Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums 3110144050

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Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums
 3110144050

Table of contents :
Vorwort VII
Inhalt IX
Einleitung 1
ERSTER TEIL
1 Zur These der westlichen Herleitung des Nizänums 6
1.1 ομοούσιος = "una substantia" / "unius substantiae" ? 8
1.2 ομοούσιος als Lehrentscheidung Kallists über Hippolyt und Sabellius
sowie in der römischen theologischen Tradition des 3. Jahrhunderts? 12
1.3 Zur Rolle der westlichen Teilnehmer in Nizäa 19
2 Die Synode von Serdika 26
2.1 Vorgeschichte und Verlauf der Synode von Serdika 28
2.1.1 Die Vorgeschichte 28
EXKURS: Zur Datierung der Synode von Serdika 39
2.1.2 Der Verlauf der Synode von Serdika 44
2.2 Die Ekthesis der westlichen Synode von Serdika 47
2.2.1.1 Die Überlieferung des Serdicense 49
2.2.1.2 Der Text des Serdicense 51
2.2.1.3 Übersetzung 56
2.2.2 Analyse und Kommentierung des Serdicense 59
2.2.3 Zum Markellianismus des westlichen Serdicense 87
EXKURS: Zur Prosopographie der Teilnehmer der westlichen Synode
von Serdika und zur Frage nach der "Originalsprache" des
westlichen Serdicense 91
2.2.4 Späte lateinische Übersetzung signifikanter Begriffe im Serdicense:
Codex Veronensis LX (t) 96
2.2.5 Zur Debatte um die Authentizität des westlichen Serdicense . . . 98
2.3 Der dogmengeschichtliche Stellenwert der Synode von Serdika und
des westlichen Serdicense 106
ZWEITER TEIL
3 Ossius von Cordoba Ill
4 Hilarius von Poitiers und seine Interpretation des Nizänums im
"Liber 1 adversus Valentem et Ursacium" und in "De Synodis" 136
4.1 Die Ausbreitung des arianischen Streites nach Gallien 137
4.2 Hilarius Überlieferung und Interpretation von Ν im "Liber 1
adversus Valentem et Ursacium" 140
4.3 Die Debatte um Ν in "De Synodis seu Fide Orientalium" 147
5 Phoebadius von Agen 159
5.1 Phoebadius und die zweite sirmische Formel 159
EXKURS: Die 2. sirmische Formel von 357 161
5.2 Phoebadius: "Contra Arrianos" 166
5.3 Phoebadius von der Synode von Rimini bis zu seinem Tod 187
6 Gregor von Elvira: "De fide orthodoxa" 195
6.1 Die erste Fassung von "De fide orthodoxa" 198
6.2 Die zweite Bearbeitung von "De fide orthodoxa" 207
6.3 Spätere Luziferianer 212
7 Luzifer von Calaris 217
8 Liberius von Rom 231
9 Marius Victorinus 244
9.1 ομοούσιος = "eiusdem substantiae" 247
9.2 ομοούσιος = "simul substantiate" / "consubstantiale" / "simul
consubstantiale" 252
9.3 Die neunizänische Lösung bei Marius Victorinus 254
9.4 Victorinus' Wirkung im Westen 261
10 Athanasius von Alexandrien: "Ad Afros" 264
10.1 Analyse von Athanasius, "Epistula ad Afros" 266
Exkurs: Zur Bestreitung der Echtheit von "Ad Afros" durch
KANNENGIESSER 274
Zusammenfassung und Schluί 281
Quellen- und Literaturverzeichnis 288
Register 309
Antike Autoren 309
Moderne Autoren 310
Stellen 313

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J Ö R G ULRICH

DIE ANFÄNGE DER ABENDLÄNDISCHEN REZEPTION DES NIZÄNUMS

w DE

G

P A T R I S T I S C H E T E X T E UND S T U D I E N IM A U F T R A G D E R

PATRISTISCHEN

KOMMISSION

DER A K A D E M I E N DER W I S S E N S C H A F T E N IN DER B U N D E S R E P U B L I K D E U T S C H L A N D

HERAUSGEGEBEN

VON

K . A L A N D UND E. M Ü H L E N B E R G

BAND 39

WALTER DE G R U Y T E R · BERLIN · NEW YORK 1994

DIE ANFÄNGE DER ABENDLÄNDISCHEN REZEPTION DES NIZÄNUMS

VON JÖRG

ULRICH

WALTER DE G R U Y T E R · BERLIN · N E W Y O R K 1994

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche

Bibliothek



CIP-Einheitsaufnahme

Ulrich, Jörg: Die Anfange der abendländischen Rezeption des Nizänums / Jörg Ulrich. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1994. (Patristische Texte und Studien ; Bd. 39) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-11-014405-0 NE: GT

ISSN 0553-4003 © Copyright 1994 by Walter de Gruyter & Co., 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: W. Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

Meiner Frau Sabine zum 26.5.1994

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1993 von der ev.-theol. Fakultät der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung habe ich sie leicht überarbeitet und um einige Literaturtitel sowie die Register ergänzt. Den Herren Prof. Dr. E. Mühlenberg und Prof. Dr. A.M. Ritter als Gutachter für die Patristische Kommission danke ich für die Aufnahme des Textes in die PTS, Herrn Prof. Dr. Karl Christian Felmy für seine Sorgfalt bei der Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Tübinger Kollege, Herr Dr. Christoph Markschies, gab freundlicherweise eine Anzahl nützlicher Hinweise für die Überarbeitung.

Die Anregung zur Beschäftigung mit der abendländischen Nizäa-Rezeption verdanke ich meinem Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hanns Christof Brennecke, an dessen Lehrstuhl ich seit Januar 1991 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein durfte. Er hat die Entstehung der Arbeit jederzeit wohlwollend, freundlich, mit gutem Rat und konstruktiver Kritik begleitet. Ich danke ihm sehr. Zugleich dank« ich meinem angelsächsischen patristischen Lehrer, Gerald Bonner, für das im Studienjahr 1985/6 an der University of Durham bei ihm Erlernte.

Den theologischen Lehrern, die während meines Studiums von 1981-1988 meine Freude an der Theologie wachzuhalten und zu mehren verstanden, sage ich hiermit aufrichtigen Dank. Stellvertretend für viele und doch mit besonderer Dankbarkeit nenne ich hier Frau Prof. Dr. Luise Abramowski, Tübingen, und die Herren Prof. Dr. Henning Paulsen, vormals Bethel, jetzt Hamburg, sowie Prof. Dr. Dr. Michael Welker, einst Tübingen, nunmehr Heidelberg. Herrn Prof. Dr. Jens-Uwe Schmidt, Bethel, danke ich für das Jahr, in dem ich als Tutor für Griechischkurse bei ihm tätig sein durfte.

VIII

Vorwort

Die Entstehung der Arbeit ist von vielen Freunden mit Ermutigung, Rat und mit der Bereitschaft zu allen erdenklichen, z.T. zeitaufwendigen Hilfestellungen gefördert worden. Mein Dank hierfür gilt den Damen und Herren Thomas Binder, Heidemarie Erlwein, Pastor Hartwig Ladda, cand. theol. Arne Manzeschke, Angela Palmi und Christine Stang. Besonderer Dank gilt Herrn Studienrat Ekkehard Weber, Erlangen, für die kritische Durchsicht des Übersetzungsteils und Herrn cand. theol. Götz Häuser M.Th. (Durham) für seine qualifizierte Arbeit bei der Drucklegung. Den Mitarbeitern der Universitätsbibliothek Bamberg, besonders Frau Waltraut Klostermeier, danke ich für ihr Engagement.

Der Zantner-Busch-Stiftung Erlangen und meiner Hannoverschen Landeskirche danke ich für namhafte, in einer Zeit knapp werdender Mittel gar nicht selbstverständliche Druckkostenzuschüsse.

Meine Frau Sabine hat mich bei der Anfertigung dieser Arbeit unermüdlich unterstützt; neben unzähligen kleinen Zuwendungen und Hilfen gilt dies vor allem insgesamt für die Schaffung jener atmosphärischen Voraussetzungen, ohne die ein solches Unternehmen nicht in Angriff genommen und erst recht nicht zu einem guten Ende gebracht werden kann. Ich danke ihr für ihr Verständnis und für die grenzenlose Geduld mit mir.

Bamberg, im März 1994

Jörg Ulrich

Inhalt

Vorwort

VII

Inhalt

IX

Einleitung

1

ERSTER TEIL 1 Zur These der westlichen Herleitung des Nizänums 1.1 ομοούσιος = "una substantia" / "unius substantiae" ?

6 8

1.2 ομοούσιος als Lehrentscheidung Kallists über Hippolyt und Sabellius sowie in der römischen theologischen Tradition des 3. Jahrhunderts? 1.3 Zur Rolle der westlichen Teilnehmer in Nizäa 2 Die Synode von Serdika

12 19 26

2.1 Vorgeschichte und Verlauf der Synode von Serdika

28

2.1.1 Die Vorgeschichte

28

EXKURS: Zur Datierung der Synode von Serdika

39

2.1.2 Der Verlauf der Synode von Serdika

44

2.2 Die Ekthesis der westlichen Synode von Serdika

47

2.2.1.1 Die Überlieferung des Serdicense

49

2.2.1.2 Der Text des Serdicense

51

2.2.1.3 Übersetzung

56

2.2.2 Analyse und Kommentierung des Serdicense

59

2.2.3 Zum Markellianismus des westlichen Serdicense

87

EXKURS: Zur Prosopographie der Teilnehmer der westlichen Synode von Serdika und zur Frage nach der "Originalsprache" des westlichen Serdicense

91

2.2.4 Späte lateinische Übersetzung signifikanter Begriffe im Serdicense: Codex Veronensis LX (t)

96

X

Inhalt

2.2.5 Zur Debatte um die Authentizität des westlichen Serdicense

...

98

2.3 Der dogmengeschichtliche Stellenwert der Synode von Serdika und des westlichen Serdicense

106

ZWEITER TEIL 3 Ossius von Cordoba

Ill

4 Hilarius von Poitiers und seine Interpretation des Nizänums im "Liber 1 adversus Valentem et Ursacium" und in "De Synodis"

136

4.1 Die Ausbreitung des arianischen Streites nach Gallien

137

4.2 Hilarius Überlieferung und Interpretation von Ν im "Liber 1 adversus Valentem et Ursacium" 4.3 Die Debatte um Ν in "De Synodis seu Fide Orientalium" 5 Phoebadius von Agen

140 147 159

5.1 Phoebadius und die zweite sirmische Formel

159

EXKURS: Die 2. sirmische Formel von 357

161

5.2 Phoebadius: "Contra Arrianos"

166

5.3 Phoebadius von der Synode von Rimini bis zu seinem Tod

187

6 Gregor von Elvira: "De fide orthodoxa"

195

6.1 Die erste Fassung von "De fide orthodoxa"

198

6.2 Die zweite Bearbeitung von "De fide orthodoxa"

207

6.3 Spätere Luziferianer

212

7 Luzifer von Calaris

217

8 Liberius von Rom

231

9 Marius Victorinus

244

9.1 ομοούσιος = "eiusdem substantiae"

247

Inhalt 

X I 

9.2 ομοούσιος = "simul substantiate" / "consubstantiale" / "simul consubstantiale"

252

9.3 Die neunizänische Lösung bei Marius Victorinus

254

9.4 Victorinus' Wirkung im Westen

261

10 Athanasius von Alexandrien: "Ad Afros" 10.1 Analyse von Athanasius, "Epistula ad Afros"

264 266

Exkurs: Zur Bestreitung der Echtheit von "Ad Afros" durch KANNENGIESSER

274

Zusammenfassung und Schluί

281

Quellen- und Literaturverzeichnis

288

Register

309

Antike Autoren

309

Moderne Autoren

310

Stellen

313

Einleitung

"Regeneraturus pridem, et in episcopatu aliquantisper manens, fidem Nicaenam numquam nisi exsulaturus audivi: sed mihi homousii et homoeusii intelligentiam Evangelia et Apostoli intimaverunt."1 Diese viel zitierte, jedoch dogmengeschichtlich nach wie vor kaum hinreichend gewürdigte Aussage des Hilarius von Poitiers aus "De Synodis" ist gleichsam der Ausgangspunkt für die hier vorgelegte Untersuchung zur Frage nach der abendländischen Rezeption des Nizänums (N), das die erste ökumenische Synode von Nizäa (325) im Widerspruch gegen Arius formuliert hatte. Die Tatsache, daί mit Hilarius einer der führenden Bischöfe des Abendlandes bis unmittelbar vor seiner Exilierung im Jahre 356 durch Kaiser Konstantius II., also über 30 Jahre nachdem der Text des Nizänums unter Konstantin dem Groίen doch immerhin offiziell und reichsweit und -einheitlich verbindlich beschlossenen worden war, von Ν noch gar nichts gewuίt hat, läίt die wissenschaftliche Meinung, daί der Westen eben immer schon nizänisch gewesen sei (etwa aufgrund der Kontinuität in der Verwendung der Formel "una substantia")2, als höchst problematisch erscheinen und fordert dazu heraus, die Frage nach den Anfängen der abendländischen Rezeption des Symbols von Nizäa neu aufzurollen.

Während die wissenschaftliche Literatur zur Synode von Nizäa und ihrem antiarianischen Bekenntnis mittlerweile selbst für Fachleute kaum noch zu überblickende Ausmaίe angenommen hat3, ist die konkrete Frage nach der 1

  HU., Syn.  91  (PL  10,  545  A).   Siehe  meine  Auseinandersetzung  mit  dieser  These  in  dieser  Arbeit  unten  unter  1.  3   Die  neuesten  forschungsgeschichtlichen  Entwicklungen  zum  Thema  Arianismus  behandelt  RITTER,  ThR  55  (1990),  153-187;  für  ein  Verzeichnis  der  Literatur  vor  1978  siehe  ders.,  TRE  3  (1979),  718f.  Ein  ausführliches  Literaturverzeichnis  zum  gesamten  Themenkomplex  Arianismus/Nizäa  bietet die  Gesamtdarstellung  zum arianischen Streit von HANSON  (siehe  unten  Anm.  5).  Zum  όμοοϋσιος­Thema  siehe  die  Literaturliste  des  neuen  RAC­Artikels  von  STEAD,  RAC  16  (1992),  430­433.  Bei  STEAD  noch  nicht  genannt  sind  die  Beiträge  von  FEIGE,  Markell  von Ankyra und das Konzil von Nizäa, in: Denkender  Glaube in Geschichte und Gegenwart. FS  aus  Anlaß  der  Gründung  der  Universität  Erfurt  vor  sechshundert  Jahren  und  aus  Anlaß  des  vierzigjährigen  Bestehens  des  Philosophisch-Theologischen  Studiums,  EThSt  63,  Leipzig  1992,  2



Einleitung 

abendländischen lateinischen Rezeption von Ν überraschenderweise bislang kaum so gestellt worden. BARDY hat in den Jahren 1939 und 1940 drei kleinere Untersuchungen zu diesem Thema vorgelegt4, und HANSON hat in seiner neuen Gesamtdarstellung des arianischen Streites einige Kapitel auf die "Western Pro-Nicenes" verwendet5. Doch BARDYs Aufsätze folgen noch weitgehend unkritisch der Sicht einer starken westlichen Beeinflussung des Nizänums von jeher, worüber die Forschungsmeinung mittlerweile zu deutlich anderen Ergebnissen gelangt ist6. Und bei HANSONs verdienstvoller Gesamtdarstellung handelt es sich v.a. um ein Buch für die Hand des Studenten, das zwar einen guten Überblick über die Entwicklung zwischen 325 und 381 gibt, das aber wissenschaftliche Untersuchungen zu Detailproblemen der trinitätstheologischen Debatte des vierten Jahrhunderts nicht ersetzen kann und will.

Die leitende Fragestellung der Arbeit nach den Anfängen der westlichen Rezeption von Ν führte zu der methodischen Entscheidung, die Texte derjenigen abendländischen Theologen genauer zu untersuchen, die sich in der zweiten Hälfte der 50er und in der ersten Hälfte der 60er Jahre des vierten Jahrhunderts als erste Lateiner mit dem Nizänum befassen, seinen Text referieren, interpretieren und befürworten - in Opposition zu der zu jener

Zeit

vorherrschenden, weil in der Gunst des Kaisers Konstantius II. stehenden, homöischen Theologie. Auf diese Weise entstand eine kleine Sammlung von Studien zu Theologen wie Ossius von Cordoba, Hilarius von Poitiers, Phoebadius von Agen, Gregor von Elvira, Luzifer von Calaris, Liberius von Rom, Marius Victorinus und schlieίlich zur 369 von Athanasius in den Westen geschickten

277­296; LOGAN,  Marcellus of Ancyra and the Councils  of A.D. 325: Antioch, Ancyra and  Nicaea,  in: JThS.NS  43  (1992),  428­446;  PIETRAS,  L'unita  di  Dio  in  Dionigi  di Alessandria,  in:  Greg.  72  (1991),  459­490;  SKARSAUNE,  A  neglected  detail  in  the  Creed  of  Nicaea,  in:  VigChr  41  (1987),  34­54. In der FS für L. ABRAMOWSKI  (Logos.  Berlin/New  York  1993) erschienen  einige  weitere  Beiträge  zum  Themenkomplex  "arianischer  Streit",  von  denen  sich  derjenige  von  TETZ,  Zur  strittigen Frage arianischer Glaubenserklärung  auf dem Konzil von Nizäa  (325), I.e., 220-238, direkt  mit  der  Synode  von  325  befaßt.  4  L'Occident en face de la crise arienne,  in: Ir6nikon 16 (1939), 385-424; L'occident  et les  documents  de la controverse  arienne,  in: ReSR  20  (1940),  28-63; Traducteures  et  adapteures  au IVe  siöcle,  in:  RechSR  30  (1940),  257-306.  5   The  Search  for the  Christian  Doctrine  of  God,  Edinburgh  1988,  459-556.  6  Siehe  zu  dieser  Frage  unten  unter  1. 

Einleitung

3

"Epistula ad Afros", die miteinander verbunden sind durch die übergeordnete Frage nach dem in diesen Texten vorliegenden Verständnis des Symbols von Nizäa in Auseinandersetzung mit anderen zeitgenössischen theologischen Positionen.

Diesem kleinen Kreis von Studien zu den ersten abendländischen Texten, die sich mit dem Nizänum befassen, ist in der vorliegenden Arbeit ein erster Teil vorgeschaltet, der sich einerseits mit der dogmengeschichtlichen These der abendländischen Herleitung des Nizänums kritisch auseinandersetzt und zweitens eine ausführliche Darstellung der Vorgeschichte und des Verlaufs der Synode von Serdika (342), v.a. aber einen Text, eine Übersetzung und eine ausführliche Kommentierung der von der sogenannten westlichen Teilsynode von Serdika erstellten Glaubens-Ekthesis bietet, ohne den, wie sich zeigen wird, die gesamte Frage nach der abendländischen Rezeption von Ν völlig unverständlich bliebe. Schon LOOFS hatte im Jahre 1909 auf einige Zusammenhänge zwischen dem sogenannten westlichen Serdicense und der Trinitätstheologie der Abendländer der 50er und 60er Jahre aufmerksam gemacht7, dabei allerdings auch weitreichende Schlüsse für die Frage der Vorgeschichte abendländischer Trinitätstheologie (Tertullian, Novatian) ziehen zu können gemeint, die sich so m.E. nicht bestätigen lassen, und daneben auch - wohl zu Unrecht - diese "groίen Linien" der abendländischen Tradition bis hin zu Augustin weiterverfolgt. Gegenüber dem von LOOFS durchgeführten Ansatz bietet die hier vorgelegte Arbeit einen sehr viel enger umgrenzten, aber, wie ich hoffe, gerade deshalb vom wechselseitigen Bezug her auch klarer nachvollziehbaren Kreis von einzelnen Studien zu den ersten abendländischen Texten, in denen das Nizänum eine Rolle spielt. Daί dabei kleinere genauere Untersuchungen auch zu Theologen wie Phoebadius oder Gregor entstanden sind, von denen nur eine einzige Schrift bzw. nur wenige kurze Texte auf uns gekommen sind und die, weil sie die theologische Entwicklung in der Tat kaum selbständig weiterführten, bis auf den heutigen Tag in der Dogmengeschichtsschreibung ein ausgesprochenes Schattendasein führen,

7

Das Glaubensbekenntnis der Homousianer von Sardica, in: AAWB (1909), 3-39.



Einleitung 

ist, wie ich meine, ein zusätzliches wichtiges Resultat dieses Ansatzes. Die Rezeption von Ν kommt so viel authentischer in den Blick als bei der Beschäftigung mit den "groίen", die Entwicklung eigenständig vorantreibenden Autoren.

Die Synodalgeschichte der zweiten und dritten Phase des arianischen Streites habe ich bewuίt nicht oder nur ganz am Rande mit behandelt, da hierzu mit den neueren

Arbeiten von DINSEN8, BRENNECKE 9

und

LOHR10

eigene

Untersuchungen vorliegen, auf die in dieser Arbeit jeweils verwiesen wird.

Die Frage nach der abendländischen Rezeption der sogenannten neunizänischen Interpretation von N, die 362 in Alexandrien erstmals akzeptiert wird und sich dann bis hin zu ihrer Festschreibung in Konstantinopel 381 allmählich durchsetzt, bedürfte einer ganz eigenen ausführlichen Untersuchung, die mit einem Theologen wie Ambrosius von Mailand (unter Berücksichtigung von dessen Unterschieden etwa zu Damasus von Rom) einsetzen müίte11. Meinen ursprünglichen Plan, beide Linien der N-Rezeption im Abendland in dieser Arbeit aufzuarbeiten, habe ich angesichts des einer Dissertation gesetzten äuίeren Rahmens schon nach kurzer Zeit der Beschäftigung mit dem Thema fallengelassen und mich stattdessen auf die Anfänge der westlichen N-Rezeption, also auf die sogenannten Altnizäner, beschränkt.

8   Homoousios.  Die  Geschichte  des  Begriffs bis  zum  Konzil  von  Konstantinopel  (381),  Diss,  theol.  Kiel  1976.  * Hilarius von Poitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II. Untersuchungen zur dritten  Phase  des  arianischen  Streites  (337­361),  PTS  26,  Berlin  New  York  1984.  Ders.,  Studien  zur  Geschichte der Homöer. Der Osten bis zum Ende der homöischen Reichskirche, BHT 73, Tübingen  1988,  hierin  v.a.  5-40.  10   Die  Entstehung  der  homöischen  und  homöusianischen  Kirchenparteien.  Studien  zur  Synodalgeschichte  des  vierten  Jahrhunderts,  Diss,  theol.  Bonn  1986.  "  Mittlerweile  liegt  bereits  eine  gründliche  Neuverhandlung  des  Problems  der  Rezeption  des  Neunizänismus  bei Ambrosius  von Mailand vor: Kurz vor Drucklegung  zu  dieser  Arbeit  hat  mein  Tübinger  Kollege  MARKSCHIES  seine  Habilitationsschrift  "Ganz  Italien  zum  rechten  Glauben  bekehren".  Kirchen- und theologiegeschichtliche  Studien zu Antiarianismus und Neunizänismus  bei  Ambrosius  und  im  lateinischen  Westen,  (masch.)  Tübingen  1994,  eingereicht.  Die  Arbeit  wird  in  BHTh  gedruckt  werden.  Da  der  Verfasser  mir  freundlicherweise  ein  Exemplar  zur  Verfügung  stellte, konnten Argumente und Ergebnisse  aus seiner Untersuchung bei der Drucklegung zu dieser  Arbeit  noch  mit  berücksichtigt  werden. 

Einleitung

5

Einen forschungsgeschichtlichen Bericht, der angesichts der zunehmenden Bedeutung

forschungsgeschichtlicher

Fragen

im

allgemeinen

und

der

komplizierten Forschungsgeschichte zum arianischen Streit im besonderen zweifellos wünschenswert gewesen wäre, habe ich mich gleichwohl nicht in diese Arbeit aufzunehmen entschlieίen können, weil die Darstellung nicht überfrachtet werden durfte. In der hier vorgelegten Dissertation muί es daher mit einigen wenigen forschungsgeschichtlichen Bemerkungen sein Bewenden haben.

E R S T E R  T E I L 

1  Zur  These  der  westlichen  Herleitung  des  Nizänums 

Eine  Beschäftigung  mit  d e m  Problem  der  abendländischen  R e z e p t i o n  des  Nizänums  muß  sich  zunächst  der  Frage  stellen,  ob  und  inwiefern  Ν  selbst  abendländischer  Provenienz  ist bzw.  in w e l c h e m  Maße  westliche  Einflüsse  bei  der  Erarbeitung  der  Formel  wahrscheinlich  gemacht  werden  können.  D i e  Meinung,  abendländische  Einflüsse  hätten  bei  der  Aufstellung  v o n  Ν  eine  wesentliche  Rolle  gespielt,  geht  bis  auf  Z A H N s  Monographie  über  Markeil  v o n  Ankyra  aus  d e m  Jahre  1867  zurück 1 .  U m  die  Jahrhundertwende  ist  sie  von  H A R N A C K , 

G U M M E R U S 

und 

K R Ü G E R , 

modifiziert 

von 

L O O F S , 

2

a u f g e n o m m e n  und  entfaltet  worden ;  über  lange  Zeit,  z.T.  bis  auf  den  heutigen  Tag,  hat  sie  sich  daraufhin  hoher  Zustimmung  erfreut 3 .  V.a.  hinter  der  Einfügung  des  ομοούσιος  in  das  Symbol  meinten  Z A H N ,  H A R N A C K ,  L O O F S  und  die  ihnen  folgenden  Dogmenhistoriker  westliche  T h e o l o g o u m e n a  wie  etwa  das  tertullianische  "unius  substantiae  /  eiusdem  substantiae"  wiederzuerkennen 4 ;  in 

1

Marcellus von Ancyra. Ein Beitrag zur Geschichte der Theologie, Gotha 1867, 22f. HARNACK, Lehrbuch der Dogmengeschichte 2,1887, 226 und 41909 (ND Darmstadt 1964), 230; GUMMERUS, Die homöusianische Partei bis zum Tode des Konstantius, Leipzig 1900. KRÜGER, Das Dogma von der Dreieinigkeit und Gottmenschheit, Tübingen 1905; LOOFS, Das Nicänum, in: Festgabe für K. MÜLLER, Tübingen 1922, 68-82. Zuvor schon im Jahre 1905 ders., Der authentische Sinn des nicänischen Symbols, Separatdruck aus dem "Neuen sächsischen Kirchenblatt", Leipzig 1905. - LOOFS (Nizänum, 81f.) meint, Ν sei zunächst im Sinne der abendländischen Trinitätslehre zu deuten, verweist aber daneben auf den absichtlich vieldeutigen Sinn, der der Politik des Kaisers entsprochen habe. - Die Varianten in der jeweiligen Entfaltung der These bei den verschiedenen Gelehrten sollen hier nicht im einzelnen berücksichtigt werden. 3 Vgl. unter den einschlägigen Gesamtdarstellungen, Lehrbüchern und Literaturgeschichten z.B. BARDENHEWER, Geschichte der altchristlichen Literatur III, Darmstadt 1962 (ND der 3. Aufl. Freiburg 1923), 393; SEEBERG, Lehrbuch der Dogmengeschichte II, Darmstadt 1959 (ND der 3. Aufl. Leipzig 1923); LOOFS / ALAND, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, Tübingen 19687, 189; KRETSCHMAR, Die Konzile der alten Kirche, in: Die ökumenischen Konzile der Christenheit, hg. von H J . Marguli, Stuttgart 1961, 46f. 54ff. und ders., Studien, 17; LOHSE, Epochen der Dogmengeschichte, Stuttgart 19743, 59; BEYSCHLAG, Grundriί der Dogmengeschichte 1, Darmstadt 19882, 273 u.v.a. 4 LOOFS, FS K. Müller, 71. 73. Ders., Leitfaden, 189: "Das ομοούσιος ist das 'unius substantiae' der westlichen Tradition". Noch 1973 bemerkte STEAD in seinem Beitrag zu den "Actes du colloque de Chantilly 23-25 septembre 1973" (Homoousios, 233): "Peut-etre l'opinion la plus 2

1  Zur  These  der westlichen  Herleitung  des  Nizänums 



der Person des kaiserlichen Beraters in Kirchendingen, Ossius von Cordoba, erblickte man dann für gewöhnlich den Gewährsmann für eine relativ starke Stellung der westlichen Traditionen auf dem Konzil von 3255. Die geistige Verankerung des Spaniers in den trinitätstheologischen Positionen des Westens, verbunden mit seinem starken Einfluί auf die Person des Kaisers, ohne den wiederum auf dem Konzil "nichts ging", hätten dazu geführt, daί bei der dogmatischen Erklärung über den im Osten ausgebrochenen und dort nunmehr weit verbreiteten Streit Gedanken und Formulierungen westlicher Theologie in besonderem Maίe zum Zuge gekommen seien. Dagegen ist jedoch in neuerer Zeit durch die Arbeiten von RICKEN6, SIMONETTF und besonders von STEAD8 die Auffassung einer abendländischen Herleitung des ομοούσιος und damit von Ν stark in Frage gestellt worden. Vor allem die gewichtigen Argumente STEADs schienen es geraten sein zu lassen, von jener These gänzlich Abschied zu nehmen'. Demgegenüber ist allerdings BIENERT im Jahre 1979 abermals für die westliche Herleitung eingetreten10, z.T. mit neuen Argumenten, die jedoch ihrerseits nicht ohne Widerspruch geblieben sind". Es scheint angesichts dieser Forschungslage angebracht, die bislang vorgetragenen Gesichtspunkte in aller gebotenen Kürze noch einmal kritisch zu sichten und zu ergänzen.

largement  re^ue  est,  (a)  que  le  mot  refletait,  et  itait  suppose  exprimer,  une  theologie  occidentale  d  1 'una substantia  qui  remonterait  jusqu'ä  Tertullien."  (Kursivdruck  STEAD).  5   Vgl.  z.B.  BARDY,  Irfinikon  16  (1939),  386­389;  KRAFT,  ZKG  66  (1954/5),  13  (bei  starker  Betonung  der  Rolle  Kaiser  Konstantins,  besonders  I.e.,  24);  DE  CLERCQ,  Ossius,  250­264;  modifizierend  DINSEN,  Homoousios,  86f.  DINSEN  hat  die  These  von  der  abendländischen  Herleitung  des  Nizänums  zunächst  etwas  abgewandelt.  Das  ομοούσιος  sei  nicht  selbst  abendländischer Herkunft. Ossius und Konstantin hätten es im Orient aufgegriffen. Dies verwundere  aber nicht; denn der Begriff entspreche  der abendländischen Lehre von der "una substantia" (I.e. 86f.  sowie  Anm.  87,6;  Kursivdruck  Vf.).  6   Nikaia  als  Krisis  des  altchristlichen  Piatonismus,  in: ThPh  44  (1969),  321­341.  7   La  crisi  ariana  nel  IV  seculo,  StEA  11,  Rom  1975,  darin  bes.  89­94.  8   Divine  Substance,  Oxford  1977.  9   Zusammenfassend  STEAD:  (This  view)  "is  definitely  to  be  discounted",  I.e.,  251.  Bestätigend  RITTER,  HDThG  1,  169.  10  Das  vornicaenische  ομοούσιος  als Ausdruck  der  Rechtgläubigkeit,  in: ZKG  90  (1979),  151­175.  11   Vgl.  SIMONETTI,  VetChr  17  (1980),  85­98;  RITTER,  HDThG  I,  169f.  mit  Anm.  214,  und  STEAD,  RAC  16  (1992),  410f. 



