Die altorientalische Weisheit in ihrer israelitisch-jüdischen Ausprägung. Eine Studie zur Nationalisierung der Weisheit in Israel

277 82 12MB

German Pages [140] Year 1933

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die altorientalische Weisheit in ihrer israelitisch-jüdischen Ausprägung. Eine Studie zur Nationalisierung der Weisheit in Israel

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
Einleitung
I. Der Inhalt der Weisheitslehre
II. Ziel, Motiv und Norm des weisen Handelns
III. Die Gottesanschauung der Weisen
Rückblick

Citation preview

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50.

W. F r a n k e n b e r g : Die Datierung der Psalmen Salomes. 1896 . . . Mark 2.85 Ch. Torrey: Composition and Historical Value of Ezra-Neliemia. '96 . . 2.15 A. v. Gall: Altisraelitische Kultstätten. '98 4.50 M. L o h r : Untersuchungen zum Buch Arnos. 1901 2.25 G. Diettrich: Eine jakobitische Einleitung in den Psalter. '01 . . . 5.85 G. Diettrich: Isö'dädh's Stellung i. d. Auslegungsgesch. d. A. T.. an s. Kommentaren zu Hosea, Joel, Jona, Sacharja usw. veranschaulicht. '02 6.75 E. Baumann: Der Aufbau der Amosreden. '03 2.15 G. Diettrich: Ein Apparatus criticus zur Pesitto z. Proph. Jesaja. '05 . 9.— E. Brederek: Konkordanz zum Targum Onkelos. '06 5.85 M. L o h r : Sozialismus und Individualismus im Alten Testament. '06. . 1.10 J. Schliebitz: Isö'dädh's Kommentar z. Buche Hiob. Text u. Uebersetzg. '07 3.60 M. P e i s k e r : Die Beziehungen der Nichtisraeliten zu Jahve. '07 . . . 2.25 J. Müller: Beiträge zur Erklärung und Kritik des Buches Tobit. R. Smend: Alter und Herkunft des Achikar-Romans u. sein Verhältnis zu Aesop. '08 3.95 F. L u n d g r e e n : Benutzung d. Pflanzenwelt in d. alttestamentl. Religion. '08 4.50 G. Westphal: Jahwes Wohnstätten nach den Anschauungen d. Hebräer. '08 9.90 A. Kropat: Die Syntax des Autors der Chronik, verglichen mit der seiner Quellen. Ein Beitrag zur historischen Syntax des Hebräischen. '09 . 3.60 A. M e r x : Der Messias oder Ta'eb der Samaritaner. '09 4.50 W. Brandt: Die jüdischen Baptismen oder das religiöse Waschen u. Baden im Judentum mit Einschluß des Judenchristentums. '10 6.75 Vi. Brandt: Jüdische Reinheitslehre u. ihre Beschreibg. i. d. Evangelien. '10 2.40 J. Hänel: Die außermasoretischen Uebereinstimmungen zwischen der Septuaginta und der Peschittha in der Genesis. '11 3.20 W. F r a n k e n b e r g : Das Verständnis der Oden Salomos. '11 4.50 J . Meinhold: 1. Mose 14. Eine historisch-kritische Untersuchung. '11 . 1.35 0 . Holtzmann: Der Tosephtatraktat Berakot. Text, Uebers. u. Erklg. '12 6.30 0 . Eißfeldt: Der Maschal im Alten Testament. '13 2.70 W. Naumann: Untersuchungen über den apokryphen Jeremiasbrief. '13 1.95 W. Frankenberg: Der Organismus der semitischen Wortbildung. '13 . 5.85 Studien zur semitischen Philologie und Religionsgeschichte. J u l i u s W e l l h a u s e n zum 70. Geburtstag gewidmet. Hrsgg. v. K. M a r t i . '14 19.80 0 . Klein: Syrisch-griechisches Wörterbuch zu den vier kanon. E w . '16 5.90 W. Coßmann: Entwicklung des Gerichtsgedankens bei den Propheten. '15 6.30 N. Messel: Die Einheitlichkeit der jüdischen Eschatologie. '15 . . . . 5.80 W. Eichrodt: Die Quellen der Genesis, von neuem untersucht. '16 . . 5.— W. Baumgartner: Die Klagegedichte des Jeremias. '17 4.50 Abhandlungen zur semitischen Religionsgeschichte und Sprachwissenschaft. Festschrift f. B a u d i s s i n zum 70. Geburtstage. '18 . 33.— Beiträge zur alttestamentlicheu Wisseuschaft. K a r l B u d d e zum 70. Geburtstag gewidmet. Hrsgg. v. K. M a r t i . '20 9.— N. Messel: Der Menschensohn in den Bilderreden des Henoch. '22 . . 2.50 H. J a h n o w : Das hebr. Leichenlied im Rahmen der Völkerdichtung. '23 8.— L. K ö h l e r : Deuterojesaja (Jesaja 40—55) stilkritisch untersucht. '23. . 3.20 M. Lohr: Hexateuchproblem: I. der Priesterkodex in der Genesis. '24 . —.70 G. Hölscher: Hesekiel. Der Dichter und das Buch. '24 9.— E. L. Dietrich: Schub sch'but. Die endzeitliche Wiederherstellung bei den Propheten. '25 3.60 Vom Alten Testament. Festschrift K a r l M a r t i zum 70. Geburtstage. Hrsgg. von K. Budde. '25 14.40 J. Fischer: Zur Septuaginta-Vorlage im Pentateuch. '26 2.— G. K u h n : Erklärung des Buches Koheleth. '26 2.30 A. Allwohn: Die Ehe des Hosea in psychoanalytischer Beleuchtung. '26 3.60 M. Lurje: Studien zur Geschichte der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im israelitisch-jüdischen Reiche. '27 3.— N. Nicolsky: Spuren magischer Formeln in den Psalmen. '27 . . . . 4.90 N. Glueck: Das Wort hesed im alttestamentlichen Sprachgebrauch als menschliche und göttliche gemeinschaftsgemäße Verhaltungsweise. '27 3.60 K. G a l l i n g : Die Ervrählungstraditionen Israels. '28 5.40 H. Schmidt: Das Gebet der Angeklagten im Alten Test. '28 . . . . 2.40 A. Meues: Die vorexilischen Gesetze Israels. '28 7.20 (Forts, s. 3. UmschJafrseite)

Verlag von A l f r e d T ö p e l m a r t n in G i e ß e n

DIE ALTORIENTALISCHE WEISHEIT IN IHRER ISRAELITISCH-JÜDISCHEN AUSPRÄGUNG EINE STUDIE ZUR NATIONALISIERUNG DER WEISHEIT IN ISRAEL VON

JOHANNES FICHTNER LIC. THEOL., PRIV.-DOZ. AN DER UNIV. GREIFSWALD

ü

1933 VERLAG VON A L F R E D T Ö P E L M A N N

IN

GIESSEN

BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜE DIE ALTTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT 62

ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS RECHT DER ÜBERSETZUNG VORBEHALTEN PEINTED IN GERMANY

Meinem Vater z u m 70. G e b u r t s t a g

Vorwort. Im S.-S. 1930 legte ich der Theologischen Fakultät zu Greifswald eine Abhandlung über „Die Stellung der kanonischen "Weisheitsliteratur zum Gesetz und zur gesetzlichen Frömmigkeit" vor, die von ihr als Habilitationsschrift angenommen wurde. Diese Abhandlung ist von mir innerhalb eines reichlichen Jahres zu der vorliegenden Arbeit ausgebaut worden, wobei ich nicht nur den sachlichen Problemkreis über die Frage nach dem Verhältnis der Weisheit zum Gesetz hinaus, sondern zugleich auch den Kreis des Quellenmaterials über den Rahmen der kanonischen Literatur hinaus erweiterte. Den widrigen wirtschaftlichen Verhältnissen ist es zuzuschreiben, daß das Buch, dessen Manuskript bereits im W.-S. 1931/32 fertiggestellt wurde, erst jetzt erscheinen kann. Daß es überhaupt erscheinen kann, wenn auch um 6—7 Bogen des ursprünglichen Umfanges gekürzt, danke ich in erster Linie dem sehr verehrten Herausgeber der Beihefte zu der Zeitschrift für die Alttestamentliche "Wissenschaft, Herrn Professor D. Dr. HEMPEL, ferner aber auch der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Universität Greifswald, die mir eine beträchtliche Beihilfe zu dem Druckkostenzuschuß gewährt haben, den ich aus eigenen Mitteln nicht hätte aufbringen können. Die Anregung zur Beschäftigung mit der Weisheitsliteratur bekam ich von Herrn Professor D. Dr. STEUEBNAGEL-Breslau, dem ich dafür auch an dieser Stelle danken möchte. Herrn Professor D. Dr. HEMPEL bin ich für manche Sach- und Literaturhinweise zu besonderem Danke verpflichtet. Schließlich gebührt noch Herrn stud. theol. PLÖGER (Greifswald) ein Dank für die Nachprüfung eines großen Teiles der Zitate. Um der Raumersparnis willen mußte ich mich entschließen, die häufiger vorkommenden Termini stark abzukürzen (vgl. das Verzeichnis der Abkürzungen S. V I I I ) ; der Leser wird gebeten, diesen Schönheitsfehler freundlichst in Kauf zu nehmen. G r e i f s w a l d , Februar 1933.

