Die Bodenhaftung der Netzwerkgesellschaft: Eine Ethnografie von Pannen an Großflughäfen [1. Aufl.] 9783839406496

Technische Pannen sind unvermeidbar, ihre Ursachen und Folgen oftmals unklar und umstritten. Die betroffenen Organisatio

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Die Bodenhaftung der Netzwerkgesellschaft: Eine Ethnografie von Pannen an Großflughäfen [1. Aufl.]
 9783839406496

Table of contents :
Inhalt
1. Die zunehmende Bodenhaftung des Flugverkehrs
2. Pannen und soziale Ordnung
3. Feldzugang und Untersuchungsdesign
4. Krise der Gepäckabfertigung und doppelter Umgang mit Pannen. Gemeinsamkeiten zwischen den Fallstudien
5. Krise der Gepäckabfertigung und Unternehmenskulturen. Analyse der Unterschiede zwischen den Fallstudien
6. Schluss: Pannen -das Andere der Netzwerkgesellschaft?
Anhang
Literatur

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Jörg Potthast Die Bodenhaftung der Netzwerkgesellschaft

Jörg Potthast (Dr. phil.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Technikforschung und Wissenschaftspolitik

JÖRG POTTHAST

Die Bodenhaftung der Netzwerkgesellschaft Eine Ethnografie von Pannen an Großflughäfen

[transcript]

Die vorliegende Studie wurde von der Fakultät VI der TU Berlin am 12.J.20o6 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:j jdnb.ddb.de abrufbar.

©

2007

transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Jörg Potthast Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-649-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http:jjwww.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: info@ transcript-verlag.de

Inhalt

1. Die zunehmende Bodenhaftung des Flugverkehrs

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2. Pannen und soziale Ordnung

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3. Feldzugang und Untersuchungsdesign

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4. Krise der Gepäckabfertigung und doppelter Umgang mit Pannen. Gemeinsamkeiten zwischen den Fallstudien

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5. Krise der Gepäckabfertigung und Unternehmenskulturen. Analyse der Unterschiede zwischen den Fallstudien

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6. Schluss: Pannen -das Andere der N etzwerkgesellschaft?

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Anhang

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Literatur

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Danksagung Danke an die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in London Heathrow und Paris Roissy für ihre Geduld und ihren Enthusiasmus. Danke an die Probeleserinnen und Probeleser der letzten und vorletzten Versionen für ihre Kritik: Cordula Bachmann, Holger Braun-Thürmann, Sybille Frank, Michael Guggenheim, David Naegler, Andreas Pettenkofer, Heinrich Schwarz, Andrea Westermann. Danke an viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Tagungen und Kolloquien für ihre Resonanz. Danke an mehrere Institutionen, die mir anregende Diskussionszusammenhänge geboten und Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt haben: WZB, TU Berlin, ETH Zürich, Universite Paris 1. Danke an Alain Gras und Howard Rush, die mir bei Feldzugängen geholfen haben. Danke an die beiden Betreuer dieser Arbeit, Wemer Rammert und Bemward Joerges, die mich zu diesem techniksoziologischen Projekt motiviert haben. Finanziell ermöglicht wurde es durch Stipendien der DFG (Graduiertenkolleg "Gesellschaftsvergleich", FU Berlin) und der Flughafen Frankfurt Main Stiftung.

1. Die zunehmende Bodenhaftung des Flugverkehrs

Einleitung Der Flugverkehr bietet eine wichtige Grundlage für die Globalisierung von Märkten. Er entfaltet dabei eine Wachstumsdynamik, die sich etablierten Institutionen gebietskörperschaftlich verfasster politischer Repräsentation und Kontrolle vielfach entzieht. Meistens wird die Frage nach der Bodenhaftung des Flugverkehrs in diesem Kontext und in politischer Absicht gestellt: Es fehle dem Flugverkehr an Bodenhaftung (Bovet 2002). Die mangelnde Bodenhaftung des Flugverkehrs wird regelmäßig problematisiert, wenn um die Ansiedlung oder Erweitemng von Flughäfen gestritten wird oder um die Frage, ob der Flugverkehr absolut und relativ zu anderen Verkehrsträgem subventioniert wird. So gesehen illustriert das Wachstum des Flugverkehrs- ohne Bindung an territorial verankerte Prozesse der politischen Legitimation und Aufsicht - den Aufstieg der Netzwerkgesellschaft (Castells 1996; ähnlich Lash & Urry 1987). Der Verlust der Bodenhaftung wird als ein Zeichen für die Errichtung einer Diktatur der "Spaces of flow" gedeutet; der Ausbreitung dieser - gemessen an den Standards territorial verfasster Politik apolitischen Räume wird eine einheitliche technische "Logik" unterstellt. Dass zur Etabliemng und Aufrechterhaltung von "Spaces of flow" große Infrastrukturen erforderlich sind, in denen globale Ströme mitunter auch zum Erliegen kommen, wird zwar gelegentlich als unfreiwillige Ironie dieser Entwicklung verbucht. Solche Phänomene fanden konzeptuell aber bislang keine weitere Beachtung. Dies macht sich in einer zu glatten, einseitigen und unzulässig vereinfachenden Erzählung vom Aufstieg der Netzwerkgesellschaft bemerkbar. Das hier zu entwickelnde

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DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

Argument zur Bodenhaftung der Netzwerkgesellschaft setzt dazu einen Kontrapunkt. Empirisch fundiert wird es durch zwei Fallstudien über den Umgang mit Pannen aus dem Bereich des Flugverkehrs. Die vorliegende Studie interessiert sich für Prozesse des Organisierens, die das stetige Wachstum des Flugverkehrs ermöglicht haben. Kennzeichnend für das Flugverkehrwachstum der vergangen Jahrzehnte ist, dass es nicht auf technische Innovationen im engeren Sinne zurückgeht. Es resultiert jedenfalls nicht aus Geschwindigkeits- oder Kapazitätszuwächsen der Verkehrsmittel (Flugzeuge). Vielmehr wird es begleitet und ermöglicht durch Logistikinnovationen, die insbesondere an den Knotenpunkten des Flugverkehrs, den großen Umsteige- oder Hub-Flughäfen, also amBoden realisiert werden. In der jüngsten Phase der Entwicklung des Flugverkehrs hat sich die Rolle von Flughäfen stark verändert. Flughäfen liegen nicht mehr an der Peripherie des Systems. Aus Flughäfen, die Punkte des Zugangs oder Endstation einer Reise waren, sind Drehkreuze geworden. Dies gilt für alle Flughäfen, die eine Hub-Funktion übernommen haben und deren Aufgabe seither darin besteht, in kurzen Zeitfenstern große Zahlen von Anschlussflügen anzubieten. "Airports that receive a !arge number of transferring and transiting passengers are referred to as hubhing airports. At a hub, aircraft arrive in waves, and passengers transfer between aircraft during the periods when these waves are on the ground. By using a ,hub-and-spoke' network, airlines are able to increase the Ioad factors on aircraft and to provide more frequent departures for passengers - at the cost, however, of inconvenient interchange at the hub" (Encyclopredia Britannica). Hub-Flughäfen wurden mit Systemen für automatische Gepäckabfertigung ausgestattet. Diesen Teilprozess der Gepäckabfertigung einzurichten und zu stabilisieren, hat sich vielerorts als schwierig herausgestellt. Damit Flugreisende nicht ohne ihr Gepäck am Zielort ankommen, mussten innerhalb und zwischen Organisationen effiziente Formen des Umgangs mit Pannen eingeübt werden. Die beiden empirischen Fallstudien, die dieser Arbeit zugrunde liegen, befassen sich damit, wie es gelungen ist, Krisen der Gepäckabfertigung zu überwinden. Die These dieser Studie, die an diesem Teilprozess des Flugbetriebs überp1üft werden soll, lautet, dass es zwei inkompatible Strategien des Umgangs mit Pannen gibt, die im alltäglichen Betrieb des Flugverkehrs unausweichlich in Konflikt geraten und fortlaufend neu kombiniert werden. Auf der einen Seite lösen Pannen Prozesse der Anschuldigung aus, die darauf drängen, eine schuldige Person zu identifizieren und mit einer