Erster  Teil 

1.1 ομοούσιος = "una substantia" / "unius substantiae" ?

Nach übereinstimmender Auffassung der Dogmengeschichtsschreibung ist es besonderes Kennzeichen westlicher Trinitätstheologie vor Nizäa, die Einheit Gottes nachdrücklich zu unterstreichen12. Angesichts der angeblich überragenden Bedeutung Tertullians für die Entwicklung der abendländischen Trinitätstheologie und angesichts der Tatsache, daί seine Theologie auch lange nach Nizäa im Westen noch rezipiert wurde13, lag es nahe, in seiner Terminologie nach einem Δquivalent für das (angeblich ebenfalls die Einheit Gottes in besonderem Maίe betonende) ομοούσιος zu suchen, das den Vätern von Nizäa als Vorlage gedient haben könnte. Da Tertullian mit den Begriffen "consubstantialis"14 und "consubstantivus"15

(gnostische)

Auffassungen

seiner

Diskussionsgegner

wiedergibt, die Worte sich bei ihm selber aber nirgends in positivem trinitarischen Zusammenhang finden16, kommt, wie schon LOOFS17 meinte, für die These eines Zusammenhangs zwischen Tertullians eigenen trinitätstheologischen Vorstellungen und dem ομοούσιος vor allem die Wendung "una substantia" / "unius

substantiae"

in

antimonarchianischer

Betracht,

Frontstellung

mit 18

(!)

der

Tertullian

-

allerdings

- die Einheit in der

in

Gottheit

1

auszudrücken pflegte '. Besonders die Arbeiten STEADs haben jedoch deutlich gezeigt, daί diese These mit unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden ist. Die lateinische Übersetzung

des

griechischen

Wortes

ομοούσιος

wäre

demnach

eben

"consubstantivus"/ "consubstantialis", also gerade jener Begriff, den Tertullian nur

12

 BIENERT,  I.e.,  156.  STEAD,  I.e., 400f.   Allerdings  sind hierbei durchaus Differenzierungen am Platze,  vgl. dazu mein  Phoebadiuskapitel  unter Abschnitt  5 in  dieser  Arbeit,  bes.  S.  184ff.  14  Tert.,  Herrn.  44,3.  15  Tert.,  Val.  12,5;  18,1; 37,2.  16   Vgl.  ausführlich  BRAUN,  Deus  christianorum,  141ff.;  KELLY,  Glaubensbekennntisse,  242;  DINSEN,  I.e.,  23; STEAD,  RAC  16  (1992),  378.  17  Leitfaden,  189.  18  Tert.,  Adv.  Prax.  3,lf.;  31,3.  15  So  schon  LOOFS  1922,  vgl.  I.e.,  70f.  -  Bei  Tertullian  z.B.  Adv.  Prax. 2,4;  29,6; Apol.  21,11;  vgl.  GRILLMEIER,  Jesus,  242f.  13

1 Zur These der westlichen Herleitung des Nizanums

9

aus  d e m  Munde  seiner  (gnostischen)  Gegner  referiert.  Umgekehrt  wäre  die  griechische  Ausdrucksweise  für  die  westliche  Betonung  der  Einheit  G o t t e s  bzw.  die  griechische  Wiedergabe  der  tertullianischen  Wendung  "una  substantia"  oder  "unius  substantiae"  gerade  nicht  ομοούσιος,  sondern  vielmehr  μ ί α  ο υ σ ί α  / 

μ ί α 

20

ύπόστασις   ­  jene  Wendung  findet  sich  jedoch  wiederum  im  Nizänum  nicht.  Tertullian  selbst  hat  demnach  keine  positive  trinitätstheologische  Begrifflichkeit,  die  sich  auf  ein  griechisches  ομοούσιος  zurückführen  oder  sich  damit  sachgerecht  übersetzen  ließe 21 .  Für  die  Zweifel  an  der  Gültigkeit  der  Gleichung  ομοούσιος  =  "una  substantia"  lassen  sich weitere  Gründe  namhaft  machen:  So  ist  zu  beachten,  daß  die  früheste  uns  erhaltene  lateinische  Übersetzung  von  Ν  den  griechischen  Terminus  ομοούσιος  in  Transliteration  beibehält 22 ,  was  doch  bei  e i n e m  lateinischen  Ursprung  des  Begriffs kaum  zu  erwarten  gewesen wäre.  U n d  der  römische  Rhetor  Marius  Victorinus  diskutiert  in  seiner  Schrift  "Adversus  Arium"  verschiedene  Möglichkeiten  einer  Übersetzung  des  ομοούσιος  ins  Lateinische23,  was  bei  einer  Herkunft  des  Wortes  aus  d e m  Lateinischen  ebenfalls  kaum  erklärlich  wäre. 

20

Vgl. die folgende Anm. Vgl. STEAD, RAC 16 (1992), 400f. und ders., Divine Substance, 253. Hil., Coll. antiar. Paris. Β II, 10 (CSEL 65, 150, 11 Feder): "unius substantiae cum patre, quod Graeci dicunt 'omousion'"; Vgl. Greg. 111., Fid. orth., praef. 1 (CChr.SL 69, 221,5f. Bulhart): "unius substantiae cum patre - quod Graeci dicunt  όμοούσιον".  ­ Daί  ομοούσιος  in  den  westlichen  Bezeugungen von Ν (neben der Transliteration) mit "unius substantiae" wiedergegeben wird, spricht  nicht  gegen  die  hier  vertretene  These  einer Unmöglichkeit dieser Übersetzung vor bzw. in den Jahren unmittelbar nach Nizäa. Die bei Hilarius und Gregor belegte Übersetzung beruht ja auf der Interpretation des nizänischen Stichworts, wie sie nach dessen Wiederentdeckung in den späten 50er Jahren des 4. Jahrhunderts üblich wurde; inzwischen hatte das Nizänum in Serdika eine scharf markellische Interpretation im Sinne des μία  ύπόστασις  erfahren; vor diesem  Hintergrund  konnte  nun  (aber  nicht  eher!)  auch  das  ομοούσιος  mit  "unius  substantiae"  wiedergegeben  werden.  Lateinische Versionen von Ν vor 357 (2. sirmische Formel!; vgl. mein Phoebadiuskapitel unten unter  5.) liegen  nicht vor.  ­  Zur  Version  von Ν in  den  Coli,  antiar. Paris, vgl. auch  Hilarius in Syn. 77:  "unius  substantiae,  que  graece  homousion  dicitur"  (PL  10,  530B);  "homousion,  id  est,  unius  substantiae" (I.e., 535C; vgl. 536A: N). Daneben  Lucifer Cal., De non pare. 18. 24, Δthan. 11,11 und auch Rufin, Hist. X, 6. - Die lateinische Bezeugung von  Ν  ist übersichtlich aufgelistet bei DOSSETTI, Simbola, 91ff. - Über Gregor von Elvira vgl. mein Gregorkapitel unten unter Abschnitt 6 in dieser Arbeit. Zur Synode von Serdika s.u. Abschnitt 2. 25 Ar. II, 10. 12. Die Gegner des Victorinus verlangen, das Wort ins Lateinische zu übersetzen (Ar. II, 9); Victorinus will lieber am griechischen Begriff festhalten; er meint, daί das Wort ohnehin nur sehr schwer ins Lateinische übersetzt werden könne: "Latine, inquiunt, dicatur. Quia difficile dicitur, ideo expetitis;" Ar. II, 9 (CSEL 83,1183f., 13f. Henry/Hadot). Dies spricht gegen einen im Westen entstandenen Gebrauch des  ομοούσιος  ­ man hätte sonst auf bestehende lateinische Δquivalente zunickgreifen können. 21 22

Erster Teil

10

Zudem ist zu bedenken,  daß auch das Symbol der westlichen Synode von  Serdika  34224  zwar  in  seinem  lateinischen  Text  den  Begriff  "una  substantia"25  hat,  der  griechische  Prä­Text26  aber  eben  nicht  ομοούσιος",  sondern  μία  ύπόστασις28  liest:  Wiederum  zeigt  sich,  daß  die  Gleichung  ομοούσιος  =  una  substantia  aus  den  Quellen  nicht  zu  belegen  ist29.  Die  zunächst  äußerst  geringe  Verbreitung  des  Nizänums  im  Westen  des  Reiches  (man  denke  an  Hilarius'  eingangs  zitierten  Ausspruch,  er  habe  bis  vor  dem  Beginn  seines  östlichen  Exils  noch  nie  etwas  vom  nizänischen  Bekenntnis  gehört30),  spricht  m.E.  auch  nicht  eben  dafür,  in  der  Formel  einen  Sieg  der  westlichen,  auf  Tertullian  zurückgehenden  Theologie  zu  erblicken31.  Schließlich  ist  zu  beachten,  daß  Arius  vor  Nizäa  ausdrücklich  gegen  das  ομοούσιος  polemisiert32,  dabei  aber offenbar gerade nicht  Vorstellungen  entgegentreten  will,  die  die  Einheit  der  trinitarischen  Hypostasen  (im  Sinne  eines  "una  substantia")  sabellianisierend  betonen33.  Und  die  Vorbehalte  Eusebs  in  seinem  berühmten  Brief  an  seine  Gemeinde34  wollen  ebenfalls  gnostische  Fehldeutungen  des 

24

Zur Synode und ihrer Vorgeschichte s.u. unter 2.1. - Eine ausführliche Analyse und dogmengeschichtliche Bewertung des Serdicense in dieser Arbeit unter 2.2.1. - 2.2.5. Zur Datierung vgl. meinen Exkurs S. 39ff. 25 "Nos autem hanc suscepimus et edocti sumus, hanc habemus catholicam et apostolicam traditionem et fidem et confessionem: unam esse substantiam..." (EOMIA 1/2, 651, 21-24 Turner). 24 Zur Frage der Verhältnisbestimmung von griechischem und lateinischem Text im westlichen Serdicense s.u. S. 91ff. 27 LOOFS' Titel seiner Edition und Kommentierung des westlichen Serdicense "Das Glaubensbekenntnis der Homousianer von Sardica", AAWB 1909, ist somit zumindest irreführend (Kursivdruck Vf.). 28   ήμείς  δέ  ταυτην  παρειλήφαμεν  καϊ  δεδιδάγμε&α,  ταΰτην  εχομεν  τήν  κα&ολικήν  και  άποστολικήν  παράδοσιν  και  πίστιν  και  όμολογίαν.  μίαν  είναι  ΰπόστασιν... vgl. meinen Text  des  Serdicense  Ζ.  19­21,  s.u.  2.2.1.2.  29  Zu  den späteren lateinischen Zeugnissen s.o. Anm. 19. 30 Hil., Syn. 91: "Fidem Nicaenam numquam nisi exsulaturus audivi" (PL 10, 545A). 31 STEAD, Divine Substance, 256: "It seems difficult to explain such an ignorance if the Council could really be regarded as an important victory for Western theology; Rome was not normally slow to celebrate such triumphs". Vgl. SIMONETTI, VetChr 17 (1980), 88. 32 Im Bekenntnis an Alexander (Opitz III, Urk. 6, 3.5), vgl. die "Thalia", Ath., syn. 15. Natürlich ist bei der Thalia immer der Faktor möglicher unvorteilhafter Interpretation im Athanasiusreferat mit zu berücksichtigen, vgl. METZLER, Beitrag, 11-45. 33 Vielmehr möchte Arius das  ομοούσιος  vermeiden,  weil  es  (seines  Wissens) manichäischen Ursprungs ist:  οϋδ'  ώς  Μανιχαίος  μέρος  όμοοΰσιον  τοΰ  πατρός  τό  γέννημα  είσηγήσατο,  (Opitz  III,  12, llf.).  Er  kritisiert  nicht, daί das  ομοούσιος  eine  Differenzierung der  Hypostasen  oder  eine  Aufhebung der  Subordination  mit  sich bringe,  an  der  er  sich  doch  Urk.  6, 3f. so  massiv  interessiert  zeigt;  auch  ist  nicht  davon  die  Rede, daί der Begriff modalistische oder sabellianische Tendenzen impliziere; das Argument entfaltet bei STEAD, I.e., 243f. 34 Opitz III, Urk. 22,10.

1  Zur  These  der  westlichen  Herleitung  des  Nizänums 

11 

Begriffes vermeiden; hätte das ομοούσιος in Nizäa so viel wie "una substantia" bedeutet, wären hier Abgrenzungen gegen den Sabellianismus zu erwarten gewesen, wie Euseb sie dann in der späteren Diskussion gegen Markell vornimmt35.

Diese Sicht wird durch weitere Beobachtungen gestützt: Im Werk des Eustathius von Antiochien, soweit es uns erhalten ist, findet sich eine klare Option zugunsten der Einheit der Hypostase / Ousia36, ομοούσιος als Ausdruck hierfür findet sich hingegen nicht37. Und auch Markell von Ankyra, wohl der energischste Vetreter der Lehre von der  μία  ύπόστασις  /  μία  ουσία,  verwendet  den  Begriff  ομοούσιος  nirgends,  auch  nicht  in  seinem späteren, 340/1 verfaίten Bekenntnis an Julius von Rom38, das doch gerade dem Erweis seiner Rechtgläubigkeit im Westen (!) und vor einer rein westlichen (!) Synode dienen soll; hätte die Aufnahme des  ομοούσιος  ins nizänische Symbol 325 auf abendländischen Einflüssen im Sinne einer Gleichung  ομοούσιος  =  una  substantia beruht,  dann hätte sich Markell 340/1 mit seinem Verzicht auf diesen Begriff ein Argument entgehen lassen, wie es stichhaltiger, klarer und für die abendländischen Begutachter seiner Theologie überzeugender nicht hätte sein können.

Die These einer Identifizierung des ομοούσιος mit dem westlichen, auf Tertullian  zurückgehenden "una substantia" / "unius substantiae" ist somit unhaltbar.

35

  Euseb.,  e.th.  1,1;  Aber  in  dieser  Diskussion  richtet  Euseb  sich  wiederum  nicht  gegen  das  ομοούσιος  (das  Markell  ja  auch  gar  nicht  benutzte),  sondern  gegen  μία  ύπόστασις  bzw.  gegen  Markells  angebliche  Auffassung von Sohnvater  ­  υίοπάτωρ,  vgl. FEIGE,  Markell  und Nizäa,  289f.  36   Eustathius,  Fragm.  38  (107,  27­30  Spanneut).  37   Vgl.  LORENZ,  TRE  10  (1982),  545;  DINSEN,  I.e.,  73. 83;  FEIGE,  I.e.,  282.  38   Das  Bekenntnis  Markells,  fr.  129,  bei  Euseb  (GCS  Euseb  IV,  214f.  Klostermann/Hansen).  Zu  den Umständen vgl. ausführlich mein Kapitel über die Synode von Serdika und ihre  Vorgeschichte,  s.u.  unter  2.1. 

12 

Erster Teil

1.2 ομοούσιος als Lehrentscheidung Kallists über Hippolyt und Sabellius sowie in der römischen theologischen Tradition des 3. Jahrhunderts ?

Ohne sich an die These von der Identifikation des ομοούσιος mit dem westlich-tertullianischen "unius substantiae" direkt wieder anzuschlieίen, ist im Jahre 1979 BIENERT erneut für eine abendländische (genauer: römische) Herleitung des nizänischen Stichwortes eingetreten. Da BIENERTs These den z.Zt. prominentesten Versuch einer abendländischen Herleitung des Nizänums darstellt, soll sie im folgenden näher geprüft werden. Nach BIENERT ist die Aufnahme des ομοούσιος in das Nizänum nur dann denkbar, wenn "es eine rechtgläubige Tradition in der vornicaenischen Kirche oder in einer der groίen Regionalkirchen gegeben"3' habe, die sich mit dem Begriff ομοούσιος verband. Neben einer hohen Einschätzung der Bedeutung, "die die kirchliche Tradition nicht zuletzt bei der Entwicklung rechtgläubiger Theologie gegenüber den 'Neuerungen der Häresie'(!) in der alten Kirche spielt"40, sieht sich BIENERT in seiner These insbesondere durch die Bemerkung des Euseb von Caesarea in dessen Schreiben an seine Heimatgemeinde bestärkt, er, Euseb, habe erfahren, daί bereits unter den Alten einige gelehrte und berühmte Bischöfe und Schriftsteller den Begriff ομοούσιος zur Bezeichnung der Gottheit von Vater und Sohn gebraucht hätten41. Spuren dieser Tradition erblickt BIENERT im sog. Streit der Dionyse, in dem der Begriff ομοούσιος in der Tat einmal auftaucht42; Dionys von Alexandrien

39

BIENERT, ZKG 90 (1979), 167; vgl. auch Anm. 67. BIENERT, I.e., 165. 41 Das Argument bei BIENERT, I.e., 164; Der Text bei Euseb lautet:  φ  και  αϋτψ  τοΰτον  έρμηνευ9·έντι  τον  τρόπον  καλώς  έχειν  έφάνη  συγκατα9·έσται,  έπεί  και  των  παλαιών  τ ίνας  λογίους  και  έπιφανείς  επισκόπους  καϊ  συγγραφείς  εγνωμεν  έπί  της  τοΰ  πατρός  και  υΐοΰ  9­εολογίας  τφ  τοΰ ομοουσίου συγχρησαμενους  ονόματι.  (Opitz III, 46, 3­6). Vgl. Ath., ep. Afr. 6,  der  die Bemerkung  mit  dem  Streit  der  Dionyse  in Verbindung bringt. DINSEN,  I.e., 85 mit Anm.  6  denkt  daneben  an  Tertullian,  was  ich  wegen  des  oben  unter  1.1.  Dargelegten für völlig unwahrscheinlich halte. 42 Dionys von Alexandrien hatte 260 gegen 'sabellianische' Trinitätstheologie in Libyen Stellung genommen und dabei die Unterscheidung von Vater und Sohn stark betont bzw. etwas unglückliche Bilder zur Illustrierung seiner Sicht gewählt. Seine libyschen Gegner wandten sich daraufhin nach Rom (Ath., sent. Dion. 18,1); der dortige Bischof Dionys intervenierte und Dionys von Alexandrien antwortete mit einem Schreiben, in dem er seine Position teilweise revidierte. In jenem Schreiben 40

1  Zur These  der westlichen  Herleitung  des  Nizänums 

13 

schreibt seinem Namensvetter aus Rom, er habe den Begriff früher nicht benutzt, da er unbiblisch sei, sei aber nun in der Sache durchaus damit einverstanden43. Zwar ist das  όμοούσιος  im  Munde  des  Dionys  von  Rom  nicht  belegt44,  die  Wendung des Alexandriners lege aber, so BIENERT, nahe, zu vermuten, daί der Römer es vertreten habe45. Aus der am Streit der Dionyse sichtbar werdenden Beziehung des Begriffs zu Sabellius und aufgrund der lapidaren Kürze, mit der Dionys von Rom das Thema behandele, hält BIENERT es jedoch für wahrscheinlich, daί sich Dionys von Rom seinerseits auf eine Entscheidung eines seiner Amtsvorgänger, also auf eine noch ältere Tradition der römischen Kirche stütze46. Zusätzliche Argumente für diese Sicht erblickt BIENERT darin, daί das Wort  όμοούσιος  im  griechischsprachigen  Raum  angesiedelt  sei47,  was für Rom auf die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts weise, zumal auch die fehlende Ableitbarkeit aus der Heiligen Schrift für einen älteren Ursprung spreche48. Wegen seiner im Streit der Dionyse erkennbaren Verbindlichkeit stamme der Begriff offensichtlich aus einer kirchlichen Lehrentscheidung; die erkennbare Verbindung des Wortes mit dem Sabellianismus spreche dafür, diese Lehrentscheidung im Votum Kallists über Hippolyt und Sabell49 zu sehen50, in der der Bischof von Rom mit der (allerdings im Referat Hippolyts über die Entscheidung nicht eigens erwähnten) schillernden Formel  ομοούσιος  einen  "rechtgläubigen Weg der Mitte"51 zwischen den zum Ditheismus neigenden Ansichten Hippolyts und den modalistischen Anschauungen Sabells gefunden und

findet sich auch das ομοούσιος. Vgl. BIENERT,  I.e., 168ff.  ­  Zum  Dionys­Zitat  bei Athanasius vgl.  nächste Anm. 43 Ath., sent. Dion. 18,2:  είτα  τοις  ικνουμένοις  και  προσφυεστέροις  ένδιέτριψα  καϊ  πλέον  διεξήλ&ον  περί  των  άλη9·εστέρων  ποικίλα  προσεξευρων  τεκμήρια,  απερ  καϊ  [σοι]  δι'  άλλης  επιστολής  έγραψα,  έν  οίς  ήλεγξα  καϊ  ο  προφέρουσιν  έγκλημα,  κατ'  έμοΰ  ψεΰδος  όν,  ώς  ού  λέγοντος  τόν  Χριστόν  όμοοΰσιον  είναι  τψ  &εφ.  εί  γαρ  και  τό  ονομα  τοΰτό  φημι  μή  εϋρηκέναι  μηδ'  άνεγνωκέναι  που  των  άγιων  γραφών,  άλλά  γε  τ α  επιχειρήματα  μου  τ α  έξης,  α  σεσιωπήκασι,  της  διανοίας  ταύτης  ούκ  ΰπάιδει.  (Opitz  II, 59, 5­10).  44  Der  Textauszug  des römischen Dionys bei Ath., decr. 26.; vgl. hierzu ABRAMOWSKI, ZKG 93 (1982), 240ff. 45 BIENERT, I.e., 172. 46 Ebenda. 47 Zu den Problemen einer Übersetzung aus lateinischer Vorlage siehe oben unter 1.1. 48 BIENERT, I.e., 172. 49 Das einzige erhaltene Zeugnis über diese Entscheidung: Hippolyt, Ref. IX, 11, 1-4; 12, 15-19. 50 BIENERT, I.e., 172ff. 51 BIENERT, I.e., 173.

14 

Erster Teil 

festgelegt habe: "Dort, wo die Entscheidung der römischen Kirche unter Kallist als rechtgläubig anerkannt wurde, konnte man später an die rechtgläubige Tradition des ομοούσιος anknüpfen"52. Der Begriff ομοούσιος sei allerdings kaum positiv gefüllt und verdanke sich keiner spekulativ entwickelten Theologie, sondern sei vielmehr Ausdruck einer "schlichten,

'sabellianischen'

Gemeindefrömmigkeit

auf

kirchenamtlicher

53

Grundlage" . Als solcher habe er sich auch im Osten schrittweise durchgesetzt54 bis hin zu seiner Einfügung in das Symbol von Nizäa 325. Die notwendige theologische Denkarbeit und damit die positive Füllung der Formel sei erst lange nach Nizäa erfolgt, und zwar dann in der Tradition derjenigen Origenisten, die schon 325 bereit gewesen waren, das ομοούσιος anzuerkennen55. Soweit die These BIENERTs.

Gegen die von BIENERT vorgetragene Auffassung erheben sich schwerwiegende Bedenken.

Die Annahme einer der Aufnahme ins Nizänum vorangehenden rechtgläubigen Tradition des ομοούσιος ist schon deshalb in Frage zu stellen, weil eine solche Tradition

während

der

Verhandlungen

in Nizäa,

soweit

sie für uns

rekonstruierbar sind, offenbar keine Rolle gespielt hat. Vor, während und auch nach der Synode56 erfahren wir von solchen Argumenten nichts. Der Bericht Eusebs in dessen Brief an seine Gemeinde berichtet ausführlich über die von Konstantin veranlaίte Einfügung des ομοούσιος in den Text von Ν und von der

52

 BIENERT,  I.e., 174.   BIENERT,  I.e., 175.  54  BIENERT,  I.e.,  171f. mit Anm. 89.  55  BIENERT,  I.e., 175.  56  Die erste von zahlreichen abendländischen Teilnehmern besuchte Synode während des arianischen  Streites,  die  von  Serdika  342,  benutzt  in  ihrem  Symbol,  dem  sog.  westliche  Serdicense,  das  ομοούσιος  nicht, was stark gegen eine westliche Tradition des Begriffes spricht. Deshalb  STEAD,  Divine  Substance,  255:  "It seems  to  me  incredible  that  if homoousion  really were  an  established  expression of Western theology, this council and these authors should have refrained from pressing  it upon the Eastern bishops". Bei BIENERT, I.e. 171f. mit Anm. 89 hat sich hier ein Mißverständnis  eingestellt, da er STEADs Kommentar fälschlich auf die Synode der Origenisten in Antiochien 268  bezieht.  Seine  Kritik  an  STEADs  Votum  ist  insofern  gegenstandslos.  ­  Die  bei  STEAD  vorausgesetzte  dogmengeschichtliche  Einordnung des westlichen  Serdicense ist  allerdings m.E. so  auch nicht haltbar,  vgl.  unten meinen Kommentar zum Serdicense.  53

1  Zur  These  der westlichen  Herleitung  des  Nizänums 

15 

entsprechenden kaiserlichen Auslegung und Begründung57; doch finden sich hier nur "negative" Argumente, d.h. es wird erklärt, wie das ομοούσιος nicht zu verstehen sei58. Konstantin oder sein abendländischer kirchlicher Berater Ossius können sich also kaum positiv auf westliche Tradition berufen haben, sonst hätte Euseb, der ansonsten kein kaiserliches Argument mitzuteilen versäumt, uns dies überliefert. Die von BIENERT stark hervorgehobene Mitteilung des Euseb, er habe erfahren, daί bereits unter den Alten einige gelehrte und berühmte Bischöfe und Schriftsteller den Begriff ομοούσιος zur Bezeichnung der Gottheit von Vater und Sohn gebraucht hätten59, hat in dem Bericht des Euseb von der Entstehung der nizänischen Formel nicht von Ferne den Stellenwert, den BIENERT ihr zubilligen möchte. Sie erscheint merkwürdig beiläufig ganz am Ende des Berichts60 (soweit er das ομοούσιος betrifft), gleichsam als letzter zusätzlicher Gesichtspunkt. Insofern hat das von Euseb in der Tat häufig und stets in exponierter Stellung vorgebrachte Traditionsargument, das z.B. bei der Verteidigung seines eigenen Bekenntnisses vor Kaiser und Konzil eine so zentrale Rolle spielt", hier bei der Verteidigung seiner Hinnahme des Nizänums gegenüber seiner Gemeinde ein geradezu auffällig geringes Gewicht. Und es ist hier auch keineswegs über jeden Zweifel erhaben; denn daί Euseb erst auf dem Konzil (mehr oder minder überraschend) erfahren haben (εγνωμεν, Aor.!62) soll, daί sich mit dem ομοούσιος eine längere rechtgläubige trinitätstheologische43 Tradition verband, ist auίerordentlich zweifelhaft angesichts der Tatsache, daί es sich beim Bischof von Caesarea und Verfasser der Kirchengeschichte doch sicher um den "dogmengeschichtlich" (zumindest, was den Osten betrifft)

57

Opitz III, Urk. 22,7. In Eusebs eigener Stellungnahme zu seiner Annahme von Ν interpretiert er das ομοούσιος so, daί der Sohn dem Vater κατά  π ά ν τ α  τρόπον  άφωμοιώσ&αι  (Opitz  III,  46,2),  eine  mit  Bedacht  so  offen gewählte Wendung, daί uns keine näheren Rückschlüsse erlaubt sind. * S.o. Anm 41. 60 Opitz III, Urk. 22,10. 61  Κα&ώς  παρελάβομεν  παρά  των  προ ήμών επισκόπων  και  έν τη  πρώτη  κατηχήσει...  (Opitz  III,  43,5); ώς  έν τ φ  πρεσβυτερίψ  και  έν αύτη  τη  έπισκοπη  έπιστεΰομεν  τε  και  έδιδάσκομεν  :..  (L.C.,  43,6f.);  ούτως  φρονεΐν  και  πάλαι  ό'υτως  έσχηκέναι  ...  (L.c.,  43,20).  62  Opitz  III,  46,5.  63  Das wird  im Eusebbrief ausdrücklich behauptet: έπί  της  τοϋ πατρός  και uioü  9­εολογίας  (Opitz  III,  46,  5f.).  58

16

Erster Teil

bestinformierten Mann seiner Zeit gehandelt hat6*. Die Vermutung, daί der unter massivem Rechtfertigungsdruck stehende Euseb das Traditionsargument in einer absichtlich allgemein gehaltenen Form seinen Ausführungen anfügte, ohne dabei konkrete Belege nennen zu können oder zu kennen, ist m.E. nicht von der Hand zu weisen. Euseb konnte so seine Hinnahme des Nizänums wenigstens noch durch eine allgemein gehaltene Berufung auf Tradition ein wenig plausibler erscheinen lassen. Konkrete Hinweise finden wir nirgends. Aus diesem Grunde ist es äuίerst fragwürdig, in Eusebs beiläufiger Bemerkung ein "entscheidendes Argument"65 in seinem Gedankengang zu erblicken und darauf die These einer langen rechtgläubigen Tradition des ομοούσιος zu gründen.

Auch BIENERTs Beurteilung des Streites der Dionyse ist m.E. nicht haltbar. Dionys von Alexandrien bezeugt zwar das ομοούσιος indirekt, er hat es aber, wie sein Zitat zeigt66, nicht selber übernommen. Das derartiges (etwa aus Rom) von ihm verlangt worden sei, erfahren wir nirgends. Gegen BIENERTs Vermutung, der römische Dionys habe den Begriff als gültige Lehrentscheidung vorausgesetzt oder seine Annahme verlangt, spricht die Tatsache, daί das Wort im Schreiben des Bischofs von Rom eben nicht vorkommt67. Dieses Argument erhält v.a. dann besonderes Gewicht, wenn man bedenkt, daί es Athanasius ist, der uns den "römischen Text" mitteilt68, und das in seiner Schrift "De decretis synodis", die er ja in der Intention verfaίt hat, die Wendungen έκ της  ούσίας  τοΰ πατρός  und  ομοούσιος  in  Ν  zu  rechtfertigen.  Hierzu  bietet  er  decr.  25­27  eine Begründung aus der Tradition. Wenn er dabei im Schreiben des Dionys von Rom den Begriff

64

So auch ABRAMOWSKI, ZKG 93 (1982), 245 mit Arnn. 18. Sie findet das Unwissen Eusebs so merkwürdig, "daί damit alles ins Zwielicht gerät". Ebenso SIMONETTI, VetChr 17 (1980), 89 mit Anm. 20. - Zum Aufbau der Bibliothek in Caesarea unter Origenes, Pamphilos und Euseb vgl. jetzt WINKELMANN, Euseb, 23ff. 30ff. 65 So m.E. zu Unrecht BIENERT, I.e., 167. 66 S.o. Anm. 43. 67 Schon LOOFS, FS K. MÜLLER, 72f., folgerte aus dem Text bei Dionys von Alexandrien, daί Dionys von Rom das  ομοούσιος  verfochten  habe,  obwohl  das  erhaltene  Fragment  das  Wort  "zufällig" nicht biete. 68 Decr. 26.