Johannes Fichtner.

Inhalt. Seite

Einleitung 1. Aufgabe 2. Methode 3. Quellen I. D e r I n h a l t d e r W e i s h e i t s l e h r e Einleitendes A. Weisheit als Lebensklugheit 1. Die Stellung zum Besitz 2. Die Beurteilung des Lebensgenusses 3. D e r Umgang mit den Menschen B. Weisheit als Sittlichkeit 1. Das Verhalten gegenüber fremdem Eigentum 2. Das Verhalten vor Gericht 3. Das Verhalten gegenüber anderen Menschen, besonders den sozial Schwachen C. Weisheit als Frömmigkeit 1. Die Frömmigkeit als kultisches Handeln 2. Die religiös begründete Sittlichkeit 3. Die rein geistige Seite der Frömmigkeit Zusammenfassung

1—12 1 2 2 12—69 12 13—24 15 17 20 24—35 25 28 30 35—59 36 46 50 59

II. Z i e l , M o t i v u n d N o r m d e s w e i s e n H a n d e l n s 60—97 A. Das Ziel des weisen Handelns 60—75 1. Unmittelbare Folge des erfahrungsgemäß klugen Verhaltens . . 60 2. Vergeltung religiös-sittlich gewerteten Verhaltens 61 a. Das Subjekt der Vergeltung . 62 b. Der Inhalt der Vergeltung 62 c. Die Gewißheit der Vergeltung 72 B. Das Motiv des weisen Handelns 75—79 1. Die Rücksicht auf den Erfolg 75 2. Der Eudämonismus und seine Einschränkung, besonders durch das Gehorsamsmotiv 75 C. Die Norm des weisen Handelns 1. Die Weisheit der Alten 2. Das Wohlgefallen Gottes 3. Die Ineinssetzung der Norm mit dem Gesetz Jahves in der späteren jüdischen Chokma

79—97 79 79 81

Inhalt

VIII

III. D i e G r o t t e s a n s c h a u u n g d e r W e i s e n A. Die Gotteebezeichnungen in der Weisheitsliteratur 1. Die kanonische Weisheit 2. Die nachkanonische Weisheit 3. Die außerisraelitische Weisheit Vergleich B. Das Gottesbild der Weisheitsliteratur 1. Gott als Bürge der Vergeltung a. Der Gerechte und der Gnädige b. Der Schöpfer und der Gesetzgeber c. Der Weltregent 2. Gott als der Weise und als Geber der Weisheit 3. Gott als Israels Herr und Führer Zusammenfassung Rückblick: Die Entwicklung und ihre Faktoren

Seite

97—123 97—105 97 99 103 . . 104 105—124 105 106 111 113 117 121 122 123—128

Abkürzungen. ERM. HUMBERT MEISSNER

=A.

ERMAN:

= P .

HUMBERT:

Die Literatur der Ägypter 1 9 2 3 . Recherches sur les Sources Egyptiennes de la Littérature sapientale d'Israël 1929. I und I I = B. M E I S S N E R : Babylonien und Assyrien, Bd. I 1 9 2 0 , Bd. I I 1 9 2 5 .

AO = Der Alte Orient, gemeinverständliche Darstellungen. B W A T = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament. DLZ = Deutsche Literaturzeitung. NKZ = N e u e kirchliche Zeitschrift. OLZ = Orientalistische Literaturzeitung. SATA = Die Schriften des A. T. in Auswahl ( G Ü N K E L , V O L Z USW.). TuB = H . GRESSMANN, Altorient. Texte und Bilder zum A.T.» 1 9 2 6 . Wsht = Weisheit. ZAW = Zeitschrift für die Alttest. Wissenschaft. Z A W B = Beiheft zur Zeitschrift für die Alttest. Wissenschaft. ZNW = Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft. Die Kommentare werden mit Verfassernamen, die biblische und außerbiblische Literatur nach den im 3. Abschnitt der Einleitung angegebenen Abkürzungen zitiert ; die übrigen Abkürzungen (z. B. hebr., bab., kanon.) lassen sich ohne Schwierigkeiten auflösen und sind darum hier nicht ausdrücklich aufgeführt.

Einleitung. 1. Mehr als je hat sich die alttestamentliche "Wissenschaft in den letzten Jahren mit der israelitisch-jüdischen "Weisheitsliteratur beschäftigt. Den Anlaß dazu gab die Entdeckung des Weisheitsbuches des Ainenemope durch BUDGE, seit der eine, kaum mehr übersehbare Reihe von Abhandlungen dem Verhältnis dieser Schrift bzw. der ägyptischen "Weisheit überhaupt zur alttestamentlichen Chokmaliteratur speziell zu den Proverbien gewidmet worden ist vgl. S. 3 ff. Alle diese Arbeiten 1 haben nicht in erster Linie die Entwicklung der Chokma im Auge, sondern deren literarische und inhaltliche Beziehungen zur ägypt. Wsht im Blick auf ihren Ursprung. Dabei ergab sich, daß die isr.-jüd. Wshtslit. ein Zweig der allgemeinen altorient. ist. Andererseits zeigt ein Vergleich der isr.-jüd. "Wshtsschriften miteinander namentlich hinsichtlich ihrer Stellung zum Gesetz, daß sich die "Wsht im jüd. Denken eigenartig entwickelt hat, ohne allerdings den Zusammenhang mit der übrigen altorient. Wsht aufzugeben. Diese Entwicklung ist bisher wohl in Einzelheiten beachtet, aber noch nicht zusammenhängend untersucht worden, obwohl damit ein wesentliches Stück der Geistesgeschichte des Judentums aufgehellt werden könnte. Aufgabe der vorliegenden Arbeit soll es sein, wenigstens in einer Hinsicht diese Lücke auszufüllen. Die Bekanntschaft mit den literarischen Fragen, die uns die Wshtslit. aufgibt, setzen wir voraus; unsere eigene Stellungnahme zu ihnen wird kurz im 3. Abschnitt der Einleitung darzulegen sein. — Ebensowenig gehen wir auf die inhaltliche Beeinflussung der isr.-jüd. Wsht durch die griechische Philosophie ein2. So wichtig eine Untersuchung darüber auch sein mag, so müssen wir sie hier doch beiseite lassen, weil unser Interesse sich völlig darauf konzentrieren soll, das zunehmende Eindringen spezifisch isr.-jüd. Vorstellungen in die Wshtslehre darzustellen, die zunächst völlig auf dem Boden der altorient. Wsht steht 1 Eine Ausnahme bildet der kurze Aufsatz von A. CAUSSE : Sagesse égyptienne et sagesse juive (Rev. Hist. Philos. Rel. 1929, S. 149 ff). ! Vgl. darüber jetzt H. RANSTON: Ecclesiastes and the Early Greek Wisdom Literature 1925 und The 0 . T.'s Wisdom Books and their Teaching 1930.

Beiheft« z. ZAW 62

1

2

Einleitung

und den Znsammenhang mit ihr auch weiterhin nicht verleugnet. Das schließt freilich nicht aus, daß wir die Existenz einer griechischen Wsht und die Wirkung ihres Vorhandenseins auf die Entwicklung der jüd. "Wsht beachten. Es handelt sich also um die doppelte Aufgabe, den geistigen — nicht den literarischen! — Zusammenhang der Wsht Israels mit der des übrigen alten Orients einerseits und ihre charakteristische Entwicklung unter dem Einfluß der jüd. Gedankenwelt andererseits aufzuzeigen. Aus dieser Bestimmung der Aufgabe ergibt sich zugleich, daß es uns nicht auf eine vollständige Darstellung des gesamten Gehaltes der jüd. Wsht ankommt, daß wir uns vielmehr absichtlich auf die Verfolgung e i n e r bestimmten Entwicklungslinie beschränken. 2. Man könnte zu diesem Zweck die isr.-jüd. Wshtsschriften einzeln in chronologischer Folge daraufhin untersuchen, wie weit in ihnen die Wsht schon typisch jüd. Gepräge zeigt. Aber die zeitliche Ansetzung der einzelnen Schriften ist nicht mit genügender Sicherheit zu geben. Ferner vollzieht sich die von uns zu behandelnde Entwicklung tatsächlich nicht geradlinig, weil bei der Umgestaltung der ältesten Wsht die Individualität der Verfasser eine entscheidende Rolle spielt und die durch die persönliche Frömmigkeit des Einzelnen gestaltete Wsht an gewissen Punkten eine von der allgemeinen Schulweisheit niemals wieder erreichte Höhenlage gewinnt. Schließlich würde auch nicht jedes einzelne Wshtsbuch genügend Stoff bieten, seine Stellung in der von uns verfolgten Entwicklung deutlich zu bestimmen. So empfiehlt es sich mehr, den Stoff nach sachlichen Gesichtspunkten zu gruppieren. W i r werden im I. Teil ausgehen von dem Inhalt der Wshtslehre, den Ratschlägen, Mahnungen und Warnungen der Weisen, im I I . Teil nach dem Erfolg fragen, den der Weise durch sein Verhalten zu erzielen sucht, nach den Beweggründen, die ihn leiten, und nach der Richtschnur, der er folgt, und im I I I . Teil über die Gottesanschauung der Weisen sprechen, wobei speziell die Seiten der Gottesvorstellung ins Auge zu fassen sind, die in der Wshtslehre eine besondere Rolle spielen. Abschließend wollen wir versuchen, die gewonnenen Ergebnisse zu einem Gesamtbild der Entwicklung zusammenzufassen und dabei die entscheidenden Faktoren der Entwicklung herauszustellen. 3. Man kann innerhalb der altorient. Wshtslit. im großen und ganzen zwei verschiedene, wenn auch nicht immer sauber geschiedene Gattungen unterscheiden: Lehrschriften und allgemeine Betrachtungen. Die ersten erteilen Anweisungen zu einer möglichst glücklichen Gestaltung des Lebens, die anderen reflektieren über Sinn und W e r t des Lebens und der Wsht, und klagen über das Leid der Menschen und die Ungerechtigkeit der Götter in dieser Welt. Demgemäß tritt in den

