen; dem Auswärtigen Amt einen äußerst großzügigen Druckkostenzuschuß. Gießen/Heidelberg, Oktober 1980

Thomas

für für

Bruha

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

19

Einleitung Gegenstand und Methode 1. Abschnitt Die Definition

der Aggression als Gegenstand

völkerrechtlichen

Interesses

25

A. Der Definitionstext

25

B. Der Konsensbildungsprozeß

30

C. Umfang des völkerrechtlichen Interesses

31

I. Definition des völkerrechtlichen Interesses I I . Genereller Bereich rechtsrelevanter Erscheinungen I I I . Spezieller Bereich völkerrechtsrelevanter Erscheinungen

31 32 33

2. Abschnitt Theoretische Überlegungen zur potentiellen Völkerrechtsrelevant der Definition der Aggression

34

A. Völkerrechtsbildung als Kommunikationsprozeß

34

B. Kommunikationsprozeß u n d die herkömmlichen Quellen des V ö l k e r rechts

36

C. Kommunikationsprozeß u n d „neuere" Quellen des Völkerrechts

41

3. Abschnitt Methode der Untersuchung

46

A. Begriff der völkerrechtlichen Auslegung

47

B. Methode der Auslegung

48

C. Arbeitsschritte der Untersuchung

49

Inhaltsverzeichnis

8

Erster Teil Historische, politische und prozedurale Aspekte des Konsensbildungsprozesses 1. Abschnitt Vorläufer

des Konsensbildungsprozesses

51

A. Die Völkerbundsära

51

B. Diskussionen anläßlich des Entwurfs der Charta

53

C. Diskussionen i m Rahmen der Vereinten Nationen

53

2. Abschnitt Die strukturelle Veränderung der Weltgesellschaft als Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Definitionsbemühungen

55

A. S t r u k t u r - u n d Aufgabenwandel der Vereinten Nationen

55

I. Die „Neue Mehrheit"

56

I I . Sachliche Interessen der „Neuen Mehrheit"

57

I I I . „Süd-östliche Grundsatzallianz" zur Gewaltverbotsproblematik . .

58

B. Einfluß des Strukturwandels auf die „Fortentwicklung des V ö l k e r rechts"

59

I. Die Rolle der „Jungen Staaten"

60

I I . Die Rolle der sowjetmarxistischen Staaten u n d ihre D o k t r i n der „Friedlichen Koexistenz" 62 I I I . Die „ambivalente" H a l t u n g der westlichen Industriestaaten C. S t r u k t u r w a n d e l u n d Aggressionsdefinition

67

I. Konkretisierung der Gewaltverbotsproblematik II. Aufwertung heitsrat

der Generalversammlung

65

gegenüber

67 dem

Sicher-

I I I . Initiatoren u n d Beteiligte des Konsensbildungsprozesses

72 76

3. Abschnitt Das „Konsensusverfahren" als Voraussetzung für die einmütige Annahme der Definition A. Zusammenhänge zwischen der Strukturveränderung der Vereinten Nationen u n d der Methode der Willensbildung u n d Entscheidungsfindung

79

79

Inhaltsverzeichnis Β . Anwendungsbereich des „Konsensusverfahrens"

80

C. S t r u k t u r des „Konsensusverfahrens"

83

I. „Ambivalenz" u n d „Bargaining"-Charakter verfahrens"

des „Konsensusver-

I I . Die drei Ebenen des „Konsensusverfahrens" 1. Die „offiziell-formelle"

Ebene

84 86 87

2. Die „offiziell-halbformelle"

Ebene

87

3. Die „inoffiziell-informelle"

Ebene

88

I I I . Die drei Phasen der Konsensbildung

88

1. Die Einleitungs- oder „Debattenphase"

88

2. Die Verhandlungs- oder „Kompromißbildungsphase"

89

3. Die Annahme- oder „Stimmerklärungsphase"

91

D. Zusammenfassung zum generellen Erklärungsgehalt des „Konsensusverfahrens" Zweiter

92

Teil

Erklärungsgehalt und Geltungsanspruch des Konsensbildungsprozesses 1. Abschnitt Die „praktizierte Resolutionensprache" als Maßstab der Auslegung

95

A. „ H o r t a t o r y " u n d „mandatory language"

96

Β. Wortlaut von Resolutionen, die den „normativen Rahmen" der A g gressionsdefinition bilden

97

C. Die Elemente des Rechtsbindungswillens

98

2. Abschnitt Untersuchung

des Definitionstextes

100

A . Adressaten der Definition u n d generelle Befolgungserwartung (1. und 3. Element) 100 B. Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen (2. Element) I. Rechtsnormativer

Aggressionsbegriff

I I . Die „Offenheit" der Definition 1. Teile der Definition, die die „Offenheit" begründen

102 102 103 103

10

Inhaltsverzeichnis a) Paragraph 10 der Präambel

104

b) Die „Konditionalklausel" des A r t . 4

105

c) Die „ K o r r e k t i v k l a u s e l " des A r t . 2

105

2. „Offenheit" u n d Bestimmbarkeit von Rechtssätzen

106

a) „Offenheit" als Normsetzungsmethode

106

b) Exemplifizierende Methode u n d Normenbestimmtheit

107

c) Bestimmtheit des Aggressionstatbestandes

108

3. Die Bedeutung des Ermessensmonopols des Sicherheitsrates . . 110 I I I . Untersuchung der einzelnen Bestimmungen

111

1. Die bei der Feststellung von Aggressionen zu berücksichtigenden Bestimmungen 111 a) Wiederholung von Chartabestimmungen u n d Auslegungsregeln (Präambelparagraphen 1 bis 4, 8, A r t . 6 u n d 8) 111 b) Tatbestand u n d generelles Definitionskonzept

112

aa) Generell-abstrakter Tatbestand (Art. 1)

112

bb) Konkret-enumerativer Tatbestand (Art. 3)

115

cc) Kompromiß zwischen „ o b j e k t i v e m " u n d „subjektivem" Definitionskonzept (Art. 2 u n d 5 Abs. 1) 119 c) Erlaubte Gewalt (Art. 6, 2. Halbsatz)

121

d) Das Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit u n d Unabhängigkeit der Völker (Art. 7 u n d Präambelparagraph 6) 123 aa) Existenz des Rechts

123

bb) Träger des Rechts

124

cc) Die M i t t e l zur Durchsetzung des Rechts

125

2. Rechtsfolgen der Aggression

126

a) Rechtswidrigkeit von aggressionsbedingten Vorteilen (Art. 5 Abs. 3) 126 b) „ K r i m i n a l i s i e r u n g " des Aggressionskrieges (Art. 5 Abs. 2 Satz 1) 127 c) Verantwortlichkeit für Aggression (Art. 5 Abs. 2 Satz 2)

128

3. Einschätzungen tatsächlicher A r t (Präambelparagraphen 5, 9 u n d 10) 129 4. „Explanatory notes" und „statements" C. Zusammenfassung u n d Überleitung I. Konsens ausdrückende Elemente des Definitionstextes I I . Dissens verratende Elemente des Definitionstextes

130 131 133 134

I I I . Elemente weniger deutlichen Erklärungsgehalts u n d Überleitung 134

Inhaltsverzeichnis

11

3. Abschnitt Untersuchung

des Konsensbildungsprozesses

135

A. Skizzierung der Ausgangspositionen: Die Definitionsentwürfe der drei Interessengruppen 136 I. Das extensive Definitionskonzept der Blockfreien

136

I I . Das restriktive Definitionskonzept der Weststaaten

140

I I I . Das ambivalente Definitionskonzept der UdSSR

142

B. Verlauf der Konsensbildung

144

I. Die Konsensbildung zu den funktionsbestimmenden der Definition

Elementen

144

1. A r t . 2 u n d 5 Abs. 1: „ O b j e k t i v e " oder „subjektive" Definition? 146 a) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

146

b) Kompromißbildungsphase

149

c) Annahmephase

153

aa) Befürworter einer weitgehend „subjektiven" Definition 153 (1) Stimmerklärungen der UdSSR u n d Verbündeter . . 153 (2) Stimmerklärungen der Unterzeichner des Weststaatenentwurfs u n d andere 155 bb) Befürworter einer weitgehend „objektiven" Definition 157 cc) Zuordnung von Staaten ohne spezielle rungen

Stimmerklä-

d) Ergebnis

160 161

2. A r t . 6 u n d 7 i n Verbindung m i t Präambelparagraph 6: S i m u l tane Definition erlaubter Gewalt? 163 a) Debatten zur Opportunität einer Regelung

164

b) Der von A r t . 6 verdeckte Dissens

166

aa) Individuelles u n d kollektives Selbstverteidigungsrecht 166 (1) Das Erfordernis einer materiellen der bewaffnete A n g r i f f

Voraussetzung:

167

(2) Das Problem der Zurechenbarkeit des bewaffneten Angriffs: Selbstverteidigung gegen indirekte (subversive) Aggression 169 (3) Ausübungsgrenzen des Selbstverteidigungsrechts : das Verhältnismäßigkeitsprinzip 172 bb) Z u r Gewaltanwendung und -empfehlung Organe

ermächtigte

175

(1) Die Generalversammlung

176

(2) Regionale Organisationen

176

cc) Vereinzelte Stimmerklärungen zu A r t . 6

179

Inhaltsverzeichnis

12

c) A r t . 7 u n d Präambelparagraph 6: Qualität u n d I n h a l t des Rechts auf Selbstbestimmung, Freiheit u n d Unabhängigkeit der Völker 180 aa) Einleitungsphase und Maximalpositionen

180

(1) Blockfreie Staaten

180

(2) Sowjetmarxistische Staaten

183

(3) Die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs

184

bb) Kompromißbildungsphase

185

(1) Die „präjudizielle" W i r k u n g der „Prinzipien-Deklaration" 185 (2) Verlauf bis zum Jahres 1973

„vorkonsensualen"

Entwurf

(3) K o r r e k t u r des „vorkonsensualen" Entwurfs

des

186 188

(3.1) K r i t e r i e n der K o r r e k t u r

188

(3.2) K o r r e k t u r des Präambelparagraphen 6

189

(3.3) K o r r e k t u r des A r t . 5

190

(3.3.1) Schutzgut des Rechts

191

(3.3.2) Träger des Rechts

192

(3.3.3) M i t t e l zur Durchsetzung des Rechts

193

cc) Annahmephase

195

(1) Existenz des Rechts

195

(2) Träger u n d Schutzgut des Rechts

196

(3) M i t t e l zur Durchsetzung des Rechts d) Ergebnis

198 201

3. A r t . 5 Abs. 2 u n d 3 i n Verbindung m i t Präambelparagraph 7: Simultane Regelung der Rechtsfolgen der Aggression? 203 a) Debatten zur Opportunität einer Regelung

203

b) A r t . 5 Abs. 3 i n Verbindung m i t Präambelparagraph 7: A n erkennungsverbot aggressionsbedingter Vorteile 205 aa) Einleitungsphase und Maximalpositionen

205

bb) Kompromißbildungsphase

206

cc) Annahmephase

207

dd) Ergebnis

211

c) A r t . 5 Abs. 2: Verantwortlichkeit für Aggression

211

aa) Einleitungsphase und Maximalpositionen

212

bb) Kompromißbildungsphase

212

cc) Annahmephase

213

dd) Ergebnis

216

4. Ergebnis der Untersuchung der Konsensbildung zu den f u n k tionsbestimmenden Elementen der Definition 216 I I . Die Konsensbildung zum Tatbestand der Aggression 1. A r t . 1 u n d 3 Ziffer g: Genereller Tatbestand

218 218

Inhaltsverzeichnis a) M i t t e l der Aggression

218

aa) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

219

bb) Kompromißbildungsphase

220

cc) Annahmephase

221

dd) Ergebnis

223

b) Subjekte u n d Objekte der Aggression aa) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

224 224

bb) Kompromißbildungsphase

225

cc) Annahmephase

227

dd) Ergebnis

228

c) Zurechnung der Aggression (Problem der indirekten A g gression) 228 aa) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

228

bb) Kompromißbildungsphase

231

cc) Annahmephase

236

dd) Ergebnis

239

d) Zielsetzung der Aggression

239

aa) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

240

bb) Kompromißbildungsphase

240

cc) Annahmephase

241

dd) Ergebnis

242

2. A r t . 3, Einleitungssatz, Ziffern a bis f : Konkreter Tatbestand 243 a) Einleitungssatz zu A r t . 3

243

b) A r t . 3 Ziffern a u n d e: Invasion, Angriff, Okkupation, A n nexion u n d Verletzung von Truppenstationierungsabkommen 244 aa) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

245

bb) Kompromißbildungsphase

246

cc) Annahmephase

247

c) A r t . 3 Ziffer b : Bombardierung u n d sonstiger Waffeneinsatz gegen das T e r r i t o r i u m eines anderen Staates 249 d) A r t . 3 Ziffer c: Blockade

250

aa) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

251

bb) Kompromißbildungsphase

252

cc) Annahmephase

253

e) A r t . 3 Ziffer d: A n g r i f f auf Militäreinheiten sowie die zivile See- oder Luftflotte eines anderen Staates 254 aa) Einleitungsphase u n d Maximalpositionen

254

bb) Kompromißbildungsphase

256

cc) Annahmephase

257

14

Inhaltsverzeichnis f) A r t . 3 Ziffer f : Überlassen des eigenen Staatsgebietes an einen anderen Staat zur Durchführung von Aggressionen gegenüber einem Drittstaat 262 3. Ergebnis der Untersuchung der Konsensbildung zum Tatbestand der Aggression 264 I I I . Stimmerklärungen zum Geltungsanspruch des Definitionstextes . . 267 1. Restriktive Interpretationen

268

2. Extensive Interpretationen

270

3. Neutrale oder ambivalente Interpretationen

270

C. Ergebnis der Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

274

Dritter

Teil

Die völkerrechtliche Bedeutung der Definition der Aggression 1. Abschnitt Die rechtliche Bedeutung

des Definitionstextes

277

A. Generelle Rechtsqualität

278

B. W i r k u n g gegenüber dem Sicherheitsrat

282

C. Sonstige innerorganisatorische W i r k u n g u n d Problem der bindung der Generalversammlung I. Theoretische Begründung einer Selbstbindung I I . Voraussetzungen einer „Estoppel"-Wirkung I I I . Einzelne „Vertrauenslagen"

Selbst-

283 283 284 286

2. Abschnitt Die rechtliche Bedeutung des Konsensbildungsprozesses A. Unmittelbare Völkerrechtswirkung

288 288

B. Langfristige Völkerrechtswirkung: der Beitrag des Konsensbildungsprozesses zur Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts 290 I. Problemstellung: politischer Prozeß u n d „opinio iuris sive necessitatis" 291 I I . Z u r Interpretation des normativen Elements

292

1. Geltungsgrund, F u n k t i o n u n d Qualität des Rechts i m Bereich des Gewaltverbots 294

Inhaltsverzeichnis 2. Der Entstehungsvorgang des Völkergewohnheitsrechts

299

3. Rolle u n d I n h a l t der „opinio iuris sive necessitatis" bei der Entstehung konsenserzeugter Normen des Völkergewohnheitsrechts 302 I I I . Die Gewichtung der einzelnen Elemente

306

1. K r i t e r i e n der Gewichtung

306

2. Die W i r k u n g von Konsensen

310

3. Die W i r k u n g von Dissensen

311

C. Potentielle Völkerrechtswirkung: das „Estoppel"-Potential des K o n sensbildungsprozesses 314 3. Abschnitt Bisherige Anwendung und Nutzung der Definition durch Sicherheitsrat und Generalversammlung, Schlußwort

315

A. Sicherheitsrat u n d Aggressionsdefinition

315

B. Generalversammlung u n d Aggressionsdefinition

318

C. Schlußwort

322 Dokumentenanhang (mit Definitionstext)

325

Literaturverzeichnis

344

Sachregister

363

Abkürzungsverzeichnis A/ — —/AC/ — A/C. 6/ — — /Add. — AFDI AJIL ARSP A/S-9 A/S-10 ASIL AVR BYIL CDDH CJTL — / CONF./ — — /Corr. — CYIL Doc.— DÖV EA E/CN. 4/Sub. 2/ — ECOSOC EG ES/ — EuGRZ FS GA GAOR GV GYIL HILJ ICJ ICLQ IGH IJIL ILC JIR JPR JZ KSZE L.— NJ NJW NYIL

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General AssemblyA d hoc Committee S i x t h Committee (Rechtsausschuß) Addendum Annuaire français de droit international American Journal of International L a w A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie Dokumente der 9. Sondersitzung der Generalversammlung (Namibia) Dokumente der 10. Sondersitzung der Generalversammlung (Abrüstung) American Society of International L a w A r c h i v des Völkerrechts B r i t i s h Yearbook of International L a w Conférence diplomatique sur la réaffirmation et le développement d u droit international humanitaire applicable dans les conflits armés Columbia Journal of Transnational L a w Conference Corrigendum The Canadian Yearbook of International L a w Dokumente der Vereinten Nationen Die öffentliche V e r w a l t u n g Europa-Archiv Sub-Commission on Prevention of Discrimination and the Protection of Minorities Economic and Social Council Europäische Gemeinschaften Emergency Session Europäische Grundrechte Zeitschrift Festschrift General Assembly General Assembly Official Records Generalversammlung German Yearbook of International L a w H a r v a r d International L a w Journal International Court of Justice The International and Comparative L a w Quarterly Internationaler Gerichtshof I n d i a n Journal of International L a w International L a w Commission Jahrbuch f ü r Internationales Recht Journal of Peace Research Juristenzeitung Konferenz f ü r Sicherheit u n d Zusammenarbeit i n Europa Limited Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Netherlands Yearbook of International L a w

Abkürzungsverzeichnis OAS OAU Op. para, (s.) ÖZöR (VR) Para, (s.) Pr. para, (s.) —/PV.— RBDI RdC Res.— — /Rev. — RGDIP RHDI S/ — SIPRI — /SR. — ST/ — StIGH ST/LEG/SER. B/ — ST/LIB/SER. B/ — — /Suppl. — SVN U N (O) U N Chr. UNCIO UNITAR/ — VGR VN Vol.— —/WG./ — WVK WVR YBILC YBWA YUN ZaöRV

= = = =

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17

Organization of American States Organization of A f r i c a n U n i t y Operative(r) Paragraph(en) österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht u n d Völkerrecht) Paragraph(en) Präambelparagraph(en) V e r b a t i m records of meetings (procès verbaux) Revue belge de droit international Recueil des Cours Resolution Revision Revue générale de droit international public Revue hellénique de droit international Security Council Jahrbuch des „Stockholm International Peace Research Institute" Summary Records of Meetings Secretariat Ständiger Internationaler Gerichtshof United Nations legislative series Bibliographical series: Dag H a m m a r s k j o l d L i b r a r y Supplement Satzung der Vereinten Nationen (Charta) United Nations (Organization) United Nations (Monthly) Chronicle U n i t e d Nations Conference on International Organization United Nations Institute for T r a i n i n g and Research Völkergewohnheitsrecht Vereinte Nationen sowie Zeitschrift selben Namens Volume W o r k i n g group Wiener Vertragsrechtskonvention Strupp / Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts Yearbook of the International L a w Commission Yearbook of W o r l d Affairs Yearbook of the United Nations Zeitschrift f ü r ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht

Vorbemerkung „J'entends par méthode dans le droit international cet aspect de notre discipline qui s'attache à dégager, par une enquête patiente et avec le m a x i m u m d'exactitude, les données historiques et sociales q u i forment le contenu vivant, la matière de la règle de droit. A la base de toute méthode valable est l'observation, la soumission à l'objet. L a connaissance précise de la matière précède toute construction logique." I m S i n n e dieses „ m e t h o d o l o g i s c h e n B e k e n n t n i s s e s "Charles De Visscher's 1 b e m ü h t sich d i e v o r l i e g e n d e U n t e r s u c h u n g i n erster L i n i e d a r u m , e i n e n B e i t r a g z u r S t r u k t u r a n a l y s e 2 des V ö l k e r r e c h t s z u leisten, i n d e m e i n A s p e k t seiner sozialen Basis 3 , n ä m l i c h d e r Konsensbildungsprozeß zur Definition der Aggression, a n a l y s i e r t u n d a u f seine v ö l k e r rechtsbildende K r a f t h i n befragt w i r d . Z w a r w e r d e n darüber hinaus k e i n e d e f i n i t i v e n A u s s a g e n z u m g e g e n w ä r t i g e n S t a n d des V ö l k e r r e c h t s gemacht, w o m i t eine w e s e n t l i c h e A u f g a b e r e c h t s n o r m a t i v v e r s t a n d e n e r V ö l k e r r e c h t s w i s s e n s c h a f t 4 a u s g e k l a m m e r t (aber n i c h t n e g i e r t ) 5 w i r d . Jedoch erscheint e i n solcher V e r z i c h t aus m e h r e r e n G r ü n d e n gerechtfertigt : D i e G e n e r a l V e r s a m m l u n g s r e s o l u t i o n 3314 ( X X I X ) v o m 14.12.1974 e , m i t d e r e n konsensualer A n n a h m e d i e h i e r u n t e r s u c h t e l e t z t e Phase der D e f i n i t i o n s b e m ü h u n g e n , b e g i n n e n d i m J a h r 1968, endete 7 , b i e t e t sich 1

Méthode et système en droit international, S. 75. Siehe zu den Aufgaben u n d Objekten v o n Strukturanalysen i m V ö l k e r recht zuletzt Bleckmann, Aufgaben einer Methodenlehre, S. 49 - 57. 3 Siehe zu einem w e i t verstandenen Strukturbegriff, der auch die S t r u k turen von Fakten u n d nicht n u r v o n Normen umfaßt, Bleckmann (Anm. 2), S. 50. (Die Rückverweise auf Anmerkungen beziehen sich auf die jeweils laufende Numerierung.) 4 Daß das Völkerrecht sich ohne Verlust seiner Identität nicht auf ein „Netz bloßer sozialer Normen" reduzieren läßt, w o m i t es als Rechtskreis aufgelöst u n d damit dem erklärten W i l l e n der Staatengemeinschaft zuwidergehandelt würde, soll hier nicht weiter hinterfragt werden. Siehe zu diesen Grundfragen i n ZaöRV 36/1 - 3 (1976) die Beitragssammlung zum fünfzigjährigen Bestehen des „ M a x - P l a n c k - I n s t i t u t s f ü r ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht" („Völkerrecht als Rechtsordnung") u n d Mosler, The International Society as a Legal Community. 5 Auch De Visscher versteht seine Bemerkungen nicht i m Sinne einer Ausschließung rechtsnormativer Bewertungen. 6 „Definition of Aggression", siehe GAOR, X X I X , Suppl. No. 31, S. 142 ff.; deutsche Übersetzung durch das Bundesministerium der Justiz, i n : E A 30 (1975), D 318 ff. (Englischer Originaltext i m Dokumentenanhang.) 7 Siehe zu früheren Versuchen den 1. Abschnitt des Ersten Teils. 2

2*

20

Vorbemerkung

zunächst nur sehr bedingt einer statisch-normativen Klassifizierung an. Dies hängt damit zusammen, daß sie ein Produkt der „progressiven Weiterentwicklung und Kodifizierung des Völkerrechts durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen" 8 ist, eine i n A r t . 13 Ziffer 1 a S V N vorgesehene Institution, die jedoch längst über ihre satzungsmäßige Verankerung hinaus eine Eigendynamik entfaltet hat, die ihr nach dem Willen der Gründer der Vereinten Nationen gar nicht zukommen sollte. Diese hatten der Generalversammlung zwar nur eine beschränkte Befugnis für unverbindliche Untersuchungen und Empfehlungen einräumen wollen, wobei sie unter „progressive development" die Formulierung künftiger Normen und unter „codification" die schriftliche Fixierung bestehenden, i n dieser Form aber bislang ungeschriebenen Hechts verstanden 9 . Jedoch setzte spätestens m i t Beginn der sechziger Jahre eine Entwicklung ein, die die Institution mehr und mehr zu dem machte, was sie ursprünglich gerade nicht sein sollte: nämlich ein quasilegislatives Instrument, m i t dem die Generalversammlung den Staaten ihre Auffassung vom Völkerrecht i n verbindlichem Ton vorschrieb und sie darüber belehrte, was sie zu tun und zu unterlassen hätten. Dabei kam der Unterscheidung zwischen „progressive development" und „codification" kaum noch eine Bedeutung zu, da die Resolutionen, m i t denen sie ihre Rechtsansichten verkündete, regelmäßig als Formulierungen geltenden Rechts firmierten, mochten sie auch noch so innovativ sein. Diese Entwicklung basierte zunächst auf Mehrheitsentscheidungen der dekolonisierten Staaten der „Dritten Welt", die anfangs der sechziger Jahre bereits die Hälfte, zehn Jahre später schon zweidrittel der Generalversammlungssitze innehatten 1 0 . Parallel zu dieser „Völkerrechtsvergatterung" der Minderheit durch die Mehrheit etablierte sich jedoch alsbald ein anderes Verfahren, das zwar auch auf die Verkündung verbindlich formulierter „Rechtsresolutionen" abzielte, hierfür jedoch den Konsens aller UN-Mitglieder anstrebte und zunehmend die Mehrheitsbeschlüsse ersetzte. Damit gewann die Institution eine ganz andere (inzwischen dritte) Qualität. U m einen solchen Konsens einer inhomogenen Staatengemeinschaft zu erreichen, mußte Völkerrecht nämlich regelrecht ausgehandelt werden, wodurch es als grundsätzlich disponibler Gegenstand, da bloße Kompromißresultante eines internationalen Kräftefeldes erschien, dessen Antagonismen neutralisie8 Vgl. A r t . 13 Ziffer 1 a SVN: „The General Assembly shall initiate studies and make recommendations for the purpose of: a) . . . encouraging the progressive development of international l a w and its codification." 9 Steinberger, Kodifizierung u n d Weiterbildung des Völkerrechts, S. 618. 10 Siehe dazu unten, Erster Teil, 2. Abschnitt.

Vorbemerkung

rende K r a f t weit eher als Garant einer gemäßigten Entwicklung fungierte denn wirkliche Rechtsüberzeugungen der Beteiligten 1 1 , die sich zumeist m i t bloßen Rechtsbehauptungen begnügten. Diesem Verfahren, das sich infolge seiner Ausweitung inzwischen zu einem permanenten Kommunikationsprozeß unter Beteiligung fast aller Staaten entwickelt hat, verdankt auch die Aggressionsdefinition ihre Existenz 12 . Das heißt, die Resolution 3314 ( X X I X ) signalisiert, daß die Aggressionsproblematik Gegenstand eines politischen „bargaining process" unter den Staaten war, und daß man sich erstmals auf eine gemeinsame Formel geeinigt hat. Damit ist i m Vergleich zu früheren Jahren also eine Veränderung der sozialen Basis zu diagnostizieren, die das Völkerrecht trägt und bestimmt 1 3 , so daß i n erster Linie untersucht werden sollte, ob die Basisbewegung auch eine Veränderung des Völkerrechts eingeleitet oder gar bewirkt, es also ebenfalls „ i n Bewegung gesetzt" hat 1 4 . Erst danach könnte die Aggressionsdefinition i n statischer Sicht auf ihre Völkerrechtskonformität h i n inhaltlich untersucht werden. Schon aufgrund dieser Prioritätenentscheidung mußte auf jenen weiteren Schritt verzichtet werden. Die Vielzahl der Definitionsaussagen über die eigentliche Begriffsbestimmung der Aggression hinaus 1 5 hätte nämlich eine Überprüfung ihrer Völkerrechtskonformität neben der hier betriebenen Analyse des Konsensbildungsprozesses zu einem zu 11 Vgl. insbesondere Lissitzyn, International L a w Today and Tomorrow, S. 39 f., aber auch Scheuner, Auslegung der Charta, S. 112. 12 Siehe Y U N 28 (1974), S. 846, das darauf hinweist, daß die Aggressionsdefinition „ w i t h o u t a vote" angenommen worden ist. 13 Bleckmann (Anm. 2), S. 50. 14 Was damit gemeint ist, ist w o h l selten so treffend formuliert worden wie von Vir ally, der i n Principe de réciprocité, S. 12 f., das „Völkerrecht i n Bewegung" w i e folgt beschreibt: „Entre les deux perspectives admises de façon classique comme constituant des voies d'approche correctes pour l'examen d u droit, de lege lata et de lege ferenda (la première seule étant scientifique' cependant), i l en existe peut-être une troisième, à laquelle ne correspond auqun mode des verbes latin, mais plutôt le mode progressif de la langue anglaise: la perspective du droit en train de se faire. Elle demande qu'on dépasse la position de lege lata , car on n'examine pas le droit déjà établi, parvenu à u n état où i l doit être tenu objectivement pour valable à l'égard de tous ses destinaires. On le prend alors q u ' i l est encore en devenir, en procès (au sens commun du terme) déjà considéré par certains sujets de droit comme u n critère d u juste et d u légitime, mais non encore formellement intégré dans l'ordre j u r i d i q u e positif. Pour autant, on ne se place pas de lege ferenda, car on ne se demande pas ce q u i est désirable, ce que devrait être le contenu du droit; on se borne à constater ce qui, dans la matière fluide des idées, des valeurs et des pratiques est en train de changer d'état, de cristalliser, pour s'ajouter à la matière solide du droit positif, en cherchant à déterminer en même temps quels sont les facteurs de cette cristallisation et les étapes par lesquelles elle passe avant de s'achever." 15 Siehe vor allem A r t . 5 Abs. 2 u n d 3 sowie A r t . 7 (Rechtsfolgen der Aggression, Selbstbestimmungsrecht der Völker).

Vorbemerkung

22

aufwendigen Unterfangen werden lassen. Nicht nur hätte die kaum noch übersehbare Literatur 16 zu fast allen Aspekten der Gewaltverbotsproblematik herangezogen werden müssen, sondern es wäre vor allem auch die Staatenpraxis Inbegriffen alle einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen zu untersuchen gewesen, was i m Rahmen dieser Arbeit wohl nur oberflächlich hätte geschehen können und nicht zuletzt deswegen unterblieben ist 1 7 . Darüber hinaus beruht dieser Verzicht aber auch auf einem Bedenken grundsätzlicher Art, nämlich dem, ob die Frage nach Völkerrechtskonformen

u n d völkerrechtswidrigen

Bestimmungen der D e f i n i t i o n i n

dieser generell gestellten Weise überhaupt dem Untersuchungsobjekt adäquat ist. Wenn damit auch nicht i n Abrede gestellt werden soll, daß die Frage nach der Völkerrechtsmäßigkeit einzelner Definitionsaussagen punktuell relevant werden könnte 1 8 , so könnte doch eine derart umfassende Zerlegung der weitgehend mehrdeutig formulierten Definition i n völkerrechtskonforme und -widrige Teile zur Folge haben, daß darüber der Blick für die Gesamtbedeutung des Konsensbildungsprozesses verbaut wird, i n dem der Definitionstext zunächst nur ein Element

unter

anderen

ist19.

Jedenfalls w i r d für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung der Definitionstext nicht ungeprüft wie etwa ein Vertrag als primäres Erkenntnisobjekt behandelt, der geschaffen ist, ein Eigenleben zu entfalten, und der aus diesem Grunde sonstige Elemente des Konsensbildungsvorgangs i n der Regel nur als „Vorarbeiten" erkennen läßt, also 16 Das darf w o h l ohne genaueren Nachweises behauptet werden, vgl. allein Delupis, Bibliography of International L a w , die, ohne abschließend sein zu wollen, der L i t e r a t u r zum Gewaltverbot über 80 Seiten (S. 369 - 449) widmet. 17 Z u bedenken ist i n diesem Zusammenhang zusätzlich, daß die Gewaltverbotsproblematik sicherlich zu den strittigsten Aspekten des Völkerrechts zählt. Symptomatisch ist etwa die von Kewenig geteilte „Resignation" Oppermanns, der sich wegen des „sehr disparaten Theorie-Praxis-Verhältnisses" beim Problem des Gewaltverbots „sehr ernsthaft" die Frage vorlegt, „ob w i r k l i c h noch heute nützliche Erkenntnisse etwa aus allgemein dogmatischdefinitorischen Bemühungen zu A r t . 2 Ziffer 4 oder 51 der UNO-Satzung zu gewinnen sind". (Oppermann, Verbot der Gewaltanwendung, S. 120 f., Kewenig, Gewaltverbot, S. 176.) Siehe auch Bleckmann, Völkergewohnheitsrecht, S. 386, der die Praxis i m Bereich des Gewaltverbots f ü r so w i d e r sprüchlich hält, daß m a n — allein auf sie abstellend — zu dem Ergebnis kommen müßte, „es gebe das Gewaltverbot überhaupt nicht". 18 Das wäre etwa dann der Fall, w e n n die Frage nach der Völkerrechtmäßigkeit einer auf die Definition gestützten Entscheidung des Sicherheitsrates i m Raum stünde. 19 Unter „Definition der Aggression" w i r d f ü r den Zweck dieser U n t e r suchung nicht n u r der Definitionstext, sondern auch der Vorgang der K o n sensbildung (Konsensbildungsprozeß) verstanden, i n dem jener erarbeitet wurde. Dabei umfaßt dieser wiederum auch den Definitionstext, so daß letzterer Begriff der engste gegenüber den beiden anderen ist.

Vorbemerkung

Erkenntnisquellen subsidiärer Natur 2 0 . Vielmehr w i r d es ein wesentliches Anliegen dieser Arbeit sein, herauszufinden, m i t welchem Grad der Verselbständigung der Definitionstext überhaupt i m Gesamtgefüge des Konsensbildungsprozesses fungieren soll, ob es nicht vor allem auch andere Erscheinungen sind, die dessen Bedeutimg bestimmen, und ob diese nicht auch Rang und Funktion des Definitionstextes anders als auf den ersten Blick erscheinen lassen. Es ist ersichtlich, daß i n dem Maße, i n dem der Definitionstext als unselbständiges Element des Konsensbildungsprozesses erkannt wird, die Frage nach der Völkerrechtskonformität des Textes zurücktritt gegenüber der nach der Völkerrechtsbedeutung des Gesamtprozesses, vor allem seinem völkerrechtssoziologischen Potential. W i r d somit der Konsensbildungsprozeß zunächst nur als soziales Phänomen behandelt, so ist noch ein Wort zur Abgrenzung gegenüber politikwissenschaftlichen Arbeiten zu sagen, denen j a eine derartige Betrachtungsweise immanent ist. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß die Fragestellung dieser Untersuchung eine völkerrechtliche und nicht politische ist, weil die Analyse des Konsensbildungsprozesses 21 i m H i n blick auf seine völkerrechtliche und nicht politische Bedeutung vorgenommen wird. Diese A n t w o r t kann jedoch nur theoretisch befriedigen, weil sie davon ausgeht, daß völkerrechtliche und politische Bedeutung zwei gänzlich verschiedene Aspekte einer Sache sind, m i t der Folge, daß Abgrenzungsschwierigkeiten gar nicht erst auftreten können. Gerade dies ist aber schon allgemein und für den Gegenstand dieser Untersuchung besonders fraglich. I n zweiter Linie soll m i t ihr nämlich vor allem auch der Frage nachgegangen werden, ob die völkerrechtliche Relevanz des Konsensbildungsprozesses nicht weitgehend von seiner politischen Bedeutung abhängt, ob m. a. W. die Frage nach seiner völkerrechtsbildenden K r a f t nicht zuvörderst die nach seinem politischen Wirkungspotential ist. Sollte das der Fall sein, wäre die Abgrenzung des analysierenden Teils gegenüber politologischen Untersuchungen nicht so sehr ein qualitatives Problem wie es die Unterschiedlichkeit der Begriffe Recht und Politik zunächst vermuten läßt. Vielmehr wäre sie mehr auf quantitativer Ebene vorzunehmen und könnte darauf abstellen, daß sich diese Untersuchung bewußt darauf beschränkt, den Konsensbildungsvorgang i m wesentlichen über die UN-Dokumentation (Sitzungsprotokolle und -berichte) zu erklären und keine darüber hinausgehende „Feldforschung" oder „Interessenanalyse" i m sozialwissenschaftlichen Sinne zu betreiben, die an Fakten und Sachverhalte außerhalb der Vereinten Nationen anknüpft. 20 21

Siehe A r t . 31 u n d 32 W V K . N u r dieser T e i l w i r f t die Abgrenzungsfrage auf.

24

Vorbemerkung

Derartige Forschungen wären zwar sicherlich auch der rechtsnormativen Bewältigung der Problematik dienlich 2 2 . Sie werden aber schon aus dem Grunde hier nicht i n Angriff genommen, w e i l die Konzentrierung auf die umfangreiche UN-Dokumentation zugleich den Zweck verfolgt, einmal festzustellen, ob und inwieweit die umfassende „Festschreibung staatlicher Interaktion i n den Vereinten Nationen" ein aus sich heraus verständliches B i l d staatlicher Interessen 23 und Ansprüche zeichnen kann. Konkret: es soll geprüft werden, ob diese Dokumente i n der Lage sind, den Staaten eine spezifische „Konferenzidentität" zu verleihen, die, wie traditionelle Akte des außenpolitischen Verkehrs, reziproke Erwartungen auslösen und damit auch Völkerrecht gestalten kann 2 4 . Für eine solche Teiluntersuchung 25 bietet sich der Konsensbildungsprozeß zur Definition der Aggression überdies auch an, w e i l i n Gestalt der umfangreichen Dokumentensammlung „Defining International Aggression" von Ferencz, der als „non governmental observer" den Definitionsverhandlungen beiwohnen konnte, authentisches UN-Material auch für jene erreichbar ist, die nicht die Gelegenheit haben, die Originale i n den weit verstreuten UN-Depotbibliotheken 2 6 — oder sonstwo — einzusehen 27 .

22 Vgl. dazu den letzten T e i l der Untersuchung. 23 Wenn daher i m Verlaufe dieser Untersuchung h i n u n d wieder auf Interessen hingewiesen w i r d , so sind es solche, die die UN-Dokumentation selbst zutage gefördert hat, sei es, daß sie direkt ausgesprochen worden sind, sei es, daß sie unausgesprochen, aber offensichtlich waren (so etwa bei Gruppenentwürfen landumschlossener Staaten, Meeresanreiner etc.). 24

Insbesondere Völkergewohnheitsrecht! Die dokumentierte staatliche I n t e r a k t i o n — u n d m i t i h r eine mögliche spezifische Identität — kann j a immer n u r T e i l des gesamtpolitischen V e r haltens der Staaten sein, bzw. dessen Ausdruck. 26 Siehe die Übersicht i m (nicht mehr amtlichen) ST/LIB/12/Rev. 6 „ L i s t of Depositary Libraries and Information Centres Receiving United Nations Material" v o m 1. 3.1977 sowie Doc. A/34/379/Add. 1 („Report on the United Nations Information Centres") v o m 14. 9.1979 u n d Naumann, Depotbüchereien der Vereinten Nationen. 27 Zugleich könnte die vorliegende Untersuchung auch dazu beitragen, eine Lücke i n Ferencz' Dokumentation auszufüllen, die darin besteht, daß, u m den Umfang zu beschränken, die „ S u m m a r y Records" des Sonder- u n d Rechtsausschusses, die hier vornehmlich analysiert werden, ausgespart w e r den mußten. (Siehe auch die Besprechungen von Rosenne, S. 404, u n d Stone, S. 851, die die Nichtberücksichtigung gerade dieser primären Dokumente ausdrücklich bedauern.) 25

EINLEITUNG

Gegenstand u n d Methode 1. Abschnitt

Die Definition der Aggression als Gegenstand völkerrechtlichen Interesses A. Der Definitionstext A m 14. Dezember 1974 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen ohne formelle Abstimmung i m Wege des allgemeinen Konsenses1 die Resolution 3314 ( X X I X ) angenommen, m i t der zum ersten Mal i n der Geschichte des Völkerrechts eine universell akzeptierte Definition der Aggression vorliegt. Diesem Tag waren mehr als 50 Jahre dauernde, vergebliche Versuche vorangegangen, eine breite Basis für eine Begriffskonkretisierung zu schaffen, die aber wegen der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten der Staaten über den Nutzen einer Definition scheiterten. Zwar war m i t der Trennung i n erlaubte und verbotene Gewaltanwendung 2 , m i t der die weitgehende Indifferenz des Völkerrechts gegenüber dem Krieg als klassischem A t t r i b u t der Staatensouveränität 3 ein Ende nahm 4 , der Aggressionsbegriff zu einem wichtigen K r i t e r i u m aufgestiegen 5 , an dem die Völkerrechtmäßigkeit gewaltsamer Aktionen zu messen war 6 . Trotz — oder aber gerade wegen — dieser besonderen Funktion war es bisher zu keiner Definition gekommen: nicht etwa nur, weil man sich nicht darauf hätte einigen können, wie eine solche generell und konkret-inhaltlich hätte aussehen müssen, sondern vor allem, 1

Siehe zum Verfahren unten, Erster Teil, 3. Abschnitt. Siehe zur Voraussetzung dieser Trennung f ü r die F u n k t i o n des Aggressionsbegriffs Wittig, Aggressionsbegriff, S. 33. 3 Wehberg, Kriegs verbot, S. 370. 4 Bothe, Gewaltverbot, S. 12; K i p p , Angriff, S. 65. Die „ b e l l u m j u s t u m " Theorie, die nur an das Gewissen des Fürsten appellierte, w i r k t e dagegen nicht w i e ein ermessensbeschränkender Rechtssatz, siehe Wehberg (Anm. 3), S. 371. 5 Zourek, E n f i n une définition de l'agression, S. 10. 8 A r t . 10 der Völkerbundssatzung, A r t . 1 Ziffer 1 u n d 39 SVN. 2

26

Einl. 1. Abschn.: Definition u n d völkerrechtliches Interesse

w e i l m a n sehr u n t e r s c h i e d l i c h e r M e i n u n g d a r ü b e r w a r , ob m a n sich ü b e r h a u p t e i n i g e n sollte, ob m a n also eine D e f i n i t i o n h a b e n w o l l t e oder nicht7. G e g n e r w i e B e f ü r w o r t e r des P r o j e k t s m a c h t e n wechselseitig g e l t e n d , m i t i h r e r A n s i c h t e i n e m M i ß b r a u c h des A g g r e s s i o n s b e g r i f f s begegnen z u w o l l e n , i n d e m sie sich a u f dieselben F a k t e n s t ü t z t e n , n ä m l i c h die u n b e s t i m m t e , v o r w i e g e n d p o l i t i s c h e E l e m e n t e e n t h a l t e n d e N a t u r des O b j e k t s sowie d i e s c h w e r w i e g e n d e n r e c h t l i c h e n u n d p o l i t i s c h e n Folgen, d i e sich a n d i e F e s t s t e l l u n g aggressiver A k t e k n ü p f e n 8 . D i e G e g e n s ä t z l i c h k e i t d e r Schlüsse, d i e m a n aus solcher „ N a t u r der Sache" zog, v e r d e u t l i c h e n d i e f o l g e n d e n Z i t a t e , d e n e n eine V i e l z a h l ä h n l i c h e r entsprechen u n d d i e deshalb als r e p r ä s e n t a t i v angesehen werden können: „ I t is w e l l k n o w n that the States which are resorting to armed force i n violation of the purposes and principles of the U n i t e d Nations have often, t a k i n g advantage of the absence of a generally accepted concept of aggression, sought to make use of various artificial pretexts and unfounded reservations i n order to cover up and j u s t i f y their aggressive actions against peace-loving states. A definition of the concept of aggression w o u l d contribute greatly to the maintenance of international peace and the adoption of effective measures to prevent aggression 9 ." U n d die Gegenansicht: „Aggression, i n the present state of international relations, is not a concept that can be enclosed i n any definition whatsoever: the f i n d i n g that i t has occurred i n any concrete case involves political and m i l i t a r y judgements and a subjective weighing of motives that make this i n each instance a strictly i n d i v i d u a l matter 1 0 ." 7 Feinberg, Defining „ A r m e d Attack", S. 55 f. u n d Randelzhof er, Aggressionsdefinition, S. 621. H i e r v o n zu unterscheiden ist die wissenschaftlichtheoretische Frage, ob der Aggressionsbegriff überhaupt definierbar sei. Verneinend vor allem Spiropoulos i n seinem Bericht an die I L C , wonach Aggression ein „Primärbegriff" w i e Guter Glaube, Liebe oder Haß sei, der nicht definierbar, sondern allenfalls „ i n s t i n k t i v wahrnehmbar" sei ( Y B I L C 1951, Bd. 1, S. 89); übereinstimmend von der Heydte, Völkerrecht, Bd. 2, S. 150. F ü r diese Behauptung gibt es jedoch keine logische Begründung (so auch Berber, Lehrbuch, Bd. 2, S. 50; Oppenheim, International L a w , Bd. 2, S. 189; Sauer, Pragmatik, S. 92), so daß dieser These i n der Auseinandersetzung nicht die Bedeutung zukam w i e der Frage nach der Zweckmäßigkeit einer Definition. 8 Siehe zu dem unterschiedlichen Sanktionssystem innerhalb des V ö l k e r bundes u n d der Vereinten Nationen Raichle, Kollektivsicherheit u n d Aggressionsbegriff, S. 96 -146. 9 So der sowjetische Außenminister Gromyko i n seinem Schreiben v o m 22. September 1967 an den Präsidenten der 22. Sitzungsperiode der GV, i n welchem er u m Einsetzung des Tagesordnungspunktes „Need to expedite the drafting of a definition of aggression i n the l i g h t of the present i n t e r national situation" bat, Doc. A/6833 = Ferencz I I , S. 272 f . 10 De Visscher, Theory and Reality i n Public International L a w , S. 303. Siehe auch den Berichterstatter des 3. Ausschusses der 3. Kommission an-

Α. Der Definitionstext

27

Mehr schaden als nützen werde also eine Definition, weil sie, so schon Chamberlain i m Jahre 1927 vor dem Unterhaus, „a trap for the innocent and a signpost for the g u i l t y " sei 11 . Solche alle bisherigen Bemühungen überschattende Polarisierung hatte aber den positiven Effekt, daß überhaupt, und teilweise sehr i n die Einzelheiten gehend, das Problem diskutiert wurde. Denn jene Grundpositionen enthielten ja implizit den Vorwurf, die andere Seite bestehe nur deshalb auf ihrer Ansicht, w e i l sie die bestehende oder gewünschte Rechtslage für eigene Aggressionsabenteuer ausnutzen wolle 1 2 . Insbesondere die Gegner einer Definition, die sich zumindest „propagandistisch" i m Nachteil befanden 13 , waren daher m i t zunehmender Bedeutung einer „world opinion" 1*, die sich vor allem i n den Vereinten Nationen bilden konnte 1 5 , politisch daran gehindert, diesen Verdacht durch Passivität zu nähren. Ihre Versuche, argumentativ die Schädlichkeit einer jeden Definition i m einzelnen nachzuweisen, haben daher erheblich zur Vielfältigkeit des inhaltlichen Spektrums der Geschichte der Definitionsbemühungen beigetragen, was von anderen Autoren bereits eingehend untersucht und kommentiert worden ist 1 6 . Dennoch sei es hier erwähnt, u m frühzeitig darauf hinzuweisen, daß die läßlich der Verhandlungen zur Gründung der Vereinten Nationen i n San Franzisko, U N C I O Doc. 881III/3/46, S. 505 = Ferencz I, S. 352: „The progress of the technique of modern warfare renders very difficult the definition of all cases of aggression. I t must be noted that, the list of such cases being necessarily incomplete, the Council w o u l d have a tendency to consider of less importance the acts not mentioned therein; those ommissions w o u l d encourage the aggressor to distort the definition or m i g h t delay action b y the Council. Furthermore, i n the other cases listed, automatic action b y the Council m i g h t b r i n g about a premature application of enforcement measures." 11 McWhinney, International L a w of Détente, S. 174. 12 Siehe etwa den Aufsatz von Seidel, Die Definition des Begriffs der Aggression. 13 Darauf weist zu Recht Randelzhof er (Anm. 7), S. 622, hin. 14 Dazu vor allem Merle, L'opinion publique u n d ders., Sociologie des relations internationales, S. 346 - 360. 15 Der Völkerbund, obwohl seiner Idee nach als universelle Organisation gedacht, hat i m Gegensatz zu den Vereinten Nationen deren Universalität nie — auch n u r annähernd — erreicht, siehe eingehender dazu Barandon, Völkerbund, S. 601. 18 Aus der reichhaltigen L i t e r a t u r zur Geschichte der Bemühungen u m eine Definition der Aggression sind vor allem Aronéanu , Definition de l'agression, Broms, Definition of Aggression I u n d I I , Stone, Aggression and W o r l d Order u n d Thomas / Thomas jr., Concept of Aggression, zu nennen sowie — insbesondere f ü r Studien anhand von Primärmaterial — die zweibändige Dokumentensammlung von Ferencz („Defining International A g gression"), dort i n Bd. 2, S. 112 bis 176, eine Wiedergabe des übersichtlichen „Bericht des Generalsekretärs" (Doc. A/2211, 3.10.1952), der, w i e sein M e morandum v o m 24. 3.1968 (A/AC. 134/1 and Add. 1), als Arbeitsgrundlage f ü r die m i t Definitionsarbeiten befaßten Gremien diente.

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Einl. 1. Abschn.: Definition u n d völkerrechtliches Interesse

Geschichte der Aggressionsdefinition nicht die geradlinige eines gemeinsamen Bemühens u m eine „vernünftige Lösung", sondern eine solche war, die einem „Grabenkampf m i t starren Fronten" aber dem Einsatz aller Waffen (sprich: Argumente) glich, und dessen „friedliche Beendigung" nicht so recht ins historische B i l d zu passen scheint. Zumindest vermag man dem „neuen Frieden" nicht ohne weiteres zu trauen. Die damit aufgeworfene Frage nach Grund und Qualität der — vordergründig — überraschenden Einigung über den Inhalt eines Aggressionsbegriffs ist bereits die, auf welche diese Arbeit eine A n t w o r t zu geben versucht, wobei eine grobe Orientierung schon anhand des bekannten Zustandes des internationalen Dialogs möglich ist i n Verbindung m i t einigen „Auffälligkeiten" innerhalb des Definitionstextes: U m m i t dem ersten zu beginnen, so bedarf es keines besonderen Nachweises, daß ein „plötzlicher Gesinnungswandel" auf der einen oder anderen Seite als „Vater des Erfolges" ausscheidet, versteht man unter Gesinnung einmal die grundsätzlichen Positionen der Staaten zum materiellen Gehalt des Aggressionsbegriffs, also der Frage, was international an Gewalt erlaubt und was verboten sein soll. Für ein Einlenken aufgrund Überzeugung oder „Leuterung" sprechen nämlich weder die Geschichte der Definitionsbemühungen noch der gegenwärtige antagonistische Zustand dieser Welt 1 7 . Wie jene nämlich erwiesen hat, ist eine Aggressionsdefinition zu sehr m i t der Triebfeder staatlichen Verhaltens i m internationalen System verbunden, nämlich derem Streben nach Selbstverwirklichung und Selbstbehauptung 18 , als daß man hoffen dürfte, alle Meinungsverschiedenheiten i m Hinblick auf Wünschbarkeit und Inhalt einer Definition hätten sich erledigt. Denn es ist ja gerade die fehlende Übereinstimmung wesentlicher Wertvorstellungen und Interessen unter den Staaten, die eine Definition der Aggression notwendig macht 19 . Angesichts der bekannten Infragestellung der generellen Legitimität eines wertfreien Gewaltverbots durch die Mehrheit der Länder gegen den prinzipiellen Widerstand einer numerischen Minderheit 2 0 konnte daher 17 Vgl. hierzu allgemein die Untersuchungen der „Friedensforschung", statt aller die knappen Ausführungen von Senghaas, Konfliktformationen i n der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft. 18 Delbrück, Adäquanz völkerrechtlicher Kriegsverhütungs- u n d Friedenssicherungsinstrumente, S. 92 f. 19 Randelzhofer (Anm. 7), S. 628 u n d 630, der die Schaffung einer eindeutigen Definition deshalb m i t der „Quadratur des Kreises" verglich. 20 Gemeint ist die zunehmende Wertverschiebung von einem m i t Absolutheitsrang ausgestatteten Gewaltverbot h i n zu einem relativen, das legitimen Gewaltanwendungen weichen soll, die zur Beseitigung eines (subjektiv) als ungerecht empfundenen status quo eingesetzt werden. Siehe dazu unten, Erster Teil, 2. Abschnitt.

Α. Der Definitionstext

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niemand erwarten, daß die Definition der Aggression, eines neuralgischen Punktes des Gewaltverbots, eine Lösung der Streitfrage i m eigentlichen Sinne herbeiführen würde, zumal die Verhandlungen von weisungsgebundenen politischen Repräsentanten der Staaten 21 und damit nicht einmal formal von unabhängigen Delegierten geführt wurden 2 2 . Dementsprechend ist die Definition als das Produkt eines politischen „Bargaining"-Prozesses i n typischer Weise gekennzeichnet, da wesentliche Gegensätze, trotz Einigung i m Generellen, offen geblieben sind. Die diplomatischen M i t t e l zur Verschleierung solcher „Bruchstellen" sind bekannt. Eines davon ist die von Carl Schmitt 23 so treffend 2 4 als „dilatorischer Formelkompromiß" bezeichnete Methode, ungelöste Probleme durch mehrdeutige Formeln, die jede Partei i n ihrem Sinne auslegen kann, von der Regelung auszunehmen 25 , i m günstigsten Fall zu vertagen (dilatorisch) 26 . Die andere, offenere Form besteht darin, durch ausdrückliche Vorbehaltsklauseln die unerledigten Streitfragen als vom Beschluß nicht tangiert zu bezeichnen. I n Abwandlung der Schmittschen Wortfindung dürfte man hier wohl von „salvatorischen Formelkompromissen" sprechen können. Daß die Aggressionsdefinition von beiden Elementen gleichsam „durchzogen" ist, verrät ein erster Blick i n ihre Bestimmungen: insbesondere die beiden Vorbehaltsklauseln zu den Aspekten (angeblich) 21 Das p r i m ä r m i t den Verhandlungen betraute G r e m i u m w a r ein von Regierungsvertretern beschickter Sonderausschuß. Siehe unten, Erster Teil, 2. Abschnitt, A n m . 162. 22 Dies w a r „ i n Sachen Aggressionsdefinition" i m Rahmen der Vereinten Nationen n u r einmal der Fall, als das Thema 1951 i n der I L C auf der Tagesordnung stand (kritisch zur tatsächlichen Unabhängigkeit der I L C - M i t glieder die bei Geck, Völkerrechtliche Verträge u n d K o d i f i k a t i o n auf S. 109, A n m . 29 f. genannten Autoren). 23 Verfassungslehre, S. 31. 24 Wegen der einprägsamen Wortumstellung gegenüber dem positiven Gegenbegriff „Kompromißformel". 25 „Agreement to disagree", Sehr euer, Recommendations, S. 116; siehe auch Bleckmann, Beurteilungsspielraum, S. 489, u n d Miehsler, A u t o r i t ä t von Beschlüssen internationaler Institutionen, S. 51 f., letzterer m i t interessanten Literaturhinweisen zur wissenschaftstheoretischen Leerformeldiskussion (Popper, Topitsch u. a.) i n A n m . 71. 28 Siehe auch die Erläuterungen von Simma, Völkerrechtswissenschaft, S. 304, wonach „dilatorische Formelkompromisse" solche sind, die „klare u n d eindeutige Entscheidungen m i t den M i t t e l n juristischer Interpretationskunst unmöglich machen, i m übrigen aber auch gar nicht darauf angelegt sind, sondern zukünftige (wiederum) politische Entscheidungen gleichsam vor sich herschieben sollen". (Daß derartige Erscheinungen auch i m innerstaatlichen Recht nicht unbekannt sind, k a n n bei Jörn Ipsen, Richterrecht u n d Verfassung, S. 77 f., nachgelesen werden — siehe auch Böckenförde, Methoden der Verfassungsinterpretation, S. 2091 — w i e w o h l sie dort, angesichts der Rechtsfortbildungsmöglichkeiten unabhängiger Gerichte, nicht dieselbe F u n k t i o n erfüllen.)

30

Einl. 1. Abschn.: Definition u n d völkerrechtliches Interesse

rechtmäßiger Gewaltanwendung 2 7 springen ins Auge und lassen ahnen, was sich aus der Definition m i t einem M i n i m u m an gutem Willen wohl alles herauslesen läßt 2 8 . Die „sarkastische" Bemerkung eines leider anonym gebliebenen Delegierten nach Abschluß der Definitionsarbeiten, wonach „the definition had reached a sufficient level of abstraction to be acceptable" 29, jedenfalls macht deutlich, daß man es bewußt m i t den einzelnen Bestimmungen „nicht so ganz genau genommen hat". Das semantische Axiom, gemäß dem eine Definition nichts anderes als die Ersetzung eines relativen Begriffs durch andere, ebenfalls relative und somit ihrerseits auslegungsbedürftige, Begriffe ist 3 0 , dürfte also auf diesen Fall i n ganz besonderer, wenn auch sehr „gewollter", Weise zutreffen. M i t dieser zunächst ausschließlich negativ erscheinenden Charakterisierung ist jedoch über die völkerrechtliche Bedeutung des Konsensbildungsprozesses wenig gesagt. Nicht nur, weil schon generell eine einseitig negative Beurteilung von „Formelkompromissen" den ihnen stets immanenten Grundkonsens vernachlässigt 31 , sondern vor allem, w e i l diesem Instrument eine spezifische Funktion i n der dem gegenwärtigen Zustand der internationalen Gesellschaft angemessenen Prozedur der Völkerrechtsentwicklung und -handhabung zukommt, und der beschlossene Definitionstext i n diesem Rahmen nur eine Seite einer komplexeren Erscheinung darstellt. B. Der Konsensbildungsprozeß Die andere Seite nämlich ist gekennzeichnet durch die Fülle des Materials, das die Definition als das Ergebnis eines langwierigen Verhandlungsvorganges ausweist, der i m Vergleich zu sonstigen multina27

A r t . 6 u n d 7. Die nicht minder bedeutsamen „versteckten Dissense" sollen hier noch nicht angesprochen werden, da sie nicht „offensichtlich" sind u n d sich somit einer „ersten Betrachtung" des Objekts entziehen. 29 Aus „gutem G r u n d " hat Ferencz, dessen Dokumentation dieses Z i t a t entnommen ist, die A n o n y m i t ä t des Delegierten gewahrt, siehe Ferencz I I , S. 49. 30 Vgl. Hummer, „ O r d i n a r y " versus „Special" Meaning, S. 95: „Every defin i t i o n shows u p the relativety of concepts . . . since the definition of a t e r m is the substitution of other terms for this defined t e r m w h i c h also need to be defined, and so on." 31 Siehe dazu den „ P r a k t i k e r " Grewe, Spiel der Kräfte, S. 553 f., der darauf hinweist, daß auch diese Scheinkompromisse i n gewissem Sinne K o m p r o misse sind, „denn sie wären nicht möglich, w e n n zwischen den Parteien k e i n Einverständnis bestünde". Dem entsprechen jene Stimmen, die es an sich schon für eine wesentliche Errungenschaft halten, daß n u n eine Definition der Aggression — unbeschadet aller Meinungsverschiedenheiten zur Substanz — „da ist", so Cassin ! Debevoise ! Kalles ! Thompson, Definition of Aggression, S. 611, u n d Ferencz, Defining Aggression — The Last Mile, S. 463. 28

Β . Der Konsensbildungsprozeß

31

tionalen Vereinbarungs- und Willensbildungsprozessen auffallend gut dokumentiert ist und damit scheinbar weitgehend transparent gemacht wurde. Wenn es auch m i t der tatsächlichen Offenlegung des Verhandlungsverlaufs nicht immer allzuweit her ist 3 2 , so liegt doch eine für die politische Öffentlichkeit bestimmte Dokumentation vor, die zusammengesetzt aus Verhandlungsprotokollen, Ausschußberichten und Arbeitspapieren ein aus sich heraus verständliches „Konferenzbild" zeichnet, das — unabhängig davon, ob es den wirklichen, zumeist „hinter der Szene" sich vollziehenden, Einigungsprozeß realistisch reflektiert 3 3 — jenes ist, das die Staaten i n zurechenbarer Weise als authentisches präsentieren. Sieht man diese offene Verhandlungsführung i m Kontext vergleichbarer protokollarisch erschließbarer multilateraler oder gar universeller Gesprächsrunden innerhalb des Systems der Vereinten Nationen, so erscheint dieses i n einem gewissen Maße als ein „Glashaus", i n dem sich ein permanenter Kommunikationsprozeß 34 unter den Staaten vollzieht, i n dem diese durch eine Vielzahl von Vereinbarungen, Anerkennungen, Duldungen, Bestätigungen und Bestreitungen konkretisieren, was sie jeweils für Recht halten wollen und was nicht 3 5 . C. Umfang des völkerrechtlichen Interesses Sowohl der Definitionstext als auch der protokollierte Konsensbildungsprozeß bringen daher das Verhalten von Völkerrechtssubjekten i n rechtlich relevanten Bereichen des zwischenstaatlichen Verkehrs 3 6 zum Ausdruck, wobei die Definition als das formalisierte, aber wenig konkretisierbare Ergebnis, die Verhandlungsprotokolle als Manifestation konkreter, aber weniger formalisierter Rechtsbehauptungen erscheinen. Damit sind beide per se von völkerrechtlichem Interesse. I . Definition des völkerrechtlichen Interesses

Wie weit dieses zu ziehen ist, bestimmt sich nämlich allein nach der „Natur der Sache", da schon die Auswahl „interessanter" Untersuchungsgegenstände praktizierte Methode ist und folglich ein „ m i t dem 32 Dazu, daß die dokumentierten Verhandlungen n u r einen T e i l der Gesamtverhandlungen ausmachten, siehe unten, Erster Teil, 3. Abschnitt (Die drei Ebenen des „Konsensusverfahrens"). 33 Eine unvollständige Dokumentation muß den tatsächlichen Verlauf nicht unbedingt inhaltlich verfälscht wiedergeben! 34 Siehe Simma, Methodik u n d Bedeutung, S. 91 („permanentes F o r u m staatlicher Interaktion") u n d Lall, Some Thoughts on the U N General Assembly. 35 J. P. Müller, Vertrauensschutz, S. 35. 36 J. P. Müller (Anm. 35).

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Einl. 1. Abschn.: Definition u n d völkerrechtliches Interesse

Wege der Sache gehen" erfordert. Denn Methode haben, heißt ja nichts anderes, als sich jener Untersuchungsweise zu bedienen, die die vorgegebenen Dimensionen eines Erkenntnisobjektes am vollständigsten aufdeckt, was voraussetzt, daß man sich dieser Dimensionen und ihrer Wechselbeziehungen zunächst bewußt w i r d 3 7 . Erkenntnisobjekt völkerrechtswissenschaftlicher Untersuchungen nun ist der Normenkomplex des Völkerrechts, was die Frage nach seinem Bestand (Entstehung, Wandlung und Erlöschen von Völkerrechtsnormen), seinem Inhalt (Auslegung) und seiner Effektivität umfaßt. Alle Erscheinungen daher, die diese Dimensionen des Völkerrechts beeinflussen können, sind „kraft Natur der Sache" von Interesse. I I . Genereller Bereich rechtsrelevanter Erscheinungen

A u f der Suche nach dieser „Sachnatur" ist zunächst festzustellen, daß das Völkerrecht sich aus Rechtsnormen zusammensetzt und generell deren Natur teilt. Diese aber ist gekennzeichnet durch den Doppelcharakter des Rechts als Norm und faktisches Element zugleich. Denn bei aller Respektierung der theoretisch begründbaren Heterogenität einer Sollens- und einer Seinsebene, die erst die Identität des Rechts begründet 38 , ist Recht doch zugleich auch gesellschaftliche Realität 3 9 und als solche i n Bestand, Inhalt und Wirkung prinzipiell den E i n w i r kungen dieser sozialen Wirklichkeit ausgesetzt 40 , die es als deren Element andererseits ebenfalls gestaltet 41 . Diese gemeinhin m i t „wechselseitige Abhängigkeit" umschriebene Doppelkausalität zwischen Recht und Gesellschaft 42 nun bedingt, daß jede rechtswissenschaftliche Untersuchung sich genuin auch der Faktizität zu widmen hat, die hier sowohl i n Gestalt des Definitionstextes als 37 Simma, Reziprozitätselement (Verträge), S. 38 m i t Hinweisen auf die philosophische u n d wissenschaftstheoretische Literatur. 38 Siehe oben, Vorbemerkung, A n m . 4. 39 Ryffel, Rechts- u n d Staatsphilosophie, S. 63. 40 Vgl. auch Quadri , Positivisme et réalisme dans la science d u droit international, S. 402: „ D ' u n point de vue général i l n'y a que deux manières seulement de se représenter l'ordre juridique. Ou bien on se représente l'ordre j u r i d i q u e comme u n univers séparé, autonome, par rapport à celui de l'expérience historique dominée par la l o i de la causalité, ou bien on se représente l'ordre j u r i d i q u e comme u n phénomène historique faisant partie, donc, de l'expérience dominée par la l o i de la causalité." 41 Ryffel (Anm. 39): „Denn Recht u n d Gesellschaft stehen i n wechselseitiger Abhängigkeit. Da aber das Recht selbst zur Gesellschaft i m Ganzen gehört, handelt es sich u m eine Wechselwirkung zwischen dem Recht als einer gesellschaftlichen Realität u n d den anderen gesellschaftlichen Phänomenen, wobei alle Phänomene i n den übergreifenden Zusammenhängen der Gesamtgesellschaft stehen." 42 „ I I y a u n va-et-vient constant d u »sein4 au »sollen4", Chaumont , Méthode d'analyse du droit international, S. 35.

C. Umfang des völkerrechtlichen Interesses

33

auch seiner Vorarbeiten i n ihrem historisch-sozialen Kontext erscheint, ohne daß damit einer weitergehenden Klassifizierung vorgegriffen sein soll 4 3 . Π Ι . Spezieller Bereich völkerrechtsrelevanter Erscheinungen

Die Forderung, dem tatsächlichen Verhalten der Staaten auch unter rechtsnormativer Fragestellung besondere Aufmerksamkeit zu schenken, resultiert jedoch nicht nur aus allgemein rechtstheoretischen Überlegungen, sondern folgt zusätzlich aus dem besonderen Charakter der Teilrechtsordnung Völkerrecht, welcher eine spezifische Untersuchungsmethode auf dem hier interessierenden Gebiet verlangt. Wesensmerkmal des Völkerrechts ist, daß es i n seiner Grundstrukt u r 4 4 eine dezentralisierte und i m Institutionellen wenig gesicherte Rechtsordnung darstellt 4 5 , da es sowohl an einem zentralen Organ der Rechtssetzung als auch an einem funktionierenden Rechtsprechungsund Rechtdurchsetzungssystem mangelt 4 6 . Dies hat zur Folge, daß die Staaten nicht nur Schöpfer, sondern faktisch auch Herren eines genossenschaftlich,* 7 organisierten Völkerrechts sind und sich i n weiten Bereichen die Befugnis der Selbstauslegung, Selbstbeurteilung und Selbstdurchsetzung reserviert haben 48 . Hinzu tritt, daß die Weltgesellschaft, der diese Ordnung einen rechtlichen Rahmen geben soll, wie keine andere einem ständigen quantitativen und qualitativen Veränderungsprozeß ausgesetzt ist, was bereits angedeutet wurde und worauf noch zurückzukommen sein w i r d 4 9 . Sowohl hinsichtlich Bestand als auch Inhalt und Effektivität „alles andere als eine fraglose Größe" 5 0 , läßt Völkerrecht sich i n seinen oben beschriebenen Dimensionen daher nur i m Wege einer besonders gründlichen Berücksichtigung der Seinsebene erfassen, welche i n ihrer starken Dynamik die m i t wenig Autorität versehene Rechtsordnung weit mehr gestaltet als dies i n statischen Gesellschaften m i t einem durchsetzungsfähigeren Recht der Fall ist 5 1 . 43

Nach dem Vorgesagten schließt j a die erste Eingruppierung von E r scheinungen i n den „faktischen Bereich" nicht aus, daß es sich (zugleich) u m Normen handelt. 44 Siehe hierzu Bleckmann, Strukturanalyse. 45 J. P. Müller (Anm. 35), S. 35 u n d 258. 46 Siehe zur generell marginalen Rolle internationaler Gerichte, insbesondere des I G H , die Beitragssammlung von Gross, The Future of the I n t e r national Court of Justice, dort vor allem Anand, Role of International Adjudication. 47 Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 16 - 1 9 , oder „paritätische Koordinationsordnung" i n der Terminologie Bleckmanns (Anm. 44), S. 145. 48 Bleckmann (Anm. 44); Kunz, Völkerrecht, allgemein, S. 613. 49 Erster Teil, 2. Abschnitt. 50 Schüle, Methoden der Völkerrechtswissenschaft, S. 776. 3 Bruha

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Einl. 2. Abschn. : Potentielle Völkerrechtsrelevanz 2.

Abschnitt

Theoretische Überlegungen zur potentiellen Völkerrechtsrelevanz der Definition der Aggression A . Völkerrechtsbildung als Kommunikationsprozeß Dieser i m V ö l k e r r e c h t besonders s t a r k e n „ n o r m a t i v e n K r a f t des F a k t i s c h e n " 1 e n t s p r i c h t es zunächst, daß z u G e w o h n h e i t s r e c h t sich v e r dichtende Staatenpraxis der historisch überwiegende Entstehungsg r u n d 2 des V ö l k e r r e c h t s w a r u n d g l e i c h z e i t i g seine bedeutendste E r s c h e i n u n g s f o r m 3 (neben d e m V e r t r a g s r e c h t ) 4 b o t 5 . M i t z u n e h m e n d e r I n t e n s i v i e r u n g eines m u l t i n a t i o n a l e n D i a l o g s a u f d e n verschiedensten E b e n e n d e r K o n f e r e n z d i p l o m a t i e 6 , insbesondere i n d e r U n t e r f o r m d e r „ p a r l i a m e n t a r y d i p l o m a c y " 7 , w i e sie sich i n d e n z a h l r e i c h e n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n 8 abspielt, h a t sich d i e staatliche I n t e r a k t i o n aber weitgehend „institutionalisiert" u n d „verbalisiert" 9, wodurch nicht n u r 51 Z u r Rolle des Rechts i n statischen Gesellschaften einerseits u n d dynamischen Gesellschaften andererseits siehe aus der soziologischen L i t e r a t u r Ryffel, Rechtssoziologie, S. 18 f., 141-165, u n d zum Völkerrecht, S. 38: „ D a sich i n diesem Bereich das Recht n u r i n geringem Maße i n distinkten Normen niedergeschlagen hat, ist die Rechtspraxis, das ,law in action von besonderer Bedeutung. Die gesellschaftlichen Aspekte, d . i . hier die tatsächliche H a n d habung des Rechts durch die Staaten u n d die internationalen Instanzen, t r e ten i n stärkerem Maße i n den Vordergrund als beim innerstaatlichen Recht." Siehe aus dem völkerrechtswissenschaftlichen Schrifttum Bernhardt, Ungeschriebenes Völkerrecht, S. 59 f.; Kimminich, Völkerrecht, S. 3 3 - 4 3 ; Krüger, Prinzip der E f f e k t i v i t ä t ; Simma, Völkerrecht u n d Friedensforschung. 1 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 337 ff. Siehe dazu auch Münch, L a force normative des faits. 2 Völkerrechtsquelle verstanden als Ursprung, Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 36. 3 Völkerrechtsquelle verstanden als Erscheinungsform, Berber (Anm. 2). 4 Mosler, The International Society as a Legal Community, S. 91. 5 Berber (Anm. 2), S. 40 ff.; Bleckmann, Grundgesetz u n d Völkerrecht, S. 54; ders., Strukturanalyse, S. 145. 6 Siehe zum Begriff Kaufmann, Conference Diplomacy. 7 Begriff nach Jessup, Parliamentary Diplomacy, der auf S. 185 die folgende (verkürzte) Definition Dean Rusk's wiedergibt: „ W h a t might be called parliamentary diplomacy is a type of m u l t i l a t e r a l negotiation which involves at least four factors: 1. A continuing organization . . . more than a traditional international conference; 2. Regular public debate exposed to the media of mass communication and i n touch w i t h public opinions around the globe; 3. Rules of procedure w h i c h govern the process of debate . . . ; 4. F o r m a l conclusions, ordinarily expressed i n resolution . . . " . 8 Eine Zusammenstellung aller Internationalen Organisationen bietet das jährlich erscheinende Yearbook of International Organizations, zuletzt Bd. 17 (1978). 9 Steiger, Rolle des Parlaments, S. 28, spricht i n diesem Zusammenhang von „institutionalisierter Außenpolitik".

Α. Völkerrechtsbildung als Kommunikationsprozeß

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d i e S t a a t e n p r a x i s , s o n d e r n m i t i h r d e r Prozeß der V ö l k e r r e c h t s e n t s t e h u n g u n d -Wandlung eine andere Q u a l i t ä t g e w o n n e n h a t . N i c h t m e h r a l l e i n d e r d u r c h l a n g w ä h r e n d e „reale" P r a x i s k o n s t i t u i e r t e t r a d i t i o n e l l e Prozeß d e r G e w o h n h e i t s r e c h t s e n t w i c k l u n g p r ä g t d e n h e u t i g e n T y p des „ l a w i n a c t i o n " 1 0 , s o n d e r n z u n e h m e n d auch d e r sich a u f z a h l r e i c h e n i n t e r n a t i o n a l e n Gesprächsforen abspielende Kommunikationsprozeß, auf dem Staatenvertreter umfassend u n d permanent m i t Gelegenheit z u V o r b e r e i t u n g u n d K o n s u l t i e r u n g ü b e r a u s g e w ä h l t e Gegenstände ihrer völkerrechtlichen Beziehungen diskutieren u n d verhandeln 11. Dieser B e d e u t u n g s z u w a c h s des i n t e r n a t i o n a l e n „ B a r g a i n i n g " - P r o z e s ses gegenüber t r a d i t i o n e l l e n F o r m e n d e r A u ß e n p o l i t i k h a t d a z u gef ü h r t , daß eine k o m m u n i k a t i o n s t h e o r e t i s c h e E r k l ä r u n g d e r V ö l k e r rechtsentstehung 12 nicht n u r an Boden gewonnen h a t 1 3 , sondern i n der F o l g e d i e S e n s i b i l i t ä t gegenüber e i n e m V ö l k e r r e c h t s w a n d e l d u r c h d i e sen s t ä n d i g e n Prozeß v o n „ c l a i m s a n d t o l e r a n c e s " 1 4 gewachsen i s t 1 5 , auch ohne d e n l e t z t e n S c h r i t t z u t u n , das V ö l k e r r e c h t als solches m i t diesem K o m m u n i k a t i o n s p r o z e ß z u i d e n t i f i z i e r e n 1 6 u n d d a m i t als eigenständige Sollenskategorie aufzulösen 17. 10

Vgl. oben, 1. Abschnitt, A n m . 51. Arangio-Ruiz, Normative Role of the General Assembly, S. 681. 12 Die grundlegende Analyse des zwischenstaatlichen K o m m u n i k a t i o n s prozesses ist vor allem der amerikanischen Völkerrechtslehre zu verdanken u n d dort besonders m i t dem Namen McDougal verbunden, der das V ö l k e r recht nicht als ein relativ statisches Normengebilde begreift, sondern als einen „kontinuierlichen, der W e r t m a x i m i e r u n g dienenden Prozeß autoritativer Entscheidungen, von Ansprüchen u n d Gegenansprüchen, deren Behandlung durch die nationalen u n d internationalen »decision-makers' ein Spektrum von ,shared expectations* über ,gesolltes' zwischenstaatliches V e r halten laufend gestaltet" (Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, S. 278, m i t weiteren Nachweisen). Eingehender zu dieser Schule: Morison, McDougal and Twentieth-Century Jurisprudence. Siehe auch Miehsler, A u t o r i t ä t von Beschlüssen internationaler Institutionen, S. 43, A n m . 41. 13 Die „behaviouristische" Theorie McDougals w i r d — ganz i m Gegensatz zu den Konsequenzen (Auflösung des Rechts als selbständige Kategorie), die er aus i h r zieht — als Veranschaulichung der Normgenese i m Völkerrecht überwiegend f ü r richtig erklärt, siehe etwa Arangio-Ruiz (Anm. 11), S. 464, u n d Neuhold, Internationale Konflikte, S. 6 ff. 14 McDougal / Lasswell / Miller, Interpretation of Agreements, S. 21 ff. 15 Siehe i n der deutschsprachigen L i t e r a t u r vor allem J. P. Müller, V e r trauensschutz, S. 36 ff.; Neuhold (Anm. 13), S. 9 ff.; Simma, Reziprozitätselement (Verträge), S. 38 ff. 16 So aber führende Vertreter des amerikanischen „legal realism": „ F r o m the perspective of realistic description, the international l a w . . . " (nicht n u r seine Entstehung!) „ . . . is a process of continous interaction, of continous demand and response . . . " (McDougal , Hydrogen Bomb Tests, S. 356 f.); „The conjunction of common expectations concerning authority w i t h a high degree of corroboration i n actual operation is w h a t w e understand b y l a w " (McDougal / Lasswell, Identification and Appraisal, S. 14); „ W e must v i e w international l a w as a psychological bargaining mechanism i n v o l v i n g conflicting claims among national decisionmakers and their legal counsel . . . a process 11

3*

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Einl. 2. Abschn. : Potentielle Völkerrechtsrelevanz Β . Kommunikationsprozeß u n d die herkömmlichen Quellen des Völkerrechts

W e i t g e h e n d s t a k z e p t i e r t i s t diese n o r m b i l d e n d e K r a f t d e r n e u a r t i g e n K o m m u n i k a t i o n s p r o z e s s e , s o w e i t sie sich m i t H i l f e d e r h e r k ö m m l i c h e n Q u e l l e n des V ö l k e r r e c h t s ( V e r t r a g , G e w o h n h e i t s r e c h t , A l l g e m e i n e Hechtsgrundsätze) 1 8 e r k l ä r e n lassen, ohne sie per se m i t i h n e n z u i d e n t i f i z i e r e n 1 9 . G e m e i n s a m e G r u n d l a g e d e r verschiedensten T h e o r i e n , die i n diesen Prozessen eigenständige E l e m e n t e der Rechtsentstehung oder Rechtsfeststellung sehen, ist d i e A n e r k e n n t n i s , daß es sich b e i d e n z u beobachtenden V e r h a n d l u n g e n i m R a h m e n d e r z a h l r e i c h e n I n t e r n a tionalen Organisationen zumeist nicht u m unverbindliche, vorläufige Gespräche 2 0 , s o n d e r n u m B e s t a n d t e i l e d e r g l o b a l e n S t a a t e n i n t e r a k t i o n h a n d e l t , d i e gleichsam n u r v e r l a g e r t s i n d a u f i n s t i t u t i o n a l i s i e r t e , z u m T e i l „ q u a s i - p a r l a m e n t a r i s c h e " 2 1 B ü h n e n , ohne i h r e n g e n e r e l l e n B e z u g zu verlieren 22. E i n erster S c h r i t t ist schon getan, w e n n m a n d e n V e r h a n d l u n g e n u n d insbesondere d e n Beschlüssen (Resolutionen, D e k l a r a t i o n e n ) eine bedeutende R o l l e b e i d e r Feststellung bestehenden Rechts e i n r ä u m t 2 3 , by which the better of t w o conflicting claims prevails . . . the relative superi o r i t y of persuasiveness" (D'Amato, Concept of Custom, S. 18). 17 Siehe die hierauf gestützte K r i t i k u. a. bei Baum, Soziologische Begründung des Völkerrechts; Sheik, International L a w and National Behavior, S. 28; Krakau, Missionsbewußtsein u n d Völkerrechtsdoktrin; Neuhold (Anm. 13), S. 6 ff.; Simma, Reziprozitätselement (VGR), S. 21 f., ders. (Anm. 15), S. 38 ff., ders., Völkerrechtswissenschaft, S. 300 ff.; Steiger, Universalität des Völkerrechts, S. 429 ff. Neuerdings ist diese Schule auch K r i t i k seitens der Vertreter der Wissenschaft v o n den internationalen Beziehungen ausgesetzt, siehe Young, International L a w and Social Science, S. 60 ff. m i t Replik McDougaVs, ebd., S. 76 ff. 18 A r t . 38 Abs. 1 Ziffer a bis c I G H - S t a t u t . 19 Soweit man allerdings n u r einräumt, daß Kommunikationsprozesse i n Internationalen Organisationen motivierend sein könnten für den Abschluß internationaler Verträge oder f ü r den Beginn oder die Verstärkung einer Staatenpraxis, die ihrerseits zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt (bzw. ein solches abbaut), handelt es sich allerdings u m „Binsenwahrheiten" (so Frowein, Beitrag der Internationalen Organisationen zur E n t w i c k l u n g des Völkerrechts, S. 149 f.), w e i l sie n u r auf Kausalitäten hinweisen, die ohnehin nicht ausgeschlossen werden können. Da andererseits dieser politische Effekt von großer Bedeutung ist, finden sich derartige Hinweise aber bei fast allen Autoren, siehe etwa Verdross, Quellen des universellen Völkerrechts, S. 116, u n d Miehsler (Anm. 12), S. 39 f. 20 Internationale Organisationen als „Debattierclubs" u n d „Vorhof" f ü r Staatenpraxis. 21 Begriff i n Anlehnung an Falk, Quasi-legislative Competence. 22 Internationale Organisationen als „permanente Konferenzen" u n d „ F o ren" f ü r Staatenpraxis, siehe Arangio-Ruiz (Anm. 11), S. 681. 23 Dadurch werden sie entweder stillschweigend oder ausdrücklich m i t den H i l f s m i t t e l n zur Feststellung von Völkerrecht gleichgesetzt, wie sie A r t . 38 Abs. 1 Ziffer d I G H - S t a t u t nennt ( „ j u d i c i a l decisions and the teachings of

Β . Herkömmliche Quellen des Völkerrechts

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w o b e i insbesondere d i e e i n s t i m m i g oder z u m i n d e s t i m K o n s e n s v e r f a h r e n a n g e n o m m e n e n R e s o l u t i o n e n der G e n e r a l v e r s a m m l u n g der V e r e i n t e n N a t i o n e n 2 4 g e n a n n t w e r d e n , u n d dies v o r a l l e m d a n n , w e n n sie a u s d r ü c k l i c h v o r g e b e n , n u r bestehendes ( e t w a Satzungsrecht) w i e d e r zugeben. Z w a r w i r d h i e r noch d i e theoretische Trennlinie gezogen, v o n der aus gesehen d i e S t a a t e n p r a x i s i n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n jenseits des Bereichs d e r a u t o n o m e n V e r r e c h t l i c h u n g l i e g t 2 5 u n d n u r vorbestehendes Recht e v i d e n t m a c h e n k a n n . Jedoch i s t abgesehen v o n d e n Z w e i f e l n a n d e r theoretischen H a l t b a r k e i t solcher C ä s u r 2 6 entscheidend, daß m a n h i e r m i t d i e R e l e v a n z auch d e r S t a a t e n p r a x i s , d i e sich zunächst n u r i n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n v o l l z i e h t , e i n r ä u m t , u n d i h r über die Einbeziehung i n die E r k e n n t n i s m i t t e l zur Feststellung v o n Recht r e c h t s i n h a l t s g e s t a l t e n d e W i r k u n g s m ö g l i c h k e i t e n zugesteht. V o n dieser A n s i c h t aus i s t es n ä m l i c h n u r rechtstheoretisch besehen e i n w e i t e r S c h r i t t , diese A r t d e r S t a a t e n p r a x i s auch als konstitutives Element der Rechtsentstehung z u a k z e p t i e r e n , d a dies w e d e r m i t einer A u f w e r t u n g d e r p o l i t i s c h e n R e l e v a n z dieser P r a x i s v e r b u n d e n i s t noch i m Ergebnis generell zu einer anderen Entscheidung i n einer k o n k r e t e n Rechtsfrage f ü h r t 2 7 . W e n n n ä m l i c h d i e „ E v i d e n z t h e o r i e " ü b e r h a u p t the most highly qualified publicists of the various nations"): Siehe etwa Bailey , M a k i n g International L a w i n the United Nations, S. 236; Bernhardt , Ungeschriebenes Völkerrecht, S. 65 f.; Friedmann, Changing Structure of International L a w , S. 138 f.; Gross, United Nations and the Role of L a w , S. 353; Johnson, Effect of Resolutions, S. 101; Mosler, (Anm. 4), S. 160 f.; Virally, Sources of International L a w , S. 158. Weitere Nachweise bei Sehr euer, Recommendations, S. 110, A n m . 34. 24 Siehe etwa Bernhardt (Anm. 23), S. 73; ders., Diskussionsbeitrag i n Kewenig, Die Vereinten Nationen i m Wandel, S. 125 f. 25 Siehe etwa Bernhardt (Anm. 23), S. 65 f. (aber auch S. 73) u n d Thirlway, Customary L a w , S. 58. 26 So die Erkenntnisse der allgemeinen Hermeneutik, siehe statt aller Schreuer (Anm. 23), S. 110: „ A n y attempt to d r a w a sharp line between an official statement of the l a w and a creation of new l a w is already of doubtf u l value. Every authoritative determination or application of the l a w partakes óf a certain degree of its development. Even i f i t were possible to make a clean distinction between application and formation of the law, w e w o u l d be left w i t h the problem of discovering wether a particular recommendation restricted itself to a statement of the lex lata or attempted to set new standards." (Siehe auch Dreier, Rechtsquellenlehre, S. 7, der die V o r stellung der fließenden Geltungsfortbildung, wonach das Recht erst „ m i t u n d i n der Auslegung w i r d " , zum festen Bestandteil des gegenwärtigen Methodenbewußtseins zählt.) 27 Teilweise w i r d dies auch von jenen eingeräumt, die Staatenpraxis i n Internationalen Organisationen (hier Resolutionen) p r i m ä r n u r als E r k e n n t nisquellen werten, so Bernhardt (Anm. 23), S. 73: „ W e n n einschlägige Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen einhellige Z u stimmung finden, i h r I n h a l t von allen Beteiligten nicht n u r als politisch wünschenswert, sondern auch als rechtlich verbindlich angesehen w i r d , sollte auf diese Weise neues Recht entstehen können." (Siehe aber auch oben, Text zu A n m . 25.)

Einl. 2. Abschn.: Potentielle Völkerrechtsrelevanz

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e i n e n S i n n h a b e n soll, so doch den, daß d i e H e r a n z i e h u n g der S t a a t e n p r a x i s i n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n als H i l f s m i t t e l z u r Feststell u n g v o n V ö l k e r r e c h t i n eigengewichtiger 28 Weise d i e A n t w o r t a u f die F r a g e ( m i t - ) b e e i n f l u s s e n soll, „welches das derzeit g e l t e n d e Recht i s t " . A n d e r n f a l l s w ü r d e dieses I n s t r u m e n t n u r d a z u dienen, auf „ h e r k ö m m l i c h e " 2 9 Weise g e w o n n e n e Ergebnisse z u bestätigen, w o m i t d i e T h e o r i e überflüssig wäre. M e h r als eine E i g e n - , j e d o c h n i c h t A l l e i n g e w i c h t i g k e i t , w i r d d e r S t a a t e n p r a x i s i n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n aber auch v o n d e n T h e o r e t i k e r n n i c h t beigemessen, die i n i h r konstitutive Elemente der R e c h t s b i l d u n g sehen, es sei denn, sie ü b e r b e w e r t e n diese V o r g ä n g e , u m d a m i t g e w ü n s c h t e Ergebnisse, insbesondere d i e v i e l g e f o r d e r t e Bindungswirkung v o n R e s o l u t i o n e n der G e n e r a l v e r s a m m l u n g d e r V e r e i n ten Nationen, begründen zu können30. R i c h t i g e r w e i s e w i r d dagegen auch i n „ a b g e w o g e n e n " S t e l l u n g n a h m e n d a v o n ausgegangen, daß d i e i n t e r n a t i o n a l e n V e r h a n d l u n g s r u n d e n , w i e sie w e i t g e h e n d i n d e n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n z u beobacht e n sind, B e s t a n d t e i l e d e r S t a a t e n p r a x i s 3 1 auch i m S i n n e eines konsti28

Siehe Schreuer (Anm. 23), S. 110. H i e r m i t ist i n diesem Zusammenhang v o r allem die Heranziehung der Staatenpraxis außerhalb internationaler Organisationen gemeint sowie die Heranziehung von Verträgen. 80 Die Z a h l der Autoren, die, w o h l nicht zuletzt aus politischen Gründen, diesen Schritt vollziehen, ist allerdings beachtlich, wodurch auch ihre richtigen Ansätze i n M i ß k r e d i t gezogen werden, u n d diese — auch i n gemäßigteren Darstellungen anderer Autoren — Mißtrauen auslösen. A m „einschlägigsten" waren i n diesem Zusammenhang w o h l jene tätig, die von „instant", „hot house" oder „pressure cooked customary law" sprachen, u m damit zu erklären, daß Kommunikationsprozesse i n den Vereinten Nationen, auch ohne unterstützende Praxis außerhalb der Organisation, neues Recht schaffen können. Siehe Cheng, „ I n s t a n t " International Customary L a w , S. 23 ff.; Engel, Procedures, S. 116; Jennings , Recent Developments i n the I L C , S. 390. M i t demselben Ergebnis bemüht Zemanek, United Nations and the L a w of Outer Space, S. 208, die allgemeinen Rechtsgrundsätze i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 Ziffer c I G H - S t a t u t . Eine Reihe von Autoren schließlich schließt aus dem politischen Druck, den Entscheidungsprozesse i n den Vereinten Nationen, insbesondere i n Gestalt einstimmig angenommener Resolutionen, annehmen können, u n m i t t e l b a r darauf, daß sie dann auch Rechtspflichten verkörpern müßten. (Nachweise bei Simma, Methodik u n d Bedeutung, S. 93 ff.) 31 Hierbei ist allerdings genau zu prüfen, ob es sich jeweils w i r k l i c h u m Praxis handelt, die Staaten zugerechnet werden kann, was etwa schon fraglich w i r d bei der aus Parlamentariern zusammengesetzten „Beratenden Versammlung" des Europarates u n d erst recht bei den nach dem „ t r i p a r t i t e " Schlüssel zusammengesetzten Gremien der Internationalen Arbeitsorganisation, nach dem Vertreter nationaler Arbeitnehmer- u n d Arbeitgeberverbände zusammen dasselbe Stimmgewicht haben w i e die Regierungsvertreter ihrer Organisation. (Daß andererseits auch aus „Vorgängen, an denen private Instanzen u n d Interessenten wesentlich beteiligt sind", Rückschlüsse auf geltendes Völkerrecht möglich sind, darauf weist zurecht Bernhardt (Anm. 23), S. 66, hin.) 29

Β . Herkömmliche Quellen des Völkerrechts

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tutiven Elements der Völkergewohnheitsrechtsbildung s i n d 3 2 u n d darüber hinaus i n den vielfältigen Stellungnahmen, die dort zu v ö l k e r r e c h t l i c h e n T h e m e n abgegeben w e r d e n , auch M a n i f e s t a t i o n e n einer „ o p i n i o i u r i s sive necessitatis" gesehen w e r d e n k ö n n e n 3 3 . B e i aller Unterschiedlichkeit der j e w e i l i g e n dogmatischen Positionen z u r K a t e g o r i e des G e w o h n h e i t s r e c h t s ist diesen A u f f a s s u n g e n n ä m l i c h gemein, daß sie d e n Stoff, aus d e m sich diese Rechtsmaterie b i l d e t , rechtslogisch f ü r n i c h t k l a s s i f i z i e r b a r u n d d a m i t b e s c h r ä n k b a r h a l t e n . W e n n es n ä m l i c h r i c h t i g ist, daß der V ö l k e r r e c h t s s a t z a l l g e m e i n nichts anderes i s t als e i n „ E r g e b n i s der V e r r e c h t l i c h u n g p o l i t i s c h e r T a t b e s t ä n d e " 3 4 , so m u ß erst recht f ü r das V ö l k e r g e w o h n h e i t s r e c h t 3 5 gelten, daß seine sozialen E n t s t e h u n g s v o r a u s s e t z u n g e n k e i n e m „ r e c h t s n o r m a tiven Numerus-clausus" unterfallen können. M i t w e l c h e r d e r verschiedenen herkömmlichen 36 u n d neueren 37 Theor i e n m a n das V ö l k e r g e w o h n h e i t s r e c h t auch b e g r ü n d e n m a g 3 8 , P r ä r e q u i 32 Arangio-Ruiz (Anm. 11), S. 469 ff., 478; Asamoah, Legal Significance of the Declarations of the General Assembly, S. 54, 57; Bailey (Anm. 23), S. 233 ff.; Bohn, K o d i f i k a t i o n des Völkerrechts, S. 155 ff.;. Conforti , Rôle de l'accord, S. 271 ff.; Bleckmann, Grundgesetz u n d Völkerrecht, S. 56, 63; ders Völkergewohnheitsrecht, S. 507 f.; Friedmann (Anm. 23), S. 123; Hambro, Diskussionsbeitrag i n Mosler / Bernhardt, Judicial Settlement of Disputes, S. 58; Higgins, Development of International L a w , S. 6; Meijers, H o w is International L a w Made?, S. 14; Simma (Anm. 30), S. 92; Steinberg er, K o d i f i zierung u n d Weiterbildung des Völkerrechts, S. 641; Virally, Rôle des „principes", S. 550; Wolfke, Custom, S. 82 ff. 33 Arangio-Ruiz (Anm. 11), S. 478; Asamoah (Anm. 32), S. 55 f.; Bothe, V e r bot des Einsatzes bakteriologischer u n d chemischer Waffen, S. 58 f.; Bleicher, Diskussionsbeitrag i n Mosler / Bernhardt (Anm. 32), S. 450; Mosler, Repertorien der nationalen Praxis i n Völkerrechtsfragen, S. 486; Schweisfurth, KSZE-Schlußakte, S. 717; Simma (Anm. 30), S. 92. 34 Knut Ipsen, Besprechungsaufsatz, S. 551. 35 Die Voraussetzungen der vorstehenden Definition e r f ü l l t das Gewohnheitsrecht am „unmittelbarsten". 36 Z u den verschiedenen Völkergewohnheitsrechtstheorien siehe Verdross, Entstehungsweisen u n d Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts; ders. (zusammen m i t Simma), Universelles Völkerrecht, S. 276 ff. 37 Siehe insbesondere J. P. Müller (Anm. 15), S. 1 ff. u n d Simma, Reziprozitätselement (VGR), die i m Wege der Modifizierung der McDougal'schen Theorie (oben, A n m . 12 ff.), die Völkergewohnheitsrechtsentstehung m i t dem „Vertrauensprinzip" (Müller), bzw. dem der „Gegenseitigkeit" (Simma) erklären, indem sie hierauf gestützte (antizipierte) Erwartungen als die eigentliche M o t i v a t i o n staatlichen Verhaltens ansehen (eingehender dazu i m letzten T e i l dieser Untersuchung). 38 Die Bedeutung der verschiedenen Theorien ist i m Schwinden begriffen. Angesichts der K o m p l e x i t ä t der materiellen Basis u n d der daraus resultierenden verschiedenen Entstehungsweisen des Völkergewohnheitsrechts — siehe Simma (Anm. 37), S. 34 ff. unter Verweis auf Verdross (Anm. 36) — v e r zichtet die neuere L i t e r a t u r weitgehend auf theoretische Ansätze zugunsten einer an Fallgruppen orientierten, pragmatischen Handhabung (Bleckmann, Grundgesetz u n d Völkerrecht, S. 55 f.).

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Einl. 2. Abschn.: Potentielle Völkerrechtsrelevanz

s i t ist a l l e i n e i n d e n S t a a t e n (bzw. sonstigen V ö l k e r r e c h t s s u b j e k t e n ) 3 9 zurechenbares V e r h a l t e n , das a u f e i n e n rechtsrelevanten Willen schließen l ä ß t . M i t a n d e r e n W o r t e n : w e d e r das E l e m e n t d e r P r a x i s noch das der „opinio i u r i s " sind völkerrechtlich vorbestimmte Figuren. V i e l m e h r i s t es a l l e i n eine F r a g e d e r A b w ä g u n g d u r c h A u s l e g u n g , w e l c h e m V e r h a l t e n der S t a a t e n — sei es „ r e a l e s " oder b l o ß „ v e r b a l e s " 4 0 — eine g r ö ßere Indizwirkung 41 i m H i n b l i c k auf eine v o r l i e g e n d e oder n i c h t v o r l i e gende Rechtsüberzeugung beizumessen ist. D a b e i h a b e n A k t e d e r „ v e r b a l e n " S t a a t e n p r a x i s d e n V o r t e i l f ü r sich, daß i n i h n e n eine m ö g l i c h e „ o p i n i o i u r i s " h ä u f i g „expressis v e r b i s " f o r m u l i e r t i s t 4 2 , w ä h r e n d sie a n dererseits d i e F l ü c h t i g k e i t des gesprochenen W o r t e s t e i l e n u n d n i c h t selt e n d e r „ r a u h e n W i r k l i c h k e i t " i n G e s t a l t entgegengesetzter „ R e a l p r a xis" nicht statthalten. S o w o h l das V e r h ä l t n i s z u dieser als auch d i e u n m i t t e l b a r e Indizkraft „ v e r b a l e r " S t a a t e n p r a x i s ist d a h e r j e w e i l s d u r c h A u s l e g u n g 4 3 festzus t e l l e n 4 4 . A l l e r d i n g s i s t es nach dieser A n s i c h t n i c h t ausgeschlossen, daß K o m m u n i k a t i o n s p r o z e s s e i n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n , auch ohne daß sie d u r c h nachfolgende P r a x i s g e s t ü t z t w e r d e n , v e r b i n d l i c h e s V ö l k e r g e w o h n h e i t s r e c h t schaffen k ö n n e n . I n w e l c h e m U m f a n g dies der F a l l ist, b e m i ß t sich w i e d e r u m a l l e i n danach, m i t w e l c h e r rechtsschöpfe89 Auch Internationale Organisationen können per se Träger der V ö l k e r gewohnheitsrechtsentwicklung sein, siehe Bleckmann (Anm. 38), S. 56. 40 Gegen die Trennung „reale" Staatenpraxis — „verbale" Staatenpraxis m i t dem Zweck, letztere als nicht k o n s t i t u t i v i m Sinne der Völkergewohnheitsrechtsentstehung zu bezeichnen, wendet sich vor allem Bleckmann (Anm. 38), S. 56, ders., Völkergewohnheitsrecht, S. 507: „Darüber hinaus ist die Behauptung, Völkergewohnheitsrecht könne n u r aus der Praxis der Völkerrechtssubjekte erwachsen, wobei unter ,Praxis 4 faktische Einzelhandlungen der Völkerrechtssubjekte gemeint sind, i n dieser Allgemeinheit einfach falsch." 41 Bernhardt (Anm. 23), S. 65, ders., Gewohnheitsrecht i m Meeresvölkerrecht, S. 156. 42 Asamoah (Anm. 32), S. 55 f.; siehe auch Bleckmann (Anm. 38), S. 56. 43 Die gewohnheitsrechtliche N o r m als Ergebnis der rechtlichen Interpretation einer faktischen Übung, J. P. Müller (Anm. 15), S. 86. 44 Dabei geht es bei der Feststellung der „opinio iuris" nicht u m die (praktisch undurchführbare) Aufdeckung psychologisch-subjektiver Überzeugungen Einzelner (Guggenheim, Lehrbuch, S. 46), sondern darum, eine reale Praxis oder verbale Äußerung als „Rechtsbehauptung" zu identifizieren sowie i m weiteren u m die Untersuchung, ob die Staatengemeinschaft sich diesen Behauptungen anschließt oder zumindest ihre A r t i k u l i e r u n g u n w i dersprochen zur Kenntnis n i m m t . So unter Hinweis auf Verdross, Simma u n d D'Amato Bernhardt (Anm. 23), S. 63 f., ders., (Anm. 41), S. 156. P r i m ä r p o l i tisch motivierte „Lippenbekenntnisse" entziehen sich daher nicht automatisch einer Gewohnheitsrechtsbildung (Rauschning, Diskussionsbeitrag zu Golsong u n d Ermacora, Problem der Rechtsetzung, S. 225), jedoch ist die M o t i v a t i o n (soweit sie überhaupt manifest ist) von Einfluß bei der Feststellung der Gewichtigkeit des Aktes i m Verhältnis zu sonstiger Staatenpraxis (Higgins, U n i t e d Nations and Lawmaking, S. 38). Ausführlicher zu diesen Fragen u n ten, D r i t t e r Teil, 2. Abschnitt.

Β . Herkömmliche Quellen des Völkerrechts

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rischen K r a f t die Staaten die institutionalisierten Gesprächsrunden versehen, d.h. m i t welcher Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit sie den multilateralen Dialog betreiben, wie real das Ziel ist, i m Wege der Verhandlung zu einem vollzugsfähigen Konsens zu gelangen. Angesichts des qualitativen Standes 45 der gegenwärtigen Integration dürften „organisations-hausgemachte" Rechtsbildungsprozesse ohne begleitende oder nachfolgende Staatenpraxis sicherlich die Ausnahme sein, andererseits w i r d man heute nicht mehr sagen können, daß die Internationalen Organisationen „vom Erzeugungsvorgang des allgemeinen Völkerrechts ausgeschlossen sind" 4 6 . I h r Anteil variiert vielmehr und steht und fällt m i t dem Maß, i n dem die Staaten den jeweiligen Gegenstand ihrer völkerrechtlichen Differenzen dem Feld der rechtsgestaltenden „realen" Staatenpraxis haben entziehen wollen, und ist also i n jedem Fall gesondert zu überprüfen 4 7 . C. Kommunikationsprozeß und „neuere" Quellen des Völkerrechts Rechtsbildende Wirkung können Kommunikationsprozesse i n Internationalen Organisationen aber auch außerhalb der traditionellen Quellen des Völkerrechts ausüben. K r a f t des „dédoublement fonctionnel" 4 8 , demzufolge die das Recht anwendenden Staaten zugleich die konstituierenden Träger des Völkerrechts sind 4 9 , steht es diesen jederzeit frei, ihren Rechtsbindungswillen auch i n anderer Weise als i n den Formen des A r t . 38 IGH-Statut zum Ausdruck zu bringen. Es ist rechtslogisch nämlich ausgeschlossen, daß die Staaten als „pouvoir constituant" 5 0 dieser Ordnung durch einen Rechtssatz — auch wenn sie ihn selbst geschaffen haben — auf eine bestimmte Rechtserzeugungsart festgeschrieben werden könnten 5 1 . Vielmehr kann ein rechtsbildender Konsens auch außerhalb der Förmlichkeiten des A r t . 38 IGH-Statut erschei45 Dieser steht n u r zu häufig i m Widerspruch zum quantitativen Stand, der durch die Vielzahl der Organisationen u n d deren häufig hypertrophe A u s maße gekennzeichnet w i r d . Siehe aus der politikwissenschaftlichen Literatur, Bennet, International Organizations. 46 Mosler, Völkerrecht als Rechtsordnung, S. 24. 47 Mosler (Anm. 46), S. 35; Tomuschat, Charta, S. 460 ff. 48 Begriff nach Scelle , Manuel élémentaire de droit international public, S. 21 ff. 49 Strebel, Quellen des Völkerrechts, S. 314. 50 Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 111 f. 51 Tomuschat (Anm. 50): „Die übliche Einteilung der Rechtsquellen nach Vertrag u n d Gewohnheitsrecht bedeutet keine F i x i e r u n g der Wege der Rechtserzeugung auf diese beiden Modalitäten, sondern beschreibt lediglich empirisch die äußeren Formen, auf die der Rechtswille der Völkergemeinschaft bisher i m wesentlichen beschränkt gewesen ist." Siehe auch Geiger, Krise der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre, S. 227 f.

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Einl. 2. Abschn. : Potentielle Völkerrechtsrelevanz

n e n 5 2 , w o b e i d i e E r s c h e i n u n g s b i l d e r , d u r c h d i e er m a n i f e s t w i r d , sich n i c h t abschließend v o r z e i c h n e n lassen 5 3 . U n i v e r s e l l e Gesprächsforen, w i e insbesondere d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g der V e r e i n t e n N a t i o n e n , b i e t e n d a h e r g r u n d s ä t z l i c h Gelegenheit, e i n e n d e r a r t i g e n formlosen Konsens z u p r o n o n c i e r e n 5 4 . A l l e r d i n g s m u ß d a b e i — ü b e r d i e V e r k ü n d u n g e i n e r v o m Konsens g e t r a g e n e n Rechtsü b e r z e u g u n g h i n a u s — e i n h i e r v o n zu t r e n n e n d e r Rechtsbindungswille d e r S t a a t e n m a n i f e s t w e r d e n . O h n e diesen b l e i b e n s o w o h l d e r Beschluß (Resolution, D e k l a r a t i o n ) als auch das V e r h a l t e n d e r S t a a t e n v e r t r e t e r ( A b s t i m m u n g s v e r h a l t e n , S t i m m e r k l ä r u n g e n etc.) Erscheinungen, d i e i m R a h m e n d e r b l o ß e n E m p f e h l u n g s k o m p e t e n z der G e n e r a l v e r s a m m l u n g 5 5 zu w ü r d i g e n s i n d u n d t r o t z g e m e i n s a m e r „ o p i n i o i u r i s " k e i n e i n ternationalen Vereinbarungen 56 darstellen57. 62 Siehe auch Simma (Anm. 30), S. 97 f., der diese, v o n i h m als „formloser Konsens", bezeichnete Willensübereinstimmung als die ursprüngliche Quelle des Völkerrechts bezeichnet, welche nicht n u r der „ T r i a s " des A r t . 38 I G H Statuts historisch-genetisch zugrunde liege, sondern sie zugleich überlagere. Vergleiche aber auch die K r i t i k hierzu, die nach dem K i e l e r Referat Simmas geäußert w u r d e u n d v o r allem der Frage galt, w i e w e i t die F o r m bei der Entwicklung von Völkerrecht vernachlässigt werden könne (Rudolf, Meessen, Steiger, Randelzhof er, Diskussionsbeiträge i n Kewenig [Hrsg.], Vereinte N a tionen i m Wandel, S. 120 - 124). 58 Die nichtabschließende N a t u r des Rechtsquellenkatalogs des A r t . 38 IGH-Statuts w i r d von der neueren Völkerrechtslehre überwiegend bejaht u n d auch von der allgemeinen Rechtstheorie gestützt: Siehe zu letzterer Hart, Begriff des Rechts, S. 294, nach dem das Völkerrecht „keine einheitliche Erkenntnisregel, die Rechtsquellen spezifiziert u n d allgemeine K r i t e r i e n f ü r die Identifikation der Regeln angibt" kennt. D e m entsprechen die Worte Parry's : „ W h a t the sources of international l a w are cannot be stated, i t can only be discussed", siehe Sources and Evidences, S. 27. Ä h n l i c h generalisierend auch Bernhardt (Anm. 23), S. 50: „Die E n t w i c k l u n g der internationalen Gemeinschaft zwingt dazu, a u d i die Quellen des Völkerrechts stets neu zu überdenken u n d ihre Veränderungen zu diagnostizieren"; Ermacora, Problem der Rechtsetzung, S. 74; Friedmann, General Course, S. 142. Ausdrücklich als n i c h t l i m i t a t i v w i r d A r t . 38 I G H - S t a t u t u. a. bezeichnet von: Bernhardt (Anm. 23), S. 73; Bos, Manifestations of International L a w , S. 18; Cahier, L e comportement des Etats, S. 237; Fitzmaurice, Formal Sources of International L a w , S. 173; Jaenicke, Völkerrechtsquellen, S. 767; Jennings, Recent Developments i n the I L C , S. 385 ff.; Simma (Anm. 30), S. 97 ff.; Verdross / Simma (Anm. 12), S. 258 f. F ü r abschließend u n d nicht n u r den Gerichtshof bindend halten A r t . 38 I G H - S t a t u t u. a. : Bohn, K o d i f i k a t i o n des Völkerrechts, S. 142 (dort auch weitere Nachweise); Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr. 126. 54 Dies ist das N o v u m gegenüber der früheren nichtorganisierten Staatengemeinschaft, siehe Simma, (Anm. 30), S. 98. 55 Daß die Generalversammlung der Vereinten Nationen als solche keine „Weltgesetzgebungskompetenz" hat, w i r d von Frowein, Beitrag der I n t e r nationalen Organisationen zur E n t w i c k l u n g des Völkerrechts, S. 149 f., zu Recht als „Binsenweisheit" bezeichnet. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Charta u n d der Entstehungsgeschichte (siehe hierzu ausführlich ArangioRuiz [Anm. 11], S. 444 - 452) wäre f ü r eine stillschweigende Satzungsänderung eine konstante gegenteilige Praxis m i t ausdrücklicher Zustimmung einer zu-

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Quellen des Völkerrechts

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Unter dem Stichwort „neuere" Quellen des Völkerrechts ist schließlich noch der Frage nachzugehen, ob das bislang zugrundegelegte Rechtsquellenverständnis, das sich an einem Normenkreis spezifisch rechtlicher Verbindlichkeit orientiert, überhaupt geeignet ist, die Völkerrechtsrelevanz der Aggressionsdefinition bewerten zu können. A n satzpunkt für weitere Überlegungen ist die nicht von der Hand zu weisende K r i t i k 5 8 , daß auf diese Weise die Perspektive des Richters die Untersuchung i n Angelegenheiten bestimmt, die i n den seltensten Fällen einem internationalen Richtergremium vorgelegt werden. Damit aber werde der Blick für die wirkliche Bedeutung der Aggressionsdefinition verstellt, die jenseits der Frage der möglichen Verrechtlichung liegen könnte und dort zu suchen ist, wo ihre Bestimmungen faktische Autorität entfalten und mehr oder weniger tatsächliche Beachtung und Befolgung nach sich ziehen könnten 5 9 . Da i m Rahmen dieser Untersuchung der faktischen Autorität besondere Aufmerksamkeit geschenkt w i r d 6 0 , ist allein dazu Stellung zu nehmen, ob aus der Tatsache der generellen Inadäquanz der „Gerichtsperspektive" bei der Beurteilung völkerrechtlich erheblicher Vorgänge, die die Staaten „nicht aus der Hand zu geben" gedenken, der Begriff der Völkerrechtsquelleneigenschaft nicht anders definiert werden müßte, um hierunter auch jene Vorgänge subsumieren zu können, die mindest satzungsändernden Mehrheit (Art. 108 SVN: 2/s der Mitglieder Inbegriffen alle permanenten Sicherheitsratsmitglieder) erforderlich, was jedoch nicht der F a l l ist u n d angesichts des „One State one Vote"-Prinzips auch nicht i m Bereich des politisch Möglichen liegt. Siehe auch Geiger (Anm. 51), S. 228 f. 56 E i n solcher abgeschlossener Rechtsetzungsprozeß „qua Konsens" w ü r d e nach dieser Ansicht etwa vorliegen, w e n n die Staatenvertreter i n der Generalversammlung einstimmig eine Empfehlung abstrakt-generellen Rechtsinhalts verabschieden u n d dabei zum Ausdruck bringen, daß sie den I n h a l t schon jetzt als sie verpflichtendes Recht betrachten. (Tomuschat [Anm. 47], S. 472 f., hält es auch f ü r möglich, daß solche Erklärungen einen h e r k ö m m lichen Vertrag begründen.) Siehe auch Simma (Anm. 30), S. 100, der als einziges Beispiel die Deklaration über das Völkerrechtsregime i m W e l t r a u m — G A Res. 1962 ( X V I I I ) , 13.12.1963 — nennt — allerdings auch dort nicht alle Teile — u n d i m übrigen äußerst zurückhaltend ist, vor allem gegenüber jenen „Großen Deklarationen", die w i e die „Dekolonisierungsdeklaration" G A Res. 1514 (XV), 14.12.1960, oder die „Prinzipien-Deklaration" 2625 ( X X V ) , 24.10.1970, immer wieder als Paradebeispiele „quasi-legislativer" A k t e genannt werden. 57 Siehe zur mittelbaren Verbindlichwerdung „ v i a estoppel" unten, D r i t t e r Teil, 1. u n d 2. Abschnitt. 58 Vgl. etwa Galtung, Is the Legal Perspective Structure-Blind? 59 Siehe auch Arangio-Ruiz (Anm. 11), S. 460 f. u n d generell zur Autorität als eigene Kategorie zur Erfassung der W i r k u n g von Beschlüssen internationaler Institutionen, Miehsler (Anm. 12). 60 Es soll j a vor allem auch der völkerrechtssoziologischen Bedeutung des Konsensbildungsvorgangs Aufmerksamkeit geschenkt werden, siehe oben, Vorbemerkung.

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Einl. 2. Abschn. : Potentielle Völkerrechtsrelevanz

f a k t i s c h B e f o l g u n g nach sich ziehen oder z u m i n d e s t Erwartungserleichterungen b e w i r k e n , m . a. W . i m soziologischen S i n n e „ w i e Recht f u n k tionieren"61. D i e s w ü r d e voraussetzen, daß d e r R e c h t s q u e l l e n b e g r i f f e i n e r d i f f e renzierenden H a n d h a b u n g zugänglich ist u n d jeweils „situationsrelativ b z w . r o l l e n s p e z i f i s c h " 6 2 z u d e f i n i e r e n ist, w a s f ü r das V ö l k e r r e c h t e i n unterschiedliches R e c h t s q u e l l e n v e r s t ä n d n i s z u r F o l g e h a b e n w ü r d e , j e n a c h d e m ob m a n aus d e r P e r s p e k t i v e d e r S t a a t e n ( u n d i h r e r Rechtsberater) oder aus d e r eines i m a g i n ä r e n Richters die A n t w o r t a u f eine k o n k r e t e F r a g e s u c h t 6 3 . I m l e t z t e r e n F a l l n ä m l i c h w ä r e das Rechtsq u e l l e n p r o b l e m „ i d e n t i s c h m i t d e r F r a g e nach d e n l e g i t i m e n B e s t i m m u n g s g r ü n d e n " d e r E n t s c h e i d u n g 6 4 , aus d e r S t a a t e n p e r s p e k t i v e dageg e n w ü r d e m i t d e r F r a g e n a c h d e r Rechtsquelleneigenschaft rechtsr e l e v a n t e r A k t e eine A n t w o r t d a r a u f gesucht w e r d e n , ob diese A k t e v o n d e r Staatengemeinschaft als L e i t l i n i e n i h r e s H a n d e l n s a k z e p t i e r t w e r d e n 6 5 , w a s auch u n a b h ä n g i g v o n d e r f o r m a l - r e c h t l i c h e n Q u a l i f i z i e r u n g prognostiziert werden kann66. el Siehe Rauschning (Anm. 44) zur Frage, ob Resolutionen der Generalversammlung zum Völkerrecht gehören: „ N i m m t man einen soziologischen Ausgangspunkt . . . , dann umfaßt Völkerrecht unter anderem die Regeln, die ein zukünftiges Staatsverhalten voraussehbar machen." Noch weitergehend die — allerdings nicht unumstrittene — Definition Luhmanns, Rechtssoziologie, S. 100: „Recht ist keinesfalls p r i m ä r eine Zwangsordnung, sondern eine Erwartungserleichterung . . . Die F u n k t i o n des Rechts liegt demnach i n seiner Selektionsleistung, i n der A u s w a h l von Verhaltenserwartungen." (Siehe auch die weiteren Ausführungen Luhmanns zum Völkerrecht i n : W e l t gesellschaft.) 62 So i n seinen generell-rechtstheoretischen Ausführungen Dreier (Anm. 26), S. 8, der als Perspektiven die des Rechtsberaters, des Richters, des Gesetzgebers u n d des Rechtswissenschaftlers nennt (letzterer habe alle erdenklichen Aspekte zu berücksichtigen!). 63 Dem entspricht i m wesentlichen die „Alternativperspektive" von Bos, Manifestations of International L a w , S. 11, der dem „consumer's approach" den „producer's approach" gegenüberstellt u n d unter letzterem die v ö l k e r rechtliche Perspektive der Staaten („making their l a w themselves, how could they be interested i n existing law, i f not for purely informative purposes?") i m Gegensatz zu der von gerichtsunterworfenen I n d i v i d u e n u n d Korporationen versteht („Called upon to j u s t i f y their acts according to law, they are not allowed, to invoke any other rules than those appearing i n the official s o u r ces' . . . " ) . 64 Dreier (Anm. 26), S. 9. 05 Siehe die Zitate von Rauschning u n d Luhmann (Anm. 61). ββ Angesichts der partiellen Wirkungslosigkeit völkerrechtlicher Rechtssätze (exemplarisch ist etwa das Gewaltverbot, das i n seinen wesentlichen Aspekten i m Zentrum dieser Untersuchung steht) läßt sich nicht einmal sagen, daß die Verrechtlichung einer Verhaltensregel generell eine Stützung oder Steigerung ihrer E f f e k t i v i t ä t nach sich zieht. Umgekehrt scheint es sogar nicht ausgeschlossen zu sein, daß ein Staat, der etwa aus moralischen E r w ä g u n gen, aber freiwillig, Entwicklungshilfe leistet ohne sich dadurch f ü r die Z u k u n f t rechtlich binden zu wollen, die Leistungen einstellt, w e n n die M e h r heit der Staaten diese H i l f e f ü r rechtlich geboten hält, da er die Einstellung

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e e

Quellen des Völkerrechts

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So wichtig es ist, das „lebende Völkerrecht" vor allem auch aus der Warte der Staaten zu betrachten 67 , so wenig kann jedoch einer Relativierung des Völkerrechtsquellenbegriffs zugestimmt werden, da sich hinter i h m nichts anderes verbirgt als eine mehr oder weniger weitgehende Auflösung des Rechts. Denn je nachdem, wie weit man seine Quellen, durch die es erscheint, über den Bereich verrechtlichter Verhaltensnormen ausdehnt, reichert man den Rechtsbegriff m i t faktischen Elementen wie Autorität, Erwartungen, Einwilligungen und dergleichen an 6 8 und löst i h n damit i n der Konsequenz als Sollenssatz eigener, nämlich rechtlicher, Kategorie auf 6 9 . Damit aber w i r d zugleich die „bloß soziale Verhaltensnorm" als eigenständige Alternative gegenüber der Rechtsnorm aufgegeben 70 und so den Staaten ein Instrumentarium genommen, m i t dem sie i n differenzierter Weise eine Übereinstimmung unterhalb der Vertragsschwelle ausdrücken können. Solange nun diese parallel auf anderen Ebenen sich weiterhin der „formellen" M i t t e l zur Erreichung einer rechtlichen Bindung bedienen, gebietet es aber geradezu die „staatliche Perspektive", davon auszugehen, daß die Träger der völkerrechtlichen Ordnung sehr wohl zwischen rechtlichen und nichtrechtlichen Regeln und Vereinbarungen zu unterscheiden wissen und sich dieser Differenzierungsmöglichkeit nicht haben begeben wollen 7 1 . Solange sich also das Völkerrecht nicht eindeutig und vollständig zugunsten einer Verhaltensordnung m i t bloßen sozialen Sanktionen bewehrt aufgelöst h a t 7 2 und diese Entwicklung von den Staaten auch als wirksamste Möglichkeit ansehen könnte, seiner abweichenden H a l t u n g Nachdruck zu verleihen, bzw. einer „estoppel" W i r k u n g vorzubeugen. (Siehe zu den sozialen Bedingungen der Effektivität von Völkerrechtsnormen jüngst Blenk-Knocke, Bedingungen völkerrechtlicher Normenbefolgung.) 67 Nichts anderes ist m i t der oben (Vorbemerkung) geforderten Analyse der Faktizität bei jeder völkerrechtlichen Untersuchung gemeint. 68 Typisch ist die Konsequenz der bereits oben (Anm. 12 ff.) angesprochenen „McDougal Schule". 89 Darauf, daß die Frage nach den Quellen des Rechts stets die nach dem Begriff des Rechts ist, weist zu Recht Bos (Anm. 63), S. 13, hin. 70 Zwischenstaatliche Verhaltensregeln wären dann j a per se u n d stets „Sozialnormen"! 71 Siehe auch Steiger (Anm. 9), S. 29, der die Vielfältigkeit der Handlungsformen der Außenpolitik zwischen rechtlich verbindlichen u n d unverbindlichen A k t e n m i t der K o m p l e x i t ä t der Weltinteraktion erklärt u n d somit i n direkt Tendenzen widerspricht, diese i n der einen oder anderen Weise „über einen K a m m zu scheren". So auch Delbrück, Schlußakte, S. 43, der davor warnt, nichtrechtliche Vereinbarungen durch Interpretation zu „verrechtlichen", w e i l diesen damit ihre (bewußt-bezweckt) nichtrechtliche F u n k t i o n genommen würde; ders. auch, i n : Delbrück (Hrsg.), Völkerrecht u n d Kriegsverhütung, S. 249. 72 Diese Tendenz w i r d vor allem von Luhmann, Weltgesellschaft, S. 11 ff., gesehen, i n dessen Terminologie der kognitive Erwartungsstil (im Gegensatz zum normativen, der vornehmlich auf Rechtsnormen basiert) zunehmend die

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Einl. 2. Abschn. : Potentielle Völkerrechtsrelevanz

akzeptiert worden ist, bleibt die Frage nach den Erscheinungsquellen des Völkerrechts stets die, i n welcher Weise ein völkerrechtlicher Sollenssatz i m Gegensatz zu nichtrechtlichen Verhaltensnormen erscheint. Unbenommen bleibt es dagegen, die für den Rechtsbildungsprozeß so entscheidende Faktizität i n Gestalt tatsächlichen Staatenverhaltens, außerrechtlicher Normen etc. „aufzuwerten" und sie m i t der Bezeichnung als „materielle" Quellen des Völkerrechts i n die angemessene Nähe der „formellen" Quellen zu rücken 73 , es sei denn, daß damit „mehr als eine begriffliche Transformation" verfolgt würde 7 4 . Wie auch die „soziale Basis" 7 5 des Völkerrechts genannt werden möge, ihre prinzipielle Nichtidentität m i t dem Recht hat ebenso außer Zweifel zu stehen wie ihre grundsätzliche Rechtsrelevanz, womit sie i n spezifischer Weise i m Verlauf der Untersuchung zu berücksichtigen ist.

3. Abschnitt

Methode der Untersuchung Ist der Konsensbildungsprozeß somit bislang nur als faktisches Element identifiziert, und sind Ebenen der Rechtsgestaltung zunächst nur als Potentiale erkannt, so stellt sich i m weiteren die Frage, wie die konkrete rechtsnormative K r a f t festgestellt werden kann und welcher Natur eine solche Untersuchung ist.

weltweite I n t e r a k t i o n prägt. Die sich dermaßen lernbereit, nämlich kognitiv, konsolidierende Weltgesellschaft, verzichte demnach w e i t h i n auf Normen zugunsten einer „lernenden Anpassung" u n d reduziere so eine traditionelle Sollensebene bei gleichzeitiger Strukturierung der Seinsebene. Siehe aber auch Schelsky, Die Soziologen u n d das Recht, S. 4, der das Recht als eine der wichtigsten k u l t u r e l l e n Errungenschaften f ü r schlichtweg unaufgebbar bezeichnet. 73 Hiervon w i r d i n der L i t e r a t u r zunehmend Gebrauch gemacht, wobei man unter „materielle" Quellen jene Elemente zusammenfaßt, „die i m Rechtserzeugungsverfahren auf seinen I n h a l t einwirken", während die „formellen" die äußeren Formen oder Gestalten sind, i n denen das positive Recht erscheint u n d sein bindender Charakter manifestiert w i r d (Verdross [Anm. 19], S. 11). Ä h n l i c h Arangio-Ruiz (Anm. 11), S. 471; Fitzmaurice (Anm. 53), S. 153; Friedmann, General Principles, S. 279; Jaenicke (Anm. 53), S. 766 f.; Tomuschat (Anm. 47), S. 480. Vgl. auch jene Verfasser v o n V ö l k e r rechtslehrbüchern, die Beschlüsse von Internationalen Organisationen gleichrangig neben Vertrag, Gewohnheit usw. i m K a p i t e l „Quellen des V ö l k e r rechts" behandeln. So etwa Starke, International L a w , S. 59 ff. 74 Siehe aber auch Brownlie, Principles of Public International L a w , S. 1 f. 75 Dieser Begriff w i r d hier dem der „materiellen" Völkerrechtsquelle v o r gezogen, u m kein Mißverständnis aufkommen zu lassen.

Α. Begriff der völkerrechtlichen Auslegung

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A. Begriff der völkerrechtlichen Auslegung U m m i t dem letzteren zu beginnen, so setzt das Befragen eines sozialen Sachverhaltes i m Hinblick auf rechtsgestaltende Wirkungen sein Verstehen voraus, was wiederum nur i m Wege der Auslegung erreicht werden kann 1 . M i t dieser (zwingenden) 2 philosophisch-hermeneutischen Klassifizierung der Aufgabe ist allerdings noch nicht beantwortet, ob es sich auch u m ein Auslegungsverfahren i m rechtswissenschaftlichen Sinn handelt, das, so ließe sich argumentieren, nur der „Verständlichmachung" von Rechtsnormen gilt, da nur diese „Sache der Rechtswissenschaft" 3 sind 4 . Jedoch legt eine solche Beschränkung auf die Rechtsnorm nur das Ziel, nicht aber den Gegenstand rechtswissenschaftlicher Auslegung fest 6 . Aufgabe einer rechtswissenschaftlichen Auslegung ist zwar die „Feststellung des Gehalts der Rechtsvorschriften" 6 . Damit ist aber geradezu impliziert, daß i n den Bereich dieser Interpretation alles zu ziehen ist, was i m weitesten Sinne eben diesen Gehalt gestaltet 7 . Ist der „sozialen Basis" nach dem oben Gesagten zusätzlich noch eine derart starke und originäre normbildende K r a f t zuzugestehen, wie dies i m Völkerrecht der Fall ist, so kann der Begriff der völkerrechtlichen Auslegung nur einheitlich definiert werden als „mission . . . de fixer la signification juridique de tout comportement quelconque des Etats dans leurs relations mutuelles" 8 . 1 Nach der allgemeinen philosophischen Hermeneutik muß „jede Situation, jedes Ereignis, damit es erlebt oder mitgeteilt werden kann, ausgelegt, d. h. verständlich gemacht werden", Jorgensen, Hermeneutik u n d Auslegung, S. 63. (Siehe zu den Begriffen Auslegung u n d Verstehen auch Betti, A l l g e meine Auslegungslehre, S. 138 ff.) 2 Betti (Anm. 1), S. 42 ff. 3 Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r u n d Normativität, S. 18. 4 Siehe zu diesen Grundfragen u n d besonders zum Streit u m einen engen oder weiten Auslegungsbegriff i m Recht Krawietz, Juristische Entscheidung u n d wissenschaftliche Erkenntnis, S. 42 ff., 54. 5 E i n enges Auslegungsziei (Inhalt einer Rechtsnorm i m Unterschied zum „weiteren" Ziel etwa der Vorhersehbarkeit staatlichen Verhaltens) setzt nicht logisch ein enges Auslegungsobjekt voraus. Siehe zu den Begriffen Ziel u n d Objekt der Auslegung Hinderling, Rechtsnorm u n d Verstehen, S. 104 ff. sowie Krawietz (Anm. 4). 6 Bernhardt, Auslegung, S. 1. 7 Auch unter einem „engen" Auslegungsbegriff k o m m t man zur Relevanz nicht-rechtlicher Erscheinungen, indem man sie etwa als „ M i t t e l zur Feststellung des Partei willens" (Bernhardt [Anm. 6], S. 109 ff.) heranzieht oder sie unter dem Aspekt der Völkergewohnheitsrechtsentstehung würdigt. 8 De Visscher, Problèmes d'interprétation judiciaire, S. 9. Ä h n l i c h Voïcu , L'interprétation authentique, S. 11 f.: „L'interprétation est une opération q u i peut se réaliser à propos de tout phénomène. Son sens premier est d'expliquer, de donner ou de proposer une signification déterminée aux faits, phénomènes, gestes et paroles et d'en désigner le résultat." (Siehe aber auch

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Einl. 3. Abschn. : Methode der Untersuchung Β . Methode der Auslegung

A u f das U n t e r s u c h u n g s o b j e k t bezogen, b e i n h a l t e t e i n so v e r s t a n d e n e r e i n h e i t l i c h e r u n d w e i t e r A u s l e g u n g s b e g r i f f also, a l l e D e b a t t e n , S t i m m e r k l ä r u n g e n , R e s o l u t i o n s e n t w ü r f e etc. — u n d n i c h t z u l e t z t d i e D e f i n i t i o n selbst — a u f i h r e n „ E r k l ä r u n g s g e h a l t " h i n z u untersuchen, d. h. v e r s t ä n d l i c h z u m a c h e n 9 . Diese A u f g a b e i s t nach d e m oben Gesagten vorrangig 10. F ü r die A u s l e g u n g s m e t h o d e , d i e j a n i e i n d e n K a t e g o r i e n e i n e r „ a n sich r i c h t i g e n oder f a l s c h e n " 1 1 d i s k u t i e r t w e r d e n k a n n 1 2 , f o l g t h i e r a u s n u n , daß b e i d e r U n t e r s u c h u n g d e r „ s o z i a l e n B a s i s " p r i m ä r d i e „ s u b j e k t i v - h i s t o r i s c h e " I n t e r p r e t a t i o n s w e i s e das V o r g e h e n l e i t e n m u ß , d a z u nächst Willensakte souveräner Staaten u n d n i c h t N o r m e n m i t e i n e m a u t o n o m e n Eigenleben i m V o r d e r g r u n d s t e h e n 1 3 . A n d e r e r s e i t s s i n d der „ B a s i s " E l e m e n t e d e r V e r s e l b s t ä n d i g u n g aber auch n i c h t u n b e k a n n t , d a j a schließlich e i n k o l l e k t i v e r W i l l e n s a k t i n G e s t a l t eines D e f i n i t i o n s t e x t e s a m E n d e des K o n s e n s b i l d u n g s v o r g a n g e s steht, d e r n a c h d e m W i l l e n seiner Schöpfer als „ R i c h t l i n i e " 1 4 d i e n e n s o l l u n d d a m i t geschaffen ist, e i n Eigenleben z u e n t f a l t e n .

die K r i t i k Bernhardts [Anm. 6], S. 2, der bezweifelt, ob i n einer derartigen „Gesamtschau die Auslegung von Verträgen u n d von anderen Regeln u n d Quellen des Völkerrechts" erfaßt werden können.) 9 J. P. Müller, Vertrauensschutz, S. 36: „ A l l diesen A k t e n k o m m t — wenn sie i n einem rechtlich relevanten Bereich des zwischenstaatlichen Verkehrs vorfallen — ein bestimmter Erklärungsgehalt zu, der f ü r die völkerrechtliche W i r k u n g bestimmend ist. Die relevanten A k t e bedürfen i n jedem F a l l der Interpretation." 10 Siehe Vorbemerkung, erste Seite. 11 Da Auslegung Sinnermittlung ist (Hinderling [Anm. 5], S. 149), bemißt sich die jeweilige Methode allein danach, nach welchem Sinn gefragt ist, etwa dem objektiven, w i e er aus W o r t l a u t u n d Systematik eines Textes entnommen werden k a n n oder dem subjektiven, w i e er den Schöpfern desselben vorgeschwebt hat u n d nicht unbedingt o b j e k t i v i m T e x t zum Ausdruck gekommen ist. Wenn bei beiden Fragestellungen verschiedene Methoden verw a n d t werden (Textexegese auf der einen, Studie der „Materialien" auf der anderen Seite), dann allein deshalb, w e i l die Zwecke der Auslegung v a riieren. (Siehe auch Hinderling, S. 150: „Der Zweck ist der Maßstab der Richtigkeit einer Auslegung.") 12 Die Möglichkeit, derzeit eine einheitliche Interpretationsmethode des Völkerrechts entwickeln zu können, w i r d von Krawietz (Anm. 4), S. 63 ff., prinzipiell verneint. 13 Siehe zur Terminologie u n d Begründung Hinderling (Anm. 5), S. 110 f., wonach diese Methode (im nationalen Recht) nicht nach dem „ W i l l e n des Gesetzes", sondern nach dem „ W i l l e n des Gesetzgebers" fragt u n d folglich ein autonomes Eigenleben eines Gesetzestextes nicht akzeptiert, w e i l ein „autonomes Eigenleben eines subjektiven Willens" nicht denkbar ist. 14 Siehe op. para. 4 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) v o m 14.12.1974, wonach die Definition dem Sicherheitsrat als „guidance" bei der Feststellung von Aggressionsakten dienen soll.

Β . Methode der Auslegung

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Damit stellt sich dieser Teil der Konsensbildung auch einem „objektiv-aktualen" 1 5 Auslegungsverfahren, das nach dem textualen Sinngehalt des Wortlauts fragt, auch ohne daß damit schon die „Rechtsquellenfrage" mitbeantwortet werden müßte 1 6 . Dieser ist vielmehr anhand des Ergebnisses der „gemischt objektiv-historischen" 1 7 Auslegung des Konsensbildungsprozesses nachzugehen und stellt praktisch dessen „Bilanzierung unter rechtsnormativem Fragezeichen" dar 1 8 , wobei wegen des starken Vorrangs des Staatenwillens i m Völkerrecht 1 9 der „subjektiven" Interpretation allerdings das größere Gewicht zukommt 2 0 . C. Arbeitsschritte der Untersuchung Für die Wahl der Arbeitsschritte, i n denen diesen unterschiedlichen Fragen nachgegangen werden soll, folgt daraus zwingend nur, daß jene nach der Rechtsnormativität der Aggressionsdefinition erst als letzte beantwortet werden kann. I n welchen Phasen das faktische Material subjektiv und objektiv auszulegen ist, kann dagegen nur pragmatisch entschieden werden, da es j a allein um die „Beleuchtung des Untersuchungsobjektes von verschiedenen Seiten" geht und nicht darum, logisch vorrangige Fragen vor solchen zu behandeln, die nachrangig sind. I m Interesse eines „natürlichen" Verstehensvorgangs scheint es am sinnvollsten, zunächst den Rahme η aufzuzeigen, i n dem der Verhandlungsvorgang zu sehen ist (historische Entwicklung, politisch-ideologisches Kräftefeld) 2 1 , u m sodann der internen Willensbildungsmethode 15 Begriff nach Hinderling (Anm. 5), S. 108 ff. Die „ o b j e k t i v - a k t u a l e " A u s legung orientiert sich an dem A x i o m , jeder Text, sobald er einmal niedergeschrieben ist, löse sich von seinem A u t o r u n d entfalte zunehmend ein Eigenleben, so daß diese Auslegungsmethode bei der Interpretation von T e x ten jeder A r t stets geboten ist. Siehe hierzu m i t vertiefenden Nachweisen Hinderling, S. 74, 108 ff., der die Erforderlichkeit dieser Methode auch aus dem „ T r e u u n d Glauben" Prinzip ableitet (S. 108), d. h. die Verpflichtung, zu dem zu stehen, was m a n niedergeschrieben hat. 16 Das Eigenleben des Textes muß j a nicht ein „rechtliches" sein. Auch bloß soziale Verhaltensnormen sind von N a t u r aus autonom. 17 H i e r m i t ist nicht die „objektiv-historische" Auslegung i n der Terminologie Hinderlings (Anm. 5), S. 109, gemeint, die die Sinnerfassung eines T e x tes (Gesetz) unter besonderer Berücksichtigung auch der Entstehungsgeschichte zum Ziel hat, sondern eine „ k u m u l a t i v objektiv u n d historisch" v o r gehende Analyse des Konsensbildungsprozesses, die nicht allein der Erfassung des Definitionstextes gilt. 18 Es ist also der durch Auslegung „verstandene" Konsensbildungsprozeß darauf h i n zu überprüfen, ob er mittelbar oder unmittelbar die oben i m 2. Abschnitt als Potentiale aufgeführten Rechtswirkungen ausgelöst oder dazu beigetragen hat. 19 Siehe oben, 1. Abschnitt, letzter Gliederungspunkt. 20 Bleckmann, Strukturanalyse, S. 154. 21 Erster Teil, 1. u n d 2. Abschnitt.

4 Bruha

Einl. 3. Abschn. : Methode der Untersuchung

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(„Konsensusverfahren") Aufmerksamkeit zu schenken 22 , ohne deren Kenntnis die Qualität des Konsenses nicht verständlich ist. Gehört letzter Teil schon zur „Auslegung i m engeren Sinne" 2 3 , so w i r d diese fortgesetzt durch eine Untersuchung sprachlicher Ausdrucks formen der Generalversammlung 24, da hiermit Maßstäbe entwickelt werden, ohne die ein Erklärungsgehalt von Worten nicht festgestellt werden könnte. Die sich hieran anschließende objektive Interpretation des Definitionstextes 25 setzt voraus, daß dieser als auffälligster Teil des Konsensbildungsprozesses das primäre Interesse auf sich zieht und versucht i m übrigen, eine erste, widerlegbare Klassifizierung des Vorhabens zu erbringen. Sie steht nämlich unter dem Vorbehalt, daß die folgende subjektiv-historische Auslegung des Konsensbildungsprozesses 2e, die i m Prinzip i m Wege der Rekonstruktion der dialektischen Konsensbildung erfolgt 2 7 , nicht Gegenteiliges erbringt. A m Ende schließlich steht die normative Bewertung 28 des Prozesses und ein Überblick über die bisherige Anwendung und Nutzung der Definition 29.

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Erster Teil, 3. Abschnitt. Gemeint ist die Feststellung des Erklärungsgehaltes des Konsensbildungsprozesses anhand von Daten, die dieser selbst liefert, mag dieser auch n u r unter vergleichender Heranziehung paralleler Erscheinungen verständlich sein. 24 Zweiter Teil, 1. Abschnitt. 25 Zweiter Teil, 2. Abschnitt. 20 Zweiter Teil, 3. Abschnitt. 27 Die bei der Untersuchung des Willensbildungsprozesses erkannten K o n sensbildungsphasen (Einleitungs-, Kompromißbildungs- u n d Annahmephase) werden der Rekonstruktion zugrunde gelegt. Sie w i r d jedoch n u r punktuell, ohne Bindung an die Definitionssystematik betrieben, u m Zusammenhänge deutlich zu machen. Sie stellt daher keine Chronologie der Verhandlungen dar. 28 D r i t t e r Teil, 1. u n d 2. Abschnitt. 29 D r i t t e r Teil, 3. Abschnitt (incl. Schlußwort). 23

ERSTER T E I L

Historische, politische u n d prozedurale Aspekte des Konsensbildungsprozesses 1. Abschnitt

Vorläufer des Konsensbildungsprozesses Die Geschichte der Bemühungen u m eine Definition der Aggression ist Bestandteil der historischen Entwicklung, das prinzipielle Recht des freien Krieges der souveränen Staaten völkerrechtlich zu beschränken 1 . Obwohl Gegenstand vieler historischer Verträge 2 , existierte bis zur Schaffung des Völkerbundes kein Bedürfnis nach einer Definition des Aggressionsbegriffs, da die Absicht der souveränen Vertragspartner offenkundig war, i n eigener Entscheidungsgewalt über das Vorliegen oder Nichtvorliegen des casus foederi „Aggressionsakt" befinden zu wollen 3 . Diese Situation änderte sich grundlegend m i t der Schaffung des Völkerbundes, der seiner Bestimmung nach die Urteilsfreiheit der Staaten i n eigener Sache durch ein kollektives Sicherheitssystem zur Verhinderung von Aggressionsakten ersetzen sollte 4 . A. Die Völkerbundsära Zur Diskussion stand eine Definition vor allem i m Zusammenhang m i t der Ausarbeitung des Vertrages über gegenseitige Hilfe vom 28. September 19235 und des Vertrages über die friedliche Lösung von 1 Wittig, Aggressionsbegriff, S. 33. Siehe zur historischen „ b e l l u m j u s t u m " Lehre Johnson, Ideology, Reason and the L i m i t a t i o n of W a r ; zur Entwicklung i m 20. Jahrhundert Räber, Recht zum Krieg. 2 Der Aggressionsbegriff tauchte etwa i m Geheimvertrag über die Verteidigungsallianz, geschlossen auf dem Wiener Kongreß 1815 zwischen Österreich, England u n d Frankreich auf, vgl. Broms, Definition of Aggression I, S. 9 f., dort auch weitere Nachweise. 8 Broms (Anm. 2), S. 10. 4 Broms (Anm. 2), S. 11 m i t einer Übersicht über die einschlägigen A r t i k e l des Völkerbundsvertrages. 5 Broms (Anm. 2), S. 12; Ferencz I, S. 10 ff.; Stone, Aggression and W o r l d Order, S. 29 f., Thomas / Thomas jr., Concept of Aggression, S. 17; Report by the Secretary-General , Doc. A/2211, S. 24 ff. (Der Bericht ist seitengetreu wiedergegeben bei Ferencz I I , S. 112 - 176.)

