Deutsche Jagdtraktate des 15. und 16. Jahrhunderts, Teil 1 [Reprint 2019 ed.] 9783111371504, 9783111014272

186 19 20MB

German Pages 291 [328] Year 1959

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Deutsche Jagdtraktate des 15. und 16. Jahrhunderts, Teil 1 [Reprint 2019 ed.]
 9783111371504, 9783111014272

Table of contents :
INHALT
VORWORT
VOGELFANG UND HASENSUCHE
DIE HOHENLOHESCHE HANDSCHRIFT. EIN DEUTSCHES JAGDBUCH DES 16. JAHRHUNDERTS
DAS WEIDWERK IN DER HAUSHALTUNG IN VORWERKEN
DAS JAGDBUCH DES CORNELIUS LATOMUS

Citation preview

D E U T S C H E JAGD TRA KT ATE DES 15. UND 16 JAHRHUNDERTS

TEIL I

EINGELEITET UND HERAUSGEGEBEN VON KURT

LINDNER

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. B E R L I N 1959

QUELLEN UND

STUDIEN

ZUR G E S C H I C H T E DER JAGD HERAUSGEGEBEN

KURT

VON

LINDNER

V

Tf

¿

ARCHIV-NR. 64 0283/59

I N H A L T

VORWORT

9

VOGELFANG UND HASENSUCHE EINFÜHRUNG

H

TEXT

19

ANMERKUNGEN

25

D I E HOHENLOHESCHE H A N D S C H R I F T E I N DEUTSCHES JAGDBUCH DES 16. JAHRHUNDERTS EINFÜHRUNG T E X T (HOHENLOHE)

49 75

TEXT (WOLSKEEL)

119

ANMERKUNGEN

123

D A S W E I D W E R K IN DER HAUSHALTUNG IN V O R W E R K E N EINFÜHRUNG

153

TEXT

177

ANMERKUNGEN

199

D A S JAGDBUCH DES CORNELIUS L A T O M U S EINFÜHRUNG

205

TEXT

245

ANMERKUNGEN

283

In dieser Sammlung sind acht deutschsprachige Jagdtexte zusammengefaßt, die mit einer Ausnahme bisher unveröffentlicht sind und hiermit ebenso der jagdhistorischen wie der kultur- und sprachwissenschaftlichen Forschung zugänglich gemacht werden. Ihre Entstehung fällt ins 15. und 16. Jahrhundert. Diese Zeitangabe ist nicht wörtlich zu nehmen. Einerseits entstand die erste Abhandlung, die unter dem Titel Vogelfang und Hasensuche hier vorgelegt wird, wahrscheinlich schon Ende des 14. Jahrhunderts. Sie gehört zu den ältesten deutschen Zeugnissen eines lehrhaften Jagdschrifttums. Andererseits wurde der jüngste der hier vereinigten Traktate, das Waidbuech des Hans Peter von Firdenheim, erst Anfang des 17. Jahrhunderts verfaßt. In ihm spiegelt sich mit besonderer Klarheit der Stand der deutschen Jagdtechnik um das Jahr 1600 wider. Alle acht Texte behandeln das Gebiet der Jagd auf Haarwild und den Vogelfang. Die aus der gleichen Zeit stammenden Abhandlungen über die Beizjagd blieben einer besonderen Veröffentlichung vorbehalten. Wenn auch die meisten der hier vereinigten Traktate erst im 16. Jahrhundert niedergeschrieben wurden, ist ihr Inhalt wesentlich älter. Die wichtigste Entdeckung ist das Wiederauffinden der Lehre vom Arbeiten der Leithunde und der Lehre von des Hirsches Gescheitheit und seinem Wandel, zweier ins 15. Jahrhundert gehöriger Abhandlungen, die eine organische Entwicklung der vermutlich Ende des 14. Jahrhunderts verfaßten Lehre von den Zeichen des Hirsches darstellen und sich aus den jüngeren Handschriften unschwer herausschälen ließen. Damit wird 9

eine bisher schmerzlich empfundene Lücke in der Geschichte deutschen des Jagdschrifttums weitgehend geschlossen. Im übrigen vermitteln die Texte in erster Linie ein Bild der deutschen Jagdtechnik in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, aus der uns bisher nur wenig zuverlässige Zeugnisse zur Verfügung standen, da das deutschsprachige Jagdschrifttum dieser Zeit weitgehend unter den Einfluß der Übersetzungen französischer Jagdlehrbücher geriet. Der Inhalt unserer Traktate erlaubt zukünftig sehr viel zuverlässigere Aussagen über die Technik der deutschen Jagd im 16. Jahrhundert als es bisher der Fall war. Kurt Lindner

10

VOGELFANG UND HASENSUCHE

I Die Universitätsbibliothek München besitzt unter dem Signum 354.8° eine um 1450 entstandene Sammelhandschrift, die als das kostbarste Dokument der lehrhaften deutschen Jagdliteratur aus spätmittelalterlicher Zeit angesehen werden darf. Der Schreiber, dem wir sie verdanken, trug bei ihrer Herstellung zusammen, was er an deutschsprachigen Texten auf diesem Arbeitsgebiet ausfindig machen konnte. Sein unauslöschliches Verdienst besteht darin, uns auf diese Weise die ältesten deutschen Traktate über die Jagd in einmaliger Geschlossenheit, wenn auch nicht immer ganz getreu in der ursprünglichen Fassung, überliefert zu haben. Obgleich die Münchener Handschrift schon an anderer Stelle dieser Sammlung 1 ) eine Würdigung erfuhr, mag hier wiederholt sein, daß sie neben einer Abschrift der Älteren deutschen Habichtslehre und einer Sammlung von Vorschriften über die Behandlung kranker Beizvögel eine wertvolle Fassung der Lehre von den Zeichen des Hirsches und eine Anzahl sehr alter deutscher Weidsprüche enthält. Den Schluß des jagdlich interessanten Teiles unseres Codex bilden die hier erstmals vorgelegte Abhandlung über den Vogelfang und die darauf folgenden Ratschläge zur Beachtung bei der Hasenjagd. Das kleine Werk verdient sowohl wegen seines Inhalts als auch wegen seines Alters unsere Aufmerksamkeit. Um es recht würdigen zu können, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß die europäische Jagdliteratur bis zum Ende des 14. Jahrhunderts kaum didaktische Abhandlungen über den Vogelfang kannte. Die drei großen Sachgebiete Falknerei, Jagd auf Haarwild und Vogelfang wurden ') Kurt Lindner, Die Lehre von den Zeichen des Hirsches, Berlin 1956, S. 30—33.

13

gleichsam stufenweise behandelt. Die dabei beobachtete Reihenfolge war zugleich ein Gradmesser der gesellschaftlichen Wertschätzung. Die Anfänge des Fachschrifttums über die Falknerei lassen sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Schon im 13. Jahrhundert erlebte die Beizjagdliteratur mit Friedrichs II. De arte venandi cum avibus ihren ersten Höhepunkt. Zu dieser Zeit begegnen wir den ersten zaghaften Versuchen, den Rothirsch als vorzüglichstes Jagdwild in den Kreis der Betrachtungen einzubeziehen, aber erst gegen Ende des 13. und im 14. Jahrhundert wurden uns die großen jagdlichen Lehrbücher geschenkt, die wir mit dem Namen Alfons X. von Kastilien, Henri de Ferrifcres als Verfasser des Livre du Roi Modus und Gaston Phoebus Graf von Foix verbinden. Nur in einem von ihnen, im Livre du Roi Modus, wurde — zudem recht beiläufig — auch der Vogelfang behandelt. Die Anfänge des Fachschrifttums über diesen dritten Bereich der Jagd reichen ins 14. Jahrhundert, aber nicht weiter zurück. Als erster bemühte sich um 1305 der Italiener Petrus de Crescentiis2) um eine systematische Darstellung. Sehen wir von seinen sehr gewissenhaften Mitteilungen und den im Livre du Roi Modus erhaltenen Angaben ab, finden wir in der spätmittelalterlichen europäischen Jagdliteratur fast nichts über das kulturgeschichtlich reizvolle Gebiet des Vogelfangs. Neben diese Dokumente aus dem italienischen und dem französischen Sprachbereich ist nun als ältestes deutsches Zeugnis der vorliegende Traktat zu stellen. Von ihm nahm nicht nur die in den nachfolgenden Jahrhunderten so reiche und aussagefreudige deutsche Literatur über den Vogelfang ihren Ausgang, vielmehr verdient er seinen Platz auch aus gesamteuropäischer Schau. Hinsichtlich seines Aufbaus zerfällt das kleine Werk in 2)

Vergl. hierzu Kurt Lindner, Das Jagdbuch des Petrus des Crescentiis, Berlin 1957, S. 74/75.

14

zwei Teile, deren ursprünglicher, unmittelbarer Zusammenhang in Zweifel gezogen werden kann. Der erste (fol. 57 r—62 r) ist dem Vogelfang gewidmet; der zweite, der sich nach drei leeren bzw. durch einen Besitzvermerk gefüllten Seiten (fol. 62 v—63 v), also nach einer deutlichen äußerlichen Trennung, anschließt, behandelt das Verhalten bei der Hasensuche und wird, wieder nach einer freigehaltenen Seite (fol. 66 v), durch einige Worte über das Angehen von Wolf und Fuchs beschlossen. Für die Geschichte der Jagdtechnik sind die Aussagen über den Vogelfang besonders wertvoll. Zwei Jagdarten werden beschrieben: der Fang vorzugsweise von Weindrosseln mit dem Kloben und der Fang von Misteldrosseln und Birkwild mit Leimspindeln. Es scheint keineswegs ein Zufall zu sein, daß aus der Fülle der praktizierten Vogelfangmethoden gerade diese zwei zum Gegenstand einer lehrhaften Darstellung gemacht wurden. Sie waren beide im deutschen Sprachbereich weit verbreitet und mögen bei einer generalisierenden Betrachtung geradezu als Grundtypen des volkstümlichen Vogelfangs gegolten haben. Denn es ist interessant festzustellen, daß die beiden hier beschriebenen Vogelfangmethoden schon in dem um die Wende des 9. zum 10. Jahrhundert entstandenen Waltharilied3) nebeneinander erscheinen: „Nunc fallens visco, nunc fisso denique ligno". Der Inhalt des kleinen Traktats läßt schon erkennen, daß es sich um eine auch ursprünglich deutsche Abhandlung, nicht um die Übersetzung einer fremden Vorlage handelt. Dafür spricht schon die bevorzugte Behandlung des Vogelfangs mit dem Kloben, einer nach Herkommen und Verbreitung typisch germanischen Jagdmethode, deren Stellung im Rahmen der europäischen Jagdtechnik in einer ausführlichen Anmerkung geschildert wurde.

3

) Ausg. Karl Strecker, übers, von Peter Vossen, Berlin 1947, Vers 422, S. 48/49.

15

Den Verfasser unseres Textes kennen wir nicht, auch dürfen wir wohl kaum hoffen, ihn jemals ausfindig zu machen. Die hier wiedergegebene Handschrift verrät uns lediglich, daß wir seine Heimat im südbayerisch-österreichischen Raum zu suchen haben. Aber auch diese Feststellung will nur wenig besagen, da unser Text seinem Inhalt nach überall im ober- oder mitteldeutschen Sprachbereich hätte entstanden sein können. Unsere Handschrift läßt seine erstmalige Aufzeichnung um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert vermuten, doch mag es auch vertretbar sein, sie einige Jahrzehnte früher anzusetzen, da sie uns in Verbindung mit jagdlichen Abhandlungen überliefert ist, die zumindest teilweise ins 14. Jahrhundert gehören.

II Der die Hasensuche behandelnde Teil unseres Traktats (fol. 64 v—66 r) ist uns ungekürzt noch einmal in einer nahezu zwei Jahrhunderte jüngeren Fassung im Jägerbuch des Albrecht Retz (fol. 87 r—88 r) aus dem Jahre 1604 überliefert. Diese im Besitz der Bibliothek Hohenlohe des Hohenloheschen Zentral-Archivs in Neuenstein (Höh. B. 8/15) befindliche Handschrift wurde schon an anderer Stelle 4 ) eingehend gewürdigt. Albrecht Retz verfügte bei Niederschrift seines Werkes über den gleichen Text, der uns in der Münchener Handschrift überliefert ist. Wahrscheinlich enthielt sein Exemplar auch die den Anfang bildenden Angaben über den Vogelfang, die von ihm aber nicht übernommen wurden, weil dieses Gebiet im Jägerbuch unberücksichtigt blieb. Während Retz auch das Schlußkapitel über das Angehen von Wolf und Fuchs *) Kurt Lindner, Die Lehre von den Zeichen des Hirsches, Berlin 1956, S. 76—93.

16

im Ms. 354. 8° (fol. 67 r) nicht kannte, finden wir bei ihm statt dessen einen Abschnitt über das Anlocken eines Marders an eine nicht näher beschriebene Falle durch einen aus zerschnittenen süßen Honigbirnen hergestellten „Zug". Diese kleine Anweisung über die Herrichtung eines Mardergeschleifs paßt nach Sprache und Inhalt so gut zu den anderen Teilen unseres Textes, daß sie sehr wohl zu diesem schon von Anfang an gehört haben kann, doch stehen dieser Annahme insofern gerechte Zweifel entgegen, als wörtlich der gleiche Text im Puech zu der Waidmanschafft5) wiederkehrt, ohne daß die übrigen, das Haarwild betreffenden Teile aus Vogelfang und Hasensuche dort Aufnahme gefunden hätten. Immerhin bleibt die Frage offen, ob es sich bei der Münchener Fassung nur um ein Bruchstück handelt. Für die Arbeitsweise des Albrecht Retz ist es bezeichnend, daß er sich eng an seine Vorlage hielt und weder Streichungen noch Ergänzungen vorzunehmen wagte. Sein Text wurde zu Vergleichszwecken als einzige bislang bekannte Variante der Originalfassung hier beigegeben.

e)

2

S. Teil n S. 55 Kap. 41 fol 20 v.

Deutsche Jagdtraktate I

17

VOGELFANG UND HASENSUCHE

Universitätsbibliothek München Ms 354. 8°

bill du ain guetter voglär mitt dem chlobm 1 ) sein, so bartt, 571 das du ain gueten chlobm habstt vnd ain guette beitte hütt, dy rechtt gemachtt sey, vnd an der mitt mitt drein raifen, vnd aus den selbm raifen gemachtt hin aus dar auf das nikiein2) aus vnd ein lauff vnd von dem selbm stuell3) fürgeschosen estt, dy dir dein fues woll pedechken. wan du siczestt // so pedarftt du nitt 57 v gesmogm 4 ) siczm. Item wan du belestt siczm nach prachvogeln 8 ), istt es in dem bald, so wartt, das du ain valpavm 6 ) habstt auf welher seittm du machtt. do van siez pey X geschritten vnd seez dein nikell nebm des chlobns von der hutt IUI geschritt auff ain stochklein oder bassen 7 ), von der erd ain Span hoch. // vnd stechk neben des 58r chlobens ainer elm ver 8 ) ain stanglein in der gros als ain raiffrang 9 ) in dy erd vnd naig dy stang gar ain benig gegen der hütt, vnd das dy stang gar gelatt sey. vnd stechk dan hintter der stang neben des chlobns pey der hütt ain ranchen astt, der pedechk, das dy vogell das eineziehen nitt sechen. vnd stechk für den // chloben auch ain chlains ranchs astlein, so siczestt du rechtt. 58 t Item findestt du aber dy vogell auff ainer beitt 10 ), da du chain stang machtt gehaben, so seez das nikiein oben auff dy hütt. möchstt du aber ain stang gehabe», so stechk sy für den chlobm pey X geschritten weitt vnd naig dy stang ain bemig 11 ) auf ain seitten, so // siczestt du aber rechtt. 59 r Item ban du zu grossen vogln in dem bald wild siczm, so bartt, das du auff ainer Seiten ain valpavm habstt. da van siez auch pey X geschritten vnd stechk drey Stangen, zbo 12 ) var neben den chloben vnd naig sy gar ain bemig gein der hütt, vnd ain stang var für den chloben ainer span lanchk für din chloben. dy soll nitt genaigett sein, will du siezen // nach chlain vogeln in dem bald, 59 v so lueg, das du ain valpavm oder ain Stauden habstt auf ainer seitten. van dem chloben zbair chlafter lanchk machtt du var dem chloben ain gar chlain reislein haben, ist guett. doch soll es zu nagstt var dem chloben ainer span lanchk sten vnd so sbach sein, 21

das chain vogelein dar auf pesten13) mag, ban sy dar auff bolttm 60 r siezen. // vnd ban du gros oder chlain vogell mitt dem platt 14 ) zu dir pringestt, als paltt der vall chvm, so la dein platten sein vnd raiez sy mitt wispeln15) oder wie do chanstt pis dy vogll wider van dir welm streichin. Itrai wan sy dir nitt mer an ainem siezm aufsten welen, so slach in der hütt dy hentt zu samen, so fliegen sy hin, vnd wan sy 60 t also hin // geflogen sein, so ste auff. vnd also tue albeg zu grosen vnd chlain vogeln, so verpainstt16) du sy nitt. // 61 r Also fach chranbitt17) vogell in dem hirbstt vnd über binttir. mach dir ain pavm, wo dy chranbitt sten. den snaitt aus vnd las dar an estt, dar an du leimspindll18) gestosen mögstt. in den selbm stos leimspindell wie vill du bild. vnd stos sy, wan sich ain 61 v vogell dar an slach, das dan dy spindeil mitt // (mitt) dem vogell her ab an dy erd vall. vnd vmb den pavm mach ain zavn zbair span hoch, das du dy vogell itt verliestt, oder zeuch ain neez dar vmb. vnd vnden in den pavm hach lochkvogll vnd verdechk dy. vnd zu obrestt in den pavm mach ain spen vder zbo mitt 62 r toten fogeln. dan füll dy pälg aus. also // machtt du auch chlain vogll vnd gros oder wo pirchkhan19) ain vall haben fachen, ban du nur guett spen vnd lochkvogell hastt. // 64 v ain hübsche chonstt wer well hassen schiesen vnd pirssen vnd

Jägerbuch des Albrecht Retz, 1604. 87 t

Hassen suchen. Vom hassen. Heutt vnd morgen Sitzt das edle hässlein verborgen. Hinder einem stockh Sitzt das hässlein jhn einem grawen rockh. Warth, auff haß, warth. Hinden baß, rückh baß.

22

sy well zu veld vnd zu holcz an hvnd vinden, der tue also, will du sy in dem veld suechen, so suech sy gegm der svn auffgank also, wan du in ain veld gestt oder reittestt, so lueg mit* gesträuttm 20 ) aug«n in das veld vnd tue ain lautm schray. wo dan ain has in dem veld sicztt, der latt nitt, er heb sich auff vnd lueg, was das sey vnd truchktt sich dan wider, so reitt oder // ge für in hin vnd her 65 r vnder augra vnd tue nitt sam du in sechstt. so sicztt er vastt vnd latt im gar nohntt 21 ) gen vnd wartt albeg, das der wintt von im auff dich ge. aber wan scharff wintt sein, so suech sy in der winttstill hinttir hekm vnd rain vnd hochm stain. Will du sy zu holcz suechm, so suech sy auch gegin der svn auffgank vnd merchk ebm auff dy varb. ab du ain hassen vnder augm siechstt, so hatt er grab vnd sbarcz straim 22 ) an zu sechin. // 65 v da pey erchen, das es ain hass ist. siechstt du in aber auff dy seitm

Wiltu lehrnen wie man hassen suchen vnd schissen vnd ohn hundt finden [soll] zue holtz vnd feldt. Item wiltu sie zue feldt suchen, so such sie gegen der sonnen vffgang. Wan du jhn ein feldt gehest oder raittest, so lug eben vff vnd thue ein lautten schray. Wan dan ein haß sitzet jhm feldt, laß ers nicht. Er hept sich vf vnd luegt, was da sey, vnd dückh sich wider nider. So zeüch für jhn vnder die äugen vnd thue nicht alls du jhn sehest. So sitzt er fast vnd last nahendt gehn. II Vnd das du darnach gehest, das der windt allwegen vom hassen gehe 87 v vf dich. Item wan scharpffe windt seindt, so suche sie jhn der windtstille hinder den höckhen vnd hinder den rainen vnd hohen stainen. Wiltu sie aber zue holtz suchen, so such sie auch gegen der sonnen vfgang vnd merckh vf die färb. Sichestu den hassen vnder den äugen, so hatt er schwartz vnd graw stain an zue sehen. Darbey erkhen, das es ein haß jst. Sichestu jhn aber vf

23

an, da istt er vall. da pey erchen in. siechstt du in hinderbercz, so ist er ain wenig sbarczvalb. vnd lueg in den dichken hölczrn gar eben vnder den staudin vmb geleich als der etbas suech. auch wan es rengtt vnd nas istt, so suech sy in den lauttern hölczern. so siezen sy geleich an dy pavm vnden czwischen den 66 r wurezen. so muestt du gar eben auff // luegen, das du sy nitt übersichstt an der färb, wan er hatt nohen der wurcz färb. // 67 r bill du ain wolff oder ain fugks in ainem veld pereitm, das er sich schiesen latt, so tue also, wo du ain wolff oder fugs in aim veld sechst, so reitt für in, wo er sich hin eher vnd tue geleich sam du sein nitt sechestt. das tue also stäcz, aber er mues an geschray sein, so treibstt du es als lang pis das er sich geleich gar niderlegtt.

der saytten an, da jst er falb. Sichestu jhn hinder Werths an, so jst er ein wenig schwartzfalb. Vnd lug vnder den dickhen Stauden gar eben vnd jhn den höltzern alls ob du sonst etwas suchest. Wan es reget oder naß, so such sie jhn den lautthern höltzen, so sitzen sie gleich an die bäum vnden zwischen die wurtzeln. 88 r Must eben vf Iuegen, das due sie nicht vber // sehest an der färb, dan er hatt nahendt der wurtz färb. Von wolffen, füchs, marder mancherlay. Marder zue fahen. Item jhm herpst vnd wintter nimb der süessen honig biren, Schnaidt sie von einander, zeüg sie durch ein holtz vnd leg sie dan ahn ein statt, da es dickh sey, vnd schlag Zue rings herumb einen hag, mach dan jhns holtz ein fallen. Wo der marder vf den zueg komet, so geht er jhm nach biß zu der fallen.

