Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit als Spiegel frühgeschichtlicher Lebenswelten 9781407308241, 9781407338132

The translated title of this work is: "Gotland Picture Stones of the Migration- and Vendel periods as Reflections o

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit als Spiegel frühgeschichtlicher Lebenswelten
 9781407308241, 9781407338132

Table of contents :
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Title Page
Copyright
Vorwort
Table of Contents
Einleitung
Introduction
1 Einführung und Aufgabenstellung
2 Die Motive der Bildsteine
3 Motive – Symbole – Lebenswelt
4 Die Motive der Bildsteine als Symbole
5 Synthese
Synthesis
Zusammenfassung
Summary
Literatur
Darstellungsverzeichnis
Katalog

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BAR S2257 2011 GUBER DIE BILDSTEINE GOTLANDS DER VÖLKERWANDERUNGS- UND VENDELZEIT

B A R

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit als Spiegel frühgeschichtlicher Lebenswelten Sonja Guber

BAR International Series 2257 2011

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit als Spiegel frühgeschichtlicher Lebenswelten

Sonja Guber

BAR International Series 2257 2011

Published in 2016 by BAR Publishing, Oxford BAR International Series 2257 Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit als Spiegel frühgeschichtlicher Lebenswelten © S Guber and the Publisher 2011 The author's moral rights under the 1988 UK Copyright, Designs and Patents Act are hereby expressly asserted. All rights reserved. No part of this work may be copied, reproduced, stored, sold, distributed, scanned, saved in any form of digital format or transmitted in any form digitally, without the written permission of the Publisher.

ISBN 9781407308241 paperback ISBN 9781407338132 e-format DOI https://doi.org/10.30861/9781407308241 A catalogue record for this book is available from the British Library BAR Publishing is the trading name of British Archaeological Reports (Oxford) Ltd. British Archaeological Reports was first incorporated in 1974 to publish the BAR Series, International and British. In 1992 Hadrian Books Ltd became part of the BAR group. This volume was originally published by Archaeopress in conjunction with British Archaeological Reports (Oxford) Ltd / Hadrian Books Ltd, the Series principal publisher, in 2011. This present volume is published by BAR Publishing, 2016.

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Vorwort Diese Arbeit wurde 2010 als Inaugural-Dissertation dem Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Philipps-Universität Marburg vorgelegt. Der Katalog wurde für die Publikation um Zeichnungen erweitert. Besonderer Dank gilt meinem Betreuer und Erstgutachter Prof. Dr. Andreas Müller-Karpe (Institutsleiter des Vorgeschichtlichen Seminars der Universität Marburg), meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Alexander Koch (Leiter des Historisches Museum der Pfalz, Speyer) und Dr. habil. Dirk Meier welcher mir den Untersuchungsgegenstand der gotländischen Bildsteine nahebrachte (zu jener Zeit kommissarischer Institutsleiter der Vor- und Frühgeschichte der Universität Gießen). Viel Unterstützung erhielt ich auf meinen Forschungsreisen, hierfür danke ich Prof.  Dr.  Anders Andrén (Universität Stockholm), Dr. Lotta Fernståhl (zu jener Zeit Senior Curator Statens Historiska Museet Stockholm), Lena Ideström (Länsmuseum Gotland, Visby), Peder Ahlström (Länsmuseum Gotland, Visby), Dr. Laila Kitzler Åhfeldt (Universität Stockholm), Dr. Per Widerström (Länsmuseum Gotland, Visby) und Dr. Johan Norderäng (Högskolan på Gotland). Dieses Promotionsprojekt wurde unterstützt vom Graduiertenzentrum für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Marburg durch die Bereitstellung zweier Reisekostenbeihilfen und von MARA – Marburg University Research Academy durch die Bereitstellung eines Johanna-Wyttenbach-Stipendiums. Vielen Dank für die Hilfe bei den englischen Übersetzungen gebührt Annemarie Catania und Andrew Kerrigan.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit als Spiegel frühgeschichtlicher Lebenswelten Einleitung Introduction

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1 Einführung und Aufgabenstellung 1.1 Geographie Gotlands und geschichtlicher Rahmen 1.2 Gotländische Bildsteine – eine Einführung 1.3 Aufgabenstellung

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2 Die Motive der Bildsteine 2.1 Auswahl der untersuchten Bildsteine und Motive 2.2 Das Datenmaterial 2.3 Motivwahl und Motivkombination 2.3.1 Bildsteine der Gruppe I 3.3.2 Bildsteine der Gruppe II 2.4 Motivwahl und Motivkombinationen im Vergleich der Gruppen 2.5 Zusammenfassung

19 19 22 24 24 28 31 32

3 Motive – Symbole – Lebenswelt 3.1 Vorgehensweise und Ziel 3.2 Grundlagen der Begrifflichkeiten: Motiv – Zeichen – Symbol 3.3 Symbole – Spiegel der Lebenswelten?

33 33 33 38

4 Die Motive der Bildsteine als Symbole 4.1 Zugang zu einem Verständnis der Sinnbilder 4.1.1 Scheibenmotive 4.1.2 Schiffsmotive 4.1.3 Tierdarstellungen 4.1.4 Menschendarstellungen 4.1.5 Geometrische Muster 4.1.6 Sonstige Symbole 4.1.7 Pflanzendarstellungen 4.1.8 Figuralverzierung 4.2 Kompositionen 4.2.1 Kompositionen der Gruppe I 4.2.2 Kompositionen der Gruppe II

43 43 43 47 50 62 66 68 69 70 71 71 75

5 Synthese Synthesis

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Zusammenfassung Summary

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Literatur Darstellungsverzeichnis Katalog

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Einleitung Lebenswelten ist ein viel verwendeter und indifferenter. Er wird zunehmend auch für eine Zusammenstellung materieller Hinterlassenschaften vergangener Kulturen verwendet, hier soll er jedoch in einer philosophischen Konnotation verwendet werden. Es sind geistige Lebenswelten gemeint, die die Grundlage einer kulturellen Äußerung, wie sie zum Beispiel in Form der gotländischen Bildsteine vorliegt, darstellen.

Vor- und frühgeschichtliche Forschungen sind häufig stark statistisch orientiert und auf Materialien, Materialhandhabung, Techniken oder typochronologische Fragestellungen ausgerichtet. Die intellektuelle Geistesleistung im Sinne der Entwicklung handwerklicher, technischer Fertigkeiten und Ähnlichem sind an den Publikationen zu oben genannten Themen gut ablesbar. Wenig Einblick jedoch ermöglicht dies in den Bereich, der nach meiner Auffassung die Menschen im Besonderen auszeichnet und im Fokus einer philosophischen Betrachtung stehen würde: seine reflektierenden, transzendentalen Bestrebungen. Der Mensch mit seiner geistigen, metaphysischen Kreativität findet hier wenig Niederschlag. Nun gibt es gerade zu vor- und frühgeschichtlichen Themen mit mystischen, esoterischen Fragestellungen im weitesten Sinne im Bereich der Pseudo- oder Populärwissensschaften eine Fülle von Publikationen, die das Bild von den Menschen jener Zeiten und auch von der wissenschaftlichen Disziplin, die sich mit ihnen beschäftigt, in ein völlig falsches Licht rücken. Um dieser von wissenschaftlicher Seite sehr unbefriedigenden Situation etwas entgegenzusetzen, möchte ich mit meiner Arbeit Interpretationen erarbeiten, die den Menschen als geistig kreatives Wesen betreffen, ohne dabei die fundierte Methodik und die Materialgrundlage dieser Aussagen jedoch nicht aus den Augen zu verlieren.

Dieses Begriffsverständnis möchte ich anhand einer Übertragung illustrieren: Der Begriff, den ich als Äquivalent von ‘Lebenswelten’ in einer englischen Übersetzung verwenden würde, ist ‘cultural environment’. In diesem Kontext ist ein Vergleich meines Untersuchungsgebiets mit dem der Landschaftsarchäologie erhellend: Landscape is an ‘idea’, not a thing: we construct it in our minds using the stimulus of the real world, [...]. This ‘mental’ cultural landscape cannot be measured or weighted, but it can be described in a myriad ways. Clark et.al., 2003, S. 103 Genauso wie die mentale Landschaft ist das cultural environment bzw. die geistige Lebenswelt nicht messbar. Sie kann von verschiedenen Seiten beleuchtet und umrissen werden – aber das cultural environment ist kein direkt erfahr- und erforschbarer Teil unserer Welt. Die gotländischen Bildsteine sind hingegen Teil unserer Welt und sollen hier als Möglichkeit des Einblicks genutzt werden.

Das Thema dieser Arbeit lautet: „Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit als Spiegel frühgeschichtlicher Lebenswelten“. Gotland nimmt aufgrund der Menge und dem Variationsreichtum der vor- und frühgeschichtlichen Zeugnisse eine besondere Position im nordeuropäischen Vergleich ein. Die gotländischen Bildsteine sind herausragende Relikte der skandinavischen Eisenzeit. Es handelt sich dabei um bearbeitete Kalksteinmonumente von unterschiedlicher Größe und Gestaltung. In der Regel haben die Steine eine bearbeitete Schauseite, die durch Einritzen mit verschiedenen Motiven wie Wirbelrädern, Schiffen oder Tieren verziert ist. Diese Bildsteine wurden auf der heute zu Schweden gehörenden Ostseeinsel Gotland von den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt bis nach der ersten Jahrtausendwende erschaffen. Als Zugang zu diesen frühgeschichtlichen Lebenswelten wähle ich die auf den Bildsteinen verwendeten Motive. Hierzu muss zunächst die Gesamtheit der gefundenen Bildsteine und Bildsteinfragmente auf jene aus der Völkerwanderungs- und Vendelzeit eingegrenzt werden; sodann werden ausschließlich Bildsteine mit erkennbaren Motiven einbezogen. Im Zentrum dieser Arbeit steht die Interpretation der Motivik im Hinblick auf mögliche Aussagen über frühgeschichtliche Lebenswelten. Der Begriff der

Heute befindet sich der überwiegende Anteil der Bildsteine im Länsmuseum in Visby und dem Statens Historiska Museet in Stockholm. Lediglich ein kleiner Teil befindet sich noch in Kirchen (in welchen diese sekundär verbaut wurden) und an wenigen anderen Stellen auf der Insel Gotland. Es war mir möglich, sowohl Stockholm als auch Gotland mit Hilfe zweier Reisekostenbeihilfen des Graduiertenzentrums für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Marburg zu bereisen, die Bildsteine im Original zu studieren und Fotografien für den Katalog und die weitere Verwendung in meiner Dissertation zu erstellen. Alle Fotos dieser Arbeit – wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt – sind von mir im November 2008 in Stockholm und im Juni 2009 auf Gotland angefertigt worden. Alle Darstellungen und Zeichnungen dieser Arbeit sind von mir selbst erstellt worden, wenn nicht direkt in der Bildunterschrift auf eine andere Quelle verwiesen wird. 5

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Introduction Comparison with the discipline of landscape archaeology is illuminating:

Pre- and early historical research is very often done statistically and oriented towards material, handling of material, techniques and typo-chronological questions. Indeed, evidence for such approaches and concerns is easy to find in the published literature. Less commonly discussed however is an aspect of human behaviour which, in my opinion, not only particularly characterises humanity, but is also worthy of philosophical consideration, that is humans‘ reflecting, transcendental aspiration.

Landscape is an ‘idea’, not a thing: we construct it in our minds using the stimulus of the real world, [...]. This ‘mental’ cultural landscape cannot be measured or weighted, but it can be described in a myriad ways. Clark et.al., 2003, S. 103 The cultural environment too is not measurable. It can be outlined from different perspectives, but it is neither a direct, tangible accessible part of our world. On the other hand, the Gotlandic picture stones are part of our world and should be used as a possibility of access.

Human intellectual and metaphysical creativity is little represented in the literature. More precisely, when it comes to pre- and early historical topics with mystical and esoterical questions, there are a number of pseudo- and popular-scientific publications which misrepresent both the people of past times and the academic discipline. It will be my intention with this work to address this unsatisfactory situation and develop an interpretation which concerns itself with humans as intellectual, creative beings, without losing sight of a method that is based on a close study of the material.

Today most of the picture stones are located in the County Museum in Visby and the Statens Historiska Museet in Stockholm. Only relatively few are still to be found in churches (where they were used secondarily) and a few other places on the island of Gotland. It was made possible for me to travel to Stockholm and Gotland with help of travel grants from the Graduate Center for Humanities and Social Sciences of the University of Marburg.

The title of this work is “Picture Stones from Gotland of the Migration- and Vendelperiod - as Reflections of Early Historical Cultural Environment”. Gotland has a prominent position within the northern European realm due to the quantity and wealth of pre- and early historical evidence. The picture stones of this area are prominent relics of the Scandinavian Iron Age, taking the form of processed limestone monuments of different sizes and designs. Usually, the stones reveal a worked front side carved with various motifs, such as whirling discs, ships and animals. These picture stones date from approximately the first centuries after Christ until after the first millennium and are found on the island of Gotland situated in the Baltic Sea, and politically, part of Sweden. As it is my intention to access the early historical cultural environment, the group has to be reduced to those stones and fragments which can be dated to the Migration- and Vendelperiod, and of course, to those picture stones displaying recognisable motifs. At the core of the work is the aim to gain an interpretation with the anticipation of making statements about the early historical cultural environment. This is an intellectual and spiritual environment, which can be understood as the basis of any cultural expression, as we can see in the form of the Gotlandic picture stones.

All photographs in this work - if not explicitly stated otherwise - were taken by myself in November 2008 in Stockholm and in June 2009 on Gotland. All illustrations and drawings in this work have been prepared by myself if not clearly stated otherwise in the caption.

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1 Einführung und Aufgabenstellung 1.1 Geographie Gotlands und geschichtlicher Rahmen

Geographie Gotlands

Gotland ist die größte bzw. zweitgrößte Insel der Ostsee (je nachdem, ob das dänische Seeland als Insel verstanden wird oder nicht) und gehört heute zu Schweden. Einschließlich dem sich nördlich anschließenden Fårö und weiterer kleiner Nachbarinseln hat Gotland eine Gesamtfläche von 3140 km2. In der Länge erreicht die Insel inklusive Fårö maximal eine Ausdehnung von 140 km und in der Breite von 50 km. Die Entfernung zur Nachbarinsel Öland beträgt ca. 70 km, zum schwedischen Festland ca. 90 km und zum Baltikum ca.  150  km. Diese exponierte Position Gotlands inmitten der baltischen See begünstigte die zentrale Bedeutung für die Kulturentwicklung und somit auch für die nordische Archäologie1. Die besondere gotländische Entwicklung und autonome Stellung begünstigen noch heute eine Betonung der gotländischen Geschichte unabhängig vom schwedischen Festland und Differenzierungstendenzen2.

Die Sommer in Gotland weisen ein trockenes, die Winter ein mildes Klima auf5. Das Zusammenspiel zwischen dem Kalksteinuntergrund, dem fehlenden Oberflächenwasser, geringen Niederschlägen, aber auch lehmigen Böden bringt die besondere gotländische Landschaft hervor: Moore, semiaride Landschaften und Gebiete mit geringer Humusschicht wechseln sich ab. Der Boden ist fruchtbar, die Humusschicht aber recht gering, so dass es zu einem gehemmten Baumwachstum kommt. Dennoch sind 40–50 Prozent Gotlands bewaldet, was etwas unterhalb des gesamtschwedischen Mittelwertes liegt. Die Kiefer ist hier der dominante Baum, es lassen sich aber auch sogenannte Laubwiesen zum Beispiel mit Hasel finden. Die Artenvielfalt der Flora ist hinlänglich bekannt. Bisweilen weist Gotland aber auch semiaride Landschaften (Alvamark und Hällmark) auf. Die gotländische Hällmark ist durch eine starke Dominanz der Kalksteinflächen geprägt und weist eine derart karge Vegetationsdecke und starke Verdunstung der Niederschläge auf, dass sie sogar als Steppe bzw. Halbwüste zu definieren ist.

Das Hervorbringen der Bildsteine, aber auch anderer gotländischer Besonderheiten wie zum Beispiel die Erbauung von Steinhäusern bereits zu vorgeschichtlicher Zeit und das Errichten von Visbys Stadtmauer wäre ohne die besonderen geologischen Voraussetzungen Gotlands nicht denkbar3. Bei den aufgeschlossenen Gesteinen der Insel handelt es sich überwiegend um paläozoische Kalksteine, zum Beispiel Riffkalke, und Mergel. Zu einem ganz geringen Anteil findet sich auch Sandstein und Siltstein. Hierin unterscheidet sich Gotland deutlich vom schwedischen Festland, da dort das Gestein vorwiegend aus Granit und Gneis besteht. Diese Sedimente, die heute den Gesteinsuntergrund Gotlands darstellen, wurden während einer einzigen geologischen Periode, dem Silur, vor 400 Millionen Jahren abgelagert und bestehen aus den Überresten von Riffen eines Flachmeergebietes. Eine Neigung des gesamten Sedimentblocks ermöglicht einen Zugang zu Schichtenfolgen, die einen Zeitraum von 20 Millionen Jahren der Erdgeschichte repräsentieren4. Diese sind an der hellen Steilküste (‘Klint’ genannt) an der gesamten Westküste Gotlands aufgeschlossen. Da die Schichten nach Osten hin abfallen, hat die Insel jedoch eine flache Ostküste.

Große Teile der Moorgebiete wurden während der letzten Jahrhunderte entwässert, um eine größere agrarisch nutzbare Fläche herzustellen. Diese von Menschen vorgenommene starke Entwässerung veränderte die Landschaft Gotlands beträchtlich. Zuvor wies das Landschaftsbild ein System von Mooren und Seen auf, welches sowohl als Voraussetzung für Siedlungen und Ackerbau als auch für die innerinsuläre Kommunikation verstanden werden darf6. Diese Landschaftsmodifikation liegt in den geologischen Gegebenheiten begründet und zeigt gleichzeitig die Verbindung zwischen menschlicher Aktivität und Landschaft7. Das betrifft sowohl die geografischen Räume, die für Siedlungen genutzt wurden, als auch das Baumaterial, welches für Häuser und Siedlungen oder auch die Anfertigung von Monumenten zur Anwendung kam. Diese Verbindung zwischen den Überresten eisenzeitlicher Siedlungen und den geologischen Konditionen ist auch in der Karte der Abbildung 2 abzulesen. 5

1 2 3 4

Vgl. Nylén, 1998, S. 466. Vgl. zum Beispiel Gannholm, 1996. Vgl. Kloth und Lovén, 2001. Eliason, 2000.

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Der folgende Abschnitt bezieht sich auf: Bergsten, 1974, S. 287; Hinsch, 2007, S. 32 f.; Ahlmann, Wilhelmsson, Arpi, Hoppe und Mannerfelt, 1966, S. 104; O’Dell, 1957, S. 179. Nylén, 1998, S. 466f. Stenberger, 1955, S. 54f.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 1: Geographische Lage mit den Ostsee-Anrainerstaaten im Jahr 2010, Ostseeinseln.

Abbildung 2: Bodenverhältnisse und eisenzeitliche Siedlungen (Pettersson, 1955, aus Stenberger, 1955, S. 57)

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Einführung und Aufgabenstellung

Nylén untergliedert die jüngere Latène-Zeit13 auf Gotland in die Abschnitte A-D und beschreibt zahlreiche Kontakte mit den Ostseeinseln Bornholm und Öland. Gotland übernehme zunehmend eine Rolle als gebender Part und weist auch Verbindungen zu Böhmen auf14. Die zunehmende Wichtigkeit dieser Kontakte am Ende der vorrömischen Eisenzeit zeigt sich durch Impulse aus Gebieten Südosteuropas und des Schwarzmeergebietes. Die Kulturgruppen der pommerschen Küste können hier als Kommunikatoren zwischen Skandinavien und den Gebieten Südosteuropas verstanden werden15.

Geschichtlicher Überblick Gotlands besondere und reiche Vor- und Frühgeschichte wurde bereits zu einem frühen Zeitpunkt erkannt und bearbeitet. Allein die Anzahl der ortsfesten Bodendenkmäler, die Nylén mit 30000–40000 beziffert8, ist schier beeindruckend. Der Fokus dieser Ausführungen liegt zeitlich in den Epochen der Völkerwanderungs- und Vendelzeit und auf den bereits zuvor und auch während dieser Zeiten feststellbaren Kontakten außerhalb Gotlands. Ptolemaios aus Alexandria (ca. 85–165 n. Chr.) verfasste den Hauptteil seines achtbändigen Werkes über die Geographie – worunter auch der Abschnitt über den Norden Germaniens fällt – vermutlich zwischen 135–142 n. Chr. Er gibt für die größte seiner drei verzeichneten Ostseeinseln Scandia an, dass sie sich gegenüber der Weichselmündung befindet9. Wenn es sich um Seeland oder Teile des schwedischen Festlandes wie zum Beispiel Skåne handeln sollte, liegen die Koordinaten von Ptolemaios zu weit östlich. Thomas Grane diskutiert dies und zieht in Betracht, dass es sich um einen Fehler in Ptolemaios Aufzeichnungen handelt10. Oberhalb der Weichselmündung jedoch ist die geographische Lage Gotlands. Da auch die Gutonen als Teil der Völker Scanias von Ptolemaios genannt werden, könnte es sich tatsächlich um das geographische Gotland handeln und gleichzeitig die Akkumulation der gesamten bekannten skandinavischen Ethnien beheimaten. Somit könnte es sich bei Ptolemaios also um die erste Nennung Gotlands handeln.

Dass den Inseln im Ostseegebiet eine besondere Stellung zukommt, ist auch anhand der sehr zahlreichen Münzfunde abzulesen. Schon Montelius bemerkt hierzu, dass auf den drei großen Inseln der Ostsee ungefähr 80 Prozent aller in Gesamtskandinavien vorkommenden Solidi gefunden wurden16. Auch das Aufkommen der ältesten gotländischen Bildsteine wird von Sune Lindqvist17 mit intensiven Kontakten zum Römischen Imperium und dessen Kultur in Zusammenhang gebracht. Die ältesten Steine sind nach ästhetischen Merkmalen gestaltet, die sich ihm zufolge mit jenen von Grabplatten des Römischen Reichs vergleichen lassen18. Von den meisten Autoren wird das Aufkommen der Bildsteine in die Völkerwanderungszeit19 Gotlands datiert (siehe Abbildung 5). Weitere für diese Epoche typische Funde sind die Brakteaten, die als ebenfalls motivtragende Fundgruppe ikonographischen Untersuchungen unterworfen werden.

Laut Anders Kaliff spielt der Handel über die Flüsse des kontinentalen Nordeuropas – Elbe, Oder, Weichsel –, entlang der baltischen Küste und via Gotland auf das schwedische Festland mindestens seit der Bronzezeit eine große Rolle11. Auch Nylén berichtet von möglichen Fernbeziehungen bis nach Italien, die aufgrund der in der Bronzezeit auf Gotland verwendeten Hausurnen wahrscheinlich seien12.

Während der Völkerwanderungszeit steht Gotland in reger Verbindung mit dem Frankenreich. Des Weiteren bestehen Birger Nerman zufolge zahlreiche Verbindungen im nordischen Gebiet, wobei Gotland insgesamt aber mehr gebend als empfangend gewesen ist20. Dies ändere sich jedoch in Periode VI:221, die fremden Einflüsse würden bedeutender. Nerman formuliert im Folgenden eine Theorie der großen Auswanderung, da die Gräberzahl am Übergang von VI:1 und VI:2 deutlich zurückgeht, jedoch die Grabformen konstant bleiben, wobei gleichzeitig große gotländische Einflüsse im Ostbaltikum zu beobachten sind. Nachweisbar sind überwie-

Wie im skandinavischen Raum üblich, lassen sich in der jüngeren Bronzezeit zahlreiche Schiffssetzungen auf Gotland finden. Ebenfalls für die jüngere Bronzezeit typische Felsritzungen, sind in geringem Maße ebenfalls auf Gotland auffindbar und stellen die östlichen Vertreter ihres Typs dar. Hier sei darauf hingewiesen, da es sich bei den Schiffssetzungen und den Schiffsmotiven der Felsbilder um prominente Beispiele der Verwendung des Schiffsymbols handelt, welches auch im Motivspektrum der Bildsteine vorkommt.

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Nylén, 1998, S. 467. 9 Vgl. Ptolemaios, Geographiké Hyphégesis 2.10. 10 Vgl. Grane, 2003, S. 143. 11 Vgl. Kaliff, 2001, S. 59. 12 Nylén, 1998, S. 470.

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Nylén diskutiert die Problematik der Anwendung des Terminus LatèneZeit für Gotland und verwendet ihn als Äquivalent zum Terminus der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, siehe Nylén, 1955, S. 545. Absolutchronologisch bezeichnet das die zweite Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrtausends, siehe auch Abbildung 3. Nylén, 1955, S. 554. Vgl. Kaliff, 2001, 59 ff. Vgl. Montelius, 1906, S. 229. Lindqvist, 1941. Vgl. Lindqvist, 1941, S. 21f. und 91ff. Lindqvist geht von einem Aufkommen der Bildsteine um das Jahr 500 aus. Absolutchronologisch 400–550, siehe Abbildung 3. Vgl. Nerman, 1935, S. 126. Vgl. Abbildung 3.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Jahr 1100 1000 900 800

Epoche

Wikingerzeit Per. VII:5

700 600

Per. VII:4

Vendelzeit

300 200 100 0 100 200 300 400 500

Per. VII:3 Per. VII:2 Per. VII:1

500 400

Periode

Völkerwanderungszeit

Per. VI:2 Per. VI:1 Abbildung 3: Übersicht über die Eisenzeit mit dem Fokus der Völkerwanderungs- und der Vendelzeit Gotlands. Absolutchronologisch decken sich die Daten mit Almgren und Nerman, 1923, Nerman, 1935, 1975, und Nylén, 1955. In er neuen Literatur (vgl. Rundkvist, 2003, oder Thunmark-Nylén, 2006) werden die Perioden-Einteilungen der Vendelzeit von Nerman heute kritisiert und zum Beispiel gezeigt, dass das Material, welches von ihm in VII:5 eingegliedert wird, bereits wikingerzeitlich ist. Auch seine Einteilung in fünf Stufen wird kritisiert. Nach Thunmark-Nylén kann eigentlich nur eine zweistufige Einteilung von jeweils 120–130 Jahren aufrechterhalten werden (vgl. Thunmark-Nylen, 2006, S. 674f ).

Römische Eisenzeit

Vorrömische Eisenzeit

gend brandzerstörte Hausfundamente, eine Veränderung der Hausbauart und eine Konzentration auf zentrale Siedlungsareale. Was diese Änderungen hervorgerufen hat, gilt als noch zu lösende Forschungsfrage. Auch in der ‘historisch-mythologischen’ Geschichtsschreibung Gotlands, der Gutasaga, wird von einer großen Auswanderung berichtet. Dieses Themengebiet schließt an einen stark kontrovers geführten Diskurs an: Das Verhältnis zwischen Gotland und den Goten mit ihrem vermeintlichen Ursprungsgebiet in Skandinavien22. Jedoch möchte ich erneut Kaliff anführen, der sich zwischen den Auswanderungsbefürwortern und -gegnern positioniert und eine kontinuierliche Langzeitbeziehung zwischen Gotland und dem südöstlichen Ostseegebiet postuliert23.

in Skandinavien. Eine spannende Forschungsfrage stellen weiterhin die zugehörigen Gräber dar, da die umliegenden Gräberfelder nicht in die Kernzeit der Besiedlung zu datieren sind24. Für die sich anschließende Vendelzeit25 kann von einer Expansion der Gotländer im Ostseegebiet gesprochen werden26. Belege von schwedischen bzw. gotländischen Siedlungen existieren an den östlich und südlich gelegenen Ostseeküsten. Archäologische Untersuchungen zugehöriger Gräber erbrachten typisch gotländisches Material. Dieses lässt sich für Grobin im heutigen Lettland, Apuole im heutigen Litauen und Truso und Wiskiauten an der heute zu Polen gehörenden Küste nachweisen27.

Bekannter Fundort für die gotländische Völkerwanderungszeit ist die Siedlung Vallhagar. Die römische Eisenzeit ist in Vallhagar ebenfalls gut repräsentiert, generell können aber Funde und Befunde von der Bronzezeit bis in die Wikingerzeit angetroffen werden. Es handelt sich hierbei um die größte Anzahl steinfundamentierter, eisenzeitlicher Häuser

Nerman diskutiert in seinem Bericht zu Grobin die Koexistenz der Svear und Gotländer in einer Siedlung und bezweifelt, dass es sich zu jenem Zeitpunkt bei diesen beiden Gruppen noch um getrennte ‘Völker’ handeln könnte. Dies zieht er zur Untermauerung seiner Theorie heran, um die Über24

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25

Vgl. Bierbrauer, 1998, S. 407ff.; Mączyńska, 2007, S. 1ff. und Nylén, 1979. Vgl. Kaliff, 2001, S. 8.

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Stenberger, 1955. Absolutchronologisch 550–800, siehe Abbildung 3. Lundström, 1979. Vgl. Öhrmann, 1994, S. 41f.

Einführung und Aufgabenstellung

mit Pferdebeigabe in Broa34, wobei der letztgenannte bereits in den Übergangshorizont zur Wikingerzeit zu datieren ist.

lieferungen der Gutasaga und die Geschichtsschreibung der Völkerwanderungszeit zu harmonisieren. Er kommt zu dem Schluss, dass Gotland in der Mitte des sechsten Jahrhunderts in das schwedische Reich einverleibt worden ist, welches sich laut der Gutasaga auch auf die Nutzung der schwedischen Siedlungen sozusagen als Freihandelszonen bezog28. In der Nähe von Grobin (Gräberfeld von Priediens II) ist ein Bildstein gefunden worden, der höchstwahrscheinlich von Gotland exportiert wurde29. Es handelt sich hierbei um einen sogenannten Zwergenstein (Typ B nach Lindqvist, s. u.) und um das erste östlich von Gotland gefundene Exemplar.

Für die Wikingerzeit Gotlands können zahlreiche Funde und Befunde herangezogen werden. Verwiesen sei auf das Erstarken verschiedener Häfen, die entlang der gotländischen Küste als Handelsplätze verstanden werden können, das Gräberfeld Ihre und die Schatzfunde Gotlands35. Breite Aufmerksamkeit erhält diese Epoche auch weiterhin, so wurde zum Beispiel in einem Projekt der gotländischen Kommunalverwaltung im Jahr 2005 Gotland zur ‘Wikingerinsel’ ausgerufen36.

In den theoretischen Ansätzen von Callmer30 werden die Interaktionen ethnischer Gruppen der baltischen Region der späten Eisenzeit vor dem Hintergrund der Gesellschaftsstrukturen diskutiert. Zunächst erläutert er die unterschiedlichen Arten und Funktionen von Interaktion. Hierbei trifft er deutliche Unterscheidungen zwischen 1. Socially integrated contacts und 2. Contacts which are non-socially integrated, die jeweils weiter unterteilt werden. Callmer vermag dadurch, die Komplexität des Themas zu verdeutlichen und dessen Stukturen zu erläutern. In seinen Ausführungen betont er auch die besondere geographische Situation Gotlands, die sich auf das ökonomische ‘Gewicht’ der Insel auswirkt, welches nicht erst in der frühen Wikingerzeit plötzlich entsteht.

1.2 Gotländische Bildsteine – Einführung

Forschungsgeschichte Erste systematische Untersuchungen über die Bildsteine Gotlands wurden bereits im 19. Jahrhundert von den Gebrüdern Säve vorgenommen und durch Fredrik Nordin, Gabriel Gustafson und Olof Sörling fortgeführt37. Aber keiner der genannten Forscher konnte seine Untersuchungen abschließen und veröffentlichen. Es oblag Sune Lindqvist, das gesammelte Material erneut zu sichten, zu erweitern und in einer zweibändigen Monographie 1941 und 1942 zu veröffentlichen38. Lindqvist lässt sich über die Frühphase der Auseinandersetzung mit dem Bildsteinmaterial entnehmen, dass es in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu den ersten erhaltenen Aufzeichnungen über vier Bildsteine auf Gotland kommt, die in den Jahren bis 1801 durch weitere runentragende Denkmäler ergänzt werden. Der erste neuzeitliche ‘Bildstein-Export’ ist für das Jahr 1826 verzeichnet, wobei ein Bildstein von Rikvide an das Statens historiska museum (SHM) in Stockholm gesendet wurde.

Es ist zu beobachten, dass die Aussagen insgesamt zurückhaltender werden, je aktueller die Publikation ist. So diskutiert Bozena Werbart den Zusammenhang zwischen kultureller Identität und Archäologie und spricht von interactive trade connections, die für das sechste Jahrhundert als especially intensively managed im Ostseegebiet zu bezeichnen sind. Insgesamt stellt sie die Frage, wie skandinavische Funde zu definieren sind, ob diese in Skandinavien oder von Skandinaviern hergestellt werden sein müssen oder lediglich in deren Tradition31. Der seit dem Ende der römischen Eisenzeit auf Gotland typische Haustyp, die sogenannten ‘kämpgravar’, ist für die Zeit nach 600 nicht mehr nachweisbar. Dies wird unter anderem als mögliches Indiz einer Ausweitung des Einflussgebietes der Svear während der Vendelzeit auf die Insel Gotland in Erwägung gezogen32.

Lindqvists erster Band enthält eine Typo-Chronologie der Bildsteine39, Beschreibung und Analyse der Bildsteinformen und -motive, Fundortkarten sowohl für die Bildsteine seiner einzelnen Chronologie-Abschnitte als auch für alle Bildsteine und einen umfangreichen Tafelteil. Der 1942 publizierte

Bekannte Fundorte Gotlands für die Vendelzeit sind das Gräberfeld Vallstena, Vallstenarum33 und der reiche Grabbefund

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28 29 30 31 32 33

37

Vgl. Nerman, 1958, S. 181f. Vgl. Nylén & Lamm, 2003, und Lamm, 1991. Vgl. Callmer, 1992. Vgl. Werbart, 2004, S. 87f. Vgl. Nylén, 1998, S. 479. Gustafson, 1905, S. 1ff.

38

39

11

Salin, 1922. Thunmark-Nylén, 1995, 1998, 2000, 2006; Stenberger, 1947, 1958, 1961. „Gotland – Vikingaön“, 2004; http://www.gotland.se/imcms/16169 (29.06.2010). Vgl. Lindqvist, Sune, 1941 S. 9ff. Dieses Werk trägt auch die Namen der Bearbeiter ‘vor’ Sune Lindqist bereits im Titel: „Gotlands Bildsteine. Gesammelt und untersucht von Gabriel Gustafson und Fredrik Nordin“, Band I und II, Stockholm 1941/1942. Siehe hierzu Abbildung 5.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

zweite Band entspricht einem vollständigen Katalog der bis zu jenem Zeitpunkt bekannten Bildsteine. Das Werk Lindqvists besitzt in weiten Teilen bis heute Gültigkeit. Die darin enthaltenen Fotografien der Bildsteine von Faith-Ell sind die ersten, die mit künstlicher Beleuchtung vorgenommen wurden. Keine der nachfolgenden Untersuchungen erreicht auch nur annähernd den Umfang dieser Arbeit.

Beachtung. Zu erwähnen sind hier unter anderem die Arbeiten von Andrén, Myrberg, Göransson und Back Danielsson45. Die zahlreichen Veröffentlichungen Karl Haucks zur ikonologischen Brakteatenforschung46 weisen ebenfalls viele Vergleiche mit und Erkenntnisse zu den Motiven der gotländischen Bildsteine auf. Seine Methodik folgt einer Bedeutungssuche anhand von Vergleichen mit den Texten der nordischen Mythologie. Dabei werden die Motive der Brakteaten oder Bildsteine nicht nur mit denen der Edda verglichen, sondern eine analoge Bedeutungszuweisung vorgenommen. Hierbei formuliert er unter anderem vier Grundtatsachen der Bildsteinforschung47, zu welchen aber in der übrigen Literatur keine Betsätigung zu finden ist. An diesem Beispiel zeigen sich deutlich die verschiedenen ‘Wahrheiten’ und Erkenntnisse einer jeden Forschungstradition.

Eine erneute Publikation, die die gesamte Objektgruppe der Bildsteine abdeckt, ist das von Nylén und Lamm erstmals 1978 veröffentlichte „Bildstenar“40. Hauptmerkmal ist hier eine umfangreiche Einführung ins Themengebiet und ein tabellarischer Katalog. Bis ins Jahr 2003 wurde der Katalog um Neufunde erweitert und aktualisiert. So kann bei dem mit dieser Ausgabe vorliegenden Katalog auch von dem derzeit umfassendesten ausgegangen werden. Obwohl es seit Lindqvist keine solch umfangreichen Bearbeitungen der Bildsteine gegeben hat, ist dennoch ein großes Interesse der Archäologie und weiterer Disziplinen der Geisteswissenschaften an ihnen feststellbar41. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit Teilaspekten der Bildsteinforschung und widmen sich zum Beispiel einzelnen Steinen42 oder Motivkategorien und Motiven43. Besonders häufig ist die Bearbeitung des Themenkomplexes der Bildsteine in Fachzeitschriften anzutreffen. Viele Autoren beziehen sich auf die gotländischen Bildsteine, ohne dass diese sich direkt im Zentrum ihrer Forschung befinden. Althaus spricht in diesem Zusammenhang davon, dass diese Aussagen zu den Bildsteinen mühselig aus Veröffentlichungen herauszuklauben seien44.

Insgesamt stehen die ‘späten’ Bildsteingruppen deutlich stärker im Zentrum der Forschungen als die ‘frühen’. Die meisten der vorangenannten Bearbeitungen beschäftigen sich mit Bildsteinen der Gruppe III nach Andrén48, unter anderem weil die auf diesen Bildsteinen vorzufindenden Motive in Zusammenhang mit der nordischen Mythologie gebracht werden und sich somit ein Interpretationsraum eröffnet, den die übrigen Gruppen vermeintlich nicht bieten. Auch in der jüngsten, systematischen Bearbeitung des Bildsteinmaterials wurde ein Ausschnitt des späten Bildsteine bearbeitet. Florian Westphal49 beschäftigt sich hierin mit den Bildsteinen der Gruppe IV nach Andrén (siehe Abbildung 5). Die Erkenntnisse und Ergebnisse eines derzeit auf Gotland stattfindenden Inventarisierungsprojekts (von Johan Norderäng und Per Widerstöm) konnten in die vorliegende Arbeit nicht einfließen, da bisher nur Publikationen in geringem Umfang zu Bildsteinen später Gruppen entstanden sind50. Die Bereitstellung umfangreicher Daten, wie zum Beispiel Laser-Scans der Schauseiten einzelner Bildsteine, ist zunächst ebenfalls für die späteren Bildsteingruppen geplant51.

Die Forschung scheint jedoch besonders im deutschen Sprachraum eine deutliche Trennung der verschiedenen Disziplinen aufzuweisen: Entweder die Motive der Bildsteine werden als Referenzen zu sprachlichen Quellen interpretiert oder die Bildsteine als archäologische Objekte behandelt. Alternative methodische Ansätze oder Kombinationen dergleichen scheinen rar. Dies verhält sich anders im ‘BildsteinUrsprungsland’ Schweden. Hier gibt es verständlicherweise eine starke Rezeption der Bildsteine in der Archäologie, die sich jedoch nicht nur anhand der Anzahl der Aufsätze und Publikationen zeigt, sondern auch in einer größeren Methodenvielfalt niederschlägt. In die archäologische Auseinandersetzung werden verschiedene theoretische Ansätze integriert. Auch finden in theoretischen Auseinandersetzungen mit eisenzeitlichen Themenbereichen die Motive der Bildsteine 40

41 42

43 44

Gruppierung und Zeitstellung

45

46

47

Vgl. hierzu Nylén und Lamm, 1991 (deutscher Titel: „Bildsteine auf Gotland“) und 2003. Vgl. Althaus, 1998, S. 3. Umfangreichstes Beispiel hierzu ist eine gesamte Publikation zu einem Bildstein, vgl. Buisson, 1976. Vgl. zum Beispiel Myrberg, 2005. Althaus, 1998, S. 5.

48 49 50

51

12

Andrén, 1993 und 2004, Myrberg, 1996 und 2005, Göransson, 1999, und Back Danielsson, 2007. Eine Bibliographie zur Serie der „Ikonologie der Goldbrakteaten“ von Karl Hauck weist 64 Teile auf, vgl. fruehmittelalter.uni-muenster.de/ goldbrakteaten (29.06.2010). Hauck, 1983b, S. 443. Vgl. Andrén, 1993 und siehe hierzu Abbildung 5. Vgl. Westphal, 2004. Information auf Grundlage von Gesprächen mit Johan Norderäng, Per Widerström und Laila Kitzler Åhfeldt. Vgl. auch Widerstöm und Norderäng, 2004. Information von Laila Kitzler Åhfeldt.

Einführung und Aufgabenstellung

Die gotländischen Bildsteine können nach unterschiedlichen Kriterien gruppiert werden. Erstes auffallendes Kriterium ist die äußere Form. Darunter ist die Formgebung des Steines selbst ohne die Berücksichtigung der Motive zu verstehen. Es gibt starke Variationen in der Bearbeitung der Steine, zum Beispiel die Umrissform des Steines oder auch einer ‘Planierung’ der Vorder-, Rück, oder Schmalseite des Steines. Hier soll eine Betrachtung der Umrissform, also der Formgebung bei Betrachtung der Schauseite genügen52.

untergliedert. Jede – bis heute – getroffene Systematik der Denkmalgruppe wird in Anlehnung an Lindqvists Einteilung vorgenommen. Dabei wird je nach Autor oder Autorin diese Kategorisierung vereinfacht oder auf gewisse Kriterien beschränkt wie zum Beispiel äußere Form und/oder Verzierung. Althaus vereinfacht das System jedoch kaum und spricht in direkter Anlehnung an Lindqvist von fünf Großsteingruppen. Dass sich große Differenzen zwischen der reinen Unterscheidung der äußeren Form der Bildsteine und den Bildsteinmotiven ergeben, ist besonders bei der Publikation des Gotlands Fornsal54 zu erkennen. Hier wird eine Typologie anhand der Umrisse (‘Shapes’) erstellt. Die einzelnen Bildsteine werden anhand der Motive jedoch derart datiert, dass es zu dem zweiten Chronologiesystem (‘Pictures’) kommt. Diese beiden Systeme lassen sich in den ersten beiden Gruppen (Benennung je nach Bearbeiter) gut in Kongruenz bringen, da der Inhalt der Motive mit der Veränderung der äußeren Form parallel zu fassen ist. Zu einer großen Veränderung der Bildinhalte unter Beibehaltung der äußeren Form kommt es innerhalb der dritten Gruppe. Zunächst zeigen die Steine Figuralverzierungen mit zahlreichen Personen, Reitern und motivischen Szenen. Abgelöst werden diese Bildinhalte übergangslos durch die recht einheitliche Verzierung mit Tiermotiv im Runensteinstil im unteren Steinteil und häufig dem Kreuzmotiv im oberen Teil. Die Gestaltung des Steinumrisses in Pilzform, die vermeintlich ‘heidnischer Formsprache’ folgt, bleibt davon jedoch unberührt. Lisbeth Imer55 legt für die Bildsteingruppen C und D nach Lindqvist eine neue chronologische Untersuchung vor. Hierin kommt sie zu dem Schluss, dass es keinen Beweis für eine chronologische Differenzierung zwischen diesen beiden Gruppen gibt und datiert sie vom achten (ca. 750) bis in das zehnte Jahrhundert.

So betrachtet ergeben sich vier Bildsteinkategorien (siehe auch Abbildung 4): 1 Großsteingruppe in Form einer Axtschneide 2 Zwergensteine 3 Kisten- oder Kantensteine 4 Großsteingruppe in Pilzform

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es mindestens zwei Unterscheidungskriterien gibt, die ineinander greifen und somit zu einer gewissen Irritation führen können. Deshalb sei hier zunächst so explizit auf die Unterscheidung nach der äußeren Form hingewiesen. Eine Unterteilung ausschließlich anhand dieser ist nicht hinreichend, um das Thema zu bearbeiten. Es zeigen sich große Unterschiede nicht nur in der Form, sondern eben auch im Motivspektrum der Bildsteine. Unter Hinzunahme einer chronologischen Differenzierung und der Beachtung der Motivgebung kommen die Bearbeiter zu verschiedenen Chronologien. Auch hier ist Lindqvists Publikation bis dato nicht nur die Grundlage der Überlegungen, sondern in vielen Fällen auch maßgeblich. Vorangestellt werden soll hier noch der Hinweis, dass die Datierung der Bildsteine ein schwieriges Unterfangen darstellt, da sie weder direkt mit naturwissenschaftlichen Methoden datierbar sind, noch datierbare Begleitfunde aufweisen. Die Steine sind in der Regel nicht in situ aufgefunden worden (siehe auch die Ausführungen zu den Fundorten). Auch die wenigen Exemplare, die im Zusammenhang mit Gräberfeldern aufgefunden worden sind, ermöglichen keine differenzierte Datierung53. Die Chronologien müssen also ungenau bleiben und sind nach wie vor Bestandteil einer kontroversen Diskussion.

Viele Bearbeitungen und Texte liegen in Form von Artikeln oder kurzen Abhandlungen vor, in welchen keine eigene Systematik vorgelegt wird, es dennoch zu einzelnen, von den ‘vollständigen Systemen’ abweichenden Aussagen kommt. So erläutert zum Beispiel Elisabeth Almgren56 in „Formgivning under yngre romersk järnålder“, dass unter formgebungstypologischen Gesichtspunkten der Beginn der frühesten Bildsteinperiode vor die Völkerwanderungszeit datiert werden müsste. Dies würde im Gegensatz zu den vorgestellten Systemen einen früheren Zeitpunkt bedeuten, nämlich vor 400. Auch Peter Manneke sieht den Beginn der ‘Bildsteinsitte’ deutlich vor den übrigen Bearbeitern und postuliert in „En

Lindqvist unterteilt die Bildsteine in Abschnitt A bis E und differenziert hier weitere Untergruppen, so zum Beispiel nach Groß-, Zwerg-, und Kistensteinen oder nach Formgebung der oberen Ecken, die er jeweils wieder in Typen

54 52

53

Für eine umfangreiche Darstellung der äußeren Bearbeitung der Steine und Abbildung von Querschnitten siehe Lindqvist, 1941. Vgl. Kreutzer, 1988.

