Die überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens [1 ed.] 9783428495474, 9783428095476

Den Geschädigten trifft die Obliegenheit, einen drohenden Verdienstausfallschaden abzuwehren. Unterläßt er unzumutbare A

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Die überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens [1 ed.]
 9783428495474, 9783428095476

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GÖTZ WETTICH

Die überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 225

Die überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens

Von

Götz Wettich

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wettich, Gö1z: Die überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens / von Götz Wettich. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 225) Zug!.: Göttingen, Univ., Diss., 1997/98 ISBN 3-428-09547-2

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-09547-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort Diese Arbeit hat im Wintersemester 1997/98 der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Juli 1998 berücksichtigt. Mein allerherzlichster Dank gilt meinem verehrten Doktorvater und Lehrer Prof. Dr. Hans-Martin Müller-Laube, der die Arbeit angeregt und in vielen Gesprächen betreut hat. Die Zeit meiner Tätigkeit an seinen Lehrstühlen für Bürgerliches, Handels- und Wirschaftsrecht in HallelWittenberg und Göttingen hat mir nicht nur schöne, unvergeßliche Erlebnisse gebracht, sondern auch Einsichten in zivilrechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge eröffnet, die weit über die Zivilrechtsdogmatik hinausreichen. Zu Dank verpflichtet bin ich weiterhin Prof. Dr. Joachim Münch für die überobligationsmäßig zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank sage ich weiterhin Freunden und Verwandten für hilfreiche Kritik und wohltuende Ermutigung, namentlich meinem guten Freund Dr. jur. Oliver Schwemer, aus der Familie Gisela Seil horn und Irmela Maack für das mühselige Korrekturlesen, schließlich meinen Eltern für die Ermöglichung des Studiums. Der Anteil meiner Frau am Zustandekommen dieser Arbeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie hat alle Belastungen wissenschaftlichen Arbeitens geduldig mitertragen. Göttingen, im Juli 1998

GölZ Wettich

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung

15

A. Der Begriff des Verdienstausfallschadens .........................................

15

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht .....................

18

I. Das Problem: die Bewertung tatsächlicher Abwehr des Verdienstausfallschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

11. Die tatsächliche überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens in der gegenwärtigen Schadensersatzdogmatik ...............................

25

1. Entwicklungsstufen des Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

a) Die Differenzhypothese .................................................

25

b) Wertende Ergänzungen der Differenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

2. Das Ziel wertender Schadensersatzdogmatik ...............................

30

C. Gang der Darstellung. . . . . . . . . .. . . . .. . . . .. . .. . . . . . . . .. . . . . ... . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Teil Der überobligationsmäßige Einsatz der Arbeitskraft bei der Abwehr des Verdienstausrallschadens

35

A. Die Schadensabwehr in der Rechtsprechung ......................................

35

I. Schadensabwehr durch den Geschädigten selbst ..............................

35

1. Überobligationsmäßige Schadensabwehr durch Neueinsatz der eigenen Arbeitskraft (BGU NJW 1974, 602 ,,Landärztin") .........................

35

2. Überobligationsmäßige Schadensabwehr durch zusätzliche Anstrengungen des Geschädigten (BAG NJW 1968, 221 ,.Arzthelferin") ..............

39

11. Überobligationsmäßige Schadensabwehr durch angestellte Dritte ............

42

8

Inhaltsverzeichnis I. Beeinträchtigung der Arbeitsfahigkeit des Geschädigten (BGHZ 54, 45 ,,Diplomchemiker") ........................................................

42

2. Beeinträchtigung von Betriebsmitteln (BAG JZ 1971, 380 "Filialleiter")

43

3. Die Bedeutung von § 254 11 2 bei der Abwehr von Verdienstausfallschäden ...... ... ......... ....... .... ...... ...... ... ... ........... ..... ......

44

B. Die Kritik am Lösungsweg der Rechtsprechung ..................................

45

I. Keine Linie bei der Anwendung von Zumutbarkeitskriterien .................

46

11. Keine Konsequenz bei der Suche nach Zumutbarkeitskriterien ...............

47

III. Der Vorschlag Grunskys und Thieles ..........................................

49

IV. Ergebnis .......................................................................

50

Der neue Lösungsansatz: die tatsächliche Abwehr des Verdienstausfallschadens als stets obligationsmäßige Schadensabwehr ......................................

50

I. Tatsächliche Abwehr durch den Geschädigten selbst .........................

51

1. Selbstbestimmung und Zumutbarkeit beim Neueinsatz verbliebener Arbeitskraft (BGH NJW 1974,602 ,,Landärztin") .........................

51

a) Die Zumutbarkeit bei unterlassener und bei tatsächlicher Schadensabwehr ... ......... ... .... .... ...... ...... ........... ... ........... ......

51

b) Paradigmenwechsel bei tätiger und untätiger Schadensabwehr .........

57

2. Schadensabwehr durch zusätzliche Anstrengungen des Geschädigten (BAG NJW 1968,221 "Arzthelferin") .....................................

59

a) Zumutbarkeit und persönlicher Einsatz des Geschädigten ..............

60

b) Zusammenfassung ......................................................

64

11. Tatsächliche Abwehr durch angestellte oder angehörige Dritte (BGHZ 54, 45 ,,Diplomchemiker"; BAG JZ 1971,380 "Filialleiter") ........................

64

I. Die Abgrenzung von § 843 IV und § 254 11 2 ..............................

65

2. Selbstbestimmung und Zumutbarkeit im Rahmen von § 254 11 2 ..........

68

111. Zusammenfassung ............................................................

70

D. Folgerungen aus dem neuen Lösungsansatz: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden ...............................................................

71

I. Aufwendungen als Schaden ...................................................

72

11. Typische, konkret ausweisbare Aufwendungen ...............................

73

c.

Inhaltsverzeichnis

9

1. Umschulungskosten: Kosten der Schadensabwehr bei anderweitiger Verwendung der verbliebenen Arbeitskraft ....................................

74

a) Der Anspruch des Geschädigten auf eine Umschulung .................

75

b) Der Anspruch des Schädigers auf die Durchführung einer Umschulung

77

2. Personalkosten: Kosten für die Anstellung Dritter zur Schadensabwehr ...

78

III. Schadensabwehraufwendungen ohne rechnerischen Vermögensverlust ..... . .

80

1. Problemstellung ............................................................

80

2. Nicht vergütete Mehrarbeit (BAG NJW 1968,221 "Arzthelferin") ........

80

3. Schadensabwehr ohne zusätzliche Personalkosten (BGHZ 54, 45 ,,Diplomchemiker"; BAG JZ 1971,380 "Filialleiter") .........................

86

a) Charakteristika der Fallgruppe ..........................................

86

b) Innenbereich des Geschädigten oder "schädiger-freundliche Anlage"

88

3. Teil Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft bei Störungen in vertraglichen Schuldverhältnissen

96

A. Einleitung .........................................................................

96

B. Die Vergleichbarkeit der Schuldverhältnisse Dienstberechtigter-Dienstverpflichteter (§ 615 S.2) und Schädiger-Geschädigter (§ 254 11) ..........................

97

I. Zum RegelungsgehaIt von § 615 S. 1 .........................................

97

1. Der Fixschuldcharakter des Dienstvertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

2. Das sogenannte Betriebsrisiko .... .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

98

11. Die vergleichbare Interessenlage .............................................. 100 C. Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft nach § 615 S. 2 ................ 103 I. § 615 S. 2 als exemplarische Vorschrift....................................... 103 11. Die Obliegenheiten zum anderweitigen Ersatz der Arbeitskraft gern. § 615 S. 2

106

III. Die Bewertung überobligationsmäßiger Verwendung der Arbeitskraft.. . . . . . . 108 D. Die Möglichkeit einer analogen Anwendung von § 615 S. 22.Alt ................ 110

10

Inhaltsverzeichnis

4. Teil Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

113

A. Einleitung: der sogenannte Fahrlehrerfall BGHZ 55, 329 ......................... 113 B. Die Abgrenzung von Abwehr und Beseitigung des Verdienstausfallschadens ... .. 115 C. Die Obliegenheit zum Nachholen ausgefallener Arbeit ........................... 119

I. Die Berücksichtigung unfallbedingter Freizeit................................ 122

11. Obliegenheit zur Nachholung auch bei Verletzung............................ 124 D. Die Bewertung überobligationsmäßiger Beseitigung des Verdienstausfallschadens durch Nachholen der ausgefallenen Arbeit ........................................ 125 I. Bedarf als Schaden............................................................ 125

11. Die Nachholbarkeit als Anrechnungskrlterium ................................ 126 III. Die Zweckbezogenheit der Nachholung ...................................... 127 E. Ergebnis ........................................................................... 129 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Literaturverzeichnis ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Abkürzungsverzeichnis aA

anderer Ansicht

A-Blattei

Arbeitsrechts-Blattei

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

aE

am Ende

Anm.

Anmerkung

AP

Arbeitsrechtliche Praxis; Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts

Aufl.

Auflage

BAG

Bundesarbeitsgericht

BB

Der Betriebs-Berater

Bd.

Band

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen

BI.

Blatt

bzw.

beziehungsweise

DAR

Deutsches Autorecht

DB

Der Betrieb

ders.

derselbe

d.i.

das ist

DR

Deutsches Recht

f,ff

folgende

FN

Fußnote

FS

Festschrift

GS

Gedenkschrift

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

iE

im Ergebnis

JR

Juristische Rundschau

JuS

Juristische Schulung

12

Abkürzungsverzeichnis

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht

KSchG

Kündigungsschutzgesetz

LAG

Landesarbeitsgericht

LG

Landgericht

Iit.

litera

LM

Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshof in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring

LS

Leitsatz

LZ

Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

mwN

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW -Rechtsprechungs re port Zi vilrecht

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZV

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

OLG

Oberlandesgericht

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

RdA

Recht der Arbeit

Recht

Das Recht

RG

Reichsgericht

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RN

Randnummer

r.Sp.

rechte Spalte

f+S

Recht und Schaden

s.

siehe

SAE

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände

SeuffA

Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten

u.a.

und andere

VersR

Versicherungsrecht

VG

Verwaltungsgericht

vgl.

vergleiche

Abkürzungsverzeichnis VRS

Verkehrsrechts-Sammlung

Wameyer

Wameyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

WM

Wertpapiermitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts-und Bankrecht

ZfS

Zeitschrift für Schadensrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; bis 1982: Zeitschrift für Wirschaftsrecht und Insolvenzpraxis

ZPO

Zivilprozeßordnung

13

J. Teil

Einleitung A. Der Begriff des Verdienstausfallschadens Schadensereignisse können in der Sphäre des Geschädigten Rechtsgüter ganz verschiedener materieller und immaterieller Art beeinträchtigen. Daß solche Schadensereignisse gegenwärtig die Rechtsordnung und insbesondere das Schadensrecht in großer Zahl zur Bewältigung fordern und dabei vor eine Fülle von Fragen stellen, mag vor allem zwei Gründe haben: Aufgrund einer rasanten technischen Entwicklung kann heute praktisch jeder mit einer ungeahnten Vielzahl von Menschen nicht nur kommunizieren, sondern auch innerhalb kürzester Zeit zusammentreffen. Kommunikation und Mobilität erhöhen aber gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit von Schadensereignissen, die auf einem Fehlverhalten der dabei in Kontakt tretenden Menschen beruhen. Zudem sind die Betroffenen solcher alltäglich und massenhaft vorkommenden Schadensereignisse immer mehr geneigt, alle auf dem Schadensereignis beruhenden Folgen als zu entschädigendes Unrecht und nicht als schicksalhaft hinzunehmendes Unglück, als ein allgemeines Lebensrisiko, zu begreifenI. Möglicherweise herrscht dabei die Meinung vor, daß der Anspruch ja ohnehin von den kollektiven Versorgungsträgern beglichen werde und keinen einzelnen treffe. Aber nicht immer müssen die Begehren dabei einem übertriebenem Anspruchsdenken entspringen. Allein die Berechnung und Bewertung bestimmter Schadensposten kann dem Schadensrecht einige Schwierigkeiten bei der ge1 Medicus, Schuldrecht I, RN 581; Diederichsen, Klingmüller-FS, 65, 80; Baur, Raiser-FS, 119, 138; HonselVHarrer, JuS 1985, 161; als Beispiele aus der deutschen Rechtsprechung BGHZ 63, 393 (Nutzungsausfallentschädigung bei Pelzmantel); BGHZ 97,14 (fiktive Operationskosten); BGHZ 106,28 (Geldersatz für vermehrte elterliche Zuwendung); dazu Grunsky, BB 1995, S. 937ff; BGHZ 124, 128 (Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden); OLG Köln OLGZ 1973, 7 (Kosten einer erneuten Jagdreise als Schadensersatz für die Zerstörung einer Jagdtrophäe); OLG Köln VersR 1989, 1309 (30,- DM Aufwendungen für Lektüre während des Krankenhausaufenthaltes); Scheffen, NZV 1995, S. 218f, hält de lege ferenda einen Anspruch auf immateriellen Schadensausgleich beim Tode naher Angehöriger für wünschenswert.

16

1. Teil: Einleitung

rechten Lösung der Fälle bereiten und ihm einen oft erheblichen Begründungsaufwand abverlangen. Die wohl schwerstwiegenden Folgen treten bei der Verletzung eines Menschen ein. Hier ist es neben den Heilungskosten der Verdienstausfallschaden des Geschädigten, der dem Grund und der Höhe nach als Schadensposten bewertet werden muß. Der Verdienstausfallschaden ist ein Unterfall des entgangenen Gewinns im Sinn des § 252 S.1 2. Unter letzterem werden alle Vermögensvorteile gefaßt. die der Geschädigte zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht gehabt hat, die ohne dieses Ereignis inzwischen aber angefallen wären 3 . Ist beispielsweise ein Kfz zerstört worden, das kurze Zeit später zu einem äußerst günstigen Preis verkauft worden wäre, so besteht der entgangene Gewinn in dem nun nicht erlangten Verkaufserlös. Grundlage für den Verdienst und damit für den Verdienstausfallschaden ist der dauerhafte Einsatz der Arbeitskraft, der auf die Erlangung eines Entgelts für die Arbeitsleistung gerichtet ist. Erst wenn der Einsatz der Arbeitskraft beeinträchtigt wird und damit das Entgelt für den Einsatz als Verdienst ausbleibt, liegt ein Verdienstausfallschaden vor. Deshalb erleidet z. Bein Fahrschullehrer noch keinen Verdienstausfall, wenn er das Automobil als ausgesondertes Schulfahrzeug veräußert hätte. Ein Verdienstausfallschaden träte beim Fahrlehrer jedoch dann ein, wenn dieser aufgrund eines unfallbedingten Krankenhausaufenthaltes einen Monat lang keinen Unterricht geben könnte und ihm so die Vergütung für die Stunden, ein ,.Monatsverdienst", verloren ginge. Daß ein Verdienstausfallschaden stets die Beeinträchtigung des Einsatzes der Arbeitskraft voraussetzt, läßt bereits erahnen, daß Verdienstausfallschäden aufgrund vielfältiger Sachverhaltskonstellationen eintreten können. Die Literatur unterscheidet zunächst den Einsatz der Arbeitskraft als Arbeitnehmer von dem Einsatz als Selbständiger4 • Bedeutung hat dies deshalb, weil

2 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II e), S.506; Esser/Schmidt, § 32 II 3. b), S. 201; Knobbe-Keuk, VersR 1976,401,406; Fikentscher, RN 545; Klimke, OB 1978, 1323; Grunsky, DAR 1988,400,401; ScheffeniPardey, S. 2. 3 MünchKommlGrunsky, § 252 RN 3. § 252 stellt also, allerdings ohne eigene Bedeutung gegenüber § 249 S.I (MünchKommlGrunsky, § 252 RN I), klar, daß Restitution im Sinn von §§ 249ff mehr bedeutet, als den Geschädigten in den Stand vor dem Schadensereignis zurückzuversetzen; eine Auffassung, die den Verfassern des BGB noch keineswegs selbstverständlich war, S. Stall, Haftungsfolgen, S. 155f. 4 Larenz, Schuldrecht I, § 29 II e), S. 507; Medicus, Schuldrecht I, RN 644f, Deutsch, Haftungsrecht, RN 813f; ScheffeniPardey, S. 3.

A. Der Begriff des Verdienstausfallschadens

17

die Fälle verletzter Arbeitnehmer für die Berechnung des Verdienstausfalls weniger Schwierigkeiten machen. Denn die Gerichte haben in langer und unbestrittener Judikatur festgeschrieben, daß es im bürgerlichen Schadensrecht auf den konkreten Verdienstausfallschaden ankommt und nicht auf die abstrakte Minderung der Erwerbsfähigkeit, die für die Rentenbemessung im Sozialrecht eine Rolle spielt5 • Der Geschädigte muß seine Vermögensnachteile im einzelnen nachweisen6 . Wer trotz eingetretenen Dauerschadens seine bisherige Tätigkeit fortführen kann, erhält keinen Anspruch7, und derjenige, der wieder völlig genesen ist, behält den Anspruch solange, bis er eine gleichwertige ErwerbssteIlung erlangt hat8 . Vor diesem Hintergrund lassen sich die Einbußen des Arbeitnehmers, die während seiner Erwerbsbeeinträchtigung anfallen, anhand der arbeitsvertraglichen Regelungen einfacher ermitteln9 • Ein weiterer Aspekt kommt beim Selbständigen hinzu. In aller Regel bedürfen Selbständige zusätzlich zum ertragreichen Einsatz der eigenen Arbeitskraft einer weiteren Komponente, die das Einkommen erst gewährleistet: nämlich der im folgenden so genannten Betriebsmittel IO. Die Betriebsmittel können genauso wie die körperliche Einsatzfähigkeit, aber auch unabhängig von ihr beeinträchtigt werden. Sowohl in den Fällen eines Körperschadens ll als auch in denjenigen der Beeinträchtigung von Betriebsmitteln 12 kann es daher zu einem Verdienstausfall kommen, weil der Einsatz der Arbeitskraft entweder physisch unmöglich gemacht wird (bei der Körperverletzung) oder aber ein planmäßiges, gestaltendes Einbringen der Arbeitskraft im Rahmen betrieblicher Organisation sinnlos und daher wirtschaftlich unmöglich wird.

5 RG Recht 1908, Nr. 1416; Recht 1915, Nr. 1076; Warneyer 1934, Nr. 178; JW 1938, 592, 593; BGH VersR 1955, 38, 39; 1971, 472, 473; 1978, 1170; RGRKlBoujong, § 842 RN 7. 6 Steifen, VersR 1985,605,609; Staudinger/Medicus, § 252 RN 29. 7 Lange, § 6 IX 4 a), S. 312; Kötz, RN 532; SoergeVMertens, § 842 RN 8; vgl. dazu aber den Fall von RGZ 165, 236f, 240, wo zwar die bisherige Tätigkeit nicht in vollem weitergeführt werden konnte, der Arbeitgeber aber trotzdem den vollen Lohn zahlte. Das Reichsgericht stellte die Lohnfortzahlung nicht einer fürsorgerischen Leistung gleich, versagte den Hinweis auf § 843 IV und dementsprechend einen Schaden des Arbeitnehmers; ähnlich BGH VersR 1967, 1068, 1069. 8 RGZ 163,40,43; BGH VersR 1990,284; NJW 1991,2422; Staudinger/Schäjer, § 842 RN 19,42; Ruhkopj/Book, VersR 1970,690,693. 9 Knobbe-Keuk, VersR 1976,401,406; ScheffeniPardey, S. 4. 10 Vgl. Knobbe-Keuk, VersR 1976,401,407; Esser/Schmidt, § 3211 3.b), S. 202. 11 BGHZ 54, 45 (Diplom-Chemiker); NJW 1974,602 (Landärztin). 12 BAG NJW 1968,221 (Arzthelferin); BAG JZ 1971,380 (Filialleiter).

2 WeUich

18

1. Teil: Einleitung

Stets sind aber mit der Beeinträchtigung des Einsatzes der Arbeitskraft Konsequenzen für die Erwerbssituation und damit für die finanziell-wirtschaftliche Situation des Geschädigten insgesamt verbunden. Seine berufliche Existenz, die ihrerseits auf seiner, das ganze bisherige Leben begleitenden Ausbildung beruht, ist bedroht. In manchen Fällen geht die Beeinträchtigung vorüber, die Gesundheit wird wieder hergestellt. Geschädigte Arbeitnehmer können in den Betrieb reintegriert werden; ein geschädigter Selbständiger kann sein Unternehmen fortführen. Mitunter zeigt sich allerdings schon hier, daß auch vorübergehende Beeinträchtigungen eines Unternehmens, sei es durch ein verietzungsbedingtes Fehlen des Inhabers, sei es durch Störungen des betrieblichen Ablaufs, erhebliche Auswirkungen für seinen Stand am Markt, seinen Ertrag und letztlich für den Verdienst des Unternehmers haben können. In anderen Konstellationen bleiben die Folgen für die Erwerbsfahigkeit des Geschädigten bzw. für den Bestand seines Unternehmens sogar irreversibel. Entweder muß der Geschädigte seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben oder aber ein Unternehmen übersteht die Folgen einer Beeinträchtigung nicht und fällt in Konkurs\3. Zusammenfassend kann man sagen: Ein Verdienstausfallschaden tritt immer dann ein, wenn der Geschädigte eine wirtschaftliche Einbuße erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft schädigungsbedingt nicht wie vorgesehen verwerten kann l4 . Die Störung des Arbeitseinsatzes kann dabei entweder in der Beeinträchtigung der physischen Arbeitsfahigkeit des Geschädigten oder in der Beeinträchtigung der Betriebsmittel liegen, die der Geschädigte für seine Erwerbstätigkeit benötigt.

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht Zu der Bedeutung, die ein Verdienstausfallschaden für den Betroffenen hat, korrespondieren die Schwierigkeiten, die sich für seine Ermittlung und Berechnung stellen.

13 S. BGH VersR 1960, 526 für den Verdienstausfallschaden eines Fuhrunternehmers, dessen junger Transportbetrieb die Folgen aus dem Ausfall eines beschädigten LKW nicht bewältigen konnte; zudem RG JW 1938,592; OLG Hamburg r+s 1997,20. 14 BGH VersR 1984, 639, 640 (zum Wegfall der Arbeitslosenunterstützung als Erwerbsschaden); Stürner, JZ 1984,412; ScheffenlPardey, S. 1.

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

19

I. Das Problem: die Bewertung tatsächlicher Abwehr des Verdienstausfallschadens Der Verdienstausfallschaden ist Vermögensschaden, das heißt, er ist eine unfreiwillige Einbuße, die der Geschädigte an seinem Vermögen erleidet. Zur Ermittlung dieser Einbuße wird ein Vergleich zweier Vermögenslagen angestellt l5 . Zu vergleichen ist die tatsächliche Vermögenssituation des Ersatzberechtigten nach dem schädigenden Ereignis mit der hypothetischen Situation, die bestünde, wenn es zur Schädigung nicht gekommen wäre l6 . Die Differenz zwischen hypothetischer und tatsächlicher Vermögenslage stellt dann den Vermögensschaden des Ersatzberechtigten dar, den der Schädiger auszugleichen hat. Letzterer hat also in der Vermögens sphäre des Geschädigten nach §§ 249 S.l, 252 S.l den Zustand herzustellen, der ohne das Schadensereignis bestünde. Auf beiden Seiten der Differenzrechnung ergeben sich nun beim Verdienstausfallschaden Probleme, zunächst noch für die Entwicklung ohne Schadensereignis. Je nachdem nämlich, wie lange das Schadensereignis zeitlich in das Leben des Geschädigten hineinreicht und welche auszugleichenden Folgen es hat, muß parallel dazu die hypothetische, schadensfreie Entwicklung prognostiziert werden; vollkommen erkannt werden kann die hypothetische Entwicklung naturgemäß nicht. Für das Schadensrecht allgemein besteht deshalb eine der Hauptschwierigkeiten darin, die hypothetische Entwicklung, den von Steffen l7 so genannten Soll-Verlauf, so gut und für die Beteiligten so nachvollziehbar wie möglich durchzuspielen und auszusprechen, das heißt, eine perfekte Prognose wenigstens anzustreben, die Grundlage für eine gerechte und akzeptierte Regelung des Schadensfalles sein kann 18. Besonders diffizil wird diese Aufgabe bei Verdienstausfallschäden, weil die Folgen hier oft über einen längeren Zeitraum in das Leben des Geschädigten, mitunter bis zum Berufs- oder Lebensende, hineinreichen und weil nun dementsprechend lange parallel die ganze Phase hypothetisch ohne das Schadensereignis nachvollzogen werden muß l9 . In Fällen, in denen jüngere Menschen vor 15

16

JauemiglTeichmann, v. § 249 Anm. 11. 3. BGH NJW 1978,262,263; BGHZ 86, 128, 130; 98, 212, 217; 99, 182, 196; 123,

96,99; 124, 128, 142. 17 Steifen, DAR 1984, I, 2. 18 S. dazu Schiemann, S. 86f. 19 Dressler, DAR 1996, 81, 83f; ausführlich und umsichtig BGH NJW-RR 1989, 606 (Soziologin aus dem akademischen Mittelbau).

20

1. Teil: Einleitung

Eintritt in das Erwerbsleben, vor Abschluß der Schul ausbildung oder gar noch im frühesten Kindesalter geschädigt werden, potenzieren sich die Schwierigkeiten sogar, da die Anhaltspunkte im Leben des Geschädigten desto rarer und schwerer faßbar werden, je früher das Schadensereignis das Leben des Betroffenen verändert. Oft hat sich dann eine berufliche Entwicklung nicht einmal in Umrissen abgezeichnet2o • Aber auch bei geschädigten Erwachsenen, die bereits im beruflichen Alltag stehen und Einkommen haben, ergeben sich Probleme, den Verdienstausfallschaden richtig zu bestimmen, und zwar besonders dann, wenn es sich um selbständig oder unternehmerisch Tätige handelt21 • Ihr Verdienst ist anders als bei Arbeitnehmern 22 nicht tariflich oder arbeitsvertraglich festgeschrieben, sondern unterliegt mehr oder weniger großen Schwankungen: Einerseits können äußere Faktoren maßgebend sein, vom Willen und Können des Selbständigen unabhängige Rahmenbedingungen, zum Beispiel die konjunkturelle Entwicklung der Wirtschaft allgemein oder einer Branche im speziellen. Auf der anderen Seite können persönliche Umstände des Geschädigten seine Stellung am Markt und damit seinen Verdienst unmittelbar beeinflussen: die körperliche Leistungsfähigkeit, familiäre Krisen, die Fähigkeit zu Innovation und Adaption neuer technischer Standards. Die Entwicklung, der der Freiberufler oder Unternehmer ohne Schadensereignis ausgesetzt worden wäre, wäre unter Umständen hochkomplex gewesen und seine Erwerbsposition mithin anfällig. Ob er sich in der hypothetischen Berufssituation bewährt und ein Einkommen erlangt hätte, ist nicht in jedem Fall sicher23 • Vielmehr ist sein potentieller Verdienst nur in Abstufungen gewiß. Aus 20 S. zu diesem Problemkreis RGZ 164,79 (7jähriger Junge); OLG Frankfurt, VersR 1989,48 (achtjähriger Junge); OLG Karlsruhe DAR 1989, 104 (achtjähriges Mädchen); OLG Köln NJW 1972, 59 (zwölfjähriger Junge); Eckelmann/Nehls/Schäjer, DAR 1983,337ff; Steifen, DAR 1984, lff; Funk, DAR 1985, 42ff; Medicus, DAR 1994, 442ff; Stümer, JZ 1984,461,462; Schelfen, VersR 1990,926,928; S. auch BGH NJWRR 1992, 791 zu den ersatzfähigen Vermögensposten bei unfallbedingter Verlängerung der Ausbildung; OLG Düsseldorf VersR 1969, 671 zum Erwerbsschaden eines Jurastudenten; KG DAR 1971, 296 zur Darlegungslast des Geschädigten, sowie OLG Bamberg VersR 1967, 911 zu den Vorteilen einer längeren Ausbildung. 21 S. Grunsky, DAR 1988, 4ooff; Steifen, VersR 1985, 605, 609; Kötz, RN 537; Bauer, DAR 1959, 113ff; Klimke, DB 1978, 1323ff; v. Hoyningen-Huene/Boemke, NJW 1994, 1761 untersuchen Berufsfortkommensschäden von Arbeitnehmer bei unzutreffenden Auskünften durch den bisherigen Arbeitgeber. 22 S. BGH VersR 1990,284; 1995,421,423 zur Schadensschätzung bei einem gering qualifizierten Arbeitnehmer; dazu von Gerlach, DAR 1996, 205, 216. 23 OLG Köln ZfS 1993, 261 zu den Schwierigkeiten bei der Schätzung des Verdienstausfallschadens eines Unternehmers, der seine Geschäftstätigkeit auf einen vorher

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

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diesem Grund stellt sich die Frage, wie "krisenfest,,24 der Verdienst des Selbständigen kraft der richterlichen, "behelfsmäßigen" Schadensschätzung gemacht werden darf, ohne daß sich der Geschädigte der Wettbewerbssituation gestellt hätte 25 • Die Gerichte haben hier die Aufgabe, dem Geschädigten in seiner - freilich vom Schädiger erzwungenen26 - Darlegungs- und Beweisnot beizuspringen und die hypothetische Entwicklung im Rahmen der §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO noch freier zu schätzen 27 , als es die beiden Vorschriften für die hypothetische Entwicklung ohnehin vorsehen. Die eben dargestellten Fragen zur Ermittlung der hypothetischen Einkommensentwicklung ohne das Schadensereignis sollen in der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert werden. Sie wendet sich vielmehr der Kehrseite der Schadensberechnung zu, nämlich der Entwicklung des Schadensfalles nach dem Schadensereignis. Auch hier wirft der Verdienstausfall einige Fragen auf, denn das, was nach nach dem Schadensereignis tatsächlich passiert ist (nach der bereits eingeführten Terminologie Steffens28 : der "Ist-Verlauf'), muß ebenfalls bei Eröffnung der Schadensbilanz bewertet werden.

noch nicht erschlossenen Markt ausdehnen wollte. OLG Hamburg r+s 1997, 20: wird eine Gastwirtin wenige Monate nach Eröffnung des Lokals geschädigt, kann eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, daß sie den Betrieb mit den bisher monatlich erzielten 6.000,-DM Reingewinn bis ins Rentenalter erzielt hätte. 24 Vgl. Steffen, DAR 1984, I, 4. 25 Zu den Schwierigkeiten der Schadensschätzung ausführlich BGH VersR 63, 682 (Handelsvertreterin); 66, 447 (Zahntechnikermeister); 68, 970 (Geschäftsinhaber); 69, 466 (Inhaber einer Werkstatt); 1970,860,861 (Provisionsvertreter); 1988, 837 (Inhaber eines wissenschaftlichen Instituts); 1995, 421, 423 (Arbeiter); 1995, 469, 470 (kaufmännischer Berater); Medicus, DAR 1994, 442f, bildet das Beispiel eines Geschädigten, der das Einkommen eines Nobelpreisträgers als Schadensersatz fordert, weil er dies ohne das Schadensereignis geworden wäre. Sein gesamter bisheriger Werdegang, den er darlegt und beweist, deute darauf hin. Medicus will wohl für ein derartiges Begehren die Adäquanz verneinen. Vgl. auch RG JW 1938,592; BGH VersR 1966,931 zur Frage, ob eine negative Geschäftsentwicklung auf dem Unfall des Unternehmers beruht; bemerkenswert auch BGHZ 74, 221 zur der Frage, inwieweit der tatsächliche Lebensweg des Geschädigten nach dem Schadensereignis zu seinen Gunsten in den hypothetischen Lebensweg "hineingedacht" werden kann, obwohl das Schadensereignis für die neue Entwicklung unzweifelhaft kausal gewesen ist; dazu Stürner, JZ 1984, 412, 415f, und Dunz, in: LM § 252 BGB, Nr. 23. 26 Dressler, DAR 1996, 81, 84. 27 Steffen, DAR 1984, 1, 3; Dressler, DAR 1996, 81, 84; von Gerlach, DAR 1996, 205,216; ähnlich BGH VersR 1967,903,905 (Verdienstausfall eines Erfinders); VersR 1998,771 (junger Fußballtrainer); VersR 1998, 772 (Fuhrunternehner). 28 Steffen, DAR 1984, 1,3.

1. Teil: Einleitung

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Die Beurteilung der tatsächlichen Entwicklung ist allerdings einfach, wenn der Geschädigte schädigungsbedingt seiner Arbeitsfähigkeit insgesamt beraubt ist und wegen der physischen Schadensfolgen untätig bleiben muß 29 • Hier stellt sich für die Differenzrechnung nur die Frage, wie der hypothetische Verdienst zu ermitteln ist. Doch treten beim sogenannten Ist-Verlauf Probleme auf, wenn der Ersatzberechtigte seine Arbeitskraft trotz der Schädigung anderweitig nutzt oder sie wenigstens nutzen könnte. Denn der Betroffene hätte seine Arbeitskraft nach dem ursprünglichen Plan nicht auf einmal, sondern sukzessiv, fortlaufend in der Zeit eingesetzt, und dementsprechend stellt sich der Verdienstausfallschaden erst mit der Zeit ein. Er bleibt in der Zwischenzeit grundsätzlich abwehrbar, und auch das Gesetz belastet in § 254 11 den Geschädigten mit der Obliegenheit, dem Ausfall seines Einkommens durch anderweiten Einsatz seiner Arbeitskraft vorzubeugen, mit anderen Worten: ihn abzuwenden. Zwei Konstellationen sind in dieser Situation denkbar: 1. Es kann sein, daß der Geschädigte es unterläßt, den Verdienstausfall abzuwehren. Er bringt seine Arbeitskraft nicht anderweitig ein oder er unterläßt zusätzliche Maßnahmen, um größere Einbußen zu verhindern. Da ihn bloß eine Obliegenheit zur Schadensabwehr trifft, kann von ihm zwar nach einhelliger Ansicht die schadensabwehrende Tätigkeit nicht klageweise erzwungen werden. Die Obliegenheitsverletzung hat für ihn allerdings Nachteile. Wenn er sich bestimmten Anstrengungen zur Schadensabwehr nicht unterzieht, erhält er seinen Verdienstausfall nicht voll ersetzt, weil das hypothetische Entgelt für den unterlassenen Arbeitseinsatz auf seinen Ersatzanspruch angerechnet wird. Diese Obliegenheit trifft ihn freilich mit einer erheblichen Einschränkung: Angerechnet wird ihm nur die unterlassene zumutbare Schadensabwehr, das heißt, die Abwehrmaßnahmen müssen dem Geschädigten, der darauf verwiesen wird, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zugemutet werden können 3o•

So zum Beispiel in BGH NJW 1991, 1412 (türkische Gastarbeiterin). RG JW 1937,2366, 2368; RGZ 160, 119, 120; BGH NJW 1967, 2053; VersR 1983,488,489; NJW 1991,1412,1413; NJW-RR 1992,1050; BGH VersR 1996,332, 333; von Gerlach, DAR 1996, 205, 206; RGRKlAlff, § 254 RN 46; RGRKlBoujong, § 843 RN 109. 29

3()

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

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Beispielsweise muß ein 50jähriger Tischlermeister, der verletzungsbedingt keine schweren Gegenstände mehr heben kann und seinen Betrieb aufgeben muß, nicht die Ausbildung zum Steuerberatergehilfen beginnen. Kündigt dem Tischlermeister vertragswidrig und schadensersatzpflichtig ein Geselle, so muß er nicht wochenlang 5 Überstunden jeden Tag erbringen, um einen lukrativen Großauftrag zu retten. Unterläßt der Geschädigte in diesen Fällen die unzumutbare Ersatztätigkeit, fehlt es an einer Obliegenheitsverletzung, und er erhält seinen gesamten Verdienstausfallschaden ersetzt. 2. Möglicherweise bringt der Geschädigte aber auch alsbald seine Arbeitskraft in eine andere Erwerbsstellung ein und nutzt die Potenzen, die in seiner verbliebenen Arbeitskraft liegen als alternative Einkommensquelle. Oder er erbringt besondere, zusätzliche Opfer zur Abwendung der drohenden Nachteile. Hier wollen die Rechtsprechung 3) und mit ihr einhellig die Literatur32 spiegelbildlich zu der Lage unterlassener Schadensabwehr unterscheiden: Könnte der tatsächliche Einsatz von dem Geschädigten als Obliegenheit verlangt werden, muß er sich seinen Ersatzverdienst anrechnen lassen. Der verletzte Tischlermeister müßte sich zum Beispiel anrechnen lassen, was er tatsächlich im Staatshochbauamt für die Kontrolle und Abnahme von Tischlerarbeiten bei öffentlichen Aufträgen verdient. Wäre der Einsatz hingegen von vornherein überobligationsmäßig, das heißt, könnte ihm bei Untätigkeit der Einsatz nicht zugemutet werden, so bleibt auch das erlangte Einkommen aus derartiger "überobliegenheitsgemäßer" Abwehr des Verdienstausfalls bei der Schadensberechnung außer Betrache3 . Im oben genannten Beispiel nimmt der Tischlermeister tatsächlich eine Ausbildung im Steuerberatungsbüro seines Schwiegersohnes auf. Er darf dann trotzdem seinen Verdienstausfall wegen der Aufgabe seiner Tischlerei einfordern. Und nach der Rechtsprechung des BAG34 würde der Tischlermeister den Verdienst aus dem Großauftrag auch dann als Schaden ersetzt erhalten, wenn er den erheblichen Überstundenaufwand zur Rettung des Auftrages tatsächlich erbracht hat.

3) RG DR 1944,571; BGHZ 55,329; BGH NJW 1974,602; VersR 1994, 186; HAG NJW 1968,221; wohl auch schon BGH VersR 1965489,491 r.Sp. 32 MünchKommlGrunsky, § 254 RN 51; SoergeVMertens, § 254 RN 70; Staudinger/Medicus, § 254 RN 44; PalandtlHeinrichs, § 254 RN 33; Lange, § 9 V 5 c), S. 512. 33 BGH NJW 1974,602,603. 34 BAG NJW 1968, 221, 222 aE.

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1. Teil: Einleitung

Im Ergebnis ist dieser bislang nicht bestrittene Rechtssatz bemerkenswert, denn er erlaubt es dem Geschädigten, neben dem Verdienst aus seiner neuen Arbeit zusätzlich beim Schädiger seinen Verdienstausfallschaden aus der alten, nunmehr aufgegebenen Erwerbstätigkeit zu liquidieren. FinanzielJ steht der Ersatzberechtigte also sogar besser als ohne Schadensereignis, und Thiele 35 bemerkt an dieser StelJe, daß dem Geschädigten nichts anderes ersetzt werde als ein Schaden, den er gar nicht erlitten habe. Die solchermaßen eröffnete Möglichkeit "doppelter Liquidation" gibt Anlaß zur Überprüfung. Dementsprechend ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, ob der Rechtssatz von der Nichtberücksichtigung überobligationsmäßiger Abwehr des Verdienstausfallschadens Bestand haben kann. Die Frage lautet dann, ob der tatsächlichen Abwehr des Verdienstausfallschadens die gleiche Unterscheidung zwischen Obligation und Überobligation zugrundegelegt werden kann wie der unterlassenen oder ob für sie andere Gesichtspunkte hinzutreten, die es möglicherweise rechtfertigen, die "eigentlich" überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls in die Schadensberechnung - zugunsten des Schädigers - einzubeziehen. Die hier aufgeworfene Frage betrifft das Problem der Schadensfeststellung. Insoweit gilt, was Brigitte Keuk eingangs ihrer Monographie konstatiert36 : "Der Begriff des Vermögensschadens ist nach jeder Seite offen. Denn wird die Gewährung einer Geldentschädigung für gerechtfertigt erachtet, so geht jedes Bemühen zunächst dahin, zumindest einen Schaden vorzuweisen. Ist eine Geldentschädigung nicht erwünscht, so erscheint nichts überzeugender als der Hinweis, ein Schaden sei nicht entstanden37 • Weil nach dem Gesetz die Bestimmung des Inhalts der Ersatzpflicht an dem Ausmaß des Schadens zu orientieren ist, wird dem Begriff des Schadens die Schlüsselposition beigemessen, und so überrascht es nicht, daß die Erörterung eines schadensersatzrechtlichen Problems leicht eine solche des Schadensbegriffs ist."

Thiele, SAE 1968,80,82. Keuk, Vermögensschaden, S. 9. 37 Beispielhaft Esser, Schuldrecht I, S. 345: Überpflichtige Schadensabwehr verringere den Schaden effektiv. Die Ersatzpflicht bestehe insoweit nicht und ebensowenig stelle sich die Frage nach der Zumutbarkeit; zudem BGH NJW 1985, 128, 129 (zum Ersatz fiktiver Kreditkosten): das Ergebnis würde zu einer Schadensfiktion führen, die über die normative Korrektur seiner Schadensbilanz hinausginge, weil sie an Stelle des wirklichen Geschehens eine andere, hypothetische Schadensentwicklung setzen würde; schließlich Honsel/JHarrer, JuS 1985, 161, 168: das Lohnfortzahlungsgesetz führe in seinem § 4 dazu, daß der Arbeitgeber einen Schaden geltend mache, der gar nicht entstanden sei. 35

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B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

25

Auf den folgenden Seiten soll der Schadensbegriff allerdings nicht von neuem erörtert werden. Vielmehr soll in knappen Worten der (methodische) Kerngehalt der aktuellen Schadensersatzdogmatik skizziert werden, wie er seit Anfang der sechziger Jahre von Rechtsprechung und Literatur herausgearbeitet worden ist und wie er auch der vorliegenden Arbeit zugrundeliegt. 11. Die tatsächliche überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens in der gegenwärtigen Schadensersatzdogmatik 1. Entwicklungsstufen des Schadensersatzrechts

a) Die Differenzhypothese Die Schadensersatzdogmatik bei Inkrafttreten des BGB ging noch von der kausalen Betrachtungsweise der Differenzhypothese aus 38 , die Friedrich Mommsen in seiner 1855 erschienenen Schrift ,,zur Lehre von dem Interesse" formuliert hat und die auch heute das Fundament jeder Schadens betrachtung darstellt. Der Schaden wird danach als Differenz zwischen zwei Zuständen ermittelt: Es wird der hypothetische Zustand, der ohne das zum Ersatz verpflichtende Ereignis bestünde, mit dem jetzt bestehenden Zustand verglichen 39 . Es werden also alle durch das Schadensereignis bedingten Veränderungen in der Vermögenssphäre des Geschädigten in die Differenzermittlung einbezogen. Sie sind freilich vorher in Geld bewertet worden, weil eine Differenz nur zwischen gleichartigen Größen (Geldbeträgen) gebildet werden kann 4o• Letztendlich wird der Schaden als Differenz der Gesamtwerte zweier Vermögenslagen ermittelt. Nach der Konzeption dieses Schadensbegriffes ist die Ermittlung der beiden zu vergleichenden Vermögenswerte - und damit auch die (rechnerische) Bestimmung des etwaigen Schadensumfanges - eine von rechtlichen Wertungen freie Gedankenoperation 41 •

Mertens, S. 18 mwN. Mommsen, S. 3 für den Begriff "Interesse"; dieser fällt aber mit dem Ausdruck "Schadensersatz" in seiner Bedeutung grunsätzlich zusammen, S. 27; H. A. Fischer, S. 22ff, 26; Heck, S. 37; S. zudem Medicus, Schuldrecht I, RN 595; Magnus, S. 9f. 40 Medicus, Schuldrecht I, RN 595; Deutsch, Haftungsrecht, RN 784. 41 BGHZ 98,212,217; 124, 128, 142f; zum Anspruch der Differenzhypothese Hagen, Hauß-FS, 83, 84; Thiele, AcP 167,193,194. 38

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1. Teil: Einleitung

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b) Wertende Ergänzungen der Differenzhypothese Freilich paßt diese Art rechnerischer Bilanzierung kaum ins Bild von § 249 S.l, weil dieser ja zugleich das Herstellungsprinzip statuiert. Dem widerspricht es, wenn der Schaden eine Differenz zwischen zwei Geldbeträgen und demgemäß selbst einen Geldbetrag darstellen muß42 . Ohnehin aber ist die Entwicklung über diese Betrachtungsweise bald in dem Maß hinweggegangen, in dem deutlich wurde, daß bestimmte Vermögens posten - obwohl durch das Schadensereignis bedingt - gerechterweise nicht in die Schadensbilanz einbezogen werden dürfen; zugunsten, aber auch zuungunsten des Geschädigten. Eine juristische Bewertung über die Einbeziehung der Vermögensveränderungen ging bald der Schadensberechnung voraus43 . Dieses Bewerten unterschied sich grundsätzlich vom Anspruch der Differenzhypothese. die sich auf die bloß rechnerische Erfassung vorgegebener Vermögensveränderungen beschränken wollte. Sehr bald erkannte man beispielsweise, daß der Schädiger nicht für wirklich alle nachteiligen Vermögensveränderungen einzustehen hat. Dementsprechend schwächte man den "Rigorismus,,44 der Äquivalenztheorie und damit der reinen Differenzhypothese - ab. Der erste bedeutende Schritt in diese Richtung war bereits die Adäquanztheorie, die - noch unter dem Stichwort "Kausalität" - das reine Kausaldenken mit Zurechnungs- und also Wertungskriterien aufzufüllen begann 45 . Allenthalben haben seitdem offene Wertungen zur Ergänzung der Differenzbetrachtung Eingang in die Rechtsprechung, insbesondere des BGH, gefunden 46 . Die Literatur hat dabei einen maßgeblichen Anteil zur Bewältigung der aufgeworfenen Frage beigetragen, und nach genauer Analyse gelangte sie

Medicus, Schuldrecht I, RN 595 aE; JuS 1979, 233, 235; Ströjer, S. 48f. Thiele, AcP 167,193,195; zum wertenden VermögensbegriffGotthardt, S. 4f. 44 Hagen, Hauß-FS, S. 83, 85. 45 Fikentscher, RN 479; zur Zurechnung als wertendes Prinzip der Haftungseinschränkung anschaulich Hagen, Hauß-FS, 83, 85ff. Zur Zurechnung von Verdienstausfallschäden S. BGH VersR 1985,62,63: Dort war der Ersatzberechtigte 1968 schädigungsbedingt in die Zeit der Vorlesungsstreiks geraten, was den Eintritt in das Erwerbsleben zusätzlich verzögerte. Zurechnungskriterium für den BGH ist dort allerdings nur der Kausalzusammenhang; zudem exemplarisch aus neuerer Zeit BGHZ 107, 359 (Schlaganfall und Erwerbsunfähigkeit aufgrund von Auseinandersetzungen nach einem Verkehrsunfall). 46 Instruktiv hierzu der Beitrag von Hagen in der Festschrift für Hauß, S. 83ff. 42

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B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

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schließlich zu der Erkenntnis, daß auch der Differenzhypothese selbst eine unbewußte Bewertung zugrundeliegt, wenn sie nämlich alle Veränderungen in die Differenzbilanz wie selbstverständlich einbeziehen wi1l 47 . Tatsächlich ist wohl keine Ebene der Schadensbetrachtung von dieser Entwicklung ausgenommen worden. Treffen beispielsweise die Schadenszurechnungslehren noch Wertungen zuungunsten des Geschädigten, so werden umgekehrt zu seinen Gunsten - nun aufgrund der Lehre von der Vorteilsanrechnung vorteilhafte Veränderungen in seinem Vermögen unberücksichtigt gelassen 48 .