1  Zur  These  der  westlichen  Herleitung  des  Nizänums 

17 

όμοούσιος nicht zitiert, heiίt das m.E., daί er ihn nicht zitieren kann, Dionys von Rom ihn also nicht benutzt hat®. Seit ABRAMOWSKIs Neubewertung der Korrespondenz zum Streit der Dionyse und ihrer Umdatierung der meisten Passagen auf das Jahr 341™ ist die gesamte Bewertung dieser Episode zudem in ein völlig neues Licht getreten. Auch wenn an dieser Stelle nicht im einzelnen auf ABRAMOWSKIs (mir weithin einleuchtende) Argumente zur Umdatierung der Texte eingegangen werden kann71, bleibt festzuhalten, daί dem ohnehin unsicheren Postulat BIENERTs durch eine solche grundsätzliche Neubewertung natürlich vollends der Boden entzogen würde72. Die auf Basis des Dionysfragments von BIENERT postulierte ältere römische Tradition des ομοούσιος (Lehrentscheidung Kallists) erscheint mir schlieίlich als völlig unglaubwürdig. Für seine These, Kallist habe bei der Entscheidung zwischen Hippolyt und Sabell den Begriff  όμοούσιος  als Kompromiίformel eingebracht, kann BIENERT nicht einen einzigen Beleg beibringen73. In den bei Hippolyt von Kallist überlieferten Glaubenssätzen findet sich der Begriff nicht74. Und auch aus inhaltlichen Gründen ist BIENERTs Vermutung ganz unwahrscheinlich: Denn nach allem, was wir aus dem Hippolyt-Text (und damit aus dem einzig uns erhaltenen Bericht über die Angelegenheit) erfahren, scheint

® Gegen  LOOFS,  I.e.,  72f.  70  Dionys  von  Rom  ( t  268)  und Dionys von Alexandrien  ( t  264/5)  in den  arianischen  Streitigkeiten  des  4.  Jahrhunderts,  ZKG  93  (1982),  240­272.  71   Vgl.  aber  meine  Notiz  zum  Serdicense  s.u.S.  61  mit  Anm.  214.  ­  STEAD,  RAC  16  (1992),  392,  weist darauf hin,  daß ABRAMOWSKIs  These  "bislang wenig Unterstützung gefunden hat", aber  die  Berufung  auf  die  Mehrheitsmeinung  ist  sicher  kein  zwingendes  Argument!  -  Eine  kritische  Auseinandersetzung  mit  ABRAMOWSKIs  These  bei  FEIGE,  Lehre  Markells,  113ff.;  vgl.  auch  PIETRAS,  Greg.  72  (1991),  459ff.  Zustimmung  zu  ABRAMOWSKI  andererseits  neuestens  bei  SEIBT,  Markell,  145  (dort,  I.e.,  151f.  mit Anm.  1245  auch  eine  kurze  Auseinandersetzung  mit  der  Sicht  FEIGEs)  und ders., Beobachtungen  zur Verfasserfrage der pseudathanasianischen  "Expositio  fidei",  in:  Logos.  FS  für  L.  ABRAMOWSKI,  Berlin/New  York  1993,  281-296.  72

 So ABRAMOWSKI,  I.e., 254ff. mit Anm. 59, die BIENERTs These "von vornherein als unhaltbar"  betrachtet.  73   Dies  moniert  auch  SIMONETTI,  VetChr  17  (1980),  87.  -  Basilius,  ep.  9,2,  spricht  davon,  daß  Sabell  das  Wort  auf  das  Verhältnis  Vater / Sohn  angewendet  habe,  doch  davon  wissen  die  älteren  Zeugnisse  nichts,  wie  BIENERT,  I.e.,  170f.  selbst  einräumt.  74   Hippolyt,  Ref.  IX, 12.  -  Vgl.  SIMONETTI,  VetChr  17  (1980),  87. 

18 

Erster  Teil 

Kallist eine Position vertreten zu haben, die sich gegen den "Ditheismus"75 Hippolyts scharf abgrenzt und ihm gegenüber die göttliche Einheit betont76; die Abgrenzung Kallists gegen Sabell scheint dagegen weit weniger scharf ausgefallen zu sein77. Dies widerspräche BIENERTs Annahme eines (in den Quellen nicht belegten) ομοούσιος als etwaiger Kompromiίformel und "rechtgläubigen Weg(es) der Mitte". Ist es aber richtig, Kallist auf Seiten derer zu sehen, denen an der Betonung der Einheit Gottes in besonderem Maίe gelegen ist ("schlichte sabellianische

Gemeindefrömmigkeit"), dann

ist es in höchstem

Maίe

unwahrscheinlich, daί er sich zur Kennzeichnung seiner Position ausgerechnet des Begriffes ομοούσιος bedient haben sollte. Denn im vortrinitarischen Gebrauch der Neuplatoniker und Gnostiker meint das Wort ja gerade die Gleichartigkeit oder Einheit mit dem gemeinsamen Ursprung zweier Subjekte oder Gröίen, wie DINSEN78 ausführlich gezeigt hat. Dann aber hätten die Vertreter einer strengen Einheit in der Trinität wie Kallist keinen Grund gehabt, ausgerechnet diesen Begriff positiv in den kirchlichen Gebrauch einzuführen79. Es sei hier am Rande auch noch einmal daran erinnert, daί auch der gegen das ομοούσιος polemisierende Arius vor Nizäa gerade keinen Zusammenhang zwischen dem von ihm verworfenen Begriff und der "Häresie Sabells" herstellt80. Eine Koinzidenzzwischensabellianisierendentrinitätstheologischen Vorstellungen und dem Begriff ομοούσιος ist weder bei Arius noch im Streit der Dionyse noch im Konflikt um Hippolyt belegbar; auch ist sie nach dem wenigen, was wir aus der Vorgeschichte des Wortes wissen, keinesfalls als wahrscheinlich anzusehen.

75

  Hippolyt,  Ref.  IX,  11,3:  άπεκάλει  ήμας  δι&έους  (Hippolyt,  Refutatio  omnium  haeresium,  350,  23  Marcovich);  Ref.  IX,  12,16:  δί&εοί  έστε  (I.e. 353,  78).    Ref.  IX,  12,17:  εν  και  το  αυτό  (353,  85  Marcovich).  Vgl.  Ref.  IX,  12,  16.  Kommentierend  BIENERT,  I.e.,  173.  77  Sojedenfalls die (allerdings ihrerseits von polemischen Verzerrungen durchsetzte) Sicht Hippolyts,  der ihm Sabellianismus vorwirft: Ref. IX,  12,19: ποτέ μεν εις  τό Σαβελλίου δόγμα εμπίπτων,  ποτέ  δέ  είς  τό  Θεοδότου  οϋκ  αιδείται  (354,  97f.  Marcovich);  vgl.  Ref.  IX,  11,1.  78  Homoousios, 4ff. ­ Zur Bandbreite möglicher Verständnisse des Begriffs vgl. auch STEAD,  Divine  Substance,  246ff.  u.ö.  79   Das  Argument  bei  ABRAMOWSKI,  I.e., 254ff. mit  Anm.  59,  hierin  unter  b).  80  So  sein  Bekenntnis  an Alexander,  Opitz  III, Urk. 6; die Stelle I.e.  12,  l l f .  ­ Vgl.  oben  S.  lOf. mit  Anm.  32f.  Zur  Kommentierung  STEAD,  Divine  Substance,  243f.  76

1 Zur These der westlichen Herleitung des Nizänums

19 

1.3  Zur  Rolle  der  westlichen  Teilnehmer  in  Nizäa 

Fragt  man  schließlich  nach  den  äußeren  Kriterien,  die  für  eine  westliche  Herleitung  von  Ν  sprechen  könnten,  so  stellt  sich  zunächst  die  Frage  nach  den  Teilnehmern der Synode bzw. den durch sie vertretenen Provinzen und Regionen.  Die  Zahl  der  am  20.  Mai  325"  in  Nizäa  zur  Synode  zusammengetretenen  Bischöfe ist nicht sicher auszumachen; Synodalprotokolle besitzen wir nicht. Nach  Angaben  des  Athanasius  waren  318  Bischöfe  zugegen82,  doch  ist  diese  Zahl  mit  Sicherheit  legendär®.  Andere  Quellen  sprechen  von  über  25084,  27085  bzw.  300" und  31587  Bischöfen.  Die  Bischofslisten  weisen  221  Teilnehmer  aus88,  sind  aber  nur  unvollständig  erhalten8®.  Vermutlich  wird  man  von  etwas  über  250  Teilnehmern  ausgehen  können.  Von  diesen  sind  insgesamt  nur  6  Bischöfe  aus  dem  Westen  sicher  bezeugt:  Ossius  von  Cordoba90,  Vicentius  und  Victor  als  Vetreter  des  Bischofs von  Rom",  ein  Bischof  Markus  aus  Kalabrien92,  Caecilian  von  Karthago93,  ein  gewisser  Domnus  aus  Pannonien94,  und  ein  Nikasius  aus 

81

Anders BARNES, Constantine and Eusebius, 215 ("beginning of June"). Ath., ep. Afr. 2; ebenso Hilarius, Syn. 68 und Liberius von Rom (siehe nächste Anm.). m Vgl. Gen 14,14ff. - Die Zahl ist offensichtlich der Zahl der Knechte Abrahams, die einst die Heere feindlicher Könige geschlagen und dabei Lot befreit hatten, legendarisch nachgebildet. Vgl. AUBINEAU, R H E 61 (1966), 5-43 und CHADWICK, R H E 61 (1966), 808-811. Die Verbindung zu Gen 14,14 wird schon im Liberiusbrief über die Kirchengemeinschaft mit den (366 das Nizänum akzeptierenden) Homöusianern ausdrücklich hergestellt, vgl. Socr., h.e. IV,12. 84 Euseb, V. C. 111,7. 85 Eustathius bei Thdt., h.e. I, 8,1-5. 86 Konstantin an die Gemeinde in Alexandrien (Opitz III, Urk. 25,5). Vgl. Hil., Coli, antiar. Paris. Β II, 9, 7. 87 Mar. Vict., Adv. Ar. 11,9. 88 So die Rekonstruktion einer griechischen Liste durch GELZER; Patrum Nicaenorum Nomina, ed. GELZER/HILGENFELD/CUNTZ, Leipzig 1898. Die rekonstruierte Liste LXff. HONIGMANN, Byz. 14 (1939), 44ff. mit einer Korrektur Byz. 16 (1942/3), 22, rekonstruiert gegenüber der Liste der 221 eine kürzere Liste von 194 Namen, die er für die ursprünglichere hält, doch ist dies zweifelhaft. SCHΔFERDIEK, ZKG 90 (1979), 287f. hat für das Beispiel des Theophilus von Gotien gezeigt, daί das Fehlen dieses Namens in der kürzeren Liste sekundär ist. 89 Vgl. v.a. Patrum Nicaenorum Nomina (vgl. vorige Anm.) und dazu EOMIA 1/1, ed. TURNER, Oxford 1899, 35ff. 90 In der von GELZER rekonstruierten Liste (I.e. LXff.) unter Nr. 1; Vgl. EOMIA 1/1, 36f., Nr. 1. 91 Bei GELZER, I.e., unter Nr. 1; vgl. EOMIA 1/1, 36f., Nr. 2. Sylvester ist nur durch seine zwei Presbyter vertreten, die zusammen mit Ossius von Cordoba unter Nr. 1 aufgeführt sind. Deren Rolle wird bei KÖTTING, Teilnehmer, 2, weit überschätzt. 92 Ebenda unter Nr. 206; vgl. EOMIA 1/1, 84f., Nr. 205. 93 Ebenda unter Nr. 208; vgl. EOMIA 1/1, 84f., Nr. 207. 82

2 0 

Erster  Teil 

Gallien95. Ob und wie viele weitere Teilnehmer aus dem Westen zugegen gewesen sind, wissen wir nicht. BIENERT nennt eine Zahl von etwa 100 Vetretern aus dem Westen96, indem er sich auf die Notiz in den lateinisch und syrisch überlieferten Bischofslisten beruft, daί auf der Liste die Namen der westlichen Teilnehmer mit Absicht ausgelassen worden seien97. Doch ist diese Bemerkung mit gröίten Vorbehalten zu betrachten, hat sie doch, wie SCHΔFERDIEK 98 gezeigt hat, deutlich die Funktion, die Differenz zwischen der tatsächlichen Teilnehmerzahl und der idealisierenden Zahl 318 verständlich zu machen99. Deshalb

ist es methodisch

fragwürdig, beim Versuch

einer

Bestimmung der westlichen Teilnehmerzahl in Nizäa über die sicher bezeugte Zahl von 6 erheblich hinauszugehen. Vielmehr ist als gesichert anzunehmen, daί der Anteil der westlichen Bischöfe auf dem Konzil von 325 deutlich unter 10% gelegen hat, zahlenmäίig also sehr gering zu veranschlagen ist.

Eine etwas andere Frage ist die nach dem theologischen und religionspolitischen Gewicht der wenigen westlichen Teilnehmer auf der Synode in Nizäa. Während man hierbei die Rolle der Abendländer generell eher gering wird veranschlagen müssen (auch BIENERT spricht von einer "Statistenrolle"100), stellt sich doch andererseits im Falle des Ossius von Cordoba101 in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Berater in Kirchendingen die Frage, inwiefern er bei den stark vom Kaiser geprägten Verhandlungen und bei dem aus diesen

Beratungen

hervorgegangenen Bekenntnis seine Hand mit im Spiel gehabt und dabei auch westliche theologische Einflüsse zur Geltung gebracht haben könnte. Immerhin

94

  Ebenda  unter  Nr.  217; vgl.  EOMIA  1/1,  90f.,  Nr.  215.    Ebenda  unter  Nr.  218; vgl.  EOMIA  1/1,  90f.,  Nr.  216.    L.c.,  160.  97  Z.B.  Patrum  Nicaenorum  Nomina,  57:  "Occidentalium  uero  nomina  ideo  non  sunt  scripta,  quia  nulla  apud  eos  heresis  suspicio  fuit". Die  Notiz  taucht  so  und ähnlich in einer größeren Anzahl  der  erhaltenen  Listen  auf  und  ist  der  nizänischen  Liste  wohl  schon  sehr  früh  zugewachsen,  vgl.  SCHÄFERDIEK,  ZKG  90  (1979),  288.  98   L.c.,  287f.  (Exk.  1).  99   Die  Kurzformen  der  erhaltenen  Listen  sind  allerdings  gegenüber  den  ausführlicheren  sekundär,  vgl.  SCHÄFERDIEK,  I.e.,  288  gegen  HONIGMANN,  Byz.  14  (1939),  17ff. 44ff.  100   L.c.,  160.  101   "Der  führende  Theologe  des  Westens  auf  dem  Konzil  von  Nizäa",  BIENERT,  I.e.,  156.  -  Zu  Person  und  Werk  des  Ossius  vgl.  unten  mein  Kapitel  3  in  dieser  Arbeit.  95 96

1 Zur These der westlichen Herleitung des Nizänums

21

bezeichnet Athanasius die fides nicaena ausdrücklich als Arbeit des Ossius von Cordoba102. Allerdings erheben sich auch hiergegen einige Zweifel: Basilius nennt Hermogenes, den späteren Bischof von Caesarea/Kapp. als Verfasser von N'03. Und Eusebs Bericht von den Vorgängen in Nizäa weist ganz eindeutig den Kaiser als diejenige Person aus, die das Wort ομοούσιος sowohl vorschlägt104 als auch erläutert105; daί sich hinter dem Handeln des Kaisers die Initiative des Ossius verbirgt, ist nach den von Euseb überlieferten Nachrichten eher unwahrscheinlich106. Zudem ist es angesichts der Quellenlage generell höchst problematisch, den spanischen Bischof auf irgendeine klare theologische Position festzulegen; zu unterschiedlich sind die Bekenntnisformulierungen, die er im Laufe seiner Karriere unterschrieben bzw. mitverfaίt hat. Sein unbestritten hohes Ansehen gründete sich offenbar v.a. auf die Tatsachen, daί er in der diokletianischen Verfolgung confessor gewesen war und daί er in unmittelbarer Umgebung des Kaisers tätig war107. Eine invariable, etwa westlich geprägte trinitätstheologische Position des Ossius ist jedoch nicht auszumachen. Ich verweise hierzu auf meine ausführliche Argumentation unten in Kapitel 3 dieser Arbeit.

Eine abendländische Herleitung des Nizänums von 325 einschlieίlich seines Stichwortes ομοούσιος muί somit für ausgeschlossen gelten. Das Nizänum ist in seiner Gesamtheit vielmehr als ein östliches Bekenntnis108 zu verstehen, in dem

102

H. Ar. 42,3: ούτος και την έν Νιχαί*  πίστιν  έζέ&ετο  (Opitz  II,  206, 31).   Darauf  weist  auch  BIENERT,  I.e.,  155 Anm.  20,  hin;  Die  Basiliusstelle  ep.  81;  vgl.  ep.  263,3;  244,9.  104  ένός  μόνου  προσεγγπαφέντος  ρήματος  τοϋ  ομοουσίου  (Opitz  III,  44, 3f.).  105  και  αυτός  ερμήνευε  λέγων  (Opitz  III, 44, 4ff.).  106  Darauf  hat STEAD, Divine Substance, 252f., aufmerksam gemacht. Euseb spricht offensichtlich  abwertend  von  denen,  οι  δε  προφάσει  της  τοϋ  ομοουσίου  προθήκης  τήνδε  τήν  γραφήν  πεποιήκασιν  (Opitz III, 44, 8f.). Ossius dagegen  stellt er höchst postitv als Friedensstifter dar: v.C. 2,63 (GCS Euseb 1/1, 73, 19f. Winkelmann): ανδρα λαμπρυνόμενον ευ μάλα  ταΓς υπέρ εϋσεβείας  ομολογίας  ...; (I.e. 73,21):  βραβευτήν  ειρήνης.  107  Vgl. hierzu  HANSON,  Search,  170.  108  Das von Euseb  selbst  vorgelegte Bekenntnis  aus  Caesarea  ist  allerdings wohl nicht  Vorlage für Ν gewesen, wie KELLY, Glaubensbekenntnisse, 216ff., gezeigt hat; bestätigend BIENERT, I.e., 166f. mit Anm. 66, kritisch HOLLAND, ZKG 81 (1970), 179. Die entsprechenden Bemerkungen Eusebs in seinem Brief an seine Gemeinde (Opitz III, Urk. 22,1.7) meinen nur, daί sein Symbol inhaltlich mit dem in Nizäa angenommenen in Einklang stehe. KELLY sah als Vorlage von  Ν  ein  lokales  "Taufbekentnnis syrisch-palästinensischer Provenienz (I.e., 229), bestätigend BEYSCHLAG, 103

22

Erster  Teil 

sich die  origenistischen  Kreise um Alexander von Alexandrien und  die  Vertreter  einer  Einhypostasenlehre  wie  Eustathius  oder  Markeil10®  zu  einer  kurzfristigen  antiarianischen  theologischen  Koalition  zusammenfanden110 bzw.  auf  kaiserliches  Ansinnen hin zusammenfinden mußten; abgesehen davon, daß es dem Arianismus  widersprach,  bot  das  hierbei  entstandene  Formular  jedoch  durchaus  noch  ein  breites  Interpretationsspektrum111  und  ließ  für  den  positiven  trinitarischen  Gebrauch  viele  Fragen  offen112.  Für  Alexander  bedeutete  die  Annahme  des  Nizänums  den  Verzicht  auf  die  ihm  sonst  völlig  geläufige  Abbildtheologie  und  Mehrhypostasenlehre,  mit  der  er  sich  von  Arius  letztlich  nicht  deutlich  genug  abzugrenzen  vermocht  hatte.  Mit  dem  nizänischen  Anathema  έξ  έτέρας  υποστάσεως  η  ουσίας  war  der  Weg  zu  einer  (im  Grunde  der  breiten  Mehrheit  der  bisherigen  theologischen  Tradition  entgegenlaufenden)  Einhypostasenlehre  beschritten.  Für  deren  genuine  Vertreter,  Eustathius  und  Markellus,  war  dies  jedoch  noch  nicht  weitgehend  genug113,  da  das  Symbol  von  Nizäa  den  Origenismus  und  damit  die  Lehre  von  der  Mehrzahl  der  Hypostasen  noch  keineswegs  völlig  ausschloß1".  Noch  konnten  die  Theologen  aus  dem  Lager 

Grundriί 1,272; SKARSAUNE ist 1987 (VigChr 41 [1987], 34-54) für eine alexandrinische Herkunft eingetreten, was mir nicht sehr wahrscheinlich vorkommt, da dies das jahrzehntelange Schweigen des Athanasius über Ν vollends unverständlich machen würde. Auch übergeht SKARSAUNE die Tatsache, daί in Ν die Abbildtheologie des (alexandrinisch geprägten) Antiochenums vom Frühjahr 325 gänzlich weggefallen ist. - STEAD, RAC 16 (1992), 410, erklärt zur Frage der Herkunft des Nizänums lapidar: "Sein Ursprung ist unbekannt." Δhnlich unentschieden GRILLMEIER, Jesus, 406. 109 Daί man jedoch auch Eustathius und Markeil nicht einfach auf ein und derselben Linie sehen darf, sondern auch hier Differenzierungen erforderlich sind, hat neuerdings SEIBT, Markell, gezeigt; I.e., 425f. mit Anm. 347 gibt er eine knappe Aufstellung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Theologen. 110 Vgl. SIMONETTI, Crisi, 94f. 111 Vgl. STEAD, I.e., 246ff. - HANSON, Search, 172, mit Recht: "It was more like a drawn battle". 112 Vgl. PERSON, Mode, 113: "The bishops at Nicaea limited themselves to the rejection of a theology that saw the Son as less than God and the affirmation of the full divinity of the Son." Und I.e. 109: "The doctrine of the trinity was therefore not defined at Nicaea but left open for further development". 113 Dies geht aus der Bemerkung des Eustathius über das Konzil klar hervor: τινές έκ συσκευής, τοΐίνομα  προβαλλόμενοι  της  ειρήνης,  κατεσίγησαν  μεν  ά π α ν τ α ς  τους  άριστα  λέγειν  εϊω&ότας  (Thdt., h.e. I, 8,3 [GCS Theodoret  34, 9­11 Parmentier]). Daί man demnach auch den (unbestritten vorhandenen) Einfluί Markells auf die Erstellung von  Ν  nicht  zu  hoch  bewerten  darf,  hat jüngst FEIGE, Markell und Nizäa, 277ff., treffend dargelegt. LOGAN, JThS.NS 43 (1992), 445f. versteht demgegenüber  Ν  ganz  als  Triumph  der  Markell  und  Eustathius,  geht  aber  dabei  auf  die  Eustathiusstelle  bei  Theodoret  nicht  ein.  114 Über das Anathema  έξ  έτέρας  υποστάσεως  ή  ουσίας  vgl. ausführlich HANSON, I.e., 167; SIMONETTI, I.e., 136.

1 Zur These der westlichen Herleitung des Nizänums 

2 3 

Eusebs  von  Caesarea  das  Verbot  des  έξ  ετέρας  υποστάσεως  η  ουσίας  ganz  einfach  mit  έκ  τοΰ  πατρός  deuten115,  einer  Wendung,  die  sich  ja  bekanntlich  auch  bei  Arius  fand116. 

Das  ομοούσιος  von  Nizäa  ist  als  ein  ­ in  der  Tat  nicht  positiv  gefüllter  -  Begriff  ohne  klaren  Bedeutungsgehalt  anzusehen117,  der  seine  Einfügung  in  das  Symbol  durch  die  Person  des  Kaisers  Konstantin  wohl  vornehmlich  der  Tatsache  verdankt,  daß  Arius  ihn  dezidiert  abgelehnt  hatte118.  Dafür  spricht  v.a.,  daß  das  Wort  abgesehen  von  den  Belegen  bei  Arius  vor  dem  Konzil  kaum  belegt  ist119  und  auch  lange  Jahre  nach  Nizäa  keinerlei  erkennbare  Rolle  spielt.  Die  Annahme  einer  längeren  rechtgläubigen  Tradition  des  ομοούσιος  vor  325  führt  dagegen in die Irre. Entsprechende  Vermutungen gar unter Hinweis auf westliche  theologische  bzw. kirchenamtliche  Entscheidungen sind nicht zu belegen  und v.a.  aus  den  dargelegten  Gründen  sogar  als  höchst  unwahrscheinlich  anzusehen. 

"The Western  Church, before  as well  as after 325,  remained  blessedly  aloof  from  the bitter Arian Controversy. Even the decisions of the Council of Nicaea,  despite  their  tremendous  importance  for  the  future  of  Christianity,  barely  caused  a  stir 

115

Opitz III, Urk. 22,13. Opitz III, Urk. 6,4. 117 Vgl. jetzt STEAD, RAC 16 (1992), 411: "Die genaue Bedeutung von ομοούσιος im nizänischen Credo ist folglich nicht nur schwer auszumachen, sondern es ist auch vergeblich, sie zu suchen." 118 So schon Ambrosius, De Fide 111,15,125. Natürlich läίt sich hier keine völlige Sicherheit gewinnen. Schon LOOFS, Nicänum, 80, hielt die Ambrosiusstelle für einen "zu schwachen Haken", um an ihn "ein so wichtiges Geschehen aufzuhängen. Dennoch halte ich die These für die nach wie vor am wenigsten unwahrscheinliche. Sie wird ausführlich begründet bei BAYNES, Constantine, 21 mit Anm. 63; RICKEN, ThPh 44 (1969), 334; STEAD, Divine Substance, 251 in Kombination mit anderen Theorien. Zur ihrer Stützung sollte man m.E. auch auf das Argument der Homöusianer aufmerksam machen, das diese auf der 3. sirmischen Synode von 358 gegen das ομοούσιος vorbringen: "Quia in synodo, quae apud Nicaeam fuit, coacti patres nostri propter eos qui creaturam Filium dicebant, nomen homousii indidissent: quod non recipiendum idcirco sit, quia nusquam scriptum reperiretur"; Hil., Syn. 81 (PL 10, 534 B). Hilarius nimmt dieses Argument Syn. 83 voll auf. Vgl. hierzu unten unter 4.3. meine Ausführungen zu Hilarius. 116

119 Ausführlich hierzu DINSEN, I.e., 16ff. 57ff.; STEAD, RAC 16 (1992), 364ff. Zum Beleg bei Dionys von Alexandrien s.o. unter 1.2. und ABRAMOWSKI, ZKG 93 (1982), 240ff. Der Bericht von der Verurteilung des Paul von Samosata in Antiochien 268 wegen des ομοούσιος gehört in die späten 50er Jahre des 4. Jahrhunderts, wie BRENNECKE, ZNW 75 (1984), 270-290, gezeigt hat, bestätigend STEAD, I.e., 394ff.

24

Erster Teil

in  the  West"120.  Diese  Aussage  D E  CLERCQs  trifft  präzise  die  merkwürdige  Situation,  daß  der  Westen  auch  in  der  Zeit  nach  325  von  den  Wirren  und  Streitigkeiten,  die  seit  318  in  Windeseile  den  gesamten  Ostteil  des  Imperium  Romanum  erfaßt  hatten,  praktisch  unberührt  blieb. 

Die  Konflikte um  die  Rehabilitierung  des Arius121 und um die Absetzung  einiger  Bischöfe  in  der  Phase  nach  dem  Konzil  von  Nizäa122  schlugen  sich  im  Westen  zunächst  nicht  nieder.  Auch  der  Fortgang  der  dogmatischen  Streitigkeiten  spielte  sich  in  den  folgenden  15 Jahren weiterhin  im  Osten  ab.  Markell  von  Ankyra  entfachte  eine  breite  literarische  Auseinandersetzung  mit  der  eusebianischen  Theologie,  die  er  in  Nizäa  noch  nicht  völlig  auszuschließen  vermocht  hatte123.  Eustathius  von  Antiochien  verfaßte  eine  Homilie  über  Prov  8,22  (den  locus  classicus  der  Arianer)  und  trat  in  schriftlichen  Disput  mit  Euseb  von  Caesarea  ein124. 

Das  Abendland  blieb  von  alldem  zunächst  völlig  unberührt.  Von  Sylvester  von  Rom,  der  Vicentius  und  Victor  nach  Nizäa  entsandt,  aber  damit  natürlich  auf  Verlauf  und  Entscheidungen  des  Konzils  keinen  weiteren  Einfluß  genommen  hatte,  ist nichts Näheres bekannt; auch sonst war er offenbar nicht in  Konstantins  Aktivitäten  involviert125.  Über  seinen  Nachfolger  des  Jahres  336,  Markus,  wissen  wir  nichts. 

120

DE CLERCQ, Ossius, 290. Nach MARTIN, RHE 84 (1989) 297-333 wäre Arius bis 335 im Exil gewesen; Nach WILLIAMS, I.e., 74ff., könnte Arius dagegen von einer bithynischen Synode begnadigt worden sein und die Jahre 325-335 in Libyen verbracht haben. In den genannten Arbeiten finden sich ausführliche Bewertungen der für diese Fragen relevanten Quellen. - Die vielfältigen chronologischen Probleme können im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit nicht behandelt werden. Die Forschungslage ist, sonderlich nach dem o.g. Aufsatz von MARTIN, (abermals) als völlig offen zu betrachten. 122 Eustathius von Antiochien wohl 327 (Ath., hAr. 4; Philost., h.e., 11,7; Socr., h.e. 1,24; Soz., h.e. II,19,1; Thdt., h.e. 1,21,19; zur unsicheren Datierung vgl. LORENZ, TRE 10 (1982), 544); Asklepas von Gaza (Ath., apol. sec. 45,2; hAr. 5; Socr., h.e. 11,15; Soz., h.e. 111,8,1; das Absetzungsdatum ist unsicher; vgl. hierzu den Exkurs über die Datierung der Synode von Serdika in dieser Arbeit unter 2.1.1.); zu den späteren Absetzungsurteilen gegen Athanasius und Markell siehe unten unter 2.1.1. 123 Eine neue Anordnung, Übersetzung und ausführliche Kommentierung der aus dieser Auseinandersetzung erhaltenen Fragmente Markells bei SEIBT, Markell, 210ff. 124 Socr., h.e. 1,23,8; Soz., h.e. II,18,3f.; vgl. LORENZ, I.e., 544; SELLERS, Eustathius, 27. 31. 36. Die erhaltenen Eustathiusfragmente bei SPANNEUT, Recherches. 125 Vgl. STUDER, EECh 2 (1992), 802. 121

1  Zur  These  der  westlichen  Herleitung  des  Nizänums 

25 

Ossius von Cordoba, kaiserlicher Berater und sicher die bedeutendste Figur unter den wenigen westlichen Vertretern in Nizäa, verlieί den kaiserlichen Hof und kehrte nach Spanien zurück, ohne daί wir über die Gründe für diesen Rückzug Aussagen machen könnten126. An der theologischen Debatte jedenfalls ist Ossius für gut 15 Jahre nicht mehr beteiligt. Bei Caecilian von Karthago ist die Nachricht über seine Teilnahme in Nizäa das letzte, was wir überhaupt von ihm erfahren. Über Markus, Domnus und Nikasius liegen keine Notizen vor. So dauert es bis zur zweiten Hälfte der 30er-Jahre, bis der Westen, äuίerlich veranlaίt durch die Exilsaufenthalte des Athanasius und Markells sowie die durch die Reichsteilung nach dem Tode Konstantins des Groίen völlig veränderte politische Situation1", deutlicher in die Auseinandersetzungen eintritt. Es sind die Bischöfe Julius von Rom128 und Maximin von Trier129, und mit ihnen eine gröίere Anzahl von Bischöfen aus Diözesen des Abendlandes, darunter dann auch wieder in führender Position Ossius von Cordoba, die nun, praktisch als erste Vertreter des Westens, massiv mit den dogmatischen und kirchenpolitischen Entwicklungen konfrontiert werden.