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I. 1. Abschn.: Vorläufer des Konsensbildungsprozesses

i n t e r n a t i o n a l e n S t r e i t i g k e i t e n v o m 2. O k t o b e r 1924 (Genfer P r o t o k o l l ) 6 . Es k a m j e d o c h w e g e n d e r ü b e r w i e g e n d v o r h a n d e n e n Z w e i f e l ü b e r die Möglichkeit einer befriedigenden D e f i n i t i o n 7 nicht einmal zu einem s u b s t a n t i e l l e n D e f i n i t i o n s e n t w u r f 8 d e r m i t der F r a g e b e f a ß t e n Organe. E b e n s o w e n i g b r a c h t e n d e r L o c a r n o - V e r t r a g v o m 16. O k t o b e r 1925 ( T r e a t y of M u t u a l G u a r a n t e e ) 9 F o r t s c h r i t t e , n o c h d e r als „ B r i a n d K e l l o g g - P a k t " b e k a n n t e P a r i s e r V e r t r a g ü b e r d i e Ä c h t u n g des K r i e g e s v o m 27. A u g u s t 1928 1 0 , u m n u r d i e b e k a n n t e s t e n E t a p p e n 1 1 z u n e n n e n . B l i e b es h i e r n a c h e i n i g e Z e i t r u h i g , so k a m das P r o b l e m 1933 a u f d e r A b r ü s t u n g s k o n f e r e n z des V ö l k e r b u n d e s w i e d e r z u r Sprache 1 2 . Diese endete z w a r 1934 ohne w i r k l i c h e E r g e b n i s s e 1 3 , b r a c h t e j e d o c h i n F o r m d e r russischen „ L i t v i n o v - D e f i n i t i o n " 1 4 d e n ersten d e z i d i e r t e n D e f i n i t i o n s e n t w u r f 1 5 h e r v o r , d e r a m 3. J u l i 1933 I n h a l t d e r „ L o n d o n C o n v e n t i o n f o r t h e D e f i n i t i o n of A g g r e s s i o n " z w i s c h e n d e r S o w j e t u n i o n u n d 7 N a c h b a r s t a a t e n 1 6 , später m i t d r e i w e i t e r e n S t a a t e n 1 7 , w u r d e . D i e s e m 6 Broms (Anm. 2), S. 13 ff.; Ferencz I, S. 14 ff.; Stone (Anm. 5), S. 30; Report by the Secretary-General (Anm. 5), S. 27. 7 Schaumann, Aggressionsbegriff, S. 33. 8 Der „Commentary on the Definition of a Case of Aggression" des „Special Committee of the Temporary M i x e d Commission" anläßlich der Ausarbeitung des Vertrages über gegenseitige H i l f e enthielt sich eines eigenen Vorschlags u n d nannte n u r einige Faktoren, die der Rat des V ö l k e r bundes berücksichtige!} könnte ( „ I t w o u l d be theoretically desirable to set down i n w r i t i n g . . . an exact definition . . . ; i t appears, however, to be e x ceedingly difficult to d r a w up any such definition"), Ferencz I, S. 81. Ebenso stellte der E n t w u r f des „Genfer Protokolls", das i n A r t . 10 bestimmte: „Every State which resorts to w a r i n violation of the undertakings contained i n the Covenant or i n the present Protocol is an aggressor" als ausschließlich p o l i tischer Formelkompromiß keine Begriffskonkretisierung dar, Ferencz I , S. 15 f., 134. 9 Zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien u n d Italien. Dazu Broms (Anm. 2), S. 14 ff.; Ferencz I, S. 18 ff.; Stone (Anm. 5), S. 30ff.; Thomas / Thomas jr. (Anm. 5), S. 17 f.; Report by the Secretary-General (Anm. 5), S. 28. 10 Dazu Broms (Anm. 2), S. 16 ff.; Ferencz I, S. 24 f.; Stone (Anm. 5), S. 31 ff.; Thomas / Thomas jr. (Anm. 5), S. 18 f.; Report by the SecretaryGeneral (Anm. 5), S. 31 ff. 11 Weitere Einzelheiten bei den oben genannten Autoren u n d i m Bericht des Generalsekretärs. 12 Broms (Anm. 2), S. 18 ff.; Ferencz I, S. 17 ff.; Stone (Anm. 5), S. 34 ff.; Thomas / Thomas jr. (Anm. 5), S. 19 f.; Report by the Secretary-General (Anm. 5), S. 33 ff. 13 Broms, Definition of Aggression I I , S. 309. 14 Benannt nach dem sowjetischen Delegierten, Außenminister Litvinov, der diesen E n t w u r f am 6. Februar 1933 vorlegte. 15 T e x t bei Ferencz I, S. 202 f., u n d Report by the Secretary -General (Anm. 5), S. 34 f. 16 M i t Afghanistan, Estland, Lettland, Persien, Polen, Rumänien u n d der T ü r k e i (Finnland t r a t später bei), T e x t bei Ferencz I, S. 255 - 259. 17 M i t Jugoslawien, Rumänien, der Tschechoslowakei u n d der T ü r k e i am

Α. Die Völkerbundsära

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Vorbild folgten unter anderem Griechenland, Jugoslawien und die Türkei i m „Athener-Pakt" vom 9. Februar 193418 und Afghanistan, Persien, die Türkei und der Irak i m „Nichtangriffspakt von Teheran" am 8. J u l i 193719. Über ihre Bedeutung als erste Definition, die Bestandteil multilateraler Verträge wurde, hinaus ist die „Litvinov-Definition", obwohl auf der Abrüstungskonferenz nicht angenommen, von großer Bedeutung geblieben: Sie war fortan Basis 20 aller folgenden sowjetischen Vorstöße zur Erreichimg einer universalen Definition und zeigt eine erhebliche Verwandtschaft m i t der am 14. Dezember 1974 angenommenen Definition, was ein Licht auf die besondere Rolle der Sowjetunion bei den Definitionsbemühungen w i r f t . B. Diskussionen anläßlich des Entwurfs der Charta Die Frage, ob der Aggressionsbegriff als Satzungskonzept durch eine Definition zu konkretisieren sei, stand auch auf der Tagesordnung der „Konferenz von San Franzisko", als die Philippinen 2 1 und Bolivien 2 2 unterschiedliche, dennoch von der „London Convention" beeinflußte 23 Definitionsentwürfe vorlegten. Beide Vorschläge fanden jedoch — wie der Bericht von Paul Boncour 24 ausweist — wegen der grundsätzlichen Zweifel über Möglichkeit und Nutzen einer Definition keine Mehrheit 2 5 , so daß der Aggressionsbegriff der Charta (Art. 1 Ziffer 1, A r t . 39, Art. 51 Satz 1, der i m englischen Text zwar nur von „armed attack", i m französischen dagegen von „agression armée" spricht, und Art. 5 3 26 ) nicht näher konkretisiert wurde. C. Diskussionen im Rahmen der Vereinten Nationen 1950 lag das Definitionsproblem dagegen bereits wieder auf dem Tisch der neu geschaffenen Weltorganisation, womit deutlich wurde, 4. J u l i 1933, Text bei Ferencz I , S. 260-263; m i t Litauen am 5. J u l i 1933, Text ebd., S. 264 - 266. 18 Wittig (Anm. 1), S. 34 f. 18 Wittig (Anm. 1), S. 34 f., T e x t bei Ferencz I, S. 267 - 269. 20 Broms (Anm. 2), S. 21. 21 UNCIO, doc. vol. 3, S. 538 (siehe Ferencz I, S. 326). 22 UNCIO, doc. vol. 3, S. 585 (siehe Ferencz I , S. 319). 23 Broms (Anm. 2), S. 31 f.; Stone (Anm. 5), S. 41; Thomas / Thomas jr. (Anm. 5), S. 21. 24 Berichterstatter des 3. Ausschusses der 3. Kommission, UNCIO, doc. vol. 12, S. 505 (siehe Ferencz I , S. 352). 25 Broms (Anm. 2), S. 32; Ferencz I , S. 39; Stone (Anm. 5), S. 41; Thomas / Thomas jr. (Anm. 5), S. 21. 26 „Aggressive policy".

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L I . Abschn.: Vorläufer des Konsensbildungsprozesses

daß die Befürworter einer Definition i n San Franzisko keineswegs ihr Ziel aufgegeben hatten, sondern vielmehr die ohnehin überlastete „Kurzkonferenz" von etwa 2 Monaten nicht durch einen derart kontroversen Punkt aufhalten oder gar gefährden wollten 2 7 . Bis zur endgültigen Einigung am 14. Dezember 1974 war das Problem ständig gegenwärtig und wurde in drei Phasen zunächst vom 1. Ausschuß, der I L C und des 6. (Rechts-)ausschusses, seit 1953 von insgesamt 4 Sonderausschüssen, behandelt 28 . Trotz eingehender, sehr detaillierter Diskussionen, waren jedoch alle Etappen von grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten überschattet 29 , die zu überwinden erst dem letzten Sonderausschuß — und auch diesem erst sehr spät — gelang. Bis dahin waren die Fronten klar und starr: Den Befürwortern einer Definition, den kommunistischen Staaten und den Ländern der Dritten Welt stand die Gruppe der westlichen Industriestaaten gegenüber, die m i t den USA und Großbritannien die entschiedensten Gegner aufwies 3 0 . Beide Seiten zeigten i n der Frage der prinzipiellen Wünschbarkeit einer Definition nicht die geringste Kompromißbereitschaft. Dasselbe t r i f f t für die — insbesondere i n der zweiten Phase von den Entwicklungsländern geforderte — Erweiterung des Aggressionsbegriffs auf Formen ökonomischer und ideologischer Zwänge zu, während andererseits die Westmächte m i t ihrem Anspruch auf Einbeziehung indirekter, vor allem subversiver Akte i n eine (ungeliebte) Definition bei den jungen Staaten auf taube Ohren stießen 31 . Allgemein läßt sich die ergebnislose Phase der ersten zwanzig Jahre i n den Vereinten Nationen als betont konfrontativ i n Sachen Aggressionsdefinition charakterisieren. Positionen, die von den politischen, 27

Broms (Anm. 2), S. 33. Die erste Phase umfaßt den Zeitraum von 1950 - 1956, i n der der 1. Ausschuß, die I L C sowie der Rechts- u n d zwei Sonderausschüsse ohne positives Ergebnis verhandelten. Die zweite Phase von 1957 - 1967 verlief noch deprimierender, als ein neu eingesetzter Sonderausschuß während 4 Sitzungsperioden tagte ohne je einen positiven Beschluß gefaßt zu haben. Die letzte Phase setzte am 22. September 1967 m i t dem A n t r a g der Sowjetunion ein, das Problem der Definition der Aggression erneut auf die Tagesordnung der 22. Sitzungsperiode der Generalversammlung zu setzen. Einen guten Überblick über die beiden ersten Phasen i n den Vereinten Nationen bietet das Memorandum des Generalsekretärs v o m 24. März 1968 „Survey of Previous United Nations A c t i o n on the Question of Defining Aggression", A / A C . 134/1 and Add. 1. 29 Z u den einzelnen Phasen siehe: 1950- 1956: Broms (Anm. 2), S. 3 3 - 78; Ferencz I I , S. 1 - 6 , 77-247; Stone (Anm. 5), S. 4 6 - 7 6 ; Thomas / Thomas jr. (Anm. 5), S. 28 - 35. 1957 - 1967: Broms, S. 75 - 89; Ferencz I I , S. 6 - 9, 248 - 271; Thomas / Thomas jr., S. 35 f. 30 Broms (Anm. 2), S. 75; Cassin / Debevoise / Kailes / Thompson, Definition of Aggression, S. 591, A n m . 14 u n d 15. 31 Cassin / Debevoise / Kailes l Thompson (Anm. 30), S. 591. 28

C. Diskussionen i m Rahmen der Vereinten Nationen

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ökonomischen und ideologischen Interessen und Bedingungen der Einzelstaaten diktiert wurden, standen ernsthaft nicht zur Diskussion, da ein guter Wille i n Form gegenseitiger Kompromißbereitschaft nicht zu entdecken war 8 2 .

2. Abschnitt

Die strukturelle Veränderung der Weltgesellschaft als Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Definitionsbemühungen A. Struktur- und Aufgabenwandel der Vereinten Nationen Diese „Alles-oder-Nichts-Haltung" der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen war solange nicht zu überwinden, als die mangelnde Verhandlungsbereitschaft nur Reflex des allgemein-politisch frostigen K l i mas des „Kalten Krieges" war, unter dessen Ägide die Vereinten Nationen bis Mitte der fünfziger Jahre standen 1 . M i t seinem Abbau, dessen vielgestaltige Ursachen hier nicht näher dargestellt zu werden brauchen2, änderte sich jedoch auch die Einstellung zur Konfliktbereinigung i n und außerhalb der Vereinten Nationen 3 , allerdings nicht sofort, sondern mittelbar über die Erweiterung der Staatengemeinschaft, die der Weltgesellschaft eine andere Struktur, andere Prioritäten und andere Konfliktlösungsmechanismen bescherte.

82

Siehe auch Röling, Definition der Aggression, S. 392. Siehe zum damaligen Stand der sowjetisch-amerikanischen Beziehungen und ihrer Auswirkungen auf die Vereinten Nationen Goodrich, U n i t e d Nations, S. 45 ff., 258; Hüfner / Naumann, System der Vereinten Nationen, S. 40 ff., u n d generell Stoessinger, The U n i t e d Nations and the Superpowers. 2 Sie reichen von „personellen Veränderungen" („Kurswechsel" nach dem Tode Stalins i m Jahre 1953 durch Chruschtschows D o k t r i n der „Friedlichen Koexistenz", formuliert auf dem X X . Parteitag der KPdSU, 1956, siehe Goodrich [Anm. 1], S. 78) über das strategische „Gleichgewicht des Schreckens", verbunden m i t der relativen Einsatzmöglichkeit atomarer „ o v e r k i l l - K a p a zitäten" (Hüfner / Naumann [Anm. 1], S. 79 f.) bis zu dem ständig wichtiger werdenden ökonomischen Wandel, der durch die sinkenden Anteile der U S A u n d der UdSSR a m Weltbruttosozialprodukt u n d i h r wachsendes Werben u m Wirtschaftspartner gekennzeichnet ist, Hüfner / Naumann, S. 104 ff. 8 Das Verhalten der Weltorganisation ist als Handlungseinheit des globalen internationalen Gesamtsystems notwendigerweise weitgehend von dessen Normen geprägt, steuert dieses allerdings auch m i t („Rückkoppelungsprozeß"). Siehe Pawelka, Strategische Probleme, S. 161 u n d Scheuner, A u f gaben- u n d Strukturwandlungen, S. 189, beide m i t weiteren Nachweisen. Ferner von Wechmar, Die Vereinten Nationen am Scheideweg, S. 8. 1

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I. 2. Abschn. : Strukturwandel und Definitionsbemühungen I . Die „Neue Mehrheit"

Auffälligstes Zeichen des allgemein-politischen Klimawechsels war die Neuaufnahme von 16 neuen Mitgliedsstaaten i n die Organisation i m Jahre 1955, m i t der mehr als nur einer dekolonialen Entwicklung 4 Rechnung getragen wurde 5 . Denn von 28 Mitgliedschaftsanträgen waren aufgrund des Großmachtvetos 6 von 1946 bis 1955 nur neun von Erfolg beschieden7, weil politische und nicht rechtliche Erwägungen die Entscheidung bestimmt hatten 8 , so daß der „En-bloc"-Aufnahme des Jahres 1955 politische Signal Wirkung zukam. Von nun an nämlich erlebten die Vereinten Nationen eine wahre „Mitgliedschaftsexplosion". Wuchs die Organisation i m Jahre 1955 von 60 auf 76 Mitgliedsstaaten, so führte der Zerfall des französischen Kolonialsystems i m Jahr 1960 zu einem Sprung von 82 auf 999, von dort an bis zur Annahme der Aggressionsdefinition auf 138 10 . I n der Folge dieser Entwicklung waren die Vereinten Nationen schon 1960 nicht mehr die ausschließliche Organisation der Siegermächte, als die sie, wie einst der Völkerbund, konzipiert worden waren 1 1 . Und zu Beginn der 27. Sitzungsperiode der Generalversammlung i m Jahre 1972 war auch die bis dahin noch vorhandene Sperrminorität der einst dominierenden Industriestaaten geschmolzen. Denn von nun an besaßen die zumeist jungen Staaten der „Dritten Welt" eine sichere Zweidrittel-Mehrheit. Damit konnten und können sie nicht nur jede gewünschte Resolution i n der Generalversammlung durchsetzen 12 , sondern sie haben auch — was vielfach übersehen w i r d — aufgrund der gewohnheitsrechtlich paritätischen Be4

Scheuner (Anm. 3), S. 192 ff. Albanien, Bulgarien, Ceylon, Finnland, Irland, Italien, Jordanien, K a m bodscha, Laos, Libyen, Nepal, Österreich, Portugal, Rumänien, Spanien u n d Ungarn. Siehe zu den politischen Gründen der „überfälligen" Aufnahme: Goodrich / Hambro / Simons, Charter of the United Nations, S. 93 ff. 6 A r t . 4 Ziffer 2, 27 Ziffer 3 SVN. 7 Goodrich (Anm. 1), S. 45. 8 Goodrich (Anm. 1), S. 46; Hüfner / Naumann (Anm. 1), S. 51 f. Siehe dagegen das Gutachten des I G H i n I C J Reports 1948, S. 57 ff. („Admission of a State to the United Nations"), der die Ansicht vertrat, daß bei der Prüfung der Mitgliedschaftsanträge nach A r t . 4 Ziffer 1 S V N rechtliche u n d nicht politische Erwägungen anzustellen seien. 9 Siehe auch die tabellarische Übersicht bei Hüf ner ! Naumann (Anm. 1), S. 185 f., u n d die regelmäßige Wiedergabe der Mitgliedschaftsdaten i m ersten Jahrgangsheft der Zeitschrift „Vereinte Nationen", zuletzt V N 28 (1980), S. 34 ff. 10 Gegenwärtig ( A p r i l 1980) haben die Vereinten Nationen 152 Mitglieder. 11 Scheuner (Anm. 3), S. 188 f. 12 Die Generalversammlung entscheidet nach dem Prinzip der Stimmengleichheit, wobei gemäß A r t . 18 Ziffer 2 S V N f ü r wichtige Fragen eine Z w e i drittel-Mehrheit der anwesenden u n d abstimmenden Mitglieder erforderlich ist. 5

Α. S t r u k t u r - u n d Aufgabenwandel der Vereinten Nationen

57

n e n n u n g d e r z e h n n i c h t s t ä n d i g e n M i t g l i e d e r des S i c h e r h e i t s r a t e s 1 3 d o r t i h r e r s e i t s eine Sperrminorität

14

,

so daß gegen i h r e n W i l l e n auch i m

S i c h e r h e i t s r a t k e i n n i c h t v e r f a h r e n s r e c h t l i c h e r Beschluß m e h r d u r c h g e setzt w e r d e n k a n n 1 5 . Π . Sachliche Interessen der „Neuen Mehrheit" W a r e n d i e V e r e i n t e n N a t i o n e n seit A n f a n g d e r siebziger J a h r e s o m i t „ w e i t g e h e n d i n d e r H a n d d e r D r i t t e n W e l t " 1 6 , so b e s t i m m t e n v o n n u n a n d e r e n spezifische I n t e r e s s e n 1 7 i m w e i t e n M a ß e d i e T ä t i g k e i t d e r Organisation18. Diese s i n d n e b e n d e m ö k o n o m i s c h e n Z i e l d e r E r r i c h t u n g e i n e r „ n e u e n W e l t w i r t s c h a f t s o r d n u n g " 1 9 v o r allem i n einer kompromißlosen U n t e r stützung aller Selbstbestimmungs- u n d Dekolonisationsbestrebungen z u sehen 2 0 , d i e sich i n d e n l e t z t e n J a h r e n z u e i n e m g e n e r e l l e n Rechtsanspruch a u f a n g e b l i c h l e g i t i m e g e w a l t s a m e B e s e i t i g u n g eines als u n gerecht e m p f u n d e n e n status quo v e r d i c h t e t u n d e r w e i t e r t h a t . E i n e P o l i t i k also, die u n t e r E r s e t z u n g d e r u r s p r ü n g l i c h e n C h a r t a k o n z e p t i o n des F r i e d e n s als „ A b w e s e n h e i t v o m K r i e g " d u r c h e i n e n w e i t e n , materielle Gerechtigkeit fordernden Friedensbegriff 21 zu einer neuen A u f 13 A r t . 23 Ziffer 1, S. 3 S V N u n d G A Res. 1991 A ( X V I I I ) , 17.12.1963, w o nach 5 Sitze an afro-asiatische, 2 an lateinamerikanische u n d 3 weitere an europäische Staaten fallen sollen. Siehe zum Benennungsverfahren auch Lindemann, Organisationsstruktur, S. 231 ff., u n d Virally, L'Organisation mondiale, S. 96 f. 14 A r t . 27 Ziffer 2 u n d 3 SVN. Danach bedürfen Beschlüsse des Sicherheitsrates der Mehrheit von 9 Stimmen, die die ständigen Mitglieder des Rates trotz ihres „Veto-Rechts" (Art. 27 Ziffer 3 SVN) nicht ersetzen können. Siehe zum Selbstverständnis der Sicherheitsratsarbeit der Länder der „ D r i t t e n W e l t " : Davidson, Gruppe der blockfreien Länder. 15 Eine weitgehende Rückenstärkung der Länder der „ D r i t t e n W e l t " hat darüber hinaus die durch G A Res. 2758 ( X X V I ) , 25.10.1971, ermöglichte Übernahme des ständigen Sicherheitsratsplatzes Formosas durch die Volksrepublik China erbracht. Siehe zu deren Außenpolitik i n u n d außerhalb der U N O : Chat, Chinese policy; K i m , The People's Republic of China; Martin, L a République populaire de Chine; Pfeifenberger, Volksrepublik China. Vgl. aber auch Jaschek, Chinesische Völkerrechtsdoktrin, S. 384, der die A n sicht v e r t r i t t , daß die Volksrepublik China trotz ihrer „Drei-Welten"-Theorie keine neue Blockbildung anstrebt. 16 Von Wechmar (Anm. 3), S. 7. 17 Dazu ausführlich Dieter Schröder, Die D r i t t e Welt u n d das Völkerrecht. Siehe auch Bull, The T h i r d W o r l d and International Society. 18 Nach Scheuner (Anm. 3), S. 220, der „qualitative Effekt einer quantitativen Veränderung". 19 Dazu ausführlich Petersmann, „EntwicklungsVölkerrecht", S. 145 ff. 20 Nach Lall, Some Thoughts on the U N General Assembly, S. 65, die „ A b lösung des ,cold w a r ' der Anfangs jähre der Vereinten Nationen durch ,development wars* der sechziger Jahre". 21 Häufig als „positiver" Friedensbegriff bezeichnet. K r i t i s c h dazu jüngst Randelzhof er: Der normative Gehalt des Friedensbegriffs.

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I. 2. Abschn.: S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

fassung vom Gewaltverbot kommen mußte 2 2 . Jede gewaltsame Aufrechterhaltung — wo und m i t welchen Mitteln auch immer — von Bedingungen und Strukturen, die der Verwirklichung des „positiven Friedens" entgegenstehen, stellt nach dieser Ansicht verbotene Gewaltanwendung i m Sinne des A r t . 2 Ziffer 4 SVN dar, wogegen folglich legitime und legale Selbstverteidigung erlaubt sein müsse. I I I . „Süd-ostliche Grundsatzallianz" zur Gewaltverbotsproblematik

Damit wurde nicht nur der Aggressionsbegriff als „Schlüsselnorm" i n den Mittelpunkt der politischen Anstrengungen der Staaten der „Dritten Welt" gerückt, sondern es mußte zwangsläufig auch zu einer weitgehenden Interessendeckung zwischen diesen Ländern und den Staaten des sowjetmarxistischen Blocks kommen, die nämlich i m Prinzip eine ähnliche Auffassung vertreten. Ideologische Basis deren Haltung ist die von Lenin getroffene Unterscheidung zwischen „gerechten" und „ungerechten" Kriegen, wobei unter letzteren jene verstanden werden, die die „Eroberung fremder Länder und Versklavung ihrer Bevölkerung" zum Ziel haben, unter „gerechten" dagegen solche, die der Verteidigung gegenüber solchen Angriffen dienen oder „das Ziel der Befreiung des Volkes von der Sklaverei des Kapitalismus oder endlich das Ziel der Befreiung der Kolonien und abhängiger Länder vom Joche der Imperialisten" 2 3 für sich i n Anspruch nehmen können. Anders ausgedrückt entscheidet über den gerechten (revolutionären) oder ungerechten (reaktionären) Krieg nicht, wer der Angreifer ist und i n wessen Land der „Feind" steht, sondern allein welche Klasse den Krieg führt und welche Politik durch ihn fortgesetzt werden soll 2 4 . Soweit diese Länder daher unter Klassenherrschaften, die es zu überwinden gelte, jene verstehen, die der Aufrechterhaltung von Kolonialismus und Rassismus 25 , vor allem i n Gestalt von Apartheid-Politik dienen 26 , decken sich ihre Auffassungen über „legitime Befreiungs22 Hierzu vor allem Delbrück, Rechtsprobleme der Friedenssicherung, S. 143 ff. 23 So der von Stalin (unter Berufung auf Lenin) maßgeblich beeinflußte „Kurze Lehrgang der Geschichte der K P d S U " aus dem Jahr 1938, Fundstelle bei Meissner, Der K r i e g i n sowjetischer Sicht, S. 298, ders., Die sowjetische Stellung zum Krieg, S. 7 f. 24 Lenin, Gesammelte Werke, Band 28, S. 287, der ins Deutsche übersetzten vierten russischen Auflage, Ost-Berlin 1956 - 1964, Z i t a t u n d Fundstelle bei Tomson, Kriegsrecht, S. 122. 25 Als „rassistisch" w i r d auch der „Zionismus" interpretiert u n d somit der status quo i n Palästina verurteilt. 26 Siehe zur sowjetischen Lehre v o m K r i e g umfassend Meissner (Anm. 23), F. Ch. Schröder, Rechtmäßigkeit des Krieges, S. 178 - 218, u n d Tomson,

Α. S t r u k t u r - u n d Aufgabenwandel der Vereinten Nationen

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kämpfe" m i t denen der Mehrheit der blockfreien, insbesondere afroasiatischen Staaten 27 . Trotz aller Bedenken gegen eine pauschale Aufgliederung der Vereinten Nationen i n die drei Blöcke „Ost-West-Süd" 2 8 dürfte i m besonderen Fall der Haltung der Mitgliedsstaaten zum Inhalt und Anwendungsbereich des Gewalt- und Aggressionsverbots jene „Grobstruktur" zutreffen, wonach Entwicklungsländer und sowjetmarxistische Staaten sich i m wesentlichen einig sind i n der Ablehnung eines von den Westmächten vertretenen ideologiefreien Gewaltverbots 2 9 unter gleichzeitiger Befürwortung eines legitimen Hechts auf „nationale Befreiungskämpfe" 3 0 . B. Einfluß des Strukturwandels auf die „Fortentwicklung des Völkerrechts" Diese Interessenallianz zur Wiederbelebung einer bereits tot geglaubten „bellum justum" D o k t r i n 3 1 ist jedoch nur eine Erscheinung der generellen Unzufriedenheit dieser Länder m i t dem als „rückständig" betrachteten klassischen Völkerrecht weststaatlicher Prägung, das folglich sukzessive durch „progressive" Normen zu verändern und langfristig zu ersetzen sei. Gegner i n den Augen dieses Zweckbundes sind wiederum die westlichen Industriestaaten, die als Urheber und Verfechter einer „kapitalistischen" und/oder „imperialistisch-kolonialistischen" Rechtsordnung angesehen werden, je nach der ideologischen Basis ihrer Kritiker. Bevorzugtes Kampffeld zur Innovation dieser „reaktionären" Weltordnung ist die Generalversammlung der Vereinten Nationen, da sie einerseits die größte Publizität genießt, andererseits dank des Prinzips der Kriegsbegriff u n d Kriegsrecht der Sowjetunion; zur Theorie der „ L e g i t i m i t ä t nationaler Befreiungskriege" Toman, L a conception soviétique des guerres de liberation nationale. 27 Eine gewisse Sonderstellung nehmen vor allem die lateinamerikanischen Staaten ein, Neuhold, Internationale Konflikte, S. 29. (Siehe dazu i m einzelnen unten, bei der Darstellung des Konsensbildungsprozesses.) 28 Siehe zur Problematik der Begriffsbildung „Blöcke" i m Zusammenhang m i t der Mitgliedschaftsstruktur der Vereinten Nationen Hovet, Bloc Politics, S. 31 ff., 134 ff. 29 Vgl. zur Position der westlichen Industriestaaten F. Ch. Schröder (Anm. 26). 30 Dieselbe „ G r o b s t r u k t u r " w i r d i n Sachen Aggressionsbegriff auch von Raichle, Kollektivsicherheit u n d Agressionsbegriff, S. 235 ff., f ü r richtig gehalten, von Neuhold (Anm. 27), f ü r den Gesamtkomplex der m i t der „ P r i n zipien-Deklaration" G A Res. 2625 ( X X V ) , 24.10.1970, aufgeworfenen Fragen. 31 Bernhardt, Ungeschriebenes Völkerrecht, S. 56, sieht „Anzeichen dafür, daß mehr oder weniger unausgesprochen die Unterscheidung von gerechten und ungerechten Kriegen auch i n der heutigen Weltordnung . . . eine Rolle spielt, wobei die Begriffe gerecht u n d ungerecht mehr denn je ideologisch geprägt werden".

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I. 2. Abschn. : Strukturwandel und Definitionsbemühungen

Stimmengleichheit den „progressiven" Staaten süd-östlicher Provenienz eine überwältigende Mehrheit sichert 32 . Die Folge ist, daß unter den Mitgliedern der Vereinten Nationen das Interesse an der „Mobilmachung" dieses Organs zum Zwecke der „progressiven Entwicklung des Völkerrechts" sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. I . Die Rolle der „Jungen Staaten"

Die besondere A k t i v i t ä t der jungen Staaten Afrikas und Asiens, das klassische Völkerrecht durch Neuformulierungen zu verändern, ist herkömmlicherweise m i t einer A r t „historischen-Europa-Neurose" der ehemaligen Kolonien gegenüber ihren ehemaligen Kolonialherren und dem auf deren Tradition beruhenden Völkerrecht erklärt worden 3 8 . M i t fortgeschrittener Konsolidierung der neuen Staaten w i r d aber diese Deutung deren wachsendem Selbstbewußtsein 34 nicht mehr gerecht 35 , das sich durch eine eher pragmatisch-interessenorientierte denn psychisch-emotionale Politik ausweist 36 . Die Staaten der „ D r i t t e n W e l t " verwerfen das überkommene Völkerrecht nicht als solches 37 , sie suchen es vielmehr für ihre Ziele zu nutzen und es — wo dies möglich ist — inhaltlich durch Interpretation oder Kodifikation ihren besonderen Bedürfnissen anzupassen 38 . Ihre — gemessen am aktualpolitischen Kräfteverhältnis (Wirtschaft/Technologie/ Militär) — überproportionale Repräsentanz i n der Generalversammlung, den Satzungsauftrag zur Initiierung der Fortentwicklung und Kodifikation des Völkerrechts an eben dieses Organ und ihre mehrheitlichen Einflußmöglichkeiten auf diesem Gebiet sind günstige Umstände, die sie vorgefunden haben. Dasselbe g i l t für die extreme Offenheit der interpretationsbedürftigen Charta für veränderte Satzungsauslegungen, ja, selbst ungeschriebene Satzungsänderungen i m Widerspruch zu 32 Daneben werden auch sonstige Organisationen, insbesondere die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen genutzt, was u. a. Anlaß f ü r die U S A war, die Internationale Arbeitsorganisation i m November 1977 wegen zu einseitiger Politisierung zu verlassen. Siehe das „briefing" des „US Secretary of Labor" v o m 1. November 1977 i n „Legal Materials" 16 (1977), S. 1561 ff. 33 Vgl. etwa Dieter Schröder (Anm. 17), S. 13 ff., 20 ff. u n d Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr. 49 ff. 34 Unterstützt durch ihre vielen Rohstoff monopole, vgl. Lall (Anm. 20), S. 63. 35 Vgl. Syatauw, O l d and New States, der sich auch gegen die historisch orientierte Begriffsbildung „Neue Staaten — A l t e Staaten" wendet. 36 Siehe statt vieler Bedjaoui, Non-alignement et droit international. 37 Dieter Schröder (Anm. 17), S. 44; Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 53 m i t weiteren Literaturhinweisen i n A n m . 31. 38 Dieter Schröder (Anm. 17), S. 61; siehe auch Sahovié , Blockfreiheit und das Internationale Recht.

Β . S t r u k t u r w a n d e l u n d „Fortentwicklung des Völkerrechts"

61

eindeutigen Normen sind i n Form der „Uniting for Peace" Resolution 39 unter der Schirmherrschaft der U S A 4 0 präjudiziert worden. I n diese — der Generalversammlungsmehrheit also schon früher anhaftende — starke Position sind die neuen Staaten „hineingewachsen", ein „Anzug", der nach Ansicht vieler, vor allem westlicher K r i t i ker, wegen der oben genannten Disproportionalität dennoch „einige Nummern zu groß" ist. Die Vereinten Nationen haben inzwischen m i t dieser neuen Mehrheit zu leben gelernt 4 1 , d. h., auf beiden Seiten ist den besonderen Umständen Rechnung getragen worden. Denn eine Korrektur dieses Mißverhältnisses etwa durch Einführung des „weighted voting" i n der Generalversammlung ist derzeitig ohne jede Erfolgsaussicht 42 . Das hat dazu geführt, daß bei der Fortentwicklung und Kodifikation des Völkerrechts einerseits die Programmziele der Länder der „Dritten Welt" die Szene beherrschen 43 , diese andererseits aber bald erkannt haben, daß ihre überwältigende Mehrheit als Ausfluß des Souveränitätsprinzips eine Kehrseite i n Form der Souveränität der Minderheitsstaaten hat. Denn gegen den Willen einiger wichtiger Mächte kann auch m i t 2/a Mehrheit kein verbindliches Völkerrecht geschaffen werden, und auch der politische Druck mehrheitlicher Beschlüsse erschöpft sich i n kurzlebiger Propagandawirkung, wenn die Unterstützung der großen Industriestaaten etwa fehlt 4 4 . Darüber hinaus wurde man sich vermutlich 4 5 der Gefahr bewußt, daß ein „inflationäres" Gebrauchmachen von der sicheren Mehrheit diese langfristig i n ihrer Bedeutung schwächen müßte: denn, „Abstimmungen, deren Ergebnis von vornherein feststeht, verlieren ihren S i n n " 4 6 und langfristig auch Resonanz. Ganz i m Gegensatz zu den auf politische Propagandawirkung gezielten Beschlüssen der Generalversammlung zu konkret-aktuellen Tagesproblemen 47 haben die Staaten der „Dritten 39

G A Res. 377 (V), 3.11.1950, deutsche Übersetzung i n V N 28 (1980), S. 29 ff. Scheuner (Anm. 3), S. 218. Siehe zur Verbindlichkeit dieser Praxis ausführlich Gross, V o t i n g i n the Security Council, S. 315 ff. u n d Stavropoulos, Practice of Voluntary Abstentions, S. 737 ff. 41 Scheuner (Anm. 3), S. 192 f. 42 Siehe etwa die Worte des Präsidenten der 28. Sitzungsperiode, Benites (Ecuador): „The idea of weighted v o t i n g w o u l d spell the f i n a l overthrow of the organization", U N Chr. 10/11 (1973), S. 20; zum Problem auch Newcombe / West / Newcombe , Comparison of Weighted V o t i n g Formulars, S. 452 ff. 43 v g l . Tomuschat, Generalversammlung, S. 55: „ . . . stellt sich die Tagesordnung der Generalversammlung heute i m wesentlichen als ein von den Interessen der D r i t t e n Welt bestimmter Speisezettel dar". 40

44

Scheuner (Anm. 3), S. 227; Lall (Anm. 20), S. 66. Da bisher nicht offenkundig oder beweisbar, vgl. Tomuschat (Anm. 43), der ausdrücklich von einer Hypothese spricht, u n d Goodrich (Anm. 1), S. 80 f. 46 Tomuschat (Anm. 43), S. 56. 47 So insbesondere die Nah-Ost-(„Zionismus"-)Resolutionen u n d Beschlüsse 45

62

I. 2. Abschn. : Strukturwandel u n d Definitionsbemühungen

Welt" bei der langfristig konzipierten qualitativen Fortentwicklung des Völkerrechts durch quantitative Veränderungen daher die Unterstützung der Minderheitsstaaten gesucht. Das heißt m i t anderen Worten, daß sie unter Verzicht auf ihre satzungsmäßige Möglichkeit, ihnen passende Beschlüsse m i t Mehrheit durchzusetzen, zu Verhandlungen über Kompromißformeln bereit waren, zu denen sie sich die Zustimmung auch der übrigen, vor allem westlichen Staaten, erhofften. Π . Die Rolle der sowjetmarxistischen Staaten und ihre Doktrin der „Friedlichen Koexistenz"

Subtiler, wenn auch politisch nicht weniger brisant, ist das Postulat der Fortentwicklung des Völkerrechts i m Sinne der sowjetmarxistischen Doktrin der „Friedlichen Koexistenz" 4 8 . Diese ist, wie überhaupt die sowjetische Außenpolitik, ideologisch 49 determiniert und kann als verbindliche Handlungsmaxime für die Länder sowjetmarxistischer Prägung angesehen werden 5 0 . I m Wege der Adaption der materialistischen Dialektik 51 für die völkerrechtswissenschaftliche Methodologie w i r d das internationale System verstanden als globaler Kampf antagonistischer Gesellschaftssysteme, dem ein objektives Entwicklungsgesetz innewohnt, wonach sich das Kräfteverhältnis permanent zugunsten des sozialistischen Lagers verschiebt 52 . Entsprechend ihrem Basis-Überbau-Theorem ss leugnete die sowjetische Völkerrechtswissenschaft anfangs die Existenz einer einheitlichen Völkerrechtsordnung und schied das zwischen kapizum südlichen A f r i k a , Nachweise bei Klein, Nationale Befreiungskämpfe, S. 619 ff. 48 Z u r „Friedlichen Koexistenz" siehe besonders: Tunkin (Anm. 37), S. 40 bis 113; Kröger / Wünsche, Friedliche Koexistenz u n d Völkerrecht; Meissner, Die „friedliche Koexistenz"; Schweisfurth, Völkerrechtswissenschaft, S. 16, 38 ff., m i t weiterführenden Hinweisen auf S. 16, A n m . 50. 49 Siehe zur Bedeutung der marxistisch-leninistischen Ideologie f ü r V ö l kerrechtswissenschaft u n d Außenpolitik der UdSSR: Bracht, Ideologische Grundlagen, ders., Das Moderne Völkerrecht, S. 19 f.; Meissner, Sowjetunion u n d Völkerrecht, S. 1 4 - 2 6 ; Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht?, S. 17 bis 33 m i t reichhaltigen Anmerkungen zur sowjetischen Literatur. 50 Vgl. auch A r t . 6 Abs. 2 der „Verfassung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken" v o m 7.10.1977 i n der (offiziösen) deutschen Ubersetzung i n „Neue Zeit" 1977 Nr. 41, Beilage: „ M i t der marxistisch-leninistischen Lehre ausgerüstet, legt die Kommunistische Partei die Grundrichtung der gesellschaftlichen Entwicklung, die Linie der I n n e n - u n d Außenpolitik der UdSSR fest, leitet sie die große schöpferische Tätigkeit des Sowjetvolkes u n d v e r leiht seinem K a m p f f ü r den Sieg des Kommunismus einen planmäßigen, wissenschaftlich begründeten Charakter. Siehe zur F u n k t i o n dieser Verfassung Schweisfurth, Verfassungsgebung u n d Verfassung, S. 742 ff., dort auf S. 740 Anm. 1 auch Hinweise auf weitere deutsche Übersetzungen. 51 Schweisfurth (Anm. 48), S. 11. 62 Schweisfurth (Anm. 48), S. 7 f. 53 Dazu Schweisfurth (Anm. 49), S. 22 ff.

Β . S t r u k t u r w a n d e l u n d „Fortentwicklung des Völkerrechts"

63

talistischen Staaten geltende Völkerrecht von dem als „sozialistischer Internationalismus" 5 4 bezeichneten „fortschrittlichen" Völkerrecht, das das Verhältnis der UdSSR zu den proletarisch-sozialistischen Ländern gleicher Gesellschaftsordnung regelt 5 5 , wobei man allerdings nie ganz sicher ist, welche Staaten schon/noch damit gemeint sind und welche nicht 5 6 . Begnügte man sich zunächst m i t diesem Dualismus und ließ allenfalls propagandistisch-geringschätzig ein auf wenige Jahre befristetes intersystemares „Völkerrecht der Übergangszeit" 57 zu, so stellte man sich anfangs der sechziger Jahre 5 8 auf eine „langfristige Epoche des Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus" 59 ein und gestand offen, daß die Übergangsperiode „ziemlich lang sein könne" 6 0 . Der damit verbundene Abschied vom „Kalten Krieg" erforderte die Anerkennung völkerrechtlicher Beziehungen zwischen den beiden Blöcken und führte zur Notwendigkeit der ideologischen Begründung 6 1 eines dritten Völkerrechtskreises, den man als „allgemein-demokratisches" 62 Völkerrecht der „Friedlichen Koexistenz" 6 3 bezeichnete. Hierunter ist die betont voluntaristische, also auf Vereinbarung 6 4 zwischen den Staaten beruhende, allmähliche Schaffung eines neuen 54

Siehe dazu etwa Tunkin (Anm. 37), S. 467 ff. I n den „Kindertagen" der sowjetischen Völkerrechtswissenschaft z w i schen den beiden Weltkriegen gab es folglich wenig konkreten Anlaß, über den „sozialistischen Internationalismus" zu theoretisieren, da es nach G r ü n dung der UdSSR außer der politisch unbedeutenden Mongolei keine weiteren proletarisch-sozialistischen Staaten gab. Vgl. zu dieser Epoche Schweisfurth (Anm. 49), S. 182 - 192 u n d die dortigen Hinweise auf dennoch vorhandene Absätze i n der L i t e r a t u r (Sabanin, K o r o v i n u. a.). 58 Weder Völkerrechtler noch Politiker der UdSSR äußern sich über den Kreis der Warschauer-Pakt-Staaten hinaus (fraglich schon bei Rumänien) konkret. Siehe hierzu u n d zur ambivalenten Einschätzung Albaniens, Chinas u n d Jugoslawiens seitens der UdSSR, Schweisfurth (Anm. 49), S. 473 ff. 57 Der Begriff ist m i t der gleichnamigen Schrift Korovins aus dem Jahre 1929 verbunden. Weitere Hinweise bei Schweisfurth (Anm. 48), S. 25, 28 f. 58 Z u r historischen E n t w i c k l u n g ausführlich Meissner (Anm. 49) u n d Schweisfurth (Anm. 49), S. 192 - 220. 59 Meissner (Anm. 49), S. 57 ff. 60 Levin, Pravovedenie 1971 Nr. 2, S. 85, wiedergegeben bei Schweisfurth (Anm. 48), S. 29. 61 Siehe zu den Schwierigkeiten, Rechtsbeziehungen zwischen k o m m u n i s t i schen Staaten u n d kapitalistischen Ländern m i t dem Basis-Überbau-Theorem zu vereinbaren, Brunner, Quellen des Völkerrechts, S. 42. 62 Kröger / Wünsche (Anm. 48), S. 49 - 65. 63 Verbindlich w u r d e der Begriff i m Parteiprogramm der K P d S U auf ihrem X X I I . Parteitag 1961 verankert, Schweisfurth (Anm. 48), S. 16, m i t weiteren Nachweisen. 64 Tunkin (Anm. 37), S. 239 ff., 243 ff. Z u r Rezeption u n d Modifizierung der „Triepelschen Vereinbarungslehre" durch die sowjetische Völkerrechtswissenschaft siehe Schweisfurth (Anm. 48), S. 21 - 23. 55

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I. 2. Abschn. : S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

Inter-Block-Rechts z u verstehen, das e i n friedliches N e b e n e i n a n d e r l e b e n d e r gegensätzlichen Gesellschaftssysteme e r l a u b e n soll, a n d e r e r seits die Fortsetzung des Klassenkampfes nicht beeinträchtigen darf 65. Dieser s o l l v i e l m e h r seinen S c h w e r p u n k t a u f d i e i n h a l t l i c h e N e u g e s t a l t u n g des alten V ö l k e r r e c h t s d u r c h d i e V e r e i n b a r u n g neuer N o r m e n 6 6 v e r l a g e r n , d i e w e g e n d e r B e t e i l i g u n g b e i d e r Gesellschaftssysteme „ p r o gressiven" Charakter gegenüber den alten N o r m e n „bürgerlicher Prov e n i e n z " besitzen, w e i l sie z w a r „ n o c h n i c h t sozialistisches" aber auch „ n i c h t m e h r ausschließlich k a p i t a l i s t i s c h e s V ö l k e r r e c h t " d a r s t e l l e n 6 7 . I n f o l g e d e r z u n e h m e n d e n B e t e i l i g u n g d e r als f o r t s c h r i t t l i c h bezeichn e t e n „ N e u e n S t a a t e n " 6 8 e n t w i c k e l t sich n a c h dieser A u f f a s s u n g i m V e r l a u f e dieses Prozesses das b i s h e r i g e V ö l k e r r e c h t f o r t l a u f e n d z u g u n sten der „ p r o g r e s s i v e n " K r ä f t e u m . Das i n t e r s y s t e m a r e 6 9 V ö l k e r r e c h t d e r „ F r i e d l i c h e n K o e x i s t e n z " ist also i m S i n n e des b e k a n n t e n d i a l e k t i s c h e n Gesetzes das q u a l i t a t i v neue E r g e b n i s e i n e r H ä u f i m g q u a n t i t a t i v e r V e r ä n d e r u n g e n . H i e r a u s result i e r t d i e besondere A k t i v i t ä t der S o w j e t u n i o n u n d i h r e r V e r b ü n d e t e n , 65

Schweisfurth (Anm. 48), S. 25, m i t zahlreichen Nachweisen aus der sowjetischen Literatur. 86 Schweisfurth (Anm. 48), S. 31. 67 Schweisfurth (Anm. 48), S. 29 f., unter Hinweis auf Levin u n d Tunkin. 88 Tunkin (Anm. 37), S. 52 ff. 89 Die oben (Anm. 50) angesprochene neue sowjetische Verfassung läßt i n zwischen allerdings keinen Zweifel mehr daran aufkommen, daß die intersystemaren Grundsätze der „Friedlichen Koexistenz" auch i m (intrasystemaren) Verhältnis der UdSSR zu Staaten gleicher Gesellschaftsordnung gelten sollen. Denn A r t . 29 e r k l ä r t jene f ü r alle Staaten verbindlich, so daß die Normen des i n A r t . 30 behandelten „sozialistischen Völkerrechts" jene nicht ausschließen, sondern — i n deren Rahmen eingebettet — sie n u r fortentwickeln sollen. Siehe zu dieser diffizilen K o n s t r u k t i o n u n d der damit verbundenen Uberwindung einer „mechanischen" A n w e n d u n g des Basis-Überbau-Theorems Schweisfurth (Anm. 49), S. 249 ff. Vgl. auch den i m folgenden wiedergegebenen Wortlaut der A r t . 29 u n d 30 (Übersetzung w i e A n m . 50) : A r t . 29. Die Beziehungen der UdSSR zu anderen Staaten beruhen auf der Einhaltung der Prinzipien der souveränen Gleichheit, des gegenseitigen Verzichts auf Gewaltanwendung u n d Gewaltandrohung, der Unverletzlichkeit der Grenzen, der territorialen Integrität der Staaten, der friedlichen Regelung von Streitigkeiten, der Nichteinmischung i n die inneren Angelegenheiten, auf der Achtung der Rechte des Menschen u n d der G r u n d freiheiten, der Gleichberechtigung u n d des Rechts der Völker, über i h r Schicksal zu entscheiden, der Zusammenarbeit zwischen den Staaten u n d der gewissenhaften E r f ü l l u n g der Verpflichtungen, die sich aus den allgemein anerkannten Prinzipien u n d Normen des Völkerrechts u n d den von der UdSSR geschlossenen internationalen Verträgen ergeben. A r t . 30. Als Bestandteil des sozialistischen Weltsystems u n d der sozialistischen Gemeinschaft entwickelt u n d festigt die UdSSR die Freundschaft u n d Zusammenarbeit, die kameradschaftliche gegenseitige H i l f e m i t den Ländern des Sozialismus auf der Grundlage des Prinzips des sozialistischen Internationalismus u n d w i r k t a k t i v an der ökonomischen Integration u n d an der sozialistischen internationalen Arbeitsteilung mit. (Hervorhebungen v o m Verfasser.)

Β . S t r u k t u r w a n d e l u n d „Fortentwicklung des Völkerrechts"

65

die Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Neuformulierung bisheriger, vor allem ungeschriebener oder sehr allgemein gehaltener Regeln, zu motivieren 7 0 . Daß dabei die formale Klassifizierung neuer Normen durchaus von zweitrangigem Interesse für diese Länder sein kann, w i r d deutlich, wenn man bedenkt, daß nach dem ideologischen Quantität-Qualität-Axiom auch Vereinbarungen unterhalb der Rechtsnormenschwelle von einer gewissen Intensität an normative Rechtsveränderungen einleiten müssen. Unbeschadet des Streits u m die formelle Rechtsnormqualität der Beschlüsse der Generalversammlung messen die sowjetmarxistischen Staaten diesem Forum daher eine überragende Funktion bei der Fortentwicklung des Völkerrechts 7 1 bei und treffen sich insoweit m i t den Interessen der dieses Organ beherrschenden Länder der „Dritten Welt". Ι Π . Die „ambivalente" Haltung der westlichen Industriestaaten

Angesichts dieser eindeutigen Interessenkonstellation ist es nicht verwunderlich, daß die westlichen Industriestaaten Initiativen der Generalversammlungsmehrheit, das Völkerrecht fortzuentwickeln, m i t Skepsis betrachten. Wenn sie dennoch — bei aller Zurückhaltung — ihre Mitarbeit nicht gänzlich versagen, so ist dies der Einschätzung ihrer allgemeinen Rolle i n den Vereinten Nationen zu verdanken und der Bereitschaft, diese nicht durch „Boykott" i n ihrer Existenz zu gefährden. Ihre grundsätzliche Einstellung, die auch der widerspruchslosen Annahme der Aggressionsdefinition zugrunde liegt, ist zwischen den Extremen Rückzug und aktive UNO-Politik 7 2 zu suchen und kann nicht pauschal-generell bestimmt werden 7 3 . Ganz i m Gegensatz zur Politik der anderen beiden Blöcke liegen umfassende Untersuchungen zu „dem" Verhalten der Weststaaten i n den Vereinten Nationen daher auch nicht vor. Aufschlüsse können allenfalls Einzeluntersuchungen zu bestimmten Staaten 74 oder Sachkomplexen geben, zu letzteren soll j a auch diese Arbeit beitragen. Deshalb kann es 70

Schweisfurth (Anm. 48), S. 31. Siehe auch Bruns, Die U N O - P o l i t i k der DDR. 72 Von Wechmar (Anm. 3), S. 8. 73 Insbesondere k a n n von einem „monolithischen" Gefüge der westlichen Industrieländer keine Rede sein, Kulessa, Abstimmungsverhalten der EGLänder, S. 78. 74 So etwa Gross, The United States and the United Nations; James, Britain's Role i n the United Nations; Wood, France i n the W o r l d Community. Zahlreicher sind dagegen Analysen der P o l i t i k der EG-Staaten i n den Vereinten Nationen: Siehe neben Kulessa (Anm. 73) etwa Hurwitz, The EEC i n the United Nations u n d Lindemann, EG-Staaten u n d Vereinte Nationen (weitere Hinweise bei Klein, Tätigkeit der Vereinten Nationen 1978, A n m . 31). 71

5 Bruha

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I. 2. Abschn. : S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

an dieser Stelle nur um die „allgemeine Gestimmtheit" gehen, die zwischen „laissez-faire" und Bemühung um substantielle Kompromisse schwankt. I n Anbetracht einer erdrückenden Mehrheit sind eigene weitreichende Initiativen des Westens eine Rarität geworden 75 . I m allgemeinen beschränkt sich ihre Generalversammlungspolitik deshalb darauf, auf Aktivitäten der beiden anderen Blöcke zu „reagieren" 7 6 . Kommentare zur 29. 77 und 30. 78 Sitzungsperiode haben dabei die Hypothese verstärkt, daß die Westmächte m i t Zulassung der 2/s Mehrheit der Entwicklungsländer anfangs der siebziger Jahre auch bereit waren, alle von diesen diktierten Themen zu diskutieren und, „sei es aus Gleichgültigkeit, sei es zur Beschwichtigung" 79 , auch dann oft auf negative Voten zu verzichten, wenn sie den Inhalt bestimmter Entwürfe nicht für realistisch hielten 8 0 oder den darin enthaltenen Forderungen nachzukommen offensichtlich nicht gewillt waren 8 1 . I n dem für Rechtsfragen zuständigen 6. Hauptausschuß gar wurde während der 30. Sitzungsperiode nicht eine einzige Nein-Stimme abgegeben 82 , womit nachträglich der Bericht der Bundesregierung an den Bundestag 83 bestätigt wird, nach dem die Vereinten Nationen i n Sachen Fortentwicklung des Völkerrechts auf Ausgleich ausgerichtet sind, ganz i m Gegensatz zu scharfen Konfrontationen auf anderen Sachgebieten 84 . Die Wiederaufnahme der Definitionsbemühungen wie auch die spätere Einigung auf eine allseits akzeptable Formel waren daher im wesentlichen die Ergebnisse des globalpolitischen Klimawechsels, der auch durch eine zunehmende Bereitschaft der Westmächte geprägt war, dem massiven Druck der von den sowjetmarxistischen Staaten unterstützten Länder der „Dritten Welt" nach Mitarbeit an ihren Kodifikationsvorhaben nachzugeben. 75 Tomuschat (Anm. 43), S. 55. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet der auf der 34. Sitzungsperiode der Generalversammlung angenommene K o n v e n tionsentwurf gegen Geiselnahme, der auf einer I n i t i a t i v e der Bundesrepublik Deutschland beruht. Vgl. die Kurzbeschreibung des 14 A r t i k e l umfassenden Entwurfs, i n V N 27 (1979), S. 72 f. 76 Vgl. Kulessa (Anm. 73), S. 78, nach dem die Industrieländer des Westens m i t Japan „das retardierend-differenzierende M i t t e l f e l d " bilden. 77 von Wechmar (Anm. 3), ders. jüngst: Die Bundesrepublik Deutschland i n den Vereinten Nationen. 78 Tomuschat (Anm. 43), S. 49 ff. 79 Tomuschat (Anm. 43), S. 55. 80 von Wechmar (Anm. 3), S. 8. 81 Tomuschat (Anm. 43), S. 55. 82 Tomuschat (Anm. 43), S. 54. 83 „Die 29. Generalversammlung der Vereinten Nationen", Bericht der Bundesregierung an den Bundestag, abgedruckt i n : V N 23 (1975), S. 85 - 91. 84 Bericht der Bundesregierung (Anm. 83), S. 85, 91.

C. S t r u k t u r w a n d e l u n d Aggressionsdefinition

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C. Strukturwandel und Aggressionsdefinition Ein Überblick über A k t i v i t ä t e n der Generalversammlung auf dem Gebiet der Fortentwicklung des Völkerrechts zeigt denn auch, daß das Bemühen u m eine Definition der Aggression sich als konsequenter Schritt i n der Verfolgung der oben beschriebenen Interessen darstellt. I . Konkretisierung der Gewaltverbotsproblematik

Diese Beurteilung t r i f f t zunächst insoweit zu, als sich eine Aggressionsdefinition als eine weitere Etappe i m Rahmen der Konkretisierung der von der Satzung nur i n sehr allgemeinen Formulierungen geregelten Gewaltverbotsproblematik präsentiert. Die Charta nämlich widmet sich den damit angesprochenen Fragen i m wesentlichen nur an drei Stellen, indem sie i n A r t . 2 Ziffer 4 SVN eine Verbotsbestimmung, i n A r t . 39 ff. SVN Sanktionsbestimmungen und i n A r t . 51 SVN eine Regelung enthält, die einerseits den Charakter einer Ausnahmebestimmung, andererseits aber auch den einer Sanktionsnorm hat 8 5 . A l l e n Regelungen ist dabei jedoch gemein, daß sie weitgehend unbestimmt formuliert sind und es der Konkretisierung i m Einzelfall vorbehalten, was denn unter „the threat or use of force" 8 6 , „armed attack" 8 7 oder „threat to the peace, breach of the peace or act of aggression" 88 zu verstehen sei, u m nur die wichtigsten Begriffe zu nennen. Ansatzpunkte, denen zufolge diese Begriffe i n einer bestimmten ideologischen oder etwa antikolonialistischen Weise zu interpretieren seien, liefert die Satzung darüber hinaus ebenfalls nicht 8 9 , so daß die oben genannten Bestimmungen als extrem offen und wertneutral anzusehen sind. Dies zu ändern, hat einen wesentlichen Teil der Aktivitäten der Generalversammlung i n Anspruch genommen 90 , wobei die antikolonia85

Bothe, Gewaltverbot, S. 15. A r t . 2 Ziffer 4 SVN. 87 A r t . 51 SVN. 88 A r t . 39 SVN. 89 Auch A r t . 1 Ziffer 2 SVN, wonach die Beziehungen der Völker zueinander u. a. unter Respektierung des Selbstbestimmungsrechts zu entwickeln seien, k a n n hierfür nicht herangezogen werden, da zuvor die friedliche Streitbeilegung zum fundamentalen Prinzip der Organisation erklärt w i r d (Art. 1 Ziffer 1 SVN). 90 Das andere Schwergewicht lag (und liegt) auf dem ökonomischen Sektor und gilt ganz allgemein der Schaffung einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung" (sog. „Nord-Süd-Dialog"), die gleichsam als wirtschaftliche Entkolonisierung der weitgehendst erfolgten politischen Entkolonisierung folgen soll, so von Wechmar (Anm. 3), S. 8. Einen kurzen Überblick über diesen Aspekt einer „gesamtpolitischen L i n i e " (von Wechmar, a.a.O.) bieten Prill , W e l t w i r t schaftsordnung u n d Tomuschat, Die Neue Weltwirtschaftsordnung. (Siehe auch oben, A n m . 19.) 86



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I. 2. Abschn. : S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

listische Z i e l s e t z u n g 9 1 p r ä g e n d w a r , w e n n sie auch z u n e h m e n d v e r b r e i t e r t w u r d e , u m auch „ a n t i r a s s i s t i s c h e " B e s t r e b u n g e n m i t e i n z u b e z i e h e n , d i e sich aber w i e d e r u m v o r w i e g e n d a n d e r als „ p o s t k o l o n i a l " v e r u r t e i l t e n Apartheidpolitik 92 S ü d a f r i k a s u n d Rhodesiens rieben. E r s t e Beschlüsse d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g 9 3 , d i e i n diesem Z u s a m m e n h a n g z u n e n n e n s i n d 9 4 , d a t i e r e n aus d e m J a h r I 9 6 0 9 5 , als d i e „ n e u e M e h r h e i t " der E n t w i c k l u n g s l ä n d e r f ü r d i e D u r c h s e t z u n g der „ D e c l a r a t i o n o n t h e G r a n t i n g of I n d e p e n d e n c e t o C o l o n i a l C o u n t r i e s a n d P e o p l e s " 9 6 u n d m i t i h r f ü r e i n e n K u r s w e c h s e l s o r g t e 9 7 . Z w a r h a t t e sie schon z u v o r Versuche u n t e r n o m m e n , das Selbstbestimmungsrecht der Völker a u f z u w e r t e n 9 8 , j e d o c h n i c h t m i t d e m s e l b e n N a c h d r u c k , m i t d e m 91 Einen umfassenden Überblick bietet die jüngste, dreibändige Studie des ECOSOC von J u n i / J u l i 1978, E/CN. 4/Sub. 2/404 (Vol. I - I I I ) , m i t dem T i t e l : „The Historical and Current Development of the Right to Self-Determination on the basis of the Charter of the United Nations and other Instruments adopted by U n i t e d Nations Organs, w i t h particular reference to the Promotion and Protection of H u m a n Rights and Fundamental Freedoms." 92 E i n umfangreicher Literaturnachweis hierzu findet sich bei Klein (Anm. 74), A n m . 272. 93 Da i m Rahmen dieser Untersuchung n u r die E n t w i c k l u n g deutlich gemacht werden soll, werden n u r Resolutionen der Generalversammlung aufgeführt, die wegen ihrer universellen Zusammensetzung f ü r diesen Zweck ein geeignetes Objekt darstellen. Beschlüsse des Sicherheitsrates u n d sonstiger UN-Organe (und Sonderorganisationen) bleiben daher außer Betracht, w i e w o h l auch sie i n einer umfassenden Würdigung mitzuberücksichtigen wären. Ebenso scheint eine Beschränkung auf Resolutionen gener eil-abstrakten Inhalts (im Gegensatz zu solchen, die konkret-inhaltlich bestimmte historische Situationen betreffen) zulässig, obwohl auch letztere Bestandteil der Gesamtstrategie sind. 94 Siehe hierzu auch Verwey, Decolonization and lus ad Bellum. 95 Z u r Schlüsselrolle dieses Jahres für den Machtwechsel siehe oben, Text zu A n m . 9. 96 G A Res. 1514 (XV), 14.12.1960, Text bei Krakau / von Wedel / Göhmann, Resolutionen, S. 109 f. Abstimmungsergebnis 90 : 0 :9 Enthaltungen (Australien, Belgien, Ecuador, Frankreich, Portugal, Südafrika, Spanien, Großbritannien, USA). 97 Delbrück, Selbstbestimmung u n d Dekolonisation, S. 83; Goodrich (Anm. 1), S. 196. Diese Deklaration ist die w o h l meistzitierte Resolution der Generalversammlung, siehe Rosenstock, Declaration of Principles, S. 730. 98 Die Generalversammlung hatte bereits auf ihrer sechsten Sitzungsperiode i n allgemeiner F o r m beschlossen, das Selbstbestimmungsrecht der Völker i n die Menschenrechtspakte aufzunehmen, G A Res. 545 (VI), 5. 2.1952 „Inclusion i n the International Covenant or Covenants on H u m a n Rights of an article relating to the r i g h t of peoples to self-determination", T e x t bei Krakau / von Wedel / Göhmann (Anm. 96), S. 105, w a r jedoch w e i t davon entfernt, damit einen Konsens auszudrücken (Abstimmungsergebnis 36 :11 :12, dagegen u. a. Frankreich, Großbritannien u n d die USA) u n d stellte das Treuhandsystem gemäß K a p i t e l X I u n d X I I der Charta auch nicht ausdrücklich i n Frage. Einen Schritt weiter ging sie m i t der Resolution 637 A (VII), 16.12.1952, „The r i g h t of peoples and nations to self-determination", Text bei Krakau / von Wedel / Göhmann, S. 106, i n der sie die Treuhandstaaten aufforderte, die Bevölkerung der von ihnen verwalteten Gebiete auf die „volle Selbstregierung oder Unabhängigkeit" vorzubereiten, jedoch eben-

C. S t r u k t u r w a n d e l u n d Aggressiònsdefinition

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sie i n dieser Deklaration jedwede Form von Kolonialismus" für unvereinbar m i t fundamentalen Menschenrechtsnormen erklärte und i n verbindlichem Ton die Selbstregierung der Bevölkerungen der unselbständigen Gebiete nach Kapitel X I und X I I der Charta forderte 1 0 0 . Hatte die Generalversammlung m i t dieser Deklaration bereits am äußersten Rande, wenn nicht gar jenseits ihres satzungsmäßigen Kompetenzbereichs gehandelt 1 0 1 , so ging sie m i t der Einsetzung des „Special Comittee on the Situation w i t h Regard to the Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples" 102 i m folgenden Jahr erheblich weiter: Denn der von den Ländern der „Dritten Welt" mehrheitlich besetzte 103 Kontrollausschuß über den Stand der Ausführung der Deklaration 1 0 4 fungierte von A n fang an wie ein neues UN-Organ, ohne sich auf eine ausdrückliche Ermächtigung i n der Charta stützen zu können 1 0 5 . M i t der Dekolonisierungswelle der sechziger Jahre rückte das Rassenproblem i n den Vordergrund 1 0 6 und hob den „Gegensatz zwischen Farbigen und Weißen erneut ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit" 1 0 7 . Hinzu trat die m i t der rasch abnehmenden Zahl unselbständiger Kolonialgebiete 1 0 8 verbundene Konzentrierung der Dekolonisationsbestrefalls gegen die erklärte Ablehnung (Nein-Stimmen!) der wichtigsten westlichen Staaten (Abstimmungsergebnis 40 :14 :6). Wegen des „frostigen" Klimas der fünfziger Jahre blieben beide Resolutionen ohne unmittelbare Resonanz, siehe auch Schwelb, Fortentwicklung des Völkerrechts, 26. 99 „Colonialism i n a l l its forms and manifestations", siehe den letzten Satz der Präambel. 100 Op. para. 7 ( „ A l l States shall observe f a i t h f u l l y and strictly . . . the present Declaration . . . " ) . 101 Dazu Schwelb (Anm. 98), S. 28. 102 G A Res. 1654 (XVI), 27.11.1961, „The situation w i t h regard to the implementation of the Declaration on the granting of independence to colonial countries and peoples", Text bei Krakau / von Wedel / Göhmann (Anm. 96), S. 110. 103 I m Gegensatz zum paritätisch besetzten Treuhandschaftsrat (je zur Hälfte Staaten, die abhängige Gebiete verwalten und nichtverwaltende Staaten) u n d dem ursprünglichen Kommittee f ü r die Prüfung von Informationen über „sich nicht selbst regierende Gebiete". Vgl. hierzu Goodrich (Anm. 1), S. 196 f. u n d Schwelb (Anm. 98), S. 29. 104 Die Aufgaben des Ausschusses sind i n op. para. 4 der Resolution niedergelegt: „ . . . to examine the application of the Declaration, to make suggestions and recommendations on the progress and extent of the implementation of the Declaration, and to report of the General Assembly . . . " . 105 Hüfner / Naumann (Anm. 1), S. 110. 106 Goodrich (Anm. 1), S. 74. 107 Partsch , Bekämpfung der rassischen Diskriminierung, S. 110. Anstoß gab daneben auch die weltweite Antisemitismuswelle des Winters 1959/60, siehe Schwelb (Anm. 98), S. 31. 108 Einen tabellarischen Überblick über die Staatwerdung der ehemaligen Kolonialgebiete seit 1946 gibt Delbrück, Selbstbestimmungsrecht der Völker, S. 9 f.

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I. 2. Abschn. : S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

bungen auf die rassistischen Regime Südafrikas und Rhodesiens 109 , wom i t deren Apartheidpolitik als Bedingung der dortigen Herrschaftsverhältnisse immer stärker ins Kreuzfeuer der Generalversammlung geriet 1 1 0 . M i t der einstimmig angenommenen 111 „United Nations Declaration on the Elimination of A l l Forms of Racial Discrimination" des Jahres 1963 112 verurteilte die Generalversammlung daher i n scharfer Form jede A r t von Rassendiskriminierung und forderte insbesondere die unverzügliche Beendigung jedweder Apartheidpolitik 1 1 3 . Damit bestätigte die Erklärung einerseits den allgemeinen Trend, nach dem die Generalversammlung sich nicht mehr m i t der Formulierung zukünftiger Ideale begnügte, sondern konkret aussprach, was „unmittelbar und sofort geschehen soll" 1 1 4 . Inhaltlich trat von nun an aber andererseits neben den weiterhin bestehenden Anspruch auf äußere Unabhängigkeit unselbständiger Gebiete die Forderung nach Gewährleistung eines inneren Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung eines Landes, unabhängig davon, ob dies einen politisch selbständigen status hat oder nicht 1 1 5 . I n einer nächsten Steigerung ihrer Forderungen arbeitete die Generalversammlung fortan m i t den Stimmen der afro-asiatischen und sowjetmarxistischen Staaten auf die Anerkennung eines angeblichen Rechts unterdrückter Völker hin, sich m i t allen Mitteln, unter Einschluß von Waffengewalt, von jeglicher Fremdherrschaft zu befreien und hierzu auch Hilfe von Drittstaaten zu erhalten. Zwei Resolutionen i m Jahre 1965 stellten, wenn auch noch nicht ausdrücklich, diesen Bezug des Selbstbestimmungsrechts zum Gewaltverbot und dem Selbstverteidigungsrecht der Charta her: M i t der Resolution 2054 (XX) vom 15.12. 1965 116 wurde die Apartheidpolitik der südafrikanischen Regierung als Friedensbedrohung bezeichnet 117 . Fünf Tage später sprach die Generalversammlung zum ersten Mal offen von der „Rechtmäßigkeit des 109

Scheuner, Wandlungen, S. 32 f. Delbrück (Anm. 97), S. 92; Thürer, Selbstbestimmungsrecht, S. 145 f. 111 Schwelb (Anm. 98), S. 34 f., dort auch weitere Einzelheiten zum S t i m m verhältnis i m vorbereitenden 3. Ausschuß. 112 G A Res. 1904 ( X V I I I ) , 20.11.1963, Text bei Krakaul von Wedel /Göhmann (Anm. 96), S. 264 f. 113 Op. para. 5 der Deklaration: „ A n end shall be p u t w i t h o u t delay to governmental and other public policies of racial segregation and especially policies of apartheid , as w e l l as a l l forms of racial discrimination and separation resulting f r o m such policies." 114 Schwelb (Anm. 98), S. 34. 115 Delbrück (Anm. 97), S. 92. 116 „The Policies of Apartheid of the Government of the Republic of South Africa", T e x t bei Krakau / von Wedel / Göhmann (Anm. 96), S. 284 bis 286 (Abstimmungsergebnis 80 :2 :16, abwesend 19). 117 Op. para. 6 des Teils A der Resolution. 110

C. S t r u k t u r w a n d e l und Aggressinsdefinition

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Kampfes kolonialer Völker u m Selbstbestimmung u n d Freiheit" und rief alle Staaten zur „materiellen u n d moralischen Unterstützung" a u f 1 1 8 . Seit d e r 25. S i t z u n g s p e r i o d e i m J a h r e 1970 w u r d e d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g d e u t l i c h e r u n d bezeichnete d e n K o l o n i a l i s m u s i n a l l sein e n F o r m e n u n d M a n i f e s t a t i o n e n als e i n „ V e r b r e c h e n " , gegen das „ m i t a l l e n M i t t e l n z u k ä m p f e n das angeborene Recht d e r K o l o n i a l v ö l k e r " sei119. N e b e n diesen scharfen V e r u r t e i l u n g e n , d i e n i c h t m e h r ohne G e g e n s t i m m e n der westlichen Staaten b l i e b e n 1 2 0 , w u r d e daher auf einer z w e i t e n Ebene i n l a n g w i e r i g e n V e r h a n d l u n g e n a n K o m p r o m i ß f o r m e l n gearbeitet, ü b e r d i e e i n Konsens a l l e r S t a a t e n angestrebt w u r d e 1 2 1 . D e n ersten g r o ß e n E r f o l g b r a c h t e die „ P r i n z i p i e n - D e k l a r a t i o n " 2625 ( X X V ) 1 2 2 des Jahres 1970, d i e z u m ersten M a l m i t d e m E i n v e r s t ä n d n i s aller Staaten die gewaltsame U n t e r d r ü c k u n g v o n Freiheitsbewegungen a b h ä n g i g e r V ö l k e r als Verstoß gegen das Gewaltverbot bezeichnete u n d i n v o r s i c h t i g e r F o r m e i n Widerstandsrecht dieser V ö l k e r n o r m i e r t e 1 2 3 .

118 Op. para. 10 von G A Res. 2105 (XX), 20.12.1965, „Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples", T e x t bei Krakau /von Wedel / Göhmann (Anm. 96), S. I l l : „Recognizes the legitimacy of the struggle b y the peoples under colonial rule to exercise their right to self-determination and independence and invites a l l States to provide material and moral assistance to the national liberation movements i n colonial Territories" (Abstimmungsergebnis 74 :6 :27, abwesend 10). 119 Op. para. 2 von G A Res. 2621 ( X X V ) , 12.10.1970, „Programme of action for the f u l l implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples", T e x t bei Krakau ! von Wedel/ Göhmann (Anm. 96), S. 113: „The General Assembly . . . Reaffirms the inherent r i g h t of colonial peoples to struggle by a l l necessary means at their disposal against colonial Powers w h i c h suppress their aspiration for freedom and independence" (Abstimmungsergebnis 86 :5 :15, abwesend 20). Ähnlich auch die folgenden jährlichen Resolutionen über den Stand der Dekolonisation, „Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples", vgl.: G A Res. 2874 ( X X V I ) , 20.12.1971; G A Res. 2908 ( X X V I I ) , 2.11.1972; G A Res. 3263 ( X X V I I I ) , 14.12.1973; G A Res. 3328 ( X X I X ) , 16.12.1974 . . . GA Res. 32/42 7.12.1977; G A Res. 33/44, 13.12.1978, letztere unter Verwendung der weiteren Formulierung „peoples under colonia I and alien domination". 120 Siehe die Abstimmungsergebnisse i n Anm. 116-119 u n d Schweb el, Wars of Liberation, S. 454 f. 121 Dazu schon oben, T e x t zu A n m . 45 - 47. 122 G A Res. 2625 ( X X V ) , 24.10.1970, „Declaration on Principles of I n t e r national L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the United Nations", T e x t bei Krakau/ von Wedel / Göhmann (Anm. 96), S. 21 - 24. 123 Siehe Absatz 5 des „Prinzips der gleichen Rechte u n d der Selbstbestimmung der V ö l k e r " : „Every State has the duty to refrain from any forcible action which deprives peoples referred to above i n the elaboration of the present principle of their r i g h t to self-determination and freedom and i n -

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I. 2. Abschn. : S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

Diese D e k l a r a t i o n i s t d i e b i s h e r bedeutendste F o r m u l i e r u n g d e r a l l g e m e i n e n P r i n z i p i e n d e r C h a r t a 1 2 4 u n d als solche d e r R a h m e n , i n d e m d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n als speziellere R e g e l u n g eines T e i l a s p e k t s des G e w a l t v e r b o t s gesehen w e r d e n m u ß 1 2 5 . Diese enge B e z i e h u n g zur „ P r i n z i p i e n - D e k l a r a t i o n " machen überdies i h r A r t . 7 u n d Paragraph 8 d e r P r ä a m b e l d e u t l i c h , so daß d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n z u m Z e i t p u n k t i h r e r V e r k ü n d u n g als d i e vorläufig letzte Etappe e i n e r Reihe i n h a l t l i c h verwandter Resolutionen erkennbar w i r d 1 2 6 . Π . Aufwertung der Generalversammlung gegenüber dem Sicherheitsrat D e r m i t der Dekolonisation einhergehende S t r u k t u r w a n d e l der V e r e i n t e n N a t i o n e n h a t j e d o c h auch I n t e r e s s e n k o n f l i k t e innerorganisatorischer A r t erzeugt u n d B e m ü h u n g e n u m d i e F o r t e n t w i c k l u n g des V ö l kerrechts so auch a u f diesen sonderrechtlichen B e r e i c h ausgedehnt. I n d e m d a m i t e n t s t a n d e n e n S p a n n u n g s f e l d ist d e r A g g r e s s i o n s b e g r i f f nicht von unwesentlicher Bedeutung. D i e s h ä n g t d a m i t zusammen, daß S t e l l u n g u n d F u n k t i o n des A g g r e s sionskonzepts i n d e r C h a r t a A u s d r u c k d e r h i s t o r i s c h e n E n t s c h e i d u n g sind, das satzungsmäßige G e r ü s t d e r V e r e i n t e n N a t i o n e n d e n besond e r e n Interessen d e r G r o ß m ä c h t e anzupassen 1 2 7 , w a s i n besonders a u f dependence. I n their actions against, and resistance to, such forcible action i n pursuit of the exercise of their right to self-determination, such peoples are entitled to seek and to receive support i n accordance w i t h the purposes and principles of the Charter." Der erste Satz ist der Aussage nach inhaltsgleich m i t Absatz 7 des „Prinzips des Gewaltverbots". Siehe zu den (politischen) Gründen, das Widerstandsrecht nicht i m „Prinzip des Gewaltverbots" zu regeln, zu Dohna, Grundprinzipien des Völkerrechts, S. 93. 124 Aus der reichhaltigen L i t e r a t u r zur Bedeutung der „Prinzipiendeklarat i o n " sind vor allem zu nennen: Arangio-Ruiz, Normative Role of the General Assembly; ders.: Declaration on Friendly Relations (leicht überarbeitete u n d aktualisierte Fassung des vorstehenden Titels); zu Dohna (Anm. 123); Neuhold (Anm. 27); Rosenstock, Declaration of Principles; Sahovic, Codification des principes d u droit international; Scheuner, Auslegung der Charta. Weitere Literaturhinweise bei zu Dohna, S. 48, A n m . 1. 125 Ermacora, Geiselbefreiung, S. 163. 126 Andererseits deuten diese Zusammenhänge darauf hin, daß die Aggressionsdefinition ihrerseits zur Basis künftiger Versuche gemacht werden könnte, das Völkerrecht weiter zu entwickeln. E i n schon aus den frühen fünfziger Jahren datierendes Vorhaben jedenfalls ist ausdrücklich v o m Bestehen einer Definition der Aggression abhängig gemacht worden, nämlich der „aufs Eis gelegte" „ D r a f t Code of Offences against Peace and Security of M a n k i n d and the Question of an international c r i m i n a l jurisdiction" der I L C , dessen Behandlung von der Generalversammlung wegen des Fehlens einer Aggressionsdefinition vertagt worden war. (Siehe zum Zusammenhang: Ferencz, Defining Aggression: Where i t stands and where it's going, S. 507 f., sowie Doc. A/PV. 2319 u n d A/7185/Rev. 1, para. 65; zur Frage der Erfolgsaussichten einer Wiederaufnahme der Arbeiten unten, letzter A b schnitt, B, der Untersuchung.) 127 Goodrich (Anm. 1), S. 59.

C. S t r u k t u r w a n d e l und Aggressinsdefinition

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fälliger Form m i t Schaffung der starken Stellung des Sicherheitsrates und der sicheren „Veto-Position" der fünf Siegermächte i n eben diesem Organ gelang 1 2 8 . Sollte danach auf dem zentralen Gebiet der Friedenssicherung der Rat das einzige Gremium sein, das Friedensbedrohungen, -brüche oder Aggressionsakte feststellen und über Gegenmaßnahmen befinden dürfe 1 2 9 , so mußte der Entschluß, Aggression und die beiden anderen Begriffe Undefiniert zu lassen, zu einer Monopolstellung des Rates 130 und damit zu einer doppelten Privilegierung 131 der Großmächte auch i n Sachen Aggressionsfeststellung führen 1 3 2 . Wenn so der Aggressionsbegriff zu einem „concept opératoire" 1 3 3 ohne vorbestimmten Inhalt zum ausschließlichen Gebrauch des Sicherheitsrates bei dessen Friedenssicherungsaufgabe gemäß A r t . 39 SVN geschaffen worden war, so konnte es nicht ausbleiben, daß er m i t diesem ins Kreuzfeuer der K r i t i k der „nichtprivilegierten Normalmitglieder" der Organisation gezogen wurde. Insbesondere den u m Respektierung ihrer zumeist jungen Souveränität besorgten Entwicklungsländer mußte die Monopolstellung des Rates i n seiner „zweiklassigen" Zusammensetzung ein Dorn i m Auge sein, weil sie das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten i m Hinblick auf ihre Mitgliedschaftsrechte i n auffälliger Weise durchbricht: denn zum einen kann er nach der Satzung Beschlüsse fassen, die für alle Staaten verbindlich sind 1 3 4 , auch wenn sich die Mehrzahl an der Entscheidung gar nicht beteiligen konnte; zum anderen haben es die Großmächte politisch i n der Hand, diese Waffe durch Ausübung ihres Vetorechts beliebig zu entschärfen und sie insbesondere von sich selber (oder ihren Verbündeten) abzuwenden 1 3 5 .

128 Neben dem Veto-Recht aus A r t . 27 Ziffer 3 S V N sorgen A r t . 108 f. SVN, wonach Satzungsänderungen u n d -revisionen ohne Beteiligung der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder nicht möglich sind, dafür, daß gegen den W i l l e n auch n u r einer „Veto-Macht" keine Beschlüsse von größerer Tragweite zu treffen sind. Siehe zur Sonderstellung der Großmächte auch Lombardi, Bürgerkrieg u n d Völkerrecht, S. 131 ff. 129 A r t . 39 SVN. 130 Siehe den i m vorhergehenden Abschnitt, A n m . 24, genannten Bericht von Paul Boncour: „The Committee decided . . . to leave to the Council the entire decision as to w h a t constitutes a threat to the peace, a breach of the peace, or an act of aggression." 131 A u f g r u n d ihres ständigen Sitzes (Art. 23 Ziffer 1 S. 2 SVN) profitieren die f ü n f Siegermächte ständig von dieser Monopolstellung i m Gegensatz zu jenen Staaten, die diese n u r auf Zeit (Art. 23 Ziffer 2 SVN) genießen, u n d aufgrund ihrer „Veto-Macht" (Art. 27 Ziffer 3 SVN) nehmen sie selbst innerhalb des Rates einen „exklusiven" Rang ein. 132 Siehe auch Lombardi (Anm. 128), S. 132 f. 133 Rambaud , Définition de l'agression, S. 837. 134 A r t . 25 SVN.

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I. 2. Abschn.: S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

Diese p r a k t i s c h b e l i e b i g e H a n d h a b b a r k e i t des A g g r e s s i o n s b e g r i f f s durch ein „ G r e m i u m Ungleicher" w u r d e m i t zunehmender U m s t r u k t u r i e r i m g d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g i n eine A r t „ L ä n d e r k a m m e r der D r i t t e n W e l t " 1 3 6 als A t t r i b u t z u ü b e r w i n d e n d e r P r i v i l e g i e n b e t r a c h t e t 1 3 7 , w o b e i m a n g l e i c h z e i t i g d i e als d i s k r i m i n i e r e n d e m p f u n d e n e schwache Rechtsstellung d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g z u b e k ä m p f e n u n d das V o l l v e r s a m m l u n g s o r g a n gegenüber d e m R a t a u f z u w e r t e n s u c h t e 1 3 8 . U n t e r n e h m u n g e n d e r e r s t g e n a n n t e n A r t s i n d d i e v o n der G e n e r a l versammlung mehrheitlich i n Anspruch genommenen Kompetenzen, a u ß e r h a l b d e r i h n e n satzungsmäßig zustehenden Befugnisse, generellabstrakte R e g e l u n g e n allgemeinverbindlicher A r t z u erlassen u n d sich so selbst z u e i n e r A r t „ W e l t g e s e t z g e b e r " z u k ü r e n , w a s i h r d i e G r ü n d e r der Vereinten Nationen vorenthalten hatten139. 135

Symptomatisch ist etwa das Scheitern des Resolutionsantrags S/13729 v o m 6.1.1980 („Abzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan") durch das Veto der UdSSR am 7.1.1980 i m Vergleich zur m i t 104 :18 Gegenstimmen: 18 Enthaltungen angenommenen General Versammlungsresolution ES-6/2 („Die Lage i n Afghanistan u n d ihre Auswirkungen auf den Weltfrieden u n d die internationale Sicherheit") v o m 14.1.1980. Texte i n V N 28 (1980), S. 31 f. (Siehe dort auch auf S. 32 f. Anträge u n d Beschlüsse [Sicherheitsrat wie Generalversammlung] zum „ I r a n - K o n f l i k t " . ) 138 Zumindest seit Erlangung der Zweidrittel-Mehrheit dieser Staaten i n der Generalversammlung dürfte diese Bezeichnung die Stellung des V o l l versammlungsgremiums i m Verhältnis zum „Großmachtgremium" Sicherheitsrat zutreffend umreißen. 137 Typisch etwa der Delegierte Ecuadors i m Sonderausschuß zur Definition der Aggression, der zunächst „erinnerte", daß „the preparatory w o r k at Dumbarton Oaks and San Francisco showed that the b i g Powers had been motivated solely b y the idea of creating for their o w n benefit an body endowed w i t h wide powers" u n d hieran anschließend den Sicherheitsrat als einen „club of five with ten guests " bezeichnete, A / A C . 134/SR. 97, S. 66. Siehe auch die A r b e i t des m i t Resolution 3499 ( X X X ) , 15.12.1975 von der Generalversammlung eingesetzten „Special Committee on the Charter of the United Nations and on the Strengthening of the Role of the Organization", i n dessen Diskussionen der A b b a u der Privilegien der Großmächte stets eine große Rolle spielte (vgl. den Bericht des Ausschusses, GAOR, X X X I I , Suppl. No. 33, paras. 6 - 32, hierzu auch Broms, Special Committee). 138 So auch Stone, Conflict through Consensus, S. 168 u n d Neuhold (Anm. 27), S. 117 ff. 139 Siehe schon oben, Vorbemerkung, Text zu Anm. 9 u n d die i n diesem Abschnitt, A n m . 96 ff. genannten Resolutionen. A m prägnantesten ist diese Maximalforderung von Elias , Modern Sources of International L a w , S. 51, formuliert: „ I f there is u n a n i m i t y i n the Assembly during the vote, a l l are bound, provided the subject falls w i t h i n the Assembly's competence. I f the vote is divided, then those states that vote for a particular resolution b y the requisite m a j o r i t y are bound on the grounds of consent and of estoppel. Those that abstain are also bound on the ground of acquiescence, and tacit consent, since an abstention is not a negative vote; w h i l e those that vote against the resolution should be regarded as bound b y the democratic principle that the m a j o r i t y v i e w should always prevail . . . To hold otherwise w o u l d be contrary to the democratic principle that, i f every State has had its say, the requisite m a j o r i t y must have its way." (Siehe hierzu aber auch

C. S t r u k t u r w a n d e l u n d Aggressinsdefinition

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A u f e i n e r a n d e r e n Ebene m a c h t e sie aber auch n i c h t v o r d e n M o n o p o l a u f g a b e n des Sicherheitsrates h a l t : so schon i m J a h r 1950, als auf I n i t i a t i v e d e r U S A m i t d e r „ U n i t i n g f o r Peace" R e s o l u t i o n 1 4 0 die Gener a l v e r s a m m l u n g i n d i e D o m ä n e des Sicherheitsrates e i n b r a c h u n d sich das Recht n a h m , i n F ä l l e n e i n e r ( v e t o b e d i n g t e n ) E n t s c h e i d u n g s u n f ä h i g k e i t des Rates a n dessen S t e l l e die T a t b e s t a n d s v o r a u s s e t z u n g e n des A r t . 39 S V N festzustellen u n d E m p f e h l u n g e n i m H i n b l i c k a u f z u e r g r e i fende K o l l e k t i v m a ß n a h m e n auszusprechen, i n d e n F ä l l e n des F r i e d e n s bruchs u n d d e r A g g r e s s i o n g a r d i e des Einsatzes v o n W a f f e n g e w a l t 1 4 1 . O b w o h l d i e M o t i v e d a m a l s andere w a r e n 1 4 2 als d i e i n diesem A b s c h n i t t angesprochenen, so h a t diese R e s o l u t i o n doch e i n P r ä j u d i z g e schaffen, das sich so ohne w e i t e r e s n i c h t m e h r aus der W e l t d e r O r g a n i s a t i o n schaffen l ä ß t 1 4 3 . R e s o l u t i o n e n d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g , i n d e n e n f r i e d e n s b e d r o h e n d e H a n d l u n g e n , F r i e d e n s b r ü c h e oder g a r A g g r e s s i o n s a k t e festgestellt w e r d e n v e r b u n d e n m i t e i n d e u t i g e n E m p f e h l u n g e n , s i n d j e d e n f a l l s a n d e r T a g e s o r d n u n g 1 4 4 u n d belegen, daß d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g n i c h t g e w i l l t ist, A r t . 39 S V N s t r e n g i m S i n n e e i n e r M o n o p o l k o m p e t e n z des Sicherheitsrates z u i n t e r p r e t i e r e n , w e n n sie auch dessen H a u p t v e r a n t w o r t u n g r e s p e k t i e r t 1 4 5 . Simma, Methodik u n d Bedeutung, S. 94: „ . . . eine A r t völkerrechtliche Holzhammermethode . . . " . ) 140 G A Res. 377 (V), 3.11.1950 (dazu schon oben, A n m . 39 f.). 141 A, op. para. 1 der Resolution: „Resolves that i f the Security Council, because of lack of u n a n i m i t y of the permanent members, fails to exercise its p r i m a r y responsibility for the maintenance of international peace and security i n any case where there appears to be a threat to the peace, breach of the peace, or act of aggression, the General Assembly shall consider the matter immediately w i t h a v i e w to m a k i n g appropriate recommendations to Members for collective measures, including i n the case of a breach of the peace or act of aggression the use of armed force w h e n necessary, to m a i n tain or restore international peace and security." (Text i n Krakau / von Wedel / Göhmann [Anm. 96], S. 5 ff.) 142 Siehe zum „ O s t - W e s t - K o n f l i k t " i n der Koreafrage u n d der „Mobilisierung der Generalversammlung" durch die U S A Verdross / Simma, U n i v e r selles Völkerrecht, S. 148 f. 143 So hat der I G H i n seinem Gutachten über „Certain Expenses of the United Nations" (ICJ Reports, 1962, S. 162 f.) die der „ U n i t i n g for Peace" zugrundeliegende Auffassung von einer subsidiären Verantwortung der Generalversammlung auf dem Gebiet der Friedenssicherung gebilligt. Siehe auch die oben, A n m . 40, genannten Autoren u n d pr. para. 9 der i n A n m . 135 angeführten Generalversammlungsresolution ES-6/2, 14.1.1980. 144 Siehe anstelle einer eigenen Übersicht die ausführliche Auswertung der i n diesem Zusammenhang zu nennenden Generalversammlungsresolutionen durch Arntz, Begriff der Friedensbedrohung, S. 112 -187. A n neueren Resolutionen sind vor allem die zum südlichen A f r i k a zu nennen, siehe etwa: G A Res. 32/9 D, 4.11.1977 („Situation i n Namibia resulting from the illegal occupation of the T e r r i t o r y by South Africa"); G A Res. 32/105 J, 14.12.1977 („Assistance to the national liberation movement of South Africa"); G A Res. 32/116, 16.12.1977 („Question of Southern Rhodesia"). 145 Dies w i r d a u d i von der oben (Anm. 135, 143) genannten Generalver-

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.2. Abschn. : S t r u k t u r w a n d e l u n d Definitionsbemühungen

Mischte sich die Generalversammlung somit schon i n die konkreten Friedenssicherungsbefugnisse des Sicherheitsrates ein, so war es nichts als konsequent, auch i n abstrakt-genereller Weise vorzuformulieren, welches nach ihrer Ansicht Handlungen sind, die den Tatbestand der Aggression erfüllen, u m so auch beim Tätigwerden des Sicherheitsrates zu gewährleisten, daß die auf „demokratischem" 1 4 6 Wege gewonnenen Rechtsansichten der Staatenversammlung i n seine Entscheidungen einließen. Ob sie nun m i t dem Anspruch auftreten mochte, den Rat „an die Kette einer verbindlichen Definition" zu nehmen oder ihn nur m i t dem unverbindlichen, aber doch autoritativen Produkt einer universell geäußerten Rechtsauffassung zu konfrontieren: i n beidenVFällen mußte eine Aggressionsdefinition doch ein weiterer Schritt auf dem Wege zur innerorganisatorischen Aufwertung der Generalversammlung sein 1 4 7 , vor allem dann, wenn sie auch von den Stimmen der ständigen Sicherheitsratsmitglieder mitgetragen würde. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß auch unter organisationsinternem Aspekt eine Aggressionsdefinition dem Interesse der nichtprivilegierten Generalversammlungsmehrheit entspricht und folglich m i t deren zunehmender Dominanz betrieben wurde, daß aber anders als unter allgemein politisch-rechtlichen Gesichtspunkten hier nicht von einer automatischen „Süd-Ost-Allianz" ausgegangen werden kann 1 4 8 . Π Ι . Initiatoren lind Beteiligte des Konsensbildungsprozesses

Die bis hierhin dargestellten Interessengegensätze i n Sachen Aggressionsdefinition und ihre mehrfachen Ursachen lassen bereits erkennen, daß die Initiative zum Wiederaufgreifen der Definitionsbemühungen sammlungsresolution ES-6/2, 14.1.1980 bestätigt, die erst zustande kam, nachdem der Sicherheitsrat mangels Übereinstimmung der ständigen M i t glieder i n der Sache (Afghanistan) m i t einfacher Mehrheit den prozeduralen Beschluß (vgl. A r t . 27 Ziffer 2 SVN) gefaßt hatte, eine Notstandssondertagung der Generalversammlung einzuberufen, S/Res. 462 (1980), 9.1.1980, Abstimmungsergebnis 1 2 : 2 Gegenstimmen (UdSSR, DDR): 1 Enthaltung (Zambia), Text i n V N 28 (1980), S. 31. Siehe zum Verhältnis Generalversammlung-Sicherheitsrat auch Prandler, Competence of the Security Council and the General Assembly. 148 Siehe oben, A n m . 139. 147 Ferencz I I , S. 41. 148 Als „Vetomacht" i m Sicherheitsrat stand die UdSSR insoweit i n einer Reihe m i t Großbritannien u n d den USA, die kein Interesse daran haben konnten, das System des A r t . 39 S V N aufzuweichen, vgl. die Stellungnahme des amerikanischen Außenministeriums nach Annahme der Charta zu A r t . 39 SVN: „ I f any single provision of the Charter has more substance than the others i t is this one sentence" (Fundstelle bei Goodrich / Hambro / Simons , Charter of the United Nations, S. 293, A n m . 9). Z u r „untypischen" Vetomachtposition Frankreichs u n d vor allem Chinas i n dieser Frage siehe weiter unten bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs.

C. S t r u k t u r w a n d e l u n d Aggressinsdefinition

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nur von den sowjetmarxistischen Ländern oder den sich selbst als blockfrei 149 bezeichnenden Staaten der „Dritten Welt" kommen konnte. Tatsächlich war es am 22. September 1967 die Sowjetunion, deren damaliger Außenminister Gromyko den Präsidenten der Generalversammlung bat, den Punkt „Need to expedite the drafting of a definition of aggression i n the light of the present international situation" auf die Tagesordnung der 22. Sitzungsperiode zu setzen 150 . Von der Generalversammlung angenommen 151 , debattiert 1 5 2 und an den Rechtsausschuß verwiesen 1 5 3 , wurde er dort weiter beraten 1 5 4 , wobei die UdSSR und 26 Blockfreie für die Einsetzung eines Sonderausschusses, die USA, Großbritannien und Australien für die Vertagung der Problematik votierten 1 5 5 . A m 14. Dezember 1967 nahm der Rechtsausschuß ohne Gegenstimmen den Blockfreienentwurf zur Einsetzung eines Sonderausschusses an 1 5 6 , wobei nur Stimmenthaltungen 1 5 7 aus dem westlichen Lager signalisierten, daß diese Staaten nicht zu den Befürwortern einer Definition zählten, sich einer Diskussion aber auch nicht (durch Gegenstimmen bekräftigt) strikt widersetzen wollten, eine Haltung, von der sie auch bei der folgenden Abstimmung i n der Generalversammlung 158 nicht abwichen 159 . M i t der Resolution 2330 (XXII), 18.12.1967, wurde so ein 149 Vgl. etwa Brückner, Blockbildung, S. 59. W i e w o h l auch diese Bezeichnung nicht treffend ist (die Blockfreien betreiben w o h l eigene Blockpolitik, Brückner, S. 60) w i r d er dem Begriff „Gruppe der 77" vorgezogen u n d i m folgenden verwandt, w e i l auch letzterer „nicht mehr paßt", ersterer aber i m m e r h i n der „gängigere" ist. 150 Doc. A/6833 = Ferencz I I , S. 272 f. (Die I n i t i a t i v e w u r d e von vielen zunächst n u r als „Ablenkungsmanöver" anläßlich der ägyptischen Niederlage i m „Sieben-Tage-Krieg" eingeschätzt, siehe Ferencz I I , S. 8.) 151 1572. Sitzung am 28.10.1967, Doc. A/C. 6/378 = Ferencz I I , S. 273. 152 1611. bis 1618. Sitzung v o m 28.11. bis 4.12.1967. 153 Doc. A/C. 6/384 v o m 5.12.1967 = Ferencz I I , S. 273 f. 154 1017. bis 1023. u n d 1025. Sitzung v o m 7. bis 14.12.1967, Doc. A/6988 („Report of the S i x t h Committee") = Ferencz I I , S. 275 - 279. 155 Doc. A/6988 (Anm. 154), paras. 2 ff. 15β Doc. A/6988 (Anm. 154), para. 19. Die Sowjetunion verzichtete auf eine A b s t i m m u n g über ihren eigenen E n t w u r f u n d sorgte so f ü r eine „Streuung der I n i t i a t i v e " . Siehe zur T a k t i k der UdSSR, Probleme der „ D r i t t e n W e l t " durch eigene Resolutionsentwürfe zunächst n u r aufzugreifen, u m damit w e i tere Schritte zu initiieren, Pawelka (Anm. 3), S. 168 unter Berufung auf Russet, Trends i n W o r l d Politics. 157 Der E n t w u r f wurde m i t 68 Stimmen bei 19 Enthaltungen angenommen, Doc. A/6988 (Anm. 154), paras. 19 f. 158 Die Resolution 2330 ( X X I I ) , 18.12.1967 w u r d e m i t 90 : 1 Gegenstimme : 18 Enthaltungen angenommen, letztere kamen vor allem aus dem westlichen Lager. Siehe die Stimmerklärungen i n U N Chr. 4/1 (1967), S. 34 ff. (Das namentliche Stimmergebnis ist weder Dokumenten n o d i der L i t e r a t u r zu entnehmen.) 159 Siehe etwa die Erklärungen von Kanada u n d Australien, U N Chr. (Anm. 158), S. 35 f.

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I. 2. Abschn. : Strukturwandel u n d Definitionsbemühungen

politisches Organ 1 6 0 , paritätisch zusammengesetzt 161 , m i t den Definitionsarbeiten beauftragt, das i n einem besonderen Verfahren der Konsensbildung versuchte, die oben beschriebene Suche nach einem Kompromiß i n konkrete Bahnen zu lenken 1 6 2 . 160 Eine Beauftragung der I L C wurde i m Gegensatz zu den Diskussionen u m die Einsetzung des „Prinzipien-Ausschusses" nicht diskutiert, vgl. zum letzteren Sahovié (Anm. 124), S. 272. 161 Siehe op. para. 2 der i n der folgenden A n m e r k u n g wiedergegebenen Resolution. 162 Die Resolution 2330 ( X X I I ) , 18.12.1967 lautet: The General Assembly , Considering that i n conformity w i t h the Charter of the United Nations a l l Members of the United Nations must refrain i n their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State, or i n any other manner inconsistent w i t h the purposes of the U n i t e d Nations, Considering that one of the m a i n purposes of the United Nations is to m a i n tain international peace and security and, to that end, to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, Convinced that a p r i m a r y problem confronting the United Nations i n the maintenance of international peace remains the strengthening of the w i l l of States to respect a l l obligations under the Charter, Considering that there is a widespread conviction that a definition of aggression w o u l d have considerable importance for the maintenance of i n t e r national peace and for the adoption of effective measures under the Charter for preventing acts of aggression, Noting that there is s t i l l no generally recognized definition of aggression, 1. Recognizes that there is a widespread conviction of the need to expedite the definition of aggression; 2. Establishes a Special Committee on the Question of Defining Aggression, composed of t h i r t y - f i v e Member States to be appointed b y the President of the General Assembly, t a k i n g into consideration the principle of equitable geographical representation and the necessity that the principal legal systems of the w o r l d should be represented; 3. Instructs the Special Committee, having regard to the present resolution and the international legal instruments relating to the matter and the relevant precedents, methods, practices and criteria and the debates i n the S i x t h Committee and i n plenary meetings of the Assembly, to consider a l l aspects of the question so that an adequate definition of aggression may be prepared and to submit to the General Assembly at its t w e n t y - t h i r d session a report which w i l l reflect a l l the views expressed and the proposals made; 4. Requests the Secretary-General to provide the Special Committee w i t h the necessary facilities and services; 5. Decides to include i n the provisional agenda of its t w e n t y - t h i r d session an item entitled „Report of the Special Committee on the Question of Defining Aggression". Mitglieder waren: 1. Afrikanische Staaten: Ägypten, Algerien, Ghana, Madagaskar, Sierra Leone, Sudan, Uganda, Zaire. 2. Asiatische Staaten: Indonesien, Irak, Iran, Syrien, Türkei, Zypern. 3. Kommunistische Staaten Europas: Bulgarien, Jugoslawien, Rumänien, Tschechoslowakei, UdSSR.

Α. S t r u k t u r w a n d e l der V N u n d Willensbildungsmethode

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3. Abschnitt

Das „Konsensus verfahr en" als Voraussetzung für die einmütige Annahme der Definition Die wachsende Bereitschaft der Staaten, auch Gegenstände ihrer grundsätzlichen Interessengegensätze zu diskutieren, hätte noch nicht zur einmütigen Annahme der Aggressionsdefinition geführt, wenn m i t dem „politischen Tauwetter" nicht auch eine neue Methode der Willensbildung und Entscheidungsfindung i n die Vereinten Nationen eingezogen wäre. A. Zusammenhänge zwischen der Strukturveränderung der Vereinten Nationen und der Methode der Willensbildung und Entscheidungsfindung Ursache des „Novums" ist derselbe soziale Wandel, der den Vereinten Nationen das oben skizzierte neue Gesicht beschert hat. Da kein Verfahren neutral ist 1 und der Entscheidungsprozeß das Wesen einer Internationalen Organisation ausmacht 2 , ist m i t deren Wandlungen auch eine Veränderung oder Ergänzung der Methoden verbunden 3 , m i t denen dieser Prozeß vollzogen wird, soweit die herkömmlichen Techniken den neuen Anforderungen nicht genügen. Eine Gesellschaft, die verhandlungsbereit den Ausgleich i m Kompromiß sucht, verfährt eben anders als eine solche, i n der die Entscheidungsfindung allein eine Frage der Mehrheitsbildung ist. Diese unterschiedliche Verständigungsbereitschaft der UN-Mitglieder nun hat ihre Wurzeln, wie oben gezeigt wurde, i n den jeweiligen I n halten der zu treffenden Beschlüsse, so daß dieselben Faktoren, die die Substanz der Beschlüsse bestimmen, auch die Formen prägen, i n denen diese vorbereitet und verkörpert werden 4 . Form und Inhalt stellen dam i t eine funktionale Einheit dar, woraus folgt, daß der Inhalt isoliert, ohne Berücksichtigung der prozeduralen Zusammenhänge, nicht verstanden werden kann. Das Verfahren, dem die Aggressionsdefinition ihre Existenz verdankt, bestimmt daher ihren Inhalt mit. 4. Lateinamerikanische Staaten: Ecuador, Guyana, Haiti, Kolumbien, Mexiko, Uruguay. 5. Weststaaten: Australien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Norwegen, Spanien, USA. (Siehe zur Kategorisierung Lindemann [Anm. 13], S. 221 f., aber auch die Einschränkungen auf S. 223.) 1 Cassan, Consensus, S. 456. 2 Okularczyk, Consensus, S. 121. 3 Glaser, Consensus, S. 78. 4 Glaser (Anm. 3), S. 69.

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I. 3. Abschn. : Das „Konsensusverfahren"

Β. Anwendungsbereich des „Konsensusverfahrens" Die Mitglieder der Vereinten Nationen standen demzufolge vor der Aufgabe, den i n Umfang und Bedeutung ständig zunehmenden InterBlock-Diskussionen ein „angemessenes"5 Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, m i t dessen Hilfe die „Quadratur des Zirkels" 6 i n Gestalt von intersystemaren Vereinbarungen bei bestehenden Systemantagonismen 7 versucht werden sollte. Dabei war von der Tatsache auszugehen, daß weder das für die Generalversammlung von der Satzung vorgesehene Abstimmungsverfahren m i t einfacher und qualifizierter 2 /s Mehrheit (Art. 18) noch das klassische „Unanimity"-Prinzip des Völkerbundes 8 für den Bereich der Fortentwicklung des Völkerrechts nutzbar zu machen waren: Konnte die Anwendung quasi-parlamentarischer 9 Mehrheitsentschlüsse aus rechtlichen („Souveränitätsprinzip") und tatsächlichen Gründen (politischer Bedeutungsverlust „automatischer" Mehrheiten 1 0 ) nicht die gewünschte einmütige Unterstützung aller Staaten ersetzen, so schied das „Unanimity"-Verfahren wegen der geringen materiellen Kompromißbereitschaft der antagonistischen Blöcke aus 11 . Gesucht war vielmehr ein Verfahren, das sich flexibel dem dialektischen Prozeß von Annäherung und Abgrenzung 12 anpassen ließ und der einmütigen Annahme einer relativen Einigungsformel nicht i m Wege stand, die also Raum sowohl für kooperative als auch konfrontative Elemente bereitstellen mußte. Da die Charta keine M i t t e l zum Ausdruck eines derart relativierten Konsenses anbietet 13 , entwickelte die UNO-Praxis ohne förmliche Sat5 Siehe zu den Bestimmungsfaktoren der Verfahrenswahl allgemein Mounier , Formation de la volonté, S. 32 f. 6 So Randelzhof er, Aggressionsdefinition, S. 630. 7 Kühne, Ost-West-Entspannung, S. 235. 8 Jenks, Modes of Decision, S. 49. Das „ U n a n i m i t y " - P r i n z i p w i r d dagegen ζ. B. i m Natorat u n d dem Rat der E G angewandt, vgl. Bastid, Consensus, S. 11. 9 Cassan (Anm. 1), S. 458. Allgemein zu den Möglichkeiten der Anwendung parlamentarischer P r a k t i k e n durch die Generalversammlung auch Pawelka, Strategische Probleme, S. 167. 10 Siehe schon oben, T e x t zu A n m . 45 f. des vorhergehenden Abschnitts, u n d Cassan (Anm. 1), S. 483 f. 11 Jenks (Anm. 8), S. 50: „The principle is workable only w i t h i n a relat i v e l y homogenous organization w i t h a h i g h l y developed sense of common purpose." Siehe zum ganzen auch Brinkmann, Majoritätsprinzip u n d E i n stimmigkeit. 12 Siehe zur D i a l e k t i k des Entspannungsprozesses zwischen zwei antagonistischen Systemen (dargestellt am Ost-West-Konflikt) Willms, D i a l e k t i k von Kooperation u n d Abgrenzung. 13 Auch die Möglichkeit der Stimmenthaltung k a m nicht i n Betracht — abgesehen von der negativen Aussagebedeutung, die sie i m Verlauf der

Β. Anwendungsbereich des „Konsensusverfahrens"

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z u n g s ä n d e r u n g 1 4 e i n V e r f a h r e n , dessen F o r m a l i s i e r u n g e n sie d i e gewünschte materielle Aussagekraft durch Ü b u n g 1 5 beimaß. Die F o r m f a n d m a n i n d e r — s o w o h l d e n p r i m i t i v e n R e c h t s k u l t u r e n 1 6 als auch d e r D i p l o m a t i e 1 7 — v e r t r a u t e n P r a x i s , u n t e r Verzicht auf Abstimmungen solange ü b e r d e n I n h a l t e i n e r Kompromißformel zu verhandeln, bis diese n i c h t m e h r a u f d i e p r i n z i p i e l l e A b l e h n u n g der b e t e i l i g t e n g l e i c h b e r e c h t i g t e n V e r h a n d l u n g s p a r t n e r stößt u n d i n A n b e t r a c h t des Fehlens f ö r m l i c h e r W i d e r s p r ü c h e ohne A b s t i m m u n g 1 8 „ f ü r a n g e n o m m e n e r klärt" werden kann19. F ü r diese, u n t e r h a l b d e r a k t i v e n , f ö r m l i c h e n Z u s t i m m u n g r a n g i e r e n d e 2 0 Form der Einwilligung, setzte sich a l s b a l d die angelsächsische B e z e i c h n u n g consensus 21 durch, also d i e „ o p i n i o n c o l l e c t i v e m a i s n o n u n a n i m e d ' u n e p l u r a l i t é de p e r s o n n e s " 2 2 , w o m i t einerseits das V e r f a h r e n d e r W i l l e n s b i l d u n g , andererseits aber auch das E r g e b n i s d e r E n t scheidungsfindung, d i e B e s c h l u ß f o r m e l , g e m e i n t s i n d 2 3 . UNO-Praxis erhalten hat (vgl. etwa Virally, L'Organisation Mondiale, S. 195, und Tomuschat, Generalversammlung, S. 54) — w e i l sie die unterschiedliche Einverständnisbereitschaft der Staaten (Ja : Nein : Enthaltung) manifestiert hätte, was j a gerade vermieden werden sollte (Virally, a.a.O.). 14 Okularczyk (Anm. 2), S. 124 f. 15 Bastid (Anm. 8), S. 15; Ermacora, Problem der Rechtsetzung, S. 80. 16 V o r allem das „Palaver" der afrikanischen Volksstämme u n d die germanischen „Things" basier(t)en auf dieser Technik, vgl. Kasule, Palaver, S. 4 ff., 25 ff. 17 Jenks (Anm. 8), S. 56. 18 Daß A r t . 13 S V N keine individuelle Stimmabgabe fordert, weist insbesondere Charpentier, Procédure de non objection, S. 866 ff., nach. 19 Vgl. auch die Definition von Okularczyk (Anm. 2), S. 125: „ T h e consensus method expresses itself i n such a conduct of business i n which an organ attempts to b r i n g to agreement a l l States interested i n a given issue w i t h o u t recourse to voting. The problem is negotiated as long as i t is necessary to draft a resolution w h i c h w i l l not give rise to a formal objection on the part of any member of the organ. The agreed text is, as a rule, presented to the member States b y the chairman of the organ, and i n the absence of formal objections, declared as having been adopted w i t h o u t voting." 20 Bastid (Anm. 8), S. 16; Cassan (Anm. 1), S. 459 (,,le consensus n'apporte pas, comme l'unanimité, la preuve d'une approbation effective, i l signifie seulement l'absence d'opposition formelle"); Cassese, Consensus, S. 754; D'Amato, On Consensus, S. 110 („Consent implies active agreement w h i l e consensus refers to shared or sympathetic beliefs"); IC J Pleadings, 1966, S. 344 ( „ . . . more than a simple majority, but something less than u n animity"). 21 Dagegen spricht Charpentier (Anm. 18) von der „procédure de nonobjection". 22 Lacharrière, Consensus, S. 10; vgl. auch Reuter, Quelques réflexions sur le vocabulaire du droit international, S. 440. 23 Cassan (Anm. 1), S. 456: „Dans une première acception, le consensus désigne . . . une procédure de décision . . . Mais le consensus, dans une seconde acception, peut qualifier le document adopté l u i - m ê m e " ; so auch Lacharrière (Anm. 22), S. 9, Monnier (Anm. 5), S. 33, u n d Vignes, Consensus Rule, S. 120. 6 Bruha

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I. 3. Abschn. : Das „Konsensusverfahren"

Diese M e t h o d e 2 4 , die w e g e n d e r V e r k n ü p f u n g v o n k o o p e r a t i v e n m i t k o n f r o n t a t i v e n E l e m e n t e n 2 5 w i e k e i n e andere geeignet ist, z u der a l l m ä h l i c h e n Ü b e r w i n d u n g antagonistischer S t r u k t u r e n beizutragen26 27 (aber auch diese z u v e r s c h l e i e r n ! ) , i s t als adäquates M i t t e l d e r I n t e r B l o c k - D i s k u s s i o n e n 2 8 z u n e h m e n d v o n der W e l t o r g a n i s a t i o n a n g e w a n d t w o r d e n u n d h a t sich m i t d e r I n t e n s i v i e r u n g des „ N o r d - S ü d - D i a l o g s " 2 9 z u m b e v o r z u g t e n K o n f l i k t l ö s u n g s m u s t e r der V e r e i n t e n N a t i o n e n 3 0 u n d anderer m u l t i l a t e r a l e r F o r e n 3 1 e n t w i c k e l t . A n seiner g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h e n A n e r k e n n u n g d u r c h die S t a a t e n besteht z u m i n d e s t seit d e r B i l l i g u n g d e r „ C o n c l u s i o n s of t h e Special C o m m i t t e e o n t h e R a t i o n a l i z a t i o n of t h e Procedures a n d O r g a n i z a t i o n 24 Die anfangs spärliche L i t e r a t u r zum Konsensusverfahren ist m i t seiner zunehmenden Bedeutung dichter geworden, siehe (in der Reihenfolge ihres Erscheinens) vor allem: Jenks (Anm. 8); Charpentier (Anm. 18); Lacharrière (Anm. 22); Reuter (Anm. 22); Glaser (Anm. 3); Bastid (Anm. 8); Okularczyk (Anm. 2); Sohn, United Nations Decision M a k i n g ; Cassan (Anm. 1); Cassese (Anm. 20); Vignes (Anm. 23); Sohn, Voting procedures; Mounier (Anm. 5); Suy, Meaning of Consensus; Brinkmann, Einstimmigkeit u n d Konsens verfahren. (Siehe auch die weiteren Hinweise i n den folgenden Anmerkungen.) 25 Besonders deutlich Charpentier (Anm. 18), S. 862 ff., der i n dem Verfahren sowohl den positiven Aspekt der „procédure de conciliation " („le consensus remplace le vote — les consultations remplacent les discussions") als auch den negativen Aspekt der „procédure de frustration " („une procédure contestable, fragile et excusable") sieht. 26 Cassan (Anm. 1), S. 485: „ . . . u n facteur de neutralisation des positions extrêmes"; Mounier (Anm. 5), S. 43. Siehe auch die kommunikationstheoretische Untersuchung Pawelkas (Anm. 9), dort vor allem S. 166 - 173. 27 Bastid (Anm. 8), S. 25: „C'est u n instrument qui peut produire le meilleur comme le pire." 28 Also vor allem i m Zusammenhang m i t Fragen des internationalen Friedens u n d der Sicherheit, der Fortentwicklung des Völkerrechts u n d der wirtschaftlichen Entwicklung u n d Zusammenarbeit, vgl. Okularczyk (Anm. 2), S. 125 f. 29 So Cassan (Anm. 1), S. 457, u n d Okularczyk (Anm. 2), S. 148. Siehe dazu auch Weintraub, North-South Dialogue. 30 Siehe generell Falk, Quasi-legislative Competence, S. 785, der von einem „ t r e n d from consent to consensus as the basis of international legal obligations" spricht. Nach dem „Repertory of Practice of the United Nations" stieg der A n t e i l der einstimmig oder i m Konsensusverfahren angenommenen Beschlüsse m i t dem Mehrheitswechsel des Jahres 1960 sprunghaft auf über 50 °/o der angenommenen Resolutionen der Generalversammlung an, 1968 bet r u g er gar mehr als 2/a (Sohn [Anm. 24], S. 439), wobei die überwiegende Mehrheit dieser Resolutionen, w e n n auch nicht immer so bezeichnet, „ K o n sensus-Beschlüsse" waren (Sohn, S. 440). Danach stabilisierte sich das V e r hältnis auf etwa 50 : 50 (Brinkmann [Anm. 24], S. 204). Übersichten zur A n w e n d u n g des Verfahrens durch die Vereinten Nationen bieten: Brinkmann, S. 202 ff.; Cassan (Anm. 1), S. 460 ff.; Manno, M a j o r i t y Decisions and M i n o r i t y Responses; Sohn (Anm. 24). 31 Vor allem die 3. Seerechtskonferenz bedient sich dieser Methode i n einer weiterentwickelten Form. Siehe dazu neben Vignes (Anm. 23) vor allem Jaenicke, D r i t t e Seerechtskonferenz, S. 444 - 459 u n d Vitzhum, Friedlicher Wandel durch völkerrechtliche Rechtsetzung, S. 143 - 155.

Β. Anwendungsbereich des „Konsensusverfahrens"

83

of the General Assembly" des Jahres 197132 durch die Generalversammlung 3 3 kein Zweifel mehr, da deren Paragraph 104 das Konsensusverfahren ausdrücklich empfiehlt 3 4 . Gegenwärtige Bemühungen um eine Änderung der Charta lassen überdies vermuten, daß die „Konsensusmethode" noch intensiver als bisher schon praktiziert gehandhabt werden w i r d 3 5 . C. Struktur des „Konsensusverfahrens" Ist die „Konsensusmethode" — die der Sonderausschuß zur Definition der Aggression zunächst stillschweigend 36 , dann offiziell 3 7 , anwandte — somit ein von den Staaten entwickeltes Mittel, um trotz unausräumbarer Meinungsverschiedenheiten einen gewissen Grad von Einigungsbereitschaft auszudrücken ohne die Zurechenbarkeit einer individualisierbaren Stimmabgabe (-enthaltung) auf sich zu laden 3 8 , so w i r d deutlich, daß Inhalt und Wert eines konsensualen Beschlusses nur schwer zu bestimmen sind. Da diese Methode bislang auch keine neue juristische Kategorie kollegialer Beschlüsse herausgebildet hat 3 9 , ist sie zunächst nur ein politisches Instrument 4 0 , m i t dem die Staaten i n der Generalversammlung auf der ganzen Breite ihrer satzungsmäßigen und originären Zustän32

GAOR, X X V I , Suppl. 26. G A Res. 2873 ( X X V I ) , 17.12.1971. 34 Die „Conclusions" sind von der Generalversammlung als A n n e x V ihren autonom bestimmten (Art. 21 S. 1 SVN) „Rules of Procedure", A/520 Rev. 12, angefügt worden. Auch deren Paragraph 104 ist daher als „offiziös" anzusehen, der lautet: „The Special Committee considers that the adoption of decisions and resolutions by consensus is desirable w h e n i t contributes to the effective and lasting settlement of differences, thus strengthening the author i t y of the United Nations. I t wishes, however, to emphasize t h a t the r i g h t of every Member State to set forth its views i n f u l l must not be prejudiced by this procedure." Z u r Rechtsbedeutung der „Rules of Procedure" inklusive ihrer Annexe siehe Kolasa , Rules of Procedure. 35 Dies jedenfalls ist die Empfehlung des i m Jahr 1975 durch die Generalversammlung eingesetzten „Special Committee on the Charter of the United Nations and on the Strengthening of the Role of the Organization", siehe den letzten Bericht des Ausschusses GAOR, 34/33, dort etwa S. 37 u n d 48. (Vgl. zur Arbeit des Ausschusses die bei Klein, Tätigkeit der Vereinten Nationen 1978, A n m . 107 genannten Autoren.) 36 Okularczyk (Anm. 2), S. 129. 37 I m August 1970 beschloß der Sonderausschuß die Errichtung einer „ w o r k i n g group w i t h the purpose of drafting an agreed or generally accepted definition of aggression", siehe GAOR, X X V , Suppl. No. 19, para. 9. 38 Virally (Anm. 13), S. 196. 39 So die einhellige Meinung i n der L i t e r a t u r : Bastid (Anm. 8), S. 25; Cassan (Anm. 1), S. 481 f.; Cassese (Anm. 20), S. 754 f.; Charpentier (Anm. 18), S. 42; Monnier (Anm. 5), S. 41 ff.; Schermers, International Institutional L a w , Bd. 1, S. 328; Sohn, United Nations Decision Making, S. 445. 40 Schermers (Anm. 39), S. 328. 33

6*

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I. 3. Abschn. : Das „Konsensusverfahren"

digkeiten — und damit unbegrenzt 41 — tätig werden können. Welchen Inhalt und welche normative K r a f t diese einem konsensualen Beschluß daher haben „mitgeben wollen" 4 2 , ist anhand des konkreten Materials zu überprüfen, das seinerseits zuvor auf seinen generellen Erklärungsgehalt h i n befragt werden muß, was ein näheres Eingehen auf die Bedeutung der Formen i m Konsensusverfahren erforderlich macht 43 . I . „Ambivalenz" und „Bargaining"-Charakter des „Konsensusverfahrens"

Förmlichkeiten des vom Sonderausschuß praktizierten Verfahrens der Willensbildung und Entscheidungsfindung sind die Gesamtheit der Konferenzdokumente, i n denen der Konsensbildungsprozeß i n Berichten, Sitzungsprotokollen, Resolutionsentwürfen etc. festgehalten worden ist. Hierbei handelt es sich nicht etwa nur u m bloße „Chroniken", die neutral belegen sollen, daß und wie sich eine bestimmte Verhandlungsrunde i n den Vereinten Nationen abgespielt hat, sondern es sind ihrerseits Ausdrucksmittel, m i t denen die Staaten ihre jeweilige Kooperations- oder Konfrontationsbereitschaft konkretisieren. Welche Rolle diese Förmlichkeiten i m Verfahren der Konsensusbildung zu spielen haben, d. h. welche Erklärungsgehalte sie vermitteln sollen, haben soziologische Untersuchungen aufgearbeitet, wonach sich i n der Praxis der Vereinten Nationen Verfahrensschemata entwickelt haben, deren Erklärungsgehalt durch Form und Zuordnung weitgehend vorbestimmt sind. Basis dieser Untersuchungen ist das analytische Verständnis staatlicher Interaktion i n den Vereinten Nationen als eines Strebens nach Konfliktbewältigung, das sich entweder konfrontativ i n den Formen eines Konfliktmusters oder kooperativ i n denen eines Konsensusmusters vollzieht 4 4 . Wenn ein konkreter Prozeß tatsächlich auch kaum „puristisch" entsprechend den Gesetzmäßigkeiten des einen oder anderen Modells verläuft, sondern Elemente beider Extreme einfließen 45 , so widerspricht dies dennoch nicht der Erkenntnis, daß sich für Kon41

Siehe oben, Einleitung, 2. Abschnitt, C. „ L a valeur du consensus est dépendante des conditions de son élaborat i o n ainsi que d u contenu que l u i donnent les Etats", Cassan (Anm. 1), S. 473 f. 43 Nicht die „ F o r m an sich", sondern der Erklärungsgehalt ist entscheidend, der m i t i h r ausgedrückt werden soll, siehe auch Glaser (Anm. 3), S. 75. 44 Siehe vor allem Jacobsen, Sponsorship Activities, S. 241 ff., ders., General Assembly, S. 23 f., 38 ff. sowie Pawelka (Anm. 9), S. 153 ff. 45 Jacobsen, Sponsorship Activities, S. 243: „We w i l l not expect that the U N w i l l be functioning according to only one of the models at any one time. Interests w i l l differ from issue to issue, from organ to organ, and over time. Neither w i l l we expect to f i n d the models i n their pure forms, b u t rather blended, w i t h one or the other i n a dominating position." 42

.

r des „Konsensusverfahrens"

85

f l i k t - und Konsensbereitschaft bestimmte Ebenen und Ausdrucksformen herauskristallisiert haben, wie das folgende Diagramm 4 6 zeigt: Behaviour

Conflict

Consensus

Communication Proposals Co-sponsorship Organs

Speech for ,gallery' Voting competition Intra-group Plenary

I n f o r m a l consultations Negotiating basis Inter-group Committees

Danach lassen sich also konfliktmanifestierende Handlungen vorwiegend 4 7 auf der publizitätsträchtigen Ebene von Vollversammlungsorganen i n Form von „speeches for gallery", Abstimmungen und Gruppengeschlossenheit feststellen, während sich die Konsenssuche zumeist i n der Intimität informeller Verhandlungen zwischen den Gruppen unter Verzicht auf Abstimmungen vollzieht. Demzufolge ist die abstimmungslose Annahme, durch die sich Konsensusbeschlüsse i n ihrer Endphase verraten, nur ein Element, das die Entscheidung insoweit der Konsensuskategorie zuordnet. Andererseits bringt das „Konsensusverfahren" — zwischen Konfrontation und Kooperation angesiedelt — zwangsläufig auch konfliktorientiertes Verhalten zutage, das vorwiegend i n einer der oben bezeichneten Weisen manifest wird, also i n offiziellen Erklärungen, Blockentwürfen und eventuell Abstimmungsvorgängen. Dieser Regelhaftigkeit hat sich auch die Konsensbildung zur Aggressionsdefinition nicht entzogen und folglich Elemente beider Kategorien hervorgebracht, wobei die als „bargaining-process" bekannte diplomatische Verhandlungstechnik 48 der „Motor des Verfahrens" war: D. h., der Prozeß vollzog sich i n der Weise, daß von Extrempositionen ausgehend, Blockentwürfe sukzessive i n Richtung auf eine „Neutrale Mitte" h i n i m Wege wechselseitiger Zugeständnisse modifiziert w u r den 49 , wobei sich drei Ebenen und drei Phasen der Konsensbildung entsprechend dem obigen Modell deutlich voneinander unterscheiden lassen. 46

Jacobsen (Anm. 45), S. 243, ähnlich auch i n General Assembly, S. 43. Das obige Schaubild stellt ein „analytisches Konzept" dar u n d erhebt nicht den Anspruch, Formen staatlichen Handelns abschließend zu beschreiben (siehe auch Kielland, Role of Limited-Membership Committees, S. 13). 48 Siehe die Definitionen von Gould / Kolb , Dictionary of the Social Sciences, S. 50 f.: „Reaching or endeavouring to reach an agreement whereby the concessions or favours given b y one party are compensated by those given by the other", u n d Jönnsson, Soviet Negotiating Behaviour, S. 6: „,Bargaining' situations are characterized b y neither pure conflict nor pure cooperation b u t by the coincidence of both." Eine umfassende Analyse internationaler Konfliktbewältigung, insbesondere i m Wege des „bargaining" liefern Snyder / Diesing , Conflict among Nations. 49 Siehe auch das „ B a r g a i n i n g " - M o d e l l Pawelkas, der aufbauend auf Anthony Downs ( „ A n Economic Theory of Democracy", 1957) die U N 47

86

I. 3. Abschn. : Das „Konsensusverfahren" I I . Die drei Ebenen des „Konsensusverfahrens"

Dieser Ausgleichungs- und Schlichtungsprozeß unter den Blöcken 50 vollzog sich entsprechend dem oben vorgestellten Modell vorwiegend i n der Intimität informeller Verhandlungen, die frei von jeglichen Formalien allein den Geboten diplomatischer Technik 5 1 gehorchend, außerhalb der Öffentlichkeit stattfanden 52 . Parallel dazu verlief das formelle Verfahren, dem m i t zunehmender Publizität vor allem die Funktion der Konfliktmanifestation zugedacht war. Zwar war auch dieses als Informationsträger Mittel der Verhandlungsführung, indem es für die laufende Dokumentation der Etappen der Konsensbildung sorgte, dadurch auf ungelöste Probleme hinwies und überhaupt den notwendigen Zwang zum Kontakt unter den M i t gliedern vermittelte 5 3 . I n seiner anderen Bedeutung war es jedoch das Medium, durch das die Staaten die für die Kompromißbildung erforderlichen Zugeständnisse, die sie außerhalb der Vollsitzungen machen mußten, auf diesen förmlich wieder zu relativieren suchten, d. h. i n ihren „Diskussionsbeiträgen" kommentierten sie den jeweiligen Stand der Verhandlungen aus ihren politischen Perspektiven, so daß der formelle Teil des Konsensbildungsprozesses eine A r t Verwahrungsfunktion gegenüber unerwünschten Schlüssen aus den jeweiligen Einigungsetappen annahm 5 4 . Strategie i m „Ost-West-Süd"-Verhältnis als Prozeß beschreibt, i n dem sowjetmarxistische u n d westliche Staaten versuchen, ihre jeweiligen E x trempositionen i n Richtung auf die „neutrale Mehrheit" (Blockfreie) h i n zu modifizieren, u m dadurch die Stimmen möglichst vieler „Neutraler" zu gewinnen. (Pawelka [Anm. 9], S. 166 ff.) Dieses Modell entspricht allerdings nicht ganz der aktiven Rolle der blockfreien Staaten, die — zumindest i n der Generalversammlung — m i t eigenen E n t w ü r f e n a k t i v den Konsensbildungsprozeß mitgestalten, der sich somit zumeist i n einem dreipoligen Kräftefeld auf eine abstrakte „neutrale M i t t e " (kleinster gemeinsamer Nenner) h i n bewegt (so auch Witten, Friendly Relations Declaration, S. 517). 50 Von der Konsensbildung innerhalb der Blöcke, die erforderlich ist, u m zu einem gemeinsamen Interessenplafond zu gelangen, soll hier abgesehen werden, da sie überhaupt nicht nach außen getreten ist. Siehe dennoch zu diesem wichtigen Stadium Bothe, Diskussionsbeitrag i n Delbrück (Hrsg.), Völkerrecht u n d Kriegs Verhütung, S. 190 ff. 51 Siehe dazu Kaufmann, Conference Diplomacy, dort vor allem auch S. 159 f., 197 f. („lobbying"). 52 Siehe generell zum „Konsensusverfahren" Bastid (Anm. 8), S. 16; Okularczyk (Anm. 2), S. 135 f.; Virally (Anm. 13), S. 196. 53 Okularczyk (Anm. 2), S. 136. 54 Vgl. dazu auch Alger, Development of Consensus, u n d die Beobachtungen, die Kielland (Anm. 47), S. 53, gemacht hat: „ O u r impression of the public statements made i n the Aggression Committee was that they were usually meant to formally enregister one's policy once changes had been made, or might be thought to have been made, during the conversations and negotiations t a k i n g place i n private; or w h e n i t was felt as desirable to stress that changes had not been made, even i f i t m i g h t be thought that so was the case."

.

r des „Konsensuserfahrens"

87

Als Bindeglied zwischen den extremen Kooperations- und Konfrontationsebenen fungierten offizielle, aber weitgehend informelle Gespräche, so daß der Konsensbildungsprozeß drei Verhandlungsebenen mit gestaffelter Publizität und damit unterschiedlichen Erklärungsgehalten besaß: 1. Die „offiziell-formelle"

Ebene

„Offiziell-formelle" Diskussionen und Verhandlungen, also solche, die sich auf eine ausdrückliche Ermächtigung (Satzung, Resolution) stützen konnten und weitgehend protokollarisch festgehalten wurden, haben allein i n den regulären Sitzungen der Generalversammlung, des Rechts- und des Sonderausschusses stattgefunden. Über sie sind Wortund Namensprotokolle erstellt worden, die beiden letzten haben zudem Jahresberichte an die Generalversammlung vorgelegt, so daß sie unter dem Aspekt der dokumentarischen Zugänglichkeit und als potentielle Träger von Konfliktformationen primäre Erkenntnisquellen sind. 2. Die „offiziell-halbformelle"

Ebene

Offiziell, aber unter Ausschluß der Öffentlichkeit, tagten die verschiedenen, vom Sonderausschuß eingesetzten Untergruppen und deren Untergliederungen, über deren Verlauf nur summarische Berichte, häufig ohne Hinweis darauf, welche Staaten die dort genannten Rechtsansichten vertreten hatten, angefertigt wurden. Wegen ihrer geringeren dokumentarischen „Ergiebigkeit" i m Verhältnis zu den primären sind sie insoweit nur als sekundäre Quellen anzusehen. I n der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung handelt es sich um die Berichte folgender Gruppen: 2. Sitzungsperiode: GAOR, X X I V , Suppl. No. 20, Annex I, „Report of the W o r k i n g Group of the Whole" (teilweise Nennung der Staaten). 3. Sitzungsperiode: GAOR, X X V , Suppl. No. 19, Annex I I , „Report of the W o r k i n g Group" (bis auf eine Ausnahme, para. 3, keine Nennung der Staaten). 4. Sitzungsperiode: GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, Annex I I I , „Report of the W o r k i n g Group" (bis auf eine Ausnahme, para. 8, keine Nennung der Staaten). 5. Sitzungsperiode: GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, Annex I I , „Report of the W o r k i n g Group" m i t Appendix A , „Summary of the Report of the I n f o r m a l Negotiating Group established b y the W o r k i n g Group" (keine Nennung der Staaten) u n d Appendix B, „Proposais submitted to the W o r k i n g Group" (Nennung der Staaten). 6. Sitzungsperiode: GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, Annex I I , „Report of the W o r k i n g Group" m i t Appendix A, „Consolidated text of the reports of the contact groups and of the drafting group" (keine Nennung der Staaten)

88

I. 3. Abschn. : Das „Konsensusverfahren" u n d Appendix Β , „Proposals submitted to the W o r k i n g Group" (Nennung der Staaten).

7. Sitzungsperiode: GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, paras. 8 - 18. „Report of the W o r k i n g Group" (keine Nennung der Staaten).

3. Die „inoffiziell-informelle"

Ebene

Ohne besondere Ermächtigung und i n keiner Weise für die Öffentlichkeit dokumentiert, verliefen naturgemäß die „Privatgespräche", auf die zwar h i n und wieder ein Hinweis auf den offiziellen Treffen zu verzeichnen war, über deren Verlauf aber ansonsten nichts an die Öffentlichkeit drang, und die insofern am Ende dieser Skala stehen, unter dem Aspekt ihres Kooperationspotentials allerdings an erster Stelle zu nennen wären. Ι Π . Die drei Phasen der Konsensbildung

Die m i t diesem Wechsel zwischen Öffentlichkeit und Geheimhaltung, K o n f l i k t - und Konsensusmanifestation bezweckte Verkörperung einer relativen Kompromißbereitschaft zeichnete sich bei den drei Phasen des Konsensbildungsprozesses 56 ab. 2. Die Einleitungs-

oder

„Debattenphase u

Die erste und der Beginn der zweiten Sitzungsperiode galten dem Abstecken der jeweiligen Ausgangs-(Extrem)positionen, waren folglich noch nicht auf Ausgleichsversuche angelegt, so daß von den nicht registrierbaren „Lobby"- und sonstigen Privatgesprächen abgesehen, sich das Geschehen auf die Vollsitzungen des Sonderausschusses konzentrierte. Man befaßte sich i m wesentlichen m i t generellen Problemen wie dem Mandat 5 6 des Ausschusses, dem Nutzen einer Definition sowie einiger ihrer Hauptprobleme 57 , trug die bekannten Argumente vor und manifestierte die Meinungsunterschiede durch Entwurfsanträge und Schlußabstimmung 5 8 . A l l e i n die Blockfreien legten Definitionsentwürfe 5 9 vor, 55 Siehe auch die zum T e i l entsprechenden Ausführungen bei Neuhold, Internationale Konflikte, S. 39 ff. zu Beratungsverlauf und Konferenzstrategie des „Prinzipien-Ausschusses". 56 Ob er überhaupt einen eigenen Definitionsentwurf (so die Mehrheit) oder nur einen Bericht ohne eigenen Vorschlag erarbeiten dürfe (so die Minderheit des Sonderausschusses, vor allem die Weststaaten). 57 Insbesondere: Definitionstyp, Verhältnis einer Definition zur Charta u n d anderen Rechtsakten, indirekte u n d nichtbewaffnete Aggression sowie das Selbstverteidigungsrecht. 58 So auch allgemein zum „Konsensusverfahren", Okularczyk (Anm. 2), S. 129. 59 GAOR, X X I I I , A/7185/Rev. 1, S. 3 ff.