47

Müller-Laube, JZ 1991, 161, 163; Hagen, Hauß-FS, 83, 84; Magnus, S. 10; Brin-

ker, S. 198.

48 Medicus, Schuldrecht I, RN 606, MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 96; Lange/Hagen, Wandlungen, S. 31; Büdenbender, JZ 1995, 920, 926 und wohl auch Soergel/Mertens, v. § 249 RN 207f meinen, eine einheitliche Formel zur Vorteilsausgleichung lasse sich nicht finden. Nach der Rechsprechung muß die Anrechnung dem Geschädigten zumutbar sein, dem Zweck des Schadensersatzanspruches entsprechen und sie darf den Schädiger nicht unbillig entlasten, BGHZ 30, 29, 33; 49, 56, 62; BGH VersR 1965,521,522. Ob freilich Sinn und Zweck der Schadensersatznormen für die Vorteilsausgleichung aussagekräftig sind (so BGHZ 8, 325, 329; 10, 107, 108; 22, 72, 75f; 54, 269, 272; BGH LM § 249 (eb) Nr. 3; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 95; Cantzler, AcP 156, 29,54), ist sehr zweifelhaft. Das Schadensrecht knüpft den Vorgang von Restitution und Kompensation erstens an den Verstoß gegen eine Ersatznorm und zweitens an das Eintreten von solchen erlittenen Nachteilen, die gerade vermieden werden sollten. Aber dafür, ob Vorteile auszugleichen sind, geben die Ersatznormen gerade nichts her. Sie können dies auch zwangsläufig nicht, wenn die Rechtsordnung ihren Sinn darin sieht, die Einstandspflicht für Nachteile zu begründen, und in dem Ausgleich von Vorteilen ein vielleicht weniger dringendes, jedenfalls ganz anderen Anforderungen (Bereicherungsrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag) unterliegenes Bedürfnis sieht. Fruchtbar wird die (Schutz-)Normzwecklehre jedoch, wenn man einen anderen Ausgangspunkt der Anrechnungsfrage wählt: Schadensersatz heißt Gesamtbereinigung der durch das Schadensereignis hervorgerufenen Veränderungen. Der Ausgleichsgedanke bildet das Fundament der Schadensdogmatik. Für ihn ist kennzeichnend, daß Nachteile und Vorteile gleichberechtigt nebeneinanderstehen und zu bewerten sind. Dann ist es sinnvoll, auch einem möglicherweise gleichen Grundgedanken nachzuspüren. Die Anrechnungsfrage für Vorteile lautet dann - wie auch schon für die Nachteile -, in wessen Verantwortungsbereich sie fallen, kurz: wem sie zuzurechnen sind, dem Schädiger oder dem "Verhaltenskreis" des Geschädigten. Der Normzweckgedanke kann hier besonders fruchtbar gemacht werden, wenn der Vorteil aufgrund eines bestimmten menschlichen Handeins gewährt wird, und zwar mit dem Zweck, den Vorteil entweder dem Kreis des Geschädigten oder des Schädigers zugutekommen zu lassen. Es geht dementsprechend auch um Zurechnung, mithin um den Normzweckgedanken, allerdings nicht um den Zweck der "nachteilsvermeidenden" Normen (der Schadensersatznormen), sondern um Sinn und Zweck der vorteilsgewährenden Normen. In den praktisch wichtigsten Fallgruppen der Vorteile aufgrund von Zuwendungen Dritter geht man diesen Weg der Sache nach seit langem (deutlich

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1. Teil: Einleitung

Wenn beiden Ansätzen noch gemeinsam ist, daß sie stets von den durch das Schadensereignis ausgelösten Veränderungen im Vermögen des Geschädigten ausgehen. so bedeutet es demgegenüber einen qualitativen Sprung, wenn man sich von diesem Ausgangspunkt entfernt und Vermögens posten ersetzt, die keine kausale Bindung mehr zum Schadensereignis aufweisen. Als ein markantes Beispiel können hier die Fälle überobligationsmäßiger Abwehr des Verdienstausfallschadens dienen. Für den Verdienst aus schadensabwehrender Tätigkeit hat es der BGH dahinstehen lassen, ob er als vorteilhafte Vermögensänderung im Sinn der Vorteilsausgleichung anzusehen ist oder ob in diesem Fall ein Schaden (d.i. eine nachteilige Änderung) gar nicht erst entsteht49 • Im Beispiel des Tischlermeisters, der einen Verdienst als Steuergehilfe erlangt, kann man in der Tat formulieren, die "neuen" Einnahmen sind verletzungsbedingte "neue" Vorteile, genausogut aber könnte man sagen, durch "neue" Arbeit wird der Nachteil des Verdienstausfalls vermieden. Daß in der Sache wohl die zweite Sichtweise die richtige ist, zeigt die Abwandlung, in der der Tischler gesundheitlich unzumutbar den Betrieb unter Schmerzen und großen Unzuträglichkeiten weiterführt5o• Der BGH51 würde hier den tatsächlichen unzumutbaren Verdienst nicht anrechnen und einen Verdienstausfallschaden annehmen. Hier zeigt sich deutlich, daß wertend nicht mehr unfallbedingte Vermögensänderungen als Schaden eingestuft werden. Zwar werden auch hier Posten im Vermögen des Geschädigten ersetzt, die ihm erst in dem Zeitraum nach dem Deutsch, Haftungsrecht, RN 847f; Medicus, VersR 1981,593,597 und schon Cantzler, AcP 156, 29, 57f; Thiele, AcP 167, 193, 213ff, 223ft), und auch die umstrittenen Lehrbuchbeispiele lassen sich mit Hilfe der Zurechnungslehre ohne Zwang lösen. Dementsprechend kann man einen einheitlichen Grundsatz zur Vorteilsausgleichung sehr wohl formulieren: Bei der Frage, ob ein Vorteil einen Schaden zugunsten des Schädigers ausgleichen soll, ist nach dem Sinn und Zweck der vorteilsgewährenden Norm zu fragen. Umstände und Zufälle, für die der Schädiger zwar kausal ist, die aber ansonsten auf allgemeinem Lebensglück beruhen, kommen nur dem Geschädigten, nicht dem Schädiger zugute, genauso wie den Geschädigten auch das allgemeine Lebensrisiko trifft. 49 BGHZ 55,329,333; BGH NJW 1974,602,603. 50 Entgegen Büdenbender, JZ 1995, 920, 922f sind die Schadensabwehrmaßnahmen des Geschädigten nach § 254 11 hier keine Vorteile im Sinne der Vorteilsausgleichung. Anderenfalls müßte man formulieren, die Vorteile bestünden in dem Ausbleiben von Nachteilen. 51 BGH NJW 1974, 602, 604, obiter dictum; ebenso Magnus, S. 264, und auch schon BGH VersR 1965,489,491 r.Sp.

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

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Schadensereignis zufließen. Entscheidend neu ist aber, daß diese Vermögensposten unabhängig vom Schadensereignis vorhanden sind. Die Kausalität des Schadensereignisses als Lösungskriterium wird hier nicht mehr wertend ergänzt, sondern zugunsten anderer Gesichtspunkte wertend ausgeblendet. Denkbar und folgerichtig ist dann sogar der nächste und letzte Schritt, Vermögensnachteile als Schaden zuzusprechen, die bereits vor dem Schadensereignis als Rechnungsposten vorhanden und ausweis bar sind. Als Muster dient hier die Rechtsprechung des BGH zu den sogenannten Vorhaltekosten. Dort hat der BGH ausgesprochen, daß öffentliche Verkehrsunternehmen bei Beschädigung ihrer Fahrzeuge vom Schädiger anteilig die Kosten ersetzt erhalten, die bei der Unterhaltung von Reservefahrzeugen und daher unabhängig vom konkreten Schadensereignis entstehen52 . Zwar ist diese Rechtsprechung bis heute sehr umstritten 53 • Doch geht es ihr auch nur darum, für die jeweilige Bewertung der Fallgruppen - egal, ob in wertender Anlehnung an den Differenzgedanken oder in wertender Abkehr - die Gründe nachvollziehbar darzulegen 54 . Und umgekehrt hat sich der BGH in anderen Fallgruppen auch nicht gehindert gesehen, Gründe gegen den Ersatz von Vorsorgeaufwendungen aufzuzeigen 55 . Auf diese Weise hat das Schadensrecht noch einmal eine grundlegende Änderung erfahren. Wurde die Differenzhypothese anfangs noch durch eine wertende (normative) Vorauswahl der schadensbedingten Vermögens posten ergänzt, so trifft die Rechtsprechung hier sozusagen "noch freiere" Wertungen, indem sie sich gleichzeitig vom Gerüst der Differenzhypothese löst56 .

BGHZ 32, 280; 70,199; BGH VersR 1978,812; NJW 1986, 1249. Zustimmend zum Beispiel Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 405ff; Stoll, Haftungsfolgen, S. 437ff; Jauernig/Teichmann, § 249 Anm. 2. b); PalandtiHeinrichs, v. 249 RN 43; Medicus, Schuldrecht I, RN 637; Fikentscher, RN 487; ablehnend MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 75; SoergeVMertens, § 249 RN Illf; Deutsch, Haftungsrecht, RN 832; Larenz, Schuldrecht I, § 29 11 f), S. 509f; Lange, § 6 VIII 4, S. 298ff, Schiemann, S. 221 f, die die Lösung über die Nutzungsausfallentschädigung suchen. 54 So insbesondere für die Vorhaltekosten Lieb, Steindorff-FS, 705, 711 ff. 55 BGHZ 75,230: das geschädigte Kaufhaus verlangte vom Kaufhausdieb als Schadensersatz anteilige Kosten für das Personal, das zur Bearbeitung von Diebstählen angestellt war; dazu Steifen, in: LM § 249 (Gb) BGB, Nr. 20; anderer Ansicht neuerdings Stoll, Haftungsfolgen, S. 118ff, der dafür plädiert, dem Ladeninhaber Ersatzpauschalen zur Abgeltung allgemeiner Abwehrkosten zuzusprechen, weil sonst der deliktsrechtliche Schutz gegen Massendelikte weitgehend leer liefe. 56 Ähnlich Hagen, Hauß-FS, 83, 84. 52 53

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1. Teil: Einleitung

Aber die wissenschaftliche Kontroverse für diese Fallgruppen braucht hier nicht nachgezeichnet zu werden. Festzuhalten bleibt, daß sich im Laufe dieser Entwicklung eine wertenden Schadensersatzdogmatik etabliert hat, die ihre Ergebnisse meist vom Ansatz "Differenzhypothese" her gewinnt, die sich aber auch nicht scheut, diesen Ausgangspunkt zu verlassen, um neue ersatzfähige Vermögenspositionen zu etablieren. 2. Das ZieL wertender Schadensersatzdogmatik

Vom Standpunkt einer wertenden Schadensersatzbetrachtung aus konnte der BGH folgerichtig auf die dogmatische Einordnung überobligationsmäßiger Schadensabwehr verzichten, denn für ihn ausschlaggebend ist allein die rechtliche Wertung und Begründung, ob dieser Umstand bei der Berechnung des Schadens einzusetzen oder von der Einstellung in die Differenzbilanz auszunehmen ist57 • Wie in dem obigen Beispiel des verletzten Tischlermeisters geschildert, führt die Nichtanrechnung überobligationsmäßiger Schadensabwehr im Ergebnis dazu, daß der Ersatzberechtigte aufgrund des Schadensereignisses plötzlich zwei Einkünfte hat: nämlich die Liquidation des Schadens beim Schädiger und den Verdienst aus den überobligationsmäßigen Schadensabwehranstrengungen. Hier liegt der Einwand nahe, solche "doppelte Liquidation" müsse ausgeschlossen werden, anderenfalls stünde der Geschädigte besser da als ohne das schädigende Ereignis. Einfach gesagt: der Geschädigte bereichert sich am Schadensfall 58 • Der BGH formuliert diesen Einwand nur anders, wenn er fordert, daß der Geschädigte am Schadensfall nicht "verdienen" solle. 59 Die Tragweite dieses Gedankens ist allerdings begrenzt. Rechtsprechung und Literatur haben Fälle aufgezeigt, in denen der Geschädigte aufgrund des Schadensfalles Geldzahlungen Dritter erhält, ohne daß dies Einfluß auf die Ersatzleistung hat. So darf beispielsweise der geschädigte Arbeitnehmer vom Schädiger Ersatz verlangen, obwohl die finanziellen Nachteile bereits durch Spenden aus der Belegschaft aufgefangen sind und auch ein Regreß der Spendenden nicht in

57 BGHZ 55, 329, 333; BGH NJW 1974, 602, 603; Larenz, AP § 249, Nr. 7; Weitnauer/Emde, AP § 60 HGB, NT. 5, unter IV. 58 Vgl. zum Bereicherungsverbot Medicus, DAR 1982, 352; Lange, S.9; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 6a; Grunsky, NJW 1983,2465,2467. 59 BGH NJW 1989,3009; Heck, S. 41: Tendenz der Gewinnabwehr.

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

31

Frage steht60 • Das durch Unfall verletzte Mädchen darf vom Schädiger Ersatz der Krankenhauskosten verlangen, auch wenn es aufgrund einer kurzen zur Freundschaft gediehenen Nachbarschaft im Krankenhauszimmer von einer reichen, alten Dame in deren Todesstunde noch zur Erbin eingesetzt worden ist61 . In anderen Konstellationen behilft sich der Geschädigte selbst. Der geschädigte Kfz-Halter erledigt während der Reparatur des Pkw alle erforderlichen Wege preiswert im öffentlichen Personennahverkehr oder zu Fuß und erhält trotzdem Nutzungsausfallentschädigung62 . In diesen Fällen steht der Geschädigte - zumindest finanziell - im Ergebnis besser, als er ohne den Unfall stünde, und trotzdem bleibt die Schadensersatzpflicht des Schädigers bestehen. Der Umstand, daß rechnerisch-kausal kein Schaden entstanden ist, schließt also die Bejahung eines Vermögensschadens noch nicht aus 63 • In allen derartigen Fällen müssen Begründungen dargebracht werden, die für und wider den Einfluß einer durch das Schadensereignis bedingten Veränderung im Vermögen des Geschädigten auf die Höhe der Schadensersatzleistung sprechen. Es ist dies wohl die Grundaussage des sogenannten normativen Schadenbegriffes. Trotz der Bemühungen der Literatur64 ist es nicht gelungen, den Begriff einheitlich zu fassen. Einfacher macht man es sich, wenn man den "normativen Schaden" als das Schlagwort begreift, mit dem eine wertende Schadensdogmatik gekennzeichnet wird65 . Normativer Schaden sind danach alle Vermögensposten, die mit besonderer Begründung als Schaden zugesprochen werden, obwohl sie aus einer strikt rechnerischen Bilanzierung der durch das Schadensereignis bedingten Änderung im Vermögen des Geschädigten nicht hervorgehen 66 •

60

RGZ 92, 57, 59f; RG JW 1935,3369; BGHZ 10,107,108; BGHZ 21,112,117;

Lange, § 9 VII, S. 518f; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 99. 61 Larenz, Schuldrecht I, § 3011 a), S. 533.

BGHZ 40, 345; 45, 212; 85, 11; 88, 11; 98, 212, 226. BGH NJW 1978, 1805, 1807. 64 S. dazu die "fünf Gebote" für den normativen Schaden bei Steifen, NJW 1995, 2057, 2058f; sowie die Darstellungen bei Medicus, JuS 1979, 233,235f ; Magnus, S. 14ff; Mertens, S. 50ff. 65 Dies übersehen Baur, Raiser-FS, 119, 129ff, und Ströfer, S. 53ff, wenn sie behaupten, der BGH suche die Lösung der Fallgruppen stets in der undifferenzierten Zuflucht zum normativen Schadensbegriff; ähnlich wie die vorgenannten StolI, Vermögensschaden, S. 9 FN 17. 66 Ebenso wohl Lieb, JZ 1971, 358, 359f. 62 63

32

1. Teil: Einleitung

Ähnlich definiert den normativen Schadensbegriff der BGH67 , nach dessen Meinung die Zuerkennung eines Ersatzanspruchs noch nicht vom Ergebnis der Differenzrechnung allein abhänge. Es sei vielmehr zur Ergebniskontrolle eine ergänzende wertende (normative) Betrachtungsweise unter dem Gesichtspunkt geboten, ob aus gewichtigen Gründen ein Vermögensschaden auch ohne Vermögensdifferenz auszuweisen sei 68 • Die Wertungsmaßstäbe dafür seien in erster Linie dem Sinn und Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen zu entnehmen. Aber auch im übrigen seien aus zwingenden Sachgründen Ergebniskorrekturen nicht von vornherein ausgeschlossen. "Der ,normative Schadensbegriff' bedeutet aus dieser Sicht lediglich (aber immerhin) einen Arbeitstitel, für das differenzierte Denkverfahren, durch welches mit Hilfe rechtlicher Wertungen eine Antwort auf die Frage gesucht wird, ob dem tatbestandsmäßig Verletzten ein Anspruch zugebilligt werden darf...69 Oder noch anders: Ziel der Lehre vom normativen Schaden ist es, die Lasten aus dem Schadensereignis richtig zuzuweisen7o. Man muß eben schlicht fragen, welche Umstände zu berücksichtigen sind bei der Bewertung, ob ein Schaden entstanden ist7 ]. Letziich nähert man sich auf diesem Weg der Definition Grunskys72, Schaden sei jede Beeinträchtigung eines Interesses. Neue Ergebnisse sind mit dieser Definition allein nicht verbunden. Der Begriff "fiktiver Schaden" (dazu Medicus, DAR 1982, 352; Grunsky, NJW 1983, 2465) besagt das gleiche, verweist aber auf bestimmte Fallgruppen. Der "hypothetische Schaden", den Larenz zu Beginn der Diskussion eingeführt hat (Anmerkung zu BAG AP § 249 Nr.7= NJW 1968,221; ihm folgend Nüßgens, LM § 249 (A)BGB, Nr. 28; Lieb, Steindorff-FS, 705, 712), hat sich demgegenüber nicht durchgesetzt. Der BGH NJW 1985, 128, 129, besetzt ihn negativ, um die Ersatzfähigkeit eines Vermögensschadens zu verneinen. Der "abstrakte Schaden" sollte den Fällen vorbehalten bleiben, in denen es um eine gesetzliche Pauschalierung des zu ersetzenden Schadens geht, Larenz, § 29 III a), S. 512; Esser/Schmidt, § 32 III 2, S. 204; Keuk, VersR 1976,401,405. Hier kann ein nach einem durchschnittlichen Maßstab berechneter Betrag stets als Mindestschaden gefordert werden, Beispiel: § 288 BGB. 67 BGH NJW 1978, 1805, 1807; 1980,775,776; NJW 1985, 128; enger noch BGHZ 50, 304, 306 (GS), der wohl die Fälle aus dem Umkreis von § 843 IV dem normativen Schadensbegriff zuordnen will. 68 So im Wortlaut des BGH bereits Hagen, Hauß-FS, 83, 102. 69 Hagen, Hauß-FS, 83, 100; den normativen Schadensbegriff des BGH und Hagens haben völlig mißverstanden Brinker, S. 213f, und Ströjer, S. 55. 70 Steifen, NJW 1995,2057. 71 Nüßgens, LM § 249 (A) BGB, Nr. 28. 72 MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 6. Noch anders Deutsch, Haftungsrecht, RN 781: Schaden sei der dauernde Nachteil.

B. Die Stellung des Verdienstausfallschadens im Schadensrecht

33

Grunsky formuliert sie jedoch, weil der Ausgangspunkt der Differenzhypothese

von so vielen Ausnahmen durchbrochen sei, daß von einem Regel-AusnahmeVerhältnis nicht mehr gesprochen werden könne. Die Differenzhypothese habe insoweit ihre hilfreiche Funktion als Indikator für richtige Ergebnisse verloren. Eine Definition des Schadens müsse vor diesem Hintergrund - so wohl die Intention Grunskys - Regel und Ausnahme in einer sehr weiten Fassung vereinen. Jedenfalls herrscht Einigkeit in der heutigen Schadensersatzdogmatik darüber, daß in jedem einzelnen Fall gerade in Frage gestellt werden muß, ob und welche Wertungsgesichtspunkte für oder gegen eine "doppelte Liquidation", für eine Besserstellung des Geschädigten sprechen73 • Denn letztlich geschieht das Auffinden der Wertungs gesichtspunkte unabhängig davon, ob man sie dem engen Ausgangspunkt der Differenzhypothese74 erweiternd anfügt oder als einschränkende Kriterien von einem sehr weiten Grundbegriff "subtrahiert".

Und auch der normative Schadensbegriff impliziert lediglich die Ermächtigung zu wertender Beurteilung, nimmt deren Ergebnisse aber nicht vorweg75 . D~r BGH76 mahnt zwar, daß Zurückhaltung geboten sei bei der Frage, ob die von der Differenzhypothese indizierten Ergebnisse zu korrigieren seien, weil anderenfalls eine uferlose Ausdehnung von Schadensersatzpflichten drohe. Doch ist diese Aussage unvollständig. Die Gründe, die Wertungsgesichtspunkte für und gegen die Annahme eines Schadens, dürfen nicht mit dem Hinweis auf ein Gebot der Zurückhaltung überspielt werden, sondern müssen in jedem Fall und stets von neuem einzeln und deutlich aufgezeigt werden und sich in der Ge-

73 Lange/Hagen, Wandlungen, S. 37; ähnlich Stall, Haftungsfolgen, S. 181 ff, und wohl auch Deutsch, Haftungsrecht, RN 786 aE; kritisch zu dem hier vertretenen Ansatz aber noch Stall, Vermögensschaden, S. 35f: Eine wertend berichtigte Differenzrechnung deklariere Störungen, die nun einmal nach dem Gesetz und der Rechtstradition keine Vermögensschäden seien, mit wechselnden, dem einzelnen Fall angepaßten Argumenten doch zu Vermögensschäden. Diese Form der Abhilfe führe zu einer diffusen, innerlich unwahrhaftigen Schadensersatzdogmatik; Hansell/Harrer, JuS 1985, 161, 162: "dogmatikferne Billigkeitsjudikatur"; Keuk, S. 42f: "gefahrliches Schlagwort"; inkonsequent in der Kritik Mertens, S. 89, 174, 179: der normative Schadensbegriff sei eine "leere Begriffshülse". Statt seiner müsse in den subjektiven Schadensbegriff eine "Soziabilitätsschranke" eingeordnet werden. 74 Zu Recht halten LangelHagen, Wandlungen, S. 42, die Differenzhypothese als Leitlinie aber immer noch für unzichtbar, denn erst und stets die Abweichungen von ihr bedürften besonderer Begründungen aus einer im Recht angelegten Wertung. 75 Hagen, Hauß-FS, 83, 96. 76 BGH NJW 1980,775,776; ebenso Medicus, VersR 1981, 593, 603: "an den Haaren herbeigezogene Ersatzpflichten" vermeiden.

3 WeUich

34

1. Teil: Einleitung

genübersteIlung zu bisher gefundenen Lösungen in vergleichbaren Fällen als standfest erweisen77. Dementsprechend ist es das Ziel der Arbeit, Wertungsgesichtspunkte für die Lösung der oben aufgeworfenen Frage herauszuarbeiten und dabei die von der Rechtsprechung angebotenen Wertungsgesichtspunkte einer Überprüfung zu unterziehen.

C. Gang der Darstellung Der Gang der Untersuchung läßt sich in knappen Worten skizzieren. In ihrem 2.Teil, dem Hauptteil, sollen die unterschiedlichen Fallgruppen "überobligationsmäßiger Abwehr des Verdienstausfallschadens" voneinander abgegrenzt und dargestellt werden (A.). Die dazugehörige Lösung der Rechtsprechung wird dabei in die Darstellung eingefügt, bevor sich die Untersuchung den Schwachpunkten des Konzepts zuwendet (B.). In den weiteren Unterabschnitten werden sodann der neue Lösungsansatz (C.) und seine weiteren Konsequenzen (D.) unterbreitet. Der 3.Teil der Arbeit will den vorzustellenden alternativen Lösungsansatz auf anderer Ebene stützen: im Recht der Leistungsstörungen finden sich ähnliche Konstellationen wie diejenige überobligater Schadensabwehr, und das Gesetz hat dort ausführlichere Vorgaben als im Schadensrecht gemacht, die den im 2.Teil gewonnenen Ergebnissen im Vergleich gegenüber gestellt werden. Ein letzter 4.Teil schließt sich an. Dort wird eine weitere Fallgruppe analysiert, für die aber einige Besonderheiten geIten und auf die die zuvor dargelegten Ergebnisse deshalb nicht übertragen werden können

77 Ähnlich Hagen, Hauß-FS, 83, 102: was not tue, sei eine wertungskonforme Koordinierung der einzelnen Rechtsfortbildungen im Schadensrecht.

2. Teil

Der überobligationsmäßige Einsatz der Arbeitskraft bei der Abwehr des Verdienstausfallschadens A. Die Schadensabwehr in der Rechtsprechung Die Dogmatik zum Verdienstausfallschaden gibt Anlaß zu der Frage, ob der tatsächlichen Abwehr des Verdienstausfallschadens die gleiche Unterscheidung zwischen Obliegenheit und Überobligation zugrundegelegt werden kann wie der unterlassenen Schadensabwehr oder ob für sie andere Gesichtspunkte hinzutreten sollten. Bevor die Antwort darauf gegeben wird, soll noch einmal der Gegenstand der Frage, nämlich die Fälle überobligationsmäßiger Abwehr des Erwerbsausfallschadens, in das Blickfeld der Untersuchung rücken. Zwei Fallgruppen kann man unterscheiden, und zwar die Schadensabwehr durch den Geschädigten selbst und durch Dritte.

I. Schadensabwehr durch den Geschädigten selbst In der Mehrzahl der Fälle wendet der Geschädigte seinen Verdienstausfallschaden selbst ab, indem er bestimmte Vorkehrungen zur Schadensabwehr in eigener Person trifft. Zwei Varianten der Schadensabwendung und damit zwei Modifikationen überobligationsmäßiger Schadensabwehr sind hier wiederum zu nennen. 1. Überobligationsmäßige Schadensabwehr durch Neueinsatz der eigenen Arbeitskraft (BGH NJW 1974, 602 "Landärztin ") In den weitaus meisten veröffentlichten Entscheidungen zur Abwehr eines Verdienstausfallschadens ging es um die Obliegenheit, den Verdienstausfall abzuwenden - und zwar durch den Neueinsatz der verbliebenen Arbeitskraft, die er auf Grund des schädigenden Ereignisses nicht mehr wie ursprünglich geplant einsetzen kann. 3'

36

2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Besteht die Schädigung in einer Körperverletzung des Ersatzberechtigten. und können dann später nicht alle physischen Verletzungsfolgen überwunden werden, bleibt der Ersatzberechtigte fortan in seinen Berufsmöglichkeiten eingeschränkt. Entscheidend ist dabei, daß er jedenfalls seiner ursprünglich ausgeübten Erwerbstätigkeit wegen der bleibenden Behinderungen nicht mehr nachzugehen vermag. Anschauungsmaterial bietet beispielsweise eine Leitentscheidung des BGH78 aus dem Jahre 1973, in der eine verletzte Ärztin die Vertretungstätigkeit in Praxen von Landärzten nicht mehr weiterführen konnte. In einem Fall des Reichsgerichts haben vergleichsweise harmlose Verletzungsfolgen die gesamte Berufsplanung des Geschädigten vereitelt. Dort war ein Geiger an dem kleinen Finger seiner Spielhand verletzt worden. Der Finger blieb steif. Der Geschädigte mußte seine Arbeit als Orchesterviolinist aufgeben. 79 Denkbar sind aber auch Fälle, in denen durch das schädigende Ereignis nicht die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt, sondern der Einsatz von Betriebsmitteln gestört wird und der Geschädigte in der Zeit der Störungs beseitigung seine Arbeitskraft nicht wie vorgesehen zum Einkommenserwerb nutzen kann. Exemplarisch sind hier die Fälle, in denen Taxifahrer80 und Fahrlehrer8 ) während der Reparatur ihrer beschädigten, gewerblich genutzten Fahrzeuge gehindert sind, ihre Berufstätigkeit auszuüben. Schließlich wurden sogar in einem Fall des Reichsgerichts dem Geschädigten die "Betriebsmittel" dauerhaft entzogen82, als ihm rechtswidrig eine Gewerbeerlaubnis versagt wurde. In Fällen dieser Art gibt es für die jeweils Betroffenen zwei Reaktionsmöglichkeiten: In einer Vielzahl der Fälle bleiben die Geschädigten nach dem Unfall untätig und ohne neue Erwerbseinnahmen. Ihr Verdienstausfallschaden wird dann zum Gegenstand des Streits, in dessen Verlauf die Schädiger dem Ersatzbegehren entgegenhalten, der Geschädigte hätte längst neue Arbeit finden können und müssen 83 •

BGH NJW 1974, 602. RG JW 1937,2366 und in derselben Sache noch BGH VersR 1958,768. so KG VersR 1973,768; OLG Nürnberg VersR 1973,721. 81 LG Frankfurt, VersR 1980,55. 82 RG JW 1938, 1648. B3 RG Warneyer 1909, Nr. 540 (erblindete Magd); JW 1912,597 (Hebamme); LZ 1914, Sp. 1758 (Offizier); SeuffA 73, Nr.77 (Möbelzeichner); SeuffA 89, Nr.20 78

79

A. Die Schadensabwehr in der Rechtsprechung

37

Nimmt hingegen der Geschädigte nach dem Unfall eine neue Erwerbstätigkeit au~4, wollen Reichsgericht und BGH danach unterscheiden, ob die Aufnahme der neuen Erwerbstätigkeit dem Geschädigten zumutbar bzw. unzumutbar war. Im ersten Fall soll der neue Verdienst auf den Verdienstausfallschaden angerechnet, im letzteren allerdings soll das überobligationsmäßig Verdiente nicht angerechnet werden. In einem vom Reichsgerichts 85 entschiedenen Fall war ein schädigungsbedingt pensionierter Beamter als Buchprüfer tätig. Der Schädiger verlangte die Anrechnung seiner Einnahmen auf die Schadensrente. Doch meinte das RG, Einkommen aus unzumutbaren Anstrengungen kämen ausschließlich dem Ge-

(Arbeiter); SeuffA 91, Nr. 32 ( verletzter Architekt kann das väterliche Bauunternehmen nicht weiterführen); JW 1937, 2366 (an Fingern der linken Hand verletzter Geiger); JW 1937, 1916 (Zahnarzt); JW 1938, 1648 (selbständiger Händler von Lederwaren); OLG Düsseldorf JW 1938, 2010 (Handwerker); RGZ 160, 119 (LKW-Fahrer); RGZ 164, 79 (zum Fall, daß der Geschädigte eine Straftat begeht, nicht in den Beruf übernommen wird und damit unter Umständen gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt); BGH NJW 1951,797 (der Geschädigte kündigt die neue Anstellung); VersR 1953, 147 (Gemüsehändler); BGHZ 10, 18 (KFZ-Mechaniker); VersR 1955, 38 (Textilarbeiterin; zur Darlegungslast des Schädigers); VersR 1958,768 (zur Beweislast des Schädigers); VersR 1961, 1018 (Zahnarzt); VersR 1962, 1100 (Sattler und Polsterer); VersR 1963, 337 (Polizeibeamter); VersR 1967, 953 (Polizei beamter); VersR 1968, 397, 398 (Reisevertreter); VersR 1969,75 (Lokführer); VersR 1969,538 (Polizeibeamter); VersR 1971,348 (Polizeibeamter; zur Beweislast des Schädigers; § 254 11 ist isoliert im Verhältnis geschädigter Beamter - Schädiger zu prüfen); VersR 1971,472 (Verkäuferin); VersR 1972, 975 (Bundesbahnbeamter; Rechtsbehelfe des Beamten gegen die Pensionierung als zumutbare Schadensabwehr; bei der Zumutbarkeitsbeurteilung bleibt das Verhalten des Dienstherm außer Betracht); NJW 1979, 2142 (Bundesbahn schlosser; Kehrtwende in der Beweislastverteilung zulasten des Geschädigten); VersR 1983, 488 (Postbeamter); NJW 1984, 354 (Postbeamter; Meldung beim Arbeitsamt allein ist ungenügend); VersR 1988, 466, 467 (jugoslawische Gastarbeiterin; aus der allgemeinen Lage am Arbeitsmarkt keine Rückschlüsse auf Obliegenheitsverletzung zulässig); OLG Köln VRS 80, 84 (Fliesenleger); BGH NJW 1991, 2422 (Kraftfahrer), BGH VersR 1996, 332 (Kellnerin und Hosteß ohne Ausbildung); OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1368 (Fliesen- und Platten leger; die Meldung beim Arbeitsamt ist zu wenig). 84 RGZ 53, 48 (Stahlgraveur; der Geschädigte darf unter mehreren zumutbaren, aber verschieden bezahlten Alternativen frei auswählen; RGZ 69, 306 (verletzter Angestellter und Hotelbesitzer); RGZ 163,40; BGH DAR 1952,26 (Übernahme des väterlichen Betriebes); OLG Tübingen VersR 1952, 280 (freiwilliger Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Branche auf schlechter bezahlte Stelle); BGH VersR 1957, 752 (KFZ-Meister); NJW-RR 1992, 1050 (Berufsoffizier). Bemühungen der Literatur, die Zumutbarkeitsformel zu präzisieren bei Böhmer, DAR 1952, 16lf; H. W. Schmidt, DAR 1970; 293, 295f; LoesdaulRuhl, VersR 1975, 293, 296ff mit Rechenbeispielen. 85 RG DR 1944,571.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

schädigten zugute. Für weitere Feststellungen zur Zumutbarkeit verwies es zurück. In der eben genannten Leitentscheidung des BGH86 eröffnete die Vertreterin von Landärzten später eine eigene Praxis. Der BGH hat hier die neue Erwerbstätigkeit als überobligationsmäßig eingestuft. Für die Ehefrau und Mutter stelle die Führung einer eigenen Praxis, die den früheren Rahmen beruflicher Tätigkeit weit überschreite, ein erhebliches gesundheitliches, wirtschaftliches und damit unzumutbares Risiko dar87 • Die Geschädigte brauche keine solchen erheblichen Risiken einzugehen, die sie vielleicht noch in Kauf nähme, wenn sie den Schaden allein zu tragen hätte88 . Daher dürfe die Gegenleistung einer gleichwohl aufgenommenen Tätigkeit dem Schädiger nicht zugute kommen, wenn sie unter Inkaufnahme unzumutbarer Risikogeschäfte ausgeübt werde 89 • Worin eine derartige Bevorzugung des Schädigers liegt, spricht der BGH allerdings nicht mehr aus; allerdings ist die dahinterliegende Wertung leicht einzusehen ist. Der BGH hat hier den Vergleichsfall vor Augen, in dem ein Geschädigter die unzumutbare Erwerbstätigkeit nicht ergreift. Wäre die Landärztin untätig geblieben, etwa weil sie das Risiko einer Praxiseröffnung gescheut hätte, dann hätte der Fall die Frage aufgeworfen, welche Folgen ihr Verhalten für ihren Ersatzanspruch gegen den Schädiger gehabt hätte. Unterstellt, die Eröffnung einer eigenen Praxis wäre unzumutbar, so würde sich aus der Untätigkeit der Ärztin kein Nachteil für die Höhe ihres Verdienstausfallschadens ergeben. Er bliebe ihr in voller Höhe erhalten. In dieser Situation lebt ein Geschädigter also mit einem gesicherten Unterhalt "in der Muße" eines vorgezogenen Ruhestandes. Fehlt es zudem an anderen zumutbaren und nachweisbaren Erwerbsmöglichkeiten, kann dem Geschädigten dann freilich auch kein Vorwurf gemacht werden. Der Schädiger ist verpflichtet, die Versorgung des Geschädigten zu übernehmen. weil er dessen Plan, die Arbeitskraft aufgrund einer freien Entscheidung im Berufsleben zu verwerten, zunichte gemacht und dafür einzustehen hat. Der Geschädigte. der in einer solchen Situation das Unzumutbare trotzdem tut, soll im Vergleich dazu nicht schlechter gestellt werden. Auf den ersten Blick läge aber eine Unbilligkeit vor, wenn der unzumutbare Verdienst auch noch auf den Schadensersatzanspruch zum Vorteil des Schädigers angerechnet

86 87 88 89

SGH NJW 1974, 602.

Ebenso für einen Zahnarzt bereits RG JW 1937, 1916.

SGH NJW 1974, 602, 603. SGH NJW 1974, 602, 603.

A. Die Schadensabwehr in der Rechtsprechung

39

würde. Bliebe der Geschädigte untätig, wäre er finanziell (mit der Schadensrente) so abgesichert wie ohne den Unfall. Wenn er sich gleichwohl einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit unterwirft, dann soll er die Früchte für diesen Einsatz ernten90, und das bedeutet hier, nicht einmal zu liquidieren - dies könnte er ja auch ohne die überobligationsmäßige Anstrengung -, sondern zweimal. Dann erst erfährt er die Besserstellung dafür, daß er nicht nur Arbeit, sondern darüber hinaus unzumutbare Arbeit ergriffen hat. Im Ergebnis verneinte der BGH die Anrechnung des Neuverdienstes auf den geltend gemachten Verdienstausfallschaden. Die Ärztin "liquidierte" demgemäß "doppelt,,91. 2. Überobligationsmäßige Schadensabwehr durch zusätzliche Anstrengungen des Geschädigten (BAG NJW 1968,221 "Arzthelferin ")

Wie soeben gesehen kann der Geschädigte seinen Verdienstausfall abwehren, indem er seine ihm verbliebene Arbeitskraft anderweitig zum Einsatz bringt. Daneben besteht eine zweite Möglichkeit, den drohenden Einkommensverlust abzuwenden, darin, daß er die eigene Arbeitskraft zusätzlich zu seinem ohnehin bestehenden Arbeitspensum in weiterem Umfang einsetzt92 .

90 Büdenbender, JZ 1995, 920, 922f; Diederichsen, Klingmüller-FS, 65, 82f; Medicus, DAR 1994,442,449 r.Sp.: man müsse den Geschädigten durch die Bessersteilung zur Überwindung der Schadensfolgen anhalten. 91 Der BGH hat diese Rechtsprechung festgeschrieben, und sie wird auch von der ganz überwiegenden Literatur bestätigend zitiert, S. BGH NJW-RR 1992, 1050; BGH VersR 1994, 186; in diese Richtung auch schon BGH VersR 1965,489,491; sowie Thiele, AcP 167, 193, 236f; MünchKomm/Grunsky, § 254 Rn. 51; v. § 249 Rn. 111; SoergeVMertens, v. § 249 Rn. 236; § 254 Rn. 70; Staudinger/Medicus, § 249 Rn. 152; § 254 Rn. 44; MünchKomm/Mertens, § 842 RN 32; PalandtlHeinrichs, v. § 249 RN 125f; § 254 RN 33; IKuckuk, v. § 249 RN 106; ErmanlSchiemann, § 843 RN 10; RGRKlBoujong, § 843 RN 121;JauemigITeichmann, v. § 249 Anm. VII c) ce); Lange, § 9 V 5 c) , S. 512; EsserlSchmidt, § 33 V 3 b), S. 237; § 3211 3.b), S. 202; Fikentscher, RN 566; Stümer, JZ 1984, S.467; Medicus, Bürgerliches Recht, RN 859; Larenz, Schuldrecht I, § 30 11 b), S.533f; StaudingerlSchäfer, § 843 RN 61; Becker, S.29; Loesdau/Ruhl, VersR 1975,293,297; Scheffen, VersR 1990,926,933; Lieb, JR 1971, 371, 373, will die überobligationsmäßige Schadensvereitelung nicht generell unbeachtlieh lassen, sondern besondere Umstände der Schadensabwehr auch zugunsten des Schädigers einbeziehen; unklar StolI, Haftungsfolgen, S.258ff; Gotthardt, S. 185. Zweifel sind angedeutet allein bei Dunz, VersR 1985, 509, 511 und Magnus, S. 247, 267. 92 Es scheint unnötig kompliziert, darin mit Schiemann, S. 263, "Deckungsgeschäfte besonderer Art" zusehen.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Möglich ist dies allerdings nur bei der Beeinträchtigung der betrieblichen Organisation, da zusätzliche Anstrengungen des Geschädigten seine physische Leistungsfähigkeit und damit Unversehrtheit gerade voraussetzen. Berühmtheit hat in diesem Zusammenhang der Arzthelferinfall des BAG erlangt93 • Zwischen dem klagenden Facharzt und der beklagten Arzthelferin war ein Arbeitsvertrag geschlossen worden. Wegen Unstimmigkeiten hatte die Arzthelferin dann den Vertrag 2 Tage nach Arbeitsaufnahme pflichtwidrig gekündigt. Dem Facharzt gelang es in der Folgezeit bis zum nächsten regulären Kündigungstermin nicht, eine Ersatzkraft für die Beklagte zu finden. Um die während dieser Zeit drohenden Umsatzeinbußen (Verdienstausfallschaden), die sich gleichsam Tag für Tag summieren konnten, abzuwehren, war er deshalb für seine, vom Arbeitsplatz ferngebliebene Helferin eingesprungen und hatte für sie 4 zusätzliche Stunden täglich, circa 360 Stunden insgesamt mitgearbeitet. Mit der Klage begehrte der Arzt später Erstattung des ihm in diesem Zeitraum entstandenen Vermögensschadens. Die Besonderheit des Falles lag darin, daß bei dem Arzt rein rechnerisch keine Einkommensminderung eingetreten war. Gleichwohl hat das BAG dem Grunde nach Ersatz für den Verdienstausfallschaden zugesprochen. Es hat dazu ausgeführt, der Grundgedanke des gesamten Schadensersatzrechts, daß nämlich der Geschädigte seinen Schaden auf den Schädiger abwälzen dürfe, würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn über den Weg der Vorteilsausgleichung Ersatzrnaßnahmen des geschädigten Arztes der Arzthelferin voll zugute kämen, obwohl der Arzt ohne seinen Einsatz unter Umständen hohe Umsatzeinbußen gehabt hätte. Das BAG räumt ein, daß dem Geschädigten eine Schadensminderungspflicht oblegen habe, jedoch nur im Rahmen des Zumutbaren. "Überobligationsmäßige Maßnahmen können nicht verlangt werden. Erbringt sie der Geschädigte gleichwohl, so bleiben sie bei der Schadensberechnung außer Betracht, weil der Geschädigte auf sie keinen Anspruch hatte. ,,94 Zwar sei der Arzt hier "prophylaktisch" in der Phase vor Schadenseintritt tätig geworden und habe den Verdienstausfall insoweit erfolgreich abgewehrt, doch sei im konkreten Fall offensichtlich, daß dem Arzt 4 Überstunden täglich, sechs mal die

93 BAG NJW 1968, 221; mit wichtigen, in der NJW nicht abgedruckten Erwägungen in: AP § 249 Nr. 7, dort auch die Anmerkung von Larenz; SAE 1968, 78 mit Anmerkung von Thiele; OLG Köln MDR 1996,917 (überobligationsmäßige Anstrengungen eines Arztes, der zusätzlich 800 Arbeitsstunden erbracht hat); vgl. zudem Lieb, JZ 1971, 358, 36lf; Magnus, S. 238ff, 265f. 94 BAG NJW 1968, 221, 222 lit. c); Soergel/Mertens, § 249 RN 130; Staudinger/Medicus, § 252 RN 43; MünchKomrnlGrunsky, v. § 249 RN 111.