55 56

13

Gotlands Fornsal ist die kulturhistorische Abteilung des Länsmuseum Gotland. Vgl. Imer, 2004. Vgl. Almgren, 1978.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 4: Allgemeine Formgebung der Bildsteine.

0

200

400

Lindqvist (1941) Almgren (1978) Manneke (1984) Nylén & Lamm (1991 u. 2003)

$

%

)

0

-Pictures

800

1000

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1200

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Andrén (1993) „Fornsal“ (1997) -Shapes

600

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6

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Abbildung 5: Chronologien der verschiedenen Bearbeiter – Lindqvist, 1941 (Althaus, 1993 übernimmt das System); Almgren, 1978; Manneke, 1984; Nylén und Lamm, 1991 (und 2003); Andrén, 1993; ‘Fornsal’ nach Öhrmann, 1997 (Gotlands Fornsal)

14

Einführung und Aufgabenstellung

turhistorischen Dokumentation herangezogen wurden59, und zum anderen darauf, dass die überwiegende Zahl der (frühen) Bildsteine sekundär in Kirchenbauten oder Kirchhofsmauern Verwendung fanden. Deshalb können aus der Fundortverteilung nur unzureichende Aussagen über die eigentliche Sitte der Bildsteinerrichtung abgeleitet werden, da sie nicht die ursprünglichen Standorte wiedergibt. Über welche Entfernungen die Bildsteine zu den Orten transportiert wurden, in welchen sie als Baumaterial Anwendung fanden, wird in der Literatur nicht genauer thematisiert60. Die Frage, ob diese lediglich als geeignetes, attraktives Baumaterial Verwendung fanden oder aus symbolischen Gründen in Kirchen erneut zur Anwendung kamen, ist umstritten. Bereits Lindqvist beschreibt das Phänomen der sekundären Nutzungsarten der Bildsteine und besonders deren Verwendung in Kirchenbauten61. Eine Übersicht über die sekundäre Verwendung der gotländischen Bildsteine ist bei Westphal vorzufinden und trifft Aussagen über die Verwendungsintention, so ist zum Beispiel von praktischer Verwendung der Steine die Rede62. Allerdings ist eine Einteilung der Nutzungsabsichten in praktischen Nutzen oder symbolische Erniedrigung der Bildsteine nicht ausreichend, da sich diese beiden Aspekte nicht ausschließen müssen. Mats Burström argumentiert für die Bildsteine der Gruppe I neutraler mit einer absichtsvollen Verwendung der Bildsteine in Kirchenräumen und diskutiert die Tatsache, dass jene sichtbar an besonderen Stellen wie zum Beispiel im Altarraum eingesetzt wurden63.

tidig bildsten i Grötlingbo?“ einen möglichen Anfangszeitpunkt ab dem Jahr 10057. Die Gruppe der Kisten- und Kantensteine gilt als nicht genauer chronologisch differenzierbar. Anders Andrén jedoch erläutert zwei Arten von Kisten- bzw. Kantensteinen, die er chronologisch den Gruppen III und IV zuordnet. In Bezug auf die hier zu untersuchenden Bildsteine möchte ich mich der Systematik Andréns anschließen, da diese auch die Änderung der Bildinhalte zur Gruppenbildung berücksichtigt. Im Folgenden wird seine Systematik und die Bezeichnung mit römischen Ziffern I-VI zur Anwendung kommen. Die Untersuchungen der Bildsteine dieser Arbeit beschränken sich auf jene der Völkerwanderungs- und Vendelzeit, somit fließen ausschließlich Steine der Gruppen I und II in die Analysen ein. Der Katalog der Bildsteine von Nylèn und Lamm nimmt die Gruppierung anhand der äußeren Form vor und verwendet die Bezeichnungen Früh (F), Mittel (M), Spät (S) und Kisten-/Kantensteine (K). Die hier weiter zu bearbeitenden Bildsteine der Gruppen I und II entsprechen also den Gruppen F und M im Katalog Nylén und Lamms. Dieser kommt als Datengrundlage zur Anwendung, da es sich um den einzigen vorliegenden und bis 2003 aktualisierten Katalog handelt. Abschließend noch einige Anmerkungen zur Terminologie: Die Begriffe ‘Gruppe’, ‘Typ’, ‘period’ oder ‘Abschnitt’ werden in der Literatur – bis auf die Systematik von Lindqvist – synonym verwendet und die in Abbildung 5 vorgestellten ‘Großgruppen’ (A–D, F/M/S oder I–IV) nicht weiter systematisch unterteilt. Die Bezeichnung ‘Gruppe’, die in dieser Arbeit zur Anwendung kommt, folgt dieser nicht weiter dif-

Eine Untersuchung von Karl Gustaf Måhl setzt Bildsteine in Zusammenhang mit Stabhöfen (schwedisch: stavgardar). Hierin werden auch die Fundumstände der Bildsteine untersucht und eine Analyse der wahrscheinlich ursprünglichen Aufstellungsorte vorgelegt. Måhl konstatiert einen Zusammenhang der Steine der Gruppe I und ungefähr die Hälfte der Gruppe  II mit Gräberfeldern, wobei aber kein expliziter Zusammenhang mit individuellen Gräbern aufzufinden sei64. Die übrigen Bildsteine der Gruppe II und die der Gruppen III und IV werden in Zusammenhang mit Wohnplätzen der älteren Eisenzeit und Wegen gestellt. Dadurch und unterstützt durch etymologische Überlegungen gelangt

ferenzierenden Terminologie.

Fundorte Auf Gotland konnten in nahezu allen Kirchspielen Bildsteine gefunden werden. Von fundleeren Regionen kann nur im äußersten Norden und Süden der Insel gesprochen werden. Bei genauerer Betrachtung ist nicht der eigentliche Norden Gotlands, sondern die sich nördlich anschließende Insel Fårö frei von Bildsteinfundorten. An der Südspitze Gotlands weisen vier Kirchspiele keinen Bildsteinfundort auf58.

59 60

Dass die Darstellung der Fundortverteilung stark mit den Kirchspielen und Kirchen verbunden ist, geht zum einen darauf zurück, dass die Kirchspiele seit alters her zur kul-

61 62 63

57 58

Vgl. Manneke, 1984. Siehe hierzu auch Lindqvist, 1941, S. 141. Hier sind die Bildsteine abgetragen, die bis 1941 bekannt waren. Neufunde können in zuvor bildsteinfundortleeren Kirchspielen vor allem für die Inselmitte verzeichnet werden, aber auch für das Kirchspiel Hall.

64

15

Siehe hierzu Nylén und Lamm, 1991, S. 183. Als eine ähnlich gelagerte und ebenfalls selten diskutierte Frage sollen hier die Transportwege von Runensteinen vom ursprünglichen Aufstellungsort zum Einbau in Kirchen angeführt werden. In der Literatur findet sich zumindest ein Fall einer kontroversen Diskussion zu diesem Thema. Vgl. Jansson, 1946, und Lindqvist, 1947. Lindqvist, 1941, S. 124ff. Vgl. Westphal, 2004, S. 403f. Burström, 1996, S. 27ff. Er legt hierin eine interessante Betrachtung der Verwendung und des gezielten Einsatzes der Bildsteine den ursprünglichen Erschaffern nachfolgenden Generationen dar und thematisiert nicht nur die Verwendung in Kirchen sondern auch im Grabbau späterer Jahrhunderte. Måhl, 1990, S. 28.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 6: Übersicht Kirchspiele Gotlands und Kirchspiele mit Bildsteinfundorten. (Nach Lindqvist, 1941, S. 141, mit Ergänzung der Neufunde.)

Måhl zu der Hypothese, dass die zweitgenannten Bildsteine im Zusammenhang mit Opfer- und Kultplätzen rein regionaler Kultur, den sogenannten Stabhofplätzen, standen65. Es kann also vermutlich ein Wechsel des rituellen Kontextes und somit auch der ursprünglichen Aufstellungsorte der Bildsteine, von Gräberfeldern zu Kultstätten, angenommen werden66.

trägt eine Inschrift, die den Export belegt. Der in Grobin gefundene Stein lässt sich aufgrund der Motiv- und Formgebung in die Bildsteingruppe II eingliedern (siehe Abbildung 7)67. Auf dem schwedischen Festland kam es zu Nachahmungen gotländischer Bildsteine. Die Bildsteine sind in der Ausführung und Gestaltung in der Regel einfacher und nicht als Kopien zu verstehen. Bisher sind 18 solcher Bildsteine auf dem Festland bekannt: Elf Steine wurden in Uppland gefunden, fünf in Sörmland und zwei in Östergötland68. Dabei handelt es sich um Regionen, die an der Ostküste des schwedischen Festlandes gelegen sind (siehe Abbildung 7). Diese sind auch als festländische Produkte, nämlich als Nachahmungen früher Bildsteintypen Gotlands, und nicht als Exporte, zu verstehen. Die Steine aus Uppland und ein Exemplar aus Sörmland können als eine Gruppe bezeichnet

Alle Bildsteine, die in die Untersuchungen dieser Arbeit Eingang gefunden haben, wurden auf Gotland gefunden. Eine Karte mit den Fundorten dieser Bildsteine findet sich am Beginn des Katalogteils. Bisher konnten vier Exemplare von aus Gotland zeitnah zum Herstellungszeitpunkt ‘exportierten’ Steinen gefunden werden: Zwei Bildsteine auf Öland, einer in Uppland und einer in Grobin (Lettland). Der in Uppland gefundene Bildstein 65 66

67

Måhl, 1990, S. 28. Vgl. Måhl, 1990 und Andrén, 1993.

68

16

Vgl. Lamm, 1991, S. 9f. und S. 144; Petrenko, 1991. Rydh, 1973, S. 103.

Einführung und Aufgabenstellung

werden, da sie aus rotem Sandstein hergestellt wurden. Die übrigen Steine aus Sörmland und jene aus Östergötland sind aus weißem, kristallischem Kalkstein hergestellt worden69.

Abbildung 7: Bildsteinfundorte. Dunkelgrau: Gebiete mit Fundorten gotländischer Bildsteine, Exporte nach Öland und Grobin. Hellgrau: Gebiete mit Fundorten von Nachahmungen.

Informationen zur ursprünglichen Bemalung Bereits in den Ausführungen von Lindqvist ist von Farbresten auf den Bildsteinen zu lesen. Er erwähnt bei seiner Beschreibung der ersten Großsteingruppe, dass höchstwahrscheinlich alle hineingemeisselten Partien mit Farbe gefüllt gewesen seien, belegt dies aber nicht direkt an einem Fund von Farbresten70. In seinem Katalogteil erwähnt er tatsächlich gefundene Reste von Bemalung in den Farben Schwarz und Rot, allerdings für einen Stein71, der nicht der oben genannten Gruppe, sondern einer späteren angehört. In Roger Öhrmanns „Vägen till Gotlands Historia“ findet sich eine farbenfrohe Illustration einer Rekonstruktion eines Grabfeldes mit Bildsteinen der Gruppe I72. Hierzu ist zu lesen, dass die Bildsteine wahrscheinlich in klaren Farben bemalt gewesen sind73. Eine faszinierende Vorstellung, doch leider sind auch bei Öhrmann keine weiteren Funde der Bemalung angeführt. 69 70 71 72 73

Vgl. Rydh, 1973, S. 107f. Vgl. Lindqvist, 1941, S. 23. Hemse, Annexhemmanet I, vgl. Lindqvist, 1942, S. 75f. Öhrmann, 1994, S. 38. Vgl. Öhrmann, 1994, S. 39.

17

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

1.3 Aufgabenstellung

Des Weiteren werden die Motivkompositionen der Bildsteine untersucht. Hierzu werden die zuvor herausgearbeiteten Symbolbedeutungen zur Untersuchung herangezogen.

Nachdem die Grundlagen der Thematik in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt wurden, soll nun die weitere Vorgehensweise dargelegt werden. Ziel ist die Interpretation der Motive der Bildsteine. Der Fokus liegt hierbei auf dem Herausarbeiten der Hinweise zur geistigen Lebenswelt der Bildstein-Erschaffenden. Zur Verdeutlichung sei hier der englische Begriff des ‘cultural environment’ angeführt. ‘Cultural environment’ drückt weniger missverständlich aus, dass die Untersuchung einen geistigen kulturellen Lebensbereich in den Mittelpunkt stellt. Gerade im Kontext der Archäologie soll diese Irritation vermieden werden, da der Lebenswelt-Begriff auch hinsichtlich der Untersuchungen zum Fundmaterial verwendet wird. Hier soll er jedoch in einer philosophischen Konnotation verwendet werden. Hierzu sollen philosophische Überlegungen die Grundlage der Motiv-/Symbolanalyse im Hinblick auf geistige Lebenswelten bilden. Dazu wird die Frage erörtert, ob die Erstellung und Verzierung der Bildsteine und besonders die bewusste Verwendung der Motive auf den Bildsteinen als Hinweise auf diese geistige Lebenswelt interpretiert werden können. Um zu einer Interpretation der Bildsteinmotive zu gelangen, soll ein schrittweises Vorgehen gewählt werden:

1. Schritt: deskriptive Analyse der Motive. Die Auswahl der Bildsteine anhand des chronologischen Fokus und der vorhandenen Motive wird vorgestellt, die Benennungen und deren Vorhandensein auf den jeweiligen Bildsteinen aufgezeigt. Die Motivwahl und Motivkombinationen werden nach Gruppenzugehörigkeit der Bildsteine untersucht und ein Vergleich der Gruppen dargestellt.

2. Schritt: theoretische Überlegungen zur Begriffsklärung und zu Interpretationsmöglichkeiten. Um eine Interpretationsgrundlage für die Motive der Gotländischen Bildsteine zu erarbeiten, werden theoretische Grundlagen des Zeichen- und Symbolverständnisses dargelegt. Zunächst werden die Begriffe (Begrifflichkeiten: Motiv - Zeichen - Symbol) erläutert und im Anschluss in einen ‘Bedeutungsraum’ zur Interpretation im geistigen Umfeld erweitert (Symbol - Sinnbild - Repräsentation von Lebenswelt, Gedankenwelt).

3. Schritt: Analyse der Bildsteinmotive – Interpretation der Motive als Symbole. Die Motive werden als Symbole betrachtet und jeweils auf Grundformen zurückgeführt und von diesen ausgehend bis zur konkreten Darstellung auf den Bildsteinen diskutiert.

18

2 Die Motive der Bildsteine 2.1 Auswahl der untersuchten Bildsteine und Motive In der vorliegenden Arbeit soll eine Analyse der Motive und ihrer Kombinationen auf den gotländischen Bildsteinen der Völkerwanderungs- und Vendelzeit vorgenommen werden. Aufgrund der Anwendung der Systematik Andréns bedeutet dies die Untersuchung seiner Gruppen I und II (siehe Abbildung 5 in Kapitel 1). In den Katalog wurden dafür jene Steine aufgenommen, die von Nylén und Lamm in eine der Gruppen F oder M74 eingegliedert wurden und erkennbare Reste von Motivgestaltung aufweisen. Es gibt acht Steine, die innerhalb eines Übergangszeitraumes eingestuft wurden, diese werden mit FM (drei Steine) oder MS (fünf Steine) angegeben und für die Untersuchungen der jeweils vorangehenden der beiden Gruppen zugeordnet.

erkennbaren Motiven (siehe Tabelle 1, ‘Anzahl ‘erkennbar’’) der Gruppe I und II damit gemeint sind, nicht die Gesamtheit aller existierenden Bildsteine der Gruppen. Die Motive der ‘erkennbaren’ Bildsteine lassen sich in acht Motivkategorien einteilen (siehe Tabelle 3). Die Zählung der Motive beruht zum größten Teil auf den Beschreibungen im Katalog von Nylén und Lamm, 1991 und 2003. In wenigen Fällen wurden zusätzliche Informationen aus Beschreibungen von Lindqvist und eigenen Untersuchungen mit aufgenommen. Insgesamt ist eine ‘Auszählung’ der Motive aber als fehleranfällig zu betrachten, da die Informationsquellen ungenau sind. Teilweise ist die absolute Anzahl der Motive

Gruppe

Anzahl insg.

Anteil von ∑ insg.

I

114

60,3%

52

45,6%

50,9%

II

75

39,6%

50

66,6%

49,0%



189

102

x

x

x

Anzahl ‘erkennbar’

Anteil von Anzahl insg.

Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die Bildsteine, die in die Untersuchungen einbezogen wurden. Die Katalognummern beziehen sich auf den Katalog dieser Arbeit, dort ist für jeden Bildstein die Referenznummer zum Katalog von Nylén und Lamm zu finden. Die Benennung der Gruppen I und II erfolgte auf Grundlage der Bezeichnungen von Andrén. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Bezeichnung verwendet wird, obwohl im Folgenden lediglich die Bildsteine mit

75

76

Tabelle 1: Überblick über die auswertbaren Bildsteine, aufgeschlüsselt nach Gruppen.

nicht direkt angegeben oder durch die Zuhilfenahme der Beschreibungen kann eine andere Anzahl einzelner Motive ermittelt werden. Aufgrund solcher Fehlerquellen bei der absoluten Anzahl der Motive wurde die Zählweise ‘Wert 1/ Stein’ eingeführt. Hierunter ist zu verstehen, dass nur abgetragen wurde, ob ein Motiv auf einem Stein vorhanden ist (Wert = 1) auch wenn das Motiv auf dem Stein häufiger vorhanden sein kann (absolute Anzahl). Im Folgenden werde ich die Zählweise ‘Wert 1/Stein’ als relative Anzahl (RA) bezeichnen und von der absoluten Anzahl (AA) unterscheiden.

Von den 189 Bildsteinen oder Bildsteinfragmenten der Gruppen I und II können 102 (53,9%) zur Auswertung herangezogen werden, da mindestens eine der acht Motivkategorien75 auf dem Stein erkennbar ist. Dieser Wert wird im Folgenden als ‘Anzahl ‘erkennbar’’ bezeichnet. Die übrigen Steine sind entweder ‘blind’, das heißt, es ist keinerlei Verzierung mehr auf der Oberfläche der Steine erkennbar, oder es sind zu wenige aussagekräftige Reste einer Bearbeitung erhalten76.

74

Anteil von ∑ ‘erkennbar’

Besonders schwierig bei der Ermittlung der absoluten Anzahl ist die Kategorie der Figuralverzierung. Hierbei handelt es sich sozusagen um eine ‘Motiv-Sammelkategorie’. Darunter können diverse Motive (Menschen, Tiere, szenische Darstellungen) subsumiert worden sein. Die absolute Anzahl der einzelnen Motive ist im seltensten Falle zu ermitteln. Unter der Bezeichnung ‘Figuralverzierung’ ist also die Anzahl der Motive größer als der Wert 1, in die Berechnung fließt jedoch nur der Wert 1 ein. Eine Figuralverzierung ist auf den hier untersuchten Bildsteinen aber nur einmal vorhanden, so dass die Problematik der Auszählung in dieser Motivkategorie nicht weiter zu vertiefen ist.

Diese entsprechen Andréns Gruppen I und II und werden im Folgenden auch so benannt. Siehe Abbildung 5 in Kapitel 1. Zur Verwendung der Bezeichnungen Motivkategorien und Motive siehe Tabelle 3. Die Bezeichnung der Motivkategorie kommt zur Anwendung, wenn keine weitere Unterteilung vorgenommen wurde. Die Bezeichnungen der einzelnen Motive wurden verwendet, wenn es sinnvoll erschien, zum Beispiel unterschiedliche Tierarten zu betrachten. Vgl. Erhaltungszustand und Erkennbarkeit der Motive im Katalog in Nylèn und Lamm, 1991.

19

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Katalognr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Fundort/Bezeichung Alva, Bopparve Alva 29, Stora Ringome Alva, Änge Ardre, Petsarve II Altingbo 62, Kirche Bro 24, Kirche I Bro 24, Kirche II Bro 24, Kirche VI Bro 24, Kirche VII Burs 177, Kirche I Endre, Wald Eskelhem, Larsarve I Eskelhem, Larsarve II Etelhem, Eisenbahn Fole, Kirche Gammelgarn, Högstens Gammelgarn, Rommunds 1:13 Garda 124:6, Kirche (1) Garda 19:2, Smiss I Gothem 189, Kirche I Gothem, Västerbjärs Grötlingbo, Roes II Grotlingbo, Roes III Hablingbo, Havor I Hablingbo, Havor II Hablingbo, Havor III Hablingbo, Havor VIII Hablingbo, Stenstu Halla, Kirche Halla, Broa I Halla, Broa VII Halla, Broa VIII Halla, Broa X Halla, Broa XII Halla, Broa XIV Halla, Broa XV Halla, Broa XVII Halla, Hallegårda Hangvar, Austers I Hejnum 37, Bjärs I Hellvi, Ire I Hellvi, Ire III Hellvi, Ire IV Hellvi, Ire 7 Kräklinbo, Smiss I Kräklingbo, Smiss IV Källunge, Kirche IV Lokrume, Lauks Lärbro, Kirche Lärbro, Källstäde Lärbro, Norder Ire I Lärbro, Nors

Standort Visby GF; C 10126 Visby GF; C 9427 Stockholm SHM; 14085 Visby GF, C 1877 Fundplatz Fundplatz Fundplatz Fundplatz Visby GF, C 11144 Fundplatz Stockholm SHM, 1687 Visby GF, 2140 Visby GF, 2141 Visby GF, 2264 Visby GF, C 4366 Visby GF, C 8075 Visby GF verschwunden Visby GF, 1984 Fundplatz Visby GF, C 2925 Stockholm SHM, 16124 Fundplatz Stockholm SHM, 6915 Visby GF (mit Inv.Nr. SHM 21879) Stockholm SHM, 16127 verschwunden Stockholm SHM, 16510 Visby GF, C 1402 Visby GF, 2087 Visby GF, C 1676 Visby GF, C 1677 Visby GF, C 2433 Stockholm SHM, 15601 Visby GF, C 6612 Visby GF, C 7117 Visby GF, C 7888 Visby GF, C 10980 Visby GF, C 1033 Fundplatz Visby GF, C 8563:136 Stockholm SHM, 20550:162 Stockholm SHM, 20826 Visby GF, C 10221:92 Visby GF, C 1876 Visby GF, C 7445 Visby GF, C 7445 Visby GF, C 1401 Visby GF, C 10214:18, C 10978 Stockholm SHM, 4051 Stockholm SHM, 15099:1 Stockholm SHM, 16430

20

Gruppe II II II II I I I I I I II II II II II II II I II I II I II/III I I I I II I II II II II II I II II II I I I II I I II II I II I/II II II I

Die Motive der Bildsteine

Katalognr. 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102

Fundort/Bezeichung Martebo, Kirche I Martebo 67, Kirche 2 Mästerby 51, Kirche Norrlanda 117, Bjärs Hemänge Norrlanda, Bringes När, Rikvide När, Rikvide När, Smiss 3 Roma, Klosterruine Rute, Ala Sanda, Kirche IV Sanda, Sandagårda I Sjonhem, Lilla Sjovide Stenkyrka, Kirche I Stenkyrka, Kirche IV Stenkyrka, Kirche V Stenkyrka, Kirche VI Stenkyrka, Kirche IX Stenkyrka, Kirche 13 Stenkyrka, Kirche 35 Stenkyrka, Kirche 46 Stenkyrka, Lillbjärs IV Stenkyrka, Lillbjärs IX Stenkyrka, Kirche 49 Stenkyrka, Lillbjärs XIV Stenkyrka, Lillbjärs XVI Stenkyrka, Tystebols I Tingstäde, Kirche II-V Tingstäde, Kirche VII Tingstäde, Kirche XI Tingstäde, Kirche XIX Tofta, Kirche 1 Tofta, Kirche 2 Tingstäde, Ka 25 Vallstena, Vallstenarum I Vallstena, Vallstenarum 2 Väskinde 120, Kirche III Väskinde 120, Kirche 5 Väskinde 120, Kirche 7 Väskinde 159, Björkome I Väskinde 160, Butter Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Väte 4:5, Kirche 1 Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt

Standort Visby GF (mit Inv.Nr. SHM 11696) Fundplatz Fundplatz Norrlanda Heimatmuseum 96 Stockholm SHM, 14086 Stockholm SHM, 484:77 k.A. Visby GF, C 10261 Stockholm SHM, 14636 Stockholm SHM, 14749 Visby GF, (mit Inv.Nr. SHM 13127) Visby GF, C 6347 Visby GF, C 8540 Fundplatz Visby GF, C 1670 Visby GF, C 1669 Visby GF, C 1672 Visby GF, C 8804 Visby GF, C 10982 Visby GF, C 11010 Visby GF, C 11145 Stockholm SHM, 13742 Stockholm SHM, 15227:6 Fundplatz Stockholm SHM, 15645:136 Visby GF, C 2482 Museum Bunge 945 Fundplatz Fundplatz Fundplatz Visby GF, C 2639 Visby GF, C 10237 Visby GF, C 10238 kpf I tornet I ringkammarens NV mur Stockholm SHM, 14127 Visby GF, C 10039 Visby GF, C 416 Visby GF, C 10397:1 Visby GF Stockholm SHM, 7570 Visby GF, C 5179 Visby GF, C 10997 Visby GF, C 11001 + 11007 Fundplatz Visby GF, C 11031 Visby GF, C 11033 Visby GF, C 11037 Visby GF, C 11045 Visby GF, C 11047 Visby GF, C 11052

Gruppe I I I II II II II II II II I II II I II II II II I I I II II I II/III I I I I I I I I I I I II I I I II I I I I I I II II II

Tabelle 2: Überblick über die behandelten Bildsteine.

21

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Dennoch ist bei den Untersuchungen der absoluten Zahlen zu beachten, dass die Berechnung des Anteils nur innerhalb der Anzahl der Bildsteine oder der Anzahl der Motive als aussagekräftig zu betrachten ist, jedoch nicht zwischen diesen beiden Merkmalen. Motiv

Relative Anzahl (RA)

Absolute Anzahl (AA)

Scheibenmotive

50

71

Schiffsmotive

37

40

Tiere

33

53

Geometrische Muster

17

19

Menschen

9

15

Sonstige Symbole

2

2

Pflanzen

1

1

Figuralverzierung

1

1

Tabelle 3: Motive der ‘erkennbaren’ Bildsteine und deren Anzahl.

2.2 Das Datenmaterial Zur weiteren Bearbeitung sind diverse Differenzierungen nötig. Im Folgenden soll das Datenmaterial genauer vorgestellt werden. Die sich anschließende Übersicht über das Vorkommen der Motive auf den Bildsteinen weist bereits in einigen Kategorien eine Differenzierung auf und soll als Grundlage der quantitativen Auswertungen dienen. Sowohl die Bezeichnungen als auch die Zuweisung der Motive zu den Bildsteinen entstammen der Literatur77.

Motivkategorie

Anzahl motivtragender Bildsteine

verwendete Bezeichnungen

Auflistung der Katalognummern

Scheibenmotive

Vorkommen auf 50 Steinen der Gruppe I:

Scheibe, Wirbelscheibe, Wirbelrad, Rosette, Rundel

5, 6, 7, 8, 9, 10, 18, 20, 22, 24, 25, 26, 27, 29, 35, 39, 40, 41, 43, 44, 47, 52, 53, 54, 55, 63, 66, 71, 72, 74, 78, 89, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 91, 92, 94, 95, 96, 97, 98, 99

Schiffsmotive

Vorkommen auf 37 Steinen der Gruppen I und II:

Schiff, Segelfahrzeug, Ruderfahrzeug, Schiffssteven, Boot 1, 2, 4, 6 (I), 11, 12, 15, 19, 21, 28, 30, 31, 33, 34, 37, 38, 39 (I), 45, 46, 48, 49 (I), 50, 54 (I), 56, 57, 58, 61, 63 (I), 65, 67, 73 (I), 75, 77, 89, 92 (I), 100, 101

77

Es gibt drei Fälle, in denen die Zuweisungen von Motiven zu Bildsteinen, die in Nylén und Lamm aufzufinden sind, anhand eigener Beobachtungen ergänzt oder korrigiert wurden: Lärbro, Källstäde (Nr. 50) weist keine (Menschen-)Figuren auf; Martebo 67, Kirche 2 (Nr. 54) weist ein Drachenwesen auf; Sanda, Kirche IV (Nr. 63) weist Schlangendarstellungen auf.

22

Die Motive der Bildsteine

Motivkategorie

Anzahl motivtragender Bildsteine

verwendete Bezeichnungen

Auflistung der Katalognummern

Tiere

Vorkommen auf 30 Steinen der Gruppen I und II:

Vogel, Pferd, Schlange, Elch/Hirsch, Elch?, Vierfüßler, 2, 3, 7 (I), 11, 13, 18 (I), 19, 24 (I), 25 (I), 28, 30, Fåglar, Raubvogel, Drache, Tierfigur, Konturen eines 31, 36, 39 (I), 43 (I), 44 (I), 46, 54 (I), 58, 59, 60, 63 Pferdes (I), 64, 67, 68, 70, 76, 87 (I), 90 (I), 93 Vogel = 8 Steine (Gruppe II) 2, 19, 28, 31, 58, 59, 67, 70 Pferd = 7 Steine (Gruppen I und II) 3, 18 (I), 24 (I), 36, 44 (I), 76, 87 (I) Schlange = 6 Steine (Gruppen I und II) 7 (I), 11, 25 (I), 60, 63 (I), 64 Drache = 3 Steine (Gruppe I) 39, 43, 54 Elch/Hirsch = 3 (Gruppe II) 11, 46, 93 Vierfüßler/Tierfigur = 4 (Gruppen I und II) 13, 30, 68, 90 (I) Geometrische Muster

Vorkommen auf 17 Steinen der Gruppe II:

Schachbrettmuster, geometrisch, Feldmuster, kariertes 3, 4, 11, 12, 13, 15, 16, 17, 23, 32, 42, 51, 56, 59, Muster, Bandmuster, kariertes Segel, Dreiecke, Zick- 62, 64, 65 zackfeld, Flechtwerkfläche, Flechtwerkmuster, schrägkariertes Feld, Rutat Fält, Feld mit waagerechen Linien Menschen (ausgenommen: Schiffsbesatzungen)

Vorkommen auf 9 Steinen der Gruppen I und II: 6 (I), 14, 39 (I), 53 (I), 60, 69, 87 (I), 91 (I)

Kriegerfiguren, Krieger, Mann im Kampf, Reiterfiguren, Reiter, Menschenfigur Krieger = 5 Steine (Gruppen I und II) 6 (I), 14, 39 (I), 87 (I), 91 (I) Reiter = 3 Steine (Gruppen I und II) 14, 53 (I), 69 Menschenfiguren = 1 Stein (Gruppe II) 60 Sonstige Symbole

Vorkommen auf 2 Steinen der Gruppe II:

Triskele mit Tierköpfen, achtförmige Bandschlinge mit 60, 64 Tierkopf Pflanzen

Vorkommen auf 1 Stein der Gruppe I:

Baum

63

Figuralverzierung

Vorkommen auf 1 Stein der Gruppe I:

Figuralverzierung

102 Tabelle 4: Übersicht über Motive, die in der Literatur zur Anwendung kommenden Bezeichnungen und die jeweiligen motivtragenden Bildsteine des Katalogs.

23

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

2.3 Motivwahl und Motivkombination

Diese Übersicht zeigt, dass bisher in der Literatur ungenaue und uneinheitliche Bezeichnungen für die Motive verwendet wurden. Die folgende Tabelle bietet eine Vereinfachung dieser vielfältigen Begrifflichkeiten und ermöglicht eine transparentere Auseinandersetzung mit den Motivbezeichnungen und somit auch mit den Motiven. Weitere Differenzierungen werden an gegebener Stelle erläutert. Hier soll zunächst jedoch eine vereinfachte Übersicht der Motivbezeichnungen vorgestellt werden (siehe Tabelle 5), auf sie wird in den folgenden Untersuchungen zurückgegriffen.

Die Präferenzen in der Motivwahl unterscheiden sich in den beiden Gruppen zum Teil sehr deutlich. Einige Motive sind sozusagen gruppenspezifisch und nur in Gruppe I oder nur in Gruppe II anzutreffen. Zunächst ein kurzer Überblick über die Motivverteilung auf die Gruppen in Diagramm 1.

2.3.1 Bildsteine der Gruppe I Scheibenmotive Zur Gruppe I der gotländischen Bildsteine zählen insgesamt 114 Bildsteine oder Bildsteinfragmente. Von diesen ist auf 52 Bildsteinen mindestens ein Motiv erhalten geblieben. Das stellt einen Anteil von 50,9% der Steine, die insgesamt untersucht wurden, dar.

Schiffsmotive Tiere Vogel Pferd Schlange Drache Elch/Hirsch Tierfigur/Vierfüßler Geometrische Muster Menschen Krieger Reiter Menschenfiguren Sonstige Symbole

Tabelle 5: Vereinfachte und vereinheitlichte Motivkategorien und Motivbezeichnungen.

Pflanzen Figuralverzierung

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24





Diagramm 1: Relative Anzahl der Motive nach Gruppen. Dunkelgrau entspricht Gruppe I, hellgrau entspricht Gruppe II.

Die Motive der Bildsteine

Motiv

RA/AA

Anteil (RA von ∑ RA)

Scheibenmotive

50/71

100%

Schiffsmotive

7/7

18,9%

Tiere

12/20

32,2%

Vogel

0

Pferd

5/8

62,5%

Schlange

3/6

50%

Drache

3/3

100%

Elch/Hirsch

0

Tierfigur/Vierfüßler

1/4

25%

Geometrische Muster

0

Menschen

5/9

55,5%

Krieger

4/7

80%

Reiter

1/2

33,3%

Menschenfiguren

0

Sonstige Symbole

0

Pflanzen (Baum)

1/1

Figuralverzierung

0

Tabelle 6: Relative Anzahl/absolute Anzahl der Motive in Gruppe I, Anteile des Motivs in Gruppe I von Anzahl des Motivs insgesamt (beides RA).

100%

Auffallend in dieser Gruppe ist, dass alle Scheibenmotive auf den Bildsteinen hier zu finden sind. Das sonst so häufig vorkommende Motiv des Schiffes ist hier ‘nur’ mit sieben Exemplaren vorhanden. Bei den Häufigkeiten der Motive in Gruppe I deutet sich eine Signifikanz des einzelnen oder doppelten Vorkommens an. Besonders deutlich ist dies bei den Schiffs- und Schlangenmotiven. Vergleicht man die relative mit der absoluten Anzahl, liegt entweder kein Unterschied oder eine exakte Verdopplung der Motivanzahl vor (siehe Diagramm 2).

Verwendet werden dort vorwiegend die Begriffe Wirbelrad, Scheiben und Rundel. Jedoch scheinen diese nicht als gleichwertig verstanden zu werden. Als Zentralmotiv der frühen Bildsteingruppe werden meist Wirbelräder beschrieben. Dazu können zwei weitere Rundeln oder kleinere Scheiben mit Spiralmotiven auf den Steinen vorhanden sein. Allerdings kann nicht ausschließlich nach diesen Bezeichnungen unterschieden werden, da es auch Steine gibt, die ein Zentralmotiv in Scheibenform zeigen, aber kein Wirbelrad. Ein wichtiges Merkmal dieser Bildsteingruppe scheint das zentrale Scheibenmotiv zu sein, unabhängig davon, ob es mit einem Wirbelrad oder einem vergleichbaren Spiralmotiv verziert worden ist.

Die Motivkategorie der Scheibenmotive soll bezüglich der Benennung einer genaueren Differenzierung unterzogen werden. Die einzelnen Scheibenmotive werden in der Literatur78 nur sehr ungenau bezeichnet.  !$& #!$& ! "   "

 "# "%"")*" !%#$" "" $"  # %" ! #$'!  ( %"&"("%  

78





Vgl. Lindqvist, 1941, Böttiger-Niedenzu, 1988, und Tabelle 4.

25



Diagramm 2: Häufigkeiten der Motive Gruppe I (Datengrundlage Tabelle 6). Dunkelgrau entspricht der relativen Anzahl, hellgrau der absoluten Anzahl der Motive.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 8: Beispiele für Scheibenmotive in Gruppe I. Links: Hablingo Havor I (Nr. 24) mit Wirbelrad, rechts Hablingbo Havor II (Nr. 25) Scheibe mit Vierpassknoten. Beides ‘Scheibe als Zentralmotiv’ (ZMS).

Wie in der Datenanalyse zu sehen ist, befinden sich auf den insgesamt 52 zur Untersuchung herangezogenen Steinen der Gruppe I eine absolute Anzahl von 71 und eine relative Anzahl von 50 Scheibenmotiven. Jedoch ist diese Unterscheidung alleine unzufriedenstellend, so dass die Bezeichnung: ‘Scheibe als Zentralmotiv’ (ZMS) eingeführt werden soll. Diese berücksichtigt den Status als Zentralmotiv und die Scheibenform, beschränkt die Zählweise jedoch nicht auf den Inhalt ‘Wirbelrad’. Die dadurch entstandene Motivkategorie ‘ZMS’ ist auf 37 von 52 Steinen der Gruppe I enthalten. Unterschieden hiervon werden die kleineren Scheiben, die ‘dezentrale Scheibe’ (DS) genannt werden.

Bei zwölf Bildsteinen lässt sich anhand der verfügbaren textlichen und bildlichen Informationen nicht entscheiden, ob es sich bei der Scheibenmotivik einst um ein Zentralmotiv handelte oder um eine dezentrale Scheibe. Weiterhin interessant ist die Frage, wie oft das Wirbelrad innerhalb der Verzierungen, die eine ‘Scheibe als Zentralmotiv’ aufweisen, vorkommt. Zur Gestaltung der Scheibe ist bei 75% der Bildsteine, die eine ‘Scheibe als Zentralmotiv’ aufweisen, das Wirbelrad gewählt worden. 18% entfallen auf andere Spiral- und Bandmuster.

\UZPJOLY

12 +LaLU[YHSL:JOLPIL+:

1

28

ALU[YHSTV[P]:JOLPILA4:

9 .LTLPUZHTLZ=VYRVTTLU ]VUA4:\UK+:

Diagramm 3: Vorkommen der Scheibenmotive als Zentralmotiv oder an dezentraler Stelle.

NLVTL[YPZJOLZ4\Z[LY

:WPYHS\UK)HUKT\Z[LY

\UZPJOLY

11 7

28

>PYILSYHK

26

Diagramm 4: Vorkommen des Motivs ‘Wirbelrad’ innerhalb der Motivkategorie ZMS.

Die Motive der Bildsteine

chung herangezogen werden kann. In einem Fall bilden zwei kleine DS die einzigen Motive des Bildsteines (Tofta, Kirche; Nr. 85). Es handelt sich um einen, am Größenspektrum der Gruppe I gemessen, kleinen Stein, der für diese Bildsteingruppe in seiner Gestaltung eine solitäre Variante darstellt.

Motivkombinationen der Gruppe I Die Kombinationen bei den Motiven der Bildsteine der Gruppe I sind nicht sehr vielfältig. Dies scheint vor allem darin begründet zu liegen, dass das Scheibenmotiv (ZMS und DS) die Bildsteine dominiert. Lediglich auf zwei Bildsteinen ist kein Scheibenmotiv vorhanden. Unter den Scheibenmotiven ist das ZMS absolut dominant. Dies könnte jedoch auch dem Erhaltungszustand der Bildsteine geschuldet sein. Wenn der Stein fragmentiert vorliegt, könnten Teile des Motivspektrums zerstört oder auf den Teilen des Steines vorhanden gewesen sein, welcher nicht mehr zur UntersuKatalognr. 41 83 94 7 43 53 6 92 63 39 54 18 24 44 87 91 90 25 10 20 22 27 35 52 55 66 71 72 78 79 81 82 88 95 96 98 99 5 8 9 26 29 40 47 74 86 97 80 84 85 49 73

Fundort/Fundplatz Hellvi, Ire I Tingstäde, Kirche XIX Väte 4:5, Kirche 1 Bro 24, Kirche II Hellvi, Ire IV Martebo, Kirche I Bro 24, Kirche I Väskinde 159, Björkome I Sanda, Kirche IV Hangvar, Austers I Martebo 67, Kirche 2 Garda 124:6, Kirche (1) Hablingbo, Havor I Hellvi, Ire 7 Vallstena, Vallstenarum I Väskinde 120, Kirche 7 Väskinde 120, Kirche 5 Hablingbo, Havor II Burs 177, Kirche I Gothem 189, Kirche I Grötlingbo, Roes II Hablingbo, Havor VIII Halla, Broa XIV Lärbro, Nors Mästerby 51, Kirche Stenkyrka, Kirche I Stenkyrka, Kirche 13 Stenkyrka, Kirche 35 Stenkyrka, Lillbjärs XVI Stenkyrka, Tystebols I Tingstäde, Kirche VII Tingstäde, Kirche XI Vallstena, Vallstenarum 2 Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Gotland, unbekannt Altingbo 62, Kirche Bro 24, Kirche VI Bro 24, Kirche VII Hablingbo, Havor III Halla, Kirche Hejnum 37, Bjärs I Källunge, Kirche IV Stenkyrka, Kirche 49 Tofta, Kirche 2 Gotland, unbekannt Tingstäde, Kirche II-V Tingstäde, Ka 25 Tofta, Kirche 1 Lärbro, Kirche Stenkyrka, Kirche 46

ZMS

DS 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?

Schiff 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Pferd

In der folgenden Tabelle sind die Bildsteine mit den vorhandenen Motiven abgetragen. Zu Kombinationen zwischen verschiedenen Motivkategorien kommt es bei 15 Bildsteinen (siehe folgende Tabelle von ‘Hellvi, Ire I’ bis ‘Hablingbo Havor II’).

Schlange Drache Tierfigur Krieger Reiter Baum

1 1 1 1 1 1 1 1

1 1

1

1 1 1

1

1 1 1 1

1 1 1 1

? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? 1 1 1

Tabelle 7: Motivkombinationen der Gruppe I. Fragezeichen in den Spalten ZMS und DS bedeuten, dass sich nach den mir vorliegenden Informationen nicht feststellen lässt, ob es sich um ein Zentralmotiv handelt oder nicht. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

27

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Die Analyse der Motivkombinationen scheint in dieser Form nicht die tatsächlichen Bildkompositionen wiederzugeben, da nur wenige Kombinationen aufgefunden werden können. Dies liegt vermutlich daran, dass die meisten Steine fragmentiert vorliegen. In diesen Fällen ist noch ein Teil der Motive oder ein einzelnes Motiv erkennbar, obwohl der Stein möglicherweise ursprünglich mit Motivkombinationen verziert war.

- Erhaltungszustand zwischen 75% und 100% und eine Erkennbarkeit der Schauseite des Wertes 3 Nach diesen Kriterien verbleiben noch zehn Bildsteine der Gruppe I. Siehe Tabelle 8.

2.3.2 Bildsteine der Gruppe II

Deshalb soll für die Untersuchung der Kompositionen eine weitere Konzentration der zu untersuchenden Bildsteine vorgenommen werden. Hierzu werden Bildsteine aus dem Katalog ausgewählt, die folgende Merkmale aufweisen:

Von Gruppe II können 50 von 75 ihr zugehörenden Bildsteine in die weiteren Untersuchungen einfließen. Dies entspricht einem Anteil von 48,0% aller untersuchten Steine. Siehe Tabelle 9 und Diagramm 5.

- Erhaltungszustand 100% und eine Erkennbarkeit der Schauseite mindestens des Wertes 2

Katalognr. 6 63 39 54 24 44 87 90 25 85

Fundort/Fundplatz ZMS DS Schiff Pferd Schlange Drache Tierfigur Krieger Baum Bro 24, Kirche I 1 1 1 1 Sanda, Kirche IV 1 1 1 1 1 1 Hangvar, Austers I 1 1 1 1 Martebo 67, Kirche 2 1 1 Hablingbo, Havor I 1 1 Hellvi, Ire 7 1 1 Vallstena, Vallstenarum I 1 1 1 Väskinde 120, Kirche 5 1 1 Hablingbo, Havor II 1 1 Tofta, Kirche 1 1

Motiv

RA/AA

Scheibenmotive

0

Schiffsmotive

30/33

Tiere

Tabelle 8: Motivkombinationen der vollständig erhaltenen Bildsteine der Gruppe I. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

Anteil (RA von ∑ RA) 78,9%

21/33

67,7%

Vogel

9/18

100%

Pferd

3/4

37,5%

Schlange

3/5

50%

Drache

0

Elch/Hirsch

3/3

100%

Tierfigur/Vierfüßler

3/3

75%

Geometrische Muster

17/19

100%

Menschen

4/6

44,4%

Krieger

1/3

20%

Reiter

2/2

66,6%

Menschenfiguren

1/1

100%

Sonstige Symbole

2/2

100%

Pflanzen (Baum)

0

Figuralverzierung

1/1

100%

28

Tabelle 9: Relative Anzahl/ Absolute Anzahl der Motive in Gruppe II, prozentuale Anteile des Motivs in Gruppe II (beides RA).

Die Motive der Bildsteine

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Motivkombinationen der Gruppe II

Bei den Bildsteinen der Gruppe II sind verschiedene Aspekte auffällig: Die Motivausprägung der Figuralverzierung taucht hier zum ersten Mal auf und könnte bereits als Hinweis auf das in Gruppe III dominierende Verzierungselement interpretiert werden79. Auch in Gruppe II deutet sich bereits eine Signifikanz des doppelten Vorkommens eines Motivs auf den Bildsteinen an. Bei den Motiven des Schiffes und des Vogels kann diese anhand der Zahlen nicht sicher belegt, aber wohl vermutet werden80. Katnr. 11 4 12 15 56 65 2 19 28 31 57 58 67 46 30 1 21 33 34 37 38 45 48 50 61 75 77 89 100

79

80



Diagramm 5: Häufigkeiten der Motive Gruppe II (Datengrundlage Tabelle 8). Dunkelgrau entspricht der relativen Anzahl, hellgrau der absoluten Anzahl der Motive.

In der folgenden Tabelle sind die Bildsteine mit den vorhandenen Motiven abgetragen. Zu Kombinationen zwischen verschiedenen Motivkategorien kommt es bei 21 Bildsteinen. Siehe Tabelle 10.