Quellen

3

Lehrschriften die Person des Weisen völlig vor seiner Weisung zurück, während die allgemeinen Lebensbetrachtungen meist stärker subjektiv gefärbt sind und einen lebendigen Eindruck von der Wesensart ihres Verfassers vermitteln. — Die Lehrschriften bevorzugen im allgemeinen die Form des einzeln stehenden oder mit anderen zu größeren Sinnzusammenhängen verbundenen Spruches, bw'O1; es dringen aber auch andere Stilgattungen (Hymnen, Dank- und Klagelieder) allmählich in sie ein 2 , z. T. stehen die Wshtslehren in Rahmenerzählungen (z. B. Achikar und Aristeas). Die allgemeinen Lebensbetrachtungen erscheinen bald als Dialog (vgl. Hiob, Lebensmüder, bab. pessim. Zwiegespräch, wohl auch die Sprüche des Anii), bald als reflektierender Monolog (bibl vielleicht auch bab 3 Kohelet), bald als Gebet (bab Hiob, Ps 73, Stücke im Sirach), gelegentlich in einer Rahmenerzählung (Klagen des Bauern, Lebensmüder, Hiob). Im folgenden sollen die für uns in Betracht kommenden Schriften der ägypt., bab. und isr.-jüd. Literatur zusammengestellt werden jeweils mit einem kurzen W o r t über ihre Eigenart und über ihre Datierung, die freilich nur eine ganz ungefähre sein kann. F ü r die außerisr. Schriften stütze ich mich auf die angeführte Fachliteratur, die allerdings z. T. recht erhebliche Unterschiede in der zeitlichen Ansetzung der einzelnen Schriften aufweist. A. D a s ä g y p t i s c h e S c h r i f t t u m 4 enthält eine Fülle von belehrenden Wehtsschriften, die sich teils als Unterweisung eines Königs, bzw. eines hohen Beamten an seinen Sohn und Nachfolger, teils als Schulbücher, als „Bekenntnisse", allgemeine Mahnungen oder dergl. darstellen. a. Ägyptische Lehrechriften. 1. Ptahh = Die Lehre des Ptahhotep ERM. S. 86ff, wohl noch aus dem Alten Reich, allgemeine Klugheitsregeln und Anweisungen zur Erfüllung der Beamtenpflichten. 3. Kag = Die Lehre für Kagemni ERM. S. 99 f angeblich aus der 3. Dynastie, vor allem Amts- und Anstandsvorschriften. 3. Merik = Die Lehre für König Merikare ERM. S. 109 ff, wohl aus der Zeit zwischen den beiden ersten Reichen, die bei weitem bedeutendste der älteren ägypt. ' Vgl. 0 . EISSFELDT : Der Maschal im A. T. (ZAWB 24, 1913), besonders S. 45ff. Vgl. W. BAUMGARTNER: Die lit. Gattungen i. d. Wsht des Jesus Sirach (ZAW 1914, S. 161 ff). 3 Anders DHORME Rev. Biblique 1923, 5 ff. 2

4

V g l . A . ERMAN: D . L i t . d. Ä g y p t e r 1923 (ERM.), M . PIEPER: D . ä g y p t . L i t .

1927, P. HÜMBERT : Recherches sur les sources égyptiennes de la literature sapientale d'Israël 1929, S. 5ff, O. W. E. OESTEHLEY: The Books of Proverbs 1929, S. X X X I I I ff; B. GEMSER: De Spreuken van Salomo 1929, S. 9FF; R. ANTHES: Lebensregeln und Lebensweisheit der alten Ägypter 1932, AO 32, 2 . Genaue Angaben über die erste Veröffentlichung und die Übersetzungen der einzelnen Texte (auch weitere Literatur zu ihnen) macht RANKE in GRESSMANN TuB 2 1926. 1*

4

Einleitung

Wehtsschriften, Ermahnungen für die außen- und innenpolitische Leitung des Reiches und sehr bemerkenswerte religiös-sittliche Weisungen. 4. Amenemhet = Die Lehre des Königs Amenemhet an seinen Sohn Sesostris I. ERM. S. 106ff, aus dem Mittleren Reich; sie läßt hinter der Betrachtung des durch Undank gelohnten Lebenswerkes die konkrete Ermahnung an den Nachfolger stark zurücktreten. 6. Duauf = Die Lehre des Duauf ERM. S. 100 ff, wohl aus der Zeit vor dem Mittleren Reich; sie preist den Schreiberberuf und bietet Vorschriften f ü r höfliches und anständiges, auch für sittlich einwandfreies Verhalten. 6. Lans = Die Unterweisung des Papyrus Lansing, herausgegeben und kommentiert von E R M A N und L A N G E in Kgl. Danske Vidensk. Selskab, hist, fil. Med. X, 3 (1925), von einem Beamten unter Ramsea V I . (Ausgang des 12. Jhdts), typischer Vertreter der Schulschriften des Neuen R e i c h e s L o b des Beamtenberufs, der aber nur durch Fleiß und Selbstzucht zu erreichen ist. 7. Anii = Die Weisheit des Anii ERM. S. 294 ff, eine schlecht erhaltene Schrift des Neuen Reiches, Lebensregeln mit stark sittlich-religiösem Einschlag. 8 . A M 8 = Die Lehre des Amenemope, Pap. 1 0 4 7 4 des Brit. Mus., veröffentlicht von W . B U D G E 1 9 2 3 , herausgegeben und erklärt von H. 0 . L A N G E (Kgl. Danske Vidensk. Selskab, hist. fil. Med. X I , 2 , 1 9 2 5 ) , aus der Zeit zwischen 1 0 0 0 und 6 0 0 . Ihre große Bedeutung für die isr.-jüd. ^Vsht ist in einer Fülle von Abhandlungen gewürdigt worden 3 . L A N G E (S. 1 6 f ) bemerkt mit R e c h t : „In ihr finden wir nicht nur eine ganze Reihe rein religiöser Äußerungen, sondern der Hintergrund der Betrachtungen und Ermahnungen ist durchgehend religiös." — Das Urteil über die literarischen Beziehungen zu Prov 2 2 17 FF ist nicht einheitlich. B U D G E dachte an eine — wenn nicht literarische, so doch inhaltliche — Beeinflussung Am's durch semitische Wsht. OESTERLEY führte anfangs (z. B. Z A W 1 9 2 7 , S. 2 3 ) die unverkennbare Verwandtschaft der beiden Schriften auf die gemeinsame Benutzung eines älteren hebr. Originals zurück, ein Gedanke, den auch L A N G E (S. 13f) 6chon erwogen, aber weil bei Am doch „im großen und ganzen sowohl Form als Inhalt echt ägypt." ist, abgelehnt hatte. Heute nimmt man fast allgemein 4 eine direkte — frei1 Uber die jüngeren ägypt. Schulschriften siehe ERM. S. 238 ff. * Die Abkürzung „Am" f ü r Amenemope sei mir aus Sparsamkeitsgründen gestattet ; eine Verwechselung mit Arnos ist infolge der Verwendung röm. Kolumnenzahlen bei Amenemope (nach L A N G E ' S Ausgabe) nicht zu befürchten. ' Ich nenne einige der wichtigsten: A. E R M A N : Eine ägypt. Quelle der Sprüche Sal. (Sitzgsber. d. Pr. Akad. d. Wissensch. 1924, S. 86ff); H . G R E S S M A N N : Die neugefundene Lehre des Amenemope u. d. vorexil. Spruchdichtung Israels (ZAW 1924, S. 272ff); E. S E L L I N D L Z 1924 Sp. 1362ff u. 1873ff; W . 0 . E. O E S T E R L E Y : The teaching of Amen-em-ope and the 0 . T. (ZAW 1927, S. 9ff); derselbe: The Wisdom of Egypte and the O. T. 1927 und Proverbienkommentar 1929. — Vgl. auch die S. 3 Anm. 4 genannte Literatur. Außerdem gibt es eine Fülle kürzerer Aufsätze und gelegentlicher Hinweise in größeren Werken (z. B . K I T T E L , Gesch. des Volk. Isr. I I I , 2 1929 § 73). * Anders neuerdings wieder R. 0 . K E V I N : The Wisdom of Amen-em-apt and its possible dependence upon the Hebrew Book of Proverbs (Journ. of the Soc. of Oriental Research 1930, S. l l ö f f ) , der aus sachl. und sprachl. Indizien auf eine Beeinflussung Am's durch ein hebr. Buch von 30 Sprüchen, durch Dt, Ps und Hiob schließt. Die sprachl. Indizien kann ich nicht nachprüfen, die einzelnen sachl. An-

