Der Verwaltungsingenieur: Eine Sammlung von Aufsätzen von W. Franz [Reprint 2019 ed.] 9783486737288, 9783486737271

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Der Verwaltungsingenieur: Eine Sammlung von Aufsätzen von W. Franz [Reprint 2019 ed.]
 9783486737288, 9783486737271

Table of contents :
Inhalts-Übersicht
Einleitung
Über Die Befähigung Zum Höheren Verwaltungsdienst
Verwaltungsingenieure I
Das Berufsstudium Der Verwaltung
Ist Die Universität Die Einzige Hochschule Der Verwaltung?
Die Tüchtigsten
Der Kaufmann Und Die Kolonialverwaltung
Ausnahmen
Verwaltungsakademien
Verwaltungsingenieure Im Eisenbahndienst
Der Ingenieur Und Die Verwaltungswissenschaften
Verwaltungsingenieure II
Das Berufsstudium Der Verwaltung
Der Technische Beigeordnete
Hochschulpädagogik
Eisenbahnjuristen Oder Verwaltungsingenieure
Neue Männer Für Das Neue Jahrhundert
Binnenländischer Professorenaustausch
Der Verwaltungsingenieur
Verwaltungsingenieure III

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Der

Verwaltungs-Ingenleur •• OD

Eine Sammlung von Aufsähen von

W . FRANZ Professor an der Techn. Hochschule Berlin

München und Berlin Druck und Verlag von R. Oldenbourg

igo8

Inhalts-Übersicht. Einleitung

I

Uber die B e f ä h i g u n g zum höheren Verwaltungsdienst

.

6

(Aus .Technisches Gemeindeblatt" 6. Januar 1906.)

Verwaltungsingenieure

14

(Aus „Der T a g " 12. April 19ut>.;

Das

Berufsstudium

der

Verwaltung.

Ein

Beitrag

zur

Hochschulpädagogik

20

(Aus ,Zeitschrift für Philosophie u. Padagogit- Wiw.j

Ist die Universität die e i n z i g e Hochschule der V e r w a l t u n g ?

42

(Aus „Deutsche Baiizeitung" 1907.)

Die Tüchtigsten

50

(Aus „Berliner Tageblatt" 17. November 1907.J

D e r Kaufmann und die K o l o n i a l v e r w a l t u n g

56

(Aus „Der T a g " 15. Juni 1907.)

Ausnahmen

61

(Aus „Der Tag* 23. Januar 1907.)

Verwaltungsakademien

63

(Aus .Der Tag" 17. November 1907.)

V e r w a l t u n g s i n g e n i e u r e im Eisenbahndienst

66

(Aus „Der T a g " 20. November 1907.)

Der Ingenieur und die Verwaltungswissenschalten

.

.

70

(Aus .Technik und Wirtschaft*, Monatsschrift des Vereins Deutscher Ingenieure 1907.)

Verwaltungsingenieure

84

(Aus „Stahl u. Eisen* 1907.)

Das Berufsstudium der V e r w a l t u n g

89

(Aus .Technisches Oemeindeblatt" 1908.)

Dar technische B e i g e o r d n e t e

95

(Aus „Deutsche Bauzeitung* 1907.) **

IV

Inhalts-Übersicht.

Hochschulpädagogik

101

(Aus „Der T a g * 11. F e b r u a r 1908.)

Eisenbahnjuristen oder Verwaltungsingenieure?

.

.

.

104

(Aus „Kölnische Z e i t u n g " 3. F e b r u a r 1908)

Neue Männer für das neue Jahrhundert

116

(Aus „Kölnische Zeitung* 6. J a n u a r 1908.)

Binnenländischer Proiessorenaustausch

129

(Aus „Kölnische Zeitung" 9. Juni 1908.

Der Verwaltungsingenieur

134

(Vortrag im Verein Deutscher Ingenieure, R h e i n g a u - ß e z i r k s v e r e i i n Wiesbaden 1908)

Verwaltungsingenieure (Aus „Der Tag« 28. Juli 1908.)

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Mit Pandekten und deutscher Rechtsgescbichte wird die Welt nicbt regiert, und Uberhaupt gibt die ausschlieOliche Beschäftigung mit positivem Rechte dem Geiste des jungen Mannes einen engen Gesichtskreis und eine einseitige AuIIassung, welche ihn zu allen anderen Geschäften als zum eigentlichen Rechtsprechen verderben. R. v. Mo hl 1862.

Ich habe mich des öfteren mit der Frage beschäftigt, o b es in unserem Vaterlande wohl möglich wäre, dem Nachwüchse der höheren Verwaltung eine bessere wissenschaftliche Vorbildung zu geben — ob man den jetzigen e i n s e i t i g an die Juristenschule gebundenen Hochschulunterricht der wichtigsten Beamten wieder lebensfrischer gestalten könnte. Die Antwort war nicht schwer; man muß nur verstehen, von den Bildungsmöglichkeiten der neuen Zeit auch für die höhere Verwaltung Vorteil zu gewinnen. Die Interessen einer Nation vertreten, ein Volk regieren, die obersten Amter der staatlichen (kommunalen und privatwirtschaftlichen) Verwaltungen zu leiten — das verlangt die höchsten Fähigkeiten. Für den Beruf der höheren Verwaltung müssen wir deshalb die „Tüchtigsten" aussuchen und diesen eine umfassende Berufsbildung ermöglichen. Das kann man aber nicht, wenn die Auswahl wie bisher auf einen kleinen Kreis beschränkt bleibt und wenn zudem e i n e r Wissensrichtung und e i n e r Hochschule die Monopolstellung erhalten wird. F r a n z , Der Verwaltungsingenieur.

1

Die h ö h e r e V e r w a l t u n g v e r l a n g t eine universelle Bildung. Deshalb muß grundsätzlich das Studium aller Hochschulen als wissenschaftliche Vorbereitung anerkannt werden, sobald der Kandidat nachweist, daß er ein bestimmtes Maß von erforderlichen Kenntnissen erlangt hat. Denn nur so kann die Auslese ergiebiger und das Gesamtwissen des Nachwuchses umfassender gestaltet werden. Als besonders dringlich halte ich die Zuführung technisch - wirtschaftlicher Intelligenz. Ich schlage vor, die bestehenden Bestimmungen — wonach zurzeit nur derjenige Akademiker in der Laufbahn der höheren Verwaltung zugelassen wird, der die erste juristische Prüfung bestanden hat — dahin zu ergänzen, daß auch solche Kandidaten zugelassen werden, welche 8 Semester auf einer T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e studiert haben und w ä h r e n d d i e s e s in t e c h n i s c h e m G e i s t e g e h a l tenen Studiums rechts-und staatswissenschaftl i c h e K e n n t n i s s e in weiterem Umfange e r w o r b e n haben. Damit würde zunächst einmal erreicht werden, daß der auf Jahrzehnte hinaus noch ausschließlich von juristischer Intelligenz beherrschte große Beamtenkörper in seinem Inneren neue Gesichtspunkte gewinnen würde und d a ß unter seinen eigenen Gliedern das Verständnis für das gewaltige Gebiet geweckt würde, das die technischen Wissenschaften erfüllt haben. Die aus der neuen Schule kommenden Mitglieder würden natürlich Verwaltungsbeamte, nicht etwa Ingenieure, werden; sie würden aber doch Träger des technischen und wirtschaftlichen Geistes bleiben. Und der fehlt gerade unserer höheren Verwaltung. In der Möglichkeit, bei der Annahme des Nachwuchses solche Verwaltungsingenieure neben den Verwaltungsjuristen immer in der Minderheit zu belassen, ist die Sicherheit gegeben, daß der Plan mit aller Vorsicht durchgeführt werden kann.



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Um jede Sorge zu beheben, es könnte dabei ein Fehlgriff geschehen, sollte seitens der Regierungen zunächst nur einmal die Erlaubnis erteilt werden, daß vorsichtig ausgesuchte Verwaltungsingenieure zu einer etwa ein bis zwei Jahre dauernden Beschäftigung bei den staatlichen Verwaltungsstellen o h n e A n w a r t s c h a f t zugelassen werden. Eine solche Beschäftigung wird schon hier und da die Fähigkeiten der auf den Technischen Hochschulen heranwachsenden Generation zur Erscheinung bringen; sie wird aber noch besonders wertvoll werden im Hinblick auf die Verwendung von Verwaltungsingenieuren im Dienste der Kommunalverbände und der wirtschaftlichen Körperschaften. Die Verwaltung der deutschen Städte hat ebenso wie die staatliche Verwaltung die technische Intelligenz dringend nötig. Um sich für die Eigenart dieser Verwaltungen vorzubereiten, ist die Einführung in die Praxis der Staatsverwaltung besonders wichtig. Die Städte werden mehr geneigt sein, Verwaltungsingenieure in ihre leitenden Verwaltungsstellen zu berufen, wenn die jungen Beamten auch Einblick in die staatliche Organisation gewonnen haben. Eine Beschäftigung in den Stellen der allgemeinen Landesverwaltung wird aber weiter in Hinsicht auf eine spätere Tätigkeit in den Verwaltungen der wirtschaftlichen Verbände und der [Industriewerke von großem Nutzen sein. Sie ist als eine Vorbereitung des jungen Ingenieurs zu betrachten, der in der Leitung dieser Werke seinen Beruf suchen will. Auch die Industrie braucht neben den Juristen V e r w a l t u n g s b e a m t e , die in technischem Geiste erzogen sind. Meine gelegentlichen Darlegungen zu diesem Thema habe ich hier nochmals zusammengestellt, um sie einem größeren Leserkreise zu unterbreiten. Für die Kritik will ich einzelne Sätze hervorheben: 1. Die akademisch-wissenschaftliche Vorbildung des Nachwuchses unserer höheren Verwaltungsbeamten ist seit langem mangelhaft geworden. 1 *

2. Der Mangel ist dadurch verursacht, daß die wissenschaftliche Vorbereitung für die Berufsaufgaben d e r höheren Verwaltung während des Hochschulstudiumsmit der Vorbildung der zukünftigen Richter u n d Rechtsanwälte derart verkettet ist, daß der g r ö ß t e Teil der (zu kurzen) Studienzeit auf die Jurisprudenz verwendet werden muß und daher für a n d e r e wichtige Unterrichtsgebiete keine Zeit verbleibt. 3. Die Jurisprudenz ist n i c h t die Wissenschaft d e r Verwaltung. Man kann die Gesamtheit der Beamtenschaft nicht in der Weise wissenschaftlich schulen, daß man ihnen s ä m t l i c h das juristische Berufsstudium als Hochschulstudium vorschreibt. Das juristische Berufsstudium (das durch die e r s t e juristische Prüfung abgeschlossen wird) ist in erster Linie für zukünftige Juristen — für Richter, Staatsund Rechtsanwälte bestimmt. 4. Die Berufsaufgaben der höheren Verwaltung sind w e s e n t l i c h verschieden von demjenigen der Rechtspflege; es ist deshalb ein Widerspruch in sich, wenn ein und dasselbe Berufsstudium (durch ein und dieselbe Prüfung abgeschlossen) als d a s H o c h s c h u l s t u d i u m für z w e i v e r s c h i e d e n e Berufe bezeichnet und gesetzlich festgelegt wird. 5. Die wissenschaftliche Schulung der Verwaltungsbeamten der neuen Zeit erfordert — neben juristischen Disziplinen und neben den übrigen sog. Geisteswissenschaften — die eingehende Pflege der Naturwissenschaften und der auf Naturerkenntnis und wirtschaftlicher Einsicht stehenden Technik. 6. Bei der Eigenart der deutschen Hochschulen läßt sich der erforderliche Unterricht an den Universitäten nur mit erheblichen Mitteln, mit großem Zeitaufwand und unter sonstigen mannigfachen Schwierigkeiten (wieder) einfuhren. Die Möglichkeit besteht aber, und ein Versuch ist anzuraten; er setzt voraus, daß ein umfassendes kameralistisch - t e c h n i s c h -



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wirtschaftliches Studium von dem juristischen Studium abgetrennt wird. 7. Sicherer und schneller und o h n e j e d e n A u f w a n d a n S t a a t s m i t t e l n wäre das für eine glückliche Entwicklung unseres Vaterlandes dringend nötige Berufsstudium an den Technischen Hochschulen einzurichten. 8. Es gehört zu der Mission der Technischen Hochschulen — die vor kurzem ergänzend und gleichberechtigt neben die Universität getreten sind — mitzuwirken an der Erziehung unserer Führerschaft. 9. Die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst ist ein Produkt von Begabung, wissenschaftlicher Schulung u n d praktischer Erfahrung; die letztere ist für die Vorbildung wesentlich. 10. Es ist daher eine Forderung sowohl der Gerechtigkeit wie der Staatsklugheit, daß den von der Technischen Hochschule kommenden Akademikern die staatlichen Stellen zu praktischer Übung in den Geschäften der Verwaltung ebenso zugänglich gemacht werden, wie den Gerichtsreferendaren. 11. Es liegt im Standesinteresse der deutschen Techniker, ihre Intelligenz bei der u n m i t t e l b a r e n Leitung der Staatsgeschäfte verwendet zu sehen. — Nicht n u r indirekt als B a u b e a m t e und als Leiter der öffentlichen Arbeiten sondern a u c h als Beamte der höheren Verwaltung, als Landräte, Regierungspräsidenten usw. 12. Weit höher aber als das Standesinteresse der Techniker steht hier das S t a a t s i n t e r e s s e ; es verlangt Abkehr von einem veralteten System. Einseitige Vorbildung der Führerschaft lähmt den Fortschritt. Hier hilft nur die Einführung neuer Wissensrichtungen — e i n e n e u e S c h u l e . N e b e n den Verwaltungsjuristen und m i t ihnen — die Verwaltungsingenieure.

Über die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst. Zum dritten Male ist dem Landtag ein Gesetzentwurf zugegangen, der die Mängel in der Vorbildung der höheren Verwaltungsbeamten beseitigen soll. Wird er Gesetz werden? wird mit dem Gesetz das erstrebte Ziel erreicht w e r d e n ? Der Entwurf macht die allgemein gültige Voraussetzung, daß die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienste durch ein akademisches Studium und in einer darauf folgenden vorwiegend praktischen Vorbereitung erworben werden m ü s s e ; e r b e l ä ß t d e n e r s t e n T e i l in d e r j e t z i g e n F o r m und kürzt im zweiten die bisher auf zwei Jahre bemessene Tätigkeit bei Gerichten auf neun Monate unter entsprechender Verlängerung der Vorbereitung bei Verwaltungsbehörden. Es bleibt also im wesentlichen bei der Vorbildung, welche seit einem halben Jahrhundert in beinahe unveränderter Form b e s t e h t : dreijähriges Studium d e r R e c h t e (abgeschlossen durch die erste j u r i s t i s c h e Prüfung) und vierjährige Vorbereitung bei Gerichten und Verwaltungsbehörden. Der Entwurf wird daher auch nicht als ein Reformwerk bezeichnet werden können und will anscheinend n u r das jetzt Erreichbare sichern; die Änderung des akademischen Studiums, über die eine Einigung zurzeit unmöglich erscheint, i s t v e r s c h o b e n — vielleicht auf lange Zeit. Das wird dem Entwürfe Gegner schaffen und



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das Gesetz gefährden, das so dringend gefordert wurde. Mit einer geringfügigen Abänderung ließe sich das abwenden. Nur je ein kurzer Zusatz zu den §§ 1, 2, 4 und 5 wird genügen. § 1. Die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienste wird durch die Ablegung zweier Prüfungen erlangt, denen ein mindestens dreijähriges Studium der Rechte und der Staatswissenschaften auf einer Universität o d e r e i n v i e r jähriges Studium der Ingenieur- und Staatsw i s s e n s c h a f t e n an e i n e r T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e voranzugehen hat. § 2. Die erste Prüfung ist die erste juristische, für deren Ablegung usw., b z w . d i e D i p l o m h a u p t p r ü f u n g für Verwaltungsingenieure. § 4. Der Vorbereitungsdienst beginnt mit einer neunmonatigen Beschäftigung als Referendar bei Gerichtsbehörden, b z w . f ü r d i e V e r w a l t u n g s i n g e n i e u r e m i t e i n e r e i n j ä h r i g e n T ä t i g k e i t in t e c h n i s c h e n Betrieben. § 5. Nach vorschriftsmäßiger Beendigung der vorgenannten Beschäftigung werden die Gerichtsreferendare u n d d i e V e r w a l t u n g s i n g e n i e u r e von dem Präsidenten derjenigen Regierung, in deren Bezirke sie beschäftigt werden wollen, zu Regierungsreferendaren ernannt. Weitere Änderungen sind in dem Gesetze nicht erforderlich. Zur Begründung nur einige kurze Hinweise. Wenn man für die wissenschaftliche Vorbereitung zum Dienste in der höheren Verwaltung keine Ausnahmestellung annehmen will, so muß das akademische Studium — wie bei anderen Berufen — sich auf diejenigen Wissensgebiete erstrecken, welche die Grundlagen für die spätere Berufstätigkeit vermitteln. Dafür ist das Tätigkeitsgebiet maßgebend. Mit seiner Änderung, seiner Erweiterung, müssen alte Disziplinen verlassen, neue hinzugefügt werden. Die Vorbildung muß den veränderten Aufgaben angepaßt



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werden. S o ist e s bei allen Berufen, so muß es auch bei dem Berufe der Verwaltung sein. Stellt man den Vergleich an, s o ergibt sich, daß die Verwaltung in der Vorbildung ihres Nachwuchses beinahe ein halbes Jahrhundert im Rückstand ist. S i e ist den großen Änderungen im Volksleben der letzten Jahrzehnte nicht mehr g e f o l g t ; sie hat b e s o n d e r s diejenigen Wissenschaften v e r n a c h l ä s s i g t , die dem Wirtschaftsleben eine veränderte Gestalt g e g e b e n haben. Die U r s a c h e ist das unentwegte Festhalten an der juristischen Vorbildung, die keine anders geartete Schulung duldet und die dazu zwingt, den ganzen Nachwuchs vorbeizuführen an Naturerkenntnis und technisch wirtschaftlicher Einsicht. Die Mängel, die sich hieraus ergeben haben, sind zudem noch gesteigert worden durch die Verbindung dieser Vorbildung mit derjenigen für einen zweiten g a n z anders gestalteten Beruf — den Beruf der Rechtspflege. Diese Vereinigung ist ein schweres Hemmnis der Berufsbildung. Zwei B e rufe, die im Laufe der Zeit ganz voneinander abgerückt sind, die, verschieden in ihren Mitteln und ihren Zielen, eine grundverschiedene Betätigung verlangen, sind in der wissenschaftlichen Vorbereitung ihrer Beamten so miteinander v e r k e t t e t , daß weder für den einen noch für den anderen eine a n g e m e s s e n e Vorbildung möglich i s t ; was der eine dringend nötig hat, kann der andere entbehren und umgekehrt. D a s juristische Studium an den Universitäten ist in erster Linie für die Rechtspflege bestimmt und eingerichtet; sein Hauptgewicht liegt in der Behandlung von Privatrecht und Strafrecht. Das öffentliche Recht, Verwaltungsrecht und andere für die Verwaltung b e s o n d e r s wichtige Rechtsgebiete können dabei nicht in weiterem Umfange behandelt werden. Wird die Verbindung beibehalten (die Vorlage behauptet ihre Zweckmäßigkeit), s o wird auch die Vorbildung zur Rechtspflege dauernd gehemmt s e i n ; es muß daher im I n t e r e s s e der Rechtspflege liegen, ihr Studium unbekümmert um einen anderen Beruf ausbauen



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und im Interesse der Verwaltung, an der altbewährten Vorbildung festhalten zu können. Das letztere ist nur möglich, wenn es gelingt, dem großen Organismus der Verwaltung in einem Teile seiner Glieder anderweitig die wissenschaftlichen Grundlagen neuzeitlicher Aufgaben zu vermitteln. Hierzu sind die technischen Hochschulen besonders geeignet und eingerichtet. Sie sind die Pflegestätten der angewandten Naturwissenschaften, deren Kenntnis dem Gesamtwissen der Verwaltung ergänzend eingefügt werden muß, um die letztere in den Stand zu setzen, den wichtigsten Vorgängen im Volksleben wieder zu folgen. Die Technischen Hochschulen sind aber auch — das ist von besonderer Bedeutung für die Frage — in der Lage, dasjenige Maß von Kenntnissen aus dem Rechtsgebiete zu vermitteln, das für einen Teil der Verwaltungsbeamten ausreichend sein wird. Denn das muß hier vorausgesetzt werden. Das Recht durchdringt so alle Verhältnisse des Lebens, daß kein Schritt, kein Akt der Verwaltungstätigkeit denkbar ist ohne Beeinflussung durch das Recht. Es ist aber ein Irrtum, anzunehmen, daß auf allen Gebieten der höheren Verwaltung schwere Rechtsprobleme im Vordergrunde stehen, daß die Lösung aller Aufgaben tiefes Eingehen in Rechtsfragen erforderlich mache; es gibt vielmehr eine große Zahl von neuzeitlichen Verwaltungsaufgaben, für deren Lösung das Rechtsverständnis und die Gesetzeskerintnis eines gebildeten Staatsbürgers ausreicht. Es ist auch nicht erforderlich, daß a l l e Glieder der höheren Verwaltung j u r i s t i s c h g e s c h u l t sind, in juristischer Luft atmen gelernt h a b e n ; es genügt auch hier für e i n e n T e i l der Beamten, daß sie mit den wichtigsten Einrichtungen der Rechtspflege bekannt gemacht werden. Dazu ist während der praktischen Vorbereitung Gelegenheit vorhanden. Der Vorschlag bietet so viele Vorteile, daß eine ernste Erwägung gerechtfertigt erscheint; man muß ihn nur ohne



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Vorurteil prüfen und die ganze Frage aus dem Rahmen der Überlieferung abheben. 1. Die jetzt bestehende Vereinigung mit der Rechtspflege (auf die in den Begründungen der Gesetzentwürfe so großes Gewicht gelegt wird) könnte bestehen bleiben. Die richterliche Vorbildung, die doch auch Rücksicht verlangt, könnte zugleich freier gestaltet werden, da den b e sonderen Forderungen der Verwaltung auf anderem Wege Rechnung getragen wird. Es wäre sogar möglich, die ganze juristische Vorbildung für einen Teil der Beamten unverkürzt zu belassen, d. h. wieder wie früher die Assessoren der Justiz mit abgeschlossener Vorbildung in die Verwaltung zu übernehmen. 2. Die Technischen Hochschulen haben seit einigen Jahren den Forderungen des Ingenieurberufs (Ingenieur im weitesten Sinne des Wortes) folgend, die Unterrichtsfächer des Rechts, der Volkswirtschaftslehre und der Finanzwissenschaften in ihr Programm aufgenommen. A n der Hochschule Berlin wird z. B. im laufenden Studienjahre gelesen: Grundlagen der Rechts- und Verwaltungskunde, Handels-, Gewerbe-, Patent- und Baurecht, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftspolitik, Finanzwissenschaft, Bank-, Börsen- und Handelsgeschäfte (mit den Vorlesungen sind Übungen verbunden). Hier wird auch seit einigen Jahren (nach einer Zwischenprüfung) eine P r ü f u n g für Verwaltungsingenieure abgenommen, die nach einjähriger Tätigkeit in einem technischen Betriebe u n d darauffolgendem vierjährigen Studium neben der Ingenieurbildung den Nachweis zu erbringen hat von Kenntnissen aus der Allgemeinen Rechts- und Verwaltungskunde, der Volkswirtschaftslehre, den Finanzwissenschaften, einzelnen Sondergebieten der Gesetzgebung (auch Sprachkenntnisse werden verlangt). Diese Prüfung ist den Forderungen der Industrie- und Kommunalverwaltungen angepaßt und läßt ohne weiteres erkennen, daß auch eine A n p a s s u n g an die besonderen Aufgaben der höheren Verwaltung möglich ist. Durch die Verlegung der wissenschaftlichen



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Vorbildung e i n e s T e i l s der Verwaltungsbeamten an die Technische Hochschule ist die Reform in der e i n f a c h s t e n Weise zu bewirken. Es ist aber dies auch der s i c h e r s t e Weg, technisch wirtschaftliche Intelligenz, deren Mangel jetzt am fühlbarsten ist, dem großen Organismus der Verwaltung einzufügen. 3. Durch die Heranziehung von Verwaltungsingenieuren, die ihr akademisches Studium an Technischen Hochschulen zurückgelegt haben, wird die Verbindung der Verwaltung mit dem Erwerbs- und Wirtschaftsleben eine innigere. Die Beziehungen zwischen der arbeitenden Volksmasse und der Regierung werden enger. Es steht zu erwarten, daß die Erscheinungen in dem Leben des werdenden Industriestaates von der Staatsleitung unmittelbarer verfolgt werden können, wenn diese auch in den unteren Verwaltungsstellen über Assessoren und Regierungsräte verfügt, die frühzeitig Einsicht in die Welt der Technik gewonnen haben. Der Vorschlag macht keine neuen Einrichtungen nötig, er kann in jedem Umfang ausgeführt werden. Für das immer weiter wachsende Gebiet der Verwaltungen im Staate sowohl wie in Kommunen und in Privatbetrieben ist eine einheitliche wissenschaftliche Berufsbildung überhaupt nicht mehr denkbar. — Der große Generalstab der Regierung muß alle Waffengattungen heranziehen. Warum auf die vorzüglichen Kräfte verzichten, die doch zweifellos auch unter der studierenden Jugend der Technischen Hochschulen heranwachsen? Es sind Männer noch in höherem Lebensalter o h n e j u r i s t i s c h e Vorbildung in die Verwaltung übernommen worden; das wird in der Folge noch häufiger nötig werden. Sollte es da nicht auch ratsam sein, einige schon in jüngeren Jahren heranzuziehen? D a z u m u ß d e r W e g o f f e n g e h a l t e n w e r d e n ; ihn durch ein Landesgesetz zu verschließen, kann doch nicht die Absicht der Volksvertretung sein. Um sich die Wirkung der vorgeschlagenen Änderung klar zu machen, vergleiche man einmal den Studiengang



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zweier Söhne aus gleichem Elternhaus und mit gleicher Mittelschulbildung, von denen der eine die Universität (juristische Fakultät), der andere die Technische Hochschule bezieht; der erstere möge — wie dies in weitem Umfang üblich geworden — nach einigen „nicht ganz auf das Studium verwendeten' Semestern sich von einem Repetitor „einpauken" lassen und die erste juristische Prüfung bestehen; das ist (einschließlich militärischer Dienstleistung) in drei Jahren möglich. Der zweite muß nach einem Jahre werktätiger Beschäftigung in einem technischen Betriebe, die ihn in nächste Berührung mit dem Industriearbeiter bringt, zwei Jahre fleißigen Studiums auf der Hochschule verwenden, um die Zwischenprüfung, und weitere zwei Jahre, um die Hauptprüfung zu bestehen. In der Zwischenprüfung werden bereits die Grundlagen der Volkswirtschaftslehre von ihm gefordert; er wird frühzeitig zu wirtschaftlichem Denken veranlaßt. In der Hauptprüfung hat er die anderen vorerwähnten Nachweise zu erbringen. Sollten seine Kenntnisse in den Staatswissenschaften — die übrigens durch Disziplinen der Technik verstärkt werden — von geringerem Werte sein als die des Universitätsstudenten ? Warum sollte der Verwaltungsingenieur, der mit guter Allgemeinbildung ein ernstes Studium gerade auf diejenigen Wissenschaften verwendet hat, die für die höhere Verwaltung von so hoher Bedeutung sind, von der M ö g l i c h k e i t ausgeschlossen werden, sich zu einem nützlichen Gliede dieses Körpers auszubilden? Für die Regierung muß es doch von besonderem Werte sein, aus einem größeren Kreise mit weiteren Bildungsidealen sich den Nachwuchs aussuchen zu können. Warum beschränkte Auswahl, bei der doch der Stempel der juristischen Prüfungskommissionen nicht einmal ausschlaggebend sein kann? Für den Führerberuf der höheren Verwaltung ist das W i s s e n , Uber das ein Prüfungszeugnis Auskunft gibt — und wenn es auch von Juristen ausgestellt ist —, ja gar nicht von so großer Bedeutung; die Maschen des Siebes müssen doch nach



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-

anderem Maßstab und nach anderen Rücksichten gestellt werden. Man nehme eine größere Zahl von Kandidaten auf das Sieb und mache die Maschen enger. Auch diese Möglichkeit bietet der Vorschlag. Und zuletzt noch einen Hinweis. Wir sind in Deutschland jetzt allzusehr geneigt, nicht nur den hohen Wert des Rechts und der Rechtswissenschaften rückhaltlos anzuerkennen, wir messen auch allen Einrichtungen und Personen, die sich damit beschäftigen (oder einmal beschäftigt haben), eine besondere Bedeutung vor allen anderen bei. Wir sehen nicht nur in dem Juristen, sondern in jedem, der einmal bei einer juristischen Fakultät eingeschrieben w a r , einen Menschen höherer Befähigung. Nach der herrschenden Meinung eröffnen sich nur ihm alle Erkenntnisgebiete, er kann alles, er kann vor allem r e g i e r e n . (Daß das nicht ganz richtig sein kann, lehren unter anderem unsere Kolonien.) Der Beschäftigung mit Rechtswissenschaft und Rechtspflege werden eine Reihe von wertvollen Eigenschaften zugeschrieben, die bei anderen Wissenschaften und anderen Berufen nicht vorhanden sein sollen. Sie soll eine vorzügliche Schulung für die Geistesbildung sein, sie soll das logische Denken schärfen, sie soll die beste Grundlage für eine erfolgreiche Betätigung in der höheren Verwaltung sein. Das alles führt zu Übertreibungen, die in mancher Hinsicht bedenklich werden können. Summum j u s summa injuria — bei keinem anderen Volke ist das so deutlich geworden wie bei u n s : Recht muß Recht bleiben, wenn auch die höchsten Güter auf dem Spiele stehen — das ist deutsche Auffassung; die englische — right or wrong, my country —, die in den letzten Tagen öfters angeführt worden ist, mag dagegengestellt werden.