24

ANMERKUNGEN

1. chloben. Die erste der beiden im vorliegenden Traktat beschriebenen Vogelfangmethoden ist dem Fang mit dem Kloben gewidmet. Jagdsystematisch gehört der Kloben in die Gruppe der Klemmfallen. Er bestand aus zwei gut zueinander passenden Holzstäben, die durch unmittelbaren Druck oder mit Hilfe einer Schnur so zusammengepreßt werden konnten, daß eine Klemmwirkung entstand. Hatte sich ein Vogel auf diesen verräterischen Stab gesetzt, wurde er durch rasches Zusammenpressen der beiden Teile am Ständer oder Fittich gegriffen und am Entkommen gehindert. Anscheinend war der Kloben dem Jagdwesen des Altertums unbekannt, jedenfalls fehlen uns Hinweise auf ihn im antiken Schrifttum, insbesondere sagt die in Virgils Äneis (9, 411/413) erwähnte gespaltene hölzerne Lanze zum Durchbohren der Eingeweide (hasta . . . fisso transit praecordia ligno), auf die Hermann Althof in seiner Walthardi Poesis (2. Teil, Leipzig 1905, S. 148) aufmerksam machte, nichts über seine Existenz im Altertum aus. Der Kloben kann Bestandteil der germanischen Jagdtechnik gewesen sein, obgleich er sich in den jagdgeschichtlich so aufschlußreichen Volksrechten nicht nachweisen läßt. Dieses Fehlen will aber wenig besagen, da er seiner Wirkungsweise nach kaum Veranlassung zum Erlaß von Rechtsvorschriften gab. Greifbar wird er für uns als Element der Jagdtechnik erst in karolingischer Zeit. In dem um die Wende des 9. zum 10. Jahrhundert entstandenen lateinisch geschriebenen Waltharilied (Vers 422, Ausg. Karl Strecker, übers, von Peter Vossen, Berlin 1947, S. 48/49) stoßen wir auf den Vogelfang mit gespaltenen Hölzern (nunc fisso denique ligno), d. h. auf den Kloben. Um die Jahrtausendwende begegnet uns das deutsche Wort in den Psalmen Notkers III Labeo (Ps. 123, 7, Ausg. Paul Piper, Die Schriften Notkers, Bd. II, Freiburg i. Br. und Tübingen 1883, S. 554): Vnser sela ist irloset üzzer dero fogelaro chlöben, anima nostra . . . . erepta est de muscipula uenantium. Auffällig ist, daß kein allgemein gültiger lateinischer terminus im Gebrauch war, was nicht zuletzt auf das Fehlen einer klassischen Tradition hinweist. Im Waltharilied treffen wir nur auf das lignum fissum, bei Notker mangels besserer Ausdrucksmöglichkeit auf die jagdliche Mausefalle, obgleich die antike muscipula keinerlei Ähnlichkeit mit dem Kloben hatte. In einem im Besitz der österreichischen Nationalbibliothek in Wien befindlichen, aus dem frühen 15. Jahrhd. stammenden lateinisch-deutschen Glossar

27

(Cod. Vindob. 4535 fol. 245 v) lesen wir peridica vogil clobe. An anderen Stellen (L. Diefenbach, Novum glossarium latino-germ. mediae et infimae aetatis, Frankfurt/M. 1867) peridica klob,fogelclobe (426 c ), aber auch pedica clobe, vogilklob, kloben (420 a ) neben cipio, baculus ad capiendttm aves aptus vogelklob (121*) und cippa klobe (121*). Selten ist amis ein clobe, klob (30b). Peridica leitet sich von pertica her, einem Ausdruck, der schlechthin Stange oder langer Stock bedeutete, aber schon im Altertum im besonderen für die Sitzstange der Vögel im Vogelhause Anwendung fand und im Mittelalter den Sinn von Reck, der Stange zum Absetzen der Beizvögel erhielt. Pertica kommt der Bedeutung des Wortes Kloben, sofern man von dessen inhärentem Sinngehalt des gespaltenen Steckens absieht, auch insofern am nächsten, als darunter gleicherweise ein Stock zum Abschlagen oder Abstreifen von Früchten verstanden wurde. Daß daneben für den Kloben das Wort pedica gebraucht wurde, kann nicht überraschen, denn es handelte sich tatsächlich um eine Fußfalle. Sowohl im alts. als auch im mhd. hatte Kloben zugleich die Bedeutung von Fessel, Fußfessel. Cipio und cippa sind mit cippus, einer hölzernen Spitzsäule verwandt. Für amis finden wir neben Kloben in den Glossaren auch noch die Übersetzung jegergabel, ein holz daz geschaffen ist als ein gabeln (30°). Diese Erläuterung entsprach weit mehr dem klassischen Sinn dieses Wortes. Arnes war im Altertum die Stellgabel zum Ausspannen der Netze beim Vogelfang. Die gabelförmige Gestalt dürfte auch für die Bedeutung ames = Jule als Sitzgelegenheit für Beizvögel maßgebend gewesen sein. Seit dem 10. Jahrhundert läßt sich auch die Gleichstellung von aucipula fugulclouv nachweisen (Steinmeyer-Sievers, Die althochdeutschen Glossen, IV, 245, 25 u. V, 47,12, a. III, 140, A. 14). Petrus de Crescentiis benutzte brenexellus. In der mhd. Dichtung finden wir den Kloben nicht selten, zum Teil auch im übertragenen Sinne erwähnt. In dem im vorletzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstandenen Lohengrin (V. 3167—3170) ist von der um König Heinrich I gebildeten Legende die Rede, er habe gerade mit dem Kloben Vögel gefangen, als ihm die Königswürde angetragen wurde: man in schimpfe in nante den vogeleere, do er ze künege wart genomen unde der Pürsten boten nach im waren komen, mit einem kloben er vogelt, daz bräht daz mcere. Offen bleibt vorläufig die Frage, ob der Kloben als jagdliches Hilfsmittel eine technische Entwicklung durchgemacht hat oder von Anfang an jene konstruktive Ausbildung aufwies, die wir aus den Beschreibungen seit dem 14. Jahrhundert kennen. Es bedarf noch der weiteren Prüfung, ob die zur raschen und wirksamen Handhabung dienende Zugschnur eine spätere Zutat ist. Im Waltharilied ist allein von gespaltenen Hölzern die

28

Rede. Das ahd. klobo, chlobo, mhd. klobe hat sinngemäß den gleichen Ursprung. Es gehört zu ahd. klioban und geht auf mhd. kiteben — spalten zurück. Anfänglich war ein klobe dem Namen nach nur ein gespaltenes Stück Holz, mit dem sich die Bedeutung des Klemmens, Festhaltens verband. Auch die Beschreibung, die uns Petrus de Crescentiis (Lib. X, Kap. XXVIII, Augsburg 1471) gab, enthält noch nichts, was auf das Vorhandensein der Zugschnur hindeutet: „So werden kleine Vögelchen auf dem Kloben mit Hilfe eines Lockkauzes gefangen, was allen so ziemlich bekannt ist. Aber es ist wissenwert, daß sie auf diese Weise nicht allein mit einem Lockkauz sondern auch mit einem Katzenkopf gefangen werden können, denn die Vögel kommen auch zu diesem. Nicht allein mit dem Kloben, der aus zwei dünnen Stäben besteht, . . .". (Uno modo ad brenexellum cum gimecta quo parvae capiuntur aviculae, qui omnibus fere notus est. Sed est sciendum quod hoc modo capi possunt non solum cum gimecta, sed etiam cum capite catte, nam ad ipsum avicule veniunt. Item non solum cum brenexello qui ex duabus yirgulis constat . ..). Es ist aufschlußreich, die technische Entwicklung des Klobens an den Miniaturen in den Handschriften von Thomasin von Zirklaeres Wälscher Gast zu verfolgen. Die älteste Klobendarstellung in dem aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammenden, in bayerisch-österreichischem Dialekt geschriebenen Cod. Pal. Germ. 389 der Universitätsbibliothek Heidelberg (Tafel 2) weist bereits in unerwarteter Deutlichkeit die Zugschnur auf und läßt keinen Zweifel, daß diese technische Verbesserung zumindest seit jener Zeit bekannt war. Im Jahre 1340 entstand im ostfränkischen Raum die in der Landesbibliothek Gotha aufbewahrte Handschrift (Cod. Goth. Membr. 1120), deren Klobenbild (Tafel 3 oben) sich nicht nur eng an die ältere Heidelberger Vorlage anlehnt, sondern diese auch an den beschädigten Stellen zu ergänzen erlaubt. Wenn im ganzen die Szene im Gothaer Codex auch weit ungelenker zur Darstellung kam, so blieb die Zugschnur doch gut erhalten. Nur wenig jünger ist das im Jahre 1359 im bairisch-österreichischen Raum geschaffene Bild (Tafel 3 unten) im Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek (Ms. Poet. fol. 1), dessen Qualität kaum noch mit der der Heidelberger Handschrift verglichen werden kann. Trotz starker Stilisierungstendenz ist aber deutlich erkennbar, daß zumindest der Kloben des rechten Vogelfängers durch eine Zugschnur bedient wurde. Einen anderen Eindruck vermitteln die aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammenden Miniaturen zum Wälschen Gast. Eine zwischen 1410 und 1420 entstandene bayerische Handschrift der Universitätbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. Germ. 330) zeigt zwei Vogelfänger mit Kloben (Tafel 4) von offenbar altertümlicher

29

Form. Die Stäbe sind auf rund dreiviertel ihrer Länge gespalten und federn etwas auseinander. Die Klemmwirkung scheint nur durch Zusammendrücken an der Gabelung herbeigeführt worden zu sein. Das gleiche gilt von den dieser Heidelberger Miniatur eng verwandten Bildern sowohl in der Anfang des 15. Jahrhunderts entstandenen ostmitteldeutschen Handschrift der Bayerischen Staatsbibliothek (Cgm. 571, Tafel 5) als auch von dem in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts gehörigen ostfränkischen Text der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel (Hs. 37. 19. Aug. 2°, Tafel 6). Auf Grund dieses späten Entfallens der Zugschnur im Bildmaterial hat es somit zunächst noch als ungewiß zu gelten, ob wir beim Kloben die Zugschnur bereits als ursprüngliche Zutat oder erst als ein Element der späteren Entwicklung anzusehen haben. Oft genug trügen Miniaturen und Federzeichnungen, wenn sie der Hand eines mit dem Gegenstand seiner Darstellung nicht vertrauten Künstlers entstammen. Die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandenen Miniaturen zum Wälschen Gast lassen bei den Klobendarstellungen die Zugschnur wieder erkennen. Die in der aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammenden Handschrift der Sächsischen Landesbibliothek Dresden (Ms. Dresd. M. 67) enthaltene Miniatur zeigt einen mit Hilfe einer Zugschnur betätigten, auf einer Gabel gelagerten Kloben (Tafel 7), während bei einem tun 1470 entstandenen schwäbischen Manuskript der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. Germ. 320) zumindest die am Ende des Klobens anfassende Betätigungsschnur zu sehen ist (Tafel 8). Die bei den Illustrationen zum Wälschen Gast festgestellten Widersprüche finden wir in gleicher Weise bei den Miniaturen zum Roi Modus. Während die Darstellung des Vogelfangs mit dem Kloben im Ms. fr. 12399 der Bibliothèque Nationale in Paris (fol. 93v, Tafel 9 oben) vom Jahre 1379 deutlich die im dazugehörigen Text ausdrücklich erwähnte Zugschnur erkennen läßt, fehlt auf anderen Roi-Modus-Bildern, beispielsweise in den Handschriften in Berlin (Tafel 9 unten) und Kopenhagen (Tafel 10), die Zugschnur durchaus. Dies mag als Hinweis dienen, daß die technische Aussagekraft all dieser Bilder nicht überschätzt werden darf. Zu den besten deutschen Darstellungen des Klobens gehört die Miniatur aus dem Hausbuch der Mendel'schen Zwölfbrüderstiftung in Nürnberg (Tafel 11), auf der ein im Jahre 1481 verstorbener Vogelfänger mit Fanggerät und ambulanter Hütte abgebildet ist. Unser vorliegender Traktat, der allerdings eine technische Beschreibung des Klobens vermissen läßt, erwähnt die Zugschnur nicht. Um die Wende des 15. zum 16. Jahrhunderts scheint sie sich, sofern sie nicht von Anfang an dazugehörte, allenthalben durchgesetzt zu haben. In den Brösamlin des

30

elsässischen Volkspredigers Johann Geiler von Kaysersberg (1517, fol.91 a) heißt es sehr anschaulich: ir wisset wol, wasz ein clob ist-, es ist ein gespaltener stecken, da gat ein schnuor durch und sitzen die vögel daruff, so zilcht er dann die scbnuor und erwischet etwan ein vögelein bei den fetichin oder bei dem köpflin, etwann bei dem clewelin. Das ahd. klobo führte auch zu verwandten Ausdrücken im romanischen Sprachbereich, wobei dahingestellt sein mag, inwieweit für Wortbildungen in Nordfrankreich altsächsische und altfriesische, in Südfrankreich und Oberitalien gotische Vorbilder maßgebend waren. Entscheidend ist, daß mit keinem dieser Worte ein Hilfsmittel für den Vogelfang bezeichnet wurde. Allerdings erhielt sich der Grundgedanke des gegabelten Holzes, vornehmlich im Sinn einer Stange zum Abpflücken oder Abschlagen des Obstes. (Vergl. Walther von Wartburg, Franz. Etym. Wörterbuch, 2. Band, 1949, S. 789/790, voc. klobo; W. Meyer-Lübke, Romanisches etymologisches Wörterbuch, 3. Aufl. Heidelberg 1935, S. 323.) Da der Eingang des germanischen Wortstammes in den Sprachschatz der romanischen Völker ungefähr im sechsten Jahrhundert erfolgt sein dürfte, besteht Anlaß zu der Vermutung, daß zu dieser Zeit die Technik des Vogelfangs mit dem Kloben noch unbekannt war. Dies spricht erneut dafür, ihre Anfänge in karolingischer Zeit zu suchen. In den romanischen Sprachen finden wir für den Kloben als Instrument des Vogelfangs das nfr. Wort brat in den Formen afr. broi, it. brete, aprov. bret, eng verwandt mit unserem deutschen Wort Brett, (Vergl. auch Walther von Wartburg, a. a. O., 1. Band, 1948, S. 517/518, voc. bret). Gunnar Tilander hat die damit zusammenhängenden Wortformen sorgsam untersucht und sich dabei vorzugsweise auf die aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts stammenden Erscheinungsformen im Roman de Renart gestützt (Remarques sur le Roman de Renart, Göteborg 1923, S. 142/144). Entscheidend bleibt die Tatsache, daß ein dem Germanischen entstammendes Wort zum Ausgangspunkt für die romanische Sprachentwicklung wurde. Wir dürfen darin ein deutliches Zeichen dafür sehen, daß die west- und südeuropäischen Völker mit diesem Instrument der Jagdtechnik erst durch ihre Berührung mit germanischen Volksteilen bekannt wurden. Der Ausdruck bret bot sich ihnen als terminus technicus an, da der Kloben praktisch aus zwei ineinander eingreifenden Brettern bestand. Wohl die älteste Beschreibung des Vogelfangs mit dem Kloben in der französischen Jagdliteratur finden wir bei Henri de Ferneres in den Livres du Roy Modus et de la Royne Ratio in Abschnitt „ G devise comment l'en prent les oysiaus a breulier" (Ausg. Gunnar Tilander, Bd. I, Paris 1932, S. 295—297; vergl. auch Gunnar Tilander, Le livre

31

de chasse du Roy Modus, transcrit en français moderne, Paris 1931, S. 179—181). Die Darstellung in diesem großen, im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts entstandenen Jagdwerk ist vermutlich einige Jahrzehnte älter als unser deutscher Text. Da er in seiner Anschaulichkeit kaum zu übertreffen ist, mag er hier in seinem ganzen Wortlaut in deutscher Übersetzung wiedergegeben sein : „Wie man Weindrosseln mit dem Kloben fängt. — Der Schüler fragte, wie man Weindrosseln mit dem Kloben fängt. — Modus antwortete : Dies ist eine sehr amüsante Jagdart, welche im September stattfindet, weil zu dieser Zeit große Scharen Weindrosseln zu den Weinbergen kommen, um die reifen Weinbeeren zu fressen. Mache im Weinberg eine Hütte von abgebrochenen Zweigen, groß genug, daß drei oder vier Männer darin Platz finden. Sie müssen gut verdeckt sein und jeder möge in seiner Hand einen Kloben haben, den er durch die Zweige der Hütte steckt. Ein Käuzchen wird auf eine lange Stange gesetzt, die bis in das Innere der Hütte reicht, so daß man es von Zeit zu Zeit anregen kann. Achte darauf, alle Stäbe zum Befestigen der Rebstöcke um die Hütte zu entfernen, daß sich die Weindrosseln nicht auf diese setzen können. Einer der Jäger muß die Vögel mit einem durchlöcherten Efeublatt anlocken und leise darauf pfeifen. Die Weindrosseln werden sich sogleich auf den Kloben niedersetzen. Die Männer, die diese halten, ziehen die Schnur, die den Kloben schließt, so daß die Weindrossel an den Füßen gegriffen wird. Dies ist eine der amüsantesten Jagdarten der Welt, und wenn Du an einem Ort bist, wo es viele Weindrosseln gibt, kannst Du ihrer so viele nehmen, wie Du willst. Wenn alle Weinberge bis auf einen abgeerntet sind, ist dieser der beste Platz für den Vogelfang mit dem Kloben. — Jetzt werde ich Dir sagen, wie der Kloben konstruiert ist. Wenn Du einen guten Kloben herstellen willst, solltest Du trockenes knotenloses Eichenholz nehmen, in vier Teile gespalten und wie ein Bogen mit dem Hobel geglättet. Er möge vier Fuß lang sein und aus zwei Leisten bestehen, deren stärkere in ihrer ganzen Länge ausgefräst sein soll, deren andere aber so exakt in die Nut eingreifen muß, daß selbst der Fuß des kleinsten Vögelchens nicht herausrutschen kann. Du mußt die zwei Leisten mit im Zickzack angeordneten Löchern versehen, in die Du eine sehr feste Hanfschnur in der Weise einziehst, wie Du dies in der Abbildung siehst. Wenn man an der Schnur zieht, schließt sich der Kloben. Denke daran, daß man beim Zurückziehen des Klobens die Schnur ordentlich festhalten muß, wenn der Vogel gegriffen ist, denn wenn Du die Schnur lockerst, entfliegt der Vogel. Du sollst auch einen Griff machen, welcher fast ebenso lang sein kann wie die zwei Leisten und stark genug, um am Ende ein Loch zu haben, in welches die zwei Leisten hineingesteckt

32

werden körinen. Deren Enden sollen vorne so zugerichtet sein, daß sie auseinander springen. Natürlich darf man die Leisten nicht zusammenhalten, wenn man den Kloben auslegt. — Jetzt habe ich Dir erklärt, wie man einen Kloben macht, nun werde ich Dir eine andere Art schildern, wie Du Dich seiner bedienen kannst. Du sollst eine Traghütte aus Buchenzweigen machen. Nimm Deinen Kloben und Dein Käuzchen und gehe von einem Ort zum andern durch den Wald. Wenn Du Vögel findest, stellst Du Deine Hütte auf einen offenen Platz und schiebst auf der einen Seite das Käuzchen, auf der anderen den Kloben hinaus. Locke die Vögel mit dem Efeublatt und pfeife in der Art, wie ich Dir oben gesagt habe. Du kannst auf diese Weise eine große Menge Vögel fangen. — Es gibt auch noch eine andere Art, mit dem Kloben zu jagen. Wenn große Trockenheit im Sommer herrscht und die Vögel nichts zu trinken finden, gehe mit einigen Begleitern zu einem Platz im Wald, wo es Wasser gibt, beispielsweise einem See oder einem Teich. Mache eine Hütte für jeden Jäger nahe am Ufer, so daß an beiden Seiten Wasser ist, stecke den Kloben aus dieser heraus, dann werden sich die Vögel, die zur Tränke kommen, darauf setzen, so daß sie gegriffen werden können. Dies ist auch eine sehr amüsante Jagd." Diese Roi-Modus-Darstellung enthält alles Wissenswerte über den Vogelfang mit dem Kloben. Sie zeigt, daß eine unerläßliche Voraussetzung für den jagdlichen Erfolg die Hütte war, von der aus der Klemmstab bedient wurde. Wir finden sie hier in einer fest mit dem Boden verbundenen und einer ambulanten Form erwähnt, die sich beide auch im jüngeren Schrifttum nachweisen lassen. Schon Petrus de Crescentiis sprach von einem leichten Umhang aus Reifen und belaubten Zweigen, den der Vogelfänger über sich stülpte, um sich auf diese Weise zu verbergen (Lib. X , Kap. X X V I I I , Augsburg 1471, „ . . . si aucupator supra se deferat leve instrumentum es vinculis frondibusque constrictum, quo valeat occultari . . . " ) . Und als weiteres Hilfsmittel begegnet uns bei ihm wie im Roi Modus und in unserer kleinen deutschen Beschreibung das Blatt zum Anlocken der Vögel (ebenda, „nec est necesse aviculas excitari solo sono folii arboris severis ut communiter sit"). Zur Darstellung des Petrus de Crescentiis paßt die wohl beste Miniatur eines mit dem Kloben arbeitenden Vogelfängers, die wir besitzen. Sie ist oberitalienischer Herkunft und stammt vom Ende des 14. Jahrhunderts. (S. Mario Borsa, La caccia nel Milanese dalle origini ai giorni nostri, Mailand 1924, S. 81). Der mit einem kurzen Wams bekleidete Jäger trägt auf dem Rücken den von mehreren Reifen gebildeten und mit Zweigen besteckten Korb, der ihm übergestülpt als Tarnung diente. In seiner Rechten hält er den mit 3

Deutsche Jagdtraktate I

33

der Zugschnur versehen Kloben, auf der Linken sitzt ihm der an zwei ledernen Kurzfesseln angeschirrte Lockkauz. Während dieseJagdmethode im hohen Mittelalter offensichtlich in Deutschland, Italien und Frankreich in gleicher Weise betrieben wurde, ist in der nachfolgenden Zeit ihre sinkende Bedeutung im romanischen Sprachbereich unverkennbar. Das Bild mehrerer Vogelfänger mit dem Kloben, das Johann Stradanus schuf (Tafel 12), geht vermutlich auf Erfahrungen zurück, die der Künstler während seines langjährigen Aufenthaltes in Italien sammelte. Es zeigt drei durch angesteckte Zweige gut getarnte Vogelfänger, die alle einen sehr einfachen, schnurlosen Kloben bedienen. Der hüttenlose Betrieb des Vogelfanges mit dem Kloben war wahrscheinlich die altertümlichste Form dieser Jagdart. Sie mag sich in einzelnen Gegenden bis ins 16. Jahrhundert erhalten haben. Die grundlegenden italienischen Werke des 16., 17. und 18. Jahrhunderts über den Vogelfang erwähnen den Kloben nicht. Wir suchen bei Agostino Gallo (1566), Antonio Valli da Todi (1601), Eugenio Raimondi (1621), Gio. Pietro Olina (1622) und Bartolomeo Alberti (1716) vergeblich nach einer Beschreibung dieser Technik. Nur der phantasievolle Bologneser Maler Gioseffo Maria Mitelli empfahl in seinem 1684 erschienenen, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in italienischer und deutscher Sprache mehrfach aufgelegten Buch „Caccia Giocosa" drei nach dem Klemmprinzip wirkende Fallen für den Vogelfang, die ihrer Natur nach die Kenntnis des Klobens voraussetzen. Sie scheinen aber niemals Heimatrechte in Italien erworben zu haben und waren wohl auch sonst nirgends im Gebrauch, lediglich Ernest Parent (Le livre de toutes les chasses, Brüssel und Paris 1865, S. 35) erwähnt sie im jüngeren Schrifttum noch einmal, ohne ihre Anwendung unmittelbar nachzuweisen. Jedenfalls war der Kloben in seiner klassischen Gestalt kein Bestandteil des italienischen Vogelfanges in neuerer Zeit. Ahnlich lagen die Dinge in Frankreich, wo der Kloben als jagdliches Hilfsmittel nach der im Roi Modus gegebenen Darstellung so gut wie ganz aus dem Gesichtskreis der Jagdschriftsteller verschwand. Zwar wird er noch bei dem zuverlässigen Pierre Belon (1555) erwähnt, aber die Klassiker der französischen Vogelfangliteratur, François Fortin (1660) und Louis Liger (1709) kennen ihn nicht. Um so beachtlicher ist eine Bemerkung in Bulliard's erstmalig 1778 erschienenen Aviceptologie Françoise, in der wir unter dem Titel „Du Brai" nicht nur eine recht gewissenhafte Beschreibung, sondern auch eine Abbildung de Klobens finden (Tafel 13). Es heißt dort, diese Jagdart sei in der Umgebung von Paris und in einer großen Zahl französischer Provinzen

34

unbekannt, jedoch seht alt und viel angewandt in Lothringen, der Auvergne und Burgund. Sie lebte also in jenen östlichen und südöstlichen Gebieten Frankreichs fort, die zum großen Teil lange Zeit hindurch eng mit dem Reich verbunden waren, wobei nicht vergessen sei, daß auch Henri de Ferrières, der Verfasser der Beschreibung dieser Vogelfangmethode im Roi Modus, aus der Normandie, also einer stark germanisch beeinflußten Landschaft Frankreichs stammte (L. Foulet, Le Roman de Renart, Paris 1914, S. 118). Bulliard sagt, daß man mit dem Kloben Rotkehlchen, Baumläufer, Zaunkönige, Grasmücken, Meisen und Grünfinken fange. Die burgundischen Vogelfänger seien besonders erfolgreich, weil sie sich der beweglichen, sehr engen Traghütte bedienten. Eine solche finden wir auch in Diderot und d'Alambert's Encyclopédie (Voc. Chasses, Tafel XVI, Fig. 2, s. Tafel 14) abgebildet und im Zusammenhang mit der chasse des oiseaux au panier, d. h. der Vogeljagd mit dem Korb (S. 29) beschrieben. Diese dem Vogelfang mit dem Kloben eng verwandte Jagdmethode wurde — wie mir scheint — zuerst in dem 1714 in Amsterdam erschienenen Traitté de toute sorte de chasse et de pêche (Bd. I, 3. Buch, Kap. X, S. 292/293 und Tafel 47 Fig. 99), einer auf Fortin und Liger fußenden kompilatorischen Arbeit mit gewissen eigenen Zutaten, dargestellt. Diese Beschreibung diente Diderot und d'Alambert als Vorlage. Bulliards Feststellungen über das Verbreitungsgebiet des Klobens in Frankreich werden durch Édouard Mérite (Les pièges, Paris 1942, S. 46/47) bestätigt, der den brai nur fur Burgund und die Provence (Tafel 15 oben) nachweist. Im wesentlichen identisch sind A. Pairault's Angaben (Nouveau dictionnaire des chasses, Paris 1885, S. 31), denen zufolge nur den Bewohnern der Dauphiné, der Languedoc, Burgunds und der Auvergne der Kloben bekannt war. In England und auf der iberischen Halbinsel ist sein Gebrauch nicht bezeugt. Ganz anders lagen die Dinge im deutschen Sprachbereich, wo wir den Vogelfang mit dem Kloben bis ins 18., ja selbst 19. Jahrhundert bei jedem Jagdschriftsteller erwähnt finden. Die deutsche Jagdliteratur verfügt über die ausfuhrlichste und aufschlußreichste Arbeit über dieses Thema in dem noch ungedruckten „KunstWeydny- oder Vogelbuoch" des Züricher Bürgers Jodocus Oesenbry vom Jahre 1575. Dieses Werk, das zeitlich an der Spitze des ganzen europäischen Fachschrifttums über den Vogelfang steht, wird erst nach seiner Veröffentlichung der jagdhistorischen Forschung zugänglich sein. Das mit einer Fülle eindrucksvoller farbiger Bilder geschmückte Original, das während der Amtszeit Oesenbry's als Pfarrer in Thalwil entstand, befin-