Quellen

5

lieh alles andere als sklavische — literarische Abhängigkeit des Prov-Sammlers von Am an, so aufs Ganze gesehen jetzt auch O E S T E R L E Y in seinem Prov-Kommentar. 9. Petos = Die Lehre des Petosiris, vgl. G. L E F È B V R E : Tombeau de Petosiris (Service des Antiquités de l'Egypte, Le Caire 1923 f), Inschriften auf einem Grabmal aus dem Ende des 4. J h d t s , in denen ein Toter den nach ihm Lebenden Weisungen mit stark religiösem Einschlag erteilt. CAUSSE 1 hält einen gewissen jüd. Einfluß auf die Inschriften für vielleicht möglich ; jüd. Schreiber hätten in den Schulen der Ägypter mancherlei gelernt, zugleich aber auch die ägypt. Wsht religiös beeinflußt. Erweisbar ist das nicht, wenn auch nicht völlig ausgeschlossen (vgl. auch G. K I T T E L : Probleme des paläst. Spätjudentums B W A T 1 9 2 6 , S. 8 1 ) . 10. Ins = Der Papyrus Insinger, P. A. B O E S E R , Transcription und Übersetzung des Pap. Ins. (Oudheidskundige Mededeelingen uit's Rijksmuseum van Oudheiden te Leiden. Nieuwe Reeks I I I , 1922) die jüngste ägypt. Wshtsschrift, auß dem 1. J h d t n a c h Chr., moralische und religiöse Sentenzen, z. T. der älteren Wsht entlehnt, wahrscheinlich auch von nichtägypt. (z. B. hellenistischem !) Geistesleben be einflußt a . b. Ägyptische „Klageschriften". 11. Lebensmüd = Der Streit des Lebensmüden mit seiner Seele, die schließlich in die freiwillige Beendigung des Lebens einwilligt, ERM. S. 122ff 3 , nach E R M A N aus der Zeit um 2 0 0 0 , nach P I E P E R etwas jünger. 12. Klag d B = Die Klagen des Bauern ERM. S. 157 ff4, Papyri des Mittleren Reiches, neun wohlgesetzte Reden eines „Bauern" über das ihm angetane Unrecht mit moralisch-didaktischem Ziel. 13. Mahn d W = Die Mahnungen eines ägypt. Weisen ERM. S. 130 ff vielleicht aus der Zeit des Zusammenbruchs des Alten Reiches, wohl durch die konkrete Situation des Umsturzes und allgemeinen Niederganges 6 veranlaßte Ratschläge zur Überwindung dieses Zustande^, doch mit ihrer „halb philosophischen und moralisierenden Tendenz der didaktischen Literatur" nahestehend (vgl. H U M B E R T S. 1 2 ) . 14. Die Klage des Cha-cheper-re-seneb ERM. S. 149 ff aus der Zeit um 1900, wenig konkret und individuell, bietet für unsere Untersuchung kaum etwas. IB. Das sog. H a r f n e r l i e d ERM. S. 111 f und 314 ff, in zwei Fassungen aus dem Mittleren bzw. Neuen Reich, Parallele zum bibl und bab Kohelet: alles Irdische ist vergänglich, genieße dein Leben ! — gaben scheinen mir nicht ausreichend, und die Hauptvoraussetzung, daß Am mit seiner starken religiösen Einstellung in der ägypt. Wsht völlig allein Btehe, dürfte nicht zutreffen (vgl. oben) ; die anderwärts für eine Abhängigkeit der Prov von Am angeführten Gründe sind durch K E V I N nicht entkräftet. 1 Sagesse égyptienne et Bagesse juive 1929, S. 168. 2 Das zweibändige, von Spiegelberg (OIZ 1928, 1025ff) stark kritisierte W e r k von F. L E X A über den Pap. Ins. 1926 ziehe ich nur gelegentlich heran. ' Ubersetzung u. Kommentar von A. E R M A N i. d. Abhandl. der Berl. Akad., phil.-hist. Kl. 1896, S. l f f . 4 F. V O G E L S A N G : Kommentar z. d. Klag. d. Bauern 1913 (Untersuchungen z. Gesch. u. Altertumskunde Ägypt. VI. Bd.) ; vgl. auch E. SUYS, A propos d'un conte égyptien (Biblica 12 [1931], 366 ff). 8 Das wird lebhaft bestritten von S. L U B I A , Klio 22, 405 ff, worauf mich H e r r Prof. H E M P E L aufmerksam macht.

6

Einleitung

B. Von b a b y l o n i s c h e n W e i s h e i t s s c h ri f t e n ist im Vergleich mit den ägypt. nur wenig erhalten, immerhin genug, um zu zeigen, daß und wie in Assur und Babel die Wsht gepflegt wurde AVir treffen auch hier zwei Gattungen: Lehrschriften und Klageschriften. Die Lehrschriften tragen, obwohl tatsächlich Priester ihre Söhne im Tempeldienst und höhere Beamte die Untertanen in der Verehrung Gottes und des Königs zu unterweisen pflegten 2 , nicht ein dem entsprechendes spezielles, sondern ein recht allgemeines, ,.humanistisches" Gepräge. Anders als in Ägypten haben wir im Zweistromland auch Sammlungen von Volkssprichwörtern. a. Assyrisch-babylonische Lehrschriften. 1. Sprichwörter-Sammlungen, M E I S S N E R I I S. 424 ff, E B E L I N G , Reste akkad. Wshtslit. (Altorient. Stud. f. Br. M E I S S N E R Bd. I, 1928, S. 21—29), fast ausnahmslos Sentenzen allgemeiner Lebenserfahrung und Weltklugheit. 2. Bab Pror = Die sog. bab. Proverbien, E B E L I N G , TuB S . 2 9 1 ff, vorwiegend ethische und religiöse Mahnungen, nach L A N G D O N ( S . 8 9 ) aus der Zeit um 2 2 0 0 , nach anderen aus der Hammurapi-Dynastie ( 2 0 5 0 — 1 7 5 0 v. Chr.), vgl. G E M S E R , Bd. I , S.

12.

3. Achik = Die Achikar-Sprüche mit einer umrahmenden märchenhaften Erzählung assyr. Ursprungs 1 besitzen wir nur in sekundären Versionen, deren älteste die leider nur unvollständig und schlecht erhaltene aramäische ist (ElephantinePapyri des 5 . Jhdts *) von uns zitiert nach GRESSMANN T U B S. 4 5 4 ff. Im Buche Tobit wird unsere Erzählung als bekannt vorausgesetzt (z. B. 14 ioff), und in den bibl Prov findet sich eine große Reihe von Parallelen zu den AchikarSprüchen, die in neuester Zeit O E S T E R L E Y (Prov-Kommentar) mit besonderer Sorgfalt herausgearbeitet hat. b. Assyrisch-babylonische Klageschriften. 4. Der sog. babylonische Hiob E B E L I N G , TuB S . 2 7 3 f f die Geschichte eines Leidenden und seine Erlösung, in Abschriften aus neuassyr. und neubab. Zeit erhalten, aber vermutlich älter, behandelt ähnliche Probleme wie das bibl Hiob-Buch, doch in ganz anderer Art und Weise; literarische Abhängigkeit des bibl vom bab Hiob kommt nicht in Frage 5 . 1

Vgl. über die bab. Wsht im allgemeinen B. M E I S S N E R : Babylonien u. Assyrien Bd. I I 1925, S. 419—34. Die babyl.-assyr. Lit., 1927 ff S. 79—84 (hier auch Angaben über die Veröffentl. u. Kommentierung sowie sonstige Literatur). S T . L A N G DON, Babylonian Wisdom, 1923. 2 M E I S S N E R , I I S. 324 ff. Vgl. auch bab Hiob I I 2 9 f . 3 So B. M E I S S N E R I I , S. 430. Vgl. schon von demselben: Das Märchen vom weisen Achikar (A. O. X V I , 2, 1917, S . 26ff). — R. S M E N D erklärte den ihm noch nicht aram. vorliegenden Achikar für „ein jüd. Buch, das um 200 v. Chr. geschrieben ist", räumte allerdings schon ein, daß ihm „ein nichtjüd. Erzählungsstoff zugrunde liegt" (Alter u. Herkunft d. Achik.-Romans und sein Verhältnis zu Aesop Z A W B 13, 1908, S. 116, 119).' 4 Vgl. E D . S A C H A U : Aram. Papyrus und Ostraka aus Elephantine, 1 9 1 1 . CowLEY: Aramaic Papyri of the 5. Century b. C., 1923. — Zum Achikarproblem vgl. z. B. E D . M E Y E R : Der Papyrusfund von Elephantine 1 9 1 2 , und bes. T H . N Ö L D E K E : Untersuchg. z. Achik.-Roman. (Abh. d. Kgl. Ges. d. Wissensch, z. Gött. Phil.-hist. Kl. N. F. Bd. X I V , 6

Vgl. auch S. Stud. XVI, 2, 1911)

N r . 4,

1913.)