A. Die Schadensabwehr in der Rechtsprechung

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Woche nicht zugemutet werden könnten 95 • Folglich bestehe der Schaden des Arztes in der Einkommensminderung, die er infolge des Vertragsbruchs seiner Mitarbeiterin ohne seinen Notdienst erlitten hätte. Auch das BAG96 hat in der Arzthelferinentscheidung den Rechtssatz, daß die hypothetische Einkommensminderung zu ersetzen sei, die der Geschädigte ohne seinen überobligationsmäßigen Einsatz zur Schadensabwehr erlitten hätte, nicht weiter begründet. Larenz, der mit dem Ansatz des BAG sympathisiert, fügt in seiner Anmerkung an, daß man sich zwar über den "bisher doch wohl als ein Axiom des Schadensersatzrechts betrachteten Satz "nur der wirklich erlittene (Hervorhebung von Larenz) Schaden sei zu ersetzen" hinwegsetze, wenn man den hypothetischen Schaden ersetze. Doch sei das Schadensersatzrecht inzwischen von der strengen Bindung an den Kausalzusammenhang zugunsten von Wertungsgesichtspunkten so weit abgewichen, daß man diesen Schritt nicht für von vornherein unzulässig, ja sogar für sehr wohl vertretbar halten könne97 . Die seinem Urteil zugrunde liegende Wertung spricht allerdings auch Larenz nicht aus.

Ähnlich wie der BGH ziehen BAG und Larenz hier wohl die Parallele heran, daß der Geschädigte die unzumutbaren Abwehranstrengungen unterläßt und im konkreten Fall tatsächlich die vielleicht erheblichen Umsatzeinbußen infolge des Vertragsbruchs seiner Angestellten in Kauf nimmt. Da ihm zumutbare Schadensmaßnahmen (Ersatzkraft) unmöglich waren und mögliche (Einsatz eigener Arbeitskraft) unzumutbar, würde er mit seinem Schadensersatzbegehren durchdringen. Im Gegensatz dazu würde der überobligationsmäßig einsatzbereite Arzt aus dem Arzthelferinfall, würde man ihm den hypothetischen Schaden verwehren, für seinen eigentlich unzumutbaren Einsatz nun noch "bestraft", wenn man ihn nicht seinen Schaden liquidieren ließe, sondern zu seinen Ungunsten seine Zusatzarbeit berücksichtigen und somit einen Schaden verneinen würde. Der ambitionierte Geschädigte scheint hier also ungerechtfertigt den Schädiger zu entlasten98 . Sein besonderer Einsatz lohnt sich nicht, wenn er sogar noch weniger bekommt als ein Geschädigter, der den überobligationsmäßigen Aufwand unterläßt und vom Schädiger eine vielleicht sehr hohe, unter Umständen

95 96

97 98

Zu den Obliegenheiten des Geschädigten Uhle, S. 141. BAG NJW 1968,221. Larenz, Anmerkung zu AP § 249 Nr. 7, BI. 861. Wohl auch Nüßgens, LM § 249 (A) BGB, Nr. 28 unter 4.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

vom Berufshaftpflichtversicherer aufzubringende Schadenssumme erhält. Dieser - auf den ersten Blick - UnbiIIigkeit einen Riegel vorzuschieben, mit Hilfe eines "hypothetischen Schadens", hält Larenz für durchaus erwägenswert99 .

11. Überobligationsmäßige Schadensabwehr durch angestellte Dritte Schließlich reihen sich Fälle an, in denen Dritte, meist Angestellte des Geschädigten, den Verdienstausfall für diesen abwenden.

1. Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten (BGHZ 54,45 "Diplomchemiker") Im Diplomchemikerfall des BGH 100 war der Eigentümer einer kleineren chemisch-pharmazeutischen Fabrik bei einem Verkehrsunfall verletzt worden. Unbestritten war der Umsatz nach dem Unfall nicht zurückgegangen, doch machte der Chemiker einen Verdienstausfallschaden geltend, weil er den Umsatz unfallbedingt nicht habe steigern können lO1 . Das Berufungsgericht war zu dem Ergebnis gelangt, der Geschädigte habe hinsichtlich der entgangenen Gewinnsteigerung nicht einmal seiner Darlegungslast genügt. Trotz Heranziehung und einer dem Geschädigten entgegenkommenden Auslegung der §§ 252 BGB, 287 ZPO sowie sehr ausführlicher Würdigung der Darlegungen zur Gewinnerwartung lO2 hat der BGH einen Schaden des Unternehmers verneint lO3 , kurz: der geschädigte und über mehrere Wochen nur sehr 99 Larenz, AP § 249, NT. 7; für die technisch-rechnerische Seite der Schadensermittlung schlägt Larenz am Ende seiner Ausführungen vor, den tatsächlichen Reinerlös des Arztes mit dem vermuteten Reinerlös ohne die Schadensabwehr zu vergleichen, ihm folgend Nüßgens, LM § 249 (A) BGB, NT. 28 unter 4 a). I(KJBGZ 54, 45. 101 Er berief sich - insofern wenig konsequent - auf das Gehalt eines Diplomchemikers, wenn er diesen als Ersatz für seine beeinträchtigte Arbeitskraft eingestellt hätte, BGHZ 54, 45, 46. 102Dies übersehen Staudinger/Medicus, § 252 RN 48, und SoergeVMertens, v. § 249 RN 110, die meinen, die Bilanzen der Ausfallzeit seien nicht aussagekräftig. Die Verluste würden sich erst viel später zeigen. Aber das zweitinstanzliche Urteil legt ja nicht die Bilanz zugrunde, die am Tag der Rückkehr vom Krankenlager eröffnet werden könnte. 103 Abgedruckt in BGH VersR 1970, 768ff; dem BGH folgen Deutsch, Haftungsrecht, RN 814; Steifen, VersR 1985,605,606; NJW 1995,2057,2061; HonseLVHarrer, JuS 1985,161,169 FN 131; RGRKlBoujong, § 842 RN9.

A. Die Schadensabwehr in der Rechtsprechung

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eingeschränkt arbeitsfahige Unternehmer konnte in seiner Bilanz keinen Verdienstausfall ausweisen. Da demnach ein nach der Erfahrung zu erwartender Gewinnentgang gerade unterblieben war, liegt es nahe, mit Lieb lO4 zu vermuten, daß "die Auswirkungen des [Arbeits-]ausfalls aufgefangen wurden, und zwar durch entsprechende Mehrarbeit der Mitarbeiter des Unternehmers,,105. Anderenfalls müßte man ohne jeden Anhaltspunkt unterstellen, "daß [die Arbeit des Chefs] schon bisher ökonomisch irrelevant gewesen sei". Vor diesem Hintergrund könnte man nun wie auch zuvor im Arzthelferinfall an den Ersatz eines hypothetischen Schadens denken lO6 • Indem man eine schadensvereitelnde überobligationsmäßige Mehrarbeit der Mitarbeiter hinwegdenkt, unterstellt man den - tatsächlich unterbliebenen - Gewinnentgang als hypothetisch eingetreten und schätzt diesen "hypothetischen Gewinnverlauf' mehr oder weniger frei.

Lieb und andere sehen darin eine dogmatisch tragfahige Brücke für die dem Rechtsgefühl entsprechende Bejahung eines Schadens lO7 • Der Chemiker würde in diesem Fall zwar doppelt kassieren und eine günstigere Vermögenslage vorweisen als ohne die Schädigung. Gleichwohl fehle es an einem Verstoß gegen das (der Differenzhypothese immanenten) Bereicherungsverbot, weil die formale Betrachtungsweise der Differenzhypothese von vorrangigen Wertungen abhängig sei und korrigiert werde lO8 • 2. Beeinträchtigung von Betriebsmitteln (BAG JZ 1971,380 "Filialleiter") Denkbar sind zudem Fälle, in denen der Schädiger durch sein Verhalten den Einsatz betrieblicher Mittel des Geschädigten stört. Den auf diese Weise dro-

HI4 Lieb, JZ 1971,358,360; Becker, S. 22,27; ähnlich Ruhkopf/Book, VersR 1970, 690,692. 105Diesen Aspekt übergeht sowohl der BGH als auch die ganz herrschende Lehre, die das Ergebnis des BGH ablehnt: Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401, 408; Medicus, Schuldrecht I, RN 649; Staudinger/Medicus, § 252 RN 48; PalandtlHeinrichs, § 252 RN 16; Magnus, S. 244f, 264f; Schiemann, S. 258f. 106S0 auch Lieb, JZ 1971,358,361; Becker, S. 28. 107 Lieb, JZ 1971, 358, 361; PalandtlHeinrichs, § 252 RN 16; Grunsky, DAR 1988, 400,404; MünchKommlMertens, § 843 RN 26; Steffen, VersR 1985,605,609; NJW 1995, 2057, 2062; Esser/Schmidt, § 3211 3.b), S. 201; Soergel/Mertens, v. § 249 RN 110; Becker, S. 28; ähnlich auch LAG Schleswig Holstein BB 1972, 1229, 1230. 108Lieb, JZ 1971,358,360.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

henden Verdienstausfall können wiederum angestellte Dritte des Geschädigten durch besondere Maßnahmen abwehren. Als Beispiel mag ein Fall des BAG aus dem Jahre 1970 dienen, dem wiederum der Arbeitsvertragsbruch durch einen Arbeitnehmer zugrunde lag. Der Geschädigte hatte ein Speditionsgeschäft mit mehreren Filialen. Ein Filialleiter wollte sich als Spediteur selbständig machen und warb noch als Angestellter des Geschädigten bei dessen Kunden für sein neues Unternehmen. Ihm wurde daraufhin fristlos gekündigt, und der Arbeitgeber sandte einige seiner leitenden Angestellten in die Filiale, um den durch die Kündigung entstehenden Schaden so gering wie möglich zu halten. Trotzdem erhob der Arbeitgeber Ersatzansprüche wegen des Schadens, der ihm durch die Abwerbung noch entstanden sei. Auch hier hätte man einen überobligationsmäßigen Einsatz der Angestellten, der den Ausfall des illoyalen Filialleiters auffangen soll, erwägen und das Ergebnis überobligationsmäßiger Schadensabwehr demgemäß bei der Schadensbilanzierung außer Betracht lassen können lO9 •

3. Die Bedeutung von § 254 II 2 bei der Abwehr von Verdienstausfallschäden Zwar trifft den Geschädigten im Grundsatz auch die Obliegenheit, angestellte Dritte kraft seiner Weisungsbefugnis zur Schadensabwehr einzusetzen llo . § 254 11 2 macht dies deutlich, wobei das für die entsprechende Anwendung des § 278 erforderliche Schuldverhältnis bereits durch die Schädigung selbst begründet sein kann 111 • Doch obliegen dem Geschädigten derartige Vorkehrungen keinesfalls in unbegrenztem Maße. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann sowohl das Erbringen von Überstunden (zeitlich) durch Angestellte als auch das Versetzen von Mitarbeitern (räumlich) die Unzumutbarkeitsgrenze für den Geschädigten erreichen. Beispielsweise wäre im Filialleiterfall die wochenlange Versetzung in eine weitentfernte Filiale nicht ohne weiteres zumutbar; schon arbeitsvertragliche Pflichten im Verhältnis zu den Angestellten können Schranken setzen ll2 .

I09 Der Geschädigte und das BAG sind auf diese Fragen nicht eingegangen. Für sie stand der Aspekt im Vordergrund, ob die Personalkosten für die versetzten Angestellten einen ersatzfähigen Vermögensposten darstellen, BAG JZ 1971, 380, 381; dazu unter D. I 10 Stef!en , VersR 1985.605.607. III BGHZ 9. 316. 320; SoergeVMertens, § 254 RN 107; MünchKommlGrunsky, § 254 RN 86; PalandtJHeinrichs, § 254 RN 6. 112Durch einen die Arbeitnehmer verbindenden Solidaritätsgedanken wird die Zumutbarkeitsgrenze zwischen schädigendem Arbeitnehmer und geschädigtem Arbeitgeber

B. Die Kritik am Lösungsweg der Rechtsprechung

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Ebensowenig dürfte im Arzthelferinfall der Umstand an der Unzumutbarkeit der Schadensabwehr etwas ändern, daß anstatt des geschädigten Arztes selbst eine zweite Arzthelferin in abendlichen Überstunden die Arbeit der vertragsbrüchigen Kollegin übernommen hat. Offensichtlich wird das schließlich für diejenigen Fälle, in denen angehörige oder befreundete Dritte, die nicht mehr Erfüllungsgehilfen gern. §§ 25411 2, 278 sind, besondere Maßnahmen zur Schadensabwehr treffen. Hier könnte nicht einmal dem Grunde nach zum Beispiel von einem geschädigten Praxisinhaber bei Fehlen anderer Alternativen verlangt werden, seine Tochter oder gar die Nachbarin zum Einspringen für die gekündigte Arzthelferin anzuhalten. Ebensowenig könnte im Fall des Diplomchemikers von dem geschädigten Unternehmer, der wochenlang im Krankenhaus liegt, verlangt werden, den bereits pensionierten älteren Bruder in der Zwischenzeit als Geschäftsführer einzusetzen. In all diesen Fällen ist die tatsächliche Verhütung von Schäden durch Dritte jedenfalls dann überobligationsmäßig, wenn der betreffende Einsatz Dritter in der Sphäre des Geschädigten von vornherein gar nicht erst als "zumutbare Obliegenheit" verlangt werden könnte. Und so müßten nach den Grundsätzen der Rechtsprechung angesichts derartigen überobligationsmäßigen Einsatzes konsequenterweise die hypothetischen Gewinneinbrüche als Schaden ohne weiteres zugesprochen werden.

B. Die Kritik am Lösungsweg der Rechtsprechung Die dargestellte Judikatur ist nicht frei von Ungereimtheiten und Widersprüchen. So ist die Antwort auf die Frage nach der Zumutbarkeit in einer ganzen Reihe VOn Urteilen unbefriedigend ausgefallen (siehe sogleich unter 1.). Und auch einige weitere Kriterien, die der BGH zur Abgrenzung ZumutbarkeitlUnzumutbarkeit vorgeschlagen hat, können kaum mit dem erklärten Ziel in Einklang gebracht werden, den Einzelfall hinsichtlich der Zumutbarkeit objektiv und unvoreingenommen, das heißt gerade ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Dispositionen des Geschädigten, zu würdigen (siehe unten 11.).

aber gerade nicht bestimmt. Das Schuldverhältnis Schädiger-Geschädigter muß vom vertraglichen Innenband Geschädigter-Erfüllungsgehilfe nach § 254 11 2 getrennt bleiben, aA VG Koblenz JZ 1977, 307.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

I. Keine Linie bei der Anwendung von Zumutbarkeitskriterien Die Rechtsprechung muß von ihrem Ansatz her die Obliegenheit des Geschädigten sowohl bei der unterlassenen als auch bei der tatsächlichen Abwehr des Verdienstausfallschadens herausarbeiten. Für diese Prüfung hat sie in vielen Urteilen die Formel geprägt, daß sich die Zumutbarkeit bestimmter Maßnahmen nach den Umständen des Einzelfalles ll3 richtet, insbesondere nach Alter, Grad der Verletzung, Bildungsgang und nach der sozialen und familiären Lage des Geschädigten I 14. Es fällt nun auf, daß der Zumutbarkeit tatsächlicher Schadensabwehr von den Gerichten kaum besondere Beachtung geschenkt wird llS . Durchweg werden die Anstrengungen des Geschädigten zur Schadensabwehr ohne nähere Begründung als zumutbar, nur in wenigen Fällen werden sie als überobligationsmäßig eingestuft und bei der Eröffnung der Schadensbilanz außer Betracht gelassen ll6 . Folgerichtig hat sich auch keine ganz einheitliche Linie in der Beurteilung der Zumutbarkeit herausgebildet. In seiner jüngsten Entscheidung stuft der BGH eine Tätigkeit in der Kinderbetreuung als überobligationsmäßig ein, obwohl die - wenn auch schwer und dauerhaft geschädigte - Klägerin ursprünglich plante, Erzieherin zu werden 117. Dagegen wird die Tätigkeit als Bankkaufmann und Finanzinspektor für einen geschädigten Elektroinstallateur ohne weiteres als zumutbar angesehen ll8 . Die Zumutbarkeit und damit die Anrechnung auf den Verdienstausfallschaden wurde ebenso bejaht für die Häftlingsarbeit in einer Justizvollzugsanstalt während einer ungerechtfertigten Untersuchungshaft l19 . I 13 Konsequent deshalb BGH VersR 1965,489,491: Der Erwerbsschaden richtet sich nicht nach dem Grad der abstrakten Erwerbsminderung, und es besteht umgekehrt keine Vermutung für überobligationsmäßiges Verhalten, wenn eine Tätigkeit trotz hoher abstrakter Minderung der Erwerbsminderung fortgeführt wird. 1l4BGHZ 10, 18,20; BGH VersR 1955,38,39; 1971,472,473; NJW 1974,602, 603; Erman/Kuckuk, § 254 RN 63. 115 Dies konstatiert auch Steffen, DAR 1984, 1,4. 116BGH NJW 1974,602; Zweifel hinsichtlich der Unzumutbarkeit im Landärztinfall wohl bei Magnus, S. 267; BGH VersR 1994,186; RG DR 1944,571 trifft allerdings die Feststellung der Unzumutbarkeit nicht selbst, sondern verweist zurück; BAG NJW 1968,221. 1l7BGH VersR 1994, 186; der BGH begründet die Unzumutbarkeit freilich nicht. Er stellt nur fest, die Geschädigte sei in vollem Umfang erwerbsunfähig. 1l8BGH VersR 1982,791. 1l9BGH VersR 1988,52.

B. Die Kritik am Lösungsweg der Rechtsprechung

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Auch der Wechsel vom Polizeidienst in eine Tätigkeit als Programmierer wurde als unzweifelhaft zumutbar bewertet 120, gleichfalls der Wechsel aus der Ingenieurausbildung in die Landwirtschaft 121 und aus der beruflichen Selbständigkeit (KFZ-Meister und Tankstelleninhaber) in die Arbeitnehmerstellung 122 . Daneben hält das OLG Hamrn die Tätigkeit eines ehemaligen Filialleiters im Hähnchengrillbetrieb (!) seiner Frau (4000,- DM brutto) für zumutbar, die Weiterbeschäftigung durch den ehemaligen Arbeitgeber (6000,- DM brutto) wegen fehlender Aufstiegschancen dagegen für unzumutbar 123 • Unzumutbar soll auch die Umschulung einer Kellnerin zur Stenotypistin sein l24 . Das OLG Stuttgart 125 hält die Tätigkeit eines Geschäftsführers für zumutbar, obwohl dieser nach Angaben seines Arztes als Arbeitnehmer hätte krankgeschrieben werden müssen, und das OLG Frankfurt schließlich erachtet die Ausbildung eines schwer an den Knien Geschädigten zum Fliesen- und Plattenleger für wenig sinnvoll, problematisiert aber mit keinem Wort die Zumutbarkeit l26 . Im übrigen nehmen die Gerichte bei der schadensabwehrenden Tätigkeit durch Dritte wie selbstverständlich an, daß sie obligationsmäßig ist, obwohl die Frage der Unzumutbarkeit in einigen Fällen durchaus hätte aufgeworfen werden können 127. 11. Keine Konsequenz bei der Suche nach Zumutbarkeitskriterien

Zudem will der BGH durchaus als einen Aspekt unter anderen berücksichtigen, daß die freiwillige Inkaufnahme der Anstrengungen ein Hinweis auf die Zumutbarkeit der Schadensabwehr sein kann 128 . Zu bedenken ist freilich, daß der Geschädigte auch die ihm unzumutbaren Anstrengungen zur Schadensabwehr stets freiwillig ergreifen wird, weil er bei Untätigkeit keine Nachteile zu befürchten hätte. Tatsächlich gibt man mit die120BGH VersR 1991, 1293. 121 BGH DAR 1952, 26. 122BGH VersR 1957,752. l230LG Hamm R+s 1994,417. 1240LG Stuttgart VersR 1958,793. l250LG Stuttgart VersR 1981,290. 1260LG Frankfurt NJW-RR 1996, 1368, 1369. 127In BGHZ 54, 45 waren die Mitarbeiter wohl mehrere Monate hindurch für ihren Chef eingesprungen. In BGH VersR 1979, 179 mußte der Geschädigte seine Sekretärin mehrere Monate als Chauffeuse einsetzen. 128BGH NJW 1974,602,603.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

sem Kriterium der Freiwilligkeit allein dem Richter ein Mittel in die Hand, in dem Tun des Geschädigten die pflichtgemäße Schadensabwehr zu erblicken, ohne daß er die Zumutbarkeit der Maßnahmen noch weiter problematisieren müßte 129 . Macht man auf der anderen Seite für die tatsächliche Schadensabwehr mit der Unterscheidung zwischen Zumutbarkeit und Überobligation ernst, dürfte die Freiwilligkeit der Schadensverhütung als Unterscheidungskriterium gerade keine Rolle spielen. Ähnliches ist im übrigen auch einer zweiten Aussage zu entgegnen, die der BGH in diesem Zusammenhang gemacht hat. Er will nämlich die Zumutbarkeit der Schadensabwehr erst beurteilen, wenn die näheren Umstände der tatsächlichen Schadensabwendung ermittelt sind 130. Nach dem Ansatz des BGH dürfte es aber auf die Unterscheidung zwischen tatsächlicher und unterlassener Schadensabwehr nicht ankommen. Im Gegenteil müßte sich die Zumutbarkeitsbeurteilung an dem Fall ausrichten, in dem die tatsächlichen Abwehranstrengungen hinweggedacht sind, weil erst diese Vorgehensweise "ex ante" und unvoreingenommen den Blick auf die unter Umständen überobligationsmäßige Schadensabwehr eröffnet. Daneben will der BGH in Fällen, in denen eine Schadensabwehrmaßnahme für den Geschädigten ein unzumutbares wirtschaftliches Risiko darstellt, danach fragen, ob das Risiko in Zukunft abgebaut und so das Erlangte auf den Verdienstausfall angerechnet werden könne l31 • Aber auch dieser Aspekt darf bei der Frage nach der Zumutbarkeit keine Rolle spielen: es liegt im Wesen des Risikos, daß ungewiß ist, ob es sich (je nach den Umständen erst in einem längeren Zeitraum) verwirklicht oder nicht. Daß es sich - im nachhinein - nicht verwirklicht, schließt die Risikolage nicht aus und ist gerade kein Kriterium dafür, ob die Risikoübernahme jemals - aus der Beurteilung "ex ante" - unzumutbar oder zumutbar gewesen ist. Die Kritik an der Rechtsprechung muß schließlich auf die Leitentscheidung des BAG verweisen, die das "Überobligationsmäßigkeitsdogma" ebensowenig wie der BGH konsequent zu Ende führt. Das BAG 132 meint nämlich, die hypothetische Einkommensminderung, die der Geschädigte bei Unterlassen der überobligaten Schadensabwendung erlitten hätte, nach dem Wert des schadensabwehrenden Arbeitseinsatzes berechnen zu können.

129 Stürner, JZ 1984,461, 463. 130BGH NJW 1971,838 = BGHZ 55, 329. 131BGH NJW 1974,602,604; RGRKlBoujong, § 109 RN 109. 132BAG AP § 249 Nr. 7 BI. 859 = SAE 1968, 78, 80f, insoweit nicht abgedruckt in: NJW 1968,221; ähnlich SchieltUJnn, S. 262: der überobligationsmäßig Tätige solle nicht den hypothetischen Schaden, sondern eine besondere Überstundenvergütung erhalten.

B. Die Kritik am Lösungsweg der Rechtsprechung

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Es ist allerdings nicht ersichtlich, inwieweit die Bewertung der Schadensabwehr bei der Berechnung des hypothetischen Verdienstes weiterhelfen kann. Der Wert der Aufwendungen, die zur Schadensabwehr gemacht werden, hat mit der Höhe des hypothetischen, weil abgewehrten Schadens nichts zu tun. Das BAG selbst gibt hier seinen eigenen Ansatz preis, wenn es so augenscheinlich die Ebenen des Schadensfalles und damit auch die verbleibenden Rechnungsposten vertauscht 133 • 111. Der Vorschlag Grunskys und Thieles

Einzig Grunsky\34 und Thiele\35 wollen für die Fallgruppen überobligationsmäßiger Schadensabwehr differenzieren. Vorteile aus überobligationsmäßiger Schadensabwehr sollen nicht angerechnet werden. Soweit der Geschädigte durch überobligationsmäßige Anstrengungen aber den Eintritt von Nachteilen verhindere, mindere sich sein Ersatzanspruch. Der überobligationsmäßig tätige Arzt im Arzthelferinfall verhindert danach einen Verdienstausfallschaden, weshalb sein Schadensersatzanspruch insoweit wegfällt. Und Grunsky und Thiele selbst nennen beispielhaft den Betroffenen, der unter Lebensgefahr Hab und Gut aus dem brennenden Haus rettet. Hier könne der Geschädigte nicht Schadensersatz für die Gegenstände verlangen, weil er sie auch hätte verbrennen lassen können I36 . Im Gegensatz dazu mache die Landärztin, die vorher Praxisvertretung anbot, mit der eigenen Praxis nun "eigenen" Umsatz, und diesen Vorteil soll sie nach Grunskys Unterscheidung "behalten", indem er ihr nicht angerechnet wird. Aber diese Unterscheidung, mit Hilfe derer Thiele und Grunsky unbillige Ergebnisse der Rechtssprechung korrigieren wollen, überzeugt nicht. Sie übergeht den Umstand, daß vom Ansatz des BGH und der Literatur her, Grunsky und Thiele eingeschlossen, die Unzumutbarkeit über die Anrechnung entscheiden muß und nicht, welche Tätigkeit nach dem Unfall unzumutbar weitergeführt bzw. neu ergriffen wird. Letztendlich gründen Grunsky und Thiele die Unterscheidung bloß auf eine formale Betrachtungsweise: die "neuen" unfallbedingten Einnahmen der Ärztin aus der eigenen Praxis können Vorteile sein, genau-

1330iesen Widerspruch hat die Literatur sofort aufgezeigt, S. Thiele, SAE 1968, 80,

82f: Larenz, AP § 249, Nr. 7 aE. 134MünchKommlGrunsky, § 254 RN 44. 135 Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 401. 136Ebenso Stoll, Vermögensschaden, S. 27f.

4 Wettich

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

sogut kann man aber sagen, durch "neue" Arbeit wird der Nachteil des Verdienstausfalls vermieden. Eine Wertung, die die von ihnen aufgestellte Unterscheidung rechtfertigen könnte, stellen Grunsky und Thiele der Rechtsprechung nicht entgegen.

IV. Ergebnis Die Rechtsprechung formuliert mit der Nichtberücksichtigung überobligationsmäßiger Schadensabwehr einen Rechtssatz, der auf den ersten Blick berechtigte Interessen des Geschädigten einbezieht und sich insoweit in eine wertende Schadensersatzdogmatik einfügt. Dieser Rechtssatz führt allerdings - bei konsequenter und unvoreingenommener Abgrenzung zwischen zumutbarer und unzumutbarer Schadensabwehr letztlich dazu, die Schadensabwehr nie anzurechnen, wenn sie dem Geschädigten nur durch besondere Kreativität oder durch geschickte Ausnutzung besonderer Umstände gelungen ist137 • Gleichwohl scheinen sich die Gerichte mit diesem Ergebnis, daß der Geschädigte aufgrund ihrer Rechtsprechung "doppelt liquidiert", nicht recht abzufinden. Es bleibt der Eindruck, daß sie ihren eigenen Rechtssatz an verschiedenen Stellen unterlaufen und Einschränkungen des Überobligationsmäßigkeitsdogmas mitdenken, die unausgesprochen, aber faktisch von ihm wegführen.

c. Der neue Lösungsansatz: die tatsächliche Abwehr des Verdienstausfallschadens als stets obligationsmäßige Schadensabwehr Das Ziel der hier vorgelegten Untersuchung soll sein, einen anderen Ansatz bei der Bewertung tatsächlicher Abwehr des Verdienstausfallschadens aufzufinden, der nicht mehr der Schwierigkeit ausgesetzt ist, - wie auch bei unterlassener Schadensverhütung - zwischen Obliegenheit und Überobligation zu unterscheiden. Dieser Ansatz soll zunächst für die einzelnen Fallgruppen vorgestellt werden, bevor deren gemeinsamer Grundgedanke abschließend noch einmal formuliert wird.

137 Dunz,

VersR 1985, 509, 511.

c. Tatsächliches Tun als stets obligations mäßige Schadensabwehr

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I. Tatsächliche Abwehr durch den Geschädigten selbst

1. Selbstbestimmung und Zumutbarkeit beim Neueinsatz verbliebener Arbeitskraft (BGH NJW 1974, 602 "Landärztin ") Aus der Begründung des Landärztinurteils geht hervor, daß der Ärztin ihre bisherige Vertretungstätigkeit auf Grund ihrer erlittenen Verletzung zu beschwerlich und daher unzumutbar geworden ist. Sie eröffnete daraufhin eine eigene Praxis. Der BGH bewertete die körperliche und vor allem die wirtschaftlich "unternehmerische" Belastung als ein erhebliches Risiko, was seiner Ansicht nach die Unzumutbarkeit der Ersatztätigkeit und das Bestehen eines Verdienstausfallanspruches in voller Höhe begründen SOll138. Obwohl die Geschädigte in der "Branche" blieb. konnte sie dementsprechend, Einnahmen aus der eigenen Praxis vorausgesetzt. doppelt liquidieren. a) Die Zumutbarkeit bei unterlassener und bei tatsächlicher Schadensabwehr Für die richtige Lösung ist zunächst der Blick auf die ParalleWille hilfreich. in denen der Geschädigte untätig bleibt und gerade keine andere Arbeit aufnimmt. Hier liegt im Interesse des Geschädigten die umfassende finanzielle Kompensation für die eben geschilderten Folgen des Schadensereignisses. Dies bedeutet in Fällen dauerhafter Beeinträchtigung der Arbeitskraft nicht weniger als die Zahlung einer Schadensrente als Ersatz für das Einkommen. das er in seiner gesamten. nunmehr hypothetischen Erwerbstätigkeit bis zum voraussichtlichen Berufsende erarbeitet hätte. Der Schädiger würde also mit der lebenslangen Versorgung des Geschädigten belastet. Gerechtfertigt ist ein solch striktes Ergebnis für die Untergruppe. in der der Geschädigte schadensbedingt absolut erwerbsunfähig geworden ist und in der ihm das Schadensereignis jedwede Einkommensschance genommen hat 139 •

138BGH NJW 1974, 602f. 139 So zum Beispiel in der Entscheidung BGH NJW 1991, 1412 für den Fall einer gering qualifizierten Gastarbeiterin und auch in der neueren, im Ergebnis bemerkenswerten Entscheidung BGH VersR 1996, 332f: die Geschädigte ohne Berufsausbildung arbeitete als Hosteß auf der Segelyacht ihres Mannes. Sie erhielt als Lohn 4.750,-DM netto. Aufgrund der Schädigung konnte sie mit dem rechten Arm keine Bewegungen mit grober Kraft mehr ausführen und mußte daher die Hostessentätigkeit aufgeben. Sie erhält laut UrteiisbegTÜndung nun die 4.750,-DM netto bis zu ihrem 72. Lebensjahr; dazu Groß, VersR 1996,657,666; von Gerlach, DAR 1996,205,206.

4*

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Schwieriger liegen dagegen die Fälle, in denen der Geschädigte untätig bleibt, obwohl er noch leistungsfähig ist und eben nur aus seinem angestammten Tätigkeitsfeld ausscheiden muß. In dieser Situation steht seinem Schadensersatzbegehren das Interesse des Schädigers entgegen, daß der Geschädigte ihm verbleibende Reserven und Fähigkeiten ausnutzt, um so die Höhe der vom Schädiger aufzubringende Schadensrente so niedrig wie möglich zu halten. Das Gesetz selbst gibt in § 254 11 nur eine vage Antwort auf die Frage, wie der Interessenausgleich bei Untätigkeit des Geschädigten iu erfolgen hat 140• Der Geschädigte hat den Schaden abzuwenden oder zu mindern, mithin geringzuhalten. Auf diesem allgemeinen Grundsatz aufbauend hat insbesondere die Rechtsprechung konkret für die Abwehr des Verdienstausfallschadens formuliert, daß der Geschädigte tatsächlich seine Restarbeitskraft zu verwerten und den ihm verbliebenen Freiraum bei der Gestaltung seines Berufslebens bestmöglich zu nutzen hat, um den Schädiger zu entlasten 141 • Grundsätzlich soll er dazu angehalten sein, sein ihm verbliebenes Potential entgegen seinem ursprünglichen Plan andernorts einzusetzen. Ihn trifft also die Obliegenheit zum anderweitigen Einsatz der Arbeitskraft. Zwar ist er dazu nicht im Sinne von § 241 verpflichtet, kommt er aber der an ihn gerichteten Aufforderung nicht nach, wird seine Schadensrente nach Obliegenheitsgrundsätzen gekürzt. Die Härte dieses Grundsatzes liegt dabei für den Geschädigten darin, daß er dem Geschädigten - über das Schadenereignis hinaus, das ihn ohnehin schwer beeinträchtigen mag - eine weitere Schadensfolge aufbürdet, wenn auch nicht als Vermögensschaden, so doch als erhebliche Folgeobliegenheit. Freilich ist diese Anordnung, die die Schadensdogmatik dem § 254 11 entnimmt, bemerkenswert: allein aus der Tatsache, daß eine derartige Obliegenheit von Rechts wegen als naheliegende Folge aufgestellt wird, folgt nämlich, daß die strikte Berufung des Geschädigten auf seine ursprüngliche Planung als einzige Option, als eine unabänderliche Bestimmung, nicht akzeptiert werden kann. Und allein daraus folgt, daß es ihm im Grundsatz verwehrt ist, von seiner geplanten Berufsoption zur totalen Liquidation des Verlustes aus derselben überzugehen. Die persönliche Härte, daß ihn schicksalhaft ein Schadensereignis mit bleibenden Folgen belastet, von dem andere verschont bleiben, soll kein hinreichender Grund sein, ein Rentnerdasein auf Kosten des Schädigers zu füh-

140Esser/Schmidt, § 35 I, S. 257.

141 Deutlich bereits RG Warneyer 1909, Nr.540, S. 533; RG Recht 1909, Nr.428; aber auch BGHZ 10, 18,20; BGH VersR 1956, 174, 175; BGH VersR 1961, 1018; Scheffen, VersR 1990,926,933.

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ren. Solange ihm schöpferische Arbeitskraft verbleibt, ist er von Gesetzes wegen aufgefordert, aus seiner Situation das Beste zu machen l42 . Gleichwohl bedeutet dies nicht, daß der Geschädigte nun zur Entlastung des Schädigers jedwede Tätigkeit ergreifen müßte. Ihm Obliegenheiten aufzugeben ist deshalb interessengerecht, weil dem Geschädigten immer noch die Freiheit einer (jetzt eingeschränkten) Wahl unter vielfältigsten Möglichkeiten verbleibt. Ihm stehen ja weiterhin Lebensgestaltungspotentiale offen, die er nicht ungenutzt lassen soll. Vor allem verletzt er seine Schadensabwendungsobliegenheit nur dann schuldhaft, wenn er ihm zumutbare Möglichkeiten ausgeschlagen hat. Das heißt, daß der Geschädigte nicht jede mögliche Ersatztätigkeit bzw. unter mehreren Möglichkeiten unbedingt eine bestimmte ergreifen muß. Dem Petitum, er dürfe kein Rentnerdasein auf Kosten des Schädigers führen 143, steht immer noch die Rücksichtnahme auf sein schadensbedingt eingeschränktes, aber noch vorhandenes Selbstbestimmungsrecht entgegen. Er behält das Recht, in freier Selbstbestimmung zu entscheiden, durch welche Tätigkeiten er seinen Unterhalt bestreiten möchte. Zusammenfassend kann man formulieren:

Im Grundsatz muß der Geschädigte entgegen seinem ursprünglichen Lebensplan neue Optionen ergreifen, dennoch sollen ihm die Grenzen weit gesteckt werden, in denen er sich bewegen darf. Die Rechtsordnung will ihm nicht alles und jedes als Schadensabwehrmaßnahme auferlegen, sondern von seinen bisherigen Plänen und Vorgaben ausgehen und seine Neigungen weitestgehend respektieren. Auf diese Weise wirkt das (beeinträchtigte) "Selbstgestaltungsrecht" in den Obliegenheiten nach. Das Erfordernis der Zumutbarkeit zeigt, welchen Stellenwert die selbstbestimmte Lebensgestaltung des Geschädigten nach wie vor hat. Wegen und trotz der schicksalhaften Wendung, die sein Leben durch die Schädigung nimmt, soll von seiner Lebensplanung soviel erhalten bleiben wie möglich. Die Gerichte handhaben deshalb das Tatbestandsmerkmal ,,zumutbarkeit" restriktiv. In nur wenigen Fällen haben sie dem schadensbedingt untätigen Geschädigten bescheinigt, daß er bei der Suche nach neuen Erwerbsmöglichkeiten zu wenig tue l44 • Weitgehend akzeptieren sie die Einwände, die gegen die Zumutbarkeit vorgebracht werden. Zudem können die Schädiger und ihre Versicherer kaum einmal mehr als nur eine alternative Tätigkeitsquelle aufzeigen, die dann auf ihre Zumutbarkeit hin beurteilt wird. 142RG JW 1937,2366,2368 (an zwei Fingern verletzter Geiger). 143BGHZ 10, 18, 20. 144BGHZ 10,18; BGH NJW 1984, 354; OLG Koblenz, VersR 1979,964; OLG Köln VRS 80, 84

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Aber auch die Beurteilung der Fälle, in denen der Geschädigte tatsächlich anderweitig eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und die den eigentlichen Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden, muß sich am Merkmal der Zumutbarkeit orientieren. Allerdings ergibt sich eine etwas abweichende Fragestellung: denn es geht diesfalls nicht mehr um die Kürzung der Schadensrente nach Obliegenheitsgrundsätzen, sondern um die Anrechnung des tatsächlich Verdienten. Ungeachtet dieser auf den ersten Blick unscheinbaren, tatsächlich jedoch aufschlußreichen Nuancierung überträgt die herrschende Meinung den Grundsati. zu den Obliegenheiten bei unterlassenen auf die tatsächlichen Schadensabwehranstrengungen: der Geschädigte muß sich den anderweitigen Erwerb nicht anrechnen lassen, wenn und soweit er auch hätte untätig bleiben können l4S • Diese Sichtweise zugrundegelegt, handelt es sich bei den Schadensabwehranstrengungen um eine neue Erwerbstätigkeit, die den Erwerbsausfallschaden unberührt läßt l46 . Dem läßt sich zunächst entgegenhalten, daß der Geschädigte den Verdienst zu erlangen nur deshalb in der Lage ist, weil er die alte Erwerbstätigkeit aufgeben mußte. Man kann nicht zweimal, einmal hypothetisch, einmal real verdienen, als Gegenleistung für etwas, was man nur einmal geben kann. Die Arbeitskraft eines Menschen ist nur einmal verwertbar. Insoweit beruht die Möglichkeit, ein neues Einkommen zu erzielen, unmittelbar auf dem schädigungsbedingten Freiwerden der Arbeitskraft, die ursprünglich in der alten Erwerbsausübung gebunden war. Die neue Tätigkeit ist also bei genauer Analyse gar nicht denkbar ohne den Wegfall der ursprünglichen; der Schädiger wird deshalb auch wenig Verständnis dafür aufbringen, daß sich der Geschädigte in Form einer Schadensrente (weiterhin) unterhalten lassen will und gleichzeitig an anderer Stelle seine freigewordene Kapazitäten allein zu seinen Gunsten nutzt. Hervorzuheben ist aber noch ein zweiter Gesichtspunkt, den die Schadensdogmatik bisher ebensowenig berücksichtigt hat. Im Interessenkonflikt zwischen Schädiger und Geschädigten postuliert sie einerseits zulasten des Geschädigten, dieser sei gehalten, seine Restarbeitskraft bestmöglich zu verwerten, andererseits will sie - zuungusten des Schädigers - die Vorgaben seiner Lebensplanung, seine ursprünglichen Neigungen weitestgehend berücksichtigen l47 • Ein erster Ausgleich der Interessen bietet sich dabei förmlich an, wenn nämlich der Geschädigte über die Verwertung seiner verbliebenen Einsatzkraft selbst

64.

145 S.o. 2. Teil A. I. I. 146S0 wohl BGHZ 55,329; BGH NJW 1974,602; MünchKommlGrunsky, §254 RN 147 So auch schon RGZ 53, 48, 49f.