35

det sich in der Zentralbibliothek Zürich. Eine jüngere Abschrift aus der Wende des 16. zum 17. Jahrhunderts mit leider nur roh angedeuteten, meist sogar ganz fehlenden Bildern besitzt die Universitätsbibliothek Basel (K II 16). Johann Coler erzählt uns in seinem 1600 in Wittenberg erschienenen „Oeconomiae oder Haußbuchs Fünffte Theil" (XV. Buch, Kap. XXVII) sehr lebendig, er habe im Vogtland zugeschaut, wie die Leute Vögel mit dem Kloben gefangen hätten. Die zwei „ziemlich langen Ruten oder Stecken" des Klobens beschreibt er so, wie sie uns durch die Schilderung im Roi Modus bekannt sind. Großer Wert wurde auf genauen Paßsitz gelegt. Am unteren Ende, das sich in der Hand des Vogelfängers befand, waren die Leisten so zugerichtet, daß sie durch Zusammendrücken mit einem Holzgriff, der beide Stecken umfaßte, am oberen Ende leicht auseinanderfederten. Durch diese Spannung wurden die beiden Hölzer des fängischen Klobens auseinandergehalten. Sobald ein Vogel sich darauf setzte, zog der Vogelfänger die Stäbe mit Hilfe der Zugschnur zusammen. Die Hütte wurde zu Coler's Zeit nicht immer aus grünem Reisig, sondern gelegentlich auch aus grüner Leinewand hergestellt. Gefangen wurden nach seinen Worten nur Meisen. Unter dem Kloben hing eine gute Lockmeise im Bauer. Mit einer als Meisenbeinlein bezeichneten Pfeife wurden die Vögel herangeholt. Betrieben wurde der Vogelfang mit dem Kloben von Mitte Juli (drey oder vier wochen vor Laurenti, 10. August) bis Ende September (bis schier vmb Michaelis, 29. September). Nach Johann Conrad Aitinger (Kurtzer vnd einfältiger Bericht Vom Vogelstellen Cassel 1653, 3. Teil, Kap. 12 und 31), dem wir im deutschen Schrifttum eine der lebendigsten Darstellungen verdanken, begann diese Jagdart schon um Johanni (24. Juni) und dauerte bis Bartholomäi (24. August) oder Michaelis. Die Jagdsaison waren demnach die Monate Juli bis September. Um eine Hütte herzurichten, wurden nach Aitinger einige Stäbe oder Reifen entsprechend gebogen, gut getrocknet und endlich zusammengebunden oder genagelt. „Dieses Corpus" überzog man dann mit blauer oder grüner Leinewand. Die Form sollte mehr länglich als rund sein, so daß sich der Jäger besser darin bewegen konnte. Mit Tüchern aus Sackleinen dichtete man im Innern das Loch ab, durch das der Kloben herausgesteckt wurde. Oben in der Mitte blieb die Hütte offen, war aber durch einen Deckel verschließbar. „Wann der Weidmann mit der Hütten vmbher gehet / strecket er den Kopff durch das Loch / daß die Hütte ihme auff beyden Achseln hencken bleibet / biß er Vögel höret / . . . So er was vernimpt / setzt er sich schnell vnd eylends mit der Hütten vnter /

36

scheubt den Deckel oben vor / ordnet den Kautz forne vor das Loch / bladet vnd stecket den Kloben aus / . . ." (S. 246/247). Innerhalb der Hütte •war eine feste Auflage für den Kloben vorgesehen, in der dieser mit eisernen Federn befestigt war, so daß man mit der rechten Hand hart und schnell den Kloben zu- und hineinziehen konnte, die Linke aber zum Abnehmen der Vögel frei hatte. Diese Technik sollte zuvor fleißig geübt werden, da man gleichmäßig und gerade ziehen mußte, vor allem aber durch Zittern die Vögel nicht mißtrauisch machen und zum Abstreichen veranlassen durfte. Die Hütte wurde äußerlich allmorgendlich mit frischem Buchenlaub besteckt, so daß sie einen Busch vortäuschte. Sorgfältig war darauf zu achten, daß die Blätter nicht umgekehrt waren, da dies besonders die größeren Vögel, die Verdacht schöpften, scheu machte. An heißen Tagen war es empfehlenswert, die Zweige an der Hütte mehrfach zu erneuern. Gefangen wurden nach Aitingers Angaben auf diese Weise fast alle Waldvögel mit Ausnahme des großen Federwildbrets. Der Weidmann mußte am Geschrei erkennen, welche Vogelarten in der Nähe waren. Für die kleinen Vögel wurde der Kloben weniger weit geöffneals für die großen. Interessant sind die Beobachtungen unseres Gewährsmannes über das Verhalten der verschiedenen Arten beim Einfallen. Der Eichelhäher ließ sich in der Regel direkt auf dem Kloben nieder. Amseln und Drosseln hüpften erst etwas längs davon und setzten dann auf. Amseln liebten vor allem altes Lagerholz oder abgehauene Bäume in der Nähe des Klobens. Die Meisen fielen dagegen schnell und geradezu fürwitzig ein. Für sie wurden auch Hütten an den Spitzen hoher Tannen errichtet. Diese galten aber wegen des mühsamen Aufsteigens als gefährlich. Aitinger berichtet (S. 324), er habe im Jahre 1600 bei einem Aufenthalt in Crain an einem Morgen zusammen mit einem Angehörigen, der geübter gewesen sei als er selbst, einige achtzig Meisen gefangen. Man finde dort kleine Knaben, die an einem Morgen zwei- bis dreihundert Meisen zu greifen verstünden und zum Markt brächten. Sie hätten auch ein Geschick, mit einer Nadel einen starken doppelten Faden durch deren Nasenlöcher zu ziehen, um die Tiere außen an der Hütte neben dem Kloben festzubinden, so daß ihre Artgenossen umso stärker gereizt wurden, sich auf dem Kloben niederzulassen. Die Meisenkloben waren etwas schmaler als die üblichen, offenbar den kleinen Füßen dieser zierlichen Vogelart angepaßt. Gelockt wurde mit ein oder zwei „Meisenbeinlein", die aus Gänseknochen hergestellt waren. Aitingers lebendiger Bericht wirkte längere Zeit im Fachschrifttum nach. So stützte sich beispielsweise der ohnedies wenig originelle Christoph von Hellwig, der unter dem Pseudonym Caspar Schroeder schrieb, in

37

seinem zwischen 1717 und 1762 viermal aufgelegten Werk „Neue Lustige und vollständige Jagd-Kunst" auf ihn. Daß gerade in Österreich der Vogelfang mit dem Kloben weit verbreitet war, entnehmen wir Frhr. Wolf Helmhard von Hohbergs „Georgica curiosa aucta oder Adelichen Land- und Feld-Lebens Anderer Theil" (Nürnberg 1701, S. 834). Bei ihm heißt es: „Wie die Kloben gemacht werden / wissen auch bey uns die Kinder / daher unnoth viel Wort davon zu verlieben". Hohberg schildert ebenfalls eine Hütte in der Art eines Hochsitzes. Man pflegte sie auf einem Wagenrad Zu errichten, um hinlänglich fest zu sitzen. Auch war eine kleine Anhöhe zwischen zwei Berghängen ein guter Platz. Übereinstimmend mit Aitinger berichtet Hohberg, daß die Jäger zwei aus Gänsebeinen oder Federkielen hergestellte Pfeifchen bei sich hatten, von denen das eine etwas höher, das andere etwas niedriger gestimmt war. Mit dem letzteren ahmte man den üblichen Ruf der Meisen, mit dem ersteren bisweilen, wenn auch seltener ihr Angstgeschrei — Hohberg nennt es Zizipee, Aitinger Zinziberr — nach. Johann Christoph Thiemen's Darstellung (Haus-, Feld-, Arzney-, Koch-, Kunst- und Wunderbuch, Nürnberg 1682, 14. Teil, Kap. 16, S. 1588) über den Meisenfang mit dem Kloben bringt nicht viel Neues. Franciscus Philippus Florinus bestätigt in seinem „Oeconomus prudens et legalis continuatus" (Nürnberg 1719, Bd. II, S. 354, s. a. Tafel 15 unten) die Angaben der älteren Autoren, gibt vor, selbst nur den Meisenfang zu kennen, vom Fang größerer Vögel mit dem Kloben dagegen aus eigener Erfahrung nicht berichten zu können. Das Hauptaugenmerk sei auf einen guten Kloben, eine rechte Hütte — auch ihm ist die auf drei eng beieinander stehenden Bäumen errichtete Hochhütte bekannt — und auf die „wohlsingende Maisen-Lock", also den Lockvogel zu legen. Die Darstellung Hans Friedrich von Flemings in „Des Vollkommenen Teutschen Jägers Anderer Haupt-Theil" (Leipzig 1724, S. 327) ist wenig lebendig und erweckt nicht den Eindruck, als ob der adlige Schriftsteller jemals diese Art des Vogelfangs — er spricht als Sachse immer vom Globen — selbst ausgeübt habe. Umso anschaulicher weiß Heinrich Wilhelm Döbel in seiner „Eröffneten Jäger-Practica" (Leipzig 1746, 2. Teil, Kap. 209, S. 250/252) von dieser Art des Meisenfangs auf Grund eigener Erfahrungen zu berichten. Er meint, es sei kaum ein kurzweiligeres Vergnügen zu finden und Fürsten, Grafen und hohe Herren praktizierten es gleicherweise mit besonderem Pläsier. Es scheint also, daß der Fang dieser kleinen lebhaften und neugierigen Vögel im 18. Jahrhundert als ein für unser Empfinden wenig verständliches Ge38

schicklichkeitsspiel aufgefaßt wurde, dem keineswegs nur arme oder auf Erwerb ausgehende Vogelfänger huldigten. Döbel beschreibt uns eine recht wohnliche und geräumige runde Hütte von sechs Ellen Durchmesser, die für die hohen Herrschaften hergerichtet wurde. Zwischen im Kreis eingerammten Pfählen wurden Gerten nach Art eines Zaunes eingeflochten, dann bestrich man diese Wand mit Leim und täfelte sie inwendig mit Brettern, die um des freundlicheren Aussehens willen auch noch farbig gestrichen wurden. Das Dach deckte man mit Stroh oder Schilfrohr. Ein kleiner Ofen sorgte notfalls fürWärme. Die Türe sollte nach Südosten, also der für den Strich uninteressantesten Himmelsrichtung gehen, doch wurde nach Osten ein Schauloch außer den sechs Öffnungen zum Einlegen der Kloben vorgesehen. In der Mitte der Hütte stand ein Tischchen, an den Wänden waren Bänke vorgesehen. Die Klobenhütte stellte also ein richtiges kleines Jagdhaus dar. Um dieses herum sollten grünende Bäume stehen, da die angelockten Vögel auf diesen lieber als auf dürren „Krockeln" einfielen. Döbel beschreibt uns den Kloben so stark wie ein spanisches Rohr von ca 2 F u ß Länge. Beide Teile mußten so genau zueinander passen, daß ein in einen zusammengedrückten Kloben eingelegtes Haar nicht herausgezogen werden konnte, ohne hierbei zu zerreißen. Der Kloben war an seiner Griffseite stärker, am entgegengesetzten Ende schwächer, also ein wenig konisch zulaufend ausgebildet. Am Griff schrägte man die Leisten an den einander anliegenden Flächen etwas ab, so daß sie sich durch einen Druck am gegenüberliegenden Ende spreizen mußten. Uber beide Leisten wurde eine hölzerne Hülse geschoben, deren Loch weit genug war, daß bei einem Druck auf den Klobengriff die Klobenenden sich \im ungefähr 1^2 Zoll auseinander bewegen konnten. Durch die Klobenleisten lief die Zugschnur, die vier Zoll von der Spitze entfernt an einem hölzernen Nagel angriff, durch ein in beiden Hölzern vorgesehenes erstes Loch geführt wurde, nach sieben Zoll Entfernung durch ein zweites und nach weiteren acht Zoll durch ein drittes Loch gesteckt war, um in einer Lederschleife zu münden, in die der Vogelfänger mit zwei oder drei Fingern eingriff. Die Länge der ganzen Schnur war so bemessen, daß sich der Kloben an seinem Ende gerade fest schloß, wenn der Jäger, den Daumen gegen die hölzerne Steckhülse stemmend, durch eine Drehung der Hand die Zugschnur anzog. Die ganze Fangeinrichtung wurde allein mit der rechten Hand bedient. Die Linke blieb frei, um den gefangenen, blitzschnell in die Hütte gezogenen Vogel abnehmen zu können. Wurde der Kloben zeitweilig zum Fangen nicht gebraucht, steckte man die Holzhülse über das spitze Ende, um ein Verwerfen der Hölzer zu verhindern. Die Lockpfeife sollte aus dem Flügelknochen

39

eines Fischreihers oder einer Gans hergestellt werden und 2^2 Zoll lang sein. Da zwei Löcher vorgesehen waren, konnten Töne von unterschiedlicher Höhe hervorgerufen werden. Zu jedem der aus einer solchen Hütte ausgelegten sechs Kloben gehörte auch ein Lockvogel in einem möglichst aus Draht hergestellten Bauer, da es eine Eigenheit der Meisen war, einen hölzernen Bauer zu zernagen oder zu zerhacken. Der Meisenfang begann nach Döbel um Egidi, also am 1. September, und war zur Zeit der Kreuzerhöhung (14. September) am ertragreichsten, wenn er auch den ganzen Winter über fortgesetzt werden konnte. Die Vogelfänger begaben sich schon vor Tagesanbruch in die Hütte, legten ihre Kloben aus und versuchten, mit ihren Pfeifchen die Meisen anzulocken, was erfahrungsgemäß etwas mühselig war, solange sie noch nichts gefangen, also keine Lockvögel zur Verfügung hatten. Aus diesem Grunde bedienten sie sich eines auch tierpsychologisch interessanten Tricks. Sie banden einen Fuchsschwanz an einen Stock, suchten einige Meisen wenigstens in die Nähe zu locken, schoben dann rasch den Fuchsschwanz zur Hüttentür hinaus und zogen ihn ebenso schnell wieder zu sich herein. Die von Natur aus neugierigen Meisen wollten sehen, wo der so plötzlich verschwundene Fuchsschwanz geblieben war, setzten sich dabei auf einen der Kloben, wurden gefangen und nun als Lock-oder Ruhrmeisen in die Bauer gesetzt, um durch ihr Geschrei weitere Artgenossen herbeizurufen. Aber dies allein genügte noch nicht. Außer den im Bauer gehaltenen Lockmeisen kannte man noch Ruhrmeisen, die an Ruhrruten lebendig aufgehängt wurden. Wohl schwerlich war das Maß der Tierquälerei noch zu steigern. Kennzeichnend für die Abstumpfung des Gefühls gegenüber dem Tier im 18. Jahrhundert ist die Tatsache, daß Döbel seine Schilderung nicht mit einem einzigen Wort des Bedauerns für die kleinen geplagten Kerlchen begleitet. Die Ruhrruten wurden schon vor Beginn des Fangs in nächster Nähe der ausgelegten Kloben aufgestellt. Sie bestanden aus oben gegabelten, in die Erde gesteckten Stöcken. Einer gefangenen Meise bohrte man eine gekrümmte Stecknadel durch den Schnabel und hing sie dann lebendig an einem daran befestigten Faden auf, der bis in die Hütte führte und durch wiederholtes Ziehen das kleine Wesen zu immer erneutem Aufflattern zwang. „Hat man nur erst Lock, so gehet der Fang gut, indem man gar bald an ihnen vernimmt, wenn die Meisen gezogen kommen, wie man denn auch mit der Pfeiffe fleißig locken hilfft. Buschen denn welche an, so rühret man die am Ruhr hängende Meisen, sie mögen gleich todt oder lebendig seyn. Sehen es die angefusseten Meisen, so wollen sie derselben zu Hülffe kommen, setzen sich auf den Kloben, werden, wie schon erwehnet, bey den Zehen gefangen und zur Hütte hinein gezogen,

40

da denn diese brav schreyen. Man fähret kaum mit dem Kloben heraus, so setzt sich schon eine andere drauf, -will sehen, wo die erste geblieben; es gehet ihr aber auch so wie jener. Oeffters ziehet man mit einem Kloben fünfF bis sechse, manchmal auch nur zwey oder drey auf einmal." Döbel erzählt, daß er selbst zusammen mit zwei weiteren Fängern in einer Hütte mit sechs Kloben zehn bis zwölf Schock Meisen, also 600 bis 720 Stück an einem Vormittag gefangen habe. Seine Darstellung ist nicht nur ungewöhnlich exakt, sondern auch so lebendig und vom unmittelbaren Erleben bestimmt, daß kein Anlaß gegeben ist, an diesen Zahlen, die ja mit denen Aitingers im wesentlichen übereinstimmen, zu zweifeln. Einen Bericht von gleicher Ursprünglichkeit über den Vogelfang mit dem Kloben wie die Schilderung Heinrich Wilhelm Döbels hat die deutsche Jagdliteratur der nachfolgenden Zeit nicht noch einmal aufzuweisen. Wertvoll sind Johann Christoph Heppe's Darlegungen (Der Vogelfang nach seinen verschiedenen Arten praktisch nach der Erfahrung beschrieben, 1. Teil, Nürnberg 1797, S. 491—495). Heppe kannte auf jeden Fall diese Fangmethode noch aus eigener Anschauung. Auch scheint sie noch vielfach zur Anwendung gekommen zu sein: „Bey uns giebt es sehr viele Liebhaber aus allerley Professionen, die sich im Herbst mit dem Meisenfang belustigen (das man auf die Hütte gehen heißt) und eigene sogenannte Meisenhütten haben." In seiner Heimat — gemeint war Franken, vorzugsweise die Umgebung von Nürnberg — werde allgemein der hoch oben in einem Baum errichteten Hütte der Vorzug gegeben, von der er seinem Werk ein anschauliches Bild (Tafel 16) beisteuerte. Die ausfuhrliche Beschreibung einer solchen Hochhütte läßt keinen Zweifel, daß Heppe ihre Herrichtung aus eigener Anschauung kannte. Im Baum selbst waren bis zur Höhe von acht Schuh zum Erdboden Steigeisen eingeschlagen, die ständig blieben, während die Vogelfänger, um die Hütte vor ungebetenen Gästen zu schützen, die untersten Stufen erst kurz vor der Benutzung durch starke Holzschrauben herstellten. Die von Heppe beschriebene Lockpfeife bestand bereits aus dünnem Messingblech und war „sehr wohlfeil zu haben". Gegen Ende des 18. Jahrhunderts dürften somit die alten Knochenpfeifen durch kleine Messinginstrumente verdrängt gewesen sein. Nach Heppes Worten wurden „öfters auf einer Hütte über hundert und fünfzig Meisen in einem Tag gefangen". Daran schließt sich eine sehr genaue Wiedergabe der Döbeischen Darstellung, von der Heppe allerdings nur auf dem Umweg über Bechstein Kenntnis erhalten hatte. Wertvoll für uns ist nur die vom Praktiker Heppe daran geübte Kritik. Ausdrücklich bemerkt er, daß er die durch Döbel für den sächsischen Raum bezeugte Fangart nicht aus eigener Erfahrung kenne,

41

„weil solche bey uns nicht gebräuchlich ist. Auch kann ich hier nicht entscheiden, ob selbige in Thüringen gewöhnlich und ob Herr Bechstein selbst Augenzeuge davon gewesen ist". Jedenfalls konnte er die Bemerkung nicht unterdrücken, daß sie vom letzteren nur „nachgeschrieben" sei. Er glaubte jedoch mit Sicherheit sagen zu können, daß eine tote Ruhrmeise sehr schnell von ihren lebenden Artgenossen erkannt werde, die Anwendung des Fuchsschwanzes die kleinen Gäste eher verscheuche als herbeilocke und eine schon längere Zeit an das Bauer gewöhnte Lockmeise tauglicher als eine frisch gefangene sei. Der schreiblustige und kompilationsfreudige Johann Matthäus Bechstein hat den Meisenfang mit dem Kloben mehrfach behandelt. Schon in der von ihm 1797 besorgten Neuausgabe von Ferdinand Adam Frhr. von Pernau's omithologisch wertvollem Werk „Gründliche Anweisung alle Arten von Vögeln zu fangen" fügte er Angaben hinzu, die auf Döbel zurückgehen. Die „Eröffnete Jäger-Practica" bildete auch die Quelle für Bechsteins breite, aber kaum Neues bringende Darstellung in seinem 1820 in Gotha erschienenen Buch „Die Jagdwissenschaft nach allen ihren Theilen für Jäger und Jagdfreunde" (Die Forst- und Jagdwissenschaft nach allen ihren Theilen, 9. Teil, 2. Band (Jagd-Technologie), S. 183—188) in der auch Mitellis Erfindungen unter der Bezeichnung „Schnellkloben" wohl auf Grund eines 1796 im ersten Heft von Leonhardi's „Magazin für das Jagd- und Forstwesen" (S. 7) erschienenen Aufsatzes, an dessen zweifelhaftem Inhalt schon Johann Christoph Heppe (a. a. O., S. VI/VII) lebhaft Kritik geübt hatte, eine letzte Auferstehung feierte. Im deutschen Fachschrifttum des 19. Jahrhunderts finden wir den Kloben kaum noch erwähnt. Georg Ludwig Hartig (Lexikon für Jäger und Jagdfreunde oder waidmännisches Conversations-Lexikon, Berlin 1836, S. 311) meinte, dieses Fanginstrument sollte um der Nützlichkeit der als Insektenvertilger wichtigen Meisen überall streng verboten sein, eine Forderung, die auszusprechen es sicherlich nicht bedurft hätte, wenn diese Fangmethode schon ganz erloschen gewesen wäre. Um so interessanter ist es, in dem 1905 in Leipzig erschienenen Kommentar Hermann Althofs zum Waltharilied (Waltharii Poesis II, S. 148) zu lesen: „Noch heute bedient man sich auf dem Thüringer Walde dieses alten Klobens zum Fange von kleineren Vögeln, Finken, Meisen, Drosseln". Er beschreibt uns zwei Ausführungsformen dieses Instrumentes, von denen die eine „jetzt gebräuchlichere" der klassischen Konstruktion entsprach, während die andere aus einem grünen, am Ende gespaltenen und durch einen Stellstab auseinander gehaltenen Holz bestand, in den Lockfutter gestreut wurde. Berührte der Vogel bei dessen Auf-

42

nähme den Stellkörper, schnellten die beiden Hälften des gespreizten Holzes zusammen und fingen den Vogel an den Füßen. Hier begegnet uns somit der Kloben in einer Spätform als echte Klemmfalle. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Der der Antike unbekannte Kloben war ursprünglich ein Element der germanischen Jagdtechnik, das sich literarisch erstmalig in Quellen aus karolingischer Zeit fassen läßt. Im Mittelalter ist er nicht nur für Deutschland, sondern auch für Italien und Frankreich bezeugt, doch scheint sein Verbreitungsgebiet nicht wesentlich über die nachhaltig germanisch beeinflußten oder dem Reich benachbarten Gebietsteile hinausgegangen zu sein. Der italienischen Fachliteratur der ersten neuzeitlichen Jahrhunderte ist der Kloben fremd, im französischen Schrifttum finden wir ihn nur sporadisch und unter Hinweis auf seine lokale Bedeutung erwähnt. Die englischen und spanischen Jagdschriftsteller kannten ihn nicht. In Deutschland dagegen erfreute er sich großer Beliebtheit und einer überraschenden Lebenskraft. Es ist deshalb kein Zufall, daß diese älteste deutsche didaktische Abhandlung über den Vogelfang in erster Linie dem Vogelfang mit dem Kloben gewidmet ist. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Kloben im Laufe der Zeit eine technische Entwicklung durchgemacht hat. Ursprünglich bestand er möglicherweise nur aus zwei Leisten, deren Klemmwirkung durch Zusammendrücken an der Gabelung herbeigeführt wurde. Eine die Handhabung sehr wesentlich verbessernde Zutat war die Zugschnur, die die Betätigung des Klobens mit einer Hand ermöglichte. Daneben sind aus neuerer Zeit nach dem Klobenprinzip arbeitende echte Fallen bekannt. Eng verwandt mit dem Kloben war die Hütte Zur Tarnung des Vögelfängers. Wir kennen einen ambulanten Typ in Form der Traghütte und ortsfeste Ausführungen am Boden und auf Bäumen. Zum Anlocken der Vögel dienten kleine, in der Tonhöhe sorgfältig abgestimmte Pfeifchen, die vorzugsweise aus den Röhrenknochen größerer Vogelarten hergestellt, im 18. Jahrhundert durch entsprechende Instrumente aus Messing abgelöst wurden. Mit dem Kloben gefangen wurden im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit viele mittelgroße Vogelarten, vor allem Weindrosseln. Seit dem 17. Jahrhundert bemerken wir eine bevorzugte Verwendung dieses Instrumentes für den Meisenfang. 2. nikiein a. 58 v 3 , nikell (57 v 4 ) hat hier den Sinn von Lockkauz. In dieser Bedeutung ist das Wort anderweitig in der deutschen Jagdliteratur nicht belegt, auch sonst nicht nachweisbar. Wir wissen (Gr.Wb.VII, Leipzig 1889, voc. Nickel Sp. 733/735), daß Nickel als Bezeichnung für einen kleinen, krüppelhaften, etwas eigensinnigen Menschen vorkam. Dieser Sinn scheint hier auf den Lockkauz übergegangen zu sein. In der Schweiz bedeutet

43

3.