Ihr Eintreten in den Streit gehört bereits in das weitere Vorfeld der Synode von Serdika, auf der, immerhin 17 Jahre nach der Reichssynode von Nizäa, nun endlich auch gröίere Teile des Westens unmittelbar in die im Osten bereits seit 318 währende Kontroverse eingreifen, besser gesagt hineingezogen werden sollten.

126  Die  Vermutung,  er  sei  wegen  seiner  angeblich  unbestechlichen  Haltung  zu Nizäa  anläßlich  der  Wiederannäherungspolitik  Konstantins an die theologischen Positionen Eusebs in Ungnade gefallen  (vorsichtig vertreten bei  DE  CLERCQ,  I.e., 289,  dort, 286ff. auch  die Auseinandersetzung  mit  der  älteren Literatur)  scheitert  daran,  daß Athanasius  den Bischof  von Cordoba bei  seiner Aufzählung  der  Opfer  arianischer  Intrigen  nach  325  (fug.  3;  h.  Ar.  4­7)  nicht  nennt.  Vgl.  ausführlich  mein  Ossiuskapitel  unten  unter  3.  1Z!  Siehe  hierzu  unten  unter  2.1.  128  Zu  Julius vgl.  CAVALCANTI,  EECh  1 (1992),  460.  129  Zu  Maximin  vgl.  SAXER,  EECh  1  (1992),  546. 

2  Die  Synode  von  Serdika 

Ein theologischer  Gegensatz  zwischen Ost und West im (zunächst ganz im  Osten  angesiedelten)  arianischen  Streit  tritt  anläßlich  der  gescheiterten  Synode  von  Serdika 342 und ihrer Vorgeschichte  offen zutage. In Serdika wurden von Ost und  West1  zwei  inhaltlich  einander  ausschließende  theologische  Erklärungen  formuliert2;  die  Vertreter  der  streitenden  Parteien  verdammten  und  exkommunizierten  die  Meinungsführer  der  jeweils  anderen  Partei3.  Auch  wenn  das  Schisma  von  Serdika  nicht  endgültig  war,  so  sollte  doch  die  sich  aus  der  gescheiterten  Synode  ergebende  Konstellation  im weiteren  Verlauf  des  Streites  über  längere  Zeit  eine  entscheidende  Rolle  spielen4.  Unabhängig  von der  Frage,  ob es sinnvoll ist, vom Schisma von Serdika aus eine gerade Linie zur endgültigen  Trennung  in  West-  und  Ostkirche  im Jahre  1054  zu ziehen",  hat  doch  zweifellos 

1 Ich behalte die traditionelle Redeweise von Ost und West bzw. Morgen- und Abendland im Zusammenhang mit der Serdikasynode in Ermangelung einer besseren Terminologie bei, mache aber darauf aufmerksam, daί der Ausdruck "westlich" aus Gründen, die mit dem theologischen Hintergrund des Serdicense und mit der Herkunft der Teilnehmer der Synode zusammenhängen, nur eingeschränkt verwendbar ist, vgl. hierzu meine Ausführungen unter 2.2.3 und den anschlieίenden Exkurs. MARKSCHIES, Italien, 13, bezeichnet das Serdicense "klassisch" als "das erste westliche Bekenntnis im 'arianischen Streit'" (Kursivdruck MARKSCHIES), schränkt aber ebenfalls ein: Der Text sei theologisch von Markell geprägt, er zeige aber doch, "wie die Abendländer dachten". Insofern handele es sich "auch um ein 'klassisches Dokument westlicher Theologie' der Jahrhundertmitte" (MARKSCHIES, I.e., 13; Kursivdruck Vf.). Vgl. zum Problem auch die Warnung von TETZ, ZNW 76 (1985), 243: "Man weiί, daί sich nicht einfach Osten und Westen, nicht Morgen- und Abendländer oder Griechen und Lateiner, auch nicht Origenisten und Antiorigenisten schieden". 2 Siehe hierzu unten S. 45ff. 3 Vgl. das westliche Synodalschreiben mit Ekthesis sowie die östlichen Pendants, zum Ganzen s.u.S. 45ff. 4 Vgl. LOHR, Entstehung, 24. 5 LIETZMANNs zusammenfassende Wertung der Ereignisse von Serdika ist für diese Sichtweise gleichsam repräsentativ geworden: "Das kirchliche Schisma war Tatsache geworden. Zum erstenmal in der Kirchengeschichte schieden sich Osten und Westen durch feierliche Beschlüsse voneinander, und es waren nicht bloί kirchenpolitische Gegensätze, die in dieser Spaltung ihren Ausdruck fanden, sondern auch die in Formeln sich unklar ausdrückende Verschiedenheit des theologischen Denkens, und in mancher Beziehung auch des religiösen Empfindens, der abend- und der morgenländischen Christenheit. Von Serdika bis zu dem Trennungsakt des Jahres 1054 läuft eine gerade Linie." Geschichte der Alten Kirche III, 202. Vgl. in neuerer Zeit etwa FREND, Liberty, 7, oder BARNARD, HeyJ 20 (1979), 243.

2  Die  Synode  von Serdika

27

Geltung, was die Kirchenhistoriker des 5. Jahrhunderts als Ausgang der Synode von Serdika festgehalten haben:  Διεσπατο  ούν  της  ανατολής  ή δύσις6. 

Zum Verständnis der Konstellation von Serdika ist es unerläίlich, sich die politischen, kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen Voraussetzungen zu vergegenwärtigen. Zwar kann die ein wenig einseitige Auffassung von SCHWARTZ, daί auch die theologischen Verlautbarungen der Synode(n) rein unter kirchenpolitischem Aspekt zu interpretieren seien7, heute als überholt gelten8; gleichwohl liegt die particula veri dieser These in der Tatsache, daί die politischen und kirchenpolitischen Aspekte der Entwicklung von 337-342 entscheidend zum Schisma von 342 beigetragen haben'. Aus diesem Grunde ist es an dieser Stelle unverzichtbar, auf Vorgeschichte und Verlauf der Synode von Serdika einzugehen. Da jedoch die Synode und ihre Vorgeschichte besonders durch die Arbeiten von BARNARD10 erst vor kurzem eingehend behandelt worden sind und sich zudem in einigen neueren Monographien (im Rahmen weitergehender

Untersuchungen)

Darstellungen zur Vorgeschichte

und

11

Geschichte der Synode finden , sollen diese Fragen in der vorliegenden Arbeit nur kurz und insoweit aufgenommen werden, wie es für das Verständnis der entstehenden theologischen Differenzen zwischen Ost und West erforderlich ist.

6

  Socr.,  h.e.  11,22,2  (240f.  Hussey);  Vgl.  Soz.,  h.e.  111,13,1.    Vgl.  SCHWARTZ,  ZNW  30  (1931),  6  mit  Anm.2.  8   Schon  SCHNEEMELCHER,  Serdika,  GA,  354f.,  hat  im  Bück  auf  die  den  Synodalschreiben  beigefügten  Glaubenserklärungen  darauf  aufmerksam gemacht,  daß der aufgebrochene  Gegensatz  nicht  zuletzt  ein  theologischer  Dissens  war.  Auch  beziehen  sich  beide  Seiten  bei  ihren  Verdammungsurteilen  auf  dieselbe  Schriftstelle  Gal  1,9; Vgl.  Hil.,  Coll.  ant.  Par. A  IV,1,2,4  (Ost)  bzw.  Β  11,1,8,3  (West).  9  Daneben haben JUGIE,  Le Schisme Byzantin, Paris  1949, hierin bes. 3­45 sowie W.H.C.  FREND,  I.e., 5­19 auch nachdrücklich  auf die sich ständig verstärkenden  Entfremdungsprozeß  zwischen  Ost  und  West  im  sprachlichen  und  kulturellen  Bereich  hingewiesen.  Vgl.  als  beredtes  Zeugnis  hierfür  die  Briefe bei  COURCELLE,  Lettres.  10   Pope  Julius,  Marcellus  of  Ancyra  and  the  Council  of  Sardica.  A  Reconsideration,  RThAM  38  (1971),  69-79;  East-West  conciliatory  moves  and  their  Outcome  in  the  Period  341-351 A.D.,  HeyJ  20  (1979),  243-256; The  Council of  Serdica: Some  Problems  re-assessed, AHC  12 (1980),  1-25; die  vorangegangenen  Studien  aufnehmend  und  weiterführend  v.a.  die  Monographie  The  Council  of  Serdica  343 A.D.,  Sofia  1983.  11  GIRARDET,  Kaisergericht und Bischofsgericht,  106-154; BRENNECKE,  Hilarius,  3-64; LOHR,  I.e.,  17-25.  7

28 

Erster  Teil 

2.1 Vorgeschichte und Verlauf der Synode von Serdika

2.1.1 Die Vorgeschichte Der Tod Konstantins des Groίen am 22. Mai 33712 brachte einen tiefgreifenden Wandel der politischen Verhältnisse mit sich und stürzte das Reich in eine Krise; es wird nunmehr unter den drei überlebenden Söhnen Konstantin II., Konstantius und Konstans aufgeteilt: Konstantin II. erhielt Gallien, Spanien und Britannien, Konstantius den Orient, Δgypten und die asiatischen Provinzen sowie Thrakien, Konstans Italien, Afrika, Illyrien, Achaia und Mazedonien13. Faktisch kann jedoch bereits im Jahre 337 nur von einer Zweiteilung des Reiches ausgegangen werden, da Konstantin II. auch für das Territorium seines noch minderjährigen Bruders Konstans die Gesetze erlieί14; dabei ist zu beachten, daί der Reichsteil, dem Konstantin II. faktisch vorstand, den des Konstantius deutlich überwog (etwa drei Viertel des gesamten römischen Reiches); und dieses Übergewicht kam umso deutlicher zum Tragen, als Konstantius mit dem Orient auch noch die Herrschaft über das ständig von den Persern bedrohte Gebiet übernommen hatte15. Als der wohl von Anfang an nach der Alleinherrschaft strebende Konstantin II." mit Hilfe militärischer Intervention17 versuchte, sich des Reichteils des Konstans zu bemächtigen18, wurde er Ende März oder in den ersten Apriltagen 340 von 12  Euseb,  v.C.  IV,61,2; 64; Hieron.,  chron.  ad 337; Socr.,  h.e.  I, 39,2; 40,3; Vgl.  KIENAST,  Tabelle,  297; SEECK, Regesten,  184 und ders., GdU  III, 390 mit Anm. 21. Konstantin hatte  offenbar gerade  vor,  zu  einem  neuerlichen  Feldzug  gegen  die  Perser  aufzubrechen,  Vgl.  Euseb,  v.C.  IV,  56,1.  13  So  seit  dem  Treffen  der  Brüder  vom  August  337  in  Pannonien.  Zur  geographischen  Aufteilung  vgl.  KIENAST,  I.e., 305-309  (hier  ist  das  Kaisertreffen erst  auf  338 datiert).  Die  anderen  in  Frage  kommenden Thronanwärter waren durch die Verwandtenmorde  an den Mitgliedern der Seitenlinie  des  konstantinischen  Hauses  aus  dem  Wege  geräumt  worden,  vgl.  Ath,  hAr.  69.  -  Zu  den  Einzelheiten der Wirren um die Nachfolge Konstantins vgl. RADDATZ,  Weströmisches  Kaisertum,  17.f.  und  ausführlich  KLEIN,  ByF 6  (1979),  101-150.  14   Vgl.  Zosim.,  Hist.  II,  39;  RADDATZ,  I.e.,  18.  15  Vgl.  RADDATZ,  I.e.,  18.  16  Ausführlich  hierzu  DEMANDT,  Spätantike,  82ff. und  RADDATZ,  I.e.,  19ff.  17  Einmarsch  in  Oberitalien  Frühjahr  340,  vgl.  Socr.,  h.e.  11,5; zum  Ganzen  RADDATZ,  I.e., 31f.  18  Das  Motiv für die militärische  Intervention lag darin, daß Konstans seine Position spätestens  seit  seinem Sieg über die Sarmaten Ende 338 gestärkt sah und seine Selbständigkeit  zu betonen begann.  Die  wachsenden  Ansprüche  des  Konstans  machten  aus  der  Sicht  Konstantins  II.  einen  Konflikt 

2  Die  Synode  von  Serdika

29

Soldaten des ihm entgegeneilenden Konstans in Aquileia getötet". Konstans, der jüngste der Brüder, war nun Herrscher über den weitaus gröίeren Teil des römischen Reiches, das gesamte Westreich; er war damit der erste christliche weströmische Kaiser20.

Die Auswirkungen der Zweiteilung des Imperiums für die kirchenpolitischen Verhältnisse können kaum hoch genug eingeschätzt werden21: An die Stelle der der Alleinherrschaft im Imperium unter Konstantin dem Groίen entsprechenden Alleinherrschaft in der Reichskirche trat seit Mitte 337 die Situation, daί plötzlich der "Widerstand gegen den einen Kaiser Unterstützung bei dem anderen fand"22. Und dieser Tatsache waren sich nicht nur die Bischöfe, sondern auch die Kaiser sehr wohl bewuίt23. Der theologische Streit um das Problem der Trinität und der kirchenpolitische Kampf um die Absetzungsurteile gegen einige orientalische Bischöfe geht seit 337 einher mit dem politischen Machtkampf zwischen den beiden Reichsteilen des Imperium Romanum. Während alle kirchenpolitischen und theologischen Parteien bemüht sind, ihre Positionen durch Erlangung der Gunst der Kaiser zu untermauern, sind umgekehrt die Kaiser massiv daran interessiert, mit Hilfe der Loyalität von Bischöfen einerseits die Machtposition im eigenen Herrschaftsgebiet zu stärken und andererseits im jeweils anderen Reichsteil an Einfluί zu gewinnen.

unumgänglich; andernfalls hätte er die Oberherrschaft über das Westreich verloren und damit  auch  alle  Chancen  auf  die  Gesamtherrschaft.  Vgl.  hierzu  RADDATZ,  I.e.,  31.  "  Zum  Termin  KIENAST,  Tabelle,  305; SEECK,  Regesten,  184; ders.,  GdU  IV,  47.  20  RADDATZ,  I.e.,  31f.  21  Darauf  hat besonders  PABST in ihrer Erlanger Dissertation  aufmerksam gemacht: Divisio regni:  der  Zerfall  des  Imperium  Romanum  in  der  Sicht  der  Zeitgenossen,  Bonn  1986.  22  SCHWARTZ,  GS  III,  269.  23   Zu  den  Versuchen  Konstantins  II.,  die  kirchenpolitische  Situation  als  Instrument  beim  Versuch  der  Erlangung  der  Alleinherrschaft  einzusetzen  vgl.  RADDATZ,  I.e.,  19ff.  Auch  Konstans'  Engagement  für die Wiedereinsetzung  einiger  im Osten abgesetzter  Bischöfe  läßt  sich als  Versuch  verstehen,  in  den  Reichsteil  seines  Bruders  dadurch  hineinzuwirken,  daß  er  sich  einflußreicher  orientalischer  Bischöfe  versicherte,  vgl.  hierzu  GIRARDET,  I.e.,  106. 

Erster Teil

30

Kirchenpolitisch  stellte sich die Situation jener Jahre als Kampf um die  Gültigkeit  des 335 in Tyrus gegen Athanasius  ergangenen synodalen Absetzungsurteils  dar24.  Während 

die 

östlichen 

Bischöfe25  völlig 

selbstverständlich 

von 

der 

24

Verbindlichkeit  ihres  Urteils  ausgingen ,  hatte  Athanasius  schon vor  seinem  auf  die  Verurteilung  folgenden  Trierer  Exil  bei  Konstantin  selbst  (erfolglos)  Einspruch  erhoben27.  Als  nun  Konstantin  II.  unmittelbar  nach  dem  Tode  seines  Vaters  in  einem  Brief  an  die  Gemeinde  in  Alexandrien  die  bevorstehende  Rückkehr  des  Athanasius  ankündigte28  und  beim  Treffen  der  Brüder  in  Pannonien  im  August  337  von  Konstantius  die  Rückkehr  der  unter  Konstantin  aus  dem  östlichen  Reichsteil  vertriebenen  Bischöfe  erwirkte®,  fühlten  sich  die  östlichen Bischöfe mit Recht düpiert und argumentierten gegenüber  Konstantius, 

24

Zu der Entscheidung von Tyrus vgl. Soz., h.e. 11,25,3-6 und 15-19 und das Synodalschreiben der östlichen Synode von Serdika, Hilarius, Coli, antiar. Paris. A IV,l,6f. Siehe auch in dieser Arbeit unten S. 46. - Eine neue, eingehende Untersuchung der gesamten Frühphase des Athanasius findet sich jetzt bei ARNOLD, The Early Episcopal Career of Athanasius of Alexandria, Notre Dame 1991; zur Synode von Tyrus I.e., 103ff. ARNOLDs Buch läίt sich allerdings, in offensichtlicher Opposition zur Sicht SCHWARTZ', jedoch dabei ins andere Extrem verfallend, eine moralische Ehrenrettung zugunsten des Athanasius angelegen sein, die m.E. so nicht haltbar ist. Mit Recht kritisch zu ARNOLDs Buch BARNARD, Studies, 10. In vielen Einzelheiten von ARNOLD abweichend und im ganzen vertrauenerweckender ist die Darstellung bei HANSON, Search, 246ff. Die Schilderung des Prozesses von Tyrus durch SCHWARTZ findet sich in den Gesammelten Schriften III, 246-258. 25 Zu der von der Synode entsandten Mareotiskommission, die die gegen Athanasius erhobenen Vorwürfe an Ort und Stelle prüfen sollte, zählten neben Theognius von Nizäa, Maris von Chalcedon, Theodor von Heraklea und Makedonius von Mopsuestia auch die späteren Führer der homöischen Partei, Valens und Ursacius, aus dem westlichen Teil des Reiches (Illyrien); Ath., apol. sec. 72, 4 (Opitz II, 151, 25f.); 73, 1 (I.e. 152, 10f.). Vgl. hierzu MESLIN, Ari ? ns, 71f. 26 Immerhin konnten sie sich dazu auf Konstantin d.Gr. selbst berufen, der in seiner Eigenschaft als iudex des Prozesses die Bischöfe als seine consiliarii einsetzt, vgl. Euseb, v.C. IV 42,1 und 5; zum Ganzen GIRARDET, I.e., 68f. 27 Ath., apol. sec. 86,1. Der Alexandriner will den Eindruck erwecken, der Kaiser habe seinem Einspruch im Grunde genommen stattgegeben und seine Exilierung sei allein aufgrund zusätzlicher Verleumdungen durch die Gruppe um Eusebius von Nikomedien zustandegekommen (hier der Vorwurf, Athanasius habe gedroht, die Getreidezufuhr aus Δgypten zu sperren). Doch Konstantin selbst hat das Exil des Athanasius ausdrücklich mit dem Urteil der Synode von Tyrus begründet: In den Briefen an die Gemeinde von Alexandrien (Soz., h.e. 11,31,2) und an Antonius (Soz., h.e. 11,31,3). 28 Der Brief bei Athanasius, apol.sec. 87, 4-7. Als Grund gibt Konstantin den Wunsch seines verstorbenen Vaters an. Das ist unglaubwürdig, denn erstens war keiner der drei Söhne beim Tode Konstantins d.Gr. anwesend und zweitens hätte sich Konstantin, wenn er einen solchen Wunsch hätte äuίern wollen, damit sicher an den designierten Nachfolger der östlichen Provinzen, also an Konstantius gewandt. Es kann kaum Zweifel daran sein, daί die wahre Motivation in dem Versuch Konstantins II. zu sehen ist, Einfluί auf die Reichshälfte des Konstantius zu gewinnen. Daί der in Trier exilierte Athanasius und der Residenzbischof der Stadt Maximin dem designierten Kaiser diese Vorstellung nahegelegt hatten, vermutet RADDATZ, I.e., 22. 29 Ath., h. Ar. 8; vgl. Philost., h.e. 2,18.

2  Die  Synode  von  Serdika

31

daί kein Bischofsgericht die ordnungsgemäίe Verurteilung des Athanasius aufgehoben habe30. Eine im Winter 338/9 in Antiochien versammelte Synode31 erhob den Kappadozier Gregorius zum neuen Bischof von Alexandrien, nachdem zuvor Euseb von Nikomedien, jetzt Bischof von Konstantinopel, Konstantius von der Unrechtmäίigkeit der Rückkehr des Athanasius auf den Bischofssitz der ägyptischen Metropole überzeugt haben dürfte32. Es kam zu tumultartigen Auseinandersetzungen in Alexandrien, in deren Verlauf Athanasius nach Rom floh; hier traf er Ende 339 ein33.

Von dem kirchenpolitischen Kampf um Athanasius und um die Gültigkeit des Absetzungsurteils von Tyrus muί der zeitlich parallele Fall des Markeil von Ankyra unterschieden werden: Denn war es im Fall des Athanasius um die kirchenrechtliche Frage der Anerkennung und Revision von Synodalurteilen gegangen, stand bei Markeil die Ablehnung seiner Theologie durch die Synode von Konstantinopel unter Konstantin d.Gr.34 im Vordergrund. Markeil hatte mit Hilfe einer Konstantin persönlich übergebenen ausführlichen theologischen Erklärung versucht, zunächst Asterius, dann aber auch die beiden Eusebe der Häresie zu bezichtigen35; zur Beweisführung hatte er hierbei auch eine Explikation seiner eigenen Theologie vorgelegt36, die jedoch unerwartet auf ihn selbst zurückschlug: Markells Schrift wurde für häretisch erklärt, er selbst exiliert37. Doch schon im Herbst 337 gehörte er zu den Bischöfen, die auf

30

  Soz.,  h.e.  111,2,8; vgl.  GIRARDET,  I.e., 77.    Vgl.  SCHWARTZ,  GS  III,  287f.   Ath., apol. sec. 3,2; Vgl. SCHWARTZ,  I.e., 289; GIRARDET,  I.e., 81. RADDATZ,  I.e., 25,  macht  darauf  aufmerksam,  daß  dieser  Schritt  im  Klartext  nichts  anderes  bedeutete,  als  daß  Konstantius  "die  alleinige  'Kirchenleitung'  und  damit  das  Oberkaisertum  Konstantins  II.  negierte".  33   Dies  wird  durch  das  östliche  Synodalschreiben  von  Serdika  Hil,  I.e., A  IV,1,10  nahegelegt.  Vgl.  SCHWARTZ,  I.e., 291f. mit Anm.  2; KANNENGIESSER,  RechSR  74  (1986),  600.  ­ Unzutreffend  GERICKE,  Marceil,  13,  der  wohl  aus  Ath.,  apol.  Const.  4  schließt,  Athanasius  habe  sich  von  Alexandrien  unmittelbar  nach  Rom  begeben  und  sei  schon  im  April  339  dort  gewesen.  Dagegen  KLEIN,  Constantius  II.,  37.  34  Hierzu  SEIBT,  TRE  22  (1991),  83f.; HANSON,  I.e.,  217f.; SCHWARTZ,  GS  III,  230­239.  35  Außerdem  Narziß  von  Neronias,  Paul  von  Tyrus:  Euseb,  Marceil.  1,4,1­3.  36   Euseb,  Marcell.  1,1,3.  37   Hierzu  das  Schreiben  der  östlichen  Synode  von  Serdika,  Hil.,  I.e.,  A  IV,1,9.  Vgl.  SCHNEEMELCHER,  Kirchweihsynode,  117f.  ­  Die  Verurteilung  Markells  fand  336,  spätestens  Anfang  337  auf  einer  Synode  in Konstantinopel  statt,  vgl.  SEIBT,  Markell,  202­204.  31

32

32

Erster Teil

Betreiben  Konstantins  II.  wieder  auf  ihre  Sitze  zurückkehren  durften 38 .  Auch  in  Ankyra  scheint  es  daraufhin  zu  tumultartigen  Zwischenfällen  g e k o m m e n  zu  sein39.  Markeil  wurde  abermals  verurteilt  und  wieder  vertrieben 40 .  Fast  gleichzeitig  mit  Athanasius  traf  er  Ende  339  oder  Anfang  340  in  R o m  ein41. 

Athanasius  und  Markell  bewegten  den  römischen  Bischof  Julius  dazu,  die  Eusebianer  ( τ ο ι ς  περί  Εύσέβιον) 42  zu  einer  Synode  nach  R o m  zu  bestellen,  die  die  zu  Unrecht  gefällten  Urteile  von  Tyrus  bzw.  Konstantinopel  überprüfen  sollte 43 .  Julius  schickte  die  beiden  römischen  Legaten  Elpidius  und  Philonexus  mit  e i n e m  entsprechenden  Schreiben  im  Frühjahr  340  nach  Antiochien 44 .  Erst  im  Frühjahr  3414S  kehrten  diese  mit  einem  abschlägigen  Bescheid 46  wieder  nach  R o m  zurück,  w o  sich  inzwischen  die  Synode  schon  ohne  die  Orientalen  konstituiert  hatte 47 .  Aus  Athanasius  h.  Ar.  15  und  apol.  sec.  20,3  geht  hervor,  daß  etwa  50  Bischöfe  aus  Italien  zusammengekommen  waren.  Sie  erklärten  Athanasius  und  Markell  für  unschuldig  und  bestätigten  die  Kirchengemeinschaft 

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S.O.S. 30. Vgl. das Schreiben der östlichen Synode von Serdika Hil., I.e., AIV,1,9,1. Die Stelle unterstreicht, daί es im Falle Markells um dogmatische Streitigkeiten gegangen sein muί, wie überhaupt der ganze östliche Synodalbrief diesen Tenor hat, z.B. IV,1,2 und IV,l,4,2f. Vgl. zur entgegengesetzten Perspektive den Juliusbrief an die Eusebianer in Ath., apol.sec. 33,3 (Opitz II, 111,26-28); auίerdem auch Soz., h.e. II, 33. Zum Ganzen auch RADDATZ, I.e., 23. 40 Vgl. SEIBT, Markell, 9 mit Anm. 61. 41 SCHWARTZ, I.e., 293 mit Anm. 1; BRENNECKE, I.e., 6; SEIBT, TRE 22 (1991), 84 und ders., Markell, 9. 42 Fragment des Juliusbriefes im (erhaltenen) zweiten Brief des Julius nach Antiochien; Ath., apol.sec. 26,1 (Opitz II, 106, 23). 43 Zu den Vorverhandlungen der Jahre vor 340 zwischen den Eusebianern und Julius über eine solche Synode vgl. RADDATZ, I.e., 25-29; BARDY, Ir6nikon 16 (1939), 400ff. 44 Ath., apol.sec. 20,1. - Das zeitliche Verhältnis des Beginns dieser Mission zur Machtübernahme des Konstans nach dem Sieg über seinen Bruder ist nicht mehr klar zu ermitteln, vgl. hierzu RADDATZ, I.e., 32; SCHWARTZ, I.e., 295; GIRARDET, I.e., 82; BRENNECKE, I.e., 6 mit Anm. 12.  45 Zum Datum SCHWARTZ, I.e., 296 mit Anm. 1. - Für die auffällig lange Aufenthaltsdauer der Legaten in Antiochien gibt RADDATZ, I.e., 32, die einleuchtende, aus Ath., apol.sec. 25,3f. erschlossene Erklärung, daί Euseb seine Antwort erst mit Konstantius vorbesprechen wollte; dieser befand sich aber im Lauf des Jahres 340 wieder auf einem Perserfeldzug. 46 Die östlichen Bischöfe machen geltend, daί sie den in Julius' Aufforderung enthaltenen Entscheidungsprimat Roms über östliche Synoden nicht anerkennen. Eine genaue Analyse des antiochenischen Briefes, der sich aus dem Juliusbrief von 341 und dem Referat des Sozomenos, h.e. 111,8,5 erschlieίen läίt, bei GIRARDET, I.e., 82ff. und 157-162. 47 Auch hier ist das zeitliche Verhältnis vom Wiedereintreffen der Legaten in Rom und dem Zusammentreten der Synode nicht ganz genau zu ermitteln, vgl. SCHNEEMELCHER, Kirchweihsynode, 225; etwas anders GIRARDET, I.e., 87. 39

33

2  Die  Synode  von  Serdika

mit ihnen. In einem langen Antwortschreiben teilt Julius daraufhin die Ergebnisse der römischen Synode den Orientalen mit und gibt zugleich seiner Enttäuschung über ihr Nichterscheinen Ausdruck4*.

Es ist für das Verständnis der Entwicklung jener Jahre von fundamentaler Bedeutung, zu sehen, daί sich im Laufe der Jahre 337-340 de facto eine Verquickung des kirchenpolitisch und kirchenrechtlich relevanten Falles des Athanasius mit dem Fall des v.a. dogmatisch umstrittenen Markell von Ankyra vollzog. Der Antwortbrief des Julius an die Orientalen spricht hier eine klare Sprache:

ή μεν γαρ των Άρειομανιτών  αίρεσις  ύπό  πάντων  των  απανταχού  επισκόπων  κατεγνώδ­η  και  άπεκηρύχ&η,  °Α9·ανάσιος  δε  και  Μάρκελλος  οΐ  έπίσκοποι  πλείονας  εχουσι  τοϋς  υπέρ  εαυτών  λέγοντας  και  γράφοντας.  Μάρκελλος  μεν  γάρ έματυρή9·η ήμϊν και  έν τη κατά Νίκαιαν  συνόδφ τοις  τα  'Αρείου  φρονοΰσιν  άντειρηκώς,  Ά9­ανάσιος  δέ έμαρτυρή9·η  μηδέ έν Τυρφ  καταγνωσ9­είς,  έν  δέ  τω  Μαρεώτη  μή παρείναι,  εν&α τά  υπομνήματα  κατ'  αύτοϋ γεγενήσ9·αι  λέγεται.49 

Die Verquickung der Fälle von Athanasius und Markell findet sich auch sonst im Brief des Julius50. Sie entspricht im übrigen ziemlich genau der Auffassung der Orientalen, wie aus Δthan., apol. sec. 34,3 hervorgeht. Dieser Zusammenhang von kirchenpolitischen

und

dogmatischen

Streitigkeiten

bildet

genau

jene

unauflöslichen Differenzen ab, wie sie in Serdika endgültig zu Tage treten sollten51. Athanasius wird von den gegen ihn in Tyrus erhobenen Vorwürfen entlastet, die nicht dogmatischer Art waren. Markell hingegen wird vom Verdacht der Häresie

48

  Der  Brief  bei  Ath.,  apol.  sec.,  21­35.  Zur  Interpretation  vgl.  RADDATZ,  I.e.,  33­36  und  GIRARDET,  I.e., 88­105.  Zu  den  Problemen  der  Chronologie  siehe  BRENNECKE,  I.e., 5ff.  Ath.,  apol.sec.  23,3  (Opitz  II,  104,  31­36).  50   Z.B.  Ath.,  I.e.,  27,1;  33,1;  35,2.  51   So  sowohl  der  okzidentale  Synodalbrief  Ath.,  apol.  see. 42,4. 5; 43,5  parr. Thdt.,  h.e.  11,8,3. 6.  17;  Hil.,  Coli,  antiar.  Paris.  Β  11,1,2,3;  1,3,3;  1,4,2;  als  auch  der  der  Orientalen  Hil.,  I.e.,  A  IV,1,15,2;  1,23,2  u.ö. 