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Sanktion zu belegen. Auf der anderen Seite werden Prozesse der Ursachenforschung angestrengt, in deren Rahmen alle erdenklichen Ursachen erfasst und in ihrem Wechselspiel analysiert werden, um daraus konkrete Verbesserungen des Systems abzuleiten. Die erste Strategie nenne ich kurz "Schuldzuweisung", die zweite "Ursachenforschung" (Dodier 1994, vgl. Douglas 1992). Ich versuche nachzuweisen, dass der Schlüssel zur Überwindung der Krisen in der Gepäckabfertigung nicht darin lag, den Umgang mit Pannen auf einen der genannten Teilprozesse zu reduzieren. Vielmehr werde ich herausstellen, dass beide Prozesse fortlaufend neu verknüpft wurden, und die Formen der Koordination charakterisieren, die dabei erfunden, erprobt oder auch verworfen wurden. Diese Art der Erklärung dafür, wie der Betrieb technischer Systeme laufend stabilisiert wird, füllt eine oft beklagte Forschungslücke. Wenn sich die gerade skizzierte Leitunterscheidung - Ursachenforschung versus Schuldzuweisung - im Rahmen der empirischen Untersuchung bewährt, dann verspricht das Ergebnis neue Einsichten zu Kulturen der Verlässlichkeit technischer Systeme, die sich von der zu glatten Rahmenerzählung über den Aufstieg der Netzwerkgesellschaft und der logistischen Revolution abheben. 1 Abbildung I: Das Betriebsschema Hub-and-spoke und das herkömmliche Betriebsschema des Flugverkehrs

Links das herkömmliche Betriebsschema des Flugverkehrs: Alle Flughäfen unterhalten im Prinzip mit allen anderen Direktverbindungen. Rechts das neue Betriebsschema, fiir das sich der Begr(ff HubVgl. Läpple (1995b) ftir eine sozialwissenschaftliche Perspektive auf logistische Transform ationen im Bereich Gütertransport und -produktion: Der Unterschied zwischen Transport und Logistik wird hier vortrefflich herausgearbeitet. Koordinationserfordernisse hingegen, die logistische Innovationen nach sich ziehen, werden stiefmütterlich behandelt - als wäre mit dem Hinweis auf den Einzug von Informations- und Kommunikationssystemen in die Steuerung und Planung von Transportketten schon alles gesagt.

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DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

and-spoke eingebürgert hat. Der Anteil der Direktverbindungen sinkt erheblich; aus Direktpassagieren werden Transferpassagiere, denen im Umsteigeflughafen zeitnahe ein sehr großes Angebot an Verbindung,~flügen zur Verfügung steht. Abbildung 2: Alle Flugzeuge werden gleichzeitig abgefertigt.

Um die Auswahl der Gepäckabfertigung als Gegenstand der Fallstudien zu begründen, berufe ich mich auf die Figur eines innovationshistorischen Pars pro toto: Automatische Anlagen für Gepäcksortierung stehen metonymisch flir den Flugverkehr, seit dieser auf das Betriebsschema Hub-and-spoke umgestellt wurde. 2 Mit dieser Begründung beziehe ich mich positiv auf Castells, in dessen Studie zum Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Informations- und Kommunikationstechnologien als ein Typ von Technik betrachtet werden, der Prozesse der Vernetzung von bestehenden technischen Systemen und Infrastrukturen ausgelöst hat. Die jüngere Geschichte des Flugverkehrs illustriert dieses Argument. Sie zeigt, wie aus Flughäfen Infrastrukturen der Konnektivität geworden sind, während der alte technische Kern des Flugverkehrs zwischen 1960

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Sie sind darin Rolltreppen, Klimaanlagen und Aufzügen vergleichbar, die metonymisch für Bürohochhäuser und Shopping Malls stehen - Gebäudetypen, die mit ihren Vorgängem nur wenig gemein haben (Koolhaas et al. 2000).

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und 2000 nahezu unverändert blieb. 3 Castells begreift Globalisierung als selbst beschleunigende Reorganisation soziotechnischer Prozesse nach einem der Informationstechnologie inhärenten Muster der Innovation. Dieses Muster breite sich unaufhaltsam aus, weil es sich auf buchstäblich alle Arten von technischen Apparaturen anwenden lasse, die auf diesem Weg von der Logik des netzwerkförmigen Betriebs durchdrungen werden. "This topological configuration, the network, can now be materially implemented, in all kinds of processes and organizations, by newly available information technologies" (Castells 1996: 61 ). Die Dynamik der Globalisierung, damit unterscheidet sich Castells von früheren Globalisierungsthesen, geht nicht auf Technik an sich, sondern auf eine neue Betriebsform von Technik und intersystemische Vernetzung zurück. Es ist Castells zugute zu halten, dass er Technik nicht als einen exogenen Faktor gesellschaftlicher Entwicklung fasst und auf eine instrumentelle Dimension reduziert. Studien, die sich mit einer derart eindimensionalen Betrachtung von Technik und Globalisierung begnügen, kommen nicht darüber hinaus, Schlagworte wie Beschleunigung oder Enträumlichung zu reproduzieren. Technische Innovationen mögen dann zwar Effekte der raum-zeitlichen Distanzierung von Interaktionen haben (Giddens 1990), bleiben aber ansonsten aus dem Untersuchungshereich ausgeklammert. Mit Castells ist demgegenüber zu behaupten, dass Verkehrssysteme vor und nach der logistischen Revolution nicht vergleichbar sind - auch dann nicht, wenn sie sich vordergründig weiterhin aus den gleichen technischen Komponenten zusammensetzen.4 Diese Perspektive ist auch für Arbeiten aus dem Bereich der Forschung über Global cities charakteristisch. Statt Globalisierung als 3

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Große Veränderungen bei Antriebsart, Geschwindigkeit und (mit Abstrichen auch bei der) Kapazität der Flugzeuge liegen mehrere Jahrzehnte zurück (vgl. Frybourg 1990). Die Rolle informatikgestützter Reservationssysteme fl.ir die jüngere Entwicklung des Flugverkehrs ist erst teilweise aufgearbeitet (Saglietto 2002). "Neu ist die Struktur des Netzwerks und die informatikgestützte Organisation dieser Drehscheiben, deren Efftzienz grundlegend verändert wird. Es handelt sich dabei nicht nur um eine quantitative, sondern um eine qualitative Veränderung" (Frybourg 1990: 72, deutsche Übersetzung JP). Eine wichtige Quelle fl.ir die Skepsis gegen die Vorstellung, Globalisierung habe mit der kontinuierlichen Vernichtung von Zeit und Raum zu tun, ist die Beobachtung von Transito11en. "Räumliche Sanieren können nur um den Preis der Enichtung besonderer Räume reduziert werden (Eisenbahnen, Autobahnen, Flughäfen, Teleports, etc.) [ ... ] Produktion, Restrukturierung und Wachstum räumlicher Organisation ist eine hochproblematische und teure Angelegenheit, die zurückgehalten wird von großen Investitionen in physische Infrastrukturen, die nicht versetzt werden können, und soziale Infrastrukturen, die immer nur langsam verändert werden können" (Harvey 1990: 232, deutsche Übersetzung JP).

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kontinuierliche Schrumpfung von Zeit-Räumen für gegeben zu halten, wurden hier zum Beispiel die Infrastrukturen, die Koordination und Kontrolle globaler Finanzströme gewährleisten, einer situierten Analyse unterzogen. 5 Obwohl der Finanzkapitalismus hoch beweglich und an keinen Standort mehr gebunden sei, mache sich neben Effekten der zeiträumlichen Kompression eine Logik der Agglomeration bemerkbar. In den Städten, die als Kontrollzentren der Weltwirtschaft fungieren, falle vielfach und in unberechenbarer Weise und Umfang Gewährleistungsbedarf an, der reaktionsschnell und projektförmig bearbeitet werden muss. Darum zögen Global cities "Armeen von Gewährleistungsarbeitem" an (Sassen 1994: 162). Während Sassen einen Akzent auf diesen Kontroll- und Vermittlungsaufwand legt, bleibt dies bei Castells eher vernachlässigt. Ihm ist vorzuhalten, dass er dazu neigt, Konsistenz und Konvergenz der "Logik der Ströme" zu überschätzen. Es gibt keine technischen Geräte, Anlagen oder Systeme, die vor Pannen und Störungen sicher wären. Pannen sind universal, das ließe sich auch weit unterhalb der Ebene internationaler Finanzmärkte oder des Flugverkehrs zeigen, - und die beiden Strategien des Umgangs mit Pannen sind es auch. Dass sie in einem schwierigen Verhältnis der Konkurrenz zueinander stehen, dass sie interferieren und dass darüber neue und eigenständige soziale Formen entstehen ("Kulturen der Verlässlichkeit" oder "Risikokulturen"), setzt allerdings einen gewissen Organisationsgrad des Umgangs mit Pannen voraus. Organisiert wird der Umgang mit Pannen, wenn dies aufgrund der Ausdehnung, des Risikopotentials oder der Betriebsanforderungen, die an ein technisches System gestellt werden, erforderlich ist. Insofern sind die Formen des Umgangs mit Pannen, die ich im Folgenden beobachte, nicht universal, sondern relativ zu einem technischen System mit spezifischen Ausprägungen und einer besonderen Geschichte. Bevor ich im Rahmen eines Exkurses eine Geschichte des Flugverkehrwachstums präsentiere, werde ich im nächsten Abschnitt anhand eines Beispiels das Potential der hier ve1wendeten Interpretationsstrategie demonstrieren. Das Beispiel betrifft zugegebenermaßen einen besonderen Fall des Verlusts von Gepäckstücken - vor beziehungsweise 5