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entscheidet und wenn eine Anrechnung der Erträge aus der übernommenen Erwerbstätigkeit den Schädiger entlastet. Ergreift der Geschädigte nach dem Schadensfall freiwillig eine neue Tätigkeit, so wird im Rahmen der Abwägung ,,Berücksichtigung der Lebensplanung des Geschädigten - Vermeidung eines Rentnerdaseins auf Kosten des Schädigers" beiden Aspekten umfassend Rechnung getragen. Zwar geht die grundsätzliche Obliegenheit, eine neue Erwerbstätigkeit aufzunehmen, zu Lasten des Geschädigten. Wenn aber in dieser Situation seine Lebensplanung so weit wie möglich berücksichtigt werden soll, dann ist der Schritt, den Geschädigten über den Einsatz seiner Ressourcen zunächst in eigener Person befinden zu lassen, vorrangig. Wenn der Geschädigte selbst seine Arbeitskraft freiwillig und selbstbestimmt verwertet, gelingt der Ausgleich der Interessen wirklich: die eigenverantwortliche Lebensplanung des Geschädigten wird umfassend berücksichtigt und gleichzeitig kann dem Interesse des Schädigers Rechnung getragen werden, die finanziellen Folgen des Schadensfalles geringzuhalten 148. Neuverwertung der Arbeitskraft ist eine schadensbedingte und insoweit erzwungene Neugestaltung des eigenen Lebens, aber es ist vorrangig eine Neuplanung durch den Geschädigten selbst. Er nimmt die Suche nach Alternativen in die Hand, ohne daß seine Lebensplanung in dieser Situation mehr eingeschränkt wird als nötig, nämlich von außen; ohne daß zusätzlich zu seinen Beschwernissen Dritte ihm mehr oder weniger gelungene Vorgaben machen. Naturgemäß kann der Geschädigte am besten - und recht eigentlich nur er l49 kann dies - beurteilen, welche Tätigkeit seinen Neigungen entspricht und sich in die durch die Schädigung aufgerissene Lücke in seinem Leben einfügen läßt 150• Mit anderen Worten: der Interessenausgleich zwischen Geschädigtem und Schädiger gelingt vor allem dann, wenn der Betroffene, dessen Erwerbstätigkeit und dessen Erwerbsaussichten beurteilt werden, eine Tätigkeit freiwillig ergreift und in diesem Akt seine Selbstbestimmung gerade verwirklicht. Der Grund dafür liegt darin, daß die Zumutbarkeit ein Kriterium ist, das an der betroffenen Person ausgerichtet ist. ,,zumutbarer" lassen sich bestimmte Maßnahmen gar 148 Dies übersieht Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 401, der umgekehrt argumentiert: Weil die überobligationsmäßige Arbeitsleistung bei wertender Betrachtung der freien Lebensgestaltung des Geschädigten zuzurechnen sei, sei sie nicht zugunsten des Schädigers zu berücksichtigen. 149Diesen Aspekt berücksichtigt der BGH NJW 1979,2142, in seiner Grundsatzentscheidung, in der er zu lasten des Erwerbsgeschädigten die Behauptungs- und Beweislast verschärft. 1SOS O auch Dunz, VersR 1985,509.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

nicht denken, wenn sie von dem Betroffenen selbst aufgrund einer autonomen Entscheidung eingeleitet worden sind. Es gibt auch keinen einleuchtenden Grund, von Rechts wegen die Tätigkeit als "unzumutbar" zu bewerten, wenn sie der Geschädigte sich selbstbestimmt zumutet. Denn der Einsatz der Arbeitskraft, der vom Geschädigten selbst bestimmt wird, stellt diejenige Schadensabwehr dar, die seiner Person, seinen Fähigkeiten und Neigungen am besten entspricht. Richtigerweise hätte der BGH in der Landärztinentscheidung 151 daher das Einkommen der Geschädigten aus ihrer Tätigkeit als niedergelassener Ärztin in die Schadensbilanz einbeziehen müssen. Die Geschädigte zeigte nämlich gerade mit ihrer Entscheidung, daß sie unter gesundheitlichen und unternehmerischen Aspekten der Herausforderung, nunmehr als Selbständige zu arbeiten, sehr wohl gewachsen war. Beispielhaft werden die vorgestellten Grundsätze auch durch ein Urteil des OLG Karlsruhe 152 verdeutlicht. In diesem Fall befand sich die Geschädigte in der Ausbildung zur Krankenschwester, die sie unfallbedingt aufgeben mußte. Der beklagte Versicherer des Schädigers bot ihr eine Ausbildungsstelle in der Versicherungswirtschaft an. Nach 4 Wochen zur Probe stellte die Geschädigte ihre Arbeit bei dem Versicherer ein und begann eine dreijährige Ausbildung zur Arbeitstherapeutin. Die Versicherung bestritt ihre Verpflichtung zum Ausgleich der mit dem Abbruch der Ausbildung verbundenen Schäden 153. Das OLG entschied, daß die Geschädigte nicht verpflichtet gewesen sei, entgegen ihren beruflichen Neigungen sich der angebotenen versicherungswirtschaftlichen Ausbildung zu unterziehen. Schon der bisherige Lebensweg der Geschädigten zeige deren starken Bezug zu einer sozialen Tätigkeit. Dem OLG ist zuzustimmen, wenn es die Entscheidung der Geschädigte selbst darüber, weIche neue Tätigkeit ihr am meisten zusagt, berücksichtigt. Das OLG konnte auf die Abgrenzung "obligationsmäßiglüber-obligationsmäßig" verzichten, weil die Geschädigte aus eigenem Antrieb aufgrund persönlicher Neigungen eine Arbeit ausgewählt und ergriffen hatte.

151BGH NJW 1974,602. I520LG Karlsruhe NJW 1989, 111. 153Daß es in diesem Fall überhaupt zur Klage kam, ist verwunderlich, gesteht doch die Versicherung am Ende indirekt ein, daß die Ausbildung zur Versicherungskauffrau nicht kostengünstiger gewesen wäre als diejenige zur Arbeitstherapeutin, S. OLG Karlsruhe NJW 1989, 111 aE.

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Das OLG hätte einen Schaden aber auch für den Fall verneinen müssen, in dem die Geschädigte tatsächlich eine erfolgreiche Versicherungskauffrau würde und trotzdem auf die Idee käme, sich auf überobligationsmäßige Schadensabwehranstrengungen zu berufen. Zwar liegt es nahe, aus der Formulierung des OLG auf eine überobligationsmäßige Ausbildung in der Versicherungswirtschaft zu schließen. Doch in beiden Varianten ist entscheidend, daß eine verletzte Krankenschwester, deren ursprünglicher Lebensweg abgebrochen wurde, vor dem Hintergrund ihrer Obliegenheit aus § 254 11 durch das Ergreifen einer Tätigkeit ihre Zumutbarkeitsgrenze "ohne Hilfe von außen" offenbart. Sie mutet sich nämlich die Tätigkeit selbst zu, und indem sie sie ergreift, beweist sie, daß sie ihr zumutbar ist. Eine Kategorisierung derart, Berufskrankenschwestern mögen nicht Versicherungskauffrau werden, deshalb sei ein derartiger Tätigkeitswechsel als solcher überobligationsmäßig, verbietet sich. Eine geschädigte Krankenschwester entscheidet vornehmlich selbst, ob sie als Versicherungskauffrau einen Neuanfang machen möchte, und ihre Entscheidung liegt nun einmal in der dauerhaften Aufnahme einer Tätigkeit. Insoweit ist ein geeigneteres Verfahren, mit dem auf die Neigungen und Bedürfnisse des einzelnen Rücksicht genommen werden kann, nicht denkbar. b) Paradigmenwechsel bei tätiger und untätiger Schadensabwehr Die hier vorgeschlagene Lösung zur Fallgruppe "Tatsächliche Abwehr des Verdienstausfallschadens" hat mit der herrschenden Meinung und dem von ihr aufgestellten "Überobligationsmäßigkeitsdogma" gemein, daß auch sie das Tatbestandsmerkmal ,,zumutbarkeit" in das Zentrum ihrer Betrachtung rückt und in der Bestimmung des jeweils Zumutbaren den Ausgleich der involvierten Interessen sucht. Anders als die herrschende Meinung beurteilt sie die tatsächliche allerdings nicht spiegelbildlich zur unterlassenen Schadensabwehr. Sie stellt vielmehr auf die Besonderheit ab, daß der Geschädgte bei der tatsächlichen Schadensabwehr aktiv wird, sich die Anstrengungen selbst zumutet und damit die Möglichkeit schafft, das Ergebnis seiner Tätigkeit in die Schadensbilanz aufzunehmen. Anhand der Gegenüberstellung unterlassener und tatsächlicher Schadensminderung läßt sich dies noch einmal verdeutlichen. Die Notwendigkeit, von dritter Seite über die Zumutbarkeit zu entscheiden, ergibt sich überhaupt erst dann, wenn der Geschädigte untätig bleibt und seine Arbeitskraft ungenutzt läßt. Wenn die Gerichte bei unterlassener Schadensminderung die Schadensrente kürzen, wird den Geschädigten der Vorhalt der Obliegenheitsverletzung besonders treffen, weil er, der infolge des Schadensereignisses bereits seinen Beruf

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

aufzugeben gezwungen war, auf einer zweiten Ebene noch einen weiteren Nachteil erfahrt: er verliert nun sogar seine Ersatzansprüche. Aber die Gerichte müssen hier auf eine Zumutbarkeitsbeurteilung von außen deswegen zurückgreifen, weil der Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des Geschädigten stets noch das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung des Schadens gegenübersteht. Die Bewertung unterlassener Tätigkeitsalternativen an Hand der Zumutbarkeit wird erforderlich, gerade weil der Geschädigte dem Gericht diese Prüfung durch Aufnahme einer Arbeit nicht abnimmt. Die Zumutbarkeitsbeurteilung, die - unter Umständen verbunden mit dem Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung - von außen an den Geschädigten herangetragen wird, bleibt ein Notbehelf, solange der betroffene Geschädigte, der Arbeit ursprünglich brauchte und ausüben wollte, nicht diejenige Tätigkeit sucht, die ihm einerseits aufgrund seines verbliebenen Potentials möglich und andererseits nach seinem bisherigen Werdegang angemessen ist. Wenn der Geschädigte dagegen aktiv wird und sein Restpotential verwirklicht, indem er unter den ihm verbliebenen Tätigkeitsalternativen seinen Neigungen entsprechend auswählt, brauchen zumutbare Ersatzmöglichkeiten nicht mehr ermittelt zu werden. Es würde auch merkwürdig anmuten, wenn der Geschädigte erfolgreich Anstrengungen zur Schadensabwehr unternimmt und sich im seI ben Atemzug dahin einläßt, seine Tätigkeit sei ihm unzumutbar, sei es aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen. Hier könnte er in der Tat kaum plausibel machen, daß er aus überwiegenden Gründen der Billigkeit nicht erwerbstätig sein könne, während er gleichzeitig voll im Beruf steht ls4 . Ein derartiges Verhalten des Geschädigten wäre schlicht widersprüchlich. Mehr als ihm - im Idealfall - die Schadensabwehr selbstbestimmt zu überlassen, kann das Schadensrecht nicht leisten, da es ja auch die Interessen des Schädigers zu berücksichtigen hat. Und diese Selbstbestimmung äußert sich gerade im freiwilligen Ergreifen einer Tätigkeit. Dagegen kann der Geschädigte auch nicht vorbringen, er könnte die hier verrichtete Tätigkeit unterlassen und trotzdem liquidieren. Wesentlich ist allein, 154 Schwab, S. 38. Seiner Meinung nach bildet die Tatsache, daß der Betroffene tatsächlich arbeitet, in Zweifelsfällen ein wichtiges Indiz für die Bewertung der Tätigkeit als zumutbar. Sei hingegen die ausgeübte Tätigkeit eindeutig nicht zumutbar, so bleibe der Anspruch selbst davon unberührt. Schwab formuliert dies zwar für den UnterhaItsanspruch gern. § 1577 11, doch überzeugen tut dies ( auch als allgemeiner Grundsatz der Lehre von den Obliegenheiten) nicht. Schwab führt hier ein neues Anrechnungskriterium ein: die Zumutbarkeit im "Grenzbereich des Zweifels"(Schwab).

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daß die Begrenzung der Obliegenheiten nicht gesetzt wird durch das, was der Geschädigte sagt, sondern durch das, was er - aus welcher denkbar persönlichen Motivation heraus auch immer - tut. Der selbstbestimmte Einsatz der Arbeitskraft vollzieht sich nicht im Reden, sondern im Tun. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn vor der Aufnahme der Tätigkeit ein Anrechnungsstreit stattgefunden und das Gericht die Unzumutbarkeit festgestellt hätte. Denn damit wäre nur darüber entschieden worden, daß der Geschädigte zur Vermeidung einer Anrechnung bestimmte Schadensabwehrmaßnahmen nicht hätte durchführen müssen, hingegen wäre kein Urteil darüber ausgesprochen worden, wie der Schadensfall zu lösen wäre, wenn der Geschädigte das "Überobligationsmäßige" gleichwohl täte. Selbst wenn sich der Geschädigte also darauf beruft, in einem Urteil stehe, daß er eine bestimmte Tätigkeit nicht aufzunehmen brauche, ist sie ihm trotzdem anzurechen, weil das eigene Tun vorrangig ist. Hätte etwa ein Gericht im Landärztinfall im Streit mit dem Schädiger darüber, was der Landärztin zur Schadensabwehr zumutbar war, rechtskräftig feststellt, die Neueröffnung einer eigenen Praxis sei von vornherein unzumutbar und die hypothetischen Einnahmen seien daher auch nicht auf den Verdienstausfallschaden anzurechnen, müßte sich die Ärztin die Einnahmen gleichwohl anzurechnen lassen, selbst wenn sie die Praxis doch noch, vielleicht sogar kurz nach Obsiegen im Prozeß, tatsächlich eröffnet hätte. Dabei stünde die Anrechnung nicht im Widerspruch zu der Feststellung im Urteil, eine Praxisneuöffnung sei unzumutbar. Denn die Aussage darüber, was "ex-ante" unzumutbar ist, hat Bedeutung nur für den Fall ausgebliebener Selbstbestimmung. Nichtsdestoweniger bleibt der jeweilige Geschädigte "aufgefordert", die Entscheidung Dritter über die Zumutbarkeit durch die erforderliche und erwünschte eigene Entscheidung zu ersetzen. 2. Schadensabwehr durch zusätzliche Anstrengungen des Geschädigten (BAG NJW 1968.221 "Arzthelferin")

In der zweiten Fallgruppe wendet der Geschädigte seine Erwerbseinbußen durch zusätzliche Anstrengungen ab. Sie unterscheidet sich von den vorangegangenen Fällen dadurch, daß der Betroffene die Abwehrmaßnahmen im Rahmen seiner Berufstätigkeit durchführt. Er braucht sich also beruflich nicht neu zu orientieren. Die Schadensabwehr erfordert lediglich, einen Teil der Freizeit umzudisponieren. Beispielhaft wurde der Arzthelferinfall des BAG genannt, in dem der Geschädigte insgesamt 360 Überstunden erbringen mußte, aber nicht - im Gegensatz zur Landärztin - gezwungen war, einen beruflichen Neuanfang zu machen.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Nach der ganz herrschenden Auffassung sollen die Ergebnisse unzumutbarer Schadensabwehr auch in dieser Fallgruppe außer Betracht bleiben I55 • Larenz l56 hat insoweit von einem "hypothetischen Schaden" gesprochen, weIcher - unter Hinwegdenken der überobligationsmäßigen Abwehrmaßnahmen - ersatzfähig gemacht werde. Zu beachten ist nämlich, daß dem Arzt weder ein Vermögensnachteil entstanden noch irgendein Vermögensvorteil zugefallen ist, den er ohne das Schadensereignis nicht gehabt hätte. Er steht aufgrund des Schadensabwehreinsatzes genauso wie er auch ohne das Schadensereignis stünde. Er hat durch seinen Einsatz nur einen bestimmten Schaden (in Form eines Einkommensverlustes) abgewendet. Allerdings läßt sich die Anerkennung des abgewehrten potentiellen Gewinnentgangs als Schadensposten nicht von vorherein mit dem Argument verneinen, es liege keine konkrete Vermögenseinbuße vor l57 • Denn eine wertende Schadensersatzdogmatik kann vom eigenen Ansatz her auch hypothetische (fiktive, normative) Vermögensverluste als Schaden einstufen, wenn es dafür ihrer Ansicht nach gute Gründe, hier: die Unzumutbarkeit der Schadensabwehr, gibt. Die Frage nach der Unzumutbarkeit einfach auszublenden 158, ist unbefriedigend, weil die dahinterstehende Wertung nicht offengelegt wird. Zu wessen Gunsten der Umstand unzumutbarer Mehrarbeit im Rahmen der Schadensgeringhaltung zu berücksichtigen ist, muß deshalb in einem weiteren Schritt erst noch entschieden werden. a) Zumutbarkeit und persönlicher Einsatz des Geschädigten Die herrschende Lehre argumentiert an dieser Stelle, daß der überobligationsmäßig Tätige gegenüber dem untätigen Geschädigten benachteiligt würde, wenn er trotz und wegen seines Einsatzes weniger bekäme, nämlich nur seine Aufwendungen 159. Gerechterweise müsse deshalb parallel zu einem untätigen Geschädigten der hypothetische Schaden ersetzt werden. Aber auch hier ist der Vergleich mit dem untätig gebliebenen Betroffenen - wie schon in der Landärz155 Lange, § 9 V 5, S. 512; PalandtlHeinrichs, v. § 249 RN 126; Larenz, Schuldrecht I, § 30 11 b), S. 533; MünchKomm/Grunsky, v. § 249 RN 111, Erman/Kuckuk, v. § 249 RN 107; wohl auch Diederichsen, Klingmüller-FS, 65, 82; widersprüchlich SoergeVMertens, § 249 RN 130: überobligationsmäßige Mehrarbeit komme dem Schädiger nicht zugute, eine hypothetische Gewinneinbuße sei allerdings nicht zu ersetzen. 156Larenz, Anm. zu BAG NJW 1968,221, in: AP § 249, Nr. 7. 157 Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 401; Thiele, SAE 1968,80, 81f; Esser, Schuldrecht I, S. 345. 158 Esser, Schuldrecht I, S. 345. 159BAG NJW 1968, 221, 222 Iit. c); SoergeVMertens, § 249 RN 130; Staudinger/Medicus, § 252 RN 43; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 111.

C. Tatsächliches Tun als stets obligations mäßige Schadensabwehr

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tinentscheidung - vordergründig. Dem untätigen Geschädigten wird der Schadensersatzanspruch nach Obliegenheitsgrundsätzen gekürzt, wenn er seine Kräfte nicht im Rahmen des Zumutbaren eingebracht hat. Stellt man ihm den tätigen Geschädigten gegenüber, darf man die im Zweifel eher restriktive l60 Zumutbarkeitsentscheidung allerdings nicht leichtfertig übertragen und so in weitem Umfang überobligationsmäßiges Tun zugunsten des Geschädigten unberücksichtigt lassen. Man würde sonst nämlich den Umstand übergehen, daß der überobligationsmäßig tätig gewordene Geschädigte gegenüber dem untätigen Geschädigten nicht nur benachteiligt wird, sondern in anderer Hinsicht auch eine Begünstigung erfährt. Wenn im Arzthelferinfall der Arzt mit seinem Schadensersatzanspruch durchdringen wollte, müßte er zuletzt seinen Schaden der Höhe nach beziffern. Zwar stehen ihm die Beweiserleichterungen der §§ 252 Satz 2 BGB, 287 ZPO zur Seite, und es dürfte ihm keine Schwierigkeiten bereiten, den bisherigen Verdienst darzulegen, völlig ungewiß und bar jeder Schätzungsmöglichkeit muß jedoch sein, welchen Ausfall er denn nun erlitten hätte. 161 Mit anderen Worten: Die Folgen für die Arztpraxis wären kaum im Detail bezifferbar l62 . Welche Patienten hätten abgewiesen werden müssen, welche Krankheiten und damit welches "Verdienstpotential" hätten sie gehabt, weiche abgewiesenen oder schadensbedingt flüchtig behandelten Patienten wären der Praxis abspenstig gemacht worden, wie viel Patienten hätten wielange ihr Vertrauen in den Arzt verloren, ganz zu schweigen von denjenigen, die vom Hörensagen gar nicht erst ihren ersten Gang zu diesem Mediziner angetreten hätten und von vornherein ausgeblieben wären? Die Behandlung von Patienten mit akuten Erkrankungen ist nicht beliebig verplanbar, und selbst wenn sie wollten, könnte sich ihre Behandlung nicht für ungewisse Zeit aufschieben lassen. Ausgerechnet das Vertrauensverhältnis Arzt-Patient wäre für die Konsequenzen eines gelähmten Praxisbetriebes besonders anfällig. Zusammengefaßt kann man sagen: Die Auswirkungen auf den Goodwill der Praxis sind nicht an-

160In den Fällen zusätzlicher Arbeit bei Ausfall von Mitarbeitern werden der Zumutbarkeit wohl enge Grenzen gesteckt sein, denn der Geschädigt hat ja Mitarbeiter eingestellt und Tätigkeiten delegiert, weil er zu ihrer Übernahme gerade nicht fähig oder willens war. 161 Brinker, S. 106; auch Larenz, Anm. zu BAG, AP § 249, NT. 7 aE, weicht bei dieser Frage letztlich auS. Mangels jeglicher Anhaltspunkte hätte die Tatsacheninstanz noch einmal bemüht werden müssen. Esser/Schmidt, § 32 11 3 b), S. 202, meint, daß es zumeist möglich sein wird, im Schätzungswege (§ 287 ZPO) zu ermitteln, um welchen Betrag die verbliebenen Einkünfte ohne den überpflichtigen Einsatz gesunken wären. 162Thiele, Felgentraeger-FS, 393,401 FN 26; StolI, Vermögensschaden, S. 28; Beuthien, BB 1973, 92f; Becker, BB 1976,746,747.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Yerdienstausfalls

nähernd zu umreißen l63 . Zudem trüge der Kläger, selbst wenn er in seinem Vortrag den Beweisanforderungen genügen würde, das Insolvenzrisiko seiner Schädigerin, welches sich in dem Maße erhöht, in dem sich wegen eines auch nur geringfügigen Anlasses sein Gewinnentgang potenziert l64 . Vor diesem Hintergrund gewinnt der Einsatz eines Geschädigten, der sich im Wettbewerb präsentieren und bewähren muß, eine neue Qualität. Steht vielleicht seine berufliche und wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel, muß ihm sein Einsatz vergleichsweise erträglich erscheinen. Was er vor allem erstrebt, ist, gerade diesen drohenden Schadensfolgen, koste es, was es wolle, zu entgehen l6s • Mag die erhebliche Anstrengung, zur physischen und psychischen Belastung einer Unternehmensleitung noch zusätzlich die Aufgaben eines Mitarbeiters zu erfüllen, "eigentlich" unzumutbar sein, und von dem gedachten "Iiquidierwilligen" Kollegen von vornherein nicht verlangt werden können, so ist sie doch dem tatsächlich tätigen Unternehmer (oder im Beispiel: Arzt) gerade wert, vollbracht zu werden. Ist der Geschädigte in freier Selbstbestimmung tätig geworden, so hat er sich die Abwehrmaßnahmen aufgrund einer persönlichen Abwägung zugemutet und er hat für den Fall erfolgreicher Schadensabwehr auch zugunsten des Schädigers gehandelt. Weil Sinn und Zweck seines HandeIns gerade darin bestehen, den drohenden Verlust in Form entgangenen Gewinns abzuwenden, muß er sich hieran festhalten lassen. Ein ähnlich gelagerter Fall 166 überobligationsmäßiger Schadensabwehr durch zusätzliche Anstrengung des Geschädigten soll die Richtigkeit dieser These illustrieren. Nach den Grundsätzen des BAG müßte derjenige Architekt, der aus dem brennenden Büro in einer Wahnsinnstat die bereits fertiggestellten Pläne für ein Großprojekt rettet, so gestellt werden, als wären die Pläne vernichtet worden und der Gewinn aus dem Geschäft entgangen. Auch hier geht es um den Verdienstausfall während der Laufzeit des Großprojektes, den der Architekt geltend machen würde, und auch hier wendet er als

163Ygl. Thiele, SAE 1968,80,82, für den sich der Nutzwert der Arzthelferinnentätigkeit ohnehin nicht abstrakt berechnen läßt, um ihren Anteil am Gewinn zu ermitteln. Ähnlich Herschel, Anm. zu BAG NJW 1968,221, A-Blattei, D Entscheidung 10. 164Ebenso Thiele, SAE 1968,80,81. 165 Herschel, Anm. zu BAG NJW 1968, 221, A-Blattei, D Entscheidung 10: es gehe nicht um diese oder jene Einnahme, sondern um die Beeinträchtigung der Praxis im ganzen; in diese Richtung wohl auch Thiele, SAE 1968, 80, 82 I.Sp.; Diederichsen, Klingmüller-FS, 65, 83. I66Nach StolI, Yermögensschaden, S. 27f; MünchKommlGrunsky, § 254 RN 44.

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selbständiger "Unternehmer" den Schadenseintritt durch eigene Schadensabwehrmaßnahmen ab. Danach dürfte der Architekt seinen Verdienst zweimal liquidieren, ein Ergebnis, das auf den ersten Blick noch weniger befriedigen dürfte als der Ersatz hypothetischer Einkommensminderung im Arzthelferinfall. Zu erinnern ist indes, daß das BAG in seiner Begründung und Larenz im Ergebnis auch dem Arzt nichts anderes als ein zweites Einkommen zusprechen würden. Nun ließe sich für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle - im Arzthelferinfall hier, im Architektenfall dort - die Erwägung heranziehen, daß der Einsatz des Geschädigten jeweils eine andere Qualität aufweist. Immerhin hat der im Stich gelassene Arzt ja einen erheblichen Zeitraum für zwei gearbeitet, während der Architekt nur einen kurzen Auftritt hat, der einen Verdienst für Monate kaum zu rechtfertigen vermag. Auf die Intensität der Abwehranstrengungen kommt es indessen bei der Differenzierung nach Zumutbarkeitskriterien nicht an. Systematisch stellt sich in beiden Fällen dieselbe Frage, ob überobligationsmäßige Schadensabwehrmaßnahmen noch Raum für Ersatzansprüche lassen, wenn die Abwehr gelungen ist und ein konkreter Schaden nicht eintreten kann. Es ist zwar richtig, daß ein Geschädigter die unzumutbaren Abwehranstrengungen stets unterlassen und dann einen Anspruch auf Ersatz seines Verdienstausfalles geltend machen könnte. Wenn ein Betroffener es gleichwohl unternimmt, den Schaden abzuwehren, so wird er gegenüber dem weniger tatkräftigen Geschädigten nicht unbillig benachteiligt. Zunächst kann der Geschädigte natürlich seine Schadensabwehrkosten geltend machen, also zum Beispiel der Architekt die Behandlung von Brandwunden und Rauchvergiftungen, der Arzt die Kosten für eine Ersatzkraft. Auch wenn die Kosten nicht die Höhe des hypothetischen Verdienstausfalls erreichen werden, so bedeutet ihre Ersatzfähigkeit gleichwohl, daß der Geschädigte von den bleibenden Nachteilen des Schadensfalles freigestellt wird. Vor allem ist aber zu berücksichtigen, daß die drohenden Verdienstausfallschäden aufgrund der Anstrengungen doch gerade ausbleiben. Die jeweilige Motivation des Geschädigten spielt dabei keine Rolle. Um beim Beispiel des Architekten zu bleiben, ist ausschlaggebend allein, daß dem Geschädigten der Erhalt der Unterlagen den risikoreichen Gang ins Feuer allemal wert ist, und überhaupt nur ihm wert sein kann. Die Entscheidung zugunsten der Schadensabwehr trifft er allein. Stürmt er in das brennende Haus, gibt er die Antwort und würde er den selbstmörderischen ReUungsversuch unterlassen, beantwortet er sie ebenso. In dem einen wie dem anderen Fall stellt sich das Problem überobligationsmäßiger Schadensabwehr nicht. Der Geschädigte muß je nach dem Wert der eingesetzten Güter eine denkbar individuelle Wahl treffen. Wehrt er den

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Schaden ab, so entscheidet er sich für das ihm jeweils (gerade noch) obligationsmäßige. Was für den einen eben schon überobligationsmäßig riskant und waghalsig erscheint, weshalb er es - verständlicherweise - unterläßt, war dem anderen den Einsatz gerade noch wert. b) Zusammenfassung Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß eine Schadensabwehr auch bei überobligationsmäßigem Einsatz des Geschädigten bei der Schadensbilanzierung berücksichtigt werden muß. Der Geschädigte, der die eigenen Möglichkeiten zusätzlich nutzt, weil er den Schadenseintritt - aus welchen Gründen auch immer - gerade verhindern will, kann sich für seinen Schadensersatzanspruch nicht darauf berufen, er sei, ohne Folgen befürchten zu müssen, gar nicht zur Tätigkeit verpflichtet gewesen. Er trifft dann seinerseits die Entscheidung darüber, ob es ihm zumutbar ist, und sein Tun läßt erkennen, daß er sich die Maßnahmen zum Zweck der Schadensabwehr tatsächlich selbst hat zumuten wollen. 11. Tatsächliche Abwehr durch angestellte oder angehörige Dritte (BGHZ 54, 45 "Diplomchemiker"; BAG JZ 1971, 380 "Filialleiter") Gegenstand der Untersuchung waren bislang die Schadensabwehr durch den Geschädigten selbst und ihre Auswirkungen auf den Ersatzanspruch gegen den Schädiger. Wenn dagegen der Eintritt eines Schadens durch Dritte verhindert wird 167 , treten einige Besonderheiten auf. Zwar läßt sich auch für diese Fälle die Frage stellen, ob das Verhalten Dritter dem Schädiger zugute kommt oder bei der Schadensbilanzierung - zugunsten des Geschädigten - außer Betracht zu bleiben hat. Aber eine nicht bestrittene Schadensdogmatik entnimmt dem § 843 IV den allgemeinen Rechtsgedanken, daß solche Leistungen Dritter nicht auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden, die ihrer Zweckbestimmung nach dem Schädiger nicht zugute kommen sollen 168 . Vor diesem Hintergrund will die Literatur - zum Vorteil des Geschädigten - auch die freiwilligen Leistungen Dritter bei der Schadensabwehr auf den Ersatzanspruch nicht an-

S.o. 2.Teil A.lI. BGHZ 21,116,122; 22, 72, 74f; 50, 304; 54, 269, 274; MünchKommlMertens, § 843 RN 48; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 108; Staudinger/Schäjer, § 843 RN 71; Lange, § 9 VI 4, S. 515; RGRKlA{ff, v. § 249 RN 34. 167

168

C. Tatsächliches Tun als stets obligationsmäßige Schadensabwehr

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rechnen l69 • Allerdings beachtet diese Ansicht nicht ausreichend die Vorschrift des § 254 11 2, wonach der Geschädigte zur Abwehr des Verdienstausfallschadens auch eigene Hilfspersonen im Rahmen des Zumutbaren einzusetzen hat und sich deren Hilfstätigkeit - auch wenn sie nur ihm zugute kommen soll - sehr wohl zurechnen lassen muß. Deshalb müssen die Anwendungsfelder der beiden schon im Grundsatz divergierenden Vorschriften § 843 IV und § 254 11 2 voneinander abgegrenzt werden (1.), bevor für den Bereich von § 254 11 2 danach gefragt werden soll, ob zumindest im Ausnahmefall überobligationsmäßigen Tuns Schadensabwehr durch Dritte dem Geschädigten zugute kommen sollte (2.).

1. Die Abgrenzung von § 843 IV und § 254112

Die Vorschrift des § 843 IV regelt ihrem Wortlaut nach nur den Fall, daß ein Dritter kraft einer Verpflichtung Unterhalt wegen der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit oder Vermehrung seiner Bedürfnisse zu leisten hat. Typisch wäre also der Fall eines 19-jährigen Banklehrlings, der erhebliche Verletzungen erleidet. Muß er seinen Beruf aufgeben und dauerhaft medizinisch betreut werden, so fallen diese Folgen in den Anwendungsbereich von § 843 I. Zwar sind die Eltern nach § 1601 gesetzlich verpflichtet, ihn angemessen (§ 1610) in Form einer Geldrente (§ 1612 I) zu unterhalten und ihm auf diese Weise den erlittenen Schaden teilweise oder sogar gänzlich abzunehmen, doch bezweckt gerade die Regelung des § 843 IV, den Schädiger von seiner Verpflichtung zum Schadensersatz nicht dadurch zu befreien, daß ein Dritter zur Gewährung von Unterhalt und damit zum Ausgleich der Schadensfolgen dem Geschädigten gegenüber verpflichtet ist 170 • Soweit der Dritte im Rahmen seiner Unterhaltspflicht den Erwerbs- und Mehrbedarfsschaden des Verletzten auszugleichen hat, berührt dies den Ersatzanspruch gegen den Schädiger nicht 111 . Die Vorschrift stellt also klar, daß die Unterhaltspflicht im Dreiecksverhältnis der Beteiligten jedenfalls den Schädiger nicht entlasten SOIlI12. Die Dogmatik hat in Ergänzung dieser Regelung den umfassenden Rechtssatz des Inhalts formuliert, daß solche Leistungen Dritter nicht auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden, die ihrer Zweckbestimmung nach dem 169 Lieb, JZ 1971, 360 FN 25,26; Medicus, Schuldrecht I, RN 648 aE; in diese Richtung auch Zeuner, Dietz-GS, 99, 106. 110StaudingerlSchäjer, § 843 RN 71. 171 MünchKommlMertens, § 843 RN 47. J72MünchKommlMertens, § 843 RN 47.

5 Wettich

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Schädiger nicht zugute kommen sollen I73 • Deshalb gilt für alle Zuwendungen, die dem Verletzten von dritter Seite erbracht werden, daß der Schädiger daraus nicht den Einwand herleiten darf, ein von ihm zu ersetzender Schaden bestehe nicht mehr I14 • Dementsprechend wird die Anwendbarkeit von § 843 in fast alle Richtungen erweitert. •

So soll es nicht darauf ankommen, ob den Unterhaltspflichtigen eine gesetzliche oder vertragliche Unterhaltspflicht trifft.



Insgesamt sieht man vom Tatbestandsmerkmal der "Unterhaltspflicht" ab, also auch freiwillige Leistungen entlasten den Schädiger nicht175 .



Ebensowenig spielt deshalb eine Rolle, ob Leistungen durch den Dritten noch erfolgen oder bereits erfolgt sind 176 •



Konsequent erfaßt § 843 IV zudem die Heilungskosten 177 , die der Definition nach keine vermehrten Bedürfnissen darstellen 178 .



Schließlich findet § 843 IV analoge Anwendung auf alle Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen und Gefährdungshaftungen auch außerhalb des BGB 179.

In einem letzten Schritt sollen deshalb - zum Vorteil des Geschädigten - auch die freiwilligen Leistungen Dritter bei der Schadensverhinderung dem Schädiger nicht zugute kommen lassen l80 • Lieb meint, dabei die Annahme eines hypothetischen Schadens rechtfertigen zu können. Der Umstand, •

daß die Mitarbeiter durch Mehrarbeit den drohenden Schaden auffangen,

173BGHZ 21, 116, 122; 22, 72, 74f; 50, 304; 54, 269, 274; MünchKommlMertens, § 843 RN 48; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 108; Staudinger/Schäjer, § 843 RN 71; Lange, § 9 VI 4, S. 515; RGRKlA{ff, v. § 249 RN 34. 174 Staudinger/Schäjer, § 843 RN 94. 175BGHZ 22, 72, 74f; 54, 269, 274; RGZ 92,57,59; MünchKommlMertens, § 843

RN 47. 176BGHZ 54, 269, 274; PalandtlHeinrichs, § 843 RN22; Erman/Schiemann, § 843 RN 20; JauernigITeichmann, § 843 Anm. 4. l77BGH NJW 1979,598; Lange, § 9 VI. 2., S. 514; PalandtlHeinrichs, § 843 RN 7; JauernigITeichmann, § 843 Anm. 4. 178Vermehrte Bedürfnisse treffen den Geschädigten dauerhaft, Heilungskosten hingegen nur vorübergehend, Staudinger/Schäjer, § 843 RN 27. 179 Lange, § 9 VI. 2., S. 514; MünchKommlMertens, § 843 RN 4; ErmanlSchiemann, § 843 RN 20. 180 Lieb, JZ 1971,360 FN 25,26; Medicus, Schuldrecht I, RN 648 aE; in diese Richtung auch Zeuner, Dietz-GS, 99, 106.

c. Tatsächliches Tun als stets obligationsmäßige Schadensabwehr

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daß sie dies unter Nutzung von bisher ungenutzten Arbeitskraftreserven innerhalb ihrer normalen Arbeitszeit tun und schließlich



daß der geschädigte Unternehmer das Auffangen durch verbindliche Weisungen hätte steuern können,

soll den ,,Innenbereich des Geschädigten" betreffen, zudem von den ganz zufälligen Umständen des Einzelfalls abhängen und deshalb den Schädiger nichts angehen l81 • Mit der grundsätzlichen Obliegenheit des Geschädigten, zur Abwehr des Verdienstausfallschadens auch eigene Hilfspersonen im Rahmen des Zumutbaren einzusetzen (§ 254 11 2), ist dies freilich kaum zu vereinbaren. Die Vorschrift verdeutlicht, daß es bei Leistungen Dritter nicht ausschließlich um den "Innenbereich" des Geschädigten geht, sondern daß die Bereiche von § 843 IV einerseits und § 254 11 2 andererseits auseinandergehalten werden müssen, mit dem bedeutsamen Unterschied: der Einsatz Dritter gern. § 25411 2 entlastet den Schädiger sehr wohl. In dem Fall, in dem ein Dritter nach § 843 IV den Schaden ausgleicht, wird der Schaden auf diesen Dritten lediglich verlagert, das schädigende Verhalten hat also ganz konkrete Folgen im Vermögen eines anderen, und § 843 IV verhindert, daß der Schädiger von dieser Verlagerung auf den Dritten profitiert. Die Fürsorgeleistung des Dritten hat dann nur interimistischen Charakter 182, und zwar deshalb, weil der Dritte kein Interesse hat, den Schädiger vom Ausgleich eines effektivausweisbaren Schadens zu entlasten. Ganz anders liegen jedoch die Fälle, in denen erst drohende Verdienstausfälle abgewendet werden. § 254 11 2 in Verbindung mit § 278 macht deutlich, daß die (Ab-)Wendung im Schadensverlauf berücksichtigt werden soll. Die Schadensfolgen des entgangenen Verdienstes sind eben gerade "nicht in der Welt", unabhängig davon, daß sie auf Abwehrmaßnahmen des Geschädigten selbst oder seiner Hilfspersonen zurückzuführen sind. Wenn nun Lieb l83 mit dem Innenbereich des Geschädigten argumentiert, so übersieht er den wichtigen Unterschied, daß in § 843 IV der Schaden "eigentlich" nur verlagert wird und einen Dritten trifft. In der hier besprochenen Fallgruppe "Schadensabwehr durch Dritte" bleibt der Schaden aber nicht nur im

181 Lieb, JZ 1971,360 FN 25,26. 182Esser/Schmidt, § 31 I12.c), S. 176. 183 Lieb, JZ 1971, 358, 360.

S'

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Vermögen des Geschädigten (rechnerisch) aus, sondern er wird ebensowenig in irgendein drittes Vermögen übergeleitet184 . Im übrigen wäre es auch widersprüchlich, wenn sich der Schädiger einerseits darauf berufen könnte, der Geschädigte habe den Schaden selbst abwendet, § 254 11 1, dieser Einwand ihm aber verschlossen bliebe, wenn ein Dritter den Schadenseintritt verhindert. Der BGH hat für die Anwendung von § 843 IV zutreffend ausgeführt, daß diese Vorschrift nur eine nicht gerechtfertigte Haftungsentlastung verhindern will, aber nicht zur Haftungsausweitung auf einen in der Person des Geschädigten gar nicht entstandenen Drittschaden führen SOll18S. Mit Blick auf die Abgrenzung zu § 254 11 2 kann man deshalb ergänzen, daß der umfassende Rückgriff auf einen "allgemeinen Rechtsgedanken" nicht zu einer Haftungsausweitung auf einen in überhaupt keiner Person (weder Verletzter noch Dritter) entstandenen Schaden führen darf. 2. Selbstbestimmung und Zumutbarkeit im Rahmen von § 254 II 2

Festzuhalten bleibt also: die Abwehr des Verdienstausfallschadens fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 843. Schadensverhindernde Maßnahmen Dritter gehören nicht zu den ganz zufälligen Umständen der Schadensvereitelung, die den Schädiger nicht angehen 186 und deshalb nicht auch zu seinen Gunsten berücksichtigt werden dürften. Vielmehr richtet sich die Beurteilung schadensabwehrender Drittleistungen ausschließlich nach § 254 11 2, was bedeutet, daß solche Leistungen grundsätzlich in die Schadensbetrachtung einbezogen werden müssen. Insofern kann die entscheidende Frage auch hier nur lauten, ob dem Schädiger solche Maßnahmen zugute kommen, die durch angestellte, angehörige oder unbekannte Dritte erbracht werden. Die Antwort darauf kann nicht anders ausfallen als in den zuvor analysierten Fallgruppen auch.

184Das übersehen auch Grunsky, DAR 1988, 400, 404; PalandtlHeinrichs, § 252 RN 6; Steifen, NJW 1995,2057,2062, die überpflichtige Mehrarbeit von Mitarbeitern nicht dem Schädiger zugute kommen lassen wollen. 185BGH NJW 1985, 128, 129. 186S0 aber Lieb, JZ 1971, 358, 360 FN 26; BAG JZ 1971,381; und auch der BGH VersR 1979, 179, 180.

C. Tatsächliches Tun als stets obligationsmäßige Schadensabwehr

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Bei der Darstellung sind oben bereits (2.Teil A.l1.3.) die Situationen beschieden worden, in denen der Einsatz Dritter für den Geschädigten unzumutbar ist: angestellte Dritte müssen zwar grundsätzlich zu Überstunden angehalten werden, unbegrenzt trifft den Geschädigten diese Obliegenheit jedoch nicht, und der Einsatz von Verwandten oder Freunden kann schon deshalb keine Obliegenheit sein, weil diese dazu von vornherein nicht verpflichtet sind. Kurz: der unterbliebene Einsatz Dritter wird je nach den Umständen des Einzelfalles als für den Geschädigten überobligationsmäßig eingestuft werden können mit der Folge, daß der Schadensersatzanspruch des Geschädigten nicht herabgesetzt wird. Führen Dritte gleichwohl schadensabwehrende Maßnahmen durch, seien diese, ex ante betrachtet, obligationsmäßig oder überobligationsmäßig, so kommt ihr Einsatz dem Schädiger zugute. Umgekehrt kann man formulieren: Auf die Frage, ob der Einsatz Dritter für den Geschädigten überobligationsmäßig ist, ob sie etwa Erfüllungsgehilfen im Sinn von § 254 11 2 sind, kommt es dann nicht mehr an, weil ihr Einsatz als solcher in die Schadensbilanz einbezogen werden muß. Beispielsweise verletzt ein geschädigter Unternehmer nicht unbedingt Obliegenheiten gemäß § 254 11 2, wenn es ihm nicht gelingt, den leitenden Angestellten oder den Bruder für das Einspringen zu gewinnen. Werden angestellte oder angehörige Dritte aber in dieser Situation trotzdem tätig, so setzen sie sich gerade dafür ein, daß der Schadenseintritt ausbleibt. Es stellt sich dann eben für die Betroffenen als das geringere Übel dar, den Schaden, wenn auch für den Geschädigten "überobligationsmäßig", gerade zu verhindern. Letztendlich muß die Motivation, die den Dritten zu einem "eigentlich überobligationsmäßigen" Verhalten drängt, auch hier unergründlich bleiben. Der Bruder mag an dem traditionsreichen, schon in der Generation seines Vaters etablierten Unternehmen hängen, vielleicht schuldet er seinem Bruder einen Gefallen oder der Angestellte mag auf eine baldige Teilhaberschaft spekulieren. Die Fälle lassen sich in unbestimmter Vielzahl gestalten. Nichtsdestoweniger bleibt ihnen die Gemeinsamkeit, daß den einspringenden Dritten ihr Ziel den Einsatz wert ist. Der Geschädigte soll das Schadensereignis mit so wenig Einbußen wie möglich überstehen; warum dies so ist, ist gänzlich subjektiv. Sie vollbringen das nach ihrer Selbsteinschätzung Zumutbare, um die unerwünschten, vielleicht gravierenden, jedenfalls für die Außenstehenden nicht zu überblickenden Schadensfolgen zu verhindern. Im Ergebnis heißt dies, daß die tatsächliche überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfallschadens mit Hilfe Dritter genauso wie die überobligationsmäßige Schadensabwehr durch den Geschädigten selbst bei der Schadensbilanzierung zu berücksichtigen ist.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

111. Zusammenfassung Die Zusammenfassung der vorangegangenen Abschnitte ergibt folgendes Bild: Der Geschädigte kann einen Verdienstausfallschaden rechnerisch-konkret erleiden, wenn er in einem bestimmten Zeitraum seine Arbeitskraft nicht wie geplant einsetzen kann und ihm deshalb die Vergütung für diesen Arbeitseinsatz entgeht. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob er den Verdienstausfall durch einen anderweitigen, ihm zumutbaren Einsatz seiner Arbeitskraft hätte abwenden können. Seine Schadensrente ist um das hypothetische Einkommen zu kürzen, das er bei Beobachtung seiner Schadensabwehrobliegenheit an anderer Stelle unter zumutbaren Bedingungen hätte verdienen können. Wird der Geschädigte tätig, um den drohenden Verdienstausfall abzuwenden, indem er von sich aus seine Arbeitskraft zur Schadensgeringhaltung einsetzt, stellt sich die Frage, was der Geschädigte für eine erfolgreiche Schadensabwehr hätte tun müssen, hingegen nicht mehr: denn er hat bereits Anstrengungen unternommen und einen realen Schaden in Form eines Einkommensverlustes vermieden. Es müßte deshalb auch nicht mehr auf die Differenzierung zwischen Obliegenheit und Überobligationsmäßigem ankommen. Freilich hindert die Tatsache allein, daß der Geschädigte keinen rechnerischen Vermögensverlust erlitten hat, eine normative Schadensdogmatik nicht daran, einen Schaden gleichwohl wertend zu begründen. Für die oben untersuchten Fallgruppen überobligationsmäßiger Schadensabwehr kann sie darauf verweisen, daß der Geschädigte in einem Umfang zur Schadensgeringhaltung tätig wird, wie man es von vornherein jedenfalls nicht von ihm hätte verlangen können, und daß das Ergebnis derartiger "eigentlich" unzumutbarer Schadensabwehr folgerichtig zu seinen Gunsten nicht auf seinen Verdienstausfall angerechnet werden dürfe. Die vorigen Abschnitte haben hingegen gezeigt, daß dieser Einwand nicht stichhaltig ist. Derjenige Geschädigte, der von sich aus und freiwillig Vorkehrungen zur Schadensabwehr trifft, mutet sich die Schadensabwehr selbst zu und muß sich das Ergebnis seiner Tätigkeit anrechnen lassen, mit der er den Schaden geringhält. Die gängige Auffassung, die die Anrechnung der Schadensabwehr einzig nach dem Kriterium der (Über-)Obligationsmäßigkeit entscheiden will, wird diesem Moment nicht gerecht. Der Umstand, daß der Geschädigte in freier Selbstbestimmung seine Arbeitskraft tatsächlich zur Abwehr von Verdienstausfällen einsetzt, begründet den ausschlaggebenden Unterschied zu den Fällen, in denen der Geschädigte die Schadensabwehr unterläßt und sich auf die Unzu-

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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mutbarkeit der unterlassenen Maßnahmen beruft. Denn der aktive Geschädigte kommt per se einer Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung nach, und nicht etwa einer ihm "eigentlich unzumutbaren Überobliegenheit". Dieser Umstand rechtfertigt es deshalb, daß die Schadensabwehrmaßnahmen, allein weil sie vom Geschädigten tatsächlich und aufgrund einer freiwilligen und selbstbestimmten Entscheidung erbracht worden sind, in die Schadensbilanz zugunsten des Schädigers einbezogen werden. Die Unterscheidung zwischen Zumutbarem und Unzumutbarem ist zu diesem Zeitpunkt der Schadensentwicklung durch das schlichte Tun des Geschädigten, in dem die Entscheidung über die Zumutbarkeit bereits liegt, obsolet geworden. Das Ergebnis läßt sich in dem folgenden Satz zusammenfassen: Mit seinem tatsächlichen Einsatz mutet sich der Geschädigte die Schadensabwehr selbst zu. Die tatsächliche Schadensabwehr ist deshalb an sich bereits obligationsmäßig und aus diesem Grund anzurechnen.