.

r des „Konsensusverfahrens"

89

die Weststaaten verzichteten konsequent wegen ihrer prinzipiellen Ablehnung, die UdSSR und ihre Verbündeten aus T a k t i k 6 0 . Dagegen unterstrich die UdSSR ihr Interesse an einer Definition m i t Einbringung eines Resolutionsentwurfs, durch den die Generalversammlung um Verlängerung des Mandats des Sonderausschusses ersucht wurde. Über ihn wurde abgestimmt m i t dem Ergebnis, daß sich acht Weststaaten der Stimme enthielten, während die Mehrheit ohne Gegenstimme für den Entwurf votierte 6 1 . Ähnlich verliefen die Abstimmungen i m Rechtsausschuß62 und i n der Generalversammlung 63 . 2. Die Verhandlungs-

oder

„Kompromißbildungsphase"

Nach dieser „Dokumentierung der Verhandlungsbasen" begann der eigentliche Konsensbildungsprozeß mitte der zweiten Sitzungsperiode. Sie verriet erste Zeichen einer sich anbahnenden Verhandlungsbereitschaft, als auf der 37. Sitzung eine „working-group of the whole" 6 4 eingerichtet wurde, die faktisch nichts anderes als eben dieser Sonderausschuß war, m i t dem maßgeblichen Unterschied, daß sie unprotokolliert unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagte und nur einen Bericht vorlegte. Als schließlich auf der 44. Sitzung als letzte auch die wichtigsten Weststaaten einen eigenen Definitionsentwurf 6 6 vorlegten 66 , war gegenüber der ersten Sitzungsperiode schon ein größeres Maß an Kompromißbereitschaft manifestiert 6 7 . Der abschließende Resolutionsentwurf zur Mandatsverlängerung passierte den Sonderausschuß bereits ohne Stimmabgabe i m „Konsensusverfahren" 68 . (Dagegen schritt der Rechts60

Siehe schon oben, A n m . 156 des vorhergehenden Abschnitts. GAOR, X X I I I , A/7185/Rev. 1, S. 34 f., paras. 116 ff. 62 (74 : 0 :16), Doc. A/7402, para. 30. 63 (71 : 0 :16), G A Res. 2420 ( X X I I I ) , 18.12.1968. 64 GAOR, X X I V , Suppl. No. 20, S. 3, para. 7. 85 A/AC. 134/L. 17 m i t B e i t r i t t Spaniens auf der folgenden Sitzung („6-Staatenentwurf"), GAOR, X X I V , Suppl. No. 20, S. 8, para. 11. ββ W o m i t die drei, die weiteren Verhandlungen bestimmenden Definitionsentwürfe der drei Blöcke eingebracht waren. Zuvor hatte die UdSSR ihren E n t w u r f A / A C . 134/L. 12 auf der 27. Sitzung vorgelegt, danach auf der 42. die Blockfreien einen zunächst von 10 Staaten unterschriebenen, dann durch B e i t r i t t drei weiterer zum „13-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 16 and Add. 1 and 2, konsolidierten Text. Vgl. zum ganzen GAOR, X X I V , Suppl. No. 20, S. 4 - 9 , paras. 9 - 1 1 . 87 Nicht ganz zu Unrecht meinten die Delegierten der UdSSR u n d Frankreichs, daß nach dem Einbringen eines eigenen Definitionsentwurfs durch die Westmächte nunmehr keine der Delegationen mehr prinzipiell gegen eine Definition sei, A/AC. 134/SR. 44, S. 166, u n d SR. 46, S. 189. (Die Weststaaten bemühten sich allerdings, taktische Gründe f ü r ihre Entwurfsvorlage vorzubringen, vgl. Randelzhofer (Anm. 6), S. 622.) 88 GAOR, X X I X , Suppl. No. 20, S. 32, para. 80. 61

90

I. 3. Abschn.: Das „Konsensusverfahren"

ausschuß über seinen Resolutionsentwurf zur Abstimmung 6 9 , was damit zu erklären ist, daß dieser i n seinem Inhalt über den Entwurf des Sonderausschusses hinausgehend mehr Konsens unter den Mitgliedern behauptete als es der Wirklichkeit entsprach 70 . Aus demselben Grunde stimmte auch die Generalversammlung ab 71 .) M i t der folgenden, dritten Sitzungsperiode begann der schrittweise, zunehmend komplexer strukturierte 7 2 Annäherungsproze β zum Inhalt einer Definition, so daß die Zeit reif für die Bildung einer kleinen, achtköpfigen Arbeitsgruppe 7 3 war, die ausschließlich von den Unterzeichnerstaaten der Entwürfe beschickt wurde 7 4 . Auch die 4. und 5. Sitzungsperiode bedienten sich dieser Arbeitsgruppen m i t der Änderung, daß von nun an auch die übrigen Staaten ohne Stimmrecht an der Arbeit dieser Gruppen teilnehmen konnten 7 5 und der Erweiterung der Gruppe von 8 auf 12 stimmberechtigte Mitglieder auf der 5. Sitzungsperiode 76 . Zwischen den formellen Sitzungen dieser letzten Arbeitsgruppe w u r den informelle Verhandlungen 7 7 geführt, die allerdings insoweit noch „offiziös" waren, als von ihnen ebenfalls Berichte angefertigt wurden, die Bestandteile des Berichts der Arbeitsgruppe waren 7 8 . Die 6. Sitzungsperiode schließlich sah eine working group „open to all w i t h the same rights of participation and decision" 79 vor, die sich wiederum in 69

(68 : 1 :15), Doc. A/7853, para. 24 c. Anlaß der Unstimmigkeiten w a r pr. para. 5 des Entwurfs A/C. 6/L. 785, der von der „urgency of defining aggression " sprach, während ein entsprechender Passus i m E n t w u r f des Sonderausschusses fehlte. Der A n t r a g des belgischen Delegierten auf Streichung dieser Worte wurde m i t 56 :15 :13 abgelehnt, wobei alle Weststaaten m i t Ausnahme Österreichs, das sich der Stimme enthielt, f ü r die Streichung votierten. Siehe Doc. A/7853, para. 24 a. 71 (83 : 1 :18), G A Res. 2549 ( X X I V ) , 12.12.1969. Der E n t w u r f des Rechtsausschusses der nächsten Sitzungsperiode ersetzte die beanstandeten Worte „urgency of defining aggression " durch „urgency of bringing the w o r k of the Special Committee to a successful conclusion" (Doc. A/8171, para. 6), so daß der Annahme des Entwurfs ohne Stimmabgabe (Doc. A/8171, para. 38) nichts mehr i m Wege stand. 72 Dem entsprechen die Beobachtungen von Sahovic, Codification des principes d u droit international, S. 280, zur Verhandlungsstruktur des „Prinzipien-Ausschusses". 73 GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 3, para. 9. 74 F ü r den sowjetischen E n t w u r f 1 Delegierter, 5 für den der Blockfreien u n d 2 für den Weststaatenentwurf, GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 3, para. 9. 75 GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 3, para. 7. 78 GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 3, para. 6. 77 „ I n f o r m a l negotiating groups", GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, Annex I I , para. 3. 78 GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 5, para. 12 und Annex I I („Report of the Working Group"). 79 GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 3, para. 6. 70

.

vier contact

groups

e i n e n consolidated

drafting

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r des „Konsensuserfahrens"

u n d eine drafting text

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91

gliederte, die ihrerseits

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groups

and of the

erstellten, der i n den Bericht der Arbeitsgruppe auf-

genommen wurde 8 0 und am ehesten als „vorkonsensualer" E n t w u r f 8 1 gegenüber dem des Jahres 1974 bezeichnet werden kann. A u f der letzten Sitzungsperiode wurde schließlich eine open-ended working group errichtet, die 3 contact groups und eine open-ended contact group 82 schuf. Letztere erarbeitete m i t Hilfe von kleinen negotiating teams auf der Basis der Berichte der 3 contact groups einen Consolidated text 8*, den die Arbeitsgruppe als Definitionsentwurf m i t 4 Zusatznoten dem Sonderausschuß „by consensus" zur Billigung empfahl 8 4 . 3. Die Annahme-

oder

„Stimmerklärungsphase"

M i t der konsensualen Annahme des Definitionsentwurfs durch die Mitglieder des Sonderausschusses begann am 12. A p r i l 197485 die A n nahmephase, die m i t der Prüfung und Billigung des Textes durch den Rechtsausschuß fortgesetzt 86 und am 14. Dezember 1974 durch die Generalversammlung beendet wurde, als sie der Definition durch „ A k k l a m a t i o n " 8 7 zustimmte. Wie die Verhandlungsphase, so wies auch sie die Ambivalenz der „Konsensusmethode" auf: War der anonyme Annahmeakt Ausdrucks- und Verkörperungsmittel des generellen Konsenses 88 , so machten die Mitglieder aller Organe ausgiebig von der Möglichkeit Gebrauch, i n einer A r t explanation of vote 89 ihre Beteiligung am Zustandekommen der Definition zu „erklär e n " 9 0 . Das heißt, i m Wege der Interpretation 80

der Definition

gaben sie

GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, Annex I I , u n d Appendix A u n d B. Siehe auch Stone, Definition of Aggression, S. 226, der das Jahr 1973 als „preconsensual stage" bezeichnet. 82 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 3 f., paras. 7 - 13. 83 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 3 f., paras. 13 f. 84 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 4 ff., paras. 15 - 18. 85 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 9, para. 19. 88 Siehe Doc. A/9890 („Report of the S i x t h Committee"). 87 Ausdrucksmittel der konsensualen Annahme durch die Generalversammlung, vgl. U N I T A R / S E R . 1 ( U N I T A R News, Vol. 6, No. 2, 1974, S. 49): „ . . . an ,enthousiastic vote of approval w i t h o u t formal ballot'"). Siehe auch Virally (Anm. 13), S. 195. 88 Cassan (Anm. 1), S. 476: „ L e consensus, dans sa phase d'adoption, consacre et officialise la réussite des négociations antérieures." 89 Glaser (Anm. 3), S. 77 f.: „ . . . declarations analogues aux explications de vote". Die UNO-Praxis bezeichnet sie dagegen auch i m Zusammenhang m i t Annahmen ohne Stimmabgaben häufig als explanations of vote. Siehe zu den „echten" Stimmerklärungen Bailey, General Assembly, S. 134 u n d die „Rules of Procedure" (Anm. 34), Rule 88 (128), sowie Annex V, paras. 74 - 76. 90 Siehe für den Sonderausschuß: A/AC. 134/SR. 110 - 113 (wortgetreu auch 81

92

I. 3. Abschn. : Das „Konsensusverfahren"

z u m e i s t d i e — i h r e n j e w e i l i g e n Interessen entsprechenden — A n s i c h t e n über W e r t u n d I n h a l t der Definition zu P r o t o k o l l u n d manifestierten s o m i t i n vorbehaltsähnlicher F o r m ihre durch den Konsensbildungsprozeß n i c h t a u s g e r ä u m t e n Meinungsverschiedenheiten 91. Diese K o m m e n t a r e e r w e i s e n sich s o m i t als M i t t e l , d e n r e l a t i v e n Konsens d u r c h seine i h m i m m a n e n t e n k o n f r o n t a t i v e n E l e m e n t e z u konkretisieren 92 u n d sind daher dem „Konsensusverfahren" 93 adäquat94.

D . Zusammenfassung z u m generellen Erklärungsgehalt des „Konsensusverfahrens" S t i m m e r k l ä r u n g e n m i t i n t e r p r e t a t i v e m oder g a r v o r b e h a l t s ä h n l i c h e m I n h a l t s i n d auch z u Konsensusbeschlüssen i n z w i s c h e n feste S t a a t e n p r a x i s 9 5 , w o m i t sie f a k t i s c h d e n R a n g eines „ q u a s i - f o r m e l l e n " B e s t a n d t e i l s des A n n a h m e a k t e s e i n g e n o m m e n haben. Dies d e u t e t zunächst d a r a u f h i n , daß d i e S t a a t e n sich b e w u ß t sind, auch m i t d e r b l o ß konsensualen A n n a h m e e i n e r R e s o l u t i o n Maßstäbe für zukünftiges Verhalten 96 gesetzt z u haben, die, e i n m a l abgemacht, i n GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 14-40); für den Rechtsausschuß: A/C. 6/SR. 1471 - 1483, 1489 f., 1502- 1504; für die Generalversammlung: A/PV. 2237, 2319. 91 Z u r Praxis u n d den Gefahren von Stimmerklärungen i m Zusammenhang m i t der „Konsensusmethode" siehe vor allem Bastid (Anm. 8), S. 11; Cassan (Anm. 1), S. 484 f.; Okularczyk (Anm. 2), S. 147 f.; Weintraub (Anm. 29), S. 188 ff. Dagegen weist Monnier (Anm. 5), S. 51, auf die Vorteile hin, die eine derart deutliche Manifestation der „oppositions fondamentales d'intérêts q u i caractérisent la société internationale contemporaine" f ü r die Rechtssicherheit m i t sich bringt. Siehe zu den neueren Entwicklungen einer ausufernden Stimmerklärungspraxis i m Zusammenhang m i t den Vorgängen u m die Annahme der Resolutionen 3201 (S-VI) („Declaration on the Establishment of a New International Economic Order") u n d 3202 (S-VI) („Programme of A c t i o n on the Establishment of a New International Economic Order") der 6. Sondersitzung der Generalversammlung i m Jahr 1974, Cassese (Anm. 20), S. 756 - 761. 92 Dieser besonderen Bedeutung entsprach es, daß die Mitglieder des Sonderausschusses ihre Schlußerklärungen i n vollem Umfang u n d unter Namensnennung i n ihren letzten Bericht an die Generalversammlung aufnahmen, w o m i t größere Publizität erzielt u n d damit die Vorbehaltsfunktion der Erklärungen auch formal unterstrichen wurde. (Siehe oben das Schaubild, A n m . 46, sowie A n m . 54.) 98 Siehe auch para. 104 Satz 2 des Annexes V der „Rules of Procedure" (Anm. 34). 94 Daß die Staaten m i t dieser Praxis v o r allem auch eine „Interpretation ihres eigenen Verhaltens", also eine Einflußnahme auf den Grad individueller Zurechenbarkeit verfolgen, machen die Äußerungen jener Staaten deutlich, die erklärten, sie hätten sich der Stimme enthalten, w e n n die Definition zur A b s t i m m u n g gebracht worden wäre. (Siehe dazu unten bei der Darstellung des konkreten Konsensverlaufs.) 95 Tomuschat, Charta, S. 483.

.

ungseh

des „Konsensuserfahrens"

93

sich n i c h t folgenlos n e g i e r e n lassen 9 7 , s o n d e r n der F u n k t i o n n a c h normativ s i n d u n d eine i r g e n d w i e geartete S o l l e n s b e f o l g u n g 9 8 f o r d e r n 9 9 . D e n n a n d e r n f a l l s w ä r e es n i c h t e r k l ä r l i c h , w a r u m die S t a a t e n i n e i n e r Weise t ä t i g w e r d e n , d i e sich p r i n z i p i e l l n i c h t v o n der P r a x i s der V o r b e h a l t e u n d „ i n t e r p r e t a t i v e n E r k l ä r u n g e n " unterscheidet, d i e i m Z u sammenhang m i t dem Abschluß bindender Verträge 100 geübt w i r d 1 0 1 . Diese ständige P r a x i s h a t d i e S t a a t e n aber zugleich auch i n e i n e n Zug-Zwang gesetzt, v o n d e r M ö g l i c h k e i t d e r S t i m m e r k l ä r u n g G e b r a u c h z u machen, w e n n sie i h r e B e t e i l i g u n g a m K o n s e n s k o n k r e t i s i e r e n w o l len, v o r a l l e m d a n n , w e n n sie i h r e U n z u f r i e d e n h e i t m i t T e i l e n eines Beschlusses oder i h r e j e w e i l i g e A n s i c h t v o n d e r T e x t b e d e u t u n g e i n z e l n e r Passagen oder des G a n z e n „ o f f e n b a r e n " w o l l e n . A n d e r n f a l l s k ö n n t e i h r S c h w e i g e n 1 0 2 — w o sich andere S t a a t e n v e r t r e t e r a r t i k u l i e r e n — 96

Fr owein, Beitrag der Internationalen Organisationen zur E n t w i c k l u n g des Völkerrechts, S. 154; Rauschning, Diskussionsbeitrag zu Golsong / Ermacora, Problem der Rechtsetzung, S. 225. 97 Vgl. auch Cassan (Anm. 1), S. 485: „L'existence des réserves . . . s'explique dans la mesure ou la procédure du consensus est relativement contraignante pour les Etats." 98 I n der Terminologie Ryffels, Rechtssoziologie, S. 124, das „Herausgreifen u n d Festhalten bestimmter vorzugswürdiger, nicht irgendwelcher, eben richtiger Verhaltensmöglichkeiten . . . So verstandene ,richtige' Verhaltensmöglichkeiten sind von Haus aus ,gesollte'". 99 Dies ist der entscheidende Unterschied gegenüber den von der Generalversammlung beschlossenen Vertragsentwürfen. Z w a r geben auch hier die Staaten i h r positives V o t u m zur Substanz der Sache ab, geben diese jedoch nicht w i e bei Resolutionen oder Deklarationen „aus den Händen". Denn anders als bei diesen sollen Vertragsentwürfe n o d i durch zusätzliche A k t e der Staaten (Unterzeichnung, Ratifikation etc.) verbindlich gemacht u n d „ins Leben gesetzt" werden, befinden sich bis dahin also noch „ i n einer A r t von Bewährungsstadium" (Tomuschat, Charta, S. 482), während die W i r k u n g von Resolutionen unmittelbar u n d „aus sich selbst heraus" m i t ihrer Annahme eintreten soll. (Damit soll allerdings nicht bestritten werden, daß solche Vertragsentwürfe — auch ohne i n K r a f t zu treten — rechtliche W i r k u n g e n entfalten können, siehe besonders Baxter, Effects of Ill-conceived Codification.) 100 Siehe A r t . 2 (d), 19 - 23 W V K . 101 Z u weitgehend m. E. aber Tomuschat (Anm. 99), S. 483 f., der aus dieser „prozeduralen Verwandtschaft" auf eine „Unsicherheit über den rechtlichen Status der GA-Resolutionen" schließt. Denn auch gegenüber „ n u r " sozialwirkenden Normen verlieren vorbehaltsähnliche Erklärungen nicht ihren Sinn, sondern stellen sich dann eben als einseitige Willenserklärungen dar, „durch die eine umfassendere Verpflichtung eingeschränkt werden soll" (so Berber, Lehrbuch, Bd. I, S. 439, zu vertraglichen Vorbehaltserklärungen), eine Verpflichtung, die aber eben k e i n rechtliches, sondern ein bloß soziales Sollen beinhaltet. Insbesondere i m w e n i g effektiven Völkerrecht bietet die Aussicht „ n u r " sozialer Sanktionen hinreichende Motivation, sind sie doch sogar häufig einziger Garant, auch rechtliche, vor allem vertragliche Pflichten einzuhalten. Siehe zu diesem Problemkreis vor allem Simma, Reziprozitätselement (Verträge) u n d Blenk-Knocke, Bedingungen völkerrechtlicher Normenbefolgung. 102 Allerdings dürfte es wegen der Gruppenbildung innerhalb der V e r -

94

I. 3. Abschn. : Das „Konsensusverfahren"

n u r d a h i n g e d e u t e t w e r d e n , daß sie „ g e n e r e l l k o n s e n t i e r e n " , d. h., i m großen u n d ganzen einverstanden sind u n d dem Erreichten „nichts hinzuzufügen" haben103. W a s „ i m g r o ß e n " b e i m A b s c h l u ß des V e r f a h r e n s d e u t l i c h w i r d , n ä m l i c h d i e Hegel, d e n z u m e i s t unscharf f o r m u l i e r t e n K o n s e n s d u r c h e x t e n sive S t i m m e r k l ä r u n g e n z u r e l a t i v i e r e n , i s t auch „ i m k l e i n e n " w ä h r e n d der Verhandlungsphase z u beobachten, w o a u f gleicher oder n i e d r i g e r e r Ebene i n t e r p r e t a t i v e E r k l ä r u n g e n m i t V o r b e h a l t s c h a r a k t e r abgegeben w e r d e n z u Teileinigungen, die i n informellen G r u p p e n erzielt w o r d e n sind104. Insgesamt s t e l l t sich d a m i t das „ K o n s e n s u s v e r f a h r e n " als e i n e i n h e i t l i c h e r V o r g a n g dar, der seine k o n k r e t e I d e n t i t ä t aus d e m j e w e i l i g e n Mischungsverhältnis kooperativer m i t konfrontativen Elementen enth ä l t , u n d u n t e r d e n e n das „ t e x t u a l e E r g e b n i s " , d e r Konsensbeschluß, e i n w i c h t i g e r , aber keineswegs der einzige u n d n i c h t u n b e d i n g t der w i c h t i g s t e F a k t o r ist. W e i t d a v o n e n t f e r n t , e i n e n ü b e r e i n s t i m m e n d e n W i l l e n der V ö l k e r r e c h t s g e m e i n s c h a f t h i n r e i c h e n d z u k o n k r e t i s i e r e n , s t e l l e n Konsensbeschlüsse Etappen einer gewissen Einigung auf dem Wege längerfristig verlaufender Konfliktlösungsversuche dar u n d sind s o m i t i n i h r e r M e h r d e u t i g k e i t u n d d e n v i e l e n P r o b l e m e n , d i e sie o f f e n lassen, eher nicht-statische d e n n statische F i g u r e n der K o n f l i k t l ö s u n g 1 0 5 . einten Nationen i m Einzelfall auch ausreichen, w e n n nur einige Staaten dieser Gruppe, die sich i m übrigen gerade i n dem betreffenden P u n k t homogen gezeigt hat, Stimmerklärungen abgeben. 103 Bastid (Anm. 8), S. 145: „ . . . on ne peut pas siffler le chaud et le froid". I n diesem Sinne auch Zoller, Bonne foi, S. 175: „Dans la mesure où la procédure du consensus vise à rechercher l'unanimité, i l faut considérer que les Etats qui n'ont pas émis de réserves formelles, par exemple sous la forme de déclarations interprétatives à l'égard de certains dispositions de la recommandation, ont consenti à son adoption. L'abstention revêt, dans cette hypothèse, une signification positive qu'elle n'avait pas au cours d'un vote de scrutin. En définitive, c'est par une manifestation de volonté négative que l'Etat pourra se considérer comme délié de certaines obligations à l'égard de la recommandation, son silence équivalant à une manifestation de volonté positive." Diese Interpretation harmonisiert auch m i t der Realität der Völkergewohnheitsrechtsfeststellung, i n der fehlender Widerspruch von Staaten gegen eine rechtserhebliche Staatenpraxis als „presumed acceptance" gewertet w i r d . Siehe dazu besonders Wolfke, Custom, S. 70 ff., 158 ff. u n d Meijers, H o w is International L a w Made?, S. 18 f. 104 Sie sind dort zumeist weniger deutlich als solche hervorgehoben u n d werden häufig i m Zusammenhang m i t „einfachen" Äußerungen i n der Diskussion abgegeben. 105 Charpentier (Anm. 18), S. 870: „ . . . elle ne peut pas aboutir". Siehe auch den Hinweis von Tomuschat (Anm. 99), S. 481, auf die „Erkenntnis der neueren Rechtsquellenlehre, daß eine Norm, jedenfalls außerhalb eines bestimmten engen Kernbereichs niemals ,fertig' bereit liegt, sondern daß das Recht zutreffend n u r als ein prozeßhafter Vorgang begriffen werden kann, der niemals zu einem definitiven Abschluß k o m m t " . Dazu — unter dem Gesichtsp u n k t der A u t o r i t ä t und m i t selber Grundauffassung — auch Miehsler, A u t o r i t ä t von Beschlüssen internationaler Institutionen, S. 38, 43 f.

ZWEITER TEIL

Erklärungsgehalt u n d Geltungsanspruch des Konsensbildungsprozesses 1. Abschnitt

Die „praktizierte Resolutionensprache" als Maßstab der Auslegung Wenn es i m folgenden um Erklärungsgehalt und Geltungsanspruch des Konsensbildungsprozesses geht, also seiner Bedeutung, die er sich selbst nach dem Text der Resolution und den dokumentierten Verhandlungen beimißt, so setzt dies die Kenntnis von der „praktizierten Resolutionensprache" voraus, also der A r t und Weise, wie die Generalversammlung das Medium der Sprache benutzt, um einen Willen rechtsnormativer oder nicht-rechtsnormativer A r t auszudrücken. Denn die Frage, ob sich die Aggressionsdefinition ihrem Text nach überhaupt der „Auslegung als eine Aussage über völkerrechtliche Rechte und Pflichten der Staaten darbietet" 1 und den Anspruch auf Verbindlichkeit erhebt 2 , ist zuallererst eine Frage nach dem generellen Erklärungsgehalt der Sprache, welcher ihr i m besonderen sozialen Kontext der Resolutionenschöpfung und -Vollziehung durch die „Autoren" selbst beigemessen wird 3 . Läßt schon ein Vergleich m i t dieser darauf schließen, daß es der Generalversammlung nicht um die verbindliche Formulierung völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ging, besteht kein Grund, ihr i m Zusammenhang m i t der Aggressionsdefinition einen rechtsnormativen Willen zu unterstellen 4 . 1 Tomuschat, Charta, S. 460, unter Hinweis auf Falk, Quasi-legislative Competence, S. 786, u n d das „Namibia"-Gutachten des I G H (ICJ Reports 1971, S. 16, 53), die jeweils auf die Notwendigkeit einer genauen Textexegese aufmerksam machen. 2 Falk (Anm. 1), S. 786: „ . . . wether i t formulates specific duties to be discharged b y specific actors". 3 Siehe allgemein zur Bedeutung des sozialen Kontextes f ü r die Bestimmung des Erklärungsgehalts der Sprache: Lipps, Untersuchungen zu einer hermeneutischen Logik, u n d Hart, Begriff des Rechts, S. 334: „ A l l e n a t ü r lichen Ausdrücke, ζ. B. Befehle, Forderungen, Gehorsam, Unterwerfungen, sind durch die besonderen Merkmale unterschiedlicher Situationen gefärbt, i n denen sie normalerweise verwendet werden."

96

I I . 1. Abschn.: Die „praktizierte Resolutionensprache"

A. „Hortatory" und „mandatory language" Wichtigstes Mittel, unverbindliche Empfehlungen von rechtsverbindlich formulierten Beschlüssen zu unterscheiden, ist der allgemeine Tenor der Sprache, wobei die Generalversammlung sich zwischen den Extremen einer unverbindlichen Empfehlungssprache („hortatory language") und einer imperativen „Legislativfassung" („mandatory language") bewegt 5 . Generelle Indikatoren eines fehlenden Rechtsbindungswillens („hortatory language") sind demnach flexible Wendungen wie would, should, could, denen auf der anderen Seite kategorische Formen wie shall, has to, must entsprechen („mandatory language"), durch die — häufig i n Verbindung m i t Substantiven wie right und duty 6 — eine rechtliche Verpflichtung, bzw. ein korrespondierender Rechtsanspruch der Adressaten ausgedrückt werden soll. Hinzutreten muß weiterhin ein Minimum an Bestimmtheit der Rechte und Pflichten, deren Respektierung von den Staaten erwartet wird, da andernfalls nur ein scheinbar verbindlicher Geltungsanspruch vorliegt, der in konkreten Situationen versagen muß, wenn der Resolution keine Direktiven hinsichtlich eines bestimmten Verhaltens entnommen werden können 7 . Nicht so entscheidend ist i n diesem Zusammenhang dagegen die „äußere Einkleidung" der Beschlüsse, soweit damit die Wahl zwischen den Bezeichnungen „Resolution" 8 , „Deklaration" 9 oder etwa „Charta" 1 0 gemeint ist. Zwar geben Titel der beiden letztgenannten Arten den Beschlüssen ein höheres „Pathos" und damit vielleicht auch mehr Autorität m i t auf den Weg als dies bei einfachen Resolutionen der Fall ist 1 1 . Jedoch ist die Benennung als solche kein Kriterium, anhand dessen sich ein rechtsnormativer Wille von andersgearteten zwingend unterscheiden ließe 12 , was jedoch nicht bedeuten soll, daß derartige Bezeichnungen bei der allgemeinen Textexegese unberücksichtigt bleiben müßten 1 3 . 4

Akehurst, Custom, S. 7; Tomuschat (Anm. 1), S. 460. Tomuschat (Anm. 1), S. 460. Beispiele auch bei Miehsler, A u t o r i t ä t von Beschlüssen internationaler Institutionen, S. 53. 6 Häufig verstärkt durch „ A n b i n d u n g " an die Charta w i e etwa „the duty . . . under the Charter", „the r i g h t . . . as enshrined i n the Charter" usw. 7 Stone, Conflict through Consensus, S. 25. 8 So die Gattungsbezeichnung f ü r alle nicht weiter spezifizierten Beschlüsse der Kollektivorgane der Vereinten Nationen, siehe Lagoni, Resolution, E r klärung, Beschluß, S. 358 f. 9 Resolutionen von größerer Bedeutung, Beispiele bei Lagoni (Anm. 8), S. 359. 10 Eine weitere „Steigerung" gegenüber der Bezeichnung als Deklaration, siehe etwa G A Res. 3281 ( X X I X ) , 12.12.1974 („Charter of Economic Rights and Duties"). 11 Tomuschat (Anm. 1), S. 467. 12 Siehe auch das Memorandum des Generalsekretärs zur Bedeutung die5

Β . Wortlaut inhaltlich verwandter Resolutionen

97

B. Wortlaut von Resolutionen, die den „normativen Rahmen" der Aggressionsdefinition bilden Diese Technik der „textlichen Differenzierung" ist schon allein bei den oben genannten Beschlüssen zu erkennen, die den „normativen Rahmen" der Aggressionsdefinition bilden 1 4 , und anhand derer sie folglich auch exemplifiziert werden soll. Einen ersten Schritt i n Richtung auf eine „mandatorische" Sprache taten bereits die beiden ersten Resolutionen zum Selbstbestimmungsrecht der Völker 1 5 , da sie i m Gegensatz zur Charta nicht vom „Grundsatz" 16 , sondern vom „right of peoples and nations to self-determination 1 7 sprachen. Allerdings unterschieden sich beide Beschlüsse noch insoweit, als es um die „Verbindlicherklärung" dieser Rechtsansicht ging, bzw. u m die Konsequenzen, die die Staaten hieraus ziehen sollten. Während nämlich die Resolution 545 (VI) die Unterstützung der Staaten nicht verbindlich forderte ( „ . . . all States . . . should promote the realization of that right . . .") 1 8 , nahm sie die Resolution 637 (VII) bereits stärker i n Anspruch, indem sie forderte, daß die Mitgliedstaaten „shall recognize and promote the realization of the right of self-determination" 1 9 . Die „Unabhängigkeitsdeklaration" 2 0 erklärte die Unterdrückung von Völkern zu einem „denial of fundamental human rights . . . contrary to the Charter" 21 und forderte, daß „ A l l States shall observe faithfully and strictly the provisions of . . . the present declaration . . ." 2 2 , Bestimser, der Satzung nicht bekannten Typologien, wonach „no difference between a »recommendation 4 or a »declaration 4 i n U n i t e d Nations practice as far as strict legal principle is concerned" besteht, wenngleich entsprechend der Praxis der Vereinten Nationen gesagt werden könne, daß eine Deklaration ein „feierliches Instrument" sei, „resorted to only i n very rare cases relating to matters of major and lasting importance where m a x i m u m compliance is expected", (Doc. E/CN. 4/L. 610, 2. 4.1962). 13 Vor allem auch dann, w e n n der T i t e l i m eigentlichen Beschlußtext i n haltlich wiederaufgegriffen w i r d („The General Assembly . . . declares that . . . " ) , siehe auch die zweite Aussage des oben (Anm. 12) zitierten Memorandums. 14 Siehe den 2. Abschnitt, C. I., des vorhergehenden Teils. 15 G A Res. 545 (VI), 5. 2.1952, „Inclusion i n the International Covenant or Covenants on H u m a n Rights of an article relating to the r i g h t of peoples to self-determination", u n d G A Res. 637 A (VII), 16.12.1952, „The r i g h t of peoples and nations to self-determination". 16 A r t . 1 Ziffer 2 SVN. 17 So schon i m T i t e l der Resolutionen. 18 Op. para. 1. 19 Op. para. 2. 20 G A Res. 1514 (XV), 14.12.1960, „Declaration on the Granting of Independence to colonial countries and peoples". 21 Op. para. 1. 22

Op. para. 7.

7 Bru ha

98

I I . 1. Abschn.: Die „praktizierte Resolutionensprache"

mungen, die bereits weitgehend konkret formuliert waren 2 3 . Die „Rassendiskriminierungsdeklaration" 2 4 wiederum verkündete, daß die von ihr beschriebene Ungleichbehandlung von Menschen „shall be condemned as a violation of the human rights and fundamental freedoms proclaimed i n the Universal Declaration of Human Rights" 2 5 und rief auf, daß „an end shall be put without delay to governmental and other public policies of racial-segregation . . ." 2 e . Die wichtigste i n diesem Zusammenhang zu nennende Entschließung, die „Prinzipien-Deklaration" 2 7 , schließlich erklärte die i n ihr enthaltenen Grundsätze zu solchen der Charta 2 8 und forderte die Staaten zu deren „strict observance "29 auf 3 0 , wobei die Differenziertheit der Aussagen groß, ihre Konkretisierbarkeit häufig jedoch durch eingebaute Formelkompromisse vermindert, nicht aber ausgeschlossen war 3 1 . C. Die Elemente des Rechtsbindungswillens „Mandatorisch" formulierte Resolutionen rechtsnormativen Geltungsanspruchs lassen sich daher als solche beschreiben, die 1. direkt an die Staaten adressiert sind, 2. hinreichend präzise Aussagen über den Inhalt völkerrechtlicher Rechte und (oder) Pflichten zum Gegenstand haben 3. und zusätzlich den Anspruch auf Beachtung und Befolgung der i n ihnen normierten Rechte und (oder) Pflichten erheben 32 . Damit zeigen sie i m Prinzip dieselbe strukturelle Zweigliedrigkeit auf, die beim Zustandekommen der Hauptform der gewillkürten Völkerrechtsbildung, der Vertragsschließung, ebenfalls zu beobachten ist 3 3 . 23

Siehe op. paras. 1 bis 6 der Deklaration. G A Res. 1904 ( X V I I I ) , 20.11.1963, „ U n i t e d Nations Declaration on the E l i m i n a t i o n of A l l Forms of Racial Discrimination". 25 A r t . 1. 26 A r t . 5, (siehe zum „Konkretisierungsgrad" i m einzelnen A r t . 1 bis 11). 27 G A Res. 2625 ( X X V ) , 24.10.1970, „Declaration on Principles of I n t e r national L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations". 28 General Part, para. 3: „The principles of the Charter which are embodied i n this Declaration constitute basic principles of international law ...". 29 General Part, para. 3. 30 Dazu auch Mosler, The International Society as a Legal Community, S. 41. 31 Siehe hierzu vor allem zu Dohna, Grundprinzipien des Völkerrechts, u n d Neuhold, Internationale Konflikte. 32 Dazu, daß dieser letzte Anspruch i n der Folge häufig von K o n t r o l l mechanismen w i e den „Implementations"-Resolutionen ergänzt (und seine Beachtung kontrolliert) w i r d , siehe schon oben, Text zu A n m . 101 ff. des 2. Abschnitts des vorhergehenden Teils. 24

C. Die Elemente des Rechtsbindungswillens

99

Nachdem nämlich die Theorie der vertraglichen Willenseinigung bedingt durch das vermehrte Auftauchen zwischenstaatlicher Abmachungen außerrechtlicher A r t 8 4 wieder von Interesse geworden ist, ist die Einsicht gewachsen, i m vertraglichen Willensbildungsprozeß zwei Einigungen zu sehen: zunächst eine solche, die der Vereinbarung einer Verhaltensregel (Festlegung des Vertragstextes) dient und eine hiervon (theoretisch) zu trennende, m i t der man sich darüber verständigt, daß diese Verhaltensregel als Völkerrecht gelten soll (Eingehen der völkerrechtlichen Bindung) 3 5 . Der Wegfall der letzteren Einigung nun soll das entscheidende Merkmal sein, wodurch sich außerrechtliche Verpflichtungen von solchen unterscheiden, deren Sollen rechtlicher Natur ist, wobei man dieses „Manko" m i t „unterrechtlichen Sollensbekräftigungen" teilweise ausgleicht, etwa so Formeln, wie der „Entschlossenheit, die Regeln gebührend zu berücksichtigen und anzuwenden" 36 . I n ähnlicher Weise läßt sich zwischen rechtsnormativ formulierten, „mandatorischen" Resolutionen und solchen unterscheiden, die diesen Anspruch nicht erheben. Gemein ist ihnen zunächst die Einigung über den Inhalt einer bestimmten Verhaltensregel, zumeist einer solchen, die aus der Charta abgeleitet wurde und als Völkerrechtssatz definiert w i r d 3 7 . Darüber hinaus ist jedoch zu differenzieren: N u r solche Resolutionen, die die Beachtung und Befolgung dieser i n ihnen niedergelegten Rechtsansichten i n verbindlichem Ton fordern und nicht nur empfehlen, können m i t „sekundären" Vereinbarungen der oben genannten A r t verglichen werden. Denn keinesfalls kann aus der bloßen Einigung, daß ein durch eine Resolution definierter Rechtssatz ein solcher ist, der „satzungsmäßig gesollt" ist, bereits geschlossen werden, daß die 33

V o m ersten Element, der Adressierung an die Staaten, k a n n bei einem solchen Vergleich abgesehen werden, da eine A u ß e n w i r k u n g von Verträgen i n der Regel entfällt u n d die Vertragsparteien einer Adressierung nicht bedürfen. 34 Gemeint sind die von Münch als „ N o n - b i n d i n g Agreements" (so der gleichnamige Titel, S. 1 ff.), von G. von Haeften (WVR I, S. 659) u n d Eisemann als „Gentlemen's Agreements" (Gentlemen's Agreement, S. 326 ff.) sowie von Rotter als „außerrechtliche (non-legal) zwischenstaatliche A b machungen" (Abgrenzung zwischen völkerrechtlichem Vertrag u n d außerrechtlicher zwischenstaatlicher Abmachung, S. 414) bezeichneten Vereinbarungen, deren Funktionalität gerade darin besteht, keine unmittelbar w i r kenden Rechtspflichten zu begründen (so Delbrück, Schlußakte, S. 43). 35 Dafür lassen sich vor allem A r t . 10 bis 12 W V K heranziehen, die das zusammengesetzte Vertragsabschlußverfahren regeln, also ein solches, bei dem die Festlegung des Textes u n d die Zustimmung, gebunden zu sein, schon formell auseinanderfallen, siehe Schweisfurth, KSZE-Schlußakte, S. 694, unter Hinweis auf Guggenheim / Marek, Verträge, S. 534, Wengler, Abgrenzung, S. 332, u n d Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 246. 36 So i m letzten Abschnitt der „KSZE-Schlußakte", siehe Schweisfurth (Anm. 35), S. 694 f. 37 Siehe vor allem die „Prinzipien-Deklaration", oben A n m . 27. 7·

100

I I . 1. Abschn.: Die „praktizierte Resolutionensprache"

Generalversammlung die Respektierung ihrer Rechtsansicht kategorisch fordert 3 8 . Wenn hiermit auch die größere Erwartung ausgedrückt werden mag, man werde ihrer Ansicht folgen, als dies bei Resolutionen der Fall ist, die Rechtssätze unterhalb der Satzungsebene formulieren oder gar solche, die bislang noch nicht als geltendes Völkerrecht angesehen wurden, so schließt dies dennoch nicht aus, daß die Generalversammlung das von ihr subjektiv als satzungsverbindlich Befundene zunächst nur gemäß A r t . 13 Ziffer 1 a SVN empfehlen w i l l . Eine Definition der Aggression ist m i t anderen Worten nicht schon deshalb Inhalt einer „mandatorisch" formulierten Resolution, weil sie einen Satzungsbegriff konkretisiert, sondern erst dann, wenn diese Begriffsbestimmung kategorisch für verbindlich erklärt wird.

2. Abschnitt

Untersuchung des Definitionstextes Die Wortlaute der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) und der ihr angehängten Definition 1 heben die Begriffsbestimmung der Aggression i n mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen der gewöhnlichen Resolutionen heraus und lassen ihre Kategorisierung — allein auf den Text abstellend — zu einem zweifelhaften Unterfangen werden. I n mehr oder weniger offensichtlicher Weise zeigen sich Besonderheiten gegenüber den Elementen „mandatorisch" formulierter Resolutionen, denen i m folgenden, i n der Reihenfolge ihrer Gewichtigkeit, nachgegangen werden soll. A. Adressaten der Definition und generelle Befolgungserwartung (1. und 3. Element) I n erster Linie ist zu bemerken, daß die Generalversammlung durch Resolution und Definition sich m i t keinem Wort an die Staaten richtet, um die Respektierung ihrer Bestimmungen zu fordern, sondern allein an den Sicherheitsrat appelliert, die Definition zur Kenntnis zu nehmen, um i h m i m übrigen nur zu empfehlen, sie als Orientierungshilfe zu berücksichtigen 2 . Zwar ruft sie i m gleichen Zusammenhang die Staaten zum Verzicht auf Aggressionsakte auf, verweist aber zur Verdeutlichung dieses Appells nicht etwa auf die soeben geschaffene 38 1 2

Siehe auch Stone (Anm. 7), S. 34. Text i m Dokumentenanhang. Op. para. 4 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) .

Α. Adressaten der Definition und generelle Befolgungserwartung

101

Aggressionsdefinition, sondern auf die Charta und die „PrinzipienDeklaration" 3 , als ob die Definition für die Staaten irrelevant sei 4 . Auch die Definition selbst versteht sich primär als Entscheidungshilfe des Rates. I n der extensiv formulierten Präambel von 10 Paragraphen scheint für vieles, aber nicht für eine ausdrückliche Adressierung an die Staaten Platz zu sein. Bereits ihre ersten beiden Bestimmungen stimmen die Definition i m obigen Sinne ein, indem pr. para. 1 sie sogleich i n den funktionellen Rahmen der kollektiven Sicherheitsaufgabe der Vereinten Nationen stellt und pr. para. 2 das Verantwortlichkeitsprimat des Sicherheitsrates betont, wonach er es sei, der Aggressionen festzustellen und friedenssichernde Maßnahmen einzuleiten habe. Da an keiner anderen Stelle der Definition Staaten oder sonstigen Organen der Vereinten Nationen ausdrücklich das Recht der „determination of acts of aggression" zuerkannt oder bestätigt wird, kann auch pr. para. 10, wonach die Definition die Funktion von „basic principles as guidance for such determination" erfüllen soll, nur so verstanden werden, daß sie insoweit ausschließlich dem Sicherheitsrat dienlich sein soll, wenn er die „Umstände eines konkreten Einzelfalls" 6 prüft. Nicht ganz m i t dieser exklusiven Zuordnung harmonisiert allerdings pr. para. 9, wonach die Annahme der Aggressionsdefinition u. a. auch abschreckende Wirkung auf potentielle Aggressoren haben soll. Daß hiermit nicht nur Abschreckung durch den Annahmeakt 6 oder indirekt über die Funktionseffektivierung des Sicherheitsrates gemeint ist, folgt aus dem letzten Teil des Paragraphen, wonach die Annahme „would also facilitate the protection of the rights and lawful interests of, and rendering of assistence to, the victim". Diese Passage nämlich kann nur i n der Weise interpretiert werden, daß sich auch die Staatengemeinschaft i n gewisser Weise an den Bestimmungen der Definition orientieren soll, u m i m konkreten Fall einem Opfer von Aggressionen Hilfe zu leisten. Denn sollten auch diese Worte nur auf Aktionen zugeschnitten sein, die i n Ausführung einer Entschließung des Sicherheitsrates unternommen werden, wären sie überflüssig, da dieses Tätigwerden schon durch die Worte „would simplify the determination of acts 3

Op. para. 3 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) . Siehe auch Stone, Conflict through Consensus, S. 23, 29. 5 Pr. para. 10. 6 Z w a r ist zu Beginn des pr. para. 9 von „the adoption of a definition" die Rede. Jedoch ist als Abschreckungsfaktor der Definitionstext gemeint, da n u r er die W i r k u n g haben kann, die Feststellung von Aggressionen (2. Teilsatz des Paragraphen) u n d Hilfeleistungen zugunsten des Opfers (3. Teilsatz) zu erleichtern, was, würde m a n n u r auf die AbschreckungsWirkung abstellen, nicht so eindeutig wäre (auch der durch die Annahme manifestierte Konsens könnte bereits abschreckend wirken!). 4

102

I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

of aggression and the implementation of measures to suppress them" 7 umfaßt sind 8 . Abschreckung i m Sinne des Paragraphen 9 heißt deshalb — wenn auch nicht ausschließlich, so aber doch auch — Abschreckung durch die Bestimmungen der Definition, mittels derer der rechtswidrige Aggressionsakt leichter als solcher erkennbar ist — und dies nicht nur für den Sicherheitsrat. Festzuhalten bleibt jedoch, daß dieser sekundäre Definitionszweck ansonsten keinerlei Entsprechung i m Text findet. Insbesondere ist nicht einmal eine Empfehlung normiert, wonach andere Stellen (insbesondere Staaten) als der Sicherheitsrat die Definition zur Kenntnis nehmen sollen, geschweige denn w i r d ihnen die Beachtung der Bestimmungen i n verbindlichem Ton auferlegt (3. Element). Alles i n allem hat die Generalversammlung nach dem objektiven Wortlaut der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) und der Definition ein Instrument geschaffen, dessen Benutzung dem Sicherheitsrat empfohlen aber nicht befohlen wird, und dessen Inhalt andererseits naturgemäß 9 auch den Staaten eine Orientierungshilfe bieten kann, ohne daß diese aber i n irgendeiner Weise, nicht einmal mittels einer Empfehlung, auf sie aufmerksam gemacht würden 1 0 . B. Einigung über den Inhalt von Rechtssätzen (2. Element) Fehlt es der Aggressionsdefinition somit schon am 3. Element „mandatorischer" Resolutionen, dem kategorischen Befolgungsanspruch, und ist auch auf eine ausdrückliche Adressierung an die Staaten (1. Element) verzichtet worden, so ist selbst die Frage nicht einfach zu beantworten, ob die Definition nicht zumindest Aussagen über den Inhalt völkerrechtlicher Rechtssätze (3. Element) macht, mögen diese auch unverbindlich sein. I . Rechtsnormativer Aggressionsbegriff

Eindeutig ist sie allein insoweit, als der ihren Bestimmungen zugrundeliegende Aggressionsbegriff rechtsnormativer Natur sei, womit 7

Pr. para. 9, 2. Teilsatz. I n diesem Sinne w i r d pr. para. 9 auch von Zourek, E n f i n une définition de l'agression, S. 27, interpretiert. 9 Gemäß pr. para. 5 ist Aggression U n t e r f a l l der allgemeinen rechtsw i d r i g e n Gewalt („aggression is the most serious and dangerous form of the illegal use of force"), deren Verbot nach A r t . 2 Ziffer 4 S V N sich an die Staaten richtet. 10 Dem entspricht, daß die Definition i n der schwächeren F o r m einer bloßen Resolution (nicht Deklaration) angenommen worden ist, u n d es auch i m T e x t nicht etwa heißt, daß die Generalversammlung die nachfolgende 8

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

103

sie sich (erfreulicherweise) gegen die i n der Literatur weitverbreitete Auffassung entscheidet, Aggression und die beiden anderen i n A r t . 39 SVN genannten Begriffe Friedensbedrohung und Friedensbruch seien Tatbestandsbezeichnungen, die nicht unbedingt rechtswidriges Verhalten zum Gegenstand haben müßten 1 1 . Denn pr. para. 5 1 2 bezeichnet Aggression ausdrücklich als Unterfall illegaler Waffengewalt 1 3 , und auch A r t . 1 definiert sie i m wesentlichen i n der Terminologie des allgemeinen Gewaltverbots des A r t . 2 Ziffer 4 SVN und stellt m i t den abschließenden Worten „ . . . as set out i n this definition" klar, auch m i t ihren sonstigen Bestimmungen rechtswidriges Verhalten umschrieben zu haben. Dem entspricht, daß der Erstgebrauch von Waffengewalt gemäß Art. 2 satzungswidrig 14 sein muß, und auch die dort und i n A r t . 4 angesprochenen Befugnisse des Sicherheitsrates müssen „ i n conformity w i t h the Charter" 1 5 , bzw. so ausgeübt werden, daß die sonstigen Akte nach A r t . 4 Aggressionen „under the provisions of the Charter" 1 6 sind. Π . Die „Offenheit" der Definition

Hat sich die Generalversammlung damit wohl eindeutig dafür entschieden, daß nur illegale Gewaltakte den Tatbestand der Aggression erfüllen können, so ist es doch sehr fraglich, ob sie die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen so hinreichend konkretisiert hat, daß man noch von einer Einigung über den Inhalt von Rechtssätzen sprechen kann. 1. Teile der Definition,

die die „Offenheit"

begründen

I m Ergebnis nämlich ist die Tatbestandsumschreibung, wie sie die Definition liefert, „nach oben und unten h i n offen" 1 7 , weil sie dem Sicherheitsrat sowohl die Freiheit läßt, andere als die i m Text genannten Akte als Aggressionen zu bezeichnen als aber auch von einer Feststellung abzusehen, obwohl die objektiven Voraussetzungen eines i n der Definition genannten Falles vorliegen.

Definition „ e r k l ä r t " oder „verkündet", sondern nur, daß sie sie „ a n n i m m t " (letzter Satz der Präambel, dazu auch Ferencz I I , S. 26). 11 Siehe hierzu vor allem Arntz, Begriff der Friedensbedrohung, S. 24 - 44, Literaturnachweise besonders auf S. 27. 12 Vgl. A n m . 9. 13 So auch op. para. 3 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) . 14 „ . . . i n contravention of the Charter . . . " . 15 A r t . 2. 18 A r t . 4. 17 Siehe auch Bothe, Definition der Aggression, S. 141.

104

I I . 2. Abschn : Untersuchung des Definitionstextes

a) Paragraph 10 der Präambel Genereller Ausdruck dieser Entscheidung ist pr. para. 10, wonach die Definition nur eine Orientierungshilfe („basic principles as guidance") für die Feststellung von Aggressionsakten sein soll, weil eine Prüfung jeweils nur „ i n the light of all the circumstances of each particular case" erfolgen könne, m i t h i n auch außerrechtliche Erwägungen notwendig mache. Nicht um „basic principles of international l a w " 1 8 handelt es sich demnach, sondern um „principles for the determination of an act contrary to international law (to the Charter)", u m einmal einen Satz der „Unabhängigkeitsdeklaration" abzuwandeln 19 . Besonders deutlich w i r d dieser Verzicht, Aggression abschließend durch ihre konstitutiven Elemente zu definieren, vergleicht man pr. para. 10 m i t einer auf den ersten Blick sehr ähnlichen Passage der Resolution 599 (VI) vom 31.1.1952, m i t der die Generalversammlung (gegen die Stimmen der wichtigsten westlichen Industriestaaten) 20 einen erneuten Schritt i n der Reihe der Definitionsbemühungen getan hatte. Wenn es dort nämlich hieß 2 1 , „Considering that, although the existence of the crime of aggression may be inferred f r o m the circumstances peculiar to each particular case, i t is nevertheless possible and desirable, w i t h a v i e w to ensuring international peace and security and to developing international c r i m i n a l law, to define aggression by reference to the elements which constitute it",

so wurde m i t verwandten Begriffen, aber i n gleichsam umgekehrter Argumentation wohl eingeräumt, daß das Verbrechen der Aggression aus den Umständen des Einzelfalls geschlossen werden könne, jedoch glaubte man, daß es ebensogut möglich wie aus den genannten Gründen wünschenswert sei, Aggression durch ihre konstitutiven Elemente abstrakt-generell zu definieren. I m Gegensatz zu pr. para. 10 stand daher der Norminhalt des Aggressionskonzepts i n seiner „Ecksteinfunktion" 2 2 für den internationalen Frieden und die Entwicklung eines Völkerstrafrechts 23 i m Vordergrund, während i m erklärten Interesse 18 So aber die „Prinzipien-Deklaration", vgl. A n m . 28 des vorhergehenden Abschnitts. 19 Vgl. op. para. 1 der Resolution 1514 (XV), 14.12.1960. 20 Die Resolution „Question of Defining Aggression" wurde n u r „ k n a p p " m i t 29 :24 : 2 angenommen, dagegen u. a. Frankreich, Großbritannien u n d die USA. 21 Pr. para. 4 der Resolution 599 (VI), T e x t bei Krakau / von Wedel l Göhmann, Resolutionen, S. 53. 22 So Rambaud , Définition de l'agression, S. 839 („pierre angulaire de l'édifice de la sécurité collective"). 23 I m Gegensatz zur Resolution 599 (VI) fehlt i n der Aggressionsdefinition ein entsprechender Hinweis auf eine mögliche Bedeutung der Definition als „Etappe eines zu entwickelnden internationalen Straf rechts", sieht m a n einm a l von der pauschalen „ K r i m i n a l i s i e r u n g " der Aggression i n A r t . 5 Abs. 2 ab.

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

105

der jetzigen Definition die Aufgabe des Sicherheitsrates steht, aggressive Akte festzustellen. b) Die „Konditionalklausel" 2 4 des Art. 4 I m operativen Teil der Definition w i r d dies zunächst deutlich i n Art. 4, wonach die Definition keine abschließende Aufzählung aggressiver Akte liefern soll, sondern der Sicherheitsrat auch jenseits der genannten Fälle Aggressionsakte feststellen darf. Zwar läßt sich diese Freiheit auch schon aus op. para. 4 2 5 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) und pr. para. 4 der Definition generell ableiten. Jedoch weist deren Bestätigung i m arideren Zusammenhang darauf hin, daß es der Generalversammlung m i t der nochmaligen Einräumung dieser Ermessensfreiheit u m mehr als nur deren Respektierung ging: A r t . 4 kann darüber hinaus nämlich nur so verstanden werden, daß auch die Generalversammlung davon ausgeht, daß sich Aggression nicht abschließend definieren, sondern bestenfalls exemplifizieren läßt. Entsprechend heißt es auch i n A r t . 3 nicht, daß die dort genannten A k t e „shall constitute aggression", sondern bloß, daß sie „shall . . . qualify as an act of aggression" 26 . c) Die „Korrektivklausel" 2 7 des A r t . 2 Die „Korrektivklausel" des A r t . 2 2 8 stellt gleichsam die „andere Seite der Medaille" dar, die hier als „Offenheit" der Definition bezeichnet wurde. Danach nämlich soll der Sicherheitsrat auch dann von der Feststellung einer Aggression absehen dürfen, wenn ein Erstgebrauch von Waffengewalt i m Sinne von A r t . 1 und 3 vorliegt, weil dies nur den Anscheinsbeweis („prima facie evidence") für einen Aggressionsakt liefern soll. Andere relevante Umstände aber, Inbegriffen die Tatsache, „that the acts concerned or their consequences are not of sufficient gravity", können eine abweichende Bewertung rechtfertigen. Berücksichtigt man weiterhin, daß zusätzlich nur solche A k t e den A n scheinsbeweis auslösen sollen, die ihrerseits satzungswidrig 29 sind, und daß A r t . 2 zwingend keineswegs so ausgelegt werden kann, „prima facie evidence" 30 bedeute, daß nur ein positiver Gegenbeschluß des 24

Siehe zur Terminologie Aronéanu, Définition de l'agression, S. 266 ff. Siehe schon oben, T e x t zu A n m . 2. 26 Siehe dazu Ferencz I I , S. 33. 27 Begriff nach Aronéanu (Anm. 24), S. 270 f. 28 Sie relativiert auch A r t . 3, vgl. dessen Eingangssatz. 29 Siehe oben, A n m . 14. 30 Dieser Terminus hat i n den angelsächsischen Ländern nicht die Bedeutung, daß er, soweit er nicht „erschüttert" w i r d , hinreichenden Beweis liefert, 25

106

I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

Rates diesen „Beweis" erschüttern könne 8 1 , ist es auch bei den „benannten" Aggressionsfällen keinesfalls sicher, daß ihre Tatbestandserfüllung als Aggression zu qualifizieren ist. 2. „Offenheit"

und Bestimmbarkeit

von Rechtssätzen

Diese doppelte Abweichungsbefugnis des Sicherheitsrates, für deren Gebrauch die Definition nicht einmal einschränkende Richtlinien liefert 3 2 , ist allein schon ausreichend, sie als einen Sonderfall erscheinen zu lassen, auch wenn und soweit man sie nur unter dem Aspekt des zweiten Elements rechtsnormativ formulierter Resolutionen, der Einigung über den Inhalt einer Verhaltensregel, untersucht. Damit ist jedoch zunächst nur festgestellt, daß sie i m Hinblick auf ihre Tatbestandlichkeit nicht dem gängigen Wortlaut derartiger Resolutionen entspricht, nicht aber, daß ihr Tatbestandsbild der Annahme einer Einigung über den Inhalt von Rechtssätzen i m Wege steht. a) „Offenheit" als Normsetzungsmethode Unterzieht man die den Tatbestand der Aggression bestimmenden A r t i k e l 1 bis 4 nämlich einer Gesamtbetrachtung, so w i r d deutlich, daß hier eine besondere Tatbestandstechnik angewandt wurde, die auch dem nationalen Recht nicht unbekannt ist. Wenn nämlich A r t . 1 Aggression umfassend und generell, A r t . 3 nicht abschließend aber konkret regelt, und A r t . 2 den nicht zwingenden Charakter der Tatbestandsumschreibung normiert, dann liegt i m Ergebnis mehr vor als eine bloße „Addierung von generell-abstrakter 38 , konkret-enumerativer 3 4 und gar keiner Definition" 3 6 , sondern es erscheint das B i l d einer exemplifizierenden 3e Regelung 37 , d. h. einer solchen, die Regelfälle beschreibt, sondern bei ihnen stellt er n u r einen Vermutungstatbestand dar (presumption), der die „conviction" des Gerichts nicht ersetzt. Siehe zum deutschen Recht Diedrichsen, Fortschritte, S. 45, zum angelsächsischen Recht Ferencz I I , S. 32. 31 Dagegen spricht auch pr. para. 2. 32 Die i n A r t . 2 normierte „Geringfügigkeitsklausel" („the fact that the acts concerned or their consequences are not of sufficient gravity") ist nicht als F a l l genannt, dem andere sonstige Umstände ähneln müßten, da es n u r heißt „including the f a c t . . 33 „Méthode générale" i n der Terminologie von Aronéanu (Anm. 24), S. 209 ff. 34 „Méthode énumérative", Aronéanu (Anm. 24), S. 198 ff. 35 Siehe aber die Äußerung des österreichischen Delegierten i m Rechtsausschuß, unten S. 271 f. 3e „Définition m i x t e " , Aronéanu (Anm. 24), S. 212 ff. 37 Aronéanu (Anm. 24), S. 213: „ . . . déclaration conçue en termes générale, suivie d'une liste n o n - l i m i t a t i v e — donc illustrative — . . . " .

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

107

ohne sie i n der einen oder anderen Richtung für absolut verbindlich zu erklären 8 8 . b) Exemplifizierende Methode und Normenbestimmtheit Gerade aus der Diskussion zur innerstaatlichen „Regelfalltechnik" 3 9 dürfte sich nämlich als gesicherte Erkenntnis durchgesetzt haben, daß die höchstmögliche Bestimmtheit von Normen nicht Selbstzweck jeder Gesetzgebungsarbeit sein muß, sondern der Grad der jeweiligen Tatbestandskonkretisierung sich als Frage einer opportunen Tatbestandstechnik stellt 4 0 . M i t anderen Worten ist die Wahl der Normensprache, also auch die Frage, ob diese möglichst konkret oder mehr unbestimmt gefaßt werden soll, keine, die der Entscheidung zwischen Norm oder Nichtnorm g i l t 4 1 , sondern eine solche, die anhand von Maßstäben der „Sachgerechtigkeit und Sachadäquanz" 42 zu beantworten ist 4 3 . Dabei ist der Unterschied zwischen einer präzis und einer unpräzis gefaßten Norm streng genommen nicht einmal qualitativer A r t , weil absolute Bestimmtheit eines Textes ohnehin nicht erreicht werden kann 4 4 und folglich auch scheinbar bestimmte Tatbestandsmerkmale nicht schon am Anfang (bei der Setzung der Norm), sondern erst i m Verlaufe ihrer Anwendung „profiliert werden können" 4 5 . Bestimmtheit einer Norm ist m i t anderen Worten nichts anderes als das relative 88 Siehe auch Noll, Gesetzgebungslehre, S. 264 ff., der die exemplifizierende Methode als besondere Kategorie der Gesetzgebungslehre anführt. E i n A n wendungsbeispiel f ü r das Recht der Bundesrepublik Deutschland bietet § 243 des Strafgesetzbuches, dessen Kasuistik „besonders schwerer" Diebstahlsfälle nur exemplifizierende F u n k t i o n hat. Vgl. § 243 Abs. 1 Satz 2: „ E i n besonders schwerer F a l l liegt in der Regel vor, w e n n der Täter . . . " (es folgen 6 Regelfälle). 39 Siehe zu den Diskussionen, ob die Regelfälle des „besonders schweren" Diebstahls (Anm. 38) als Tatbestandsbeschreibungen oder bloße Strafzumessungsregeln zu qualifizieren sind, Calliess, Rechtsnatur, u n d Milletat, Die „besonders schweren Fälle". Wenn der Meinungsstreit auch vor dem H i n t e r grund des A r t . 103 Abs. 2 des Grundgesetzes („Eine Tat k a n n n u r bestraft werden, w e n n die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde") zu sehen ist, so hat er doch die allgemeingültige Einsicht hervorgebracht, daß Bestimmtheit oder Unbestimmtheit einer Regelung k e i n alleinentscheidendes K r i t e r i u m ist, anhand dessen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Rechtssatzes befunden werden könnte. 40 Noll (Anm. 38), S. 249 ff. 41 Calliess (Anm. 39), S. 115: „Die Frage, ob die Tatbestände bestimmt genug geregelt sind, stellt sich i m m e r erst dann, w e n n die Tatbestandsqualität einer gesetzlichen Regelung feststeht. Nicht beruht umgekehrt die Tatbestandsqualität darauf, ob die N o r m einen genügenden Grad der Bestimmtheit hat." 42 Noll (Anm. 38), S. 245. 43 Siehe Noll (Anm. 38), S. 256, der bestimmte Tatbestände unbestimmten zwar vorzieht, dies aber nicht für alle Fälle gelten lassen w i l l (Beispiele). 44 Siehe schon oben, A n m . 105 des 3. Abschnitts des vorhergehenden Teils. 45 Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl, S. 54.

108

I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

„Maß der Sicherheit der Voraussehbarkeit ihrer Anwendung" 4e, wobei unter letzterem die Prognose zu verstehen ist, welche „konkreten" Tatbestände (Lebenssachverhalte) m i t Sicherheit die Voraussetzungen des normativen Tatbestandes als „abstrakt-begrifflichen Gebildes" erfüllen werden oder nicht, und bei welchen dieses zweifelhaft ist 4 7 . Mißt man die exemplifizierende Methode an einem so verstandenen Bestimmtheitsbegriff, so w i r d deutlich, daß sie — und damit die oben beschriebene „Offenheit" der Definition — per se nicht der Annahme entgegenstehen können, die Generalversammlung habe sich m i t ihr über den Inhalt eines Rechtssatzes geeinigt. c) Bestimmtheit des Aggressionstatbestandes Dies ergibt allein schon ein Vergleich des exemplifizierenden Tatbestandes i n seiner Gesamtheit (Art. 1 bis 4) m i t der — einmal isoliert betrachteten — Generalklausel des A r t . 1. Wenn letzterer Aggression generell-abstrakt als „Waffengewalt eines Staates gegen die Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates" beschreibt oder als solche, die „ i n sonstiger Weise m i t der Charta unvereinbar ist", so stellt dies eine — sicherlich sehr vage — „Umreißung" eines völkerrechtlichen Unrechtstatbestandes dar, die aber ohne weiteres den Inhalt eines Völkerrechtssatzes bilden kann. Der Hinweis auf A r t . 2 Ziffer 4 SVN, der m i t fast gleichlautender Formulierung das Gewaltverbot normiert und dessen Rechtssatzqualität trotz minimaler Bestimmbarkeit außer Zweifel steht 4 8 , mag genügen. A r t . 3 nun, obwohl er als „abstrakt-begrifflicher" Tatbestand weder abschließend noch zwingend ist, ist nicht unbestimmter als die vermeintlich abschließende Generalklausel des A r t . 1. Zunächst erfüllt der illustrative Katalog des A r t . 3 alle Voraussetzungen des A r t . 1, weil er ja nur Beispielsfälle zur Konkretisierung des letzteren g i b t 4 9 und dieser, auch wenn er nicht in der Definition stünde, dem A r t . 3 durch induktiv-generalisierende Interpretation als Obersatz entnommen werden könnte. Doch auch hinsichtlich der Abweichungsbefugnisse 46

Noll (Anm. 38), S. 256. A u f die Wichtigkeit der begrifflichen Unterscheidung zwischen „abstraktem" u n d „konkretem" Tatbestand macht bereits Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 34, aufmerksam. Das pauschale U r t e i l Milletats (Anm. 39), S. 40, es sei m i t S t r u k t u r u n d Substanz eines Rechtssatzes unvereinbar, daß seine Tatbestandsmerkmale „ n u r i n der Regel vorliegen", ist deshalb einfach falsch. 48 Siehe statt aller Goerdeler, i n : Berber, Lehrbuch, Bd. I I I , S. 239: „Die i n A r t . 2 ausgesprochenen ,Prinzipien' sind kein Programm f ü r künftige Rechtsetzung, sondern sofort anwendbare Rechtsnormen." 49 Siehe dazu unten, Text zu A n m . 90 ff. 47

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

109

des Sicherheitsrates ergibt sich kein wesentlicher Unterschied: Benötigt der Katalog des A r t . 3 eine besondere „Konditionalklausel", u m „offen" zu sein, so ist dies bei A r t . 1 nicht erforderlich, weil seine benannten Tatbestandselemente schon offen genug sind, u m auch „nichtbedachte" Fälle umfassen zu können 5 0 . Und was die „Korrektivklausel" des A r t . 2 betrifft, so ist für den wohl wichtigsten Fall, daß eine Aggressionsfeststellung wegen Rechtmäßigkeit des Waffeneinsatzes zu unterbleiben hat, „vorgesorgt", da A r t . 1 nur rechtswidrigen Waffengebrauch generell beschreibt 51 . Allein für die Fälle, i n denen an sich rechtswidrige Waffengewalt trotz Vorliegens der Voraussetzungen der A r t . 1 und 3 nicht als Aggression qualifiziert werden soll, käme — A r t . 1 isoliert betrachtet 52 — eine unterschiedliche „Voraussehbarkeit" 5 3 i n Betracht. Doch auch hier dürfte für den benannten Fall der Geringfügigkeitsklausel des A r t . 2 keine Differenz auftauchen, da auch A r t . 1 i m Lichte der Charta auszulegen ist 5 4 , und diese, wie die systematische Stellung des Aggressionsbegriffs i n A r t . 39 SVN zeigt, hierunter keine „Bagatellzwischenfälle" versteht, sondern nur solche, die den „Weltfrieden und die internationale Sicherheit" gefährden können 5 5 . Alles i n allem muß daher die Tatbestandsbeschreibung der Aggression als hinreichend bestimmt bezeichnet werden, da die Befugnis des Sicherheitsrates, i n beiden Richtungen von ihr abzuweichen, sie nicht „bodenlos" macht, sondern rechtstheoretisch besehen Ausdruck einer Freiheit ist, die bei der Anwendung des abstrakt-generellen Tatbestandes, wie er auch für den Sicherheitsrat durch A r t . 1 vorgezeichnet ist, ebenfalls gegeben ist. A r t . 1 i. V. m i t A r t . 2 als Normierung eines generellen „Wertverletzungstypus" und A r t . 3 und 4, die diesen durch unverbindliche „Verhaltenstypen" 56 illustrieren, sind prinzipiell kein Hindernis, die Aggressionsdefinition als Ausdruck einer Einigung über den Inhalt eines völkerrechtlichen Unrechtstatbestandes anzusehen.

50 Siehe besonders die Klausel „or i n any other manner inconsistent w i t h the Charter of the United Nations". 51 Dies folgt schon aus der i n A n m . 50 genannten Klausel. 52 I m Zusammenhang gesehen, unterfällt auch A r t . 1 der K o r r e k t i v m ö g lichkeit des A r t . 2. 53 Siehe oben, Text zu A n m . 46. 54 Vgl. pr. para. 4. 55 Siehe die letzten acht Worte des A r t . 39 S V N (englische Fassung). 56 Die beiden Begriffe sind Sax, Grundsätze der Strafrechtspflege, S. 1008 ff. entliehen.

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I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

3. Die Bedeutung des Ermessensmonopols des Sicherheitsrates Dieser Zwischenbewertung widerspricht auch nicht, daß allein dem Sicherheitsrat Ermessensfreiheit nach A r t . 2 und 4 durch die Definition eingeräumt ist. Zwar wäre es tatsächlich m i t der Einigung über den Inhalt eines universell 57 geltenden Rechtssatzes unvereinbar, wenn dieser nur i n einer Richtung (Sicherheitsrat) Regeltatbestandsfunktion erfüllen, i n anderer (Staaten und sonstige) aber dezisiv-obligatorische Wirkung entfalten würde. Eine derartige Disparität rechtlicher Aussagen, abhängig von der unterschiedlichen Identität der Adressaten, ist i m Fall der Aggressionsdefinition jedoch gerade nicht gegeben, weil das Monopol sich nur auf die Aggressionsqualifizierung, nicht aber auf die sonstige rechtliche Bewertung erstreckt. Vielmehr ist dieses allein Ausdruck des von der Satzung vorgesehenen zweischichtigen Aggressionsbegriffs als eines „concept opératoire" 5 8 , dessen konstitutive, materielle Elemente zwar vor einer positiven Entscheidung des Sicherheitsrates gegeben sein müssen, aber erst durch diese ihre juristische Identität als Aggressionsakt erfahren 59 . Konkret: Die mangelnde Kompetenz der Staaten, die Sicherheitsratsbefugnisse nach A r t . 2 und 4 ebenfalls wahrzunehmen, beinhaltet nicht, daß sie den Aggressionstatbestand der Definition nicht als Regelfall mit bloßer Indizwirkung bewerten dürften, sondern nur, daß ihnen eine positive oder negative Feststellungskompetenz i m Rahmen des Art. 39 SVN versagt ist 6 0 . So können sie „nichtaggressive Akte mangels Feststellung des Rates", mögen sie i n A r t . 3 genannt sein oder auch nicht 6 1 , sehr w o h l als Verstoß gegen das Gewalt- oder Interventionsverbot qualifizieren oder als bewaffneten Angriff (Art. 51 SVN) ansehen 62 und entsprechend reagieren. Und ebensowenig sind sie gehalten, 57

Daß das Gewaltverbot des A r t . 2 Ziffer 4 SVN, dessen Unterfall der Aggressionstatbestand j a ist, universelle Geltung beanspruchen kann, ist u n bestritten, siehe Skubiszewski, Use of Force, S. 745. 58 Rambaud (Anm. 22), S. 837. 59 Rambaud (Anm. 22), S. 846. D a m i t ist ihnen natürlich nicht verwehrt, „politisch" den V o r w u r f der Aggression zu erheben! 61 Z u denken wäre etwa an eine partielle Landblockade, die zwar nicht den Zugang eines Staates zum offenen Meer verbaut, aber dennoch existenzbedrohende W i r k u n g entfaltet. E i n solcher A k t ließe sich weder unter A r t . 3 Ziffer c subsumieren noch würde er die Voraussetzungen der „Land-SeeBlockade" erfüllen, die dem Rechtsausschuß vorgeschwebt u n d zu einer förmlichen Stellungnahme geführt hat (siehe Doc. A/9890, para. 9, eingehender dazu unten bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs). 62 Der Aggressionsbegriff der Definition ist nicht identisch m i t dem des „bewaffneten Angriffs" i m Sinne des A r t . 51 SVN. Dies ergibt sich zwar nicht, w i e vielfach behauptet w i r d , allein aus A r t . 6, 2. Halbsatz, sondern aus

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

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den zwischenstaatlichen Waffeneinsatz solange für aggressiv — und damit rechtswidrig — zu halten, bis der Sicherheitsrat ihn wegen Geringfügigkeit oder gar Rechtmäßigkeit für nichtaggressiv erklärt hat (Art. 2) 63 . Vielmehr ist ihre „Ausschließung" insoweit nur ein weiterer Beleg dafür, daß die Definition nicht für die Staaten, sondern für den Rat gemacht und nur die Handhabung durch i h n mittels A r t . 2 und 4 konkretisiert worden ist. Die Regeltatbestandsnormierung, mittels derer die Generalversammlung den Versuch unternommen hat, die typischen materiellen Elemente von Akten, die i n der Regel als Aggressionen anzusehen sind, zu beschreiben, ist demnach als einheitlich anzusehen, mag auch die Kompetenz des Rates bei der juristischen Qualifizierung weitergehend und ausschließlich sein 64 . Π Ι . Untersuchung der einzelnen Bestimmungen

Nach dieser vorwiegend abstrakt-theoretischen Vorklärung der wichtigsten Fragen gilt i m folgenden die Aufmerksamkeit den einzelnen Bestimmungen, die auf ihre Relevanz i m Zusammenhang m i t der I n haltskonkretisierung völkerrechtlicher Rechtssätze zu untersuchen sind. 1. Die bei der Feststellung Aggressionen zu berücksichtigenden

von Bestimmungen

Den Kern der Definition bilden jene Bestimmungen, die der Sicherheitsrat bei der Prüfung, ob ein Aggressionsfall gegeben ist, berücksichtigen soll: a) Wiederholung von Chartabestimmungen und Auslegungsregeln (Präambelparagraphen 1 bis 4, 8, A r t . 6 und 8) A n erster Stelle ist hier der Rahmen zu nennen, i n den die Definition durch ihre Präambelparagraphen 1 bis 3 gestellt ist. I n geringfügiger Modifizierung der Ziele und Grundsätze der Charta 6 5 w i r d die Friedenssicherungsfunktion der Vereinten Nationen (pr. para. der unterschiedlichen Terminologie u n d vor allem der Entstehungsgeschichte der Definition. (Siehe dazu unten bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu A r t . 6 u n d 7.) 63 Dies wäre n u r dann die Konsequenz, w e n n A r t . 2 i m Sinne einer „automatischen Selbstqualifizierung" des rechtsbrecherischen Angreifers als A g gressor interpretiert würde. Der Wortlaut des A r t . 2 fordert diesen Schluß jedoch nicht zwingend (siehe schon A n m . 30 f.), die hier angedeuteten Folgen sprechen gar dagegen. ®4 Gemäß der Definition! Über die Satzungsmäßigkeit der m i t der „ U n i t i n g for Peace" Resolution i n Anspruch genommenen Kompetenzen ist damit nichts gesagt. (Siehe dazu schon oben, Erster Teil, 2. Abschnitt, A n m . 40.) 65 I n diesem Zusammenhang w i r d der unwesentlichen Abweichung gegen-

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I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

l ) 6 6 sowie das Prinzip der „friedlichen Streitbeilegung" (pr. para. 3) β7 herausgegriffen und zusammen m i t der Hervorhebung der Sicherheitsratsbefugnisse nach A r t . 39 SVN (pr. para. 2) i n verbindlichem Ton geltendes Satzungsrecht bestätigt. Diese Bestimmungen sind über Art. 8 ebenso bei der Interpretation der Definition zu berücksichtigen, wie pr. paras. 4 und 8, die zusammen m i t A r t . 6 i m Ergebnis einen umfassenden Vorbehalt zugunsten der Charta und der sie interpretierenden „Prinzipien-Deklaration" enthalten 6 8 . Dennoch sind sie nicht als Konkretisierungen völkerrechtlicher Hechtssätze anzusehen, weil sie diese entweder nur wiederholen (pr. paras. 1 bis 3) oder auf sie ganz (pr. para. 8) oder teilweise (pr. para. 4) verweisen, ohne zum Streit um deren Inhalt Stellung zu nehmen 69 . b) Tatbestand und generelles Definitionskonzept Darüber gehen zunächst A r t . 1 bis 5 Abs. 1 hinaus, die nicht nur den Tatbestand der Aggression bilden, sondern i n Gestalt von A r t . 2 und 5 Abs. 1 auch Regelungen enthalten, die den zentralen „Formelkompromiß" des ganzen Vorhabens („objektive" oder „subjektive" Definition) verkörpern. aa) Generell-abstrakter

Tatbestand (Art. 1)

Als generelles Element der exemplifizierenden Methode ist A r t . 1 als abschließende, wenn auch sehr weite Norm zu sehen, die alle denkbaren und potentiellen Formen aggressiver A k t e begrifflich erfassen soll 7 0 . über den Satzungswortlaut von Ferencz keine Bedeutung beigemessen, siehe Ferencz I I , S. 26. 66 Siehe A r t . 1 Ziffer 1 S V N m i t Ausnahme der Aussagen zur friedlichen Streitbeilegung, die i n pr. para. 3 angesprochen sind. 67 A r t . 1 Ziffer 1, 2 Ziffer 3 SVN. Siehe zur Textabweichung, die w o h l nur den besonderen Bezug zu einer Definition bewaffneter Gewalt herstellen soll, Ferencz I I , S. 20 f. 68 Z w a r verweist pr. para. 4 n u r auf die organisatorischen Bestimmungen der Charta („functions and powers of the organs of the United Nations"), die Bezugnahme auf die „Prinzipien-Deklaration" i n para. 8 beinhaltet aber auch eine Respektierung des „General P a r t " dieser Resolution, der wiederum einen Vorbehalt zugunsten der Satzung enthält (Ziffer 2 Satz 2). 69 Die Verweisungsbestimmungen sind daher ebenso als „Formelkompromisse" anzusehen w i e A r t . 8, der als Auslegungsrichtlinie eigentlich Selbstverständliches sagt, gerade deswegen aber auf versteckte Dissense i n der Definition hinweist. (Siehe auch Schweisfurth, KSZE-Schlußakte, S. 710, zur vergleichbaren Bestimmung i m „Prinzipien-Katalog" der Schlußakte.) 70 Siehe Aronéanu (Anm. 24), S. 209 f.: „Une définition générale formule brièvement des notions q u i sont relativement peu contestées et doit contenir tous les éléments fondamentaux du crime, de façon que tout acte véritable d'agression en soit visé, q u ' i l figure ou non dans le Code; elle doit englober ce q u i existe et ce q u i peut être prévu . . . L a logique précise qu'une définition doit être brève, concise et complète."

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

113

Wenn er auch i m wesentlichen i n der Terminologie des „universellen Gewaltverbots" des A r t . 2 Ziffer 4 SVN gefaßt ist, so enthält er doch mehrere Besonderheiten, die i h n als Konkretisierung einer Satzungsbestimmung erscheinen lassen. Wesentliche Aussagen i n diesem Sinne sind zunächst die autoritative Feststellung, daß Aggression nur der Gebrauch bewaffneter Gewalt sein kann, so daß die schon „klassisch" und ausgiebig diskutierte 7 1 Frage, ob es auch unbewaffnete Formen aggressiver Handlungen geben kann 7 2 , vom Definitionstext eindeutig als i m negativen Sinne beantwortet angesehen werden muß 7 3 , wogegen auch A r t . 4 keine Korrekturmöglichkeit bietet 7 4 . I m Zusammenhang hiermit ist auch zu registrieren, daß i m Gegensatz zu A r t . 2 Ziffer 4 SVN nicht vom „threat or use of (armed) force", sondern nur vom Gebrauch bewaffneter Gewalt gesprochen wird, während die Drohung m i t Gewalt noch zu Zeiten der Nürnberger Prozesse als Aggression angesehen wurde 7 5 , und auch die vorläufige Definition der I L C aus dem Jahr 1950 noch von „Aggression is the threat or use of force" sprach 76 . Obwohl die Definition nichts über Inhalt und Grenzen des Selbstverteidigungsrechts aussagt, w i r f t diese Tatsache doch Reflexe auf den Streit um die Rechtmäßigkeit „präventiver" oder „präemptiver" Selbstverteidigung 77 gegen drohende Angriffe i m Sinne des A r t . 51 SVN 7 8 . Eine weitere Abweichung gegenüber A r t . 2 Ziffer 4 SVN stellen der Begriff „sovereignty" vor den Worten „territorial integrity or political 71 Siehe etwa Schwebel, Aggression, Intervention and Self-Defence, S. 449 ff. 72 Insbesondere die sog. „ökonomische" Aggression (dazu etwa Wittig, Aggressionsbegriff, S. 56 f., unter Hinweis auf frühere Definitionsentwürfe) sowie die sog. „ideologische" Aggression (dazu etwa Aronéanu [Anm. 24], S. 81 - 83, u n d noch Ziffer 4 des sowjetischen Entwurfs von 1957, U N Doc. A/C. 6/L. 399). 73 Offen ist dagegen A r t . 2 Ziffer 4 SVN. Auch die „Prinzipien-Deklaration" hat i n dieser Frage keine Entscheidung gebracht, da sie den Begriff Gewalt nicht definiert, Scheuner, Auslegung der Charta, S. 114, u n d Bothe (Anm. 17), S. 131 m i t weiteren Nachweisen i n A n m . 13. 74 A r t . 4 bezieht sich eindeutig n u r auf den nichtabschließenden Katalog des A r t . 3 („The acts enumerated above . . . " ) , nicht aber auf die ganze Defin i t i o n u n d damit auch A r t . 1. (Falsch daher Stone [Anm. 4], S. 97, der u n genau davon spricht, daß der Sicherheitsrat nach A r t . 4 „ m a y determine that other acts than those mentioned in the Definition " Aggressionen darstellen. Gerade dies aber steht i n A r t . 4 nicht!) Siehe aber auch die zum T e i l abweichenden Delegiertenäußerungen unten bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu den Mitteln der Aggression. 75 Siehe Ferencz I I , S. 29, A n m . 120. 7e GAOR, V I , Suppl. No. 9 (A/1858), S. 9, para. 49. Dazu auch Wittig (Anm. 72), S. 51 f. 77 Siehe zur Begriffsbildung Wittig (Anm. 72), S. 51 f. 78 Einzelheiten bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu A r t . 6.

8 Bruha

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I I . 2. Abschn.: Untersuchung des Definitionstextes

independence" sowie die Verwendung der Klausel „inconsistent w i t h the Charter" anstelle von „inconsistent w i t h the Purposes of the United Nations" dar. Kommt die erste Änderung 7 9 der ausgeprägten „Souveränitätsempfindlichkeit" der jungen Staaten der „Dritten Welt" entgegen, die an einer Ausdehnung der Aggressionsobjekte interessiert sind 8 0 , so läßt die zweite Abweichung auch die Subsumtion solcher bewaffneter Akte unter den generellen Tatbestand des A r t . 1 zu, die m i t irgendeiner Bestimmung der Charta unvereinbar sind, wozu etwa auch die Verfahrensvorschriften des Kapitels V I gehören, während A r t . 2 Ziffer 4 SVN i n diesem Zusammenhang nur die „Ziele der Charta" nennt 8 1 . Durch beide Klauseln soll der Anwendungsbereich der Definition also erweitert werden, während andererseits auch nicht übersehen werden darf, daß m i t letzter Klausel auch die Phantasie derer angeregt werden kann, die nach Rechtfertigungsgründen für aggressive Akte suchen 82 . Die „explanatory note" — i n Verbindung m i t der Klausel „or i n any other manner inconsistent w i t h the Charter of the United Nations" — schließlich n i m m t i n zweifacher Weise zu allgemeinen Problemen des Gewaltverbots Stellung, bzw. läßt gewisse Deutungen zu: I h r Absatz (a) entscheidet sich i m Streit um die möglichen Subjekte und Objekte verbotener Aggressionen 83 für eine die Grenzen des „Formal-Staatlichen" transzendierende Auffassung, indem der Begriff Staat unabhängig von der völkerrechtlichen Anerkennung verstanden wird. Bereits hier — hilfsweise auch i n der Klausel der „sonstigen Satzungswidrigkeit" — ist also schon ein Ansatzpunkt zu sehen, bewaffnete Konflikte i m Zusammenhang m i t den „nichtstaatlichen Befreiungsbewegungen" des A r t . 7 8 4 i n den Anwendungsbereich der Definition 8 5 zu ziehen 86 . Andererseits werden auch solche Gebilde geschützt (und i n Pflicht genommen), die etwa als befriedete de facto-Regime oder als 79 Dieselbe Abweichung findet sich auch i m „Schlußdokument" der A b rüstungs-Sondersitzung der Generalversammlung des Jahres 1978, S-10/2, para. 26. (Siehe hierzu auch unten, A n m . 170). 80 Siehe auch unten, A n m . 105. 81 Dazu auch Ferencz I I , S. 29. 82 So auch Bothe (Anm. 17), S. 130. 83 Vgl. hierzu etwa Rauschning, Geltung des völkerrechtlichen Gewaltverbots. 84 Siehe unten, T e x t zu A n m . 143 ff. 85 Vgl. dagegen A r t . 2 Ziffer 4 SVN: „ . . . i n their international relations . . . " . 86 Bothe (Anm. 17), S. 133, wobei jedoch Gegner w i e Befürworter angeblich „legitimer Befreiungskämpfe" von der Klausel profitieren dürften: erstere, indem sie Befreiungsbewegungen als mögliche Subjekte, letztere, indem sie sie, bzw. das V o l k u n d dessen „Souveränität" (Stone [Anm. 4], S. 147), für das sie kämpfen, als mögliche Objekte von Aggressionen ansehen. (So auch Stone, S. 130.)

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

sonstige durch befriedete stent" sind 8 7 .

Demarkationslinien

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begrenzte Gebiete „exi-

Absatz (b) der Note läßt letztendlich auch die Qualifizierung regionaler und internationaler Organisationen als potentielle Aggressoren bzw. Aggressionsopfer zu 8 8 , wenn auch die Worte „where appropriate" den Anwendungsbereich dieses Absatzes i m dunkeln lassen oder ihn gar der Auslegung ins Gegenteil öffnen 89 . I m Zusammenhang betrachtet, stellt A r t . 1 der Definition daher eine autoritative und abschließende generelle Qualifikation des satzungswidrigen Aggressionsaktes dar, so daß unbeschadet der weitgehenden Unbestimmtheit bis Mehrdeutigkeit der einzelnen Aussagen er der Struktur nach eine tatbestandliche Umschreibung der Aggression ist. bb) Konkret-enumerativer

Tatbestand (Art, 3)

Anders als A r t . 1 ist der Einzelfallkatalog des A r t . 3 nicht an die Terminologie einer Satzungsnorm angelehnt. Seine Regelungen sind daher i m vollen Umfang innovativer Natur. Zunächst allerdings stellen sie nichts anderes als konkretisierende Interpretationen der unbestimmteren Aussagen des A r t . 1 dar: so erfüllen die Handlungsweisen der Ziffer a, die gegen das Territorium eines Staates gerichtet sind, nämlich „invasion or attack by the armed forces of a State" sowie hieraus resultierende „ m i l i t a r y occupation . . . or any annexation", zugleich den Tatbestand der bewaffneten Gewalt gegen die territoriale Integrität und Souveränität (zumeist auch politische Unabhängigkeit) eines anderen Staates und damit den Tatbestand des A r t . 1. Gleiches gilt für die Bombardierung usw. der Ziffer b. Die Seeblockade nach Ziffer c verletzt zumindest auch die Souveränität nach Art. 1; desgleichen ein Angriff nach Ziffer d auf die militärischen Einheiten oder die nichtmilitärische See- oder Luftflotte 9 0 ; die „aggres87 Bothe (Anm. 17), S. 133, unter Hinweis auf den umstrittenen Status Israels. V o n geringerer Bedeutung ist dagegen die Klarstellung, daß auch Nichtmitglieder Staaten i m Sinne der Definition sind, da das Gewaltverbot einerseits universell gilt, andererseits wegen der „Quasi-Universalität" der Vereinten Nationen eine etwaige Problematik ohnehin nahezu „auf N u l l reduziert" wäre. 88 Cassin / Debevoise / Kalles / Thompson, Definition of Aggression, S. 595. 89 Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, daß Absatz (b) der Zusatznote auch zur Widerlegung eines Aggressionsaktes herangezogen werden könnte, w e n n innerhalb eines Staatenbündnisses (etwa OAS, Warschauer Pakt) „ i m Namen der Organisation" bewaffnete Interventionen gegenüber einem M i t gliedstaat unternommen werden (Tschechoslowakei). Denn i n diesem F a l l könnte geltend gemacht werden, es fehle schon am ersten Tatbestandsmerkm a l verbotener Aggression, nämlich an der A k t i o n eines Staates gegen die Souveränität etc. eines anderen Staates, es liege also — auf die Staatengruppe bezogen — eine „ i n t e r n a l question" vor.

8*

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I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

sio superveniens" 91 der Ziffer e stellt eine, wenn auch „rather extreme application of the concept of territorial sancticity" dar 9 2 , während die Duldung fremder Aggression ausgehend von dem eigenen Staatsgebiet eine Form der „Aggression durch Unterlassen" bildet, so daß Ziffer f als Interpretation des Kausalitätselements der Worte „use of armed force by a State" des A r t . 1 ist. Nichts anderes tut auch der letzte Fall des A r t . 3, Ziffer g, indem die indirekte Begehungsweise aggressiver Akte durch Banden, Freischärler, Söldner usw. dann m i t eigenem Waffengebrauch eines Staates gleichgesetzt wird, wenn ihm die beschriebenen Handlungen „zuzurechnen sind" 9 3 . Darüber hinaus ist A r t . 3 aber nur partiell so homogen, daß er illustrativ Kriterien auch für die Bewertung nichtgenannter Akte geben könnte. Zunächst stellt er ausdrücklich fest, daß Aggression ein Unrechtstatbestand ist, der unabhängig vom Vorliegen einer Kriegserklärung allein tatsächliche Akte bewaffneter Gewalt umfaßt 9 4 , und auch nur solche sind es, die m i t einer Ausnahme i n den Ziffern a bis g genannt sind. Nicht ganz i n diese Reihe scheint allein Ziffer e zu passen, indem dort die „Anwesenheit von Truppen i n einem fremden Land unter Verletzung von Truppenstationierungsabkommen bzw. nach deren Auslaufen" aufgeführt ist. Jedoch dürfte i n Verbindung m i t A r t . 1, wonach Aggression „the use of armed force" und nicht schon „the use of armed forces" 95 ist, zu schließen sein, daß nicht schon ein passiver, „äußerlich friedlicher" Aufenthalt die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, sondern nur ein solcher, bei dem die Präsenz zumindest auch m i t dem Gebrauchmachen der Waffen erzwungen w i r d 9 6 . Eine nicht so einheitliche Linie verfolgt A r t . 3 dagegen, soweit es um die Objekte der Aggression und die Kausalitätsproblematik geht. 90 Vgl. etwa den japanischen Delegierten, GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 16: „Such an attaçk on his country's fleet w o u l d be equivalent to a blockade of Japan's coast" 91 Begriff nach Bothe (Anm. 17), S. 134. 92 Ferencz I I , S. 37, (darüber hinaus auch die Verletzung der Souveränität u n d politischen Unabhängigkeit). 93 „The sending by or on behalf of a State . . . or its substantial involvement therein." 94 Einleitungssatz zu A r t . 3 („regardless of a declaration of war") i n V e r bindung m i t A r t . 1. Siehe auch schon oben, Text zu A n m . 75 f. 93 So aber A r t . 3 Ziffer e. Der Einsatz von Streitkräften muß aber nicht unbedingt den „Gebrauch von Waffengewalt" (Art. 1) mitumfassen, erst recht nicht i m F a l l der „extension of their presence i n such territory beyond the termination of the agreement" (Art. 3 Ziffer e, letzter Satzteil). 96 Allerdings w i r d eine demonstrative Präsenz i n F o r m von „einschüchternden" Truppenparaden, gepanzerten Patrouillien etc. ausreichen, da anders als bei derartigen Demonstrationen potentieller Gewalt außerhalb der Grenzen des bedrohten Landes, die repressive — Gegenwehr „schon i m K e i m erstickende" — W i r k u n g sehr viel unmittelbarer die Folge sein kann.

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

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M i t der hauptsächlichen Erwähnung des Territoriums eines anderen Staates 97 über den Schutz seiner Häfen und Küsten 9 8 bis zur Einbeziehung von Truppen und der zivilen L u f t - und Handelsflotte auch außerhalb des Staatsgebietes 99 hat er den Kreis verletzbarer Güter äußerst weit gezogen. Ob nämlich die Beschränkung auf Objekte, die, wie etwa Truppen und die Zivilschiffahrt bzw. -luftfahrt, unmittelbar der Existenzsicherung dienen (können) 100 , ausreicht, Angriffe etwa auf Privatpersonen als „offensichtlich nicht tatbestandsmäßig" anzusehen, ist fraglich, zumal i n keiner Weise spezifiziert ist, i n welcher Größenordnung sich die Angriffe abzuspielen haben, u m als Aggression qualifiziert werden zu können 1 0 1 . Auch ist unklar, ob sich bewaffnete A k t e gegen die genannten Objekte unmittelbar richten müssen (etwa die Beschießung eines Flugzeuges oder die Tötung seiner Besatzung), oder ob es schon ausreicht, wenn ein Flugzeug/Schiff m i t Waffengewalt daran gehindert wird, den bestimmungsmäßigen Kurs (eventuell nur zeitweilig) fortzusetzen. Noch fraglicher, wenn auch unter humanitären Aspekten schwerwiegender, sind Fälle wie die zwangsweise Zurückbehaltung von Passagieren 102 , sei es, daß man sie m i t Gewalt aus dem Flugzeug oder Schiff holt, sei es, daß man sie daran hindert, diese zum Zwecke der Ausreise wieder zu besteigen, denn auch i n diesen Fällen werden Flugzeug oder Schiff ihrer konkreten Funktion entzogen. I m Ausland befindliche Truppen sowie die zivile See- und Luftschiffahrt als „quasi-territoriale Außenpositionen" zu bewerten und so gegenüber den „bloßen" Staatsbürgern, die weniger geschützt seien, abzugrenzen 1 0 3 , ist deshalb zwar abstrakt möglich, läßt sich aber konkret, wie oben exemplifiziert, nicht ohne weiteres handhaben. Hinzutritt, daß auch die „acts of armed force against another State", die vom „Subversionstatbestand" des A r t . 3 Ziffer g umfaßt sind, zumindest nicht i n deutlicher Weise erkennen lassen, ob es sich um A k t e gegen bestimmte Rechtsgüter („against another State") handeln muß, oder ob etwa Terroranschläge 104 gegen „staatsfremde" Güter (wie Aus97

A r t . 3 Ziffern a, b, e, i n d i r e k t auch f u n d g. A r t . 3 Ziffer c. 99 A r t . 3 Ziffer d. 100 Bei „ T o u r i s t i k - F l o t t e n " ist dies nicht der Fall. 101 Wonach bemißt sich, von welcher Größenordnung an m a n von „marine and air fleets " (Art. 3 Ziffer d) sprechen kann? Muß sie i n ihrer Gesamtheit betroffen sein oder reichen Angriffe gegen einzelne Schiffe (Flugzeuge)? 102 etwa i m „Entebbe"-Fall, dazu Beyerlin, Befreiungsaktion von Entebbe, m i t Entgegnung von Strebel, Geiselbefreiung i n Entebbe, u n d Knisbacher, The Entebbe Operation. 98

108

So Beyerlin (Anm. 101), S. 221. Siehe zu den Erscheinungsbildern u n d sonstigen Aspekten des internationalen Terrorismus Livingston / Kress / Wanek, International Terrorism 104

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I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

länder oder deren Vermögen) ausreichen, soweit dies gegen den Willen der zuständigen Stellen und damit eventuell unter Verletzung der Souveränität eines anderen Staates geschieht 106 . Die genannten Objekte der Aggression lassen sich somit nur insoweit als hinreichend homogen erkennen, als es um „klassische" Rechtsgüter wie den Schutz der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit (Staatsgebiet und Küsten, Land-, See- sowie Luftstreitkräfte) geht, während Ansatzpunkte für komplexere Einwirkungsmöglichkeiten auf die staatliche Souveränität i n Form von „internationalem Terrorismus", „Geiselnahme" etc. offensichtlich möglichst mehrdeutig formuliert sind und den Tatbestand teilweise als „unfertig" erscheinen lassen. Dieselbe Bewertung t r i f f t auf die Behandlung der Kausalitätsproblematik i n A r t . 3 zu, die neben den Regelungen des A r t . 1 zur generellen Subjektsfähigkeit i m Ergebnis die brennende Gegenwartsproblematik weitgehend i m dunkeln lassen. Hier ist der Dissens sichtbar — auch ohne daß man die Vorarbeiten kennt — i n Art. 3 Ziffern f und g „verborgen" 1 0 6 , weil es völlig offen ist, was unter dem „Zur-VerfügungStellen" des eigenen Territoriums für fremde Aggressionen zu verstehen ist 1 0 7 , und welche Form der Verbindung zu subversiven Trupps erforderlich ist, die m i t den Worten „the sending by or on behalf of a States of armed bands . . . " äußerst mehrdeutig umschrieben ist 1 0 8 . Versuche, derartigen „Formelkompromissen" einen konkreten Gehalt mittels objektiver Interpretation zu geben, sind i m „Konsensusverfahren" verfehlt, da sie Nichteinigungen i m Gesamtgefüge eines Generalkonsenses darstellen und i n diesem Fall der konkretisierende Effekt der Stimmerklärungen und sonstigen Stellungnahmen i n den Vordergrund rückt. sowie die bislang wenig erfolgreichen Arbeiten des von der Generalversammlung i m Jahr 1972 ins Leben gerufenen „ A d hoc Committee on I n t e r national Terrorism", bislang letzter Bericht GAOR 34/37. 105 Die zusätzliche Einbeziehung des Souveränitätsbegriffs i n den generellen Tatbestand des A r t . 1 erleichtert allerdings eine Interpretation, w o nach unter „ t e r r i t o r i a l i n t e g r i t y " u n d „political independence" physische Kontrolle über ein Gebiet u n d Existenz einer unabhängigen Regierung zu verstehen ist, während „sovereignty" die Gesamtheit der außen- wie innenpolitischen Entscheidungsfreiheit umfaßt, siehe Stone (Anm. 4), S. 103. 106 Beide gelten der Problematik der sog. „ i n d i r e k t e n Aggression", also der Frage, ob einem Staat auch aggressive A k t i o n e n Dritter, entweder anderer Staaten (so A r t . 3 Ziffer f) oder Privater (so A r t . 3 Ziffer g), zugerechnet werden können, sei es, daß er sie als Instrument benutzt, i h r Handeln bloß fördert oder nicht alles i h m Zumutbare unternimmt, u m derartige A k t i o n e n (welche?) zu verhindern. 107 A r t . 3 Ziffer f. 108 A r t . 3 Ziffer g.

Β . Einigung über den I n h a l t von

echtssätzen

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cc) Kompromiß zwischen „objektivem" und „subjektivem" Definitionskonzept (Art. 2 und 5 Abs. 1) Dies t r i f f t erst recht auf den zentralen Kompromiß 109 der Definition zu, der i n A r t . 2 und 5 Abs. 1 zwischen den Befürwortern einer streng „objektiven" Definition und denen einer primär „subjektiven" zu vermitteln sucht, i m Ergebnis aber nur Undefinierten Raum läßt, beide Auffassungen i n die Bestimmungen hineinzuinterpretieren. Die Frage nämlich, ob die Feststellung der Aggression primär oder gar nur ein Unterfangen ist, das i n der Würdigung objektiver Daten mittels einer A r t „Analyse des Kampfgeschehens" besteht, u m den A n greifer vom Verteidiger zu unterscheiden oder aber vorrangig Wertungen subjektiver A r t erforderlich macht, u m aggressiven Waffeneinsatz von nichtaggressivem zu trennen, beantwortet die Definition „eindeutig mehrdeutig". Scheint auf den ersten Blick der Ersteinsatz von Waffengewalt das entscheidende Moment zu sein, m i t dem sich der Angreifer selber zum Aggressor stempelt, so bleibt bei näherer Betrachtung von einer derart rigiden „Selbst(dis)qualifizierung" nicht allzuviel übrig: Zunächst muß ein Ersteinsatz von Waffengewalt, um primärer Anhaltspunkt für eine Aggressionsfeststellung zu sein, seinerseits gegen die Satzung verstoßen 110 , so daß der ganze Streit um die Grenzen erlaubter Gewalt, beginnend m i t dem Selbstverteidigungsrecht nach A r t . 51 SVN, über die Befugnisse regionaler Einrichtungen (Art. 53 SVN) oder nationaler Befreiungsbewegungen, die dubiosen „Feindstaatenklauseln" der A r t . 53 und 107 SVN, bis h i n zu Interventionen humanitärer A r t und einem völlig undifferenzierten „Selbsthilferecht" der Staaten, bereits an dieser Stelle i n die Definition einfließt 1 1 1 . Dem kann auch A r t . 5 Abs. 1 keinen Riegel vorschieben, da Erwägungen politischer, ökonomischer, militärischer oder sonstiger A r t nicht etwa zur Rechtfertigung von Waffengewalt, sondern nur zur Rechtfertigung von Aggressionen ausgeschlossen sein sollen, womit i m Ergebnis gar nichts gesagt ist, w e i l eine Rechtfertigung von Aggressionen, die ja bereits rechtswidriges Verhalten darstellen, logisch unmöglich ist 1 1 2 . 109 Entsprechend w i r d i h m i n der L i t e r a t u r die größte Aufmerksamkeit gschenkt; siehe etwa: Broms, Definition of Aggression I I , S. 344 ff.; Eustathiadès , Définition de l'agression, S. 48 ff.; Ferencz I I , S. 30 ff.; Stone, Conflict Through Consensus, S. 40 ff. 110 Siehe schon oben, T e x t zu A n m . 14 u n d 29. 111 Siehe aus der L i t e r a t u r allein die Aufsätze von Bothe, Gewaltverbot, S. 20 ff.; Oppermann, Verbot der Gewaltanwendung, S. 127 ff.; Wildhaber, Gewaltverbot, S. 147 ff.; Kewenig, Gewaltverbot, S. 175 ff.; Schweitzer, Gewaltverbot, S. 219 ff.; von der Heydte, Feindstaatenklausel, S. 247 ff. (alle i n : Schaumann [Hrsg.], Völkerrechtliches Gewaltverbot u n d Friedenssicherung). 112 F ü r Röling, Definition der Aggression, S. 400, ist A r t . 5 Abs. 1 deshalb ein „juristisches Greuel". Siehe auch Rambaud (Anm. 22), S. 877: „ D i r e qu'une

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I I . 2. Abschn.: Untersuchung des Definitionstextes

Dennoch kann diese Tautologie nicht als bloßes „Redaktionsversehen" abgetan und A r t . 5 Abs. 1 korrigierend als „substantielles" Rechtfertigungsverbot 1 1 3 interpretiert werden, wozu man auf die „explanatory note" des Sonderausschusses zu dieser Vorschrift zurückgreifen könnte. Diese nämlich, derzufolge der Ausschuß m i t A r t . 5 Abs. 1 vor allem das Interventionsverbot i m Sinne gehabt habe 1 1 4 , weist geradezu darauf hin, daß man sich i m Ausschuß durchaus der unterschiedlichen Bedeutung der Worte „armed force" und „aggression" i n diesem Zusammenhang bewußt war, ansonsten hätte es der „Flucht i n eine Zusatznote", die nicht Bestandteil des Textes ist 1 1 5 , nicht bedurft. Aus diesem Grunde versagt A r t . 5 Abs. 1 auch i m weiteren Verlauf des A r t . 2, wonach der rechtswidrige Ersteinsatz von Waffengewalt nur den Anscheinsbeweis („prima facie evidence") einer Aggression liefern soll, von der der Sicherheitsrat i n Übereinstimmung m i t der Charta abweichen kann. Denn da die „Geringfügigkeitsklausel" nicht so formuliert ist, als daß sie als standardisierender Beispielsfall auszulegen wäre 1 1 6 , dem ungenannte Entlastungsumstände vom Typ her entsprechen müßten 1 1 7 , steht der Wortlaut einer Interpretation nicht i m Wege, wonach auch anerkennenswerte „gute Absichten und Ziele" vom Begriff der „other relevant circumstances" abgedeckt sein sollen, also all jener Motive, deren Geltendmachung A r t . 5 Abs. 1 — wie gezeigt — nicht eindeutig ausschließt. Schließlich und drittens beugt Art. 2 auch dem faktischen Einzug eines absoluten „ first-use "-Prinzips vor, indem er zumindest nicht zwingend so zu verstehen ist, daß nur ein positives Gegenvotum des Sicherheitsrates den Anscheinsbeweis entkräften kann, andernfalls die Aggression durch „Selbstqualifizierung" des Angreifers feststehen würde 1 1 8 . Denn wie bereits oben angedeutet wurde 1 1 9 , ist der Normagression ne peut être justifiée procède de l'évidence . . . L e texte oublie, étrangement, que, selon la Charte, i l n'y a pas d'aggression en soi, seulement du jugement motivé du Conseil de Sécurité." 113 Auch dies würde zu unhaltbaren Ergebnissen führen, w e i l dann sogar das Selbstverteidigungsrecht gegenüber einem bewaffneten A n g r i f f begrifflich nicht als Rechtfertigungsgrund geltend gemacht werden dürfte, w e i l es sich hierbei offensichtlich u m „militärische" Erwägungen handelt. 114 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 9 (Text der Note am Ende des D o k u mentenanhangs) . 115 Siehe zur Bedeutung der Zusatznoten unten, Text zu A n m . 171 ff. 116 Siehe schon oben, A n m . 32. 117 I n einem solchen F a l l müßte es sich w o h l auch u m Umstände handeln, die i m materiellen A k t selber zu suchen sind u n d nicht u m solche, die auf der Ebene der M o t i v a t i o n angesiedelt sind. 118 A u f g r u n d der bisherigen „Veto-Praxis" der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder dürften solche „Entlastungsbeschlüsse" eine seltene Ausnahme bilden. 119 Siehe A n m . 30.

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

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inhalt der Worte „prima facie evidence" alles andere als eindeutig und kann ebensogut als ein qualifizierter Vermutungstatbestand verstanden werden, der das Erfordernis einer positiven Feststellung der Aggression durch den Sicherheitsrat, wie es auch Präambelparagraph 2 i n Übereinstimmung m i t der Charta voraussetzt, nicht ersetzen kann 1 2 0 . Alles i n allem ist A r t . 2 i n Verbindung m i t A r t . 5 Abs. 1 daher weit davon entfernt, Elemente echter Einigungen erkennen zu lassen. Vielmehr deutet die „unlogische" Fassung des letzteren Artikels sogar darauf hin, daß nicht einmal die optische Dominanz des objektiven „firstuse" Konzepts bei gleichzeitiger Nichterwähnung der Ziele und A b sichten der Parteien einem Minimalkonsens entspricht, zumindest vorwiegend auf objektive Elemente abzustellen und subjektive nur sekundär zu berücksichtigen. A r t . 2 und 5 Abs. 1 entziehen sich wie keine andere Bestimmung der Definition jedem Versuch, ihren objektiven Erklärungsgehalt durch Auslegung zu ermitteln, und können nur i m Rahmen ihrer Entstehungsgeschichte verstanden werden. c) Erlaubte Gewalt (Art. 6, 2. Halbsatz) A r t . 6, 2. Halbsatz als unverkleidete „saving clause", die, ohne formal als positive Regelung getarnt zu sein, darauf hinweist, daß der generelle Komplex erlaubter Gewalt von den Bestimmungen der Definition ausgenommen ist, ist überhaupt nur auslegbar, soweit es u m Schlüsse geht, die aus ihr hinsichtlich anderer Bestimmungen und der Definition als Ganzes gezogen werden können 1 2 1 . Zunächst läßt sie unschwer erkennen, daß der Definition eine wesentliche Effektivitätsvoraussetzung fehlt, da sie für den politischen Alltag, i n dem Gewalt zumeist nur i n den Kategorien von verbotenem oder erlaubtem Waffeneinsatz diskutiert w i r d 1 2 2 , insoweit keine Orientierungshilfe bietet und damit auch weitgehend ohne Abschreckungseffekt bleibt. Ja, man kann an dieser Stelle sogar zu der Auffassung kommen, daß i m Verzicht, die Grenzen der erlaubten Gewalt zu bestimmen, sich das entscheidende Manko der Definition verrät, i n dessen Folge sie eben keine Regelung i m Sinne einer Verhaltensanweisung ist, sondern doch nicht mehr als nur eine „Orientierungshilfe" sein kann. Dies jedenfalls müßte man annehmen, verstünde man den Satz, daß eine Regel „erst dann v o l l definiert ist, wenn auch ihre Grenzen, das heißt, die zulässigen Durchbrechungen statuiert s i n d " 1 2 3 dahingehend, daß 120 I n diesem F a l l würde, sollte der Sicherheitsrat weder einen positiven noch einen negativen Beschluß fassen, n u r der Verdacht einer Aggression bestehen bleiben (anders bei einer negativen Entscheidung, hier wäre der Verdacht verbindlich nach A r t . 25 S V N ausgeräumt). 121 Der Hinweis als solcher ist eindeutig. 122 Bothe (Anm. 17), S. 136 f.

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I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

andernfalls eben keine Regel vorliegt. Jedoch w i r d man einen solch strengen Maßstab gerade an eine völkerrechtliche Regelung kaum anlegen können 1 2 4 , und auch der „Musterfall" rechtsnormativ-mandatorischer Resolutionen, die „Prinzipien-Deklaration", ist i n dieser Hinsicht keinesfalls vollkommener als die Aggressionsdefinition 126 . Der erklärte Verzicht, Aussagen zur erlaubten Gewalt zu machen, w i r f t jedoch auch einige Reflexe auf einzelne Bestimmungen und bestimmt so deren Auslegung m i t : so bereits i m Fall des nachfolgenden Artikels, insoweit dieser einen Vorbehalt zugunsten des Rechts unselbständiger Völker enthält, für Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit zu kämpfen („struggle") und hierfür Hilfe zu suchen und zu empfangen. So sehr die i n A r t . 7 genannten Rechte nämlich durch die besondere Erwähnung gegenüber dem bloßen Vorbehalt des A r t . 6 aufgewertet werden und A r t . 7 als ein selbständiger Anspruchs- und Rechtfertigungstatbestand erscheint, so schränkt ihn die Existenz des A r t . 6 aber doch zugleich auch wieder ein. Denn wenn danach die Vorschriften der Charta über erlaubte Gewalt durch die Definition weder erweitert noch eingeschränkt werden sollten, dann fällt es schwer, den mehrdeutigen Begriff „struggle" gerade i m Sinne des bewaffneten Kampfes zu interpretieren, weil dann A r t . 7 — geradezu i m Widerspruch zum vorangehenden A r t i k e l — i n sehr ausführlicher Weise zu einem Tatbestand erlaubter Gewalt Stellung beziehen würde. Ob man m i t derselben Überlegung ein Argument dafür gewinnen kann, die Definition sei nur eine solche des Begriffs „aggression" i m Sinne des A r t . 39 SVN und nicht zugleich auch eine Begriffsbestimmung der Worte „armed attack" i m Sinne des A r t . 51 SVN, die ja i n der französischen Fassung „agression armée" lauten, erscheint dagegen etwas problematischer 126 . Denn m i t einer Definition des „bewaffneten A n griffs" wäre das Selbstverteidigungsrecht ja noch nicht voll definiert, so daß A r t . 6 nicht weitgehend funktionslos würde. Andererseits erscheint gerade dieser Begriff als eine so zentrale Schlüsselnorm der gesamten Selbstverteidigungsproblematik, daß der pauschale Vorbehalt des A r t . 6 nur schwerlich ins Gesamtbild passen würde, sollte tatsächlich die Definition auch den Begriff des bewaffneten Angriffs habe klären sollen. 128

Partsch, Menschenrechte, S. 279. Siehe schon oben, Einleitung, 1. Abschnitt, Text zu A n m . 44 ff. 125 Der letzte Satz des „Grundsatzes des Gewaltverbots" lautet: „ N o t h i n g i n the foregoing paragraphs shall be construed as enlarging or diminishing i n any w a y the scope of the provisions of the Charter concerning cases i n which the use of force i n l a w f u l . " 128 Die Auffassung, daß die Aggressionsdefinition auch den Begriff des bewaffneten Angriffs definiert habe, w e i l dieser m i t dem Aggressionsbegriff 124

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

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d) Das Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit der Völker (Art. 7 und Präambelparagraph 6) Auslegungsbedürftig hinsichtlich des eigenen Norminhalts ist dagegen der schon erwähnte A r t . 7, der an sich überflüssig wäre, sollte er nur eine „saving clause" zugunsten der Problematik darstellen. Denn einerlei, ob man ihn i m Sinne eines Rechts auf gewaltsame Befreiungskämpfe interpretiert oder nur friedliche Aktionen (to struggle by peaceful means) anerkannt sehen w i l l , in beiden Fällen wäre der Zweck schon durch Art. 6 erreicht: i n der ersten Alternative durch seinen letzten, i n der zweiten durch seinen ersten Satzteil. Dies allein schon deutet darauf hin, daß es der Generalversammlung u m mehr als eine bloße Verwahrung von Rechtsansichten ging. Vielmehr war ihr daran gelegen, substantielle Aussagen zur Selbstbestimmungsproblematik zu machen, ohne die ein genereller Konsens nicht denkbar w a r 1 2 7 . aa) Existenz des Rechts Positiv beschreibt A r t . 7 den Anspruch unselbständiger Völker auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit 126 zunächst als Recht und folgt damit der „Prinzipien-Deklaration", die ebenfalls nicht vom Prinzip 129, sondern vom „right to self-determination, freedom and independence" 130 spricht, und auf die i n A r t . 7 nochmals Bezug genommen wird. Indem gleichzeitig i n pr. para. 6 die korrespondierende Pflicht der Staaten normiert wird, die Völker nicht dieser Rechte zu berauben 1 3 1 , w i r d i n komplexer Weise zum Inhalt wechselbezüglicher Rechte und Pflichten Stellung genommen. Da A r t . 7 den aktiven Status dieses Rechts zudem an die Charta anbindet (right to self-determination . . . as derived from the Charter) und auch die (negative) Unterlassungspflicht über die sinngemäße Inhaltsgleichheit m i t der „PrinzipienDeklaration" 1 3 2 als Chartaverpflichtung 1 3 3 auftritt, erhebt die Definition identisch sei, w i r d deshalb vor allem von französischsprachigen Autoren vertreten, so von Eustathiadès (Anm. 109), S. 77. 127 Siehe auch Klein, Nationale Befreiungskämpfe, S. 632. 128 I m folgenden w i r d der Kürze wegen n u r v o m Recht auf Selbstbestimmung bzw. Selbstbestimmungsrecht gesprochen. 129 So aber A r t . 1 Ziffer 1 S V N („principle of equal rights and self-determination of peoples"). 130 So die gleichlautenden Absätze 7 des „Gewaltverbotsprinzips" u n d 5 Satz 1 des „Selbstbestimmungsprinzips" („Every State has the duty to refrain from any forcible action w h i c h deprives peoples referred to i n the elaboration of the principles of equal rights and self-determination of their right to self-determination, freedom and independence."). 131 Siehe aber auch die letzten fünf Worte des Paragraphen („or to disr u p t t e r r i t o r i a l integrity"), dazu unten, A n m . 195, u n d eingehender bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs. 132 A n m . 130 i n Verbindung m i t Absatz 7 u n d 8 des „Selbstbestimmungsprinzips".

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I I . 2. Abschn.: Untersuchung des D e f i n i t i o s t e x t e s

insoweit den Anspruch, eine bindende Norm des Völkerrechts zu verkörpern 1 3 4 . Dieses Ergebnis kann auch durch die hypothetische Fassung des A r t . 7 („Nothing i n this definition . . . could i n any way prejudice the right . . . " ) nicht i n Frage gestellt werden, da insofern schon der eindeutige Wortlaut der übrigen Satz- und Definitionsteile stärker wiegt. I m übrigen behält der Rückzug auf eine hypothetischere Form der Aussage auch dann ihren Sinn, wenn hiermit nur dem Einwand jener Staaten Rechnung getragen werden sollte, die an der Relevanz des A r t . 7 in einer Aggressionsdefinition gezweifelt hatten, weil diese sich m i t zwischenstaatlichen und nicht innerstaatlichen Akten befasse, Überschneidungsflächen m i t h i n gar nicht gegeben seien 135 : Dank der „weicheren" Formulierung läßt sich nämlich die Interpretation des Art. 7 leichter vertreten, „daß nichts i n der Definition das Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigen könnte, einmal unterstellt, eine solche Beeinträchtigung durch die Definition wäre überhaupt denkbar". • Dagegen kann die hypothetische Fassung nicht dahin gedeutet werden, daß es dahingestellt bleiben solle, ob das Selbstbestimmungsrecht überhaupt existiere 1 3 6 . bb) Träger des Rechts Welche Völker allerdings i n den Genuß dieses Rechtes kommen sollen, läßt die Definition i m Ergebnis ebenso offen wie dies schon die „Prinzipien-Deklaration" getan hatte 1 3 7 . Dies beginnt schon m i t dem harmlos wirkenden Zusatz „forcibly deprived", der aber i m Vergleich zu pr. para. 6, der von „armed force to deprive peoples" spricht, ahnen läßt, daß sich hier dieselbe Interpretationenpalette öffnen wird, wie dies beim Substantiv „force" des A r t . 2 Ziffer 4 SVN der Fall ist 1 3 8 . Auch die besonders genannten Völker unter kolonialer und rassistischer Herrschaft sowie sonstiger Fremdbestimmung sind keineswegs aus dem 133 Siehe zum Anspruch der „Prinzipien-Deklaration", Satzungsrecht zu konkretisieren, schon oben, A n m . 28 des vorhergehenden Abschnitts. 134 I m Sinne eines „Grundrechts" u n d einer „Grundpflicht" der Staaten u n d der Völker (dazu Verdross ! Simma, Universelles Völkerrecht, S. 229 ff.). 135 Näheres bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs. 136 Zumindest mißverständlich, daher Bothe (Anm. 17), S. 137f.: „Das Wort ,could* ist hier w o h l bewußt gewählt. Es bedeutet wohl, daß das besagte Recht nicht betroffen sein könnte, selbst w e n n es existierte", obwohl der Zusammenhang nahelegt, Bothe habe n u r das Recht auf Befreiungskämpfe gemeint, das aber von der „Existenzproblematik" des „Grundrechts" auf Selbstbestimmung zu trennen ist. 137 Deren Bezugnahme b r i n g t daher keine Klärung, vgl. zu Dohna, G r u n d prinzipien des Völkerrechts, S. 196 ff. 138 Siehe zum Meinungsstreit über den I n h a l t des Gewaltbegriffs i n A r t . 2 Ziffer 4 SVN vor allem Derpa, Gewaltverbot.

Β. Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

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Wortlaut dieser Beschreibung erkennbar 1 3 9 , noch bedingt A r t . 7 eine Auslegung, wonach nur diesen Gruppen 1 4 0 das Selbstbestimmungsrecht zustehen solle. Vielmehr erscheint die Unbestimmtheit der Träger als eine nicht hinwegzudenkende Konzession gegenüber der Bekräftigung des Selbstbestimmungsprinzips als Grundrecht, womit nicht nur ein Ansatz gegeben ist, die Existenz des Rechtes theoretisch i n Zweifel zu ziehen 1 4 1 , sondern vor allem, seine tatsächliche Bedeutung 142 i n Frage zu stellen. cc) Die Mittel zur Durchsetzung des Rechts Dieselbe Rückwirkimg auf Existenz und Effektivität des Selbstbestimmungsrechts hat nicht zuletzt die kontrovers geführte Frage, m i t welchen Mitteln ein (als berechtigt zu unterstellender) Anspruch auf Selbstbestimmung von den betreffenden Völkern verfolgt und durchgesetzt werden darf. Denn angesichts des Fehlens eines objektiven Verfahrens zur Verwirklichung dieses Rechts hängt von der A n t w o r t ab, ob das Selbstbestimmungsrecht eine „lex imperfecta" 1 4 3 bleibt, oder ob die Rechtsordnung gewisse Maßnahmen zu seiner Durchsetzung auch gegen den Willen der Adressaten des Anspruchs vorsieht oder zumindest sanktioniert. Da aus den i m Ersten Teil genannten Gründen das Problem sich i r zugespitzter Weise als das der Legalität oder Illegalität „nationaler Befreiungskämpfe" 1 4 4 stellt, worüber schon der politischen und ideologischen Interessengegensätze wegen kein genereller Konsens erreichbar ist, konnte die Regelung i n der Aggressionsdefinition nur i m Wege eines offensichtlichen „Formelkompromisses" erfolgen: Dieser verbirgt sich nicht nur i n der Zusatzklausel „ i n accordance w i t h the principles of the Charter and i n conformity w i t h the above mentioned Declarat i o n " 1 4 5 , sondern schon i n den Worten selbst, auf die sie sich bezieht. Denn „the right of these peoples to struggle to that end" ist nicht so 189

Ferencz I I , S. 48. Es heißt n u r „particulary peoples under colonial and racist régimes . . . " . 141 Siehe zu Dohna (Anm. 137), S. 199: „Schließlich setzt das Bestehen eines Rechts die Möglichkeit der Bestimmung seiner Träger voraus." Dazu — und m i t Literaturhinweisen — auch Arntz (Anm. 11), S. 172 ff., der die frühere Ablehnung der Rechtsnormqualität des Selbstbestimmungsrechts durch die westliche L i t e r a t u r vor allem m i t der mangelnden Bestimmtheit der Träger des Rechts erklärt. Vgl. auch Thürer, Selbstbestimmungsrecht, S. 89 ff. 142 Arntz (Anm. 11), S. 174: „Das Bestreben, das Selbstbestimmungsrecht jeweils auf Fälle außerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs zu begrenzen, ist unverkennbar." 148 Verdross / Simma (Anm. 134), S. 255. 144 U m das Problem schlagwortartig zu umreißen, siehe auch Bothe (Anm. 17), S. 137. 145 Gemeint ist die „Prinzipien-Deklaration", siehe A r t . 7,1. Halbsatz. 140

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I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

eindeutig wie es auf den ersten Blick erscheint 146 ; ebenso wenig t r i f f t dies auf „to seek and receive support" zu 1 4 7 , was von moralischer und wirtschaftlicher Unterstützung, über „Militärberater" bis zur bewaffneten Intervention 1 4 8 reichen kann. Festzuhalten ist deshalb schon an dieser Stelle, daß die Behauptung des Rechtsnormcharakters eines prinzipiellen Rechts unselbständiger Völker auf Selbstbestimmung relativiert w i r d durch die Unbestimmtheit seiner Träger und der M i t t e l und Wege seiner Durchsetzung, so daß der erkennbare Anspruch der Definition sich faktisch doch dem der Proklamierung eines Ordnungs- und Gestaltungsprinzips nähert, also mehr Rechtsprinzip denn Rechtssatz bleibt 1 4 9 . 2. Rechtsfolgen der Aggression Aussagen über die Rechtsfolgen eines unerlaubten Aktes i n einer Definition desselben zu finden, die überdies nur „Orientierungshilfe für seine Feststellung" 1 5 0 sein soll, verwundert zunächst, da dies außerhalb des eigentlichen Vorhabens zu liegen scheint. Geschieht dies aber dennoch, so berechtigt das zu der Vermutung, daß sich hinter dem erklärten Ziel noch andere Absichten verbergen, die über die Einbeziehung des „Fremdkörpers" i n die Definition eine Funktionsveränderung des gesamten Vorhabens verfolgen. Aussagen dieser A r t enthält die Definition i n A r t . 5 Abs. 2 und 3, letzterer i n Verbindung m i t pr. para 7. a) Rechtswidrigkeit von aggressionsbedingten Vorteilen (Art. 5 Abs. 3) Die engste Verwandtschaft m i t dem Kern der Definition weist noch A r t . 5 Abs. 3 auf, wonach „No territorial acquisition or special advantage resulting from aggression is or shall be recognized as lawful", da hiermit zunächst nur der Spielart der „permanenten Aggression" Rech148 I m Gegensatz zu den Worten „ t o f i g h t " oder „the use of armed force" besitzt das Verb „to struggle" auch eine „friedliche" Inhaltskomponente, wie sie etwa der „Shorter Oxford English Dictionary" nennt: Neben den „violent bodily movements i n order to resist force or free oneself from restraint . . . to make violent efforts to escape from constraint" k a n n es auch bedeuten „to make great efforts in spite of difficulties . . . to contend resolutely with a task , a burden . . . to strive to do something difficult ". (Einseitig daher Broms [Anm. 109], S. 359, der A r t . 7 einen Vorbehalt zugunsten des „fight of peoples to self-determination" entnimmt.) 147 Ferencz I I , S. 48. 148 Erinnert sei an den Einsatz ausländischer „ F r e i w i l l i g e r " i m Angolakonflikt, dazu Bothe, Völkerrechtliche Aspekte des Angola-Konflikts. 149 Vgl. Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 176, zur Regelung des Selbstbestimmungsprinzips i n der „Prinzipien-Deklaration", u n d Scheuner (Anm. 73), S. 116. 150 Pr. para. 10.

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

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nung getragen werden soll, wie sie schon i n A r t . 3 Ziffer a 1 5 1 ihren Niederschlag gefunden hat und auch i n pr. para. 7 ihren Ausdruck findet 1 5 2 . Über die inhaltliche Wiederholung der entsprechenden Passagen der „Prinzipien-Deklaration" und der „Declaration on the Strengthening of International Security" hinausgehend, erklärt er aber auch sonstige „besondere Vorteile" für nicht rechtlich anerkennenswert, wobei es einiger Phantasie bedarf sich vorzustellen, was hiermit gemeint ist 1 5 8 . I n Verbindung m i t dem weiten Aggressionsbegriff des A r t . 3 Ziffer a, nach dessen Wortlaut selbst „historische" Okkupations- und Annexionsakte Aggressionen i m Sinne der Definition (und damit auch nach A r t . 5 Abs. 3) darstellen können, ist der potentielle Anwendungsbereich dieser mandatorisch 154 formulierten Vorschrift (un)denkbar w e i t 1 5 5 . b) „Kriminalisierung" des Aggressionskrieges (Art. 5 Abs. 2 Satz 1) Extrem interpretationsbedürftig ist auch der erste Satz des A r t . 5 Abs. 2, der den Grundstock für eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit für Aggressionen legen könnte. Denn wenn es dort heißt, daß „ A war of aggression is a crime against international peace", w i r d nicht nur ein gegenüber dem „einfachen" Aggressionsakt weiterer Begriff i n die Definition eingefügt, sondern auch darauf verzichtet, diesen näher zu definieren, und vor allem, i h n gegenüber dem ersteren abzugrenzen 156 . I n dieser Form aber wiederholt A r t . 5 Abs. 2 Satz 1 nur einen Grundsatz, der schon den Urteilen der Internationalen Militärtribunale von Nürnberg und Tokio zugrunde l a g 1 5 7 und auch von der „PrinzipienDeklaration" 1 5 8 mangels größeren Konsenses 159 nur i n dieser pauschalen 151 ,,... or any m i l i t a r y occupation, however temporary, resulting f r o m such invasion or attack, or any annexation by the use of force of the territory of another State or part thereof". 152 Pr. para. 7 wiederholt — i n etwas abgewandelter F o r m — den allgemeinen Gedanken der „Prinzipien-Deklaration" u n d der „Declaration on the Strengthening of International Security", G A Res. 2734 ( X X V ) , 16.12.1970, wonach territoriale Vorteile, die aus satzungswidrigen Gewaltmaßnahmen resultieren, unzulässig sind. (Siehe „Prinzipien-Deklaration", Prinzip des Gewaltverbots, Absatz 10, „Declaration on the Strengthening of International Security", op. para. 5.) 153 Ä h n l i c h Bothe (Anm. 17), S. 140. Andererseits bleibt A r t . 5 Abs. 3 hinter den obigen Deklarationen zurück, als er nicht w i e diese schon aus bloßer Gewaltandrohung resultierende Vorteile f ü r rechtswidrig erklärt. 154 „.. .is or shall be recognized as l a w f u l " . 155 Siehe auch die Dissens verratende „explanatory note" zu dieser V o r schrift (Text am Ende des Dokumentenanhangs). 156 Röling (Anm. 112), S. 393. 157 Broms (Anm. 109), S. 356 f. 158 Absatz 2 Satz 1 des „Gewaltverbotsprinzips": „ A w a r of aggression

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I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

A r t und Weise „rezipiert" worden ist. Dem Anspruch nach enthält A r t . 5 Abs. 2 Satz 1 aber eine Formulierung völkerrechtlichen Unrechts. c) Verantwortlichkeit für Aggression (Art. 5 Abs. 2 Satz 2) Rechtsnormativen Anspruch drückt auch der folgende Satz des A b satzes aus, wonach „Aggression gives rise to international responsibility". Knüpfte die „Prinzipien-Deklaration" die internationale Verantwortlichkeit noch unmittelbar an das Verbrechen des Aggressionskrieges an 1 6 0 , so w i r d der Verantwortlichkeitsfrage hier ein eigener Satz gewidmet, womit mehr als eine bloß syntaktische Trennung verbunden ist. Denn weitergehend als jene knüpft die Definition ja an Aggressionen schlechthin und nicht nur an Aggressionskriege an, wodurch der potentielle Anwendungsbereich der Norm i m Zeitalter kriegsähnlicher Maßnahmen „short of w a r " 1 6 1 um ein Vielfaches vergrößert wird, was gleichzeitig den Versuch erklärt, die Konsequenzen weitgehend i m dunkeln zu lassen. So läßt A r t . 5 Abs. 2 Satz 2 nicht nur offen, ob unter „international responsibility" nur die staatliche oder auch die individuelle Verantwortlichkeit fällt, sondern auch, welche Sanktionen die Verantwortlichkeit auslöst 162 , ob strafrechtliche und/oder schadensersatzrechtliche oder gar darüber hinausgehende „Wiedergutmachungspflichten" 163 . Die „explanatory note" des Sonderausschusses auch zu diesem Satz 1 6 4 schließlich läßt zusätzlich erkennen, daß das Verantwortlichkeitskonzept und m i t i h m die „ w i r k l i c h interessanten Fragen auch hier offen bleiben" 1 6 5 . Insgesamt besehen treten die Bestimmungen über die Rechtsfolgen der Aggression daher zwar m i t rechtsnormativ-mandatorischem Geltungsanspruch auf, lassen aber i n ihrer Mehrdeutigkeit kaum erkennen, welches denn nun w i r k l i c h die rechtlichen Konsequenzen sind, die an einen Aggressionsakt (oder gar Aggressionskriege) zu knüpfen sind. constitutes a crime against the peace, for which there is responsibility under international l a w . " 159 Vgl. zu Dohna (Anm. 137), S. 99 ff. 160 Siehe A n m . 158. 161 Siehe dazu statt aller Knut Ipsen, Begriff des „internationalen bewaffneten K o n f l i k t s " , S. 405 ff., 422. 162 Durch die Trennung i n zwei selbständige Sätze ist die enge Beziehung zum Verbrechen des Aggressionskrieges i m Vergleich zur Regelung i n der „Prinzipien-Deklaration" zumindest gemindert (Hinzutritt die Unterschiedlichkeit der Begriffe „ w a r of aggression" u n d „aggression".) 163

Bothe (Anm. 17), S. 140. 164 Text am Ende des Dokumentenanhangs.

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Bothe (Anm. 17), S. 140.

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

129

3. Einschätzungen tatsächlicher Art (Präambelparagraphen 5, 9 und 10) A m Ende der normativen Skala, aber nicht außerhalb, stehen Einschätzungen tatsächlicher A r t , die zwar nicht selbst Inhalte einer Sollensvorschrift verkörpern, aber doch Rückschlüsse auf den generellen Geltungsanspruch der Definition zulassen und damit mittelbar auch deren Erhellung dienen. A n erster Stelle sind hier die erhofften Wirkungsebenen zu nennen, wie sie pr. para. 9 aufzählt, da m i t der Anerkennung eines Abschreckungseffekts und einer Orientierungshilfe auch für die Staaten zugleich der Anspruch der Definition begründet wird, zur inhaltlichen Klärung des Aggressionsverbotes und seines Umfeldes beigetragen zu haben 1 6 6 . Auch die Opportunität der Definition, wie sie i n pr. para. 10 angesprochen ist, ist i n diesem weiteren Sinne zu verstehen, wiewohl gerade hier deutlich wird, daß die „Wünschbarkeit" von Grundprinzipien 1 6 7 und nicht einer abschließend, abstrakt-theoretischen „Rechtsstudie" gemeint ist. Anders als die beiden zuvor genannten Bestimmungen ist dagegen pr. para. 5 zu beurteilen, der zwar auch i n positiver Weise zur Opportunität einer Definition Stellung nimmt, dieses aber unter anderem m i t der besonderen Gefahr begründet, die Massenvernichtungswaffen für den Weltfrieden und die Lebensbedingungen der Menschheit m i t sich bringen. Bedenkt man nämlich, m i t welcher Intensität die Generalversammlung bislang auf dem Gebiet der Ächtung dieses Waffenarsenals gearbeitet hat 1 6 8 , so muß der Verzicht, über die pauschale Aussage des Paragraphen 5 hinaus den Einsatz von Massenvernichtungswaffen absolut oder eingeschränkt 169 zu verbieten, als Manifestation bewertet werden, daß i n dieser Richtung zur Zeit keine Einigung zu erzielen ist 1 7 0 . 166

Siehe schon oben, T e x t zu A n m . 6 ff. „ . . . basic principles as guidance . . . " . 188 Siehe das umfangreiche „background paper" des Generalsekretärs v o m 5.5.1977, A / A C . 187/29 („Disarmament Resolutions adopted b y the General Assembly"), i n dem auf mehr als 200 Seiten vor allem eine A u s w a h l der wichtigsten Resolutionen zur Abrüstung i m Bereich von Massenvernichtungswaffen aufgeführt sind, u. a. auch solche, i n denen deren Einsatz v e r boten w i r d (S. 105 ff.: „ P r o h i b i t i o n of the use of nuclear weapons", u n d S. 124 ff.: „Prohibition of chemical and biological weapons"). Diese Resolutionen w u r d e n jedoch nie i m Konsens angenommen u n d zogen zahlreiche Gegenstimmen u n d Enthaltungen auf sich, die nicht n u r aus dem Lager der Atommächte kamen. Siehe vor allem das interessante Abstimmungsergebnis zu Resolution 1653 (XVI), 24.11.1961 („Declaration on the prohibition of the use of nuclear and thermo-nuclear weapons"), die n u r m i t 55 :20 :26 S t i m men angenommen w u r d e u n d bei der zusätzlich Abstimmungen über einzelne Paragraphen stattfanden, w o m i t die Strittigkeit der Thematik dokumentiert ist. 169 So etwa den Ersteinsatz von Massenvernichtungswaffen, deren Verbot i m E n t w u r f der UdSSR gefordert w u r d e (siehe dazu i m einzelnen die Darstellung des KonsensbildungsVerlaufs). 187

9 Bruha

130

I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes 4. „Explanatory

notes" und

„statements "

V o n g r ö ß e r e r p o s i t i v - i n h a l t l i c h e r Substanz s i n d dagegen d i e v e r e i n zelt schon angesprochenen Zusatznoten 171, d i e S t e l l u n g n a h m e n des S o n derausschusses u n d des Hechtsausschusses z u A r t . 3 u n d A r t . 5 e n t halten. I m Gegensatz z u d e n o b e n g e n a n n t e n A u s l e g u n g s b e s t i m m u n g e n 1 7 2 s i n d sie aber als solche n i c h t f o r m e l l e B e s t a n d t e i l e des D e f i n i t i o n s t e x t e s selbst, w e n n dieser auch i n e i n e r F u ß n o t e a m E n d e d e r P r ä a m b e l a u f sie v e r w e i s t 1 7 3 , s o n d e r n erscheinen n u r i n d e n B e r i c h t e n d e r b e i d e n Ausschüsse 1 7 4 . A u s diesen G r ü n d e n k ö n n e n sie n i c h t positiv auf den f o r m a l e n G e l t u n g s a n s p r u c h d e r D e f i n i t i o n e i n w i r k e n , w e n n sie auch m a t e r i e l l als Kollektiv vorbehalte und -auslegungserklärungen der Bet e i l i g t e n des Konsensbildungsprozesses v o n höchstem W e r t i m H i n b l i c k auf den materiellen Gehalt der D e f i n i t i o n sind u n d d a m i t zur Konsensb e w e r t u n g herangezogen w e r d e n m ü s s e n 1 7 6 .

170 Siehe auch z u m wenig befriedigenden Stand der internationalen Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung das Sonderheft zum „ U n i t e d Nations Disarmament Yearbook", vol. I I , 1977 („Status of m u l t i l a t e r a l arms regulation and disarmament agreements") u n d das Ergebnis der „Abrüstungssondersitzung" der Generalversammlung v o m 23. 5. bis 28. 6.1978, i n deren Schlußdokument (S-10/2) ein alternativer Vorschlag des „ A d hoc Committee of the Tenth Special Session", den Einsatz von Atomwaffen generell zu verbieten, nicht aufgenommen wurde. (Siehe „ F i n a l Document of the Tenth Special Session of the General Assembly", para. 59 i m Vergleich zu para. 63, Alternative 3 b des Entwurfs des „ A d hoc Committee", A/S-10/A/AC. 1/37 v o m 27. 6.1978, der noch lautete: „ I n this context, the nuclear weapon States are called upon: to recognize that the use of such weapons w i l l be a crime against h u m a n i t y and should therefore be outlawed.") Ebenso scheiterte der Versuch, „Neutronen"-Waffen zu ächten, siehe para. 78 des E n t wurfs i m Gegensatz zu paras. 75 - 80 des Schlußdokuments, i n denen von „Neutronen"-Waffen keine Rede mehr ist u n d n u r ein „Formelkompromiß" (para. 77) die Problematik „neuer" Waffen „weiterer Beobachtung" zuweist. 171 Text am Ende des Dokumentenanhangs. 172 Text zu A n m . 68. 173 Vgl. den Definitionstext i m Dokumentenanhang. 174 Siehe die amtliche Sammlung der Resolutionen der Generalversammlung der 29. Sitzungsperiode, GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 142 - 144, die die Zusatznoten i n A n m . 8 zwar erwähnt, aber nicht abdruckt. 175 Aus diesem Grunde sind die (damals allein vorliegenden) „explanatory notes" des Sonderausschusses i n der Presse-Mitteilung der Vereinten Nationen v o m 18. August 1974 (Press Release L/166) wiedergegeben (dort S. 5). Allerdings verstehen sich die Mitteilungen des Informationsdienstes — laut eines deutlich sichtbaren Hinweises — nicht als „official records", was die Bedeutung der formalen Trennung zusätzlich unterstreicht. Siehe auch die heftigen Diskussionen i m Rechtsausschuß u m die Frage, ob den Bedenken der „landumschlossenen" Staaten gegenüber A r t . 3 Ziffer c durch eine K o r r e k t u r des Definitionstextes oder n u r durch eine Zusatznote Rechnung getragen werden sollte. (A/C. 6/SR. 1488, para. 24, dazu unten bei der Darstell u n g des Konsensbildungsverlaufs.)

Β . Einigung über den I n h a l t von Rechtssätzen

131

Nicht übersehen werden darf aber, daß der formelle Hinweis i n den offiziellen Dokumenten i n negativer Weise zwei Kategorien von Definitionsnormen ausweist, nämlich solche, die nach dem formalen Anspruch allein aus der Definition, inbegriffen ihrer Auslegungsregeln, zu verstehen sind, und solche, hinsichtlich deren Inhalt der Konsens der Beteiligten offensichtlich nicht gereicht hat, sich auf eine abstrakte Formel ohne Zusatznoten zu einigen. Soweit dieser negative Erklärungsgehalt der negativen Qualifizierung der betroffenen Normen durch die Fußnote i m offiziellen Definitionstext reicht, ist diese daher als formeller Bestandteil der Definition anzusehen. M i t anderen Worten, die Existenz der Zusatznoten fließt i n den Geltungsanspruch der Definition ein 1 7 6 , während ihr konkreter Inhalt von diesem nicht umfaßt ist 1 7 7 . Aus diesem Grunde ist auch die terminologische Differenzierung zwischen den „explanatory notes" des Sonderausschusses und den „statements" des Rechtsausschusses keine solche, die i m Zusammenhang m i t dem formalen Geltungsanspruch von Interesse ist, sondern nur i n Verbindung m i t der Qualität des materiellen Konsenses. C. Zusammenfassung und Überleitung

Wie die vorhergehende „erste Orientierung" anhand des Definitionstextes erwiesen hat, ist eine objektiv-aktuale Auslegung des Wortlauts nur wenig konsensaufklärend, weil an den verschiedensten Stellen und i n der Regel zu den wichtigsten Fragen die Begriffsbestimmung nur eine scheinbare ist, indem i n offensichtlicher Weise wohl das Produkt einer Wortlauteinigung nicht aber das eines Konsenses über seinen Inhalt präsentiert wird. Nun wäre es zwar möglich, diesen offenen Dissens zu ignorieren 1 7 8 und i m Wege der Auslegung der Charta — und letztlich des gesamten geschriebenen und ungesatzten Völkerrechts — diese „weißen Stellen" m i t einem konkreten, nur i n einer bestimmten Weise völkerrechtskon176 Unvollständig sind daher Wiedergaben des Definitionstextes, die den Hinweis auf die Zusatznoten nicht enthalten, so etwa die deutsche Übersetzung i n V N 23 (1975), S. 120, der französische Textabdruck bei Zourek (Anm. 8), S. 19 ff., u n d der englische bei Fahl, Rüstungsbeschränkung, Nr. 10.3.1. 177 A. A . Stone (Anm. 4), S. 194, A n m . 16, der die Zusatznoten ohne weitere Begründung m i t der „explanatory note" zu A r t . 1 gleichsetzt (die Bestandteil des Textes ist, A r t . 8), was jedoch formal u n d entstehungsgeschichtlich (siehe allein A n m . 175) unzutreffend ist. 178 Streng genommen beruht j a schon die Annahme eines Dissenses auf einem Vorverständnis, w e i l sich aus dem W o r t l a u t zunächst n u r die mehr oder weniger große Mehrdeutigkeit ergibt, nicht aber ob diese bezweckt ist u n d wofür. (Eine Ausnahme hiervon bildet allein der „unlogische" A r t . 5 Abs. 1.)