Fundort/Fundplatz

Schiff geom. Vogel Pferd Schlange Elch Tier- Krieger Reiter Men.- Symb. Fig.figur figur verz. Endre, Wald 1 1 1 1 Ardre, Petsarve II 1 1 Eskelhem, Larsarve I 1 1 Fole, Kirche 1 1 Norrlanda 117, Bjärs H. 1 1 Sjonhem, Lilla Sjovide 1 1 Alva 29, Stora Ring. 1 1 Garda 19:2, Smiss I 1 1 Hablingbo, Stenstu 1 1 Halla, Broa VII 1 1 Norrlanda, Bringes 1 1 När, Rikvide 1 1 Stenkyrka, Kirche IV 1 1 Kräklingbo, Smiss IV 1 1 Halla, Broa I 1 1 Alva, Bopparve 1 Gothem, Västerbjärs 1 Halla, Broa X 1 Halla, Broa XII 1 Halla, Broa XVIII 1 Halla, Hallegårda 1 Kräklinbo, Smiss I 1 Lokrume, Lauks 1 Lärbro, Källstäde 1 Roma, Klosterruine 1 Stenkyrka, Lillbjärs IV 1 Stenkyrka, Lillbjärs XIV 1 Väskinde 120, K. III 1 Gotland, unbekannt 1

Die vorliegende Figuralverzierung weist eine deutlich von der späteren Gruppe zu unterscheidende Ausprägung auf. Das Aussehen ist mit der Gestaltung und der Motivwahl der Gruppe II verbunden (vgl. Katalog Nr. 102). Die Benennung entstammt der Literatur. Das Schiff erscheint immer in einfacher Anzahl auf den Bildsteinen. Siehe hierzu die Abbildungen im Katalog.

29

Fortsetzung Tabelle siehe nächste Seite

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Katnr. 3 64 13 16 23 32 42 51 62 17 59 70 36 76 60 93 68 14 69 102

Fundort/Fundplatz

Schiff geom. Vogel Pferd Schlange Elch Tier- Krieger Reiter Men.- Symb. Fig.figur figur verz. Alva, Änge 1 1 Sanda, Sandagårda I 1 1 1 Eskelhem, Larsarve II 1 1 Gammelgarn, Högs. 1 Grotlingbo, Roes III 1 Halla, Broa VIII 1 Hellvi, Ire III 1 Lärbro, Norder Ire I 1 Rute, Ala 1 Gammelgarn, Ro. 1:13 1 När, Rikvide (Neufund) 1 1 Stenkyrka, Kirche IX 1 Halla, Broa XV 1 Stenkyrka, Lillbjärs IX 1 När, Smiss 3 1 1 1 Väskinde 160, Butter 1 Stenkyrka, Kirche V 1 Etelhem, Eisenbahn 1 1 Stenkyrka, Kirche VI 1 Gotland, unbekannt 1

Tabelle 10: Motivkombinationen der Gruppe II. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

Wie bereits bei der Untersuchung der Gruppe I erläutert, ist auch diese Übersicht über die Kombinationen stark davon beeinflusst, dass die Bildsteine fragmentiert vorliegen. Nach der Reduktion der untersuchten Bildsteine anhand der Kriterien, die bereits zur Untersuchung der Kombinationen der Gruppe I angewendet und erläutert wurden, verbleiben 18 Exemplare für die weitere Betrachtung:

Katalognr. 11 4 12 56 65 19 31 58 30 1 21 33 38 64 13 42 51 60

Fundort/Fundplatz Endre, Wald Ardre, Petsarve II Eskelhem, Larsarve I Norrlanda 117, Bjärs Hemänge Sjonhem, Lilla Sjovide Garda 19:2, Smiss I Halla, Broa VII När, Rikvide Halla, Broa I Alva, Bopparve Gothem, Västerbjärs Halla, Broa X Halla, Hallegårda Sanda, Sandagårda I Eskelhem, Larsarve II Hellvi, Ire III Lärbro, Norder Ire I När, Smiss 3

Schiff 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

geom. Vogel Mensch Tierfigur Schlangen Symbole 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1

30

1

1

1

1

Tabelle 11: Motivkombinationen der vollständig erhaltenen Bildsteine der Gruppe II. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

Die Motive der Bildsteine

2.4 Motivwahl und Motivkombination im Vergleich der Gruppen Ausschließlich anhand des zahlenmäßigen Vergleichs Aussagen über die Gewichtung der einzelnen Motive im Gruppenvergleich zu treffen ist schwerlich möglich. Die Anzahl der Bildsteine, die noch erkennbare Motive aufweisen, differiert erheblich zwischen den einzelnen Gruppen. Deshalb habe ich für die folgende Übersicht der Motive im Vergleich der Gruppen die Darstellung in Prozentangaben gewählt. Der Prozentwert errechnet sich aus der Anzahl des jeweiligen Motivs und der Anzahl der Bildsteine mit erkennbaren Motiven innerhalb der jeweiligen Gruppe. So ergibt sich ein Überblick darüber, wie groß der Anteil des Motivs bei der Motivwahl der Gruppe ist, und wie die jeweiligen Motivschwerpunkte der Gruppen gelagert sind. Siehe Diagramm 6.

Auffallend ist hier, dass das häufig als obligatorisch für die Bildsteine genannte Schiffsmotiv zwar in beiden Gruppen vorkommt, die Gewichtung innerhalb des Motivspektrums der jeweiligen Gruppe jedoch stark zunimmt. Das Scheibenmotiv weist das höchste Vorkommen insgesamt innerhalb einer Gruppe, nämlich mit 94,2% in Gruppe I, auf. Somit stellt dieses Motiv einen festen Bestandteil nahezu jedes Bildsteines der Gruppe I dar. Das Motiv des Vogels und des geometrischen Musters scheint in Gruppe II von besonderer Bedeutung zu sein.

     







 





Diagramm 6: Sieben Motive im Vergleich der Gruppen, dunkelgrau Gruppe I und hellgrau Gruppe II, basierend jeweils auf der relativen Anzahl. N von Gruppe I = 52; n von Gruppe II = 50.

Auch hier könnte es durch die starke Fragmentierung zu Verzerrungen kommen, so dass diese Untersuchung auf Grundlage der Tabellen 7 und 10 erneut duchgeführt werden soll:







 

 

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Diagramm 7: Sieben Motive im Vergleich der Gruppen, dunkelgrau Gruppe I und hellgrau Gruppe II, basierend jeweils auf der relativen Anzahl. N von Gruppe I = 10; n von Gruppe II = 19.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

2.5 Zusammenfassung Nach der Anwendung der Kriterien zur Auswahl verbleiben 102 Bildsteine der Gruppen I und II (nach Andrén) zur Auswertung. Die Motive der Bildsteine lassen sich in acht Motivkategorien einteilen, besonders häufig treten Scheibenmotive, Schiffsmotive und Tierdarstellungen auf. In Gruppe I der bearbeiteten Bildsteine verbleiben 52 Steine. Die Scheibenmotive wurden einer Bezeichnungsdifferenzierung unterzogen. Die Bezeichnungen ‘Scheibe als Zentralmotiv’ (ZMS) und ‘dezentrale Scheibe’ (DS) enthalten die bedeutenden Kriterien dieser Motive, ohne auf die Verzierung einzugehen. Was die Häufigkeit der Motive betrifft, so deutet sich eine Signifikanz des einzelnen oder doppelten Vorkommens von bestimmten Motiven an. Zu Motivkombinationen kommt es bei 15 Bildsteinen der Gruppe I. Ein prägender Faktor bei der Untersuchung von Motivkombinationen ist die Fragmentierung des überwiegenden Anteils der Bildsteine. Das Scheibenmotiv ist dominantes Gestaltungselement und erscheint ausschließlich auf Bildsteinen der Gruppe I. In der zu untersuchenden Gruppe II verbleiben 50 Bildsteine. Das Schiff ist das dominante Motiv dieser Gruppe. Vogeldarstellungen und geometrische Muster kommen nur auf den Bildsteinen der Gruppe II vor. Motivkombinationen liegen bei 21 Bildsteinen vor. Beim Vergleich der Gruppen ist auffallend, dass das häufig als obligatorisch für die Bildsteine genannte Schiffsmotiv in beiden Gruppen vorkommt, aber in Gruppe I eine völlig untergeordnete Rolle zu spielen scheint und sich in Gruppe II jedoch zum dominierenden Motiv entwickelt. Das Scheibenmotiv der Gruppe I weist mit 94,2% das höchste Vorkommen innerhalb einer Gruppe auf. Dieses Motiv stellt einen festen Bestandteil nahezu jedes Bildsteines der Gruppe I dar.

32

3 Motive – Symbole – Lebenswelt 3.1 Vorgehensweise und Ziel

Es ist bis heute nicht geglückt, eine archäologische Semiotik zu entwickeln, die geeignet wäre, die Zeichensysteme materieller Kultur in schriftlosem Kontext zu rekonstruieren und zu dechiffrieren. Rieckhoff, 2007, S. 18 Den Begriff des Heilsbildes82 und die dazugehörige Denktradition soll hier in der theoretischen Darstellung bewusst ausgeklammert werden. Es geht in erster Linie nicht um eine magisch-kultische Interpretation der Bilder, sondern darum, dass es sich um Ausdrücke spezifischen Sinninhaltes83 handelt. Dieser Sinninhalt kann auch magisch-kultische Aspekte beinhalten, geht jedoch weit darüber hinaus und lässt sich nicht auf diesen Bereich beschränken.

Anliegen dieses Kapitels ist es, eine Interpretationsgrundlage für die Motive der Gotländischen Bildsteine zu entwickeln81. Sie ist m. E. auch auf andere Objektgruppen der Archäologie übertragbar, jedoch speziell auf motivtragende Relikte ausgerichtet. Die Argumentation soll unter Zuhilfenahme und Rezeption verschiedener Denk- und Theorietraditionen geschehen. Zunächst werden die Begriffe erläutert und anschließend in einen ‘Bedeutungsraum’ zur Interpretation im geistigen Umfeld erweitert: 1. Begrifflichkeiten: Motiv – Zeichen – Symbol

3.2 Grundlagen der Begrifflichkeiten: Motiv – Zeichen – Symbol

2. Bedeutungsraum: Symbol – Sinnbild – Repräsentation von Lebenswelt, Gedankenwelt Hierbei soll in einem ersten Schritt der Begriff des Motivs umrissen werden. Zum Themenbereich des Zeichens werden Vertreter der Semiotik, insbesondere Umberto Eco, zu Wort kommen. Symbole werden zunächst als ornamental verwendete ‘Bilder’ erläutert und im Anschluss ein erweiterter Begriff des Symbols anhand von Ernst Cassirers Systematik dargelegt. Im zweiten Schritt sollen die Begrifflichkeiten in einen Bedeutungsraum überführt werden, um eine Übertragung auf die Fragegestellung nach der geistigen Repräsentation zu ermöglichen. Hierbei kommen Gedanken von Mircea Eliade und Ansätze des Strukturalismus unter Rückgriff auf die Theorien von Claude Lévi-Strauss zum Tragen. Diese Zuhilfenahme verschiedener Theorietraditionen und Vertreter derselben ist kursorisch und kann natürlich erweitert werden.

In dem vorangegangenen Kapitel wurde bereits der Begriff des Motivs verwendet. Dort sollte ein Überblick zur Bildgestaltung der Bildsteine gegeben und eine statistische Grundlage für die inhaltliche Analyse vorgelegt werden. Hier soll nun der Begriff des Motivs als Erstes erörtert werden.

Motiv (16. Jh.), entlehnt aus ml. motivum »Beweggrund, Antrieb«84 Insgesamt ist der Motivbegriff sehr weit verbreitet, so dass ihm recht schwierig aufgespürt werden kann. So ist das Motiv allgemein als Beweggrund, Antrieb, Leitgedanke bekannt, was anhand der Etymologie einsichtig ist. Es gibt aber auch Verwendungen des Begriffs in der bildenden Kunst, der Literatur, der Musik, der Psychologie und der Philosophie. Für die vorliegende Unternehmung ist vor allem die Begriffsbedeutung durch die Nutzung in der bildenden Kunst wichtig.

Ziel des Unterfangens soll es sein, eine ‘sinnhafte’ Interpretation der Motive der Bildsteine zunächst grundsätzlich zu legitimieren und im Anschluss diese konkret zu ermöglichen.

82

83 81

Verzichtet wird an dieser Stelle auf eine Darlegung der derzeitigen Diskussion über theoretische Methoden in der Archäologie im deutschsprachigen Raum oder gar den Entwurf einer allgemeinen ‘archäologischen Semiotik’.

84

33

Vgl. hierzu Steuer, 1999, und Zeiß, 1941. Hans Zeiß entwickelte hierin den Begriff des Heilsbildes in der germanischen Kunst und setzte sich damit von dem Gedanken des „bildfeindlichen Germanen“ (siehe Blankenfeldt, 2007) ab. Es entwickelte sich eine Tradition der Deutung von Ornamentik auf Trachtbestandteilen und Bilddenkmälern, die diese in einen kultischen Zusammenhang mit Heils- und Abwehrmagie stellte. Aus dieser Deutungstradition resultiert auch eine dahingehende Interpretation des germanischen Tierstiles. Vgl. Cassirers Begriff der symbolischen Prägnanz in Cassirer, 1929. Paetzold beschrieb dies treffend mit den Worten: Wir produzieren nicht irgendwie oder irgendwelchen Sinn, sondern stets spezifischen Sinn, vgl. Paetzold, 2008, S. 48. Vgl. Kluge, 2002.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Allerdings ist der Begriff auch im Bereich der Kunst schlecht eingrenzbar, sodass eigentlich alle Dinge mit abbildhaftem Charakter darunter fallen85. Dabei können Motive lediglich den Bildinhalt bezeichnen, aber auch symbolische Aussagekraft erlangen.

eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin, obwohl bereits Grundlagen sowohl in der antiken Medizin als auch schon in den Werken der antiken Philosophie gelegt wurden88. Zurückgeführt wird die Etablierung der Semiotik als Disziplin auf Peirce und Saussure89.

Für die vorliegende Untersuchung wird der Begriff des Motivs angewendet, um eine deskriptive Ebene der Auseinandersetzung mit den Bildelementen der gotländischen Bildsteine zu kennzeichnen. Mit ‘Motiv’ ist eine beschreibende Bezeichnung eines deutlich als Einheit erkennbaren Bildteiles gemeint, so zum Beispiel ein ‘Schiff’ oder ein ‘Vogel’, die deutlich als Darstellungselement erkennbar sind. Dabei wird die Grundannahme vorausgesetzt, dass diese Abbildungen als diese Motive bezeichnet werden können. Somit liegt eine Art Basisinterpretation bereits in den Bezeichnungen der Motive vor, welche sich auf die intuitiven Sehgewohnheiten der heutigen Gegenwart und die auf sie bezogenen Benennungen stützt. Des Weiteren beruhen die Bezeichnungen der Motive natürlich auch auf den in der Forschungsgeschichte bereits eingeführten Benennungen.

[...] ein Zeichen sei etwas, was für etwas anderes stehe, weil es von einem Dritten so interpretiert wird. Was befähigt ein Zeichen, das ja auch nur ein Ding unter Dingen ist, überhaupt für etwas anderes zu stehen? Schönrich, 1999, S. 9 Im Mittelpunkt der Semiotik bei Peirce steht die triadische Struktur, bestehend aus Mittel, Objekt und Interpretant. In der Funktionsbeschreibung könnte das Mittel als Zeichen benannt werden, welches sich auf ein Objekt bezieht und von einem Interpretanten (als in dieser Beziehung stehend) interpretiert wird. Diese triadische Struktur stellt für Peirce die Grundstruktur einer jeden semiotischen Beziehung dar, da sie notwendigerweise eine triadische Relation ist. Nach Peirce ist diese nicht reduzierbar; jede Relation, die mehr als dreistellig ist, ist wieder in eine dreistellige zerlegbar und durch eine Kombination mehrerer dreistelliger Triaden abbildbar.

Zeichen (8. Jh.) mhd. zeichen, ahd. zeihhan, as. tēkan. Aus g. *taikna- n. »Zeichen, Erscheinung«86

In Spannung zur triadischen, logisch konstitutiven Zeichentheorie von Peirce steht die duale, linguistische Sprachzeichentheorie von Saussure. Bei Saussure ist in den Ausführungen zum sprachlichen Zeichen die Struktur der Doppelheit vorherrschendes Element. Diese ‘Zweiheit’ wird in vielen seiner Ausführungen deutlich, so spricht er selbst von den zwei Seiten eines sprachlichen Zeichens und definiert seinen Zeichenbegriff nicht als die Verbindung des Namens und der Sache, sondern von Vorstellung und Lautbild90. Bei ihm kündigt sich die Bedeutung der Konvention oder der Kollektivgewohnheit91, wie Saussure es auch nennt, bereits an, die auch für die folgenden Ausführungen von Eco weiter wichtig wird.

Etwas sinnlich Wahrnehmbares (Schallwellen, Licht, Einkerbungen, Linienzug etc.), das auf etwas anderes verweist (Gegenstand, Relation, Funktion etc.), das manchmal die Bedeutung des Zeichens genannt wird. Zeichen sind Mittel der Kommunikation und der Übermittlung von Information. [...] Jedes Zeichen wird innerhalb eines bestehenden Zeichensystems interpretiert, das ihm eine Bedeutung zuweist. Jeder Gegenstand und jedes Phänomen kann somit für beliebige Dinge oder Beziehungen stehen, sofern ihm innerhalb eines geeigneten Systems diese als Bedeutung zugewiesen wird. Die Funktionsweisen von Zeichen werden von der Semiotik untersucht. Vertreter einer allgemeinen Semiotik weisen darauf hin, dass nicht nur jeder Gegenstand als Zeichen fungieren kann, sondern es de facto so ist. Rossberg, 2003, S. 689

Eco als Vertreter einer linguistisch orientierten Semiotik sieht diese nicht scharf begrenzt, sondern eröffnet gleich zu Beginn seiner Einführung ‘das semiotische Feld’. Basis für eine semiotische Untersuchung ist eine Hypothese, wie kulturelle Vorgänge (untere Schwelle der Semiotik) und wie die ganze Kultur bzw. alle Aspekte der Kultur (obere Schwelle der

Zunächst soll geklärt werden, wie überhaupt zu einem Verständnis, einer Interpretation von kulturellen Ausprägungen im Allgemeinen gelangt werden kann. Hierzu möchte ich die Semiotik anführen. In einer grundlegenden Definition wird die Semiotik als „die allgemeine Theorie der Zeichen, Zeichensysteme und Zeichenprozesse“ beschrieben87. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Semiotik zur 85 86 87

88 89

Brockhaus, Band 19, 2006. Vgl. Kluge, 2002. Vgl. Schönrich, 1999, S. 7

90 91

34

Vgl. Schönrich, 1999, S. 7 und S. 15. Charles Sanders Peirce, US-amerikanischer Philosoph, 1839-1914 („Semiotik“ – Begründung des Poststrukturalismus) und Ferdinand de Saussure, Schweizer Linguist, 1857-1913 („Semiologie“ – Begründung des Strukturalismus). Eine inhaltliche Unterscheidung der verschiedenen Begriffe lässt sich heute nicht mehr begründen (vgl. Arweiler, 2003) und dient hier lediglich zum Verständnis der Disziplingenese. Vgl. Saussure, 1967, S. 77ff. Vgl. Saussure, 1967, S. 80.

Motive - Symbole - Lebenswelt

Semiotik) gedeutet werden können92. Dieser Rahmen der semiotischen Forschung muss hier nicht weiter entfaltet werden. Das Interesse liegt im Bereich von Ecos oberer Schwelle der Semiotik, da es sich bei den Bildsteinen eindeutig um ein ‘Kulturphänomen’ handelt. Interessant sind hier die beiden Hypothesen, die Eco anführt:

der Wiedererkennungseffekt aber nicht auf die sichtbaren Aspekte der Gegenstände beschränkt zu sein: Attribute, um die man weiß, die man aber nicht sehen kann, können visuell wiedergegeben werden und somit das Zeichen als ‘Zeichen’ für den Gegenstand ausweisen, das es darstellen soll. Es geht bei der Verwendung visueller Codes darum, relevante Züge zu kommunizieren. Eco schließt daraus, dass es einen ikonischen Code gibt, der die Äquivalenz zwischen einem bestimmten graphischen Zeichen und einem relevanten Zug des Erkennungscodes festlegt95. Als Beispiel hierfür fügt er die ikonographische Darstellung der Sonne als eines Kreises, von dem kurze gerade Linien ausgehen, an. Die Darstellung zeigt aber eigentlich nicht den Gegenstand der Sonne, sondern ahmt ein weiteres abstraktes Bild der Sonne nach. Diese ist als Reproduktion der Wahrnehmungsbedingungen einer archaischen und naiven natürlichen Erfahrung entstanden, nämlich der Betrachtung der Sonne mit halb geschlossenen Augen. Folglich reproduziert die schematische ikonische Darstellung einige Eigenschaften einer anderen schematischen Darstellung. Hierbei spielt die Konvention eine entscheidende Rolle. Bei ikonischen Zeichen werden die relevanten Züge der Wahrnehmung ausgewählt, und die Konvention regelt, dass wir trotz der Reduktion das Zeichen erkennen können96.

a) Die ganze Kultur muß als Kommunikationsphänomen untersucht werden; b) Alle Aspekte einer Kultur können als Inhalte der Kommunikation untersucht werden. Eco, 1988, S. 33 Diese beiden Hypothesen stellen zwei unterschiedliche Radikalitätsstufen der Aussage dar, die Semiotik untersuche kulturelle Prozesse als Kommunikationsprozesse. Somit werden in einer semiotischen Untersuchung kulturelle Prozesse als Kommunikationsform untersucht. Diesen Prozessen muss demnach eine Sendung von Botschaften innewohnen, die auf der Grundlage eines Codes funktionieren. Ein Zeichen oder ein Laut kann innerhalb der Semiotik Ecos nur als Botschaft verstanden werden, wenn Regeln vorhanden sind (die sowohl dem Sender als auch dem Empfänger der Botschaft bekannt sind), durch die Zeichen oder Lautäußerungen verständlich werden. Die dialektische Ausrichtung der Systematik Ecos tritt an der Stelle deutlich hervor, da er damit eine Dialektik von Code und Botschaft postuliert93.

Doch Eco unternimmt einen weiteren Schritt: Nicht nur die Abbildungen werden durch Konventionen geregelt, sondern – hier bezieht er sich auf Whorf97 – der Mensch werde von den kulturellen Codes geradezu in seiner Weltsicht determiniert. Allerdings entwickelt Eco hier ein mehrstufiges Modell. Er konstruiert verschiedene Schichten von Codes98. Einige dieser Schichten beruhen auf biologischen Konstanten, wie beispielsweise die Sinneswahrnehmung, andere hingegen sind kulturell, gesellschaftlich oder historisch gewachsene Codes. Dieses bedeutet natürlich, dass Verstehen nur auf einer sehr basalen Ebene möglich ist, sobald man sich außerhalb des bekannten Kulturkreises oder außerhalb der Kultur, die die kulturellen Codes teilt, bewegt. Somit ist nicht ganz von der Hand zu weisen, was Eco nahezu beiläufig erwähnt: dass die Semiotik im Verdacht stehe, keine Aussagen darüber treffen zu können, was mit der Botschaft geschieht, sobald sie empfangen wurde. Eco verweist in diesem Zusammenhang auf die Psycholinguistik. Die Semiotik alleine stellt also ein Konstrukt dar, um die Analyse der Kultur als Kommunikationsprozess zu ermöglichen, jedoch wird kein Hilfsmittel angeboten, um Decodierungen von Botschaften zu ermöglichen.

Von besonderem Interesse sind seine Ausführungen zur ‘offenen Botschaft’. Zwar ist dort nicht von Botschaften vergangener Kulturen die Rede, aber unzweifelhaft liegen bei archäologischen Objekten auch offene Botschaften vor, da die Decodierungsmechanismen im Falle der bildhaften Zeichen vergangener Kulturen nicht funktionieren. Wir sind konfrontiert mit offenen Botschaften im radikalen Sinne: Weder Codes noch Subcodes stehen für die Decodierung zur Verfügung, somit ist die Decodierung stark von den ideologischen Voraussetzungen des Empfängers beeinflusst94. Den visuellen Codes widmet Eco einen eigenen Teilbereich seiner Einführung. Seine Theorie fußt also auf der Linguistik, setzt sich aber auch explizit mit nichtsprachlichen Phänomenen im eigentlichen Sinne auseinander. Das ikonische Zeichen ist bei ihm geknüpft an eine Wiedergabe einiger Bedingungen, die uns die Wahrnehmung des Gegenstandes ermöglichen. Hierzu greift er auf den Begriff der Erkennungscodes zurück. Wir benötigen Erkennungscodes, um einen Gegenstand, auch in reduzierter Form, wiedererkennen zu können. Die Erkennungscodes orientieren sich an relevanten Aspekten und von der Selektion dieser Aspekte hängt die Erkennbarkeit des ikonischen Zeichens ab. Hierbei scheint

Mit der Semiotik und ihrer Auslegung durch Eco sind uns einige wichtige Werkzeuge an die Hand gegeben. Wir kön95

92 93 94

96

Eco, 1988, S. 31ff. Vgl. Eco, 1988, S. 38. Vgl. Eco, 1988, S. 168.

97 98

35

Eco, 1988, S. 206. Vgl. Eco, 1988, S. 205 ff. Vgl. Whorf, 1963, S. 74ff und 93ff. Vgl. Eco, 1988, S. 422f.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

nen jede Äußerung, die in der Kultur geschieht – im Sinne der Zeichentheorie ist damit tatsächlich ‘jede’ Äußerung gemeint – als Zeichen in einem Kommunikationsprozess interpretieren. Das bedeutet, dass jeder Äußerung eine Botschaft innewohnt. Ikonische und ikonographische Zeichen stellen besondere Formen von Zeichen im sprachlichen Sinne dar und bedürfen einer im Gegensatz zu den übrigen Zeichen gesteigerten Kenntnis von Konventionen und kulturellen Codes, um ein Verständnis zu ermöglichen. Ich möchte die Semiotik als Wegweiser betrachten, um im vielschichtigen Prozess des Zeichenverstehens die Komplexität und die Verwurzelung der Botschaften im kulturellen Kontext nicht aus den Augen zu verlieren. Jedoch wird deutlich, dass die Semiotik nicht über die Feststellung der Prozesshaftigkeit und die Analyse der Determinanten des Verstehens hinausgeht, und weitere Schritte und Anleihen von anderen Denkrichtungen notwendig sind, um zu einer semantischen Interpretation gelangen zu können.

che graphische Muster als Symbole bezeichnet, die jedoch nach der oben angeführten Unterscheidung als deutlich anikonisch zu definieren wären. Er verwendet die Begriffe graphic symbols, graphic patterns, graphemes und spricht ihnen, obwohl sie wie Ornamentik aussehen mögen, den Status von Ideographen102 zu. Dieses Wort benutzt er jedoch wieder synonym mit ‘Symbol’. Insofern sind diese Begriffe bei Golan nicht deutlich voneinander abgrenzbar, der Bedeutungsinhalt und die Nutzung des Begriffes des Symbols ist hingegen eindeutig weiter gefasst als bei Behr. Golan beschreibt graphische Symbole als essentiell, um Ideen in einer Kultur zu verankern. In der Beschreibung der Symbolbedeutung geht er von general notions aus, die er von einzelnen Wortbedeutungen absetzt. Es geht hier also eindeutig um den semantischen Inhalt von ancient symbols, im Gegensatz zur vorangegangenen Analyse der Kommunikationsstruktur mittels Zeichen in der Semiotik. Auch Golan räumt ein, dass es nicht möglich ist, eine definitive Aussage und Bedeutung der graphischen Symbole mit Hilfe der wissenschaftlichen Analyse zu erlangen, da den jeweiligen Symbolen wohl verschiedene Zwecke und Bedeutungen zu eigen waren. Dennoch beschreibt er den Versuch, die semantics of ancient symbols zu decodieren, als notwendig, um einen Einblick in das Denken vor- und frühgeschichtliche Menschen103 zu erlangen. Somit ist der semantische Inhalt von graphischen Symbolen für Golan eindeutig mit der geistigen Welt vergangener menschlicher Kulturen verknüpft. Er als Religionshistoriker verbindet dies natürlich vorwiegend mit spirituellen und religiösen Kontexten, die Aussage jedoch ‘Einblick in das Denken von vor- und frühgeschichtlicher Menschen erlangen zu können’, ist für mich jedoch ein Hinweis auf einen Bedeutungshorizont, der über diese Kontexte hinausgeht. In einem weiteren Schritt spricht Golan von cultic symbols. Die verschiedenen von ihm verwendeten Symbolbegriffe grenzt er jedoch nicht voneinander ab und verwendet sie synonym. Golan deklariert Symbole zu dem konstantesten Element in der Kultur, die übrige Materialkultur wäre Veränderungen unterworfen, Symbole blieben über Tausende von Jahren konstant104.

Symbol (15. Jh.), entlehnt aus l. symbolum, dieses aus gr. sýmbolon, eigentlich: »Erkennungszeichen zwischen Gastfreunden (u. ä.)«99 Allgemein bekanntes und anerkanntes Sinnbild oder Zeichen, welches einen abstrakten Gedanken oder Sachverhalt sinnlich repräsentiert. Im Gegensatz zur eher beliebig einsetzbaren Metapher besitzt das Symbol eine durch allgemeine Übereinkunft feste Bedeutung. Auf Grund seines Verweisungscharakters ohne Anspruch auf adäquate Wiedergabe des Gegenstands fällt dem Symbol erkenntniserhellende Kraft vor allem in den Bereichen der Religion, Metaphysik, Kunst und Literatur und teilweise auch in der Tiefenpsychologie zu. Sewing, 2003, S. 633 Zunächst möchte ich einen Symbolbegriff betrachten, der (noch) eng mit einem graphischen Ausdruck, einem Motiv, einem optischen Zeichen und der Vorgeschichte verbunden ist. Behr100 grenzt in seiner Auseinandersetzung mit Sinnbildern diese vom Symbol dadurch ab, dass er dem Symbol figürliche oder gegenständliche Bilder zuschreibt, Sinnbildern jedoch die anikonischen. Er räumt jedoch ein, dass der Begriff Sinnbild im Sprachgebrauch auch synonym mit Symbol verwendet wird. Jedoch scheint diese Aussage sich auf eine weniger strenge Definition des Begriffs des Sinnbildes zu beziehen, aber nicht darauf, dass Symbole auch anikonische Bilder darstellen könnten. Dieses widerspricht jedoch der Nutzung des Symbolbegriffs durch Ariel Golan: In seinem Werk zum prähistorischen Symbolismus101 werden zahlrei-

Im Gegensatz zu Golan beschreibt Saussure als wesentliches Merkmal des Symbols, daß es niemals ganz beliebig ist, sondern immer eine Beziehung zwischen der Bezeichnung und

102

Ideographie: Verwendung von graphischen Zeichen (Ideogrammen) zur Wiedergabe inhaltlicher (begrifflicher) Einheiten. Vgl. Brockhaus, 2006. 103 Golan verwendet hier den Begriff early man, der sich nur schwierig prägnant übersetzen lässt; vgl. Golan, 2003, S. 11. 104 Vgl. Golan, 2003, S. 9 ff.

99

Vgl. Kluge, 2002. Behr, 2005. 101 Golan, 2003. 100

36

Motive - Symbole - Lebenswelt

dem Bezeichnetem bestünde105. Das würde bedeuten, dass das Symbol seine Bedeutung nur in sehr engen Grenzen wandeln kann. Golan hingegen beschreibt den Symbolbegriff dahingehend, dass die Bedeutung von Symbolen sich stark wandeln kann, die Verwendung der Symbole – also das Vorkommen der graphischen Repräsentationen – jedoch zeitlich sehr stabil ist.

level-Bereich dementsprechend Bedeutungen, die sich im soziokulturellen Feld ausprägen, und der low-level-Bereich enthält die pragmatische Bedeutung des Schiffes als Transport- und Fortbewegungsmittel. Erhellend ist in diesem Zusammenhang auch seine Aussage, dass nicht allen Partizipierenden am Symbol des Schiffes alle Bedeutungsebenen bekannt gewesen sein müssen110. Dies kann von Kulturgruppe zu Kulturgruppe verschieden sein, zum Beispiel kann der praktische Nutzen des Schiffes in einem geographischen Raum im Vordergrund stehen, dann könnte die Bedeutung des Schiffsymbols nur auf diesen Bereich beschränkt bleiben. Dieses Beispiel verdeutlicht erneut die soziale Komponente des Symbols: Symbole sind sozial begründet und werden im Sozialen aufrechterhalten. Das Paradoxe an ihnen ist allerdings, dass sie – besonders diejenigen Symbole, die als Objekte dargestellt werden oder sich in solchen manifestieren – nicht aufhören, materielle Objekte zu sein. Es gibt dann also im Ding begründet schon mehrere Bedeutungen und Nutzungen. Der Bedeutungsraum wird stetig erweitert, da Symbole nicht nur mehrere Bedeutungen und Bedeutungsebenen haben können, sondern sich Bedeutungen auch gänzlich ändern können.

Kobyliński106 beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit Inhalten, die sich zeitlich, räumlich und auch in Form der Darstellung des Schiffes jenen der Gotländischen Bildsteine vergleichen lassen. Insgesamt nähert sich der Autor dem Symbolverständnis mittels verschiedener Fragen, zum Beispiel: Wie funktonieren Symbole im menschlichen Bewußtsein? Oder er fragt nach der sozialen Funktion von Symbolen, und woran zu erkennen ist, was in der für uns unzugänglichen Vergangenheit ein Symbol war. Er sieht in Symbolen eine spezifische Art der Zeichen. Der Zusammenhang zwischen dem Symbol und dessen referent (dem Gegenstand) ist nicht zufällig, sondern immanent und unauflöslich. Dies gibt ein Bild einer sehr starken Wirkmacht der Einheit des Symbols, da es nicht in verschiedene Teile, wie Darstellung und Bedeutung zerlegt werden kann – das eine funktioniert nicht ohne das andere. Kobyliński begründet dies vor allem mit der Verknüpfung von Symbolen mit Emotionen und erläutert daher die Wirkweise der Symbole im menschlichen Bewußtsein genauer. Zunächst unterteilt er dazu das menschliche Denken in zwei grundsätzlichen Denkweisen: das analogische und das logische Denken. Er verküpft das Entstehen und auch das Funktionieren von Symbolen nicht mit der abstrakten (logischen) Denkfähigkeit des Menschen, sondern mit der analogen. Die Symbole wirken auf der Ebene von Sinnesassoziationen, dieser Vorgang bedarf nicht des verbalen Denkens107. Somit ist die Rationalität beim Versuch der Annäherung an Symbole und deren Bedeutungen quasi ausgeschlossen. Dies bekräftigt er mit einem Verweis auf Eliade, nach dem ein Symbol, welches verbalisiert und erklärt wird, aufhört, ein Symbol zu sein108.

Den Symbolbegriff möchte ich nun weiter öffnen und von den graphischen Symbolen lösen. Hierzu möchte ich einen kurzen Einblick in die „Philosophie der symbolischen Formen“ von Cassirer geben. Wir versuchen mit [dem Symbolbegriff] das Ganze jener Phänomene zu umfassen, in denen überhaupt eine wie auch immer geartete „Sinnerfüllung“ des Sinnlichen sich darstellt; – in denen ein Sinnliches, in der Art seines Daseins und SoSeins, sich zugleich als Besonderung und Verkörperung, als Manifestation und Inkarnation eines Sinnes darstellt. Cassirer, 1929, S. 109 Das Sinnliche, die Verkörperung als Manifestation eines Sinnes, das sind Begriffe, die hier zur Um- und Beschreibung des Symbolbegriffes angeführt werden. Im Symbol wird laut Cassirer also Sinn manifestiert. Es handelt sich somit um eine schöpferische Tätigkeit, die eine Ausdrucksform für den bereits vorhandenen Sinn erschafft, um ihn damit auch für andere interpretier- und verstehbar zu äußern.

Von besonderem Interesse ist auch Kobylińskis Dreiteilung der Symbolbedeutung. Am Beispiel des Symbol des Schiffes benennt er high-level-, medium-level- und low-level-Bedeutungen109. Im high-level-Bereich sind dabei universelle, kosmologische Aspekte des Symbols angesiedelt, im medium-

Cassirer verwendet darüber hinaus zwei wichtige Begriffe im Zusammenhang mit seiner Symboltheorie: Symbolische Form und symbolische Prägnanz. Die symbolische Form bezeichnet

105

Vgl. Saussure, 1967, S. 80. Bemerkenswert ist, dass Hodder, 1986, diese Aussage anders liest: With the structural linguistics of Saussure, the sign itself is arbitrary and conventional. In other words any symbol (a bead, duck, arrowhead) could be used to signifiy a chief; there is no necessary relationship between the signifier (the bead) and the signified (chiefness). Hodder, 1986, S. 36. 106 Kobyliński, 1995. 107 Vgl. Kobyliński, 1995, S. 10. 108 Vgl. Eliade, 1998, S. 17. 109 Vgl. Kobyliński, 1995, S. 16.

110

37

Dieser Gedanke ist auch bei Eliade zu finden: Doch der erkenntnisbildende Wert eines Symbols ist nicht vom Grad der geistigen Reife dieses oder jenes Individuums abhängig. Überaus häufig beweisen uns Texte sowie figurale Denkmäler, dass – zumindest für einige Individuen einer archaischen Gesellschaft – die Symbolik des »Zentrums« in ihrer Gesamtheit durchschaubar war; die übrigen Mitglieder der Gesellschaft begnügten sich damit, an der Symbolik zu »partizipieren«. Eliade, 1998, S. 24.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

jede Energie des Geistes, durch die ein geistiger Bedeutungsinhalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft wird111. Jede symbolische Form realisiert ein Potential an Bedeutung. Die symbolische Prägnanz hingegen beschreibt gewissermaßen die symbolische Aktivität in ihrer phänomenologischen Ausprägung.

und Zeichen ist, das sich als Vermittler zwischen zwei Subjekte stellt.114 Stellen wir Symbole also selbst her, indem wir ‘Dinge’ als solche bezeichnen? Gerade bei der Untersuchung von Hinterlassenschaften vergangener Kulturen stellt sich die Frage, ob wir auf der Suche nach Symbolen sind, die in der Kultur der Vergangenheit ein Symbol darstellten, oder ob wir die Darstellungen für Symbole halten, da wir unsere gegenwartsspezifische Kriterien anlegen und meinen, das Objekt als Symbol verstehen zu können. Darüberhinaus gelangen wir nur zum Erkenntnisgewinn, weil wir diese Objekte als Symbol interpretieren.

Nur anhand der Kultur112, die der Mensch unter Zuhilfenahme der symbolischen Formen erschafft, kann die Wirklichkeit entstehen. Dieses kann aufgrund der Fähigkeit des Menschen gelingen, Symbole zu handhaben, was auch deren Verständnis, Verwendung und Erschaffung beinhaltet. Anders formuliert, ergibt sich jeglicher kultureller Sinn nur aus dem produktiven Umgang der Menschen mit symbolischen Formen. Dies zeichnet den Menschen aus, da er sich anhand der Schaffung des symbolischen Mediums nicht nur die Möglichkeit zur Erkenntnis, sondern eine konkrete Erkenntnis der Welt erarbeitet. Das verdeutlicht Cassirer am Beispiel der Kunst, da er sie als einem der Wege zu einer objektiven Ansicht der Dinge und des menschlichen Lebens versteht, und weiter, dass sie nicht Nachahmung, sondern Entdeckung der Wirklichkeit sei.113

Die Darstellung soll und kann die Möglichkeiten, die der Begriff des Symbols bietet, lediglich umreißen. Der Begriff des Symbols wird hier verwendet, um die Ebene der Interpretation in der Auseinandersetzung mit den Motiven der Bildsteine zu kennzeichnen. Mit Symbol ist zwar weiterhin die Bezeichnung eines Bildelementes gemeint, diese Verwendung eröffnet aber nun die Möglichkeit, über die Bezeichnung Motiv hinauszuweisen, um weitreichende Bedeutungen, Aussagen und Zusammenhänge aufzuspüren. Der Begriff kommt in einer offenen Begriffsdefinition zur Anwendung. So möchte ich keine Einschränkungen auf darstellende oder nichtdarstellende Motive vornehmen und die Begriffe Symbol und Sinnbild nicht inhaltlich voneinander abgrenzen, sondern formal: Sinnbild ist für mich die konkrete Anwendung des Symbolbegriffs auf etwas Bildhaftes.

Für Cassirer kann alles ein Symbol darstellen, alles kann als symbolische Form verstanden werden. Hierfür kommen nicht nur einzelne Objekte oder Handlungen in Frage, sondern Cassirer begreift große komplexe Strukturen wie Sprache, Mythos, Wissenschaft, Technik als symbolische Formen. Demzufolge weist Cassirers Symbolbegriff weit über den hier intendierten Zweck, sich dem Begriff der graphischen Symbole zu nähern, hinaus. Cassirers Systematik zeigt aber deutlich, wie wirkmächtig das symbolische Handeln und Verstehen interpretiert werden kann bzw. muss.

3.3 Symbole – Spiegel der Lebenswelten? Bedeutungsraum: Symbol – Sinnbild – Repräsentation von Lebenswelt, Gedankenwelt

Zusammenfassung Es gibt keine intrinsische Definition, wann ein Motiv, Bild oder Zeichen ein Symbol ist. In den vorgelegten Definitionen ging es darum zu zeigen, was ein Symbol beinhaltet, es liegt aber keine formale Handreichung vor, um zu entscheiden, wann es sich um ein Symbol handelt. Sobald in der Literatur von einem Symbol gesprochen wird, werden gewisse Motive oder Objekte, Handlungen, Riten oder Institutionen so verwendet, als würde es sich dabei um ein Symbol handeln. Relativ einfach, fällt die Antwort von LéviStrauss auf diese Frage aus, erklärt er doch in seiner „Strukturalen Anthropologie“, dass für die Anthropologie alles Symbol

Auch wenn die Auffassungen über den Begriff ganz erheblich auseinander gehen, so ließe sich die Einigkeit wohl darin erzielen, dass Symbole ausgesprochen mächtige Werkzeuge darstellen, um Bedeutung hervorzubringen und die Welt zu gliedern. Schlögl, 2004, S. 9 Wie im vorangegangenen Abschnitt bei mehreren Autoren zu lesen war, sind Symbole als soziale Phänomene, als von der Kulturgruppe hervorgebrachte und getragene Erscheinungen

111

Vgl. Cassirer, 1956, S. 175. Der Begriff Kultur ist im weiten Sinne gemeint, als Gesamtheit aller menschlichen Leistungen und Hervorbringungen. 113 Vgl. Cassirer, 1990, S. 220. 112

114

38

Vgl. Lévi-Strauss, 1975, S. 20.

Motive - Symbole - Lebenswelt

zu verstehen115. Somit steht außer Frage, dass Symbolik eine Aussage innehat, die stark in der Kultur der sie nutzenden Menschen verankert ist und Einblicke in die Lebenswelt ermöglicht. Ob die Symbole eher deskriptiv die soziokulturelle Wirklichkeit der Menschen ausdrücken, oder darüber hinaus Einblicke in die ‘Idee von Welt’116 ermöglichen, soll im Folgenden erörtert werden. ‘Idee von Welt’ bezeichnet eine Art Grundkanon der Erkenntnis über die Welt, die der Mensch sich somit verstehbar macht und ermöglicht sich so ein aktives Handeln.

zeitlicher Gemeinschaften, die jedoch nicht in Sprache ausgedrückt wurde, dadurch aber nicht weniger existent ist. Er verwendet den Begriff Vorstellungen von Sein und Wirklichkeit, was erneut einen deutlichen Hinweis darstellt, dass Eliade eine reflexive Tätigkeit der Gemeinschaften beschreibt. Mittels Symbol, Mythos und Ritus wird ein komplexes System von zusammenhängenden Feststellungen über die letzte Wirklichkeit der Dinge zum Ausdruck gebracht. Und weiter: wenn auch das Wort dafür fehlen mag, die Sache ist doch vorhanden123. Hier ist klar die Überzeugung zu erkennen, dass u. a. mittels Symbolen eine Metaphysik, eine Reflexion oder eben eine Idee von Welt ausgedrückt wird, auch wenn wir keine sprachlichen Zeugnisse über diese reflexive Leistungen dieser Gemeinschaften haben. Jedoch bezeichnet auch er die Interpretation von Symbolen als das zentrale und zugleich das schwierigste Problem und stellt die grundsätzliche Frage nach der Tauglichkeit einer Auslegung in den Raum124. Wie bereits an anderer Stelle angeführt, vertritt Eliade insbesondere die Auffassung, dass die Erklärung eines Symbols gleichzeitig dessen Auflösung bedeutet. Dieser Gedanke kann auch bei Gadamer125 gefunden werden. Er spricht davon, dass das Symbolische seine Bedeutung in sich einbehält und bezeichnet die Nichtbezogenheit auf ein intellektuell einzuholendes Bedeutungsziel gar als dessen Wesen126. Auch Gadamer zeigt also aus hermeneutischer Sicht eine rational nicht ergründbare Dimension des Symbolischen auf.

Noch einmal soll hier auf den Artikel von Behr117 verwiesen werden: Da seine differierenden Definitionen von Symbol und Sinnbild m. E. nicht aufrechtzuerhalten sind, möchte ich seinen Begriff des Sinnbildes im Folgenden für die Frage nach dem semantischen Inhalt der Symbole verwenden. Nach Behr dienten Sinnbilder der Kommunikation bestimmter, meist abstrakter Ideen, seien sie religiöser, kosmologischer, politischer oder sozialer Natur118. Diese Sphären sind alle Teil einer Idee von Welt, die Menschen sich erschaffen. Dass er neben der religiösen Sphäre auch die kosmologische anführt, lässt sich als Hinweis verstehen, dass das in Sinnbildern/ Symbolen verborgene Wissen nicht auf die spirituelle Ebene beschränkt ist, sondern darüber hinaus auf den Wunsch nach einem Verständnis der Weltstruktur hindeutet. Eine kosmologische Weltordnung kann sowohl als Teil der Mythologie, aber auch der Philosophie, zum Beispiel der Vorsokratiker119, formuliert werden.

Wie kann man sich dieser tiefen, den Symbolen innewohnenden Aussage nähern, wo doch auf Seiten der Theoretiker Einigkeit darüber besteht, wie schwierig, ja geradezu unmöglich eine rationale Annäherung an die Inhalte sei? Zunächst lässt sich sagen, dass es keine universelle Handhabe zum ‘Lesen’ und ‘Verstehen’ jedes einzelnen Symbols und Sinnbildes gibt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, sich zunächst auf der Ebene der ‘Gestaltungsstruktur’ den Sinnbildern zu nähern. Für ein solches Vorgehen eignen sich vor allem die Sichtweisen und Methoden des Strukturalismus. Die Thesen von Claude Lévi-Strauss, der diese Verfahrensweise auch für andere als linguistische Forschungen anwendbar machte, sollen daher hier besondere Beachtung finden.