34

Erster Teil

entlastet,  und  zwar  unter  Berufung  darauf,  daß  er  bereits  in  Nizäa  den  Arianera  widerstanden  habe 52 .  D e r  Synode  wird  eine  von  Markeil  verfaßte,  an  Bischof  Julius  gerichtete  Glaubenserklärung  vorgelegt;  zugleich  wird  Markells  strenge  Haltung  gegenüber  d e m  Arianismus 53  betont.  D i e  Presbyter  Vincentius  und  Victor,  die  ihrerseits  auch  in  Nizäa  dabeigewesen  waren 54 ,  bestätigen  daraufhin  die  Orthodoxie  des  Markeil 55 .  D i e  Synode  schließt  sich  diesem  V o t u m  an56.  D a m i t  bezieht  zum  erstenmal  eine  westliche,  von  50  italienischen  Bischöfen  besuchte  Synode  im  arianischen  Streit  dogmatisch  Position:  D i e  von  ihnen  als  antiarianisch  und  nizänisch  und  damit  als  orthodox  anerkannte  theologische  Position 57  ist  die  des  östlichen  Antiorigenisten  Markell  von  Ankyra! 

D i e  v o n  Markell  an  Bischof  Julius  gerichtete  Glaubenserklärung,  die  auf  der  römischen  Synode  zur  Anerkennung  seiner  Orthodoxie  im  Westen  führte  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  d e m  Synodalschreiben  beilag,  ist  bei  Epiphanius 

52

S.o. Ath., I.e., 23,3. Ath., I.e., 32,2. 54 S.O.S. 19. 55 Ebenda. - Markell selbst betont ausdrücklich seine aktive Rolle bei der Widerlegung der Arianer in Nizäa sowie die Übereinstimmung seiner Ansichten mit dem Symbol des Konzils, Epiph., haer. 72,2. = Markell, fr. 129:  Επειδή  τίνες  των  καταγνωσ9ίντων  πρότερον επί  τω  μή  όρ9­ώς  πιστεύειν,  ους  έγώ  έν  τη  κατα  Νίκαιαν  συνόδψ  διήλεγξα,  GCS  Euseb  IV,  214,  13f.  Klostermann/Hansen.  ­ Daί Bischof Julius das Votum seiner Presbyter heranziehen muί, um eine begründete Entscheidung in der Frage nach der Orthodoxie Markells treffen zu können, wirft auf die Frage nach dem Kenntnisstand der westlichen Bischöfe zur trinitätstheologischen Debatte ein bezeichnendes Licht! 56 Ath., I.e., 32,3. - Markell ist wohl auf dieser Synode gar nicht selber zugegen gewesen, wie aus seinem Brief an Julius von Rom bei Epiph., I.e., 72,2 = Markell, fr. 129 hervorgeht (214,24 Klostermann/Hansen), vgl. SCHWARTZ, I.e., 303f. BARNARD, RThAM 38 (1971), 74, bezweifelt gar, daί Markells Erklärung überhaupt auf der Synode von Rom vorgetragen wurde. Dies scheint sich aber nach meiner Meinung aus Ath., apol. sec. 20,3 in Verbindung mit 32, 2 klar zu ergeben. Auch hatte Markell selbst verlangt, daί dem Synodalschreiben seine Erklärung beigegeben würde, um die irreführende Polemik gegen seine Person widerlegen zu können und die Bischöfe vor einer etwaigen Täuschung durch Schriftstücke der Orientalen zu warnen, fr. 129: και  άξιώ τό  αντίτυπόν  σε τούτου  τη  προς  τους  επισκόπους  έπιστολή  έγγράψαι,  ίνα  μή τίνες  των  ακριβώς  μή  είδότων  ήμας  κακείνοις  τοις  ύπ'  αυτών  γραφεΐσι  προσέχοντες  άπατη&ώσιν.  (215,  36­38  Klostermann/  Hansen).  Da  Markell für orthodox erklärt wurde, wird man seinem Wunsche entsprochen haben, vgl. dazu SCHWARTZ, I.e., 306 Anm.3. Zur Rehabilitierung Markells durch die Synode der 50 Bischöfe siehe SEIBT, TRE 22 (1991), 84. 57 Ath., I.e., 32,3; 36,1. - Die Bedeutung von Lehrfragen auf westlicher Seite im Vorfeld der Synode von Serdika wird von BRENNECKE, I.e., 31f., unterschätzt. 53

2 Die Synode von Serdika 

3 5 

erhalten58.  BARNARD  hat in diesem  Zusammenhang  die  Ansicht  geäußert,  daß  Markell  Julius,  u.U.  auch Athanasius  und damit  die  römische  Synode  über  seine  wahre  (nach  BARNARD  häretisch-sabellianisierende)  Theologie  getäuscht  und  sich  die  Anerkennung  seiner  Orthodoxie  gleichsam  erschlichen  habe59.  Doch  abgesehen  davon,  daß  BARNARDs  These  einem  methodisch  hochproblematischen  Verfahren  entspringt60,  ist  sie  auch  sachlich  ganz  unwahrscheinlich61.  Denn Markells theologische  Erklärung, die bekanntlich auch die erste  Bezeugung  des  altrömischen  Symbols  bietet62,  enthält  beinahe  alle  Bestandteile  der  auch  sonst  von  ihm  bekannten  Lehre  und  antiorigenistischen  Polemik:  Der  Angriff  gegen  die,  die  sagen,  der  Sohn  Gottes  sei  nicht  wahrhafter  Logos;  die  Polemik  gegen  die  Lehre  von  der  Dreiheit  der  Hypostasen;  die  Polemik  gegen  das  κτισθείς  und  ποιηθείς,  den  Angriff  auf  die,  die  Vater  und  Sohn  trennen  (χωρίζειν),  die aufgrund der Trennung folgern," δύο 9­εούς είναι  (...) ή τον  λόγον  μή  είναι  9­εόν".  Positiv  die  Lehre  von  der  Einheit  Gottes,  die  Lehre  von  der  ewigen  Koexistenz  des  Logos  mit dem  Vater,  die  Aussage  "αδιαίρετον  είναι  τήν  9­εότητα  του  πατρός  και  τοΰ  υΐοΰ"  und  "αδιαίρετος  και  αχώριστος  έστιν  ή  δύναμις  τοϋ  πατρός,  ό  υιός"63,  die  Bezeichnung  des  Logos  als  Sohn",  Kraft  und 

58

Epiph., haer. 72,2f. (GCS Epiphanius III, 256-259 Holl) = Markell, fr. 129 (214f. Klostermann/Hansen). Es ist die einzige vollständig erhaltene Schrift des Markell von Ankyra, die durch die Überlieferung als solche ausgewiesen ist. 55 BARNARD, I.e., 74. Eine solche Täuschung wäre jedoch in der aktuellen Situation überhaupt nicht erforderlich gewesen. BARNARDs These scheint auf einem völlig anachronistischen Orthodoxieverständnis zu fuίen. - Auch SCHWARTZ, I.e., 304-306, denkt an eine "Verschleierung seiner (sc. Markells; Vf.) Lehre" als einem "Zugeständnis, zu dem Athanasius und Julius ihn überredet hatten, damit sie auf der römischen Synode für ihn eintreten konnten". 60 Neuerdings hat in diesem Zusammenhang TETZ, ZNW 75 (1984), 111, mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daί aufgrund der textlichen Integrität und Authentizität des Dokumentes die Bemühungen um die Theologie Markells eigentlich beim Juliusbrief einsetzen müίten; denn die Fragmente sind, wenn auch zweifelsfrei echt (vgl. zuletzt SEIBT, TRE 22 [1991], 84f.), so doch von Euseb deutlich in antimarkellischer Intention exzerpiert. Schon für ZAHN, Marcell, 181, enthielt die ep. ad Iul. die eigentliche, echte Theologie Markells. Zum Problem vgl. auch FEIGE, Lehre Markells, 217ff. - BARNARD bringt seine Untersuchungen schon dadurch in Miίkredit, daί er die aus der Ketzerpolemik geläufige Verbindung von Häresie und charakterlicher Verdorbenheit unbefangen übernimmt: Markell als "arch-intriguer", I.e., 72 oder "arch trimmer", I.e., 74; wiederholt in HeyJ 20 (1979), 249. 250. Scharf hiergegen TETZ, I.e., llOf. 126f. 61 Vgl. TETZ, T R E 4 (1979), 338f. 62 Fr. 129 (215, 19-24 Klostermann/Hansen). Ausführlich hierzu TETZ, ZNW 75 (1984), 107ff. 63 Den Satz lese ich mit Holl, 258,20f. gegen Klostermann/Hansen, 215, 31, (dort das Komma vor τοΰ  πατρός).  64   Zum  Problem  der  Verwendung  des  Sohnestitels  bei  Markell  s.u.  unter  2.2.3. 

3 6 

Erster  Teil 

Weisheit und schlieίlich die Berufung auf Joh 10,38, 10,30 und 14,9®. Dies alles sind geläufige Gedanken aus der von Markell bekannten antiorigenistischen Theologie, die er als einzig wirksame Form der Zurückweisung des Arianismus ansah. Von einer Verschleierung kann nicht die Rede sein. Allein wenn Markell in diesem Bekenntnis sagt, daί "sein Reich kein Ende haben werde" und dabei nicht ganz eindeutig ersichtlich wird, ob er dies auf den Vater oder auf den Sohn bezieht66, könnte ihm der Versuch unterstellt werden, antimarkellische Polemik der Eusebianer zu "umgehen"67. Doch ist das Problem, in welchem Sinne Markell in seinen frühen Texten vom Ende der Herrschaft Christi gesprochen hat, und damit auch die Frage, ob er nicht doch eine endlose Herrschaft des Logos-Sohnes lehren konnte, ohne seine früheren Ansichten dabei zu revidieren oder zu verbergen, durchaus umstritten68. SEIBT hat in seiner Tübinger Dissertation von 1992 m.E. mit Erfolg zu zeigen versucht, daί sich an keiner Stelle bei Markell die Vorstellung nachweisen läίt, daί der Logos im Vater aufgehe und seine Königsherrschaft verliere. Tatsächlich lehre Markell in seiner Auslegung von 1. Kor 15, 24-28 ein Ende der Königsherrschaft des "Menschen des Retters", wobei "sich (...) nur der angenommene Mensch für die ganze Schöpfung (...) und in ihm die ganze zurechtgebrachte Menschheit und Schöpfung unterwerfe"69. Nach diesem Ende der Ökonomie des Logos nach dem Fleisch ist der Logos wieder so in Gott, wie er vor der Erschaffung der Welt war70. Markell hätte demnach die Wendung, daί "sein Reich kein Ende haben werde", in Ep. ad Iul. ohne weiteres auf den Sohn beziehen können und wäre dabei völlig in Kontinuität zu der sonst bei ihm geläufigen Theologie geblieben.

65

  Markell,  Fr.  129  (214f.  Klostermann/Hansen)  ­  Zu  den  Lieblings­Schriftstellen  Markells  siehe  GERICKE,  Marcell, 178f. ­ Ich werde auf die einzelnen Kernsätze dieses Bekenntnisses des Markell  in  Zusammenhang  mit  meiner  Interpretation  des  "Serdicense"  zurückkommen,  s.o.S.  59ff.  66  Fr.  129  (215,  4-8  Klostermann/Hansen).  67  So  SCHWARTZ,  I.e.,  305  und SCHENDEL,  Herrschaft  und  Unterwerfung,  139.  68   Zur  Frage  der  Berechtigung  des  Vorwurfs  der  Eusebianer  gegen  Markell  siehe  HÜBNER,  Soteriologie, 187-190; FEIGE, Lehre Markells, 235-237 und, mit einer grundlegenden  Neubewertung  jüngst SEIBT, Markell (siehe nächste Anm.). Ich werde auf das Problem im Zusammenhang meiner  Kommentierung  des  Serdicense  zurückkommen,  siehe  unten  zu  §10  der  theologischen  Erklärung  von  Serdika  (West).  ®  SEIBT,  Markell,  Exkurs  IV  (354-363,  hier  auch  die  Auseinandersetzung  mit  der  gesamten  Literatur);  das  Zitat  I.e.,  362.  70   Vgl.  SEIBT,  I.e.,  352. 

2 Die Synode von Serdika

37

Nach  den  Untersuchungen  SEIBTs  sind  alle  Versuche,  das ganze  Bekenntnis  Markells als Versuch einer Täuschung gegenüber Julius oder Athanasius oder der  römischen  Synode  zu interpretieren,  weniger  denn je  hinreichend  zu  begründen.  Eine  solche  Täuschung  wäre  nebendem  auch  kaum  erforderlich  gewesen:  Im  Westen 

waren 

die 

umstrittenen 

Einzelheiten 

der 

theologischen  71

Auseinandersetzungen  ohnehin  noch  weitgehend  unbekannt ;  und  was  Athanasius  betrifft,  scheint  dieser  in  jener  Zeit  theologisch  mit  Markell  vieles  gemeinsam  gehabt  zu  haben72. 

Zeitlich  noch  etwas  früher als  die  römische  Synode  von  341  hatten  die  östlichen  Bischöfe  in  Antiochien  ebenfalls  eine  Synode  abgehalten73,  die  sog.  Kirchweihsynode.  Die  dieser  Synode  in  der  Dogmengeschichtsschreibung  zugeordneten  Symbole,  Ant  I  -  Ant  IV74  genannt,  haben  sich  in  der  neueren  Forschung  großer  Beachtung  erfreut75.  Die  Bekenntnisse  können  demnach  gedeutet  werden  als  Versuch  der  orientalischen  Theologen,  sich  auf  der  Grundlage  des  Origenismus  mit  dem  Vorwurf  des  Arianismus  auseinander-

71

Markell selbst äuίert sich im Brief an Julius zweimal in dieser Richtung: fr. 129 (214,26-28 und 215,37f. Klostermann/Hansen). 72 Auf markellische Einflüsse auf Athanasius in Ar. I und II verweist TETZ, ZKG 75 (1964), 236. 238. sowie TRE 4 (1979), 337. Zur dritten Arianerrede ABRAMOWSKI, ZKG 102 (1991), 392 u.ö. Vgl. auch BARNARD, Council, 75 und GRILLMEIER, Jesus, 416. - Dieser Befund, den ich in meiner Kommentierung des Serdicense (s.u. unter 2.2.2.) zu erhärten versuchen werde, spricht, nebenbei bemerkt, deutlich gegen die von KLEIN, Constantius II., 37. 39. u.ö. vertretene Sicht, die, ganz in der Linie von SCHWARTZ, bei Athanasius in jeder seiner theologischen Δuίerungen nur Instrumente zur Durchsetzung seiner kirchen- und machtpolitischen Interessen erblicken will. 73 Zum Termin Epiphanias 341 vgl. ELTESTER, ZNW 36 (1937), 255; SCHNEEMELCHER, Kirchweihsynode, 104ff.; BRENNECKE, Hilarius, 7f. 74 Ant I: Ath., syn. 22; Ant II: Ath., I.e. 23; Socr., h.e. II, 10,10-18 und lat. bei HU., Syn. 29; Ant III: Ath., I.e. 24; Ant IV: Ath., I.e., 25; Socr., h.e. II, 18. — Ant II ist als die Glaubenserklärung der Synode von Antiochien anzusehen, veranlaίt durch die Aufnahme Markells in Rom und durch die von Julius und Athanasius erhobenen Vorwürfe, Arianer zu sein. Ant I ist, wie SCHNEEMELCHER, I.e., 328ff. und BRENNECKE, I.e., 8f. gezeigt haben, Schluίteil des die Einladung nach Rom ablehnenden Briefes der Eusebianer an Julius. Ant III ist ein persönliches Glaubensbekenntnis des Bischofs Theophronius von Tyana, der sich vom Verdacht reinigen muίte, theologisch Markell nahezustehen, hierzu TETZ, Kirchweihsynode, 199ff. - Ant IV gehört nicht in den direkten Zusammenhang der Synode, sondern ist die regula fidei einer (erfolglosen) östlichen Delegation vom Sommer 341 an den Hof des Konstans nach Trier, die das Ziel hatte, die geplante Reichssynode in Serdika noch zu verhindern, s.u.S. 39. 75

KELLY, Glaubensbekenntnisse, 260-272; SCHNEEMELCHER, I.e.; SIMONETTI, La crisi, 153ff.; LONEGRAN, Way, 78ff.; DINSEN, Homousios, lOOff.; KLEIN, I.e., 42ff.; BRENNECKE, I.e., 7ff.; BARNARD, HeyJ 20 (1979), 246f.; LOHR, I.e., 4ff.; die angegebenen Arbeiten von TETZ.

3 8 

Erster  Teil 

zusetzen, sich (v.a. über die Rezeption der Anathematismen) an Ν anzunähern, sich jedoch gleichzeitig dezidiert gegen die als sabellianisch angesehene Theologie des Markell von Ankyra (und des eigentlichen Nizänums) auszusprechen76. Diese östlichen Texte aus dem Jahre 341 und ihre Differenzen zur markellischen Erklärung in Rom vom selben Jahre sind als Explikate jener grundlegenden theologischen Unterschiede zu verstehen, die nur ein Jahr später auf der Synode von Serdika die (auch theologisch) unversöhnliche Lage zwischen Osten und Westen kennzeichnen sollten.

Athanasius und Markell konnten sich mit dem römischen Urteil natürlich nicht zufriedengeben, sondern drängten auf eine Reichssynode, die die im Osten gegen sie ergangenen Urteile endgültig aufheben sollte. Noch im Frühjahr 341 wurde Konstans, seit einem knappen Jahr neuer Herrscher über das gesamte Abendland, über die Ergebnisse der Synode von Rom informiert77 und beauftragte den Comes Gabianus, den von Julius verfaίten Brief an die Orientalen78 nach Antiochien zu überbringen. Es ist wahrscheinlich, daί Gabianus auch eine Aufforderung des Konstans an Konstantius zur Zustimmung zu

einer

75

Reichssynode bei sich hatte . Damit war der Forderung des Athanasius, Markells und der abendländischen Bischöfe politisch erheblicher Nachdruck verliehen worden. Unmittelbar nach Eintreffen der von Gabianus überbrachten Briefe brach eine von einer neuerlichen Synode in Antiochien®' und wohl von Konstantius selbst81 beauftragte Delegation an den Hof des Konstans nach Trier auf, um durch

76

  Antimarkellische  Wendungen  in  Ant  I­IV:  Ath.,  syn.  22,6;  23,6;  24,5;  25,3.  ­  Daß  sich  die  theologischen  Vorbehalte  der östlichen Bischöfe v.a. gegen die  Lehre Markells richteten,  zeigt  sich  auch  daran,  daß  der  gesamte  Text  Ant  III  dadurch  motiviert  ist,  daß  sich  Theophronius  des  Verdachts erwehren mußte,  Markell nahezustehen.  Vgl. TETZ,  Kirchweihsynode,  199ff. TETZ hat  auch  gezeigt,  daß  Ant  III  an  den  Beginn  der  antiochenischen  Synode  gehört.  Markell  kennt  den  Text  schon,  als  er  selbst  im  Schreiben  an  Julius  seine  Glaubensüberzeugung  darlegt,  und  greift  mehrfach  auf  ihn  zurück.  77  Ath.,  h. Ar.  15,2.  78  S.O.S.  33.  79  Ath.,  apol. Const. 4,3f. Vgl. BRENNECKE,  I.e., 20 mit Anm.  14. Etwas anders GIRARDET,  I.e.,  109  mit  Anm.  19.  80  Ath.,  syn.  25,1.  81   Vgl.  BRENNECKE,  I.e.,  21. 

39

2  Die  Synode  von  Serdika

Übergabe einer theologischen Erklärung ("Ant IV")82 die Arianismus-Vorwürfe des Athanasius und

Markell zu entkräften" und

dadurch

die

Nicht-

Notwendigkeit einer Reichssynode zu erweisen. Doch befand sich Konstans wohl schon auf dem Feldzug gegen die Franken84, und vom Hofbischof Maximin wurden die östlichen Bischöfe gar nicht erst empfangen85. Das Unternehmen endete mit einem Fiasko. Konstantius hat schlieίlich der von seinem Bruder erhobenen Forderung nach einer Reichssynode zugestimmt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daί das starke Engagement des politisch und militärisch ohnehin überlegenen Konstans bei der Einberufung der Synode ähnlich motiviert war wie die von Konstantin II. erwirkte Amnestie aus dem Jahre 337: Der Versuch, mit Hilfe der Kirchenpolitik (Loyalität der im Orient wieder installierten Bischöfe) Einfluί auf das östliche Reichsgebiet zu gewinnen86.

EXKURS: Zur Datierung der Synode von Serdika Die Datierung der Synode von Serdika schwankt in der Forschung noch immer zwischen 342 und 343s7. Nachdem in neuerer Zeit sich v.a. durch die Arbeiten von RICHARD88, GIRARDET" und BRENNECKE90 die Argumente für 342 das Übergewicht zu erhalten schienen, ist jüngst BARNARD91 im Rahmen seiner Studien zur Synode mit ausführlicher Argumentation für 343 eingetreten; ihm folgen KANNENGIESSER92 und HANSON93. ALBERT hat in ihrer Kommen-

82

  Die  Formel  gehört  also  nicht  direkt  zur  Kirchweihsynode,  s.o.S.  37  mit  Anm.  74.  ­  Die  Bezeichnung  Ant  IV  ist  deshalb irreführend  "und allenfalls noch  aus  Gründen  der  Gewohnheit  zu  akzeptieren",  TETZ,  I.e.,  206.  10   Zur  bewußten  Anlehnung  von  Ant  IV  an  das  Nizänum  siehe  BRENNECKE,  I.e.,  22  mit  Anm.  24.  84   Nach  GIRARDET,  I.e.,  110. Anders  BARNARD,  I.e.,  248.  85  HU.,  coli,  antiar.  Paris. A  IV,  1,27,7;  Soz.,  h.e.  III,  10,6.  86   Vgl.  RADDATZ,  I.e., 39;  BRENNECKE,  I.e., 25.  87  Sokrates,  h.e.  11,20,4 und Sozomenus,  h.e. 111,12,7 nennen  ids Datum  das  11. Jahr nach dem  Tod  Konstantins  d.Gr.  Das  ist  aber  ganz unmöglich  (so  die  communis  opinio  der  Forschung  seit  dem  Bekanntwerden  der  syrischen  Übersetzung  der  Festbriefe  des  Athanasius  Mitte  des  19.  Jahrhunderts).  BRENNECKE,  I.e.,  26  Anm.  40  erklärt  den  Irrtum  des  Sokrates  und  Sozomenus  damit, daß Index 15 den Widerruf des Valens und Ursacius aus dem Jahr 347 direkt mit der Synode  in Verbindung bringt (SC 317, 242f. Albert). Die Kirchenhistoriker hätten demnach auch die Synode  von  Serdika  in das Jahr  347  gelegt.  88  Museon  87  (1974),  307-339.  89   Kaisergericht,  108f.  90   Hilarius,  25-29.  91  AHC  12  (1980),  1-25; Council,  49-55.  92   RechSR  74  (1986),  575-614. 

40

Erster  Teil 

tierung der syrischen Festbriefe in MARTINs neuer Ausgabe der Historia Acephala und der syrischen Festbriefe in den Sources chrdtiennes für 343 optiert und die Diskussion kurzerhand für beendet erklärt". Im folgenden sollen die von BARNARD neuerdings vorgetragenen Argumente für 343 kurz kritisch gesichtet werden. Auf eine Auseinandersetzung mit der älteren Literatur und den Beiträgen bis 1980, die weitgehend in BARNARDs Texten verarbeitet sind, kann hier verzichtet werden95. BARNARD diskutiert zunächst die beiden direkten Bezeugungen des Datums der Synode. In einer Notiz des Cod.Ver.LX fol. 71b wird die Versammlung der Synode auf das dritte Konsulat des Konstantius bzw. das zweite des Konstans gelegt96, damit eindeutig auf 342. Andererseits: Der Vorbericht zu den Festbriefen des Athanasius notiert c. 15 (Ostern 343): "Cette (annee) - lä il y eut synode ä Sardique".97 - dies würde, wenn man den ägyptischen Kalender zugrunde legt, auch auf 342 weisen; nachdem jedoch MARTIN wahrscheinlich gemacht, daί für die Jahreszählungen im Index der Festbriefe der römische Kalender zugrunde liegt98, muί man diese Notiz als Evidenz für 343 akzeptieren, allerdings einschränkend konstatieren, daί die Angaben in den Indices chronologisch oft recht unzuverlässig sind99. BARNARD sieht dieses Problem (wobei er allerdings die eindeutige Aussage aus Cod.Ver. LX deutlich unterbewertet) und schlägt deshalb vor: "The question of date should therefore be studied in the light of other considerations".100 Einen Beweis dafür, daί das Treffen zwischen Konstans und Athanasius erst im Mai/Juni 342 stattgefunden haben kann, erblickt BARNARD in Ath., apol. Const. 4: Τριών τοίνυν  ετών  παρελθόντων,  τετάρτφ101 ένιαυτφ  γράφει  κελεύσας  απαντησαι  με  προς  αυτόν  ήν  δέ  έν  τη  Μεδιολάνψ102.  Da  Athanasius  Alexandrien  im März 339 verlassen hat, könne das Treffen mit Konstans frühestens im Frühjahr 342 stattgefunden haben. Dann aber sei in Anbetracht der zur Vorbereitung einer Synode erforderlichen Zeit der Termin Herbst 342 für die

93

  Search,  293f. mit  Anm.  64.    SC  317,  289  mit  Anm.  42;  Sie  beruft  sich  jedoch  i.w.  auf  die  Mehrheitsmeinung  und  auf  die  älteren Argumente von HESS, Canons, 140­144; PIETRI, Roma Christiana, 212; BARNES,  Phoenix  34  (1980),  160­166.  95   Sie  findet  sich  ausführlich  bei  BRENNECKE,  I.e.  25-29.  96  "Tunc temporis ingerebantur molestiae  imperatoribus synodum conuocare, ut insidiarentur  Paulo  epicopo  Constantinupolitano  per  sugestionem  Eusebii  Acacii  Theodori  Valentis  Stephani  et  sociorum  ipsorum,  et  congregata  est  synodus  consolat.  Constantii  III  et  Constantis  II  aput  Sardicam",  EOMIA  1/2,  637  Turner.  Der  Text  des  codex  bietet  Constantini  et  Constantini,  die  Konjektur  von  SCHWARTZ,  GS  III,  11.  56.  326,  übernommen  in EOMIA,  I.e.  97  SC  317,  243.  98   L.c.,  73f.  Bestätigend  KANNENGIESSER,  I.e.,  95f.  Der  Sache  nach  schon  LOOFS,  ThStK  82  (1909),  294f.  99   So  schon  SCHWARTZ,  I.e., 30ff.  100  L.c.,  50.  101   τφ  handschriftlich bezeugt  von  ΚΡΟβ,  τετάρτφ  von  B.  102  SC  56,  92,10­12  Szymusiak  [Szymusiak:  τψ).  Vgl.  dazu  Opitz  II,  281,22ff.  mit  nota.  94

2 Die Synode von Serdika

41

Serdikasynode ausgeschlossen103. Jedoch ist die Zeitangabe aus apol. Const. 4 auf den ersten Briefwechsel des Athanasius mit Konstans104 zu beziehen und weist somit auf das Jahr 341 für das Mailänder Treffen105. Dann aber wäre der Termin 342 für die Synode in Serdika sehr wahrscheinlich. BARNARDs zweites Argument besteht darin, daί aus Index 15 der Osterfestbriefe hervorgeht, daί in Serdika eine gemeinsame Osterberechnung beschlossen wurde106. Da Ostern aber 343 in Rom am 3.4., in Alexandrien dgg. am 27.3. gefeiert wurde, müsse das Konzil nach Ostern 343 stattgefunden haben107. Dieses Argument ist jedoch nicht schlüssig. Denn es ist ja nicht gerade zu erwarten, daί Bischof Gregor von Alexandrien eilends die Beschlüsse einer Synode durchgeführt hätte, die ihn soeben abgesetzt hatte108. BARNARD macht zudem geltend, daί die östliche Synode von Serdika eine Liste jüdischer Passadaten angenommen habe, die im christlichen Cyclus Paschalis enthalten ist109; sie soll insofern ein Indiz für die 343-Datierung sein, als das erste Jahr der Berechnung auf 328 zu legen ist110, die Liste aber 16 Jahre umfaίt, wodurch BARNARD auf 343 kommt111. Jedoch hat demgegenüber zuletzt RICHARD gezeigt, daί die Berechnungen üblicherweise nach demjenigen Jahr aufhören, in dem die Liste ausgearbeitet wurde112. Man käme dann wieder auf 342. Daί BARNARDs Deutung mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, wie er selbst sagt113, wird von ihm nicht weiter begründet. BARNARD argumentiert weiter, daί der Index der Osterfestbriefe nur drei Osterfeste nach Serdika bis zur Rückkehr des Athanasius nach Alexandrien 346 kennt114. Indes hat RICHARD115 gezeigt, daί Athanasius sowohl Ostern 343 als

103 Die Vorbereitungszeit für solche Synoden sollte man jedoch m.E. nicht zu hoch veranschlagen, man denke nur an die kurze Vorbereitungszeit für Nizäa! 104 Dies geht aus Ath., apol. Const. 4 eindeutig hervor: Τφ  αδελφψ  σου  οϋκ  έγραψα,  η μόνον  οτε  οί  περί  Εϋσέβιον  έγραψαν  αΰτψ  κατ'  έμοϋ,  και  ανάγκην  εσχον  έτι  ων  έν  τη  Άλεζανδρείςι  άπολογήσασ&αι  (...). Τριών τοίνυν ετών  παρελθόντων... (SC 56, 92, 5­11 Szymusiak). Anders  DE  CLERCQ,  Ossius, 315f.  105   Dies  hat  GIRARDET,  I.e.,  108,  gezeigt.  Auch  schon  SCHWARTZ,  I.e.,  326.  BARNARD  diskutiert  deren Gründe leider nicht. 106 Index 15 (SC 317, 242f. Albert). Zu vergleichen ist hier und im folgenden die alte Übersetzung und Kommentierung der Athanasius-Festbriefe von LARSOW, Leipzig 1852. 107 BARNARD, I.e., 51 und 94. 108 SCHWARTZ, I.e., 333, weist noch darauf hin, daί die Serdika-Beschlüsse betr. Ostern auch später nicht immer eingehalten wurden (z.B. im Jahre 350). 109 EOMIA 1/2, 641-643 Turner. 110 Mit Hilfe der Einleitung TURNERS, I.e., 341. 111 BARNARD, I.e. 51f. 95. 112 RICHARD, I.e., 320. 113 BARNARD, I.e., 95. 114 BARNARD, I.e., 52. - Index 16 (SC 317, 242f. Albert) zeigt mit Δthan., apol. Const. 4,5, daί Athanasius Ostern nach Serdika in Naissos verbracht hat. Index 17 (244f. Albert) gibt für 345 Aquileia an; Index 18 (244f. Albert) nennt für 346 keinen Ort. 115 L.c. 325f. - Aufgenommen von BRENNECKE, I.e., 28.