4. 5.

6.

nicke! auch ein verdrießliches, neckendes Hindernis. Auch diese sachlich verwandte Auffassung könnte auf den Lockkauz übertragen worden sein. Den in unserem Traktat als nikleitt bezeichneten Lockkauz erwähnen Petrus de Crescentiis, Henri de Ferneres und Johann Conrad Aitinger (s. N. 1), drei der zuverlässigsten Berichterstatter über den Vogelfang mit dem Kloben. Auch finden wir ihn auf einem Teil der beigegebenen Bilder vom Vogelfang mit dem Kloben (Tafel 8, 9, 10, 12 u. 15 unten) dargestellt. Er saß entweder auf einem aus dem Inneren der Hütte herausragenden— vorgeschossenen — Stab (fol. 57 r®), oben auf der Hütte selbst (fol. 58 v 3 ) oder „neben dem Kloben von der Hütte vier Schritt entfernt auf einem Stöcklein oder einem rasenbedeckten Hügel eine Spanne hoch über der Erde" (fol. 57 v 6 ). stuell = Stuhl, Sitz. Die hier beschriebene Hütte scheint eine Sitzgelegenheit gehabt zu haben. Sie sollte weit genug sein, um auch die Füße des Vogelfängers zu bedecken. Über die Bedeutung der Reifen für die Herrichtung der Hütte darf auf Aitingers Bericht (s. N. 1, S. 36) verwiesen werden. gesmogen — zusammengedrückt, beengt. prachvogeln = Drosseln. Das hohe Alter unseres kleinen Traktats kann schwerlich besser als durch die Verwendung dieses Wortes dokumentiert werden. In den ahd. Glossen erscheint brächfogal stets für turdus, auch im mhd. kennen wir brachvoge! im gleichen Sinn. Welche Drosselart gemeint war, ist aus den Glossen nicht ersichtlich, doch scheint es sich nach einer Beschreibung aus dem 16. Jahrhundert um die Rot- oder Weindrossel (Turdus iliacus) gehandelt zu haben. (Hugo Suolahti, Die deutschen Vogelnamen, Straßburg 1909, S. 59). Diese Vermutung wird durch unseren Traktat nur bestärkt. Auch der Bericht im Livre du Roi Modus (s. N. 1, S. 32) bezieht sich auf die Weindrossel und läßt vermuten, daß vorzugsweise diese Drosselart mit dem Kloben gefangen wurde. valpavm = Fallbaum; zugerichteter Baum, auf dem die angelockten Vögel einfallen konnten. Im gleichen Sinn fol. 5 9 r 2 und 5 9 V 1 ; auch öOr1 ah paltt der vall chvm im Sinn von „sobald das Einfallen erfolgt". Das Wort Fallbaum ist in der hier vorliegenden Bedeutung auch in den nachfolgenden Jahrhunderten im Zusammenhang mit dem Kloben im Fachschrifttum nachweisbar. So finden wir bei Johann Conrad Aitinger (Kurtzer vnd einfältiger Bericht Vom Vogelstellen, Cassel 1653, S. 247). „Wann bey dieser Hütten vnd Kloben ein Fallbaum zu haben / ist solches vorträglich vnd ausbündig gut / . . ." und bei Heinrich Wilhelm Döbel (Eröffnete Jäger-Practica, Leipzig 1746, 2. Teil, Kap. 209, S. 250) „Die Hütte muß also angeleget werden / daß grüne Bäume um dieselbe stehen, und werden keine dürre Krockeln oder Fall-Bäume hierbey gesetzet, dieweil 44

diese Vögel lieber in grünen als dürren Bäumen anfassen". Döbels Worte lassen erkennen, daß ein Fallbaum nicht ein beliebiger Baum in der Nähe der Hütte war, auf dem das Einfallen der herbeigelockten Vögel mehr oder minder zufällig erfolgte, sondern ein besonders hergerichtetes jagdliches Hilfsmittel in Form eines dürren, zerlegbaren, vielleicht sogar transportablen Bäumchens. Die Beschreibung eines solchen vermittelt uns Wolf Helmhard Frhr. von Hohberg (Geórgica coriosa aucta oder des . . . Adelichen Land- und Feld-Lebens Anderer Theil, Nürnberg 1701, 12. Buch, Kap. CXL, S. 831): „Man muß darzu einen langen geraden Baum erwählen / die unnützen und übrigen Aeste gar wegräumen / die andern stümmlen . . .; offtmals werden solche Bäume Manns-hoch abgesägt / ausgehackt / und mit einer Pfaltz und Eysen wieder zusammen gestossen / also daß man sie daselbst aufrichten und niederlassen kan / und diese werden Fallbäume von etlichen genannt . . .". Auch Christian Wilhelm von Heppe (Einheimisch- und ausländischer Wohlredender Jäger, Regensburg 1763, S. 114) legt Wert auf die Feststellung „Fallbaum heißet der jenige mit Fleiß aufgerichtete Baum bey einem Vogelheerd, auf welchem die Vögel anfallen können". Den gleichen Sinn hatte das Wort schon in unserem Traktat (57 v 3 ): „ . . . so achte darauf, daß Du einen Fallbaum auf der Seite hast, auf der du magst". Es handelte sich demnach um ein besonders hergerichtetes ortsveränderliches Hilfsmittel der Vogelfänger. Dargestellt finden wir einen solchen Fallbaum auf dem Titelblatt von Johann Conrad Aitinger „Kurtzer vnd einfältiger Bericht vom Vogelstellen", Cassel 1626 bzw. 1653. Der linke der beiden dort abgebildeten Vogelfänger hält den ungefähr zwei Mann hohen, mit zahlreichen kurzen Ästen versehen Stamm, der unten in einer zweizinkigen eisernen Gabel zum Befestigen im Erdreich mündete. 7. hassen = swm. aase, grasbewachsene Erdscholle, „ . . . setz deinen Lockkauz . . . auf ein Stöcklein oder auf eine grasbewachsene Erdscholle, von der Erde eine Spanne hoch". Vergl. auch wäßen in Kurt Lindner, Die deutsche Habichtslehre, Berlin 1955, S. 248, N. 8). 8. ver = ahd./era>, unweit, in der Nähe, „ . . . und stecke neben den Kloben eine Elle weit entfernt eine kleine Stange . . . " . Auch 59 r s var = „zwei unweit neben den Kloben", 59 v 4 var — „unweit dem Kloben" und 59 v a var — „magst du unweit des Klobens ein gar kleines Reislein haben." 9. raiffrang Aus dem Zusammenhang ain stanglein in der gros als ain raijfrang ist schon ersichtlich, daß raijfrang hier im Sinn eines Maßes verwendet wurde, rang, rank hatte die Bedeutung eines verhältnismäßig dünnen Pflockes oder Stabes. Wir kennen auch rängel als Ausdruck für das Stück eines mäßigen Baumstammes oder eines starken Astes von ziemlicher

45

Länge (Gr. Wb. VIII, Leipzig 1893, Sp. 96). In einer Würzburgischen Verordnung vom Jahre 1784 über die Verzollung holländischen Holzes wird von Rangen von drei bis sieben Schuh Länge gesprochen (J. Andreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, Bd. II, München 1877, Sp. 119). Auch ist von Zaun-Ranken im Sinne dünner Pfähle zur Umzäunung die Rede (ebenda, Sp. 122). Der oder das Raif\ Reif, Waldreif war nach einer Würzburgischen Waldordnung vom Jahre 1721 ein Holzmaß von fünf Schuh Höhe und fünf Schuh Breite (ebenda Sp. 65). raiffrang hatte somit die Bedeutung eines kräftigen Stabes oder — unserem Text zufolge —, einer stang, wie sie zum allseitigen Einfassen und Festhalten, also zum Reifen eines ungefähr fünf Schuh hohen Holzstoßes gebraucht wurde. 10. beitt = Weide, Weideplatz, hier soviel wie offenes, baumloses Gelände. 11. bemig, ebenso 59r 4 , neben 65v s wenig = wenig. 12. zbo, ebenso 61 v 4 = zwei, neben 59v a und 61 v 1 zbair = zweier, zwei. 13. pesten = bestehen, bleiben, aushalten. 14. platt = Blatt „Und wenn du große oder kleine Vögel mit dem Blatt zu dir bringst, so laß dein Blatten sein, sobald der Einfall erfolgt ist, und reize sie dann durch Wispeln . . .". platt und platten erscheinen hier wiederum als alte Belege für die Verwendung eines Blattes Zur Imitation von Vogelstimmen. Vergl. hierzu Kurt Lindner, Das Jagdbuch des Petrus de Crescentiis, Berlin 1957, S. 171, N. 74. 15. wispeln = zischeln, pfeifen, im Gegensatz zum platten das Hervorrufen eines leisen verhaltenen Locktons. 16. verpainstt — schreckst, vergrämst. 17. chranbitt = Wacholder (Juniperus communis L.), auch 61 r 2 „wo dy chranbitt sten", wo die Wacholderbäume stehen, chranbitt vogell = Wacholderdrossel (Turdus pilaris). 18. leimspindll = Leimspindeln, kleine Leimruten. Über den schon in der Antike bekannten und weitverbreiteten Vogelfang mit Hilfe von Leim s. Kurt Lindner, Die Jagd im frühen Mittelalter, Berlin 1940, S. 339 —342, sowie das dort angegebene Schrifttum. In den aus dem deutschen Sprachbereich stammenden Quellen ist die Verwendung von Leim erst seit dem 9. Jahrhundert nachweisbar, möglicherweise lernten die Germanen dieses jagdliche Hilfsmittel durch die Römer kennen. Unser kleiner Traktat bringt die älteste bislang bekannte lehrhafte Darstellung dieser Jagdmethode in deutscher Sprache. Ein Baum wurde ausgeschnitten, doch mußten genügend Äste zum Befestigen der Leimspindeln verbleiben. In diese Äste wurden Löcher zum Einstecken oder „Einstoßen" der Leimruten gebohrt. Die Leimspindeln sollten so lose befestigt sein, daß sie mit einem daran anschlagenden Vogel zusammen zur Erde fielen. 46

19.

20. 21. 22.

Auf diese Weise konnte der gefangene Vogel nicht mehr entfliehen. Um ihn am Entkommen am Boden zu hindern, wurde um den mit Leimspindeln versehenen Baum ein ungefähr zwei Spannen hoher Zaun oder ein Netz gestellt, also ein Hindernis, das der noch bewegungsfähige, aber flugbehinderte Vogel nicht überwinden konnte. In den unteren, meist belaubt gelassenen Teil des Baumes hing man gut verdeckt und für die anfliegenden Vögel nicht sichtbar die Lockvögel, während Attrappen in Form ausgestopfter Bälge an den obersten Spindeln das Vertrauen des herbeigelockten Wildes verstärken sollten. Die Fänger waren ihres Erfolgs sicher, wenn gute leimüberstrichene Späne und fleißig arbeitende Lockvögel zur Verfügung standen. pirchkban. Es handelt sich hier wohl um einen der ältesten Belege über die Jagd auf den Birkhahn (Lyrurus tetrix) aus dem deutschen Sprachgebiet. Erst verhältnismäßig spät erhalten wir über diese Wildart zuverlässige Nachrichten, doch ist in diesen von einem Fang mit Hilfe von Leimspindeln nicht mehr die Rede. Es herrschte, wie wir durch Coler und dem von ihm abhängigen Aitinger wissen, der Fang in Dohnen und Netzen vor, bis diese Jagdmethoden durch die verstärkte Verwendung von Schußwaffen abgelöst wurden. Der Fang mit Leimruten dürfte jedoch, da Birkwild die Neigung hat, aufzubäumen, mit Erfolg betrieben worden sein, wobei die zusätzliche Verwendung von Attrappen, — wenn in unserem Traktat auch nicht ausdrücklich für Birkwild bestätigt, — nicht ausgeschlossen werden sollte. mitt gesträutten äugen = mit auf den Boden gerichteten Augen. nohntt = noch nicht. grab vnd sbarcz straim = graue und schwarze Streifen.

47

p SmMt

a-crfU-

fiy

- H ^ i r i p ^ v p n

¿ffr

V-*.

¿ i m »

fcy

-»ttv^-

i ? ^

pffi**,-

{

rKvi^f f ^ - ^ ' h pcö?

ij

J

Vogelfang und Hasensuche, M ü n c h e n , U n i v e r s i t ä t s b i b l i o t h e k , M s 354. 8° fol. 57

1

Vogelfang mit dem Kloben nach Thomasin von Zirklaere, Wälscher Gast, Heidelberg Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 389, fol. 14 v, bairisch-österreichisch, Ende des 13. Jahrh.

2

Vogelfang mit dem Kloben nach Thomasin von Zirklacre, Wälscher Gast, oben: Gotha, Landesbibliothek, Cod. Goth. Membr. I 120, fol. 13 v, ostfränkisch, ao. 1340; unten: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Ms. Poet. fol. 1, bairisch-österreichisch, ao. 1359

3

Vogelfang mit dem Kloben nach Thomasin von Zirklaerc, Wälscher Gast, Heidelberg. Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 330 fol. 13 r, bairisch, um 1410—1420

4

Vogelfang mit dem Kloben nach Thomasin von Zirklaere, Wälscher Gast, München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm. 571, fol. 13r, ostmitteldeutsch, Anfang des 15.Jahrh.

5

Vogelfang mit dem Kloben nach Thomasin von Zirklaere, Wälscher Gast, Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, Hs. 37. 19. Aug. 2° fol. 15v, ostfränkisch, erste Hälfte des 15. Jahrh.

6

I

^yvmhi

ftc dem

wifßf

Vogelfang mit dem Kloben nach Thomasin von Zirklaere, Wälscher Gast, Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Ms. Dresd. M. 67, fol. 11 v, Mitte des 15. Jahrh.

7

lyt-tolfkt fn« wxdcki. ÖC«1 Up vnl> n i r btn fin )£*> -jucsr

foficbvf

Vwi^rtvm

Vogelfang mit dem Kloben nach Thomasin von Zirklaere, Wälscher Gast, Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. Germ. 320, fol. 14r, schwäbisch um 1470

8

Vogelfang mit dem Kloben nach Henri de Ferrières, Livre du Roi Modus et de la Reine Ratio, oben: Paris, Bibliothèque Nationale, Ms.fr. 12399, fol.93v, ao. 1379; unten: Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, 78 C 6, fol. 105 v, erste Hälfte bis Mitte des 15. Jahrh.

9

Vogelfang mit dem Kloben nach Henri de Ferrieres, Livre du Roi Modus et de la Reine Ratio, Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek, Thott 415. 2° fol. 108v, ca. 1410—1415

10

1 -

o") 1«y

i

'

Vogelfänger mit Kloben (f 1481) aus dem Hausbuch der Mendel'schen Zwölfbrüderstiftung, Nürnberg, Stadtbibliothek

11

l.'M

i

etiul.

Vogelfang mit dem Kloben nach Johann Stradanus, Yenationes ferarum, avium, piscium, Antwerpen o. J. (ca. 1580), Tafel 68 (Ausschnitt)

12

Bedienung des Klobens aus der Traghütte nach Diderot und d'Alambert, Encyclopédie, voc. chasse, Paris ca. 1755

14

oben: Französischer Kloben aus der Provence nach Édouard Mérite unten: Vogelfang mit dem Kloben von Trag-, Boden- und Hochhütte aus nach Franciscus Philippus Florinus, Oeconomus prudens et legalis, Nürnberg 1719

15

Hochhütte für den Vogelfang mit dem Kloben nach Johann Christoph Heppe, Der Vogelfang nach seinen verschiedenen Arten, Nürnberg 1797

16

DIE HOHENLOHESCHE HANDSCHRIFT EIN DEUTSCHES JAGDBUCH DES 16. JAHRHUNDERTS

I Schon an früherer Stelle 1 ) wurde auf den Wert einer in süddeutschem fürstlichen Besitz befindlichen Handschrift für die Geschichte der deutschen Jagdliteratur hingewiesen, deren wesentlichste Teile hier erstmalig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wir dürfen sie mit der bereits in der Abhandlung über die Lehre von den Zeichen des Hirsches gegebenen Kennzeichnung hier erneut vorlegen: U Neuenstein, Bibliothek Hohenlohe des Hohenloheschen Zentral-Archivs, Nr. W. 5, Pergament, 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es genügt, das bereits Gesagte kurz zu wiederholen: Wir kennen nicht den Verfasser dieses schön geschriebenen Textes. Der Inhalt gibt auch keinen Hinweis, wo wir ihn suchen könnten. Als sicher kann angenommen werden, daß das Werk im süddeutschen Raum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand. Der Verfasser entstammte zweifellos dem Kreis der Berufsjäger. Der Inhalt gibt das Wissen eines Praktikers in nicht sehr gehobener Position wieder. Sicherlich handelt es sich beim Neuensteiner Exemplar nicht um das Original, sondern um eine zu Dedikationszwecken erstellte, besonders sorgfältig geschriebene, leider nicht fehlerfreie Abschrift; vermutlich lag zwischen den Entstehungszeiten von Urschrift und Kopie kein längerer Zeitraum. Ihrem Wesen nach stellt sich die Hohenlohesche Handschrift als ein typisch deutsches Jagdbuch des ausgehenden 16. Jahrhunderts vor. Sie entsprang dem gleichen Geist wie das im Anschluß veröffentlichte Jagdbuch des Cornelius Latomus 2 ). Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Situation zur Zeit der Abfassung des Werkes: Seit Anfang des 16. Jahrhunderts war im deutschen Sprachbereich ein gedrucktes Jagdbuch nicht mehr erschienen. Die Frühdrucke des Beizbüchleins, der Zeichenlehre Kurt Lindner, Die Lehre von den Zeichen des Hirsches, Berlin 1956, S. 61, bes. S. 63—66. ») Siehe S. 205 ff.

51

und der jüngeren Crescentius-Übersetzung gehörten einschließlich ihrer eng daran gebundenen Bearbeitungen wie Eberhard Tappes Waidwerck vnd Federspiel geistig wie ihre Vorlagen ins 15. Jahrhundert. Die aus der religiösen und sozialen Auseinandersetzung der Reformation erwachsenen Spannungen luden sicher nicht zu einer breiten und repräsentativen Darstellung des umstrittenen Jagdwesens ein. Vielmehr rückten rechtswissenschaftliche Abhandlungen wie Noe Meurers 1561 herausgekommenes Werk Von Forstlicher Oberherrligkeit vnd Gerechtigkeit und Bücher moralisierender Betrachtungsweise nach Art des 1560 erstmalig erschienenen und anschließend mehrfach neu aufgelegten Jagteuffel des Cyriakus Spangenberg in den Vordergrund. Parallel hierzu entstand in Frankreich auf den Gebieten der Jagd und der Beize, allerdings auf einem sehr viel reicheren, aus dem 14. Jahrhundert stammenden Erbe aufbauend, eine der starken politischen Stellung der französischen Krone und des französischen Hochadels und deren geistigen Interessen entsprechende reiche und vielseitige Fachliteratur mit Jacques Du Fouilloux als hervorragendster Figur im Mittelpunkt. Es kann nicht verwundern, daß der Glanz des französischen Schrifttums weit über die Grenzen hinausstrahlte und nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und Italien zu Übersetzungen anregte. Das Gesicht der deutschen gedruckten Jagdbücher des ausgehenden 16. und des ganzen 17. Jahrhunderts ist deshalb wesentlich von französischen Vorbildern geprägt. Die deutschen Berufsjäger müssen, sofern sie dem der Jagd gewidmeten Schrifttum einiges Interesse entgegen brachten, den starken Gegensatz zwischen der Darstellung französischer Jagdtechnik und dem landesüblichen Jagdbetrieb empfunden haben. Wahrscheinlich wirkte auf sie die breite Darstellung der freien, aber in Deutschland kaum betriebenen Hetzjagd auf Rotwild ebenso interessant, aber zugleich fremdartig wie die Schilderung einer afrikanischen Großwildjagd auf einen deutschen Nieder52

wildjäger unserer Tage. Sie müssen alle ein Jagdbuch, das die von ihnen täglich ausgeübte deutsche Jagdtechnik beschrieb, vermißt haben. Leider war keiner von ihnen berufen, ein Werk zu schaffen, das ebenso klar, umfassend und originell war wie die Leistungen ihrer großen französischen Schriftstellerkollegen, aber einige dieser deutschen Praktiker sahen sich doch veranlaßt, ihr fachliches Wissen zu sammeln. Ihnen danken wir es, daß wir die große, nahezu anderthalb Jahrhunderte umfassende Lücke in der deutschen Jagdliteratur wenigstens teilweise schließen können. Das Bild dieser Männer, deren Namen sich mit der handschriftlichen Überlieferung jagdlichen Kulturgutes in der Zeit um 1600 verbinden, — sei es nun der Verfasser der Hohenloheschen oder der Wolfskeelschen Handschrift3), sei es eines Cornelius Latomus oder eines Albrecht Retz 4 ) — ist überraschend gleichförmig: stets handelt es sich um Berufsjäger, die zwar als Zugehörige irgendeines kleinen fürstlichen Hofes Achtung und Ansehen genossen, ihrer dienstlichen und sozialen Stellung nach aber in den Kreis der niederen Beamten gehörten, also Männer, denen die handwerkliche Seite der Jagd näher lag als die ethische. Sie alle waren nach Herkommen und Erziehung nicht zu schriftstellerischer Tätigkeit berufen. Büchse und Netz wurden von ihren Händen wahrscheinlich sicherer gehandhabt als die Feder. Sie schrieben auch alle ohne sichtlichen schriftstellerischen Ehrgeiz, mehr aus dem Geist der Pflichterfüllung eines treuen Beamten heraus. Wahrscheinlich kam die Anregung, das eigene Wissen zu Papier zu bringen, wie bei Hanns Peter von Firdenheim 5 ) bezeugt, in den meisten Fällen überhaupt von dritter Seite. Infolgedessen kann es nicht verwundern, daß alle diese Abhandlungen nicht durchaus originell sind, sondern daß ihre Verfasser auch ältere Vorlagen in a ) Siehe Kurt Lindner, Die Lehre von den Zeichen des Hirsches, Berlin 1956. S. 61—63. «) ebenda S. 76 ff. ») Siehe Teil II, S. 141

53

ihnen verarbeiteten. Dabei folgten sie ihren Quellen in der Regel fast sklavisch, ein Zeichen nicht nur mangelnder Selbständigkeit, sondern mehr noch herrschender kritikloser Wertschätzung des überlieferten Wissens. Wir können uns heute recht gut vorstellen, wie ein deutsches Jägerbuch aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausgesehen hätte, wäre es jemals zum Druck gelangt. Ein geschickter Kompilator konnte aus dem recht umfänglichen Handschriftenschatz, der ihm zur Verfügung stand, ohne große Schwierigkeiten ein jagdliches Kompendium schaffen, das für den deutschen Berufsjäger wie nach Maß gearbeitet gewesen wäre. Die großen und aufwändigen Übersetzungen französischer Lehrbücher aus den letzten zwei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mögen ein buchhändlerischer Erfolg gewesen sein, den deutschen Jäger aber können sie mit ihrem Inhalt nicht angesprochen haben, wenn er nicht daran interessiert war, etwas von Wild und Weidwerk außerhalb der Grenzen seiner Heimat kennenzulernen. Aber das, was er eigentlich gesucht haben mag: eine Zusammenfassung des zum eigenen Beruf gehörigen handwerklichen Wissens fand er in keinem zeitgenössischen Druckwerk. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob ein Bedürfnis für ein solches Buch vorgelegen hätte. Manches deutet darauf hin, daß das jagdliche Zunftwissen so weitgehend formelmäßig erlernt und fortgesprochen wurde, daß man ohne ein gedrucktes Lehrbuch auskommen konnte. Wenn wir aber bedenken, welche Aufmerksamkeit dem Berufswissen im Schrifttum der nachfolgenden Zeit geschenkt wurde, dürfte ein deutsches jagdliches Handbuch auch in jener Zeit, in der wir es so schmerzlich vermissen, seinen Platz gefunden haben. Kaum einer der uns erhaltenen Texte des 16. Jahrhunderts hätte für einen solchen Druck eine geeignetere Vorlage abgeben können als die Hohenlohesche Handschrift, in der wir ein getreues Spiegelbild des fachlichen Wissens eines deutschen Berufs54

jägers jener Zeit sehen dürfen. Was uns hier vorgestellt wird, hat wenig Schwung. Von jagdlichem Ethos ist kaum etwas zu spüren. Handwerkerwissen wird vor uns ausgebreitet. Man empfindet unwillkürlich die Achtung des Schreibers vor dem Althergekommenen, die zwar von ihm nicht ausdrücklich betont wird, aber in allen seinen Worten schwingt. Wer diesen Text erstmalig aufzeichnete, wollte nur wie ein von seinem Handwerk erfüllter Meister der Nachwelt erhalten, was ihm auf Grund erlernten oder aus der Praxis erworbenen Wissens bedeutsam und beachtenswert zu sein schien. Nehmen wir deshalb dieses Werk als das, was es sein will: das Werkbuch eines handwerklichen Lehrmeisters zu Nutz und Frommen seiner Gesellen. Damit ist zugleich die Grenze für das, was wir hier erwarten dürfen, gesteckt, freilich noch kein Werturteil gefällt. Denn hierfür kann allein die Art, in der uns der oftmals trockene Stoff geboten wird, bestimmend sein. Exaktheit und Sachlichkeit sind für die kaum von Humor gewürzte Arbeit kennzeichnend. Nur was erprobt oder allgemein anerkannt war, kam zur Darstellung. Anklänge an die im 16. und 17. Jahrhundert kräftig wuchernde Jagdmagie finden sich kaum. Dagegen stellen wir mit Schrecken und oftmals mit Abscheu fest, wie wesentlich für die jagdliche Technik dieser Zeit die meist wenig verlockenden Produkte einer düftereichen Alchimistenküche waren. Der hier wiedergegebene Teil der Hohenloheschen Handschrift trägt weitgehend den Charakter einer Rezeptsammlung, allerdings von hohem kulturgeschichtlichen Interesse, denn mit ihr wird so viel Wissenswertes vor unseren Augen ausgebreitet, daß auch der Jagdgeschichte nicht verwandte Disziplinen sie als eine wahre Fundgrube empfinden werden. Die deutschen Jagdbücher aus der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert, die hier vergleichsweise nebeneinandergestellt werden, enthalten durchaus altertümliche Bestandteile, die uns vielfach erst auf diesem Wege faßbar werden. Diese handschriftlich überlieferten Traktate gleichen sich in ihrem Aufbau überraschend stark: 55

Am Anfang steht jeweils eine mehr oder minder freie Bearbeitung der Lehre von den Zeichen des Hirsches, die die zentrale Stellung der Fährtenlehre im beruflichen Wissen des deutschen Jägers deutlich macht; daran schließt sich nach einem Abschnitt über die Leithundarbeit eine Zusammenstellung von Weidsprüchen und Jägerschreien, während der Schluß der Jagdtechnik der anderen Wildarten gewidmet ist. Vogelfang und Beizjagd sind der strengen beruflichen Gliederung entsprechend ausgeschlossen. Hierüber hätte vielleicht ein Vogelfänger oder Falkner sprechen können, nicht aber ein in erster Linie an die Arbeit mit dem Leithund gewöhnter Jäger. Diese sich überall wiederholende Dreiteilung in der Gliederung der vergleichbaren Werke bot freilich noch immer Raum für eine unterschiedliche Betonung der einzelnen Abschnitte. Die Lehre von den Zeichen des Hirsches und die Leithundarbeit fanden überall eine umfassende Darstellung6), den Weidsprüchen und Jägerschreien wurde nicht immer die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt7), was nicht zuletzt auf deren häufiges selbständiges Fortschreiben in eigenen, nichts anderes enthaltenden Handschriften zurückzuführen sein dürfte, während die Jagdtechnik auf die kleinen Nutz- und Raubwildarten je nach Neigung des Verfassers bald kaum erwähnt, bald in Form einer breiten Darstellung zum Kernstück des Werkes gemacht wurde 8 ). Zur Gruppe derjenigen Abhandlungen, in denen das Schwergewicht auf diesem dritten Teil lag, gehören jenes deutsche Jagdbuch des 16. Jahrhunderts, das uns durch die Hohenlohesche •) Hohenlohesche Handschrift, Kap. 1 und 3—41. Wolfskeelsche Handschrift, fol. 1 r—17 r. Jägerbuch des Albrecht Retz, fol. 7v—26 v. Jagdbuch des Cornelius Latomus, Kap. 1—27. Puech zu der Waidmanschafft, Kap. 3—34. ®) Hohenlohesche Handschrift, Kap. 2. Wolfskeelsche Handschrift, fol. 17 r—27 r. Jägerbuch des Albrecht Retz, fol. 27 r—86 v. Jagdbuch des Cornelius Latomus, keine. Puech zu der Waidmanschafft, keine. ») Hohenlohesche Handschrift, Kap. 42—108. Wolfskeelsche Handschrift, fol. 28 r—29v. Jägerbuch des Albrecht Retz, fol. 87 r—88 r. Jagdbuch des Cornelius Latomus, Kap. 28—84. Puech zu der Waidmanschafft, Kap. 35—62.

56

Handschrift überliefert ist, und das ihm geistig verwandte, aber inhaltlich davon unabhängige Jagdbuch des Cornelius Latomus. Kennzeichnend für beide Texte ist das Zurücktreten der Weidsprüche und Jägerschreie im Rahmen des Gesamtwerkes. Hinsichtlich der Wiedergabe des Hohenloheschen Textes darf auf das früher Gesagte9) verwiesen werden. Die Dialektmerkmale sind rheinfränkisch oder südliches mittelfränkisch, doch besagt diese Feststellung insofern nur wenig, als wir nur eine Abschrift vor uns haben, deren Vorlage viel eher ins Bairische zu weisen scheint. Sofern die Schreibweisen cz oder tz gewählt werden konnten, wurde zugunsten der letzteren entschieden. Leider ist die Hohenlohesche Handschrift nicht vollständig. Zwischen fol. 49 v und 50 r fehlt mindestens ein Doppelblatt. Der hierdurch entstandene Textverlust läßt sich vorläufig nicht ergänzen. Möglicherweise findet sich im Laufe der Zeit eine zweite Handschrift, die es uns erlaubt, die Lücke zu schließen. Die letzten zwei Kapitel 107 und 108 haben deshalb keinen rechten Zusammenhang mit dem vorhergehenden Textteil. Einige magische Formeln in den Kapiteln 103 und 104 sind im Original von späterer Hand, vermutlich einem gegen Aberglauben und Zauberei kämpfenden Geistlichen, so gründlich durch Schwärzung getilgt, daß ihre Entschlüsselung ebenfalls bis zum Auffinden eines Paralleltextes aufgeschoben werden muß.

II Die hier ausgesprochene Hoffnung, im Laufe der Zeit die Hohenlohesche Handschrift bessern zu können, führt zugleich zur Frage nach der Originalität dieses Textes. Da wir eine ältere, ') Kurt Lindner, a. a. O., Berlin 1956, S. 65/66. Dank für freundliche Mithilfe bei der Transkription bin ich Herrn Gundolf Keil in Heidelberg schuldig.

57

vor Textverlust und Tilgung angefertigte Abschrift des Gesamtwerkes vorläufig nicht zu erwarten haben, bleibt zu prüfen, ob der anonyme Verfasser vielleicht Quellen benutzte, die uns erhalten sind und sowohl eine Überprüfung seines Werkes als auch seiner Arbeitsweise zulassen. Bei vorsichtiger Beurteilung läßt sich nach dem heutigen Stand unserer Kenntnis vom handschriftlich überlieferten deutschen Jagdschrifttum des 16. Jahrhunderts sagen, daß mindestens ein wesentlicher Teil der in der Hohenloheschen Handschrift zusammengefaßten Angaben originell war und der Feder ihres Verfassers entstammte, daß bei der Abfassung des Werkes aber auch ältere Vorlagen herangezogen wurden, denen der Autor, wenn er sie schon benutzte, offenbar sklavisch folgte. Dies ergibt sich aus einer im jagdgeschichtlichen Schrifttum bisher unbeachtet gebliebenen Handschrift D Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Msc. Dresd. C 319 fol. 23 r—39 v, Papier, letztes Drittel des 16. Jahrhunderts, die anscheinend nur ein Bruchstück aus einer größeren Sammlung ist, unter zahlreichen tierärztlichen Rezepten jedoch sieben Kapitel 10 ) enthält, die sich wortgleich in der Hohenloheschen Handschrift wiederfinden. Es ist unwahrscheinlich, daß die letztere 10 )

Msc. Dresd. C 319

Hohenlohesche Handschrift W. 5 fol. 30 r—30v = Kap. 76 Wolfis ader fuchs kugelein zumachen Auff ein andere weyse fuchs kuglein zumachen fol. 31 r—32 r = Kap. 82 So einer ein fuchs ankommet zum selbschos ader brethe so thue jme alszo fol. 32r—34r = Kap. 83 Wolt jr viel fuchße weit fhüeren fol. 34r—35 v = Kap. 84 Ein öhl zumachen dar nach fol. 35 y—36 r = Kap. 85 der fuchs auch gerne gehet Ein anders zum fhüeren, wer viel müehe wil haben fol. 36 r—37 v = Kap. 86 Zu den hasen fol. 39 r = Kap. 98 (fol. 47r»- 1 3 u - 5 - 8 )

58

dem Verfasser des Dresdener Textes bekannt war, vielleicht aber schöpften beide aus einer gemeinsamen Quelle. U enthält vieles, was in D fehlt; umgekehrt weist aber auch D einen Überschuß gegenüber U auf. Die Dresdener Handschrift bringt zunächst in e Anzahl fischereigeschichtlich interessanter Kapitel11), in denen vornehmlich geeignete Köder zum Fang von Forellen und anderen Fischen beschrieben und Angelanweisungen gegeben werden. Daran schließen sich vier Kapitel12), die den Vögeln gewidmet sind, von denen jedoch nur das erste13) als ein Tollköderrezept für den Vogelfang jagdgeschichtliches Interesse hat, während die nachfolgenden sich mit der Gewöhnung von Tauben an ein Taubenhaus und dem Futter zahmer Lockfinken bzw. der Behandlung ihrer Krankheiten beschäftigen. Die geringfügigen Abweichungen bei den mit der Hohenloheschen Handschrift korrespondierenden Kapiteln im Dresdener n ) Msc. Dresd. C 319 fol. 23 t—25 v. Ein beredtes Zeugnis für die Langlebigkeit solcher Rezepte ist ihr Wiedererscheinen in den weit verbreiteten und mehrfach aufgelegten Wohlbewährten Fisch-Geheimnüssen, Wien 1755, S. 33 u. 74, und bei J . B. Meißner, Kleine Lustfischerei oder die Kunst zu Angeln . . . Nebst Rezepten von erprobten Angel Aesern oder Querdern, Fisch und Krebsfütterungen und mancherlei andern geheimen Fischerkünsten, Leipzig 1799, S. 24, worauf mich Dr. Wilhelm Koch, Karlsruhe-Rüppurr, freundlicherweise hinwies. " ) Msc. Dresd. C 319 fol. 27 r—28 y. l s ) Msc. Dresd. C 319 fol. 27 r—27 v. „Allerley vogel zu fahenn. Nim dass krauth winscherüng vnnd pilsenkrauth. Die zwey krauth nim mit wurtzel vnnd sahmen. Darauss drücke das öhl. Hebs auff jn einem glase, vnnd wann du wass wilt fahenn, es sein enten, hüner ader andere vogell, so thue das öhl jn ein schirbell (d. i. Tontopf) vnnd thue weitzen ader annder geseme dorein, das vogell pfHegenn zuessenn vnnd laß darjnnen lieg;» zwue nacht, das es wohl erweicht. // 27 v Darnach straw es auff den platz, da die vogel hinkommen. Vnnd wann sie das essenn, so bleibenn sie sitzen, gleich als ob sie schliffenn. So magst du sie mit den henden auffhebenn." Vergl. a. Rudolph Zaunick, Die Fischerei-Tollköder in Europa vom Altertum bis zur Neuzeit, Stuttgart 1928, S. 723.

59

Text wurden durch Fußnoten wiedergegeben. Aus ihnen gewinnen wir allerdings einige beachtliche Textverbesserungen, die erkennen lassen, daß wir in D die weniger verderbte und somit bessere Vorlage vor uns haben. Ein Unterschied zwischen beiden Fassungen besteht darin, daß sich der Verfasser von D durchgehend des Imperativ plur. bedient, während in U dafür stets der Imperativ sing, steht, so daß D beispielweise nernet, last, thut, werft, walgert usw., U dagegen nimb, lasse, thue, mrff, wallgere usw. hat. Diese Unterschiede wurden, da sachlich belanglos, in den Fußnoten nicht erfaßt. Daß ein Teil der in der Hohenloheschen Handschrift gegebenen Empfehlungen geistiges Gemeingut war, läßt sich sinnfällig am Kap. 98 erweisen. Wir geben hier den inhaltsgleichen Text nach vier Vorlagen wieder: Hohenlohesche Handschrift, W. 5, (U) Kap. (98). Nimb entian, realgar vnd hermerackhtallen mit hasenblut vermischt, nehe das jn ein tuch vnd lege es jn ein holltz, so kommen sie darzu. Ein anders (von hase«). Nimb bilsenkraut vermischt mitt realgar vnd dem kraut zeitloß vnd thue solche stückh jn blut von einem jungen hasen zusam47 t *»en vnd vernehe dieselbe materia jn einen frischen // hasenbalg vnd setze denselben an ein ort, do du vil oder wenig hasen vermutest. So komen sie darzu vnd bleiben darbey, biß man den balg wider hinweg nimbt. Probatum est.

46 t

313 t

Haushaltung in Vorwerken, Hsc. Dresd. R 5 m (D), Kap. (17). Wiltt du haben, das alle hasen jnn beiden feldern, so aneinander liegen zusammen lauffen. Nim billsennsamenkrautt, realgaris vnd hermodactilum mische dise stucke mit eines jungen hasen blutt, vornee es jnn einen hasenbalck vnd setze jhn jnn das feldt. Oder lege solches jnn einen topff vnd trage den jnn das holtz vntter einen bäum. Sobaltt es die hasen wittern, kommen sie gelauffen vnd alda zusammen vnd thuen wüttendt sehr darnach. Puech zu der Waidmanschafft, Stiftsbibliothek St. Florian X I , 620 (Kap. (43)

20 T

Zu den hasen. Wildw vill hasen vnndter einen paumb pringen, nimb pilsenkhraut vnnd 21t realgar, hermicablicum // vnnd hasenbluet. Vnnd leg das in ain hafen vnnd trags in das holcz vnnder einem paumb, so müessen die hasen all darunder khomen.

60

M. Johannis Coleri Oeconomiae odet Haußbuchs Fünffte Theil, Wittenberg 1600, 14. Buch, Kap. XIV. Das sich die Hasen an einen ort versamlen. D II t Nim Hermodactylen, Realgar, zeitlosen ynd Pilsenkraut / mische es ynter einander / thue das blut von einem jungen Hasen darzu / vnd vernehe es miteinander in einen Hasenbalck/ so versamlen sich die Hasen alle miteinander/ so vmb denselbigen ort sein / darzu. Etliche nemen nur den safft von Pilsenkraut / mit eins jungen Hasen blut vermischet / vnd in ein Hasenfall genehet / vnd vergrabens gar seicht in die Erden. D u r c h die G e g e n ü b e r s t e l l u n g v o n vier F a s s u n g e n der gleichen V o r s c h r i f t aus ebensoviel selbständigen, i m L a u f e des 16. J a h r h u n derts entstandenen J a g d b ü c h e r n sollte lediglich die G l e i c h f ö r m i g keit des D e n k e n s nachgewiesen werden. E i n e unmittelbare Beeinflussung

scheint nicht vorzuliegen, vielmehr s c h ö p f t e n alle letzt-

lich aus einer gemeinsamen, vermutlich lateinischen Q u e l l e 1 4 ) .

III. D i e natürliche G l i e d e r u n g , die der V e r f a s s e r der H o h e n l o h e schen H a n d s c h r i f t bei A b f a s s u n g seines Werkes beachtete, e r g a b sich aus der Z u o r d n u n g des Inhalts z u den einzelnen Wildarten. A n die Spitze stellte er das mit besonderer Breite behandelte 14 ) Über das Fortleben des Colerschen Textes im deutschen Jagdschrifttum bis ins 19. Jahrhundert wird auf Kapitel V der Einleitung zum Jagdbuch des Cornelius Latomus (s. unten, S. 229 ff.) verwiesen. Wir finden ihn in der von Georg Leopold Fuhrmann herausgegebenen, 1616 in Nürnberg erschienenen zweiten Auflage des Büchleins Jägerkunst vnd Waydgeschrey (fol.DIIIvbis D IV r), in dem der sechsten, 1618 in Marburg verlegten Ausgabe vonNoe Meurer's Jag vnd Forstrecht beigegebenen Appendix Ediche sonderliche Geheymnuß vnd Kunststücke (Z. 12, fol. 267 r/267 v) und in Johann Taentzers Buch Geheime und gar rare Jägerkünste, Nürnberg und Altdorf 1631 (Neudruck o. O., o. J., ca. 1871, Kap. 51, S. 35). Taentzers Traktat wurde mindestens achtzehn Mal, wahrscheinlich aber noch häufiger, aufgelegt, so daß sich Anweisungen nach der Art des hier gegebenen Beispiels getreulich über Jahrhunderte forterbten.

61

Rotwild (Kap. 42—64). Diese Kapitelangabe ist eigentlich täuschend, denn auch die ersten 42 Kapitel, die mit Ausnahme des noch der Bearbeitung harrenden Kapitels 2 schon früher vorgelegt 16 ) wurden, sind dem Hirsch gewidmet und bilden mit dem anschließenden Teil eine Einheit. Das Auseinanderreißen des Textes und seine Wiedergabe im Rahmen von zwei — unter Einschluß des Kapitels 2 sogar von drei — verschiedenen Veröffentlichungen war durch die Themenstellung bedingt. Da die ersten Kapitel eine bedeutsame Weiterentwicklung der klassischen Lehre von den Zeichen des Hirsches darstellen, wurden sie im Zusammenhang mit dieser gebracht und gewürdigt. Das 2. Kapitel wird uns in einer Sammlung der überlieferten Weidsprüche und Jägerschreie beschäftigen. Der bedeutsame Rest der Hohenloheschen Handschrift fand seinen Platz in dieser den deutschen Jagdbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts gewidmeten Anthologie. Dies vorherzuschicken war notwendig, weil der Verfasser der Hohenloheschen Handschrift in seinem ganzen Werk das Prinzip verfolgte, bei Behandlung jeder Wildart an die Spitze ein Kapitel über dessen Spur oder Fährte zu setzen. Dem entsprach im Rotwildteil, Tradition und Wertschätzung zugleich zum Ausdruck bringend, die breit angelegte Zeichenlehre. Wollen wir den Gesamtinhalt zutreffend beurteilen, so ist festzustellen, daß weit mehr als die Hälfte des ganzen Buches Themen der Rotwildjagd gewidmet ist. Vertieft man sich in den Inhalt des hier erstmalig der zukünftigen Forschung zugänglich gemachten Teiles, so bemerkt man nicht sogleich den Reichtum der sorgfältigen und aufschlußreichen Angaben, die dieses Werk enthält. Man möchte zunächst vermuten, daß ihm, wie meist bei den uns erhaltenen deutschen Jagdu ) Kurt Lindner, Die Lehre von den Zeichen des Hirsches, Berlin 1956, S. 169—188.

62

büchern des 16. Jahrhunderts, Rezepte für die Herstellung von Giften, Witterungen oder Lockmitteln das Gepräge geben. Auch in der Hohenloheschen Handschrift nehmen diese im Jagdbetrieb jener Zeit unentbehrlichen Dinge einen beträchtlichen Raum ein, aber wir erfahren darüber hinaus doch sehr viel mehr. Eine große Rolle spielte die rechte Bereitung einer Salzlecke, wofür wir eine ganze Anzahl von Rezepten gleichsam zur Auswahl vorgelegt bekommen (Kap. 42—53 und 57). Worauf es bei ihrer Anlage ankam, zeigt Kapitel 46, das schon die Überschrift führt „Leitung des Wildbrets durch eine Lecke" und damit andeutet, daß man in erster Linie fremdes Wild ins eigene Revier zu ziehen trachtete. Dies wird im übrigen ganz unverhohlen ausgesprochen. Der Jäger begab sich in fremdes Holz, bestrich dort auf dem Heimweg die Bäume mit seinem „Müßlein" und konnte sicher sein: „Sobald das Wildbret dieses Geleckes innen wird, folgt es Dir nach bis in Dein Holz oder in Deine Jagd." Zuverlässige Mittel „Wildbret an fremde Orte zu leiten" (Kap. 45) erfreuten sich deshalb beim Jagdpersonal hoher Wertschätzung. Im Kapitel 54 erhalten wir eine sehr anschauliche Schilderung, wie mit einem solchen Leitwasser gearbeitet wurde. Der Schütze — in der ganzen Hohenloheschen Handschrift steht beim Rotwild die Jagd mit der Büchse im Mittelpunkt der Betrachtungen — setzte sich auf einem Baum, also auf einem Hochsitz oder in einem Schirm an, wobei für den zu wählenden Platz die Richtung des Windes maßgeblich sein sollte. Sein Begleiter befestigte das Gefäß mit dem Leitwasser an einer langen Stange, so daß er die Flüssigkeit, — um sie nicht mit menschlicher Witterung zu verbinden, — weit vor und neben sich versprengen oder — besser gesagt — verrieseln lassen konnte. Das geschah in der Nähe bekannter Wechsel, so daß der zu Holze ziehende Hirsch, der das Leitwasser witterte, diesem Geruch folgte und auf Büchsenschußweite in die Nähe des Jägers geführt wurde. Besondere Vorsichtsmaßregeln waren notwendig, um keine von menschlicher Witte63

rung verpestete Spur des Leitwasserträgers entstehen zu lassen. Seine Schuhe wurden deshalb nicht mit den Händen, sondern mit einem Holzstab mit Schafsmist beschmiert. Noch besser war es, auf Schuhe ganz zu verzichten und statt dessen die Füße mit Lappen, die zuvor mehrere Wochen bei Frost, Schnee, Regen und Wind im Freien gehangen und alle Witterung verloren hatten, zu umwickeln und diese von Zeit zu Zeit mit dem Leitwasser zu tränken. Die der visuellen Tarnung gewidmeten, kulturhistorisch besonders interessanten Kapitel 58 und 59 haben, wie mir scheint, nicht ihresgleichen in der deutschen Jagdliteratur jener Zeit. Wir hören hier erstmalig im Fachschrifttum etwas über das Schleichen mit dem Strauch im Sommer und über das Schleichen mit dem Schneehemd im Winter. Solche Formen der Tarnung sind in der Praxis natürlich immer viel älter als die ersten literarischen Belege, durch die sie bezeugt werden, aber das mindert nicht den Wert dieser Berichte. Der Jäger hieb sich einen Strauch ab, der ihn zumindest vom Gürtel bis zum Kopf einschließlich des Gesichtes bedecken sollte. Reichte er bis zu den Füßen, war es umso besser. Unter Wind schlich sich der Jäger an, in der Linken den tarnenden Strauch, unter dem rechten Arm die Büchse haltend und Fuß vor Fuß setzend, so lange das Wildbret seiner nicht gewahr geworden war. „Siehst Du aber, daß das Wildbret den Kopf aufwirft und nach Dir schaut, so hat es etwas gesehen. Dann stehe stockstill und rege Dich nicht, bis es wieder äst und nach anderer Richtung schaut." In der Brunftzeit zerbrach der Jäger bei diesem Vorgang kleine dürre Zweige, die dem Hirsch das Herannahen eines Gegners vortäuschen sollten. Freilich durfte dieser Vorgang der audiblen Tarnung nicht mit auffälligem Lärm geschehen. Das Schneehemd war aus dicker starker Leinwand hergestellt, reichte bis über die Kniee, bedeckte aber mit seiner Kappe auch das Gesicht und mit den Ärmeln nach Handschuhart die Hände. Es wurde übergestülpt, war deshalb nicht mit Knöpfen 64

versehen und hatte außer dem Einschlüpfloch nur Öffnungen für Augen, Ohren, Nase, Mund und „auf der Backe, wo der Anschlag vom Geschoß sein muß." Ein solches Hemd, das zunächst längere Zeit in fließendem Wasser lag, mußte wie die erwähnten Fußlappen des Leitwasserträgers längere Zeit bei Wind und Wetter, bei Regen und Sonnenschein im Freien hängen, um im Interesse der odorablen Tarnung alle menschliche Witterung zu verlieren. Angeblich wirkte es dann beim Tragen so weit abschirmend, daß das Wild keinen Wind bekam. Freilich mußte nach jedem Tragen die Prozedur des Wässerns und Aufhängens wiederholt werden. Nichts Ungewöhnliches war es, die Geschlechtsteile eines weiblichen Stückes Rotwild an der Luft zu trocknen und hart werden zu lassen, was kaum weniger als ein halbes Jahr beanspruchte, und mehrere davon an den Jägerhut zu stecken (Kap. 60). Der Hirsch wurde bei Benutzung dieses Duftmittels angeblich durch menschliche Witterung kaum noch vergrämt. Die Verwendung einer solchen Witterung wurde vor allem auf dem Anstand bei Nacht empfohlen, zumal sie der Hirsch sehr weit wahrnahm. Besonders geeignet war sie in der Brunftzeit. „Gut dazu ist auch das Wildgeschrei. Wenn ein Hirsch in die Nähe kommt und das eine windet, das andere hört, so kommt er gewiß. Es ist auch gut, daß einer dabei Kleider anhabe, die viel im Holze hängen, da sie dann nicht viel Witterung haben." Daß der Verfasser der Hohenloheschen Handschrift, wenn er von der Jagd auf Rotwild sprach, vielfach an ein Zudrücken auf den Schützen dachte, zeigt uns das Kapitel 62. Standort und Wechsel wurden zunächst genau ausgemacht, ehe der Zureiter oder Zutreibet angesetzt werden konnte. Sobald Schütze und Treiber ein Stück Rotwild gesehen hatten, versuchten sie, sich ihm im großen Bogen von der Richtung zu nähern, in die der Hirschkopf zeigte. „Wenn das Wild dies zuläßt, ist schon halb gewonnen, denn wo es den Kopf hinstreckt, da will es gewöhnlich hin, und es trägt 5 Deutsche Jagdtfaktate I

65

sich unter hundert Malen nicht einmal anders zu." Dort wurde der Schütze angestellt. Der Zureiter umgriff das Wild jedoch mit seinem Pferd wieder im weiten Bogen, bis er es von hinten angehen konnte. „Dann drücke gemach darauf zu und ziehe direkt zum Wildbret. Es läuft zum Schützen. Und das ist der übliche Prozeß." Alles, was in der Hohenloheschen Handschrift über das Verhalten des vertrauten und des mißtrauischen Wildes gesagt wird (Kap. 63), zeugt nicht nur von einer vorzüglichen Beobachtungsgabe, sondern auch von einer überraschenden Darstellungsfähigkeit und Ausdruckskraft ihres Verfassers. Zwei Schützen zuzutreiben, schien ihm besser zu sein als einem. „Soll nun einer von den zweien mehr Schüsse machen als der andere, so stelle den Schützen, der schießen soll, aus dem Wind, das heißt, stelle ihn so, daß der Wind vom Wildbret auf den Schützen zu geht. Den anderen aber, der nicht schießen soll, stelle in den Wind, das heißt, stelle ihn so, daß der Wind von ihm auf das Wildbret geht. Dann reite herum, und wenn Du dem Schützen, der im Wind steht, gegenüber auf gleiche Höhe kommst, so reite auf das Wildbret zu. Dann drückst Du mit Deinem und des Schützen Wind das Wildbret dem anderen Schützen zu, der außerhalb des Windes steht." Diese Worte klingen, als wären sie dem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Traktat De arte bersandi entnommen. Natürlich: „In der rechten Hirschbrunft fragt kein Hirsch nach dem Wind" (Kap. 64). Interessant ist der feine Unterschied zwischen pirschen und jagen. Die soeben beschriebene Drückjagd bezeichnete man als Pirsch, genau so wie dies im Mittelalter der Fall war18). Jagen dagegen war gleichbedeutend mit treiben. „Rehe, Sauen, Wölfe und Füchse lassen sich nicht gern zudrücken, wiewohl es zu Zeiten auch gelingt. Jedoch ist die Jagd auf sie neben dem Schießpferd am sichersten, jedenfalls soweit es das ") Vergl. Kutt Lindner, De arte bersandi. Ein Traktat des 13. Jahrhunderts über die Jagd auf Rotwild, Berlin 1954, S. 15. 66

Pirschen betrifft. Im Jagen dagegen lassen sie sich gerne treiben". Wenig Pferde und langsames Reiten sicherten am ehesten den Erfolg einer solchen Pirschjagd. „Denn das Wildbret läßt sich nicht übertölpeln und überreiten, sondern man muß es erschleichen." Leider beschränkte sich der Verfasser der Hohenloheschen Handschrift bei der Darstellung der Rotwildjagd im wesentlichen auf Ansitz und Pirsch. Daß wir über die in Deutschland wenig geübte freie Hetze bei ihm nichts hören, kann nicht überraschen. Aber einige Worte über die mit Netzen betriebene Heckenjagd oder über ein eingestelltes Jagen wären eine wertvolle Bereicherung gewesen. Beim Reh- und Schwarzwild begnügte sich der Verfasser unserer Abhandlung mit wenigen Angaben, ohne die auf diese Wildarten zur Anwendung kommende Technik der Jagd zu berühren. Beide waren durch Jahrhunderte Stiefkinder der Jagdliteratur, und nicht nur der deutschen. Sie standen immer im Schatten des Rothirsches. Beim Reh (Kap. 65—68) hören wir nach kurzen Bemerkungen über seine Fährte etwas über die Anlage eines Wildackers und über die winterliche Fütterung. Ein mit Salz angemachter Brei aus Roggen-, Weizen- und Hafermehl diente zum Anlocken. Auch Misteln wurden gern vom Rehwild angenommen. In dem Kapitel „Spuren von der Sau" (Kap. 69) erweist sich der Autor als erfahrener Praktiker. Es scheint, daß gerade seine über das ganze Buch verteilten Ausführungen zur Fährten- und Spurenlehre — sehen wir von der an den Anfang gestellten Lehre von den Zeichen des Hirsches ab — originell waren. Jedenfalls kennen wir bislang keine Vorlage, die ihm hierfür als Richtschnur gedient haben könnte. Wertvoll sind diese Kapitel auch als Quellen für die Geschichte der Weidmannssprache. Zu den aufschlußreichsten Teilen unseres Traktats gehören die Kapitel über den Bären (Kap. 71—74), nicht zuletzt, weil uns 5*/I

67

systematische Angaben über seine Jagd bis ins 16. Jahrhundert so gut wie ganz fehlen. Der Zusammenstellung der termini technici (Kap. 71) entnehmen wir „Was ein Bär fängt, heißt: ergangen." Dem haben wir gegenüberzustellen (Kap. 75) „Was ein Wolf fängt, heißt: erlaufen" und (Kap. 80) „Was ein Luchs fängt, heißt: ersprungen." Der hohe Stand in der Entwicklung der deutschen Weidmannssprache läßt sich kaum besser vor Augen führen. Um eines Bären habhaft zu werden, mußte man ihn „ankörnen". Dieses Wort hatte im 16. Jahrhundert noch eine ganz andere Bedeutung als heute, stand vor allem in keinem Zusammenhang mit Körnerfutter. Als Luderspeise dienten totes Vieh oder Wildbret, aber möglichst keine gefallenen, sondern frisch geschlachtete oder geschossene Stücke. Sie wurden, um ein Abschleppen zu verhindern, an einer großen eisernen Kette befestigt, auch zum Schutz gegen kleines Raubwild an Bäumen aufgehängt und tagsüber durch Reisig vor Vögeln geschützt. Eine beim Bären besonders beliebte Lockspeise war natürlich der Honig. Man füllte ihn in einen starken Klotz aus Linden-, Espenoder Kiefernholz, in den zahlreiche Löcher zu seiner Aufnahme gebohrt, anschließend aber wieder mit Pflöcken verschlossen waren, so daß immer nur wenig von der süßen Speise herausrinnen konnte. Einen solchen Klotz mußte man mit einer Kette dort, wo er ausgelegt war, anschmieden. Sicher und zuversichtlich sagt der Verfasser der Hohenloheschen Handschrift „Ist der Bär erst einmal dabei, so kommt er gewiß wieder". Eine dritte Art, Bären zu locken, bestand in der Aufrichtung einer mit Honigbrot gefüllten Säule. Auch hier waren die Fächer, in denen die Lockspeise lag, gut verschlossen, um die Kirrung dem Zugriff von Spechten und anderen Waldvögeln zu entziehen. Selbst Bienen, Wespen und Hummeln traten leicht als Räuber auf. Woraus dieses Brot bereitet wurde, wird uns genau gesagt (Kap. 73). Man möchte meinen, daß bei Anwendung dieses Rezeptes der Erfolg nicht ausbleiben konnte. Um den keinen festen Wechsel einhaltenden 68

Bären zum Luder zu führen und dessen Entdeckung nicht dem Zufall zu überlassen, wurde ein Geschleif gemacht, zu dem sich vorzüglich das Gescheide und der Schweiß von frischem Rotoder Rehwild eigneten (Kap.74). In den in einem Gefäß gesammelten Schweiß ließ man einen zahmen, an der Leine zu führenden Wolf oder Fuchs, gegebenenfalls auch einen Hund treten, der, vom Luderplatz ausgehend, im weiten Bogen dreioder viermal um diesen in der Entfernung von einer Meile oder mehr herumtraben mußte. Wurden die Sohlen vom Laufen trocken, befeuchtete sie der Jäger von neuem. So entstand eine Spur, der der Geruch eines schweißenden Stückes Wild anhaftete. Kam der Bär darauf, folgte er ihr instinktiv und gelangte zwangsläufig an den Luderplatz, an den er gewöhnt werden sollte. Andere Jäger gruben eine stinkende Schweinekeule zwei Ellen tief in die Erde, sorgten aber durch ein darüber angebrachtes Rohr dafür, daß der penetrante Geruch abziehen und einen Bären von weither anlocken konnte. Den Wolf finden wir in der Hohenloheschen Handschrift nur kurz behandelt (Kap. 75—79), offenbar weil vieles von dem, was beim Fuchs so ausführlich gesagt wurde, auch für ihn galt. Schon das erste, der Spur gewidmete Kapitel zeugt mit der Beschreibung des Verhaltens eines hungrigen und eines gesättigten Wolfes von der scharfen Beobachtungsgabe und dem fundierten Wissen des Verfassers. Rezepte für Wolfskugeln und Giftbrocken gehörten zu den unerläßlichen Fachkenntnissen eines jeden Berufsjägers. Erfreulich ist es, daß der nur selten behandelte Luchs wenigstens im Vorübergehen (Kap. 80) Erwähnung fand. Vielleicht ist es wert, darauf aufmerksam zu machen, daß mehrere Luchse, die beieinander waren, der Fährte des ersten zu folgen pflegten. Auch kehrte der Luchs zu einem ersprungenen Stück zurück. Überraschend ausführlich beschäftigte sich der Autor unseres Traktats mit dem Fuchs (Kap. 81—95). Der Wert dieses Teiles 69

liegt für die jagdhistorische Forschung in dem umfassenden Katalog der vor uns ausgebreiteten Fangmethoden. Füchse mit sogenannten „Fuchskugeln" durch Gift zu vertilgen, war weitverbreitet (Kap. 82). Kulturgeschichtlich interessanter sind jedoch die erwähnten Fallen, das Selbstgeschoß, die uralte als brett bezeichnete hölzerne Klappenfalle, die Fallgrube und der als trew erscheinende, bisher in ihrer Technik nur unzulänglich geklärte Druch, eine horizontal wirkende Schwippgalgenfalle. Daneben begegnen uns das Fuchseisen und die von Wilderern bevorzugten Hilfsmittel Lauschnetz und Schlinge. Ihr Erscheinen in dieser Abhandlung gab Anlaß zu einer Anzahl ausführlicher und mitunter weit ausgreifender Anmerkungen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es sich vorzugsweise um ausgesprochen altertümliche Fallentypen handelt, die uns hier vorgestellt werden, vor allem vertreten durch die hölzerne Klappenfalle und den Druch, von denen sich die erste bis in die Vorzeit, der zweite bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen läßt. Beide sind aber aus dem Schrifttum des 17. Jahrhunderts bereits ganz verschwunden. Man darf in dieser Tatsache wohl eher einen Beweis der außerordentlichen Langlebigkeit jagdtechnischer Hilfsmittel in gewissen Landschaften als eine Aufforderung zu entsprechend früherer zeitlicher Zuordnung unseres leider nur in dieser einzigen Abschrift enthaltenen Traktats sehen. Immerhin ist festzustellen, daß wir durch ihn weitgehend mit ausgesprochen altertümlichem Kulturgut bekanntgemacht werden. Der Mechanismus dieser Fallen wird in der Hohenloheschen Handschrift mit ihrer Erwähnung stets als bekannt vorausgesetzt. Die Anweisungen betreffen meist ihre Verwitterung. Natürlich war daneben der Schuß nicht ausgeschlossen. Um die Entfernung zu kürzen, näherte sich der Jäger hinter einem schußfesten Pferd oder zu Wagen. War es geglückt, einen Fuchs in der Grube zu fangen, wurde diese neu hergerichtet, also mit zwei Bund Haferstroh ausgeräuchert und mit frischem Schafsmist umstreut. Als Lockspeise auf der 70

Grube wurden, verfolgt man aufmerksam das Schrifttum durch die Jahrhunderte, wohl stets Enten gebraucht. In unserem Traktat wird besonders die Verwendung junger Enten empfohlen. Sie hatten die Eigenschaft, auch nachts laut zu schnattern und erhielten meist Antwort von ihren Artgenossen im nächsten Dorf. Dieses Konzert lockte Wölfe oder Füchse aus weiter Entfernung herbei. „Je mehr die Stellente schreit, desto mehr der Fuchs danach trabt." Selbst das Halfter, mit dem die Lockente auf der Grube befestigt wurde, mußte, um jeder menschlichen Witterung verlustig zu gehen, am gleichen Tag, an dem es gebraucht wurde, zwei Stunden im Mist liegen, um danach zu riechen. Wurde eine Grube nicht angenommen, befestigte man die als Horde dienende Abdeckung so fest, daß eine Herde Schafe darüber hinweg getrieben werden konnte. Auch empfahl es sich, den Fuchs zunächst an das auf der Grube liegende Luder zu gewöhnen, ehe man sie wieder fängisch machte. Große Aufmerksamkeit schenkte man dem Geschleif, mit dem der Fuchs bis zur Fangeinrichtung geführt wurde. Ähnliche Methoden, wie für das Herbeiführen eines Bären erwähnt, finden wir erneut angeraten. Hoch entwickelt waren die Vorsichtsmaßregeln, um die menschliche Witterung zu nehmen. Sogar eine Kappe wurde beim Stellen „vor das Maul gezogen", um den Atem abzufangen. Am Schluß der Hohenloheschen Handschrift stehen die dem Hasen gewidmeten Kapitel (96—108). Rezepte, um dieses von jeher geschätzte Wild an vorbestimmte Orte zu leiten, stehen im Mittelpunkt der Darstellung. Über die Technik der Hasenjagd erfahren wir nur wenig. Der Fang mit reitteln, also der Hasenhorde, in aus Messingdraht hergestellten Schlingen und in Lauschnetzen werden im Vorübergehen gestreift, spielten aber sicherlich eine größere Rolle als die Jagd mit der Schußwaffe. Um einen Hasen zum fängisch gestellten Netz zu führen, machte man ein Geschleif, dem allerdings auch der Fuchs folgte (Kap. 106). Leider ist, so lange uns eine Parallelhandschrift fehlt, nicht zu 71

ermessen, wie groß der Textverlust zwischen den Kapiteln 106 und 107 ist, doch scheint er nicht bedeutend zu sein. Wir hätten zwar gern manches mehr gehört, so über Fischotter, Biber und Marder, vielleicht auch über das in der älteren deutschen Jagdliteratur sehr vernachlässigte Wildkaninchen, aber es scheint, daß die Hohenlohesche Handschrift hierüber nichts enthielt. Leider fehlt auch jeder Hinweis auf die selten besprochenen Wildarten des Hochgebirges, auf Steinbock und Garns. Daß der Vogelfang in die Darstellung nicht einbezogen wurde, erklärt sich, sofern wir im Verfasser einen Berufsjäger sehen, aus dessen Aufgabenkreis von selbst. Im Ganzen birgt der interessante Text jedoch eine überraschende Fülle aufschlußreichen Materials, das geschickt und mit der Sicherheit der eigenen Erfahrung vorgetragen wird. Der Reichtum seines Inhalts rückt ihn in die erste Reihe der Quellen zur Geschichte der deutschen Jagd im 16. Jahrhundert.

IV Der Hohenloheschen Handschrift wurden drei inhaltlich verwandte Kapitel aus der Wolfskeelschen Handschrift beigegeben. Die mit der Lehre von den Zeichen des Hirsches zusammenhängenden Teile dieses der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart gehörigen Manuskriptes wurden bereits an anderer Stelle 17 ) vorgelegt und besprochen. Der Traktat ist vor allem wertvoll als Quelle für eine Sammlung der deutschen Weidsprüche und Jägerschreie. Darüber hinaus sind nur die drei hier eingeflochtenen Kapitel von jagdgeschichtlichem Interesse. Sie behandeln den Fuchsfang mit dem Eisen (Kap. 36) und mit Gift") Kurt Lindner, Die Lehre von den Zeichen des Hirsches, Berlin 1956, S. 153—168, s. auch S. 61—63.

72

brocken (Kap. 37 und 38). Die Rezepte zur Herstellung von Fuchskugeln lassen eine große Ähnlichkeit mit gleichartigen Anweisungen in anderen, hier vorgelegten Handschriften erkennen18). Sie zeigen, wie weit verbreitet und wie gleichförmig das Wissen um diese Dinge war.

l s ) Z. B. Wolfskeelsche Handschrift, Kap. 38. Hohenlohesche Handschrift, Kap. 77 und 89. Jagdbuch des Cornelius Latomus, Kap. 50. Daß diese Rezepte zur Herstellung wirksamer Wolfs- und Fuchskugeln auf eine lange Tradition zurückblicken konnten, beweist eine im Wortlaut geringfügig abweichende, sonst aber inhaltsgleiche Fassung, die wir in den Cod. 793 der Fürstl. Fürstenbergischen Bibliothek in Donaueschingen (foL 23 r) unter dem Titel Wolfs chugel secundum magistrum Egidium eingestreut finden. Diese Aufzeichnung stammt vermutlich aus der Zeit um 1450—1460 und stellt das älteste zur Zeit bekannte Wolfskugelrezept in deutscher Sprache dar: Recipe wolfwurcz, dy gelben pluemel haben, dy langen, so dus chaufst, Item eybems grassach, Item venedigisch glas, Item arsenicum uel auripigmentum uel huttrich, hoc totum significat weis stupp, das weiss ist pesßer, Item hermodactili, id est tokchen uel zeytlos, Item flewgenswam. Dy ding stos chlain. Darnach nim rot amaissen einen angsl vol vnd ein wenig wasßer daran, den vermach wol verdekcht in einen laib taig vnd lass jn pachen mit dem selben wasßer, mach ab das puluer, darnach dorr es hin wider vnd mach chugeln zu wolffen als ein walsch nuss, zu fuxsen als ein hasel nuss mit honig. Darnach legs in vnslid, so zervelts nit, darnach wider in honig. Item nimpstu huncz fleisch darczu, so nemment dy hunt dy chugel nit. Item du must vom ersten also äsen. Item wo du je warmber waist, da selbs strä pratne paindel etc. lang in dem herbst, so gewanent sy di stat. Oder nim ein pratne chaz vnd zeuch sy hin vnd her, darnach hach sy auf, so witernt sys etc. vnd leg dy chugel, wo dus geczogen hast. Item zu hirschen nim arsenicum salcz vnd mistel.

73

DIE HOHENLOHESCHE HANDSCHRIFT

U

Hohenlohesches Zentral-Archiv Neuenstein Nr. W. 5

(42.) H i r s c h l e c k e n zu m a c h e n , d a r z u das w i l d t b r e t h i7r a u c h g e r n geet. Willtu eine lecken machen, so nimb einen guten leyttigen leymen 1 ). Lasse darein habern mahlen, souil alls 9 oder 10 pfundt sein oder wieuil du darzu haben willdt. Denselbigen habern lasse 5 mahlen alls hundtsaß. Vnd thue ein schaaf2) oder vier salltz darein, zerschlage jne vnd thüe das jn eynen kessel vnd lasse es siedent heyß werden vnd wirffe darein ein halb pfundt liebstöckelwurtzel 3 ). Vnd wann das wasser seudt, so rüer das habermehl gleich mitt einander an den leymen. Thue nitt anders alls wann 10 mann ein theg 4 ) will machen. Dasselbige nimb, mache es zu kugelin alls ob es ein laubB) brot sollt werden. Heytze einen backofen vnd scheube es darein wie brot vnd vermache den ofen allenthalben wohl, das kein tampff daraus komwe, vnd lasse den ofen mitt demselbigen brot abküelen. 15 (43.) E i n a n d e r leck. Fahe ein stückh willdts jm früeling. Daruon nimb das kalb mittsampt dem netzlein, darjnnen es ligt, vnd seude es jnn knabenharm vnd salltzwasser, das es sich gantz zurühre. Das verschlage jn ein gantz wohlvermachtes feßlein // vnd füre es, wo du die i7v sulltz 6 ) willt machen. Darnach nimb den gebrantten leymen, so jn der vorigen lecken verzeichnet vnd jm ofen gebacken. Den lasse wider zerschlagen vntter andern gebrandten leymen, der von einem backofen sey, vnd begeusse jne mitt dem wasser, das du im veßlein hast. Darmitt Schlahe die sulltz, so bringstu das 5 willdtbreth jns landt, wann sonst keins darjnnen were, vnd zeucht dir nit darauß. Mere das wasser jm feßlein mitt anderm gutem salltzwasser. (44.) V o n k u g e l b r o d t . Nimb dess brotts, so du jm backofen gebacken hast, vnd mach 10 küeglein daraus vnd lege dieselben hin vnd her. Wo du das willdt77

breth gerne hin haben willdt, do lege je ein küegelein vnd setze darzu ein feßlein salltz oder zwey. So bringstu das wiildtbreth jns landt. 15

(45.) E i n wasser, so zur lecken g e b r a u c h e t w i r d t , d a r m i t man das w i l l d b r e t h an f r e m b t e ort leiden kann.

Mann soll nemen die futh 7 ) von einem wildt, die nieren vnd auch die mutter8) sampt der geyle, do das kalb jnnen ligt, vnd soll darzu thun ein wenig bibergeyl9). Dieselbigen stückh soll mann 18t thun jn ein mörser vnd alles vnter // einander stossen, das sie wohl zerkirschet10) werden. Darnach soll man darunter giessen mansharm vnd auch wohl vnder einander rüeren vnd müschen, darnach durch ein tuch seygen. Das soll man thun jn ein Haschen oder enges glaß, so jst das wasser bereitet. 5 So du es nun brauchen willdt, so netze ein thuch jn demselbigen wasser vnd binde dasselbige vmb die schue, das es sich im graß streiche oder auff der erden, so nimbt es eine nesse an sich vnd gewinnet einen schmack. Wann nun das wiildtbreth auff die bahn oder steig komet, so volget es jmer nach, so ferrn er gangen jst io alls jn ein ander holltz oder irgents jn eins andern herrn gebiete. Doselbst soll mann machen ein sulltze, die das hochwilldt von natur begert, alls von gebrantew offenleymen. Denselbigen strew auff eine» blatz oder eben. Darauff geusse mannsharm vnd schütte aber gestossenen leyme» darauff vnd aber vrin. Allso mache stra15 tum super Stratum11) zu 3 oder 4 maln nacheinander. Darnach strewe darauff steine, die jm feuchten steen oder wachssen, die essen sie auch von natur gerne. So gewohnen sie zu demselbig«« IST //gefreess12) vnd begern allemahl doselbst zu sein, do sie doch zuuorn anderstwo gewesen sein. Willtu das wiildtbreth gantz begihrig dahin machen, so geusse oder sprenge das leydtwasser auffs letzte auff den leyhme. So werden 5 sie vil mehr begihrig, dohin zukommen, vnd bleiben nit aussenjrer natur halben. 78

(46.) L e i t u n g des w i l l d t b r e t h s durch ein gelecke. Nimb des obgenanten leitwassers jn der ilaschen vnd darmit vermenge einen gebranten leyme von einem allten backofen. Vnd mache daraus ein düennes müeßlein, trag es bey dir vnd gee 10 jn einen walldt oder holtz, darjnnen du dich13) vil willdtbreth vermutest. Doselbst fahe an vnd streich das müeßlein an die beume jm widerheimbgeen jm holltze. Soballdt das wildtbreth dess gelecks jnnen wirdt, so volgt es demselbigen nach biß jn dein holltz oder jagt. 15 (47.) Ein gute lecke zu schlagen auffs hohewilldt. Nimb backofen leymen, frische schaffslorber14), die gantz feucht sein, vnd gut rein salltz, darzu erden, die auch frisch vnd feucht jst, do die pferdt auff gewalltzt haben oder // gesprungen. Dis 19« alles jn ein teig mit dem backofenleyme gemacht oder zuuor gebuluert vnd gestossen vnd zu einem teg gemacht vnd allso ein lecke darmitt geschlagen jns holltz an eine dürre oder druckene Stadt, do ein lautter holltz jst. (48.) Ein ander lecke.

5

Siehe ein türre Stadt aus. Darein Schlahe ein pfähl, das ein loch wirdt einer eilen tieff. Schüte gut salltz darein, so geet das willdt darzu. Oder nimb ein guts stück salltz, dus vnter backofenleymen, zusamen gemüschet vnd jn das loch gethon. Darnach nimb heyringslacke18), seude vnd scheume die rein, geusse es 10 vmbher vmb die lecken, so geet das willdt darnach. (49.) Ein g u t e hirschlecke. Nimb die wurtzeln von dem kraut, das mann heist distelin, die hacke klein. Derre die darnach jn einem brot aus einem backofen, das noch warm jst vnd thue die brosam heraus vnd stosse die 15 klein mitt der wurtzel. Hacke das jn die erde nit zu tieff, do kommen die hirschen gern hin. 79

(50.) E i n ander h i r s c h l e c k e . Nimb bibergeil, natterwurtz18), eberwurtz17), schäum vom 19 t salltz oder sonst salltzwasser, // heyringslacke, menschenharm, Weinessig, gebranten lehmen, so rot jst etc. Diese stück alle vndereiander gemengt an einen paum gestrichen oder geschlagen. (51.) E i n ander lecke. Nimb roten leymen, so inn eynem backofen gebrandt, wein5 essig, liebstockwurtzel vnd kraut, doch wenig salltzwasser, das wasser aus der blasen von einem stückh willdts — do es jn der prunfft vnd der hirsch newelich darauff gesprungen, jst es besser—, das wasser von einem weib so nehst volget, wann sie mitt einem mann zu schaffen gehabt.Hieraus ein lecken gemacht, sollen die io hirschen sehr darnach gehen, jnsonderheit kurtz vor vnd nach der prunffte. (52). E i n g u t e l e c k e , die gar gewiss j s t zum h i r s c h e n w i l d t b r e t h und reher. Nimb ein greiffigen18) eychenbaum vnd schneide denselbigen 15 vngeuehr 2 1 / 2 elln hoch vber der erden mitt einer seegen entzwey vnd lege darauff bolnischen oder andern salltzstein vnd lasse es darauff ligen. Dieweil es aber keine Witterung von sich gibt, 20r so nimb heyringelack // vnd menschenharm vnd geusse vmb den stockh her, darauff der salltzstein ligt, so findet solchs das willbreth ballt. (53.) E i n g u t e h i r s c h l e c k z u m a c h e n darzu das w i l l d t b r e t h g e e t vnd ander w i l l d t b r e t h m i t t sich füeret. 5

Nimb menschenharm darnach du die lecken groß machen willt, thue jn ein pfanne oder grossen kessel, mache ein fewer darunter, lasse es wohl sieden vnd schäum es rein. Darnach nimb leiten von einem allten backofen vnd ein wenig frischen leymen darunter 80

vnd begeus den leymen mit dem harm. Lasse es wohl durcheinander tretten vnd würffe salltz daruntter. Vnd wann du ein 10 willdt geschossen hast, so schneid es auff, nimb das kalb heraus, zerstosse es wohl zwischen zweyen klötzern. Wann du die lecken schlegst, so schlage ein stück leime einer spannen hoch vnd gib jme wohl salltz. Darnach nimb ein wenig von dem kalb vnd Zettel19) es auf den leyme. Du must auch für ein gullden oder vier 15 gestossene wurtz kauffen, nemblichen zimetrinten 20 ), negelein21), jngwer 22 ) vnd mußcatbluemen 23 ). Der wurtz nimb jedes gleich vnd strewe sie darüber. Nimb darnach wider ein geschieht salltz, lerne vnd von dem kalbe, auch der wurtze, vnd mache allso Stratum // super Stratum, so hastu eine gute lecke. Die must du 20v schlagen zwischen pfingsten oder ostern. (54.) W i e m a n e i n e n h i r s c h e n zu s e i n e r zeit v o r a n d e r e a u s s o n d e r n v n d zu e i n e m s c h u s s b r i n g e n soll. Mann neme ein stück willdes, soballd es geschossen oder gegefangen worden jst — doch das es nit weydtwundt oder durch 5 die mutter, do das kalb jnnen leydt, gestochen oder geschossen sey — vnd schneydt das stückh auff, so es noch nach der natur (vmb) [am] werbmsten jst, vnd nimb die mutter mitt dem kelblein aus des willdes leibe, thue das jn ein gefesse, das mann vnden durch ein schreublein kann auflthreen, schneid die mutter auff 10 vnd nimb das kelblein heraus, das es keinen tropffen schweyß von sich gibt — dann so mann die mutter zu nahe an dess kelbleins nabel abschneidt, so schweist es — alls das die suden, so jn der mutter ist, alle(r) jm gefeeß bleibt. Allsdann so das kelblein heraus ist, zeuch die mutter auch aus der suden vnd deckh das 15 gefeeß mitt der suden zu, das nit vil lufft darzu körnte, vnd nimb die mutter vnd schneidt sie zu kleinen stücken, deßgleichen das feygenblat von dem stückh wildts. Vnd nimb dem // feigenblat 21t die haut ab vnd schneidt das feigenblat auch zu stücken, doch das kein willdtbreth von dem stückh wildts souil müglich daran 6

Deutsche Jagdtraktate I

81

bleibe. Auch schneidt nichts vom feigenblat hinweg. Wirff die haut, so du vom feigenbladt genomen hast, hinweg. Auch nimb 5 1 / i lb bibergeil, die do frisch vnd am besten jst, zerschneidt die vnd thue die mutter sambt dem feigenbladt vnd bibergeil jn eynen mörser vnd decke den mörser jm stossi« vnd sonst mitt eynem dicken oder zwifachen leinwaten thuch fast zu vnd zerstoss es so lang, biß es, so es müglich, gar zerstossen werde. 10 So nimb dasselbige, das jm mörser jst, zustossen vnd thue es jn ein gross breitt häre« thuch vnd durchreib den safft daruon, souil du dann durch das herin thuch bringen kanst, vnd thue diesen safft zu der obgemellten matery oder suden, so aus der mutter kommen jst, auch jn dasselbige gefeeß vnd lasse einen knaben wol 15 naß — so es aber einer nitt vermag, so nimb der knaben desto mehr darzu, das es halb allso vil jst alls deß gemellten saffts vnd sueden — darein bruntzen, doch das es allsballdt vnd so warm es aus dem knaben kombt geschee, das es nit zuuor jn etwas gebruntzt werde vnd darnach allererst hinein gegossen werde. 21 v Rüre vnd rüttel solchs durch einander, wollest auch // alles dises obgemellte, so jnn das gefeß gehörig, mitt den henden nit anrüren sondern nur mit einem holltze. Vnd lasse es wohl bewarth jn ein gewelb setzen, biß zu der heydenwochen24), das die hirschen jm gange nach der prunst wollen geen oder ein placz eingenomen 5 vnd noch das willdtbreth nit do jst, das er noch kein willdtbreth hatt. So setze den schützen auff den bäum oder jn einen schirm26), do er dem winde von dem hirsch, der zu jme geen soll, am besten haben mag. Allsdann so nimb das gefeeß an ein lange stangi», 10 das es weit neben vnd von dir auff der seitten, solang die Stange jst, sey. Vnd thre vnden das schreublein an dem gefeeß auff, das es gemach herauß rinne. Vnd gee von obgemeltem bäum oder schirm vnd trag das gefeeß, das es dir auff der rechten handt sey, vnd wende den rücken zu dem bäume oder schirm vnd gee allsdann 15 allsballdt wohl auff die linkent26) handt, gee allso einen weiten bogen 82

vor dem hirschen her zwischen dem hirschen vnd bäum oder schirm, allso das der hirsch auff das rinnen von dem gefeeß kome, darmitt er nit auff deinen gang, do du mitt den füessen gegangen bist, kom»e. Vnd gee forthan die gegent, do dich dünckt, das der hirsch, so er gein holltz geen oder // sich auff den tag stecken 22t will, auff das rinnen von dem gefeeß zuvor kommen müeste, vnd forthan biss wider an den bäum oder schirm. Allsdann thue das gefeeß zu vnd gee hinder dem schützen weg, das der hirsch auff dein fertte nitt komme. Allso er gee auff dem gerinne deinem gang nach hinder oder vor sich, so mueß er den schützen treffen. 5 Solchs muß mit dem tag verfertiget sein, darmit der hirsch, wann er auf den tag geen holltz geen oder sich stecken will, (vnd) kombt auf das gerinne. So wittert der hirsch das gerinne auf den fertten nach, alls ob ein willdtbreth, das do ferttig27), vor jme hergangen were, vnd geet von dem gerinne nitt hinweg 10 gein holltze sondern zu dem schüzen. Vnd müsse sich der, der das gefeeß tregt, mitt etwas voller schafmist vnd einem schmerholltze27) geschickt machen vnd die sulen 29 ) sampt den schuen offt mitt dem schmerholltz mitt dem schafmist schmiren, doch das er es mitt den henden nit anrüre. 15 So wirdt der hirsch, wann er auff das gerinne aus dem gefeeß kombt, woe es jme gleich der windt gebe, nit leichtlich verwindten30) (werden), wo er mitt den füessen gangen hat. Im fall aber, das man dess gerinnen wassers jm gefeeß vbermaß hette, so neme mann newgewaschne //sudel31), die zuvor 18 oder 22v 14 tage oder je lenger je besser jm sehne, frost, regen vnd windt gehangen vnd von niemandts mitt blossen henden angegriffen were[n] worden. Solche sudel müssen so groß sein, das einer mitt dem gantzen fueß mitten darein trette vnd vber den ayßkel32) vmb den schenckel von vnten auff rundt herumb mitt einem 5 schnürlein binde, allso das das tuch vber die sch[n]ur noch so lang sey, das es widerumb herab henge vnd zwifach werde biß auff die erde. 6*11

83

Solche sudel, wann mann die brauchen will, muß man, so 10 balldt wie oben gemelldt vom wetter genommen, jn dem wasser, so jn dem gefeeß, dess mann ein wenig jn ein anders thun mueß, vnd auß denselbigen netzen. Wann er dann eine weil gegangen vnd die sudel anfehet trucken zu werden, so mueß er dieselbe aus dem gefeeß, darjnnen er sie genetzet, widerumb gebunden 15 netzen vnd aufgiessen vnd allso für vnd für naß hallten. Diß jst besser alls mitt dem schafmist, wann mann es haben kann. (55.) E i n g e w i s e k u n s t , v i l w i l d t b r e t h an ein o r t zu b r i n g e n , do z u u o r w e n i g jst. Nimb stundtenkraut33) oder sieben gezeitten34) vnd sehe den23r selben an ein ort, do gern hirsch vnd willdt //breth ist. Solchs seen aber mueß gescheen jm junio vnd julio, wann der monat drey tag allt jst. Wan nun das kraut auffgegangen vnd du siehest das willdtbreth darzugegangen vnd daruon gefressen, so jag dasselbe willdtbreth von demselbigen ort hinweg, komet es 5 wider, so thue dergleichen. Hast du vorhin zehen stückh gehabt, so wirstu darnach zweintzig bekommen, das jst aigentlich vnd gar gewiß. Solch kraut ist auch gar gut jn die lecken zu schlagen, dann das willdtbreth thut grausam darnach, du würdest wunder sehen. 10

(56.) E i n g e r u c h zu machen, darzu h i r s c h e n v n d w i l d b r e t h g e r n e g e e t vnd d a r b e i es auch oder je in d e r s e l b i gen r e f i e r g e r n b l e i b t .

Nimb hirschschwam35) vnd stecke denselbigen jnn einen bäum. Der muß sonderlich darzu zugerichtet sein, allso: 15 Haw ein loch vngeuerlich drey finger breit vnd allso lang jn bäum vnd leg den schwam hinein vnd mach vor das loch widerum rinden von desselbigen baumbs gleichen, doch muß die rinden voller kleiner löcher geboret oder gemacht werden, darmit die 84

hirschen den geruch daruon haben können. So geen die hirschen gerne darzu // vnd bleiben darbey, allermeist aber vmb die prunfft, 23 T sonsten thun sie es gleichwohl auch. (57.) E i n h i r s l e c k e n . Nimb menschenharm ein gut faß vol, eberwurtzel, liebstockelwurtz vnd ein kalb von einem willdt vnd ein gute geuspe36) vol salltz oder sechs vnd thue das alles jn einen kessel vnd lass es 5 wohl sieden. Wann es wohl gesoten hat, so nim backofenleyme vnd thue darunter andern frischen leyme vnd zuklopff es fein klein vnd begeusse jn mitt dem harm, so jn wurtzeln gesotten. Das kalb zerreiß, wann es mürbe ist, vnd tritte 37 ) dasselbige auch mitt jn leime. So der lerne wohl getretten jst, so schlag ein ge- 10 Schicht leime einer spannen hoch vnd voll salltz vnd schlage darnach wider ein geschieht leime vnd wider salltz darauff. Dasselbe schlag alls hoch du willt. Solche leckh muß zwischi» pfingsten vnd ostern geschlagen werden. (58.) D a s schleichen mitt dem Strauch.

15

Wer hirsch, willdtbreth, rehr, sawen, beern, wölff, füchs vnd andere thier erschleichen will, der mueß jme ein Strauch abhawen, // der jme vom gürtel auff das angesicht bedecke. Ist aber 24i der Strauch so lang, das er einem die füesse mit bedecke, jst besser. Wann du nun willdbreth gewahr wirst vnd du es siehest, dann, das willdtbreth dich siehet, so gib achtung darauff, das du allso anfallest darzuzeschleichen, das der windt vom willdtbreth auff 5 dich stee. Wann du nuhn den windt hast, so nimb den Strauch jn die lincke handt vnd die büchsse vnder den rechten arm vnd gee fließ für fueß darzu, solang du siehest, das sich das willdtbreth nit nach dir vmbsiehet. Siehestu aber, das das willdtbreth den kopff auffwirfft vnd siehet gegen dir, so hat es etwas gesehen. io So stee stockstill vnd rege dich nit, biß das es sich wider weydet 85

vnd siehet widerumb einen andern wege. So hat es das, das es vorhin gesehen, vergessen. Allso thue es so offt vnd lang, biß du zu einem schuß kombst. 15 1. Nota: Siehet das willdt dich ehe alls du es, so jsts falsch vnd kombst auff ditts malls zu keinem schueß zu diesem thier. 2. Nota: Du must auch von dem Strauch das laub allemal außwarts 20 gegen dem willdtbreth kern. // 24y 3. Nota: Wann es jn der prunfft jst, so ist es gut, wan du schier hinan zu einem schuß kombst, das du kleine dürre reyser bey dir hast vnd brichst die vberlang, das es der hirsch höret: er kombt 5 gewiß. 4. Nota: Es jst ein ding im holltz vnd jm vellde: doch hüette dich, das du nit grosses gepressel38) machst, dann es höret sehr leyße. (59.) Das schleichen im winter im schnee mit dem io hembt. Mann neme dicke starcke leinwath vnd mache ein hembt daraus wohl lang biß vber die knie. Vnd das dasselbig hembde oben ein kappen habe, die den gantzen kopff vnd das gantze andtlitz bedecke, auch die hende alls ob einer handtschuch an15 hette. Vnd muß das hembt allso gemacht sein, das es auff einmahl kan angethon werden vnd das es aneinander sein, auch nichts daruon offen one allein die löcher zu den ohren, äugen, nasen, mundt vnd auff dem backen, do der anschlag vom geschoß sein mueß. Vnd do solchs gemacht, so tauchet man es mitt einem 25t holz II vnangegrieffen jn ein guet frisch fliessendt wasser. Vnd henge es erstlich jn die sonne vnd lufft, lass es wintter vnd somwer jm frost, schnee, regen, windt vnd sonnenschein hoch hengen. Es müesse auch niemandts mit blossen henden angreiffen. Auch 86

so offt mann es gebraucht hat, so mueß allemahl das hembt widerumb jn einem frischen fliessenden wasser genetzt vnd widerumb 5 wie vorgemelldt auffgehengt werden. 1. Nota: Wann [du] das hembt rechtgeschaffen wie vorgemellt verwitterst39), so darffstu nit sorg haben, das dich ein thier vorwindt. 10 2. Nota: Wann einer das hembt anhat, so tarff er keinen Strauch. Sonsten hellt er jm schleichen den brauch wie vor jm strauchschleichen vermelldt, doch darffstu den windt nit so hefftig wahrnemen alls jm andern schleichen. 15 (60.) W i l l t u das dich kein hirsch oder w i l l d t verfahe 4 0 ). Wann dich der jglichs41) verfahet, so fleuchet es dich nit, sondern es geet vil ehe dir zu. Vnd allso soll man im thun: Nimb die fuet // vom anfang der prunst biß auff die zeitt, wen das 25y willdt setzt. Lasse sie dir herausschneiden, so wirdt sie groefarb, jst aussen grüen wie ein nueß, das seindt die besten. Vnd so die heraußgeschniden sein, so henge sie jn ein Cammer vor das fenster, das sie trucken werden an der lufft vnd hartt werden, das sie nit mehr faulen. Das gesch/ßfc aber kaume jn einem halben jaar, das 5 sie recht dürre werden. Wan sie allso dürre sein, so behallt sie jn einer Schachtel. Wann du willdt die hirschen erschleichen vnd schiessen, so nimb der fuet eine oder viere vnd binte sie auf den huet vnd gee allso jn das holltz: warlich nitt leichtlich verfehet dich ein hirsch, das er dich flihe, er sehe dich dann. Vnd sonder- 10 lieh jst es gut, wann einer bey der nacht ansteet vnd auff die hirschen wartet. So er das bey jme hat, so verfehet in kein hirsch. Vnd ob sie gleich verfahen, geen sie desto ehe zu dir. Es schmeckt gar weit. Willtu aber, das dir der hirsch soll nachgeen, sonderlich jm 15 anfang der genge gegen der prunst, so nim die blatter von dem 87

willdtbreth vnd seiche darein vnd lasse es wechen. Vnd wann du willdt, das dir hirschen nachgeen sollen, so nimb dess Wassers jn ein fleschlein mit dir vntter den gürttel. Vnd wann du geest, do 20 du meist, do jr art sey, do die hirschen sein oder hin vnd wider 26t geen, so schmir die sohlen mitt dem wasser // vnd lasse zu zeitten souil aus dem fleschlein fallen, souil ein willdt seichet: welcher hirsch auff die spur kombt, der geet dir nach. Darumb stelle dich an vnd warte, do du meinst, do die hirsch aus dem walldt oder holtze geen, doch hab die fuet auff dem huet. Darzu jst auch gut 5 das willdtgeschrey. Wann ein hirsch jn die nehe kombt vnd er das schmecket vnd höret, er kombt gewiß. E s ist auch gut, das einer kleider habe, die fast jm holltze hangen, alls wohl sein mag, die nit fast schmecken. (61.) W i e das w i l l d t b r e t h s t i l l s t e e v n d n i t

fliehe.