Den Ausführungen Eliades120 kann entnommen werden, dass das Erstellen eines Symbolsystems und die Kommunikation mittels Bildern gewissermaßen eine anthropologische Konstante darstellt und dies einen wesentlichen Bestandteil der menschlichen Existenz bedeutet. Somit ist das Verwenden von Symbolen als menschliches Bedürfnis zu verstehen, und ihre Bedeutungen sind offensichtlich nicht in einem profanen Bereich zu suchen. Nach Eliade enthüllt das Symbol einen Bereich ganz bestimmter Aspekte der Wirklichkeit, und zwar jene der größten Tiefe. Allerdings ist auch hier wieder zu lesen, dass sich diese Bereiche dem Erkennen widersetzen, da sie die geheimsten Formen des Seins bloßlegen121. An anderer Stelle spricht Eliade122 von einer Metaphysik früh-

Lévi-Strauss beschäftigte sich vorwiegend mit dem Gegenstand des Mythos, weist jedoch inhaltlich darüber hinaus. Lévi-Strauss formulierte eine Annäherung an die grundlegende Struktur des menschlichen Handelns, eine Annäherung an die Logik des Sozialen, die sich als unbewußte Tätigkeit des Geistes fassen läßt127. Lévi-Strauss vollzog hierzu einen Perspektivenwechsel: die anthropozentristische Perspektive

115

Vgl. u. a. auch Schlögl, 2004, S. 21. Idee, griech. idea, Idee, Gestalt, Urbild, Wesen. Grundbegriff der platonischen Philosophie, der die erkenntnistheoretische und bedeutungstheoretische Debatte bis in die Gegenwart maßgeblich geprägt hat. Bei Platon kommen dem Begriff Idee zwei Funktionen zu: eine erkenntnistheoretische und eine ontologisch-konstitutive. [...] Die Ideen [...] bilden das Material des Denkens. [...] Blume, 2003, S. 399, und Neumann, 1976. 117 Behr, 2005. 118 Vgl. Behr, 2005, S. 467. 119 Vgl. Capelle, 1968. 120 Eliade, 1998. 121 Vgl. Eliade, 1998, S. 13. 122 Eliade, 1994. 116

123 124 125 126 127

39

Vgl. Eliade, 1994, S. 15. Vgl. Eliade, 1994, S. 32 Gadamer, 2000. Vgl. Gadamer, 2000, S. 49. Vgl. Clemens, 1993, S. 70.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

wird verlassen, indem er behauptet, dass nicht die Menschen in Mythen denken, sondern sich die Mythen in den Menschen ohne deren Wissen denken128. Vernachlässigt man, dass diese Formulierung dem Mythos gilt und ersetzt ihn durch eine andere Begrifflichkeit wie Symbol oder Sinnbild, funktioniert dieser Perspektivenwechsel noch immer. Die Nutzung der Symbole ereignet sich in einem Bereich des a priori, in einer nicht näher zu ergründenden, aber vorhandenen Fähigkeit der Menschen, sich mit Hilfe von Symbolen auszudrücken (s. o.). Dies bedeutet ebenfalls eine Absage an die Möglichkeit rational und direkt auf die Bedeutungsinhalte schließen zu können.

mit denen wir uns konfrontiert sehen, im Sinne einer Kommunikation als Zeichen aufgefasst werden. In der Analyse ist es gerechtfertigt und nützlich, sich ihnen in einem sprachlichen Sinne zu nähern. Es ist also möglich, die Grundlage dieser Bilder als ‘Text’ oder ‘Erzählung’ zu bezeichnen, ohne, dass es einen fixierten Text in verbaler oder schriftlicher Form als Grundlage gegeben hat. Es ist möglich, eine kulturelle Äußerung wie einen Text zu lesen136. In Anlehnung an die von Lévi-Strauss’ vollzogene Übertragung der linguistischen Methodik auf die Ethnologie, möchte ich diesen Schritt weiterführen und den Gedanken der Mytheme für die Analyse der Bildsteinmotive nutzen. Es soll damit aber nicht etwa gesagt werden, auf den Bildsteinen würden Mythen in Form von Bildern erzählt. Vor allem geht es darum, im Blick zu behalten, dass es sich um einen Text auf einer anderen Ebene als der alltäglichen Rede handelt137. Auch sollen keine universellen Funktionsmechanismen des menschlichen Geistes postuliert werden, was im Strukturalismus Lévi-Strauss’ durchaus angelegt ist138. Übernommen werden soll hier das Vorgehen Text in seine ‘Sinnbilder’ zu zerlegen und durch diese ein Gesamtbild zusammenfügen oder variieren zu können. Lévi-Strauss postuliert Mytheme, die die Grundelemente der Mythen bilden. Diese Metapher soll nun weiterentwickelt und systematisch auf die Verwendung der Motive auf den Bildsteinen angewendet werden.

Nach Roland Barthes129 besteht der erste Schritt der strukturalistischen Tätigkeit im Auffinden der kleinsten bedeutungsdifferenzierenden Elemente des jeweils betrachteten Zeichensystems. Im Bereich der Linguistik wären dies beispielsweise Phoneme130. Lévi-Strauss überträgt diese strukturalistische Methode auf die Ethnologie und wendet sie in seinen Untersuchungen zu den Verwandtschaftssystemen131 und der „Mythologica“132 an. Entwickelt wird diese Programmatik seiner Mythenanalyse aber bereits im Aufsatz „Die Struktur der Mythen“133. Darin folgert Lévi-Strauss, dass der Mythos wie andere Sprachgebilde auch aus ‘konstitutiven’ Einheiten besteht. Analog zu den Phonemen bezeichnet er diese als Mytheme, was jedoch keine qualitative Geichstellung mit den linguisitschen Elementen bedeutet, da Lévi-Strauss die Mytheme auf einem höheren Niveau als die beliebige Form der Rede ansiedelt134. Die Mytheme bezeichnet er als einzelne, kleine Handlungen oder Begebenheiten innerhalb des Mythos, die als konstitutive Einheit festgestellt und in Form eines Satzes herausgelöst werden können135. In dieser Weise müsse mit allen Versionen bzw. Fassungen eines Mythos vorgegangen werden, um diese dann komparatistisch untersuchen zu können. An dieser Stelle soll nicht weiter auf die Lévi-Strauss’sche Mythenanalyse eingegangen werden, da sie lediglich als methodische Anregung genutzt wird.

Auf den Bildsteinen liegen Bilder in Form von Motiven vor, die als Sinnbilder oder Symbole gelesen werden können. Die Zusammenstellung der Bilder ist offensichtlich von Bedeutung, obwohl auch Kombinationen mit einer größeren oder kleineren Anzahl von Motiven auftreten können. Dieser ‘Bilderwelt’ soll nun ein Textstatus zuerkannt werden, sie repräsentiert ein Bündel von Ideen, die in der Kultur geteilt werden. Es ist daher möglich, die einzelnen Motive analog zu Lévi-Strauss’ Mythemtheorie aufzufassen und als Sinnbilder zu bezeichnen. Das strukturalistische Verfahren wird sozusagen umgekehrt (s. o.), da die Sinnbilder (als Äquivalente zu den Mythemen) in extrahierter Form vorliegen. Diese Arbeit wurde bereits von den Erschaffern der Bildsteine geleistet: Die Bildsteine sind mit einigen wenigen Sinnbildern versehen worden. Was uns fehlt, ist der gesamte Textinhalt, die erzählende Füllung ‘zwischen’ den Grundelementen und die konkrete Bedeutung der Sinnbilder selbst.

Mit dieser strukturalistischen Anregung und unter Berücksichtigung der vorangestellten begrifflichen Herleitungen soll nun eine formale Analysemöglichkeit für die Bildsteine formuliert werden. Wie zu sehen war, können jegliche Bilder, 128

Vgl. Lévi-Strauss, 1971, S. 26. Barthes, 1966. 130 Das Phonem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit der gesprochenen Sprache, vgl. Ramers, 2002, S. 81. 131 Lévi-Strauss, 1993. 132 Die Mythologica ist ein vierteiliges Werk. Siehe zum Beispiel im Literaturverzeichnis Lévi-Strauss, 1971. 133 „Die Struktur der Mythen“ wurde 1955 (engl.) in einer Zeitschrift veröffentlicht und liegt auf Deutsch in dem Band „Strukturale Anthropologie“ von 1967 vor (siehe Literaturverzeichnis). 134 Lévi-Strauss, 1967, S. 231. 135 Die Vorgehensweise wird am Beispiel des Ödipusmythos erläutert. Ein Mythem wäre darin zum Beispiel Kadmos tötet den Drachen, vgl. LéviStrauss, 1967, S. 235. 129

Nach dieser Übertragung ergibt sich ein interessantes Bild der kulturellen Leistung139 der Bildsteinschaffenden:

136 137 138 139

40

Vgl. Rorty, 1967. Siehe oben im Text. Lévi-Strauss, 1995, S. 8ff. Die Verwendung des Begriffs Leistung ist hier nicht qualitativ gemeint.

Motive - Symbole - Lebenswelt

1. Es gibt einen ‘Text’, den alle oder ein Teil der Gesellschaft (die aktiv oder passiv an der Erstellung und der Nutzung der Bildsteine beteiligt sind) teilen/teilt. 2. Mindestens einige (‘Aktive’) können diesen Text in Grundelemente aufspalten und diese in Bilder umsetzen. 3. Mindestens einige (‘Aktive’) können aus diesen Grundelementen auswählen und verschiedene Kombinationen erstellen. Fraglich ist hier, ob auch verschiedene ‘Nuancen’ des Texts damit angesprochen werden konnten oder sollten. Dabei scheint es eine Reduktion auf die bestimmenden Grundelemente gegeben zu haben, die als nahezu unerlässlich angesehen wurden und deshalb abgebildet werden mussten. 4. Eine Gruppe von Rezipienten (‘Passive’) hat Teil an diesen Abbildungen und ist in der Lage, anhand der Grundelemente den ‘Text’ oder Teile davon zu rekonstruieren. Dabei sind verschiedene Abstufungen des Verstehens und Teilhabens an der Sinnhaftigkeit der Abbildungen möglich140. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass es sich nicht um Bildgeschichten oder bildliche Erzählungen handelt, sondern um die Zusammenstellung einzelner Grundelemente. Es genügt die Zitation einiger weniger Sinnbilder. Dieses setzt eine stärkere ‘Abstrahierungskompetenz’ der Aktiven und eine stärkere ‘Lesekompetenz’ der Rezipienten voraus141.

140

Vgl. Kobyliński, 1995, S. 16 und oben im Text die Erläuterung zu verschiedenen Leveln von Symbolbedeutungen. Auch Eliade führt an einem Beispiel aus, dass es verschiedene Arten der Teilhabe an Symbolik gibt, vgl. Eliade, 1998, S. 24. 141 Bildsteine späterer Bildsteingruppen enthalten Bildgeschichten mit zahlreichen interagierenden Figuren und Szenen (‘Wikinger-Comics’), die sich stark von der vorliegenden Art, Sinnbilder sparsam auf den Bildsteinen anzubringen, unterscheiden.

41

4 Die Motive der Bildsteine als Symbole 4.1 Zugang zu einem Verständnis der Sinnbilder The Gotlandic picture stone monuments of the oldest type constitute a material manifestation of a „concept“ which basically deals with world order and balance, from the single picture to the monument as a whole. Myrberg, 2005, S. 99 bringen146. Eine generelle Assoziation von Kreismotiv und Sonnensymbol scheint immanent und allgemein konsensfähig. Jede weitere Interpretation der Kreismotivik bezieht sich immer parallel auf die äußere Form und die Verbindung zur Sonne.

4.1.1 Scheibenmotive Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 5, 6, 7, 8, 9, 10, 18, 20, 24, 25, 26, 27, 29, 35, 40, 41, 39, 41, 43, 44, 47, 52, 53, 54, 55, 63, 66, 71, 72, 74, 78, 79, 81, 82, 83, 86, 87, 88, 90, 91, 92, 94, 95, 96, 97 98, 99

Zunächst haben Kreise keinen Anfangs- und keinen Endpunkt, was sie in ihrer Bedeutung in die Nähe des ‘Kreislaufs’, der ‘Unendlichkeit’, des ‘Zyklus’, der ‘zyklischen Zeit’ und der ‘Wiedergeburt’ rückt. Dies sind jedoch auch jene Begriffe oder Attribute, die der Sonne als absolut dominante und lebensspendende Macht über das Leben auf dem Planeten Erde zugesprochen werden. Eliade nutzt in seiner Beschreibung der ewigen Wiederkehr des fundamentalen Rhythmus des Kosmos, seiner periodischen Zerstörung und Wiedererschaffung den Begriff bzw. das Bild des Kreises ohne Anfang und Ende und stellt dies in Zusammenhang mit der zyklischen Zeit147.

Bestimmendes Element der Bildsteingruppe I ist die Scheibenmotivik. Diese betrachten auch Nylén und Lamm als die wichtigste Zentralfigur der älteren Bildsteine142. Wie bereits erläutert gibt es für diese Gruppe an Motiven keine einheitliche Begrifflichkeit. Die von mir in Kapitel 2 vorgenommene Einteilung der Gruppe in ‘Zentralmotiv Scheibe’ und ‘Dezentrale Scheibe’ stellt eine systematische und dennoch auf das Motiv bezogene Begrifflichkeit dar143. Zur Frage nach den Bedeutungsinhalten der Scheibenmotive soll nun erneut ein Begriffsraum eröffnet und eine schrittweise Annäherung an die Ausgestaltung der Scheibenmotivik auf den Bildsteinen vollzogen werden.

Als Variation des Kreises – aber mit gleichem Bedeutungsspektrum – können Swastika, Triskelen und auch Spiralen betrachtet werden, da durch die Dynamisierung die Assioziation des Kreisens entsteht148. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Kreisen und Spiralen: Spiralen haben ein Anfang und ein Ende. Doch auch hier wird durch die suggerierte Bewegung der spiralförmigen Linie ein Bild von Unendlichkeit erzeugt. Dadurch lassen sich auch Spiralen mit den Begriffen der Unendlichkeit und der zyklischen Zeit assoziieren.

Scheiben als Zentralmotive und/oder in dezentraler Positionierung kommen ausschließlich auf den Bildsteinen der Gruppe I vor.

Kreise Zunächst ist natürlich festzustellen, dass die Grundform der Scheiben ein Kreis ist. Ganz generell kamen Kreismotive in zahlreichen vorgeschichtlichen Epochen zur Anwendung und sind in Nordwesteuropa zum Beispiel in der bronzezeitlichen Felsbildkunst Skandinaviens144 oder den zahlreichen gravierten Steinen und Steinwänden neolithischer Ganggräber Irlands145 aufzufinden. Besonders für die schwedischen Petroglyphen der Bronzezeit ist das Kreismotiv mit einer Sonnensymbolik bzw. einem Sonnenkult in Verbindung zu

Zentralmotiv Scheiben (ZMS) Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 6, 7, 10, 18, 20, 24, 25, 27, 35, 41, 39, 43, 44, 52, 53, 54, 55, 63, 66, 71, 72, 78, 79, 81, 82, 83, 87, 88, 90, 91, 92, 94, 95, 96, 98, 99; unsicher: 5, 8, 9, 26, 29, 40, 47, 74, 86, 97 Siehe Abbildung 9.

142

Vgl. Nylén und Lamm, 1991, S. 20. 143 Siehe Kapitel 2. 144 Vgl. Anati, 2002. 145 Vgl. zum Beispiel Strout und Strout, 2008, S. 17ff. und Eogan, 1986, S. 146ff.

146

Vgl. Hygen und Bengtsson, 2000, S. 103. Eliade, 1994, S. 129. 148 Vgl. Biedermann, 2004, Stichworte: „Kreis“, „Spirale“, „Swastika“, „Triskelis“. 147

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 9: Beispiele ZMS. Links: Hablingbo Havor II (Nr. 25), Mitte: Hellvi, Ire I (Nr. 41) und rechts: Väskinde 120, Kirche 5 (Nr. 90). (Zu erkennen auch die sogenannten Strahlenkränze, s. u.)

Lindqvist spricht den Kreismotiven der ältesten Bildsteinkategorie einen besonderen Sinn neben der dekorativen Eigenschaft völlig ab. Zwar erwähnt auch er, dass die Rondelle bereits zuvor als Sonnensymbole interpretiert wurden, hält dies aber für reine Vermutung und spricht sich für profanere Erklärungen aus, nämlich, dass der Zirkel eine der am leichtesten zu verfertigenden geometrischen Figuren sei149.

nes von Hangvar Austers (Nr. 39) weist keinen Srahlenkranz auf und ist mit je einer Spirale in den Vierteln ausgestattet. Manche der Wirbelradverzierungen sind mittels dreier Wirbelelemente erzeugt, sodass bei diesen die Nähe zum Triskel deutlich sichtbar ist, so zum Beispiel bei Helvi Ire I (Nr. 41). Dieses könnte als Wirbelrad und auch als Triskel klassifiziert werden. Alle diese Verzierungen innerhalb der Kreisfigur sind erneut mit den gleichen Bedeutungsattributen zu verbinden, wie die Kreisform selbst. Der Hinweis auf einen Bezug zur Sonne bzw. die Bedeutungen, die der Sonne zugeschrieben werden können, liegt in mehrfacher Hinsicht vor und verstärkt somit die Sonnensymbolik.

Betrachtet man jedoch die Tatsache, dass zusätzlich zur Bedeutung des Kreises als Grundelement der Scheibenmotivik noch weitere Elemente hinzukommen, die diese symbolische Bedeutungsebene mehrmals wiederholen und vervielfältigen, sollte der Scheibenmotivik der Bildsteine eine tiefere Bedeutung nicht abgesprochen werden.

Nach Wilhelm Holmqvist ist am vorhandenen Strahlenkranz der größte Stern des Himmels, die Sonne, zu erkennen und er zieht hierzu vergleichende Belege antiker Religionen zu Rate um die Bedeutung der Sonne in allen Kulturen zu verdeutlichen152. Er legt dadurch für jegliches mit Strahlenkranz versehene Motiv eine Assoziation mit einer antiken Sonnengottheit nahe. Ähnliches bewirkt die Überlegung Günther Haselhoffs, dass das Wirbelrad sowohl stellvertretend für eine Scheibe als auch für eine menschliche Maske stehen könne. Es würde als Symbol der Sonne fungieren und für die Darstellung eines Sonnengottes genutzt153. Der expliziten Behauptung eines Sonnengottes bei beiden Beispielen stehe ich kritisch gegenüber. Für die Verwendung dieses Begriffs bedürfte es zunächst einer genauen Auseinandersetzung darüber, was darunter zu verstehen ist. Die Rede von einer Sonnenreligion impliziert ebenfalls, dass es sich bei der Sonne um eine göttliche Entität handelt. Der Begriff Sonnengott jedoch evoziert eine bestimmte Vorstellung, die einer personifizierten Gottheit, wie sie zum Beispiel aus der ägyptischen Religion bekannt ist. Haselhoff leitet diese Bedeutung der Scheibenmotivik aus der spätantiken Kunst her und nutzt für seine Interpretation Vergleiche mit mykenischen Darstellungen. Die damit einhergehende Übertragung der Begrifflichkeit erachte ich als problematisch, da diese Verwendung vor dem Hintergrund des Ursprungs in einer anderen Kultur auch eine identisch zu interpretierende Bedeutung impliziert.

Bereits an der Ausführung der Umrandung der zentralen Scheiben auf den gotländischen Bildsteinen sind interessante Details festzustellen, die eine Deutung im Bereich der Sonnensymbolik unterstützen. Soweit sich das auf den Bildsteinen erkennen lässt, sind weitere Verzierungen am Rand nahezu aller dieser Scheiben angebracht, die in der Literatur als Strahlenkranz angesprochen werden. In einigen Fällen ist dieser lediglich durch kleine, kurze Striche angedeutet, teilweise aber auch durch aneinander gereihte, dreiecksförmige Ausläufer ausgeführt (siehe Abbildung 9). Der Interpretation von Nylén und Lamm zufolge soll diese Randzier die Strahlenkraft der Sonne wiedergeben150. Dieses Gestaltungsdetail legt eine Deutung im Kontext einer Sonnenrepräsentation bzw. -symbolik also sehr nahe. Auch zwischen der äußeren Form und der inneren Gestaltung der Scheiben ist eine Wiederholung der gleichen Bedeutungsattribute zu beobachten. Die großen Scheiben, die im Zentrum der Gestaltung der Bildsteine stehen (ZM) sind in der Regel mit Wirbelrädern verziert151. Es gibt deutlich weniger ‘Zentralscheiben’, die mit anderen Motiven verziert sind. So zum Beispiel der Stein Hablingbo Havor II (Nr. 25), dessen Scheibe auch mit einem Strahlenkranz versehen ist und im Inneren einen Vierpassknoten zeigt. Die Scheibe des Stei149

Vgl. Lindqvist, 1941, S. 92. Vgl. Nylén und Lamm, 1991, S. 20. 151 28 Bildsteine des Katalogs: Nr. 6, 7, 9, 18, 20, 22, 24, 27, 35, 41, 43, 44, 53, 55, 63, 71, 72, 78, 79, 81, 82, 83, 90, 91, 92, 95, 96, 98. 150

152 153

44

Vgl. Holmqvist, 1986, S. 382. Haselhoff, 1986, S. 97f.

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Die Kreismotive werden ebenfalls bei Silvia Althaus154 in Hinblick auf die Frage diskutiert, ob ihnen kosmische Bedeutung oder lediglich dekorativer Wert beizumessen ist155. Aus ihren Ausführungen geht hervor, dass sie ihnen den Status kosmischer Symbole zuschreibt. Aber auch hier finden sich keine weiteren, konkreteren Ansätze zur Interpretation der Kreismotive der frühen Bildsteine. Als Diskussionsgrundlage dienen ihr die Ausführungen von Hauck156 und Ellmers157, die sie jedoch in ihren weitergehenden Interpretationsaussagen dekonstruiert. Haucks Forschung ist fokussiert auf die ikonologische Brakteatenforschung im Zeichen der Bedeutungssuche anhand von Vergleichsstudien mit den Texten der Edda158. Sowohl Hauck als auch Ellmers, der ebenfalls literarische Überlieferungen zu Rate zieht, interpretieren die großen Wirbelräder als Repräsentationen der Sonne.

diskutiert im zweiten Teil des Buches “The Chariot of the Sun”162 die andauernde Nutzung wichtiger bronzezeitlicher Motive in der Eisenzeit und darüber hinaus. Dabei erwähnt sie häufig explizit die Motive der gotländischen Bildsteine. Jedoch auch hier werden die Interpretationen der bronzezeitlichen ‘Sun-Disks’ von Ellis Davidson nicht in Frage gestellt und die Interpretation praktisch auf die eisenzeitlichen Motive erweitert. Von besonderem Interesse ist diese Herleitung im Hinblick auf die Frage des Ursprungs der Scheibenornamentik. Lindqvist stellt für die Scheibenmotive und deren Motivkombinationen eine Übernahme aus dem römischen Kulturkreis in den Raum163. Diese Fragestellung wird heute sehr viel differenzierter diskutiert, eine regionale Tradierung der Motivik jedoch selten thematisiert164. Insgesamt wird als Zentralmotiv der Gruppe I der gotländischen Bildsteine in der Literatur nahezu ausschließlich das Wirbelrad behandelt. Somit wird die Aussage oft darauf reduziert, ‘dass Wirbelräder die Sonne repräsentieren’, ohne zu beachten, dass die Vielfalt der Kreismotive oder -attribute, die sich entweder abwechseln, ergänzen oder überlagern und teilweise durch einen Strahlenkranz ergänzt werden, eine noch viel stärkere Aussage zugunsten der Sonnensymbolik ermöglichen.

Gänzlich andere Absichten verfolgt Nanouschka Myrberg, obwohl sie auch Vergleiche zu literarischen Quellen nutzt. Sie unterzieht die Symbole der Bildsteine einer Genderzuweisung. Dabei kommt sie im Zusammenhang mit den Wirbelrädern zu der Ansicht, dass diese der weiblichen Sphäre angehören und als Spindel bzw. als Spinnen der Fäden, des Schicksals, der Geschicke der Menschheit interpretiert werden können. Dieses wird in der germanischen/nordischen Mythologie als Aufgabe und Tätigkeit der weiblichen Nornen beschrieben159. Dies ist nicht als genereller Widerspruch zur Interpretation als Sonnensymbol zu werten, da sowohl den ‘Nornen’ als auch der ‘Sonne’ Attribute des Bestimmens der Weltgeschicke zugeschrieben werden können160 161.

Die bereits in Kapitel 2 angedeutete sinnhafte Anzahl der jeweiligen Motive möchte ich kurz aufgreifen. Zentralmotivscheiben sind immer solitär auf den jeweiligen Bildsteinen abgebildet – was die Benennung nahelegt. Das Vorkommen des Motivs immer in der Einzahl und als Zentralmotiv ist ein weiterer Hinweis auf die große Bedeutung. Es handelt sich um ein Konstrukt, welches mittels seiner Verzierung Bewegung repräsentiert, selbst aber etwas Absolutes darstellt. Dies erinnert an das Konzept des unbewegten Beweger der aristotelischen Physik165. Interessant ist, dass Aristoteles in Buch 8 seiner Physik mit den gleichen Begriffen agiert: Etwas Absolutes wird beschrieben, welches Bewegung auslöst. Die zentralen Scheiben der Bildsteine sind an sich unbewegt, sie werden immer an derselben Position der Bildsteine angebracht und stehen immer alleine, sie repräsentieren jedoch unendliche Bewegung. Dies scheint ein Paradox, welches mit dem aristotelischen Begriff des unbewegten Bewegers gut umschrieben werden kann. Darüber hinaus erläutert Aristo-

Recht unproblematisch scheint die Verwendung der Begriffe Sonnenreligion oder Sonnenkult für die Symbole und Motive der nordischen Bronzezeit. Beim Blick in die Literatur entsteht der Eindruck, die Funde des Sonnenwagens von Trundholm und entsprechender Felsritzungen (zum Beispiel in Bohuslän) ließen eine eindeutige Interpretation zu. Die Interpretationen berufen sich indes ebenfalls auf unsere Seh- und Deutungsgewohnheiten heutiger Zeit. Es ist nicht unmöglich, dass die Scheibenmotive der gotländischen Bildsteine in einem Zusammenhang mit den Sonnenscheiben der bronzezeitlichen Motivik stehen. Hilda Ellis Davidson 154

Althaus, 1993. Vgl. Althaus, 1993, S. 77ff. 156 Vgl. zum Beispiel Hauck, 1983a. 157 Vgl. zum Beispiel Ellmers, 1986. 158 Siehe in Kapitel 1.2 zur Forschungsgeschichte. 159 Vgl. Golther, 2004, S. 140. 160 Vgl. Magnusson, 2006, S. 8. 161 Hauck, Ellmers, Althaus und Myrberg stehen hier als Vertreter einer Interpretationsweise anhand von Sagen und Heldenerzählungen des nordischen Kreises. Es ist nicht auszuschließen, dass die Motive der Erzählungen auch schon zu Zeiten des Entstehens der Bildsteine eine Rolle im geistigen Leben der Menschen spielten. Allerdings ist die Verwendung der Schriftquellen kritisch zu hinterfragen, da der geografische und zeitliche Abstand zwischen der Entstehung der Bildsteine und der Niederschrift der Mythologie zu oft außer Acht gelassen wird. 155

162

Gelling und Davidson, 1969. Vgl. Lindqvist, 1941, S 91f. 164 Ein weiteres Beispiel dafür die frühen gotländischen Bildsteine als Ausdruck einer noch in der Tradition der bronzezeitlichen Religion stehenden Kultur zu interpretieren, findet sich in Westholm, 2005. 165 Vgl. Aristoteles: „Physik“, Buch 8 (übersetzt von Weiße), 1829. Als Theorem taucht der unbewegte Beweger bereits bei Xenophanes auf, kommt jedoch bei Aristoteles zur vollen Ausgestaltung und wird durch ihn auch stark rezipiert. Bei Aristoteles stellt sich der unbewegte Beweger innerhalb einer natürlichen Theologie als Gottesentität – sozusagen ein Verursacher jeglicher Bewegung – dar, verlässt jedoch nie den Rahmen nachprüfbarer Argumente. Vgl. Müller, 1971, S. 863. 163

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

teles ebenfalls die Besonderheit der Kreisbewegung als einzig perfekte und unendliche Bewegung, welches sich ebenfalls in der Form des Motivs und auch in der beschriebenen Bewegung der Wirbelräder und Spiralmotive wiederfinden lässt166.

versuche laufen entweder darauf hinaus, dass sie das Gleiche wie die Zentralscheiben darstellen, oder mit genau dem Argument von Westholm zu folgern, dass dies nicht der Fall sein kann. Nur wenn Zentralmotivscheiben mit Wirbelrädern verziert sind, sind auch dezentrale Scheiben auf den Bildsteinen zu finden. Im Falle der Zentralscheiben, die mit Band- oder Spiralmuster verziert sind, tauchen nie dezentrale Scheiben auf den Bildsteinen auf. Diese Regelhaftigkeit spricht dagegen, dass die Gestaltung der Scheiben austauschbar ist.

Dezentrale Scheiben Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 6, 7, 41, 43, 44, 53, 63, 83, 92, 94; unsicher: 5, 8, 9, 26, 29, 40, 47, 74, 86, 97

Abbildung 10: Beispiele für dezentrale Scheiben. Links: Bro, Kirche 24 (Nr. 6), rechts: Väskinde 159, Björkome I 120, (Nr. 92).

Deshalb halte ich es weiterhin für sinnvoll – trotz der gleichen Grundfigur und ähnlicher Ausgestaltung aller Scheibentypen – für die dezentralen Scheiben eine von den Zentralscheiben abweichenden Bedeutung zu vermuten.

Die denzentralen Scheiben, die in der Literatur auch als Rundeln bezeichnet werden, sind in der Regel nicht alleine auf den Steinen anzutreffen. Wenn dies der Fall ist, sollte davon ausgegangen werden, dass die Zentralscheibe nicht mehr auf dem Bildstein erhalten ist. Diese Scheiben sind kleiner als die zuvor besprochenen Zentralscheiben und treten paarweise auf. Üblicherweise im Arrangement nebeneinander, symmetrisch unterhalb der zentralen größeren Scheibe.

Es gibt auch im Falle der kleinen Rosetten-Scheiben Versuche, sich ihrer Bedeutung über die Auslegung der Edda zu nähern. Besonders den Darstellungen auf dem großen SandaStein (Nr. 63) werden hierbei erhellende Fähigkeiten zugeschrieben, da auf ihm viele Motive vereint sind. Karl Hauck bezeichnet diesen in einer Abschnittsüberschrift seiner Ausführungen als Schlüsselmonument für das Verständnis der gotländischen Frühgruppe168. Andere Autoren wie zum Beispiel Ellmers und Andrén verweisen ebenfalls besonders auf diesen Stein für umfassende Interpretationsversuche. Auch für das Verständnis der kleineren Scheibendarstellungen scheint dieser Stein gut geeignet, da sich um beide Scheiben jeweils eine schlangenähnliche Figur windet, welche sich dann opponierend mit offenem Maul begegnen169. Ellmers sieht dies als Bild des von der Midgardschlange umschlossenen Midgard und erklärt die Doppelung mit der Aussage, dass es sich um die Erde und um Hel handele170. Hauck interpretiert diese Rondelle aufgrund von Vergleichen zur Heilsdichtung „Volospá“ als Helzone. Zunächst möchte ich mich auf seine Aussagen zu dem Komplex der Scheibenmotive beschrän-

Insofern ist es nicht naheliegend, diese kleineren Scheiben isoliert von den großen zu betrachten. Würde man dies tun und den oben bereits angewendeten Kriterien folgen, wäre das gleiche Bedeutungsspektrum wie bei den großen Zentralscheiben zu nennen: Es liegt eine Kreisfom vor, die mit Abwandlungen von Spiralen, Triskelen etc. gefüllt sind, was also eine Doppelung der Kreissymbolik bedeuten würde. Allerdings weisen diese kleineren Scheiben nie einen Strahlenkranz auf. Westholm benennt drei Fundorte, auf welchen dieses Arrangement der drei Scheiben gegeben ist: martebo church, Bro church and the big Sanda stone167 (Nr. 6, 7, 53, 63). Des Weiteren führt sie aus, dass sie es für unwahrscheinlich hält, dass alle drei Scheiben das Gleiche bedeuten und Symbole für die Sonne und die Auferstehung darstellen. Mit dieser Aussage befinden wir uns mitten im Dilemma der Diskussion um diese zusätzlichen Scheibenmotive. Die Interpretations-

168

Hauck, 1983a, S. 536. Auf fünf weiteren Bildsteinen (neben Sanda, Kirche IV, Nr. 63) sind Scheiben mit einer oder zwei Schlangen assoziiert: Katalog Nr. 53, 92, 7, 24, 25. 170 Vgl. Ellmers, 1986, S. 344f . 169

166 167

Vgl. Aristoteles, 1829, S. 213ff. Westholm, 2005. Irritierend, dass sie vier weitere Fundorte (siehe Tabelle 7, Kapitel 2) nicht nennt.

46

Die Motive der Bildsteine als Symbole

ken: Er setzt diese in den Kontext der Notgebete171. Zu dieser Ansicht gelangt er aufgrund der Analyse der Kombination von einem Wirbelrad und zwei kleineren Rundeln. Er identifiziert drei für diese Interpretation relevante, sinnstiftende Zonen auf den älteren Bildsteinen: Das Schiff, die zwei kleinen Rundeln und das große Wirbelrad. Dabei stünden das Schiff für das ‘Totenschiff’, die Rundeln für die ‘Helzone’ und die Wirbelräder für die ‘Verheißung der ewigen Wiederkehr’172. Diese Interpretation ist mit guten Gründen von Althaus kritisiert worden: In seiner Interpretation erscheint es als Bruch, dass zum Teil konkrete Repräsentationen (‘Helzone’) und ein schwierig zu visualisierender Begriff wie ‘Verheißung’ enthalten sind und überdies beides von so ähnlichen Scheibenmotiven repräsentiert werden soll173. Wie bereits im quantitativen Teil der Arbeit gezeigt werden konnte, kommen die Abbildungen von Schiffen/Booten auf den ältesten Bildsteinen nur zu einem recht geringen Anteil vor. Es scheint daher zweifelhaft, ob es legitim ist, das nahezu auf jedem Bildstein vorhandene Scheibenmotiv mithilfe des Schiffmotivs zu interpretieren.

4.1.2 Schiffsmotive Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 1, 2, 4, 6, 11, 12, 15, 19, 21, 28, 30, 31, 33, 34, 37, 38, 39, 45, 46, 48, 49, 50, 54, 56, 57, 58, 61, 63, 65, 67, 73, 75, 77, 89, 92, 100, 101 Die Begriffe ‘Schiff’ und ‘Boot’175 werden hier synonym verwendet. Da es sich in dieser Auseinandersetzung nicht um eine typologische, technische Fragestellung, sondern um eine nach der Bedeutung, die dem Schiffsbild zugrundeliegend handelt, scheint das gerechtfertigt. Ausführungen zu einer Schiffstypologie und funktionalen Schiffdetails der Abbildungen auf den gotländischen Bildsteinen sind u. a. bei Lindqvist176 zu finden. Schiffe sind ein unerlässliches Instrument zum Überwinden von Entfernungen, dem Transport von Waren und Menschen sowie Hilfsmittel zum Fischfang. Nicht nur in maritimen geographischen Räumen kann eine starke multidimensionale Verwendung von Schiffsdarstellungen nachgewiesen werden, dort aber natürlich in besonderem Ausmaß. Bereits für die Steinzeit (sowohl Neolithikum als auch bereits im Mesolithikum) können Begräbnisse in Einbäumen nachgewiesen werden, vermutlich auch für Gotland177. In der Nordischen Bronzezeit kann das Phänomen in voller Blüte beobachtet werden: Repräsentationen von Schiffen lassen sich in Form von steinernen Schiffssetzungen, Bootbegräbnissen, Felsbildern, Verzierungen auf metallenen Objekten (zum Beispiel Rasiermesser, die sowohl für Formgebung als auch Ornamentik das Schiffsthema aufgreifen) finden, und natürlich gibt es Funde realer Boote178. Die Popularität des Schiffmotivs auch als Metapher setzt sich natürlich über die Bronzezeit hinaus weiter fort, so lassen sich zum Beispiel Schiffssetzungen und Bootbegräbnisse in Skandinavien bis in die Wikingerzeit hinein nachweisen.179 Und schließlich finden wir auch die Schiffsdarstellungen auf den gotländischen Bildsteinen der verschiedenen späteisenzeitlichen Epochen.

Ariel Golan stellt das Motiv der paarigen Rosettenscheibe in Zusammenhang mit der Repräsentation der Doppelten Gottheit. Er bietet verschiedene Bedeutungsmöglichkeiten an: Ein Interpretationsansatz ist, dass es sich um die Darstellung zweier Sonnen handeln könnte, die ‘Tages-’ und die ‘Nachtsonne’, jene welche in der Nacht für den Menschen unsichtbar ‘unterhalb’ der Erde wandert. Dadurch wäre die große Ähnlichkeit, aber doch Verschiedenheit der Darstellungen auf den Bildsteinen verständlich. Allerdings weist Golan darauf hin, dass diese doppelten Kreismotive (in dem von ihm untersuchten Material) zunächst Repräsentationen des Himmels darstellten und eine Bedeutungsänderung zum Sonnensymbol erfuhr. Wieso es sich um die zweier Himmel (heaven) oder Himmelrepräsentationen handelt, hält er für diskussionswürdig174. Dabei ist natürlich darauf hinzuweisen, dass Golan Material gänzlich anderer chronologischer und zumeist auch geographischer Zuordnung untersucht. Dennoch ist das Auftreten der Dualität, der ‘Zwillingsmotive’ in der Symbolik, als ein universelles Phänomen zu bezeichnen.

Noch einmal soll konkret auf die multidimensionalen Ausmaße der Nutzung und Bedeutung des Schiffes bzw. dessen Abbilder hingewiesen werden:

Nach meinem Dafürhalten handelt es sich bei den dezentralen Scheibenmotiven um Symbole, die nicht in der gleichen Bedeutungssphäre zu verorten sind wie die Zentralmotivscheiben. Sie sind eher in Anlehnung an die übrigen opponierenden Figuren zu interpretieren. Dieser Aspekt wird in Kapitel 4.2.1, Abschnitt Komposition IB vertieft werden.

171 172 173 174

175

Schiff ist die typenübergreifende Bezeichnung für alle Wasserfahrzeuge, vgl. Ellmers, 2004; Boot ist in der Regel die Bezeichnung für ein Wasserfahrzeug bis max. 10 Meter Länge. Funktionales Kriterium für die Definiton eines Bootes ist die Möglichkeit der gleichzeitigen Führung sowohl von Backbord- als auch Steuerbordriemen von nur einem Ruderer, vgl. Ellmers, 1978. 176 Vgl. Lindqvist, 1941, S. 62ff. 177 Skaarup, 1995, S. 51ff. 178 Siehe hierzu u. a.: Crumlin-Pedersen und Munch Thyre, 1995; Kaul, 2004a; Hygen und Bengtsson, 2000. 179 Vgl. Müller-Wille, 1970; Crumlin-Pedersen und Munch Thyre, 1995.

Hauck, 1983a, S. 514ff. Hauck, 1983a, S. 546f. Althaus, 1991, S. 80. Golan, 2003, S. 321.

47

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Mittels eines Schiffes können Menschen reisen und zum Beispiel Handelswaren austauschen, dabei kommt es aber auch zum Kontakt mit anderen Kulturen, Ideen, Wertvorstellungen. So können neben dem Austausch rein materieller Waren auch technisches Wissen, Geschichten und Mythen ausgetauscht werden. Daneben gibt es die ‘Idee einer Transportfunktion’, hier kann das Schiff eine Mittlerrolle zwischen verschiedenen Bereichen der konzeptuellen Weltvorstellung einnehmen. So können mittels des Schiffes die Bereiche Wasser und Land (welche auch mit den Begriffen ‘ungestaltet’ und ‘gestaltet’ beschrieben werden können) miteinander verbunden werden. Diese Mittlerrolle lässt sich damit belegen, dass das Schiff im Grabbau eine entscheidende Rolle spielte: Es ist naheliegend anzunehmen, dass das Schiff also das Kontakt- und Transportvehikel zwischen den Bereichen des Lebens und des Todes darstellt und somit prädestiniert ist, den Verstorbenen oder jene als unsterblich gedachten Segmente des Menschen180 in ein – in seiner Gestaltung nicht genauer beschreibbares – Reich der Toten zu transportieren. Auffallend ist bei dieser Aufzählung, dass es sich um die Konzeption dichotomer Welten handelt. Es könnte also interessant sein, dieses für die weitere Interpretation der Zusammenstellung der Motive auf den Bildsteinen vorzumerken und vor diesem Hintergrund eine sinnhafte Verwendung einer bestimmten Anzahl gewisser Symbole oder Bilder zu erörtern.

risiert werden kann. Diese können sowohl real existierende, materielle und geistige, konzeptuelle sowie spirituelle Bereiche umfassen. Alle diese Ebenen haben ihre Berechtigung und wahrscheinlich kommen alle oder viele zugleich in einem Bild zum Ausdruck – das macht das Schiffsmotiv zwar nicht solitär, aber doch zu einem wichtigen, weil in seiner Verschiedenheit nachvollziehbaren Symbol. Die multidimensionale Nutzung ist für uns heute noch gut nachvollziehbar, wobei die möglicherweise vorhandene Vielfältigkeit nichtdarstellender oder ornamentaler Symbole für uns häufig nicht mehr wahrnehmbar ist. Im Zusammenhang mit bronzezeitlichen Felsritzungen und Schiffsabbildungen auf Bronzegegenständen ist das Schiff bereits sehr häufig in einem weiteren Rahmen zur Diskussion gestellt worden183. Davidson greift die Diskussion der Schiffsdarstellungen auf den gotländischen Bildsteinen kurz auf und erwähnt, dass das Schiffssymbol in der Bronzezeit stark mit der Sonne verbunden war184. Ein kompletter Abbruch der Verwendung der ‘Schiffsmetaphorik’ ist jedoch nicht zu beobachten und wird von Davidson mit ihrer Frage nach der chronologischen ‘Weiternutzung’ der bronzezeitlichen Symbolik auch widerlegt185. Es sei in den Zeiten des Übergangs der Nordischen Bronzezeit zur Eisenzeit zu einer verminderten Verwendung des Schiffes im Grabritus, jedoch nicht in allen Regionen zu einem Erliegen gekommen. Im ersten Jahrhundert nach Christus kommt es laut Peter Skoglund186 zu einem Wiedererstarken des Schiffsymbols im Grabzusammenhang, was auch durch die Bootsbestattungen zum Beispiel des Gräberfelds von Slusegaard belegbar wäre187. Skoglund geht davon aus, das Schiffsymbol sei kontinuierlich in Bronze- und Eisenzeit Skandinaviens vorhanden, aber diskutiert dies als wiederholt verändertes Symbol, welches den sozialen Bedürfnissen verschiedener lokaler Gesellschaften innerhalb Skandinavien angepasst wurde188. Was Gotland betrifft, so fällt auf, dass das Schiffsymbol im Grabzusammenhang weder zur Bronze- noch zur Eisenzeit dazu genutzt wurde, soziale Ungleichheiten darzustellen. Auch setzt er den Wandel in den Schiffsdarstellungen auf den gotländischen Bildsteinen in Zusammenhang mit dem zu beobachtenden Wechsel der Aufstellungsorte189. Eine Nutzung des Schiffsymbols im Zusammenhang mit der Darstellung von Prestige und Vermögen, wie es oben als allgemeine Möglichkeit diskutiert wurde, ist für Gotland also eher unwahrscheinlich.

Unterstützend oder additiv kann auch die Wassersymbolik für das Schiffsymbol eine Rolle gespielt haben. Auch die Symbolik des Wassers lässt sich nach Eliade mit den Begriffen Tod und Wiedergeburt zu assoziieren181. Daneben stellt die Verwendung des realen Schiffes im Grabritus häufig eine besondere Auszeichnung einer Elite dar. Die Verwendung von Schiffssetzungen oder Schiffsabbildern in Grabzusammenhängen kann als eine Nachahmung des realen Schiffes verstanden werden, die als Spiegelung der Vermögensverhältnisse der Verstorbenen gedeutet werden könnten. Somit kann das Schiff im Grabbau auch indirekt zum Prestigesymbol werden182. In der Nutzung der Schiffe liegt eine starke Bedeutung, die durch die Begriffe Kontakt, Transport und Transit charakte180

Zum Beispiel die Vorstellung der unsterblichen Seele des Menschen. „Die Gewässer sind Symbole der universellen Summe aller latenten Wikungskräfte; sie sind pons et origo, das Reservoir aller Möglichkeiten des Daseins; einer jeden Form gehen sie voraus, und eine jede Schöpfung tragen sie. [...] Umgekehrt bedeutet das Untertauchen im Wasser die Rückkehr in das vor aller Formung gewesene Sein und das Zurückfinden in die noch keine Unterschiede kennende Seinsart des Vor-Daseins. Das Auftauchen wiederholt die kosmogonische Gebärde der Formwerdung; das Untertauchen kommt einer Auflösung der Formen gleich. Daher schließt die Symbolik des Wassers sowohl den Tod wie die Wiedergeburt in sich.“ Vgl. Eliade, 1998, S. 167. 182 Vgl. Kobyliński, 1995, S. 18. 181

183

Siehe hierzu u. a. Capelle, 2008; Kaul, 1995. Vgl. Davidson, 1967, S. 103. 185 So schreibt Davidson als Teil ihrer Schlussfolgerungen in Gelling und Davidson, 1967 auf S. 180: ”The ship, the horse, the boar, and the wagon were also religious symbols of continuing significance, closely linked with the cults of the heathen gods until the coming of Christianity“. 186 Vgl. Skoglund, 2008. 187 Vgl. Crumlin-Pedersen, 1995, S. 87ff. 188 Vgl. Skoglund, 2008, S. 399. 189 Vgl. Skoglund, 2008, S. 402 und Måhl, 1990. 184

48

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Gruppe I Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 6, 39, 49, 54, 63, 73, 92

Abbildung 11: Beispiele für Schiffe auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Sanda, Kirche IV (Nr. 63) und rechts Väskinde 159, Björkome I (Nr. 92).