42

Erster  Teil 

auch Ostern 344 in Naissos verbracht haben kann; auίerdem ist nicht von einer Vollständigkeit der Osterfestbriefe von 340-346 auszugehen116. In Auseinandersetzung mit TELFERs Rekonstruktion der Biographie des Paul von Konstantinopel117 bringt BARNARD das Argument auf, daί zwischen der Hermogenesaffäre in Konstantinopel118 und dem Konzil von Serdika eine (offenbar längere) Zeit vergangen sein muί11', was auf einen Synodentermin 343 deute. Ist BARNARD auch in seiner Auseinandersetzung mit TELFERs Datierung zuzustimmen120, so erscheint das Postulat einer (gröίeren) "period elapsed" keineswegs zwingend: Die Erregung der Orientalen von Serdika über die Vorfälle lieίe sich bei einem kürzeren Abstand noch besser erklären als bei einer zeitlichen Differenz von immerhin  ΡΔ Jahren121. Das Schweigen der Okzidentalen zu den Vorfällen ist ohnehin nicht überraschend122. BARNARD nennt schlieίlich noch das Argument, daί nach dem östlichen Synodalschreiben von Serdika die Absetzung des Asklepas von Gaza "ante decern et Septem annos"123 geschehen sei. Da die Absetzung des Asklepas in das Jahr 326 falle, sei für Serdika 343 anzunehmen. Dieses Argument beruht jedoch auf einem Zirkelschluί, denn die einzige wirkliche Evidenz für die Absetzung des Asklepas ist das östliche Synodalschreiben von Serdika. SCHWARTZ rechnet gar bei den 17 Jahren das Jahr der Synode und das Jahr der Absetzung Asklepas' mit und kommt so (von 342 für Serdika ausgehend) auch auf 326 für die Absetzung des Bischofs von Gaza124. Das Argument ist also für die Frage nach dem Datum der Synode von Serdika unbrauchbar; zudem hat jüngst HANSON im Zusammenhang seiner Gesamtdarstellung des arianischen Streites noch einmal darauf aufmerksam gemacht, daί der Zeitpunkt der Absetzung des Asklepas insgesamt ganz unsicher ist125. BARNARD weist schlieίlich noch darauf hin, daί nach Ath., h. Ar. 20 das westliche Konzil von Serdika eine Delegation von Bischöfen (Vicentius von Capua und Euphrates von Köln, dazu der magister militum Flavius Salia) nach

116

  SCHWARTZ,  I.e.,  331.  Hier  auch  zu  den  chronologischen  Unsicherheiten.    TELFER,  HThR  43  (1950),  31­92.  118  Paul  war  nach  dem  Tod  Eusebs  in die  Stadt  zurückgekehrt  und hatte  mit  der  Inbesitznahme  des  dortigen  Bischofsstuhls  bürgerkriegsähnliche  Verhältnisse  ausgelöst.  Konstantius  hatte  daraufhin  seinen  magister  equitum  Hermogenes  nach  Konstantinopel  geschickt,  um  für  Ruhe  zu  sorgen.  Hermogenes  wurde  jedoch  von  fanatischen Anhängern  Pauls  ermordet.  Socr.,  h.e.  II,  13; Soz.,  h.e.  111,7.  117

119  "A period  had  elapsed  between  the  events  in  Constantinople  and  the  assembly  of  the  Council  in  Serdica  and  accordingly  this  must  have  occured  in  343  and  not  in  342",  B A R N A R D ,  I.e.,  54.  120   Die  Hermogenesaffäre  gehört  in  den  Winter  341/2,  vgl.  SCHWARTZ,  I.e.,  320;  SEECK,  Regesten,  190.  -  Zum  Ganzen  jüngst  ausführlich  MARTIN,  I.e.,  35-48.  121   Hil.,  Coll.  antiar.  Paris.,  A  IV,1,9;  A  IV,1,27,2.  122   Gründe  bei  BARNARD,  I.e.,  53.  123  Hil.,  I.e., A  IV, 1,11,1  (56,19ff. Feder).  Zur  Absetzung  des Asklepas  auch Ath.,  h. Ar.  5;  apol.  sec.  45,2;  Socr.,  h.e.  11,15;  Soz.,  h.e.  111,8,1.  124   L.c.,  238  mit  Anm.  1.  125   HANSON,  Search,  2771. 

2  Die  Synode  von  Serdika 

43

Antiochien entsendet, um Briefe der Synode und des Konstans126 zu übergeben, die die Beschlüsse der westlichen Synode im Osten durchzusetzen helfen sollen. Diese Delegation, die BARNARD zutreffend in das Frühjahr 344 datiert127, könne nicht gut über 1 volles Jahr nach der Synode stattgefunden haben. Demzufolge sei die wahrscheinliche Datierung für Serdika 343. Jedoch bezeugt Ath., h. Ar. 19,3, daί nach dem verheerenden Ausgang der Synode der Kontakt zwischen den Reichsteilen eine Weile lang unterbrochen gewesen ist. Konstantius scheint versucht zu haben, durch Schlieίung der Grenzen weitere Versuche der Vereinnahmung durch den Westen zu unterbinden128. Gleich nach der gescheiterten Synode von Serdika wäre eine vom Westen entsandte Delegation nach Antiochien somit ein ganz aussichtsloses Unterfangen gewesen. Es müssen Vorverhandlungen stattgefunden haben. Auch aus westlicher Sicht war es sicher sinnvoll, zunächst etwas Beruhigung einkehren zu lassen129. Für die Datierung der Synode von Serdika in das Jahr 342 sprechen meiner Ansicht nach folgende Gründe: 1. Die Nachricht des Cod.Ver. LX, die eindeutig auf 342 weist, ist in ihrem historischen Wert klar höher zu bewerten als die Notiz aus Index 15 der Osterfestbriefe. 2. Ath., apol. Const. 4 spricht dafür, daί das Mailänder Treffen AthanasiusKonstans wie im ganzen die Vorbereitungen zur Synode bereits 341 stattfanden; die Synode muί man V/2 Jahre später ansetzen130: 342. 3. Bei einer Datierung der Synode auf 343 besteht m.E. die ernstliche Schwierigkeit, den sehr langen Zeitraum von den ersten Vorbereitungen zur Synode bis zu deren tatsächlichem Stattfinden zu erklären131. BARNARD meint: "The Eastern bishops were travelling with deliberate slowness"132. Doch widerspricht dies dem, was wir aus dem östlichen Synodalschreiben wissen133. Und auίerdem hätte Athanasius sich dies Argument einer absichtlich zögerlichen Anreise der Orientalen als Beleg für deren "schlechtes Gewissen" nicht nehmen lassen; indes hören wir von ihm dergleichen nicht. 4. Die scheinbare Schwierigkeit, daί bei einer Datierung auf 342 zwischen dem Ende der Synode und der Delegation nach Antiochien 344 zu viel Zeit

126

 Hil.,  I.e., Appendix  (126ff.  Feder).    BARNARD,  I.e.,  54;  mit  RICHARD,  I.e.,  321;  für  344  auch  GIRARDET,  I.e.,  146-149  und  BRENNECKE,  I.e., 47  mit  Anm.137.  - Anders  SCHWARTZ,  GS  IV,  13f.  128  Mit  GIRARDET,  I.e.,  143 gegen  BARDY,  Irenikon  16  (1939),  411.  129  RICHARD,  I.e.,  322.  130  Socr.,  h.e.  11,20,6 spricht  von  einem  Jahr  und  sechs  Monaten.  131  Vgl.  HANSON,  Search,  293f.  mit  Anm.64.  132  BARNARD,  I.e., 50.  Das  gleiche Argument  schon  bei  DE  CLERCQ,  Ossius,  336.  133   "Occurimus  ad  Serdicam  litteris  imperatoris  conuenti",  Hil.,  I.e.,  A  IV,  1,14,1  (CSEL  65,  58,3  Feder).  127

44

Erster  Teil 

verstreichen würde134, ist mit Hinweis auf die massiven militärischen Defensivmaίnahmen des Konstantius im Jahre 343 gut zu erklären. Alle anderen Argumente (Zahl der Osterfeste, Beschlüsse von Serdika über gemeinsamen Ostertermin, Aufruhr um Paul von Konstantinopel, Asklepius von Gaza-Absetzung, Liste jüdischer Passadaten) sind mehr oder minder frei konvertibel und tragen für eine begründete Entscheidung in der Datierungsfrage nichts aus.

2.1.2 Der Verlauf der Synode von Serdika Von der Synode von Serdika sind reichhaltig Dokumente erhalten, v.a. die beiderseitigen

Synodalschreiben,

zudem

einige

Briefe

der

westlichen

135

Teilsynode , einige Briefe des Athanasius, ein Brief des Ossius und Protogenes sowie die von den Bischöfen um Ossius beschlossenen Kanones. Athanasius hat auίerdem die Ereignisse aus gröίerem zeitlichem Abstand noch einmal dargestellt; auch Ossius geht in einem späteren Brief an Konstantius136 noch einmal darauf ein137. Die Gesamtheit dieser Dokumente erlaubt es, ein halbwegs zuverlässiges Bild vom Ablauf der Synode und vom Gegenstand

der

Verhandlungen zu gewinnen. Die westliche Delegation traf im Herbst 342 etwas eher in Serdika ein als die östliche. Ihrem Beschluί von Rom folgend nahmen die Okzidentalen Athanasius und Markeil gleich in die sakramentale Gemeinschaft auf 38. Als die Orientalen eintrafen, betrachteten sie diese Maίnahme der Abendländer verständlicherweise als Miίachtung ihrer Synodalurteile und forderten die Gegenseite auf, die Verbannten einstweilen aus der Gemeinschaft und von den Verhandlungen zu suspendieren139. Als dieser Aufforderung von westlicher Seite nicht entsprochen

134

 So  etwa  auch  HANSON,  I.e.,  293f.  mit  Anm.64.   Hierunter  ein Brief an Julius von Rom  (der auf der Synode nicht selbst  anwesend, sondern durch  Legaten vertreten  war),  in  dem  sich  die  Tagesordnung  der  Synodalverhandlungen  findet, Hil.,  I.e.,  Β  II,  2,2,2f.  136  Zum  Brief  des  Ossius  an Konstantius  s.u.  S.  127ff.  137  Die  Dokumente  sind  übersichtlich  aufgeführt  bei  DE  CLERCQ,  I.e.,  401ff.,  GIRARDET,  I.e.,  I l l ,  SIMONETTI,  La  crisi,  178ff.  und  bei  BARNARD,  I.e.,  78ff.  Letzterer  bietet  zudem  noch  knappe  Inhaltsangaben  der  Texte.  138  HU.,  coU.  antiar.  Paris., A  IV,  1,14,If.  139  Zu  den  rechtlichen  Hintergründen  vgl.  GIRARDET,  I.e.,  116ff.  135

2 Die Synode von Serdika

45

wurde, brachen die Orientalen die gemeinschaftlichen Beratungen ab140. An eine gemeinsame Synode war nicht zu denken, solange der Westen die eucharistische Gemeinschaft mit Athanasius und Markell vollzog, der Osten aber deren Exkommunikation aufrechterhielt. Die Synode von Serdika war damit in zwei Teilsynoden gespalten, ehe sie überhaupt begonnen hatte. Zunächst scheint es von beiden Seiten noch Versuche gegeben zu haben, einen Kompromiß zu finden und die Beratungen doch noch aufzunehmen. Aus dem Synodalbrief der Orientalen erfahren wir, daß fünf der sechs Mitglieder der ehemaligen Mareotiskommission141 vorschlugen, eine neue, paritätisch besetzte Kommission in die Mareotis zu entsenden, um die Vorwürfe gegen Athanasius erneut zu prüfen142. Die Kommission solle dann dem Konzil berichten, das daraufhin entscheiden solle. Aber der Vorschlag wurde von westlicher Seite abgewiesen. Über die Gründe schweigen die Quellen leider143. Von westlicher Seite wurden ebenfalls Vorschläge unterbreitet, die das Ziel hatten, wieder ins Gespräch zu kommen144. Ossius von Cordoba bot wiederholt an, die Orientalen sollten vor ihm allein erscheinen und ihre Vorwürfe gegen Athanasius begründen: Sollten sie sich als zutreffend erweisen, würde Athanasius aus der Gemeinschaft ausgestoßen145. Doch dieser Vorschlag wurde von östlicher

140 So die Orientalen in ihrem Synodalschreiben: Hil., I.e., A IV, 1,16,2. - D E CLERCQ, I.e., 338, folgt naiv der athanasianischen Polemik und meint, daß die östlichen Bischöfe angesichts der Anwesenheit von Athanasius, Markell und Asklepas von ihrem schlechten Gewissen überwältigt worden seien. 141 Zu der Kommission s.o.S. 30 mit Anm. 25. - Theognius von Nizäa, das sechste Mitglied der Kommission, war inzwischen verstorben, vgl. LOHR, Entstehung, 19. 142 Hü., I.e., A IV, 1,18,If. 143 LOHR, I.e., 19f., vermutet wohl mit Recht, daß die westlichen Bischöfe den Ausgang einer solchen Untersuchung fürchteten; Gregor als gegenwärtiger Inhaber des Bischofssitzes von Alexandrien hätte gewiß für entsprechende "Informationen" gesorgt, vgl. BARNARD, I.e., 67. Auch ist der Vorschlag der östlichen Bischöfe nur dann vorstellbar, wenn sie wußten, daß sie ihrer Sache absolut sicher sein konnten. Ob man den Vorschlag als aufrichtig bezeichnen sollte, ist mir deshalb eher zweifelhaft, anders LOHR, I.e., 20. 144 145

Ath., apol.sec. 36,3f.; hAr. 16; hAr. 44 (Brief des Ossius von Cordoba an Konstantius). H A r . 44, 2f.

Erster Teil

46

Seite  abgelehnt144:  Der  Versuch,  die  kirchliche  Einheit  mit  Hilfe  der  Reichssynode  wiederherzustellen,  war  endgültig  gescheitert.  Ehe  die  orientalischen  Bischöfe  Serdika  verließen,  begaben  sie  sich  in  ihr  Quartier,  das  kaiserliche  Palatium  und  hielten  dort  eine  Synode  ab147,  auf  der  sie  auch  den  östlichen  Synodalbrief  verfaßten148.  Hierin  sprachen  sie  die  Exkommunikation  der führenden Bischöfe  der  Gegenseite  aus149 und  besiegelten  damit  das  Schisma.  Dann  reisten  sie  ab. 

Die  westlichen  Delegierten  tagten  in  Serdika  wohl  noch  eine  Zeitlang  weiter.  Auch  sie  verfaßten  einen  Synodalbrief:  Die  führenden  Persönlichkeiten  der  Orientalen  werden  exkommuniziert  und  abgesetzt150.  Die  Synodalen  verfaßten  auch  noch  einige  weitere  Schriftstücke151,  ehe  auch  sie  sich  auf  den  Heimweg  begaben.  Wohl  noch vor Wintereinbruch  342 ist die  Synode von Serdika  beendet  gewesen152. 

Ost  und  West  hatten  sich  in  zwei  unterschiedliche  Lager  gespalten,  wobei  die  Differenzen machtpolitischer  (Konkurrenz der beiden Kaiser),  kirchenpolitischer  und kirchenrechtlicher  (Frage der Berechtigung der Revision und ggf. Aufhebung 

146

Auch hier erfahren wir über die Gründe nichts. Die Auskunft, daί die östlichen Synodalen ihrer eigenen Sache nicht mehr sicher waren (Ath., apol.sec. 42,8), ist westliche Polemik. Das Miίtrauen der Orientalen "έκεϊνοι  δέ  προς  πάντα  μή 9­αρροϋντες ίσως  άνένευον", Ath., hAr.  44,3 (Opitz II,  207,35 ­ 208,1) wird jedoch nicht ganz unangebracht  gewesen sein. Denn daί des Ossius Vorschlag ernst gemeint war, wie DE CLERCQ, I.e., 346, meint, glaube ich nicht. Das zusätzliche Versprechen, er, Ossius, werde, falls die Vorwürfe nicht zuträfen, Athanasius mit nach Spanien nehmen (hAr. 44,3), klingt allzu unwahrscheinlich (vgl. Opitz II, 209 mit nota) und ist wohl auch von den östlichen Synodalen sofort als unseriöses Lockmanöver durchschaut worden. 147 Nicht in Philippopolis, wie Socr., h.e. 11,20,9 meinte, zur Diskussion ausführlich BARNARD, I.e., 70. m Hil., coli, antiar. Paris. A IV,1 (CSEL 65, 48-67 Feder). Dem Brief ist eine Glaubenserklärung angehängt, I.e., A IV, 2 (68-73 Feder), die übrige Überlieferung des Bekenntnisses in Feders Apparat. Es handelt sich um Ant IV, ergänzt um einige, z.T. direkt gegen Markell gerichtete Anathematismen, vgl. hierzu besonders BRENNECKE, Hilarius, 35ff. 149 Julius von Rom, Ossius von Cordoba, Gaudentius von Naissus, Maximin von Trier; Hil., I.e., A IV,1,27,2. 150 Theodor, Narzissus, Akakius, Stephan, Ursacius, Valens, Menophantus, Georg; Hil., I.e.,  Β  11,1,8,2.  151  Siehe  hierzu  oben  S. 44.  152  RICHARD,  I.e., 325f. 

47

2  Die  Synode  von  Serdika

von östlichen Synodalurteilen durch westliche Synoden) und dogmatischer Natur waren (Arianismus-Vorwurf gegen die Orientalen; Unannehmbarkeit der Theologie Markells aus Sicht der östlichen, der Tradition des Origenes verpflichteten Bischöfe). Diese Konstellation sollte die Lage für die nächsten Jahre prägen und auch für die Rezeption der Diskussion des trinitarischen Problems im Westen die entscheidende Weichenstellung bedeuten. Aus diesem Grunde wollen wir uns nun mit dem von der westlichen Synode verabschiedeten Synodalschreiben, besonders mit der ihm in Teilen der Überlieferung angefügten Glaubenserklärung153 befassen. Es handelt sich um das erste "westliche"154 "Bekenntnis"155 im arianischen Streit.

Auf die vieldiskutierten Kanones von Serdika kann im Zusammenhang dieser Untersuchung nicht eingegangen werden156. Nur am Rande sei vermerkt, daί die Synodalen mit dem Kanon III157 die kirchenrechtliche Grundlage für die Entscheidung schufen, die sie zuvor de facto und ohne

gemeinsame

Verhandlungen getroffen hatten, nämlich die Aufhebung der Urteile einer Provinzialsynode durch eine (römische) Appellationsinstanz158.

2.2 Die Ekthesis der westlichen Synode von Serdika

Die Glaubenserklärung der westlichen Synode von Serdika findet sich am Schluί des

153

Synodalschreibens

der Abendländer,

allerdings nur in Teilen

der

 Hierzu  unten  S. 47ff.   Zum  Ausdruck  "westlich" s.o.  Anm.  1.  155   Wenn  hier  der  in  der  Literatur  gebräuchliche  Ausdruck  "Bekenntnis"  zur  Kennzeichnung  des  westlichen  Serdicense  fällt,  so  ist  dabei  darauf  hinzuweisen,  daß der  Text  nicht  dem  (ohnehin  nur  in Grundlinien feststehenden, ansonsten eher frei und lose angeordneten; vgl. hierzu RITTER,  TRE  13 [1984],  402­405) Aufbau einer regula fidei folgt (so  schon LOOFS, AAWB  1909,11).  Es  handelt  sich  um  eine  aus  aktuellem  Anlaß  ad  hoc  entstandene  theologische  Erklärung  mit  polemischen,  apologetischen  und  bekenntnishaften  Elementen.  Aus  diesem  Grunde  wird  in  dieser  Arbeit  die  Bezeichnung  Ekthesis  (=  Thdt.)  oder  theologische  Erklärung  bzw.  Glaubenserklärung  bevorzugt.  156   Vgl.  hierzu  CASPAR,  ZKG  47  (1928),  162­177;  HESS,  Canons,  22ff.  71ff.;  GIRARDET,  Kaisergericht,  120ff.; BARNARD,  Council,  97ff.  157  Der  Text  EOMIA  1/2, 455,8 ­ 458,43; 460,1 ­ 461,27 Turner; eine  Übersetzung bei  GIRARDET,  I.e.,  120ff.  158  Vgl.  hierzu  GIRARDET,  I.e.,  120-132.  154

4 8 

Erster  Teil 

Überlieferung: Athanasius bietet den abendländischen

Synodalbrief

mit

1

Unterschriften, aber nicht die theologische Erklärung ®; auch Hilarius hat das Synodalschreiben ohne das Symbol160. Dem Schreiben läίt er den Brief der Synode an Julius folgen, sodann die Namen der verurteilten Bischöfe der Orientalen und dann eine Subskriptionsliste, die 60 Namen umfaίt161. Theodoret hat in seiner Kirchengeschichte das Synodalschreiben mit Ekthesis, aber ohne Unterschriften162. Der Codex Veronensis LX bietet das Synodalschreiben mit expositio fidei ohne die Unterschriften163. Dieser heterogene Überlieferungsbefund ist (neben der Bemerkung des Athanasius in Tom. ad Ant. 5, die Synode habe keinen solchen Text angenommen164) seit jeher ein Grund für die Zweifel der Gelehrten an der Authentizität dieser theologischen Erklärung gewesen165. In dieser Untersuchung soll hierzu am Ende der Analyse des Serdicense Stellung genommen werden, wobei auch die Frage nach seiner Rezeption im Westen zu berücksichtigen ist166.

Die erste befriedigende Edition der westlichen theologischen Erklärung von Serdika hat im Jahre

1909 LOOFS vorgelegt167, verbunden mit

einer

ausführlichen Interpretation. Seither hat jene Edition allen Untersuchungen zum Thema zugrunde gelegen168, bis hin zur englischen Übersetzung in HANSONs

159

 Apol.  sec.  42­50  (Opitz  II,  119­132).    Coll.  antiar.  Paris.,  Β  11,1 (CSEL  65,  103­126  Feder).  161   Hil.,  I.e.,  Β  11,2­4  (126­139  Feder).  162  Thdt.,  h.e.  II, 8,1­52  (GCS  Theodoret,  101­118 Parmentier/Scheidweiler).  Von  Theodorets  Text  abhängig  sind  noch  Theodoras  lector,  Historia  ecclesiastica  tripartita  (codex  Marcianus  gr.  344,  keine  Edition)  sowie  Cassiodor,  Historia  ecclesiastica  tripartita  IV,24,42­57  (CSEL  71,  188,234  ­ 191,321  Jacob/Hanslik).  163  Fol. 81a­88a,  EOMIA  1/2  (645­653 Turner).  ­ Namenslisten  als Unterschriften zweier  Schreiben  der  Synode  bzw.  des  Athanasius  an  den  Klerus  der  Mareotis  (Turner  658.  660­662).  164   PG  26,  800C.  Der  Text  in  dieser  Arbeit  unten  S.  99 Anm.  457.  165   So  schon  GWATKIN,  Studies,  724­727;  BARDY,  Irdnikon  16  (1939),  409;  ReSR  20  (1940),  28ff.  GELZER,  ZNW  40  (1941),  24,  meinte,  daß  die  Schlußpassage  des  Synodalschreibens  "inhaltlich  wie  formal  alle  Zeichen  eines  Abschlusses"  aufweise  und  daher  die  theologische  Erklärung  erst  sekundär  mit  dem  Synodalbrief  verbunden  worden  sein  könne.  166   S.U.S.  143ff.  178ff. 204ff. 225ff.  167  LOOFS,  Das Glaubensbekenntnis  der Homousianer von Sardica, AAWB  1909, 3­39. Die  Edition  hierin  7­11.  168  Ich  nenne  SCHNEEMELCHER,  Serdika,  356ff. mit  Anm.  40; KELLY,  Glaubensbekenntnisse,  275ff.; DINSEN, Homousios, 105ff., BARNARD,  Serdica, 88 mit Anm. 13; LOHR, Entstehung, 22ff.  160

2  Die  Synode  von Serdika

49

neuer Gesamtdarstellung zum arianischen Streit1®, auch wenn gelegentlich auf die Revisionsbedürftigkeit des Textes von LOOFS hingewiesen worden ist™. Es ist das Verdienst von TETZ, im Jahre 1985 eine neue Edition des Serdicense vorgelegt zu haben171, die, auch wenn in einigen Einzelheiten m.E. durchaus noch Diskussionsbedarf besteht172, den Text von LOOFS grundlegend verbessert hat. Zweifellos sind für den Versuch einer theologischen Interpretation des Serdicense nunmehr neue Voraussetzungen gegeben; TETZ selbst hat in seinem Aufsatz hierzu erste Vorschläge unterbreitet173. Auch HALL hat jüngst auf einige wichtige Aspekte zur Interpretation des Serdicense hingewiesen174, wobei er sich, noch ohne die Edition von TETZ zu kennen175, v.a. an der in der Theodoretüberlieferung gegebenen Textgestalt orientierte176. Ich werde bei meiner Interpretation des Serdicense zunächst kurz auf die Überlieferung eingehen und sodann den Text und eine deutsche Übersetzung geben. Beim griechischen Text beziehe ich mich auf die von TETZ vorgenommene Edition und gehe lediglich in Anmerkungen auf diejenigen Stellen besonders ein, an denen ich mich von der TETZschen Rekonstruktion abgrenze und einer anderen Textgestalt den Vorzug gebe.

2.2.1.1 Die Überlieferung des Serdicense Die Überlieferung des Serdicense ist übersichtlich aufgeführt bei TETZ177. Im folgenden bezeichnen demnach: π die Gesamtheit der Theodorethandschriften (welche besteht aus Β, Α [mit Ac aus anderer Tradition], r [N+GS(s)] und ζ [L+FV(v); V beginnt erst in 4 mit πατέρα μή γεγεννήσ9·αι]), Τ die von Theodoret abhängige Überlieferung bei Theodoras lector (nicht ediert) und c die

1W

 HANSON,  Search,  299­302  mit Anm.  92.    SCHWARTZ,  ZNW  35  (1936),  6  mit  Anm.  5;  TETZ,  ZNW  66  (1975),  201  mit  Anm.  22;  BARNARD,  I.e.,  88.  171   ZNW  76  (1985),  252­258.  172  SEIBT,  Markeil,  118 Anm.  998 äußert  die Ansicht,  daß "die Frage(n)  der Sprache des  Originals,  der  handschriftlichen  Überlieferung  und  der  Fülle  der  vorgenommenen  Konjekturen  (...)  neu  aufgerollt  werden  müßten".  Einige  Korrekturvorschläge  gegenüber  der  TETZschen  Textrekonstruktion  bei  ABRAMOWSKI,  ZKG  102  (1991),  398ff.,  einige  weitere,  allerdings  nur  einen  Halbsatz  aus  4  sowie  den  gesamten  12 betreffend bei  SEIBT,  I.e.,  143f.  314.  173   ZNW  76  (1985),  243ff.  174  StPatr  19  (1989),  173-184.  175  Vgl.  I.e.,  173  mit  Anm.  1.  176  HALL  bietet  hierzu  auch  eine  englische  Übersetzung  des  Textes,  I.e.,  175-177.  177  L.c.,  251.  170

50

Erster  Teil 

gleichfalls von Theodoret abhängige Überlieferung bei Cassiodor178. Der in der Überlieferung eigenständige Cod. Ver. LX179 wird mit t bezeichnet. Die Frage nach der Originalsprache des westlichen Serdicense wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Für ein griechischsprachiges Original optierten v.a. FEDER180 und GELZER181, für ein lateinisches SCHWARTZ182 und OPITZ 10 . Letzteren folgten bis jüngst die meisten Gelehrten184. BARNARD ist im Zusammenhang seiner Monographie zur Synode von Serdika nach ausführlichen Analysen dafür eingetreten, daί der Text von vornherein zweisprachig abgefaίt gewesen ist185. Entgegen der Mehrheitsmeinung der Forschung halte ich einen griechischen PräText, den man m.E. angesichts der Tatsache, daί das Dokument noch an Ort und Stelle ins Lateinische übersetzt sein muί, nur bedingt "Original" nennen kann, für wahrscheinlich; meine Gründe hierfür hängen mit der theologischen Provenienz des Textes zusammen; ich verweise dazu auf meine Kommentierung des Serdicense und die sich daraus ergebenden Schluίfolgerungen. (Siehe unten unter 2.2.3. und den anschlieίenden Exkurs). Bei dem nun folgenden Prä-Text des Serdicense kann es sich natürlich nur um eine möglichst sorgfältig rekonstruierende Näherung handeln. Wir besitzen leider weder den griechischen Text noch seine lateinische Übersetzung von 342. Die von Turner edierte, späte und ziemlich verderbte lateinische Fassung aus dem Cod. Ver. LX gebe ich hier nicht mit bei (vgl. aber die kleine ausgewählte Gegenüberstellung unter 2.2.4). Zur Frage einer möglichen lateinischen Übersetzung des hier vorgelegten griechischen Prä-Textes und von dessen Verhältnis zur Fassung des Cod. Ver. LX hoffe ich, mich in nicht allzu ferner Zukunft an anderer Stelle äuίern zu können.