10

D u sollst im mundt hallten einen tophas mit einem abrautenkraut 42 ) vnd jage einem willdt nach, solang du es siehest. Behendt spürtze 43 ) das aus, das du jm mundt hast, jn ein seyden thuch, vnd binde es feste, wirffs entgegen dem willdt, . . . (hier sind drei Zeilen durch Streichung getilgt) der stelle regen, jn welcher du 15 es gesehen hast. (62.) W i e m a n n e i n e n h i r s c h e n , w i l l d t , r e h e , s a w , w o l f f , f u c h s , h a s e n v n d zu s u m w a a l l e s w i l l d t b r e t h , s o e i n s m e n s c h e n w a r t e t , mit d e m z u r e i t t e n zu e i n e m s c h ü t z e n b r i n g e n oder n e b e n e i n e m gaul den schuss 20 e i n e m s c h ü t z e n b r i n g e n s o l l . // 26t

Erstlich jst zu wissen, das ein jeglicher, so ein zureitter oder zutreiber sein will, sich muß erst der höltzer gelegenheit vnd wie dieselbigen geschaffen, wo das willdtbreth seine genge vom holltz jn die vellder vnd wider von felldern jn die höltzer haben, er5 künden. 88

Zum andern muß er wissen, wo das willdtbreth, wan es von felldern gein holltz geet, sein bleibestett vnd ruhebett hat. Wann du nun solchs weist vnd du einem schützen lust vnd vil schüess machen willdt, so thue jme allso: Soballdtu das willdtbreth ansichtig würdest, so gibe achtung darauff, wo der windt 10 her gee. Vnd zeuhe darzu, allso das du jmer gemach jnn einem langen bogen dich hinzu steellst, biß du jme vor den kopff komest. Wann es solchs leidt, jst schon halb gewonnen, vrsach: dann wo es den kopff hinstrecket, do will es gemeniglich hin, vnd tregt sich vntter hundert mahln nicht einmahl änderst zu. 15 Wann du jme nun für den kopff kommen bist, so stelle den schützen dauorn an, dem willdtbreth geradt vorn kopff. Vnd reite gemache von dem schützen hinweg vnd vmbs willdtbreth herumb so lang, biß du hinder es oder für den arß // komest. 27r Allsdann trenge dich gemach hinzu vnd zeuhe gerath vffs willdtbreth, so leufft es zum schützen. Vnd das jst der gemaine process. Jst aber das willdtbreth schellig 44 ) vnd will dich jme nitt für den kopff lassen, so reite du auff das allermeylichste45) vnd lasse es einmahl, zwey, drey oder vier vor dir vber lauffen vnd zeuhe du 5 jm/»er gemach hintter jme vber, so wirdt es wider from. Allsdann thue wie vorn gelernt. (63.) W i e m a n e r k e n n e n s o l l , o b das w i l l d t b r e t h f r o m oder s c h e l l i g sei. Wen du wildtbreth siehest, das do frist oder steet sonsten vnd 10 henget die ohren oder hatt sich nidergethon oder leckt sich oder kratzet sich oder geet sonsten fueß vor fueß: das sindt gewise zeichen, das das willdtbreth frumb jst. So du es selber nur nit verderbst, so leydet es einen gewisen schuß, entweder von einem bäum oder von einem gaul 46 ). 15 Ist aber das willdtbreth schellig, so gib darauff achtung: wann es den menschen erstlich ansichtig wirdt, so laufft es so weit alls mann es sehen kann, laufft einem auch wohl gar aus dem gesicht, 89

27 t das er nit weiß, wo es hinkombt. // Solchs jst das rechte willde willdtbreth, vnd deme kann mann nit besser abbrechen dann durch jagen. Mann findet sein auch: soballdt es einen menschen siehet, so laufit es, doch stutzt es balldt wider vnd leuflt doch balldt wider 5 forth, schier für sich, schier hinder sich. Mitt demselben willdtbreth ist wol zu handien, wann man jme der weyl lest vnd reitt ein weil mitt, dann es verdulldet von jme selbst balldt vnd wirdt zuletzt widerumb from. Wann das willdtbreth auch sehr die ohren spitzt vnd recket, so 10 hat es nit willens zu wartten. Hastu aber zween schützen bey dir, solchen jst besser, zuzereitten weder einem, doch das jrer nit vber vier miteinander reiten: Willtu nun einem vntter den zweyen mer schüsse machen alls dem andern, so stelle den schützen, der schissen soll, aus demn 15 windt, das jst: stelle den schützen, das der windt von dem willdtbreth auff den schützen geet. Den andern aber, der nitt schiessen soll, den stelle jn windt, das jst: stelle den schützen, das der windt von jme auffs wildtbreth gee. Allsdann reit vmbher vnd wann du demselbigen schützen, der jm windt steet, gegenvber gleich 28 t komest, allsdan // reite zwischen dem schützen vnd willdtbreth ein, so tringstu 47 ) mitt deinem vnd dess schützen windt das willdtbreth dem andern schützen zu, der ausserhalben des windts steet. In suma: wann das willdtbreth frum jst, so tarff es wenig mühe vnd jst gut, zuzereitten, jst es aber schellig, so will es desto mehr 5 mühe haben. (64.) N u n v o l g e n e t t l i c h e d i n g , so zu m e r c k e n s e i n . D u magst auch willdtbreth ansprechen, wann du es siehest, solchs macht es auch frum: Alls wann du es erstlich siehest, so magstu sprechen: ,Oha'. 10 Willtu aber haben, das es soll forthgeen, so sprich: ,Otto wuhe' oder : ,Ohe, ohe, ohe, ohe'.

90

Doch gibe achtung darauff, wie es das willdtbreth leiden mag: Ettlichs jsts gewonheit vnd leitet es, ettlichs aber nitt. An ertlichen ortten jst es gewohnet vnd kann wohl leiden, wann mann singet vnd pfeuffet, vnd wirdt ser fromb. 15 Kein thier kann leyden, das du dich mitt eins gaulls kopff zu jme wendest, es leufft daruon, // da[r]umb hüette dich darfür. 28t Alle thier sindt dess morgens vnd dess abents vmb frombsten. Alle thier leiden am liebsten, wenn mann von vorn hierzu, das jst jnen vber den kopff zeucht. Inn der rechten hirschprunst fragt kein hirsch nach dem windt. Rehr, sew, wölff, füchß, hasen lassen sich nitt gerne treyben, 5 wiewohl es zuzeitten auch gerett. Jedoch jst es neben dem pferdt am gewisten, das ist, souil alls birschen betrifft. Im jagen aber lassen sie sich gerne treiben, vnd jnsonderheit sew, wölffe vnd füchs, doch lassen sich die rehr vnd hasen auch mitt treiben. Wann es Vormittage oder früe jst, so geet das wildtbreth gern 10 von felldern jns holltz. Jst es aber nachmittage oder abents, so geet das willdtbreth gern vom holltz nach den felldern. Darnach mustu dich mitt dem zureiten vnd anstellen dess schützens richten. Vnd letzlich jst dits die allerbeste kunst: das nitt vil pferdt seindt vnd das man gemach reite vnd gemach mitt dem willdt- 15 breth vmbgee, dann es heist willdtbreth vnd jst willdt breth. Es lest sich nit verbolldern48). So lest es sichs auch nitt // vber- 29r reiten, sondern man mus es erschleichen, dann durch gemach vnd sittlich reiten wirdt schellig vnd willdt breth gar kürr49) vnd from gemacht, durchs gegenspil aber wirdt from wildtbreth töricht vnd schellig gemacht. Willtu es nitt glauben, so wirdt es dir vntter die feust kommen. 5 (65.) Spuren von einem rehbockh. Sein fueß jst ein wenig runder vnd lenger dann der geyß vnd vergleicht sich jn vielen zeichen mitt dem hirschen. 91

Der geyß fueß jst dünne, schmahl, jst schier eine vergleichung 10 mitt willdtbreth. (66.) K ö r n u n g zun rehern. I s t aber ander w i l d t b r e t h im h o l z , so g e e t es auch g e r n dazu. Sehe einen platz jm holltze von allerley getreydich alls habern, heydekorn60), wicken, erbes, rotköel, braunköel, rüben vnd ander 15 getreydich so jm somer wechst. Wann das nuhn auffgangen vnd du gern reher darzu haben willdt, die balt wider kommen oder gar nit weggeen, so nimb rocken-, weitzen- oder habermehl vnd mache dasselbe mitt salltzwasser zu einem brey vnd rüre das29 t selbig wohl durcheinander, doch das / / e s nit zu dünne oder zu dick, auch nitt zu sehr gesaltzen sey, vnd spreng das getreydich, so auffgangen, darmitt. Wann du es allso einmahl besprenget hast, so hatt es gnug biß regnet, allsdann wider besprenget wie zuuor vermelldet. So jst es recht. 5 Auch mag man dess salltzsteins an dieselbige stett legen. Ist auch sehr gut. (67.) E i n k ö r n u n g zun r e h r n j m w i n t t e r . See einen blatz jm holtze an einem gelegnen ort mitt wintterkorn, weytzen, winttergersten vnd anderm getraidt, so im wintter 10 geseet wirdt. Darnach nimb allerley mispel, so auff den bäumen wachssen, vnd heng dieselbigen darumb her auff Stangen, das es die rehr erreichen können. Auch magstu nemen ertliche stückh mispel vnd die mitt dem brey, so jn der som^erkörnung verzaichnet, besprengen. Mann mag auch ertliche stückh klein 15 zubrechen oder schneiden vnd hin vnd wider fallen lassen. Mann mag auch haberwüsch61) nemen, dieselbige« so hoch alls sie die rehr erreichen können auff pfeel, so jn die erde gestossen, schlagen. 92

Auch mag mann aichelln, bucheckern vnd haydekorn entzel52) streuen vmb denselbigen blatz. // Ist auch gut. 30r Auch mag man dess salltzsteins wie oben vermelldet gebrauchen. (68.) E i n k ö r n u n g z u n r e h r n das g a n t z e jar. Nimb mispel von einem opffelbaum, brich das laub daruon vnd seude es jn heyringslacke, die mitt hönig zuuor vermischt jst. Darnach seige die brühe von den mispelnblettern ab vnd thue 5 dieselbige jn ein lagel53) vnd bore vntten ein klein lochlein darein, auff das die brüe ein wenig heraus seigen vnd trieffen mag. Deßgleichen nimb die mispelbletter zu dir vnd gee allso von der gruben oder von dem ortt, dahin du sie haben willt, vnd lasse das legelein rinnen vnd bißweilen auch der bletlein eins fallen. 10 Das thue vmbher von der gruben oder ort an biß wider zu der gruben oder ort, dahin du das willdtbreth haben willdt, auff ein meyl oder neher. So wirdestu wunder sehen, wie es zulauffen wirdt. Darnach nimb reynen newen leymen, der trucken jst, vnd 15 feuchte jn an mitt heyringslacke vnd hönig vnd knete jnen wohl durcheinander vnd lege ein stückh sampt ettlichen mispelblettern bey die grübe oder ortt, dahin // du das willdtbreth haben willt, 30v das die rehr daruon essen. Vnd körne sie so lang, biß du jr vil darbey spürest. Volgents vmbstelle dasselbige ort vnd binde den leyme vnd mispelbletter dahin vnd gee noch einmahl mitt der lagel, wie obsteet, vmbher, so wirstu einen guten fang thun. Das magstu zu 5 allerley willdtbreth alls zun hasen vnd andern auch gebrauchen. (69.) S p u r n v o n d e r saw. Kein thier thuts einem hirschen einlicher alls seine mutter vnd ein schwein. Darumb will es vleissig auffsehen haben. Ein saw hat weite vnd dünne rick54). Die setzt sie außwarts, 10 doch vil weitter alls ein hirsch. Das jst ein gut vnd gewiss zaichen. 93

Wo die sew jn der arbeit geen, do sindt sie auch wohl jm auffbrechen zu erkennen. Das thut auch kein hirsch oder willdt. Wann die aichelmast gerett, do werden die saw hitzig, frumb 15 vnd sulen sich darnach: daran sein sie auch ser gut zu erkennen. // 311 Wann die buchmast56) gerett, so werden die sew gern freitig M ) darnach. Wann auch der hagenbuch57) wohl gerett, so sollen die sew auch freydig werden. 5 Es reiben sich die sew auch gern, wann sie sich gefüllet haben, an die beumbe oder stöckh. Das thut auch kein ander willdtbreth. In suma: wo du sonsten kein saw auff einem holltz spüeren kanst, so zeuch, wo du die suhlen weist. Seint die suhlen gantz, io so jst es ein gewisses zeichen, das wenig sew auff dem holtz sein. Sonsten wo sew sein, do besuchen sie die suhlen. (70.) Ein körnung zum sewen, die da w i l l d t sein. Ein j gliche willde saw jsset auch gerne aß, wann sie darzu gewonet. Wann mann aber die saw weitt füren will, so nimbt mann 15 eichein, bucheckern, castanien, haßelnüsse etc. Do aber der keines zu bekommen, so mag man malltz, korn68), habern, haydekorn 31 y vnd ander getraidt nemen. Doch muß das korn, wo das // hingestrauet, mitt erbesstro zugedeckt werden, darmitt solchs die vögel nit fressen. (71.) Spure der beern. Ein beer hat klaen vnd breitte füeß vornnen vnd hinden 5 schmal. Ein beer geet gemeiniglich außwartts mit den klawen. Die beerin geet gerath für sich. Wo beutten59) oder hönigstockh sein, do geet der beer gern zu. Wo der beer zu einem eymeßhauffen kombt, so zerscharret er io denselbigen. Das thut kein ander thier mehr alls ein hirsch. 94

Darumb, wann du das siehest, so mercke, das es ein beer oder hirsch gethan habe. Er geet auch gern, wo er haydelbeer, hindenbeer60) vnd habern weiß. Er geet auch gerne, wo willde beume steen, doselbst vmb suche 15 jne j m

sommtc.

Hatt ein beer was nidergerissen, so kombt er wider darzu. // Was ein beer fehet, heist: ergangen. 32t (72.) Ein k ö r n u n g , was ein beer gerne frist oder warnach er geern geet. Erstlich frist ein jeder beer gerrn aß alls tode pferdt, kühe, willdtbreth etc., doch das am liebsten, so nit am schelm61) ge- 5 storben sondern abgestochen, geschossen oder sonsten frisch durch die wölffe nidergerissen. Es sey nuhn willdtbreth oder viehe, so gillt es jme alles gleich. So jst auch nichts daran gelegen, es sey abgezogen oder nit. Do mann nun beern weyß vnd dieselben körnnen82) will, so 10 muß das aß allemahl mitt einer starcken eysern ketten angeschmidt werden, darmitt solchs der beer nit wegtregt vnd dardurch die stedte, da mann jne hin haben will, meydet. Mann mag auch das aß auffhengen vnd an beume anbinden, darmitt es der beer auch nitt wegtregt. Es jst auch darzu gut, das 15 die füchsse, hunde vnd andere vnnütze thier nit auff fressen. // Mann mag auch das an beumen vnd auff der erden mitt reisig 32T des tags verdecken, darmit solchs die vögel nitt auff fressen. Auff den abent aber muß allemahl das reyßig hinweg gethon werden, darmitt sich der beer nitt darfür schewet. Zum andern. Nimb einen starcken klotz von einem ein- 5 griffichem63) bäume zweyer elln lang, doch mueß es vntter dreyerley holltz eins sein, nemblich linden, espen oder kifern, so uil khin bey sich hatt. Vnd bore dasselbig mitt einem grossen 95

börer voller löcher vnd thue dieselbigen löcher voller hönig 10 vnd verschlage sie mitt starcken pflöcken vnd lasse denselbi» stockh auch an ein ketten feste anschmidten. Darzu geet der beer auch gerrne, vnd jst er einmahl darbey, so kombt er gewiß wider. Z u m d r i t t e n . Mache ein seule von einem eingriffichem bäume, die zwölff elln lang jst, vnd lasse jn dieselbige jmmer ein 15 loch an das ander einen spannen lang voneinander machen vnd machen dieselbigen löcher eins einer minden 64 ) lang, vnd einer 33 r queren // handt breitt. Lasse solche seulen drey elln tief eingraben. Darein thue ditts nochverzeichnete brott vnd mache die löcher mitt brettlein widerumb feste zu, darmitt solch brott nit die Spechte vnd andere vögel fressen, das es auch die bienen, wespen vnd humeln nit auff fressen, dieweil vil hönig darbey jst. 5

(73.) V o i g t das b r o t , w i e s o l c h s z u g e r i c h t e t v n d was d a r z u g e n o m e n w e r d e n soll.

Nimb rucken- oder weitzenmehl, thue darunter hönig, süeßholltz, buchen, espen, birnen oder opffelbaumen, mispelln — doch der mispeln nitt mehr alls einerley, wellche du gehaben magst —, 10 aymessenayer von den grossen aimeßen 66 ). Solchs stosse wohl durcheiander vnd lasse brott daraus machen, so jst das brott fertig. Das süsse holltz vnd mispelln müessen mit einer feylen klein gefeylet vnd allsdann jn teig geworffen werden. Wann mann das brot brauchen will, so mus dasselbig klein 15 stückhweyß geschnitten vnd mit hönig beschmiret werden. Er frist auch gern — sonderlich wann es aus dem kessel kombt — eimeßaier der grossen. // 33t

(74.) V o l l g e t ein g a r g u t g e s c h l e i f z u n b e h e r n .

E r s t l i c h soll man ein willdt oder rehe schiessen oder fangen, den pfeisch 66 ) herausnemen vnd das, was das thier jm magen hat, jn ein gefeeß thun vnd die färbe 67 ) aus dem willde oder rehe daran 5 giessen vnd durcheinander rüren vnd solchs jn ein gefees thun, 96

das mann kan zubinden vnd füeren. Vnd soll einen gezembten wolff, fuchs oder hundt nemen, so bendig 68 ) vnd sich füeren lest, vnd jn den gartten oder an das ort, dahin du den beern haben willdt, füeren vnd jne auff die stette, do das aß ligt, wohl lassen tretten vnd ein wenig vom aß lassen fressen. Vnd nachmahls jme 10 die füesse mitt dem pfasch schmieren vnd allso von dem ortt aus, do du den beern hin haben willdt, durch die beste gelegenheit, do der beer, der wolff, der luchs, der fuchs vnd allerley willde thier jre genge haben, auff ein meil wegs oder weitter, darnach es die gelegenheit geben will, vom gartten oder andern 15 ort, do du willden thier hin haben willdt, füeren. Doch must du darauff achtung geben, so dem thier, das du bey dir führest, die füesse treuge 89 ) werden, // das du demselbigen die füesse mit Mt dem pfasch wie vorgemellt widerumb netzen must. Vnd solst allso widerumb, wann du vom gartten oder ort eine gute meil wegs oder anderhalbe, darnach es die gelegenheit geben will, gezogen bist, jnn einen weiten bogen oder vmbcreyß widerumb zudem ort, daruon du ausgezogen bist, kommen vnd vmb das 5 aß einmahl, drey oder vier herumb ziehen. Vnd allsdann den hundt oder thier, wo es nun jst, auffgehoben vnd von dem ort hinweg getragen zu einem wasser vnd demselbigen die füesse gar rein gewaschen. Sonsten wo du dasselbige nit thust vnd füerest den hundt allso mitt dir widerumb heim, was darauff kombt 10 von hunden oder sonsten, trabet den widerfertten nach vnd frisset das aß auff. Vnd wan die beern, wölffe oder ander thier kommen, so finden sie nichts. Mann soll auch die dermer vom rehe nemen vnd die an einen strick binden vnd mitt einem messer ettlich mahl durchstechen, 15 das der pfausch kas«70) heraus seygen, vnd mitt schleiffen. Vnd do mann eine // ecke darmitt geschleißt, abermalls wie vor darein 34t stechen. Auch soll mann kleine stücklein alls thaler groß von dem magen, do das pfaisch ausgeschütt, abschneiden vnd zuweiln eins fallen 7

Deutsche Jagdtraktatc I

97

lassen v n d vber her schleiffen, jnsonderheit wann mann nit weit 5 von der stelle jst, d o mann den beern oder andere thier hin haben will. V n d d o mann nach den beern sonderlich schleyffet, soll mann kleine löcherlein jnn die bäum eines manns hoch hawen vnd derselben stücklein v o m rehmagen darein legen v n d am bäum auff biß ans loch, d o der rehemagen leit, mitt dem geschleyff 10 streichen. So wirdt es der beer herausser nemen. J e frischer der pfeisch v o m rehe ist, je besser es jst. Hatt mann aber kein rehe oder kein hirschen willdtbreth, so m a g mann den pfaysch nemen von einer kuhe oder pferde, so frisch geschlachtet oder abgestochen. Solchs jst auch gut. V n d 15 hallte den process wie mitt dem andern. r E i n a n d e r s . N i m b jm herbst ein keul v o n einer saw v n d // lasse dieselben wohl stincket werden. V n d do sie maden krieget, so schabe dieselbigen aus v n d wasche es mitt einem reinen wasser aus vnd thue sie auff ein breth jnn einen backofen vnd lasse sie recht treuge werden. V n d thue sie jn ein treug gefeeß v n d grabe sie 5 jn die erden 2weyer elln tieff, das es nit kann gefrieren, v n d lasse ein rohr vber die maaß heraus geen, do der stanckh heraus zeucht. Dess tags mueß man solchs jm/werzu zugedeckt hallten v n d dess nachts muß mann es auffthun. E s muß aber solchs aß an dem ort eingegraben werden nit weit von dem andern aß. S o jst es recht. 10 E i n wolff, fuchs, luchs, auch willde katzen vnd baummarder, die lassen sich auch mitt dem geschleyff, so zum beern gebraucht, füren v n d fressen auch aß. Was aber das hönig v n d brot betrifft, achten diese thier nichts. D o mann auch einen b u g von einem ochssen oder pferde nimbt 15 oder sonsten v o n einem willden thier, v n d brett dasselbig auff einem feuer vnd schleifft darmitt, das jst auch ein gut geschleiff. y Souil von den beern, wolffen, luchssen // füchssen, katzen, baummardern. V m b Michaelis fehet mann an zu schleiffen v n d körnnen, vnd weret biß auff ostern. // 98

(75.) Spur vom Wolff.

36r

Ein wolff, wann du jn spürest, so trabt er vnd hat einen lenglichten fueß vnd thut einen weiten schritt. Vnd wann der wölffe gleich vil beyeinander sein, so traben sie alle jnn einer fertte hindereinander. 5 Ein wolff, wann er nitt gefressen hat, wo er auff einen creutzwege kombt, so kratzt er. Wann du das siehest, so denckh, das sich der wolff nit so balldt wirdt nider thun. Hatt aber ein wolff gefangen, vnd das er vom fang oder aß trabet, so lesst71) ers nit, er macht sich gern wider rein, das jst: 10 er welltzet sich. Solchs thut er gern auff wege jm holltz vnd auff creutzwegen. Jst es aber jm schnee vnd der wolff hat gefange» oder gefressen, so schleiflt er die kloen, das jst: er tritt nitt gerath in die fertte wie sonsten, sondern er schleifft die kloen auff dem schnee 15 her. Das jst ein gewiss zaichen, das der wolff gefressen hatt. Vnd jst ein gewiß zaichen. 3s v Hatt ein wolff was gefangen, so kombt er wider darzu. // Was ein wolff fehet, heisst erlauffen. Ein hundt hat einen runden kurtzen fueß vnd thut kurtze schritt, so hat ein wolffeinen langen fueß vnd thut weiten schritt. (76.) Wolffskugeln zu machen. Nimb einen löffei vol eybenlaub, einen löffei vol wurtzel, einen 5 löffei vol venedisch glaß oder römisch72), das jst zur Sachen scharpff. Das zerstoße zugleich zimblich clein, doch das es nit gar zu meel werde, sondern wie ein gekörrnt schissbuluer, vnd

* Wolffs ader fuchs kügelein zumachen. D. 6 Item statt Nimb D; Item ein leffel vol wolffeswortzel D. 8 gantz statt gar D.

7*/l

36 v

99

nimb hönig, knette das vntereinander gantz wohl, mag kugelein 10 daraus wie die spiling73) vnd lasse sie allso drucken. Vnd zerlasse ein rein vnschlet vnd tauge die küegelein drein, das sie wohl vberzogen sindt wie ein liecht. Lasse sie wider kallt werden, vnd wann du sie dann legen willdt, so lege sie jn ein gross schmaltz oder vischfettes, das die schuster haben. Es thun auch einstheils 15 mercurium sublimatium74) darein. Mann sagt aber, sie verlieren die haar daruon. Sie sterben aber balt daruon. // 37r

(77.) W ö l l f f e zu tödten.

Stosse rauten76) mit salltz vnd see das auff fleisch. Weichs thier das jsset, das stirbet. Ein anders. Nimb wolffswurtzel76) zwey theil vnd eyben5 bletter ein theil, den dritten theil [venedisch] glaß, stosse es zu puluer. Nimb allt schmeer vnd hönig, zerlasse das jn einer pfannen. Mache dann daraus kügelein vnd lasse es gefrieren. Wer das jsset, der stirbet. Diese jtzgemellte zwey stückh mügen zu allerley thieren alls 10 hundt, katzen etc. darmit zu töden gebraucht werden. (78.) Ein wasser, darmitt mann den w ö l f f e n vergibt 7 7 ), das sie balt sterben. Nimb fliehenschwemjwe78) vnd thue dieselbigen jnn einen verglaßten79) topff vnd bohr ein klein löchlein vnden durch den 15 boden, setze ein ander klein verglasst töpfflein darunter vnd grab es jn einen pferdtmist. Darjnnen lasse es vier wochen steen, so 37v wirstu ein wasser jn dem kleinen töpfflein finden, // das hebe auff.

36v • rain honingk D. 18 gense Schmaltz statt gross schmaltz D. 14 ein teyl D. 100

Wann du es brauchen willdt, so wirffe fleisch darein vnd gibs dem wolff zu essen, er stirbt dir gewiß. (79.) Wie man einen w o l f f nahe zu einem s c h u s s b r i n g e n sol. Wann du einen wolff jn einem lichten holz oder fellde ansichtig würdest vnd du gern einen schuß zu jme haben wildt, so giebe darauff achtung, wie sich der wolff hellt. Laufit er, so lauff oder renne du auch, vnd jnn summa: was der wolff thut, das thue du auch. So wirdt er zuletzt from vnd lesst dich nahe an sich ziehen, das du jne mitt einem schuss erreichen magst. Nota: Wann auch die geschleyffe, so mann zun beern gebraucht — wie hieuorn zu finden —, auch zu den wölffen gebrauchen. Allein dess brots vnd hönigs achtet er sich nit. (80 i < j < f

M i n -

e n utiAtxMtdai Cc$n