LANDERSDOBFFER:

Eine bab. Quelle für das Buch J o b ? (Bibl.

Quellen

7

5. Pess Zwieg = Das Pessimistische Zwiegespräch eines Herrn mit seinem Knecht EBELING TUB S. 284 ff, nach der Unterschrift sicher älter als die auf uns gekommenen neuassyr. und spätbab. Abschriften, ein Dialog von zwölf Strophen über die Unersprießlichkeit jeglichen Tuns im Leben. 6. Der sog. babylonische Kohelet, die „Klage eines Weisen über die Ungerechtigkeit der Welt", EBELING TUB S. 287 ff, erhalten ebenfalls nur in jungen Abschriften ; aber nach sprachlichen Indizien wohl spätestens aus dem 14. bzw. 15. J h d t C. D i e i s r a e l i t i s c h - j ü d i s c h e W e i s h e i t s l i t e r a t u r . Bei der folgenden Besprechung des isr.-jüd. Wshtsschrifttums ! handelt es sich nur um eine ganz knappe Darlegung de6 von uns zu den Einleitungsfragen eingenommenen Standpunktes. Wir müssen uns darum eine Aufzählung auch nur der wichtigsten Spezialliteratur, zu den einzelnen Schriften (die j a dem Leser im wesentlichen bekannt sein wird) und eine Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten im allgemeinen versagen ; sie würden den Rahmen dieser Einführung sprengen. — Aus praktischen und sachlichen Gründen verlassen wir hier auch das Schema von Lehr- und Klageschriften 1 und behandeln die Wshtsschriften nach ihrer zeitlichen Folge. Die Wshtspsalmen, für die im einzelnen eine sichere Datierung nicht zu geben ist, werden zusammengenommen. 1. Prov = Das Sprüchebuch, ist als Ganzes etwa um 300 abgeschlossen, doch stammt ein Teil des Spruchmaterials — besonders in Kap 25—29 und 10 !—22 , e — aus wesentlich älterer, z. T. noch vorexilischer Zeit (vgl. etwa 16 10 22 î 9 ). Das Buch besteht aus neun Einzelsammlungen: I. 1—9; I I . 1 0 , — 2 2 , e 4 ; I I I . 2 2 , , — 2 4 i a ; I V . 24 s s — J 4 ; Y. 25—29 6 ; V I . 3 0 , V I I . 3 0 , 6 _ s s ; V I I I . 3 1 , - , ; IX. 3 1 , 0 - , , . 1 So z. B. E. EBELING: Ein bab. Kohelet (Berl. Beitr. z. Keilschriftforschg. I, 1, 1924) S. 3 f. ' Allg. Arbeiten über d. Wsht in Israel: W. R. HARPER: The Work of the O. T. Sages 1904 ( 5 1924). H. MEINHOLD : Die Weish. Israels in Spruch, Sage u. Dicht., 1908. W . O. E. OESTERLEY: The Books of Apocr. their origin, teaching and contents 1916. H. GRESSMANN : Israels Spruchweish. i. Zusammenhange d. Weltliteratur 1925 (Kunst u. Altert., alte Kulturen im Lichte neuer Forschung, Bd. VI). W . O. E. OESTERLEY: The Wisdom of Egypte etc. 1927. P. HUMBERT: Recherches sur les sources etc. 1929. A. CAUSSE: Sagesse égyptienne et sagesse juive 1929. J . HEMPEL: Althebr. Literatur S. 44 ff (Die Formen der Sprüche) 1930 ff. H. RANSTON : The 0 . T. WiBdom Books and their teaching 1930. FL. JAMES : Some aspects of the religion of Proverbs, Journal of Biblical Literature 51 (1932), l f f . 3 Das Schema reicht sachlich z. B. für Ps 119, Hi 28, Teile aus Sir nicht aus. * Aus zwei formal und sachlich verschiedenen Sammlungen zusammengesetzt: 10—15 und 16,—22, 6 . Die erste bietet in einem Drittel aller Sprüche Formulierangen des Vergeltungsdogma, von 184 Sprüchen tragen nur 15 nicht den Charakter des antithet. Parallelismus, der religiöse Einschlag ist gering. I n 16—22 sind 160 von 191 Sprüchen nicht in antith. Parallel, gebildet, die meisten Sprüche tragen rel.-eth. Charakter. 6 Auch 25—27 und 28 f unterscheiden sich deutlich und haben wohl ursprünglich selbständig existiert; 25—27 enthält fast nur allgemeine Lebenswsht (2521 f ist sekundär, vgl. unt.), eine ganze Menge der Sprüche sind Vier- und Mehrzeiler; 28/29 enthält zur Hälfte ethische Mahnungen, über ein Zehntel religiöse Sprüche, die göttliche Vergeltung wird häufig erwähnt, sehr wenig Sätze bieten allgemeine Weltklugheit; ausschließlich Zweizeiler.

Einleitung

8

B e i dem Versuch, diese chronologisch festzulegen, weisen die inhaltlichen und die formalen Indizien z. T . in verschiedene R i c h t u n g e n ; m. E . hat man die formalen Anzeichen (in diesem Falle!) zurückzustellen und in erster Linie die inhaltlichen zu berücksichtigen. Daß z. B . Prov 22—24 „in der Technik der Reihenbildung eine etwas entwickeltere Stufe aufweist als Prov 10—22 und 25—29" (HEMPEL, Altisr. L i t . S . 51) ist m. E . kein zuverlässiger Hinweis auf ein geringeres Alter der Sammlung I I I , sondern scheint mir einfach als Folge des fremden Einflusses erklärlich zu sein. D i e Sammlungen I V und V I — V I I I lassen sich kaum mit irgendwelcher Sicherheit datieren; in der vorexilischen Zeit scheint mir am ehesten noch K a p 25 bis 27 1 (28 f?) und vielleicht die offenbar aus verschiedenen nichtisr. Wshtsbüchern * zusammengestellte I I I . Sammlung (22,,—24 2 2 ) angesetzt werden zu dürfen. Dagegen werden die Sammlungen 10—15 und 1 6 , — 2 2 1 6 als ganze wegen des deutlich ausgeprägten individuellen Vergeltungs d o g m a und der Vorliebe für die Gegenüberstellung „Gerechte und Gottlose" (oder ähnlich) der nachexilischen Zeit, etwa dem 5. J h d t zuzuweisen sein. Das „völlige Fehlen einer jenseitigen Vergeltungslehre" (GRESSMANN Z A W 1924 S. 286 ff) beweist nichts für vorexilische Ansetzung unserer Prov-Gruppen; dann müßte auch Sir vorexilisch sein. I n Kap 1—9 meldet sich griechischer Einfluß an; das bestätigt die Ansetzung im 4. J h d t , die auch durch andere Indizien, z. B . das vorausgesetzte Zeitbild, nahegelegt wird. Auch das alphabetische Schlußlied (31 1 0 — a i ) mag etwa aus dieser Zeit stammen. 2. Hi = Das Buch Hiob ist keine literarische Einheit. D e r Dichter des Dialogs (3—31) hat, wie man fast allgemein annimmt, ein „Volksbuch" als Rahmenerzählung verwendet, dessen R e s t e im Prolog und Epilog vorliegen. Außer mancherlei kürzeren und längeren Auffüllungen in den drei Gesprächsgängen hat man das "Wshtslied (28) und die Elihu-Reden (32—37), vielleicht auch die Gottesreden (38 ff) als nicht zu der ursprünglichen Konzeption gehörig anzusprechen, mögen sie nun von anderer Hand stammen oder — wie SELLIN jetzt annimmt — spätere Selbstkorrektur des Verfassers sein. D i e F r a g e der Datierung der Dichtung und der Nachträge ist schwer zu beantworten, da es an zeitgeschichtlichen Anspielungen mangelt. V o r einer zu frühen Ansetzung ist im Blick auf die AramaiBmen des Buches und vor allem den schon zum festen Dogma entwickelten individuellen V e r geltungsglauben, den die Freunde Hiob6 vertreten, zu warnen. Man darf vielleicht an das 5. oder 4. J h d t denken. 3 . K o h = Das Buch Kohelet (Prediger) übt eine radikale Kritik an dem W e r t der W s h t überhaupt. Die Annahme, daß es stark unter dem literarischen Einfluß griechischer Philosophie gestanden habe, wird heute nicht mehr so sicher vorgetragen wie früher*, da der alte Orient uns Schriften ähnlichen Charakters erhalten h a t 4 . Immerhin ist kaum zu bestreiten, daß Koh mit griechischem Geistesleben 1 B e a c h t e die Überschrift („Männer Hiskias"), das gänzliche Fehlen des Verg e l t u n g s d o g m a und der später so beliebten Gegenüberstellung von Gottlosen und Frommen bzw. Bösen und Gerechten. 8 In erster Linie Am, dessen Einfluß erwiesen ist, ferner wohl assyr.-bab. Spruchmaterial, das später z. T . auch dem Achik-Roman eingefügt worden ist. 3 V g l . oben ägypt. W s h t Nr. 11, babyl. Nr. 5 und 6. 4 V g l . H . RANSTON : Ecclesiastes and the Early Greek Wisdom Literature 1925 (p. 149), I . PEDEBSEN: Scepticisme Israelite (Cahiers de la R e v Hist Phil 1931 S. 48ff), j e t z t auch H . W . HERTZBEBO : D e r Prediger (Sellin-Kom. X V I , 4) 1932 S . 47 ff und

K . GALLING Z A W

1 9 3 2 , 2 7 6 ff.