178

 Historia  ecclesiastica  tripartita  IV,  24,42­57  (CSEL  71,  188,234  ­  191,321  Jacob/Hanslik).   EOMIA  1/2,  651,1  ­ 653,123  Turner.  180  Studien  I,  83­88.  181  ZNW  40 (1941),  Iff. ­ GELZER  entfaltet seine These  anhand des westlichen  Synodalschreibens,  ist  allerdings  der  Meinung,  daß  die  expositio  fidei  nicht  ursprünglich  dazugehört.  Zur  Authentizitätsdebatte  um  das  westliche  Serdicense  s.u.  unter  2.2.5.  182  ZNW  30  (1931),  Iff.  183   Opitz  II,  119 mit  nota.  184   Z.B.  BARDY,  Irfenikon  16  (1939),  409f.;  FLEMING,  Commentary,  273ff.;  BRENNECKE,  Hilarius,  29f.  Anm.  56  (Brennecke  ist  allerdings  mittlerweile  für  ein  zweisprachiges  Original  eingetreten,  vgl. ABRAMOWSKI,  ZKG  102  [1991],  400 Anm.  22);  LOHR,  I.e.,  22  mit Anm.  142;  TETZ,  ZNW  76  (1985),  252.  259.  185  Council,  59. 98-101.  Vgl.  schon  HESS,  Canons,  41-45.  179

2 Die Synode von Serdika

51 

2.2.1.2  Der  Text  des  Serdicense  (§1) 

Άποκηρύττομεν  δέ  έκείνους 

και  έξορίζομεν  της 

καθολικής  εκκλησίας  τους  διαβεβαιουμένους,  δτι  9­εός  έστιν  δηλονότι  ό  Χριστός,  αλλά  μήν  άλη9·ινός  9­εός  ούκ  εστίν,  δτι  υιός  έστιν.  (§2)  άλλα  και  αληθινός  υιός  ούκ  εστίν,  δτι  γεννητός 



έστιν  αμα  και  γενητός.  οΰτως  γάρ  έαυτους  νοεϊν  τον  γεγεννημένον 

όμολογοϋσιν, 

οτι  ούτως186  ειπον 

τό 

γεγεννημένον  γεγενημένον  έστίν.  και  τοϋ  Χρίστου  προ  αιώνων  οντος  διδόασιν  αύτφ  άρχήν  και  τέλος187,  δπερ  ούκ  έν  καιρφ,  άλλά  πρό  παντός  χρόνου  έ'χει.  (§3)  και  ύπόγουν 

δέ  δύο  έ'χεις 

10 

άπό  της  άσπίδος  της 

Άρειανής  έγεννή9·ησαν,  Ούάλης  και  Ούρσάκιος·  οι  τίνες  καυχώνται  και  ούκ  άμφιβάλλουσι  λέγοντες  εαυτούς  Χριστιανούς  είναι  και  δτι  ό λόγος  και  δτι  τό  πνεύμα  και  έτρώ&η  και  έσφάγη  και  άπέ9·ανεν  και  άνέστη  καί,  δπερ 

15 

τό  τών  αιρετικών  σύστημα  φιλονεικεϊ,  διαφόρους  είναι 

Ι«6 TETZ,  I.E.,  252. 254 liest  den  ganzen  Passus  m.E. völlig zu Recht mit J I T C , konjiziert dann aber glättend  ώσ  nach  t  (sicut supra)  statt  οτι  οϊίτως  TIC (καί  οτι  ούτως  Τ). Der  griechische  Text  ist  sicher  holprig;  aber  das  gilt  auch  sonst für das Serdicense, und die Bezeugung ist hier relativ so gut, daί ich dazu neige,  οτι  οΰτως  zu  belassen.  is?  T E T Z  i C j  252.  254,  konjiziert  αρχήν  ,  einen  Vorschlag  von  LOOFS,  I.e.,  14,  aufgreifend, den dieser selbst allerdings nicht in seiner Edition aufgenommen  hatte. Aber αρχήν  καί  τέλος  wird  von  der Überlieferung ohne Ausnahme geschrieben  (π,  Τ,  c  und  t  [initium  et  finem]).  Auch  eine  auf Textähnlichkeiten o.ä. beruhende Begründung für die Konjektur ist nicht in Sicht. Inhaltlich ist  άρχήν  τοϋ  εΓναι  leichter,  denn  von  dem  Vorwurf,  die  Eusebianer hätten Christus ein Ende zugeschrieben, wissen wir sonst nichts. Er findet sich vielmehr umgekehrt in deren antimarkelüscher Polemik. Dennoch ist auch der durch die Textüberlieferung gegebene Sinn nicht unmöglich. Schon SCHEIDWEILER, ZNW 44 (1952/3), 249, hatte die Erwähnung des τέλος  damit  erklärt, daί es ein beliebtes Mittel der Polemik sei, den Gegner auf eine von ihm selber nicht bemerkte, absurde Konsequenz (die hier durch das Wortpaar Anfang-Ende gegeben wäre) seiner Lehre hinzuweisen und so zu widerlegen: Die Eusebianer, die Christus einen Anfang vor aller Zeit gaben, müssen ihm konsequenterweise auch ein Ende zuschreiben (vgl. Phoebadius, C. Ar. 2,5: "puto autem cui initium sie adscribitur, fini obnoxius non negetur", CChr.SL 64, 24, 16f. Demeulenaere; LOOFS, I.e., 14; ähnlich auch Luzifer von Calaris, Δthan. II, 34). Die westlichen Synodalen von Serdika waren so in der Lage, die vom Osten erhobenen Vorwürfe gegen Markells Verständnis von l.Kor 15,24-28 gleichsam zurückzugeben. SCHEIDWEILER will seine Sicht durch umfängliche Konjekturen abstützen, die m.E. nicht nötig und nicht zu akzeptieren sind. HALL, I.e., 179, geht ebenfalls mit der Textüberlieferung, erklärt den Text aber ein wenig dunkel: "Mention of the end is due to Marcellan preoccupations".

Erster Teil

52

τάς  υποστάσεις  τοϋ  πατρός  και  τοϋ  υΐοϋ  και  τοΰ  αγίου  πνεύματος  και  είναι  κεχωρισμένας.  (§4)  ήμεϊς  δέ 

ταύτην 

παρειλήφαμεν 

και 

δεδιδάγμε&α, 

ταύτην έ'χομεν τήν κα8·ολικήν και  άποστολικήν  παράδοσιν  και  πίστιν  και  όμολογίαν  μίαν  είναι  ύπόστασιν, 

20 

ην 

188

αύτοί  οί  αιρετικοί   και  ούσίαν  προσαγορεύουσι,  τοΰ  πατρός  και  τοΰ  υίοΰ  και  τοΰ  άγιου  πνεύματος,  και  εϊ 

ζητοίεν, 

τίς 

τοΰ  υίοΰ  ή  ύπόστασις188", 

εστίν 

189

ομολογουμένως  αυτη,  ή  ήν   μόνου  τοΰ  πατρός·  όμοΰ 

25 

λέγομεν  μηδέ  ποτε  πατέρα  χωρίς  υίοΰ  μηδέ  υίόν  χωρίς  πατρός190  γεγενήσ&αι  μηδέ  είναι  δύνασ9·αι,  δτι  εστι 

188 ABRAMOWSKI, I.e., 400, sieht οί  αιρετικοί  als  Glosse  (t:  graeci).  Dies  scheint  mir  nicht  erforderlich zu sein.  Der  Text  ist sachlich gut  zu verstehen.  Dem Miίverständnis, der Text halte die Synonymität von ουσία  und  ύπόστασις für häretisch (so etwa TETZ, I.e., 261), wird auch durch die Streichung des  οί  αιρετικοί  nicht  wirksam  begegnet;  es  liegt  im  αύτοί  (t:  ipsi).  Vgl.  meine  Kommentierung  zu  4  und  ABRAMOWSKI,  I.e.,  401.  iss»  T E T Z ,  i C j  252.  255 liest  και  εί  ζητοίεν  τ ι ς  τοΰ  υίοΰ  τήν  ύπόστασιν,  nach  t  et  si  qaerit  quis  fili substantiam. Aber  dies ist  nur  in  seiner  sehr  problematischen  Voraussetzung  eines  lateinischen  "Orginals" begründet - zudem müίte man dann doch wohl den griechischen Text noch in  ζητοίη  oder  ζητοί  statt  ζητοίεν ändern. Ich folge mit LOOFS T. 189  ήν ή  π;  esse  c; quam  t. ­ TETZ,  I.e., 255,  konjiziert hier  ein  μή und  liest: εστίν  ομολογουμένως  αυτη  μή  μόνου  τοϋ  πατρός.  Er  meint: "Daί hier eine Negation stehen muί, hat etwas überraschendes für den, der nicht wie die Verfasser den Heiligen Geist einbezieht und konsequent trinitarisch denkt". Doch ist TETZ' Konjekturvorschlag durchaus auch überraschend für den, der - wie die Verfasser - den theologischen Gedankenschwerpunkt des Passus wie des ganzen Serdicense in der Einhypostasenlehre erblickt. Der Satz über die Hypostase des Sohnes soll ja gerade das vorangegangene  μίαν  είναι  ύπόστασιν  (...)  τοΰ  πατρός  και  τοϋ  υίοΰ  και  τοϋ  άγίου  πνεύματος  entfalten.  Und  auch  die  Fortsetzung  des  Gedankens  Z.  25ff.  (zum  Text  vgl.  die  folgenden beiden Anmerkungen)  ist nicht  "konsequent  trinitarisch",  sondern  beantwortet  weiter  die  Frage  nach  der  Hypostase  des  Sohnes  und  ihrer  Beziehung  zum  Vater  im  Sinne  der  Einhypostasentheologie. Aus diesen Gründen erscheint mir die von TETZ vorgeschlagene Konjektur μή ganz unmöglich; sie stellt den Sinn geradezu auf den Kopf. - Statt  ήν ή wie  π  ist  ή ήν zu  lesen,  zur Begründung vgl. LOOFS, I.e., 17.

IM TETZ, I.e., 254f. liest hier  υίόν  χωρίς  πνεύματος  statt  υίόν  χωρίς  πατρός.  Doch  die  Überlieferung hat übereinstimmend  πατρός  (t:  patre).  Die  Notwendigkeit,  hier  eine  Konjektur  einzusetzen,  ergibt  sich für TETZ, weil er den Gesamtpassus "konsequent trinitarisch" verstehen will. Dies ist jedoch weder vom Sinn der Stelle her (vgl. vorige Anm.) noch vom folgenden Begründungssatz her (siehe folgende Anm.) zu vertreten. Auch die Fortsetzung des Passus Z. 28ff. mit den Schriftzitaten Joh 14,10 und 10,30 zeigt, daί die Verfasser ganz die Aussage der hypostatischen Einheit von Vater und Sohn in den Vordergrund stellen. - Meine eigenen Bemühungen um diese Stelle im Text des Serdicense hatten bereits zu dem in dieser und der vorigen Anmerkung vertretenen Ergebnis geführt, ehe mir im Januar 1992 der Aufsatz von ABRAMOWSKI bekannt wurde, der (I.e., 398) in diesem Punkte mit meinen Analysen übereinstimmte.

2 Die Synode von Serdika 

53 

λόγος  πνεύμα"1,  άτοπώτατον  γάρ  έστι  λέγειν  ποτέ  πατέρα  μή  γεγενήσ&αι  πατέρα  δια  τοϋτο,  οτι  δήλόν  έστι  πατέρα  χωρίς  υίοΰ  μήτε  όνομάζεσ&αι  μήτε  είναι  δύνασ9·αι. 

30 

εστίν  αύτοϋ  τοΰ  υίοΰ  μαρτυρία  "εγώ 

έν  τω  πατρί  και  ό  πατήρ  έν  έμοί"  και  "έγώ  και  ό  πατήρ  εν  έσμεν".  (§5)  ουδείς  ημών  αρνείται 

τό  "γεγεννημένον",  άλλα  κτίσ­

2

μα"  γεγεννημένον  παντάπασιν  ωσπερ  αόρατα  και  όρατά 

35 

προσαγορεύειν  γεννηθέντα  τεχνίτην  και  αρχαγγέλων  και  αγγέλων  και  κόσμου  και  τοΰ  ανθρωπίνου  γένους,  δτι  φησίν  "ή πάντων  τεχνϊτις  έδίδαζέ  με  σοφία"  και  "πάντα  δι'  αϋτοΰ  έγένετο".  ουδέποτε  γάρ  τοΰ  είναι  ήδύνατο  άρχήν  λαβείν,  οτι  ό  πάντοτε  ών  άρχήν  ούκ  εχει  λόγος 

40 

S­εός  ούδέ  ποτε  υπομένει  τέλος.  (§6)  ού  λέγομεν  τον  πατέρα  υίόν  είναι  ούδέ  πάλιν  τον  υίόν  πατέρα  είναι ­  άλλ'  ό  πατήρ  πατήρ  έστι  και  ό  υιός  πατρός  υιός.  όμολογοΰμεν  δύναμιν  είναι  τοΰ  πατρός  τον  υίόν.  όμολογοΰμεν  τον  λόγον  9­εοϋ πατρός,  παρ'  ο ν  ετερος 

45 

ουκ  έ'στιν,  και  τον  λόγον  άλη9·ή  9­εόν  και  σοφίαν  και  δύναμιν.  άλη&ή  δέ υίόν  παραδιδόαμεν  άλλ'  ούχ  ώσπερ  οϊ  λοιποί  υίοί  προσαγορεύονται, 

τον  υίόν  λέγομεν, 

οτι 

έκείνοι  ή  διά  υίο&εσίαν  ή  τοΰ  γεννάσ9·αι  χάριν  ή  διά  τό  καταξιω9·ήναι  υίοί  προσαγορεύονται,  ου  διά  τήν  μίαν 

191

50 

Die Überlieferung dieses Satzes ist heterogen: quod est Verbum Spiritus t; δ έστι  λόγος  πνεΰμα  cBF;  ο έστι  λόγος  πνεύματος  Ν;  δς  έστι  λόγος  πατρός  GS;  φ  έστι  λόγος  πνεΰμα  ούκ  έχων  Α  (φ  auf  Rasur)  DP; Auslassung Τ. ­ Der  Sinn  spricht für einen Begründungssatz,  δτι  έστι  kann  in  δ  έστι  verlesen  sein.  Der  Sohn  wird  als  Logos prädiziert (vgl. 5f.); die Begründung für die hypostatische Einheit liegt darin, daί der Logos wesenhaft Pneuma und somit Gott ist. Joh 4,24 steht im Hintergrund: πνεΰμα ö &εός. Also sind auch die Hypostase des Vaters und des Sohnes als  eins zu betrachten.  ABRAMOWSKIs  (I.e., 398f.) Annahme  einer  falsch erklärenden und falsch in den Text geratenen Glosse ist somit m.E. nicht erforderlich. SEIBT, Markell, 143, entscheidet sich für die Lesart der Hss G, S, ohne eine Begründung zu geben [statt "Serdicense §5 ist bei ihm zu lesen "Serdicense §4"]. 192 Die Konjektur  (τισιν  BN; τισίν  G;  τισί  S; τισι  V;  τίσι  FT;  quibus  c; quibusdam  t) begründet bei TETZ, I.e., 255f. Sie ist an dieser Stelle unabdingbar und erleichtert wesentlich das Verständnis dieser ohnehin schwierigen Passage.

54

Erster Teil

ύπόστασιν,  ήτις  έστι  τοΰ  πατρός  και  τοϋ  υΐοϋ.  (§7)  όμολογοϋμεν  και  μονογενή  και  πρωτότοκον,  άλλα  μονογενή  τον  λόγον,  δς193  πάντοτε  ήν  και  εστίν  έν  τφ  πατρί ­  τό  πρωτότοκος  δέ  τφ  άν&ρώπφ  διαφέρει  και  τή  καινή κτίσει,  δτι  και  πρωτότοκος  έκ νεκρών, όμολογοϋμεν 

55 

­

ενα  είναι  9­εόν   όμολογοϋμεν  μίαν  πατρός  και  υΐοϋ  9­εότητα.  (§8)  ούδέ  τις 

αρνείται  ποτε  "τον  πατέρα  τοΰ  υΐοϋ 

μείζονα",  οΰ  δι'  άλλην  ύπόστασιν  ούδέ  τινα  διαφοράν,  αλλ'  δτι  αύτό  τό  δνομα  τοϋ  πατρός  μείζον  έστι  τοϋ  υίοΰ. 

60 

(§9)  ανίτη  δέ  έστιν  αύτών  ή  βλάσφημος  και  διεφθαρμένη  ερμηνεία,  δτι  εϊρηκέναι  αύτόν  φιλονεικοΰσιν  "εγώ  και  ό  πατήρ  εν  έσμεν"  δια  τήν  συμφωνίαν  και  τήν  όμόνοιαν.  κατέγνωμεν  πάντες  οι  καθολικοί  τής  μώρας  και  οίκτράς  αύτών  διανοίας*  ώσπερ  άν&ρωποι  9­νητοί  επειδή 

65 

διαφέρεσ&αι  ήρξαντο προσκεκρουκότες  διχονοοΰσι  και  εις  διαλλαγήν  έπανίασιν,  ούτως  διαστάσεις  και  διχόνοιαι  μεταξύ  πατρός  9­εοΰ  παντοκράτορος  και  τοϋ  υίοΰ  είναι  ήδύναντο,  δπερ  άτοπώτατον  και  νοήσαι  και  ύπολαβείν.  (§10)  ήμεϊς  δέ  και  πιστεύομεν  και  διαβεβαιούμεθ­α  και 

70 

ουτω  νοοΰμεν,  δτι  ή  ιερά  φωνή  έλάλησεν  "εγώ  και  ό  πατήρ  εν  έσμεν"  διά  τήν  της  υποστάσεως  ένότητα,  ή'τις  έστι  μία  τοϋ  πατρός 

και  τοϋ  υίοΰ. 

και  τοϋτον 

πιστεύομεν  πάντοτε  άνάρχως  και  άτελευτήτως  μετά  τοΰ  πατρός  βασιλεύειν  και  μή  εχειν  μηδένα  χρόνον  μήτε 

75 

έκλείπειν  αύτοΰ  τήν  βασιλείαν,  δτι  δ  πάντοτε  έ'στιν  ούδέ  ποτε  τοΰ  είναι  ήρξατο  ούδέ  έκλείπειν  δύναται.  (§11)  πιστεύομεν  και  παραλαμβάνομεν  τον  παράκλητον  τό 

m

  λόγον  δς  π; Verbum, qoud  t; der Sinn legt m.E. einen Relativsatz nahe, der den  eingeborenen  Logos näher bestimmt. TETZ, I.e., 256, plädiert für δτι  (t: quod) und vermutet  ein Miίverständnis aller Theodoret-Überlieferung aufgrund lateinischer Vorlage. Aber ob es eine solche lateinische Vorlage überhaupt gab, ist mir sehr zweifelhaft. Zur Frage der Originalsprache" des Serdicense s. unten meinen Exkurs S. 91ff.

2 Die Synode von Serdika 

55 

αγιον  πνεϋμα,  δπερ ήμίν  αυτός  ό κύριος  έπηγγείλατο  και  έπεμψε.  και  τοϋτο  πιστεύομεν  πεμφθ­έν.  και  τοΰτο  οΰ 

80 

4

πέπον9·εν,  άλλ'  ό  άνθρωπος" ,  δν  ένεδύσατο,  δν  άνέλαβεν  έκ  Μαρίας  της  παρθένου,  τόν  άν9·ρωπον  τον  πα9·εΐν  δυνάμενον  δτι  άν&ρωπος  9­νητός,  9­εός  δέ  αθάνατος,  πιστεύομεν  δτι  τη  τρίτη  ήμέρφ  ανέστη  ούχ  ό  9­εός  έν  τφ  άν&ρώπφ,  άλλ'  ό άν&ρωπος  έν  τφ  θΐώ  ανέστη,  δντινα  και 

85 

προσήνεγκε  τφ  πατρί  έαυτοϋ  δώρον,  δν  ήλευ&έρωσεν.  πιστεύομεν  δέ δτι εύ9·έτφ καιρώ και  ώρισμένφ πάντας  και  περί  πάντων  αυτός  κρίνει.  (§12)  τοσαύτη  δέ  έστιν  αυτών  ή  άνοια  και  οϋτω  παχεϊ  σκότφ  ή διάνοια  αυτών  έκτετύφλωται,  ίνα  μή  δυνη9­ώσιν 

90 

ϊδεΓν  τό  φως  της  άλη9­είας·  ού  συνιάσιν  φ  λόγφ  εΓρηται  "Ινα αυτοί  έν  ήμΐν  εν  ώσι".  σαφές  έστι  δια  τί  ε ν  δτι  οί  απόστολοι  πνεϋμα  άγιον  τοΰ  9­εοϋ  έλαβον,  άλλ'  δμως  αύτοί  ούκ  έκλή9ησαν195  πνεϋμα,  ουδέ  τις  αύτών  η  .  λόγος  η  σοφία  η  δύναμις  ήν  ουδέ  μονογενής  ην.  "ώσπερ"  φησίν 

95 

"έγώ  και  σύ  εν  έσμεν,  οΰτως  και 

αυτοί  έν  ήμΐν  εν  ώσιν".  άλλ'  ακριβώς  διέστειλε  ή  9­εία  φωνή·  "έν  ήμΐν  εν19ί  ώσιν"  φησίν  ούκ  είπεν  ώσπερ  ήμεΐς  έν  έσμεν,  έγώ  και  ό  πατήρ·  άλλ'  οί197 

194 TjjTZ, I.e., 253, Begründung 257, liest den Passus: και τοϋτον πιστεύομεν  παθόντα,  άλλ'  άν9ρωπο,  δν  ένεδΰνατο  ...,  d.h.  er  bezieht  die  Stelle  auf  den  κύριος,  nicht  auf  das  πμεΰμα.  Hierzu beruft er  sich in Auseinandersetzung  mit LOOFS  auf  eine Parallele bei Gregor von  Elvira,  Fid.  orth.  8. Diese  Rekonstruktion  unterbewertet  jedoch  die hinter  11 stehende  Anschauung, daί das Göttliche in dem geschichtlichen Christus das πνεϋμα gewesen  ist. LOOFS führt hierfür nicht Elllein Gregor von Elvira, Fid. orth. 8 an, sondern auch noch eine Fülle weiterer Belege aus markellischer und abendländischer Tradition. Ihnen gemeinsam ist der Gedanke der Wesensbestimmung des Logos-Sohnes als Geist, wie er ja auch im Serdicense selbst (§4, Z. 27f.) begegnet. Ich gebe daher an dieser Stelle dem Text von LOOFS, der mit der von PARMENTIER erstellten Theodoret-Version übereinstimmt, den Vorzug. Zum Überlieferungsbefund siehe LOOFS, l.c, 10; PARMENTIER/SCHEIDWEILER, GCS Theodoret, 117; TETZ, I.e., 257. 195 TETZ, I.e., 257 folgt hier t (vocati sunt) als schwierigerer Lesart. Anders LOOFS, I.e., 10, SEIBT, I.e., 314. 196 T E T Z , I.C., 257, streicht  εν  (πΤ)  als Angleichung  an  den  Bibeltext,  durch  die  die  Perspektive  verschoben  werde.  Aber  der  Gedanke  liegt  hier  in  der  Unterscheidung  des  "In­uns­eins­seins"  gegenüber dem "Wie-wir-eins-sein" (Z. 98f.), so daί das  εν erforderlich  ist.  197 TETZ,  I.e., läίt den Artikel ohne Begründung weg (t: diseipuli).

Erster Teil

56 μα&ηταϊ  έν  έαυτοΐς 1 9 8  τη  π ί σ τ ε ι  και 

σύζυγοι  και  ηνωμένοι  εν  ώσι  9

και  τη  ομολογία" , 

ε υ σ ε β ε ί ς 

ί ν α  και  έν  τη 

τη  τοΰ  9­εοΰ  π α τ ρ ό ς 

χάριτι

και  τη 

100 

200 

τοϋ 

κυρίου  και  σωτηρος  ήμών  συγχωρήσει  και  α γ ά π η  εν  ε ί ν α ι  δυνη9·ώσιν. 

2.2.1.3  Übersetzung  Für  den  Text  des  Serdicense  biete  ich  die  folgende  deutsche  Übersetzung:  (§1) 

Wir  sagen  uns  öffentlich  los  und  verbannen  aus  der  katholischen  Kirche  jene,  die  behaupten,  daß  Christus  in  der  Tat  Gott  sei,  aber  nicht  wahrer  Gott,  weil  er  Sohn  sei. 

(§2) 

Aber  er  sei  auch  nicht wahrer  Sohn,  weil  er  zugleich  gezeugt  und  geworden  sei.  D e n n  so  bekennen  sie  ja,  das  "gezeugt"  für  sich  zu  verstehen,  weil  sie  folgendermaßen  gesagt  haben:  "'Gezeugt'  ist  'geworden'".  U n d  obwohl  Christus  vor  den  Ä o n e n  sei,  geben  sie  einen  Anfang  und  ein  Ende,  welches  er  nicht  in  dieser  Zeit,  sondern  vor  aller  Zeit  habe. 

(§3) 

U n d  nun  sind  kürzlich  zwei  Vipern  aus  der  arianischen  Giftschlange  erzeugt  worden,  Valens  und  Ursacius.  Sie  rühmen  sich  und  finden  nichts  dabei,  zu  sagen,  daß  sie  Christen  seien  und:  "Der  Logos  und  der  Geist  wurde  verwundet  und  getötet  und  ist gestorben  und  auferstanden" und,  was 

198 LOOFS, I.e., 11 und PARMENTIER/SCHEIDWEILER, I.e., 118, lesen hier m.E. richtig mit BFvtc έαυτοΓς. TETZ, I.e., 258, meint, daί mit TLAr  αύτοίς  zu lesen  sei. Seine Begründung, die Lesart έαυτοΓς "verpatz(e) die Pointe von 12" [Relativierung der Kirche], leuchtet mir nicht ein. Der  Gedanke ist, daί das Untereinander-eins-sein der Jünger im Glauben und Bekenntnis gründet (und zwar hier konkret in dem Bekenntnis zur einen Hypostase, vgl. §4 des Serdicense, Z. 21). 199 LOOFS, der im folgenden Nebensatz m.E. richtig mit Iva anschlieίt (vgl. nächste Anm.), meint, daί, wer "diese Einfügimg gutheiίt, (...) auch die dem Sinne nach gewiί empfehlenswerte Δnderung des τη πίστει,  τη ομολογία  in τη πίστεως  ομολογία billigen" müsse (I.e., 36); TETZ, I.e., 257, hat dargelegt, daί dies den Charakter einer modernisierenden Konjektur hat, "die auf 'Glaubensbekenntnis' aus ist"; auch ist die einzige handschriftliche Lesart, die für LOOFS' Text zu sprechen schien, durch die Cassiodor-Edition von Jakob/Hanslik (CSEL 71) praktisch weggefallen. 200   π  bietet  έν  τη,  t  ut  in, c in; LOOFS,  I.e.,11,  liest  ίνα  και  έν  τη, was  PARMENTIER,  I.e.,  118,  übernimmt, dabei aber das  ίνα  als Konjektur  kennzeichnet.  TETZ,  I.e., 258 und  schon  ZThK  81  (1984),  199  Anm.  11,  konjiziert  πάντες  und  liest  και  πάντες  χάριτι,  "weil  andernfalls  eine  unsinnige  Sequenz herauskäme, nach der die Jünger zuerst verbunden und geeint sind, dann eins sein sollen und schlieίlich eins sein können". Die Sequenz ist aber so unsinnig nicht: Zu unterscheiden ist das Eins-sein der Jünger in Glaube und Bekenntnis, das das Eins-sein in der Liebe erst ermöglicht  (δυνη&ώσιν;  Ζ.  104).  Vgl.  SEIBT,  I.e.,  315,  der  allerdings  das  von  LOOFS  vorgeschlagene  ίνα,  das  den  Zusammenhang glänzend klärt, nicht übernimmt.

2 Die Synode von Serdika

57

die Gruppe der Häretiker vertritt, daί die Hypostasen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes verschieden seien und getrennt. (§4)

Wir haben aber übernommen und sind gelehrt worden, wir haben diese katholische und apostolische Überlieferung und Glauben und Bekenntnis: Es ist eine Hypostase, die selbst die Häretiker auch Usia nennen, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und falls sie fragen, welches die Hypostase des Sohnes ist: Es ist offenkundig dieselbe wie die des alleinigen Vaters. Zugleich sagen wir, daί niemals der Vater ohne den Sohn und nicht der Sohn ohne den Vater gewesen ist und auch nicht sein kann, weil der Logos Geist ist. Ganz unsinnig ist es, zu sagen, daί der Vater einmal nicht Vater war, denn es ist deutlich, daί der Vater ohne Sohn weder Vater genannt werden noch sein kann. Das ist das Zeugnis des Sohnes selbst: "Ich bin im Vater und der Vater in mir" und "Ich und der Vater sind eins".

(§5)

Niemand von uns leugnet das "gezeugt". Aber (wir leugnen) freilich, ihn gleich den sichtbaren und unsichtbaren Dingen "als Geschöpf gezeugt" zu bezeichnen, (ihn) der gezeugt ist als Bildner auch der Erzengel und Engel und der Welt und des Menschengeschlechtes, weil es heiίt: "Die Weisheit, Bildnerin von allem, lehrte mich" und "Alles ist durch ihn geworden". Nie könnte er einen Anfang des Seins genommen haben, weil der Logos Gott, der immer ist, keinen Anfang hat und keinem Ende unterliegt.

(§6)

Wir sagen nicht, daί der Vater Sohn ist und auch nicht, daί der Sohn Vater ist. Sondern der Vater ist Vater und der Sohn Sohn des Vaters. Wir bekennen, daί der Sohn die Kraft des Vaters ist. Wir bekennen den Logos Gottes, des Vaters, neben dem ein anderer nicht ist; und der Logos ist wahrer Gott und Weisheit und Kraft. Wir lehren ihn als wahren Sohn: Aber wir bezeichnen ihn nicht als Sohn, wie die übrigen (Söhne) Söhne genannt werden, weil jene entweder durch Adoption oder Dank der Geburt oder dadurch, daί sie für würdig befunden wurden, Söhne genannt werden, nicht aber aufgrund der einen Hypostase, welche die des Vaters und des Sohnes ist.

58

(§7)

Erster Teil

Wir bekennen ihn als Eingeborenen und Erstgeborenen, aber als Eingeborenen den Logos, der immer im Vater war und ist. "Erstgeborener" bezieht sich demgegenüber auf den Menschen und auf die neue Schöpfung, da er auch Erstgeborener von den Toten ist. Wir bekennen, daί Gott einer ist. Wir bekennen die eine Gottheit von Vater und Sohn.

(§8)

Keiner leugnet je das "Der Vater ist gröίer als der Sohn", aber nicht aufgrund einer anderen Hypostase und nicht aufgrund irgendeines Unterschiedes, sondern weil der Name selbst des Vaters gröίer ist als der des Sohnes.