Verwaltungsingenieure. Das Herrenhaus hat mit der Zustimmung zu dem dritten Gesetzentwurf über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst in Preußen eine Resolution angenommen, durch die die Kgl. Staatsregierung um Vorlegung eines neuen Gesetzentwurfes ersucht wird, der die wissenschaftliche Vorbereitung zum höheren Verwaltungsdienst (Sfudium und Prüfung) gleichzeitig mit der zum höheren Justizdienst regeln soll. Wenn auch noch nicht zu übersehen ist, welche Reform die von der Regierung zugesagte Vorlage bringen wird, so sind doch nur zwei Möglichkeiten gegeben: entweder bleibt die Verkettung der beiden Berufe, Verwaltung und Rechtspflege, bestehen — das Studium ist inhaltlich das gleiche und wird fUr beide Berufe durch ein und dieselbe Prüfung — die erste juristische Prüfung — abgeschlossen, oder es erhält die Verwaltung eine neue Studienordnung, sei es mit völliger oder nur teilweiser Trennung. Die letztere Möglichkeit halten die Gesetzgeber offenbar für ausgeschlossen, sonst würden sie die Regierung nicht festlegen auf zwei Prüfungen, von denen die eine die erste juristische Prüfung sein muß. Würde die kommende Reform der wissenschaftlichen Vorbereitung von derjenigen der Rechtspflege sich unterscheiden, so müßte auch die erste Prüfung für Verwaltungsbeamte eine neue Form erhalten und das damit eben zustande gekommene Gesetz wieder abgeändert werden



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müssen. Nach dem ungewöhnlichen Aufwand, den dieses Gesetz verursacht hat, muß jede Änderung in der nächsten Zeit ausgeschlossen sein. Es bleibt also nur die erste Möglichkeit, d. h. jede Umgestaltung in dem einen Beruf muß zugleich für den andern Beruf verbindlich sein. Vor allem müßten Unterrichtsfächer im Studienprogramm der Verwaltung auch Prüfungsfächer für die Rechtspflege werden. Nach den vielen Erörterungen des letzten Jahrzehnts in der Literatur und der Tagespresse, in der Volksvertretung und vom Ministertisch kann nun kein Zweifel darüber bestehen, was der höheren Verwaltung in ihrem Nachwuchs fehlt: es ist das Verständnis für das „praktische Leben". (Diese Bezeichnung ist von den besten Kennern der Verhältnisse gewählt.) Mit einer gewissen Weltfremdheit, wie im Landtag gesagt wurde, kommen die Referendare aus ihrer P r ü f u n g , um sich an praktischen Aufgaben innerhalb ihres Berufskreises zu üben. Die Weltfremdheit sowohl wie die mangelnde Kenntnis des praktischen Lebens kann sich nur darin äußern, daß es den Referendaren an den nötigen wissenschaftlichen Grundlagen fehlt, welche in jedem Beruf bei Beginn der praktischen Ausbildung vorausgesetzt werden. Es handelt sich also um einen Mangel an Wissen, der hier — wie bei anderen akademischen Berufen — durch Verbesserungen im Unterrichtsprogramm der Hochschule beseitigt werden muß. Wie diese Verbesserungen im Unterrichtsprogramm und selbstverständlich in der Prüfungsordnung (die mit derjenigen der Rechtspflege gleichlautend sein muß) aussehen müßten, kann wiederum nicht zweifelhaft sein: es müßte eine Schwenkung nach der Richtung derjenigen Wissensgebiete vorgenommen werden, welche bisher ganz ignoriert worden sind. Das sind die Naturwissenschaften; auch ist es nötig, die Grundlagen der angewandten Naturwissenschaft — in erster Linie also die technischen Wissenschaften — in das Unterrichtsprogramm aufzunehmen.



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Mir s c h e i n t d e r Weg, der mit dem d i e s j ä h r i g e n N o t g e s e t z e i n g e s c h l a g e n w i r d , in e i n e E n g e z u f ü h r e n . Die höhere Verwaltung und die vielen anderen Stellen in Staat und Gemeinde, die durch Gesetz und Tradition auf das Vorbild der Verwaltung festgelegt sind, bedürfen in dem neuen Jahrhundert — das ist unverkennbar — wirtschaftlicher Intelligenz auf naturwissenschaftlicher, technischer Grundlage. Die kann aber dem großen Organismus unmöglich in der Weise zugeleitet werden, daß der ganze Nachwuchs juristisch und zugleich naturwissenschaftlich technisch vorgebildet wird. Das ist zu viel an Wissensstoff. Eine Durchsetzung mit den für neuzeitliche Verwaltungsaufgaben erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen ist vielmehr nur so denkbar, d a ß die V e r w a l t u n g ihre u n v e r s ö h n l i c h e H a l t u n g g e g e n ü b e r den Bildungs resultaten anderer Hochschulen aufgibt und auch Personen and e r e r V o r b i l d u n g in i h r e R e i h e n a u f n i m m t . Die höhere Verwaltung ist der große Generalstab, der nur voraussehen und leiten kann, wenn er sich aus Führern aller Waffengattungen zusammensetzt. Mag es klug und geboten sein, eine zu bevorzugen, falsch ist es jedenfalls, eine auszuschließen. Die höhere Verwaltung hat zurzeit auch die Möglichkeit, eine Ergänzung ihres großen Beamtenkörpers nach diesem Prinzip zu sichern; sie muß aber dazu anerkennen, daß die Universität nicht ihre einzige Hochschule ist. Wenn das diesjährige Gesetz einen dauernden Wert behalten soll, so muß hierin der Regierung die Ermächtigung gegeben werden, einen Teil des Nachwuchses dem Kreise von Akademikern zu entnehmen, die auf naturwissenschaftlicher Grundlage vorgebildet sind. Und hierfür kommen in erster Linie die Ingenieure der Technischen Hochschule in Betracht, unter denen ebenso tüchtige und wertvolle Kräfte (nach Allgemeinbildung, Charakter, Takt) heranwachsen als auf den Universitäten. Um die b r a u c h barsten unter diesen dem Berufe der höheren Verwaltung zu sichern, wären nur unwesentliche Änderungen in d e m



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Gesetz nötig, welche für die beiden ersten Paragraphen die folgende Fassung erhalten könnten: § 1. Die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst wird durch die Ablegung zweier Prüfungen erlangt, denen ein mindestens dreijähriges Studium der Rechte und der Staatswissenschaften auf einer Universität oder ein mindestens vierjähriges Studium der Ingenieur- und Staatswissenschaften an einer Technischen Hochschule voranzugehen hat. § 2. Die erste Prüfung ist die erste juristische bzw. die Diplomhauptprüfung für Verwaltungsingenieure, die zweite Prüfung ist bei der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte abzulegen. Die Technischen Hochschulen haben den Forderungen des Ingenieurberufes sich anpassend zum Teil schon jetzt kameralistische Unterrichtsfächer in ihr Programm aufgenommen. An einer Hochschule wird auch seit mehreren Jahren eine Hauptprüfung (vorausgehend eine Zwischenprüfung) für Verwaltungsingenieure abgenommen, welch letztere nach einjähriger Tätigkeit in einem technischen Betriebe und darauf folgendem vierjährigen Studium neben der Ingenieurbildung den Nachweis zu erbringen haben von Kenntnissen aus der allgemeinen Rechtsund Verwaltungslehre, der Volkswirtschaftslehre, den Finanzwissenschaften (auch Sprachkenntnisse werden verlangt). Wenn fünf Jahre auf die wissenschaftliche Vorbildung eines Ingenieurs verwendet werden, der mit genau der gleichen Mittelschulbildung sein Studium beginnt wie der Universitätsstudent, und wenn in einem Unterrichtsbetriebe, der arbeitsloses „Studieren" ausschließt und durch fortgesetzte Übungen zum Können und zum selbständigen Arbeiten erzieht, noch Zeit bleibt, ein Verständnis für die rechtlichen Ordnungen im Staats- und Wirtschaftsleben vorzubereiten, so muß es unverständlich bleiben, weshalb Verwaltungsingenieure von der Zulassung ausgeschlossen F r a n z , Der Verwaltungslngenieur

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und Referendare zugelassen werden, die nur ein paar Semester auf ihr Studium verwendet haben. Freilich kennen unsere Gesetzgeber keine andere Hochschule als die Universität. Das große Gebiet der Wissenschaften, welche die Technische Hochschule pflegt, erscheint ihnen nicht als universitas. Das darf sie aber nicht abhalten, vorurteilsfrei zu prüfen. Wollten sie ohne Engherzigkeit einmal an die Frage herantreten, so würden sie in dem eigenartigen Studium, wie es an Technischen Hochschulen betrieben wird, gerade ein erwünschtes Gegengewicht gegen die formal-juristische Bildung der Universitäten erblicken, das noch wertvoller wäre als die technische Schulung selbst. Der Geist moderner Technik, der mit dem Ingenieur in den Reihen der Verwaltung ein Heimatrecht erhält, könnte das Notgesetz wirklich noch zu einem nötigen Gesetz machen. Bei der Bewertung des Vorschlags möge man beachten, daß er nicht ein Recht der Technischen Hochschulen oder der Verwaltungsingenieure begründet, sondern nur eine Ermächtigung der Regierung, so bald und so eng begrenzt, wie sie es für gut hält, Verwaltungsingenieure zur Ausbildung zuzulassen. Daß der bisherige Studiengang der normale bleiben muß, bleibt bei dem Vorschlag ebenso außer Frage wie der Wert einer guten und möglichst vollkommen juristischen Durchbildung für den Stamm der höheren Verwaltungsbeamten. Der Vorschlag beseitigt gerade die Notwendigkeit, diese juristische Vorbildung aus Rücksichten auf das .praktische Leben" immer mehr zu beeinträchtigen. Er beseitigt aber vor allem die Schwierigkeiten, die der kommenden Reform erwachsen müssen, wenn das diesjährige Gesetz angenommen wird. Mag man über den Wert der Ingenieurbildung und Uber die Brauchbarkeit der Verwaltungsingenieure im Organismus der Verwaltung abweichender Meinung sein, ein Vorteil für die Rechtswissenschaft kann dem Vorschlag nicht bestritten werden. Er bietet den einzigen Ausweg, die Reform der

— 14 — Vorbildung fiir die Rechtspflege nach den Bedürfnissen dieses Berufs und nicht nach denen eines anderen zu gestalten. Forderungen, die gegen die Interessen der Rechtspflege aus der Eigenart der Verwaltung gestellt werden — und sie müssen gestellt werden — können mit der Begründung abgelehnt werden, daß der Regierung ein anderer Weg offen steht. B l e i b t d i e s e r W e g v e r s c h l o s s e n , so wird der R e c h t s p f l e g e ihr G a s t einmal recht unbequem werden.

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Das Berufsstudium der Verwaltung. (Ein Beitrag zur Hochschul-Pädagogik.) Seit langem schon wird die wissenschaftliche Vorbereitung für die höhere Verwaltung dadurch erschwert, daß das Hochschulstudium für diesen Beruf sich den zeitgemäßen Forderungen nicht mehr anpassen will — eine eigentümliche und wohl einzig dastehende Erscheinung in der Geschichte des Hochschulunterrichts. Die Regierung, die Volksvertretung, selbst die Verwaltungsbeamten und die Hochschullehrer — sie alle kennen den Mangel und beklagen ihn. Ihn gründlich zu beseitigen oder auch nur an der Wurzel anzufassen, will niemand unternehmen. Ich nehme eine Tageszeitung, in der der Mangel besprochen wird, und finde folgende Ansichten: „Unsere juristische Jugend pflegt vielmehr ihr Berufsstudium als überaus langweilig einzuschätzen, als ein notwendiges Übel, das man in Rücksicht auf die praktischen Vorteile der künftigen Lebensstellung eben auf sich nehmen muß — infolgedessen bleibt gerade in dem Berufsstand, der für den modernen Staat der allerwichtigste ist, der in Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung gleichmäßig herrscht und praktisch das ganze Wohl und Wehe der Volksgemeinschaft in der Hand hat, die Mehrzahl seiner Mitglieder zeitlebens Stümper in ihrem Fach, unfähig sich über die Schablone der Geschäftsroutine zu erheben und für die Mitarbeit an den schweren sozialen Problemen



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der Gegenwart ganz untauglich. Welche Unsummen von politischen, wirtschaftlichen, ethischen Werten hat dieses Stiimpertum uns schon vernichtet." (»Tag", 8. Mai 1906.) Es ist eine von Lehrern der Rechtswissenschaften mehrfach bestätigte Tatsache, daß bei keinem anderen Studiuni an der Universität so viel »gebummelt* wird als bei dem der Jurisprudenz, daß auch die Vorbereitung für die juristische Prüfung in einem Maße durch „Einpauken" betrieben wird, wie dies bei anderen Fakultäten und auf anderen Hochschulen bisher nicht beobachtet wurde. Aber warum stehen denn gerade die bei den juristischen Fakultäten eingeschriebenen Studierenden in größerer Zahl ihren Wissenschaften interesselos gegenüber? Ein Verwaltungsbeamter gibt darauf die Antwort: Weil die Hochschullehrer den Unterricht so wenig anziehend gestalten, daß eine große Zahl von Verwaltungsbeamten „jede in den Vorlesungen verbrachte Stunde als verlorene Zeit bedauern müssen." (»Tag", 30. Jan. 1906.) Das ist natürlich ebenso unzutreffend wie das vorige Urteil. Warum sollte bei einem doch zweifellos hochstehenden Unterricht der Universitäten gerade derjenige einer einzigen Fakultät überall mangelhaft sein, warum sollten denn unter den vielen Dozenten gerade die Vertreter der Rechtswissenschaft schlechte Lehrer sein? Treffender scheint eine dritte Ansicht: „Der Beruf des Verwaltungsbeamten ist ein eminent praktischer, auf konkrete Lebensverhältnisse angewandter, und man darf wohl vermuten, daß die jungen Leute, die ihn aus Neigung zu seiner besonderen Art ergreifen und nicht aus anderen Gründen, dies tun, weil sie bewußt oder unbewußt die Fähigkeit besitzen, praktisch gestaltend in die Verhältnisse des Lebens einzugreifen, weil sie mehr praktisch als theoretisch, mehr real als abstrakt veranlagt sind. Und gerade dieser Veranlagung der künftigen Verwaltungsbeamten bietet die juristische Fakultät so gut wie gar nichts." („Tag", 17. März 1906.)



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Hierzu muß man die entscheidende Frage stellen: Warum sind bisher alle Versuche mißlungen, den jungen Leuten mehr zu bieten? Die Antwort liegt zu nahe: w e i l d i e J u r i s p r u d e n z n i c h t d i e W i s s e n s c h a f t d e r V e r w a l t u n g i s t ; weil sie für diesen Beruf nur eine H i l f s w i s s e n s c h a f t ist und weil die Jurisprudenz in dem Unterrichtsbetriebe der Universitäten in erster Linie für die Justiz bestimmt ist. Das heutige Berufsstudium der Verwaltung ist daher ein Widerspruch in sich; das fühlt zuerst der Student, der „bewußt oder unbewußt die Fähigkeit besitzt, praktisch gestaltend in die Verhältnisse des Lebens einzugreifen"; er kommt zu der Universität, seiner Hochschule, um mit Hilfe der Rechtswissenschaft und U b e r d i e s e h i n a u s sich weiter führen zu lassen zu Erkenntnisgebieten, die für das Verständnis des Lebens nicht mehr zu entbehren sind. Er will aber nicht und darf nicht stecken bleiben in der juristischen Schule. Aus zwingenden Gründen ist vordem die Verwaltung von der Rechtspflege getrennt worden; die beiden Berufe sind in ihrer praktischen Betätigung weit auseinander gerückt. Warum sollten sie in der wissenschaftlichen Vorbereitung so eng aneinander gekettet bleiben? Sie haben ja freilich noch eine feste und unverrückbare Gemeinsamkeit — die Rechtsordnungen. Es wird aber doch als widersinnig empfunden, daß ein Student, der Richter werden will, nicht tiefer sollte eindringen müssen in „seine" Wissenschaft als der zukünftige Verwaltungsbeamte. Könnte man das Studium der Medizin mit dem der Chemie vereinigen, weil dem künftigen Arzt auch weitere Gebiete der Chemie bekannt sein müssen? Muß der zukünftige Forstwirt seine ganze Studienzeit der Botanik widmen ? Ist eine Ingenieurerziehung denkbar, die sich auf die Mathematik beschränkt? Wenn bei solch naheliegenden Vergleichen die im praktischen Beruf stehenden ehemaligen Studierenden der Rechtswissenschaften noch ihr Bedauern mitteilen Uber jede in den Hörsälen „verlorene" Stunde, wenn der Student



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sieht, wie andere vor ihm ihre Berufsaufgaben erfüllen, die ihr Priifungswissen beim Einpauker gewonnen haben, so wird das von vornherein mangelnde Interesse nicht geweckt. Bei freier Berufswahl und vor allem bei Lernfreiheit ist aber ein tiefer gehendes Interesse an der Wissenschaft, der das Studium gewidmet sein soll, unerläßliche Voraussetzung; jedenfalls ist fehlendes Interesse ein sehr großes Hindernis jedes Hochschulunterrichts. Dazu kommt nun noch, daß bei dem Studium die geistigen Veranlagungen der Hörer den Unterricht wesentlich beeinflussen. Ein großer Teil der bei der juristischen Fakultät eingeschriebenen Hörer kann sein „Studium" nicht nach seinen geistigen Fähigkeiten wählen; wer mehr „praktisch als theoretisch", mehr „real als abstrakt" veranlagt ist, — und diese Veranlagung steht doch dem Interesse an dem Beruf der Verwaltung nicht im Wege — könnte gewiß seine wissenschaftliche Vorbildung auf anderem Wege finden: er muß aber den Weg durch die Schule der Jurisprudenz machen, weil es einen anderen nicht gibt. Aus einem Studentenmaterial, das ohne Interesse und ohne Begabung zu „seinem" Studium kommt, können aber auch die besten Rechtslehrer keine guten Juristen machen. Da müssen einige — vielleicht auch eine größere Zahl von „Stümpern" mit unterlaufen. Was mir aber als das schwerste Hindernis erscheint, das ist die Behauptung der Verwaltungsbeamten, daß die juristische Schule und der juristische Geist, in dem sie erzogen würden, ihre Berufsaufgaben erschwere. In dem Landtag einer preußischen Provinz sagte kürzlich ein Landrat: „Der uns anerzogene juristische Formalismus kann direkt eine Gefahr sein für jeden, der in das Verwaltungsfach U b e r t r i t t . Das sogenannte juristische Gefühl gerade ist es, das sich oft und leider gerade erfolgreich dagegen sträubt, praktischen und menschlich zwingenden Gründen nachzugeben." Nehme ich alle diese Urteile, die sich geradezu häufen und die bei aller Übertreibung doch die Erscheinungen



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als solche richtig wiedergeben müssen, so bleibt keine andere Erklärung als der innere Widerspruch, der darin besteht, daß zwei ganz verschiedene Berufe ein und dasselbe Hochschulstudium haben, das durch ein und dieselbe Prüfung abgeschlossen wird. Dieser Widerspruch ist auch dem Versuch verhängnisvoll geworden, der von der preußischen Gesetzgebung zur Besserung des bemängelten Zustandes unternommen wurde. Verhandlungen, die sich über viele Jahre hinziehen, Gesetzesvorlagen, die zweimal wiederholt werden mtissen, um schließlich das eine zu erreichen, daß die jungen Beamten in der Folge nur noch 9 Monate statt 2 Jahre bei den ordentlichen Gerichten ausgebildet werden. Das ist gewiß ein ungewöhnlicher Vorgang bei einer einfachen Frage der Vorbildung. Bei keiner anderen Berufsbildung ist Ahnliches zu verzeichnen. Was das Außergewöhnliche steigert, ist einmal die Geringfügigkeit des Erreichten und sodann die Tendenz, die hierbei hervortritt. Das Hochschulstudium sollte reformiert werden — darauf war seit Jahrzehnten das Bestreben aller Einsichtigen gerichtet; das ist aber mit dem Gesetzeswerk n i c h t e r reicht worden. Das Studium ist u n v e r ä n d e r t g e b l i e b e n , weil die Behandlung der ersten (gescheiterten) Vorlage ohne weiteres erkennen ließ, daß ein Ausgleich der Interessen zwischen Verwaltung und Justiz im Studium unmöglich ist. Und nun ist das Gesetz in seiner zweiten und dritten Form in eine Bahn gelenkt, die für das Prinzip der akademischen Bildung der Verwaltungs beamten äußerst nachteilig werden muß. In der Folge werden die bestehenden Schwierigkeiten sich weiter vermehren. Das neue Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst muß als eine Absage an die Jurisprudenz g e d e u t e t werden, denn es besagt, daß die Vorbildung der Verwaltungsbeamten um so besser wird, je früher die letzteren der juristischen Schulung entzogen werden. Die jungen Beamten sollen nicht mehr mit ihren Studien-



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genossen weiter ausgebildet werden, die Vertiefung der Hochschullehre und die Anpassung derselben an die Berufsaufgaben — das ist die Zweckbestimmung der praktischen Berufsbildung — soll eine andere werden. Müßte da nicht gleichzeitig auch die Lehre selbst eine Änderung erfahren ? Solche Fragen beantwortet sich der Student selbst. Er merkt sehr bald, daß nunmehr der Schwerpunkt noch weiter nach dem zweiten Teil der Vorbildung verschoben ist — von der Hochschule weg. Dem Hochschulstudium wird weniger Wert beigemessen; es ist ja für diejenigen bestimmt, die zu den Gerichten gehen. Und wirklich — wenn man die Neuregelung nach Analogie der anderen Berufe beurteilen darf — liegt eine solche Auslegung der Motive nahe. Bei der Beratung des letzten Entwurfes gab die Regierung zu, daß die jungen Beamten „lebensfremd" von ihrer Hochschule kommen, — dieselben Beamten, die wenige Jahre nachher Führer des Lebens sein sollen I Diese Kritik ist gewiß ernst zu nehmen, sie ist (bei allem Wohlwollen) die schärfste, die über das System bisher gefällt worden ist. Die Verwaltungsbeamten — so ist hieraus zu entnehmen — haben einen Hochschulunterricht, der nicht einmal die ersten Forderungen jeden Unterrichts erfüllt. Und diesen Unterricht läßt man bestehen; man begnügt sich damit, seine Fehler durch Maßnahmen zu korrigieren, die hinter der Hochschule liegen. Die ganze Tendenz in der Vorbildung der Verwaltungsbeamten ist jetzt auf eine Unterweisung gerichtet, die außerhalb der Hochschule liegt; es nimmt den Anschein, als ob man von dem offiziellen Studium nichts mehr erwartet. Das Vertrauen ist g e s u n k e n ; das läßt sich an manchen Erscheinungen beobachten. Die Stimmung im preußischen Landtag ist gegen eine Verlängerung der kurzen Studienzeit; vielleicht sagen sich die Akademiker dieser Körperschaft, daß jede weitere Stunde verlorene Zeit ist. Sie müssen es wissen; sie haben ja selbst die Schule der Jurisprudenz kennen gelernt. Besser soll es sein, den

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Unterricht später nachzuholen. Eine Vereinigung ist gegründet worden, „für staatswisssenchaftliche F o r t b i l d u n g " , die Assessoren und Landräten den Unterricht erteilt, der eigentlich auf die Hochschule gehört. Für die Beurteilung der Bewegung ist es nicht ohne Interesse, das Unterrichtsprogramm dieses verdienstvollen Unternehmens zu betrachten. Es geht aus von den Wandlungen, die das „naturwissenschaftliche Zeitalter" verursacht habe, und von der Notwendigkeit dem Beamtenkörper der Verwaltung in einzelnen Persönlichkeiten des Nachwuchses technisches und wirtschaftliches Verständnis zuzuführen. Wenn die Juristen die „erste Hypothek", die ihnen eingeräumt sei, behalten wollten, so müßten sie ihre Bildung u m f a s s e n d e r g e s t a l t e n und sich einen Einblick in das gesamte wirtschaftliche Leben verschaffen. Von der einseitigen juristischen müsse man mehr zur k a m e r a l i s t i s c h e n Vorbildung übergehen. Zur Erreichung dieses Zieles sind Kurse eingerichtet, die als eine „vorläufige Abschlagszahlung" bezeichnet werden. In diesen Kursen, die sich über mehrere Wochen bezw. Monate erstrecken, werden die Teilnehmer durch Vorträge und viele Besichtigungen technisch-gewerblicher Betriebe unterrichtet. Und auch hierin läßt sich der Widerspruch verfolgen, der voraussichtlich selbst dieses Unternehmen schädigen wird. Dasselbe müßte als „ F o r t b i l d u n g " auf früher gelegten Grundlagen sich aufbauen, denn jeder Unterricht setzt gewisse Kenntnisse und Fähigkeiten voraus, die auf der Vorstufe erreicht sein müssen. Eine Fortbildung, die Uber dem Hochschulunterricht steht, müßte besonders hohe Anforderungen stellen können. Für die m e i s t e n der Unterrichtsgebiete, auf welche sich die Fortbildung in den Kursen erstreckt, ist die Vorbildung der Teilnehmer aber sehr mangelhaft, für einige fehlt sie fast ganz. So ist zum Beispiel bei keinem aus der juristischen Schule hervorgegangenen Assessor eine ausreichende Grundlage vorhanden für das Verständnis technischer Arbeit.



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Ich entnehme dem Exkursionsprogramm eines Kursus für mehrere T a g e : Städtische Entwässerungsanlagen und Hafenbau, mehrere Maschinenfabriken und eine Akkumulatorenfabrik, Besuch eines Kohlenreviers, Einfahrt in mehrere Schächte, Besichtigung der Werkanlagen einer Hütte (Stahlwerk und Gebläsemaschinen), Besichtigung einer Talsperre usw. Daß der Unterricht Uber Wesen, Entstehung und wirtschaftliche Bedeutung dieser Werke zu der staatswirtschaftlichen Lehre gehört oder gehören sollte, soll gewiß nicht bestritten werden; man darf aber doch bezweifeln, ob ein wirklich nachhaltiger Fortbildungsunterricht auf diesen Gebieten erteilt werden kann, wenn der Assessor auf seiner Hochschule nichts von Ingenieurwissenschaft gehört, wenn ihm die notwendigsten technologischen Vorkenntnisse, ja selbst einfache naturwissenschaftliche Begriffe fehlen. Für jeden Gebildeten ist es ja — gleichgültig, in welchen Wissenschaften er unterrichtet ist — lehrreich, sich in einer Förderschale bewegen zu lassen oder sich neben eine Walzenstraße zu stellen Das ist für einen Theologen oder einen Mediziner nicht minder lehrreich als für einen Juristen. Einen wirklichen Gewinn für Wissen und Können — und darauf kommt es doch an — hat aber nur derjenige, der gelernt hat, die vor seinen Sinnen ablaufenden Vorgänge in ihrem ganzen Verlauf zu verfolgen und ihre Wirkung auf das Wirtschaftsleben zu beurteilen. Für einen angehenden Staatswirt — das sollten eigentlich die Exkursionsteilnehmer ja schon sein — ist das besonders wichtig. Und da glaube ich, daß nicht einmal die Kenntnisse aus der theoretischen Volkswirtschaftslehre, die der Studierende der Rechtsund Staatswissenschaft erworben hat, hier eine ausreichende Grundlage bilden. Jedenfalls fällt es einem Akademiker, der bei einer juristischen Fakultät eingeschrieben war und seine Studienzeit v o l l a u f „ s e i n e * W i s s e n s c h a f t v e r w e n d e t h a t , sehr schwer, das Wesentliche all der verwickelten Vorgänge zu erfassen. Und wer wirklich Jurist geworden ist in seinem Studium, wer sich vertief!



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hat in das Meisterwerk, das menschlicher Verstand in dem monumentalen Bau des Rechts errichtet hat, dem fällt es doppelt schwer. Die Logik der Natur ist zu verschieden von der des Rechts. In der Technik — sie ist ihrem Wesen nach angewandte Naturerkenntnis, und auf sie stützt sich unser Wirtschaftsleben — gilt zuerst das Gesetz der Natur. Wer jahrelang sein logisches Denken nur an juristischen Materien geschärft, wer »daran gewöhnt ist, praktische Lebensverhältnisse unter rechtliche Begriffe zu subsummiere" — ein Vorzug, den die Motive des preußischen Gesetzes betonen —, der ist auf vielen Gebieten des neuzeitlichen Lebens in klarer Auffassung der Geschehnisse behindert. Er ist »lebensfremd" geworden. „Es scheint deshalb dringend notwendig," wie der erwähnte preußische Laudrat meinte, „daß das Jnristentum in der Verwaltung auf ein Mindestmaß eingeschränkt wird." Das ist zurzeit die stillherrschende Ansicht. Wir sind aber trotzdem noch sehr weit entfernt von einer Durchführung dieses Gedankens. Das zeigt nichts deutlicher als das preußische Gesetz. Wie will man von dem juristischen Studium loskommen, wenn man alle Verwaltungsbeamten durch die juristische Prüfung schickt? Unsere wirklichen Juristen müssen doch zuerst und vor allem in der Jurisprudenz unterrichtet werden; für sie muß doch d a s - R e c h t Anfang und Ende des Studiums sein. Das Studium muß mit einer Prüfung abgeschlossen werden — der ersten juristischen. Wenn alle Verwaltungsbeamten diese Prüfung ablegen müssen, so müssen sie so studieren, als ob sie gute Juristen werden wollten. D i e s e r W i d e r s p r u c h muß fallen. Es muß die V e r w a l t u n g a u c h im S t u d i u m u n a b h ä n g i g w e r d e n von der R e c h t s p f l e g e . Das S t u d i u m d e r V e r waltung muß freier gestaltet, der Nachwuchs aus breiter Schicht e n t n o m m e n werden. Die Universitäten haben in dem Gefüge der Staaten unter anderem die Aufgabe, Persönlichkeiten zu schulen, die den Staat weiter führen und mit ihrem Intellekt ver-



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teidigen k ö n n e n . Diese Aufgabe ist aber nicht nur den Universitäten zugefallen, auch andere Hochschulen, die vom Staate unterhalten werden, m ü s s e n hieran teilnehmen* Das folgt aus dem Begriff der Staatsanstalt. Hier steht nicht etwa das Recht, sondern die Pflicht im Vordergrund. Es ist ein schwerer Irrtum, begleitet von einem bedenklichen Vorurteil, wenn die Motive des preußischen Gesetzes es als »naturgemäß« bezeichnen, daß nur die Universität Verwaltungsbeamte erziehen k ö n n e ; es ist e b e n s o bedenklich für die wissenschaftlichen Disziplinen wie für die Praxis der Staatsführung, die Staatswissenschaften nur an der Universität zu suchen. Einseitigkeit lähmt. Wenn es neben der Universität eine andere Hochschule gibt, welche Wissenschaften der Staatswirtschaft pflegt — welche vielleicht einzige Lehrstätte ist —, so ist es doch schon Pflicht der Selbsterhaltung, diese nutzbar zu machen für die Erziehung der Vcrwaltungsbeamten. Diesen Gedanken hat schon Professor O r t l o f f in seinem »Studium der Rechtsund Staatswissenschaft« (Halle, Waisenhaus 1903) ausg e s p r o c h e n . Auch O r t l o f f betont zunächst die Notwendigkeit, wieder »Kameralistik« (Geographie, p r a k t i s c h e M a t h e m a t i k , T e c h n i k , Anthropologie, Versicherungsrecht usw.) in dem Studium der Verwaltung zu pflegen, und enipfielt, einem »höheren« Studium der Staatswissenschaften ein auf zwei Semester beschränktes k a m e r a l i s t i s c h e s Vorbereitungsstudium vorauszuschicken, das, »sofern die einzelne Universität dazu weniger Gelegenheit bietet, auf einer h ö h e r e n landwirtschaftlichen und technischen Lehranstalt, Berg- und Forstakademie« zurückzulegen wäre (S. 39). Für weniger weitgehende A n s p r ü c h e in den Ämtern der Verwaltung hält er sogar die Universität nicht einmal für geeignet. »Für die Erlernung der sog. kameralistischen Fächer dienen j e t z t die in großer Anzahl vorhandenen technischen und polytechnischen Hochschulen, die keine Berührung mit den Fakultäten der Rechts- und Staats Wissenschaft der Universitäten haben. Die für die Erlangung des Dr. Ing. erforderten Prüfungen könnten auch