D. Folgerungen aus dem neuen Lösungsansatz: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden Das Ergebnis der vorangegangenen Ausführungen lautet, daß die tatsächliche Abwehr des Verdienstausfallschadens - gleichviel ob die getroffenen Maßnahmen dem Geschädigten von vornherein zumutbar oder unzumutbar wären - zugunsten des Schädigers in die Schadensbilanz eingeht. Nur der effektive Verdienstausfall wird ersetzt, ein "hypothetischer" Schaden, der bei Hinwegdenken überobligater Vorkehrungen eingetreten wäre, tatsächlich jedoch nicht eingetreten ist, löst keine Ersatzpflichten aus. Von diesem Standpunkt aus rücken die Schadensabwehranstrengungen selbst in das Blickfeld. Das heißt, ein Geschädigter muß in Fällen überobligationsmäßiger Abwehr des Verdienstausfallschadens keineswegs leer ausgehen. Denn ihn können trotz der Abwehr des Verdienstausfalls solche Vermögensverluste treffen, die die erfolgreichen Abwehrmaßnahmen selbst mit sich bringen. Daneben bereiten auch diese Maßnahmen eine Reihe von Bewertungsproblemen, und zwar dann, wenn der Geschädigte durch sie nach der Differenzhypothese rechnerisch keine Vermögens verluste erleidet. An dieser Stelle ist die Schadensersatzdogmatik erneut aufgefordert, unter wertender Betrachtung Gründe für und gegen die Annahme eines ersatzfähigen Vermögensschadens möglichst überzeugend darzulegen.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des VerdienstausfaJls

I. Aufwendungen als Schaden

Die Dogmatik zum allgemeinen Schuldrecht unterscheidet begrifflich Aufwendungen und (Vermögens-)schäden. Danach stellen Vermögensschäden unfreiwillige - erlittene - Vermögensnachteile dar 187 , während Aufwendungen freiwillige Vermögensopfer im Interesse eines anderen sind l88 . Freiwillig ist ein Vermögensopfer, das sich der Betroffenene willentlich auferlegt l89 . Man könnte demgemäß einwenden, daß es sich bei Schadensabwehrmaßnahmen um Aufwendungen handele, die nicht nach den §§ 249ff zu ersetzen seien. Allerdings ist man sich heute darüber einig, daß die Bewertung jeder bloß begrifflichen Argumentation vorgehen muß. Die fragliche Position kann also zugleich einen Schaden und ein "freiwilliges", selbst erbrachtes Vermögensopfer, eine Aufwendung, darstellen l90 . Aufwendungen und Schäden sind nur begrifflich, nicht aber rechtsdogmatisch als Gegensätze zu verstehen, und die Vorschriften über die Erstattung von Aufwendungen einerseits, über den Schadensersatz andererseits stellen, so formuliert zutreffend Thiele, "Vermögenseinbußen nicht unter gegensätzliche, sondern unter völlig verschiedene Zurechnungskriterien, die sich weder ausschließen noch eigentlich ergänzen,,191. Mithin können erfolgreiche Schadensabwehrmaßnahmen, obwohl unter den Begriff ,,Aufwendungen" faßbar, grundsätzlich den "verbleibenden", tatsächlichen Schaden bilden. Sie sind deshalb nach einhelliger Meinung gern. § 249 S.2 auszugleichen 192 . Umgekehrt besteht auch ein allgemeiner Konsens, daß im Verhältnis AuftraggeberlBeauftragter der Beauftragte im Grundsatz Schadensersatz verlangen

187 Larenz, Schuldrecht I, § 27 II a), S. 426; Medicus, Bürgerliches Recht, RN 428; PalandtlHeinrichs, § 249 RN 7; Genius, AcP 173,481,485. 188BGH, NJW 1984, 1285; NJW 1989,2918; Staudinger/Selb, § 256 RN 4; JauernigIVoJlkommer, § 256 RN 1. 189SoergeVWolf, § 256 RN 5; Gernhuber, S. 586; Medicus, Bürgerliches Recht, RN 428; Canaris, RdA 1966,41,42; wohl auch Staudinger/Selb, § 256 RN 4. 19U5O zutreffend Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 396; PalandtlHeinrichs, v. § 249 RN 83; SoergeVWolf, § 256 RN 4; Esser, S. 283, 127; wohi auch Gernhuber, S. 595; einschränkend aber Esser/Schmidt, § 32 111 2 b, S. 206. 191 Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 396. 192 BGHZ 32, 280, 285; BGH VersR 1991,596; BGH MDR 1991, 1139; StolI, Haftungsfolgen, S.429f; Staudinger/Medicus, § 249 RN 67, § 254 RN 62; MünchKomrnlGrunsky, v. § 249 RN 65; § 254 RN 38; Rother, S. 154f; Grunsky, DAR 1988,400,404; Uhle, S. 55 mwN; Larenz, Schuldrecht I, § 29 11.0, S. 508; Pecher, JuS 1981,645; Lieb, Steindorff-FS, 705, 721.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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kann l93 , auch wenn ihm das Gesetz ausdrücklich nur einen Aufwendungsersatz zubilligt, § 670. Man kann also zusammenfassend feststellen, daß immer dann, wenn gute Gründe dafür sprechen, jenseits aller Begrifflichkeit, Aufwendungen wie Schäden l94 ersetzt verlangt werden können. Streit besteht nur über Art und Ausmaß des Ersatzes. Für das Problem der ersätzfähigen Aufwendungen im Schadensrecht gilt dies besonders, weil der Geschädigte, der seine Schadensabwehr effektiv organisieren will, prinzipiell grenzenlos Aufwendungen tätigen könnte. Im Einzelfall könnten sie aber nutzlos oder zumindest übertrieben sein und insofern wäre die Überwälzung auf den Schädiger unangemessen l95 . 11. Typische, konkret ausweisbare Aufwendungen Verhältnismäßig einfach sind noch diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen dem Geschädigten konkret ausweisbare Kosten zur Schadensabwehr entstehen l96 . Zu nennen sind beispielsweise Mietkosten des Taxiunternehmers für ein Ersatztaxi l97 oder die Kosten einer Werbeanzeige, die unrichtige geschäftsschä-

193 Medicus, Bürgerliches Recht, RN 428; PalandtlThomas, § 670 RN 9; früher in Analogie zu § 670: RGZ 98, 195; 167,86; BGHZ 33, 251, 257; 38, 270, 277; 92, 271; heute wohl als Schadensersatzanspruch aufgrund einer eigenständigen Rechtsfortbildung, quasi als ,,§ 670 Abs.2" mit dem Inhalt: "Wer in Ausführung einer Geschäftsbesorgung für einen anderen ohne dessen Verschulden einen Schaden erleidet, kann von diesem Schadensersatz verlangen, wenn der Schaden auf einer Gefahr beruht, die für diese Geschäftsbesorgung spezifisch war." Genius, AcP 173, 481, 512 (handelsrechtliche Wertungen übertragend, S. § 110 HGB); Canaris, RdA, 1966,41 ,43 (der - auch für das Arbeitsrecht - Folgerungen aus einem allgemeinen Gedanken der Risikozurechnung ableiten will); Larenz, Schuldrecht 1111, § 56 I1I, S. 418; EsserlWeyers, § 35 III 2, S. 318; JauerniglVollkommer, § 670 Anm. 3.b.; BGHZ 89, 153, 157; überhaupt die Ersatzfähigkeit von Schäden verneinend noch RG JW 1909,311, und die Literatur der Jahrhundertwende, S. Genius, AcP 173, 481,485 Fn. 19. 194Es hat auch nicht an Versuchen gefehlt, Schäden als Aufwendungen zu begreifen, S. Genius, AcP 173, 481, 486ff. Das BAG JZ 1976, 720, 721, spricht von einem "Aufwendungsschaden" in einem Fall, in dem es um Aufwendungen zur Schadensgeringhaltung geht. 195 Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 399, will dann § 251 11 analog anwenden. Der BGH NJW 1993,3321, hält im Einzelfall Aufwendungen, die doppelt so hoch sind wie der drohende Verdienstausfall, noch für angemessen. 196 Brinker, S. 130. 197BGH NJW 1993,3321.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

digende Behauptungen richtigstellt l98 . Hier fällt nicht mehr schwer zu begründen, warum der Schädiger im Grundsatz die finanziellen Aufwendungen zu erstatten hat, die der Geschädigte zur Schadens abwehr tätigen mußte. Mitunter wird dann darüber gestritten, ob bestimmte Kosten überhaupt auf dem Schadensereignis beruhen oder ob der Geschädigte im "Windschatten" des Schadensereignisses dem Schädiger Investitionen überbürdet, die mit dem Schadensereignis in keinem Zusammenhang stehen. 1. Umschulungskosten: Kosten der Schadensabwehr bei anderweitiger Verwendung der verbliebenen Arbeitskraft

Typische Kosten, die Geschädigte bei der Abwehr ihres Verdienstausfallschadens haben, betreffen die Umschulung. Sie entstehen also, wenn der Geschädigte verletzungsbedingt seine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann und sich beruflich umorientiert, um die ihm verbliebenen Fähigkeiten nach einer weiteren Ausbildung voll auszuschöpfen l99 • Hier stellt sich die Frage, in welchem Umfang und in welchen Grenzen der Schädiger für die Umschulungskosten haftbar gemacht werden kann. Der BGH hat hier in einigen Urteilen die Grundsätze ausformuliert, nach denen die eventuell hohen Beträge verlangt werden können. Dabei mußte er - wie eben bereits angedeutet - dem Umstand Beachtung schenken, daß der Schädiger solche Umschulungsmaßnahmen nicht zu ersetzen braucht, die zwar dem Weiterkommen des Geschädigten dienen, aber zur Bewältigung der Schadensfolgen nicht erforderlich sind 2OO• Mißt man die Rechtsprechung jedoch zunächst an ihren eigenen, am Verdienstausfallschaden entwickelten Grundsätzen, so müßte auch für die Umschulung danach unterschieden werden, ob sie zu einer überobligationsmäßigen Tätigkeit oder zu einer zumutbaren ausbildet. Denn da die Judikatur überobligationsmäßige Tätigkeit schadenserhaltend außer Betracht lassen will, dürften folgerichtig auch die Aufwendungen hierzu nicht in den Schadensausgleich einbezogen werden. Der Fall eines Elektroinstallateurs, der in das Bankgewerbe wechselte20l , hätte Anlaß zu Bedenken geben können, doch geht der BGH wie selbstverständlich von der Zumutbarkeit der Weiterbildungen aus. Wenn der 198BGH NJW 1976, 1198; 78, 210; 86,981. I99S. Baltzer, VersR 1976, 1, 5ff. 2(M)BGH NJW 1987,2741; vgl. auch die Ausführungen in BGH VersR 1982, 767, 768. 20lBGH VersR 1982,791.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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BGH also die Unterscheidung zwischen Obligation und Überobligationsmäßigkeit nicht auf die Fallgruppe der Umschulung überträgt, ist dieses grundsätzliche Ausblenden der Zumutbarkeitsfrage nach seinen eigenen Prämissen bedenklich. Der hier vertretenen Konzeption, die jede ausgeübte Tätigkeit zur Anrechnung auf den Verdienstausfallschaden bringt, stellen sich dagegen keine Schwierigkeiten. Die Kritik an der Rechtsprechung zeigt auch insoweit, zu welch problematischen Implikationen das vom BGH aufgestellte Überobligationsmäßigkeitsdogma führen kann. Die Sachfrage nach der Ersatzfahigkeit von Umschulungs- und Ausbildungskosten muß allerdings unterscheiden zwischen dem Verlangen des Geschädigten nach Ersatz der Umschulungskosten (dazu unter a.) und der Forderung des Schädigers an den Geschädigten, sich einer Umschulung zu unterziehen (dazu unter b.)202. Das Ersatzverlangen des Geschädigten betrifft in der Regel den Schadensersatzanspruch dessen, der schon tatsächlich schadensmindernd tätig wird. W 0hingegen die Frage, welche Anforderungen der Schädiger an den Geschädigten stellen kann, sich auf den Fall des untätig Bleibenden bezieht, der mit seiner Passivität unter Umstäden Obliegenheiten verletzt und das Risiko einer Kürzung seiner Schadensrente eingeht. a) Der Anspruch des Geschädigten auf eine Umschulung Zur Frage nach der Ersatzfahigkeit der Umschulung(skosten) des Geschädigten hat der BGH in zwei Urteilen aus dem Jahre 1982 die Eckdaten skizziert203 . In einer Art Verhältnismäßigkeitsprüfung fordert der BGH zunächst, die Umschulungsmaßnahmen müßten geeignet sein, konkrete berufliche Dauereinbußen zu vermeiden204 . Außerdem müsse die Erforderlichkeit der Aufwendungen gegeben sein205 . Zum einen soll die Umschulung nicht erforderlich sein, wenn sich herausstellt, daß der Geschädigte in seinem ursprünglichen Arbeitsfeld tätig bleiben könnte206 . Zum anderen würde bei der Umschulung in einen qualifizierteren Beruf die Erforderlichkeit in Frage gestellt, wenn auf andere Steffen, VersR 1985, 605, 610. 203BGH VersR 1982,767; VersR 1982,791. 204 BGH VersR 1982,767,768. 20sBGH VersR 1982,767,768; NJW 1987,2741,2742. 2060LG Koblenz VersR 1979,964. 202

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Yerdienstausfalls

Weise die berufliche Wiedereingliederung in eine finanziell und dem sozialen Ansehen nach gleichwertige Erwerbsstellung offen steht207 • Für die hier betrachtete Fallgruppe, in der ein Verdienstausfall durch Ergreifen einer neuen Tätigkeit nach einer Umschulung abgewehrt wird, können sich unter diesem Gesichspunkt Beschränkungen ergeben. Beispielsweise bekommt der Kfz-Schlosser, der verletzungsbedingt nur noch im Sitzen arbeiten kann, nicht unbedingt die teuere Umschulung zum besser bezahlten Zahntechniker ersetzt, wenn ihm auch die Umschulung zum Nachrichtengerätemechaniker offen gestanden hätte 208 • Erstattungsfähig sind hier nur die Kosten für die unterbliebene Umschulung in den gleichwertigen Beruf. Schließlich muß das Umschulungsverlangen des Geschädigten dem Schädiger zumutbar sein. Hier sind die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Im Schädigerinteresse liegt dabei die Wirtschaftlichkeit der Umschulung: die Höhe des Erwerbsschadens, die Höhe der Umschulungskosten und die Erfolgsprognose von Umschulung und Arbeitsvermittlung sind im Verhältnis zueinander abzuschätzen 209 . Unter Umständen muß sich der Geschädigte mit einem Rentnerdasein zufriedengeben 21O• Auf der anderen Seite ist aber das Interesse des Geschädigten zu berücksichtigen, sich vollwertig wie zuvor im Arbeitsleben bewähren und bestätigen zu können 211 sowie das Interesse, die Chance auf Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nicht durch eine lange Zeit der Untätigkeit zu schmälern2l2 . Für die tatsächliche Abwehr des Verdienstausfallschadens aufgrund einer Umschulung spielen diese einzelnen Kriterien einer schadensrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung eine untergeordnete Rolle. Denn soweit der Geschädigte auf der Grundlage der Umschulung in einem neuen Berufsfeld eine Erwerbstätigkeit ausübt und Einnahmen erzielt, die durch Verrechnung auf den alten Verdienstausfallschaden dauerhaft den Schaden verringern oder gar beseitigen, kommt die Umschulung dem Schädiger zugute. Mit anderen Worten: die Umschulungskosten gereichen dem Schädiger zum Vorteil, weil er von der Pflicht zum Ersatz höherer Verdienstausfallschäden entlastet wird. Die Umschulung und damit die Schadensabwehr verlaufen hier aus Sicht beider Par207BGH NJW 1987,2741,2742. 208Ygl. BGH NJW 1987,2741. 209BGH YersR 1982,767,768; YersR 1991,596. 210 Steifen, YersR 1985,605,610. 211BGH YersR 1991, 596: die neue Tätigkeit müsse nicht nur in der Einkommensstruktur, sondern auch sozial gleichwertig sein. 212BGH YersR 1982,791,792.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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teien erfolgreich und nur in seltenen Fällen wird der Schädiger den Einwand erheben können, die Entlastung wäre bei Umschulung zu einer geringer qualifizierten Tätigkeit noch billiger zu haben gewesen. b) Der Anspruch des Schädigers auf die Durchführung einer Umschulung Verlangt der Schädiger vom Geschädigten, der den Verdienstausfall geltend macht, als obligationsmäßiges Verhalten die Durchführung einer Umschulung, kommt es auf die Verhältnismäßigkeit (Geeignetheit, Erforderlichkeit,) nicht mehr an, weil der durch sie belastete Schädiger die Kosten und dementsprechend das Risiko ihrer Fehlinvestition gerade tragen will 2l3 • Hier geht es vielmehr um die Frage, ob dem Geschädigten die abverlangte Umschulung zuzumuten ist. Zu berücksichtigen ist hier lediglich das Interesse des Geschädigten, sich aus bestimmten persönlichen Gründen den mit der Umschulung verbundenen Unannehmlichkeiten nicht zu unterwerfen. Alter214 , Physis 215 , persönliche und räumliche Bindungen216 sowie die persönlichen Neigungen und Fähigkeiten217 können hier gegen die Zumutbarkeit der Umschulung sprechen, ohne daß der Geschädigte seinen Ersatzanspruch verlöre. Freilich müssen die Interessen des Geschädigten desto mehr zurücktreten, je aussichtsreicher die Prognose ist, daß er seine Einkommensverluste durch zukünftige Erwerbstätigkeit wird beenden können2l8 • Abzuwägen ist das Ausmaß des verlangten Opfers mit dem zu erwartenden Erfolg. Je intensiver die vom Geschädigten verlangten Anstrengungen in seine Persönlichkeitssphäre eingreifen, desto größere Zurückhaltung ist geboten 2l9 • In Fällen tatsächlicher Schadensabwehr durch den Geschädigten wird diese Konfliktsituation nicht aktuell, da der Geschädigte ja selbst Maßnahmen einlei-

213MünchKommlGrunsky, § 254 RN 50. 214 BGH VersR 1982,791: Erwachsener muß sich nicht in einen Lehrbetrieb unter Jugendliche integrieren. 21SBGH VersR 1961, 1018. 216 BGHZ 10,18,20; BGH VersR 1955,38,39; VersR 1962, 1100. 217Vgl. OLG Karlsruhe NJW 1989, 111: es besteht kein Zwang, im Versicherungsunternehmen tätig zu werden, wenn die Geschädigte einen pädagogischen Beruf anstrebt. 218BGHZ 10, 18,20. 219 Steifen, VersR 1985,605,610.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

tet, den Erwerbsschaden gering hält und den Schädiger vor weiteren Kosten gerade bewahrt.

2. Personalkosten: Kosten für die Anstellung Dritter zur Schadensabwehr Typischerweise können Schadensabwehrkosten dadurch entstehen, daß der Geschädigte durch das Schadensereignis zum Einsatz Dritter veranlaßt wird . Der Geschädigte wird, wenn er diesen besonderen Einsatz abgelten muß, zu Ausgaben gedrängt, die er ohne das Schadensereignis und ohne den Zwang zur Schadensabwehr nicht gehabt hätte22o• Gegenstand höchstrichterlicher Judikatur wurden insbesondere Fälle, in denen ein verletzter Unternehmer, um so die Fortführung des Betriebs zu gewährleisten, neue Mitarbeiter einstellen mußte, die an seiner Stelle bestimmte Tätigkeiten übernehmen 221 sollten. Der BGH meint hier, die Einstellung einer Ersatzkraft diene zwar auch der Vorbeugung künftigen Schadens, indem die Kundschaft eines Unternehmers vom Abwandern abgehalten werden solle, vor allem aber würden die gegenwärtige Einkünfte während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit aufrechterhalten 222 • Vor dem Hintergrund, daß ein betroffener Unternehmer durch Einstellung einer Hilfskraft sicher jeglichen Schaden für seinen Betrieb abzuwehren und damit auch seinen Verdienstausfall so gering wie möglich zu halten sucht, knüpfen sich an die Unterscheidung zwischen gegenwärtigem und zukünftigem Einkommen keine Folgerungen. Wichtig ist jedoch die Feststellung, daß eine Anstellung von Hilfskräften tatsächlich auf der Schädigung des Betriebsinhabers und nicht auf anderen Faktoren beruht223 • Der BGH hat hier eine Reihe von Gesichtspunkten genannt, die bei der Ermittlung schadensbedingter Kosten zu berücksichtigen sind. Zunächst trifft den geschädigten Betriebsinhaber die Obliegenheit, seinen Betrieb so umzustrukturieren, daß er diejenigen Tätigkeiten ausüben kann, die ihm physisch möglich bleiben, während andere Beschäftigte stattdessen seine

220S. Staudinger/Medicus, § 252 RN 42; RGRKlBoujong, § 843 RN 114. 221BGH VersR 1961, 534 (Rechtsanwältin); VersR 1961, 703; VersR 1976, 440 (Friseurmeister); VersR 1977, 916 (Vertretung eines Tierarztes); VersR 1971, 82 (Fuhrunternehmer); OLG Düsseldorf VersR 1980, 269 (Gastwirt). 222BGH VersR 1977,916; OLG DüsseldorfVersR 1980,269,270. 223Knobbe-Keuk, VersR 1976,401,407.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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ursprüngliche Stelle einnehmen 224 . Vor allem kommt es darauf an, ob auch die hypothetische Entwicklung ohne das Schadensereignis die Einstellung von Hilfskräften erfordert hätte, so daß den Geschädigten gerade keine schadensbedingten Mehrkosten treffen 225 • Bedeutung gewinnen insoweit die §§ 252 S.2 BGB, 287 ZPO. Einer neueren Entscheidung des BGH226 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Geschädigte verletzungsbedingt Hilfskräfte eingestellt hatte. Trotz der zusätzlichen Personalausgaben war sein Gewinn (Verdienst) aber gleich geblieben, weil sich auch die Einnahmen erhöht hatten. Das OLG hatte demgemäß einen Erwerbsschaden verneint. Dem ist der BGH mit Recht entgegengetreten227 , denn es geht bei der Schadensbetrachtung nicht darum, den jetzigen Verdienst mit dem Verdienst vor dem Unfall zu vergleichen. Ausgangspunkt muß sein, was der Geschädigte im jetzigen Zeitpunkt ohne den Unfall verdient hätte228 , und die Kosten für die Hilfskraft hätten dann nicht in die Berechnung einbezogen werden dürfen. Besteht der Schaden also in den Kosten für die Aushilfskräfte, geht es nicht um die Einnahmen, die hypothetisch gemacht worden wären. Der Geschädigte rettet in diesen Fällen ja seinen "Gewinn" bzw. seine Einnahmen, indem er Ersatz einstellt. Vielmehr geht es bei den Schadensabwehrkosten um Ausgaben, die hypothetisch nicht gemacht worden wären 229 . Deshalb besteht die Beweiserleichterung der §§ 252 S.2 BGB, 287 ZPO dann nicht in freier Schätzung der Schadenshöhe (Einnahmen und Ausgaben stehen ja fest), sondern in einer freieren Ermittlung der Ursächlichkeit zwischen Schadensereignis und besonderen Abwehrkosten 23o .

224BGH VersR 1959,374,375. 22sBGH VersR 1959, 374, 375 und in derselben Sache BGH VersR 1962,49, 50 (Lebensmittelhändler); BGH VersR 1965,521 (Lebensmittelgroßhändler). 226BGH NJW-RR 1992,852. 227BGH NJW-RR 1992,852. 228 Lange/Hagen, Wandlungen, S. 61. 229Vgl. OLG Frankfurt ZfS 1992,368; Staudinger/Medicus, § 249 RN 208; Klimke, DB 1978, 1323, 1329, der betont, daß es in beiden Fällen um einen Verdienstausfallschaden geht. 230S 0 wohl auch der BGH NJW-RR 1992,852 aE.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

III. Schadensabwehraufwendungen ohne rechnerischen Vermögensverlust 1. Problemstellung

Die gemeinsame Problematik der soeben behandelten Fallgruppen liegt für die Schadensdogmatik darin, die Ersatzfähigkeit bestimmter Schadensabwehrkosten ihrem Umfang und der Höhe nach zu bestimmen. Daß diese konkret in einer Schadensbilanz ausweisbaren Kosten (Umschulungs-, Personalkosten) dem Grunde nach zu erstatten sind, steht dabei nicht mehr in Frage. Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn der Geschädigte, nachdem der Verdienstausfallschaden erfolgreich abgewendet ist, keine weiteren durch die Schadensabwehr bedingten Kosten hat. In diesem Fall ergibt die Differenzrechnung für das Vermögen des Geschädigten keinen Fehlbetrag. Gleichwohl entzündet sich hier Streit über den Schadensausgleich, sobald die Maßnahmen zur Schadensabwehr für den Geschädigten eine erhebliche Belastung oder Umstellung darstellen und deshalb aus seiner Sicht die Grundlage für ein - nicht nur immaterielles -Entschädigungsbegehren bilden. Der Geschädigte weist dann eben fiktive oder normative Kosten als Schadensposten aus. Im folgenden soll danach gefragt werden, ob Abwehranstrengungen - obwohl sie in der Vermögensbilanz rein rechnerisch nicht als Verlust ausgewiesen werden können - als Vermögensschaden bewertet werden können. 2. Nicht vergütete Mehrarbeit (BAG NJW 1968,221 "Arzthelferin ")

Zum einen geht es um Fälle, in denen ein Verdienstausfall durch zusätzlichen Arbeitseinsatz, mit anderen Worten: durch Überstunden, abgewendet wird. Mit den Überstunden kompensiert der Geschädigte, wenn er sie selbst erbringt, gleichsam den Ausfall und opfert seine Zeit. Da folglich in der Vermögensbilanz keine Verluste ausgewiesen werden können, lautet die Frage, wie die erhebliche Mehrarbeit vermögensmäßig zu bewerten ist. Im Arzthelferinfall beispielsweise war der Arzt während dreier Monate für seine Mitarbeiterin eingesprungen. Die Instanzgerichte hatten einen Vermögensschaden des Arztes verneint. Sie trafen diese Entscheidung wohl aufgrund der Tatsache, daß der Arzt das Gehalt der vertragsbrüchigen Schädigerin nicht auszuzahlen brauchte und als Lohn der Mühe ansehen konnte 231 •

231

Ebenso LAG Schleswig-Holstein BB 1972, 1229.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadens abwehr als Schaden

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Allerdings macht das Vorhandensein anrechenbarer Vorteile allein noch nicht die Ermittlung desjenigen Schadenspostens entbehrlich, von dem sie schließlich in Abzug zu bringen sind. Überdies ließen sich Aufwendungen zur Abwehr eines Verdienstausfallschadens denken, ohne daß sie notwendig durch ersparte Aufwendungen an anderer Stelle aufgewogen würden. Hier läßt sich das Beispiel anführen, in dem durch Veranlassung von Strafverfolgungsbehörden die Patientenkartei eines Arztes beschlagnahmt wird und eine schwere Beeinträchtigung des Praxisbetriebes droht. Der Arzt wendet seinen Schaden durch einen stundenlangen Noteinsatz in den Mittagspausen und Abendstunden ab, indem er eine Ersatzkartei herstellt232 • Die Kernfrage der Fallgruppe, wie die unter Umständen erhebliche (Mehr-) Arbeit bei der Schadensabwehr vermögensmäßig zu bewerten ist, läßt sich hier nicht mehr mit der Anrechnung von ersparten Aufwendungen umgehen 233 • Man könnte der Frage allenfalls ausweichen mit der Feststellung, es handele sich in diesen Fällen nur um den Verlust von Freizeit234 • Würde man allerdings darauf abstellen, der Geschädigte hätte in der Zeit der Schadensabwehr auf diverse Annehmlichkeiten verzichtet (Lesen, Fernsehen, Abendgesellschaft), wäre ein Vermögensschaden nicht erkennbar und immaterielle Nachteile wegen § 253 nicht anrechenbar. Es geht jedoch nicht ausschließlich um die Bewertung eines Freizeitverlustes, den der im Rahmen der Schadensabwehr Tätige erfahrt. Maßgebend ist vielmehr, daß der Geschädigte zusätzlich gearbeitet hatm , und für die Bewertung steht dann die Frage im Raum, ob diese zusätzliche Arbeitsleistung aus bestimmten Gründen als Vermögensschaden abgegolten werden kann 236 .

2320LG Köln MDR 1996, 917 (insgesamt 800 zusätzliche Arbeitsstunden). 233S. auch die sogenannte Architektenentscheidung BGH NJW 1977, 1446 = BGHZ 69, 34: in Erwartung eines Grundstückskaufs machte der Geschädigte, ein Architekt, unter erheblichem Arbeitsaufwand Bebauungsentwürfe. Der Verkäufer hielt die Verkaufszusage nicht ein und machte sich insoweit dem Grunde nach ersatzpflichtig, aA Stoll, Haftungsfolgen, S. 240. Der Fall betrifft zwar nicht den Arbeitseinsatz zur Schadensabwehr, aber das entscheidende Problem des Falles liegt auch hier darin, ob eine bestimmte Arbeitsleistung, obwohl als Vermögensverlust nicht ausweisbar, als Vermögensschaden eingestuft werden kann, aA Brinker, S. 103. 234BAG NJW 1968,221,222; BGH NJW 1977, 1446; OLG Köln MDR 1996,917; Lipp, NJW 1992, 1913, 1919. 235Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 73; Magnus, S. 265f; Weimar, NJW 1989,3246, 3247; aA Lipp, NJW 1992, 1913, 1917; OLG Köln, das im Ergebnis keine Entschädigung zuspricht. 236 Ähnlich Beuthien, BB 1973,92,93.

6 Wettich

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Ein Blick auf das Recht des Aufwendungsersatzes (z.B. §§ 662ff, 677ff) ist insoweit aufschlußreich. Zwar ist die geleistete Arbeit "an sich" kein Vermögenswert. So kommt den Tätigkeiten in Haushalt und Freizeit, beispielsweise der Reinigung eines Teppichs oder einer Autofahrt zum Bahnhof allein noch kein Vermögenswert zu. Dennoch kann die nur potentielle Vermögenswirksamkeit dieser Tätigkeiten "aktualisiert" werden 237 , mit anderen Worten: besondere Umstände, vor allem Sinn und Zweck der für das Rechtsverhältnis geltenden Normen 238 , können den Vermögenswert erbrachter Arbeitsleistungen durchaus begründen. Letzteres kann durch eine ausdrückliche rechtsgeschäftliche Zuordnung geschehen wie im Musterfall des Dienstvertrages oder Werkvertrages, z.B. im Rahmen eines Taxibeförderungsvertrages oder eines Dienstvertrages mit einer Haushaltshilfe. Umgekehrt kann auch die Arbeitsleistung durch Vereinbarung aus dem Vermögensbereich herausgenommen werden, so im Auftragsrecht und im Vereinsrecht239, wenn die Tätigkeit gerade unentgeltlich bzw. ehrenamtlich erbracht werden SOIl240. Arbeitskraft und Arbeitsleistung fallen hier denn auch nicht unter den Aufwendungsersatz nach § 670241 . Darüber hinaus hat der BGH in knappen Worten zu § 633 III konstatiert, daß zu den Aufwendungen auch die zur Mängelbeseitigung aufgewandten eigenen Arbeitsleistungen des Bestellers gehören 242 • Und in jüngster Zeit hat er zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, §§ 994ff, ausgesprochen, daß auch dort die tatsächlich erbrachte geldwerte Arbeitsleistung des Besitzers eine Vermögensaufwendung darstelle, wenn sie einen ,,Marktwert" hat243 • Im Schadensrecht muß dasselbe gelten 244 : lassen sich besondere überzeugende Gründe finden, ist auch die Bewertung von Arbeitsleistungen des Geschädigten als Vermögensschaden zulässig24s • Jedenfalls greift insoweit das Diktum Stolls246 zu kurz, das Schadensrecht kenne keinen allgemeinen Satz des Inhalts, daß Arbeit und Mühe, die der Ersatzberechtigte zur Schadensabwehr 237 Thiele, Felgentraeger-FS, 393, 401. 238BGH NJW 1983, 1556, 1557. 239BGH NJW 1988,745, 746. 240 Zur Abgrenzung Köhler, JZ 1985,359, 360f. 241BGHZ 59,328,331; BGH NJW 1988,745,746; Gemhuber, § 25 I 3.a), S. 597; PalandtlThomas, § 670 RN 3. 242BGHZ 59,328. 243BGH NJW 1996,921,922. 244BGH NJW 1996,921, 922; Gemhuber, Schuldverhältnis, § 25 I.3.b), S. 597f. 245BGHZ 59, 328, 330 (zu § 633 III); Köhler, JZ 1985, 359; Gemhuber, Schuldverhältnis, § 25 1.3.a), S. 596f. 246 Stall, Vermögensschaden, S. 31.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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oder überhaupt zur Schadensregulierung aufwende, vom Ersatzpflichtigen zu honorieren sei. Stoll setzt hier voraus, was erst noch begründet werden sollte. Im übrigen kann auch die Rechtsprechung des BGH zur Eigenreparatur des Geschädigten247 kaum in Übereinstimmung mit dieser rigorosen Feststellung gebracht werden. Eine Reihe von Gründen spricht dafür, die Arbeitskraft, die zur Abwehr des Verdienstausfalls eingesetzt wird, selbst als verbleibenden Vermögensschaden des Geschädigten anzusehen. Dabei zeigt sich zunächst einmal deutlich, daß dem Geschädigten ein Vermögensschaden verbleibt, wenn er den Verdienstausfall durch Dritte abwehren läßt und deren Tätigkeit vergütet. Wenn nun der Geschädigte niemanden einstellt, sondern die Tätigkeit selbst verrichtet, kann man mit Thiele 248 die Wertung in § 1835 Abs. 3 heranziehen. Die Vorschrift läßt erkennen, daß selbst in einem Bereich, in dem grundsätzlich unentgeltliche Tätigkeit geschuldet wird, die geleistete Arbeit als Vermögensaufwand angesehen werden kann, wenn sie normalerweise nur gegen eine Vergütung zu erwarten und zu erhalten gewesen wäre. Diese Grundsätze lassen sich auf die Fälle, in denen der Geschädigte Arbeitsleistungen zur Schadensabwehr selbst erbringt, übertragen. Auch diese Arbeitsleistungen müssen vom Schädiger finanziell ausgeglichen werden unter der Voraussetzung, daß der Geschädigte ebensogut eine bezahlte Ersatzkraft einstellen und die dafür aufzuwendenden Mehrkosten auf den Verpflichteten abwälzen könnte. Wenn der Geschädigte die Aufgabe der Schadensabwehr in eigener Person erledigt und sich gleichsam selbst als Hilfskraft einstellt, dann muß dieser Fall im Ergebnis genauso entschieden werden wie die übrigen Konstellation auch, in denen der Geschädigte ein Dienstleistungsbüro, einen Fremden, seinen Sohn, seine Frau oder sich selbst für den Notdienst einspannt249 . Bei folgerichtiger Bewertung macht es keinen Unterschied, ob der Berechtigte Fremdarbeit mit Überwälzungsmöglichkeit der Kosten organisiert oder ob er die Tätigkeit, die nach der Ptlichtenlage konkret dem Schädiger obliegt, in eigener Person erbringt.

247BGHZ 61, 56; BGH NJW 1985,2469; 1989,3009; NJW 1992, 1618. Danach kann der Geschädigte, der sein Kfz selbst repariert, den zur Herstellung üblicherweise erforderlichen Betrag inklusive fiktiver Arbeitskosten ersetzt verlangen. 248 Thiele, Anmerkung zu BAG NJW 1968, 221, in : SAE 1968, 81, 83; ähnlich

Weimar, NJW 1989,3246,3248. 249BGHZ 59, 328, 330 (zu § 633 III).

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Arbeitsleistungen im Rahmen der Schadensabwehr sind dem Geschädigten daher dann als Vermögensschaden zu ersetzen, wenn sie in Geld objektiv meßbar sind, das heißt, wenn sie auf einem Markt ebensogut gegen Entgelt durch Dritte erbracht werden können 25o• Die Anstrengungen des Geschädigten müssen einen in Geld bestimmbaren Wert haben, den er ohne weiteres in einer konkreten Rechnung nennen und ersetzt verlangen könnte, wenn er eine dritte Person zur Schadensverhinderung anstellen würde 251 . Vor diesem Hintergrund hat das BAG vorschnell geurteilt, wenn es der durch den Geschädigten geleisteten Arbeit jeden Vermögenswert absprach. Arbeitet man für sich selbst, bleibt der Charakter der Arbeitsleistung als Vermögenswert unverändert252 . Man muß ferner berücksichtigen, daß der Geschädigte in manchen Situationen sogar gezwungen sein kann, die schadensabwendende Tätigkeit selbst aufzunehmen, wenn sich ausnahmsweise keine Dritten für die Tätigkeit finden lassen. Und selbst wenn der Geschädigte im Einzelfall gern. § 254 11 gehalten wäre, die Arbeitsleistung selbst zu erbringen, so bedeutet dies nicht, daß die Arbeit umsonst zu leisten ist, sondern besagt lediglich, daß das kleinere Vermögensopfer (=Arbeitsleistung) zu erbringen ist, um so den Eintritt eines größeren Schadens zu verhindern253 • Insofern wäre es wertungswidersprüchlich, wenn man den Ersatzanspruch einem Geschädigten versagen würde, der, vielleicht sogar notgedrungen, für die Schadensabwehr selbst Vorsorge trifft. Entgegen Grunskl54 richtet sich die Höhe des Anspruchs nicht danach, was der Geschädigte auf dem Arbeitsmarkt hätte verdienen können. In den einschlägigen Fällen steht ja gerade fest, daß der Geschädigte für seine Abwehrmaßnahmen keinen Verdienstausfall geltend machen kann, sondern bei rein rechnerischer Bilanzierung nur einen ,,Freizeitverlust" erleidet. Dann ist aber augenscheinlich, daß sich der Wert der Arbeitsleistung nach ganz anderen Faktoren 250Im Ergebnis ebenso Thiele, Felgentraeger-FS, 393,402; derS. SAE 1968,80,82; Steifen, NJW 2057, 2062; Grunsky, Aktuelle Probleme, S.74f; Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401, 411; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 25; J.Schmidt, NJW 1976, 1932, 1933; Uhle, S.59; Becker, S. 194f; Landwehrmann, S.28; wohl auch Weimar NJW 1989,3246,3250; Beuthien, BB 1973,92,93. 251 BGHZ 59, 328, 332 (zu § 633 III); Gernhuber, Schuldverhältnis, § 25 l.3.b),

S. 598, weist zutreffend daraufhin, daß auch die Rechtsprechung zur Eigenreparatur eines Kraftfahrzeuges (BGHZ 61,56,58; NJW 1985,2469; NJW 1989,3009) mit diesem Grundsatz in Einklang steht. 252 Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 74; Weimar, NJW 1989,3246,3248. 253Grunsky, Aktuelle Probleme, S. 75f; Uhle, S 59. 254MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 27; ders., Aktuelle Probleme, S. 83; und auch Becker, BB 1976,746,751.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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richtet als nach dem Wert der Tätigkeit, der der Geschädigte ansonsten nachgeht. Maßgebend für die Schadensberechnung ist nicht das Entgelt, das der Geschädigte hätte verdienen können, sondern der Betrag, den er auf einem "Dienstleistungsmarkt" hätte ausgeben müssen, um die Schadensabwehr zu finanzieren. Auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes kann die Wertermittlung Schwierigkeiten bereiten. Eine dem geschädigten Arzt zumutbare Schadensabwehrmaßnahme wäre unstreitig die Einstellung einer anderen Arzthelferin gewesen. Das tarifliche Arzthelferingehalt gibt daher auch den Mindestmarktwert, den die vom Geschädigten verrichtete Arbeit hatte. Doch kann sich dieser Wert je nach Marktlage ändern. So hätten die Schadensabwehrkosten erheblich steigen können, wenn der Geschädigte zum Beispiel nur noch ein medizinisches Labor oder Dienstleistungsunternehmen hätte einschalten oder eine zögernde Ersatzkraft (Bekannte oder Angehörige) nur durch übertarifliche Zulagen zum Einspringen in seinem Betrieb hätte bewegen können. Der Schaden in diesen Fällen bestünde dann in der Differenz zwischen Aufwendungen und erspartem Gehalt des schädigenden Arbeitnehmers 255 . Dürfte der Geschädigte nun beispielsweise seine Frau, Tochter oder Bekannte zum doppelten Tarif beschäftigen? Darf der Arzt beispielsweise mit "sich selbst" zum dreifachen Entgelt einer Arzthelferin kontrahieren? Bejaht man die Frage, so könnte sich der Geschädigte in einer Notlage den ,,Markt" für die in Anspruch genommene Dienstleistung selbst schaffen. Das BAG suchte den Ausweg darin, die Tätigkeit des geschädigten Arztes als ärztliche Nebentätigkeit einzustufen, weil er sie notgedrungen ausführte 256 . Diese Lösung ist den gleichen Einwänden ausgesetzt wie der Vorschlag Grunskys. Die schadensabwendende Arbeitsleistung hat mit der Erwerbstätigkeit des Geschädigten nichts zu tun 257 . Anderenfalls könnte auch der Arzt, der einen Überschwemmungsschaden in seinem Keller durch einen ,,Feuerwehreinsatz" abwendet, nach der Honorartabelle für Arztleistungen abrechnen, nur weil der Keller eines Arztes unter Wasser steht. Der Ermittlung des Marktpreises für eine Tätigkeit sollten hier deshalb auch nicht die Grundsätze des § 1835 III zugrunde gelegt werden258 . Es kommt dem-

255 Uhle, S. 46 mwN. 256BAG SAE 1968, 78, 80; zustimmend Gotthardt, S. 187. 257 Knobbe-Keuk, VersR 1976,401,411; dies übersieht Gotthardt, S. 187. 258BGH NJW 1996,921,922; aA Schiemann, S. 220: im Schadensrecht Ersatz von Arbeitsleistungen nur nach Maßgabe von § 1835 III.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

nach weder darauf an, welchen Beruf der Geschädigte hat, noch darauf, ob der Geschädigte sich in einer Ausnahmesituation den Marktpreis selbst schaffen kann, sondern allein darauf, ob und in welcher Höhe normalerweise eine Tätigkeit durch Anstellung Dritter "käuflich" ise59 . Für den Fall des BAG bemißt sich der Wert der Schadensabwehr nach der tariflichen Vergütung für den Berufszweig einer Arzthelferin 260• In dieser Höhe erleidet der Geschädigte einen Vermögensverlust, auf den er sich das ersparte Gehalt in gleicher Höhe anrechnen lassen muß 261 . Insgesamt hatte der Geschädigte im konkreten Fall des BAG also keinen Schaden262, wobei KnobbeKeuk 263 zutreffend anmerkt, daß sich der Geschädigte dort gar nicht so schlecht stellt, wenn er das Gehalt einer Arzthelferin in der Hälfte der tariflich zugrundegelegten Zeit erarbeitet264 • 3. Schadensabwehr ohne zusätzliche Personalkosten (BGHZ 54,45 "Diplomchemiker"; BAG JZ 1971,380 "Filialleiter")

a) Charakteristika der Fallgruppe Zu erörtern bleibt die Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der Verdienstausfallschaden durch den Einsatz Dritter abgewendet wird und dieser Einsatz im Ergebnis weder für den Dritten Mehrarbeit noch für den Ge259S0 jetzt auch BGH NJW 1996,921,922; und schon BGHZ 59, 328, 332 (zu § 633 I1I); BGHZ 61, 56, 58 (Eigenreparatur bei Kfz-Schäden); ebenso wohl Staudinger/Medicus, § 252 RN 45; Brinker, S. 105; Landwehrmann, S. 28f. 260 Ebenso Magnus, S. 266; Brinker, S. 305; eventuell unter Berücksichtigung eines Überstundenzuschlages, weil der Geschädigte abends zu arbeiten gehalten war, KnobbeKeuk, VersR 1976,401,411; SoergeVMertens, § 249 RN 130; Staudinger/Medicus, § 252 RN 45, der aber im unklaren läßt, ob er den hypothetischen Schaden bei unzumutbarer Schadensabwehr oder die Schadensabwehrkosten ersetzen will, § 252 RN 45 gegen RN 43. 261 StaudingerlMedicus, § 252 RN 42; SoergeVMertens, § 249 RN 130; LAG Schleswig-Holstein, BB 1972, 1230. 262Dies übersieht Diederichsen, Klingmüller-FS, 65, 81, der meint, der mit dem Urteil verfolgte Abschreckungseffekt bestünde darin, daß sich Arbeitnehmer in jedem Fall ersatzpflichtig machen, gleichgültig, ob der Geschädigte Ersatz finde oder nicht. 263 Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401, 411. 264 Aus den genannten Gründen hätte auch dem geschädigten Architekten in BGH NJW 1977, 1446, Schadensersatz in Höhe des Wertes seiner Planungsleistungen zugesprochen werden müssen. Es kann keinen Unterschied machen, ob er sich die Planungen von dritter Seite erkauft oder aufgrund seiner Befähigung selbst erbringt, so jetzt auch BGH NJW 1996,921, 922.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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schädigten Mehrkosten verursacht. Zu dieser Gruppe gehören die Sachverhalte des verletzten Diplomchemikers265 , des vertragsbrüchigen Filialleiters266 sowie ein vom BGH 1979 entschiedener Fa1l 267 . Dem Geschädigten war rechtswidrig für 7 Monate der Führerschein abgenommen worden. Im Prozeß über die Höhe seines Entschädigungsanspruches machte der Geschädigte geltend, er habe seine Sekretärin für insgesamt 1.000 Stunden als Fahrerin einsetzen müssen. Er verlangte nun den Anteil an dem Gehalt der Sekretärin, der auf ihren Einsatz als Fahrerin entfiel. 268 Die drei Fälle weisen in den entscheidenden Punkten eine übereinstimmende Struktur auf. Aufgrund eines Schadensereignisses droht der Verdienstausfallschaden eines Selbständigen. Der Unterschied liegt lediglich darin, daß •

im Diplomchemikerfall die eigene Arbeitskraft



im Fall des Filialleiters fremde Arbeitskraft269 und



endlich im Fall des entzogenen Führerscheins die Mobilität tangiert war.