Quellen

9

in B e r ü h r u n g gekommen und von ihm beeindruckt worden ist. Neben den Reflexionen stehen Mahnungen und W a r n u n g e n in Form von Sprüchen, die der Verfasser z. T. aus anderen Wshtsschriften ü b e r n o m m e n haben mag. Die Uneinheitlichkeit des Buches in formaler und inhaltlicher Beziehung ist weniger von literarischen als von sachlichen Gesichtspunkten aus zu erklären. W o h l mögen an diesem „ketzerischen" Buche manche dogmatische Korrekturen vorgenommen worden 6ein (vgl. etwa 3 n 8, 2 b. u a 12 1 2 ti); im großen und ganzen ist es aber das W e r k e i n e s Mannes, der allerdings wie kaum ein anderer „ein Mensch mit seinem Widerspruch" gewesen ist. Inhaltliche und sprachliche Indizien weisen in das 3. J h d t ( H E B T Z BERG, S. 28 „letzte Zeit des 3. JhdtB"). 4. W s h t s - P s = Die Weisheitspsalmen sind nach einem an der übrigen bibl. Chokm aliteratur gebildeten inhaltlichen und formalen Maßstab aus dem Psalter auszusondern. An H a n d dieses Maßstabes kann man einige Psalmen bzw. Psalmenteile als „Proverbien-Psalmen" ( 3 4 1 2 _ 2 3 37 112 128, ähnlich 127 und 133), einige als „Hiob-Psalmen" (49 73) 1 bezeichnen. Dazu treten das Wshtslied, das den Psalter einleitet (Ps 1), einige Psalmen, die von Wshtsmotiven durchsetzt Bind (32 g—n 94 gf( 111, bes. ,„) und zwei, die sich mit der Wsht, wie sie das Gesetz bietet, beschäftigen (119, bes. 97—103, wohl auch 19b, bes. 8 ). Wir halten Ps 1 1 9 b 94 111 112 und 119 f ü r j ü n g e r als die übrigen und meinen, sie um 300 ansetzen zu dürfen (vgl. Teil I I C 3). 5. S i r = Die Weisheit des J e s u s Sirach 2 berührt sich inhaltlich stark mit den Prov 3, desgleichen im literarischen Charakter, wenn auch einzelne der Spruchwsht f r e m d e Gattungen (Hymnus, Dank- und Klagelied) eindringen*. Das Buch ist zwischen 200 und 165 hebr. abgefaßt und um 130 von d e m Enkel des ben Sira ins Griechische übertragen worden. Vom U r t e x t besitzen wir zur Zeit etwa drei Fünftel. N a c h S M E N D (D. W s h t d. J e s . Sir. erklärt 1906, S . C X I V ) h a t er „in f r ü h e r Zeit eine hebr. Bearbeitung erfahren", die zu einer zweiten Übersetzung ins Griechische f ü h r t e , deren Spuren uns noch in Glossen 6 zu d e r älteren griechischen Version erhalten sind. Diese Glossen sind von e i n e m (sicher hellenistisch bestimmten) Geiste g e t r a g e n ; sie werden uns gelegentlich zu beschäftigen haben. 6. Tob = Das Tobit-Buch, das man jedenfalls in vormakkabäischer Zeit, woh um 200 ansetzen d a r f 6 , bietet in 4 , s ff 12„— u 14 s f( weise E r m a h n u n g e n und Gruppen von Wshtssprüchen; ein triftiger Grund f ü r ihre spätere E i n f ü g u n g findet sich nicht, sie gehören m. E . zur ursprünglichen Konzeption. Auch sonst scheint der Verfasser vom Geiste der Wshtsfrömmigkeit beeinflußt zu sein; das zeigt sich z. B. darin, G U N K E L h a t diese B e n e n n u n g vorgeschlagen (Reden und Aufsätze 1913, S. 122). I c h benutze den Urtext, soweit er erhalten ist (SMEND: D. W s h t des J e s . Sir. hebr. u. deutsch, 1906), sonst den L X X - T e x t ( S W E T E ) . ' G A S S E R : Die B e d e u t u n g der Sprüche J e s u ben Sira f ü r die D a t i e r u n g des althebr. Spruchbuches (Beitr. z. Förd. christl. Theol. 19C4). 1 Vgl. W . BAUMGARTNER : Die literar. Gattungen . . . S. 161 fif. 6 S C H L A T T E R : D e r Glossator des griech. Sirach (Beitr. z. Förd. christl. Theol. 1897, H e f t 5 f ) S. 103fF hält sie übrigens f ü r g r i e c h i s c h e Zusätze von d e r H a n d eines ägypt. J u d e n . 0 z. B. SIMPSON (in C H A R L E S Apocr. and Pseudepigr. of t h e O. T. 1913), O E S T E B LET : The Books of Apocr. S. 365. — D a s Buch liegt uns im Griechischen in dreifacher Gestalt vor; möglicherweise ist ein aram. Original anzunehmen vgl. J . M Ö L L E R : Beitr. z. Erklär, und Krit. d. Buches Tobit Z A W B 13, 1908. 1

8

10

Einleitung

daß er den in der altorient. Wshtsdichtung bekannten Achikar (vgl. oben) zum Neffen Tobits — und damit zum J u d e n ! — stempelt (121 f 2 1 0 11,, 14 10 ). 7. Arist = Der Aristeas-Brief l , ein vornehmlich als Propagandaschrift von einem ägypt. Juden etwa der zweiten Hälfte des letzten Jhdts vor Chr. 2 verfaßtes Werk fordert unsere Aufmerksamkeit wegen der Gespräche zwischen Ptolemäus II. und den 72 jüd. Gelehrten, die es bietet (187—294) und die neben manchem griechischen auch altorient. Wshtsgut enthalten. 8. Vom III Esra-Buche kommen für uns ebenfalls nur die Streitgespräche der Leibpagen des Darius über das Mächtigste in der AVeit (3,—4 63) in Betracht. Die Komposition des Buches aus Stücken der kanon. Literatur (Chron., Esr.-Neh.) und anderen Stoffen ist am Ende des 2., möglicherweise auch im Anfang des 1. Jhdts v. Chr. anzusetzen 9. Bar —Das Buch Baruch wird heute als Ganzes 1 meist dem 1. J h d t n. Chr. zugewiesen, jedenfalls in der vorliegenden griech. Fassung, die wohl auf ein hebr. oder aram. Original zurückgeht. Da die einzelnen Teile doch wohl einige Zeit vor ihrer Zusammenbindung entstanden sind, reihe ich das uns angehende Lied auf die Wsht 3 9—4 4 vor der Weisheit Salomonis ein. — Spuren griechischen Einflusses enthält 3 9 ff nicht; das Stück geht vielmehr deutlich auf Dt 4 s tf zurück und hat ein Vorbild in (Hi 28 und) Sir 24. 10. Sap = Das Buch der Weisheit (Sapientia Salomonis) gibt uns mancherlei Rätsel auf; über die literarische Einheitlichkeit, die zeitliche Ansetzung, den Grad der Beeinflussung durch die griechische Philosophie 5 gehen die Meinungen weit auseinander. Die literarischen und sachlichen Unstimmigkeiten 6 sind gerade bei einem Wshtsbuch nur sehr mit Vorsicht zur Entscheidung der Frage nach der Einheit des Verfassers zu verwerten. Es will mir scheinen, als habe sich der Verfasser in 1—5 unwillkürlich stärker an das ihm bekannte hebr. Wshtsschrifttum angelehnt, weil er ein dort viel besprochenes Thema (Wesen und Schicksal der Frommen und der Gottlosen) behandelt, während er von 6 ab (die hohe Bedeutung der Wsht und ihre Wirksamkeit in der Geschichte Israels) inhaltlich und darum auch formal selbständiger w i r d D a s Eingehen auf griechische Vorstellungen und die Ver1 Ich benutze die Ausgabe von P. W E N D L A N D : Aristeae ad Philoeratem epistola (Bibl. Teubn.) 1900. 2 Zw. 145 und 127 datiert sie E. B I R K M A N N : Zur Datierung des Pseudo-Aristeas (ZNW 1930, S. 280ff), nach urkundlichen Formalien und nach dem Bilde, das der Verfasser von Juda entwirft. 3 Vgl. C. S T E U E R N A G E L : Einleitung S . 775. H. J . W I C K S : The Doctrine of God in the Jewish Apocr. and Apocal Lit. 1915, S . 9. O E S T E R L E Y : The Book of Apocr. S. 454 (hält ein aram. Original nicht für ausgeschlossen). 4 Ursprüngl. Teile wohl: 1 1 6 —3 8 und 3 8 —5 B (falls nicht auch 4 5 —5 9 urspr. selbständig war); ferner die Einl. 11—14. 6 Während E. P F L E I D E R E R (Philos d Heraklit, 1886) allerstärksten Einfluß annimmt, leugnet ihn z. B. P. H E I N I S C H (Griech Phil. i. Buche d. Weish. 1908) völlig; F O C K E (Die Entstehg. d. Wsht Sal. 1913, S. 92) hält die innere Berührung des Verfassers mit der griech. Phil, „für eine ganz oberflächliche und flüchtige". 6 Ich nenne den auffallenden Wechsel der Gottesnamen, die verschiedene Bedeutung, die der griech. Philosophie und der „Weisheit" eingeräumt wird; teilw. Poesie, teilw. Prosa, verschiedene Syntax, Parall. membr. fast nur in 1—5. 1 Vgl. F E L D M A N N , Heil. Schrift VI, 4. 1926, S. 7.