9*

132

I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes

formen Inhalt auszufüllen. Jedoch würde dies der oben abgelehnten Methode 1 7 9 gleichkommen, frühzeitig Bewertungen normativer A r t vorzunehmen, obwohl der soziale Sachverhalt noch nicht erschöpfend analysiert ist. So könnte auf diese Weise sicherlich der Satz der „internationalen Verantwortlichkeit für Aggression" 1 8 0 auf einen der oben genannten Inhalte 1 8 1 fixiert werden. Dies wäre aber keine objektive Textinterpretation mehr, weil die Definition zur Konkretisierung des Begriffs keinerlei Anhaltspunkte liefert und nur der Rekurs auf außerdefinitorische Rechtssätze (und Staatenpraxis) weiterhilft. M i t anderen Worten, das Ergebnis der objektiv-aktualen Interpretation lautet i n diesem Fall, daß Aggression nicht sanktionslos bleiben, sondern internationale Verantwortlichkeit nach sich ziehen soll. Mehr ist dem Text nicht zu entnehmen! Gleiches gilt auch für weniger offensichtliche Fälle: Zwar könnte man etwa geneigt sein, den Begriff „struggle" i n A r t . 7 ausschließlich i m Sinne von „nichtbewaffneten Bemühungen" zu verstehen, weil pr. para. 3 die Satzungspflicht der „friedlichen Streitbeilegung" i n den Definitionstext einbringt. Jedoch setzt A r t . 6 wiederum voraus, daß es auch erlaubte Gewalt 1 8 2 gibt, so daß pr. para. 3 sich auf ein Grundsatzverbot reduzieren lassen muß, von dem es Ausnahmen gibt, die die Definition aber nicht nennt (Art. 6). Die einzig korrekte A n t w o r t auf die Frage, wie „struggle" i n A r t . 7 zu interpretieren ist, kann daher unter alleiniger Berücksichtigung des Definitionstextes nur lauten, daß den betreffenden Völkern (welchen?) ein Durchsetzungsrecht eingeräumt ist 1 8 3 , daß aber nicht spezifiziert wird, m i t welchen M i t t e l n es aktualisiert werden darf, oder ob gar keinerlei Beschränkungen gelten. Aus diesem Grunde ist Aufgabe der objektiven Interpretation — wie bislang praktiziert — zuvörderst, konsensverratende Elemente der Definition von jenen zu unterscheiden, die erkennbar substanzlos sind, weil sie zunächst keine andere Funktion haben, als offengebliebene Meinungsverschiedenheiten zu verschleiern. Eine zusammenfassende Bewertung des Definitionstextes hat deshalb auf diese Weise zu differenzieren.

179

Siehe die Vorbemerkung. A r t . 5 Abs. 2 Satz 2. 181 Text zu A n m . 162 f. 182 Daß hierunter auch bewaffnete Gewalt zu verstehen ist, ergibt sich aus dem ersten Satzteil des A r t . 6, da der Generalverweis auf die Charta auch Bestimmungen erlaubter Waffengewalt (so etwa A r t . 42, aber auch 51) umfaßt. 183 W o m i t allerdings unterstrichen w i r d , daß das Selbstbestimmungsrecht seinen Trägern einen rechtlichen Anspruch geben soll. 180

C. Zusammenfassung u n d Überleitung

133

I . Konsens ausdrückende Elemente des Definitionstextes

Eine wirkliche Einigung scheint zunächst insoweit erzielt worden zu sein, als Aggression als rechtsnormatives Konzept Unterfall illegaler Gewalt ist und als solcher satzungswidrig sein muß 1 8 4 . Dabei reicht die Drohung m i t Gewalt ebensowenig aus wie unbewaffnete Aktionen 1 8 5 . Die dermaßen aktualisierte Waffengewalt muß sich zwischen Staaten abspielen, wobei es allerdings nicht darauf ankommt, ob diese anerkannt oder Mitglieder der Vereinten Nationen sind; auch Staatengruppen können als solche Subjekte oder Objekte von Aggressionen sein 1 8 6 . Wenn satzungswidrige Waffengewalt zum ersten Mal eingesetzt worden ist, so soll dies zumindest einen Vermutungstatbestand schaffen, daß der Angreifer auch der Aggressor ist 1 8 7 , obwohl der Sicherheitsrat — der allein zur Entscheidung aufgerufen i s t 1 8 8 — auch anders entscheiden kann, so etwa, wenn der Fall nicht schwerwiegend genug ist 1 8 9 . Der Katalog des A r t . 3, der bloße Beispielsfälle enthält, ist von den Aggressions typen her klar, soweit es die Ziffern a bis e betrifft, Ziffern f und g nur, als diese grundsätzliche Zurechenbarkeitstatbestände für fremde Aggressionen normieren. Über die Rechtsfolgen der Aggression 190 inbegriffen die Verantwortlichkeitsproblematik 1 9 1 besteht Einigung dem Grundsatz nach, über den Komplex erlaubter Gewalt nur insoweit, als er prinzipiell von der Definition nicht mitgeregelt werden soll 1 9 2 . Das Selbstbestimmungsrecht der Völker — insbesondere der i n A r t . 7 genannten — ist als subjektives Recht mit korrespondierenden Unterlassungspflichten dem Grunde nach anerkannt, ebenso das Recht der Anspruchsinhaber, sich aktiv und m i t Hilfe anderer u m seine Verwirklichung zu bemühen 1 9 3 . Schließlich — und generell — w i l l die Definition nur Orientierungshilfe sein und erhebt grundsätzlich nicht den Anspruch auf Beachtung und Befolgung 1 9 4 . 184

Pr. para. 5, A r t . 1, 2 u n d 4. A r t . 1, A r t . 3, Eingangssatz. 188 A r t . 1 m i t „explanatory note". 187 A r t . 2. tee P r . para. 2, A r t . 2 u n d 4. 185

189

A r t . 2. Pr. para. 7, A r t . 5 Abs. 3. 191 A r t . 5 Abs. 2. 192 A r t . 6. 193 p r para. 6, A r t . 7.

190

134

I I . 2. Abschn. : Untersuchung des Definitionstextes Π . Dissens verratende Elemente des Definitionstextes

Augenfälligster Dissens besteht dagegen i n der Frage, ob der Aggressionstatbestand auch eine subjektive Komponente aufweist, bei deren Fehlen eine Aggression zu verneinen wäre: A r t . 2 und 5 Abs. 1 können i n ihrer „Ungereimtheit" kaum als Dissens „verschleiernd" angesehen werden, ebensowenig soweit es darum geht, welche Bestandskraft der „prima facie evidence" bei Untätigkeit oder Beschlußunfähigkeit des Sicherheitsrates zukommen soll. Kaum weniger deutlich offenbaren sich die Meinungsverschiedenheiten bei der Konkretisierung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, vor allem, was den aktiven und negativen Status anbelangt, vom Problem der mangelnden Bestimmbarkeit seiner Träger einmal abgesehen. Hierfür sorgt das mehrdeutige Wort „struggle" i n Verbindung m i t dem letzten Satzteil des A r t . 7, einerseits (status activus), und die Klausel „or to disrupt territorial integrity" beim „status negativus" des Paragraphen 6 der Präambel, der so gar nicht i n diese Vorschrift zu passen scheint 195 , anderseits. Hiermit i n sachlich engem Zusammenhang stehend ist schließlich auch bei Art. 3 Ziffern f und g Dissens zu verbuchen, weil beide Bestimmungen Formen indirekter Aggression — und damit einer naturgemäß typischen Kriegsführungstechnik „nationaler Befreiungsbewegungen" — gewidmet sind. Was unter „allowing its t e r r i t o r y " 1 9 β , „the sending . . . on behalf of a State" oder „its substantial involvement therein" 1 9 7 zu verstehen ist, bleibt der Phantasie überlassen. Extrem unfertig und weit bleiben auch die Grundsatzregelungen des Art. 5 Abs. 2 und 3 1 9 8 , so daß sie — über das Prinzipielle hinaus — ebenso Dissens manifestierend sind wie die Zusatznoten, die als letzte innerhalb dieser Kategorie genannt werden sollen. I I I . Elemente weniger deutlichen Erklärungsgehalts und Überleitung

I n allen übrigen Punkten kann die Definition weder eindeutig der einen noch der anderen Kategorie „zugeschlagen" werden, was jedoch nicht ausschließt, daß sie sich auch dort — nach Analyse des Konsens194 Op. paras. 3 u n d 4 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) , pr. para. 10 der Definition. 195 Die Klausel k a n n n u r die Bedeutung haben, daß die Nutznießer der Unterlassungspflicht ihrerseits zur Achtung der territorialen Integrität der Adressaten verpflichtet sein sollen, was notwendigerweise miteinander k o l lidieren muß. 196 A r t . 3 Ziffer f. 197 Beide A r t . 3 Ziffer g. iss j n Verbindung m i t pr. para. 7.

C. Zusammenfassung u n d Überleitung

135

bildungsprozesses — als i m wesentlichen konsens- oder dissensbestimmt erweist. So kann die Klausel „or i n any other manner inconsistent w i t h the Charter of the United Nations" 1 9 9 sicherlich Spielraum für mancherlei Interpretationskünste liefern, nur, es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, ob sie gerade aus diesem Grund oder nur deshalb eingefügt wurde, w e i l sie i n selber Weise i n A r t . 2 Ziffer 4 SVN normiert ist. Daß sämtliche Einzelfälle des A r t . 3 viele Fragen offen und unbeantwortet lassen, ist schon oben angedeutet worden. Aber allein deswegen sind sie nicht als „Formelkompromiß" erkennbar. Sie können ebensogut Ausdruck einer bezweckten elastischen Regelung sein, es sei denn, Zusatznoten, die nicht formeller Bestandtèil des Definitionstextes sind, weisen auf den Dissens hin. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß besonders hinsichtlich der beiden letzten Kategorien, letztendlich aber auch i m Hinblick auf die erste, allein die Analyse des Konsensbildungsprozesses Klarheit bringen kann, welches der Erklärungsgehalt des ganzen Unterfangens sein soll: Bei den letzten folgt dies unmittelbar aus ihrer Funktion bzw. Unbestimmtheit, bei der ersten w i r d die Frage u. a. lauten, ob die Klarstellungen i n dieser Kategorie auch für die Zukunft gelten sollen, was ja wegen des prinzipiell fehlenden rechtsnormativen Geltungsanspruchs der Definition und ihrer institutionsspezifischen Funktion nicht selbstverständlich ist.

3. Abschnitt

Untersuchung des Konsensbildungsprozesses Die folgende Analyse des Konsensbildungsprozesses i m Wege seiner punktuellen Rekonstruktion soll m i t einer Skizzierung der Ausgangspositionen beginnen, u m zusammenhängend die Strategien der drei Interessengruppen (blockfreie Staaten, Weststaaten, sowjetmarxistische Staaten) deutlich zu machen. Hieran schließt sich die eigentliche Darstellung des Konsensbildungsverlaufs an, d.h., die Verfolgung der Verhandlungen zu bestimmten Fragen unter Zugrundelegung der oben vorgestellten Dreiphasigkeit des „Konsensusverfahrens". Dabei werden die Verhandlungen zu den funktionsbestimmenden 1 Elementen der Definition vorab beleuchtet, 199

A r t . 1. Das sind jene Teile, von denen abhängt, ob die Definition n u r die begrenzte F u n k t i o n einer unverbindlichen Entscheidungshilfe f ü r den Sicher1

136

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

weil diese Maßstäbe liefern, anhand derer letztlich auch die Qualität der Tatbestandskonkretisierung zu messen ist — deren Genese folglich am Ende dieses Abschnitts erscheint 2 . A. Skizzierung der Ausgangspositionen: Die Definitionsentwürfe der drei Interessengruppen Die von den drei Interessengruppen i n der Anfangsphase eingebrachten Definitionsentwürfe 3 lassen sich pauschal als extrem extensiv (Blockfreienentwürfe) 4 , extrem restriktiv (Weststaatenentwurf) und als gemischt extensiv!restriktiv, bzw. ambivalent, (Entwurf der UdSSR) qualifizieren 5 . Entsprechend äußerten sich die Relegierten. I . Das extensive Definitionskonzept der Blockfreien

Extrem extensiv — und am innovativsten gegenüber herkömmlichem Satzungsrecht — war das Definitionskonzept der Blockfreien gestaltet, m i t dem sie i n die Verhandlungen gingen und als erste Definitionsentwürfe vorlegten. Dabei war es einerseits ihr erklärtes Ziel, die überkommene politische Ermessensfreiheit des Sicherheitsrates bei der Feststellung von Aggressionen durch ein rechtliches Entscheidungskriterium einzuschränken, was eine umfassende Begriffsbestimmung erlaubter und verbotener Gewalt erforderlich machte. Andererseits sollte diese auch materiell-rechtlich ihren ökonomischen und Sicherheitsinteressen entsprechen. So erklärte der mexikanische Delegierte auf der ersten Sitzungsperiode des Sonderausschusses, daß „the purpose of a legal definition was not to prevent or encourage a given course of action, but to mark heitsrat hat oder aber darüber hinausgehende W i r k u n g e n entfalten soll. Die Untersuchung g i l t demnach i n diesem Zusammenhang der Frage, ob u n d w i e konkret die Entscheidung zu den Problemkreisen „objektive" oder „subjektive" Definition, simultane Begriffsbestimmung erlaubter Gewalt, Rechtsfolgen der Aggression ausgefallen ist. 2 Wegen der schweren Zugänglichkeit der ausgewerteten Sitzungsprotokolle (vgl. Vorbemerkung, am Ende) werden — soweit es stilistisch noch v e r tretbar erscheint — die Delegiertenäußerungen auch dann i m W o r t l a u t zitiert (und nicht i n indirekter Rede), w e n n sie, etwa n u r partiell, i n den eigenen Text „eingewoben" werden. Dies geschieht allein i m Interesse der Darbietung „authentischen Zitiermaterials". 3 Übersicht u n d Wiedergabe i m Dokumentenanhang. 4 A u f die frühen Blockfreienentwürfe w i r d , da sie zugunsten des bereits auf der zweiten Sitzungsperiode eingebrachten konsolidierten Blockfreienentwurfs A / A C . 134/L. 16 and Add. 1 and 2 (im folgenden als Blockfreienentwurf bezeichnet u n d als A / A C . 134/L. 16 zitiert) aufgegeben wurden, n u r zurückgegriffen werden, soweit dies dem Verständnis dient. 5 Z u r Verdeutlichung dieser Charakteristika werden die Entwürfe nicht entsprechend der Chronologie ihrer Vorlage vorgestellt (siehe dazu die Übersicht i m Dokumentenanhang u n d oben, S. 88 f.).

Α. Die Definitionsentwürfe der drei Interessengruppen

137

the limits of what was permissible for legal persons"®. Zwar räumte auch er dem Sicherheitsrat die volle Freiheit der Beurteilung des Sachverhalts und der Wahl der zu treffenden Maßnahmen ein, erhob aber den Anspruch, den Aggressionsbegriff „from a legal standpoint " aus zu interpretieren und „to determine its scope and content", u m so die bisherige „uncertainty and subjectivity of political judgements not based on l a w " zu überwinden 7 . Nach Ansicht des Delegierten Haitis könne deshalb keine Rede davon sein, daß eine künftige Definition für die ausschließliche Benutzung des Sicherheitsrates reserviert sei, denn „ A l t h o u g h i t was the p r i m a r y role of the Security Council to restore international peace w h e n i t was disturbed, the principal architects of international peace were States. I t was they which could take the i n i t i a t i v e to disturb international peace b y committing, for example, an act of aggression against another State. The maintenance of international peace was therefore first and foremost their responsibility 8 ."

Dann aber könne dem Sicherheitsrat, so der mexikanische Vertreter, nicht die Freiheit belassen werden, „to add, or to classify as aggression acts other than those enumerated i n the definition" 9 , denn die A l t e r native könne nur lauten: „Either a definition had its o w n intrinsic value, Council should respect it, or, i f the Security freedom of action i n the matter, the conclusion was of no value whatsoever, for i t was illogical then to authorize non-compliance 10."

i n which case the Security Council was to retain its should be that a definition to accept a definition and

Letzteres würde nicht nur jede Definition nutzlos machen, sondern auch ihre „raison d'être" zerstören 11 . Hingegen müsse m i t ihr der Versuch unternommen werden, die ihrer Natur nach eher politischen A k t i v i täten der Vereinten Nationen mehr m i t dem geltenden Völkerrecht i n Übereinstimmung zu bringen, wie es m i t Hilfe der Empfehlungen der Generalversammlung entwickelt werde. Die entscheidende Frage sei daher „wether or not the definition of aggression constituted a general principle of international l a w " 1 2 . Die A n t w o r t konnte für die Blockfreien hierauf nur positiv ausfallen, so daß außer einer rechtlich nicht faßbaren politischen Abschreckungsfunktion der Definition m i t ihr vor allem „konstitutionelle" und „legislative" Ziele verfolgt würden. „Konstitutionell" werde sich diese den 6 A/AC. 134/SR. 6, S. 46. (Kursivsatz i n Zitaten entspricht nicht den O r i g i nalen u n d dient hier n u r der Verdeutlichung.) 7 A / A C . 134/SR. 6, S. 47. 8 A / A C . 134/SR. 36, S. 87. 9 A / A C . 134/SR. 30, S. 24. 10 A / A C . 134/SR. 32, S. 41. 11 A / A C . 134/SR. 30, S. 24. 12 A / A C . 134/SR. 32, S. 41.

138

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

von der Generalversammlung bereits erarbeiteten Grundbegriffen wie Menschenrechte, Selbstbestimmung und souveräne Gleichheit der Staaten anfügen, wobei „The elaboration of the concept of aggression was actually even more important since i t related to the basic purpose of the United Nations, as defined i n A r t . 1, para. 1, of the Charter 1 3 ."

„Legislativ" schließlich sei die Definition Vorstufe für eine internationale Strafgerichtsbarkeit und den „draft code of offences against the peace and security of mankind" 1 4 . Konsequent vermied es bereits der erste gemeinsame Entwurf der Blockfreien 15 , Aggression nur i m Rahmen des A r t . 39 SVN zu definieren und sprach von „aggression as employed in the Charter" 16. Darüber hinaus — und unter Loslösung vom englischen Satzungstext — erklärte er zusätzlich, daß „armed attack" i m Sinne des A r t . 51 SVN bloßes Synonym der „armed aggression" sei 17 , womit die wichtigste Voraussetzung des Selbstverteidigungsrechts gleich m i t geklärt wurde. Denn m i t dieser, auf der französischen Fassung des A r t . 51 SVN basierenden Gleichsetzung der beiden Termini war m i t der Definition der Aggression zugleich eine Begriffsbestimmung des bewaffneten Angriffs geschaffen 18 und m i t ihr ein Entscheidungskriterium für alle Staaten bei der autonomen Feststellung einer Selbstverteidigungssituation 19 . Dieser Entwurf bildete i m wesentlichen das Gerüst für den auf der zweiten Sitzungsperiode vorgelegten endgültigen Blockfreienvorschlag 20 , der für den weiteren Verlauf des Konsensbildungsprozesses Basis der Argumentation seiner Unterzeichnerstaaten blieb. Nicht nur 13

Ägypten, A / A C . 134/SR. 33, S. 49 f. Ägypten (Anm. 13), S. 50. 15 A/AC. 134/L. 6 and Add. 1 and 2 („Draft Declaration on Aggression"). 16 Pr. para. 1. 17 Pr. para. 2, op. para. 3. Siehe auch Ghana, A / A C . 134/SR. 37, S. 96: „ I n accordance w i t h General Assembly resolution 2330 ( X X I I ) , the Committee was to draft a definition of aggression, meaning , i n the language of the Charter, armed attack ." 18 Die Gleichstellung des bewaffneten Angriffs m i t „armed aggression" (und nicht bloß „aggression") erklärt sich daraus, daß die Mehrheit der blockfreien Staaten auf der Basis eines weiten Aggressionsbegriffs argumentierte, der auch unbewaffnete Formen (ökonomische u n d ideologische Zwänge) umfassen sollte. 19 Vgl. zu früheren Versuchen, anstelle (oder neben) den Begriff der A g gression i. S. von A r t . 39 S V N den des „armed attack" i. S. von A r t . 51 S V N zu definieren vor allem Feinberg, Defining „ A r m e d Attack", S. 59 f.: „The suggested definition of armed attack was accordingly intended, not so much to help the appropriate organs of the U n i t e d Nations to apply the provisions of the Charter as to indicate to its members those cases i n which the use of armed force was permitted and those i n w h i c h i t was not." 20 A/AC. 134/L. 16. 14

Α. Die Definitionsentwürfe der drei Interessengruppen

139

hielt dieser an der Identität der beiden Begriffe fest 21 , sondern ließ es i m Gegensatz zum Vorentwurf sogar offen, ob der Sicherheitsrat befugt sei, andere als i m Entwurf genannten Akte als Aggressionen zu qualifizieren. Hatte es nämlich i n jenem noch geheißen, „ A n act other than those enumerated . . . may be deemed to constitute aggression, armed or otherwise, if declared as such by the Security Council" 2 2 , so tauchten die Kompetenzen des Rates i n diesem nur i n zwei Vorbehaltsklauseln auf, wonach die „powers and duties of the Security Council, embodied i n Article 39 of the Charter" 2 3 zu berücksichtigen seien, und der enumerative Teil der Definition nur „without prejudice to the powers and duties of the Security Council, as provided i n the Charter" 2 4 verstanden werden dürfe. Dieser Funktion eines Entscheidungskriteriums für den Sicherheitsrat und die Staaten entsprach es, daß die Definition (im Gegensatz zum Weststaatenentwurf) allein auf objektive Kriterien abstellte, subjektive Elemente (Absichten, Ziele) generell ignorierte 2 5 und statt dessen i m Rahmen der gemischten Methode 2 6 den Erstgebrauch von Waffengewalt für entscheidend erklärte 2 7 . Des weiteren war der Entwurf m i t sonstigen Aussagen rechtsnormativen Anspruchs „angereichert", die die Funktion einer Definition außerhalb der Grenzen des satzungsmäßigen Rahmens des A r t . 39 SVN unterstrichen: So enthielten op. paras. 3, 4, 6 und 7 Aussagen über Inhalt und Voraussetzungen des Selbstverteidigungsrechts und des Gebrauchs von Waffengewalt durch regionale Organisation i m Sinne von A r t . 52 - 54 SVN, op. paras. 8 und 9 befaßten sich m i t den Rechtsfolgen aggressiver Akte, und op. para. 10 schließlich bestätigte das satzungsgemäße Recht der Völker auf Selbstbestimmung, Souveränität und territoriale Integrität, das i n keiner Weise durch die Definition beeinträchtigt werden dürfe. Alles i n allem stellte der Entwurf der Blockfreien daher ein umfassendes Papier „konstitutionellen" und „legislativen" Geltungsanspruchs dar, das über die Entscheidungshilfe zu Händen des Sicherheitsrates hinausgehend die (anti-kolonial geprägten) Vorstellungen seiner Autoren zum Inhalt des Völkerrechts „ i m Zusammenhang m i t dem Aggressionsbegriff" formulierte.

21 22 23 24 25 28 27

Pr. para. 2 u n d op. para. 3. Op. para. 10 des Entwurfs A / A C . 134/L. 6 and Add. 1 and 2. Pr. para. 4. Op. para. 5. Op. para. 5. Op. para. 2 i n Verbindung m i t op. para. 5. Op. para. 5.

140

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses Π . Das restriktive Definitionskonzept der Weststaaten

Geradezu unter umgekehrten Vorzeichen gingen die Weststaaten i n die Diskussion, die, wenn sie schon eine Definition nicht verhindern konnten oder wollten, dann doch alles daran setzten, m i t ihr nicht ein „quasi-legislatives" Dokument zu schaffen, das dem Anspruch nach i n Konkurrenz zum Satzungsrecht treten müßte, das zu ändern sie keinen Anlaß sahen. I h r Konzept — bereits vor Einbringung ihres eigenen Entwurfs als Replik vor allem auf die Blockfreien-Vorschläge prononciert — läßt sich daher als betont restriktiv bezeichnen: und dies nicht nur gegenüber materiell-rechtlichen Innovationstendenzen (Relativierung des Gewaltverbots), sondern vor allem gegenüber dem Blockfreien-Ziel, die politische Ermessensfreiheit des Sicherheitsrates zu beschneiden, die zur Funktionsvoraussetzung des gesamten Chartaregimes erklärt wurde. So machte schon i n einem frühen Stadium der Vertreter der USA deutlich, worauf es seiner Regierung i m Zusammenhang m i t dem Definitionsvorhaben ankomme, nämlich auf die Bewahrung der Freiheit des Sicherheitsrates, die die Beliebigkeit der „conditions i n which i t could act" ebenso umfasse wie die der „nature of the decisions i t could take" 2 8 . I n diesem Sinne präzisierte der Delegierte Australiens, daß die Feststellung eines Aggressionsaktes „not a legal, but a political question ..." sei, was erkläre, warum die Charta nirgendwo „any elaboration, interpretation or definition of the word ,aggression'" enthalte, sondern „the matter to the absolute discretion of the Security Council" belasse 29 . Auch der kanadische Delegierte meinte, daß Aggression nicht „an abstract principle but a concrete happening" sei, das erst geschehen müsse, damit man es identifizieren könne 3 0 . Darum habe der Sicherheitsrat bisher nicht als „judge and j u r y " , sondern als „policeman and protector of the peace" seine Aufgabe unter A r t . 39 SVN wahrgenommen. Nach seiner Ansicht müsse man daher sehr vorsichtig m i t einer „development of jurisprudence on aggression" umgehen, damit keine „automatische Definition" dabei herauskäme, die mehr vom Sicherheitsrat verlange als man von i h m erwarten dürfe 3 1 . Die kanadische Delegation ziehe es daher vor, „to leave any possible definition of aggression as a tool to be used at the discretion of the Council"* 2, ein 28

A / A C . 134/SR. 10, S. 119. A/AC. 134/SR. 8, S. 80. 30 A/AC. 134/SR. 11, S. 127. 31 A / A C . 134/SR. 11, S. 130. 32 A/AC. 134/SR. 11, S. 130; siehe auch Italien, A/C. 6/SR. 1276, para. 11, das auf die unterschiedlichen Norminhalte des Aggressionsbegriffs (bzw. Begriff des bewaffneten Angriffs) i n A r t . 1, 39 u n d 51 S V N hinwies. 29

Α. Die Definitionsentwürfe der drei Interessengruppen

141

Werkzeug, das nach Ansicht des japanischen Vertreters nie mehr als nur eine Formulierung des „act of aggression " i m Sinne von A r t . 39 SVN sein könne 8 3 . Der Aggressionsbegriff, so wie er i m Entwurf der sechs Weststaaten 84 definiert wurde, wurde daher ausschließlich dem Gebrauch des Sicherheitsrates anheim gestellt: „Under applied primary security

the Charter of the United Nations, »aggression 4 is a t e r m to be by the Security Council w h e n appropriate i n the exercise of its responsibility for the maintenance of international peace and under A r t . 24 and its function under A r t . 39 35 ."

Konsequent vermied der Entwurf alles, was unmittelbar oder mittelbar die Entscheidung des Rates präjudizieren konnte: Dies t r i f f t zunächst für die generalklauselartige weite Formulierung des op. para. I I zu, i n dem Aggression zwar i n Anlehnung an die Terminologie des A r t . 2 Ziffer 4 SVN definiert wurde, jedoch m i t dem maßgeblichen Zusatz, daß es nicht darauf ankomme, ob sie „overt or covert, direct or indirect" erfolge 36 und der Gleichsetzung zwischenstaatlicher Aggressionen mit solchen, die von einem „political entity delimited by international boundaries or internationally agreed lines of demarcations" ausgehen bzw. hiergegen geführt werden. Denn diese wenig konkretisierbaren Aussagen sollten nicht etwa durch den „beidseitig offenen" enumerativen Katalog des op. para. I V B allein präzisiert und exemplifiziert werden. Vielmehr war eine endgültige Qualifizierung als Aggression von einer Feststellung abhängig gemacht, daß die objektiv verifizierbaren Akte m i t bestimmten Aggressionsabsichten, die i m unverbindlichen „Negativkatalog" des op. para. I V A beschrieben wurden, begangen worden seien 87 . I m Ergebnis also mehr subjektiv-final 38 denn objektiv konzipiert hatte der Entwurf daher keinen Platz für die Berücksichtigung des Erstgebrauchs von Waffengewalt, erst recht nicht als eines entscheidenden, „automatisch" zur Aggressionsfeststellung führenden K r i t e 33

A / A C . 134/SR. 9, S. 100. A / A C . 134/L. 17 and Add. 1 and 2 (im folgenden n u r als A/AC. 134/L. 17 zitiert). 35 Op. para. 1 des Entwurfs. Unterstrichen w i r d dieser pragmatisch-instrumentale Charakter auch durch das anfängliche Fehlen einer Präambel, die erst auf der 3. Sitzungsperiode wegen der K r i t i k mehrerer Delegationen „nachgeschoben" w u r d e (dazu Kanada, A/AC. 134/SR. 45, S. 172 u n d SR. 56, S. 25). 36 Ergänzt durch op. para. I V Β Ziffern 6 bis 8. 37 W o m i t Gewaltanwendungen „ z u m guten Zweck" (etwa die humanitäre Intervention zum Schutze eigener Staatsangehöriger) von der Definition ausgenommen wären, siehe Bothe, Definition der Aggression, S. 129. 38 Bothe (Anm. 37), S. 129. 34

1 4 2 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

riums 3 9 , da letzteres die Irrelevanz der subjektiven Absichten bei der Prüfung aggressionsverdächtiger Fälle zur Folge haben müßte. Da ein „animus aggressionis" definitiv jedoch nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalls geschlossen werden kann, war eine unmittelbare Präjudizierung der Entscheidung des Sicherheitsrates durch die Definition weitgehend ausgeschlossen. Einer Kompetenzbeschneidung auf mittelbarem Wege begegnete der Entwurf dadurch, daß er es an einem jeglichen Hinweis auf einen überorganisatorischen Effekt der Definition fehlen ließ, der, über den funktionellen Rahmen des A r t . 39 SVN hinaus, die Definition auch zu einem Entscheidungskriterium für sonstige UN-Organe und vor allem Staaten bei der Feststellung von Aggressionsakten gemacht hätte 4 0 . Dem entsprach, daß er nichts Konkretes über den Umfang rechtmäßiger Gewaltanwendung aussagte 41 , und auch Bestimmungen, die nach A n sicht der Weststaaten bei der Feststellung nach A r t . 39 SVN nicht von Bedeutung sind, wie etwa jene zu den Rechtsfolgen der Aggression oder zum Komplex des Selbstbestimmungsrechts der Völker, waren ausgespart. I m Ganzen präsentierte sich der Entwurf der Weststaaten also als eine Orientierungshilfe zum ausschließlichen Gebrauch des Sicherheitsrates für seine Aufgabe, auf die Absicht des Angreifers abstellend, Aggressionsakte nach A r t . 39 der Satzimg festzustellen 42 . Ι Π . Das ambivalente Definitionskonzept der UdSSR

Gegenüber diesen antagonistischen Positionen mußte der Haltung besondere Bedeutung zukommen, die die Führungsmacht des sowjetmarxistischen Blocks, die UdSSR, zum Problem der Aggression einnahm. Denn anders als Weststaaten und Blockfreie war sie ihren Interessen nach nicht ausschließlich in Richtung auf ein entweder extensives 39

Siehe dagegen op. para. 5 des Blockfreienentwurfs. I m Verlauf der A n w e n d u n g der Definition durch andere Stellen als der Sicherheitsrat, insbesondere durch die Generalversammlung u n d die Staaten selbst, müßte diese ja, auch dort, w o sie bewußt w e i t u n d mehrdeutig ist, fortlaufend konkretisiert werden, was den Sicherheitsrat m i t ständig konkreter werdenden, autoritativen Rechtsfeststellungen i n seinem „ureigensten" Gebiet konfrontieren müßte. 41 Siehe die Vorbehaltsklausel des op. para. I I I . 42 Siehe auch die K r i t i k der Blockfreien (formuliert durch Ecuador) an diesem Konzept: „The impression . . . was that aggression was no more than a t e r m used i n the Charter to be interpreted as the Security Council saw fit, which meant as the permanent members of the Security Council saw fit, w i t h a l l that that i m p l i e d i n the w a y of paralysis of the Council's w o r k through exercise of the veto and through abstention. B u t aggression was not simply a term used in the Charter, it was an international crime which the Committee had to define ." (A/AC. 134/SR. 58, S. 53.) 40

Α. Die Definitionsentwürfe der drei Interessengruppen

143

oder restriktives Definitionskonzept orientiert Vielmehr hatte sie einerseits die unumschränkten Befugnisse des Sicherheitsrates — und über i h r Vetorecht ihre eigene Stellung innerhalb der Organisation — zu wahren 4 3 , was sie als Verbündete der Weststaaten empfahl. A u f der anderen Seite mußte i h r jedoch m i t den Blockfreien an einem extensiven Definitionskonzept gelegen sein, ohne das ihre „kodifikatorischen Ziele" gemäß dem inhaltlichen Postulat der „Friedlichen Koexistenz" nicht erreichbar waren. Aus diesem Grunde schon zu Beginn der Verhandlungen als Vermittler prädestiniert, verzichtete die UdSSR anfangs auf eindeutige Stellungnahmen zum Geltungsanspruch einer künftigen Definition und legte sogleich einen E n t w u r f 4 4 vor, der weitaus flexibler als die beiden konkurrierenden Definitionsvorschläge konzipiert war: Denn weder reservierte dieser den Aggressionsbegriff (und damit die Definition) für den funktionellen Rahmen des A r t . 39 SVN, wie dies die Weststaaten getan hatten, noch enthielt er den Anspruch der Blockfreien, über die simultane Definition der Worte „armed attack" eine Präzisierung völkerrechtlicher Rechte und Unterlassungspflichten m i t Außenwirkung geschaffen zu haben. Vielmehr legte er sich nicht eindeutig fest, sondern formulierte vorsichtig bis „offendeutig", „ . . . that the adoption of a definition of aggression w o u l d have a restraining influence on a potential aggressor, w o u l d simplify the determination of acts of aggression and the implementation of measures to stop them and w o u l d also facilitate the rendering of assistance to the v i c t i m of aggression and the protection of his l a w f u l rights and interests" 4 5 ,

und nahm somit pr. para. 9 der endgültigen Definition i n Inhalt und Technik i m wesentlichen vorweg. I n der Konkretisierung dieser allgemeinen Aussagen wiesen pr. paras. 1, 5 und 6 die Definition aber primär als Entscheidungshilfe für 46 die „Einzelfallfeststellung" durch den Sicherheitsrat aus, dessen Befugnisse durch die Definition nicht tangiert sein sollten. Denn der Katalog aggressiver A k t e des op. para. 2 verstand sich „ I n accordance w i t h and without prejudice to the functions and powers of the Security 43 Siehe UdSSR, A/C. 6/SR. 1206, para. 7: „ . . . i t w o u l d be unwise to go beyond the provisions of the Charter and to broaden the powers of the General Assembly w i t h regard to the use of force b y the United Nations at the expense of those of the Security Council . . . " . Ä h n l i c h auch A / A C . 134/SR. 97, S. 61: „Furthermore, some delegations were clearly t r y i n g to prepare the w a y for a revision of the Charter . . . to question the competence of the Security Council . . . A n y country was of course entitled to the v i e w that the Charter should be revised, but that was a problem for consideration b y the competent organs of the U n i t e d Nations." 44 A / A C . 134/L. 12. 45 Pr. para. 7. 46 Pr. para. 6.

144

. 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Council" 4 7 , und war zudem dem Rat gegenüber nicht abschließend gestaltet 48 . In seinem materiellen Inhalt aber ähnelte der Entwurf weitgehend dem der Blockfreien, abgesehen von fehlenden substantiellen Aussagen zum Komplex erlaubter Waffengewalt, der, wie i m Weststaatenentwurf, durch Vorbehalt ungeregelt blieb 4 0 . Dagegen stellte er wie jene prinzipiell auf den Erstgebrauch von Waffengewalt ab 5 0 , bezeichnete Aggression als Verbrechen gegen den Frieden 5 1 und enthielt ebenfalls Aussagen zu den Rechtsfolgen der Aggression 52 . Schließlich unterstrich auch er das Selbstbestimmungsrecht der Völker i n seinem aktiven 5 3 und negativen 54 Status, allerdings m i t dem bedeutungsvollen Unterschied, daß sich der sowjetische Entwurf auf die anti-koloniale Variante beschränkte, indem er die betreffenden Passagen jeweils an die Resolution 1514 (XV) anband 55 , also an die „Declaration on the granting of independence to colonial countries and peoples" des Jahres 1960. Β. Verlauf der Konsensbildung I . Die Konsensbildung zu den funktionsbestimmenden Elementen der Definition

Die Diskussionen u m den generellen Geltungsanspruch der Definition wurden solange vorrangig geführt, wie die Verhandlungen noch auf der Basis der drei unterschiedlichen Entwürfe verliefen 1 . Erst das Jahr 1973 brachte gegen Mitte der vorletzten Sitzungsperiode äußerlich weitgehend Ruhe u m diese grundsätzliche Problematik, als zum ersten 47

Op. para. 2. Op. para. 3. 49 Op. para. 6, erste Aussage. 50 Op. para. 1. 51 Op. para. 5, erste Aussage. 52 So die politische u n d materielle Verantwortlichkeit der Staaten i n op. para. 5, zweite Aussage, die Nichtanerkennungspflicht aggressionsbedingter Vorteile i n op. para. 4 u n d die individuelle strafrechtliche V e r a n t w o r t lichkeit f ü r Aggressionen i n op. para. 5, dritte Aussage. 53 Op. para. 6, zweite Aussage. 54 Pr. para. 3. 56 Pr. para. 3 u n d op. para. 6. 1 Vgl. die Berichte des Sonderausschusses bis zur 4. Sitzungsperiode (ab der 5. Sitzungsperiode keine Diskussionszusammenfassungen mehr) unter den Uberschriften: „Views Expressed on certain General Aspects of the Question of Defining Aggression" u n d „ T h e Definition and the Power of the Security Council" sowie die Berichte des Rechtsausschusses ab der zweiten Sitzungsperiode unter sinngleichen Überschriften (Zusammenfassimg — insbesondere der Diskussionen i m Rechtsausschuß — i n Y U N 22 - 28 [1968 - 1974], K a p i t e l „The Question of Defining Aggression"). 48

Β . Verlauf der Konsensbildung

145

2

Mal ein gemeinsamer E n t w u r f aller drei Blöcke zur künftigen Diskussionsgrundlage gemacht wurde 3 . Bis dahin traf die Charakterisierung der Lage zu, wie sie anläßlich des Einbringens dieses Entwurfs vom Delegierten Guyanas vorgetragen wurde, daß „The first and fundamental point of difference was that relating to the distribution of powers w i t h i n the United Nations. Some held that only the Security Council was empowered to use force. Others held that the General Assembly also had such competence 4 ."

Allerdings hatte spätestens der sowjetische Entwurf m i t seiner pauschalen Bestätigung der Befugnisse des Sicherheitsrates dafür gesorgt, daß eine ausdrückliche „Inpflichtnahme" dieses Großmachtgremiums durch eine, wie auch immer geartete, Definition nicht mehr diskutabel war. A m ehesten erkannten dies die Mitglieder des Sonderausschusses selber 5 , während entsprechend des höheren Publizitätsgrades 6 des Rechtsausschusses dort h i n und wieder einige kleinere Staaten eine absolute Bindungswirkung der Definition 7 , selbst gegen die Zustimmung der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates 8 , glaubten fordern zu können. Doch auch i m Rechtsausschuß blieben diese Stimmen vereinzelt, und solch beiläufige Bemerkungen wie die des mexikanischen Delegierten, der die Frage stellte, warum eine völkerrechtliche Definition nicht die Befugnisse des Sicherheitsrates beschneiden könne 9 , blieben ohne Chance, den Wortlaut der zu schaffenden Definition entscheidend prägen zu können 1 0 . Gerade deswegen aber konzentrierten sich die Anstrengungen aller Beteiligter auf jene Stellen der Definitionsentwürfe, die mittelbar eine faktische Bindung des Rates herbeiführen oder verhindern würden, also auf jene Passagen, die dem prinzipiellen Definitionskonzept 11 und 2 GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, Appendix A („Consolidated text of the reports of the contact groups and of the drafting group"). 3 I m folgenden auch als „vorkonsensualer" E n t w u r f bezeichnet. 4 A / A C . 134/SR. 95, S. 37. 5 Siehe GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 7, para. 19: „ A l l the representatives who spoke on this point agreed i n recognizing that the definition should safeguard the power of the Security Council as the United Nations organ p r i m a r i l y responsible for the maintenance of international peace and security. B u t their views differed on the extent to which the Security Council should be free i n the application of the definition." 6 Siehe dazu die theoretischen Ausführungen zur S t r u k t u r des „Konsensusverfahrens" i m 3. Abschnitt des vorhergehenden Teils. 7 So etwa Barbados, A/C. 6/SR. 1207, para. 4. 8 Haiti, A/C. 6/SR. 1203, para. 36. 9 A/C. 6/SR. 1276, para. 41; ähnlich auch Irak, A/C. 6/SR. 1202, para. 22. 10 Siehe Y U N 25 (1971), S. 598: „ I t was generally accepted i n principle that the definition of aggression should safeguard the discretionary power of the Security C o u n c i l . . . " .

io Bruha

146

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

den Fragen der Regelung erlaubter Gewalt 1 2 und der Rechtsfolgen der Aggression galten.

„Objektive"

1. Art. 2 und 5 Abs. 1: oder „subjektive" Definition?

Blockfreienentwürfe: Ursprünglicher „12-Staatenentwurf", A/AC. 134/L. 3: op. para. 4; ursprünglicher „4-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 4: op. para. 9; ursprünglicher „13-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 6: op. para. 6; endgültiger Blockfreienentwurf, A/AC. 134/L. 16: pr. para. 7, op. para. 5. Sowjetischer E n t wurf, A/AC. 134/L. 12: op. paras. 1, 2. Weststaatenentwurf, A/AC. 134/L. 17: op. para. I V Α.

a) Einleitungsphase und Maximalpositionen Die Befürworter der von den Westmächten vertretenen subjektiven „Animus"-Theorie hatten es schwer, sich gegen die Argumente der Vertreter eines objektiven „Prioritäts-" oder „First-use"-Konzepts durchzusetzen, da für letzteres der bon sens 13 sprach 14 und die abschreckende Wirkung einer Definition m i t dem Ausmaß ihrer Verobjektivierung stehen und fallen mußte 1 5 . A l l e i n das objektive Kriter i u m schien theoretisch i n der Lage zu sein, eine klare Linie zwischen rechtswidrigen Aggressionsakten und rechtmäßigen Selbstverteidigungsmaßnahmen zu ziehen 16 . Zudem ließ sich geltend machen, daß es sich unmittelbar aus der Charta, insbesondere deren A r t . 51 ergebe und auch historisch anerkannt sei, wie es viele völkerrechtliche Instrumente, u. a. der „Briand-Kellog-Pakt" erwiesen 17 . Nur auf diese Weise sei auch gewährleistet, daß nicht das Opfer, sondern derjenige die Beweislast trage, der als erster einen A k t bewaffneter Gewalt gesetzt hat. Denn unter dem Prioritätsprinzip „ . . . it was for the apparent aggressor to prove t h a t the use of force was i n accordance w i t h the provisions of the Charter and that i t had acted i n conformity w i t h A r t i c l e 51. B u t i f intent was the criterion for establishing the existence of aggression, the burden of proof w o u l d f a l l unjustifiably on the v i c t i m State, which w o u l d be required to prove to the international 11 Die Frage, ob die Definition objektiv, auf den Erstgebrauch von Waffengewalt abstellend, zu fassen sei, oder subjektiv, (auch) die Aggressionsabsicht berücksichtigend. 12 Siehe Finnland, A/C. 6/SR. 1349, para. 19: „The question of the legal uses of force raised some m a j o r difficulties, because the division of powers between the principal organs of the U n i t e d Nations was at stake." 13 Rambaud, Définition de l'agression, S. 870. 14 Theoretisch u n d historisch zu den unterschiedlichen Konzepten, Aronéanu, Définition de l'agression, S. 221 - 224 u n d S. 248 - 255. 15 Stone, Conflict through Consensus, S. 40. 16 Rambaud (Anm. 13), S. 870. 17 So der sowjetische Delegierte, A/AC. 134/SR. 64, S. 133 f.; siehe auch Y U N 22 (1968), S. 832 u n d 1969, S. 769 f.

Β . Verlauf der Konsensbildung

147

community that i t was the v i c t i m of a crime and to produce adequate evidence that the illegal act had not been committed inadvertently or by error" 1 8 ,

so daß ohne dieses eine satzungsmäßige Definition nicht denkbar sei 19 . Politisch würde eine auf die Aggressionsabsicht abstellende Definition potentielle Aggressoren geradezu ermuntern, fiktive Gründe für ihre angeblich „guten Absichten" vorzuschieben 20 . Dies aber könne dazu führen, daß das „concept of the right to make war" wieder ins System der Vereinten Nationen Einzug halte 2 1 . Demgegenüber lehnten die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs das Prioritätsprinzip insoweit entschieden ab, als es determinativ verstanden werde und so zu einer automatischen Feststellung der Aggression führen müsse 22 , denn „Such an interpretation made no allowance for special circumstances, which the Security Council would have to consider i n each case . . ," 2 3 . Eine solche unannehmbare Automatik sei aber bei den beiden anderen Entwürfen zu befürchten 24 . Da jedoch auch die Weststaaten von der Relevanz des Erstgebrauchs von Waffengewalt im Gesamtrahmen aller relevanten Umstände des Einzelfalls ausgingen 25 , äußerten sie sich auch zum Wert dieses K r i t e riums. Unbeschadet ihrer grundsätzlichen K r i t i k zur automatischen Wirkung dieses Prinzips hielten sie es als entscheidendes K r i t e r i u m für generell trügerisch: Zunächst sei es ein I r r t u m zu glauben, der gegenwärtige Stand der Technik erleichtere i m Einzelfall die Feststellung des Angreifers 2 6 , die Geschichte beweise das Gegenteil 27 , so daß Zweifel angebracht seien 28 . Und selbst, wenn es einmal einwandfrei 18 Mexiko, A / A C . 134/SR. 60, S. 87; siehe auch Guyana, A / A C . 134/SR. 56, S. 28 f. 19 Siehe Syrien, A / A C . 134/SR. 59, S. 74: „Moreover, there was no mention of intent i n either Articles 39 and 51 of the Charter, although those t w o Articles were fundamental i n determining wether the use of force was legal or acceptable." 20 Kolumbien, A / A C . 134/SR. 68, S. 27. 21 Jugoslawien, A / A C . 134/SR. 68, S. 28. 22 So i m Namen der Weststaaten Großbritannien, A / A C . 134/SR. 64, S. 124. Siehe auch Italien, A / A C . 134/SR. 55, S. 21: „There was a s t r i k i n g contrast between the allegedly constant and automatic nature of that criterion and the indicative character of the definition." 23 Großbritannien (Anm. 22). 24 Italien, A/AC. 134/SR. 64, S. 133. 25 So ausdrücklich der britische Delegierte (Anm. 22): „ . . . he recalled having stated at the beginning of the session that the principle of ,first-use 1 was relevant, i n their opinion, and sometimes most important, depending on the circumstances i n each i n d i v i d u a l case". 28 So aber der sowjetische Delegierte, Ai AC. 134/SR. 64, S. 125. 27 Großbritannien, A / A C . 134/SR. 64, S. 125. 28 USA, A/AC. 134/SR. 65, S. 141 unter Hinweis auf das wenig funktionie1

0

1 4 8 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

feststehe, wer als erster physisch Waffengewalt angewandt habe, so müsse daraus nicht unbedingt folgen, daß dieser dann auch der Aggressor sei 29 , immerhin könne es sich auch u m einen Unglücksfall, Irrtum, oder einen unbedeutenden Grenzkonflikt handeln 3 0 . Unflexibel sei dieses Prinzip auch i m Fall eines „Selbstverteidigungsexzesses", also eines unverhältnismäßigen Gegenschlages auf einen Angriff von geringerer Schwere 31 . Überhaupt könne das Prioritätsprinzip i m Zusammenhang m i t dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur i n zweifacher, gegensätzlicher Weise interpretiert werden, von der keine dem letzteren Grundsatz wirklich Rechnung trage: Denn entweder verlange dieses, daß das Opfer m i t genau der Methode des Angreifers reagieren müsse, oder aber es lege i h m insoweit überhaupt gar keine Beschränkungen auf 3 2 . Insgesamt sei die Feststellung einer Aggression eine zu komplizierte Aufgabe, die subtile Erwägungen erfordere, als daß sich der Ausschuß damit begnügen könne, offensichtliche Beispiele aus objektiven K r i t e rien zusammenzusetzen, die dann angesichts weniger charakteristischer Fälle dem Sicherheitsrat kaum eine Hilfe bieten würden 3 3 . Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, daß, wie i m common law auch i m Völkerrecht „the purpose of the act determined its gravity", daß also „the offence of aggression contained a mental element", dem Aufmerksamkeit zu schenken sei 34 . Nur auf diese Weise sei auch gewährleistet, daß die Aggressionsdefinition ein Element einer internationalen Strafgerichtsbarkeit werden könne. Denn „ i t would be strange if the perpetration of an act involved responsibility when the accused was unable to exonerate himself by proving that he had no culpable intent" 3 5 . Demgegenüber könne es nicht entscheidend sein, daß das subjektive Element der Absicht schwerer festzustellen sei als bloße objektive K r i terien. Denn auch die Absicht sei gerade mittels objektiver Faktoren zu ergründen, so daß „ i n the final analysis, the finding of an act of aggression would always be made i n the light of the facts by which the State manifested its intent" 3 6 . Daraus folge letztlich auch, daß die Berücksichtigung der Aggressionsabsicht zu keiner einseitigen Beweislast des Opfers führe. Die entscheidenden Fakten könnten sowohl vom Urheber rende Kontrollsystem der Vereinten Nationen i n Krisengebieten; siehe auch Australien, A / A C . 134/SR. 64, S. 130. 29 Großbritannien, A / A C . 134/SR. 64, S. 124. 30 Kanada, A / A C . 134/SR. 56, S. 26 f. 31 Australien, A / A C . 134/SR. 64, S. 130, m i t weiteren Beispielen zur W i d e r legung des Prinzips. 32 Kanada, A / A C . 134/SR. 56, S. 27. 33 USA, A / A C . 134/SR. 68, S. 23. 34 USA (Anm. 33). 35 USA (Anm. 33). 38 USA (Anm. 33), S. 22.

Β . Verlauf der Konsensbildung

149

des bewaffneten Aktes, vom Opfer oder von einem UN-Organ vorgetragen werden 3 7 . Schließlich sei der allein zur Feststellung einer Agression befugte Sicherheitsrat kein Gericht und damit auch nicht an irgendwelche Beweislastregeln gebunden 38. b) Kompromißbildungsphase Der Kompromiß bahnte sich an, als der sowjetische Delegierte, i n dessen Entwurf von einer Berücksichtigung der Aggressionsabsicht keine Rede war, sich eindeutig für die Relevanz des subjektiven Elements der Absicht aussprach und damit die „sicherheitsratsfreundliche" Position 3 9 der UdSSR unterstrich 4 0 . Dem Delegierten der USA zustimmend, daß die subjektive Komponente der Aggression aus den objektiven Fakten abzuleiten sei 41 , machte er den Vorschlag, aus diesem Grunde nicht von „intent" oder „motive", sondern von „purpose" zu sprechen, u m klarzustellen, daß es nicht u m das psychische Phänomen der Motivation, sondern das finale Element der Absicht („direct intent") gehe 42 . Damit aber traf er sich m i t dem vorangegangenen Entgegenkommen des amerikanischen Delegierten, daß „by ,intent 1 he meant the purpose or objective . . . I t was obviously not a question of the secret or psychological motivations of Governments" 4 3 . Diesen Zielen der bewaffneten A k t i o n maß der sowjetische gierte den gleichen Rang wie den objektiven Fakten bei,

Dele-

„Whereas purpose was the subjective element of an offence, the objective element was the attack, invasion, bombardment or other acts. His delegat i o n held that an offence could not be defined i n terms of one of the t w o elements only, and the Six-Power draft i n fact reflected that v i e w . . . I n brief, intent was an important factor i n the offence b u t was not the only one. Further, his delegation was unwilling to say which was the more important, the objective factor of ,first usef or the subjective factor of intent since they were the two constituents of the offence and were of equal importance M44,

glaubte aber, daß eine besondere Erwähnung des subjektiven Elements i n der Definition nicht vonnöten sei, da es vom Aggressionskonzept 37 USA (Anm. 36): „The burden of proof was thus neither unilateral nor determining." 38 USA (Anm. 36). 39 Siehe die scharfe K r i t i k Haitis: „ . . . the draft put f o r w a r d b y the USSR sought to give the Security Council u n l i m i t e d powers . . . " , A / A C . 134/SR. 96, S. 47. 40 „ H i s delegation attached great importance to the question of intent, purpose, objective or motive", A / A C . 134/SR. 68, S. 29. 41 (Anm. 40), S. 30: „ . . . a principle which had also been accepted since Roman l a w times". 42 (Anm. 40). 43 USA (A/AC. 134/SR. 68, S. 22. 44 (Anm. 40), S. 29 f.

1 5 0 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

vorausgesetzt werde 4 5 . Andererseits widersetzte er sich einer ausdrücklichen Erwähnung auch nicht und erklärte eine solche für unschädlich 46 . Diese Einmütigkeit 47 der wichtigsten Mitglieder des Sicherheitsrates i n der Ablehnung eines „automatischen" Prioritätsprinzips unter gleichzeitiger Beharrung auf der Relevanz der m i t dem bewaffneten A k t verfolgten Ziele ließen von der dritten Sitzungsperiode an eine einseitig „objektive" Definition nach dem Geschmack der blockfreien Staaten unerreichbar werden. Vielmehr mußte der erklärten Auffassung der Unterzeichner des Weststaatenentwurfs und der UdSSR Rechnung getragen werden, daß die Berücksichtigung beider Elemente kein Widerspruch an sich sei 48 , so daß die Verhandlungen i m folgenden eigentlich nur der A r t und Weise galten, i n welcher diese i n den Wortlaut der Definition Einzug halten sollten. I n dieser Frage differierten die Meinungen allerdings beträchtlich, und dies nicht nur zwischen der von der UdSSR favorisierten „Indikationslösung" und der Forderung der Weststaaten, die Relevanz der Aggressionsziele ausdrücklich zu normieren. Die prinzipielle Einmütigkeit der beiden Supermächte provozierte nämlich auch das besondere Mißtrauen der blockfreien Staaten und stieß auch bei Frankreich i n der Sache auf K r i t i k 4 9 . Da sich zu den Gegnern auch jene gesellten, die aus der aktuellen politischen Situation 5 0 heraus wenig Sympathie für eine textliche Verknüpfung beider Elemente aufbrachten, konnte das Jahrbuch der Vereinten Nationen von 1971 51 nicht nur so unterschiedliche Staaten wie Ghana, Irak und Frankreich, sondern auch Israel 52 exemplarisch als 45 A/AC. 134/SR. 68, S. 30: „His o w n delegation favoured the widely-established legal rule that i n defining an offence i t was enough to define the objective element and to leave the subjective element as being implicit." 46 (Anm. 45), S. 31. 47 Vgl. die i m sowjetisch-amerikanischen Verhältnis selten zu vernehmenden gegenseitigen „anerkennenden" Worte der beiden Delegationen: „ . . . favourably impressed b y the statement of the U n i t e d States representative, who had spoken w i t h great precision and clarity . . . " (UdSSR, A / A C . 134/SR. 68, S. 29); „ H e had been particulary encouraged b y the observations of the USSR representative . . . i t seemed that they might be i n aggreement on the substance." (USA, A / A C . 134/SR. 68, S. 32.) 48 Italien, A/AC. 134/SR. 69, S. 39. 49 Vgl. die französische Stellungnahme i m Rechtsausschuß, A/C. 6/SR. 1271, para. 29: „The inclusion i n the definition of both the principles of p r i o r i t y and the criterion of intent m i g h t create a loophole for the aggressor." 50 Siehe dazu Ferencz I I , S. 9 - 13. 51 Bd. 25, S. 599 f. 52 Siehe A/C. 6/SR. 1274, paras. 56 f. Allerdings w a r Israel aus verständlichen M o t i v e n nicht gegen die Berücksichtigung der Absichten des Angreifers an sich (nämlich durch den Sicherheitsrat), sondern befürchtete nur, daß eine Enumerierung verbotener Ziele, w i e sie der Weststaatenentwurf

Β . Verlauf der Konsensbildung

151

j e n e nennen, die sich i m Rechtsausschuß a u s d r ü c k l i c h gegen eine E i n b e z i e h u n g s u b j e k t i v e r E l e m e n t e i n die D e f i n i t i o n ausgesprochen h a t ten. „ G u t e G r ü n d e " f ü r d i e B e v o r z u g u n g eines a b s o l u t e n P r i o r i t ä t s p r i n z i p s h a t t e n auch Jugoslawien 53 u n d Rumänien 54, deren Verhandl u n g s f ü h r u n g z u dieser F r a g e o f f e n s i c h t l i c h v o m E i n m a r s c h der W a r s c h a u e r - P a k t - S t a a t e n ins T e r r i t o r i u m der Tschechoslowakei i m S o m m e r 1968 g e p r ä g t w a r 5 5 . Diese i n h o m o g e n e , aber m e h r h e i t l i c h e „ G e g e n f r o n t " k o n n t e z w a r d e n m i t t e l b a r e n E i n z u g s u b j e k t i v e r E l e m e n t e i n die D e f i n i t i o n n i c h t v e r h i n d e r n , w a r aber s t a r k genug, d e r e n ausdrückliche N e n n u n g z u blockieren, u m i h r e E x i s t e n z so z u e i n e r F r a g e der I n t e r p r e t a t i o n der D e f i n i t i o n z u machen. So v o l l z o g sich d e r Prozeß d e r K o m p r o m i ß b i l d u n g v o m V o r s c h l a g d e r sechs U n t e r z e i c h n e r des Weststaatenentwurfs, daß b e i der F e s t s t e l l u n g der A g g r e s s i o n d e r E r s t g e b r a u c h v o n W a f f e n g e w a l t i n gleicher Weise z u b e r ü c k s i c h t i g e n sei, w i e d i e ( i n e i n e m „ o f f e n e n " 5 6 K a t a l o g g e n a n n t e n ) Z i e l e der A k t i o n 5 7 ü b e r d i e tschechische V a r i a n t e , daß d e r Ersteinsatz v o n W a f f e n g e w a l t die V e r m u t u n g der A g g r e s s i o n b e g r ü n d e 5 8 h i n z u m konsolidierten E n t w u r f des Jahres 1973 5 9 , dessen A r t . 2 b e r e i t s l a u t e t e : vorsah (etwa Gebietserwerb) zu seinen Ungunsten herangezogen werden könnte: „ W h a t must be avoided was that the definition of aggression should serve as an excuse to render illegitimate that which was permitted under the Charter and under general international l a w " , A/C. 6/SR. 1443, para. 54. 53 A / A C . 134/SR. 68, S. 28: „ . . . any definition based on the criterion of intent rather than of the principle of ,first use* was very l i k e l y to conflict w i t h Articles 42, 51 and 53 of the Charter and introduce the concept of the right to make w a r into the U n i t e d Nations system". 54 A / A C . 134/SR. 59, S. 64. 55 So besonders deutlich Rumänien (Anm. 54): „ . . . the definition must clearly state that regional organizations were not authorized to resort to force except as provided for i n the Charter . . . that no political , military , economic or any other consideration concerning the internal or external policy of a State could be invoked by another State to justify the use of force against the first". 58 Daß op. para. I V A nicht abschließend sein sollte, geht aus dem V o r schlag der USA (GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 29) hervor, dem aus 5 Z i f fern bestehenden Katalog die Klausel („or otherwise for the purpose of violating the territorial integrity or political independence of another State") anzufügen, u m so der K r i t i k zu begegnen, andere Absichten als die enumerierten seien offenbar erlaubt. (Siehe die K r i t i k Syriens, A/AC. 134/SR. 69, S. 33, u n d Zyperns, A / A C . 134/SR. 68, S. 24.) 57 GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 18 (Appendix Β : Proposals submitted to the W o r k i n g Group A ) : „ . . . due regard shall be given to the questions wether an act referred to i n . . . was committed b y a State which so acted first and wether i t was committed w i t h any of the following purposes ". 58 (Anm. 57), S. 16: „ . . . it shall be presumed that an act referred to i n . . . constitutes aggression i f i t was committed b y a State which so acted first". Diesen Vorschlag unterstützte auch der sowjetische Delegierte, ebd., S. 21. 59 „Consolidated t e x t of the reports of the contact groups and of the

1 5 2 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses „The first use of armed force i n contravention of the Charter shall constitute prima facie evidence of an act of aggression provided, however, that the Security Council may i n conformity w i t h the Charter conclude that a determination to that effect w o u l d not be justified i n the l i g h t of other relevant circumstances, including , as evidence , the purposes of the States involved ." Schien m i t diesem V o r s c h l a g aus d e r F e d e r des guyanischen Delegiert e n 6 0 eine, w e n n auch n u r oberflächliche, H a r m o n i s i e r u n g d e r u n t e r schiedlichen K o n z e p t e e r r e i c h t 6 1 u n d d i e K o m p r o m i ß b e r e i t s c h a f t der W e s t s t a a t e n e r s c h ö p f t 6 2 z u sein, so s i g n a l i s i e r t e n K o m m e n t a r e u n d e i n V o r s c h l a g s a n h a n g z u m k o n s o l i d i e r t e n E n t w u r f 6 3 s o w i e eine K l a u s e l , die w o h l b e h a n d e l t w o r d e n w a r , aber m a n g e l s E i n i g u n g n i c h t i n d e m D e f i n i t i o n s e n t w u r f „ u n t e r g e b r a c h t " w e r d e n k o n n t e 6 4 , daß dies noch n i c h t der F a l l w a r . D a b e i zeigte sich, daß i n A r t . 2 des E n t w u r f s d i e W o r t e „ i n c o n t r a v e n t i o n of t h e C h a r t e r " u n d „ i n c l u d i n g , as evidence, t h e purposes of t h e States i n v o l v e d " insbesondere d e n arabischen u n d lateinamerikanischen Staaten als z u w e i t geöffnete E i n f a l l s p f o r t e n f ü r d e n E i n z u g s u b j e k t i v e r R e c h t f e r t i g u n g s e l e m e n t e erschienen 6 5 , d i e sie d a h e r gestrichen sehen w o l l t e n 6 6 . H i n z u t r a t d i e F o r d e r u n g , d i e eigene P o s i t i o n d u r c h das o b i g e 6 7 R e c h t f e r t i g u n g s v e r b o t aggressiver A k t e z u s t ä r k e n . Dieser — i n diesem S t a d i u m auch v o n China 68 geleistete — W i d e r s t a n d gegen eine „expressis v e r b i s " erfolgende B e r ü c k s i c h t i g u n g aggressiver A b s i c h t e n i n d i e D e f i n i t i o n k u r z v o r E r r e i c h u n g eines genedrafting group", GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 15 ff. T e x t i m Dokumentenanhang. (Hervorhebung i n den letzten beiden Zeilen v o m Verfasser.) 60 Die „Urheberschaft" Guyanas ergibt sich n u r i n d i r e k t aus den Diskussionen, siehe etwa A / A C . 134/SR. 108, S. 42. 81 I m Rechtsausschuß sprachen sich beispielsweise so unterschiedliche Staaten wie die DDR, Ghana, Jugoslawien, die Mongolei u n d die UdSSR f ü r die Lösung aus, vgl. Y U N 25 (1971), S. 782. 62 Nach Ferencz I I , S. 31 bestanden noch i m Jahre 1973 die USA darauf, daß der Sicherheitsrat insbesondere die Ziele der A k t i o n zu berücksichtigen habe. 63 GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 18 ff., 22 ff. 64 (Anm. 63), S. 18: „The following w o r d i n g has been considered, b u t i t has not been decided where i t should be inserted: „No consideration of whatever nature, wether political, economic, m i l i t a r y or otherwise, may serve as a justification for aggression." Auch dieser Vorschlag stammt v o m Delegierten Guyanas, siehe ebd., S. 23. 65 So wurde besonders v o n den arabischen Staaten jede A r t von „Präventiv-Schlägen" oder „ P r ä v e n t i v - K r i e g e n " als flagrante Verletzung der Charta gebrandmarkt, siehe etwa Syrien, A/AC. 134/SR. 108, S. 37. ββ So neben Syrien (Anm. 65), Algerien, Ägypten u n d Ecuador, alle GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 19 u n d S. 22 f. 67 Siehe A n m . 64. 68 Siehe A/C. 6/SR. 1442, para. 76: „ I f aggressive intent was to be made a criterion for j u d g i n g aggression, that w o u l d inevitably play into the hands of the aggressors."

Β . Verlauf der Konsensbildung

153

rellen Konsenses hatte schließlich zur Folge, daß die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs letztendlich doch einlenkten und der Streichung der Worte „including, as evidence, the purposes of the States involved" i n A r t . 2 zustimmten 6 9 . Bedingung hierfür war aber, daß der Wortlaut der Definition ansonsten weit genug blieb, um einer Abstellung auf die Ziele gewaltmäßiger Aktionen nicht i m Wege zu stehen. Aus diesem Grunde waren sie weder bereit, darauf zu verzichten, daß die Handlungen des A r t . 2 satzungswidrig („in contravention of the Charter") sein müssen, u m den Anscheinsbeweis einer Aggression auslösen zu können, noch, daß das Hecht des Sicherheitsrates bestätigt werde, i m Lichte der Einzelfallumstände eine andere Feststellung zu treffen. Schließlich ließen sie die „Zusatzsicherung" der Blockfreien i n Form eines Rechtfertigungsverbotes auch nur i n der schon angesprochenen Unbestimmbarkeit des A r t . 5 Abs. 1 „passieren", wonach also nicht die Rechtfertigung von Waffengewalt schlechthin, sondern nur solcher Aktionen unzulässig ist, die Aggressionen darstellen, deren Satzungswidrigkeit also strenggenommen zuvor feststehen muß 7 0 . Das ursprüngliche Anliegen der Blockfreien fand dagegen nur i n der „explanatory note" zu A r t . 5 Abs. I 7 1 eine gewisse Berücksichtigung. c) Annahmephase Ein solch vollständiger Verzicht auf „optische Präsenz" der westlichen Auffassung i m „textuellen" Ergebnis der Verhandlungen ist nur vor dem Hintergrund der prinzipiellen Einmütigkeit verständlich, m i t der die Weststaaten und die UdSSR die Verbindung eines „objektiven" m i t einem „subjektiven" Definitionskonzepts i m Gegensatz zu den blockfreien Staaten interpretierten, was die A r t . 2 und 5 Abs. 1 i n Verbindung mit der Zusatznote als „Formelkompromiß" ausweist. aa) Befürworter

einer weitgehend „subjektiven"

Definition

(1) Stimmerklärungen der UdSSR und Verbündeter Denn nach der Annahme des Definitionsentwurfs i m Sonderausschuß erklärte der sowjetische Delegierte unmißverständlich 72 , daß seine Delegation den Intentionen der an einem K o n f l i k t beteiligten Staaten große Bedeutung beimesse 73 , nicht anders werde sich der Sicherheitsrat verhalten 7 4 . 89

Ferencz I I , S. 31. Vgl. dagegen die rumänische Forderung (Anm. 55) u n d pr. para. 7 des Blockfreienentwurfs. 71 T e x t am Ende des Dokumentenanhangs. 72 Z u r Verhandlungstaktik der UdSSR i n Verbindung m i t dem generellen Definitionskonzept siehe auch Ferencz I I , S. 36. 78 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 36. 70

154

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Entscheidend war aber die Konsequenz, die er hieraus für die von ihm selbst als „Schlüsselnorm" 75 der Definition bezeichnete Vorschrift des Art. 2 zog: Denn die vom Wortlaut des Kompromisses offengelassenen Fragen, was unter „other relevant circumstances" zu verstehen sei, wer darüber zu entscheiden habe, ob der Ersteinsatz von Waffengewalt „ i n contravention of the Charter" sei und vor allem, ob m i t den Worten „prima facie evidence" gemeint sei, ein Aggressionsakt gelte als feststehend, bis der Sicherheitsrat anders entschieden habe, oder ob hiermit nur eine Vermutung begründet werde, beantwortete er grundsätzlich wenig anders als die Weststaaten. Zwar ging er i m Einklang m i t dem Wortlaut des A r t . 2 vom Vorrang des Prioritätsprinzips aus, da es objektive Anhaltspunkte liefere, ließ aber keinen Zweifel daran aufkommen, daß er dem Kompromiß nur gegen Einbeziehung der Worte „ i n contravention of the Charter" zugestimmt habe 76 , damit satzungsgemäßes Verhalten, welches er nicht näher präzisierte 77 , nicht poenalisiert werde. Die eigentliche Entscheidung aber, ob ein Verhalten i m konkreten Fall als Aggression zu qualifizieren sei, müsse beim Sicherheitsrat bleiben 78 , der alle relevanten Umstände, Inbegriffen die Ziele der Aktion zu berücksichtigen habe, so daß der Delegierte der UdSSR indirekt einer automatischen Wirkung des prima facie Beweises widersprach, diesen folglich bloß i m Sinne einer einfachen Vermutung interpretierte 7 9 . Dabei ging er also noch nicht einmal soweit, an jeden Ersteinsatz von Waffengewalt eine solche Vermutung zu knüpfen, sondern ließ i m Rechtsausschuß durchblicken, daß er hierbei allein an die Unterscheidung zwischen aggressiven A k t e n und legalen Selbstverteidigungsmaßnahmen gedacht habe 80 , womit wohl insbesondere das Verbot „präventiver" Verteidigungskriege begründet werden sollte 81 . 74

A/C. 6/SR. 1472, para. 5. (Anm. 73). 76 (Anm. 73): „There had been much discussion wether to include the phrase ,in contravention of the Charter 4 , and his delegation had maintained that unless those words were included, State acts committed i n strict conf o r m i t y w i t h the Charter of the United Nations could be regarded as acts of aggression w i t h i n the meaning of the article." (So auch Bulgarien , A/C. 6/SR. 1472, para. 42.) 77 „The Charter definitely sanctioned the use of force in well known specific cases ...". 78 „The Security Council was the only United Nations organ empowered to determine the existence of acts of aggression." 79 So auch Bulgarien (Anm. 76). 80 „The principle of p r i o r i t y was essential to the definition of aggression i f an objective distinction was to be made between acts of aggression and actions taken i n self-defence ", A/C. 6/SR. 1472, para. 5. 81 Siehe dazu unten, bei der Darstellung des Konsensverlaufs zu A r t . 6. 75

Β . Verlauf der Konsensbildung

155

Der Ersteinsatz von Waffengewalt aus sonstigen als gerecht angesehenen Gründen, etwa i n Ausübung des von der UdSSR i n Anspruch genommenen Rechts auf „gegenseitige H i l f e " 8 2 gemäß den Postulaten des „sozialistischen Internationalismus" oder i n Form aktiver Unterstützung „fortschrittlicher" Befreiungsbewegungen, sollte selbst von dem „Verdacht einer Aggression" unbelastet bleiben. Zum Inhalt des „Rechtfertigungsverbots" des Art. 5 Abs. 1 und der dazu ergangenen Zusatznote gab die UdSSR keine Erklärungen ab, die sie auf eine bestimmte Position festgelegt hätte 8 3 , so daß ihre Haltung insoweit i m dunkeln bleibt. (2) Stimmerklärungen der Unterzeichner des Weststaatenentwurfs und andere Prinzipiell ähnlich, wenn auch unter stärkerer Betonung ihres ursprünglichen subjektiven Definitionskonzepts, äußerten sich die Vertreter des Weststaatenentwurfs, vor allem die USA und Großbritannien. I m Lichte ihrer Äußerungen ist A r t . 2 nur als Formel anzusehen, die, i n Verbindung m i t A r t . 1 und 3 den Entscheidungsprozeß reflektiere 8 4 , bzw. einen solchen vorschlage 85 , wie er sich i m Sicherheitsrat bei der Untersuchung aggressionsverdächtiger Fälle abspiele bzw. abspielen solle. Als unverbindliche Empfehlung konzipiert 8 6 könne er deshalb niemals einen positiven Beschluß des Rates ersetzen 87 , da dieser nicht auf der Basis mechanischer Rechtsvermutungen, sondern auf einer pragmatischen zu arbeiten habe. Das erfordere eine besondere Berücksichtigung der Ziele und Zwecke 88 der Parteien eines Konflikts: „ I n reaching its conclusion, the Council was p a r t l y m a k i n g a finding of fact, p a r t l y m a k i n g a m o r a l judgement, and p a r t l y m a k i n g a decision based on considerations of expediency, expediency not beeing understood i n any derogatory sense. The relevant circumstances taken into account by the Security Council naturally included the question of p r i o r i t y i n the use of force. The answer to that question of who first used force was obviously a very important factor but it was not a conclusive factor , even on a prima facie view**." 82 Siehe zu diesem Anspruch Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht?, S. 281 ff. u n d die Ausführungen zur sowjetischen Intervention i n Ungarn (1956) u n d i n die Tschechoslowakei (1968), S. 118 ff., 145 ff. 83 „The Special Committee had not intended to extend the concept of aggression, much less replace i t b y the concept of interference b y a State i n the domestic affairs of another State." (Anm. 73), S. 37. 84 Großbritannien (Anm. 73), S. 31 u n d A/C. 6/SR. 1477, para. 20. 85 USA (Anm. 73), S. 23, u n d A/C. 6/SR. 1480, para. 70. 86 USA, A/C. 6/SR. 1480, para. 70. 87 Australien, A/C. 6/SR. 1478, para. 29, u n d Kanada (Anm. 73), S. 34. 88 Japan (Anm. 73), S. 16. 89 Großbritannien, A/C. 6/SR. 1477, para. 20.

1 5 6 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Aus diesem modus operandi des Rates bei Erfüllung seiner Funktion gemäß Art. 39 SVN folge: „ I f the Security Council did not make a finding of an act of aggression, the Council must be presumed not to have found the prima facie evidence persuasive 90 ." Was die Vertreter des Weststaatenentwurfs betrifft, so ist unter dem Anscheinsbeweis des A r t . 2 daher nicht ein solcher zu verstehen, der nur durch einen positiven Beschluß des Rates widerlegt werden kann, sondern allein ein Verdachtsmoment (presumption), das die eigentliche Untersuchimg i n keiner Weise präjudiziert 9 1 . Ähnlich äußerten sich die anderen Unterzeichner des Weststaatenentwurfs, soweit sie die Problematik ansprachen 92 , sowie weitere westliche Industrieländer 93 und eine Reihe der blockfreien Staaten 94 . I n ihren Kommentaren zum „Rechtfertigungsverbot" des A r t . 5 Abs. 1 ließen die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs erkennen, daß sie diesen A r t i k e l nur als „Formelkompromiß" i n seiner „unlogischen" Form haben akzeptieren können, während ein Verbot der Rechtfertigung bewaffneter Gewalt schlechthin m i t ihrem subjektiven Definitionskonzept nicht zu vereinbaren gewesen wäre 9 5 . So entnahm der Delegierte der USA dieser Vorschrift i n einer A r t Umkehrschluß genau das Gegenteil dessen, was seine Befürworter ursprünglich m i t i h m hatten ausdrücken wollen 9 6 , indem er ihn zur Bestätigung dafür heranzog, daß Rechtfertigungsgründe für bewaffnete Aktionen dem Völkerrecht nicht unbekannt seien 91. Der britische Vertreter schließlich 90

USA (Anm. 73), S. 23. Siehe auch den Hinweis auf die common law T r a d i t i o n der U S A bei Ferencz I I , S. 32: „The U n i t e d States delegate, M r . Rosenstock, remained convinced that prima facie evidence, l i k e an American Grand J u r y i n d i c t ment, was not the same as conviction ." 92 Australien u n d Kanada (Anm. 87). 93 So neben Belgien (A/C. 6/SR. 1476, para. 9) u n d Schweden (A/C. 6/SR. 1472, para. 8) vor allem die Niederlande, A/C. 6/SR. 1473, para. 3 : „As to the legal effect of p r i m a facie evidence, his delegation thought that that qualification . . . d i d not lead an independent life allowing for the i m p l i c i t determination of the existence of an act of aggression i n the event of the Security Council not reaching a disculpatory decision. There could be no act of aggression unless its existence had been explicitly determined b y a positive pronouncement on the part of the Security Council. A r t . 39 of the Charter left no room for doubt on that score. His delegation felt certain that such w o u l d be the opinion of the International Court of Justice i f the Security Council were to request advisory opinion on that point." 94 Chile, A/C. 6/SR. 1474, para. 17; Brasilien, A/C. 6/SR. 1474, para. 48; Guatemala, A/C. 6/SR. 1479, para. 22; Iran, A/C. 6/SR. 1480, para. 12; Paraguay, A/C. 6/SR. 1483, para. 4. 95 Siehe oben, T e x t zu A n m . 70. 96 Siehe oben, A n m . 55 u n d 70. 97 (Anm. 73), S. 24: „The first paragraph of article 5 said i n effect that i l l i c i t activities were those for which there was no justification; t h a t was a 91

Β . Verlauf der Konsensbildung

15?

begnügte sich m i t der Feststellung, daß A r t . 5 Abs. 1 nicht mehr als eine Binsenwahrheit enthalte, was ihn aber (oder: gerade) nicht unakzeptabel mache 98 . bb) Befürworter

einer weitgehend „objektiven"

Definition

I n mehr oder weniger starkem Gegensatz zu diesen, das Feststellungsmonopol und die Ermessensfreiheit des Sicherheitsrates verteidigenden Äußerungen standen die Stimmerklärungen jener Delegierter, die A r t . 2 i n einer Weise interpretierten, die faktisch zu einer weitgehenden Ersetzung der Erwägungen des Rates durch die vorrangige Feststellung des Erstangreifers führen mußte. Sie alle waren sich darin einig, daß der Anscheinsbeweis einer Aggression solange bestehe, bis der Sicherheitsrat durch einen satzungsgemäß zustandegekommenen Beschluß, also m i t mindestens neun Stimmen einschließlich derer aller ständigen Mitglieder, eine abweichende Feststellung treffen würde. Exemplarisch für diese Staaten war die ausführliche Interpretation des A r t . 2 durch den mexikanischen Vertreter i m Sonderausschuß 99 , die i n ähnlicher Form auch von anderen Delegierten 1 0 0 abgegeben wurde: „The difficult negotiations conducted for so many years on article 2 ... had left no doubt that the words »although 4 i n English, ,auncque ( A i n Spanish and ,bien que' i n French separated t w o quite distinct questions, one of principle and the other of procedure. The first part of article 2 established a presumption that could be overthrown only b y a negative decision of the Security Council, and that presumption w o u l d prevail i f the Council could not establish wether or not an act of aggression had been committed. I f that presumption had been made subject to a decision of the Security Council, as w o u l d have been the case i f the words ,provided that* i n English, ,siempre y cuando ' i n Spanish and ,étant entendu que' i n French had been used, the balance between t w o opposing positions w o u l d have been altered and the principle of anteriority w o u l d v i r t u a l l y have been rendered void101."

Von diesem Verständnis ausgehend, konnte der Klausel „ i n contravention of the Charter" keine Bedeutung dahingehend eingeräumt weruseful addition to the extent that i t represented a further safeguard against misuse of the definition." 98 „The fact that the first paragraph was perhaps only a truism d i d not make i t objectionable", (Anm. 73), S. 32, ähnlich auch A/C. 6/SR. 1477, para. 23. 99 (Anm. 73), S. 38. 100 So etwa Rumänien (Anm. 73), S. 17; Zypern, ebd., S. 20 f.; Frankreich, ebd., S. 21; Kenia, A/C. 6/SR. 1474, para. 28; Kuba, A/C. 6/SR. 1479, para. 41. 101 F ü r diese Interpretation des mexikanischen Delegierten spricht, daß der Wortlaut des 1973er Entwurfs (siehe oben, A n m . 59), der die beiden Hauptaussagen des A r t . 2 m i t „provided, however" verbunden hatte, nicht übernommen worden ist, sondern statt dessen die Worte „although the Security Council m a y " benutzt wurden. Siehe auch Ferencz I I , S. 32, Anm. 142.

158

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

den, daß nur der Erstgebrauch satzungswidriger Waffengewalt den Anscheinsbeweis der Aggression auslösen könne, da dies die „vorbehaltliche Selbstqualifizierung" des Angreifers vereiteln würde. Soweit sich diese Staaten daher überhaupt zu dieser Klausel äußerten, wies man darauf hin, daß sie auf keinen Fall zur subjektiven Rechtfertigung des Angreifers selbst dienen dürfe 1 0 2 , sondern ausschließlich an den Sicherheitsrat adressiert sei 1 0 3 , so daß zumindest 1 0 4 ihre Plazierung i m Wortgefüge des A r t . 2 zu kritisieren sei 1 0 5 . Weniger Gemeinsamkeiten zeigten diese Staaten allerdings insoweit auf, als es dazu Stellung zu nehmen galt, welche entlastenden Umstände der Sicherheitsrat gemäß dem zweiten Halbsatz des Artikels berücksichtigen dürfe: Entsprechend der eindeutigen Aussagen der USA und Großbritanniens, das gleichwertige Abstellen auf die Ziele bewaffneter Aktionen sei schon von den „other relevant circumstances" des zweiten Halbsatzes gedeckt, bestanden vor allem die Wortführer der erklärten Opponenten eines subjektiven Konzepts auf einem rigiden Prioritätsprinzip und lehnten einen auf die Angriffsziele gestützten entlastenden Beschluß des Rates kategorisch ab 1 0 6 oder ließen diese nur negativ als Erschwerungsgründe gelten 1 0 7 . Zur Unterstützung dieser Ansicht berief man sich auf den Wortlaut des Art. 2, der (entgegen früheren Entwürfen) 1 0 8 Intentionen und Ziele mit keinem Wort erwähne 1 0 9 , sowie auf A r t . 5 Abs. 1, der für die Unbeachtlichkeit subjektiver Rechtfertigungsversuche — insbesondere für 102 Frankreich (Anm. 73), S. 21: „Contravention of the Charter was, indeed, a necessary element of an act of aggression, b u t i t was hardly f i t t i n g that the determination wether an act of aggression had been committed should be left to the discretion of the aggressor, who w o u l d thus become a judge i n his o w n cause." 103 So Frankreich (Anm. 102); ähnlich auch Madagaskar und Jugoslawien (Anm. 73), S. 15 u n d 25 f. 104 Wenn sie nicht sogar grundsätzlich abgelehnt wurde, so insbesondere die arabischen Staaten w i e Algerien, A/C. 6/SR. 1479, para. 31, u n d Tunesien, A/C. 6/SR. 1482, para. 22, aber auch Rumänien u n d Jugoslawien (Anm. 73), S. 17 und S. 25. 105 So der französische Delegierte i m Sonderausschuß, was jedoch n u r i n der französischen Wiedergabe zum Ausdruck k o m m t : „Néanmoins, la place de l'expression ,en violation de la Charte 4 était malheureuse . . . " (S. 23 der französischen Ausgabe von GAOR, X X I X , Suppl. No. 19). Vgl. dagegen die englische Übersetzung, ebd., S. 21: „Nevertheless, the expression ,in contravention of the Charter 4 was infellicitous . . . " . 106 So Jugoslawien (Anm. 73), S. 26; Rumänien, A/C. 6/SR. 1475, para. 5; Algerien, A/C. 6/SR. 1479, para. 32; Zypern (Anm. 73), S. 21; Mexiko, ebd., S. 39. F ü r nicht i m Sonderausschuß vertretene Staaten siehe etwa Kuba, A/C. 6/SR. 1479, para. 41, u n d Tunesien, A/C. 6/SR. 1482, para. 22. 107 Rumänien (Anm. 106). 108 Siehe A r t . 2 des „vorkonsensualen" Entwurfs, oben, A n m . 59. 109 Syrien (Anm. 73), S. 20.

Β . Verlauf der Konsensbildung

159

Interventionen 1 1 0 — stehe, so daß er bei der Interpretation des A r t . 2 heranzuziehen sei 1 1 1 . Andere Staaten äußerten sich weniger einseitig, indem sie das delikate Problem der Ausbalancierung der widerstreitenden Konzepte i n diesem Punkt nicht eindeutig kommentierten 1 1 2 oder sich vorsichtig, gestützt auf besondere Beispielsfälle, für eine gewisse Berücksichtigung entlastender Intentionen und Ziele aussprachen 113 . Eine gewisse Sonderstellung innerhalb dieser Gruppe nahmen jene Staaten ein, die zu verstehen gaben, daß sie sich m i t dem getroffenen Kompromiß nicht zufrieden geben würden, die also weniger A r t . 2 und 5 Abs. 1 kommentierten, denn ihre ursprünglichen Maximalforderungen weiterhin vertraten: Solche „weitergehenden" Stimmerklärungen gaben Syrien 11*, Indien 115 und Ägypten 116 ab, die sich alle dagegen aussprachen, daß der Erstgebrauch satzungswidriger Waffengewalt nur den Anscheinsbeweis einer Aggression auslöse und daher für eine Streichung der Worte „prima facie evidence of" plädierten, da nach ihrer Ansicht selbst der Sicherheitsrat kein satzungswidriges Verhalten legalisieren dürfe 1 1 7 . Ohne auf diese Schlüssigkeit ihrer Argumente eingehen zu müssen, lassen diese jene Staaten jedoch als Verfechter einer extrem „objektiven" Definition unter Ausschaltung aller nur denkbaren, nichtgenannten 118 subjektiven Rechtfertigungselemente erkennen.

110 Siehe die „explanatory note" zu A r t . 5 Abs. 1 u n d Rumänien (Anm. 73), S. 17 f. 111 Rumänien (Anm. 110) u n d A/C. 6/SR. 1475, para. 7. 112 So Frankreich (Anm. 73), S. 21. 113 So führte etwa Madagaskar „provokative" A k t e ökonomischer (Seeblockade) oder psychologischer (rassistische Propaganda) N a t u r an, gegen die von einer gewissen Intensität an „aggressive" Reaktionen gerechtfertigt seien, A/C. 6/SR. 1474, para. 36. 114 (Anm. 73), S. 19 f. 115 A/C. 6/SR. 1478, para. 47. 116 A/C. 6/SR. 1483, para. 31. 117 So Syrien (Anm. 73), S. 19, u n d Burundi, A/C. 6/SR. 1482, para. 8. Siehe auch die früheren Äußerungen Ägyptens auf der 3. Sitzungsperiode des Sonderausschusses, A / A C . 134/SR. 67, S. 14: „ I t had been argued that i n cases where the Security Council was not i n a position to determine the existence of an act of aggression, i f i t could not accept on a version of the incident i n question, then the opposite version should be accepted as true. He could not accept that argument. The Security Council had been described as impotent; impotence could not create law, and a failure to pronounce on the facts could not alter the facts." 118 Siehe aber ihre H a l t u n g zur Selbstbestimmungsproblematik, unten, bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu A r t . 7.

1 6 0 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

cc) Zuordnung von Staaten ohne spezielle

Stimmerklärungen

Nicht wenige Staaten schließlich enthielten sich einer konkreten Interpretation der A r t . 2 und 5 Abs. I 1 1 9 oder wiesen ganz allgemein nur auf die zentrale Kompromißrolle dieser Vorschriften h i n 1 2 0 . Teilweise können ihre Positionen aber schon ihren Äußerungen i m früheren Verlauf des Entscheidungsprozesses entnommen werden, teilweise ergeben sie sich indirekt aus ihren sonstigen Stellungnahmen: So hatten sich Finnland und die Türkei schon i m Jahr vor der A n nahme der Definition für die Relevanz der Aggressionsziele ausgesprochen 121 , desgleichen — entsprechend der sowjetischen Linie — die DDR122, während sich China i m selben Jahr nachdrücklich i m gegensätzlichen Sinne geäußert hatte 1 2 3 . Die Worte des westdeutschen Delegierten („Art. 2 made i t sufficiently clear that neither the powers nor the procedure of the Security Council were affected by the definit i o n " ) 1 2 4 deuten auf die Übereinstimmung seiner Delegation m i t den Gegnern einer „automatischen" Definition h i n (wenn sie auch das Problem der Berücksichtigung subjektiver Elemente offen lassen). Die Betonung des generellen Kompromißcharakters der Definition durch den norwegischen Vertreter 1 2 6 i n Verbindung m i t früheren Äußerungen 1 2 6 lassen dessen Land ebenfalls i n diesem Lager erkennen. Auch die meisten der oben genannten afro-asiatischen und lateinamerikanischen Staaten 1 2 7 lassen sich auf diese Weise zuordnen, wodurch etwa Uruguay 128 als Verteidiger der Sicherheitsratsbefugnisse ausgewiesen wird, El Salvador 129 als Vertreter einer gleichwertigen 119 So vor allem die Bundesrepublik Deutschland, A/C. 6/SR. 1478, paras. 15 ff.; China, A/C. 6/SR. 1475, paras. 13 ff.; die DDR, A/C. 6/SR. 1476, paras. 13 ff.; Norwegen, A/C. 6/SR. 1480, paras. 64 ff. u n d (Anm. 73), S. 33. Des w e i teren einige afro-asiatische u n d latein-amerikanische Staaten, deren e r k l ä r tes Interesse vor allem Einzelaspekten des A r t . 3 ( i . V . m i t A r t . 7) galt, während sie sich zum grundsätzlichen Definitionskonzept nicht äußerten. So i m Rechtsausschuß (A/C. 6/SR. 1482, 1483 f.) die Staatenvertreter Panamas (S. 106), Uruguays (S. 107), der Philippinen (S. 107 f.), Costa Ricas (S. 109 f.), Dahomeys (S. 110), El Salvadors (S. 115) u n d Sierra Leones (S. 117). 120 So Finnland, A/C. 6/SR. 1471, para. 7, u n d die Türkei (Anm. 73), S. 30 u n d A/C. 6/SR. 1477, para. 27. 121 A/C. 6/SR. 1440, paras. 32 u n d 39. 122 A/C. 6/SR. 1441, para. 15. 123 A/C. 6/SR. 1442, para. 73. 124 A/C. 6/SR. 1478, para. 18. 125 (Anm. 73), S. 33. 128 A u f der (wichtigen) d r i t t e n Sitzungsperiode des Sonderausschusses hatte sich Norwegen gegen ein absolutes Prioritätsprinzip gewandt, siehe A/AC. 134/SR. 57, S. 37, u n d A/C. 6/SR. 1202, paras. 1 f. 127 Siehe oben, A n m . 119. 128 A/C. 6/SR. 1208, para. 23. 129 A/C. 6/SR. 1208, para. 64, u n d A/C. 6/SR. 1272, paras. 31 f.

Β . Verlauf der Konsensbildung

161

Berücksichtigung der Absichten der streitenden Parteien, während Zambia 130 diese nur zur Abgrenzung gegenüber nichtvorsätzlichen (Irrtum oder Unglücksfall) Fällen anerkennen wollte. Demgegenüber sollten nach Ansicht Costa Ricas 131 auch unvorsätzliche Aggressionsakte poenalisiert werden, so daß der Sicherheitsrat der Frage der Priorität gebührende Beachtung schenken müsse, welche nach Ansicht der Philippinen 132 das einzig objektive und effektive K r i t e r i u m liefere. d) Ergebnis I m Ergebnis zeigt der Kompromiß zwischen einem objektiven und einem subjektiven Definitionskonzept kaum Einigkeiten auf. Insbesondere entspricht das Ausmaß der überwiegenden Berücksichtigung objektiver Definitionselemente i n A r t . 2 und 5 Abs. 1 bei gleichzeitiger Nichterwähnung (Art. 2) bzw. Ausschließung (Art. 5 Abs. 1) subjektiver Faktoren nicht dem realen Konsens und Dissens zum Inhalt dieser Artikel: So verbietet die einhellige Ablehnung einer irgendwie gearteten „Prioritätsautomatik" durch fast alle westlichen und östlichen Industriestaaten (darunter von entscheidender Bedeutung die USA und die UdSSR) sowie eine Reihe sonstiger Länder, den prima-facie Beweis des A r t . 2 als nur durch ein positives Gegenvotum des Rates widerlegbar zu interpretieren. Aus demselben Grunde würde sich eine Auslegung der A r t . 2 und 5 Abs. 1 und der dazu ergangenen „explanatory note" m i t dem tatsächlich erreichten Konsens nicht decken, die m i t dem Anspruch auftreten würde, dem Sicherheitsrat die Berücksichtigung der Ziele der Beteiligten bewaffneter Konflikte zu untersagen. Vielmehr reicht der Konsens — i m Sinne einer übereinstimmend geäußerten Rechtsansicht der Staaten — nur soweit, als der objektive A k t des Ersteinsatzes von Waffengewalt primärer, weil faßbarer Anknüpfungspunkt für die Feststellung einer Aggression sein soll. Schon bei der Frage aber, ob jedweder Angriff den Aggressionsverdacht auslösen soll, ist die Reserviertheit insbesondere der UdSSR, Großbritanniens und der USA bemerkbar, die hierauf entweder dir e k t 1 3 3 oder i n d i r e k t 1 3 4 i m negativen Sinne antworten. Hiervon ausgehend, wächst deren Widerstand und erhalten sie Unterstützung von anderen Staaten i n dem Maße, i n dem sie sich m i t Interpretationen i m Sinne einer mehr oder weniger weiten „Prioritätsautomatik" konfron130

A/C. 6/SR. 1276, para. 27. A/C. 6/SR. 1276, paras. 4 u n d 6 unter Hinweis auf para. 5 des Berichts der Arbeitsgruppe von 1971 (GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 30). 132 A/C. 6/SR. 1349, para. 65. 133 Vgl. die Stimmerklärung der UdSSR oben, A n m . 76. 134 So etwa Großbritannien (Anm. 89). 131

1

1 Bru

1 6 2 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

tiert sehen, gipfelnd i n den oben erwähnten Äußerungen Syriens, Indiens und Ägyptens, wonach m i t dem Ersteinsatz von Waffengewalt stets ein Aggressionsakt gegeben sei 1 3 5 . Für eine, die satzungsgemäße Ermessensfreiheit des Sicherheitsrates beschränkende oder gar ersetzende „Prioritätsregelung" fehlt es daher schon an der Einwilligung der wichtigsten ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates sowie einer Reihe sonstiger, teilweise politisch und wirtschaftlich bedeutender Staaten 1 3 6 . Über eine unverbindliche Empfehlung hinaus, den Ersteinsatz satzungswidriger Waffengewalt als nicht zwingendes Verdachtsmoment für eine Aggression zu betrachten, deckt der Wortlaut des A r t . 2 daher keinen Konsens, sondern verdeckt vielmehr prinzipielle Meinungsunterschiede, so daß er zum größten Teil als „Formelkompromiß" anzusehen ist, der unmittelbar keine Rechtsfortbildung einleiten kann. Das Beharren der Gegner eines ausschließlich objektiven Konzepts auf der Relevanz der m i t bewaffneten Aktionen verfolgten Ziele hat schließlich auch die Unerheblichkeit des A r t . 5 Abs. 1 unter dieser Fragestellung zur Folge, da der Dissens über den Inhalt des A r t . 2 auch der Annahme eines Konsenses über einen substantiellen Gehalt des Art. 5 Abs. 1 entgegensteht. Hieran kann auch die „explanatory note" zum A r t i k e l nichts ändern, da die Stimmerklärungen gerade erweisen, daß es über ein Rechtfertigungsverbot bewaffneter Gewalt derzeit keine Einigung gibt. Vielmehr läßt umgekehrt die Zitierung des Interventionsverbots im Zusammenhang m i t dem Meinungsstreit über die Relevanz der Ziele und Intentionen der Parteien erkennen, daß auch dieser Chartagrundsatz, wie er i n der „Prinzipien-Deklaration" formuliert worden ist 1 8 7 , weit davon entfernt ist, i m einzelnen einen generellen Konsens zu verkörpern. Denn anderenfalls hätte es über die Bezugnahme i n der Note keinen Konsens gegeben. Auch A r t . 5 Abs. 1 ist daher Bestandteil des allgemeinen „Formelkompromisses" zum Verhältnis „objektiver"„subjëktiver" Definition und besitzt somit keine, von generellem Konsens getragene Substanz 138 . Dies t r i f f t i n gleicher Weise auf die Dissense zum Inhalt des materiellen Völkerrechts zu, die sich i n dem Streit um die Berücksichtigung der Ziele bewaffneter Aktionen aufgetan haben. Denn dieser galt ja nicht nur dem prozeduralen Aspekt einer „automatischen" oder „nicht135

Oben, A n m . 114 ff. Siehe oben, A n m . 92 ff. 137 Siehe zu Dohna, Grundprinzipien des Völkerrechts, S. 103 ff. iss Ferencz I I , S. 43 zu A r t . 5 Abs. 1: „ W h a t had been offered as an apparent attempt to exclude motive as a justification for the use of armed force was dipped into the vat of compromise." 136

Β . Verlauf der Konsensbildung

163

automatischen" Definition, sondern zugleich der materieZlrechtlichen Beachtlichkeit subjektiver Zielvorstellungen, die anders als die i m „Negativ-Katalog" des Weststaaten-Entwurfs genannten geeignet wären, gewisse bewaffnete Aktionen aus dem tatbestandlichen Geltungsbereich der Definition herauszuhalten. Auch nach der Bekräftigung der Weststaaten, daß ihr Katalog verbotener Ziele nicht abschließend, sondern exemplarisch sei 1 3 9 , lassen dessen Beispiele doch erkennen, daß zum Problem der Rechtmäßigkeit solch ungenannter Fälle wie „bewaffnete Intervention zum Schutz von Leib und Leben eigener oder fremder 1 4 0 Staatsangehöriger" oder etwa auf „Einladung der amtierenden, ,legalen' Regierung" auch der Konsensbildungsprozeß zur Definition der Aggression keine Entscheidung gebracht hat. Sicher ist nur die Ablehnung der Staaten, die gegen die Beachtlichkeit ungenannter Rechtfertigungsgründe an sich sind. I m übrigen hat der Konsensbildungsprozeß die Frage aber offengelassen, da die Befürworter der Berücksichtigung subjektiver Elemente eine inhaltliche Diskussion u m den Umfang erlaubter Gewalt generell ablehnten, wie der folgende Abschnitt erweist. 2. Art. 6 und 7 in Verbindung mit Präambelparagraph Simultane Definition erlaubter Gewalt?

6:

Neben der Entscheidimg für ein objektives oder subjektives Definitionskonzept stellte von Anfang an der Streit um Opportunität und I n halt einer gleichzeitigen Begriffsbestimmung erlaubter Gewalt die Delegierten vor die „redaktionelle Gretchenfrage", welcher A r t denn die zu schaffende Aggressionsdefinition sein solle und wie ernst man es tatsächlich m i t der Effektivität eines derartigen Instruments meine. I n zweifacher Hinsicht nämlich mußte die Frage der quantitativen Anreicherung der Definition m i t Aussagen zum Komplex erlaubter Gewalt für ihre Qualität von großer Bedeutung sein: Zunächst war sie i n direkter Weise m i t der Zuordnung der Definition verbunden. Denn nur solange diese sich ausschließlich als Beschreibung des Aggressionsbegriffs i m Sinne von A r t . 39 SVN verstand, ließ sich ihre ausschließliche Adressierung an den Sicherheitsrat vertreten. H i n gegen würde m i t ihr i n dem Maße, i n dem sie auch den Formen erlaubter Gewalt schärfere juristische Konturen verleihen würde, zugleich und naturgemäß auch ein Entscheidungskriterium für die Staaten und sonstige, zur Trennung erlaubter von verbotener Gewalt berufene „Stellen" geschaffen. 139

Siehe oben, A n m . 56. Humanitäre Intervention i m hergebrachten Sinne, siehe Kewenig, waltverbot, S. 206. 140

11*

Ge-

164

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Dies leuchtet vor allem für den Fall ein, daß sie detailliert die Voraussetzungen des Selbstverteidigungsrechts, insbesondere den Begriff des bewaffneten Angriffs i m Sinne des A r t . 51 SVN klären würde 1 , da es sich hierbei gerade u m ein Staatenrecht handelt. Doch auch eine Definition, die Aussagen über die „moderne" Variante erlaubter Selbsthilfemaßnahmen, nämlich das ideologisch determinierte Recht auf „nationale Befreiungskämpfe" enthielte, hätte i n der Praxis dieselbe Folge. I n zweiter Hinsicht war das Problem der Regelung oder Nichtregelung erlaubter Gewalt eine Frage der gewollten (oder gesollten) Qualität der Definition i m Sinne ihrer Brauchbarkeit oder Effektivität. „Denn wenn durch die Definition die Feststellung der Aggression erleichtert werden soll, indem dem Aggressionsverbot schärfere juristische Konturen gegeben werden, dann kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn die hauptsächliche juristische Hintertür des Aggressors, nämlich das Argument der Selbstverteidigung, gleichfalls bessere j u ristische Konturen gewinnt 2 ." Sie muß also „die Wertung ermöglichen, ob das Verhalten rechtlich erlaubt oder verboten ist" 3 . a) Debatten zur Opportunität einer Regelung Entsprechend ihrem extensiven Definitionskonzept waren besonders die blockfreien Staaten an einer umfassenden Regelung erlaubter Gewalt interessiert. Ihrem Konzept lag die Prämisse zugrunde, daß grundsätzlich nur die Vereinten Nationen zur Gewaltanwendung ermächtigt seien, so daß erlaubte Selbsthilfemaßnahmen, insbesondere das Selbstverteidigungsrecht, keine Ausnahmen von diesem Prinzip seien, sondern die Staaten die Legalität ihres Handelns aus einer f i k tiven Ermächtigung durch die Staatengemeinschaft i n Gestalt der Vereinten Nationen ableiteten 4 . Aus diesem Grunde enthalte die Satzung Aussagen sowohl zur erlaubten als auch zur verbotenen Gewaltanwendung, so daß folglich beide Kategorien zu konkretisieren seien 5 . 1 Siehe Jamaica , A/C. 6/SR. 1480, para. 2 : „Therefore a definition of aggression was addressed p r i m a r i l y to the Security Council; w h i l e a definition of self-defence w o u l d be addressed p r i m a r i l y to i n d i v i d u a l States." So auch Feinberg , Defining „ A r m e d Attack", S. 59 f. 2 So Bothe, Definition der Aggression, S. 136 f. (Ähnlich auch Stone, Conflict through Consensus, S. 243.) 3 So Wittig , Aggressionsbegriff, S. 43. Vgl. auch Chaumont , Définition de l'agression, S. 128: „ O n peut se refuser à définir l'agression mais si l'on entreprend de la définir (ce q u i est l'hypothèse) on ne peut manquer par la même de définir la légitime défense, non pas certes dans l'absolu, mais telle qu'elle est prévue et réservée dans l'article 51." 4 5

Ecuador , A / A C . 134/SR. 67, S. 12. Siehe auch Finnland , A/AC. 134/SR. 66, S. 168.

Β . Verlauf der Konsensbildung

165

Eine Definition der Aggression müsse demnach das individuelle und kollektive Selbstverteidigungsrecht 6 , die Voraussetzungen der Gewaltanwendung durch regionale Organisationen sowie das Verhältnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker regeln 7 , das nach den Worten des syrischen Delegierten einen dritten Fall 8 legaler Gewaltanwendung umfasse. Gegen eine Definition erlaubter Gewaltanwendung sprachen sich vor allem die Vertreter des Weststaatenentwurfs aus und begründeten dies offiziell m i t dem Mandat des Ausschusses, welcher Aggression und nicht erlaubte Gewaltanwendung zu definieren habe, sowie den zusätzlichen Schwierigkeiten und Risiken, die ein solch erweitertes Unterfangen m i t sich bringen würde 9 . Insbesondere der Komplex des Selbstbestimmungsrechts der Völker habe i n einer Definition der Aggression nichts zu suchen, da alle drei Entwürfe Aggression als zwischenstaatliche Gewaltanwendung umschrieben, während das Selbstbestimmungsrecht ein innerstaatliches Problem sei 10 , dem sich überdies ein anderer Ausschuß widme 1 1 . Gegen eine pauschale Bestätigung des Selbstverteidigungsrechts und der Befugnisse regionaler Organisationen, wie es op. para. I I I des Weststaatenentwurfs vorsehe, sei dagegen nichts einzuwenden 1 2 . Vor allem i n seiner Haltung zur Selbstbestimmungsproblematik unterschied sich der sowjetkommunistische Block von den Weststaaten, der ansonsten ähnlich diesen den Komplex erlaubter Waffengewalt i m Wege einer Vorbehaltsklausel ungeregelt ließ und nur seine Satzungsmäßigkeit bestätigte 13 . Denn anders als diese führte er nicht nur das Selbstbestimmungsrecht auf, sondern erklärte auch, daß es das Recht umfasse, es mittels Waffengewalt zu verwirklichen 1 4 . Damit ging er gar über die bloß vorbehaltliche Formulierung des Blockfreienentwurfs 1 5 hinaus, während er andererseits hinter diesem zurückblieb, da er das Selbstbestimmungsrecht nur kolonial abhängigen Völkern i m

β Ägypten , A/C. 6/SR. 1269, para. 17: „ . . . a definition not t o t a l l y based on Article 51 w o u l d r u n the risk of encouraging the use of force i n violation of the provisions of the Charter". 7 Siehe op. paras. 3, 4, 6, 7 u n d 10 des Blockfreienentwurfs. 8 A / A C . 134/SR. 66, S. 170. 9 Großbritannien, A / A C . 134/SR. 67, S. 5. 10 Italien, A / A C . 134/SR. 73, S. 94. 11 Italien (Anm. 10) unter Anspielung auf den z e i t w i l l i g parallel tagenden Sonderausschuß zur Erarbeitung der „Prinzipien-Deklaration". 12 Großbritannien (Anm. 9). 13 Op. para. 6, 1. Halbsatz des sowjetischen Entwurfs. 14 Op. para. 6, 2. Halbsatz des Entwurfs. 15 Op. para. 10 des Blockfreienentwurfs.

166

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Sinne der „Unabhängigkeits-Deklaration" 1514 (XV) vom 14.12.1960 zugestand 16 . Die sachlichen Auseinandersetzungen zu Voraussetzungen und Inhalt erlaubter Gewalt, die also mehrheitlich gefordert und somit unumgänglich waren, gliederten sich i n Verhandlungen zum individuellen und kollektiven Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 SVN, zu den Befugnissen regionaler Organisationen nach A r t . 52 ff. SVN und zum Komplex des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Wie die Definition in ihren A r t i k e l n 6 und 7 ausweist, ist eine inhaltliche Vereinbarung umfassend nur zur Selbstbestimmungsproblematik zustandegekommen, während A r t . 6 das Scheitern von Kompromißversuchen zu den beiden ersten Aspekten erlaubter Gewalt signalisiert. Debatten und Entwürfe hierzu stehen daher zugleich für die Auffassungen der Staatenvertreter am Ende des Konsensbildungsprozesses, soweit nicht vereinzelte Stimmerklärungen abgegeben wurden. b) Der von A r t . 6 verdeckte Dissens Blockfreienentwürfe: Ursprünglicher „12-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 3: pr. paras. 7, 8, op. para. 1; ursprünglicher „4-Staatenentwurf", A/AC. 134/L. 4: op. paras. 2, 3, 4, 5, 6; ursprünglicher „13-Staatenentwurf", A/AC. 134/L. 6: op. paras. 1, 2, 3, 4, 7, 8; endgültiger Blockfreienentwurf, Ai AC. 134/L. 16: op. paras. 1, 2, 3, 4, 6, 7. Sowjetischer E n t w u r f , AJAC. 134/L. 12: op. para. 6. Weststaatenentwurf, A./AC. 134/L. 17: op. para. I I I .

aa) Individuelles

und kollektives

Selbstverteidigungsrecht

A l l e i n der Blockfreienentwurf drückte i n op. paras. 3, 6 und 7 die A n sicht seiner Unterzeichner zu den wichtigsten Kriterien legaler Selbstverteidigungsmaßnahmen aus. Danach traten diese zunächst für eine restriktive, am Wortlaut des A r t . 51 SVN ausgerichtete Interpretation der Voraussetzungen einer Selbstverteidigungssituation ein, indem eine solche vom Vorliegen eines bewaffneten Angriffs, der m i t bewaffneter Aggression identisch sei, abhängig gemacht wurde 1 7 . I n Verbindung m i t dem Prioritätsprinzip und der Nichterwähnung indirekter Waffengew a l t durch nichtreguläre Truppen i m Katalog des op. para. 5 interpretierten sie sodann auch das Tatbestandselement des bewaffneten A n griffs und die Kausalitätsproblematik eng und schlossen nicht nur „Präventivverteidigung" gegen drohende Angriffe, sondern auch 16

Op. para. 6 des sowjetischen Entwurfs. Siehe Zypern, A/AC. 134/SR. 81, S. 12: „ O n l y an armed attack justified the exercise of the r i g h t of self-defence. A r t . 39 d i d not use the words ,armed attack* because the authors of the Charter equated that concept w i t h the concept of an ,act of aggression 4 . I f one pursued that reasoning to its logical conclusion, i t w o u l d be seen that an act of aggression was an act justifying the exercise of the right of self-defence 17

Β . Verlauf der Konsensbildung

Selbstverteidigungsmaßnahmen Aktionen aus 18 .

gegen subversive und

167

terroristische

Restriktiv interpretierten sie auch die Mittel, die dem Verteidiger zur Verfügung stünden, indem sie vom Verhältnismäßigkeitsgebot 19 abhängig gemacht wurden, womit der Furcht der kleineren Staaten vor „Überreaktionen" mächtigerer Gegner Ausdruck verliehen wurde 2 0 . (1) Das Erfordernis einer materiellen Voraussetzung: der bewaffnete Angriff Für eine Beschränkung des Selbstverteidigungsrechts auf einen bereits erfolgten Angriff sprachen sich neben den Blockfreien 2 1 auch die UdSSR 22 und ihre Verbündeten aus, während sie seine Gleichstellung m i t dem zu erarbeitenden Begriff der bewaffneten Aggression ablehnten, da dieser gegenüber dem ersteren der weitere sei 23 . Hieraus folgt, daß die UdSSR m i t den Blockfreien zwar Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen drohende Angriffe ablehnt, i m Gegensatz zu diesen aber unter „armed attack" den physischen, unmittelbar erfolgten Ersteinsatz von Waffengewalt versteht und nicht unbedingt „any m i l i t a r y occupation, however temporary, or any forcible annexation of the territory of another State or part thereof" 2 4 . Dagegen widersprachen die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs den Blockfreien i n beiden Punkten: M i t der UdSSR gingen sie davon aus, daß der Aggressionsbegriff der Charta nicht m i t dem des bewaffneten Angriffs i. S. des A r t . 51 SVN identisch sei 25 . I m Gegensatz zu 18 Insbesondere diese Vorschriften lassen den Einfluß erkennen, den die damalige aktuelle politische Situation der israelisch-arabischen Auseinandersetzung auf den I n h a l t des Blockfreienentwurfs hatte. 19 Op. para. 6. 20 Ferencz I I , S. 46. 21 Eine Ausnahme machte Ghana: „The r i g h t of self-defence was recognized as inherent and was not l i m i t e d " , A / A C . 134/SR. 72, S. 86. 22 A/AC. 134/SR. 67, S. 9, A / A C . 134/SR. 84, S. 34 f. 23 So die UdSSR, A / A C . 134/SR. 105, S. 16, anhand einer Abgrenzung der A r t . 2 Ziffer 4, 39 u n d 51 SVN: „ F o r a proper understanding of the sense i n which the concept of aggression was used i n the Charter, i t was necessary to refer to Articles 2, 39 and 51 of that instrument. The phrase ,the threat or use of force* used i n A r t i c l e 2, paragraph 4, was broader i n scope than the w o r d i n g used i n Articles 39 and 51. Moreover, the expression ,act of aggression* (Article 39) was broader i n scope than the t e r m ,armed attack* (Article 51). Under A r t i c l e 51 of the Charter, a State which was the v i c t i m of an armed attack had the r i g h t of self-defence. A n y attack b y armed force was obviously an act of aggression, but a l l acts of aggression were not attacks by armed forces." (Ähnlich Zypern, A / A C . 134/SR. 63, S. 118.) 24 So op. para. 5 b des Blockfreien-Entwurfs. Siehe auch den ägyptischen Delegierten, A / A C . 134/SR. 73, S. 100, der erklärte, daß das Recht, besetzte Gebiete zu befreien, u n m i t t e l b a r aus A r t . 51 S V N folge.

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I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

dieser i n t e r p r e t i e r t e n sie aber das S e l b s t v e r t e i d i g u n g s r e c h t gemäß d e r „angelsächsischen S c h u l e " als e i n p r a e k o n v e n t i o n e l l e s , n i c h t v o n d e n V o r a u s s e t z u n g e n des A r t . 51 S V N abhängiges N a t u r r e c h t , w i e es i n Abgrenzung zur positivistischen Gegenauffassung 26 v o m norwegischen Delegierten formuliert w u r d e 2 7 : „ A r t . 51 of the Charter referred to the inherent r i g h t of i n d i v i d u a l or collective self-defence. What was meant b y ,inherent' right? Two interpretations were possible. The first was that i t was a r i g h t enjoyed by a l l States under international law, independently of Article 51, b y which i t was i n no w a y circumscribed. A r t i c l e 51 was therefore only an exception to the principle proclaimed i n A r t i c l e 2, paragraph 4. Self-defence was therefore legitimate, not only i n the event of armed attack, b u t also i n the event of a threat or a real danger of armed attack. I t was for the State concerned to decide wether the situation was such as to j u s t i f y aggression. According to the second interpretation, the Charter had modified the traditional concept of the right of self-defence, and self-defence was t r u l y justified only i n the case of armed attack under the conditions indicated i n A r t i c l e 51." W e n n sie auch i m w e i t e r e n V e r l a u f d e r V e r h a n d l u n g e n u n b e a n t w o r t e t ließen, welches d e n n d i e G r e n z e n des — nach i h r e r V o r s t e l l u n g als G e w o h n h e i t s r e c h t w e i t e r g e l t e n d e n — „ i n h e r e n t r i g h t of self-defence" seien, so e r g i b t sich doch aus i h r e r g e n e r e l l e n A b n e i g u n g gegen e i n starres P r i o r i t ä t s k o n z e p t , daß sie n i c h t n u r b e i d e r F e s t s t e l l u n g e i n e r Aggression, s o n d e r n auch b e i d e r P r ü f u n g d e r S e l b s t v e r t e i d i g u n g s v o r a u s s e t z u n g e n a u f „ a l l e besonderen U m s t ä n d e des E i n z e l f a l l e s " a b z u s t e l l e n gedenken. D i e H a l t u n g d e r W e s t s t a a t e n z u E i n z e l f r a g e n , insbesondere z u m P r o b l e m k r e i s „ p r ä v e n t i v e " oder „ a n t i z i p i e r t e " S e l b s t v e r t e i d i g u n g 2 8 , i s t aus d e m K o n s e n s b i l d u n g s p r o z e ß also n u r i n s o w e i t a b l e i t b a r , als es sich danach n i c h t u m eine F r a g e der p r i n z i p i e l l e n Z u l ä s s i g k e i t oder U n z u l ä s s i g k e i t h a n d e l t , s o n d e r n u m eine W e r t u n g s - u n d A b w ä g u n g s f r a g e 25

Großbritannien, A / A C . 134/SR. 67, S. 5: „Aggression was a broader concept than the mere obverse of self-defence", u n d die USA, A/AC. 134/SR. 82, S. 18 f.: „The function of A r t i c l e 39, which had to do w i t h activating the collective security system, and the quite different function of A r t i c l e 51, which was designed to exempt the inherent right of self-defence f r o m the prescriptions of A r t i c l e 2, . . . were different and the context was different. A n y attempt to merge those t w o concepts w o u l d produce a distortion of the legal régime embodied i n the Charter." 26 Siehe zum Meinungsstreit Wildhaber, Gewaltverbot, S. 149 ff., m i t ausführlichen Nachweisen. 27 A/AC. 134/SR. 66, S. 167. Wegen ihrer Abneigung, die Problematik überhaupt zu diskutieren, äußerten sich die westlichen Staaten n u r spärlich. Siehe etwa Australien, A/AC. 134/SR. 32, S. 32, u n d Großbritannien, A / A C . 134/SR. 85, S. 50, eingehender dagegen i m „Prinzipien-Ausschuß", der jedoch auch keine Lösung erzielte, vgl. zu Dohna, Grundprinzipien des Völkerrechts, S. 88. S8 Siehe Wildhaber (Anm. 26), S. 153.

Β . Verlauf der Konsensbildung

169

des Einzelfalls 20 . Eine Abstrahierung ihrer Rechtsansichten und damit eine gewisse Vorhersehbarkeit ihrer Definitionsauslegung i m Zusammenhang m i t realen oder hypothetischen Fallkonstellationen 3 0 — könnte daher nur auf induktivem Wege eine Analyse der Staatenpraxis 3 1 unter Zuhilfenahme insbesondere der empirisch orientierten amerikanischen Völkerrechtsliteratur 3 2 erbringen. Der Konsensbildungsprozeß zur Definition der Aggression selbst ist hierfür sehr unergiebig. (2) Das Problem der Zurechenbarkeit des bewaffneten Angriffs: Selbstverteidigung gegen indirekte (subversive) Aggression Eng m i t der Problematik „präventiver" Verteidigungsmaßnahmen verbunden war die Frage nach der Zulässigkeit von Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen indirekte Formen aggressiver Handlungen, wie sie i n den Ziffern 6 bis 8 des op. para. I V B des Weststaatenentwurfs ausführlich, i n op. para. 1 des sowjetischen Entwurfs indirekt genannt waren und schließlich i n Form des A r t . 3 Ziffer g i n der Definition normiert wurden. Denn da die Entsendung nichtregulärer bewaffneter Einheiten durch Staaten m i t subversivem Auftrag gegen andere Staaten, bzw. ihre wesentliche Verwicklung i n solche Aktionen, eine Form der Beteiligung 3 3 der auftraggebenden oder unterstützenden Staaten darstellt 3 4 , mußte die Zuerkennung des Selbstverteidigungsrechts gegenüber diesen Staaten (zu unterscheiden von zulässigen internen Selbsthilfemaßnahmen gegen die infiltrierten Banden selbst) zugleich die Anerkennung mitumfassen, daß das Opfer solcher Aktionen auf eigenem Boden den Grad der Mitverantwortlichkeit fremder Staaten i n eigener Entscheidungskompetenz „von außen" beurteilt. Da subversive Gewaltakte häufig aus der Anonymität der Masse, m i t h i n nur schwer zurechenbar, erfolgen, könnte der Gefahr des Mißbrauchs des Selbstverteidigungsrechts Tür und Tor geöffnet sein 35 . 29 So besonders deutlich der kanadische Delegierte, A/AC. 134/SR. 67, S. 15: „ . . . the question wether the resort to self-defence was justified w o u l d i n variably be determined b y the State threatened w i t h aggression, that was a fact of international life". 80 Dazu Aronéanu , Définition de l'agression, S. 112 f. 31 So ζ. B. Higgins, Development of International L a w , S. 197 - 210, H i n weise auch bei Wildhaber (Anm. 26), S. 151 - 157. 32 Siehe etwa McDougal f F elidano, L a w and M i n i m u m W o r l d Public Order. 33 I n der strafrechtlichen Terminologie also eine Frage der Mittäterschaft, mittelbaren Täterschaft oder Beihilfe. 34 Bothe (Anm. 2), S. 132: „ . . . Tatbestand der staatlichen Beihilfe zu p r i vater Gewaltausübung".

1 7 0 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Entscheidender als diese übergreifende Problematik „präventiver" Selbstverteidigungsmaßnahmen war aber die Frage, ob Gewaltmaßnahmen dieser subversiven A r t überhaupt den Tatbestand der Aggression erfüllen. Für die Blockfreien, die dies kategorisch ablehnten und nur ihre Qualifizierung als Friedensbrüche i. S. des A r t . 39 SVN akzeptieren wollten, war damit die Frage nach der Zulässigkeit von Selbstverteidigungsmaßnahmen an sich gegenstandslos 36 , da sie, wenn keine Aggression, dann auch keinen bewaffneten Angriff darstellen könnten 3 7 , womit bereits die erste Voraussetzung des A r t . 51 SVN entfiele 38 . Da andererseits die Weststaaten keiner Definition zugestimmt hätten, die den Tatbestand der Aggression vor den vielfältigen Formen subversiver Gewaltakte verschlossen hätte 3 9 und auch der sowjetische Entwurf eine detaillierte Regelung indirekter Aggression enthielt 4 0 , war eine, wenn auch nur mittelbare Regelung der Problematik unausweichlich 41 . Dies erfolgte schließlich dadurch, daß indirekte Aggression zunächst nur m i t der Einschränkung Einzug i n die Definition hielt, daß die jeweiligen Aktionen ebenso „schwerwiegend" sein müßten, wie die ansonsten i n der Definition geregelten, also vor allem direkten Aggressionsformen 42 . Und auch wenn dies der Fall sein sollte, müßten diese Aktionen von einem anderen Staat „veranlaßt" 4 3 worden sein, zumin35 So der französische Delegierte, der die Ablehnung der blockfreien Staaten, indirekte (subversive) Aggression überhaupt i n der Definition zu erwähnen, daher m i t deren Befürchtung erklärte, dies könne zur A n e r kennung des Konzepts präventiver Kriege führen, A / A C . 134/SR. 74, S. 118. 36 Siehe aber op. para. 7 ihres Entwurfs. 37 Siehe op. para. 3 ihres Entwurfs. 38 So Syrien , A/AC. 134/SR. 81, S. 13: „ Y e t such acts d i d not per se entitle the State against which they were directed to exercise its right of self-defence under A r t i c l e 51 w i t h o u t first bringing the matter before the Security Council. That was w h y his delegation had refused to include those acts i n the definition of aggression. They d i d not create an emergency or an immediate danger as d i d ,armed attack 1 ; they gave States time to submit their case to the Security Council. They were ,breaches of the peace', which entitled the United Nations to take collective action under Chapter V I I of the Charter but did not j u s t i f y self-defence." (Ähnlich auch Zypern , A/AC. 134/SR. 39, S. 126.) 39 Vgl. statt aller die USA, A/AC. 134/SR. 73, S. 107: „The United States delegation w o u l d not endorse any definition of aggression which did not take into consideration the use of force by indirect means." 40 Op. para. 2 C. 41 Die UdSSR hatte sich zwar zeitweilig bereit erklärt, indirekte Aggression zu einem späteren Zeitpunkt zu behandeln, legte aber großen W e r t auf die Feststellung, daß diese F o r m der Aggression unbedingt definiert werden müsse, siehe GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 19, para. 55. 42 Siehe A r t . 3 Ziffer g. Eingehender dazu bei der Darstellung des K o n sensbildungsverlaufs zu dieser Vorschrift. 43 „The sending by or on behalf of a State of armed bands . . . " .

Β . Verlauf der Konsensbildung

171

dest müßte i h m eine „wesentliche Beteiligung" 4 4 hieran nachgewiesen werden können, so daß jedenfalls vom Wortlaut her den Forderungen der Blockfreien weitgehend nachgekommen wurde, gezielte Einzelaktionen begrenzten Ausmaßes und undurchsichtigen Ursprungs — und damit einen wesentlichen Bestandteil moderner Guerillakriege — von der Definition auszunehmen. Daß hiermit vor allem das Ziel verfolgt wurde, letztere Aktionen gegenüber dem (grenzüberschreitenden) Selbstverteidigungsrecht zu immunisieren, erweist die schon oben angesprochene Bereitschaft, sie als Friedensbrüche zu behandeln 45 , womit sie ja dieselben Sanktionsmöglichkeiten wie Aggressionen (aber auch bloße Friedensbedrohungen) auf sich ziehen 46 . Die Stimmerklärung des mexikanischen Delegierten jedenfalls macht deutlich, daß die vielfältigen „Sicherungen" i n A r t . 3 Ziffer g vor allem i m Hinblick auf dessen Ausstrahlungswirkung auf das Selbstverteidigungsrecht eingebaut 47 wurden: „ A r t . 3 (g) could under no circumstances be interpreted as adding to the number of situations i n which the r i g h t of self-defence i n accordance w i t h the Charter could be invoked. I t w o u l d be counterproductive i f a State could use that provision to invoke the r i g h t of self-defence i f i t used armed force against another State w h e n acts of subversion or terrorism took place i n its territory. The definition of aggression, instead of discouraging the use of armed force, w o u l d then serve to legitimize it. The acts contemplated i n article 3 (g) could be characterized as acts of aggression only i f their g r a v i t y was such as to make them equivalent to the other acts enumerated i n that article and i f the participation of another State was f u l l y established 4 8 ."

Jedoch fehlt es auch nicht an Äußerungen aus dem Blockfreienlager, indirekte Aggressionen, welcher Größenordnung auch immer, stets als ungeeignet anzusehen, den Tatbestand eines bewaffneten Angriffs i. S. von A r t . 51 SVN zu erfüllen 4 9 . Auch die UdSSR Schloß ihnen gegenüber das Selbstverteidigungsrecht aus 50 . 44

„ . . . or its substantial involvement therein". Vgl. A n m . 38. 46 Siehe den W o r t l a u t von A r t . 39 SVN. 47 Dies verrät insbesondere auch die „Schwereklausel" des A r t . 3 Ziffer g, die angesichts der dem Sicherheitsrat ohnehin eingeräumten Befugnis, bei leichteren Aggressionsfällen von einer Feststellung abzusehen (Art. 2), an sich überflüssig wäre. 48 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 39. 49 Siehe etwa Uruguay , A / A C . 134/SR. 74, S. 112: „ . . . the r i g h t of selfdefence under A r t i c l e 51 of the Charter was only applicable i n cases of armed attack, or, i n other words, of direct armed aggression" (im Ergebnis nicht anders Syrien, A/C. 6/SR. 1475, para. 20). 50 A / A C . 134/SR. 84, S. 35: „ B o t h forms (Anm.: direct and indirect) constituted a threat to international peace, and the difference between direct and indirect aggression was the same as that existing between armed attack and a breach of the peace. I t should be noted, however, that under A r t i c l e 51 45

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I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

U n m i ß v e r s t ä n d l i c h b e h a r r t e n dagegen die U n t e r z e i c h n e r des W e s t s t a a t e n e n t w u r f s a u f i h r e r w e i t e r e n A u s l e g u n g des S e l b s t v e r t e i d i g u n g s rechts, d i e i n V e r b i n d u n g m i t i h r e r P r ä f e r e n z f ü r e i n s u b j e k t i v e s D e f i n i t i o n s k o n z e p t d i e folgende K r i t i k des italienischen Delegierten an op. para. 7 des B l o c k f r e i e n - E n t w u r f s auslöste u n d d i e H a l t u n g der Weststaaten repräsentierte: „ T h a t provision, which l i m i t e d self-defence to cases of direct aggression was based on the very understandable desire to prevent the v i c t i m State from committing a further act of aggression. That legitimate concern could not, however, j u s t i v y the a priori prohibition of self-defence i n the face of certain forms of aggression, particulary indirect aggression. The limits of the r i g h t of self-defence were not derived from the means employed by the aggressor, but from the basic objective of self-defence, which was to safeguard the State, the Government and its institutions. I t was only where self-defence w e n t beyond t h a t objective that i t ceased to constitute an acceptable use of force under the norms of international order and might become an illegal act. I t was impossible, however, to determine a priori i n w h a t situation a State which used force by virtue of its r i g h t of self-defence was abusing that r i g h t 5 1 . " A l l e r d i n g s begegnete d e r a m e r i k a n i s c h e D e l e g i e r t e einer z u e x t e n s i v e n D e u t u n g der H a l t u n g seiner D e l e g a t i o n m i t d e r B e m e r k u n g , daß S e l b s t v e r t e i d i g u n g s m a ß n a h m e n auch gegenüber i n d i r e k t e n A g g r e s s i o n s f o r m e n verhältnismäßig sein m ü s s e n 5 2 , w o m i t er e i n v o n d e r M e h r h e i t der B l o c k f r e i e n f a v o r i s i e r t e s P r i n z i p ansprach. (3) A u s ü b u n g s g r e n z e n des S e l b s t v e r t e i d i g u n g s r e c h t s : das V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t s p r i n z i p Diese setzten sich n ä m l i c h n i c h t ausnahmslos f ü r das v o n i h n e n i n op. para. 6 i h r e s E n t w u r f s v e r a n k e r t e P r i n z i p ein, o b w o h l 1972 n e b e n d e n 13 U n t e r z e i c h n e r s t a a t e n 7 andere M i t g l i e d e r des Sonderausschusses, d a r u n t e r d i e d r e i arabischen S t a a t e n Algerien, Ägypten u n d Syrien, pauschal d e n B l o c k f r e i e n e n t w u r f als i h r e V e r h a n d l u n g s b a s i s b e s t ä t i g t h a t t e n 5 3 . Syrien u n d Ghana n ä m l i c h w o l l t e n es als generelle of the Charter, i t was only armed attack, and not other breaches of the peace, that gave rise to the r i g h t of self-defence. Such a distinction must therefore be retained i n any definition of aggression. Some delegations . . . were arguing that indirect aggresison gave rise to the r i g h t of self-defence. That was a subjective interpretation of the Charter, which was devoid of substance and which put t w o totally different notions on the same footing." 51 A/AC. 134/SR. 85, S. 43. 62 A/AC. 134/SR. 63, S. 116: „The United Arab Republic representative had expressed a legitimate concern lest the inclusion of indirect uses of force might u n d u l y dilute the concept of aggression and expand the scope of permissible self-defence. There was, however, a simple answer to that point: to be legitimate, the use of force i n self-defence must be proportionate; the same cardinal principle w o u l d apply wether the use of force was b y direct or indirect means."

Β . Verlauf der Konsensbildung

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Hegel des Völkerrechts nicht akzeptieren. Ghana insoweit nicht, als es m i t dem Selbstverteidigungsrecht i n Verbindung gebracht werde 5 4 , das es ja als „inherent and not l i m i t e d " 5 5 ansah. Syrien, das von sich selbst behauptete, eine vermittelnde Haltung i n dieser Frage einzunehmen, erkannte es nur als Verbot an, Massenvernichtungswaffen und inhumane M i t t e l wie Napalm gegen Angriffe einzusetzen, die i m Verhältnis hierzu „konventionell" geführt werden 5 6 . I m übrigen waren die Gegner des Prinzips über die Lager verteilt, wie auch seine Befürworter nicht nur bei den Blockfreien, sondern wie das Beispiel der USA 57 zeigt, auch bei den westlichen Industriestaaten und anderen Ländern zu finden waren. Dies — und die teilweise sehr differenzierten Stellungnahmen zur Problematik — zeigen, daß die jeweiligen militärisch-technologischen und militärisch-geographischen Gegebenheiten die Positionen der einzelnen Länder bestimmten und einen Konsens schon i m Ansatz verhinderten. So erklärte die UdSSR 58 das Prinzip i m Falle eines Konflikts zwischen Großmächten schon aus tatsächlichen Gründen für nicht anwendbar, da deren waffentechnischer Entwicklungsstand keine Verhältnismäßigkeitserwägungen mehr erlaube 59 . I m übrigen binde es dem Opfer eines Angriffs zu sehr die Hände und vergrößere dadurch die Benachteiligung gegenüber dem Angreifer, der das Überraschungsmoment, die freie Wahl der Angriffsmittel, territoriale Anfangsgewinne und ähnliches für seine Ziele nutzen könne 6 0 . Israel hielt es für illusorisch zu 53 Siehe „Proposais submitted to the W o r k i n g Group", „ F " , i n GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 23. Neben den drei genannten „Nichtunterzeichnerstaaten" gaben diese E r k l ä r u n g Indonesien, Irak, Sierra Leone u n d der Sudan ab. 54 „According to that principle any use of force was permissible for defence . . . " , A/AC. 134/SR. 72, S. 86. 55 Siehe oben, A n m . 21. 56 A / A C . 134/SR. 72, S. 87 f. I m übrigen sollten dem Opfer aber keine w e i teren Schranken auferlegt werden als die, die i n A r t . 51 S V N selbst angelegt sind, w i e die Zeitschranke „ u n t i l the Security Council has taken measures". 57 Siehe oben, A n m . 52. 58 (Anm. 54), S. 85 f. 59 Diese Ansicht w i r d i n der L i t e r a t u r u. a. von Fahl, Salt I, S. 12, unter Hinweis auf eine computergesteuerte, nahezu automatisch i n A k t i o n tretende Zweitschlagskapazität der Supermächte geteilt: „Die Entwicklung dieser Offensivwaffen treibt inzwischen technisch einem so perfekten System entgegen, daß — u m die Einsatzfähigkeit der Waffen zu erhalten — i n voraussehbarer Z u k u n f t Computer an die Stelle menschlicher Entscheidungsfähigkeit treten müßten, soll die Zweitschlagskapazität erhalten bleiben." (Siehe auch S I P R I 1973, S. 17.) 60 (Anm. 54), S. 85. Z u r rechtlichen Begründung führte die UdSSR die Entstehungsgeschichte des A r t . 51 S V N an, wonach Vorschläge, die Worte „necessary self-defence" zu normieren, keinen Erfolg hatten (ebd., S. 91) u n d behauptete, daß das i m klassischen Völkerrecht gültige Verhältnismäßig-

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I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

glauben, man könne dem Opfer einer Aggression zumuten, sich Zeit für die Abwägung „abstrakter Begriffe wie Verhältnismäßigkeit" 6 1 zu nehmen. Italien reduzierte seine praktische Bedeutung durch Interpretation des Selbstverteidigungsrechts. Denn das sei solange gegeben, wie das Ziel der Verteidigungsmaßnahmen, eventuell die über die Zurückschlagung eines gegenwärtigen Angriffs hinausgehende endgültige Sicherheit des Opfers gewährleistet sei, was bei allen Verhältnismäßigkeitserwägungen berücksichtigt werden müsse 62 . A u f das Ziel der Selbstverteidigungsmaßnahme stellte auch der Kongo ab, hielt dies aber bereits m i t der Abwehr eines konkreten A n griffs für erreicht. Weitergehende Aktionen zur Herstellung der endgültigen Sicherheit seien demgegenüber rechtswidrig, weil unverhältnismäßig. Allerdings beschränkte er das Prinzip auch auf diesen Fall 6 3 . Insbesondere sollte es auf die M i t t e l zur Zurückschlagung eines bewaffneten Angriffs keine Anwendung finden, denn „to those who feared it might tie the victim's hands, he would reply that the right of selfdefence meant that all means of armed force a victim had available were lawful, provided they were used only for defence" 64 . M i t solchen Äußerungen waren wiederum jene nicht einverstanden, die das Prinzip gerade auch als Quelle der Verpflichtung interpretierten, nicht mehr Gewalt als für die Zurückschlagung des gegenwärtigen Angriffs erforderlich einzusetzen, was die Delegierten der USA 65 und Großbritanniens 66y aber auch Guyanas 67 zu entsprechenden Bemerkungen veranlaßte. keitsprinzip durch die Beschränkung des Selbstverteidigungsrechts auf bewaffnete Angriffe ersetzt worden sei („That l i m i t a t i o n on the right of selfdefence had achieved the objective previously sought b y the concept of proportionality", A/C. 6/SR. 1351, para. 33). Von dieser generellen Absage an Verhältnismäßigkeitserwägungen zu trennen, ist allerdings ihre besondere H a l t u n g zur Problematik des Ersteinsatzes von modernen Massenvernichtungswaffen, den sie j a gemäß op. para. 2 Β a ihres Entwurfs per se als Aggression qualifiziert. (Dazu unten bei der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu A r t . 3 Ziffer b.) 61 A/C. 6/SR. 1274, para. 58. 62 (Anm. 54), S. 89. 83 (Anm. 54), S. 81 f.: „ I t (Anm. the principle of proportionality) conferred a right on the v i c t i m State, but, at the same time, placed an obligation on it. The r i g h t conferred was the right to use force w h e n necessary to halt an attack, and the obligation was to l i m i t the use of force to the degree necessary to halt the attack. The purpose of proportionality placed no l i m i t a t i o n on the right of self-defence; i t merely required the v i c t i m State to use only that amount of force necessary to halt the armed attack against it." 84 (Anm. 54), S. 90. Insoweit stimmte der Delegierte des Kongo also m i t den absoluten Gegnern des Prinzips überein, siehe etwa Ghana, ebd., S. 91: „There should be no l i m i t to the means legitimate i n self-defence . . . The criterion was the magnitude of the danger." 85 Siehe schon oben, A n m . 52.

Β . Verlauf der Konsensbildung

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Frankreich schließlich machte den Nutzen des Prinzips vom Inhalt der Definition abhängig: „ I f the definition was to mention acts of indirect aggression and minor means of aggression, i t w o u l d perhaps be necessary to include proportionality, for otherwise, a l i m i t e d attack might be alleged as a pretext for aggression under the name of self-defence. If, however, i t was agreed that the definition should be confined to the most serious and caracteristic cases of direct armed aggression, then the question of proportionality could be left to the Security Council 6 8 ."