In der Diplomchemikerentscheidung wird die Arbeitskraft (bzw. Arbeitsfähigkeit) selbst beeinträchtigt. Den beiden verbleibenden Fällen liegen hingegen Störungen des ordnungsgemäßen betrieblichen Ablaufs zugrunde. Die Sachfrage ist aber eine gemeinsame: hier wie dort ist der planmäßige Einsatz der Arbeitskraft des Geschädigten in seiner betrieblichen Organisation empfindlich behindert und der Zweck des Arbeitseinsatzes, der Einkommenserwerb, gefährdet. In allen Fällen müssen die Geschädigten ihren Betriebsablauf aufgrund des schädigenden Vorfalls umstrukturieren, um die drohende Folge eines Verdienstausfalls abzuwehren. Dazu werden einzelne Mitarbeiter für einige Zeit versetzt, das heißt ihre Tätigkeit an dem angestammten Arbeitsplatz fällt aus, weil sie "zweckentfremdet" an anderer Stelle des Unternehmens eingesetzt werden müssen. Die Geschädigten haben aber auch keinerlei schädigungs265BGHZ 54, 45. 266BAG JZ 1971, 380. 261BGH VersR 1979, 179; OLG Köln MDR 1996,917,918. 268Im Sachverhalt war der Arbeitgeber der Sekretärin allerdings eine Gesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter der Anspruchsteller war. Wegen der Besonderheiten der Liquidation sei, so der BGH, erlaubt, Anspruchsgrundlage und Schaden hier in der Person des haftenden Gesellschafters zusammenzuziehen, weil der Geschädigte nun für die Außenstände einzustehen habe und ein Schaden der Gesellschaft sich daher unmittelbar auf die Vermögenslage des Geschädigten selbst auswirke, BGH VersR 1979, 179, 180. 269Ebenso der Fall des LAG Frankfurt, NJW 1967, 1103. Dort versetzte der Geschädigte einen Angestellten eines seiner anderen Unternehmen in das betroffene Geschäft.

2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

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bedingte zusätzliche Personalkosten gehabt. Weder Aufwendungen für Überstunden 270 noch für zeitweilig eingestellte Ersatzkräfte werden aufgezeigt, und es bleibt offen, ob die Arbeit der versetzten Angestellten von anderen übernommen, von ihnen selbst nachgeholt oder liegengeblieben war, mit anderen Worten: die Geschädigten können ihren Schaden in Form entgangenen Verdienstes in ihren Bilanzen nicht darlegen. Es fragt sich sich aber auch in diesen Fällen, ob besondere Umstände die wertende Annahme eines Vermögensschaden rechtfertigen. b) Innenbereich des Geschädigten oder "schädiger-freundliche Anlage" Den Kern des Problems bildet wiederum die Bewertung von Schadensabwehrmaßnahmen. Wurde in den vorangegangenen Kapiteln die Frage beantwortet, wem überobligationsmäßige Schadensabwehrmaßnahmen zugute kommen, schließt sich hier die Frage an, ob es dem Schädiger auch zum Vorteil gereicht, daß die Schadensabwehr den Geschädigten nichts kostet271 • Kennzeichnend für die Fälle ist jedenfalls, daß durch die Schadensverhütung den Geschädigten keinerlei zusätzliche Personalkosten entstehen, die sie nicht schon ohnehin aufgrund schadensunabhängig bestehender Arbeitsverträge zahlen müßten. Überstunden werden nicht geltend gemacht. An dieser Stelle wird die entscheidende Gemeinsamkeit der Fälle deutlich, die oben bereits angedeutet wurde. Die Geschädigten berufen sich stets auf Schadensabwehrkosten, die sie gar nicht gehabt haben. Es werden also •

weder ein konkreter rechnerisch ausweisbarer Verdienstausfallschaden

27°Im Fall des VG Koblenz JZ 1977,307, waren Überstunden von Angestellten geleistet, aber nicht vergütet worden. In diesem Ausnahmefall darf die ausbleibende Vergütung dem Schädiger nach dem Rechtsgedanken des § 843 IV allerdings nicht zugute kommen, Steifen, VersR 1985,605,607. Zwar hat der Geschädigte hier keine Mehrkosten, aber die Angestellten müssen echte Mehrarbeit erbringen, die nur aufgrund besonderer Umstände im Verhältnis Geschädigter-Dritte ohne Einfluß auf die Vermögensbilanz bleibt. 271 Mißverständlich insoweit Grunsky, DAR 1988, 400, 404; Weitnauer/Emde, AP § 60 HGB, Nr. 5: Der Einsatz Dritter, der die eingeleitete Schadensentwicklung aufhalte, dürfe dem Schädiger nicht zugute kommen. Der Einsatz kommt dem Schädiger allerdings zugute, ein hypothetischer Schaden wird nicht ersetzt, s.o. 2. Teil C. 11. 2. Fraglich ist allerdings, ob der Schädiger davon profitieren soll, daß der schadensabwehrende Einsatz nichts kostet.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden •

noch ein hypothetischer, normativer Verdienstausfallschaden



noch konkrete Schadensabwehrkosten eingefordert,

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sondern hypothetische, das heißt nichts anderes als normative Schadensabwehrkosten. Tatsächlich fügt sich dies in den Schadensberechnungsmodus des Diplomchemikers ein, der ja ebenso das Gehalt einer Ersatzkraft verlangt, die er in Wirklichkeit gar nicht entlohnt hatte. Medicus und Knobbe-Keuk haben diese Betrachtungsweise zu stützen versucht. Medicui72argumentiert lapidar, die Arbeitsleistung des Unternehmers sei in der Regel "ihren Preis wert" und dieser Preis sei der Schaden. Nach Ansicht von Knobbe-Keue73 setzt sich der Bilanzgewinn aus der kalkulatorischen Tätigkeitsvergütung des Unternehmers, dem Unternehmerlohn, und dem Unternehmergewinn zusammen. Fällt die Arbeitsleistung des Unternehmers aufgrund der Schädigung aus, so bestehe sein Mindestschaden in jedem Fall in Höhe des Unternehmerlohns, denn der Ertrag des Unternehmens wäre um den Unternehmerlohn höher gewesen. Die Bemessung erfolge in Anlehnung an die erforderlichen Kosten einer Ersatzkraft, richtiger wohl: eines ,,Ersatzunternehmers". Diese Aufspaltung ist allerdings sehr gewollt und paßt auch nicht zu ihrem pointiert formulierten eigenen Ansatz274 • Danach versteht sie Schaden rein faktisch, ohne diese oder jene rechtliche Wertung hineinzutragen; anderenfalls laufe man Gefahr, daß ein Schaden ersetzt werde, der gar nicht entstanden sei. Denn das Verständnis des Schadens als einer anonymen Rechengröße, welche jeden Bezug zu den einzelnen betroffenen Vermögensbestandteilen vermissen läßt, werde dem Geschädigten selbst als gekünstelt erscheinen. Und an anderer Stelle bemerkt sie27S , solange der Betriebsstillstand nicht eingetreten, der Gewinn nicht entgangen sei, sei die bloße Möglichkeit, daß die Dinge einen anderen Verlauf hätten nehmen können, schadensrechtlich außer Betracht zu lassen. Richtig ist jedoch entgegen den Anschauungen Knobbe-Keuks und Medicus', daß sich der Wert unternehmerischer Tätigkeit einzig im Gewinn des Unternehmens manifestiert. Bleibt der Gewinn gleich, fehlt es konsequent auch am

272StaudingerIMedicus, § 252 RN 48. 273 Knobbe-Keuk, VersR 1976,401,408; Schiemann, S. 258f; Fikentscher, RN 545; Knobbe-Keuk folgend Brinker, S. 162, der die Sache noch komplizierter gestaltet: es handele sich der Struktur nach um einen Lohnfortzahlungsfall, wobei die Einbuße des Betriebes durch Herauslösen der Vorhaltekosten zu ermitteln sei. 274 Knobbe-Keuk, VersR 1976, 40lf. 27s

Keuk, Vermögensschaden, S. 99 FN 20.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

Erwerbsschaden. Als Bemessungsgrundlage für den Erwerbsschaden dann noch auf das Gehalt eines ,,Ersatzunternehmers" abzustellen 276 , wird der individuellen Leistung des Geschädigten kaum gerecht, widerspricht jeder betriebswirtschaflichen Betrachtungsweise und wirkt insgesamt übertrieben ergebnisorientiert: den Geschädigten, dessen Betrieb so gut organisiert ist, daß der Ausfall folgenlos abgefedert wird, trifft keine besondere Härte277 , sondern er ist auch in der Bewältigung einer unvorhergesehenen Krisensituation "unternehmerisch" gesehen durchaus erfolgreich. Ausschlaggebend für die richtige Bewertung dieser Fallgruppe ist vielmehr, daß dieser Einsatz keine irgendwie meßbaren Vermögensverluste gebracht und keine sonstigen isolierbaren, vermögens werten Leistungen notwendig gemacht hat278 . Dies unterscheidet sie von Fällen, in denen der Geschädigte selbst zusätzlich seine eigene Arbeitskraft zur Schadensabwehr einsetzt. Dort fehlt es zwar an Vermögensverlusten, die die Differenzhypothese aufdecken könnte, nicht aber am Nachweis besonderer vermögenswerter Leistungen durch den Geschädigten. Es zeigt sich nur, daß die zur Schadensabwehr eingesetzten Mitarbeiter zumindest zeitweise an ihrem eigentlichen Arbeitsplatz abkömmlich sind, vielleicht ist ihre Arbeit weniger wichtig oder aufschiebbar. Das Schadensereignis jedenfalls entblößt einen Leerlauf im Betrieb279, bis hin zu 1000 ausgefallenen und dennoch finanziell folgenlosen Arbeitsstunden. Im Beispiel des geschädigten Diplom-Chemikers und Unternehmers spricht die Erfahrung dafür, daß ein längerer Totalausfall des Chefs sich auf Produktion und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens auswirkt, sei es, daß die ordnende Hand in der Personalführung fehlt, innovative Ideen ausbleiben oder der Kontakt zur Kundschaft leidet. Der Geschädigte hingegen hatte Glück und Erfolg, nach 3 Wochen konnte er seine Tätigkeit im Betrieb wieder aufnehmen, präsent sein und im Zuge steter Genesung seine Arbeitskraft fast vollständig zurückerlangen. Vor allem waren die Organisation seiner Fabrik gut und die Motivation seiner Mitarbeiter hoch genug, um diesen Arbeitsausfall nahtlos aufzufangen. Ein ordnungsgemäßer Betriebsablauf war gewährleistet, ohne daß eine Mehrbelastung der Mitarbeiter aufgezeigt werden konnte. Auch hier hatte das unge276S0 SoergeVMertens, § 843 RN 47: die Heranziehung von Marktwerten ist in möglichst enger Anlehnung an die konkreten Elemente des Schadensfalles, insbesondere auch an den Arbeitsaufwand des Geschädigten vorzunehmen, so bei einem Unternehmer je nach der Größe des von ihm geleiteten Unternehmens. 277Unzutreffend deshalb StolI, Vermögensschaden, S. 26. 278Dies betont noch BGH VersR 1961,358,360; ebenso OLG Köln VersR 1992,66; NJW-RR 1994 1263; Beuthien, BB 1973,92,96. 279 So ausdrücklich auch OLG Köln MDR 1996,917,918.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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wöhnliche Schadensereignis also Arbeitskraftreserven freigelegt. Die Gründe dafür können wiederum nur erahnt werden. Möglicherweise gab es einen gewissen Leerlauf, weil nicht alle Angestellten voll ausgelastet waren, vielleicht hatte das Mitgefühl für den Chef zu einer erhöhten Anspannung der Kräfte geführt. Insoweit hat der Schädiger schlicht Glück, wenn die besonderen Anlagen des Geschädigten zu einer kostengünstigen bzw. kostenlosen Schadensabwehr führen. In diesem Fall reihen sich sogar mehrere günstige Umstände aneinander: Erstens aktiviert das Schadensereignis Reserven, die den Schaden abwenden, zweitens handelt es sich dabei möglicherweise sogar um "überobligationsmäßige" Schadensabwehr, und drittens verursacht dies keine zusätzlichen Kosten. Diese gesamten Umstände kommen, wie vorgehend erläutert, dem Schädiger zugute und betreffen nicht lediglich einen Innenbereich des Geschädigten 28o • Die jeweilige Konstitution des Geschädigten und seine Fähigkeiten haben naturgemäß Einfluß auf die Höhe des Schadens. Derjenige, der mit seinem Kfz einen radfahrenden Sportler rammt, kann von Glück sagen, wenn der Geschädigte mit Hilfe einer Iudorolle glimpflich davonkommt. Er muß sich nicht darauf verweisen lassen, die Fähigkeit zur Iudorolle gehöre dem Innenbereich des Geschädigten an, zu ersetzen seien vielmehr höhere Kosten zur Behandlung derjenigen Blessuren, die man üblicherweise bei solchen Unfallen erwartet. Ebensowenig darf der Kraftmeier, der vor dem Übergreifen der Flammen noch die kostbare Barockkommode in Sicherheit wuchtet, Ersatz der Kommode verlangen mit dem Hinweis, seine Kraft ginge nur ihn was an, jeder andere hätte das gute Stück verbrennen lassen müssen. Der Arzthelferinfall ließe sich beispielsweise dahin abwandeln, daß eine zweite ältere und erfahrene Mitarbeiterin des Arztes in 2 täglichen Überstunden die Arbeit der Kollegin miterledigt. Dem Arzt bleibt es hier verwehrt, die Bezahlung von 3 Überstunden pro Tag zu verlangen, weil normalerweise eine Angestellte 3 Stunden brauchte und nur dank ihrer Kenntnisse und Erfahrung die Kollegin ihren Aufwand auf 2 Stunden begrenzen konnte. Der Geschädigte hätte eine Ersatzkraft einstellen können, um den Stau, der aufgrund einer betrieblichen Umstrukturierung zur Schadensabwehr an irgendeinder Stelle anfallt, abzubauen. Diese Schadensabwendungskosten, die höher als das eingesparte Gehalt sein müßten, hätte der Schädiger zu tragen. Fallen sie indes nicht an, weil die Geschädigte ein Vor-

280AA Lieb, JZ 1971, 358, 360 FN 25; Weitnauer/Emde, AP § 60 HGB, Nr. 5 V; Bauer, DAR 1959, 113, 114. Wie hier im Ergebnis Knobbe-Keuk, VersR 1976,401, 410 (für den Filialleiterfall); VG Koblenz, JZ 1977, 307 und auch Lieb, Steindorff-FS, 705,718 FN 51.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

ratspotential ausnutzt, um die Schadensabwehr fast kostenlos durchzuführen, kommt dies dem Schädiger zugute 281 . Im Filialleiterfall mußte die geschädigte Spedition ihren Betrieb - gezwungenermaßen - rationalisieren und hat tatsächlich, zumindest für einen Zeitraum, überflüssige Abläufe aufgedeckt. Im Führerscheinfall muß man nach dem Vortrag des Geschädigten davon ausgehen, daß die Sekretärin, die monatelang als Chauffeuse eingesetzt wurde, an ihrer eigentlichen Arbeitsstelle nicht ausgelastet war. Diese zufällig günstigen Umstände wie im übrigen jede "schädigerfreundliehe Anlage" des Geschädigten kommen dem Schädiger zugute, kurz gesagt: er hat einfach Glück. Sie rechtfertigen es aber nicht, dem Geschädigten mit anderen Konstruktionen doch noch zu einem Schaden zu verhelfen 282 . Einem Schadensrecht, das den Ausgleich von Vermögenseinbußen bezweckt, ist es versagt, Verluste zu begründen, die keine sind. Ein solches Schadensrecht schafft ein primär wertneutrales Ausgleichssystem für erlittene Einbußen und rückt pönale oder präventive Elemente in den Hintergrund 283 . Sein vornehmliches Instrument ist die Differenzhypothese, und wertende Abweichungen von ihr bedürfen guter Begründung, die ebenfalls mit den Gedanken des neutrales Ausgleichs übereinstimmen müssen. Jedenfalls geht es nicht an, in einem Fall wie dem vorliegenden einen Schaden zu vermuten 284 , obwohl die gesamten Umstände, überraschend oder nicht, gerade gegen einen Vermögensschaden sprechen285 .

281 Dies übersieht das LAG Frankfurt, NJW 1967, 1103, wenn es den Schaden an den Kosten für eine nicht eingestellte Ersatzkraft orientieren will, weil der Geschädigte eine Ersatzkraft ohne weiters hätte einstellen können. Pecher, JuS 1981,645,648 hält jeden angemessenen Einsatz von angestelltem Personal bei Schadensverhütung und -beseitigung für ersatzfähig; wie hier im Ergebnis Trinkner, Anm. zu LAG NJW 1967, 1103, in: BB 1967, 162, 163. 282Im Arbeitsreicht will Beuthien, BB 1973, 92, 95f - nur de lege ferenda - dem geschädigten Arbeitgeber mit einem pauschalierten Vertragsstrafeanspruch aushelfen. 283 Esser/Schmidt, § 30 11 3., S.16lff; Lange, Einleitung, S.9ff; Lange/Hagen, Wandlungen, S. 49; Larenz, Schuldrecht I, § 27 I, S. 423ff; Mertens, S. 98f; Magnus,

S.28.

284S0 aber SoergeVMertens, v. § 249 RN liD (für den Erwerbsschaden des Diplomchemikers); ähnlich Gotthardt, S. 141,186: nur pauschale Bewertung (?) möglich. 285S0 wohl auch Staudinger/Medicus, § 252 RN 45 (zu BAG JZ 1971,380 Filialleiter"); das LAG Frankfurt NJW 1967, 1103, 1104, will einen Schaden an den Kosten für eine fiktive Ersatzkraft bemessen, weil (1) der geschädigte Arbeitgeber kaum in der Lage ist, einen ihm durch den Wegfall der Arbeitskraft entstandenen Schaden darzutun.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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Der BGH begründet letztlich sein Ergebnis mit dem ,,Erfahrungssatz", die überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche dafür, daß "die übliche Arbeitsleistung [der Sekretärin] [das für sie erforderliche Gehalt] gelohnt hatte und daß deshalb durch ihren Ausfall ein entsprechender Schaden entstanden ist,,286. Und nach Auffassung des BAG müsse man vermuten, daß ein Unternehmer die Arbeitskraft seiner Angestellten gewinnbringend nutzt; sie habe deshalb für ihn Verrnögenswert287 . Hier ist schon die Prämisse unrichtig, daß der Geschädigte sein Personal für die Mehrarbeit im Rahmen der Schadensbewältigung bezahle 288 . Die Entlohnung beruht nicht auf dem Schadensereignis und für die untersuchte Fallgruppe geht es auch nicht um "vorgehaltene" Personalkosten, die eigens zu dem Zweck aufgewendet werden, bei voraussehbaren fremdverschuldeten Schädigungen Schadensabwehr und -beseitigung vorbeugend möglichst effektiv und billig zu organisieren289 • Vor allem spricht gegen die Auffassung des BAG, daß das so 286BGH VersR 1979, 179, 180; VersR 1969,437,438. Der BGH hat seinen Ansatz später in den Entscheidungen BGHZ 76,216 und BGH ZIP 1996, 1553 zur Schadensbeseitigung durch angestellte Dritte weitergeführt. Ein Schaden sei danach anzunehmen im "Verkehrswert" der eingesetzten Arbeitskraft "ohne Rücksicht darauf, ob ein Lohnaufwand eingetreten oder anderweiter Verdienst tatsächlich entgangen ist", BGHZ 76,216, 22lf, also losgelöst von den für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten Kosten, BGH ZIP 1996, 1553, 1556. Die Rechtsprechung des BGH zur Fallgruppe "Schadensbeseitigung durch angestellte Dritte" läßt allerdings eine einheitliche Linie vermissen. In der ersten Entscheidung hierzu hatte der BGH noch formuliert, daß allgemeine Personal- und Verwaltungskosten nur dann ersetzbar seien, wenn besondere Verwaltungseinrichtungen eigens zu dem Zweck geschaffen und unterhalten werden, Schadensfälle abzuwickeln. Es müsse sich um eindeutig abgrenzbare Kosten handeln, die sonst nicht aufgewendet worden wären (BGH VersR 1961, 269). Ersetzbar sind danach "Personalvorhaltekosten". Der BGH hat jedoch später solche vorgehaltenen Personalkosten von Unternehmen mit eigenen Schadensabteilungen gerade nicht ersetzt (BGHZ 66, 112; 75, 230), während er in drei anderen Entscheidungen Kosten von ohnehin angestelltem Personal zugesprochen hat, das nur bei Gelegenheit von SchadensflUien zur Schadensbeseitigung abgeordnet war (BGH VersR 1969,437; BGHZ 76, 216; BGH ZIP 1996, 1553). Taugliches Abgrenzungskriterium soll nach dieser Rechtsprechung sein, ob die Aufwendungen zur Schadensbeseitigung im Einzelfall die von einem privaten Geschädigten typischerweise zu erbringende Mühewaltung überschreite (BGH VersR 1969, 437, 438f); zur Kritik Schmidt, NJW 1976, 1932f; Pecher, JuS 1981, 645, 647ff; Lipp, NJW 1992, 1913, 1919. 287BAG JZ 1970,380, unter 3. 288 So BGH VersR 1969,437,438. 289S. dazu im Anschluß an BGHZ 32, 280 (Vorhaltekosten bei Fahrzeugen) zu vorgehaltenen Personalkosten BGH VersR 1961,357,359; BGHZ 66,112; 75, 230 (beide zu vorgehaltenen Schadensabteilungen) sowie mit einer Fülle von Argumenten für die Ersatzfähigkeit Wilhelm, WM 1988, 21lff; Lieb, Steindorff-FS 705, 719ff.

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2. Teil: Überobligationsmäßige Abwehr des Verdienstausfalls

oder so zu zahlende Gehalt der Sekretärin gerade keinen Schluß auf irgendwelche schadensbedingten Vermögensfolgen für den Geschädigten zuläße90 . Der Vermögensschadens des Unternehmers, ob hypothetisch oder tatsächlich eingetreten, hat mit der Lohnhöhe als dem bloßen Gegenwert der Arbeitskraft (man muß hinzufügen: für den dritten Arbeitnehmer) nicht das Geringste zu tun 291 • Man kann allenfalls formulieren, daß sich im Rückblick, wenn ein Verdienstausfall feststeht, ein Verlust auf die Schädigung zurückführenläßt. Der Verlust muß dann aber aufgezeigt werden. Eine "Schadensvermutung", wie sie der BGH und das BAG anstellen, widerspricht den ökonomischen Gegebenheiten und ist auch im Rahmen einer wertenden Schadensersatzdogmatik nicht gefordert. Aber ganz unabhängig davon, daß das Gehalt eines Mitarbeiters kein tauglicher Maßstab für den Verdienstausfallschaden des Unternehmers ist, scheint auch der vom BGH eben zitiert erste Erfahrungssatz zweifelhaft: die Arbeitskraft eines jeden Arbeitnehmers ist nicht wirklich so knapp an seine Arbeit angelegt, daß er kaum für zusätzliche oder andere Einsätze zur Verfügung steht. Nicht jeder Arbeitsplatz, jede Arbeitsminute ist im Getriebe eines Unternehmens tatsächlich unentbehrlich 292 • Die Fälle der Schadensabwehr durch Dritte unterscheiden sich insofern auch von der Schadensabwehr durch den Geschädigten selbst in einem entscheidenden Punkt. Letzterer erleidet einen normativen Schaden, weil er durch das Schadensereignis echte Mehrarbeit hat, die er zusätzlich zu seinem normalen Pensum erbringt, während bei der Schadensabwehr durch Dritte die angestellten Dritten die Mehrarbeit in ihren Arbeitsablauf integrieren können. Es macht den ausschlaggebenden Unterschied aus, daß der Geschädigte im ersten Fall in eigener Person zusätzliche vermögens werte Leistungen erbringt, während im zweiten eine bestehende betriebliche Organisation, die der Geschädigte unterhält, den Schadenseintritt ohne Kosten verhindern kann.

290 Ebenso

1263.

Jaeger VersR 1993, 364; DLG Köln VersR 1992 66; NJW-RR 1994,

291 Lieb, JZ 1971, 362; aA Pecher, JuS 1981, 645, 648: die Beschäftigung von Angestellten stelle einen wirtschaftlichen Einsatz dar, der sich in seiner vermögensrechtlichen Bedeutung nicht von der schadensbedingten entgeltlichen Inanspruchnahme Dritter unterscheide. 292 Ähnlich Brinker, S. 134f, der u'nterscheiden will zwischen Überkapazitäten, die bei Gelegenheit der Schädigung freiwerden, und solchen, die bewußt einkalkuliert sind (dann Frage ersetzbarer Vorhaltekosten), aA wohl Gotthardt, S. 141.

D. Folgerungen: Aufwendungen zur Schadensabwehr als Schaden

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Das Ergebnis läßt sich folgendermaßen formulieren: Soweit der Geschädigte den Schaden im eigenen Betrieb unter Einsatz von ohnehin besoldeten Arbeitskräften abwenden kann, ohne daß ihm daraus zusätzliche Kosten entstehen, kommt dies dem Schädiger zugute.

3. Teil

Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft bei Störungen in vertraglichen Schuldverhältnissen A. Einleitung Einen Verdienstausfallschaden erleidet ein Betroffener, wenn der planmäßige dauerhafte Einsatz seiner Arbeitskraft beeinträchtigt wird und das Entgelt für den Einsatz (Einkommen, Vergütung, Lohn oder eben Verdienst) ausbleibt. Der Grund für diese Beeinträchtigung liegt meist in einer Verletzung des Geschädigten, die ihm bereits auf physischer Ebene die Arbeitsfähigkeit nimmt und den Arbeitseinsatz verhindert293 • Bei der Schädigung von Selbständigen und Unternehmern kommt die Konstellation hinzu, daß Betriebsmittel beschädigt werden. Auch auf diese Weise kann die Entfaltung der unternehmerischen Tätigkeit empfindlich behindert sein und einen Verdienstausfallschaden des geschädigten Unternehmers zur Folge haben. Die Schädigung von Betriebsmitteln kann auch den Einsatz von Arbeitnehmern technisch unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos machen. Wenn diese auf den Einsatz der Mittel angewiesen sind, läßt sich ihre Arbeitskraft nicht wie geplant an ihrem ursprünglichen Platz einsetzen. Den Interessenausgleich zwischen Dienstberechtigtem (Arbeitgeber) und Dienstverpflichteten (Arbeitnehmer) regelt in dieser Situation § 615. Der folgenden Teil der Untersuchung will zunächst aufzeigen, daß das Verhältnis zwischen Dienstberechtigtem und Dienstverpflichteten bei Störungen des Leistungsaustausches dem Schädiger-Geschädigten-Verhältnis bei Verdienstausfallschäden - zumindest, was die Obliegenheiten zur Verwertung der Arbeitskraft in den §§ 615 S.2 und § 254 11 betrifft - vergleichbar ist (s. sogleich unter B.). Sodann soll er Aufschluß darüber geben, wie das Gesetz selbst in ei-

293 Der Mechanismus der Entgeltfortzahlung im Fall von Körperverletzungen, der den Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn" zugunsten von Arbeitnehmern, nicht zugunsten des Schädigers durchbricht, kann an dieser Stelle außer Betracht bleiben.

B. Vergleich von Dienstvertrags- und Schadensrecht

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ner dem Schädiger-Geschädigten-Verhältnis ähnlichen Situation überobligationsmäßiges Tun einbezieht (s.u. unter c.).

B. Die Vergleichbarkeit der Schuldverhältnisse Dienstberechtigter - Dienstverpflichteter (§ 615 S. 2) und Schädiger - Geschädigter (§ 254 11) I. Zum Regelungsgehalt von § 615 S. 1 § 615 S. 1 regelt seinem Wortlaut nach eine Rechtsfolge beim Annahmeverzug des Dienstberechtigten. Der Annahmeverzug des Dienstberechtigten hat bis heute Anlaß zu einer Reihe von Meinungsverschiedenheiten gegeben 294 , wie bestimmte Risiken im Dienstvertrags- und Arbeitsrecht dogmatisch zu erfassen bzw. auch im Ergebnis zu bewerten sind.

1. Der Fixschuldcharakter des Dienstvertrages

Einig ist man sich zunächst darüber, daß die Besonderheit der Dienstleistungsschuld in der Erbringung einer zeitbezogenen Leistung besteht295 • Die Zeit ist das Maß der vom Dienstverpflichteten geschuldeten Leistung2%, Oertmann 297 spricht von "zeitlich individualisierten Leistungen". Der Inhalt der Leistungspflicht besteht nicht in der Erzielung eines bestimmten quantitativen oder qualitativen Erfolges, sondern der Dienstverpflichtete stellt seine Dienste demjenigen, dem er sie versprochen hat, für eine bestimmte Zeit zur Disposition298 • Daß die versprochenen Dienste durch die zeitliche Festlegung ihrer Erbringung charakterisiert sind, bedeutet aber nicht, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft während der Arbeitszeit nur bereitzuhalten und in dem vorgesehenen Zeitraum dem Dienstberechtigten zur Verfü-

294Bekannte Stichworte für diese Auseinandersetzungen sind "Sphärentheorie", "Betriebsrisiko" und "Arbeitskampfrisiko". 29SStaudingerlRichardi, § 615 RN 1. 296StaudingerlRichardi, § 611 RN 271. 2970ertmann, AcP 116, I, 47. 298StaudingerlRichardi, § 611 RN 271. 7 Wettich

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3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

gung zu stehen hätte299 . Seine Leistungspflicht hat er vielmehr nur erfüllt, wenn er die Dienste in der Sphäre des Gläubigers auch erbringt3OO • Die Schwierigkeit bei der Deutung von § 615 S. 1 rührt nun daher, daß die zeitbezogene und von der Mitwirkungshandlung des Gläubigers abhängige vertragliche Leistung mit Ausbleiben der Diensterbringung unmöglich wird 301 • Sie ist nicht als versprochene Leistung nachholbar, die Nachleistung stellt eine andere als die ursprünglich geschuldete Dienstleistung dar302 . Weil die Arbeitskraft nicht aufbewahrt werden kann, wird die Erfüllung urimöglich und entfällt, sobald die Leistungszeit ungenutzt verstreiche 03 • Insofern wird nicht bestritten, daß der Dienstberechtigte die Vergütungsgefahr gern. § 324 I trägt, wenn er seine mangelnde Mitwirkung und damit die Unmöglichkeit der Leistung des Dienstverpflichteten zu vertreten hae 04 • 2. Das sogenannte Betriebsrisiko

Die dogmatische Diskussion hat sich allerdings an den Fällen entfacht, in denen weder der Dienstberechtigte noch der Verpflichtete die Unmöglichkeit der Mitwirkungshandlung und folglich der Leistungserbringung zu vertreten haben, es also um eine zufallsbedingte Störung des Betriebsablaufs geht. Behördliche Anordnungen, Naturereignisse und betriebstechnische Unglücksfälle30s können ebenso aufgezählt werden wie die Schadenszufügung durch ersatzpflichtige, aber unbekannte oder insolvente Dritte. Im oben genannten Beispiel kann es für den Vergütungsanspruch des AN keinen Unterschied machen, ob der Brand durch einen Blitzschlag ausgelöst wurde oder durch einen völlig mittellosen Pyromanen306 •

299StaudingerIRichardi, § 615 RN 25. 3(XlStaudingerIRichardi, § 611 RN 272, Hervorhebungen ebendort. 3(U Picker, JZ 1985,693, 699f; MünchArbRlBoewer, § 76 RN 9; Zöllner/Loritz, § 18 1.1., S. 203f. 302Beuthien, S. 247; StaudingerlRichardi, § 615 RN 1; Fikentscher, RN 876. 303MünchArbRlBoewer, § 76 RN 1. 304MünchArbRlBoewer, § 76 RN 9; Jauernig/Schlechtriem, § 615 Anm. 3a.; Schaub, § 964., S. 717. 30sBAGE 42, 94, 100 zum Betriebsrisiko bei einem Maschinenausfall aufgrund ungewöhnlicher Witterung. 306BAG AP § 615 Betriebsrisiko, Nr.28, weist das Betriebsrisiko beim Brand in einer Strumpffabrik dem Arbeitgeber zu.

B. Vergleich von Dienstvertrags- und Schadensrecht

99

Einig ist man hier in dem Ergebnis, daß dem Dienstberechtigten dieses sogenannte Betriebsrisiko zuzuweisen iseo7 • Über die dogmatische Erfassung und über das richtige Verständnis von § 615 S.l herrscht allerdings keine Einmütigkeit, weil seine akzeptierte Rechtsfolge dem Wortlaut nach an den Annahmeverzug anknüpft und also Fälle voraussetzt, in denen die versprochene Leistung nachholbar ist. Bei Nichterbringung der Dienstleistung wird diese aber unmöglich 308 , und der Dienstverpflichtete würde das Betriebsrisiko tragen, ohne daß ihm § 615 S. 1 wegen des fehlenden Tatbestandsmerkmals "Verzug" hilft. Das Gesetz fordert ein Tatbestandsmerkmal, welches in dem geregelten Vertragstyp per definitionem gar nicht vorliegen kann 309 . Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat dementsprechend zur Lösung der Betriebsrisikofälle eine Regelungslücke konstatiert31O. Zur ihrer Ausfüllung stellte man dann eine Vielzahl von Regeln vor3ll . Sie reichen von einer entsprechenden Anwendung des § 645 über eine Anwendung des § 324 I als Zuweisungsnorm für umfassende Risikosphären, von der Unterscheidung von Unterbrechung und Abbruch der Dienstleistungsbeziehung bis hin zur Lösung aus allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts und der Wirtschaftsverfassung312 . Eine im Vordringen befindliche neuere Literaturmeinung313 hingegen sieht in § 615 S.1 eine - stimmig in das BGB-Leistungsstörungssystem eingefügte - Gefahrtragungsregel, die die Lastenverteilung des § 323 I zugunsten des Dienstverpflichteten wie in anderen Fällen auch durchbricht. Besonders ist danach nur, daß § 615 S. 1 die sogenannte ,,Annahmeunmöglichkeit" erfaßt. Er betrifft also Fälle, in denen der Verzug des Gläubiger automatisch zur Unmöglichkeit führt. Weil das Rechtsinstitut ,,Annahmeverzug" bei Störungen eines zeitbezo-

307BAGE 34, 331, 337; BAG NZA 1994, 331, 332; Staudinger/Richardi, § 615 RN RN 3; JauemiglSchlechtriem, § 615 Anm. 3. 3080ertmann, AcP 116, 1, 2. 3('1) Picker, JZ 1985, 693, 699 FN 113; S. zudem die instruktive Darstellung bei Staudinger/Ouo, § 324 RN 25. 3lOBAG AP § 615 Betriebsrisiko, Nr.2; RAG ARS 3, 116, 120f; ebenso Hueck/Nipperdey I, S.350; vgl. zudem Picker, JZ 1979, 285f; Staudinger/Richardi, § 615 RN 24; Lieb, § 211 l.d); S. 48. 311 Vgl. Staudinger/Richardi, § 615 RN 23. 312BAG AP § 615 Betriebsrisiko, Nr. 2. 313 Picker, JZ 1979,285, 292f; JZ 1985,693, 699f; Staudinger/Richardi, § 615 RN, 2, 17, 30ff, 42; MünchArbR/Boewer, § 76 RN 12. 189,203; MünchArbR/Boewer, § 77

7*

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3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

genen Leistungsversprechens begrifflich gar nicht anwendbar ist, ist die Vorschrift bei richtiger Interpretation bloß unglücklich gefaßt3J4 • Ihre Aussage besteht darin, daß die Voraussetzungen der besonderen Gefahrtragungsregel im übrigen den Voraussetzungen entlehnt sind, die auch beim Annahmeverzug gefordert werden (Angebot und Leistungsbereitschaft des Schuldners, Verschuldensunabhängigkeit) - ohne daß es sich aber selbst um einen Annahmeverzug handelt3l5 . Diese Diskussion aus dem Leistungsstörungsrecht braucht hier nicht vertieft zu werden, da im Ergebnis über die Risikoverteilung weitgehend Konsens besteht3J6 und vor allem, weil ihr Ausgang für die Argumentation dieser schadensrechtlichen Untersuchung keinerlei weitere Bedeutung hat3J7 . 11. Die vergleichbare Interessenlage Die Betrachtung von § 615 S. 1 hat Folgendes ergeben: Die Dienstleistungsschuld wird wegen ihrer spezifischen Beschaffenheit immer schon mit und wegen der Nichtannahme der Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt unmöglich 3l8 • Der Verpflichtete kann die ausgefallene Arbeit nicht als ursprüngliche "nachleisten". Die nachgeholte Leistung ist eine andere als die vertraglich geschuldete. Es ist nun durchaus denkbar, daß sich die Annahmeunmöglichkeit des Dienstberechtigten über einen längeren Zeitraum erstreckt. Der Dienstverpflichtete wird dann von seiner Verpflichtung zur Erbringung der betreffenden 314 Picker, JZ 1985, 693, 700. 315StaudingerlRichardi, § 615 RN 32ff, 40ff; MünchArbRlBoewer, § 76 RN 12. 316StaudingerlOtto, § 324 RN 25. 317 Gleiches gilt für die Diskussion um das sogenannte Arbeitskampfrisiko. Behandelt wird dort die Frage, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch verlieren, wenn ihr als Gegenleistung für den Lohn versprochener Arbeitseinsatz durch einen Arbeitskampf unmöglich wird. Hier ist man sich umgekehrt in der Bewertung der Risiken und ihrer Zuteilung uneins (S. Picker, JZ 1979, 285, 287), kommt aber überein, daß diese besondere Fallgruppe dogmatisch nicht ausschließlich mit den Leistungsstörungsregeln des BGB erfaßt werden kann, sondern daß bei der Risikobewertung bereits vom Ansatz her spezifisch arbeitsrechtliche Kriterien herangezogen werden müssen; BAGE 34, 331, 342; BAG NZA 1994, 331,332; StaudingerlOtto, § 324 RN 27; MünchArbRlOtto, § 283 RN 39ff; MünchArbRlBoewer, § 77 RN 29; Picker, JZ 1979,285,287, 289f; Lieb § 2 11.1., S. 49; Zöllner/Loritz, § 18 V.I., S. 215. 318StaudingerlRichardi, § 615 RN 24.

B. Vergleich von Dienstvertrags- und Schadensrecht

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Dienste nicht nur vorübergehend, sondern überhaupt frei, weil er sie nicht nachzuleisten braucht und gar nicht nachleisten kann. Seine Arbeitszeit liegt dann in dieser Zeit brach. Auf der anderen Seite hat der Dienstberechtigte den Wert (die vertragliche Vergütung) für die versprochene Dienstleistung zu erbringen, ohne als Gegenwert etwas dafür zu erlangen. Er ist mit dieser Zahlung belastet. Man kann nun die Interessenlage zwischen Dienstberechtigtem und Dienstverpflichteten mit derjenigen im Schuldverhältnis Schädiger-Geschädigter vergleichen: Vor einem bestimmten Ereignis (Annahmeunmöglichkeit, Schädigung) steht der Einsatz der Arbeitskraft in einem festgelegten Zeitraum im Austauschverhältnis zur Zahlung einer Vergütung. Annahmeunmöglichkeit bzw. Schädigung stören diesen Austausch nun derart, daß der versprochene Arbeitseinsatz ausbleiben muß, ohne daß der Schuldner hierfür die Verantwortung trägt. Deshalb muß ihm die Gegenleistung erhalten bleiben. Nun ist der Schädiger zwar zum Schadensersatz verpflichtet, weil der Geschädigte seine Arbeitskraft nicht mehr wie geplant einsetzen kann. Der Schadensersatz tritt hier an die Stelle der Vergütung. Im Dienstvertrag muß der Berechtigte zahlen, obwohl der Dienstverpflichtete die Arbeitskraft nicht einsetzt. Hier bleibt die Vergütung, nur der als Gegenleistung versprochene Arbeitseinsatz bleibt aus. Aber die Zahlung erfolgt in beiden Fällen für den Einsatz der Arbeitskraft, weil sich in ihr das gestörte, ursprüngliche Schuldverhältnis fortsetzt. Dementsprechend besteht auch in beiden Konstellationen ein großes Interesse des Zahlungsschuldners, von seiner Zahlungspflicht loszukommen, weil sie für ihn - bleibt der Arbeitseinsatz aus - keinen Gegenwert mehr hat. Sein Interesse geht dahin, daß diese "gegenwertlose" Belastung so gering wie möglich gehalten wird. Gemeinsam ist beiden Situationen schließlich, daß das Mittel, mit dem die Interessen beider Seiten zum Ausgleich gebracht werden, in der grundsätzlichen Obliegenheit des DienstverpflichtetenlGeschädigten liegt, die verbliebene Arbeitskraft zu verwerten. Weder der Dienstverpflichtete noch der Geschädigte soll wegen der "Störung" ein "Rentnerdasein" auf Kosten des Anspruchsgegners führen, indem sie eine Vergütung erhalten, für die sie bei normalem Lauf der Dinge ihrerseits eine Leistung hätten erbringen müssen. Ihre Arbeitskraft soll nicht ungenutzt bleiben, sondern, so gut es geht, im Interesse des Anspruchsgegners eingebracht werden. Folgendes Beispiel veranschaulicht die vergleichbare Interessenlage:

102

3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

Unternehmer X betreibt eine kleine Computer-Reparatur-Werkstätte mit dem Angestellten AN. X, ein versierter Fachmann, entwirft neben seiner Haupttätigkeit gelegentlich auch eigene Programme. Brennt das Betriebsgebäude aufgrund eines Verschuldens des Schädigers S in Teilen aus und wird der Wiederaufbau 4 Monate in Anspruch nehmen, so werden sowohl X als auch AN während dieses Zeitraumes - in einem untechnisehen Sinn - "arbeitslos". Sie sind beide in einem ebenso untechnischen Sinn "Geschädigte": beide setzten zum Zweck des Einkommenserwerbs ihre Arbeitskraft mit Hilfe von Betriebsmitteln in der Werkstatt ein. Durch die Schädigung der Betriebsmittel droht beiden ein Verdienstausfall, weil der geplante Einsatz ihrer Arbeitskraft unmöglich geworden ist. Beide bleiben arbeitsfähig und könnten ihre Arbeitskraft während des Wiederaufbaus der Werkstätte andernorts einbringen. Zwar verbindet nur den Unternehmer X ein schuldrechtliches Band mit dem Schädiger (haftungsbegründend als Anspruchsgegner, haftungsausfüllend als Verdienstausfallgeschädigten), und er hat auch nicht deshalb einen Schaden, weil er das Betriebsrisiko zu tragen und seinem Arbeitnehmer gemäß § 615 S. 1 zur Lohnzahlung verpflichtet bleibt. Diese Verpflichtung hätte er auch ohne das Schadensereignis. Gleichwohl liegt die Besonderheit des Falles darin, daß der Schaden des X und damit die Belastung des Schädigers S desto geringer wird, je ertragreicher nicht nur der X selbst, sondern auch dessen Arbeitnehmer AN seine verbliebene Arbeitskraft anderweitig verwenden kann. Im Interesse des Schädigers liegt es also, daß beide, X wie AN, die Obliegenheit trifft, zur Entlastung des Schädigers anderweitig im Rahmen des Zumutbaren ihre Arbeitskraft einzusetzen. In diesem Beispielsfall wird der Schädiger durch die Obliegenheit des X gemäß § 25411 direkt und durch die Obliegenheit des AN gemäß § 615 S.2 mittelbar entlastet. Der Schädiger muß hier den Arbeitnehmer AN auf eine Aushilfsstelle in der Computerabteilung eines Warenhauses genauso verweisen können wie den Arbeitgeber X auf einen zeitlich begrenzten Programmierauftrag eines mittelständischen Unternehmens. Diese zumutbaren Ausweichtätigkeiten entlasten ihn. Umgekehrt ist aber nun zu fragen, weIche Rolle die Aufnahme einer unzumutbaren Arbeit spielt. Beispielsweise kann es keinen Unterschied für die Schadenshöhe machen, wenn der Arbeitnehmer AN oder der Arbeitgeber X eine zweimonatige Stelle als Hilfsbademeister im Freibad annimmt oder als Verkäufer von Mountainbikes tätig wird. Für die Bewertung eines derartigen überobligationsmäßigen Einsatzes der Arbeitskraft ist deshalb der Blick auf § 615 S. 2 aufschlußreich, weil die Anrechnungsfrage dort ausführlicher beantwortet wird als in § 254 11. Herauszuar-

C. Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft nach § 615 S. 2

103

beiten ist, in welcher Weise das Gesetz mit dieser Vorschrift den Interessenkonflikt im Schuldverhältnis Dienstverpflichteter-Dienstberechtigter löst und ob diese Lösung die oben vorgenommene Bewertung bestätigt.

C. Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft nach § 615 S. 2 Nach § 615 S. 2 hat sich derjenige, der den Einsatz seiner Arbeitskraft versprochen hat, während des Annahmeverzuges anrechnen zu lassen, •

was er infolge des Unterbleibens der Dienste im Zeitraum der Annahmeunmöglichkeit erspart,



was er zu erwerben böswillig unterläßt und



was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt.

Dabei kann die Anrechnung von Ersparnissen in dieser Arbeit außer Betracht bleiben, da sie keine Frage im Zusarnrnenhang mit dem Einsatz der Arbeitskraft aufwirft. Ausführlicher muß aber auf die anderen Alternativen der Vorschrift eingegeangen werden.

I. § 615 S. 2 als exemplarische Vorschrift Die Rechtsordnung statuiert die eben aufgezählten Anrechnungsregeln an verschiedenen Stellen, und zwar in aller Regel dort, wo der Einsatz der Arbeitskraft geschuldet wird, aber wegen der fehlenden Mitwirkung des Gläubigers tatsächlich nicht geleistet werden kann 3I9 . 319§ 552 S.2 behandelt zwar auch eine anderweitige Verwertung, aber nicht der Arbeitskraft, sondern der Mietsache. Jedoch stellt er die Vorbildnorm für die Schuldverhältnisse dar, in denen der - zeitliche - Einsatz der Arbeitskraft geschuldet wird, Picker, JZ 1979,285,292; 1985,693,697; Jakobs/Schubert, Die Beratungen zum BGB, S. 433ff, 768f; Mugdan 11, S. 457. Interessanterweise stellt er überhaupt keine Obliegenheit des Vermieters auf, die Mietsache anderweitig zu verwerten. Freilich wird dieser Grundsatz für den praktisch wichtigsten Fall heute in mehr oder weniger engen Grenzen durchbrochen: Stellt der Mieter von Räumen, der sein Gebrauchsrecht vorzeitig aufgeben will, dem Vermieter zumutbare Nachmieter zur Auswahl, soll sich der Vermieter den Mietzins aus dem potentiellen Nachmietverhältnis anrechnen lassen. Da dem Vermieter aber auf diese Weise ein neuer Vertragspartner quasi aufgedrängt wird, soll dies nur in absoluten Härtefällen zulasten des Vermieters gelten.

104

3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

Einen Sonderfall zu § 615 S. 2 beinhaltet § 11 KSchG, der in den Fällen als Spezialvorschrift320 Anwendung findet, in denen der Annahmeverzug des Gläubigers auf einer im Kündigungschutzprozeß festgestellten unwirksamen Kündigung beruhe 21 • Auch die §§ 324 I 2, 64211 sehen die Anrechnung vor, wenn der vertragliche geschuldete Einsatz der Arbeitskraft gestört wird und der Gläubiger die Gegenleistungsgefahr zu tragen hat. Dabei faßt § 642 11 in den Worten "erwerben kann" die beiden Alternativen zusammen, die in den §§ 615 S. 2 und § 324 I 2 noch getrennt aufgezählt werden ("erwirbt oder zu erwerben unterläßt,,)322. Die bisher genannten Vorschriften betreffen sämtlich den Fall einer Leistungsstörung, für deren Gegenleistung der (Dienst-)Berechtigte die Gefahr trägt. Etwas anders liegt insoweit § 649. § 649 S. 1 räumt dem Berechtigten ein jederzeitiges Kündigungsrecht ein. Da Gründe für die Kündigung nicht angeführt

Sieht man in dem Fehlen der Verwertungsobliegenheit ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes, so geht bereits die Ausnahme zu weit, weil über den eindeutigen Wortlaut hinaus. Auf der anderen Seite läßt sich argumentieren, daß § 552 S. 2 mit dem übrigen System des BGB nicht übereinstimmt: jedem Schuldner einer Leistung, dem von seinem Gläubiger Verwertungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, wird schließlich mittelbar ein neuer Vertragspartner aufgedrängt, auch dem Geschädigten nach § 254 11 oder dem Dienstverpflichteten gern. § 615 S. 2. Ob die Korrektur der daher wohl zu engen Fassung des § 552 S. 2 dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt oder auf dem Feld Sozialer Mietrechtssprechung von Obergerichten vorgenommen werden darf, kann hier offenbleiben, S. Staudinger/Emmerich, § 552 RN 27ff; MünchKomrnlVoelskow, § 552 RN 8ff. 32°BAG NZA 1990, 221, 223; Staudinger/Richardi, § 615 RN 615; MünchArbRlBoewer, § 76 RN 55; Schaub, § 13911. 321 Die einzige inhaltlich-materielle Besonderheit besteht hier darin, daß sich der Arbeitnehmer nicht anrechnen zu lassen braucht, was er durch die Untätigkeit an Aufwendungen erspart. Diese Regel wurde im Hinblick auf die Geringfügigkeit der in Betracht kommenden Beträge gestrichen, Huecklv.Hoyningen-Huene, § II RN 8; HerschellLöwisch, § II RN 2; KRIS pilger, § I1 RN 50. Hingegen ist die Anrechnung von öffentlich-rechtlichen Leistungen im Sinne von § II Nr.3 KSchG auch für § 615 S. 2 maßgebend, BAG AP § 74c HGB, NT. 13; NZA 1990, 975. Ebenso stellt die ,,Zumutbarkeit" anderweitiger Arbeitsmöglichkeit, die § 11 KSchG ausdrücklich fordert, ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in § 615 S. 2 dar, BAG AP § 615, Nr. I zu Böswilligkeit; BAGE 50,164,176; Staudinger/Richardi, § 615 RN 148, KRISpilger, § II RN 39. 322ErmanlSeiler, § 642 RN 5; StaudingerlPeters, § 642 RN 26.

C. Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft nach § 615 S. 2

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werden müssen 323 , kommt hier die gewillkürte Beendigung eines Austauschverhältnisses einer plötzlichen Störung aus der Sphäre des Berechtigten sehr nahe. Folgerichtig hält auch § 649 S. 2 I.HS hier die Pflicht des Berechtigten aufrecht, die Gegenleistung in Form der Vergütung zu erbringen. Weil aber auch im Werkvertrag meist der Einsatz der Arbeitskraft mitgeschuldet ist, formuliert schließlich § 649 S. 2 2. HS in den drei bekannten Alternativen, die Anrechnungsregeln und Obliegenheiten bei Freiwerden der Arbeitskraft. Endlich finden sich diese Anrechnungsregeln auch in § 74c I 2 HGB. Der Inhaber eines HandelsgeschäfteslPrinzipal kann das Interesse haben, seine Angestellten eine Zeitlang nach Ausscheiden aus dem Unternehmen als Wettbewerber fernzuhalten. Deren im Unternehmen erlangtes besonderes Wissen über Verkaufstaktik, Kunden, Lieferanten, Produktentwicklung usw. kann die Wettbewerbsvorteile des Prinzipals unter Umständen nachhaltig mindern. Aber das gesetzliche Wettbewerbsverbot gern. § 60 HGB gilt nur während des Dienstverhältnisses; die deliktischen Vorschriften aus dem BGB und UWG erfassen nur besonders schwere Verstöße, die keinesfalls jede belebende Konkurrenz durch ausgeschiedene Arbeitnehmer verhindern wollen. Der Prinzipal kann nun mit dem Angestellten bei Abschluß oder während des Dienstverhältnisses vertraglich ein Wettbewerbsverbot vereinbaren, welches die gewerbliche Tätigkeit des Gehilfen für die Zeit nach Beendigung beschränkt, § 74 I HGB. Trifft der Prinzipal mit einem Angestellten ein solche Wettbewerbsabrede, so macht das Gesetz in § 74 11 die gleichzeitige Verpflichtung des Prinzipals zur Zahlung einer Entschädigung zur Bedingung der gesamten Vereinbarung. Der Grund liegt darin, daß dem Angestellten durch das Verbot praktisch die gesamten Arbeitsmöglichkeiten in seinem angestammten Tätigkeitsfeld abgeschnitten werden. Dem Angestellten droht die Untätigkeit und damit ein Erwerbsausfall, an dessen Stelle die Entschädigung als "bezahlte Karenz·.324 treten soll. Damit er in einem bestimmten Bereich gerade nicht tätig wird, erhält er also eine Zahlung gleichsam als ,,Lohnersatzersatzleistung". Auf der anderen Seite wird er aber mit seiner Arbeitskraft frei und kann sie nur weil er frei wird - in anderen, nicht von der Klausel betroffenen Bereichen einsetzen und verdienen. Dementsprechend enthält das Gesetz auch hier wie in anderen Fällen die bekannten Anrechnungsregeln, weil der Angestellte seine 323Jauemig/Schlechtriem, § 649 Anm. 1; MünchKommlSoergel, § 649 RN 1; StaudingerlPeters. § 649 RN 1. 324HeymannlHenssler. vor § 74 RN 2, 13.

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3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

Arbeitskraft nur deswegen einbringen kann, da er in seinem ursprünglichen Berufsfeld gerade nicht tätig werden darf. Er muß sich den neuen Verdienst auf die Entschädigung anrechnen lassen, weil letztere in der Regel nur den Erwerbsausfall in der Zeit der als Gegenleistung erkauften Untätigkeit ausgleichen soll325. Allen eben aufgezählten Vorschriften ist mit § 615 S.2 wie auch mit der Schadensminderungspflicht gern. § 254 11 gemeinsam, daß die eine Seite des Schuldverhältnisses ihre Arbeitskraft nicht wie vorgesehen einsetzen kann und mit der Arbeitskraft frei wird. Die anderen Seite hat dafür - aus verschiedenen Gründen - für diesen Arbeitsausfall einzustehen und den Wert der ausgebliebenen Arbeit zu erstatten. Sie soll allerdings von dieser (gegen-)wertlosen Verpflichtung entlastet werden, soweit eine anderweitige Verwertung der verbliebenen Arbeitskraft in Betracht kommt. 11. Die Obliegenheiten zum anderweitigen Ersatz der Arbeitskraft gem. § 615 S. 2 Den Geschädigten trifft die Obliegenheit, seine Arbeitskraft im Rahmen des Möglichen und des Zumutbaren zur Schadensgeringhaltung einzusetzen326 . Subjektiv wird vom Geschädigten verlangt, daß er von der Arbeitsmöglichkeit und ihrer Zumutbarkeit Kenntnis hat oder die Kenntnis bei hinreichender Sorgfalt hätte haben müssen 327 • Hingegen trifft den Dienstverpflichteten nach dem Gesetzeswortlaut die Obliegenheit, die anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft nicht böswillig zu unterlassen 328 . 3250b die generell geltende Anrechnungspflicht gerechtfertigt ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Hat die Entschädigung wegen der drohenden Untätigkeit Lohnersatzfunktion, ist die Anrechnung folgerichtig, wenn der Angestellte andernorts Arbeit finden kann. Ist hingegen vorauszusehen, daß beispielsweise einem sehr fähigen und erfolgreichen Angestellten bei Ausscheiden eine Vielzahl von neuen Arbeitsbereichen offensteht, wird und soll er aufgrund der Abrede gehindert werden, im Bereich seines Arbeitgebers in den Wettbewerb zu treten, so steht die Absprache einer Anrechnung entgegen. Denn der Angestellte wird in dieser Situation ja gerade dafür bezahlt, anderswo Arbeit aufzunehmen und Geld zu verdienen. 326Ganz einhellige Meinung: BGH NJW 1974, 602; MünchKommlGrunsky, § 254 RN 48. 327MünchKommlGrunsky, § 254 RN 51a; Lange, § 10 X I, S. 576.

c. Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft nach § 615 S. 2

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Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung könnte man auf den ersten Blick daran denken, das zusätzliche Merkmal der Böswilligkeit erhöhe im Vergleich zu § 254 11 die Zumutbarkeitsschwelle. Die einhellige Meinung sieht im Merkmal der Böswilligkeit jedoch nur ein Merkmal der subjektiven Seite: böswillig handelt der Dienstverpflichtete, der in Kenntnis der objektiven Merkmale ,,Möglichkeit" und ,,Zumutbarkeit" untätig bleibt329 • Demnach besteht der einzige Unterschied zwischen den Verwertungsobliegenheiten der §§ 254 11, 615 S. 2 darin, daß der Geschädigte sich bereits anrechnen lassen muß, was er als Geschädigter in Stellungen hätte verdienen können, die er als ordentlicher und verständiger Geschädigter bei hinreichender Sorgfalt hätte finden und antreten müssen. Dagegen muß sich auf der Suche nach Ersatzmöglichkeiten der Dienstverpflichtete, dem nur das vorsätzliche Untätigbleiben schadet, nicht in dem Maße einbringen wie ein Geschädigter. Diese Unterscheidung berücksichtigt, daß der Betroffene gern. § 615 S. 2 gerade seinen Anspruchsgegner, dem Dienstberechtigten, nämlich aufgrund des vertraglich begründeten Dauerschuldverhältnisses, verbunden ist. Er vertraut in besonderer Weise darauf, daß der Einsatz seiner Arbeitskraft in der vereinbarten Art und Weise durchgeführt werden kann. So läßt es sich rechtfertigen, daß die Verwendungsobliegenheit des Dienstverpflichteten - in geringem Maß - einschränkend formuliert ist. Darüber hinaus ebnen Rechtsprechung und Literatur den verbliebenen Unterschied weiter ein, indem sie die Anforderungen an die Böswilligkeit an einigen Stellen noch abschwächen. So ist der Dienstberechtigte für die Voraussetzungen einer Obliegenheitsverletzung darlegungs- und beweispflichtig33o . Er wird deshalb den Dienstverpflichteten in der Regel auf Alternativen hinweisen und ihm so Kenntnis über Arbeitsstellen verschaffen, das heißt, "böswillig" machen.

328 Das Gesetz verzichtet einzig in § 642 11 auf das Merkmal der Böswilligkeit. Grundsätzlich ist also jeder mögliche und zumutbare Erwerb anzusetzen, StaudingerlPeters, § 642 RN 26; ErmanlSeiler, § 642 RN 5, wie es auch der Rechtsprechung zu § 254 11 entspricht. 329 MünchArbRlBoewer, § 76 RN 66; StaudingerlOtto, § 324 RN 49; MünchKommHGB/v.Hoyningen-Huene, § 74c RN 16. 330BAG AP § 615, Nr. 1 zu Böswilligkeit; NZA 1990,221,222.

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3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

Zudem reicht unter Umständen schon ein Vorwurf an den Dienstberechtigten aus 33 !, z. B. wenn dieser sich überhaupt nicht einbringt. Er ist deshalb grundsätzlich gehalten, sich wenigstens unverzüglich beim Arbeitsamt als Arbeitssuchender zu melden 332 • v.Hoyningen-Huene meint, daß unter besonderen Umständen sogar besondere Anstrengungen vom Dienstverpflichteten verlangt werden können. So, wenn der Dienstverpflichtete weiß, daß die Nichtberechtigung längere Zeit dauern wird und er sich bewußt ist, daß er ohne Schwierigkeiten andere zumutbare Arbeit bekommen kann, sobald er sich darum bemühe 33 . Schließlich kann auch die Ortsabwesenheit des Dienstverpflichteten die Böswilligkeit begründen, wenn zumutbare Arbeitsmöglichkeiten vorhanden sind, vor deren Kenntnisnahme sich der abwesende Dienstverpflichtete gleichsam verschließt334 . Zusammenfassend kann man also feststellen, daß im Fall frei werdender Arbeitskraft nicht nur die Interessenlage in den §§ 254 11,615 S. 2 gleich ist, sondern daß die Obliegenheit zur Verwertung der verbliebenen Arbeitskraft in beiden Vorschriften gleichartig ausformuliert wird. Der Betroffene muß eine zumutbare und mögliche Ersatztätigkeit ergreifen und auch gewisse Anstrengungen bei der Suche danach unternehmen. Insoweit gilt für beide Fälle Ähnliches, wie der BGH in einer Grundsatzentscheidung zu § 254 11 skizziert hat: "Den Geschädigten trifft in erster Linie die Pflicht, sich ernstlich darum zu bemühen, die ihm verbliebene Arbeitskraft nutzbringend zu verwerten; er kennt seine Fähigkeiten und Neigungen am besten; ..... ; zudem verfügt er in der Regel über das bessere Wissen der im Einzugsbereich seines Wohnorts vorhandenen Arbeitsplätze; ......335 111. Die Bewertung überobligationsmäßiger Verwendung der Arbeitskraft

Der wesentliche Punkt, der § 615 S. 2 von § 254 11 unterscheidet, findet sich an anderer Stelle.

33! BAG AP § 615, Nr. I zu Böswilligkeit, das auch auf § 254 II verweist. 332StaudingerlRichardi, § 615 RN 152; MünchKommlSchaub, § 615 RN 61; HerschellLöwisch, § 11 RN 9; Huecklv.Hoyningen-Huene, § 11 RN 16; KR-Spilger, § 1I RN 40; MünchArbR/Boewer, § 76 RN 67; wohl auch Schaub, § 3511 4., S. 713. 333Huecklv.Hoyningen-Huene, § 11 RN 15. 334BAG AP § 615, Nr. 35 aE. 335BGH NJW 1979, 2142f.

C. Überobligationsmäßiger Einsatz der Arbeitskraft nach § 615 S. 2

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In der Auslegung durch die ganz herrschende, fast einhellige Meinung muß sich der Geschädigte nicht denjenigen Verdienst anrechnen lassen, den er überobligationsmäßig erlangt. Er muß sich nicht anrechnen lassen, was er an anderer Stelle verdient, wenn die Umstände des Erwerbs ihm "eigentlich" unzumutbar sind. Ganz abweichend davon sieht § 615 S. 22.AIt. die Anrechnung von jeglichem Verdienst vor, den der Dienstverpflichtete durch anderweitige Verwen-

dung seiner Dienste erwirbt336 . Es kommt für die Anrechnung nicht darauf an, ob der Dienstverpflichtete, würde er die Tätigkeit unterlassen, seine Obliegenheit nach § 615 S. 2 3.Alt. verletzen würde, mit anderen Worten: ob er eine "an sich" zumutbare Tätigkeit ausübt. Nach § 615 S. 2 2 Alt. ist auch anzurechen, was der Dienstverpflichtete überobligationsmäßig erwirbt. Dementsprechend ist es auch irrelevant, ob der anderweitige Erwerb durch eine gleichartige oder eine andersgeartete Arbeit beschafft wird, als es gerade die vertragsmäßig vereinbarten Dienste waren 337 . Unzumutbar wegen des wirtschaflichen Risikos 338 wäre es beispielsweise, von dem Dienstverpflichteten auf eigene Rechnung die Errichtung eines Erwerbsgeschäftes zu verlangen. Riskiert er diesen Schritt gleichwohl und erwirtschaftet er einen Gewinn, so ist dieser Gewinn anzurechnen 339 . Davon geht auch das BAG aus, wenn es den Arbeitnehmer verpflichtet, über selbständige unternehmerische Betätigung Auskunft zu erteilen 340• Eine Einschränkung bei der Anrechnung wird jedoch gemacht: Anrechnungspflichtig ist nur derjenige Verdienst, den der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung derjenigen Arbeitskraft erwirbt, welcher er dem Dienstberechtigten bereitzustellen verpflichtet war341 . Diese Einschränkung verdeutlicht indes nur Sinn und Zweck der Vorschrift:

336Unverständlich daher StolI, Haftungsfolgen, S. 259, der anderweitigen Erwerb durch überpflichtmäßige Anstrengungen von der Anrechnung ausnehmen will. 337 StaudingerlRichardi, § 615 RN 146; Hueck/Nipperdey I, S. 326; Nikisch I, S. 278. 338Vgl. BGH NJW 1974,602,603. 339StaudingerlRichardi, § 615 RN 147; Hueck/Nipperdey I, S. 326; Nikisch I, S. 278; Huecklv.Hoyningen-Huene, § 11 RN 12, HerschellLöwisch, § 11 RN 6; MünchKommHGB/v.Hoyningen-Huene, § 74c RN 6. 340BAG AP § 242, Nr. 16; AP § 74c HGB, Nr. 6, Nr. 13; AP § 13 KSchG, NT. 3. 341 BAG NZA 1990,221,223; BAGE 5,217, 219ff; RGZ 58, 402, 404.

110

3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

Nur solcher Verdienst wird angerechnet, der erst kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht worden ise42 . Wie auch bereits oben herausgearbeitet, kann der Dienstverpflichtete zu einem bestimmten Zeitraum seine Arbeitskraft nur einmal einsetzen und nur einmal dafür verdienen. Das Gesetz trägt diesem Befund hier Rechnung und macht es zur Grundlage seiner Bewertung. Ist ein Verdienst überhaupt nur denkbar, weil ein anderer versprochener Arbeitseinsatz ausbleibt, muß der Verdienst auf die nach Gefahrtragungsregeln weiterhin geschuldete Vergütung angerechnet werden, denn ein doppelter Verdienst gebührt dem nur einmal arbeitenden Dienstverpflichteten eben nicht. Darin liegt auch keine unbillige Entlastung des Dienstberechtigten, schon allein deshalb nicht, weil er den Annahmeverzug nicht unbedingt verschuldet hat. Außerdem obliegt es dem Dienstverpflichteten ja nicht, jede sich bietende Möglichkeit zu ergreifen. Er muß nur eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufnehmen. Die unzumutbare kann er wählen, muß dies aber nicht. Nur muß er sich dann eben auch diesen "unzumutbaren" Verdienst anrechnen lassen.

D. Die Möglichkeit einer analogen Anwendung von § 615 S. 2 2. Alt Im Fall der Annahmeunmöglichkeit muß sich ein Dienstverpflichteter nach § 615 S. 2 2. Alt. auf seinen Vergütungsanspruch jeglichen Verdienst anrechnen lassen, den er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erlangt. Die Vorschrift unterscheidet hier nicht zwischen obligationsmäßigem Verdienst, der auch im Fall des Unterlassens anzurechnen wäre (§ 615 S. 2 3. Alt.) und überobligationsmäßiger Verwendung der Arbeitskraft. Bedeutung hat diese Feststellung für den Gegenstand der Untersuchung, denn die herrschende Lehre weicht hier in ihrer Bewertung und im Ergebnis zu § 254 11 entscheidend von der Lösung des Gesetzes in § 615 S. 2 2.Alt. ab, obwohl die Interessen in beiden Fällen gleichgelagert sind: Dem jeweiligen Anspruchsinhaber (Geschädigter, Dienstverpflichteter), der mit seiner Arbeitskraft freigeworden ist, soll keine Ersatzarbeit in unzumutbarer Weise aufgedrängt werden, andererseits soll der jeweilige Anspruchsgegner

342BAG NZA 1990, 221, 223; Huecklv.Hoyningen-Huene, § 11 RN 11; StaudingerlRichardi, § 615 RN 140.

D. Die Möglichkeit einer analogen Anwendung von § 615 S. 22.Alt

III

(Schädiger, Dienstverpflichteter) so weit wie möglich von einer gegenwertlosen Zahlungspflicht entlastet werden. Das Gesetz sieht die gerechte Lösung des Konflikts in der Anrechnung jeglichen Verdienstes, § 615 S. 2. 2.Alt. Es kann eben im obigen Beispiel keinen Unterschied für die Schadenshöhe machen, ob der Arbeitgeber X oder der Arbeitnehmer AN tatsächlich die Stelle als Hilfsbademeister annehmen. Sowohl der direkte Verdienstausfallgeschädigte X als auch der mittelbar Verdienstausfallgeschädigte AN343 können nur als Bademeister verdienen, weil ihre Arbeitsstätte abgebrannt ist und sie aufgrund dieser Tatsache einen vorübergehenden Berufswechsel eingehen. Die Berücksichtigung des Verdienstes fordert hier § 615 S. 22.Alt, und richtigerweise muß für den Verdienst des X gern. § 254 11 genauso entschieden werden. Daß die herrschende Lehre hier die gesetzliche Wertung trotz gleicher Interessenlage für die Auslegung von § 254 11 nicht heranziehen will, ist daher nicht überzeugend, wenn doch das Gesetz selbst und gleich in einer Reihe von Vorschriften die von ihm als richtig erachtete Lösung vorgibt. Die Auslegung des § 254 11 und des Tatbestandsmerkmals ,,zumutbarkeit", beides zu konkretisierende, "ausfüllungsbedürftige" Maßstäbe 344 , übergeht hier den Bedeutungszusammenhang des Gesetzes. Unter mehreren, dem Wortsinn nach möglichen Auslegungen verdient daher diejenige den Vorzug, die die Wahrung der sachlichen Übereinstimmung mit einer anderen Bestimmung ermöglicht34s • Aus diesem Grund hätte hier auch eine Analogie bei der Beurteilung tatsächlicher Schadensabwehr nahegelegen. Larenz definiert die Analogie als die Übertragung der für mehrere untereinander ähnliche Tatbestände im Gesetz gegebene Regel auf einen ähnlichen Tatbestand346 • Larenz formuliert dies zwar für eine Analogie zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke347 , aber bei der Konkretisierung einer general klausel artigen Gesetzesformel kann man ähnlich vorgehen, indem man bereits vorgegebene gesetzliche Wertungen überträge 48 . Insoweit

343Über die Belastung mit der Gefahrtragung aus § 615 S. I, die der Geschädigte X gern. § 252 auf den Schädiger überleitet. 344 Larenz, S. 166. 345 Larenz, S. 200. 346 Larenz, Methodenlehre, S. 255. 347 Auch Canaris, S. 25 betont, daß jede Analogie eine Gesetzeslücke erfordert. 348Nicht zuletzt bei der Lückenfüllung sind andernorts vorgenommene EinzeIwertungen des Gesetzes vorrangig heranzuziehen, Canaris, S. 163f, 171, 199, 202.

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3. Teil: Überobligationsmäßiges Tun im Leistungsstörungsrecht

muß neben den oben gemachten Ausführungen 349 als methodischer Einwand gegen die herrschende Lehre festgehalten werden, daß sie unnötigerweise gesetzlich vorgegebene Wertungen bei der Auslegung eines konkretisierungsbedürftigen Tatbestandes außer acht läßt und sie nicht auf einen gleich gelagerten Sachverhalt überträgt.

3432.Teil C. I I.

4. Teil

Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit A. Einleitung: der sogenannte Fahrlehrerfall BGHZ 55, 329 Im Lichte der oben aufgezeigten Ergebnisse ist es fragwürdig, ob eine tatsächliche, den Verdienstausfallschaden abwehrende Tätigkeit des Geschädigten zu seinen Gunsten nicht berücksichtigt werden darf, wenn ihm die Tätigkeit im Rahmen von § 254 11 nicht zugemutet werden kann. In Fällen, in denen den Geschädigten im Grundsatz eine Obliegenheit zur Schadensabwehr trifft und in denen er tatsächliche Bemühungen zur Schadensabwehr unternimmt, sollten die Ergebnisse dieser Bemühungen dem Geschädigten richtigerweise stets als obi igationsgemäße Abwehr des Schadens angerechnet werden. Dies gilt wie dargelegt für die Abwehr des Verdienstausfallschadens sowohl durch Neueinsatz verbliebener Arbeitskraft (,,Landärztin") als auch durch zusätzlichen Einsatz der Arbeitskraft (',Arzthelferin") und durch angestelltes Personal ("Diplomchemiker"). In ihrem letzten Teil wendet sich die Untersuchung nunmehr einer Fallkonstellation zu, die einige Besonderheiten ausweist: es handelt sich um das Nachholen der ausgefallenen Arbeitsleistung. Als Beispiel kann auch hier wieder eine vielzitierte Entscheidung des BGH dienen. Der klagende Fahrlehrer verlangte Verdienstausfall für den Zeitraum (2 Wochen), in dem ihm sein beschädigtes Fahrzeug wegen der Reparatur nicht zur Verfügung gestanden hatte. Die Besonderheit lag darin, daß der Fahrlehrer die ausgefallenen 100 Fahrstunden im Laufe der Zeit - jedenfalls bis zur Berufungsverhandlung - allesamt nachgeholt hatte. Offengeblieben war, wie schnell dieses Nachholen geschehen war und ob der Fahrlehrer den ausgefallenen Unterricht später in seinen 11 StundenArbeitstag eingeschoben oder in abendlichen Überstunden "abgearbeitet" hatte35o . Das Problem bestand darin, daß nach der reinen Differenzhypothese rechnerisch scheinbar (s.u. D. IV.) kein Vermögensnachteil in Form entgange-

350BGH,

8 Wenich

NJW 1971,838.

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

nen Gewinns bei dem Fahrlehrer entstanden war, denn er hatte ja die ausgefallenen Stunden nachgeholt und keinen Ausfall anderer Stunden vorgetragen. Für den BGH ist entscheidend die Frage, ob die Nachholung zu berücksichtigen sei, und dies wiederum richte sich danach, ob die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspreche und den Schädiger nicht unbillig entlaste351 . Er gelangt im Ergebnis zu dem Rechtssatz, daß, wer Ersatz entgangenen Gewinns wegen verhinderter Geschäfte fordert, sich den Ertrag nachgeholter Geschäfte nicht anrechnen lassen müsse, soweit sich die Nachholung als überpflichtmäßige Maßnahme aus dem Rechtsgedanken des § 254 11 darstelle352 • Diese Rechtsprechung wirft einige Fragen auf, die im folgenden beantwortet werden sollen. So soll zunächst untersucht werden, ob bei der Nachholung ausgefallener Arbeit mit dem Rechtsgedanken des § 254 11 operiert werden kann, d.h., ob es sich überhaupt um einen Fall von Schadensabwehr oder nicht vielmehr um Schadensbeseitigung handelt (s.u. B.). Sodann wird in einem zweiten Schritt problematisiert, ob dem Geschädigten wirklich eine Obliegenheit zur Nachholung ausgefallener Arbeit trifft (s.u. C), schließlich wie das tatsächliche Nachholen im Ergebnis zu bewerten ist (s.u. D.). Für den konkreten Fall des Fahrlehrers wäre also jeweils zu fragen, ob ein Nachholen des Unterrichts den Verdienstausfallschaden überhaupt noch abwehrt, denn nur die Abwehr kann dem Schädiger zugute kommen; zur Schadensbeseitigung ist der Geschädigte niemals verpflichtet. Ferner bleibt zu fragen, in welchem Umfang gegebenenfalls eine Obliegenheit bestehen könnte: Müßte der Fahrlehrer die 100 Stunden nachholen? Eventuell in abendlichen Überstunden auf Kosten des Familienlebens? Könnte er die 100 Stunden nicht zumindest in seinen Stundenplan integrieren? Im vorliegenden Fall spielt überdies hinein, daß der Fahrlehrer während der zweiwöchigen Reparatur untätig sein mußte. Hier könnte man versucht sein, in diesem ,,zwangsurlaub" einen Vorteil für den Geschädigten zu sehen, der einen Schaden ausschließt.

351 BGHZ 55, 333f. 352BGHZ 55, 329 LS; MünchKommlGrunsky, § 254 RN 48; SoergeVMertens, v. § 249 RN 236.

B. Die Abgrenzung von Abwehr und Beseitigung des Verdienstausfalls

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B. Die Abgrenzung von Abwehr und Beseitigung des Verdienstausfallschadens Abwehr und Beseitigung des Verdienstausfallschadens voneinander abzugrenzen ist deshalb erforderlich, weil das Gesetz an beide Konstellationen unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft: im Bereich der Schadensabwehr treffen den Geschädigten im Grundsatz Obliegenheiten, deren Verletzung unter Umständen zum teilweisen oder ganzen Verlust seiner Schadensersatzansprüche führt. Zum alleinigen Pflichtenkreis des Schädigers gehört dagegen nach § 249 die Beseitigung des Verdienstausfallschadens, d.h. die Herstellung der Einkommenssituation, die bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre und zu dem Verdienstausfall geführt hätte. Da das Gesetz selbst kein Abgrenzungskriterium zwischen der Schadensbeseitigung und -abwehr nennt, ist es zunächst hilfreich, den Regelungsgehalt von § 254 herauszuarbeiten. Über den Geltungsgrund von § 254 herrscht bis heute in Rechtsprechung und Lehre keine Einigkeit353 . Während der BGH § 254 als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben verstanden hat und Teile der Literatur dies mit dem Hinweis auf das Verbot des "venire contra factum proprium" konkretisieren 354 , will Larenz355 auf das Prinzip der persönlichen Mitverantwortung des Geschädigten für seine eigenen Rechtsgüter zurückgreifen. Die Schwierigkeiten setzen sich bei der Bestimmung des Verschuldensbegriffes in § 254 fort. Verschulden bezieht sich auf die Verletzung von Verhaltenspflichten, die gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehen und die einklagbar sind. Eine Übertragung dieses Begriffes auf § 254 verbietet sich jedoch, da die Rechtsordnung gerade keine Pflicht aufgestellt hat, sich selbst vor Schaden zu bewahren356 • Im Ergebnis herrscht aber Konsens darüber, daß aus der Mitverantwortlichkeit des Geschädigten für seinen Schaden eine Minderung oder gar der Wegfall seines Ersatzanspruchs als nachteilige Konsequenz folgt. Reimer Schmidt schließlich hat für diese Konstellation den Begriff der "Obliegenheit" gepräge 5?

353S. dazu Rother, S. 80. 354 BGHZ 34, 355, 363; NJW 1982, 168; R.Schmidt, S. 111; RGRKlA(ff, § 254 RN I; PalandtlHeinrichs, § 254 RN 2; Fikentscher, RN 570. 355 Larenz, Schuldrecht I, § 31 La), S.540; ihm folgend Lange, § 10 V 2, S. 549. 356SoergeVMertens, § 254 RN 2; StaudingerlMedicus, § 254 RN 31; MünchKomrnlGrunsky, § 254 RN 2; aA Greger, NJW 1985, 1130, 1133, der aber - unzutreffend - nicht zwischen Rechtspflicht und Obliegenheit unterscheidet. 35?R.Schmidt, S. 104, 315f.



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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

Einig ist man sich auch über das Verhältnis der beiden Absätze von § 254 zueinander. § 254 I regelt nur die aktive Selbstschädigung, das heißt, ein Verhalten des Geschädigten ist für den Schadenseintritt kausal geworden. Für das Unterlassen der Schadensabwendung, das heißt für die Selbstschädigung durch Unterlassen, stellt § 254 11 die Folgen der Mitverantwortlichkeit den Folgen bei aktiver Selbstschädigung gleich. Entscheidend ist für die Abwägung der Umstände nach § 254, in wessen Verantwortungssphäre die Folgen des Schadensereignisses fallen 358 , mit anderen Worten, ob dem Geschädigten oder dem Schädiger die Folgen zuzurechnen sind359 . Es muß also eine Bewertung des Verhaltens der Beteiligten im Hinblick auf die Schadensfolgen vorgenommen werden 360 . In § 254 11 wird der Schadensabwendungsobliegenheit eine weitere Obliegenheit zur Seite gestellt, nämlich die Schadensminderungsobliegenheit. Sie unterscheidet sich von der Schadensabwendungsobliegenheit darin, daß hier bereits ein Schaden eingetreten ist und es dem Geschädigten obliegt, höheren Schaden zu vermeiden, anstatt - wie bei der Schadensabwendungsobliegenheit auf das Ausbleiben überhaupt eines Schadens hinzuwirken 361 . Eine Notwendigkeit, diese Untergruppe gesondert aufzuführen, besteht damit nicht. Im Gegenteil ist die sprachliche Fassung gerade dieser Variante verunglückt, denn mindern kann der Geschädigte nur den einmal eingetretenen Schaden362 . Vom Gesetz gemeint ist vielmehr die Obliegenheit, den Schaden gering zu halten 363 . Der Gehalt einer "Schadensgeringhaltungsobliegenheit" ist jedoch von der Schadensabwendungsobliegenheit bereits erfaßt. Es geht dann in diesen Fällen nur darum, weiteren Schaden abzuwenden 364 . Die Schadensminderungsobliegenheit in § 254 11 1 enthält folglich nur eine semantische Variation, der keine eigene dogmatische Bedeutung zukommt.

358 Ähnlich R.Schmidt, S. 114,317; Lange, § 10 V.2., S. 549. 359 Weidner, S. 2, 25. 360 In diese Richtung auch Rother, VersR 1983, 793, 798, der in seiner Untersuchung nachweist, daß in § 254 einzig das Verschulden der Beteiligten Eingang in die Abwägung finden kann. 361 MünchKommlGrunsky, § 254 RN 44. 362 Mißverständlich z.B Larenz, Schuldrecht I, § 31 I c), S. 443, der von der Obliegenheit spricht, den bereits eingetretenen Schaden zu mindern. BGHZ 75, 230, 234, formuliert, daß § 254 11 es dem Geschädigten auferlege, die Beseitigung des Schadens selbst in die Hand zu nehmen; ebenso RGRK/A{ff, § 254 RN 37. 363Ebenso StaudingerlMedicus, § 254 RN 115; MünchKommlGrunsky, v. § 249 RN 65. 364Thiele, AcP 167, 293, 204.

B. Die Abgrenzung von Abwehr und Beseitigung des Verdienstausfalls

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Dementsprechend zeichnet sich der Kerngehalt des § 254 ab: Es geht um die Zurechnung bestimmter Folgen eines Schadensereignisses, für die der Schädiger aufgrund seines Verhaltens zwar kausal geworden ist, für die er gleichwohl nicht uneingeschränkt einzustehen hat, weil sie auch dem Verantwortungsbereich des Geschädigten unterfallen. Dieser hätte sie ebenso voraussehen und ihren Eintritt vermeiden können. Die genauere Betrachtung von § 254 11 verdeutlicht zudem folgende Gemeinsamkeit der von ihm erfaßten Fallgruppen: Die Differenz zwischen den Vermögenslagen mit und ohne Schadensereignis droht, noch größer zu werden. Beim körperverletzten, arbeitsunfähigen Geschädigten beispielsweise wächst der Vermögensschaden Monat für Monat mit Ausbleiben seiner Gehaltsüberweisung. In diesem Stadium der Vermögensentwicklung entsteht für den Geschädigten die Abwendungsobliegenheit unter der Voraussetzung, daß er den Eintritt des Schadens voraussieht und die zumutbare Möglichkeit hat, ihn zu vermeiden. In all diesen Fällen ist die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen. Steht der Schaden einmal fest und kann die Differenz nicht weiter wachsen, dann kommt in der Folgezeit nur noch in Betracht, den Schaden zu beseitigen. Die Verpflichtung dazu (man könnte formulieren: die Pflicht, einen eingetretenen Schaden zu mindern) trifft ausschließlich den Schädiger nach § 249. Der Bereich, in dem den Geschädigten Obliegenheiten gemäß § 254 11 treffen, läßt sich danach klar vom Pflichtenkreis des Schädigers (§ 249) abgrenzen: bei Obliegenheiten geht es um Maßnahmen zur Schadensabwehr, die in dem Moment nicht mehr möglich sind, in dem der Schaden endgültig entstanden ist. Weil vom Zeitpunkt der Schadensentstehung kein (weiterer) Schaden mehr abzuwehren ist, wechselt die Verantwortlichkeit. Der Schaden ist sozusagen komplett, und das nächste Stadium betrifft dann die Schadensbeseitigung. Sie ist Aufgabe des ersatzpflichtigen Schädigers. Daß die Unterscheidung der verschiedenen Phasen im Schadensverlauf Abwehr drohenden (weiteren) Schadens einerseits und Beseitigung eingetretenen Schadens andererseits - schwierig sein kann, verdeutlicht der vom BGH entschiedene Fahrlehrerfall. Vor dem Unfall war der Einsatz der Arbeitskraft uneingeschränkt nach dem Plan des Fahrlehrers gewährleistet. Nach dem Unfall wurde dieser Arbeitseinsatz durch Beschädigung von Betriebsmitteln vorübergehend beeinträchtigt. Der betriebliche Ablauf, das heißt der koordinierte Einsatz von Arbeitskraft und Betriebsmitteln, war gestört und führte zu einem Arbeitsausfall. Erst in der Folgezeit nach der Reparatur kann der Fahrlehrer die eigene Zeit und Arbeit (wieder) so einteilen, wie er es auch ohne Unfall getan hätte. Ab Wiederaufnahme des Fahrschulbetriebs sind dann aber alle nachteiligen Folgen,

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

die der Unfall für den Einsatz der Arbeitskraft und korrespondierend dazu für den Verdienstausfall hat, vollständig eingetreten: eine bestimmte Zahl x der Fahrstunden ist ausgefallen. Die Folgen sind nun zunächst untechnisch gesprochen "in der Welt". Allerdings waren die ausgefallenen Stunden hier allesamt nachholbar. Dieser Umstand suggeriert eine Unabgeschlossenheit des Schadensverlaufs und legt damit die Vorstellung nahe, daß der Schaden noch nicht endgültig entstanden, sondern - eben durch Nachholen der Stunden - abwehrbar ist. Der Einwand, der gegen diese Betrachtungsweise erhoben werden kann, soll an einem Parallelbeispiel aus der Rechtsprechung des OLG Nürnberg 365 verdeutlicht werden: dort war das Auto eines Taxifahrers reparaturbedingt ausgefallen, ehe es ihm wieder ausgehändigt werden konnte. Hier zeigt sich, welche Zäsur die Rückgabe des Kfz in beiden Fällen darstellt. Auf der einen Seite kann der Geschädigte von nun an sowohl seine Geschäfte als auch sein Privatleben so weiterführen, wie er es auch ohne Schädigung tun würde. Der Unfall und seine Folgen sind insoweit "bereinigt" und beeinträchtigen den Geschädigten nicht weiter. Aber Taxifahrer und Fahrlehrer haben in diesem Moment einen Verdienstausfall in Höhe der weggefallenen Vergütungen. Der Verdienstausfall nimmt zwar aus der Sicht des Geschädigten nicht mehr von Tag zu Tag zu, doch ist die Situation des Geschädigten zu dem Zeitpunkt, in dem er seine Arbeitskraft nach einer Phase des Arbeitsausfalls wieder einsetzen kann, verglichen mit der hypothetischen Situation ohne Schadensereignis nachteilig, denn der Verdienst für den zurückliegenden Arbeitsausfall ist insoweit ausgeblieben. Nachholen der ausgebliebenen Stunden bedeutet ab diesem Zeitpunkt, den eingetretenen Verdienstausfallschaden wieder zu beseitigen. Der Verdienstausfallschaden ist also solange abwehrbar, wie die Arbeitskraft, deren ursprünglich geplanter Einsatz durch das Schadensereignis verhindert wird, auf andere Weise gegen Entgelt eingesetzt werden kann. Er entsteht jedoch in dem Moment, in dem das schädigende Ereignis in einem bestimmten Zeitraum zu einem Arbeitsausfall und damit zu einem Wegfall der für die Arbeit als Gegenleistung gezahlten Entgelte führt. Von diesem Zeitpunkt an kommen nur noch schadensbeseitigende Maßnahmen in Betracht. Ein Blick auf die Fallgruppe "Schadensabwehr durch Mehreinsatz der Arbeitskraft" veranschaulicht diesen Ansatz. Im Arzthelferinfall 366 beispielsweise beugte der geschädigte Mediziner dem Ausfall von Behandlungen und Verdienst vor, indem er durch zusätzliche Arbeit einen normalen Betriebsablauf 3650LG Nümberg, VersR 1973,722. 366BAG NJW 1968,221.

C. Die Obliegenheit zum Nachholen ausgefallener Arbeit

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gewährleistete. Er war "prophylaktisch" tätig in der Phase der Schadensentstehung. Die Patienten sollten eben nicht nachträglich wie Fahrschüler eingeschoben und behandelt werden. Auf diese Weise vermied es der Arzt gerade, daß er einen Einkommensverlust erleiden und gezwungen würde, den Einkommensverlust später wieder rückgängig zu machen, das heißt zu beseitigen. Nach dem hier gefundenen Ergebnis bedeutet das Nachholen ausgefallener Arbeit also, den Arbeitsausfall und den entstandenen Verdienstausfall nachträglich wieder zu beseitigen. Allerdings liegt in diesem Ergebnis noch keine Aussage darüber, ob den Geschädigten eine Obliegenheit zur Nachholung ausgefallener Arbeit trifft. Verfehlt ist es lediglich, mit dem Rechtsgedanken aus § 254 11 - also aus dem Bereich der Schadensabwehr -, (Über-)Obliegenheiten im Bereich der Schadensbeseitigung wertend zu begründen.

C. Die Obliegenheit zum Nachholen ausgefallener Arbeit Wie soeben dargelegt zeigen das Nachholen und damit die Nachholbarkeit der ausgefallenen Arbeit nur, daß ein Verdienstausfallschaden durch den Geschädigten beseitigt werden kann. Von dieser Feststellung zu unterscheiden ist aber die Frage, ob den Geschädigten in dem Zeitpunkt, in dem er seine Arbeitskraft wieder wie - ohne das Schadensereignis - geplant einsetzen kann, eine Obliegenheit trifft, den Verdienstausfallschaden zu mindern oder weniger mißverständlich: den Verdienstausfallschaden durch Nachholen der ausgefallenen Arbeit zu beseitigen367 . Eine Obliegenheit anzunehmen, hieße, dem Geschädigten Nachteile für seinen Ersatzanspruch anzudrohen, wenn er die ausgefallene Arbeit nicht nachholt. Insoweit ist die Rückfrage erforderlich und hilfreich, ob der Geschädigte seinen Verdienstausfall auch für den Fall hätte geltend machen können, in dem er die ausgefallene Arbeit nicht nachholt und trotzdem seinen Stundenplan - wie auch schon in der Zeit vor dem Schadensereignis - voll ausfüllt. Denn die Begründung einer Obliegenheit muß unabhängig davon erfolgen, ob der Geschädigte im konkreten Fall dieser Obliegenheit nachkommt oder nicht. Hier ist dem BGH entschieden zu widersprechen, wenn er meint, die Zumutbarkeit der Nachholung lasse sich ohne Kenntnis des Zeitraums der tatsächlichen Nachho367Bejahend BGHZ 55,329; PalandtlHeinrichs, § 254 RN 37; ErmanlKuckuk, § 254 RN 65; RGRKlBoujong, § 843 RN 121; Klimke, OB 1978, 1323, 1329; Ruhkopj/Book. VersR 1970,690,695; im Ergebnis wohl auch StolI, Vermögensschaden, S. 28.

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

lung nicht beurteilen 368 . Richtigerweise hätten die Gerichte im Fahrlehrerfall von sich aus Feststellungen darüber treffen müssen, ob und in welchem Zeitraum ein Fahrlehrer mit 13-Stunden-Arbeitstag seine Fahrstunden nachzuholen hätte. Diese Kontrollüberlegung offenbart jedoch bereits die Problematik einer Obliegenheit zur Schadensbeseitigung durch Nachholen ausgefallener Arbeit. Es ist im Fall der unterlassenen Nachholung nicht möglich, das Geschäftsgebaren eines ausgebuchten selbständigen Fahrlehrers daraufhin zu kontrollieren, ob und wie ihm das Einschieben ausgefallener Stunden möglich gewesen wäre369 . Erst recht ist es unbillig, dem in der Folge einer zwei wöchigen .,zwangserholung" vorübergehend besonders leistungsfähigen Selbständigen auch einmal 15 oder 16 Arbeitsstunden pro Tag zu oblegen 370. Man könnte dem Geschädigten nicht einmal dann ein Nachholen als Obliegenheit aufbürden, wenn der Fahrlehrer die ausgefallenen Stunden nicht nachholt, obwohl er sich bei täglicher Arbeit von 6.30 bis 20.00 Uhr nach dem Unfall entschlossen hat, andere Kunden mitunter bis 22.00 Uhr zu bedienen. Selbst hier könnte der Schädiger nicht verlangen, daß der Fahrlehrer gerade die ausgefallenen Stunden in solchen Sonderschichten nachholen möge. Die Geschäftspolitik des Fahrlehrers, dessen Leistungsfähigkeit und Arbeitslust gehen ihn nichts an. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts, wenn der Fahrlehrer generell nur halbtags arbeiten würde. Man könnte zwar daran denken, dem Geschädigten die Obliegenheit aufzuerlegen, ausgefallene Stunden auch einmal ganztags nachzuholen. Diese Einschätzung wird aber schon problematisch, wenn der Fahrlehrer in dieser Zeit anderen privaten Verpflichtungen nachgehen müßte, etwa seine pflegebedürftigen Eltern oder erziehungsbedürftigen Kinder betreuen müßte. Freilich ließe sich noch einwenden, der Fahrlehrer könnte die Stunden wenigstens nachholen, wenn er während des freien halben Tages ,,rein persönlicher" Beschäftigung nachginge, wie Tennisspielen, Lesen oder Fernsehen. Könnte der Schädiger hier ausnahmsweise vom Geschädigten verlangen, den freien Nachmittag zu opfern, um die Stunden nachzuholen? Zumutbarkeitskriterium wäre die soziale, karitative, moralisch unabdingbare Tätigkeit des Geschädigten in seiner Freizeit. Aber die Art der Freizeitgestaltung darf für die Obliegenheiten des Geschädigten bei der Schadensbeseitigung keine Rolle spielen. Die Frage stellt sich dann, warum hier die Schadensbeseitigung bereits Im 368 BGH NJW 1971, 838 unter b). 369Ebenso Lieb, JR 1971,371,373; aA LG Dortmund, VersR 1967,717. 370S0 aber BGH NJW 1971,838; KUmke, DB 1978,1323, 1324f.

C. Die Obliegenheit zum Nachholen ausgefallener Arbeit

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Grundsatz unzumutbar ist, während es in den oben behandelten Fallgruppen371 für die Zumutbarkeitsbeurteilung stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Schließlich wird der Geschädigte ja auch dort darauf verwiesen, Maßnahmen zur Schadensabwehr zu ergreifen und damit sein Leben in bestimmten Umfang umzugestalten. Zwei Gründe sind hier zu nennen, warum die Fälle nicht vergleichbar sind Zum einen liegt die Besonderheit der Fallgruppe darin, daß der Schaden (Verdienstausfall wegen Arbeitsausfalls) und die Anstrengungen zur Schadensbeseitigung (Nachholen der ausgefallenen Arbeit) eine völlig gleichwertige Position im Vermögen des Geschädigten darstellen. Das Nachholen ist hier nicht mehr das kleinere Übel (,,Arzthelferinfall"), und sie trifft den Geschädigten auch nicht mehr in einem Moment, in dem er von einer anderen Belastung frei wird (,,Landärztinfall"). Vielmehr würde die Obliegenheit zur Schadensabwehr hier bedeuten, daß die Folgen aus dem Schadensereignis zeitlich in das Leben des Geschädigten erstreckt werden und daß der Schädiger vollständig und einzig zum Nachteil des Geschädigten entlastet wird. Ausschlaggebend ist aber noch ein zweiter, damit zusammenhängender Gesichtspunkt, der zeigen soll, welche Zäsur darin liegt, daß die Arbeitskraft wieder wie ursprünglich (ohne das Schadensereignis) geplant, eingesetzt werden kann. Nachdem die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, beispielsweise nach vollständiger Genesung, aufgehoben ist, nimmt die Entwicklung im Leben und im Vermögen des Geschädigten wieder ihren gewöhnliche Lauf. Der "Betrieb" wird wieder aufgenommen, "alles geht nun wieder seinen Gang", die Situation ist diejenige, wie sie auch ohne Schadensereignis wäre. Die Schädigung und ihre Folgen, der Ausfall bestimmter Arbeitsstunden, sind ab dem Zeitpunkt der Genesung ein abgeschlossenen Vorgang. Dem Geschädigten jetzt die Obliegenheit zur Nachholung ausgefallener Arbeit aufzubürden, hieße - anders als in den Fällen dauerhafter Schädigung - nichts anderes, als ihn mit den Folgen des Schadensereignisses auch dann noch zu belasten, wenn sich seine tatsächliche Lebenssituation mit der hypothetischen Situation ohne Schädigung wieder deckt. Freilich ist dies zu präzisieren. Im Zeitraum des Verdienstausfalls kann der Schädiger natürlich etwas "verlangen". Das heißt, der Geschädigte hat gegenüber dem Schädiger eine Obliegenheit, und zwar, daß der Geschädigte versucht, den Ausfall durch Aufnahme irgendeiner anderen Tätigkeit so gering wie möglich zu halten. Reichsgericht und BGH haben dies in Dutzenden von Urteilen

371 S.o. zur Zumutbarkeit bei unterlassener Schadensabwehr die Nachweise in Fn. 76.

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

judizieren. In allen jenen Urteilen ging es indes nur darum, ob der Geschädigte während eines bestimmten Zeitraumes seiner Obliegenheit zur Schadensabwehr nachgekommen war, mit anderen Worten, ob es erst gar nicht zum Arbeitsausfall und damit zum Streit um den Verdienstausfallschaden hätte kommen müssen373 • Über dieses Stadium präventiver Schadensabwehr sind die Fälle, bei denen es um die Obliegenheit zur Nacharbeit geht, längst hinaus. Der Erwerbsausfall im Vermögen des Geschädigten ist eingetreten, somit geht es nur um die Frage, wer die Ausfallverluste auszugleichen hat, der Schädiger durch Zahlung eines Geldbetrages oder der geschädigte Erwerbstätige durch besondere Geschäftspolitik bzw. besondere Opfer, um die Arbeit nachzuholen. Hier gilt, daß der Geschädigte schon grundsätzlich nicht gehalten sein kann, einen eingetretenen Verdienstausfallschaden zu beseitigen. Er braucht sein Leben nicht durch Überstunden oder durch Verzicht auf Freizeit einzig im Interesse des Schädigers und ohne eigenen Vorteil neu einzurichten, wenn es doch gerade zu diesem Zeitpunkt von den Folgen des schädigenden Ereignisses "bereinigt" ist und seine Lebenssituation wieder mit derjenigen ohne Schädigung zusammenläuft. Eine Obliegenheit zur Nachholung ausgefallener Arbeit würde nichts anderes bedeuten, als den Geschädigten die Last der Schadensbeseitigung zur überbürden und den Schädiger auf Kosten des Geschädigten von seiner Verpflichtung aus § 249 freizustellen. I. Die Berücksichtigung unfallbedingter Freizeit

Anders urteilt freilich der BGH. Er hält eben diese Obliegenheit zur Nachholung in einem Schritt für grundsätzlich denkbar374, in einem zweiten Schritt prüft er den Rahmen des Zumutbaren im Einzelfall. Als Grund dafür soll auch der Umstand Berücksichtigung finden, daß der Geschädigte während des Zeitraumes der Schädigung oft untätig bleiben muß. Wenn der Geschädigte dann später die ausgefallene Arbeit nachholt, wendet er zwar Freizeit auf. Dafür sei er aber an anderer Stelle (nämlich während der unfallbedingten Untätigkeit) von der Arbeitsleistung freigestellt worden 37S • Daher habe er doch im Gesamtergeb372S.0. Fn 82 und 83. 373S0 lag beispielsweise der Fall des LG Frankfurt, VersR 1980,55. Zur Nachholung war der Fahrlehrer auch dort nicht verpflichtet. Fraglich war aber, ob er den Ausfall der Stunden nicht durch Einsatz eines zweiten Fahrschulwagens bzw. durch Aufschieben der Reparatur nur sehr geringer Schäden von vornherein hätte vermeiden können. 374BGHZ 55, 333f; ebenso Steifen, NJW 1995,2057,2062; Geiget, NJW 1963,765; LG Dortmund VersR 1967,717. 375BGHZ 55, 329ff = NJW 1971,838 aE.

C. Die Obliegenheit zum Nachholen ausgefallener Arbeit

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nis die schadensmindernde Tätigkeit nicht zusätzlich erbracht. Zumindest könne es dem Geschädigten wegen dieser - wenn auch erzwungenen - arbeitsmäßiger\. Freistellung bzw. Umverlagerung zuzumuten sein, Überstunden in gewissen Grenzen abzuleisten. Auch Lieb und ihm folgend Teile der Literatur meinen, Freizeit und Arbeit hätten sich hier nur verschoben, der für das Nachholen aufgewendeten Arbeitszeit stehe der Vorteil der Freizeit gegenüber376 . Dann sei bestenfalls Mehrarbeitsvergütung für den Fall zu erstatten, daß der Geschädigte die Stunden zu einem ungünstigen, außerhalb des normalen Planes liegenden Zeitraum nachholen mußte377 • Vom Arbeitsrecht kommend denkt Lieb hier wohl an Zuschläge für Sonderschichten. Hätte im Beispiel des Fahrlehrers dieser die Fahrten sonntags nachgeholt, so wäre ihm nicht der Ausfall für die normalen Stunden zu ersetzen, sondern die Differenz zwischen "Sonntags- und Wochentagsstunden,,378. Der BGH und Lieb wollen also berücksichtigen, daß unfallbedingte Untätigkeit und das spätere Nachholen in einem gewissen Kompensationsverhältnis stehen und daß der eine Vorteil (Freizeit) den anderen Nachteil (Verdienstausfall) ausgleicht. Doch setzt diese Betrachtungsweise voraus, daß eine unfall bedingte Zwangspause des geschädigten Erwerbstätigen überhaupt als Vorteil angesehen werden kann. Man könnte daran denken, daß der Geschädigte etwa seine gesamten Freizeitaktivitäten, im Extremfall seinen Urlaub, in die Phase der Untätigkeit verlagert und die so in späteren Zeiträumen frei werdenden Stunden (vielleicht sogar den ursprünglich ins Auge gefaßten Urlaubs zeitraum) auffüllt. Aber hier wird es wohl kaum jemals dem Geschädigten möglich sein, seine gesamte Freizeit oder gar einen Urlaub ad hoc umzubuchen und den ursprünglich geplanten Urlaub mit der ausgefallenen Arbeit einzutauschen. Daß der Geschädigte seine Ausfallzeit dazu verwenden möge, um einen Urlaub anzutreten, wird der Schädiger außerdem nur verlangen, wenn er in gleichem Atemzuge fordern könnte, während der ursprünglichen Urlaubszeit nun die 376Lieb, IR 1971, 371, 373 l.Sp.; EsseriSchmidt, § 32 11 3 b), S.202; Magnus, S.264; StaudingerlMedicus, v. § 249 RN 153; Medicus, Bürgerliches Recht, RN 859; Nüßgens, LM § 249 (A) BGB, Nr. 28 aE; Klimke, DB 1978, 1323, 1325, 1330; das LG Hagen, NIW 1963, 765, denkt ähnlich, wenn es die gemachte Zeiterspamis im Weg der Vorteilsausgleichung berücksichtigen will. . 377 Lieb, IR 1971, 371, 373 I.Sp.; Schiemann, S. 26lf; StolI, Haftungsfolgen, S. 259; aA Geigel, NIW 1963,765: Schadensersatz nur, wenn der Geschädigte für die Nachholung nicht nur Freizeit einbringt, sondern andere konkrete Verdienstmöglichkeiten verstreichen läßt. 378 Diesen Weg beschreitet das LG Hagen, NIW 1965,765, in einem Fall, in dem der Fahrlehrer erwiesenermaßen die Fahrstunden sonntags nachgeholt hat; ebenso Staudinger/Medicus, § 249 RN 153.

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

ausgefallenen Stunden abzuarbeiten. Nur für diesen Fall stehen Vorteil ,,Freizeit" und Obliegenheit zur Nachholung genau in einem ,,Austauschverhältnis". Aber ebensowenig wie bei einer ad hoc Urlaubsumbuchung wird der Geschädigte imstande sein, die ausgefallene Arbeit nun genau in diesen neuen Zeitraum zu transponieren. Allein dieser Umstand spricht bereits gegen die These des BGH, man könne Freizeit und Arbeit austauschen und so einen Verdienst-ausfall schaden vermeiden. Wenn also der BGH einem Geschädigten generell oblegen will, die erzwungene Freizeit auszunutzen, indem er sich für die Zeit nach Wiedererlangung der Arbeitskraft stärkt und verstärkt für die Nachholung einsetzt, liefe dies im Ergebnis nämlich darauf hinaus, dem Geschädigten vorzuschreiben, wie und wann er seine Freizeit oder den Urlaub einzurichten hätte379 . Mit Anstrengungen zur Geringhaltung des Schadens hätte dies nichts mehr zu tun und das OLG Nürnberg380 hat sich dem zu Recht verschlossen. Aus all dem folgt, daß die unfall bedingte, aufgrund des Schadensereignisses erzwungene Untätigkeit kaum als Vorteil für den Geschädigten und in keinem Fall als Freistellung derart betrachtet werden kann, daß ein Austausch von Freizeit und nachzuholender Arbeit gerechtfertigt wäre, um die Zumutbarkeit bestimmter Anstrengungen zur Schadensabwehr zu begründen. 11. Obliegenheit zur Nachholung auch bei Verletzung

Die Fragwürdigkeit des Rechtssatzes, dem Geschädigten obliege in Grenzen die Nachholung ausgefallener Arbeit, wird zudem evident in dem besonderen Fall, in dem der Geschädigte während des Verdienstausfallzeitraumes verletzungsbedingt arbeitsunfahig ist. Der BGH müßte zwar die Anforderung an die Nachholung herunterstufen, weil die arbeitsmäßige Freistellung weggefallen ist und der Geschädigte seine Arbeit nicht gestärkt, sondern - im Gegenteil - vielleicht sogar geschwächt aufnimmt. An der grundsätzlichen Obliegenheit, die Stunden nachzuholen, würde die Sachverhaltsvariante jedoch nichts ändern. Der gerade genesene Fahrlehrer würde demgemäß wieder in seine Tätigkeit entlassen werden unter der Auflage, nun aber in bestimmtem Umfang für den Abbau des aufgestauten Arbeitsanfalls zu sorgen, denn nichts anderes bedeutet die Pflicht zur Nachholung der Stunden. Der Fahrlehrer müßte sich dann entweder einer Mehrbelastung unterwerfen (Überstundenmodell) oder sich eine künftige 379S0 tatsächlich Klimke, DB 1978. 1323, 1329: ein Taxifahrer zum Beispiel könne seine freien Tage verschieben. 3800LG Nümberg, VersR 1973,722.

D. Überobligationsmäßiges Nachholen ausgefallener Arbeit

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Geschäftsplanung diktieren lassen (Einschieben der alten, Aufschieben der neuen Kunden). Damit würde der Geschädigte im Ergebnis die gesamten Belastungen aus dem Schadensereignis tragen, was, wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, ein unangemessenes Ergebnis ise81 .

D. Die Bewertung überobligationsmäßiger Beseitigung des Verdienstausfallschadens durch Nachholen der ausgefallenen Arbeit Es bleibt festzuhalten, daß den Geschädigten nach der Entstehung eines Verdienstausfallschadens keine Obliegenheit trifft, den Schaden zu beseitigen, d.h., die ausgefallene Arbeit in der Folgezeit nachzuholen. Holt der Geschädigte ausgefallene Arbeit trotzdem nach, dann tut er etwas, zu dem er also weder verpflichtet noch gehalten ist, um einen sonstigen Nachteil zu vermeiden. Wurde im 3.Teil die tatsächliche Abwehr eines Einkommensverlustes bewertet, so soll im folgenden untersucht werden, ob tatsächliche Maßnahmen berücksichtigt werden sollen, die der Geschädigte zur Beseitigung seines Verdienstausfallschadens ergreift. Der BGH will den Ertrag nachgeholter Geschäfte nicht anrechnen, soweit sich die Nachholung als überpflichtmäßige Maßnahme darstellt382 . Holt also der - im übrigen völlig ausgelastete - Fahrlehrer in unzumutbarerweise Weise ausgefallenen Unterricht in abendlichen Überstunden nach, so soll ihm dies nicht angerechnet werden. Zumutbar nachgeholte Arbeit soll dagegen zum Vorteil des Schädigers in die Schadensbilanz aufgenommen werden. I. Bedarf als Schaden Man könnte gegen die Auffassung des BGH in Anlehnung an Zeune?83 argumentieren, ein in Geld zu ersetzender Schaden entstehe in Fällen dieser Art nicht erst mit dem endgültigen Ausfall der Arbeit, er liege vielmehr bereits darin, daß ein Verdienst überhaupt zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeblieben sei. Unter diesem Blickwinkel wäre der Schaden darin zu sehen, daß ein geldwerter Bedarf ausgelöst worden ist, der ohne das Schadensereignis nicht 381 So

wohl auch Deutsch, Haftungsrecht, RN 846. 55,329,333. 383Zeuner, AcP 163,380,395.

382BGHZ

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

aufgetreten wäre. Gegenüber diesem Nachteil könnte es dann mit Zeuner nicht als Entlastungsposten zugunsten des Schädigers gewertet werden, wenn der Geschädigte dem Bedarf nicht nachgibt, sondern von dem an sich vertretbaren (s.o. C.) endgültigen Ausfallenlassen der Arbeit absieht und die Arbeit mit besonderem Fleiß, Zurückhaltung oder unter Inkaufnahme von Unbequemlichkeiten nachholt. Die darin liegende Entscheidung, die eigene Lebenshaltung für die Nachholung einzuschränken, wäre also "grundsätzlich als eine private Disposition zugunsten des eigenen Vermögens zu verstehen, die kraft dieses ihres Gepräges die Ersatzpflicht [nicht] zu mindern vermag,,384. Zeuner meint, daß dieser Ansatz seinen Niederschlag im Gesetz selbst, und zwar in den Vorschriften der § 249 S. 2 und § 843 I, gefunden habe385 • Letztendlich will die Zeunersche Bedarfslehre durch eine Vorverlegung des Zeitpunktes für die Verlustberechnung auf die Entstehung des Schadens verhindern, daß die Differenzrechnung wegen der Verzögerung des Ausgleichs oder wegen des besonderen persönlichen Einsatzes des Geschädigten eine geringere oder gar keine Vermögenseinbuße ausweise86 . Eine Begründung, warum der Zeitpunkt der Schadensberechnung vorverlegt wird, liegt hierin allerdings noch nicht, und es bleibt immer noch zu bewerten, ob der jeweils durch den Schadensfall ausgelöste Geldbedarf den ausschlaggebenden Rechnungsposten in der Schadensbilanz darstellen soll387. Es sind dann an dieser Stelle erst noch die Argumente für und wider zu formulieren, ob der zugefügte Nachteil, hier der Verdienstausfall, durch das freiwillige Nachholen der ausgefallenen Arbeit zugunsten des Schädigers wieder entfällt oder aber zugunsten des Geschädigten bei der Eröffnung der Schadensbilanz unberücksichtigt bleiben soll. 11. Die Nachholbarkeit als Anrechnungskriterium Für den BGH lag im Fahrerfall eine Berücksichtigung der Nachholung ausgefallener Arbeit deshalb nahe, weil der Geschädigte den Ausfall sämtlich in seinen Arbeitsplan habe integrieren können, ohne daß deswegen Arbeit an anderer Stelle ausgefallen see88 . Eine genauere Analyse zeigt jedoch, daß dieser Umstand allein nicht die Wertung dafür liefert, das Nachholen zu berücksichtigen. Anschaulich gemacht werden kann dies erneut am Beispiel des Taxifah384 Zeuner, AcP 163,380,396. 385Zeuner, Dietz-GS, 99, 120ff. 386Müller-Laube, JZ 1991, 162, 165; Ströjer, S. 56. 387 Müller-Laube, JZ 1991,162,165; Brinker, S. 208f. 388 BGH NJW 1971,838; LG Kiel VersR 1968,853,854.

D. Überobligationsmäßiges Nachholen ausgefallener Arbeit

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rers, dessen Arbeit wegen der Reparatur seines Fahrzeugs zwei Wochen lang ausfällt. Jede Überstunde nach dem Unfall, mit der der Verdienstausfall aufgefangen werden soll, stellt eine neue individuelle Leistung dar, die mit den ausgefallenen Fahrten in keinerlei Zusammenhang steht. Der Taxifahrer, der sein Auto zurückerhält, kann also seinen Verdienstausfall gar nicht wie z.B. ein Fahrlehrer durch späteres Erbringen der eigenen Leistung beseitigen. Ein Nachholen der ausgefallenen Arbeit kommt hier naturgemäß nicht in Betracht. Der Verdienst bleibt endgültig aus. Der Umstand, daß in anderen Konstellationen ein Geschädigter seine Leistung nachholt, bedeutet daher nur, daß der Verdienstausfallgeschädigte seinen Schaden selbst beseitigen kann. Indes stellen das Nachholen und damit die Nachholbarkeit allein noch keinen Grund dafür dar, daß das Nachholen ausgefallener Arbeit auch bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen ist. III. Die Zweckbezogenheit der Nachholung Der Geschädigte ist nicht im Sinne einer Obliegenheit verpflichtet, ausgefallene Arbeit nachzuholen. Er muß sich seine Geschäftspolitik und Freizeitgestaltung nicht vom Schädiger diktieren lassen und seine Arbeitszeit mit dem Nachholen ausgefallener Arbeit ausfüllen. Wenn nun der Geschädigte die Arbeit in unzumutbarer Weise nachholt, ist es der Zweck seines Einsatzes seine Geschäftspartner zu ihrer Zufriedenheit zu bedienen und sie an sein Geschäft zu binden. Man könnte beispielsweise den Fahrlehrerfall abwandeln, indem der Fahrlehrer vereinzelt Sonderschichten bis spät in den Abend hinein fährt und zwar mit unfallbedingt gekündigten Kunden, mit denen er nach der Reparatur neue Verträge abschließt. Hier handelt es sich um Vorgänge in der Sphäre des Geschädigten, die mit seinem konkreten Schaden genausowenig in Zusammenhang stehen wie für den Fall, in dem der Geschädigte neue Kunden hinzugewinnt und im Rahmen von Überstunden bedient. Es kann aber auch nicht anders entschieden werden für die Fälle, in denen der Geschädigte die Nacharbeit in seinen normalen Arbeitsablauf integriert. Genausogut könnte der Geschädigte stattdessen auf die Nachholung verzichten und neu anfallende Arbeit erledigen. Ab dem Zeitpunkt der Schadensentstehung gehen die Geschäfte, die der Geschädigte im Rahmen der Schadensbeseitigung tätigt, den Schädiger nichts mehr an, und dabei macht es keinen Unterschied, ob der Geschädigte seine Arbeitszeit ausschließlich mit neuer Arbeit füllt oder sich entscheidet, ausgefallene Arbeit nachträglich zu erledigen. Es fehlt insoweit im Bereich der Schadensbeseitigung nach § 249 an einer Anrechnungsnorm, die - wie § 254 für die Schadensabwehr - die Berücksichtigung bestimmter Vermögensposten kraft Gesetzes anordnet und die Zwecksetzung des Geschädigten zurückdrängt. Im übrigen

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

ist ja keineswegs selbstverständlich, daß ein Geschädigter, dessen Arbeitseinsatz beeinträchtigt wird, seine Geschäfte beliebig lange verschieben kann. Durchaus kann er ungeduldige Kunden verlieren, und an seinem Verdienstausfallschaden würde hier niemand zweifeln. Es mutet dann allerdings merkwürdig an, einen besonders erfolgreichen und beliebten Unternehmer, dessen Kunden ihm treu bleiben und der diese Treue durch das - unter Umständen beschwerliche - Nachholen der versprochenen Leistung erwidert, auch noch zu benachteiligen, indem ihm die nachgeholte Arbeit angerechnet wird·. Hier handelt es sich um Vorgänge in der Sphäre des Geschädigten, die mit seinem Erwerbsschaden genausowenig in Zusammenhang stehen wie der Erwerb neuer Kunden aufgrund von Überstunden. Kurz: die Motive überobligationsmäßiger Nachholung im Verhältnis Geschädigter-Kunden gehen den Schädiger nichts an. Die Treue der Kunden und ihre Zahlungen sind Drittleistungen, die dem Schädiger nach § 843 IV nicht zugute kommen dürfen. Ein weiterer Aspekt ist zu bedenken. Ob ein Verdienstausfallgeschädigter seine Arbeit nachholt, hängt nicht nur, wie eben geschildert, von seinem Erfolg, Arbeit an seine Person zu binden, sondern auch von seinem Willen ab. Eine Obliegenheit trifft ihn ja nicht. Er kann seine Kräfte ebensogut ohne das Nachholen ausschöpfen. In der Tat war die Kapazität des Geschädigten im Fahrlehrerfall vor dem Schadensfall erschöpft389 • Nach den §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO war deshalb davon auszugehen, daß er die Zeit auch nach dem Unfall ausgebucht hätte, selbst wenn er die ausgefallenen Stunden nicht eingeschoben hätte. Wenn man nun das tatsächliche Nachholen der Arbeit anrechnet, so läßt man völlig unberücksichtigt, daß der Fahrlehrer dann insgesamt in seinem Leben zwei Wochen lang keinen Verdienst macht, in denen er ohne den Unfall gearbeitet hätte. In der Gesamtverdienstbilanz seines Berufslebens fehlt dem Geschädigten der Verdienst aus dem ausgefallenen Zeitraum, und wenn in der Entscheidung des BGH der Geschädigte in den letzten 2 Monaten vor seinem Wechsel in den Ruhestand geschädigt worden wäre, hätte der BGH diese Erwerbslücke trotz Nachholung sofort gesehen 390• Der Schaden schien sich beim Fahrlehrer gleichsam verflüchtigt zu haben, weil dem Geschädigten ein ganzes Berufsleben offenstand, die Nachholung in seinen Arbeitsablauf einzubauen und so den Schaden zu mindern. Es kann aber für die Berücksichtigung nachgeholter Arbeit nicht darauf ankommen, ob der Geschädigte kurz vor seinem Ruhestand steht oder ein längeres Erwerbsleben vor sich hat.

389BGH NJW 1971,838. 3900as LG Kiel VersR 1968, 853, 854, weist zwar auf diesen Aspekt hin, meint aber, die Möglichkeit einer Erwerbslücke sei viel zu entfernt und ungewiß.

E. Ergebnis

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E. Ergebnis Der Bewertung überobligationsmäßiger Maßnahmen des Geschädigten zur Bewältigung der Schadensfolgen muß die richtige Einordnung der ihnen zugrundeliegenden Obligationen vorhergehen. Der BGH hat dies in seiner Entscheidung zum Fahrlehrerfall nicht ausreichend berücksichtigt. Er hat sich vom semantischen Gehalt der Schadensminderungsobliegenheit verleiten lassen, dem Geschädigten eine Obliegenheit zur Schadensbeseitigung unterzuschieben, wenn er dem Geschädigten auferlegt, Arbeit nachzuholen. Eine derartige Obliegenheit trifft den Geschädigten aber in keinem Fall. Schadensbeseitigung ist nicht Schadensgeringhaltung, folglich sind beide strikt voneinander zu trennen. Relevant ist die Unterscheidung, weil den Geschädigten im Rahmen der Schadensbeseitigung eben keine Obliegenheiten treffen. Sind die Schadensfolgen in der Welt, ist es einzig Aufgabe des Schädigers, den hypothetischen Zustand ohne Schädigung herzustellen. Die Schadens beseitigung gehört ausschließlich in dessen PfIichtenkreis391 • Vor diesem Hintergrund ist dann auch die tatsächliche Schadens beseitigung durch den Geschädigten selbst zu bewerten. Sie kommt dem Schädiger ihrem Sinn nach nicht zugute. Da der Geschädigte zur Schadensbeseitigung als Obliegenheit nicht verpflichtet ist, bezweckt er mit ihr einzig, seine eigene Vermögenslage zu verbessern, nicht aber, den Schädiger zu entlasten. Es fehlt insoweit schlicht an einer Anrechnungsnorm, und dies unterscheidet die überobligationsmäßige Beseitigung des Verdienstausfallschadens von der tatsächlichen

391 Die Abgrenzung von Schadensabwehr und Schadensbeseitigung erschließt auch zwanglos die Lösung zu den Fällen BGH NJW 1987, 2741; RG JW 1938, 2203; OLG Nürnberg VersR 1956,597; DAR 1991,224. Dort sind die Geschädigten umgeschult worden, die Schädiger haben die Umschulungskosten als letztlich verbliebenen Schadensposten zu ersetzen. Sie machen geltend, die Geschädigten müßten sich den Mehrverdienst aus der neuen Tätigkeit auf die Umschulungskosten anrechen lassen. Im Ergebnis zu Recht ist der BGH dem entgegentreten mit der Begründung, der persönliche Einsatz für eine qualifiziertere Arbeit dürfe dem Schädiger nicht zugute kommen. So formuliert wäre dann aber die neue Tätigkeit überobligationsmäßig und dürfte - nach der Rechtsprechung des BGH - dem Schädiger insgesamt nicht zugute kommen.

Der entscheidende Gesichtspunkt ergibt sich aus der Feststellung, daß der Geschädigte dem Schädiger den einmal entstandenen Schaden (hier: Umschulungskosten bis zum Tag vor Aufnahme der neuen Tätigkeit) nicht wieder abzunehmen braucht. Einzig der Schädiger hat die Kosten der Schadensabwehr als eingetretenen und verbleibenden Schaden zu tragen. 9 Wettich

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4. Teil: Schadensabwehr durch Nachholen ausgefallener Arbeit

Abwehr, die dem Geschädigten im Rahmen von § 254 11 sehr wohl obliegt. Mithin sind beide Fälle von Maßnahmen des Geschädigten zur Bewältigung des Schadensereignisses unterschiedlich zu bewerten.

Zusammenfassung Das Fundament, auf dem die Arbeit ihre Thesen entwickelt, ist der sogenannte normative Schadensbegriff, der hier definiert wird als Summe derjenigen Vermögensposten, die mit besonderer Begründung als Schaden bewertet werden, obwohl sie aus einer strikt rechnerischen Bilanzierung der durch das Schadensereignis bedingten Änderungen im Vermögen des Geschädigten nicht hervorgehen. Der Begriff ,,Normativer Schaden" beschreibt danach lediglich das Wesen einer jeden Schadensersatzdogmatik als eine Sammlung von zu Rechtssätzen gewordenen Wertungen, die eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Schadenskonfliktfalle gerecht lösen wollen und die wegen ihrer Unterschiedlichkeit eben nicht mehr gemein haben können als diesen Zweck (l.Teil B.lI.). Gegenstand der Untersuchung ist als dritte große Schadenskategorie neben Sachschäden und Heilungskosten der Verdientausfallschaden, für den kennzeichnend ist, daß der Geschädigte eine wirtschaftliche Einbuße erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft schädigungsbedingt nicht wie vorgesehen verwerten kann (l.Teil A.). Hier trifft den Geschädigten die Obliegenheit, einen drohenden Verdienstausfallschaden abzuwehren. Nach § 254 II BGB ist er gehalten, alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um die Einkommensverluste von sich abzuwenden. Unterläßt er unzumutbare Anstrengungen, so hat er keine Nachteile für seinen Schadensersatzanspruch zu befürchten. Unter Umständen verhindert der Geschädigte den Eintritt eines Verdienstausfallschadens, und zwar gerade dadurch, daß er über seine Obliegenheiten hinaus erfolgreich Überobligationsmäßiges zur Schadensabwehr erbringt. Eine ständige Rechtsprechung spricht hier dem Geschädigten trotzdem Schadensersatz zu. Sie begründet den Anspruch mit dem Postulat, das Ergebnis überobligationsmäßiger Schadensabwehr dürfe dem Schädiger nicht zugute kommen und der Geschädigte müsse deshalb so gestellt werden, als wäre der - tatsächlich: überobligationsmäßig abgewehrte - Schaden eingetreten (l.Teil B. 1.). Grundgedanke des Überobligationsmäßigkeitsdogmas ist dabei, daß ein Geschädigter, der in einer Situation das ihm Unzumutbare auf sich nimmt, nicht für diesen Einsatz auch noch "bestraft" werden darf, indem man das Ergebnis dieses Einsatzes auf seinen Schadenersatzanspruch anrechnet (2.Teil A.).

9*

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Zusammenfassung

Diese Lösung ist nicht überzeugend. Richtig ist zwar, daß einem untätig gebliebenen Geschädigten nur das Unterlassen möglicher und vor allem zumutbarer Schadensabwehr als Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden kann. Ganz anders verhält es sich aber, wenn der Geschädigte von sich aus im Rahmen der Schadensabwehr tatsächlich tätig wird. Er steckt dann durch sein Tätigwerden den Rahmen des ihm Zumutbaren in eigener Person ab und kann sich dann nicht mehr darauf berufen, die erfolgreich abgeschlossene Schadensabwehr sei eigentlich für ihn unzumutbar gewesen. Allein der Umstand, daß der Geschädigte in freier Selbstbestimmung seine Arbeitskraft tatsächlich zur Abwehr von Verdienstausfällen einsetzt, rechtfertigt es daher, die Schadensabwehrmaßnahmen als obligationsmäßig in die Schadensbilanz zugunsten des Schädigers einzubeziehen. Anders formuliert: es würde zu einer kaum erklärbaren Ungereimtheit, den Schaden als trotzdem eingetreten hinzuzudenken, um den Ersatzanspruch des Geschädigten zu erhalten, wenn es der Geschädigte mit seinen gesamten Maßnahmen gerade auf die Schadensverhinderung angelegt hat. Aus der Sicht des Schädigers ist nicht einzusehen, daß der Geschädigte, wenn er - einen drohenden Schaden vor Augen - besondere Schwierigkeiten auf sich nimmt, die für ihn das kleinere Übel darstellen, sich im seI ben Atemzug auf die Unzumutbarkeit soll berufen dürfen, obwohl ihm die Anstrengungen augenscheinlich so unzumutbar gar nicht sind (2.Teil C. 1., III.). Aus diesen Gründen müssen schließlich überobligationsmäßige Abwehranstrengungen durch Dritte in die Schadensbilanz einbezogen werden. Auch helfende Dritte muten sich ihren Abwehreinsatz selbst zu. Ihre Anstrengungen sind ihnen das Ziel der Schadensabwehr gerade wert, und wie in den anderen Fällen zuvor, muß es als gekünstelt und lebensfremd erscheinen, den Schaden nun noch in einem zweiten Schritt zu fingieren. Ein vergleichender Blick auf das Leistungsstörungsrecht, in dem der überobligationsmäßige Einsatz der Arbeitskraft ebenfalls eine Rolle spielt, bestätigt die gefundenen Ergebnisse. Hier stellt sich heraus, daß das Gesetz selbst in Situationen, die derjenigen des Geschädigten vor dem drohenden Schadenseintritt vergleichbar sind, eine andere Lösung als die der gängigen Auffassung im Schadensrecht bereithält (3.Teil). Der so formulierte Grundsatz, daß tatsächliche Schadensabwehr als solche anzurechnen ist, bedeutet indes nicht, daß der Geschädigte zugunsten des Schädigers in jedem Fall leerausgehen müßte. Ersetzt werden müssen ihm seine Aufwendungen, die er zur Abwehr seines Schadens hatte. In Betracht kommen die ausweisbaren Kosten für die Umschulung des Geschädigten und für die Einstellung von Aushilfspersonal (2.Teil D. 11.). Richtigerweise muß dem Geschädigten überdies der Einsatz seiner Arbeitskraft zur Schadensabwehr selbst vergütet werden, auch wenn er ihn in seiner

Zusammenfassung

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Freizeit ohne Einkommensverlust erbringt. Voraussetzung für den Einsatz dieses normativen Schadens ist allerdings, daß die zusätzlichen Arbeitsleistungen in Geld objektiv meßbar sind, das heißt, daß sie auf einem Markt ebensogut gegen Entgelt durch Dritte erbracht werden können. Die Anstrengungen des Geschädigten müssen einen in Geld bestimmbaren Wert haben, den er ohne weiteres in einer konkreten Rechnung nennen und ersetzt verlangen könnte, wenn er eine dritte Person zur Schadensverhinderung anstellen würde (2.Teil D. III. 2.). Hingegen sollten die Arbeitsleistungen Dritter nur ausgeglichen werden, wenn sie für den Geschädigten zusätzliche Kosten gebracht haben. Sie sind dann kein ersatzfähiger Posten, soweit der Geschädigte den Schaden im eigenen Betrieb unter Einsatz von ohnehin besoldeten Angestellten abwenden kann. Sie rechtfertigen es also nicht, einen Verdienstausfallschaden des Unternehmers zu vermuten und als Berechnungskriterium die Höhe der - anteiligen - Mitarbeitervergütung anzusetzen (2.Teil D. III. 3.). Für die Fallgruppe "Überobligationsmäßiges Nachholen ausgefallener Arbeit" schließlich gelten Besonderheiten. Im Fall des Nachholens geht es nicht um die Abwehr drohenden Verdienstausfalles, sondern um die Beseitigung eines bereits entstandenen Einkommensverlustes (4.Teil B.). Eine Obliegenheit, den Einkommensverlust durch Nachholen der ausgefallenen und nachholbaren Arbeit nachträglich zu beseitigen, besteht dabei schon dem Grunde nach nicht. Darüber hinaus muß sich der Geschädigte das Ergebnis solchermaßen überobligationsmäßig nachgeholter Arbeit aber auch nicht anrechnen lassen. Diese Geschäfte kommen dem Schädiger ihrem Sinn und Zweck nach nicht zugute und es fehlt an einer Anrechnungsnorm, die wie § 254 11 die Berücksichtigung zumutbarer Schadensabwehr ermöglicht (4.Teil. c., D.).

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