Quellen

11

wendung griechischer philosophischer Termini gehört zur Methode dieser apologetischen Schrift, die für Griechen und zum Hellenismus neigende Juden gedacht ist. Der Verfasser mag ein in der Diaspora (Alexandrien ?) lebender Jude gewesen sein und sein Buch im 1. J h d t v. Chr. verfaßt haben. 11. IV Makk = Das IV. Makkabäerbuch nach 1 8 ein Lobpreis der größten Tugend, nämlich der Einsicht (ypovriott), gehört ohne Frage zur jüd. Wshtslit., wenn es auch inhaltlich und formal von deren ältesten Stücken beträchtlich abweicht und griechischen Einfluß zeigt. Seine zeitliche Ansetzung läßt sich nicht genau geben; man wird an das 1. J h d t n. Chr., und zwar die Zeit vor dem Fall Jerusalems zu denken haben. 12. Aboth = Der Mischnatraktat Pirke Aboth darf gleichfalls zur "Wshtslit. gerechnet werden. Er ist im wesentlichen eine Sammlung verschiedenartiger Sprüche, die Mahnungen zum eifrigen Thorastudium sowie religiös-sittliche und kultische Einzelforderungen und — besonders in den Anhängen, Kap V f — einiges haggadische Material enthalten. Neu ist, daß der Urheber der einzelnen Sprüche mit Namen genannt wird. Die Sprüche stammen aus dem Zeitraum von 150 vor bis 250 nach Chr. 1 und können im allgemeinen als „echt" betrachtet, d. h. dem jeweils genannten Urheber zugesprochen werden. 13. Phokyl = Pseudo-Phokylides 2 , ein Lehrgedicht in 230 Hexametern, das früher dem griechischen Weisen Phokylides aus Milet (um 550 v. Chr.) zugeschrieben wurde, stammt, wie B E R N A Y S 3 wahrscheinlich gemacht hat, von einem hellenistischen Juden der Zeit von 150 vor bis 70 nach Chr. Der paränetische, didaktische Charakter der Schrift, die Fülle an Stoff, den sie mit den anderen Wshtsschriften gemein hat und die Bedeutung, die 6ie der Wsht zumißt (1 f. 53 f und 130 fj, gibt uns ein Recht, sie zur Chokmaliteratur zu zählen. Daß auch die Sprüche des Menander, die uns syr. erhalten sind und für die 4 6 S C H U L T H E S S ein griechisches Original annimmt , „ein Produkt der jüd. Wsht" seien , ist recht zweifelhaft; sie enthalten zu wenig spezifisch Alttestamentlich-Jüdisches, al6 daß man jüd. Einfluß mit Sicherheit behaupten könnte *. Ich zitiere Menanders Sprüche nur gelegentlich zum Vergleich 7 .

Abschließend noch eine kurze Bemerkung über die Art der Verwendung des Quellenmaterials! Es handelt sich in der vorliegenden Untersuchung darum, die Gemeinsamkeiten zwischen der isr.-jüd. und 1

Dieser späteste Termin (250 n. Chr.) kommt allerdings höchstens für die Anhänge (V und VI) in Frage. 2 Ich zitiere nach dem von K . L I N C K E in „Samaria und seine Propheten" (1903) S. 166ff mit einer Übersetzung dargebotenen Text; seine Auffassung über die Schrift („Phokyl. ist der ins Griech. übersetzte Zarathustra" S. 59) kann ich nicht teilen. * J A K . B E R N A Y S : Uber das phokylideische Gedicht 1856 (Ges. Abhandl. von J A K . B E R N A Y S hrsg. von H . U S E N E R 1885 X I X S. 192—261). * Die Sprüche des Menander aus dem Syrischen übersetzt (ZAW 1912, S. 199 bis 224. Vgl. S. 202). 6 F R A N K E N B E R G : Die Schrift d. Men., ein Prod. jüd. Spruchweisheit (ZAW 1895. 0 S. 226—277). Vgl. H E M P E L : Althebr. Literat. S. 49. ' Nach der Übersetzung von S C H U L T H E S S , syr. Text bei L A N D : Anecdota Syriaca I, 1862, S. 64—73.

12

I A : "Weisheit als Lebensklugheit

der übrigen altorient. Wsht einerseits und die Eigenentwicklung der ersteren andererseits darzustellen. Beide Seiten der Aufgabe können nur dann wirklich deutlich und einleuchtend behandelt werden, wenn man sich nicht auf mehr oder weniger nichtssagende Stellenangaben beschränkt, sondern durch eine genügende Menge ausgeführter Zitate Übereinstimmungen und Differenzen zur Anschauung bringt. Ich habe darum, besonders im I. Teil, reichlich zitiert \ Die wörtliche Anführung der Belege scheint mir überdies dadurch gerechtfertigt, daß ich nicht alle Quellen (besonders der außerisr. Wsht) in der Hand des Lesers voraussetzen kann.

I. Der Inhalt der Weisheitslehre. Ehe wir an einen Vergleich der altorient. Wshtslehre mit der isr.jüd. gehen, ist die Frage nach der Gliederung des Stoffes zu beantworten. HUMBERT (S. 156 ff) stellt sein Yergleichsmaterial unter dem Gesichtspunkt der Pflichten des Menschen gegen Gott (I), gegen die Menschen (II) und gegen sich selbst (III) zusammen. Es handelt sich aber in der "Wsht — das weiß HUMBERT natürlich auch, vgl. z. B. S. 58 ff — nicht nur um Mahnungen zur Erfüllung bestimmter Pflichten (devoirs), sondern daneben z. B. auch um Berufsratschläge und Höflichkeitsvorschriften, um Sätze der Lebenserfahrung und der Weltklugheit, die ein reibungsloses und angenehmes Dasein ermöglichen sollen, und diese lassen sich nur zum Teil den Gesichtspunkten HUMBERTS unterordnen. Wsht ist die Kunst, das Leben in jeder Beziehung und in allen Lagen wie ein Meister zu führen 2 . Das setzt voraus, daß überall eine vom Menschen zu erfassende Gesetzmäßigkeit herrscht, nach der dem jeweiligen Verhalten ein bestimmtes Ergebnis entspricht. Diese Gesetzmäßigkeit meint der Weise im praktischen Leben des Tages, im Beruf, im Verkehr mit den Menschen, überall beobachten zu können; mit einer Regelmäßigkeit, die dem Beobachter als Gesetzmäßigkeit erscheint, verliert z. B. der Faule Beruf und Besitz, fällt der Arme der Nichtachtung der anderen anheim, während der Strebsame sich Reichtum sammeln kann und der Reiche zu allen Gütern der Welt Zugang hat. Aus seinen Beobachtungen formt der Weise R a t s c h l ä g e a l l g e m e i n e r L e b e n s e r f a h r u n g u n d W e l t k l u g h e i t . — Weiter 1 Ich folge damit einer Praxis, die auch HDMBERT in seiner bekannten Arbeit über d. Quellen der isr. Weht mit E r f o l g angewendet hat. * Vgl. J . PEDERSEN : Israel, its life and culture (1926) S. 127 „Wisdom is a property of the soul or . . . a skill in shaping the very thought which yields the right reBult".