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für die zur Erlangung eines in jene Gebiete fallenden Staats- oder sonstigen öffentlichen Amtes maßgebend werden.« Hier wird zum ersten Male anerkannt, daß es außer der Universität Uberhaupt noch Lehrstätten gibt, die verwendbar sind, und daran wird auch zum ersten Male der selbstverständliche Vorschlag geknüpft, diese Stellen nunmehr auch heranzuziehen bei der vorliegenden Aufgabe. Dabei war O r t l o f f (der übrigens die Technischen Hochschulen der Zahl nach überschätzt — in Preußen kommen z. B. erst 4 Technische Hochschulen auf 10 Universitäten, bei einem Etat, der nur halb s o groß als der der 3. kleinsten Universitäten) nicht einmal bekannt, daß diese Hochschulen auch einen umfangreichen Unterricht in den Fächern der Rechte, Finanzwissenschaft und Volkswirtschaftslehre geschaffen haben. Daß dieser Vorschlag der einzige geblieben ist in der umfangreichen Literatur, ist mit anderen Erscheinungen bei der Behandlung der Frage g a n z bezeichnend fUr die gewaltigen Schwierigkeiten, die hier bestehen müssen. Obwohl eine Frage d e s Unterrichts vorlag (sie stand im Mittelpunkt), ist d a s Unterrichtsministerium bei der preußischen G e s e t z e s v o r l a g e in den Hintergrund getreten. In dem Parlament auch nicht einmal die Erwähnung einer anderen Erziehungsmöglichkeit. In der Kommission des Landtags kein einziger Akademiker, der nicht aus der Universität gekommen w ä r e ; es scheint, als ob sowohl die Regierung als auch die Volksvertretung andere Hochschulen in ihrem Bildungswert für die Staatsleitung unterschätzt oder vielmehr gar nicht einmal kennt. D a s würde freilich die g a n z e Situation mit einemtnale erklären. Und die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering. Wer kennt denn den h e u t i g e n Unterrichtsbetrieb der neuen Lehrstätten oder vermag den ganzen Wert der Lehre a u s e i g e n e r Erfahrung zu schätzen; wie wenige aus der großen Zahl der Volksvertreter und der regierenden Verwaltungsbeamten haben je diese Stätten betreten ? An dem Gesetzentwurfe wird kein einziger Kopf tätig gewesen



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sein, der sich als Student in die Gesetze der Natur und der Technik vertieft hätte und ermessen könnte, was für Kräfte für die Intelligenz der Staatsleitung hier gebildet werden. Unser König allein, seinen Räten weit voraus, hat hier tiefer gesehen. »Ich rechne auf die Technischen Hochschulen,« das waren Worte weiser Einsicht. Sie sind verklungen; aus den Wellen, die einstmals die Festhalle der Charlottenburger Hochschule erfüllten, wird es aber weiter tönen, und ganz leise klingt es schon wieder an bei dem erfahrenen Lehrer, der einen Dr.-Ing. schon für fähig hält, ein »niederes« Verwaltungsamt zu führen. Und die Wellen, die jetzt von der »Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung« ausgehen, sie führen auch zu der Hochschule, die gleichwertig n e b e n die alte Universität getreten ist und auch hier mithelfen muß an dem großen Werk der Lebensführung. Übergang von der »einseitig juristischen zu der mehr kameralistischen Vorbildung* heißt nämlich nichts anderes als Beteiligung der Technischen Hochschule und »ihrer« Wissenschaften an der Vorbildung der Verwaltungsbeamten. Hiermit beginnt die Mission der Technischen Hochschule als Pflegestätte der Kameralwissenschaften lebendig zu werden. Daß eine solche Mission besteht, möge ein geschichtlicher Rückblick zeigen. Um die Wende des 18. Jahrhunderts war es den Staatsmännern schon einmal klar geworden, daß man zur Leitung der Staaten einer Beamtenschaft bedürfe, die für ihren Beruf besonders vorbereitet sein müsse, daß diese Vorbereitung mit einem besonderen Hochschulstudium beginnen und daß das letztere als Hauptinhalt die S t a a t s w i r t s c h a f t haben müsse. Merkwürdig — die Organisatoren dieses Hochschulunterrichts, unter denen der König Friedrich Wilhelm I. besonders genannt sein muß, hatten von vornherein betont, daß das Hochschulstudium nicht etwa das der Jurisprudenz sein solle. Nur keine Juristen — Staatswirte war das Ziel. In dem einzurichtenden



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Unterrichte mußte natürlich auch die Lehre von dem Recht aufgenommen werden; man verlangte von einem Staatsmann selbstverständlich eine klare Einsicht in die Rechtsordnungen, — aber man wollte doch die Rechtslehre nur n e b e n anderen zum Teil wichtigeren Unterweisungen. Die Juristen aber sollten ihren eigenen Weg gehen. E s genüge nicht die bloße Erkenntnis der Rechte aus den Pandekten und der Lehre von den bürgerlichen Prozessen. Der Staat habe den Zweck, das, was seiner Angehörigen zeitliches Wohl ausmache, zu verbessern und zu vervollkommnen. Wer dem Staat in ökonomischen Polizei-, Kammer- und Finanzämtern dienen wolle, müsse deshalb die Fähigkeit erlangen, jedes Handwerk, jede Fabrik, jeden Ackerbau, ja alle wirklichen Privatwirte zu regieren und zu diesem Zwecke (nach guter Vorbereitung auf den niederen Schulen) auf den hohen Schulendie „politischen" und „ökonomischen" Wissenschaften— Kameralwissenschaften — studieren. So die Ansicht im Beginne des 18. Jahrhunderts. S t i e d a hat in einer Abhandlung die „Nationalökonomie als Universitätswissenschaft" (Teubner 1906) die Anfänge dieses Berufsstudiums geschildert. Aus dieser Abhandlung wird das Bild ganz klar. Der Preußenkönig sagte zu G a s s e r , den er in die eben (1727) begründete Kameralprofessur für Halle berief, man müsse zwar Juristen haben, aber neben der rechtschaffenen und wahren Jurisprudenz auch auf „Política, oeconomica und cameralia, so man im Lande würklich gebrauchen könnte", Gewicht legen. Die jungen Beamten sollten nicht, wenn sie in ihre Stellungen eintreten, „von v o r n anfangen", sondern die Principia und Fundamenta des Cameral-Policey und Oeconomie-Wesens mitbringen ( S t i e d a S. 18). Abgesehen von den einzelnen örtlichen Verschiedenheiten erstreckte sich der neue Unterricht an den Universitäten (und besonderen später wieder eingegangenen Lehranstalten) im 18. Jahrhundert auf die Grundlagen der damaligen Staats- und Privatwirtschaften — Ackerbau und Viehzucht, Forstwirtschaft, Hütten- und Bergwesen, Manu-



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faktur- und Gewerbewesen. Dabei sind aber meist auch die historischen, philosophischen und juristischen Hilfswissenschaften und immer die Naturwissenschaften auf der Hochschule behandelt worden. So sollte nach L a m m p r e c h t (Professor in Halle, Ende des 18.Jahrhunderts) das Studium umfassen: I. S e m e s t e r : 1. Die Enzyklopädie und Methodologie der Kameralwissenschaften. 2. Logik und Metaphysik. 3. Reine Mathematik. 4. Botanik. 5. Zeichnen. II. S e m e s t e r : 1. Allgemeine Weltgeschichte. 2. Physik. 3. Chemie. 4. Mineralogie. 5. Angewandte Mathematik. III. S e m e s t e r : I. Landwirtschaft. 2. Natur- und Völkerrecht. 3. Berg- und Hüttenwesen. 4. Praktische Philosophie. 5. Europäische Staatengeschichte. IV. S e m e s t e r : 1. Technologie. 2. Der Staatslehre erster Teil und vornehmlich die Polizeiwissenschaft. 3. Deutsche Reichs- und vaterländische Geschichte. 4. Vieharzneikunde. 5. Baukunst. V. S e m e s t e r : 1. Europäische Statistik. 2. Deutsche und preußische Statistik. 3. Der Staatslehre zweiter Teil und vorzüglich Finanzwesen und auswärtige Politik. 4. Handlungswissenschaft. 5. Landwirtschaft. VI. S e m e s t e r : 1. Ökonomieund Kameralrecht. 2. Deutsches Staatsrecht. 3. Technologie. 4. Philosophische Geschichte. 5. Enzyklopädische Wiederholung der Hauptwissenschaften. Ein Entwurf für die Hohe Schule zu Bonn (1786) sieht vor: I. S e m e s t e r : I. Jus naturae. 2. Mathematik: a) Algebra, b) Geometrie, c) Trigonometrie. II. S e m e s t e r : 1. Naturgeschichte. 2. Mathematik, a) Nivellieren und die Anwendung der im Winter gegebenen Teile der Mathematik. III. S e m e s t e r : 1. Kamerai- und Finanzwissenschaft. 2. Mathematik: a) Mechanik, b) Hydraulik, c) bürgerliche Baukunst, insoweit sie nötig, ein Gebäude zu beurteilen. IV. S e m e s t e r : 1. Kamerai- und Finanzwissenschaft. 2. Mathematik: a) die Art, wie ein Anschlag, b) Baurisse und geometrische Pläne zu verfertigen. F r a n z , Der Verwaltungsingenieur.

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V. S e m e s t e r : I. Kamerai- und Finanz Wissenschaft. 2. Statistik. VI. S e m e s t e r : 1. Kamerai- und Finanzwissenschaft. 2. Mineralogie und Metallurgie. „In betreff des Planes für die Kameralwissenschaften kann z u r Zeit nicht bestimmt werden, indem zu dieser Wissenschaft noch kein Professor angestellt ist." Für die Kurfürstlich Mainzische H o h e Schule mit einer 6. Fakultät (der kameralistischen) hat der Vertreter d e r Kameralwissenschaften das Studium folgendermaßen e m p f o h l e n : Alle j u n g e n Leute, die den A n s p r u c h erheben, „Universal-Kameralisten" werden zu wollen, müßten sich z u v o r mit den historisch-philosophischen u n d m a t h e m a t i s c h e n Wissenschaften als Vorbereitungs- und Hilfswissenschaften (vertraut machen, ehe sie zu ihrer Hauptwissenschaft gelangten. Sodann sollten sie mit einer kurzen enzyklopädischen Unterweisung in allen Zweigen der Kameralwissenschaft beginnen, die sie den Uberblick über das G a n z e lehre und sie veranlasse, ihre Kräfte zu prüfen. Daran erst hätte sich das Studium der Hauptfächer in bestimmter Reihenfolge zu schließen, bei d e n e n auf Acker-, Garten-, Wein-, Wiesenbau, Viehzucht, Geographie, Chemie, Physik, Mineralogie, Forstwissenschaft und ökonomische Botanik Gewicht zu legen wäre. Würden außerdem noch Spezialkollegia über Mechanik, Hydrostatik, Hydraulik, sämtliche Zweige der Baukunst usw. gelesen, so würden dieselben, wenn nicht allen, so doch vielen j u n g e n Leuten nützlich sein. Dieser Unterricht hat bis in die Mitte des vorigen J a h r h u n d e r t s an den d e u t s c h e n und mehreren ausländischen Universitäten b e s t a n d e n ; er ist aber allmählich immer weiter z u r ü c k g e d r ä n g t worden und schließlich verkümmert; die heutige Volkswirtschaftslehre der Universitäten ist das letzte P r o d u k t der Entwicklung. Es würde zu weit führen im einzelnen nachzuweisen, wie die Verschiebung vor sich g e g a n g e n und was die treibenden Kräfte waren.



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Es zeigt sich jedenfalls bei einem Vergleich mit dem heutigen Lehrplan der Verwaltung — der in erster Linie auf privatrechtliche und strafgesetzliche Schulung gerichtet ist (weil er j a mit dem der Rechtspflege zusammenfällt) —, daß gerade diejenigen Unterrichtsfächer ausgefallen sind, die für das 18. Jahrhundert bestimmend waren. Die Kameralia sind verschwunden — u n d h a b e n an d e n T e c h nisch e n Hochschulen neue Lehrstätten und neue Pflegestätten gefunden. Es ist unverkennbar, daß die Männer des 18. Jahrhunderts als Berufsbildung der Verwaltungsbeamten das erstrebt haben, was wir heute ein rechtswissenschaftlichtechnisch - wirtschaftliches Studium nennen könnten. Und ein solches Studium ist auf der Technischen Hochschule mindestens ebensogut möglich, als auf einer Universität. Sachliche und organisatorische Schwierigkeiten sind nicht vorhanden. An einer technischen Hochschule besteht schon eine Studienrichtung, die — einem Bedürfnis der Kommunalund Industrieverwaltungen entsprechend — die Vorbildung von Verwaltungsingenieuren als Ziel hat. Die jungen Leute (ausnahmslos Maturi der drei höheren Schulen, darunter in großer Zahl Abiturienten der humanistischen Gymnasien) werden zu ¡diesem Studium nur zugelassen, wenn sie vordem ein Jahr lang in einem größeren Unternehmen der Industrie werktätig gewesen sind. Ihr Studium erstreckt sich auf mindestens acht Semester; sie müssen also fünf Jahre auf die wissenschaftliche Vorbereitung zu ihrem Beruf verwenden. Der Hochschulunterricht umfaßt in den ersten vier Semestern die mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen, die Technologie, die Mechanik und die Volkswirtschaftslehre. Dieser Teil wird mit einer ersten Prüfung abgeschlossen (Vorprüfung). Beim zweiten, gleichlangen Teil liegt das Schwergewicht auf der Schulung in der Energieumsetzung, der Kraft-Gewinnung, -Verteilung und -Verwertung auf dem umfangreichen Gebiet der Industrie. 3*



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In organischer Verbindung mit diesem Unterricht, d e r immer auf die wirtschaftlichen Ziele gerichtet bleibt, steht ein Unterricht im Staats- und Verwaltungsrecht, im bürgerlichen Recht und der Spezialgesetzgebung für Gewerbe und Handel, in den Sozialgesetzen und dem Arbeiterschutz. Die Volkswirtschaftslehre wird fortgesetzt (Wirtschaftspolitik). Die Finanzwissenschaften reihen sich an (mit Steuerpolitik). Bank-, Börsen- und Handelsgeschäfte werden seminaristisch behandelt. In weiterer Verbindung stehen hiermit Baurecht und Baukonstruktionen, die Verwaltungshygiene, Geschichts-und Sprachenunterricht. Auch dieser Teil wird durch eine Prüfung abgeschlossen (Diplomhauptprüfung).*) Man wird zugeben müssen, daß die Ansicht der preußischen Regierung, es könne für die Verwaltung „naturgemäß" nur die Universität in Frage kommen, nicht mehr zutreffend ist. Ich glaube, man würde — ganz abgesehen von der geschichtlichen Entwicklung (welche die Kameralia an die Technische Hochschule geführt hat) — zu einer anderen Beurteilung des hier betriebenen Unterrichts kommen, wenn man neben dem Namen und dem Inhalt der einzelnen Unterrichtsfächer auch den inneren Wert des ganzen Unterrichts bemessen würde — wenn man den U n t e r r i c h t s b e t r i e b berücksichtigen wollte. D e r Unterricht der Ingenieure unterscheidet sich zunächst schon äußerlich dadurch von dem der Juristen, daß d e r Student das ihm Vorgetragene, die Lehre, durch eigene ') Im Hinblick auf einen von dem verstorbenen Staatssekretär v. R i c h t h o f e n hervorgehobenen Mangel der juristischen Vorbildung muß noch erwähnt werden, daß kein Diplomingenieur dieses Studium verläßt, der nicht ausreichende Kenntnisse in der französischen oder der englischen Verkehrssprache nachweist. R i c h t h o f e n hatte gesagt, daß die Assessoren, die er für den Dienst der auswärtigen Angelegenheiten zugewiesen erhalte, weder englisch schreiben, noch französisch lesen könnten.



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Arbeit im Laboratorium und dem Konstruktionssaal, durch .graphische und rechnerische Behandlung vertieft und dabei fortschreitend sich selbst zum Mitarbeiten erzieht. E s ist nicht das W i s s e n , sondern das K ö n n e n oberstes Ziel. Die Technik führt von selbst immer auf die Anwendung des Wissens; der Student, der jahrelang sich mit den Gesetzen der Natur beschäftigt und vorwiegend an diesen seinen Geist bildet und seinen Verstand schärft, wird als Abschluß seiner Arbeit immer wieder auf die Anwendung des Wissens geführt; nicht nur Rezeption, sondern immer auch Produktion ist das Unterrichtsresultat. Und das ist zugleich auch eine E r z i e h u n g z u r I n i t i a t i v e , zur selbständigen Arbeit. Dieser Unterricht wird nun bei dem besonderen Studiengang der Verwaltungsingenieure noch mit den vorgenannten Materien verbreitert und ergänzt durch die Unterweisungen in den Rechts-, Gesellschafts-, Wirtschafts-Wissenschaften. Und in den fünf Jahren seiner wissenschaftlichen Vorbereitung, in denen Theorie und Praxis immer in Wechselwirkung stehen, sieht der Student auf zahlreichen Exkursionen immer wieder die Wirklichkeit — das Leben. „Lebensfremd" verläßt er seine Hochschule sicherlich nicht. Das Studium auf den Technischen Hochschulen wird nach der übereinstimmenden Ansicht aller Kenner als ernst bezeichnet; es herrscht unter der Studentenschaft ein reger Eifer und wirkliches Interesse an „ihrer" Wissenschaft; es wird studiert, das ist die Hauptsache. Daß die kameralistischen Fächer in dem Universitätsunterricht hinter dem privat-, straf- und prozeßrechtlichen in den Hintergrund getreten und allmählich wieder verschwunden sind, ist im wesentlichen auf zwei Ursachen zurückzuführen. Neben der alten hochangesehenen Jurisprudenz hatten die jungen Disziplinen einen schweren Stand; sie wurden um t so rascher hinausgedrängt, je mehr sich die neuen Pflegestätten entwickelten, die ihnen außerhalb der Universität bereitet wurden. Land- und Forstwirtschaft, Tech-



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nologie, Bergbau usw. ließen sich nicht gleichzeitig an zwei Unterrichtsanstalten zur Entwicklung bringen. Man konnte aber die Kandidaten der Verwaltungsämter auch nicht in den Fächern prüfen, wenn 'der entsprechende Unterricht auf der Universität nicht auf der Höhe gehalten werden konnte. Dazu scheinen die Juristen von vornherein der Einfügung der neuen Fächer unfreundlich gegenübergestanden zu haben. In einer „Systematischen Theorie der Kameralwissenschaften* (von R ü d i g e r ) muß der Verfasser die neuen Wissenschaften noch im Jahre 1777 gegen die Juristen in Schutz nehmen, welche der Ansicht sind, daß Kameralisten verdorbene Juristen seien. Die Juristen meinten auch, es bedürfe des Unterrichts nicht — gesunder Menschenverstand und einige wirtschaftliche Begriffe seien ausreichend. Mit Fachjuristen wurden ja von früh her viele Ämter [besetzt; es läßt sich daher verstehen, daß die Schwierigkeiten größer wurden, je weiter das juristische Element sich ausbreitete. Die ältere Generation einer Beamtenschaft — das läßt sich auch heute beobachten — ist stolz auf »ihre" Hochschule, auf „ihre" Wissenschaft. Die ehemaligen Juristen erkennen die Mängel ihrer Bildung nicht in den Grenzen der Jurisprudenz, sondern in der Form des Unterrichts — die Professoren taugten nichts. Und diesem Urteil kommt natürlich eine um so größere p r a k t i s c h e Bedeutung bei, als es gerade diese Akademiker wieder sind, die „in Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung gleichmäßig dominieren und das ganze Wohl und Wehe der Volksgemeinschaft in Händen haben". Man braucht deshalb jauch die innere Berechtigung des von Landtag und Regierung angenommenen Standpunktes nicht ohne weiteres anzuerkennen, daß die Universität die einzige Hochschule der Verwaltung sei; es ist dies um s a weniger am Platz, als der Widerspruch des Systems schließlich immer tiefer geht. Die Freunde des bisherigen Systems — das die erste juristische Prüfung als unerläßliche Vorbedingung hinstellt — geben zwar zu, daß das Übermaß an Jurisprudenz schädlich werden kann, daß die



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Verbindung in der Vorbildung für die beiden ganz verschiedenen Berufe in einem möglichst frühen Zeitpunkt gelöst werden müsse, daß in weitem Umfange auch technisch wirtschaftliche Intelligenz dem Beamtenkörper zugeführt werden müsse, sie wollen aber den weiteren Schritt nicht unternehmen, weil sie damit ein der juristischen Schule zugestandenes Recht verletzen würden. Die «erste Hypothek" solle bedroht sein und die müsse selbstverständlich bestehen bleiben. Soviel Respekt auch diese Meinung beanspruchen darf — ihre Vertreter glauben Treue zu halten —, so entschieden muß sie bekämpft werden. Es ist wirklich kurzsichtig und engherzig zugleich, sich auf vermeintliche Rechte zu stützen, wo das Wohl und Wehe der ganzen Volksgemeinschaft so nahe berührt wird. Eine „erste Hypothek" ist der juristischen Universitätsbildung niemals eingeräumt worden. Die Jurisprudenz hat eine Lücke ausgefüllt und hat sich hier um so mehr ausdehnen können, je länger diese unausgefüllt blieb. Daß sie zurücktreten muß, sobald der Ersatz kommt, ist selbstverständlich. Man bedenke doch auch die unheilvolle Einwirkung, die das jetzige System auf die Justiz nehmen muß. Verwaltung oder Rechtspflege, eine von beiden Institutionen muß Schaden leiden. Konservativ sein, heißt das Alte, Erprobte, rechtzeitig ändern. Erprobt ist nur der Grundsatz, daß zur Tätigkeit der Verwaltung juristische Einsicht und Gesetzeskenntnis gehört, daß der Organismus der Verwaltung von juristischer Intelligenz durchsetzt sein muß. Veraltet ist aber und schädlich für die staatliche Entwicklung, daß a l l e Verwaltungsbeamten erst Juristen werden müssen, daß die juristische Schulung auch denen aufgezwungen werden müsse, deren Anlagen durch vorwiegende Beschäftigung mit juristischen Materien nicht entwickelt werden können. Dringend ist es deshalb, die nötige Änderung j e t z t vorzunehmen. Die Möglichkeit ist vorhanden, den ganzen,



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großen Widerspruch aufzuheben unter Bewahrung des ersten Grundsatzes. Durch eine einfache Maßregel kann innerhalb eines Menschenalters der Organismus ohne Verletzung des konservativen Prinzips den Forderungen der Zeit wieder angepaßt werden. Man lasse nur die neue Hochschule, die gleichwertig und gleichberechtigt neben die alte Universität getreten ist, teilnehmen an der Vorbildung. Man öffne auch den Akademikern dieser Hochschule die Laufbahn in der Verwaltung. V e r w a l t u n g s i n g e n i e u r e neben Verwaltungsj u r i s t e n , das ist die Lösung. Wie bei der bereits erfolgten Reform der Mittelschulbildung zur Wahrung des konservativen Standpunktes das humanistische Gymnasium als die beste Vorstufe zum juristischen Studium bezeichnet wurde, so könnte auch hier das dreijährige juristische Studium als die beste Grundlage für die praktische Vorbereitung zum Berufe der Verwaltung bezeichnet werden; daneben aber müßte das langjährige Studium an einer Technischen Hochschule, das mit der Diplomprüfung für Verwaltungsingenieure abschließt, als ein gleichfalls gangbarer Weg bezeichnet werden. Auf einmal könnte der gewaltige Druck weggenommen werden, der jetzt auf dem Studium der Jurisprudenz und Uber denjenigen jungen Leuten lastet, die mehr „real als abstrakt", „mehr praktisch als theoretisch" veranlagt sind. Kein Verwaltungsbeamter mehr brauchte die Stunden als „verlorene Zeit" zu bedauern, die er in den Hörsälen zugebracht, und das Stümpertum müßte auf das unvermeidliche Maß zurückgehen. Ein großer Nachwuchs stände zur Verfügung, aus dem die besten Köpfe könnten ausgewählt werden, ein Nachwuchs, der „lebensfremde* Elemente nicht mehr enthalten kann. Kein neues Gesetzgebungswerk, keine Parlamentsdebatten sind nötig — nur eine Verordnung: „Zur praktischen Ausbildung in den Geschäften der höheren Verwaltung werden die Regierungspräsidenten



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ermächtigt, auch solche Diplomingenieure der Technischen Hochschule zuzulassen, welche neben einer technischkameralistischen Vorbildung gute Kenntnisse in den Fächern des Staats- und Verwaltungsrechts (auch des bürgerlichen Rechts) nachgewiesen haben. Diejenigen .Verwaltungsingenieure, welche sich nach mehrjähriger Vorbereitung als befähigt für den Dienst in der höheren Verwaltung erwiesen haben, können zur Laufbahn im Staatsdienste übernommen werden."

Ist die Universität die einzige Hochschule der Verwaltung? Die Anfänge des studierten Beamtentums fallen in eine Zeit, als Deutschland nur eine Hochschulform kannte — die Universität. Mit ihrer gegebenen Organisation mußte diese Pflegestätte der Wissenschaften vom Beginn des 18. Jahrhunderts an auch die Vorbildung zu dem Beruf der Verwaltung übernehmen. Der Beruf verlangt neben der Einsicht in die Rechtsordnungen in erster Linie staatswirtschaftliche Bildung. Diese wurde — nach den Bedürfnissen der einzelnen Staaten verschieden — durch einen umfassenden Unterricht ermöglicht. Mit einer großen Anpassungsfähigkeit hat die Universität bis in das vorige Jahrhundert hinein viele wissenschaftliche Grundlagen vermittelt, welche die Tätigkeit auf dem immer wachsenden Gebiete der Verwaltung erforderte. Bemerkenswert sind die Pflege der naturwissenschaftlichen Vorbildung, der Unterricht in der Anwendung der Naturerkenntnis, die Einführung in die Erschließung der Naturschätze und das Studium der Gewerbetätigkeit. Man erkennt das Bestreben, den zukünftigen Vertretern des Staates das notwendige Verständnis für Land und Leute zu vermitteln. Das geht auch aus den Bestimmungen hervor für die Prüfungen, mit denen das Berufsstudium abgeschlossen wurde. So sagt z. B. eine Verordnung vom Jahre 1829 (Sachsen-Meiningen), daß der Kandidat für den



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höheren Verwaltungsdienst eine gründliche und umfassende Kenntnis nachweisen müsse in einem der Fächer: Landwirtschaft, Mineralogie nebst Bergbau, Mathematik mit Mechanik, Baukunst, Chemie und Technologie. Die Verordnung enthält auch den Hinweis, daß der Kandidat sich statt durch griechische Sprachkenntnisse durch gründliche Kenntnis lebender Sprachen empfehlen würde. Technologie, Gewerbekunde, Land- und Forstwirtschaft sind häufig wiederkehrende Fächer in den Prüfungsordnungen der verschiedenen Staaten. Um eine möglichst weitgehende Anpassung zu erreichen, werden vereinzelt auch besondere Einrichtungen getroffen; das Anwendungsgebiet der für die Verwaltung besonders wichtigen Erkenntnis wird unter der Bezeichnung Cameralia zusammengefaßt (Schaffung besonderer Lehrstühle), den vorhandenen Fakultäten wird eine neue staatswirtschaftliche Fakultät hinzugefügt — für Regiminalisten, Kameralisten, Forst- und Bergleute. Diese Berufsbildung tritt aber im Laufe des vorigen Jahrhunderts immer mehr hinter der juristischen Bildung zurück. Und schließlich wird überall die Vorbildung der Verwaltung mit derjenigen der Rechtspflege vereinigt. Ein besonderes Hochschulstudium für die Verwaltung gibt es nicht mehr, die zukünftigen Verwaltungsbeamten müssen die Rechte studieren und die juristische Prüfung bestehen, ebenso wie die zukünftigen Richter. Für die vorstehende Frage sind die Gründe dieser auffälligen Verschiebung von besonderer Wichtigkeit. Und da ist zunächst hervorzuheben, daß diese nicht etwa in der Einsicht beruhen, die bisherige Betonung der naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Gebiete, der Kameralia und der Staatswissenschaften sei nicht mehr nötig, oder es sei eine längere und eingehende Beschäftigung mit dem Rechtsstoff erforderlich, dessen Behandlung alle anderen Unterrichtsgebiete überflüssig mache. Das war schon deshalb ausgeschlossen, weil die erstgenannten Wissenschaften in ihrer Bedeutung für das Staatsleben



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und den p r a k t i s c h e n Verwaltungsdienst weit r a s c h e r gew a c h s e n sind als die J u r i s p r u d e n z . Zu einer Vertiefung d e s juristischen Unterrichtes für V e r w a l t u n g s b e a m t e ist bis auf u n s e r e T a g e kein ernstlicher Versuch g e m a c h t w o r d e n . Nicht einmal die V e r l ä n g e r u n g der Studienzeit ist überall d u r c h g e f ü h r t . A u c h der i n n e r e Wert eines v o r w i e g e n d juristischen Unterrichtes ist hier nicht e n t s c h e i d e n d g e wesen. D a ß die B e s c h ä f t i g u n g mit juristischen Disziplinen das „logische D e n k e n " des S t u d i e r e n d e n in h e r v o r r a g e n dem M a ß e stärke, d a ß die J u r i s p r u d e n z einen b e s o n d e r e n Wert für die G e i s t e s b i l d u n g d e s Menschen besitze, ist f r ü h e r nicht b e s o n d e r s b e t o n t w o r d e n . Die Loblieder sind erst s p ä t e r g e d i c h t e t w o r d e n . Vielmehr h a b e n ä u ß e r e Ums t ä n d e V e r a n l a s s u n g g e g e b e n , auf eine b e s o n d e r e Vorbildung der V e r w a l t u n g s b e a m t e n z u verzichten u n d diese mit der V o r b i l d u n g der R e c h t s p f l e g e z u vereinigen. Da waren es die E r s p a r n i s s e d u r c h V e r e i n f a c h u n g der Unterr i c h t s e i n r i c h t u n g e n — die Justiz bildete das g r o ß e „Reservoir", d a s alle Ämter v e r s o r g e n sollte. D o r t ist deutlich d a s B e s t r e b e n b e m e r k b a r , den B e r u f s s t a n d zu h e b e n durch A n g l i e d e r u n g an die v o r n e h m e r e u n d g r ö ß e r e Justiz. A u s s c h l a g g e b e n d war a b e r überall der U m s t a n d , daß die Universität g e r a d e diejenigen W i s s e n s g e b i e t e v e r k ü m m e r n lassen m u ß t e , welche V o r a u s s e t z u n g einer eigenartigen und z e i t g e m ä ß e n B e r u f s b i l d u n g der Verwaltung sein mußten. Als der P r e u ß e n k ö n i g z u m e r s t e n Male von seinen Kammerr e f e r e n d a r i e n a k a d e m i s c h e Studien verlangte, wollte er S t a a t s w i r t e , nicht Juristen erziehen. Staatswirtschaft stand im V o r d e r g r u n d e . Die Entwicklung, w e l c h e die Vorbildung der V e r w a l t u n g s b e a m t e n in d e n v e r f l o s s e n e n zwei J a h r h u n d e r t e n g e n o m m e n hat, hat dieses Ziel v o r ü b e r g e h e n d in V e r g e s s e n h e i t g e b r a c h t . S c h o n g e w i n n t aber die Einsicht an Boden, daß d a s S t u d i u m der J u r i s p r u d e n z auf einen toten S t r a n g g e f ü h r t hat. Das Ziel m u ß von n e u e m a u f g e s t e c k t u n d h ö h e r gerichtet w e r d e n . U n d dabei m u ß die zweite H o c h s c h u l e , die e r g ä n z e n d n e b e n die erste g e t r e t e n ist, mithelfen. D e n n diese, die T e c h n i s c h e