Auf sieben Bildsteinen der Gruppe I sind Schiffe abbgebildet bzw. heute noch zu rekonstruieren. Wie daran zu erkennen ist, handelt es sich nicht um das dominierende Gestaltungselement der Bildsteine der Gruppe I. Das Schiff wird für alle Ausprägungen der Bildsteine verallgemeinernd als häufigstes und bestimmendes Element genannt. Dies gilt jedoch vor allem für die nachfolgenden Gruppen.

ten193. Allerdings geschieht diese Interpretation von Ellmers unter einer Grundannahme, die so nicht zu bestätigen ist: Er analysiert die Schiffsdarstellungen der Bildsteine im Rahmen einer Betrachtung skandinavischer Grabsteine. Dabei impliziert er die Verwendung der Bildsteine der Gruppe I als Grabsteine für Einzelpersonen. Dieses scheint durch die Forschung aber nicht bestätigt, sondern lediglich das Aufstellen im Kontext von Gräberfeldern. Ob die Bildsteine für Einzelgräber verwendet wurden, ob es überhaupt einen direkten Grabzusammenhang gibt, sehe ich als diskussionswürdig an194. Diese Frage ist so schwierig zu entscheiden, da es keine Bildsteinfunde in situ (hierbei ist der Originalkontext der Errichtung gemeint und nicht, was ebenfalls als in situ bezeichnet werden könnte, der Fundkontext, wie er sich uns heute zeigt195) gibt.

Auch wenn hier nicht explizit auf die technischen Details der Schiffsdarstellungen eingegangen werden soll, so ist es doch sehr auffallend, dass es sich bei diesen Abbildungen um Ruderboote ohne Segel handelt190. Wie an den Beispielen zu erkennen ist, können die Schiffe mit oder ohne Besatzung dargestellt sein. Nach Skoglund weisen die abgebildeten Schiffe der Bildsteine in der Entstehungszeit von 400–750 keine Referenzen auf einen Kriegskontext auf191.

Gruppe II

Sowohl von Hauck als auch von Ellmers wird das Schiffsbild auf den Bildsteinen der Gruppe I als Vergegenwärtigung der Reise in das Totenreich192 gedeutet. Ellmers erläutert es explizit als Darstellung der Reise des jeweiligen Verstorbenen, da seinen Ausführungen zufolge Abbildungen auf den Bildsteinen zu finden sind, die mit dem Leben bzw. den Totenfeierlichkeiten des Verstorbenen in Zusammenhang zu bringen sind. So bringt er darüber hinaus die Darstellung des baldachinartigen Aufbaus, der in etwa der Hälfte der Schiffsdarstellungen der Gruppe I sicher zu identifizieren ist, in Zusammenhang mit den bei Bootsbestattungen nachweisbaren Grabkammern oder zeltartigen Aufbauten in der Mitte der realen Boote. Dies versteht Ellmers als ausreichendes Bildzeichen, um die Anwesenheit der Verstorbenen anzudeu-

Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe II mit den Katalognummern: 1, 2, 4, 11, 12, 15, 19, 21, 28, 30, 31, 33, 34, 37, 38, 45, 46, 48, 50, 56, 57, 58, 61, 65, 67, 75, 77, 89, 100, 101 Siehe Abbildung 12.

Ellmers deutet die Schiffsdarstellungen der Gruppe II analog zu jenen der voran besprochenen Gruppe als Darstellungen des Totenschiffes nach Nebelheim196.

193

Vgl. Ellmers, 1986, S. 350. Bei Nylén und Lamm, 1991, ist zu lesen, dass die Bildsteine der Gruppe I „in der einen oder anderen Weise Teile von Grabmonumenten gewesen“ seien (vgl. S. 9); Lindqvist selbst stellt sie in den Zusammenhang mit Grabfeldern (vgl. Lindqvist, 1941 zum Beispiel S. 125), ohne eine eindeutige Aussage zugunsten einer Aufstellung im Kontext eines Einzelgrabes zu treffen; Althaus drückt die Absicht aus, genau dieser Frage nachzugehen (vgl. Althaus, 1991, S. 27), kommt jedoch m. E. ebenfalls zu keiner eindeutigen Antwort. 195 Siehe hierzu Kapitel 2.2 - Fundorte. 196 Ellmers, 1986, S. 352. 194

190

Vgl. Kreutzer, 1988. Vgl. Skoglund, 2008, S. 396. Er verwendet in seinem Artikel keine Gruppenbezeichnungen, sondern beschreibt die Bildsteine je nach Entstehungszeit. Bei den Schiffsabbildungen setzt er die ‘Trennlinie’ bei dem Jahr 750. Eine erste Phase von 400–750 sieht er als ‘zivile’ Schiffe. Den Schiffen der Bildsteine von 750–1000 sieht er durch Attribute eindeutig den Status des Kriegsschiffs zugewiesen. 192 Vgl. Hauck, 1983a, S. 546 und Ellmers, 1986, S. 349f. 191

49

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 12: Beispiele für Schiffe auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Halla Broa VII (Nr. 31), Mitte: Ardre, Petsarve II (Nr. 4) und rechts: Alva Bopparve (Nr. 1). Auffallend die unterschiedliche Ausgestaltung der Schiffe und Segel.

4.2.1, Abschnitt Komposition IB, Abschnitt Kompositionen IIA und die Synthese verwiesen.

Nahezu alle Schiffe, die auf Bildsteinen der Gruppe II abgebildet sind, weisen ein Segel bzw. eine eindeutige Andeutung eines Segels auf. Die Segel unterscheiden sich stark in Ausführung und Detailgenauigkeit. So sind zahlreiche Abbildungen lediglich als Andeutung eines Segels zu interpretieren und als kleine rechteckige Fläche oberhalb des Schiffes zu erkennen, die in den Dimensionen nicht als funktionstüchtiges Segel wahrzunehmen ist. Es gibt aber auch sehr detaillierte Darstellungen wie die von Alva Bopparve (siehe Abbildung 12, rechts), die in ihrer Ausgestaltung bereits auf die Segel der folgenden Bildsteingruppen hinweist. Gert  Kreutzer197 spricht von einer Einführung des Segels auf den Bilddenkmälern etwa um das Jahr 700, welches als Hinweis darauf aufgefasst werden könnte, dass die Einführung des realen Segelschiffes gleichzeitig stattfindet. Allerdings lässt sich bei vielen Segeldarstellungen in Gruppe II von verkümmerten Segeln sprechen, die nicht als Hinweis auf eine tatsächliche Nutzung derselben verstanden werden müssen. Nylén und Lamm weisen darauf hin, dass trotz des Aufkommens der Segelschiffbilder auf den Bildsteinen im 6. und 7. Jahrhundert die Technik des Segelns bereits viel länger bekannt gewesen sein muss198. Nicht nur ist eine Verzögerung und offensichtlich langwierige Umstellung von der Ruder- auf die Segeltechnik in der Schifffahrt Skandinaviens ist feststellbar, sondern es ist von einer anderen Bedeutung der besonderen Betonung der Segel beim Schiffsmotiv auszugehen. Westerdahl verknüpft das Segel mit dem Ausdruck eines gesellschaftlichen ‘Statements’ oder der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse. Er stellt die Frage, ob das Segel möglicherweise erst später völlig akzeptiert wurde, als es die gotländischen Bildsteine zeigen199.

4.1.3 Tierdarstellungen Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 2, 3, 7, 11, 13, 18, 19, 24, 25, 28, 30, 31, 36, 39, 43, 44, 46, 58, 59, 60, 64, 67, 68, 70, 76, 87, 90, 93 Abbildungen von Tieren sind in der Prähistorie sehr zahlreich. Bekannte und beeindruckende Beispiele sind die Gemälde des Jungpaläolithikums, beispielsweise aus den berühmten Höhlen Lascaux und Altamira200. Auch aus dem skandinavischen Raum ist eine Fülle von Tierdarstellungen ab dem frühen Neolithikum sowohl in Skulpturen, Verzierungen auf Gegenständen oder der Felskunst aufzufinden201. Besonders bei der Auseinandersetzung mit Tierdarstellungen ist auffällig, dass diese bereits in der jungpaläolithischen Höhlenkunst und auch der Felsbildkunst der nachfolgenden Epochen vielseitig vertreten sind. Es ist nicht möglich, semantische Analogien zwischen diesen Abbildungen oder Symbolen und jenen der Bildsteine zu postulieren. Das ist auch nicht der Grund für deren Erwähnung. Vielmehr legt der Umstand, dass der Mensch durch seinen künstlerischen Ausdruck die Umwelt, in der er lebt, abbildet, indem er Bilder auswählt, betont oder Elemente dieser Welt nicht darstellt, den Schluss nahe, dass es sich hierbei um reflektierende Auseinandersetzungen mit ihrer Umwelt handelt. LeroiGourhan unterstützt diese Sichtweise, da er ausführt, dass Menschen seit ihrer Genese reflexives Denken vornahmen und in einem analytischen Vorgang Symbole aus der Realität abstrahierten202. Diese Beispiele werden hier also erwähnt, da es bemerkenswert ist, dass gleiche Elemente in diesen künst-

Wie oben bereits ausgeführt, bezweifle ich die Bedeutung des Schiffes als Darstellung individueller Totenüberfahrten. Eine konkrete Aussage über die Bedeutung des Schiffes ist nach dem Studium der vorgestellten Literatur nicht formulierbar. Für weitere Ausführungen zu den möglichen Bedeutungen, auch im Kontext der anderen Motive, sei auf das Kapitel 197 198 199

200

Kreutzer, 1988, S. 14. Nylén und Lamm, 1991, S. 42f. Westerdahl, 1995, S. 42.

201 202

50

Vgl. Bataille, 1983; Leroi-Gourhan, 1975, und Anati, 2002, S. 238ff. Vgl. Ellis Davidson, 1967, S. 17ff. Vgl. Leroi-Gourhan, 1984, S. 244.

Die Motive der Bildsteine als Symbole

stärkt auf209. Tatsächlich eröffnen sich interessante Aspekte der möglichen Bedeutung von Tierdarstellungen durch die Einbeziehung der Schamanismus-Thematik: Die ‘Sprache der Tiere’ gehört zum notwendigen Hilfsmittel des Schamanen. Unter den Sprachen der Tiere ist die der Vögel am wichtigsten.

lerischen Auseinandersetzungen wiederzufinden sind, auch wenn sie semantisch nicht vergleichbar sind. Schwierig ist eine allgemeine Aussage über die Bedeutungen von Tierabbildungen, ohne die Aussage auf eine bestimmte Tierart einzugrenzen. Die Funktion von Tieren im Mythos ist jedoch häufig ähnlich: Sie sind Begleiter, Helfer, Mittler oder Beschützer, aber auch Verführer oder Betrüger203. Die Tierdarstellungen der figürlichen Kunst der Nordgermanen im 4.  Jahrhundert sind mit großer Wahrscheinlichkeit mit religiösen Vorstellungen verknüpft oder mit gewissen magischen Eigenschaften behaftet204.

Ab dem dritten Jahrhundert erscheinen in Skandinavien verstärkt Tiere beim Grabritus. Auch dies kann als Aussage über das Verhältnis von Tier und Mensch, sowie die Bedeutung der Tiere für den Menschen verstanden werden. So sind Hunde- und Pferdebestattungen nachweisbar, deren Grabriten mit jenen vergleichbar sind, die zu Ehren menschlicher Verstorbener durchgeführt wurden. Für die Völkerwanderungs- und Vendelzeit werden die Grabzusammenhänge komplexer und die Tierbeigaben steigen bei besonders herausragendenen Gräbern zahlenmäßig deutlich an. Damit wurden sowohl Aussagen über das Leben (den Wohlstand, den Lebensstil, die Fähigkeiten) des Verstorbenen gemacht und dadurch Besitz- und Machtansprüche der Familie bekräftigt, als auch symbolische Bedeutungen der Tiere zum Ausdruck gebracht210.

Zur Interpretation von Funden und Befunden der germanischen Frühgeschichte wird auch das aus der Ethnologie bekannte Phänomen des Totemismus205 herangezogen. Allerdings ist eine Übertragung eines Begriffes oder Konzeptes aus einer anderen Kultur und dessen Übertragung in eine andere Fachdisziplin immer problembehaftet, weswegen vor allem die Verwendung des Begriffs Totemismus vermieden wird, inhaltliche Ähnlichkeiten hierzu sind aber nicht vollständig zu negieren. Hermann Reichert schlägt für den Bereich der Vor- und Frühgeschichte den Begriff ‘Tiersympathie’ vor206. Naheliegende Beispiele, eine solche zu vermuten, finden sich besonders bei Personen- oder Völkernamen, die eine Tierart oder -gattung (zum Beispiel Wolf, Bär oder Eber) enthalten und in deren eigener, mythologischer Genese von einem Tierahn die Rede ist. Kommen noch gewisse Verhaltensregeln oder Nahrungstabus dazu, ist von einer Tiersympathie auszugehen, die sich den Kriterien des Totemismus stark annähert207. Ein weiteres Phänomen, welches uns heute aus der Ethnologie bekannt ist und in welchem Tiere und Tierattribute eine wichtige Rolle spielen, ist der Schamanismus208. Auch dieser wird auf Themengebiete außerhalb der Ethnologie übertragen und der Begriff taucht in verschiedenen Diskussionen vor- und frühgeschichtlicher Themen ver-

Es folgen Beispiele für Tierabbildungen in den beiden Gruppen: Weitere Ausführungen werden jedoch zunächst nach Tierart getrennt vorgenommen. Die Reihenfolge bestimmt sich nach der Häufigkeit des Vorkommens, beginnend mit den Vögeln, anschließend Pferde, Vierfüßler und Hirsche und abschließend Schlangen/Drachen.

Gruppe I Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 7, 18, 24, 25, 39, 43, 44, 87, 90 Siehe Abbildung 13.

203

Vgl. Høilund Nielsen, 2007, S. 160ff. und Eliade, 1989, S. 103ff. Roth, 1979, S. 50. 205 System des Glaubens, in welcher eine (genetische oder mystische) Verwandtschaftsbeziehung zwischen Mensch und Totem angenommen wird. Als Totem fungieren vorwiegend Tiere oder Pflanzen. Der Begriff Totem stammt aus der Sprache der Algonkin und bedeutet wörtlich ”his brothersister kin“, welches einen Ausdruck für Blutsverwandtschaft darstellt; vgl. Encyclopædia Britannica, Bd. 18. 206 Reichert, 1999, S. 172. 207 Vgl. Kienle, 1932, S. 25ff. aber auch Beck, 1986. 208 Eine exakte und anerkannte Definition des Begriffs liegt nicht vor. Der Ausdruck stammt von dem tungusischen Wort Šaman. [...] ”shaman“ literally means ”he who knows“. Vgl. Encyclopædia Britannica, Bd.  16. Schamanismus ist ein religiöses System, konzentriert auf den Schamanen als ekstatische Figur mit Fähigkeiten in andere Bewusstseinszustände zu gelangen und mit Wesen anderer Daseinsebenen (zum Beispiel Ahnen) zu kommunizieren. 204

209

Der Begriff wird durch verschiedene akademische Disziplinen, aber auch im esoterischen Bereich und durch Medien im Allgmeinen in einer inflationären Weise verwendet, sodass es zu einer großen Ungenauigkeit der Begrifflichkeit gekommen ist. Einerseits ist eine Öffnung zu einer breiteren Wahrnehmung vermeintlich archaischer Religionstechniken zu begrüßen, andererseits ermöglicht dies keine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Kultur- und Gesellschaftsform. Also sollte auch hier im Bereich der Vor- und Frühgeschichte nicht von ‘dem Schamanismus’ gesprochen werden, sondern lediglich einzelne, schamanistischen Techniken ähnelnde Phänomene thematisiert werden. Siehe hierzu u. a. Eliade, 1989, Schjødt, 2004. Ein Beispiel dafür, dass auch Motive der gotländischen Bildsteine in einen schamanistischen Kontext gesetzt werden, findet sich in Hauck, 1983a, S. 535f . 210 Jennbert, 2006, S. 135ff.

51

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 13: Beispiele für Tierdarstellungen (Ausschnitte) auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Hablingbo, Havor I (Nr. 24), und rechts: Sanda, Kirche IV (Nr. 63).

Abbildung 14: Beispiele für Tierdarstellungen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Garda 19:2, Smiss I (Nr. 19), und rechts: Sanda, Sandegårda I (Nr. 64).

tischer Handlungen oder Symbolik auch in der Forschung zu völkerwanderungs- und vendelzeitlicher Motivik diskutiert214. In dieser steht der Vogel in einer Vermittlerrolle dem Schamanen zur Seite und ermöglicht die Kommunikation mit Wesen anderer Sphären oder Welten. Der Wunsch, sich die Fähigkeiten des Vogels anzueignen, besteht besonders in der Erlernung der Sprache, reicht aber auch darüber hinaus bis zur Verwandlung in einen Vogel215.

Gruppe II Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe II mit den Katalognummern: 2, 3, 11, 13, 19, 28, 30, 31, 36, 46, 58, 59, 60, 64, 67, 68, 70, 76, 93 Siehe Abbildung 14.

Vogeldarstellungen kommen nur auf Bildsteinen der Gruppe II vor. Siehe Abbildung 15.

Vögel Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 2, 19, 28, 31, 58, 59, 67, 70

Auffallend ist die Darstellungsweise der Vögel. Eine Zuweisung zur Gattung der Entenvögel, meist der Gänse, ist in der Literatur allenthalben zu finden. Häufig lassen sich Vogeldarstellungen allgemein entweder den Wasservögeln oder den Raubvögeln zuordnen. Bei den Bildsteinen handelt es sich fast ausschließlich um Darstellungen von Wasservögeln. Es gibt zwei Ausnahmen: eine Vogeldarstellung, die als Raubvogel bezeichnet wird (Nr. 67), und eine weitere, die Lindqvist als Ornamentmotiv mit rein flächenfüllendem Zweck beschreibt216 (Nr.  70). Interessant ist, dass hier also eine Einteilung in Symbol- und Ornamentcharakter vorgenommen wird, die aber nicht weiter begründet wird. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die eine Darstellungsweise von Vögeln (zum Beispiel als Wasservögel) eher Symbolcharakter aufweisen sollte, als eine andere.

Vögel nehmen von alters her eine besondere Rolle im Mythos ein, da ihnen nicht zuletzt durch die Möglichkeit zum Fliegen Fähigkeiten zugeschrieben werden, die Menschen nicht nachahmen können211. Sie können sich in einem Lebensraum bewegen, der den Menschen verschlossen ist. Somit treten sie als den Menschen unterstützende und beschützende, warnende und vermittelnd tätige Wesen in Erscheinung. In Symbolik und Mythologie sind sie überwiegend positiv besetzt212. Ein Beispiel für eine gemalte Vogeldarstellung des Jungpaläolithikum findet sich in der Höhle von Lascaux213. Wie oben bereits thematisiert wird dem Schamanismus bzw. dem Vorkommen schamanistischer Aspekte in der Vor- und Frühgeschichte eine große räumliche und auch zeitliche Verbreitung zugeschrieben. So wird die Darstellung schamanis211 212 213

214

Im Abschnitt ”Germanic Art and Pagan religion“ (S. 13ff) gibt Gaimster (Gaimster, 1998) einen Einblick in Interpretationen germanischer Kunst im schamanistischen Kontext. 215 Vgl. Eliade, 1989, S. 158. 216 Lindqvist, 1941, S. 89.

Vgl. Eliade, 1989, S. 105f. Vgl. Biedermann, 2004. Siehe Leroi-Gourhan, 1975, Abbildung 329.

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Die Motive der Bildsteine als Symbole

Abbildung 15: Beispiele für Vögel auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Halla Broa VII (Nr. 31), und rechts: När, Rikvide (Nr. 58).

Die Darstellung von Wasservögeln (Gänsen) ist in der skandinavischen und auch mitteleuropäischen Bronzezeit auf Objekten zu finden, die mit spirituellen Themen assoziiert werden. So gibt es die Motivkombination Vogel-SonneBoot, auch Vogel-Sonnenbarken genannt, die ebenfalls als Wasservögel bezeichnet werden217. In der späteren germanischen Mythologie spielt die Gans jedoch nach Aussage Robert Nedomas keine herausragende Rolle218. Eine direkte Verbindung hinsichtlich der Nutzung des Symbols eines Wasservogels bzw. einer Gans zwischen den gotländischen Bildsteinen der Gruppe II und der bronzezeitlichen Funde möchte ich hiermit nicht postulieren, da zum Beispiel das Motiv in Gruppe I überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Die bronzezeitlichen Beispiele sollen lediglich als ein Hinweis auf eine mögliche Bedeutung der Wasservögeldarstellungen verstanden werden.

Pferde, Vierfüßler und Hirsche Bei den unter dieser Überschrift zusammengefassten Motiven erachte ich es für sinnvoll, die zuvor durchgeführte Einzelbetrachtung der Motive zu durchbrechen. Die Bezeichnungen dieser Motive und die Zuweisung zu den jeweiligen Bildsteinen (wie in Kapitel 2 und im Katalog vorgelegt) entstammen der Literatur. Die Zuordnung der bezeichneten Figuren zu den Bildsteinen kann weder bewiesen noch widerlegt werden, weil die Benennung sehr willkürlich erscheint. Eine konkrete Abgrenzung der einzelnen Tierarten ist aufgrund des Aussehens der Motive meist unmöglich. Deshalb ist bei diesen Motivbezeichnungen Vorsicht geboten. Versucht man eine Neubenennung, muss in den meisten Fällen auf die neutrale Bezeichnung ‘Vierfüßler’ ausgewichen werden. Vielleicht können wir eine Aussage zu den Motiven über diese allgemeine Bezeichnung und über die Anordnung und formalen Aspekte der Darstellung gewinnen. In Gruppe I erscheinen diese Figuren immer im antithetischen Paar. In Gruppe II ist diese Regelhaftigkeit aufgelöst. Hier kommen beide Darstellungsweisen, paarig und einzeln, vor. Dies kann aber auf eine Bedeutung dieser Regel für die Bildsteine der Gruppe I und eine einsetzende Vernachlässigung derselben hinweisen.

Eine in der Literatur vorzufindene Assoziation zum Auftreten der Gänse auf den gotländischen Bildsteinen der Gruppe II ist der Verweis auf Vogelbeigaben in vendelzeitlichen Gräbern. Ellmers führt aus, dass es sich bei dem Dargestellten um Opfertiere handeln müsste, da es sich bei den Gräbern beigegebenen Vögeln ebenfalls um Gänse handele219. Dagegen ist einzuwenden: Die beigegebenen Vögel sind nicht ausschließlich Gänse, und die Vielfalt der Vogelarten in Grabbeigaben macht nicht automatisch die Gans zum Opfertier. Selbst wenn diese Deutung akzeptiert würde, bleibt die Frage im Raum, warum sind Vögel und in diesem Fall im besonderen Gänse im Grabzusammenhang aufzufinden? Ist die Beigabe bzw. die Opferung eines Vogels in einem ‘nichtsymbolhaften’ Sinne220 zu verstehen oder kommt ebenfalls eine symbolische Bedeutung des Vogels hierbei zum Tragen?

Dennoch sollen alle in der Literatur verwendeten Bezeichnungen der Figuren hier diskutiert und mögliche Bedeutungen aufgezeigt werden. Durch eine Beschränkung ausschließlich auf den allgemeinen Namen ‘Vierfüßler’ wird das Analysieren potentieller Bedeutungen erschwert. Auch wenn die Zuordnung der Motive zu den Bildsteinen willkürlich erscheint, so kann doch im Zusammenspiel der Bedeutungen der hier zur Diskussion stehenden Tiere eine Annäherung an die Symbolinhalte ermöglicht werden. Es besteht auch die Möglichkeit, dass dieses Deutungsproblem nicht ausschließlich in unserer heutigen Inkompetenz liegt, die Tierart in den Motiven der Bildsteine zweifelsfrei zu erkennen, vielleicht sind diese schon bei der Entstehung gar nicht als ein real existierendes Tier gemeint gewesen.

217

Vgl. Gelling und Ellis Davidson, 1969, S. 174ff.; Weber, 1992, S. 130; Kaul, S. 64ff. 218 Vgl. Nedoma, 1998, S. 433. 219 Siehe Elmers, S. 350, im Vergleich zu Müller-Wille, 1970, S. 64f. und Stolpe, 1927. 220 Hierbei sind zahlreiche Möglichkeiten denkbar. Als Beispiel sei genannt, dass der Verstorbene in der Beizjagd tätig gewesen sein könnte. Vgl. Müller-Wille, 1970, S. 64.

53

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Dieses Phänomen ist in Bezug auf die Deutung des germanischen Stiles II221 und im Speziellen für die Motivik von Brakteaten und Fibeln in der Literatur diskutiert worden. Zur Frage der Bezeichnung der vierfüßigen Tierdarstellungen auf Brakteaten ist bei Anne Monikander zu lesen: [...] the most frequently depicted animal on them is a big, horned, horselike beast. This animal has been interpreted as a billy-goat, a bull, a horse or a combination of them all. Most scholars seem to think that the horse is the most plausible beast, [...]222 Nach dieser Beschreibung handelt es sich ebenfalls um ein schlankes Huftier, welches nicht näher defininiert werden kann, sondern von den Bearbeitern als eines der genannten Tiere benannt wird. Somit beginnt die Interpretation bereits bei der Benennung des Motivs. Auch Heiko Steuer berichtet in Bezug auf die Motivik elbgermanischer Fibeln in der Römischen Kaiserzeit, dass oft nicht zu entscheiden sei, welches Tier dargestellt ist, und bietet eine noch größere Auswahl an möglichen Tieren: Eber, Hirsch, Bär, Hase, Wolf223. Für andere Objektgruppen ist die Problematik der Zuweisung einer Darstellung zur Tierart bereits erkannt und benannt worden, für die gotländischen Bildsteine scheint dies bisher nicht der Fall zu sein.

Eine hervorzuhebende, zumindest als irreführend zu bezeichnende Benennung eines Figurenpaares ist auf dem Bildstein Garda, Kirche (Nr. 18), der Gruppe I zu finden. Die in der Literatur als Pferde bezeichneten Figuren weisen starke Merkmale des Motivs des ‘zurückblickenden Vierfüßlers’ auf. Sodass im weiteren Verlauf auch das Motiv des zurückblickenden Vierfüßlers zu thematisieren sein wird, obwohl diese Bezeichnung in der Literatur nicht zu finden ist. Die Motivkategorie der Vierfüßler weist eine interpretative Nähe zu der Figur des Hirsches auf. Die als Hirsch oder Elch bezeichneten Figuren auf den gotländischen Bildsteinen weisen deutliche Merkmale (erkennbare Geweihe) auf und sind alle auf Bildsteinen der Gruppe II zu finden. Dass sich jedoch unter denen als Pferde oder Vierfüßler bezeichneten Figuren Exemplare befinden, die als Hirsch bzw. Hirschkuh225 gemeint waren, ist nicht auszuschließen226. Deshalb gehört die Erörterung der möglichen Bedeutungen der Hirschfiguren ebenfalls in diesen Abschnitt. Die Benennung ‘Tierfigur’ kommt nur bei dem Bildstein Stenkyrka, Kirche V (Nr. 68), der Gruppe II vor. Allerdings kann auf dem Stein keine Tierfigur mehr erkannt werden. Die Schauseite erscheint blind. Beim Blick in die Literatur findet sich bei Lindqvist die Aussage, dass es keine deutlich erkennbaren Figuren außer Kanten- und Querborten mehr gibt227. Nylén und Lamm hingegen verzeichnen in ihrem Katalog zu den gotländischen Bildsteinen (bei beiden hier zugrundeliegenden Auflagen) für diesen Stein eine Tierfigur228. Da mir keine Aussage über die Gestaltung dieser Tierfigur vorliegt, kann diese hier auch nicht diskutiert werden. Allgemeine Aussagen und Gedanken zu Tiermotiven sind weiter oben bereits angeführt worden.

Die Gruppe der Pferdedarstellungen weist eine sehr große Variationsvielfalt auf. Teilweise weisen die dargestellten Pferde auch Attribute einer phantastischen oder mythischen Gestalt auf. Anhand dieses Phänomens zeigt sich ein weiteres Problem, hinsichtlich der Bestimmung der Figuren: Die neuzeitliche Bemalung der Bildsteine stellt eine weitere Interpretation dar. Die auf den Bildsteinen vorhandenen Reste der Ritzungen müssen von den Bearbeitenden zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden und werden somit bereits in diesem Stadium interpretiert. Elemente können ohne verfälschende Absicht hinzugefügt oder weggelassen werden, weil womöglich ein Teil des Steines mehr beschädigt ist oder einige Details weniger tief eingeritzt waren als andere. So können zum Beispiel ursprünglich dargestellte Reiter zu Flügeln werden und aus dem Reitermotiv wird ein Pferd mit phantastischen oder mythischen Merkmalen224. Beachtung sollte hier auch die Tatsache finden, dass die Bildsteine zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Motiven versehen worden sein können. So kann ein Motiv auch schon von den damaligen ‘Nutzern’ verändert worden sein. Das Hervorheben von Details oder nachträgliche Veränderungen durch Bemalung ist wahrscheinlich, kann aber heute nicht mehr rekonstruiert werden.

Als Konsequenz aus den angeführten Erläuterungen werden im Folgenden die Figurenbezeichnungen der Literatur aufgegriffen und die Bedeutungen der Darstellungen von Pferden, Vierfüßlern und Hirschen/Elchen diskutiert. Unter Vierfüßlern werden wie bereits erwähnt auch ‘zurückblickende Vierfüßler’ thematisiert.

225

Besonders im Kontext von Motivdeutungen wird häufig der Begriff Hinde oder Hindin verwendet, welches veraltete Begriffe für eine Hirschkuh darstellen, vgl. Grimm, 1877, S. 1407 und S. 1412. 226 Es könnte auch eine Hybridation real exisitierender Tierarten zu fabeltierartigen Mischwesen vorliegen, s. o. 227 Lindqvist, 1942, S. 116f. 228 Nylén und Lamm, 1991, S. 196, und Nylén und Lamm, 2003, S. 193.

221

Roth spricht explizit davon, dass alle Versuche einer inhaltlichen Deutung abhängig sind von der Frage nach der Ansprechbarkeit der Figuren, siehe Roth, 1986, S. 111. 222 Monikander, 2006, S. 151. 223 Steuer, 1999b, S. 592. 224 Siehe hierzu zum Beispiel Arrhenius und Holmqvist, 1960.

54

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Aus der bronzezeitlichen ‘Religion’ ist die Vorstellung bekannt, dass das Pferd als Zugtier für die Sonne zum Einsatz kommt, um den täglichen Ablauf von Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht zu gewährleisten236. Aber es stellt sich erneut die Frage, ob es legitim ist, diese Vorstellungen hier hinsichtlich der Pferdedarstellungen einfließen zu lassen. Die Pferde stehen nicht direkt im funktionalen Zusammenhang mit der Sonne, so wie es von den Motiven der Nordischen Bronzezeit bekannt ist. Dennoch könnte den Tierfigurenpaaren auf den Bildsteinen der Gruppe I eine Rolle zukommen, die mit dem gemeinsamen Erscheinen mit der Scheibenmotivik zu tun hat.

Pferde Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 3, 18, 24, 36, 44, 76, 87 Es besteht eine besondere Verbindung zwischen Pferden und Menschen. Pferde können neben anderen Attributen auch mit dem Wunsch des Menschen nach einem ‘Lebensbegleiter’ assoziiert werden. Hier kann von einer Bedeutung des Pferdes als ‘Begleittier’ gesprochen werden229. The horse continues to be a symbol of great religious significance throughout the pagan period. Davidson, 1969, S. 167 Dass Pferde eine besondere Rolle im spirituellen Leben oder in religiösen Vorstellungen gespielt haben, kann anhand der zahlreichen Pferdeopfer, -beigaben und -bestattungen in der Vor- und Frühgeschichte belegt werden. Als Beispiel kann die Opferung zahlreicher Pferde – es wurden über 7000 Pferdeknochen gefunden – und anderer Tiere in Skedemosse, Öland, genannt werden230. Eine große Anzahl von Pferdeopfern ist ebenfalls für die Völkerwanderungszeit in Schweden nachzuweisen, Pferdebeigaben in Gräbern zum Beispiel in Valsgärde und Vendel für das vendelzeitliche Schweden231. Das Pferd ist als das herausragendste Tier im archäologischen Befund für das Skandinavien des 3.–10. Jahrhunderts zu bezeichnen232.

Gruppe I Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 18, 24, 44, 87 Siehe Abbildung 16.

Die Anordnung erfolgt auf den Bildsteinen der Gruppe I immer als opponierendes Paar. Hier geht die Bedeutungsdimension jedoch über die konzeptionelle Frage nach der beabsichtigt gewählten Anzahl der Figuren hinaus, da die Tiere nicht nur als antithetisch, sondern als opponierend beschrieben werden. Zu der Doppelung bzw. Spiegelung der Figur kommt also scheinbar ein Attribut der Konkurrenz, der Gegnerschaft oder des Kampfes hinzu. In der Literatur ist unter Verweis auf den Bildstein von Häggeby, Uppland, meist von einer Pferdehatz oder einem rituellen Pferdekampf die Rede237. Von Nylén und Lamm wird die Interpretation der Pferdehatz ebenfalls aufgegriffen, jedoch die Deutung des Bildinhalts um eine weitere Bedeutungsebene ergänzt: Sie definieren diese Darstellung nicht als bloße Wiedergabe des Pferdehatz-Vorgangs, sondern sehen die Möglichkeit eines mythischen Streits zwischen zwei konzeptuellen Mächten, wie zum Beispiel Gut und Böse, Hell und Dunkel. Dieser Vorschlag soll hier aufgegriffen und ausgeführt werden. Eliade stellt heraus, dass Streitigkeiten, Konflikte und Kriege meistens einen rituellen Grund und eine rituelle Funktion hätten238. Sie würden immer eine Zurückbesinnung oder Wiederholung eines kosmischen und göttlichen Dramas beinhalten. Eliade geht soweit zu sagen, dass rituelle Kämpfe zwischen zwei Gruppen den kosmogonischen Augenblick

Das Vorkommen des Pferdes in der Begräbnissitte kann auf mehrere Bedeutungsebenen hinweisen. Ähnlich wie bei der weiter oben diskutierten multidimensionalen Symbolik des Schiffes in den Bestattungsriten233, kommen auch bei dem Pferd verschiedene Symbolebenen zum Tragen. Zunächst kommt die herausragende Verbindung zwischen Menschen und Pferden zum Ausdruck. Pferdebesitz war in der Vorund Frühgeschichte in Mittel- und Nordeuropa schon aus finanziellen Gründen priviligierten Personen vorbehalten234. Die Möglichkeit einer besonderen Rolle oder Funktion des Pferdes beim Übergang des Verstorbenen in das Jenseits kann ebenso als Begründung angeführt werden. Im Schamanismus kommt es vor, dass das Pferd als Totentier bezeichnet wird. Es vollzieht das Durchbrechen der Ebenen und ermöglicht durch das Tragen des Verstorbenen zum Begräbnis den Übertritt in die andere Welt235.

229

Reichstein erläutert die besondere Stellung des Pferdes, dessen Verhältnis zum Menschen nur noch mit dem zum Hund verglichen werden kann, und nennt das Pferd einen ‘Kamerad’ des Menschen; vgl. Reichstein, 2003, S. 31. 230 Vgl. Boessneck, von den Driesch-Karpf und Gejvall, 1968. 231 Müller-Wille, 1972, S. 180ff.; Gelling und Davidson, 1969, S. 167ff. 232 Jennbert, 2006, S. 138. 233 Siehe oben zu den Schiffsmotiven. 234 Reichstein, 2003, S. 31; Steuer, 2003, S. 52ff. 235 Eliade, 1994, S. 431.

236

Bekanntestes Beispiel hierfür ist wohl der Sonnenwagen von Trundholm, aber auch zahlreiche Felsritzungen aus Bohuslän; vgl. Bing, 1934; Kaul, 2004b; Hygen und Bengtsson, 2000. 237 Vgl. Gelling und Davidson, 1969, S. 167f.; Holmqvist, 1952, S. 12. Eine Abbildung des Steines von Häggeby findet sich zum Beispiel bei Nylén und Lamm, 1991, S. 155. 238 Eliade, 1994, S. 42.

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 16: Beispiele für Pferde (nach Bezeichnung der Literatur) auf Bildsteinen der Gruppe I243. Links: Garda 124:6, Kirche 1 (Nr. 18), und rechts: Hellvi, Ire 7 (Nr. 44).

Abbildung 17: Beispiele für Pferde auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Halla Broa XV (Nr. 36) und rechts: Stenkyrka, Lillbjärs IX (Nr. 76) nach Lindqvist, 1941, Abbildung 63.

des Kampfes reaktualisieren, d. h. er scheint unerlässlich für das Weiterbestehen der Welt. Im rituellen Jahresablauf müssen Teile des kosmogonischen Mythos reaktualisiert werden, sonst kann der Mythos keine Substanz mehr besitzen. Die rituelle Handlung in der Jetztzeit nimmt Einfluss auf das Geschehen in der mythischen Urzeit239. Eliade betont, dass das Duell in keinem Fall durch rationalistische Motive erklärbar ist. Es geht also nicht darum, einen Vergleich mit der Pferdehatz rundweg abzulehnen, jedoch greift es zu kurz, das Symbol der opponierenden Pferde auf die Darstellung eines Volkssports240 zu reduzieren. Auch der mögliche Grund, das würdigste Opfertier damit ausfindig zu machen241, vernachlässigt den eigentlichen Kern der Auseinandersetzung: sie ist notwendig, um die Welt weiterbestehen zu lassen, und hätte ohne diese gar nicht entstehen können.

Eine Besonderheit in der Frage nach den dargestellten pferdeähnlichen Figuren stellt der Bildstein von Vallstena, Vallstenarum I (Nr. 87), dar. Die Verzierung dieses Bildsteines wird von Lindqvist mit zurückblickenden Vierfüßlern rekonstruiert, die er nicht näher, sondern lediglich als Tierfiguren beschreibt244. Arrhenius und Holmqvist revidieren diese Rekonstruktion und fortan ist der Bildstein mit vorwärtsblickenden Tieren, die von den beiden Autoren als Pferde bezeichnet werden und auf deren Rücken auch Reiter angedeutet worden sind, verziert. Der Bildstein ist im Statens Historiska Museet Stockholm mit dieser revidierten Verzierung in der Ausstellung zu sehen245. Zahlreiche Autoren – auch Nylén und Lamm in der neuesten Auflage von „Bildstenar“ aus dem Jahr 2003 – verwenden weiterhin die Abbildung nach Lindqvist. Im besagten Katalog werden die Figuren aber als Pferde (jedoch nicht als Pferde mit Reiter) beschrieben. Hier, allein an diesem einen Bildstein, ist dasoffenbare Dilemma von Rekonstruktion und Benennung der Motivik, welches besonders die vierfüßigen Tierfiguren betrifft, voll ausgeprägt.

Ein Umstand, der in der Literatur bisher wenig Beachtung findet, ist die Darstellung der Pferde mit Hörnern bzw. Hörnerschmuck. Bei Holmqvist findet sich der Hinweis, dass Stier- oder Widderhörner ein Kennzeichen von Himmelsgottheiten seien und dass diese mit der Mondsichel gleichbedeutend sein könnten242. Allerdings ist die Herleitung dieser Bedeutung von ägyptischen und orientalischen Quellen als problematisch zu betrachten und bekräftigt somit, dass diese Hörner- oder Mondsichelattribute bedeutungsvolle Applikationen zusätzlich zur Pferdesymbolik darstellen, jedoch bisher nicht erschöpfend diskutiert wurden.

243

Hier kommt es tatsächlich zu der bereits oben erwähnten Irritation in der Benennung der Motivik. Die in der Abbildung links zu sehenden Pferde, weisen Merkmale der zurückblickenden Vierfüßler auf. Die Figuren rechts können zwar von der Körpergestaltung als Pferde identifiziert werden, weisen aber Hörner oder einen hörnerähnlichen Kopfschmuck auf. 244 Lindqvist, 1941, Fig. 16, und Lindqvist, 1942, S. 139. 245 Die Abbildung im Katalog (Nr. 87) ist eine Fotografie des Steines und wurde im November 2008 in Stockholm von mir aufgenommen. Arrhenius und Holmqvist, 1960, S. 174ff.

239

Eliade, 1994, S. 42ff. und S. 82. Diesen Begriff verwenden Nylén und Lamm, 1991, S. 26. 241 Vgl. Nylén und Lamm, 1991, S. 26; Gelling und Davidson, 1969, S. 167. 242 Vgl. Holmqvist, 1986, S. 373ff. 240

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Die Motive der Bildsteine als Symbole

Abbildung 18: Beispiele für Hirsche/Elche auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Endre, Endre Wald (Nr. 11), und rechts: Kräklingbo, Smiss IV (Nr. 46).

In der germanischen Kleinkunst kommen Darstellungen von Hirschen oder Hirschkühen247 vor, scheinen jedoch laut Steuer keine dominante Rolle gespielt zu haben248. Von einer kultischen, mythischen Bedeutung des Hirsches ist auszugehen, weil Teile von Geweihen oder vollständige Geweihe in Gräbern deponiert wurden. Eine Besonderheit stellt die Vorstellung des ‘Hirsches als Jagdhelfer’ dar. Hierdurch verweist das Symbol des Hirsches auf die Jagd und den Menschen als Jäger. Es bedeutet andererseits eine Hinwendung zum Hirsch als Symbol für Wohlstand und könnte somit ähnlich dem des Pferdes auch als Statussymbol im Grabzusammenhang gelesen werden. Fraglich ist, ob es sich bei diesen Funden um Grabbeigaben oder Opferungen handelt. Im Falle von Opferungen würde dies die Aussage bezüglich individuellen Wohlstands vermutlich zu einer Aussage bezogen auf den Wohlstand einer Gruppe verschieben. Die Jagd mit Wildtieren müsste dennoch als Hinweis auf einen gehobenen Lebensstil gedeutet werden249. Ein Opfergrab eines geschirrten Hirsches gemeinsam mit drei Pferden ist auf dem Rullstorfer Gräberfeld nachgewiesen worden und wird in der Literatur nicht als Individualbeigabe, sondern als Zeichen für einen egalitären Gruppenkontext gedeutet250.

Gruppe II Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe II mit den Katalognummern: 3, 36, 76 Siehe Abbildung 17.

Die Pferdedarstellungen der Bildsteine in Gruppe II unterscheiden sich sehr gegenüber der vorherigen. Bei zwei von drei Bildsteinen liegt nur jeweils die Verzierung mit einem Pferd vor, welches die gesamte Breite der Bildfläche des Steines einnimmt (siehe Abbildung 17). Der dritte eine Pferdeabbildung tragende Bildstein der Gruppe II könnte einst opponierende Pferdefiguren gezeigt haben. Hierbei handelt es sich um den Stein Alva Änge (Nr. 3) welcher auf der linken Bildhäfte noch Reste einer Pferdedarstellung aufweist; die Anordnung lässt eine antithetische Figur auf der rechten Seite vermuten. Pferdefiguren erscheinen also nicht mehr in der strikten Anordnungsregel der Gruppe I, sie können auch einzeln dargestellt werden. Fraglich ist, ob deshalb ein Bedeutungswandel zu postulieren ist oder die Bedeutung des Pferdesymbols auch ohne die Doppelung automatisch in der bekannten Weise gelesen wurde.

Römische Schriftquellen berichten von Elchen in germanischen Wäldern251. Die Siedlungsgebiete des Elches wurden jedoch in den folgenden Jahrhunderten stetig in den Norden gedrängt. In Brandenburg waren Elche noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts vertreten. Jetzt ist der europäische Elch (alces alces) vorwiegend auf Skandinavien, das Baltikum und russisches Gebiet beschränkt. Aufgrund der größeren Verbreitung und Population des Elches könnte ihm auch eine bedeutendere Rolle in symbolischen Darstellungen der Vor- und Frühgeschichte zugekommen sein. In der Felskunst und den vorliegenden Darstellungen auf Bildsteinen ist die Unterscheidung von Elch und Hirsch nicht leicht zu treffen. Auch auf nordskandinavischen Felsbildern des Neolithikums

Hirsche/Elche Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 11, 46, 93 Hirsche stellen wichtige Symboltiere der altweltlichen Kulturen dar. Der Hirsch gilt wegen seines sich periodisch erneuernden Geweihes als Symbol des sich regelmäßig verjüngenden Lebens, der Neugeburt und der Zeitläufe. Er steht für Wohlergehen und Reichtum, für Schnelligkeit, Fruchtbarkeit und Lebenserneuerung, ist Sinnbild des Lichtes und wurde zum göttlichen Attribut oder selbst zur Verkörperung einer Gottheit246.

246

247

In der Literatur werden diese oft als Hinde oder Hindin bezeichnet. Steuer, 1999b, S. 592. 249 Vgl. Steuer, 1999b, S. 593. 250 Grab 1634 des Rullstorfer Gräberfeldes (Niedersachsen) mit einem geschirrten Hirschen gilt als Erstbefund dieser Art in Deutschland. Das Opfergrab ist in das 7.-8. Jahrhundert zu datieren. Gebers, 2004, S. 47ff. 251 U. a. Caesar: Bellum Gallicum, Lib. VI, 27. 248

Vgl. Biedermann, 2004.