Einleitendes

13

sieht er, daß das Gemeinschaftsleben von dem einzelnen die Anerkennung der in der Gemeinschaft geltenden sittlichen Norm fordert Von ihrem Geltungsrecht innerlich erfaßt erklärt er Unglück und Verderben als Folge der Übertretung der Norm, Glück und Gelingen als Folge normgemäßen Handelns. Diese Vergeltung glaubt er so häufig beobachten zu können, und zugleich scheint sie ihm so sehr durch den allgemeinen Geltungsanspruch der Norm gefordert zu sein, daß er sie als herrschende Gesetzmäßigkeit auffaßt. Ist sie aber einmal zum „Dogma" geworden, wird sie auch da angenommen, wo ihr der Augenschein widerspricht, also etwa der Gute Unglück leidet; es besteht dann immer der Ausweg der Freunde Hiobs (vgl. auch Tob 2 1 4 ), an der sittlichen Qualität des vom Unglück Betroffenen auf Grund des Dogma (!) zu zweifeln. Mit der Gesetzmäßigkeit im sittlichen Leben ist das zweite Gebiet der Weisung gegeben: d i e s i t t l i c h e M a h n u n g . — Es gibt altorient. Wshtsschriften, die sich mit diesen beiden Gebieten der "Weisung begnügen; meist tritt aber dazu als drittes d i e r e l i g i ö s e W e i s u n g . Die Verehrung der Gottheit im öffentlichen Kult und in der persönlichen Frömmigkeit ist da; der Machtanspruch und die Forderung der Gottheit ist dem Weisen bekannt. Es liegt nahe, daß er bei seinen Bemühungen, das Leben in seiner ganzen Breite und Tiefe zu meistern, auch dieser Lebensmacht in irgendeinem Maße Rechnung trägt. Man wird also die Ratschläge und Mahnungen der Weisen unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen können: 1. allgemeine weltliche Erfahrungssätze und Klugheitsregeln, 2. ethische Mahnungen und W a r nungen, 3. religiöse Weisungen. Doch ist diese Stoffgliederung nur eine Arbeitshypothese zur leichteren Behandlung des Materials. Es kann nicht genug betont werden, daß für den Wshtslehrer die verschiedenen Arten von Mahnungen und Ratschlägen weithin auf einer Fläche liegen. Das kommt äußerlich schon darin zur Anschauung, daß sie buntgemischt nebeneinander stehen, und ist innerlich in dem oben genannten einheitlichen Zweck der Wsht begründet. A. W e i s h e i t a l s

Lebensklugheit.

Die ältesten Wshtsschriften sind Lehrschriften ägypt. Großer, die ihren Nachfolgern, meist ihren Söhnen, Anweisungen für ihre Amtsund Lebensführung geben. In langen Amtsjahren erworbene Erfahrung sollte nicht verloren gehen; darum wurde sie von Generation zu Genera1 Die juristische Norm können wir hier beiseite lassen, da sie als äußerlich bindende Macht, die sich durch die herrschende Gewalt Geltung verschaffen kann, dem Menschen gegenübersteht.

I A : Weisheit als Lebensklugheit

14

tion überliefert 1 und immer weiter bereichert. Die so zustandekommenden Schriften, die sich eines sehr hohen Ansehens erfreut h a b e n e n t halten freilich nur zu einem kleinen Teil konkrete Amtsvorschriften der größere Teil der Ratschläge könnte mutatis mutandis ebensogut an irgendeine Privatperson gerichtet sein. Die Allgemeingültigkeit vieler der alten Wshtssätze war der Anlaß zu ihrer Beliebtheit, z. T. auch erst deren Ergebnis; denn die Mahnung, den Schriften nichts hinzuzufügen 4, ist im alten Ägypten ebensowenig befolgt worden wie anderwärts; mancherlei Sprüche haben sich an die ursprünglichen Sammlungen ankristallisiert. Immerhin muß man zum Verständnis der altorient. Wshtslit. beachten: einer ihrer Quellorte ist — etwas überspitzt gesagt —• das Traditionsbuch des ägypt. Hofmannes 5 , d. h. eine Sammlung von Anweisungen für einen bestimmten Amts- und Lebenskreis, die Amt und Leben in ihrer ganzen Konkretheit zu fassen und zu meistern suchen. Die Realistik der Lebensbetrachtung und demgemäß der Ausgestaltung der Ratschläge charakterisiert einen großen Teil der altorient. Wshtslit., die isr.-jüd. weithin eingeschlossen. Am deutlichsten tritt uns die praktisch-nüchterne Art der Weisen in den Worten allgemeiner Weltklugheit entgegen. In ihnen redet der erfahrene, besonnene und darum klar sehende und ruhig urteilende Mann, der das Leben kennt. — Der oberste Grundsatz für das Handeln ist hier: Vorsicht und Mäßigung 6 . Er tritt uns in der älteren Literatur nicht als abstrakte Formel entgegen, sondern stets in der konkreten Einzelmahnung'; die spätere Zeit formuliert ihn auch einmal als allgemeines Prinzip. So Arist 223: „in allem ist Maßhalten gut" und S i r l 8 2 7 : „der Weise handelt (oder ist) in jedem Falle vorsichtig", vgl. auch Phokyl 60. 69. Maßvolles Handeln erfordert Selbstbeherrschung; sie wird in der gesamten Wshtslit als unumgängliche Voraussetzung für ein weises Leben genannt. Für den Ägypter ist der Tor der „Hitzige", der Weise aber der „Bescheidene". Ebenso rühmt bab Prov 5 den bescheidenen Sinn des Weisen. Die älteste der bibl. Prov-Sammlungen vergleicht einen Mann, dem Selbstbeherrschung fehlt, einer Stadt, in die man Bresche gelegt hat (25 28 vgl. 5 2 8 ), und dem gegenüber bezeichnet Arist 221 f als vornehmste Herrschertugend die Selbstbeherr1

Vgl. Ptahh Einl. u. Schluß (EBM. S. 87 f 95 ff) und Merik (ebd. S. UOf). Man benutzte sie noch Jahrhunderte später als Schulbücher (ERM. S. 86). » Etwa Ptahh 5. 8. 17. 31 Merik (ERM. 110. 113f); vgl. auch Arist 283f, 4 weiteres siehe unten! Ptahh (ERM. 98), vgl. damit Prov 30,. 6 Vgl. A m l , f : „Vorschriften, um unter die Räte zu treten, Regeln der Hof6 leute." „ilrjdiv äyav" (SOLON) und „aurea mediocritas" ( H O R A Z ) . 1 Vgl. dazu im allgemeinen das folgende; besonders charakteristisch ist Prov 30 e b Koh 7,,. Sir 13, 0 Achik syr 9, aram 146. s

Einleitendes

15

schung. Schließlich stellt sich eine ganze Schrift das Thema: „Ob die fromme Vernunft Selbstbeherrscherin der Triebe sei" (IV Makk 1 x). — Wie das besonnene und maßvolle Handeln in concreto aussieht, wird im folgenden unter drei Gesichtspunkten dargestellt: die Stellung des Weisen zum Besitz (1), seine Beurteilung des Lebensgenusses (2), seine Ratschläge für den Umgang mit anderen Menschen (3). An einzelnen Stellen muß jedoch schon hier auf die gelegentliche Überwindung des Nützlichkeitsmotivs durch höhere Motive hingewiesen werden. 1. Die Weisen wissen allgemein, daß die Voraussetzung für ein angenehmes Leben ein gewisses Maß an B e s i t z 1 ist; denn „des Armen Namen nennt man (nur) wegen seines Herrn" (Klag d B ERM. 160), „den gemeinen Mann verachtet der Reiche" (bab Koh 231), „nichts Bittereres gibt es als Armut" (Achik 105), „sogar seinem Nächsten ist der Arme verhaßt" (Prov 14 20), und „wenn er wankt, wird er von seinen Freunden (fort-)gestoßen" (Sir 13 21b ), während der Reiche alle Dinge im Ubermaße hat (Klag d B EBM. 165), „einen Sohn erzeugt, der vorn steht" (bab Koh 240), und „wenn er wankt, von einem Freunde — deren er nach Prov 14 20 eine große Zahl hat — gestützt wird" (Sir 13 21 „) 2 . Freilich hört man auch gelegentlich andere Stimmen: Phokyl 43ff 62 spricht sich sehr skeptisch über den Wert des Besitzes aus, und andere Weise betonen, daß Geld und Gut dem Menschen nur zur Verwaltung, zum Wohltun an anderen anvertraut ist (Ins 15 1 0 . 2 2 Prov 11 24 r Aboth III 1 6 ). Den Weg zu Wohlstand und Ansehen zeigt der Weise, indem er rät, einen ertragreichen Beruf zu ergreifen, d. h. für den Ägypter den des königlichen Beamten 3 ; die bibl Prov empfehlen gelegentlich den Ackerbau 4 . Weiter mahnen die Weisen, im Beruf fleißig und umsichtig zu sein. „Solange sich der Mensch nicht abmüht, wird er nichts erwerben" (bab Sprichw)5, wer faul ist, geht zugrunde (Anii EBM. 295), „die Hand des Fleißigen wird herrschen" (Prov ] 2 deshalb „hasse nicht die mühsame Arbeit" (Sir 7 15 ), sondern „liebe die Arbeit" (Aboth I 10 b', vgl. auch II 2 a ). Besonders Prov 10 ff bieten eine Fülle treffender Sprüche über den Nutzen des Fleißes und die schlimmen Folgen der Faulheit 0 . — Auffallend oft 1 Vgl. hierzu und zum Folgenden H . BRUPPACHEK: Die Beurteilung der Armut im A. T. 1924. 8 Vgl. außerdem ERM. S. 130 ff, bab Prov 50 ff, bibl Prov 10, 6 12, 13,

1 8 , i . 2 j 19