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Hochschule, ist die vorherbestimmte Pflegestätte eines weiten Wissenschaftsgebietes, das für die moderne Staatsleitung ganz unentbehrlich geworden ist, und das auch die verloren gegangene k a m e r a l i s t i s c h e V o r b i l d u n g wieder ermöglicht. Der Unterricht an den Technischen Hochschulen schließt die Kameralia ein. Wenn auch unter anderen Bezeichnungen, so haben auch alle anderen Zweige, die ehedem zu einem vollkommenen Verwaltungsunterricht gezählt wurden, schon jetzt eine solche Ausdehnung gewonnen, daß für die größten Teile der heutigen Staatsverwaltung die Vorbildung an den Technischen Hochschulen ermöglicht ist. Interessant ist dieserhalb ein Vorschlag, der zum ersten Male die Konsequenzen aus den veränderten Verhältnissen zieht. Landgerichtsrat a. D. Dr. jur. O r t l o f f , ehemals Professor der Rechte an der Universität Jena, sagt in seinem 1903 erschienenen Buche „Das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften" (Halle, Waisenhaus): „Für die Erlernung der sog. kameralistischen Fächer dienen jetzt die in großer Anzahl vorhandenen höheren Technischen und Polytechnischen Hochschulen, die keine Berührung mit den Fakultäten der Rechts- und Staatswissenschaft der Universitäten haben. Die für die Erlangung des Dr.-Ing. erforderten Prüfungen könnten auch für die Erlangung eines in jene Gebiete fallenden Staats- oder sonst öffentlichen Amtes maßgebend werden." Und weiter (S. 3 9 ) : „Dem h ö h e r e n Studium der Staatswissenschaft sollte ein auf zwei Semester beschränktes kameralistisches Vorbereitungsstadium vorangehen, und zwar, sofern die einzelne Universität dazu weniger Gelegenheit bietet, auf einer höheren landwirtschaftlichen und technischen Lehranstalt, Berg- und F o r s t a k a d e m i e . . . " Wären diesem Autor die Einrichtungen und vor allem der ganze Unterrichtsbetrieb der Technischen Hochschule bekannt geworden, so würde er in seinem Vorschlage wohl noch weiter gegangen sein. Wie schon aus der kurzen A n f ü h r u n g zu ersehen ist, wird die Hochschule nicht voll gewertet. Das ist nicht anders zu erwarten. Es wird



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allen, die durch die juristische Schule (und die humanistische Vorschule) gegangen s i n d , schwerfallen, den inneren Wert der auf Naturerkenntnis aufgebauten technischen und wirtschaftlichen Schulung zu erkennen. Ein Irrtum, der besonders weit verbreitet ist, betrifft die staatswissenschaftliche Bildung. Die Staatswissenschaften werden für eine Domäne der Universität gehalten; nur der Universitätsstudent könne staatswissenschaftliche Bildung erwerben. Wie sind denn die Staatswissenschaften begrenzt? Kann Staatsrecht nur in einem Universitätsauditorium gelehrt werden? Sollte die Volkswirtschaft nur auf der Grundlage humanistisch-juristischer Vorbildung verständlich sein? Sind die Finanzwissenschaften nicht auch in naturwissenschaftlich - technischem Geiste zu v e r s t e h e n ? An der Charlottenburger Hochschule (ähnlich auf anderen Hochschulen) ist ein umfangreicher Unterricht auf diesen Gebieten eingerichtet. Staatsrecht liest derselbe Lehrer, der diese Disziplin an der Universität Berlin vertritt. Volkswirtschaft gehört zu den Unterrichtsgegenständen der ersten Semester; der Unterricht erstreckt sich über zwei Jahre (Volkswirtschaftspolitik —^praktische Übungen); er ist verbindlich für einen großen Teil der Studierenden, die bereits nach viersemestrigem Studium eine Prüfung in diesem Wissensgebiet ablegen müssen. Finanzwissenschaft ist Gegenstand der Hauptprüfung. Hier ist auch der Beweis erbracht, daß es möglich ist, in einem vierjährigen ernsten Studium neben den engeren technischen Disziplinen ein reiches Maß von Kenntnissen aus dem ganzen Gebiet des Rechtes zu vermitteln — jene Ubersicht über die Rechtsordnungen, wie sie für die Tätigkeit des Verwaltens erfordert wird. Eine Gruppe von Studierenden der Abt. III legt eine Hauptprüfung (zwei Jahre nach der Vorprüfung) ab, in der die Grundzüge des bürgerlichen und des öffentlichen Rechtes, große Teile der Spezialgesetzgebung (Bau-, Gewerbe-, Handelsrecht), volkswirtschaftliche und finanzwissenschaftliche Kenntnisse verlangt werden. Auch über



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ihre Kenntnisse fremder Sprachen müssen sich die Kandidaten ausweisen. Die Prüfung ist für Ingenieure bestimmt, die sich den neuzeitlichen Aufgaben der Industrieund der Gemeindeverwaltung widmen wollen ( V e r w a l t u n g s i n g e n i e u r e ) . Wer beobachtet, mit welchem tiefen Ernst die jungen Ingenieure sich diesen Gebieten zuwenden, muß jedenfalls die Überzeugung gewinnen, daß dieser Weg gangbar ist. Die Einfügung dieses staatswissenschaftlichen Unterrichtes hat keine Belastung gebracht und wird vielfach als ein erleichternder Ausgleich gegen die schwereren konstruktiven Studien empfunden. Ich glaube, daß ein solches Studium an technischen Hochschulen, das im übrigen noch viel von staatswissenschaftlichem Inhalt hat, sehr wohl geeignet wäre, dem juristischen an den Universitäten gleichgestellt zu werden. Ich gehe deshalb nur einen Schritt weiter als Ortloff, wenn ich verlange, daß ein Teil des Nachwuchses in der höheren Verwaltung den technischen Hochschulen entnommen wird. Verwaltungsingenieure neben Verwaltungsj u r i s t e n . Warum soll einem jungen Verwaltungsingenieur, der vier Jahre auf ein ernstes Studium verwendet hat, wie es vorstehend angedeutet ist, und der die Absicht kundgibt, seine Kräfte in den Dienst der höheren Verwaltung zu stellen, das verweigert werden, was einem Referendar mit dreijährigem Studium der Rechte gestattet wird? Ich weiß sehr wohl, daß die technische Hochschule ebensowenig wie die Universität eine volle Berufsbildung der höheren Verwaltung bieten kann; es ist Uberhaupt zweifelhaft, ob man bei einer Tätigkeit, die sich Uber so weite Gebiete menschlicher Erkenntnis erstrecken muß, von einer theoretisch-wissenschaftlichen Berufsbildung reden kann. Was bedeuten denn ein paar kurze Studienjahre in der intellektuellen Entwicklung des Menschen? Für die Tätigkeit des Verwaltens kommt es vielmehr auf die Erfahrung an, also auf die praktische Vorbereitung. Um so mehr scheint es mir deshalb nötig, den Ersatz



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nicht einseitig zu beschränken und damit eine Quelle z u verschließen, aus der das Staatsleben der nächsten Z u kunft noch viel zu erwarten hat. Auch darüber gebe ich mich keiner Täuschung hin, daß die Einzellandtage kein Gesetz bewilligen werden, das die technische Intelligenz der juristischen gleichstellen wird. In Preußen ist im vorigen Jahre ein Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst votiert worden, das die Zulassung zur Laufbahn an das Bestehen der juristischen Prüfung bindet. Eine Änderung dieses Gesetzes ist nicht zu erwarten. Und doch scheint es mir nötig, darauf zu dringen, daß den Ingenieuren wenigstens die M ö g l i c h k e i t geboten wird, nach ihrem Studium sich in den Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung weiter zu bilden. Denn hier beginnt der wesentliche Unterschied zwischen Ingenieur und Jurist in ihrem Werte für die Aufgaben der Verwaltung auf allen Gebieten des Reiches, der Staaten und der kommunalen Verbände. Nicht eher wird die Meinungsverschiedenheit schwinden, als bis junge Verwaltungsbeamte unter gleichen Voraussetzungen miteinander verglichen werden können. Ich glaube, daß Ingenieure, die nach ihrem Studium 2—3 Jahre bei den staatlichen Verwaltungsstellen Einsicht in den Organismus der Behörden gewonnen, Erfahrungen gesammelt und Gewandtheit im Geschäftsverkehr erlangt haben, ihren Weg zu den vielen kommunalen Verwaltungen nehmen werden, die an keine Gesetzesschranke gebunden sind. Dem Beispiel der Gemeinden wird der Staat folgen. Die technischen Hochschulen können ihre Mission nicht begrenzen mit der Erziehung guter Baumeister, Konstrukteure und Spezialisten der verschiedensten Zweige der Technik; aber auch die aus ihnen hervorgehenden Ingenieure werden sich weitere Gebiete erst erobern müssen. Für die Ausführung des Vorschlages bleibt noch ein wichtiger Schritt zu tun — eine Aufgabe der großen technischen Verbände. Dem Ingenieur wird man die staat-



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liehen Bureaus und die Stellen, an denen er sich Geschäftsgewandtheit erwerben kann, nicht öffnen; er würde vergeblich anklopfen. Es ist deshalb nötig, daß die Staatsregierung den Vorständen der Staatsämter grundsätzliche Genehmigung erteilt, nach ihrer Auswahl einzelnen Ingenieuren mit abgeschlossener Hochschulbildung den Eintritt in die staatlichen Verwaltungsstellen zum Zwecke einer längeren praktischen Vorbereitung zu ermöglichen. Diese Erlaubnis müßte von den großen Verbänden der technischen Intelligenz erwirkt werden. Die deutschen Regierungen werden die Erlaubnis nicht gerne geben, jedenfalls nicht auf Antrag eines einzelnen. Den jüngeren Kollegen muß der Weg aber erst gebahnt werden. Vorbild müßte uns das eifrige Eintreten der älteren, auf den Universitäten vorgebildeten Verwaltungsbeamten für ihre jüngeren Kollegen sein. Um den letzteren die „erste Hypothek" zu sichern, wird viel Mühe und Arbeit aufgewendet. Die Zulassung von einem Verwaltungsingenieur oder Dr.Ingenieur) bei jeder Bezirksregierung würde übrigens die Bestrebungen der staatswissenschaftlichen Fortbildung für juristisch vorgebildete Beamte fördern können und vielleicht schon aus diesem Grunde geboten sein. —

F r a n z , Der Verwaltungsingenieur.

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Die Tüchtigsten. Auf P a r t e i k o n g r e s s e n w u r d e in letzter Zeit wiederholt g e ä u ß e r t , künftig dürften in der h ö h e r e n Verwaltung nur n o c h die T ü c h t i g s t e n Platz finden, die Tüchtigsten d e r g a n z e n V o l k s g e m e i n s c h a f t natürlich — die stärksten P e r s ö n l i c h k e i t e n , die fähigsten Köpfe. B e f ä h i g u n g für die A u f g a b e n der Staatsleitung im g r o ß e n u n d im kleinen, d a s sollte erstes Ziel sein. Ob das d u r c h f ü h r b a r sein w i r d ? Der vortrefflichen A b s i c h t stehen jedenfalls sehr g r o ß e H e m m n i s s e im Wege. Ich will auf eins d e r s e l b e n a u f m e r k s a m m a c h e n . Die B e f ä h i g u n g f ü r die vielgestaltigen A u f g a b e n der V e r w a l t u n g ist a b h ä n g i g von b e s o n d e r e n A n l a g e n , die — wie in allen Berufen — so auch hier durch Schul u n g geweckt u n d g e f ö r d e r t w e r d e n k ö n n e n ; der wertvollste und wirksamste Teil der S c h u l u n g liegt in der p r a k t i s c h e n Betätigung. Ein g a n z e r Mann, ein fester C h a rakter, Taktgefühl u n d g e s u n d e r M e n s c h e n v e r s t a n d , d a s ist das Rezept. Friedrich Wilhelm I. verlangte „ m u n t e r e s W e s e n und hellen Kopf". Verwalten ist aber kein F a c h ; es gibt daher kein F a c h s t u d i u m im e n g e r e n Sinne, d a s alle wissenschaftlichen G r u n d l a g e n vermitteln k ö n n t e , wie z u m Beispiel d a s S t u d i u m der Theologie, d e r Medizin, der Architektur. Z u m Verwalten ist kein F a c h w i s s e n nötig, a b e r doch eine g r ü n d l i c h e Ü b u n g in wissenschaftlicher Arbeit. Der V e r w a l t u n g s b e a m t e muß a k a d e m i s c h gebildet



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s e i n ; er sollte sich in a k a d e m i s c h e r Art Einblick verschafft h a b e n in m e h r e r e E r k e n n t n i s g e b i e t e , die d a s Recht u n d d a s Wirtschaftsleben der Zeit b e h e r r s c h e n . D i e s e F o r d e r u n g b e s t e h t seit S c h a f f u n g d e s studierten B e a m t e n t u m s . M a n wollte v o r d e m Staatswirte h a b e n , die das W i r t s c h a f t s l e b e n in d e m R a h m e n des R e c h t s s t a a t e s leiten k o n n t e n . D u r c h m e r k w ü r d i g e U m s t ä n d e a b e r ist das H o c h s c h u l s t u d i u m d e r V e r w a l t u n g s b e a m t e n g a n z a u f g e g a n g e n in dem Fachs t u d i u m der Richter u n d Rechtsanwälte. N u n sind bald h u n d e r t Jahre v e r g a n g e n seit der T r e n n u n g von Rechtspflege u n d Verwaltung. U n d die letztere ist d o c h n o c h untrennbar verkoppelt. Wir leben in einer Zeit, die diese widersinnige Verb i n d u n g bereits als K a r i k a t u r eines B e r u f s s t u d i u m s erk e n n e n läßt. T r o t z d e m a b e r h ä n g t die öffentliche Meinung, a u c h die M e i n u n g der V o l k s v e r t r e t u n g u n d der R e g i e r u n g e n , am juristischen Studium. D a s n e u n z e h n t e J a h r h u n d e r t hat u n t e r A u s s c h a l t u n g d e s wichtigsten Zieles einer wirklichen Berufsbildung die B e g r i f f s v e r b i n d u n g z w i s c h e n der Jurisp r u d e n z u n d d e n W i s s e n s c h a f t e n der V e r w a l t u n g so g e festigt, daß sich u n s e r e Zeit von d e m P h a n t o m nicht m e h r freimachen kann. Wir s e h e n in j e d e m , der einmal bei einer juristischen Fakultät e i n g e s c h r i e b e n war, den Mann, der eo ipso für alle A u f g a b e n der h ö h e r e n Verwaltung befähigt ist. B e s o n d e r s b e z e i c h n e n d ist dabei n o c h die Ansicht, daß der Einblick in die R e c h t s o r d n u n g e n u n d die Kenntnisse auf weiteren Gebieten d e s Rechts, wie sie für j e d e Verwaltungstätigkeit erforderlich sind, nur durch das offizielle Studium an der Universität g e w o n n e n w e r d e n können. Die U n i v e r s i t ä t w u r d e n o c h vor k u r z e m in einer p r e u ß i s c h e n G e s e t z e s v o r l a g e als die e i n z i g e H o c h s c h u l e b e z e i c h n e t , die V e r w a l t u n g s b e a m t e vorbilden könne. „ N a t u r g e m ä ß " solle es sein, d a ß der g a n z e Nachwuchs auf der Universität studiere. D a ß d a s zwanzigste J a h r h u n d e r t n e b e n der Universität n o c h a n d e r e H o c h schulen hat, die in V e r s t a n d e s s c h u l u n g u n d Geistesbildung, in Unterrichtsbetrieb u n d A n p a s s u n g s f ä h i g k e i t der Uni4*



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versität gleichwertig geworden, das scheint übersehen zu sein. In mehrjährigen Verhandlungen über eine der wichtigsten Fragen der staatlichen Entwicklungen ist keine andere Ansicht laut geworden als die: Die Universität ist die einzige Hochschule der Verwaltung; sie allein kann die Männer schulen, die zu Führern der Nation berufen sind. Das Gesetz „über die Befähigung für die höhere Verwaltung", das ja auch die liberalen Parteien gutgeheißen haben, schließt alle Akademiker von der Laufbahn in der höheren Verwaltung aus, die nicht drei Jahre bei einer juristischen Fakultät eingeschrieben waren und die erste juristische Prüfung bestanden haben. Wäre es nun nicht die Aufgabe einer liberalen Partei, das Vorrecht, die „erste Hypothek", wie es bezeichnet wurde, wieder einmal auf ihren Titel zu prüfen? Man könnte doch zu der Einsicht kommen, daß das ganze System unserer B e a m t e n e r z i e h u n g n i c h t m e h r z e i t g e m ä ß , daß es vielleicht ganz verfehlt ist. Und ist es überhaupt klug gehandelt, alle jungen Leute, die „die Fähigkeit besitzen, praktisch gestaltend in die Verhältnisse des Lebens einzugreifen", und ihrer Neigung entsprechend auf einer anderen Hochschule studieren, von der Laufbahn auszuschließen — nur deshalb auszuschließen, weil sie nicht schon mit Beginn ihres Hochschulstudiums zur Zunft gegangen sind? Es gibt außer den Universitäten noch andere Hochschulen, die an Staatswissenschaft m e h r l e h r e n , als ein Student aufnehmen kann, und an diesen Hochschulen wächst eine Studentenschaft, die doch auch noch einige fähige Köpfe enthält. Weshalb will man sie nicht h a b e n ? Weshalb sucht man die „Tüchtigsten" nur unter den Studierenden der Rechtswissenschaft? Oder glaubt man etwa wirklich noch, daß einzig und allein die juristische Schule — in drei Jahren — Talente für die Staatsleitung zur Entfaltung bringt ? Wenn es wirklich wahr wäre, daß bei keinem Studium so viel gebummelt wird, bei keinem das Einpaukertum so herrscht



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wie bei dem juristischen (dem Studium der höheren Verwaltung), daß nirgends die wissenschaftliche Schulung so weit außerhalb der Hochschule liegt, so müßte es doch ganz unverständlich bleiben, weshalb allein der Referendar fähig sein sollte, sich in der Schule der Praxis weiter zu bilden. Man hat doch längst eingesehen, daß es nicht der kurze Aufenthalt an der Universität ist, der den Referendar zum Verwaltungsbeamten macht. Die aus der juristischen Schule hervorgehenden Akademiker werden gute Verwaltungsbeamte, — nicht weil sie die Rechte „studiert" haben, sondern weil nur ihnen bei den Bezirksregierungen, den Landratsämtern, den Magistraten und vielen anderen Stellen die Schule der Praxis geöffnet wird; eine vorzügliche Schule, d i e a l l e n a n d e r e n A k a d e m i k e r n v e r s c h l o s s e n bleibt. Der Berufsstand, der „praktisch das Wohl und Wehe der ganzen Volksgemeinschaft in der Hand hat", hat dieses Recht nicht etwa deshalb, weil die für die höhere Verwaltung Fähigsten sich nur in der juristischen Fakultät einschreiben lassen, sondern weil Volksvertretung und Regierung (die vorwiegend aus Akademikern gleicher Schule zusammengesetzt sind) mit Unrecht die juristische Schule als die einzige vorhandene Grundlage betrachten Ich brauchte nur einige Beispiele aus jüngster Zeit anzuführen, um daran zu erinnern, daß Verständnis fUr die Aufgaben der Staaten, für Ziele des Reiches, daß Arbeitslust und Vaterlandsliebe auch bei Persönlichkeiten hoch entwickelt werden können, die nicht bei einer juristischen Fakultät eingeschrieben waren. An die Spitze der Verwaltungen im Reiche und in den einzelnen Staaten, in den Städten und vielen anderen Verbänden werden Männer berufen, die die erste juristische Prüfung nicht bestanden — die sie nicht einmal versucht haben! Und da will man behaupten, man könne am Beginn der Laufbahn nur solche Kandidaten brauchen, welche als Befähigungsnachweis weiter nichts mitbringen als das Zeugnis über eine juristische Prüfung.



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Sollte es denn wirklich unmöglich sein, auch u n t e r a n d e r e n A k a d e m i k e r n Persönlichkeiten zu finden, die die Hochschule verlassen mit dem Wunsch, der höheren Verwaltung ihre Kräfte zu widmen ? Natürlich nur solche, die in ernster wissenschaftlicher Arbeit auch Zeit auf die Staatswissenschaft verwendet haben — die sich den nötigen Einblick verschafft haben in die Rechtsgebiete, die Volkswirtschaftslehre und andere wirtschaftliche Disziplinen. Und solche Akademiker gibt es in großer Zahl. Was vergeblich erstrebt worden ist, was durch die bisher immer wieder gescheiterte Reform des juristischen Studiums erreicht werden sollte, kann auf diesem Wege erreicht werden — der außerdem den Vorteil bietet, daß für das Studium der Jurisprudenz in erster Linie die höheren Ziele der Rechtspflege erhalten bleiben. Nicht der G e i s t d e s R e c h t e s soll hiermit verscheucht werden, nicht der Wert der wirklich juristischen Schulung gemindert werden. Im Gegenteil, es soll der Ernst der juristischen Arbeit, die Wertschätzung der wirklich juristisch Gebildeten für die Verwaltung gestärkt werden. O h n e s t a r k e j u r i s t i s c h e Intelligenz k e i n e V e r w a l t u n g . Aber das jetzige System untergräbt selbst die Achtung vor der juristischen Wissenschaft in der Verwaltung. Mit beißendem Spott bedauern Verwaltungsbeamte „jede in den Hörsälen verbrachte Stunde als verlorene Zeit". Mit bitterem Ernst weisen sie darauf hin, daß der Unterricht in der juristischen Fakultät demjenigen zukünftigen Verwaltungsbeamten, „der mehr real als abstrakt" veranlagt ist, „so gut wie nichts" biete. Natürlich; die Rechtswissenschaft als Inhalt eines Hochschulstudiums ist keine Kost für alle. Das ist ja die tiefere Ursache, die das Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten v e r f l a c h e n läßt. Dem offiziellen Studium strömen Fähige und Unfähige zu und sehr viele, die für diese Wissenschaft keine Spur von Interesse mitbringen. Sie studieren Rechtswissenschaften, nicht um wissenschaftlich arbeiten zu lernen,



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sondern um d a s Vorrecht zu erlangen, das D e u t s c h l a n d allen d e n e n einräumt, die die juristische P r ü f u n g b e s t e h e n . D a s S t u d i u m der J u r i s p r u d e n z k a n n n u r d a d u r c h wieder g e h o b e n w e r d e n , daß a u c h d e n A k a d e m i k e r n anderer H o c h s c h u l e n d e r Zutritt z u r L a u f b a h n der h ö h e r e n Verwaltung geöffnet wird. Damit w ü r d e der J u r i s p r u d e n z diejenige S t u d e n t e n s c h a f t erhalten bleiben, die als wirkliche J ü n g e r z u r W i s s e n s c h a f t kommt. Wer mit der Absicht, einmal auf den vielgestaltigen G e b i e t e n der Verwaltung tätig zu s e i n , eine H o c h s c h u l e b e z i e h e n will, könnte n a c h seiner N e i g u n g u n d B e g a b u n g wählen. Die wissenschaftliche Arbeit lernt er auf j e d e r H o c h s c h u l e , und auf j e d e r H o c h s c h u l e ist h e u t e der W e g gewiesen zu juristischer u n d wirtschaftlicher Bildung. Freilich im L a n d e der Juristen ist bisher j e d e r Appell eines A n d e r s g l ä u b i g e n verhallt; er m u ß verhallen, d e n n d a s Wohl und W e h e der ganzen V o l k s g e m e i n s c h a f t liegt in ihrer H a n d . Es wird kein Volksvertreter, kein S t a a t s m a n n an dem G r u n d s a t z r ü t t e l n : Die H o c h s c h u l e d e r Verwaltung ist die Universität.

Der Kaufmann und die Kolonialverwaltung. An die Spitze der Kolonialverwaltung war ein Mann gestellt worden, der — ausnahmsweise nicht durch die Schule der Jurisprudenz gegangen — seine Geistesbildung, seine Kenntnisse und Fähigkeiten im Wirtschaftsleben gewonnen hatte. Gleich hieß es, nun müßten auch Kaufleute zu den übrigen Ämtern der Kolonialverwaltung berufen werden. Die Hoffnung war natürlich ganz unberechtigt — die Enttäuschung naheliegend. Was sollte der Kaufmann in einer Berufstätigkeit, die von der seinigen so ganz verschieden ist? Was irgendein anderer Stand oder Beruf? Verwalten ist doch auch ein Beruf — und der verlangt, wie jeder moderne Beruf, eine besondere Vorbereitung, Übung und Erfahrung. Das scheint übersehen zu sein. Es liegt hier weder eine Standes- noch eine Berufsfrage vor — wohl aber eine Frage der Vorbildung. Und da glaube ich doch, daß die laut gewordenen Forderungen einer ernsten Beachtung wert sind. Wenn der ganze Nachwuchs der höheren Beamten ausschließlich der Schule der Jurisprudenz entnommen wird, so kann die Einseitigkeit in der Verwaltung der Kolonien nicht behoben werden. Wenn es feststeht, daß nur die Universität den wissenschaftlichen Teil der Vorbildung übernehmen kann, wenn alle zukünftigen Verwaltungsbeamten gezwungen werden, ihre Studienzeit ganz oder



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vorwiegend der Rechtswissenschaft zu widmen, so wird der Staatssekretär niemals über alle Kräfte verfügen, die auf Neuland nötig s i n d ; jedenfalls wird er in der vordersten Linie immer Lücken haben. D e r Mangel ist schon daheim in dem festen Verbände der Staatsverwaltungen fühlbar — draußen, über S e e , in der Berührung mit anderen Nationen fällt er besonders auf. E s müßte aber auch ganz unverständlich b l e i b e n , daß wir unseren Kolonialbesitz nur mit solchen Männern verwalten können, welche die juristische Prüfung bestanden haben. Das wäre um so unverständlicher, als an der Spitze derselben Verwaltung ein Mann steht, der einen anderen Weg gegangen ist. Sollte es denn wirklich nur eine Möglichkeit g e b e n , den Beamtenersatz zu sichern, nur einen Weg, auf dem wir zu brauchbaren Verwaltungsbeamten k o m m e n ? Man bedenke doch, daß es bei der Eigenart der Verwaltungstätigkeit gar nicht so sehr darauf ankommt, ob der B e amte dies oder j e n e s studiert hat, sondern darauf, wie er studiert hat und wie dann seine Fähigkeiten zur Entwicklung gebracht worden sind. Verwalten ist eine Tätigkeit, die auf der Grundlage des Rechts und demgemäß mit Kenntnis und Verständnis der Rechtsordnungen ausgeübt werden muß — die aber, weit über dieses verhältnismäßig enge Gebiet hinausgehend, eine vielseitige Bildung v o r a u s s e t z t ; eine Bildung, welche keine Hochschule vollständig vermitteln kann. Der Beruf der Verwaltung ist auch — wie kein anderer — auf Selbststudium a n g e w i e s e n ; und das erfordert b e s o n dere Fähigkeiten. W e n n e i n e Hochschule diese zu w e c k e n u n d zu f ö r d e r n v e r m a g , s o i s t s i e eine Hochschule der Verwaltung. Die Verwaltung braucht auch b e s o n d e r e Charaktere, Männer b e s o n d e r e r Eigenschaften, welch letztere von dem offiziellen Studium nur wenig beeinflußt werden und von der juristischen Prüfung unabhängig sind. Ich halte unser j e t z i g e s S y s t e m der Erziehung von Verwaltungsbeamten für verfehlt. Jedenfalls ist es nicht



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mehr zeitgemäß, wenn für eine so umfassende Tätigkeit, wie sie auf dem Gebiete der höheren Verwaltung ausgeübt wird, nur dem Universitätsstudenten der Weg geöffnet wird und nur dann, wenn er die erste juristische Prüfung bestanden hat. Durch die Beschränkung auf die Universität gehen der Verwaltung dauernd die Talente verloren^ die durch das Studium der Jurisprudenz allein nicht geweckt werden können. »Der Beruf der Verwaltungsbeamten ist ein eminent praktischer, auf konkrete Lebensverhältnisse angewandter, und man darf wohl vermuten, daß die jungen Leute, die ihn aus Neigung zu seiner besonderen Art ergreifen und nicht aus anderen Gründen^ dies tun, weil sie, bewußt oder unbewußt, die Fähigkeit besitzen, praktisch gestaltend in die Verhältnisse des Lebens einzugreifen, weil sie mehr praktisch als theoretisch, mehr real als abstrakt veranlagt sind. Und gerade dieser Veranlagung der künftigen Verwaltungsbeamten bietet die juristische Fakultät so gut wie gar nichts". So schrieb sehr treffend Geheimer Regierungsrat Dr. F l ü g g e , „Tag", 17. März 1906. Trotzdem kann kein Akademiker einer anderen Hochschule, der die Fähigkeit besitzt, praktisch gestaltend in die Verhältnisse des Lebens einzugreifen, die Laufbahn der höheren Verwaltung einschlagen — er ist auch von der Kolonialverwaltung ausgeschlossen. Ich habe die Kurzsichtigkeit oft bedauert, mit der talentvolle junge Ingenieure mit großen Fähigkeiten für die Verwaltung dem Beamtenkörper der allgemeinen Staatsverwaltung verloren gegangen sind. Tüchtige Köpfe, die ihre langen Studienjahre richtig benutzt hatten und im Rechts- und Wirtschaftsleben den richtigen Weg gefunden hätten. Sie durften von den staatlichen Einrichtungen zur praktischen Übung in den Geschäften der Verwaltung keinen Gebrauch machen. Die Amtsstuben der Regierung und die Stellen, an denen der Einblick in das Getriebe der Staatsverwaltung ermöglicht wird, blieben ihnen verschlossen. Dem Referendar aber, der viel kürzere Zeit auf seiner Hochschule verweilt, mit



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Staatswissenschaften und dem praktischen Leben sich weniger beschäftigt, dem allein werden alle Türen geöffnet. Man soll sich doch darüber nicht täuschen, daß die Brauchbarkeit der aus der juristischen Schule Hervorgegangenen nur in einem Vorrecht begründet ist. Weil dem Juristen die gute Schule der Praxis geboten wird, weil allein er sich jahrelang üben kann in der Verwaltung — weil nur ihm eine Laufbahn in diesem Berufe gegeben ist — n u r d e s h a l b ist er o d e r w i r d er d e r b e s t e V e r w a l t u n g s b e a m t e . Früher sollte die siebenjährige Beschäftigung mit der griechischen Grammatik das Wunder der echten Bildung bewirken; heute behauptet man, nur ein dreijähriges Studium der Rechte vermöge den Verwaltungsbeamten zu schulen. — Wie die Grammatik an Beweiskraft verloren hat, nachdem die Monopolstellung des humanistischen Gymnasiums aufgehoben war, so würden auch die Loblieder auf die „formale" Schulung verstummen, wenn die Akademiker anderer Hochschulen mit dem Juristen sich überhaupt messen könnten. V o r r e c h t e s i n d keine Beweise, und vorläufig kann nur von e r s t e r e n die Rede sein. Kaufleute als solche kommen nicht in Betracht; warum aber sollten die Handelshochschulen nicht Kräfte heranbilden können für die Verwaltung der Kolonien — Verwaltungsbeamte auf der Grundlage eines Studiums der Wirtschaftswissenschaften? Das Maß an Rechtskenntnissen, das hier erforderlich ist, vermag diese Hochschule, wie alle anderen Hochschulen, zu sichern. Warum den jungen Leuten, die mit abgeschlossener Mittelschulbildung und mit Neigung und Fähigkeit zu dem eigenartigen Berufe der Verwaltung eine ihren Anlagen entsprechende Hochschule wählen, den Weg versperren? Ist es nicht eine Zeitverschwendung und eine Vergeudung geistiger Machtmittel, wenn alle durch die enge Pforte der juristischen Prüfung gedrängt werden? Die juristischen Fakultäten klagen über den fehlenden Eifer der Studierenden, über Bummeln und Einpauken. Das ist eine Begleiterscheinung

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des Vorrechts. An anderen Hochschulen ist diese Klage unbekannt. Wenn die akademische Form der Berufsbildung für die Verwaltung ihren Wert behalten soll, so muß auch hier die Monopolstellung aufgegeben werden. Den gesteigerten Ansprüchen an die wissenschaftliche Vorbildung des Beamtenkörpers ist das System nicht mehr gewachsen und deshalb nicht mehr zeitgemäß. Weniges nur würde aber genügen, um seine Leistungsfähigkeit wieder zu erhöhen. Man beachte n u r : es kann sich nicht darum handeln, den Nachwuchs der Verwaltung aus dem praktischen Leben zu entnehmen oder aus anderen Berufen oder neben der Justiz andere »Reservoire« aufzustellen. Was könnte der Verwaltungstätigkeit die Erfahrung auf anderen Gebieten nutzen, die Erfahrung z. B. im Umschlag und in der Produktion von Gütern? Daß ein Kaufmann, der in seinem Berufe sich bewährt, der Erfolge aufzuweisen hat und sich eine Position e r r u n g e n , diese aufgibt, um sich in der Verwaltung zu versuchen — das kann doch nur ausnahmsweise ein Gewinn für seine Mitmenschen sein. Ich meine, die für das Kolonialamt vollzogenen Ernennungen sind ganz verständlich; sie sind sogar selbstverständlich, und deshalb ist darüber kein Wort zu verlieren. Ich möchte aber empfehlen, die Aufmerksamkeit mehr nach unten zu richten und zu fragen: Wie sollen die jungen Beamten herangezogen werden und woher sollen sie kommen ? Vor allem muß der Einstieg richtig gewählt werden, wenn der Gipfel bezwungen werden soll.

Ausnahmen. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, so wäre das Amt eines stellvertretenden Kolonialdirektors mit einem Rechtskundigen besetzt worden — es gehört zu der höchsten oder doch wenigstens zu der »höheren" Verwaltung. Und nach einem seit 100 Jahren feststehenden Grundsatze, der im neuen Jahrhundert bereits wieder durch ein Landesgesetz gesichert ist, ist der Nachweis der Befähigung für diese Gebiete menschlicher Tätigkeit in Deutschland untrennbar von der juristischen Prüfung. Die erste juristische Prüfung bestehen aber nur solche Kandidaten, welche die Rechte gründlich studiert haben und deshalb rechtskundig sind. Ein Mann, der die erste juristische Prüfung nicht bestanden — ja nicht einmal versucht hat — und doch für die Verwaltung befähigt erscheint, ist daher nur eine Ausnahme. Ausnahmen müssen aber gemacht w e r d e n ; sie bestätigen die Regel. Wenn der Reichskanzler besser gesucht hätte, so würde er in den Reihen der für die höhere Verwaltung Befähigten wohl auch einen anderen gefunden haben. Damit ist alles wieder in Ordnung. Nur eins ist überraschend: daß der „Amerikanismus" mit so viel Initiative daherkommt, mit Mut zur Tat und Lust an der Arbeit. Und gar verwunderlich ist es, daß ein Mann ohne den „eigens gearteten Ausbildungsgang" der höheren Verwaltung so viel Verständnis für die Interessen des



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Reichs und zudem noch ein Herz für sein Vaterland mitbringt. Wäre es denkbar, daß unter den nicht juristisch Gebildeten noch einige Männer vom Schlage Dernburgs vorhanden sind oder heranwachsen, so scheint es mir ein Gebot der Klugheit zu sein, diese für die höhere Verwaltung zu sichern. Man wird sie brauchen können. Der Reichskanzler hat wieder eine Ausnahme bei einer hohen Stelle zugelassen; könnten nicht auch schon unten an der Pforte zur höheren Verwaltung einige Ausnahmen gemacht werden? Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

Verwaltungsakademien. Wieder eine neue Hochschulform soll ins Leben gerufen werden — eine preußische Verwaltungsakademie. Zum Unterschied von den bestehenden Hochschulen soll sie bestimmt sein für solche Akademiker, die schon einmal studiert haben, die „ihre" Hochschule und ihre praktische Ausbildung schon hinter sich haben. Die Idee zu dieser Gründung ist aus einem praktischen Bedürfnis gewachsen. Man hat eingesehen, daß das bisherige Hochschulstudium der Verwaltungsbeamten (für die letzteren ist die neue Akademie in erster Linie bestimmt) nicht ausreichend ist. Um die immer fühlbarer gewordenen Mängel wenigstens bei einem Teil der Beamten abzustellen, sind aus privater Initiative „Kurse für staatswissenschaftliche Fortbildung" eingerichtet worden. Nach dem Besuch des Unterrichts, seiner Organisation und dem gebotenen Lehrstoff ist die Unternehmung erfolgreich. (Über den Lehrerfolg werden die Meinungen freilich noch weit auseinandergehen.) Weil diese Institution sich als lebensfähig erwiesen hat — so behauptet man nun — müsse sie zu einer dauernden gemacht werden, und das müsse durch die Gründung einer Staatsanstalt geschehen. Die Gründe, die im einzelnen für die Fortsetzung des in hohem Grade nützlichen Fortbildungsunterrichts angeführt werden, sind so treffend, daß alle Bedenken, die gegen eine Verwaltungsakademie geltend gemacht werden k ö n n t e n , ver-



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stummen werden. Wo es gilt, die Berufsbildung einer für unsere nationale Zukunft so wichtigen Beamtengruppe zu verbessern, da werden auch alle Schwierigkeiten überwunden werden. Der Landtag wird die Mittel bewilligen, und damit ist die neue Hochschule gesichert. Es wird aber doch gut sein, bei dieser Gründung dessen bewußt zu bleiben, daß diese Uberhochschule überflüssig sein müßte, wenn das Studium auf der Universität das leistete, was man von jedem Hochschulstudium verlangen kann. Es ist wiederholt — auch an dieser Stelle — darauf hingewiesen worden, daß in dem System der Beamtenerziehung für die höhere Verwaltung ein Fehler liegt. Die gegenwärtige starre Verbindung des Studiums für zwei ganz verschiedene Berufe, Rechtspflege und Verwaltung, ist ein Widerspruch in sich. Hätten wir diese widersinnige Verbindung nicht, brauchten wir keine Verwaltungsakademie. Man wird sich auch darüber klar werden müssen, daß das Prinzip der Hochschulbildung durch die Neugründung einen schweren Stoß erhält. Erst weisen wir die jungen Leute auf die Universität; das sei ihre Hochschule. Hier sollten sie sich die Grundlagen für die spätere praktische Betätigung in den Aufgaben der höheren Verwaltung erwerben. Eine andere Hochschule komme für zukünftige Verwaltungsbeamte nicht in Frage. Und wenn sie fertig sind mit ihrem Studium, dann seien sie „lebensfremd" geworden; die fast ausschließliche Beschäftigung in der Jurisprudenz sei für einen Verwaltungsbeamten doch wohl nicht das richtige; frühzeitige Trennung von den Juristen sei geboten. Der Jurist müsse möglichst bald „übertreten" zur Verwaltung, um durch eine lange praktische Übung das wieder einzuholen, was durch allzulange theoretisch wissenschaftliche Beschäftigung versäumt sei. Wenn dieser „Übertritt" erfolgt ist — so wird man nun weiter sagen —, sei es zweckmäßig, daß der Verwaltungsbeamte auch noch die Verwaltungs-



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akademie besuche, um sich „fortzubilden". Das alles wird den jetzigen Tiefstand des juristischen Studiums nicht heben. Die Existenz einer Verwaltungsakademie wird schließlich auch eine schädliche Rückwirkung auf die Vorbildung der Richter ausüben. Denn die Aussicht auf die Überhochschule wird die Zahl derjenigen Juristen vermehren, die „jede in den Hörsälen verbrachte Stunde als verlorene Zeit bedauern". Solange die beiden Berufe eng verbunden bleiben, wird mit dem zukünftigen Verwaltungsbeamten auch der zukünftige Richter nur allzuoft über die Notwendigkeit ernster juristischer Studien sich hinwegsetzen. Deshalb sollte man zugleich mit der beabsichtigten Gründung auch endlich einmal erwägen, wie die unhaltbar gewordene Verbindung im Studium der grundverschiedenen Berufe gelöst werden könnte. Daß sie gelöst werden muß — dafür wird die Gründung der Verwaltungsakademie einen neuen Beweis liefern.

F r a n z , Der Verwaltungsingenieur.

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Verwaltungsingenieure im Eisenbahndienst. Ein Erlaß des preußischen Eisenbahnministers hat wieder einmal die Gegensätze in dem großen Beamtenkörper der Staatseisenbahnverwaltung aufgedeckt. „Techniker und Juristen" — was hat uns diese Unstimmigkeit in den letzten Jahrzehnten schon an Reibungsverlusten gekostet — und wie leicht wären sie zu vermeiden. „Techniker" und „Juristen" — zwei Worte nur, Mißverständnisse aber auf zwei Seiten. In der Eisenbahnverwaltung gibt es gar nicht viele Juristen; was die Techniker ihre Gegner nennen, sind Männer, die mit guter Allgemeinbildung, durch Selbststudium und jahrelange Übung sich zum Verwaltungsbeamten ausgebildet haben. Verwaltungsbeamter und Jurist sollte man nicht verwechseln. Die paar Justitiare und einige Juristen in anderen Stellen der Eisenbahnverwaltung können den Technikern nicht hinderlich sein. Man müßte mindestens von ehemaligen Juristen reden. Aber auch dies wäre irreführend. Es gibt viele Assessoren, die niemals Juristen waren. Die drei kurzen Jahre auf der Universität sind doch nicht ausschlaggebend. Das vergessen die Techniker. Für die Bewertung der Fähigkeiten, der Kenntnisse und der Gesamtbildung des „Juristen" ist die Zeit nach dem Studium oft viel wichtiger als die Studienzeit selbst. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied



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zwischen der Vorbildung des „Juristen" und derjenigen d e s Technikers. Der Jurist studiert juristische W i s s e n schaften und lernt dann verwalten; der Techniker studiert die technischen Wissenschaften, um ein t e c h n i s c h e s S o n d e r fach zu lernen und ganz für dieses zu leben. Sein Studium ist zweifellos gleichwertig mit dem des J u r i s t e n ; es ist vielleicht b e s s e r . Aber was nach dem Studium kommt, kann mit der Tätigkeit des „Juristen" nicht verglichen werden. Während der T e c h n i k e r baut, zeichnet und konstruiert, während er draußen auf der S t r e c k e oder in d e r Werkstätte sich betätigt — während dieser langen J a h r e lernt der „Jurist" verwalten; er übt sich jedenfalls in einem Berufe, der von demjenigen eines Baumeisters oder e i n e s Maschinenkonstrukteurs sehr verschieden ist. Den Vorsprung, den der Jurist in diesem Berufe — dem B e rufe der Verwaltung — erlangt hat, kann d e r Techniker nicht mehr einholen. Die Staatsleitung wird für die G e schäfte der Verwaltung aber immer diejenigen bevorzugen, die das Verwalten — nicht das Bauen — am besten g e lernt haben. Das ist g a n z selbstverständlich; an diesem Grundsatz wird auch keine Statistik, keine Petition und kein Verband etwas ändern. Ein zweiter sehr g r o ß e r Irrtum, vielleicht auch ein Mißverständnis, liegt auf anderer Seite. Man hat viel zu lange schon die Technischen Hochschulen als Staatsanstalten betrachtet, die bestimmt seien und ihre vornehmste Aufgabe darin sehen sollten, Techniker vorzubilden — eben die „ T e c h n i k e r " , die dem Staate gute Eisenbahntrassen zu entwerfen, Bahnhöfe zu bauen und Lokomotiven zu konstruieren bestimmt seien. In ihren wesentlichen Teilen sind diese Hochschulen ein halbes Jahrhundert lang immer wieder dem Bedürfnisse einzelner Staatsverwaltungszweige angepaßt worden. Im Unterrichtsbetriebe, im Lehrprogramm, in den Prüfungsbestimmungen g e n a u das, was diese Stellen für nötig oder nützlich hielten. Diejenigen Abteilungen der Hochschule, aus denen die Eisenbahntechniker hervorgingen, wurden deshalb immer 5*



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mehr und mehr aui das eine Ziel hingelenkt — eingeengt. Du wolltest Techniker werden, und du mußt jetzt streben,, ein möglichst vollkommener Fachmann zu werden — im Bahnbau, in der Konstruktion von Zugmaschinen, in d e r Unterhaltung der Fahrzeuge u. a. — das war das Geleitwort der Hochschule an den scheidenden Ingenieur. Man konnte sich schließlich den Techniker nicht anders m e h r vorstellen als in dieser Tätigkeit. Was hierfür nicht dringend nötig war, fand keinen Platz im Unterricht — und die im Unterricht gegebenen Richtungslinien blieben über die: Hochschule hinaus bestimmend. Das Studium der Jurisprudenz ist dagegen niemals das Berufsstudium der V e r waltung, am wenigsten das der Eisenbahnverwaltung, g e wesen ; es ist seit vielen Jahrzehnten ohne jede Anpassung an die eigenartigen Forderungen dieses Berufes geblieben. Den Studierenden aber, die sich ihm gewidmet — das sind die „Juristen" — hat man alle Mittel an die Hand gegeben, abschwenkend von dem zuerst eingeschlagenen Wege sich für den neuen, immer größer werdenden Beruf vorzubereiten. Und man hat schließlich sich die Meinung gebildet, nur bei den „Juristen" lohne eine solche E r ziehung. Die Techniker aber — müßten Techniker bleiben. Man hat ihnen den Weg verschlossen durch Gesetz und durch Tradition. Das ist ein Zustand, den die Techniker als ein schweres Unrecht empfinden — der aber auch für unsere ganze Volksgemeinschaft eine empfindliche Schädigung bedeutet. Die Fähigkeiten zum Verwalten und die tüchtigsten Menschen finden sich nicht ausschließlich unter denjenigen Studierenden, welche so klug waren, sich bei einer juristischen Fakultät einschreiben zu lassen. Das vergessen die „Juristen". Für die Technischen Hochschulen hat eine neue E n t wicklung begonnen; sie haben sich freigemacht von einengenden Formen. Die Ingenieure, die aus ihnen hervorgehen, fangen an, einzusehen, daß es nicht ihr Studium ist, das sie ausschließt von dem anderen Beruf. Sie wollen auch die Möglichkeit, sich fortbilden zu können — nicht

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im Bauen, sondern im Verwalten. Ihr Studium und ihre Kenntnisse berechtigen sie zu dieser Forderung. Es würde nicht allein ungerecht sondern auch kurzsichtig sein, diese zurückzuweisen. Man soll einen aussichtslosen Kampf unterdrücken, gleichzeitig aber auch das Recht des Ingenieurs auf Berufsbildung anerkennen. Man gebe doch einer größeren Zahl von Ingenieuren (die nach ihrer Persönlichkeit sorgfältig auszuwählen wären) Gelegenheit, sich in den Verwaltungsdezernaten der Eisenbahndirektionen praktisch auszubilden; man lasse sie nach drei oder vier Jahren eine Verwaltungsprüfung machen und nehme sie danach mit gleichen Rechten in den Dienst wie die Assessoren. Verwaltungsingenieure neben Verwaltungsjuristen 1 Aus den Beamten verschiedener Herkunft erwächst mit der Zeit eine Einheit.

Der Ingenieur und die Verwaltungswissenschaften. Die kulturelle Entwicklung eines Staates ist in hohem Maße abhängig von den intellektuellen Fähigkeiten seiner Beamtenschaft, insbesondere von denjenigen der höheren Verwaltungsbeamten, die im modernen Staate als die wichtigsten Beamten zu gelten haben. Die Schichtung, a u s der die letzteren entnommen werden, die Umgebung, in der sie aufwachsen, die Wissenschaften, in denen sie u n t e r richtet werden, sind von so starkem Einfluß auf alle Institutionen, die unter ihrer Hand entstehen, daß für die innere Staatsleitung kaum eine andere Maßregel weitschauender Politik so wichtig ist, als eine gute Vorbildung des Nachwuchses der höheren Verwaltungsbeamten. Mit Besorgnis stehen wir vor der Tatsache, daß diese Vorbildung in vielen Staaten unseres Vaterlandes in den letzten Jahrzehnten mangelhaft geworden ist. Die Landtagsverhandlungen im größten Bundesstaat haben v o r wenigen Jahren nur allzu deutlich die bedenklichen Schäden gezeigt, die hier vorhanden sind. Unbestritten ist seitdem die von allen Seiten aufgestellte Behauptung, daß die wissenschaftliche Vorbildung (insbesondere das Hochschulstudium) der Verwaltungsbeamten nicht mehr zeitgemäß ist. Nicht mehr zeitgemäß, — das ist gewiß Grund genug z u ernster Überlegung.



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In dem System unserer Beamtenerziehung liegt ein schwerer Fehler; er hat den gegenwärtigen äußerst bedenklichen Zustand verschuldet. Der Fehler besteht in der Verbindung der wissenschaftlichen Vorbereitung von zwei wesentlich verschiedenen Berufen, dem Beruf der Verwaltung einerseits mit dem der Rechtspflege anderseits. Es ist und wird immer unmöglich bleiben, einen ganzen Berufsstand mit einem anderen, der ganz andere Ziele und Aufgaben hat, in seiner wissenschaftlichen Vorbereitung so starr zu verbinden, wie dies hier geschieht. Es ist widersinnig zu verlangen, daß jeder zukünftige Verwaltungsbeamte — gleichgültig, mit welchen geistigen Anlagen und mit welchen Idealen er sein Studium beginnt —, erst Jurist werden müsse (und ein ganzes Studium auf die Jurisprudenz verwenden müsse), um dann n a c h der Studienzeit anzufangen, ein Verwaltungsbeamter zu werdenDaß jeder — ohne Ausnahme — diesen Weg gehen muß, das ist der Fehler. Das Juristenmonopol hat die akademische Bildung der Verwaltungsbeamten auf ein totes Gleis gefahren. V e r f a h r e n i s t s i e . So muß man heute das akademische Studium der Verwaltung kennzeichnen. Wie das gekommen ist? Ein besonderes Hochschulstudium, ein Berufsstudium für Verwaltungsbeamte, gibt es in Deutschland seit etwa zweihundert Jahren. Die Anfänge fallen zeitlich zusammen mit der Erkenntnis von der Notwendigkeit wirtschaftlicher Schulung; mit einem eigenartigen Unterricht wollte man ökonomische, staatswissenschaftliche, kameralistische Kenntnisse verbreiten. Die G r ü n d u n g von neuen Lehranstalten 1 ) und die Einrichtung von neuen Lehrkanzeln an den vorhandenen Universitäten (auch von neuen Fakultäten und Instituten) ist bezeichnend für die Bewegung. Und deutlicher noch läßt ') Collegium illustre in Tübingen, Collegium Carolinum in Braunschweig, Moser's Akademie in Hanau, Büsch's Akademie in Hamburg, die Kamerai Hohe Schule in Kaiserslautern, das Kameralinstitut in Ingolstadt und Landshut.



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sich an den Lehrprogrammen und den Prüfungsbestimmungen verfolgen, wie die neue Berufsbildung gedacht war. 1 ) Bis Uber die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus waren hiernach die meisten Staaten bedacht, den Nachwuchs der höheren Verwaltung so auszubilden, daß wenig') Ein Lehrprogramm für Verwaltungsbeamte und Staatswirte aus dem Ende des 18. Jahrhunderts: 1. Die Landwirtschaftskunst und Bergwerkswissenschaft mit ihren Grundwissenschaften, der ökonomischen Botanik, der ökonomischen Zoologie, der Mineralogie, der Markscheidekunst. 2. Die Technologie oder Staatswirtschaftskunst. 3. Die Kommerzien- oder Handlungswissenschaft mit der Münzwissenschaft. 4. Die bürgerliche Baukunst, welche die Grundsätze festhält, nach denen die den verschiedenen Endzwecken des gesellschaftlichen Lebens entsprechenden zum Wohlstande der Länder höchstnötigen Gebäude aufgeführt werden sollen. 5. Die Polizei, die auf alle die genannten Gewerbe und Nahrungsarten ihre Vorsorge erstreckt. 6. Die eigentliche Kamerai- und Finanzwissenschaft, die sich mit der vorzüglichsten Art, die Einkünfte des Staates so zu erheben, daß ihre Quellen immer ergiebiger werden mögen, befaßt. Und der entsprechende Studienplan: 1. Semester. Naturrecht, reine Mathematik, ökonomische Botanik, Mineralogie und Zoologie. — 2. Semester. Angewandte Mathematik, Chemie, Physik, unterirdische Geographie und reine Mathematik. — 3. Semester. Landwirtschaft, Vieharzneikunst, Forstwissenschaft, Bergwerkswissenschaften, Mineralogie und ökonomische Botanik.—4. Semester. Technologie oder Stadtwirtschaft, Kommerzien- und Münzwissenschaft, politische Ökonomie, nämlich die Polizei- und Finanzwissenschaft, das gesamte Kameralrechnungswesen und die eigentliche Staatskunst, Chemie und Landwirtschaftskunst. Bei einer Verlängerung des Studiums wird dem angehenden S t a a t s w i r t weiter empfohlen: praktische Mechanik, Hydrostatik, Hydraulik, Hydrotechnik, bürgerliche Baukunst, Straßen- und Brückenbau.



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stens ein erheblicher Bruchteil der Beamten eine eingehende Kenntnis von Land und Leuten erhielt. Die angehenden Beamten mußten nachweisen, daß sie die geschichtlichen und geographischen Verhältnisse des Landes, seine administrativen Einrichtungen sowohl wie die Benutzungsweisen seiner von der Natur gegebenen Hilfsmittel und Bodenschätze kennen. Gegenstand der Prüfungen von Verwaltungsbeamten war z. B. Landwirtschaft, Bergbau, Baukunst, Technologie, natürliche Beschaffenheit des Landes usw. Die Neugründungen des 18. Jahrhunderts waren aber nicht lebensfähig; die Bewegung war verfrüht und konnte nicht zu einer dauernden Institution führen; die Fachschulen sind alle wieder eingegangen, oder in bestehenden Universitäten aufgegangen. Und bei den letzteren ist dann im Laufe des vorigen Jahrhunderts gerade derjenige Unterricht, der das Wesentliche, Eigenartige der Vorbildung sichern konnte, ganz verkümmert. Das ist ein bedeutsamer Vorgang. Von den naturwissenschaftlich-technischen und wirtschaftlichen Fächern ist nur eine Disziplin, die Volkswirtschaftslehre, übriggeblieben; ihr ist in dem derzeitigen Unterricht der höheren Verwaltungsbeamten neben den Rechtswissenschaften nur ein bescheidener Platz angewiesen. D i e a k a d e m i s c h - w i s s e n s c h a f t l i c h e V o r b i l d u n g d i e s e r B e a m t e n ist heute fast ausschließlich von der J u r i s p r u d e n z b e h e r r s c h t . Die zukünftigen Verwaltungsbeamten studieren so, als ob sie Richter oder Rechtsanwälte werden wollten. Sie studieren die Rechtswissenschaften und müssen das Studium mit der ersten juristischen Prüfung abschließen. Zwar sollen den Rechtswissenschaften (dreijährig) auch noch die „Staatswissenschaften 4 zugefügt werden, und es werden nach den Prüfungsordnungen (z. B. Preußen) auch die Grundlagen dieser Wissenschaften verlangt; es ist aber bekannt genug, daß diese Bestimmungen in ihrer praktischen Ausführung nur ein Minimum garantieren. Es fällt kein in den juristischen Fächern gut vorbereiteter



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Kandidat durch, weil er s c h w a c h e K e n n t n i s s e in der Volkswirtschaftslehre gezeigt hätte. In einigen B u n d e s s t a a t e n sind S t a a t s w i s s e n s c h a f t e n ü b e r h a u p t nicht G e g e n s t a n d der Prüfung. Um von der reinen J u r i s p r u d e n z los zu k o m m e n (die an den L a n d e s u n i v e r s i t ä t e n seit langem ihren Platz beh a u p t e t e ) , hatte Friedrich Wilhelm I. 1727 die e r s t e Kameralp r o f e s s u r g e g r ü n d e t u n d bestimmt, die K a m m e r r e f e r e n darien sollten Staatswirtschaft s t u d i e r e n ; er wollte k e i n e J u r i s t e n , s o n d e r n S t a a t s w i r t e . Nicht r e c h t s f o r m a l e S c h u l u n g hatte den F ü r s t e n u n d S t a a t s m ä n n e r n d e s 18. Jahrh u n d e r t s v o r g e s c h w e b t ; sie wollten ihre z u k ü n f t i g e n Beamten auf der G r u n d l a g e wirtschaftlicher E r k e n n t n i s für die A u f g a b e n der S t a a t s v e r w a l t u n g v o r b e r e i t e n . Die damalige Ansicht wird vielleicht am b e s t e n klar aus einem Bericht, d e n der S a c h s e n - E i s e n a c h s c h e Hofrat Justi an Maria T h e r e s i a e r s t a t t e t e . J u s t i war Mitte d e s 18. J a h r h u n d e r t s an d a s Wiener Kollegium T h e r e s i a n u m als D o z e n t für Kameral-, K o m m e r z i e n - und B e r g w e s e n berufen w o r d e n , weil man auch in Österreich „die gleiche E r f a h r u n g g e m a c h t hatte wie in D e u t s c h l a n d , nämlich, d a ß die Juristen nach A b s o l v i e r u n g ihrer Studien f ü r den p r a k t i s c h e n Staatsdienst u n g e n ü g e n d ausgebildet e r s c h i e n e n . " Justi meinte, daß alle die der R e g i e r u n g u n d der W i r t s c h a f t d e s Staates d i e n e n d e n W i s s e n s c h a f t e n wie: Staatskunst, Polizei, Komm e r z i e n - Bergwerks-, Kamerai- u n d F i n a n z w i s s e n s c h a f t n e b s t Ö k o n o m i e in einem u n z e r t r e n n l i c h e n Z u s a m m e n h a n g miteinander s t ä n d e n , u n d entwirft hiernach einen Unterrichtsplan. In einer s p ä t e r verfaßten „Staatswirtschaft u n d S y s t e m a t i s c h e A b h a n d l u n g aller ö k o n o m i s c h e n u n d K a m e r a l w i s s e n s c h a f t e n " (1753) wird wieder b e t o n t , daß die Universitäten die J u g e n d in d e n j e n i g e n W i s s e n s c h a f t e n g e n ü g s a m u n t e r r i c h t e n sollen, die sie als einstige Staatsb e d i e n t e oder r e c h t s c h a f f e n e Bürger nötig h a b e n , um der ') N a c h Stieda „Die N a t i o n a l ö k o n o m i e als U n i v e r s i t ä t s w i s s e n s c h a f t " . L e i p z i g , B. G. T e u b n e r 06.



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A l l g e m e i n h e i t nützen u n d ihre Pflichten erfüllen zu k ö n n e n ; s o müßten von den z a h l r e i c h e n B e a m t e n in den K a m m e r - , Polizei- und a n d e r e n W i r t s c h a f t s k o l l e g i e n die ö k o n o m i s c h e n und K a m e r a l w i s s e n s c h a f t e n d u r c h a u s g e l e r n t sein. Als m a n 200 J a h r e v o r d e m in D e u t s c h l a n d n o c h keine K a m m e r k o l l e g i e n und keine K a m e r a l i s t e n g e h a b t h a b e , h a b e m a n R e c h t s g e l e h r t e als B e a m t e n e h m e n m ü s s e n , und im übrigen s e i e n e h e m a l i g e L a k e i e n , L ä u f e r und S c h r e i b e r , g e m e i n e J ä g e r u. dgl. P e r s ö n l i c h k e i t e n oft zu den a n s e h n l i c h s t e n Ämtern im S t a a t e e m p o r g e s t i e g e n . Jetzt sei die S a c h l a g e wesentlich g e ä n d e r t . D i e Zeiten, d a R e c h t s g e l e h r t e zu allen B e d i e n u n g e n des Staats brauchbar waren, seien vorüber. S o Justi v o r 150 J a h r e n . Es mutet wie eine Ironie an, wenn wir s e h e n , daß h e u t e wiederum d a s U b e r w i e g e n der j u r i s t i s c h e n S c h u l u n g zu b e k l a g e n ist und daß e s scheint, als o b wir a u s d e m D i l e m m a nicht herauskommen können. A b e r die L a g e ist heute d o c h eine wesentlich a n d e r e . A l s die o b e n g e s c h i l d e r t e B e w e g u n g einsetzte, den V e r w a l t u n g s b e a m t e n ein B e r u f s s t u d i u m zu sichern, w a r e n g e r a d e die e n t s c h e i d e n d e n W i s s e n s g e b i e t e : die N a t u r w i s s e n s c h a f t e n , die Technik, die V o l k s w i r t s c h a f t , im A n f a n g e ihrer E n t w i c k l u n g . Ihre E n t f a l t u n g aber z u U n i v e r s i t ä t s w i s s e n s c h a f t e n und als G e g e n s t ä n d e d e s H o c h s c h u l u n t e r r i c h t e s der V e r w a l t u n g s b e a m t e n ist u n t e r b r o c h e n w o r d e n durch die G r ü n d u n g der neuzeitlichen H o c h s c h u l e n , der B a u - u n d G e w e r b e - , Forst- und B e r g a k a d e m i e n , der T e c h n i s c h e n , Landwirtschaftlichen und H a n d e l s - H o c h s c h u l e n . Was J u s t i von der Z u s a m m e n f a s s u n g der den R e g i e r u n g e n und der Wirtschaft d e s S t a a t e s d i e n e n d e n W i s s e n s c h a f t e n g e s a g t hatte, war an der Universität nicht mehr z u bef o l g e n . D e r Unterricht in den N a t u r w i s s e n s c h a f t e n , der L a n d - und F o r s t w i r t s c h a f t , der G e w e r b e k u n d e und T e c h nik u s w . war an der einzigen H o c h s c h u l e der Verwalt u n g nicht mehr zu halten, weil er b e s o n d e r e , n e u e u n d e n t w i c k l u n g s f ä h i g e L e h r s t ä t t e n g e f u n d e n hatte. Hierin m ü s s e n wir die t i e f e r e U r s a c h e s u c h e n für den



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eigentümlichen Rückschritt. H i e r a u s ergibt sich a u c h die B e a n t w o r t u n g der gestellten F r a g e : D a s Berufss t u d i u m der V e r w a l t u n g ist im Laufe d e s vorigen Jahrh u n d e r t s m i t d e m der Rechtspflege z u s a m m e n g e f a l l e n , n i c h t e t w a weil die R e c h t s w i s s e n s c h a f t w i e d e r als d i e Wissenschaft der Verwaltung erkannt wurde, s o n d e r n weil die infolge der G r ü n d u n g v o n n e u e n H o c h schulen im Lehrplane e n t s t a n d e n e n Lücken d u r c h nichts a n d e r e s ausgefüllt w e r d e n k o n n t e n als d u r c h Disziplinen d e s Rechts. Der Organisation der Universität e n t s p r e c h e n d war die juristische Fakultät die g e g e b e n e Abteilung, in der V e r w a l t u n g s b e a m t e zu studieren hatten. Es ist d e s h a l b a u c h nicht richtig, w e n n b e h a u p t e t wird, es sei die E r k e n n t n i s von d e m h o h e n W e r t e juristischer S c h u l u n g g e w e s e n , die dazu g e f ü h r t h a b e , d e n V e r w a l t u n g s b e a m t e n erst z u m J u r i s t e n zu m a c h e n . D a ß eine längere B e s c h ä f t i g u n g mit d e n F r a g e n d e s R e c h t s von vorzüglichem Einfluß auf die G e i s t e s b i l d u n g sein k a n n , war nicht zu bestreiten u n d wird auch h e u t e nicht bestritten. Aber d a s w a r n i c h t A u s g a n g s p u n k t . Der zukünftige Verwaltungsbeamte mußte sich selbstverständlich Einblick in die R e c h t s o r d n u n g e n d e s Staates u n d der b ü r g e r l i c h e n Gesellschaft e r w e r b e n ; d a man aber d a r ü b e r h i n a u s g e h e n d g e r a d e die wichtigsten W i s s e n s c h a f t e n d o c h nicht weiterpflegen u n d ihrer Entwickelung nicht folgen k o n n t e , so war man um so g e neigter, der J u r i s p r u d e n z die g r ö ß e r e B e d e u t u n g z u z u m e s s e n , als damit zugleich eine V e r e i n f a c h u n g u n d Verbilligung des U n t e r r i c h t s b e t r i e b e s v e r b u n d e n war. Zwei Berufe in einem S t u d i u m , etwas E i n f a c h e r e s g a b es ja nicht. Für kleinere Staaten war d a s ein wichtiges A r g u ment, u n d f ü r den G r o ß s t a a t u n d f ü r d a s Reich kam n o c h a n d e r e s hinzu. E s bildete sich ein g r o ß e r B e r u f s s t a n d , der „praktisch das Wohl und W e h e der g a n z e n Volksgemeinschaft in die H a n d " bekam. Die Justiz u n d die Verwaltung w u r d e n in s t e i g e n d e m Maße a u s einem einzigen g r o ß e n Vorratbehälter versorgt, u n d d e r stellte schließlich für alle A u f g a b e n , die die neue Zeit in so überreicher Zahl



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b r a c h t e , die B e a m t e n s c h a f t . Der „Jurist" w u r d e der Akademiker, der alles kann, der sich in j e d e r Tätigkeit z u r e c h t fand, der schließlich im Staat wie in der Selbstverwaltung, im Parlament und im Wirtschaftsleben die F ü h r u n g übern a h m u n d auch auf d e m Gebiete d e s U n t e r r i c h t s w e s e n s die e n t s c h e i d e n d e Stimme hatte. Hier s p r a c h diese Stimme u n d spricht bis h e u t e : J u r i s p r u d e n z ist die Wissenschaft der Verwaltung, u n d die Universität ist die einzige Verwaltungshochschule. Es kann nach d e m V o r h e r g e h e n d e n keinem Zweifel unterliegen, daß a u c h die n e u e n H o c h s c h u l e n u n s e r e r Zeit die Mission haben, mitzuwirken an d e r E r z i e h u n g der F ü h r e r in Staat u n d G e m e i n d e n ; d e n n a u f s i e i s t j a der Unterricht Ubergegangen, der wesentlich i s t f ü r d i e s e V o r b i l d u n g . A b e r diese Idee b e g e g n e t einer gewaltigen Schwierigkeit in d e m Vorurteil, d a s mit d e r g r o ß e n A u s b r e i t u n g juristischer Intelligenz u n s e r e g a n z e Nation d u r c h d r u n g e n h a t : d e m Vorurteil g e g e n die Fähigkeit der A k a d e m i k e r a n d e r e r S t u d i e n r i c h t u n g , sich z u m V e r w a l t u n g s b e a m t e n auszubilden. Hiermit ist der schwierigste Teil d e r g a n z e n Frage b e r ü h r t . Wie weit ist d i e s e s Vorurteil b e r e c h t i g t ? Bei der v o r s t e h e n d g e s c h i l d e r t e n R ü c k e n t w i c k l u n g von einer in Ü b u n g g e w e s e n e n B e r u f b i l d u n g der Verwaltung zu d e m F a c h s t u d i u m der Richter u n d Rechtsanwälte ist ein Umstand noch besonders hervorzuheben: Das F e r n b l e i b e n d e r T e c h n i k e r v o n allen A u f g a b e n u n d Ä m t e r n der Verwaltung. Bei d e n a u s den F o r s t a k a d e m i e n u n d den B e r g a k a d e m i e n h e r v o r g e h e n d e n B e a m t e n ist dies weniger zu b e o b a c h t e n . Hier ist auch frühzeitig wieder eine Verb i n d u n g mit der v e r l a s s e n e n Universität hergestellt w o r d e n . Im L e h r p l a n e dieser H o c h s c h u l e n w u r d e frühzeitig die R e c h t s w i s s e n s c h a f t wieder a u f g e n o m m e n ( B e r g a k a d e m i e ) , u n d die F o r s t a k a d e m i k e r w u r d e n zu juristischen und volkswirtschaftlichen S t u d i e n an der Universität verpflichtet. D a ß auf dem Gebiete d e s B e r g w e s e n s , d e s staatlichen u n d d e s privaten, sowie der F o r s t v e r w a l t u n g der Jurist bis



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auf unsere Tage nur selten Einlaß gefunden hat, wird hierauf zurückzuführen sein. Bei den Architekten und den Ingenieuren dagegen war bis auf die jüngste Zeit aller Unterricht ausgeschlossen, der nicht unmittelbar zum Zeichnen, Konstruieren und Bauen führte. Das ganze Studium bewegte sich hier zwischen Stein und Eisen. Keine Stunde für irgendein Gebiet, das hätte weiter führen können. Von vornherein ein intensiver Studienbetrieb, Verlängerung der Studienzeit, immer weitergehende Spezialisierung, Anspannung aller Kräfte für e i n Ziel. — Das war ein vorzügliches Programm; es hat Deutschlands Technik und Industrie auf eine hohe Stufe gefördert und den Technischen Hochschulen in unerhört rascher Entwicklung ihre heutige hohe Stellung gesichert. Aber einen Nachteil hat es jedoch gebracht, den heute die Techniker hart empfinden — eine Generation immer mehr als die vorhergehende. Der Studienbetrieb auf den technischen Lehranstalten mußte in dem Studenten die Ansicht festigen, daß das Hochschulstudium nur dazu bestimmt sei, für e i n F a c h vorzubereiten, und daß dieses Fach L e b e n s a u f g a b e w e r d e n müsse. Der Techniker hat die Hochschule bezogen und verlassen mit der Absicht, sich einem bestimmten Fach zu widmen, er wollte auch nach absolvierter Hochschule zeichnen, konstruieren, bauen. Was abseits lag oder was darüber hinausführte, war in seinen Zielen nicht eingeschlossen. Es war etwas ganz Ungewöhnliches, daß ein Akademiker, der sich vier Jahre mit der Bautechnik, mit Geschichte der Kunst und mit Architektur beschäftigt hatte, auf einmal sein Können anders erproben sollte als in der Tätigkeit eines Architekten. Und wer als Student Mathematik und Naturwissenschaften studierte, sich mit den Gesetzen der Energieumsetzung und der Konstruktion von Dampfmaschinen beschäftigt hatte, der wollte seine erworbenen Kenntnisse vor allem nun auch ausnutzen als Maschinenmeister, er wollte dem Staate Lokomotiven bauen und Eisenbahnfahrzeuge ausbessern. Und da sie selbst kein anderes



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Interesse zeigten, keinem anderen Gebiet der werdenden Verwaltung sich anschlössen, so setzte sich auch bald bei der Staatsleitung die Ansicht fest, daß die Techniker nur da zu verwenden seien, wo gebaut wird. Die T e c h niker erhielten den Titel Baumeister, Bauinspektor, Baurat usw. und wurden damit für ein Fach festgelegt, das in seiner praktischen Arbeit jedenfalls nur sehr wenig mit der Verwaltung gemein hatte. Für die Verwaltung aber, die gleichzeitig ganz gewaltig an Umfang zunahm, stand nur die juristische Intelligenz zur Verfügung. Und hier sehen wir nun im geraden G e g e n s a t z zu dem Verhalten des jungen Baumeisters eine g r o ß e Bereitwilligkeit des A s s e s s o r s , sich auch auf neuen Gebieten einzuarbeiten, die nicht zu seinem „ F a c h " gehörten. Diese Bereitwilligkeit, „überzutreten", hat dem Juristen schließlich Zutritt zu allen Ämtern und damit die Vorherrschaft in Staat und G e m e i n d e gebracht. Als es schon zu spät war, hat der Techniker angefangen, sich zu beschweren, über Zurücks e t z u n g , über ungleiche B e h a n d l u n g , über Kränkung. S c h o n vor einem Menschenalter hat der Techniker und Schriftsteller M a x Maria v. W e b e r diesen Zustand g e schildert, und bis auf unsere Tage können wir sehen, wie um „ G l e i c h s t e l l u n g mit den Juristen" gekämpft wird, ohne daß wirkliche Gleichwertigkeit angestrebt wird. Bei der Staatseisenbahnverwaltung versuchen die Techniker diese Gleichstellung zu erreichen durch den Hinweis, daß sie doch gleichen Aufwand für ihr Studium hatten, daß sie eine gleichwertige Vorbildung g e n o s s e n usw. Bei den K o m munalverwaltungen geht das Streben der leitenden B a u beamten dahin, die Mitgliedschaft in den Magistraten zu erwerben, wo viel j ü n g e r e „Juristen" ihnen vorgezogen werden. Diesen Kampf gegen das Vordringen der J u r i s t e n h a l t e ich für a u s s i c h t s l o s , w e n n n i c h t das Z i e l ein a n d e r e s wird. E s darf n i c h t das S t a n d e s i n t e r e s s e in d e n V o r d e r g r u n d g e s t e l l t werden, sondern das Staatsinteresse. Und es muß vor allem auch betont werden, daß e s s i c h



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w e d e r um d e n T e c h n i k e r n o c h um d e n J u r i s t e n handelt, s o n d e r n um d i e H e r a n b i l d u n g des bestgeeigneten Verwaltungsbeamten. Verwalten ist eben auch ein Beruf, ebenso wie R e c h t sprechen oder Bauen, und dieser Beruf erfordert wissenschaftliche Vorbereitung u n d praktische Übung. Mag das Hochschulstudium des „Technikers" demjenigen des „Juristen" gleichwertig s e i n : d i e p r a k t i s c h e T ä t i g k e i t w a r e s b i s h e r j e d e n f a l l s n i c h t . Wer zehn Jahre auf dem Bauplatz oder in der Maschinenfabrik tätig war, hat für ein Amt der Verwaltung nicht den gleichen Wert wie derjenige, der zehn Jahre sich im Verwalten hat üben können. Und deshalb ist — immer nur für ein Verwaltungsamt — der Techniker dem Juristen unterlegen. D e n n nur dem l e t z t e r e n war b i s h e r die S c h u l e d e r P r a x i s g e ö f f n e t w o r d e n ; nur e r konnte sich im Verwalten üben, und nur er hat sich geübt. Dieses Vorrecht hat den Erfolg des Juristen begründet. In der Bestimmung, daß zur praktischen Ausbildung in den Geschäften der Staatsverwaltung nur derjenige Akademiker zugelassen wird, der 3 J a h r e bei einer juristischen Fakultät eingeschrieben war und die erste juristische Prüfung bestanden hat, liegt zuletzt das größte Hemmnis, das bisher einer weitergehenden Verwendung der technischen Intelligenz entgegengetreten ist. In seiner B e seitigung s e h e ich daher eine wichtige Aufgabe der nächsten Zeit, eine Aufgabe der großen Ingenieurverbände und nicht zum wenigsten auch der Staatsleitung. Denn es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, daß der große Beamtenkörper in unseren Staaten und Städten, der jetzt einseitig nur der juristischen Intelligenz entnommen wird, eine andere Zusammensetzung haben muß, wenn anders die Zukunft der staatlichen Entwicklung gesichert sein s o l l Neben der Jurisprudenz müssen in gleich hohem M a ß e Technik und Wirtschaftswissenschaft als Verwaltungswissenschaften zur Geltung kommen. Und das ist heute nur noch in der Form möglich, daß alle Hochschulen zur Mit-



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Wirkung h e r a n g e z o g e n w e r d e n . Wir m ü s s e n u n s von dem Trugbild frei m a c h e n , daß nur eine d r e i j ä h r i g e Beschäftig u n g in der S p h ä r e d e s Rechts die V o r b e d i n g u n g e n für d a s V e r s t ä n d n i s der V e r w a l t u n g s a u f g a b e n u n d der F ü h r u n g von V e r w a l t u n g s ä m t e r n g e w ä h r e . D i e F ü h r e r s c h a f t d e r Nation muß sich aus A k a d e m i k e r n aller H o c h s c h u l e n z u s a m m e n s e t z e n , das ist eine F o r d e r u n g der Zeit, u n d sie wird ihren W e g finden. Fürs erste gilt es aber, das Vorurteil zu beseitigen, d a ß der „Techniker" als V e r w a l t u n g s b e a m t e r u n g e e i g n e t sei. Dies kann nur in der Weise g e s c h e h e n , daß m a n ihn g a r nicht erst T e c h n i k e r w e r d e n läßt, s o n d e r n — V e r waltungsbeamter. Hierzu ist aber wieder nötig, der H o c h s c h u l e die S c h u l e der Praxis a n z u s c h l i e ß e n — der P r a x i s des Verwaltens, nicht etwa d e s B a u e n s . Diese S c h u l e k ö n n e n die B e z i r k s r e g i e r u n g e n , die Landratsämter, die Magistrate, E i s e n b a h n d i r e k t i o n e n und viele a n d e r e Stellen g e w ä h r e n . Hier gibt es bei richtiger A u s wahl und Verteilung einen u m f a n g r e i c h e n praktischen Unterrichtsstoff. In d e m R e g i e r u n g s d e z e r n a t für Selbstverwaltung und in d e m B e z i r k s a u s s c h u ß ( P r e u ß e n ) — um nur ein Beispiel zu n e n n e n — liegen d a u e r n d F r a g e n der S t a d t e r w e i t e r u n g ( B e b a u u n g s p l ä n e ) vor, die g a n z in das Gesichtsfeld d e s j e n i g e n Technikers fallen, der in einer H o c h b a u a b t e i l u n g studiert hat u n d sich mit der Materie d e s S t r a ß e n r e c h t s (Fluchtlinien, E n t e i g n u n g s g e s e t z ) beschäftigt hat. In gleicher Weise bieten diese Stellen dem Bauingenieur u n d dem M a s c h i n e n i n g e n i e u r die Möglichkeit, immer im R a h m e n „seiner" W i s s e n s c h a f t e n den Z u s a m m e n h a n g zu verfolgen zwischen der Arbeit d e s Volkes und der Leitung der Volksgemeinschaft. Anlagen für den Verkehr z. B. in ihrer B e h a n d l u n g bei d e n Aufsichtsb e h ö r d e n (Wege, W a s s e r s t r a ß e n , K l e i n b a h n e n ) g e b e n dem Ingenieur immer A n r e g u n g , Land u n d Leute k e n n e n zu lernen und die W i r k u n g e n administrativer A n o r d n u n g auf technische A n l a g e n zu verfolgen. Wer die wirtschaftlichen Fragen bei d e r Konstruktion von Kraftmaschinen l'ranz,

Der Verwaltungsingenieur.

6



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und der Energieverteilung studiert hat, wird auch bei einem Magistrat ein weites Feld für Weiterbildung finden und dabei gleichzeitig den Einfluß „seiner" Wissenschaft auf das soziale L e b e n kennen lernen. Die Ubersicht über die R e c h t s o r d n u n g , die G e s e t z e s k e n n t n i s und die Einsicht in den volkswirtschaftlichen Zusammenhang (die dem Ingenieur als Frucht der jüngsten Reformen an den Technischen Hochschulen g e b o t e n werden) setzen ihn in den Stand, bei gleichzeitigem Selbststudium sich bei diesen Stellen reiche Kenntnisse zu e r w e r b e n , die ihn nach wenigen Jahren befähigen können, selbständig ein Amt zu führen. Bei der Kritik dieses V o r s c h l a g e s möge man sich nicht beeinflussen lassen von der überlieferten F o r m ; man b e d e n k e auch, daß nicht zu allen Arbeiten des Verwaltens ein tieferes Studium der betreffenden Materie erforderlich ist. Für viele Aufgaben ist überhaupt nicht das Wissen entscheidend. Wie viele Amter gibt es, b e s o n d e r s in der Selbstverwaltung, deren Leiter gar nicht studiert h a b e n ! Sollte ein Ingenieur unfähig sein, sich hier einzuarbeiten, nur weil er vier Jahre auf einer T e c h n i s c h e n Hochschule wissenschaftlich gearbeitet hat. In mancher Tätigkeit, die jetzt zum Verwalten gehört, steckt viel mehr an Technik, als man gewöhnlich vermutet. Steuer- und Armenverwaltung, Wohlfahrtspolizei! Die Polizei war ehedem ein B e griff, der mit j u s nichts zu tun hatte. W e s h a l b soll die Personenstandsbeurkundung nur S a c h e der Juristen s e i n ? Kann ein M e n s c h von Allgemeinbildung als Standesbeamter tätig sein, so kann es doch auch ein Ingenieur. Um aber eine solche Ausbildung zu ermöglichen, ist ein größeres Handeln nötig, das der Staatsleitung und den zuständigen Stellen erst einmal die generelle Erlaubnis abringt, daß Akademiker, die sich auf der Technischen H o c h s c h u l e mit Staatswissenschaften beschäftigt haben und die Lust und Liebe zu dem Berufe des Verwaltens mitbringen, sich praktisch a u s b i l d e n d ü r f e n ; der einzelne erhält diese Erlaubnis nicht. D a r u m m ü s s e n d i e g r o ß e n I n g e n i e u r -



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O r g a n i s a t i o n e n e i n t r e t e n . Alle für einen. Als kürzlich ein j u n g e r Ingenieur (er hatte die Diplomprüfung als Verwaltungsingenieur bestanden) den Bürgermeister einer Großstadt bat, ihm als Lernendem Einlaß zu gewähren in die einzelnen Verwaltungsdezernate, war es ihm nur nach wiederholten Bitten möglich, verstanden zu werden. „In d e r Steuerverwaltung und in der Armenverwaltung gibt e s keine Beschäftigung für euch Ingenieure, d a s ist doch unsere S a c h e . " Die S a c h e der J u r i s t e n ? Vom Preußischen Herrenhaus ist bei der Beratung d e s G e s e t z e s „über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst" ein Beschluß gefaßt worden (1903), wonach die Staatsregierung d e n A s s e s s o r e n eine „praktische B e s c h ä f t i g u n g " in den „Betrieben" der Industrie usw. ermöglichen solle. Die Werkleitungen der Industrie werden einem entsprechenden Ersuchen gewiß nachkommen. Und die Staatsleitung wird auch der Interessenvertretung der deutschen Ingenieure •eine Bitte gewähren, die in letzter Linie Staatsinteressen verfolgt.

6*

Verwaltungsingenieure. Die von der Gesamtheit der deutschen Techniker (Architekten, Bauingenieure, Maschineningenieure u. a.) dargestellte technische Intelligenz wird in unserem Vaterlande nicht nach ihrem wirklichen Werte gewürdigt und deshalb für die Volksgemeinschaft nicht voll genutzt. Dieser letzte Umstand verdient besondere Beachtung im Zusammenhang mit der Tatsache, daß die intellektuellen Fähigkeiten bei dem Nachwuchs der höheren Verwaltung — überhaupt in der ganzen Verwaltung von Reich, Bundesstaaten und öffentlichen Verbänden — in auffallendem Mißverhältnis zu den derzeitigen Aufgaben des Staats- und des Wirtschaftslebens stehen. Dieser Mangel wird von allen Seiten zugegeben, selbst von Staatsmännern und einzelnen Regierungen. In ihrer eigenartigen Form ist diese Erscheinung nur in Deutschland (vielleicht auch in Osterreich) vorhanden. Daß England, Amerika, Frankreich den Mangel nicht kennen, macht ihn für uns noch bedenklicher. Die tiefere Ursache des gegenwärtigen Zustandes ist in einer veralteten, für das 20. Jahrhundert nicht mehr passenden Vorbildung der großen Berufsgruppe zu suchen, aus der bei uns fast die ganze Führerschaft der Staaten — und nach ihrem Vorbilde der Städte usw. — entnommen wird. Aber es ist nicht etwa der Umstand, daß die überwiegende Zahl aller wichtigeren Ämter mit Juristen (richtiger ehemaligen Juristen) besetzt ist, sondern die einengende



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gesetzliche Bestimmung, wonach der g a n z e Nachwuchs ohne Ausnahme seine Studienzeit auf das juristische Studium verwenden m u ß . Daß es in Deutschland ausgeschlossen ist, auf anderem Wege zu den Führerstellen zu gelangen, hat in die Verwaltung eine gefährliche Einseitigkeit gebracht, die sich in der Zukunft noch mehr steigern wird. Wir dürfen uns nicht über diese Gefahr hinwegtäuschen lassen durch die Behauptung, in einem Rechtsstaate müsse die Beamtenschaft juristisch gebildet sein. Daß jeder Verwaltungsbeamte, gleichviel an welcher Stelle er steht, eine weitgehende Einsicht in unsere Rechtsordnungen haben muß, ist selbstverständlich (deshalb muß j a auch jeder Akademiker, der einmal das Verwalten lernen will, sich auf seiner Hochschule mit Rechtsmaterien beschäftigt haben). Es ist auch als feststehend und für die Zukunft gültig anzunehmen, daß ein großer Teil der Beamtenschaft eingehende und tiefe juristische Kenntnisse haben müsse. Ohne starke juristische Intelligenz ist die Staatsführung unmöglich. Ich hebe dies ausdrücklich hervor, weil es sich hier niemals darum handeln kann, die Juristen durch Akademiker anderer Vorbildung zu ersetzen oder gar die Jurisprudenz zu verdrängen. Aber es ist doch dringend notwendig, sich darüber klar zu werden, daß die Ü b e r t r e i b u n g wie überall, so auch hier auf Abwege führen muß. Es gibt keinen akademischen Beruf, der seine wissenschaftliche Vorbildung nicht fortgesetzt (in längeren Zeitabständen) veränderten Bedürfnissen anpassen muß. Es ist ferner ohne weiteres ersichtlich, daß •der Beruf der Rechtspflege fortgesetzt neue Forderungen stellt, die aber von denen der Verwaltung ganz verschieden sind. Dadurch, daß eine Änderung in dem juristischen Studium jeweils den beiden, sich oft widersprechenden, jedenfalls immer verschiedenen Forderungen einerseits der Rechtspflege, anderseits der Verwaltung hätte gerecht werden müssen, ist keiner der beiden Berufe in seiner wissenschaftlichen Vorbereitung auf der Höhe der Zeit geblieben. Kommt demnächst eine Reform — sie ist seit



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2 0 Jahren als dringend bezeichnet worden — so wird s i e aller Wahrscheinlichkeit nach in erster Linie für die Rechtspflege bestimmt s e i n ; denn das juristische Studium an unseren Universitäten, b e s o n d e r s aber die erste juristische Prüfung muß vor allem den Nachwuchs für die Rechtspflege erziehen, sichern und sichten. In Preußen g e h e n kaum 5 % aller Kandidaten zur höheren Verwaltung im S t a a t e ; daß für diesen kleinen Bruchteil jemals eine zeitg e m ä ß e Reform kommen wird, ist ausgeschlossen. Jeder Versuch, das juristische Studium (das in erster Linie für die Vorbildung von Richtern und Rechtsanwälten bestimmt ist) so zu gestalten, daß auch die neuen Aufgaben der höheren Verwaltung B e a c h t u n g finden, muß von vornherein mißglücken. D e r Versuch in den Jahren 1903 bis 1906 (Landtag) läßt das schon erkennen. Die wissenschaftliche Vorbildung der wichtigsten Beamten wird also immer schlechter werden. Aus einer langjährigen B e o b achtung glaube ich auch, daß dies immer rascher kommen wird. Diese Verschlechterung wäre aufzuhalten — sie wäre vielleicht ganz zu vermeiden — wenn man die starre V e r bindung im Studium der beiden Berufe aufheben würde. Etwa in der Form, daß man denjenigen jungen Leuten, die nach Familienüberlieferung, Anlage oder Neigung einmal zur Verwaltung in Staat und Gemeinde gehen wollen, gestatten würde, das wissenschaftliche Arbeiten (das ist doch das Studieren) auch auf anderen Hochschulen zu erlernen. Praktisch kommt das auf den Vorschlag hinaus, die Akademiker aller Hochschulen — s o f e r n s i e d i e S t a a t s w i s s e n s c h a f t e n zu e i n e m H a u p t t e i l i h r e s S t u d i u m s g e m a c h t h a b e n — zur Laufbahn in der höheren Verwaltung zuzulassen. Mit einem solchen S y s t e m wechsel wäre das Problem zu lösen, dem Nachwuchs der höheren Verwaltung wieder diejenigen Elemente zuzuführen, die der Gesamtverwaltung den Zusammenhang mit der großen Volkmasse sichern und das Verständnis für die bewegenden Kräfte der Zeit vermitteln. „Wir müssen



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d e m 20. J a h r h u n d e r t M ä n n e r g e b e n , die g e l e r n t h a b e n , d a s 19. z u v e r s t e h e n " . D a s ist natürlich unter d e r G e l t u n g d e r b e s t e h e n d e n G e s e t z e nur l a n g s a m d u r c h z u f ü h r e n und in Preußen wohl a u c h nicht durch s o f o r t i g e Ä n d e r u n g d e s G e s e t z e s v o n 1906 ( ü b e r die B e f ä h i g u n g für den h ö h e r e n V e r w a l t u n g s d i e n s t ) zu erreichen, s o n d e r n auf U m w e g e n . Von den k o m m u n a l e n und industriellen V e r b ä n d e n wird der S t a a t lernen. Wenn hier in vielen v e r s c h i e d e n e n Stellen, die man b i s dahin mit „ J u r i s t e n " zu b e s e t z e n pflegte, die T e c h n i k e r ihr K ö n n e n im Verwalten — nicht etwa im B a u e n — b e w e i s e n d a n n ist der W e g nicht mehr zu verfehlen. N u n fehlt a b e r ( i n f o l g e d e s v o r g e n a n n t e n G e s e t z e s und d e r v o r a u s g e h e n d e n ) die M ö g l i c h k e i t für d e n T e c h niker, d a s V e r w a l t e n a u c h p r a k t i s c h z u l e r n e n , g e r a d e in der staatlichen Verwaltung, die vielerorts vorbildlich ist. Verwalten kann man nur d u r c h P r a x i s lernen, und d i e s e P r a x i s muß, u m v o l l s t ä n d i g z u s e i n , s i c h a u c h auf s t a a t l i c h e A m t s s t e l l e n e r s t r e c k e n . E s ist d e s h a l b v o r g e s c h l a g e n w o r d e n , auf g e e i g n e t e m W e g e die E r l a u b n i s zu erwirken, daß e i n z e l n e „Verwalt u n g s i n g e n i e u r e " , die auf d e r H o c h s c h u l e sich mit S t a a t s w i s s e n s c h a f t e n b e s c h ä f t i g t h a b e n und ihrer P e r s o n nach g e e i g n e t e r s c h e i n e n , a l s L e r n e n d e bei den B e z i r k s r e g i e r u n g e n , L a n d r a t s ä m t e r n und a n d e r e n Stellen z u g e l a s s e n w e r d e n . E s handelt sich a l s o nicht etwa um w e i t g e h e n d e Ä n d e r u n g e n in der A u s b i l d u n g e i n e s g r ö ß e r e n T e i l e s d e s j ü n g e r e n Ing e n i e u r n a c h w u c h s e s , s o n d e r n um eine kleine Zahl v o n s o l c h e n j u n g e n L e u t e n , die, n a c h d e m s i e ihre S t u d i e n z e i t auf n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e , t e c h n i s c h e , v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e und rechtliche D i s z i p l i n e n v e r w e n d e t h a b e n , s i c h d e m B e rufe d e r V e r w a l t u n g z u w e n d e n wollen. F ü r V e r w a l t u n g s i n g e n i e u r e — z u m a l wenn s i e eine a u s r e i c h e n d e p r a k t i s c h e V e r w a l t u n g s t ä t i g k e i t hinter sich h a b e n — ist seit l a n g e m ein B e d ü r f n i s v o r h a n d e n . A b e r s c h o n eine kleine Zahl wird g e n ü g e n — und hierin liegt die B e d e u t u n g für den g a n z e n I n g e n i e u r s t a n d —



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den Nachweis zu führen und die Anschauung zu befestigen, daß auch die Technische Hochschule für den bevorzugten Beruf der Verwaltung vorbereiten kann. Diese kleine Zahl wird den Weg ebnen zu einer vollen Würdigung der technischen Intelligenz. Diese volle Würdigung wird in Deutschland aber auch auf keinem anderen Wege zu erreichen sein. Auch nicht so daß etwa die Technik durch immer gewaltigere, Bewunderung erregende Werke sich hervortut, daß einzelne Techniker als Meister solcher Schöpfungen geehrt werden, und erst recht nicht durch Resolutionen und Petitionen um offizielle Gleichstellung. Erst wenn einige Regierungspräsidenten, L a n d r ä t e und B ü r g e r m e i s t e r als S t u d e n t e n an Technischen Hochschulen eingeschrieben gewesen sind, wird die Wandlung angebahnt s e i n . Und dieses Ziel wäre zu erreichen; es wird erreicht, w e n n a l l e I n g e n i e u r e e i n i g s i n d , oder doch zu der Überzeugung kommen könnten, daß es erstrebenswert ist.

Das Berufsstudium der Verwaltung. Unter dieser Uberschrift habe ich vor einigen Monaten in der „Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik" einen „Beitrag zur Hochschulpädagogik" veröffentlicht, über den Herr Dr. A l t e n r a t h - B e r l i n in Nr. 2 dieser Zeitschrift referiert. Das Referat enthält Irrtümer. Ich kann dieselben ohne Weiterungen nicht abstellen. Nur bei einem will ich es versuchen. Das Studium der Jurisprudenz — wie es jetzt an den Universitäten betrieben wird — ist nach den gesetzlichen Bestimmungen das Berufsstudium für zwei verschiedene Berufe. Das ist ein Widerspruch in sich. Man kann sich nicht durch ein und dasselbe Studium die wissenschaftliche Vorbildung für zwei Betätigungsgebiete erwerben, die weit auseinander liegen. Jedenfalls dürfte man nicht behaupten, daß nur derjenige zu dem Berufe der Verwaltung befähigt sei, der die juristische Prüfung bestanden hat. Diese Prüfung bildet den Abschluß eines im wesentlichen auf Privat-, Prozeß- und Strafrecht gerichteten Studiums, das in erster Linie für zukünftige Richter und Rechtsanwälte bestimmt ist. Daß sie gleichzeitig auch den allein gültigen Nachweis für die wissenschaftliche Befähigung zu dem anderen Berufe der Verwaltung bildet — das ist der Unsinn, über den wir uns schon viel zu lange mit Phrasen haben hinwegtäuschen lassen. Phrasen von der vorzüglichen Schulung, die das Rechtsstudium für die Geistesbildung gewährt, von dem Schärfen des logischen

— Denkens,

u. dgl.

Wissenschaft

90

Ich bin

hierin



der M e i n u n g ,

keine

daß

Unterschiede

die

zeigt,

wahre sondern

daß e s v i e l m e h r auf den U n t e r r i c h t s b e t r i e b , auf den Willen und Ich

auf bin

benen

die

Persönlichkeit

weiter

der

des

Meinung,

Studierenden daß

die

und b e d a u e r t e n M ä n g e l im d e r z e i t i g e n

S t u d i u m auf den U m s t a n d

ankommt.

allseits

daß

für

d i e s e s S t u d i u m in D e u t s c h l a n d e i n e M o n o p o l s t e l l u n g

ge-

schaffen worden

ist, die in u n s e r e

Meiner Meinung nach unserer

zurückzuführen

zugege-

juristischen

studierenden

Zeit nicht mehr paßt.

sind die U r t e i l e Jugend

sind,

ü b e r den

gerade so verfehlt

B e h a u p t u n g , die R e c h t s l e h r e r w ä r e n s c h l e c h t e r Ich h a b e

das

in dem A u f s a t z

wollte man d e n n hochstehenden

ausdrücklich

erklären,

daß

Unterrichte

der

bei

die

geworden.

gesagt.

dem doch

deutschen

Unfleiß wie

Wie

zweifellos

Universitäten

g e r a d e die j u r i s t i s c h e n F a k u l t ä t e n einen s c h l e c h t e n U n t e r richt g e w ä h r e n s o l l t e n ?

W e s h a l b s o l l t e n g e r a d e die L e h r e r

d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t e n s c h l e c h t e r sein als a n d e r e ?

Ist

es denkbar, daß dieser Mangel — eines schlechten Unterr i c h t s — g l e i c h z e i t i g an allen d e u t s c h e n H o c h s c h u l e n

auf-

tritt?

den

Dem Studium der Jurisprudenz strömen neben

wirklichen Jüngern dieser Wissenschaft auch solche Studier e n d e z u , die g a r n i c h t J u r i s t e n w e r d e n , s o n d e r n nur diejenigen Rechte das sind.

Bestehen

erwerben der

ersten

In u n s e r e m L a n d e

Prüfung

wollen, die

in D e u t s c h l a n d

juristischen

Prüfung

an

gebunden

gilt j e d e r , der die e r s t e j u r i s t i s c h e

(Gerichtsreferendarprüfung)

bestanden

oder

der

z u m D o k t o r der R e c h t e p r o m o v i e r t ist, als b e f ä h i g t für alle Verwaltungsaufgaben.

bei

einer

j u r i s t i s c h e n F a k u l t ä t e i n g e s c h r i e b e n war, e r h ä l t b e i

seinen

deutschen Landsleuten waltungslaufbahn

Ja

wer

einmal

viel l e i c h t e r Zutritt z u e i n e r V e r -

als i r g e n d e i n a n d e r e r A k a d e m i k e r ;

hält a l l g e m e i n d a s S t u d i u m rufsstudium

nur

der V e r w a l t u n g .

der J u r i s p r u d e n z für das Vor

dieser verkehrten

man BeAn-

s c h a u u n g und ihren K o n s e q u e n z e n h a b e ich g e w a r n t ; d e n n ich g l a u b e , daß sie für die Zukunft u n s e r e s L a n d e s s c h ä d lich ist.

E i n m a l weil d i e s der s i c h e r s t e W e g

ist, die a k a -



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-

demisch-juristische Bildung u n s e r e r wichtigsten Beamten immer weiter h e r u n t e r z u d r ü c k e n , und s o d a n n , weil ich glaube, d a ß in der F ü h r u n g u n s e r e r Nation f ü r die Folge die A k a d e m i k e r a n d e r e r H o c h s c h u l e n nicht e n t b e h r t werden können. Z w i s c h e n der — von a n d e r e r Seite — b e h a u p t e t e n V e r s c h l e c h t e r u n g der juristischen Lehre u n d d e m Fehlen t e c h n i s c h wirtschaftlicher Intelligenz in u n s e r e n Verwalt u n g e n besteht ein i n n e r e r Z u s a m m e n h a n g ; darauf h a b e ich deutlich g e n u g h i n g e w i e s e n . D a s g e h t ü b r i g e n s auch s c h o n a u s der in dem Referate w i e d e r g e g e b e n e n Ansicht eines V e r w a l t u n g s b e a m t e n h e r v o r . Mit d e m seit einem halben J a h r h u n d e r t e g e l t e n d e n System z w i n g e n wir alle j u n g e n Leute, die im Reiche o d e r d e n Staaten, in Gem e i n d e n o d e r wirtschaftlichen V e r b ä n d e n ein Verwaltungsamt bekleiden wollen, ihre g a n z e Studienzeit einer Wissenschaft zu widmen, f ü r die vielfach w e d e r ihre N e i g u n g n o c h ihre Fähigkeit ausreicht. Wir h a b e n an u n s e r e n H o c h s c h u l e n L e r n f r e i h e i t ; d a s Korrelat ist Lust u n d Liebe zu d e r freigewählten W i s s e n s c h a f t . Wo diese V o r a u s s e t z u n g nicht g e g e b e n , da leidet d a s S t u d i u m , a u c h wenn die Lehrer n o c h so gut sind. D a s ist seit langer Zeit bei dem juristischen S t u d i u m der Fall. Ich f ü h r t e aus der T a g e s p r e s s e (aus ein u n d d e m s e l b e n Blatte) einige Mein u n g s ä u ß e r u n g e n an, die mir b e s o n d e r s charakteristisch s c h i e n e n . Es waren die Meinungen von Juristen, also von „ S a c h k e n n e r n " . D e r eine, ein Universitätslehrer, m e i n t e : „ U n s e r e juristische J u g e n d pflegt vielmehr ihr B e r u f s s t u d i u m als ü b e r a u s langweilig e i n z u s c h ä t z e n , als ein n o t w e n d i g e s Ü b e l , d a s man in Rücksicht auf die p r a k t i s c h e n Vorteile d e r künftigen L e b e n s s t e l l u n g eben auf sich n e h m e n m u ß — i n f o l g e d e s s e n bleibt g e r a d e in dem B e r u f s s t a n d e , der für den m o d e r n e n Staat der allerwichtigste ist, der in G e s e t z g e b u n g , R e c h t s p r e c h u n g und Verwaltung gleichmäßig h e r r s c h t und praktisch das g a n z e Wohl u n d W e h e der V o l k s g e m e i n s c h a f t in der H a n d hat, die Mehrzahl seiner Mitglieder zeitlebens S t ü m p e r in ihrem



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Fache, unfähig, sich über die Schablone der Geschäftsroutine zu erheben, und für die Mitarbeit an den schweren sozialen Problemen der Gegenwart g a n z untauglich. Welche Unsummen von politischen, wirtschaftlichen, ethischen Werten hat dieses Stümpertum uns schon vernichtet" ( „ T a g " , 8. Mai 1906). Und ein anderer, ein Verwaltungsbeamter, sagte, der Unterricht an den Universitäten sei seit langem schon so wenig anziehend, daß er mit vielen seiner B e r u f s g e n o s s e n „jede in den Hörsälen verbrachte Stunde als verlorene Zeit b e d a u e r e " . Ich kenne viele solche Urteile und führe sie an, nicht um m e i n e „Gerings c h ä t z u n g " des juristischen Studiums zu zeigen, sondern g e r a d e diejenige von Seiten der eifrigen Verteidiger d e s falschen S y s t e m s . Ich selbst habe oft g e n u g die große Bedeutung juristischer Studien betont, ich habe wiederholt h e r v o r g e h o b e n , daß die Staatsleitung ohne juristische Intelligenz undenkbar ist und daß wir überall gut durchgebildete Juristen haben müssen. Gerade deshalb bekämpfe ich d a s bisherige Verfahren. Ich versuche auf die Widersprüche hinzuweisen und auf die Schäden, die hieraus unserer Rechtspflege e b e n s o erwachsen wie unserer Verwaltung. Für die letztere plant man Verwaltungsakademien, um R e g i e r u n g s a s s e s s o r e n und jungen Landräten die Kenntnisse zu vermitteln, die „ihre" Hochschule ihnen nicht g e b e n konnte. Auf ¡Uberhochschulen will man sie nachträglich zu Akademikern machen. Und die Gerichtsa s s e s s o r e n ? E s muß doch jedem Freunde der deutschen Rechtspflege am Herzen liegen, d a s Universitätsstudium zunächst s o zu erhalten, daß immer der beste Richternachwuchs gesichert bleibt. D a s Studium der Jurisprudenz ist das Berufsstudium des Richters und des Rechtsanwalts und muß jeweils den Bedürfnissen d i e s e s Berufs und nicht eines anderen angepaßt werden. Mit Kompromissen kommen wir aus den Schwierigkeiten nicht heraus. Wenn — wie dies neuerdings immer stärker betont wird — der zukünftige Richter auch mit dem Unterrichtswissen belastet werden soll, d a s für den zukünftigen Verwaltungsbeamten



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erforderlich ist, s o wird er für s e i n e B e r u f s b i l d u n g keine Zeit m e h r behalten. U n d wenn a n d e r s e i t s immer wieder v e r l a n g t wird, daß j e d e r V e r w a l t u n g s b e a m t e — g a n z g l e i c h g ü l t i g mit welchen T a l e n t e n er sein S t u d i u m b e g i n n t — vor allem die J u r i s p r u d e n z s t u d i e r e n m ü s s e , s o wird e s i m m e r m e h r B e a m t e g e b e n , die j e d e in den H ö r s ä l e n v e r b r a c h t e S t u n d e als v e r l o r e n e Zeit b e d a u e r n . Wir k o m m e n nicht v o n d e r Stelle. Wenn d e r W a g e n anfahren will, ziehen k r ä f t i g e A r m e r ü c k w ä r t s und b r i n g e n ihn w i e d e r zum S t e h e n ; gleichzeitig werden neue Lasten aufgeladen. S e i t J a h r z e h n t e n kann man d i e s e s Bild s e h e n . Die G e r i c h t s j u r i s t e n k l a g e n ü b e r die m a n g e l h a f t e j u r i s t i s c h e V o r b i l d u n g ihres N a c h w u c h s e s , und die V e r w a l t u n g s j u r i s t e n b e h a u p t e n , daß die R e f e r e n d a r e „ l e b e n s f r e m d " von ihrer H o c h s c h u l e in den p r a k t i s c h e n V e r w a l t u n g s d i e n s t k o m m e n . Muß man d a nicht von K u r z s i c h t i g k e i t r e d e n , wenn hier der v o n mir b e h a u p t e t e Z u s a m m e n h a n g g e l e u g n e t w i r d ? Ich muß d a s W i d e r s i n n i g e d e s j e t z i g e n H o c h s c h u l u n t e r r i c h t s h e r v o r h e b e n , um die N o t w e n d i g k e i t einer freieren G e s t a l t u n g zu b e w e i s e n , und ich darf vielleicht a u c h h i n z u s e t z e n , daß ich e s immer w i e d e r tun werde. Ich will d e s h a l b gleich w i e d e r berichten von d e m Urteil e i n e s S a c h v e r s t ä n d i g e n , der d a s Törichte u n s e r e s S y s t e m s s c h o n v o r 50 J a h r e n erkannt hat und d e r es gleichfalls für notwendig b e f u n d e n hat, dies a u c h zu s a g e n . R. v. M o h l , d e r T ü b i n g e r P r o f e s s o r und s p ä t e r e S t a a t s m a n n , w e i s t in den f ü n f z i g e r J a h r e n d e s v o r i g e n J a h r h u n d e r t s an m e h r e r e n Stellen s e i n e r zahlreichen Schriften darauf hin, daß e s d o c h g a n z s e l b s t v e r s t ä n d l i c h s e i , daß — n a c h d e m die R e c h t s p f l e g e v o n der V e r w a l t u n g g e t r e n n t und für letztere eine b e s o n d e r e L a u f b a h n v o r h a n d e n sei — auch eine b e s o n d e r e V o r b i l d u n g für V e r w a l t u n g s b e a m t e eingerichtet w e r d e n m ü s s e , „ d a ß z u einer richtigen E r f ü l l u n g d e r A u f g a b e n der V e r w a l t u n g auch eine b e s o n d e r e , für den b e s o n d e r e n Z w e c k b e r e c h n e t e B i l d u n g erforderlich s e i " . —• „ F ü r die A u s b i l d u n g der richterlichen F u n k t i o n e n war eine Änderung o d e r E r w e i t e r u n g der b i s h e r i g e n S t u d i e n r i c h t u n g e n



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nicht notwendig, da bereits Unterricht in der Rechtswissenschaft b e s t a n d ; also ging man gedankenlos auch in betreff der Verwaltung über die Bildungssorge weg". — „Solange dieselbe Stelle gerichtliche und administrative Geschäfte zu besorgen hatte, konnte selbstredend von einer anderen Erziehung als einer rechtswissenschaftlichen nicht die Rede sein; aber auch nach eingetretener Trennung blieb es in der Regel zunächst bei der Verwechslung von juristischer Bildung und Bildung Uberhaupt, jedenfalls bei einer auf Unwissenheit beruhenden Überschätzung der ersteren". — „Für die Verwaltung aber, und namentlich für ihren schwierigsten Zweig, verläßt man sich auf den alten frommen Satz, daß Gott, wem er ein Amt gebe, auch den Verstand dazu verleihe, oder unterläßt wenigstens, dem Bewerber um die einschlägigen Ämter sich die ihm für passend scheinenden Kenntnisse wie er kann und wo er kann, zu erwerben". Auch R. v. M o hl — er war, wie ich nochmals hervorhebe, ein erfahrener Universitätslehrer und ein weitsichtiger Staatsmann — hat es für nötig befunden, vor einer Überschätzung der Jurisprudenz zu warnen. „Eine einseitige Schätzung der rechts wissenschaftlichen Bildung steht offenbar auf gleicher geistiger Stufe mit der Ansicht der klassischen Philologen, die nur in ihrem Material ein Gesittigungsmittel sehen und auf den ganzen technischen und mathematischen Unterricht herabblicken (Politik, 2. Band Seite 430). An einer anderen Stelle — ich wähle die Ausdrucksweise des Referenten — versteigt er sich sogar zu der Behauptung: „Mit Pandekten und deutscher Rechtsgeschichte wird die Welt nicht regiert, und überhaupt gibt die ausschließliche Beschäftigung mit positivem Rechte dem Geiste des jungen Mannes einen engen Gesichtskreis und eine einseitige Auffassung, die ihn zu allen anderen Geschäften als zum Rechtsprechen verderben." Das sagte R. v. M o h l vor einem halben Jahrhundert. Wenn es Herr Dr. A l t e n r a t h liest, wird er s a g e n : „Dies Urteil ist entschieden verfehlt".

Der technische Beigeordnete. Neue Wortbildungen sind dem Mißverständnis ausgesetzt und geben leicht Anlaß zu Begriffsverschiebungen. Bei dem „technischen Beigeordneten" ist das schon bemerkbar. „Beigeordneter" ist eine Amtsbezeichnung, die in mehreren Verfassungen enthalten und dort sehr verschieden gekennzeichnet ist. In der Rheinischen Städteordnung von 1856, die hier von besonderem Interesse ist, ist der Beigeordnete der Gehilfe und der Stellvertreter des Bürgermeisters. Die Bezeichnung gilt unterschiedslos für das besoldete und das unbesoldete Amt. Schon die kleine Stadt hat gewöhnlich mehrere Beigeordnete; sie sind berechtigt und v e r p f l i c h t e t , den Bürgermeister nach der gesetzlich festgelegten Reihenfolge in allen Amtsgeschäften zu vertreten. Diese Städteordnung kennt keine im voraus und in Fachrichtungen abgegrenzten Amtsbefugnisse des Beigeordneten; hier gibt es keinen Forstrat, Schulrat, Baurat als Magistratsperson. Wohl kann die rheinische Stadt einen Techniker in ihre Dienste nehmen und als ihren Baurat bezeichnen und betiteln. Das wird besonders für die größeren Städte praktisch. Wählt aber eine Stadtverordnetenversammlung einen Techniker zum Beigeordneten und wird dieser als solcher bestätigt, so ist er der Beigeordnete (mit bestimmter, gleichzeitig festgestellter Nummer in der Reihenfolge) und nicht mehr d e r Stadtbaurat. Hierin ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber anderen preußischen Provinzen begründet. Im Bereiche der Städteordnung für die alten Provinzen ist d e r Stadtbaurat als Magistratsmitglied für einen bestimmten



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Geschäftskreis berufen; er vertritt den Bürgermeister z. B. nicht in den Geschäften der Sicherheitspolizei, der Steuerverwaltung, der Personenstandsbeurkundung usw. Der Beigeordnete der rheinischen Stadt ist hierzu verpflichtet, muß also hierzu auch befähigt sein. Was soll nun mit der Bezeichnung „technischer Beigeordneter" bezweckt werden? Ich habe unter Stadtverordneten von zwei Begriffen gehört; die einen verstanden hierunter einen Beamten, der als Akademiker technische Wissenschaften studiert hatte, die anderen einen Techniker von Beruf, d. h. einen Hochbauer, Bauingenieur, Maschineningenieur. In ihrem Sinne wird also das „technisch" vor der Amtsbezeichnung eine nähere Kennzeichnung entweder nach dem Fachstudium oder nach der bisherigen beruflichen Tätigkeit. Eine andere Absicht könnte die sein, mit dem „technisch" die neue Tätigkeit in d e r Stadtverwaltung zu umgrenzen; auch andere Begriffe sind denkbar und vermutlich bereits vorhanden. Im Sinne der rheinischen Städteordnung ist jeder erklärende und einengende Zusatz zu der Amtsbezeichnung überflüssig, ja er ist eigentlich widersinnig. Denn der Beigeordnete ist hier nicht nur der Gehilfe, sondern auch der V e r t r e t e r des Bürgermeisters. Das ist besonders in der kleineren Stadt von Bedeutung, in der neben zwei oder drei im Ehrenamt tätigen Beigeordneten ein besoldeter Beigeordneter angestellt ist. Ist dieser in der Reihenfolge der erste, so muß er sehr häufig die ganze Geschäftsleitung übernehmen. Er kann nicht s a g e n : ich bin ja nur „technisch"; er ist d e r erste Beigeordnete und damit zu allen leitenden Arbeiten der Stadtobrigkeit der Repräsentation, der Polizei usw. verpflichtet. Schon in der Kleinstadt ist der Umfang dieser Tätigkeit viel größer als man gewöhnlich annimmt. Ich glaube aber auch, daß die Betonung des „technischen" — gleichgültig zunächst, ob damit die Vorbildung oder die Amtstätigkeit näher bezeichnet werden soll, — für unsere Bestrebungen ungünstig wirken wird. Es wird



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hiermit zu leicht ein irreführender Begriff geschaffen, der sich festsetzt und dann bei einer zukünftigen gesetzlichen Neuregelung sowohl den Gemeinden als den Technikern schaden wird. Regierungs- und Baurat ist ein B e i s p i e l : die doppelte Bezeichnung ist dem Ansehen der Techniker nicht nützlich gewesen. Wenn jetzt der B e a m t e sich als Beigeordneter u n d Stadtbaurat b e z e i c h n e t , s o wirkt die Amtsbezeichnung „Beigeordneter" nur als Titel, als ob dem Techniker damit eine äußere Gleichstellung g e s i c h e r t werden sollte. Und damit wird das Ziel ganz v e r s c h o b e n . Unser B e streben geht doch in erster Linie dahin, den Verwaltungen in unserem Vaterlande technische Intelligenz zuzuführen, sie — die ein halbes Jahrhundert im Rückstände sind — zu veranlassen, technische Bildung und technische Arbeit u n m i t t e l b a r nutzbar zu machen im Dienste der Allgemeinheit. Das ist doch nicht das Wesentliche, daß der einzelne B a u b e a m t e herausgehoben wird. D a s Ansehen des Berufes ist selbstverständliche Folge, nicht Zweckbestimmung. Es ist auch nicht treffend, wenn immer das Bauen betont wird. Gewiß ist für die äußere Erscheinung der Stadt, für das, was das Auge sieht, auch für das Künstlerische in dem Wirken des Beigeordneten, die bauliche Tätigkeit dieses Beamten wichtig. Sie ist aber nicht das Entscheidende. E s läßt sich sehr wohl ein B e i g e o r d n e t e r denken, der Uberhaupt nicht baut, der sein Können, das er aus den Gesetzen der Natur, der Technik, der Kunst gewonnen, g a n z anders verwendet zum Nutzen seiner Mitbürger. Wenn unsere Bestrebungen erfolgreich sein sollen — bisher ist ein reicher Erfolg n i c h t festzustellen — s o müssen wir uns noch mehr an das Bedürfnis der G e meinden halten. Nicht nur der g r o ß e n ; — die Klein- und Mittelstädte sind in dem vorliegenden Falle wichtiger. Wir müssen aber auch noch mehr als bisher darauf B e d a c h t nehmen, daß es sich um V e r w a l t u n g s b e a m t e , nicht um Techniker handelt. Hierauf muß schon die ganze F r a n z , Der Verwaltungsingenieur.

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Vorbildung gerichtet sein, nicht auf die Ausbildung von Spezialisten im Hochbau, Maschinenbau usw. Verwalten ist auch ein Beruf, und die Tätigkeit in diesem Beruf erfordert mindestens eine ebenso gründliche und eine so eigenartige Vorbildung wie die des Architekten, des Konstrukteurs, des Baurats oder des Werkdirektors. Manchmal erscheint es, als ob wir uns zu sehr den Vorteilen und Rechten und nicht auch den Pflichten des Berufes zugewandt haben. Was ist denn für die Vorbildung g e s c h e h e n ? — für eine dem Beruf des Verwaltungsbeamten angepaßte Vorbildung? An den Technischen Hochschulen ist die ganze Technik breit auseinandergezogen. Vom ersten Semester an ist der Student schon Spezialist (d. h. in seiner Absicht). Die historische Entwicklung gibt hierfür die Erklärung. Für die Bedürfnisse der Gemeindeverwaltungen ist in der bestehenden Organisation zudem nur wenig Platz. Bis vor kurzem war selbst der Städtebau nur nebensächlich behandelt. Und die Berufsvorbereitung, die dem Studium folgt? Eine sehr gute Ausbildung im Bauen, Konstruieren, Rechnen, Zeichnen, aber doch wohl nicht in d e m , was für die Leitung der Geschäfte und die Vertretung der Interessen eines Gemeinwesens in erster Linie notwendig wäre. Durch Einrichtung eines Studiums für Verwaltungsingenieure sind Anfänge einer Besserung in der theoretisch-wissenschaftlichen Vorbereitung vorhanden. Was aber besonders fehlt, ist die Möglichkeit praktischer Einführung in die so vielseitigen Geschäfte der Verwaltung. Für diesen Teil der Vorbildung — d e r für die Tätigkeit des V e r w a l t e n s besonders w i c h t i g i s t — ist bisher so gut wie nichts, geschehen. Hier sind uns die Akademiker mit juristischem Studium weit voraus. In der, allerdings nur ihnen gebotenen Möglichkeit, sich frühzeitig zu üben, ist der große Erfolg begründet, den sie auf allen Gebieten der Verwaltung errungen haben. Nicht etwa in ihrem Studium, denn das Studium der Rechte ist zunächst doch für einen ganz



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a n d e r e n Beruf bestimmt. Die Rechtswissenschaft ist für d i e Verwaltung nur eine Hilfswissenschaft. In dem neuen preußischen G e s e t z „Uber die Befähigung für die höhere Verwaltung" ist die Bewertung beider Teile der Vorbildung s e h r deutlich geworden. D a s nur dreijährige, nach der Meinung aller Einsichtigen unzureichende Hochschulstudium bleibt unverändert. E i n e sachgemäße B e r u f s bildung hofft man aber — trotz der offenbaren Lücken in der theoretisch-wissenschaftlichen Grundlage — doch •durch die auf vier J a h r e b e m e s s e n e praktische Unterweisung erreichen zu können. Man hält nicht das Studium, s o n d e r n d i e p r a k t i s c h e E i n f ü h r u n g in den Beruf für den wichtigeren Teil. E s ist die goldene R e g e l : Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Nach dieser Regel sollten auch wir handeln. Wir dürfen nicht bloß Forderungen stellen, R e c h t e verlangen und die Städte zu K o n z e s s i o n e n d r ä n g e n ; wir müssen mit der G l e i c h b e r e c h t i g u n g auch gleiche Verwendbarkeit schaffen, Vielseitigkeit und Gewandtheit in mehreren D e z e r n a t e n . Der „ t e c h n i s c h e " B e i g e o r d n e t e muß die Fähigkeit erlangen, mit dem gleichen G e s c h i c k , mit dem er das Stadtbauamt leitet, sich auch in der Steuerverwaltung, der Polizei, dem Armenamt usw. zurechtzufinden, um im Bedarfsfalle auch die Leitung dieser Verwaltungszweige übernehmen zu können. E r muß führen lernen, d. i. verwalten. Und dazu ist es notwendig o d e r doch wohl wünschenswert, daß er recht frühzeitig das einseitig „ t e c h n i s c h e " streicht. Äußerlich wenigstens, innerlich bleibt er der auf naturwissenschaftlich-technischer Grundlage gebildete Akademiker. Möchten doch die großen Verbände der T e c h n i k e r sich der hier vorliegenden Aufgabe annehmen, den j ü n g e r e n Kollegen die Möglichkeit zu erwirken, an den vielen Stellen der Staats- und der Gemeindeverwaltungen erst einmal zu lernen, was V e r w a l t e n heißt. den

Die Schule ist vorhanden in den Bezirksregierungen, Landratsämtern, den Magistraten der Städte und 7*



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anderen S t e l l e n . Sie ist b i s h e r n u r d e n R e f e r e n d a r e n z u gänglich. Könnte der Herr Reichskanzler oder der Staatssekretär des Reichsamtes d e s Innern nicht auch einigen T e c h n i k e r n , die in i h r e m H o c h s c h u l s t u d i u m a u c h d i e S t a a t s w i s s e n s c h a f t e n betrieben h a b e n und sich ü b e r a u s r e i c h e n d e K e n n t n i s s e auf d i e s e n G e b i e t e n a u s w e i s e n k ö n n e n , E i n laß g e w ä h r e n ? V e r w a l t u n g s i n g e n i e u r e , die a u c h d i e S c h u l e der P r a x i s d u r c h g e m a c h t h a b e n , w e r d e n sich als Beig e o r d n e t e nicht z u r ü c k d r ä n g e n lassen von der ersten S t e l l e . U n d d a s ist d o c h d a s h ö h e r e Ziel b e i u n s e r e n B e s t r e b u n g e n , d a ß t e c h n i s c h e r G e i s t E i n g a n g f i n d e t in d e r o b e r s t e n L e i t u n g d e r S t ä d t e . D e n n d a m i t ist n i c h t viel g e w o n n e n , w e n n d e r T e c h n i k e r d e r S t a d t z u m B e i g e o r d n e t e n g e w ä h l t w i r d , w e n n er „ t e c h n i s c h e r " Beig e o r d n e t e r wird. Nicht B a u k ü n s t l e r , K o n s t r u k t e u r e , Maschineningenieure haben den Städten gefehlt, sondern V e r w a l t u n g s b e a m t e , d i e i h r e n Beruf — d e n Beruf d e r V e r w a l t u n g — in t e c h n i s c h e m G e i s t e r f a s s e n , w e l c h e d i e Aufgaben des naturwissenschaftlichen Zeitalters, des „Jahrh u n d e r t s d e r M a s c h i n e " , mit k ü n s t l e r i s c h e m u n d s o z i a l e m , mit w i r t s c h a f t l i c h e m u n d t e c h n i s c h e m E m p f i n d e n d u r c h dringen konnten. A b e r d a z u m u ß m a n d o c h v o r allem e r s t V e r w a l t e n lernen, nicht nur Bauen und Konstruieren. Bauplatz und M a s c h i n e n f a b r i k e r ö f f n e n g e w i ß w e r t v o l l e E i n b l i c k e in d a s m e n s c h l i c h e L e b e n u n d S c h a f f e n ; es ist a b e r f ü r d e n z u künftigen Verwaltungsbeamten doch wohl noch mehr nötig. B i s h e r h a b e n wir e s j e d e m e i n z e l n e n ü b e r l a s s e n , s e i n e Schule zu s u c h e n ; u n s e r S y s t e m war der Zufall. Damit ist d a s Ziel n i c h t z u e r r e i c h e n . E s ist d a s alles s o s e l b s t v e r s t ä n d l i c h , d a ß e s ü b e r f l ü s s i g s c h e i n e n k ö n n t e , auf d a s n a h e l i e g e n d e B e i s p i e l d e r J u r i s t e n z u v e r w e i s e n . E s g e s c h i e h t , weil ich die f e s t e Ü b e r z e u g u n g h a b e , d a ß wir d i e s e m B e i s p i e l f o l g e n müssen, um das zu erreichen, was überhaupt e r s t r e b e n s w e r t ist.

Hochschulpädagogik. N a c h d e m zuletzt 1905/06 ( B e r a t u n g d e s G e s e t z e s über die B e f ä h i g u n g für d e n h ö h e r e n V e r w a l t u n g s d i e n s t ) von M ä n g e l n bei dem juristischen H o c h s c h u l s t u d i u m g e s p r o c h e n wurde, hat sich der p r e u ß i s c h e L a n d t a g n e u e r dings wieder mit der Frage zu beschäftigen g e h a b t . Damals war d i e s e s Studium d a s B e r u f s s t u d i u m der h ö h e r e n Verwaltung — in der d i e s j ä h r i g e n V e r h a n d l u n g steht die V o r b i l d u n g der J u s t i z b e a m t e n im V o r d e r g r u n d d e s Interesses. Vordem w u r d e b e h a u p t e t , daß in dem allzu k u r z e n Studium d e r Verwaltung k a u m Zeit bleibe für die wichtigsten S t a a t s w i s s e n s c h a f t e n , für öffentliches Recht u n d Volkswirtschaft. Dieses Jahr g e h t die F o r d e r u n g wieder nach a n d e r e r Richtung. Jetzt ist Privat- u n d P r o z e ß r e c h t , praktische S c h u l u n g für den Richterberuf wieder die H a u p t sache. Alles in drei J a h r e n . Einmal wird die »Pädagogik« vom Ministerium der Finanzen, dann vom I n n e r n — jetzt von der Justiz bestimmt. Das a r m e »Studium der R e c h t e « ; wann wird es wohl einmal eine klare Z w e c k b e s t i m m u n g e r h a l t e n ? G e h ö r t das S t u d i u m eigentlich z u r Justiz o d e r zur V e r w a l t u n g ? Es ist von einem A b g e o r d n e t e n darauf a u f m e r k s a m g e m a c h t w o r d e n , daß die Zahl der S t u d i e r e n d e n im letzten



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J a h r z e h n t außerordentlich stark a n g e w a c h s e n ist. Es warenv o r h a n d e n p r e u ß i s c h e S t u d i e r e n d e der Rechte auf p r e u ßischen U n i v e r s i t ä t e n : im Jahre 1880 — 2177 S t u d i e r e n d e ; z e h n J a h r e später 2170. Von diesem Z e i t p u n k t an ist die Zahl stetig g e w a c h s e n auf 2940 im Jahre 1895, 4131 (1900), 5304 (1905). Im J a h r e 1906 studierten bereits 5648; im letzten Jahre ist die Zahl a n s c h e i n e n d wieder g e w a c h s e n . Dazu k o m m e n nun n o c h weit über 1000 A n g e h ö r i g e v o n P r e u ß e n , die auf n i c h t p r e u ß i s c h e n (und a u s l ä n d i s c h e n ) Universitäten studieren. Die Zahl der p r e u ß i s c h e n Referendare (die das S t u d i u m der J u r i s p r u d e n z mit der ersten juristischen P r ü f u n g a b g e s c h l o s s e n ) ist g e w a c h s e n von 3590 im Jahre 1880 auf 7160 im Jahre 1907; die Zahl der G e r i c h t s a s s e s s o r e n v o n 1853 im J a h r e 1897 auf 2470 im Jahre 1907. D a s E n d p r o d u k t — der G e r i c h t s a s s e s s o r — ist also sehr klein g e g e n ü b e r der g r o ß e n Zahl von A k a d e m i k e r n , die ihr H o c h s c h u l s t u d i u m mit d e r ersten juristischen P r ü f u n g abg e s c h l o s s e n h a b e n . Hiernach wäre die Justiz gar nicht der H a u p t a b n e h m e r d e s E r z i e h u n g s p r o d u k t e s . W e n n d e r Satz von dem Hauptziel allen U n t e r r i c h t s (den wir s c h o n in der Sexta gelernt h a b e n ) noch in G e l t u n g ist, so sollte man d o c h beim Studium der R e c h t e a u c h wieder einmal f r a g e n , zu w e l c h e m Z w e c k e wohl d i e g r o ß e Zahl j u n g e r L e u t e g e r a d e d i e s e s B e r u f s s t u d i u m ergreift. Um Richter o d e r Rechtsanwalt zu w e r d e n ? D e n rd. 7000 p r e u ß i s c h e n S t u d i e r e n d e n der Rechte im Jahre 1906 s t e h e n z u s a m m e n n o c h nicht 2000 G e r i c h t s a s s e s s o r e n g e g e n ü b e r , die in den drei J a h r e n von 1904 bis 1907 im p r e u ß i s c h e n Justizdienst angestellt o d e r als R e c h t s a n w ä l t e bzw. N o t a r e z u g e l a s s e n w u r d e n . Wo bleiben die a n d e r e n ? Das Studium der R e c h t s w i s s e n s c h a f t e n ist vielleicht g a r nicht m e h r ausschließlich das Studium der Justiz, a u c h nicht d a s der F i n a n z b e a m t e n ( o d e r a n d e r e r V e r w a l t u n g s b e a m t e r ) . Es ist in D e u t s c h l a n d das Studium k a t e x o c h e n ; d a s Studium, das man e r g r e i f t , wenn man sich den »••Weg für alles offenhalten will. — Dann darf a b e r

— dieses nach

Studium den

und

103

seine

Forderungen



Abschlußprüfung

nur

eines

Berufes

auch

nicht

eingerichtet

werden. Solange

das

wissenschaftlicher

juristische

Studium

Vorbereitung

der

einzige

für v e r s c h i e d e n e

Weg Berufe

bleibt, s o l a n g e m ü ß t e n a u c h bei j e d e r B e r a t u n g ü b e r d i e s e s S t u d i u m alle b e t e i l i g t e n B e r u f e g l e i c h z e i t i g i h r e I n t e r e s s e n vertreten

können.

Daß

das

d a n n e n d l i c h einmal e r k a n n t

nicht werden.

möglich

ist,

würde

Eisenbahnjuristen oder Verwaltungsingenieure. Eine Eigentümlichkeit der d e u t s c h e n und österreichischen S t a a t s e i s e n b a h n e n ist der A n t a g o n i s m u s von „Techniker" u n d „Jurist" in ihren Verwaltungen. Der Jurist, so b e h a u p t e n die Techniker, sei ein Eindringling in dem von Ingenieuren g e s c h a f f e n e n Werke, er d r ä n g e sie zurück von dem, was ihnen g e h ö r e , er n e h m e ihnen die o b e r s t e n Stellen weg und b e h a n d l e die ihm u n t e r g e b e n e n Techniker in v e r l e t z e n d e n F o r m e n . Der T e c h n i k e r , so b e h a u p t e n a n d e r s e i t s die Juristen, sei für viele wichtige u n d unentbehrliche Betätigungen in dem g r o ß e n Betriebe nicht g e e i g n e t ; es müßten, w e n n auch das g r o ß e Ingenieurwerk v o r w i e g e n d mit t e c h n i s c h e r Intelligenz verwaltet werde, doch g e w i s s e Zweige der Verwaltung von solchen Beamten g e f ü h r t werden, die bei einer juristischen Fakultät studiert haben, weil die Eigenart g e r a d e dieser Teile ein juristisches Berufsstudium erfordere, d. h. also ausschließliche o d e r doch v o r w i e g e n d e B e s c h ä f t i g u n g d e s S t u d e n t e n mit den Disziplinen des Rechts, „Atmen in juristischer Luft". Dieser Widerstreit der Ansichten und Meinungen ist in den a n d e r n g r o ß e n E i s e n b a h n l ä n d e r n u n b e k a n n t und verdiente eigentlich schon d e s h a l b eine g e n a u e r e Würdig u n g seiner tieferen U r s a c h e n . Er ist aber auch in h o h e m Maße d e r Weiterentwicklung u n s e r e s E i s e n b a h n w e s e n s schädlich. Es ist leider n u r dem Eingeweihten v e r s t a n d -



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lieh, welche b e d e u t e n d e n Werte in dem g r o ß e n Etat der E i s e n b a h n e n durch die unendlich vielen Reibungen und M i ß s t i m m u n g e n jährlich verloren g e h e n . Wieviel m e h r k ö n n t e gearbeitet werden, wenn die g r o ß e Zahl der Beamten, die heute durch die wirkliche u n d vermeintliche Z u r ü c k s e t z u n g in ihrer A r b e i t s f r e u d e g e h e m m t werden, in dem Gefühl der Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t e r z o g e n w e r d e n k ö n n t e n o d e r wenn — falls die Juristen wirklich e n t b e h r lich sind — die g e s a m t e Verwaltung an die T e c h n i k e r ü b e r g e b e n werden k ö n n t e . Schon über zwei J a h r z e h n t e dauert der stille Kampf, hier durch eine Ministerrede, dort durch eine Denkschrift o d e r eine Petition in seinen P h a s e n nach außen kenntlich w e r d e n d . In der P r e u ß i s c h H e s s i s c h e n E i s e n b a h n g e m e i n s c h a f t h a b e n die „ h ö h e r n t e c h n i s c h e n V e r w a l t u n g s b e a m t e n " jetzt wieder eine P e t i t i o n an den L a n d t a g gerichtet. Und auf der G e g e n s e i t e wird wohl wieder eine A b w e h r m a ß r e g e l e r w o g e n . Ist das alles u n v e r m e i d l i c h ? Sind die Kräfte, die zu s o l c h e m Streite immer a n g e s p a n n t bleiben, nicht b e s s e r zu v e r w e n d e n ? Schließlich wird d o c h dieser Kampf aus d e n Mitteln der V o l k s g e m e i n s c h a f t g e f ü h r t , die deshalb nicht länger in Gleichgültigkeit hier z u s e h e n darf. Um so weniger, als das P r o b l e m , das hier zu lösen ist, auch f ü r a n d e r e Zweige der S t a a t s v e r w a l t u n g die A u f m e r k s a m keit d e s g a n z e n L a n d e s verdient. Die g a n z e Technikerfrage — auch sie ist in weitestem U m f a n g e a n d e r n Kulturländern fremd — drängt zu einer L ö s u n g . Die Zeit ist g e k o m m e n . Bei der E i s e n b a h n v e r w a l t u n g ist das am deutlichsten zu e r k e n n e n . Hier würde die L ö s u n g am einfachsten sich vollziehen. Nur müßten beide Seiten erst einmal z u g e b e n , daß Mißverständnisse v o r h a n d e n waren u n d daß es jetzt gilt, d a s W e r d e n d e z u f ö r d e r n , nicht a l t e V o r r e c h t e zu sichern o d e r zu vernichten. Zuerst die T e c h n i k e r . Das sollten sie d o c h nicht abstreiten, daß den J u r i s t e n e i n b e d e u t e n d e s V e r d i e n s t z u k o m m t um die Organisation des g r o ß e n V e r k e h r s w e r k e s . Das d e u t s c h e S t a a t s b a h n netz wäre o h n e J u r i s t e n iib e r h a u p t n i c h t g e w o r d e n .



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S c h o n d e s h a l b nicht, weil die E i s e n b a h n t e c h n i k e r d e r ersten J a h r z e h n t e w e d e r die einschlägigen K e n n t n i s s e hatten, n o c h das erforderliche Interesse b e k u n d e t e n , das dazu g e h ö r t e , d a s n e u e Gebilde in den O r g a n i s m u s des b e s t e h e n d e n Staates e i n z u f ü g e n . Nur selten ( u n d als A u s n a h m e a n z u s p r e c h e n ) ist in ihren Reihen einmal eine P e r sönlichkeit erschienen, die mit ihrer Arbeit, ihrem Sinnen und T r a c h t e n sich aus der S p h ä r e von Eisen und Stein, über Schienen und Lokomotiven hinaus e r h o b e n hätte. D a s war g u t ; denn damit ist u n s eine I n g e n i e u r g e n e r a t i o n erwachsen, die auf ihrem z u n ä c h s t e n g e r e n , d a n n immer g r ö ß e r g e w o r d e n e n Gebiete d a s Beste geleistet hat, was d e n k b a r war; die u n s die tüchtigsten und in ihrem Berufe z u v e r l ä s s i g s t e n Beamten gesichert u n d damit eine Tradition g e s c h a f f e n hat, die für d a s g a n z e d e u t s c h e V e r k e h r s w e s e n von h o h e m Werte ist u n d auch bleiben kann. Max Maria v. W e b e r , eine der h e r v o r r a g e n d s t e n Persönlichkeiten u n t e r den E i s e n b a h n i n g e n i e u r e n , der Poet der Schiene, hat in seinen prächtigen E r z ä h l u n g e n das Bild gemalt, das diese seltene Pflichttreue in dem neuen Berufe bei allen e r k e n n e n läßt. Aber man m u ß doch — u n d d a s erfordert die Gerechtigkeit — sich immer d e s s e n bewußt bleiben, daß sie alle, die das g r o ß e Werk g e s c h a f f e n h a b e n , in den Juristen ihre Helfer hatten. Und diese letztern, die doch in der g r ö ß t e n Zahl nicht Juristen geblieben sind, s o n d e r n dem n e u e n B e r u f s s t a n d sich eingefügt haben, h a b e n nichts als ihre Pflicht getan, w e n n sie dem Ingenieur die Linienf ü h r u n g und die D u r c h b i l d u n g des rollenden Materials überließen und wenn sie selbst die Tätigkeit ü b e r n a h m e n , die wir h e u t e „Verwalten" n e n n e n . Das war eine Arbeitsteilung, die wir als Ingenieure nur g u t h e i ß e n k ö n n e n . A b e r das gilt d o c h n u r für bestimmte V o r a u s s e t z u n g e n . Was in den A n f ä n g e n d e r Entwicklung, in der V e r g a n g e n heit richtig war, m u ß d e s h a l b nicht für alle Zeiten richtig bleiben. D a s v e r k e n n e n d i e J u r i s t e n o d e r richtiger diejenigen Männer, die selbst aus der juristischen Schule h e r v o r g e g a n g e n , weder den tieferen Wert t e c h n i s c h e r S c h u -



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l u n g k e n n e n gelernt haben, n o c h auch die a u ß e r o r d e n t l i c h r a s c h e Entwicklung der I n g e n i e u r e r z i e h u n g ü b e r s e h e n . U n d dies ist wieder o h n e weiteres begreiflich. Die Eigenart der B e a m t e n e r z i e h u n g d e s vorigen J a h r h u n d e r t s , deren P r o d u k t d o c h die g e g e n w ä r t i g e , regierende G e n e r a t i o n der h ö h e r e n V e r w a l t u n g s b e a m t e n darstellt, macht es ja im Verein mit a n d e r e n Verhältnissen fast unmöglich, zu e r k e n n e n , welche g r o ß e n und e n t s c h e i d e n d e n V e r ä n d e r u n g e n vorg e g a n g e n sind. W e n n h e u t e ein h ö h e r e r Verwaltungsb e a m t e r ( o d e r ein Parlamentarier) den Typ d e s akademisch g e b i l d e t e n Technikers schildert, so treten ihm dabei diejenigen Vertreter d e s S t a n d e s vor A u g e n , die er vor z e h n o d e r 'gar vor ¡zwanzig J a h r e n hat k e n n e n u n d würdigen gelernt, u n d das waren vielleicht s c h o n Männer, deren S t u d i e n j a h r e weit z u r ü c k l a g e n . D a s gibt, auf die j ü n g s t e G e n e r a t i o n a n g e w a n d t u n d in der Frage, wie weit der h e u t i g e und der z u k ü n f t i g e Techniker sich zum Verwalten eignet, ein g a n z falsches Bild. B e s o n d e r s auch deshalb, weil die Frage hier g a n z a n d e r s gestellt w e r d e n muß, nicht auf die flüchtige G e g e n w a r t u n d n o c h weniger natürlich auf die V e r g a n g e n h e i t , s o n d e r n auf die nächste Z u k u n f t . W e n n u n s e r e Staatsleitung weiter blicken wollte (und das sollte [doch ihrer Kunst möglich werden), so m ü ß t e sie erkennen, daß die V o r a u s s e t z u n g e n , unter d e n e n v o r d e m viele Stellen der E i s e n b a h n v e r w a l t u n g mit ehemaligen Juristen b e s e t z t w e r d e n m u ß t e n , h e u t e nicht m e h r bestehen, d a ß d i e V e r h ä l t n i s s e s i c h geradezu u m g e k e h r t h a b e n . Nicht die S c h u l u n g im Privatrecht, im P r o z e ß - und Strafrecht, nicht die f o r e n s i s c h e Ü b u n g ist es, was den b e s t e n V e r w a l t u n g s b e a m t e n für ein Verk e h r s u n t e r n e h m e n macht, s o n d e r n eine g r ü n d l i c h e technisch-wirtschaftliche S c h u l u n g , b e s o n d e r s w e n n diese auch alle rechtlichen B e z i e h u n g e n a u s r e i c h e n d berücksichtigt. Seit etwa einem J a h r z e h n t , teilweise s c h o n f r ü h e r , haben die T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e n b e g o n n e n , diesen Unterricht einzurichten, und es wird nicht mehr lange d a u e r n , dann ist er zu einem s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e n Teile aller dieser



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h ö c h s t e n Bildungsstätten g e w o r d e n . Will man nun wirklich für alle Zeit b e h a u p t e n , ein Referendar, der drei Jahre dem normalen rechtswissenschaftlichen S t u d i e n g a n g gefolgt ist, sei wissenschaftlich b e s s e r für eine E i s e n b a h n v e r w a l t u n g vorgebildet als ein Ingenieur, der vier Jahre Eisenb a h n w i s s e n s c h a f t e n , Rechts- u n d Wirtschaftswissenschaften studiert h a t ? Wer diesen Unterricht k e n n t , kann sich natürlich der Einsicht nicht verschließen, daß hier eine der Verkehrtheiten vorliegt, wie sie u n a u f m e r k s a m e Reg i e r u n g e n oftmals s c h o n zum S c h a d e n des Staates g e duldet haben. Aber d a s sind g e r a d e die b e s o n d e r e n Ums t ä n d e bei der Z u s a m m e n s e t z u n g der g e g e n w ä r t i g e n Staatsleitung und der Volksvertretung, daß diese Einsicht nicht v o r h a n d e n sein k a n n . Als die jetzigen f ü h r e n d e n M ä n n e r studiert haben, haben sie gelernt (und so was bleibt fest sitzen), daß die T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e n (die „polytechnischen Schulen", wie sie f r ü h e r h i e ß e n ) für die „ g e w e r b l i c h e n B e r u f e " b e s t i m m t seien, daß sie auf G r u n d einer Allgemeinbildung, die längst nicht an die d e s Universitätss t u d e n t e n h e r a n r a g e , „manuelle Geschicklichkeit" verbreiteten usw. Von den Räten der d e u t s c h e n Regierungen ist selten einer, der das wissenschaftliche Arbeiten in den n e u e n H o c h s c h u l e n selbst k e n n e n gelernt hätte, ja nur wenige k e n n e n diese Stätten ü b e r h a u p t aus eigener Anschauung. In einigen A m t s s t u b e n hat die „ G e w e r b e schule" noch stillen Kurs. Es ist m a n c h e m s o n d e r b a r e r s c h i e n e n , und es verträgt sich auch wirklich nicht recht mit u n s e r e r A n s c h a u u n g von Autorität, daß die B e a m t e n schaft der g r o ß e n S t a a t s e i s e n b a h n v e r w a l t u n g an die Volksv e r t r e t u n g petitioniert um D i n g e , die z u r inneren Verwaltung g e h ö r e n . A b e r man muß dabei doch das A u ß e r g e w ö h n l i c h e ihrer Lage b e r ü c k s i c h t i g e n . Sie sind d u r c h d r u n g e n von der Richtigkeit ihrer A n s c h a u u n g , aber auch von der Ü b e r z e u g u n g , daß s i e s e l b s t auf g r u n d s ä t z liche Fehler a u f m e r k s a m m a c h e n m ü s s e n , weil keine a n d e r e Stelle die Fehler e r k e n n e n k a n n . A b e r vielleicht wäre es d o c h b e s s e r g e w e s e n , von den Petitionen a b z u l a s s e n



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u n d n o c h m a l s einen g a n z a n d e r n W e g zu b e s c h r e i t e n . H i e r z u ein V o r s c h l a g : Daß die E i s e n b a h n e n ehemalige Juristen zu ihrem Dienst h e r a n g e z o g e n haben, war eine Notwendigkeit (wie o b e n schon dargelegt ist). Ich g l a u b e aber, daß die Absicht dabei weniger auf eine juristische V o r b i l d u n g gerichtet war, als vielmehr auf M ä n n e r , die von d e m Banne einer einseitigen F a c h b i l d u n g frei, sich auf G r u n d ihrer Allg e m e i n b i l d u n g in d a s n e u a r t i g e Gebiet einarbeiten k o n n t e n und w o l l t e n . Auf das Wollen ist der N a c h d r u c k zu legen. Natürlich war die rechtliche S c h u l u n g und die Erf a h r u n g in einzelnen R e c h t s g e s c h ä f t e n (Sachenrecht, G r u n d b u c h a m t z. B.) dabei sehr wertvoll, aber es ist doch a u c h gleichzeitig zu b e a c h t e n , daß die Tätigkeit in v e r s c h i e d e n e n D e z e r n a t e n u n d b e s o n d e r s in den leitenden u n d o b e r s t e n Stellen etwas g a n z a n d e r e s ist als z. B. die normale Bes c h ä f t i g u n g eines Bauleiters o d e r eines K o n s t r u k t e u r s . Sie verlangte, wenn man auch über die wissenschaftlichen G r u n d l a g e n a n d e r e r M e i n u n g sein kann, doch eine von der p r a k t i s c h e n Tätigkeit ganz a b w e i c h e n d e Arbeitsrichtung. Diese R i c h t u n g haben die „Juristen" fast immer g e f u n d e n , die wenigen Techniker, die sie Uberhaupt hätten v e r s u c h e n d ü r f e n , waren aber kaum zu diesem V e r s u c h zu b e w e g e n . Die „Juristen", die zur E i s e n b a h n h e r ü b e r g e z o g e n w u r d e n , waren aber auch oft gar keine wirklichen Juristen ( d e s h a l b sind sie ja vom R e c h t s p r e c h e n u n d ihrer e n g e r e n Fachtätigkeit a b g e s c h w e n k t ) ; das waren und sinff h e u t e n o c h Männer, die eine b e s o n d e r e N e i g u n g zu der auch ihnen z u n ä c h s t g a n z n e u e n Tätigkeit führt, die aber hierfür, unter vollständiger R ü c k s t e l l u n g juristischer Interessen, Lust u n d Liebe mitbringen. Ich habe keinen k e n n e n g e l e r n t , d e r e t w a , weil er doch Privat- u n d Strafrecht studiert hatte und Jurist g e n a n n t w u r d e , als E i s e n b a h n j u r i s t n o c h öfters den Sitzungen einer Zivilk a m m e r seines W o h n s i t z e s oder den S c h w u r g e r i c h t s v e r h a n d l u n g e n b e i g e w o h n t h ä t t e ; ich habe auch kein b e s o n d e r e s Interesse an U r t e i l s b e g r ü n d u n g e n oder über-



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h a u p t an feineren R e c h t s f r a g e n g e m e r k t . Wohl aber h a b e ich den Eifer b e o b a c h t e n k ö n n e n , mit dem diese Beamten sich Einblick zu v e r s c h a f f e n suchten in das ihnen g a n z f r e m d e Gebiet d e s Verkehrs und seiner t e c h n i s c h e n G r u n d lagen, freilich nicht o h n e den E i n d r u c k , d a ß d o c h dieses S y s t e m der E r z i e h u n g g a n z widersinnig ist. W a r u m zwingen wir diese Beamten, ihre Studienzeit o d e r doch einen e r h e b lichen Teil davon mit Studien zu verlieren, die für ihre s p ä t e r e Berufsbildung nur einen g a n z b e s c h e i d e n e n N u t z e n h a b e n k ö n n e n , w ä h r e n d g e r a d e das Wesentlichste einer z w e c k e n t s p r e c h e n d e n Bildung vollständig unberücksichtigt b l e i b t ? Man d e n k e sich den O b e r b e a m t e n eines der g r ö ß t e n V e r k e h r s u n t e r n e h m e n mitten im Berufe d e s neuzeitlichen Wirtschaftslebens täglich von den wichtigsten Fragen der m o d e r n e n Technik u m g e b e n : der mußte das Kirchenrecht d e s Mittelalters studieren, bekam aber als S t u d e n t niemals von den G e s e t z e n der E n e r g i e u m s e t z u n g auch nur ein Wort zu h ö r e n ! W e n n er als R e f e r e n d a r G e r i c h t s s c h r e i b e r dienst verrichtet, wird er vielleicht in einem P a t e n t p r o z e ß z u m ersten Male etwas von W ä r m e k r a f t m a s c h i n e n g e h ö r t h a b e n , und wenn er dicht daran stand, Eisenbahndirektionsmitglied zu werden, wird er vielleicht auch N ä h e r e s ü b e r die wichtigste Ingenieurarbeit g e h ö r t haben, Uber dieselbe Arbeit, die die G r u n d l a g e d e s g a n z e n E i s e n b a h n w e s e n s ist. Solch einem Beamten wird es in den seltensten Fällen möglich, die innere Fremdheit, mit der er in das n e u e Gebiet eingetreten, jemals g a n z los zu werden, u n d das wird in der Z u k u n f t noch viel schlimmer w e r d e n und wirkliche B e d e n k e n v e r u r s a c h e n . Diese Ansicht kann nicht d u r c h die Tatsache g e w e n d e t werden, daß wir immer g u t e O b e r b e a m t e in der Eisenbahn g e h a b t haben. Das waren e b e n a u s g e z e i c h n e t e Männer, die vermutlich noch m e h r geleistet hätten, wenn sie w ä h r e n d ihrer Studienzeit auch Vertrautheit mit den G e s e t z e n von Natur und Technik erlangt hätten. Ein E i s e n b a h n p r ä s i d e n t , der in seinen aufnahmefähigen Jahren sich niemals d a u e r n d und ernstlich mit dem Wesen der elektrischen Energie bekannt g e m a c h t



III



hat, wird keine Seltenheit bleiben, wenn das bisherige System der E r z i e h u n g in G e l t u n g bleibt. Ich bin ü b e r z e u g t , daß es nicht in Geltung bleibt, weil ein g r ö ß e r e r Teil einsichtiger S t a a t s m ä n n e r bald e r k e n n e n muß, daß wir in einer U b e r g a n g s z e i t leben mit ihren notwendigen Ungereimtheiten. E s w i r d e i n m a l e i n S t a a t s m i n i s t e r k o m m e n , der den Mut hat, die jetzt schon n a h e l i e g e n d e K o n s e q u e n z zu ziehen und zu s a g e n : Die B e r u f s v o r b i l d u n g hat sich nach dem Bedürfnis der Zeit, des L a n d e s und der S t a a t s e i n r i c h t u n g e n zu strecken, nicht die letzteren n a c h Vorurteilen u n d veralteten E r z i e h u n g s m e t h o d e n . Vielleicht ist gar der g e g e n w ä r t i g e Minister der öffentlichen Arbeiten schon d u r c h d r u n g e n von der Richtigkeit einer solchen F o r d e r u n g . D a n n wäre es aber erst recht u n richtig, daß die h ö h e r n Techniker, die doch in erster Linie d e r Staatsverwaltung, nicht ihren einseitigen S t a n d e s i n t e r e s s e n dienen wollen, jetzt wieder mit F o r d e r u n g e n auf Gleichstellung k o m m e n . Da wäre d o c h richtiger etwa f o l g e n d e s zu s a g e n : „ E s ist ja wahr, daß die Alteren u n s e r e r B e r u f s g e n o s s e n infolge g a n z u n z u r e i c h e n d e r wissenschaftlicher A u s r ü s t u n g für viele Arbeiten der h ö h e r e n V e r w a l t u n g u n g e e i g n e t waren. Sind d o c h n o c h in den 70 er Jahren B a u m e i s t e r eingetreten, die auf ihrer H o c h s c h u l e kaum ein Wort von Recht und Wirtschaft g e h ö r t h a b e n , die auch nur selten G e l e g e n h e i t hatten, länger und e i n g e h e n d e r sich mit den R e c h t s o r d n u n g e n im S t a a t e n g e f ü g e zu beschäftigen o d e r praktische Erfahr u n g e n in der A n w e n d u n g volkswirtschaftlicher Kenntnisse zu sammeln. Die Zeiten sind aber a n d e r e g e w o r d e n , g a n z a n d e r e . Der k o m m e n d e N a c h w u c h s ist jetzt mit t h e o retisch-wissenschaftlichen Kenntnissen m i n d e s t e n s so gut a u s g e r ü s t e t wie ein Referendar. Schaffet, Exzellenz, diesem N a c h w u c h s die Möglichkeit d e s u n u m g ä n g l i c h nötigen z w e i t e n Teils der Vorbildung, d i e p r a k t i s c h e E i n f ü h r u n g i n die b e s o n d e r e n B e r u f s g e s c h ä f t e der E i s e n b a h n v e r w a l t u n g , und Sie w e r d e n in wenig J a h r e n eine Auslese halten k ö n n e n u n t e r j u n g e n Beamten,



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die w i r k l i c h f ü r i h r e n Beruf, d e n Beruf d e r E i s e n b a h n v e r w a l t u n g , v o r g e b i l d e t s i n d . J u r i s t e n sind a u c h f e r n e r nötig, nicht aber z u m Verwalten d e s Ingenieurwerks, s o n d e r n als w e r t v o l l e g u t b e s o l d e t e u n d h o c h g e a c h t e t e Iustitiare. V o r b i l d ist d i e s t a a t l i c h e V e r w a l t u n g d e r B e r g w e r k e . " S o etwa, o d e r a n d e r s a u c h . Wir w o l l e n e r s t n e u e P f l i c h t e n auf u n s n e h m e n ; d a ß d a n n u n s d i e R e c h t e v e r l i e h e n w e r d e n , d a s h o f f e n wir v o m p r e u ß i s c h e n g e r e c h t e n S t a a t . J e d e n f a l l s s o l l t e n i c h t b e h a u p t e t w e r d e n , d a ß die V o r b i l d u n g in i h r e n b e i d e n T e i l e n — d i e B e r u f s b i l d u n g b e s t e h t d o c h a u s z w e i Teilen — b i s h e r s c h o n g l e i c h w e r t i g war. D e n n d i e E i s e n b a h n t e c h n i k e r , in i h r e r G e s a m t h e i t b e t r a c h t e t , w a r e n d e n E i s e n b a h n j u r i s t e n , d i e s e w i e d e r in i h r e r G e s a m t h e i t b e t r a c h t e t , n a c h d e m sie z u r E i s e n b a h n ü b e r g e t r e t e n , b i s h e r n i c h t g l e i c hw e r t i g . In d i e s e m Begriff ist w a h r s c h e i n l i c h d e r S t r e i t p u n k t g e l e g e n . Vom Standpunkte der Wissenschaften, der Hochschulen, der Standeswerte m a g eine Gleichheit v o r h a n d e n g e w e s e n sein, aber nicht aus dem Gesichtswinkel der obersten Leitung einer großen Verwaltung. Aber darin g e r a d e s e h e ich d i e U n g e r e c h t i g k e i t , d i e in d e r n e u e s t e n Z e i t f o r t g e s e t z t w i r d , d a ß die S t a a t s l e i t u n g d e n j u n g e n L e u t e n , die auf G r u n d d e r d e n k b a r b e s t e n t h e o r e t i s c h - w i s s e n schaftlichen Vorbereitung und unter dem D r a n g e wertvoller T a l e n t e die L a u f b a h n d e r h ö h e r e n V e r w a l t u n g b e t r e t e n w o l l e n , d e n Z u g a n g a b s p e r r t , d a ß sie d i e s e L a u f b a h n d e n e n n u r e r ö f f n e t , die die j u r i s t i s c h e P r ü f u n g b e s t a n d e n h a b e n . A l s o eine P r ü f u n g , die d o c h k e i n e s w e g s d i e s e l b e S i c h e r h e i t b i e t e t wie d i e n e u e r d i n g s auf T e c h n i schen Hochschulen eingerichteten Prüfungen für Verw a l t u n g s i n g e n i e u r e . Ein j u n g e r M a n n , n e n n e n wir i h n A, b e s u c h t n e u n J a h r e d a s h u m a n i s t i s c h e G y m n a s i u m , ist d a n n ein J a h r in e i n e m i n d u s t r i e l l e n W e r k e o d e r e i n e r E i s e n b a h n h a u p t w e r k s t ä t t e tätig, u n d z w a r mit f r e i w i l l i g e r S t e l l u n g u n t e r die A r b e i t s o r d n u n g . E r s t u d i e r t d a n n auf e i n e r T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e die m a t h e m a t i s c h - n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n H i l f s f ä c h e r d e r T e c h n i k , die R e c h t s l e h r e



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u n d die Volkswirtschaft, schließt diesen ersten Teil des Studiums mit einer P r ü f u n g ( D i p l o m V o r p r ü f u n g ) ab, w e n d e t sich dann weitere zwei J a h r e d e m Studium der E n e r g i e u m s e t z u n g e n zu, bzw. den t e c h n i s c h - k o n s t r u k t i v e n Eisenb a h n w i s s e n s c h a f t e n , unter gleichzeitiger V e r t i e f u n g in Einzelgebiete d e s Staats- u n d V e r w a l t u n g s r e c h t s , der F i n a n z w i s s e n s c h a f t e n u n d der E i s e n b a h n g e s e t z g e b u n g ; b e s t e h t eine zweite ( D i p l o m h a u p t - ) P r ü f u n g , um n u n m e h r den p r a k t i s c h e n E i s e n b a h n d i e n s t k e n n e n zu lernen, der den Ü b e r g a n g bildet zu einem m e h r j ä h r i g e n E i s e n b a h n v e r w a l t u n g s d i e n s t , der w i e d e r u m d u r c h eine P r ü f u n g abgeschlossen werden könnte — Eisenbahnassessor. Ein zweiter, B, a u s g l e i c h e m H a u s e , m i t g l e i c h e r Mittelschulbildung, m ö g e die Rechte bei einer juristischen Fakultät s t u d i e r e n . Er verweilt nur drei Jahre auf seiner H o c h s c h u l e , w e n d e t vielleicht weniger Zeit auf seine Studien u n d b e s t e h t eine erste juristische P r ü f u n g , der später nach einem j u r i s t i s c h e n A u s b i l d u n g s d i e n s t (nicht etwa E i s e n b a h n d i e n s t ) die A s s e s s o r p r ü f u n g folgt. Bei einem Vergleich der beiden A und B ist d o c h o h n e weiteres ersichtlich, daß der e r s t e r e für die E i s e n b a h n verwaltung die wertvolleren K e n n t n i s s e , Fähigkeiten und E r f a h r u n g e n mitbringt. Die K o n s e q u e n z m u ß also g e z o g e n werden. W a r u m m a c h e n d i e h ö h e r e n E i s e n b a h n t e c h n i k e r nicht einen solchen Vorschlag? Er hätte den Vorteil, daß er selbst im p r e u ß i s c h e n L a n d t a g A n n a h m e finden könnte. Die G l e i c h s t e l l u n g der t e c h n i s c h e n Intelligenz mit der j u r i s t i s c h e n wäre innerhalb eines M e n s c h e n a l t e r s vollkommen d u r c h g e f ü h r t , wahrscheinlich wäre das Verhältnis, wie seit langem schon bei der Bergverwaltung, d a n n das u m g e k e h r t e . Nur eins ist hier noch h e r v o r z u h e b e n . Die T e c h n i k e r m ü s s e n einsehen, daß in einem Riesenbetrieb, wie die p r e u ß i s c h - h e s s i s c h e S t a a t s b a h n v e r w a l t u n g , auf e i n e n Obern immer m e h r e r e Untere k o m m e n m ü s s e n , daß o h n e Untero r d n u n g kein Verwalten, kein Regieren möglich ist. Und weiter, daß das Prinzip der Wirtschaftlichkeit verlangt, F r a n z , Der Verwaltun^singenicur.