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

und südskandinavischen Felsritzungen der Bronzezeit sind Cerviden dargestellt. Im Bereich der finnischen Felsbilder wurde über Vergleiche mit ethnohistorischen Daten jedoch eine starke Bedeutung des Elches herausgearbeitet, sodass hierbei von der Darstellung von Elchen ausgegangen wird. In der Theologischen Realenzyklopädie ist gar von einer zentralen Rolle des Elches in der prächristlichen Religion im Bereich des heutigen Finnlands die Rede252.

bis heute in zwei unterschiedlichen Varianten in der Literatur abgebildet wird. Bevor die Bemalung revidiert und neu rekonstruiert wurde, waren ebenfalls zwei zurückblickende Tiere auf dem Bildstein zu sehen. Erste Darstellungen von zurückblickenden Tieren sind uns bereits aus dem Paläolithikum erhalten, zum Beispiel aus der Höhle mit jungpaläolithischen Malereien von Altamira254. Gustav Behrens weist auf die verschiedenen Typen der Darstellungen hin, nämlich ob sie einzeln, paarweise oder in Gruppe auftreten. Hierbei ist festzustellen, dass die Tiere in der paläolithischen Kunst nie paarweise auftreten, was Behrens mit einer Nähe zur Naturwahrheit charakterisiert. Er spricht von einem sich daran anschließenden Hiatus dieses Motivs in Mitteleuropa bis zur Latènezeit und einem Erstarken in der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit255. Helmut Roth bezeichnet u. a. die Darstellung von Tieren mit zurückgewendetem Kopf als Hauptcharakteristikum der figürlichen Kunst des 3. Jahrhunderts256. Einen universelleren Charakter hat die Aussage Klein-Pfeuffers, dass es sich offenbar um ein mit magischen Kräften behaftetes Tier handelt, welches in verschiedenen Zeiten und Kulturen als eine Art Ursymbol immer wieder auftritt257.

Darstellungen, die als Elche oder Hirsche angesprochen werden, kommen nur auf Bildsteinen der Gruppe II vor. Siehe Abbildung 18.

Vierfüßler Vorkommen auf den Bildsteinen mit der Katalognummer: 13, 30, (68 - Erläuterung s. o.) 90 Die Bezeichnung der Darstellungen als Vierfüßler bringt das Dilemma der Nichtdefinierbarkeit der Figuren zum Ausdruck. Die Figuren der gotländischen Bildsteine, die als Vierfüßler bezeichnet werden, weisen folgende Merkmale auf: Sie sind recht schlank und haben lange Beine, erinnern vom Körperbau an Pferde (Equidae) oder Hirsche (Cervidae), weisen jedoch auch gelegentlich phantastische Elemente auf. Es könnte also auch eine Kombination, ein Phantasie- oder Fabeltier sein, welches die Eigenschaften der voran genannten vereint oder in anderer Weise kombiniert.

Verbindungen zwischen diesem Motiv und dem der Hirschkuh werden ebenfalls in der Literatur herausgestellt. Hierbei kommt es zur Bezeichnung des zurückblickenden Vierfüßlers als ‘Wandermotiv’, dabei wird ein Bogen von der Motivik des Orients bis zur christlichen Kunst Skandinaviens258 geschlagen. Ob eine derartige Zuweisung für das bei zum Beispiel bei Ruth Blankenfeldt259 genannte Stück – ein Pressblech aus Skedemose – legitim ist, bleibt zweifelhaft; eine inhaltliche Verbindung zwischen den Beispielen und ein Hinweis, welche Bedeutung diesem Motiv zugesprochen wurde, wird nicht expliziert.

Der Begriff Vierfüßler kommt häufig in der Beschreibung völkerwanderungszeitlicher Kunst und besonders in der germanischen Tierornamentik vor, kann dort aber auch zum Beispiel Löwen oder Hasen meinen253. Bei den gotländischen Bildsteinen sind die Figurenmerkmale nicht derart variabel. Gemeinsam ist diesen Figuren aber eine generelle Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, die Tiere exakt zu bestimmen. Die Benennung der Figuren auf gotländischen Bildsteinen könnte auf die Tradition der genannten Forschungsbereiche zurückzuführen sein, weist aber, wie in den vorherigen Abschnitten schon häufiger angemerkt, eine starke Uneinheitlichkeit auf.

Gruppe I Vorkommen auf dem Bildstein der Gruppe I mit der Katalognummer: 90

Im Folgenden werden die ‘zurückblickenden Vierfüßler’ besprochen, da auf dem Bildstein Garda 124:6; Kirche 1 (Nr. 18, siehe Abbildung 16 links), der Gruppe I zwei Figuren in der Literatur als Pferde benannt wurden, dabei aber deutliche Merkmale der ‘zurückblickenden Vierfüßler’ aufweisen. Des Weiteren wäre noch der bereits oben erwähnte ‘revidierte’ Bildstein Vallstena, Vallstenarum (Nr. 87), zu nennen, der

Siehe Abbildung 19.

254 255 256

252

257

Vgl. Núñez, 1995, S. 125ff, Erä-Esko, 1958, S. 16ff, Theologische Realenzyklopädie, Bd. 11, S. 180. 253 Vgl. Roth, 1979; Haselhoff, 1986, S. 82f.

258 259

58

Vgl. Behrens, 1952, S. 27f.; Breuil, 1935, S. 33f und Plate XXXI. Behrens, 1952, S. 42f. Vgl. Roth, 1979, S. 45. Klein-Pfeuffer, 1993, S. 167. Zum Beispiel Blankenfeldt, 2007, S. 103. Blankenfeld, 2007.

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Abbildung 19: Beispiele für Vierfüßler auf Bildsteinen der Gruppe I. Beide Abbildungen vom Bildstein Väskinde 120, Kirche 5 (Nr. 90), links oberhalb und rechts unterhalb des Scheibenmotivs.

Abbildung 20: Beispiele für Vierfüßler auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Eskelhem, Larsarve II (Nr. 13), und rechts: Halla, Broa I (Nr. 30).

stellung von Vierfüßlern oder Pferden bezogen werden, sondern greift das Thema der ‘Doppelung’ im Allgemeinen auf. Wie bereits zu sehen war und im weiteren Verlauf zu zeigen sein wird, findet sich die bedeutungsvolle Doppelung von Symbolen auch bei weiteren Darstellungen.

Gruppe II Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe II mit den Katalognummern: 13, 30, (68) Siehe Abbildung 20.

Auffallend ist bei diesen Figuren erneut die Möglichkeit der bedeutungsvollen Anzahl des Motivs. Die Pferde oder Vierfüßler sind in Gruppe I immer in Doppelung auf den Bildsteinen abgebildet. Fraglich ist, ob die Betonung bei dieser Anordnungsregel in der Opponenz oder in der Doppelung liegt. Ist es wichtig, dass die Tiere konkurrieren, oder ist es ein Hinweis auf die Zahl ‘Zwei’ (die Vielheit, das nicht Absolute oder ein Dualismus) im Gegensatz zur solitären Darstellung der Zentralen Scheibenmotive (‘das Eine’, Absolute)?

Schlangen/Drachen

Ein weitreichender Überblick über die Verwendung von gedoppelten Figuren, die in entgegengesetze Richtung blickend oder sich opponierend dargestellt sind, ist Golan zu entnehmen. Er bringt diese Figuren in Zusammenhang mit den ‘Zwillingen’ und versteht diese in einer Figur als Repräsentation des Janus260. Dies ist von besonderem Interesse, da Janus mit den dualen Vorstellungen des Jahreslaufs und Sonnenstands zu verbinden ist. Und in diesen Zusammenhang gehört auch der Gedanke von der Reise der Sonne, die zuvor im Bezug auf die Tages- und Nachtreise angesprochen wurde. Dieses Mal bezogen auf die duale Vorstellung des Jahreslaufs mit den Fixpunkten der Sommer- und Wintersonnenwende. Diese Interpretation kann nicht nur auf die doppelte Dar-

Schlangen

260

261

Schlangen und Drachen stehen sich in ihrer symbolischen Bedeutung und in ihrer Rolle in Mythen sehr nahe. Für die nordische Mythologie kann gesagt werden, dass eine Unterscheidung zwischen Schlangen und Drachen unmöglich ist261. Dennoch werden diese beiden Figuren im Folgenden getrennt voneinander erörtert.

Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 7, 11, 25, 60, 63, 64 Der Schlange als Symboltier haftet eine große Ambivalenz an. Sie ist Symbol der Schöpfungskraft und der periodischen Erneuerung durch ihre Fähigkeit zur Häutung. Jedoch wird sie auch als Symbol der Unterwelt und des Totenreichs aufgefasst, wohl wegen ihrer Lebensweise in Erdlöchern und im Verborgenen. Die Schlange kann sowohl ein gütiges, weises, wissenbringendes als auch ein todbringendes Geschöpf darstellen. Tod und Leben sind in dieser Tiergestalt auf einzig-

Golan, 2003, S. 328ff.

59

Simek, 2004, S. 144.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

auch lediglich als S- oder spiralförmig bezeichnet268. Damit ist die Nähe der Schlangensymbolik zur Spirale angedeutet, die sich auch in der Beschreibung der Bedeutungen dieser beiden Symbole wiederfindet.

artige Weise symbolisch angedeutet, sodass der Schlange von den meisten Kulturen ein besonderer Charakter oder eine Position in Mythen zugesprochen wurde262. No animal species has played a more important role universally in religion, mythology and folklore than the serpent. Gräslund, 2006, S. 126

Von einer Verminderung der Schlangendarstellungen zur Eisenzeit hin ist in der Literatur zu lesen und auch von der Hypothese, dies könne mit der Verdrängung der realen Schlangen Richtung Süden aufgrund von Klimaveränderungen einhergehen269. Diese Theorie soll hier mit größerer Vorsicht erwähnt werden, in vermeintlicher Diskrepanz zu diesen Ausführungen ist durch die Literatur zu bestätigen, dass Schlangen und Drachen beliebte Dekorationselemente der Völkerwanderungs-, Vendel- und Wikingerzeit darstellen270.

Als eine Besonderheit oder eine ‘Steigerung’ ihrer Bedeutung das Uroboros-Symbol zu nennen: eine sich in den Schwanz beißende Schlange, die dadurch mit ihrem Körper einen Kreis bildet. Dieses steht in Zusammenhang mit den Begriffen der Ewigkeit, aber auch der ‘uranfänglichen Einheit’263. Auf den gotländischen Bildsteinen kommt diese Ausprägung der Schlangendarstellung nicht vor.

Die eisenzeitliche und mittelalterliche Befestigung Eketorp auf Öland ist Fundort zahlreicher Schlangenknochen, teilweise in scheinbaren ‘Ansammlungen’. Es ist von natürlichen Ansammlungen der Schlangenüberreste auszugehen271. Hierdurch wird jedoch deutlich, dass es ein gehäuftes Aufkommen von Schlangen auch im skandinavischen Bereich zur Eisenzeit gegeben haben kann. Die Ostseeinseln Öland und Gotland verfügen über ähnliche klimatische Gegebenheiten, die ein lokales und für Schweden häufiges Vorkommen von Schlangen in Gotland nicht völlig unwahrscheinlich machen.

Einen Hinweis auf eine Symbolisierung der ‘uranfänglichen Einheit’ finden wir aber auch hinsichtlich des Schlangensymbols, unabhängig vom Uroboros. Eliade spricht davon, dass die Schlange fast überall das symbolisiert, was noch latent ist, undifferenziert und ungestaltet264. Er erwähnt dies im Kontext der Reaktualisierung des Mythos, und die Schlange erscheint ihm als Symbolwesen hierfür prädestiniert. Es gibt zahlreiche Beispiele für eine Schlangengottheit als Schöpferin der Welt265. Im Baltikum gibt es Anzeichen für eine starke Schlangenverehrung. Marija Gimbutas postuliert für dieses Gebiet eine Tradierung von Vorstellungen mythischer oder göttlicher Wesen alteuropäischer Kulturen bis in das 20. Jahrhundert. Sie berichtet von verschiedenen Gottheiten, deren Erscheinungsbild das der Schlange ist, und von Gottheiten mit Schlangenattributen. Ihre Ausführungen beziehen sich vorwiegend auf Litauen. Auch reale Schlangen seien dort von den Menschen meist nicht getötet worden, da dies das Glück der Familie gefährden könnte. Schlangen stellten Haus- oder Familiengottheiten dar, die der Sippe Fruchtbarkeit, Gesundheit und Wohlhabenheit sicherten266. Diese Zuschreibung ist auch in Literatur über den skandinavischen Raum zu finden267.

Die bereits oben erwähnten Berichte von Schlangenverehrung im skandinavischen Raum werden unter anderem in Zusammenhang gestellt mit Funden von Schlangenamuletten in Frauengräbern der Wikingerzeit aus Birka und weiteren Schlangenanhängern mit deutlich amuletthaftem Charakter, die in Norwegen, Dänemark, England und Irland gefunden wurden272.

Gruppe I Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 7, 25, 63

Als Beispiele für Schlangendarstellungen in der Jüngeren Nordischen Bronzezeit werden häufig Rasiermesser und Felsbilder genannt, wobei insgesamt auffällig ist, dass in der diesbezüglichen Literatur das Schiffsmotiv viel stärkere Beachtung findet. Die Schlangenornamentik wird hingegen

262 263 264 265 266 267

Siehe Abbildung 21.

268

Simek, 2004, S. 144; Gimbutas, 1996, S. 132; Wegner, 1996, S. 413f.; Kaul, 2004a, S. 60f (auch hier werden die Rasiermesser unter der Überschrift: „Die Sonnenschiffe des Nordens“ behandelt); Capelle,  2008, erwähnt in seiner Auflistung der in bronzezeitlichen, nordeuropäischen Felsbildern vorkommenden Tiere keine Schlangen. 269 Simek, 2004, S. 144. 270 Vgl. Gelling und Ellis Davidson, S. 154, dort gibt Ellis Davidson einen kurzen Abriss zur Verwendung von Schlangenabbildungen dieser Epochen und bezeichnet Schlangen als die Basis wikingerzeitlicher Ornamentik. Als prominentes Beispiel für die Wikingerzeit seien Schlangen auf Runensteinen genannt, vgl. Historisches Museum der Pfalz Speyer, 2008, S. 269. 271 Boessneck, von den Driesch, Stenberger, 1979, S. 361f. 272 Gräslund, 2006, S. 126.

Gimbutas, 1996, S. 121ff.; Vgl. Biedermann, 2004. Lurker, 1983, S. 723f. Eliade, 1994, S. 82. Vgl. Egli, 1982, S. 1969f. Gimbutas, 1991, S. 217ff. Gräslund, 2006, S. 125.

60

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Abbildung 21: Beispiele für Schlangen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Bro 24, Kirche II (Nr.7) – am unteren Rand des Bildes endet auch das Bildsteinfragment – und rechts: Hablingbo, Havor II (Nr. 25).

Abbildung 22: Beispiele für Schlangen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Endre, Endre Wald (Nr. 11), und rechts: När, Smiss 3 (Nr. 60).

Auffallend ist erneut – obwohl die geringe Anzahl der vorliegenden Darstellungen natürlich berücksichtigt werden muss – die Anordnung im opponierenden Paar. Auf dem Bildstein Sanda, Kirche IV (Nr. 63), sind Schlangendarstellungen zu erkennen, die als opponierendes Paar, die dezentralen Scheiben einschließend, unterhalb der zentralen Scheibe vorliegen. Insgesamt erinnert die Gestaltung und auch die Anordnung derjenigen auf dem Bildstein Bro 24, Kirche II (siehe Abbildung 21, links). Bei beiden Bildsteinen befindet sich auch über der zentralen Scheibe ein weiteres Tier, bzw. erneut ein opponierendes Tierpaar welches nicht näher zu bestimmen ist, aber schlangen-/drachenähnliche Attribute aufweist (siehe Katalog).

Drachen Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 39, 43, 54 Wie bereits eingangs erwähnt, stehen Drachen den zuvor besprochenen Schlangen in der Symbolbedeutung sehr nahe. Jedoch können auch Anzeichen einer ‘Genese’ von Schlange zum Drachen aufgefunden werden. Ältere ‘Schichten’ von Mythen und Geschichten enthalten Schlangen (gelegentlich mit Beinen oder Füßen), Flugdrachen erscheinen jedoch erst in späteren Entwicklungen273. Eine Annäherung findet sich auch in den Zuschreibungen der Wesenhaftigkeit des Drachens und der Schlange. Der Drache erscheint als Wesen eines ‘vorzeitlichen Chaos’, welches überwunden werden muss274. Hierbei ist zwar eine andere Konnotation zu erkennen, jedoch scheint dieses Wesen ebenso wie die Schlange mit der ‘Urzeit’ in Zusammenhang zu stehen. Beim Drachen erscheint das Element, dass er vom Menschen überwunden werden muss, stärker ausgeprägt als bei den Schlangen.

Gruppe II Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe II mit den Katalognummern: 11, 60, 64 Siehe Abbildung 22.

To sum up, the dragon has certain characteristics, and they are to watch and to protect, to delimit and to distinguish, to exceed and to transform. Johansen, 1996, S. 88

Besonders hervorzuheben und auch bereits häufig in der Literatur diskutiert ist die Schlangendarstellung auf dem Bildstein När, Smiss 3. Deshalb wird dieser Stein im nächsten Abschnitt unter den Kompositionen der Gruppe II besprochen.

Drachenabbildungen kommen nur auf Bildsteinen der Gruppe I vor. Siehe Abbildung 23. 273 274

61

Egli, 1982, S. 168f. Vgl. Biedermann, 2004, Stichwort Drache.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 23: Beispiele für Drachen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Hangvar, Austers I (Nr. 39), und rechts: Hellvi, Ire IV (Nr. 43).

4.1.4 Menschendarstellungen

Auf den Abbildungen ist zu erkennen, dass es sich um Beispiele von Drachen in einem ‘altmodischen’ Sinne, also eher um Schlangen mit Beinen oder Lindwürmer handelt und nicht um Flugdrachen. Nach Holger Homann erhalten die Drachen das dämonische Element und die Flugfähigkeit erst durch Einflüsse christlichen Gedankenguts275. Dadurch stellt sich auch die Frage, ob Drachendarstellungen früherer Zeiten verkannt werden, da das für uns heute so zentrale Merkmal der Flugfähigkeit fehlt276. Hier für die gotländischen Bildsteine jedoch wurden diese Wesen als Drachen bezeichnet.

Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 6, 14, 39, 50, 53, 60, 69, 87, 91 Die ältesten Darstellungen von Menschen sind erneut bereits für das Jungpaläolithikum nachweisbar. Allerdings stellen weniger als fünf Prozent der jungpaläolithischen Abbildungen Menschen dar279, was angesichts der bekannten Frauenfiguren aus dieser Zeit ein wenig verwundert. Aus den folgenden Zeiten sind Menschenfiguren in unterschiedlicher Häufigkeit nachweisbar. Interessant scheint, dass Menschenfiguren zumeist vorhanden, jedoch nie im Mittelpunkt der künstlerischen Gestaltung standen, dies ist zum Beispiel durchweg für die Felskunst zu beobachten. Dennoch kommt Christoph Huth zu der Einschätzung, dass vorgeschichtliche Menschendarstellungen mit großer Wahrscheinlichkeit Ausdruck religiös-kosmologischer Überzeugungen sind280.

Der Stein von Hangvar, Austers I (siehe Abbildung 23, links), ist häufig mit einer Darstellung der Sigurd-Sage in Zusammenhang gebracht worden277. Gehen wir tatsächlich von einer solchen Bedeutung aus, wäre die Abbildung der älteste Beleg für dieses Thema im nordischen Raum. Ungeklärt bleibt jedoch die Frage, ob es tatsächlich eine Darstellung der Heldensage darstellt. Lindqvist ist in seinen Ausführungen sehr zurückhaltend und beschreibt lediglich ein groteskes Tier und einen Mann und versieht die Aussage, ob dieser gegen das Tier kämpft mit einem Fragezeichen278.

Im Gegensatz dazu betrachtet Lindqvist die Menschendarstellungen als das gewöhnlichste von allen Motiven281 und unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung der Tracht zu den Entstehungszeiten der Bildsteine. Folglich beschreibt er die Darstellungen auf den Bildsteinen, die hier diskutiert werden sollen, alle als männlich und als womöglich nackt, da keine Kleidungsbestandteile erkannt werden können282. Die Darstellungen – besonders auf den Bildsteinen der Gruppe I – sind stark stilisiert, sodass einer detaillierte Wiedergabe der Kleidung nicht naheliegend ist. Die Attribution der Abbildungen ist insgesamt auf das Wesentliche reduziert, was wir heute jedoch nicht mehr ‘wieder’erkennen können.

Das abgebildete Wesen auf dem Bildstein Hellvi, Ire IV (siehe Abbildung 23, rechts), würde ich aufgrund der Positionierung eher erneut der Kategorie der opponierenden Tiere ober- oder unterhalb der Zentralscheibe zuordnen wollen, obwohl das zweite Tier hierzu nicht erhalten ist (siehe Katalog Nr. 43).

Die Einteilungen in die folgenden Bezeichnungen (Krieger, Reiter, Menschenfiguren) sind natürlich entgegen des möglichen Eindrucks nicht exklusiv zu verstehen. Menschenfiguren liegen in jedem Falle vor, nur werden in den beiden ersten Kategorien weitere Attribute bereits in der Bezeichnung herausgestellt. Die Reiter der Gruppe I sind mit den 275 276 277 278

279

Homann, 1986, S. 136. Capelle, 1986, S. 137. Vgl. Nylén und Lamm, 1991, S. 30f. Lindqvist, 1942, S. 69.

280 281 282

62

Huth, 2003, S. 12, und vgl. auch Leroi-Gourhan, 1975, S. 138. Huth, 2003, S. 271. Lindqvist, 1941, S. 76 Lindqvist, 1941, S. 77.

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Abbildung 24: Beispiele für Menschendarstellungen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Hangvar, Austers I (Nr. 39), und rechts: Vallstena, Vallstenarum I (Nr. 87).

Abbildung 25: Beispiele für Menschendarstellungen (Ausschnitte) auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Ethelhem, Eisenbahn (Nr. 14), und rechts: När, Smiss 3 (Nr. 60).

gleichen Attributen ausgestattet wie die Krieger, nur dass diese sich nun zusätzlich auf einem Reittier befinden. Auch die Gruppe der Krieger ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Die Bezeichnung Krieger evoziert eine Konnotation der Darstellung mit einer kriegerischen Auseinandersetzung oder in einem kriegerischen Kontext. So stellt sich die Frage, ob sich Personen mit Schilden und Waffen automatisch ‘im Kriegszustand befinden’ oder ob es sich nicht auch um Adoranten oder Teilnehmer einer Prozession handeln könnte. Steuer führt an, dass zu Beifallskundgebungen Waffen aneinandergeschlagen wurden283.

Gruppe II Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe II mit den Katalognummern: 14, 50, 60, 69 Siehe Abbildung 25.

Krieger Vorkommen auf Bildsteinen mit den Katalognummern: 6, 39, 87, 91 Bereits in den Ausführungen zu den Pferdedarstellungen ist im Zusammenhang mit der Interpretation der Pferdehatz Eliade angeführt worden (s. o.). Auch hier soll noch einmal auf seine Auffassung verwiesen werden, dass man Kriege oder Duelle auf keinen Fall durch rationalistische Motive erklären kann284. Die Darstellung von sogenannten Kriegern muss also nicht als Abbildung einer kriegerischen Auseinandersetzung im ‘eigentlichen’ Sinne gelesen werden.

Es folgen Beispiele für Menschenabbildungen in den beiden Gruppen: Weitere Ausführungen werden nach den oben genannten Bezeichnungen getrennt vorgenommen. Die Reihenfolge bestimmt sich nach der Häufigkeit des Vorkommens, beginnend mit den Kriegern, anschließend Reiter und abschließend Menschenfiguren.

Gruppe I

Kriegsführung spielte eine wichtige und konstante Rolle in der eisenzeitlichen Gesellschaft Skandinaviens, wie Andrén285 herausstellt. Aber, und das ist das Interessante, der Krieg ist ein integrativer Teil der Kultur. Krieg kann als etwas Ritualisiertes beschrieben werden, was in deutlichem Zusammenhang mit der Kosmologie verstanden werden muss286.

Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 6, 39, 53, 87, 91 Siehe Abbildung 24.

284 285 283

286

Steuer, 2001, S. 348.

63

Vgl. oben und Eliade, 1994, S. 42. Andrén, 2006. Andrén, 2006, S. 35ff.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 26: Beispiele für Krieger auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Bro 24, Kirche I (Nr. 6), und rechts: Vallstena, Vallstenarum I (Nr. 87).

Abbildung 27: Kriegerdarstellung auf Bildstein der Gruppe II. Ethelhem, Eisenbahn (Nr. 14).

Gruppe I

Gruppe II

Vorkommen auf Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 6, 14 , 39, 87, 91

Vorkommen auf dem Bildstein der Gruppe II mit der Katalognummer: 14

Siehe Abbildung 26.

Siehe Abbildung 27.

Hauck bezeichnet die Kriegerabbildung von Vallstena, Vallstenarum I, als dioskurisches Waffentänzerpaar287.

Bei der einzigen vorliegenden Kriegerdarstellung der Gruppe II sind die zuvor beschriebenen Gestaltungsregeln der Gruppe I aufgehoben. Hier erscheint eine Gruppe von drei Personen, die mit Schwerten ausgestattet sind und diese in die Höhe strecken. Ob es sich hierbei um die Abbildung einer kriegerischen Auseinandersetzung handelt, kann nicht eindeutig gesagt werden. Die Darstellung der Personen ist naturalistischer und nicht mehr so stark stilisiert wie in Gruppe I.

Die Menschendarstellung auf dem Bildstein Hangvar, Austers I (Nr. 39, siehe Abbildung 23, links und Abbildung 24, links) ist bereits bei der vorangegangenen Betrachtung der Drachendarstellungen angesprochen worden. Ob es sich hierbei um einen Krieger handelt, ist nach wie vor fraglich, da hier eine Attribution mit Waffe oder Schild gänzlich fehlt. Eine Abbildung zu dem Bildstein Väskinde 120, Kirche 7 (Nr. 91), der ebenfalls Krieger tragen soll, ist nicht vorhanden. Somit liegen hier alle vorhandenen Kriegerdarstellungen der Gruppe I vor. Alle Figuren, soweit erkennbar oder noch vorhanden, sind stark stilisiert und weisen für uns keine erkennbaren Individualmerkmale auf.

Reiter Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 14, 53, 69 Reittieren kam seit jeher eine bedeutende Rolle für den Menschen zu. Die Bedeutung von Pferden als Begleittier des Menschen wurde bereits oben unter dem Abschnitt ‘Pferde’ erörtert. Das Reiten bedeutete Erleichterungen bei Alltagshandlungen wie zum Beispiel der Fortbewegung. Aber auch in den Lebensbereichen des Kampfes oder des Kults kommt dem Reiten eine besondere Rolle zu. Darüber hinaus ist das

Die sogenannten Kriegerfiguren erscheinen in der Regel in der Dopplung und opponierend auf den Bildsteinen der Gruppe I. Laut der Beschreibung der Verzierung von dem Bildstein Väskinde 120, Kirche 7 (Nr. 91), liegt dort ebenfalls die Abbildung zweier Krieger vor. Eine Ausnahme von dieser Abbildungskonvention stellt der Bildstein Hangvar, Austers (s. o.), dar. 287

Hauck, 1983b, S. 446f.

64

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Abbildung 28: Reiterdarstellung auf Bildstein der Gruppe I. Martebo, Kirche I (Nr. 53).

Abbildung 29: Reiterdarstellungen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Ethelhem, Eisenbahn (Nr. 14), und rechts: Stenkyrka, Kirche VI (Nr. 69), nach Lindqvist, 1942, Abbildung 499.

Reiten als Ausdruck einer gehobenen gesellschaftlichen Position zu verstehen288.

Gruppe II Vorkommen auf den Bildsteinen der Gruppe II mit den Katalognummern: 14, 69

Das verstärkte Auftauchen des Reiters in Motivik und Ornamentik in der Vendelzeit und auch das Auftreten der Pferde in den Gräbern von Vendel und Valsgärde deutet laut Nylén289 auf eine Hinwendung zu Kontakten mit süd-östlichen Kulturen zu jener Zeit hin. In diesem Zusammenhang deutet Nylén das Erstarken der Reitersymbolik in einem sozialem Kontext und als Indikator eines neuen Kultureinflusses290.

Siehe Abbildung 29.

Die Abbildung der Reiter aus Gruppe I zeigt dieses Motiv als Kombination und in Konformität aller vorher genannten Attribute: Es handelt sich um zwei Menschenfiguren, ausgestattet mit Speer und Schild auf Reittieren, die sich opponierend gegenüberstehen. Damit ist der zuvor aufgefundenen Abbildungskonvention Folge geleistet worden, von welcher die Reiterdarstellungen der Gruppe II deutlich abweichen. Hier liegt das Reitermotiv als einzelner Reiter, der aufgrund der Größe eine zentralere Position in der gesamten Gestaltung des Bildsteines einnimmt und einen deutlich anderen Charakter aufweist, vor.

In der Literatur werden Reiterdarstellungen der gotländischen Bildsteine häufig diskutiert, jedoch nahezu ausschließlich die Reiter der Bildsteine in Gruppe III (späte Bildsteingruppe(n), oftmals benannt nach Lindqvist als die Steine der Gruppe C und D). Auf konkrete Literatur zu den Reiterdarstellungen der hier diskutierten Bildsteine der Gruppen I und II kann also kaum zurückgegriffen werden.

Gruppe I Menschenfiguren

Vorkommen auf dem Bildstein der Gruppe I mit der Katalognummer: 53

Vorkommen auf dem Bildstein mit der Katalognummer: 60

Siehe Abbildung 28.

288 289 290

Wie oben bereits erwähnt, könnte durch diese Bezeichnung der Eindruck entstehen, dass es sich bei Kriegern und Reitern nicht um Menschenfiguren handelt, was natürlich nicht der Fall ist. Diese Bezeichnung ist eine allgemeine, bei der die Tätigkeit oder eine sonstige Attribution der abgebilde-

Vgl. Steuer, 1994, S. 153f. Nylén, 1983. Vgl. Nylén, 1983, S. 186.

65

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 30: Menschenfigur auf Bildstein der Gruppe II. När, Smiss 3 (Nr. 60).

4.1.5 Geometrische Muster

ten Menschen nicht in die Benennung eingeflossen ist. Bei der einzigen in der Literatur so bezeichneten Darstellung handelt es sich erneut um eine Abbildung auf dem Bildstein När, Smiss 3 (Nr. 60). Für diese Figur gibt es in der Literatur mehrere Bezeichnungen, zum Beispiel Ormkvinnan/häxan (Schlangenfrau/-hexe)291 oder auch als Odin in einer schmananischen Verwandlung292. Eine Diskussion der Interpretationen dieses Motivs im Zusammenspiel der darauf befindlichen Motive findet sich weiter unten im Abschnitt Kompositionen.

Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 3, 4, 11, 12, 13, 15, 16, 17, 23, 32, 42, 51, 56, 59, 62, 64, 65

Ob es sich bei geometrischen Mustern lediglich um Dekoration oder mit Sinn oder Symbolgehalt angefüllte Zeichen handelt, kann als umstrittene Frage bezeichnet werden. Geometrische Muster sind bereits in der Höhlenkunst des Jungpaläolithikums auffindbar. Hier wurden diese zunächst als Darstellungen für Jagdfallen oder Wurfwaffen gedeutet293, welches sich im Laufe der Forschungsgeschichte so rasant und häufig änderte wie die jeweiligen ‘Interpretationsmoden’ zur Felsbildkunst.

Ein Motiv mit der Bezeichnung Menschenfigur kommt nur auf einem Bildstein der Gruppe II vor. Siehe Abbildung 30.

Zickzacklinie, Mäander und Rautennetze wurden mit weiteren geometrischen Mustern von Gimbutas in einen Zusammenhang mit Feuchtigkeit gebracht. Ihre Interpretation als lebensspendende Feuchtigkeit des Körpers der Göttin ist sehr spezifisch und auf den von ihr betrachteten Kulturraum des ‘Alten Europa’ bezogen294. Netzmotive, denen sie auch das Schachbrett- und Rautenmuster zuordnet, sieht sie zur Familie der Wassersymbole zugehörig295. Dass Mäandermuster eine Stilisierung von einstig deutlich mit Wasser in Zusammenhang stehenden Motiven darstellen, ist schon anhand der Wortentlehnung zu vermuten, wird jedoch nicht universell als einzige Bedeutung angenommen: Interpretationen als geometrische Variante pflanzlicher Ranken oder Labyrinthe sind für die Antike ebenfalls auffindbar296. Golan, der sich mit seinen Untersuchungen ebenfalls auf steinzeitliche und punktuell bronzezeitliche Kulturen beschränkt, beschreibt Herkunft und Bedeutungen von Netz-, Gitter- und Schachbrettmustern sehr differenziert und weist ihnen durchaus ganz unterschiedliche Bedeu293

Leroi-Gourhan, 1975, S. 170f. Gimbutas, 1995, S. 3. 295 Gimbutas, 1995, S. 81ff. 296 Vgl. Willers, 1999, S. 632. Der Begriff Mäander geht auf einen westanatolischen Fluss (heute Menderes) zurück und bezeichnet sowohl das Ornament als auch eine Reihe von Windungen von Fluss- oder Bachläufen. 294

291 292

Lindqvist, 1955, S. 42ff.; Nylén und Lamm, 2003, S. 40f. Hauck, 1983a, S. 535.

66

Die Motive der Bildsteine als Symbole

Abbildung 31: Beispiele für geometrische Muster auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Gammelgarn, Högstens (Nr. 16), und rechts: Hellvi, Ire III (Nr. 42).

tungsmöglichkeiten zu. Bei ihm gibt es ebenfalls Konnotationen zu Wasser, aber auch zur Erde und verschiedenen Gottheiten. Als Schlusshypothese erwägt er jedoch, dass das Netz ursprünglich mit einer weiblichen Himmelsgöttin in Zusammenhang gebracht wurde und sich zu einem allgemeinen Symbol für Gottheit wandelte297.

legende, neue Bedeutung desselben in der Kultur angenommen werden. Es muss sich um einen bedeutenden Umbruch mit Auswirkungen auf das kulturell genutzte und verstandene Symbolset der Gemeinschaft gehandelt haben. Dafür sind deutliche Hinweise bei Christer Westerdahl unter dem Titel ”Society and Sail“ zu finden299.

Die geometrischen Muster der gotländischen Bildsteine können vorwiegend als Schachbrett- und Rautenmuster und Zickzacklinien bezeichnet werden. Selten werden auch abweichende Muster wie zum Beispiel Flechtwerkmuster oder Felder mit Linien vorgefunden.

In mindestens zwei Fällen allerdings ist ein Schiff mit Segel im oberen Bereich des Bildsteines und ein Feld mit kariertem Muster im unteren Bereich abgebildet (siehe zum Beispiel Eskelhem, Larsarve I (Nr. 12), und Norrlanda 117, Bjärs Hemänge (Nr. 56)). Dieses würde entweder eine Doppelung des Schiffsymbols bedeuten oder dieser Interpretation widersprechen. Die meisten geometrischen Muster, besonders die Felder mit karierten oder schrägkarierten Linien, befinden sich im unteren Bereich der Bildsteinschauseite. Da Schiffe sich immer im oberen Teil der Schauseite befinden, ist eher ein Spannungsverhältnis als eine gleiche Bedeutung der beiden Motive zu vermuten.

Geometrische Muster sind ausschließlich auf Bildsteinen der Gruppe II aufzufinden. Siehe Abbildung 31. Für die Muster, die in einem Feld vorzufinden sind, hier auch wieder vorwiegend Schachbrett- oder Rautenmuster, wäre als Interpretation auch die der Reduktion eines Schiffes auf das Segel bzw. dessen Musterung möglich. Die Muster weisen teilweise eine große Ähnlichkeit zu den dargestellten Segeln anderer Bildsteine auf, es liegen jedoch auch Darstellungen gänzlich anders ausgestalteter Segel vor. Auch ist es bei einzelnen Abbildungen möglich, dass es sich urspünglich um die Darstellung eines Schiffes handelte, die jedoch aufgrund von Fragmentierung oder Beschädigung der Bildfläche nicht mehr zu erkennen ist. Da die vorliegenden geometrischen Muster alle auf Bildsteinen der Gruppe II aufzufinden sind, ist dieser Interpretationsvorschlag auch nachvollziehbar, da die Schiffsdarstellungen der Gruppe I keine Segel aufweisen und dieses Detail erst in Gruppe II auftritt (s. o.). Nylén und Lamm führen hierzu an, dass auf den Bildsteinen deutlich zu erkennende Schiffe mit karierten oder schrägkarierten Segeln vorliegen. Sie interpretieren dies als einen Hinweis auf die Herstellung der Segel in Flechttechnik298.

Für die übrigen Muster ist keine Anordnungsregel postulierbar, da die Bildsteine mit jenen Mustern häufig fragmentiert sind. Felder mit Zickzacklinien können ebenfalls im unteren Bereich von Bildsteinen aufgefunden werden, welches eine Befolgung einer Anordnungsregel darstellen könnte. Da die oberen Bereiche nicht erhalten sind, ist nicht zu entscheiden, ob sich dort andere Muster angeschlossen haben. Flechtwerk- oder Bandmuster können auch als einziges Motiv über die gesamte Schauseite angebracht oder im oberen Teil vorzufinden sein. Dies lässt Unterschiede der Bedeutungen innerhalb der geometrischen Muster vermuten.

Die Reduktion des Schiffmotivs auf das Segelmuster in direkter zeitlicher Folge auf die ersten Darstellungen des Segelschiffs überhaupt erscheint bemerkenswert. Wenn es sich tatsächlich um die Stilisierung eines Schiffbildes handeln sollte, dann muss für die Einführung des Segels eine grund297 298

Golan, 2003, S. 217ff. Nylén und Lamm, 1991, S. 42f. und S. 162ff.; Kreutzer, 1988, S. 14f.

299

67

Westerdahl, 1995, S. 41ff.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

4.1.6 Sonstige Symbole Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 60, 64 Die Abbildungen, die unter sonstige Symbole gefasst werden, beschränken sich auf zwei Bildsteine der Gruppe II und somit ist es schwierig ‘allgemeine’ Bedeutungen zu postulieren; sie sind sozusagen Sonderfälle.

Abbildung 32: Sonstige Symbole auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: När, Smiss 3 (Nr. 60), und rechts: Sanda, Sandegårda I (Nr. 64).

Bei einem der Bildsteine handelt es sich um När, Smiss 3 (Abbildung 32, links), welcher schon des Öfteren hier angesprochen wurde. Er stellt in seiner gesamten Gestaltung eine einmalige Bildsteinkomposition dar – aber auch die einzelnen Motive sind Solitäre. Bei dem auf dem Bildstein vorkommenden Symbol handelt es sich um ein Triskel mit Tierköpfen. Die Tierköpfe werden in der Literatur als Adler, Wildschwein und Wolf angesprochen. Der Stein wird ausführlicher im folgenden Abschnitt zur Komposition der Motive besprochen. Bei dem zweiten genannten Symbol handelt es sich um eine Abbildung auf Sanda, Sandegårda (Abbildung 32, rechts). Hier findet sich eine einfache, vertikale Bandschlinge mit Tierkopf. Beides im Grundmotiv also Symbole, die in Zusammenhang mit Unendlichkeit oder der Vorstellung ewiger Erneuerung stehen können. Hierzu kann auch auf den Abschnitt zur Kreismotivik verwiesen werden, da das Triskel als Variation des Kreises verstanden werden kann. Bemerkenswert ist, dass die besprochenen Symbole auf beiden Bildsteinen jeweils mit zwei Schlangen abgebildet sind.

68

Die Motive der Bildsteine als Symbole

4.1.7 Pflanzendarstellungen

Im Vergleich zu der Gesamterscheinung dieses Steines (siehe Abbildung 36) steht der Baum sowohl in der Ausführung als auch in der Größe deutlich hinter den anderen Motiven zurück. Golan erörtert dieses Phänomen auch anhand steinzeitlicher Beispiele von Baumabbildungen. Er wirft die Frage auf, wieso die Bäume in solch schematischer Art dargestellt sind und beantwortet dies damit, dass es sich nicht um die Abbildung einer ‘Pflanze’, sondern eines Symbols handelt. Nicht der Baum als Pflanze wird dargestellt, sondern der (Welten)baum als Symbol304.

Vorkommen auf dem Bildstein mit der Katalognummer: 63 Obwohl der Abschnitt allgemein den Pflanzen gilt, ist auf den Bildsteinen der Gruppen I und II nur eine Pflanzenabbildung, nämlich die eines Baumes, vorzufinden. Diese aber bemerkenswerterweise auf dem bereits oben genannten, reich verzierten Bildstein Sanda, Kirche IV, der Gruppe I. Bäume als Symbol evozieren die Assoziation zur Vorstellung des Weltenbaums. Diese vereint sowohl kosmologische als auch kosmogonische Aspekte in sich und ist weit verbreitet in Mythologien und Erzählungen. Der Weltenbaum repräsentiert hierbei nicht nur eine kosmische Ordnung, indem er verschiedene Bereiche der Welt gliedert, sondern er stellt auch das Zentrum derselben dar. Durch diese zentrale Stellung ist er auch Teil der Kosmogonie, da dort die Welt entstand und die Schöpfung an dieser Stelle erneuert werden kann300. Er stellt die am weitesten verbreitete Zentrumssymbolik dar und ist unter anderem auch in der germanischen Mythologie anzutreffen301. Dort wird dieser Baum durch eine Esche verkörpert und Yggdrasil genannt302. Sie verbindet nicht nur Himmel, Erde und Unterwelt, ist Ursprung verschiedener Flüsse, sondern beherbergt gleichzeitig verschiedene Tiere mit bestimmten Fähigkeiten und ist Ort für

Trotz der geringen Größe des Baums interpretiert Andrén das Arrangement auf dem Bildstein Sanda, Kirche IV, als die vollständige Visualisierung der nordischen Kosmologie und auch die Darstellung des Baums als Weltenbaum in der Mitte des Weltbildes305. Auffallend ist bei der Abbildung auf dem Bildstein Sanda, Kirche IV, aber auch, dass der Baum einem Nadelbaum ähnelt. Das könnte daher rühren, dass die Weltenesche als immergrüner Baum gedacht wurde306, widerspricht jedoch der Zuweisung zu der Baumart der Eschen. Da der Baum in seiner Darstellung so auffallend wenig fulminant wirkt, besonders im Zusammenspiel mit den übrigen auf dem Bildstein vorhandenen Motiven, fällt mir eine Zustimmung zu der Interpretation als Weltenbaum schwer. Im Gegenteil fällt beim Studium des gesamten Steines auf, dass die Motive in ihrer Ausführung sehr unterschiedlich erscheinen, was darauf hindeuten kann, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind307.

Weissagungen und Gerichtsbarkeit303. Eine Darstellung einer Pflanze – in Form eines Baumes – liegt ausschließlich auf einem Bildstein der Gruppe I vor.

Abbildung 33: Baum auf Bildstein der Gruppe I. Sanda, Kirche IV (Nr. 63).

304

Golan, 2003, S. 369. Andrén, 2004, S. 405. 306 Holzapfel, 1993, S. 448. 307 Hier können möglicherweise die bereits begonnenen Laserscans der Bildsteine in Zukunft Aufschluss über die Entstehungstechnik der einzelnen Motive ermöglichen; Informationen von Laila Kitzler-Åhlfeldt, siehe auch Kapitel 1.2 Abschnitt Forschungsgeschichte. 305

300 301 302 303

Eliade, 1998, S. 46ff. Eliade, 1998, S. 48f. Kure, 2006, S. 68. Holzapfel, 1993, S. 448.

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

4.1.8 Figuralverzierung Vorkommen auf dem Bildstein mit der Katalognummer: 102 Figuralverzierung als Bezeichnung für ein Motiv zu verwenden, ist für das Ziel dieser Untersuchung denkbar ungeeignet, da sie keine semantische Auseinandersetzung ermöglicht. Des Weiteren denkt man dabei an die Verzierungen der späteren Bildsteingruppe (Gruppe III, die nicht Gegenstand dieser Arbeit ist). Dort ist die Bezeichnung Figuralverzierung üblich und umfasst ganze Gruppen von Motiven und szenisch wirkende Bilder, die auf den Bildsteinen abgebildet sind. Missverständlich ist diese Bezeichnung darüber hinaus, da die Motive, die auf dem hier zu besprechenden Bildsteinfragment zu erkennen sind, keine Ähnlichkeit mit den Figuralverzierungen der späteren Gruppe aufweisen. Die Figuralverzierung kommt nur auf einem Bildstein der Gruppe II vor.

Abbildung 34: Figuralverzierung auf Bildstein der Gruppe II. Gotland, unbekannt (Nr. 102).

Zu erkennen ist auf dem abgebildeten Fragment wahrscheinlich der Kopf und vordere Körperteil einer Schlange. Aufgrund der Anordnung und der Blickrichtung der Schlange erinnert die Verzierung an den oben abgebildeten Stein aus Sanda, Sandegårda I (Nr. 64). Die sich daran rechts anschließenden Muster (siehe Abbildung 32) sind jedoch nicht mehr zu identifizieren.

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Die Motive der Bildsteine als Symbole

4.2 Kompositionen

4.2.1 Kompositionen der Gruppe I Vorkommen auf den Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 6, 24, 25, 39, 44, 54, 63, 85, 87, 90

Vorkommen auf den Bildsteinen mit den Katalognummern: 1, 4, 6, 11, 12, 13, 19, 21, 24, 25, 30, 31, 33, 38, 39, 42, 44, 51, 54, 56, 58, 60, 63, 64, 65, 85, 87, 90

Siehe Abbildungen 35 und 36.

Die Zusammenstellung der Kombinationen der Motive beruht auf den Tabellen 7 und 10 in Kapitel 2. Diese Übersichten versuchen eine der möglichen Fehlerquellen bei der Betrachtung der Kompositionen, den unterschiedlichen Erhaltungszustand der Bildsteine, zu minimieren. Dennoch ist es ein schwieriges Unterfangen, ‘die Komposition’ von Motiven zu postulieren. Was jedoch an dieser Stelle erneut betont werden soll, ist die Tatsache, dass die Motivzusammenstellung nicht willkürlich vorgenommen wurde, sondern planvoll: Myrberg bezeichnet die Bildsteine als die materielle Manifestation eines Konzepts, vom einzelnen Motiv zum gesamten Monument308.

Der Versuch eine einheitliche Gestaltungsregel zu beschreiben wird durch die zahlreichen Ausnahmen sehr erschwert. Auf den genannten Bildsteinen können die folgenden Kompositionsvarianten vorgefunden werden: Komposition IA [24, 25, 44, 54, 87, 90] • Zentralmotiv Scheibe (mit Wirbelrädern oder Spiralzier) plus einem oder zwei opponierenden Tierpaar/en jeweils ober- und/oder unterhalb der Scheibe. In einem Fall handelt es sich um opponierende Menschenfiguren unterhalb der Scheibe. Meistens handelt es sich bei den Tieren um Vierfüßler. Sondergestaltung: Hablingbo, Havor II (Nr. 25), mit Schlangen unterhalb einer Scheibe mit Vierpassknoten. Als Beispiel für Komposition IA siehe Abbildung 35, links.