Vgl. eine (retrospektive) programmatische Formuliemng im Originalton: "Tntroducing cities into an analysis of economic globahzation allows us to reconceptualize processes of economic globalization as concrete economic complexes situated in specific places. [ ... ] One of the central concems in my work has been to Iook at cities as production sites for the leading service industries of our time, and hence to uncover the infrastmcture of activities, firms, and jobs, that are necessary to tun the advanced corporate economy. T want to focus on the practice of global control" (Sassen 1998: XIX, XXTTT).

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1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

außerhalb der Anlage für automatische Gepäckabfertigung. Nachdem die Unterscheidung zwischen den beiden Strategien des Umgangs mit Pannen an diesem Beispiel erläutert wurde, wendet sich das einleitende Kapitel wieder der Behauptung zu, dass der Flugverkehr zuletzt an Bodenhaftung gewonnen hat: Wer sich für die Wachstumsbedingungen des Flugverkehrs interessiert, muss sich daher auf "Flughöhe Null" begeben.6 Diese Behauptung führe ich aus, indem ich auf die Geschichte des Flugverkehrs eingehe. Es wird dabei eine spezifische Perspektive auf Flughäfen als "Infrastrukturen der Konnektivität" eröffnet. 7 Dies liefert den Rahmen, der für die Entwicklung der Fragestellung dieser Arbeit unerlässlich ist: Welchen Veränderungen unterliegt der Umgang mit Pannen beim Eintritt in die Netzwerkgesellscham Wie bereits angedeutet, werden geläufige Thesen zur Netzwerkgesellschaft diesen Veränderungen bisher nicht gerecht. Vorweg noch eine Bemerkung zum Aufbau der vorliegenden Studie: In Kapitel zwei wird im Rahmen einer ausführlichen Literaturstudie die Interpretationsstrategie begründet, die diese Untersuchung organisiert: Woher kommt die Unterscheidung der beiden Umgangsformen mit Pannen? Welches Problem liegt dieser Unterscheidung zugrunde und welche theoretischen Implikationen bringt sie mit sich? Wo sind die Grenzen vorliegender Operationalisierungsversuche - und inwiefern verspricht das hier vorgeschlagene analytische Instrumentarium, darüber hinauszugehen? In einem kurzen dritten Kapitel ziehe ich daraus Konsequenzen für das methodische Design. Kapitel vier und fUnf präsentieren dann den Kern der empirischen Untersuchung über Krise und Rettung der Gepäckabfertigung in London Heathrow und Paris Roissy. Im sechsten und abschließenden Kapitel werden die Untersuchungsergebnisse mit Blick auf die vorliegende Forschungsliteratur kontextualisiert. Ich unterbreite dort auch einige Vorschläge, die hier erarbeiteten Forschungsperspektiven zum organisierten Umgang mit Pannen programmatisch weiter zu führen.

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Vgl. Herbert Mai, Die Leistung auf "Flughöhe Null" bestimmt die Stellung an der Spitze, FR, 31.10.2001. Vgl. Offner & Pumain (1996); Varlet (1997). In den sozial- und wirtschaftsgeografischen Texten, auf die ich mich hier beziehe, ist im Original von "Infrastrukturen der Interkonnexion" die Rede. "Konnektivität" scheint mir die gängigste deutsche Übersetzung.

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DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

Gefährliche Gepäckstücke Wenn Flughäfen das Interesse von (in der Regel männlichen) Sozialwissenschaftlern angezogen haben, dann bezieht es sich meistens darauf, dass Reisende hier einer besonderen Erfahrung ausgesetzt sind, die als modern oder "übern1odern" bezeichnet wird. Unabhängig von Herkunft und Status werden Flugreisende so portraitiert, als seien sie entwurzelt, ihrer Identität beraubt und einsam. Die vorliegende Studie knüpft nicht an diesen Narrativ an. Flughäfen werden weder als Nichtorte noch als emblematische Orte der Moderne begriffen. Die Frage der Konstitution moderner oder über-moderner mobiler Subjekte bleibt ausgeklammert. 8 Vielmehr stehen hier- am Beispiel der Gepäckabfertigung- die lokalen und translokalen Bedingungen für die laufende Produktion und Aufrechterhaltungdes Flugbetriebs im Mittelpunkt des Interesses. Wie lässt sich diese Ambition in ein empirisches Arbeitsprogramm übersetzen? Ich fasse die Organisationsleistung, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs erbracht wird, zunächst in negativen Begriffen: Es gilt, den Verlust von Gepäckstücken zu vermeiden. Erst am Ende des Kapitels werde ich dann in positiven Begriffen und in höherer Detailschärfe auf diesen Teilprozess zu sprechen kommen. 9 8

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Das muss eigens betont werden, weil diese Literatur einige Prominenz erlangt hat. Zur Erosion sozialer Beziehungen unter den Bedingungen des globalisierten Flugverkehrs, vgl. Auge (1994), Senes (1994), Sennett (1998). Zur Ausbildung von Mobilitätsstilen und bemerkenswerten Strategien des Umgangs mit extremen Mobilitätsanforderungen, vgl. Bonß et al. (2004), Gottdiener (2001). Leider beschränkt sich die Mehrzahl auch der hier zitierten Autoren auf eher sporadische empirische Beobachtungen wenn nicht gar Selbst-Empirie. Manuel Castells sei stellvertretend für die vielen stereotypen sozio-ästhetischen Beobachtungen an Flughäfen zitiert. "No carpeting, no cosy rooms, no indirect lighting. In the middle of the cold beauty of this airport passengers have to face their terrible truth: they are alone, in the middle of the space of flows, they may lose their connection, they are suspended in the emptiness of transition" (Castells 1996: 421). Angesichts solcher Ausführungen ist der folgenden Anmerkung bezogen auf Forschungen zur Pariser Metro nur zuzustimmen: "A symmetrical Mare Auge would have studied the sociotechnological network of the metro itself: its engineers as well as its drivers, its directors and its clients, the employer-State, the whole shebang - simply doing at home what he had always done elsewhere" (Latour 1993: 1OOf., vgl. Meniman 2004). Inzwischen wurden in Frankreich eine Reihe von Arbeiten vorgelegt, die sich unter Gesichtspunkten der Produktion mit Bahnhöfen befassen (Breviglieri 1997, Joseph et al. 1995). Es liegt mir fern, Pannen in der Gepäckabfertigung so zu behandeln, als seien sie ähnlich gravierend wie Pannen, die zum Absturz von Flugzeugen führen. Vgl. für die Produktion von Flugsicherheit unter dem Aspekt "Risiken der Automationsarbeit" Graset al. (1994a), Weyer (1997). Ich bean-

1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

[f; b} 10 Vor einer Art des Verlusts von Gepäckstücken werden die Reisenden an Flughäfen permanent über Lautsprecher gewarnt. "Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeatif.sichtigt!" Diese Atifforderung wird auf bemerkenswert unterschiedliche Weise begründet. Für den Fall, dass sie keine Beachtung findet, werden unterschiedliche Folgen angekündigt. Der Zürcher Flughafen warnt vor Gepäckdieben. Paris Roissy bittet die Reisenden, nicht nur auf ihre eigenen Koffer zu achten, sondern auch auf "unbeaufsichtigt" herumstehende. London Heathrow verbindet den Appell an die Eigentümerinnen und Eigentümer mit einer handfesten Drohung: "Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeat!fsichtigt, sonst wird es entfernt und möglicherweise zerstört! " Meistens bleibt es bei einer Warnung, aber gelegentlich schreiten die Ordnungskräfte auch zur Tat. In Paris Roissy werde ich Zeuge der Räumung eines Terminals, damit ein als gefährlich eingestt~ftes Gepäckstück zerstört werden kann. 11 An diesem B eispiel lässt sich exemplarisch vorführen, was hier mit der Frage nach dem doppelten Umgang mit Pannen gemeint ist. Eine Umgangsform behandelt eine Panne (oder das Risiko einer Panne oder eines Unfalls) als moralische Krise, für die eine schuldige Person gefunden und mit einer Sanktion belegt werden muss. Vom Standpunkt der anderen Umgangsform her gesehen sind Pannen Betriebsstörungen, die Anlass zu möglichst weit reichenden Untersuchungen über potentielle und aufkomplexe Weise zusammenhängende Ursachen geben und erst dann spruche nicht, dass der Fall Gepäckabfertigung unter dem Etikett "Hochrisiko" rubriziert wird; er eignet sich jedoch aus Gründen, die ich in diesem Kapitel darlege, als Pars pro toto ftir die Entwicklung des Flugverkehrs. 10 lm Interesse der Lesbarkeit habe ich ethnografische Notizen und Interviewmaterial stark verdichtet und typografisch vom Fließtext abgesetzt. Über die Kürzel "[b]" und " [f]" sind diese materialgesättigten Passagen der "britischen" und der "französischen" Fallstudie zuordenbar. Weitere Hinweise zur Darstellung im Anhang. 11 Die schlagartige Militarisierung des Terminals kontrastiert scharf mit der freundlich säuselnden (immer) weiblichen Stimme der Wamdurchsage. Nicht nur akustisch, sondern auch über die Aufschrift der flachen Kartons, die in Roissy die Mülleimer ersetzen, werden die Reisenden zur Mitarbeit aufgerufen: "Attentifs ensemble. La securite est une affaire de tous!" ("Wachsamkeit verbindet. Sicherheit geht alle an.") Zur Tllustration dieser Aufforderung zeigen die Kartons eine Abbildung, die in ScherenschnittÄsthetik Menschen zeigt, die sich an der Hand fassen und eine Kette bilden. Die Botschaft ist durchaus ambivalent: Misstrauen Sie jedem und nehmen Sie keinesfalls einen Koffer in Aufsicht, aber seien Sie gemeinsam wachsam! Die Betreiber großer Transportinfrastrukturen bemühen sich um zivilgesellschaftliche Unterstützung, die dann aber gegebenenfalls zügig durch massive Polizeieinsätze ergänzt wird.

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DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

abgeschlossen sind, wenn eine Verbesserung des technischen Netzwerkes erreicht werden konnte. [j] Der Verlust von Gepäckstücken im Terminal wird per Daueransage laufend als Regelverstoß gerahmt. Wenn ein Koffer als unbeaufsichtigt gilt, wird per Durchsage eine Weile nach der Eigentümerin oder dem Eigentümer gesucht, bevor dann unter Umständen der Terminal für einige Minuten abgesperrt wird, um den verlorenen Koffer unschädlich zu machen. Dann wird der Betrieb wieder aufgenommen.

Nach Einschätzung der Pariser Flughafenverwaltung tragen derartige Interventionen offenbar dazu bei, das Verhalten der Reisenden an die Anforderungen des Flughafenbetriebs anzupassen. 12 Dennoch liegt es nahe, diese Art des Umgangs mit Unsicherheit als moralisierend zu brandmarken: Als ginge Schuldzuweisung vor Ursachenforschung. Dieser Vorwurf zieht seine Plausibilität aus dem Bild der Zerstörung und den Kosten der Betriebsunterbrechung. Zugespitzt formuliert besagt er, dass es nur um moralische Satisfaktion geht. Die Eliminierung von Gepäckstücken sei (nichts als) Show, eine übertriebene Inszenierung, bei der der Knall (die Anwesenden halten sich nach dem Vorbild von erfahrenen Reisenden die Ohren zu) die Evidenz einer tatsächlichen Gefährdung verbürgt. Ist der Verlust eines Gepäckstücks im Terminal eine echte Panne oder nur inszeniert? Was wird hier repariert, wenn nicht eine symbolische Ordnung? Sind Sanktion und Strafmaß nicht unangemessen? Lohnt es, eine nicht identifizierbare Person in ihrer Abwesenheit mit der Vernichtung ihres Gepäckstücks zu bestrafen - und mit ihr eine größere Zahl von Reisenden, die sich Sorgen machen, ob sie ihren Flug noch erreichen? Das Beispiel mag ausgefallen sein, aber es ist hervorragend geeignet, ein Konfliktmuster vorzustellen, das durchgängig im Umgang mit Pannen zu beobachten ist. Pannen geben Anlass zu unterschiedlichen und konkurrierenden Strategien der Reparatur. Das eröffnet Raum für Kritik, wie ich an diesem Beispiel herausgestellt habe. Lässt sich im Umgang mit Pannen eine Strategie der Schuldzuweisung identifizieren, dann riskiert diese Strategie, aus Perspektive der Ursachenforschung als unangemessen kritisiert zu werden. Dasselbe gilt in umgekehrter Richtung. Von diesem Beispiel des Umgang mit gefährlichen Gepäckstücken im zugänglichen Teil des Flughafenterminals ausgehend werde ich im 12 Dass die unsanfte Räumung von Flughafenterminals nur zum Zweck der Übung des Personals stattfindet (vgl. Thomas Wolff, Der Problemlöser, FR, 16.7.2005), scheint mir auch nach dem 11. September nur eine schwache Erklärung fiir diesen Aufwand zu sein.

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1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

Folgenden die Untersuchung auf den Prozess der Gepäckabfertigung ausdehnen, der sich auf der anderen Seite der Schalter abspielt. Es gibt nach dem Check-in viele andere Arten des Verlusts von Gepäckstücken. Die dabei anfallenden gewährleistenden Tätigkeiten analysiere ich nach dem Muster des doppelten Umgangs mit Pannen. Mehrere Organisationen sind mit Unterstützung von Inforn1ations- und Kontrollsystemen in den Prozess der Gepäckabfertigung involviert. Insofern handelt diese Studie nicht nur vom organisierten, sondern auch vom zwischenorganisatorischen Umgang mit Pannen. Sie widmet sich unterschiedlichsten Arten und Verkettungen von unvorhergesehenen Ereignissen, die dazu führen, dass Gepäckstücke verloren gehen. Das Material dazu habe ich per teilnehmender Beobachtung erhoben oder aus Berichten über Kontroll- und Wartungstätigkeiten rekonstruiert. Es bezieht sich auf die Anlagen für Gepäckabfertigung der beiden Flughäfen Paris Roissy und London Heathrow.

Zum Aufbau der Studie Aus dem vorangehenden Beispiel könnte ein Missverständnis entstehen, dem ich sogleich vorbeuge: Mir geht es nicht darum, echte und unechte oder inszenierte Pannen gegeneinander auszuspielen. Ich behaupte auch nicht, dass sich die "echten" Pannen dort ereignen, wo das gewöhnliche Publikum keinen Zugang mehr hat. Auf derlei ideologiekritische Figuren zu verzichten, ist sogar eine Voraussetzung, um beide Strategien des Umgangs mit Pannen beobachten zu können. Wenn die Strategie der Ursachenforschung angewendet wird, mache ich darauf aufmerksam, dass und wie sie vom Standpunkt der alternativen Umgangsform, der Strategie der Schuldzuschreibung, kritisiert werden kann und kritisiert wird. Genauso verfahre ich im umgekehrten Fall. Die Ambition besteht also darin, Möglichkeitsbedingungen der Kritik herauszuarbeiten. Das ist keinesfalls eine sterile Übung oder Vorübung, sondern öffnet einen, wie ich meine, konkurrenzlosen Blick auf manifeste und latente Konflikte im Umgang mit Pannen. Kritik und Kritisierbarkeit werden nicht als Phänomene an der diskursiven Oberfläche aufgefasst oder für einen überlegenen Beobachterstandpunkt reserviert. Vielmehr werde ich zeigen, dass und wie Operationen der Kritik pragmatisch verankert sind. Damit ist angesprochen, dass ich den theoretischen Ertrag dieser Studie darin sehe, technik- und organisationssoziologische Debatten um den Vorschlag einer Soziologie der K ritik zu bereichern. Dazu bedarf es einiger Umbauten, denn die meisten Theoriearchitekturen behandeln Kritik als ein Phänomen außerhalb des Gegenstandsbereichs, sind also

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DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

weit davon entfernt, Prozesse der Kritik als internes Moment sozialer Ordnung zu begreifen. Das ist jedoch unmöglich, solange Operationen der Kritik kritischen Soziologinnen und Soziologen vorbehalten sind, wie Verfechter der Soziologie der Kritik argumentieren, die sich vom Projekt der kritischen Soziologie distanziert haben (Benatoull 1999, Boltauski 1990b, Boltauski & Thevenot 1999). Dieser Perspektivwechsel impliziert in erster Linie eine Aufwertung der kritischen Kompetenzen der Akteure. 13 Theoriehistorisch ausgedrückt zeichnet sich in den hier genannten französischen Arbeiten die Rückkehr der Science studies in die soziologische Theoriediskussion ab. Umgekehrt formuliert: Soziologische Theorie wurde ausgehend von den Befunden der Science studies über den Status von Wissenschaft und Technik in zeitgenössischen Gesellschaften einer Revision unterzogen. 14 Der Einfluss oder die Aneignung der Science studies ist in einer mittlerweile recht stabilen "intellektuellen Konfiguration" (Dodier 2005) erkennbar, ftir die die Abgrenzung gegen Bourdieus dispositions- und darum letztlich strukturtheoretisches Erklärungsmodell konstitutiv warY Was mit Soziologie der Kritik gemeint ist und worin der Beitrag der Science studies bei der Entwicklung dieses Erklärungsmodells zu sehen ist, werde ich anhand eines Artikels von Nicolas Dodier erläutern, der als Teil und Fortsetzung dieser Strömung begriffen werden kann und der auf vorbildliche Weise die Frage nach dem Verhältnis von Schuldzuschreibung und Ursachenforschung operationalisiert (Dodier 1994). Im Theoriekapitel (Kap. 2) werde ich dann Bezüge zu deutschen und angelsächsischen Diskussionen herstellen. Der hier gewählte theoretische Ansatz wird sich dabei als höchst anschlussfähig herausstellen. Mit Verweis auf den zitierten Aufsatz von Dodier lässt sich auch eine praktische Implikation der vorliegenden Studie verdeutlichen. Der Autor untersucht Phänomene der Interferenz zwischen zwei Strategien, mit Arbeitsunfällen umzugehen. Sein Material besteht aus Interviews

13 Die schlichte und einprägsame F01mel, die Boltauski hier verwendet, lautet: Ce dont !es gens sont capables (wozu die Leute in der Lage sind; Boltauski 1990a: 15-134, vgl. dazu Cerrutti 1991, Potthast 2001a). 14 Die zweite Formulierung ist im Hinblick auf das Personal der Science studies treffender. Die Gründungsfiguren dieses Forschungszusammenhangs haben in den seltensten Fällen ein Soziologiestudium absolviert. 15 Vgl. Dosse (1995) für eine umfassende Kartierung, Benatou"il (1999) für eine Gegenüberstellung von bourdieusianischem und post-bourdieusianischem Erklärungsmodell, für eine Kontrastierung beider Erklärungsmodelle anhand eines Vergleichszweier empirischer Studien Potthast (2002). Nicht alle Beobachterinnen und Beobachter sind sich darin einig, dass das von Boltauski und Thevenot initiierte Forschungsprogramm eine Überwindung der kritischen Soziologie darstellt (Latour 2007).

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1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

mit Spezialisten fiir Arbeitssicherheit sowie aus Seminarunterlagen, die für Mitarbeiterschulungen und Präventionsveranstaltungen verwendet werden. Die vorliegende Studie geht ähnlich vor, kann aber den doppelten Umgang mit Pannen auf Grundlage von ethnografischem Material rekonstruieren. Wie Dodier erkläre ich das Verhältnis zwischen Prozessen der Ursachenforschung und der Schuldzuschreibung zum Gegenstand der Untersuchung - und verstoße damit gegen die Konvention gewöhnlicher Untersuchungsberichte. 16 Insbesondere Kapitel vier ist so organisiert, dass die Spannung und Unentschiedenheit zwischen beiden Formen des Umgangs mit Pannen sehr plastisch wird. Wer einen konventionellen Untersuchungsbericht gewohnt ist, den könnte diese Darstellung beunruhigen, denn der Bericht läuft weder auf moralische Befriedigung zu, noch auf Empfehlungen zur Optimierung des Betriebs technischer Netzwerke. Die Absicht, keines der beiden Repertoires bevorzugt zu behandeln, wird erheblich durch den Kulturvergleich erleichtert, der in diese Studie eingearbeitet ist (Kap. 5). Die beiden Vergleichsfälle sind so ausgewählt, dass sie bezogen auf den organisierten Umgang mit Pannen Anlass zu einer Differenzvermutung geben. Damit sind Konturen und Aufbau dieser Studie klar. Auf den nächsten Seiten dieses Kapitels skizziere ich einen Ausschnitt aus der jüngeren Geschichte des Flugverkehrs. Dieser Exlcurs liefert die Folie, vor deren Hintergrund Auswahl und Zuschnitt der Fallstudien plausibel werden. Im Zentrum stehen große Umsteigeflughäfen, deren gewandelte Rolle und Funktionsweise im Flugverkehrsystem wiederum anhand der Gewährleistung der Gepäckabfertigung exemplifiziert werden kann. Diese Begrenzung des Gegenstandes wird einerseits als forschungspragmatische Strategie der Beschränkung begründet. Um sinnvoll im Rahmen einer empirisch gehaltvollen Fallstudie bearbeitet zu werden, darf der Gegenstand der Forschung nicht zu groß und zu ausgedehnt sein. Andererseits spricht für diese Begrenzung, dass dabei der systemische Charakter des Gegenstands erhalten bleibt. Ein Beleg dafür ist, dass Flughäfen betreibende Firmen den Prozess der Gepäckabfertigung im Unterschied zu den anderen als "geographisch" bezeichneten Diensten 16 Dodiers Studie beschäftigt sich mit Arbeitsunfällen, während die Pannen, um die es in der vorliegenden Studie geht, meistens keinen Personenschaden verursachen. Auf der Ebene der Interpretationsstrategie - Ursachenforschung versus Schuldzuschreibung - ist dieser Unterschied unerheblich. Es steht jedoch außer Frage, dass im Bereich von Arbeitsunfällen in viel höherem Maß standardisierte und formalisierte Verfahren zum Einsatz kommen, die stark ausdifferenzierte Rollensysteme vorsehen. Gegenüber dem Forschungs- und Anwendungsfeld "industrielle Risiken" bleibt das Niveau der Tnstitutionalisierung der Expertise "Umgang mit Pannen" in Gepäcksortieranlagen weit zurück.

19

DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

als eine "transversale" Funktion behandeln. Im zweiten Kapitel wird die untersuchungsleitende Fragestellung theoretisch kontextualisiert. Nach einem kurzen Methodenkapitel (Kap. 3) folgen zwei Kapitel, die sich mit Gemeinsamkeiten (Kap. 4) und Unterschieden (Kap. 5) im Umgang mit der Gepäckkrise befassen. Den Abschluss bildet eine Synthese zu der Frage, wie sich der Umgang mit Pannen mit Eintritt in die Netzwerkgesellschaft verändert hat (Kap. 6). Um Ausgangspunkt und zentrale Hypothese der Studie noch einmal auf eine knappe Formel zu bringen: Es gibt zwei Strategien des Umgangs mit Pannen, die in einem Spannungsverhältnis stehen. Diese Spannung öffnet einen Raum für wechselseitige Kritik, in dem wie in einem Labor neue Formen der Artikulation beider Strategien erfunden, erprobt oder auch wieder verworfen werden.

Exkurs zur Geschichte des Fl ugverke hrwachstu ms Ein Fazit aus der Geschichte des Flugverkehrwachstums wurde schon vorweggenommen: Wer sich für das Wachstum des Flugverkehrs interessiert, muss Flughäfen studieren. Es gibt unterschiedliche Ansätze, die Geschichte des Flugverkehrsystems zu erzählen, aber es ist kaum möglich, den Akzent dabei nicht auf das überaus stetige Wachstum zu legen. Die oben erwähnte Zäsur in der Entwicklung des Flugverkehrs - die Einführung hub-and-spoke-förmiger Betriebsmodelle- fehlt ebenfalls in keiner Geschichte. Für die Zeit nach dieser Zäsur (und ausschließlich um diese zweite Phase geht es hier) können die Auflagen an Erklärungen des Flugverkehrwachstums allerdings sehr unterschiedlich streng gefasst werden. Die Ambition, das Wachstum des Flugverkehrs einer situierten Analyse zu unterziehen, lässt sich unabhängig von einer Problematisierung dieses Wachstums so fonnulieren: "Airports long since considered congested have shown a remarkable capacity to handle, over time, increasing numbers of aircraft" (Starkie 1999). Meistens wird das Wachstum des Flugverkehrs wie das Verkehrswachstum allgemein jedoch nicht als eine erklärungsbedürftige Leistung, sondern als ein Problem eingestuft: "Das zentrale Problem des Verkehrssektors und der Verkehrspolitik ist ein durch Wirtschaftswachstum ausgelöstes ungebrochenes Wachstum im Güter- und Personenverkehr mit hohen Steigerungsraten" (Arbeitsgruppe "Integrierte Verkehrspolitik" 2002: 5). Infrastrukturen geraten an die Grenzen ihrer Kapazität und können darum einen staufreien Verkehrsfluss nicht mehr gewährleisten. Das ist unter ökonomischen, ökologischen und sozialen

20

1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

Gesichtspunkten problematisch. Darauf reagieren Vorschläge zur Formierung einer "integrierten Verkehrspolitik", die über geeignete "raumordnerische Handlungskonzepte" ökonomische, soziale und ökologische Aspekte "gleichberechtigt" zu "berücksichtigen" sucht (BMVBW 2000: 19). Hier geht es um eine dieser Problemformulierung vorgelagerte und scheinbar naive Frage: Wie ist dieses Wachstum möglich? Wie sind Flughäfen, die permanent als überlastet gelten, mit diesen Wachstumsraten fertig geworden? In welchem Verhältnis stehen ungebrochenes Verkehrswachstum im Flugverkehr und die räumlichen Muster dieser Verkehrsentwicklung? Nur vmübergehend interessiert dabei die Frage, ob dieses Wachstum auf Marktkräften oder auf Subventionen beruht. Wichtiger ist die Unterscheidung zwischen "ortlosen" und räumlich differenzierenden Wachstumserklärungen. Über mehrere Zwischenschritte versuche ich dies zu plausibilisieren und damit zu begründen, warum ich mich ausgehend von der Frage nach dem Wachstum des Flugverkehrs mit Großflughäfen beschäftige, die eine Hub-Funktion erfüllen. Es stellt sich dabei heraus, dass der Faktor Hub-and-spoke in Wachstumserklärungen weitgehend ungeklärt ist. Diese diversen Zwischenschritte können auf eine Formel gebracht werden: Es geht darum, auf möglichst bruchlose Weise gegen ortlose Wachstumsstatistiken die Bodenhaftung des Flugverkehrs herauszustellen, gestützt auf allgemein zugänglichen Daten. Damit folge ich einem Forschungsdesiderat, das für die neuere Großstadtforschung von überragender Bedeutung ist: Globalisierungsprozesse sind einer situierten Analyse zuzuführen, um einerseits Effekte der De-Territorialisierung und Effekte der Reterritorialisierung durch globale Netzwerke zu erkennen (Castells 1996, Offner & Pumain 1996, Sassen 2000). Andererseits um zu zeigen, dass Verkehrsysteme nicht nur Instrumente zur Raumüberwindung und Raumneutralisierung, sondern ihrerseits Gegenstand von Globalisierungsprozessen sind. Tabelle 1: Das Flugverkehrwachstum in der EU (European Commission 2003) 1970

33 Mio. pkm

1980

74Mio. pkm

1990

157 Mio. pkm

2000

284 Mio. pkm

1991-2001

+72%

Im Zeitraum zwischen 1950 und 2000 wuchs der Flugverkehr unaufhaltsam und auch über Krisen hinweg stetig; beinahe so stetig, dass man

21

DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

versucht sein könnte, eine lineare Funktion darin zu sehen und nach einer naturgesetzförmigen Erklärung zu suchen. Die Anzahl der Flugpassagiere hat sich zwischen 1980 und 2000 weltweit verdoppelt. Gemessen an der Summe geflogener Entfernungen (pkm) hat sich der Flugverkehr in diesem Zeitraum beinahe verdreifacht. Der Flugverkehr wächst deutlich schneller als das Bruttosozialprodukt. Auch das Bevölkerungswachstum und die Zahl der Haushalte und Kraftfahrzeuge weisen in Deutschland wesentlich geringere Steigerungsraten auf. Im Zeitraum zwischen 1991 und 1998 wuchs die Bevölkerung in Deutschland um 2,1 Prozent. Die Zahl der KFZ stieg im selben Zeitraum um 14,2 Prozent auf 49,2 Millionen, die Zahl der Haushalte um 7,4 Prozent auf 37,9 Millionen (BMVBW 2000: 7). Auch der Vergleich mit anderen Verkehrsträgern führt auf keine lineare Korrelation. Der Flugverkehr wuchs zuletzt dreimal schneller als der Automobilverkehr und sechsmal schneller als der Bahnverkehr. Tabelle 2: Das Flug verkehrwachstum in der EU im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern (European Commission 2003) Automobil 1970-

Busse und

Straßenbahn Eisenbahn Flugzeug

gesamt

Reisebusse

und U-Bahn

+3 ,7%

+2,6%

+0,4%

+1,2%

+8,4%

+3,4%

+3,4%

+0,6%

+ 1,6%

+0,8%

+7,8%

+3,0%

+1 ,7%

+0,9%

+0,6%

+1,1 %

+6, 1%

+1,8%

1980 19801990 19912000

In den 15 EU-Staaten hat sich der Anteil der im Flugverkehr zurückgelegten Entfernungen im Modal Split von 1,6 Prozent (1 970) über vier Prozent (1990) auf 5,9 Prozent (2000) erhöht. Im innerdeutschen Verkehr entfallen derzeit rund vier Prozent der im Personenverkehr zurückgelegten Entfernungen auf den Verkehrsträger Flugzeug (BMVBW 2000). Das wäre nicht viel, wenn die Umweltbilanz des Flugverkehrs nicht so miserabel wäre. Gegenüber dem nächst umweltschädlichen Verkehrsmittel fallen im Flugverkehr mindestens doppelt so hohe Emissionswerte pro zurückgelegter Entfernung an (Schallaböck & Petersen 1999). Der Flugverkehr wächst schneller als das Wirtschaftswachstum, schneller als das Bevölkerungswachstum, schneller als die Zahl der Haushalte, schneller als alle anderen Verkehrsträger - und dies, obwohl es keinen umweltschädlicheren Verkehrsträger gibt. Wären im hier be-

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1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

trachteten Zeitraum die Transportkosten nicht extrem gefallen, dann wäre dieses Wachstum nur schwer zu erklären. Tabelle 3: Schadstoffemissionen des Flugverkehrs im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern (Strasbourg Declaration 1998) Auslastung

co2 (g/pkm)

Hochgeschwindigkeitszug

65%

48

87

Zug

44%

51

94

2 Pers.

86

145-270

71%

146

440

Automobil Flugzeug

NOx (mg/pkm)

Ortlose Erklärungen Nachfrageseitige Erklärungen führen das Wachstum des Flugverkehrs auf steigende Realeinkommen, geringere Arbeitszeiten und die Zunahme verkehrsgenerierender Freizeitaktivitäten zurück. Angebotsseitige Erklärungen versuchen zu erfassen, wie sich Preissenkungen auf den Ticketverkauf auswirken. Im Zusammenhang mit der Liberalisierung des Flugverkehrs in den USA hat eine Studie herausgefunden, dass die Zahl der Passagiere zwischen 1978 und 1988 bei einer Preissenkung um 61 Prozent um 55 Prozent und die Summe der zurückgelegten Entfernungen (pkm) um 62 Prozent gestiegen ist (Button 2002: 179). Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fluggesellschaften erhöhte sich im selben Zeitraum nur um 32 Prozent. Dass sinkende Flugpreise zu mehr Reisen geführt haben, ist unbestritten. Stark umstritten ist hingegen die Behauptung, diese Preisentwicklung verdanke sich allein den Kräften deregulierter Märkte. Dagegen wird argumentiert, das außergewöhnliche und überaus stabile Wachstum des Flugverkehrs sei in erster Linie auf wettbewerbsfremde Faktoren zurückzuführen und müsse darum als künstlich induziertes und aufrechterhaltenes Wachstum angeprangert werden. Der aktuelle Modal split, so diese Kritiker, sei das Ergebnis einer Verkehrsund Steuerpolitik, die den Flugverkehr in vieler Hinsicht zu einer "Steueroase" gemacht habe. Allein die Steuerbefreiung von Kerosin führe dazu, dass die Fluggesellschaften nur für achtzig Prozent der vollen Betriebskosten aufkommen. Um eine weitere Verlagerung zugunsten umweltschädlicher Verkehrsträger nicht länger zu fördern, haben schon mehrere deutsche Bundesregierungen per Koalitionsvertrag gefordert, eine Besteuerung von Kerosin einzuführen.

23

DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

Tabelle 4: Offene und versteckte Subventionierung des Flugverkehrs (Treber et al. 2003) •

Kerosin steuerfrei (20% der geschätzten Betriebskosten)



Flughäfen teilweise befreit von Grundsteuer, Gewerbesteuer



Flugtickets teilweise mehrwertsteuerfrei



Einzelhandel am Flughafen teilweise mehrwertsteuerfrei



Staatliche Subventionen für Fluggesellschaften



Investitionen in Anbindung des Flugverkehrs als "versteckte" Investition



Subventionierung der Flugverkehrforschung

Die Liste der marktfremden Elemente zur Erklärung für den relativen Erfolg des Flugverkehrs gegenüber anderen Verkehrsträgem ist lang. 17 Aber es fehlt nicht an Gegendarstellungen, die vor allem darauf abheben, dass andere Verkehrssysteme noch weniger durch Nutzungsgebühren und zu noch höheren Anteilen über Steuern finanziert werden (Deutsches Verkehrsforum 2003). In Frankreich wurden für das Jahr 2001 die folgenden Werte für Nutzerfmanzierung ermittelt: Abbildung 3: Anteil der Nutzerfinanzierung von Verkehrsinfrastrukturen in Frankreich (Oudin 2003: 48).

100% 90% 80% 70% 60% 50%

40% 30%

20% 10% 0%

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Solche Angaben beruhen allerdings auf strittigen Einschätzungen darüber, ob und wie externe Kosten quantifiziert und berücksichtigt werden sollen (Schmid et al. 2003). Dass niedrige Transportkosten erheblich zum Wachstum des Verkehrs beitragen, steht außer Frage. Zu welchen Anteilen sind diese niedrigen Preise auf den Markt und auf Subventio-

17 V gl. zum Beispiel Corinna Emundts, Von einer gerechten Verteilung kann keine Rede sein, FR, 31.8.2002.

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1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

nen zurückzuführen? Zur Klärung dieser Frage ist es unumgänglich, gegen die bisher ortlose Betrachtung eine nach räumlichen Strukturmerkmalen des Flugverkehrswachstums differenzierende Sichtweise einzuführen. Leider macht diese erhöhte Auflösung ein abschließendes Urteil in der Frage Markt oder Subvention dann allerdings noch schwieriger, weil die Grenzen zwischen den Verkehrsträgem verschwimmen.

Wachstum und geografische Verteilung Vier der weltweit zehn größten Passagierflughäfen liegen in Europa: London Heathrow, Frankfurt, Paris Roissy und Amsterdam. Dieses Quartett führt seit 1950 in beinahe stabiler Reihenfolge das Ranking der passagierstärksten europäischen Flughäfen an (Roissy löst Orly als größten Pariser Flughafen ab). Auf die zehn größten von rund 200 westeuropäischen Flughäfen mit Linienverkehr entfielen im Jahr 2000 rund achtzig Prozent des Passagiervolumens im interkontinentalen Verkehr und fünfzig Prozent des Passagiervolumens im europäischen Verkeln· (COFAR 2001 b: 7). Allein an den Londoner Flughäfen wurden im Jahr 2000 rund 115 Millionen Passagiere abgefertigt, in Paris knapp 75 Millionen. Tabelle 5: Die größten Passagierflughäfen Europas (Dierikx 2004) Mio. Passagiere pro

1950

1960

1970

1980

1990

2000

Jahr und Flughafen London Hcathrow

0,39

5,3

15,4

27,5

42,8

64,6

Frankfurt

0,20

2,2

9,4

17,7

29,6

49,4

Paris Orly

0,42

2,6

10,4

15,9

24,3

25,4

2,2

9,4

22,5

48,2

5,2

9,7

16,5

39,6

Paris Roissy Amstcrdam

0,30

1,4

Acht der fünfzehn passagierstärksten EU-Städteverbindungen führen nach London, fünf nach Paris. Im Fall von London und Paris korreliert die Größe der Flughäfen ohne Zweifel mit der Größe und Wirtschaftskraft dieser Agglomeration. Aber die Gleichung "große Städte, große Flughäfen" sollte nicht verallgemeinert werden. Sie geht davon aus, dass die Einzugsgebiete von Flughäfen konstant bleiben und sich nicht überlappen, aber diese Annahmen sind falsch oder zumindest unvollständig, seit die Fluggesellschaften hub-and-spoke-förmige Betriebskonzepte eingeführt haben.

25

DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

Abbildung 4: Die wichtigsten internationalen Flugverbindungen innerhalb der E U 4,5

4

3,5 3 2,5

2 1,5

rr- r- rr-

-

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Quelle: Europ ean Commission (2003); Angabenfor das Jahr 2001 in Mio. Passagieren.

Im US-amerikanischen Flugverkehr, Pionierfall für die Deregulierung technischer Netzwerke, ist das besonders deutlich. Hier wird die Rangliste der größten Flughäfen nicht von den wirtschaftlich bedeutendsten Ballungsräumen angeführt, sondern von Atlanta. "Regardless of whether you are going to heaven or to hell you could be sure of having to change in Atlanta on the way" (Whitelegg 2000: 73). Mehr als fünfzig Prozent der Passagiere am Flughafen von Atlanta sind nur Transferpassagiere. Auch einige europäische Großflughäfen spiegeln nicht nur die Größe und Wirtschaftskraft einer Region, sondern eine Strategie der Fluggesellschaften, Flughäfen zu Drehscheiben auszubauen. Während der Verkehr zwischen Hubs und auf den "Speichen" (Spokes) zwischen Hubs und peripheren Flughäfen stark zunimmt, wurden Direktverbindungen zwischen peripheren Flughäfen stark ausgedünnt, wenn nicht sogar eingestellt. 18 Durch die Einführung dieses hub-and-spoke-förmi-

18 Damit entstanden Nischen, die wiedemmein wichtiger Ausgangspunkt flir das Geschäftmodell der Billigfluggesellschaften waren, die inzwischen zwischen kleineren und abgelegenen Flughäfen relativ di chte parallele Netzwerke installiert haben. Auch die Anbieter im Billigsegment betreiben Hubs (z.B. London Luton oder Frankfurt Hahn), aber sie beteiligen sich nicht am Langstreckenverkehr. Darin unterscheiden sie sich von den konventionellen Fluggesellschaften, die im Rahmen globaler Allianzen ihre Netzwerke auf Interkontinentalverbindungen ausgeri chtet haben ("Hub feeding").

26

1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

gen Betriebskonzeptes haben die Fluggesellschaften auf weniger, aber dichter beflogenen Linien höhere Auslastungen der Flugzeuge erzielt. Die Kosteneinsparungen seien an die Passagiere weitergegeben worden, deren Zahl sich daraufhin stark erhöht habe.

Abbildung 5: Die größten Passagierflughäfen der Welt 90 80 70

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60

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50

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40 30

20 10

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Quelle: Airport Council International (AC!) 2003; Angabenfür das Jahr 2002 in Mio. Passagieren. "The development of hub-and-spoke systems, by reducing the costs of air travel and affering a greater range of services, has contributed to the growth of air transportation use in the US and intemationally. [... ] [T]he very reason that costs have been contained and the range of services available has increased is because of the concentration of trafflc Oll a limited llumber of routes focused Oll hubs" (Button 2002: 184). Die Größe eines Flughafens erklärt sich nicht mit der Größe und Wirtschaftskraft einer Agglomeration. Dafür ist vor allem das Betriebsschema Hub-and-spoke verantwortlich, das als ein endogener Faktor für das Wachstum des Flugverkehrs angesehen werden kann. 19 Die Erklärungen darüber, wie dieser Faktor wirkt, gehen allerdings weit auseinander. Konsens ist lediglich, dass die Deregulienmg des Flugverkehrs eine wichtige Voraussetzung für Hub-and-spoke war (ebd.). Ob dieses Betriebsschema allerdings zu marktförmigem Wachstum beiträgt oder ob es eine - durch die Deregulierung angestrebte - Entfaltung des Marktes gerade verhindert, weil es den Fluggesellschaften an den HubFlughäfen eine Monopolstellung sichert, ist umstritten. Hier stehen sich zwei Auffassungen gegenüber, die schwer vereinbar sind. Auf die Frage, 19 Vgl. Smith & Timherlake (2001) zur Schlüsselfunktion des Verkehrs im Weltstädtesystem.

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DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

wie dieses Betriebsschema zum Wachstum des Flugverkehrs beiträgt, gibt es keine neutrale Auskunft, wie selbst Beobachter einräumen, die in diesem Streit eindeutig Stellung beziehen (ebd.). Es sieht so aus, als müsse diese Frage ungeklärt bleiben. Eine Berechnung des Wachstumsfaktors Hub-and-spoke scheitert unter anderem daran, dass die vorliegenden Daten wenig verlässlich und Daten für Zeitreihen über Umsteigepassagiere nicht verfügbar sind. Nur selten ist die Einführung von Hub-and-spoke so eindeutig datiert wie bei Air France in Paris Roissy: Der Flughafen wurde am 31. März 1996 zum Hub erklärt (Favennec 2003: 30; vgl. Encaoua 1996). An diesem Tag wurden die Flugpläne so umgestellt, dass die Zahl und die zeitliche Konzentration von Starts und Landungen stark zunahmen. Aus Sicht der Fluggesellschaften wuchs mit der Hub-Funktion die Zahl der Umsteigemöglichkeiten. Aus Sicht des Flughafens, und darum geht es im Folgenden, ist "Hub" gleichbedeutend mit "Welle". Wellen erhöhter Flugfrequenz fuhren dazu, dass sich Passagiere und Reisegepäck schubweise abgefertigt werden müssen. Großflughäfen drohten von diesen Wellen zeitweise überschwemmt zu werden. Sie mussten neuartige Organisationsleistungen erbringen, um sich als Infrastrukturen der Konnektivität zu qualifizieren.

Hub-Flughäfen und die neue Bodenhaftung des Flugverkehrs Berlin Tempelhof war 1938 mit 793 Passagieren pro Tag bei weitem der größte europäische Flughafen und einer der ganz wenigen aus Stein gebauten. Bis 1950 wurden auch an den größten europäischen Flughäfen selten mehr als 1000 Passagiere pro Tag gezählt. In London Heathrow, 1946 eröffnet, wurden die Passagiere anfangs in Zelten abgefertigt. Für die Verkehrsanbindung musste bis 1963 (Autobahnanschluss) bzw. 1984 (V-Bahn-Anschluss) das bestehende vorstädtische Straßennetz ausreichen (Dierikx 2004). Der Flughafen befand sich in einer Lage, die später als "Splendid isolation" bezeichnet wurde. Die schnell steigenden Passagierzahlen wurden von der Flughafenverwaltung natürlich wahrgenommen, aber nur als Kapazitätserfordernisse für Landebahnen und Terminals. Planungen, die sich an einer Verkehrsträger übergreifenden Perspektive orientiert hätten, gab es nicht. "Heathrow happened to be close to London", diese Formulierung bringt diese Indifferenz auf den Punkt. Im Folgenden erläutere ich ein wenig schematisch und entlang verfügbarer Zahlen die Entwicklung der beiden Konnektivitäten Luft/Luft und Luft/Land. 20 20 Auf gründliche verkehrs- oder planungshistorische Arbeiten konnte ich dabei insbesondere im Fall von London Heathrow nicht zurückgreifen.

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1. DIE ZUNEHMENDE BODENHAFTUNG DES F LUGVERKEHRS

(a) Konnektivität Luft/Luft Es wurde oben schon erwähnt, dass die 10 größten von 200 west-europäischen Flughäfen achtzig Prozent des interkontinentalen Verkehrs übernehmen. An diesen Drehscheiben beläuft sich der Anteil der Transferpassagiere aufbis zu fünfzig Prozent. Abbildung 6: Transferpassagiere an ausgewählten europäischen Flughäfen 60% 50%

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-

40% 30% 20% 10%

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Station 3

a) Privatperson b) Fluggesellschall, Flughafen und Subunternehmen

ANHANG

Interviewübersicht Firma/Position

Schlüssclscqucnz/Schlüssclstatcmcnt

fl

ADP

"Darüber sollten Sie aber mit Andrcu diskutic-

f2

Flugsicherung

"Große technische Systeme sind immer konser-

f3

ADP Praktikantin

Bei ADP liegt die Latte sehr hoch! (23.2.1999)

f4

Lobby contra Flugverkehr

Der Streit um die Verkehrsanbindung der Pariser

f5

Lobby pro F lugverkehr

f6

ADP, FuE

Camembert versus Kiste (2.4.)

f7

ADP, FuE, Direktor

"Wem gehört dieser Flughafen, Dir oder rnir1"

f8

ADP, Technische Dienste,

Dieser Flughafen ist kein Monster ( 11.5.)

ren!" (7.12.1998) vativ" (7.12.1998)

Flughäfen (16.3.99) Der Streit um Flughafensteuern (26.3.)

(13.4) Direktorin f9

ADP,FuE

fiO ADP, Techn. Dienste, Gefll

Das Konzept der geplanten Wartung (20.5.) "Wir geben Sie weiter - von H and zu Hand"

päckabfertigung

(25.5.)

ADP, Gepäck, Direktor

Die Kontrolle der Anlage musste zentralisiert werden (7.6.)

fl2 ADP, Gepäck, Qualitätsmanagcmcnt

fl3 Wartungstechniker

Wer die Maschine nicht kennt, darf auch nicht mitreden (7.6.) "Crock-crock, crock-crock. Das hört sich gar nicht gut an!" (8.6.)

fl4 Qualitätsmanagement

Reaktive und geplante Wartung ( 17.6.)

fl5 Softwareentwicklung

Pannen zweiter Ordnung (22./23. 7.)

fl6 Qualitätsmanagement

Die Konsequenzen von Hub-and-Spoke (29.7.)

Parallel von 7.6. bis 23.7.1999 Feldforschungen zum Umgang mit Pannen in der Cepäckabjimigung in Paris Roissy. bI

FuE, extern

"Technische und idiosynkratische Herausforde-

b2

BAA Gatwick, Gcpäckabf.

Bei uns läuft alles bestens (7.4.2000)

b3

FuE, extern

Ausbau bei laufendem Betrieb ( 10.4.)

b4

Subunternehmen, Wartung,

"Das Verhältnis von Organisation und Technik?

Gepäckabf.

Interessant!" (20.4.)

BAA AbUeiter Gepäck/

Zusage für Feldzugang (8.5.)

rungen bei der Flughafenplanung" (24.11.1999)

b5

Subunternehmen Gepäck b6

Sub, techn. Management

Wartungsmanagement ist hochgradig frustrierend (15 .5.)

207

DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

b7

Sub, Betriebsleiter

"Unser größtes Problem mit der Anlage ist Ovcr-

b8

BAA, Gepäck, Direktor

Die Rettung der Gepäckabfertigung (31.5.)

b9

Sub, techn. Management

Der natürl iche Zyklus der Wartung (6.6.)

dcsign" (15.5.)

biO BAA Heathrow, Direktor

Besessen vom Prozess (20.6.)

bll Sub, techn. Management

Re-Organisation der Wartung (26.6.)

bl2 Sub, Direktor Betrieb

Millionen bewegter Teile (12.7.)

bl3 BAA, Abt.leitcr Gepäck

Schwierige Pannen und hitzige Sitzungen (13.7.)

Parallel von 17. 5. -4.7.2000 Feldforschungen zum Umgang mit Pannen in der

Gepäckabfertigung von London Heathrow.

208

Literatur

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DIE BODENHAFTUNG DER NETZWERKGESELLSCHAFT

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