Dem stimmten i m vollen Umfang die Delegierten Zyperns und Bulgariens zu 6 9 . Da auch die USA und Großbritannien, obwohl Verteidiger des Prinzips, seine Inkorporierung i n die Definition wegen des Mandats des Ausschusses, der Aggression und nicht Selbstverteidigung zu definieren habe, für nicht geboten hielten 7 0 , war der Ausschuß weit davon entfernt, einen ausreichenden Konsens über eine akzeptable Formel vorweisen zu können, so daß auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zusammen m i t dem Gesamtkomplex der Selbstverteidigungsproblematik dem „Formelkompromiß" des A r t . 6 der Definition zum Opfer fiel. bb) Zur Gewaltanwendung

und -empfehlung

ermächtigte Organe

M i t derselben Formel wurden auch die offen gebliebenen Differenzen zu der Frage überdeckt, ob neben dem Sicherheitsrat auch andere Organe zur Gewaltanwendung ermächtigt seien. Anlaß für eine Diskussion bot vor allem op. para. I I I des Weststaatenentwurfs, der nicht nur regionalen Organisationen eine solche Kompetenz zuerkannte, sondern durch Verwendung der Worte „pursuant to decisions of or authorization by competent United Nations Organs" auch die Möglichkeit offen ließ, daß andere UNO-Organe, wie etwa die Generalversammlung, mit solchen Befugnissen ausgestattet sein könnten. Letzterem Schluß stand auch der Blockfreienentwurf m i t seinem op. para. I 7 1 , zumindest nicht i m Wege, während die Befugnisse regionaler Organisationen i n op. para. 4 7 2 , wenn auch m i t anderem Inhalt als i m Weststaatenentwurf, so doch wie dort, positiv geregelt wurden. 66 (Anm. 54), S. 84: „ A country w o u l d obviously not be justified i n responding to a minor frontier incursion w i t h a devasting full-scale attack." 67 (Anm. 54), S. 88: „ . . . a sledge hammer could not legitimately be used to protect oneself from the bite of a flee". 68 (Anm. 54), S. 88. 69 (Anm. 54), S. 89. 70 USA (Anm. 54), S. 86; Großbritannien, ebd., S. 84. 71 „ I n the performance of its function to m a i n t a i n international peace and security, the United Nations only has competence to use force i n conformity w i t h the Charter." 72 Siehe unten, T e x t zu A n m . 79.

1 7 6 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

(1) Die Generalversammlung Was die unausgesprochenen Befugnisse der Generalversammlung betrafen, wie sie i n Anlehnung an die „Uniting for Peace Resolution" des Jahres 195073 vor allem vom norwegischen Delegierten 74 als rechtmäßig anerkannt und vom amerikanischen Vertreter grundsätzlich als ständige UN-Praxis bestätigt wurden 7 5 , so stießen derartige Interpretationen auf den heftigen Widerstand des sowjetmarxistischen Blocks 76 , während die Blockfreien einer Diskussion weitgehend auswichen. (2) Regionale Organisationen Ausgiebiger wurden dagegen alle m i t der Problematik der Gewaltanwendung durch regionale Organisationen 77 zusammenhängenden Fragen diskutiert, da es hier zu Machtzentren außerhalb der Vereinten Nationen Stellung zu nehmen galt, deren Machtfülle ein Großteil der Mitgliedsstaaten des Sonder- und Rechtsausschusses i n weitaus höherem Maße zu spüren bekamen als die begrenzten Einflußmöglichkeiten einer nur bedingt handlungsfähigen Weltorganisation. Entsprechend ihren Interessen als militärisch schwache Staaten bestanden die Blockfreien, unter ihnen besonders die lateinamerikanischen und afrikanischen Länder sowie Rumänien und Jugoslawien, auf einer engen Auslegung des A r t . 53 Ziffer 1 SVN, der den Universalismus i n Gestalt der Vereinten Nationen eindeutig über den Regionalis73

G A Res. 377 (V), 3.11.1950. A / A C . 134/SR. 67, S. 10: „ W i t h regard to the Security Council, he had said that the definition of aggression should safeguard the discretionary power of the Security Council . . . but w i t h o u t preventing any other United Nations organ, for example, the General Assembly, from intervening i n the event of an impasse. That point of v i e w was based on Articles 10, 11 and 14 of the Charter." 75 (Anm. 74), S. 12: „ U n i t e d Nations practice since 1950", ausführlicher A/AC. 134/SR. 59, S. 68 f. Allerdings legten sich die Weststaaten nicht dahingehend fest, daß eine Empfehlung der Generalversammlung stets zu beachten sei. H i e r f ü r sorgte die Klausel „consistent w i t h the Charter of the United Nations" i n op. para. I I I ihres Entwurfs, siehe USA, A / A C . 134/SR. 69, S. 58 f.: „The United States and some other Members of the U n i t e d Nations believed that the General Assembly . . . had limited competence i n that sphere . . . The phrase »consistent w i t h the Charter of the United Nations 4 had, among its other virtues, a measured recognition of the position of other Members. I f any Members believed that an action of a United Nations organ or regional organization was inconsistent w i t h the Charter, the provision i n question enabled them to state their point of view." 76 So die UdSSR (Anm. 74), S. 9: „ H e was surprised that some representatives, including the representative of Norway, should w i s h to confer that authority on the General Assembly, i n flagrant violation of the text of the Charter. The same idea emerged i n paragraph I I I of the Six-Power draft. He was strongly opposed to i t and w o u l d even l i k e to see the definition specify that the Security Council was the only organ competent to use force. 44 ( Ä h n lich auch Bulgarien, ebd., S. 4 f.) 77 K a p i t e l V I I I (Art. 52 ff.) SVN. 74

Β . Verlauf der Konsensbildung

177

mus lokaler Gruppierungen gestellt habe 78 . Sie alle sahen entsprechend op. para. 4 des Blockfreienentwurfs nur solche Aktionen regionaler Organisationen als legal an, die auf einer vorangegangenen Entscheidung des Sicherheitsrates beruhten, aufgrund derer jene also i m A u f trag und nicht etwa m i t dessen mutmaßlicher Einwilligung oder späterer Genehmigung tätig würden 7 9 . Autonomes Handeln sei nur gegenüber ehemaligen Feindstaaten gestattet 80 . Ännlich eindeutig äußerten sich die Vertreter des Sudan 81 , Guyanas 82, Zyperns 83, Rumäniens 84 und Jugoslawiens 85, um nur einige repräsentative Staaten zu nennen 86 . Insbesondere eine vetobedingte Entscheidungsunfähigkeit des Sicherheitsrates könne niemals zum Anlaß genommen werden, Gewaltmaßnahmen durch regionale Organisationen als mit dessen „wahrem" Willen übereinstimmend, und somit von i h m autorisiert, anzusehen, mag dieser auch wegen der Veto- und Stimmenthaltungspraxis seiner ständigen und nichtständigen Mitglieder bisher noch nie zu einem positiven „Ermächtigungsbeschluß" gemäß Art. 53 SVN gekommen sein 87 . Erklärten sich diese Staaten ausschließlich zum Verständnis des Wortes „authorization " i n A r t . 53 SVN, also der Frage, ob der Sicher78

Ecuador (Anm. 74), S. 13. Siehe auch op. para. 6 des (lateinamerikanischen) „4-Staatenentwurfs" A/AC. 134/L. 4: „The use of force by regional agencies, except i n the case of self-defence, shall require the express authorization of the Security Council, i n accordance w i t h article 53 of the Charter of the U n i t e d Nations." 80 Ecuador (Anm. 78): „ A r t i c l e 53, w h i c h was the only A r t i c l e i n Chapter V I I I that mentioned the use of force, contained three perfectly clear rules : the first authorized the Security Council to utilize regional arrangements or agencies for enforcement action under its authority; the second prohibited any enforcement action under regional arrangements or by regional agencies w i t h o u t the authorization of the Security Council; lastly the third rule stipulated that enforcement action m i g h t be taken under regional arrangements or b y regional agencies w i t h o u t the authorization of the Security Council only i n the case of measures against an ,enemy 4 State. W i t h regard to the question wether the Security Council's authorization should be anterior or posterior to the use of force, i t could clearly only be anterior." 81 A / A C . 134/SR. 66, S. 169. 82 (Anm. 81), S. 169: „The use of force could not be justified a posteriori ." 83 A / A C . 134/SR. 68, S. 18: „ . . . authorization must precede action". 84 (Anm. 74), S. 8. 85 A/C. 6/SR. 1209, para. 16: „His delegation attached the utmost importance to the strict interpretation of the provisions of the Charter concerning selfdefence. Above all, i n accordance w i t h A r t i c l e 53 (1) no enforcement action should be taken under arrangements or by regional agencies w i t h o u t the Security Council's authorization." 86 Guatemala vertrat die enge Interpretation nur i m H i n b l i c k auf bewaffnete A k t i o n e n regionaler Organisationen, A/C. 6/SR. 1206, para. 69; umfassend dagegen Kuba, A/C. 6/SR. 1207, para. 38. 87 Ecuador (Anm. 74), S. 13 f. 79

12 B r u h a

1 7 8 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

heitsrat i n Gewaltmaßnahmen durch regionale Organisationen vorher (durch Beschluß) einwilligen müsse, oder ob auch eine spätere oder gar implizite Genehmigung der erfolgten A k t i o n ausreiche, so widmeten sich einige Staaten dem Begriff „enforcement action " i m selben A r t i kel. Da dieser nicht eindeutig zu erkennen gebe, ob er auch den Einsatz bewaffneter Gewalt umfasse, seien op. paras. 4 des Blockfreien- und I I I des Weststaatenentwurfs neu zu formulieren, da diese entweder ausdrücklich (so der Blockfreienentwurf) oder implizit (so der Weststaatenentwurf) die Zulässigkeit bewaffneter Gewaltmaßnahmen unterstellen und somit ohne Grund vom Wortlaut der Charta abweichen würden 8 8 . Die sowjetmarxistischen Staaten hingegen stellten die Zulässigkeit von bewaffneten Aktionen nicht i n Frage 89 , bzw. bejahten sie ausdrücklich 9 0 , machten diese jedoch eindeutig von einer vorherigen Zustimmung des Sicherheitsrates abhängig 91 , außer i m Fall von Maßnahmen gegen ehemalige Feindstaaten i m Sinne von A r t . 53 Ziffer 2 SVN 9 2 . I m Gegensatz hierzu standen die Äußerungen des Delegierten der USA, der darauf hinwies, daß A r t . 53 SVN nicht von einer Entscheidung (decision) 93 des Sicherheitsrates, sondern von dessen Ermächtigung (authorization) 94 spreche, so daß dieser A r t i k e l keinesfalls spezifiziere, ob diese Ermächtigung vorher oder nachher, ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen müsse bzw. dürfe 9 5 . Aus diesem Grunde könne die Einwilligung auch später oder implizit erfolgen, ohne daß gegen den Wortlaut des A r t . 53 SVN verstoßen werde 9 6 . Entscheidend sei aber, daß die Praxis dem entspreche, wenn sie auch nur auf der vetobedingten Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrates beruhe, denn „The consistent practice of the Security Council and of the Organization of American States, as authoritative interpreters of the Charter, could not be ignored. Generally speaking, i t was clearly the abuse of the r i g h t of veto i n the Security Council w h i c h had prevented that body f r o m exercising the powers conferred on i t under Chapter V I I of the Charter and which 88

So Finnland, A/AC. 134/SR. 66, S. 168, ähnlich auch Rumänien (Anm. 84). UdSSR (Anm. 76). 90 Bulgarien, A / A C . 134/SR. 86, S. 58. 91 UdSSR, A/C. 6/SR. 1206, para. 7: „ . . . to allow regional bodies to resort to force before a decision had taken by the Security Council . . . w o u l d i n any case be incompatible w i t h the provisions of A r t i c l e 53 of the Charter". 92 UdSSR (Anm. 76): „ . . . measures taken against an enemy state i n the sense of paragraph 2 of A r t i c l e 53 were the sole exceptions to the general principle". 93 So aber op. para. 4 des Blockfreienentwurfs. 94 So auch op. para. I I I des Weststaatenentwurfs. 95 ( A n m 74), S. 11, unter Hinweis auf die Reaktion der Vereinten Nationen u n d der UdSSR zu dem Vorgehen der OAS i m Zusammenhang m i t der Krise u m die Dominikanische Republik (1960). 8 talien, A / A C . 134/SR. 8 , S. . 89

Β . Verlauf der Konsensbildung

179

had led the international community to t u r n to the General Assembly or to regional bodies 9 7 ."

Japan schließlich wies darauf hin, daß die subsidiäre Stellung der regionalen Organisationen nur i n bezug auf „enforcement actions" gelte, da nur dieser Begriff von A r t . 53 SVN vorausgesetzt werde. Der Umfang der Rechte solcher Organisationen i m Rahmen ihrer kollektiven Selbstverteidigungsbefugnisse sei dagegen auch von A r t . 53 SVN i n keiner Weise beschnitten 98 . A u f die von der UdSSR 99 und Ecuador 100 angesprochenen Rechte gegenüber ehemaligen Feindstaaten gingen die Weststaaten nicht ein. Ob dies bewußt geschah, oder ob man den A r t . 53 Ziffer 2, 107 SVN keine Bedeutimg mehr beimaß, lassen die Protokolle nicht erkennen. cc) Vereinzelte Stimmerklärungen

zu Art. 6

Da A r t . 6 als reine „safeguarding clause" keine inhaltliche Regelung zum Komplex erlaubter Gewalt enthält, sahen sich die meisten Staaten auch nicht genötigt, ihre jeweiligen Auffassungen formell zu Protokoll zu geben, da diese durch die Definition insoweit gar nicht tangiert waren. Hierauf wiesen denn auch die meisten derjenigen, die i n ihren Stimmerklärungen A r t . 6 dennoch miterwähnten, ausdrücklich h i n 1 0 1 . Positiv erklärten sich einige Staaten dagegen i m Zusammenhang m i t A r t . 6, indem sie nochmals ihre divergierenden Meinungen zur Problematik der Gewaltanwendung durch regionale Organisationen bekräftigten 1 0 2 und damit die besondere politische Brisanz dieser Frage unterstrichen 1 0 3 . 97

USA (Anm. 95); siehe auch Italien (Anm. 96). (Anm. 74), S. 7. 99 A n m . 92. 100 A n m . 80. 101 Siehe etwa die USA, GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 24: „Articles 6 and . . . were classic rulings clauses which b y their very nature did not function to create rights b u t merely to provide express assurance w i t h regard to rules not being dealt w i t h . " Vgl. auch die Delegierten Frankreichs u n d Großbritanniens (ebd., S. 22 u n d 31), die sich ähnlich äußerten. 102 F ü r eine restriktive Interpretation sprachen sich Jugoslawien (Anm. 101), S. 26, u n d Kuba A./C. 6/SR 1479, para 43 aus, während sich Kolumbien (Anm. 101), S. 28, i m gegenteiligen Sinne äußerte: „ . . . the provisions of the Charter d i d not prevent regional collective security agencies from being competent also to determine the existence of an act of aggression. For e x ample, i n the inter-American system, according to the provisions of Chapter V I of the Charter of the Organization of American States and the provisions of the I n t e r - A m e r i c a n Treaty of Reciprocal Assistance, the Organ of Consultation . . . could decide to characterize an act as aggression and agree on whatever measures i t considered appropriate to restore peace i n America . . . the use of force by a regional collective security agency d i d not i n that case constitute an act of aggression . . . " . 98

1

1 8 0 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

c) A r t . 7 und Präambelparagraph 6: Qualität und Inhalt des Rechts auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit der Völker Blockfreienentwürfe: Ursprünglicher „12-Staatenentwurf", A/AC. 134/L. 3: op. para. 3; ursprünglicher „4-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 4: op. para. 7; Änderungsvorschlag, A/AC. 134/L. 7 zum ursprünglichen „13-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 6; endgültiger Blockfreienentwurf, A/AC. 134/L·. 16: op. para. 10. Sowjetischer Entwurf, A/AC. 134/L·. 12: pr. para. 3, op. para. 6. Weststaatenentwurf, A/AC. 134/L·. 17: Keine Regelung.

aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Der vorwiegend ideologisch bestimmten Variante erlaubter Waffengewalt, dem von den sowjetmarxistischen Staaten und der Mehrheit der blockfreien Länder i n Anspruch genommenen Recht auf gewaltsame Durchsetzung von Selbstbestimmungsbestrebungen, galt neben den Diskussionen u m das generelle Definitionskonzept („subjektive" oder „objektive" Definition) der größte Teil der Verhandlungen. (1) Blockfreie Staaten Bereits i n einem frühen Stadium des Konsensbildungsprozesses hatte der Delegierte Ghanas den Zweck einer Definition dahin beschrieben, daß sie die Normen der Charta weiterentwickeln solle 1 0 4 , wozu insbesondere eine Regelung geschaffen werden müsse, die klarstelle, daß der Gebrauch von Waffengewalt zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts abhängiger Völker rechtmäßig sei 1 0 5 . Ihre Basis habe — so der irakische Vertreter — eine solche Interpretation i n A r t . 1 Ziffer 2 SVN und der „Unabhängigkeitsdeklaration" 1514 (XV) 1 0 6 , woraus nicht nur folge, daß „dependent countries had the right to fight for their liberation", sondern auch, daß „ i n doing so they were fulfilling an international function" 1 0 7 . 103 Siehe zum ebenso umstrittenen P u n k t der Zulässigkeit von Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen indirekte Agressionen die Stimmerklärungen i m Zusammenhang m i t A r t . 3 Ziffer g. 104 A/AC. 134/SR. 37, S. 97: „ T o be useful as a guide, a definition must not merely repeat the provisions of the Charter b u t amplify and elaborate on them." 105 (Anm. 104), S. 98. So auch Uganda , A/AC. 134/SR. 45, S. 178; Guyana , A/AC. 134/SR. 73, S. 98; Kolumbien, ebd., S. 103; Jugoslawien, A/C. 6/SR. 1350, para. 21; Ecuador , A/C. 6/SR. 1352, para. 14; Haiti , A/C. 6/SR. 1443, para. 17; Madagaskar, A/C. 6/SR. 1444, para. 25, sowie mehrere blockfreien Staaten, die keinem E n t w u r f beigetreten waren, so insbesondere Ägypten, Algerien, Irak, Rumänien, Sudan u n d Syrien (Hinweise hierzu weiter unten i m jeweiligen Sachzusammenhang). 108 „Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples" v o m 14.12.1960. 107 A/AC. 134/SR. 73, S. 99; ähnlich auch Rumänien (ebd., S. 98) u n d Syrien (ebd., S. 102).

Β . Verlauf der Konsensbildung

181

Dabei sah die Mehrheit der blockfreien Staaten hierin einen dritten Sondertatbestand erlaubter Gewalt 1 0 8 , der gleichberechtigt neben dem der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung und dem der Gewaltanwendung gemäß eines Beschlusses oder Ermächtigung kompetender UN-Organe stehe 109 . Eine Minderheit dagegen ließ Befreiungskämpfe i n gewissen Situationen nur als Emanation des Selbstverteidigungsrechts gelten 1 1 0 , was jedoch bei anderen die Befürchtung auslöste, dann i n Gestalt von A r t . 51 SVN einen zu gestrengen Maßstab präsentiert zu bekommen 1 1 1 . Einig war man sich dagegen, daß jeder A k t von illegaler Fremdherrschaft, insbesondere Kolonialismus, „permanente Aggression" 1 1 2 sei, die auch nicht durch formale Staatsgrenzen legitimiert werde. Denn Territorien, die i m Zuge des Kolonialismus oder sonstwie okkupiert worden sind, seien Gebiete, i n denen sich Kolonialherren und andere Besatzungsmächte ohne Recht, weil außerhalb ihrer angestammten Grenzen, aufhielten 1 1 3 . Diesen gegenüber stellten „nationale Befreiungskämpfe" folglich weder innerstaatliche Rebellionen d a r 1 1 4 noch seien vertriebene Völker, die außerhalb des besetzten Gebietes leben müßten, rechtlich daran gehindert, sich ihre Heimat m i t Gewalt wiederzuholen 1 1 6 . 108

Syrien, A / A C . 134/SR. 66, S. 171; Irak, A/AC. 134/SR. 67, S. 8; Guyana (Anm. 107), S. 98. 109 Siehe auch GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 16, para. 47, sowie aus der L i t e r a t u r Klein, Nationale Befreiungskämpfe, S. 648. 110 So Ägypten (Anm. 107), S. 100: „The r i g h t of self-defence of such States did not derive f r o m declarations or pronouncements on self-determination; i t derived from A r t . 51 of the Charter. He saw no relationship between the right of self-defence of States whose territories were occupied and the question of self-determination." 111 So — ebenfalls aus dem arabischen Lager — Syrien (Anm. 107), S. 102, unter Hinweis auf die besondere Situation der Palästinenser: „Since the Palestinians were not suffering from colonial domination, they could not invoke General Assembly resolution 1514 (XV), and since they were not a State, they could not exercise their r i g h t of self-defence either." 112 Guyana (Anm. 107), S. 98, dessen Delegierter ein Recht auf „nationale Befreiungskämpfe" ansonsten als „analogous to the r i g h t of self-defence provided for i n A r t i c l e 51 of the Charter" ansah. 113 Die K r i t i k der Blockfreien galt daher vor allem auch op. para. I V B Ziffern 1 u n d 3 des Weststaatenentwurfs, insoweit dieser als Z i e l aggressiver A k t e auch das „ t e r r i t o r y under the jurisdiction of another State" bezeichnete, was der Sudan , A / A C . 134/SR. 71, S. 65, als Ausdruck territorialer Besitzansprüche interpretierte: „According to that draft, a State w h i c h tried to regain territory occupied b y foreign troops or annexed w o u l d be considered an aggressor." 114 Syrien (Anm. I l l ) : „The United K i n g d o m representative had said he could not agree to a country's being prevented f r o m suppressing a rebellion on its o w n territory. B u t i f the territory was a colonial or occupied one, the situation was different, for the colonial or occupying Power was not acting within its own frontiers ." 115 Uganda (Anm. 107), S. 93: „ . . . the geographical region w h i c h r i g h t l y belonged to i t " . Siehe zu dieser A r t von Befreiungsbewegungen — d i e nicht

182

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Dazu dürften sie auch die Hilfe anderer, schon unabhängiger Staaten entgegennehmen 116 . Was den Kreis der Subjekte „nationaler Befreiungsbewegungen" betrifft, so zog i h n op. para. 10 des Blockfreienentwurfs weit, u m nicht nur kolonialen Abhängigkeiten historischen Ursprungs, sondern auch „neo-kolonialistischen" und insbesondere „rassistischen" Formen Rechnung zu tragen, was m i t den Worten „right of peoples to self-determination, sovereignty and territorial integrity" erreicht werden sollte 1 1 7 . Wenn die blockfreien Staaten dennoch m i t op. para. 10 ansonsten hinter ihren überwiegend prononcierten Maximen zurückblieben und das brisanteste Problem, die Frage der Mittel zur Durchsetzung dieser Rechte, hinter einer „safeguarding clause" versteckten 118 , so hat dies seine Ursache darin, daß m i t den Delegierten von Mexiko, Spanien, Uruguay und Zypern auch „gemäßigte" Staaten bei den Unterzeichnern des Blockfreienentwurfs repräsentiert waren. Denn diese hatten sich während keiner Phase der Verhandlungen offen für die Anerkennung gewaltmäßiger Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts ausgesprochen 119 , so daß von ihrem Widerstand i n diesem Punkte auszugehen ist. Ausdruck dieser Uneinigkeit i m eigenen Lager sind die frühen Entwürfe blockfreier Staaten und die Tatsache, daß die Kompromißformel des op. para. 10 des endgültigen Blockfreienentwurfs erst m i t Hilfe von „außen", nämlich Frankreichs, zustande kam: Hatten anfangs nämlich sowohl der afro-asiatisch geprägte „12-Staatenentwurf" 1 2 0 und ein lateinamerikanischer Vorschlag 1 2 1 Aussagen zum Selbstbestimmungsrecht der Völker enthalten, so zeigte deren Fehlen i m ersten gemeinsamen Entwurf dieser Staaten 1 2 2 , daß die Ansichten i n dieser Frage sich nicht vollständig deckten 123 . Dies bewog den Sudan ein Volk i n seinen gegenwärtigen Grenzen, sondern ein Land befreien w o l len, i n dem das Volk, für das sie agieren, dann erst angesiedelt werden soll — auch Ansprenger, Befreiungsbewegungen, S. 31. 116 So Ghana (Anm. 104), unter Hinweis auf die Satzung der Ο A U u n d den allgemeinen Rechtssatz, daß „ i n l a w . . . a person assisting a l a w f u l act d i d not commit an offence". Siehe zur Befreiungspolitik der Ο A U u n d der von i h r anerkannten Befreiungsbewegungen auch Ansprenger (Anm. 115), S. 31 f. 117 Syrien (Anm. 107), S. 97 u n d 102. Siehe auch unten, A n m . 134. 118 Siehe die Unzufriedenheit Ägyptens (Anm. 107), S. 103: „ I n his opinion . . . the text did not go far enough." 119 So aber die arabischen Staaten, siehe unten, A n m . 159 u n d Länder w i e Pakistan, A/C. 6/SR. 1207, para. 20 u n d Zambia, A/C. 6/SR. 1208, para. 11, die alle Mittel, inklusive die Entfachung von Bürgerkriegen, f ü r l e g i t i m hielten. 120 A/AC. 134/L. 3, op. para. 3, den als einziger nicht afro-asiatischer Staat Jugoslawien unterzeichnet hatte. 121 A / A C . 134/L. 4, para. 7. 122 A/AC. 134/L. 6.

Β . Verlauf der Konsensbildung

183

und Ägypten, einen entsprechenden Zusatzvorschlag zu diesem Entwurf zu machen 124 , der jedoch nicht akzeptiert wurde. Vielmehr nahm diesen Frankreich zum Anlaß, seinerseits einen Vermittlungsvorschlag zum Selbstbestimmungsrecht zu präsentieren 125 , der i n der Formulierungstechnik op. para. 10 des endgültigen Blockfreienentwurfs vorwegnahm und anerkanntermaßen hierzu „Geburtshilfe leistete" 1 2 6 . Diese für die Blockfreien entscheidende Unterstützung durch eine westliche Großmacht, die zudem ständiges Mitglied des Sicherheitsrates ist, bewog diese Staaten schließlich, schon zu Beginn der Verhandlungen m i t einer Kompromißformel aufzuwarten, obwohl die fehlende Teilnahme von Ägypten, Algerien, Madagaskar und Syrien anzeigte, daß i n der Sache keine Einigung erreicht w a r 1 2 7 . (2) Sowjetmarxistische Staaten Sicher konnten die Blockfreien der Unterstützung der UdSSR und deren Verbündeter i n allen ihren Ansichten sein, soweit es um die Rechte und Pflichten der Beteiligten spätkolonialer Auseinandersetzungen ging. Wie jene qualifizierten auch diese Kolonialismus als fortgesetzte Aggression, die m i t bewaffneter Gewalt (in welcher Form auch immer) 1 2 8 zu bekämpfen das angeborene Recht der Völker sei, das w i dersprechendem „Besatzungsrecht" der Kolonialherren vorgehe 129 . „Nationale Befreiungskriege" seien somit keine „acts of internal aggression" 1 3 0 , bzw. stellten per se schon keine Aggressionen dar 1 3 1 . Ebenso sahen sie op. para. I V B Ziffern 1 und 3 des Weststaatenentwurfs als 123 Denn die Verfechter eines „harten Kurses", Ägypten, Algerien, Madagaskar u n d Syrien hatten sich an der Ausarbeitung dieses Entwurfs nicht beteiligt. Ansonsten hatten alle anderen Unterzeichner der beiden früheren Entwürfe — u n d zusätzlich Spanien — unterschrieben. 124 A / A C . 134/L. 8, para. 2. (Text i m Dokumentenanhang.) 125 A/AC. 134/SR. 30, S. 30: „The amendments submitted b y the Sudan and the United Arab Republic . . . should therefore be amended as follows: ,Nothing i n the foregoing may be interpreted as restricting the scope of the provisions of the Charter relating to the r i g h t of peoples to self-determination." 129 So Zypern beim Einbringen des Blockfreienentwurfs, A / A C . 134/SR. 42, S. 147. Schließlich auch Ägypten u n d Frankreich selbst, (Anm. 107), S. 101 u n d 103. 127 Siehe den Änderungsvorschlag Syriens i n : GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 19, wonach op. para. 10 des Blockfreienentwurfs u m den Satzteil „or as preventing the use of armed force by dependent peoples i n order to exercise their inherent r i g h t of self-determination" ergänzt werden sollte. 128 Deutlicher als diese erklärte der sowjetische E n t w u r f ausdrücklich bewaffnete Gewalt f ü r zulässig, siehe op. para. 6 des Entwurfs. 129 UdSSR, A / A C . 134/SR. 39, S. 121 ff. 130 UdSSR (Anm. 129), S. 122. 131 Bulgarien, A / A C . 134/SR. 47, S. 206.

184

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Versuch an, Kolonialsysteme m i t Hilfe der Definition zu sanktionieren 1 3 2 . Anders als die Blockfreien band die UdSSR das geforderte Recht auf „nationale Befreiungskämpfe" aber an die „Unabhängigkeitsdeklaration" 1514 (XV) an und gewährte vorsichtiger als diese nur einen A n spruch auf Selbstbestimmung 133 , während der Blockfreienentwurf i n diesem Zusammenhang auch das Recht der Völker auf Souveränität und territoriale Integrität genannt hatte 1 3 4 . Dahingegen widmete sich der sowjetische Entwurf auch dem passiven Aspekt des antikolonialen Selbstbestimmungsrechts, indem pr. para. 3 Gewaltanwendung zur Unterdrückung dieses Rechtes für unvereinbar m i t den Menschenrechten, der Charta der Vereinten Nationen und als ein Hindernis auf dem Wege der Entwicklung der Zusammenarbeit und der Errichtung des Weltfriedens erklärte. (3) Die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs Die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs bestanden demgegenüber zu Beginn der Verhandlungen auf ihrer Interpretation des Selbstbestimmungsrechts als eines rein demokratischen 135 Prinzips, das ein innerstaatliches Problem und folglich i n einer Definition zwischenstaatlicher Aggression fehl am Platze sei 1 3 6 . Die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts m i t Waffengewalt sei vielmehr eine Rebellion, die durch keine Völkerrechtsnorm gerechtfertigt werden könne, zumal die Charta der Vereinten Nationen ein System für die Verwaltung unabhängiger Gebiete 1 3 7 geschaffen habe, das Gewaltanwendung ausschließe 138 . E i n „Recht zur Revolte" unter Verletzung internationaler Grenzen sei eine Wiederbelebung „gerechter Kriege" 1 3 9 , wobei der Bereich potentieller Anwendungsfälle un132

UdSSR, A / A C . 134/SR. 46, S. 185. Op. para. 6 ihres Entwurfs. 134 Dazu Syrien (Anm. 107), S. 97: „ T h a t was justified, since i t was also necessary to take into account the case of peoples w h o were victims of neocolonialism and of peoples whose territory was occupied, for they also were oppressed. The thirteen-Power draft had therefore the merit of giving the right to use force to all oppressed peoples, and not only to dependent peoples i n the sense of General Assembly resolution 1514 (XV)." Vgl. auch den Bericht der Arbeitsgruppe der 3. Sitzungsperiode, GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 66, para. 29. 135 Siehe zum „innerstaatlich-demokratischen" Selbstbestimmungsverständnis Delbrück, Selbstbestimmung u n d Dekolonisation, S. 102 ff. 136 Italien, A / A C . 134/SR. 33, S. 57: „ . . . t h a t principle concerned the internal affairs of a state and had no place i n a definition of aggression, which concerned relations between t w o or more States". 137 K a p i t e l X I u n d X I I der Charta. 138 Australien, A / A C . 134/SR. 38, S. 109 u n d SR. 73, S. 95. 133

Β . Verlauf der Konsensbildung

185

übersehbar sei, wie es die geforderte Gleichstellung abhängiger m i t unterdrückten V ö l k e r n 1 4 0 erweise: Denn dies laufe auf ein angebliches Hecht demokratischer Staaten hinaus, Völker, die ihnen unterdrückt zu sein erscheinen, durch Sturz der Regierung eines diktatorischen Staates zu befreien 1 4 1 . „Such a doctrine was false, both i n law and i n politics, and i t had never been recognized by the United Nations . . . for to do so would seriously jeopardize the primacy of the l a w " 1 4 2 . bb)

Kompromißbildungsphase

(1) Die „präjudizielle" Wirkung der „Prinzipien-Deklaration" Wenn es dennoch zu Verhandlungen über einen Kompromißtext kam, dann vor allem deshalb, weil der zeitweilig parallel tagende UN-Sonderausschuß über die Grundprinzipien des Völkerrechts 1 4 8 vor Beginn der dritten Sitzungsperiode des Sonderausschusses zur Definition der Aggression i n Genf den endgültigen konsensualen Deklarationsentwurf über die sieben Prinzipien fertigstellen konnte 1 4 4 , die u. a. auch eine substantielle Vereinbarung über das Selbstbestimmungsrecht der Völker und dessen Anerkennung als Rechtsprinzip 145 enthielten 1 4 6 . Fortan ließ sich das Argument der Weststaaten, eine Einbeziehung der Selbstbestimmungsproblematik i n die Definition verbiete sich, weil sie nicht die internationalen Beziehungen berühre, kaum noch glaubhaft vertreten 1 4 7 . Ebenso wenig überzeugungskräftig war das „Ersatzargument", aus diesem Grunde könne sich der „Aggressionsausschuß" die Thematik ersparen 148 . Denn die ständig praktizierte Resolutionentechnik der Generalversammlung m i t ihren zahlreichen Rezitierungen und inhalt139

USA, A/AC. 134/SR. 67, S. 10 f. Siehe die Äußerung des syrischen Delegierten, oben, A n m . 134. 141 USA, A/AC. 134/SR. 73, S. 98. 142 USA (Anm. 141), S. 98 f. 143 Der Ausschuß über die „Grundprinzipien des Völkerrechts über die freundschaftlichen Beziehungen u n d die Zusammenarbeit der Staaten" tagte i n sechs Sitzungsperioden von 1964 - 1970. (Genauere Übersicht über Zeiten, Orte u n d Beschlüsse bei zu Dohna [Anm. 27], S. 45.) 144 Die letzte Sitzungsperiode fand v o m 31. 3. bis 1. 5.1970 i n Genf statt, dort Beginn der d r i t t e n Sitzungsperiode des „Aggressionsausschuß" am 13. 7.1970. 145 Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 176. 146 V o r allem das (fünfte) Prinzip der „gleichen Rechte u n d der Selbstbestimmung der V ö l k e r " sowie — verstreut — Absätze i n der Präambel u n d anderen Prinzipien. 147 So Syrien (Anm. 107), S. 96, unter Hinweis auf den T i t e l der „ P r i n z i pien-Deklaration". 148 So Italien (Anm. 107), S. 94, u n d Großbritannien, A/AC. 134/SR. 85, S. 52. 140

186

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

liehen Überschneidungen ließen eine ernsthafte Diskussion hierüber nicht erwarten. (2) Verlauf bis zum „vorkonsensualen" Entwurf des Jahres 1973 I m Jahr auf die konsensuale Annahme der „Prinzipien-Deklarat i o n " 1 4 9 konnte die Arbeitsgruppe der vierten Sitzungsperiode des „Aggressionsausschusses" zum ersten M a l vermelden, daß, trotz aller grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten 150 , beschlossen worden sei, op. paras. 6 des sowjetischen und 10 des Blockfreienentwurfs als Diskussionsbasis zu verwenden 1 5 1 . Tatsächlich aber waren die Weichen bereits für das flexiblere Prinzip des Blockfreien-Vorschlags gestellt, da ein solches auch die Basis des Konsenses i m Rahmen der „Prinzipien-Deklaration" gebildet hatte. Wenn dort nämlich der aktive und negative Status des Selbstbestimmungsrechts i n der Weise beschrieben wurde, daß „Every State has the d u t y to refrain f r o m any forcible action which deprives peoples referred to above i n the elaboration of the present principle of their r i g h t to self-determination and freedom and independence. I n their actions against, and resistance to, such forcible action i n pursuit of the exercise of their right to self-determination, such peoples are entitled to seek and to receive support i n accordance w i t h the purposes and principles of the Charter 1 5 2 ."

so war damit der erreichbare Konsens insoweit umrissen, als wohl ein Verbot gewaltmäßiger Vorenthaltung des Selbstbestimmungsrechts, nicht aber die Anerkennung seiner gewaltsamen Durchsetzung i m Bereich des Möglichen lag. So erklärten sich 1972 die Weststaaten nur bereit, auf der Grundlage von op. para. 10 des Blockfreienentwurfs einer Einbeziehung des Selbstbestimmungsrechts zuzustimmen 1 5 3 , allerdings m i t der Einschränkung, daß die Worte „Souveränität" und „territoriale Integrität" entfallen, da deren Bedeutung unklar sei und die Charta Rechte dieser A r t nicht Völkern, sondern nur Staaten gewähre 1 5 4 . 149

Die „Prinzipien-Deklaration" wurde am 24.10.1970 angenommen. Siehe paras. 22 u n d 23 des Berichts der Arbeitsgruppe, GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 36, u n d A n n e x I V , S. 44. 151 Para. 24 des Berichts der Arbeitsgruppe (Anm. 150), S. 37. 152 Absatz 5 des „Prinzips der gleichen Rechte u n d der Selbstbestimmung der Völker". 153 Siehe Australien, A / A C . 134/SR. 95, S. 33, u n d Großbritannien, A/AC. 134/SR. 96, S. 53. 154 Australien (Anm. 153): „ H e found i t difficult to understand w h y some States were not only prepared to accept, but actively sought, a formula that could readily be applied to j u s t i f y the dismemberment and even the disintegration of any existing State, including their own." 150

Β . Verlauf der Konsensbildung

187

A u c h die S o w j e t u n i o n v e r z i c h t e t e auf eine ausdrückliche Beschränk u n g des S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t s a u f V ö l k e r i m S i n n e d e r U n a b h ä n g i g k e i t s d e k l a r a t i o n 1514 ( X V ) 1 5 5 , so daß die z w e i d e r „ I n f o r m a l N e g o t i a t i n g G r o u p " des J a h r e s 1972 v o r l i e g e n d e n A l t e r n a t i v e n 1 5 6 „ w e i c h e " K o m p r o m i ß f o r m e l n w a r e n , w o v o n d i e erste i d e n t i s c h m i t op. para. 10 des B l o c k f r e i e n e n t w u r f s w a r , u n d d i e z w e i t e n i c h t s anderes als e i n e n V e r w e i s a u f d e n f ü n f t e n G r u n d s a t z d e r „ P r i n z i p i e n - D e k l a ration" darstellte157. Schienen diese F o r m e l n n i c h t w e n i g e n M i t g l i e d e r n des S o n d e r - u n d Rechtsausschusses b e r e i t s a k z e p t a b l e L ö s u n g s m ö g l i c h k e i t e n z u b i e t e n 1 5 8 , so w a r e n sie V e r f e c h t e r n eines „ h ä r t e r e n K u r s e s " , insbesondere d e n arabischen S t a a t e n n i c h t „ s c h a r f " genug, w i e es v o r a l l e m e i n syrischer E r g ä n z u n g s v o r s c h l a g z u r ersten A l t e r n a t i v e e r w i e s 1 5 9 . D i e H a n d s c h r i f t des syrischen D e l e g i e r t e n , d e r i n der „ c o n t a c t g r o u p " der „ v o r k o n s e n s u a l e n " Phase des Jahres 1973 d i e arabischen S t a a t e n r e p r ä s e n t i e r t e 1 6 0 , w a r auch aus d e m „ c o n s o l i d a t e d t e x t of t h e r e p o r t s of t h e contact g r o u p s a n d of t h e d r a f t i n g g r o u p " 1 6 1 ( „ v o r k o n s e n s u a l e r " E n t w u r f ) herauszulesen, dessen A r t . 5 l a u t e t e „None of the preceding paragraphs may be interpreted as l i m i t i n g the scope of the Charter's provisions concerning the r i g h t of peoples to selfdetermination or as preventing peoples under m i l i t a r y occupation or any form of foreign domination i n their actions against and resistance to such alien domination f r o m using force and seeking or receiving support and assistance i n order to exercise their inherent r i g h t to self-determination i n accordance w i t h the Principles of International L a w concerning Friendly iss w e n n auch unter Bewahrung ihrer engen Interpretation u n d i m H i n blick auf Zugeständnis bei anderen Definitionsteilen, siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 21, dort unter „The r i g h t of peoples to self-determination". 156 GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 17. 157 „None of the preceding paragraphs shall be interpreted as l i m i t i n g the scope of the Charter's provisions concerning the equal rights and selfdetermination of peoples as elaborated i n the Declaration on Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations." 158

Siehe den Bericht des Rechtsausschusses, Doc. A/8929, para. 35. Danach sollte op. para. 10 des Blockfreienentwurfs u m die Worte „or as preventing the use of armed force b y dependent peoples i n order to exercise their inherent right of self-determination" erweitert werden, siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 17 u n d 19. Dagegen Großbritannien , A / A C . 134/SR. 96, S. 53, kompromißbereit Ägypten, ebd., S. 56: „ . . . alternative 1 was acceptable . . however he had no objection to the use of complementing that alternative w i t h the proposal by the Syrian A r a b Republic". 180 Die zweite Kontaktgruppe, die sich u. a. der Selbstbestimmungsproblem a t i k zu w i d m e n hatte, bestand i m übrigen aus Bulgarien, Frankreich, Ghana, Rumänien, der UdSSR, Zypern u n d zwei Unterzeichnern des Weststaatenentwurfs, siehe GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 13. ιβι Text i m Dokumentenanhang. 159

1 8 8 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations 1 6 2 ."

und der i n mungsrechts armed force freedom and

pr. para. 6 die negative Komponente des Selbstbestimm i t der Formel „Reaffirming the duty of States not to use to deprive peoples of their right to self-determination, independence" umschrieb.

Der Erfolg war, daß derselbe Bericht i m Anschluß an den konsolidierten Definitionsentwurf die Uneinigkeit der Delegierten zu den beiden Passagen vermerken mußte 1 6 3 . (3)

Korrektur des „vorkonsensualen" Entwurfs

(3.1) Kriterien der Korrektur Die entscheidenden Schwächen waren dabei nicht darin zu sehen, daß der Text nicht entschieden genug der extremen Auffassung einiger blockfreier Länder entgegen k a m 1 6 4 , da auf einer derartig einseitigen Basis ohnehin keine Einigung erzielbar war, sondern i n der Abweichung gegenüber dem i n der „Prinzipien-Deklaration" erarbeiteten Kompromiß 1 6 5 . Anders als A r t . 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs hatte diese nämlich nicht den Gebrauch von Gewalt schlechthin, sondern neutral nur „actions against, and resistance to" für zulässig erklärt — und dies nur gegen gewaltsame Unterdrückung des Redites auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit, während jener anstelle der beiden letzten Begriffe die Rechte von Völkern „unter militärischer Besetzung oder sonstiger Fremdherrschaft" nannte. Die Vorbehalte Frankreichs 166 zur letzteren Abweichung und der angelsächsischen Staaten zum Gewaltbegriff 1 6 7 zeigten an, daß Art. 5 i n 162 Hervorhebung v o m Verfasser. Nach den Worten des sowjetischen Delegierten eine „amalgamation of the t e x t proposed i n 1972, the Syrian proposal and a whole series of comments formulated b y various delegation", A / A C . 134/SR. 109, S. 47. 163 GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 19. 164 So w o l l t e Algerien, GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 23, m i t seinem Vorschlag: „ A f t e r the words ,None of the preceding paragraphs' add the words ,and particular article 3, subparagraph ( g)" 9 nicht n u r klarstellen, daß unter Gewalt i m Sinne des A r t . 5 (vor allem) Waffengew alt gemeint sei, sondern daß dieser Begriff besonders auch indirekte, subversive M i t t e l u m fasse. Siehe auch Sudan u n d Syrien, A / A C . 134/SR. 108, S. 35 u n d 38. 165 Italien erklärte i n bezug auf A r t . 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs, daß es nur solche Vorschläge akzeptiere, die u. a. m i t der „Prinzipien-Deklaration" i n Übereinstimmung zu bringen seien, A / A C . 134/SR. 106, S. 27 (im selben Sinne auch Kanada, ebd., S. 23). 166 A/AC. 134/SR. 108, S. 40: „ . . . his delegation entered a reservation on the inclusion of the words ,or any form of foreign domination ' which m i g h t be used as a pretext for attempts at secession w i t h i n a political entity or for an attack on the territorial integrity of a State".

Β . Verlauf der Konsensbildung

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dieser F o r m n i c h t bestehen k o n n t e . D o c h auch p r . para. 6, d e r zunächst den i n der „ P r i n z i p i e n - D e k l a r a t i o n " erzielten Konsens über ein V e r b o t g e w a l t m ä ß i g e r V o r e n t h a l t u n g des S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t s — sogar i n schwächerer F o r m 1 6 8 — n u r w i e d e r h o l t e , w a r n i c h t a l l g e m e i n a k z e p t a bel, d a er, losgelöst aus d e m K o n t e x t d e r „ P r i n z i p i e n - D e k l a r a t i o n " , e i n anderes G e w i c h t e r h a l t e n h a t t e . (3.2) K o r r e k t u r des P r ä a m b e l p a r a g r a p h e n 6 D o r t n ä m l i c h f o l g e n d e r B e s c h r e i b u n g des a k t i v e n u n d n e g a t i v e n S t a t u s des S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t s d u r c h A b s a t z 5 des „ P r i n z i p s d e r gleichen Rechte u n d d e r S e l b s t b e s t i m m u n g d e r V ö l k e r " e i n siebter u n d achter A b s a t z , w e l c h e d i e v o r a n g e g a n g e n e n A u s s a g e n m i t d e n W o r t e n einschränken, daß „Nothing i n the foregoing paragraphs shall be construed as authorizing or encouraging any action which w o u l d dismember or impair, totally or i n part, the t e r r i t o r i a l integrity or political u n i t y of sovereign and independent States conducting themselves in compliance with the principle of equal rights and self-determination of peoples as described above and thus possessed of a government representing the whole people belonging to the territory w i t h o u t distinction as to race, creed or colour 1 ® 9 ." u n d daß, so A b s a t z 8, „Every State shall refrain f r o m any action aimed at the p a r t i a l or total disruption of the national u n i t y and t e r r i t o r i a l integrity of any other State or country 1 7 0 ." D a e i n v e r g l e i c h b a r e r V o r b e h a l t z u m Schutze solcher Staaten, die d e m S e l b s t b e s t i m m u n g s p r i n z i p d u r c h eine, das ganze V o l k ohne A n s e h u n g v o n Rasse, G l a u b e oder H a u t f a r b e r e p r ä s e n t i e r e n d e R e g i e r u n g n a c h k o m m e n 1 7 1 , i m „ v o r k o n s e n s u a l e n " E n t w u r f n i c h t „expressis v e r b i s " 1 7 2 187 Kanada, A / A C . 134/SR. 106, S. 23: „ . . . i t was particular important to delete the expression ,from using force'". Ä h n l i c h Großbritannien u n d die USA, SR. 108, S. 41 u n d 43. 188 I m Gegensatz zu dieser untersagte er j a nicht jede F o r m der Gewaltanwendung („any forcible action"), sondern n u r „ t o use armed force". A l l e r dings sollte m i t diesem Formulierungsunterschied keine Einschränkung v e r bunden sein, w i e der insoweit beibehaltene Wortlaut des endgültigen pr. para. 6 zeigt, dem eine pauschale Bestätigung der „Prinzipien-Deklaration" i n pr. para. 8 folgt. M i t der Abweichung soll offensichtlich n u r der Bezug zur Definition bewaffneter Gewalt unterstrichen werden; siehe auch Syrien, A/AC. 134/SR. 73, S. 96. 189 Hervorhebungen v o m Verfasser. 170 Dieser Absatz entspricht op. para. 6 der „Unabhängigkeitsdeklaration" 1514 (XV): „ A n y attempt aimed at the p a r t i a l or total disruption of the national u n i t y and the t e r r i t o r i a l integrity of a country is incompatible w i t h the purposes and principles of the Charter of the United Nations." 171 Siehe auch den dieser Bestimmung zugrundeliegenden E n t w u r f der USA, A / A C . 125/L. 32, der die Verhandlungsbasis der westlichen Staaten formulierte (wiedergegeben bei Ermacora, Selbstbestimmung, S. 63), Ziffer Β des Entwurfs: „The existence of a sovereign and independent State possessing a representative Government, effectively functioning as such as to a l l

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I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

enthalten war, sahen die Weststaaten i n pr. para. 6 eine Klausel, die die staatliche Souveränität und territoriale Integrität i n zu einseitiger Weise beschneidet bzw. gefährdet 1 7 3 . Weil andererseits eine auch nur teilweise Übernahme der differenzierten Selbstbestimmungsregelung, wie sie die „Prinzipien-Deklaration" enthält, den Rahmen einer Aggressionsdefinition gesprengt hätte, wurde vorgeschlagen, pr. para. 6 einen Hinweis auf die territoriale Integrität anzufügen 174 , damit ein Ansatz für eine entsprechende Inter pretation geboten werde. Spanien dagegen wollte die territoriale Integrität i n A r t . 5 behandelt sehen, u m sie auch als Recht der Völker, nicht nur der Staaten, zu klassifizieren 175 , wie dies schon von op. para. 10 des Blockfreienentwurfs vorausgesetzt worden war. Der Widerstand der westlichen Staaten i n diesem Punkt war jedoch wiederholt ausgedrückt worden 1 7 6 , so daß die Blockfreien schließlich der „Präambellösung" i n Gestalt von pr. para. 6 der Definition zustimmten 1 7 7 . Deren Schlußklausel „or to disrupt territorial integrity ", die weder sachlich noch semantisch zum übrigen Inhalt des Paragraphen zu passen scheint, ist daher Argumentationshebel für die nicht erledigten sachlichen Differenzen 1 7 8 . (3.3) Korrektur des A r t . 5 Erheblich komplizierter vollzog sich die Metamorphose des „vorkonsensualen" A r t . 5 i n die Form des A r t . 7 der Definition, wobei es vor allem den widerstreitenden Ansichten zu Voraussetzungen und Mitteln der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts Rechnung zu tragen distinct peoples w i t h i n its territory, is presumed to satisfy the principle of equal rights and self-determination as regards those peoples." Dazu eingehender zu Dohna (Anm. 27), S. 206, u n d Arangio-Ruiz, Normative Role of the General Assembly, S. 570 ff. 172 A r t . 5 enthielt n u r einen pauschalen Vorbehalt zugunsten der „ P r i n zipien-Deklaration". 173 Großbritannien , A / A C . 134/SR. 108, S. 41: „ I t d i d not believe a State could be prevented from using armed force to counter the use of force by persons or groups seeking to change the l a w b y violent means." Siehe auch den Vorbehalt Italiens , GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 24. 174 Siehe GOAR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 18 (ohne Nennung der v o r schlagenden Delegation). 175 A / A C . 134/SR. 107, S. 32, zustimmend Syrien, A / A C . 134/SR. 108, S. 38; siehe auch GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 20. 176 Siehe oben, A n m . 154. 177 So auch Spanien, A/C. 6/SR. 1472, para. 38. 178 Dies w i r d deutlich, vergleicht m a n diese Klausel m i t der i m Rechtsausschuß vorgeschlagenen („or against the territorial integrity of any other State", Doc. A/9411, S. 7), die die territoriale Integrität also als ein ausschließliches Recht der Staaten behandelt hätte.

Β . Verlauf der Konsensbildung

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galt. Den Weg zur Erreichung dieses Ziels wies dabei wiederum der guyanische Delegierte 179 , in dessen Kompromißtext sowohl die Möglichkeit zur restriktiven Interpretation der Träger als auch der Mittel zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts eingebaut waren ohne extensiven Auslegungsversuchen i m Wege zu stehen. Wenn es dort nämlich hieß, daß „ N o t h i n g i n this definition shall be construed so as to i m p a i r the inherent rights to self-determination and independence of peoples under colonial régimes and other forms of foreign domination or to invalidate the legitimacy of their struggle, i n particular, the just struggle of national liberation movements i n accordance w i t h the purposes and principles of the United Nations Charter and the Declaration on Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accorcance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations 1 8 0 ."

so waren zwar Kolonialvölker als Träger des Selbstbestimmungsrechts ausdrücklich, aber nicht ausschließlich, genannt, und die ihnen erlaubten Selbsthilfemittel waren m i t dem Begriff „struggle" sehr undeutlich umrissen, zumal derartige „Kämpfe" i m Einklang m i t den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen und der „Prinzipien-Deklaration" zu stehen hatten. Die Abweichungen des A r t . 7 gegenüber diesem Vorschlag und dem Art. 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs lassen die neuralgischen Punkte der Vereinbarung erkennen, soweit es sich nicht nur u m äußerliche Korrekturen zur Angleichung an den Text der „Prinzipien-Deklaration" handelt 1 8 1 . (3.3.1) Schutzgut des Rechts Letzteres t r i f f t auch für die Umschreibung des Rechts als eines auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit zu 1 8 2 , da dies auch die Formulierung der „Prinzipien-Deklaration" 1 8 3 und der „Declaration on the Strengthening of International Security" 1 8 4 ist und j a auch von pr. para. 6 des „vorkonsensualen" Entwurfs i n dieser Form schon definiert worden war. Nichtsdestoweniger ist diese, i m Grunde schon 1973 akzeptierte Formel ein Kompromiß zwischen der restriktiven sowjetischen Konzeption, die i n pr. para. 3 ihres Entwurfs nur vom „right to 179 Dessen Feder bereits der Kompromiß zwischen dem objektiven u n d subjektiven Definitionskonzept entstammte. 180 GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 24. 181 Was wiederholt gefordert wurde, siehe den Bericht des Rechtsausschusses, Doc. A/9411, para. 28 u n d die Niederlande, A/C. 6/SR. 1442, para. 13. 182 Wohingegen der „vorkonsensuale" A r t . 5 n u r v o m Recht auf Selbstbestimmung sprach u n d i m guyanischen Vorschlag der Begriff „Freiheit" fehlte. 183 Siehe den Textauszug, oben, A n m . 152. 184 G A Res. 2734 ( X X V ) , 16.12.1970, dort para. 19.

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self-determination in accordance w i t h General Assembly resolution 1514 (XV)" gesprochen hatte, und den Blockfreien, die hierzu auch ein Recht auf „Souveränität und territoriale Integrität" gezählt hatten 1 8 5 . (3.3.2) Träger des Rechts Dagegen war der Streit u m die Regelungsform des Anwendungsbereichs des Selbstbestimmungsrechts auch nach der vorletzten Sitzungsperiode noch nicht ausgetragen, wie die modifizierte Beschreibung der Träger des Rechts beweist. Denn anders als die vorhergehenden Entwürfe wurde i n A r t . 7 festgehalten, daß man bei den Völkern i m Sinne der „Prinzipien-Deklaration" vor allem an solche unter kolonialer und rassistischer Herrschaft sowie sonstiger Fremdbestimmung denke, was zwar nicht zwingend den Kreis potentieller Selbstbestimmungsaspiranten enger zieht 1 8 6 , aber doch bestimmte Gruppen hervorhebt und die Gleichstellung ungenannter Völker zumindest tatsächlich erschwert 187 . Einschränkende Funktion soll überdies die zusätzlich installierte Sicherung haben, daß es sich u m „peoples forcibly deprived of that right" handeln müsse, womit die Aggressionsdefinition enger an die „Prinzipien-Deklaration" angebunden wurde, die zwar das Selbstbestimmungsrecht allen Völkern zuerkennt, Selbsthilfemaßnahmen aber nur i m Falle gewaltsamer Entziehung dieses Rechtes gestattet 188 . Hier wie dort läßt die Wahl der Formulierung allerdings offen, ob diesen Voraussetzungen nur gegenwärtige, gewaltmäßige Vorenthaltungen des Selbstbestimmungsrechtes genügen, oder ob auch Deprivationsfälle historischen Ursprungs das Selbsthilferecht auslösen können, was angesichts der gewaltmäßigen Entstehungsgeschichte vieler inzwischen konsolidierter Staaten die Einschränkung nahezu bedeutungslos machen könnte 1 8 9 . 185 Op. para. 10 des Blockfreienentwurfs. Nach Arangio-Ruiz (Anm. 171), S. 567, A n m . 69, ist die Einbeziehung des Begriffs „Freiheit" ein weiteres Element zur Stärkung des Verständnisses des Selbstbestimmungsrechts als eines universellen Rechts. 186 Das Bindewort „ p a r t i c u l a r y " setzt j a voraus, daß das Selbstbestimmungsrecht auch anderen V ö l k e r n zustehen könne; denselben Effekt b e w i r ken die Worte „or other forms of alien domination". (Darüber hinaus sind natürlich auch die Worte „colonial and racist régimes" manipulierbar, siehe Stone, Definition of Aggression, S. 235.) 187 Eine darüber hinausgehende Hinderung i n F o r m eines „Auslegungsgebots" besteht nicht, da der W o r t l a u t nicht so gefaßt ist, daß die ungenannten Völker an den K r i t e r i e n der genannten zu messen wären, so daß n u r quasi-koloniale oder quasi-rassistische Fälle i n Betracht kämen. (Anders w e n n es etwa geheißen hätte: „or comparable forms of alien domination".) 188 Siehe den Textauszug oben, A n m . 152. 189 So auch Stone (Anm. 186), S. 236 f., u n d (Anm. 2), S. 126 u n d 136 f., unter Zitierung von Oliver Wendell Holmes Jr. ( „ A l l States are b u i l t on the blood of men"). Eine solche Interpretation w ü r d e allerdings i n besonderer Weise

Β . Verlauf der Konsensbildung

193

I n beiden Fällen setzt der Terminus „forcibly" schließlich der Phantasie insoweit keine Grenzen, als es darum gehen könnte, nicht bewaffnete Zwangsmaßnahmen m i t dem Etikett der Gewaltmäßigkeit zu versehen, wie etwa die ökonomische Benachteiligung einzelner Volksgruppen, deren mangelnde Ausbildung, Vorenthaltung von Information etc. und der dadurch eventuell schon i m K e i m erstickten Möglichkeiten, ein Selbstbestimmungsbewußtsein zu entwickeln 190 oder effektiv „auf eigene Faust" durchzusetzen. Die hinter den parallelen Interpretationsversuchen zum zwischenstaatlichen Gewaltbegriff des A r t . 2 Ziffer 4 S V N 1 9 1 zu Tage getretenen Interessen lassen ahnen, daß auch der Gewaltbegriff des A r t . 7 der Definition für die unterschiedlichsten historischen und gegenwärtigen Situationen w i r d herhalten müssen. (3.3.3) M i t t e l zur Durchsetzung des Rechts Die i n einer Definition bewaffneter Gewalt bedeutsamste Abweichung gegenüber dem „vorkonsensualen" A r t . 5 bestand aber i n der Eliminierung eines eindeutigen Gewaltbegriffs i m Zusammenhang m i t den M i t t e l n zur legalen Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts. Allerdings mußten die westlichen Staaten i n diesem Punkt erhebliche Zugeständnisse machen, die zur Folge haben, daß die Aggressionsdefinition gegenüber der „Prinzipien-Deklaration" dem Wortlaut nach wieder ein Stückchen näher an die Legalisierung „nationaler Befreiungskämpfe" gerückt ist. Den Hauptanteil an dieser Entwicklung hat zunächst die Verwendung des Wortes „struggle", das zwar gegenüber „using force" 1 9 2 neutraler ist, i m Vergleich zu „actions against, and resistance to" — wie i n der „Prinzipien-Deklaration" formuliert 1 9 3 — aber doch i n einem weitaus höheren Maße auch an Gewaltanwendung, insbesondere Waffengewalt, denken läßt 1 9 4 . Demgegenüber ist die Absicherung, daß diese „Kämpfe" nicht gegen die Grundsätze der Charta und die „PrinzipienDeklaration" verstoßen dürfen, mehr formaler Natur und vermag den Verlust an Neutralität der Formulierung nicht abzugleichen. Denn auch die „actions against, and resistance to" der „Prinzipien-Deklaram i t den von den westlichen Staaten nachdrücklich unterstrichenen V o r behalten zugunsten der territorialen Integrität u n d politischer Einheit i n der „Prinzipien-Deklaration" kollidieren. Siehe oben, A n m . 173. 190 Innerhalb der Typologie der Befreiungsbewegungen nehmen jene G r u p pen, die ihre primäre Aufgabe darin sehen, das Bewußtsein nationaler Z u sammengehörigkeit überhaupt erst zu wecken, eine große u n d k ü n f t i g w o h l noch zunehmende Bedeutung ein. Vgl. die Hinweise bei Ansprenger (Anm. 115), S. 30. 191 Dazu Derpa, Gewaltverbot. 192 A r t . 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs. 193 Vgl. A n m . 152. 194 Eingehender dazu oben, Zweiter Teil, 2. Abschnitt, A n m . 146. 13 B r u h a

194

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

tion" waren ja, wie schon ihr Titel ausweist 195 , nur i n Übereinstimmung m i t der Charta gemeint. Zudem enthält die Definition schon i n pr. para. 4 einen generellen Vorbehalt zugunsten der Charta. Der Substanz nach ist m i t der Formel daher keine zusätzliche Sicherung verbunden 1 9 6 . Dagegen ist an anderer Stelle des A r t . 7 ein „Hebel eingebaut", mit dessen Hilfe sich der Begriff „struggle" auch als ein Terminus zur Umschreibung von Waffengewalt programmieren läßt. Gemeint ist die besondere Betonung, daß nichts i n der Definition „and in particular article 3" die Rechte des A r t . 7 beeinträchtigen könne, wohingegen die Entwürfe des Jahres 1973 noch pauschal auf die ganze Definition verwiesen hatten 1 9 7 . Für die Gegner einer Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts m i t Waffengewalt ist es daher kaum möglich, eine plausible Erklärung für diese Hervorhebung unter gleichzeitiger Beharrung auf einer „friedlichen" Interpretation des A r t . 7 zu finden. Ist es nämlich schon schwierig, die „safeguarding clause" zugunsten des Selbstbestimmungsrechts von einer solchen Warte aus überhaupt für erforderlich zu halten 1 9 8 , so muß dies erst recht Gültigkeit haben, wenn nur auf den Tatbestand der Aggression oder gar nur auf einzelne Fälle hingewiesen w i r d 1 9 9 . Denn i n welcher Weise die tatbestandliche Qualifizierung der Fälle des A r t . 3 als Aggression ein Recht auf „friedliche" Verfolgung des Selbstbestimmungsanspruchs beeinträchtigen könnte, ist kaum vorstellbar. Logisch wäre der Vorbehalt dagegen, wenn m i t i h m ausgedrückt werden sollte, daß die Qualifizierung der Tatbestände des A r t . 3 als Aggression nicht zugleich die Vorenthaltung der in ihnen beschriebenen Handlungsweisen bei der Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts implizieren soll. Angesichts solcher Argumentationsschwierigkeiten zu Lasten der westlichen Staaten kommt der hypothetischen Formulierung, wonach die Rechte des A r t . 7 durch die Definition nicht beeinträchtigt werden 195 U n d i m „General P a r t " der Deklaration präzisiert w i r d : „ N o t h i n g i n this Declaration shall be construed as prejudicing i n any manner the p r o v i sions of the Charter or the rights and duties of Member States under the Charter or the rights of peoples under the Charter, t a k i n g into account the elaboration of these rights i n this Declaration." 196 I m übrigen auch deshalb nicht, w e i l die Befürworter eines Rechts auf bewaffnete „nationale Befreiungskämpfe" j a gerade behaupten, daß diese m i t der Charta übereinstimmen, bzw. geradezu von dieser gefordert werden, vgl. schon oben, A n m . 107. 197 Siehe A r t . 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs („None of the preceding paragraphs . . . " ) u n d die Klausel „ N o t h i n g i n this definition . . . " des guyanischen Vorschlags, oben, T e x t zu A n m . 180. 198 w i e sollte eine Begriffsbestimmung verbotener Waffengewalt friedliche Bestrebungen überhaupt tangieren? 199

Siehe auch oben, A n m . 164.

Β . Verlauf der Konsensbildung

195

könnten, eine „Rettungsankerfunktion" zu, deren mittragende Rolle i m Kompromiß ein Vergleich m i t den Entwürfen des Jahres 1973 erkennen läßt: Dort war nämlich noch davon die Rede, daß keiner der vorhergehenden Paragraphen „may be interpreted as l i m i t i n g the scope of the Charter's provisions concerning the right of peoples to self-determinat i o n " 2 0 0 bzw. daß „Nothing i n this definition shall be construed so as to impair the inherent rights to self-determination" 2 0 1 . Diesen Entwürfen gegenüber ist A r t . 7 daher insoweit weniger zwingend formuliert 2 0 2 . A n der Relevanz seiner Bestimmungen i m Rahmen der Definition ändert dies jedoch, schon wegen A r t . 8 2 0 3 , nichts. Eine letzte Abweichung gegenüber den Entwürfen des Jahres 1973 betrifft die Regelung über die Rechte der betroffenen Völker, bei ihrem Kampf u m Unabhängigkeit Hilfe von Dritten zu ersuchen und zu erhalten. Während der Vorschlag Guyanas i n dieser Frage schwieg, ähnelte der „vorkonsensuale" A r t . 5 der Formulierung des A r t . 7, nannte jedoch nicht nur Ersuchen und Erhalten von Unterstützung („support"), sondern auch von Beistand („assistance"), was wohl ein Mehr an direkter, etwa militärischer Mithilfe beinhaltet als der eher auf indirekte Unterstützung zugeschnittene Begriff „support". cc)

Annahmephase

Z u keinem Punkt der Definition, m i t Ausnahme des Kompromisses zwischen einem objektiven und einem subjektiven Definitionskonzept, äußerten sich die Staatenvertreter derart vorbehaltlich und konfrontativ wie zu dem Komplex des Selbstbestimmungsrechts der Völker und seinem Verhältnis zur Aggressionsdefinition, was erkennen läßt, daß auch diese Regelung kaum mehr als das labile „Kartenhaus eines Formelkompromisses" darstellt. (1) Existenz des Rechts Z u den wenigen stabilen Elementen der Konstruktion zählt die gan; überwiegende Anerkennung des Prinzips als Rechtsnorm, die sich jedoch i n der Proklamierung eines eher abstrakten Programmsatzes wegen des Dissenses über seine Konkretisierung erschöpft. M i t Ausnahme von Israel, das sich an den Chartatext hielt und nur von einem „underlying principle of the Charter" 2 0 4 sprach und Frank 200

A r t . 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs. So der Vorschlag Guyanas. 202 Die hypothetische Formulierung läßt j a dahingestellt, ob eine Beeinträchtigung überhaupt möglich ist. 203 D e r u a zumindest ein Verbot enthält, einzelne A r t i k e l der Definition zu „überlesen", so ausdrücklich Bangladesh, A/C. 6/SR. 1478, para. 4. 201

204

13·

A/C. 6/SR. 1480, para. 60.

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses reich, das sich ü b e r r a s c h e n d z u r ü c k h a l t e n d 2 0 5 ä u ß e r t e 2 0 6 , b e s t ä t i g t e n a l l e Staaten, sofern sie das P r o b l e m ü b e r h a u p t anschnitten, d e n Rechtsc h a r a k t e r dieses P r i n z i p s , w i e es d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n , i n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t einer K e t t e v o n Deklarationen u n d Resolutionen der Generalversammlung 207, eindeutig208 formuliert, was den sowjetischen D e l e g i e r t e n z u d e r B e m e r k u n g v e r a n l a ß t e : „ H i s d e l e g a t i o n attached g r e a t w e i g h t t o t h e fact t h a t n o t a s i n g l e delegation, d u r i n g t h e d r a f t i n g of t h e d e f i n i t i o n , h a d expressed o p p o s i t i o n t o t h e r i g h t of peoples to self-determination 209." (2) T r ä g e r u n d S c h u t z g u t des Rechts K o n t r o v e r s e S t i m m e r k l ä r u n g e n g a b e n d i e S t a a t e n v e r t r e t e r dagegen schon z u r „ e r s t e n K o n k r e t i s i e r u n g s s t u f e " des Selbstbestimmungsrechts, n ä m l i c h z u m K r e i s seiner T r ä g e r u n d seines Schutzgutes ab. 205 j m Vergleich zu seinem früheren Vermittlungsvorschlag, siehe oben, Anm. 125. 2oe Der französische Delegierte vermied den Terminus Recht: „ A r t . 7 was a safeguarding clause, essentially political i n nature, w h i c h was to be found i n various forms i n many United Nations documents" (Anm. 101), S. 22. 207 Beginnend m i t G A Res. 545 (VI), 5.2.1952 („Inclusion i n the I n t e r national Covenant or Covenants on H u m a n Rights of an article relating to the right of peoples to self-determination"). 208 M i t der Folge, daß sich, wegen der oben, S. 91 ff. beschriebenen „ S t i m m erklärungspraxis" der Generalversammlungsdelegationen, Staaten, die die Rechtsnatur des Selbstbestimmungsrechts der Völker nicht anerkennen wollen, eindeutig hiergegen aussprechen müssen, w e n n sie am Konsens t e i l genommen haben. Z u unentschieden wäre etwa die „nebenbei gefallene" Bemerkung der australischen Delegation i m Sonderausschuß „ . . . the crucial question of self-determination . . . " , (Anm. 101), S. 33, sowie die n u r mittelbar die Tendenz der australischen Regierung verratenden Worte i m Rechtsausschuß nach Annahme der Definition: „ H e reiterated his support for the draft definition, subject to reservations concerning the adequacy of the provisions w i t h regard to domestic jurisdiction.", A/C. 6/SR. 1478, para. 32. 209 (Anm. 101), S. 37. Vgl. die hier allein interessierenden S t i m m e r k l ä r u n gen der westlichen Delegationen (die befürwortende H a l t u n g der k o m m u nistischen u n d blockfreien Staaten w a r j a schon vorher eindeutig). So i m Sonderausschuß (Anm. 101): Japan, S. 13: „Appropriate reference was made to the right to self-determination . . . " ; USA, S. 24: „His government was always ready to support any text w h i c h reasonably reaffirmed the right of all peoples to self-determination . . . " ; Großbritannien, S. 32: „ . . . i t d i d not wish to resist a reaffirmation i n proper terms of the r i g h t of peoples to selfdetermination, freedom and independence, as derived f r o m the Charter"; Kanada, S. 35: „ . . . nothing i n the definition should result i n any interference that its application could impede the r i g h t of peoples under colonial rule to self-determination i n accordance w i t h the Charter". I m Rechtsausschuß: Italien, A/C. 6/SR. 1472, para. 27: „ . . . the r i g h t of peoples to self-determination, as restated i n A r t . 7 . . . " ; Belgien, SR. 1476, para. 11: „ . . . r i g h t to selfdetermination i n accordance w i t h the Charter of the United Nations". Schließlich auch die Bundesrepublik Deutschland, die die Gelegenheit nutzte, u m die Lage der Deutschen Nation i n Erinnerung zu rufen, SR. 1478, para. 19: „His government welcomed the fact that the definition referred to the r i g h t of self-determination: i t advocated the implementation of that right i n a l l

Β. Verlauf der Konsensbildung

197

Was die Mehrheit der Unterzeichner des Weststaatenentwurfs betrifft, so schenkten diese der besonderen Nennung von Völkern unter Fremdherrschaft, insbesondere kolonialer und rassistischer Ausprägung, keine Beachtung, sondern bezogen sich allein auf den höchst abstrakten Terminus „ V ö l k e r " 2 1 0 , ohne auch nur i m Ansatz anzudeuten, was sie hierunter verstanden. Eine Ausnahme bildete insoweit Kanada, das wohl „ u m des lieben Friedens i m eigenen Hause" w i l l e n 2 1 1 A r t . 7 in einer Weise las, als garantiere dieser nur das Recht kolonial abhängiger Völker 2 1 2 , womit es diesen gar noch restriktiver auslegte als die Staaten des sowjetmarxistischen Blocks, die immerhin auch die Uberwindung von rassistischen Herrschaftsformen als von A r t . 7 legalisiert anerkannten 2 1 3 . Großbritannien ließ erkennen, daß es dem Begriff „forcibly" i n A r t . 7 eine wichtige einschränkende Funktion beimißt, denn „His delegation interpreted the article as doing no more than emphasizing the porpriety of the legitimate exercise of that right and of action taken by peoples forcibly deprived of i t to resist such forcible deprivation 2 1 4 ."

Auch die Bundesrepublik Deutschland 215 dieses Wort nicht unerwähnt.

und die Niederlande

216

ließen

I m Gegensatz hierzu sahen die blockfreien Staaten, die i m übrigen die Selbstbestimmungsrechte der Opfer von Kolonialismus und Rassismus wohl für die wichtigsten, nicht aber für die ausschließlichen Fälle parts of the world, and sought by its efforts to b r i n g about a state of peace i n Europe i n which the German nation could regain its u n i t y through the self-determination process." 210 Symptomatisch etwa die USA (Anm. 101), S. 24 und A/C. 6/SR. 1480, para. 73 („all peoples"); Großbritannien (Anm. 101), S. 32 u n d A/C. 6/SR. 1477, para. 24 („the r i g h t of peoples"); ebenso Italien, A/C. 6/SR. 1472, para. 27. 211 Z u erinnern ist etwa an die „Befreiungsfront für Quebec" (FLQ), die 1970 durch Terroranschläge von sich reden machte, siehe Ansprenger (Anm. 115), S. 32. 212 A n m . 209 u n d A/C. 6/SR. 1474, para. 15. (So auch Belgien, A/C. 6/SR. 1476, para. 11.) 213 Siehe die UdSSR (Anm. 101), S. 37 („colonial peoples and peoples under the domination of racist regimes") u n d Bulgarien, S. 29. Dieselben, A/C. 6/SR. 1472, para. 5 (UdSSR) u n d para. 45 (Bulgarien), sowie die DDR, SR. 1476, para. 15. Die Auffassung dieser Staaten nach Annahme der Definition geht daher über op. para. 10 des sowjetischen Entwurfs hinaus, da dieser n u r die i n der „Unabhängigkeitsdeklaration" 1514 (XV) angesprochenen Völker betraf, nicht jedoch die der „Rassendiskriminierungsdeklaration" 1904 ( X V I I I ) vom 20.11.1963 u n d i h r folgender Resolutionen. Siehe auch die A n m e r k u n g Bulgariens, daß A r t . 7 nicht alle i n diesem Zusammenhang relevanten „Dokumente" erwähne. 214 (Anm. 101), S. 32, ähnlich auch A/C. 6/SR. 1477, para. 24. Siehe auch Ferencz I I , T e x t der A n m . 250 auf S. 74: „The B r i t i s h saw the w o r d f o r cibly' as a key t e r m since those not f o r c i b l y deprived 4 w o u l d not be justified i n resisting." 215 A/C. 6/SR. 1478, para. 19. 218 A/C. 6/SR. 1473, para. 5.

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der Anwendung dieses Prinzips ansahen 217 , i n der „forcibly" Klausel eine unangemessene Beschränkung, da sie subtileren Formen unterhalb der Gewaltanwendungsschwelle nicht gerecht werde 2 1 8 . Aus dieser Gruppe kam auch K r i t i k an der Regelung der Schutzgüter des Rechts i n A r t . 7 auf, die zeigte, daß die Einbeziehung der territorialen Integrität i n pr. para. 6 bei gleichzeitiger Nichterwähnung dieses Begriffs in A r t . 7 „doppelte Funktion" erfüllt: Denn Spanien bestand i n seiner Stimmerklärung darauf, daß die territoriale Integrität untrennbarer Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts der Völker sei und daher nicht nur den Staaten zustehe, „an idea which had finally been incorporated into the sixth preambular paragraph" 2 1 9 . Dagegen entnahm der Delegierte der USA demselben Paragraphen, daß „the final clause of the paragraph reaffirmed the principle that the right of self-determination d i d not i m p l y the legitimation of action which w o u l d disrupt the t e r r i t o r i a l integrity of a State which conducts itself i n compliance w i t h the principle of equal rights and self-determination and thus possesses a government representing the people belonging to the t e r r i tory"220.

und interpretierte die Klausel somit als Kurzformel des differenzierten Vorbehalts der „Prinzipien-Deklaration" zugunsten bestehender Staaten 221 . (3) M i t t e l zur Durchsetzung des Rechts Erwartungsgemäß galten die Stimmerklärungen aber i m besonderen der „zweiten Konkretisierungsstufe", also der Frage der zulässigen Selbsthilfemaßnahmen und der hierbei gewährten Hilfe von außen. Dabei machte die Äußerung des Delegierten Jamaicas, die hypothetische Formulierung „could" hätte einem imperativen „shall" zur Verbindung des A r t . 7 m i t den vorangehenden Bestimmungen der Defini217 Rumänien (Anm. 101), S. 18: „ . . . the sacred right of all peoples to resist oppression or foreign domination". E i n derart weites Selbstbestimmungsverständnis liegt auch G A Res. 31/53 v o m 1. Dezember 1976 zugrunde, i n der die Generalversammlung der Bevölkerung von Ost-Timor das Recht auf Selbstbestimmung gegenüber dem (blockfreien) Indonesien u n d das Recht hierfür zu kämpfen (struggle) zuerkannte. Siehe das interessante A b s t i m mungsergebnis 68 :20 :49 i n U N Chr. 14/1 (1977), S. 32, unter Nennung aller gegenstimmenden u n d stimmenthaltenden Staaten. 218 So vor allem Jugoslawien (Anm. 101), S. 26 u n d A/C. 6/SR. 1479, para. 9. 219 (Anm. 101), S. 18. 220 (Anm. 101), S. 23. Ä h n l i c h Italien, A/C. 6/SR. 1472, para. 27, die Niederlande, SR. 1473, para. 5, u n d Kanada, SR. 1474, para. 15; aber auch Pakistan, SR. 1477, para. 5. 221 Siehe oben, T e x t zu A n m . 169 f. Diesen Vorbehalt faßte der niederländische Delegierte m i t der stichwortartigen Umschreibung der Träger des Selbstbestimmungsrechts als „peoples w h i c h d i d not enjoy democratic government" i m „westlichen Sinne" zusammen (Anm. 220).

Β . Verlauf der Konsensbildung

tion weichen sollen 2 2 2 , die Bedeutung dieses Wortes deutlich. Denn nach Ansicht des französischen Vertreters sei A r t . 7 insoweit unlogisch, als er Handlungen, die nach der Definition Aggressionen darstellen w ü r den, von diesem V o r w u r f zu bewahren scheine 223 . Andere, vor allem westliche Staaten, die sich zur Problematik äußerten, gingen allerdings auf die „Unlogik" gar nicht erst ein, sondern erklärten unmißverständlich, daß „ A r t . 7, when read i n conjunction w i t h article 6, did not and could not legitimize acts of force which would otherwise be illegal" 2 2 4 . Folglich interpretierten sie „struggle" i n Art. 7 eng als „struggle by peaceful means" 225 und die hierbei zulässige Hilfe („support") dürfe nicht i m Sinne eines „armed support" ausgelegt werden 2 2 6 , da Art. 7 nicht von „use of force but of actions i n accordance w i t h the principles of the Charter and the Declaration on Friendly Relations" spreche 227 . Dies sei überdies i n pr. para. 3 der Definition allgemein ausgesprochen, indem dort die Pflicht zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten normiert worden sei 2 2 8 und folge letztlich auch aus Art. 5 Abs. 1, der ein Rechtfertigungsverbot für Aggressionen enthalte 2 2 9 . Ebenso entschieden bestanden die Befürworter bewaffneter Befreiungskämpfe auf ihren während der Verhandlungen geäußerten Ansichten. Danach stelle A r t . 7 klar, daß Kämpfe m i t dem Ziel der Befreiung abhängiger Völker per se keine Aggressionen darstellen können, so daß „struggle" folglich die Bedeutung von „struggle by all means at their disposal" 230, also auch von Waffengewalt 231, habe. 222

A/C. 6/SR. 1480, para. 5. (Anm. 101), S. 22. 224 USA, A/C. 6/SR. 1480, para. 73. Ä h n l i c h auch Belgien, A/C. 6/SR. 1476, para. 11; Bundesrepublik Deutschland, SR. 1478, para. 19; Großbritannien , SR. 1477, para. 24; Israel , SR. 1480, para. 60. 225 So Kanada (Anm. 101), S. 35; Belgien, A/C. 6/SR. 1476, para. 11; Bundesrepublik Deutschland, SR. 1478, para. 19; Portugal, SR. 1478, para. 22. 228 So die Niederlande, A/C. 6/SR. 1473, para. 5 u n d die Bundesrepublik Deutschland, SR. 1478, para. 19. 227 USA (Anm. 101), S. 24. 228 Portugal, A/C. 6/SR. 1478, para. 22. 229 Portugal (Anm. 228). 230 So i m Sonderausschuß (Anm. 101): Madagaskar, S. 15; Syrien, S. 20; Jugoslawien, S. 26; UdSSR, S. 37; Ägypten, S. 40. I m Rechtsausschuß: Kenia, A/C. 6/SR. 1474, para. 24; China, SR. 1475, para. 13; Kongo, SR. 1478, para. 35; Ghana, SR. 1480, para. 25. Eine ähnliche Formulierung wurde i m Jahre 1970 m i t G A Res. 2621 ( X X V ) , 12.10.1970 („Programme of action for the f u l l implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples") gegen die Stimmen Australiens, Neuseelands, Südafrikas, Großbritanniens und der USA durchgesetzt (85 :5 :15), namentliches Stimmergebnis bei Djonovich, Resolutions, X I I I , S. 49), dort para. 2: „Reaffirms the inherent r i g h t of colonial peoples to struggle b y a l l necessary means at their disposal . . . " . Siehe auch G A Res. 31/146, 20.12.1976 223

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I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

D a b e i l e g t e n s o w o h l die arabischen L ä n d e r 2 3 2 als auch die UdSSR 238 a u f d i e F e s t s t e l l u n g W e r t , daß nach i h r e r A u f f a s s u n g insbesondere die s u b v e r s i v e n M i t t e l der indirekten Kriegführung zum legitimen Arsenal der sich b e f r e i e n d e n V ö l k e r zähle, so daß d e r syrische D e l e g i e r t e e i n e n a l l e i n i g e n B e z u g a u f A r t . 3 Z i f f e r g i n A r t . 7 vorgezogen h ä t t e 2 3 4 . A u c h d e r U n t e r s t ü t z u n g seitens d r i t t e r S t a a t e n seien d e m n a c h k e i n e Schrank e n gesetzt. E r l a u b t sei „ a n y assistance, p o l i t i c a l o r m a t e r i a l " 2 3 5 , d e n n „peoples engaged i n that struggle had a right to seek and receive political and material aid: not only was the armed struggle of colonial peoples and peoples under the domination of racist régimes legitimate, b u t the aid which they received from many states was equally so" 2 3 6 . N a c h A n s i c h t des algerischen D e l e g i e r t e n k o r r e s p o n d i e r e diesem Recht g a r eine Beistandspflicht „ a s s i s t i e r e n d e r " 2 3 7 Staaten, s o w e i t sie M i t g l i e d e r der V e r e i n t e n N a t i o n e n sind, d a das S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t einen Anspruch auf Unterstützung umfasse 238. H i e r n a c h w ü r d e also der l e t z t e Satz des A r t . 7 n i c h t n u r eine L e g i t i m a t i o n s w i r k u n g gegenüber dem Hilfeleistenden u n d dem Unterstützten e r f ü l l e n , s o n d e r n er w ä r e z u g l e i c h A u s d r u c k e i n e r d a h i n t e r stehenden A n s p r u c h s - u n d V e r p f l i c h t u n g s n o r m , w o f ü r d e r W o r t l a u t des A r t . 7 („Situation in Namibia resulting from the illegal occupation of the Territory b y South A f r i k a " ) , dort para. 1. Abstimmungsergebnis 100 :6 :12, dagegen Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, USA, siehe U N Chr. 14/1 (1977), S. 29. 231 So i m Sonderausschuß (Anm. 101): Jugoslawien, S. 26: „ . . . to fight for their self-determination . . . " ; UdSSR, S. 37: „ . . . the r i g h t of peoples to take up arms against the colonialists".; Algerien, S. 38: „ . . . armed force . . . " . I m Rechtsausschuß etwa China (Anm. 230); Syrien, A/C. 6/SR. 1475, para. 20; Kongo (Anm. 230). Dies entspräche op. para. 3 der m i t 107 : 1 (Israel) : 20 kurz zuvor am 29.11.1974 angenommenen G A Res. 3246 ( X X I X ) „Importance of the universal realization of the right of peoples to self-determination and of the speedy granting of independence to colonial countries and peoples for the effective guarantee and observance of h u m a n rights", i n der die Generalversammlung „reaffirms the legitimacy of the peoples struggle for liberation from colonial and foreign domination and alien subjugation by a l l available means, including armed struggle." Siehe zum Abstimmungsergebnis U N Chr. 11/10 (1974), S. 61. 232 Syrien (Anm. 101), S. 20; Ägypten, ebd., S. 40; Yemen, A/C. 6/SR. 1479, para. 27. 233 (Anm. 101), S. 37. 234 (Anm. 232). 235 So die DDR, A/C. 6/SR. 1476, para. 15. 236 UdSSR (Anm. 233). 237 Z u m G r u n d der NichtÜbernahme des Begriffs „assistance" aus dem „vorkonsensualen" A r t . 5, siehe oben, Text nach A n m . 203. 238 (Anm. 101), S. 38: „ W i t h respect to article 7 i n particular, i t should be noted that the exercise of the right of self-determination . . . included not only the right of peoples . . . to resort to armed force, b u t also the right and the duty of a l l States Members of the United Nations to assist those peoples."

Β . Verlauf der Konsensbildung

20

durchaus herangezogen werden könnte („the right . . . to seek and receive support"), wenn er auch nicht zwingend dafür spricht 2 3 9 . d) Ergebnis Nach dieser Darstellung der Konsensbildung zur Frage der Regelung erlaubter Gewalt erscheint an Einigkeit der Ansichten „unter dem Strich" verschwindend wenig i m Vergleich zum Ausmaß der offen gebliebenen Differenzen. Überhaupt kein positives Ergebnis hat zunächst der Versuch ergeben, die Grenzen des Selbstverteidigungsrechts abzustecken und die Befugnisse anderer Organe als des Sicherheitsrates i m Zusammenhang m i t der Anwendung und Empfehlung von Waffengewalt zu regeln. Die „safe-guarding" clause des A r t . 6 „beurkundet", wie schon eine ähnliche Klausel i n der „Prinzipien-Deklaration" 2 4 0 , die gegenwärtige Unvereinbarkeit der Meinungen. Unter den vielfältigen Ursachen hierfür wiegen am schwersten zum einen die angelsächsische Theorie eines von der Satzung unabhängigen, gewohnheitsrechtlichen Selbstverteidigungsrechts, das i n Verbindung m i t der geforderten Berücksichtigung der Ziele bewaffneter Aktionen einer Kodifizierung erlaubter Gewalt i m Sinne der Vereinbarung abstrakt-genereller, subsumtionsfähiger Rechtssätze i m Wege steht. Doch auch die Sowjetunion kann nur als „formale Hüterin" der Bestimmungen der A r t . 51, 53 SVN angesehen werden, da ihr nachdrückliches Unterstreichen der Relevanz der subjektiven Seite i n A r t . 2 erkennen läßt, daß sie keinesfalls gewillt ist, chartafremde „Rechtfertigungen" i m Sinne etwa der „Breznew-Doktrin" zugunsten einer wortgetreuen Satzungsinterpretation aufzugeben. Zudem steht sie weitgehend an der Seite jener Kräfte, die das Gewalt- und Aggressionsverbot durch die bedingungslose Legalisierung „nationaler Befreiungskriege" relativieren wollen, was letztlich die A n wendung der Satzungsvorschriften von politisch-historischen Gerechtigkeits- oder gar Billigkeitserwägungen abhängig und, wegen der Interessengegensätze der Beteiligten, zumeist unmöglich machen würde. 239

Schon mehr i n diese Richtung tendiert die oben, A n m . 230, erwähnte Resolution 2621 ( X X V ) v o m 12.10.1970, die allerdings gegen die Stimmen der westlichen Staaten i n op. para. 3 Ziffer 2 vorsieht, daß „Member states shall render a l l necessary moral and material assistance to the peoples of colonial territories i n their struggle to attain freedom and independence". 240 Absatz 13 des „Gewaltverbotsprinzips": „Nothing i n the foregoing paragraphs shall be construed as enlarging or diminishing i n any w a y the scope of the provisions of the Charter concerning cases i n which the use of force is l a w f u l . "

202

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Dieser zweite und entscheidende 241 Grund für das Scheitern einer positiven Regelung erlaubter Gewalt gestattet zugleich i m Rahmen des Art. 7 nur dort die Suche nach Konsens, wo nicht die Anerkennung von Gewalt i n Frage steht: Damit ist zunächst die Inkorporierung des Selbstbestimmungsrechts als solches i n eine Definition verbotener Gewalt angesprochen, womit die „allfällige Relevanz" dieses Prinzips i m Zusammenhang m i t den verschiedensten UNO-Texten bekräftigt 2 4 2 und i m Rahmen der Aggressionsdefinition bestätigt wird. Daß diese Verbindung über die — allerdings nicht zu unterschätzenden — politischen Implikationen hinaus keine rechtlichen Schlüsse erlaubt, dafür sorgt allerdings das „hypothetisch" formulierte Bindeglied „could . . . prejudice", so daß der Konsens insoweit bereits i n der faktischen Aufnahme der Selbstbestimmungsproblematik endet. Diese, die Beziehung des A r t . 7 zu den übrigen Definitionsbestimmungen gestaltende Wendung w i r k t jedoch nicht auf die Aussagen innerhalb des Artikels und pr. para. 6 ein und verhindert folglich nicht die Annahme einer einverständlichen Regelung, wo diese durch Wortlaut und Materialien ausgewiesen werden. Als solche erscheinen die unwidersprochene Anerkennung des Selbstbestimmungsprinzips als Recht, und zwar i n seiner Umschreibung als Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit, wenn auch diese Ziele sehr programmatisch und unscharf und wegen des Hinweises auf den Schutz territorialer Integrität i n pr. para. 6 inhaltlich umstritten sind und bleiben. Der Konsens über die Konkretisierung dieses Rechtes reicht deshalb nicht weiter als der kleinste gemeinsame Nenner, der i n den vielfältigen „Formelkompromissen" enthalten ist: Weitgehend unklar ist zunächst, welche Völker i n den Genuß dieses Rechtes kommen sollen, so daß eine Einigung nur i m Hinblick auf die besonders genannten Völker unter kolonialer und rassistischer Herrschaft angenommen werden darf, wobei jedoch der letztere Begriff über „Apartheid-Regime" hinaus keinen Konsens mehr ausdrückt 243 . „Other forms of alien domination" dagegen ist völlig unbestimmt. 241 I m Gegensatz zur Theorie einer gewohnheitsrechtlichen Weitergeltung des traditionellen Selbstverteidigungsrechts w o l l e n die Befürworter nationaler Befreiungskämpfe j a schon begrifflich den „gerechten K r i e g " Wiederaufleben lassen. 242 Dazu Thürer, Selbstbestimmungsrecht, S. 106 - 153, 176 ff. 243 n u f diese F o r m der Rassendiskriminierung ist von allen Mitgliedern der Generalversammlung m i t der Resolution 1904 ( X V I I I ) , 20.11.1963 („United Nations Declaration on the E l i m i n a t i o n of a l l Forms of Racial Discrimination") m i t Ausnahme Südafrikas, das an der A b s t i m m u n g nicht teilnahm, angenommen worden. (Eingehend hierzu Schwelb, Fortentwicklung des Völkerrechts, S. 31 ff.)

Β. Verlauf der Konsensbildung

203

Letzteres t r i f f t auch für die Mittel zur Durchsetzung des Rechts zu. Wo diese, wie das Wort „struggle", jedoch zumindest eine „revolutionäre Färbung" haben, sorgen nachdrückliche Vorbehalte westlicher Delegierter dafür, daß der reale Konsens nicht mehr abdeckt, als das, was ohnehin jedem subjektiven Recht innewohnt: das Recht, sich für die Verwirklichung seines Rechts allein und m i t Hilfe Dritter einzusetzen. Konkreter ist dagegen die Einigung über die negative Komponente des Selbstbestimmungsrechts ausgefallen, insoweit pr. para. 6 eindeutig eine Unterlassungspflicht der Staaten normiert, Waffengewalt zur Entziehung dieses Rechts einzusetzen, eine Vorschrift, die jedoch über den Zusatz des Schutzes territorialer Integrität m i t einem erheblichen Unsicherheitsfaktor zu Lasten der Feststellung ihrer Voraussetzungen belastet ist. Nichtsdestoweniger ist auch diese Unterlassungsvorschrift Ausdruck der Anerkennung des Selbstbestimmungsprinzips als Recht, das damit als ein noch weitgehend auf abstraktem Niveau befindliches subjektives Recht von Völkern, insbesondere von solchen unter kolonialer und rassistischer Abhängigkeit, abschließend beschrieben werden kann 2 4 4 . Weitergehendere Konkretisierungsversuche verbieten sich angesichts des derzeitigen Entwicklungsstandes 245 . 3. Art 5 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit Präambelparagraph Simultane Regelung der Rechtsfolgen der Aggression?

7:

Blockfreienentwürfe: Ursprünglicher „12-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 3: pr. para. 6; ursprünglicher „13-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 6: pr. para. 7, op. para. 9; endgültiger Blockfreienentwurf, A/AC. 134/L. 16: op. paras. 8, 9. Sowjetischer Entwurf, A/AC. 134/L. 12: pr. para. 2, op. paras. 4, 5. Weststaatenentwurf, Ai AC. 134/L. 17: keine Regelung.

a) Debatten zur Opportunität einer Regelung Der Streit um die generelle Funktion der Aggressionsdefinition wurde schließlich auch auf dem Feld der Rechtsfolgen der Aggression ausgetragen. Auch hier erwiesen sich die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs als konsequente Vertreter eines ausschließlich Aggression i m Sinne des A r t . 39 SVN interpretierenden Definitionskonzepts 244 Z u dem Ergebnis k o m m t auch Scheuner, Auslegung der Charta, S. 116, bei der Interpretation der „Prinzipien-Deklaration". 245 Noch vorsichtiger Heuser, T a i w a n u n d Selbstbestimmungsrecht, S. 38 f. : „ A b s t r a k t läßt sich sein (Anm. das Selbstbestimmungsrecht) Entwicklungsstand dahin definieren, daß ein aus bestimmten Inhalten bestehender, zum subjektiven Recht verdichteter K e r n von einem sich möglicherweise i n Richtung dieses Kerns hinentwickelnden, möglicherweise sich von i h m entfernenden diffusen U m f e l d aus Sätzen objektiven Rechts, Gerechtigkeitspostulaten, politischen L e i t l i n i e n etc. umgeben w i r d . "

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I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

und lehnten eine Erörterung der Problematik als m i t dem Mandat des Ausschusses unvereinbar ab 1 . Dagegen waren Autoren und Sympathisanten der beiden anderen Entwürfe an einer Regelung sehr interessiert, da m i t ihr wesentliche Elemente ihrer „legislativen" Vorhaben betroffen waren, u. a. auch die bislang an einer fehlenden Aggressionsdefinition gescheiterten Arbeiten an einer künftigen „internationalen Straf gerichtsbarkeit". So ließ der sowjetische Vertreter erkennen, daß es seiner Regierung um mehr als nur die Bereitstellung eines Instruments zu Händen des Sicherheitsrates gehe, denn der Entwurf seiner Regierung „was based on the assumption that all points relating to aggression, which was held by the peoples of the world to be a crime against peace and mankind, should be formulated and set down i n one place". Deshalb seien auch die Rechtsfolgen der Aggression zu regeln, denn „the law could not define a crime without prescribing the punishment for i t . . . That meant that there was no international crime without responsibility" 2 . Diese Begründung wurde ähnlich auch von blockfreien Staaten vertreten 3 . Darüber hinaus gaben diese aber zusätzlich ihren Interessen als militärisch schwache Staaten Ausdruck, die die Funktion einer Definition nicht zuletzt auch i n deren Abschreckungswirkung sahen, was nach ihrer Ansicht vor allem durch die Normierung einer Nichtanerkennungspflicht gewaltmäßig erlangter Vorteile bewirkt werde 4 . Wie i n der Frage der Regelung erlaubter Gewalt ließen daher die überwiegenden Interessen der blockfreien und sowjetmarxistischen Länder eine Außerachtlassung der Rechtsfolgen der Aggression nicht zu, so daß die Gegner eines solchen Vorhabens ihre Bemühungen auf die Vermeidung von eindeutigen, präzisen Aussagen konzentrieren mußten. Wie dort wies auch hier die „Prinzipien-Deklaration" die generelle Lösungsmöglichkeit, wie sie in Ziffern 2 und 10 des „Gewaltverbotprinizps" niedergelegt worden waren: 1 Großbritannien, A/AC. 134/SR. 32, S. 40; Italien, SR. 33, S. 57; USA, SR. 44, S. 159. 2 So i n A/AC. 134/SR. 34, S. 68, unter Zuhilfenahme des römisch-rechtlichen Rechtssatzes „ n u l l u m crimen nulla poena sine lege". Dagegen u. a. Großbritannien, A/AC. 134/SR. 72, S. 84: „ . . . the analogy . . . between the definition of aggression and the provisions of criminal codes was inappropriate. Crim i n a l codes described offences and prescribed penalties and procedures. The Committee's task was not to draw up a criminal code, but simply to define aggression". 3 So ließ besonders Uruguay, A/AC. 134/SR. 72, S. 81 das Bestreben der Blockfreien nach einer „legislativen" Aggressionsdefinition deutlich werden: „ W h a t the Committee was t r y i n g to do was to provide a norm of international law, and that n o r m should be complete." Siehe auch Syrien und Ghana, ebd., S. 79. 4 Syrien u n d Ghana (Anm. 3), letzterer auch A/AC. 134/SR. 37, S. 99.

Β . Verlauf der Konsensbildung

205

„ A w a r of aggression constitutes a crime against the peace, for which there is responsibility under international law." „The territory of a State shall not be the object of m i l i t a r y occupation resulting f r o m the use of force i n contravention of the provisions of the Charter. The territory of a State shall not be the object of acquisition by another State resulting from the threat or use of force. No t e r r i t o r i a l acquisition resulting from the threat or use of force shall be recognized as legal. Nothing i n the foregoing shall be construed as affecting: (a) Provisions of the Charter or any international agreement prior to the Charter régime and v a l i d under international l a w ; or (b) The powers of the Security Council under the Charter."

b) A r t . 5 Abs. 3 i n Verbindung m i t Präambelparagraph 7: Anerkennungsverbot aggressionsbedingter Vorteile Schwerpunkt der Diskussionen war das Problem eines Anerkennungsverbots gewaltmäßig erlangter Vorteile, insbesondere territorialer Gewinne. Denn hiermit war einerseits ein zentrales Anliegen der militärisch schwachen blockfreien Staaten, nämlich die Sorge u m ihre (zumeist junge) territoriale Souveränität, betroffen 5 . Andererseits zeigte diese Problematik noch am ehesten eine Verwandtschaft m i t dem engeren Definitionsvorhaben auf 6 , so daß der Widerstand der westlichen Staaten gegen eine Beschäftigung m i t den Rechtsfolgen der A g gression i n diesem Punkte 7 weniger überzeugend war. aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Während die westlichen Staaten i m wesentlichen nur ihre Ablehnung formulierten und einige Gründe hierfür vorbrachten 8 , zeigten die Unterzeichnerstaaten der beiden anderen Entwürfe, welche unterschiedlichen Interessen sie m i t einer Nichtanerkennungsregelung verfolgten. So verteidigten Kolumbien und Rumänien den Blockfreienentwurf 9 , da dieser mehr als der sowjetische auf den Schutz kleinerer Staaten 5

So auch Ferencz I I , S. 45. Vgl. die Äußerungen des französischen Delegierten, (Anm. 3), S. 82 f., der zwar ebenfalls eine Behandlung der Problematik ablehnte, jedoch darauf aufmerksam machte, daß damit zum T e i l Regelungsbereiche angesprochen seien, die, w i e Okkupation u n d Annexion, einen engeren Bezug zum T a t bestand der Aggression selbst als zu dessen Folgen hätten. 7 Z u r H a l t u n g hinsichtlich der Verantwortlichkeit f ü r Aggressionen, siehe unten, A n m . 52. 8 So bezweifelte der amerikanische Delegierte, (Anm. 3), S. 80, eine mögliche Abschreckungswirkung aus der historischen Erfahrung. (Zum Argument der Unzuständigkeit des Ausschusses i n dieser Frage siehe oben, A n m . 1.) 9 (Anm. 3), S. 80. 6

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I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

gegenüber Verletzungen ihrer Territorialität zugeschnitten w a r 1 0 . Denn dieser enthielt m i t op. para. 8 eine umfassende Schutznorm zugunsten der territorialen Integrität, wonach es verboten sein sollte, fremdes Staatsgebiet zum Objekt jedweder Gewaltmaßnahmen — aus welchen Gründen auch immer — zu machen. Konsequenterweise sollten durch solche Gewalt erzielten Gebietserwerbungen nicht anerkannt werden, also unabhängig davon, ob die (zunächst) gewaltsame Besetzung rechtmäßig (etwa i n der Folge von Selbstverteidigungsmaßnahmen) oder rechtswidrig gewesen w a r 1 1 . Wie die Blockfreien, sprach auch der sowjetische E n t w u r f 1 2 von einer nicht näher definierten — und daher extensiv auslegbaren — Nichtanerkennungspflicht, wich aber insoweit von deren Entwurf ab, als nur durch (rechtswidrige) Aggressionen erzielte Vorteile m i t diesen Konsequenzen belegt werden sollten, i m Ausgleich dazu aber nicht nur Vorteile territorialer, sondern auch sonstiger A r t („special advantages"). I m Gegensatz zu den Blockfreien Schloß die Sowjetunion daher Annexionen des „gerechten Siegers" nicht aus, forderte aber eine bedingungslose Respektierung des Satzes „ex iniuria non oritur ius" 1 3 . bb)

Kompromißbildungsphase

Wies noch der Bericht der Arbeitsgruppe des Jahres 1971 die Anerkennungsproblematik als einen jener Punkte aus, über die keine Einigkeit erzielt worden sei 14 , so zeigte jener der folgenden Sitzungsperiode bereits Ansätze einer Gemeinsamkeit, als dort eine Synthese des sowjetischen mit dem Blockfreienentwurf vorgeschlagen wurde 1 5 , i n der i m wesentlichen nur das Erfordernis der Rechtswidrigkeit der Erlangung des Vorteils noch streitig war. Zusätzlich wurde angeregt zu präzisie10

Vgl. auch Stone, Definition of Aggression, S. 227. Daß diese Bestimmung weitgehend von den aktuellen Interessen der arabischen Staaten beeinflußt worden ist, macht der ägyptische Vorschlag des Jahres 1973 deutlich (GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 23), der gar durch bloße Gewaltandrohung erzielte Gebietserwerbe f ü r rechtswidrig erklärte u n d damit noch über den Blockfreienentwurf hinausging. Siehe dazu auch Stone (Anm. 10), S. 227. 12 Op. para. 4. 18 Siehe Stone (Anm. 10). 14 GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 44. Allerdings erreichte die Arbeitsgruppe desselben Jahres insoweit Einigkeit, als m a n beschloß, inhaltlich anhand des sowjetischen u n d des Blockfreienentwurfs zu diskutieren, ebd., S. 36. 15 GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 17: „The territory of a State is i n v i o lable and shall not be the object, even temporarily, of m i l i t a r y occupation or of other measures of force taken b y another State [on any grounds w h a t ever] [resulting from aggression]. No territorial gains [acquisition] or special advantages resulting from aggression shall be recognized." (Über die i n K l a m m e r n erscheinenden Textstellen konnten sich die Staaten nicht einigen.) 11

Β. Verlauf der Konsensbildung

207

ren, daß derartige Vorteile nicht „als legal" anerkannt werden sollten 16 . Daß hiermit eine Einschränkung der normierten Konsequenzen bezweckt war 1 7 , machte i n diesem Zusammenhang ein Gegenvorschlag deutlich, wonach solche Gewinne „ n u l l und nichtig" sein sollten 18 . Der konsolidierte Entwurf des Jahres 197319, der i n den Grundzügen bereits dem Definitionstext entsprach, ließ dagegen schon die Bereiche wirklicher Entscheidung und formaler Kompromisse klar erkennen: Danach entschied er sich gegen die von den Blockfreien verfolgte Nichtanerkennungspflicht territorialer Gewinne unabhängig von der Frage der Rechtswidrigkeit der Gewaltanwendung. Zwar wurde der „territorialen Sensibilität" der blockfreien Staaten m i t einem eigenen Präambelparagraphen Rechnung getragen 20 . Nach dieser Vorschrift waren sie jedoch nur gegen Maßnahmen „ i n contravention of the Charter" geschützt. Die eigentliche Nichtanerkennungspflicht wurde gar nur i m Hinblick auf aggressionsbedingte territoriale Vorteile ausgesprochen 21, so daß weder Gewinne aus nichtbewaffneter Gewalt noch mittels Gewaltandrohung erzielte unter das Verdikt fielen. I m übrigen erfüllte der Entwurf aber die sowjetische Forderung eines Anerkennungsverbots aller besonderen Vorteile, relativierte diese Aussage jedoch i n Richtung auf den zuvor gemachten Kompromiß Vorschlag, derartige Vorteile nicht „als rechtmäßig anzuerkennen" 22 . cc)

Annahmephase

Die gegenüber diesem Entwurf gemachten Änderungen bei der A b fassung des endgültigen Definitionstextes bestanden i n einer komprimierteren, aber inhaltlich gleichen Fassung des Artikels i m operativen Teil 2 3 , einem u m den Satzteil „and that i t shall not be the object of acquisition by another State resulting from such measures or the threat thereof" erweiterten pr. para. 7 und einer „explanatory note" außerhalb des Definitionstextes, derzufolge 16

(Anm. 15). Siehe unten, A n m . 38. 18 „ . . . shall be n u l l and void", (Anm. 15). 19 Text i m Dokumentenanhang. 20 Pr. para. 7: „Reaffirming also that the territory of a State shall not be violated by being the object, even temporarily, of m i l i t a r y occupation or of other measures of force taken by another State i n contravention of the Charter." 21 A r t . 6 Abs. 2: „No territorial acquisition or special advantage resulting from aggression is l a w f u l nor shall i t be recognized as such." 22 Siehe oben, Text zu A n m . 16. 23 Anstelle von „No t e r r i t o r i a l acquisition . . . is l a w f u l nor shall i t be recognized as such" (Art. 6 Abs. 2 des „vorkonsensualen" Entwurfs) lautet A r t . 5 Abs. 3 der Definition „No t e r r i t o r i a l acquisition . . . is or shall be recognized as l a w f u l " . 17

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I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

„the Committee states that this paragraph should not be construed so as to prejudice the established principles of international l a w relating to the inadmissibility of territorial acquisition resulting f r o m the threat or use of force 2 4 ."

Danach wurde also dem Anliegen der blockfreien Staaten nur insoweit Rechnung getragen, als pr. para. 7 nun auch Territorialgewinne als Folge von Gewaltandrohungen für unzulässig erklärt 2 5 , während ihr Hauptanliegen, die Einfügung eines absoluten Gebietsschutzes auch gegenüber rechtmäßigen Gewaltmaßnahmen keine Zustimmung fand. Entsprechend unzufrieden mit dem Ergebnis waren die Befürworter einer umfassenden Territorialgarantie, also vor allem die arabischen Staaten 26 . Ihrer Ansicht nach blieb die Definition hinter dem Standard der „Prinzipien-Deklaration" zurück, die zumindest einer Interpretation i n ihrem Sinne nicht i m Wege stand 2 7 und ließen erkennen, daß die „explanatory note" zu A r t . 5 Abs. 3 vor allem die Funktion hat, den Standpunkt dieser Länder zur Problematik auch nach Annahme der Definition weiterhin vertreten zu können. Insbesondere die Stimmerklärungen Ägyptens 28 und Syriens 29 nämlich machten deutlich, daß die Ergänzung des pr. para 7 nicht gleichbedeutend m i t einer Anpassung der Definition an die „PrinzipienDeklaration" war, denn sie rügten ausdrücklich, daß A r t . 5 Abs. 3 nicht entsprechend formuliert worden sei 30 . A l l e i n die Erklärungsnote zu diesem A r t i k e l gebe das Prinzip i n vollem Umfang wieder, die der syrische Delegierte folglich lieber i m unmittelbaren Anschluß an A r t . 5 Abs. 3 piaziert gesehen hätte 3 1 und welche der ägyptische Delegierte — obwohl dieses Ziel nicht erreicht worden war — dennoch als Teil der Definition ansah 32 . 24

GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 9. Ohne sie jedoch i n vollem Umfang m i t der Nichtanerkennungspflicht des A r t . 5 Abs. 3 zu belegen! 26 Siehe den ägyptischen Vorschlag, oben, A n m . 11. 27 I m Gegensatz zur Aggresssionsdefinition dehnt die „Prinzipien-Deklaration" die Nichtanerkennungspflicht auf Gebietserwerb „resulting f r o m the threat or use of force" aus, ohne eindeutig klarzustellen, daß es sich u m rechtswidrige Gewaltanwendung oder -drohung handeln muß, w i e w o h l der Zusammenhang m i t Satz 1 des Absatzes nahelegt, auch hierunter nur A k t e „ i n contravention of the provisions of the Charter" zu verstehen. 28 (Anm. 24), S. 40 u n d A/C. 6/SR. 1483, para. 33. 29 (Anm. 24), S. 20. 30 So Ägypten , A/C. 6/SR. 1483, para. 33: „His delegation had preferred to stipulate i n that article that no such consequence could derive from the mere threat of use of force." 31 Also — wie die Note zu A r t . 1 — als formeller Bestandteil der Definition, siehe Syrien (Anm. 24), S. 20. 32 (Anm. 30). 25

Β . Verlauf der Konsensbildung

209

Daß eine solche Interpretation der Note jedoch keinesfalls der A u f fassung aller Staaten entsprach, verriet dagegen schon die Stimmerklärung der USA, nach der diese als bloße „safeguarding clause" zugunsten des allgemeinen Völkerrechts zu interpretieren sei 33 . A r t . 5 Abs. 3 hingegen sei nicht mehr als eine Wiedergabe des Gedankens der „Stimson-Doktrin" 3 4 und der entsprechenden Passagen der „PrinzipienDeklaration", also Ausdruck des allgemeinen Prinzips „ex iniuria ius non o r i t u r " 3 5 . Wenn damit die Weststaaten 36 auch unterstrichen, daß die Begrenzung der Nichtanerkennungspflicht auf aggressionsbedingte Vorteile keine Abweichung gegenüber der „Prinzipien-Deklaration" beinhalten sollte 37 , so machten sie damit aber zugleich deutlich, daß deren Kompromisse auch bei der Auslegung des A r t . 5 Abs. 3 heranzuziehen seien. Insbesondere der Kompromiß zum Inhalt des Anerkennungsverbots, der schon bei den Verhandlungen zur „Prinzipien-Deklaration" zu vermitteln galt zwischen einer von den Entwicklungsländern geforderten „de facto" und „de jure" Nichtanerkennung und einer von den westlichen Staaten bestenfalls akzeptierten bloßen „de jure" Nichtanerkennung 38 , ist auch i n A r t . 5 Abs. 3 der Definition „mitzulesen", der daher über ein Verbot einer „de jure" Anerkennung hinaus keinen Konsens ausdrückt 39 . 33

(Anm. 24), S. 24. Dazu Wehberg, Stimson-Doktrin. 35 Denn nach der „ S t i m s o n - D o k t r i n " sollten n u r solche Situationen nicht anerkannt werden, die durch M i t t e l zustandegekommen waren, die gegen den „ B r i a n d - K e l l o g g - P a k t " verstießen, also völkerrechtswidrig waren. Siehe auch Neuhold, Internationale Konflikte, S. 157 ff. 36 Ä h n l i c h nämlich Großbritannien (Anm. 24), S. 32, Italien, A/C. 6/SR. 1472, para. 26, u n d Frankreich, SR. 1474, para. 31. 37 Was generell auch schon durch den Vorbehalt des pr. para. 8 ausgedrückt w i r d . Die Ablehnung, i n A r t . 5 Abs. 3 „threat or use of force" zu normieren, läßt sich deshalb n u r damit erklären, daß i n einer Definition der Aggression eine übergreifende Behandlung der Rechtsfolgen von Gewalt schlechthin, ohne zu präzisieren, daß diese illegal sein müsse, eher i n Richtung auf ein absolutes Anerkennungsverbot i m arabischen Sinne hindeuten könnte, als dies i m Rahmen der „Prinzipien-Deklaration" der F a l l ist. 38 Die Vorenthaltung der rechtlichen Anerkennung würde sonstigen V e r kehr (Handel, diplomatische K o n t a k t e etc.) m i t dem betroffenen Staat nicht unterbinden. Siehe auch die Äußerung des schwedischen Delegierten i m „Prinzipienausschuß", A / A C . 125/SR. 86, S. 43: „ I f States were asked merely not to »recognize' or ,consider' as legal that which was illegal, there w o u l d be no great difficulty. The difficulties lay i n the fact that the d u t y of ,nonrecognition' might be argued by some to constitute a bar against trade arrangements, normal communications, and practical contacts of any k i n d w i t h the accused State; i t w o u l d be hardly realistic for any State to make so broad an undertaking." Siehe zum Kompromiß i n der „Prinzipien-Deklaration", zu Dohna, Grundprinzipien des Völkerrechts, S. 80 f. 39 So auch Bothe, Definition der Aggression, S. 140. Wenig überzeugend (angesichts des eindeutigen englischen Textes) ist daher der Versuch des 34

14' B r u h a

210

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Außerdem sind auch Ziffern (a) und (b) des entsprechenden Absatzes der „Prinzipien-Deklaration" 4 0 zu berücksichtigen, die dem Wunsch der westlichen Staaten Rechnimg tragen sollten, eine rückwirkende A n wendung der darüber stehenden Prinzipien weitgehend auszuschließen, bzw. der Respektierung von territorialen Verfügungen durch den Sicherheitsrat nicht i m Wege zu stehen 41 . Während letztere Sicherung wegen der immer noch mäßigen Beschlußfreudigkeit des Sicherheitsrates gegenwärtig von geringerer praktischer Bedeutung ist, ist die Ausklammerung von Gebietserwerb durch gültige völkerrechtliche Verträge 4 2 i m Zusammenhang m i t der keinesfalls ausgetragenen Frage von aktueller Bedeutung, von welchem historischen Zeitpunkt an eine Nichtigkeit zwangsmäßig zustande gekommener Friedensverträge angenommen werden darf 4 3 . Die Stimmerklärung des Delegierten der D D R 4 4 jedenfalls, der A r t . 5 Abs. 3 als willkommene Ergänzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker bezeichnete 45 , läßt ahnen, daß einige Staaten nicht beabsichtigen, eine generelle Rückwirkung des Artikels allzusehr zu begrenzen 46 . Wenig restriktiv dürfte auch die Generalklausel der „special advantage" 4 7 insbesondere von den Entwicklungsländern interpretiert werden, orientiert man sich an den Worten Kolumbiens, wonach dieser Terminus „cases such as the exploitation of natural resources or the undue use of the labour forces of a territory occupied" mitumfasse 48 . Die West algerischen Delegierten, A/C. 6/SR. 1479, para. 34, der französischen Fassung des Artikels („Aucune acquisition territoriale n i aucun avantage spécial résultant d'une agression ne sont licites n i ne seront reconnus comme tels") etwas anderes zu entnehmen, indem er behauptete, die Worte „comme tels" bezögen sich n u r auf „Aucune acquisition territoriale n i aucun avantage spécial" u n d nicht auf das W o r t „licites" (obwohl dieser Bedeutungsgehalt des französischen Textes grammatisch durchaus vertretbar wäre). 40 Siehe den Textauszug oben, nach A n m . 4. 41 Neuhold (Anm. 35), S. 230 f. 42 Abgeschlossen vor I n k r a f t t r e t e n der Charta! 43 Siehe dazu Neuhold, Wiener Vertragsrechtskonvention, S. 38 ff., u n d (Anm. 35), S. 231. 44

A/C. 6/SR. 1476, paras. 13 ff. (Anm. 44), para. 16. 46 Die übrigen Länder des sowjetmarxistischen Blocks, insbesondere die Sowjetunion selbst, äußerten sich dagegen zu A r t . 5 Abs. 3 nicht. Letztere wies dagegen n u r pauschal auf die Bedeutung von pr. para. 7 h i n (Anm. 24), S. 36, bzw. wiederholte diesen bis auf den 1974 angehängten Zusatz (siehe oben, Text zu A n m . 23). 47 Die begrifflich die besonders genannte „ t e r r i t o r i a l acquisition" m i t umfaßt! 48 A/C. 6/SR. 1474, para. 59. Vgl. auch die parallele Argumentation i m Zusammenhang m i t den sog. „excess-profit-deäuctions", also der „Aufrechnung" gegenüber Enteignungsentschädigungen bei der Enteignung oder Nationalisierung ausländischer F i r m e n m i t Gegenforderungen wegen der 45

Β . Verlauf der Konsensbildung

211

Staaten trugen diesen Worten dagegen nur insoweit Rechnung, als sie A r t . 5 Abs. 3 als solchen akzeptierten 49 , schwiegen sich jedoch i m übrigen — wie auch die sowjetmarxistischen Länder — zu ihrem näheren Inhalt aus. dd) Ergebnis I m Ergebnis weist daher der Konsensbildungsprozeß zu A r t . 5 Abs. 3 und pr. para. 7 über eine unscharfe „de jure" Nichtanerkennungspflicht rechtswidrig erlangter Vorteile 50 hinaus keine Einigung auf, wobei die Aggressionsdefinition dieses Prinzip explizit gar nur auf aggressionsbedingte Gewinne bezieht und weitergehende Aussagen i n den entsprechenden Passagen der „Prinzipien-Deklaration" gesucht werden müssen. A n der Anerkennung dieses Prinzips als Rechtsgrundsatz durch die Generalversammlung besteht dagegen kein Zweifel. c) A r t . 5 Abs. 2: Verantwortlichkeit für Aggression Auch die Verhandlungen zur Einbeziehung einer Bestimmung über die Poenalisierung der Aggression und der internationalen Verantwortlichkeit des Aggressors endeten i n der Weise, daß i m Austausch gegen die Anerkennung eines i m Programmatischen steckenbleibenden Prinzips dessen Konkretisierung weitgehend vermieden wurde. Andererseits stand die pauschale Bestätigung eines entsprechenden Grundsatzes — sollte es überhaupt zu einer Regelung i n der Definition kommen — nicht i n Frage: Denn erstens hatten bereits die Arbeiten zur „Prinzipien-Deklaration" Konsens über eine abstrakte Formel hervorgebracht 51 ; und zweitens war m i t der Existenz einer Aggressionsdefinition ein Hauptargument der Gegner einer Regelung entfallen, die ja stets eine fehlende Begriffsbestimmung der Aggression für ihre A b lehnung vorgebracht hatten, während sie den Grundsatz als solchen nicht bestritten 5 2 . von diesen F i r m e n betriebenen Ausbeutung der Bodenschätze des enteignenden Landes. (So am bekanntesten die Begründung Chiles unter Allende bei der Enteignung amerikanischer Kupferminen.) Siehe dazu allgemein Lillich, Valuation of Nationalized Property, S. 25 ff. 49 Siehe oben T e x t zu A n m . 33 ff. 60 Nach Stone (Anm. 10), S. 227, ist die Beschränkung der Nichtanerkennungsproblematik auf rechtswidrig erlangte Vorteile „one of the few clear legal outcomes of the 1974 definition on a disputed matter". 51 Siehe oben, Textauszug nach A n m . 4. 52 Siehe etwa den Delegierten der USA i m „Prinzipienausschuß", A / A C . 125/SR. 62, S. 14: „There could be no disagreement that a w a r of aggression was a flagrant violation of the Charter, that States must refrain from i n citing or waging wars of aggression and that any State w h i c h engaged i n such conduct must be condemned. However, i n the l i g h t of the difficulties jurists had experienced over the last forty years i n defining aggression, his 14*

2 1 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Wegen der mangelnden Bereitschaft der Weststaaten an einer inhaltlichen Diskussion i m Debattenstadium blieb es i m wesentlichen bei der Abgabe konfrontativer Erklärungen zur Opportunität einer Regelung 53 , zumal op. paras. 5 des sowjetischen und 9 des Blockfreienentwurfs sich zumindest nicht widersprachen 54 , wenn auch der erstere eindeutig die politische und materielle Verantwortlichkeit der Staaten und die strafrechtliche Haftung von Einzelpersonen normierte, wohingegen der letztere mit einer unbestimmten Generalklausel arbeitete 55 . bb)

Kompromißbildungsphase

Eine inhaltliche Auseinandersetzung setzte vielmehr erst i m Jahr auf die Annahme der „Prinzipien-Deklaration", also m i t der vierten Sitzungsperiode des Sonderausschusses 1971, ein und ließ bereits i m folgenden Jahr erkennen, daß nur auf einem weitgehend abstrakten Niveau eine Einigung denkbar war: Denn keiner der dort notierten Vorschläge 56 war auch nur annähernd so konkret formuliert wie op. para. 5 des sowjetischen Entwurfs. Vielmehr begnügte sich einer m i t einer Ergänzung des generellen Definitionsteils, wonach festgestellt werden solle, daß „Aggression ein Verbrechen gegen den Frieden" sei 57 , ein weiterer wiederholte i n etwas abgewandelter Form op. para. 9 des Blockfreienentwurfs 58 , während ein dritter 5 9 offensichtlich aus weststaatlicher Feder flöß, da er nahezu identisch m i t dem Vorschlag war, den der britische Delegierte 1967 i m Rahmen der Verhandlungen zur „Prinzipien-Deklaration" gemacht hatte 6 0 . delegation wished to reflect further on wether adequate standards existed to p e r m i t the inclusion i n a legal text of an express statement of responsibility under international law." 53 Siehe schon oben, A n m . 2. Dazu auch Uruguay i m Anschluß an die oben, A n m . 3, wiedergegebenen Worte: „ I f no provision was made for punishment of w h a t was an u n l a w f u l act, the effect w o u l d be the same as i f under c r i m i n a l l a w a statement was made that k i l l i n g was prohibited and no provision was made for punishment." 54 Z u weitgehend dagegen der rumänische Delegierte, der sie als nahezu identisch bezeichnete u n d Unterschiede n u r i m Redaktionellen sehen wollte, A/AC. 134/SR. 72, S. 80. 55 H i e r m i t begründete der Delegierte Uruguays (Anm. 53) seine Präferenz f ü r den sowjetischen Vorschlag, w e n n er auch ausdrücklich beide Entwürfe i n dieser Frage akzeptabel nannte. 66 Siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 17 („Summary of the Report of the I n f o r m a l Negotiating Group Established by the W o r k i n g Group"). 57 „Include i n the general definition of aggression at the beginning, after the w o r d ,aggression', ,which is a crime against peace'" (Vorschlag 3). 58 „Aggression, as defined herein, constitutes a crime against international peace giving rise to responsibility under international l a w " (Vorschlag 1). 59 „ A w a r of aggression constitutes a crime against the peace, for which there is responsibility under international l a w " (Vorschlag 2).

Β. Verlauf der Konsensbildung

21

Die Sowjetunion verzichtete in diesem Stadium auf eine förmliche Stellungnahme 61 , so daß der „vorkonsensuale" Entwurf des Jahres 1973 schon m i t einem abstrakten „Formelkompromiß" aufwarten konnte, i n dem es hieß „Aggression constitutes [ ] against international peace giving rise to responsibility under international l a w " 6 2 , wenn auch über den Inhalt der Klammer keine Einigkeit erzielt werden konnte 6 3 und es auch an Vorschlägen nicht fehlte, auf Teile der Regelung 6 4 oder gar auf sie ganz 65 zu verzichten. cc)

Annahmephase

Tatsächlich nämlich drückte der „vorkonsensuale" Entwurf des Jahres 1973 mehr Einigkeit aus als i n Wirklichkeit bestand. Und auch der italienische Vorschlag, m i t der Klassifizierung der Aggression als „schwere Friedensverletzung" 66 die Norm über den Bereich einer ausschließlich juristischen Verantwortlichkeit hinaus auszudehnen und auch politische und moralische Verantwortlichkeit i n ihren Regelungsbereich einzubeziehen (und sie somit mehrdeutig zu machen), war nicht flexibel genug, die Bedenken insbesondere der USA und Großbritanniens auszuräumen. Diese nämlich befürchteten, daß m i t der Annahme einer Aggressionsdefinition und der gleichzeitigen Poenalisierung der Aggression sowie der Regelung internationaler Verantwortlichkeit ein Instrument geschaffen würde, das zur Legitimierung von „tribunalartigen Kriegsverbrecherprozessen" herangezogen werden könnte 6 7 , eine Gefahr, der sich vor allem die USA i m Hinblick auf ihre damals i n nord-vietname60

Siehe A/AC. 125/L. 44 v o m 19. J u l i 1967 („Draft Declaration on P r i n ciples of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States"), S. 2: „Wars of aggression constitute international crimes against peace for which there is responsibility under international law." (Siehe auch Großbritannien, A/AC. 134/SR. 96, S. 53, das darauf hinwies, daß die Unterzeichnerstaaten des Weststaatenentwurfs ihre Bereitschaft zur F l e x i b i l i t ä t hätten erkennen lassen.) 61 I h r e Vorschläge zu den Rechtsfolgen der Aggression i n GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 21, bezogen sich n u r auf die Nichtanerkennungsproblematik. 62 A r t . 6 des Entwurfs, Text i m Dokumentenanhang. 63 Die Vorschläge lauteten: „a grave violation" (Italien, A/AC. 134/SR. 106, S. 27), „a crime" (Jugoslawien, SR. 108, S. 35, Syrien, ebd., S. 38, Bulgarien, ebd., S. 42, UdSSR, SR. 109, S. 47) u n d „ c r i m i n a l violation" (Ecuador, SR. 106, S. 26); alle Vorschläge i n GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 20. 64 Es wurde angeregt, auf die Poenalisierung der Aggression zu verzichten u n d n u r „Aggression gives rise to responsibility under international l a w " zu normieren, GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 17. 65 So die USA, A / A C . 134/SR. 108, S. 43. ββ Siehe oben, A n m . 63. 67 USA (Anm. 65): „ . . . a pretext for unilateral action b y States to vindicate w h a t they might consider to be their legal rights outside the ambit of the United Nations".

214

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

sischer und kambodschanischer Haft befindlichen Soldaten bewußt sein mußten 6 8 , beides Staaten, m i t denen sie sich nicht offiziell i m Kriegszustand befunden hatten. I m Ergebnis waren sie daher nicht bereit, über die i n der „Prinzipien-Deklaration" verankerte Poenalisierung von Aggressionskriegen 69 hinauszugehen und einer eindeutigen k r i m i nellen Verantwortlichkeit für „einfache" Aggressionen, die immer nur eine Verantwortung von Individuen sein kann 7 0 , zuzustimmen. Da andererseits die sowjetmarxistischen und blockfreien Staaten an einer Regelung der Rechtsfolgen auch der „einfachen" Aggression festhielten, wurde der Kompromiß i n einer Zerlegung des einheitlichen Satzes der „Prinzipien-Deklaration" i n zwei selbständige Sätze gefunden, wonach nur der erste eindeutig strafrechtlichen Inhalts ist 7 1 . Der zweite dagegen läßt durch Ersetzung der Worte „responsibility under international law" durch „international responsibility" 7 2 nicht nur die strafrechtliche Natur der Verantwortlichkeit für „einfache" Aggression fraglich werden, sondern lenkt sogar von der rechtlichen Verantwortlichkeit ab 7 8 . Derart konturenlos bot der Kompromiß zur Verantwortlichkeitsproblematik genügend Spielraum für die von den westlichen Staaten verfolgte restriktive Interpretation der Aggressionsfolgen. Sie legten nämlich i n ihren Stimmerklärungen A r t . 5 Abs. 2 einhellig gegen eine irgendwie geartete strafrechtliche Verantwortlichkeit von Privatpersonen für Aggressionen aus 74 und begründeten dies m i t der syntaktischen Trennung, derzufolge wohl der erste Satz, nicht aber der zweite „ i m strafrechtlichen Zusammenhang" stehe 75 . Letzterer spreche vielmehr nur die Staatenhaftung für rechtswidrige A k t e an 7 6 , regele diese aber nicht, wie die nachträglich vereinbarte 7 7 Zusatznote 78 klarstelle 7 9 . Denn 68

Siehe Ferencz I I , S. 44. Ziffer 2 des „Gewaltverbotsprinzips". 70 Während f ü r Staaten n u r Schadensersatz, Wiedergutmachung u n d ähnliche Vermögenswerte Leistungen i n Betracht kommen, siehe Ferencz I I , S. 43, T e x t zu A n m . 225. 71 „ A w a r of aggression is a crime against international peace" (Art. 5 Abs. 2 S. 1). 72 „Aggression gives rise to international responsibility" (Art. 5 Abs. 2 S. 2). 78 Ä h n l i c h dem Vorschlag Italiens, oben, A n m . 63. 74 So alle Unterzeichner des Weststaatenentwurfs, i m Rechtsausschuß: Italien, A/C. 6/SR. 1472, para. 26 u n d Kanada, SR. 1474, para. 14; i m Sonderausschuß (Anm. 24): Japan, S. 16; USA, S. 24; Großbritannien, S. 32; Australien, S. 33. 75 Großbritannien (Anm. 74). ™ USA (Anm. 74). 77 Siehe „Report of the W o r k i n g Group", (Anm. 24), S. 5. 78 (Anm. 24), S. 9: „ W i t h reference to the second paragraph of article 5, 69

Β . Verlauf der Konsensbildung

215

sie belege die Ansicht des Sonderausschusses, daß „the legal consequences of acts of aggression were and remained those provided for i n existing international law . . ." 8 0 , „without prejudging its development" 8 1 . Daß i n vergleichbarer Weise wie bei A r t . 5 Abs. 3 es den westlichen Staaten gelungen war, ihre Auffassung zum Inhalt 82 einer Regelung weitgehend i m Text zu verankern, machten die Stimmerklärungen der Gegenseite deutlich, die von den sowjetmarxistischen Staaten und der großen Mehrheit der blockfreien Länder kamen: Wenn diese sich auch bemühten, die begriffliche Differenzierung zwischen Aggressionskrieg und Aggression als künstlich und sachlich unbegründet hinzustellen, so ließ doch der Inhalt ihrer Äußerungen erkennen, daß am Wortlaut der Regelung nicht vorbeizukommen ist 8 3 , zumindest konnten sie ihn nicht i n ihrem Sinne plausibel erklären. So bedauerte Jugoslawien die „theoretische" Unterscheidung und wies auf die Möglichkeit einer „absurden" Interpretation des A r t . 5 Abs. 2 hin, wonach dieser für die Aussage stehen könnte, daß „einfache" Aggression kein Verbrechen gegen den Frieden sei, während der Aggressionskrieg, der nach dem A r t i k e l m i t dieser Qualifikation belastet sei, wiederum keine internationale Verantwortlichkeit nach sich ziehe 84 . Andere Staaten schlossen aus der behaupteten Künstlichkeit der begrifflichen Trennung auf die Unzulässigkeit eines derartigen Umkehrschlusses 85 und forderten die strafrechtliche Verantwortlichkeit für jeden Aggressionsakt 86 . Entsprechend maßen sie der Ersetzung von „responsibility under international l a w " durch die vieldeutige Formel „international responsibility" keine inhaltliche Bedeutung bei und the words »international responsibility' are used w i t h o u t prejudice to the scope of this term." 79 Italien (Anm. 74): „ I n other words, article 5, second paragraph, d i d not purport to have any bearing on international c r i m i n a l l a w and d i d not prejudge the question of the nature and extent of international responsibility." 80 Italien (Anm. 74). 81 Frankreich (Anm. 24), S. 22. 82 Während sie m i t i h r e m Wunsch, eine Regelung auszuschließen, nicht Erfolg hatten. 83 So auch Broms, Definition of Aggression I I , S. 357. 84 (Anm. 24), S. 26. Ä h n l i c h auch Spanien, A/C. 6/SR. 1472, para. 39; Guatemala, SR. 1479, para. 18; Algerien, para. 35. Weitere Hinweise auf Staaten, die sich gegen die Trennung aussprachen, bei Ferencz I I , S. 72, T e x t der A n m . 227. 85 Mexiko (Anm. 24), S. 39: „The t e r m ,war' was a m i l i t a r y and not a j u r i d i c a l term. The fact that the text did not expressly say that aggression was a crime against peace could not be construed as authorizing a contrario interpretation." 86 So insbesondere die UdSSR (Anm. 24), S. 37

216

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

e r k l ä r t e n dies d a m i t , daß l e t z t e r e die erstere a n g e b l i c h voraussetze 8 7 , w a s jedoch n u r i n s o w e i t z u t r e f f e n mag, als rechtliche Verantwortl i c h k e i t g e m e i n t ist. O f f e n s i c h t l i c h w a r diesen S t a a t e n j e d o c h d i e „ T e x t ferne" ihrer Interpretation bewußt, denn letztendlich stützte m a n Rechtsansichten w i e diese auf D o k u m e n t e a u ß e r h a l b der D e f i n i t i o n , w i e d i e C h a r t a d e r N ü r n b e r g e r M i l i t ä r g e r i c h t e 8 8 , d i e j e d o c h — ebenso w i e d i e „ P r i n z i p i e n - D e k l a r a t i o n " — auch z u r U n t e r s t ü t z u n g d e r G e genansicht herangezogen w u r d e n 8 9 , w o m i t die G r u n d s ä t z l i c h k e i t der M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n zusätzlich u n t e r s t r i c h e n w i r d . dd)

Ergebnis

A r t . 5 A b s . 2 r e p r ä s e n t i e r t d a h e r n u r i n s o w e i t e i n e n Konsens i n n e r h a l b der G e n e r a l v e r s a m m l u n g , als er d i e V e r u r t e i l u n g des A g g r e s sionskrieges als V e r b r e c h e n u n d d i e p r i n z i p i e l l e V e r a n t w o r t l i c h k e i t f ü r A g g r e s s i o n e n a b s t r a k t n o r m i e r t ohne e i n e n B e i t r a g z u K o n k r e t i s i e r u n g dieser G r u n d s ä t z e z u l e i s t e n 9 0 . 4. Ergebnis der Untersuchung der Konsensbildung zu den funktionsbestimmenden Elementen der Definition D i e i n diesem A b s c h n i t t a n a l y s i e r t e n V e r h a n d l u n g e n z u d e n f u n k t i o n s b e s t i m m e n d e n E l e m e n t e n der D e f i n i t i o n erweisen, daß d e r K o n 87 UdSSR (Anm. 86): „ . . . there was no difference between i n t e r n a t i o n a l responsibility 4 and »responsibility under international l a w ' since the former presupposed the latter, i. e. responsibility for acts designated as crimes i n relevant international legal instruments" (ebenso A/C. 6/SR. 1472, para. 5). 88 UdSSR (Anm. 86); Bulgarien (Anm. 24), S. 29. 89 Siehe Großbritannien (Anm. 24), S. 32 („principles embodied i n the Nuremberg Charter and repeated i n the Declaration on Friendly Relations") u n d USA, ebd., S. 24 („principles which formed the basis of the trials following the Second W o r l d War, enunciated i n the Moscow Declaration of 1943, the London Agreement of 1945 and the Charter of the International M i l i t a r y T r i b u n a l for the Far East"). 90 Siehe zur weiteren Entwicklung vor allem die zur Zeit laufenden A r b e i ten der I L C zu Fragen der Staatenhaftung („state responsibility") für völkerrechtswidrige A k t e (vgl. zur Vorgeschichte u n d zum Zweck der Arbeiten, Y B I L C 1978, vol. I I , part 2, S. 74 ff.). Interessant ist, daß ähnlich A r t . 5 Abs. 2 der Weg über die Differenzierung führt, ohne daß m a n sich schon darüber i m klaren ist, welche konkreten Konsequenzen die Unterscheidung haben soll. Denn A r t . 19 des bisherigen Entwurfs ( Y B I L C , ebd., S. 80) unterscheidet „international crimes " von bloßen „international delicts ", ohne gegenwärtig anzudeuten, welche unterschiedlichen Rechtsfolgen die begrifflich verschiedenen A k t e nach sich ziehen sollen (dazu auch Klein, Nichtanerkennung, S. 487 f.). Wichtig ist aber, daß als „Verbrechen" i. S. des A r t . 19 des Entwurfs an erster Stelle Aggression, nicht etwa Aggressionskrieg (neben Kolonialismus, Sklaverei, Völkermord, A p a r t h e i d u n d massiver Umweltverschmutzung), genannt w i r d , was A r t . 5 Abs. 2 der Definition gerade vermeiden wollte. (Eingehend zu A r t . 19 des I L C Entwurfs: Y B I L C 1976, vol. I I , part 2, S. 95 - 122.)

Β . Verlauf der Konsensbildung

2

sens i n der Generalversammlung zu einer umfassenden Begriffsbestimmung der Aggression nicht gereicht hat. A m deutlichsten haben dies die offenen Meinungsverschiedenheiten gemacht, die sich hinter den „Formelkompromissen" zum generellen Definitionskonzept („objektive" oder „subjektive" Definition) und zu Art. 6 und 7 (erlaubte Gewalt) verbergen. Die westlichen Industriestaaten i n Verbindung m i t dem sowjetmarxistischen Block interpretieren die Definition prinzipiell „subjektiv" gegen eine irgendwie geartete „Selbstqualifizierung" des Erstangreifers als Aggressor, wenn auch die Meinungen über die Gewichtigkeit des objektiven Elements geteilt sind. Andererseits t r i t t die überwältigende Mehrheit der blockfreien Staaten, die sich gegen die Berücksichtigung subjektiver Elemente ausgesprochen haben, zusammen m i t den sowjetmarxistischen Ländern für ein unbegrenztes Gewaltanwendungsrecht nationaler Befreiungsbewegungen ein, was i m Ergebnis auch nichts anderes als die Anerkennung gewisser Aktionen als rechtmäßig ist, sofern diese einem (subjektiv empfundenen) „gerechten Zweck" dienen. Überdies haben die Diskussionen zu A r t . 6 ergeben, daß auch über die i n der Satzung normierten Rechtfertigungsgründe der A r t . 51-53 SVN alles andere als Einigkeit besteht, womit die objektive Tatbestandsillustrierung der A r t . 1 bis 3 für die Frage der Illegalität eines konkreten Aktes beim gegenwärtigen antagonistischen Zustand der Welt von sehr geringer Bedeutung sein wird. Auch die von pr. para. 10 gebotene Berücksichtigung der „besonderen Umstände des Einzelfalls" verspricht danach kaum, der Entscheidung dienlich zu sein, auch soweit diese Umstände ihrerseits „ n u r " objektiv verifizierbare Fakten sind. Soweit sie andererseits Anknüpfungspunkte für ideologische und/oder ethisch-humanitäre „Vorentscheidungen" sind, dürfte i n den meisten Fällen die Entscheidungsunfähigkeit des Sicherheitsrates die Folge sein, so daß auch i n diesen Fällen die Definition letztendlich ihren Zweck nicht erfüllt wird. Schließlich zeigten auch die Diskussionen zu den Rechtsfolgen der Aggression, daß A r t . 5 Abs. 2 und 3 i n Verbindung m i t pr. para. 7 weitgehend i m Programmatischen steckengeblieben sind, so daß der Aggressionsbegriff generell und sein „rechtliches Umfeld" nicht wesentlich an Schärfe gewonnen haben, vielmehr eher der Eindruck zurückbleibt, als habe der Konsensbildungsprozeß vorwiegend Dissense aufgetan und damit sein eigentliches Ziel, konsolidierend zu wirken, verfehlt.

218

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses I I . Die Konsensbildung zum Tatbestand der Aggression

Blockfreienentwürfe: Ursprünglicher „12-Staatenentwurf", A / A C . 134/L. 3: op. paras. 1, 2; ursprünglicher „4-Staatenentwurf", A/AC. 134/L. 4: op. paras. 1, 8; ursprünglicher „13-Staatenentwurf", A/AC. 134/L. 6: pr. para. 2, op. paras. 1, 5; endgültiger Blockfreienentwurf, A/AC. 134/L. 16: pr. para. 2, op. paras. 2, 5. Sowjetischer Entwurf, A/AC. 134/L. 12: pr. para. 8, op. paras. 1, 2. Weststaatenentwurf, Ai AC. 134/L. 17: op. paras. I I , I V .

Vor dem Hintergrund des vorhergehenden Abschnitts 1 erscheint die Konsensbildung zum Tatbestand der Aggression — und damit zum Schwerpunkt des Definitionsvorhabens — als zweitrangig, da die Entscheidung über die Effektivität der Definition als einer Hilfe zur Feststellung aggressiver Akte, wie dargelegt, auf anderer Ebene weitgehend negativ gefallen ist. Dennoch sind die Verhandlungen zum Tatbestand nicht von geringem Interesse, da sie Aufschluß darüber geben können, welche illegalen Akte überhaupt nach Vorstellung der Staatengemeinschaft als potentielle Aggressionen i n Frage kommen und welche von vornherein ausscheiden bzw. nicht so typisch sind, als daß sie besonders hätten genannt werden müssen. 1. Art. 1 und 3 Ziffer

g: Genereller Tatbestand

a) M i t t e l der Aggression I m Ergebnis wenig Schwierigkeiten traten i n Verbindung m i t der Einigung auf, den Aggressionsbegriff der Definition auf den Gebrauch bewaffneter Gewalt zu beschränken, also sowohl die Aggressionsdrohung 2 als auch die sog. ökonomische, ideologische und politische Aggression 8 als mögliche unbewaffnete Aggressionsformen von einer Begriffsbestimmung auszunehmen. Während die Drohung 4 m i t Aggression überhaupt nur i n ihrer besonderen Ausformung als Kriegserklärung 5 diskutiert, jedoch alsbald fallengelassen wurde 6 , waren die teilweise 1 Siehe zu den Gründen, die Konsensbildung zum Tatbestand der Aggression als letzte zu untersuchen schon oben, zu Beginn des 3. Abschnitts des Zweiten Teils. 2 Vgl. A r t . 2 Ziffer 4 S V N u n d Absatz 1 des „GewaltVerbotsprinzips" der „Prinzipien-Deklaration", die den Gewaltbegriff übereinstimmend m i t den Worten „threat or use of force" definieren. 3 Siehe dazu Derpa , Gewaltverbot. Einen Überblick über die Berücksichtigung dieser Formen unbewaffneter Gewalt i n früheren E n t w ü r f e n gibt Stone, Conflict through Consensus, S. 90 - 96. 4 Keiner der i m Verlaufe der Verhandlungen vorgelegten Entwürfe hatte generell die Drohung m i t Aggression deren Begehung gleichgestellt. 5 Sowohl der sowjetische als auch alle Blockfreienentwürfe hatten die Kriegserklärung als eigenen Aggressionsfall normiert, siehe op. para. 2 Α. des sowjetischen u n d 5 (a) des Blockfreienentwurfs. 6 Siehe dazu unten, S. 243 f.

Β . Verlauf der Konsensbildung als „ i n d i r e k t e "

A g g r e s s i o n bezeichneten F ä l l e ökonomischer,

2 ideolo-

gischer u n d p o l i t i s c h e r B e e i n f l u s s u n g 7 n u r anfangs Gegenstände h e f t i ger D e b a t t e n . aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

So h a t t e op. para. 1 des „ 1 2 - S t a a t e n e n t w u r f s " d e r B l o c k f r e i e n v o n der ersten S i t z u n g s p e r i o d e 8 A g g r e s s i o n als „ t h e use of force in any form " bezeichnet, w o b e i d e r D e l e g i e r t e Ghanas (der d e n E n t w u r f e i n brachte) z u e r k e n n e n gab, daß h i e r m i t n i c h t n u r b e w a f f n e t e A g g r e s s i o n s f o r m e n einbezogen sein sollten, s o n d e r n auch u n b e w a f f n e t e 9 , w i e sie d e r D e l e g i e r t e Indonesiens 10 b e i seinem ersten A u f t r i t t n a n n t e : „The concept of indirect aggression should also include the following: (1) acts of one State paralyzing the national economic life of another State; (2) acts of imposing a certain ideology upon another nation." A u c h andere D e l e g i e r t e , w i e d i e Spaniens 11i des Kongo 12 ( „ T h e e v i l of aggression . . . l a y n o t i n t h e existence of arms, b u t r a t h e r i n t h e i n t e n t of G o v e r n m e n t s t o i m p o s e t h e i r w i l l o n o t h e r G o v e r n m e n t s o r peoples"), Zyperns 13, Ecuadors 14 u n d Uruguays 15, u m n u r die wichtigsten W o r t f ü h r e r z u n e n n e n , ä u ß e r t e n sich p r i n z i p i e l l ü b e r e i n s t i m m e n d . D e m g e g e n ü b e r l e h n t e n v o r a l l e m d i e westlichen S t a a t e n das K o n z e p t einer i r g e n d w i e gearteten unbewaffneten Aggression a b 1 6 u n d v e r w i e 7 I n der L i t e r a t u r werden häufig auch diese nichtbewaffneten Methoden als indirekte Aggression bezeichnet, siehe Stone (Anm. 3), S. 87 f. Hier w i r d — der Terminologie des Sonderausschusses folgend — der Begriff indirekte Aggression den subversiven Angriffsformen, w i e sie i n A r t . 3 Ziffer g angesprochen sind, vorbehalten. Siehe die Differenzierung bereits i m ersten Bericht des Ausschusses, GAOR, X X I I I , Agenda I t e m 86, S. 22 f. 8 A / A C . 134/L. 3. 9 A/AC. 134/SR. 14, S. 142: „ I n particular, the A f r o - A s i a n countries considered, that the t e r m ,force 4 i n the Charter embraced political and economic restraint as w e l l as m i l i t a r y force and that aggression ipso facto included economic aggression." 10 A / A C . 134/SR. 5, S. 35. 11 A / A C . 134/SR. 9, S. 101 („economic and political pressure"). 12 A / A C . 134/SR. 11, S. 132. 18 A / A C . 134/SR. 32, S. 42 („Aggression was not only a physical m a n i festation"). 14 A / A C . 134/SR. 35, S. 74: „Economic pressure could mean starvation, and starvation k i l l e d as surely as the atomic bomb." 15 A / A C . 134/SR. 48, S. 214 („indirect aggression, economic, ideological, cult u r a l or other"). 16 Siehe vor allem Australien, A / A C . 134/SR. 38, S. 106: „The Charter used the w o r d »aggression 4 not abstractly b u t concretely . . . i t was surely p l a i n that ,acts of aggression 4 were only those acts which involved a real or threatened breach of the peace . . . Whatever wide sense the w o r d ,aggression'

22

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

sen die Problematik politischen, ideologischen oder ökonomischen Drucks i n andere Kategorien 1 7 , m i t denen sich zudem sonstige Ausschüsse18 und Organe 19 der Vereinten Nationen zu beschäftigen hätten. bb)

Kompromißbildungsphase

Versuche einer Kompromißbildung wurden jedoch bereits auf der ersten Sitzungsperiode gemacht, als der (erste) „Dreizehn-Staaten" Entwurf der Blockfreien erklärte, daß „armed attack (armed aggression) is the most serious and dangerous form of aggression and that i t is proper at this stage to proceed to a definition of this form of aggression" 2 0 . Denn damit zeigten die Vertreter eines weiten, funktionalen Aggressionsbegriffs ihre Bereitschaft, sich bis auf weiteres auf die Definition der bewaffneten Aggression zu beschränken, wiewohl sie an ihrem weiten Konzept prinzipiell festhielten. Entsprechend wurde Aggression nur „For the purpose of this definition" m i t dem Gebrauch bewaffneter Gewalt gleichgesetzt 21 . Dem trug der sowjetische Resolutionsentwurf A/AC. 134/L. 7 2 2 desselben Jahres Rechnung, m i t dem die Generalversammlung u m Mandatsverlängerung des Ausschusses ersucht und bewaffnete Aggression ebenfalls nur als Unterfall eines übergeordneten Aggressionsbegriffs bezeichnet wurde 2 3 . Ein Änderungsantrag Ghanas („Delete the words m i g h t have, the Charter itself left no room for such concepts as »economic4 or »psychological· or »ideological· aggression." Ä h n l i c h Großbritannien , A/AC. 134/SR. 8, S. 73, u n d die USA, SR. 10, S. 120. 17 Großbritannien (Anm. 16) m i t der Anmerkung, daß diese Maßnahmen eventuell „Friedensbedrohungen" i m Sinne von A r t . 39 S V N darstellen könnten. (Siehe auch den Bericht des Rechtsausschusses, Doc. A/7402, para. 15.) 18 Siehe den Hinweis auf den Ausschuß zur Erarbeitung der „PrinzipienDeklaration" durch die USA (Anm. 16), S. 121. 19 So die Türkei, A / A C . 134/SR. 11, S. 127, die i n diesem Zusammenhang Ausschüsse des Wirtschafts- u n d Sozialrats erwähnte. 20 Pr. para. 2 von A/AC. 134/L. 6. 21 Op. para. 1. 22 GAOR, X X I I I , Agenda I t e m 86 (A/7185/Rev. 1), S. 10. 23 Dies ergibt sich aus einer systematischen Interpretation der beiden ersten Präambelparagraphen: „The General Assembly, Considering that resolution 2330 ( X X I I ) recognized the widespread conviction of the need to expedite the definition of aggression and instructed the Special Committee to consider a l l aspects of the question so that an adequate definition of aggression m i g h t be prepared, Considering that the Committee's deliberations revealed the sincere desire of the overwhelming m a j o r i t y of the Committee's members to complete their w o r k b y submitting to the General Assembly a report containing a definition of armed aggression (attack) unanimously approved b y the Committee." (Hervorhebungen v o m Verfasser.)

Β . Verlauf der Konsensbildung

221

,armed', ,(attack)4 . . .") 2 4 sorgte allerdings dafür, daß die Frage zum Abschluß der ersten Sitzungsperiode noch offen blieb 2 5 . Spätestens m i t dem Einbringen des sowjetischen Definitionsentwurfs und des endgültigen Blockfreienentwurfs auf der zweiten Sitzungsperiode war die Frage der unbewaffneten Aggression aber „vom Tisch". Denn beide Definitionstexte galten eindeutig nur bewaffneten Angriffshandlungen, bezeichneten diese Form der Aggression jedoch vorsorglich als (schwerwiegendsten und gefährlichsten) Unterfall eines weiter verstandenen Aggressionsbegriffs 26 . Demgegenüber sah der Weststaatenentwurf eine derartige Differenzierung nicht vor, sondern identifizierte Aggression allein m i t bewaffneter Gewalt 2 7 . cc)

Annahmephase

Diese Auffassung setzte sich schließlich durch. Denn schon m i t pr. para. 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs des Jahres 1973 (identisch m i t pr. para. 5 der Definition) wurde der Aggressionsbegriff der Definition nur als Unterfall illegaler Gewalt beschrieben, nicht aber als eine Erscheinungsweise eines weitergehenden Aggressionskonzepts. I n Verbindung m i t A r t . 1, der Aggression ohne den Zusatz „bewaffnet" m i t der Anwendung von Waffengewalt gleichsetzt, bleibt daher keine Möglichkeit, aus der Definition die Existenz eines (nicht definierten) weiteren Aggressionsbegriffs herauszulesen 28 , was den Sicherheitsrat jedoch nicht unbedingt hindern muß, solche Fälle (Öl-Boykott, Wirtschaftsembargo etc.) entlastend bei den „other relevant circumstances" des A r t . 2 zu berücksichtigen 29 . 24

(Anm. 22), S. 10. Pr. para. 2 des sowjetischen Resolutionsentwurfs wurde schließlich m i t folgendem Wortlaut angenommen: „Considering that the Committee's deliberations revealed the sincere desire of the overwhelming m a j o r i t y of the Committee's members to complete their w o r k by submitting to the General Assembly a report containing a draft definition of aggression approved by the Committee." Siehe A n m . 22, S. 34, u n d den Bericht des Rechtsausschusses, Doc. A/7402, paras. 15 f. (Hervorhebungen v o m Verfasser.) 25

26 Pr. para. 8 u n d op. para. 1 des sowjetischen Entwurfs, pr. para. 2 und op. para. 2 des Blockfreienentwurfs. 27 Op. para. I I i. V. m i t I V B des Entwurfs. 28 E i n anderes Ergebnis läßt sich auch nicht mittels A r t . 4 erzielen, wonach der Sicherheitsrat auch nichtgenannte Fälle als Aggressionen qualifizieren kann. Denn seinem Wortlaut nach bezieht sich A r t . 4 eindeutig nur auf den enumerativen Katalog des Art. 3 („The acts enumerated above are not exhaustive . . . " ) u n d nicht auf die umfassende Generalklausel des A r t . 1, also die grundlegende Qualifizierung der Aggression als Gebrauch von Waffengewalt. 29 So auch Stone (Anm. 3), S. 129.

2 2 I I .

3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Eine andere Frage ist, ob die konsensuale Zustimmung aller Staaten zum Definitionstext zugleich als ihr Verzicht interpretiert werden kann, weiterhin die Idee eines funktionalen Aggressionsbegriffs zu verfolgen 30 . Die Tatsache, daß keines der Mitglieder des Sonderausschusses i n seinen Stimmerklärungen trotz der Definition ein solches Konzept vertreten hat, könnte eine A n t w o r t jedenfalls positiv ausfallen lassen. Dem stehen jedoch die Äußerungen einiger afro-asiatischer und lateinamerikanischer, i m Sonderausschuß nicht vertretener Länder gegenüber: So vertraten Peru 3 1 und Zaire 32 i m Hechtsausschuß die Auffassung, daß den Formen nichtbewaffneter Aggressionen über A r t . 4 Rechnung getragen werden könne, und auch die Äußerungen des chilenischen Vertreters 3 3 dürften i n diesem Sinne zu verstehen sein. Die meisten dieser Delegierten bedauerten jedoch allein, daß eine ausdrückliche Berücksichtigung ökonomischer, politischer und ideologischer Pressionen unterblieben sei und bestanden nur darauf, daß dies ausschließlich aus verhandlungsökonomischen Gründen geschehen sei. Daraus folge, daß die Definition nichts über die rechtliche Existenz 3 4 eines waffenlosen Aggressionskonzepts aussage, noch könne sie der Frage vorgreifen, ob auch diese Aggressionsformen i n Zukunft definiert werden sollen 35 . Teilweise wurden auch Ausführungen zu den konkreten Ausformungen eines derartigen Aggressionsbegriffs gemacht 36 , besonders umfassend von China 37. 30

Siehe auch Stone (Anm. 3), S. 97. A/C. 6/SR. 1474, para. 7. 32 A/C. 6/SR. 1489, para. 48. 33 A/C. 6/SR. 1474, para. 19: „ I t w o u l d also have been desirable to include types of aggression that d i d not consitute armed attack, as had been done i n the I n t e r - A m e r i c a n Treaty on Reciprocal Assistance. However, he welcomed the safeguard provided i n A r t i c l e 4 whereby the Security Council was free to decide w h a t other acts constituted aggression." (Ähnlich auch Argentinien , A/C. 6/SR. 1478, para. 30, während El Salvador, das ebenfalls ein weites Aggressionskonzept vertrat, diese Möglichkeit ausschloß, SR. 1483, para. 1.) 34 So etwa Kenia, A/C. 6/SR. 1474, para. 22; Pakistan, SR. 1477, para. 6; Argentinien, SR. 1478, para. 30; Indien, SR. 1478, para. 47; Uruguay, SR. 1482, para. 11; Dahomey, SR. 1482, para. 39; Zambia, SR. 1482, para. 63; El Salvador, SR. 1483, para. 1; Kamerun, SR. 1483, para. 10; Nepal, SR. 1483, para. 20; Sierra Leone, SR. 1483, para. 22. 35 F ü r eine baldige Revision der soeben geschaffenen Definition sprachen sich aus: Jugoslawien, A/C. 6/SR. 1479, para. 10; Rwanda, SR. 1480, para. 40; Burundi, SR. 1482, para. 9; Kamerun, SR. 1483, para. 10. Dagegen Schweden, A/C. 6/SR. 1472, para. 7 u n d die Niederlande, SR. 1473, para. 4. 36 So ζ. B. die Delegierten des Kongo u n d Ägyptens, die etwa die Ausbeutung von Bodenschätzen unter Verletzung der Souveränität der Staaten über ihre Ressourcen nannten (Kongo, A/C. 6/SR. 1478, para. 30; Ägypten, SR. 1483, para. 30). 87 A/C. 6/SR. 1475, para. 14: „ . . . territorial annexation and expansion, political interference and subversion, and economic control and plunder". 31

Β . Verlauf der Konsensbildung dd)

223

Ergebnis

Diese z a h l r e i c h e n S t i m m e n lassen d a h e r k e i n e Rückschlüsse d e r o b e n g e n a n n t e n 3 8 A r t aus d e r A n n a h m e d e r A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n z u 3 9 . A n d e rerseits s o l l t e n sie j e d o c h auch n i c h t ü b e r b e w e r t e t w e r d e n . D e n n e i n V o r s c h l a g Afghanistans a n die G e n e r a l v e r s a m m l u n g , n u r 8 M o n a t e nach A n n a h m e d e r A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n d e r e n R e v i s i o n i n s A u g e z u fassen 4 0 u n d sie auch a u f „ u n b e w a f f n e t e A g g r e s s i o n e n " a u s z u d e h n e n 4 1 , w u r d e wieder zurückgezogen42. „ ö k o n o m i s c h e " , „ p o l i t i s c h e " oder „ i d e o l o g i s c h e " A g g r e s s i o n s f o r m e n m ö g e n d a h e r z w a r a u f absehbare Z e i t z u m festen A r s e n a l 4 3 p r o p a g a n distischer R e i z w ö r t e r gehören, a n eine i r g e n d w i e g e a r t e t e V e r r e c h t l i c h u n g 4 4 dieser K o n z e p t e ist j e d o c h g e g e n w ä r t i g n i c h t z u d e n k e n 4 6 .

38

Siehe T e x t zu A n m . 30. Anders aber Scheuner, Auslegung der Charta, S. 114. 40 Doc. A/10193 v o m 18. August 1975: „Request for the inclusion of a supplementary i t e m i n the agenda of the t h i r t i e t h session: Need to extend the Definition of Aggression i n the l i g h t of the present international situation." 41 I n der Begründung seiner I n i t i a t i v e führte Afghanistan i m „explanatory memorandum" zu Doc. A/10193 aus: „ . . . 4. The Special Committee on the Question of Defining Aggression . . . has been successful i n establishing a definition of armed aggression . . . However, i n our view, the Special Committee was unable to accomplish its f u l l mandate under resolution 2330 ( X X I I ) , w h i c h was to define a l l forms of aggression, as recommended by the General Assembly . . . 6. . . . i t is our view, t a k i n g into consideration the provisions of resolution 2330 ( X X I I ) , that the definition of aggression should be expanded to include a l l methods of force and coercion, direct or indirect, i n cluding economic and political pressures . . . 7. . . . Our purpose is the renewal of this i t e m and the establishment of an ad hoc committee for defining other forms of aggression as outlined by General Assembly resolution 2330 (XXII) ...". 42 Offiziell gab Afghanistan an, daß die Delegationen nicht genügend Zeit gehabt hätten, den Vorschlag zu beraten u n d Stellung zu beziehen ( Y U N 29 [1974], S. 899). Jedoch dürfte mangelnde Unterstützung der G r u n d für den Rückzug gewesen sein, denn auch auf den folgenden Sitzungsperioden der Generalversammlung tauchte ein entsprechender Tagesordnungspunkt nicht mehr auf. 43 Neben den Schlagwörtern „permanente" (koloniale) Aggression oder die pauschale Qualifizierung des Zionismus, der Apartheid usw. als Aggression. 44 A u f direkte (Kodifikation, Verträge) oder indirekte (Völkergewohnheitsrecht) A r t u n d Weise. 45 Diese Einschätzung w i r d auch durch die „Prinzipien-Deklaration" bestätigt, die die Aussagen zur unbewaffneten Gewalt („No State may use or encourage the use of economic, political or any other type of measures to coerce another State i n order to obtain from i t the subordination of the exercise of its sovereign rights and to secure from i t advantages of any kind") nicht etwa i m Prinzip des Gewaltverbots, sondern i n dem der Nichtintervention (dort Absatz 2) enthält. 39

224

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

b) Subjekte und Objekte der Aggression Unter dem Arbeitstitel „Political entities to which the definition should apply" 4 6 fand vom Beginn des Konsensbildungsprozesses an eine kontroverse Diskussion darüber statt, ob der Aggressionsbegriff nur auf Gewaltakte zwischen anerkannten Staaten Anwendung finden solle, oder ob er losgelöst von der juristischen Qualifizierung der beteiligten Parteien auch dem Verhalten „sonstiger Einheiten" gelten könne. aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Z u Beginn der Verhandlungen schien es, als ob m i t dieser Frage die zentralen Meinungsverschiedenheiten des gesamten Definitionskonzeptes angesprochen seien. Denn zum einen warfen die Weststaaten, die sich als einzige m i t den Worten „ A n y act which w o u l d constitute aggression b y or against a State likewise constitutes aggression w h e n committed by a State or other political entity delimited by international boundaries or internationaly agreed lines of demarcation against any State or other political entity so delimited and not subject to its a u t h o r i t y 4 7 . "

ausdrücklich von einer ausschließlichen Staatsbezogenheit des Aggressionsbegriffs lösten, der Gegenseite vor, sie engten m i t ihren Entwürfen die Chartavorschriften ein, die die Feststellung eines Aggressionsaktes nicht von der „formellen Staatlichkeit" der Beteiligten abhängig mache 48 . Zum anderen ließ auch die K r i t i k der Unterzeichner der beiden anderen Entwürfe befürchten, daß sich an den „political entities" der Weststaaten der ganze K o n f l i k t zum materiellen Gehalt einer künftigen Definition entzünden werde: Denn einhellig sahen sowohl die sowjetmarxistischen Staaten als auch die blockfreien Länder i n dieser Formel vor allem den Versuch, den Befreiungsbewegungen unselbständiger Völker Fesseln anzulegen, um ihnen das Gewaltanwendungsrecht zu nehmen 49 . Insbesondere die Schlußworte „and not subject to its autho46

So ab GAOR, X X I V , Suppl. No. 19, S. 14. Op. para. I I S. 2 des Weststaatenentwurfs (Hervorhebungen v o m Verfasser). 48 Kanada, A / A C . 134/SR. 28, S. 18: „ . . . the Charter . . . d i d not rule out a finding of aggression by or against an entity not generally recognized as a State". 49 So vor allem Ägypten, A / A C . 134/SR. 65, S. 152: „ W h a t the sponsors of the six-Power draft had meant was, he thought, that national liberation movements could be the perpetrators or victims of acts of aggression", u n d Uganda , ebd., S. 153, das ergänzte: „ . . . that danger was a l l the greater since the sponsors of the six-Power draft had not seemed i t necessary to specify i n their t e x t that the definition w o u l d not affect the r i g h t of self-determination of peoples". I n diesem Sinne äußerten sich auch die UdSSR, A / A C . 134/SR. 66, S. 160, u n d Guyana, SR. 65, S. 149. 47

Β . Verlauf der Konsensbildung r i t y " l ö s t e n entsprechende „ R e i z W i r k u n g e n " a u s 5 0 . D a n e b e n jedoch auch rechtliche B e d e n k e n g e l t e n d g e m a c h t 5 1 . bb)

225 wurden

Kompromißbildungsphase

E i n e E i n i g u n g b a h n t e sich an, als a u f e i n e n entsprechenden V o r schlag Ghanas5? h i n d i e W e s t s t a a t e n sich d u r c h d e n amerikanischen Delegierten bereit erklärten, die „ P o l i t i c a l e n t i t y " - K l a u s e l durch die W o r t e „ a state w h o s e statehood w a s d i s p u t e d " z u ersetzen 5 3 , u m d a m i t z u v e r d e u t l i c h e n , daß sie n u r diese F ä l l e m i t i h r e r K o n z e p t i o n erfassen wollten54. A u f diese Weise festgelegt u n d der p r i n z i p i e l l e n Z u s t i m m u n g d e r Gegenseite sicher, daß auch a u f „ n o c h n i c h t a n e r k a n n t e S t a a t e n " d i e D e f i n i t i o n A n w e n d u n g f i n d e n s o l l e 5 5 , k o n n t e n die W e s t s t a a t e n eine d e r a r t r e v i d i e r t e K l a u s e l dennoch n i c h t durchsetzen, w e i l v o r a l l e m d i e UdSSR — aber auch m e h r e r e b l o c k f r e i e L ä n d e r — w e i t e r h i n b e f ü r c h teten, daß m i t dieser D i f f e r e n z i e r u n g der V e r s u c h e i n e r T e i l u n g des e i n h e i t l i c h e n Staatsbegriffs d e r C h a r t a v e r b u n d e n s e i 5 6 . 50 Siehe Syrien , A / A C . 134/SR. 66, S. 165: „ . . . a real danger. That wording implied that aggression against an entity subject to an authority was admissible". 51 So wiesen der Iran , A/AC. 134/SR. 65, S. 48, Bulgarien , ebd., S. 150 u n d die UdSSR , SR. 66, S. 159 ff., darauf hin, daß der Staatsbegriff der Charta, wie er von der Praxis der Vereinten Nationen entwickelt worden sei, w e i t genug sei u n d auch noch nicht „ v o l l souveräne" Gebilde umfasse (letztere gestützt auf Lenins Definition des Staats!). Aus diesem Grunde fürchtete Bulgarien , daß „ t h e inclusion of the concept of political entities i n the defin i t i o n w o u l d create a precedent which m i g h t lead to the a t t r i b u t i o n of a more restrictive meaning to the t e r m ,State* i n a l l other texts where i t appeared. Lastly, the introduction of that concept m i g h t make the distinction between international conflicts and c i v i l wars s t i l l more confusing". 52 (Anm. 50), S. 164: „ . . . i f the t e r m »political entities' should be considered as referring to States whose political sovereignty was questioned, then the sponsors of the six-Power draft should consider either abandoning the t e r m p o l i t i c a l entities' or using the phrases ,States whose political sovereignty is i n doubt'". 53 (Anm. 50), S. 165. 54 USA (Anm. 53): „ . . . those terms covered exactly w h a t the six Powers had i n m i n d . . . " , u n d Italien (Anm. 50), S. 159, unter Hinweis auf die (damals) umstrittenen Status Vietnams, Chinas, Rhodesiens, Israels u n d der DDR. 55 Siehe die UdSSR (Anm. 50), S. 164: „The definition of aggression should be based on the concept of the State w i t h o u t i n v o k i n g the recognition of States as a criterion." 56 Siehe schon oben, A n m . 51 u n d die UdSSR (Anm. 50), S. 166: „The Committee had not been authorized to introduce new concepts into, or to revise, the Charter." Aber auch Mexiko , A/AC. 134/SR. 82, S. 21, das diese Klausel als Ansatzhebel dafür sah, „ t h a t the legal existence of a State could be placed i n doubt simply because i t was not recognized by a m a j o r i t y of members of the international community". Schließlich Syrien (Anm. 50), S. 166, u n d SR. 84, S. 39.

15 B r u h a

22

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Aus diesem Grunde konnte die Lösung nur eine Vorbehaltsklausel bringen, die einerseits die Berücksichtigung von „de facto Staaten" ermöglicht, andererseits keine qualitative Abstufung 5 7 zwischen universell anerkannten Staaten und solchen impliziert, deren Status umstritten ist. Ein erster Vorschlag wurde bereits auf der 3. Sitzungsperiode des Ausschusses gemacht 58 , und der des folgenden Jahres 59 nahm bereits i n Technik und Inhalt Absatz (a) der „explanatory note" vorweg. Erst einer Initiative Rumäniens 60, formuliert auf derselben Session, war es allerdings zu verdanken, daß von nun an der Staatsbegriff i m Sinne der Definition auch auf einer „Metaebene" diskutiert wurde, wobei zur Debatte stand, ob nicht auch Staatengruppen Subjekte oder Objekte einer Aggression sein könnten, was sich bereits i m Bericht des nächsten und des folgenden Jahres niederschlug 61 . Daß — nicht zuletzt aus aktuellem Anlaß — Rumänien 62 weniger Wert auf die Selbstverständlichkeit legte, daß auch mehrere Staaten Täter oder Opfer einer Aggression sein können denn darauf, daß das Verwickeltsein eines Gruppenmitgliedes i n einen bewaffneten Konflikt, insbesondere auf der Angreiferseite, die ganze Gruppe 6 3 verantwortlich macht oder berechtigt, verdeutlicht die scharfe Ablehnung eines solchen Konzepts 57 Siehe die K r i t i k i m Rechtsausschuß am „Political entity "-Konzept: „ I t w o u l d i m p l y a hiérarchie among States", Agenda I t e m 89, Doc. A/8325, para. 22. 58 GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 62 („Report of the W o r k i n g Group"): „ . . . an explanatory note should be annexed to the definition to the effect that the t e r m ,States' included States whose statehood was disputed". 59 GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 31 („Report of the W o r k i n g Group"): „ T h e t e r m ,State' is w i t h o u t prejudice to the question of recognition of States or to wether or not a State is a Member of the United Nations." 60 A / A C . 134/SR. 87, S. 67: „ . . . one or several States could commit an act of aggression against another or several other States, and . . . the definition should not only refer to a ,a State', b u t also to groups of States". (Siehe auch den rumänischen Vorschlag i n GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 22.) β1 So der „ S u m m a r y of the Report of the I n f o r m a l Negotiating Group Established b y the W o r k i n g Group" i n GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 15: „ I n this definition, the t e r m ,State' is used w i t h o u t prejudice to questions of recognition or to wether a State is a Member of the United Nations and includes the concept of a ,group of States'." Der „vorkonsensuale" E n t w u r f des Jahres 1973 brachte demgegenüber n u r noch eine äußere Umgestaltung, indem er diesen Satz — w i e die endgültige Lösung — an A r t . 1 anhängte u n d die Aussage über Staatengruppen, durch (b) gekennzeichnet, v o m ersten T e i l des Satzes, m i t (a) gekennzeichnet, absetzte. 62 Rumänien befürchtete damals, wegen seines nicht „moskaukonformen" rumänischen Kommunismus ebenfalls Opfer einer Invasion durch andere Staaten des Warschauer Paktes zu werden w i e zuvor die CSSR. 63 V o r allem also regionale Militärbündnisse, obwohl der weite Begriff „group of States" selbst Internationale Organisationen jedweder A r t nicht ausnimmt, siehe Cassin ! Debevoise ! Kailes ! Thompson, Definition of A g gression, S. 595.

Β. Verlauf der Konsensbildung

227

durch die D D R 6 4 und Ungarn 65. Denn beide sahen hierin einen Versuch, über den Begriff der „kollektiven Aggression" 66 eine „kollektive Verantwortlichkeit" von Staaten zu schaffen für Handlungen, die nicht sie selbst, sondern andere Mitglieder ihrer Staatengruppe begangen haben 87 . cc)

Annahmephase

Da zu den Gegnern eines „kollektiven Staatsbegriffs" vor allem auch die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs zählten 68 , wurde Absatz (b) der „explanatory note" zu A r t . 1 m i t Hilfe des Zusatzes „where appropriate" 6 9 entschärft, so daß es — auch mangels aufschlußreicher Stimmerklärungen zu diesem P u n k t 7 0 — völlig i m dunkeln bleibt, an welchen Stellen der Definition der Begriff Staat auch als Mehrheit von Staaten i m Sinne einer irgendwie organisierten Staatengruppe interpretiert werden darf. Ebensowenig war Absatz (a) der Note Gegenstand interpretativer Kommentierungen, was darauf hindeutet, daß man ihr i n ihrer Gesamtheit zumindest keinen Inhalt beimißt, der — i n Verbindung m i t den anderen Definitionsteilen 7 1 — aus sich heraus „selbst-verständlich" ist und damit i n der einen oder anderen Richtung auf die Definition ausstrahlt 72 . 64

A/C. 6/SR. 1441, para. 14. A/C. 6/SR. 1443, para. 63. ββ So der ungarische Delegierte (Anm. 65). 67 Siehe die DDR (Anm. 64): „ I n international law, a State bore the sole responsibility for its actions and could not be made responsible for the actions of another State. The concept of collective g u i l t or collective responsibility of a group of States was foreign to international l a w and could give rise to numerous complicated questions as to w h o should decide, and how, wether a State belonged to a group of States. I n determining aggression, the decisive factor was wether the State concerned had committed certain acts which must be characterized as aggression according to articles 2, 3 and 4. Therefore the concept of a »group of States' was not justified i n a definition of aggression." 68 Die von ihnen vorgeschlagene „explanatory note" berücksichtigte Staatengruppen nicht, siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 18 („Proposais submitted to the W o r k i n g Group"). 69 Siehe A r t . 1 der Definition. 70 Wenn überhaupt, so w u r d e n n u r generelle Bedenken i m Hinblick auf die mangelnde Eindeutigkeit der Klausel u n d die Gefahr des Mißbrauchs geltend gemacht, siehe etwa Griechenland, A/C. 6/SR. 1482, para. 57 ( „ . . . far from providing a clarification, was l i k e l y to cause complications"). 71 A r t . 8 der Definition! 72 Dagegen stand außer Zweifel, daß die „Erklärungsnote" formeller Bestandteil des Definitionstextes ist (im Gegensatz zu den Noten des Sonderu n d Rechtsausschusses, siehe oben), w e n n auch einige Staaten ihre v o l l kommene Inkorporierung i n A r t . 1 grundsätzlich vorgezogen hätten (so Griechenland, A/C. 6/SR. 1444, para. 8). 65

15*

2

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

dd) Ergebnis Feste Konturen hat der Staatsbegriff der Definition (wie i n der „Erklärungsnote" erläutert) daher nur insoweit als festgestellt wird, daß es auf die Mitgliedschaft i n den Vereinten Nationen und die formale Anerkennung als Staat nicht ankommt. Wodurch hingegen der „Staat i m Sinne der Definition" positiv bestimmt wird, ist aus dieser ebensowenig herauszulesen wie die Frage offenbleibt, wann (und m i t welchen rechtlichen Konsequenzen) Staatengruppen m i t dem Begriff Staat gleichgesetzt werden können. c) Zurechnung der Aggression (Problem der indirekten Aggression) Eng m i t der Frage verbunden, ob Aggression i m Sinne der Definition stets nur Staatshandeln sein kann, war das Problem der Zurechnung bewaffneter Aktionen nichtregulärer, paramilitärischer Einheiten, also die Frage, ob und von welcher Intensität der Verstrickung an „private" Gewaltakte als Aggressionen derjenigen Staaten angesehen werden können, die diese Handlungen i n irgendeiner Weise lenken und unterstützen. Da hiermit die — insbesondere von den Befreiungsbewegungen — weithin geübte Praxis der subversiven Kriegsführung 7 3 angesprochen war, standen die Diskussionen zu diesem Punkt i m engsten Zusammenhang m i t dem ideologisch befrachteten Selbstbestimmungsrecht der Völker und damit i m Brennpunkt der Verhandlungen 7 4 . aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Den Diskussionsrahmen zum Inhalt eines „nichtdirekten" Aggressionsbegriffs steckten die Weststaaten i n op. para. I V Β Ziffern 6 bis 8 ihres Entwurfs äußerst weit, indem sie nicht nur die Leitung („directing"), sondern auch die Organisation („organizing") und die bloße Unterstützung („supporting") von irregulären Einheiten und subversiven Kräften als Aggressionen bezeichneten, soweit hiermit ein A n g r i f f auf die äußere 75 oder innere 7 6 Integrität eines anderen Staates verbunden ist 7 7 . 73 Z u r wehrpolitischen u n d militärischen Bedeutung der subversiven Kriegsführung siehe vor allem Laquer , Guerilla, u n d von der Heydte, Der moderne Kleinkrieg, u n d die dort auf S. 16 f. gegebene Literaturübersieht. Einzelheiten über die Guerillakriegsführung: i n Asien, bei Chopra, Asiens kleine Kriege, S. 446-454; i n A f r i k a (insbesondere durch die dortigen Befreiungsbewegungen) Henriksen, People's War i n Angola, Mozambique and Guinea-Bissau. 74 Siehe auch schon oben, S. 169 ff., zu den Diskussionen u m Voraussetzungen u n d I n h a l t des Selbstverteidigungsrechts. 75 Ziffer 6 des Paragraphen. 76 Ziffern 7 u n d 8 des Paragraphen (Bürgerkrieg, Terrorismus, Regierungssturz).

Β . Verlauf der Konsensbildung

2

Begründet wurde dieses Konzept zum einen m i t dem Wortlaut der Satzung, die nicht zwischen direkter und indirekter Aggression unterscheide 78 (mithin offen sei) 79 und der historischen Tatsache, daß es sich bei den beschriebenen Akten um typische Formen bewaffneter Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit handele 80 . Weniger eindeutig war der sowjetische Entwurf formuliert: Zwar sollte nach ihm Aggression ebenfalls direkt wie i n d i r e k t 8 1 begehbar sein. I m Gegensatz zum Vorschlag der Weststaaten löste er jedoch die indirekte Begehungsweise von einem einheitlichen Aggressionsbegriff 82 und stellt sie als eigene Kategorie 8 3 neben den Begriff der „bewaffneten Aggression" 84 . Zudem erkannte er ausdrücklich nur die Entsendung bewaffneter Gruppen als indirekte Aggressionen an und ließ offen, welches die weniger direkten Formen indirekter Beteiligung an subversiven Tätigkeiten sein mögen, die er m i t den Worten „engagement i n other forms of subversive activity" prinzipiell als indirekte Aggression qualifizierte 8 5 . Hingegen ließen die Befürworter des sowjetischen Entwurfs keinen Zweifel daran aufkommen, daß eine Definition, die dem Phänomen der subversiven Gewaltanwendung keine Beachtung schenkt, unvollkommen und daher gefährlich sei 86 . 77 So schon vor Einbringung des Entwurfs der Delegierte der USA, A / A C . 134/SR. 19, S. 197. 78 Siehe auch op. para. I des Entwurfs („the use of force i n international relations, overt or covert, direct or indirect"). 79 USA, A/AC. 134/SR. 31, S. 33: „The use of force could take a variety of forms, but for the purposes of the Charter the legal consequences were identical, regardless of the means employed b y the aggressor. The Charter did not draw a distinction according to wether force was used openly or deviously, cleverly or clumsily. To speak of ,direct' or »indirect' aggression i n a definition was to introduce a distinction which was b o t h alien to the Charter and superfluous." 80 So die USA (Anm. 77) m i t der Warnung, daß eine Definition, die diesen Realitäten keine Rechnung trüge, „hoffnungslos anachronistisch" sei. Siehe zum Ganzen auch die übereinstimmenden Erklärungen der Delegierten Großbritanniens, A/AC. 134/SR. 18, S. 179; Kanadas, SR. 28 and Add. 1, S. 19 f.; Italiens, SR. 33, S. 57; Japans, SR. 34, S. 61 f.; Australiens, SR. 38, S. 107. 81 Vgl. op. para. 1. 82 A n dem die Weststaaten über op. para. 1 ihres Entwurfs („overt or covert, direct or indirect") u n d die Einreihung der indirekten Aggressionsformen i n den Katalog des op. para. I V Β festhielten. 83 Siehe Absatz C von op. para. 2, i n dem es am Ende allerdings präziser „indirect armed aggression" heißen müßte (siehe op. para. 1 des Entwurfs), was jedoch offensichtlich übersehen wurde. Vgl. den sowjetischen Delegierten i n A / A C . 134/SR. 27, S. 11: „The draft then defined indirect armed aggression i n paragraph 2(C)." 84 Dies wurde v o m Delegierten der USA ausdrücklich kritisiert, (Anm. 79), S. 35. 85 Op. para. 2 C. 86 So vor allem Bulgarien, A / A C . 134/SR. 33, S. 48: „ T h a t type of aggression, which was particulary characteristic of the present time and no less dange-

23

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

I m W i d e r s p r u c h h i e r z u s t a n d der k o n s o l i d i e r t e E n t w u r f d e r Blockfreien, dessen T a t b e s t a n d e i n d e u t i g nur die direkte B e g e h u n g s f o r m d e r Aggression („use of a r m e d f o r c e " ) 8 7 u m f a ß t e , w ä h r e n d s u b v e r s i v e u n d t e r r o r i s t i s c h e A k t e n u r g e n a n n t w a r e n , u m k l a r z u s t e l l e n , daß das O p f e r solcher H a n d l u n g e n n i c h t das S e l b s t v e r t e i d i g u n g s r e c h t gegenüber dem „drahtziehenden" Staat geltend machen könne88. Gegenüber dem — nach i h r e r A u f f a s s u n g — i d e n t i s c h e n B e g r i f f s p a a r „ a r m e d aggress i o n / a r m e d a t t a c k " 8 9 sollte es sich b e i i n d i r e k t e n G e w a l t a k t e n d a h e r w o h l u m v ö l k e r r e c h t s w i d r i g e s T u n h a n d e l n 9 0 , j e d o c h n i c h t u m solches, das als b e w a f f n e t e r A n g r i f f (Aggression) q u a l i f i z i e r t w e r d e n k ö n n e 9 1 . Z u r B e g r ü n d u n g gab m a n d i e o b e n g e n a n n t e n A r g u m e n t e an, also v o r a l l e m , daß i n F ä l l e n w e n i g e r d i r e k t e r A g g r e s s i o n s f o r m e n i n der Regel g e n ü g e n d Z e i t bestehe, d e n S i c h e r h e i t s r a t a n z u r u f e n , w a s d e n A r t . 51 S V N ausschließe, sowie, daß die V e r w i c k l u n g eines Staates i n s u b v e r s i v e A k t i o n e n äußerst schwer zu b e w e i s e n sei, m i t h i n k e i n o b j e k t i v v e r i f i z i e r b a r e r A k t v e r g l e i c h b a r d e m „ a r m e d a t t a c k " des A r t . 51 S V N die gewaltsame Selbsthilfe legitimiere 92. rous than direct aggression, especially for nations which had recently become independent, was often intended . . . to encroach upon the social and political achievements of the peoples i n question . . . Her delegation considered that failure to include indirect aggression i n the definition of aggression w o u l d be a serious omission." (Siehe auch die UdSSR , A/AC. 134/SR. 34, S. 67.) 87 Op. para. 2. 88 Op. para. 7. Dagegen hatten die frühen Blockfreienentwürfe der ersten Sitzungsperiode noch Hinweise auf indirekte Aggressionsformen enthalten, so op. para. 1 von A/AC. 134/L. 3 („the use of force in any form") u n d A/AC. 134/L. 6 („the use of armed force, direct or indirect"), was jedoch u. a. daraus zu erklären ist, daß mehrere Staaten dieser Gruppe zum damaligen Zeitp u n k t noch das Konzept eines weiten Aggressionsbegriffs verfolgten, der insbesondere auch „ökonomische, politische u n d ideologische" Aggressionsformen umfassen sollte (siehe Uruguay, A / A C . 134/SR. 21, S. 235). M i t der Beschränkung auf eine Definition bewaffneter Gewalt rückte jedoch die Beziehung zwischen A r t . 39 u n d 51 S V N wieder i n den Vordergrund, die es, nach Ansicht insbesondere der arabischen Staaten, gebot, einer Erosion des Begriffs „armed attack" i n A r t . 51 S V N durch einen zu extensiven Agressionsbegriff vorzubeugen (siehe Ägypten, A / A C . 134/SR. 22, S. 248, u n d sein Änderungsantrag — zusammen m i t dem Sudan — zu op. para. 1 von A / A C . 134/L. 6: „ . . . delete the words »direct or indirect'", A / A C . 134/L. 8, Text i m Dokumentenanhang). 89 Pr. para. 2, op. para. 3. 90 Dies folgt aus dem Hinweis auf die eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten i n op. para. 7. 91 Siehe zum Ganzen v o r allem Ägypten , A / A C . 134/SR. 22, S. 248: „Since under A r t i c l e 51 of the Charter resort to force i n the exercise of the r i g h t of self-defence pre-supposed an act of armed aggression, his delegation was opposed to the inclusion of indirect aggression i n a general description of armed aggression. The introduction of such a vague and controversial notion i n the definition of armed aggression or attack w o u l d serve only to open the w a y to subjective interpretation and to the distortion of A r t i c l e 51." (A. A . allerdings Rumänien , A / A C . 134/SR. 87, S. 68.)

Β. Verlauf der Konsensbildung

bb)

23

Kompromißbildungsphase

Der Weg der Kompromißbildung, der gegangen werden mußte, weil vor allem die Weststaaten auf einer Berücksichtigung indirekter Aggression bestanden 93 , verlief daher vor dem Hintergrund des Streits u m die Voraussetzungen des Selbstverteidigungsrechts und bewegte sich zwischen den Polen einer weitgehenden Berücksichtigung indirekter Beteiligungsformen und ihrer Gleichstellung m i t den direkten Aggressionsakten sowie der Verneinung einer Gleichwertigkeit und einer Begrenzung der Zurechnung. Dabei kam den Verhandlungen zugute, daß seitens der Blockfreien auch gemäßigte Staaten i m Sonderausschuß vertreten waren, die nur die absolute Gleichstellung indirekter m i t direkter Aggression und der damit verbundenen Implikationen auf das Selbstverteidigungsrecht ablehnten. Verständigungsangebote aus diesem vermittelnden Lager wurden vor allem vom zypriotischen Delegierten formuliert 9 4 , der am präzisesten die gemäßigte Blockfreienposition herausarbeitete, wonach die Unterscheidung zwischen Aggression und Friedensbrüchen bzw. -bedrohungen i n A r t . 39 SVN den Zweck habe, weniger unmittelbare Gefährdungen von solchen zu trennen, die als Aggression (bewaffneter Angriff) das Selbstverteidigungsrecht des betroffenen Staates auslösen 95 . Daraus folge, daß i n den Fällen, i n denen indirekte Aggressionen dieselbe Unmittelbarkeit und Intensität der Gefährdung des Opfers bewirken wie bewaffnete (direkte) Angriffe i m Sinne von A r t . 51 SVN, das Selbstverteidigungsrecht ebenfalls eröffnet sein müsse 96 . Ein auf diesen Überlegungen basierender Vorschlag des Jahres 197197, der auf der folgenden Sitzungsperiode u m einen Absatz ergänzt und 92

Siehe S. 169 f. Siehe oben, A n m . 80. 94 A/AC. 134/SR. 39, S. 127: „ W h i l e he agreed that the sinister and subversive activities of armed bands should not be omitted from the definition, they could hardly be put on the same plane as armed aggression b y States. That was the crucial point of difference which, i f solved, w o u l d clear the w a y for the achievement of a generally acceptable definition of aggression." Siehe auch Jugoslawien , A/AC. 134/SR. 41, S. 141, u n d Ecuador , SR. 44, S. 161. 95 A / A C . 134/SR. 81, S. 12. 9e (Anm. 95), S. 13: „ A d m i t t e d l y , however, there were marginal cases i n which the i n f i l t r a t i o n was so substantial and the danger so great that they were tantamount to an armed attack and justified the exercise of the right of self-defence." (Weniger konsequent noch i m V o r j a h r , als Zypern i n Fällen vergleichbar einem bewaffneten A n g r i f f Selbstverteidigungsmaßnahmen von einer Genehmigung des Sicherheitsrates abhängig machte, A / A C . 134/SR. 63, S. 119.) Da Zypern folglich auf die konkrete Gefährdungssituation u n d nicht auf die M i t t e l abstellte, durch die diese hervorgerufen wurde, w a r es n u r folgerichtig, daß es die Verwendung der Worte direkt u n d indirekt i m Z u sammenhang m i t dem Aggressionsbegriff ablehnte, A/AC. 134/SR. 63, S. 118. 97 GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 44 ( „ T e x t proposed i n the Working Group"). 93

2 3 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

m i t i h m zu einer gemeinsamen Alternative verbunden wurde, zeigte, daß nach Ansicht dieser Länder nur eine Entsendung von bewaffneten Gruppen durch einen Staat als ein potentieller Selbstverteidigungsfall angesehen wurde. Wenn es dort nämlich i n der ersten Alternative 9 8 hieß, „ T h e sending b y a State of armed bands, irregulars or mercenaries which invade the territory of another State i n such force and circumstances as to amount to armed attack as envisaged i n A r t i c l e 51 of the Charter. When a State is v i c t i m i n its o w n t e r r i t o r y of subversive and/or terrorist acts by armed bands, irregulars or mercenaries organized or supported by another State, i t may take a l l reasonable and adequate steps to safeguard its existence and its institutions, without having recourse to the right of i n d i v i d u a l or collective self-defence against the other State."

so sollte also das bloße Organisieren oder Unterstützen von subversiven oder terroristischen A k t e n durch bewaffnete Banden, Freischärler oder Söldner nur innerstaatliche Gegenmaßnahmen des Opfers auslösen dürfen. Selbstverteidigungshandlungen über die Grenzen hinweg 9 9 gegen einen anderen Staat wären dagegen nur zulässig, wenn dieser die bewaffneten Einheiten entsandt hätte und auch nur dann, wenn die so mittelbar verursachten 100 Aktionen nach Intensität und den Gesamtumständen einem bewaffneten Angriff i m Sinne von A r t . 51 SVN gleichgesetzt werden könnten. Gegenüber diesem Vorschlag, der auch von der UdSSR unterstützt wurde 1 0 1 , machten die westlichen Staaten geltend, daß er den Realitäten subversiver Kriegsführung nicht entspreche 102 . Dennoch lösten sie sich von ihrem bisherigen Entwurf und legten eine Alternative vor, die i m wesentlichen eine Umformulierung der Absätze 8 und 9 des Gewaltverbotsgrundsatzes der „Prinzipien-Deklaration" 1 0 3 war 98

GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 15 (Hervorhebungen v o m Verfasser). Auch i n F o r m der — auf dem Lande nicht zulässigen — „Nacheile" (Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rdnr. 937). 100 I m Gegensatz zum bloßen Organisieren u n d Unterstützen, was generell als „Beihilfe" zu bezeichnen wäre, würde es sich also b e i m Entsenden, was noch enger ist als das „directing" des Weststaatenentwurfs mehr u m eine F o r m der „mittelbaren Täterschaft" (mittels eines Werkzeuges) handeln. 101 Siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 20. 102 Großbritannien, A / A C . 134/SR. 96, S. 52. los D o r t heißt es: „Every State has the duty to refrain from organizing or encouraging the organization of irregular forces or armed bands, including mercenaries, for incursion into the territory of another State. Every State has the duty to refrain from organizing, instigating, assisting or participating i n acts of c i v i l strife or terrorist acts i n another State or acquiescing i n organized activities w i t h i n its territory directed towards the commission of such acts, w h e n the acts referred to i n the present paragraph involve a threat or use of force." (Dieser Text w a r zuvor als Alternative 2 der oben, Anm. 98, wiedergegebenen Alternative gegenüber gestellt worden.) 99

Β. Verlauf der Konsensbildung

23

„1. The organization or encouragement of the organization of irregular forces or armed bands, including mercenaries, for incursion into the territory of another State. 2. The organization or instigation of or assistance or participation i n acts of c i v i l strife or terrorist acts i n another State, or acquiescence in organized activities w i t h i n its territory directed towards the commission of such acts 1 0 4 ."

und forderten zusätzlich, daß auch die generelle Tatbestandsklausel Hinweise auf die Existenz subversiver Aggressionsformen enthalte, was durch die Worte „however exerted " nach „aggression is the use of armed force" sichergestellt werden solle 1 0 5 . Allerdings war auf dieser Ebene keine Verständigung möglich, w e i l das neue Weststaatenpapier kein wirkliches Entgegenkommen signalisierte, sondern nur i n allgemeinere Formeln faßte, was zuvor schon gefordert worden w a r 1 0 6 , bzw. sogar darüber hinausging 1 0 7 . Auch die Einkleidung des Ganzen i n die Terminologie der (bereits angenommenen) „Prinzipien-Deklaration" konnte nicht zur Überzeugung beitragen, da es gerade die Aufgabe des Ausschusses war, Aggressionshandlungen gegenüber sonstigen Formen unerlaubter Gewalt abzugrenzen, so daß die weite Interpretation indirekter Gewaltakte durch den „Prinzipienausschuß" keineswegs das Ergebnis zum Tatbestand indirekter Aggressionsmittel präjudizieren mußte 1 0 8 . Vielmehr wurde die Lösung auch hier weitgehend i n einem „Formelkompromiß" gesucht, hinter dem sich vor allem der Dissens zu Beteiligungsformen zu verbergen hatte, die unterhalb der Schwelle des Entsendens subversiver Gruppen blieben sowie die Meinungsverschiedenheiten zur Zulässigkeit des Selbstverteidigungsrechts gegen indirekte Aggressionen.

104

GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 18 (Hervorhebungen v o m Verfasser). Siehe „General definition of aggression", i n GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 14, u n d die USA, A/AC. 134/SR. 98, S. 74: „His delegation attached importance to questions s u d i as . . . however exerted ...". 106 Z w a r ist Ziffer 8 v o n op. para. I V B (Regierungssturz) nicht mehr genannt, dürfte jedoch zumeist v o m Begriff Bürgerkrieg (acts of c i v i l strife) umfaßt sein. 107 So besonders der Unterlassungstatbestand „acquiescence i n organized activities". Doch auch „Encouragement of the organization of irregular forces . . . " ist weiter als „organizing, supporting or directing", da „supporting" zumindest nicht eindeutig auch „encouragement of the organization" deckt. 108 So zu Recht der bulgarische Delegierte, A / A C . 134/SR. 98, S. 71: „ I t feit that although alternative 2 spelled out the duties of States i n the context of the definition of aggression, i t took on a different meaning and tended to obliterate the borderline between the crime of aggression and other forms of the use of force. The task of the Special Committee was to distinguish aggression from the other forms of the use of force." 105

234

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

I n der Technik entsprach der „vorkonsensuale" Entwurf des Jahres 1973 bereits der späteren Lösung des A r t . 3 Ziffer g der Definition. M i t den Worten 1 0 9 „The sending by or on behalf of a State of armed bands, groups, irregulars or mercenaries, which carry out invasion or attack i n v o l v i n g acts of armed force against another State of such gravity as to amount to the acts listed above , or its open and active participation therein."

war den Forderungen der sowjetmarxistischen und der meisten blockfreien Staaten Rechnung getragen, den Tatbestand indirekter Aggression i m wesentlichen auf das Entsenden subversiver Gruppen zu beschränken und ihn nur unter Vorbehalt auf minder intensive Beteiligungen auszudehnen 110 . Zudem enthielt die vorläufige Formel die von den Blockfreien gewünschte „Schwereklausel" 111 , allerdings m i t dem Unterschied, daß nicht der „armed attack" des A r t . 51 SVN, sondern die sonstigen Fälle des Katalogs aggressiver A k t e 1 1 2 zum Maßstab erhoben wurden. A u f diese Weise blieb der Entwurf neutral i m Hinblick auf das Verhältnis indirekter Aggression zum Selbstverteidigungsrecht, was auch dadurch unterstrichen wurde, daß er eine dem Absatz 2 der „Blockfreien-Alternative" 1 1 3 vergleichbare negative Aussage über das Selbstverteidigungsrecht nicht enthielt. Darüber hinaus wurden die Vorstellungen der Weststaaten jedoch nur insoweit berücksichtigt, als auch das Entsenden „on behalf of a State" und vor allem seine „open and active participation" an subversiven Aggressionsakten den Aggressionstatbestand erfüllen sollten. Wenn auch das bloße Dulden („acquiescence") 114 solcher Handlungen danach eindeutig nicht als Aggression qualifiziert werden konnte („active participation"), so ließen sich jedoch die ursprünglich von den Weststaaten vorgeschlagenen Beteiligungsformen des „organizing", „supporting" und „directing" 1 1 6 ohne weiteres unter „open and active participation" subsumieren, wenn sie auch nicht besonders genannt waren. Dies allerdings nur, wenn die Teilnahme offen erfolgt, womit wohl nicht ihre Evidenz 1 1 6 , sondern die „Offiziösität" und Öffentlichkeit

109 110

tion". 111

A r t . 3 Ziffer g (Hervorhebungen v o m Verfasser). Vgl. y yacquiescence" (oben, A n m . 104) m i t „open and active

participa-

Siehe oben, A n m . 98. Bis auf A r t . 3 Ziffer f (ähnlich A r t . 3 Ziffer f der Definition) nur Tatbestände direkter Aggression. 113 Siehe oben, A n m . 98. 114 Siehe Ziffer 2 des Weststaatenvorschlags, oben, A n m . 103. 115 Ziffern (6) bis (8) von op. para. I V Β des Weststaatenentwurfs. 116 Diese ist j a Voraussetzung, wenn ein Verhalten als Aggression qualifiziert werden soll ! 112

Β. Verlauf der Konsensbildung

235

gemeint ist, m i t der ein Staat diese betreibt und sich eventuell auch dazu bekennt 1 1 7 . Dagegen ließen sich die von den Weststaaten ebenfalls benannten „acts of civil strife or terrorist acts i n another State" 1 1 8 kaum unter den Oberbegriff „invasion or attack involving acts of armed force against another State" bringen 1 1 9 , jedenfalls dann nicht, wenn nur Bürgerkriege und Terrorakte i n einem anderen Land unterstützt werden, ohne daß hierzu bewaffnete Gruppen über die Grenze ins Innere des betroffenen Landes geschickt werden 1 2 0 . Über die Frage schließlich, ob auch der generelle Tatbestand mittels der Klausel „however exerted" 1 2 1 auf die Existenz indirekter Aggressionsfälle zugeschnitten werden solle, gab es noch keine Einigkeit 1 2 2 . Auch war A r t . 3 Ziffer g i n der beschriebenen Form noch nicht beschlossen 123 . Den Weststaaten war er zu eng 1 2 4 , und insbesondere ein amerikanischer Vorschlag des Jahres 1973 125 , wonach „The organization by a State, or encouragement of the organization of, or assistance to, irregular forces or armed bands or other groups, volunteers, or mercenaries, w h i c h participate i n incursions into another State's territory or i n the carrying out of acts i n v o l v i n g the use of force in or against another State, or k n o w i n g acquiescence i n organized activities w i t h i n its o w n territory directed t o w a r d and resulting i n the commission of such acts"

als indirekte Aggressionsakte anzusehen wären, verdeutlicht, daß man sich weder m i t der Formel der „offenen und aktiven Beteiligung" noch damit abfinden wollte, daß A k t e — insbesondere terroristische —, die zwar innerhalb eines Staates aber nicht gegen diesen verübt werden, von der Definition ausgenommen werden. Zudem sollte die Duldung 117 I m Gegensatz zu einer „verdeckten" Unterstützung, die sich n u r mittels Indizien, Geständnisse von Gefangenen, etc. beweisen lassen könnte. 118 Ziffer 2 des Weststaatenvorschlags, oben, A n m . 103. 119 Siehe die K r i t i k des britischen Delegierten, A/C. 6/SR. 1442, para. 7. 120 Also etwa durch Materialhilfe oder bloße Anstiftung („instigation"), siehe Ziffer 2 des WeststaatenVorschlags, oben, A n m . 103. 121 Siehe oben, A n m . 105. 122 „However exerted" w a r i n A r t . 1 des „vorkonsensualen" Entwurfs i n eckige K l a m m e r n gesetzt, u m die Uneinigkeit i n der Arbeitsgruppe zu signalisieren. 123 Siehe den Hinweis i m offiziellen „Kommentaranhang" i n GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 19. 124 So insbesondere Großbritannien, A/C. 6/SR. 1442, para. 7: „ H e agreed that the subparagraph, as i t stood, was too narrow. I t should be made clear that i n d i r e c t ' aggression, as contemplated i n that subparagraph, could be committed not only b y organizing or encouraging the organization of i r r e gular forces or armed bands, including mercenaries, for incursion into the territory of another State, b u t also b y organizing or encouraging acts of civil strife or terrorist acts i n the territory of another State." 125 GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 23 (Hervorhebungen v o m Verfasser).

23

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

subversiver Gewaltakte, sofern ein Staat i n der Lage wäre, diese zu verhindern, nicht durch die Definition legalisiert werden 1 2 6 . Auch aus dem Lager der Blockfreien kamen Stimmen, die für eine Erweiterung des A r t . 3 Ziffer g plädierten 1 2 7 . Den meisten von ihnen, vor allem den arabischen Ländern wie Ägypten 128, Syrien 129 und dem Irak 130 war die Klausel der „open and active participation" aber bereits zu „offen". Auch sprachen sich Bulgarien 131 und die UdSSR 132 als Vertreter der sowjetmarxistischen Länder hiergegen aus, wenn letztere diese Formel auch i n einem „breiteren K o n t e x t " 1 3 3 akzeptieren wollte, was jedoch nicht eine Zustimmung zum „however exerted" des generellen Tatbestandes einschließe 134 . cc)

Annahmephase

Art. 1 und 3 Ziffer g i n ihrer schließlich beschlossenen Form verraten, daß „kurz vor Schluß" die Hauptopponenten der Verhandlungen zum indirekten Aggressionstatbestand, also die Weststaaten und die Blockfreienmehrheit, noch Konzessionen machen mußten. So verzichteten die Weststaaten letztlich doch auf die Klausel des „however exerted" i m generellen Tatbestand des A r t . 1 und gaben damit ihr früheres Konzept vollständig auf, wonach indirekte Aggressionsformen gleichwertig neben direkten i n der Generalklausel zu nennen seien 135 . Dagegen mußten die blockfreien Länder i m Hinblick auf 126 Großbritannien, A / A C . 134/SR. 108, S. 41: „His delegation, however, had no w i s h to make a State responsible for aggression when i t could do nothing to stop the misuse of its territory by others. On the other hand, i t could not agree that a State should escape responsibility i f i t were itself at fault . . . No State was entitled to stand back and allow its territory to be used for acts of aggression if it was in a position to prevent such acts ." 127 So Indonesien, GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 22: „The last line of subparagraph (g) should read as follows: , . . . to the acts listed above, or its support or its open and active participation therein 4 ."; Guyana, ebd., S. 24: „ I n the first line of subparagraph (g), after the w o r d ,sending 4 , insert the \vords ,organizing or supporting'", u n d Uruguay, ebd., S. 27: „The sending, organization or support b y a State of armed bands, groups or irregulars or mercenaries which invade the territory of another State." 128 A/AC. 134/SR. 107, S. 33. Ägypten wollte A r t . 3 Ziffer g n u r ohne die Schlußformel akzeptieren u n d n u r dann, w e n n i n Verbindung m i t diesem A r t i k e l eine Vorbehaltsklausel zugunsten des Selbstbestimmungsrechts der Völker eingefügt werde. (Letzteres forderte auch Algerien, ebd., S. 31.) 129 A/AC. 134/SR. 108, S. 37. 130 (Anm. 129), S. 40. 131 (Anm. 129), S. 42. 132 A/AC. 134/SR. 109, S. 47. 133 (Anm. 132). 134 (Anm. 132), S. 46. 135 Vgl. op. para. 1 des Weststaatenentwurfs.

Β . Verlauf der Konsensbildung

237

Art. 3 Ziffer g und seinem Verhältnis zu A r t . 7 weitere Zugeständnisse eingehen, wenn sie auch einen Teilerfolg verbuchen konnten. A u f der „Minusseite" des Ergebnisses mußte für sie die Ersetzung der Worte „which carry out invasion or attack involving acts of armed force" 1 3 6 durch die weitere Formel „which carry out acts of armed force" i n A r t . 3 Ziffer g erscheinen, da letztere nicht ausschließlich auf die typischen Erscheinungsformen des bewaffneten Angriffs i m Sinne von A r t . 51 SVN zugeschnitten ist, sondern auch Einmischung und Entfachung von Bürgerkriegen sowie terroristische Anschläge umfassen kann 1 3 7 . Auch i m Zusammenhang m i t der „Zurechenbarkeitsklausel" mußten sie sich weitere Abstriche gefallen lassen, als nicht mehr die „open and active participation" 1 3 8 gefordert, sondern ein „substantial involve ment" für ausreichend erklärt wurde, womit auch einer Qualifizierung „unterlassenen Einschreitens gegen subversive Gewaltakte" als Aggression nichts i m Wege steht. Dagegen können die blockfreien und sowjetmarxistischen Staaten es als Erfolg werten, daß der Vorbehalt zugunsten des Selbstbestimmungsrechts der Völker i n A r t . 7 nicht allein auf die Definition als Ganze bezogen, sondern A r t . 3 zusätzlich besonders genannt wurde 1 3 9 . Allerdings dürfte dieser Gewinn durch Konzessionen i m Gegenzug mehr als aufgehoben worden sein: denn zum einen ist i n A r t . 7 nicht mehr vom „Recht auf Gewaltanwendung" die Rede, zum anderen ist der Vorbehalt des A r t . 7 rein hypothetisch formuliert und damit weniger zwingend als die vergleichbare Norm des Vorjahres 1 4 0 . Der Extremforderung dieser Staaten, wonach das Verbot indirekter Aggression 136

A r t . 3 Ziffer g des „vorkonsensualen" Entwurfs. Z w a r ist die klarstellende Formulierung der Weststaaten, daß es u m Gewaltakte „ i n or against another State" (siehe oben, A n m . 125) geht, nicht übernommen worden. Die von A r t . 3 Ziffer g getroffene Beschränkung auf Handlungen „against another State" muß jedoch i m Lichte des A r t . 1 gelesen werden, wonach h i e r m i t Angriffe gegen die „Souveränität, territoriale I n t e grität oder politische Unabhängigkeit" gemeint sind. Auch terroristische Anschläge gegen Ausländer, die sich i n einem fremden Staat befinden (Ermordung der israelischen Olympiateilnehmer i n München), verletzen daher zumindest die „territoriale I n t e g r i t ä t " des betroffenen Landes, da gegen dessen W i l l e n auf seinem Gebiet Gewaltakte ausgeführt werden. Siehe auch parallel die Darstellung der völkerrechtlichen Auffassungen zum I n h a l t des Begriffs „ t e r r i t o r i a l i n t e g r i t y " i. S. des A r t . 2 Ziffer 4 S V N bei Beyerlin, Befreiungsaktion von Entebbe, S. 217f., der diesen Begriff m i t der h. M. w e i t interpretiert (jede faktische Beeinträchtigung der Staatsgrenzen) u n d folglich auch die Tötung nichtugandischer Staatsangehöriger (7 Terroristen) als t a t bestandsmäßige Verletzung der territorialen Integrität Ugandas bezeichnet (S. 248). 138 A r t . 3 Ziffer g des „vorkonsensualen" Entwurfs. 139 Vgl. dagegen A r t . 5 des „vorkonsensualen" Entwurfs. 140 Siehe oben, S. 194 f. 137

238

I L 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

nicht auf den Kampf der Befreiungsbewegungen abhängiger Völker Anwendung finden solle, ist damit kaum Rechnung getragen worden, was diese jedoch nicht hinderte, A r t . 3 Ziffer g — i n Verbindung mit A r t . 7 — i n ihren Stimmerklärungen i m obigen Sinne zu interpretieren 1 4 1 . Interessanter als diese (zu erwartenden) Stellungnahmen waren jedoch ihre Ausführungen zu Einzelaspekten dieses — unter politischem und ideologischem Aspekt hoffnungslos kontrovers diskutierten — Artikels. So griffen einige Staaten die ursprüngliche Rechtsbehauptung wieder auf, daß i n den Fällen indirekter Aggression des A r t . 3 Ziffer g das Selbstverteidigungsrecht prinzipiell nicht eröffnet sei 1 4 2 . Kuba interpretierte den „Formelkompromiß" des „substantial involvement" schlichtweg aus der Definition hinaus, indem es nur das „Entsenden" bewaffneter Trupps als Aggressionsakt ansah 143 . Letzterem widersprachen die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs nur indirekt mittels Bekräftigung ihres Konzepts von der Unerheblichkeit der Begehungsweise der Aggression unter gleichzeitiger Betonung, daß es allein die Schwere der bewaffneten A k t i o n sei, anhand derer entschieden werden müßte, ob der i n sie verwickelte Staat als Aggressor zu verurteilen sei oder nicht 1 4 4 . Ihrer Ansicht nach stellte das besonders genannte Entsenden bewaffneter Gruppen daher nur einen (aber nicht den einzigen und auch nicht exemplarischen) Fall der indirekten Aggression dar, womit über die Qualifizierung sonstiger Beteiligungsformen nichts gesagt sei 1 4 5 . Insbesondere i m Hinblick auf die vielfältigen Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus sei durch A r t . 3 Ziffer g sichergestellt, daß sie als Aggressionen geahndet werden können 1 4 6 . 141

So von den kommunistischen Staaten Europas die UdSSR, GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 37: „ W i t h regard to article 3, he stressed that nothing i n the w o r d i n g of paragraph (g) could be construed as casting doubt on the legitimacy of national liberation struggles, guerilla warfare or resistance movements"; Bulgarien, A/C. 6/SR. 1472, para. 43; Ungarn, SR. 1478, para. 41; seitens der Blockfreien vor allem die arabischen Staaten, Syrien, GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 20; Yemen, A/C. 6/SR. 1479, para. 27; Algerien, SR. 1479, para. 33; Ägypten, SR. 1483, para. 32; aber auch Kenia, SR. 1474, para. 24; Kuba, SR. 1479, para. 42; Mali, SR. 1480, para. 8; Uganda, SR. 1480, para. 20; Ober Volta, SR. 1480, para. 36. 142 Mexiko, GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 39; Syrien, A/C. 6/SR. 1475, para. 20. 143 (Anm. 141). Zumindest mißverständlich auch Frankreich, A/C. 6/SR. 1474, para. 29: „ A r t i c l e 3 (g) referred to the sending of armed bands. U n t i l they had crossed the frontier of another State, no act of aggression had occurred; the mere fact of organizing or preparing armed bands d i d not itself constitute an act of aggression." Siehe auch GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 22. 144 Kanada, GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 35. 145 USA, A/C. 6/SR. 1480, para. 71. 146 Kanada, A/C. 6/SR. 1474, para. 13: „ I n his delegation's view, that sub-

Β. Verlauf der Konsensbildung

239

I m übrigen äußerten sich die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs aber nicht dezidiert zum Inhalt des A r t . 3 Ziffer g 1 4 7 , betonten jedoch i n diesem Zusammenhang die „Offenheit" des Katalogs des A r t . 3 1 4 8 , der klarstelle, daß nicht die M i t t e l der Aggression als alleinentscheidendes K r i t e r i u m herangezogen werden können 1 4 9 . dd) Ergebnis Damit besteht i m Ergebnis nur Einigkeit, daß indirekte Formen der Waffengewaltanwendung von einer gewissen Intensität 150 und Verstrickung 151 an als Aggressionshandlungen des nicht direkt beteiligten Staates qualifiziert werden können, während die Entstehungsgeschichte der betreffenden Definitionsartikel darauf hindeutet, daß die Verhandlungen über diesen grundsätzlichen Konsens hinaus kein positives Ergebnis zu konkreten Einzelaspekten gebracht haben. Auch nach der Annahme der Aggressionsdefinition werden sich daher Akteure und Opfer indirekter Gewaltakte (insbesondere terroristischer Einzelanschläge) m i t völkerrechtlich kontroversen Argumenten gegenseitig der Aggression beschuldigen. Soweit hierzu die Normen der Aggressionsdefinition herangezogen werden sollten, bieten nicht nur die ideologisch befrachtete Generalklausel des A r t . 7 (bzw. A r t . 6), sondern — wie dargelegt — auch A r t . 1 i. V. m i t Art. 3 Ziffer g hinreichenden Argumentationsspielraum. d) Zielsetzung der Aggression Keinen Beitrag zur Konkretisierung des Gewaltverbots stellt letztlich die Klausel i m abstrakt-generellen Tatbestand des A r t . 1 dar, wonach nur solche Waffengewalt als Aggression qualifiziert werden kann, die gegen die „Souveränität, territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates gerichtet oder i n sonstiger Weise m i t der Satzung der Vereinten Nationen unvereinbar ist". paragraph represented an attempt to outlaw one aspect of the serious problem of terrorism which starkly confronted the international comm u n i t y . " Siehe dagegen Kuba (Anm. 141): „His delegation was gratified that a l l reference to equivocal notions of subversion and terrorism had been eliminated from subparagraph (g)." 147 Siehe die „leerformelhaften" Stellungnahmen Japans u n d Großbritanniens, (Anm. 144), S. 16 u n d 31. 148 So die USA, A/C. 6/SR. 1480, para. 71: „Those subparagraphs did not, of course, purport to spell out i n detail all the i l l i c i t uses of force which could qualify as acts of aggression." 149 USA (Anm. 144), S. 23 f.: „The scope of the list made i t clear that no distinction was made as to the means employed or the directness or otherwise of their use." 150 „Schwereklausel" der A r t . 3 Ziffer g u n d A r t . 2. 151 „Substantial involvement" (Art. 3 Ziffer g).

240

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Diese Formulierung, die sich an den Wortlaut des A r t . 2 Ziffer 4 SVN anlehnt, i h m aber nicht i n allen Punkten entspricht, war i n dieser Form i n keinem der drei Definitionsentwürfe enthalten. Während der Weststaatenentwurf sich i m wesentlichen an den Wortlaut des A r t . 2 Ziffer 4 SVN h i e l t 1 5 2 — und damit die „bewahrende" Grundeinstellung dieser Staaten unterstrich —, wichen die beiden konkurrierenden Entwürfe i n unterschiedlicher Weise hiervon ab. So verzichtete die UdSSR ganz auf eine Normierung der zu schützenden staatlichen Rechtsgüter und listete allein die Rechtswidrigkeitsfaktoren auf, die sie m i t den Worten „contrary to the purposes, principles and provisions of the Charter of the United Nations" beschrieb 153 . Gleichsam i n umgekehrter Modifizierung der Satzungsnorm ergänzten die Blockfreien dagegen die Rechtsgüter u m das der Souveränität, die sie neben der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit nannten, und ließen auf der anderen Seite die Generalklausel der Satzungswidrigkeit entfallen 1 5 4 . Damit rückten die Blockfreien den Schutz ihrer (zumeist jungen) staatlichen Souveränität zumindest optisch i n den Vordergrund 1 5 5 , während der sowjetische Entwurf offensichtlich einer Argumentation vorbeugen sollte, wonach nur die Ziele der Charta, nicht aber deren sonstige Vorschriften („principles and provisions") Maßstäbe seien, mittels derer aggressives von nichtaggressivem Verhalten zu scheiden sei. bb)

Kompromißbildungsphase

Die Kompromißbildung verlief angesichts der gegensätzlichen Entwürfe aus „Ost und Süd" i m Wege der prinzipiellen Verbindung beider Vorschläge, näherte sich damit dem Wortlaut des A r t . 2 Ziffer 4 SVN und entsprach so eher der Vorstellung der Weststaaten 156 . Streitig war i m wesentlichen allein, inwieweit dem extremen Souveränitätsbedürfnis der Blockfreien Rechnung zu tragen sei und ob sich 152 Op. para. 1. (In Abweichung von A r t . 2 Ziffer 4 S V N betonte er nur die Selbstverständlichkeit, daß unter „any State" — so A r t . 2 Ziffer 4 S V N — „any other State" zu verstehen sei.) 153 Op. para. 1 des sowjetischen Entwurfs. 154 Op. para. 2 des Blockfreienentwurfs, der allerdings i m letzten T e i l als Ausnahmetatbestände A k t i o n e n i n Ausübung des Selbstverteidigungsrechts u n d i m A u f t r a g des Sicherheitsrates vorsah. 155 Unterstrichen wurde dies durch die eingeschobenen Worte, wonach das Staatsgebiet i m Sinne der Definition auch seine „ t e r r i t o r i a l waters or airspace" umfassen solle (op. para. 2 des Entwurfs). 156 So seit Vorlage des ersten Kompromißvorschlags, siehe GAOR, X X V , Suppl. No. 19, S. 61 („Report of the W o r k i n g Group"), dort allerdings noch ein Alternativvorschlag.

Β . Verlauf der Konsensbildung

241

die Generalklausel der Satzungswidrigkeit auf die Ziele der Charta zu beschränken habe 1 5 7 . Während man sich i m letzteren Punkt bereits auf der fünften Sitzungsperiode einigte und die Generalklausel m i t einem pauschalen Verweis auf die ganze Satzung versah 1 5 8 , konnte über die Einbeziehung des Souveränitätsbegriffs i n A r t . 1 erst i m folgenden Jahr ein Konsens erzielt werden. Allerdings ließ eine gleichzeitige Ergänzung des A r t . 1 u m die einschränkenden Worte „as set out i n this definition" bereits erkennen, daß man auch i n dieser Frage nicht gewillt war, einseitige Zugeständnisse zu machen 159 . cc)

Annahmephase

Obwohl äußerlich als bloßes Bindeglied zwischen der Generalklausel des A r t . 1 und den sonstigen Bestimmungen der Definition gestaltet, verrieten nämlich Stimmerklärungen — wie die des amerikanischen Delegierten —, daß diese wenigen Worte durchaus auch eine materielle Funktion zu erfüllen haben: Denn hiernach sollen diese klarstellen, daß nicht jedes Gebrauchmachen illegaler Waffengewalt m i t Aggressionen i m Sinne des A r t . 39 SVN gleichgesetzt werden könne 1 6 0 , eine Interpretation, die ein Jahr zuvor bereits der syrische Vertreter vorausgesehen hatte 1 6 1 . Dieselbe Gefahr vermuteten die Delegierten Kenias 162 und Paraguays 163 i n der Klausel „or i n any other manner inconsistent w i t h the Charter of the United Nations" 1 6 4 , während die Weststaaten sich zu der gegenüber A r t . 2 Ziffer 4 SVN abweichenden Terminologie nicht mehr äußerten. Nur vordergründige Kompromißbereitschaft ließ dagegen die UdSSR erkennen, die der zusätzlich normierten „Souveränität" keine weitere 157 Siehe die vorgeschlagenen Generalklauseln der Jahre 1971, GAOR, X X V I , Suppl. No. 19, S. 30, u n d 1972, GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 14. 158 GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 14 („General definition of aggression"). 159 A r t . 1 des „vorkonsensualen" Entwurfs des Jahres 1973, Text i m D o k u mentenanhang. 160 (Anm. 144), S. 23, u n d A/C. 6/SR. 1480, para. 69. 161 A / A C . 134/SR. 108, S. 36: „ A n o t h e r ambigous point involved the words ,as set out i n this definition 4 at the end of article 1. His delegation had no objection to those words if they were intended solely as a link between the general definition and the other articles i n the instrument. However, his delegation reserved its position i f the a i m was to l i m i t the effect of article 1 or to impose additional qualifications on the determination of an act of aggression as such i f the use of armed force was contrary to the Charter." Siehe hierzu auch Ferencz I I , S. 29 („an additional loophole"). 102 A/C. 6/SR. 1474, para. 22. 163 A/C. 6/SR. 1483, para. 3. 164 Wohingegen diese — i n A r t . 2 Ziffer 4 S V N — geradezu i n umgekehrter Richtung w i r k e n u n d verhindern soll, daß rechtswidrige A k t e aus dem A n wendungsbereich des Gewaltverbots fallen, siehe etwa McDougal / Feliciano, L a w and M i n i m u m W o r l d Public Order, S. 178.

16 B r u h a

242

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Bedeutung beimaß, indem sie sie m i t den Worten „violation of the sovereignty of a State meant the use of armed force against territorial integrity and political independence" 165 schlichtweg aus der Definition „herausinterpretierte" 1 6 6 . Paraguay hingegen war aus entgegengesetzten Motiven m i t ihrer Erwähnung unzufrieden, w e i l es der Meinung war, daß „the concept of sovereignty was almost totally intangible" 1 6 7 . Schließlich wurde auch der weite Territorialbegriff der Blockfreien 1 6 8 noch vertreten, denn nach Ansicht Ghanas erstrecke sich dieser auch auf die territorialen Gewässer und den Luftraum, so daß die Nichtberücksichtigung dieser Begriffe i m konsensualen Text keine einschränkende Wirkung habe 1 6 9 . dd) Ergebnis Neben diesen Dissensen zu Einzelpunkten des Artikels bleibt jedoch vor allem die Ungewißheit, inwieweit die als Auffangtatbestand konzipierte Klausel der „sonstigen Satzungswidrigkeit" als Formel herangezogen werden könnte, mittels derer auch hier Elemente des Zwecks der Gewaltanwendung Einzug i n die Definition halten könnten 1 7 0 . Die oben zitierte Äußerung des amerikanischen Delegierten 1 7 1 läßt jedenfalls erkennen, wie (auch) die „Klippen des A r t . 1" interpretativ umschifft werden können, wenn es darum geht, subjektiv als völkerrechtsmäßig empfundenes Verhalten für nicht tatbestandlich i m Sinne der Definition zu erklären, mag dieses auch i n der Anwendung von Waffengewalt einem anderen Staat gegenüber bestehen. Da keine der drei Staatengruppen Anzeichen einer Bereitschaft gezeigt hat, das „Legitimationsinstrument der gerechten Zwecke" zur Sanktionierung des Einsatzes von Waffengewalt aus den Händen zu geben 172 , sind auch diese Passagen des A r t . 1 der Definition i m wesentlichen als „Formelkompromisse" anzusehen 173 . 165

(Anm. 144), S. 36, w o m i t sich die UdSSR allerdings i n Ubereinstimmung m i t der w o h l herrschenden Literaturmeinung befindet, die i n der Souveränität einen U n t e r f a l l des Rechts auf politische Unabhängigkeit sieht, siehe Derpa (Anm. 3), S. 31, m i t Nachweisen. 166 Siehe auch Ferencz I I , S. 27. 167 (Anm. 163). 168 Siehe oben, A n m . 155. 169 So während der sechsten Sitzungsperiode des Sonderausschusses, auf dem A r t . 1 i n den hier interessierenden Passagen zwar noch nicht beschlossen, aber bereits vereinbart war, so daß die damals gemachten Äußerungen nahezu die W i r k u n g e n einer Stimmerklärung hatten, siehe A/C. 6/SR. 1442, para. 62. 170 Bothe, Definition der Aggression, S. 130. 171 A n m . 160. 172 Die Westmächte u n d die Staaten des sowjetmarxistischen Blocks mittels ihrer „subjektiven" Interpretation des A r t . 2, letztere i n Übereinstimmung

Β . Verlauf der Konsensbildung

2. Art. 3, Einleitungssatz, Ziffern Konkreter Tatbestand

243

a bis f:

I m wesentlichen i m Schatten der Diskussionen u m die generellen Elemente des Tatbestandes und der Definition überhaupt verliefen daher die Verhandlungen u m die Einzeltatbestände des A r t . 3, wobei die langwierige und intensive Behandlung des Problemkreises der indirekten Aggression nur eine scheinbare Ausnahme bildet, weil dieser i n seinen Schwerpunkten zu den übergeordneten (generellen) Grundfragen der Ausschußarbeit zählte und seine ausschließliche Verankerung i m enumerativen Katalog der Einzelfälle allein Ergebnis des politischen Kompromisses war 1 . Den „echten" Einzeltatbeständen der A r t . 3 Ziffern a bis f dagegen galt zumindest das Interesse der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates nur sekundär 2 , da sie ja, anders als die „weniger privilegierten" Staaten, ihre Interessen stets auch m i t dem „gröberen Instrumentar i u m " allgemeiner Rechtfertigungsbehauptungen verteidigen und — durch ihre Vetomacht i m Rat — auch rechtlich zu jeder Zeit durchsetzen können. Wenn daher u m einzelne Unterfälle mehr als u m andere gerungen wurde, so standen zumeist Partikularinteressen i m Hintergrund 3 oder solche, die über das eigentliche Definitionsvorhaben hinausgehende ungünstige Reflexwirkungen zu vermeiden suchten 4 . a) Einleitungssatz zu A r t . 3 Eine Aussage zur konkreten Tatbestandlichkeit enthält bereits der Einleitungssatz zu A r t . 3, indem er die Erfüllung der Aggressionstatbestände nicht von der Abgabe einer Kriegserklärung abhängig macht. Denn i n Verbindung m i t A r t . 1 („Aggression is the use of armed force") und der Nichterwähnung der bloßen Kriegserklärung i m Katalog des A r t . 3 5 läßt die Definition keinen Spielraum, schon diese Form der „Feindlichstellung", die ja weder vom Einsatz bewaffneter Gewalt be-

m i t der Mehrheit der Blockfreien unter Berufung auf ein ideologisch determiniertes „Recht auf Befreiungskämpfe". 173 Bothe (Anm. 170), S. 130; Ferencz I I , S. 29. 1 Aus diesem Grunde w u r d e diese Begehungsweise der Aggression i m Z u sammenhang m i t der generellen Tatbestandlichkeit behandelt. 2 Ferencz, Defining Aggression — The Last Mile, S. 447. 3 Der Formulierung des A r t . 3 Ziffer d etwa schenkten vor allem die großen Seehandelsstaaten besondere Aufmerksamkeit (siehe unten, Gliederungspunkt e). 4 Siehe etwa die Verhandlungsführung der „landumschlossenen" Staaten zur Seeblockade des A r t . 3 Ziffer c (unten, Gliederungspunkt d). 5 Siehe dagegen op. para. 2 A des sowjetischen Entwurfs. 16»

244

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

gleitet sein muß 6 noch immer die Absicht mitumfaßt, diese demnächst 7 oder überhaupt 8 anzuwenden, als Aggression i m Sinne des Art. 39 SVN rechtlich zu qualifizieren 9 . Anders als zur Frage der „ökonomischen, politischen und ideologischen Aggression", deren Annahme ja i m Gegensatz zur Kriegserklärung voraussetzt, daß der betroffene Staat tatsächlich i n seinen Rechten verletzt worden ist (während sie bei der Kriegserklärung noch ausstehen), hat auch kein Delegierter nach Annahme der Definition weiterhin die Behauptung vertreten, daß der Sicherheitsrat über A r t . 4 ermächtigt sei, diesen „ungenannten" Fall als Aggression zu qualifizieren 10 . Die einfache 11 Kriegserklärung ist daher — wiewohl sie sicherlich zu den beachtlichen „circumstances of each particular case" 12 zählt — nach dem einstimmigen Konsens aller Beteiligten nicht geeignet, per se als Aggression festgestellt zu werden 1 3 . b) A r t . 3 Ziffern a und e: Invasion, Angriff, Okkupation, Annexion und Verletzung von Truppenstationierungsabkommen U m den Einleitungsfall des Katalogs des A r t . 3 gab es nur wenig Diskussionen, sieht man einmal davon ab, daß u m die innerlich m i t i h m zusammenhängende Frage der Anerkennung gewaltmäßig erlangter Gebietsgewinne i m Rahmen des A r t . 5 Abs. 3 und pr. para. 7 u m so heftiger gerungen wurde 1 4 . So ist es nicht überraschend, daß die ersten beiden Fälle, die „klassischen" Aggressionsformen 15 der Invasion und β Davon gingen auch die Ausschußmitglieder aus, siehe A / A C . 134/SR. 70, S. 47 - 61, dort insbesondere Großbritannien, S. 59 f. 7 Die Kriegserklärung k a n n auch bloß bedingt (vor allem i n Verbindung m i t der Setzung eines mehr oder weniger länger befristeten Ultimatums) erfolgen, siehe Berber, Lehrbuch, Bd. I I , S. 89. 8 Da das Wesen der Kriegserklärung darin besteht, die friedlichen Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Staaten zu beenden u n d an ihre Stelle den Kriegszustand zu setzen (spätestens m i t der Kriegserklärung hat der K r i e g rechtens begonnen), können alle Formen der Kriegsführung beabsichtigt u n d angekündigt sein, so daß ζ. B. auch eine Beschränkung auf bloße wirtschaftliche, schädigende Maßnahmen, die i n Friedenszeiten illegal wären, denkbar ist. Siehe Berber (Anm. 6). 9 Dies ist auch nicht über A r t . 4 der Definition möglich, da dieser n u r Freiheit gegenüber A r t . 3 einräumt („The acts enumerated above . . . " ) . 10 Siehe dagegen die Stimmerklärungen zum generellen Tatbestand, oben, A n m . 31 ff. 11 Ohne gleichzeitigen Waffeneinsatz. 12 Pr. para. 10 u n d A r t . 2. 13 Siehe auch Broms, Definition of Aggression I I , S. 347. 14 Siehe die Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu diesen Bestimmungen.

15

Ferencz II, S. 33.

Β. Verlauf der Konsensbildung

245

des Angriffs ausländischer Streitkräfte auf fremdes Territorium wenig problematisch waren, während die Einbeziehung von Okkupation und Annexion — auch in der besonderen Spielart des A r t . 3 Ziffer e — erheblich mehr Schwierigkeiten bereitete. aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Alle vier Tatbestände waren sowohl i m sowjetischen 16 als auch i m Entwurf der Blockfreien 17 enthalten, wobei letzter über den ersteren hinausgehend zugleich präzisierte, daß es bei der Okkupation nicht darauf ankomme, wie lange diese (schon) ausgeübt wird. Die Westmächte führten demgegenüber allein die Invasion an und zogen zudem das Mißtrauen der Ausschußmehrheit auf sich, die Skepsis gegenüber der Formel „territory under the jurisdiction of another State" zeigte 18 . Denn diese unterstellte den Westmächten, auf diese Weise die Gewaltanwendung von Kolonialstaaten gegenüber den ihrer Gewalt unterliegenden kolonialen Territorien sanktionieren zu wollen 1 9 und brachten die Klausel folglich i n unmittelbaren Zusammenhang m i t der Nichterwähnung der Okkupation und der Annexion 2 0 . Jene Vorwürfe konnten die Westmächte auch nicht m i t dem Hinweis entkräften, daß sie i n Gestalt des op. para. I V Β (2) einen Unterfall der Okkupation oder gar Annexion vorgesehen hätten 2 1 , da dieser nur den speziellen Tatbestand der mißbräuchlichen Truppenstationierung bei zuvor genehmigtem Aufenthalt enthielt. So bestanden vor allem die arabischen Staaten darauf, Okkupation und Annexion nicht nur als eine Folge der Aggression anzusehen — und allein dort zu regeln —, sondern sie als Etappen eines umfassenden Begriffs der Aggression 22 zu behandeln, die sich, historisch belegt, zumeist i n den Phasen Invasion-Okkupation-Annexion abspiele 23 . Die letzteren seien daher Tatbestände „fortgesetzter Aggression" 24 . 18

Op. para. 2 Β (c). Op. para. 5 (b). 18 Op. para. I V Β (1) u n d (3). 19 So die UdSSR, A / A C . 134/SR. 71, S. 71: „Such a State could only mean a colony."; Ägypten, ebd., S. 67, u n d der Sudan, ebd., S. 65: „According to that draft, a State which tried to regain territory occupied b y foreign troops or annexed w o u l d be considered an aggressor." 20 So der Sudan (Anm. 19): „ . . . the absence from the six-Power draft of any reference to m i l i t a r y occupation and annexation was apparently intentional i n v i e w of the reference to territory under the jurisdiction of another State". 21 Kanada (Anm. 19), S. 74. 22 Ägypten (Anm. 19). 23 Syrien (Anm. 19), S. 69: „The differences between invasion, occupation and annexation was m a i n l y a matter of time . . . they were three stages of the same act." 17

24

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Hiergegen wandten die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs, zum Teil aber auch die Türkei 25, ein, daß es sich i n den Fällen der Okkupation und Annexion u m bloße Folgen der Aggression handele 26 , es sei denn, daß sie gleichzeitig m i t der Anwendung von Waffengewalt vollzogen und diese gleichsam nur manifestieren würden 2 7 . Ein wirklich eigener Tatbestand sei dagegen der i n op. para. I V Β (2) ihres Entwurfs genannte Fall der Anwesenheit „eingeladener Truppen" unter schwerwiegender Verletzung des Stationierungsvertrages oder deren Verbleiben trotz dessen Beendigung gegen den Willen des früheren Gastlandes 28 . Die UdSSR dagegen legte wie die Blockfreien auf die Berücksichtigung von Okkupation und Annexion großen Wert, betonte jedoch, daß es allein illegale A k t e seien, die ihr Entwurf enthalte, so daß sie sich zur Zulässigkeit von Besetzungen und Gebietsaneignungen des „gerechten Siegers" zumindest nicht negativ äußerte, bzw. deren Rechtmäßigkeit nicht ausschloß 29 . bb)

Kompromißbildungsphase

I m Hinblick auf die Formulierung des späteren A r t . 3 Ziffer a vollzog sich der Einigungsprozeß i m wesentlichen durch einseitige Zugeständnisse der Weststaaten, während diese sich prinzipiell m i t ihrem besonderen Aggressionstatbestand des op. para. I V Β (2) durchsetzen konnten. Angesichts der übereinstimmenden Interessen der sowjetmarxistischen und afro-asiatischen Staaten an der Figur einer „permanenten", insbesondere postkolonialen Aggression, konnte der Einzug der Okkupation und Annexion als eigene Aggressionstatbestände nicht vermieden werden. I n Abänderung des sowjetischen Vorschlags und dem der Blockfreien wurde jedoch ein „Formelkompromiß" i n der Weise eingebaut, daß die (aggressive) Okkupation aus den zuvor genannten Invasionen und Angriffen resultieren müsse 30 , womit die legale Besetzung 24

Ägypten (Anm. 19), unter Hinweis auf die Charta der OAS, u n d Syrien (Anm. 23). 25 (Anm. 19), S. 66. 26 USA u n d Großbritannien (Anm. 19), S. 66 u n d 73. Die Türkei führte n u r die A n n e x i o n an, w e i l sie eine bloße E r k l ä r u n g sei, die den — v o r l ä u f i gen — Status der Okkupation ändere u n d damit k e i n Tatbestand der A n wendung physischer Gewalt sei. 27 Großbritannien (Anm. 26). 28 USA (Anm. 26). Syrien (Anm. 23) sah i n den Worten „permission for their presence" die Gefahr, daß h i e r m i t inzidenter die Praxis der Etablierung von Militärbasen sanktioniert werde: „ S y r i a was opposed to that practice and to the idea that a State could invite foreign troops into its territory." 29 (Anm. 19). 30 So die Worte „resulting f r o m such invasion or attack" i n A r t . 3 Ziffer a, der i n dieser F o r m bereits 1972 vorgeschlagen worden w a r u n d nicht mehr geändert wurde (siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 14).

Β . Verlauf der Konsensbildung

24

a n e r k a n n t u n d insbesondere offengelassen w u r d e , u n t e r w e l c h e n V o r aussetzungen u n d w i e l a n g e diese r e c h t m ä ß i g i s t 3 1 . D i e A n n e x i o n d a gegen passierte d i e V e r h a n d l u n g e n ohne eine entsprechende A n b i n d u n g , a l l e r d i n g s i n e i n e r Weise, d i e z u m i n d e s t n i c h t d e u t l i c h macht, ob jede, also auch die A n n e x i o n des „ g e r e c h t e n " Siegers, h i e r u n t e r f a l l e n soll32. H a t t e n d i e W e s t m ä c h t e auch n o c h a u f d i e b e a r g w ö h n t e K l a u s e l d e r „ f r e m d s t a a t l i c h e n J u r i s d i k t i o n " z u v e r z i c h t e n 3 3 , so m u ß t e n sie i m F a l l der „aggressio s u p e r v e n i e n s " 3 4 i h r e s op. p a r a . I V Β (2) d i e n i c h t u n b e d i n g t eine E i n i g u n g m i t d e m A u f n a h m e s t a a t voraussetzenden W o r t e „ c o n d i t i o n s of p e r m i s s i o n " 3 5 gegen d i e i n s o w e i t e i n d e u t i g e r e F o r m u l i e r u n g „ w i t h t h e a g r e e m e n t of t h e r e c e i v i n g S t a t e " 3 6 austauschen u n d jede V e r l e t z u n g dieser E i n i g u n g 3 7 u n t e r w e i t e r e r T r u p p e n s t a t i o n i e r u n g d u r c h A r t . 3 Z i f f e r e m i t A g g r e s s i o n e n gleichsetzen lassen. ce)

Annahmephase

S p ä r l i c h w a r e n auch d i e S t i m m e r k l ä r u n g e n , d i e z u A r t . 3 Z i f f e r n a u n d e abgegeben w u r d e n . D a b e i w u r d e j e d o c h d e u t l i c h , daß d e r b r i 31

Insbesondere der britische Delegierte (Anm. 26) beanspruchte das Recht eines Staates, fremdes T e r r i t o r i u m besetzt zu halten, solange es zur Selbstverteidigung des besetzenden Staates erforderlich ist. Siehe auch die i n selbe Richtung zielende extensive Interpretation der Selbstverteidigungssituation (bis zur Gewährleistung der endgültigen Sicherheit des Opfers) durch Italien, A/AC. 134/SR. 72, S. 89. 32 H i e r f ü r könnte zwar sprechen, daß gemäß A r t . 3 Ziffer a die aggressive A n n e x i o n nicht w i e die Okkupation aus aggressiver Invasion oder einem rechtswidrigen A n g r i f f resultieren muß. Dem zwingenden Charakter dieser Annahme steht jedoch pr. para. 7 entgegen, der die bedeutungsgleiche „acquisition" n u r unter eben diesen Kausalitätsvoraussetzungen f ü r rechtswidrig erklärt. Insbesondere aber lassen die Verhandlungen zu A r t . 5 Abs. 3, 1. Alternative Zweifel daran aufkommen, ob A r t . 3 Ziffer a w i r k l i c h ein absolutes Annexionsverbot normieren u n d A n n e x i o n per se m i t Aggression gleichsetzen soll. 33 Der Beteuerung Großbritanniens (Anm. 26), S. 72, m i t dieser Formel hätte m a n n u r an zweierlei gedacht, nämlich „the case of a territory concerning which there was a dispute as to wether i t l a w f u l l y belonged to the State attacked; and the rarer cases of one State which had been placed under the jurisdiction of another State b y v i r t u e of a particular regulation, for example, the Panama Canal Zone" wurde offensichtlich kein Glauben geschenkt. 34 Z u m Begriff Bothe, Definition der Aggression, S. 134. 35 Die Worte schließen eine „Genehmigung" einer „ d r i t t e n Stelle", u n d dam i t ein Übergehen des „Gaststaates" nicht aus. Siehe UdSSR, GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 20, u n d Rumänien, das seine Zustimmung zu einem solchen Tatbestand davon abhängig machte, daß die Vorschrift spezifiziere, „ t h a t the permission was accorded by the constitutional bodies of the State concerned" (Anm. 19), S. 69. 36 Einen ähnlichen Vorschlag hatte auch Uruguay unter Verwendung des Wortes „consent" gemacht, siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 26. 37 I m Weststaatenentwurf hatte es noch geheißen: „ i n violation of the fundamental conditions of permission".

2 4 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

sante Punkt vor allem i n der Einbeziehung der Okkupation und der besonderen Weise ihrer Regelung zu finden war. Während Großbritannien die restriktive Position der Weststaaten wiederholte, wonach aggressive Okkupation stets aus einer Invasion oder einem Angriff resultieren müsse, die ihrerseits Aggressionsakte darstellen 38 — und sich damit i n der Frage eines möglichen Selbstverteidigungsexzesses durch unverhältnismäßig lange Besetzung des Territoriums des Angreiferstaates nicht festlegte —, bezeichnete der syrische Delegierte Okkupation per se als Aggression, gegen die folglich das Selbstverteidigungsrecht eröffnet sei 39 . Die sonstigen Bestimmungen des A r t . 3 Ziffer a waren dagegen ebensowenig Gegenstand besonderer Erklärungen wie die des A r t . 3 Ziffer e, sieht man einmal davon ab, daß die UdSSR den vereinbarungswidrigen Truppenverbleib als Unterfall der rechtswidrigen Okkupation i m Sinne des A r t . 3 Ziffer a bezeichnete und A r t . 3 Ziffer e damit für entbehrlich erklärte 4 0 . Dennoch wäre es falsch, aus der geringen Anzahl der Stimmerklärungen zu schließen, daß i m übrigen Einigkeit besteht. Was die Behandlung der Annexion betrifft, so folgt der Dissens aus der intensiv geführten Diskussion zu A r t . 5 Abs. 3: Denn diejenigen Staaten, die i n diesem Zusammenhang i n dem Nichtanerkennungsgebot nur eine Konkretisierung des „ex iniuria non oritur ius" Prinzips sahen, werden auch nicht gewillt sein, die Zulässigkeit von Gebietserwerb, auch gegen den Willen des betroffenen Staates, durch A r t . 3 Ziffer a in Frage stellen zu lassen 41 . Bei A r t . 3 Ziffer e dagegen liegt die mangelnde Einigung i n der nichterfolgten Konkretisierung dieses Prinzips begründet. Denn wenn nach dem Wortlaut jeder Verstoß gegen ein Truppenstationierungsabkommen als Aggression qualifiziert werden kann, so beginnt die Problemat i k bei der Frage, von welcher Intensität einer Verletzung der vereinbarten Bedingungen (1. Alternative des Art. 3 Ziffer e), bzw. von welchem Zeitpunkt an (2. Alternative, Ablauf der vereinbarten Stationierungsdauer) das bloße Verbleiben zur Aggression wird. Da es offensichtlich ist, daß nicht jede noch so geringe Vertragsverletzung oder Fristüberschreitung m i t einer Aggression gleichgesetzt werden kann, 38

GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 32. A/C. 6/SR. 1475, para. 20. 40 A/C. 6/SR. 1443, para. 32. Allerdings müßte der vereinbarungswidrige Truppenverbleib dann als Invasion oder A n g r i f f interpretiert werden — was diese Begriffe dann v ö l l i g überdehnen würde —, da die Okkupation j a nach A r t . 3 Ziffer a rechtswidriges Eindringen der fremden Truppen i n das besetzte Staatsgebiet voraussetzt. 41 Siehe i m einzelnen die Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu A r t . 5 Abs. 3 u n d die dazu vereinbarte „explanatory note". 39

Β . Verlauf der Konsensbildung

24

ist entgegen der Ansicht des britischen Delegierten Art. 3 Ziffer e alles andere als „unproblematisch" 42 , weil „unfertig" 4 3 . c) A r t . 3 Ziffer b: Bombardierung und sonstiger Waffeneinsatz gegen das Territorium eines anderen Staates Obwohl Anlaß für eine „explanatory note", die — so die diesmal zutreffende Anmerkung desselben britischen Delegierten 44 — Selbstverständliches aussagt, besteht über den Inhalt des A r t i k e l 3 Ziffer b kein Dissens. Wenn danach nämlich die Worte „any weapon" gesetzt worden sind „without making a distinction between convential weapons, weapons of mass destruction and any other kind of weapon" 4 5 , so ist diese Klarstellung ebensowenig auslegungsbedürftig wie A r t . 3 Ziffer b selbst, der die Verletzung der territorialen Unversehrtheit durch Bomben oder sonstige Waffen jeder A r t als einen typischen Aggressionsfall ausweist. Diskutiert wurde dagegen allein, ob i m Zusammenhang hiermit der Einsatz atomarer, bakteriologischer oder chemischer Massenvernichtungswaffen per se als Aggressionsfall 46 — oder zumindest ihr Ersteinsatz gegenüber einem konventionell geführten A n g r i f f 4 7 — aufgeführt werden sollte, oder ob ein Ausdruck der „politisch-moralischen Ächtung" ausreiche 48 , bzw., ob auch dies zu unterlassen sei 49 . Da kaum zu erwarten war, daß sich die Mehrheit der i m Besitz von Massenvernichtungsmitteln der angesprochenen A r t befindlichen Staaten i m Rahmen der Definitionsarbeiten i n irgendeiner, insbesondere einschränkenden Weise festlegen lassen würde, bestand das Maximum des Erreichbaren i n einem „unschädlichen" Verweis auf die schwerwie42

(Anm. 38). So auch Bothe (Anm. 34), S. 134 f. 44 (Anm. 38). 45 Siehe die „explanatory note" i m Dokumentenanhang. 4e Siehe op. para. 8 (f) des ursprünglichen „4-Staatenentwurfs", A/AC. 134/ L. 4, der den Gebrauch dieser Waffen per se als Aggression bezeichnete sowie den rumänischen Vorschlag der vorletzten Sitzungsperiode, ein Verbot von Massenvernichtungswaffen i n den Katalog des A r t i k e l 3 aufzunehmen (GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 26). 47 So der sowjetische E n t w u r f i n op. para. 2 B (a), nicht so eindeutig dagegen i h r späterer Kompromißvorschlag „including weapons of mass destruction not used i n the exercise of the inherent r i g h t of self-defence" (GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 20). 48 Siehe Syrien (Anm. 19), S. 64: „ . . . a reference to weapons of mass destruction w o u l d reflect the universal concern about the consequences of their use". 49 So insbesondere die USA (Anm. 19), S. 63, m i t dem Hinweis, daß der aggressive Charakter eines Waffeneinsatzes niemals aus dem verwendeten Waffentyp folge. 43

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

2

g e n d e n F o l g e n 5 0 des Einsatzes v o n M a s s e n v e r n i c h t u n g s w a f f e n i n der P r ä a m b e l 5 1 u n d d e r b e r e i t s angesprochenen K l a u s e l d e r „ a n y w e a p o n s " 5 2 i n A r t . 3 Ziffer b i n V e r b i n d u n g m i t der hierzu ergangenen Z u satznote. E n t g e g e n d e r A n s i c h t des rumänischen D e l e g i e r t e n 5 3 ist d a m i t jedoch z u r R e c h t m ä ß i g k e i t des Einsatzes v o n A t o m w a f f e n u n d sonstigen M a s s e n v e r n i c h t u n g s m i t t e l n nichts gesagt, so daß auch d i e D i s k u s s i o n e n z u r D e f i n i t i o n d e r A g g r e s s i o n bestätigen, daß i n d e r p o l i t i s c h e n R e a l i t ä t d i e B e w ä l t i g u n g der m i t diesen W a f f e n v e r b u n d e n e n P r o b l e m e k e i n G e g e n s t a n d r e c h t l i c h e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n ist, s o n d e r n a l l e i n i n b i l a t e r a l e n 5 4 oder m u l t i l a t e r a l e n 5 5 Abrüstungsund Rüstungskontrollverhandlungen verfolgt werden kann56. d) A r t . 3 Z i f f e r c: B l o c k a d e I m Gegensatz z u d e m — i n seiner p o s i t i v e n Aussage — u n p r o b l e m a tischen A r t . 3 Z i f f e r b w a r die R e g e l u n g der Blockade insbesondere i n d e r E n d p h a s e d e r V e r h a n d l u n g e n h e f t i g u m s t r i t t e n , w a s d a r i n be50

W o m i t der Einsatz als solcher zumindest nicht direkt verurteilt w i r d . Pr. para. 5. 52 Die Klausel ist allerdings i m H i n b l i c k auf die E n t w i c k l u n g neuer Waffentechnologien von großer Bedeutung, die sich offenbar i n Richtung auf Systeme h i n bewegen, deren W i r k u n g e n nicht mehr m i t dem herkömmlichen Begriff der Bombardierung erfaßt werden können. (Zu denken ist insbesondere an die durch das „Umweltkriegsverbots-Abkommen" v o m 18. 5.1977 ins Bewußtsein gerückten Möglichkeiten künftiger Systeme, das T e r r i t o r i u m eines Staates durch gezielte Umweltzerstörungen — zeitweilige Veränderung der Ozonschicht, künstliche Erdbeben etc. — zu beeinträchtigen. Siehe zum Ganzen Fahl, Rüstungsbeschränkung, 13.1.) 53 Siehe die Stimmerklärung i n A/C. 6/SR. 1475, para. 8: „Clearly the use of weapons of mass destruction constituted an act of aggression of the most serious k i n d . " 54 Insbesondere die SALT- Verhandlungen zwischen der USA u n d der UdSSR, dazu Fahl, Salt I, u n d Riedel, Salt I I . 55 So vor allem die Wiener MBFR-Gespräche u n d die jährlichen Sitzungen des „Conference of the Committee of Disarmament" (CCD), inzwischen u m benannt i n „Committee on Disarmament" (CD). Siehe zum ersteren Ruehl, Wiener Verhandlungen, zum zweiten Schiaich, Abrüstungsbemühungen, u n d Schütz, Abrüstungsregime. 56 So auch das Ergebnis der Verhandlungen über die Fortentwicklung des Humanitären Völkerrechts (siehe: Diplomatie Conference on the Reaffirmat i o n and Development of International H u m a n i t a r i a n L a w Applicable i n A r m e d Conflicts, F i n a l Act, 1977), das die Atomwaffenfrage ausklammert. Vgl. dort die Stimmerklärung der USA, CDDH/SR. 58, S. 17: „ I t was his Government's understanding that the rules established b y the Protocol were not intended to have any affect on, and d i d not regulate or prohibit the use of, nuclear weapons . . . the problem of the regulation of nuclear weapons . . . w o u l d have to be dealt w i t h i n other forums and b y other agreements." Dazu auch Bothe, Genfer Konferenz, S. 652. Siehe auch den Kommentar zu den Zusatzprotokollen v o n Bothe / Partsch ! Solf, New Developments of H u m a n i t a r i a n L a w (erscheint 1981). 51

Β . Verlauf der Konsensbildung

251

gründet lag, daß der Sonderausschuß i m Hinblick auf die vielfältigen Aspekte dieses Aggressionstyps nicht repräsentativ besetzt war. aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Von den damals 30 Staaten i n den Vereinten Nationen, die keinen eigenen Zugang zum offenen Meer hatten, war nämlich keiner i m Sonderausschuß vertreten 5 7 , so daß es nicht verwunderlich ist, daß die frühen Entwürfe kaum mehr als die Interessen der Meeresanreiner reflektierten. So bezeichneten sowohl der sowjetische als auch der BlockfreienentwuTÎ allein die Seeblockade i n Form der „blockade of the coasts and ports" als Aggression, wobei letzterer zusätzlich deren Durchführung durch die Streitkräfte zur Voraussetzung machte 58 . Die Unterzeichner des Weststaatenentwurfs, die ausnahmslos über lange Küsten verfügen, sahen dagegen i n der Seeblockade offensichtlich kein sie berührendes Problem 5 9 und führten sie deshalb i n ihrem Entw u r f überhaupt nicht an. Allerdings sperrten sie sich auch kaum gegen deren Einbeziehung 60 , so daß 1972 i m Sonderausschuß Einigkeit bestand, den Blockfreienvorschlag i n der vorweggenommenen Fassung des A r t . 3 Ziffer c anzunehmen 61 . Hiergegen jedoch wurde „von außen", aus den Reihen des Rechtsausschusses, seitens der landumschlossenen Staaten Protest erhoben, die ihre — zum Teil lebensnotwendigen — Landverbindungen über fremdes Territorium zur offenen See nicht geschützt sahen und deren gewaltsame Unterbrechung ebenfalls vom Aggressionstatbestand umfaßt wissen wollten 6 2 . Ausdruck dieses Begehrens war ein von siebzehn kleinen Staaten 63 unterstützter Entwurf Afghanistans**, wonach A r t . 3 Ziffer c u m die 57

Ferencz I I , S. 35. Vgl. op. para. 2 B (c) des sowjetischen m i t op. para. 5 (d) des Blockfreienentwurfs. 59 Zumindest nicht, soweit ihre Sicherheit als potentielle Opfer derartiger Blockaden betroffen war. 60 Die USA sprachen sich n u r auf der ersten Sitzungsperiode — i n sehr schwachen Worten — gegen die Berücksichtigung der Blockade aus, da diese nicht immer „actual force" m i t sich bringe. Wenn dies jedoch — w i e i n der Regel — der F a l l sei, werde sie von den anderen Unterfällen erfaßt, A / A C . 134/SR. 19, S. 196. 81 Siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 14. 62 Die landumschlossenen Staaten betrachten Transitrechte von u n d zur See als geltendes Völkerrecht u n d leiten sie unmittelbar aus dem Prinzip der Meeresfreiheit ab, so Hafner, Gruppe der Binnen- u n d geographisch benachteiligten Staaten, S. 28, m i t Hinweisen auf die Dokumente der Dritten Seerechtskonferenz (siehe unten, A n m . 79). Vgl. zur Problematik Glassner, Access to the Sea, weitere Nachweise bei Stone, Conflict through Consensus, S. 211. 83 Bolivien, Botswana, Burundi, Chad, Laos, Lesotho, Mali, Nepal, Niger, 58

252

I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

Worte „as well as the blockade of the routes of free access to and from the sea of land-locked countries" ergänzt werden sollte 65 . Zur Begründung gab Afghanistan an, daß es für die Annahme einer Blockade unerheblich sei, ob sie von See her erfolge oder auf dem Land durchgeführt werde. Ausreichend sei, daß m i t ihr einem Land der Zugang zum offenen Meer versperrt werde, was i n der Regel existenzbedrohend sei, da es sich bei den meisten landumschlossenen Staaten u m unterentwickelte Länder handele, die ganz besonders auf die Versorgung von außen angewiesen seien 66 . bb)

Kompromißbildungsphase

Da der Ergänzungsvorschlag der landumschlossenen Staaten zu einem Zeitpunkt eingereicht wurde, als die Mitglieder des Sonderausschusses sich bereits auf einen Kompromißtext geeinigt hatten, waren diese offensichtlich nicht mehr bereit, den Entwurf durch eine Änderung nochmals zu gefährden. Dies jedenfalls folgt aus dem Ergebnis der „hinter verschlossener T ü r " 6 7 geführten Verhandlungen. Danach wurde dem Anliegen der 30 landumschlossenen Staaten nur durch ein „statement" 6 8 Rechnung getragen, wonach „The S i x t h Committee agreed that nothing i n the definition, and i n particular A r t i c l e 3 (c), shall be construed as a justification for a State to block, contrary to international law , the routes of free access of a land-locked country to and from the sea 69 ."

und auf das i m offiziellen Resolutionstext später hingewiesen wurde 7 0 .

Paraguay, Rwanda, Swaziland, Ober Volta, Uganda, Zaire, Zambia, Zentralafrikanische Republik, siehe Report of the S i x t h Committee, Doc. A/9890, para. 7. 64 Afghanistan hatte ein Jahr zuvor die Unterbrechung aller Landwege („or the closing of means of access to land-locked countries") genannt, also nicht nur die zur See führenden, A/C. 6/SR. 1445, para. 26, was jedoch offensichtlich zu w e i t war. 65 Doc. A/C. 6/L. 990 v o m 25.10.1974, siehe auch A/C. 6/SR. 1488, para. 25. 66 A/C. 6/SR. 1488, para. 25, m i t dem Versuch, diesen F a l l zumindest als „indirekte" Seeblockade zu behandeln u n d i h n deshalb entsprechend dem Gedanken des A r t . 3 Ziffer g als einen F a l l der indirekten Aggression aufzuführen. Siehe auch die weitergehenden Nachweise bei Ferencz I I , S. 66, A n m . 164. 67 Zwischen dem Einbringen des Ergänzungsvorschlags A/C. 6/L. 990 (30./ 31.10.1974, A/C. 6/SR. 1488 u n d 1489) u n d der Fortsetzung der Diskussion i m Rechtsausschuß (20.12.1974, A/C. 6/SR. 1502) vergingen über 20 Tage. Siehe auch Ferencz I I , S. 35: „ I t took weeks of behind-the-scenes w r a n g l i n g before an acceptable compromise could be reached." 68 Report of the S i x t h Committee, Doc. A/9890, paras. 8 f. 69 Hervorhebungen v o m Verfasser. 70 Siehe die A n m e r k u n g am Schluß der Präambel.

Β . Verlauf der Konsensbildung

cc)

253

Annahmephase

Wenn demnach die Unterbrechung von Landwegen zur See auch vom Rechtsausschuß zumindest nicht ausdrücklich als Unterfall des Aggressionstatbestandes bezeichnet wurde, und das „statement" ein Rechtfertigungsverbot auch nur für rechtswidrige Landblockaden vorsieht 7 1 , gab es i n der Generalversammlung nach Annahme der Definition dennoch Stimmen, die diese Form der Blockade als Aggression bezeichneten 7 2 und dies sogar aus dem „statement" ableiteten 73 . Andere begnügten sich damit, dieses zu einem Bestandteil der Definition zu erheben 74 ohne diesen Schluß zu ziehen, während Paraguay m i t dem Ergebnis so unzufrieden war („Can representatives tell us what kind of legal deterrent that statement w i l l act as? I t is not even published as a foot-note or as a part of the text of the definition."), daß es erklärte, gegen A r t . 3 Ziffer c gestimmt zu haben, wenn die Definition zur Abstimmung gebracht worden wäre 7 5 . Die Weststaaten dagegen hielten sich ausschließlich an den Text des A r t . 3 Ziffer c, der unproblematisch sei 76 , und verwiesen das „statement" i n den Bereich der Bedeutungslosigkeit 77 . Ähnlich sprach sich die UdSSR 78 aus. Über den — aus sich heraus verständlichen — Inhalt des A r t . 3 Ziffer c hinaus haben die Verhandlungen zur Blockade daher keinen Konsens erbracht. Die von den landumschlossenen Staaten gewünschte Gleichsetzung der Land-Seeblockade m i t Aggression hat keine Anerkennung von anderer Seite gefunden 79 , der Tatbestand der 71 Siehe Broms (Anm. 13), S. 350, u n d Ferencz I I , S. 35: „ I t was a savings clause for the land-locked States, which had w i t h i n i t another savings clause, ,contrary to international law', to satisfy those who wanted the subject kept open for further clarification." 72 So Mali u n d Botswana , A/PV. 2319, S. 47 u n d 53 - 55. 73 Mali (Anm. 72). 74 So neben Mali auch Peru , Ecuador , Nepal u n d Afghanistan (A/PV. 2319, S. 32, 36, 58 - 61) m i t der Behauptung, daß das „statement" direkt über A r t . 31 W V K als Bestandteil der Definition anzusehen sei, oder doch zumindest m i t telbar aus dem Rechtsgedanken dieser n u r für Verträge bestimmten K o n vention i n Verbindung m i t A r t . 8 der Definition (so allein Mali, ebd.) beachtlich sei. 75 A / P V . 2319, S. 31. 78 Großbritannien (Anm. 38). 77 Siehe USA, A/PV. 2319, S. 37, u n d Großbritannien, S. 41: „The statements seem to us to be truisms and be largely irrelevant to the definition of aggression." 78 A/PV. 2319, S. 57: „ . . . the statement on article 3 c i n the report of the S i x t h Committee is gratuitous . . . " 79 Siehe zum gegenwärtigen Diskussionsstand auf der Dritten Seerechtskonferenz betreffend das Problem der Zugangsrechte landumschlossener Staaten zur See den „ I n f o r m a l Composite Negotiating Text / Revision 1" der

254

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

einfachen Land- oder Luftblockade, der nicht unbedingt den Zugang zum Meer versperren muß 8 0 , ist gar nicht erst diskutiert worden 8 1 . Berücksichtigt man jedoch, daß diese Fälle über A r t . 4 als Aggressionen qualifiziert werden können und daß gerade bei der Blockade von Küsten und Häfen die Geringfügigkeitsklausel des A r t . 2 i n besonderer Weise vor der Feststellung einer Aggression bedacht werden muß (räumliches und zeitliches Ausmaß der Blockade, Grad der Gefährdung), ist als Ergebnis festzuhalten, daß der Aggressionstatbestand der Blockade keine festeren Konturen durch die Definition gewonnen hat. e) A r t . 3 Ziffer d: Angriff auf Militäreinheiten sowie die zivile See- oder Luftflotte eines anderen Staates Ebenso wie A r t . 3 Ziffer c wurde auch A r t . 3 Ziffer d, wonach der Angriff auf gewisse „Außenpositionen" der Staaten einen weiteren Regelfall der Aggression bildet, Gegenstand eines „statements" des Rechtsausschusses, was auf offengebliebene Meinungsverschiedenheiten zu der i h m zugrundeliegenden Problematik hinweist. aa) Einleitungsphase

und

Maximalpositionen

Die Auffassungen zur rechtlichen Qualifizierung von Angriffen auf Militäreinheiten und zivile Schiffe und Flugzeuge, die sich außerhalb des Heimatstaates befinden, waren i n besonderer Weise von den unterschiedlichen militär-politischen und ökonomischen Interessen der Staaten geprägt und variierten daher beträchtlich 82 . A n einem umfassenden Schutz ihrer außerterritorialen Militäreinheiten war es vor allem den Großmächten gelegen, die, wie insbesondere die USA und die UdSSR, ein weltumspannendes Netz von Militärbasen aller drei Teilstreitkräfte unterhalten und zusätzlich mit größeren militärischen See- und Luftflotten auf den Weltmeeren und achten (Genfer) Session (19.3.-27.4.1979), A/Conf. 62/WP. 10, Rev. 1, 28.4. 1979. Danach sind der Problematik die A r t . 124 bis 132 gewidmet, m i t dem wesentlichen Inhalt, daß die landumschlossenen Staaten einen Rechtsanspruch auf Zugang zur See haben sollen, wobei die Transitmodalitäten v e r traglich zu vereinbaren sind, A r t . 125. Siehe zum generellen Konzept l a n d umschlossener Staaten auf der Seerechtskonferenz Hafner (Anm. 62) u n d Caflish, Land-Locked and Geographically Disadvantaged States. 80 Was denklogisch n u r bei einer umfassenden „Ringblockade" (Absperrung aller verfügbaren Verbindungswege) immer der F a l l ist. 81 Siehe dazu Wittig, Aggressionsbegriff, S. 47, m i t Hinweis auf die sowjetische Definition von 1957, die n u r die Seeblockade als Aggression erwähnte, während die Wirtschaftsblockade durch L a n d - oder L u f t t r u p p e n n u r als A k t der wirtschaftlichen Aggression betrachtet wurde, was zu unterschiedlichen Rechtsfolgen hinsichtlich der zulässigen Reaktion führen soll (Nachweise dort). 82 Siehe zum Einfluß der „Seemachtstellung" eines Staates auf dessen Außenpolitik Mahncke / Schwarz, Seemacht u n d Außenpolitik.

Β . Verlauf der Konsensbildung

255

i m hoheitsfreien Luftraum präsent sind 8 3 . Dementsprechend enthielten sowohl der sowjetische Entwurf als auch der der Weststaaten vergleichbare Bestimmungen, wonach ein Angriff auf die Streitkräfte eines anderen Staates den Aggressionstatbestand erfüllt 8 4 . Darüber hinausgehend drückte der Weststaatenentwurf auch die ökonomischen Interessen der großen Seehandels- und Fischereinationen 85 aus, indem er auch Angriffe auf zivile Schiffe und Flugzeuge als Aggressionen bezeichnete, und trug damit ihren Behauptungen Rechnung, daß die ungestörte Aufrechterhaltung des zivilen L u f t - und Seeverkehrs (insbesondere Handel und Fischerei) lebensnotwendig sei 86 . Die Sowjetunion, die ebenfalls über eine bedeutende Fischereiflotte verfügt, Schloß sich dieser Ansicht an 8 7 . I m Gegensatz hierzu fehlte ein entsprechender Tatbestand i m endgültigen Entwurf der Blockfreien, obwohl sie auf der ersten Sitzungsperiode durchaus zu erkennen gegeben hatten, daß der Schutz der eigenen L u f t - und Seeschiffahrt auch i n ihrem Interesse lag 8 8 . Offensichtlich befürchteten sie jedoch später, durch eine derartige Ausweitung des Aggressionstatbestandes — insbesondere unter Einbeziehung der Zivilschiffahrt — den Interessen der Großmächte mehr als den eigenen dienlich zu sein. Denn da sie i n der Mehrheit weder über nennenswerte Truppenteile außerhalb des eigenen Landes noch über größere Handels- und Fischereiflotten verfügen, lag ihnen die Sicherung ihrer territorialen Souveränität gegenüber den Truppen und Flotten der Großmächte näher als der Schutz ihrer eigenen außerterritorialen militärischen und zivilen Einheiten 8 9 . Darüber hinaus zählten viele 83 Einen detaillierten Überblick über die Präsenz v o n L a n d - , L u f t - u n d Seestreitkräften außerhalb der Heimatländer v e r m i t t e l t S I P R I 1972, S. 240 bis 275, Stand 1971. Danach verfügten die U S A m i t Abstand über die m e i sten Militärbasen, gefolgt von der UdSSR, Großbritannien u n d Frankreich, denen gegenüber die von 20 kleineren Staaten (Belgien, Niederlande, Portugal u. a.) k a u m ins Gewicht fallen. Neuere Daten zur strategischen Entwicklung der U S A u n d der UdSSR i n M i l i t a r y Balance 1975/1976, S. 5 - 1 0 , B u l l e t i n of Peace Proposals 2 (1979), S. 229 - 241, u n d Rüge, Veränderungen i n der sowjetischen Militärstrategie. 84 Op. paras. 2 B (b) des sowjetischen u n d I V Β (5) des Weststaatenentwurfs. 85 Japan, Großbritannien, U S A (siehe auch die Statistik der Welthandelsflotte i n „Fischer Weltalmanach" 1980, S. 686). 86 Japan setzte einen A n g r i f f auf seine zivile See- oder L u f t f l o t t e m i t einer Blockade seiner Küsten gleich (Anm. 38), S. 16. 87 Ferencz I I , S. 36. 88 Der ursprüngliche „13-Staatenentwurf" A / A C . 134/L. 6 hatte noch als Aggressionstatbestand genannt „the carrying out of a deliberate attack on the ships or aircraft", op. para. 5 (ii) (b). 89 Die beiden großen „Billigflaggenstaaten" Liberia u n d Panama, unter deren Flagge ein erheblicher T e i l der Welthandelsflotte läuft (Platz 1 u n d 6 der größten Handelsschiffahrtsnationen), beteiligten sich nicht an den V e r handlungen zu A r t . 3 Ziffer d.

2 5 6 I I .

3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

u n t e r i h n e n 9 0 z u j e n e n L ä n d e r n , d i e a u f der Seerechtskonferenz für d e n A u s b a u d e r Rechte d e r K ü s t e n s t a a t e n a m M e e r , insbesondere durch Ausdehnung der Küstengewässer 91 u n d Schaffung v o n exklusiven oder z u m i n d e s t p r ä f e r e n t i e l l e n „ W i r t s c h a f t s - u n d F i s c h e r e i z o n e n " 9 2 e i n t r a t e n u n d d a m i t z w a n g s l ä u f i g f ü r eine R e d u z i e r u n g der b i s h e r i g e n Meeres- u n d S c h i f f a h r t s f r e i h e i t v o t i e r t e n 9 3 . bb)

Kompromißbildungsphase

D i e K o m p r o m i ß b i l d u n g v o l l z o g sich i n z w e i Phasen: A n g e s i c h t s d e r O f f e n s i c h t l i c h k e i t , daß e i n g r ö ß e r e r A n g r i f f a u f a u ß e r t e r r i t o r i a l e L a n d - , See- oder L u f t s t r e i t k r ä f t e d i e S i c h e r h e i t des H e i m a t s t a a t e s i n gleicher Weise b e e i n t r ä c h t i g e n k a n n w i e e i n g r e n z ü b e r s c h r e i t e n d e r A g g r e s s i o n s a k t , e r k l ä r t e n sich auch d i e b l o c k f r e i e n S t a a t e n m i t e i n e m a u f Militäreinheiten begrenzten Tatbestand einverstanden unter der B e d i n g u n g , daß d i e D e f i n i t i o n eine „clause o n m i n o r i n c i d e n t s " e n t halte94. 90 Siehe zur zunehmenden Solidarität der die Blockfreienpolitik prägenden Staaten der D r i t t e n Welt i n Seerechtsfragen (Beschränkung der bisherigen m a r i t i m e n Präsenz u n d M o b i l i t ä t der beiden Supermächte, Zurückdrängung der individualstaatlich-egoistischen Meeresausbeutung) Platzöder, D r i t t e Seerechtskonferenz, S. 4, 2 5 - 3 5 , 48, u n d Merish, Role of the T h i r d World. 91 So vor allem der häufig als „200-Meilen-Club" bezeichnete Kreis jener Staaten, die (schon i m Jahr 1974) ein 200 sm tiefes Küstenmeer beanspruchten, nämlich Argentinien, Brasilien, Costa Rica, Ecuador, E l Salvador, Panama, Peru, Sierra Leone, Somalia u n d Uruguay, siehe Platzöder (Anm. 90), S. 48. 92 Nach Platzöder (Anm. 90), S. 95, i m Jahre 1974 bereits 99 Staaten, dort (S. 95 - 103) auch Näheres über die Streitigkeiten zum Umfang der Rechte der Küstenstaaten i n der m i t 200 sm geforderten „Wirtschaftszone" (siehe zur letzteren u n d der neueren E n t w i c k l u n g Gündling, Die exklusive W i r t schaftszone). 93 Bei der Ausdehnung der Küstengewässer über die — auf der Seerechtskonferenz inzwischen w o h l akzeptierte — Höchsttiefe von 12 sm hinaus (so jetzt A r t . 3 des oben, A n m . 79, angeführten „Verhandlungs textes") w ü r d e n zahlreiche neue Meerengen entstehen, i n denen das bisherige freie Schifffahrtsrecht einer eingeschränkten F o r m der „transit passage" — insbesondere auch f ü r Militärschiffe u n d Flugzeuge — weichen müßte. Auch das Regime der „transit passage", dessen Schaffung i n unmittelbarem Zusammenhang m i t der Ausdehnung der Küstengewässer u n d der Forderung nach „ W i r t schaftszonen" u n d sonstigen exklusiven Bereichen steht, dürfte von der Seerechtskonferenz angenommen sein. Siehe zu den Einzelheiten A r t . 34 - 44 des „Verhandlungstextes" u n d Platzöder, Meerengen; dieselbe auch (Anm. 90), S. 72 ff., unter Herausarbeitung der Interessen der Staatenmehrheit, der es gerade auch u m die Beschränkung der — als Bedrohung empfundenen — m a r i t i m e n Präsenz der Großmächte geht, während dies zu vermeiden ein wesentliches Anliegen eben dieser Seemachtsnationen ist. (Siehe auch KrügerSprengel, Einfluß militärischer Interessen auf die Neuordnung des Meeresvölkerrechts, sowie umfassend zu den gegenwärtigen Tendenzen, die Schifffahrtsfreiheit einzuschränken, Bernhardt / Rudolf, Schiffahrtsfreiheit.) 94 So der Vorschlag des Jahres 1972, siehe GAOR, X X V I I , Suppl. No. 19, S. 14. Die „Geringfügigkeitsklausel" w u r d e später allerdings nicht ausdrück-

Β. Verlauf der Konsensbildung

257

Schon i m „vorkonsensualen" Entwurf des Jahres 1973 waren dagegen auch die (zivilen) „marine and air fleets " einbezogen und damit A r t . 3 Ziffer d bis auf eine unwesentliche Abweichung 9 5 vorweggenommen 96 , allerdings ohne Zustimmung Ecuadors, Indonesiens und Uruguays, die ihre divergierenden Auffassungen zu Protokoll brachten 97 und auch Unterstützung von Syrien erfuhren 9 8 . Sie alle wiesen auf den engen Bezug der Regelung zu dem insbesondere von den Entwicklungsländern geforderten Schutz der „nationalen maritimen Ressourcen" 99 hin, der auch das Recht der Küstenstaaten umfassen müsse, fremde Nationen gewaltsam an der Ausbeutung ihrer maritimen Bestände zu hindern, vor allem, wenn diese hierzu widerrechtlich m i t Schiffen i n die Hoheitsgewässer des Küstenstaates einfahren 1 0 0 . Vereinzelt wurde auch geltend gemacht, daß bei der Einbeziehung von zivilen Schiffen und Flugzeugen das Problem der Abgrenzung schwerwiegender Zwischenfälle von unbedeutenden besonders groß sei 1 0 1 . A u f der letzten Sitzung des Sonderausschusses gaben diese Länder ihre oben dargestellten Auffassungen auch als Stimmerklärungen zu Protokoll 1 0 2 , ohne sich allerdings der Empfehlung des A r t . 3 Ziffer d zu widersetzen. cc)

Annahmephase

Dies erfolgte vielmehr erst bei den Beratungen des Entwurfs i m Rechtsausschuß und hatte seine Ursache darin, daß zwischen der Annahme des Textes i m Sonderausschuß 103 und des Beginns der Diskussionen i m Rechtsausschuß 104 die Dritte Seerechtskonferenz ihre erste Arbeitssitzung i n Caracas abgehalten hatte 1 0 5 , und dort das von zahlreichen Küstenstaaten favorisierte Konzept einer 200 sm umfassenden „Wirtschaftszone" zum ersten M a l weitgehende Anerkennung gefunden hatte 1 0 6 . lieh m i t A r t . 3 Ziffer d i n Verbindung gebracht — w i e i m F a l l des A r t . 3 Ziffer g —, sondern n u r über A r t . 2 berücksichtigt. 95 Es wurde später das W o r t „ o r " gestrichen. 96 Siehe den Text i m Dokumentenanhang. 97 GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 19, 22 u n d 26 (alle f ü r Streichung der Worte „marine and air fleets"). 98 A/AC. 134/SR. 108, S. 38. 99 Z u den unterschiedlichen Vorstellungen, w i e w e i t die Rechte der Küstenstaaten reichen sollen, siehe Platzöder (Anm. 90), S. 54 ff. 100 So insbesondere Indonesien, A / A C . 134/SR. 106, S. 24. 101 Syrien (Anm. 98). 102 Siehe Ecuador, Indonesien, Syrien (Anm. 38), S. 15, 19 u n d 20. 103 A m 12. 4.1974. 104 A m 8.10.1974, siehe A/C. 6/SR. 1471, S. 41. 105 V o m 20. 6.1974 - 29. 8.1974. Siehe hierzu Platzöder (Anm. 90) u n d Y U N 28 (1974), S. 71 - 85. 17 B r u h a

258

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

A u f diese Weise d e n „ R ü c k e n w i n d des E r f o l g e s " v e r s p ü r e n d , m a c h t e n die Protagonisten einer Ausdehnung der bisherigen Küstenstaatenrechte e i n e n e r n e u t e n V e r s u c h u n d schlugen e i n e n Zusatzartikel 107 vor, wonach „Nothing i n this definition, and i n particular article 3 (d), shall be construed as i n any w a y prejudicing or diminishing the authority of a coastal State to enforce its national legislation i n maritime zones w i t h i n the l i m i t s of its national jurisdiction." D a b e i b e g r ü n d e t e d e r peruanische D e l e g i e r t e d e n Z u s a t z a r t i k e l m i t der Notwendigkeit, die Aggressionsdefinition der Seerechtsentwicklung anz u p a s s e n 1 0 8 u n d z u berücksichtigen, daß d i e rechtliche B e w e r t u n g eines A n g r i f f s a u f e i n f r e m d e s S c h i f f d a v o n abhänge, ob dieses sich a u f H o h e r See oder aber i n G e b i e t e n a u f h ä l t , die d e r „ n a t i o n a l e n J u r i s d i k t i o n " des K ü s t e n s t a a t e s u n t e r f a l l e n 1 0 9 . D a sich z u v o r auch e i n i g e U n t e r z e i c h n e r des W e s t s t a a t e n e n t w u r f s b e r e i t e r k l ä r t h a t t e n , d i e Rechte der K ü s t e n s t a a t e n i n geeigneter Weise a u s d r ü c k l i c h a n z u e r k e n n e n 1 1 0 — w e n n diese Rechte auch s e l b s t v e r 106 Siehe zu den Zusammenhängen Stone (Anm. 62), S. 117. Nach dem „Verhandlungstext" der letzten Session der Seerechtskonferenz (siehe oben, A n m . 79) scheinen inzwischen nicht n u r die Küstengewässer i n Breite von 12 sm (siehe oben, A n m . 93), sondern auch eine „Wirtschaftszone" i n Breite von 200 sm anerkannt zu sein (Art. 57), i n der jedoch gemäß A r t . 58 Abs. 1 für die Schiffahrt prinzipiell die Kommunikationsfreiheiten der „Hohen See" gelten, allerdings geschmälert u m einen unbestimmten Generalvorbehalt zugunsten des „Wirtschaftszonenregimes" (Abs. 2) u n d einen nicht sehr v i e l präziseren Abs. 3, wonach fremde Benutzer „shall have due regard to the rights u n d duties of the coastal State and shall comply w i t h the laws and regulations established b y the coastal State i n accordance w i t h the provisions of this convention and other rules of international l a w i n so far as they are not incompatible w i t h this Part". (Siehe auch zum Stand der nationalen Gesetzgebung u n d bilateraler Verträge die „ U n i t e d Nations Legislative Series" v o m 13.6.1978: „National Legislation and Treaties Relating to the L a w of the Sea", ST/LEG/SER. B/19, dort S. 192 ff., 405 ff.) 107 Doc. A/C. 6/L. 988, 22.10.1974 eingebracht von Peru, mitunterzeichnet von Guinea u n d den Philippinen, später von Brasilien, Ecuador, E l Salvador, Elfenbeinküste, Island, Madagaskar, Marocco, Panama, Senegal u n d Somalia. Siehe Report of the S i x t h Committee, Doc. A/9890, para. 5. A l l e i n sechs dieser Staaten gehören dem „200-Meilen-Club" an, siehe oben, A n m . 91. (Hervorhebungen v o m Verfasser.) 108 A/C. 6/SR. 1483, para. 39: „The language of the proposed additional article was . . . intended to cover a l l forms of jurisdiction of coastal States including their r i g h t over coastal waters, the contiguous zone and other areas now receiving recognition i n the w o r k of the U n i t e d Nations Conference on the L a w of the Sea, such as the economic area and the archipelagic area." 109 (Anm. 108). 110 So sehr weitgehend Australien, A/C. 6/SR. 1478, para. 30, das zur K l a r stellung sogar eine Abänderung der Definition oder eine „autoritative Interpretation" durch die Generalversammlung vorschlug. Siehe auch Kanada, A/C. 6/SR. 1473, para. 12.

Β . Verlauf der Konsensbildung

259

ständlich seien 111 —, wurde die Thematik einer kleinen Arbeitsgruppe innerhalb des Rechtsausschusses überwiesen, deren angenommener Kompromiß lautete, daß „ . . . nothing i n the definition, and i n particular article 3 (d), shall be construed as i n any w a y prejudicing the authority of a State to exercise its rights w i t h i n its national jurisdiction, provided such exercise is not i n consistent w i t h the Charter of the U n i t e d Nations".

und der lediglich als „statement" des Rechtsausschusses in dessen Bericht erschien 112 und — wie bei Art. 3 Ziffer c — nur über einen Hinweis i m offiziellen Resolutionstext förmlich m i t diesem verknüpft war113. Damit war dem Anliegen der „Küstenstaatengruppe" 1 1 4 nicht nur i n formeller, sondern auch materieller Weise weniger als gefordert Rechnung getragen worden. Denn einerseits ist der Vorbehalt so generell gefaßt („rights w i t h i n its national jurisdiction"), daß aus i h m keine Anerkennung irgendwelcher „maritimen Hoheitszonen" zwingend abgeleitet werden kann, andererseits steckt i n der Klausel der Satzungsmäßigkeit der Rechtsausübung wiederum der „Vorbehalt i m Vorbeh a l t " 1 1 5 , der den Dissens zu Voraussetzungen und Umfang dieser Rechte transparent macht und die Problematik ungelöst läßt. Dementsprechend maßen die großen Schiffahrtnationen wie Japan 1 1 6 , die USA 117, Großbritannien 118 und die UdSSR 119 dem „statement" keine eigenständige Bedeutung bei, distanzierten sich allerdings auch nicht von seinem (selbstverständlichen) I n h a l t 1 2 0 , betonten jedoch, daß der Interessenkonflikt zwischen Küstenstaatenansprüchen und Schiffahrtsund Fischereifreiheit eine Materie betreffe, die ausschließlich auf der Seerechtskonferenz behandelt werden sollte 1 2 1 . 111

Australien (Anm. 110). Doc. A/9890, para. 10. 113 Siehe oben, A n m . 70. 114 W o m i t jene Staaten gemeint sind, die überwiegend auf die Interessen der Küstenstaaten abstellen, also nicht alle Länder, die geographisch als Küstenstaat einzuordnen sind (USA, UdSSR, Japan!). 115 So schon das erste „statement" des Rechtsausschusses („contrary to international law"), oben, A n m . 68 f. ne A / P V # 2319, S. 36 („superfluous"). 112

117 A/P. 2319, S. 37 („We see nothing i n any of the various explanatory notes which affects the substance of the t e x t of the definition or affects our views of it."). 118 (Anm. 77). ne A/PV. 2319, S. 58 - 60. 120

So ausdrücklich Großbritannien A/PV. 2319, S. 3 8 - 4 0 ( „ . . . w e had no objections to the substance of such a s t a t e m e n t . . . " ) . 121 UdSSR (Anm. 119): „. .. the statement . . . cannot be viewed as i n any measure whatsoever prejudging consideration or the results of consideration 1

2 6 0 I I .

3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

I m Widerspruch hierzu stand die Behauptung der obengenannten fünf Blockfreiensiaaten, die i n dem „statement" einen Bestandteil der Definition sahen 122 . Welches jedoch der materielle Gehalt des A r t . 3 Ziffer d unter Berücksichtigung der legitimen Interessen der Küstenstaaten sein sollte, wurde auch von der „Küstenstaatengruppe" nicht einheitlich beantwortet. Vielmehr entsprachen ihre Äußerungen dem Stand der Diskussionen der damaligen „Caracas-Session" der Seerechtskonferenz, d. h. man wollte sich zumeist (angesichts der „Offenheit" der Seerechtsmaterie) nicht festlegen, bzw. kleidete Maximalforderungen i n dem überkommenen Völkerrecht nicht bekannte Terminologien. Von den etwa vierzig Staaten, die sich substantiell zum Spannungsverhältnis Küstenstaatenrechte-Meeresfreiheit äußerten 123 , zählten zur ersten Gruppe all jene Länder, die neutral von „areas of national jurisdiction" 1 2 4 , „sea or air space" 125 oder negativ von jenen Räumen sprachen, die nicht der „Hohen See (Internationaler L u f t r a u m ) " 1 2 6 angehören, um damit auszudrücken, daß ein Angriff auf dort betroffene fremde Schiffe zur Verteidigung der Rechte des Küstenstaates, insbesondere zum Schutze „nationaler maritimer Ressourcen" 127 erlaubt sein müsse 128 . Worte wie „oceanic (marine, maritime) areas (zones, spaces") 129 lassen dagegen schon eindeutiger erkennen, daß es den Delegierten, die sich of the relevant problems by the Conference on the L a w of the Sea and this includes questions on the l i m i t s of national jurisdiction of coastal States and questions of the legal régime of the so-called economic zone." 122 Siehe oben, A n m . 74. 123 Siehe auch die zahlreichen Hinweise bei Stone (Anm. 62), S. 209 f. 124 So (oder ähnlich): Brasilien, A/C. 6/SR. 1474, para. 50; Indien, SR. 1478, para. 47; Sri Lanka, SR. 1478, para. 57; Kuba, SR. 1479, para 42; Ghana, SR. 1480, para. 26; Elfenbeinküste, SR. 1481, para. 82; Costa Rica, SR. 1482, para. 30; Dahomey, SR. 1482, para. 41. Aber auch Neuseeland, A/C. 6/SR. 1475, para. 25, u n d Australien, SR. 1478, para. 30. 125 So (oder ähnlich): Kolumbien, A/C. 6/SR. 1474, para. 59; Yemen, SR. 1479, para. 27; Costa Rica, SR. 1482, para. 30. 126 Paraguay, A/C. 6/SR. 1483, para. 6. 127 Peru, A/C. 6/SR. 1474, para. 8; Senegal, SR. 1480, para. 17; Philippinen, SR. 1482, para. 16; El Salvador, SR. 1483, para. 1; Sierra Leone, SR. 1483, para. 23. 128 Dies folgt entweder schon aus der Tatsache der Erhebung der Vorbehalte i m Zusammenhang m i t einer Definition bewaffneter Gewalt, teilweise wurde es explizit ausgesprochen, so Peru (Anm. 127); Togo, A/C. 6/SR. 1480, para. 31; Costa Rica (Anm. 125). 129 Teilweise einzeln, teilweise kombiniert verwandt von: Chile, A/C. 6/ SR. 1474, para. 20; Madagaskar, SR. 1474, para. 37; Pakistan, SR. 1477, para. 2; Libyen, SR. 1477, para. 15; Bangladesh, SR. 1478, para. 3; Irak, SR. 1478, para. 12; Panama, SR. 1482, para. 2; Indonesien, SR. 1482, para. 35; Kamerun, SR. 1483, para. 13; Guinea, SR. 1483, para. 25; Ägypten, SR. 1483, para. 31.

Β. Verlauf der Konsensbildung

261

derart artikulierten, u m Rechte i n Zonen geht, die jenseits der nach dem traditionellen Völkerrecht anerkannten Territorialgewässer und Anschlußzonen liegen 1 3 0 , zumal einige von ihnen nicht nur von Gebieten „under national jurisdiction" sprachen, sondern daneben — als Terminologie m i t eigener Bedeutung — auch und vieldeutig die Worte „under the sovereignty of a coastal state" benutzten 1 3 1 . Einige wenige — auch westliche — Staaten schließlich nannten weitgehend bei Namen, was sie wirklich wollten 1 3 2 , kaum jemand nahm sich der Luftraumproblemat i k an 1 3 3 , die „militärische Hälfte" des Artikels schließlich wurde überhaupt nicht kommentiert, sieht man von den eher polemischen Äußerungen des chinesischen Delegierten ab 1 3 4 . Unter dem Strich erscheint als positives Ergebnis der Verhandlungen zu A r t . 3 Ziffer d daher nur, daß ein Angriff auf Truppeneinheiten sowie zivile Schiffs- und Flugzeugskontingente 135 prinzipiell einen eigenen Aggressionsfall darstellt, vorausgesetzt, es liegt kein minderer schwerer Fall vor (Art. 2). Wann letzterer aber gegeben ist, bzw. welche tatbestandsverengende Wirkung die Verwendung des Begriffs „Flotte" haben soll 1 3 6 , i n diesen Fragen ist ebensowenig Einigkeit erzielt worden wie darüber, unter welchen Voraussetzungen ein erheblicher Angriff gerechtfertigt ist. Dies hängt zum einen m i t dem offenen Dissens über die generellen Voraussetzungen rechtmäßiger Gewalt zusammen, andererseits aber auch, wie dargelegt, m i t dem speziellen Streit u m das Ausmaß der Befugnisse der Küstenstaaten am Meer i m Verhältnis zur Schiffahrtsfreiheit, einer Problematik, der sich eine kompetentere Konferenz angenommen hat und die i n der oben beschriebenen Weise auch ihre Reflexe i m Sonderausschuß hatte.

130

Siehe zum überkommenen Recht Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 331 - 335. Sri Lanka (Anm. 124); Panama (Anm. 129) („maritime areas placed under their jurisdiction or sovereignty"). 132 Neben El Salvador (Anm. 127), das Fischereiflotten v o m Begriff „ m a rine fleets" des A r t . 3 Ziffer d ausgenommen sehen wollte, vor allem die Staaten, die den Schutz der „marine environment of a broad zone off its coasts" (Peru, A/C. 6/SR. 1474, para. 8) oder einer „Wirtschafts- u n d Fischereizone" (Kanada, A/C. 6/SR. 1473, para. 12, dem zustimmend Kenia, SR. 1474, para. 24), für sich i n Anspruch nahmen. 133 ] v j u r beiläufig „ m i t e r w ä h n t " von Kuba (Anm. 124), Kolumbien und Costa Rica (Anm. 125). 131

134 A/C. 6/SR. 1475, para. 15, m i t A n g r i f f auf die M i l i t ä r p o l i t i k der U S A u n d der UdSSR. 135 Die vereinzelt gebliebene Einschränkung El Salvadors (Anm. 132) fällt nicht ins Gewicht. 136 Ist ein A n g r i f f auf ein Schiff, das einer über die Weltmeere verteilten nationalen Flotte angehört, ausreichend, oder müssen mehrere Schiffe betroffen sein, die räumlich-zeitlich einen konkreten Flottenverband bilden?

2 6 2 I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

f) A r t . 3 Ziffer f : Überlassen des eigenen Staatsgebietes an einen anderen Staat zur Durchführung von Aggressionen gegenüber einem Drittstaat Eine Sonderstellung n i m m t der letzte hier behandelte Regelfall ein, da er zuvor i n keinem der Definitionsentwürfe enthalten w a r 1 3 7 , sondern auf einem rumänischen Vorschlag des Jahres 1971 beruht 1 3 8 . Wenn er danach auch i m Zusammenhang m i t der (durchgehend geführten) Diskussion u m die indirekte Aggression gemacht worden ist 1 3 9 , wurde er dennoch nicht i n ihrem Rahmen behandelt, sondern tauchte erst 1973 wieder i n Gestalt des „vorkonsensualen" A r t . 3 Ziffer f auf 1 4 0 . Dies deutet darauf hin, daß, anders als i m Fall der Unterstützung nichtregulärer bewaffneter Einheiten, kein massiver Widerstand gegen das Prinzip als solches erhoben wurde, was wohl damit zusammenhängt, daß i m Fall des A r t . 3 Ziffer f (dem Wortlaut nach) auch der aktiv-agierende Aggressor ein Staat sein muß. Insbesondere i m Vergleich zu A r t . 3 Ziffer g scheint damit nämlich die brisante Problematik des Verwickeltseins i n subversive und terroristische Aktionen u. dgl. nicht berührt zu sein 1 4 1 . Anders wäre jedenfalls die prinzipielle Zustimmung so verschiedener Staaten wie Italien 142, Syrien 1 4 3 , Bulgarien 144 und die UdSSR 145 nicht verständlich, die, wenn überhaupt, nur K r i t i k an Einzelpunkten übten 1 4 6 , bzw. entsprechende Vorschläge machten 147 . 137

Anders dagegen alle anderen Tatbestände des A r t . 3. A / A C . 134/SR. 87, S. 68. 139 D e r rumänische Delegierte stellte der indirekten Aggression gleich „cases where a State made its territory available to another State so that the letter could commit aggression against a t h i r d State". 138

140 „The action of a State placing its territory at the disposal of another State w h e n the latter uses this territory for perpetrating an act of aggression against a t h i r d State with the acquiescence and agreement of the former ." (Hervorhebungen v o m Verfasser.) 141 Dies ist allerdings nicht zwingend! Denn A r t . 3 Ziffer g bezeichnet j a auch gerade das Entsenden von irregulären Einheiten als Aggressionen des Entsendestaates, so daß auch diese mittelbare A r t der Kampfesführung ein Aggressionsakt i m Sinne des A r t . 3 Ziffer f sein könnte. Allerdings läge auf Seiten des Staates, der f ü r derartige mittelbare A k t i o n e n sein T e r r i t o r i u m zur Verfügung stellt, sicherlich auch eine „substantial involvement therein" vor, so daß ein F a l l des A r t . 3 Ziffer g gegeben wäre, woraus gefolgert werden könnte, daß A r t . 3 Ziffer f n u r eingreifen solle, w e n n k e i n F a l l des A r t . 3 Ziffer g vorliegt. 142 A / A C . 134/SR. 106, S. 27. 143 (Anm. 98). 144 A / A C . 134/SR. 108, S. 42. 145 A / A C . 134/SR. 109, S. 47. 148 Syrien (Anm. 98), bemängelte, daß diese Aggressionsform den direkten u n d flagranten Angriffsakten gleichgestellt werde, die UdSSR (Anm. 145) interpretierte den T e x t i n einer (von i h r kritisierten) Weise, als treffe letztlich nur den passiv bleibenden „Territorialstaat" die Verantwortung. 147 Italien, GAOR, X X V I I I , Suppl. No. 19, S. 24.

Β. Verlauf der Konsensbildung

263

Von Entscheidung für den endgültigen Wortlaut war dabei allerdings nur die Anregung des italienischen Delegierten, die Finalität des Überlassens des eigenen Landes deutlicher zu machen, die erst die „ K o m p l i zenstellung" des ansonsten passiv bleibenden Staates begründe. Insbesondere die Worte „ w i t h the acquiescence and agreement of the former" 1 4 8 waren i h m zu weitgehend, da hiernach schon das passive Nichtverhindern fremder Aggression tatbestandsmäßig wäre. Unter Verzicht auf diese Worte schlug er nämlich vor, diesen Unterfall auf ein aktives, zurechenbares Überlassen des Territoriums zu beschränken, das m i t dem Zweck erfolgt, fremdstaatliche Aggressionen zu ermöglichen — und den A r t i k e l entsprechend umzugestalten 149 . Art. 3 Ziffer f i n seiner schließlich beschlossenen Form ist letztlich nichts anderes als eine Kombination dieser Vorschläge, die einerseits wegen der „finalen" Formulierung 1 5 0 tatbestandsverengend, andererseits aber auch -erweiternd w i r k t , da der Wortlaut jetzt klarstellt, daß Erlaubnis (Zweckbestimmung) und reales Überlassen des Territoriums nicht i n einem A k t erfolgen muß, sondern letzteres auch (eventuell ohne Aggressionsabsicht) zeitlich zurückliegen k a n n 1 5 1 (Truppenstationierungsabkommen). Daß insoweit der Inhalt des Artikels auch vom Konsens der Staaten getragen wird, belegen die wenigen Stimmerklärungen, die hierzu ergangen sind: Denn sowohl Italien 152 als auch Kenia 153 und Kanada iu betonten, daß nur die gewollt-gezielte Überlassung und Erlaubnis gemeint seien 155 , nicht dagegen mangelnde Kontrolle 1 5 6 über die A k t i v i täten der fremden Truppen, oder gar eine erpreßte Zustimmung 1 5 7 . 148

Siehe A n m . 140. Italien schlug drei — sich ähnelnde — Texte vor: „The action of a State i n placing its t e r r i t o r y at the disposal of another State for perpet r a t i n g an act of aggression against a t h i r d State." (Anm. 147); „The action of a State placing its territory at the disposal of another State (or: allowing the use of its territory) for the purpose of perpetrating an act of aggression against a t h i r d State." (Anm. 142). 150 „ I n allowing its territory . . . to be used" 151 „Which i t has placed at the disposal of another State." 152 A/C. 6/SR. 1472, para. 25. 153 A/C. 6/SR. 1474, para. 24. 154 A/C. 6/SR. 1473, para. 13. 155 Italien (Anm. 152) : „ . . . only i f i t had actively participated i n the wrongdoing, for example by specifically allowing troops of another State stationed i n its t e r r i t o r y to commit aggression against a t h i r d State"; Kenia (Anm. 153): „The action of a State i n allowing its territory to be so misused must amount to active collusion w i t h the aggressor State." 158 So Italien (Anm. 152) u n d Kanada (Anm. 154): „ . . . the knowledge and control of a State regarding the improper use of its t e r r i t o r y m i g h t vary considerably." 157 Kenia (Anm. 153). Die Bedenken von Broms (Anm. 13), S. 353 („What 149

264

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

M i t welchen Truppen — reguläre oder irreguläre — der aktiv kämpfende Staat schließlich die Aggressionsakte durchführt, sollte trotz der obengenannten Bedenken für die Tatbestandserfüllung ohne Bedeutung sein, da die Definition beide Begehungsweisen umfaßt und die Tatsache einer dann teilweisen Überschneidung einzelner Tatbestände nicht zwingend 158 eine andere Interpretation fordert 1 5 9 . Auch die vereinzelte Erklärung des libyschen Delegierten, „the provision of assistance to national liberation movements did not fall w i t h i n the scope of A r t . 3 (f)" 1 6 0 , kann nur eingeschränkt als bestreitende Behauptung angesehen werden, da nicht eine Begehungsweise der Gewaltausübung, sondern eine bestimmte Gruppe von Kämpfern angesprochen ist 1 6 1 . Ansonsten wurden keine — für die Auslegung erheblichen 162 — Anmerkungen gemacht, so daß hinter A r t . 3 Ziffer f, wie oben interpretiert, der Konsens aller Staaten steht 1 6 3 . 3. Ergebnis der Untersuchung der Konsensbildung zum Tatbestand der Aggression Auch die Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zum Tatbestand der Aggression erweist, daß das Ergebnis weit davon entfernt ist, eine Einigung i n den wesentlichen rechtlichen und politischen Streitfragen herbeigeführt zu haben. I n den Grundfragen der generellen Tatbestandlichkeit sind Elemente einer wirklichen Einigung allenfalls i n der Beschränkung des Aggresthe provision leaves open is wether the State concerned w o u l d be excluded from condemnation i f i t could prove that i t had done its utmost to prevent the act of aggression from t a k i n g place once i t became aware of i t " ) scheinen m i r daher nicht berechtigt zu sein. 158 v g l Text zu/und A n m . 141. 159 E i n A n g r i f f auf die Objekte des A r t . 3 Ziffer d, soweit diese sich i m Heimatstaat befinden, erfüllt ζ. B. auch neben dem Tatbestand des A r t . 3 Ziffer d den der Ziffern a und/oder b. 160 A/C. 6/SR. 1477, para. 15. 181 Die libysche E r k l ä r u n g ist also eher als Auslegung des A r t . 7 zu verstehen (den er u n m i t t e l b a r anschließend auch ausführlich kommentierte). 162 Japan (Anm. 38), S. 16 begrüßte den neuen Wortlaut des Artikels kommentarlos, Großbritannien (ebd., S. 32) hielt i h n f ü r problemlos. Auch die — von der UdSSR (Anm. 145) übernommenen — Bedenken Bulgariens (ebd., S. 29), A r t . 3 Ziffer f harmoniere nicht ganz m i t den übrigen V o r schriften des Artikels, w e i l er das komplizierte Element „doppelter Aggression" schaffe, ist kein „Vorbehalt" gegenüber der Existenz dieser Ziffer u n d ihrer Substanz. 183 Hiervon zu unterscheiden sind natürlich die — zu erwartenden — Meinungsunterschiede i m Sicherheitsrat, w e n n es darum gehen sollte, aus den objektiven Fakten eines konkreten Falls Rückschlüsse zu ziehen, ob ein Staat — der dieses bestreitet — ausdrücklich die Erlaubnis f ü r von seinem T e r r i t o r i u m ausgehende fremde Aggressionen gegeben hat. Siehe auch Ferencz I I , S. 38.

Β. Verlauf der Konsensbildung

265

sionsbegriffs auf den tatsächlichen Gebrauch (nicht angedrohten) bewaffneter (nicht sonstiger) Gewalt zu finden, wobei jedoch schon die Meinungen, ob damit das Konzept unbewaffneter Aggressionen für die Zukunft „vom Tisch ist", geteilt sind. Nur bedingt als Erfolg ist dagegen schon die prinzipielle Anerkennung der indirekten Aggression — und m i t ihr eine Anpassung des Aggressionsbegriffs an die modernen Formen der bewaffneten Auseinandersetzung — zu zählen. Denn die Konkretisierung dieses Basiskonsenses ist überwiegend auf der Minusseite zu verbuchen, da über den unproblematischen Fall des Entsendens massiver, nichtregulärer Kommandos hinaus (fraglich, ob aufgrund des „Auftragsverhältnisses" nicht schon ein Fall direkter Aggression vorliegt) angesichts ideologisch verhärteter Fronten alles umstritten ist. I n diesem Zusammenhang ist auch das Versäumnis zu registrieren geklärt zu haben, wo denn die Grenzen der „Souveränität, territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit" eines Staates tatsächlich verlaufen und was von der Klausel der „sonstigen Satzungswidrigkeit" umfaßt sein soll. Die Tatsache, daß diesen Begriffen i m Rahmen des A r t . 2 Ziffer 4 SVN 1 keine einschränkende Wirkung beigemessen w i r d 2 — m i t der Folge, daß man sich u m ihre möglichen Inhalte auch nicht allzuviel Gedanken macht —, räumt jedenfalls nicht alle Zweifel aus, daß sie i m (anderen) Rahmen der Definition gerade zu diesem Zweck benutzt werden könnten 3 . Insbesondere aber läßt die Formulierung völlig offen, ob nichtgrenzüberschreitende Gewalt gegen fremde Staatsbürger — inzwischen fester Bestandteil des internationalen Terrorismus i n Form von Flugzeugentführungen u. ä. — den Tatbestand der Aggression erfüllt oder nicht. Die oben zitierten Äußerungen der Delegierten Kanadas und Kubas dürften symptomatisch sein 4 . (Da derartige Aktionen stets — ob mit konkretem Erpressungsziel oder als Vergeltungsmaßnahmen — langfristig dem Zweck dienen, die Einstellung der Staatengemeinschaft i n Richtung auf geforderte politische Änderungen zu beeinflussen 5 , 1

M i t Ausnahme des dort nicht enthaltenen Begriffs „sovereignty". Siehe Bothe, Definition der Aggression, S. 130. 3 Skeptisch auch Bothe (Anm. 2). Insbesondere die Befürworter eines subj e k t i v e n Definitionskonzepts dürften die Ansicht vertreten, daß m i t diesen Begriffen n u r der (verbotene) Zweck des Waffeneinsatzes beschrieben sein soll, nicht dagegen jede faktische Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter zu anderen (erlaubten) Zwecken tatbestandsmäßig sein soll. Siehe zum rechtlichen Meinungsstreit auch Beyerlin, Befreiungsaktion von Entebbe, S. 216-219. 4 Siehe oben, A n m . 146 der Darstellung des Konsensbildungs verlauf s zum generellen Tatbestand. 5 Siehe Laquer , Guerilla. 2

266

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

stellen sie m. E. regelmäßig Gewaltakte gegen die politische Unabhängigkeit anderer Staaten dar, indem sie ihre politische Entscheidungsfreiheit durch Nötigung beeinträchtigen 6 . Auch dürfte häufig die territoriale Integrität tangiert sein 7 .) Allerdings steht diese Interpretation i m Gesamtrahmen der Definition auf schwachen Füßen, da als anerkennenswerte „Außenpositionen" der Staaten nur die i n A r t . 3 Ziffer d genannten Truppenteile, Schiffe und Flugzeuge genannt sind, die zudem nur gegenüber einem Angriff seitens der „armed forces" eines anderen Staates geschützt sind. Tatsächlich ist der (makabre) Gegenschluß, daß man wohl die Insassen eines Flugzeugs, nicht aber dieses selbst i n die L u f t sprengen dürfe, um der Aggressionsbezichtigung zu entgehen, i m Prinzip schon gezogen worden 8 , jedoch dürfte hier jenen, die auch i m ersten Fall einen Aggressionsakt sehen, A r t . 4 behilflich sein 9 . Wenig Klärung hat auch die „Erklärungsnote" zu A r t . 1 gebracht. Während Absatz a überflüssig ist, da er nur deklaratorisch einen gegenwärtigen Standard des Völkerrechts wiedergibt 1 0 , bleibt i m Fall von Absatz b — über die Banalität hinaus, daß Subjekte und Objekte der Aggression, wenn schon ein, dann auch mehrere, Staaten sein können — alles wirklich Interessante i m dunkeln. Dieses Prinzip ist auch beim Einzelfallkatalog des A r t . 3 angewandt worden. Wirklich klar und unbestritten ist zumeist nur das, was ohnehin nicht ernstlich i n Zweifel gezogen werden konnte: Hierzu zählen so klassische Aggressionsformen wie Invasion, Angriff, Bombardement, Seeblockade und Attacken auf außerhalb des Territoriums befindliche Militäreinheiten. Auch der gescheiterte Versuch, die Anwendung von Atomwaffen per se als Aggression zu bezeichnen, gehört hierher, denn ein anderes Ergebnis war realistischerweise nicht zu erwarten 1 1 . 6 Der Begriff der „politischen Unabhängigkeit" i. S. des A r t . 2 Ziffer 4 S V N w i r d überwiegend definiert als „das Fehlen von Unterwerfung oder Unterjochung, die Fähigkeit eines Staates, über seine Angelegenheiten selbständig zu entscheiden ,restant seul maître de ses décisions'". Siehe Derpa , Gewaltverbot, S. 31, m i t Nachweisen. 7 Siehe schon oben, A n m . 137 der Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zum generellen Tatbestand. 8 So (zögernd) Beyerlin (Anm. 3), S. 221. 9 Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob derartige A k t e „bewaffnete A n g r i f f e " i m Sinne des A r t . 51 S V N sind. Siehe hierzu m i t m. E. überzeugenden Argumenten ablehnend Beyerlin (Anm. 8) ; aber auch (a. A.) Strebei, Geiselbefreiung i n Entebbe. 10 Die Anerkennung eines Staates ist nach (noch) h. M. nicht konstitutiv, sondern bloß deklaratorisch; siehe etwa Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 229 ff.; T e i l Z w e i von Absatz a versteht sich angesichts der Universalität des Gewaltverbots von selbst. 11 W o m i t nichts über die Frage der Völkerrechtsmäßigkeit gesagt ist; siehe insbesondere Menzel, Atomwaffen u n d völkerrechtliches Kriegsrecht.

Β . Verlauf der Konsensbildung

267

Eine erfreuliche Ausnahme bildet dagegen die weitgehende Einigung über die besondere Form der „Komplizenschaft" des A r t . 3 Ziffer f i n Gestalt der gewollt und gezielt überlassenen Nutzung des eigenen Territoriums an einen anderen Staat für dessen Aggressionen gegenüber einem dritten Staat. Denn diese A r t der sachlichen Unterstützung ist dermaßen schwerwiegend, daß sie als integraler Bestandteil des Aggressionsaktes selbst anzusehen ist, sieht man i n i h m einmal nicht nur den Aggressionserfolg (Einschlagen der Bomben, Überschreiten der Grenzen m i t Truppen etc.), sondern mehr den historisch-kausalen Verlauf von der Entscheidung über die Vorbereitung zur Vollendung 1 2 . Auch die Figur des „doppelten Aggressors" ist als solche nicht problematisch, sondern geradezu notwendig. Man vergegenwärtige sich nur, wie sich ein Staat, der Opfer eines ständigen Bombardements durch einen anderen Staat ausgehend vom Territorium eines dritten Staates ist, verteidigen soll, wenn er nicht die dort befindlichen Raketenbasen, Artilleriestellungen u. dgl. bekämpfen kann, d. h. seinerseits das Territorium des Drittstaates beschießt oder durch Invasion verletzt. Alle anderen Punkte des Katalogs sind jedoch überwiegend unklar und Gegenstände heftiger Auseinandersetzungen geblieben: so insbesondere das Problem der Behandlung der Okkupation und Annexion als selbständige Aggressionsakte, der Umfang des Schutzes der zivilen See- und Luftfahrt, die schärferen Konturen der f faggressio superveniens", soweit der Truppenverbleib nicht den Charakter massiver Okkupations- oder gar Annexionshandlungen annimmt und selbstverständlich der schon oben angesprochene Gesamtkomplex der indirekten Aggressionsformen, der jedoch wie kein anderer eher auf allgemeiner Rechtfertigungs- denn Tatbestandsebene konkret debattiert werden dürfte. Schließt man diese Zusammenfassung m i t dem Hinweis auf die Relativierungsmöglichkeiten mittels der A r t . 2 und 4 der Definition, so w i r d ersichtlich, daß auch der Tatbestand der Aggression eher einem offenen „Topoi-Katalog" und damit einer Entscheidungshilfe denn einem strengen Verhaltenskodex und m i t i h m einer verbindlichen Entscheidungsrichtlinie ähnelt. Π Ι . Stimmerklärungen zum Geltungsanspruch des Definitionstextes

Letztes aber wichtigstes Glied i n der Kette der faktischen Faktoren ist jedoch die Summe der Äußerungen, die von den Delegierten zum Geltungsanspruch der Definition selbst gemacht worden sind. Sie re12 Diesem Aggressionstatbestand ist inzwischen auch i n A r t . I I I Ziffer 2 Satz 1 des ägyptisch-israelischen Friedensabkommens v o m 26. 3.1979 Rechnung getragen worden, siehe den Wortlaut des Vertrages i n : International Legal Materials 18 (1979), S. 362 ff.

268

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

f l e k t i e r e n n u r noch z u m T e i l die u r s p r ü n g l i c h e n Interessen u n d belegen d a m i t zugleich, daß d e m Versuch, eine R e s o l u t i o n m i t

mandatorisch-

r e c h t s n o r m a t i v e m G e l t u n g s a n s p r u c h z u schaffen, k e i n E r f o l g beschieden war. 1. Restriktive

Interpretationen

D e r K r e i s der D e l e g i e r t e n , die a u s d r ü c k l i c h e r k l ä r t e n , daß m i t der A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n k e i n e neue N o r m des V ö l k e r r e c h t s geschaffen w o r d e n sei, beschränkte sich n ä m l i c h n i c h t a l l e i n a u f d i e U n t e r z e i c h n e r des W e s t s t a a t e n e n t w u r f s 1 . So l e g t e n sich aus d e m B l o c k f r e i e n l a g e r so w i c h t i g e S t a a t e n w i e Argentinien 2, Algerien 3 u n d Guatemala 4 eindeut i g entsprechend fest u n d auch jene, d i e ohne w e i t e r g e h e n d e C h a r a k t e r i s i e r u n g i n d e m E r g e b n i s n u r eine „ b r o a d g u i d e l i n e f o r t h e S e c u r i t y C o u n c i l a n d t h e M e m b e r s of t h e U n i t e d N a t i o n s " oder dgl. sahen 5 , d ü r f t e n n i c h t anders z u v e r s t e h e n sein. N e b e n Israel 6 k a m e n aber n a t ü r l i c h die m e n aus der G r u p p e d e r U n t e r z e i c h n e r des l i c h v o n Italien 7, d e n USA 8 u n d v o r a l l e m Delegierter die Position der Weststaaten a m

eindeutigsten StellungnahWeststaatenentwurfs, nämv o n Großbritannien 9, dessen t r e f f e n d s t e n beschrieb:

1 Eine Sonderrolle nahm China ein, das erklärte, sich der Stimme enthalten zu haben, w e n n die Definition zur A b s t i m m u n g gebracht worden wäre, A/PV. 2319, S. 33/35. 2 A/C. 6/SR. 1477, para. 32: „ A t the current stage of international relations, aggression d i d not seem to be one of the concepts that could be confined w i t h i n the l i m i t s of a legal definition, since i t involved political and m i l i t a r y factors which made i t more than a problem of legal technicalities which could be solved b y a codifying body." 3 A/C. 6/SR. 1479, para. 29: „Consequently, his delegation w o u l d have preferred the Special Committee to submit a complete and precise definition which was not open to differing interpretations and which, having binding force, w o u l d have to be followed by the United Nations organs responsible for the maintenance of international peace and security, namely the Security Council and the General Assembly, instead of simply serving as a guideline to them." 4 A/C. 6/SR. 1479, para. 20: „Once adopted, the definition w o u l d have a declaratory effect for the Security Council and not a l a w - m a k i n g effect." 5 Spanien, A/C. 6/SR. 1472, para. 37; Ecuador , SR. 1476, para. 2; Indien, SR. 1478, para. 45; Ghana, SR. 1480, para. 23. • A/C. 6/SR. 1480, paras. 55 u n d 62: „ I t was clear that the t e x t d i d not contain any n o r m or standards accepted and recognized b y the international community as a whole or anything even remotely approaching the basic concept of jus cogens. The t e x t d i d not even rank as an authentic i n t e r pretation of the Charter . . . As such i t cannot be made b i n d i n g upon M e m ber-States, i n the sense that a treaty or convention is binding upon the parties to it, purely by the device of terming i t a déclaration 4 rather than a Recommendation'. The same was true for a definition." 7 A/C. 6/SR. 1472, para. 24. 8 GAOR, X X I X , Suppl. No. 19, S. 22: „The text that had been produced was a recommendation of the General Assembly for use b y the Security

Β. Verlauf der Konsensbildung

269

„ I t was always necessary to remember just w h a t the definition was. I t was not the international equivalent of a piece of domestic legislation having binding force on a l l competent organs. Under the Charter, the Security Council was the competent organ to determine wether a threat to the peace, a breach of the peace or an act of aggression had been committed, or to refrain from m a k i n g any such determination, and its discretion i n that matter remained absolutely unfettered. Nothing i n the definition could, or purported to, qualify that discretion which the Charter conferred. His delegation therefore viewed the definition as constituting valuable guidance to the Security Council — no less and no more — i n performing its functions under A r t i c l e 39 of the Charter."

Schließlich sprachen sich auch die UdSSR 10 und ihr folgend die Delegierten der DDR11, Ungarns 12 und Guatemalas 13 indirekt gegen eine bindende K r a f t der Definition aus, indem sie dem Sicherheitsrat empfahlen, ihr diese fehlende Eigenschaft durch einen Beschluß zu verleihen und die Staaten zu ihrer Beachtung aufzufordern 14 . (Diesem — von Großbritannien 15 widersprochenen — Vorschlag 16 ist der Sicherheitsrat allerdings nicht nachgekommen 17 .) Council. The l a w concerning the use of force was found i n the Charter and i n the Declaration on Friendly Relations . . . " . 9 (Anm. 8), S. 31. 10 A/C. 6/SR. 1472, para. 6 u n d A/PV. 2319, S. 57. 11 A/PV. 2319, S. 42. 12 A/C. 6/SR. 1478, para. 44. 13 A/C. 6/SR. 1479, para. 20. 14 Siehe vor allem die UdSSR , A/PV. 2319, S. 57, unter Bezugnahme auf op. para. 4 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) : „The Soviet Delegation understands this provision of the resolution as meaning that the Security Council, at a given stage of its w o r k , can consider the definition of aggression we have adopted and take appropriate decisions w h i c h invest this definition w i t h a binding force. This decision taken b y the Security Council on the basis of A r t i c l e 25 of the Charter, the definition of aggression w i l l therefore become binding i n the United Nations and w i l l thus be a very f i r m criterion for the use of the Security Council i n its w o r k . " Siehe auch Stone, Conflict through Consensus, S. 27: „This very proposal implied at least that unless so adopted b y the Security Council, Resolution 3314 ( X X I X ) w o u l d not bind that body at all." 15 A/PV. 2319, S. 41: „The Security Council has no power to do anything of this sort, and w e consider that i t w o u l d be a p i t y for anybody seriously to suggest that i t should go through the farce of pretending that i t had." 18 E i n solcher Beschluß wäre völkerrechtlich unzulässig, da der Sicherheitsrat nicht dazu berufen ist, „Normen des allgemeinen Völkerrechts zu setzen" (Schenck, Diskussionsbeitrag zu Golsong / Ermacora, Problem der Rechtsetzung, S. 217 f.), wovon auch die östliche Völkerrechtslehre ausgeht (siehe Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 204, zu A r t . 25 SVN: „Diese Beschlüsse sind jedoch i h r e m Charakter nach Vollzugsbeschlüsse, die nicht das Ziel der Schaffung allgemeiner Verhaltensnormen verfolgen."). Siehe auch den Bericht des Generalsekretärs v o m 3.10.1952, Doc. A/2211 = Ferencz I I , S. 112 ff., der i n para. 505 i m Ergebnis dieselbe Auffassung v e r t r i t t . 17 Offensichtlich w a r der Vorschlag der UdSSR n u r propagandistischer Natur, u m davon abzulenken, daß sie — als ständiges Sicherheitsratsmit-

270

I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

2. Extensive

Interpretationen

Demgegenüber war die Gruppe der Staaten, die auch nach Annahme des Definitionstextes noch glaubten, eine bindende Norm des Völkerrechts vor Augen zu haben, erheblich geschrumpft. Wirklich unmißverständlich drückten nämlich nur die Delegierten des Irak 18 und Kolumbiens 19 der Definition den „Stempel der Verbindlichkeit" auf, während jene Sprecher, die unscharf nur von einer „norm of international l a w " 2 0 oder einer „valuable new source of international l a w " 2 1 sprachen, entweder aufgrund ihres früheren Verhaltens überhaupt nicht 2 2 oder deshalb nicht eindeutig diesem Kreis zugerechnet werden können, weil es nicht sicher ist, ob m i t diesen Bezeichnungen der Gedanke an eine bindende, formelle Norm des Völkerrechts verknüpft w a r 2 3 . 3. Neutrale oder ambivalente

Interpretationen

Die überwiegende Mehrheit der Beteiligten ließ dagegen m i t Anmerkungen neutralen oder ambivalenten Inhalts erkennen, daß man den Stellenwert der Definition nicht treffend umreißen könne oder dieser aber irgendwo zwischen den obengenannten Extremen zu finden sei. Zur ersten Gruppe sind all jene Stimmen zu rechnen, die sich i n eher „politischen Allgemeinplätzen" wie „new chapter i n the progressive development of international l a w " 2 4 , „substantial advance i n the glied — m i t dafür gesorgt hatte, daß k e i n bindend formulierter Text zustandekam. 18 A/C. 6/SR. 1478, para. 14: „ A s the definition was merely the interpretation of an expression used i n the Charter, i t could not be considered to be either more or less important, than that text. I f the General Assembly adopted the Special Committee's draft and promulgated that definition of aggression, i t w o u l d be agreeing that the t e x t explained the exact meaning given to the w o r d i n the Charter; i t w o u l d therefore follow that that definition must be binding on a l l States and even on the Security Council . . . its substance w o u l d be the very stuff of the Charter, which States were bound to respect." 19 A/C. 6/SR. 1475, para. 61 : „ . . . a binding norm of accepted law, recognized by the international community as a whole". 20 Peru, A/C. 6/SR. 1474, para. 6. 21 Niederlande, A/C. 6/SR. 1473, para. 2. 22 So i m F a l l der Niederlande, die sich i n anderem Zusammenhang dafür ausgesprochen hatten, daß die Definition n u r eine Entscheidungshilfe zu Händen des Sicherheitsrates sein solle. 23 Angesichts des objektiven Erklärungsgehalts der Definition als einer bloßen Empfehlung an den Sicherheitsrat, müßten abweichende Auffassungen „zwingender" formuliert sein (so w i e die Äußerungen des I r a k u n d K o l u m biens, oben, A n m . 18 f.), u m sie eindeutig i m Sinne der Bejahung einer Bindungswirkung auslegen zu können. 24 Polen, A/C. 6/SR. 1472, para. 18. Z w a r bezeichnete der polnische Dele-

Β . Verlauf der Konsensbildung

271

f i e l d of i n t e r n a t i o n a l l a w " 2 5 , „ ( i m p o r t a n t ) c o n t r i b u t i o n t o t h e codificat i o n of i n t e r n a t i o n a l l a w " 2 6 u n d v o r a l l e m „ p r o g r e s s i v e d e v e l o p m e n t of i n t e r n a t i o n a l l a w " 2 7 oder d e r g l e i c h e n 2 8 ergingen, ohne z u präzisieren, w o r i n d e r F o r t s c h r i t t w i r k l i c h bestehen s o l l e 2 9 . Dasselbe t r i f f t a u f j e n e zu, d i e sich, z u m e i s t i n v e r b a l e r A n l e h n u n g a n p r . para. 9, n u r z u r p o l i tischen F u n k t i o n (Entscheidungshilfe, A b s c h r e c k u n g s f a k t o r ) ä u ß e r t e n 3 0 . B e m e r k e n s w e r t e r e Versuche e i n e r k o n k r e t e r e n S t e l l e n w e r t b e s t i m m u n g k a m e n aber v o r a l l e m v o n d e n D e l e g i e r t e n Österreichs, Neuseelands, Schwedens u n d d e r Bundesrepublik Deutschlands. D e r österreichische D e l e g i e r t e i m Rechtsausschuß c h a r a k t e r i s i e r t e d i e D e f i n i t i o n t r e f f e n d als eine K o m b i n a t i o n d r e i e r P r i n z i p i e n , n ä m l i c h jene, e i n e n R e c h t s b e g r i f f g e n e r e l l ( A r t . 1 i. V . m . 2), k o n k r e t ( A r t . 3 i. V . m . 2) oder aber ü b e r h a u p t n i c h t z u d e f i n i e r e n , w o b e i l e t z t e r e r G r u n d s a t z seine A u s p r ä g u n g i n d e r B e f u g n i s des Sicherheitsrates g e f u n d e n habe, nach „oben u n d u n t e n " v o n der D e f i n i t i o n abzuweichen: „There were different ways of working out a definition . The classic way was to concentrate in one phrase all elements w h i c h should qualify actions corresponding to the defined concept. Very often, however, the concept to be defined was so complex that i t seemed impossible to formulate i t i n a general phrase, because such a definition w o u l d be to vague, as was the case, for instance w i t h regard to the concept ,consular functions 4 . Thus, the definition i n A r t i c l e 5 of the Vienna Convention on Consular Relations was enumerative and not exhaustive, and, being open-ended, i t allowed for the possibility of functions not enumerated i n the definitional list being

gierte i m selben Zusammenhang die Definition als ein „essential element of the legal system of international security as defined b y the Charter", jedoch ist damit ebenfalls nicht bindende Rechtsnormqualität der Definition behauptet, da ein wesentliches Element dieses Rechtssystems j a gerade die — auch von Polen nicht i n Frage gestellte — Ermessensfreiheit des Sicherheitsrates i s t 26 Portugal, A/C. 6/SR. 1478, para. 21. 26 Kongo, A/C. 6/SR. 1478, para. 36; Dahomey, SR. 1482, para. 42; Zambia, SR. 1482, para. 66. 27 Indien, A/C. 6/SR. 1478, para. 50; Tunesien, SR. 1482, para. 20; Nepal, SR. 1483, para. 20. 28 Siehe Argentinien („major impact on the future development of i n t e r national law"), A/C. 6/SR. 1477, para. 29; Mali („One of the essential elements of the new international order"), SR. 1480, para. 9; Tschechoslowakei („Great political, legal and m o r a l significance"), SR. 1480, para. 44. 29 I n allen Fällen w i r d nicht deutlich, ob die Definition schon Bestandteil des neuen/progressiven/kodifizierten Völkerrechts sein soll, oder n u r eines der Elemente auf dem Wege hierzu insbesondere i m H i n b l i c k auf eine k ü n f tige Kodifizierung internationaler Verantwortlichkeit, so ausdrücklich Zypern (Anm. 8), S. 20. Siehe nämlich auch Kanada, A/C. 6/SR. 1473, para. 8, u n d Italien (Anm. 8), S. 14, die ebenfalls die Definition i n den Rahmen der „progressiven E n t w i c k l u n g u n d K o d i f i k a t i o n des Völkerrechts" stellten, ohne i h r völkerrechtliche Verbindlichkeit beizumessen. 30 Siehe etwa Frankreich, unten, A n m . 40.

2 7 2 I I . 3. Abschn.: Untersuchung des Konsensbildungsprozesses introduced into the practice of States. Such a non-exhaustive definition was not w i t h o u t value, because i t ensured that the typical actions or functions expressly listed were w i t h i n the definition. There remained the possibility of giving no definition at all and entrusting the determination as to wether a certain action constituted a breach of the l a w to an organ of the society concerned. That organ m i g h t be political or judicial. That had been the method followed by the Covenant of the League of Nations and b y the Charter of the United Nations. B o t h basic documents mentioned ,aggression' or ,armed attack' b u t refrained from defining those terms. Under A r t i c l e 39 of the Charter, i t was for the Security Council to determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace or act of aggression and to recommend or decide what measures should be taken . . . The Special Committee had combined very skilfully all three methods he had mentioned, so that the partisans of a l l three should be satisfied. A r t . 1 contained a general definition of aggression; article 3, following the second method, gave an enumeration of acts which qualified as acts of aggression; and, following the t h i r d method, article 4 stressed that the list of aggressive acts was not exhaustive and that the Security Council might determine that other acts constituted aggression under the Charter. As the definition was intended p r i m a r i l y for use w i t h i n the United Nations system, the central role of the Security Council i n determining w h a t constituted an act of aggression was m a i n tained 3 1 ." Z i e h t m a n diese G r o b s t r u k t u r b e i d e r B e a n t w o r t u n g d e r F r a g e h e r a n , w e l c h e Q u a l i t ä t d i e D e f i n i t i o n besitzt, so e r g i b t sich, daß d e r T a t b e s t a n d d e r A g g r e s s i o n n u r in gewisser Weise d i e A n s i c h t d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g r e f l e k t i e r t , w o d u r c h sich d e r v ö l k e r r e c h t s w i d r i g e A k t der A g g r e s s i o n als eines U n t e r f a l l s v e r b o t e n e r G e w a l t m a n g e l s a b w e i c h e n d e r B e s o n d e r h e i t e n des E i n z e l f a l l s (pr. para. 10) m a n i f e s t i e r t u n d daß d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g u n t e r B e a c h t u n g d e r E n t s c h e i d u n g s f r e i h e i t des S i c h e r h e i t s r a t e s 3 2 d a r a u f v e r z i c h t e t h a t , diese i h r e Rechtsansicht f ü r abschließend u n d v e r b i n d l i c h z u e r k l ä r e n . I n der Sprache der o b e n beschriebenen T h e o r i e n 3 3 k a n n dies n u r bedeuten, daß das erste E l e m e n t der „ g e w i l l k ü r t e n V ö l k e r r e c h t s b i l d u n g " , n ä m l i c h eine V e r e i n b a r u n g ü b e r d e n I n h a l t e i n e r V e r h a l t e n s r e g e l gegeben ist, u n d daß d i e d e f i n i e r t e Regel auch v ö l k e r r e c h t l i c h e n R a n g besitzt, daß es aber a n d e r z w e i t e n W i l l e n s e i n i g u n g f e h l t , n ä m l i c h die, daß der d e f i n i e r t e I n h a l t als V ö l k e r r e c h t g e l t e n soll. D e m entsprachen d i e m e h r g e n e r a l i s i e r e n d e n A n m e r k u n g e n des neuseeländischen D e l e g i e r t e n , der z w i s c h e n „ h a r t e m " u n d „ w e i c h e m " Recht unterschied, w e n n e r a u s f ü h r t e : 31

A/C. 6/SR. 1472, paras. 28 ff. Gemeint ist nicht n u r die Entscheidungsfreiheit in der Definition (Art. 2 u n d 4), sondern auch diejenige über die Definition, d . h . die Freiheit, sie anwenden zu wollen oder nicht, op. para. 4 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) i. V. m. pr. para. 4 der Definition. 33 S. 98 f. 32

Β . Verlauf der Konsensbildung

273

„Over the years i t had become clear that there were t w o kinds of law, ,hard-edged ' law, w h i c h was capable of application i n disputes between States w i t h reasonable certainty as to results, and ,soft-edged' law, w h i c h was essentially directory and applied by political organs w i t h due regard to political considerations. I t was the latter k i n d of l a w w h i c h formed the basis for the draft definition 8 4 ." D a ß d e r D e l e g i e r t e d a b e i das „ w e i c h e " Recht n i c h t als r e c h t s v e r b i n d l i c h ansah, lassen seine w e i t e r e n A u s f ü h r u n g e n e r k e n n e n , w o n a c h h i n t e r d e m „ w e i c h e n " Recht d i e o b j e k t i v e B e s t i m m u n g z u stehen habe, wer im Unrecht ist, w a s allein d e m „ h a r t e n " Recht e n t n o m m e n w e r d e n k ö n n e 3 5 . D e n n o c h a b s t r a h i e r t e er das „ w e i c h e R e c h t " — u n d d a m i t d i e D e f i n i t i o n — n i c h t v o n d e n v e r b i n d l i c h e n Rechtsregeln, s o n d e r n m a ß i h m eine mittelbar evolutive W i r k u n g b e i d e r E n t s t e h u n g n e u e n Rechts bei: „The definition could not by itself develop the ,hard edged 4 l a w to w h i c h States could appeal i n perfect confidence whenever they believed t h a t a legal r i g h t had been violated, but because i t proceeded on principles consistent w i t h the development of objective legal standards i t m i g h t very w e l l give new encouragement and impetus to such developments se." D e n soziologischen A s p e k t , a l l e r d i n g s n i c h t d e n m i t t e l b a r e n , s o n d e r n d e n unmittelbar-verhaltenssteuernden E f f e k t e i n e r Sozialnorm, rückte auch d e r schwedische V e r t r e t e r i n d e n V o r d e r g r u n d , d e r d e r D e f i n i t i o n die Eigenschaft zuschrieb „ . . . of p u t t i n g States on notice w i t h less uncertainty as to w h a t the i n t e r national community regarded as condemnable acts. Such awareness on the part of States and consistent reactions on the part of the international community w o u l d i n the long r u n influence the conduct of States"* 7. D e r D e l e g i e r t e d e r Bundesrepublik Deutschland schließlich sah i n i h r e i n e n u n i v e r s e l l w i r k e n d e n Orientierungsrahmen zur Unterscheid u n g zwischen rechtmäßigem u n d unrechtmäßigem Waffengebrauch, „The definition to be adopted b y the General Assembly as a recommendation to the Security Council w o u l d constitute above a l l an instrument to be used b y the Council . . . The definition of one of the key terms of the Charter, which w o u l d be backed b y a l l the authority of the General Assembly, w o u l d also serve as a criterion for Governments, nations, politicians, officials and soldiers to distinguish between the right and wrong use of armed force* 8." u n d d e h n t e diese faktisch aus, daß 34 35 36 37 38

A/C. 6/SR. 1475, para. 21. (Anm. 34), para. 23. (Anm. 34), para. 26. A/C. 6/SR. 1472, para. 10. A/C. 6/SR. 1478, para. 16.

18 B r u h a

normative

W i r k u n g v o r a l l e m auch d a r a u f

2 7 4 I I . 3. Abschn. : Untersuchung des Konsensbildungsprozesses „ . . . States w o u l d take i t as a guideline i n determining their rights w i t h regard to self-defence as conferred by A r t i c l e 51 of the Charter" 8 9 ,

ein nicht auszuschließender und von mehreren Staaten auch nicht „ungewollter" Reflex des Unterfangens 40 . C. Ergebnis der Untersuchung des Konsensbildungsprozesses Nach der Untersuchung des Verhandlungsverlaufs bleibt als wichtigstes Ergebnis zu vermerken, daß die Generalversammlung m i t der Aggressionsdefinition nicht den Anspruch erhoben hat, über das von ihr bisher gesetzte Maß hinaus das Völkerrecht „ i n verbindlicher Form festzuschreiben". Das engere Vorhaben, die tatbestandliche Definition der Aggression, ist sowohl nach dem Wortlaut des Textes als auch nach den Stimmerklärungen einer auch qualitativ beachtlichen Mehrheit (westliche und sowjetmarxistische Industriestaaten) eindeutig nicht rechtsnormativ-mandatorisch formuliert, sondern i n die Form einer unverbindlichen Entscheidungshilfe für den Sicherheitsrat gekleidet unter Betonung des daraus resultierenden verhaltenssteuernden Reflexes auf die Staaten (pr. para. 9). Dabei läßt sich unter Berücksichtigung der zweiseitigen Abweichungsbefugnisse des Sicherheitsrates gemäß A r t . 2 und 4 noch nicht einmal sagen, daß die Generalversammlung ihre — unverbindliche — Rechtsansicht zum Inhalt des Aggressionsbegriffs und damit zu einem Aspekt des universellen Gewaltverbots abschließend geäußert hat. Die zahlreichen Stimmen, die ausdrücklich erklärt haben, daß andere, i m Text nicht genannte, von ihnen aber geforderte Fälle über A r t . 4 zu berücksichtigen seien sowie jene Delegiertenäußerungen, wonach auf der positiven Feststellung des subjektiven Unrechtselements (Art. 2) zu bestehen sei, lassen es auch nicht zu, A r t . 1 bis 3 ohne weiteres m i t der gegenwärtigen Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft gleichzusetzen. Denn die Untersuchung hat gezeigt, daß A r t . 2 und 4 sich weder i n der Funktion erschöpfen, den nötigen Freiraum für die satzungsgemäße Ermessensfreiheit des Sicherheitsrates zu schaffen, noch sind sie allein Tribut an die „Natur der Sache", die sich hier als die „Undefinierbarkeit" der Aggression i m Sinne einer abschließenden Begriffsbestimmung darstellt. Vielmehr stehen sie zugleich für den weitgehenden Dissens bei der Konkretisierung der Aussagen zum Tatbestand, womit der Text der 89

(Anm. 38). So auch ausdrücklich Frankreich (Anm. 8), S. 21 : „ . . . the draft . . . clarified in some measure the right of self-defence against armed attack provided by A r t i c l e 51 of the Charter. Thus, i t was, to that extent, also an effective means of frustrating potential aggression". 40

C. Ergebnis der Untersuchung des Konsensbildungsprozesses

275

Aggressionsdefinition sich letztendlich nur als ein unselbständiges Element des Konsensbüdungsprozesses präsentiert. Ungeeignet deshalb auch als alleinige Erkenntnisquelle zur Ermittlung der gegenwärtigen Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft zum Inhalt des Aggressionsbegriffs, die nur i n Verbindung m i t den Verhandlungsprotokollen erschlossen werden kann und innerhalb der Grenzen des kleinsten gemeinsamen Nenners zu suchen ist. Letzteres t r i f f t i n gleicher Weise auch auf A r t . 5 und 7 sowie pr. paras. 1 bis 3 und 6 bis 8 zu. I m Gegensatz zum Tatbestand der Aggression sind sie jedoch vom Anspruch her rechtsnormativ-mandatorisch formuliert. Denn obwohl op. para. 4 der „Annahmeresolution" die gesamte Definition als bloße Entscheidungshilfe bezeichnet, handelt es sich i n allen Fällen u m Aussagen, deren Substanz entweder der Charta (pr. paras. 1 - 3 ) oder mandatorisch formulierten Deklarationen entnommen ist (so die anderen Bestimmungen). Daraus folgt, daß dieser zweite Normenkomplex m i t dem Anspruch auftritt, den Inhalt völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu verkörpern, wobei der Befolgungs- und Beachtungsanspruch jedoch nicht der Definition, der dieses dritte Element mandatorischer Resolutionen fehlt, entnommen werden kann, sondern allein der Charta und den betreffenden Deklarationen, m i t h i n keine alleinige Frage der Interpretation der Definition ist.

DRITTER TEIL

Die völkerrechtliche Bedeutung der Definition der Aggression Die konsensuale Annahme der Definition, d. h. ihre Billigung durch die Staatengemeinschaft ohne auch nur eine ausdrücklich erklärte Gegenstimme, gibt dem Text ein Maximum an formaler Autorität m i t auf den Weg, hinter der seine materielle Bedeutung jedoch i n eklatanter Weise zurückbleibt, was unmittelbar ihre völkerrechtliche Bedeutung schmälern muß. Auch der ihr zugrunde liegende Konsensbildungsprozeß hat wenig positive Ergebnisse erbracht. Die Generalversammlung, die die Chancen der originären Rechtsfortbildung gleichsam „ i n sich trägt" 1 , hat diese kaum nutzen können, da sie i m wesentlichen nur ohnehin schon anerkannte Standards und Trends bestätigt hat, um i m übrigen — und zum ganz überwiegenden Teil — „Ungeregeltes" zurückzulassen. Wenn es generell auch nicht angemessen ist, das Vollversammlungsorgan der Weltorganisation als „nothing more than a trading centre for the statements and votes of individual States" anzusehen2, so schließt dies doch nicht die Feststellung aus, daß i m Fall der Bemühungen um eine Definition der Aggression diese Dimension kaum überwunden wurde.

1. Abschnitt

Die rechtliche Bedeutung des Definitionstextes Dies t r i f f t zunächst auf den Definitionstext selbst zu, der als solcher keine unmittelbaren Befolgungspflichten rechtlicher Natur beanspruchen w i l l . 1

Siehe oben, S. 36 ff. u n d 41 f. Dagegen Schreuer, Recommendations, S. 109, unter Hinweis auf Economides, Nature j u r i d i q u e des actes des organisations internationales, S. 226 f., m i t der Begründung, daß auf diese Weise die Organkompetenzen der I n t e r nationalen Organisationen unberücksichtigt bleiben. 2

278

I I I . 1. Abschn.: Bedeutung des Definitionstextes A . Generelle Rechtsqualität

D i e v e h e m e n t u m s t r i t t e n e Frage, ob d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g m i t e i n e r v o n i h r verabschiedeten R e s o l u t i o n e i n e n a b s t r a k t - g e n e r e l l e n Rechtssatz des V ö l k e r r e c h t s h a t schaffen k ö n n e n 3 , s t e l l t sich erst gar n i c h t , w e i l sie i m F a l l d e r A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n g a r k e i n e n d a h i n g e h e n d e n A n s p r u c h e r h o b e n h a t . A u c h d e r Versuch, diesen a u f d e m U m w e g ü b e r angebliche O r g a n k o m p e t e n z e n d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g z u r authentischen Chartainterpretation z u ersetzen, m u ß fehlgehen, d a auch h i e r f ü r die P r o n o n c i e r u n g „ r e c h t l i c h e r B e f o l g u n g s e r w a r t u n g e n " e r f o r d e r l i c h ist, a n d e r n f a l l s d i e I n t e r p r e t a t i o n n u r als eine e m p f o h l e n e — w e n n auch s u b j e k t i v als (allein) r i c h t i g e m p f u n d e n e — f u n g i e r t . Dies w i r d d e u t l i c h , w e n n m a n d e r a r t i g e K o m p e t e n z e n 4 als das bezeichnet, w a s sie w i r k l i c h sein s o l l e n 5 , n ä m l i c h Befugnisse, das v o n d e n G r ü n d e r n d e r V e r e i n t e n N a t i o n e n — also S t a a t e n — geschaffene Satzungsgerüst m i t bindender Wirkung auch diesen gegenüber zu interpretieren u n d d a m i t f o r t z u b i l d e n 6 . D e n n d a d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g m i t diesen 8 Siehe schon oben, Einleitung, 2. Abschnitt, Anm. 30, u n d statt aller die ablehnenden Ausführungen von Arangio-Ruiz, Normative Role of the Gener a l Assembly, S. 444 - 518, die überzeugend sind, w e i l jeder Versuch, die Annahme einer Resolution als solche i n eine der beschriebenen (Art. 38 I G H Statut) oder ungenannten Erscheinungsformen bindenden Völkerrechts u m zudeuten, i m Ergebnis gerade die Anerkennung einer „Weltgesetzgebungskompetenz" der Generalversammlung implizieren würde, die diese — auch bei einstimmig angenommenen Resolutionen — nicht hat, w i e zwingend den Vorarbeiten zur Charta, deren Wortlaut u n d der Praxis zu entnehmen ist. (Auf die Notwendigkeit ausdrücklicher Anerkennung derartig weitgehender Kompetenzen weist auch Skubiszewski, Future International L a w , S. 57, h i n : „Hence to be exercised, the power to make l a w must have been unequivocally bestowed upon the organization. I n contrast w i t h the enactment of internal regulations . . . the legislative competence cannot be implied and must rely on an express authorization . . . The number of organizations that can make l a w for their members is small. The United Nations is not among them." [Hervorhebungen v o m Verfasser]. Vgl. i n diesem Zusammenhang auch Alting von Geusau, U n i t e d Nations Diplomacy, S. 332 - 334, zum S t r u k tur« u n d Funktionsunterschied zwischen der Generalversammlung u n d nationalen Gesetzgebungsorganen.) 4 Unter Berufung auf das berühmte „statement" des Komitees IV/2 der Gründungskonferenz von San Franzisko (UNCIO, Documents, X I I I , S. 709 f., wiedergegeben i n Goodrich / H ambro / Simons, Charter of the United Nations, S. 14) halten „allgemein akzeptierte" Satzungsinterpretationen der Generalversammlung f ü r „allgemeinverbindlich" insbesondere das sozialistische Schrifttum, siehe statt aller das DDR-Lehrbuch „Völkerrecht", Bd. 1, S. 157 ff., u n d Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 204-208, aber auch Schachter, Relation of L a w , Politics and Action, S. 186, u n d Sohn, Development of the Charter, S. 50. Weitere Nachweise bei Tomuschat, Charta, S. 471 f.; siehe auch unten, Text zu A n m . 12 ff. 5 Gegen die Verwendung des Begriffs authentische Auslegung (anstelle von bindende) i m Zusammenhang m i t Interpretationsbefugnissen der Generalversammlung wendet sich auch Fr owein, Beitrag der Internationalen O r ganisationen zur E n t w i c k l u n g des Völkerrechts, S. 151. 6 Dazu, daß Rechtsinterpretation immer auch Rechtsfortbildung u n d damit auch Rechtsschöpfung ist, siehe schon oben, Einleitung, 2. Abschnitt, A n m . 26.

Α. Generelle Rechtsqualität

279

nicht identisch oder von ihnen beauftragt ist, kommen Kompetenzen zur authentischen Interpretation begrifflich nicht i n Frage, „da jede authentische Auslegung einer Rechtsnorm nur von der sie erzeugenden oder ihr übergeordneten Autorität oder aber i n einem Verfahren erfolgen kann, das diese Autoritäten bestimmt haben" 7 . Wenn also bindende Interpretation beabsichtigt ist, muß diese auch als solche deklariert werden. Dies jedoch ist i m Zusammenhang m i t der Aggressionsdefinition generell nicht der Fall, sondern bietet sich nur dort einer Erörterung an, wo die Generalversammlung innerhalb der Definition Satzungsinterpretationen vorgenommen hat, die i m wesentlichen identisch m i t solchen sind, die sie zuvor — i n verbindlich formulierter Weise — mittels anderer Beschlüsse erklärt hat 8 . Denn die bloße Tatsache, daß A r t . 5 und 7 i n Verbindung m i t sie ergänzenden Präambelparagraphen 9 i n einer unverbindlich formulierten Resolution fungieren, kann keinesfalls bedeuten, daß ihre — bereits i n der mandatorischen „Prinzipien-Deklaration" entwickelten Grundgedanken — i n diesem Rahmen m i t unverbindlichem Anspruch auftreten. Wenn auch die Frage nach ihrer Bindungswirkung keine solche nach der Verpflichtungskraft der Definition 1 0 , sondern der diesen Anspruch erhebenden „Prinzipien-Deklaration" 1 1 ist, soll doch kurz zu diesem „entliehenen" Bindungsanspruch Stellung genommen werden, da hiermit wichtige „quasi-legislative" Vorhaben der blockfreien und sowjetmarxistischen Staaten angesprochen sind. Eine bindende W i r k u n g der ebenfalls i m allseitigen Konsens akzeptierten „Prinzipien-Deklaration" könnte nur bejaht werden, wenn 7 So Verdross, K a n n die GV der V N das Völkerrecht weiterbilden?, S. 695. Selber Ansicht auch Ciobanu, Impact, S. 68; Schwelb, Fortentwicklung des Völkerrechts, S. 48 f., unter Bezug auf S t i G H 1923 Serie C, Nr. 8, S. 37; w o h l auch Simma, Methodik u n d Bedeutung, S. 90, u n d Zemanek, Diskussionsbeitrag zu Golsong / Ermacora, Problem der Rechtsetzung, S. 201. 8 Dazu zählen also weder jene Bestimmungen der Definition, die, ohne konkretisierend zu w i r k e n , Satzungsnormen bloß wiedergeben (so also pr. paras. 1 bis 3) noch solche, die i m Tatbestandsteil (Art. 1 bis 4) erscheinen, auch w e n n sie „entschiedene Feststellungen" enthalten, w i e etwa die Beschränkung des Aggressionsbegriffs auf bewaffnete Gewalt, w e i l insoweit keine inhaltsgleichen mandatorischen Resolutionen vorliegen u n d die Definition selber keine B i n d u n g s w i r k u n g f ü r sich i n Anspruch n i m m t . 9 N u r diese Bestimmungen kommen i n diesem Zusamenhang i n Betracht, siehe oben, S. 275. 10 Ob pr. paras. 1 bis 3 verbindliches Recht enthalten, w i r d m a n j a auch nicht als ein „definitionsspezifisches" Auslegungsproblem ansehen, sondern man w i r d — nach der Feststellung der Inhaltsgleichheit dieser Paragraphen m i t Satzungszielen u n d Grundsätzen der Charta — diese auszulegen haben, u m die Frage beantworten zu können, ob auch die Ziel- u n d Grundsatzkataloge der A r t . 1 u n d 2 bindendes Recht (und nicht bloße Programmsätze) enthalten. 11 U n d sonstiger mandatorischer Resolutionen, die — auch ohne daß die Aggressionsdefinition sich auf sie bezieht — inhaltsgleiche Sätze enthalten.

280

I I I . 1. Abschn.: Bedeutung des Definitionstextes

sie wegen ihres die Satzung interpretierenden Charakters generell anders als „normale" Resolutionen zu beurteilen oder doch durch nachfolgende Praxis eindeutig als Rechtssatz anerkannt wäre, zumindest i n den hier interessierenden Inhalten. Beides ist nicht der Fall. Was die behauptete Bindungskraft aus einer inhärenten Interpretationskompetenz der Generalversammlung betrifft, so ist doch noch einmal auf diese Theorie zurückzukommen, die j a nicht weniger besagt, als daß die Generalversammlung i n gewisser Weise doch die ihr versagt gebliebene Legislativkompetenz für sich i n Anspruch nehmen kann, vorausgesetzt, sie „begnügt" sich m i t Konkretisierungen von Chartasätzen und erreicht jeweils, daß diese ihre Auslegung „allgemein akzeptiert" wird. Genau diese Voraussetzungen werden nämlich dem bereits angesprochenen UNCIO-Dokument 1 2 entnommen, i n dessen entscheidenden Passagen es heißt, daß „ I n the course of the operations from day to day of the various organs of the Organization, i t is inevitable that each organ w i l l interpret such parts of the Charter as are applicable to its particular functions 13.",

so daß auf eine Normierung derartiger inhärenter Befugnisse i n der Charta verzichtet werden könne und das m i t den viel Mißverständnis erzeugenden Worten „ I t is to be understood, of course, that i f an interpretation made b y any organ of the Organization or by a committee of jurists is not generally acceptable it will be without binding force. I n such circumstances, or i n cases where i t is desired to establish an authoritative interpretation as a precedent for the future, i t may be necessary to embody the interpretation i n an amendment to the Charter. This may always be accomplished by recourse to the procedure provided for amendment 1 4 ."

schließt, obwohl bei genauerem Hinsehen auch dieses Dokument sich eindeutig gegen eine „Interpretations-Legislative" der Generalversammlung ausspricht. Und dies nicht nur, weil schon i m letzten Teil für „interpretations as a precedent for the future" der Weg der Satzungsänderung vorgeschlagen wird, sondern vor allem und zwingend 1 5 , weil die zuvor anerkannte Interpretationskompetenz nur für „day to day operations" vorgesehen ist und auch nur insoweit, als Teile der Charta zur Auslegung stehen, die die speziellen Funktionen des jeweils interpretierenden Organs selbst betreffen 16 .

12

(Anm. 4). (Anm. 4), S. 709 (Hervorhebungen v o m Verfasser). 14 (Anm. 4), S. 710 (Hervorhebungen v o m Verfasser). 15 Der Hinweis auf das Verfahren zur Satzungsänderung ist nicht v e r bindlich („it may be necessary") formuliert, siehe auch Golsong (Anm. 7), S. 20. 16 Siehe den Eingangssatz des Dokuments, A n m . 13. 13

Α. Generelle Rechtsqualität

281

Nur für solche Aufgabenkonkretisierungen per Interpretation, nicht aber für die Deduktion generell-abstrakter Völkerrechtssätze 17 kommt eine Verbindlichkeit „allgemein akzeptierter" Interpretationen i n Betracht, und auch hier ist stets das klärendere Verfahren der Satzungsänderung alternativ ins Auge zu fassen, wenn über den Einzelfall hinaus entschieden werden soll. Weder generell 1 8 noch i m besonderen Fall der „Prinzipien-Deklaration" 1 9 kann deshalb eine bindende Wirkung generell-abstrakter Resolutionen, mögen sie auch mit rechtsnormativem Anspruch auftreten, m i t Hilfe des UNCIO-Dokuments begründet werden 2 0 . Eine andere Frage ist, ob i m Laufe der Zeit die „Prinzipien-Deklaration" durch nachfolgende Praxis, insbesondere durch — von Rechtsfolgewillen begleitete — einseitige oder mehrseitige Erklärungen als bindendes Recht akzeptiert worden ist 2 1 , wie es deutlich bei ihrer I n korporierung i n universelle schriftliche Verträge der Fall wäre, aber, wegen der Formfreiheit i m Völkerrecht, auch bei formlosen Übereinkommen („accords multilatéraux en forme simplifiée") 2 2 oder gar einseitigen Versprechen denkbar ist. Auch dies ist i m negativen Sinne zu beantworten. Zwar ist die „Prinzipien-Deklaration" auf dem besten Weg, der „Declaration on the Granting of Independence" den Rang der bislang am meisten von der UNO zitierten Resolution 23 abzulaufen 24 . Aber dieses „reciting" allein vermag die Perpetuierung politischen Drucks und eventuellen Autoritätszuwachs 25 nicht i n rechtliche Verpflichtungen 17

H i e r f ü r räumt A r t . 13 SVN eben n u r Empfehlungskompetenzen ein. Ablehnend vor allem Arangio-Ruiz (Anm. 3), S. 504 - 517; Conforti, Rôle de l'accord, S. 223-228; Golsong (Anm. 7), S. 1 8 - 2 1 ; Gross, Development of International L a w , S. 200. Siehe zur Gegenansicht, oben, A n m . 4. 19 Ablehnend Arangio-Ruiz (Anm. 3), S. 523, u n d Scheuner, Auslegung der Charta, S. 112. Dafür vor allem Autoren sowjetmarxistischer Prägung (vgl. Anm. 4) u n d aus dem Lager der Blockfreien, so Sahovic, Codification des principes d u droit international, S. 253, 307 — aber auch Sohn (Anm. 4), S. 52, der die gleiche Ansicht (ohne weitere Begründung) selbst f ü r die A g gressionsdefinition v e r t r i t t : „Adopted unanimously or by consensus, these rules are binding on the w o r l d community as authoritative interpretations of the Charter. They don't have an independent force, but draw their b i n d i n g power from the Charter itself, which is the cornerstone of the w o r l d constitutional law." (Einleitung, S. 1). Weitergehende Nachweise — pro u n d contra — bei Tomuschat (Anm. 4). 20 Dazu, daß dies auch nicht gewohnheitsrechtlich geschehen ist, siehe etwa Conforti (Anm. 18), S. 229 f. 21 Siehe zu dieser Möglichkeit bereits oben, Einleitung, 2. Abschnitt, A n m . 56. 22 So Neuhold, Internationale Konflikte, S. 48, unter Verweis auf Sloan, Recommendation, S. 21 ff., u n d Castafieda, Valeur juridique, S. 302 ff. 23 Rosenstock, Declaration on Principles, S. 730. 24 Siehe auch die Hinweise bei Scheuner (Anm. 19), S. 116. 18

282

I I I . 1. Abschn.: Bedeutung des Definitionstextes

zu transformieren 2 6 : Ihre unbestreitbare „Steigbügelrolle" bei der Formulierung späterer Rechtsprinzipien 27 , ausdrückliche oder beiläufige Erklärungen, sie als Verkörperung bereits bestehender Rechtssätze anzusehen 28 , sind wohl allesamt Schritte i n Richtung auf eine politische Aufwertung und zunehmende Verrechtlichung der Inhalte der Deklaration, sind aber insgesamt keineswegs ausreichend, entgegenstehende Äußerungen bei der Annahme der Deklaration zu verdrängen 29 . Über die bloße Wiederholung von Chartavorschriften hinaus enthält die Definition daher keine Bestimmungen, die ohne weitere Prüfung 8 0 als bindendes Recht anzusehen wären. B. Wirkung gegenüber dem Sicherheitsrat A u f diese Weise schon der „einfachen" Bindungskraft unfähig, kann die Frage nach der Verbindlichkeit der Definition i m Hinblick auf die Befugnisse des Sicherheitsrates erst recht nicht i m positiven Sinne beantwortet werden, da sie dessen Anwendungsfreiheit zusätzlich und ausdrücklich bestätigt 31 , und auch die Charta der Generalversammlung i h m gegenüber keine Weisungsbefugnisse einräumt. Weder aus dem Text noch dem i h m zugrundeliegenden Organakt der Generalversammlung erwächst dem Rat daher eine rechtliche 25 Miehsler, Z u r A u t o r i t ä t von Beschlüssen internationaler Institutionen, S. 56 f. 26 Siehe aber auch Bleicher, Legal Significance of Re-citation. 27 So vor allem ihre inhaltsgestaltende W i r k u n g auf die „KSZE-Schlußakte", die jedoch ebenfalls keine strikte Völkerrechtsverbindlichkeit für sich i n Anspruch nehmen k a n n (siehe Schweisfurth, KSZE-Schlußakte, u n d zum Verhältnis zur „Prinzipien-Deklaration": Neuhold, Prinzipien des „KSZE-Dekalogs" u n d der „Friendly-Relations-Deklaration"). 28 Nachweise bei Frowein (Anm. 5), S. 150. 29 So i m Ergebnis auch Frowein (Anm. 5), S. 164 f. Teilweise ergibt dies auch eine kritische Würdigung entsprechender „Akzeptierungserklärungen" selbst. So w i r d m a n der eher beiläufigen Äußerung des amerikanischen Delegierten i m „Aggressionsausschuß" („The l a w concerning the use of force was found i n the Charter and i n the Declaration on Friendly Relations"), m i t der er p r i m ä r die Rechtsverbindlichkeit der Aggressionsdefinition verneinen w o l l t e (siehe A n m . 8 am Ende des vorhergehenden Teils), k a u m entnehmen können, daß er damit die dezidierte E r k l ä r u n g seines Kollegen i m „Prinzipien-Ausschuß" revidieren wollte, der eindeutig den Vorbehalt erhoben hatte, bei der „Prinzipien-Deklaration" handele es sich nicht u m zwingendes Recht. Siehe A / A C . 125/SR. 114, S. 80, u n d zu Dohna, Grundprinzipien des Völkerrechts, S. 244. 30 Siehe zur thematischen Beschränkung dieser Untersuchung, derzufolge u. a. keine A n t w o r t darauf gegeben werden soll, i n welchen Teilen die Definition verbindliches Völkerrecht enthält u n d i n welchen nicht, oben, Vorbemerkung. 31 Op. para. 4 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) , pr. paras. 4 u n d 10 der Definition.

Β . W i r k u n g gegenüber dem Sicherheitsrat

283

Verbindlichkeit, die Definition überhaupt — oder in einer bestimmten Weise — anzuwenden 82 . C. Sonstige innerorganisatorische Wirkung und Problem der Selbstbindung der Generalversammlung Weniger eindeutig läßt sich dagegen die Frage beantworten, ob und inwieweit die Definition ansonsten innerorganisatorische Verbindlichkeit erzeugen kann. Insofern damit allerdings ihre W i r k u n g auf sonstige UN-Organe (Generalsekretär, ECOSOC, Sonderorganisationen etc.) angesprochen ist, dürfte die A n t w o r t nicht anders als unter den beiden zuvor behandelten Fragestellungen ausfallen, da es auch insoweit an einem entsprechenden Anspruch fehlt und die Definition i n diese Richtung nicht einmal eine ausdrückliche Empfehlung enthält. I . Theoretische Begründung einer Selbstbindung

Differenzierter stellt sich aber die Problematik, was eine mögliche Selbstbindung der Generalversammlung (und ihrer Untergliederungen) 33 betrifft, da ja auch i n einer Empfehlung notwendigerweise die Überzeugung der Generalversammlung von der materiellen Richtigkeit des Empfehlungsinhalts enthalten ist und durch sie zutage treten muß 3 4 . Dieses Offenbaren einer Richtigkeits- oder Rechtsüberzeugung nämlich verleiht der Beziehung der Generalversammlung zu der von ihr selber geschaffenen Definition eine wesentlich andere Qualität als die, die zwischen dem Adressaten einer unverbindlichen Empfehlung und die32

Siehe aber auch den folgenden Abschnitt! Siehe zu den zahlreichen Untergliederungen, die die Generalversamml u n g aufgrund der Ermächtigung des A r t . 22 S V N geschaffen hat: Finley , Structure of the United Nations General Assembly (1946 - 1973), dort vor allem auf S. 61 - 204 die für „Maintenance of Peace and Security, Disarmament, and Peacekeeping Activities" zuständigen Kommissionen u n d sonstige Gruppen. Siehe zum Stand des Jahres 1976: Y U N 30 (1976), dort insbesondere die auf S. 1058 - 1075 erwähnten Untergliederungen (Special Committee on Peacekeeping Operations, Peace Observation Commission, Special Committee on the Situation w i t h regard to the Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples, Committee on the Exercise of the Inalienable Rights of the Palestinian People, U n i t e d Nations Council for Namibia), die alle — mehr oder weniger — bei ihrer A r b e i t m i t den Bestimmungen der Definition konfrontiert werden könnten. (Eine Übersicht jüngeren Datums bietet Luard, United Nations, S. 33 ff., 38.) 34 Eine derartige Bindung wäre auch von großer politischer Bedeutung, w e i l die Generalversammlung m i t der „ U n i t i n g for Peace" Resolution sich j a geradewegs zu einem „Hilfsorgan f ü r die Feststellung von Aggressionen" (selbst)ernannt hat u n d i n dieser Eigenschaft prinzipiell dieselben E r w ä gungen w i e der Sicherheitsrat anstellen w i r d , was auch die Frage nach der Berücksichtigung der Definition mitumfaßt. 33

284

I I I . 1. Abschn.: Bedeutung des Definitionstextes

ser selbst besteht. D e n n anders als der E m p f e h l e n d e h a t j e n e r j a i m Z e i t p u n k t des E m p f a n g s der E m p f e h l u n g noch n i c h t s getan, w a s a u f die B i l l i g u n g des E m p f o h l e n e n schließen lassen k ö n n t e , es sei denn, er g i b t entsprechende E r k l ä r u n g e n ab, w a s i n diesem F a l l j e d o c h n i c h t gescheh e n i s t 3 5 , oder aber er n i m m t sie, d u r c h k o n s i s t e n t e B e f o l g u n g u n d A n w e n d u n g , z u n e h m e n d i n seinen eigenen W i l l e n a u f 3 6 . V o m l e t z t e r e n V o r g a n g , der u n s t r e i t i g geeignet ist, auch v ö l k e r rechtliche B i n d u n g e n des „ p r a k t i z i e r e n d e n O r g a n s " z u erzeugen ( „ e s t o p p e l " ) 3 7 , i s t das h i e r angesprochene P r o b l e m d e r S e l b s t b i n d u n g der G e n e r a l v e r s a m m l u n g d e m G r u n d g e d a n k e n n a c h n i c h t z u u n t e r scheiden, so daß d i e z u diesem v o n Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r e n t w i c k e l t e n P r i n z i p i e n g r u n d s ä t z l i c h auch h i e r a n z u w e n d e n sind. I I . Voraussetzungen einer „Estoppel"-Wirkung D a n a c h i s t es als w e n i g b e s t r i t t e n anzusehen, daß eine v ö l k e r r e c h t liche B i n d u n g „ v i a - e s t o p p e l " n i c h t so w e i t gehen k a n n , daß m a n a n eine P r a x i s , d i e E r w a r t u n g e n a u f entsprechend k o n s t a n t e s V e r h a l t e n auslöst, schlechthin g e b u n d e n ist, sich m i t h i n v o n d e m e i n m a l P r a k t i z i e r t e n ( E r k l ä r t e n ) n i c h t w i e d e r s o l l lösen k ö n n e n 3 8 . D e n n eine A n a l y s e der einschlägigen i n t e r n a t i o n a l e n R e c h t s p r e c h u n g 3 9 e r w e i s t , daß m i t der R e z e p t i o n des angelsächsischen „ E s t o p p e l " - P r i n z i p s i n s V ö l k e r r e c h t 35

Adressat der Aggressionsdefinition ist der Sicherheitsrat, der weder ausdrücklich noch konkludent sich die Definition „zueigen gemacht hat" (siehe schon oben, S. 269). Darüber hinaus kann die bloße „Teilnahme" aller Sicherheitsratsmitglieder „ a m Konsens" nicht als Beschluß des Sicherheitsrates gemäß A r t . 27 S V N interpretiert werden, da keine Anhaltspunkte für solche „doppelten Willenserklärungen" gegeben sind. 38 Siehe dazu unten, 3. Abschnitt, Gliederungspunkt B. 37 Es kann i m Rahmen dieser Untersuchung nicht die Entwicklung des Vertrauensschutzes, insbesondere i n Gestalt des „Estoppel"-Prinzips, dargestellt werden, auch nicht, soweit Anknüpfungspunkt allein reales, gleichförmiges Verhalten ist. Siehe zur Begründung vor allem J. P. Müller, Vertrauensschutz, insbesondere S. 5 - 3 5 u n d 88 - 100, u n d Martin, L'estoppel. Weiterführende L i t e r a t u r zur Ansicht, das „Estoppel"-Prinzip sei ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts, k r a f t dessen sich Völkerrechtssubjekte durch eigenes Handeln völkerrechtlich binden können, findet sich bei Brownlie, Principles, S. 638. (Siehe aber auch die sehr zurückhaltenden Ausführungen Zollers, Bonne foi, was die Reichweite dieses Prinzips — u n d des Vertrauensschutzes allgemein — betrifft.) 38 So aber Günther, Völkergewohnheitsrecht, S. 143 f., m i t weiteren Nachweisen, der es ausreichen läßt, w e n n widersprüchliches Verhalten nachteilige Auswirkungen seitens des i n seinem Vertrauen Verletzten hervorrufen könnte, u n d der deshalb zum Schluß k o m m t : „Das ursprüngliche estoppel-Prinzip reduziert sich damit auf das abstrakte Gebot der ,consistency', des gleichbleibenden u n d also vorhersehbaren Verhaltens." Ä h n lich auch McNair, L a w of Treaties, S. 487. Weitere Nachweise bei Brownlie (Anm. 37). 39 Besonders ausführlich J. P. Müller (Anm. 37).

C. Sonstige W i r k u n g u n d Selbstbindung der Generalversammlung

285

auch dessen w e i t e r e (einschränkende) V o r a u s s e t z u n g e n ü b e r n o m m e n w u r d e n , d i e u. a. vorsehen, daß V e r t r a u e n s s c h u t z ü b e r „ e s t o p p e l " n u r i m H i n b l i c k a u f k o n k r e t e Sachlagen g e w ä h r t w i r d 4 0 , d. h., n u r , s o w e i t eine reale Vertrauensschutzsituation 41 besteht, i n d e r e i n A b w e i c h e n v o n b i s h e r g e ü b t e r P r a x i s e n t w e d e r d e n Schaden e i n e r P a r t e i oder d e n u n g e r e c h t f e r t i g t e n V o r t e i l d e r sich w i d e r s p r ü c h l i c h v e r h a l t e n d e n P a r t e i z u r Folge haben w ü r d e 4 2 . Schützt das V ö l k e r r e c h t , m . a. W., „ n i c h t d i e E r w a r t u n g , daß e i n S t a a t a n e i n e r i n a b s t r a k t e r Weise u n d e i n s e i t i g b e k u n d e t e n Hechtsauffassung auch k ü n f t i g f e s t h ä l t " 4 3 , so k a n n sich eine S e l b s t b i n d u n g der Generalversammlung (und ihrer Untergliederungen) n u r dann a k t u a l i s i e r e n , w e n n andere Rechtssubjekte, v o r a l l e m Staaten, i m V e r t r a u e n a u f d i e i n d e r D e f i n i t i o n k o n s o l i d i e r t e n Rechtsansichten 4 4 H a n d l u n g e n v o r n e h m e n , d i e m i t d e r D e f i n i t i o n i m E i n k l a n g stehen u n d d i e als r e c h t s w i d r i g angesehen u n d v e r u r t e i l t 4 5 w ü r d e n , sollte d i e 40 Siehe zu den Voraussetzungen Brownlie (Anm. 37), der unter Berufung auf Bowett f Estoppel Before International Tribunals and its Relation to Acquiescence ( B Y I L 33/1957, S. 202) nennt: „(1) a statement of fact w h i c h is clear and unambigous (2) this statement must be voluntary, unconditional, and authorized, and (3) there must be reliance i n good f a i t h upon the statement either to the detriment of the party so relying on the statement or to the advantage of the party m a k i n g the statement." 41 „Vertrauensbruch". Siehe J. P. Müller (Anm. 37), S. 11: „Das M e r k m a l des ,Vertrauensbruchs' grenzt die erlaubte Änderung einer früheren Stellungnahme von dem i m Rahmen der ,estoppel-Doktrin' unzulässigen w i d e r sprüchlichen Verhalten ab." A l l e i n ein hierauf beschränktes „Estoppel"Prinzip w i r d auch der Praxis der Staaten gerecht, zwischen rechtlich v e r bindlicher u n d unverbindlicher Außenpolitik zu differenzieren. (Siehe dazu schon Einleitung, 2. Abschnitt, A n m . 71.) 42 Siehe Fitzmaurice , I C J Reports, 1962, S. 63 („Tempel Préah V i h e a r " Fall): „The party i n v o k i n g the rule must have relied upon the statements or conduct of the other p a r t y . . . These statements, or this conduct, must have brought about a change i n the relative positions of the parties, worsening that of the one, or i m p r o v i n g that of the other, or both." 43 So Tomuschat (Anm. 4), S. 479. Übereinstimmend J. P. Müller (Anm. 37), S. 11 u n d Simma (Anm. 7), S. 96. 44 Das Vertrauen muß also zumindest auch durch die Definition aufgebaut worden sein. 45 Letzteres muß notwendigerweise hinzutreten, u m einen Nachteil des i n seinem Vertrauen Gestörten bejahen zu können, was ζ. B. nicht der F a l l wäre, w e n n die Generalversammlung — unter Aufgabe ihrer i n der Definition geäußerten Ansichten — zwar die Rechtswidrigkeit der Handlungen des Vertrauenden bejaht, diesen aber — unter Hinweis auf sein berechtigtes Vertrauen — von jeglicher Verantwortlichkeit „freispricht". Dagegen sollte eine tatsächliche A h n d u n g (Sanktionen) nicht erforderlich sein, w e i l schon die öffentliche Brandmarkung als Rechtsbrecher Schaden i m Sinne eines „politischen Kreditverlusts" bedeutet. Siehe auch J. P. Müller (Anm. 37), S. 11, nach dem der Vertrauende nicht geschädigt oder sonst benachteiligt werden darf.

286

I I I . 1. Abschn.: Bedeutung des Definitionstextes

Generalversammlung i m nachherein eine von der Definition abweichende Bewertimg vornehmen. I I I . Einzelne „Vertrauenslagen"

Konkret ist daher festzuhalten: 1. Die Generalversammlung ist nicht gehindert, die von ihr empfohlene Definition zu ändern oder sich gar von ihr zu distanzieren, auch dann nicht, wenn der Sicherheitsrat sie „angenommen" und auf ihrer Basis gearbeitet hat (allerdings kann sie ihn auch nicht hindern, diesen von ihr nicht mehr — oder nicht mehr i n dieser Form — akzeptierten Text weiterzuverwenden). 2. Die Generalversammlung ihrerseits anzuwenden.

ist nicht verpflichtet,

die Definition

Soweit es u m andere Fragen als die Feststellungen von Aggressionen geht, folgt dies aus der Zweckbestimmung der Definition, die eben dieser Aufgabe gewidmet ist und darüber hinaus deshalb keine Verbindlichkeiten, auch nicht über das „Estoppel"-Prinzip, erzeugen kann. Soweit dagegen Entscheidungen i m Rahmen des Tätigwerdens gemäß der „Uniting for Peace" Resolution anstehen, folgt dies aus der bloßen Hilfsmittelfunktion der Definition, wie sie i n deren pr. para. 10, aber auch op. para. 4 der „Annahmeresolution" 3314 ( X X I X ) 4 6 zum Ausdruck kommt, so daß allenfalls eine Verpflichtung entstehen könnte, die Definition als Richtlinie „ i n Betracht zu ziehen", was jedoch schon seiner Natur nach sich kaum als Inhalt einer kontrollierbaren und erzwingbaren Rechtspflicht anbietet 4 7 und deshalb auch nicht weiter verfolgt werden soll 4 8 . 3. Eine wirkliche „Estoppel"-Wirkung löst die Empfehlung der Aggressionsdefinition daher nur i n dem oben angesprochenen Fall des 46 Der Sicherheitsrat soll die Definition n u r soweit es angebracht ist („as appropriate") berücksichtigen. Zumindest mißverständlich ist daher eine deutsche Ubersetzung, die von einer „angemessenen" Berücksichtigung spricht, siehe etwa V N 23 (1975), S. 120, da dies geradezu als nachdrückliche Aufforderung (entsprechend der Bedeutung der Definition) interpretiert werden k a n n u n d nicht zum Ausdruck kommt, daß die situative Angemessenheit, d. h. die i n den konkreten Fällen sehr unterschiedlich zu bewertende (relative) Geeignetheit der Definition gemeint ist. 47 Auch Dahm, Völkerrecht, Bd. 2, S. 32, 194, der die Rechtswirkung von Resolutionen allgemein darin sieht, daß die Mitglieder der Vereinten N a tionen rechtlich verpflichtet sind, diese „ i n ernste Erwägung zu ziehen", äußert sich nicht weiter dazu, w o r i n denn die reale Bedeutung einer solchen „Rechtspflicht" bestehen könnte (siehe dort auch die weiteren Hinweise auf S. 194, A n m . 10, u n d ders., Verbindlichkeit v o n Empfehlungen). 48 Auch insofern bewahrheitet sich der Satz, daß eine Resolution keine größere Rechtsverbindlichkeit entfalten kann, als es i h r Text selbst zuläßt (siehe Bothe, Definition der Aggression, S. 140).

C. Sonstige W i r k u n g und Selbstbindung der Generalversammlung

287

Vertrauensbruches 49 aus, doch auch hier ergeben sich weitere Einschränkungen aus dem Text selbst: Zunächst kann auch hier Vertrauen nur insoweit aufgebaut werden, als es die Definition selbst zuläßt. Das bedeutet zunächst und generell, daß die Vieldeutigkeit des Textes, wie sie insbesondere i n den zahlreichen „Formelkompromissen" als Folge der Konsensusmethode erscheint, eine Vertrauensbildung nur sehr bedingt zuläßt und nicht über den — teilweise sehr bescheidenen — Einigungskern hinausgehen kann 5 0 . Doch auch außerhalb solcher „Scheineinigungen" ist die Vertrauensbildung reduziert: So kann sich eben kein Staat darauf verlassen, daß Handlungen, die nicht i m Katalog des A r t . 3 genannt sind, auch i n Zukunft nicht als Aggressionen qualifiziert werden, w e i l A r t . 4 insofern ebenso eindeutig eine Vertrauensbildung ausschließt wie A r t . 2 für den umgekehrten Fall 5 1 . Ebensowenig kann etwa A r t . 7 vertrauensbildend i n Richtung auf eine generelle Rechtfertigung „nationaler Befreiungskämpfe" hinwirken, w e i l der Text insoweit ebensogut dafür wie dagegen spricht und i n diesem Fall allein die konfrontativen Stimmerklärungen erweisen, was i m A r t i k e l an „vertrauensbildender Potenz" steckt 52 . Ansatzpunkte für mögliche „Estoppel"-Wirkungen sind also identisch m i t den Bereichen substantieller Einigung, d. h. den wenigen Aspekten der Definition, die, wie ihre Beschränkung auf aktuelle Gewalt, der „funktionelle" Staatsbegriff, die prinzipielle Anerkennung indirekter Aggressionen, das „enge" Anerkennungsverbot, die Akzeptierung des 49

Siehe oben, A n m . 41. Besonders deutlich w i r d dies bei dem offensichtlichsten, w e i l k a u m o b j e k t i v interpretierbaren „Formelkompromiß" des A r t . 2 i. V. m. A r t . 5 Abs. 1, w e i l dieser eben nicht eindeutig den Erstgebrauch von Waffengewalt m i t Aggression gleichsetzt, nicht eindeutig ein Rechtfertigungsverbot f ü r bewaffnete Gewaltakte ausspricht, usw. Dagegen dürfte ein Vertrauenstatbestand insoweit bestehen, als der objektive Ersteinsatz von Waffengewalt primärer A n h a l t s p u n k t u n d wichtiges Indiz sein soll, w i e w o h l auch hier einschränkende Vorbehalte gemacht worden sind, die aber i m Text keinen Ausdruck fanden. (Diesè Vorbehalte reduzieren allerdings den A u f b a u von Vertrauenstatbeständen gegenüber dem sich so erklärenden Staat, näheres dazu i m folgenden Abschnitt.) 51 Allerdings besteht insoweit berechtigtes Vertrauen, als die offene Tatbestandsumschreibung nicht belanglos ist, sondern das „ P r ä s k r i p t i o n s - M a x i m u m " darstellt, das angesichts des komplexen Definitionsobjekts, der I n t e r essendivergenzen u n d i m Interesse einer funktionstauglichen Definition zu erreichen war. Jedoch läßt sich k e i n F a l l denken, i n dem — hierauf gestützt — eine „Estoppel"-Wirkung eintreten könnte. 52 Hierzu gehört etwa die Anerkennung eines Selbstbestimmungsrechts u n d dessen ausdrückliche (aber nicht ausschließliche!) Nennung i m Zusammenhang m i t kolonialen u n d rassistischen Regimen, wobei zumindest letzterer Begriff aber wiederum weitgehend unbestimmt u n d damit wenig vertrauensbildend ist. 50

288

I I I . 1. Abschn.: Bedeutung des Definitionstextes

Selbstbestimmungsgrundsatzes als Recht u. a., eine weitgehende „TextStimmerklärungs-Kongruenz" erkennen lassen 53 . Die pauschale Behauptung, die Generalversammlung könne eine Definition, die sie einmal selbst angenommen hat, nicht mehr ignorieren 5 4 , t r i f f t also nur i n sehr eingeschränkter Weise zu 5 5 .

2. Abschnitt

Die rechtliche Bedeutung des Konsensbildungsprozesses Verglichen m i t der zuvor erörterten rechtlichen Bedeutimg des Definitionstextes — isoliert betrachtet als Organbeschluß der Generalversammlung — stellt sich die weitergehende Frage nach der völkerrechtlichen Relevanz des Konsensbildungsprozesses, besehen als Ausschnitt der globalen Staateninteraktion, als sehr viel komplexer dar. Denn zum einen w i r d nun an das Verhalten von Staaten unmittelbar angeknüpft, zum anderen eröffnet sich eine Verbreiterung der Wirkungsmöglichkeiten, da nicht allein ein einzelnes, wenn auch vielschichtiges Endprodukt, sondern vor allem auch eine Vielzahl von Einzeläußerungen und -handlungen der verschiedenen Staaten auf ihre rechtsschöpferische K r a f t hin zu beleuchten sind. A. Unmittelbare Völkerrechtswirkung Zunächst ist zu bemerken, daß auch als das unmittelbare Produkt einer „Staatenkonferenz" bewertet die Annahme der Definition ebensowenig i n die Vereinbarung eines verbindlichen Verhaltenskodex umgedeutet werden kann wie dies unter dem Vorzeichen eines Organbe53 Siehe i m einzelnen die Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu den angesprochenen Bestimmungen. Allerdings ist i m m e r auch die „PrinzipienDeklaration" m i t heranzuziehen, so vor allem dann, w e n n auf sie besonders (und nicht n u r generell, siehe pr. para. 8) verwiesen w i r d (Art. 7). 54 So Griechenland, A/C. 6/SR. 1482, para. 53. 55 Generell weitergehend äußerte sich auch nicht Zemanek (Anm. 7), S. 201 f. Denn die (allerdings zu w e i t gehende) Aussage, daß dem Beschluß eines Organs der Vereinten Nationen B i n d u n g s w i r k u n g f ü r den Organisationsbereich zukommt, schränkte er m i t einem Beispiel zur Selbstbindung der Generalversammlung ein, das eindeutig einen Vertrauensbruchstatbestand i m oben (Anm. 41) beschriebenen Sinne enthält: „ W e n n die Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Beschluß faßt, i n dem die M i t glieder aufgefordert werden, gemäß A r t . 51 der Satzung einem angegriffenen Staat zur H i l f e zu kommen, so bedeutet das jedenfalls f ü r die Organe der Vereinten Nationen, daß dieses Zuhilfekommen von ihnen nicht als rechtswidrige Gewaltanwendung angesehen werden darf."

Α. Unmittelbare Völkerrechtswirkung

289

schlusses der Generalversammlung möglich war. Denn wie dort fehlt es auch hier an einer entsprechenden Deklarierung, so daß dem Annahmeakt mangels weitergehenden Anspruchs nur die Bedeutung der Vereinbarung einer Empfehlung an den Sicherheitsrat beigemessen werden kann. Anders als dort liegt hier jedoch kein ausschließlich heterogenes Empfehlungsverhältnis (Versammlung — Hat) vor, weil aus der „staatlichen Perspektive" betrachtet i n dem Maße Identität zwischen Empfehlendem und Empfehlungsempfänger besteht, als alle Mitglieder des Sicherheitsrates auch am „Empfehlungskonsens" teilgenommen haben. Folgt man den Worten L. B. Sohn's, so müßte man den Sicherheitsrat aus diesem Grunde für gebunden ansehen1. Dem kann jedoch aus den schon oben genannten Gründen nicht gefolgt werden, da es auf das dort abgelehnte „Verbot widersprüchlichen Verhaltens" hinauslaufen würde 2 , dem auch i n dieser Konstellation die Anerkennung zu versagen ist. Aber auch A r t . 2 Ziffer 2 SVN — an den man i n diesem Zusammenhang denken könnte, w e i l er die UN-Mitglieder bei der Erfüllung ihrer Chartapflichten an das „Treu und Glauben Prinzip" bindet 3 — kann i m Ergebnis keine Rechtspflicht zur Anwendung der Definition erzeugen: Denn dieser, das internationale Verhalten inzwischen wohl generell 4 regelnde Artikel, kann keine abstrakten Treuepflichten postulieren, wo der Konsens zu einer ermessensbeschränkenden Verpflichtungsnorm (ob rechtlich bindend oder nicht) gerade nicht gereicht hat. A l l e i n die bereits oben angesprochene Klausel der „situativen Angemessenheit" (relative Funktionstauglichkeit der Definition) 5 sorgt dafür, daß eine stringente Anwendungspflicht ohneh i n nicht i n Betracht kommt. Und selbst wenn man (etwa aufgrund konkreter Umstände) zu einem „unabweisbaren Anwendungsfall" käme, so läßt die Empfehlung doch völlig offen, i n welcher Weise sie als „Orientierungshilfe" (guidance) fungieren soll: ob als bloße Hilfe zur internen Meinungsbildung der einzelnen Sicherheitsratsmitglieder (was überhaupt nicht nach außen treten muß und sich damit als Gegenstand 1 Einleitung, S. 1: „ A s the definition has been accepted e x p l i c i t l y or i m p l i citly b y a l l Members of the United Nations including the permanent M e m bers of the Security Council, i t should be considered as b i n d i n g on the Council as well." (Ders. ausführlicher auch i n : Shaping of International L a w , S. 13 ff.). 2 Siehe T e x t zu A n m . 38 ff. des vorhergehenden Abschnitts. 3 „ A l l Members, i n order to ensure to all of them the rights and benefits resulting from membership, shall f u l f i l l i n good faith the obligations assumed by them i n accordance w i t h the present Charter." 4 Nicht n u r die E r f ü l l u n g satzungsrechtlicher Verpflichtungen, siehe Paul, Abuse of Rights and Bona Fides, S. 125. 5 A n m . 46 des vorhergehenden Abschnitts.

19 B r u h a

290

I I I . 2. Abschn. : Bedeutung des Konsensbildungsprozesses

einer kontrollierbaren Rechtspflicht nicht anbietet) oder i n der Weise, daß sie den primären Bezugsrahmen für konkrete Ratsdebatten stellen soll, was eventuell auch i m späteren Beschluß zum Ausdruck kommt (Nennung der Definitionsbestimmungen, die die Entscheidung — Feststellung oder Nichtfeststellung der Aggression — tragen). Auch an die Identität i m Empfehlungsverhältnis Generalversammlungsmitglieder — Ratsmitglieder anknüpfend kann die Definition daher Verbindlichkeiten nur i m potentiellen Fall des Vertrauensbruchs 6 auslösen, worauf weiter unten einzugehen sein w i r d 7 , und wozu die Nichtanwendung der Definition allein sicher nicht führen kann. Denn eine reale Situation, i n der die Nichtanwendung der Definition allein schon den Schaden, bzw. den Vorteil einer Partei zur Folge haben würde, ist nicht denkbar 8 . B. Langfristige Völkerrechtswirkung: der Beitrag des Konsensbildungsprozesses zur Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts Hat der Konsensbildungsprozeß somit keine unmittelbare Völkerrechtswirkung entfaltet, so rückt die Frage nach dem Beitrag, den er langfristig besehen für die Fortentwicklung des Völkerrechts geleistet hat, i n den Vordergrund. Dabei geht es an dieser Stelle nicht mehr u m Potentiale 9 , die i n i h m stecken und die zum Teil ohnehin nicht ausgeschlossen werden können 1 0 , sondern konkret darum, ob er bereits als eine konstitutive Phase der Rechtsfortbildung angesehen werden kann und ob sein A n t e i l irgendwie meßbar ist. M i t anderen Worten, es ist sein Verhältnis zum Prozeß der Völkergewohnheitsrechtsentwiddung zu bestimmen. Denn nur diese Rechtsnormenkategorie läßt es aufgrund der ihr eigenen Verschmelzung normativer und faktischer Elemente als möglich erscheinen, daß auch die Sollenssätze nichtrechtlicher A r t , die die Verhandlungen zur Definition hervorgebracht haben, als konstitutive Elemente des (völkergewohnheitsrechtlichen Normenbestandes anzusehen sind. 6

A n m . 41 des vorhergehenden Abschnitts. Gliederungspunkt C dieses Abschnitts. 8 Rein rechtlich betrachtet hat sich die Entscheidung des Rates — ob m i t oder ohne Berücksichtigung der Definition — letztlich an der Charta zu orientieren (siehe op. paras. 3, 4 der „Annahmeresolution" 3314 und pr. para. 4 der Definition), deren Bestimmungen von der Definition nicht berührt sein sollen, so daß i m Falle der Nichtanwendung zumindest nicht schlüssig v o r getragen werden kann, die Entscheidung wäre unter Berücksichtigung der Definition anders ausgefallen! 9 Diese aufzuzeigen w a r Aufgabe der obigen Einleitung. 10 Siehe Einleitung, 2. Abschnitt, A n m . 19. 7

Β. Langfristige Völkerrechtswirkung: Völkergewohnheitsrecht

291

I. Problemstellung: politischer Prozeß und „opinio iuris sive necessitatis" Problematisch ist allein der Stellenwert der Verhandlungen, soweit sie als Träger des normativen Gewohnheitsrechtselements qualifiziert werden sollen, also der „opinio iuris sive necessitatis" 11 , da das faktische Element, die Staatenpraxis, schlichtweg i n jedem zurechenbaren voluntativen staatlichen Verhalten zu erkennen ist 1 2 , m i t h i n auch i m Konsensbildungsprozeß zur Definition der Aggression. Inwieweit dieser auch von „opinio iuris sive necessitatis" getragen wurde, kann dagegen erst aufgrund weitergehender, normativer Bewertungen beantwortet werden. Denn wenn dieses Element die Funktion haben soll, rechtsverbindliche Übung von sonstiger Gewohnheit zu trennen 1 3 — welche konkreten Anforderungen man auch immer an die Qualität einer Rechtsüberzeugung stellen mag 1 4 — so ist unter der Respektierung der Rechtsnormativität (auch) des Völkerrechts eines sicher: daß aus der Regelhaftigkeit eines Verhaltens wohl auf dessen rechtliches Gesolltsein geschlossen werden kann aber nicht muß 1 6 , daß m. a. W. auch insoweit Sein und Sollen prinzipiell verschiedenen Kategorien angehören. Hier nun w i r f t der Konsensbildungsprozeß zur Definition der A g gression — so wie er sich am Ende der Untersuchung präsentiert — einige Fragen auf, die direkt aus Inhalt und Verfahrensmodus der Verhandlungen resultieren. Was den ersten Aspekt betrifft, so scheint es zunächst wenig problematisch zu sein, daß die Verhandlungen i n geradezu idealer Weise Rechtsansichten der Staaten offengelegt haben. Denn wenn die Gespräche erklärter Maßen der Konkretisierung eines schon existierenden Rechtsbegriffs, nämlich der Definition des Aggressionskonzepts galten, so fragt es sich, was anderes die zahlreichen Einzel- und Gruppenäußerungen zum Inhalt dieses Konzepts sein sollen, als Mitteilungen von Überzeugungen zum Inhalt völkerrechtlicher Rechte und Pflichten! Ja, es scheint sich geradezu zu verbieten, an dieser Feststellung zu zweifeln: Haben die Staaten doch zumeist ihre Ansichten ausdrücklich als solche prononciert, die satzungsrechtlich geboten seien, und auch die 11 Siehe das U r t e i l des I G H i m „ N o r t h Sea Continental Shelf Case", T e x t auszug unten, A n m . 16. 12 Siehe schon oben, Einleitung, 2. Abschnitt, T e x t zu A n m . 31 ff. 13 J. P. Müller, Vertrauensschutz, S. 82 m i t weiteren Nachweisen i n A n m . 293. Siehe auch die bei Unger , Völkergewohnheitsrecht, S. 36 f., A n m . 166 genannten Autoren. 14 Dazu unten, T e x t zu A n m . 16 ff. 15 So ausdrücklich der I G H (siehe oben, A n m . 11): „The frequency, or even habitual character of the acts, is not i n itself enough."

292

II.

. Abschn.:

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

Definition w i l l „ n u r " als Konkretisierung der Charta fungieren, was jenseits der formalen Respektierung nicht i n Frage gestellten Rechts doch nur heißen kann, daß sie i n materieller Sicht bestehendes Satzungsrecht wiedergeben w i l l . Folgert man diese Hypothese zu Ende, so müßte konsequent dort, wo realer Konsens universell oder zumindest partikulär zu verzeichnen war, eine allgemein oder regional gültige Norm des Völkergewohnheitsrechts zu erkennen sein, es sei denn, widersprüchliche Praxis außerhalb der Vereinten Nationen widerlegte diesen Schluß. Eine derart absolute Konsens m i t Völkerrecht identifizierende A u f fassung trägt aber dem politischen Charakter des Konsensbildungsprozesses keine Rechnung, wie er vor allem durch seinen Verfahrensmodus, die „Konsensusmethode", zutage getreten ist. Danach entpuppt sich die Vorstellung als höchst illusionär, die i m Verlaufe der Verhandlungen geäußerten Ansichten basierten auf der jeweils gefestigten Überzeugung ihrer Satzungskonformität (bzw. der Rechtswidrigkeit abweichender Auffassungen). M i t politischer Feder gezeichnet erscheint das „Konsensusverfahren" vielmehr als ein Vorgang, i n dem Völkerrecht ausgehandelt, nicht aber erörtert wurde, i n dem m i t h i n politische Ziele, nicht aber Rechtsüberzeugungen i m Sinne politischer Redlichkeit das Zepter geführt haben und somit nach außen getreten sind! Was sich so betrachtet dem Beschauer präsentierte, war vielmehr jener Prozeß von „mutual claims and tolerances" i n dem Forderungen unterschiedlichster Motivation (rechtlich, politisch, moralisch etc.) erhoben wurden, u m dann i m Wege der Kompromißsuche zumeist modifiziert zu werden. Es ist ersichtlich, daß i n einem solchen Verfahren, i n dem blanke politische Forderungen und von Rechtsüberzeugungen getragene kaum zu trennen sind (und zudem i m Laufe der Verhandlungen modifiziert werden), die Suche nach dem normativen Element des Völkergewohnheitsrechts unüberwindbare Schwierigkeiten bereitet, vorausgesetzt man versteht darunter die Überzeugung, daß das eigene Verhalten schon nach herkömmlichem Recht geboten ist. Π . Zur Interpretation des normativen Elements

Ob diese enge und traditionelle Interpretation des normativen Gewohnheitsrechtselements 16 aber schlechthin verbindlich ist, erscheint angesichts der Zunahme von Konsensbildungsprozessen der hier beob16 Akehurst, Custom, S. 31. Geradezu klassisch sind die Ausführungen des I G H i m „ N o r t h Sea Continental Shelf Case" geworden, wonach konstitutive Völkergewohnheitsrechts-Praxis „ . . . must also be such, or be carried out i n such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it. The need for such a belief i. e., the existence of a subjective element, is i m p l i c i t i n the very

Β. Langfristige V ö l k e r r e c h t s i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

293

achteten A r t immer fraglicher. Wenn es auch nicht bestritten werden soll, daß zahlreiche Normen des Völkerrechts durch Übung und sie zunehmend begleitende Überzeugung entstanden sind, daß „the practice is required by, or consistent with, prevailing international l a w " 1 7 und wohl auch immer noch so entstehen werden 1 8 , so heißt dies noch lange nicht, daß eine derart voluntaristische Sicht des Völkergewohnheitsrechts m i t Absolutheitsrang ausgestattet ist. Und vor allem ergibt sich die Richtigkeit dieser Auffassung nicht aus dem mißglückten 1 9 A r t . 38 Abs. 1 Ziffer b IGH-Statut 2 0 , der sich i n seiner Vieldeutigkeit 2 1 eher in einem Hinweis auf das Völkergewohnheitsrecht erschöpft, denn dieses definiert 2 2 . Positionen zu Funktion und Inhalt des normativen Elements der Völkergewohnheitsrechtsentstehung sind vielmehr untrennbar m i t der grundsätzlichen Einstellung ihrer Vertreter zu Funktion und Geltungsgrund des Völkerrechts (und damit auch des Völkergewohnheitsrechts) verknüpft und müssen auf dieser Ebene diskutiert werden, also letztlich einer historisch (soziologisch)-philosophischen 23 , wobei aber wiederum das reale Verhalten der Staaten den Argumentationsrahmen steckt, weil schließlich sie es sind, die Funktion und Qualität des Völkerrechts real gestalten 24 . notion of the opinio iuris sive necessitatis. The States concerned must therefore feel that they are conforming to w h a t amounts to a legal obligation ". (ICJ Reports, 1969, S. 44, Hervorhebungen v o m Verfasser.) 17 So der „Special Rapporteur" der I L C , Hudson, i n seiner Untersuchung zu A r t . 24 des ILC-Statuts, abgedruckt i n Y B I L C 1950, vol. I I , S. 24 ff. 18 Simma, Reziprozitätselement (VGR), S. 30 f. 19 Allgemeine Ansicht! Siehe statt alles Verdross, Quellen des universellen Völkerrechts, S. 98 f. 20 „International custom, as evidence of a general practice accepted as law." J. P. Müller (Anm. 13), S. 79 f., zieht die Formulierung „accepted as l a w " als Beleg dafür heran, daß eben keine „ausdrückliche Anerkennung" wie beim Vertragsrecht erforderlich sei, w i e dies i n Ziffer a desselben A r t i kels („international conventions, whether general or particular, establishing rules expressly recognized by the contesting States") niedergelegt sei. 21 Siehe etwa Günther, Völkergewohnheitsrecht, S. 61 ff. 22 Günther (Anm. 21), S. 152, m i t Belegen aus der Entstehungsgeschichte auf S. 63 ff. 23 Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 38 m i t weiteren Nachweisen. 24 Siehe auch Mosler, Völkerrecht als Rechtsordnung, S. 34: „Eine philosophische A n t w o r t auf diese Frage w i r d niemals i n der Weise gegeben w e r den können, daß sie von allen Beteiligten akzeptiert w i r d . Sie w i r d notwendigerweise i m m e r ein spekulatives Moment haben, das v o n demjenigen, der von der vorgetragenen Lösung nicht überzeugt ist, als subjektive Gewißheit des anderen zur Kenntnis genommen oder abgelehnt w i r d . Da Religionen, Ideologien u n d philosophische Doktrinen über den Ursprung u n d das Wesen des Rechts verschieden urteilen u n d niemals Einigkeit über die letzte Quelle des Rechts erreicht w i r d , muß man nach meiner Meinung rationale Argumente f ü r die Rechtsgeltung suchen, die für alle Beteiligten nachvollziehbar sind."

294

II.

. Abschn. :

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

1. Geltungsgrund, Funktion und Qualität des Rechts im Bereich des Gewaltverbots Dabei ist wiederum daran zu erinnern, daß das Völkergewohnheitsrecht als eine „normative Verdichtung faktischen Verhaltens" sowohl hinsichtlich seiner Entstehungsweisen als auch Erscheinungsformen nicht abschließend klassifizierbar ist 2 5 , so daß auch die Frage nach seinem Geltungsgrund, also dem Grund des Verbindlichwerdens und -bleibens faktischen Verhaltens, differenzierend beantwortet werden muß 2 6 . Konkret: Es ist an dieser Stelle nicht der Geltungsgrund des Völker(gewohnheits)rechts generell, sondern jener Rechtsmaterie zu hinterfragen, der die Verhandlungen zur Definition der Aggression galten. Hier nun hat die Untersuchung einen gleichsam dialektischen Befund ergeben, der nicht ohne Auswirkungen auf den Geltungsgrund bleiben kann. Denn jener bereits mehrfach als „politischer Verhandlungs- oder Kommunikationsprozeß" bezeichnete Vorgang setzt sich normativ betrachtet aus Rechtsbejahungen und -negierungen zusammen, wobei zur ersteren Kategorie zunächst die grundsätzliche Akzeptierung der Rechtsnatur der Materie (und damit der Existenz des Völkerrechts) zu zählen ist, sodann die Einigungen auf eher abstrakter Ebene; zur zweiten der (praktisch) wichtigere Bereich der Dissense i n konkreten Aspekten der Aggressionsproblematik, also die Rechtsnegierung i m Wege des wechselseitigen Bestreitens unvereinbarer Rechtsbehauptungen. Daraus folgt i n negativer Sicht, daß all solche Geltungsgrundtheorien 2 7 auszuscheiden haben, deren Hypothesen sich entweder nicht 25

Siehe oben, Einleitung, 2. Abschnitt, T e x t zu Anm. 34 ff. Verdross, Entstehungsweisen u n d Geltungsgrund des universellen v ö l kerrechtlichen Gewohnheitsrechts, S. 649: „Es ist unmöglich, alle ungeschriebenen Normen des Völkerrechts auf denselben Geltungsgrund zurückzuführen." 27 Die Kategorisierung der bekannten Theorien zum Geltungsgrund des Völkergewohnheitsrechts erfolgt nicht i m m e r einheitlich, w o h l w e i l ihre Elemente zum T e i l ineinander übergehen. Da i m Rahmen dieser U n t e r suchung eine Stellungnahme nicht erforderlich ist, lehnt sich der Verfasser i m wesentlichen an einen Kategorisierungsversuch an, der i h m k l a r u n d verständlich erscheint, u n d den er i n den Ausführungen von Magiera, Rechtsnatur u n d Geltungsgrund, S. 41 ff. zu erkennen glaubt. Danach lassen sich vier Theoriengruppen unterscheiden, die zwischen den Extremen einer betont voluntaristischen (positivistische oder Willenstheorie) Deutung des Geltungsgrundes (Primat des einzelstaatlichen Willens) u n d objektivistischen Erklärungen liegen, also solcher, die zu diesem Zweck auf Normen zurückgreifen, die außerhalb des einzelstaatlichen Willens liegen oder diesen zumindest überlagern. Der Willenstheorie gehören die Selbstverpflichtungslehre (Bergbohm, Jellinek, Zorn, Wenzel), Vereinbarungslehre (u. a. Triepel, Binding, Walz) m i t ihrer sowjetischen Variante (Tunkin) u n d die anglo-amerikanische Lehre v o m „common consent" (Oppenheim / Lauterpacht) an. Unter ihnen ist die 26

Β . Langfristige V ö l k e r r e c h t s i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

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m i t d e r oben beschriebenen D i a l e k t i k v o n S y s t e m a n t a g o n i s m u s u n d i n t e r s y s t e m a r e s R e c h t 2 8 i n V e r e i n b a r u n g b r i n g e n lassen, oder d i e i n letzter Konsequenz die Auflösung der j a v o n den Beteiligten vorausgesetzten V ö l k e r r e c h t s o r d n u n g z u F o l g e h ä t t e n . A u s d e m ersten G r u n d e h a b e n d a h e r normativistische u n d naturrechtliche Erwägungen traditionell-rationalistischer Art außer B e t r a c h t z u b l e i b e n , da i m B e r e i c h des G e w a l t v e r b o t s d i e Suche n a c h ethischm o r a l i s c h e n G r u n d k o n s e n s e n g e g e n w ä r t i g aussichtslos i s t u n d eher Grunddissense d i e R e a l i t ä t ausmachen. A u s d e m z w e i t e n G r u n d s i n d aber auch d i e extremen Willenstheorien als E r k l ä r u n g s a n s a t z u n g e e i g n e t 2 9 : A m d e u t l i c h s t e n w i r d dies b e i d e r Selbstverpflichtungslehre „ a m voluntaristischsten", da nach i h r das Recht m i t Zustimmung der Staaten „steht u n d f ä l l t " , was für die Vereinbarungslehre (auch i n ihrer sowjetischen Spielart) nicht zutrifft, da diese n u r das Entstehen, nicht aber die Geltung eines Rechtssatzes v o m einzelstaatlichen W i l l e n abhängig macht, m i t h i n keine absolute Loslösungsmöglichkeit von einer einmal erklärten Zustimmung anerkennt. A m anderen Ende der voluntaristischen Skala erscheint die Lehre v o m „common consent", da sie eine beschränkte Majorisierung auch der Staaten akzeptiert, die nicht an der Schöpfung eines Rechtssatzes beteiligt waren. Nicht ganz eindeutig der positivistischen oder objektivistischen Schule zuzurechnen ist die zweite Theoretikergruppe, Normativisten, die, w i e Kelsen, A n z i l o t t i u n d Guggenheim die Bindungswirkung des Völkerrechts auf eine Grundnorm, insbesondere den Satz „pacta sunt servanda" zurückführen, da etwa A n z i l o t t i diese Grundnorm aus voluntaristischer, Kelsen dagegen aus objektivistischer Sicht erklärt (siehe Berber, Lehrbuch, Bd. 1, S. 37). Unbedenklich als objektivistisch einzustufen sind dagegen die verschiedenen naturrechtlichen u n d soziologisch-politologischen Theorien: Erstere, unabhängig davon, ob sie eher der traditionell-rationalistischen (Lauterpacht, Fitzmaurice, Wehberg, Alvarez, L e Fur, Delos, von der Heydte, E. Sauer, Verdross, Verosta) oder mehr der, den Sozialwissenschaften geöffneten „kryptischen" Naturrechtslehre (Huber, Schindler, Navarro, Brierly, De Visscher) angehören, verankern das Recht i n einer dem Menschen vorgegebenen, also von seinem W i l l e n u n d seiner W i l l k ü r unabhängigen W e r t ordnung, dem Naturrecht. Dieses verstehen sie als „objektivierte Vernunft u n d an der Rechtsidee orientierte N o r m des menschlichen Sozialverhaltens", was erklärt, daß die unterschiedlichsten ethischen, moralischen, religiösen — aber auch aus Sachlegitimation heraus geborenen — Postulate hierfür entwickelt werden. Die eigentlich soziologisch-politologischen Theorien (Huber, Duguit, Schindler, Scelle, Hoffmann, De Visscher), die sich allerdings nicht i m m e r streng von der „kryptischen" Naturrechtslehre abgrenzen lassen (Bsp. De Visscher), verstehen dagegen Recht p r i m ä r als sozialen Faktor u n d leiten seinen Geltungsgrund aus der Funktion ab, die es zur E r f ü l l u n g des Gemeinschaftszweckes zu erbringen hat. A u f g r u n d dieser instrumental-soziologischen Sicht gelangen auch sie — allerdings auf i n d u k t i v e m Wege — zu einer, den einzelstaatlichen W i l l e n bindenden Konstitutions- u n d Geltungsnorm (Gemeinschaftszweck), auf die die einzelnen Staaten jedoch Einfluß haben, da es j a sie sind, die die Staatengemeinschaft bilden u n d allein deren Zwecke bestimmen. 28 Kühne, Ost-West-Entspannung, S. 238. 29 Unbeschadet der am Voluntarismus u n d Normativismus geäußerten K r i t i k , sie könnten die rechtsverpflichtende K r a f t des Völkerrechts zwar

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II.

. Abschn. :

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

Selbstverpflichtungslehre, die ja Zustimmung zur Gebundenheit i m Sinne des Erfordernisses einer dauernden Zustimmung definiert, also den Staaten die Möglichkeit zugesteht, sich von einer einmal eingegangenen Verpflichtung unbeschränkt wieder lösen zu können. Träfe dies zu, wäre das Gewaltverbotsprinzip längst nicht mehr existent! Weniger offensichtlich ist diese Konsequenz unter Zugrundelegung der Vereinbarungstheorien, da sie ja die Gebundenheit durch eine vereinbarte Norm des Völkerrechts prinzipiell bejahen. Doch auch sie müssen auf lange Sicht gesehen zur Erosion des Völkerrechts führen, weil nach ihren Grundsätzen jeder neuentstandene Staat die Freiheit hat, sich unter Mißachtung der übrigen Stücke die „Rosinen aus dem Kuchen des überkommenen Völkerrechts herauszupicken", was, wie oben dargelegt 30 , längst die Zerlegung weiter Teile des Gewaltverbots i n nur noch regional gültige klassisch-konservative und progressivrevolutionäre Fragmente zur Folge gehabt hätte 3 1 . Ob hier die angloamerikanische Variante von „common consent" etwas ändern kann, mag bezweifelt werden, da sie offensichtlich nur von einer verschwindenden Minderheit von dissentierenden Staaten ausgeht, wenn sie unter Aufweichung einer puristischen Willenstheorie eine beschränkte Majorisierung nicht an der Normschöpfung beteiligter Staaten für begründbar hält 3 2 . Die einzige Möglichkeit, den Geltungsgrund des Rechts auch i m Bereich der zerstrittenen Gewaltverbotsproblematik annähernd zu erklären, eröffnen dagegen die soziologisch-politologischen Theorien, die hier nicht i m einzelnen dargestellt zu werden brauchen 33 , da es nicht auf Einzelheiten ihrer Begründung, sondern auf den gemeinsamen Begründungsansatz ankommt 3 4 . Wenn danach Recht seine abstrakte beschreiben, aber nicht begründen. Siehe Magiera (Anm. 27), S. 45 unter H i n weis auf Fitzmaurice („Consent can create i n d i v i d u a l rules of law, b u t i t cannot create the binding force of the l a w itself"). 30 Vorbemerkung, A n m . 17. 31 So Bernhardt, Ungeschriebenes Völkerrecht, S. 62: „ A l l e Versuche, das Völkerrecht auf einen stillschweigend geschlossenen Vertrag u n d eine entsprechende Willensrichtung des einzelnen Staates zu gründen, führen i n letzter Konsequenz zur Auflösung der Völkerrechtsordnung u n d zu der Folge, daß der einzelne Staat die i h m günstigen Regeln akzeptieren u n d die lästigen ablehnen kann." 32 Siehe Magiera (Anm. 27), S. 44 unter Zitierung von Oppenheim / Lauterpacht, International L a w , S. 17: „,Common consent' can therefore only mean the express or tacit consent of such an overwhelming m a j o r i t y of the members, that those w h o dissent are of no entity i n contradiction to the w i l l s of its single members." 33 Siehe etwa Baum, Soziologische Begründung des Völkerrechts. 34 Siehe am allgemeinsten Lissitzyn, International L a w Today and Tomorrow, S. 35 : „Indeed, i t may be asked w h y ,custom' . . . should be binding on States. The answer must be sought not i n legal abstractions but i n the realities of international life." (Hervorhebungen v o m Verfasser.)

Β . Langfristige V ö l k e r r e c h t s i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

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Geltungsgrundlage i n der Erfüllung des Gemeinschaftszweckes findet 8 5 , so ist damit nämlich eine Formel gefunden, die i m wesentlichen ohne Rückgriff auf Fiktionen (Willenstheorie) oder angeblich vorgegebene Grundwerte (Naturrechtslehre) auskommt, weil sie den Geltungsgrund der realen Staateninteraktion selbst entnimmt. Denn, wie ließe sich der Gemeinschaftszweck autonomer Staaten anders feststellen als i m Wege des Rekurses auf die ver objektivierten Vorstellungen der Gemeinschaftsmitglieder selbst! Nur, dies sei betont, es ist nicht der Gemeinschaftszweck allein, der die Geltung begründet, sondern zusätzlich die Annahme, daß das Recht diesem zu dienen i n der Lage ist, wovon die Staaten, solange sie Recht praktizieren, offensichtlich ausgehen. Damit setzt sich ein soziologisch-politologischer Begründungsansatz aus zwei Elementen zusammen: einem materiellen (Gemeinschaftsgebundenheit), der sich als kleinster gemeinsamer Nenner aus dem W i l len der Einzelstaaten ergibt und einem prozedural-instrumentalen Element 8 6 (Funktionstauglichkeit des Rechts), das je nach dem zu regelnden Sachverhalt unterschiedlich sein kann, abhängig davon, welche Funktionsleistung man von dem Recht realistischer Weise erwarten kann. Was den materiellen Faktor betrifft, so erscheint es schwierig, über das generelle Postulat der Gemeinschaftsgebundenheit hinaus Konkretisierungsversuche zu machen, sieht man einmal davon ab, daß man diese Gebundenheit auch als „Kooperationspflicht unter Berücksichtigung der legitimen Interessen aller Staaten" definieren kann 8 7 . Diese Zweckbestimmung folgt meines Erachtens unmittelbar aus der wachsenden Institutionalisierung des zwischenstaatlichen Zusammenseins bei zumindest nicht geringer gewordenem Konfliktpotential. Auch der Konsensbildungsprozeß zur Definition der Aggression ist dem Ziel nach institutionalisierte Konfliktbewältigung i n diesem Sinne und dürfte i m Ausstrahlungsbereich des Gewaltverbots das gegenwärtige Kooperations-Konfrontationsverhältnis unter den Staaten repräsentativ aufgezeigt haben. Darüber hinaus w i r d man, soweit sie als Grundsätze akzeptiert sind, auch die positiv formulierten Zielbestimmungen 88 der „Prinzipien35

Siehe A n m . 27. A n m . 27. 37 Siehe auch Bernhardt (Anm. 31), S. 59, der die Kooperationspflicht als Ausdruck der Gemeinschaftsgebundenheit u n d der Verpflichtung der Achtung der Gemeinschaftsbelange mehreren internationalen Instrumenten, u. a. der „Prinzipien-Deklaration" entnimmt. Ä h n l i c h auch Mosler (Anm. 24), S. 32 f., der Kooperations- u n d Friedenspflicht als die gegenwärtig fundamentalen Normen des Völkerrechts bezeichnet, denen es zugleich seine Verbindlichkeit verdankt. 38 Neben dem schon erwähnten Prinzip der Kooperation also die G r u n d sätze der souveränen Gleichheit u n d des Selbstbestimmungsrechts der V ö l 38

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I I I . 2. Abschn. : Bedeutung des Konsensbildungsprozesses

Deklaration" als Ausdruck gegenwärtigen Gemeinschaftslebens ansehen können, wohingegen die Grundsätze des Gewaltverbots und der Nichtintervention als (negative) Unterlassungspflichten und jene der friedlichen Streitbeilegung und der Pflichterfüllung nach Treu und Glauben als (positive) Handlungspflichten eher dem Instrumentarium zur Operationalisierung der Gemeinschafts g ebundenheit zuzurechnen sind. Hierauf — und damit auf die realistischer Weise zu erwartende Funktion des Rechts bei der Erfüllung der oben definierten Gemeinschaftsziele — kommt es nun entscheidend an: Denn über die Feststellung der Funktion w i r d die Qualität des Rechts i m Bereich des Gewaltverbotsprinzips sichtbar und m i t ihr das ausschlaggebende K r i t e r i u m zur Bestimmung dessen, was unter der „opinio iuris sive necessitatis" zu verstehen ist. Die Untersuchung der Aggressionsdefinition hat meines Erachtens ergeben, daß die Funktion des Rechts i m Bereich der Gewaltverbotsproblematik weniger i n seiner theoretischen Zwangswirkung denn darin bestehen kann, Anhaltspunkte für die Reduzierung von Verhaltensweisen, Verhaltensdeutungen und Verhaltenserwartungen zu liefern. Diese schon von der Terminologie her den systemfunktionalistischen Ansatz Luhmanns89 verratende These bedarf natürlich weiterer Begründung: Wenn angesichts der generell geringen Erzwingbarkeit des Rechts i m internationalen Verkehr seine Bindungskraft ohnehin eine fragwürdige Größe geworden ist, so muß dieses Manko erst recht dort spürbar sein, wo der Rechtssatz, von dem diese Zwangswirkung ausgehen soll, inhaltlich gar nicht oder wenig durchsetzbar gestaltet ist. A r t . 2 Ziffer 4 SVN als ursprüngliche „sedes materiae" des Gewaltverbotsrechts w i r k t insoweit schon gegen eine faktische Durchsetzbarkeit. Besonders deutlich dürften dies aber großangelegte Rechtsinstrumente wie die, das Satzungsrecht praktisch anreichernde „PrinzipienDeklaration" gemacht haben, und auch die Aggressionsdefinition ist diesem Kreis 4 0 zuzurechnen 41 . Die A r t und Weise i n der dort etwa die Selbstbestimmungsproblemat i k bewußt unbestimmt geregelt wurde, läßt es als völlig unrealistisch erscheinen, daß die Beteiligten die getroffene Normierung m i t der Vorstellung ihrer strikten Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit vereinbart haben. Was sie vielmehr beabsichtigt haben konnten — und von einem ker. Ausdrücklich das Selbstbestimmungsrecht nennt auch Mosler (Anm. 24), S. 37. 39 Siehe etwa: Positivität des Rechts; Rechtssoziologie; Weltgesellschaft. 40 Neben den hier interessierenden Instrumenten wäre vor allem die „KSZE-Schlußakte" von Helsinki zu nennen, siehe hierzu Kühne (Anm. 28) u n d ders., Schlußakte von Helsinki. 41 So auch Röling, Definition der Aggression, S. 402.

Β . Langfristige V ö l k e r r e c h t s i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

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p o s i t i v e n E r f o l g s w i l l e n w i r d angesichts der wachsenden Z a h l v o n k o d i f i k a t o r i s c h e n u n d q u a s i k o d i f i k a t o r i s c h e n V o r h a b e n auszugehen sein — i s t a l l e n f a l l s die S c h a f f u n g eines l a n g f r i s t i g ä n d e r n d w i r k e n d e n , n i c h t s t r i k t V e r h a l t e n e r z w i n g e n d e n I n s t r u m e n t s , das Lernprozesse e r ö f f n e t ohne antagonistischen P o s i t i o n e n 4 2 r a d i k a l d e n B o d e n z u e n t z i e h e n 4 3 . E i n solches I n s t r u m e n t w i r k t , u m i n der T e r m i n o l o g i e Luhmanns zu b l e i b e n , p r i m ä r kognitiv 44 u n d ü b e r l a g e r t i n d e m M a ß e seine normativen E l e m e n t e , i n d e m es a u f O f f e n h e i t angelegt i s t 4 5 . Z u m i n d e s t f ü r d e n B e r e i c h des G e w a l t v e r b o t s i n V e r b i n d u n g m i t d e r S e l b s t b e s t i m m u n g s p r o b l e m a t i k d ü r f t e diese C h a r a k t e r i s i e r u n g v o n F u n k t i o n u n d I n h a l t des Rechts u n d R e s o l u t i o n e n , die es z u m Gegens t a n d haben, d i e g e g e n w ä r t i g e S i t u a t i o n z u t r e f f e n d beschreiben 4 6 . 2. Der Entstehungsvorgang

des

Völkergewohnheitsrechts

N e b e n G e l t u n g s g r u n d , F u n k t i o n u n d Q u a l i t ä t des Rechts i m B e r e i c h des G e w a l t v e r b o t s l i e f e r n E r k e n n t n i s s e ü b e r d i e Genese e i n e r N o r m des V ö l k e r g e w o h n h e i t s r e c h t s w e i t e r e A n h a l t s p u n k t e z u r B e a n t w o r t u n g 42 Bernhardt (Anm. 31), S. 54, folgert anhand der „Prinzipien-Deklaration" u n d der Aggressionsdefinition: „ F ü r die gegenwärtige Bedeutung der Grundprinzipien des Völkerrechts w i r d man die These aufstellen können, daß die Einigkeit i m grundsätzlichen von tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten über die Tragweite u n d richtige A n w e n d u n g i m einzelnen begleitet w i r d . " Dies gelte besonders f ü r das Gewaltverbot (S. 55). 43 Siehe auch Miehsler, A u t o r i t ä t von Beschlüssen internationaler I n s t i t u tionen, S. 51 f., der die F u n k t i o n unbestimmter Beschlüsse nicht n u r darin sieht, Dissense zu verschleiern, sondern auch Konsense zu ermöglichen: „Die Verkündung abstrakter Grundsätze k a n n aber auch auf der Einsicht beruhen, daß bestimmte Aufgaben nicht m i t einem Schlag erledigt werden können, sondern n u r eine schrittweise Annäherung an Problemlösungen zum Ziel führen kann, wobei der jeweils nächste Schritt zu konkreteren Aussagen niedersteigt." Diese Unbestimmtheit mindere zwar die aktuelle Autorität des konkreten Beschlusses, jedoch dürfe A u t o r i t ä t nicht statisch, sondern müsse prozeßhaft begriffen werden (S. 38), so daß auch derartige Beschlüsse sehr w o h l A u t o r i t ä t v e r m i t t e l n können. 44 Unter kognitivem Erwarten versteht Luhmann — kurz gesagt — solches, das i m Falle der Enttäuschung der W i r k l i c h k e i t angepaßt w i r d , m i t h i n einen Lernprozeß beim Erwartenden voraussetzt. F ü r normative Erwartungen g i l t das Gegenteil: Sie werden nicht fallengelassen, auch w e n n ihnen zuwidergehandelt w i r d („kontrafaktisches Festhalten vorgegebener Erwartungen"). H i e r i n sieht Luhmann den Unterschied zwischen Sein u n d Sollen begründet, ohne daß er diese Trennung allerdings als eine a p r i o r i vorgegebene S t r u k t u r betrachtet, sondern sie als eine evolutionäre Errungenschaft bezeichnet (siehe Rechtssoziologie, Bd. 1, S. 40 ff., insbes. S. 42 - 44). 45 Vgl. auch A n m . 43. 46 So ausdrücklich Luhmann, Weltgesellschaft, S. 26, der resümiert, „daß auf der Ebene der sich konsolidierenden Weltgesellschaft nicht mehr Normen (in Gestalt von Werten, Vorschriften, Zwecken) die Vorauswahl des zu E r kennenden steuern, sondern daß umgekehrt das Problem lernender A n passung den strukturellen P r i m a t gewinnt". Vgl. auch die parallelen A u s führungen von Kühne (Anm. 28), S. 238 f. zur Qualifizierung der „ K S Z E Schlußakte" u n d Röling (Anm. 41) zur Bewertung der Aggressionsdefinition.

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II.

. Abschn. :

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

der Frage, was unter „opinio iuris sive necessitatis" zu verstehen ist. Dabei kann zunächst auf anthropologische, soziologische und philosophische Untersuchungen zurückgegriffen werden, die i m Ergebnis das Phänomen, wie aus Wiederholung eine Norm wird, übereinstimmend erklären 4 7 : Danach ist nämlich bei der Bildung und Institutionalisierung von Gewohnheiten entscheidend die „Entlastung vom Aufwand improvisierter Motivbildung" 4 8 , d. h., Gewohnheit — betrachtet als soziales Phänomen — w i l l und muß auch erwartungsstabilisierend und damit normativ wirken. Gewohnheit, m i t anderen Worten, birgt immer i n sich die Tendenz, zunehmend als Richtlinie akzeptiert und somit i m wachsenden Maße normatisiert zu werden 4 9 . Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, warum diese normative Immanenz der Gewohnheit irgendwann einmal i n ein rechtliches Sollen umschlägt: Hier scheint m i r eine rechtsphilosophische Untersuchung aus dem Jahre 1932 eine überzeugende Erklärung zu liefern. Gemeint ist die von Mokre 50 entwickelte Theorie des Ernstbegehrens, worunter dieser i m Ergebnis versteht, daß ein zunächst nur auf einen ökonomisch-sozialen Erfolg gerichteter Wille, der sich i n einem Verhalten von Individuen niederschlägt, zwingender Weise „ m i t w i l l " , daß i h m der erstrebte Erfolg kraft eines „mitgewollten" Sollenssatzes auch rechtlich zustehe, vorausgesetzt, der Sollenssatz ist seinem Bau nach ein Rechtssatz 51 . Diese eher abstrakte Theorie bedarf der Erklärung. Was Mokre meint, ist, daß es den Menschen zunächst nur auf ökonomisch-soziale Erfolge ankommt, denen gegenüber Recht nur Mittel zum Zweck ist. Da Recht i n der Regel aber die Wahrscheinlichkeit erhöht, jetzt und i n der Zukunft den erstrebten Erfolg zu erhalten, bzw. zu behalten, ist i n dem Wollen des sozialen Erfolges implizit der Wunsch nach seiner weitgehenden Absicherung mitenthalten, also auch der Wunsch, daß der soziale Erfolg (Handeln, Unterlassen, Dulden etc.) kraft eines Rechtssatzes geboten sei: „So braucht auch, w e r etwa i n Urzeiten oder i n Niemandsland Waren tauschen u n d dabei gegen Betrug gesichert sein, Versprechen geben u n d empfangen u n d dabei gegen Bruch gesichert sein w i l l usw., sich nicht k l a r bewußt sein, daß er damit implicite w i l l , daß ein Satz bestehe dahingehend, daß Verträge gehalten werden sollen und, w e n n sie nicht gehalten werden, dies geahndet werden soll. Es liegt darum nicht minder i m Sinn seines Wollens, ist i n i h m mitgemeint. E i n solcher Satz aber ist seinem Bau nach 47

Siehe i m einzelnen die Nachweise bei Berber (Anm. 23), S. 38 f. Berber (Anm. 23), S. 39. 49 Insoweit deckt sich von der F u n k t i o n her Recht teilweise m i t wohnheit. 50 Theorie des Gewohnheitsrechts. 51 (Anm. 50), S. 150, 166 f. 48

Ge-

Β . Langfristige V ö l k e r r e c h t s i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

301

ein Rechtssatz. Durch das implizite M i t w o l l e n erscheint er als gegeben u n d es fehlt nunmehr n u r noch, daß er überwiegend befolgt werde, damit er als positiver Rechtssatz bestehe. Dabei müssen sich natürlich weder Geber noch Befolger bewußt sein, einen Rechtssatz geschaffen zu haben. Es braucht noch kein Mensch explicit über das Wesen des Rechts nachgedacht haben. Es k o m m t i m praktischen Leben überhaupt n u r selten vor, daß jemand Setzung eines Rechtssatzes intendiert. Worauf es den Menschen ankommt, sind ökonomische und soziale Zwecke und nur als Mittel zu diesen Zwecken wird Recht verwendet. Es ist ganz deutlich, daß der W i l l e i n den Handlungen des täglichen Lebens zunächst n u r auf den ökonomisch-sozialen Erfolg gerichtet ist. Die Rechtsbegründung wird als Mittel dazu oft nur mitgewollt, ist in dem ausdrücklichen Wollen des Zweckes mitgemeint. Es genügt dieses wollende Mitmeinen eines Sollenssatzes, der die K r i t e r i e n eines Rechtssatzes erfüllt, u m i h n zum gegebenen Rechtssatz zu machen 5 2 ." Es ist h i e r n i c h t v o n n ö t e n , d i e A l l g e m e i n g ü l t i g k e i t dieser T h e o r i e i n F r a g e z u stellen. E n t s c h e i d e n d ist, daß sie d e n V o r g a n g des Völkerrechtsbegehrens, so w i e er i m Entscheidungsprozeß zutage g e t r e t e n ist, t r e f f e n d t h e o r e t i s i e r t . D e n n daß es politische Forderungen waren, die in Gestalt von Rechtsbehauptungen das V e r h a n d l u n g s b i l d b e s t i m m t e n , w i r d m a n a m E n d e der U n t e r s u c h u n g n i c h t m e h r i n Z w e i f e l ziehen k ö n n e n , ebensowenig, daß d i e B e t e i l i g t e n d i e rechtliche A b s i c h e r u n g i h r e r P o s i t i o n e n „ m i t w o l l t e n " , w e n n sie auch realistischer Weise n u r selten m i t e i n e m K o n s e n s rechnen k o n n t e n 5 3 . D i e s ist j e d o c h d e r S t o f f aus dem, f o l g t m a n d e r soeben s k i z z i e r t e n T h e o r i e , G e w o h n h e i t s r e c h t tatsächlich e n t s t e h t . D i e s e n B e f u n d s t ü t z t auch eine U n t e r s u c h u n g Verdross 9 aus d e m J a h r e 1969 5 4 , d e r e n A n s a t z p u n k t die E r k e n n t n i s ist, daß sich die G e w o h n h e i t s r e c h t s b i l d u n g a u f z w i s c h e n s t a a t l i c h e m G e b i e t a u f m e h r als n u r eine Weise v o l l z i e h t , w o b e i d i e „ a l l m ä h l i c h e R e z e p t i o n außerrechtl i c h e r N o r m e n d u r c h das V G R " 5 5 , a n der sich die ü b e r k o m m e n e G e wohnheitsrechtstheorie 56 vorwiegend orientiert hat, nicht einmal der H a u p t f a l l sein m u ß . N e b e n w e i t e r e n E n t s t e h u n g s w e i s e n 5 7 , d i e h i e r n i c h t 52

Mokre (Anm. 50), S. 166 (Hervorhebungen v o m Verfasser). Den weitgehenden Verzicht auf rechtliche Argumentation zugunsten „nackter politischer Forderungen" dürften besonders die Verhandlungen zu A r t . 3 Ziffer d deutlich gemacht haben, i n deren Verlauf mehrere Küstenstaaten Verteidigungsrechte i n „Wirtschafts- u n d Fischereizonen" geltend machten, deren Regime zum damaligen Zeitpunkt politisch w i e rechtlich auf der Seerechtskonferenz umstritten waren. (Siehe die Darstellung des K o n sensbildungsverlaufs zu diesem Artikel.) 54 Entstehungsweisen u n d Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts. 55 (Anm. 54), S. 645. 56 Siehe oben, A n m . 16. 57 Spontan entstandene Normen des völkerrechtlichen Verkehrs; durch die völkerrechtliche J u d i k a t u r außer Streit gestellte Normen des V G R ; gewohnheitsrechtliche Anerkennung vertraglicher oder durch eine Deklaration der V N verkündete Normen. 53

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II.

. Abschn.:

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

interessant sind, nennt Verdross als eigene Kategorien die „streitgeborenen" 5 8 und durch „zwischenstaatlichen Konsens erzeugten Normen des V G R " 5 9 , wobei allerdings die ersteren m i t Simma 6 0 als Unterfall der durch Konsens erzeugten Normen angesehen werden sollten, bzw. die erste Kategorisierung auf den Ursprung, die zweite auf die Methode der Konsolidierung abstellt. Entscheidend ist aber, daß diese Normen des Völkergewohnheitsrechts ihren Ursprung i n der Tatsache haben, daß verschiedene Staaten einander widersprechende Ansprüche erheben (streitgeboren), die dann i n einem dialektischen Prozeß entweder anerkannt oder i m Wege des Kompromisses i n Ausgleich gebracht werden (Konsens) 61 . Jene Entstehungsweise unterscheidet sich also von der allmählichen Rezeption außerrechtlicher Normen durch das Bewußtsein der Beteiligten, im Wege des Ausgleichs ihrer politischen Forderungen langfristig Recht zu erzeugen, also durch das Merkmal des Konsenses 62 . 3. Rolle und Inhalt der „opinio iuris sive necessitatis " bei der Entstehung konsenserzeugter Normen des Völkergewohnheitsrechts Die Dominanz des Konsenses bei der Entstehung „streitgeborener" Normen des Völkergewohnheitsrechts deutet darauf hin, daß das Element der „opinio iuris sive necessitatis" auch hier durchaus seinen Platz hat. Jedoch muß es i m Entstehungsprozeß gleichsam „zeitlich zurück und i n der Blickrichtung umgestellt werden" 6 8 , wodurch es zugleich eine andere Qualität gewinnt. Ist Konsens nämlich der Rechtsentstehung vorgeschaltet, oder genauer, ist er es, durch den das Recht fortentwickelt wird, so w i r d ersichtlich, daß er auf dieses sich entwickelnde Recht bezogen nicht als Ausdruck dessen qualifiziert werden kann, die ihn manifestierende Praxis sei „required by, or consistent with, prevailing international l a w " 6 4 . Und doch wäre es ebenso verkehrt, ihn ausschließlich als Einverständnis i m Hinblick auf zukünftiges Recht anzusehen 65 . Denn i n beiden Fällen w i r d m. E. der dialektische Prozeß des Völkerrechtsbe58

(Anm. 54), S. 646. (Anm. 54), S. 646 f. 80 (Anm. 18), S. 37. 61 Verdross (Anm. 54), S. 646. 02 Simma (Anm. 18), S. 31, 38 f. 63 Simma (Anm. 18), S. 39. 64 Vgl. die Definition Hudsons, oben, A n m . 17. ®5 So aber Simma (Anm. 18), S. 39: „Konsens, eine aus welchen anfänglichen Gründen auch i m m e r akzeptierte Praxis als Recht pro futuro anzusehen." 59

Β . Langfristige V ö l k e r r e c h t s i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

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gehrens aus verschiedener Warte, aber prinzipiell doch i n gleicher Weise, unangemessen „arretiert". Es ist hier angebracht, sich an die ganz zu Anfang wiedergegebenen Worte Virally's 66 zu erinnern, wonach das „droit en train de se faire" jenes ist, das weder aus der Perspektive de lege lata noch aus der de lege ferenda zutreffend erfaßt werden kann. Und zwar deshalb nicht, weil w i r es hier m i t Frontenverschiebungen i m Streit u m sachliche Ansprüche zu tun haben, die als Norminhalts- und nicht als Normgeltungsdiskussionen zwar einen wesentlichen Teil der Rechtsbildung, die Konstellation seiner materiellen Elemente, vorwegnehmen, den Normbildungsprozeß aber nicht formell abschließen. So betrachtet w i r d der Verzicht der Beteiligten, ihre Rechtsansichten differenzierend und rechtlich begründet vorzutragen verständlich. Völkerrechtsbegehren der hier beobachteten A r t ist folglich nicht zu verwechseln m i t einem retrospektiven Disput über das, was gegenwärtig Recht ist und was nicht. Völkerrechtsbegehren ist vielmehr ein Vorgang der Debattierung sachlicher Forderungen gekleidet i n Rechtsbehauptungen, i n dem Bewußtsein, dadurch das Recht „ i n Bewegung zu setzen" 67 . Damit ist die Interpretation des normativen Gewohnheitsrechtselements durch die Realität der Normschöpfung vorgezeichnet: Nicht das subjektive Bewußtsein vom Bestehen einer völkerrechtlichen Regel 68 , sondern der ausdrücklich oder „mitgemeinte" 6 9 Anspruch, ein bestimmter sozialer Erfolg sei kraft eines Rechtssatzes geboten, ist der erste A k t , i n dem eine rechtsbildende „opinio iuris sive necessitatis" zu sehen ist. Die weiteren ergeben sich zwangsläufig aus der Funktion derartiger Behauptungen, nämlich einen Kommunikationsprozeß auszulösen und sind daher i n den vielfältigen Reaktionen der Staatengemeinschaft auf eben diesen Anspruch zu sehen, reichen demnach von seinem einhelligen Bestreiten bis zum universellen Akzeptieren, also bis zum Konsens. Was zählt sind m i t anderen Worten Behauptungen, nicht Überzeugungen 70, so daß, solange die Staaten ihre Forderungen nicht ausdrücklich als nichtrechtliche oder einem künftigen Recht vorbehalββ Vorbemerkung, A n m . 14. ®7 Bei dieser Feststellung handelt es sich nicht u m eine petitio principii, sondern u m eine A b l e i t u n g aus der oben erörterten Prämisse, daß Entscheidungsprozesse i n den Vereinten Nationen auch u n d gerade, w e n n sie i n h a l t lich über das bisherige Recht hinausgehen, langfristig normverändernd wirken. 68 Vgl. auch Bernhardt (Anm. 31), S. 63, der i m Zusammenhang m i t der Frage, was i n der Realität unter der „opinio iuris sive necessitatis" zu verstehen sei, bemerkt, daß „jede Betonung von Subjektivem hier zweifelhaft u n d i n gewissem Maße schief sei". 60 Siehe oben, T e x t zu A n m . 52. 70 Bernhardt (Anm. 31), S. 64; ders. auch Gewohnheitsrecht i m Meeresvölkerrecht, S. 156 f.; Akehurst (Anm. 16), 37.

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I I I . 2. Abschn. : Bedeutung des Konsensbildungsprozesses

tene bezeichnen 7 1 , es m ü ß i g ist, d a r ü b e r nachzudenken, a u f welche Weise sich d e r i n n e r e W i l l e n s b i l d u n g s p r o z e ß b e i d e n S t a a t e n v o l l z o g e n h a b e n m a g , v o r a l l e n D i n g e n , ob ü b e r h a u p t Rechtsüberzeugungen i m Sinne subjektiver Redlichkeit maßgebend an i h m beteiligt waren. D a m i t deckt sich d i e h i e r v e r t r e t e n e A u f f a s s u n g v o m A n s a t z h e r m i t d e r „ A r t i k u l a t i o n s t h e o r i e " D'Amatosi 72, aber auch d i e Ü b e r l e g u n g e n J. P. Müllers 73, Simmas 74 u n d Waldens 75 d ü r f t e n i n dieselbe R i c h t u n g zielen, w e n n l e t z t e r e auch n i c h t so a b s o l u t d i e h i e r gezogenen K o n s e quenzen t e i l e n : Diese k ö n n e n n ä m l i c h a u f b a u e n d a u f d e m b i s h e r G e sagten n u r d a r i n bestehen, d e n K o n s e n s b i l d u n g s p r o z e ß z u r D e f i n i t i o n d e r A g g r e s s i o n als e i n e n aktuell-eigengewichtig en B e i t r a g i m g l o b a l e n Prozeß d e r V ö l k e r g e w o h n h e i t s r e c h t s e n t s t e h u n g z u a k z e p t i e r e n u n d n i c h t w i e d e r u m a u f eine i h n bestätigende P r a x i s a u ß e r h a l b d e r V e r h a n d l u n g s f o r e n der V e r e i n t e n N a t i o n e n z u v e r w e i s e n 7 6 . E i n e solche p r i n z i p i e l l e M i n d e r q u a l i f i z i e r u n g d e r v e r b a l e n A u s e i n andersetzung gegenüber d e r „ e c h t e n " S t a a t e n p r a x i s , also d e r e n realem V e r h a l t e n i n k o n k r e t e n Situationen, w ä r e n u r berechtigt, w e n n m a n nach d e r h i e r v e r t r e t e n e n A u f f a s s u n g V ö l k e r r e c h t m i t d e m e r r e i c h t e n 71 Die Verhandlungen zur Definition der Aggression galten erklärter Maßen der lex lata u n d nicht zukünftigem Recht oder bloß politischen Ordnungsvorstellungen. 72 Concept of Custom, S. 74: „The simplest objective v i e w of opinio iuris is a requirement that an objective claim of international legality be articulated i n advance of or concurrently w i t h , the act w h i c h w i l l constitute the quantitative elements of custom." 73 (Anm. 13), S. 77 ff., 258 ff., der davon ausgeht, daß „ f ü r die Entstehung u n d den Umfang rechtlicher Bindung der objektive Sinn von Erklärungen entscheidend ist, das, was die Allgemeinheit, der vernünftige Verkehrsteilnehmer aus dem äußeren Verhalten e n t n i m m t " (S. 258) u n d daraus folgert, daß „nicht die . . . Motivation des handelnden Staates f ü r die Anerkennung einer Übung als Recht entscheidend sein kann, sondern das gerechtfertigte Vertrauen anderer Staaten . . . i n die Konstanz fremden Verhaltens i n rechtlich relevanten Handlungsbereichen" (S. 259). (Hervorhebungen v o m V e r fasser.) 74 (Anm. 18), S. 38 ff. unter Modifizierung des McDougal'schen „ m u t u a l claims and tolerances" Modell, allerdings unter der Betonung, daß es sich bei den Rechtsbehauptungen zunächst n u r u m A k t e der „opinio iuris pro futuro " handele, denen eine normbestätigende Ü b u n g folgen müsse (S. 42). Ä h n l i c h — aber vorsichtiger — Bernhardt (Anm. 31), S. 64, nach dem nur im Regelfall eine Praxis hinzutreten muß, die m i t der behaupteten N o r m übereinstimmt. 75 The Subjective Element i n the Formation of Customary International L a w und Customary International L a w , der unter Zugrundelegung der K a t e gorisierung von Hart, Concept of L a w , „fact-created" u n d „law-created rules" unterscheidet u n d die Völkergewohnheitsrechtsentstehung der letzten Kategorie zuweist, die m i t „deliberate legislative intention" betrieben werde (Customary International L a w , S. 97: „ B u t w h a t is involved may be, not a belief that the practice is already legally binding, b u t a claim that i t ought to be legally binding."). 76 Siehe Simma u n d Bernhardt (Anm. 74).

Β . Langfristige Völkerrechtswirkung: Völkergewohnheitsrecht

305

Konsens identifizieren würde oder gar seine jeweilige Nichtexistenz m i t den gebliebenen Dissensen erklären würde. Davon kann jedoch keine Rede sein: Die Feststellung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts w i r d auch unter Zugrundelegung der hier für richtig gehaltenen Theorie immer eine Interpretation aller zugänglichen und damit auswertbaren Akte und Dokumente des außenpolitischen Verhaltens der Staaten 77 sein 78 , so daß gar nicht die Gefahr besteht, die Verhandlungen i n den Vereinten Nationen überzubewerten und damit ihre Funktion zu verzerren 79 . Sie sollten aber auch nicht unterbewertet werden! Dies geschieht jedoch, wenn man sie immer nur als Vorstufe der eigentlichen Rechtswerdung qualifiziert, was weder m i t der wachsenden Institutionalisierung der Weltgesellschaft noch m i t dem oben skizzierten Funktionswandel des Völkerrechts i n einer antagonistischen Welt i n Übereinstimmung gebracht werden kann 8 0 . Das unmittelbare, universelle Zusammentreffen der Staaten i n den Vereinten Nationen reichert somit permanent die Substanz an, aus der Völkergewohnheitsrecht entsteht 81 , ohne daß damit über seinen Anteil etwas gesagt wäre. Jedoch w i r d man dort, wo die Verhandlungen materiellen 82 Konsens hervorgebracht haben, und keine abweichende Staatenpraxis nach der Annahme der Definition seine Tragfähigkeit i n Zweifel zieht, diesen „Konsens der letzten Stunde" als gegenwärtig wichtigsten Faktor zur Feststellung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts ansehen dürfen, der zurückliegende Staatenpraxis i n der Regel verdrängt und zumindest die Vermutung begründet, die gegenwärtige Rechtsüberzeugung widerzuspiegeln. Von gebliebenen Dissen77 Dieses spielt sich aber gerade i n wichtigen Bereichen („crisis management", Rüstungskontrolle etc.) nicht immer vor allen Augen ab, so daß Völkerrechtswissenschaft stets etwas Spekulatives an sich haben w i r d ! 78 Auch bei der Interpretation „realer" Staatenpraxis ist das nicht anders. 79 So aber die Spielarten v o m „hot house" oder „pressure cooked customary l a w " , siehe oben, Einleitung, 2. Abschnitt, A n m . 30. 80 Wenn es richtig ist, daß die Bindungsfunktion des Völkerrechts w e i t gehend zugunsten seiner kognitiven W i r k u n g e n i n den H i n t e r g r u n d t r i t t , so ist es n u r konsequent, bei der Beantwortung der Frage, von welchem Zeitp u n k t an die Genese eines Rechtssatzes zu beobachten ist, weniger auf A n sätze der formellen Verbindlichmachung denn auf die Vereinbarung von erwartungsstabilisierenden Strukturen abzustellen. Siehe auch die Hinweise Miehslers (Anm. 43), S. 41 ff., auf Autoren, die i n ihren Ansätzen „eine scharfe Unterscheidung zwischen Rechtserzeugung i m formellen Sinne und der Anerkennung von neuen Regeln des Völkerrechts" (S. 41) zumindest i n Frage stellen. 81 N u r so läßt es sich auch erklären, daß der I G H die Resolutionen I n t e r nationaler Organisationen als selbständige Erkenntnisquellen zur Feststell u n g des Völkerrechts heranzieht. Siehe Nachweise bei J. P. Müller (Anm. 13) S. 244 ff. 82 I m Gegensatz zur formalen „Scheineinigung" über eine bloße Formel bei mehr oder weniger weiterbestehenden Meinungsverschiedenheiten.

20 B r u h a

306

II.

. Abschn. :

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

sen w i r d man das allerdings nicht ähnlich behaupten können, da es immer leichter ist, sich unter Beharrung auf die jeweiligen Extrempositionen ohne Einigung wieder zu trennen denn wohlüberlegt an der Ausbalancierung eines Konsenses mitzuwirken. I m Fall der gebliebenen Meinungsverschiedenheiten fehlt es m i t anderen Worten am Faktor der Gewissenhaftigkeit, doch w i r d man auch dies nicht verallgemeinern können. I I I . Die Gewichtung der einzelnen Elemente

Muß demnach für eine endgültige Beantwortung der Frage, ob und wo der Konsensbildungsprozeß zur Definition der Aggression rechtsgestaltend tätig war, eine umfassende „horizontale" und „vertikale" Analyse 8 3 aller relevanten Erkenntnisquellen vorgenommen werden — was diese Untersuchung nicht leisten w i l l 8 4 — so bleibt nur noch dazu Stellung zu nehmen, ob man innerhalb des Konsensbildungsverlaufs die einzelnen Elemente auf ihre Gewohnheitsrecht bildende Potenz hin gewichten kann. 1. Kriterien

der Gewichtung

Hierzu ist noch einmal genauer auf den Entstehungsvorgang des Völkergewohnheitsrechts einzugehen, der oben — und für den dortigen Zweck ausreichend — als ein kontinuierlicher Prozeß der zunehmenden Stabilisierung von Erwartungsstrukturen bezeichnet wurde, i n diesem Fall anknüpfend an Rechtsbehauptungen. Genügte diese Feststellung, um das Element der „opinio iuris sive necessitatis" i m Bereich konsenserzeugter Normen des Völkergewohnheitsrechts zu deuten, so ist sie für die an dieser Stelle aufgeworfene Frage noch zu allgemein. Denn nun geht es darum, i n Konkretisierung der zuvor getroffenen Feststellung aufzuzeigen, welches i m einzelnen die Faktoren sind, die (mehr oder weniger) Anhaltspunkte für die Reduzierung von Verhaltensweisen, -deutungen und -erwartungen liefern. Auch insoweit kann wiederum nur ein empirisch-soziologischer Erklärungsansatz hilfreich sein, der die Gesetzmäßigkeiten des hier analysierten Kommunikationsprozesses i n einem wenig normativ-effektiven Völkerrecht zum Ausgangspunkt nimmt. Damit bieten sich zwangsläufig die Untersuchungen Simmas und J. P. Müllers an, die, vom selben sozialen Befund ausgehend, zum einen das Reziprozitäts-(Gegenseitigkeits)element, zum anderen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zur Erklärung (auch) der Völkergewohnheitsrechtsentstehung zur Dis83 84

Begriffsbildung nach Arangio-Ruiz, Siehe schon die Vorbemerkung.

Normative Role, S. 523 ff.

Β . Langfristige Völkerrechts W i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

307

kussion stellen 85 . Dabei bringt Simma das mehr pragmatische, J. P. Müller das mehr normative Element ein 8 6 , die sich somit nicht ausschließen, sondern nebeneinander als Mikrozellen der Gewohnheitsrechtsbildung angesehen werden können. Gemeinsam ist ihnen, aufbauend auf dem „mutual claims and tolerances" Modell McDougals 87 , daß Kommunikationsprozesse der hier untersuchten A r t erwartungsgesteuert und erwartungsbildend zugleich sind, wobei Simma sich eher dem ersten, J. P. Müller eher dem zweiten Aspekt widmet. Was die Theorie Simmas betrifft, so ist diese derart konsequent aus den übereinstimmenden Ergebnissen anthropologischer, soziologischer und sozialpsychologischer Forschung abgeleitet 88 , daß ihr nichts mehr hinzuzufügen ist. Dies t r i f f t zunächst für die Ausgangsthese zu, wonach die Reziprozität Grundprinzip menschlichen Handelns überhaupt sei und als der wichtigste Leitsatz primitiver Gesellschaften fungiere 89 . Dabei sieht Simma es i m Anschluß an Schelsky 90 als Wesensmerkmal primitiver Gesellschaften an, daß es ihnen an einem „übermächtigen Dritten" mangelt, der „institutionell entlastend" als „Garantiefaktor für die Erfüllung gegenseitiger Verpflichtungen" w i r k t 9 1 — und findet dieses Defizit i m (insoweit) wenig entwickelten Völkerrecht bestätigt 92 . Als negativen Extremfall erwähnt er dabei ausdrücklich das Gewaltverbot der UN-Charta 9 3 , i n dessen Bereich Gewohnheitsrecht folglich i n beson85 Simma (Anm. 18) u n d Reziprozitätselement (Verträge); Müller (Anm. 13). Die Herausstellung dieser beiden Autoren soll nicht vergessen lassen, daß sie selbst sich auf eine stattliche Reihe fremder Untersuchungen stützen, die ebenso erwähnenswert wären (etwa Virally, Principe de réciprocité) w i e jene, die vergleichbare Ansätze verfolgen (etwa Günther, Völkergewohnheitsrecht). Die Arbeiten Müllers u n d Simmas sind jedoch theoretisch am aufwendigsten begründet u n d offerieren die größte Untersuchungsbreite, so daß sie inzwischen als grundlegend angesehen werden dürfen. 86 Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, S. 63. 87 Siehe A n m . 74. 88 Vgl. Simma (Anm. 18), S. 13. 89 Simma, Reziprozitätselement (Verträge), S. 17 ff., 19 ff. 90 Rechtssoziologie, S. 73. 91 (Anm. 89), S. 18 f. 92 (Anm. 89), S. 20, indem er unter Berufung auf Masters, W o r l d Politics as a P r i m i t i v e Political System (1964) auf vier Erscheinungen abstellt: 1. Keine institutionalisierte Rechtsprechung u n d Vollstreckung; 2. Durchsetzung von Rechtsansprüchen u n d Selbsthilfe m i t Gewalt; 3. Anstelle zentraler Gesetzgebung „the derivation of l a w and moral obligations either from custom or from explicit, particular bargaining relationships; 4. A predominant organizational principle which establishes political units serving many functions i n the overall social system". 93 (Anm. 89), S. 143.

20•

308 derer

II. Weise

. Abschn. :

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

reziprozitätsgesteuert

entsteht,

wie

er

es

wie

folgt

beschreibt94: „Die Gegenseitigkeit i m einmal geltenden Gewohnheitsrecht bzw. i n der diesem Gewohnheitsrecht entsprechenden bilateralen oder multilateralen Praxis w i r d von den am Rechtserzeugungsvorgang bewußt oder unbewußt beteiligten Staaten antizipiert. Der psychologische Faktor der Gegenseitigkeitserwartung bildet damit eine M o t i v a t i o n staatlichen Verhaltens . . . Der Staat, der durch sein Verhalten den Anspruch auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen anderer Völkerrechtssubjekte f o r m u l i e r t ' , muß i n diesen Fällen damit rechnen, daß der gleiche Anspruch seitens der Betroffenen auch gegen i h n geltend gemacht w i r d , daß er also möglicherweise den ,acte initial· eines Rechtserzeugungsverfahrens setzen könnte. E r antizipiert die negative Gegenseitigkeit . . . Das so konstruierte Einverständnis des i n i tiierenden Staates ist . . . deswegen essentiell, w e i l i m m e r n u r die gegenseitige Anerkennung eines Anspruchs (reciprocal claims and tolerances) zur B i l d u n g von Gewohnheitsrecht führen kann . . . F ü r die Gewohnheitsrechtsbildung ausschlaggebend sind jedoch weniger die Erwägungen u n d Entscheidungen des den ,acte initial· setzenden als diejenigen der Staaten, die von dem darin verkörperten Anspruch betroffen werden, w e i l es j a letztlich von deren Reaktion abhängt, ob sich an das Präzedenzverhalten je neues Gewohnheitsrecht knüpfen w i r d oder nicht." Schon diese Passagen zeigen, daß es w i e d e r u m a u f I n t e r e s s e n 9 5 a n k o m m t . D e n n w e n n e i n „ a c t e i n i t i a l " g l e i c h f ö r m i g e R e a k t i o n der A d r e s saten a n t i z i p i e r t , k a n n n u r solche einseitige P r a x i s g e w o h n h e i t s r e c h t s b i l d e n d w i r k e n , die v o n d e n a n d e r e n S t a a t e n als auch i n i h r e m I n t e r esse l i e g e n d „ m i t g e m a c h t " w i r d 9 6 . D i e v ö l k e r g e w o h n h e i t s r e c h t s b i l d e n d e Potenz der e i n z e l n e n A k t e des Konsensbildungsprozesses z u r D e f i n i t i o n d e r A g g r e s s i o n l ä ß t sich d a m i t also n u r m i t t e l s e i n e r Interessenanalyse prognostisch b e s t i m m e n , e i n U n t e r f a n g e n , das h i e r nicht abschließend i n A n g r i f f g e n o m m e n w e r d e n s o l l t e 9 7 . U n m i t t e l b a r m i t der o b e n e r k a n n t e n F u n k t i o n des Rechts als eines I n s t r u m e n t a r i u m s z u r E r f ü l l u n g des G e m e i n s c h a f t s z w e c k s 9 8 h ä n g t es zusammen, daß auch das Vertrauensschutzprinzip bei der Mikroanalyse 94

(Anm. 18), S. 51 ff. Siehe schon oben, Vorbemerkung, A n m . 23. 96 Siehe Simma (Anm. 18), S. 54 f.: „Bedingung dafür ist, daß die den ,Anspruch' konstituierende Verhaltensweise des Staates, der das Rechtserzeugungsverfahren einleitet, abstrakt oder konkret auch i m Interesse der davon betroffenen Staaten liegt; m i t anderen Worten: daß diese ihrerseits daran interessiert sind, die i m Präzedenzverhalten liegende Forderung auf ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen früher oder später geltend zu machen. Ist diese Voraussetzung — ein identisches bzw. paralleles Interesse — gegeben, so werden die reagierenden Staaten nämlich i n vielen Fällen der Aufforderung, ihre bisher gegebene Handlungsfreiheit zu beschränken, i n der E r w a r t u n g u n d unter der ausdrücklichen oder impliziten Voraussetzung nachkommen, ihrerseits ,bei Bedarf' die gleiche Behandlung fordern zu können." 97 Vgl. Vorbemerkung, Text zu Anm. 22 ff. 98 Text zu A n m . 33 ff. 05

Β . Langfristige Völkerrechtswirkung : Völkergewohnheitsrecht

309

der Gewohnheitsrechtsentstehung Berücksichtigung finden muß. Denn das Element der Gegenseitigkeit knüpft nur an den Egoismus staatlicher Selbstbehauptung an und läßt so die gemeinschaftsbezogene Komponente zumindest theoretisch unberücksichtigt. Dennoch werden i m Ergebnis die aus der Warte des Vertrauensprinzips gewonnenen Elemente der Gewohnheitsrechtsentstehung in der Regel auch die sein, die m i t Hilfe „antizipierter Gegenseitigkeitserwartungen" als gewohnheitsmotivierend erkannt worden sind: Das hängt damit zusammen, daß auch J. P. Müller bei der Frage, welche Erwartungen schützenswert sind, die aus dem Prozeß von „mutual claims and tolerances" hervorgehen", ausschließlich auf Interessen zurückgreift. Ob nämlich ein Interesse, auf das sich eine Erwartung bezieht, schutzwürdig erscheint, ist für ihn kein Anlaß, sich irgendeiner vorgefundenen Norm zu unterwerfen 1 0 0 , sondern „immer auch eine Frage seiner Vereinbarkeit m i t den Interessen anderer Rechtssubjekte und der Rechtsgemeinschaft überhaupt" 1 0 1 . Das heißt also, daß i n der Regel — wie unter dem Fragezeichen der Gegenseitigkeitserwartungen — zu prüfen ist, ob es den Interessen anderer Staaten entspräche, sich der beginnenden Übung anzuschließen oder zu protestieren, was zumeist beides der Fall sein w i r d 1 0 2 . A l l e i n die Interessen der Rechtsgemeinschaft könnten Vertrauensinteressen „höherer Rationalität und Legitimität" einfließen lassen, die gerade i m Bereich des Gewaltverbots zum Tragen kommen könnten 1 0 3 . Für den größten Teil der Fälle ist das Vertrauensschutzprinzip jedoch nur eine Variante der Gegenseitigkeitstheorie, wenn es auch über das Völkergewohnheitsrecht hinaus interessante Fragestellungen eigener A r t eröffnet. K r i t e r i u m der gewohnheitsrechtsbildenden Potenz der Elemente des Konsensbildungsprozesses sind somit die Interessen der Staatengemeinschaft, wobei mangels eines kaum entwickelten Gemeinschaftssinns die Partikularinteressen den Ausschlag geben. 99 J. P. Müller, (Anm. 13), S. 259, erklärt das allmähliche Verbindlichwerden eines gleichförmigen Verhaltens damit, daß „berechtigte Erwartungen der i n ihrer Interessensphäre betroffenen Rechtssubjekte oder der weiteren Rechtsgemeinschaft entstehen, das zukünftige Verhalten werde der gewohnten U n i f o r m i t ä t folgen". 100 (Anm. 13), S. 103. 101 (Anm. 13), S. 89. 102 Exemplarisch ist das Seerecht! Die Hinausschiebung der territorialen Souveränität der Küstenstaaten ins ehemals (immer noch?) freie Meer entspricht dem erklärten Interesse eines Teils der Staaten (Küstenstaatengruppe, Entwicklungsländer) i n demselben Maße w i e es denen der B i n n e n u n d Industriestaaten widerspricht. 103 Dazu unten, Text zu A n m . 123 f.

310

II.

. Abschn. :

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

2. Die Wirkung von Konsensen Indikator für die Prognose, ob ein bestimmtes Verhalten kraft übereinstimmender Interessen vermutlich fortgesetzt und sich so zu Völkergewohnheitsrecht verdichten wird, kann i m Rahmen dieser Untersuchung nur der Konsensbildungsverlauf selbst sein, wiewohl eine umfassende Interessenanalyse m i t dem Instrumentarium der politischen Wissenschaften erst fundierten Beweis erbringen könnte 1 0 4 . Deshalb geht es auch hier mehr um Kategorisierungen, bzw. Formulierung von Fragestellungen denn definitive Aussagen. So besehen ist es offensichtlich, daß die gewohnheitsrechtsbildende Potenz dort am größten ist, wo Konsens zu verzeichnen war, was eigentlich selbstverständlich ist. Jedoch beginnt eine ausbauungsfähigere Überlegung m i t der Differenzierung. Stellt man nämlich auf die oben dargestellten Theorien von Simma und J. P. Müller ab, so w i r d ersichtlich, daß m i t der Bezeichnung Konsens ein noch zu grobes K r i terium zum Maßstab erhoben wurde. Denn, worauf es ja ankommt, ist doch, ob konkret Wiederholung oder „Ins Werk Setzen" von Konsensen aus Gegenseitigkeits- oder Vertrauensschutzerwägungen zu erwarten sind, was je nach der Qualität des Konsenses zu unterschiedlichen Prognosen führen muß. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Konsens auf realisierende und konkretisierende Wiederholung angelegt ist, oder ob er, i m Gegensatz dazu, mehr eine Einigung auf abstrakt-theoretischem Niveau darstellt, die, mag sie auch i n jeder Hinsicht widerspruchslos akzeptiert worden sein, allein nicht „fortsetzungsfähig" ist 1 0 5 . So besehen sind real-konkrete selbständige Konsense von solchen zu unterscheiden, die mehr der Vereinbarung eines abstrakt-theoretischen unselbständigen Konzepts dienen, unselbständig deshalb, weil Folgevereinbarungen notwendig sind, u m das Konzept überhaupt „ins Werk zu setzen". Auch hier sind jedoch die Grenzen fließend. I n den wenigsten Fällen lassen sich die Ergebnisse der Konsensbildung eindeutig der einen oder anderen Kategorie zuordnen, meistens sind beide Elemente miteinander verwoben. A m deutlichsten dürfte dies bei A r t . 7 geworden sein soweit es um die universelle Akzeptierung des Selbstbestimmungsprinzips als Recht geht. Als selbständigen Konsens w i r d man die Vereinbarung i m Wesentlichen nur hinsichtlich ihrer negativen Aussagebedeutung werten 104

(Anm. 97). Siehe auch die parallelen Äußerungen Abi-Saabs , Résolutions, S. 10, zur W i r k u n g von Resolutionen: „Cet effet dépend du contenu de la résolution. I l ne suffit pas que la résolution reflète u n certain degré d'accord général, mais cet accord doit porter sur u n objet suffisamment concrète pour avoir u n sens juridique." 105

Β . Langfristige V ö l k e r r e c h t s i r k u n g : Völkergewohnheitsrecht

311

dürfen, nämlich als Prononcierung eines Verbots, selbstbestimmungsfeindliche Politik m i t der Behauptung zu verteidigen, es gebe keinen Völkerrechtssatz, der derartiges verbiete. I n positiver Sicht, also i n der Frage, welchen Völkern konkret das Recht zustehe und auf welche Weise es durchgesetzt werden könne, überwiegt der unselbständige Konsens, bzw. geht dieser nahtlos i n den Bereich der Dissense über. A l lenfalls die ausdrückliche Erwähnung kolonialabhängiger V ö l k e r 1 0 6 als Träger des Selbstbestimmungsrechts und der allgemeine Konsens, unter Rassismus vor allem „Apartheid-Politik" zu verstehen 107 , sind tragfähige Aussagen einer selbständigen Gewohnheitsrechtsentwicklung, die m i t keinen gewichtigen Interessen der Staatenmehrheit und ihrer einflußreichsten Vertreter kollidieren 1 0 8 . I m übrigen bleibt die Einigung im (abstrakt-theoretisch) Programmatischen stecken, bzw. stellt sich als reiner „Formelkompromiß" — und damit als Dissens — heraus. Die wenigen Fälle eindeutig selbständiger und nichtselbständiger Konsense sind dagegen schnell genannt: zur ersten Kategorie zählen die Beschränkung des Aggressionsbegriffs auf rechtswidrige Gewalt, die Vereinbarung, daß diese begangen sein muß, also nicht noch aussteht (Drohung, Kriegserklärung), sowie die Regeltypen Invasion, A n griff, Bombardierung und Seeblockade, bei denen auch i m einzelnen wenig streitig blieb, und die sich insofern von den anderen Unterfällen unterscheiden. Die zweite Kategorie bildet m i t den übrigen Fällen des Art. 3 vor allem die Qualifizierung der Aggression als Verbrechen und die Anerkennungsproblematik, weil hiermit „so gut wie noch gar nichts in Bewegung gesetzt wurde", während die unselbständigen Konsense des A r t . 3, vor allem Ziffern (f) und (g), zumindest dem Prinzip nach neue Zurechnungstatbestände geschaffen haben, wenn auch der Dissens eindeutig überwiegt, und nicht mehr als eine abstrakt-theoretische Einigung zurückläßt. 3. Die Wirkung

von Dissensen

Angesichts der wenigen Übereinstimmungen, die der Konsensbildungsprozeß hervorgebracht hat, stellt sich die Frage nach der langfristigen Wirkung offengebliebener oder gar vertiefter Dissense noch dringlicher, zumal hier die „großen Interessengegensätze" angesprochen sind. I n dreierlei Hinsicht stellt sich die Problematik der Wirkung von Dissensen prinzipiell anders als dies bei den Konsensen der Fall war.

10e

I m Sinne der „Unabhängigkeitsdeklaration" 1514 (XV). Siehe das Ergebnis der Konsensbildung zur Regelung erlaubter Gewalt. 108 v o r Beginn der Dekolonisierungsphase der sechziger Jahre hätte das anders ausgesehen! 107

312

II.

. Abschn.:

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

Zunächst folgt aus der „Bargaining"-Struktur 1 0 9 des Konsensusverfahrens, daß jeweils genau zu untersuchen ist, ob es sich bei Dissensen wirklich um „Dissense der letzten Stunde" handelt, also solche, die m i t den Attributen der Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit versehen überhaupt Erwartungen auslösen können 110 und damit von vergleichsweise stabiler Existenz sind. Eindeutige Maximalforderungen, gestellt aus verhandlungstaktischen Gründen, nebenbei gefallene Bemerkungen und sonstige Aussagen, die offensichtlich keine Wirkung über den Konsensbildungsprozeß hinaus haben sollen, wären von jenen manifestierten Dissensen zu unterscheiden. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß den Beteiligten der Verhandlungen die formalen Differenzierungsmöglichkeiten des Konsensusverfahrens vertraut sind 1 1 1 , so daß i n der Regel erwartungsbildend und damit potentiell rechtsverändernd nur die relativ formalisierten Dissense sind, also solche, die durch Stimmerklärungen bekanntgemacht und für endgültig e r k l ä r t 1 1 2 wor113 den sind . Jedoch, sieht man wie hier als Keimzelle der Völkergewohnheitsrechtsentstehung die Prononcierung von Rechtsbehauptungen an, die nicht unbedingt von Rechtsüberzeugungen de lege lata begleitet sein müssen, so kann der Prozeß der Abänderung geltenden Völkerrechts i m Wege der Erklärung widerstreitender Rechtsbehauptungen (Dissense) ansonsten nicht grundsätzlich anders beurteilt werden als der auf Konsens basierende Vorgang des Völkerrechtsbegehrens 114. Der Unterschied besteht allein darin, daß i m ersten Fall zunächst nur die „negative Saat verstreut w i r d " , die früheren Konsens zerstören, bzw. dessen Nichtmehrbestehen deutlich machen kann, während i m Falle konsensualer Elemente bereits der Kern einer neuen Einigung gesetzt und so die Konsolidierung einer neuen Norm des Völkerrechts weiter fortgeschritten ist. Daraus folgt aber zugleich, daß die Verkündung einer „opinio iuris négative" 1 1 5 allein nicht geeignet ist, bestehendes Völkerrecht zu vernichten 1 1 6 . Rechtsnormativ besehen sind Dissense vor dem Hintergrund bestehenden (wenn auch inhaltlich umstrittenen) Völkerrechts Angebote zur Kündigung alten und Vereinbarung neuen Rechts, 109

Siehe dazu den entsprechenden Gliederungspunkt i m Ersten Teil. Siehe J. P. Müller, oben, A n m . 99. 111 Siehe Erster Teil, 3. Abschnitt, D. 112 A u f den konkreten Verhandlungsverlauf bezogen. 118 Siehe hierzu die vorstehende Analyse des Konsensbildungsprozesses, insbesondere die jeweiligen Zusammenfassungen. 114 Siehe auch Simma (Anm. 18), S. 43 f. 115 So die von Suy, Les actes juridiques unilatéraux, S. 263, gewählte Formulierung. 116 Siehe zur Ablehnung einer extremen Willenstheorie (Selbstverpflichtungslehre) schon oben, T e x t zu A n m . 29. 110

Β . Langfristige Völkerrechts Wirkung : Völkergewohnheitsrecht

313

nicht aber die wirksame Aufkündigung selbst. Jedoch sind auch sie Akte des Völkerrechtsbegehrens und als solche geeignet, den Normenbestand des Völkerrechts „ i n Bewegung zu setzen" 117 . I n zweiter Linie ist zu bedenken, daß sich auch i m Bereich erkannter Dissense auf Konsens basierende gewohnheitsrechtsbildende Elemente verbergen können, nur eben nicht solche, die den K e i m der universellen Anerkennung i n sich tragen, sondern nur von einem begrenzten Kreis der Staaten akzeptiert werden. Derartige — die Entstehung partikulären Gewohnheitsrechts 118 förderliche Praxis — ist vor allem dort zu erkennen, wo mehrere Staaten eine bestimmte völkerrechtliche Position bezogen haben, die sich verselbständigen kann, auch ohne daß die dissentierende Gegenseite nachgibt. Begrenzte Wirkungen dieser A r t könnten sich etwa unter jenen Staaten entfalten, die für weitgehende Rechte der Küstenstaaten an der ehemals Hohen See votierten 1 1 9 . Denn entsprechend der Prämisse Simmas muß ja die Beanspruchung eigener Begünstigung zugleich auch vom impliziten Angebot begleitet sein, diese i m Ausgleich anderen Staaten zu gewähren 1 2 0 . I m ausschließlichen Verhältnis dieser Staaten zueinander könnte daher Völkergewohnheitsrecht entstehen 121 , ohne daß widersprechende Staaten damit gezwungen wären, diesen partikulär respektierten Status zu akzeptieren 1 2 2 . Dagegen können Dissenspositionen, deren Realisierung von der freiwilligen oder gewaltsamen Duldung der Gegenseite abhängt, nicht ohne weiteres m i t dem K e i m partikulären Gewohnheitsrechts identifiziert werden. Träfe dies zu, so gäbe es gerade i m Bereich des Gewaltverbots i m Wesentlichen nur „feindliches" partikuläres Gewohnheitsrecht und damit i m Widerspruch zur universellen Basis des Gewaltverbotsprin117

Siehe Vorbemerkung, A n m . 14. Dazu Berber (Anm. 23), S. 51 ff. 110 Siehe die Darstellung des Konsensbildungsverlaufs zu A r t . 3 Ziffer d. 120 „Positive Reziprozität". Dazu Simma (Anm. 89), S. 48. (Siehe auch oben, Text zu A n m . 94.) 121 Daß es dabei nicht auf die räumliche Nähe der Staaten ankommt, die einer bestimmten Praxis folgen, hat überzeugend Bleckmann, Völkergewohnheitsrecht, S. 399 ff. dargelegt. Danach ist die geographische Nachbarschaft n u r als ehemals ausschließliche Gewährleistung einer gewissen Gruppenhomogenität (ähnliches Rechts- u n d Wertsystem) zu verstehen, die sich angesichts der veränderten Qualität der weltweiten I n t e r a k t i o n (u. a. „ W e l t bühne" UNO) inzwischen über geographische Räume hinweg entwickeln k a n n (sozialistische Staaten, „Gruppe der 77", westliche Industriestaaten etc.), so daß auch unter Zugrundelegung der Homogenitätsprämisse partikuläres, nicht unbedingt regionales, Gewohnheitsrecht entstehen kann. D a r über hinaus ist Homogenität verschiedener Systeme immer n u r eine relative Größe u n d sollte hier bereits darin gesehen werden dürfen, daß unter bestimmten Staaten eine gemeinsame völkerrechtliche Auffassung vertreten w i r d (Bleckmann, S. 403, ders. auch Aufgaben einer Methodenlehre, S. 21 f.). 122 Berber (Anm. 23), S. 52. 118

314

II.

. Abschn.:

e u u n g des Konsensbildungsprozesses

zips kein gemeinsames — wenn inhaltlich auch umstrittenes — Völkerrecht mehr. Unvereinbare Positionen, wie sie sich insbesondere i m Bereich der Selbstbestimmungsproblematik aufgetan haben, sind daher allein daraufhin zu untersuchen, ob sich Anzeichen dafür entdecken lassen, welche Interessen sich langfristig durchsetzen werden, wobei die jeweilige Unterstützung durch die Staaten i n quantitativer und qualitativer Sicht zu wägen ist. Insbesondere i n der Frage aber, ob es i n Zukunft ein anerkanntes Hecht auf „nationale Befreiungskämpfe" geben wird, w i r d jedoch neben dem massiven Widerstand vor allem der westlichen Welt die These J. P. Müllers zu bedenken sein, daß der Kreis schutzwürdiger Erwartungen nicht nur durch Partikularinteressen, sondern auch durch das Gesamtinteresse der Rechts g emeinschaft begrenzt w i r d 1 2 3 . Ein absoluter Erlaubnistatbestand, bewaffnete Gewalt zu „guten Zwecken", welche es auch immer sein mögen, einsetzen zu dürfen, mag sich ideologisch oder pragmatisch begründen lassen. Er muß aber über kurz oder lang zum Zerfall der Völkerrechtsgemeinschaft führen, weil er eines ihrer Funktionselemente 124 obsolet macht. C. Potentielle Völkerrechtswirkung: das „Estoppel"-Potential des Konsensbildungsprozesses Vertrauensschutz und antizipierte Gegenseitigkeit stecken auch den Bereich des „Estoppel"-Potentials des Konsensbildungsprozesses ab. Denn nur dort, wo dieser überhaupt schützenswerte Erwartungen auf gleichförmiges Verhalten auslösen kann, können auch Vertrauensschutzsituationen der oben beschriebenen A r t 1 2 5 entstehen. (Daß die Nichtanwendung der Definition durch den Sicherheitsrat allein nicht dazu imstande ist, ist bereits oben 1 2 6 angesprochen worden). I m Unterschied zu möglichen „Estoppel"-Konsequenzen der Definition betrachtet als Organbeschluß der Generalversammlung 127 kann sich eine derart mittelbare Rechtsnormativität des Konsensbildungsprozesses betrachtet als Produkt einer Staatenkonferenz daher überall dort entfalten, wo dieser gewohnheitsrechtsbildende Kräfte freigesetzt hat, also nicht nur i m Ansatzbereich universellen oder allgemeinen, sondern auch 123

Siehe oben, Text zu A n m . 101. Als solches ist oben, Text zu A n m . 38, das Gewaltverbotsprinzip ausdrücklich neben dem materiellen Gemeinschaftselement der Selbstbestimm u n g genannt worden, so daß unter Vertrauensgesichtspunkten eine E n t wicklung unter alleiniger Mißachtung eines der beiden Prinzipien nicht schützenswert ist. 125 Siehe A n m . 40 ff. des vorhergehenden Abschnitts. 126 Text zu A n m . 6 f. 127 Siehe dazu den vorhergehenden Abschnitt. 124

C. Potentielle Völkerrechtswirkung: „Estoppel"-Potential partikulären

315

G e w o h n h e i t s r e c h t s 1 2 8 . I m ü b r i g e n ist a u f die b i s h e r i g e n

Ausführungen zu verweisen.

3.

Abschnitt

Bisherige Anwendung und Nutzung der Definition durch Sicherheitsrat und Generalversammlung, Schlußwort W i r k l i c h entschieden w e r d e n S t e l l e n w e r t u n d B e d e u t u n g der A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n aber l e t z t l i c h d u r c h d i e P r a x i s selbst, die b i s l a n g w e n i g A n z e i c h e n d a f ü r gezeigt h a t , daß d i e D e f i n i t i o n e i n m a l die R o l l e spielen w i r d , die i h r d i e V e r t r e t e r eines w e i t e n D e f i n i t i o n s k o n z e p t s u r s p r ü n g l i c h h a b e n b e i l e g e n w o l l e n . W e d e r d e r S i c h e r h e i t s r a t noch d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g scheinen i n b e m e r k e n s w e r t e r Weise v o n i h r G e b r a u c h gemacht z u haben, a l l e n f a l l s s i n d Ansätze f ü r eine künftige Nutzung z u e r k e n n e n . A . Sicherheitsrat u n d Aggressionsdefinition D e r S i c h e r h e i t s r a t h a t b i s l a n g i n k e i n e m seiner Beschlüsse a u f d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n B e z u g g e n o m m e n u n d dies, o b w o h l e r m e h r f a c h A g g r e s s i o n e n gemäß A r t . 39 S V N oder sonstige A k t e b e w a f f n e t e r G e w a l t festgestellt h a t 1 . So z u m ersten M a l a m 31. M ä r z 1976, als Südafrika der Aggression gegenüber Angola b e z i c h t i g t w u r d e , die R e s o l u t i o n 387 (1976) 2 j e d o c h 128

E i n Beispielsfall läßt sich anhand des A r t . 5 Abs. 3 konstruieren: Diejenigen Staaten, die die Auffassung vertreten haben, daß das Nichtanerkennungsgebot aggressionsbedingter Vorteile, insbesondere territorialer Gewinne, n u r soweit geht, w i e die bloße rechtliche Anerkennung i n Frage steht (siehe oben, S. 209), könnten „ v i a estoppel" gehindert sein, m i t Wirtschaftssanktionen zu antworten, w e n n ein L a n d ihrer Gruppe wirtschaftliche K o n takte m i t einem Aggressorstaat unterhält, was sie i n genereller Weise zuvor j a nicht als Verstoß gegen A r t . 5 Abs. 3 angesehen hatten. Dagegen dürfte zugunsten jener Staaten, die auch die faktische Anerkennung durch (bspw.) Wirtschaftskontakte als Verletzung des A r t . 5 Abs. 3 postuliert hatten, k a u m ein entsprechendes Vertrauen aufgebaut werden, daß, w e n n sie selber ihrer erklärten M a x i m e zuwiderhandeln, sie seitens der Gegenseite sanktionslos bleiben, w e i l es insoweit an der Gegenseitigkeit fehlt (insbesondere w e n n sie zuvor i n anderen Situationen selbst m i t Sanktionen geantwortet hatten). 1 Ohne weitere Anhaltspunkte k a n n auch nicht gesagt werden, daß die Beschlußfreudigkeit des Rates u. a. auch auf die Existenz der Definition zurückzuführen ist (zweifelhaft angesichts der zahlreichen „Formelkompromisse"), noch darf einfach unterstellt werden, daß jede Aggressionsbeschuldigung n u n „bewußt von den Tatbeständen dieser Definition ausgeht" (so aber Klein, Tätigkeit der Vereinten Nationen 1976, S. 390).

316

I I I . 3. Abschn.: Bisherige Anwendung und Nutzung der Definition

m i t keinem Wort auf die Aggressionsdefinition verwies, sondern als rechtliche Basis das Interventions- und Gewaltverbotsprinzip der Charta nannte 3 , jeweils i n der Fassung, die diese durch die „PrinzipienDeklaration" 4 bekommen hatten. Zusätzlich wurde an das „inherent and lawful right of every State, i n the exercise of its sovereignty, to request assistance from any other State or group of States" erinnert 5 , womit i n allgemeinerer Form ausgesprochen wurde, was, beschränkt auf Selbstbestimmungsbewegungen, auch i n A r t . 7 der Definition normiert ist. Weder generell — geschweige denn konkret — ist die (potentielle) Hilfsfunktion der Definition bei der Beschlußfassung daher nach außen getreten 6 , was nur bedeuten kann, daß der Sicherheitsrat sie als eine interne Willensbildungshilfe, nicht aber als einen rechtsnormativen Orientierungsrahmen mit Außenwirkung behandelt wissen w i l l . Auch i m weiteren Verlauf hat sich der Sicherheitsrat an diese Maxime gehalten. So einmal am 14. A p r i l 1977, als er internationale Söldnerangriffe auf Benin 7 als „acts of armed aggression" verurteilte 8 . Dann jedoch vor allem in seinen Entschließungen zu Rhodesien und Südafrika, die wiederholt als Aggressor gebrandmarkt wurden, ohne daß die Definition auch nur erwähnt worden wäre: so i n den Resolutionen 411 (1977)9 und 423 10 , 424 11 (1978), m i t denen Rhodesien 2 Text i n GAOR, X X X I , Suppl. No. 2, „Report of the Security Council". (Die Resolution wurde bei Stimmenthaltungen von Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan u n d den USA m i t 9 Stimmen angenommen. China beteiligte sich — aus Protest gegen die zweifelhafte Rolle der UdSSR u n d Kubas i m K o n f l i k t — überhaupt nicht an der Abstimmung.) 3 Pr. paras. 3 u n d 5. 4 Abs. 1 S. 1 des Prinzips der Nichtintervention u n d Abs. 1 S. 1 des Gewaltverbotsprinzips. 5 Pr. para. 4. 6 I n der Diskussion hatten sich allerdings einige, vor allem blockfreie Staaten auf die Definition bezogen u n d Südafrika, das seine Intervention m i t wirtschaftlichen u n d humanitären Erwägungen zu rechtfertigen suchte (siehe die Äußerungen des Südafrikaners Botha i m Sicherheitsrat, U N Chr. 13/4 [1976], S. 11) A r t . 5 Abs. 1 entgegengehalten. (Nachweise bei Graefrath, Anwendung der Aggressionsdefinition, S. 732 ff.; die Zusammenfassung der Sicherheitsratsdebatten zum „ A n g o l a - K o n f l i k t " — S/PV. 1900 - 1906 — i m U N Chr. S. 5 - 13, 61 - 65, macht dies nicht deutlich.) 7 Siehe dazu auch Klein, Tätigkeit der Vereinten Nationen 1977, S. 214 f. 8 S/Res. 405 (1977), angenommen i m Konsensusverfahren, Text u n d Z u sammenfassung der Debatten S/PV. 2000-2005 i n U N Chr. 14/5 (1977), S. 5 - 17. 9 A m 30. J u n i 1977 einstimmig (unanimously) angenommen. Text der Resolution u n d Zusammenfassung der Debatten i n U N Chr. 14/7 (1977), S. 5 bis 10, 57 - 64. 10 A m 14. März 1978 m i t 10 : 0 :5 Enthaltungen (BRD, Frankreich, Großbritannien, Kanada, USA) angenommen. Text der Resolution u n d Zusammenfassung der Debatten S/PV. 2061 - 2067 i n U N Chr. 15/4 (1978), S. 23 - 32, 81 - 87.

Α. Sicherheitsrat u n d Aggressionsdefinition

317

v o r g e w o r f e n w u r d e , „ a c t s of aggression" gegen Mozambique, Zambia u n d Botswana b e g a n g e n z u h a b e n s o w i e i n d e n R e s o l u t i o n e n 418 (1977) 1 2 u n d 454 (1979) 1 3 , m i t t e l s d e r e r Südafrika w e g e n Aggressionen gegenü b e r Angola v e r u r t e i l t w u r d e . D a r ü b e r h i n a u s ließ d e r S i c h e r h e i t s r a t aber auch i n j e n e n Beschlüssen e i n e n H i n w e i s a u f d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n vermissen, i n d e n e n er z w a r k e i n e Aggressionen, aber doch armed attacks 1*, military attacks 15, armed invasions 16, acts of violence 17 u n d ä h n l i c h e s 1 8 feststellte. I n a l l e n F ä l l e n spielte d i e D e f i n i t i o n auch i n d e n D i s k u s s i o n e n so g u t w i e k e i n e R o l l e 1 9 . E i n w e n i g h ä u f i g e r scheint sie dagegen i n d e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n u m eine m ö g l i c h e V e r u r t e i l u n g Israels w e g e n seiner „ E n t e b b e - A k t i o n " 2 0 11 A m 17. März 1978 einstimmig (unanimously) angenommen. Text der Resolution u n d Zusammenfassung der Debatten S/PV. 2068-2070 i n U N Chr. 15/4 (1978), S. 33 - 41. 12 A m 4. November 1977 einstimmig (unanimously) angenommen. Text der Resolution u n d Zusammenfassung der Debatten i n U N Chr. 14/11 (1977), 5. 5 - 14, 66 - 69, 77 f. 18 V o m 2. November 1979, Abstimmungsergebnis noch nicht bekannt. Nach der „Benin-Resolution" 405 (1977) wurde damit wiederum i m operativen T e i l einer Entschließung der Aggressions vorwurf erhoben (op. paras. 1, 2 u n d 4 der Resolution), bei allen anderen oben genannten Resolutionen w a r hiervon n u r i n den Präambeln die Rede. (Zu beachten ist allerdings, daß i n der „Benin-Resolution" kein bestimmter Staat als Aggressor genannt wurde, was ihren Präzedenzwert erheblich mindert. Vgl. zu den mysteriösen, bislang nicht geklärten Umständen i m Zusammenhang m i t den Vorgängen auf dem Flughafen von Cotonou, Klein [Anm. 7].) 14 So i n der Entschließung 393 (1976) v o m 30. J u l i 1976, Stimmverhältnis 14 : 0 : 1 (USA), Text i n GAOR, X X X I I , Suppl. No. 2 „Report of the Security Council", S. 13, Zusammenfassung der Debatten S/PV. 1944 - 1948 i n U N Chr. 13/8 (1976), S. 5 - 14, 52. (Die Verurteilung Südafrikas wegen eines bewaffneten Angriffs läßt dabei den Rückschluß zu, daß der Sicherheitsrat nicht g e w i l l t ist, die Begriffe armed attack u n d armed aggression gleichzusetzen.) 15 Siehe op. para. 1 von S/Res. 403 (1977) v o m 14. Januar 1977 (Verurteilung Rhodesiens wegen seiner M i l i t ä r a k t i o n e n gegenüber Botswana), Stimmverhältnis 13 : 0 : 2 (Großbritannien, USA), Text u n d Zusammenfassung der Debatten S/PV. 1983 - 1985 i n U N Chr. 14/2 (1977), S. 5 - 15. 16 Siehe op. para. 1 der einstimmig angenommenen S/Res. 428 (1978) v o m 6. M a i 1978 (Verurteilung Südafrikas wegen seiner Invasion gegenüber Angola), Text u n d Zusammenfassung der Debatten S/PV. 2077 - 1078 i n U N Chr. 15/6 (1978), S. 8 - 1 5 ; sowie S/Res. 447 (1979) v o m 28. März 1979 (selber Vorwurf), Stimmverhältnis 12 : 0 :3 (Frankreich, Großbritannien, USA), Text der Resolution u n d Zusammenfassung der Debatten i n U N Chr. 16/4 (1979), S. 29 - 45. 17 Siehe op. para. 1 der S/Res. 450 v o m 14. J u n i 1979, m i t der Israel wegen seiner militärischen Maßnahmen gegenüber dem Libanon verurteilt wurde. Stimmverhältnis 12 : 0 : 2 (Tschechoslowakei, UdSSR), Text der Resolution u n d Zusammenfassung der Debatten i n U N Chr. 16/5 (1979), S. 5 - 11. 18 I n der oben (Anm. 15) erwähnten Resolution ist noch von „acts of harassment, murder, arson, kidnapping" u n d „destruction of property" die Rede (op. para. 1). 19 Siehe etwa den unbedeutenden Hinweis auf die Definition i m Verlauf der Debatten zur Resolution 403 (1977), i n U N Chr. (Anm. 15), S. 9.

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I I I . 3. Abschn.: Bisherige Anwendung und Nutzung der Definition

genannt worden zu sein 21 . So warf der mauretanische Delegierte Israel vor, Aggression i m Sinne des A r t . 1 der Definition begangen zu haben 22 , und auch der Vertreter Panamas bezog sich auf diese Vorschrift, für deren Verletzung Israel keine Hechtfertigungsgründe geltend machen könne, w e i l es nicht Opfer eines bewaffneten Angriffs durch Uganda gewesen sei 28 . Äußerungen wie die des sowjetischen Delegierten, der die behauptete Völkerrechtswidrigkeit allein aus A r t . 2 Ziffer 4 der Charta ableitete 24 , zeigen jedoch, daß die wenigen ausdrücklichen Bezugnahmen keineswegs ausreichen, das Gesamtbild zu ändern, das sich durch eine eher „stiefmütterliche" Berücksichtigung der Aggressionsdefinition i m Sicherheitsrat auszeichnet 25 . B. Generalversammlung und Aggressionsdefinition Auch die Generalversammlung hat zunächst kaum erkennen lassen, daß sie von der Aggressionsdefinition Gebrauch machen w i l l , wie einige wichtige Beschlüsse zeigen, die sie auf dem (von ihr sehr weit interpretierten) Gebiet der Friedenssicherung verkündet hat. Bereits ein Jahr nach Annahme der Resolution 3314 ( X X I X ) hatte sie Gelegenheit, auf die Aggressionsdefinition Bezug zu nehmen, als sie am 10.12.1975 m i t den Resolutionen 3411G 2 6 und 3458 A ( X X X ) 2 7 zur „Südafrika-Frage" und zum „West-Sahara-Konflikt" Stellung nahm und damit Problemkreise ansprach, die auch von der Aggressionsdefinition abgedeckt werden. Ein Verweis unterblieb jedoch. Noch deutlicher wurde der Verzicht, die Aggressionsdefinition durch Rezitierung i n den Kreis der „rechtsnormativ-mandatorisch" formulierten Resolutionen aufzunehmen, ein Jahr später. Denn m i t der Resolution 31/146 20

So auch Klein (Anm. 1). Der Sicherheitsrat debattierte die „Complaint by the Prime Minister of Mauritius, Chairman of the Organization of the A f r i c a n U n i t y , of the ,Act of Aggression' b y Israel against the Republic of Uganda" vom 9. bis 14. J u l i 1976 (A/PV. 1939- 1943), Zusammenfassung der Debatten i n U N Chr. 13/8 (1976), S. 15 - 21, 67 - 76. 22 Siehe U N Chr. 13/8 (1976), S. 17. 23 (Anm. 22), S. 70. 24 (Anm. 22), S. 70. 25 Auch i n dem Resolutionsentwurf Benins, Libyens u n d Tanzanias (S/12139), der eine Verurteilung Israels enthielt, w u r d e n u r auf A r t . 2 Ziffer 4 S V N Bezug genommen, nicht aber auf die Aggressionsdefinition, siehe GAOR, X X X I I , Suppl. No. 2 „Report of the Security Council", S. 36. (Die Unterzeichner verzichteten schließlich auf eine Abstimmung, w e i l sie nicht m i t der erforderlichen Mehrheit rechnen konnten, siehe Klein [Anm. 1], S. 403.) 26 „Situation i n South A f r i c a " (101 :15 :16), T e x t u n d namentliches A b s t i m mungsergebnis i n Y U N 29 (1975), S. 153 f. 27 „Question of Spanish (Western) Sahara" (88 : 0 :41), Text u n d namentliches Abstimmungsergebnis i n Y U N 29 (1975), S. 188 f. 21

Β. Generalversammlung und Aggressionsdefinition

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v o m 20.12. 1976 2 8 w u r d e Südafrika der Aggression 29 und Okkupation 30 bezichtigt, die S i t u a t i o n als Bedrohung des Internationalen Friedens bezeichnet31 u n d zu Gegenmaßnahmen, bis z u m Einsatz bewaffneter G e w a l t 3 2 , a u f g e r u f e n 3 3 . D o c h auch i n dieser e x t e n s i v e n R e s o l u t i o n v o n 14 P r ä a m b e l p a r a g r a p h e n u n d 30 o p e r a t i v e n B e s t i m m u n g e n (!) w a r k e i n P l a t z f ü r eine ausdrückliche E r w ä h n u n g d e r A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n 3 4 , o b w o h l d i e G e n e r a l v e r s a m m l u n g i n d e r e n u r e i g e n s t e m Regelungsbereich t ä t i g g e w o r d e n w a r . K e i n anderes E r g e b n i s erbrachte auch d i e d e r Namibia-Frage gewidm e t e 9. Sondersitzung (24. 4. bis 3. 5. 1978) 3 5 , d e r e n S c h l u ß d e k l a r a t i o n 3 6 z w a r eine V e r u r t e i l u n g S ü d a f r i k a s als Aggressor 37, aber k e i n e n H i n w e i s a u f d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n e n t h i e l t 3 8 . N i c h t anders v e r h i e l t es sich m i t d e n R e s o l u t i o n e n „ Q u e s t i o n of N a m i b i a " der J a h r e 1978 3 9 u n d 1979 4 0 . U n d auch d i e i m m e r w i e d e r k e h r e n d e n „ I m p l e m e n t a t i o n s d e k l a r a t i o n e n " 4 1 , die sich m i t Aggressionen, Interventionen, Okkupationen u n d d e r g l e i c h e n befassen 4 2 , s p a r t e n d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n aus. 28 „Situation i n Namibia resulting from the illegal occupation of the Territory by South A f r i c a " (107 :6 :12), namentliches Abstimmungsergebnis i n U N Chr. 14/1 (1977), S. 28. 29 Pr. para. 10, op. paras. 9, 11 u n d 24. 30 Pr. paras. 8 u n d 10, op. paras. 1, 8, 23 u n d 24. 31 Pr. para. 12. 32 So vor allem op. para. 3: „Supports the armed struggle of the Namibian people, led by the South West Africa People's Organization, to achieve selfdetermination, freedom and national independence i n a united Namibia." (Hervorhebung v o m Verfasser.) 33 Siehe aber auch das Abstimmungsergebnis i n A n m . 28! 34 Bezug genommen wurde neben speziellen „Namibia-Resolutionen" (pr. para. 4) n u r auf die „ G r a n t i n g of Independence"-Deklaration (pr. para. 3). 35 Vgl. dazu Klein, Tätigkeit der Vereinten Nationen 1978, T e x t zu A n m . 70 ff. 36 S-9/2 („Declaration on Namibia and Programme of Action i n Support of Self -Determination and National Independence for Namibia"). Die E r k l ä r u n g wurde m i t 119 Ja-Stimmen bei 21 Enthaltungen (darunter alle damaligen 5 westlichen Sicherheitsratsmitglieder) angenommen. T e x t i n GAOR, A/S-9/13, Suppl. No. 2, Bericht über die Debatten i n U N Chr. 15/6 (1978), S. 5 - 7, 49 - 106. 37 Op. paras. 10 bis 12 (u. a. „act of aggression against the United Nations "!). 38 Dies fällt u m so mehr auf, als die Generalversammlung i n op. para. 35 sogar den Sicherheitsrat aufforderte, Maßnahmen nach K a p i t e l V I I der Satzung zu ergreifen, wobei dieser nach dem W i l l e n der Generalversamml u n g j a gerade die Definition konsultieren sollte! 39 G A Res. 33/182 A , 21.12.1978, Stimmverhältnis 120 : 0 :19 Enthaltungen vor allem der Weststaaten, Text i n GAOR, 33/45, S. 21 ff., Zusammenfassung der Debatten i n U N Chr. 16/1 (1979), S. 5 - 10. 40 G A Res. 33/206, 1. 6.1979, Stimmverhältnis 118 : 0 :16 Enthaltungen vor allem der Weststaaten. Text u n d Zusammenfassung der Debatten i n U N Chr. 16/5 (1979), S. 15 - 21, 209 f. 41 Vgl. zuletzt G A Res. 33/44 (Implementation of the Declaration on the

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I I I . 3. Abschn. : Bisherige Anwendung und Nutzung der Definition

E t w a s anders als b e i d e r Anwendung p r ä s e n t i e r t sich das B i l d b e i d e r Nutzung der D e f i n i t i o n f ü r k ü n f t i g e A r b e i t e n auf dem Gebiet der F o r t e n t w i c k l u n g des V ö l k e r r e c h t s . H i e r h a b e n n a c h j a h r e l a n g e m Z ö g e r n d i e 32. u n d 33. S i t z u n g s p e r i o d e d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g I n i t i a t i v e n h e r v o r g e b r a c h t : A n erster S t e l l e ist die R e s o l u t i o n 33/97 v o m 16. D e z e m b e r 1978 4 3 z u nennen, die u n t e r Hinweis auf die n u n vorliegende D e f i n i t i o n 4 4 den Generalsekretär ersucht, V o r b e r e i t u n g e n f ü r d i e W i e d e r a u f n a h m e d e r A r b e i t e n a n e i n e m „Draft Code of Offences against the Peace and Security of Mankind " z u t r e f f e n 4 5 . W i e e r f o l g v e r s p r e c h e n d das V o r h a b e n s e i n w i r d , d ü r f t e aber w o h l erst die 35. S i t z u n g s p e r i o d e 4 6 v e r r a t e n k ö n n e n 4 7 . A n z w e i t e r Stelle, w e i l ohne v e r g l e i c h b a r e n h i s t o r i s c h e n Bezug, i s t a u f d i e z e i t l i c h f r ü h e r e G e n e r a l v e r s a m m l u n g s r e s o l u t i o n 32/155 v o m 19. D e z e m b e r 1977 ( „ D e c l a r a t i o n o n t h e D e e p e n i n g a n d C o n s o l i d a t i o n of I n t e r n a t i o n a l D é t e n t e " ) 4 8 h i n z u w e i s e n , i n d e r d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n a n h e r v o r r a g e n d e r S t e l l e a u f t a u c h t 4 9 , w i e auch i n d e r R e s o l u t i o n 33/73 v o m 15. D e z e m b e r 1978 ( „ D e c l a r a t i o n o n t h e P r e p a r a t i o n of Societies f o r L i f e i n P e a c e " ) 5 0 . B e i d e s i n d j e d o c h d e m K r e i s d e r äußerst Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples") u n d G A Res. 33/75 („Implementation of the Declaration on the Strengthening of International Security"), beide i n GAOR, 33/45, S. 18 ff., 57 f. 42 Vgl. etwa G A Res. 33/75, op. paras. 5 u n d 9. 43 S t i m m Verhältnis 116 : 0 :23 Enthaltungen vor allem der Weststaaten. Text i n GAOR, 33/45, S. 220, Bericht über die Debatten i n U N Chr. 16/1 (1979), S. 82. 44 Pr. para. 3. Wegen ihres Fehlens waren j a ursprünglich die Arbeiten vertagt worden, vgl. U N Chr. (Anm. 43). 45 Gemäß op. para. 1 soll der Generalsekretär die Mitgliedsstaaten u n d wichtige „international intergovernmental organizations" ersuchen, ihre Stellungnahmen zum Vorhaben bis Ende 1979 abzugeben. 46 Gemäß op. para. 3 soll sie auf deren Tagesordnung stehen. 47 M i t Sicherheit werden die Arbeiten, w e n n überhaupt, n u r „schleppend" beginnen. Insbesondere die USA haben bereits die Ansicht geäußert, daß die Aggressionsdefinition f ü r sie kein Anlaß sei, ihre Bedenken gegen einen solchen Kodex abzubauen. Kanada hält die Bemühungen f ü r verfrüht. Siehe zu beiden U N Chr. 16/1 (1979), S. 82. 48 Text i n GAOR, 32/45, S. 59 f., Bericht über die Debatten i n U N Chr. 15/1 (1978), S. 53. Obwohl die Resolution im Konsens angenommen wurde, distanzierten sich Albanien u n d China hiervon, A l b a n i e n unter Hinweis auf den „Sozial-Imperialismus" der UdSSR, auf deren I n i t i a t i v e die Resolut i o n zurückgeht (UN Chr. ebd.). 49 Pr. para. 2: „Recalling the Declaration on Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations of 24 October 1970, the Declaration on the Strengthening of International Security of 16 December 1970, as w e l l as the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples of 14 December 1960, and the Definition of Aggression of 14 December 1974" (Hervorhebung v o m Verfasser). 50 GAOR, 33/45, S. 55 f., Bericht über die Debatten i n U N Chr. 16/1 (1979),

Β. Generalversammlung u n d Aggressionsdefinition

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vage gefaßten p r o g r a m m a t i s c h e n Beschlüsse zuzurechnen, die n u r a u f w e n i g W i d e r s t a n d stoßen u n d f o l g l i c h — o h n e w e i t e r e F o l g e v e r e i n b a r u n g e n — n i c h t a l l z u h o c h z u b e w e r t e n sind. B e i d e r G e n e r a l v e r s a m m l u n g s r e s o l u t i o n 32/150 v o m 19. D e z e m b e r 1977 ( „ C o n c l u s i o n of a w o r l d t r e a t y o n t h e n o n - u s e of force i n i n t e r n a t i o n a l r e l a t i o n s " ) 5 1 i s t eine d e r a r t i g e Z u r ü c k h a l t u n g a l l e r d i n g s n i c h t angebracht. Gegen d i e S t i m m e n Albaniens, Chinas, Großbritanniens u n d d e r USA i s t m i t i h r a u f D r ä n g e n d e r UdSSR 52 n ä m l i c h e i n Sonderausschuß 53 eingerichtet worden, v o n d e m v o r allem erwartet w i r d , daß er e i n e n „world treaty on the non-use of force in international relations " e n t w i r f t 5 4 . D e r Ausschuß, der sich z u r H ä l f t e aus D e l e g a t i o n e n zusammensetzt, die auch i m „Aggressionsausschuß" v e r t r e t e n w a r e n 5 5 , h a t i n z w i s c h e n z w e i Sessionen (1978 u n d 1979) h i n t e r sich geb r a c h t u n d entsprechende B e r i c h t e v o r g e l e g t 5 6 . S o w o h l d e r b i s l a n g e i n z i g v o r l i e g e n d e E n t w u r f d e r UdSSR 57 als auch die Z u s a m m e n f a s s u n g der D i s k u s s i o n e n lassen e r k e n n e n , daß d i e A g g r e s s i o n s d e f i n i t i o n b e i d e n A r b e i t e n eine gewisse 58, w e n n auch nicht überragende 59 R o l l e spielen wird. S. 23 - 26. (Pr. para. 2 „wiederholt", daß gemäß der „Prinzipien-Deklaration" u n d der Aggressionsdefinition Aggressionskriege Verbrechen gegen den Frieden seien.) 51 Stimmverhältnis 111:4 Gegenstimmen (Albanien, China, Großbritannien, USA) : 27 Enthaltungen. T e x t i n GAOR, 32/45, S. 213 f., Bericht i n UN Chr. 15/1 (1978), S. 52. 52 Die Entschließung geht auf einen Vertragsentwurf der UdSSR aus dem Jahr 1976 zurück (GAOR, X X X I , Annexes, agenda item 124, doc. A/31/243, annex), zu dem die Mitgliedsstaaten gemäß G A Res. 31/9, 8.11.1976 ihre Ansichten dem Generalsekretariat mitteilen sollten. 53 „Special Committee on Enhancing the Effectiveness of the Principle of Non-Use of Force i n International Relations". 54 Dies dürfte nach anfänglichem Streit u m das Mandat des Ausschusses u n d i n Folge von G A Res. 34/13, 15.11.1979 („Report of the Special Committee on Enhancing the Effectiveness of the Principle of Non-Use of Force i n International Relations") k a u m noch bestritten werden. Vgl. den 2. Bericht des Ausschusses, GAOR, 34/41, S. 5 - 7 . Zumindest ist man sich einig, daß er auch dazu ermächtigt ist, vgl. S. 56, para. 130. 55 Neben der Bundesrepublik Deutschland sind benannt: Ägypten, Argentinien, Belgien, Benin, Brasilien, Bulgarien, Chile, Ecuador, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Guinea, Indien, Irak, Italien, Japan, Kuba, Marokko, Mexiko, Mongolei, Nepal, Polen Rumänien, Senegal, Somalia, Spanien, Togo, Türkei, UdSSR, Uganda, Ungarn, USA, Zypern (Kursiv geschriebene Staaten waren schon i m „Aggressionsausschuß" vertreten, siehe oben, S. 78 f.). 58 GAOR, 33/41 u n d 34/41. 57 A / A C . 193/L. 3 v o m 3. August 1978, als A n n e x den Berichten angehängt. 58 Vgl. pr. para. 4 des sowjetischen Entwurfs („Bearing i n m i n d that the definition of aggression formulated and adopted by the U n i t e d Nations provides new opportunities for the principle of the non-use of force or the threat of force to be consolidated i n inter-State relations") u n d die Zusammenfassung der Diskussionen, i n denen h i n u n d wieder die Aggressionsdefinition herangezogen wurde (so etwa GAOR, 33/41, S. 12 f.). 21 B r u h a

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I I I . 3. Abschn. : Bisherige Anwendung u n d Nutzung der Definition

Wohl aber kann man vermuten, daß der Ausschuß eine neue Verhandlungsrunde „ i n Sachen Gewaltverbotsproblematik" eingeläutet hat: Denn ein auf der zweiten Sitzungsperiode vorgelegtes „Arbeitspapier" westlicher Staaten 60 signalisiert, daß es m i t den Arbeiten wahrscheinlich weitergehen w i r d 6 1 . Allerdings ist kaum zu erwarten, daß hiermit eine rechtsnormative Aufwertung der Aggressionsdefinition verbunden sein w i r d 6 2 . Für sonstige Prognosen ist es noch zu früh. C. Schlußwort Ein abschließendes Wort am Ende dieser Untersuchung muß sicherlich weitgehend negativ ausfallen. Eine Definition der Aggression i n dem Sinne, daß ein aus sich heraus verständliches Schriftstück für die Zukunft klarstellt, was Aggression ist und was nicht, existiert größtenteils immer noch nicht. Und dies i m wesentlichen nicht deswegen, weil der Text an sich ungeeignet wäre, diese Funktion zu erfüllen, sondern vor allem, weil die Staatenvertreter nicht gewillt waren, i h n m i t einer solchen Funktion auszustatten 68 . Dieses Manko ist m. a. W. also nicht so sehr die Konsequenz eines unbrauchbaren Textes, der i n weiten Teilen nicht mehrdeutiger ist als die ihn überlagernden Chartabestimmungen auch, sondern vor allem eine Folge der geringen Einigungsqualität unter den Staaten, wie sie besonders durch die zahlreichen vorbehaltsähnlichen Stimmerklärun50 U m an die Verpflichtung der Staaten, auf Gewalt zu verzichten, zu erinnern, verweist pr. para. 5 des sowjetischen Entwurfs ausdrücklich n u r auf die „Prinzipien-Deklaration". 80 A/AC. 193/WG/R. 1, vorgelegt auf dem 7. Treffen von Belgien, der BRD, Frankreich, Großbritannien u n d Italien. T e x t u n d Diskussionen i n GAOR, 34/41, paras. 129 - 149. 81 Gemäß op. paras. 5 f. von G A Res. 34/13, 15.11.1979 w i r d sich die Generalversammlung auf ihrer 35. Session m i t einem neuen Bericht des Ausschusses befassen. 82 Siehe para. 149 von GAOR, 34/41. Danach ist bereits Widerstand dagegen angekündigt worden, die Aggressionsdefinition dadurch rechtsverbindlich zu machen, daß sie i n irgendeiner Form, w e n n auch n u r partiell, i n einen V e r tragsentwurf über Gewaltverzicht eingearbeitet w i r d . Erst recht ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, daß die Aggressionsdefinition Bestandteil der Charta der Vereinten Nationen werden w i r d . Jedenfalls ist dem von Broms, Definition of Aggression I I , S. 385, angesprochenen Vorschlag Kolumbiens im „Special Committee on the Charter of the United Nations and on the Strengthening of the Role of the Organization", das j a über eine Satzungsrevision nachdenkt, bislang kein Erfolg beschienen. I m letzten Bericht des Ausschusses, GAOR, 34/33 aus dem Jahr 1979, firmierte er jedenfalls noch als ein Vorschlag (A/AC. 182/L. 5 and L. 12/Rev. 1 [II]) unter vielen (siehe GAOR, S. 98, para. 12 u n d S. 103, para. 52). 83 Dies dürften auch die vorstehenden Ausführungen dieses letzten A b schnitts deutlich gemacht haben.

C. Schlußwort

323

gen offenkundig geworden ist. Sie lassen es i m gegenwärtigen Zeitpunkt einfach nicht zu, die Definition vorwiegend aus sich heraus zu interpretieren 6 4 , woran auch A r t . 8 nichts ändern kann. Denn dessen Hinweis auf die (hermeneutisch selbstverständliche) Interdependenz der Bestimmungen bei Auslegung und Anwendung der Definition 6 5 muß ja i m Lichte der Funktion bewertet werden, die diese Einzelvorschriften erfüllen sollen. Das heißt, ihre weitgehend Dissens verschleiernde Aufgabe bewirkt, daß A r t . 8 eher als „safeguarding-clause" zugunsten gebliebener Meinungsverschiedenheiten angesehen werden muß denn als Ausdruck eines gesollten Eigenlebens des Definitionstextes 66 . Wenn ein solches auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann (es liegt i n der Hand der Staaten, inwieweit sie auch künftig Vorbehalte, alte oder neue, geltend machen oder nicht), so erscheint doch die Analyse des Konsensbildungsverlaufs gezeigt zu haben, daß der Definitionstext auf absehbare Zeit wenig mehr als ein weiterer Diskussionsrahmen neben sonstigen Rechtsinstrumenten 67 sein kann, i n dem die durch i h n nicht beigelegten Interessengegensätze verbal ausgetragen werden. Sollte der Definitionstext dabei einmal eine positive Rolle spielen, so müßten die Beteiligten versuchen, ihn über die bislang erkannte Kooperationsbereitschaft hinaus als ein ihre gegensätzlichen Interessen eingrenzendes, nicht auflösendes aber auch nicht vertiefendes Instrument zu behandeln 68 . Das heißt, er müßte i n einem ausgewogenerem Verhältnis sachbedingter Konfliktneigung und frie64 Dies ist vor allem auch rechtlich nicht geboten. Insbesondere sind die A r t . 31, 32 der seit dem 27.1.1980 i n K r a f t befindlichen Wiener Vertragsrechtskonvention auf Resolutionen unmittelbar nicht anwendbar, da diese keine Vereinbarungen i m Sinne von A r t . 1, 2 Ziffer 1 a der Konvention darstellen. Auch k o m m t zumindest hier ihre analoge A n w e n d u n g wegen der Unterschiedlichkeit von Vereinbarungsqualität u n d -zweck gegenüber V e r trägen (unverbindliche Entscheidungshilfe hier, bindende Rechtsregelung dort) nicht i n Betracht. (Α. A . f ü r die „vertragsähnlichere" KSZE-Schlußakte, Schweisfurth, KSZE-Schlußakte, S. 710.) 65 Broms (Anm. 62), S. 361. ββ Die Verhandlungsprotokolle lassen Genese u n d Zweck des A r t . 8 nicht erkennen. 67 Vor allem die Charta u n d die „Prinzipien-Deklaration". 68 Siehe auch die parallelen Ausführungen Kühnes, Schlußakte von H e l sinki, S. 187, der unter Zugrundelegung der auch hier fruchtbar gemachten systemfunktionalistischen Theorie Luhmanns die Frage nach der Auslegung der Schlußakte w i e folgt beantwortet: „Anders als Normen i n Rechtssystemen, die auf einer zwar pluralen, weltanschaulich aber integrierten Interessen« u n d Wertordnung basieren, müssen sie (Anm. gemeint sind die Verhaltensregeln der Akte) i n der Regel von ,außen', d. h. antagonistische D i v e r genzen lediglich eingrenzend, nicht aber von ,innen', d. h. i m Sinne eines solche Divergenzen auflösenden Geistes ausgelegt werden. Geschieht das nicht, k a n n es zu einem für den Fortgang der Entspannungs- u n d N o r m a l i sierungsbemühungen . . . problematischen , R e a l i t ä t s v e r l u s t ' . . . kommen."

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I . 3. Abschn.: Bisherige Anwendung u n d Nutzung der Definition

densnotwendiger Kooperationsbereitschaft gehandhabt werden 6 9 , als dies unter Vernachlässigung der letzteren bis jetzt der Fall war. Damit ist zugleich die eingangs gestellte Frage 70 , ob der Definitionstext sich vorwiegend einer herkömmlichen völkerrechtlichen Betrachtung anbietet, i m negativen Sinne beantwortet. Der politische Charakter des Konsensbildungsprozesses und die durch Vorbehalte bewirkte Relativierung des Textes lassen letzteren allzudeutlich als unselbständiges Instrument eines längerfristigen Kommunikationsprozesses erkennen, innerhalb dessen er zwar eine Etappe markiert, aber keinen Schlußstein setzt. Er n i m m t vielmehr Teil an dem Beitrag des gesamten Konsensbildungsverlaufs, Verhaltenserwartungen zu reduzieren und damit Völkerrecht mitzugestalten. Das heißt, die weitere Eingangsfrage, ob die völkerrechtliche Bedeutung der Aggressionsdefinition nicht weitgehend von ihren politischen Implikationen abhängt 71 , ist ebenso zu bejahen wie die, ob die permanente Dokumentierung staatlicher Interaktion i n den Vereinten Nationen originäre Anhaltspunkte für Erwartungen liefern kann 7 2 . Schließlich sei noch i n materieller Sicht ein letztes Wort erlaubt. Hier scheint m i r die wichtigste Feststellung gewesen zu sein, daß auch die Aggressionsdefinition ein weiterer Schritt auf die zunehmende Verrechtlichung und weitgehende Anerkennung von Selbstbestimmungsansprüchen war. Bedenkt man i n diesem Zusammenhang allerdings, daß dies auch jenseits der kolonial geprägten afro-asiatischen Landschaft Wünsche zur Überwindung politisch ungenehmer status quo auslösen könnte, so w i r d es zweifelhaft, ob der Beitrag, den die A g gressionsdefinition dann auch insoweit geleistet haben könnte, begrüßenswert war. Denn dies hängt j a wohl nicht nur davon ab, ob die politisch-sozialen Ordnungsvorstellungen, deren Erreichung derartige Bestrebungen gelten, gerecht und erstrebenswert sind, sondern vor allem doch wohl auch, ob die Veränderung vorwiegend m i t friedlichen oder unfriedlichen M i t t e l n betrieben werden wird. Auch insoweit entzieht sich die Aggressionsdefinition also einer endgültigen Bewertung. 69 So dürfte beispielsweise A r t . 7 nicht einseitig status quo orientiert oder einseitig revolutionär ausgelegt werden. Vielmehr w ü r d e eine Divergenzen eingrenzende Interpretation i h m etwa eine rechtliche Obliegenheit zur a k t i ven Selbstbestimmungspolitik, auch nicht unmittelbar betroffener Staaten, unter gleichzeitiger u n d prinzipieller Aberkennung eines Selbsthilferechts auf bewaffnete Befreiungskämpfe, entnehmen. (Letzteres i n dem Sinne verstanden, daß ein eventuell rechtlich begründeter Selbstbestimmungsanspruch allein kein Recht auf seine bewaffnete Durchsetzung umfaßt.) 70 Vgl. Vorbemerkung. 71 Vgl. Vorbemerkung. 72 Vgl. Vorbemerkung.

Dokumentenanhang Entwürfe, Vorschläge, Resolution, Definition, Zusatznoten in chronologischer Folge A. Frühe Entwürfe u n d Vorschläge blockfreier Staaten I. „ 12-Staatenentwurf " A / A C . 134/L. 3 and Add. 1 v o m 25. 6.1968, v o r gelegt von: Ägypten, Algerien, Ghana, Guyana, Kongo, Indonesien, Jugoslawien, Madagaskar, Sudan, Syrien, Uganda, Zypern I I . „4-Staatenentwurf" A / A C . 134/L. 4/Rev. 1 and Add. 1 v o m 26. 6.1968, vorgelegt von: Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Uruguay I I I . „13-Staatenentwurf" A / A C . 134/L. 6 and Add. 1 and 2 v o m 3. 7.1968, vorgelegt von: Ecuador, Ghana, Guyana, Indonesien, Iran, Jugoslawien, Kolumbien, Kongo, Mexiko, Spanien, Uganda, Uruguay, Zypern I V . Änderungsvorschlag Ägyptens u n d des Sudans A / A C . 134/L. 8 v o m 6. 7.1968 zum „13-Staatenentwurf" B. Endgültige Blockentwürfe I. Sowjetischer E n t w u r f A / A C . 134/L. 12 v o m 26. 2.1969 I I . Blockfreienentwurf A / A C . 134/L. 16 and Add. 1 and 2 v o m 24. 3.1969, vorgelegt von: Ecuador, Ghana, Guyana, Haiti, Iran, Jugoslawien, Kolumbien, Madagaskar, Mexiko, Spanien, Uganda, Uruguay, Zypern I I I . Weststaatenentwurf A / A C . 134/L. 17 and Add. 1 and 2 v o m 25. 3.1969, vorgelegt von: Australien, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA C. Erster gemeinsamer E n t w u r f der drei Blöcke v o m 25.5.1973 „Consolidated t e x t of the reports of the contact groups and of the drafting group" D. G A Res. 3314 ( X X I X ) , 14.12.1974, m i t Definitionstext u n d Zusatznoten

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Α. Frühe Entwürfe und Vorschläge blockfreier Staaten L A/AC. 134/L. 3 and Add. 1 Draft Declaration on Aggression The General

Assembly ,

Believing that the maintenance of international peace and security- may be enhanced by the adoption of a definition of the t e r m „aggression" as employed i n the Charter of the United Nations, Mindful of the responsibilities of the Security Council concerning aggression under A r t i c l e 1, paragraph 1, and Chapter V I I of the Charter, Bearing in mind also the discretionary authority of the Security Council embodied i n A r t i c l e 39 of the Charter i n determining the existence of any threat to the peace, breach of the peace, or act of aggression, Considering that, must be determined theless appropriate competent organs of

although the question whether aggression has occurred i n the circumstances of each particular case, i t is neverto formulate certain principles for the guidance of the the United Nations,

Convinced that the adoption of a definition of aggression w o u l d serve to discourage potential aggression, Reaffirming that the territory of a State is inviolable and may not be the object, even temporarily, of m i l i t a r y occupation or of other measures of force taken b y another State on any grounds whatever, and that such t e r r i torial acquisitions obtained by force shall not be recognized, Reaffirming as a peremptory n o r m of international l a w that only the U n i t e d Nations has original competence to employ force i n the f u l f i l m e n t of its functions to maintain international peace and security and t h a t therefore the use of force by one State or a group of States against another State or group of States is illegal and violates the purposes and principles of the Charter of the United Nations and contemporary international law, Reaffirming also that the inherent r i g h t of i n d i v i d u a l or collective selfdefence can only be exercised i n cases of armed attack (armed aggression) i n accordance w i t h A r t i c l e 51 of the Charter, Declares t h a t : 1. Aggression is the use of force i n any f o r m b y a State or group of States against the people or the territory of another State or group of States or i n any w a y affecting the t e r r i t o r i a l integrity, sovereignty and political independence of such other State, other than i n the exercise of the inherent r i g h t of i n d i v i d u a l or collective self-defence or w h e n undertaken by or under the authority of a competent organ of the U n i t e d Nations. 2. I n accordance w i t h the foregoing definition, and w i t h o u t prejudice to the declaration of other acts as forms of aggression i n the future, the f o l l o w ing shall i n particular constitute acts of aggression: (a) A declaration of w a r made b y one State against another i n violation of the Charter of the U n i t e d Nations; (b) The invasion b y the armed forces of a State of the territory of another State, or the m i l i t a r y occupation or annexation of the t e r r i tory or part of i t ;

Dokumentenanhang (c) A r m e d attack against the territory, t e r r i t o r i a l waters or air space of a State by the land, sea, air or space forces of another State; (d) The blockade of the coasts or ports of a State by the armed forces of another State; (e) Bombardment of, or the employment of ballistic missiles or any other means of destruction against the people or the territory, t e r r i torial waters or air space of a State b y the land, sea, or space forces of another State. 3. A n y use of force tending to prevent a dependent people f r o m exercising its inherent r i g h t to self-determination i n accordance w i t h General A s sembly resolution 1514 (XV), is a violation of the Charter of the United Nations. 4. No political, economic, strategic, security, social or ideological considerations, nor any other considerations, m y be invoked as excuse to j u s t i f y the commission of any of the above acts, and i n particular the internal situation i n a State or any legislative acts by i t affecting international treaties may not be so invoked.

Π . A/AC. 134/L. 4/Rev. 1 and Add. 1 1. The use of force b y a State or group of States against another State, other States or another group of States is illegal and violates the P u r poses and Principles of the Charter of the U n i t e d Nations. 2. I n the performance of its functions to m a i n t a i n international peace and security, the United Nations alone has original competence to use force i n conformity w i t h the Charter. 3. Consequently, the prohibition on the use of force does not affect the legitimate use of force b y a competent organ of the U n i t e d Nations, or under its authority, or b y a regional agency, or i n exercise of the inherent r i g h t of i n d i v i d u a l or collective self-defence, i n accordance w i t h the Charter of the United Nations. 4. The exercise of the r i g h t of i n d i v i d u a l or collective self-defence recognized b y A r t i c l e 51 of the Charter, is justified solely i n the case of an armed attack (armed aggression). 5. A State which is the v i c t i m of subversive or terroristic acts supported b y another State or other States m a y take reasonable and adequate steps to safeguard its existence and its institutions. 6. The use of force b y regional agencies, except i n the case of self-defence, shall require the express authorization of the Security Council, i n accordance w i t h A r t i c l e 53 of the Charter of the United Nations. 7. The use of force to deprive dependent peoples of the exercise of their inherent r i g h t to self-determination, i n accordance w i t h General A s sembly resolution 1514 (XV) is a violation of the Charter of the U n i t e d Nations. 8. I n particular, the following shall be deemed acts of direct aggressions: (a) A declaration of w a r b y one State against another, i n violation of the Charter of the U n i t e d Nations;

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(b) Invasion by the armed forces of a State of the territory of another State; (c) A r m e d attack against the territory of a State by the land, naval or air forces of another State; (d) The blockade of coasts, ports or any other part of the territory of a State by the land, naval or air forces of another State; (e) Bombardment of the territory of a State b y the land, naval or air forces of another State, or by means of ballistic missiles; (f) The use of atomic, bacteriological or chemical weapons or of any other weapon of mass destruction. 9. No political, economic, strategical, social or ideological consideration may be invoked to j u s t i f y the acts referred to i n the foregoing paragraphs. 10. This definition shall not affect the discretionary power of competent organs of the United Nations called upon to determine the aggressor.

I I I . A/AC. 134/L. 6 and Add. 1 and 2 Draft Declaration on Aggression The General

Assembly ,

1. Believing that the maintenance of international peace and security may be enhanced b y the adoption of a definition of the t e r m „aggression" as employed i n the Charter of the United Nations, 2. Convinced that armed attack (armed aggression) is the most serious and dangerous form of aggression and that i t is proper at this stage to proceed to a definition of this form of aggression, 3. Mindful of the responsibilities of the United Nations Organization for the maintenance of peace and security under the pertinent Articles of its Charter and the duty of a l l States to comply i n good f a i t h w i t h the obligations placed on them b y the Charter, 4. Bearing in mind also the discretionary authority of the Security Council, embodied i n A r t i c l e 39 of the Charter, to determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace, of act of aggression, and to decide the measures to be taken i n accordance w i t h Articles 41 and 42, to m a i n t a i n or restore international peace and security, 5. Considering that, although the question whether aggression has occurred must be determined i n the circumstances of each particular case, i t is nevertheless appropriate to formulate certain principles as a guidance for such determination, 6. Convinced that the adoption of a definition of aggression w o u l d serve to discourage potential aggression, 7. Reaffirming

the i n v i o l a b i l i t y of the t e r r i t o r i a l integrity of a State,

Declares t h a t : 1. For the purposes of this definition, aggression is the use of armed force, direct or indirect, b y a State against the territory, including the t e r r i torial waters or air space of another State, irrespective of the effect upon the territorial integrity, sovereignty and political independence of such

Dokumentenanhang State, other than w h e n undertaken by or under the authority of the Security Council or i n the exercise of the inherent right of i n d i v i d u a l or collective self-defence; 2. I n the performance of its function to m a i n t a i n international peace and security, only the United Nations, and p r i m a r i l y the Security Council, has competence to use force i n conformity w i t h the Charter, and therefore the use of armed force b y one State against another State, save under the provisions of paragraph 3 below, is illegal; 3. The inherent right of i n d i v i d u a l or collective self-defence of a State can be exercised only i n case of the occurence of armed attack (armed aggression) i n accordance w i t h A r t i c l e 51 of the Charter; 4. Enforcement action or any use of armed force b y regional agencies may only be resorted to i n cases where the Security Council acting under A r t i c l e 53 of the Charter decides to utilize for the purpose such regional agencies; 5. I n accordance w i t h the foregoing, the following shall i n particular constitute acts of armed aggression: (i) Declaration of w a r by one State against another State i n violation of the Charter; (ii) A n y of the following acts w i t h or w i t h o u t a declaration of w a r : (a) The invasion or attack b y the armed forces of a State, against the t e r r i t o r y of another State, and any m i l i t a r y occupation, h o w ever temporary, or any forcible annexation of the territory of another State or part thereof; (b) Bombardment by the armed forces of a State of the territory of another State or the carrying out of a deliberate attack on the ships or aircraft of the latter State, or the use of weapons of mass destruction b y a State against the t e r r i t o r y of another State; (c) The blockade of the coasts or ports of a State b y the armed forces of another State; 6. B y v i r t u e of the d u t y imposed on States b y the Charter of the U n i t e d Nations to settle their disputes b y pacific methods and to b r i n g their disputes to the attention of the Security Council or the General A s sembly, no considerations of whatever nature, save as stipulated i n paragraph 3 above, may provide an excuse for the use of force b y one State against another State; 7. N o t h i n g i n paragraph 3 above shall be construed as e n t i t l i n g the State exercising a right of i n d i v i d u a l or collective self-defence, i n accordance w i t h A r t i c l e 51 of the Charter, to take any measures not reasonably proportionate to the armed attack against i t ; 8. When a State is a v i c t i m i n its o w n t e r r i t o r y of subversive and/or terrorist acts b y irregular, volunteer or armed bands organized b y another State, i t may take a l l reasonable and adequate steps t o safeguard its existence and its institutions, w i t h o u t having recourse to the r i g h t of i n d i v i d u a l or collective self-defence against the other State under Article 51 of the Charter;

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9. A r m e d aggression as defined herein, and the acts enumerated above, shall constitute crimes against international peace, giving rise to international l i a b i l i t y and responsibility; 10. A n act other than those enumerated i n paragraph 5 above may be deemed to constitute aggression, armed or otherwise, i f declared as such by the Security Council.

IV. A/AC. 134/L. 8 1. I n operative paragraph 1 delete the words ,direct or indirect'. 2. A f t e r operative paragraph 7 add the following paragraph as operative paragraph 8: ,Any use of force tending to deprive any people of its inherent r i g h t to self-determination, sovereignty and territorial integrity, is a violation of the Charter of the United Nations.' 3. Renumber paragraphs 8, 9, 10 accordingly.

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Β. Endgültige Blockentwürfe I. Sowjetischer Entwurf A/AC. 134/L. 12 The General

Assembly ,

Basing itself on the fact that one of the fundamental purposes of the United Nations is to m a i n t a i n international peace and security and to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, Noting that according to the principles of international l a w the planning, preparation, i n i t i a t i o n or waging of an aggressive w a r is a most serious international crime, Bearing in mind that the use of force to deprive dependent peoples of the exercise of their inherent r i g h t to self-determination i n accordance w i t h General Assembly resolution 1514 (XV) of 14 December 1960 is a denial of fundamental human rights, is contrary to the Charter of the U n i t e d Nations and hinders the development of co-operation and the establishment of peace throughout the world, Considering that the use of force by a State to encroach upon the social and political achievements of the peoples of other States is incompatible w i t h the principle of the peaceful coexistence of States w i t h different social systems, Recalling also that A r t i c l e 39 of the Charter states that the Security Council shall determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace or act of aggression and shall decide w h a t measures shall be taken i n accordance w i t h Articles 41 and 42 to maintain or restore international peace and security, Believing that, although the question whether an act of aggression has been committed must be considered i n the l i g h t of a l l the circumstances i n each particular case, i t is nevertheless appropriate to formulate basic p r i n ciples as guidance for such determination, Convinced that the adoption of a definition of aggression w o u l d have a restraining influence on a potential aggressor, w o u l d simplify the determination of acts of aggression and the implementation of measures to stop them and w o u l d also facilitate the rendering of assistance to the v i c t i m of aggression and the protection of his l a w f u l rights and interests, Considering also that armed aggression is the most serious and dangerous form of aggression, being fraught, i n the conditions created b y the existence of nuclear weapons, w i t h the threat of a new w o r l d conflict w i t h a l l its catastrophic consequences and that this form of aggression should be defined at the present stage, Declares t h a t : 1. A r m e d aggression (direct or indirect) is the use b y a State, first, of armed force against another State contrary to the purposes, principles and provisions of the Charter of the U n i t e d Nations. 2. I n accordance w i t h and w i t h o u t prejudice to the functions and powers of the Security Council:

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A. Declaration of w a r by one State, first, against another State shall be considered an act of armed aggression; B. A n y of the following acts, if committed by a State first, even w i t h o u t a declaration of war, shall be considered an act of armed aggression: (a) The use of nuclear, bacteriological or chemical weapons or any other weapons of mass destruction; (b) Bombardment of or f i r i n g at the territory and population of another State or an attack on its land, sea or air forces; (c) Invasion territory territory coasts or

or attack b y the armed forces of a State against the of another State, m i l i t a r y occupation or annexation of the of another State or part thereof, or the blockade of ports.

C. The use by a State of armed force by sending armed bands, mercenaries, terrorists or saboteurs to the territory of another State and engagement i n other forms of subversive activity i n v o l v i n g the use of armed force w i t h the aim of promoting an internal upheaval i n another State or a reversal of policy i n favour of the aggressor shall be considered an act of indirect aggression. 3. I n addition to the acts listed above, other acts by States may be deemed to constitute an act of aggression i f i n each specific instance they are declared to be such b y a decision of the Security Council. 4. No territorial gains or special advantages resulting from armed aggression shall be recognized. 5. A r m e d aggression shall be an international crime against peace entailing the political and material responsibility of States and the c r i m i n a l responsibility of the persons g u i l t y of this crime. 6. Nothing i n the foregoing shall prevent the use of armed force i n accordance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations, including its use b y dependent peoples i n order to exercise their right of self-determination i n accordance w i t h General Assembly resolution 1514 (XV).

II. Blockfreienentwurf A/AC. 134/L. 16 and Add. 1 and 2 The General

Assembly,

Basing itself on the fact that one of the fundamental purposes of the U n i t e d Nations is to m a i n t a i n international peace and security and to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, Convinced that armed attack (armed aggression) is the most serious and dangerous f o r m of aggression and that i t is proper at this stage to proceed to a definition of this f o r m of aggression, Further convinced that the adoption of a definition of aggression w o u l d serve to discourage possible aggressors and w o u l d facilitate the determination of acts of aggression, Bearing in mind also the powers and duties of the Security Council, embodied i n A r t i c l e 39 of the Charter of the United Nations, to determine the

Dokumentenanhng existence of any threat to the peace, breach of the peace, or act of aggression, and to decide the measures to be taken i n accordance w i t h Articles 41 and 42, to m a i n t a i n or restore international peace and security, Considering that, although the question whether aggression has occurred must be determined i n the circumstances of each particular case, i t is nevertheless appropriate to facilitate that task b y formulating certain principles for such determination, Reaffirming further the duty of States under the Charter of the U n i t e d Nations to settle their international disputes b y pacific methods i n order not to endanger international peace, security and justice, Convinced that no considerations of whatever nature, save as stipulated i n operative paragraph 3 hereof, may provide an excuse for the use of force by one State against another State, Declares t h a t : 1. I n the performance of its function to m a i n t a i n international peace and security, the United Nations only has competence to use force i n conf o r m i t y w i t h the Charter; 2. For the purpose of this definition, aggression is the use of armed force by a State against another State, including its t e r r i t o r i a l waters or air space, or i n any w a y affecting the territorial integrity, sovereignty or political independence of such State, save under the provisions of paragraph 3 hereof or w h e n undertaken by or under the authority of the Security Council; 3. The inherent right of i n d i v i d u a l or collective self-defence of a State can be exercised only i n case of the occurrence of armed attack (armed aggression) by another State i n accordance w i t h A r t i c l e 51 of the Charter; 4. Enforcement action or any use of armed force b y regional arrangements or agencies may only be resorted to i f there is decision to that effect by the Security Council acting under A r t i c l e 53 of the Charter; 5. I n accordance w i t h the foregoing and w i t h o u t prejudice to the powers and duties of the Security Council, as provided i n the Charter, any of the following acts w h e n committed by a State first against another State i n violation of the Charter shall constitute acts of aggression: (a) Declaration of w a r by one State against another State; (b) The invasion or attack by the armed forces of a State, against the territories of another State, or any m i l i t a r y occupation, however temporary, or any forcible annexation of the territory of another State or part thereof; (c) Bombardment by the armed forces of a State against the t e r r i t o r y of another State, or the use of any weapons, particularly weapons of mass destruction, b y a State against the territory of another State; (d) The blockade of the coasts or ports of a State b y the armed forces of another State; 6. Nothing i n paragraph 3 above shall be construed as e n t i t l i n g the State exercising a r i g h t of i n d i v i d u a l or collective self-defence, i n accordance w i t h A r t i c l e 51 of the Charter, to take any measures not reasonably p r o portionate to the armed attack against i t ;

334

Dokumentenanhang

7. When a State is a v i c t i m i n its o w n territory of subversive and/or terrorist acts b y irregular, volunteer or armed bands organized or supported by another State, i t may take a l l reasonable and adequate steps to safeguard its existence and its institutions, w i t h o u t having recourse to the r i g h t of i n d i v i d u a l or collective self-defence against the other State under A r t i c l e 51 of the Charter; 8. The t e r r i t o r y of a State is inviolable and may not be the object, even temporarily, of m i l i t a r y occupation or of other measures of force taken by another State on any grounds whatever, and that such territorial acquisitions obtained by force shall not be recognized; 9. A r m e d aggression, as defined herein, and the acts enumerated above, shall constitute crimes against international peace, giving rise to i n t e r national responsibility; 10. None of the preceding paragraphs may be interpreted as l i m i t i n g the scope of the Charter's provisions concerning the right of peoples to selfdetermination, sovereignty and t e r r i t o r i a l integrity.

I I I . Weststaatenentwurf A/AC. 134/L. 17 and Add. 1 and 2 The General

Assembly,

Conscious that a p r i m a r y purpose of the U n i t e d Nations is to m a i n t a i n international peace and security, and, to that end, to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, Recalling that A r t i c l e 39 of the Charter of the United Nations provides that the Security Council shall determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace, or act of aggression and shall make recommendations, or decide w h a t measures shall be taken i n accordance w i t h Articles 41 and 42, to maintain or restore international peace and security, Reaffirming that a l l States shall settle their international disputes by peaceful means i n such a manner that international peace and security, and justice, are not endangered, Believing that, although the question of whether an act of aggression has been committed must be considered i n the l i g h t of a l l the circumstances of each particular case, a generally accepted definition of aggression may nevertheless provide guidance for such consideration, Being of the view that such a definition of aggression may accordingly facilitate the processes of the United Nations and encourage States to f u l f i l i n good f a i t h their obligations under the Charter of the United Nations, Adopts the following

definition :

I. Under the Charter of the United Nations, „aggression" is a t e r m to be applied b y the Security Council w h e n appropriate i n the exercise of its p r i m a r y responsibility for the maintenance of international peace and security under A r t i c l e 24 and its functions under A r t i c l e 39. I I . The t e r m „aggression" is applicable, w i t h o u t prejudice to a finding of threat to the peace or breach of the peace, to the use of force i n i n t e r national relations, overt or covert, direct or indirect, b y a State against the territorial integrity or political independence of any other State, or

Dokumentenanhang i n any other manner inconsistent w i t h the purposes of the U n i t e d Nations. A n y act which w o u l d constitute aggression by or against a State likewise constitutes aggression w h e n committed b y a State or other political entity delimited b y international boundaries or i n t e r nationally agreed lines of demarcation against any State or other political entity so delimited and not subject to its authority. I I I . The use of force i n the exercise of the inherent right of i n d i v i d u a l or collective self-defence, or pursuant to decisions of or authorization b y competent United Nations organs or regional organizations consistent w i t h the Charter of the U n i t e d Nations, does not constitute aggression. I V . The uses of force which may constitute aggression include, b u t are not necessarily l i m i t e d to, a use of force b y a State as described i n paragraph I I . A . I n order to: (1) D i m i n i s h the territory or alter the boundaries of another State; (2) A l t e r internationally agreed lines of demarcation; (3) Disrupt or interfere w i t h the conduct of the affairs of another State; (4) Secure changes i n the Government of another State; or (5) I n f l i c t h a r m or obtain concessions of any sort; B. B y such means as: (1) Invasion b y its armed forces of territory under the jurisdiction of another State; (2) Use of its armed forces i n another State i n violation of the fundament a l conditions of permission for their presence, or maintaining t h e m there beyond the termination of permission; (3) Bombardment b y its armed forces of t e r r i t o r y under the jurisdiction of another State; (4) I n f l i c t i n g physical destruction on another State through the use of other forms of armed force; (5) Carrying out deliberate attacks on the armed forces, ships or aircraft of another State; (6) Organizing, supporting or directing armed bands or irregular or volunteer forces that make incursions or infiltrate into another State; (7) Organizing, supporting or directing violent c i v i l strife terrorism i n another State; or

or acts of

(8) Organizing, supporting or directing subversive activities aimed at the violent overthrow of the Government of another State.

336

Dokumentenanhang

C. Erster gemeinsamer Entwurf der drei Blöcke Consolidated text of the reports of the contact groups and of the drafting group Preambular paragraphs Basing itself on the fact that one of the fundamental purposes of the United Nations is to m a i n t a i n international peace and security and to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, Recalling that A r t i c l e 39 of the Charter states that the Security Council shall determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace or act of aggression and shall make recommendations or decide w h a t measures shall be taken i n accordance w i t h Articles 41 and 42 to m a i n t a i n or restore international peace and security, Recalling also the duty of States under the Charter of the United Nations to settle their international disputes by peaceful means i n order not to endanger international peace, security and justice, Bearing in mind that nothing i n this definition shall be interpreted as i n any w a y extending or diminishing the provisions of the United Nations Charter w i t h respect to rights and duties of the organs of the U n i t e d Nations, Considering also that since aggression is the most serious and dangerous f o r m of the illegal use of force, being fraught, i n the conditions created by the existence of a l l types of weapons of mass destruction, w i t h the possible threat of a w o r l d conflict w i t h a l l its catastrophic consequences, aggression should be defined at the present stage,

Reaffirming the duty of States not to use armed force to deprive peoples of their right to self-determination, freedom and independence, Reaffirming also that the territory of a State shall not be violated by being the object, even temporarily, of m i l i t a r y occupation or of other measures of force taken b y another State i n contravention of the Charter, Convinced that the adoption of a definition of aggression w o u l d have a restraining influence on a potential aggressor, w o u l d simplify the determination of acts of aggression and the implementation of measures to stop them and w o u l d also facilitate the protection of the l a w f u l rights and interests of the v i c t i m and the rendering of assistance to the victim, Believing that, although the question whether an act of aggression has been committed must be considered i n the l i g h t of a l l the circumstances i n each particular case, i t is, nevertheless, appropriate to formulate basic p r i n ciples as guidance for such determination.

General definition of aggression Article

1

Aggression is the use of armed force [however exerted] b y a State against the sovereignty, t e r r i t o r i a l integrity or political independence of another State, or i n any other manner inconsistent w i t h the Charter of the United Nations, as set out i n this definition.

Dokumentenanhang Explanatory

note: I n this definition the t e r m „State"

(a) is used w i t h o u t prejudice to questions of recognition or to whether a State is a Member of the United Nations, and (b) includes the concept of a „group of States".

Questions of priority and aggressive intent Article

2

The first use of armed force i n contravention of the Charter shall constitute prima facie evidence of an act of aggression provided, however, that the Security Council may i n conformity w i t h the Charter conclude that a determination to that effect w o u l d not be justified i n the l i g h t of other relevant circumstances, including, as evidence, the purposes of the States involved.

Acts proposed for inclusion Article

3

A n y of the following acts, regardless of a declaration of war, shall constitute an act of aggression: (a) The invasion or attack b y the armed forces of a State of the territory of another State, or any m i l i t a r y occupation, however temporary, resulting from such invasion or attack, or any annexation by the use of force of the territory of another State or part thereof; (b) Bombardment b y the armed forces of a State against the territory of another State or the use of any weapons b y a State against the territory of another State; (c) The blockade of the ports or coasts of a State by the armed forces of another State; (d) A n attack b y the armed forces of a State on the land, sea or air forces, marine and air fleets of another State; (e) The use of armed forces of one State w h i c h are w i t h i n the territory of another State w i t h the agreement of the receiving State, i n contravent i o n of the conditions provided for i n the agreement or any extension of their presence i n such territory beyond the termination of the agreement; (f) The action of a State placing its territory at the disposal of another State w h e n the latter uses this territory for perpetrating an act of aggression against a t h i r d State w i t h the acquiescence and agreement of the former; (g) The sending by or on behalf of a State of armed bands, groups, irregulars or mercenaries, which carry out invasion or attack i n v o l v i n g acts of armed force against another State of such gravity as to amount to the acts listed above, or its open and active participation therein.

338

Dokumentenanhang

Provision on the non-exhaustive character of the list and the clause on minor incidents Article

4

The acts enumerated above are neither exhaustive nor do they prevent the Security Council f r o m refraining f r o m the determination of an act of aggression i f the act concerned is too m i n i m a l to j u s t i f y such action. Conversely, the Security Council may determine other acts as constituting aggression under the provisions of the Charter.

The right of peoples to self-determination Article

5

None of the preceding paragraphs may be interpreted as l i m i t i n g the scope of the Charter's provisions concerning the right of peoples to self-determination or as preventing peoples under m i l i t a r y occupation or any f o r m of foreign domination i n their actions against and resistance to such alien domination f r o m using force and seeking or receiving support and assistance i n order to exercise their inherent r i g h t to self-determination i n accordance w i t h the principles of the Charter and i n conformity w i t h the Declaration on Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the United Nations.

Legal consequences of aggression Article

6

Aggression constitutes [ ] against international peace giving rise to responsibility under international law. No territorial acquisition or special advantage resulting from aggression is lawful, nor shall i t be recognized as such.

Legal uses of force, including the question of centralization Article

7

Nothing i n this definition shall be construed as i n any w a y enlarging or diminishing the scope of the Charter including its provisions concerning cases i n which the use of force is lawful.

Dokumentenanhang

339

D. GA Res. 3314 ( X X I X ) , 14. 12. 1974, mit Definitionstext und Zusatznoten The General

Assembly ,

Having considered the report of the Special Committee on the Question of Defining Aggression, established pursuant to its resolution 2330 ( X X I I ) of 18 December 1967, covering the w o r k of its seventh session held f r o m 11 March to 12 A p r i l 1974, including the draft Definition of Aggression adopted by the Special Committee by consensus and recommended for adopt i o n b y the General Assembly, Deeply convinced that the adoption of the Definition of Aggression w o u l d contribute to the strengthening of international peace and security, 1. Approves the Definition of Aggression, the text of w h i c h is annexed to the present resolution; 2. Expresses its appreciation to the Special Committee on the question of Defining Aggression for its w o r k which resulted i n the elaboration of the Definition of Aggression; 3. Calls upon a l l States to refrain f r o m a l l acts of aggression and other uses of force contrary to the Charter of the United Nations and the Declaration on Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Cooperation among States i n accordance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations; 4. Calls the attention of the Security Council to the Definition of Aggression, as set out below, and recommends that i t should, as appropriate, take account of that Definition as guidance i n determining, i n accordance w i t h the Charter, the existence of an act of aggression.

ANNEX

Definition of Aggression The General

Assembly ,

Basing itself on the fact that one of the fundamental purposes of the United Nations is to m a i n t a i n international peace and security and to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the suppression of acts of aggression or other breaches of the peace, Recalling that the Security Council, i n accordance w i t h A r t i c l e 39 of the Charter of the U n i t e d Nations, shall determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace or act of aggression and shall make recommendations, or decide w h a t measures shall be taken i n accordance w i t h Articles 41 and 42, to m a i n t a i n or restore international peace and security, Recalling also the duty of States under the Charter to settle their i n t e r national disputes b y peaceful means i n order not to endanger international peace, security and justice, 22*

Dokumentenanhang Bearing in mind that nothing i n this Definition shall be interpreted as i n any w a y affecting the scope of the provisions of the Charter w i t h respect to the functions and powers of the organs of the U n i t e d Nations, Considering also that, since aggression is the most serious and dangerous form of the illegal use of force, being fraught, i n the conditions created by the existence of a l l types of weapons of mass destruction, w i t h the possible threat of a w o r l d conflict and a l l its catastrophic consequences, aggression should be defined at the present stage, Reaffirming the duty of States not to use armed force to deprive peoples of their r i g h t to self-determination, freedom and independence, or to disrupt territorial integrity, Reaffirming also that the territory of a State shall not be violated b y being the object, even temporarily, of m i l i t a r y occupation or of other measures of force taken by another State i n contravention of the Charter, and t h a t i t shall not be the object of acquisition b y another State resulting f r o m such measures or the threat thereof, Reaffirming also the provisions of the Declaration on Principles of I n t e r national L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the United Nations, Convinced that the adoption of a definition of aggression ought to have the effect of deterring a potential aggressor, w o u l d simplify the determination of acts of aggression and the implementation of measures to suppress them and w o u l d also facilitate the protection of the rights and l a w f u l interests of, and the rendering of assistance to, the victim, Believing that, although the question whether an act of aggression has been committed must be considered i n the light of a l l the circumstances of each particular case, i t is nevertheless desirable to formulate basic principles as guidance for such determination, Adopts the following Definition of Aggression:* Article

1

Aggression is the use of armed force by a State against the sovereignty, territorial integrity or political independence of another State, or i n any other manner inconsistent w i t h the Charter of the United Nations, as set out i n this Definition. Explanatory

note: I n this Definition the t e r m „State":

(a) Is used w i t h o u t prejudice to questions of recognition or to whether a State is a Member of the United Nations; (b) Includes the concept of a „group of States" where appropriate. Article

2

The first use of armed force by a State i n contravention of the Charter shall constitute prima facie evidence of an act of aggression although the * Explanatory notes on articles 3 and 5 are to be found i n paragraph 20 of the report of the Special Committee on the Question of Defining Aggression (Official Records of the General Assembly, Twenty-ninth Session, Supplement No. 19 [A/9619 and Corr. 1]). Statements on the Definition are contained i n paragraphs 9 and 10 of the report of the S i x t h Committee (A/9890).

Dokumentenanhang Security Council may, i n conformity w i t h the Charter, conclude that a determination that an act of aggression has been committed w o u l d not be justified i n the light of other relevant circumstances, including the fact that the acts concerned or their consequences are not of sufficient gravity. Article

3

A n y of the following acts, regardless of a declaration of war, shall, subject to and i n accordance w i t h the provisions of article 2, qualify as an act of aggression: (a) The invasion or attack by the armed forces of a State of the t e r r i t o r y of another State, or any m i l i t a r y occupation, however temporary, resulting from such invasion or attack, or any annexation by the use of force of the territory of another State or part thereof; (b) Bombardment b y the armed forces of a State against the territory of another State or the use of any weapons by a State against the t e r r i t o r y of another State; (c) The blockade of the ports or coasts of a State b y the armed forces of another State; (d) A n attack by the armed forces of a State on the land, sea or air forces, or marine and air fleets of another State; (e) The use of armed forces of one State w h i c h are w i t h i n the territory of another State w i t h the agreement of the receiving State, i n contravention of the conditions provided for i n the agreement or any extension of their presence i n such territory beyond the termination of the agreement; (/) The action of a State i n allowing its territory, which i t has placed at the disposal of another State, to be used by that other State for perpetrating an act of aggression against a t h i r d State; (g) The sending b y or on behalf of a State of armed bands, irregulars or mercenaries, which carry out acts of armed force against another State of such gravity as to amount to the acts listed above, or its substantial involvement therein. Article

4

The acts enumerated above are not exhaustive and the Security Council may determine that other acts constitute aggression under the provisions of the Charter. Article

5

1. No consideration of whatever nature, whether political, economic, m i l i t a r y or otherwise, may serve as a justification for aggression. 2. A w a r of aggression is a crime against international peace. Aggression gives rise to international responsibility. 3. No territorial acquisition or special advantage resulting f r o m aggression is or shall be recognized as lawful.

342

Dokumentenanhang Artide

6

Nothing i n this Definition shall be construed as i n any w a y enlarging or diminishing the scope of the Charter, including its provisions concerning cases i n which the use of force is lawful. Artide

7

Nothing i n this Definition, and i n particular article 3, could i n any w a y prejudice the right to self-determination, freedom and independence, as derived from the Charter, of peoples forcibly deprived of that right and referred to i n the Declaration on Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the United Nations, particularly peoples under colonial and racist régimes or other forms of alien domination; nor the right of these peoples to struggle to t h a t end and to seek and receive support, i n accordance w i t h the principles of the Charter and i n conformity w i t h the above-mentioned Declaration. Article

8

I n their interpretation and application the above provisions are interrelated and each provision should be construed i n the context of the other provisions. „Explanatory

notes" des Sonderausschusses

20. The Committee also adopted the notes regarding articles 3 and 5 contained i n paragraph 16 above and decided that they should be included i n its report, i n accordance w i t h the recommendation of the W o r k i n g Group. These notes read as follows: 1. W i t h reference to article 3, subparagraph (b), the Special Committee agreed that the expression „any weapons" is used w i t h o u t m a k i n g a distinction between conventional weapons, weapons of mass destruction and any other k i n d of weapon. 2. W i t h reference to the first paragraph of article 5, the Committee had i n mind, i n particular, the principle contained i n the Declaration on P r i n ciples of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the U n i t e d Nations according to w h i c h „No State or group of States has the right to intervene, directly or indirectly, for any reason whatever, i n the internal or external affairs of any other State". 3. W i t h reference to the second paragraph of article 5, the words „ i n t e r national responsibility" are used w i t h o u t prejudice to the scope of this term. 4. W i t h reference to the t h i r d paragraph of article 5, the Committee states that this paragraph should not be construed so as to prejudice the established principles of international l a w relating to the inadmissibility of territorial acquisition resulting from the threat or use of force. „Statements "

des Rechtsausschusses

9. The S i x t h Committee agreed that nothing i n the Definition of Aggression, and i n particular article 3 (c), shall be construed as a justification

Dokumentenanhang for a State to block, contrary to international law, the routes of free access of a land-locked country to and from the sea. 10. The S i x t h Committee agreed that nothing i n the Definition of Aggression, and i n particular article 3 (d), shall be construed as i n any w a y prejudicing the authority of a State to exercise its rights w i t h i n its national jurisdiction, provided such exercise is not inconsistent w i t h the Charter of the U n i t e d Nations.

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Universelles

Völkerrecht.

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Sachregister (Hochgestellte Zahlen verweisen auf Anmerkungen) Abrüstung u n d Rüstungskontrolle: 250 — Sondersitzung der Generalversammlung: 130 170 — Vereinbarungen: 129 f. — Verhandlungsgremien: 250 Afghanistan-Fall: 74 1 3 5 , 75 f. 1 4 5 Aggression — direkte (Verhältnis zu indirekter): 171 f. 5 0 , 228 ff. — doppelte: 116 ff., 262 ff. — indirekte (subversive): 116 ff., 169 ff., 228 ff. aktive: 228 Bürgerkrieg: 228, 233 l o e , 235 passive (Duldung): 233 ff. Regierungssturz: 228, 233 l o e Terrorismus: 117 f., 166 f., 228 ff. — kollektive: 226 f. — Objekte: 114 ff., 224 ff. — permanente: 126 f., 245 ff. — Rechtfertigungsverbot: 119 ff., 155 ff. (s. a. Aggressionsdefinition, ob j e k t i ve/sub j ekti ve) — Rechtsfolgen: 126 ff., 203 ff. Aggressionskrieg: 127 f., 212 ff. Anerkennungsverbot: 126 f., 205 ff. Verantwortlichkeit: 128, 211 ff. — Subjekte: 114 ff., 224 ff. — unbewaffnete: 113, 218 ff., 243 f. — Zielsetzung: 239 ff. Aggressionsausschuß — Untergliederungen: 87 ff. — Verhandlungsphasen: 88 ff. — Zusammensetzung: 78 f. 1®2 Aggressionsbegriff — u n d bewaffneter A n g r i f f : 122 f., 138, 166 f. — „concept opératoire": 110 — Definierbarkeit: 267 — u n d Friedensbedrohung: 219 f., 231 — u n d Friedensbruch: 170 ff. — rechtsnormativer: 102 f. — UNO-Charta: 53, 72 f., 16723 Aggressionsdefinition (Definitionstext): 25 ff., 100 ff., 277 ff. — Adressaten: 100 ff., 142, 163 f.

— Anwendung: 315 ff. Generalversammlung: 318 ff. Sicherheitsrat: 315 ff. — Auslegung: 100 ff., 323 f. — Bindungswirkung: Generalversammlung (Selbstbindung): 283 ff. generell: 277 ff. Sicherheitsrat: 136 ff., 140 ff., 268 ff., 282 f. sonstige UN-Organe: 283 — u n d erlaubte Gewalt: 163ff. (s.a. Befreiungskämpfe, nationale; Gewaltverbot; Selbstbestimmungsrecht; Selbstverteidigungsrecht) — Geschichte: 51 ff. — Initiatoren 76 ff. — Konzepte: 136 ff. Blockfreie: 136 ff. UdSSR 142 ff. Weststaaten: 140 ff. — Nutzen: 25 ff., 129, 164 — Nutzung durch Generalversamml u n g : 320 ff. — objektive: 119 ff., 146 ff. — Offenheit: 103 ff. — Revision: 222 f. — u n d Seerechtskonferenz: 253 f. 7 9 , 256 ff. — u n d Staatsbegriff: s. Aggression, Objekte/Subjekte — Stimmerklärungen zum Geltungsanspruch: 267 ff. — subjektive: 119 ff., 146 ff. — Tatbestand: 103 ff., 112 ff., 218 ff. Bestimmtheit: 103, 105, 108 f. exemplifizierender: 106 ff. generell-abstrakter: 112 ff. konkret-enumerativer: 115 ff. — Völkerrechtsbedeutung: 277 ff. — Zusatznoten: 130 f. Aggressionsdefinition (Konsensbildungsprozeß) : 30 f., 51 ff., 135 ff., 288 ff. — Ebenen: 86 ff. — Geschichte: 51 ff. — Phasen: 88 ff. — Verlauf: 88 ff., 144 ff.

364

Sachregister

— Völkerrechtsbedeutung: 288 ff. langfristig (Völkergewohnheitsrecht): 36 ff., 290 ff. (s.a. Völkergewohnheitsrecht) potentiell (Estoppel) : 314 f. (s. a. Estoppel-Prinzip) unmittelbar: 288 ff. Aggressionskrieg: s. Aggression, Rechtsfolgen A k k l a m a t i o n : 91 (s.a. Konsensusmethode) A n g o l a - K o n f l i k t : 315 ff. A n g r i f f : 244 f., 254 ff. — außerterritoriale Objekte: 117, 254 ff. — Staatsgebiet: 115, 244 f. Animus-Theorie: s. Aggressionsdefinition, subjektive Annexion: 115, 126 f., 244 ff. (s. a. Selbstverteidigungsrecht) Anscheinsbeweis (s. a. Aggressionsdefinition, objektive/subjektive) — i n Aggressionsdefinition: 105 f., 152 ff. — i n nationalem Recht: 105 f. 3 0 Apartheid: 58, 67 ff., 202 Atomwaffen: s. MassenVernichtungswaffen Auslegung — Aggressionsdefinition: s. Aggressionsdefinition — authentische: 278 ff. — Begriff: 47 — Methode: 48 f. obj ektiv-aktuale : 49 subjektiv-historische: 48 — Objekt: 47 — völkerrechtliche: 47 f. — Ziel: 47 Außenpolitik, Handlungsformen: 45 71 Außerrechtliche Abmachungen : 99 Bargaining: 29, 35, 84 ff. Befreiungskämpfe* nationale: 57 ff., 125 f., 180 ff., 193 ff., 199 ff., 237 f. (s. a. Selbstbestimmungsrecht) B e l l u m j u s t u m : 25, 51 B e n i n - F a l l : 316 f. Blockade: 250 ff. — Landblockade: 110β1, 253 f. — Land-See-Blockade: 110 el , 251 ff. — Seeblockade: 115, 251 Bombardierung: 115, 249 f. Breznew-Doktrin: 201 (s.a. Sozialistischer Internationalismus) Bürgerkrieg: s. Aggression, indirekte Dédoublement fonctionnel: 41 De facto Regime (Staat): 114 f., 226 Definition, Begriff: 30

Dekolonisation: 56f., 67ff. (s.a. K o lonialismus; Selbstbestimmungsrecht) Deutschlandfrage: s. Selbstbestimmungsrecht Entebbe-Fall: 117 102 , 237 137 , 317 f. Entspannungs-Deklaration: 320 f. Estoppel-Prinzip: 284 ff., 314 f. Ex iniuria ius non o r i t u r : 206, 209, 248 Explanation of vote: s. Konsensusmethode, Stimmerklärungen Feindstaatenklausel: 177 ff. Fischereistaaten: 255, 259 Formelkompromiß : 29 f. Friedensbegriff (negativer/positiver) : 57 f. Friedensvertrag Ägypten-Israel: 267 12 Friedliche Koexistenz: 62 ff. Friendly Relations Declaration: s. Prinzipien-Deklaration Gegenseitigkeitsgrundsatz: s. Reziprozitätsprinzip Geiselnahme: s. Aggression, i n d i rekte, Terrorismus Geiselnahme-Konvention: 66 75 Generalversammlung: s. Aggressionsdefinition, Anwendung/Bindungswirkung/Nutzung; Vereinte Nationen Gentlemen's Agreements: 99 34 Gesellschaft — dynamische: 33 f. — u n d Recht: 32 f. — statische: 33 f. Gewaltverbot — Dogmatik: 22 17 — erlaubte Gewalt: 121 f., 163 ff. — u n d Generalversammlung: 67 ff. — u n d regionale Organisationen : 175 ff. — relatives: 28, 58 f. — und Selbstbestimmungsrecht: s. dort — u n d Selbstverteidigungsrecht: s. dort — UNO-Charta: 67 — wertfreies: 28, 59, 67 Gewaltverzichtsvertrag: 321 f. Guerillakrieg: 171, 228 (s.a. Aggression, indirekte) Humanitäres Völkerrecht, Genfer Z u satzprotokolle: 250 56 Interessenanalyse: 23 f. Interpretation: s. Auslegung

Sachregister Intervention — auf Einladung: 163 — humanitäre: 119, 141, 163 Interventionsverbot: 120, 158 f. Invasion: 115, 244 f. I r a n - K o n f l i k t : 74 1 3 5 Kolonialismus: 57 ff., 67 ff., 124 f., 192 ff., 245 Kommunikationsprozeß: 20 f., 31 f., 34 ff. — Analyse: 35 12 — Völkerrechtsbedeutung: 34ff. (s.a. Aggressionsdefinition [Konsensbildungsprozeß] ) — Völkerrechtsquellen: 36 ff. Konferenzidentität: 24, 31 Konsens — „der letzten Stunde" : 305 — formloser: 41 ff. — (un)selbständiger: 310 f. Konsensusmethode: 79 ff. — Abgrenzung zu Einstimmigkeit: 80 Mehrheitsbeschlüssen: 80 Stimmenthaltung: 80 f. 1 3 — Anwendungsbereich: 80 ff. — Begriff: 81 — Erklärungsgehalt: 84 ff. — u n d „presumed acceptance" : 93 ff. — Stimmerklärungen: 86, 91 ff. — S t r u k t u r : 83 ff. Krieg, gerechter: s. bellum j u s t u m Kriegserklärung: 116, 243 f. K S Z E : 282 27 , 298 40 , 323 68 Küstenstaaten: 256 ff. Landumschlossene Staaten: 251 ff. „Leben i n Frieden" Deklaration: 320 f. L i b a n o n - F a l l : 317 17 Massenvernichtungswaf f en : 129 f., 249 f. Militärbasen: 254 f. M i l i t ä r t r i b u n a l e (Nürnberg/Tokio) : 113, 127 f., 216 Namibia-Frage: 318 f. Nationale Befreiungskämpfe: s. Befreiungskämpfe, nationale Non-binding Agreements : 99 34 Nürnberger Prozesse: s. M i l i t ä r t r i b u nale Okkupation: 127 f., 244 ff. (s. a. Selbstverteidigungsrecht) OAS: 178 95 , 179 102 , 178 f . 9 5 / 1 0 2 Ο A U : 182 11β O s t - T i m o r - F a l l : 198 217

Parliamentary diplomacy: 347 Prinzipien-Deklaration: 71 f., 98, 122 ff., 185 ff., 204 ff., 279 ff. — A u t o r i t ä t : 281 f. — Bindungswirkung: 279 ff. Prioritätsprinzip: s. Aggressionsdefinition, objektive Rassendiskriminierungs-Deklaration: 70, 98 Rassismus: 68 ff., 124 f., 192 Recht — Doppelcharakter: 32 — Feststellung u n d Fortentwicklung: 37 2β — F u n k t i o n : 43 f., 298 f. — und Gesellschaft: 32 f. — Quellen: 44 Rechtssatz (Bestimmtheit und N o r m setzungsmethode): 106 ff. Resolutionen: s. Vereinte Nationen, Generalversammlung Reziprozitätsprinzip: 306 ff. Rhodesien-Frage : 68 ff. Rhodesien u n d Nachbarstaaten: 316 f. Rüstungskontrolle: s. Abrüstung und Rüstungskontrolle Seehandelsstaaten: 255, 259 Selbstbestimmungsrecht: 57 ff., 67 ff., 123 ff., 180 ff., 236 f., 324 — Deutschlandfrage: 196 f. 2 0 9 — Entwicklungsstand: 203 — Existenz: 123 f., 195 f. — M i t t e l zur Durchsetzung: 125 f., 180 ff., 193 ff., 198 ff. — Rechtscharakter: 123 f., 126 — Träger: 124 f., 190 ff., 196 ff. Selbstverteidigungsrecht: 164 f., 166 ff., 246 f. — u n d A n n e x i o n : 246 f. — und bewaffneter A n g r i f f : 164, 167 ff. — u n d indirekte Aggression: 166 f., 169 ff., 230 ff. — u n d Okkupation: 246 f. — präventive: 166 ff. — UNO-Charta: 167 f. — Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: 172 ff. — Waffentechnologie: 173 Sicherheitsrat: s. Aggressionsdefinition, Anwendung/Bindungswirk u n g ; Vereinte Nationen Soft l a w : 272 f. Sozialistischer Internationalismus : 63 f., 155 Sozialnorm: s. Verhaltensregeln Staatenhaftung: 128, 214f., 216 90 (s.a. Aggression, Rechtsfolgen)

366

Sachregister

Stimmerklärungen: s. Konsensusmethode Stimson-Doktrin: 209, 248 Strafgerichtsbarkeit, internationale : 72 1 2 e , 104, 148, 320 Südafrika-Frage: 68ff. (s.a. AngolaK o n f l i k t ; Namibia-Frage) Terrorismus: s. Aggression, indirekte Transitrechte: 251 ff. Truppenstationierungsabkommen, Verletzung: 115 f., 244 ff., 263 Tschechoslowakei-Krise: 115 89 , 151 Umweltkriegsverbot-Abkommen : 250 52 Unabhängigkeitsdeklaration: 68 f., 97, 180, 184, 187 „ U n i t i n g for Peace" Resolution: 60 f., 75, 176, 286 Vereinte Nationen — Aufgabenwandel: 57 ff. — Forum für Staateninteraktion: 34 ff., 304 f. — Generalversammlung (allgemein) allgemeine Befugnisse: 42 f. 3 5 , 278 ff. authentische Auslegung: 278 ff. u n d Sicherheitsrat: 72 ff. Untergliederungen: 283 33 — Generalversammlung (Resolutionen) A u t o r i t ä t : 43, 96 Bezeichnung: 96 f. Bindungswirkung: 278 ff. hortatorische: 96 f. mandatorische: 96 ff. Sprache: 95 ff. u n d Vertragsentwürfe: 9 3 " — Konfliktbewältigung: s. Konsensusmethode — Sicherheitsrat Beschlußkompetenzen: 269 Ermessen: 102 ff., 136 ff., 140 ff., 142 ff., 145 f., 282 f., 288 f. u n d Generalversammlung: 72 ff. Monopolstellung: 72 f. ständige Mitglieder: 72 ff. — S t r u k t u r w a n d e l : 55 ff. — u n d Völkergewohnheitsrecht: 36ff., 290ff. (s.a. Völkergewohnheitsrecht) Verhaltensregeln: 43 ff., 92 f., 99 Verhaltenserwartungen : 43 f., 298 f., 306 ff. Vertrauensschutzprinzip: 306 ff. Völkergewohnheitsrecht — u n d Dissens: 305 f., 311 ff. — Entstehung: 299 ff.

— Ernstbegehren: 300 f. — „ I n s t a n t " customary l a w : 38 30 — Internationale Organisationen: 36 ff. — und Interessen: 308 ff. — und Konsens: 302 ff., 310 f. — opinio iuris négative: 312 — opinio iuris sive necessitatis: 39 f., 291 ff. u n d bargaining: 291 ff., 302 ff. u n d Konsens: 302 ff. traditionelle Interpretation: 292 f. — partikuläres: 313 ff. — Praxis (reale/verbale): 34ff., 38ff., 304 f. — regionales: 313 — u n d Reziprozität: 306 ff. — streitgeborenes : 301 f. — und Vertrauensschutzprinzip: 306 ff. — und Völkerrechtsbegehren: 301 ff. Völkerrecht — Aushandlung: 20 f., 34 ff. — Begriff: 19, 32 — Formfreiheit: 41 f. — Fortentwicklung u n d K o d i f i k a tion: 20, 59 ff. sowjetmarxistische Staaten: 62 ff. Entwicklungsländer: 60 ff. Weststaaten: 65 ff. — F u n k t i o n : 298 f. (s. a. Recht, F u n k tion) — Geltungsgrund: 293 ff. u n d bargaining: 294 ff. Theorien: 294 ff. — „ i n Bewegung": 21 14 — Quellen: 36 ff. (s. a. Recht, Quellen) Begriff: 43 ff. formelle: 46 herkömmliche: 36 I G H - S t a t u t (Art. 38): 41 f. materielle: 46 „neuere" : 41 ff. subsidiäre: 22 f., 36 f. — Wesensmerkmale: 33, 307 Völkerrechtsbegehren: s. Völkergewohnheitsrecht Völkerrechtswissenschaft: 19, 31 ff. — Auslegungsbegriff: 47 — Erkenntnisobjekt: 32 f. — Legal realism: 35 f. — und Politikwissenschaft: 23 f. — sowjetische: 62 f. — Strukturanalyse: 19 — und Systemfunktionalismus: 298 f. Weltgesellschaft: 45 72 West-Sahara-Konflikt: 318 World-opinion: 27