Auch Hauck und Althaus begeben sich auf die Suche nach der Systematik in Struktur und Zusammenstellung der Bildsteinmotive und darüber hinaus natürlich nach der Gesamtbedeutung309, bewegen sich jedoch von den Schriftquellen (der nordischen Mythologie) auf die Motivik zu.

Komposition IB [6, 63] • Zentralmotiv Scheibe (mit Wirbelrädern) plus zwei dezentrale Scheiben darunter plus Schiff darunter. Beide Steine enthalten Besonderheiten. Bro 24, Kirche I (Nr. 6), weist Überreste schwer erkennbarer Figuren/Krieger/Reiter zwischen der Zentralscheibe und den dezentralen Scheiben auf. Sanda, Kirche IV, wird in der Literatur als das Bildprogramm angesprochen, welches am vollständigsten erhalten ist und weist die größte Anzahl kombinierter Motive auf, auch den einzigen Baum im Motivspektrum der (besprochenen) Bildsteine. Um die dezentralen Scheiben dieses Bildsteines winden sich Schlangen, die sich opponierend gegenüberstehen, zwischen den dezentralen Scheiben und dem Schiff befindet sich der Baum und darunter eine nicht näher anzusprechende Tierfigur; oberhalb der Zentralscheibe befindet sich ein weiteres schwierig anzusprechendes Tier- oder Pflanzenmotiv. Als Beispiele für Komposition IB siehe Abbildung 35, Mitte, und Abbildung 36.

Die Brakteaten stellen eine gänzlich andere Fundgruppe dar, aber sie sind ebenfalls mit mehreren Motiven/Symbolen versehen und regen zum Entschlüsseln der jeweiligen Gesamtaussage an. Marta Lindeberg spricht den Brakteaten unterschiedliche Bedeutungen zu, je nachdem welche Symbole darauf abgebildet sind und zieht den Schluss, dass die Unterschiede zwischen den Brakteaten intentional sind310. Bildsteine sind nicht so variabel ‘nutzbar’, wie es Brakteaten wohl gewesen sein mögen, aber von einer intentionalen Zusammenstellung der Motive ist auch für die Bildsteine auszugehen. Im Folgenden werden die Kompositionen nach Gruppen getrennt untersucht. Hierbei werden zunächst die Bildsteine jeder Gruppe nach den verschiedenen Kompositionen klassifiziert und beschrieben. Anschließend werden die Motivzusammenstellungen in ihrem Vorhandensein in Kompositionen interpretiert. Dabei werden die in Kapitel 4.1 herausgearbeiteten Punkte zur Deutung herangezogen.

308 309 310

Komposition IC [39, 54] • Zentralmotiv Scheibe (mit Spiralzier) plus Schiff darunter plus drachenartige Figur oberhalb der Scheibe. Bei Hangvar, Austers 1 (Nr. 39), befindet sich eine Menschenfigur rechts oberhalb der Scheibe im Bereich des Drachenkopfes. Martebo 67, Kirche 2, weist bandförmige Motive je rechts und links unterhalb der Scheibe auf. Als Beispiel für Komposition IC siehe Abbildung 35, rechts.

Vgl. Myrberg, 2005, S. 99 (Übersetzung der Verfasserin). Vgl. Hauck, 1983a, S. 531ff und Althaus, 1993, S. 72ff. Lindeberg, 1997, S. 104.

Sonderform I [85] • Zwei dezentrale Scheiben. Diese Gestaltung ist singulär. 71

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 35: Beispiele für Motivkompositionen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Väskinde 120, Kirche 5 (Nr. 90), Mitte: Bro 24, Kirche 1 (Nr. 6), und rechts: Hangvar, Austers 1 (Nr. 39).

Abbildung 36: Beispiel für Motivkompositionen auf Bildsteinen der Gruppe I. Sanda, Kirche IV (Nr. 63).

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Die Motive der Bildsteine als Symbole

Der Versuch eine einheitliche Gestaltungsregel zu beschreiben wird durch die zahlreichen Ausnahmen sehr erschwert. Auf den genannten Bildsteinen können die folgenden Kompositionsvarianten vorgefunden werden:

Tragen kommen, die sowohl mit der Sonne als Himmelskörper, als auch mit ihrer Stellung und Bedeutung für das Leben auf der Erde insgesamt verbunden sind. Die Besonderheit wird durch die solitäre, dominante Stellung der Scheibe verdeutlicht. So ist sie sowohl nur einmal vorhanden als auch in der Regel deutlich größer als die Begleitsymbole. Die Kombination mit antithetischen, opponierenden Entitäten macht die Sinnhaftigkeit der Symbolanzahl deutlich. Außer den zentralen Scheibensymbolen sind alle Figuren in doppelter Ausführung abgebildet. Meist opponierende Vierfüßler, selten Schlangen, in einem Fall Menschen (Krieger). Diese Figuren wirken zwar nicht weniger bedeutsam, aber weniger wirkmächtig als das Scheibensymbol. Die Scheibe steht für sich alleine, die Tierfiguren müssen in doppelter Darstellung vorhanden sein, um neben das Scheibensymbol treten zu können. Nur in Doppelung können sie im Rahmen dieser bedeutungsvollen, womöglich kosmischen Symbole auftreten. Diese Doppelung wird jedoch auch durch Opponenz ausgedrückt. Es ist schwer zu entscheiden, ob eine dieser beiden Bedeutungen im Vordergrund steht: Handelt es sich um eine Doppelung (‘Zwilling’) oder eine Konkurrenz/einen Kampf? Müssen die Figuren die Kräfte, die sie repräsentieren, im Gleichgewicht halten? Aber da sie, soweit erkennbar, nahezu identisch aussehen, welche Kräfte werden durch sie repräsentiert? Auch hier kann wieder die formale Konstruktion betrachtet werden: es sind duale Kräfte, dichotome Vorstellungen. Jedoch sind diese nicht beliebig austauschbar; es sind keine Variablen. Beispielsweise stehen Schlangen nicht Vierfüßlern gegenüber, Menschen nicht Schlangen, sondern immer gleichartige Figuren.

Komposition IA [24, 25, 44, 54, 87, 90] • Zentralmotiv Scheibe (mit Wirbelrädern oder Spiralzier) plus einem oder zwei opponierenden Tierpaar/en jeweils ober- und/oder unterhalb der Scheibe. In einem Fall handelt es sich um opponierende Menschenfiguren unterhalb der Scheibe. Meistens handelt es sich bei den Tieren um Vierfüßler. Sondergestaltung: Hablingbo, Havor II (Nr. 25), mit Schlangen unterhalb einer Scheibe mit Vierpassknoten. Als Beispiel für Komposition IA siehe Abbildung 35, links. Komposition IB [6, 63] • Zentralmotiv Scheibe (mit Wirbelrädern) plus zwei dezentrale Scheiben darunter plus Schiff darunter. Beide Steine enthalten Besonderheiten. Bro 24, Kirche I (Nr. 6), weist Überreste schwer erkennbarer Figuren/Krieger/Reiter zwischen der Zentralscheibe und den dezentralen Scheiben auf. Sanda, Kirche IV, wird in der Literatur als das Bildprogramm angesprochen, welches am vollständigsten erhalten ist und weist die größte Anzahl kombinierter Motive auf, auch den einzigen Baum im Motivspektrum der (besprochenen) Bildsteine. Um die dezentralen Scheiben dieses Bildsteines winden sich Schlangen, die sich opponierend gegenüberstehen, zwischen den dezentralen Scheiben und dem Schiff befindet sich der Baum und darunter eine nicht näher anzusprechende Tierfigur; oberhalb der Zentralscheibe befindet sich ein weiteres schwierig anzusprechendes Tier- oder Pflanzenmotiv. Als Beispiele für Komposition IB siehe Abbildung 35, Mitte, und Abbildung 36.

Das aristotelische Konzept des unbewegten Bewegers ist bereits zur Sprache gekommen. Dieser beinhaltet die Kraft allen Lebens, die einzelnen Lebewesen können diesem also nicht ebenbürtig gegenüber stehen. Der unbewegte Beweger kann als eine in den Logos übertragene Beschreibung der Kraft der Sonne verstanden werden. Hierin muss kein Widerspruch liegen, sondern kann eine weitere logische Komponente der Bedeutung gesehen werden, sozusagen eine der Metaebenen der Bedeutung.

Komposition IC [39, 54] • Zentralmotiv Scheibe (mit Spiralzier) plus Schiff darunter plus drachenartige Figur oberhalb der Scheibe. Bei Hangvar, Austers 1 (Nr. 39), befindet sich eine Menschenfigur rechts oberhalb der Scheibe im Bereich des Drachenkopfes. Martebo 67, Kirche 2, weist bandförmige Motive je rechts und links unterhalb der Scheibe auf. Als Beispiel für Komposition IC siehe Abbildung 35, rechts.

Nur bei einer in dieser Komposition vorkommenden Zentralscheiben mit Wirbelrad kann eine Bewegungsrichtung nach links festgestellt werden und zwar bei Hellvi Ire 7 (Nr. 44). Die übrigen sind in Rechtsrichtung orientiert. Die dem Wirbelrad beigestellten Vierfüßler sind mit deutlichen mondsichelförmigen Hörnern versehen. Dies ist auch nur auf diesem Bildstein so deutlich zu identifizieren. Dies könnte als Hinweis auf eine Mondsymbolik gedeutet werden. Somit könnte die Bewegungsrichtung der Wirbelräder ebenfalls bedeutungsvoll gewesen sein. Der Stein fällt in seiner Schlichtheit auf, auch die mit Mondsichelhörnern verse-

Sonderform I [85] • Zwei dezentrale Scheiben. Diese Gestaltung ist singulär.

Komposition IA Das Zentralmotiv der Scheibe steht in Bezug zur Sonnensymbolik in all ihren Bedeutungsmöglichkeiten. Hier können auch Aspekte wie Kreislauf und Schöpfungskraft zum 73

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

henen Tiere sind in einer kräftigeren und weniger symmetrischen Art und Weise angebracht als jene Vierfüßler auf den übrigen Bildsteinen.

die sich bei Komposition A unterhalb der Zentralscheibe befinden. Wodurch es bei den schlangenumwundenen Scheiben bei Sanda, Kirche IV (Nr. 63), zu einer Verdoppelung der Aussage oder Bekräftigung dieser Zuordnung kommen würde. Allerdings scheinen die dezentralen Scheiben diese Figuren nicht völlig zu ersetzen, da es Rudimente sich gegenüberstehender Figuren zwischen der Zentralscheibe und den dezentralen Scheibe auf dem Bildstein Bro 24, Kirche I (Nr. 6), gibt312. Die Figuren oberhalb der Zentralscheibe sind in dieser Komposition entweder gar nicht mehr vorhanden oder nicht mehr als Doppelung. Fraglich auch, ob es sich bei der Figur oberhalb der Zentralscheibe auf Sanda, Kirche IV (Nr. 63), überhaupt um eine Tiergestalt handelt.

Die inhaltliche Bedeutung der Begleitfiguren über die formale, strukturelle Funktion hinaus kann nur schwer erfasst werden. Die Vierfüßler weisen häufig phantastische Elemente auf, sodass sie nicht anhand ihrer Zuordnung zu einer Tierart angesprochen werden können. Den Tieren gemein ist, dass sie oft als Begleiter des Menschen auftreten und ggf. eine wegweisende Rolle einnehmen. Unter den Vierfüßlern kommt dieses vor allem beim Pferd zum Ausdruck, welches sich häufig auf den Bildsteinen findet. Pferde haben auch eine starke Konnotation zu Grabkontexten, weshalb an eine Symbolik im Zusammenhang mit einem Passageritus vom Leben zum Tod gedacht werden kann. Cervidae hingegen sind in der Regel nicht die Begleiter des Menschen, sondern bewegen sich eher in der Lebenssphäre, die nicht das Domizil des Menschen darstellt, der Wildheit. Der Hirsch ist stark mit mythischen Vorstellungen von Wiedererneuerung und Fruchtbarkeit verknüpft.

Neu hinzu tritt bei dieser Komposition das Schiffsmotiv. Das Schiff/Boot ist ein multidimensionales Symbol welches mit Transport, Überwindung von Grenzen und Kontakt zwischen verschiedenen Welten zu assoziieren ist. Es ist nur in einfacher Anzahl auf den Bildsteinen vorhanden. In der skandinavischen Vor- und Frühgeschichte taucht das Boot – als reales Gefährt, als Abbildung oder in stilisierter Form – in Grabkontexten auf. Das Erscheinen des Schiffes könnte als mögliche Zitation des Passageritus vom Leben zum Tod gedeutet werden, was die Bildsteine näher an das thematische Feld der Sepulkralkultur rücken würde. Dabei übernimmt das Boot eher eine symbolische Funktion denn den tatsächlichen Transport des/der Toten313. Der dachgestaltige Aufbau in der Mitte des Schiffes wird als Indiz für diesen Transport gesehen, die Ausgestaltung der Boote mit rudernder Besatzung spricht jedoch dagegen. Der Auffassung, hier würden individuelle ‘Totenüberfahrten’ dargestellt, stehe ich kritisch gegenüber, weil ich nicht die Verbindung der Bildsteine zum Individualgrab sehe. Was könnte das Schiff nun also darstellen, wenn nicht diese Überfahrt? Die Darstellung des Schiffes befindet sich in den beiden vorliegenden Fällen im unteren Bereich des Bildsteines und steht nicht im direkten Bezug zu den anderen Figuren. In diesem Falle hätte die Transport- und Kommunikationsfunktion des Schiffes ins Felde geführt werden können, jedoch in dieser Gestaltung erscheint es weiterhin rätselhaft.

Schlangen sind unter in diesen Kompositionen nicht häufig vertreten, dafür aber, wenn auch in stark stilisierter Ausführung, sehr prominent auf dem besonders gestalteten Bildstein Hablingbo, Havor II (Nr. 25), abgebildet. Diese sind ebenfalls mit Vorstellungen von Wiedererneuerung und ewigem Leben verbunden und spielen in vielen Mythologien eine bedeutende Rolle. Die Scheibe des Havorsteines ist mit einem Vierpassknoten versehen, was solitär für die Bildsteingestaltung ist. Der Vierpassknoten ist erneut in der Kategorie der Unendlichkeitssymbolik zu verorten, ihm wurde zu verschiedenen Zeiten aber auch apotropäische, magische Wirkung zugesprochen311.

Komposition IB In Addition zur vorhergehenden Beschreibung tauchen hier die Motive der dezentralen Scheibe und des Schiffes auf. Jedoch keine opponierenden Vierfüßler. Die dezentralen Scheiben ersetzen den Teil des ‘Kompositionsprogramms’ der opponierenden Tiere, welches bei Sanda, Kirche IV (Nr. 63), dadurch bekräftigt wird, da sich zwei Schlangen um die dezentralen Scheiben winden und mit geöffneten Mäulern gegenüberstehen. Die dezentralen Scheiben liegen ebenfalls wie die zuvor beschriebenen Tiere in Doppelung vor und sind von der Gestaltung her sehr ähnlich, sowohl hinsichtlich der Größe als auch der inhaltichen Ausgestaltung. Es könnte also angenommen werden, dass diese kleineren, dezentralen Scheiben die Rolle der opponierenden Tiere übernehmen, 311

Komposition IC Diese Komposition unterscheidet sich deutlich von den beiden zuvor besprochenen. Dabei bilden die dargestellten Symbole an sich nicht den divergierenden Faktor, da sie alle 312

Dieser Fragestellung nachgehend, konnten auf dem Bildstein Martebo, Kirche I (Nr. 53), ebenfalls zwischen der Zentralscheibe und den dezentralen Scheiben opponierende Reiterfiguren entdeckt werden. Dieser Bildstein ist nur zu 25% erhalten, deshalb taucht er in der Auswertung der Kompositionen nicht auf. 313 Vgl. Schönbäck, 1983, S. 129.

Nylén und Lamm, 1991, S. 38f.

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Die Motive der Bildsteine als Symbole

4.2.2 Kompositionen der Gruppe II

bereits in den anderen Kompositionen zu finden waren. Einzig der Drache ist hier in anderer Weise dargestellt als zuvor. Bemerkenswert ist aber die andere Gestaltung: Die Regel der einfach und doppelt abgebildeten Symbole ist aufgelöst. Die genannten Motive kommen nur in einfacher Darstellung auf den Bildsteinen vor. Auffallend ist ebenso, dass die Symbole näher aneinander liegen, die Abstände sind geringer, die Motive scheinen dadurch eher zu interagieren oder zu kommunizieren als bei den voran genannten Kompositionen.

Vorkommen auf den Bildsteinen der Gruppe I mit den Katalognummern: 1, 4, 11, 12, 13, 19, 21, 30, 31, 33, 38, 42, 51, 56, 58, 60, 64, 65 Siehe Abbildung 37.

Obwohl für Gruppe II mehr Bildsteine in der Auswahl der Kompositionen verbleiben, ist ein weitgehend einheitliches Erscheinungsbild wie bei Gruppe I nicht gegeben. Die Auswahl zweier Bildsteine, die Kompositionen der Gruppe II repräsentieren, ist bereits ein schwieriges Unterfangen. Die Variation der Gestaltung erscheint größer. Das hatte sich ja bereits beispielsweise in der variableren Gestaltung des Schiffmotivs, des einfachen oder gedoppelten Vorkommens des Tiermotivs abgezeichnet (s. o.). Auch Lars Hermodsson bezeichnet diese Gruppe als sehr heterogen315.

Einer dieser beiden Bildsteine ist der in der Literatur häufig zitierte Hangvar, Austers 1 (Nr. 39). Dieser zeigt zusätzlich zu der zentralen Scheibe, zu dem Steven eines Schiffes und dem Drachen eine Person vor dem geöffneten Maul des Tieres. Jedoch ohne Waffen (siehe Abschnitt zu Krieger). Dieses Zusammenspiel aus Drache/Lindwurm/Biest und Mensch wird häufig als womöglich erste Abbildung des Sigurd-/Siegfried-Themas im nordischen Raum gedeutet314. Durch diese besondere Darstellung des Drachen im Gegensatz zu den Schlangen, welche als Tierdarstellungen oder als Umgürter der dezentralen Scheiben in der Opponenz dargesellt sind, ist es unwahrscheinlich, dass die Beispiele die gleiche Bedeutung haben. Die Schlangen folgen der Darstellungsregel der opponierenden Tiere, die Drachen in der vorliegenden Komposition nicht. Wird der Aufbau der Bildsteine betrachtet, stellen sie eher ein Gegengewicht zu den Schiffen dar. Die Drachen folgen oberhalb der zentralen Scheibe deren äußerer Form und die Schiffe tun dies unterhalb der Scheibe. Da von dem Bildstein Hangvar, Austers I, nur die rechte Hälfte erhalten ist, lässt sich nicht sagen, ob die Menschenfigur auf der linken Seite ein entsprechendes Pendant hatte. Die somit solitäre Stellung am Rande des Bildfeldes wirkt ungewöhnlich und nimmt der Gestaltung die Symmetrie.

Aus den genannten Bildsteinen lässt sich für Gruppe II nur eine Gruppe konstatieren, die einer Gestaltungskonvention zu folgen scheint. Ein hoher Anteil der Steine sind als Sonderformen anzusprechen. Komposition IIA [4, 19, 21, 30, 31, 33, 38, 56, 58, 65] • Horizontale Unterteilung in Felder: oben Schiff plus unten leeres Feld, Vogel, schrägkariertes Feld, opponierendes Vogelpaar oder Vierfüßler. Teilweise erscheint der Schiffssteven als zusätzliche Teilung des oberen Feldes, somit ergibt sich optisch eine horizontale Zwei- oder Dreiteilung. Wenn ein Vogelmotiv vorhanden ist, kann dies sowohl direkt unter dem Schiff oder im, durch eine Borte abgetrennten, weiter unten platzierten Feld abgebildet sein. Als Beispiel für Komposition IIA siehe Abbildung 37, links. Zusammengehöriges Monument II [12, 13] • Eskelhem, Larsarve I, ebenfalls oben Schiff, unten kariertes Feld (beidseitig, Seite B kariertes Muster); Eskelhem, Larsarve II, jedoch anstatt des Schiffes opponierende Vierfüßler. Es liegt eine ähnliche Gestaltung wie bei Komposition IIA vor, die dennoch vorhandene optische Sonderstellung und Zusammengehörigkeit der beiden Steine ist jedoch unverkennbar.

Sonderform I Hierbei handelt es sich um die Kombination zweier einfach ausgestalteter dezentraler Scheiben. Dezentrale Scheiben zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Regelfall nicht ohne eine Zentralscheibe auf den Bildsteinen vorkommen. Im vorliegenden Fall kann das aber ausgeschlossen werden, da der Stein komplett erhalten ist. Anhand der Größe des Steines ist auch nicht von zahlreichen weiteren, nur durch Bemalung aufgebrachten Motiven auszugehen.

314

Sonderformen II [1, 11, 42, 60, 64] • Segelschiff mit Besatzung und Flechtwerkmuster, jeweils als solitäre Verzierung des Bildsteines. Endre, Endre Wald, hingegen zeigt eine Bandschlinge über einem Boot, über einer Bandschlinge mit Schlangenkopf über einem Elch oder Hirsch. Jeweils unten schrägkariertes Feld, darüber weist 315

Nylén und Lamm, 1991, S. 30.

75

Hermodsson, 2000, S. 109.

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 37: Beispiele für Motivkompositionen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Garda 19:2, Smiss I (Nr. 19), und rechts: als Beispiel für die zahlreichen Sonderformen: Endre, Endre Wald (Nr. 11).

Hellvi, Ire III, brezelförmige Bandzier, und Sanda, Sandegårda I, eine Bandschlinge mit je einer Schlange rechts und links davon auf. När, Smiss 3 (Nr. 60, Abbildung 38), zeigt im oberen Bereich ein Triskel mit Tierköpfen und darunter eine Menschenfigur mit gespreizten Beinen, die in beiden Händen jeweils rechts und links vom Körper eine Schlange hält.

Von besonderem Interesse ist das Auftreten der Vogeldarstellungen auf den Bildsteinen, die zuvor in Gruppe I nicht in Erscheinung treten. Vögel sind in der Lage, einen Lebensraum zu betreten, der für den Menschen verwehrt bleibt. Durch die Flugfähigkeit der Vögel haben diese Zugang zu ‘anderen Welten’, sowohl rein physisch als auch in transzendenter Weise. Vögel sind zum Beispiel aus dem Schamanismus als Kommunikatoren mit Wesen aus dem Menschen unerreichbarer Welten und als Vermittler der Sprache der Tiere bekannt.

Komposition IIA (und zusammengehöriges Monument II)

Bei der Kombination des Vogelmotivs mit dem Schiff ist auffallend, dass es sich bei beiden Symbolen um eine Repräsentanz von ‘Grenzüberschreitung’ handelt. Das Schiff ist in der Lage, verschiedene Bereiche miteinander zu verbinden und die Grenzen zwischen ‘Land’ und ‘Wasser’ aber auch ‘Leben’ und ‘Tod’ zu überschreiten. Die Vogeldarstellungen sind als Wasservögel zu erkennen. Somit liegt in diesem Fall bei den Vögeln nicht nur eine Möglichkeit zur Fortbewegung in zwei dichotomen, sondern sogar drei Lebensbereichen – Land, Wasser, Luft – vor. Die Wasservögel können die Grenzen zwischen diesen Lebensbereichen überschreiten und womöglich (wird eine Bedeutung im schamanistischen Verständnis des Vogels angenommen) mit Entitäten dieser Welten kom-

Dominierendes Motiv ist das Schiff. Es ist nahezu auf allen Bildsteinen vorhanden und im obersten ‘Feld’ der Bildfläche abgebildet. Bei einigen Bildsteinen folgt die Gestaltung des Schiffes der äußeren Formgebung des Bildsteines und ‘schmiegt’ sich geradezu in den oberen Bereich ein. Das Schiff hat im Gegensatz zu den Schiffsmotiven der Gruppe I nun einen ganz anderen Charakter, sowohl in der Gestaltung als auch im Gefüge der Komposition. Es nimmt, von der Platzierung der Darstellung her und der Dominanz des Vorhandenseins auf nahezu allen Steinen, die Position der Scheibenmotive der Gruppe I ein. Jedoch kann nicht von der gleichen Bedeutung ausgegangen werden. Das Schiff ist viel stärker dem Einfluss des Menschen unterlegen, repräsentiert ‘bewegt werden’ eher, denn ‘bewegen’.

76

Die Motive der Bildsteine als Symbole

munizieren oder diese Kommunikation für den Menschen ermöglichen.

karierten, rechteckigen Segel. Dabei handelt es sich um das einzige Segelschiff in dieser Ausführung in Gruppe II317.

Dennoch ist es deutlich, dass nicht der Wasservogel mit seiner Möglichkeit, drei Lebensbereiche zu betreten, dominantes Symbol auf den Bildsteinen der Gruppe II ist, sondern das Schiff. Vogeldarstellungen treten nur gemeinsam mit Schiffen auf den Bildsteinen auf316, Schiffe sind jedoch oft auch ohne Wasservögel abgebildet. Die dem Symbol innewohnende Aussagekraft erscheint beim Schiff also deutlich dominanter und wichtiger als beim Vogel.

Vier Gestaltungselemente sind auf dem Bildstein Endre, Endre Wald (Nr. 11), übereinander angeordnet. Dies ist genauso eine Besonderheit für Gruppe II wie die Kombination der Motive aus Bandmuster, Schiff, Schlange (ebenfalls als Bandmuster, jedoch mit Schlangenkopf ) und Elch. Anstelle eines potentiellen Segels für das Schiff ist das Bandschlingemuster angebracht. Dazwischen befindet sich eine nicht näher zu identifizierende Figur oder ein Schiffsaufbau. Die Figuren wirken wie aufgereiht und in die Bildfläche des Bildsteines eingepasst, jedoch ohne dass eine Hierarchie unter den Symbolen oder eine Bezugnahme der Figuren aufeinander zu erkennen ist.

Wasservogeldarstellungen liegen teilweise in antithetischer Doppelung vor, teilweise stehen sie allein. Die in der Diskussion der Gruppe I häufig angeführte sinnhafte Verwendung der Motive in einfacher oder doppelter Anzahl scheint für Gruppe II nicht vorzuliegen, da die Motive nur zum Teil in Doppelung vorkommen. Dies ist als ein Hinweis darauf zu betrachten, dass diese Abbildungskonvention bekannt, ihr aber nicht unbedingt Folge zu leisten ist.

Etwas weniger ungewöhnlich erscheint die Gestaltung der Bildsteine Hellvi, Ire III (Nr. 42), und Sanda, Sandagårda I (Nr. 64), da sie wie die zuvor besprochene Komposition zwei übereinander angeordnete Bildfelder aufweisen. Beide Bildsteine sind im unteren Feld mit einem schrägkarierten Muster verziert und im oberen Bereich mit Bandmustern versehen. Der Bandverzierung von Sanda, Sandagårda I, ist ein Tierkopf hinzugefügt und sie wird von zwei Schlangen rechts und links umgeben. Damit weist sie ein Verzierungsmerkmal auf, welches auch bei dem in der Literatur viel diskutierten Bildstein von När, Smiss 3 (Nr. 60), aufzufinden ist.

Auch für die beiden anderen Tierdarstellungen, bei welchen es sich um Vierfüßler handelt, ist dies zu beobachten. Auf dem Bildstein Halla, Halla Broa I (Nr. 30), liegt ein Vierfüßler in einfacher Anzahl, auf Eskelhem, Larsarve II, liegen Vierfüßler in antithetischer Gestaltung vor. Die antithetische Abbildung unterscheidet sich jedoch sehr stark von jenen aus Gruppe I: die beiden sich berührenden Tiere stehen einander wie an einer Spiegelachse gegenüber, die Darstellungsweise ist statisch. In dieser Abbildung scheint die Doppelung aufgrund der fehlenden Dynamik eher im Kontext des Zwillingsgedankens, denn in dem der Opponenz zu stehen.

Beispiel: När, Smiss 3 Der Bildstein När, Smiss 3318, weist eine derart einmalige Verzierung auf und ist bereits im vorangegangenen Abschnitt häufig zur Sprache gekommen, dass er hier noch einmal vollständig abgebildet und besprochen werden soll.

Bemerkenswert ist das Auftreten von leeren Feldern, sowohl direkt unter der Schiffsdarstellung als auch im untersten Bereich der gestalteten Fläche des Bildsteines. Es besteht die Möglichkeit, dass diese nicht durch eingeritzte Motive, sondern durch Bemalung verziert gewesen sind, die nicht mehr erhalten ist.

Siehe Abbildung 38.

Über diesen Bildstein ist bereits sehr viel Literatur veröffentlicht worden319. Auffallend sind nicht nur die stark differierenden Interpretationen320, sondern auch die sehr

Sonderformen II Die Gestaltung der Bildsteine ist sehr unterschiedlich und über mögliche Bedeutungen lässt sich aufgrund des einmaligen Vorkommens nur spekulieren.

317

Es könnte sich um eine Andeutung auf die Schiffsdarstellungen der Gruppe III handeln. Dort sind die Schiffe in der Regel zwar größer und nicht als einziges Motiv auf einem Bildstein vorhanden, doch ähnelt die Darstellungsweise jenem von Alva Bopparve (Nr. 1) mehr den Schiffen der Gruppe III als den übrigen Schiffen der Gruppe II. 318 Folgend ‘Smiss-Stein’ genannt. 319 Lindqvist, 1955, S. 42ff.; Arrhenius und Holmqvist, 1960, S. 185ff.; Arwidsson, 1963, S. 163ff.; Arwidsson, 1977, S. 107ff ; Gelling und Ellis Davidson, 1969, S. 154; Hauck, 1983a, S. 535; Görman, 1989, S. 39f.; Gaimster, 1998, S. 78f.; Hermodsson, 2000; Nylén und Lamm, 2003, S. 40f. Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt lediglich die hier zugrundeliegende Literatur-auswahl dar. 320 Für eine Zusammenstellung der in der Literatur vorgelegten Interpretationen sei auf Hermodsson, 2000, verwiesen.

Ein Segelschiff in für die Gruppe II hervorstechender Gestaltung weist der Bildstein Alva, Bopparve (Nr. 1) auf. Dieser zeigt ein Schiff mit Menschen an Bord und einem großen, 316

Eine Ausnahme stellt Stenkyrka, Kirche IX, Nr. 70, dar. Dieser Stein liegt fragmentiert vor, sodass diese Aussage nicht mit Sicherheit zu belegen ist. Aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustands ist er nicht in die Untersuchung der Kompositionen einbezogen worden.

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Abbildung 38: När, Smiss 3 (Nr. 60).

unterschiedlichen Angaben zur Datierung. Es gibt mehrere Autoren, die den Bildstein in das fünfte Jahrhundert datieren, andere, die von einer Entstehungszeit im siebten Jahrhundert ausgehen. Nylén und Lamm erwähnen eine Entstehungszeit zwischen 400 und 600, weisen den Bildstein aber anhand der äußeren Form ihrer Gruppe M zu. Somit ist er in der vorliegenden Auswertung Gruppe II zugeordnet worden. Für diese Gruppe ist aber insgesamt nicht von einer Entstehungszeit im fünften Jahrhundert auszugehen. Hermodsson beschreibt den Bildstein ebenfalls als schwer in eine ‘Tradition’ einzuordnen321. Jedoch spricht bei dem Smiss-Stein sowohl die Gestaltung der Borte und der dargestellten Figuren als auch die Tatsache, dass der Bildhintergrund abgetragen ist und nicht die Figuren selbst in den Stein eingetieft sind, deutlich gegen eine Zugehörigkeit zur Gruppe I.

Hermodsson, Arwidsson und Görman stellen in der Interpretation der Bildinhalte eine Verbindung zur keltischen Kultur her. Ich sehe die Verwendung dieser Symbole jedoch nicht als einen Import keltischer Kulturausprägungen, sondern als eine Repräsentation von Bewusstseinsinhalten lokalen Ursprungs. Optische Ähnlichkeiten – die jedoch aufgrund der vorhandenen Abweichungen keine eindeutige Verbindung zu einem der genannten Vorbilder nahelegen – sollten nicht mit inhaltlichen Übernahmen gleichgestellt werden. Eine Analyse dieses Bildsteines in gleicher Methodik wie die bereits zuvor besprochenen Kompositionen ist hier schwerlich möglich, da es sich ja um ein solitäres Stück handelt. Die vorgelegte Methodik auf fokussiert wiederkehrende Elemente, die in gleicher Struktur auf verschiedenen Bildsteinen erscheinen. Dies ist hier nicht gegeben. Es handelt sich um eine Einzelfigur (zentrale Menschenfigur), die von zwei Schlangen flankiert wird, und ein Triskel mit Tierköpfen. Lediglich die beiden, eine mittig angeordnete Figur flankierenden Schlangen tauchen bereits bei dem Bildstein Sanda, Sandegårda I (Nr. 64), und eventuell auch auf einem Bildstein unbekannten Fundortes (Nr. 102) auf. Interessant auch, dass es sich bei dieser Gestaltung ausschließlich um Schlangen und keine anderen Tierarten handelt. Somit könnten die Schlangen der Interpretationsmethode folgend eine ‘relative Kraft’ darstellen, da sie in Doppelung auf den Bildsteinen erscheinen. Eine Entität, welche mit diesen Kräften in einem Spannungsverhältnis oder einer anderen Beziehung steht, scheint hier nicht feststellbar. In dem vorliegenden SmissStein beziehen sich diese beiden Schlangen deutlich auf die sie haltende oder präsentierende Menschenfigur.

Aber auch bei der inhaltlichen Interpretation gehen die Meinungen weit auseinander. In der Literatur werden Ähnlichkeiten zu zahlreichen, zeitlich und räumlich sehr weit gestreuten Motiven hergestellt. Diejenigen, die am meisten Resonanz gefunden haben, sind sicherlich die Hinweise auf eine kretische Schlangengöttin, auf Cernunnos322, auf Daniel mit den Löwen und auch die Interpretation der Figur als Odin in einer schamanischen Transfiguration. Bereits bei Fragen wie der, ob die Abbildung wohl eine weibliche oder männliche Figur zeigt, ob sie eine besondere Frisur, einen Kopfschmuck oder eine Maske trägt, wird in der Literatur sehr unterschiedlich entschieden. Über die Zuordnung der Köpfe im Triskel oberhalb der Menschenfigur zu den Tieren Wildschwein, Raubvogel und Wolf herrscht dagegen weitgehend Einigkeit. 321 322

Hermodsson, 2000, S. 109. Keltische Gottheit, siehe Maier, 1998, S. 69f.

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Die Motive der Bildsteine als Symbole

Anhand der Körperstellung, insbesondere der Präsentation der Geschlechtlichkeit steht für mich eine Zuordnung der Figur zum weiblichen Geschlecht außer Frage. Die Betonung der männlichen Geschlechtlichkeit erfolgt nicht durch gespreizte Beine, sondern diese Haltung steht deutlich im Zusammenhang mit einer Betonung der Gebährfähigkeit und somit zur Macht, Leben zu geben. Diese Frauenfigur hebt diese Fähigkeit zur Mutterschaft hervor, ohne direkt als Mutter oder Muttergöttin erkennbar zu sein. Schlangen als Symboltiere mit starker Schöpfungskraft werden von der Frauenfigur, die also ebenfalls ihre Schöpfungskraft betont, deutlich präsentiert, was als gleichbedeutend damit verstanden werden kann, dass sie diese dominiert. Mit dem Hinweis, die Kraft der Schlangen in Anspruch nehmen zu können, potenziert sie ihre eigene Kraft. Möglicherweise handelt es sich um eine regionale Ausprägung einer Muttergottheit. Die Zitation der Tierarten Wolf, Wildschwein und Raubvogel scheint nicht in diesen Kontext zu passen. Ein ungewöhnlicher, aber dennoch nicht minder interessanter Interpretationsvorschlag für die Zusammenstellung dieser drei Tierarten geht von einem Hybrid zur Identifizierung eines ‘Monsters’, nämlich eines Drachen aus: According to stated abilities and body parts [in Beowulf ], the body of the dragon emerges like a hybrid, consisting of snake, bird and boar. Lundborg, 2006, S. 42 In der Kombination mit der zuvor interpretierten Darstellung einer Muttergottheit erscheint dieser Interpretationsvorschlag jedoch nicht verständlich. Die Figur präsentiert sich als Herrin der Schlangen, was als Opponenz zu einer Drachendarstellung unwahrscheinlich wäre, da Drachen und Schlangen sehr stark miteinander verbunden sind. Häufiger werden diese Tiermotive in Zusammenhang mit Hinweisen auf die Figur Odins323 interpretiert. Einer derartigen Interpretation, also einer Identifizierung mit einer Persönlichkeit der nordischen Mythologie, stehe ich skeptisch gegenüber. Ein Bezug zwischen den Bildsteinen und der Niederschrift der textlichen Quellen ist meines Erachtens zu ungewiss. Wird diese Bedeutungszuschreibung jedoch akzeptiert, könnte auch aufgrund der horizontalen Zweiteilung mit dem Antipoden der Menschenfigur an eine Darstellung eines Kräftegleichgewichts zwischen einer Entität, die mit den Attributen Odins assoziiert wird, und einer Entität mit den Fähigkeiten einer Muttergöttin gedacht werden.

323

Gräslund, 2006, S. 124ff.

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5 Synthese Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Motivbedeutung gotländischer Bildsteine und hat die Absicht, einen Einblick in die geistigen Lebenswelten der frühgeschichtlichen Menschen Gotlands zu ermöglichen. Die vorhandene Literatur kann nur schwer zur Motivanalyse für die angestrebten Untersuchungen verwendet werden, sodass die Materialgrundlage zunächst zusammengestellt werden musste. Dies fand in Form der Bildsteine der Gruppen I und II in Anlehnung an Andrén (siehe Kapitel 1.2, Abschnitt Gruppierung und Zeitstellung) statt, die noch mit Motiven versehen sind. Dabei stützte sich die Auswahl und die Benennung der Motive bereits auf die Literatur. Die Benennung der Motive wurde an einigen Stellen ergänzt oder hinterfragt. So ist diese zum Beispiel bei der Motivgruppe der Scheibenmotive nicht einheitlich und nicht allgemein genug, bei Darstellungen in der Gruppe der Pferde, Vierfüßler und Hirsche jedoch sehr gleichförmig und es entstehen Zweifel, ob zwei deutlich verschieden ausgestaltete Motive wirklich die gleiche Benennung zulassen. Da somit bereits die Benennung der vorhandenen Motive einen Eingriff in die Authentizität des Monuments darstellen kann, ist bei einer Interpretation mit besonderer Aufmerksamkeit und Sorgfalt vorzugehen.

Da das Ziel der vorliegenden Untersuchung eine qualitative Analyse der Motivik ist, bedurfte es zunächst des Verlassens der konkreten Phänomenebene und der Beschäftigung mit der theoretischen Frage, ob den Motiven ein symbolischer Gehalt zugesprochen werden darf. Es konnte gezeigt werden, dass eine Kommunikation in einem kulturellen Kontext immer eine Bedeutung in sich trägt und von einem symbolischen Gehalt ausgegangen werden muss. Darüber hinaus wurde die Frage erörtert, ob diese Symbole denn tatsächlich hilfreich für die Erforschung der geistigen Lebenswelt sein können. Auch dies konnte argumentativ unterstützt werden. Jedoch stellte sich damit die weitere Frage, ob und wie sich einer Bedeutung der Symbole genähert werden kann. Unter Rückgriff auf das Mythem-Konzept Lévi-Strauss’ wurde ein Szenario entworfen, um die Rahmenbedingungen für das Erschaffen und Rezipieren der Bildsteine beschreiben zu können (siehe Kapitel 3.3). Dieses beinhaltet folgende Aussagen: Die Gesellschaft oder ein Teil davon teilt einen kulturellen ‘Text’, der als Grundlage der Bildsteingestaltung angesehen werden kann. Mindestens einige müssen als ‘Aktive’ im Entstehungsprozess der Bildsteine betrachtet werden und können diesen Text in Elemente zerlegen und in Bilder umsetzen. Wiederum zumindest einige ‘Aktive’ können aus diesen Elementen auswählen und verschiedene Kombinationen der Bildelemente erstellen. Eine Gruppe von Rezipienten hat teil an diesen Abbildungen und ist in der Lage, anhand der Grundelemente den ‘Text’ oder Teile davon zu rekonstruieren; dabei kann es verschiedene Abstufungen von Teilhabe und Verstehen der Abbildungen geben. Es handelt sich nicht um Bildgeschichten, sondern um die Zitation einzelner Grundelemente, was eine bestimmte Abstrahierungsund Lesekompetenz voraussetzt.

Anhand des zusammengestellten Materials wurden systematische, quantitative Untersuchungen zum Vorhandensein der Motive auf den Bildsteinen durchgeführt. Welche Motive sind vorhanden, mit welchen Bezeichnungen, auf welchen Steinen. Die Motivpräferenzen und die Gewichtung der einzelnen Motive wurden für die beiden Gruppen herausgearbeitet. So konnte gezeigt werden, dass sich die primär genutzten Motive der beiden Gruppen unterscheiden: In Gruppe I gibt es eine überdeutliche Präferenz der Scheibenmotive. Da die Bezeichnung dieser Motive bisher nicht zufriedenstellend war, wurde eine neue Benennung vorgenommen, die eine andere Differenzierungskomponente in den Vordergrund stellt. Die beiden unterschiedlichen Motivbezeichungen verweisen nun nicht primär auf das verwendete Ornament, sondern auf die formale Verwendung, sie lauten dementsprechend ‘Zentralmotiv’ und ‘dezentrale Scheibe’. Es ließ sich zeigen, dass das ‘Zentralmotiv Scheibe’ jenes mit der größten Anzahl auf den Bildsteinen der Gruppe I ist. Gruppe II hingegen weist eine sehr viel größere Varianz in Gestaltung und Motivwahl auf, verwendet aber das Schiff als häufigstes Motiv. Die Verwendung geometrischer Muster taucht hier neu auf den Steinen auf. Es gibt keinen Bildstein der Gruppe II, der nicht entweder mit einem Schiff oder einem geometrischen Muster oder beidem versehen wurde.

Im folgenden Schritt, der eigentlichen Annäherung an die Bedeutungsinhalte der Motive, wurde deren jeweiliger symbolische Gehalt bewusst uneingeschränkt und unfokussiert umrissen. Keine Eingrenzung der Bedeutungen auf jeweils eine ganz bestimmte Aussage sollte vorgenommen werden, sondern von allgemeinen Bedeutungsoptionen sollte zu den möglichen Bedeutungen konkret für die Bildsteine hingeführt werden. Erneut möchte ich als Beispiele die am häufigsten vorkommenden Motive der Gruppen I und II anführen: die Scheiben- und die Schiffsmotive. Die Scheibenmotive wurden zunächst auf ihre Kreisform zurückgeführt, da die sie verzierenden Ornamente häufig als Variationen des Kreises angesprochen werden können und sich somit diese in der Gestaltung der Scheiben mehrfach wiederholen. Das Kreismotiv wird fest mit der Sonne assoziiert und somit in Ver 81

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

nommen wurden. Auf den Bildsteinen der Gruppe I mit einem entsprechend hohen Erhaltungszustand können drei Kompositionsvarianten vorgefunden werden. Die von mir benannte Komposition IA kommt am häufigsten vor und kombiniert Scheibenmotive mit Tierpaaren. Das Zentralmotiv der Scheibe steht in Bezug zur Sonnensymbolik in all ihren Bedeutungsmöglichkeiten (siehe Kapitel 4.1.1). Eine Assoziation dieser Scheibenmotive mit jener des aristotelischen Konzepts des unbewegten Bewegers wurde als weitere Bedeutungsebene vorgetragen. Die Kombination mit antithetischen, opponierenden Entitäten macht deutlich, dass auch die Anzahl der Symbole bedeutungsvoll ist. Außer den zentralen Scheibensymbolen sind alle Figuren in doppelter Ausführung abgebildet. Meist opponierende Vierfüßler, selten Schlangen, in einem Fall Menschen (Krieger). Es sind – im Gegensatz zu den Scheibenmotiven – duale Kräfte, dichotome Vorstellungen. Diese sind jedoch keine Variablen, da sich immer gleichartige Figuren gegenüberstehen.

bindung mit einer Sonnensymbolik interpretiert. Dafür gibt es weitere Hinweise gestalterischer Art wie kurze, senkrechte Striche, die als Strahlenkranz angesprochen werden können. Dies legt also eine Interpretation der Scheibensymbole in Bezug zur Sonne, mit allen Bedeutungskonnotationen wie Kreislauf, Schöpfungskraft hinsichtlich der Wirkungen und ihrer Relevanz für das Leben auf der Erde und ihrer Stellung als Himmelskörper sehr nahe. Das Schiff bzw. das Schiffsmotiv wird als ein multidimensionales Symbol sowohl bezüglich seiner Bedeutung als auch seiner Anwendung erläutert. Schiffe haben einen festen Platz im realen Alltag zum Transport, der aber auch Kontakt und Transfer von sowohl manifesten als auch immateriellen Gütern bedeuten kann. Sie sind jedoch nicht auf ihre Bedeutung für den realen Alltag der Menschen beschränkt: Auch auf die Idee einer Transportfunktion in einer konzeptualen Vorstellung verschiedener Lebens- oder Weltbereiche wurde verwiesen. Durch das Auftreten von Schiffen, Abbildern von Schiffen oder Steinsetzungen in Schiffsform im Zusammenhang mit Grabriten kann von einer deutlichen Assoziation zur Vorstellung des Schiffes als eines Kontaktvehikels zwischen den Welten der Lebenden und der Toten gesprochen werden. Daneben kann das Auftreten besonders des realen Schiffes im Grabbau aber auch als Ausdruck einer ökonomisch herausgehobenen Persönlichkeit und somit als Symbol der Macht verstanden worden sein. Alle oder viele dieser Ebenen können in einem Bild zeitgleich zum Ausdruck kommen, müssen aber nicht von allen Rezipienten auch zugleich verstanden werden.