(§9)

Dies aber ist ihre lästerliche und verderbte Auslegung, daί sie behaupten, er habe das "Ich und der Vater sind eins" gesprochen wegen der Übereinstimmung und Meinungsgleichheit. Wir Katholiken haben aber alle diese ihre törichte und klägliche Ansicht verdammt. Wie sterbliche Menschen, nachdem sie begonnen haben, sich zu entzweien, Anstoί nehmen

und

uneins

sind

und

(dann

wieder)

zur

Versöhnung

zurückgelangen, so könnten wohl (ihrer Meinung nach) auch zwischen Gott Vater dem Allmächtigen und dem Sohn Entzweiungen und Uneinigkeiten sein, was zu denken und anzunehmen absurd ist. (§10) Wir aber glauben und bekräftigen und denken so, daί die heilige Stimme gesagt hat: "Ich und der Vater sind eins" aufgrund der Einheit der Hypostase, welche eine (Hypostase) des Vaters und des Sohnes ist. Wir glauben, daί der Sohn immer und ohne Anfang und Ende mit dem Vater regiert und keiner Zeit untersteht und seine Herrschaft nicht vergeht, weil das, was immer ist, weder einen Anfang des Seins hatte noch vergehen kann. (§11) Wir glauben und nehmen an den Paraklet, den Heiligen Geist, den uns der Herr selbst verkündet und gesandt hat. Von ihm glauben wir, daί er gesandt worden ist. Er ist aber nicht der, der litt, sondern der Mensch, den er angezogen hat, den er aus der Jungfrau Maria angenommen hat, der Mensch, der leiden konnte. Denn der Mensch ist sterblich, Gott aber unsterblich. Wir glauben, daί am dritten Tage nicht Gott im Menschen auferstanden ist, sondern der Mensch in Gott ist auferstanden, den er auch

2  Die  Synode  von  Serdika

59

seinem Vater als Gabe dargebracht hat, den er befreit hat. Wir glauben, daί er selber zur rechten und festgesetzten Zeit alle Menschen und über alle Dinge richten wird. (§12) So groί aber ist ihre Unkenntnis und mit so tiefer Finsternis ist ihre Wahrnehmung verdunkelt, daί sie das Licht der Wahrheit nicht sehen können. Sie begreifen nicht, in welchem Sinne gesagt ist: "damit sie in uns eins seien". Es ist aber klar, warum (gesagt ist) "eins": Weil die Apostel den Heiligen Geist Gottes empfingen; aber dennoch wurden sie nicht Geist genannt, und es war auch keiner von ihnen Logos, Weisheit oder Kraft und auch nicht Eingeborener. Es heiίt: "Wie ich und du eins sind, so sollen auch sie in uns eins sein." Aber die göttliche Stimme unterschied genau: "Sie sollen in uns eins sein", heiίt es. Sie sagte nicht: "Wie wir eins sind, ich und der Vater"; sondern die Jünger sollen, miteinander verbunden und vereint, eins sein im Glauben und im Bekenntnis, damit sie auch in der Freundlichkeit und Demut, die von Gott dem Vater ist, und in der Vergebung und Liebe, die von unserem Herrn und Retter ist, eins sein können.

2.2.2 Analyse und Kommentierung des Serdicense Für die Kommentierung des Serdicense behalte ich, wie schon in der Wiedergabe des Textes und der Übersetzung, die Paragrapheneinteilung bei, die auf LOOFS zurückgeht. TETZ201 hat darauf hingewiesen, daί "sich andere Abgrenzungen nahelegen mögen", die Einteilung von LOOFS aber beibehalten, um "keine Konfusionen heraufzubeschwören". Dem schlieίe ich mich hier an. HALL hat in seinem Aufsatz zum Serdicense202 eine stärker an der Argumentationsstruktur des Textes orientierte Gliederung gegeben und damit einige Passagen wesentlich aufgehellt. Ich werde im folgenden auf HALLs Einteilung an den Stellen hinweisen, an denen sie inhaltlich von Belang ist.

201

  ZNW  76  (1985),  252.   StPatr  19  (1989),  175ff. 

202

60

§1 

Erster Teil

Die  Synodalen  beginnen  ihren  Text  mit  der  Verwerfung  gegnerischer 

Lehren  (§§1­3).  Ihre  Kontrahenten  konzedieren  zwar,  daß  Christus  Gott  ist,  streiten  aber  ab,  daß  er  wahrer  Gott  ist203,  δτι  υιός  έστιν  ist  Begründungssatz  hierzu204.  Zwar  haben  die  Eusebianer  in  Ant  II  und  Ant  IV  bekannt  "9­εόν  έκ  9­εοΰ"205 und  damit  den  Sohn  als  Gott  prädiziert,  doch  ist  dies  nach  Ansicht  der  westlichen  Synodalen  nicht  weitgehend  genug,  um  die  wahre  Gottheit·  Christi  hinreichend  auszusagen.  Es  fehlt  das  αληθινό ν  9­εόν,  dessen  Gültigkeit  im  Bekenntnis  des Arius und seiner Genossen allein für den Vater reserviert worden  war206,  jedoch  laut  Ν  auch  für  den  Sohn  gelten  muß  (9­εόν  αλη9­ινόν  έκ  9ΐοΰ  άληθ­ινοΰ)207.  In dem  Brief  des  Markell  an Julius von  Rom  aus  dem Jahre  340/1  war  den  Gegnern  ähnlich vorgeworfen worden:  φασΐ  γαρ  μή ϊδιον  και  άλη9·ινόν  λόγον  είναι  τοϋ  παντοκράτορας  9­εοΰ  τόν  υίόν,  τόν  κύριον  ημών  Ίησοΰν  Χροστόν208,  wobei  der  markellische  Gedanke  von  der  ewigen  Herrschaft  des  Logos  mit  Gott  dem  Vater  im  Hintergrund  steht205. 

§2 

Den  "Arianern"  wird  weiter  vorgeworfen,  daß  sie  die  wahre  Sohnschaft 

Christi bestreiten (Z. 5). Dieser Vorwurf hat eine genaue Parallele  im Bekenntnis  des  Markell  an  Julius  von  Rom.  Auch  hier  heißt  es  von  den  Gegnern:  μή  είναι  αύτόν  αλη9·ώς  υίόν  έκ  τοΰ  9­εοΰ210. Laut  Serdicense  begründen  die  Gegner  aber  nun  ihre  Bestreitung  der  wahren  Sohnschaft  Christi  ausdrücklich  mit  der 

203

Man vergleiche schon den Brief Eusebs von Caesarea an Euphration von Belaneae aus der frühesten Phase des Streites: έπεϊ και  αυτός  9ΐός  μεν ό υιός, άλλ'  οϋκ αληθινός  9­εός. (Opitz III,  5, 7f.)  204   Man könnte in dem Satz (einschl. des Beginns von 2) auch zwei gegnerische Behauptungen angegriffen sehen, nämlich daί die "Arianer" sagen: 1. Christus ist Gott, aber nicht wahrer Gott und 2. Er ist Sohn, aber nicht wahrer Sohn; so etwa HANSON, Search, 301, in seiner Übersetzung, quia in t spricht für eine kausale Übersetzung des δτι  υιός  έστινίη 1, so auch TETZ,  I.e., 252; LOOFS,  I.e., 7; HALL,  I.e.,  175.  205  Ath.,  syn. 23,3 [Opitz II,  249,14]  (Ant  II); 25,3 [Opitz  II,  251,4] (Ant  IV).  206   Urk.  6,2  (Opitz  III,  12,4).  ­  Der  Text  ist  auch  deshalb  hier  von  Belang,  weil  er  im  Westen  bekannt  wurde  (HU., Trin.  IV,12f. (CChr.SL  62,  112­114)  und  VI,5f. (Ebd.  199­202).  207  Hierauf  hat  TETZ,  I.e., 259 aufmerksam  gemacht.  208  Markell,  fr. 129 (GCS  Euseb  IV, 214, 28f.  Klostermann/Hansen).  209  L.c.  (215, 4f. Klostermann/Hansen).  Die  Identifikation von Sohn  und  Logos  hat  in  der  Ep.  ad.  Iulium  (und in den Fragmenten Markells! Vgl. SEIBT, Markell, 210. 217) gerade die Funktion, die  Gottheit  Christi  zu  wahren,  vgl.  FEIGE,  Lehre,  221.  Sie  spielt  auch  im  Serdicense  eine  entscheidende  Rolle, wenn es darum  geht,  die Markell vorgeworfene Interpretation von  1. Kor  15,  24­28 als Ende  der  Herrschaft  Christi  zu entkräften (s.u. zu §10 des Serdicense). 210 L.c. (214, 34 Klostermann/Hansen).

2 Die Synode von Serdika

61

Identifikation  der  Begriffe  γεννητός  und  γενητός  (Ζ.  5­8).  Dieser  Gedanke  ist,  wenn  ich  recht  sehe,  aus  der  Argumentation  der  Eusebianer  vor  342  nicht  bekannt2";  zwar  waren  bis  dahin  von  allen  Seiten  γενναν  und  γίννεσ9­αι  nicht  differenziert  und  demnach  ununterschieden  gebraucht  worden;  aber  von  einer  ausdrücklichen begrifflichen Identifikation durch die Eusebianer  erfahren wir vor  Serdika  nichts.  Die  Voraussetzung  einer  solchen  Identifizierung  könnte  im  Versuch  der  Gegenseite  bestanden  haben,  die  Begriffe  zu  unterscheiden.  Immerhin  erfahren  wir  an  einer  Stelle  von  einem  solchen  Versuch212:  Im  "römischen  Text"  aus  dem  Streit  der  Dionyse,  der  zwar  nach  der  einhelligen  Forschungsmeinung  ABRAMOWSKI

ins 

3. 

Jhdt., 

den 

eingehenden 

Analysen 

von 

213

  zufolge  aber  in  das  Vorfeld  der  Synode  von  Serdika  zu 

214

datieren  ist .  Die  Unterscheidung  von  γεννάν  und  γίννεσ&αι  durch  den  "römischen  Dionys",  einen  Anonymus  aus  dem  Jahre  340,  muß  Valens  und  Ursacius  geradezu  dazu  provoziert  haben,  die  Begriffe bewußt  zu  identifizieren. 

Aus der Identifikation von γεννητός und γενητός folgern die östlichen  Theologen,  daß  Christus  ein  Anfang  "vor  den  Äonen"  zuzuschreiben  sei  (Gen.abs.  τοϋ  Χρίστου  προ  αιώνων  οντος  Ζ.  8f.  ist  nicht  westliche  Position,  sondern  Referat  gegnerischer  Sicht)215;  wir  wissen  aus  dem  im  Cod.  Ver.  LX  fol.  80b­81a  erhaltenen  Brief  des  Ossius  und  Protogenes  aus  Serdika  an  Julius  von  Rom216, 

211

Markell, I.e., weiί von den Gegnern, sie lehrten einen  γενόμενον  Χόγον  (214,  31  Klostermann/Hansen),  aber von γεννασ&αι  ist keine Rede. Für die Benutzung von αγέννητον  und  γέννητον  bei  Athanasius  vgl.  CHRESTOU,  Aug.  13  (1973),  399­409.  212   Anders  HANSON,  Search,  303;  er  meint, daί es sich in Serdika (West) um die erste Differenzierung der Begriffe handelt, zu der die Synodalen aufgrund der Identifizierung durch Valens und Ursacius gebracht wurden. 213 ZKG 93 (1982), 240ff. 214 Siehe auch oben unter 1.2. - Ath., decr. 26,6:  πολλαχοϋ  δέ των  &είων λογίων  γεγεννησ&αι,  αλλ'  οϋ  γεγονέναι  τον  υϊόν  λεγόμενον  είίροι  τ ι ς  αν  (Opitz  II,  23,  IL).  Der  ganze  Text  (decr.  26,  2­7)  ist primär 2m der Unterscheidung von Zeugung und Geschaffensein des Sohnes interessiert. Vor diesem Hintergrund halte ich die von Valens und Ursacius in Serdika vertretene Identifikation der Begriffe für ein zusätzliches Argument für ABRAMOWSKIs Datierung des Streites der Dionyse in das Vorfeld von Serdika. 215 Dies haben TETZ, I.e., 254 und HALL, I.e., 179, gegen LOOFS, I.e., 13 gezeigt. 216 Der (verstümmelt überlieferte) Brief EOMIA1/2,644 Turner. Eine neuere, der Sache nach aber eher an der älteren Edition in PL 56, 839 Β ­ 840 Α  orientierte  Edition  des Briefes findet sich  auch  bei  TETZ,  I.e., 247f.  Ich  benutze  hier  die  Edition  von  Turner,  weil  die Ergänzung der Lücken im Brief nach Ant IV, die T E T Z vornimmt, mich nicht recht überzeugt; vgl. hierzu unten S. 65ff., bes. 66 mit Anm. 248. - Eine an Turner orientierte englische Übersetzung des Briefes bei DE CLERCQ,

6 2 

Erster  Teil 

daί in den Verhandlungen de fide drei Fragen aufgeworfen wurden217; diese reagieren auf neu vorgebrachte Argumente der "Arianer"218; eine davon behandelte den arianischen Satz: quod erat quando non erat21' (die anderen zwei Fragen sind leider in der Überlieferung ausgefallen220). Es ist mir sehr wahrscheinlich, daί bereits hier in §2 des westlichen Serdicense auf eben diesen Punkt gezielt wird221: Auch wenn die Gegner den Anfang Christi "vor den Δonen" bzw. "vor aller Zeit"222 sehen, müssen sie ihm aufgrund der Identifikation von γεννητός und γενητός (neu vorgebrachtes Argument!) doch einen Anfang des  Seins beilegen und, so folgern die westlichen Synodalen, somit sagen: ήν ποτέ  δτε  ούκ ήν. Dann  aber  ist Christus nicht wahrer  Sohn und  nicht wahrer  Gott, da  Gott  selbst  wesenhaft  "anfangslos"  ist.  Diese  Argumentation  sah  nicht  einfach  daran  vorbei, daί die Anathematisierung des Satzes  ήν  ποτέ  οτε  ούκ  ήν  von  den  Eusebianern  voll  rezipiert  worden  war  (etwa  Ant  IV)223;  aber  durch  die  Identifikation  von  γεννητός  und  γενητός  waren  derlei  Aussagen  in  ein  zusätzliches Zwielicht der Unglaubwürdigkeit224 geraten und standen umso stärker unter dem Verdacht, bloίe Beteuerungen zu sein, mit denen die "arianische Häresie" verdeckt werden sollte. Eine besondere Pointe der Argumentation in §2 besteht darin, daί der anderen Seite unterstellt wird, sie lehre nicht nur einen Anfang, sondern auch ein Ende Christi. Es handelt sich bei letzterem Punkt ja um genau die Auffassung, die die Eusebianer stets Markeil vorgeworfen hatten225, von der Markeil sich

Ossius,  366;  eine  neuere  bei  HALL,  I.e.,  174; hier auch andere  Vorschläge  zur Rekonstruktion  der  "drei  Fragen".  217   "Tres enim  quaestiones  motae  sunt", Turner,  I.e., 644,6f.  218   "Quoniam  post  hoc  diseipuli Arrii  blasphemias  commouerunt",  Turner,  I.e.,  644,5f.  219  Turner,  I.e., 644,7f.  220  Turner,  I.e., 644,8  mit  nota.  Zu  den  Versuchen  einer  Ergänzung  s.u.S. 65ff.  221   Vgl.  HALL,  I.e.,  178f.  ­  Daß  es  sich  beim  Serdicense  tatsächlich  um  das  von  Ossius  und  Protogenes  im  Brief  an Julius  erwähnte  Bekenntnis  handelt,  hat  HALL,  I.e.,  177ff., klar  erwiesen.  222   προ  παντός  χρόνου,  Ζ.  10.  Vgl.  Arius!  223  Ath.,  syn.  25,5  (Opitz  II,  251,15f.);  vgl.  KELLY,  Glaubensbekenntnisse,  271f.  224   Markeil,  fr.  129  (Ep.  ad  Iulium)  zeigt,  daß  der  Ankyrener  ohnehin  allen  eusebianischen  Theologen  unterstellte,  sie  lehrten  das  ήν  ποτε  δτε  ούκ  ήν  (215,1  Klostermann/Hansen).  225   Z.B.  Euseb,  e.  th.  111,15  (172,  8­14  Klostermann/Hansen)  u.ö.; Ant  I: Ath.,  syn.  22  (Opitz  II,  249); Ant  IV: I.e.  25  (Opitz  II, 251,11).  Markell  selbst  hat  diese  Lehre  vertreten,  z.B.  fr.  113  (209,  8ff. Klostermann/Hansen),  115 (209, 25f. Kl./H.),  117 (210,15ff. K1./H.)  u.ö.  [Ich behalte hier und  im  folgenden  die  Klostermannsche  Zählung  der  Markell­Fragmente  bei,  was  mir  wegen  der  leichteren  Greifbarkeit des GCS­Textes  sinnvoll erscheint; SEIBTs Arbeit  (Markell von Ankyra  als 

2 Die Synode von Serdika 236

aber in seinem Brief an Julius vorsichtig dezidiert

227

63

und auf der Synode von Serdika

abzusetzen bemüht gewesen ist. Daί hier der eusebianischen Lehre

unterstellt wird, sie vertrete (indem sie einen Anfang Christi lehre) selbst ein Ende Christi, gibt den gegen Markell erhobenen Vorwurf der Gegenseite gleichsam zurück. Dies stellt natürlich die tatsächliche Auffassung der Orientalen völlig auf den Kopf22" und ist nur als polemischer Schachzug zu verstehen. Auch ist dieser Vorwurf an die Adresse der Eusebianer sonst nirgends belegt und ganz singular229.

§3

Unter namentlicher Nennung der Häretiker wird nun ein weiterer Punkt

ihrer Lehre angegriffen: Valens und Ursacius230 sagen, daί der Logos und der Geist litt, getötet wurde, starb und auferstand (Z. 14f.). In Verbindung mit der Anschauung, daί der Logos/Geist auch als Subjekt der Leiden Christi angesehen wird231, steht die Folgerung, daί der Leidende nicht wahrer Gott sein kann (vgl. §1). §11 der Ekthesis der westlichen Synodalen von Serdika wird zeigen, daί sie demgegenüber die Leidensaussagen ausschlieίlich auf den Menschen Christus beziehen wollen232. Daί demgegenüber die Arianer die Affekte des Leidenden, Weinenden und Hungernden, dem Logos-Sohn zuschrieben und eben damit aufzeigen wollten, daί er nicht an die Einzigkeit des Vaters heranreiche, behauptet (ganz parallel zu den Vorwürfen gegen die Eusebianer im Serdicense)

Reichstheologe, Diss.theol. Tübingen 1992), die eine neue und inhaltlich besser begründete Zählung gibt (einschlieίlich einer Synopse beider Zählweisen im Anhang), liegt noch nicht im Druck vor], - Die Frage, in welchem Sinne Markell diese Lehre vom Ende der Königsherrschaft Christi vertreten hat, ist jüngst durch SEIBT, I.e., 354-362 einer differenzierteren Untersuchung unterzogen worden, hierzu unten zu §10 des Serdicense. Zum Problem vgl. auch SCHENDEL, Herrschaft, 122f.; FEIGE, I.e., 51f. 226 Markell, fr. 129 (215, 7f. Klostermann/Hansen). 227 Im Synodalbrief West, Ath., apol. sec. 45,1 (Opitz II, 121,37-122,3) parr. - Zum Ganzen s.u. in meiner Kommentierung des Serdicense zu §10. 228 "Kein Arianer (hat) Christo "ein τέλος gegeben". LOOFS, I.e., 14. Das trifft so apodiktisch sicher zu. Vgl. aber für doch zumindest in diese Richtung gehende Vorstellungen Origenes (nach Rufin), z.B. Princ. 1,6,4 (GCS Orig. 5,85,10-20 Koetschau). 229 Dieser Befund hat immer wieder zu Konjekturvorschlägen der Editoren Veranlassung gegeben, s.o. Anm. zu Z. 9 des Serdicense; man vgl. aber 15 Jahre später die ähnliche Wendung bei Phoebadius, CAr. 2,5. 230 Zu Valens und Ursacius vgl. MESLIN, Ariens, 71-84. 231 Von einer "Ein-Naturen"-Christologie spricht TETZ, I.e., 260. 232

S.U.S. 81.

64

Erster Teil

auch  Athanasius233.  Da  wir jedoch  vor  342 von  einer  solchen  Polemik  gegen  die  östlichen  Theologen  nichts hören,  spricht  m.E.  alles  dafür, diesen  Streitpunkt  zu  den  (lt.  Schreiben  des  Ossius  und  Protogenes  an  Julius  von  Rom)  "post  hoc"  aufgebrachten  Blasphemien  zu  zählen234.  HALL*5  hat  aufgrund  dieser  Beobachtung  den  erhellenden  Vorschlag  gemacht,  das  im  Brief  des  Ossius  und  Protogenes  ausgefallene  Material  entsprechend  zu ergänzen.  Demnach wäre  die  Auseinandersetzung  mit  den  Behauptungen  des  Valens  und  Ursacius  über  das  Leiden  des  Logos  und  Pneuma  der  zweite  derjenigen  drei  Punkte,  die  den  Synodalen  von  Serdika  unter  dem  Tagesordnungspunkt  de  fide  zur  Behandlung  vorlagen236.  Der  letzte  der  Vorwürfe  in  §§1-3  richtet  sich  direkt  gegen  die  Dreihypostasentheologie  der origenistischen Theologen (Z.  16-18), der unterstellt  wird,  Vater,  Sohn und  Geist  zu  trennen  (κεχωριμένας,  Ζ.  18)237.  Dies  ist  aus  der  antiorigenistischen  Polemik  vollkommen  geläufig  und  hat  z.B.  eine  direkte  Parallele  im  Brief  des  Markeil  an  Julius  von  Rom:  και  δια  τό  ούτως  αυτούς  φρονεϊν  άλλην  ύπόστασιν  διεστώσαν  του  πατρός  είναί  φασιν238 wie  auch  sonst  in  der  Theologie  Markells23®.  An  dieser  Dreihypostasenlehre  aber  hatten  die  origenistisch  geprägten  Orientalen  in  ihren  Bekenntnisformulierungen  stets  festgehalten240. 

233

Ar. 111,27: Άρειανοϊ (...)  φάσκουσιν  ήμίν'  Πώς  τολμάτε  λέγειν  Λόγον  ίδιον  εΓναι  της  τοΰ  Πατρός  ουσίας τον έχοντα  σώμα, ώστε τοΰτο ύπομεΓναι; und: έκ τών ανθρωπίνων, ών ύπέμεινεν  ό Σωτήρ δι'  ην εΓχε σάρκα,  άπνοϋνται  τήν  άίδιότητα  και  9­εότητα τοϋ Λόγου  (PG  26, 381 Α  /  Β). Auf  Parallelen  im  Abendland  (Hilarius,  in  Matth.  31,2)  und  bei  dem  Markeil  nahestehenden  Eustathius  von Antiochien  hat  schon  LOOFS,  I.e.,  ISf., aufmerksam  gemacht.  234  Vgl. TETZ,  I.e., 260; HALL,  I.e.,  177. 181.  235   L.c.,  181f.  Zur  sich  aus  dieser  Entscheidung  ergebenden  Neufassung  der  Gliederung  des  Serdicense  siehe  I.e., 175f.  06   Die  Tagesordnung  der  Synode  bei  Hilarius,  Coli,  antiar.  Paris.  Β  11,2,3  (CSEL  65,  128,  4­11  Feder);  eine  Kommentierung bei BRENNECKE,  Hilarius, 30ff., der  allerdings  die Bedeutung von  Lehrfragen auf  okzidentaler  Seite  unterbewertet,  vgl. oben  S. 38 mit Anm. 57.  237  Der  Vorwurf  der  Trennung  der  Hypostasen  auch im Synodalschreiben;  Hil.,  Coli, antiar.  Paris.  Β II  1,8 (CSEL  65,  124,5­7  Feder).  238  Fr.  129 (214, 31­33 Klostermann/Hansen).  Interessant  ist, daί Markeil diesen Vorwurf daraus erklärt, die Gegner lehrten einen  γενόμενον  λόγον  (214,  31  Klostermann/Hansen),  vgl.  das  westliche  Serdicense  §2.  239  LOOFS,  I.e.,  16, verweist  auf  Fragm.  63, 66,  76, 77; TETZ,  I.e., 260, auf  die  Fragmente  63,  69,  74.  240   Explizit  noch  in  Ant  II  (Ath.,  syn. 23  [Opitz  II,  249,  33]),  implizit  im stärker vom Zwang zur Konzession geprägten Ant IV (Ath., syn. 25 [Opitz II, 251, 15]).

65

2  Die  Synode von Serdika

Der Angriff auf die Dreihypostasentheologie ist der letzte Aspekt in den §§1-3, ehe das Serdicense zur positiven Darstellung der eigenen Lehre übergeht (ohne darin die polemische Auseinandersetzung zu vernachlässigen). Es liegt daher nahe, zu vermuten,

daί die Dreihypostasenlehre

der

dritte

der

drei

Diskussionspunkte de fide gewesen ist, der lt. Brief des Ossius und Protogenes auf dem Konzil behandelt worden ist. Allerdings müίte in diesem Falle die Frage beantwortet werden, was der "post hoc" aufgebrachte neue Aspekt in dieser altbekannten Diskussion gewesen sein soll. HALL hat aus der Tatsache, daί das Thema hier im Zusammenhang mit der Lehre des Valens und Ursacius von der Passibilität des Logos und Pneuma auftritt, schlieίen wollen, daί eine Auseinandersetzung mit einem Angriff der Illyrer gegen die (angeblich) markellische Identifikation von Logos und Pneuma241 vorläge. Die neuen Argumente des Valens und Ursacius hätten dann den Impetus gehabt, die Eigenständigkeit des Geistes mit Hilfe der Dreihypostasenlehre zu wahren242, was wiederum den westlichen Bischöfen als zusätzlicher Beweis für den Arianismus ihrer Gegner erschienen sei. Dies scheint immerhin möglich, da die Rede vom Logos-Pneuma auch sonst im Serdicense eine Rolle spielt (§4; §11). Doch kommt man hier über Vermutungen nicht hinaus. Über die Einzelheiten der durch Valens und Ursacius neu angefachten Diskussionslage erfahren wir leider durch unsere Quellen nirgends etwas Konkretes243.

ZUSAMMENFASSUNG §§1-3: Das Serdicense beginnt mit einer Darstellung und Verwerfung gegnerischer Lehre. Mit diesem für bekenntnisartige Texte eher ungewöhnlichen Aufbau folgt es ziemlich genau der Struktur des Schreibens des Markell von Ankyra an Julius von Rom244; der Grund für diesen Aufbau dürfte in der Aktualität der m

  SEIBT, Markell, 306, hat gezeigt, daß es sich nicht einfach um eine Gleichsetzung handelt. Das  Wesen  des Logos  ist  Geist, wodurch er  auch als Menschgewordener  mit Gott  eins ist.  242  HALL,  I.e.,  182.  243  Daß die theologischen Sätze des Valens und Ursacius allerdings eine dezidiert  antimarkellische  Stoßrichtung gehabt  haben, ist aufgrund der Vorgeschichte der Synode von Serdika angesichts des  Aufbaus und Inhalts  des östlichen Synodalschreibens zweifelsfrei.  214  Markell,  fr. 129 (214f. Klostermann/Hansen);  die Verwerfung der gegnerischen  Lehre  ebenda  214,28­215,3;  erst  danach  folgt  Markells  eigenes,  "positives"  Bekenntnis  (215,4ff.  Klostermann/Hansen). 

6 6 

Erster  Teil 

polemischen Auseinandersetzung245, vor allem aber in der Absicht liegen, die nunmehr in den Streit hineingezogenen, in den Einzelheiten der Diskussion aber noch recht unbedarften Bischöfe des Abendlandes vor der häretischen Lehre der Gegner zu warnen und zu bewahren246. Der Hauptvorwurf an die Gegner lautet, daί sie Christus nicht als wahren Gott anerkennen (§1). In diesem Zusammenhang sind offenbar drei neue Argumente von gegnerischer Seite her vorgebracht worden247: 1. Durch die bewuίte Identifikation von  γεννητός  und  γενητός  versehen  die  "Arianer" ihre  Lehre, daί Christus nicht wahrer Gott sei und der Logos einen Anfang vor aller Zeit habe, mit einem neuen Argument. 2. Durch die Zuordnung der biblischen Niedrigkeits- und Leidensaussagen zum Logos und Geist untermauern die "Arianer" ihre Sicht, daί der Logos-Sohn nicht an die Einzigkeit des wesenhaft leidenslosen Vaters heranreichen kann. 3. Durch die Dreihypostasentheologie geben die "Arianer" zu erkennen, daί sie Vater, Sohn und Geist als drei verschiedene Wesenheiten auffassen. Über das "neue Argument" zu diesem Diskussionspunkt sind nur Vermutungen möglich: Vielleicht hatten sich Valens und Ursacius speziell gegen die markellische Identifikation von Logos und Pneuma gerichtet. Diese Rekonstruktion der drei quaestiones zum Tagesordnungspunkt de fide in Serdika zeigt, daί es möglich ist, den verstümmelt überlieferten Text des Ossiusbriefes an Julius direkt anhand des polemischen Anfangsteils des Serdicense zu ergänzen248; es ist dabei jedoch zu beachten, daί alle drei Fragen

245

 Rom: Briefe gegen Markeil (214,14f. Klostermann/Hansen); Serdika: Drei quaestiones  (EOMIA  1/2,  644  Turner).  246   So  ausdrücklich  Markell  in  Rom  (215,  37f.  Klostermann/Hansen);  auch  in  Serdika  geht  es  darum, zu verhindern, daß einige unwissend den gegenerischen Irrlehren zum Opfer fallen: "ne quis  ex  Ulis tribus  argumentis  circumuentus  rennuerit  fidem...", Turner,  I.e.,  644,  9f.  247  Vgl.  den  Brief  des  Ossius  und  Protogenes  an Julius  von  Rom  (vorige  Anmerkung).  248  Diese Rekonstruktion,  die i.w. HALL, I.e., folgt, hat den Vorzug,  daß sie den Text direkt  aus den  erhaltenen  Quellen  des  Konzils  zu  erklären versucht.  Ob  der  Befund  ausreicht,  um  auf  den  Inhalt  eines verlorenen  Dokuments  zurückzuschließen,  dessen Verfasser  Valens  und Ursacius waren,  wie  HALL,  I.e.,  173  mit  Anm.  1 und  183f.,  meint,  muß  offen  bleiben.  Das  Serdicense  wäre  dann  ein  "polemical guide to clergy, designed to counter a lost statement  directed to their western  colleagues  by Valens and Ursacius, which criticized specifically Marcellan ideas and arguments" (ebenda).  U.U.  könnte  aus  dem  Brief  der westlichen  Synode  an  Konstantius  II auf  die  Existenz  solcher  Texte  des  Valens  und  Ursacius  geschlossen  werden  (Hil.,  coll.  antiar.  Par.  II  Β  /  Appendix;  CSEL  65,  184, 

2 Die Synode von Serdika 

6 7 

inhaltlich  eng  miteinander  zusammenhängen,  wie  auch  an  ihrer  nun  folgenden  Behandlung  im  Serdicense  deutlich  wird.  Nach  der  Verwerfung  der  Lehrsätze  ihrer  Gegner  wenden  sich  die  Synodalen  nun  der  positiven  Darstellung  der  eigenen  Lehre  zu; dabei  bleibt  die  Auseinandersetzung  mit  den  "Arianern"  stets  voll  im  Blick. 

§4  Die  positive  Darstellung  des  Glaubens  der  Synodalen  von  Serdika  (West)  beginnt  mit  dem  eindeutigen  Bekenntnis  zur Lehre von  der einen  Hypostase  des  Vaters,  des  Sohnes  und  des  Heiligen  Geistes  (Z.  21­23).  Damit  knüpfen  sie  zunächst  an die  dritte  quaestio an. Der gegnerischen Dreihypostasenlehre  stellen  sie,  gleichsam  als  Überschrift  über  die  ganze  Darlegung  ihres  Glaubens,  die  Einhypostasenvorstellung  entgegen.  Nur  so  kann  ihrer  Ansicht  nach  das  entscheidende Anliegen gewahrt sein, Christus als wahren Gott auszusagen.  Zwar  hatten  auch  die  Eusebianer  das