Bei den ausgewählten Bildsteinen für Gruppe II lässt sich nur eine Komposition konstatieren, die einer Gestaltungskonvention zu folgen scheint. Ein hoher Anteil der Steine ist als Sonderformen anzusprechen. Die Kombinationsvariante IIA weist eine horizontale Unterteilung in Felder auf: Oben befindet sich ein Schiff. Dieses wird mit einem leeren Feld, einem schrägkarierten Feld oder der Darstellung eines Vogel oder eines opponierenden Vogel- oder Vierfüßlerpaares unterhalb kombiniert. Dominierendes Motiv ist das Schiff. Es ist nahezu auf allen Bildsteinen vorhanden und im obersten ‘Feld’ der Bildfläche abgebildet. Von besonderem Interesse ist das Auftreten der Vogeldarstellungen auf den Bildsteinen, die zuvor in Gruppe I nicht in Erscheinung treten. Durch die Flugfähigkeit der Vögel haben diese Zugang zu ‘anderen Welten’, sowohl rein physisch als auch in transzendenter Weise. An der Kombination des Vogelmotivs mit dem Schiff ist auffallend, dass es sich bei beiden Symbolen um eine Repräsentanz von ‘Grenzüberschreitung’ handelt. Das Schiff ist in der Lage, verschiedene Bereiche miteinander zu verbinden und die Grenzen zwischen Land und Wasser, aber auch Leben und Tod zu überschreiten. In den Vogeldarstellungen sind diese als Wasservögel zu erkennen. Somit liegt in diesem Fall bei den Vögeln nicht nur eine Möglichkeit zur Fortbewegung in zwei dichotomen sondern drei triadischen Lebensbereichen – Land, Wasser, Luft – vor. Dennoch ist deutlich, dass nicht der Wasservogel mit seiner Möglichkeit, drei Lebensbereiche zu betreten, dominantes Symbol auf den Bildsteinen der Gruppe II ist, sondern das Schiff.

Darüber hinaus wurden Überlegungen zur bewussten Verwendung einer bestimmten Anzahl von Symbolen pro Stein angestellt. Für die Hauptmotive der Gruppe I – den Scheibenmotiven – wurde hierbei eine Assoziation mit dem Konstrukt des ‘unbewegten Bewegers’ nach Aristoteles hergestellt. Die Fokussierung sowohl innerhalb der Gestaltung eines Steines und auch in der Gesamtheit der Bildsteine der Gruppe I auf diese eine Motivgruppe ist deutlich erkennbar. Die Gestaltung der Scheiben als Zentralmotiv drückt die Assoziation mit der Bewegung aus, sie befinden sich selbst aber fixiert und die Gestaltung dominierend immer an gleicher Position. Dieses Kuriosum findet sich auch im Konstrukt des unbewegten Bewegers wieder. In Kombination mit der herausgearbeiteten Assoziation zur Sonnensymbolik ist dies nicht als Widerspruch, sondern eher als weitere Bedeutungsebene – hier zum Beispiel die des Logos – zu verstehen (siehe hierzu auch Kapitel 4.2.1). Diese eher strukturale Bedeutungsanalyse wurde mit der Hinführung zur Bedeutung einzelner Symbole kombiniert, um dann die Kompositionen zu untersuchen und zu interpretieren. Voraussetzung dafür ist die Überzeugung, dass die Zusammenstellungen der Motive planvoll vorge-

Diese Ausführungen (wie zum Beispiel auch in Kapitel 4 und besonders in Kapitel 4.2) lassen sich als Hinweise auf

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Synthese

die geistige Lebenswelt der frühgeschichtlichen Menschen, die die Bildsteine geschaffen und gestaltet haben, verstehen. Auch das oben skizzierte Szenario der Aussagentransformation in Bilder und deren Rezeption ist ein Bestandteil dieser geistigen Lebenswelt (siehe auch Kapitel 3.3). Um die Hinweise auf die geistigen Lebenswelten exemplarisch zu konkretisieren, möchte ich hier an die genannten Interpretationsansätze der Komposition IA anknüpfen. Aus ihr lassen sich nach meiner Ansicht Aussagen zur Kosmologie ableiten. Kosmologie soll hier verstanden werden als die ‘Lehre von der Welt’. In diesem Weltbild gibt es eine absolute Macht oder Kraft (repräsentiert durch die Scheibenmotive, interpretierbar als eine Darstellung des ‘unbewegten Bewegers’), und es gibt relative Kräfte oder Mächte. Die absolute Kraft wird als diese ausgezeichnet, da sie in einfacher Anzahl und in deutlich dominantem Größenverhältnis abgebildet wird, die relativen Kräfte sind doppelt und in viel kleinerer Abbildungsgröße dargestellt. Das Figurenspektrum der relativen Kräfte wird durch verschiedene Lebewesen repräsentiert. Innerhalb dieses Figurenspektrums kommen auch Darstellungen von Menschen vor. Dadurch positioniert sich der Mensch im Rahmen der relativen Kräfte und somit im Machtgefüge der Kräfte, die ihn umgeben und um ihn herum wirken – und letztlich in der Welt.

wurden und auch zu vermittelnde Themen in der geistigen Lebenswelt der Menschen darstellten, sich vom Absoluten, Universellen, Abstrakten – und im Falle der Scheibenmotive Intelligiblen – hin zum Relativen, Konkreten bewegten. Dafür könnte auch die Mannigfaltigkeit der Darstellungsanordnungen ein Beleg sein. Das Konkrete und somit Individuelle steht im Vordergrund vor der notwendigerweise regelhafteren Darstellung der Kräfte im Gefüge eines Weltbildes.

Die angewandte Interpretationsmethode trägt auch ein Bekenntnis zum Charakter der Ergebnisse in sich: Die Ergebnisse dieser Arbeit haben im Bereich der Interpretationen einen konzeptionellen Charakter. Und ich möchte anschließen: das sollen sie auch, da im Bereich der Analyse und der Interpretation von Symbolen, dazu noch jener vergangener Kulturen, kein absoluter Wahrheitsanspruch zu postulieren ist. Das Erlangen von Eindeutigkeit im Sinne eines absoluten Wahrheitsanspruchs ist mit dem Begreifen der Pluralität von Welt nicht vereinbar. Jedoch sollen Ergebnisse dieser Art damit nicht in ihrer Bedeutung relativiert, sondern ihre Grundlagen offengelegt werden. Die Vorgehensweise im Prozess der Interpretation soll nachvollziehbar gemacht und die Ergebnisse als bewusst konzeptionell gekennzeichnet werden. Die Ergebnisse sind als eine mögliche Konzeption unter anderen zu verstehen, sie basieren gleichwohl auf einer fundierten Vorgehensweise. Im Falle der Bildsteine beinhaltet das folgende Prämissen: Die Bildsteine und die darauf vorhandenen Motive liegen fragmentiert vor, sie wurden von Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts rekonstruiert und wieder mit Farbe auf die Bildsteine aufgetragen. Vor der Interpretation steht als weiterer Schritt die Benennung der Motive. Aus den rekonstruierten Bestandteilen der bestehenden Bildsteine werden in dieser Arbeit verschiedene Bilder der geistigen Lebenswelt entworfen. Andere Forscher kommen vielleicht zu anderen Entwürfen, da sie sich von anderen Punkten, anderen Disziplinen und Hintergründen auf die Bildsteine als motivtragende Objekte hinzubewegen.

In gleicher Weise mit den Interpretationen zur Gruppe II zu verfahren ist schwierig, da die Gestaltung der zugehörigen Bildsteine nicht solch deutlichen Kompositionsregeln folgt, wie sie bei Gruppe I vorzufinden sind. Die Motivgestaltung erscheint nicht wie in Gruppe I miteinander in Beziehung zu stehen. Im Gegenteil kommt es in Gruppe II zu einer deutlichen Unterteilung des Steines in vertikale Felder. Die einzelnen Felder werden anhand von horizontalen Borten oder einfachen Linien abgetrennt. So soll hier ein Vergleich zwischen dem Schiff als dominierendem Motiv der Bildsteine der Gruppe II und den Scheibenmotiven der Gruppe I vorgebracht werden. Als dominierendes Symbol finden wir in Gruppe II erneut ein Motiv, dass in einfacher Anzahl auf den Bildsteinen und dominierend im oberen Teil des Bildsteines abgebildet wird. Jedoch führen diese Aspekte der Beobachtung hier nicht zu der gleichen Bedeutungszuweisung wie zuvor bei Gruppe I. Das Schiff ist nicht als absolute Kraft zu interpretieren. Es ist vielmehr ebenfalls eine relative Größe, da es sich zwischen zwei Bereichen hin und her bewegt und nicht ohne weitere Figuren zu denken ist: Geschöpfe, die es erbauen und die es nutzen. Somit ist der Platz des am häufigsten verwendeten Motivs, welches in Gruppe I einer konzeptuellen Macht vorbehalten war, nun mit einem Symbol besetzt, das in einer Kosmologie eine relative Rolle einnehmen würde. Dieser Umstand lässt sich so charakterisieren, dass die Aussagen, die auf den Bildsteinen transportiert

Bei diesem Verfahren ergaben sich weitere Fragen, denen hier nicht nachgegangen werden konnte. Diese sollen nun als Anmerkungen und Anregungen angeführt werden: • Das Verhältnis der zentralen Scheibenmotive zu deren ornamentaler Verzierung. In welchem Falle wurde ein Wirbelrad gewählt und in welchem nicht? Gibt es ein grundsätzliches Muster, das sich hinter dieser – sicherlich nicht willkürlichen – Verwendung aufspüren lässt? • Das Verhältnis zwischen den dezentralen Scheiben und den anderen, antithetischen Figuren unterhalb der Zentralscheibe. 83

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

• Schiffsmotive sind auf Bildsteinen der Gruppe I immer am unteren Ende der Bildfläche dargestellt, auf Steinen der Gruppe II erscheinen diese immer oben. (Eine Ausnahme für diese Anordnungsregel in Gruppe II stellt Stenkyrka, Kirche IV, Nr. 67, dar. Hier ist ein Vogel – in der Literatur als Raubvogel bezeichnet – über einem Segelschiff dargestellt.) • In Gruppe I wurden alle Darstellungen eingeritzt. In Gruppe II wird dieser Regel nicht konstant Folge geleistet: Es gibt sowohl Bildsteine mit eingeritzten Motiven als auch Steine mit abgetragenem Hintergrund, d. h. die Motive sind in Relieftechnik hervorgehoben worden. Aber auch manche Fragen, die im Zusammenhang mit der Bedeutungsanalyse aufgeworfen worden, konnten im Zuge dieser Arbeit nicht zufriedenstellend geklärt werden. So konnte zum Beispiel keine konkrete Bedeutung des Schiffes formuliert werden. Diese konkrete Bedeutung ist zu unterscheiden von der Zuordnung des Schiffes in den Bereich einer ‘relativen Kraft’ in einem Weltbild (s. o.). Es mag verwundern, dass eine konkrete Aussage hier so schwer fällt, ist doch das Schiff eines der prominentesten Motive, nicht nur der gotländischen Bildsteine, sondern zahlreicher vor- und frühgeschichtlicher Relikte. Doch gerade diese Menge an Informationen und auch die Fülle an Bedeutungsmöglichkeiten, die bereits so häufig erwähnte Multidimensionalität des Schiffsymbols macht eine Eingrenzung der Bedeutung sehr schwierig. Wie bereits erläutert (siehe Kapitel 4.2.1, Abschnitt Komposition IB) kann die Darstellung einer individuellen Totenüberfahrt als unwahrscheinlich erachtet werden.

Die Literatur über gotländische Bildsteine – obwohl bereits zahlreich vorhanden – wird sich noch vermehren. Das ist auch als erwünschte weitere Entwicklung der Erforschung der Bedeutungsdimensionen der Bildsteine anzusehen. Durch möglichst variantenreiche, vielseitige, bilderreiche und durchaus auch literarische Entwürfe können sicher immer mehr Puzzleteile für die Analyse nicht nur der Monumente der gotländischen Bildsteine, sondern auch der geistigen Lebenswelt der frühgeschichtlichen Menschen zusammengetragen werden, die die Bildsteine geschaffen, gestaltet, inszeniert und somit ‘in die Welt gebracht’ haben.

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Synthesis This paper deals with the meaning of motifs from Gotlandic picture stones with the intention of offering a perspective on the mental and cultural environment of early historic Gotlanders. Because it is not possible to use the literature for analysis of motifs from the start, a basis of material was gathered first. This was done using a set of picture stones of the groups I and II following Andrén (see chapter 1.2, section Gruppierung und Zeitstellung). The terms used for the motifs are taken from the existing literature. The names for the motifs are at some points complemented or questioned. The assignment of terms, for example, to the motif groups of discs is not consistent and not general enough. On the other hand, the depictions in the group of horses, quadrupeds and stags are very uniform, so that there are doubts about whether two motifs that are clearly designed differently can be assigned the same name. Because the very naming of the motifs can interfere with our understanding of the monument, the interpretation must be done with great care and diligence.

arguments. But this raises another question, of whether and how we can come closer to the meaning of symbols. In reference to the mytheme-conzept by Levi-Strauss a scenario is designed that can describe the framework conditions for the creation and reception of the picture stones (see chapter 3.3). This includes the following statements: The society, or a part of it, shares a cultural text, which can be seen as basis of the picture stone design. At least some people in this process of creation can be described as ‘actives’, and they can divide this text into elements and transform these into pictures. Again some of these ‘active’ people can choose among these elements and create different combinations of picture elements. A group of recipients takes part in these depictions and has the ability to recreate the text or parts of it with help of the basic elements, in that there can be different grades of participation in understanding of these depictions. There are no picture-stories, but rather the citation of individual basic elements, which requires a certain competence in abstraction and reading.

Systematic and quantitative analysis of the existence of picture stone motifs is done on the basis of the compiled material, asking which motifs are present, with which names, on which stones. The preference for and the importance of each motif are pointed out for both groups. In this way it can be shown that the primarily used motifs are different: Group I shows a distinct preference for disc motifs. Because the designation of these motifs is not satisfying, new names are developed that emphasise another component of differentiation. These two different names point not primarily to the ornament used, but to the formal usage; these names are respectively ‘central motif-disc’ and ‘non-central disc’. It can be shown that the disc as central motif is the one with the highest quantity in group I. Group II on the other hand shows a greater variation in design and choice of motifs. The use of a geometrical design appears new on the picture stones in group II. There is no picture stone in group II that does not show a ship, a geometrical design or both.

In the following step, which is central to approaching the meaning of the motifs, the symbolic contents of each symbol are deliberately sketched out without the restriction of assigning particular categories of meaning to the symbols. After moving from the general interpretations of the symbols, possible meanings represented on the picture stones themselves are then developed. Again my goal is to illustrate this by referring to the commonly used motifs of groups I and II: that is, the disc- and the shipmotifs. The disc motifs were reduced to the circular form because the decorative ornamentation can very often be understood as a variation of the circle, which means that in the decoration of the discs they appear multiple times. The circular motif is associated with the sun and is thus interpreted in connection with a sun-symbolism. Short vertical strokes, which are interpreted as corona, can be seen as further evidence for a sun-related interpretation. Thus it stands to reason that an interpretation of the circular motifs in reference to the sun is possible, along with an entire range of associated concepts, including circulation, its role as a celestial body, and creativity with regard to its effects and significance for life on earth. The ship or the ship motif is described as a multidimensional symbol in its meaning as well as in its usage. Ships play a certain role in everyday transportation, which can also refer to the contact and transfer of material or immaterial goods. They are not restricted in any way to relevance for every day life. The idea of a transportation between different conceptual life or world spheres is pointed out as well. Because ships, images of ships,

Because the aim of the paper is a qualitative analysis of the motifs, it is necessary to set the concrete phenomena aside and work at a theoretical level, asking whether we can assign the motifs a symbolic meaning. It can be shown that communication in a cultural context always carries meaning, and thus we have to assume a symbolic content. Furthermore, the question is discussed, whether these symbols are in fact helpful for the investigation of the conceptual and cultural environment. This also can also be supported with

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

one bird, or an opposing pair of birds or quadrupeds. The dominant motif is the ship. It appears on nearly every picture stone and placed in the top field of the depicted area. A matter of special interest is the appearance of bird imagery on the picture stones which can not be found in group I. Due to their capacity for flight, birds have access to ‘other worlds’, in both in a physical and transcendental sense. What is remarkable about the combination of the bird and ship motif is that both symbols represent a crossing between realms. The ship is able to connect different spheres or areas and to cross the borders between land and water, but also life and death. The bird depictions are to be identified as water birds. Thus these birds have the capability of moving not only in two but three triadic spheres of life - land, water and air. Nevertheless it is obvious that it is not the bird, with its ability to access three spheres of life, that is the dominant symbol on the picture stones of group II, but the ship.

or stone settings in the shape of a ship can be found in connection with burial rituals, the idea of the ship as a vehicle connecting the worlds of the living and the world of the dead is conceivable. In addition, the appearance of a real ship in the sepulchral structure can also be interpreted as an expression of wealth and a symbol of power. All or most of these different levels of understanding could be contained within one image at the same time, but not all of these would necessarily be understood by all recipients. The idea is considered that there is a deliberate use of a certain number of motifs per stone. In so doing, an association with the Aristotelian construct of the ‘Prime Mover’ (German: Unbewegter Beweger) is stressed for the main motifs of group I - the disc motifs. The concentration on the disc motifs both in the design of one stone and in all of the picture stones in group I is obvious. The design of the discs as a central motif is connected with movement, but is itself always fixed and dominates the design in the same position. This unusual phenomenon is also to be found in the construct of the Prime Mover. In combination with the stated association with sun symbolism this is not to be understood as a contradiction, but rather as another level of meaning - in this case that of the ‘logos’ (see chapter 4.2.1).

These remarks (and those for example also in chapter 4 and especially in chapter 4.2) can be seen as indications on the cultural environment of the early historical people who created the picture stones. Also, the scenario that was mentioned of the transformation of messages into pictures and its reception is part of this cultural environment (see also chapter 3.3). In order to exemplify the cultural environment I will revisit the discussion of composition IA. In my opinion, statements leading towards a cosmology can be extracted from these interpretations. Cosmology is to be understood as the ‘conception of the world’. This world concept consists of an absolute power or force (represented through the disc motifs, to be interpreted as an illustration of the Prime Mover), and there are relative powers or forces. The absolute force is distinguished as such, because it appears alone and it is significantly larger than the others. The panoply of figures of the relative forces is represented with different beings. Within this panoply there are also images of humans. This indicates that man is positioning himself in the array of the relative forces and with that in the power structure of the forces, that surround and affect man - and ultimately in the world itself.

This analysis, which is to be seen more in a structural sense, combined with the approach to the meaning of each symbol, leads us to the interpretation of the compositions. The premise for this is the conviction that these compositions of motifs are carried out methodically. The picture stones of group I in a good state of preservation show three different varieties of composition. The so-called composition IA is the one that occurs most frequently and combines disc motifs with animal pairs. The disc as central motif is to be seen in connection with sun symbolism in all its breadth (see chapter 4.1.1). An association of these disc motifs with the Aristotelian concept of the Prime Mover is suggested as an additional level of meaning. The combination with antithetical, opposing entities shows that the number of symbols are important. In addition to the central disc motifs, all other figures are depicted twice: mostly opposing quadrupeds, occasionally serpents, and in one case, human beings (warriors). But, in contrast to the disc motifs, here there are always dualistic powers or dichotomous conceptions. These are not variable, because the opposing figures are always of similar type.

To work with the interpretation of group II in an analogous manner is very difficult: the design of the picture stones in that group do not follow specific rules of composition. The design of the motifs on each stone does not seem to be connected as in group I. On the contrary, the stones of group II show a distinct separation in vertical fields. Each field is separated with simple lines or horizontal border ornamentation. Thus a comparison between the ship as dominant motif of group II and the disc motifs of group I will be discussed. The

Among the chosen picture stones of group II only one composition can be found that follows a specific design convention. A high proportion of the stones must be addressed as special forms. The variation IIA displays horizontally arranged segments, with a ship on top. This is combined with an empty field, a field with diagonal checked pattern, or the image of

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Synthesis

Is there a pattern to be found in this usage, considering that this usage is definitely not accidental.

dominant symbol in group II appears again, solitary and in a dominant position at the top end of the picture stone. But these observations don‘t lead to the same interpretation as in group I. The ship is not to be interpreted as absolute force. It is, rather a relative factor because it moves between two areas and is not thinkable without other players: Creatures who build and use ships. Thus the position that in group I was occupied by a conceptual power is now taken by a symbol that would play a relative role within a cosmology. This circumstance can be characterized in such a way that the messages conveyed by the picture stones, which are also topics of the cultural environment, shift in meaning from the absolute, universal, abstract and, in the case of the disc motifs, the intelligible (philos.), to the relative and the concrete. The great diversity of layouts in group II can also be seen as evidence for that. The tangible and hence individual has priority over of the display of power structures in a world view that would have to follow certain layout rules.

• The relationship between the disc in a non-central position and other antithetical figures below the central disc. • Ships are depicted at the bottom end of the picture stone in group I, the stones in group II show the ship always in the top field of the picture range. (An exception to this rule of design in group II is the picture stone Stenkyrka, Kirche IV, Nr. 67. Here a bird - the literature names it as bird of prey - is depicted above the ship.)

• In Group I all depictions are carved into the stone. In group II is this rule not consistently followed: There are stones that show carved motifs and ones from which the background is removed, meaning that the motifs are elevated as reliefs. But also some questions in context of the analysis of meaning were not answered. Thus for example it was not possible to suggest a definite meaning for the ship. This definite meaning is to be differentiated from the allocation of the ship symbol in the range of the ‘relative power’ in a world view (see above). It is astonishing, that a definite statement is so difficult here, as the ship is such a prominent motif, not only for the Gotlandic picture stones, but in numerous pre- and early historical relics. But exactly this quantity of information and the vast range of possible meanings, as well as the oft-mentioned multidimensionality of the ship symbol prevent a definite statement of meaning. As mentioned (see chapter 4.2.1, section Komposition IB) the depiction of an individual passage of the dead should be seen as unlikely.

The method of interpretation used influences in turn the nature of the results: The results of this work are in the area of conceptual interpretation. I would like to add: they ought to, because in the area of analysing and interpreting symbols there cannot be any truth claim, especially when dealing with symbols of lost cultures. Arriving at a definitive statement in the sense of a truth claim is not compatible with the understanding of the plurality of the world. Thus results of this kind should not be relativised through this admission; rather, the principles of this process are made clear. The approach in the process of interpretation ought to be comprehensible and the results should be marked as intentionally conceptual. The results are to be understood as one possible conception among others. In the case of the picture stones, the premises are the following: The picture stones and the motifs on them are now fragmentary, having been reconstructed and repainted on the stones by people of the 20th century. Before the actual interpretation can take place there is the naming of the motifs as one additional step. In this work different images of the cultural environment are outlined, by using the reconstructed parts of the existing picture stones. Other researchers will probably arrive at different interpretations, because they will approach the picture stones as motif bearing objects from different angles, different disciplines and backgrounds.

The amount of literature on the topic of the Gotlandic picture stones - despite the already vast quantity - will increase. This is to be seen as desirable progress in exploring the dimension of picture stone meanings. Through much multivariant, versatile, figured and indeed also literary drafts it will be possible to compile more and more pieces of the puzzle for the analysis not only of the picture stone monuments, but also the cultural environment of the people in early history who have created, designed and staged the picture stones and with that brought them into the world.

This process revealed more questions, which could not be answered in this work. They are mentioned as notes and suggestions: • The relationship between the central disc and its ornamental design: When was a whirling disc chosen and when not? 87

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Zusammenfassung Die Verknüpfung zwischen diesen quantitativen Untersuchungen und der Interpretation geistiger Lebenswelten der Erschaffer der Bildsteine wurde mittels theoretischer Überlegungen zum Zeichen- und Symbolverständnis unternommen. Symbole sind soziale Phänomene, die von der Kulturgruppe hervorgebracht und verwendet werden. Prämisse meiner Untersuchungen ist, dass die jeweils gewählte Symbolik stark in der Kultur der sie nutzenden Menschen verankert ist und Einblicke in die Lebenswelt ermöglicht. Symbole sind also ein deskripitver Ausdruck der soziokulturellen Wirklichkeit der Menschen und ermöglichen darüber hinaus Einblicke in die jeweilige ‘Idee von Welt’. Mit dieser Formulierung soll eine Art Grundkanon der Erkenntnis über die Welt bezeichnet werden, welche der Mensch sich somit verstehbar macht und sich dadurch ein aktives Handeln ermöglicht. Anhand einer Untersuchung der verwendeten Symbole auf den Bildsteinen lassen sich also grundsätzlich Aussagen zur geistigen Lebenswelt treffen. Eine solche Untersuchung wurde hier anhand der Kompositionen der Symbole vorgenommen, die auf den Bildsteinen vorgefunden werden konnten.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden jene gotländischen Bildsteine untersucht, deren Entstehungszeitraum nach Andrén in die Völkerwanderungs- und Vendelzeit datiert werden kann und deren Schauseite noch mindestens ein Motiv aufweist. Randborten wurden hierbei nicht als Motiv gewertet. Durch die genannte Eingrenzung der Objektgruppe ist eine Anzahl von 102 Bildsteinen, die in die Gruppen I und II (in Anlehnung an Andrén) unterschieden werden, für die Untersuchungen verblieben. Diese Bildsteine sind im Katalogteil der Arbeit aufgeführt. Anhand dieser 102 Bildsteine wurden anschließend quantitative und qualitative Analysen der Motive durchgeführt. Die Motive der Bildsteine lassen sich in acht Motivkategorien einteilen, besonders häufig treten dabei Scheibenmotive, Schiffsmotive und Tierdarstellungen auf. In Gruppe I der bearbeiteten Bildsteine verblieben 52 Steine. Die Scheibenmotive wurden einer Bezeichnungsdifferenzierung unterzogen. Die Bezeichnungen ‘Scheibe als Zentralmotiv’ (ZMS) und ‘dezentrale Scheibe’ (DS) spiegeln dabei die bedeutsamen Kriterien dieser Motive wieder, ohne aber die Verzierung als Benennung zu verwenden. Bei den Häufigkeiten der Motive deuten sich Signifikanzen des einzelnen oder doppelten Vorkommens von bestimmten Motiven an. Das Scheibenmotiv weist das höchste Vorkommen innerhalb einer Gruppe mit 94,2% der Gruppe I auf. Somit stellt dieses Motiv einen festen Bestandteil nahezu jedes Bildsteines der Gruppe I dar und tritt auch ausschließlich auf Bildsteinen dieser Gruppe in Erscheinung. Motivkombinationen liegen bei 15 Bildsteinen der Gruppe I vor.

In Gruppe I konnten drei unterschiedliche Kompositionsformen und ein Bildstein, der eine Sonderform aufweist, festgestellt werden. Am häufigsten tritt eine Kombination zwischen der Scheibe als Zentralmotiv und einem oder zwei opponierendem/n Tierpaar/en ober- und/oder unterhalb auf. Bei den Tierpaaren handelt es sich meistens um Vierfüßler. Zu dieser Komposition wurden Interpretationen vorgestellt, aus welcher Aussagen zu einer Kosmologie abgeleitet werden können.

In Gruppe II verblieben 50 Steine zur Untersuchung, auf denen das Schiff das dominante Motiv ist. Die Motive der Vogeldarstellungen und geometrischen Muster kommen nur auf den Bildsteinen der Gruppe II vor. Bei 21 Bildsteinen liegen Motivkombinationen vor.

Obwohl nach Anzahl der Bildsteine die Gruppe II stärker in dieser Auswertung der Kompositionen vertreten ist, fiel das Auffinden verschiedener Gestaltungskonventionen hier hingegen deutlich schwerer. Es konnten nur eine Komposition, ein zusammengehöriges Monument von zwei Bildsteinen und eine große Gruppe von Bildsteinen, deren Gestaltung als Sonderformen angesprochen werden müssen, festgestellt werden. Die genannte Komposition weist eine Unterteilung in horizontale Felder auf und ordnet meist einzelne Motive in vertikaler Reihung an, welche jeweils oben mit einem Schiff beginnt. Daran anschließen können sich Vögel, leere Felder, schrägkarierte Felder oder Vierfüßler. In diesem Zusammenhang lässt sich vermuten, dass sich die Aussagen in Gruppe II hin zu konkreten Darstellungen entwickeln.

Beim Vergleich der Gruppen ist auffallend, dass das häufig als obligatorisch für die Bildsteine genannte Schiffsmotiv in beiden Gruppen vorkommt, in Gruppe I aber eine völlig untergeordnete Rolle zu spielen scheint, sich in Gruppe II jedoch zum dominierenden Motiv entwickelt. Die weiteren Untersuchungen zu den Motivkombinationen konnten nur an einer eingeschränkten Anzahl von Bildsteinen vorgenommen werden, da hierfür eine annähernd vollständig erhaltene Schauseite vorhanden sein musste, der überwiegende Anteil der Bildsteine jedoch fragmentiert vorliegt.

In einer Synthese wurden schließlich die Schritte der vorliegenden Untersuchung aufgegriffen, ihre Bedeutung für die 88

Zusammenfassung

Arbeit erörtert und exemplarisch Bilder der geistigen Lebenswelt der frühgeschichtlichen Menschen Gotlands konkretisiert.

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Summary The Gotlandic picture stones dealt with in this paper display at least one motif and can be dated to the Migrationand Vendelperiod. Border ornamentation is not classified as a motif. By these criteria, 102 picture stones were accepted which were then divided into group I and II (according to Andrén). These stones can be found in the catalogue of this paper. Quantitative and qualitative analysis of the motifs of these 102 stones was then carried out and the motifs were then divided into eight categories. Chief among these categories were disc motifs, ship motifs, and animal figures.

into the relevant Idee von Welt (philos.). This term describes a basic canon of cognition about the world which enables one to understand and take action. Investigation of the symbolism used on the picture stones allows fundamental statements regarding the intellectual and cultural environment of the people that used them. Such an investigation was done by means of the symbol combinations used on the picture stones. In group I three different compositional schemes and one special form are encountered. Most frequent is a combination in which the disc takes the place of a central motif and is combined with one or two antithetical animal pairs. Most animals in such pairs are quadrupeds. Interpretative approaches to such compositions allow statements on a cosmology.

In group I, 52 stones remained for further analysis. The disc motifs were differentiated and named following a new method. The names ‘disc as a central motif ’ (ZMS) and ‘disc in a non-central position’ reflect the important criteria of the motifs, but do not name an entire group after one kind of ornamentation, as has commonly been done in the previous literature. Concerning the quantity of the motifs, it seems to be significant that there are motifs in single and double number. The disc motif is the one with the highest quantity within one group and is to be found on 94,2% of the stones in group I. Thus this motif is an inherent part of nearly each picture stone in group I and is exclusively to be found in this group. Motif combination can be found on 15 picture stones in group I.

Although there are more stones in group II whose compositions can be analysed, it is more difficult to find design patterns. It has only been possible to identify one composition, one monument consisting of two stones and a large group of stones which display a special form. This composition is characterised by separation in horizontal fields and motifs in vertical order which begin at the top with a ship. The ship can then be followed by birds, empty fields, fields with chequered patterns or quadrupeds. In this context it is assumed that in group II the statements imbedded in the decoration are developing into tangible illustrations.

In group II, 50 stones remained for further analysis. Motifs of birds and geometrical patterns only occur on stones in group II. 21 picture stones show motif combination.

All these steps of the investigation are accumulated in a synthesis. The relevance of each for this paper is explained and exemplary images of the cultural environment of the early historical people of Gotland are created.

On comparing the groups, it is apparent that the ship motif, which is often considered obligatory for the picture stones, does indeed occur in both groups. However, in group I it only plays a minor role whereas in group II it has evolved into the dominant motif. Further study of the motif combinations is only possible with a smaller number of picture stones since such analysis requires an almost intact front side, most of the picture stones being fragmentarily preserved. The connection between the quantitative analysis and the interpretation of the cultural environment of the creators of the picture stones was performed with the help of theoretical considerations connected with sign- and symbol understanding. Symbols are social phenomenona which are generated and used in a cultural group. The premise of this investigation is that the chosen symbolism is deeply rooted in the culture of the people using it and thus allows insight into their cultural environment. Symbols are thus a descriptive expression of the sociocultural reality and also allow insight 90

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99

Darstellungsverzeichnis A. Abbildungen 1. Kapitel Nummer

Bezeichnung

Seite

1

Geographische Lage mit den Ostsee-Anrainerstaaten im Jahr 2010, Ostseeinseln.

8

2

Bodenverhältnisse und eisenzeitliche Siedlungen (Pettersson, 1955, aus Stenberger, 1955, S. 57).

8

3

Übersicht über die Eisenzeit mit dem Fokus der Völkerwanderungs- und der Vendelzeit Gotlands auf Grundlage von Öhrmann, 1994, S. 29. Absolutchronologisch decken sich die Daten mit Almgren und Nerman, 1923, Nerman, 1935, 1975, und Nylén, 1955. In der neuen Literatur (vgl. Rundkvist, 2003, oder Thunmark-Nylén, 2006) werden die Perioden-Einteilungen der Vendelzeit von Nerman heute kritisiert und zum Beispiel gezeigt, dass das Material, welches von ihm in VII:5 eingegliedert wird, bereits wikingerzeitlich ist. Auch seine Einteilung in fünf Stufen wird kritisiert. Nach Thunmark-Nylén kann eigentlich nur eine zweistufige Einteilung von jeweils 120–130 Jahren aufrechterhalten werden.

10

4

Allgemeine Formgebung der Bildsteine.

14

5

Chronologien der verschiedenen Bearbeiter – Lindqvist, 1941 (Althaus, 1993 übernimmt das System); Andrén, 1993; Nylén und Lamm, 2003; ‘Fornsal’ nach Öhrmann, 1997 (Gotlands Fornsal), Almgren, 1978; Manneke, 1984.

14

6

Übersicht Kirchspiele Gotlands und Kirchspiele mit Bildsteinfundorten. (Nach Lindqvist, 1941, S. 141, mit Ergänzung der Neufunde.)

16

7

Bildsteinfundorte außerhalb Gotlands (Gebietsnamen mit Fundorten von Nachahmungen sind kursiv).

17

Nummer

Bezeichnung

Seite

8

Beispiele für Scheibenmotive in Gruppe I. Links: Hablingo Havor I (Nr. 24) mit Wirbelrad, rechts Hablingbo Havor II (Nr. 25) Scheibe mit Vierpassknoten. Beides ‘Scheibe als Zentralmotiv’ (ZMS).

26

Nummer

Bezeichnung

Seite

9

Beispiele ZMS. Links: Hablingbo Havor II (Nr. 25), mitte: Hellvi, Ire I (Nr. 41) und rechts: Väskinde 120, Kirche 5 (Nr. 90). (Zu erkennen auch die sogenannten Strahlenkränze, s. u.)

44

10

Beispiele für dezentrale Scheiben. Links: Bro, Kirche 24 (Nr. 6), rechts: Väskinde 159, Björkome I 120, (Nr. 92).

46

11

Beispiele für Schiffe auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Sanda, Kirche IV (Nr. 63) und rechts Väskinde 159, Björkome I (Nr. 92).

49

2. Kapitel

4. Kapitel

101

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Nummer

Bezeichnung

Seite

12

Beispiele für Schiffe auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Halla Broa VII (Nr. 31), Mitte: Ardre, Petsarve II (Nr. 4) und rechts: Alva Bopparve (Nr. 1). Auffallend die unterschiedliche Ausgestaltung der Schiffe und besonders der Segel.

50

13

Beispiele für Tierdarstellungen (Ausschnitte) auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Hablingbo, Havor I (Nr. 24), und rechts: Sanda, Kirche IV (Nr. 63).

52

14

Beispiele für Tierdarstellungen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Garda 19:2, Smiss I (Nr. 19), und rechts: Sanda, Sandegårda I (Nr. 64).

52

15

Beispiele für Vögel auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Halla Broa VII (Nr. 31), und rechts: När, Rikvide (Nr. 58).

53

16

Beispiele für Pferde (nach Bezeichnung der Literatur) auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Garda 124:6, Kirche 1 (Nr. 18), und rechts: Hellvi, Ire 7 (Nr. 44).

56

17

Beispiele für Pferde auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Halla, Broa XV (Nr. 36), und rechts: Stenkyrka, Lillbjärs IX (Nr. 76) nach Lindquist, 1941, Abbildung 63.

56

18

Beispiele für Hirsche/Elche auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Endre, Endre Wald (Nr. 11), und rechts: Kräklingbo, Smiss IV (Nr. 46).

57

19

Beispiele für Vierfüßler auf Bildsteinen der Gruppe I. Beide Abbildungen vom Bildstein Väskinde 120, Kirche 5 (Nr. 90), links oberhalb und rechts unterhalb des Scheibenmotivs.

59

20

Beispiele für Vierfüßler auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Eskelhem, Larsarve II (Nr. 13), und rechts: Halla, Broa I (Nr. 30).

59

21

Beispiele für Schlangen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Bro 24, Kirche II (Nr.7) – fragmentiert: am unteren Rand des Bildes endet auch das Bildsteinfragment – und rechts: Hablingbo, Havor II (Nr. 25).

61

22

Beispiele für Schlangen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Endre, Endre Wald (Nr. 11), und rechts: När, Smiss 3 (Nr. 60).

61

23

Beispiele für Drachen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Hangvar, Austers I (Nr. 39), und rechts: Hellvi, Ire IV (Nr. 43).

62

24

Beispiele für Menschendarstellungen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Hangvar, Austers I (Nr. 39), und rechts: Vallstena, Vallstenarum I (Nr. 87).

63

25

Beispiele für Menschendarstellungen (Ausschnitte) auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Ethelhem, Eisenbahn (Nr. 14), und rechts: När, Smiss 3 (Nr. 60).

63

26

Beispiele für Krieger auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Bro 24, Kirche I (Nr. 6), und rechts: Vallstena, Vallstenarum I (Nr. 87).

64

27

Kriegerdarstellung auf Bildstein der Gruppe II. Ethelhem, Eisenbahn (Nr. 14).

64

28

Reiterdarstellung auf Bildstein der Gruppe I. Martebo, Kirche I (Nr. 53).

65

29

Reiterdarstellungen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Ethelhem, Eisenbahn (Nr. 14), und rechts: Stenkyrka, Kirche VI (Nr. 69), nach Lindqvist, 1942, Abbildung 499.

65

30

Menschenfigur auf Bildstein der Gruppe II. När, Smiss 3 (Nr. 60).

66

31

Beispiele für geometrische Muster auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Gammelgarn, Högstens (Nr. 16), und rechts: Hellvi, Ire III (Nr. 42).

67

32

Sonstige Symbole auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: När, Smiss 3 (Nr. 60), und rechts: Sanda, Sandegårda I (Nr. 64).

68

33

Baum auf Bildstein der Gruppe I. Sanda, Kirche IV (Nr. 63).

69

34

Figuralverzierung auf Bildstein der Gruppe II. Gotland, unbekannt (Nr. 102).

70

35

Beispiele für Motivkompositionen auf Bildsteinen der Gruppe I. Links: Väskinde 120, Kirche 5 (Nr. 90), Mitte: Bro 24, Kirche 1 (Nr. 6), und rechts: Hangvar, Austers 1 (Nr. 39).

72

102

Darstellungsverzeichnis

Nummer

Bezeichnung

Seite

36

Beispiel für Motivkompositionen auf Bildsteinen der Gruppe I. Sanda, Kirche I (Nr. 63).

72

37

Beispiele für Motivkompositionen auf Bildsteinen der Gruppe II. Links: Garda 19:2, Smiss I (Nr. 19), und rechts: als Beispiel für die zahlreichen Sonderformen: Endre, Endre Wald (Nr. 11).

76

38

När, Smiss 3 (Nr. 60).

78

B. Diagramme 2. Kapitel Nummer

Bezeichnung

Seite

1

Relative Anzahl der Motive nach Gruppen. Dunkelgrau entspricht Gruppe I, hellgrau entspricht Gruppe II.

24

2

Häufigkeiten der Motive Gruppe I (Datengrundlage Tabelle 6). Dunkelgrau entspricht der relativen Anzahl, hellgrau der absoluten Anzahl der Motive.

25

3

Vorkommen der Scheibenmotive als Zentralmotiv oder an dezentraler Stelle.

26

4

Vorkommen des Motivs ‘Wirbelrad’ innerhalb der Motivkategorie ZMS.

26

5

Häufigkeiten der Motive Gruppe II (Datengrundlage Tabelle 8). Dunkelgrau entspricht der relativen Anzahl, hellgrau der absoluten Anzahl der Motive.

29

6

Sieben Motive im Vergleich der Gruppen, dunkelgrau Gruppe I und hellgrau Gruppe II, basierend jeweils auf der relativen Anzahl. N von Gruppe I = 52; n von Gruppe II = 50.

31

7

Sieben Motive im Vergleich der Gruppen, dunkelgrau Gruppe I und hellgrau Gruppe II, basierend jeweils auf der relativen Anzahl. N von Gruppe I = 10; n von Gruppe II = 19.

31

Nummer

Bezeichnung

Seite

1

Überblick über die auswertbaren Bildsteine, aufgeschlüsselt nach Gruppen.

19

2

Überblick über die behandelten Bildsteine.

20-21

3

Motive der ‘erkennbaren’ Bildsteine und deren Anzahl.

22

4

Übersicht über Motive, die in der Literatur zur Anwendung kommenden Bezeichnungen und die jeweiligen motivtragenden Bildsteine des Katalogs.

22-23

5

Vereinfachte und vereinheitlichte Motivkategorien und Motivbezeichnungen.

24

6

Relative Anzahl/absolute Anzahl der Motive in Gruppe I, Anteile des Motivs in Gruppe I von Anzahl des Motivs insgesamt (beides RA).

25

C. Tabellen 2. Kapitel

103

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Nummer

Bezeichnung

Seite

7

Motivkombinationen der Gruppe I. Fragezeichen in den Spalten ZMS und DS bedeuten, dass sich nach den mir vorliegenden Informationen nicht feststellen lässt, ob es sich um ein Zentralmotiv handelt oder nicht. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

27

8

Motivkombinationen der vollständig erhaltenen Bildsteine der Gruppe I. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

28

9

Relative Anzahl/Absolute Anzahl der Motive in Gruppe II, prozentuale Anteile des Motivs in Gruppe II (beides RA).

28

10

Motivkombinationen der Gruppe II. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

29-30

11

Motivkombinationen der vollständig erhaltenen Bildsteine der Gruppe II. (Die Zahl 1 steht für das Vorkommen des Motivs auf einem Stein, nicht für die Häufigkeit.)

30

104

Katalog

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Dieser Katalog umfasst die Bildsteine, die in die Untersuchungen und Diskussion der vorliegenden Arbeit eingeflossen sind. Zum Auswahlkriterium der Bildsteine siehe Kapitel 2.1, Auswahl der untersuchten Bildsteine und Motive. Es handelt sich nicht um einen vollständigen Katalog aller Bildsteine und Bildsteinfragmente. Siehe hierzu Nylén und Lamm, 2003.

106

Katalog

107

Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

108

Katalog

Erläuterungen lfd. Nr. (Nr. N&L) Gruppe: I od. II (s.u.) Fundort: Ort, Kirchspiel, Fundort Standort: Heutiger Standort, Inventar-Nr. Erhaltung: s.u. Höhe: sichtbare Höhe

Verzierung: Beschreibung der Motive/Besonderheiten. [Hinweise zum Standort bzw. dass der Bildstein nicht aufgefunden wurde] Literatur: erste od. bedeutende Literatur

Foto

Zeichnung

Maßstab (= 30cm)

• Die Angaben zur Erhaltung sind aus Nylén und Lamm, 2003 übernommen, die Abkürzung ‘k.A.’ bedeutet, daß dort keine Angabe zu finden ist

• Alle Fotos aufgenommen von Sonja Guber im November 2008 in Stockholm und im Juni 2009 auf Gotland; Zeichnungen von Sonja Guber angefertigt oder aus dem Werk von Sune Lindqvist, 1942 entnommen und ensprechend gekennzeichnet; falls der Bildstein nicht zugänglich oder auffindbar war, wurden Abbildungen ebenfalls aus dem Werk von Sune Lindqvist, 1941 oder 1942 entnommen und ensprechend gekennzeichnet

• Die Prozentangabe entspricht der geschätzten Erhaltung des Steines, die Zahl nach dem Schrägstrich gibt Aukunft über die Erkennbarkeit der Verzierung: 0 = keine Verzierung oder Verzierung ist völlig zerstört, ‘blind’ 1 = Verzierung schwer erkennbar oder fast völlig zerstört 2 = Verzierung erkennbar 3 = Verzierung gut erhalten

• Die Länge des gemeinsam mit jedem Foto/jeder Abbildung dargestellten Maßstabs beträgt 30cm • Die Nummerangabe in Klammer bezieht sich auf den Katalog von Nylén und Lamm, 2003 um eine Korrespondenz zwischen den Katalogen zu gewährleisten

• Beschreibung und Benennung der Verzierungen gehen auf die Angaben im Katalog von Nylén und Lamm, 1992 und 2003 zurück; diese wurden an wenigen Stellen ergänzt

• Zusätzlich zu in Lindqvist, 1942 auftretende Nummerierungen zu den Angaben des Kirchspiels oder Fundplatzes beziehen sich auf die Angaben in Nylén und Lamm, 2003; hierbei handelt es sich um die Nummer des Bildsteins im Register des Riksantikvarieämbetet (RAÄ) und/ oder des Runenwerkes

• Abkürzungen Literatur: Lindq = N&L = Arr = Arw = Herm = B-N =

• Angabe zur Zugehörigkeit der Gruppe: Die Bildsteine der in Nylén und Lamm, 2003 mit Typ F und M gekennzeichnet sind wurden in Gruppe I und II nach Andrén, 1993 umbenannt, siehe hierzu auch Abschnitt „Gruppierung und Zeitstellung“ in Kapitel 2.2

Lindqvist, Sune Nylén und Lamm Arrhenius und Holmquist Arwidsson Hermodsson Böttger-Niedenzu

• Die Literaturangabe ‘N&L, 2003 (Katalog)’ bedeutet, dass der Bildstein lediglich dort im Katalog aufgelistet und m.W. an keinem anderen Ort in der Literatur erwähnt wird

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Die Bildsteine Gotlands der Völkerwanderungs- und Vendelzeit

Nr. 1 (Nr. 9) Gruppe: II Fundort: Alva, Bopparve Standort: Visby, GF C 10126 Erhaltung: 90%/3 Höhe: 62cm

Verzierung: Zentralmotiv Segelschiff.

Literatur: Lindq, 1962, S.17ff.

Nr. 2 (Nr. 10) Gruppe: II Fundort: Alva 29, Stora Ringome Standort: Visby, GF C 9427 Erhaltung: