Der Vertragsbruch des Dienstleisters: Deutsches Recht, Englisches Recht und Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens 9783866539075

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Der Vertragsbruch des Dienstleisters: Deutsches Recht, Englisches Recht und Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens
 9783866539075

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Vorwort der Herausgeber
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Kapitel Einführung
§1 Vorbemerkungen
2. Kapitel Der Vertrag über die Leistung von Diensten
§2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen
A. Allgemeine Voraussetzungen für das Bestehen eines Vertrages
I. Anforderungen an das Bestehen einer vertraglichen Einigung
II. Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages
1. Das Fehlen eines übergreifenden Konzepts zum Umgang mit Rechts- und Sittenverstößen im englischen Recht
2. Grundlinien der Position der PECL und des DCFR
3. Konkretisierungskriterien für die Nichtigkeitsfolge nach englischem Recht
4. Praxisrelevante Beispielsfälle aus dem Dienstleistungsbereich
5. Teilbarkeit des Vertrages?
B. Grundlage und Grenzen des impliziten Vertragsschlusses
I. Umgehung der doctrin of privity of contract
II. Verletzung vorvertraglicher Anzeige- und Informationspflichten
1. Das weitgehende Fehlen eines entsprechenden Bedürfnisses nach deutschem Recht, den PELSC und dem DCFR
a) Gegenstände der Warn- und Hinweispflichten nach PELSC und DCFR
b) Anforderungen der vorvertraglichen Warnpflicht nach PELSC und DCFR
aa) Subjektiv-objektivierter Sorgfaltsstandard des Dienstleisters nach den PELSC
bb) Parallele Ausgestaltung des vom Gläubiger geschuldeten Sorgfaltsstandards
c) Zur Bedeutung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach deutschem Recht
2. Begründungsmuster für die Annahme eines impliziten Vertragsschlusses nach englischem Recht
III. Veranlassung durch Parteibeziehung oder -handeln
1. Laufende Geschäftsbeziehung
2. Weitere Fälle
C. Herkömmliche Bewirkung einer vertraglichen Haftung gegenüber „Dritten“
I. Nebenabreden
II. Abtretungserklärung und Geltendmachung von Drittschäden
§3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung
A. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Arztrecht
I. Vorbemerkung zum englischen Recht
II. Die privatärztliche Behandlung
1. Typische Gestaltungsformen der privatärztlichen Behandlung nach englischem Recht
a) Getrennte Verträge mit Arzt und Krankenhaus
b) Vertragsschluss allein mit dem Arzt oder einer Klinik
c) Exkurs: Privat finanzierte Leistungen innerhalb des NHS
2. Typische Gestaltungsformen ärztlicher Behandlung nach deutschem Recht
a) Niedergelassene Ärzte
b) Behandlung im Krankenhaus
aa) Ambulante Behandlung
bb) Stationäre Behandlung
(1) Totaler Krankenhausvertrag
(2) Belegarztvertrag
(3) Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag
B. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Anwaltsrecht
I. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im englischen Anwaltsrecht
1. Vorbemerkungen
2. Der retainer des solicitors
3. Die rechtlichen Beziehungen zum barrister
II. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im deutschen Anwaltsrecht
C. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Architektenrecht
I. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im englischen Architektenrecht
1. Begriffliche Vorbemerkungen
2. Vertragsgestaltung und Vertragstypen im privaten Baurecht
a) Building contract
b) Design and build contract
c) Management contract 56 II. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im deutschen Architektenrecht
1. Vorbemerkung
2. Vertragsgestaltung und Vertragstypen im privaten Baurecht
3. Kapitel Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen
§4 Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard
A. Ausdrückliche Vereinbarungen (Express terms)
B. Vertragsergänzung und Dienstleistungshaftung
C. Quellen der Vertragsergänzung nach englischem Recht
D. Die Bedeutung der Vertragsinhaltsbestimmung für den Haftungsstandard – Unterschiede zwischem den Haftungsmechanismen des deutschen Rechts gegenüber denen des englischen, der PELSC und des DCFR
I. Mechanismen vertraglicher Haftung nach deutschem Recht
II. Mechanismen vertraglicher Haftung nach englischem Recht, PELSC und DCFR
§5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung
A. Die Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages
I. Ausschluss der Haftung trotz Scheitern des Vertrages
1. Frustration
a) Grundvoraussetzungen
b) Vergleich mit dem deutschem Recht, den PECL und dem DCFR
aa) Parallelen zu §313 BGB und Art. 6:111 PECL, Art. III. –1:110 DCFR
bb) Parallelen zu §275 BGB und Art. 9:102 PECL, Art. III.–3:302 DCFR
c) Insbesondere: Frustration von Dienstleistungsverträgen
aa) Die Behandlung von personenbezogenen Leistungshindernissen nach englischem, deutschem Recht, den PECL und dem DCFR
bb) Dauerhafte und vorübergehende Leistungshindernisse
cc) Zwischenfazit
d) Rechtsfolgen der Frustration
aa) Haftungsbefreiung und Restitution
bb) Ausschluss von Pflichtverletzung und Schadensersatzansprüchen
cc) Vergleich mit dem deutschen Recht, den PECL und dem DCFR
2. Haftungsentlastung durch vertragliche Risikoverteilung
II. Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages
1. Self-induced Frustration
2. Haftung für anfängliche Unmöglichkeit
B. Vertragliche Haftung unabhängig vom Scheitern des Vertrages
I. Die sorgfaltsunabhängige Haftung (strict oder absolute liability)
1. Vergleichende Vorbemerkung
2. Die sorgfaltsunabhängige Haftung
a) Hintergründe
aa) Konzentration auf das jeweilige Versprechen
bb) Rechts- und sozialhistorische Faktoren
b) Begründungsmuster
aa) Zahlungspflichten
bb) Beschaffung von Gattungssachen
cc) Warenkauf
c) Fazit
II. Die sorgfaltsabhängige Haftung am Beispiel der gesetzlichen Regelung durch den Supply of Goods and Services Act 1982
1. Die gesetzliche Regelung der sorgfaltsabhängigen Haftung im Supply of Goods and Services Act 1982
a) Sections13 und14 Supply of Goods and Services Act 1982
aa) Contract for the supply of a service
(1) Ausgenommene Verträge
(2) „Gemischte“ Verträge
(3) Fazit
(4) Sonderproblem: Unilateral contracts
bb) Reasonable Care and Skill
(1) Reasonable Care
(2) Reasonable Skill
b) Persönliche Leistungspflicht?
c) Die Leistungszeit
d) Die praktische Bedeutung der s.13 SGSA für Ärzte, Anwälte und Architekten
aa) Klarstellungsfunktion
bb) Ausschlussfunktion
§6 Die Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht
A. Vorbemerkungen
I. Terminologisches
II. Negligence als tort
B. Die Einflussnahme des Deliktsrechts auf das heutige Vertragsrecht
C. Dogmatische und praktische Konsequenzen
D. Rechtstechnische Parallelen
I. Deliktsrecht
II. Parallelen zwischen Vertrag und Delikt
1. Praktische Auswirkungen
2. Einfluss des Vertragsrechts auf die Entwicklung des tort of negligence?
3. Konsequenz
4. Kapitel Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen
§7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand
A. Die Hintergründe einer Verpflichtung zu Sorgfalt und die praktische Bedeutung dieser Verpflichtung
I. Die Bedeutung begrenzter Entlastungsmöglichkeiten bei strikter Verpflichtung
1. Ausgangsüberlegung zum englischen Recht
2. Parallele Abgrenzungsbemühungen im deutschen Recht vor anderem praktischem Hintergrund
a) Abgrenzungskriterien
b) Qualifikation der Verträge mit Ärzten, Anwälten und Architekten
aa) Einordnung des Arztvertrages in die Vertragstypen des BGB
bb) Einordnung des Anwaltsvertrages in die Vertragstypen des BGB
cc) Einordnung des Architektenvertrages in die Vertragstypen des BGB
(1) Die Qualifikation der Gesamt- oder Vollarchitektur in der Rechtsprechung des BGH
(2) Die Übertragung der werkvertraglichen Qualifikation auf Einzelleistungeninder Praxis
(3) Bislang weitgehend anerkannte verbleibende Spielräume für eine dienstvertragliche Qualifikation
(4) Offene dogmatische Fragen und ihre Bedeutung für die Grenzen der Qualifzierung von Architektenpflichten als werkvertragliche Erfolgspflichten
(5) Die Bedeutung des geschuldeten Architektenverhaltens im Rahmen erfolgsbezogener Pflichten
c) Praktischer Hintergrund im deutschen und englischen Recht
II. Faktoren für die Annahme einer Verpflichtung zu Sorgfalt bzw. einer sorgfaltsabhängige Haftung
III. Bedenken gegenüber einer undifferenzierten Verpflichtung zu care and skill im englischen Recht
B. Der „versprochene Dienst“ i.S.d. §611 Abs.1 BGB – Verpflichtung zu Sorgfaltals Inhalt des Leistungsversprechens?
I. Die Vorgaben der Rechtsprechung hinsichtlich des Inhalts des Leistungsversprechens des Dienstvertragsschuldners
II. Die Unvereinbarkeit der Rechtsprechung mit dem Parteiwillen, der Systematik des BGB und den Vorgaben des historischen Gesetzgebers
1. Die dogmatische Inkonsequenz und Unvereinbarkeit des Verneinens einer Verpflichtung zu Sorgfalt mit dem Parteiwillen
2. Die Irrelevanz des Fehlens „besonderer“ Leistungsstörungsregeln im Dienstvertragsrecht
a) Die Minderung durch Gestaltungserklärung als allgemeiner Rechtsbehelf
b) Die Verpflichtung zur Nacherfüllung
c) Die Untauglichkeit einer systematischen Argumentation mit dem Werkvertragsrecht
d) Das Fehlen spezifischer Wertungen im Dienstvertragsrecht
3. Die Unzulässigkeit einer Überbürdung des Risikos einer vertragswidrigen Tätigkeit auf den Gläubiger
4. Die Position des „historischen“ Gesetzgebers
III. Die Unerheblichkeit praktischer Schwierigkeiten der Schadensidentifizierung
IV. Fazit und Vergleich mit den PELSC sowie dem DCFR
C. Praktische Konsequenzen einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick
§8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick
A. Gruppenspezifischer Sorgfaltsstandard
I. Die Regelung der PELSC und des DCFR
II. Parallelen zwischen der Position des englischen Rechts und den Mechanismen der Bestimmung der gemäß §276 Abs. 2 BGB maßgeblichen Sorgfalt
B. Die Objektivierung des vertraglich geschuldeten Mindestsorgfaltsstandards
I. Die Position der PELSC und des DCFR
II. Die Behandlung der Problematik auf der Grundlage der Dogmatik und Praxis des deutschen Rechts
1. Begründungsmuster
a) Vertrauensgrundsatz
b) Garantiegedanke
2. Spezifische Wertungen des Dienstvertragsrechts?
a) Subjektiver Leistungsmaßstab als Konsequenz der Zweifelsregel des§613S.1BGB?
b) Bewertung
aa) Der sozialpolitisch motivierte Hintergrund für die Einführung der dogamtischen Kategorie eines subjektiven Leistungsmaßstabs
bb) Die Irrelevanz dieser Überlegungen für das allgemeine Dienstvertragsrecht
3. Die Rechtslage im Anwaltshaftungsrecht
a) Differenzierung der Standards für Pflicht und Verschulden zur Vermeidung einer weitgehenden Konvergenz von Pflichtverletzungstatbestand und Verschulden bzw. Vertretenmüssen?
b) Die von Rechtsprechung und Literatur befürworteten Pflichtenstandards
c) Konsequenzen für die hinsichtlich des Verschuldens maßgeblichen Standards
aa) Regelfall
bb) Ausnahmen
cc) Konsequenzen der Objektivierung
4. Pflichtinhalt und Verschuldensmaßstab im deutschen Arzthaftungsrecht
a) Maßstäbe für Pflichtinhalt und Verschulden im Arzthaftungsrecht
b) Die Zulässigkeit einer Objektivierung im Arzthaftungsrecht
c) Konsequenzen der Objektivierung im Arzthaftungsrecht
5. Die maßgeblichen Standards im Architektenhaftungsrecht
a) Die Bedeutung der Konvergenzproblematik im Architektenhaftungsrecht
b) Die maßgeblichen Standards im Architektenhaftungsrecht
aa) Die Position von Rechtsprechung und Literatur
bb) Die Unvereinbarkeit einer dispositiven Verpflichtung zur „bestmöglichen“ Leistung mit den Vorgaben des §633 Abs. 2 BGB
cc) Die Objektivität der Standards 191 dd) Die Konvergenzproblematik im vertraglichen Architektenhaftungsrecht
6. Konsequenz: Unterscheidbarkeit von Pflichtverletzung und Verschulden?
7. Fazit
II. Die Diskussion im englischen Recht
1. Standardsenkung auf Grundlage des erkennbaren Erfahrungslevels?
2. Die Untauglichkeit einer Argumentation mit dem Gleichheitssatz
3. Die Irrelevanz ethisch-moralischer Vorwerfbarkeit
4. Objektivierung qua Rechtsprechungspraxis
a) Die Irrelevanz mangelnder Erfahrung oder Sachkunde
b) Dogmatische Begründung der Haftung für ein Unterschreiten des Mindeststandards aufgrund mangelnder Erfahrung
c) Territorial differenzierte Objektivierung?
aa) Geltung der locality rule?
bb) Erklärungsmuster für eine territoriale Differenzierung
cc) Kritik der locality rule
d) Zum Umgang mit mangelnder Sachkunde oder Erfahrung
aa) Arzthaftung 207 bb) Architektenhaftung
5. Die Unvereinbarkeit einer sorgfaltsmindernden Subjektivierung mit vertragsrechtlichen Vorgaben
a) Vertraglicher Auslegungsmaßstab
b) Die regelmäßige Unverwertbarkeit der Informationen „Erfahrungslevel“
c) Indizien für eine Objektivierung des Mindeststandards
aa) Berücksichtigung des Erfahrungslevels nur im Ausnahmefall
bb) Regelmäßige Irrelevanz eigener Kompetenz des Gläubigers
cc) Kein Mitverschulden des Gläubigers wegen unterlassener Aufklärung des Erfahrungslevels
d) Die Bedeutung der Gegenleistung des Schuldners
e) „Materielle“ Begründung der Verpflichtung zum Erreichen des durchschnittlichen Standards
f) Die Vertragsauslegung vor dem Hintergrund des Wortlauts des Bolam-Tests
C. Umstände des Einzelfalls und Konkretisierung des Sorgfaltsstandards
I. Die allgemeinen Konkretisierungskriterien der PELSC und des DCFR
1. Die Grundnormen Art.1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR
2. Konkretisierung durch dienstleistungstypenspezifische Vorgaben
II. Konkretisierung der relevanten Umstände des Einzefalls im englischen Recht
1. Aufwand-Nutzen-Analyse
2. Maßgeblicher Zeitpunkt und rechtliche Qualifikation der Abwägungsentscheidung
III. Die Grundmechanismen zur Konkretisierung der Sorgfaltsanforderungen nach deutschem Recht
1. Die Bedeutung der Differenzierung nach Verkehrskreisen
2. Kriterien der erforderlichen Interessenbewertung
a) Komparativer Maßstab
b) Schutzwürdigkeit des Gläubigers
c) Kosten-Nutzen-Analyse
d) Orts- und Zeitbezug
e) Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des Schädigungserfolgs als Kriterien der Pflichtverletzung
IV. Fazit
§9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards
A. Die Position des deutschen Rechts
I. Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Arzthaftung
1. Begriff und Bedeutung des „Standards“
2. Grenzen der Orientierung des rechtlichen Standards an medizinischen Vorgaben
3. Der Hintergrund der Grenzziehung
4. Rechtsprechungspraxis
II. Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Anwaltshaftung
III. Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Architektenhaftung
1. Der Inhalt des Leistungsversprechens im Falle der Gesamtarchitektur
2. Die Bedeutung der tatsächlichen Übung am Beispiel der Planungshaftung
3. Fazit
B. Die Regelung der Art.1:107(3) PELSC, IV.C.–2:105(3) DCFR
C. Vorbemerkungen zum so genannten Bolam-Test und zu dessen Bedeutung im englischen Recht
I. Divergerierende Entscheidungen über den Inhalt des Bolam-Tests
II. Hintergrund: Die restriktive Grundhaltung der englischen Rechtsprechung
III. Die verschiedenen Funktionen des Bolam-Tests
IV. Ausgangsüberlegung zur Bedeutung einer bestehenden professionellen Praxis
1. „Vermutung“ angemessenen Verhaltens
2. Widerleglichkeit der „Vermutung“ der Angemessenheit
D. Der Bolam-Test in der Rechtsprechungspraxis
I. Bolam-Test und Anwaltshaftung
1. Die verbreitete Praxis als Entlastungsmechanismus mangels bisheriger Risikorealisierung?
2. Die Rechtsprechungspraxis zur Bedeutung eines verbreiteten Standards
a) Keine definitive Determination
b) Die Bedeutung des gerichtlichen Sachverstands
c) Konsequenz
d) Inhaltliche Übereinstimmung bei abweichender Formulierung
e) Die Maßgeblichkeit der Erwartungen der Öffentlichkeit
3. Fahrlässigkeit trotz Übereinstimmung mit einer verbreiteten Praxis
a) Kriterien zur Konkretisierung der reasonableness
b) Bewertung der Entscheidung in der Sache Edward Wong
c) Konsequenzen 260 4. Die jüngere Rechtsprechungspraxis
a) Conveyancing
aa) Bestätigung von Edward Wong
bb) Die Bedeutung der obligatorischen Haftpflichtversicherung
b) Prozessführung
II. Bolam-Test und Architektenhaftung
1. Die Anwendbarkeit des Bolam-Tests
2. Die Leitlinienqualität einer verbreiteten Praxis
3. Funktionsgrenzen der Leitlinie
a) „Evidente“ Fehlleistungen
b) Kriterien für die Bestimmung von „Evidenzfällen“
aa) JD Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associated Ltd
bb) Konsequenzen: Grenzen des Bolam-Tests
c) Die Bedeutung eigener Sachkunde des Gerichts
aa) Die Funktionen von Sachverständigen
bb) Besonderer Sachverstand des Gerichts
4. Konsequenzen für die Bestimmung des Standards
III. Bolam-Test und Arzthaftungsrecht
1. Die ältere gerichtliche Interpretation des Bolam-Tests
a) Bolam v Friern Hospital Management Committee
b) Die gerichtlich praktizierte Interpretation
c) Konsequenzen der restriktiven Haltung der Gerichte
aa) Weitgehende Irrelevanz der Interessen des Gläubigers
bb) Bewertung des Sachverständigengutachtens
d) Begründungsansätze für die besonders restriktive Haltung im Arzthaftungsrecht
aa) Richterliche Voreingenommenheit?
bb) Kollegialität unter Sachverständigen
cc) Rolle der Anwaltschaft
2. Erste Andeutungen eines Rechtsprechungswandels in Sidaway?
3. Die Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Bolitho
4. Die Entscheidung des House of Lords in der Sache Bolitho
a) Die Relevanz des Bolam-Tests
b) Das Erfordernis einer gegenüber dem Patienten verantwortlichen Vorgehensweise
c) Kriterien zur Konkretisierung einer verantwortlichen Vorgehensweise
5. Die jüngere Entwicklung nach Bolitho
a) Bewertunginder Literatur
b) Die Entwicklung der Rechtsprechung
aa) Entscheidungsstatistik
bb) Entscheidungsanalyse
c) Schlussfolgerungen
IV. Grenzen der Haftungsentlastung durch eine verbreitete Praxis
§10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung
A. Die Position der PELSC und des DCFR
I. Primäre Entscheidung durch den Gläubiger
II. Sekundäre Entscheidung durch den Schuldner mit Revisionsmöglichkeit des Gläubigers
III. Fazit
B. Der Konkretisierungsmechanismus nach deutschem Recht
I. Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Arzthaftungsrecht
1. Diagnose
2. Therapie
a) Die primäre Auswahl durch den Arzt
b) Immanente Grenzen der Wahlfreiheit
II. Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Anwaltshaftungsrecht
1. Gesetzliche Ausgangsbewertung der Interessenlage
2. Abgrenzung der Entscheidungsbefugnisse von Anwalt und Mandant
a) Insbesondere: Das Gebot des relativ sichersten Weges
b) Zweckmäßigkeitserwägungen
3. Fazit
III. Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Architektenhaftungsrecht
1. Vertrag mit Bezugnahme auf§15HOAI
2. Der Konkretisierungsmechanismus bei Verträgen ohne ausdrückliche oder in Bezug genommene Leistungsbeschreibung
a) Die Bedeutung der Vorgaben des §633 Abs.2 S.2 Nr.2 BGB
b) Der Mechanismus der Leistungskonkretisierung
C. Der Konkretisierungsmechanismus nach englischem Recht
I. Der Sorgfaltsbestimmungsmechanismus auf der Grundlage von Bolam v Friern Hospital Management Committee
II. Konsequenz: Primäre Leistungskonkretisierung durch den Schuldner
1. Konkretisierung des Leistungsinhalts durch den Schuldner
2. Leistungskonkretisierung und Vertragsrecht
a) Einseitige Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei
b) Leistungskonkretisierung durch Dritte
aa) Unterlassen einer Leistungsbestimmung durch den benannten Dritten
bb) Leistungsbestimmung durch einen Dritten
3. Die Integration des Konkretisierungsmechanismus in den Vertrag
a) Vertragsauslegung
b) Keine implication in fact
c) Implication in law
aa) Typische Interessenlage
bb) Berücksichtigung der Gläubigerinteressen
III. Die Bedeutung des Konkretisierungsmechanismus für die Gegenleistung
D. Fazit
§11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen im englischen Dienstleistungshaftungsrecht
A. Betonung der Verpflichtungsperspektive
B. Die Bedeutung der Ausübung eines common calling für die Dienstleistungshaftung
I. Die Vermutung angemessener Sachkundigkeit für Betreiber eines common calling
II. Die Maßgeblichkeit der Erwartungen der Öffentlichkeit
III. Konzentration auf die handwerkliche Qualität der Leistung
IV. Die historische Bedeutungslosigkeit einer Gegenleistung
V. Konsequenzen
C. Die gedankliche Identifizierung der Standards für Sachkunde und Sorgfalt
I. Die Entwicklung im amerikanischen Arzthaftungsrecht
II. Das englische Recht
1. Konzeptionelle Trennung zwischen care und skill?
2. Betonung des Tatfragecharakters
III. Noch einmal: Bolam v Friern Hospital Management Committee
1. Normativer oder deskriptiver Test?
a) Die Feststellungen des Gerichts
b) Normatives Verständnis des Gerichts
aa) Ansprache vor der Medico-Legal Society
bb) Die Bedeutung von Hunter v Hanley
cc) Ungestellte und nicht beantwortete Fragen
2. Die Identifizierung von ordinary mit reasonable in der Rechtsprechung nach Bolam
3. Die stärkere Betonung unabhängiger Wertung in der australischen Rechtsprechung als Vorbild
IV. Ein Modell des Sorgfaltsbestimmungsmechanismus auf der Grundlage einer Differenzierung zwischen skill und care
1. Angemessene Sorgfalt als Schuldinhalt
a) Mindeststandard
b) Das Vorgeben besonderer Kenntnisse
2. Die Bestimmung angemessener Sachkunde
3. Die Bedeutung der geschuldeten Sachkunde für den geschuldeten Sorgfaltsstandard
a) Die Bedeutung sachkundiger Leistung für den Gläubiger
b) Sachkunde und Standard des reasonable man
c) Konsequenzen für das Verhältnis von Sorgfalt und Sachkunde
§12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Konkretisierung der vertraglichen Pflichten des Dienstleisters
A. Vorbemerkung
I. Weichenstellungen der PELSC und des DCFR
1. Informationspflichten außerhalb von spezifischen Informationsverträgen
2. Interessenlage
II. Einführende Bemerkungen zum englischen und deutschen Recht
III. Erklärungsmuster für vertragliche Informationspflichten nach englischem Recht
B. Aufklärungspflicht des Anwalts
I. Zweckrichtung der Aufklärung
1. Orientierung am Informationsbedürfnis des Mandanten
a) Deutsches Recht
b) Englisches Recht
aa) Die Anerkennung von Aufklärungspflichten bei bestehenden Risiken
bb) Orientierung am erkennbaren Informationsbedürfnis des Mandanten
cc) Das Informationsbedürfnis als Grenze der Informationspflicht
c) PELSC und DCFR
aa) Explizite Ausrichtung am Informationsbedürfnis des Klienten
bb) Bestätigung durch die Entlastungswirkung einer beim Mandanten vorhandenen Information
II. Der Inhalt der Aufklärungs- bzw. Belehrungspflicht: Konkretisierung des Informationsbedürfnisses des Mandanten
1. Der Inhalt und Umfang der Belehrungspflicht des deutschen Rechtsanwalts
2. Inhalt und Umfang der Aufklärungspflicht englischer solicitors
3. Grundlinien der Regelung des Informationsvertrags nach PELSC und DCFR
a) Allgemeine Pflichten im Rahmen von Informationsverträgen
aa) Differenzierte Regeln und Haftungsstandards für wertende und faktische Informationen
bb) Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer vom Gläubiger zu treffenden Auswahlentscheidung
b) Beratungspflichten
III. Einzelfragen der anwaltlichen Aufklärungspflicht
1. Art und Weise der Aufklärung
a) Deutsches Anwaltshaftungsrecht
b) Englisches Anwaltshaftungsrecht
c) Die Anforderungen der PELSC und des DCFR an die Aufbereitung der Information im Vergleich
2. Rücksichtnahme auf die aktuellen Kenntnisse des Anwalts?
3. Hinweisobliegenheiten des Mandanten in Bezug auf Rechtsfragen?
4. Grund und Grenzen einer wirtschaftlichen Aufklärung
a) Aufklärungspflichten des englischen solicitors über wirtschaftliche Risiken
b) Zur Beratungspflicht des deutschen Anwalts über wirtschaftliche Risiken
IV. Zwischenergebnisse
C. Aufklärungspflicht des Architekten
I. Grundlinien der Aufklärungspflichten des Architekten nach den PELSC und dem DCFR
II. Die Aufklärungspflichten des Architekten nach englischem und deutschem Recht
1. Planungsphase
a) Wirtschaftliche Verwendbarkeit
b) Kostenvoranschlag und Budget 394 aa) Konkretisierungskriterien nach englischem Recht
(1) Starke Abweichung
(2) Stetszuberücksichtigende Faktoren 395 bb) Grundzüge der Verpflichtung zur Kostenkontrolle nach deutschem Recht
2. Baudesign
a) Keine Haftungsentlastung durch Billigung des Desgins ohne Aufklärung
aa) Keine Entlastung des Architekten bei unaufgeklärter Billigung durch den Auftraggeber
bb) Anforderungen an die Kommunikation von Defekten und Änderungen des Designs
cc) Abhängigkeit vom Informationsbedürfnis des Klienten
b) Nachforschungspflicht des Architekten
c) Insbesondere: Aufklärung über Risiken und Risikoabwägung
aa) Aufklärung über objektiv inakzeptable Risiken
bb) Kriterien zur Bestimmung objektiv inakzeptabler Risiken
d) Aufklärung über die Leistungen Dritter 408 aa) Aufklärungspflicht und Überwachungspflicht 408 bb) Integrationsfähigkeit eines Teilentwurfs
e) Anforderungen an die Detailtreue von Bauplänen, -zeichnungen und -beschreibungen
3. Beratung bei der Wahl der Unternehmer und des Vertragstyps
a) Auswahl der Haupt- und Subunternehmer
b) Beratung hinsichtlich eines angemessenen Vertragstyps und -inhalts
4. Zusammenfassung
D. Aufklärungspflichten des Arztes
I. Die duty to inform des Arztes nach den PELSC und dem DCFR
1. Die Elemente der Aufklärung gemäß Art. 7:105(1) PELSC, IV.C.–8:105(1) DCFR
2. Die Konkretisierung des Aufklärungsumfangs durch Art. 7:105(2) PELSC, IV.C.–8:105(2) DCFR
3. Die Anforderungen an die Informationsaufbereitung
4. Beschränkung des Aufklärungsumfangs im Patienteninteresse
a) Gesundheitsschädliche oder lebensgefährliche Aufklärung
b) Möglichkeiten und Grenzen eines Verzichts des Patienten auf die geschuldete Aufklärung 422 aa) Faktische Umkehrung der Aufklärungspflicht durch Gegenfrage des Arztes?
bb) Grenzen des Verzichts auf eine Aufklärung
II. Aufklärungspflichten des Arztes nach deutschem Recht
1. Grundlagen
2. Insbesondere: Die Selbstbestimmungsaufklärung
a) Gegenstand
b) Umfang und Intensität
aa) Die Bedeutung der Zweckrichtung der Aufklärungspflicht
bb)ImAnsatz komparativer Maßstab
cc) Möglichkeiten und Grenzen eines Abstellens auf die typische Interessenlage
c) Insbesondere: Die Aufklärung über Behandlungsalternativen
3. Fazit
III. Die Aufklärungspflicht des Arztes nach englischem Recht
1. Der Umfang der Aufklärungspflicht
a) Aufklärung und battery
b) Aufklärungspflichten und negligence
aa) Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal and Maudsley Hospital
(1) Die vermittelnde „Mehrheitsauffassung“
(2) Die „Minderheitsauffassungen“
(3) Fazit
bb) Gold v Haringey Health Authority und Blyth v Bloomsbury Health Authority
2. Begründungsdefizite
a) Vertrauen
b) Floodgates?
c) „Defensive“ Medizin
d) Ablehnung der Behandlung durch den Patienten
3. Die jüngere Rechtsprechung
a) Bestärkung der Aufklärungsverpflichtung
aa) Der Ansatz von Lord Woolf MR
bb) Interpretationsansätzeinder Literatur
cc) Interpretation durch die Rechtsprechung
dd) Konsequenzen für die Konkretisierung der Aufklärungspflicht
ee) Die jüngste Entwicklung
b) Die Position des englischen Rechts zur Beschränkung des Aufklärungsumfangs im Patienteninteresse
c) Fazit
5. Kapitel Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards
§13 Innovatives und experimentelles Vorgehen – Zur Bedeutung professionsintern akzeptierter Standards
A. Notwendig neuartige Aufgaben
I. Arzthaftung
1. Sonderregeln für die experimentelle Behandlung in den PELSC und dem DCFR
2. Pflichten und Haftungsstandards des Arztes bei neuartigen Aufgaben nach deutschem Recht
3. Die englische Rechtsprechung zur Arzthaftung bei notwendig neuartigen Aufgaben
a) Autonome Bestimmung des Standards durch das Gericht
b) Konkretisierungskriterien
II. Neuartiges Baudesign und Architektenhaftung
1. Die Position des englischen Rechts
a) Ausschluss der Fahrlässigkeitshaftung?
b) Risiko- und Interessenabwägung
2. Die Position des deutschen Architektenvertragsrechts
III. Anwaltshaftung
1. Das englische Anwaltshaftungsrecht
a) Sorgfalt als Vertragsgegenstand
b) Pflicht zum sorgfältigen Bemühen um Prozessvermeidung
c) Aufklärung über die unsichere Rechtslage und Prozesswahrscheinlichkeit
2. Das deutsche Anwaltshaftungsrecht
B. Fakultativ neuartige Aufgaben – Haftungsbelastung durch ein Abweichen von der gängigen Praxis?
I. Arzthaftung
1. Die Vorgaben der PELSC und des DCFR für eine unnötige Behandlung
2. Die Position des englischen Rechts
a) Kein Vertragsbruch per se
b) Anforderungen an einen Vertragsbruch
aa) Die Maßgeblichkeit des Bolam-Tests
bb) Konkretisierungskriterien
(1) Aufwand-Nutzen-Analyse
(2) Eingehen unnötiger Risiken
(3) Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung der Angemessenheit sowie konstante Risikoüberwachung und -bewertung
c) Spezielle Rechtsfolgen eines Abweichens von der herkömmlichen Praxis
3. Die Position des deutschen Rechts
II. Anwaltshaftung
III. Architektenhaftung
1. Das englische Architektenvertragsrecht
a) Kein Vertragsbruch per se
b) Risikoaufklärung
c) Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung
2. Das deutsche Architektenvertragsrecht
C. Zwischenergebnis
D. Kenntnisnahme und Berücksichtigung neuer Entwicklungen
I. Beobachtungs- und Anpassungspflicht
II. Grenzen der Beobachtungs- bzw. Fortbildungspflicht nach deutschem und englischem Recht
1. Arzthaftung
a) Englisches Arzthaftungsrecht
b) Deutsches Arzthaftungsrecht
2. Anwaltshaftung
a) Englisches Anwaltshaftungsrecht
b) Deutsches Anwaltshaftungsrecht
E. Die Bedeutung der Leitfäden der Standesorganisationen und Berufsvereinigungen
I. Die Position des englischen Rechts
1. Die praktische Bedeutung der codes als Beweiserleichterung
2. Die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln
3. Keine definitive Haftungsentlastung
II. Die Position des deutschen Rechts
§14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard
A. Die Position der PELSC und des DCFR
B. Die Behandlung der Problematik durch die nationalen Rechte
I. Arzthaftung und Spezialisierung
1. Die Differenzierung nach deutschem Arzthaftungsrecht
2. Die Bedeutung besonderer Sachkunde des Arztes nach englischem Recht
a) Die Beurteilung nach der übernommenen Aufgabe
b) Erhöhung der Sorgfaltspflichten durch besondere Sachkunde?
c) Insbesondere: Krankenhäuser und Kliniken
II. Besondere Sachkunde und Anwaltshaftung
1. Die Position des englischen Rechts
a) Dogmatische Überlegungen
b) Rechtsprechungspraxis
c) Insbesondere: Die Bedeutung der Gegenleistung
2. Die Position des deutschen Anwaltsvertragsrechts
III. Besondere Sachkunde und Architektenhaftung
1. Die Position des englischen Rechts
a) Maßgeblichkeit der übernommenen Aufgabe
b) Konsequenzen besonderer Sachkunde für den Sorgfaltsstandard
c) Die Bedeutung überdurchschnittlicher Erfahrung ohne echte Spezialisierung
2. Die Position des deutschen Architektenvertragsrechts
IV. Fazit
§15 Fehlende Mittel
A. Die Position des deutschen Rechts
B. Sonderregeln für öffentliche Einrichtungen nach englischem Recht?
I. Die uneinheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte
II. Die Position des Court of Appeal
III. Stellungnahmen in der Literatur
6. Kapitel Strikte Dienstleistungshaftung
§17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt
A. Deutsches Vertragsrecht
I. Allgemeine Grundsätze
II. Spuren einer strikten Haftung
1. Arzt- und Anwaltsvertragsrecht
2. Architektenvertragsrecht
B. Die strikte Haftung nach PELSC und DCFR
I. Strikte Materialhaftung
1. Die strikte Materialhaftung nach Art.1:106(3) PELSC, IV.C.–2:104(3) DCFR
a) Regelungsinhalt und Funktion
b) Begründungsmuster
aa) Veranlassung im eignen Tätigkeits- und Herrschaftsbereich
bb) Rückgriff entlang der Vertragskette
2. Die strikte Materialhaftung nach Art. 7:103 PELSC, IV.C. – 8:103 DCFR
II. Strikte Haftung für die Herbeiführung eines Resultats
1. Allgemeine Anforderungen an die strikte Haftung für den Eintritt eines Erfolges nach Art. 1:108 PELSC, IV.C.–2:106 DCFR
a) Anforderungen an die Annahme einer Erfolgsherbeiführungspflicht
b) Begründungsmuster
c) Konsequenzen der Verpflichtung nach Art.1:108 PELSC, IV.C.–2:106 DCFR für sonstige vertragliche Pflichten
2. Strikte Designhaftung nach Art. 5:105 PELSC, IV.C. – 6:104 DCFR
a) Regelungsinhalt
b) Begründungsmuster
C. Strikte Dienstleistungshaftung nach englischem Recht
I. Ausdrückliche Vereinbarungen
1. Arzthaftung
a) Eyre v Measday
b) Thake v Maurice
aa) Befürwortung einer strikten Verpflichtung durch Kerr LJ
bb) Ablehnung einer strikten Verpflichtung durch die Mehrheit des Court of Appeal
c) Fazit
2. Architektenhaftung
3. Anwaltshaftung
a) Midland Bank plc v Messrs Cox McQueen
b) ReyvGraham&Oldham
II. Vertragsergänzung (Implied Terms)
1. Implication in fact
a) Begründungsmechanismen
aa) Arzthaftung
bb) Architekten- bzw. Ingenieurshaftung
b) Fazit
2. Terms implied in law by courts
a) Strikte Haftung für Medizinprodukte
aa) Beispiel: Strikte Haftung für Zahnersatz
bb) Abgrenzungsbemühungen
(1) Nähe zum Kaufvertrag
(2) Differenzierung nach dem zentralen Vertragsgegenstand
(3) Qualifikation des zu überlassenden Gegenstandes
b) Design Services–Strikte Planungshaftung?
aa) Die Ausgangsposition des Court of Appeal
bb) Die Position des House of Lords
(1) Andeutungen des Bestehens einer Rechtsregel
(2) Der Rückgriff entlang der Vertragskette als Begründungsansatz
(3) Die Bedeutung der Ausübung eigener Sachkunde durch den Designer
(4) Fazit
cc) Die Position des Court of Appeal nach der Entscheidung des House of Lords
(1) Ablehnung einer Implikation in law
(2) Konsequenz
c) Konsequenz: Die Unergiebigkeit kategorialer Typisierungen
d) Conveyancing
aa) Andeutungen strikter Haftung?
bb) Begründsansätze für die Verpflichtung zu reasonable skill and care
(1) Versicherung als zentrales Kriterium?
(2) Praktische Zweifel an einem Bemühen der Gerichte um eine Anhebung der Standards
(3) Typische Mandantenerwartung?
(a) Die Mandantenerwartung als Risikofaktor
(b) Die typische Notwendigkeit einer Abwägungsentscheidung
(aa) Die Konstitution des Mandanten
(bb) Weitere Abwägungsfaktoren
(4) Begründungsansätze für die Urteilspraxis
(5) Ausnahmen?
(a) Strikte Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Durchführung des Unterschriftenverfahrens?
(b) Die Argumentation des Court of Appeal in Zwebner
(c) Die Interpretation von Zwebner durch die nachfolgende Rechtsprechung
(6) Fazit
e) Zwischenergebnis
3. Implikation strikter Pflichten durch den Supply of Goods and Services Act 1982
a) Die Regeln des SGSA „for the transfer of property in goods“ sowie „for the hireofgoods“
aa) Contracts for the transfer of property in goods
(1) Sachlicher Anwendungsbereich
(2) Inhaltliche Parallelen zum Warenkaufrecht
(3) Grenzen der parallelen Ausgestaltung
bb) Contracts for the hire of goods
cc) Grenzen der Haftungsentlastung durch Vertragsgestaltung
b) Part I des Supply of Goods and Services Act 1982 im medizinischen Kontext
aa) Grenzen der Annahme eines transfer
bb) Grenzen der Qualifikation von Gegenständen als „Goods“
(1) Übertragbarkeit der Regeln über Körperteile Verstorbener?
(2) Grenzen der Übertragbarkeit
(3) Fazit
cc) Zufriedenstellende Qualität 663 dd) Tauglichkeit für den kommunizierten Verwendungszweck
(1) Vernünftiges Vertrauen
(2) Tauglichkeit für welchen Zweck?
(3) Atypische Reaktionen auf die Behandlungsmittel
(a) Differenzierung nach Patiententypen
(b) Konkretisierungsansätze
(c) Grenzen der Atypik als Entlastungsmechanismus
III. Fazit
7. Kapitel Schlussbemerkung
A. Zum Gegenstand vertraglicher Dienstleistungen und seiner Bestimmung
B. Fazit zur Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards 675 Stichwortverzeichnis

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Schriften zum europäischen Recht Dienstleistungsrecht

Band 1

Der Vertragsbruch des Dienstleisters Deutsches Recht, Englisches Recht und Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens

Die Schriften zum europäischen Dienstleistungsrecht werden herausgegeben von: Professor Dr. Martin Schmidt-Kessel, Osnabrück Professor Dr. Christopher Ohler, Jena Professor Dr. Franz Reimer, Gießen Professorin Dr. Christiane Wendehorst, Wien

Schriften zum europäischen Recht Dienstleistungsrecht

Band 1

Der Vertragsbruch des Dienstleisters Deutsches Recht, Englisches Recht und Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens

Patrick Mückl

Für Helmut und Elisabeth

ISBN (Buch) 978-3-86653-152-9 ISBN (eBook) 978-3-86653-907-5

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 by sellier. european law publishers GmbH, München. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Herstellung: Karina Hack, München. Satz: fidus Publikations-Service, Nördlingen. Druck und Bindung: Friedrich Pustet KG, Regensburg. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany.

Vorwort der Herausgeber Das Europäische Dienstleistungsrecht ist in all seinen Facetten Gegenstand schnell wachsender Forschungstätigkeit. Diese verbindet die verschiedenen Schichten des Europäischen Mehrebenensystems ebenso wie die verschiedenen juristischen Subdisziplinen. Intra- und interdisziplinäre Ansätze drängen sich für die Untersuchung der normativen Vorgaben und Modelle von Dienstleistungen auf, und die Rechtsvergleichung verdeutlicht, daß die technischen Lösungswege verschiedener Rechtsordnungen für vielfach identische Sachfragen zwar durchaus divergieren, nicht selten jedoch funktional äquivalent sind. Zu den Charakteristika Europäischen Dienstleistungsrechts zählt das Zusammentreffen nur begrenzt geordneter nationaler Regelsätze mit sehr klaren Regelungszielen des Unionsrechts (aber auch etwa des WTO-Rechts): Die vielfach nach der Durchsetzung der Gewerbefreiheit – wohl weitgehend in Abhängigkeit vom Beharrungsvermögen verschiedener Standeseinrichtungen und -vertretungen – erfolgte Ausbildung sehr unterschiedlicher nationaler Regelungsstrukturen und Ordnungen des Normbestands sowohl im Privatrecht (und dort besonders im Vertragsrecht) als auch im Öffentlichen Recht (also insbesondere im Wirtschaftsverwaltungsrecht) harrt noch einer ordnenden wissenschaftlichen Durchdringung; die erheblichen nationalen Unterschiede beruhen dabei in der Regel auf historischen Zufälligkeiten. Diese Unterschiede bereiten in ihrem Zusammentreffen mit dem Unionsrecht ganz erhebliche Schwierigkeiten, die nicht zuletzt auf dem weitestgehend einheitlichen Maßstab der Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts sowie dessen sekundärrechtlicher Konkretisierung insbesondere durch die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt beruhen. Was also liegt näher, als der weiter wachsenden Forschungsaktivität durch die Gründung einer Schriftenreihe „Schriften zum Europäischen Recht – Europäisches Dienstleistungsrecht“ ein eigenes Forum zu geben? Dienstleistungsrecht wird hier bewußt weit verstanden. Es schließt als Gegenstand der Schriftenreihe sowohl Untersuchungen zu einzelnen Branchen oder Tätigkeitsbildern als auch solche eines allgemeineren Zuschnitts ein. Das Attribut „europäisch“ bezieht sich nicht allein auf die Quellen des Unionsrechts und dessen Anwendung in den Mitgliedstaaten, sondern gerade auch auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen wie auch auf den völkervertraglich gesetzten Regelcorpus. Wir hoffen durch diese Schriftenreihe einen kleinen Beitrag zur Ordnung und Durchdringung dieses faszinierenden Bereichs leisten zu können. Christoph Ohler, Jena Franz Reimer, Gießen Martin Schmidt-Kessel, Osnabrück Christiane Wendehorst, Wien

Vorwort Unsere Zeit scheint zur Rechtsvergleichung berufen zu sein. Auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung wurden in der jüngeren Vergangenheit und werden aktuell Aufgaben von geradezu herkulischem Umfang bewältigt. Der Tiefe nach ist seit den grundlegenden Arbeiten zum CISG, der Breite nach wohl noch niemals so umfassend und mit so großem Erfolg rechtsvergleichend geforscht worden wie dies derzeit durch die Forschergruppen geschieht, die im Rahmen der europäischen Rechtsvereinheitlichungsprojekte zusammenarbeiten. Die Forschungen sind natürlich noch keineswegs abgeschlossen. Der gegenseitig vermittelte Erkenntnisgewinn ist aber schon jetzt enorm. Zu danken ist er in ganz erheblichem Umfang auch den Überlegungen zur Schaffung eines Europäischen Zivilgesetzbuchs. Unabhängig davon, wie man zu dieser Idee und zu den zwischenzeitlich entwickelten Regelungsmodellen steht, hat sie jedenfalls die Forschung beflügelt und insoweit geradezu als Katalysator gewirkt. Ob es einmal ein „Europäisches Privatrecht“ geben wird, dürfte – lässt man rein politische Überlegungen einmal unberücksichtigt – maßgeblich nicht zuletzt davon abhängen, ob die Hemmnisse, die naturgemäß beim Umgang mit einer fremden Rechtsordnung bestehen, überwunden werden können. Das setzt voraus, dass man sich kennen und den anderen – wo dies angebracht ist – schätzen lernt. Im Augenblick befindet sich der ganz überwiegende Teil der Rechtswissenschaft wohl bestenfalls noch in der Kennenlernphase. Dieses Kennenlernen zwischen englischem und deutschem Recht, aber auch der Modellregeln der Principles of European Contract Law, der Principles of European Law on Service Contracts und des Draft Common Frame of Reference zu fördern, ist eines der Ziele dieser Arbeit. Ein weiteres Ziel ist die Herausarbeitung von Strukturen und Mechanismen im Dienstleistungsvertragsrecht. Dieses Teilgebiet des Vertragsrechts ist bislang kaum Gegenstand einer (rechtsvergleichenden) Forschung gewesen, die realtypische Erscheinungsformen von Dienstleistungen übergreifend betrachtet und zumindest vergleichend nebeneinander stellt. Aufgrund dieses Befundes war mit dieser Arbeit die Hoffnung verbunden, dass es hier noch etwas zu „entdecken“ gibt. Inwieweit diese Ziele erreicht wurden und die „Hoffnung auf Neues“ begründet war, sei dem Urteil des Lesers überlassen. Den beiden ersten „offiziellen“ Lesern dieser Arbeit, die der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Osnabrück im Jahr 2009 als Dissertation vorlag, bin ich jedenfalls zu herzlichem Dank verpflichtet. Das gilt zunächst für meinen Doktorvater Herrn Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel, der nicht nur die Themenwahl erheblich beeinflusst, sondern insbesondere mein Verständnis für das englische Recht in unschätzbarem Umfang gefördert hat. Ebenfalls herzlich danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christian von Bar, FBA, der nicht nur in kürzester Zeit die Zweitkorrektur abgeschlossen hatte, sondern dem ich daraus auch wertvolle Hinweise verdanke. Den Herausgebern danke ich zudem für die für mich sehr ehrenvolle Aufnahme in die Schriftenreihe. Den meisten Dank schulde ich allerdings meinen Eltern, die mich immer in unermesslichem Umfang unterstützt und gefördert haben und denen diese Arbeit auch deshalb gewidmet ist. Köln, im April 2010

Patrick Mückl

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis

xiii xxxiii

1. Kapitel Einführung §1

Vorbemerkungen

1

2. Kapitel Der Vertrag über die Leistung von Diensten §2

§3

Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen A. Allgemeine Voraussetzungen für das Bestehen eines Vertrages B. Grundlage und Grenzen des impliziten Vertragsschlusses C. Herkömmliche Bewirkung einer vertraglichen Haftung gegenüber „Dritten“ Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung A. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Arztrecht B. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Anwaltsrecht C. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Architektenrecht

9 19 31

34 43 51

3. Kapitel Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen §4

Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard A. Ausdrückliche Vereinbarungen (Express terms) B. Vertragsergänzung und Dienstleistungshaftung C. Quellen der Vertragsergänzung nach englischem Recht D. Die Bedeutung der Vertragsinhaltsbestimmung für den Haftungsstandard – Unterschiede zwischem den Haftungsmechanismen des deutschen Rechts gegenüber denen des englischen, der PELSC und des DCFR

61 63 64

66

x

Inhaltsübersicht

§5

Vertragsbruch und vertragliche Haftung A. Die Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages B. Vertragliche Haftung unabhängig vom Scheitern des Vertrages

§6

Die Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht A. Vorbemerkungen B. Die Einflussnahme des Deliktsrechts auf das heutige Vertragsrecht C. Dogmatische und praktische Konsequenzen D. Rechtstechnische Parallelen

71 73 94

115 117 119 121

4. Kapitel Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen §7

§8

§9

Sorgfalt als Leistungsgegenstand A. Die Hintergründe einer Verpflichtung zu Sorgfalt und die praktische Bedeutung dieser Verpflichtung B. Der „versprochene Dienst“ i. S. d. § 611 Abs. 1 BGB – Verpflichtung zu Sorgfalt als Inhalt des Leistungsversprechens? C. Praktische Konsequenzen einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick A. Gruppenspezifischer Sorgfaltsstandard B. Die Objektivierung des vertraglich geschuldeten Mindestsorgfaltsstandards C. Umstände des Einzelfalls und Konkretisierung des Sorgfaltsstandards Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards A. Die Position des deutschen Rechts B. Die Regelung der Art. 1:107(3) PELSC, IV. C. – 2:105(3) DCFR C. Vorbemerkungen zum so genannten Bolam-Test und zu dessen Bedeutung im englischen Recht D. Der Bolam-Test in der Rechtsprechungspraxis

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung A. Die Position der PELSC und des DCFR B. Der Konkretisierungsmechanismus nach deutschem Recht C. Der Konkretisierungsmechanismus nach englischem Recht D. Fazit

125 147 159

161 162 165 214

227 243 245 251

294 297 317 325

Inhaltsübersicht

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen im englischen Dienstleistungshaftungsrecht A. Betonung der Verpflichtungsperspektive B. Die Bedeutung der Ausübung eines common calling für die Dienstleistungshaftung C. Die gedankliche Identifizierung der Standards für Sachkunde und Sorgfalt § 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Konkretisierung der vertraglichen Pflichten des Dienstleisters A. Vorbemerkung B. Aufklärungspflicht des Anwalts C. Aufklärungspflicht des Architekten D. Aufklärungspflichten des Arztes

xi

326 328 334

350 358 387 416

5. Kapitel Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards § 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen – Zur Bedeutung professionsintern akzeptierter Standards A. Notwendig neuartige Aufgaben B. Fakultativ neuartige Aufgaben – Haftungsbelastung durch ein Abweichen von der gängigen Praxis? C. Zwischenergebnis D. Kenntnisnahme und Berücksichtigung neuer Entwicklungen E. Die Bedeutung der Leitfäden der Standesorganisationen und Berufsvereinigungen

500

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard A. Die Position der PELSC und des DCFR B. Die Behandlung der Problematik durch die nationalen Rechte

507 508

§ 15 Fehlende Mittel A. Die Position des deutschen Rechts B. Sonderregeln für öffentliche Einrichtungen nach englischem Recht? § 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken A. Team Work B. Die Einschaltung Dritter in die Vertragsdurchführung

459 475 493 493

527 528 530

533 534

xii

Inhaltsübersicht

6. Kapitel Strikte Dienstleistungshaftung § 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt A. Deutsches Vertragsrecht B. Die strikte Haftung nach PELSC und DCFR C. Strikte Dienstleistungshaftung nach englischem Recht

609 614 623

7. Kapitel Schlussbemerkung A. Zum Gegenstand vertraglicher Dienstleistungen und seiner Bestimmung B. Fazit zur Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards

673 675

Stichwortverzeichnis

679

Inhaltsverzeichnis Inhaltsübersicht Literaturverzeichnis

ix xxxiii

1. Kapitel Einführung §1

Vorbemerkungen

1

2. Kapitel Der Vertrag über die Leistung von Diensten §2

Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen A. Allgemeine Voraussetzungen für das Bestehen eines Vertrages I. Anforderungen an das Bestehen einer vertraglichen Einigung II. Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages 1. Das Fehlen eines übergreifenden Konzepts zum Umgang mit Rechts- und Sittenverstößen im englischen Recht 2. Grundlinien der Position der PECL und des DCFR 3. Konkretisierungskriterien für die Nichtigkeitsfolge nach englischem Recht 4. Praxisrelevante Beispielsfälle aus dem Dienstleistungsbereich 5. Teilbarkeit des Vertrages?

B. Grundlage und Grenzen des impliziten Vertragsschlusses I. Umgehung der doctrin of privity of contract II. Verletzung vorvertraglicher Anzeige- und Informationspflichten 1. Das weitgehende Fehlen eines entsprechenden Bedürfnisses nach deutschem Recht, den PELSC und dem DCFR a) Gegenstände der Warn- und Hinweispflichten nach PELSC und DCFR b) Anforderungen der vorvertraglichen Warnpflicht nach PELSC und DCFR aa) Subjektiv-objektivierter Sorgfaltsstandard des Dienstleisters nach den PELSC bb) Parallele Ausgestaltung des vom Gläubiger geschuldeten Sorgfaltsstandards

9 12 13 14 15 16 18

19 21 21 22 23 24 24

xiv

Inhaltsverzeichnis c) Zur Bedeutung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach deutschem Recht 2. Begründungsmuster für die Annahme eines impliziten Vertragsschlusses nach englischem Recht

III. Veranlassung durch Parteibeziehung oder -handeln 1. Laufende Geschäftsbeziehung 2. Weitere Fälle

C. Herkömmliche Bewirkung einer vertraglichen Haftung gegenüber „Dritten“ I. Nebenabreden II. Abtretungserklärung und Geltendmachung von Drittschäden

§3

25 28 29 29 30

31 32 33

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung A. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Arztrecht I. Vorbemerkung zum englischen Recht II. Die privatärztliche Behandlung 1. Typische Gestaltungsformen der privatärztlichen Behandlung nach englischem Recht a) Getrennte Verträge mit Arzt und Krankenhaus b) Vertragsschluss allein mit dem Arzt oder einer Klinik c) Exkurs: Privat finanzierte Leistungen innerhalb des NHS 2. Typische Gestaltungsformen ärztlicher Behandlung nach deutschem Recht a) Niedergelassene Ärzte b) Behandlung im Krankenhaus aa) Ambulante Behandlung bb) Stationäre Behandlung (1) Totaler Krankenhausvertrag (2) Belegarztvertrag (3) Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag

B. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Anwaltsrecht I. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im englischen Anwaltsrecht

34 35 37 37 37 37 38 39 39 40 40 41 41 41 42

II. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im deutschen Anwaltsrecht

43 43 45 46 48

C. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Architektenrecht I. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im englischen Architektenrecht

51

1. Vorbemerkungen 2. Der retainer des solicitors 3. Die rechtlichen Beziehungen zum barrister

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen 1. 2. a) b) c)

Begriffliche Vorbemerkungen Vertragsgestaltung und Vertragstypen im privaten Baurecht Building contract Design and build contract Management contract

II. Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im deutschen Architektenrecht 1. Vorbemerkung 2. Vertragsgestaltung und Vertragstypen im privaten Baurecht

xv 51 53 54 55 56 57 57 58

3. Kapitel Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen §4

Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard A. Ausdrückliche Vereinbarungen (Express terms)

61

B. Vertragsergänzung und Dienstleistungshaftung

63

C. Quellen der Vertragsergänzung nach englischem Recht

64

D. Die Bedeutung der Vertragsinhaltsbestimmung für den Haftungsstandard – Unterschiede zwischem den Haftungsmechanismen des deutschen Rechts gegenüber denen des englischen, der PELSC und des DCFR I. Mechanismen vertraglicher Haftung nach deutschem Recht II. Mechanismen vertraglicher Haftung nach englischem Recht, PELSC und DCFR

§5

Vertragsbruch und vertragliche Haftung A. Die Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages I. Ausschluss der Haftung trotz Scheitern des Vertrages 1. Frustration a) Grundvoraussetzungen b) Vergleich mit dem deutschem Recht, den PECL und dem DCFR aa) Parallelen zu § 313 BGB und Art. 6:111 PECL, Art. III. – 1:110 DCFR bb) Parallelen zu § 275 BGB und Art. 9:102 PECL, Art. III. – 3:302 DCFR c) Insbesondere: Frustration von Dienstleistungsverträgen aa) Die Behandlung von personenbezogenen Leistungshindernissen nach englischem, deutschem Recht, den PECL und dem DCFR bb) Dauerhafte und vorübergehende Leistungshindernisse cc) Zwischenfazit d) Rechtsfolgen der Frustration

66 66 68 71

73 73 73 74 75 76 77 77 80 82 83

xvi

Inhaltsverzeichnis aa) Haftungsbefreiung und Restitution bb) Ausschluss von Pflichtverletzung und Schadensersatzansprüchen cc) Vergleich mit dem deutschen Recht, den PECL und dem DCFR 2. Haftungsentlastung durch vertragliche Risikoverteilung

II. Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages 1. Self-induced Frustration 2. Haftung für anfängliche Unmöglichkeit

B. Vertragliche Haftung unabhängig vom Scheitern des Vertrages I. Die sorgfaltsunabhängige Haftung (strict oder absolute liability) 1. Vergleichende Vorbemerkung 2. Die sorgfaltsunabhängige Haftung a) Hintergründe aa) Konzentration auf das jeweilige Versprechen bb) Rechts- und sozialhistorische Faktoren b) Begründungsmuster aa) Zahlungspflichten bb) Beschaffung von Gattungssachen cc) Warenkauf c) Fazit

II. Die sorgfaltsabhängige Haftung am Beispiel der gesetzlichen Regelung durch den Supply of Goods and Services Act 1982 1. Die gesetzliche Regelung der sorgfaltsabhängigen Haftung im Supply of Goods and Services Act 1982 a) Sections 13 und 14 Supply of Goods and Services Act 1982 aa) Contract for the supply of a service (1) Ausgenommene Verträge (2) „Gemischte“ Verträge (3) Fazit (4) Sonderproblem: Unilateral contracts bb) Reasonable Care and Skill (1) Reasonable Care (2) Reasonable Skill b) Persönliche Leistungspflicht? c) Die Leistungszeit d) Die praktische Bedeutung der s. 13 SGSA für Ärzte, Anwälte und Architekten aa) Klarstellungsfunktion bb) Ausschlussfunktion

§6

83 85 85 86 88 88 91

94 94 96 96 96 97 98 99 100 100 101 101 102 103 103 104 105 105 106 107 108 109 110 112 113 113 114

Die Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht A. Vorbemerkungen I. Terminologisches II. Negligence als tort

115 117

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

xvii

B. Die Einflussnahme des Deliktsrechts auf das heutige Vertragsrecht

117

C. Dogmatische und praktische Konsequenzen

119

D. Rechtstechnische Parallelen I. Deliktsrecht II. Parallelen zwischen Vertrag und Delikt 1. Praktische Auswirkungen 2. Einfluss des Vertragsrechts auf die Entwicklung des tort of negligence? 3. Konsequenz

121 122 122 123 124

4. Kapitel Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen §7

Sorgfalt als Leistungsgegenstand A. Die Hintergründe einer Verpflichtung zu Sorgfalt und die praktische Bedeutung dieser Verpflichtung I. Die Bedeutung begrenzter Entlastungsmöglichkeiten bei strikter Verpflichtung 1. Ausgangsüberlegung zum englischen Recht 2. Parallele Abgrenzungsbemühungen im deutschen Recht vor anderem praktischem Hintergrund a) Abgrenzungskriterien b) Qualifikation der Verträge mit Ärzten, Anwälten und Architekten aa) Einordnung des Arztvertrages in die Vertragstypen des BGB bb) Einordnung des Anwaltsvertrages in die Vertragstypen des BGB cc) Einordnung des Architektenvertrages in die Vertragstypen des BGB (1) Die Qualifikation der Gesamt- oder Vollarchitektur in der Rechtsprechung des BGH (2) Die Übertragung der werkvertraglichen Qualifikation auf Einzelleistungen in der Praxis (3) Bislang weitgehend anerkannte verbleibende Spielräume für eine dienstvertragliche Qualifikation (4) Offene dogmatische Fragen und ihre Bedeutung für die Grenzen der Qualifzierung von Architektenpflichten als werkvertragliche Erfolgspflichten (5) Die Bedeutung des geschuldeten Architektenverhaltens im Rahmen erfolgsbezogener Pflichten c) Praktischer Hintergrund im deutschen und englischen Recht

125 125 125 126 126 127 128 130 132 132 133 134

136 140 143

xviii

Inhaltsverzeichnis

II. Faktoren für die Annahme einer Verpflichtung zu Sorgfalt bzw. einer sorgfaltsabhängige Haftung III. Bedenken gegenüber einer undifferenzierten Verpflichtung zu care and skill im englischen Recht B. Der „versprochene Dienst“ i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB – Verpflichtung zu Sorgfaltals Inhalt des Leistungsversprechens? I. Die Vorgaben der Rechtsprechung hinsichtlich des Inhalts des Leistungsversprechens des Dienstvertragsschuldners II. Die Unvereinbarkeit der Rechtsprechung mit dem Parteiwillen, der Systematik des BGB und den Vorgaben des historischen Gesetzgebers 1. Die dogmatische Inkonsequenz und Unvereinbarkeit des Verneinens einer Verpflichtung zu Sorgfalt mit dem Parteiwillen 2. Die Irrelevanz des Fehlens „besonderer“ Leistungsstörungsregeln im Dienstvertragsrecht a) Die Minderung durch Gestaltungserklärung als allgemeiner Rechtsbehelf b) Die Verpflichtung zur Nacherfüllung c) Die Untauglichkeit einer systematischen Argumentation mit dem Werkvertragsrecht d) Das Fehlen spezifischer Wertungen im Dienstvertragsrecht 3. Die Unzulässigkeit einer Überbürdung des Risikos einer vertragswidrigen Tätigkeit auf den Gläubiger 4. Die Position des „historischen“ Gesetzgebers

§8

144 146

147 147

148 148 149 150 151 153 154 156 156

III. Die Unerheblichkeit praktischer Schwierigkeiten der Schadensidentifizierung IV. Fazit und Vergleich mit den PELSC sowie dem DCFR

158 158

C. Praktische Konsequenzen einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

159

Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

161

A. Gruppenspezifischer Sorgfaltsstandard I. Die Regelung der PELSC und des DCFR II. Parallelen zwischen der Position des englischen Rechts und den Mechanismen der Bestimmung der gemäß § 276 Abs. 2 BGB maßgeblichen Sorgfalt B. Die Objektivierung des vertraglich geschuldeten Mindestsorgfaltsstandards I. Die Position der PELSC und des DCFR II. Die Behandlung der Problematik auf der Grundlage der Dogmatik und Praxis des deutschen Rechts

162 162

163

165 167

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen 1. a) b) 2. a)

Begründungsmuster Vertrauensgrundsatz Garantiegedanke Spezifische Wertungen des Dienstvertragsrechts? Subjektiver Leistungsmaßstab als Konsequenz der Zweifelsregel des § 613 S. 1 BGB? b) Bewertung aa) Der sozialpolitisch motivierte Hintergrund für die Einführung der dogamtischen Kategorie eines subjektiven Leistungsmaßstabs bb) Die Irrelevanz dieser Überlegungen für das allgemeine Dienstvertragsrecht 3. Die Rechtslage im Anwaltshaftungsrecht a) Differenzierung der Standards für Pflicht und Verschulden zur Vermeidung einer weitgehenden Konvergenz von Pflichtverletzungstatbestand und Verschulden bzw. Vertretenmüssen? b) Die von Rechtsprechung und Literatur befürworteten Pflichtenstandards c) Konsequenzen für die hinsichtlich des Verschuldens maßgeblichen Standards aa) Regelfall bb) Ausnahmen cc) Konsequenzen der Objektivierung 4. Pflichtinhalt und Verschuldensmaßstab im deutschen Arzthaftungsrecht a) Maßstäbe für Pflichtinhalt und Verschulden im Arzthaftungsrecht b) Die Zulässigkeit einer Objektivierung im Arzthaftungsrecht c) Konsequenzen der Objektivierung im Arzthaftungsrecht 5. Die maßgeblichen Standards im Architektenhaftungsrecht a) Die Bedeutung der Konvergenzproblematik im Architektenhaftungsrecht b) Die maßgeblichen Standards im Architektenhaftungsrecht aa) Die Position von Rechtsprechung und Literatur bb) Die Unvereinbarkeit einer dispositiven Verpflichtung zur „bestmöglichen“ Leistung mit den Vorgaben des § 633 Abs. 2 BGB cc) Die Objektivität der Standards dd) Die Konvergenzproblematik im vertraglichen Architektenhaftungsrecht 6. Konsequenz: Unterscheidbarkeit von Pflichtverletzung und Verschulden? 7. Fazit

II. Die Diskussion im englischen Recht 1. 2. 3. 4. a) b)

Standardsenkung auf Grundlage des erkennbaren Erfahrungslevels? Die Untauglichkeit einer Argumentation mit dem Gleichheitssatz Die Irrelevanz ethisch-moralischer Vorwerfbarkeit Objektivierung qua Rechtsprechungspraxis Die Irrelevanz mangelnder Erfahrung oder Sachkunde Dogmatische Begründung der Haftung für ein Unterschreiten des Mindeststandards aufgrund mangelnder Erfahrung

xix 168 168 169 170 170 171 171 172 173

173 175 176 176 177 179 180 181 184 185 188 188 189 189 190 191 192 192 196 196 197 198 199 200 201 204

xx

Inhaltsverzeichnis c) Territorial differenzierte Objektivierung? aa) Geltung der locality rule? bb) Erklärungsmuster für eine territoriale Differenzierung cc) Kritik der locality rule d) Zum Umgang mit mangelnder Sachkunde oder Erfahrung aa) Arzthaftung bb) Architektenhaftung 5. Die Unvereinbarkeit einer sorgfaltsmindernden Subjektivierung mit vertragsrechtlichen Vorgaben a) Vertraglicher Auslegungsmaßstab b) Die regelmäßige Unverwertbarkeit der Informationen „Erfahrungslevel“ c) Indizien für eine Objektivierung des Mindeststandards aa) Berücksichtigung des Erfahrungslevels nur im Ausnahmefall bb) Regelmäßige Irrelevanz eigener Kompetenz des Gläubigers cc) Kein Mitverschulden des Gläubigers wegen unterlassener Aufklärung des Erfahrungslevels d) Die Bedeutung der Gegenleistung des Schuldners e) „Materielle“ Begründung der Verpflichtung zum Erreichen des durchschnittlichen Standards f) Die Vertragsauslegung vor dem Hintergrund des Wortlauts des Bolam-Tests

C. Umstände des Einzelfalls und Konkretisierung des Sorgfaltsstandards I. Die allgemeinen Konkretisierungskriterien der PELSC und des DCFR 1. Die Grundnormen Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR 2. Konkretisierung durch dienstleistungstypenspezifische Vorgaben

II. Konkretisierung der relevanten Umstände des Einzefalls im englischen Recht 1. Aufwand-Nutzen-Analyse 2. Maßgeblicher Zeitpunkt und rechtliche Qualifikation der Abwägungsentscheidung

III. Die Grundmechanismen zur Konkretisierung der Sorgfaltsanforderungen nach deutschem Recht 1. 2. a) b) c) d) e)

Die Bedeutung der Differenzierung nach Verkehrskreisen Kriterien der erforderlichen Interessenbewertung Komparativer Maßstab Schutzwürdigkeit des Gläubigers Kosten-Nutzen-Analyse Orts- und Zeitbezug Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des Schädigungserfolgs als Kriterien der Pflichtverletzung

IV. Fazit

205 205 206 206 206 207 207 208 208 209 210 211 211 212 213 213 214

214 215 215 216 217 217 219 220 220 221 222 222 223 224 225 226

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

§9

xxi

Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards A. Die Position des deutschen Rechts I. Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Arzthaftung 1. Begriff und Bedeutung des „Standards“ 2. Grenzen der Orientierung des rechtlichen Standards an medizinischen Vorgaben 3. Der Hintergrund der Grenzziehung 4. Rechtsprechungspraxis

II. Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Anwaltshaftung III. Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Architektenhaftung 1. Der Inhalt des Leistungsversprechens im Falle der Gesamtarchitektur 2. Die Bedeutung der tatsächlichen Übung am Beispiel der Planungshaftung 3. Fazit

B. Die Regelung der Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR C. Vorbemerkungen zum so genannten Bolam-Test und zu dessen Bedeutung im englischen Recht I. Divergerierende Entscheidungen über den Inhalt des Bolam-Tests II. Hintergrund: Die restriktive Grundhaltung der englischen Rechtsprechung III. Die verschiedenen Funktionen des Bolam-Tests IV. Ausgangsüberlegung zur Bedeutung einer bestehenden professionellen Praxis 1. „Vermutung“ angemessenen Verhaltens 2. Widerleglichkeit der „Vermutung“ der Angemessenheit

D. Der Bolam-Test in der Rechtsprechungspraxis I. Bolam-Test und Anwaltshaftung 1. Die verbreitete Praxis als Entlastungsmechanismus mangels bisheriger Risikorealisierung? 2. Die Rechtsprechungspraxis zur Bedeutung eines verbreiteten Standards a) Keine definitive Determination b) Die Bedeutung des gerichtlichen Sachverstands c) Konsequenz d) Inhaltliche Übereinstimmung bei abweichender Formulierung e) Die Maßgeblichkeit der Erwartungen der Öffentlichkeit 3. Fahrlässigkeit trotz Übereinstimmung mit einer verbreiteten Praxis a) Kriterien zur Konkretisierung der reasonableness

227 229 229 230 232 235 236 239 239 240 243 243

245 246 247 248 249 249 250

251 252 254 254 255 256 256 257 257 258

xxii

Inhaltsverzeichnis b) Bewertung der Entscheidung in der Sache Edward Wong c) Konsequenzen 4. Die jüngere Rechtsprechungspraxis a) Conveyancing aa) Bestätigung von Edward Wong bb) Die Bedeutung der obligatorischen Haftpflichtversicherung b) Prozessführung

II. Bolam-Test und Architektenhaftung 1. Die Anwendbarkeit des Bolam-Tests 2. Die Leitlinienqualität einer verbreiteten Praxis 3. Funktionsgrenzen der Leitlinie a) „Evidente“ Fehlleistungen b) Kriterien für die Bestimmung von „Evidenzfällen“ aa) J D Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associated Ltd bb) Konsequenzen: Grenzen des Bolam-Tests c) Die Bedeutung eigener Sachkunde des Gerichts aa) Die Funktionen von Sachverständigen bb) Besonderer Sachverstand des Gerichts 4. Konsequenzen für die Bestimmung des Standards

III. Bolam-Test und Arzthaftungsrecht 1. Die ältere gerichtliche Interpretation des Bolam-Tests a) Bolam v Friern Hospital Management Committee b) Die gerichtlich praktizierte Interpretation c) Konsequenzen der restriktiven Haltung der Gerichte aa) Weitgehende Irrelevanz der Interessen des Gläubigers bb) Bewertung des Sachverständigengutachtens d) Begründungsansätze für die besonders restriktive Haltung im Arzthaftungsrecht aa) Richterliche Voreingenommenheit? bb) Kollegialität unter Sachverständigen cc) Rolle der Anwaltschaft 2. Erste Andeutungen eines Rechtsprechungswandels in Sidaway? 3. Die Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Bolitho 4. Die Entscheidung des House of Lords in der Sache Bolitho a) Die Relevanz des Bolam-Tests b) Das Erfordernis einer gegenüber dem Patienten verantwortlichen Vorgehensweise c) Kriterien zur Konkretisierung einer verantwortlichen Vorgehensweise 5. Die jüngere Entwicklung nach Bolitho a) Bewertung in der Literatur b) Die Entwicklung der Rechtsprechung aa) Entscheidungsstatistik bb) Entscheidungsanalyse c) Schlussfolgerungen

IV. Grenzen der Haftungsentlastung durch eine verbreitete Praxis

259 260 262 262 263 263 263 264 264 265 266 266 267 267 268 269 269 270 271 271 272 272 273 275 275 277 278 278 279 280 280 281 283 284 285 286 287 287 288 288 289 291 292

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

xxiii

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung A. Die Position der PELSC und des DCFR I. Primäre Entscheidung durch den Gläubiger II. Sekundäre Entscheidung durch den Schuldner mit Revisionsmöglichkeit des Gläubigers III. Fazit

294 295

B. Der Konkretisierungsmechanismus nach deutschem Recht I. Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Arzthaftungsrecht

297

1. 2. a) b)

Diagnose Therapie Die primäre Auswahl durch den Arzt Immanente Grenzen der Wahlfreiheit

II. Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Anwaltshaftungsrecht 1. 2. a) b) 3.

Gesetzliche Ausgangsbewertung der Interessenlage Abgrenzung der Entscheidungsbefugnisse von Anwalt und Mandant Insbesondere: Das Gebot des relativ sichersten Weges Zweckmäßigkeitserwägungen Fazit

III. Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Architektenhaftungsrecht 1. Vertrag mit Bezugnahme auf § 15 HOAI 2. Der Konkretisierungsmechanismus bei Verträgen ohne ausdrückliche oder in Bezug genommene Leistungsbeschreibung a) Die Bedeutung der Vorgaben des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB b) Der Mechanismus der Leistungskonkretisierung

C. Der Konkretisierungsmechanismus nach englischem Recht I. Der Sorgfaltsbestimmungsmechanismus auf der Grundlage von Bolam v Friern Hospital Management Committee II. Konsequenz: Primäre Leistungskonkretisierung durch den Schuldner 1. 2. a) b) aa)

Konkretisierung des Leistungsinhalts durch den Schuldner Leistungskonkretisierung und Vertragsrecht Einseitige Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei Leistungskonkretisierung durch Dritte Unterlassen einer Leistungsbestimmung durch den benannten Dritten bb) Leistungsbestimmung durch einen Dritten 3. Die Integration des Konkretisierungsmechanismus in den Vertrag a) Vertragsauslegung b) Keine implication in fact

295 297

298 298 299 299 300 303 303 304 305 307 308 309 309 311 312 315

317 318 318 319 319 320 320 321 322 322 322

xxiv

Inhaltsverzeichnis c) Implication in law aa) Typische Interessenlage bb) Berücksichtigung der Gläubigerinteressen

323 324 324

III. Die Bedeutung des Konkretisierungsmechanismus für die Gegenleistung

325

D. Fazit

325

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen im englischen Dienstleistungshaftungsrecht A. Betonung der Verpflichtungsperspektive

326

B. Die Bedeutung der Ausübung eines common calling für die Dienstleistungshaftung I. Die Vermutung angemessener Sachkundigkeit für Betreiber eines common calling II. Die Maßgeblichkeit der Erwartungen der Öffentlichkeit III. Konzentration auf die handwerkliche Qualität der Leistung IV. Die historische Bedeutungslosigkeit einer Gegenleistung V. Konsequenzen

328 329 330 331 333

C. Die gedankliche Identifizierung der Standards für Sachkunde und Sorgfalt I. Die Entwicklung im amerikanischen Arzthaftungsrecht II. Das englische Recht 1. Konzeptionelle Trennung zwischen care und skill? 2. Betonung des Tatfragecharakters

III. Noch einmal: Bolam v Friern Hospital Management Committee 1. Normativer oder deskriptiver Test? a) Die Feststellungen des Gerichts b) Normatives Verständnis des Gerichts aa) Ansprache vor der Medico-Legal Society bb) Die Bedeutung von Hunter v Hanley cc) Ungestellte und nicht beantwortete Fragen 2. Die Identifizierung von ordinary mit reasonable in der Rechtsprechung nach Bolam 3. Die stärkere Betonung unabhängiger Wertung in der australischen Rechtsprechung als Vorbild

IV. Ein Modell des Sorgfaltsbestimmungsmechanismus auf der Grundlage einer Differenzierung zwischen skill und care 1. a) b) 2.

Angemessene Sorgfalt als Schuldinhalt Mindeststandard Das Vorgeben besonderer Kenntnisse Die Bestimmung angemessener Sachkunde

334 336 336 337 339 339 339 340 340 341 342 342 344 346 346 346 347 347

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen 3. Die Bedeutung der geschuldeten Sachkunde für den geschuldeten Sorgfaltsstandard a) Die Bedeutung sachkundiger Leistung für den Gläubiger b) Sachkunde und Standard des reasonable man c) Konsequenzen für das Verhältnis von Sorgfalt und Sachkunde

xxv

348 348 348 349

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Konkretisierung der vertraglichen Pflichten des Dienstleisters A. Vorbemerkung I. Weichenstellungen der PELSC und des DCFR 1. Informationspflichten außerhalb von spezifischen Informationsverträgen 2. Interessenlage

II. Einführende Bemerkungen zum englischen und deutschen Recht III. Erklärungsmuster für vertragliche Informationspflichten nach englischem Recht B. Aufklärungspflicht des Anwalts I. Zweckrichtung der Aufklärung

350 351 351 353 355 356

358 359 359 360 360 361 362 365 365

1. Orientierung am Informationsbedürfnis des Mandanten a) Deutsches Recht b) Englisches Recht aa) Die Anerkennung von Aufklärungspflichten bei bestehenden Risiken bb) Orientierung am erkennbaren Informationsbedürfnis des Mandanten cc) Das Informationsbedürfnis als Grenze der Informationspflicht c) PELSC und DCFR aa) Explizite Ausrichtung am Informationsbedürfnis des Klienten bb) Bestätigung durch die Entlastungswirkung einer beim Mandanten vorhandenen Information

366

II. Der Inhalt der Aufklärungs- bzw. Belehrungspflicht: Konkretisierung des Informationsbedürfnisses des Mandanten

367

1. Der Inhalt und Umfang der Belehrungspflicht des deutschen Rechtsanwalts 2. Inhalt und Umfang der Aufklärungspflicht englischer solicitors 3. Grundlinien der Regelung des Informationsvertrags nach PELSC und DCFR a) Allgemeine Pflichten im Rahmen von Informationsverträgen aa) Differenzierte Regeln und Haftungsstandards für wertende und faktische Informationen bb) Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer vom Gläubiger zu treffenden Auswahlentscheidung b) Beratungspflichten

367 369 372 373 373 374 375

xxvi

Inhaltsverzeichnis

III. Einzelfragen der anwaltlichen Aufklärungspflicht 1. a) b) c) 2. 3. 4. a) b)

Art und Weise der Aufklärung Deutsches Anwaltshaftungsrecht Englisches Anwaltshaftungsrecht Die Anforderungen der PELSC und des DCFR an die Aufbereitung der Information im Vergleich Rücksichtnahme auf die aktuellen Kenntnisse des Anwalts? Hinweisobliegenheiten des Mandanten in Bezug auf Rechtsfragen? Grund und Grenzen einer wirtschaftlichen Aufklärung Aufklärungspflichten des englischen solicitors über wirtschaftliche Risiken Zur Beratungspflicht des deutschen Anwalts über wirtschaftliche Risiken

IV. Zwischenergebnisse C. Aufklärungspflicht des Architekten I. Grundlinien der Aufklärungspflichten des Architekten nach den PELSC und dem DCFR II. Die Aufklärungspflichten des Architekten nach englischem und deutschem Recht 1. Planungsphase a) Wirtschaftliche Verwendbarkeit b) Kostenvoranschlag und Budget aa) Konkretisierungskriterien nach englischem Recht (1) Starke Abweichung (2) Stets zu berücksichtigende Faktoren bb) Grundzüge der Verpflichtung zur Kostenkontrolle nach deutschem Recht 2. Baudesign a) Keine Haftungsentlastung durch Billigung des Desgins ohne Aufklärung aa) Keine Entlastung des Architekten bei unaufgeklärter Billigung durch den Auftraggeber bb) Anforderungen an die Kommunikation von Defekten und Änderungen des Designs cc) Abhängigkeit vom Informationsbedürfnis des Klienten b) Nachforschungspflicht des Architekten c) Insbesondere: Aufklärung über Risiken und Risikoabwägung aa) Aufklärung über objektiv inakzeptable Risiken bb) Kriterien zur Bestimmung objektiv inakzeptabler Risiken d) Aufklärung über die Leistungen Dritter aa) Aufklärungspflicht und Überwachungspflicht bb) Integrationsfähigkeit eines Teilentwurfs e) Anforderungen an die Detailtreue von Bauplänen, -zeichnungen und -beschreibungen 3. Beratung bei der Wahl der Unternehmer und des Vertragstyps a) Auswahl der Haupt- und Subunternehmer b) Beratung hinsichtlich eines angemessenen Vertragstyps und -inhalts 4. Zusammenfassung

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

D. Aufklärungspflichten des Arztes I. Die duty to inform des Arztes nach den PELSC und dem DCFR 1. Die Elemente der Aufklärung gemäß Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR 2. Die Konkretisierung des Aufklärungsumfangs durch Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR 3. Die Anforderungen an die Informationsaufbereitung 4. Beschränkung des Aufklärungsumfangs im Patienteninteresse a) Gesundheitsschädliche oder lebensgefährliche Aufklärung b) Möglichkeiten und Grenzen eines Verzichts des Patienten auf die geschuldete Aufklärung aa) Faktische Umkehrung der Aufklärungspflicht durch Gegenfrage des Arztes? bb) Grenzen des Verzichts auf eine Aufklärung

II. Aufklärungspflichten des Arztes nach deutschem Recht 1. Grundlagen 2. Insbesondere: Die Selbstbestimmungsaufklärung a) Gegenstand b) Umfang und Intensität aa) Die Bedeutung der Zweckrichtung der Aufklärungspflicht bb) Im Ansatz komparativer Maßstab cc) Möglichkeiten und Grenzen eines Abstellens auf die typische Interessenlage c) Insbesondere: Die Aufklärung über Behandlungsalternativen 3. Fazit

III. Die Aufklärungspflicht des Arztes nach englischem Recht 1. a) b) aa)

Der Umfang der Aufklärungspflicht Aufklärung und battery Aufklärungspflichten und negligence Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal and Maudsley Hospital (1) Die vermittelnde „Mehrheitsauffassung“ (2) Die „Minderheitsauffassungen“ (3) Fazit bb) Gold v Haringey Health Authority und Blyth v Bloomsbury Health Authority 2. Begründungsdefizite a) Vertrauen b) Floodgates? c) „Defensive“ Medizin d) Ablehnung der Behandlung durch den Patienten 3. Die jüngere Rechtsprechung a) Bestärkung der Aufklärungsverpflichtung aa) Der Ansatz von Lord Woolf MR bb) Interpretationsansätze in der Literatur cc) Interpretation durch die Rechtsprechung

xxvii

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Inhaltsverzeichnis dd) Konsequenzen für die Konkretisierung der Aufklärungspflicht ee) Die jüngste Entwicklung b) Die Position des englischen Rechts zur Beschränkung des Aufklärungsumfangs im Patienteninteresse c) Fazit

453 454 456 458

5. Kapitel Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards § 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen – Zur Bedeutung professionsintern akzeptierter Standards A. Notwendig neuartige Aufgaben I. Arzthaftung 1. Sonderregeln für die experimentelle Behandlung in den PELSC und dem DCFR 2. Pflichten und Haftungsstandards des Arztes bei neuartigen Aufgaben nach deutschem Recht 3. Die englische Rechtsprechung zur Arzthaftung bei notwendig neuartigen Aufgaben a) Autonome Bestimmung des Standards durch das Gericht b) Konkretisierungskriterien

II. Neuartiges Baudesign und Architektenhaftung 1. a) b) 2.

Die Position des englischen Rechts Ausschluss der Fahrlässigkeitshaftung? Risiko- und Interessenabwägung Die Position des deutschen Architektenvertragsrechts

III. Anwaltshaftung 1. a) b) c) 2.

Das englische Anwaltshaftungsrecht Sorgfalt als Vertragsgegenstand Pflicht zum sorgfältigen Bemühen um Prozessvermeidung Aufklärung über die unsichere Rechtslage und Prozesswahrscheinlichkeit Das deutsche Anwaltshaftungsrecht

B. Fakultativ neuartige Aufgaben – Haftungsbelastung durch ein Abweichen von der gängigen Praxis? I. Arzthaftung 1. Die Vorgaben der PELSC und des DCFR für eine unnötige Behandlung 2. Die Position des englischen Rechts a) Kein Vertragsbruch per se b) Anforderungen an einen Vertragsbruch aa) Die Maßgeblichkeit des Bolam-Tests bb) Konkretisierungskriterien (1) Aufwand-Nutzen-Analyse

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards (2) Eingehen unnötiger Risiken (3) Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung der Angemessenheit sowie konstante Risikoüberwachung und -bewertung c) Spezielle Rechtsfolgen eines Abweichens von der herkömmlichen Praxis 3. Die Position des deutschen Rechts

II. Anwaltshaftung III. Architektenhaftung 1. a) b) c) 2.

Das englische Architektenvertragsrecht Kein Vertragsbruch per se Risikoaufklärung Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung Das deutsche Architektenvertragsrecht

C. Zwischenergebnis D. Kenntnisnahme und Berücksichtigung neuer Entwicklungen I. Beobachtungs- und Anpassungspflicht II. Grenzen der Beobachtungs- bzw. Fortbildungspflicht nach deutschem und englischem Recht 1. a) b) 2. a) b)

Arzthaftung Englisches Arzthaftungsrecht Deutsches Arzthaftungsrecht Anwaltshaftung Englisches Anwaltshaftungsrecht Deutsches Anwaltshaftungsrecht

E. Die Bedeutung der Leitfäden der Standesorganisationen und Berufsvereinigungen I. Die Position des englischen Rechts 1. Die praktische Bedeutung der codes als Beweiserleichterung 2. Die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln 3. Keine definitive Haftungsentlastung

II. Die Position des deutschen Rechts

xxix 481 482 483 484 486 488 488 489 489 490 490 493

493 495 495 495 496 497 497 498

500 500 502 504 505

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard A. Die Position der PELSC und des DCFR

507

B. Die Behandlung der Problematik durch die nationalen Rechte I. Arzthaftung und Spezialisierung

508 508 508 508 510 512 513

1. 2. a) b) c)

Die Differenzierung nach deutschem Arzthaftungsrecht Die Bedeutung besonderer Sachkunde des Arztes nach englischem Recht Die Beurteilung nach der übernommenen Aufgabe Erhöhung der Sorgfaltspflichten durch besondere Sachkunde? Insbesondere: Krankenhäuser und Kliniken

xxx

Inhaltsverzeichnis

II. Besondere Sachkunde und Anwaltshaftung 1. a) b) c) 2.

Die Position des englischen Rechts Dogmatische Überlegungen Rechtsprechungspraxis Insbesondere: Die Bedeutung der Gegenleistung Die Position des deutschen Anwaltsvertragsrechts

III. Besondere Sachkunde und Architektenhaftung 1. a) b) c)

Die Position des englischen Rechts Maßgeblichkeit der übernommenen Aufgabe Konsequenzen besonderer Sachkunde für den Sorgfaltsstandard Die Bedeutung überdurchschnittlicher Erfahrung ohne echte Spezialisierung 2. Die Position des deutschen Architektenvertragsrechts

IV. Fazit

§ 15 Fehlende Mittel

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527

A. Die Position des deutschen Rechts

528

B. Sonderregeln für öffentliche Einrichtungen nach englischem Recht? I. Die uneinheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte II. Die Position des Court of Appeal III. Stellungnahmen in der Literatur IV. Fazit zum englischen Recht

530 530 530 532 532

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken A. Team Work

533

B. Die Einschaltung Dritter in die Vertragsdurchführung I. Die Möglichkeit einer befreienden Pflichtübertragung auf Dritte

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1. Die Behandlung des Problemkreises in den PELSC und im DCFR 2. Pflichtenübertragung nach englischem und deutschem Recht a) Die Position des englischen Rechts b) Deutsches Dienstleistungsrecht aa) Deutsches Anwaltshaftungsrecht bb) Deutsches Architektenhaftungsrecht cc) Deutsches Arzthaftungsrecht

II. Die Differenzierung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit nach Pflichtenkreisen 1. Die Differenzierung der Verantwortlichkeit nach englischem Recht a) Arzthaftung aa) Getrennte Pflichtenkreise

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards bb) Pflichten beim Tätigwerden in getrennten Pflichtenkreisen cc) Exkurs: Die Beauftragung privater Dienstleister durch den NHS (1) Qualifikation des Vertrages zwischen NHS und Dienstleister (2) Vertragliche Rückgriffshaftung des NHS? (a) Nachlässige Auswahl (b) Haftung des NHS für independent contractors? b) Architektenhaftung aa) Grundsatz bb) Warn- und Hinweis- sowie Vorsorgepflichten hinsichtlich vertragswidriger Leistungen Dritter (1) Warn- und Hinweispflichten (2) Vorsorgepflichten c) Anwaltshaftung 2. Die Differenzierung der Verantwortlichkeit nach deutschem Recht a) Rechtsanwaltshaftung b) Architektenhaftung aa) Grundsatz bb) Verantwortlichkeit für Dritte – Koordinations-, Aufsichts-, Kontroll- und Überwachungspflichten c) Arzthaftung aa) Arbeitsteilung, insbesondere niedergelassener Ärzte bb) Ambulante Behandlung im Krankenhaus cc) Totaler Krankenhausaufnahmevertrag dd) Belegarztvertrag ee) Krankenhausvertrag mit Wahlleistungsabrede (1) Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag (2) Gespaltener Krankenhausvertrag

III. Aufgabendelegation durch den Schuldner 1. a) b) aa)

Die Möglichkeit einer Aufgabendelegation durch den Schuldner PECL, PELSC und DCFR Englisches Recht Differenzierung nach der Natur der Aufgabe sowie der Qualifikation und Erfahrung des mit der Durchführung zu Beauftragenden bb) Bewertung des deutschen Rechts, der PELSC und des DCFR im Lichte der Kriterien des englischen Rechts c) Deutsches Recht aa) Aufgabendelegation und Anwaltsvertrag bb) Aufgabendelegation und Architektenvertrag cc) Aufgabendelegation und Arzt- bzw. Krankenhausvertrag 2. Aufgabendelegation und Hilfspersonenhaftung: Einführende Vorbemerkung zur Dogmatik des englischen Rechts im Lichte des deutschen Rechts, der PECL, der PELSC sowie des DCFR a) Dogmatik b) Die Hilfspersonenhaftung nach der Konzeption von PECL, PELSC und DCFR

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xxxii

Inhaltsverzeichnis 3. Die konkreten Möglichkeiten und Grenzen einer Aufgabendelegation a) Die Behandlung der Problematik im Rahmen von Anwaltsverträgen nach englischem und deutschem Recht aa) Die Problematik im Lichte des solicitor-retainers (1) Entlastung des solicitors durch Vertrauen auf barrister (a) Grundlagen und dogmatische Konstruktion (b) Anerkannte Ausnahmen von der Entlastung (c) Die jüngere Entwicklung der Rechtsprechung (aa) Grenzen der Entlastung (i) Fehlen von Grundlagenkenntnissen (ii) Pflichtenkollision (iii) Ernsthafter Versuch einer Prüfung der Rechtsauskunft des barristers (bb) Möglichkeiten der Entlastung (cc) Bewertung aus der Position des Mandanten (2) Entlastung durch Vertrauen auf sonstige Experten (3) Die Hilfspersonenhaftung des solicitors (a) Haftung für vorsätzliche und fahrlässige Fehlleistungen (b) Begründungsmuster der Verantwortlichkeit für Arbeitnehmer (c) Die Irrelevanz des Umfangs der erfolgten Delegation bb) Die Hilfspersonenhaftung des Rechtsanwalts b) Die Behandlung der Problematik beim Architektenvertrag nach englischem und deutschem Recht aa) Englisches Recht (1) Grundsatz (2) Ausnahme bei der Übertragung von Teilaufgaben? (3) Arbeitsteiliges Zusammenwirken auf der Grundlage von Formularverträgen (a) Das Architect’s Appointment (b) Grenzen der Entlastung durch typische Formularklauseln (c) Standard Form of Agreement for the Appointment of an Architect (SFA/92) (d) Fazit bb) Die Behandlung der Problematik nach deutschem Architektenvertragsrecht c) Die Problematik beim Arzt- bzw. Krankenhausvertrag aa) Englisches Recht (1) Grundsatz (2) Pflichten des Arztes in Bezug auf die Hilfspersonen (3) Entlastung infolge Anleitung bzw. Überwachung durch einen hinzugezogenen Spezialisten? bb) Die Problematik im Rahmen des Arztvertrages nach deutschem Recht (1) Grundsatz (2) Entlastung durch Tätigkeit unter Fachaufsicht 4. Fazit

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6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

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6. Kapitel Strikte Dienstleistungshaftung § 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt A. Deutsches Vertragsrecht I. Allgemeine Grundsätze II. Spuren einer strikten Haftung 1. Arzt- und Anwaltsvertragsrecht 2. Architektenvertragsrecht

B. Die strikte Haftung nach PELSC und DCFR I. Strikte Materialhaftung 1. Die strikte Materialhaftung nach Art. 1:106(3) PELSC, IV.C. – 2:104(3) DCFR a) Regelungsinhalt und Funktion b) Begründungsmuster aa) Veranlassung im eignen Tätigkeits- und Herrschaftsbereich bb) Rückgriff entlang der Vertragskette 2. Die strikte Materialhaftung nach Art. 7:103 PELSC, IV.C. – 8:103 DCFR

II. Strikte Haftung für die Herbeiführung eines Resultats 1. Allgemeine Anforderungen an die strikte Haftung für den Eintritt eines Erfolges nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR a) Anforderungen an die Annahme einer Erfolgsherbeiführungspflicht b) Begründungsmuster c) Konsequenzen der Verpflichtung nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR für sonstige vertragliche Pflichten 2. Strikte Designhaftung nach Art. 5:105 PELSC, IV.C. – 6:104 DCFR a) Regelungsinhalt b) Begründungsmuster

C. Strikte Dienstleistungshaftung nach englischem Recht I. Ausdrückliche Vereinbarungen 1. Arzthaftung a) Eyre v Measday b) Thake v Maurice aa) Befürwortung einer strikten Verpflichtung durch Kerr LJ bb) Ablehnung einer strikten Verpflichtung durch die Mehrheit des Court of Appeal c) Fazit 2. Architektenhaftung 3. Anwaltshaftung a) Midland Bank plc v Messrs Cox McQueen b) Rey v Graham & Oldham

609 610 612 612 612

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xxxiv

Inhaltsverzeichnis

II. Vertragsergänzung (Implied Terms) 1. Implication in fact a) Begründungsmechanismen aa) Arzthaftung bb) Architekten- bzw. Ingenieurshaftung b) Fazit 2. Terms implied in law by courts a) Strikte Haftung für Medizinprodukte aa) Beispiel: Strikte Haftung für Zahnersatz bb) Abgrenzungsbemühungen (1) Nähe zum Kaufvertrag (2) Differenzierung nach dem zentralen Vertragsgegenstand (3) Qualifikation des zu überlassenden Gegenstandes b) Design Services – Strikte Planungshaftung? aa) Die Ausgangsposition des Court of Appeal bb) Die Position des House of Lords (1) Andeutungen des Bestehens einer Rechtsregel (2) Der Rückgriff entlang der Vertragskette als Begründungsansatz (3) Die Bedeutung der Ausübung eigener Sachkunde durch den Designer (4) Fazit cc) Die Position des Court of Appeal nach der Entscheidung des House of Lords (1) Ablehnung einer Implikation in law (2) Konsequenz c) Konsequenz: Die Unergiebigkeit kategorialer Typisierungen d) Conveyancing aa) Andeutungen strikter Haftung? bb) Begründsansätze für die Verpflichtung zu reasonable skill and care (1) Versicherung als zentrales Kriterium? (2) Praktische Zweifel an einem Bemühen der Gerichte um eine Anhebung der Standards (3) Typische Mandantenerwartung? (a) Die Mandantenerwartung als Risikofaktor (b) Die typische Notwendigkeit einer Abwägungsentscheidung (aa) Die Konstitution des Mandanten (bb) Weitere Abwägungsfaktoren (4) Begründungsansätze für die Urteilspraxis (5) Ausnahmen? (a) Strikte Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Durchführung des Unterschriftenverfahrens? (b) Die Argumentation des Court of Appeal in Zwebner (c) Die Interpretation von Zwebner durch die nachfolgende Rechtsprechung (6) Fazit e) Zwischenergebnis

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7. Kapitel . Schlussbemerkung 3. Implikation strikter Pflichten durch den Supply of Goods and Services Act 1982 a) Die Regeln des SGSA „for the transfer of property in goods“ sowie „for the hire of goods“ aa) Contracts for the transfer of property in goods (1) Sachlicher Anwendungsbereich (2) Inhaltliche Parallelen zum Warenkaufrecht (3) Grenzen der parallelen Ausgestaltung bb) Contracts for the hire of goods cc) Grenzen der Haftungsentlastung durch Vertragsgestaltung b) Part I des Supply of Goods and Services Act 1982 im medizinischen Kontext aa) Grenzen der Annahme eines transfer bb) Grenzen der Qualifikation von Gegenständen als „Goods“ (1) Übertragbarkeit der Regeln über Körperteile Verstorbener? (2) Grenzen der Übertragbarkeit (3) Fazit cc) Zufriedenstellende Qualität dd) Tauglichkeit für den kommunizierten Verwendungszweck (1) Vernünftiges Vertrauen (2) Tauglichkeit für welchen Zweck? (3) Atypische Reaktionen auf die Behandlungsmittel (a) Differenzierung nach Patiententypen (b) Konkretisierungsansätze (c) Grenzen der Atypik als Entlastungsmechanismus

III. Fazit

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7. Kapitel Schlussbemerkung A. Zum Gegenstand vertraglicher Dienstleistungen und seiner Bestimmung

673

B. Fazit zur Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards

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Ziegler, Thomas

Zimmer, Daniel Zimmermann, Stefan

Zugehör, Horst Zugehör, Horst (Hrsg.) Zweigert, Konrad/ Kötz, Hein

Literaturverzeichnis

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1. Kapitel Einführung § 1 Vorbemerkungen Das deutsche Recht besitzt wie viele andere Rechtsordnungen keine in sich geschlossene gesetzliche Regelung der Haftung gerade für Dienstleistungen1. Dies ist – wie Franz Bydlinski für das österreichische Schadenshaftungsrecht festgestellt und näher begründet hat – für sich genommen „weder ein Zufall noch ein Mangel“2. Der Begriff „Dienstleistung“ umschreibt im Sprachgebrauch des BGB jedoch traditionell die vertragstypische Leistung im Rahmen eines Dienstvertrages i.S.d. § 611 BGB3. Das Gesetz verwendet den Begriff auch zunächst in diesem Kontext4. Exklusiv dem Dienstvertrag zuzurechnen ist der Begriff „Dienstleistung“ jedoch nicht. Denn § 631 Abs. 2 BGB verwendet den Begriff gleichermaßen und legt ihm dabei ein weiteres Verständnis bei. In dieser Norm wird der Begriff der „Dienstleistung“ „seiner vertragstypologischen Bindung [an den Dienstvertrag i.S.d. § 611 BGB] enthoben und […] sogar im Zusammenhang mit der Herstellung eines Werkes genannt, also derjenigen Leistung, die gemeinhin antipodisch zur dienstvertraglichen Leistung gesehen wird“5. Für eine rechtsvergleichende Untersuchung ist ein derartiger nicht abschließend dogmatisch eingenommener Begriff 6 unter keinen Umständen ein Mangel, sondern im Gegenteil geradezu ein Glücksfall. Er ist hier in Anlehnung an den englischen Begriff „services“ gewählt, den auch die „Principles of European Law on Service Contracts“ (PELSC) und der Draft Common Frame of Reference (DCFR) aufgegriffen haben. 1

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Die Ausübung eines Dienstleistungsberufs ist nach deutschem Recht nicht nur kein Anküpfungspunkt für eine deliktische Haftung. Auch die Vertragshaftung ist nach den Vorgaben des BGB nicht davon abhängig, dass der Schuldner Handwerker, Angehöriger eines freien Berufes usw. ist. Schließlich findet sich selbst eine rollenspezifische Haftungsbegründung nur für wenige Vertragstypen in handels- und gesellschaftsrechtlichen Gesetzen (vgl. §§ 347 Abs. 1, 390, 407 HGB, 43 Abs. 1 GmbHG, 34 Abs. 1 GenG, § 93 Abs. 1 AktG), die freilich keine Dienstleistungsspezifika enthalten. Vgl. auch Schiemann, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 137 ff. Zur Diskussion um die Schaffung einer vereinheitlichenden gesetzlichen Regelung der Dienstleistungsverträge vgl. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 247 m.w.N. Bydlinski, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 167 ff. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 209. Vgl. §§ 612 Abs. 1, 613, 615 S. 2, 616 S. 1, 618 Abs. 1, 627 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 1 BGB; vgl. ferner im gleichen Sinne §§ 575 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 576 b Abs. 1 BGB. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 209. Den Versuch, typische Merkmale einer Dienstleistung zu erfassen, unternimmt z.B. Wendehorst, AcP 206 (2006), 226 ff.; für die „freien“ Berufe ähnlich Heckendorn, Haftung, Rn. 168 ff.

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1. Kapitel . Einführung

Die PELSC gehen ebenso wie der DCFR in systematischer Hinsicht einen Weg, „der von den vorliegenden europäischen Kodifikationen radikal abweicht und als in hohem Maße innovativ bezeichnet werden muss“7. Auch in den PELSC wird der Begriff „services“ indes nicht definiert, sondern – ergänzt durch allgemeine Regeln – anhand von sechs Dienstleistungstypen illustriert, denen die Verfasser der PELSC jeweils ein besonderes Kapitel gewidmet haben. Der DCFR folgt diesem Vorbild. Neuartig dabei ist, dass diese Dienstleistungstypen sich weder nach dem Erfolgsbezug oder Zeitbezug der Verpflichtung noch nach der Branche des Dienstleisters ausrichten8. Ausgangspunkt der Betrachtung sind vielmehr sechs Basisaktivitäten, die in unterschiedlicher Form und Kombination bei einer Vielzahl verschiedener Dienstleistungen auftreten, nämlich: construction, processing, storage, design, information und treatment9. Ziel dieser Vorgehensweise ist eine angemessene Systematisierung der lebensweltlichen Vielfalt, welche der Begriff „Dienstleistung“ konventionell umfasst. Ob dies gelungen ist10, vermag letztlich erst die Praxis zu zeigen. Das House of Lords hat jedenfalls die Principles of European Contract Law (PECL) zur Kenntnis genommen und in Entscheidungsgründen auch bereits auf die zu ihrer Konzeption angestellten Überlegungen Bezug genommen11. Der DCFR wurde bereits mehrfach durch die Generalanwältin Trstenjak aufgegriffen12. Wie die Sterne für ein Europäisches Zivilgesetzbuch stehen, nachdem die Kommission durch ihre Mitteilung zum Europäischen Vertragsrecht vom 11.7.200113 mit Blick auf die Defizite des gegenwärtigen Gemeinschaftsrechts14 einen Konsolidierungsprozess in Gang gesetzt hat15, lässt sich derzeit gleichwohl nicht abschließend beurteilen16. Die Stellungnahmen hierzu fallen durchaus unterschiedlich aus17. Die 7 8 9 10

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So Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 291. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 291; Heckendorn, Haftung, Rn. 123. Vgl. hierzu Loos, ERPL 2001, 565, 570 ff.; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 291. Positiv Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 292; a.A. Langhein, notar 2005, 119, 122 f. Die bei der künftigen Systematisierung in jedem Fall zu bedenkenden Probleme und Bedingungen umschreiben skizzenhaft Baldus/Schmidt-Kessel, GPR 2005, Editoral Heft 4. Director General of Fair Trading v First National Bank plc [2002] 1 AC 481, 500 per Lord Steyn, 502 per Lord Hope (HL). Vgl. die Schlussanträge vom 7.5.2009 – Rs. C-227/08, Tz. 51; vom 18.2.2009 – Rs. C-489/07, Tz. 85, 94; vom 11.9.2008 – Rs. C-180/06, Tz. 49 ff.; vom 11.6.2008 – Rs. C-275/07, Tz. 48. KOM(2001) 398 endg. Aber auch angespornt durch zahlreiche Initiativen aus der Privatrechtswissenschaft, vgl. zu ihnen Wurmnest, ZEuP 2003, 714 ff.; Schmidt-Kessel, RIW 2003, 481, 483 f. Vgl. dazu Schmidt-Kessel, GPR 2005, 2 ff. sowie KOM(2005) 456 endg. Zum Hintergrund prägnant und informativ von Bar/Schulte-Nölke, ZRP 2005, 165 ff. Überblicke finden sich jetzt auch in allgemeinen BGB-Kommentaren, vgl. z.B. Staudinger /Olzen, Einl zum SchuldR, Rn. 276 ff. Zum Stand der Dinge HWBEuPR /Schmidt-Kessel, Bd. I, S. 551 ff. (Europäisches Zivilgesetzbuch). Befürwortend für viele (passim) Lando, RIW 2005, 1 ff.; Basedow, ZEuP 2004, 1 ff.; SchmidtJortzig, AnwBl 98, 63 ff.; Schmidt-Kessel, GPR 2008, 261 f.; ablehnend Kenny, AJP 2005,

§ 1 Vorbemerkungen

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Kommission hat sich politisch – jedenfalls zunächst einmal18 – für die Schaffung eines gemeinsamen Referenzrahmens entschieden19, für den nun mit dem DCFR ein Entwurf vorliegt20. In ihrer Mitteilung „Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen“ vom 11.10.200421 hat sie die Idee dieses gemeinsamen Referenzrahmens fortentwickelt, d.h. eines offiziellen aber nicht bindenden Textes22. Dieser wird – das ist hervorhebenswert – „klare Definitionen von Rechtsbegriffen, Grundprinzipien und kohärente Mustervorschriften des Vertragsrechts enthalten, die auf dem gemeinschaftlichen Besitzstand und bewährten Problemlösungen aus den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten beruhen“23. Vor diesem Hintergrund wird man im Lichte künftiger europäischer Rechtsetzung vermehrt die Lösungen des europäischen Auslands deutlicher in den Blick nehmen müssen. Dies gilt im Rahmen der vertraglichen Dienstleistungshaftung, sollte sich die künftige europäische Rechtsetzung an die PELSC24 bzw. die ihnen folgenden Regelungen des DCFR anlehnen, insbesondere für das englische Recht25. Denn PELSC und DCFR folgen, wie noch zu zeigen sein wird, im Grunde den im englischen Recht entwickelten

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288 ff.; Wiesner, DB 2005, S. 871 ff.; „auf absehbare Zeit“ Schulte-Nölke, notar 2005, 160, 163; i.E. auch Fricke, VersR 2005, 1474 ff.; zu den PELSC als Muster Langhein, notar 2005, 119, 123; offen Schmucker, DNotZ 2005, 897, 900. Vgl. ferner z.B. die von S. Zimmermann, notar 2003, 55 ff referierte Diskussion sowie die anschließende Stellungnahme und die Diskussion in Grundmann/Stuyck, Green Paper, S. 137 ff. Vgl. aber Lehne, notar 2005, 157 ff. sowie Jeep/Vossius, notar 2005, 101: „Wann immer Dirk Staudenmayer, Abteilungsleiter in der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission, einen der insgesamt 32 Workshops eröffnet, in denen zwischen 15 und 40 Praktiker aus allen Ländern der Gemeinschaft über den Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens diskutieren, eines common frame of reference (DCFR), versichert er, die Europäische Kommission plane nicht, ein Europäisches Zivilgesetzbuch zu schaffen. Ein wenig klingt dies jedoch, als würde niemand planen, eine Mauer zu bauen – während bereits die Steine aufeinander geschichtet werden“. Überlegungen zur Funktion dieses Referenzrahmens etwa bei Najork/Schmidt-Kessel, GPR 2003/2004, 5 ff. Zum DCFR vgl. z.B. Jansen/Zimmermann, NJW 2009, 3401 ff. Kritisch zum Dienstleistungsvertragsrecht des DCFR jetzt Unberath ZEuP 2008, 745 ff. KOM(2004) 651 endg. Vgl. hierzu Staudenmayer, EuZW 2005, 103 ff.; Remien, GPR 2008, 124 ff. Mit in diesem Zusammenhang gängigen Irrtümern räumt zu recht Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161 ff. auf. KOM(2004) 651 endg., S. 3 (Hervorhebung vom Verfasser), vgl. auch S. 12. Dies ist aufgrund der Tatsache, dass deren Verfasser, die Study Group on a European Civil Code, unter den Forschergruppen, welche die Kommission mit den wissenschaftlichen Vorarbeiten beauftragt hat, die Führungsrolle einnimmt, nicht unwahrscheinlich. Zu ihrer Entwicklung, Zusammen- und Zielsetzung sowie zu ihrer Arbeitsweise zuletzt HWBEuPR / Schmidt-Kessel, Bd. II, S. 1453 ff. (Study Group on a European Civil Code). Die insoweit durch von Westphalen, AnwBl. 2005, 21, 26 im Hinblick auf das Verbrauchervertragsrecht vertretene Position verdient keine uneingeschränkte Zustimmung und ist für das Dienstleistungsvertragsrecht nicht nachvollziehbar.

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1. Kapitel . Einführung

Haftungsmechanismen, zu denen insofern einführend folgende Bemerkungen gestattet seien: Voraussetzung der vertraglichen Haftung ist nach englischem Recht regelmäßig ein Vertragsbruch26 (breach of contract). Die Feststellung eines Vertragsbruchs hängt dabei aufs Engste mit der Frage des Haftungsstandards zusammen. Denn der innerhalb eines Vertrages geltende Haftungsstandard bestimmt nach englischem Vertragsrecht nicht nur den Inhalt der geschuldeten Leistung, sondern von ihm hängt zusätzlich ab, wie der Vertragsbruch im Einzelfall technisch bestimmt wird. Das ist für den deutschen Juristen zunächst zumindest überraschend, vielleicht sogar befremdlich, zumal auch in der rechtsvergleichenden Literatur die konstruktive Bedeutung von Haftungsstandards für den Vertragsbruch bislang nahezu keine Aufmerksamkeit gefunden hat27. Bezüglich der Tatsache, dass sich im englischen Vertragsrecht nicht ein einzelner globaler, sondern zumindest zwei grundsätzlich unterschiedliche Haftungsstandards nachweisen lassen, liegen die Dinge nicht wesentlich anders. Denn gemeinhin wird gelehrt – und davon geht auch der englische Jurist in der Tat zunächst aus28 –, die Haftung nach englischem Vertragsrecht sei strikt29; Verschulden bzw. Sorgfalt spiele dabei – anders als im Rahmen der deliktischen Haftung – keine Rolle. Das deutsche Recht, das bekanntermaßen dem Verschuldensgrundsatz folgt30, bilde mit den sich daraus ergebenden Haftungsstandards geradezu den Gegenentwurf zum Modell der strikten Haftung31. Darauf, dass mangelnder Sorgfalt, die mit dem Begriff Verschulden stets verbunden ist, in weiten Teilen des englischen Vertragsrechts große Bedeutung für die Haftungsbegründung zukommt, findet sich in der rechtsvergleichenden Literatur sowie in englischen Werken zum allgemeinen Vertragsrecht allenfalls in neuerer Zeit ein deutlicherer Hinweis32. Dabei ist die sorgfaltsgemäße Leistungserbringung – auch 26

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Die vorgenannte Einschränkung ist dem Umstand geschuldet, dass die Voraussetzung eines Vertragsbruchs für die Fälle der self-induced frustration noch nicht abschließend geklärt ist. Dazu in Fn. 679. Anflüge dazu bei Klauss-Hartung, Mitverschulden, S. 13; näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 271 f., 290 f. Nicholas, in Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337. Vgl. Cooke/Oughton, Obligations, S. 217 ff. et passim. Statt aller Larenz, Schuldrecht I, § 20 I (S. 276 ff.). Vgl. für viele nur Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 36 IV (S. 501 f.); Treitel, Remedies, S. 7 ff.; Jones/Schlechtriem, Breach, s. 203 f.; Rheinstein, Struktur, S. 189; Larenz, Schuldrecht I, § 20 I (S. 277 f.). Ausführlich aber Schmidt-Kessel, Standards, S. 293 ff. et passim sowie Cooke/Oughton, Obligations, S. 569 ff. et passim; vgl. im Übrigen auch Nicholas, in Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337, 341; Treitel, Contract, S. 840 ff.; ders., Remedies, S. 8 f.; Samuel, Obligations, S. 212; Pellegrino, ZEuP 1997, 41, 47 f.; Staudinger /Löwisch/Caspers, § 276 Rn. 4; neuerdings auch Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 503. Weitergehend – nämlich ein Überwiegen der Fälle sorgfaltsabhängiger Haftung annehmend – Lindacher, Phänomenologie, S. 37. Wenn und soweit sich – mit Ausnahme des Treitelschen – in den klassischen Lehrbüchern zum allgemeinen Vertragsrecht darauf kein Hinweis findet, mag dies seinen

§ 1 Vorbemerkungen

5

und gerade im Recht der Dienstleistungen – von besonderer Bedeutung33 und hierbei handelt es sich nicht einmal um eine jüngere Entwicklung. Bereits im 17. und 18. Jahrhundert lässt sich ein Widerstreben der Rechtsprechung nachweisen, dem Schuldner einer Dienstleistung eine strikte Haftung aufzubürden34. Dass dieser Umstand von der Rechtsvergleichung erst in jüngerer Zeit vermehrt Aufmerksamkeit erhält, mag zum einen daran liegen, dass der Grundsatz der strikten Haftung tatsächlich vorrangig die Gedankenwelt des englischen Rechts beherrscht35. Ein weiterer Grund mag darin zu finden sein – dies gilt auch und gerade für die deutsche Rechtswissenschaft –, dass in der Vertragsrechtsvergleichung der Kaufvertrag (vielleicht zu exponiert) seit langer Zeit im Zentrum der Aufmerksamkeit steht36. Belässt man es im englischen Recht einmal bei der Betrachtung des Kaufvertrags als Paradigma eines Vertrages über die Verschaffung von Gütern und betrachtet man die insoweit vorhandenen gesetzlichen Regeln, verleitet ein Vergleich mit der zentralen gesetzlichen Norm des Dienstleistungsvertragsrechts37 bisweilen zu dem Schluss, die Striktheit bzw. Sorgfaltsabhängigkeit der Haftung sei die eine „crucial difference between the legal regimes governing contractual liability for defective

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Grund vielleicht auch in der Betrachtung des Vertrags durch den englischen Juristen finden, die Tony Weir, 66 [1992] TulLR 1615, 1638 f. beschreibt und die für ein durch Fallrecht geprägtes, also anhand der Beschäftigung mit Einzelfällen gewachsenes Rechtsverständnis umso bemerkenswerter ist. Zu den hier nicht behandelten Bereichen des Vertragsrechts, in denen die Sorgfältigkeit der Leistungshandlung maßgeblich ist, vor allem Schmidt-Kessel, Standards, S. 308 ff. mit weiterführenden Nachweisen; zu den im Deliktsrecht geltenden Sorgfaltsanforderungen rechtsvergleichend von Bar, Deliktsrecht II, Rn. 293 ff. Vgl. dazu etwa MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 206 m.w.N. Cooke/Oughton, Obligations, S. 239 vermuten den Ursprung dieser Haltung in der Entscheidung Coggs v Barnard (1703) 2 Ld Ray 909, 92 ER 107. Vgl. Raineri v Miles [1981] AC 1050, 1086 per Lord Edmund-Davies (HL): „axiomatic“. Dazu ist allerdings zu bemerken, dass der Kaufvertrag wohl immer noch den realtypisch am häufigsten geschlossenen Vertrag darstellt (vgl. Schwenzer/Müller-Chen, Rechtsvergleichung, S. 110), sodass insbesondere seine Praxisrelevanz ihn zum „darling of the academic mind“ gemacht haben dürfte. Aus dem deutschen Schrifttum zum Kaufvertragsrecht rechtsvergleichend vor allem Kircher, Sachmängelhaftung, S. 68 ff. Aus der Sicht des deutschen Juristen ist dies vielleicht teilweise dadurch zu erklären, dass dem Kaufvertrag auch im rein nationalen Rechtsdenken besondere Aufmerksamkeit widerfahren ist, vgl. z.B. Peters, NZBau 2002, 113, 115: „Es war ja schon sein In-Kraft-Treten des BGB so, dass der Prototyp der vertraglichen Schuldverhältnisse der Kauf war; daran hat sich [durch die Schuldrechtsreform] nichts geändert“. Die Betrachtung der gesetzlichen Ausgangslage sollte nicht zur Vernachlässigung des konkreten Vertrages führen. In beiden Fällen handelt es sich im Ansatz um gesetzliche Zusammenfassungen der bis zu ihrem Inkrafttreten ergangen Rechtsprechung. Das englische Recht „denkt“ vom konkreten Vertrag und nicht so sehr vom Vertragstypus her, wie der Umstand unterstreicht, dass sich eine eigene Vertragstypenlehre im englischen Recht bisher nicht etabliert hat, vgl. Weir, 66 [1992] TulLR 1615, 1639 ff.

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1. Kapitel . Einführung

services and goods“38: Unter der Geltung des Sale of Goods Act 1979 (SGA) werden – teilweise äußerst komplexe – Vertragsbestimmungen (terms) von Gesetzes wegen in den („in course of a business“ geschlossenen) Vertrag über die Beschaffung von Gütern hineingelesen (implied by statute)39. Unter anderem muss der Kaufgegenstand die Tauglichkeit für den gewöhnlichen oder beabsichtigten Verwendungszweck sowie eine insgesamt zufrieden stellende Qualität (sec. 14 SGA) aufweisen. Ob ein Vertragsbruch vorliegt, wird anhand eines strikten Maßstabs gemessen. Das bedeutet, der Käufer muss dem Verkäufer bei Nichterreichen dieser Standards kein Verschulden nachweisen und umgekehrt kann der Verkäufer sich nicht von der Haftung befreien, indem er nachweist, dass er alle vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt hat walten lassen40. Für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen wählt der Gesetzgeber hingegen einen anderen Ausgangspunkt. Der Supply of Goods and Services Act 1982 (SGSA), der, soweit er den supply of services regelt, gleichsam das Pendant zum Sale of Goods Act 1979 für den Kaufvertrag ist, sieht in sec. 13 einen implied term über Sorgfalt und Geschick (care and skill) vor: “In a contract for the supply of a service where the supplier is acting in course of a business, there is an implied term that the supplier will carry out the service with reasonable care and skill”. Ein Vertragsbruch liegt nach dieser Norm also nur vor, wenn der Dienstleister sich „care and skill“ betreffend unangemessen (unreasonably) verhalten hat. Der Erbringer der Dienstleistung muss mit anderen Worten nicht mit der vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt vorgegangen sein. Die Haftung beruht im Grundsatz auf Fahrlässigkeit (negligence) und der vertraglich geschuldete Sorgfaltsstandard ist weitestgehend derselbe, der auch im Rahmen der deliktischen Fahrlässigkeitshaftung aus dem gleichnamigen tort of negliegence geschuldet ist41. Etwas anderes – nämlich ein strikter Haftungsstandard – gilt im Ausgangspunkt nur da, wo der Dienstleister ein Ergebnis seiner Bemühungen garantiert hat. Die Gerichte sind mit der Annahme derartiger Garantien allerdings sehr zurückhaltend42 und dies betrifft nicht allein Dienstleistungen, die von besonders qualifizierten Dienstleistern wie Ärzten oder Steuerberatern erbracht werden43.

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Shaw/Wheeler in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 14. Zur Bedeutung von implied terms für die Haftung sowie zu Arten von implied terms vgl. ab S. 64. Vgl. Cehave NV v Bremer Handelsgesellschaft mbH (The Hansa Nord) [1976] QB 44, 61 per Lord Denning MR, S. 69 f. per Roskill LJ; Reynolds, in: Benjamin’s Sale of Goods, § 12–022. Shaw/Wheeler in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 14; Powell, in: Birks, Wrongs, S. 47. Vgl. zum Hintergrund ab S. 117. Vgl. einstweilen nur Eyre v Measday [1986] 1 All ER 488, 496 per Purchas LJ (CA); Thake v Maurice [1986] QB 644, 684, 685, 686, 687 f. per Kerr LJ (CA). In beiden Entscheidungen wurde nicht angenommen, der eine Sterilisation durchführende Arzt habe garantieren wollen, dass die Operation zur dauerhaften Unfruchtbarkeit des Patienten führe. Näher zu diesen Fragen ab S. 623.

§ 1 Vorbemerkungen

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Eine Aufgabe von herkulischem Anspruch und Umfang bedeutete es aber, den Vertragsbruch dezidiert im Lichte möglichst aller (wirtschaftlich-empirisch) typischen Dienstleister untersuchen und darstellen zu wollen. Das kann und soll hier nicht geleistet werden. Dies verbietet sich m.E. bereits aufgrund der Tatsache, dass eine thematisch breite Auffächerung weniger Raum für ein tieferes Eindringen in die jeweilige Materie lässt. Unter solchen Voraussetzungen erliegt eine rechtsvergleichende Untersuchung schneller dem (vermeidbaren) Risiko, sich auf die „falsche Fährte“ locken zu lassen. Hinzukommt, dass eine rechtsvergleichende Untersuchung sich typischerweise als einer Hauptschwierigkeit der Unterschiedlichkeit der Erwartungen zu stellen hat: Während einerseits nämlich offenbar stets ein gewisses Bedürfnis nach einer Einführung besteht, liegen auf der anderen Seite zumeist schon einige rechtsvergleichende Untersuchungen vor. Dies gilt auch und gerade für die Dienstleistungshaftung, die im Lichte neuerer Richtlinienvorschläge44, aber auch nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlich-praktischen Bedeutung45 in jüngerer Zeit vermehrt Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung war46. Die vorliegenden Arbeiten gehen allerdings auf die Vertragsbruchproblematik, d.h. auch auf ihre Mechanismen und Zusammenhänge, nicht tiefer ein. Vor diesem Hintergrund schien ein auf wenige typische Dienstleister konzentrierter Ansatz, der einzelne Aspekte näher beleuchten kann, gewinnversprechend. Als Untersuchungsgegenstand ausgewählt wurden „Anwaltsvertrag“, „Architektenvertrag“47 und „Arztvertrag“, weil diese Verträge das Spektrum von rein intellektuellen bis unmittelbar körperlich erfahrbaren Dienstleistungen ganz gut abdecken. Nach einer Identifizierung der Situationen, in denen es zum Abschluss entsprechender Dienstleistungsverträge kommt (nachfolgend § 2), sowie der entsprechenden Vertragsparteien (§ 3), versucht die Arbeit dem Bedürfnis nach einführenden Bemerkungen dadurch Rechnung zu tragen, dass zunächst eine allgemeine Einführung in die Vertragsbruchs- bzw. Nichterfüllungs- oder Pflichtverletzungsproblematik erfolgt (§§ 4 ff.). Dabei liegt bereits ein erster Schwerpunkt auf der Haftung für Sorgfalt nach englischem Recht. In dessen Rahmen wird nicht nur die bestehende gesetzliche Regelung näher vorgestellt (§ 5 C), sondern auch auf die Bedeutung deliktsrechtlicher Kategorien für die vertragliche Haftung eingegangen (§ 6). Nachdem so die Grundlinien der vertraglichen Haftungsmechanismen gezogen sind, widmet sich der Hauptteil der Untersuchung Grundlagen (§§ 7 ff.) und Einzelfragen (§§ 13 ff.) 43

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Vgl. beispielhaft nur die zur Wäschereihaftung (zum Schutz gegen Diebstahl von zu waschender Wäsche) ergangenen Entscheidungen Alderslade v Hendon Laundry [1945] 1 All ER 244, 246 per Lord Greene MR (CA); Martin v Morris [1966] 1 QB 716 (CA). „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt“ (KOM(2004) 2 endg.), vgl. dazu etwa Schlichting/Spelten, EuZW 2005, 238 ff. sowie (zum Aspekt des Herkunftslandsprinzips) Albath/Giesler, EuZW 2006, 38 ff. Vgl. zu diesem Aspekt etwa Hirte, Berufshaftung, S. 4 ff. Vgl. etwa Heckendorn, Haftung; Magnus/Micklitz, Liability; Hirte, Berufshaftung, S. 242 ff. und (passim) auch von Bar/Drobing, Property Law. Zum Constructionvertrag im Gegensatz zum hier behandelten Designvertrag nach dem DCFR vgl. z.B. Armgardt, NZBau 2009, 12 ff.

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1. Kapitel . Einführung

der Verpflichtung zu sorgfältigem und sachkundigem Vorgehen. Die Verpflichtung hierzu steht in allen untersuchten Rechten klar im Vordergrund. Dabei liegt (bisweilen paradigmatisch gedacht (z.B. § 11)) so mancher Schwerpunkt der Arbeit in der Erläuterung des englischen Vertragsrechts. Gleiches gilt für die abschließend (§ 17) erfolgende Erörterung der strikten Haftung. Die Arbeit folgt, was die Art der Darstellung betrifft, keinem fixen Schema. Berücksichtigt wird dabei die stets aktuelle Mahnung der Parabel von Prokrustes und seinem fatalen Bett. Übertragen auf die Untersuchung unterschiedlicher Rechte gilt es danach zu respektieren, dass sich diese, wenn sie nicht gleich sind, auch nicht gleich machen lassen – und zwar auch nicht dadurch, dass man ihnen ein Stück des Kopfes oder ein Stück ihrer Fortbewegungsinstrumente amputiert. Zwar sind sie sich – wie wir sehen werden – alle in vielerlei Hinsicht ähnlich, aber nicht zwingend unter jedem Gesichtspunkt „gleich“ und eben häufig auch nicht auf ein Maß zu bringen. Doch unter Aufzeigung zahlreicher Parallelen gemeinsam dargestellt werden können, sollen und müssen sie.

2. Kapitel Der Vertrag über die Leistung von Diensten § 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen Dienstleister werden regelmäßig für konkrete Projekte engagiert, sodass das Entstehen vertraglicher Beziehungen zumeist auf einen expliziten oder doch unzweifelhaften, konkludenten Vertragsschluss zurückgeht. Diskussionen darüber, ob überhaupt eine vertragliche Bindung vorliegt, sind eher selten. Die PELSC sehen keine den Vertragsschluss betreffenden Sonderregeln vor, sodass insoweit auf die allgemeinen, in Art. 2:101 ff. PECL niedergelegten Regeln zurückzugreifen ist48, denen weitestgehend Art. II. – 4:101 ff. DCFR entsprechen.

A.

Allgemeine Voraussetzungen für das Bestehen eines Vertrages

I.

Anforderungen an das Bestehen einer vertraglichen Einigung

Zur Entstehung einer rechtsgültige Vertragsbeziehung ist nach englischem Recht – anders als nach deutschem Recht und Art. 2:101 PECL – neben einer entsprechenden Vereinbarung49 eine consideration erforderlich. Dies bedeutet, dass der Leistung der einen Vertragspartei eine Gegenleistung der anderen Vertragspartei gegenüberstehen stehen muss50. Fehlt es an einer consideration, bedarf es einer besonderen Form, damit die Vereinbarung – dann allerdings nicht als „Vertrag“, sondern als deed51 – 48

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Zum Vertragsschlussverfahren nach den PECL im Vergleich zum deutschen Recht Köhler, in: Basedow, Vertragsrechtsvereinheitlichung, S. 33 ff.; knapper Überblick bei Blase, Grundregeln, S. 77 ff.; zum DCFR vgl. z.B. Schulte-Nölke, ERCL 2007, 332 ff. Die sog. Lehre vom faktischen Vertrag dürfte jedenfalls für die hier untersuchten Dienstleistungsverträge überholt sein (ebenso für den Behandlungsvertrag Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 94; a.A. für die Hilfeleistung in Notfällen Luig, in: Gitter, Vertragsschuldverhältnisse, S. 223, 228), sodass auch dann eine entsprechende Einigung erforderlich ist, wenn ein Krankenhausaufnahmevertrag abgeschlossen wird. Die bloße Tatsache, dass ein Patient in das Krankenhaus eingeliefert wird, begründet daher keine vertraglichen Beziehungen, Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 41 Rn. 13. Gleiches gilt bei der belegärztlichen Krankenhausaufnahme von Kassenpatienten, BGH, VersR 1992, 1263, 1264; Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 41 Rn. 15 m.w.N. zum Streitstand. Williams v Roffey Brothers & Nicholls (Contractors) Ltd [1991] 1 QB 1, 19 per Russel LJ (CA); vgl. allgemein Treitel, Contract, S. 67 ff.; dens., in: Birks, Private Law, §§ 8.01 ff; 8.29 ff.; dens., Chitty on Contracts I, § 3–004 ff.; Tallon, in: Beale u.a., Contract, S. 140 ff. Vgl. Treitel, Contract, S. 158 ff.; Whittaker, Chitty on Contracts I, §§ 1–075 ff.; Tallon, in: Beale u.a., Contract, S. 164 ff.

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2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

rechtswirksam ist. Der Vertragsschluss ist demgegenüber auch nach englischem Recht formlos möglich, d.h. mündlich oder schriftlich52. Dies gilt allerdings nicht im Fall einer Gebührenvereinbarung, zu welcher der solicitor sowohl in streitigen als auch in nichtstreitigen Angelegenheiten (vgl. s. 57 f. Solicitors Act 1974) berechtigt ist53. Denn die Gebührenvereinbarung, die noch gemäß s. 59(2)(b) Solicitors Act 1974 in streitigen Angelegenheiten kein Erfolgshonorar darstellen durfte54, musste schriftlich abgeschlossen werden55 (ss. 57, 59 Solicitors Act 1974). Grundsätzlich formlos möglich ist dagegen der Abschluss von ärztlichen Behandlungsverträgen und Verträgen über Baudienstleistungen56. Obwohl ein schriftlicher Vertragsschluss im Regelfall also nicht erforderlich ist, ist er gleichwohl häufig vorteilhaft und daher ratsam. Dies gilt z.B. sowohl für den Mandanten als auch für den solicitor57: Die fehlende Schriftform bewirkt nicht die Ungültigkeit des retainers, kann ihn aber in wesentlichen Teilen undurchsetzbar machen, wenn das Recht für die Durchsetzbarkeit einen schriftlichen Beweis fordert58. Ein Tätigwerden des solicitors aufgrund formlosen Bestellungsvertrages ist für diesen ferner mit einem erhöhten Haftungsrisiko verbunden59. Denn wo sich das Vorbringen des solicitors und das des Mandanten über den Inhalt des lediglich mündlich abgeschlossenen retainers widersprechen, wird das Gericht davon ausgehen, der solicitor habe insoweit ohne Vollmacht gehandelt60. Es gilt: „If the solicitor does not take the precaution of getting a written retainer, he has only himself to thank for being at variance with his client over it and must take the consequences“61. Im

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Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.70. Vgl. für den Bestellungsvertrag eines solicitors Groom v Crocker [1939] 1 KB 194, 203 per Sir Wilfrid Greene MR (CA); McInerny v Lloyds Bank Ltd [1973] 2 Lloyd’s Rep 389, 400 per Kerr J.; Cordery, Solicitors, S. 50; Jackson/Powell, Negligence, § 10–004; Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 101; Remmertz, Anwaltschaft, S. 111; Graef, Haftung, S. 124; Dietlmeier, Haftung, S. 17; Poll, Haftung, S. 139 f.; Schellenberger, Haftung, S. 107; Fischer, Haftung, S. 5 f. alle m.w.N. Dietlmeier, Haftung, S. 17. Zur heute in gewissem Umfang bestehenden Möglichkeit, Erfolgshonorare zu vereinbaren, vgl. ab S. 16. Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 101 m.w.N.; vgl. auch Kellermann, Standesrecht, S. 81; Dietlmeier, Haftung, S. 17. Vgl. zu Letzteren Cornes, Design, § 2.1.1. Jackson/Powell, Negligence, § 10–006; Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 102; vgl. auch Fischer, Haftung, S. 6. Cordery, Solicitors, S. 50. Zu möglichen Konsequenzen von Formmängeln Treitel, in: Birks, Private Law, §§ 8.73 ff. Neben den Fällen zwingender Schriftform empfiehlt sich daher eine schriftliche Fixierung insbesondere für die erneute Erteilung einer schriftlich widerrufenen Vollmacht, Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 101; Cordery, Solicitors, S. 50. Vgl. dazu auch Watson, Litigation, §§ 4.9 f. Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 101; Cordery, Solicitors, S. 50; Remmertz, Anwaltschaft, S. 111; vgl. auch Dietlmeier, Haftung, S. 17. Griffiths v Evans [1953] 1 WLR 1424, 1429 per Denning LJ (CA).

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

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Hintergrund steht dabei die Überlegung, dass der Mandant zwar typischerweise weiß, was er will, der solicitor aber sicher gehen muss, dass er die Wünsche des Mandanten richtig aufgenommen hat62. Ob diese Frage sich im Zusammenhang mit streitiger oder nicht streitiger Tätigkeit des solicitors stellt, spielt keine Rolle63. Nach deutschem Recht unterliegt – ebenso wie nach PECL, PELSC und DCFR – weder der Arzt- bzw. Krankenhausvertrag64 noch der Anwalts- 65 oder Architektenvertrag66 formellen Gültigkeitsvoraussetzungen. Insofern kann der jeweilige Vertrag auch stillschweigend abgeschlossen werden67. Formanforderungen betreffen vor allem Gebührenvereinbarungen (vgl. z.B. § 4 Abs. 1 HOAI)68 und berühren nur deren Gültigkeit69, nicht aber die Vereinbarung über die Leistungspflicht des Dienstleisters70. So bedürfen zum Schutz des Patienten z.B. von dem Gebührenrahmen der GOÄ oder GOZ abweichende Vereinbarungen der Schriftform, dürfen daneben keine anderen Erklärungen beinhalten und müssen vor dem Beginn der Behandlung getroffen werden71. Ferner unterliegen Verträge über Wahlleistungen gemäß § 22

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So jedenfalls Gray v Buss Murton (a firm) [1999] PNLR 882, 892 f. per Rougier J (HC). Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 101. Hart, JURA 2000, 14, 15; Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 42 Rn. 1; Anders/ Gehle, Dienste, Rn. 206. Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 27; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 9. Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 119; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 18; Seul, S. 11; Tempel, in: ders./Seyderhelm, S. 332; ders., Architektenvertrag, S. 155, 159; Locher, Baurecht, Rn. 353 (s. dort zu Schriftformgeboten von Seiten öffentlich-rechtlicher oder kirchlicher Vertragspartner). BGH, NJW 2000, 3429, 3431; Hart, JURA 2000, 14, 15; Anders/Gehle, Dienste, Rn. 206; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 6; Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 41 Rn. 10, § 42 Rn. 1 f. m.w.N. (Behandlungsvertrag); BGH, NJW 1991, 2084, 2085 f.; BGH v. 6.10. 2005 – IX ZR 111/03 n.v.; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 27, 29 ff.; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 9, 11 ff.; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 12 Rn. 63, 67 (Anwaltsvertrag); KG, NZBau 2005, 522, 523; OLG Saarbrücken, NJOZ 2005, 1152, 1153; OLG München, NJW-RR 1996, 341, 342; OLG Koblenz, NJW-RR 1996, 1045; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 713 f.; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 654; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 85 ff., Seul, S. 10 f.; Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 159; Locher, Baurecht, Rn. 355; Neuenfeld, NZBau 2002, 13, 14 (Architektenvertrag). Näher Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 121 ff.; Seul, S. 11 f. Bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 HOAI greift allerdings entgegen OLG Köln, BauR 1992, 108 ff. nicht § 125 BGB, sondern § 4 Abs. 4 HOAI ein, vgl. BGH, BauR 1985, 582, 583; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 122; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 698. Vgl. für die Inanspruchnahme von Wahlleistungen BGHZ 138, 91, 98; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 33. Vgl. BGH, NJW 2000, 1794, 1795 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 9.

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2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

Abs. 2 BPflV 199472 bzw. § 17 Abs. 2 KHEntgG73 der Schriftform74. Empfohlen wird dem Dienstleister ein Bestehen auf der Schriftform (parallel zum englischen Recht) zu Beweiszwecken75; dem Arzt insbesondere bei langwierigen oder kostspieligen Behandlungen76.

II.

Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages

Nicht (unbedingt) erforderlich für den Abschluss eines gültigen Vertrages ist im Rahmen der Dienstleistungshaftung in allen untersuchten Regeln die Möglichkeit einer Erfüllung bei Vertragsschluss (vgl. § 311 a Abs. 1 BGB; Art. 4:102 PECL, II. – 7:102 DCFR)77. Zur Nichtigkeit eines Vertrages oder zur Unerzwingbarkeit seiner Durchführung kann jedoch ein rechtliches Verbot führen. Dies ist auch für die Vertragsbruchsproblematik relevant. Denn die illegality ist – rechtstechnisch – u.U. ein Verteidigungseinwand des Beklagten nicht nur gegen die enforceablitiy des Vertrages, sondern auch – a fortiori – gegen die Klage aus breach of contract78. Dies gilt freilich nicht nur für das englische Recht, sondern in gleichem Maße für das deutsche Recht, die PECL, PELSC und den DCFR. Denn ein unwirksamer Vertrag entfaltet keine vertraglichen Pflichten, die verletzt werden könnten79. Die PELSC enthalten über den Einfluss von Rechts- oder Sittenverstößen auf die Wirksamkeit des Vertrages keine Sonderregeln, sodass insoweit auf Art. 15:101 ff. PECL zurückzugreifen ist. Im Rahmen des DCFR sind Art. II. – 7:301 ff. anwendbar.

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Zu den Anforderungen dieser Vorschrift näher BGH, NJW-RR 2005, 419, 420 f.; Steffen/ Dressler, Arzthaftung, Rn. 32 ff.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 49 ff. Für Verträge ab dem 1.1.2005, § 22 Abs. 1 BPflV. Zur Nichtigkeitsfolge bei Formverstoß (§§ 125 S. 1, 139 BGB) vgl. BGHZ 138, 91, 92 ff.; BGH, NJW 2002, 3772. Vgl. z.B. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 9 (Anwalt); Jagenburg, BauR 1988, 155; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 21; Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 159; einschränkend Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 721 (Architekt). Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 42 Rn. 4. Auch im englischen Recht ist dies nicht notwendig der Fall, vgl. allgemein von Bar/ Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 264; Beale/Harrington, in: Beale u.a., Contract, S. 381 f.; a.A. Fischer, Haftung, S. 5. Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 2.2. Eine außervertragliche Haftung ist dadurch freilich nicht ausgeschlossen, vgl. zur Haftung aus GoA (§§ 677 ff. BGB) bei fehlerhaftem Arztvertrag z.B. Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 45 Rn. 19; allgemein zur Haftung des Arztes aus GoA Katzenmeier, Arzthaftung, S. 109 ff.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

1.

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Das Fehlen eines übergreifenden Konzepts zum Umgang mit Rechts- und Sittenverstößen im englischen Recht

Der Verstoß des Vertragsschlusses oder der Art und Weise der Vertragsdurchführung80 gegen ein Gesetz oder eine sonstige Rechtsregel wirkt sich dabei je nach Art des Verbots im englischen wie im deutschen Recht (§§ 134, 138 BGB) unterschiedlich aus. Er kann die Rechtswidrigkeit, Ungültigkeit oder Undurchsetzbarkeit81 des Vertragsschlusses bzw. der Vertragsdurchführung herbeiführen oder den Vertrag vollkommen unberührt lassen82. Das Konzept der illegality des englischen Rechts erfasst auch Fälle, auf die nach deutschem Recht § 138 BGB anzuwenden wäre83. Den ausdrücklich angeordneten Rechtsfolgen kommt beim Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot besondere Bedeutung zu84. Fehlt es an einer solchen Anordnung, bereitet die Bestimmung der Rechtsfolgen, da ein übergreifendes dogmatisches Konzept nicht entwickelt worden ist85, im englischen Recht Schwierigkeiten. Im case law wird zwar häufig auf zwei Prinzipien Bezug genommen86: (1) „no action arises from an unworthy cause (ex turpi causa non oritur actio)“ und (2) „where the guilt is shared the defendant’s position is the stronger (in pari delicto, potior est conditio defendentis)“. Die Konkretisierung, auf die es im Einzefall ankommt, wird dadurch jedoch kaum erleichtert, fehlt es doch bspw. bereits an einer Definition der Illegalität oder der illegalen Transaktion87. Der insoweit bestehende Reformbedarf wurde bereits höchstrichterlich angemahnt88. Die Law Commission hat 1999 darauf reagiert und ein entsprechen-

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Vgl. einerseits zum Vertragsschluss Mahmoud v Ispahani [1921] 2 KB 716, 724 per Bankes LJ (CA); Ertel Bieber & Co v Rio Tinto Co Ltd [1918] AC 260, 272 f. per Lord Dunedin (HL); andererseits zur Vertragsdurchführung Mahmoud v Ispahani [1921] 2 KB 716, 729 per Scrutton LJ (CA); Ashmore, Benson, Pease & Co Ltd v Dawson Ltd [1973] 1 WLR 828, 832 f. per Lord Denning MR, S. 834 ff. per Scarman LJ (CA); ferner die Differenzierung bei Emden/ Palmer, §§ III–312 ff. Zu terminologischen Fragen vgl. auch von Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 799, 808. Vgl. Treitel, Contract, S. 480 ff., 513 ff.; dens., in: Birks, Private Law, §§ 8.207 ff.; Samuel, Obligations, S. 62; zum deutschen Recht MünchKomm/Armbrüster, BGB § 134 Rn. 103 ff.; § 138 Rn. 155 ff.; Staudinger/Sack, BGB § 134 Rn. 57 ff.; § 138 Rn. 89 ff. Den Versuch einer Systematisierung von Verstößen gegen Verbotsgesetze unternimmt z.B. Canaris, Gesetzliches Verbot, S. 20 ff. Dazu rechtsvergleichend Kötz, in: Beale u.a., Contract, S. 295 ff., 298 ff. Zu Beispielen für nach § 138 BGB unwirksame Behandlungsverträge vgl. Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 45 Rn. 12 ff. Treitel, Contract, S. 513. Vgl. Treitel, Contract, S. 481; Samuel, Obligations, S. 62. The Law Commission, Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 1.12; Samuel, Obligations, S. 62 f. m.w.N. The Law Commission, Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 1.4 m.w.N. Vgl. die dissenting opinion in Tinsley v Miligan [1994] 1 AC 340, 364 per Lord Goff (HL).

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2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

des Consultation Paper veröffentlicht89. Ein Abschluss der Beratungen steht zurzeit zwar noch aus, der Vorschlag der Law Commission geht jedoch – soweit die Rechtsfolgen der Illegalität nicht gesetzlich fixiert sind90 – dahin, dem Gericht bei der Entscheidung darüber, ob die Illegalität dem Beklagten als Verteidigungseinwand zur Verfügung steht, ein Ermessen einzuräumen. Bei der Ermessensausübung sollen dann folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein: (1) die Ernsthaftigkeit des Rechtsverstoßes, (2) Wissen und Absichten der Partei, welche die Wirksamkeit des Vertrages begehrt, (3) die Eignung der Klageabweisung als Abschreckungsmittel, (4) die Förderung des Zwecks der Norm, gegen die verstoßen wurde, sowie (5) die Angemessenheit einer Zurückweisung des Klagebegehrens gemessen am Rechtsverstoß91.

2.

Grundlinien der Position der PECL und des DCFR

Diese Überlegung – angeleitetes Ermessen – hat auch Eingang in die PECL und den DCFR gefunden92: Art. 15:102(2) PECL (Art. II – 7:302(2) DCFR) eröffnet für die Beurteilung von Verträgen, die gegen zwingende Vorschriften (Art. 1:103 PECL) verstoßen93, zunächst ebenfalls ein breites Reaktionsspektrum. Denn sofern die zwingende Rechtsvorschrift die Wirkungen eines Verstoßes auf den Vertrag nicht ausdrücklich festlegt, kann dieser für wirksam, teilweise wirksam oder unwirksam erklärt bzw. Änderungen unterworfen werden. Dieses Spektrum schränkt Art. 15:102(3) PECL (Art. II. – 7:302(3) DCFR) aber in einem zweiten Schritt durch die Vorgabe von bei der Reaktion jedenfalls zu berücksichtigenden, nicht abschließend aufgezählten Gesichtspunkten wieder ein, was eine angemessene und verhältnismäßige Reaktion sicherstellen soll. Eine dementsprechende Abwägungsentscheidung muss jedoch nur getroffen werden, wenn der Vertrag nicht gleichzeitig gegen Grundsätze verstößt, die in den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union als wesentlich anerkannt sind. Denn in diesem Fall ist der Vertrag gemäß dem vorrangigen Art. 15:101 PECL unwirksam94. Diese Rechtsfolge soll zur Vermeidung nationaler Konzepte wie Sittenwidrigkeit, illegality nach common law, public policy, ordre public usw. weit verstanden werden und auch die Nichtdurchsetzbarkeit des Vertrages erfassen, sofern allein die Durchsetzung des Vertrages – anders als der Vertrag selbst – einen Verstoß 89

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Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts. Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 1.20. Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 1.18 f.; vgl. auch von Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 808. Vgl. näher MacQueen, in: Hartkamp, Civil Code, S. 415, 419 ff. Der Verstoß wird in Art. 15:102 PECL vorausgesetzt; Art. 15:102 PECL legt nicht fest, wann ein Vertrag rechtswidrig ist, sondern regelt allein die Rechtsfolgen des Verstoßes, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 800 f. von Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 800.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

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bewirkt95. Die Handhabung des Art. 15:101 PECL ist vergleichsweise einfach, weil der Richter oder Schiedsrichter – anders als im Rahmen der subsidiären Regelung des Verstoßes gegen zwingende Vorschriften (Art. 15:102 PECL) – keinen Ermessenspielraum besitzt: Der Vertrag ist in jedem Fall unwirksam, d.h. er bewirkt keinerlei Rechtsfolgen. Auch die Absichten und Kenntnisse der Parteien sind – anders als im Rahmen des Art. 15:102 PECL – irrelevant96. Da es im englischen Recht demgegenüber bislang an einer übergreifenden Regelung dieser komplexen Thematik fehlt, beschränken wir uns insoweit auf einige vergleichende Hinweise, die für die untersuchten Dienstleister von Interesse sind.

3.

Konkretisierungskriterien für die Nichtigkeitsfolge nach englischem Recht

Soweit der Vertragsschluss zwar gesetzlich verboten, aber nicht strafbar ist, entscheidet nach englischem Recht die Auffassung des Gerichts über den Zweck des Verbots über dessen Wirkung97. Dasselbe gilt für den Fall der Illegalität der Vertragsdurchführung. Ein Gesetz ist auf seinen Zweck hin auszulegen98; ein allgemeingültiges Differenzierungskriterium existiert nicht99, auch die Verwendung des Terminus „void“ zur Umschreibung der Rechtsfolge schafft nicht zwingend Klarheit100. Den Umständen des Einzelfalls kommt für die Rechtsfolge einer Illegalität des Vertrages nach englischem Recht stets entscheidende Bedeutung zu (ebenso – wenngleich konkreter – Art. 15:102(3) PECL und Art. II. – 7:302(3) DCFR)101. Während ein Vertrag, der sich in Kenntnis beider Parteien auf die Begehung einer Straftat richtet, illegal und ungültig ist102, kommt es bei dem nicht per se illegalen Vertrag u.U. auf die 95

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Zur Konkretisierung des Begriffs „wesentliche Grundsätze“ kann auf den EG-Vertrag, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurückgegriffen werden, während rein nationale Rechtsauffassungen allenfalls als Hilfsinstrumente zur Auffindung und Erhellung der als wesentlich anerkannten Grundsätze dienen sollen, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 797 f. von Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 798. Vgl. Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.209; The Law Commission, Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 2.4; Emden/ Palmer, §§ III–315 ff. Zu den dabei zu berücksichtigenden Kriterien vgl. Phoenix General Insurance Co of Greece SA v Halvanon Insurance Co Ltd [1988] QB 216, 273 per Kerr LJ (CA). Vgl. The Law Commission, Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 2.9 ff. Vgl. Shell UK v Lostock Garages Ltd [1976] 1 WLR 1187, 1198 per Lord Denning MR (CA). Die Law Commission hat diesen Begriff in ihrem Consultation Paper No. 154 bewusst gemieden, vgl. s. 2.2 m. Fn. 3. Samuel/Rinkes, Obligations, S. 175, 234. Vgl. etwa Scott v Brown [1892] 2 QB 724, 729 per Lindley LJ, 730 per Lopes LJ, 734 per Smith LJ (CA). Je nachdem kommt es nicht einmal auf ein entsprechendes Bewusstsein beider Parteien an, vgl. Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.247 m.w.N. und dem Versuch einer Systematisierung.

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2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

Kenntnisse der Vertragsparteien und auf die mit dem Vertrag verfolgte Intention an103 (vgl. auch Art. 15:102(3)(e) PECL): Ist beiden Parteien dieser illegale Zweck bewusst, ist der Vertrag ungültig104. S. 12 SGA deutet demgegenüber bspw. an, dass der Vertrag nicht rechtswidrig ist, wenn beide Parteien hinsichtlich der Berechtigung des Verkäufers zur Eigentumsübertragung gutgläubig sind. Gleichwohl kann nicht gesagt werden, dass, wenn nur eine Partei bösgläubig ist, die andere, gutgläubige Partei stets ihre vertraglichen Rechte geltend machen kann105. Denn trotz potentieller Härten ist insoweit schon exakt gegenteilig entschieden worden106. Je nach Lage des Falles greifen die Gerichte neben der einseitigen Durchsetzbarkeit des Geschäfts u.U. aber auch auf anderweitige Lösungen zurück107. Auf die Rechtsfolgen einer durch Illegalität potentiell eintretenden frustration des Vertrages wird zu einem späteren Zeitpunkt näher eingegangen108. Zur Illustration dieser recht abstrakten Schilderung folgen nun einige für die hier untersuchten Dienstleister praktisch relevante Beispiele.

4.

Praxisrelevante Beispielsfälle aus dem Dienstleistungsbereich

In Bezug auf die Vereinbarung von Erfolgshonoraren durch solicitors hat sich die Rechtslage z.B. gewandelt: Die Finanzierung eines Prozesses unter der Bedingung, dass der Finanzierende, falls die Klage Erfolg hat, vom Kläger einen Teil der zugesprochenen Summe erhält, erfüllte in der Vergangenheit den Straftatbestand der „champerty“109. An der Illegalität derartiger Vereinbarungen hat sich seit der Abschaffungs des Straftatbestands der champerty im Grundsatz nichts geändert110; sie sind weiterhin illegal, soweit es zu einem „wanton or officious intermeddling“111 kommt. Die ss. 58, 58A Courts and Legal Services Act 1990 lassen jedoch in bestimmten Fällen eine Vereinbarung zwischen solicitor und Mandant zu, nach welcher sich das Honorar des solicitors bei Obsiegen um einen im Vorhinein festgelegten Prozentsatz erhöht

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Samuel, Obligations, S. 62. Scott v Brown [1892] 2 QB 724, 729 per Lindley LJ, 734 per Smith LJ (CA). So aber wohl Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.241; Prentice, in: Chitty on Contracts I, §§ 16–153 f.; ähnlich vielleicht auch Emden/Palmer, §§ III–313. Vgl. nur The Law Commission, Consultation Paper No. 154, Illegal Transactions: The Effect of Illegality on Contracts and Trusts, s. 2.17 m.w.N. Vgl. Bowmakers Ltd v Barnet Instruments Ltd [1945] KB 65, 70 ff. per Du Parcq LJ (deliktische Haftung) (CA); Kiriri Cotton Co Ltd v Dewani [1960] AC 192, 202 ff., 205 f. per Lord Denning (HL) (restitution); Strongman v Sincock [1955] 2 QB 525, 534 ff. (collateral contract) (CA); vgl. auch Emden/Palmer, §§ III–325 ff. Vgl. ab S. 83. Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.208. Trendtex Trading Corporation v Credit Suisse [1982] AC 679, 694 f. per Lord Wilberforce (HL). Giles v Thompson [1994] 1 AC 142, 164 per Lord Mustill (HL).

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

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(sog. conditional fee agreement)112. Eine solche Vereinbarung muss schriftlich getroffen werden113. Dem Rechtsanwalt in Deutschland war ebenfalls lange Zeit jede Form der erfolgsabhängigen oder erfolgsorientierten Vergütung berufsrechtlich durch § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. verboten114. Nach dem Zweck des Verbots war in der Regel allerdings nicht der Anwaltsvertrag insgesamt, sondern allein die unzulässige Gebührenvereinbarung unwirksam115. Daran dürfte sich nichts geändert haben, nachdem sich der Gesetzgeber im Nachgang zur Entscheidung des BVerfG vom 12.12.2006116 zur Verfassungswidrigkeit dieses uneingeschränkten Verbots des anwaltlichen Erfolgshonorars gleichwohl gegen eine weitgehende Freigabe von Erfolgshonoraren entschieden hat117: Ein Erfolgshonorar darf nun nach § 49 b Abs. 2 BRAO i.V.m. § 4 a RVG nur vereinbart werden, wenn der Auftraggeber auf Grund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Zur Unwirksamkeit des Anwaltsvertrages kann hingegen ein Verstoß gegen § 146 S. 1 StPO (Verbot der Mehrfachvertretung) führen118. Auch ein Anwaltsvertrag, der gegen die Tätigkeitsverbote der §§ 43 a Abs. 4, 45 BRAO verstößt119 oder den ein Anwaltsnotar unter Verstoß gegen § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 BNotO bzw. §§ 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO mit einem Mandanten abschließt, ist nichtig120. Im Bereich des Arzthaftungsrechts sind als praxisrelevante Beispiele Verträge zu nennen, die mit einer nicht als Arzt, Psychologe oder Heilpraktiker ausgebildeten Person über die ärztliche Behandlung abgeschlossen werden und gegen die Bundesärzteordnung oder das Heilpraktikergesetz verstoßen121, sowie Verträge über den Abbruch einer Schwangerschaft, bei der die Voraussetzungen der §§ 218 ff. StGB nicht vorliegen122. An das Eingreifen der §§ 134, 138 BGB ist ferner zu denken, falls der ärztliche Eingriff nicht medizinisch indiziert ist123. 112

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Campbell v. MGN Ltd [2005] 4 All ER 793, Tz. 7 ff. per Lord Hoffmann (HL); zur Gesetzgebungsgeschichte Callery v Gray [2001] 1 WLR 2112, 2118 ff. per Lord Woolf CJ (CA); Hollins v Russell [2003] 1 WLR 2487, 2497 ff. per Brooke LJ (CA); knapp Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.208; rechtsvergleichend Kilian, Erfolg, S. 202 ff. Vgl. dazu auch Conditional Fee Agreements Regulations 2000, SI 2000/692, abrufbar unter http:/ /www.opsi.gov.uk/SI/si2000 /20000692.htm; Conditional Fee Agreements Order 2000, SI 2000/823 abrufbar unter http:/ /www.opsi.gov.uk/si/si2000 /20000823.htm. Erman/Palm, BGB § 134 Rn. 84. OLG München, NJW 2002, 3641, 3642 m.w.N. BVerfG, NJW 2007, 979 ff. Näher zur Neuregelung Kilian, NJW 2008, 1905 ff. OLG München, NJW 1983, 1688 f.; AG Arnsberg, NJW-RR 1999, 63 f.; offengelassen von BGH, NStZ 1991, 398, 399. Vgl. dazu Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 55 ff. BGHZ 141, 69, 79 (zu § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO). OLG Düsseldorf, NJW 1988, 2308; OLG München, NJW 1984, 1826, 1827; Erman/Palm, BGB § 134 Rn. 66; Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 45 Rn. 11. Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 45 Rn. 11. Anders/Gehle, Dienste, Rn. 224.

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

18

Im Bereich der Architektenhaftung ist das wichtigste deutsche Verbotsgesetz124 das sog. Koppelungsverbot des Art. 10 § 3 MVRG, wonach eine Vereinbarung, durch die der Erwerber eines Grundstücks sich im Zusammenhang mit dem Erwerb verpflichtet, bei der Planung oder Ausführung eines Bauwerks auf dem Grundstück die Leistungen eines bestimmten Ingenieurs oder Architekten in Anspruch zu nehmen, unwirksam ist. Die Wirksamkeit des auf den Erwerb des Grundstücks gerichteten Vertrages bleibt davon unberührt. Die Landesarchitektengesetze sind im auffallenden Gegensatz zur Qualifikation der BÄO und des RBerG nicht als Verbotsgesetze eingeordnet worden. Es handelt sich bei ihnen nach der Rechtsprechung nur um Vorschriften zur Ordnung der Berufstätigkeit, deren Missachtung nicht dazu führt, die Vertragsbeziehungen zwischen einem Nichtarchitekten und einem Bauherrn nach § 134 BGB als unwirksam zu betrachten125. Unwirksam nach § 134 BGB war der Architektenvertrag aber wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG, wenn der Architekt im Vertrag die Besorgung von Rechtsangelegenheiten übernimmt, die über seine eigentliche Berufsaufgabe (Planung und Errichtung eines Gebäudes) hinausgehen (vgl. Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG)126. Daran dürfte sich durch das Inkrafttreten des RDG nichts geändert haben, da auch §§ 2, 3, 5 Abs. 1 S. 1 RDG das Erbringen von Rechtsdienstleistungen nur „im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören“, erlauben127.

5.

Teilbarkeit des Vertrages?

Nicht jede illegale Vereinbarung macht indes den Vertrag als solchen unwirksam (vgl. auch Art. 15:102(2) PECL). Insoweit ist vielmehr nach der Bedeutung der jeweiligen Vereinbarung zu differenzieren: Ist der Vertrag insgesamt auf eine verbotene Handlung gerichtet, dürfte er dementsprechend unwirksam sein. So kann nach englischem Recht etwa ein Bankrotteur, der eine entsprechende Erklärung nicht abgeben will und sich deshalb in Beugehaft befindet, keinen Anwalt berufen128. Etwas Anderes gilt jedoch, falls nur eine Nebenbestimmung gegen ein Verbot verstößt (vgl. dazu für das deutsche Recht §§ 139, 306 Abs. 1 BGB129). Art. 15:103(1) PECL (der 124

125 126

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128 129

Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 130 ff.; Seul, S. 12 f.; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 30 f. Unwirksam ist der Architektenvertrag z.B. auch dann, wenn beide Vertragsparteien gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit verstoßen, vgl. BGH, BauR 2001, 632. OLG Köln, BauR 1986, 467, 468 m.w.N. BGH, NJW 1998, 1228, 1229; BGH, NZBau 2007, Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 654 m.w.N. Näher zu den dem Architekten erlaubten Rechtsdienstleistungen Grunewald/Römermann/Römermann, RDG § 2 Rn. 45 f.; Grunewald/Römermann/Hirtz, RDG § 5 Rn. 75 ff.; Kleine-Cosack, RDG Anhang zu den §§ 1-5 Rn. III-213 ff.; Krenzler /Krenzler, RDG § 5 Rn. 25 f., 47 ff.; zum Umfang der erlaubten Rechtsdienstleistung durch Ärzte Krenzler / Krenzler, RDG § 5 Rn. 87 f. Cordery, Solicitors, S. 48 beruft sich dafür auf Re Langworthy (1887) 3 TLR 826. Vgl. dazu auch ab S. 16 (unwirksame Gebührenvereinbarungen).

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

19

DCFR verzichtet auf eine entsprechende Regelung) regelt, dass im Falle eines Verstoßes eines Vertragsteils gegen die Art. 15:101 f. PECL zunächst dieser Vertragsteil unwirksam ist. Im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam, sofern seine Aufrechterhaltung nicht unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles unangemessen wäre. Dies steht im Gegensatz zur Zweifelsregel des § 139 BGB – und eher § 306 Abs. 1 BGB nahe –, dürfte zumindest für den Fall eines Gesetzesverstoßes aber praktisch typischerweise zu den Ergebnissen führen, die auch nach deutschem Recht erzielt werden würden. Denn § 139 BGB ist unanwendbar, wenn sich aus einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung oder aus dem Zweck des Verbotsgesetzes eine abweichende Regelung ergibt130. Insofern beschränkt sich die sich die Nichtigkeit, wenn gegen ein Gesetz verstoßen wird, das eine Vertragspartei vor bestimmten nachteiligen Klauseln schützen soll, nach dem Zweck der Verbotsnorm auf die verbotene Klausel, während der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt131.

B.

Grundlage und Grenzen des impliziten Vertragsschlusses

Ein komplexes Problemfeld, das für das englische Vertragsrecht vielfach nur vor dem Hintergrund der Entwicklung des englischen Deliktsrechts nachvollzogen werden kann, bedeuten implizite bzw. konkludente Vertragsschlüsse. Um vertragliche Haftungssituationen einschätzen zu können, kann an dieser Problematik nicht völlig vorbeigegangen werden, sodass auch sie in Umrissen nachzuzeichnen ist.

I.

Umgehung der doctrin of privity of contract

Vor der durch Donoghue v Stevenson132 eingeleiteten Expansion der deliktischen Fahrslässigkeitshaftung diente die Annahme eines impliziten Vertragsschlusses zunächst vor allem zur Überwindung der als zu eng und ungerecht empfundenen Doktrin der privity of contract, nach der nur der unmittelbar am Vertrag Beteiligte daraus Rechte herleiten kann133. Durch den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999, zu dem erste Entscheidungen vorliegen134, ist dieses – im common law fortgeltende!135 – Konzept von Seiten des Gesetzgebers durchbrochen worden136. Die vornehmlich 130 131 132 133

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136

BGH, NJW 2000, 1333, 1335; Palandt /Ellenberger, BGB § 139 Rn. 18. Palandt /Ellenberger, BGB § 139 Rn. 18; AnwKomm /Faust, BGB § 139 Rn. 52. Donoghue v Stevenson [1932] AC 562. Grundlegend Tweddle v Atkinson (1861) 1 B & S 393 (zitiert nach Treitel, in: Chitty on Contracts I, § 18–019); Treitel, in: Chitty on Contracts I, § 18–003. Nisshin Shipping Co Ltd v Cleaves & Co Ltd [2004] 1 Lloyd’s Rep 38 (HC); bestätigt in Laemthong International Lines Company Ltd v Artis and Others (The Laemthong Glory No. 2) [2005] 1 Lloyd’s Rep 688, Tz. 22 per Clarke LJ (CA). Die privity of contract besteht fort für die Fälle, die nicht vom Gesetz erfasst sind, Law Commission, Privity of Contract: Contracts for the Benefit of Third Parties, s. 12.1. Zu diesem Gesetz Müller, RabelsZ 67 (2003) 140, 149 ff.; zum Schrifttum Windhorst, RIW 2005, 900, 901 m. Fn. 8. Zu den zahlreichen Umgehungskonstruktionen der Rechtspre-

20

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

älteren einen konkludenten Vertragsschluss bejahenden Entscheidungen wären nach deutschem Recht über die Figur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter137 – der in s. 1(1)(b) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 zwar nicht geregelt sein soll138, dem Wortlaut nach aber geregelt sein könnte139 – bzw. der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 3 BGB140) zu lösen. So wurde in Bean v Wade141 ein solicitor vom Begünstigten eines Treuhandfonds engagiert, um diesen bei der Abtretung seiner Rechte an einen Dritten zu begleiten. Der Court of Appeal urteilte, der solicitor habe per implication mit dem Dritten kontrahiert und hafte diesem daher vertraglich dafür, dass ihm die Abtretungserklärung nicht gelungen sei. Ähnlich hatte der Court of Appeal später in Scholes v Brook, wo ein Grundstückseigentümer einen Gutachter beauftragt hatte, sein Grundstück zu bewerten, festgestellt, dass der Gutachter implizit mit dem im Vertrauen auf das Gutachten eine Hypothek akzeptierenden Sicherungsnehmer kontrahiert hatte142. Heute werden Fälle der Anwaltshaftung gegenüber Dritten143 auf deliktischer Grundlage gelöst. Ein Institut wie der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dem common law unbekannt144. Stattdessen folgt ein entsprechender Schadensersatzanspruch aus dem tort of negligence145. Art. 2:207 der Principles of European Law on Non-Contractual Liability Arising out of a Damage Caused to Another (PEL Liab.Dam.) sieht in ähnlicher Weise für die Fälle der Auskunftshaftung gegenüber Dritten eine deliktische Lösung vor146.

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chung vor Inkrafttreten des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 und zu weiteren gesetzlichen Ausnahmen Müller, RabelsZ 67 (2003) 140, 142 ff.; Law Commission, Privity of Contract: Contracts for the Benefit of Third Parties, ss. 12.1 ff. Vgl. dazu für die Arzthaftung Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 13. Law Commission, Privity of Contract: Contracts for the Benefit of Third Parties, ss. 7.19 ff. Vgl. Müller, RabelsZ 67 (2003) 140, 163, der eine vertragsrechtliche Lösung angesichts der Fortentwicklung des englischen Deliktsrechts allerdings für unwahrscheinlich hält, und dies wohl zu recht vgl. Law Commission, Privity of Contract: Contracts for the Benefit of Third Parties, s. 7.19. So etwa AnwKommm /Krebs, BGB § 311 Rn. 120 m.w.N.; einschränkend Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, SR AT, Rn. 37; zum Streitstand Staudinger /Löwisch, BGB § 311 Rn. 161; Staudinger /Jagmann, BGB § 328 Rn. 92 m.w.N. Bean v Wade (1885) 2 TLR 157 (zit. nach Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.18). Scholes v Brook (1891) 64 LT 674 (zit. nach Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.18). Vgl. zur Behandlung solcher Fälle widerstreitenden Interesses nach deutschem Recht BGH, NJW 2004, 3035, 3036 ff. (Schutzwirkung des Vertrages zugunsten Dritter); umfassend Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 212 ff.; R. Schaub, JURA 2001, 8, 10 ff. Vgl. dazu rechtsvergleichend Schwichtenberg, ZVglRWiss 91 (1992), 290, 291 ff.; Kessel, NJW 1996, 30, 31; Middleton/Rogge, VersR 1994, 1027 ff.; Poll, Haftung, S. 152 ff.; Dietlmeier, Haftung, S. 38 ff. White v Jones [1995] 1 All ER 691, 708 per Lord Goff (HL). Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.19 m.w.N. Zu den Voraussetzungen dieser Haftung und zur Abgrenzung zur vertraglichen Informationshaftung vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment E zu Art. 6:101. Zum Konzept der deliktischen Haftung nach Einheitsrecht vgl. von Bar, ZEuP 2001, 515 ff.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

II.

21

Verletzung vorvertraglicher Anzeige- und Informationspflichten

Die ursprünglich zu wenig umfassende deliktische Fahrlässigkeitshaftung bildet für das englische Recht auch in anderem Zusammenhang einen Motor für die Annahme eines impliziten Vertrages. Denn vor der Ausbildung einer deliktischen Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeige- und Informationspflichten147 und dem Inkrafttreten des Misrepresentation Act 1967148 konnte sich eine Haftung wegen misrepresentation149 – außer im Betrugsfall – allein auf vertraglicher Grundlage ergeben, sodass auch in diesem Zusammenhang das Bedürfnis nach einer vertraglichen Haftungsgrundlage wach wurde, dem man – bei geeignetem Sachverhalt – nachgab150.

1.

Das weitgehende Fehlen eines entsprechenden Bedürfnisses nach deutschem Recht, den PELSC und dem DCFR

Das deutsche Recht hält mit § 311 Abs. 2 BGB für die Verletzung situationsgebundener Verhaltenspflichten in Form von Aufklärungs- und Informationspflichten einzelner Berufsgruppen zum Schutz bestimmter vertragsbezogener Interessen der jeweiligen Verhandlungs- und Vertragspartner eine gesetzliche Haftungsgrundlage bereit151. Bereits vor dieser eindeutigen Kodifizierung der c.i.c. hatten die Gerichte – ebenfalls durch empfunde Mängel des deutschen Deliktsrechts veranlasst152 – von den ihnen durch die Gesetzesverfasser eröffneten Möglichkeiten zur Rechtsfortbil147

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151 152

Insbesondere die in Hedley Byrne & Co v Hellers & Partners Ltd [1964] AC 465 (HL) entwickelten Prinzipien spielen hier eine maßgebliche Rolle. Allgemein zur „vorvertraglichen“ Haftung nach englischem Recht vgl. von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 353 ff.; zur Haftung für „misinformation“ ebenda, Rn. 426 ff. Zu diesem Gesetz z.B. Treitel, Contract, S. 369 ff. Die misrepresentation-Haftung erfasst im Wesentlichen Sachverhalte, die das deutsche Recht über das Institut der c.i.c. (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB), der Anfechtung und das Gewährleistungsrecht löst. Zu ihrer Bedeutung für die Dienstleistungshaftung vgl. auch Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 20. In der Entscheidung Esso Petroleum Co Ltd v Mardon [1976] QB 801, 817 f. per Lord Denning, 826 f. per Ormrod LJ, 832 per Shaw LJ (CA) in der die Berufungsklägerin (Esso) während der Vertragsverhandlungen eine nachlässig vorbereitete, unzutreffende Umsatzeinschätzung vorgelegt hatte, unter deren Eindruck sich der Berufungsbeklagte (M) zum Abschluss eines Pachtvertrages über eine Tankstelle entschloss, wirkt dieses Bedürfnis offenbar noch nach. Das ist, da inzwischen auf der Basis von Hedley Byrne & Co v Hellers & Partners Ltd [1964] AC 465 (HL) auch eine deliktische Haftungsgrundlage zur Verfügung stand und angewendet wurde (Esso Petroleum Co Ltd v Mardon [1976] QB 801, 820, 827 f., 832 f. (CA)), nicht leicht nachvollziehbar. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 37. Vgl. von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 187; MünchKomm/Emmerich, BGB § 311 Rn. 57: keine generelle Haftung für primäre Vermögensschäden, keine uneingeschränkte Haftung für Verrichtungsgehilfen sowie volle Beweislast des Geschädigten. Rechtsvergleichend zur c.i.c. von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 472 ff.

22

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

dung153 insofern Gebrauch gemacht, als sie sich bei der Verletzung vorvertraglicher Pflichten zunächst mit „einer Art Vorwirkung des späteren Vertrages“154 behalfen155. Später wurde die Haftung aus c.i.c. auf ein bereits durch die bloße Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründetes „gesetzliches“ Schuldverhältnis156 gestützt, das zur verkehrserforderlichen Sorgfalt gegenüber dem Verhandlungspartner verpflichtete157. An die Annahme eines konkludent geschlossenen Auskunftsvertrages hat die Rechtsprechung dagegen schon immer strenge Anforderungen gestellt (vgl. auch § 675 Abs. 2 BGB)158. Die PELSC sehen in Art. 1:103 sowie den diese Regelungen vertragstypenabhängig konkretisierenden Art. 4:102, 5:102 vorvertragliche Warn- und Hinweispflichten vor, welche die in Art. 2:301, 4:106 PECL getroffenen Regeln über vorvertragliche Verhaltenspflichten ergänzen159. Der DCFR trifft in Art. IV.C. – 2:102, 6:102 parallele Regelungen.

a)

Gegenstände der Warn- und Hinweispflichten nach PELSC und DCFR

So muss der (künftige) Vertragsschuldner, der sich bewusst ist oder Grund hat, zu wissen, dass die vom (künftigen) Klienten nachgefragte Dienstleistung (a) den vom Klienten benannten oder vorgesehenen Erfolg nicht herbeiführen kann oder (b) geeignet ist, andere Interessen des Klienten zu schädigen, oder (c) teurer werden oder mehr Zeit in Anspruch nehmen wird als vom Klienten erwartet, diesen entsprechend warnen (Art. 1:103(1) PELSC, IV.C. – 2:102(1) DCFR). Zur Konkretisierung des „Wie“ einer solchen Warnung wird man auf Art. 1:110(2) PELSC, IV.C. – 2:108(2) DCFR zurückgreifen können, zumal diese Regel nach dem Willen der Verfasser der PELSC das vertragliche Spiegelbild der in Art. 1:103 PELSC nor153

154 155

156

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159

Neben den dürftigen Ausprägungen des Rechtsgedankens einer c.i.c. in den §§ 122, 179, 307 BGB a.F. verzichteten die Verfasser auf eine Regelung dieser Rechtsfigur und überließen die Entscheidung, ob in sonstigen Fällen eine Haftung aus c.i.c. in Betracht kommt, Wissenschaft und Rechtsprechung, vgl. Motive II, S. 179. MünchKomm/Emmerich, BGB § 311 Rn. 57; ders., Leistungsstörungen, § 6 Rn. 6. Vgl. RGZ 78, 239, 240; RGZ 103, 47, 50; in RGZ 107, 357, 362 wird eine Haftung für „jedes nach § 276 zu vertretende schuldhafte Verhalten“ bejaht; vgl. dazu Kroppenberg, WM 2001, 844 ff. Der dieser Haftung zugrunde liegende Gedanke ist umstritten (vgl. MünchKomm/Emmerich, BGB § 311 Rn. 59 ff.) und weiterhin diskussionsbedürftig, um die Haftung aus c.i.c. – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben – kohärent fortentwickeln zu können, vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 417; Emmerich, Leistungsstörungen, § 6 Rn. 8. BGHZ 6, 330, 333. Vgl. dazu Palandt /Sprau, BGB § 675 Rn. 32 ff.; MünchKomm /Heermann, BGB § 675 Rn. 122 f.; für den auf Seiten des Verkäufers tätig werdenden Architekten bei einer die Abnahme der Immobilie vorbereitenden Begehung derselben etwa OLG Düsseldorf, NJOZ 2005, 3927, 3928. Rechtsvergleichend hauptsächlich zu den Regelungen der PICC im selben Kontext Hager, in: Basedow, Vertragsrechtsvereinheitlichung, S. 68 ff.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

23

mierten vorvertraglichen Warn- und Hinweispflicht, d.h. die Fortsetzung desselben Konzepts im vertraglichen Kontext ist160. Insofern muss der Dienstleister vernünftige Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass der Klient den Inhalt der Warnung begreift. Eine Warnung, die so formuliert wird, dass der Gläubiger sie vernünftigerweise nicht begreifen kann, ist für ihn nämlich wertlos161. Art. 1:103 PELSC, IV.C. – 2:102 DCFR fordern ihrem Wortlaut nach zwar, dass der „Dienstleistung“ die vorgenannten Risiken immanent sind. Dies muss jedoch weit ausgelegt werden, wie z.B. Art. 5:102 PELSC, IV.C. – 6:102 DCFR belegen, die Art. 1:103 PELSC bzw. Art. IV.C. – 2:102 DCFR für Designverträge konkretisieren und vorsehen, dass der Dienstleister den Klienten darauf aufmerksam machen muss, dass ihm – dem Dienstleister – spezielle Fähigkeiten fehlen, die zur Lösung spezifischer Probleme erforderlich sind und so den Einbezug von Spezialisten erfordern162. „Dienstleistung“ wird man vor diesem Hintergrund im Rahmen der Art. 1:103 PELSC, IV.C. – 2:102 DCFR nicht nur abstrakt als (Bemühen um die) Lösung einer spezifischen Aufgabe, sondern als (Bemühen um die) Lösung einer spezifischen Aufgabe durch den konkreten Dienstleister verstehen müssen. Warum eine entsprechende Regelung in den Art. 6:101 ff.; Art. 7:101 ff. PELSC bzw. in den entsprechenden Abschnitten des DCFR fehlt, ist nicht leicht nachvollziehbar, zumal Art. 7:104(2) PELSC ebenso wie IV.C. – 8:104(2) DCFR eine Überweisungspflicht des Arztes bei fehlender eigener Sachkunde vorsieht. Insoweit wird man jedoch keinen Umkehrschluss ziehen dürfen und also auch Berater und Ärzte im Rahmen des Art. 1:103 PELSC bzw. des Art. IV.C. – 2:102 DCFR für verpflichtet halten müssen, über „persönliche“ Defizite in Bezug auf Teilaspekte der nachgefragten Dienstleistung aufzuklären. Denn nach dem Willen der Verfasser soll die vorvertragliche Warnpflicht alle „fundamental risks“ betreffen, die den beabsichtigten Ausgang der Vertragsdurchführung beeinträchtigen würden163, und dazu wird man insbesondere die Unfähigkeit des Schuldners zur Leistungsbewirkung zählen müssen.

b)

Anforderungen der vorvertraglichen Warnpflicht nach PELSC und DCFR

Wann der Dienstleister Grund hat, um die vorgenannten Risiken zu wissen, regelt Art. 1:103(6) PELSC bzw. Art. IV.C. – 2:102(6) DCFR. Nach den PELSC ist entscheidend, ob ihr Bestehen einem vergleichbaren, mit den Kenntnissen des Schuld160 161

162 163

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D zu Art. 1:103. Vor diesem Hintergrund wird man unberücksichtigt lassen müssen, dass die Verfasser der PELSC in Comment A zu Art. 1:110 zwar zunächst die Ähnlichkeit von Art. 1:103(1) und Art. 1:110(1) PELSC betonen, dann aber davon sprechen, dass Art. 1:110(2) PELSC die (diesmal vertragliche) Warnpflicht um eine Verpflichtung „to take reasonable measures to ensure that the client understands the content of the warning“ erweitere. Wäre der Schuldner im Rahmen des Art. 1:103 PELSC nicht zu entsprechenden Anstrengungen verpflichtet, wäre ein Erfolg der Warnung praktisch von der Willkür des Schuldners abhängig und seine Verpflichtung zu einer Warnung dadurch grundsätzlich in Frage gestellt. Das wird man nach deutschem Recht ebenso anzunehmen haben, vgl. ab S. 25. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D zu Art. 1:103.

24

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

ners ausgestatteten Dienstleister in derselben Situation – unter Berücksichtigung der Informationen, die der Dienstleister gemäß Art. 1:105 PELSC vernünftigerweise über den benannten oder vorgesehenen Erfolg sowie die Umstände, unter denen die Leistung erbracht werden soll, sammeln muss – klar (obvious) gewesen wäre. Eine positive Nachforschungspflicht hinsichtlich etwaiger Fehlvorstellungen des Gläubigers besteht aber nicht164.

aa) Subjektiv-objektivierter Sorgfaltsstandard des Dienstleisters nach den PELSC Auffällig ist dabei nicht nur, dass insoweit allein offen zu Tage liegende Risiken berücksichtigt werden sollen, sondern auch, dass – wie der Wortlaut des Art. 1:103 (6) PELSC (comparable service provider) vermuten lässt – im Ausgangspunkt ein subjektivierter Sorgfaltsstandard gelten soll, der durch die Maßgeblichkeit des Verhaltens eines Dritten sowie der nach Art. 1:105 PELSC geschuldeten Kenntnisse nur zum Teil objektiviert wird. Denn insoweit kommt es ausdrücklich nicht auf die Kenntnisse eines vernünftigen, sondern eines vergleichbaren Dienstleisters in derselben Situation an. Daher gilt hier – anderes als für die (später näher darzustellende) bei der Leistungserbringung selbst grundsätzlich geschuldete Sorgfalt, die sich am Standard eines vernünftigen Dienstleister (reasonable service provider) misst und damit im Ausgangspunkt objektiv bestimmt wird (Art. 1:107(1)(a) PELSC) – ein im Ansatz subjektivierter Sorgfaltsstandard. Dass es sich dabei um eine bewusste Entscheidung der Verfasser und nicht etwa um ein Redaktionsversehen handelt, macht nicht nur die parallele Formulierung der Bestimmungen über die vertraglichen Warn- und Hinweispflichten (Art. 1:110 PELSC), sondern auch die parallele Formulierung der Einschränkung der vorvertraglichen Warn- und Hinweispflichten unter Bezugnahme auf den Gläubiger deutlich:

bb) Parallele Ausgestaltung des vom Gläubiger geschuldeten Sorgfaltsstandards Denn die Warnpflicht des Dienstleisters nach Art. 1:103(1) PELSC findet gemäß Art. 1:103(2) PELSC keine Anwendung, falls der Klient um die vorgenannten Risiken weiß oder Grund hat, sie zu kennen. Letzteres ist gemäß Art. 1:103(7) PELSC der Fall, wenn ihr Bestehen – ohne Nachforschungen anzustellen – für einen vergleichbaren Klienten mit den Kenntnissen des Klienten offensichtlich gewesen wäre. Allein aus dem Umstand, dass der Klient selbst sachkundig ist oder von entsprechend sachkundigen Dritten beraten wird, darf allerdings nicht auf ein Kennenmüssen geschlossen werden (Art. 1:103(7) S. 2 PELSC). Insofern wird der Dienstleister also zu seiner Entlastung stets nachweisen müssen, dass die Voraussetzungen des Art. 1:103(7) (1) PELSC im konkreten Fall tatsächlich nicht vorgelegen haben. Die Sachkunde oder sachkundige Beratung des Klienten begründet keine Vermutung für ein entsprechendes Kennenmüssen. Anderes kann z.B. gelten, wenn der Gläubiger einene Berater gerade zur Unterstützung bei den Vertragsverhandlungen enga164

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D zu Art. 1:103.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

25

giert165. Dessen Kenntnisse werden dem Gläubiger gemäß Art. 1:305 PECL zugerechnet und können dazu führen, dass der Klient Grund hatte, um entsprechende Risiken zu wissen. Im Zweifel ist dem Dienstleister zur Haftungsvermeidung gleichwohl stets zu einer Warnung zu raten. Art. IV.C. – 2:102(6) DCFR formuliert hingegen einen rein objektiven Standard und fügt sich damit – wie noch zu zeigen sein wird – schlüssig in das Gesamtkonzept der im DCFR vorgesehenen Regelungen ein. Der durch Art. 1:103(6) PELSC bewirkte Widerspruch im Konzept der PELSC wird so im DCFR vermieden.

c)

Zur Bedeutung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach deutschem Recht

Betrachten wir nun im Vergleich das deutsche Recht, treffen die hier untersuchten Dienstleister dort vorvertragliche Pflichten vor allem zur Aufklärung über die Kostenfolgen des künftigen Vertrages. So ist zwar anerkannt, dass ein Rechtsanwalt wegen der Verletzung vorvertraglicher Fürsorge-, Belehrungs- oder Betreuungspflichten nach § 311 Abs. 2 BGB haften kann166. In § 44 S. 2 BRAO, wonach der Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet ist, dem Auftraggeber die Ablehnung des angetragenen Mandats mitzuteilen, findet sich sogar ein spezialgesetzlich geregelter Fall der c.i.c.167. Die vorvertraglichen Pflichten gegenüber einem potentiellen Mandanten fallen aber enger aus als innerhalb eines Vertragsverhältnisses. Die Rechtsprechung hat vorvertragliche Pflichten vor allem im Zusammenhang mit der Aufklärung des Mandanten über die Unwirtschaftlichkeit seines Vorgehens im Hinblick auf voraussichtlich anfallende Gebühren thematisiert168. Auch im Arzthaftungsrecht sind zunächst Bedenken des potentiell Behandelnden gegen die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung zu eröffnen169. Im Architektenhaftungsrecht soll hingegen zwar regelmäßig unbefragt keine Aufklärungspflicht über die Höhe des Honorars170, wohl aber über die zu erwartenden Kosten bestehen171. Losgelöst davon wird der Dienstleister dem potentiellen Vertragspartner eröffnen müssen, dass sein tatsächlicher Status ein anderer ist, als es den Anschein hat. So hat der als „Architekt“ engagierte Dienstleister z.B. über eine fehlende Architekteneigenschaft nach den Architektengesetzen der Länder aufzuklären172. Für den ver165 166 167 168 169

170

171 172

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D zu Art. 1:103. Für viele Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 152 ff. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 343. Vgl. BGH, NJW 1998, 136, 137; Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 173. Vgl. z.B. MünchKomm/Emmerich, BGB § 311 Rn. 113; weiteres Bsp. aus dem Kostenbereich bei Staudinger /Löwisch, BGB § 311 Rn. 121. Wirth, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, Einl. Rn. 377; Locher/Koeble/Frik, HOAI, Einl. Rn. 59; Locher, Baurecht, Rn. 361, 390 m.w.N.; anders nur in eng begrenzten Ausnahmefällen OLG Köln, BauR 1994, 271, 272. Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 390. OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 1713, 1714; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1173, 1175; Locher, Baurecht, Rn. 361; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 32 f. m.w.N.; a.A. OLG Düsseldorf, BauR 1982, 86, 87, sofern der „Nichtarchitekt“ nach Ausbildung und prakti-

26

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

meintlichen „Arzt“ oder „Anwalt“ dürfte nicht nur nichts anderes gelten. Parallel zu Art. 5:102 PELSC, IV.C. – 6:102 DCFR wird man sogar fordern müssen, dass der Dienstleister seinen potentiellen Vertragspartner darauf aufmerksam machen muss, dass ihm – dem Dienstleister – spezielle Fähigkeiten fehlen, die zur Lösung spezifischer Probleme erforderlich sind und so den Einbezug von Spezialisten erfordern. Denn erfolgt eine entsprechende Aufklärung nicht, kommt der Vertrag mit dem Inhalt zustande, den der Gläubiger vernünftigerweise erwarten darf. Dies kann freilich praktisch nur relevant werden, falls die Erforderlichkeit von Spezialkenntnissen für den Dienstleister selbst bei Vertragsschluss erkennbar ist, was nur im Einzelfall entschieden werden kann. Die im Übrigen auszumachende Zurückhaltung kommt indes nicht von ungefähr. Dem deutschen Recht ist eine generelle Aufklärungspflicht der künftigen Vertragsparteien untereinander nämlich fremd. Im Gegenteil wird zunächst davon ausgegangen, es sei „die ureigenste Pflicht jeder Partei selbst, sich über die allgemeinen Marktverhältnisse und die sich daus ergebenden Risiken und Chancen zu informieren“173. Im Hintergrund steht dabei u.a. die Überlegung, dass jeder prinzipiell über dieselben Informationsquellen verfügt174. Insofern kommen vorvertragliche Aufklärungspflichten nur unter besonderen und zusätzlichen Umständen in Betracht, „die allein der einen Partei bekannt sind und von denen sie zudem weiß oder doch wissen muss, dass die Entscheidung der anderen von deren Kenntnis beeinflusst werden kann, vor allem, weil durch die fraglichen Umstände der Vertragszweck des anderen Teils vereitelt werden kann, sofern dieser außerdem nach der Verkehrsauffassung tatsächlich eine Information hierüber erwarten kann (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB)“175. Die Versuche, diese wenig griffigen Kriterien176 zu systematisieren und zu erläutern, sind zahlreich177. Ihnen soll hier kein weiterer hinzugefügt werden, zumal nach ständiger Rechtsprechung Bestand und Ausmaß einer (vorvertraglichen) Aufklärungspflicht ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängen178 und auch der Gesetzgeber der Schuldrechtsmodernisierung sich nicht zu einer allgemeinen Regelung entschließen konnte179. Nur einige zumeist entscheidungserhebliche Konkreti-

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scher Erfahrung eindeutig die Voraussetzungen für die Eintragung in die Architektenliste besitzt. Dagegen zutreffend Locher, a.a.O. Folge der Nichtaufklärung ist die Anfechtbarkeit des Vertrages vgl. für viele MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 208. Emmerich, Leistungsstörungen, § 7 Rn. 8; MünchKomm /Emmerich, BGB § 311 Rn. 101; ähnlich Henssler, Risiko, S. 140. Vgl. BGH, NJW 1997, 3230, 3231 (Bürgschaftsvertrag); OLG München, WM 1994, 236 f. (Anlageberatung); Henssler, Risiko, S. 140. Emmerich, Leistungsstörungen, § 7 Rn. 8; MünchKomm /Emmerich, BGB § 311 Rn. 101 m.w.N. Ablehnend gegenüber den „Leerformeln“ der Rechtsprechung Rehm, Aufklärungspflichten, S. 8 ff. m.w.N. Vgl. aus jüngerer Zeit insbesondere Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 567 ff.; Henssler, Risiko, S. 143 ff.; Rehm, Aufklärungspflichten, S. 154 ff., 189 ff. Vgl. RGZ 103, 47, 50; BGH, NJW 1995, 45, 47. Kritisch dazu Zimmer, NJW 2002, 1, 7; Fleischer, in: Schulze/Schulte-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 243, 252. § 311 Abs. 2 BGB besagt – wie Rehm, Aufklärungspflichten, S. 7

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

27

sierungskriterien seien hervorgehoben: Wichtig ist zunächst die Art des angestrebten Vertrages180. Ferner wird der Informationsbedarf einer Partei umso eher als legitim anerkannt, je „ausgepräger das intellektuelle und wirtschaftliche Übergewicht der anderen Partei und damit deren Zugang zu den Informationsquellen ist“181. Bedeutsam ist im Übrigen, ob die potentiell aufklärungspflichtige Partei die Information bereits besitzt oder sie sich diese selbst erst beschaffen muss. Denn Nachforschungsund Untersuchungspflichten werden in noch engeren Grenzen anerkannt als Aufklärungspflichten über bekannte Tatsachen182. Endlich spielt eine Rolle, ob der Aufklärungsbedürftige die Information nachgefragt hat. Denn ein „Recht zur Lüge“ besteht angesichts § 123 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht183. Der geringe Umfang vorvertraglicher Aufklärungspflichten der hier untersuchten Dienstleister, welcher neben der „Statusaufklärung“ – außer im Architektenrecht – schwerpunktmäßig die Kostenaufklärung betrifft, mag indessen mit dem Umstand zusammenhängen, dass die Inanspruchnahme derartiger Dienstleister im Regelfall ohnehin nur erfolgt, wenn sich der Mandant, Patient usw. ohnehin bereits grundsätzlich für die vom jeweiligen Dienstleister angebotene Leistung entschieden hat: Die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage bzw. einer alternativen Streitbeilegung wird auf vertraglicher Basis erfolgen, die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Operation erst nach einer auf vertraglicher Basis erfolgten Anamnese; in der Praxis der Architektenbeauftragung werden nicht selten „Gutachterverfahren“ durchgeführt, bei denen mit mehreren Architekten vertraglich die Lösung einer bestimmten Planungsaufgabe vereinbart und dem Gewinner eine weitere Beauftragung in Aussicht gestellt wird184. Unter der Bedingung, dass die Gegenleistung abstrakt als akzeptabel eingeschätzt wird, geht es mit anderen Worten – rein tatsächlich – nur noch selten um das „Ob“, sondern mehr um das „Wie“ der Leistung. Die Beantwortung der Frage nach dem konkreten „Wie“ erfolgt sodann – so z.B. in den vorgenannten „Gutachterverfahren“ – zumeist, nachdem der Vertrag geschlossen wurde. Dann befindet man sich allerdings bereits im Bereich vertraglicher Pflichten; seien es nun Aufklärungs- oder sonstige Pflichten. Die Rechtsprechung befördert diese Tendenz, indem sie bereits frühzeitig von einem Vertragsschluss ausgeht185. So kann ein Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient z.B. schon dadurch begründet werden, dass

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184 185

m. Fn. 34 zutreffend bemerkt – nur, dass Schutz- und Interessenwahrungs- oder Rücksichtnahmepflichten bestehen können, nicht aber, wann solche Pflichten bestehen. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 573 ff.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 7 Rn. 9. MünchKomm/Emmerich, BGB § 311 Rn. 104. Vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 450 ff., 584 f.; MünchKomm/Emmerich, BGB § 311 Rn. 105. MünchKomm/Emmerich, BGB § 311 Rn. 105. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn die Nachfrage selbst rechtswidrig ist, vgl. BAG, NZA 2003, 848; LAG Nürnberg, NZA-RR 2004, 298. Vgl. nur Locher, Baurecht, Rn. 355. Nicht anders die Literatur, vgl. Anders/Gehle, Dienste, Rn. 206; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 1: „Spätestens mit der Vorstellung des Patienten in der Arztpraxis bzw. im Krankenhaus kommt zwischen ihm und der Behandlungsseite ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zustande“ (Hervorhebung hinzugefügt).

28

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

der Arzt dem Patienten oder seinen Angehörigen am Telefon Ratschläge erteilt186. Auch der ärztlichen Behandlung ohne Honorar (ambulant wie stationär)187 liegt regelmäßig nicht lediglich ein außerrechtliches Gefälligkeitsverhältnis zugrunde, sondern ein Behandlungsvertrag188. Ähnliche Phänomene finden sich im Architektenrecht, wo mehrfach entschieden worden ist, dass die Aufforderung des Auftraggebers an den Architekten, ihm „unverbindlich“ einen Vorschlag über die Möglichkeiten der Bebauung und deren Kosten zu machen, nicht dahin zu verstehen ist, dass die Architektenleistung kostenlos erfolgen solle189. Eine andere Bewertung ist denkbar, wenn eine weitere Beauftragung mit Architekturleistungen nicht in Betracht kommt190. Losgelöst davon besteht im Lichte der vorstehenden Feststellung praktisch außerhalb der Status- und Kostenaufklärung kaum Bedarf für die Annahme vorvertraglicher oder funktional äquivalenter deliktischer Pflichten.

2.

Begründungsmuster für die Annahme eines impliziten Vertragsschlusses nach englischem Recht

Seit Inkrafttreten des Misrepresentation Act 1967 ist für die Annahme eines impliziten Vertrages – wenn und soweit die gesetzliche Haftung eingreift – zur Vermeidung deliktsrechtlicher Schwächen auch im englischen Recht kaum Raum geblieben, sodass ein fortdauernder Rückgriff auf derartige Konstruktionen zumindest in den gesetzlich erfassten Fällen unwahrscheinlich ist191. Die Konstruktion eines impliziten Vertragsschlusses bleibt (wenngleich auch hier in geringerem Maße) relevant, wo es um die Verletzung nachvertraglicher Anzeige- und Informationspflichten geht. Denn die Haftung nach ss. 1, 2 Misrepresentation Act 1967 greift nur ein, falls es nach der Information zu einem Vertragsschluss kommt. Einfacher zu begründen sein dürfte auch in diesen Fällen die Verletzung einer deliktischen duty of care192. Einen losgelöst vom Inkrafttreten des Misrepresentation Act 1967 gültigen Hintergrund für den Klagevortrag, es sei implizit ein Vertrag geschlossen worden, demonstriert die Entscheidung des House of Lords in der Sache Idependent Broadcasting Aut186

187 188 189

190 191

192

BGH, NJW 1961, 2068 (Strafsenat); kritisch Uhlenbruck/Laufs, in: dies., HdB ArztR, § 41 Rn. 11. BGH, NJW 1977, 2120; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 17. BGH, NJW 1977, 2120; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 76. Vgl. z.B. OLG Düsseldorf, BauR 1993, 108 f.; OLG Saarbrücken, NJW 1967, 2359, 2360; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 624 f.; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 22; Locher, Baurecht, Rn. 358 m.w.N. Locher, Baurecht, Rn. 358 m.N. Vgl. Howard Marine and Dredging Co Ltd v Odgen and Sons (Excavations) Ltd [1978] QB 574, wo die Ladekapazität eines Frachtkahns fahrlässig falsch eingeschätzt wurde und der Court of Appeal lediglich auf der Grundlage von s. 2(1) Misrepresentation Act 1967 Schadensersatz zusprach. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch wurde gar nicht mehr erwähnt. Zur Günstigkeit eines Rückgriffs auf die Haftung wegen misrepresentation aus der Sicht des Gläubigers vgl. Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 20. Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.20.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

29

hority v EMI Electronics Ltd and BICC Construction Ltd193, in der die Independent Broadcasting Authority (IBA) die EMI Electronics Ltd (EMI) mit dem Design und der Errichtung eines Antennenmastes beauftragt hatte. EMI wiederum hatte für die Designaufgabe die BICC Construction Ltd (BICC) engagiert; zwischen IBA und BICC kam es nicht ausdrücklich zum Vertragsschluss. Während der Bauarbeiten an der – technisches Neuland darstellenden – 400 m hohen Konstruktion hatte BICC IBA allerdings – wie sich später herausstellte: unzutreffend – mitgeteilt, gefährliche Schwankungen des Antennenmastes seien trotz dieser Höhe nicht zu befürchten. Der Mast schwankte jedoch zunächst deutlich, um kurz darauf zu kollabieren. IBA verklagte daraufhin BICC auf Schadensersatz, da diese fahrlässig ein untaugliches Design geliefert und darüber hinaus eine implizite vertragliche Vereinbarung gebrochen habe, nach welcher der Mast nicht gefährlich schwanken werde. Im Hintergrund stand dabei nicht etwa ein Interesse der IBA daran, überhaupt die Basis einer Haftung der BICC zu schaffen. Denn insoweit stand die deliktische Haftung bereit. IBA ging es vielmehr darum, den Inhalt der von der BICC übernommenen Verpflichtungen zu modifizieren: Hatte die BICC bislang – nämlich in Fragen des Designs – nur Sorgfalt geschuldet194, sollte die Erweiterung des Pflichtenumfangs eine strikte Haftung für die Eigenschaften des Mastes herbeiführen. Der Court of Appeal195 hielt diesen Vortrag für plausibel: Zwar seien die Beklagten bei der Konstruktion des Mastes nicht fahrlässig gewesen, doch hätten sie die implizit übernommene Zusicherung, dass der Mast nicht gefährlich schwanken werde, gebrochen. Diesbezüglich komme es auf Fragen der Sorgfalt nicht an. Das House of Lords hob die Entscheidung in beiden Punkten auf. Die BICC sei bei der Wahl der Konstruktion fahrlässig gewesen und haftete daher. Ein impliziter Vertrag, wie ihn die Klägerin vorgetragen habe, sei jedoch nicht zustandegekommen196. In diesen Feststellungen spiegelt sich beispielhaft die gegenwärtige Unwilligkeit der Gerichte wider, implizite Verträge als Mittel zuzulassen, um die sich aus den ausdrücklichen vertraglichen sowie aus den bestehenden deliktischen Pflichten ergebenden Haftungsgrenzen auszudehnen197.

III. Veranlassung durch Parteibeziehung oder -handeln 1.

Laufende Geschäftsbeziehung

Losgelöst davon ist es, vor allem wenn die potentiellen Vertragsparteien bereits in einem engen Kontakt – etwa in einer laufenden Geschäftsbeziehung – stehen, ferner 193

194 195

196

197

Independent Broadcasting Authority v EMI Electronics Ltd and BICC Construction Ltd (1980) 14 BLR 1 (HL, lexis). Näher zum Schuldinhalt in Designfragen ab S. 638. Independent Broadcasting Authority v EMI Electronics Ltd and BICC Construction Ltd (1979) 11 BLR 29 (lexis). Idependent Broadcasting Authority v EMI Electronics Ltd and BICC Construction Ltd (1980) 14 BLR 1 per Lord Fraser und Viscount Dilhorne. Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.21 m.w. Beispiel.

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

30

denkbar, dass es implizit zu einem Vertragsschluss kommt198. Beispiele für derartige Fälle199 finden sich in den Entscheidungen Radford v Wright200 und Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp201. In Radford war ein accountant zwar informell um Rat gebeten worden. Dennoch durfte, da bereits bevor der in Rede stehenden Anfrage zwischen beiden mehrere Beratungsverträge abgeschlossen worden waren, ungeachtet des informellen Charakters der Anfrage von einem Vertragsschluss ausgegangen werden. In Midland Bank Trust genügte für die Entscheidung über die Mandatierung durch eine der Parteien eines Optionsgeschäfts, dass der solicitor – ohne eine Rechnung zu stellen – eine Akte über die Transaktion zu Gunsten seines Mandanten anlegen ließ202. Entscheidend kam für Oliver J. hinzu, dass die Frage, wer für die Beratung aufkäme, (ausnahmsweise) deswegen keine Rolle spielte, weil beide Parteien sich bereits zuvor mehrfach von dem solicitor hatten beraten lassen und dabei jeweils die Frage der Rechnungsbegleichung intern geregelt hatten203.

2.

Weitere Fälle

Doch auch ohne vorangehende Geschäftsbeziehung kommt in bestimmten Situationen ein implizierter Vertragsschluss in Betracht. In Groom v Crocker wird dazu für die Beauftragung eines solicitors festgestellt, dass „… a retainer will be presumed if the conduct of the parties shows that the relationsship of solicitor and client has in fact been established between them“204. Wann diese Voraussetzungen gegegeben sind, muss der konkrete Einzelfall erweisen. Möglich ist der implizite Abschluss eines Bestellungsvertrags etwa durch Befürwortung des bisherigen und Abstimmung des künftigen Prozessvorgehens mit dem solicitor205 oder dann, wenn ansonsten ein widersprüchliches Verhalten konstatiert werden müsste206. Eine solche Situation kann sich 198

199

200

201 202

203 204

205

206

Ebenso für den Anwaltsvertrag nach deutschem Recht Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 12 Rn. 67. Weitere Beispiele vor allem aus der älteren Rechtsprechung bei Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 103. Radford v Wright, Stevens and Lloyd [1962] CLY 2007 per Kelly Carter QC (Official Referee) (Zusammenfassung). Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384 per Oliver J (HC). Ebenso für den Anwaltsvertrag nach deutschem Recht Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 12 Rn. 67. Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 396 per Oliver J (HC). Groom v Crocker [1939] 1 KB 194, 222 per Scott LJ (CA); vgl. für ein Bsp. auch Bristol & West Building Society v Fancy & Jackson (a firm) [1997] 4 All ER 582, 604 f. per Chadwick J. (HC); Jackson/Powell, Negligence, §§ 10–004 f. Danish Mercantile Co Ltd v Beaumont [1951] Ch 680, 687 per Jenkins LJ (CA); Cordery, Solicitors, S. 51. Gavaghan v Edwards [1961] 2 QB 220, 225 per Danckwerts LJ (CA); Cordery, Solicitors, S. 51 m.w.N. Beachte hierzu aber die Kapitel 12 des „The Guide to the Professional Conduct of Solicitors“ der Law Society, im Internet abrufbar unter http://www.lawsociety.org.uk/profes sional/conduct/guideonline.law.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

31

z.B. ergeben, wenn der Mandant einen Teil seiner typischen vertraglichen Mitwirkungspflichten dadurch erfüllt hat, dass er – etwa als Beklagter – die Klageschrift und andere Dokumente bei dem solicitor belässt sowie nachträglich seinen Entschluss bekundet, dem Fall „auf den Grund gehen“ zu wollen207. Hierher gehört auch die Zustimmung zu einer Art gerichtlich veranlasster „Prozessverbindung“ (consolidation order), bei der mehrere Beklagte einer Verbindung der gegen sie geführten Prozesse, in denen sie – unabhängig voneinander – denselben solicitor als Prozessvertreter bestellt hatten, dahin zustimmen, dass sie alle durch die Entscheidung eines der Prozesse gebunden sein werden. Die auf diese Zustimmung hin erfolgende consolidation order bewirkt gleichzeitig einen joint retainer zwischen allen Beklagten und ihrem solicitor mit der Folge, dass ihm alle gemeinsam für die Kosten des tatsächlich verhandelten Falles haften208. Nicht in Betracht kommt die Annahme eines implizierten Vertragsschlusses allerdings aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Person, die als weiterer Kläger in eine Klage aufgenommen wurde, ohne den solicitor dazu bevollmächtigt zu haben, nachdem ihr dies bekannt wurde, keine Schritte unternimmt, um dagegen vorzugehen209.

C.

Herkömmliche Bewirkung einer vertraglichen Haftung gegenüber „Dritten“

Nach einer enormen Ausdehnung der deliktischen Haftung infolge der Entscheidung Donoghue v Stevenson210 schien das House of Lords gegen Ende der 1980er Jahre eher um eine Begrenzung der deliktischen Negligence-Haftung bemüht211. Seine in Murphy v Brentwood DC212 eingeleitete „Trendwende“ in puncto deliktische Fahrlässigkeitshaftung hatte – insbesondere vor Inkrafttreten des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 – u.a. eine vermehrte Hinwendung zu solchen vertraglichen Mechanismen zur Folge, die eine vertragliche Haftung gegenüber Personen herbeiführen sollen, denen andernfalls – trotz möglicher Verluste infolge eines Vertragsbruchs – niemand gehaftet hätte213. Als Gestaltungsalternativen boten sich vor Inkrafttreten des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 insoweit vor allem vertragliche Nebenabreden (collateral warranties) oder die Abtretung von Ansprüchen an. Das von Markesinis geprägte Diktum „An expanding tort law – the Price of a Rigid Contract Law“214, das die Konsequenzen der doctrine of consideration und privity of contract, nämlich eine vor 207 208 209

210 211 212 213 214

Cordery, Solicitors, S. 51 mit Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung. Cordery, Solicitors, S. 51 m.w.N. Re Becket , Purnell v Paine [1918] 2 Ch 72, 80 f. per Swinfen Eady LJ; Cordery, Solicitors, S. 51; Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 103. Die vorgenannte Entscheidung lässt freilich vermuten, dass es nicht viel mehr bedarf, um doch zu einem implizierten Vertragsschluss zu gelangen. Donoghue v Stevenson [1932] AC 562 (HL). Zur Entwicklung in Bauhaftungsfällen vgl. Unberath, Transferred Loss, S. 12 ff. Murphy v Brentwood District Council [1991] 1 AC 398 (HL). Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.06. Vgl. den Titel des Aufsatzes von Markesinis, (1987) 103 LQR 354.

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

32

allem in Hedley Byrne & Co Ltd v Heller & Partners Ltd entwickelte Zufluchtnahme zum Deliktsrecht215, umschreiben sollte, lässt sich für das Ende der 1980er Jahre auch vorsichtig umkehren: „Inflation of Contract Law – the Price of a Rigid Tort Law“216. Ob mit dem Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 in der Praxis bereits die erstrebte Abkehr von den nun vorzustellenden bewährten Ersatzkonstruktionen stattfindet, muss vorerst bezweifelt werden. Denn die geringe Anzahl von Entscheidungen zum neuen Gesetz deutet auf eine mangelnde praktische Akzeptanz hin, hinter der scheinbar die Furcht vor ungewollten Ansprüchen Dritter steht217, die häufig zum routinemäßigen Ausschluss des Gesetzes in Verträgen führt218. Jedenfalls für die Haftung der am Bau Beteiligten scheint die Entwicklung indes schon begonnen zu haben. Denn das Joint Contracts Tribunal, ein einflussreicher Zusammenschluss von Verbänden der Bauindustrie, hat im Jahre 2003 erstmals ein Vertragsformular entwickelt219, das – zur Senkung der Transaktionskonsten – die durch die neue Gesetzeslage eröffneten Möglichkeiten aufgreift. Die PELSC stellen in Art. 7:101(3) fest, dass ein Behandlungsvertrag auch gemäß Art. 6:110 PECL zugunsten Dritter ausgestaltet sein kann. Sowohl nicht geschäftsfähigen Patienten als auch solchen Patienten, deren Untersuchung usw. von dritter Seite (z.B. durch den Arbeitgeber oder eine Versicherung) veranlasst und finanziert wird, soll ein vertraglicher Anspruch zustehen können. Denn einen praktischen Grund für die Unterscheidung dieser Situation von der, in der der Patient Vertragspartner des Arztes ist, vermögen die Verfasser nicht auszumachen220. Die ausdrückliche Normierung dieser Gestaltungsmöglichkeit in Art. 7:101(3) PELSC soll dabei scheinbar lediglich die tatsächliche Häufigkeit dieser Fallkonstellation widerspiegeln221. Insofern rechtfertigt die Norm keinen Umkehrschluss dahin, dass die Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter im Dienstleistungskontext außerhalb dieser Fallgruppe untersagt wird. Art. 7:101(3) PELSC kommt allein Klarstellungsfunktion zu.

I.

Nebenabreden

Bedarf für eine Begründung dementsprechender vertraglicher Pflichten bestand und besteht im englischen Recht indessen nicht für die vornehmlich deliktisch ausgestaltete Arzthaftung, sondern bspw. in größeren Bauprojekten, namentlich für nicht unmittelbar an den Bauverträgen beteiligte Investoren, aber auch für künftige Erwerber oder Pächter, denen es auf eine möglichst breite Zahl potentieller Haftungsschuldner ankam bzw. ankommt222. Vor diesem Hintergrund sollten sich die am Bau 215 216 217

218 219 220 221

Hedley Byrne & Co Ltd v Heller & Partners Ltd [1964] AC 465. Zitat nach Wagner, in: Zimmermann, Grundstrukturen, S. 189, 236. Auch die Dogmatik ist keinesfalls abschließend geklärt (vgl. Treitel, Contract, S. 581), was das Sicherheitsgefühl nicht gerade bestärken dürfte. Ebenso Windthorst, RIW 2005, 900, 904. JCT Major Project Form 2003, vgl. Windthorst, RIW 2005, 900, 904. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B zu Art. 7:101. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A und B zu Art. 7:101.

§ 2 Wege der Entstehung von Dienstleistungsverträgen

33

beteiligten Dienstleister regelmäßig vertraglich dazu verpflichten, den „schutzbedürftigen“ Dritten dieselbe Sorgfalt zu schulden wie ihren Vertragspartnern aus Anstellungs-, Auftrags- bzw. Bauvertrag223. Die Rechtsgültigkeit solcher Abreden wurde durch Vereinbarung einer nominellen Gegenleistung224 oder durch einen deed sichergestellt225.

II.

Abtretungserklärung und Geltendmachung von Drittschäden

Als alternative Absicherung einer vertraglichen Haftung bot sich die Abtretung (assignment) von Mängelansprüchen z.B. des contractors gegenüber dem sub-contractor an Dritte an226. Ist sie im Anstellungsvertrag des Dienstleisters für seinen Auftraggeber ausgeschlossen, gestattet das House of Lords – wie im folgenden Beispiel – u.U. die Geltendmachung von Drittschäden mit der Vertragsklage227: Noch während des Baus veräußert der Bauherr sein Grundstück mitsamt Gebäude zum einem Preis, der dessen Wert bei Mangelfreiheit entspricht. Nach Übereignung führt ein Baudienstleister einen Mangel herbei. Eine Abtretung von Mängelansprüchen an den Erwerber hat der Dienstleister vertraglich ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss ist nicht aufgrund public policy-Erwägungen unwirksam228; jedoch kann der Veräußerer, der selbst keinen Schaden erlitten hat, anstelle des Erwerbers ausnahmsweise229 den reinen Substanz- bzw. Mangelschaden zu dessen Gunsten geltend macht230. Hier findet sich auch im englischen Recht eine Fallgruppe, die Fällen nahe steht231, die nach deutschem Recht u.U. über eine Drittschadensliquidation gelöst werden232.

222 223 224 225 226 227

228

229 230

231

232

Zum Folgenden ausführlich Emden/Goyder/Palmer, §§ I–1152 ff. Vgl. Emden/Palmer, § I–973. Vgl. Omega Trust Co Ltd v Wright Son & Pepper [1997] PNLR 424 (£ 30). Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.06. Vgl. Emden/Palmer, § I–974. Eingehend – auch zur gegenwärtigen Entwicklung – die Analyse von Unberath, Transferred Loss, S. 49 ff.; S. 191 ff.; vgl. auch dens., ZEuP 2001, 918, 921 ff. Linden Gardens Trust Ltd v Lenesta Sludge Disposals Ltd [1994] 1 AC 85, 106 f. per Lord Browne-Wilkinson. Nachweise zu entsprechenden Formularlauseln bei Dugdale/Stanton, Negligence, § 2.11 m. Fn. 2. Ausführlich zu Ausnahmekonstellationen Unberath, Transferred Loss, S. 85 ff. Linden Gardens Trust Ltd v Lenesta Sludge Disposals Ltd [1994] 1 AC 85, 112 ff. per Lord Browne-Wilkinson. Ein vergleichbarer Fall, in dem auf Schadensersatz und nicht auf Erfüllung geklagt wurde und in dem der Mangel nach Übereignung eingetreten ist, scheint im deutschen Recht noch nie entschieden worden zu sein. Zu Erklärungsansätzen dafür vgl. Unberath, Transferred Loss, S. 228. Vgl. Pfister, JuS 1976, 373, 374 m.w.N.; nach der Gegenauffassung wäre auch hier gemäß dem objektiven Schadensbegriff ein eigener Schaden des Veräußerers anzunehmen. So für Fälle der obligatorischen Gefahrentlastung Larenz, Schuldrecht I, S. 464; Stamm, AcP 203 (2003), 366, 386 ff., 389 (§ 844 Abs. 1 BGB analog). Deliktische Ansprüche bleiben dem

34

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung Nachdem vorstehend die Wege zur Begründung einer vertraglichen Haftung der untersuchten Dienstleistertypen abstrakt nachgezeichnet worden sind, sind nun die Vertragsparteien zu bestimmen, d.h. es ist zu konkretisieren, wer sich wem gegenüber zur Leistung verpflichtet hat. Die PELSC sehen zu dieser Frage nur in Art. 7:111, der DCFR in Art. IV.C. – 8:111 eine gesonderte Regelung vor, die die Haftung eines Krankenhauses oder einer sonstigen „treatment-providing organisation“ betrifft. Nach Art. 7:111(1) PELSC, IV.C. – 8:111(1) DCFR muss ein Krankenhaus (etc.), das nicht Vertragspartner des Patienten ist, zunächst in dem Fall, dass man im Rahmen der Vertragsdurchführung innerhalb seiner Räumlichkeiten tätig wird, gegenüber dem Patienten klarstellen, dass es zu ihm nicht in vertraglichen Beziehungen steht. Damit nicht genug, ist das Krankenhaus (etc.), in dessen Räumlichkeiten die Behandlung stattfindet, darüber hinaus – unter der Bedingung, dass der „treatment provider“ als wirklicher Vertragspartner des Patienten dem Patienten nicht bekannt oder für ihn jedenfalls vernünftigerweise nicht indentifizierbar ist – gemäß Art. 7:111 (2) PELSC, IV.C. – 8:111(2) DCFR verpflichtet, dem Patienten die Identität seines Vertragspartners innerhalb angemessener Zeit zu eröffnen. Anderfalls gilt das Krankenhaus als Vertragspartner des Patienten233. Letztlich muss ein Krankenhaus, in dem ein Teil der Behandlung stattfindet, wenn es nicht selbst als Vertragspartner des Patienten gelten will, also – soweit vernünftigerweise erforderlich – klarstellen, wer der Vertragspartner des Patienten ist. Ziel dieser Verpflichtung ist, dass der Patient sicher wissen soll, an wen er sich im Haftungsfall wenden muss234. Dem Krankenhaus dürfte die Ermittlung desjenigen, der seine Räumlichkeiten verwendet, in dem Fall, dass beim Patienten überhaupt Unsicherheit über seinen Vertragspartner bestehen kann, auch wesentlich leichter fallen.

A.

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Arztrecht

Die Frage nach dem jeweiligen Vertragspartner ist im englischen Arzthaftungsrecht – soweit medizinische Dienstleistungen im Rahmen der staatlichen Gesundheitsfürsorge erbracht werden – weit weniger leicht zu beantworten, als dies auf den ersten Blick scheinen mag.

233

234

Eigentümer bei einer Veräußerung des Gebäudes nur unter strengen Voraussetzungen erhalten, vgl. BGH, NJW 2001, 2250 f. Ähnliche Überlegungen stellt der BGH (VersR 2006, 409, 410 f.) – zum haftungsrechtlichen Schutz des Kassenpatienten – für die Haftung des Krankenhausträgers auf der Grundlage eines Organisationsverschuldens im Rahmen ambulanter Operationen von Kassenpatienten an. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D zu Art. 7:111.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

I.

35

Vorbemerkung zum englischen Recht

Die zunächst deliktisch qualifizierte Klage aus der Arzt-Patienten-Beziehung235 wurde später – im Zuge der Entwicklung der allgemeinen Vertragsklage aus der action of assumpsit – als vertraglich eingestuft, wenn und soweit der Arzt gegen Entgelt tätig wurde236. Bis zur Errichtung der staatlichen Gesundheitsfürsorge in Form des National Health Service (NHS) wurden ärztliche Behandlungen entweder gegen privat zu entrichtendes Entgelt oder auf karitativer Basis durchgeführt. Selbst im letztgenannten Fall waren die Gerichte aber u.U. bereit, von dem Vorliegen eines Vertrages auszugehen237. Seit der Einrichtung des NHS im Jahr 1948 besitzt Großbritannien allerdings ein staatlich finanziertes System der Gesundheitsfürsorge. Die Behandlung innerhalb des NHS ist für den Patienten (von der Finanzierung durch Steuerzahlung einmal abgesehen) kostenlos. Es fehlt daher nach ganz überwiegender Auffassung an einer echten Gegenleistung des Patienten, sodass – gleichgültig, ob die Behandlung im Krankenhaus oder durch den Hausarzt erfolgt – die Arzt-Patienten-Beziehung nicht vertraglicher Natur ist238. Dasselbe gilt für vertragliche Beziehungen zwischen einem Patienten und einem Krankenhaus sowie einem NHS-Trust239. Schadensersatzklagen wegen fahrlässiger Sorgfaltspflichtverletzung werden daher ausschließlich auf den tort of negligence gestützt. Grundlegend für die Ablehnung eines Vertrages ist insoweit die Entscheidung des House of Lords in der Sache Pfizer Corporation v Ministry of Health240. Im Rahmen einer Patentrechtsklage trat dort die Frage auf, ob der Erwerb von Medikamenten aufgrund Rezepts als Kaufvertrag zu qualifizieren ist. Das House of Lords verneinte dies: Der Patient erwerbe das Medikament unter Einlösung des Rezepts in der Krankenhaus- oder einer anderen Apotheke. Gegenwärtig (zum damaligen Zeitpunkt) müsse er dabei zwar eine geringe Zahlung leisten241, doch komme es darauf nicht an. Die Kläger hatten demgegenüber argumentiert, da der Patient das 235 236

237

238

239 240 241

Zur historischen Einordnung der Arzthaftung näher ab S. 328. Grubb, in: ders., Principles, § 5.06 m. Fn. 18 nennt als Belege dieser Entwicklung die mir nicht zugänglichen Entscheidungen Everard v Hopkins (1615) 80 ER 1164 und Slater v Baker and Stapleton (1767) 95 ER 860; vgl. auch Irwin/Fazan/Allfrey, Negligence Litigation, S. 7. Das „Über-sich-ergehen-lassen“ der Behandlung durch den Patienten sollte insoweit eine ausreichende Gegenleistung darstellen, vgl. Coggs v Bernard (1703) 92 ER 107 (zit. nach Grubb, in: ders., Principles, § 5.06 m. Fn. 18); Banbury v Bank of Montreal [1918] AC 626, 657 per Lord Finlay LC (HL); vgl. auch Giesen, Malpractice, § 1 Rn. 4. Vgl. nur Reynolds v The Health First Medical Group [2000] Lloyd’s Rep Med 240 per Simmons J (Westlaw Summary); Jackson/Powell, Negligence, § 12–005; de Cruz, Medical Law, S. 118; Jones, Negligence, § 2–003; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 272; Grubb, in: ders., Principles, § 5.06 ff.; Teff, Care, S. 161 f. m. Fn. 138; Phillips, Negligence, S. 3; von Bar/ Drobing, Property Law, Rn. 293; Giesen, Medical Malpractice, § 3 Rn. 10 m. Fn. 4. Grubb, in: ders., Principles, § 5.06. Pfizer Corporation v Ministry of Health [1965] AC 512. Diese Rezeptgeühren nach s. 38(3) des National Health Service Act 1946 für pharmazeutische Leistungen sowie die Gebühren nach s. 1 des National Health Service Act 1952 wurden

36

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

Medikament nur gegen Zahlung erwerben könne, handele es sich um einen Kaufvertrag. Die Worte „sell“ oder „vend“ kämen in s. 46(1) Patents Act 1949, auf dessen Basis das beklagte Ministrium eine Patentrechtsverletzung ausschließen wollte, aber nicht vor. Das House of Lords hielt der Qualifikation als Kaufvertrag entgegen, dass es insoweit keiner Vereinbarung mit dem Patienten bedürfe; „Vertragsverhandlungen“ fänden nicht statt242, die Beziehung sei vielmehr allein durch Gesetz geprägt, da der Patient schlicht wählen dürfe, ob er seine gesetzlichen Rechte ausüben wolle oder nicht243. Dies bedeute, dass der NHS ein Medikament zur Verfügung stellen müsse, sofern der Patient zur Gebührenentrichtung bereit sei244. Ferner handele es sich nicht um einen „Kaufpreis“, sondern um eine kleine, stets gleichlautende Summe, für die der Wert des verschriebenen Medikaments vollkommen irrelevant sei245. Da also keine Vertragsverhandlungen stattfänden, das Vorliegen eines auf Vertragsschluss gerichteten Willens auf Seiten des NHS nicht erforderlich sei, die gesamte rechtliche Beziehung auf gesetzlichen Vorgaben gründe, die allein dem Patienten ein Recht zusprächen, und schließlich die Gebühren unabhängig vom Wert des Medikaments stets dieselben seien, könne die Beziehung nicht als „Kaufvertrag“, sondern nur als rein gesetzliche qualifiziert werden246. Diese Argumentation wird auf jegliche Behandlungsmaßnahme innerhalb des NHS übertragen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die ärztliche Behandlung innerhalb des NHS nicht auf vertraglicher Grundlage durchgeführt wird247. Ein Arztvertrag als Haftungsgrundlage kommt lediglich bei einer privat finanzierten Behandlung außerhalb des NHS-Rahmens in Betracht. Insofern ist der Vertrag nicht exklusiv der privatärztlichen Behandlung vorbehalten, sondern auch bei Gelegenheit einer Behandlung innerhalb des NHS möglich, wenn es sich um vom Patienten gewünschte Sonderleistungen handelt, etwa um ein sog. „(private) pay bed“248.

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245

246

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248

später mit Wirkung zum 1.2.1965 durch die National Health Service (Abolition of Prescription Charges) Regulations 1965, S.I. 1965 No. 54 abgeschafft. Vgl. Pfizer Corporation v Ministry of Health [1965] AC 512, 535 f. per Lord Reid, 545 per Lord Evershed, 553 per Lord Upjohn. Pfizer Corporation v Ministry of Health [1965] AC 512, 536 per Lord Reid, 545 per Lord Evershed, 548 per Lord Pearce, 552 per Lord Upjohn. Pfizer Corporation v Ministry of Health [1965] AC 512, 536 per Lord Reid, 545 per Lord Evershed, 548 per Lord Pearce, 552 per Lord Upjohn. Pfizer Corporation v Ministry of Health [1965] AC 512, 536 per Lord Reid, 545 per Lord Evershed, 548 per Lord Pearce, 552 f. per Lord Upjohn. Pfizer Corporation v Ministry of Health [1965] AC 512, 536 per Lord Reid, 545 per Lord Evershed, 548 per Lord Pearce, 552 f. per Lord Upjohn. Vgl. dazu aber die gedankenreiche Diskussion bei Grubb, in: ders., Principles, §§ 5.07 ff.; Teff, Care, S. 159 ff.; im Übrigen Jones, Negligence, § 2–003. Vgl. Grubb, in: ders., Principles, § 5.11. Ein „(private) pay bed“ ist ein Krankenhausbett, welches dem Patienten nur gegen eine privat zu entrichtende Zusatzzahlung zugewiesen wird, und das in seiner Gestaltung eine Verbesserung der Privatsphäre verspricht.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

II.

37

Die privatärztliche Behandlung

Die Bestimmung des leistungspflichtigen Vertragspartners des Patienten folgt den allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln. Insofern sind die getroffenen Vereinbarungen auszulegen. Zunächst sollen typische Gestaltungsformen nach englischem Recht vorgestellt werden.

1.

Typische Gestaltungsformen der privatärztlichen Behandlung nach englischem Recht

a)

Getrennte Verträge mit Arzt und Krankenhaus

Soweit die Behandlung auf privatärztlicher Basis erfolgt, geschieht dies für gewöhnlich aufgrund eines Vertragsschlusses zwischen Patient und Arzt sowie (regelmäßig) daneben zwischen Patient und Klinik. Inhalt, Art und Umfang der vertraglichen Pflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Patient trifft jedoch – ähnlich der Situation bei dem deutschen Belegarztvertrag249 – typischerweise getrennte Vereinbarungen mit Arzt (Behandlung und Nachsorge) und Krankenhaus (Bereitstellung der technischen Einrichtungen [Operationssaal, Krankenzimmer, etc.] sowie Pflege und Pflegepersonal)250: Er sucht den Arzt zwecks Behandlung auf, mit dem er den Behandlungsvertrag abschließt. Der Arzt arrangiert daraufhin den Klinikaufenthalt, indem er eine Vereinbarung über die Aufnahme von Patienten abschließt. In diesem Fall ist das Haftungssubjekt je nach Fehler im Grunde einfach zu identifizieren: Entweder es handelt sich um einen Behandlungs-, Diagnose- oder Aufklärungsfehler, für den bei dieser Gestaltungsvariante der Arzt einstehen muss, oder die technischen und pflegerischen Einrichtungen waren mangelhaft. Für deren Funktionieren zeichnet das Krankenhaus verantwortlich.

b)

Vertragsschluss allein mit dem Arzt oder einer Klinik

Denkbar ist freilich auch nach englischem Recht, dass der Patient allein mit dem Arzt kontrahiert. Für eigenhändige Behandlung und Diagnose haftet dann allein der Arzt, mit dem der Patient den Behandlungsvertrag abgeschlossen hat. Dies gilt auch dann, wenn die Behandlung in einer Klinik erfolgen soll, mit der der Arzt „admission privileges“ vereinbart hat251. Die Klinik stellt Räumlichkeiten, technische Anlagen und Geräte sowie das Pflegepersonal bereit und haftet dem Arzt – unter näherer Maßgabe von SGA, SGSA – für diese Leistungen vertraglich, wobei das Pflichtenprogramm typischerweise die Ausübung angemessener Sorgfalt hinsichtlich der angebotenen Dienste und des bereitgestellten Personals umfasst252. Wird der Patient im 249 250 251 252

Vgl. ab S. 41. Grubb, in: ders., Principles, § 5.12. Vgl. Grubb, in: ders., Principles, § 5.12. Sofern dies nicht ausdrücklich vereinbart ist, wird der Vertrag um eine entsprechende Bestimmung ergänzt werden, Grubb, in: ders., Principles, § 8.42 m. Fn. 175.

38

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

Rahmen solcher „admission privileges“ im Krankenhaus von seinem Arzt behandelt, spielt die später zu erörternde Haftung des Krankenhauses aus unübertragbarer Pflicht keine Rolle253. Freilich kann der Patient auch unmittelbar mit der Klinik einen umfassenden, dem deutschen „totalen Krankenhausvertrag“254 entsprechenden Krankenhausvertrag abschließen, der Aufnahme, Behandlung und Pflege umfasst. Ein gesonderter Vertragsschluss mit dem Arzt findet dann regelmäßig nicht statt255. Die Situation ist derjenigen vergleichbar, in der ein Arzt sich zur umfassenden Leistungserbringung verpflichtet. Im einen wie im anderen Fall stellen sich vor allem Probleme der Hilfspersonenhaftung, auf die gesondert einzugehen sein wird256.

c)

Exkurs: Privat finanzierte Leistungen innerhalb des NHS

Wie bereits am Beispiel des sog. „pay bed“ erwähnt257, können auch in NHS-Krankenhäusern privat finanzierte Dienstleistungen – nach deutscher Terminologie: Wahlleistungen – vereinbart werden. Mit Hinblick auf die Hilfspersonenhaftung des Krankenhauses stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Arzt bzw. das Pflegepersonal im Rahmen der generell vom NHS geschuldeten Pflichten tätig wird oder in rein privat finanzierter Funktion. Da sich die gesamte Behandlung – lässt man die Zahlung für wenige „Sonderleistungen“ einmal unberücksichtigt – im Rahmen des NHS vollzieht, wird betont, dass der Patient sich jedoch weitestgehend als NHS-Patient empfinden werde. Dem Krankenhauspersonal werde dies – ungeachtet des Umstands, dass es sich um einen für manche Leistungen zahlenden Patienten handele – nicht wesentlich anders gehen. Regelmäßig werde das Personal diesen Patienten während seiner „NHS-time“ pflegen und behandeln, sodass insoweit bei Pflichtverletzungen auch das Clinical Negligence Scheme258 eingreife. Alle diese Umstände zusammengenommen könnten – so wird in der Literatur vermutet – ein Gericht dazu veranlassen, die Behandlung eines Patienten mit teilweise privat finanzierten Leistungen von der eines reinen Privatpatienten zu unterscheiden (distinguish)

253

254 255

256 257 258

Vgl. Grubb, in: ders., Principles, § 8.42, mit Verweis auf Cassidy v Ministry of Health [1954] 343, 362 per Denning LJ: „If the patient himself selects and employs the doctor or surgeon … the hospital authorities are of course not liable for his negligence, because he is not employed by them“. Vgl. ab S. 41. Derartige Gestaltungen kommen häufig bei künstlicher Befruchtung vor. Die Patientinnen suchen hier besondere Kliniken auf, in denen spezialisierte Ärzte tätig sind. Vgl. für ein Beispiel Thompson v Sheffield Fertility Clinic (2001) 9 Med L Rev 170 (berichtet und analysiert von Grubb). Vgl. ab S. 598. Oben auf S. 36. Vgl. dazu reg. 2 des National Health Service (Clinical Negligence Scheme) Regulations 1996 SI 1996/251, Grubb, in: ders., Principles, § 8.07 m. Fn. 54. Zur NHS-Idemnity vgl. Grubb, a.a.O., § 8.94.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

39

und so das Krankenhaus für die gesamte Behandlung als Arbeitgeber haften zu lassen259. Von dieser Situation ist wiederum die Gestaltungsvariante streng zu trennen, in der ein Patient gemäß Vereinbarung mit dem die Behandlung finanzierenden zuständigen Primary Care Trust260 in einer Privatklinik behandelt wird. Hier bleibt der Patient ein „NHS-Patient“ und die einzig mögliche Haftung einer NHS-Körperschaft könnte, wie noch zu zeigen sein wird, aus dem Bruch einer direkten deliktischen Sorgfaltspflicht (direct oder primary duty) ihrerseits folgen. Denn die Ärzte und Patienten werden bei der Privatklinik angestellt sein, sodass eine Arbeitgeberhaftung oder eine Haftung aus der Verletzung unübertragbarer Pflichten der NHS-Körperschaft gegenüber dem Patienten ausscheidet261.

2.

Typische Gestaltungsformen ärztlicher Behandlung nach deutschem Recht

Vertragliche Beziehungen des (gesetzlich oder privat krankenversicherten) Patienten können nach deutschem Recht entstehen mit dem behandelnden Arzt, der Gemeinschaftspraxis von Ärzten, dem Belegarzt, der die Behandlung in einem Krankenhaus durchführt, dem Krankenhausträger sowie dem mit Wahlleistungen beauftragten Arzt im Krankenhaus. Insofern kann zunächst nach Arzt- und Krankenhausverträgen unterschieden werden. Ferner wird nach ambulanter und stationärer Behandlung sowie danach differenziert, ob und wie diese mit einem Arztvertrag kombiniert sind.

a)

Niedergelassene Ärzte

Relativ unproblematisch ist die Identifizierung des Vertragspartners des Patienten bei den niedergelassenen Ärzten. Vertragspartner wird hier der Praxisinhaber als behandelnder Arzt262. Nichts anderes gilt, wenn der Kassenpatient mit dem Vertragsarzt einen Behandlungsvertrag abschließt. Auch dieser ist – wenngleich dies umstritten ist – als privatrechtlich zu qualifizieren263 und verpflichtet den Arzt ebenso wie der Vertrag mit einem Privatpatienten. Dies wird durch eine komplizierte öffentlichrechtliche Einbettung des Vertragsverhältnisses ermöglicht264, die – anders als nach englischem Recht – der Annahme eines privatrechtlichen Vertrages nicht entgegen steht, hier aber nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden muss. 259 260

261 262

263

264

Grubb, in: ders., Principles, § 8.07. Primary Care Trusts sind Ausschüsse einer lokal zuständigen Health Authority, vgl. Kennedy/ Grubb, Medical Law, S. 94. Grubb, in: ders., Principles, § 8.07 m. Fn. 56, näher ab S. 598. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 103; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 12; Broglie, in: Ehlers/ Broglie, Arzthaftung, Rn. 719; Anders/Gehle, Dienste, Rn. 231. Für viele Katzenmeier, Arzthaftung, S. 95 ff., 97 f. m. umfassenden Nachweisen zum Streitstand. Dazu z.B. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 79 ff.; Steffen/ Dressler, Arzthaftung, Rn. 48 ff.

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

40

Führen mehrere niedergelassene Ärzte gemeinsam ihre Tätigkeit aus, kommt es für die Frage, wer Vertragspartner des Patienten wird, entscheidend darauf an, wie sie im Rechtsverkehr auftreten265. Insofern ist zwischen der Praxisgemeinschaft und der Gemeinschaftspraxis zu differenzieren, wobei es entscheidend darauf ankommt266, ob mehrere Ärzte nicht nur in loser räumlicher Gemeinschaft unter Trennung in Behandlung und Organisation (Praxisgemeinschaft)267, sondern „nach außen als Einheit auftretend mit im Wesentlichen gemeinsamer Einrichtung und Organisation, einheitlicher Abrechnung etc. handeln (Gemeinschaftspraxis in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts)“268. Während bei der Praxisgemeinschaft nur der konkrete Arzt Vertragspartner wird, besteht bei der regelmäßig als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) organisierten Gemeinschaftspraxis neben der Gesellschaft269 nach überwiegender Auffassung im Zweifel eine akzessorische270 gesamtschuldnerische Haftung271 (§§ 422 ff. BGB) aller beteiligten Ärzte. Gleiches gilt gemäß § 8 Abs. 1 PartGG, wenn Träger der Gemeinschaftspraxis eine Partnerschaftsgesellschaft ist. Neben der Partnerschaft haften die Partner als Gesamtschuldner, wobei allerdings – sofern nur einzelne Ärzte mit der Behandlung beschäftigt waren – die Beschränkung des § 8 Abs. 2 PartGG zu beachten ist272. Auch die Ärzte-GmbH kommt als Kooperationsform vor273. Aus dem Vertrag wird dann nur die GmbH, nicht aber der Arzt selbst verpflichtet274.

b)

Behandlung im Krankenhaus

aa) Ambulante Behandlung Bei der ambulanten Krankenhausbehandlung, die an den gewöhnlichen Arztvertrag angelehnt ist, wird Vertragspartner des Patienten der Träger der Ambulanz275. Im 265 266

267 268 269 270

271

272

273

274

Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 98 Rn. 4. BGH, NJW 2006, 436, 437; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 133 ff.; Anders/Gehle, Dienste, Rn. 235 f.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 12; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 15; Hart, JURA 2000, 14, 16. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 103. Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 12; vgl. auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 103 m.w.N. BGH, NJW 2000, 2737, 2740; MünchKomm/Ulmer/Schäfer, BGB § 718 Rn. 25. BGHZ 146, 341, 358; MünchKomm/Ulmer/Schäfer, BGB § 714 Rn. 3 ff.; Palandt /Sprau, BGB § 714 Rn. 11 m.N. zum Streitstand. Kein Gesamtschuldverhältnis besteht aber zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, vgl. nur MünchKomm/Ulmer/Schäfer, BGB § 714 Rn. 47. Ebenso für die GbR OLG Oldenburg, MedR 1997, 358; ablehnend Hart, JURA 2000, 14, 16. Vgl. BGHZ 124, 224, 225 ff.; (ablehnend aufgrund landesrechtlicher Vorschriften) LG München, MedR 1996, 518 ((Zahn-)Ärzte-GmbH). Das ärztliche Berufsrecht steht dem in verfassungsrechtlich zweifelhafter Form entgegen, vgl. Hart, JURA 2000, 14, 17; Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 139. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 139.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

41

Normalfall ist dies kraft vertragsarztrechtlicher Ermächtigung (§§ 95, 116 SGB V 31, 31 a Zulassungsordnung für Vertragsärzte) der Chefarzt. In diesem Fall bestehen arztvertragliche Beziehungen nur zwischen Patient und Chefarzt276. Betreibt hingegen der Krankenhausträger die Ambulanz, kommt der Vertrag zwischen dem Patienten und dem Klinikträger zustande277.

bb) Stationäre Behandlung Im Rahmen der stationären Behandlung ist zwischen (1) dem sog. totalen Krankenhausvertrag, (2) dem Belegarztvertrag sowie (3) dem Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag zu unterscheiden.

(1)

Totaler Krankenhausvertrag

Bei Abschluss eines einheitlichen, totalen Krankenhausvertrags, in dem sämtliche Leistungen, die während der stationären Behandlung erbracht werden (ärztliche Behandlung und Krankenhausversorgung) zusammengefasst sind und der im Umkehrschluss aus § 17 Abs. 2 S. 1 KHEntgG den gesetzlichen Regelfall darstellt278, wird der Krankenhausträger alleiniger Vertragspartner des Patienten279.

(2)

Belegarztvertrag

Hiervon rechtlich sowie regelmäßig in der Art des Zustandekommens zu differenzieren ist der Belegarztvertrag. Denn in der Regel begibt sich der Patient zunächst in die ambulante Behandlung eines niedergelassenen Arztes, der zugleich Belegarzt ist280. Belegarzt i.S.d. SGB V und KHEntgG ist ein nicht am Krankenhaus angestellter Vertragsarzt, der aufgrund Vertrages mit dem Krankenhaus berechtigt ist, seine Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereit275

276

277 278

279

280

Staudinger /Richardi, BGB Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 1255; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 18 ff. m.w.N. BGHZ 100, 363, 368 ff. (Kassenpatient); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 105; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 45 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 84; Hart, JURA 2000, 14, 18. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 84. Ebenso Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 85; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 26; Staudinger /Richardi, BGB Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 1261 zu den Vorgängerregelungen (KHG, BPflV). BGH, NJW 2000, 2741, 2742; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 85; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 23; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 26; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 20; Hart, JURA 2000, 14, 17 f.; Broglie, in: Ehlers/Broglie, Arzthaftung, Rn. 722; Staudinger /Richardi, BGB Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 1258; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 106 m.w.N. Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 21 m.w.N.

42

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

gestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel vollstationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten (§ 121 Abs. 2 SGB V, § 18 Abs. 1 KHEntgG). Entscheidet sich der Belegarzt, die zunächst ambulant (in seiner Praxis) begonnene Behandlung stationär in einem Krankenhaus, in dem ihm Belegbetten zur Verfügung stehen, fortzusetzen, kommt eine sog. gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag zustande281. Kennzeichnend für diese Vertragsgestaltung ist, dass der Patient die medizinischen Leistungen allein vom Belegarzt erwartet, was eine Leistungspflicht des Krankenhausträgers insoweit ausschließt282. Dadurch kommt es zu einer Aufspaltung der Leistungs- und Haftungsverantwortlichkeit zwischen Belegarzt und Krankenhausträger283. Es entstehen zwei voneinander getrennte vertragliche Beziehungen: Zum einen der (fortdauernde) Vertrag zwischen Patient und Belegarzt, der die spezifisch belegärztlichen Behandlungsleistungen zum Gegenstand hat (vgl. § 18 KHEntG), und zum anderen der Vertrag zwischen Patient und Krankenhausträger über die übrig bleibenden, allgemeinen Krankenhausleistungen284. Diese Vertragsgestaltung ist nicht typisch für die Arztbehandlung im Krankenhaus285. Bei der Abgrenzung der Leistungsinhalte beider Verträge, die in der Regel keine Schwierigkeiten bereitet, wird in der Literatur verbreitet die gesetzliche Umschreibung des vertraglichen Leistungsbereichs des Belegarztes in § 17 Abs. 1 KHEntgG (entspricht § 23 BPflV a.F.) herangezogen286. Ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag liegt ferner vor, wenn der Selbstzahler in der voll- oder teilstationären Behandlung – sofern das Krankenhaus dies anbietet287 – als Wahlleistung die ärztliche Versorgung durch selbstliquidierungsberechtigte Ärzte wählt. In diesem Fall rücken alle selbstliquidierungsberechtigten Ärzte, die behandelnd tätig werden, in die Vertragspartnerstellung ein und werden nicht nur honorarberechtigt, sondern auch gegenüber dem Patienten verpflichtet288.

(3)

Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag

In dieser Gestaltungsvariante steht der gespaltene Krankenhausaufnahmevertrag dem Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag nahe, unterscheidet sich aber insofern von jenem, als bei der Vereinbarung des Arztzusatzvertrages die Leistungspflicht des Krankenhausträgers auch hinsichtlich des ärztlichen Dienstes erhalten bleibt289. 281 282 283 284

285 286

287 288 289

Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 33; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 106. BGH, NJW 2005, 888, 889 f.; Staudinger /Richardi, BGB Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 1259. BGH, NJW 2006, 437, 438. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 85; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 21; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 33 ff. Hart, JURA 2000, 14, 17. Vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 33; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 22; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 24; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 107 f. m.w.N. Dies steht ihm frei, Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 31. Vgl. nur OLG Stuttgart, VersR 1991, 1141, 1142 f. m.w.N. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 90; Staudinger /Richardi, BGB Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 1260.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

43

In der Praxis bildet diese Vertragsgestaltung sogar den Regelfall. Soweit nichts Näheres vereinbart ist, geht man nämlich davon aus, dass sich der Patient – bei im Übrigen gegenüber dem totalen Krankenhausvertrag unveränderter Lage – lediglich die Leistungen des selbstliquidierungsberechtigten Arztes „hinzukaufen“ will290. Im Regelfall kommt daher ein Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag zustande, bei dem der Krankenhausträger Schuldner sämtlicher Leistungen ist. Er schuldet neben dem Arzt also auch die Leistungen, die der Arzt als Wahlleistungen zu erbringen hat291. Der Patient erhält somit hinsichtlich desselben Leistungsinhalts zwei voneinander unabhängige Vertragsschuldner292, die gesamtschuldnerisch haften (§§ 422 ff. BGB)293. Die damit praktisch bewirkte Konzentrierung der Schadensregulierung beim Krankenhausträger erfährt in der Literatur nahezu einhellig Zustimmung294. Ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag ist hingegen, da der Patient in diesem Fall den Krankenhausträger teilweise aus seiner Verantwortung entlässt, nur bei hinreichend deutlicher – formularmäßig sogar nur bei „nachdrücklich“295 deutlicher und nicht überraschender (§ 305 c BGB)296 – Vereinbarung anzunehmen.

B.

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Anwaltsrecht

I.

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im englischen Anwaltsrecht

Zum englischen Anwaltsrecht liegen bereits einige Untersuchungen vor, die sich u.a. auch mit der Vertragsgestaltung und den jeweiligen Haftungssubjekten beschäftigen297, sodass wir uns insoweit auf wenige Hinweise beschränken können.

1.

Vorbemerkungen

Zunächst dürfte weithin bekannt sein, dass sich die englische Anwaltschaft in die Berufe des solicitors und des barristers gliedert298. Wichtig war diese Differenzierung im 290

291 292

293 294 295 296

297

298

Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 35; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn. 26; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 108 m.w.N. BGHZ 121, 107, 111 ff.; BGHZ 138, 91, 96; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 52. BGHZ 95, 63, 67 ff.; OLG Düsseldorf, VersR 1988, 967; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 90; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 53; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 34. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 108. Für viele Katzenmeier, Arzthaftung, S. 109 m.w.N. Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 36; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 51. Zur Regelung in AGB vgl. BGHZ 121, 107, 111 ff.; OLG Koblenz, NJW 1998, 3425, 3426 sowie ausführlich zum Haftungsausschluss des Krankenhausträgers für ärztliche Leistungen durch AGB Spickhoff, VersR 1998, 1189 ff. Vgl. etwa Remmertz, Anwaltschaft, S. 110 ff., zur Haftung von „Berufsausübungsgesellschaften“ S. 162 ff.; Wegerich, Anwaltsrecht, S. 63 ff. Zuletzt Wörlen, JA 2006, 78. Die historische Entwicklung beider Berufszweige geben ausführlicher und mit zahlreichen Nachweisen Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, §§ 1 f.; Graef,

44

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

vorliegenden Kontext, weil bis zum 31.10.2004 allein der solicitor auf vertraglicher Basis tätig wurde299, während der barrister – trotz Bestellung – in aller Regel nicht vertraglich gebunden war300. Die darin fortgesetzte Zweiteilung beruhte (ursprünglich) auf einer Funktionsteilung: Die Tätigkeit des solicitors beschränkt(e) sich vor den Obergerichten im Kern auf die im Auftrag des Mandanten erfolgende Vorbereitung des Rechtsstreits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, der dann von einem – durch den solicitor entsprechend instruierten – barrister vor Gericht geführt wurde und wird; denn Postulationsfähigkeit (right of audience) besaß vor allen höheren Gerichten nur der barrister301. Heute werden indes auch solicitors zunehmend im Bereich der Prozessvertretung (advocay) tätig302. Gemäß s. 60 County Courts Act 1984 besitzen sie nicht nur vor den unteren Zivilgerichten die volle Postulationsfähigkeit. Auch vor den Magistrates’ Courts darf ein solicitor wie ein barrister auftreten (s. 122 Magistrates’ Courts Act 1980)303. Mit Inkrafttreten der ss. 27 und 28 Courts and Legal Services Act 1990304 ist das Postulationsprivileg der barrister schließlich auch formell gefallen (vgl. jetzt s. 36(2) Access to Justice Act 1999), sodass solicitors ein uneingeschränktes right of audience sowie zur Prozessführung305 zusteht306 und die Zweiteilung sich zusehends nivelliert307.

299

300 301

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303

304

305 306

S. 43 ff.; Dietlmeier, Haftung, S. 3 ff.; Kellermann, Standesrecht, S. 12 ff. wieder, vgl. im Übrigen noch einführend Adams/Brownsword, Understanding Law, S. 243 ff., 254 ff., Kilian, Erfolg, S. 196 ff.; für eine relativ aktuelle Bestandsaufnahme vgl. Zander, in Kübler, Anwaltsberuf, S. 59 ff. Eine Einführung in die historische Entwicklung der Anwaltschaft in verschiedenen europäischen Ländern findet sich bei Poll, Haftung, S. 3 ff., zur Entwicklung in England vgl. S. 8 ff. Zu Für und Wider einer Beibehaltung dieser Trennung Graef, Haftung, S. 53 ff. Ein „Anwaltsvertrag“ als spezieller Typus ist dem englischen ebenso wie dem deutschen Recht fremd, Remmertz, Anwaltschaft, S. 111, 146; Dietlmeier, Haftung, S. 15; Poll, Haftung, S. 140; Graef, Haftung, S. 124. Vgl. ab S. 46. Poll, Haftung, S. 33; Graef, Haftung, S. 48; Kilian, Erfolg, S. 198. Kommt es zu einer Hauptverhandlung, wird der barrister in diese beinahe immer vom solicitor begleitet, Graef, Haftung, S. 50; Schellenberger, Haftung, S. 35. Darüber hinaus ist der solicitor für die Durchführung des Vorverfahrens (interlocutory proceedings) vor dem master (einem aus den Reihen der solicitors und barristers ernannten „Hilfsrichter“) zuständig, Graef, Haftung, S. 49; Dietlmeier, Haftung, S. 8; Schellenberger, Haftung, S. 35. Vor diesen beiden Gerichtstypen wird die ganz überwiegende Mehrzahl aller Fällen, in denen es zu einer Hauptverhandlung kommt, entschieden, sodass die Bedeutung des solicitors nicht unterschätzt werden darf, vgl. Poll, Haftung, S. 34. Die Grundregel mangelnder Postulationsfähigkeit ist bereits vor Inkrafttreten des Courts and Legal Services Act 1990 von einer Vielzahl unterschiedlichster Ausnahmeregelungen durchbrochen gewesen, vgl. nur Graef, Haftung, S. 51 m. Fn. 134. Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 10–001; Graef, Haftung, S. 52. Allerdings bedarf dies für solicitors einer Genehmigung durch die Law Society (s. 36(2) Access to Justice Act 1999). Zu den wesentlichen Änderungen durch den Courts and Legal Services Act 1990 vgl. Lord Mackay of Clashfern, (1991) 54 MLR 171 ff.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

45

Im nicht-forensischen Bereich besorgt der solicitor die Eigentumsübertragung an nicht-registrierten und registrierten Grundstrücken (conveyancing bzw. transfer of title)308 und ist allgemein für die rechtliche Betreuung des Mandanten zuständig309; z.B. für die Vorbereitung und Formulierung von Verträgen oder von Testamenten (drafting wills), die Betreuung von Treuhandvermögen (supervision of trusts and settlements) sowie Nachlassverwaltung und -pflegschaft (administration of estates)310.

2.

Der retainer des solicitors

Grundlage der rechtlichen Beziehung zwischen dem solicitor und seinem Mandanten ist der retainer als „Anwaltsvertrag“. Inhalt des retainers können – im Rahmen des vorstehend geschilderten Spektrums – die unterschiedlichsten Pflichten sein. Einen „Anwaltsvertrag“ als gesonderten Typus mit speziellen Inhalten gibt es ebenso wenig wie nach deutschem Recht, den PELSC oder dem DCFR. Die Identifizierung des Haftungssubjekts gelingt relativ problemlos, wenn ein Mandant einen einzelnen solicitor bestellt311. Der solicitor ist dann vertraglich nur dem einen Mandanten verbunden, der dementsprechend die Kosten der Tätigkeit des solicitors alleine tragen muss312. Als Vertragspartner des Mandanten ist jedoch auch ein gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss von solicitors sowohl als juristische Person – in Form der limited liability partnership313, der (private) limited314 oder 307 308

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Watson, Litigation, Vor § 1.1 und § 1.54. Vgl. dazu etwa Jackson/Powell, Negligence, § 10–002. Entgegen der Einschätzung von Poll, Haftung, S. 35, hat die Schaffung der Berufsgruppe der licensed conveyaners durch ss. 11 ff. Administration of Justice Act 1985 und s. 53 i.V.m. schedule 8 Courts and Legal Services Act 1990 scheinbar keinen spürbaren Einfluss auf das insoweit bestehende Monopol der solicitors gehabt, vgl. Holland, AnwBl 1993, 500. Darüber hinaus ist s. 124 i.V.m. schedule 21 Building Societies Act 1986 niemals in Kraft getreten, vgl. Graef, Haftung, S. 50 m. Fn. 128. Insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen (dazu Dieltmeier, Haftung, S. 8; Holland, AnwBl 1993, 500, 501; Graef, Haftung, S. 51) bleibt das conveyancing daher ein zentraler Tätigkeitsbereich, besondere für kleinere firms, die eher von diesem Einkommenszweig abhängen. Jackson/Powell, Negligence, § 10–001; Poll, Haftung, S. 33 f. Jackson/Powell, Negligence, § 10–001; Schellenberger, Haftung, S. 34. Nicht berücksichtigt wird im Folgenden der Fall, dass der solicitor bei ausschließlich einem Unternehmen unter solchen Bedingungen angestellt ist, die ihn nicht länger als independent practitioner, sondern als officer der company tätig werden lassen, dazu etwa Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 98. Zum Verhältnis zwischen Mandanten, country solicitor und town agent ab S. 570. Die durch den Limited Liabilities Partnership Act 2000 (LLP 2000) geschaffene LLP ist – trotz ihrer Bezeichnung als partnership – eine juristische Person (s. 1(2) LLP 2000). Weitere Bestimmungen enthalten die Limited Liability Partnerships Regulations 2001, die einige Regeln des Companies Act 1985 auf die LLP übertragen. Vgl. zum rechtspolitischen Hintergrund knapp Geismar, Haftung, S. 133. Vgl. hierzu im Überblick Müller, DB 2006, 824 ff.

46

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

unlimited company – als auch – in Form der praktisch besonders bedeutsamen315 (limited) partnership – als Personengesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit denkbar316. Insoweit finden dann auf Berechtigung und Verpflichtung aus dem Vertrag die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Regeln Anwendung317. Nur theoretisch denkbar ist der Vertragsschluss mit einer public limited company, die der deutschen AG gleicht, aber für die anwaltliche Tätigkeit wegen der satzungsrechtlichen Beschränkung der Gesellschafterstellung eher ungeeignet ist318, sowie mit einer – nach s. 66(1) Courts and Legal Services Act 1990 grundsätzlich möglichen – „multi-disciplinary practice“, d.h. einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung zwischen solicitors und Angehörigen anderer Berufsgruppen319. Auch sie ist paktisch irrelevant, weil die Law Society von der Möglichkeit, diese Organisationsform zu untersagen (s. 66(2) Courts and Legal Services Act 1990), in r. 7(6) Solicitors’ Practice Rules Gebrauch gemacht hat320.

3.

Die rechtlichen Beziehungen zum barrister

Der barrister wurde in aller Regel (bis zum 31.10.2004) nicht aufgrund eines Vertrages tätig321: “We are all of the opinion that an advocate at the English Bar, accepting a brief in the usual way, undertakes a duty, but does not enter into a contract or promise, express or implied. Cases may indeed occur where, on an express promise, he would be liable in assumpsit; but we think a barrister is to be considered not as making a contract with his client, but as taking upon himself an office or duty.”322

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Kellermann, Standesrecht, S. 45; Poll, Haftung, S. 140 f.; Wegerich, Anwaltsrecht, S. 111; Schellenberger, Haftung, S. 104; Geismar, Haftung, S. 125. Zu Anwaltsgesellschaften nach deutschem Recht vgl. ab S. 48. Näher Remmertz, Anwaltschaft, S. 162 ff. Zur Haftung aus diesen Gesellschaftsformen im Allgemeinen sei auf die Spezialliteratur verwiesen. Bakker, AnwBl 1993, 245, 248. Näher Remmertz, Anwaltschaft, S. 167 ff.; Wegerich, Anwaltsrecht, S. 112. Vgl. Remmertz, Anwaltschaft, S. 168; Wegerich, Anwaltsrecht, S. 112 f. Für die internationale Zusammenarbeit mit einem barrister oder ausländischen Anwalt (multi-national partnerships) bestehen jedoch gewisse Auflockerungen, vgl. Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, §§ 378 ff.; Remmertz, Anwaltschaft, S. 171 ff.; Wegerich, Anwaltsrecht, S. 113 ff.; Kellermann, Standesrecht, S. 60 ff. Arthur J S Hall & Co (a firm) v Simons [2002] 1 AC 615, 676 per Lord Steyn (HL); Jackson/ Powell, Negligence, § 11–004; vgl. auch Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 654; Graef, Haftung, S. 126 f.; Poll, Haftung, S. 119; Dietlmeier, Haftung, S. 109; Kellermann, Standesrecht, S. 201; Kilian, Erfolg, S. 198 f. Swinfen v Lord Chelmsford (1860) 5 H & N 890, 920 (zit. nach Graef, Haftung, S. 127).

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

47

Dies wurde in Rondel v Worsley323 noch als echte Rechtsregel qualifiziert. Bis zu ihrer Abschaffung durch s. 61(1) Courts and Legal Services Act 1990324 war es allein solicitors erlaubt, einen barrister zu mandatieren. Konsequent war der Gesetzgeber bei der Beseitigung dieser unbefriedigenden Schranken325 aber nicht. S. 61(2) Courts and Legal Services Act 1990326 eröffnete der Standesvertretung der barrister (General Council of the Bar) die – zunächst genutzte – Möglichkeit, die gerade erworbene Freiheit wieder einzuschränken: Dem barrister waren bis zum Jahr 2004 gemäß § 210 Code of Conduct a. F. Verträge mit Mandanten untersagt327. Eine Ausnahme galt nur für sog. professional clients, die in § 901 Code of Conduct a. F. definiert wurden328. Lediglich bei „berufsfremdem“ Vertragsinhalt (bei einer Tätigkeit als Schiedsrichter oder Wahlkommissar329 und bei „overseas work“) blieb ein Vertragsschluss zwischen barrister und Mandant möglich330. „Lay access“ zum barrister hatten nur ausländische Mandanten (§ 306 Code of Conduct a. F.)331. Vor diesem Hintergrund war ein Vertrag zwischen barrister und Mandant im Allgemeinen ausgeschlossen. Insofern gestaltet(e) sich die Mandatierung eines barristers in streitigen Angelegenheiten wie folgt: Das Mandat wurde ausnahmslos vom solicitor erteilt332, der dem barrister auch die notwendigen Informationen über den Streitgegenstand vermittelt(e). Dies bedeutet(e) freilich nicht, dass zwischen barrister und solicitor ein Vertrag zustandekommt333. Denn der barrister erhielt für seine Tätigkeit keine Vergütung im rechtlichen Sinne, sondern lediglich ein weder vom solicitor334

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Rondel v Worsley [1969] 1 AC 191, 236 ff. per Lord Morris (HL); vgl. auch Graef, Haftung, S. 126 f. Zur Rechtslage vor diesen gesetzlichen Änderungen vgl. Poll, Haftung, S. 119 m. Fn. 514. Der Hauptvorwurf ging dahin, dass durch sie die Möglichkeiten für barrister, ihre Dienste anzubieten, ohne rechtfertigenden Grund erheblich eingeschränkt würden, vgl. Graef, Haftung, S. 129 m.w.N. Die Vorschrift ist bspw. abgedruckt bei Graef, Haftung, S. 128. Jackson/Powell, Negligence, § 11–002 m. Fn. 8; Graef, Haftung, S. 129 m. Fn. 123. Umfasst sind von diesem Begriff neben solicitors und angestellten barristers etwa fünfundzwanzig von dem General Council of the Bar genehmigte Organisationen wie z.B. die Standesorganisation der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie die Beschwerdestelle für Banken. Eine Mandatierung für streitige Angelegenheiten (außerhalb der Magistrates’ Courts [unterinstanzliche Strafgerichte ]) kann jedoch auch nicht im Wege des direct professional access – der Bestellung durch professional clients – sondern weiterhin allein durch einen solicitor vorgenommen werden (r. 3 Appendix E des Code of Conduct), vgl. Jackson/ Powell, Negligence, § 11–002; Graef, Haftung, S. 129. Schellenberger, Haftung, S. 49. Dietlmeier, Haftung, S. 109. Dietlmeier, Haftung, S. 109. Jackson/Powell, Negligence, § 11–002; Graef, Haftung, S. 126; Dietlmeier, Haftung, S. 109. Arthur J S Hall & Co (a firm) v Simons [2002] 1 AC 615, 676 per Lord Steyn; Jackson/Powell, Negligence, § 11–004; Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 654; Dietlmeier, Haftung, S. 109. In re Sandford (No. 2), Italo-Canadian Co Ltd v Sandford [1935] Ch 681, 688 per Clauson J.; vgl. auch Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 95.

48

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

noch vom Mandanten335 einklagbares honorarium336. Es fehlt(e) an einer consideration und damit an einem Vertrag337. Seit Inkrafttreten des aktuellen Code of Conduct am 31.10.2004338 ermöglichen §§ 401(a) (iii), 204(c) i.V.m. Annex F 2 in weit größerem Umfang den „public access“. In Ziff. 6 g) und Ziff. d) Annex F 2 ist der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung vorgesehen. Damit dürfte dem Tätigwerden für einen lay client nun ein Vertrag zugrunde liegen. Für eine mögliche vertragliche Haftung dürfte nichts anderes gelten als für solicitors. Denn mit der Einführung von s. 62(1) Courts and Legal Services Act 1990 hat der Gesetzgeber sich grundsätzlich für einen Gleichlauf der Haftung von solicitor und barrister entschieden.

II.

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im deutschen Anwaltsrecht

Rechtsgrundlage der vertraglichen Haftung des deutschen Rechtsanwalts ist der sog. echte Rechtsberatervertrag in Form des als Typus nicht kodifizierten Anwaltsvertrags. Dieser unterscheidet sich dadurch vom „unechten“ Rechtsberatervertrag, dass er den Anwalt berufstypisch zum rechtlichen Beistand (vgl. § 3 Abs. 1 BRAO) verpflichtet339. Die Rechtsprechung geht von einem weiten Begriff des „echten“ Anwaltsvertrags aus. Ein echter Anwaltsvertrag liegt daher auch vor, wenn eine berufsuntypische Tätigkeit umfasst ist, solange sie nur in engem Zusammenhang mit der Rechtsberatung steht oder zumindest auch Rechtsfragen aufwerfen kann340. Etwas anderes gilt nur, falls die Rechtsberatung und -vertretung völlig in den Hintergrund tritt und deswegen als unwesentlich erscheint341. Die Rechtsnatur des Vertrages richtet sich nach dem erkennbaren Willen der Vertragspartner, sodass die auftretenden Abgrenzungsfragen nach diesem – genauer: nach dem „Schwerpunkt der Vertragspflichten“ – zu beantworten sind342. Losgelöst davon ist der Haftungsschuldner wiederum unproblematisch zu identifizieren, wenn der Mandant mit einem allein praktizierenden Anwalt kontrahiert

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In re Le Brasseur and Oakley [1896] 2 Ch 487, 493 f. per Lindley LJ, 495 f. per Lopes LJ, 496 per Rigby LJ (CA); vgl. auch Dietlmeier, Haftung, S. 109. Kellermann, Standesrecht, S. 201. Zur Entlehnung des Konzepts eines honorarium aus dem römischen Recht vgl. knapp Graef, Haftung, S. 127 in Fn. 110. Dass der barrister sein honorarium erhält, wird allerdings durch zahlreiche Mechanismen abgesichert, vgl. Kellermann, Standesrecht, S. 202 ff.; Graef, Haftung, S. 127; Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 95. Die Qualifikation als consideration scheitert vornehmlich an formalen Überlegungen, Dietlmeier, Haftung S. 110. Abrufbar unter http:/ /www.barstandardsboard.org.uk/standardsandguidance/codeofcon duct/. Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 4; ausführlich Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 7 ff. BGH, NJW 1998, 3486; BGH, WM 1999, 1846, 1848. BGH, NJW 1998, 3486 m.w.N. Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 7 ff.; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 7.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

49

– der Rechtsanwalt wird Vertragspartner343. Schwieriger kann die Identifikation bei einer Beteiligung verbundener Rechtsanwälte sein. Soweit die Rechtsanwälte in Form einer Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)344 auftreten, kommt der Vertrag auch auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung des BGH zur GbR345 im Zweifel allein zwischen dem Mandanten und der Sozietät zustande346. Dies gilt auch, wenn zwischen Anwälten keine echte, sondern nur eine Scheinsozietät besteht347. Eine Abweichung von diesem Regelfall kommt nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht348. Wird indessen ein einzelner Sozius im Prozesskostenhilfeverfahren als Notanwalt oder als Pflichtverteidiger beigeordnet, ist grundsätzlich von einer durch gerichtliche Auswahlentscheidung erfolgten Einzelbeauftragung auszugehen349. Entscheidend für die Abgrenzung von Einzelmandat und Gesamtmandat sind die Umstände des Einzelfalls350 unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen351. Durch den BGH ist nun mehr auch geklärt, dass das Bekenntnis des II. Zivilsenats zur akzessorischen gesamtschuldnerischen Haftung aller Rechtsanwälte für alle gegen die Sozietät gerichteten Ansprüche (§§ 128, 130 HGB analog352) auch für die Anwaltssozietät uneingeschränkt gilt353. Die wohl überwiegende Auffassung hatte 343

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Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 49; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 97; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 64. Zu dieser Qualifikation der „Sozietät“ vgl. z.B. BGHZ 157, 361, 364; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 67. BGHZ 146, 341 ff. OLG Hamm, NJW-RR 2005, 134; Hartung, MDR 2002, 1224 f.; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 112 ff.; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 21; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 69; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 6, 14; vgl. auch BGH v. 3.5.2007 – IX ZR 218/05, n.v. Zur Haftung bei Zusammenschluss eines Rechtsanwalts mit einem bisher als Einzelanwalt tätigen anderen Rechtsanwalts zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Sozietät in der Form einer GbR vgl. BGH, AnwBl 2004, 376 ff. m. zu Recht kritischer Anm. Weipert; ähnlich Grams, BRAKMitt. 2004, 164, 165. Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 112. BGH, NJW-RR 2003, 490, 491; BGH, NJW 1994, 257; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 72. Zum Haftungssubjekt bei interprofessionellen Sozietäten vgl. BGH, NJW 2009, 1597 f. BGH, NJW 1991, 2294; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 73 m.w.N. Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 122; Jungk, in: Borgmann/Jungk/ Grams, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 6. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 354. Zu Indizien für und gegen Einzel- bzw. Gesamtmandat Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 356 ff.; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 72 ff.; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 123 ff. Präzisierend zur Anwendung des § 130 HGB auf die GbR jetzt BGH, NJW 2006, 765 f.; vgl. zum Diskussionsstand in der Rechtsprechung zum Anwaltshaftungsrecht auch Grams, BRAK-Mitt. 2004, 262 f. BGH v. 3.5.2007 – IX ZR 218/05, n.v.; BGHZ 157, 361 hatte daran noch nichts geändert, vgl. etwa Jungk, BRAK-Mitt 2004, 73 f.; offengelassen auch vom II. Zivilsenat selbst in BGHZ 154, 370, 377.

50

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

dies schon früher angenommen354, während teilweise hiervon abweichend ein Vorrang des besonderen, für die Anwaltssozietät vom IX. Zivilsenat entwickelten Haftungssystems355 befürwortet wird356. Das braucht hier nicht entschieden zu werden, steht doch die Frage des Vertragspartners nicht in Streit. Von der Sozietät als Außen-GbR ist indessen die Bürogemeinschaft als nicht rechtsfähige Innen-GbR zu unterscheiden. Insoweit stellen sich parallele Fragen zur Abgrenzung von Praxisgemeinschaft und Gemeinschaftspraxis357. Unter der sog. Bürogemeinschaft versteht man einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten zur Führung eines gemeinsamen Büros aus Rationalisierungsgründen358. Die so umschriebene Innen-GbR359 bleibt von der neuen Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH unberührt360: Die einer Bürogemeinschaft angehörenden Mitglieder (vgl. § 59 a Abs. 4 BRAO) treten nach außen als „einzelne“ auf, d.h. rechtlich selbständig361. Insofern haftet dem Mandanten als Vertragspartner allein der Anwalt, mit dem der Anwaltsvertrag abgeschlossen wurde362. Etwas anderes kann gelten, wenn die Rechtsanwälte – etwa durch ungeschickte Gestaltung des gemeinsamen Briefbogens – gegenüber dem Auftraggeber den Rechtsschein einer Sozietät hervorrufen. Denn dann müssen sie sich haftungsrechtlich so behandeln lassen, als seien sie zu einer Sozietät verbunden363. Sind Rechtsanwälte in der Rechtsform einer Partnerschaft i.S.d. PartGG organisiert, wird Vertragspartner des Auftraggebers regelmäßig die Partnerschaft364, neben 354

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So OLG Celle, NJW 2006, 3431, 3433; OLG Hamm, NJW-RR 2005, 134; OLG Hamm, BB 2002, 370, 371 f.; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 141; Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 68 f. m.w.N. auch zur Gegenansicht. Zu dieser sog. „vertragsrechtlichen Lösung“ Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 345 ff. So z.B. OLG Düsseldorf, ZIP 2002, 616, 618 f.; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 15; Grams, BRAK-Mitt. 2003, 164, 165. Vgl. auf S. 40. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 66. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 390; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 161; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 29. Die Übertragung der Rechtsprechung des II. Zivilsenats auf die Außen-GbR von Rechtsanwälten offenlassend BGH, NJW 2003, 1803, 1804. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 66; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 161. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 391; Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 66; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 161; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 29. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 391; Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 66; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 161; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 29. Zur Haftung von Scheinsozietäten vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 80 f.; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 166 ff.; Jungk, in: Borgmann/ Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 36 Rn. 25 ff. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 392; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 82; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 147; zur Verpflichtung neu eintretender Partner vgl. BGH, DB 2010, 101 ff.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

51

der die Partner den Gläubigern der Partnerschaft gesamtschuldnerisch nach Maßgabe des § 8 PartGG haften. Vertragspartner des Mandanten wird ferner die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH365 (vgl. §§ 59 c ff. BRAO) sowie – wenngleich dies umstritten ist366 – die Anwalts-AG367. Ist der vertragsschließende Anwalt Mitglied einer EWIV, kommt der Vertrag hingegen – da die EWIV selbst keine Rechtsberatung durchführen darf – zwischen dem Mandanten und dem Anwalt als EWIV-Mitglied, nicht aber mit der EWIV zustande368.

C.

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im Architektenrecht

Schwieriger zu identifizieren als im Anwaltsvertragsrecht sind zumeist die vertraglichen Beziehungen der am Bau Beteiligten. Denn in der Regel wirken bei der Errichtung eines Bauwerks mehrere Personen zusammen. Auch ist der Umfang des einem Architekten erteilten Auftrags in der Praxis durchaus unterschiedlich. Denn die Größe und die Schwierigkeiten des Bauvorhabens können die Aufteilung der Aufgaben auf verschiedene Architekten sowie die Einschaltung von „Sonderfachleuten“ erfordern369.

I.

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im englischen Architektenrecht

1.

Begriffliche Vorbemerkungen

Im Rahmen der Architektenhaftung nach englischem Recht scheint für die Berufsbezeichnung als „architect“ zunächst eine begriffliche Eingrenzung erforderlich. Denn die Durchführung von Dienstleistungen unter einem Titel, der die Bezeichnung als „architect“ einschließt, ist gemäß s. 20 Architects Act 1997 nur Personen gestattet, die bei dem Architects’ Registration Board registriert sind370. Der Architekt wird als Person definiert, 365

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369 370

Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 409; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 84; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 151. Wie hier Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 154; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 86 m.w.N. auch zur Gegenansicht. Deren Zulässigkeit wird nunmehr auch vom BGH, NJW 2005, 1568, 1569 ff. anerkannt. Vgl. ferner Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 86; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 154. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 417; Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 457. Vgl. Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 168. Der Architekt ist gegenwärtig der einzige Baudienstleister, der einer gesetzlichen Pflicht zur Registrierung unterliegt, Jackson/Powell, Negligence, § 8–002. Voraussetzung einer Registrierung ist der Nachweis einer bestimmten Qualifikation, der für gewöhnlich durch das Bestehen eines vom Architects’ Registration Board anerkannten Architekturexamens geführt wird. Typischerweise sind Architekten darüber hinaus Mitglieder einer berufsstän-

52

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

“who possesses, with due regard to aesthetic as well as practical considerations, adequate skill and knowledge to enable him (i) to originate, (ii) to design and plan, (iii) to arrange for and supervise the erection of such buildings or other works calling for skill in design and planning as he might, in the course of his business, reasonably be asked to carry out or in respect of which he offers his services as a specialist”371. In der Literatur findet sich daneben teilweise die Definition des Architekten als einer Person, die „professes skill in the art of designing buildings to meet his client’s needs, in the organisation of the contractual arrangements for their construction, and in the supervision of work and contractual administration until final completion“372. Von der Bezeichnung als „architect“ ist die nicht gesetzlich an bestimmte Voraussetzungen und Qualifikationen gebundene373 Berufsbezeichnung als „engineer“ zu unterscheiden. Hinter ihr verbergen sich die unterschiedlichsten Berufsbilder, was eine präzise Definition ausschließt374. In der Literatur wird die Bezeichnung „engineer“ bspw. zur Umschreibung einer Person verwendet, die vertraglich Verpflichtungen übernommen hat, die entweder den Funktionen eines Architekten entsprechen oder eine darüber hinaus gehende besondere Sachkunde erfordern, die sich dann auch in der entsprechenden Bezeichnung als „civil“, „structural“, „mechanical“ oder „electrical engineer“ widerspiegelt375. „Civil engineers“ sind bspw. vornehmlich mit dem Entwurf und der Errichtung von Straßen, Brücken, Kanälen, Eisenbahnstrecken, Dämmen, Entwässerungsanlagen, Wasserstraßen etc. beschäftigt376.

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375 376

dischen Körperschaft, zumeist des Royal Institute of British Architects (RIBA), Cornes, Design, § 1.4.1. Zur älteren Gesetzeslage vgl. Yule, in: Hodgin, Liability, Kap. 3 §§ 1.1.2.1 ff.; Cornes, Design, §§ 1.4.1 f. Zu dem Möglichkeiten temporärer Registrierung von EG-Ausländern, die in ihrem Heimatland als Architekt qualifiziert sind, vgl. Emden/RedmondCooper, § IV-921. So die Definition des Architects’ Registration Tribunal, zustimmend zitiert in Tribunal R v Architects’ Registration Tribunal, ex parte Jaggar [1945] 2 All ER 131, 134 f. per Lewis J (HC); jüngst bestätigt in Kennedy v Hamill (p/a Gerry Hamill, Chartered Architect) [2005] NIQB 23, Tz. 19 unreported, per Coghlin J (nordirischer HC). Vgl. etwa Yule, in: Hodgin, Liability, Kap. 3 § 1.1.1 m.w.N.; ähnlich Cornes, Design, § 1.4.1. Die fehlenden gesetzlichen Qualifikationsvoraussetzungen werden teilweise dadurch ausgeglichen, dass die Körperschaften eigene, strenge Aufnahmekriterien besitzen, Cornes, Design, § 1.4.5. Vgl. Emden/Redmond-Cooper, § IV-922; Jackson/Powell, Negligence, § 8–003. Die Bezeichnung als „charterd engineer“ impliziert allerdings die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Körperschaft (zu einigen von ihnen sogleich) und kann daher, sofern tatsächlich keine derartige Mitgliedschaft besteht, zur Haftung wegen misrepresentation nach common law oder auf der Grundlage des Misrepresentation Act 1967 führen, vgl. Yule, in: Hodgin, Liability, Kap. 3 § 1.2.1. Zur Bedeutung der Haftung wegen misrepresentation beim Vorliegen einer unterdurchschnittlichen Dienstleistung vgl. Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 20. So Jackson/Powell, Negligence, § 8–003. Yule, in: Hodgin, Liability, Kap. 3 § 1.2.1.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

2.

53

Vertragsgestaltung und Vertragstypen im privaten Baurecht

Welche Funktionen und Aufgaben ein Architekt377 innerhalb eines Bauprojekts übernimmt, hängt von der Gestaltung der vertraglichen Beziehungen der am Bau Beteiligten ab. Ein dem SGA oder SGSA vergleichbares gesetzliches Regelungsregime existiert auch für Verträge der am Bau Beteiligten nicht378. In vergangenen Jahrzehnten ist vor dem Hintergrund einer Senkung der Transaktionskosten379 in der englischen Bauwirtschaft infolgedessen oft der Ruf nach einem einheitlichen Standardformularvertrag laut geworden380. Gleichwohl wird immer noch mit unterschiedlichen Vertragstypen „experimentiert“: Neben einer Reihe von durch die berufsständischen Vereinigungen entworfenen und herausgegebenen Formularverträgen381, wie etwa dem Standard Form of Agreement for the Appointment of an Architect 1992 des RIBA382 findet sich auch eine Vielzahl privat gestalteter (Formular)Verträge. Insbesondere große Baufirmen besitzen typischerweise eigene Formulare. Diese kaleidoskopische Fächerung von Gestaltungsformen wird verursacht durch unterschiedlichste Bauziele, Budgetzwänge und nicht zuletzt durch die unterschiedliche Risikofreudigkeit von Bauunternehmern383. Ungeachtet dessen wählen die meisten Parteien jedoch – zumindest als Modifikationen zugängliche Ausgangsbasis ihres Vertrages – ein von den berufsständischen Zusammenschlüssen (auch im Verbund) entworfenes Muster, das sie den individuellen Bedürfnissen des konkreten Projektes anpassen384. Die meisten Bauprojekte wählen einen von drei klassischen Vertragstypen385: (1) den tradtionellen „building contract“, (2) den „design and build“ bzw. „turnkey contract“ oder (3) den „management contract“. Der Umfang der vom Architekten übernommenen Verpflichtungen richtet sich – losgelöst davon, ob er als 377

378

379

380 381 382

383 384

385

Soweit nicht ein einzelner Architekt, sondern eine gesellschaftsrechtliche Verbindung, sei es in Form einer partnership, sei es in Form einer company, engagiert wird, ist für die Frage des Anspruchsgegners erneut auf die gesellschaftsrechtliche Spezialliteratur zu verweisen (vgl. daneben auch Cornes, Design, §§ 11.2.1 ff.). Denn hierbei geht es zuerst um spezifisch gesellschaftsrechtliche Fragen, die durch die erbrachte Dienstleistung nicht modifiziert werden. Vgl. Emden/Bickford-Smith, § I-001; zu den Bauverträge berührenden gesetzlichen Regeln Gailbraith u.a., Building Law, passim. Vgl. zur Bedeutung dieses Faktors für Formularverträge allgemein auch MünchKomm/Basedow, BGB Vor § 305 Rn. 5; Yates, Exclusion Clauses, S. 15 f. Kötz, JuS 2003, 209, 211 ff. sieht vor allem darin den Grund für die „Hinnahme“ von AGB. Vgl. O’Reilly, Civil engineering, S. 3 m.w.N. Vgl. zu den wichtigsten Emden/Bickford-Smith, § I–050 ff. Näher Cawdron, in: Burns, Obligations, S. 103 ff.; knapp Budnick, Architektenhaftung, S. 227 f. Vgl. O’Reilly, Civil engineering, S. 3 m.w.N. Vgl. etwa den Sachverhalt in Kennedy v Hamill (p/a Gerry Hamill, Chartered Architect) [2005] NIQB 23, Tz. 4 unreported, per Coghlin J, (nordirischer HC); allgemein Emden/ Bickford-Smith, § I–012. Jackson/Powell, Negligence, § 8–010; zu rechtsökonomischen Überlegungen bei der Wahl aus diesen Vertragstypen vgl. auch Hardie, Construction contracts, S. 36 ff.

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

54

Arbeitnehmer oder unabhängiger Unternehmer tätig wird – nach der Gestaltung des Bauvertrages zwischen Bauherrn und -unternehmer386.

a)

Building contract

Sofern die traditionelle Form des building contract – auch construct-only contract genannt387 – gewählt wird, wird einerseits ein Vertrag zwischen Bauherrn und Bauunternehmer und andererseits – jeweils separat – ein Vertrag zwischen Bauherrn und Architekten sowie zwischen Bauherrn und anderen Baudienstleistern (z.B. einem quantity surveyor) geschlossen. Ein gutes Beispiel für eine derartige Vertragsgestaltung, die zu einer komplexen Vernetzung einer Vielzahl von Verträgen führen kann388, bildet das von der Joint Contracts Tribunal Limited (JCT)389 entworfene Muster „JCT Standard Form of Building Contract 1998“390. Dem Unternehmer wird bei dieser Vertragsgestaltung vom Bauherrn ein Design vorgelegt, das ein von diesem engagierter, unabhängiger Dienstleister – ein Architekt oder Ingenieur – gefertigt hat391. Denn nicht immer muss das Design dem Architekten zufallen. Art. 3 JCT Standard Form of Building Contract 1998 indentifiziert etwa lediglich die Person, die die vertraglichen Pflichten, die typischerweise dem Architekten zufallen, ausüben soll, stellt aber gleichzeitig klar, dass der Verpflichtete nicht Architekt im Rechtssinne sein muss392. In der JCT Standard Form of Building Contract 1998 wird der Architekt allerdings ohnehin eher zur Überwachung eingesetzt denn als Designer393. Losgelöst davon stammt das Design bei dieser Vertragsgestaltung jedenfalls nicht von 386 387 388

389

390

391 392

393

Vgl. zu denkbaren Vertragsgestaltungen auch Emden/Bickford-Smith, § I–014 ff. O’Reilly, Civil Engineering, S. 4. Anschauliche Übersichten bieten Hardie, Construction contracts, S. 37; Ndekugri/Rycroft, JCT, S. 56. Diese Institution setzt sich zusammen aus: der Association of Consulting Engineers, der British Property Federation, der Construction Confederation, der Local Government Association, dem National Specialist Contractors Council, dem RIBA, dem Royal Institute of Chartered Surveyors (RICS) und dem Scottish Building Contract Committee. Zur Geschichte dieser Vereinigung Ndekugri/Rycroft, JCT, S. 3 f. Vgl. für weitere Informationen auch im Internet unter http:/ /www.jctltd.co.uk/stylesheet.asp?file=18062003153316. Zur Struktur dieses Vertragswerks vgl. Ndekugri/Rycroft, JCT, S. 9 ff. Die von ICE und FIDIC (Féderation Internationale des Ingenieurs-Conseils) entworfenen traditionellen civil engineering contracts entsprechen ebenfalls diesem Schema, vgl. O’Reilly, Civil engineering, S. 4 m. Fn. 16. Jackson/Powell, Negligence, § 8–011. Art. 3 lautet: „The name and address of the Architect should be inserted, but care should be exercised in ensuring the named person is entitled to be called an architect in accordance with the Architects Registration Acts 1931 to 1969 amended by the Housing Grants, Construction and Regeneration Act 1996, Part III. If the named Person does not qualify to be called an architect the term ‚Architect‘ should be amended to ‚Contract Administrator‘ …“ (abgedruckt bei Ndekugri/Rycroft, JCT, S. 22). Ndekugri/Rycroft, JCT, S. 55.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

55

dem Bauunternehmer selbst oder einem von ihm engagierten sub-contractor. Der Bauunternehmer übernimmt hinsichtlich der Tauglichkeit des Designs für die vom Bauherrn verfolgten Zwecke daher – anders als beim sog. design and build contract – für gewöhnlich keine Verantwortung. Der selbständig praktizierende Architekt ist bei dieser Vertragsgestaltung – obwohl in mancherlei Hinsicht an die Weisungen des Bauherrn gebunden394 – nicht dessen Arbeitnehmer, sondern ein independent contractor395.

b)

Design and build contract

Bei dem „design and build contract“, der auch „design and construct“ oder „turnkey contract“396 bzw. „package deal“397 genannt wird, verpflichtet sich der Bauunternehmer nicht lediglich dazu, ein bereits entworfenes Gebäude zu errichten, sondern auch zum Entwurf des Gebäudes selbst398. Diese Vertragsgestaltung bietet für den Bauherrn Vorund Nachteile. So kann – muss aber nicht – von Vorteil sein, dass der Bauherr alle Leistungen „aus einer Hand“ erhält. Vorteilhaft mag daran sein, dass auf diese Weise nicht eine Vielzahl von Verträgen ausgeschrieben und verhandelt werden müssen399. Nachteilig wird bewertet, dass es dem Bauherrn dafür an unabhängiger Expertise mangelt400. Dies scheint auch tatsächlich so empfunden zu werden, da es jedenfalls bei industriellen Großprojekten nicht selten vorkommt, dass der Bauherr zur Begutachtung bestimmter Entwicklungen einen eigenen Designer engagiert401. Der größte Teil der Designarbeit wird gleichwohl durch den Bauunternehmer erledigt. Dieser bedient sich zu ihrer Durchführung entweder eigener Arbeitnehmer oder engagiert zu diesem Zweck in eigenem Namen einen unabhängigen Architekten oder civil engineer. Vertragspartner des Architekten ist bei dieser Vertragsgestaltung – auf die beim Tätigwerden des Architekten als sub-contractor in aller Regel der SGSA Anwendung

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395

396

397

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399 400 401

Die von Salmon J in Clayton v Woodman & Son (Builders) Ltd [1962] 2 QB 533, 539 getroffenen Feststellungen dahin, dass „[t]he building owner has no control over the manner in which the architect does his work“, bedürfen insoweit einer Berichtigung, vgl. insofern ausdrücklich anders Sutcliffe v Thackrah [1974] AC 727, 737 per Lord Reid (HL). Zur Position von anderen common law-Jurisdiktionen in dieser Frage vgl. auch Jackson/ Powell, Negligence, § 8–012 m. Fn. 37. AMF International Ltd v Magnet Bowling Ltd [1968] 1 WLR 1028, 1045 per Mocatta J (HC); Clayton v Woodman & Son (Builders) Ltd [1962] 2 QB 533, 539 per Salmon J (HC). Dieser Begriff besitzt keine allgemeingültige Bedeutung, vgl. O’Reilly, Civil engineering, S. 5 m. Fn. 18. Cornes, Design, § 1.6; vgl. dazu etwa Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325. Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 326 per Lord Denning MR; O’Reilly, Civil engineering, S. 5. Cornes, Design, § 1.6. Cornes, Design, § 1.6. Cornes, Design, § 1.6.

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

56

findet402 – also regelmäßig anders als beim traditionellen building contract der Bauunternehmer und nicht der Bauherr403. Anderes gilt vor allem, wenn er von diesem zur „Beaufsichtigung“ des Bauunternehmers als unabhängiger Sachverständiger engagiert wird. Beim Abschluss von design and build contracts werden typischerweise Formularverträge oder zumindest Teile von ihnen verwendet. Manche Unternehmen besitzen eigene Muster, häufig ist aber auch der Rückgriff auf eine Reihe von Standardformularen404, bei denen die Verpflichtungen des für das Design zuständigen Dienstleisters in ihrem Umfang divergieren. Am häufigsten werden die vom JCT entworfenen Musterbedingungen, die „Standard Form of Building Contract with Contractor’s Design, 1998 Edition“ (JCT WCD 98)405, verwendet406. Nicht nach allen Formularen ist jedoch die gesamte Designarbeit von einem Dienstleister zu leisten. Nach dem JCT „Contractor’s Designed Portion Supplement“, das den JCT 98 ergänzt, ist der Dientstleister (z.B. der Architekt) nur zum Entwurf einzelner Werkteile verpflichtet407, während die von der Association of Consultant Architects (ACA) entworfenen Vertragsbedingungen („ACA Form of Building Agreement“) hinsichtlich des Designs einen noch weit geringeren Pflichtenumfang des Architekten vorsehen. Nach ihnen ist der Architekt lediglich dazu verpflichtet, bestimmte Informationen aufzubereiten, während ein anderer Dienstleister für darüber hinausgehende Bauzeichnungen usw. zuständig sein soll408.

c)

Management contract

Der management contract unterscheidet sich dadurch vom traditionellen building contract, dass hier nicht der Bauherr Verträge mit allen benötigten Baudienstleistern abschließt, sondern er allein mit einem einzelnen sog. „management contractor“ kontrahiert, der seinerseits die benötigten Dienstleister – „works contractors“ oder „trade contractors“ genannt – als Subunternehmer engagiert409. Insoweit steht der management contract, der vor allem bei Großprojekten Verwendung findet410, dem design and build contract nahe. Auch für den Typus des management contract existieren zahlreiche Muster, gegenwärtig u.a. der „JCT Standard Form of Management Contract 1998“ (MC 98 with standard Works Contract Conditions [WKS/1-3])411.

402 403

404 405 406 407 408 409 410 411

Vgl. Emden/Palmer, § I–1023. Ausführlich zur Beziehung zwischen sub-contractor und employer Emden /Palmer, §§ I–971 ff. Sieben unterschiedliche Formulare werden kurz vorgestellt bei Cornes, Design, § 1.6.1. So das gebräuchliche Akronym, vgl. Ndekugri/Rycroft, JCT, § 4.9.2 m. Fn. 13. Vgl. Cornes, Design, § 1.6.1 zum Vorgänger, dem JCT WCD 81. Cornes, Design, § 1.6.1. Cornes, Design, § 1.6.1. Jackson/Powell, Negligence, § 8–016; O’Reilly, Civil engineering, S. 7. Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–016. Jackson/Powell, Negligence, § 8–016.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

57

Bei einem construction management contract engagiert der Bauherr im Unterschied dazu zwar einen Bauunternehmer für die Errichtung des Gebäudes, beauftragt aber gleichzeitig eine zumeist auf construction management spezialisierte Firma, die die Bauausführung steuert und überwacht412. Die Aufgabenverteilung hinsichtlich Bauleitung und -koordination zwischen Bauunternehmer und der construction management-Firma ist hier deutlich stärker zu Gunsten letzterer gewichtet als beim build and design contract, bei dem der Bauherr für bestimmte Aufgaben zusätzlich einen unabhängigen Sachverständigen engagiert hat.

II.

Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung im deutschen Architektenrecht

1.

Vorbemerkung

Nach den Architektengesetzen der Länder413 erwirbt der deutsche Architekt seine Berufsbezeichnung durch Eintragung in die Architektenliste414, was allerdings für die zivilrechtliche Qualifikation des Vertrages keine Rolle spielt. Entscheidend für die Einordnung als „Architektenvertrag“ ist der Inhalt der vereinbarten Leistungspflichten. Als Architektenvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag zu qualifizieren, in dem sich ein Architekt verpflichtet, seinem Auftraggeber (gegen Zahlung einer Vergütung)415 bestimmte, typische, sich aus seinem Berufsbild ergebende Leistungen zu erbringen416. Nach Auffassung des BGH kann die Ermittlung des Vertragsinhalts nicht unter Rückgriff auf die Umschreibung der Leistungen der einzelnen Sparten in der HOAI erfolgen417. Denn die HOAI enthalte keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieursverträgen, sondern nur Gebührentatbestände418. Allerdings konzediert auch der BGH bereits seit einiger Zeit, dass die Parteien die geschuldete Leistung durch Bezugnahme auf das in § 15 HOAI niedergelegte Leistungsbild umschreiben können419. Zu der Feststellung, dass sich in der Beschreibung der Gebührentatbestände die Verkehrsauffassung niedergeschlagen habe420, 412 413 414

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416

417

418 419

420

O’Reilly, Civil engineering, S. 7. Zusammenstellung bei Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 603 m. Fn. 24. Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 331; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 2. Die Architektenliste kennt vier Fachrichtungen: Architekt, Innenarchitekt, Landschaftsarchitekt und Städtebauarchitekt. Es gilt gemäß § 632 Abs. 1 BGB – bei Qualifikation des Architektenvertrags als Werkvertrag – eine Vermutung für die Entgeltlichkeit, vgl. BGHZ 136, 33, 37; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 620 m.w.N. Vgl. Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 330. Die Berufsaufgaben des Architekten ergeben sich aus den Länderarchitektengesetzen. Ebenso Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 114; Locher, Baurecht, Rn. 372. BGH, NJW 2008, 1880, 1881; Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Baurecht, § 12 Rn. 278. BGHZ 125, 111, 114; ebenso i.E. Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 41 ff.; Locher, Baurecht, Rn. 372; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 55 m.w.N. In diese Richtung auch Locher, Baurecht, Rn. 372.

58

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

fehlt dann nicht viel, zumal Honorarberechnung und Leistungspflichten letztlich miteinander korrespondieren müssen421.

2.

Vertragsgestaltung und Vertragstypen im privaten Baurecht

Der Architektenvertrag wird im Normalfall zwischen dem Bauherrn bzw. dem Bauträger und dem Architekten abgeschlossen, während zwischen Architekt und Bauunternehmer für gewöhnlich keine Vertragsbeziehungen bestehen422. Denn realtypisch schließt der Bauherr die Bauverträge – auf Vorschlag des Architekten – im eigenen Namen ab423. Anderes gilt für das Engagement sog. Sonderfachleute424. Diese (im Regelfall lediglich ein Statiker) werden typischerweise im Namen des Bauherrn durch den Architekten engagiert425. Wie erläutert, ist der Umfang des einem Architekten erteilten Auftrags in der Praxis recht unterschiedlich. Der Vertrag zwischen Architekt und Bauherrn kann Leistungen des Architekten unterschiedlicher Art beinhalten. Denn einen fest umrissenen Typus des Architektenvertrages (nach Art der im BGB normierten Typen) gibt es nicht426. Maßgeblich sind insofern die im Einzelfall getroffenen Parteivereinbarungen, woran auch die seit langem üblichen Musterverträge für Architektenleistungen nichts ändern427. Realtypisch lassen sich immerhin einige Grundformen identifizieren: Der Auftrag hinsichtlich sämtlicher berufstypischen Leistungen (Planung, Leitung und Bauaufsicht), der sog. Voll- oder Gesamtarchitektenvertrag 428. Auch der Auftrag allein hinsichtlich der Planung (Vorentwurf, Entwurf, Bauvorlage, Ausführungszeichnungen sowie Massen- und Kostenberechnung) oder der Auftrag hinsichtlich der Oberleitung und/oder der örtlichen Bauaufsicht sind durchaus nicht unüblich429. Daneben existieren zahlreiche Mischtypen430, die durch den Trend zur Spe-

421

422 423 424

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429 430

Vgl. Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 55, 1509; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 331. Budnick, Architektenhaftung, S. 8 f. Budnick, Architektenhaftung, S. 9. Den § 3 GOA entstammenden Begriff des „Sonderfachmanns“ enthält die HOAI nicht mehr, vgl. Budnick, Architektenhaftung, S. 7 m. Fn. 12. Verwendet wird er gleichwohl noch immer, vgl. z.B. Locher, Baurecht, Rn. 352. Budnick, Architektenhaftung, S. 12. Bei größeren Bauvorhaben ist davon in der Regel schon deswegen auszugehen, weil der Architekt wegen der Höhe der Auftragssumme typischerweise keine eigene Vergütungspflicht übernehmen will, OLG Köln, BauR 1986, 717. Vgl. BGHZ 133, 399, 402; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Vorbem zu §§ 631 ff. Rn. 118; Erman/Schwenker, BGB Vor §§ 631–651 Rn. 10. Erman/Schwenker, BGB Vor §§ 631–651 Rn. 10. Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 169, der feststellt, dass diese Vertragsform den Regelfall für kleine Bauvorhaben bilde. Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 169. Erman/Schwenker, BGB Vor §§ 631–651 Rn. 14; Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 169.

§ 3 Haftungssubjekte und Vertragsgestaltung

59

zialisierung und die Übernahme von Oberleitung und örtlicher Bauaufsicht durch besondere Unternehmer bedingt werden431. Wird der Architektenvertrag nicht schriftlich abgeschlossen, ergibt sich angesichts dieser Typenvielfalt nicht selten die Frage, welche Leistungen vom Architekten geschuldet sind. Für die Behauptungs- und Beweislast existieren insoweit keine Sonderregeln oder Beweiserleichterungen 432. Dies bedeutet, dass diejenige Partei die Behauptungs- und Beweislast trifft, die sich auf die Übernahme bestimmter Leistungspositionen beruft433. Eine Vermutung dahin, dass im Zweifel ein Gesamtarchitektenvertrag bzw. eine Vollarchitektur vorliegt434, scheidet angesichts der vorgenannten Vielzahl unterschiedlicher verkehrsüblicher Vertragsgestaltungsformen aus435. Insofern muss im Rahmen der Beweiswürdigung durch Vertragsauslegung entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden436. Immerhin spricht nach Teilen der Rechtsprechung und der Literatur aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass einzelne, einander bedingende Leistungsphasen einheitlich vergeben werden437. In der Literatur wird indes über die vorgenannte tatsächliche Vermutung hinaus auch vereinzelt die Auffassung vertreten, dass bei einem Fortschreiten der Architektenleistung im Zweifel der Gesamtauftrag als erteilt gilt438. Losgelöst davon sind natürlich auch nach deutschem Recht Vertragsgestaltungen möglich, die den

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438

Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 169. So scheiden auch die Regeln über den Anscheinsbeweis aus, Locher, Baurecht, Rn. 355; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 49. Vgl. BGH, BauR 1987, 454, 455; Locher, Baurecht, Rn. 355; Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 169; einschränkend bei der Herausnahme einzelner Grundleistungen Löffelmann/ Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 759 f. So vielleicht noch BGHZ 31, 224, 226 f.; ausdrücklich OLG Köln, MDR 1973, 224 (LS 1); sympathisierend auch OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 449, 450. KG, BauR 2001, 1929 m.w.N.; ebenso Locher, Baurecht, Rn. 357; Erman/Schwenker, BGB Vor §§ 631–651 Rn. 12; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 334; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 49; jetzt auch MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn.199. BGH, NJW 1980, 122; Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Baurecht, § 12 Rn. 278; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 777; Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 169; Schwenker in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 117. Dies gilt auch für die Einbeziehung von „Besonderen Leistungen“ i.S.d. HOAI, vgl. BGH, NJW 1997, 586, 587. Vgl. auch Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 755 (keine Vermutung und kein erster Anschein für die Beauftragung mit der Vollarchitektur). Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1990, 522; OLG Düsseldorf, BauR 1982, 597, 598; Portz/Rath, Architektenrecht, Rn. 50 ff.; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 334. Nach Auffassung des OLG Hamm (BauR 1987, 582) beschränkt sich der Auftrag an einen Architekten in der Regel in der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1 der HOAI), sofern der Erwerb des Grundstücks noch ungewiss ist. Zur Beurteilung von Großprojekten vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 783. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 781 m.w.N.

60

2. Kapitel . Der Vertrag über die Leistung von Diensten

gerade im Rahmen der Darstellung des englischen Rechts vorgestellten Typen inhaltlich und gestalterisch entsprechen439. Darüber hinaus können auch bei einem Architektenvertrag auf der Vertragsseite des Architekten mehrere Personen beteiligt sein. So kann etwa ein Architekt für die Planung, ein anderer für die Überwachung engagiert werden. Ebenfalls denkbar ist, dass eine aus mehreren Architekten bestehende Sozietät verpflichtet wird, die – sofern sie als GbR organisiert ist440 – den oben für die Gemeinschaftspraxis vorgestellten Grundsätzen441 analog Vertragspartner und Haftungssubjekt des Bauherrn bzw. Bauträgers wird. Gleiches gilt, wenn die Architekten in der Form einer Partnerschaft i.S.d. PartGG oder – z.B. in Form einer GmbH – als juristische Person organisiert sind442. 439

440 441 442

Zu den Besonderheiten des Werkvertrags im Bausektor vgl. z.B. MünchKomm /Busche, BGB § 631 Rn. 111 ff.; Kleine-Möller, in: ders./Merl, Baurecht, § 1. Vgl. z.B. für eine sog. „Projektgemeinschaft“ BGH, NJW-RR 2008, 256 ff. Vgl. ab S. 39. Vgl. Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 331.

3. Kapitel Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen Nachdem somit geklärt ist, wann (§ 2) und gegenüber wem (§ 3) eine vertragliche Haftung von Arzt, Anwalt bzw. Architekt in Betracht kommt, gilt es nun zunächst zu erörtern, wie Pflichtinhalt und maßgeblicher Haftungsstandard ermittelt werden (§ 4), bevor die Anforderungen an einen Vertragsbruch exemplarisch verdeutlicht werden (§ 5).

§ 4 Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard Die jeweiligen vertraglichen Pflichten und den für sie geltenden Haftungsstandard legen, soweit zwingendes Gesetzesrecht nicht entgegensteht, die Parteien fest443. Für die Bestimmung des Haftungsstandards existiert im deutschen Recht mit § 276 BGB auch nach der Schuldrechtsreform eine gesetzliche Grundlage444. Gleichwohl ist stets zu fragen, welchen Pflichtinhalt bzw. Haftungsstandard die Parteien vereinbart haben445, und diese Frage ist zunächst durch Vertragsauslegung zu beantworten446.

A.

Ausdrückliche Vereinbarungen (Express terms)

Den deutlichsten Hinweis darauf, was die Parteien vereinbart haben, wird auch nach englischem Recht eine schriftliche Vereinbarung beinhalten447. Auf der Grundlage 443 444

445

446

447

Larenz, Schuldrecht I, § 6 I. BGH, NJW 2006, 47, 49; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 171; PWW/SchmidtKessel, BGB § 276 Rn. 1; Lorenz/Riehm, Rn. 174; juris-PK/Alpmann, BGB § 276 Rn. 1; Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 10. Die gegenteilige Ansicht von Graf von Westphalen, NJW 2002, 12, 17 ff.; ders., NVersZ 2002, 241, 242 f. ist nicht nachvollziehbar. Wie hier Canaris, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 31 m. Fn. 84; Reiff, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 139, 144. Die tatbestandliche Einschränkung in § 276 Abs. 1 S. 1 BGB: „wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses … zu entnehmen ist“ stellt dies ausdrücklich klar. Zur Vertragsauslegung nach englischem Recht vor allem Lewison, Interpretation. Zum Vertragsverständnis des englischen Rechts instruktiv Samuel, Obligations, S. 65 ff. Dies gilt entgegen Heckendorn, Haftung, Rn. 299, ohne weiteres auch für Vereinbarungen über den geschuldeten Sorgfaltsstandard, wie die Formularverträge der Bauindustrie für Architektenhaftung ohne weiteres deutlich machen, vgl. etwa auf S. 65.

62

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

der sog. parol evidence rule wird sich die Auslegung eines schriftlichen Vertrages so weit wie möglich an den schriftlich niedergelegten Vertragstext halten und nur unter besonderen Voraussetzungen den Zeugenbeweis dafür zulassen, dass der schriftliche Vertrag durch mündliche vor oder bei Vertragsschluss getroffene Vereinbarungen ergänzt bzw. modifiziert worden ist448. Der Zeugenbeweis ist insofern als Ausnahme begründungsbedürftig449. Die Rechtssicherheit wiegt – jedenfalls traditionell – schwerer als der „wirkliche“ Wille der Parteien450. Insbesondere unter dem Einfluss von Lord Hoffmann und Lord Steyn451 kündigt sich in dieser Position jedoch (vielleicht) vorsichtig eine Annäherung an die kontinentale Position an, die auch Art. 5:102 PECL einnimmt452, wenngleich es unwahrscheinlich ist, dass das englische Recht die Berücksichtigung von „Treu und Glauben“ uneingeschränkt übernehmen wird453. Losgelöst davon schließt die parol evidence rule nur den Beweis für die Existenz zusätzlicher express terms aus. Eine Beweisführung dahin, dass eine Vertragsergänzung per implication of terms vorgenommen werden sollte, ist insofern nicht präkludiert454. Dasselbe gilt für den Nachweis, dass von einer für gewöhnlich per implication vorgenommenen Vertragsergänzung im konkreten Fall abgesehen werden sollte455. Ist die Vereinbarung nicht schriftlich fixiert oder nicht „abschließend“ und die parol evidence rule daher nicht anwendbar, müssen alle schriftlichen und mündlichen Äußerungen der Parteien auf die Frage hin untersucht werden, ob und inwieweit die Parteien sich durch sie binden wollten. Der hier zugrunde gelegte Maßstab ist der eines objektiven Empfängers456. Sowohl für das „Ob“457 als auch für das „Wie“ der vertraglichen Bindung ist also eine objektivierende Auslegung entscheidend.

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Jacobs v Batavia & General Plantations Trust [1924] 1 Ch 287, 295 per Lawrence J; Emden/ Palmer, §§ I–733 ff. Treitel, Contract, S. 192 f.; ders., in Birks, Private Law, §§ 8.82 ff.; Hughes, Contract, S. 212 f.; Lüderitz, Auslegung, S. 111 ff. Ausführlich Treitel, Contract, S. 193 ff.; ders., in Birks, Private Law, §§ 8.84 ff.; Emden/ Palmer, §§ I–735 ff. Vgl. AIB Group plc v Martin [2002] WLR 94, 96 per Lord Hutton, (HL); Rabin v Gerson Berger Association Ltd [1986] 1 WLR 526, 537 per Fox LJ (CA). Ob die Parol Evidence Rule (in dieser Strenge) noch gilt, steht nicht zweifelsfrei fest, vgl. einerseits Hughes, Contract, S. 213; andererseits Treitel, Contract, S. 193 ff. Vgl. Mannai Investment Co v Eagle Star Life Assurance [1997] AC 749, 771 per Lord Steyn, 779 per Lord Hoffmann (HL); Sirius International Insurance Co v FAI General Insurance Ltd [2004] 1 WLR 3251, 3257 f. per Lord Steyn (HL). Vgl. zum Konzept von Treu und Glauben im Rahmen der europäischen Vertragsrechtsvereinheitlichung Pfeiffer, ERA-Forum, S. 67 ff. Ebenso Samuel, Obligations, S. 67. Gillespie Bros & Co v Cheney, Eggar & Co [1896] 2 QB 59, 64 per Lord Russel CJ. Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.86. Vgl. Lewison, Interpretation, § 1.02 f.; Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.80. Dazu Treitel, in: Birks, Private Law, §§ 8.02, 8.05.

§ 4 Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard

B.

63

Vertragsergänzung und Dienstleistungshaftung

Verträge, denen keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde liegen, werden jedoch zumeist mit wenigen kurzen Worten oder gar stillschweigend abgeschlossen. Stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, welche Pflichten vereinbart wurden, beantwortet das englische Vertragsrecht sie mit Hilfe sog. implied terms458, also durch „unterlegte Abmachungen“459. Die vertragliche Haftung der hier untersuchten Dienstleister wird durch sie geradezu dominiert460, da mit ihnen – lässt man bestimmte medizinische Dienstleistungen und die umfangreichen Formularverträge der Bauindustrie einmal außer Betracht – zumeist mündliche oder jedenfalls wenig detaillierte Verträge geschlossen werden, die Leistung und Gegenleistung nur grob charakterisieren461. Zwar gilt auch hier – ebenso wie nach deutschem Recht –, dass die Verpflichtung zur Dienstleistung als Hauptpflicht des Dienstleisters aus dem Vertrag grundsätzlich durch Parteiabrede inhaltlich festgelegt wird462. Vielfach lässt sich der genaue Inhalt der Dienstleistungspflicht jedoch nicht schon bei Vertragsschluss festlegen. Dies gilt jedenfalls für die Verträge mit sog. professionellen Dienstleistern. Denn bei ihnen wird (schon wegen der regelmäßig zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Informationsasymmetrie) die Konkretisierung der Leistungspflichten in dem durch den Vertrag gesetzten Rahmen (Bsp.: medizinische Behandlung, anwaltliche Vertretung) zunächst dem Schuldner überlassen463, wobei dieser gleichzeitig zur sorgfältigen Interessenwahrnehmung464 sowie zur Aufklärung verpflichtet wird465.

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Zu ihnen ausführlich Treitel, Contract, S. 201 ff.; Lewison, Interpretation, § 5.01 ff.; rechtsvergleichend vor allem Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 103 ff. und Grobecker, Implied terms, S. 25 ff.; 61 ff.; 186 ff.; daneben Lüderitz, Auslegung, S. 386 ff., 453; Kötz, Europäisches Vertragsrecht I, § 7 V (S. 177 ff.). Esser, Schuldrecht, S. 29. Es handelt sich losgelöst davon um nicht weniger als „one of the most important conceptual devices of English contract law“, so Samuel, Obligations, S. 70. Allerdings ist es bei dem Vertragsschluss mit einem solicitor immerhin üblich, dass jede Begrenzung des retainer dem Mandanten frühzeitig schriftlich mitgeteilt wird, Watson, Litigation, § 1.39. Denn gemäß § 12.08 Ziffer 1 S. 2 des Guide entspricht es guter Praxis, dem Mandanten jede Beschränkung des retainers präzise definiert und schriftlich mitzuteilen. Neben den durch den Solicitors’ Costs Information and Client Care Code 1999 veranlassten Angaben (vgl. auf S. 372; im Übrigen geht es um Kosteninformationen, vgl. dazu Watson, Litigation, § 4.95) sollte (und wird) diese erste Klarstellung im Übrigen folgende Punkte erfassen (Watson, Litigation, § 4.8): die Identifikation des Mandanten und seiner Geschäftsfähigkeit, eine Zusammenfassung des Hauptvertragsinhalts sowie die Feststellung von Person und Status des mit der Sache beauftragten solicitors. So für die Anwaltshaftung nach englischem Recht Fischer, Haftung, S. 8; für den Dienstvertrag nach § 611 BGB Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 354; Emmerich, Schuldrecht BT, § 9 Rn. 11. Vgl. ab S. 297. So Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 355.

64

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

Bei der Bestimmung des Vertragsinhalts hinsichtlich professioneller Dienstleistungen bewegt man sich im englischen Recht mit wenigen Ausnahmen auf dem Gebiet der implied terms. Diese übernehmen funktional u.a. die Rolle, die im deutschen Recht dem dispositiven Gesetzesrecht zukommt, wenngleich sich dort ein vergleichbares Instrument der Vertragsergänzung nicht findet466. Die implication of terms bildet die Legitimationsgrundlage für die Einfügung dispositiven Rechts in den Vertrag. Die deutsche Dogmatik ist in dieser Frage – weitgehend unreflektiert467 – (insbesondere hinsichtlich der Bezugnahme auf den Parteiwillen) noch nicht voll entwickelt468. Dem Modellregeln geht es da nicht wesentlich anders469: Art. 6:102 PECL (Art. II. – 9:101(2) DCFR) benennt zwar Kriterien, nach denen eine Vertragsergänzung möglich ist, legt aber keine Rangfolge oder einen Mechanismus fest, der die Möglichkeiten der Gerichte zur Vertragsergänzung ernsthaft einschränkt. Insofern ist durchaus denkbar, dass ohne größeres Zögern auf die dispositiven Regeln der PECL bzw. PELSC zurückgegriffen wird, zumal Art. 2:103(1)(b) PECL (Art. II 4:103 (1)(b) DCFR) gerade dazu anhält. Das englische Recht ist insoweit wesentlich differenzierter und restriktiver.

C.

Quellen der Vertragsergänzung nach englischem Recht

Nach englischer Dogmatik kann und muss eine Vertragsergänzung entweder auf dem Parteiwillen (terms implied in fact) oder dem Gesetz (terms implied by statute) bzw. einer Rechtsregel nach common law (terms implied by court) oder auf einer Verkehrssitte (terms implied by custom and usage) gründen470. Die Vertragsergänzung unterliegt abhängig von ihrer Grundlage unterschiedlichen Voraussetzungen: Eine implication in fact setzt (1) das Fehlen einer abschließenden bzw. entgegenstehenden ausdrücklichen Vertragsbestimmung, (2) einen die beabsichtigte implication bejahenden Parteiwillen und – damit zusammenhängend – (3) die Kenntnis beider Parteien von den Tatsachen, die eine Regelung durch sie selbst hätte erwarten lassen, sowie (4) vom exakten Inhalt der einzufügenden Regelung voraus. Die Verwirklichung des Parteiwillens bildet die Legitimationsgrundlage dafür, dass dem Ver465

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Vgl. zu vorvertraglichen Aufklärungspflichten ab S. 21 sowie zu vertraglichen Aufklärungsund Beratungspflichten ab S. 21. Eingehend Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 134 ff. Vgl. dazu Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 144; ähnlich zur Problemstellung Henssler, Risiko, S. 95, 103 ff.; tendenziell a.A. (Vorrang der Fortbildung des dispositiven Rechts im Verhältnis zur ergänzenden Vertragsauslegung) U. Huber, Leistungsstörungen I, § 2 III 2 (S. 36); dagegen tendenziell Stoffels, Schuldverträge, § 7 IV 2 b) (3) (S. 325 ff.). Esser, Schuldrecht, S. 30 spricht in diesem Zusammenhang bspw. von einer Fiktion. Die bis heute im Wesentlichen akzeptierte Theorie des dispositiven Rechts geht auf Bülow, AcP 64 (1881), 1 ff. zurück, vgl. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 532. Überblick zur Vertragsergänzung nach den PECL bei Storme, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 11, 17 ff. Ausführlich unter besonderer Berücksichtigung von building contracts Emden /Palmer, §§ I–804 ff.

§ 4 Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard

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trag etwas hinzugefügt wird471. Die Voraussetzungen einer implication by statute sind hingegen (1) das Fehlen eines abschließenden oder entgegenstehenden ausdrücklichen Parteiwillens472, (2) die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen sowie (3) das Fehlen eines entgegenstehenden stillschweigenden Parteiwillens. Im Rahmen der implication by statute kommt dem Parteiwillen – ebenso wie bei der implication by court und der implication by custom or usage473 – reine Ausschlussfunktion zu474. Diese wird in vielen Musterverträgen des Baugewerbes dazu genutzt, die Haftung für das Gebäudedesign auf angemessene Sorgfalt und entsprechendes Geschick zu beschränken und so einer haftungsverschärfenden Vertragsergänzung vorzubeugen475. Vor diesem Hintergrund bestimmt etwa cl. 5.1 der ACE Conditions of Engagement: „The consulting Engineer shall exercise all reasonable skill, care and diligence in the discharge of the services agreed to be performed by him“. Das RIBA Architect’s Appointment sieht in cl. 3.1, vor, dass: “The Architect will exercise reasonable skill and care in conformity with the normal standards of the architect’s profession”, dessen Nachfolger, das SFA/92, 471 472

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Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 109 f. Dass ausdrückliche Abreden einer Ergänzung nicht entgegenstehen dürfen, ist allen Formen der implication gemeinsam. Eine heteronome Vertragsergänzung ist daher nur auf der Ebene der Rechtsfortbildung bzw. der des zwingenden Rechts zulässig (dazu Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 154). Die Rechtsfolgen werden freilich auch in diesem Fall „als Auswirkung des Vertrags behandelt (fingiert)“, Esser, Schuldrecht, S. 30 (zur Einfügung dispositiven Rechts). Voraussetzung der implication ist insoweit darüber hinaus das Bestehen einer entsprechenden außergesetzlichen Rechtsregel bzw. einer entsprechenden (den Parteien bekannten, vgl. Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 126; Grobecker, Implied Terms, S. 115; Treitel, Contract, S. 213) Verkehrssitte – unter Kaufleuten: eines Handelsbrauchs. Bedeutung erlangt die auf eine Verkehrssitte gestützte implication z.B. in Bezug auf die dem Dienstleister geschuldete Gegenleistung. So wurde in Wilkie v Scottish Aviation Ltd (1956) SC 198, 205 per Lord President (Clyde) (SC, bestätigt in Brydon & Anor (t /a Peterson’s Crane Hire) v FE Beaumont Ltd [2004] ScotCS 265, unreported) zur Höhe der einem Gutachter geschuldeten Gebühren festgestellt: „If a person employs a professional man to perform some service and makes no inquiry as to the basis on which the professional man is to be renumerated, it is not unreasonable that he should pay for the services on the usual and customary basis. It is not open to him to complain that he is unaware of it, if he has never even taken the trouble to ascertain it before engagig another to do work for him without specifying a precise fee“. Denn die gesetzlich angeordnete implication einer Vertragsklausel scheidet aus, wenn diese „inconsistent with the […] express terms“ ist, vgl. SIG Bergesen D.Y. A/s v Mobil Shipping and Transportation Co. (The „Berge Sund“) [1992] 1 Lloyd’s Rep 460, 467 per Steyn J (HC); Re Brightlife Ltd [1987] Ch 200, 212 f. per Hoffmann J. Ob die Parteien die implication positiv wollten, ist irrelevant, vgl. Luxor (Eastbourne) Ltd v Cooper [1941] AC 108, 137 per Lord Wright (HL); Triplex Safety Glass Co v Scorah [1938] Ch 211, 216 f. per Farwell J; Maritime National Fish Co v Ocean Trawles [1935] AC 524, 529 f. per Lord Wright. Cornes, Design, § 2.1.4.3, wo auch die nachfolgenden Klauseln wiedergegeben sind.

66

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

den Schuldinhalt ganz ähnlich formuliert: “The Architect shall in providing the Services exercise reasonable skill and care in conformity with the normal standards of the Architect’s profession”.

D.

Die Bedeutung der Vertragsinhaltsbestimmung für den Haftungsstandard – Unterschiede zwischem den Haftungsmechanismen des deutschen Rechts gegenüber denen des englischen, der PELSC und des DCFR

I.

Mechanismen vertraglicher Haftung nach deutschem Recht

Ein Schadensersatzanspruch beruht (wie §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB bereits erahnen lassen) nach deutschem Recht in der Regel auf der Verbindung eines Haftungsgrundes mit einem Zurechnungsgrund oder -prinzip476. Ein Haftunggrund kann dabei mit unterschiedlichen Zurechnungsprinzipien kombiniert werden. Haftungsgrund ist nach deutschem Vertragsrecht die Nichterfüllung des vertraglichen Leistungsversprechens (vgl. § 311 a Abs. 2 S. 1 BGB)477 oder allgemeiner formuliert: die Verletzung einer Pflicht aus dem Schuldverhältnis (vgl. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB)478, während ein Verschulden oder die Risiko- bzw. Garantieübernahme durch den Schuldner (§ 276 Abs. 1 BGB) als Zurechnungskriterien fungieren479 und zwar – soweit die Beweislast wie in §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311 a Abs. 2 S. 2 BGB umgekehrt ist – als bloße Entlastungsgründe. In der durch die Beweislastumkehr bewirkten Abschwächung des Verschuldensprinzips kann man für die Schadensersatzhaftung eine gewisse Annäherung an eine „strikte“ Haftung sehen480. Wichtiger als dies ist für uns aber, dass aufgrund der zumindest konzeptionellen Trennung zwischen Leistungsversprechen bzw. Pflichtverletzung auf der einen Seite und des Kriteriums der Zurechnung auf der anderen Seite, nachdem der Inhalt des vertraglichen Leistungsversprechens bzw. der Pflicht aus dem Schuldverhältnis ermittelt ist, ferner bestimmt werden muss, welches Zurechnungskriterium eingreift. Dazu ist indes auf den Inhalt des Leistungsversprechens Bezug zu nehmen481. Dies darf jedoch nicht dahin verstanden werden, 476

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Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 469 ff.; dens., FS Heldrich, S. 11, 25 ff.; ähnlich für die Begründung strikter Haftung Honoré, Responsibility, S. 14, 27, der von der Notwendigkeit eines „extra element“ zur Haftungsbegründung ausgeht, das z.B. fault sein könne. Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 470; dens., FS Heldrich, S. 11, 27. Zu dieser sich auch e contrario aus § 280 Abs. 3 BGB ergebenden Alternativität Canaris, FS Heldrich, S. 11, 34; S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 52 f. Zur „Pflichtverletzung“ als Bezugspunkt des Vertretenmüssens im Rahmen des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 173. Ausführlich zum Bezugspunkt des Vertretenmüssens S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 47 ff.; a.A. aus jüngerer Zeit Harke, ZGS 2006, 9 ff.; Fest, JURA 2005, 734 ff. Canaris, FS Heldrich, S. 11, 27. Vgl. Ballerstedt, FS Nipperdey, S. 261, 271; Larenz, Schuldrecht I, S. 278; Heinemann, Beweislastverteilung, S. 63; juris-PK /Alpmann, BGB § 276 Rn. 3; Canaris, FS Heldrich, S. 11, 27.

§ 4 Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard

67

dass der Schuldner zwei Versprechen abgibt482. Vielmehr wird seinem Leistungsversprechen ein vielfältiger Inhalt entnommen483: Es richtet sich zunächst auf die Erbringung der Leistung in Natur. Darüber hinaus enthält es – implizit – zusätzlich die Zusage, zu der Leistung im Stande zu sein484. Drittens wird ihm für den Fall, dass dies nicht zutrifft (§ 311 a Abs. 2 S. 1 BGB) oder die Leistung nicht versprechensgemäß erbracht wird (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB), die Verpflichtung entnommen, – je nach Inhalt des Versprechens – im Falle eines Verschuldens (§§ 311 a Abs. 2 S. 2, 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1 1. HS BGB) oder der Realisierung eines dem Schuldner vertragsgemäß zuzurechnenden Risikos bzw. dem Eintritt des Garantiefalls i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 2. HS BGB485 (§§ 311 a Abs. 2 S. 2, 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1 2. HS BGB) an den Gläubiger eine entsprechende Geldzahlung zu erbringen (§ 311 a Abs. 2 S. 1 BGB bzw. § 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3, i.V.m. §§ 281 ff. BGB). Ob man diese konkludente Ergänzungsabrede in das vertragliche Versprechen des Schuldners hineinliest oder als gesetzliche Ausgestaltung des typischen Parteiwillens qualifiziert486, hängt von der Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis von dispositivem Recht und erklärtem Parteiwillen ab. In dieser Frage steht die deutsche Dogmatik, wie berichtet487, allerdings noch einigermaßen am Beginn einer reflektierten Einschätzung. Dies ist hier nicht zu vertiefen. Vielmehr gilt es festzuhalten, dass erst mit der Bestimmung des Zurechnungskriteriums über den Haftungsstandard entschieden ist. Bildet ein Verschulden das vertragsgemäß einschlägige Zurechnungskriterium – wie im gesetzlichen vorgesehenen Regelfall –, so ist die Haftung sorgfaltsabhängig, während sie, wenn die Zurechung eines Risikos oder die Übernahme einer Garantie i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 2. HS BGB das maßgebliche Kriterium bildet, verschuldensunabhängig und damit „strikt“ ist. Dies ist (zumal nicht nur hinsichtlich des Haftgrundes sondern auch hinsichtlich des Zurechnungsprinzips unterschieden werden muss) ein zwar differenzierter, aber auch komplizierter Mechanismus, der bisweilen zu Irrtümern einlädt488.

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Zur Bedeutung dieses Umstands für die Eigenständigkeit des Vertretenmüssens vgl. ab S. 192. Canaris, FS Heldrich, S. 11, 30; vgl. ferner U. Huber, Leistungsstörungen I, § 22 I 4 (S. 528); a.A. vielleicht Ehmann/Sutschet, Schuldrecht, S. 90. Vgl. Canaris, FS Heldrich, S. 11, 30. Vgl. U. Huber, Leistungsstörungen I, § 27 II 3 a) (S. 671); PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 276 Rn. 10. Vgl. zur Unterscheidung der Garantie als Zurechnungskriterium i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB und der Garantie als Umschreibung des Haftgrunds, d.h. als (bedenkliches) Synoym des Leistungsversprechens, ab S. 94. So die Alternativen bei Canaris, FS Heldrich, S. 11, 30, der selbst der zweiten Alternative zuneigt und dahin auch für die Übernahme eines Beschaffungsrisikos tendiert, vgl. Canaris, FS Wiegand, S. 179, 215. A.A. etwa S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 60. Vgl. auf S. 64. Lediglich beispielhaft sei insoweit auf die Diskussion um § 311 a Abs. 2 BGB verwiesen, vgl. zu ihr Canaris, FS Heldrich, S. 11 ff., 29 ff.

68

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

II.

Mechanismen vertraglicher Haftung nach englischem Recht, PELSC und DCFR

Weitaus simpler ist die Rechtstechnik des englischen Rechts, der PELSC und des DCFR. Während das deutsche Recht die Frage der Schadensersatzhaftung für das Nicht- oder nicht ordnungsgemäße Erreichen des vertraglich avisierten Ziels in die Teilfragen (1) nach der objektiven Verletzung einer Vertragspflicht (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB) und (2) dem Vertretenmüssen dieser Pflichtverletzung (§§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1 BGB) aufspaltet, trägt nach englischer Dogmatik jede vertraglich vereinbarte Pflicht den für sie maßgeblichen Haftungsstandard in sich: Der Standard der vertraglichen Haftung ist jeweils in die betreffende Pflicht integriert489, d.h. Pflicht und Haftungsstandard bilden eine untrennbare Einheit490. Diesem Modell folgen die PELC, die PELSC und der DCFR. Das macht eine Gegenüberstellung von Art. 1:107, IV.C. – 2:105 DCFR und Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR deutlich491. Vor diesem Hintergrund ist es eine unzulässige und irreführende Vereinfachung, wenn festgestellt wird, dass jede Verbindlichkeit bzw. Leistungspflicht nach den PECL grundsätzlich als Pflicht begriffen werde, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, und der Haftungsstandard in den PECL auf diesen Gedanken gründe492. Denn die PECL haben ebenso wie die PELSC, der DCFR und das englische Recht493 gerade aufgrund des Fehlens eines „mehrstufigen“ Entlastungsmechanismusses einen wesentlich differenzierten Begriff der Verpflichtung bzw. Verbindlichkeit494. Auf die ausdrücklich Aufnahme der Zweiteilung in sorgfaltsunabhängige (Erfolgs-)Pflichten (z.B. Art. 1:108 PELSC) und sorgfaltsabhängige (Einsatz-)Pflichten (z.B. Art. 1:107 PELSC) in den Text der PECL hat man – zumal sie sich bereits ohne weiteres aus der Kommentierung der PECL ergab – folgerichtig nicht deshalb verzichtet, weil man eine durchweg sorgfaltsunabhängige Haftung konzipieren wollte495, sondern wohl gerade deshalb, weil man die Qualifikation der jeweiligen Pflicht nicht präjudizieren 489

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Nicholas, in: Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337, 345; Schmidt-Kessel, Standards, S. 212 f.; vgl. (eher implizit) auch Samuels, Obligations, S. 28, 71. Begründet dürfte dieses Konzeption für das englische Recht u.a. darin sein, dass das englische Recht nicht von einem abstrakten Begriff der „Nichterfüllung“ oder „Pflichtverletzung“ ausgeht, wie dies das deutsche und auch das Einheitsrecht (Art. 8.101 PECL) tun, sondern – quasi induktiv – Subkategorien entwickelt hat, die Bestandteile der Antwort auf die Frage nach einem discharge of contract sind, vgl. Samuel, Obligations, S. 72. Vgl. schon vor der Entwicklung dieser Normen Comment D zu Art. 6:102 PECL (von Bar/ Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 362 ff.), aus dem eindeutig hervorgeht, dass die PECL den Pflichtinhalt und den damit verbundenen Haftungsstandard gerade offenlassen. Von der Möglichkeit einer – je nach Pflichtinhalt – entweder sorgfaltsabhängigen oder strikten Haftung gehen auch die Art. 5.4 f. PICC aus. Vgl. zur Konvergenz von englischem und Einheitsrecht insoweit auch Heckendorn, Haftung, Rn. 509. So aber z.B. U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft, S. 31, 106, 109; differenzierter (allerdings nur für die PICC) Ernst, in: Basedow, Vertragsrechtsvereinheitlichung, S. 129, 137. Zutreffend von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 93. Vgl. für die PECL Storme, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 11, 22 ff.; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 285 f.

§ 4 Vertragsinhaltsbestimmung und Haftungsstandard

69

wollte496. Diese Haltung, in der die Privatautonomie eine deutliche Aufwertung erfuhr497, hat man – wie insbesondere die Art.1:107 f. PELSC deutlich machen498 – für die PELSC allerdings grundsätzlich aufgegeben499. Sorgfalt kann gleichwohl nach englischem Recht ebenso wie nach den PECL, den PELSC und dem DCFR – anders als nach der Konzeption des Regelfalls der §§ 280 Abs. 1 S. 1, 276 Abs. 1 BGB – den Schuldner nur entlasten, falls der Vertrag ihn nicht zur Herbeiführung eines Erfolges oder zur Übernahme eines Risikos verpflichtet. Insofern ist die Ausübung angemessener Sorgfalt nach englischer Dogmatik wie den Principles und dem DCFR kein von der vertraglichen Pflicht trennbarer Entlastungsmechanismus500 und damit – anders als das Verschulden nach deutscher Dogmatik – keine eigenständige neben dem Vertragsbruch stehende dogmatische Kategorie. Daher ist es zwar richtig, wenn festgestellt wird, die PECL hätten wie das common law das Verschulden nicht zur Hauptregel für die Verantwortlichkeit des Schuldners gewählt501. Irreführend wirkt aber, wenn in diesem Zusammenhang betont wird: „Contract liability is strict liability“502. Denn dass die Haftung nach den PECL bzw. PELSC nicht i.S.d. deutschen Rechts „verschuldensabhängig“ ist, bedeutet jedenfalls nicht, dass sie nicht sorgfaltsabhängig sein kann503. Die Haftung ist zwar in jedem Fall in dem Sinne „verschuldensunabhängig“, als ein „Verschulden“ als dogmatische Kategorie nicht existiert504. Insoweit kann – wie dies nicht selten geschieht – die „Verschuldensunabhängigkeit“ der Haftung nach PECL, PELSC und DCFR dem „Verschuldensprinzip“ des BGB in der Tat gegenübergestellt werden. Doch darf die Frage der Verschuldensabhängigkeit der Haftung nicht mit der Frage ihrer Sorgfaltsabhängigkeit vermischt werden. Es ist – im Gegenteil – ausdrücklich klarzustellen, dass die Sorgfaltsabhängigkeit vertraglicher Haftung durch ihre „Verschuldensunabhängigkeit“ in keinster Weise präjudiziert ist. In der Verknüpfung von Pflicht und Haftungsstandard findet sich vielmehr ein „in rechtstechnisch einfacher Weise“ gestalteter Ersatz für die alleinige Ausrichtung am Verschuldenserfor-

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Die Differenzierung zwischen Erfolgs- und Sorgfaltspflichten scheint in nahezu allen europäischen Rechtsordnungen bekannt zu sein, vgl. PWW /Schmidt-Kessel, BGB § 241 Rn. 11; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 219 m.w.N.; zum Umgang mit diesem Phänomen im deutschen Recht vgl. insbesondere Lobinger, Grenzen, S. 194 ff. Vgl. Storme, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 11, 23 f.; Schlechtriem, ZEuP 1993, 217, 222. Als Mangel wird dies empfunden von Ernst, in: Basedow, Vertragsrechtsvereinheitlichung, S. 129, 156. Vgl. auch Riesenhuber, ERCL 2008, 119, 138 ff. Für eine noch deutlichere Klarstellung insoweit Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 295 f. Immerhin sind die meisten der in den PELSC vorgesehenen Regelungen dispositiv. A.A. scheinbar Fischer, Haftung, S. 52 f. Lando, RabelsZ 67 (2003) 231, 239. So aber Lando, RabelsZ 67 (2003) 231, 239. Besser die Einschränkung bei von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 82: „Under PECL the liability for breach of contract is in principle strict“ (Hervorhebung hinzugefügt). Dies sieht auch Lando (RabelsZ 67 (2003) 231, 240) nicht anders. Angedeutungsweise Riesenhuber, ERCL 2008, 119, 139.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

dernis505, der in der deutschen Literatur scheinbar nicht recht in den Blick gerät506. Denn die Verbindung von Pflicht und Haftungsstandard hat zur Folge, dass mit der Festlegung des Inhalts der jeweiligen vertraglichen Pflicht – absolute duty oder duty to take reasonable care – stets über den maßgeblichen Haftungsstandard entschieden ist. Der Haftungsstand entspricht zwingend dem Pflichtinhalt, sodass dieser möglichst exakt zu definieren ist. Insofern führt es für die notwendige Beurteilung des Einzelfalls nicht weiter, die in den PECL, PELSC und dem DCFR vorgesehenen Haftungsmechanismen global zu qualifizieren507. Denn die Frage des Haftungsstandards lässt sich nach dem dogmatischen Konzept der Modellregeln sowie des englischen Rechts – anders als nach der Konzeption des BGB – bereits im Ansatz nicht allgemeingültig, d.h. losgelöst von der konkreten Verpflichtung des Schuldners beantworten508. Ein sorgfaltsunabhängiger gobaler „Grundstandard“, neben dem als „Ausnahmestandard“ die sorgfaltsabhängige Haftung steht, existiert insofern nicht. Es kommt (soweit man die Möglichkeit von Typisierungen einmal unberücksichtigt lässt) immer auf die Bewertung der konkreten Pflicht an. Daher liegt dem europäischen Einheitsrecht nicht, wie manche zu befürchten scheinen509, ein „monistisches“, nämlich allein an einer „strikten“ Haftung ausgerichtetes Modell zugrunde. Vielmehr ist die Verbindung von Pflicht und Haftungsstandard keinem singulären Haftungsstandard oder -modell zuzuordnen, sondern durchaus dazu in der Lage, Elemente der Risiko- und Verschuldenshaftung zu vereinen, sodass sich diese sozusagen kombinatorisch ergänzen können. Entscheidend ist – wie stets – der Inhalt der vereinbarten Pflicht. Zur Definition des Pflichtinhalts kann und muss dabei – ebenso wie nach deutschem Recht510 – auf die vorgestellten Mechanismen für die Vertragsinhaltsbestimmung511 zurückgegriffen werden. Denn die Verflechtung von Pflicht und Haftungsstandard führt dazu, dass die Mechanismen für die Bestimmung des Haftungsstandards den vorgestellten Mechanismen für die Vertragsinhaltsbestimmung folgen512. 505

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Die „Einfachheit“ der Lösung der PECL zu Recht betonend Lando, RabelsZ 67 (2003), 231, 241. Grundsätzlich gegen die Möglichkeit, dem vertraglichen Versprechen selbst den maßgeblichen Haftungsstandard entnehmen zu können, aber Heinemann, Beweislastverteilung, S. 53 ff. Für viele Medicus, in: Basedow, Vertragsrechtsvereinheitlichung, S. 179, 188: „Die Möglichkeit zu solch sinnvollen Differenzierungen hängt am Verschuldenserfordernis und entfällt daher auch mit diesem. Ich sehe nicht, wie man dafür in rechtstechnisch einfacher Weise einen Ersatz schaffen könnte“. Für vorzugswürdig hält das „einstufige Modell“ demgegenüber Heckendorn, Haftung, Rn. 515. So aber – im Sinne einer „strikten“ Haftung bzw. einer „Garantiehaftung“ – Lando, RabelsZ 67 (2003), 231, 241; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 31. Entgegen den von Grundmann (a.a.O.) getroffenen Feststellungen kommt auch das internationale Einheitsrecht jedoch nicht ohne Regeln einer Haftung für mangelnde Sorgfalt aus, vgl. zum CISG Pellegrino, ZEuP 1997, 41, 44, 49 f.; Schmidt-Kessel, Standards, S. 293 f. Art. 5.5 PICC gibt für die Beantwortung dieser Frage explizit abstrakte Leitlinien vor. Vgl. z.B. Canaris, FS Wiegand, S. 179, 253 f. Vgl. zur Bezugnahme auf das Leistungsversprechen gerade auf S. 66. Vgl. ab S. 61. So für das englische Recht Schmidt-Kessel, Standards, S. 212 ff.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

71

Im Einzelfall muss der Haftungsstandard von der Auslegung der expliziten Vertragsklausel oder einer zu implizierenden Bestimmung getragen werden: Soweit sich Vertragspflichten aus Gesetz ergeben, regelt dieses den zugehörigen Haftungsstandard, während er bei richterrechtlich zu implizierenden Pflichten in der jeweiligen Rechtsregeln enthalten ist. Dasselbe gilt nach englischem Recht für die implication by custom and usage. Im Rahmen der implication in fact ist der die zu implizierende Pflicht nach englischem Recht tragende Parteiwille ebenso maßgeblich wie für explizite Klauseln das Ergebnis der Auslegung der Parteierklärungen.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung Nachdem somit geklärt ist, wann (§ 2) und gegenüber wem (§ 3) eine vertragliche Haftung von Arzt, Anwalt bzw. Architekt in Betracht kommt, und darüber hinaus erörtert wurde, wie Pflichtinhalt und maßgeblicher Haftungsstandard ermittelt werden (§ 4), soll nun zunächst der Vertragsbruch mit der vertraglichen Haftung in den Zusammenhang gestellt werden. Insofern gilt es, die Anforderungen an einen Vertragsbruch bei absolute duty und duty to take reasonable care exemplarisch zu veranschaulichen. David Walker „definiert“ den Vertragsbruch i.S.d. englischen Rechts wie folgt513: “An unjustifiable refusal or failure by one party to a lawful and enforceable contract to implement any of the duties incumbent on him under the contract, normally by refusing to perform, failing to perform, performing late, or performing badly. Refusal may be made before (anticipatory breach) or at, the due date for performance.” Bereits anhand dieser zusammenfassenden „Definition“ ist zu erkennen, dass der nach Entstehungsgründen der Vertragsstörung qualifizierte Pflichtverletzungstypus (Nicht-, Schlecht- oder Zuspätleistung) ebenso wie in Art. 1:301(4), 8:101 PECL (Art. I. – 1:103(1),(3), I. – 1:105 DCFR) keine Rolle spielt und folgerichtig – im Gegensatz zu der zum früheren deutschen Schuldrecht vorherrschenden Auffassung514 – auch nicht systembildend wirkt515. Denn die Nichterfüllung als funktionelles Äquivalent der Modellregeln zum breach of contract des englischen Rechts umfasst – wie Art. 1:301(4) PECL (Art. I. – 1:103(1) i.V.m. Annex I: „non-performance“ DCFR) ausdrücklich klarstellt – jede Form mangelnder Erfüllung einer der vertraglichen

513 514

515

Walker, The Oxford Companion to Law, S. 149. Zur Beurteilung der Folgen der Schuldrechtsmodernisierung vgl. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht, Rn. 447 ff.; S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 40 f.; Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 594 f., 602 ff. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 36 IV (S. 501). Ein äußeres Kennzeichen dafür bildet bspw., dass der englischen Sprache ein eigenständiges Äquivalent für den Begriff „Verzug“ fehlt, vgl. Staehelin, Vertragsverletzung, S. 235.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

Verpflichtungen516, ob entschuldigt oder nicht entschuldigt. Nichterfüllung ist daher die verspätete Erfüllung, die mangelhafte Erfüllung sowie die Verweigerung derjenigen Zusammenarbeit, die für die volle Wirkung des Vertrages erforderlich ist. Unerheblich für diesen Herangehensweise ist, dass die PECL ebenso wie die PELSC und der DCFR die Nichterfüllung aus der Perspektive eines subjektiven Rechts des Gläubigers betrachten517, während dem englischen Recht eher eine Verpflichtungsperspektive eigen ist518. Entscheidend für den Haftungsstandard ist vielmehr für beide Rechte der Inhalt der konkret übernommenen vertraglichen Pflichten519 (absolute duty oder reasonable care). Rechtsfolge eines breach ist nach englischem Recht ferner nicht – wie nach § 249 Abs. 1 S. 1 BGB – die Naturalrestitution, im Fall der Nichterfüllung also zunächst die Erfüllung. Im dogmatischen Ausgangspunkt gilt vielmehr das Gegenteil520: „Breach gives the other party a claim of damages for the loss sustained in consequence of the breach and may also justify him in rescinding or terminating the contract. In some cases the aggrieved party is entitled to have the contract implemented by obtaining a decree of specific performance.“521 Nachtigäller stellt dazu fest, die englischen Gerichte seien immer mehr bereit, in den verschiedensten Situationen specific performance zu gewähren, während die deutschen Gerichte häufig zum Schadensersatz griffen522. Die Ausnahmen seien daher im deutschen Recht praktisch wichtiger als die Regel523. Folgt man dem, wird die theoretische Konstruktion durch die jeweilige Entscheidungspraxis (immerhin) im Ergebnis erheblich relativiert und angenähert. Insofern ließe sich mit Blase feststellen, dass „diese Konterkarierung [von civil und common law] auf theoretischer Grundlage aufbaut“524. Gerade die PECL gelten manchen als Beleg einer in allen Rechtssystemen anerkennbaren Lösung, die – sofern man Fragen der entschuldigten Nichterfüllung (Art. 8:101(2) PECL) einmal unberücksichtigt lässt – wie folgt lautet: Gemäß Art. 9:101(1) PECL wird der Erfüllungsanspruch für Geldschulden immer, nach Art. 9:102(1) PECL für nicht auf Geld gerichtete Verpflichtungen in der Regel anerkannt. Wo dies nicht geschieht, weil eine der Ausnahmen des Art. 9:102(2) PECL eingreift, bleibt dem Gläubiger der Schadensersatzanspruch auf das positive Interesse, wie Art. 9:103 PECL klarstellt. 516

517 518 519 520

521 522

523 524

Schwenzer, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 37, 38; Storme, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 11, 26 ff.; Lando, RabelsZ 67 (2003), 231, 237; ders., in: Grundmann u.a., Kaufgewährleistungsrecht, S. 61, 71. Vgl. Storme, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 11, 27. Vgl. ab S. 326. Vgl. ab S. 68. Nachtigäller, Erfüllungszwang, S. 1 f.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 477 ff.; Schwenzer, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 37, 39 f. m.w.N. Walker, The Oxford Companion to Law, S. 149. Nachtigäller, Erfüllungszwang, S. 159; ähnlich Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 482; Blase, Grundregeln, S. 86; Schwenzer, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 37, 40. Zum Verhältnis zwischen Erfüllungsanspruch und Schadensersatzanspruch nach den PECL vgl. z.B. Hartkamp, (1994) ERPL 2, 341, 352 ff. Nachtigäller, Erfüllungszwang, S. 160. Blase, Grundregeln, S. 86; vgl. ferner z.B. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 482 f.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

A.

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Die Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages

Wenden wir uns nun den Mechanismen der vertraglichen Haftung zu, so ist zunächst festzustellen, dass entgegen dem früheren common law525 die Nichterfüllung vertraglicher Pflichten selbst im Fall des Scheiterns des Vertrages nach englischem Recht nicht in jedem Fall zur Haftung führt.

I.

Ausschluss der Haftung trotz Scheitern des Vertrages

Denn der Schuldner kann sich u.U. auf der Basis der doctrine of frustration entlasten, was die praktisch wichtigste Aufgabe dieser dogmatischen Figur ist, wenngleich sich ihre dogmatische Funktion hierin nicht erschöpft526.

1.

Frustration

a)

Grundvoraussetzungen

Scheitert der Vertrag an Umständen, die die Vertragsdurchführung nach Vertragsschluss unmöglich oder illegal machen bzw. den Vertragszweck frustrieren527, führt dies (soweit die frustration nicht self-induced ist528) zum ipso iure Freiwerden des Schuldners von der vertraglichen Verpflichtung529. Die anfängliche Unmöglichkeit führt hingegen parallel zu § 311 a Abs. 1 BGB und Art. 4:102 PECL, II. – 7:102 DCFR – jedenfalls beim supply of services – für sich genommen nicht zur frustration530. Denn eine Vertragspartei, die verspricht, Unmögliches zu leisten, haftet für die Nichtherbeiführung des Unmöglichen, soweit sie ihre Haftung diesbezüglich nicht ausgeschlossen hat531. In Kenntnis dieses Umstandes bestimmt bspw. cl. 13(1) der ICE Conditions of Contract ausdrücklich, dass Errichtung und Vollendung des Werks nur insoweit geschuldet sind, wie dies physisch und rechtlich möglich ist532.

525

526 527 528 529

530 531 532

Vgl. nur die Zitate aus Paradine v Jane (1647) Aleyn 26 bei Jones/Schlechtriem, Breach, s. 159 in und bei Fn. 816 sowie Simpson, History, S. 530. Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 45 ff. Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.434; Emden/Palmer, §§ III–353 ff. Zu dieser Einschränkung vgl. ab S. 88. J Lauritzen AS v Wijsmuller BV (The Super Servant Two) [1990] 1 Lloyd’s Rep 1, 8 per Bingham LJ (CA); Treitel, Contract, S. 909; Emden/Palmer, § III–352; Schmidt-Kessel, Standards, S. 45 ff.; Riesenhuber, BB 2004, 2697. Uff, Construction Law, S. 177; vgl. auch Treitel, Frustration, § 2–032 und unten ab S. 91. Uff, Construction Law, S. 177; vgl. ab S. 91. Cl. 13(1) ICE Conditions of Contract (6th Edition) ist abgedruckt bei O’Reilly, Civil engineering, S. 144 und lautet: „Save insofar as it is legally or physically impossible the Contractor shall construct and complete the Works in strict accordance with the Contract to the satisfaction of the Engineer …“

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

Frustration tritt indes nur dort ein, wo „the law recognises that without default of either party a contractual obligation has become incapable of being performed because the circumstances in which performance is called for would render it a thing radically different from that which was undertaken by the contract. Non haec in foedera veni. It was not this that I promised to do“533. Eilig haben es die Gerichte mit der Annahme einer solchen Situation freilich nicht534. So genügt den tatbestandlichen Anforderungen einer frustration jedenfalls nicht die bloße Leistungserschwerung535. Die Theorien zur Begründung der doctrine of frustration differieren jedoch und folglich auch die an ihr Vorliegen gestellten Anforderungen536. Selbst die Forderung, das eingetretene Hindernis müsse für die Parteien bei Vertragsschluss unvorhersehbar gewesen sein537, ist zweifelhaft geworden, weil sich die instanzgerichtliche Rechtsprechung bereits seit Längerem von diesem Erfordernis entfernt. Insofern ist es möglich, dass der Vorhersehbarkeit der Störung nur noch Indizcharakter zukommt538. Eine ausdrückliche Bewertung dieser Entwicklung durch das House of Lords steht jedoch noch aus539.

b)

Vergleich mit dem deutschem Recht, den PECL und dem DCFR

Losgelöst davon haben sich als Fallgruppen der frustration vor allem die dauerhafte Verhinderung der Vertragsdurchführung, die nachträgliche Gesetzeswidrigkeit, zeitweilige Leistungshindernisse von nicht hinnehmbarer Dauer und das Versiegen einer (bestimmten) Bezugsquelle für die Leistung540 sowie – sehr selten – die Verfehlung des Vertragszwecks etabliert541. 533

534

535 536 537

538

539 540

Davis Contractors Ltd v Fareham Urban District Council [1956] AC 696, 729 per Lord Radcliffe (HL); ebenso Uff, Construction Law, S. 177; O’Reilly, Civil engineering, S. 29; Galbraith, Building Law, S. 140. Vgl. nur Tsakirogou & Co Ltd v Noblee Thorl GmbH [1960] 2 QB 318, 370 per Harman LJ (CA, „It [frustration] is, in fact, a kind of last ditch“). O’Reilly, Civil engineering, S. 29; Uff, Construction Law, S. 177. Eingehend Schmidt-Kessel, Standards, S. 77 ff. Vgl. etwa McAlpine Humberoak v Mc Dermont International (1992) 58 BLR 1 per Lloyd LJ (CA, lexis); Davis Contractors Ltd v Fareham UDC [1956] AC 696, 728, 731 per Lord Ratcliffe (HL); O’Reilly, Civil engineering, S. 29; Galbraith, Building Law, S. 137; Treitel, Contract, S. 901 f. m.w.N. Welche Rolle der Vorhersehbarkeit einer Störung tatsächlich zukommt, ist gegenwärtig allerdings deswegen zweifelhaft, weil sich die instanzgerichtliche Rechtsprechung bereits seit längerer Zeit von diesem Erfordernis entfernt vgl. Tatem (W.J.) Ltd v Gamboa (The Molton) [1939] 1 KB 132, 137 per Goddard J; Ocean Tramp Tankers Corporation v V / O Sovfracht (The Eugenia) [1964] 2 QB 226, 239 per Lord Denning MR. So Schmidt-Kessel, Standards, S. 116, 126 f.; ähnlich wohl Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.434. Das Abrücken vom Erfordernis der Unvorhersehbarkeit ist eine Begleiterscheinung des Wechsels der die frustration begründenden Theorie, vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 123 ff., zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung vgl. ebenda S. 125 ff. Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 126. Vgl. dazu etwa Treitel, in: Birks, Private Law, §§ 8.442 ff.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

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aa) Parallelen zu § 313 BGB und Art. 6:111 PECL, Art. III. – 1:110 DCFR Angesichts dieser Fallgruppen sind gewisse tatbestandliche Parallelen zur Regelung der Geschäftsgrundlagenstörung542 in § 313 BGB unverkennbar543. Allerdings führt diese auf der Rechtsfolgenseite zunächst für beide Seiten zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung (arg. e contrario § 313 Abs. 3 BGB)544, während das englische Recht einen derartigen Anspruch als Rechtsfolge der frustration nicht kennt545. Tatbestandliche Parallelen zu § 313 Abs. 1 BGB enthält in den Principles – neben Art. 4:105(3) PECL, der sich mit einem Einzelaspekt beschäftigt546 – vor allem Art. 6:111(2) PECL547 (Art. III. – 1:110(2), (3) DCFR). Während nach Art. 6:111 (1) PECL (Art. III. – 1:110(1) DCFR) vertragliche Verpflichtungen auch dann zu erfüllen sind, wenn die Erfüllung – aufgrund höherer Kosten oder einer Wertminderung der Gegenleistung – belastender geworden ist, verpflichtet Art. 6:111(2) PECL (Art. III. – 1:110(3)(d) DCFR) die Parteien dazu, in Verhandlungen über eine Änderung oder Aufhebung des Vertrages einzutreten, falls die Erfüllung durch eine Veränderung der Umstände für die verpflichtete Partei übermäßig belastend wird. Erfasst sind aber – weitgehend parallel zu § 313 Abs. 1 BGB548 – nur solche Fälle, in denen (a) die Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss eingetreten ist und (b) die Möglichkeit einer derartigen Veränderung der Umstände vernünftigerweise zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder in Betracht gezogen werden konnte noch (c) das Risiko einer derartigen Veränderung der Umstände nach dem Vertrag die davon betroffenen Partei tragen sollte. Diese tatbestandliche Parallele setzt sich allerdings auf der Rechtsfolgenseite nicht fort549. Denn Rechtsbehelf bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 313 Abs. 1, 2 BGB ist lediglich ein Anspruch auf Zustimmung zu der vorgeschlagenen Anpassung, während Art. 6:111(3) PECL darüber hinaus für den Fall, dass die Parteien innerhalb angemessener Zeit keine Einigung

541

542 543 544

545 546

547 548

549

Näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 60 ff.; Treitel, in: Birks, Private Law, §§ 8.435 ff.; vgl. auch Galbraith, Building Law, S. 138 ff.; Uff, Construction Law, S. 177; von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 395. Dazu BGH, NJW-RR 2006, 1037, 1038. Schmidt-Kessel, Standards, S. 55 m. Fn. 79 stellt die Grenzen dieser Parallelen klar. Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 119; Mückl, JURA 2005, 809, 811. Zu den Rechtsfolgen der frustration ab S. 83. Nach dieser Norm ist das Gericht bei einem beiderseitigen Irrtum auf Verlangen einer Vertragspartei zur Vertragsanpassung befugt, was funktionell mit dem Eingreifen des § 313 BGB in den Fällen des beiderseitigen Motivirrtums vergleichbar scheint, vgl. juris-PK/ Pfeiffer, BGB § 313 Rn. 5. Vgl. auch juris-PK/Pfeiffer, BGB § 313 Rn. 5. Rechtsvergleichend zu den tatbestandlichen Anforderungen des deutschen und französischen sowie des Einheitsrechts, Cashin-Ritaine, JbJZivRWiss 2001, S. 85 ff., 92 ff. Vgl. auch Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 119.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

erzielen, eine gerichtliche Gestaltungsbefugnis vorsieht550. Diesem Modell folgt in Art. III. – 1:110(2) der DCFR

bb) Parallelen zu § 275 BGB und Art. 9:102 PECL, Art. III. – 3:302 DCFR Kehren wir zur doctrine of frustration zurück, so erfasst diese mit der dauerhaften Verhinderung der Vertragsdurchführung auch Fälle der Unmöglichkeit, die das deutsche Recht in § 275 Abs. 1 BGB regelt. Die nachträgliche Unmöglichkeit führt für sich genommen allerdings dann nicht zur frustration, d.h. zum Freiwerden von der Leistungspflicht, wenn der Schuldner strikt haftet551, sofern er es also – parallel zur Haftung für anfängliche Unmöglichkeit – sozusagen übernommen hat, die Möglichkeit der Leistung herbeizuführen. Das Eingreifen des § 275 BGB führt indessen stets zum Entfallen des Anspruchs auf Naturalleistung, lässt aber den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung durchweg unberührt (vgl. § 275 Abs. 4 BGB). Zu § 275 BGB finden sich in Art. 9:102 PECL (Art. III. – 3:302 DCFR) deutliche Parallelen. Denn nach Art. 9:102(2)(a) 2. Alt. PECL (Art. III. – 3:302(3)(a) 2. Alt. DCFR) kann die Erfüllung einer nicht auf Geld gerichteten Verpflichtung zunächst – parallel zu § 275 Abs. 1 BGB – dann nicht verlangt werden, wenn die Erfüllung unmöglich wäre552. Ob die Erfüllung objektiv oder subjektiv, anfänglich oder nachträglich bzw. wegen eines vom Schuldner zu vertretenden Umstands unmöglich ist, spielt ebenso wie nach § 275 Abs. 1 BGB553 auf der Ebene der Befreiung von der Pflicht zur Naturalleistung keine Rolle554. In Art. 9:102(2)(b) PECL (Art. III. – 3:302(3)(b) DCFR) werden dem Fall der Unmöglichkeit der Leistung die Fälle gleichgestellt, in denen die Erfüllung dem Schuldner unangemessene Anstrengungen oder Kosten verursachen würde. Damit sind auch die Fälle des § 275 Abs. 2 BGB erfasst555, wenngleich § 275 Abs. 2 BGB tatbestandlich strenger ausgestaltet ist556. Denn § 275 Abs. 2 BGB benennt als maßgebliches Wertungskriterium nicht lediglich die Unverhältnismäßigkeit, sondern legt zugleich auch deren Bezugspunkt fest: die Relation zwischen Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse 557. Darüber hinaus muss es sich ausdrücklich um ein „grobes“ 550

551 552

553 554 555

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Dies betonend Cashin-Ritaine, JbJZivRWiss 2001, S. 85 , 101; vgl. auch Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 119. Zu den Rechtsfolgen des Art. 6:111(3) PECL ferner Peer, JbJZivRWiss 2001, S. 61, 80 ff. Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.435. Zur Bedeutung einer „strikten“ Haftung vgl. S 94. Canaris, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 17; juris-PK/Alpmann, BGB § 275 Rn. 2. Jauernig /Stadler, BGB § 275 Rn. 5 f.; Canaris, in: Stelmach u.a., Rechtsstudien, S. 95, 96. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 479; Staudinger /Löwisch, BGB § 311 a Rn. 13. Schlechtriem, JbJZivRWiss 2001, S. 9, 20; Canaris, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 17; juris-PK/Alpmann, BGB § 275 Rn. 2. Vgl. Canaris, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 17; juris-PK/Alpmann, BGB § 275 Rn. 2. BAG, NZA 2005, 118, 122; a.A. (unreflektiert) BGH, NZM 2005, 820, 821 dazu Mückl, JA 2006, 165, 166 f.; näher ders., JURA 2005, 809, 810 m.w.N.

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Missverhältnis zwischen den vorgenannten Größen handeln558. Zu begründen ist durch die Einrede des § 275 Abs. 2 BGB die Rechtsmissbräuchlichkeit eines Erfüllungsverlangens des Gläubigers559. Gleiches gilt – wie die Kommentierungsbeispiele560 sowie die dort erfolgende Bezugnahme auf Art. 1:102 PECL andeuten – wohl auch für Art. 9:102(2)(b) PECL. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang für die Dienstleistungshaftung nach deutschem Recht aber § 635 Abs. 3 BGB, wonach der Unternehmer die im Falle eines Mangels des Werks (§ 633 BGB) bestehende Pflicht zur Nacherfüllung bereits verweigern kann, falls sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist561. Für diese Vorschrift bzw. für die in ihr geregelte Fallgruppe findet sich zwar im englischen Recht kein explizites Pendant562. Ein solches steht aber – wenngleich mit wesentlich weiterem Anwendungsbereich – in den Principles mit Art. 9:102(2)(b) PECL bereit. Der DCFR folgt dem in Art. III. – 3:302(3)(b).

c)

Insbesondere: Frustration von Dienstleistungsverträgen

aa) Die Behandlung von personenbezogenen Leistungshindernissen nach englischem, deutschem Recht, den PECL und dem DCFR Im Dienstleistungskontext kommt ein Freiwerden des Schuldners nach englischem Recht zunächst da in Betracht, wo dem Schuldner die Leistung etwa wegen nachträglicher Erkrankung563, Haft564 oder Einziehung565 zum Wehr- oder Kriegsdienst durch Zeitablauf 566 nicht mehr möglich ist567. Dasselbe kann gelten, wenn eine Vertragspartei dauerhaft physisch an der Leistungserbringung oder -entgegennahme gehindert ist568 oder die fortgesetzte Leistungserbringung eine ernsthafte Gesundheits-

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565 566 567 568

Näher Mückl, JURA 2005, 809, 812 m.w.N. Mückl, JURA 2005, 809, 812 m.w.N. Vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 479 f. Vgl. zum Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und § 635 Abs. 3 BGB Palandt /Sprau, BGB § 635 Rn. 10 ff.; PWW/Leupertz, BGB § 635 Rn. 8; MünchKomm/Busche, BGB § 635 Rn. 39; Erman/Schwenker, BGB § 635 Rn. 15; Teichmann, JuS 2002, 417, 420; Helm, Leistungserschwerungen, S. 130 ff. Ob „unangemessene“ Kosten für sich genommen eine frustration bewirken können, ist durchaus zweifelhaft und wohl allenfalls in Ausnahmefällen anzunehmen, vgl. Treitel, Contract, S. 880 ff.; dens., Remedies, S. 66 f.; vgl. auch MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 3. Speziell für Baudienstleistungen vgl. O’Reilly, Civil engineering, S. 29; Uff, Construction Law, S. 177. Hart v AR Marshall & Sons (Bulwell) Ltd [1977] 1 WLR 1067, 1072 (CA). Vgl. zu den Haft und Einziehung zu Wehr- und Kriegsdienst auch McKendrick, in: Chitty on Contracts I, § 23–038 m.w.N. Morgan v Manser [1948] 1 KB 184, 187 ff. per Streatfeild J. Treitel, Contract, S. 872 f.; vgl. ferner McKendrick, in: Chitty on Contracts I, § 23–037. Vgl. zu diesem Themenkomplex auch Treitel, Frustration, §§ 4–015 ff. Vgl. Treitel, Frustration, § 4–017.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

schädigung nach sich ziehen müsste569. Parallel zur Rechtslage bei der Zerstörung des Vertragsgegenstands im Rahmen einer Stückschuld570 wird bspw. der vertraglich engagierte Arzt selbstverständlich frei, wenn der zu behandelnde Patient vor dem sorgfältig gewählten Behandlungstermin stirbt571. Ferner können nachträgliche Veränderungen der Rechtslage zu einer frustration von Dienstleistungsverträgen führen572. So wurde etwa der Vertrag eines solicitors mit einem Gasversorgungsunternehmen durch die Verstaatlichung der Gasversorgung durch den Gas Act 1948 frustriert573. Nach deutschem Recht ist in den erstgenannten Fällen574 neben § 275 Abs. 1 BGB auch an § 275 Abs. 3 BGB zu denken, wonach der Schuldner die Leistung einredeweise verweigern kann, wenn er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Persönlich zu erbringen sind zunächst Leistungen aus Arbeits- und Dienstverträgen (vgl. §§ 611, 613 BGB), aber u.U. auch Leistungen aus Werk- oder Geschäftsbesorgungsverträgen (§ 631 BGB bzw. § 675 Abs. 1 BGB)575. Bei den in § 275 Abs. 3 BGB geregelten Fallgestaltungen ist – anders als im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB – zwischen dem Interesse des Gläubigers an der Leistung und dem Interesse des Schuldners daran, nicht leisten zu müssen, abzuwägen576. In § 275 Abs. 3 BGB (sowie dessen Ergänzung in § 888 Abs. 3 ZPO577) findet sich ein (wiederum strenger gestaltetes) Pendant zu Art. 9:102(2)(c) PECL578, wonach die Erfüllung nicht auf Geld gerichteter Verpflichtung nicht verlangt werden kann, 569 570 571

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Condor v The Barron Knights Ltd [1966] 1 WLR 87, 90 f. per Thompson J. Vgl. dazu Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.436. Vgl. Treitel, Contract, S. 872. Zum Freiwerden des Schuldners (bzw. seiner Erben) im umgekehrten Fall vgl. Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.438; McKendrick, in: Chitty on Contracts I, § 23–036 m.w.N. Vgl. hierzu etwa McKendrick, in: Chitty on Contracts I, § 23–022. Studholme v South Western Gas Board [1954] 1 WLR 313, 320 per Lynskey J; vgl. auch Marshall v Glanvill [1917] 2 KB 87, 90 ff., wo allerdings von einem entsprechenden implied term auszugehen war. Zu den Einberufungsfällen vgl. BAG, NJW 1983, 2782, 2783 f.; MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 118; zu den Fällen einer Gesundheitsschädigung z.B. durch Nichterfüllung von Arbeitgeberpflichten nach § 618 BGB vgl. Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219, 222. Ob der wegen Krankheit arbeitsunfähige Schulder nach § 275 Abs. 1 BGB oder § 275 Abs. 3 BGB frei wird, ist umstritten, vgl. für § 275 Abs. 1 BGB Palandt /Grüneberg, BGB § 275 Rn. 30; Jauernig /Stadler, BGB § 275 Rn. 19, 30; MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 55, 108; a.A. differenzierend danach, ob die Erkrankung die Leistung schlechthin unmöglich macht (§ 275 Abs. 1 BGB) oder nicht (§ 275 Abs. 3 BGB) juris-PK/Alpmann, BGB § 275 Rn. 39; Gotthardt /Greiner, DB 2002, 2106, 2107 m.w.N. Reg. Begr. BT-Drucks. 14/6040, S. 130; Emmerich, Leistungsstörungen, § 3 Rn. 77; MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 112; Erman/Westermann, BGB § 275 Rn. 30; juris-PK/Alpmann, BGB § 275 Rn. 37. Vgl. dazu Mückl, JURA 2005, 809, 810 m.w.N. Vgl. zu Parallelen im englischen Recht Treitel, Remedies, S. 67 f. Canaris, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 17.

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sofern die Erfüllung in der Erbringung von Dienst- und Werkleistungen persönlichen Charakters besteht oder von einer persönlichen Beziehung abhängt. Die Kommentierung zu Art. 9:102 PECL stellt insoweit klar, dass das Tatbestandsmerkmal „Dienstund Werkleistungen persönlichen Charakters“ keine Dienst- und Werkleistungen erfasst, die delegiert werden können579. Daran ändert auch eine Vertragsklausel, die bestimmt, dass eine Werkleistung nicht delegiert werden kann, nicht notwendig etwas. Vielmehr kommt es darauf an, ob für den Vertrag die persönliche Erledigung durch die jeweilige Vertragspartei erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall und können z.B. auch Angestellte die Leistung erbringen, kann eine Klausel, die die Delegation ausschließt, nach Meinung der Verfasser der PECL dahin ausgelegt werden, dass sie lediglich die Delegation an ein anderes Unternehmen, z.B. einen Subunternehmer, verhindern will580. Persönlichen Charakters sollen hingegen Dienstleistungen sein, „die individuelle Fertigkeiten künstlerischer oder wissenschaftlicher Natur erfordern“, bzw. solche Dienstleistungen, „die im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zu erbringen sind“581. § 275 Abs. 3 BGB setzt demgegenüber früher an. So soll es für die Anwendbarkeit dieser Norm nicht darauf ankommen, „dass die Leistung in dem Sinne höchstpersönlich ist, dass allein der Schuldner zur Erbringung der Leistung in der Lage ist, wie es etwa bei künstlerischen oder wissenschaftlichen Leistungen häufig der Fall ist“582. § 275 Abs. 3 BGB soll vielmehr schon Anwendung finden, „wenn zur Erfüllung des Anspruchs auch eine nur persönlich zu erbringende Leistung gehört oder erforderlich ist“583. Insofern soll insbesondere nicht erforderlich sein, dass sich durch den Wechsel in der Person des Leistenden der Inhalt der Leistung verändern würde (§ 399 BGB)584. Für hilfreich wird u.a. aber die Überlegung gehalten, ob der Schuldner die Leistung auch durch Erfüllungsgehilfen erbringen lassen könnte585. Ist die Leistungserbringung aber in dem Sinne aufteilbar, dass der Schuldner lediglich Teilleistungen bzw. das Produkt aus mehreren Teilleistungen im vorgenannnten Sinne „persönlich“ erbringen muss586, wird man § 275 Abs. 3 BGB allerdings stets nur auf diesen persönlich zu bewirkenden Teil der Leistung anwenden können587. Greift Art. 9:102(2)(c) PECL nicht ein, kann eine Befreiung von der Erfüllungspflicht nur auf einen der anderen Befreiungsgründe des Art. 9:102 PECL gestützt werden.

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Vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 480. Zu den Grenzen der Delegierbarkeit vgl. ab S. 559. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 480. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 480. MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 112. MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 112. Erman/Westermann, BGB § 275 Rn. 30. MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 112; Erman/Westermann, BGB § 275 Rn. 30. Bsp.: Der Chirurg setzt die von einer OP-Schwester aufbereiteten Instrumente ein. Nur der Einsatz, nicht aber die Aufbereitung ist „persönlicher“ Natur. Ebenso MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 112.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

bb) Dauerhafte und vorübergehende Leistungshindernisse Denkbar ist (praktisch vor allem bei Baudienstleistungen588) ferner, dass die Vertragsdurchführung nach Vertragsschluss verboten wird, wobei ein (unerwartetes) dauerhaftes Verbot normalerweise die frustration des Vertrages bewirkt589. Eine rechtliche Unmöglichkeit, die vorliegt, wenn der Leistung ein dauerndes Rechtshindernis entgegensteht, führt nach deutschem Recht zu einem Eingreifen des § 275 Abs. 1 BGB und damit zum Freiwerden von der Pflicht zur Naturalerfüllung590. Art. 9:102(2)(a) PECL stellt den Fall der rechtswidrigen Erfüllung explizit dem Fall der Unmöglichkeit gleich und gelangt damit zu demselben Ergebenis. Ist die Durchführung nur vorübergehend verboten, lautet der test für frustration, „wether the interruption was so long as to destroy the identity of the work and service when resumed with the work and service when interrupted“ bzw. „whether the interruption was‚ so great and long as to make it unreasonable to require the parties to go on‘“591. Letztlich geht es dabei um eine Abwägung zwischen der voraussichtlichen Vertragsdauer und der Dauer der Störung, die zugunsten einer frustration ausfällt, wenn bei voraussichtlicher Wiederaufnahme der Arbeiten die Leistung, die angeboten werden kann, wesentlich von der abweicht, die die Parteien bei Vertragsschluss beabsichtigt hatten592. Ein Beispiel dafür bildet die Entscheidung Metropolitan Water Board v Dick Kerr & Co Ltd, in der sich die Beklagten durch Vertrag vom 24.7.1914 – vor Ausbruch des 1. Weltkriegs – verpflichtet hatten, für einen fixen Preis innerhalb von sechs Jahren Wasserreservoirs zu errichten. Nachdem die Bauarbeiten vertragsgemäß begonnen hatten, untersagte die britische Regierung am 21.2.1916 kriegsbedingt deren Fortsetzung. Gleichzeitig beschlagnahmte und verkaufte sie die Ausrüstung und das vorhandene Baumaterial. Das Bauverbot wirkte bis ins Jahr 1918 fort, in dem das House of Lords entschied, der Vertrag sei per frustration beendet593. Ist der Vertrag über die Errichtung eines bestimmten Gebäudes frustriert, schlägt dies beim traditionellen building contract auch auf die Leistungspflichten des vertraglich mit dem Entwurf ebendieses Gebäudes sowie der Überwachung des Baufortschritts betrauten Architekten durch594. Vor dem Hintergrund der in Metropolitan Water Board getroffenen Feststellungen können bloße Verzögerungen, die – anders als in der Entscheidung – nicht einmal

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Zur Frustration in diesem Kontext vor allem Emden/Palmer, §§ III–353 ff. Vgl. Walton Harvey Ltd v Walker and Homfrays Ltd [1931] 1 Ch 274, 281 ff. per Lord Hanworth MR (CA). Statt aller Palandt /Grüneberg, BGB § 275 Rn. 16. Cricklewood Property & Investment Trust Ltd v Leighton’s Investment Trust Ltd [1945] AC 221, 236 per Lord Wright (HL) insoweit ältere Entscheidungen wiedergebend und bestätigend. Vgl. Emden/Palmer, § III–361 m.w.N. Metropolitan Water Board v Dick Kerr & Co Ltd [1918] AC 119, 126 f. per Lord Finlay LC, 128 f. per Lord Dunedin (HL); vgl. für einen weiteren Fall der frustration eines Bauvertrags durch Zeitablauf (hier: Verhinderung des Weiterbaus infolge eines Erdrutsches) Wong Lai Ying v Chinachem Investment Co Ltd (1979) 13 BLR 81 per Lord Scarmann (PC, lexis). Vgl. Keating, Building Contracts, S. 112; Uff, Construction Law, S. 177.

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einen Baustopp bewirken, jedenfalls keine frustration herbeiführen595. Insofern trägt das Risiko einer dem Bauherrn nicht zurechenbaren Bauverzögerung sowie einer (etwa durch Material- oder Arbeitnehmerknappheit verursachten) Erhöhung der Baukosten grundsätzlich der Unternehmer596. Ferner wird das Risiko der Unmöglichkeit einer den vernünftigen Erwartungen des Gläubigers entsprechenden Vertragsdurchführung regelmäßig dem sachkundigen Schuldner zugewiesen597. Das reformierte deutsche Schuldrecht regelt (anders als noch der Regierungsentwurf 598) die vorübergehende oder einstweilige Unmöglichkeit – insoweit im Gegensatz zur Regelung des vorübergehenden Leistungshindernisses in Art. 8:108(2) PECL599 – nicht explizit. Aus § 275 Abs. 1 BGB folgt aber – parallel zur Entschuldigungsregelung des Art. 8:108(2) PECL –, dass der Schuldner im Fall vorübergehender Leistungshindernisse zunächst nicht endgütlig von der Naturalerfüllungspflicht befreit wird, sondern lediglich der Erfüllungsanspruch zeitweilig suspendiert ist600. Aus Art. 8:101(2)PECL i.V.m. Art. 8:108(2) PECL folgt grundsätzlich dasselbe601. Zusätzlich wird der Schuldner während des Entschuldigungszeitraums aber auch von Schadensersatzverpflichtungen entlastet (Art. 8:101(2) PECL). Auch ein nur vorübergehendes Leistungshindernis kann freilich eine endgültige Unmöglichkeit bewirken, z.B. beim absoluten Fixgeschäft, wenn der Leistungstermin verstrichen und wegen des Fixcharakters eine Nachholung der Leistung ausscheidet602. Allgemeiner lässt sich dieses Phänomen mit einem „Ablauf des Erfüllungszeitraums“ umschreiben603. Für den Schuldner besteht nach überwiegender Auffassung im deutschem Recht losgelöst davon die Möglichkeit, die vorübergehende Unmöglichkeit mit der endgültigen Unmöglichkeit gleichzustellen, wenn ein weiteres Abwarten unzumutbar ist604. Dies ist anzunehmen, wenn die vorübergehende Unmöglichkeit die Erreichung des Geschäftszwecks in Frage stellt und dem anderen Teil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses unter Berück-

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Keating, Building Contracts, S. 112. Davis Contractors Ltd v Fareham UDC [1956] AC 696, 731 per Lord Radcliffe (HL). Ebenso lassen Preisschwankungen – selbst wenn sie enorm sind – die Wirksamkeit des Vertrages grundsätzlich unberührt, vgl. British Movietonews Ltd v London & London and District Cinemas Ltd [1952] AC 166, 185 per Viscount Simon (HL). Vgl. ab S. 91. Dazu z.B. Däubler, FS Heldrich, S. 55; Medicus, FS Heldrich, S. 347 f. In Art. 9:102 PECL fehlt indessen eine ausdrückliche Berücksichtigung. Vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2005, 989, 990; Medicus, FS Heldrich, S. 347, 349; Däubler, FS Heldrich, S. 55, 65; S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 78; Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 478 f.; Canaris, FS U. Huber, S. 143, 146 ff. Vgl. auch von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 462. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 633; AG Köln, NJW 2002, 833; weitere Beispielsfälle und Nachweise z.B. bei Däubler, FS Heldrich, S. 55, 56 ff. Vgl. nur Canaris, FS U. Huber, S. 143, 158. Medicus, FS Heldrich, S. 347, 351; S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 78; gegen diese „Unzumutbarkeitsformel“ jetzt Canaris, FS U. Huber, S. 143, 158 f., der für eine Anwendung von § 313 BGB plädiert.

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sichtigung aller Umstände605 nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist606. Der Gläubiger kann hingegen – angesichts der Möglichkeit, auch im Fall endgültiger Unmöglichkeit einen Rücktritt zu erklären (§ 326 Abs. 5 BGB) – in zweifelhaften Fällen durch Rücktritt nach Fristsetzung klare Verhältnisse schaffen607. Ein funktionelles Äquivalent hierzu ist Art. 8:108(2) PECL. Nach dieser Norm kann der Gläubiger die Verzögerung, sofern sie eine wesentliche Nichterfüllung darstellt, als solche behandeln (ebenso Art. III. – 3:104(3) S. 2 DCFR). D.h., sofern die Verzögerung wesentlich i.S.d. Art. 8:103 PECL ist, steht ihm zunächst nach Art. 9:301(1) PECL (Art. III. – 3:502(1) DCFR) das Recht zur Vertragsaufhebung zu. Dabei ist zu beachten, dass der Gläubiger im Falle einer lediglich zeitweiligen Entschuldigung darüber hinaus auf das in Art. 8:106(3) PECL normierten Verfahren zurückgreifen kann608. Dies bedeutet, dass der Gläubiger – funktionell parallel zu § 323 BGB – auch im Falle einer Verzögerung der Leistung609, die nicht wesentlich ist, im Zusammenhang mit der Gewährung einer Nachfrist gemäß Art. 8:106(1) PECL bestimmen kann, dass der Vertrag ohne weiteres aufgehoben ist, wenn der Schuldner nicht innerhalb der durch die Erklärung gewährten Frist erfüllt. Insofern kann der Gläubiger mittels Nachfristsetzung mit Aufhebungserklärung den Zeitfaktor in den Rang eines für den Vertrag entscheidenden Umstands erheben610. Das Verstreichenlassen der Frist führt jedoch – trotz des insoweit ein wenig missverständlichen Wortlauts des Art. 8:106(3) PECL – nicht dazu, dass der Vertrag automatisch aufgehoben wird. Vielmehr folgt im Umkehrschluss aus Art. 9:301(2) PECL, dass der benachteiligten Partei im Falle des ungenutzten Verstreichenlassens der Nachfrist lediglich das Recht zusteht, den Vertrag aufzuheben611.

cc) Zwischenfazit Im Allgemeinen sind englische Gerichte mit der Annahme einer frustration von Dienstleistungsverträgen612 ebenso wie mit der Annahme einer frustration in anderem Kontext nicht schnell bei der Hand. Verpflichtet sich ein Bauunternehmer z.B., ein 605

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„Gesichtspunkte für die Abgrenzung zwischen zeitweiliger und dauernder Unmöglichkeit“ bei Medicus, FS Heldrich, S. 347, 354 ff. BGHZ 83, 197, 200; BGH, NJW 2007, 3777, Tz. 24; OLG Karlsruhe, BeckRS 2004, 12515 (in NJW 2005, 989, 990 nicht abgedruckt); Palandt /Grüneberg, BGB § 275 Rn. 11. Dann kann nämlich offen bleiben, ob der Rücktritt nach § 323 BGB oder § 326 Abs. 5 BGB i.V.m. § 323 BGB erfolgt ist, vgl. nur S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 25 f., 78. Vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 463, wo (irrtümlich) auf Art. 8:106(2) PECL Bezug genommen wird, der Kontext aber klarstellt, dass Art. 8:106(3) PECL gemeint ist. Mit dem Recht der Verzögerung der Leistung will S. Lorenz (in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 79 m.w.N. zum Streitstand) die Fälle der vorübergehenden Unmöglichkeit nach deutschem Recht lösen. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 463. Vgl. auch von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 452.

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Gebäude zu errichten, und wird dieses vor Fertigstellung durch Feuer, eine Flutkatasrophe o.ä. zerstört, wird er dadurch – soweit nichts anderes vereinbart ist (vgl. etwa cl. 20 RIBA Form of Contract 1963)613 – grundsätzlich nicht von seiner Leistungspflicht frei614. Der Vertrag ist in der Regel (soweit nicht gerade der Grund und Boden, auf dem das Gebäude errichtet werden soll, zerstört wird615) nicht frustrated. Dieses Ergebnis korrespondiert zwar mit der in § 644 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehenen Gefahrverteilung, nicht jedoch mit der in § 644 Abs. 1 S. 3 BGB geregelten Zuweisung des Zufallsrisikos an den Besteller, die freilich auf der Sekundärebene dadurch relativiert wird, dass dem Unternehmer gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen eines vom Besteller geführten Schadensersatzprozesses der Entlastungsbeweis obliegt616. Entgegengekommen wird dem Unternehmer allerdings im Vergleich zu den allgemeinen Regeln des § 275 BGB durch die Sonderregel des § 635 Abs. 3 BGB für die Nacherfüllung. Die Fälle, in denen nach deutschem Recht eine Befreiung von der Naturalerfüllungspflicht erfolgt, dürften – insbesondere im Rahmen des § 275 BGB – ebenfalls nicht eben häufig sein617, sind jedoch losgelöst davon praktisch deshalb weniger brisant als das Eingreifen der doctrine of frustration, weil die §§ 275, 635 Abs. 3 BGB keine Aussage über eine etwaige Schadensersatzverpflichtung des Schuldners treffen. Anders ist dies im Falle des Eingreifens der doctrine of frustration.

d)

Rechtsfolgen der Frustration

aa) Haftungsbefreiung und Restitution Rechtsfolge der frustration ist nämlich die Haftungsbefreiung, womit zwar zunächst die Befreiung von der Haftung wegen Nichterfüllung gemeint ist. Da aber die order to specific performance einen at law klagbaren Vertrag voraussetzt618, ist gleichzeitig auch der Anspruch specific performance ausgeschlossen. Dies bedeutet, dass die frustration stets auf die Verpflichtung zur Erfüllung in Natur durchschlägt619. Davon bleibt die Pflicht zur Gegenleistung nicht unberührt: Im Vertrag angelegte, aber noch nicht

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So sind z.B. Fälle, in denen building oder engineering contracts frustriert werden, nicht eben häufig, vgl. Uff, Construction Law, S. 177. Die Klausel ist abgedruckt bei Keating, Building Contracts, S. 346 ff. und ebenda S. 349 ff. mit einem Kommentar versehen. Gold v Patman & Fotheringham Ltd [1958] 1 WLR 697, 703 f. per Hodson LJ (CA). In diesem Fall liegt – parallel zu der Entscheidung Taylor v Cadwell (1863) 3 B & S 826 – typischerweise eine frustration vor, vgl. Keating, Building Contracts, S. 112. Vgl. Palandt /Sprau, BGB §§ 644, 645 Rn. 4. Fälle der Leistungserschwerung im Werk- und Dienstvertragsrecht, in denen potentiell einer der Absätze des § 275 BGB eingreifen könnte, referiert z.B. Helm, Leistungserschwerungen, S. 30 ff. Schmidt-Kessel, Standards, S. 48; ebenso im amerikanischen Recht vgl. Neufang, Erfüllungszwang, S. 121 f. Schmidt-Kessel, Standards, S. 48.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

fällige Ansprüche auf die Gegenleistung entfallen nach common law620 und dasselbe gilt – allerdings nicht nach common law621 – gemäß s. 1(2) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 weitgehend für bereits fällige Ansprüche622. Nach common law kann also etwa der Bauunternehmer, der einen lump sum contract (Festpreis) abgeschlossen hat, bei dem die Vergütung erst mit Vollendung des Bauwerks fällig wird, die Kosten seiner Tätigkeit bis zur frustration nicht vom Bauherrn ersetzt verlangen623. S. 1 Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 ermöglicht jedoch – zusammenfassend – eine Teilung der vor frustration entstandenen Kosten und der erlangten Vorteile nach (weitgehendem) Ermessen des Gerichts624. Auf diesem Wege kann ein contractor also eine Teilvergütung bzw. den (teilweisen) Ersatz von Auslagen erlangen, während der Bauherr u.U. einen Teil seiner bislang gezahlten Vergütung zurück erhält625. Die sich ergebenden Ausgleichsansprüche entstammen dem Recht der restitution und wären nach der Systematik des deutschen Rechts u.a. den §§ 812 ff. BGB zuzuordnen626. Insofern findet die frustration in §§ 275 Abs. 1, 313 Abs. 1 BGB nur partielle Funktionsäquivalente. Denn gemäß § 313 Abs. 1 BGB ist der Vertrag zunächst anzupassen, während die regelmäßige Rechtsfolge der frustration die Vertragsauflösung ist. Die vorgenannte Möglichkeit, eine Teilvergütung zu erlangen, nützt dem Schuldner (z.B. dem Architekten) jedoch nichts, wenn er nicht nachweisen kann, dass der Gläubiger (d.h. hier: der Bauherr) einen geldwerten Vorteil erlangt hat (zur Beweislast vgl. s. 1(3) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943). Denn der Wert dieses nachgewiesenen Vorteils bildet zugleich die Obergrenze potentieller Restitutionsansprüche des contractors. Hat der Bauherr also keinen geldwerten Vorteil erlangt – z.B. weil das Gebäude vor Nutzung vollkommen zerstört wurde – oder misslingt der Nachweis, erhält der Bauunternehmer gar nichts627. Da s. 2(3) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 einer vertraglichen Regelung der Störungfolgen den Vorrang einräumt, macht es häufig Sinn, den Umgang mit den wahrscheinlichsten Störungen ausdrücklich zu regeln628. 620

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CT Bowring Reinsurance Ltd v M.R. Baxter (The M. Vatan and M. Ceyham) [1987] 2 Lloyd’s Rep 416, 425 per Hirst J (HC); Keating, Building Contracts, S. 113; Uff, Construction Law, S. 178. Chandler v Webster [1904] 1 KB 493, 497 ff. per Collins MR, 501 per Romer LJ, 501 f. per Mathew LJ (CA); Treitel, Contract, S. 910 f. Die betreffenden Ansprüche konnten im Grundsatz auch noch nach dem Vertragsscheitern durchgesetzt werden, Bowring (CT) Reinsurance Ltd v M.R. Baxter (The M. Vatan and M. Ceyham) [1987] 2 Lloyd’s Rep 416, 424 per Hirst J (HC). Zum diesem Gesetz etwa Treitel, Contract, S. 910 ff. Appleby v Myers (1867) LR 2 CP 651, dazu Treitel, Frustration, § 15–048; Keating, Building Contracts, S. 113. Riesenhuber, BB 2004, 2697; näher Treitel, Frustration, §§ 15–044 ff., 15–051 ff.; Emden/ Palmer, §§ III–394 ff. Keating, Building Contracts, S. 114. Schlechtriem, Restitution, Bd. I, Kap. 1 Rn. 107 ff., Kap. 2 Rn. 205, Kap. 3 Rn. 194, 652 ff.; Riesenhuber, BB 2004, 2697. Keating, Building Contracts, S. 114.

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bb) Ausschluss von Pflichtverletzung und Schadensersatzansprüchen Insofern besteht eine rechtsfolgenseitige Divergenz nicht nur zwischen der frustration und der Regelung des § 313 BGB, sondern auch im Vergleich mit § 275 BGB: Beruft sich eine Vertragspartei vor Gericht auf frustration, betrifft dies häufig Konstellationen, in denen sie vorträgt, sie habe sich für berechtigt gehalten, wegen einer Störung vom Vertrag abzugehen629. Ziel ist dabei zwar die Verteidigung gegen Schadensersatzansprüche. Dogmatisch soll dieses Ergebnis aber – und darauf kommt es hier an – dadurch erreicht werden, dass bereits die Möglichkeit eines Vertragsbruchs ausgeräumt wird. Denn sofern die die frustration eingreift, kann weder die Vertragsstörung noch das Abgehen vom Vertrag als Vertragsbruch qualifiziert werden; der Schuldner wird insgesamt frei.

cc) Vergleich mit dem deutschen Recht, den PECL und dem DCFR Das Eingreifen des § 275 BGB bewirkt hingegen lediglich eine Befreiung des Schuldners von der Verpflichtung zur Naturalerfüllung, präjudiziert aber die Frage der Pflichtverletzung ebenso wenig630 wie die Art. 8:108, 9:102 PECL, III. – 3:104, 3:302 DCFR die Frage der Nichterfüllung präjudizieren. Insofern war die frustration mit § 275 Abs. 1 BGB a.F. näher verwandt als mit dem geltenden § 275 Abs. 1 BGB631, enthielt dieser doch bereits seinem Wortlaut nach das Erfordernis, dass der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten haben dürfe, was nach § 275 Abs. 1 BGB nicht erforderlich ist. Art. 8:101(2) PECL, III. – 3:101 DCFR schließen den Erfüllungsanspruch (ebenso wie den Schadensersatzanspruch632) hingegen – insoweit ähnlicher der doctrine of frustration als dem deutschen Recht – nicht aus, falls die Nichterfüllung nicht i.S.d. Art. 8:108 PECL, III. – 3:104 DCFR entschuldigt ist. Dies ist der Fall, wenn die nichterfüllende Partei nicht beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu beseitigen. Eine Annährung an das deutsche und folglich eine Entfernung vom englischen Recht bedeutet aber der Ausschluss des Erfüllungsanspruchs nach Art. 9:102 PECL, III. – 3:302 DCFR, da das Nichtentschuldigtsein der Nichterfüllung für das Eingreifen dieser Norm keine Rolle spielt. An die Stelle der Pflicht zur Naturalleistung tritt nach deutschem Recht, sofern der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten hat (vgl. §§ 283 S. 1, 276, 278 BGB), die Pflicht – statt der ursprünglichen Leistung – Schadensersatz zu leisten. 628 629 630

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Keating, Building Contracts, S. 114. Zu den häufigsten prozessualen Konstellationen Schmidt-Kessel, Standards, S. 50 ff. Palandt /Grüneberg, BGB § 275 Rn. 1 f.; MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 67 f.; Mückl, JA 2004, 928, 930. Schmidt-Kessel, Standards, S. 55 f. Sonstige Rechtsbehelfe, wie Minderung oder Vertragsaufhebung, bleiben davon im Umkehrschluss aus Art. 8:101(2) PECL unberührt.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

Wie Ernst treffend beschreibt, beseitigt § 275 BGB also nur die Verpflichtung zur Leistungserbringung in Natur, nicht aber das „Bekommensollen“ der Leistung633. Die Leistungspflicht bildet dementsprechend, wenn und soweit der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat634, in Form des positiven Interesses den Maßstab für die Schadensersatzverpflichtung635. Insofern wird angenommen, § 275 BGB schließe zwar den Anspruch des Gläubigers auf die Leistung selbst aus, lasse die Verpflichtung des Schuldners zur „Leistungserbringung“ aber bestehen und wandele den Pflichtinhalt lediglich von der Naturalleistung in „Schadensersatz statt der Leistung“ um bzw. Naturalerfüllung und Schadensersatz statt der Leistung seien lediglich zwei unterschiedliche Aspekte der Verpflichtung des Schuldners636. Die Konstruktion der Pflichtverletzung im Rahmen der §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB, die zumindest auf der Grundlage des Begriffsverständnisses von „Pflicht“, das nach altem Schuldrecht vorherrschte, nicht unbedingt augenfällig ist637, bereitet dann ebensowenig Schwierigkeiten wie die Behandlung der „vorübergehenden“ Unmöglichkeit638. Während § 275 BGB also lediglich den Anspruch auf Naturalerfüllung sperrt, kann die daneben mögliche Anwendbarkeit von § 313 BGB zu einer Umgestaltung des ganzen Vertrages führen639, die im Übrigen auch aus einer trotz Befreiung nach § 275 BGB vorliegenden Pflichtverletzung resultierende Schadensersatzansprüche vermeidet. Denn § 275 BGB und § 313 BGB erfüllen unterschiedliche Funktionen640 und stehen grundsätzlich nebeneinander641.

2.

Haftungsentlastung durch vertragliche Risikoverteilung

Vorrang vor den richterrechtlich entwickelten Regeln der frustration hat nach englischem Recht die vertraglich normierte Risikoverteilung. Insofern greift die frustration nur ein, falls der Vertrag keine Regelung über den Umgang mit der eingetretenen Störung vorsieht (vgl. auch s. 2(3) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943)642. Die Begründungen dieser Vorrangregel sind infolge der umstrittenen Grundlagen der 633 634

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MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 68. Zum Bezugspunkt des Vertretenmüssens vor allem S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 47 ff.; a.A. etwa Harke, ZGS 2006, 9 ff.; Fest, JURA 2005, 734 ff. MünchKomm/Ernst, BGB § 275 Rn. 68. So Schmidt-Kessel, Standards, S. 55 m. Fn. 83 („… Pflicht zur Leistung bleibt … bestehen und bildet die Basis für den Schadensersatzanspruch“); Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht, Rn. 478 f.; PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 275 Rn. 12 f. Eingehend Mückl, JA 2004, 928, 930 ff. Vgl. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 478 f. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 485. Vgl. zur tatbestandlichen Abgrenzung des § 275 Abs. 2 BGB von § 313 BGB Mückl, JURA 2005, 809, 810 f. m.w.N. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 485. Vgl. Mückl, JURA 2005, 809, 811 m.w.N. Bangaladesh Export Import Co Ltd v Sucden Kerry SA [1995] 2 Lloyd’s Rep 1, 5 per Neill LJ (CA); McAlpine Humberoak v McDermott International (1992) 58 BLR 1 per Lloyd LJ (CA, lexis); Admiral Shipping Co v Weidner, Hopkins & Co [1916] 1 KB 429, 438 per Bailhache J

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frustration heterogen643. Fest steht jedenfalls, dass die eine frustration ausschließende Risikozuweisung explizit oder implizt erfolgen kann644. Die doctrine of frustration ist insgesamt unanwendbar645, sofern das in der eingetretenen Störung realisierte Risiko autonom zugewiesen worden ist646. Dazu muss die Vertragsbestimmung hinsichtlich der betreffenden Störung „full and complete“ sein647, wobei sich dieses Vollständigkeitserfordernis sowohl auf die Anwendungsvoraussetzungen der Klausel, als auch auf ihre Rechtsfolgen bezieht648. Die Auslegungspraxis ist insoweit (sehr) restriktiv. Es gelingt eher selten, die frustration so auszuschalten649. Der Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle, weil häufig argumentiert wird, die Risikozuweisungsklausel erfasse die eingetretene Störung nicht, da die Parteien sie nicht vorhergesehen hätten650. Eine eigenständige Rolle spielt der Einwand anderweitiger vertraglicher Risikoverteilung ferner in den Fällen der Haftung für die eingetretene Störung selbst651. Er ist hier eher geeignet, den zur Verteidigung vorgebrachten Einwand der frustration auszuschließen, zumal die einschlägigen Vertragsbestimmungen den Ausschluss meist im Wege einer effektiven Risikoverteilung zu Lasten des Haftenden herbeiführen. Geschieht dieser dagegen umgekehrt durch Haftungsentlastungsklauseln, ist eine ausgewogene Risikoverteilung bei Fehlschlagen des Einwands der frustration regelmäßig dadurch gewährleistet, dass der Verfahrensausgang davon abhängt, ob die betreffende Partei (Schuldner und/oder Gläubiger) im Hinblick auf die eingetretene Störung selbst hinreichend sorgfältig gehandelt hat652, ob die frustration also self-induced ist. Der für das englische Recht konstatierte Vorrang vertraglicher Risikoverteilung gegenüber der doctrine of frustration findet im Vorrang vertraglicher Risikoverteilung vor den gesetzlichen Leistungsstörungsregeln der §§ 275, 635 Abs. 3, 313 BGB zunächst hinsichtlich des Anspruchs auf Naturalerfüllung eine Parallele. Praktisch wichtig dürfte dies vor allem für die Befreiungstatbestände der §§ 275 Abs. 2, 635 Abs. 3, 313 Abs. 1 BGB sein. In §§ 275 Abs. 2, 313 Abs. 1 BGB wird der Vorrang der

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(HC); O’Reilly, Civil engineering, S. 29; Galbraith, Building Law, S. 137; Treitel, Contract, S. 898; ders., in: Birks, Private Law, § 8.459; Schmidt-Kessel, Standards, S. 91 ff. Vgl. zu den Begründungsmustern für die frustration nur Schmidt-Kessel, Standards, S. 77 ff. und für die Vorrangregel ebenda S. 99 f. Durch die Wahl eines bestimmten Vertragstyps kann die frustration allerdings – obwohl dies bisweilen angedeutet wird – nicht ausgeschlossen werden, vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 103 ff. Emden/Palmer, § III–373. Vgl. Joseph Constantine Steamship Line Ltd v Imperial Smelting Corp Ltd [1942] AC 154, 163 per Viscount Simon LC (HL); Treitel, Frustration, § 12–002. Cricklewood Property & Investment Trust Ltd v Leighton’s Investment Trust Ltd [1945] AC 221, 228 per Viscount Simon LC (HL); Keating, Building Contracts, S. 110. Näher und mit zahlreichen Nachweisen Schmidt-Kessel, Standards, S. 93 ff. Bank Line Ltd v Arthur Capel & Co [1919] AC 435, 455 per Lord Summer (HL). Bank Line Ltd v Arthur Capel & Co [1919] AC 435, 456 per Lord Summer (HL). Schmidt-Kessel, Standards, S. 98, zu Auflockerungstendenzen ebenda S. 110 f. Schmidt-Kessel, Standards, S. 118. Schmidt-Kessel, Standards, S. 112 f. Schmidt-Kessel, Standards, S. 113.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

vertraglichen Risikoverteilung sogar ausdrücklich angesprochen653. Für die Principles und den DCFR gilt nichts anderes. Art. 8:108 PECL ist jedenfalls dispositiv654 (vgl. Art. 1:102 PECL, II. – 1:102 DCFR). Art. 9:102(2)(b), (d) PECL, III. – 3:302 DCFR dürften sich in den Grenzen von Treu und Glauben (Art. 1:102, 1:201 PECL) abbedingen bzw. modifizieren oder in ihrer Anwendung steuern lassen. Losgelöst davon sagt Art. 9:102(2) PECL nichts über die Verpflichtung, Schadenseratz leisten zu müssen, aus. Art. 8:108 PECL ist demgegenüber dispositiv und der Haftungsstandard insofern nicht zwingend durch Art. 8:101(2) PECL vorgegeben, sondern in den Grenzen von Treu und Glauben bzw. des redlichen Geschäftsverkehrs (Art. 1:102, 1:201 PECL) frei vereinbar. Entsprechendes gilt nicht nur für den DCFR, sondern auch für das deutsche Recht. Dieses geht zwar in §§ 311 a Abs. 2, 280 Abs. 1, 276 Abs. 1 S. 1 1. HS BGB vom Verschulden als dem Regelstandard vertraglicher Schadensersatzhaftung aus655. Dieser Standard ist aber – wie bereits der Wortlaut des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB unmissverständlich klarstellt – in den Grenzen der §§ 157, 242 BGB ebenfalls frei vereinbar656.

II.

Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages

Wenden wir uns wieder der Haftung im Fall des Scheiterns des Vertrages zu, ist zunächst zu konstatieren, dass eine frustration des Vertrages den Schuldner nicht entlastet, wenn sie self-induced ist.

1.

Self-induced Frustration

Denn falls die frustration in einer dem Verpflichteten zurechenbaren Weise herbeigeführt worden, d.h. self-induced657 ist, entlastet das Scheitern des Vertrages ihn nicht658, wobei die Zurechnung nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgt, aber 653

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657 658

Vgl. zum Vorrang der vertraglichen Risikoverteilung vor der dispositiven Risikoregelung des § 275 Abs. 2 BGB nur Mückl, JURA 2005, 809, 810 m.w.N. Vgl. zur Dispositivität des Art. 8:108 PECL von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 459. Vgl. nur BGH, NJW 2006, 47, 49 vgl. ferner in Fußnote 444. Zur Vereinbarkeit verschuldensunabhängiger Standards vgl. S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 59 ff. m.w.N.; zur Übernahme eines Beschaffungsrisikos eingehend Canaris, FS Wiegand, S. 179, 202 ff. Bank Line Ltd v Arthur Capel & Co [1919] AC 435, 452 per Lord Summer (HL). Joseph Constantine Steamship Line Ltd v Imperial Smelting Corp Ltd [1942] AC 154, 191 per Lord Wright (HL); Treitel, in: Birks, Private Law, §§ 8.465 ff.; McKendrick, in: Chitty on Contracts I, §§ 23–059 ff.; Emden/Palmer, § III–393. Die self-induced frustration ist – zumindest nach herrschender Auffassung – überhaupt keine frustration, vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 191 ff. Hinter der doctrine of self-induced frustration steht der als allgemeines Rechtsprinzip anerkannte Gedanke, dass die Rechtsordnung niemandem Vorteile aus eigenem Fehlverhalten gewährt, vgl. Joseph Constantine Steamship Line Ltd v Imperial Smelting

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

89

kein autonomer Maßstab existiert659. Fallgruppen der self-induced frustration sind zum einen die Fälle der unberechtigten Vertragsaufsage (repudiation)660 und zum anderen die der Verletzung von vorbereitenden, begleitenden und sichernden Pflichten, deren Verletzung die Nichterfüllung der zentralen Vertragspflicht erst nach sich zieht. Insofern ist zunächst wiederum zwischen einer Haftung für die Vertragsaufsage und einer Haftung für die Störung zu differenzieren661. Vernachlässigt werden kann hingegen regelmäßig der Fall, dass erst mit dem Abgehen vom Vertrag eine Störung eintritt. Da – sofern nicht das Abgehen selbst berechtigt ist – in dem Abgehen typischerweise eine repudiation liegt, die ihrerseits zur Haftung führt, scheidet eine frustration (ob self-induced oder nicht) regelmäßig aus662. Folgerichtig hält die frustration insoweit auch keinen eigenen Haftungsmaßstab vor663. Die Ausbildung eines solchen Maßstabs ist seit der Einführung der Unterscheidung zwischen „some outside event or extraneous change of situation“ und fault, default oder blame664 durch Lord Brandon of Oakbrook665 und der Übernahme dieser Differenzierung durch Bingham LJ666 auch für die andere Fallkonstellation (Haftung wegen einer nicht durch das Abgehen vom Vertrag verursachten Störung) weitgehend entbehrlich667. Denn in den Entscheidungen, in denen die frustration deswegen ausgeschlossen wurde, weil sie erst durch die Auswahlentscheidung einer Partei eintrat668, standen dieser Vertragspartei entweder Wege zur vertragsgemäßen Erfüllung ohne Hinderung durch die eingetretene Störung offen669, sodass es einem zur Entlastung des Schuldners hinreichend schweren Erfüllungshindernis fehlte670, oder eine Haftungsentlastung war

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Corp Ltd [1942] AC 154, 160 per Viscount Simon LC, S.200 f. per Lord Porter (HL); Mertens v Home Freeholds Co [1921] 2 KB 526, 536 per Lord Sterndale MR, 539 f. per Warrington LJ (CA). Schmidt-Kessel, Standards, S. 505. Vgl. dazu CFW Architects (A Firm) v Cowlin Construction Ltd (2006) 105 ConLR 116, Tz. 113 per HJ Thornton QC (TCC). Schmidt-Kessel, Standards, S. 196 f. Schmidt-Kessel, Standards, S. 504. Schmidt-Kessel, Standards, S. 504. Vgl. J Lauritzen AS v Wijsmuller BV (The Super Servant Two) [1989] 1 Lloyd’s Rep 148, 155 ff. per Hobhouse J (HC). Paal Wilson &Co A / S v Partenreederei Hannah Blumenthal (The Hanna Blumenthal) [1983] 1 AC 854, 909 per Lord Brandon of Oakbrook (HL). J Lauritzen AS v Wijsmuller BV (The Super Servant Two) [1990] 1 Lloyd’s Rep 1, 8 per Bingham LJ (CA). Schmidt-Kessel, Standards, S. 505. Zu diesen sog. election-Fällen Schmidt-Kessel, Standards, S. 142 ff. Vgl. J Lauritzen AS v Wijsmuller BV (The Super Servant Two) [1990] 1 Lloyd’s Rep 1, 9 per Bingham LJ (CA). Schmidt-Kessel, Standards, S. 150, 505. Es geht dabei z.B. um Fälle, in denen eine Person mehrere Verträge geschlossen hat, und danach ein Ereignis eintritt, welches lediglich die Erfüllung einiger, nicht aber aller Verträge zulässt. Der Schuldner muss dann also wählen, welchen Vertrag er nicht erfüllen möchte. Treitel hat demgegenüber eingewendet, diese Begründung einer self-induced frustration unterminiere die gesamte Grundlage der doctrine

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

durch ein Fehlverhalten der Partei ausgeschlossen671. In den praktisch wichtigen Fällen der unstreitigen Externalität der Störung (die Störung entspringt nicht der Sphäre des Verpflichteten) orientiert man sich im Rahmen des self-inducement an dem für die jeweils verletzte nachgeordnete Vertragspflicht maßgeblichen Haftungsstandard. Die self-induced frustration ist hier allein Verweisungsnorm672. Bei der Haftung für die eingetretene Störung spielen richterrechtlich entwickelte Verhaltensmaßstäbe eine zentrale Rolle673. Das self-inducement wird dabei maßgeblich durch die Beweislastverteilung 674, die einzelnen vertraglichen Pflichten, die mit ihnen verbundene Haftungsmaßstäbe und Schutzzwecke sowie den Umfang der Verantwortung für das Verhalten Dritter gesteuert675. Das englische Recht tut sich bei der Bestimmung der an die Vermeidbarkeit externer Störungen anzulegenden Standards wesentlich schwerer als das deutsche Recht. Denn jedenfalls für die self-induced frustration fehlt es an gesicherten Mechanismen zur Konkretisierung von Haftungsstandards, die eine Haftung nicht allein durch das bloße Verfehlen des vertraglich geschuldeten Erfolgs auslösen676. Das deutsche Recht stellt insoweit § 276 BGB, die Modellregeln Art. 1:107 PELSC (Art. IV.C. – 2:105 DCFR) zur Verfügung. Die sich mit dieser Kategorie der self-induced frustration beschäftigenden Entscheidungen handeln von vorbereitenden, begleitenden und sichernden Pflichten, deren Verletzung die Nichterfüllung der zentralen Vertragspflicht erst nach sich zieht677, sodass der die frustration ausschließende Vertragsbruch nicht derselbe wie derjenige ist, wegen dem die betreffende Partei in Anspruch genommen werden soll. Prozessual betrachtet, stellt sich diese Konstellation vielmehr wie folgt dar678: Gegen den Vorwurf des Vertragsbruchs verteidigt sich der Beklagte mit dem Einwand der frustration. Der Kläger repliziert nun, zwar sei der Vertrag gescheitert (genau das wirft er der Gegenseite ja im Kern vor; insoweit besteht Übereinstimmung), doch sei die frustration self-induced. Zur Begründung des self-inducement kann sich Kläger nun, will er nicht in einen vitiosen Zirkel geraten, zwar nicht auf die (den zentralen Vorwurf bildende) frustration selbst berufen. Doch das muss er auch nicht. Stattdessen macht er geltend, das self-inducement folge aus der Verletzung einer der die zentrale Vertragspflicht vorbereitenden, begleitenden oder sichernden Pflichten679.

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of frustration, da die fehlende Erfüllungsmöglichkeit dem Schuldner nicht zuzurechnen sei Treitel, in: Birks, Private Law, § 8.468; ders., Contract, S. 906 ff. Diese Argumentation wurde indessen ausdrücklich mehrfach gerichtlich zurückgewiesen, J Lauritzen AS v Wijsmuller BV (The Super Servant Two) [1989] 1 Lloyd’s Rep 148, 158 per Hobhouse J (HC); [1990] 1 Lloyd’s Rep 1, 13 f. per Dillon LJ (CA); kritisch dazu wiederum Treitel, Contract, S. 907 f. Schmidt-Kessel, Standards, S. 150. Schmidt-Kessel, Standards, S. 505. Vgl. dazu gleich noch einmal im Text. Ausführlich Schmidt-Kessel, Standards, S. 152 ff. Zu ihr etwa Treitel, Contract, S. 908; Schmidt-Kessel, Standards, S. 187 ff. Schmidt-Kessel, Standards, S. 198. Schmidt-Kessel, Standards, S. 200. Schmidt-Kessel, Standards, S.199, dort auch zum Folgenden. Zur Beweislastverteilung vgl. auch Emden/Palmer, § III–393.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

2.

91

Haftung für anfängliche Unmöglichkeit

Im Übrigen haftet der Schuldner auch für ein Scheitern des Vertrages, wenn die den vernünftigen Erwartungen des Gläubigers entsprechende Vertragsdurchführung von Anfang an unmöglich ist680. Zum einen greift die doctrin of frustration nur für die Fälle eines nach Vertragsschluss eintretenden Leistungshindernisses ein und zum anderen wird die Berufung auf die anfängliche Unmöglichkeit – jedenfalls im Kontext professioneller Dienstleistungen – als Verteidigungseinwand nicht zugelassen, falls der Schuldner sich ohne explizite oder implizite Einschränkung zur Vertragsdurchführung verpflichtet hat681: “Where a person is employed in a work of skill, the employer buys both his labour and his judgement; he ought not to undertake the work if it cannot succeed, and he should know whether it will or not. Of course it is otherwise if the party employing him choose to supersede the workman’s judgement by using his own.”682 Anderes gilt folglich nur, wenn der Gläubiger das Risiko vertraglich nach Aufklärung durch den Schuldner übernommen hat, womit eine frustration wiederum ausscheidet683. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für den Schuldner zur Haftungsvermeidung praktisch zunächst die Verpflichtung, sich über die Möglichkeit der Leistung zu informieren684 sowie über die nach professioneller Einschätzung vorliegende Aussichtslosigkeit des geplanten Unterfangens aufzuklären685: “Was it not the duty of the defendant to tell the plaintiff that he could not do the work in a workmanlike manner and that in fact it would be throwing away money

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Überrachenderweise steht dabei keinesfalls abschließend fest, dass die self-induced frustration notwendig einen Vertragsbruch voraussetzt. Die richterlichen Äußerungen sind dies betreffend widersprüchlich. Während manche Entscheidungsbegründungen stets einen breach of contract zu fordern scheinen (vgl. Cheall v Association of Professional Executive Clerical and Computer Staff [1983] 2 AC 180, 189 per Lord Diplock (HL); FC Sheperd & Co Ltd v Jerrom [1987] QB 301, 328 per Mustill LJ (CA); J Lauritzen AS v Wijsmuller BV (The Super Servant Two) [1989] 1 Lloyd’s Rep 148, 156 per Hobhouse J (HC)) vermeidet bspw. Bingham LJ in J Lauritzen AS v Wijsmuller BV (The Super Servant Two) [1990] 1 Lloyd’s Rep 1, 10 in dieser Frage aus Gründen der Pragmatik ausdrücklich eine Festlegung, wohinter die Sorge vermutet wird, eine Festlegung würde den Gerichten möglicherweise „den notwendigen Spielraum nehmen, die Regeln von self-induced frustration und repudiation in Grenzfällen weiter fortzubilden“, Schmidt-Kessel, Standards, S. 175 unter Hinweis auf Swanton, 2 JCL (1990) 206, 216. Ausführlich etwa Emden/Palmer, §§ III– 411 ff. Emden/Palmer, § II–305. Duncan v Blundell (1820) 3 Stark 6, 7 per Bayley J (zitiert nach Emden/Palmer, § II–305). Vgl. zum Vorrang vertraglicher Risikoverteilung ab S. 86. Näher Emden/Palmer, §§ III– 412 ff. Emden/Redmond-Cooper, §§ II–684 ff.

92

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

to have it done at all, as it must have been obivious to any competent workman that it could not be done. If so, it is no excuse to the defendant that he could not do his work properly; prima facie, it must be taken that a workman undertakes to do his work in a workmanlike manner. If the plaintiff had been told that it was impossible to do it, he might not have sustained the action. But non constat that he knew it, whereas the defendant must be taken to have known.”686 Informiert sich der Dienstleister nicht hinreichend und gestaltet er seine vertraglichen Pflichten infolge dessen nicht derart, dass eine anfängliche Unmöglichkeit der Leistung ausscheidet, dürfte das Risiko anfänglicher Unmöglichkeit vertragsgemäßer Leistung durch die Gerichte stets ihm zugewiesen werden. So war in der Sache Thorn v The Mayor and Commonalty of London ein building contract nicht durch den Umstand frustriert, dass das von dem Ingenieur der Beklagten entworfene Baudesign für eine neue Brücke über die Themse nicht umsetzbar war. Das Gericht stellte im Gegenteil fest, der Bauunternehmer habe das Risiko der Undurchführbarkeit dieser Konstruktion übernommen, er bleibe daher für die Durchführung des Bauprojekts verantwortlich. Insbesondere eine vertragliche Vereinbarung dahin, dass die Beklagte die Umsetzbarkeit des von ihrem Ingenieur entworfenen Designs garantiere, könne nicht in den Vertrag impliziert werden687. Die PECL sprechen die Problematik anfänglicher Unmöglichkeit ausdrücklich an, indem sie – wie § 311 a Abs. 1 BGB – die Nichtigkeit des Vertrages ausschließen (Art. 4:102 PECL). Dem folgt Art. II. – 7:102 DCFR. Die Differenzierung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit ist jedoch nur vordergründig688. Im Übrigen unterscheiden sie nämlich weder hinsichtlich der Grenzen der Durchsetzung des Anspruchs auf Naturalerfüllung (Art. 9:102 PECL, III. – 3:302 DCFR) noch bei der Frage der Haftungsentlastung (Art. 8:108 PECL, III. – 3:104(1), (3), (5) DCFR). Ein Umkehrschluss aus der Unanwendbarkeit des Art. 8:108 PECL, III. – 3:104(1), (3), (5) DCFR auf Fälle der anfänglichen Unmöglichkeit689 bestätigt vielmehr, dass, 686 687

688 689

Pearce v Tucker (1862) 3 F & F 136 per Erle CJ (zitiert nach Emden/Palmer, § II–306). Thorn v The Mayor and Commonalty of London [1876] 1 AC 120, 128 f. per Lord Cairns LC, 133 per Lord Chelmsford, 135 ff. per Lord Hatherley, 137 f. per Lord O’Hagan (HL). Vgl. zum Folgenden auch Staudinger /Löwisch, BGB § 311 a Rn. 13. Vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 459. Ob dieser Verfasserkommentar bindet, was etwa Schlechtriem (JbJZivRWiss 2001, S. 9, 18 m. Fn. 9) bezweifelt, wird man dahinstehen lassen können. Denn der Weg über die Anfechtung dürfte zu parallelen Ergebnissen führen: Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum muss fundamental sein. Dies wird u.a. gerade für Fälle anfänglicher Unmöglichkeit angenommen, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 269. Eine Anfechtung scheidet indessen dann aus, wenn der Irrtum über einen der Leistung anfänglich entgegenstehenden Hinderungsgrund inexcusable (Art. 4:103(2)(a) PECL) ist. Ein solcher „nicht entschuldbarer“ Irrtum liegt vor, wenn die Unkenntnis des Schuldners über das Vorliegen des Hindergrunds vorwerfbar ist. Konsequenz daraus ist, dass der Schuldner immer dann an seiner Verpflichtung festgehalten wird und also auf das Erfüllungsinteresse haftet, wenn ihm das Vorliegen des der Leistung entgegenstehenden Hindernisgrunds in vorwerfbarer Weise unbekannt war. Vom deutschen Recht, nach dem der Schuldner ebenfalls für seine von ihm zu vertretende Unkennt-

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

93

sofern der Vertrag nicht z.B. wegen Irrtums angefochten werden kann, der Schuldner – ebenso wie nach englischem Dienstleistungshaftungsrecht – objektiv für das haftet, was er versprochen hat690. Nach deutschem Recht haftet der Schuldner in Fällen der anfänglichen Unmöglichkeit nicht, wenn er das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat (§ 311 a Abs. 2 S. 2 BGB). Die Haftung ist insofern, soweit nicht Gegenteiliges vereinbart wurde691, verschuldens- und d.h. sorgfaltsabhängig (§§ 311 a Abs. 2 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB). Das Gesetz hat sich damit von der Garantiehaftung, die früher dem § 306 BGB a.F. entnommen wurde692, als dem gesetzlichen Regelhaftungsstandard für anfängliche Unmöglichkeit verabschiedet693. Ob die praktischen Ergebnisse sich deshalb wesentlich von den unter Geltung des alten Rechts erzielten Ergebnissen unterscheiden, steht auf einem anderen Blatt694.

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nis eines bei Vertragsschluss bestehenden Leistungshindernisses haftet, sind die Regeln der PECL damit kaum entfernt (ähnlich wohl Schlechtriem, JbJZivRWiss 2001, S. 9, 18 m. Fn. 9). Dies gilt umso mehr, wenn man einmal berücksichtigt, dass kaum Situationen denkbar sind, in denen der Schuldner diese Unkenntnis nicht zu vertreten hat, zumal sein Vertretenmüssen nach dem Wortlaut des § 311 Abs. 2 S. 2 BGB vermutet wird. Vgl. Storme, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 11, 12 f. Die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung zu Recht betonend Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 578; Canaris, FS Heldrich, S. 11, 28 ff.; vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW 2005, 989, 990 (zur Möglichkeit der Übernahme eines Beschaffungsrisikos). BGH, NJW 2000, 2101; Wieser, MDR 2002, 858, 859 f.; eingehend U. Huber, Leistungsstörungen I, § 22 II (S. 530 ff.). OLG Karlsruhe, NJW 2005, 989, 990; Palandt /Grüneberg, BGB § 311 a Rn. 2; Erman / Kindl, BGB § 311 a Rn. 1; juris-PK/Alpmann, BGB § 275 Rn. 8; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 575; a.A. Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 66; Sutschet, NJW 2005, 1404, 1405. Wichtig ist auch in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Haftgrund und Zurechnungsprinzip, zu ihr ab S. 66. Von einer „Garantiehaftung“ lässt sich nach neuem Recht richtigerweise nur insoweit sprechen, als die Haftung unabhängig davon ist, ob der Schuldner die „Pflichtverletzung“, die in der anfänglichen Vertragsstörung liegt, zu vertreten hat, vgl. Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 583 ff.; Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 576. Maßgeblich als Zurechnungskriterium und damit für den Haftungsstandard ist aber nach der gesetzlichen Regel (§§ 311 a Abs. 2 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1 1. HS BGB) ein Verschulden (vgl. zu diesem gesetzlichen Leitbild, BGH, NJW 2006, 47, 49). Denn der Schuldner haftet gemäß § 311 Abs. 2 S. 2 BGB nicht, wenn er sich bei Vertragsschluss in einem nicht zu vertretenden Irrtum befunden hat, d.h. in der Regel, wenn ein Verschulden hinsichtlich der Unkenntnis des bei Vertragsschluss bestehenden Leistungshindernisses nicht vorliegt. Freilich ist auch im Rahmen des § 311 a Abs. 2 S. 2 BGB die Übernahme einer Garantie i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB möglich, vgl. näher Canaris, FS Heldrich, S. 11, 33 ff.; S. Lorenz, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2005, S. 5, 53. Dies bezweifelnd z.B. Schlechtriem, JbJZivRWiss 2001, S. 9, 18.

94

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

B.

Vertragliche Haftung unabhängig vom Scheitern des Vertrages

I.

Die sorgfaltsunabhängige Haftung (strict oder absolute liability)

Das englische Recht kennt, wie erläutert, neben der sorgfaltsunabhängigen Haftung für Vertragsbruch auch eine sorgfaltsabhänige Haftung. Die sorgfaltsunabhängige Haftung für den Vertragsbruch, die vielen als Axiom des englischen Vertragsrechts gilt, bildet für die hier untersuchten Vertragsbeziehungen nach englischem Recht jedoch den Ausnahmefall695; denn in aller Regel ist Inhalt der vertraglichen Verpflichtung hier die angemessen sorgfältige und komptente Leistung. Da die strikte Haftung jedoch für das englische Recht den traditionellen Ausgangspunkt haftungsrechtlicher Überlegungen im vertraglichen Kontext bildet, soll auch hier zunächst die strikte Haftung vorgestellt werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Haftungsbegründungsmustern liegt.

1.

Vergleichende Vorbemerkung

Gemeinsamer Hintergrund der beiden Begriffe strict liability und absolute liability ist, dass sich der Verpflichtete zur Haftungsentlastung nicht auf die Sorgfältigkeit, mit der er seine Leistung erbracht hat, berufen kann. Beide Begriff bedeuten aber nicht dasselbe. Auch im Fall von strict liability wurde nämlich seit alters her (z.B. bei nachträglicher Gesetzeswidrigkeit des Geschäfts oder Tod des zur persönlichen Leistungserbringung Verpflichteten696) nicht gehaftet, wo die nachträgliche Unmöglichkeit der Vertragsdurchführung dem Verpflichteten nicht anzulasten war697. Strikt ist die Haftung mithin vor allem, wenn sich der Schuldner nur bei frustration des Vertrages von ihr befreien kann698. Absolute liability bedeutet demgegenüber, dass der Verpflichtete dafür haftet, das Unmögliche nicht möglich gemacht zu haben699. Die These, die absolute liability bilde gleichsam den Urzustand der englischen Vertragshaftung, wird in der rechtshistorischen und vertragsrechtlichen Forschung infolgedessen bezweifelt700. Losgelöst davon darf der Begriffswahl in Einzelfällen jedenfalls keine überzogene Bedeutung zugemessen werden701. Denn die vorgenannten inhaltlichen Unterschiede werden bei der Begriffsverwendung faktisch häufig ignoriert – hier fordert ein Mangel an dogmatischer Durchdringung702 seinen Tribut. Wie bei jeder Äuße695 696 697 698 699

700

701 702

Vgl. ab S. 623. Nicholas, in: Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337, 340. Treitel, FS Wilberforce, S. 185, 192 f., 201. Schmidt-Kessel, Standards, S. 207. Nicholas, in: Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337, 340; Schmidt-Kessel, Standards, S. 207 f. Manchmal findet man im selben Sinn auch die Umschreibung „absolute contract“, vgl. Treitel, FS Wilberforce, S. 185, 192. Simpson, History, S. 30 ff.; Ibbetson, Historical Introduction, S. 58 ff., 90 ff.; Nicholas, in: Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337, 340. Schmidt-Kessel, Standards, S. 208. Dazu Treitel, FS Wilberforce, S. 185.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

95

rung in Sprachform gilt, dass erst die Analyse der Kontexte den Inhalt aufschlüsselt703. Diese Kontextanalyse ist besonders dringlich, wenn derselbe Begriff in doppelter Bedeutung vorkommt. Dies gilt im deutschen Recht vor allem für die Abgabe einer „Garantie“. Denn die Garantie taucht hier zunächst auf der Ebene des Leistungsversprechens auf 704. Losgelöst davon kann es sich – was nicht selten verwechselt wird und weswegen die Umschreibung des Leistungsversprechens mit „Garantie“ bedenklich ist – bei der „Garantie“ aber auch um das maßgebliche Zurechnungskriterium handeln705. In diesem Sinne hat der Begriff „Garantie“ eine zweite Bedeutung, indem er auch als Gegensatz zur Haftung für Verschulden gebraucht wird706. In diesem zweiten Sinne hat der Begriff „Garantie“ Eingang in das Gesetz gefunden. Denn nichts anderes meint es, wenn in § 276 Abs. 1 BGB zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit (Verschulden) einerseits und der „Übernahme einer Garantie“ andererseits unterschieden wird. Die Übernahme einer „Garantie“ i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Wille des Schuldners erkennbar wird, unabhängig von einem Verschulden für die aus einer Nichterfüllung seines Leistungsversprechens entstehenden Schäden einstehen zu wollen707. Nicht nur beim Werkvertrag708 sondern auch beim Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag709 – und d.h. für die hier untersuchten Dienstleister – ist die praktische Bedeutung der Garantieübernahme i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB gering710. Losgelöst davon ist die Vertragshaftung nach dem BGB indes keineswegs derart stark vom so genannten Verschuldensprinzip geprägt, wie dies durch dessen literarische Hervorhebung oftmals scheint711. Dies offenbart sich zunächst am Anspruch auf Leistung in Natur und insofern auch am Nacherfüllungsanspruch als dessen Fortsetzung712. Denn diese Ansprüche hängen nicht von einem Verschulden ab, sodass der (Dienstleistungs-)Schuldner bis zur Grenze der §§ 275, (635 Abs. 3,) 313 BGB das Risiko von Leistungshindernissen trägt. Wird er durch die vorgenannten Normen 703 704 705

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711 712

Dazu allgemein Mückl, JA 2004, 928, 929. Canaris, FS Heldrich, S. 11, 29 f. Zur Trennung zwischen Haftgrund und Zurechnungskriterium nach deutscher Dogmatik vgl. ab S. 66. Canaris, FS Heldrich, S. 11, 31; vgl. auch Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 23; juris-PK/ Alpmann, BGB § 276 Rn. 18 (Garantieübernahme i.S.d. § 276 BGB „begründet nicht die Haftung …, sie schließt nur die Enthaftung aus“). Zutreffend auch die Differenzierung des OLG Karlsruhe, NJW 2005, 989, 990. Vgl. OLG Koblenz, NJW 2004, 1670, 1671; OLG Karlsruhe, NJW 2005, 989, 990; Erman/ Westermann, BGB § 276 Rn. 23; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 175; Bamberger/Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 40; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 29. Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 29; Jauernig /Stadler, BGB § 276 Rn. 42 f. Vgl. zum früheren Recht, wo dies nicht anders war, juris-PK/Alpmann, BGB § 276 Rn. 18. Vgl. für den Architektenvertrag, der regelmäßig als Werkvertrag qualifiziert wird, ab S. 612. Ebenso Canaris, FS Wiegand, S. 179, 250. Vgl. dazu Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 504; Canaris, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 77 ff. m.w.N.

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

96

nicht entlastet, dürfte es ihm jedoch kaum jemals möglich sein, einer Schadensersatzhaftung wegen Nichterfüllung bzw. Pflichtverletzung zu entgehen, weil ihn nahezu immer ein Verschulden treffen dürfte713. Doch ist der Schadensersatzanspruch als einziger Rechtsbehelf auf der „Sekundärebene“ von einem Vertretenmüssen und damit in der Regel verschuldensabhängig; denn weder der Rücktritt des Gläubigers (§§ 323, 324, 326 BGB) noch die parallel ausgestaltete Minderung (vgl. §§ 437 Nr. 2, 441, 536, 634 Nr. 3, 638, 651 d BGB) setzen ein Vertretenmüssen des Schuldners voraus. Die Schadensersatzhaftung wird indes durch die Vermutungsregelung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB einer strikten Haftung angenährt714, da es infolge ihrer am Schuldner ist, nachzuweisen, dass er mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist (§ 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB).

2.

Die sorgfaltsunabhängige Haftung

a)

Hintergründe “The dictum of Paradine v Jane715 is part of the basic furniture of … [the common lawyer’s] mind. His conventional starting point is that contracts are absolute, and that fault plays no part in liability for breach.”716

Diese einleitenden Bemerkungen von Barry Nicholas verdeutlichen das heutige Grundverständnis englischer Juristen von der Vertragshaftung. In ihnen wird klargestellt, dass es in den Fällen mit striktem oder absolutem Haftungsstandard nicht auf die Sorgfalt des Verpflichteten ankommt, dieser also auch „unverschuldet“ haftet.

aa) Konzentration auf das jeweilige Versprechen Sorgfaltsabhängige Haftungsgrenzen werden durch diesen Ausgangspunkt allerdings nur ausgeschlossen, soweit sie durch den Rückgriff auf ein Verschulden als Entlastungsmechanismus außerhalb der Pflichtverletzung definiert werden sollen. Denn dies zu denken – und dann umzusetzen –, scheint dem englischen Juristen, wie etwa Weir vermutet hat, in Fällen der strict liability geradezu unmöglich717: „[T]hey could not transmute the (absolute) promise into a (qualified) duty.“718 Im Hintergrund scheint dabei 713 714 715 716 717 718

Canaris, FS Wiegand, S. 179, 250 f. Vgl. schon S. 66. Paradine v Jane (1647) Aleyn 26; 82 ER 897. Nicholas, in: Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337. Vgl. dazu Weir, 66 [1992] TulLR 1615, 1637 f. Weir, 66 [1992] TulLR 1615, 1638 (Hervorhebung hinzugefügt). Weir bezieht sich auf die Sache Harbutt’s „Plasticine“ Ltd v Wayne Tank & Pump Co [1970] 1 QB 447, in der die in Taylor v Caldwell (1863) 122 Eng. Rep. 309, 313 f. begründete Doktrin der frustration seiner Ansicht nach ihren Höhepunkt erreicht hat. Zu Taylor v Caldwell zusammenfassend Zweigert/ Kötz, Rechtsvergleichung, § 36 IV (S. 508 f.). In dieser Entscheidung hatte der Kläger vom

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

97

ein Vertragsverständnis zu stehen, dass den Vertrag lediglich als ein Bündel einzelner Versprechen begreift719 und nicht – wie nach deutscher Dogmatik – als Schuldverhältnis im Sinne eines „komplexe[n] Sinngebilde[s]“, d.h. als „sinnhaftes Gefüge“720. Der Vertrag ist (wie sich auch aus den Mechanismen zur Vertragsergänzung schließen lässt) zunächst die Summe seiner Teile und anders als nach deutschem Recht nicht mehr. Daraus folgt zum einen, dass seine einzelnen Teile, d.h. die einzelnen Versprechen, relativ isoliert stehen (eine Lehre, die auch aus der Verknüpfung von Versprechen bzw. Pflicht und Haftungsstandard721 gezogen werden kann) und zum anderen, dass keine dem deutschen „Vertretenmüssen“ funktionell entsprechende zweite Haftungsstufe existiert, die das Versprechen im Rahmen eines globalen Standards (§ 276 BGB) in eine qualifzierte Pflicht umwandelt und dieses so modifiziert. Anders z.B. das deutsche Werkvertragsrecht: Zwar verspricht der Werkunternehmer, einen Erfolg herbeizuführen. Er haftet aber, soweit ihm die Erfolgsherbeiführung (auch durch Nacherfüllung) nicht gelingt, nur auf Schadensersatz, falls er diesen Fehlschlag zu vertreten hat, was allerdings nach dem Wortlaut des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird. In der Regel kann sich der Schuldner von dem damit verbundenen Verschuldensvorwurf nicht entlasten722.

bb) Rechts- und sozialhistorische Faktoren Aus rechts- bzw. sozialhistorischer Sicht mag eine Begründung dieses Haftungsverständnisses (zumindest im neunzehnten Jahrhundert) in einer durch wohlfahrtsökonomische Überlegungen beeinflussten Rollenverteilung zwischen Vertragsparteien und Gericht liegen723. Grundannahme ist dabei eine autonome, optimale Ressourcenallokation, d.h. der Markt stellt sicher, dass Güter und Dienstleistungen im Ergebnis stets der erhält, der sie am besten für sich verwerten kann. Die Vertragsparteien dachte man sich vor diesem Hintergrund theoretisch-idealisierend als perfekt informiert, antagonistisch, nach Optimierung ihrer eigenen Ressourcen strebend und dazu mit derselben Verhandlungsmacht ausgestattet724. Jeglicher staatliche Eingriff

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Beklagten eine Musikhalle gepachtet, in der er an vier aufeinander folgenden Tagen Konzerte stattfinden lassen wollte. Vor dem ersten Konzerttag brannte die Halle durch Zufall ab. Die Schadensersatzklage wurde trotz strict liability abgewiesen. Der Vertrag enthalte einen implied term dahin, dass der Beklagte frei werde, wenn die Vertragsdurchführung unmöglich werde, weil der Vertragsgegenstand „without default“ des Beklagten untergeht. Samuel, Obligations, S. 65. Beides nach Larenz, Schuldrecht I, § 2 V (S. 27); für ausführliche Nachweise vgl. Staudinger /Schmidt, BGB13 Einl. zu §§ 241 Rn.199 ff. Vgl. ab S. 68. Zur Bedeutung des Verschuldens als Regelhaftungsstandard der vertraglichen Schadensersatzhaftung vgl. gerade S. 95. So die Vermutung von Cooke/Oughton, Obligations, S. 218 f. Die in späteren Jahren erfolgte gerichtliche Anerkennung der tatsächlichen Unausgewogenheit der Verhandlungsmacht vornehmlich zwischen Unternehmern und Verbrauchern

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

98

(gerichtliche Intervention inklusive) bedeutete eine Marktverzerrung. Aus diesem Grund sollte die Rolle der Rechtsprechung darauf beschränkt sein, festzustellen, ob ein Vertrag zustande gekommen war, ob dieser Vertrag gebrochen wurde sowie, falls ja, ob und inwieweit Schadensersatz zu leisten sei. Festzulegen, welchen Inhalt die vertraglich geschuldete Pflicht hatte, war nicht Sache des Gerichts, sondern der Parteien725. Auf diese Weise verweigerte das Vertragsrecht nicht nur, sich mit der Ressourcenverteilung zu beschäftigen, sondern auch die Angemessenheit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu beurteilen726. In dieser relativen „Vernachlässigung“ inhaltlicher Auseinandersetzung sehen manche727 den Grund für die globale Qualifikation der Vertragshaftung als strikt: Hatte man einmal versprochen, etwas Bestimmtes zu tun, musste man danach handeln oder andernfalls Schadensersatz leisten. Es liegt allerdings auf der Hand, dass die in dieser Theorie vorausgesetzte gleichwertige Verhandlungsstärke in vielerlei Vertragsbeziehungen eine Illusion ist. Die Gerichte sind – ebenso wie der Gesetzgeber – wohl praktisch nie wirklich davon ausgegangen, es gäbe ein einheitliches (System des) Vertragsrecht(s): „It was soon found that the classical theory did not work in practice“728.

b)

Begründungsmuster

Vor diesem Hintergrund verwundert nicht, dass die Sorgfaltsunabhängigkeit der Haftung nicht auf einen einheitlichen Grund zurückgeführt wird. Entscheidend ist stets, dass jeweilige Versprechen auf seinen Inhalt zu untersuchen. Insofern berufen sich die Gerichte, soweit sie strikte Haftung annehmen, auch nicht global auf eine abstrakte „Natur des Schuldverhältnisses“ oder den Hinweis, der Verpflichtete müsse für das Einstehen, was er versprochen habe729. Im Hintergrund stehen, im Gegenteil, regel-

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wurde durch den Gesetzgeber im UCTA bestätigt. Zur jüngeren Kritik an diesem, auch die ökonomische Analyse des Rechts prägenden Menschenbild Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 ff. (Die ökonomische Analyse des Rechts beruht auf denselben philosophischen Grundlagen, auf denen die im Text geschilderte Rollenverteilung aufbaut, vgl. zu ersterem die abgewogene Darstellung von Eidenmüller, Effizienz, S. 22 ff.). In dem bei der implication of terms häufigen Hinweis „the court does not make a contract for the parties“ (vgl. Compania de Navegacion Pohing SA v Sea Tanker Shipping (Pte) Ltd (The „Buena Trader“) [1977] 2 Lloyd’s Rep 27, 48 per Mocatta J; Tropolle & Colls Ltd v North West Metropolitan Regional Hospital Board [1973] 1 WLR 601, 609 per Lord Pearson (HL)), findet dies noch heute einen recht deutlichen Anhalt. Cooke/Oughton, Obligations, S. 218. Für den Kaufvertrag heute genau umgekehrt s. 14(2A) SGA, die für die zufrieden stellende Qualität der Ware – falls relevant – auch den gezahlten Kaufpreis berücksichtigen will. Etwa Cooke/Ougthon, Obligations, S. 218. Cooke/Oughton, Obligations, S. 42. Der Gedanke, ein Versprechen enthalte schon an sich typischerweise ein Garantieelement dahingehend, dass sich der Versprechende seinem Versprechen gemäß verhalten und im gegenteiligen Fall für sein Fehlverhalten einstehen werde, findet sich allerdings im deut-

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

99

mäßig eher pragmatische Überlegungen, die sich „einerseits mit dem Verhalten des Schuldners und andererseits – im Ansatz unabhängig von diesem – … (mit der) anzustrebende(n) Zuweisung des betreffenden Schadens im Wirtschaftsprozeß“ beschäftigen730. Mit einem strikten Haftungsstandard verbunden sind etwa731 Zahlungspflichten732, Beschaffungspflichten bezüglich Gattungssachen (generic goods)733 und Pflichten, die sich auf die Vertragsgemäßheit der Kaufsache beim Warenkauf beziehen734. Die Begründung der Sorgfaltsunabhängigkeit der Haftung fällt insoweit durchaus unterschiedlich aus.

aa) Zahlungspflichten Die strikte Haftung für die Nicht- oder Zuspäterfüllung von Geldleistungspflichten scheint allerdings als Selbstverständlichkeit angesehen zu werden735 und wird folgerichtig kaum jemals begründet736. Eine Entlastung kommt in dieser Fallgruppe allenfalls in Betracht, wenn die Hindernisse, die einer Zahlung entgegenstehen, das Gewicht einer frustration erreichen737.

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schen Schrifttum, vgl. Canaris, FS Heldrich, S. 11, 30 ff. m.w.N. Dies gilt allerdings nur für das Leistungsversprechen als Haftgrund. Insofern enthält das Leistungsversprechen nicht automatisch die Übernahme einer Garantie i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB, vgl. S. 94. Canaris, JZ 2001, 499, 506 hält die gegenteilige These für eine „glatte petitio principii“; dem folgend Petersen, Allg. Schuldrecht, Rn. 255. Schmidt-Kessel, Standards, S. 289; vgl. zum Folgenden auch Cooke/Oughton, Obligations, S. 238 ff., 218 f. Die Aufzählung folgt den von Treitel, FS Wilberforce, S. 185, 186 ff. geschilderten Fällen. Weitere Beispiele mit Analyse der Haftungsstandards bei Schmidt-Kessel, Standards, S. 215 ff. Universal Corporation v Five Ways Properties Ltd [1978] 3 All ER 1131, 1135 per Walton J; Treitel, FS Wilberforce, S. 186 ff.; Weir, 66 [1992] TulLR 1615, 1642 f. Intradex SA v Lesieur-Torteaux SARL [1978] 2 Lloyd’s Rep 509, 514 per Lord Denning MR (CA); Treitel, FS Wilberforce, S. 188 ff.; Weir, 66 [1992] TulLR 1615, 1642 f. Auch dazu Treitel, FS Wilberforce, S. 185, 193 f. Rheinstein, Struktur, S. 155, sieht sich – mit der Vorstellung von der strikten Haftung vor Augen – bezüglich des Warenkaufs zu dem Ausspruch veranlasst: „…; die Mängelansprüche sind geradezu der Mustertyp der Vertragshaftung nach Common Law überhaupt“. Universal Corp v Five Ways Properties Ltd [1978] 3 All ER 1131, 1135 per Walton J; Treitel, FS Wilberforce, S. 186 ff. Begründungsbedürftig ist als absolute Ausnahmeerscheinung allenfalls das Gegenteil: „If there is an express clause in the contract to the effect that one party shall be under no liability thereunder if he becomes impecunious, then so be it; but it would be a wholly exceptional contract in which that implication would fall to be made in default of expressed agreement“: Universal Corp v Five Ways Properties Ltd [1978] 3 All ER 1131, 1135 per Walton J. Vgl. dazu – frustration ablehnend – Congimex SARL (Lisbon) v Continental Grain Export Corporation (New York) and others [1979] 2 Lloyd’s Rep 346, 353 per Donaldson J (HC). Vgl.

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

100

bb) Beschaffung von Gattungssachen Hinsichtlich der Pflicht zur Beschaffung von Gattungssachen738 folgt der strikte Haftungsstandard dagegen bspw. aus Risikoerwägungen, anhand derer im Ergebnis eine Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen (Sphären) stattfindet: Wenn eine der Vertragsparteien für die Beschaffung der Ware sorgen kann, dann der Schuldner, sodass er „näher dran“ ist und aus diesem Grund haftet739. Parallel zur Rechtslage bei einer Fallgruppe der self-induced frustration kann sich der Verpflichtete nur entlasten, wenn die Störung beyond control ist740. Hier kehrt in leicht abgewandelter Form die Unterscheidung zwischen Internalität und Externalität der Störung wieder: Soweit Störungen typischerweise in dem vom Verpflichteten kontrollierten Bereich eintreten und daher nicht als extern einzuordnen sind, haftet der Schuldner für die Nichterfüllung von Geldleistungs- und Beschaffungspflichten strikt741.

cc) Warenkauf Anders als bei Beschaffungsrisiken fällt die Begründung der strikten Haftung im englischen Recht für den Warenkauf aus742. Die Sorgfaltsunabhängigkeit der Haftung für die durch ss. 13-15 SGA 1979 implizierten Qualitätsstandards, die sich formal bereits aus der Bezeichnung der einzufügenden terms als warranties ergibt, findet ihre rechtspolitische Rechtfertigung darin, dass bei mangelhaftem Verkaufsgegenstand – ähnlich § 478 BGB743 – ein Rückgriff in der Vertragskette bis hin zum Warenhersteller stattfindet744. Dem Gedanken einer Garantie, der im deutschen Recht häufig zur Begründung einer strikten Haftung vorgetragen wird745, begegnet man im eng-

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ferner Schmidt-Kessel, Standards, S. 216 f. Zum deutschen Recht vor allem Medicus, AcP 188 (1988), 489 ff. Dazu nach deutschem Recht eingehend Canaris, FS Wiegand, S. 179 ff. Schmidt-Kessel, Standards, S. 222. Vgl. die Klausel in P van der Zijden Wildhandel NV v Tucker & Cross Ltd [1975] 2 Lloyd’s Rep 240 und die Ausführungen in Sociedad Financeria de bienes raices SA v Agrimpex Hungarian Trading Company for Agricultural Products (The Aello) [1961] AC 135, 222 per Lord Morris (HL). Näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 289 f. Beispiele sind die Entlastung des common carriers wegen inherent vice und die Möglichkeiten der zeitweisen Befreiung des lessor von seiner Reparaturverpflichtung. Vgl. zur Umsetzung der VerbrKaufRL in England Arnold/Unberath, ZEuP 2004, 366 ff.; Twigg-Flessner, GPR 2003, 12 ff.; rechtsvergleichend speziell zum Garantiebegriff Zerres/ Twigg-Flessner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 28 ff. In dem freilich nicht der Grund für eine strenge Haftung des Verkäufers, sondern vielmehr ein aus Gerechtigkeitsgründen notwendiges Mittel zu dessen wirtschaftlicher Entlastung gesehen wird, Medicus, Schuldrecht II, Rn. 80f; vgl. auch Art. 4 VerbrKaufRL und dazu Schmidt-Kessel, ÖJZ 2000, 668. Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd [1969] 1 AC 454, 466 per Lord Reid; 470 per Lord Pearce; 475 per Lord Upjohn; 479 per Lord Wilberforce (HL).

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

101

lischen Vertragsrecht dagegen eher selten746. Die sorgfältige Untersuchung der Ware entlastet den Verkäufer nicht747 und folgerichtig spielt es keine Rolle, ob überhaupt die Möglichkeit einer solchen Untersuchung bestand748. Für die Praxis ist das offenbar derart selbstverständlich, dass dieser Haftungsstandard nur selten angesprochen wird749. Insbesondere im Hinblick auf s. 14 SGA (implied terms bezüglich Beschaffenheit oder Tauglichkeit quality or fitness) wurde zwar erwogen, die Haftung ein wenig zu mildern, ohne dass deswegen allerdings der Schluss auf eine allgemeine Abschwächung zulässig wäre750.

c)

Fazit

Die sorgfaltsunabhängige Haftung ist nicht mit Vertragstypen, sondern mit dem jeweiligen Versprechen verknüpft. Ausschlagebend für die Qualifikation der Haftung infolge des Versprechens als sorgfaltsunabhängig ist eine Untersuchung dieses – nicht in ein übergeordnetes „Schuldverhältnis“ nach deutschem Verständnis eingeordneten – Versprechens, die vornehmlich pragmatische Überlegungen zu berücksichtigen hat, welche in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls differieren (können). Der im deutschen Schrifttum hervorgehobene Garantiegedanke spielt nur selten eine Rolle und taugt folgerichtig nicht als globaler Begründungsmechanismus für eine sorgfaltsunabhängige Haftung.

II.

Die sorgfaltsabhängige Haftung am Beispiel der gesetzlichen Regelung durch den Supply of Goods and Services Act 1982

Von sorgfaltsabhängiger Haftung sprechen wir (auch in Bezug auf das englische Recht), wenn sich der Verpflichtete von der vertraglichen Haftung durch den Nachweis entlasten kann, er habe mit der gebotenen oder vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt (reasonable care) gehandelt. Dabei handelt es sich um den gesetzlich vorgesehenen Mindestinhalt des Versprechens „to supply a service“ (s. 13 SGSA)751. 745

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Vgl. etwa BGHZ 59, 303, 308 (Zusicherung von Eigenschaften der Kaufsache), wo von „… einer den Garantiewillen des Verkäufers zum Ausdruck bringenden Zusicherung“ die Rede ist. Ebenso Larenz, Schuldrecht II/1, § 41 I b) (S. 43); Medicus, BR18, Rn. 359. Dieser Gedanke ist mittlerweile in allgemeiner Form in § 276 Abs. 1 S. 1 BGB ausgedrückt, vgl. Lorenz/Riehm, Lehrbuch, Rn. 484. Schmidt-Kessel, Standards, S. 235. Frost v Aylesbury Dairy Co Ltd [1905] 1 KB 608, 613 per Collins MR (CA). Daniels and Daniels v White & Sons Ltd and another [1938] 4 All ER 258, 263 per Lewis J. Schmidt-Kessel, Standards, S. 236. Schmidt-Kessel, Standards, S. 238. Teilweise wird s. 13 SGSA insofern sogar als Mittel der Haftungsverschärfung eingesetzt, vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 296. Für die vorliegend untersuchten Dienstleister hat sich hingegen, wie gleich zu zeigen ist, nichts geändert, sodass diese Tendenz hier unberücksichtigt bleiben kann.

102

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

Dies ergibt sich ohne weiteres aus s. 16(3)(a) SGSA, die bestimmt: „Nothing in this Part [Part II: ss. 12-16 SGSA] of this Act prejudices any rule of law which imposes on the supplier a duty stricter than that imposed by section 13 or 14 above“752. Diese Regelung erklärt sich vor dem Hintergrund, dass ss. 12-16 SGSA, die auf einen report des National Consumer Council aus dem Jahr 1981 zurückgehen753, keinen neuen gegenüber der strikten Haftung milderen Standard einführen, sondern lediglich das bisherige common law kodifizieren sollten754. Die Frage, ob bezüglich der Erfüllung strikt gehaftet wird oder ob von vorneherein nur die Anwendung angemessener Sorgfalt bei den Erfüllungsbemühungen geschuldet ist, steht daneben – wie s. 16(1), (2) SGSA klarstellt – der Parteivereinbarung offen755. Der supplier of services kann sich auch unter Geltung des SGSA ausdrücklich oder durch einen implied term in fact verpflichten, einen bestimmten Erfolg zu erreichen756.

1.

Die gesetzliche Regelung der sorgfaltsabhängigen Haftung im Supply of Goods and Services Act 1982

Im Zentrum der Rechtsprechung zur Dienstleistungshaftung steht das Versprechen des Schuldners, bei der Durchführung des Vertrages mit reasonable care and skill vorzugehen. Ob dies ausdrücklich vereinbart oder wenigstens nicht vertraglich ausgeschlossen wurde, spielt keine Rolle. Im letzteren Fall wird der Vertrag – soweit der SGSA Anwendung findet – per Gesetz über s. 13 um dieselbe Verpflichtung ergänzt.

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Ein Argument für die Beibehaltung von Möglichkeiten zur Haftungsverschärfung war es, dass Dienstleister regelmäßig haftpflichtversichert sind. Dies spreche für eine Verschiebung des Misserfolgsrisikos auf den Dienstleister, Woodroffe, Goods, S. 105; Schmidt-Kessel, Standards, S. 298. S. 16(3)(a) SGSA sollte in diesem Zusammenhang insbesondere die Beibehaltung spezieller Standards für bestimmte Arten von services, etwa der strikten Haftung des common carrier ermöglichen, Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 657; Schmidt-Kessel, Standards, S. 298. Entscheidungen zu dieser Vorschrift gibt es – anders als zu s. 16(1), (2) SGSA (vgl. The Salvage Association v. Cap Financial Services Ltd [1995] FSR 654, 664 ff. per Forbes J (HC); Eagle Star Life Assurance Co Ltd v Griggs and Miles [1998] 1 Lloyd’s Rep 256, 262 per Sir Brain Neill, 263 per Kennedy LJ (CA)) – noch nicht, Schmidt-Kessel, Standards, S. 298. Einen möglichen Anwendungsfall für s. 16(3)(b) SGSA sieht Palmer, (1983) 46 MLR 619, 630 in dem in Cannon v Miles [1974] 2 Lloyd’s Rep 129 (CA) verwendeten term. Dazu Palmer, (1983) 46 MLR 619; James, [1983] JBL 10. Palmer, (1983) 46 MLR 619; James, [1983] JBL 10 und 15; Evans, Liabilities, § 4–03 in Fn. 9; Jackson/Powell, Negligence, § 2–007 in Fn. 16; Cooke/Oughton, Obligations, S. 570; Peden, (2001) 117 LQR 459, 471; Graef, Haftung, S. 134; Poll, Haftung, S. 143 in Fn. 621; Schmidt-Kessel, Standards, S. 296. Vgl. Treitel, Contract, S. 840 und – dies bedauernd – Palmer, (1983) 46 MLR 619. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 629; Schmidt-Kessel, Standards, S. 297 m.w.N.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

a)

103

Sections 13 und 14 Supply of Goods and Services Act 1982

Alle Verträgen, auf die der SGSA Anwendung findet757, beinhalten gemäß s. 15 SGSA zunächst die Verpflichtung des Dienstleistungsgläubigers, für den Erhalt der Leistung einen angemessenen Preis zu zahlen, soweit ein Preis nicht vereinbart ist758. S. 14 SGSA normiert darüber hinaus – sofern der Vertrag zur Leistungszeit schweigt – die Verpflichtung des Dienstleisters, within a reasonable time zu erfüllen759. Welche bzw. wie viel Zeit „reasonable“ ist, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab, s. 14(2) SGSA. Die praktisch wichtigste Norm des SGSA bildet s. 13 SGSA, die vom supplier, der in course of a business handelt, ein Vorgehen mit vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt und entsprechendem Geschick verlangt. Diese Bestimmungen sollen – so die Hoffnung der Gesetzesverfasser – ein akurates Bild des bis zum Inkrafttreten des SGSA geltenden common law bieten. Jedoch öffnet s. 16(4) SGSA den Vertrag über entsprechende Parteivereinbarungen oder terms implied in fact hinaus modifizierenden (strengeren) gesetzlichen Regeln760.

aa) Contract for the supply of a service Voraussetzung des Eingreifens der s. 13 SGSA ist dem Wortlaut nach zunächst das Vorliegen eines „contract for the supply of a service“. Dieser Begriff wird in s. 12(1) SGSA legaldefiniert als „a contract under which a person (‚the supplier‘) agrees to carry out a service“. Das mutet tautologisch an761 und schränkt den Umfang der erfassten Aktivitäten kaum ein762, zumal der SGSA für seine Anwendbarkeit – insoweit im Gegensatz zu s. 2(1) SGA – keine money consideration fordert. Vielmehr genügt nach s. 12(3) SGSA jegliche Form von Gegenleistung763. Das bereits daraus zu folgernde Ergebnis eines breiten Anwendungsbereichs der s. 13 SGSA wird durch einen Umkehrschluss aus s. 12(2) SGSA bekräftigt, die einige von der Legaldefinition der s. 12(1) SGSA erfasste Verträge, nämlich „contract[s] of service and apprenticeship“ (Arbeits- und Auszubildendenverträge), aus dem Anwendungsbereich der ss. 12-16 SGSA ausschließt.

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Zum Anwendungsbereich sogleich ab S. 103. Die Faktoren, die bei der Bestimmung der Angemessenheit eine Rolle spielen können (Andeutungen im Vertrag, Marktpreis, eine Schiedsgerichtsklausel), benennt Rix LJ in Mamidoil-Jetoil Greek Petroleum Company SA v Okta Crude Oil Refinery AD [2001] 2 Lloyd’s Rep 76, 90 (CA). Hierzu ab S. 112. In Betracht kommen etwa s. 503(1) Merchant Shipping Act 1894 oder s. 1 Defective Premisses Act 1972, vgl. Cooke/Oughton, Obligations, S. 570 m. Fn. 11. Schmidt-Kessel, Standards, S. 295. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 627; Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 653; Schmidt-Kessel, Standards, S. 295. Näher zu Fragen der consideration Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 659 ff.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

Ausgenommene Verträge

In dieselbe Richtung weisen ferner s. 12(4) und (5) SGSA, die es dem Secretary of State gestatten, einzelne Dienstleistungen per order (Rechtsverordnung)764 ganz oder teilweise von der Anwendung auszunehmen und insoweit das geltende common law zu erhalten765. Diese Möglichkeit wurde bislang für Anwälte, Vorstandsmitglieder766, Direktoren von Bausparkassen767 und Schiedsgutachter768 genutzt, während die Herausnahme von Finanzdienstleistungen und von Verträgen aus dem Bereich des Seetransports bislang lediglich diskutiert, aber nicht in die Tat umgesetzt worden ist769. Im Hinblick auf die vorliegend u.a. im Zentrum des Interesses stehenden Anwälte lautet die betreffende order770: “Section 13 of the Supply of Goods and Services Act 1982 … shall not apply to … the services of an advocate in court or before any tribunal, inquiry or arbitrator and in carrying out preliminary work directly affecting the conduct of the hearing”771. Die Anwendung der s. 13 SGSA ist damit für gesamte forensische Tätigkeit der advocates (Prozessanwälte) ausgenommen772, womit für diesen Bereich der anwaltlichen Tätigkeit eine Gleichstellung der solicitors mit den – ehemals773 – Immunität genießenden barristers774 beabsichtigt war775. Es gelten allein die richterrechtlich entwickelten Sorgfaltsmaßstäbe des common law776. 764 765 766

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Einführend zu den verschiedenen Arten von orders Blumenwitz, Einführung, S. 66. Cooke/Oughton, Obligations, S. 571. SI 1982/1771, art. 2(2), vgl. Cooke/Oughton, Obligations, S. 571; Palmer, (1983) 46 MLR 619, 627; Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 654, 656; Schmidt-Kessel, Standards, S. 295 m. Fn. 17; Emden/Palmer, § II–101 m. Fn. 4. Für die directors of building societies in SI 1983/902, soweit sie der Bausparkasse gegenüber Dienste erbringen, vgl. Cooke/ Oughton, Obligations, S. 571; Emden /Palmer, § II–101 m. Fn. 4. SI 1985/1, vgl. Cooke/Oughton, Obligations, S. 571; Emden /Palmer, § II–101 m. Fn. 4; Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 656 hatte das Fehlen einer derartigen Privilegierung noch bemängelt. Woodroffe, Goods, S. 103; Schmidt-Kessel, Standards, S. 295 m. Fn. 17. The Supply of Services (Exclusion of Implied Terms) Order 1982 (S.I. 1982 No. 1771). Auszugsweise abgedruckt bei Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 656; Graef, Haftung, S. 134 in Fn. 151; Fischer, Haftung, S. 52; Arthur J S Hall and Co v Simons [2002] 1 AC 615, 712 (HL); Kelley v Corston [1998] QB 686, 695 (CA). Schmidt-Kessel, Standards, S. 295; a.A. nicht zutreffend Geismar, Haftung, S. 38, welche die Supply of Services (Exclusion of Implied Terms) Order 1982 (S.I. 1982 No. 1771) nicht gesehen zu haben scheint. Grundlegend zur Aufhebung der Immunität Arthur J S Hall and Co v Simons [2002] 1 AC 615 (HL). Vgl. nur Rondel v Worsley [1969] 1 AC 191 (HL); Saif Ali v Sydney Mitchell & Co [1980] AC 198 (HL).

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

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„Gemischte“ Verträge

Ob jeder Vertrag, soweit er nur ein service-Element enthält, den ss. 12-16 SGSA unterfällt, ist zweifelhaft777, zumal sich eine positive Definition von „service“ – anders als z.B. in s. 61(1) SGA und s. 18(1) SGSA für den Begriff „goods“ – weder im Gesetz, noch in Rechtsprechung oder Literatur findet778. Man behilft sich insoweit durchweg mit Beispielen779, während ein generalisierender Ansatz nicht in Sicht ist780. Cooke/ Oughton schlagen immerhin – ähnlich dem Vorgehen des BGH781 bei der Qualifikation der gemischten Verträge – als Test zur Abgrenzung zwischen supply of goods und supply of services vor, nach dem Schwerpunkt des Vertrages (substance of the contract) zu fragen, also danach zu urteilen, welches Element überwiegt782. Diese Abgrenzung ist jedoch nicht zweifelfrei mit s. 12(3) SGSA zu vereinbaren, nach der es gerade keine Rolle spielt, ob der Vertrag neben der Erbringung von Dienstleistungen gleichzeitig die (geschuldete) Übertragung oder ein bailement (auch im Wege der Vermietung) von Gegenständen beinhaltet.

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Fazit

Vor diesem Hintergrund bietet sich vornehmlich an, die Ausschlussgründe im Vertragsrecht selbst zu suchen783: Mangels eines Vertrages sind etwa Dienstleistungen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge durch den National Health Service, bei denen es auf Seiten des Patienten an einer consideration fehlt, nicht von ss. 12-16 SGSA erfasst784. Dasselbe gilt für die öffentliche Wasser-, Gas- und Stromversorgung785, die Leistungen von Telefonanbietern786 sowie die Nutzung von Flughafeneinrichtungen durch Fluglinien787. Auch der Vertrag über die Aufnahme von names788 in die Society of 775 776 777

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Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 656 m. Fn. 30. Graef, Haftung, S. 134. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 653, der diesen Gedanken vorträgt, verwirft ihn gleich wieder, da dies nicht die Absicht der Gesetzesverfasser gewesen sein könne. Schmidt-Kessel, Standards, S. 295. Vgl. Woodroffe, Goods, S. 108 f.; Schmidt-Kessel, Standards, S. 295 f. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 619 f. empfindet nicht zuletzt deshalb Part II SGSA besonders enttäuschend. Vgl. z.B. zur Schenkung BGH, NJW-RR 2001, 6 f.; zur in der Lehre überwiegend vertretenen sog. Zweckwürdigungstheorie vgl. Palandt /Weidenkaff, BGB § 516 Rn. 14; Erman / Herrmann, BGB § 516 Rn. 16; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 63 III (S. 54 ff.). Cooke/Oughton, Obligations, S. 571. So dann auch Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 653. Vgl. zum Fehlen des Vertragscharakters ab S. 35. Vgl. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 654; Schmidt-Kessel, Standards, S. 296 m. Fn. 20. Vgl. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 654; Schmidt-Kessel, Standards, S. 296 m. Fn. 20. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 654; Schmidt-Kessel, Standards, S. 296 m. Fn. 20. Mit names werden die in „Syndikaten“ zusammengeschlossenen Anleger bei Lloyd’s of London bezeichnet.

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

Lloyd’s als Voraussetzung für deren Versicherungsengagements ist kein Vertrag über services789.

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Sonderproblem: Unilateral contracts

Murdoch790 hat darüber hinaus Bedenken gegenüber der Subsumtion einseitig verpflichtender Verträge (unilateral contracts) unter s. 12(1) SGSA angemeldet. „Einseitig verpflichtend“ werden Verträge – im Unterschied zu unentgeltlichen, mangels consideration nicht als vertraglich zu qualifizierenden Leistungen – genannt, wenn der Vertrag entsteht, ohne dass der Angebotsempfänger ein Gegenversprechen dahin abgegeben hat, er werde das vom Anbietenden als „Gegenleistung“ Formulierte tun oder unterlassen791. Tut er es dennoch, entsteht aus dem Versprechen der Anspruch auf das Versprochene792. Vor diesem Hintergrund nimmt Murdoch an, dass eine Anwendung der s. 13 SGSA dazu führen müsse, den Versprechensempfänger, der mit der Vertragsdurchführung beginne, zur Erbringung der Dienstleistung zu verpflichten, d.h. aus dem einseitig bindenden Vertrag einen gegenseitigen machen793. Das würde bspw. bedeuten, der Makler wäre – entgegen Luxor (Eastburne) Ltd v Cooper794 – zum sorgfaltsgemäßen Tätigwerden verpflichtet795. Die Entwicklung bleibt hier abzuwarten.

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Society of Lloyd’s v Clementson [1994] CLC 71, 77 per Saville J (HC); [1995] 1 CMLR 693, 700 per Sir Bingham MR, 715 Steyn LJ (CA); Schmidt-Kessel, Standards, S. 296. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 654 f. Treitel, Contract, S. 37. Ein immer wieder zitiertes Beispiel für einen solchen unilateral contract ist das Folgende: A verspricht B, ihm £ 100 zu zahlen, falls B zu Fuß von London nach York läuft, vgl. Rogers v Snow (1573) Dalison 94 (zitiert nach Treitel, a.a.O.). Der Versprechensempfänger B verpflichtet sich hier nicht qua Gegenversprechen, zu Fuß von London nach York zu laufen. Die Frage ist hier, bis zu welchem Zeitpunkt sich der Versprechende von seinem Versprechen lösen kann. (Zuerst allerdings: Warum ist er überhaupt gebunden? Zu Begründungsschwierigkeiten knapp und anschaulich Collins, Contract, S. 162) Kann er dies zu jeder Zeit, solange der Versprechensempfänger noch nicht vollständig erfüllt hat, oder lediglich solange, bis der Angebotsempfänger mit der Vertragsdurchführung begonnen hat (B)? Die letztere Tendenz halten Adams/Brownsword, Contract, S. 56 ff. für die in der englischen Rechtsprechung überwiegende. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 655. Hier wird sich – dies ist die Befürchtung – die Bindung des Versprechenden durch den Beginn der Vertragsdurchführung sozusagen auf Seiten des Versprechensempfängers spiegeln. Auch ein zu Beginn einseitig verpflichtender Vertrag hat das Potential, sich während der Vertragsdurchführung zum gegenseitigen Vertrag zu wandeln, vgl. New Zealand Shipping Co Ltd v A Satterthwaite & Co Ltd (The Eurymedon) [1975] AC 154, 167 per Lord Wilberforce (HL). Als Folge des Beginns der Vertragsdurchführung kann sich also ergeben, dass der den Vertrag Durchführende sich per implication verpflichtet, dies vollständig zu tun, vgl. Treitel, Contract, S. 38. Luxor (Eastburne) Ltd v Cooper [1941] AC 108 (HL).

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

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bb) Reasonable Care and Skill Sofern der Vertragspartner eine Dienstleistung in course of a business erbringt, ist Bestandteil des Vertrages ein implied term, dass dies mit reasonable care and skill geschehen wird, also mit der vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt und entsprechendem sachlichem Geschick. Das Konzept der Haftung auf Grundlage von „reasonable care and skill“ wird an späterer Stelle näher erläutert796, sodass sich die Darstellung hier auf einführende Hinweise unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Formulierung beschränkt.

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Insoweit zeigt sich erneut die enge Verknüpfung zwischen Pflicht und Haftungsstandard: „Ohne das Bestehen einer Pflicht hat das englische Vertragsrecht Schwierigkeiten, Aussagen über den Standard des zu beurteilenden Verhaltens zu treffen“, Schmidt-Kessel, Standards, S. 296. Dieser Zusammenhang (Pflicht und Haftungsstandard) muss im Übrigen nicht exklusiv dem Vertragsrecht zugeordnet werden. Ein Beispiel für dasselbe Problem im deliktischen Kontext bietet die Entscheidung in der Sache Mutual Life and Citizens’ Assurance Co Ltd v Evatt [1971] AC 793, 803 f. per Lord Diplock (PC). Dort ging es u.a. um die Frage, ob ein nicht professionell tätiger Ratgeber hinsichtlich der erteilten Auskunft aufgrund einer deliktischen Sorgfaltspflicht haftet. Lord Diplock wandte sich mit dem Argument gegen das Bestehen einer entsprechenden duty of care, dass es – im Fall der Bejahung dieser Pflicht – allein möglich sei, den Sorgfaltsmaßstab anzulegen, der für professionelle Berater gelte. Dieser sei aber, da der Beklagte kein professioneller Berater sei, nicht angemessen, und daher könne bereits das Bestehen einer Sorgfaltspflicht nicht angenommen werden. Das bedeutet: Eine Sorgfaltspflicht bestand nicht, weil der einzig mögliche Sorgfaltsstandard zu hoch angelegt war. – Diese Umschreibung lässt zweifeln. Denn geht man streng dogmatisch vor, d.h. unterscheidet und prüft nacheinander – im Einklang mit Rechtsprechung und h.L. – das Bestehen einer Sorgfaltspflicht, deren Verletzung usw. müsste man hier nach den gängigen Tests zur Auskunftshaftung zunächst das Bestehen einer duty of care bejahen. Erst bei der Prüfung einer Pflichtverletzung müsste man sich dann die Frage stellen, ob diese duty of care durch Nichterreichen des maßgeblichen Sorgfaltsstandards im konkreten Fall verletzt worden ist (vgl. Kidner, (1991) LS 1, 2). Lord Diplock dachte vielleicht an Folgendes: Da der Beklagte im zu entscheidenden Fall für den Kläger erkennbar den für einschlägig gehaltenen Sorgfaltsstandard (professioneller Berater) unmöglich erreichen konnte, durfte sich der Kläger auf den Ratschlag kaum in einer Weise verlassen, die für den Rat einer professionellen Beratungsfirma angemessen gewesen wäre (vgl. Kidner, (1991) LS 1, 2). Auch für das Bestehen einer deliktischen duty of care kommt dem einschlägigen Sorgfaltsstandard eine zentrale Rolle zu. Denn „[o]therwise there can be no way of determining whether the [defendant] was in breach of his duty of care“, Mutual Life and Citizens’ Assurance Co Ltd v Evatt [1971] AC 793, 803 per Lord Diplock (PC). Vgl. ab S. 161.

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

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(1)

Reasonable Care

Vertraglich geschuldet ist die Sorgfalt eines reasonable man. Der vertragliche Sorgfaltsstandard weicht grundsätzlich nicht von dem Standard ab, der aus dem deliktischen tort of negligence geschuldet wird, sodass es für den Sorgfaltsstandard an sich keine Rolle spielt, ob aus Vertrag oder Delikt geklagt wird797. Wie sich ein reasonable man verhält, ist stark von policy considerations abhängig. Den Gerichten ist insoweit ausdrücklich dadurch ein Wertungsspielraum eröffnet, dass das Gesetz den bereits für sich genommen wertausfüllungsbedürftigen Begriffen skill und care das Attribut reasonable vorangestellt. Mehr als die Schaffung eines Rahmens für differenzierende Wertungen verbirgt sich hinter diesem Zusatz jedoch nicht798. Zur Konkretisierung stehen dabei zumindest für bestimmte Dienstleister trade norms zur Verfügung799. Der angesichts der geforderten Sorgfalt geschuldete Standard wird objektiv unter Berücksichtigung der sachlichen Kompetenz eines durchschnittlichen Erbringers der in Rede stehenden Dienstleistung bestimmt800. Daher schuldet der Verpflichtete im konkreten Fall nicht das Beste, das er leisten kann, sondern muss bei der Leistung nur so sorgfältig vorgehen wie man es von einem angemessen kompetenten Arzt, Architekt, Anwalt, etc. in ebendiesem konkreten Fall erwarten würde. Durchstößt ein Juwelier das Ohr einer Kundin, um das Tragen von Ohrringen zu ermöglichen, wird die objektive Vertragsauslegung mithin ergeben, dass er bei diesem Vorgehen die Sorgfalt eines Juwliers und nicht eines Chirurgen erreichen soll801.

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Für viele Cooke/Oughton, Obligations, S. 574; Powell, in: Birks, Wrongs, S. 47; vgl. aber Tettenborn, Obligations, S. 61. Schmidt-Kessel, Standards, S. 297; O’Reilly, Civil engineering, S. 66 Fn. 5: „In most circumstances, the words care and skill are transported to read ‚reasonable skill and care‘“. Woodroffe, Goods, S. 104 hat angesichts der Beifügung „reasonable“ allerdings die Frage aufgeworfen, ob mit dieser Begriffswahl vielleicht geringere Anforderungen formuliert werden sollen als in s. 74(1) des australischen Federal Trade Practices Act 1974 oder in s. 39(b) des irischen Sale of Goods and Supply of Services Act 1980. Denn diese beiden Kodifikationen verwenden das Attribut „due“. Freilich kann man genauso gut fragen, ob mit „reasonable“ nicht im Einzelfall sogar mehr gefordert ist, vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 297. Entscheidend ist aber, dass die Gesetzesverfasser, wie schon gesagt (vgl. auf S. 103 und ab S. 113), allein das bisherige common law in einem gewissen Grad zusammenfassen wollten. Auch die Formulierung reasonable ist den zuvor in der Rechtsprechung gebräuchlichen Termini entlehnt. Eine andere Absicht als die Formulierung der Mindeststandards der Rechtsprechung unter Verwendung der ihr eigenen Terminologie wird nicht verfolgt; der Unterschied ist lediglich begrifflicher Natur, nicht teleologischer. Woodroffe, a.a.O., lässt die aufgeworfene Frage folgerichtig unbeantwortet. Cooke/Oughton, Obligations, S. 574. Woodroffe, Goods, S. 107; Schmidt-Kessel, Standards, S. 297; Dugdale Stanton, Negligence, § 15.10. Näher ab S. 196 und ab S. 245. Philips v William Whiteley Ltd [1938] 1 All ER 566, 569 per Goddard J.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

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Reasonable Skill

Mit skill meint das Gesetz die sachliche Kompetenz des Verpflichteten802, seine Sachkunde bzw. sein Geschick. Es fordert dem Wortlaut nach jedoch nicht, dass der Verpflichtete diese(s) tatsächlich in seiner Person besitzt, sondern dass die Ausführung der Dienstleistung in entsprechender Qualität geschieht803. Wichtig ist dies, weil der Berechtigte sich, sofern man den Wortlaut der s. 13 SGSA ernstnimmt, erst gegen die mangelhafte Erfüllung selbst wehren kann. Wenn es stattdessen auf die durch den Dienstleister selbst verkörperte sachliche Kompetenz, sein persönliches Geschick bzw. die in seiner Person verkörperte Sachkunde ankäme und der Dienstleister dieses oder jene nicht besäße, könnte sich der Berechtigte – u.U. bereits vor der Durchführung der übernommenen Aufgabe – wieder von dem Vertrag lösen804. Die Rechtsprechung dürfte jedoch dahin tendieren, den Wortlaut wirklich ernstzunehmen. In einer jüngeren Entscheidung hat der Court of Appeal darüber hinausgehend sogar angenommen, dass die Nichtausübung entsprechender Sachkunde keine Pflichtverletzung bedeuten muss805: In der Sache Adams v Rhymney Valley District Council hatte die beklagte Bezirksverwaltung in die Fenster des von den Klägern bewohnten Hauses Schlösser mit herausnehmbaren Schlüsseln einbauen lassen, die die Kläger außerhalb der Reichweite ihrer Kinder aufbewahrten. Als in dem Wohnhaus ein Feuer ausbrach, war es den Klägern daher nicht möglich, die Schlüssel zu erreichen, um die Fenster als Fluchtweg nutzen zu können. Die Kinder kamen infolgedessen ums Leben. Die Kläger trugen vor, die Beklagte sei bei der Auswahl der Schlösser fahrlässig vorgegangen und habe so ihre aus common law und s. 4 Defective Premises Act 1972 folgende Pflicht, „to design and build with due regard to the safety of occupiers and visitors“ verletzt. Es hätten nämlich sog. push-button-Schlösser installiert werden müssen, die sich im Notfall hätten öffnen lassen. Die eingebauten Schlösser waren durch die Hausmeisterei der Beklagten ausgewählt und eingebaut worden, ohne dass diese sich zunächst mit Feuerwehr oder Polizei über Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Schlosstypen abgestimmt hatte. Die in dieser Fallkonstellation auftretende Kernfrage sah Sir Christopher Staughton darin: “… whether the Bolam test still applies, although the particular defendant did not in fact have the qualifications of a professional in the relevant field of activity, and although he did not go through the process of reasoning which a qualified professional would consider before making a choice”806. Diese Fragestellung erklärt sich vor dem Hintergrund der dissenting opinion von Sedley LJ, der zuvor angenommen hatte, der zur Bestimmung der maßgeblichen Sorgfalt 802 803

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Vgl. Woodroffe, Goods, S. 104 f.; Schmidt-Kessel, Standards, S. 296. „… that the supplier will carry out the service with reasonable care and skill.“ (Hervorhebung hinzugefügt). Schmidt-Kessel, Standards, S. 297 in Fn. 26. Zustimmend z.B. Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56. Adams v Rhymney Valley District Council [2000] Lloyd’s Rep PN 777 (CA, lexis).

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3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

nach common law üblicherweise verwendete Bolam-Test807 finde in Fällen, in denen der Beklagte tatsächlich keine besondere Sachkunde ausgeübt und dies auch nicht vorgegeben habe, keine Anwendung808. Nach seiner Auffassung komme es für die Anwendbarkeit des Bolam-Tests darauf an, ob angemessene Sachkunde reflektiert ausgeübt wurde809. Die Mehrheit des Court of Appeal war anderer Ansicht: Nach dem Bolam-Test komme es allein darauf an, ob das gewählte Vorgehen der übernommenen Aufgabe angemessen sorgfältig gewesen sei. Dass dies darüber hinaus reflektiert werde, sei nach ständiger Rechtsprechung ohne Belang810. Nach diesen in der Literatur befürworteten811 Feststellungen haftet der Schuldner auch nicht, falls er nicht reflektiert Sachkunde ausgeübt hat, das erzielte Ergebnis aber im Falle einer Reflexion kein anderes gewesen wäre. Es ist – entgegen Sedley LJ – „[to] proceed as if an educated choice was made“ auch und gerade, wenn eine Aufgabe, die eine bestimmte Sachkunde erfordert, ohne entsprechende Sachkunde in der Person des Schuldners übernommen wurde. Diese Entscheidung wird man – vor dem Hintergrund des vielfach propagierten Gleichlaufs von vertraglicher und deliktischer Haftung812 – auch bei der Auslegung der s. 13 SGSA berücksichtigen müssen. Nach deren Wortlaut kommt es zwar – wie gesagt – nicht darauf an, ob die erforderliche Sachkunde in der Person des Schuldners vorhanden ist. Die sprachliche Fassung der Norm indiziert aber, dass die sachkundige Aufgabendurchführung geschuldet ist. Dies wird man im Lichte von Adams jedoch dahin auslegen können, dass nicht die sachkundig reflektierte Vertragsdurchführung, sondern eine der sachkundig reflektierten Vertragsdurchführung entsprechende Aufgabendurchführung geschuldet ist. Denn sofern nur das erzielte Ergebnis im Falle einer Reflexion kein anderes gewesen wäre, kommt es nach Ansicht der Mehrheitauffassung in Adams auf die tatsächliche Reflexion nicht an. Welche Anforderungen im anderen Fall an die sachliche Kompetenz des Verpflichteten zu stellen sind, hängt – ebenso wie bei der zu fordernden Sorgfalt – von den Umständen des Einzelfalls ab813. Insofern lässt sich die geforderte Sorgfalt stets nur für den konkreten Fall bestimmen814.

b)

Persönliche Leistungspflicht?

Dass s. 13 SGSA u.a. normiert, „… the supplier will carry out the service“ (Herv. hinzugefügt), könnte dahin ausgelegt werden815, dass er sich verpflichte, eigenhändig 807 808 809

810

811 812 813 814

Näher dazu ab S. 245. Adams v Rhymney Valley District Council [2000] Lloyd’s Rep PN 777 (CA, lexis). Vgl. i.E. ganz ähnlich bereits dens. in J Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associates Ltd [2000] Lloyd’s Rep PN 823 (CA, lexis). Adams v Rhymney Valley District Council [2000] Lloyd’s Rep PN 777 per Sir Christopher Staughton (CA, lexis). Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–148. Vgl. ab S. 117. Woodroffe, Goods, S. 105; Schmidt-Kessel, Standards, S. 296 f. Woodroffe, Goods, S. 107; Schmidt-Kessel, Standards, S. 297.

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

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zu erfüllen816. Wenn diese Interpretation zutreffend wäre, würde der SGSA indes die Position des common law negieren, das dem Schuldner die Einschaltung Dritter in die Erfüllung gestattet, sofern die Umstände des Falles sie erlauben817. Die Law Commission ging indes – obwohl der Wortlaut eine solche Auslegung zulässt und der parallel gehaltene Wortlaut der s. 14(1) SGSA in dieselbe Richtung weist818 – scheinbar nicht davon aus, s. 13 SGSA verpflichte ausnahmslos zur eigenhändigen Leistungserbringung819. Gleiches gilt für Rechtsprechung und Schrifttum bereits insofern, als dort angenommen wird, s. 13 SGSA habe allein das bisherige common law kodifizieren wollen820. Ein Umsturz der Regeln über die Übertragbarkeit (von Teilen) der Vertragsdurchführung auf Dritte – wonach diese nur im Einzelfall ausgeschlossen ist821 – war nicht beabsichtigt822. Dass die Rechtsprechung jemals allein unter Hinweis auf den Wortlaut der s. 13 SGSA ungeachtet der Umstände des Einzelfalls zur eigenhändigen Leistungserbringung verurteilt hätte, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil, in der bislang einzigen Entscheidung zu s. 13 SGSA, in der die Vertragsdurchführung durch Dritte eine Rolle spielte, wurde das vorgenannte Wortlautargument trotz eines Streits um die Berechtigung der Aufgabendelegation nicht einmal angesprochen823. In vielen Fällen – etwa wenn ein Bauunternehmer für bestimmte Tätigkeiten verschiedene besonders qualifizierte Subunternehmer beschäftigt – würde eine Verpflichtung des Schuldners zur eigenhändigen Leistung auch gar nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprechen. Die Frage der Haftung des Dienstleisters für unabhängige Dritte beantwortet das Gericht in der vorgenannten Entscheidung sowohl unter Berufung auf mangelhafte Auswahl und Überwachung des Dritten als auch auf dessen negligence824. Dabei wird allein der erste Haftungsvorwurf auf s. 13 SGSA gestützt, während für den zweiten auf 815 816 817

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824

Palmer, (1983) 46 MLR 619, 628; vgl. aber auch Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 655 f. So offenbar tatsächlich (aber irrtümlich) Heckendorn, Haftung, Rn. 210 f. Vgl. näher ab S. 560; ferner Davies v Collins [1945] 1 All ER 247, 250 per Lord Greene MR; Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 655. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 628 hält dieses Resultat für „plainly … unjustified, because there need be nothing objectionable about such a discretion at all“. Kontrolliert würden derartige Klauseln ohnehin nach s. 3(2) UCTA. Schließlich blieben auch Schuldner, die die Leistungserbringung berechtigterweise auf Dritte übertrügen, nach common law für deren Versäumnisse verantwortlich, vgl. etwa IBA v EMI Electronics Ltd (1980) 14 BLR 1 (HL, lexis). Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 659. Vgl. Cooke/Oughton, Obligations, S. 576 m.N. Vgl. Green v Collyer-Bristow [1999] Lloyd’s Rep PN 798 per Brown J (HC, lexis) und sogleich ab S. 113. Vgl. etwa für bestimmte Formen des bailment Edwards v Newland & Co [1950] 2 KB 534, 538 ff. (CA); ferner Palmer, 46 (1983) MLR 619, 628. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 655. Vgl. Metaalhandel JA Magnus BV v Ardfields Transport Ltd [1988] 1 Lloyd’s Rep 197, 202 per Gatehouse J (HC). Metaalhandel JA Magnus BV v Ardfields Transport Ltd [1988] 1 Lloyd’s Rep 197, 203 per Gatehouse J (HC).

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

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frühere Entscheidungen Bezug genommen wird825. In der Literatur war zuvor vorgeschlagen worden, den Schuldner für Fehlleistungen des Dritten auch einstehen zu lassen, wenn der Schuldner selbst bei Auswahl und Überwachung sorgfaltsgemäß vorgegangen war826. Die Vertragsdurchführung soll – sofern nicht anders vereinbart ist – allein auf Risiko des übertragenden Vertragsteils übertragen werden dürfen827. Letztlich folgt daraus nichts anderes als eine Qualifikation der Verpflichtung zu reasonable care and skill als non-delegable828. Mit der Entscheidung in Metaalhandel JA Magnus BV v Ardfields Transport Ltd ist dies ohne weiteres vereinbar, sodass sich zusammenfassend feststellen lässt: Für eigene Fehlleistungen haftet der Dienstleister nach s. 13 SGSA, für die mangelnde Sorgfalt Dritter kraft Zurechnung nach den allgemeinen Regeln, wobei von einer Qualifikation der Pflicht nach s. 13 SGSA als non-delegable auszugehen ist829.

c)

Die Leistungszeit

Die Verpflichtung nach s. 14(1) SGSA, die Leistung within a reasonable time zu erbringen, scheidet aus, wenn der Vertrag einen Mechanismus zur Bestimmung der Leistungszeit enthält. Das Gesetz zählt (beispielhaft)830 drei Bestimmungsmechanismen auf: (1) der Vertrag bestimmt ausdrücklich eine Leistungszeit; (2) der Vertrag legt fest, dass die Leistungszeit in einem vertraglich vereinbarten Verfahren konkretisiert oder (3) im den Gang des Geschäftsgebrauchs (course of the dealing) abgestimmt wird. Findet sich keine derartige Regelung, ist das zentrale Problem, festzulegen, welcher Zeitpunkt bzw. Zeitraum „reasonable“ ist. Auf einen Maßstab zur Konkretisierung des wertausfüllungsbedürftigen Attributs reasonable gibt das Gesetz selbst kaum einen Hinweis. Immerhin bestimmt s. 14(2) SGSA, dass es insoweit auf alle Umstände des Einzelfalls ankommt. Zu berücksichtigen ist damit nicht nur die Art der geschuldeten Leistung, sondern bspw. auch die (voraussehbare) Verfügbarkeit des benötigten Materials sowie die üblichen Bedingungen und Verkehrssitten bzw. Handelsbräuche der betreffenden Profession. Der von der Rechtsprechung angelegte Maßstab ist objektiv. Das Gericht wird sich fragen, in welchem Zeitraum bzw. zu welchem Zeitpunkt ein angemessen kompetenter Angehöriger der in Rede stehenden Berufsgruppe durchschnittlich die vereinbarte Tätigkeit abgeschlossen haben würde831. 825

826 827 828 829 830

831

Morris v C Martin & Sons Ltd [1966] 1 QB 716 (CA); British Road Services Ltd v Arthur V Crutchley & Co Ltd [1968] 1 Lloyd’s Rep 271 (CA). Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 655; Palmer, (1983) 46 MLR 619, 628. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 655. Näher zu dieser Qualifikation ab S. 567. Ebenso Schmidt-Kessel, Standards, S. 424. So auch Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 659 („This term [s. 14(1) SGSA] is intended to be an obligation of last resort“). Vgl. etwa Charnock v Liverpool Corporation [1968] 3 All ER 473, 477 f. per Salmon LJ (CA), wo eine Autoreparaturwerkstatt acht Wochen benötigt hatte, um den Wagen des Klägers zu reparieren, während ein angemessen kompetenter Mechaniker dies in allenfalls fünf

§ 5 Vertragsbruch und vertragliche Haftung

113

Bei der Konkretisierung kann auf die bisherige Rechtsprechung, die durch den SGSA ja gesetzlich fixiert werden sollte, zurückgegriffen werden. Orientierung bietet auch insoweit die Unterscheidung zwischen Internalität und Externalität der Störung832: Beruht die Verspätung der Leistung auf einem Umstand außerhalb des Einflussbereichs des suppliers – ist etwa der Dienstleistungsgläubiger dafür per (impliziter) Risikozuweisung verantwortlich833, macht z.B. ein Streik Dritter die Ausführung unmöglich834 – haftet der Dienstleister für dadurch entstandene Schäden nicht. Ist die Verspätung hingegen auf eine Störung im Verantwortungsbereich des Schuldners zurückzuführen, liegt ein breach of contract vor835, der zum Schadenersatz berechtigt.

d)

Die praktische Bedeutung der s.13 SGSA für Ärzte, Anwälte und Architekten

Anders als etwa s. 74(2) des australischen Federal Trade Practices Act 1974, die bei Aufnahme eines bestimmten Zwecks der Dienstleistung in den Vertrag vom Verpflichteten836 verlangt, dass das Erreichen dieses Zwecks vernünftigerweise erwartet werden kann, kennen weder das common law noch der SGSA eine allgemeine Verpflichtung, dass die betreffende Dienstleistung einen Erfolg herbeiführen muss. Eine strikte Haftung ist diesbezüglich im Grundsatz ebenso unbekannt und bildet allenfalls die Ausnahme837. Obwohl s. 16 SGSA diese Möglichkeit offenlässt, ist regelmäßig nur bei expliziter Übernahme von einem Erfolgsversprechen auszugehen838

aa) Klarstellungsfunktion Die gesetzliche Fixierung von Mindeststandards in s. 13 SGSA hat für die Haftung von Ärzten, Anwälten und Architekten keine Neuerungen bewirkt839. Insofern be-

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Wochen hätte durchführen können. Dass die Werkstatt urlaubsbedingt unterbesetzt war und zudem daneben noch einem bedeutenden kommerziellen Kunden verpflichtet war, konnte sie nicht entlasten. Vgl. Hick v Raymond and Reid [1893] AC 22, 32 f. per Lord Watson, 33 per Lord Ashbourne (HL). Ford v Cotesworth [1868] 4 QB 127, 133 f. per Blackburn J (QB). Hick v Raymond and Reid [1893] AC 22, 37 per Lord Ashbourne (HL). Percy Bilton Ltd v GLC [1982] 2 All ER 623, 628 per Lord Fraser (HL). Die professionellen Dienstleistungen von Ingenieuren und Architekten sind von s. 74(2) nicht erfasst, vgl. Cooke/Oughton, Obligations, S. 575 m. Fn. 10. Palmer, [1983] 46 MLR 619, 629 f.; Woodroffe, Goods, S. 106; Schmidt-Kessel, Standards, S. 297. Möglich ist ein derartiger term im Einzelfall gleichwohl schon, vgl. Palmer, a.a.O., Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 657. Näher ab S. 623. Ebenso Emden/Redmond-Cooper, §§ II–675 ff. für Dienstleister im Rahmen von building contracts. Dies deckt sich mit der von Schmidt-Kessel, Standards, S. 296 getätigten Beobachtung, dass die bislang ergangenen Entscheidungen lediglich (aber immerhin) die Tendenz zeigen, „sec. 13 SGSA 1982 als Mittel der Haftungsverschärfung durch Begründung

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

114

gnügt man sich in der Literatur zumeist mit dem Hinweis auf s. 13 SGSA, manchmal auf den SGSA als solchen. Sogar ein derartiger Hinweis entfällt bisweilen840. Die gesetzgeberische Absicht, in nicht abschließendem Umfang common law zu kodifizieren, wird in der speziellen Literatur zur Dienstleisterhaftung kaum einmal erwähnt841. Vor diesem Hintergrund kommt der Regelung der s. 13 SGSA in diesem Zusammenhang vornehmlich klarstellende Funktion zu. Denn auch in der Rechtsprechung zu Dienstleistertypen mit etabliertem Haftungsstandard, wie bei den Ärzten, Anwälten und Architekten, spielt s. 13 SGSA keine zentrale Rolle842.

bb) Ausschlussfunktion Über eine reine Klarstellungsfunktion hinaus erhält s. 13 SGSA jedoch eine weitere Aufgabe. Diese gesetzliche Regelung schließt nämlich ein allgemeines Zurückgehen der Rechtsprechung hinter den in s. 13 SGSA für den supply of services normierten Mindestsstandard aus. Allerdings ist selbst das kein besonderer Gewinn, weil die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien dem gemäß s. 13 SGSA zu implizierenden term vorgehen, sodass dieser nach den Regeln der implication by statute nicht in den konkreten Vertrag eingefügt wird, soweit der Parteiwille entgegensteht843. Dies wird in s. 16(1) SGSA nochmals ausdrücklich klargestellt für express agreements sowie für eine beide Parteien bindende Verkehrssitte844 und schließlich für einen aus dem

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zusätzlicher Pflichten in solchen Rechtsverhältnissen zu nutzen, in welchen zuvor ein entsprechender Standard noch nicht entwickelt worden war.“ (Hervorhebung hinzugefügt). S. 13 SGSA benennen Evans, Liabilities, § 4–03 in Fn. 9; Jackson/Powell, Negligence, § 2–007 in Fn. 16; § 10–077 in. 3; Jones, Negligence, § 2–004 in Fn. 11; O’Reilly, Civil engineering, S. 24 in Fn. 61, S. 66 in Fn. 5; Emden/Palmer, § II–101; Emden/RedmondCooper, §§ II–675 ff.; Watson, Litigation, § 1.42; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 1650, mit etwas mehr Gewicht auf S. 1780; vgl. auch Powell, in Birks, Wrongs, S. 52, 65. Erwähnt wird der SGSA von Murdoch/Hughes, Construction Contracts, S. 82, 133, 245. Ein Hinweis auf das Gesetz unterbleibt völlig in de Cruz, Medical Law; Lewis, Negligence; van Deventer, Construction Contracts; Wallace, Construction Contracts. Mehrfach herangezogen wird s. 13 SGSA indes in den Lehrbüchern zum allgemeinen Vertragsrecht von Treitel, Contract, S. 795, 840 und Collins, Contract, S. 226, 304 sowie besonders häufig im Lehrbuch zum englischen „Obligationenrecht“ von Cooke/Oughton, Obligations, S. 243, 503, 570, 571, 573, 574, 576, 581. Immerhin bei Evans, Liabilities, § 4–03 in Fn. 9; Jackson/Powell, Negligence, § 2–007 in Fn. 16; § 10–077; Emden/Palmer, § II–101. Dies überrascht allerdings nicht sonderlich, da der in s. 13 SGSA normierte Maßstab sich auf ebendiese Rechtsprechung stützt und folgerichtig auch ohne Kodifizierung Anwendung finden würde. Erwähnt wird s. 13 SGSA z.B. in Green v Collier-Bristow [1999] Lloyd’s Rep PN 798 per Brown J (HC, lexis). Vgl. auf S. 64 f. Bindungsgrundlage ist hier der vermutete Parteiwille. Eine Vertragsergänzung durch Verkehrssitte bzw. Handelsbrauch darf nach der älteren Rechtsprechung zwar nicht contrary to the law erfolgen. Ob diese Regel heute noch Bestand hat, ist wegen Wandlungen in der

§ 6 Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht

115

Gang der Vertragsverhandlungen zu entnehmenden entgegenstehenden Parteiwillen. Diese Einschränkungen schmälern selbst die Bedeutung der rein negativen Funktion von s. 13 SGSA845. Immerhin muss sich ein als Haftungsausschluss zu qualifizierendes Zurückgehen hinter diesem Standard bei Verbrauchergeschäften an ss. 2(1), (2) und 7(2) UCTA messen lassen846, sodass jedenfalls bei derartigen Geschäften ein gewisser Grundstandard gewährleistet ist. All dies ändert freilich nichts daran, dass letztlich stets zu prüfen ist, ob bei Vertragsschluss ein ausdrücklich oder unausgesprochen entgegenstehender Parteiwille bestand. Dass die sehr wertoffene und zugleich nicht zwingende Regelung in s. 13 SGSA unmittelbar nach ihrer Einführung häufig als Mangel empfunden wurde847, ist angesichts dessen nachvollziehbar848.

§ 6 Die Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht Eine Problematik, die gerade im englischen Haftungsrecht professioneller Dienstleister praktisch nicht zu unterschätzen ist, bildet die wechselseitige Einflussnahme von englischem Deliktsrecht und Vertragsrecht. Um für sie den Blick zu öffnen, sind einige kurze Vorbemerkungen unumgänglich.

A.

Vorbemerkungen

I.

Terminologisches

Hinter dem Begriff negligence verbirgt sich zunächst nicht allein ein vertraglich (und deliktisch) relevanter Sorgfaltsmaßstab, sondern auch ein eigenständiges Delikt mit breitem Anwendungsbereich. Das Wort negligence wird kontextabhängig in weiteren unterschiedlichen Bedeutungen verwendet849. Negligence kann Sorglosigkeit (careless-

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Dogmatik der implication in law jedoch zweifelhaft (Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 129). Da diese Frage noch nicht abschließend gerichtlich entschieden ist, macht die Klarstellung in s. 16(1) SGSA Sinn. Das National Consumer Council hatte daher eine Regelung empfohlen, nach der Klauseln, die die Haftung selbst für Fahrlässigkeit ausschließen, automatisch unwirksam sind. Eine solche Regelung scheint aber zu rigide. So wird eine Ausschlussklausel bspw. dort für fair gegenüber dem Verbraucher gehalten, wo dieser infolge der Klausel einen geringeren Preis zahlt, James, [1983] JBL 10, 16 f. Vgl. James, [1983] JBL 10, 16. Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 662; besonders deutlich Palmer, (1983) 46 MLR 619, 619 f., 629 f. James, [1983] JBL 10, 17 sieht einen Vorteil darin, dass das Recht nun auch Nichtjuristen leichter zugänglich und zudem mit einem höheren Bekanntheitsgrad versehen ist, schätzt also insbesondere die Klarstellungsfunktion. Zur Konzeption von „negligence“ als rechtlicher und philosophischer Kategorie vgl. auch Raz, (2010) 30 OJLS 1 ff.

116

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

ness) bedeuten, aber das ist kein juristischer Ausdruck850. Die Rechtsprechung hat mit negligence bisweilen ein tatsächliches Phänomen gekennzeichnet851 und auf diese Weise – vornehmlich im neunzehnten Jahrhundert – auch eine Form persönlicher Schuld beschrieben852. Als „contributory negligence“ (Mitverschulden) bedeutet negligence lediglich in einem generellen Sinn, dass der Kläger bezüglich seiner eigenen Sicherheit nicht aufmerksam genug war853. Bisweilen meint negligence auch die innere Einstellung des Handelnden zu seinem Verhalten (state of mind) und bildet insoweit den Gegensatz zum Vorsatz854. Schließlich bezeichnet negligence das nun zu erörternde Delikt855, das im common law, das keine deliktische Generalklausel kennt856, die Voraussetzungen umfasst, die eine deliktische Haftung für fahrlässig verursachte Schäden begründen857. Unter professional negligence wird die vertragliche und außervertragliche Haftung professioneller Dienstleister zusammengefasst, wie dies im Deutschen bisweilen unter der Bezeichnung als „Berufshaftung“858 geschieht. Einen eigenständigen, vom tort of negligence zu unterscheidenden tort bildet demgegenüber die Verletzung einer gesetzlich geschuldeten Sorgfaltspflicht (breach of statutory duty)859. Von diesen gesetzlichen Sorgfaltspflichten sind wiederum terms implied in law by statute, wie etwa s. 13 SGSA, zu trennen, da es sich bei ihnen – trotz der gesetzlichen Anordnung der Vertragsergänzung – dogmatisch um vertragliche Pflichten handelt.

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Lewis, Negligence, S. 156. Wenn etwa Baron Alderson in der Entscheidung Blyth v Birmingham Waterworks Co [1856] 11 Ex Ch 781, 784 (zitiert nach Charlesworth/Percy, Negligence, § 1–05) ausführt: „Negligence is the omission to do something which a reasonable man, guided upon those considerations which ordinarily regulate the conduct of human affairs, would do, or doing something which a prudent and reasonable man would not do“, benutzt er die alltagssprachliche Bedeutung dieses Wortes. Gemeint ist, dass „negligently“ handelt, wer das Maß an Sorgfalt außer Acht lässt, das bei objektiver Wertung von einem „reasonable“ man zu erwarten ist, Lüer, Haftung, S. 16. Vgl. Lüer, Haftung, S. 16 f. Charlesworth/Percy, Negligence, § 1–10 m.w.N. Zur Entwicklung des Mitverschuldens im englischen Recht monographisch Klauss-Hartung, Mitverschulden, S. 20 ff. Charlesworth/Percy, Negligence, § 1–02 ff. m.w.N. Charlesworth/Percy, Negligence, § 1–14 ff. m.w.N. Freilich nähert sich das common law hier gerade aufgrund der bezüglich negligence als legal concept bestehenden Uneinigkeiten bisweilen einer Generalklausel, d.h. funktionell einem Auffangtatbestand, an, vgl. Harlow, Tort, S. 40; von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 274, 282. Grant v Australian Knitting Mills Ltd [1936] AC 85, 103 per Lord Wright (PC). Der Begriff „Berufshaftung“ wird in unterschiedlichem Sinne verwendet, vgl. z.B. die Spezifizierung bei Katzenmeier, Arzthaftung, S. 89 ff.; sehr weit hingegen Hirte, Berufshaftung, S. 1 ff.; Lang, AcP 201 (2001), 451, 454 ff. London Passenger Transport Board v Upson [1949] AC 155, 168 per Lord Wright (HL); vgl. aus jüngerer Zeit z.B. RPR Architects v Reid [2007] ICR 78 (CA); näher von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 305 ff.

§ 6 Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht

II.

117

Negligence als tort

Negligence ist als tort ein so genannter innominate tort, d.h. ein Delikt, das – anders als battery und andere nominate torts – nicht einer speziellen unerlaubten Handlung zuzuordnen ist, sondern eine Reihe ganz heterogener Sachverhalte erfasst, von der Produkthaftung bis hin zur Erteilung fehlerhafter Auskünfte860. Gewöhnliche Fahrlässigkeit bildet für sich genommen nach gängigem Verständnis keinen deliktischen Klagegrund861. Um einen klagbaren Anspruch aus dem tort of negligence zu begründen862, muss dem Beklagten (1) zunächst eine Pflicht obliegen, sich gegenüber dem Kläger mit der vernünftigerweise in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt (reasonable care) zu verhalten. (2) Dem durch die duty of care bestimmten Sorgfaltsstandard muss der Beklagte durch sein Verhalten nicht genügt haben (breach of duty), was – ebenso wie das Bestehen einer gerade ihm gegenüber geschuldeten duty863 – vom Kläger zu beweisen ist864. (3) Schließlich muss dem Kläger durch dieses Fehlverhalten ein Schaden entstanden sein, der zum einen (bei wertungsmäßiger Betrachtung) (a) unmittelbar (reasonably proximate) durch die Sorgfaltspflichtverletzung verursacht wurde und (b) zum anderen durch die Rechtsordnung anerkannt ist.

B.

Die Einflussnahme des Deliktsrechts auf das heutige Vertragsrecht

Der Schuldinhalt wird für professionelle Dienstleister einheitlich – vertraglichen wie deliktisch – unter Bezugnahme auf die Figur des reasonable man festgelegt865, der selbstverständlich ein fiktiver Charakter ist866 und den Umständen des Einzelfalls

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Vgl. nur von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 274 m.w.N. Menschliche Fehler und negligence als legal concept sind keine Synonyme, vgl. Winfield/ Jolowicz, Tort, § 5.2; Charlesworth/Percy, Negligence, § 1–05 m. Fn. 10; Cooke/Oughton, Obligations, S. 221. Vgl. ausführlich Charlesworth/Percy, Negligence, §§ 2–04 ff.; Winfield/Jolowicz, Tort, §§ 5.1 ff.; von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 274 ff.; vgl. auch Jaffey, Duty, S. 6 ff.; gute Zusammenfassung der Rechtsprechung in Galliford Try Infrastructure Ltd & Another v. Mott MacDonald Ltd [2009] PNLR 9, Tz. 180 ff. (TCC). Donoghue v Stevenson [1932] AC 562, 579 per Lord Atkin (HL). Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.61. Tettenborn (Obligations, S. 61) weist freilich darauf hin, dass im vertraglichen Kontext den Umständen des Einzelfalls im Vergleich zum Deliktsrecht in Bezug auf die Bedeutung der Figur des reasonable man stärkere Bedeutung zukommt. Das ist selbstverständlich insoweit richtig, als die Parteien einen vom deliktischen standard of care abweichenden Schuldinhalt (implizit) vereinbaren können, ändert aber nichts daran, dass das Verhalten eines reasonable man den gedanklichen Ausgangspunkt aller Überlegungen bildet. Vgl. Davis Contractors Ltd v Fareham Urban District Council [1956] AC 696, 728 per Lord Ratcliffe (HL); Jackson/Powell, Negligence, § 10–078. Die Bezugnahme auf ihn ist eine Umschreibung für den wertenden Spruch des Gerichts, vgl. Davis Contractors Ltd v Fare-

118

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

angepasst wird867. Denn grundsätzlich soll es keine Rolle spielen, ob aus Vertrag oder Delikt geklagt wird868. Diese Bewertung mag erleichtern, dass die Ausformung des mit „reasonable man“ bezeichneten Standards bzw. seiner terminologischen Äquivalente zu weiten Teilen unter Anlehnung an deliktsrechtliche Kategorien stattfand869. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert: Wenn nicht vertraglich ausdrücklich ein Sorgfaltsstandard vereinbart wird, der die von dem reasonable man erwartete Sorgfalt modifiziert, unterscheiden sich deliktisch und vertraglich geschuldete Sorgfalt der hier untersuchten Dienstleister in der Regel nicht. Obiter geäußerte Vorschläge, den einschlägigen Standard in Abhängigkeit von der dogmatischen Grundlage grundsätzlich unterschiedlich auszugestalten, haben die Gerichte nicht aufgegriffen 870 und so nehmen deliktsrechtliche Kategorien deutlichen Einfluss auf die vertragliche Dienstleistungshaftung. Powell beobachtet gar für die von ihm vereinheitlichend871 „duty of care“ genannten Pflichten professioneller Dienstleister eine bemerkenswerte – deliktsrechtlich veranlasste – Kohärenz und Exklusivität analytischer Bemühungen872. Mit ihnen gehe freilich – unglücklicherweise – die Ernährung einer regelrechten „tort culture“ einher, die der Analyse der vertraglichen Beziehungen augepflanzt werde873. Zur Stützung seiner These weist Powell auf ein äußeres Kennzeichen dieses Prozesses hin874: Selbst die Zuordnung des einschlägigen Fallrechts – gleichgültig, ob vertragliche oder deliktische Haftung betreffend – geschieht unter dem Titel „Professional Negligence“875, der augenblicklich eine Assoziation mit dem deliktischen tort of negligence weckt876.

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ham Urban District Council [1956] AC 696, 728 per Lord Ratcliffe (HL); Millner, (1976) 92 LQR 131, 133. Zur Modifikation der Anforderungen in Bezug auf professionelle Dienstleister ab S. 214 und S. 245. Für viele Hotson v East Berkshire Area Health Authority [1987] 1 All ER 210, 216 per Sir John Donaldson MR, 222 per Croom-Johnson LJ (CA); Naylor v Preston Health Authority [1987] 2 All ER 353, 360 per Sir John Donaldson MR (CA); Powell, in: Birks, Wrongs, S. 47; Tettenborn, Obligations, S. 60; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 415; Fischer, Haftung, S. 38; Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 16. Vgl. Cooke/Oughton, Obligations, S. 219 ff.; Powell, in: Birks, Wrongs, S. 48; ferner Tettenborn, Obligations, S. 60; zur gegenseitigen Beeinflussung auch Heckendorn, Haftung, Rn. 949 m.w.N. Näher dazu ab S. 514. Vereinheitlichend, weil sich diese Beobachtung auf vertragliche und deliktische Sorgfaltspflicht bezieht, obwohl diese Formulierung sogleich – von Powell bekämpfte – deliktische Assoziationen weckt. Powell, in: Birks, Wrongs, S. 48. Powell, in: Birks, Wrongs, S. 48. Ähnlich Schmidt-Kessel, Standards, S. 204. Vgl. nur dieTitel der Werke von Jackson/Powell und Dugdale/Stanton sowie der Fallsammlungen von Tettenborn und Pittaway/Hammerton. Powell, in: Birks, Wrongs, S. 48 schlägt daher gleichzeitig als neutralere Sammelbezeichung „Professional Liability“ vor.

§ 6 Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht

C.

119

Dogmatische und praktische Konsequenzen

Diese „Deliktsrechts-Kultur“ sei allerdings – so Powell – nicht ein Werk der Sprache allein. Bezeichnend sei vielmehr, dass die duty of care in Vertrag und Delikt im Zentrum der Aufmerksamkeit stehe877. Diese Beobachtung wird u.a. durch die gerichtliche Formulierungspraxis bestätigt: Für die Feststellung der im Einzefall geltenden Sorgfaltsanforderungen ist zunächst eine Konkretisierung der duty of care vorzunehmen878. Das Ergebnis dieses Konkretisierungsvorgangs formulieren die Gerichte in ständiger Praxis dann wiederum als duty of care879. Im Hintergrund könnte dabei die Orientierung an vertragsrechtlichen Kategorien stehen. Denn analog zu anwaltshaftungsrechtlichen Entscheidungen880 dürfte z.B. im englischen Arzthaftungsrecht zumindest im vertraglichen Kontext dogmatisch davon auszugehen sein, dass den Arzt gegenüber seinem Patienten nicht nur eine einzige globale Pflicht zu Sorgfalt und Sachkunde trifft, sondern dass durch den Eintritt in die vertragliche Arzt-Patienten-Beziehung ein ganzes Bündel von Pflichten zu Sorgfalt und Sachkunde entsteht881. Anderes wird für die Arzthaftung zwar im deliktischen Kontext angenommen882, doch ist durch die Entscheidung des House of Lords in der Sache Chester v Afshar883 der hinter dieser Annahme stehende rechtspolitische Grund entfallen884. Dass die Frage nach der Qualifikation für das Deliktsrecht in naher Zukunft (neu) überdacht werden wird, ist gleichwohl nicht zu erwarten. Denn durch die vorgenannte Formulierungspraxis besteht dafür kein aktuelles Bedürfnis. Im Architektenhaftungsrecht wird explizit vom Bestehen eines Pflichtenbündels ausgegangen885. In dieser Formulierungspraxis deutet sich losgelöst hiervon bereits an, dass sich die Maßstäbe für die deliktische duty of care und die vertragliche duty to exercise

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Powell, in: Birks, Wrongs, S. 48. Vgl. z.B. Kidner, (1991) 11 LS 1 ff. Zu den Kriterien dieser Konkretisierung ab S. 217. Vgl. Weir, Casebook, S. 138; Schmidt-Kessel, Standards, S. 349; vgl. ferner Heckendorn, Haftung, Rn.464 m.w.N. Vgl. nur Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 434 f. per Oliver J (HC). Dies ist offensichtlich in Fällen der implication (vgl. Eyre v Measday [1986] 1 All ER 488 (CA); Thake and Another v Maurice [1986] QB 644 (CA) sowie Pittaway/Hay in: Pittaway/ Hammerton, Negligence, S. 529), kann aber folgerichtig auch ohne implication nicht anders gedacht sein. Sidaway v Board of Governors of The Bethlem Royal Hospital and the Maudsley Hospital [1985] AC 871, 893 per Lord Diplock (HL); Gold v Haringey Health Authority [1988] QB 481, 489 per Lloyd LJ, S. 492 per Brown LJ (CA); zustimmend Charlesworth/Percy, Negligence, § 8–94. Chester v Afshar [2005] 1 AC 134 (HL). Nämlich eine möglichst ausnahmslose Anwendung des für den Patienten nachteilig ausgelegten Bolam-Tests, vgl. zur früheren und neueren Rechtsprechung instruktiv Kennedy, Treat, S. 175 ff.; Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298 ff. Vgl. nur Oxford Architects Partnership v Cheltenham Ladies College [2007] BLR 293, Tz. 24 ff. per Ramsey J.

120

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

reasonable care im Übrigen sehr nahe stehen886. Diese Nähe befördert „die gegenseitige Übernahme von Wertungen und situationstypischen Konkretisierungen“887. Es kommt in der Entscheidungspraxis sogar vor, dass entweder die Haftungsgrundlage – Vertrag oder Delikt – gar nicht ausdrücklich benannt wird888 oder die einzelnen Richter auf unterschiedlicher dogmatischer Basis urteilen, ohne dies in der Urteilsbegründung zu thematisieren889. Vor diesem Hintergrund fällt bisweilen auch umgekehrt – nämlich zur Begründung der deliktischen Haftung – der Hinweis auf die Vertragsähnlichkeit der Interessenlage leicht890. So geht Lord Templeman z.B. in Sidaway v Governors of the Bethlem Royal and Maudsley Hospital891 davon aus, dass in Arzthaftungsfällen die deliktische Sorgfaltspflicht – da sie letztlich nichts anderes als eine vertragliche Pflicht in deliktischem Gewand darstelle (!) – wie eine vertragliche Sorgfaltspflicht zu behandeln sei. Die Gerichte bemühen sich insofern (auch und gerade im Arzthaftungsrecht892), die Unterschiede zwischen Vertrags- und Deliktsrecht zu minimieren, was sich, um eine praktische Konsequenz aufzuzeigen, z.B. in einer starken Zurückhaltung gegenüber der Annahme oder Implikation strikter vertraglicher Pflichten im medizinischen Kontext manifestiert893. Diesem Beispiel folgt die Literatur, indem sie bei der Behandlung des Sorgfaltsstandards als dogmatischer Kategorie nicht zwischen Vertrag und Delikt differenziert. Lediglich der Hinweis, dass ein abweichender Standard ausdrücklich vertraglich vereinbart werden kann, findet sich regelmäßig 894.

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Vgl. die Nachweise in Fn. 868. Schmidt-Kessel, Standards, S. 204. Oder es ist schlicht von einem „breach of duty“ die Rede, vgl. z.B. Plymouth & South West Co-Operative Society Ltd v Architecture, Structure & Management Ltd [2006] EWHC 5, Tz. 40, 146 ff. (TCC). Vgl. Paris v Stepney Borough Council [1951] AC 367 (HL); Schmidt-Kessel, Standards, S. 204; aus jüngerer Zeit Shakoor v Situ [2001] 1 WLR 410, wo die Haftung entweder aus Vertrag oder aus Delikt oder aus beidem folgen könnte, und Judge Lindsey QC wohl deshalb auf die Anspruchsgrundlage überhaupt nicht eingeht. Beide Haftungsgrundlagen stets zusammenzitierend z.B. Fitzroy Robinson Ltd v Mentmore Towers Ltd [2009] BLR 505, Tz. 230 ff. per J Coulson (TCC). Ähnlich Teff, Care, S. 160; für ein Beispiel s. Galliford Try Infrastructure Ltd & Another v Mott MacDonald Ltd [2009] PNLR 9, Tz. 190 f. per Mr. Justice Akenhead (TCC). Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643. Zu einer Analyse dieser Entscheidung vgl. vor allem Kennedy, Treat, S. 193 ff. Vgl. hierzu die versicherungsrechtliche Entscheidung Forsikringsaktieselskapet Vesta v Butcher [1988] 3 WLR 565, 571 per O’Connor LJ (CA): „The classic example of this situation is the relationship between doctor and patient“. Vgl. Jones, Negligence, § 2–003 und näher ab S. 623. Jackson/Powell, Negligence, §§ 2–009 f.; Dugdale/Stanton, Negligence, §§ 4.02, 15.02.

§ 6 Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht

D.

121

Rechtstechnische Parallelen

Parallelen zwischen Vertragsrecht und deliktischer Fahrlässigkeitshaftung finden sich aber nicht allein in der Formulierungspraxis, sondern auch im Hinblick auf die Rechtstechnik.

I.

Deliktsrecht

Die im Zentrum der Haftung aus negligence stehende duty of care vereint in den tests, die zu ihrer Etablierung anzuwenden sind, „Probleme der Rechtswidrigkeit, der äußeren Seite der Fahrlässigkeit und des Schutzbereiches der Norm“895. Die eigentliche Fahrlässigkeitsprüfung, d.h. ob „sich jemand falsch verhalten hat, wird bei ‚schulmäßiger‘ Prüfung … nicht auf der Ebene von duty erörtert, sondern bei der Frage, ob ein breach of duty vorliegt“896. Da ein breach of duty aber nur vorliegt, falls der Beklagte bei der Pflichterfüllung keine angemessene Sorgfalt hat walten lassen, taucht die Sorgfalt sowohl im Rahmen des Pflichtinhalts als auch im Rahmen der Pflichtverletzung auf, sodass sich die Frage stellt, worin sich duty und breach eigentlich unterscheiden. Weiterzuhelfen vermag hier vielleicht ein Blick auf Donoghue v Stevenson897, den für den modernen tort of negligence grundlegenden Produkthaftungsfall898. Im Rahmen der duty war dort zunächst allein problematisch, ob der Hersteller einzelnen Konsumenten überhaupt Sorgfalt schuldet. Nachdem dies bejaht worden war, galt es auf der Ebene des breach zu klären, wie diese Pflicht verletzt worden war, was der Hersteller also konkret falsch gemacht hatte. Denn Lord Atkin’s neighbour principle stützte das Bestehen einer duty wesentlich auf die Vorhersehbarkeit einer potentiellen Schädigung. Um ein völliges Ausufern der Haftung zu vermeiden, bedurfte es daher eines wirksamen Haftungsentlastungsmechanismusses. Obwohl z.B. der Produkthersteller ja absehen kann, dass sein Produkt u.U. irgendwann einmal einen anderen zu schädigen geeignet ist, soll dieser gleichwohl nur haften, wenn das Produkt einen ihm zuzurechnenden Fehler aufweist. Genau dies stellte ursprünglich erst die separate Prüfung eines breach sicher. Aufgrund der weiten Formulierung des „Nachbarprinzips“ durch Lord Atkin in Donoghue hatte die duty indes eine weitere Funktion zu übernehmen: Sollte duty „ursprünglich begründen, warum man (jenseits von trespass) auch für mittelbare Schadenszufügungen haftbar werden kann, ist duty heute die Sperrvorrichtung der Schleusentore geworden, mit denen man einer unkontrollierten Haftung gegensteuert.“899 Flexibler Kontrollmaßstab der Haftungsbegrenzung ist dabei heute die Frage, ob die Bejahung einer duty den im Einzelfall maßgeblichen policy-Erwägungen standhält, 895 896

897 898 899

von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 279. von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 280, der als Beispiel auf Barnett v Chelsea and Kensington Hospital Management Committee [1969] 1 QB 428 verweist; vgl. ferner Heckendorn, Haftung, Rn. 464 m.w.N. Donoghue v Stevenson [1932] AC 562. Zum Folgenden von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 280. von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 280; ebenso Samuel, Obligations, S. 106 („control device“).

122

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

d.h. fair, just and reasonable ist900. Die generelle Kontrolle anhand von Gemeinwohlerwägungen – der Entlastungsmechanismus – wird auf diesem Wege in das Merkmal der duty integriert901. Die Entlastung findet auf der Ebene der duty statt. Gleiches gilt für die Konzeption der vertraglichen Haftung. Denn auch dort ist der Haftungsstandard – als Entlastungsmechanismus – in die Pflicht integriert902. Die Entlastung findet ebenso auf der Ebene der Pflicht und nicht auf der des Vertragsbruchs statt903. Natürlich unterscheiden sich diese Entlastungsmechanismen insoweit, als es im deliktischen Kontext auch darum geht, die Entstehung neuartiger Sonderverbindungen zu kontrollieren, während diese Überlegung im Rahmen vertraglicher Haftung in Bezug auf die durch den Vertrag begründete Sonderverbindung keine Rolle spielt.

II.

Parallelen zwischen Vertrag und Delikt

Ein ähnliches Bemühen lässt sich allerdings insofern auch im Vertragsrecht nachweisen, als die Rechtsprechung – jedenfalls für die hier untersuchten Dienstleister – bemüht ist, dass Entstehen „neuartiger“ strikter Vertragspflichten dadurch zu kontrollieren, dass sie an den Nachweis der strikten vertraglichen Verpflichtung strenge Anforderungen stellt904. Zu erklären sein dürfte diese Zurückhaltung zumindest teilweise daraus905, dass zur Haftungsentlastung, soweit einmal von einer strikte Verpflichtung des Schuldner ausgegangen wird (und der Vertrag keine von den Parteien formulierten Haftungsbegrenzungsmechanismen enthält), allein die in ihrem Anwendungsbereich eng begrenzte Figur der frustration zur Verfügung steht. Dieses Problem stellt sich bei der von vorneherein sorgfaltsabhängigen Haftung nicht, denn hier bleibt – neben der frustration – die Möglichkeit, die Sorgfaltspflichten derart zu konkretisieren, dass der Schuldner nicht übermäßig belastet wird. Die Entlastung kann durch Konkretisierung – ebenso wie im Deliktsrecht – auf der Ebene der Pflicht stattfinden.

1.

Praktische Auswirkungen

Praktisch schlägt sich dieser Unterschied hinsichtlich der Entlastungsmöglichkeiten – wie berichtet – im Begründungsaufwand nieder. Denn stellt man die Grundmuster für die strikte und die sorgfaltsabhängige Vertragshaftung einander gegenüber, ergibt sich folgendes Bild906: (1) Dass der Schuldner strikt haftet, bedarf häufig keiner Erwähnung, da mit der Fixierung des Versprechensinhalts zugleich der Haftungsstan900 901 902 903

904 905 906

Vgl. die Nachweise in Fn. 862. Vgl. auch von Bar, Deliktsrecht I, Rn. 279. Vgl. ab S. 68. Zum Nichtvorhandensein eines zweistufigen Entlastungsmechanismusses vgl. bereits ab S. 68. Im Einzelnen ab S. 623. Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 291. Dazu Schmidt-Kessel, Standards, S. 507 f.

§ 6 Beziehungen zwischen Vertrag und Delikt im englischen Dienstleistungshaftungsrecht

123

dard festgelegt ist. Die Begründung – d.h. das „Ob“ – der Übernahme entsprechender Pflichten durch den Schuldner ist hingegen – selbst bei als dispositiven Normen des Gesetzes- oder Fallrechts etablierten Pflichten – im Einzelfall mit erheblichem Aufwand verbunden. (2) Die Übernahme einer duty of care ist bei der vertraglichen Verpflichtung eines professionellen Dienstleisters hingegen kaum begründungsbedürftig. Sie bildet, im Gegenteil, den selbstverständlichen Normalfall (ebenso s. 13 SGSA). Hier ist aber, wie gesagt und später zu zeigen, die Ausfüllung des Maßstabs, d.h. die Konkretisierung der Sorgfaltspflicht im Einzelfall mit erheblichem Aufwand verbunden, ohne dass es darauf ankommt, ob im Rahmen einer vertraglichen oder deliktischen duty to take reasonable care gehandelt wurde. Den Hintergrund dieses Phänomens beleuchten vielleicht die von Sir Donaldson MR in Hotson v East Berkshire Area Health Authority für einen Arzthaftungsfall getroffenen Feststellungen: Man geht davon aus, für eine diesbezügliche Unterscheidung zwischen Vertrag und Delikt fehle es an einer rationalen Basis907.

2.

Einfluss des Vertragsrechts auf die Entwicklung des tort of negligence?

Diese Einschätzung ist vielleicht ohne den Hinweis auf Gleichheitssatz u.ä. vor folgendem Hintergrund nachvollziehbar: Historisch betrachtet hat sich die duty of care als Tatbestandsmerkmal der Haftung aus negligence erst sehr spät im Wege der action on the case aus der assumpsit-Klage entwickelt908, die auch den Motor für die Entstehung des Vertragsrechts bildete909. Noch zu Beginn des vorletzten Jahrhunderts erwähnen die Gerichte in Entscheidungen, die sich mit der Haftung für fahrlässig verursachte Schäden beschäftigen, keine besondere „legal duty“910. Man ging seit dem Mittelalter aber nicht911 von einer allgemeinen Sorgfaltspflicht aus, sondern verlangte vom Kläger stets den Nachweis, dass sein Fall einer bereits anerkannten „duty situation“ zugehörte. Andernfalls musste er das Gericht überzeugen, eine neue duty anzuerkennen912. Entscheidend ist hier, dass die Gerichte im Rahmen der assumpsitKlage aus den ihr zugrunde liegenden Verträgen besondere Verhaltensnormen entwickelten, die für bestimmte Situationen die Vorläufer des Merkmals des „breach of duty“ bildeten913. Die damit eröffnete Möglichkeit zur strikten Haftungsbegrenzung, nämlich: eine Klage da auszuschließen, wo nicht zugleich eine vertragliche Beziehung besteht, wurde allerdings nicht genutzt914 und erstmals Brett MR setzte in der 907 908

909 910 911

912 913 914

Hotson v East Berkshire Area Health Authority [1987] 1 All ER 210, 216 (CA). Vgl. Lang, Normzweck, S. 204 f. m.w.N. Ein genauer Zeitpunkt für die Anerkennung lässt sich nur schwer ausmachen. Zumeist wird der Beginn des 19. Jahrhunderts genannt, vgl. Fifoot, History, S.164 f.; Holdsworth, History VIII, S. 449 ff.; Winfield, (1926) 42 LQR 184, 195. Für viele Ranieri, Obligationenrecht, S. 21 ff. Lüer, Haftung, S. 20. Zu unbewussten Annahme bestimmter Sorgfalts- und Verhaltenspflichten durch die Gerichte im Rahmen der assumpsit-Klage vgl. Köndgen, Selbstbindung, S. 21. Lang, Normzweck, S. 204 f. m.w.N. Lüer, Haftung, S. 18 m.w.N. Vgl. Lang, Haftung, S. 206 f. m.w.N.

3. Kapitel . Die Mechanismen vertraglicher Haftung in Grundzügen

124

Sache Heaven v Pender915 an die Stelle der privity of contract das weiter gefasste Merkmal einer „duty“.

3.

Konsequenz

Gleichwohl hat sich die negligence-Haftung im Beginn ihrer eigenständigen Entwicklung mit vertraglichen Kategorien auseinandergesetzt und sich folglich an ihnen orientiert. Dies äußert sich etwa im Arzthaftungsrecht darin, dass die Gerichte auch nach dem Beginn der Entwicklung von negligence zu einem eigenständigen tort und zur zentralen Grundlage für die Arzthaftung916 fortfuhren, in vertraglichen Kategorien zu urteilen, obwohl der Patient im eigentlichen Sinne keine consideration erbrachte917. Darin könnte immerhin eine Erklärung für die oben aufgezeigten Parallelen zwischen Haftungsbegründung und -entlastung liegen. Inwieweit der Konkretisierung des Pflichtinhalts von Vertrag und Delikt vergleichbare policy-Erwägungen zugrunde liegen918, kann indessen nicht abstrakt erörtert werden, zumal es sich bei der gegenseitigen Beeinflussung und wechselseitige Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht um extrem komplexes Thema handelt919. Denn die Bildung eines eigenständigen Systems der vertraglichen Haftung ist bislang weder der englischen Rechtsprechung noch der Literatur gelungen920. Dies wird – gerade im Bereich der Dienstleistungshaftung – äußerlich bereits durch den Umstand belegt, dass einerseits die Konzepte und Wertungen zur Konkretisierung des vertraglichen Haftungsstandards im Einzelfall regelmäßig aus dem Deliktsrecht entliehen werden921 und umgekehrt922. Vor diesem Hintergrund verweisen wir auf die beim jeweiligen Sachproblem folgenden Erörterungen deliktisch entschiedener Fällen aus vertraglicher Perspektive. 915 916 917

918 919

920

921

922

Heaven v Pender (1883) 11 QBD 503, 507 per Brett MR. Vgl. Giesen, Malpractice, § 1 Rn. 4 ff. Teff, Care, S. 160. Zu Beispielen vgl. Banbury v Bank of Montreal [1918] AC 626, 657 per Lord Finlay (HL); Everett v Griffiths [1920] 3 KB 163, 193 per Scrutton LJ (CA) sowie ab S. 331. Davon scheint Fischer, Haftung, S. 40 ff. auszugehen. Vgl. dazu mit zahlreichen grundsätzlichen Überlegungen Markesinis/Deakin, Tort, S. 11 ff.; Samuel, Obligations, S. 78 ff. Vgl. von Bar /Drobing, Property Law, Rn. 93; Cooke/Oughton, Obligations, S. 244: „No coherent theme can be discovered in the decision whether to apply strict or fault-based liability“; Tettenborn, Obligations, S. 38 f. Die Ansätze von Treitel, Contract, S. 840 ff.; ders., Remedies, S. 8 f. und Nicholas, in Beatson/Friedmann, Good faith, S. 337 ff.; ders., 48 (1978) TulLR 946 ff.; ders., 27 (1979) AmJCompL 231 ff. haben, wie Schmidt-Kessel, Standards, S. 201, zutreffend bemerkt, bisher nur wenig Spuren hinterlassen. An einer allgemeinen Theorie, welche die deliktische Haftung erklären könnte, fehlt es freilich ebenso, vgl. Samuel, Obligations, S. 78 ff. Vgl. auch Klauss-Hartung, Mitverschulden, S. 47 zum selben Vorgehen beim Bruch vertraglicher Sorgfaltspflichten im Rahmen der contributory negligence. Vgl. z.B. Junior Books Ltd v Veitchi Co Ltd [1983] 2 AC 520, 533 per Lord Fraser, 542 per Lord Roskill, 551 per Lord Brandon (Betonung der Vertragsähnlichkeit der Interessenlage).

4. Kapitel Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen § 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand Ärzte, Anwälte usw. schulden nach englischem Recht in der Regel „reasonable care and skill“. Im deutschem Recht ist die vertragliche Haftung losgelöst vom Gegenstand der vertraglichen Pflicht nach der gesetzlich vorgesehenen Regel verschuldensund d.h. sorgfaltsabhängig. Die Principles kennen hingegen neben den zahlenmäßig überwiegend sorgfaltsabhängigen Verpflichtungen des Dienstleisters ebenso wie der DCFR auch eine Reihe standardisiert strikter Verpflichtungen923. Zusammenfassend betrachtet, dominiert insofern gleichwohl die sorgfaltsabhängige Haftung die vertragliche Dienstleistungshaftung in allen untersuchten Rechten. Ihr ist daher zunächst nachzugehen.

A.

Die Hintergründe einer Verpflichtung zu Sorgfalt und die praktische Bedeutung dieser Verpflichtung

Sofern Ärzte, Anwälte und Architekten nach englischem Recht regelmäßig nicht strikt sondern sorgfaltsabhängig haften, geschieht dies – da Schuldinhalt und Haftungsstandard zwingend verknüpft sind –, weil sich diese Dienstleister als Schuldner in aller Regel lediglich dazu verpflichten wollen, eine Aufgabe angemessen sorgfältig und geschickt zu erfüllen. Zumindest wird ihr vertragliches Versprechen typischerweise dahin ausgelegt (s. 13 SGSA). Entsprechendes gilt für das deutsche Recht924, die Principles und den DCFR.

I.

Die Bedeutung begrenzter Entlastungsmöglichkeiten bei strikter Verpflichtung

1.

Ausgangsüberlegung zum englischen Recht

Fragt man nach den Ursachen dieser Qualifikation, ist es zunächst von Vorteil, sich die praktische Bedeutung der Verpflichtung zu Sorgfalt im Gegensatz zu sorgfaltsunabhängiger Verpflichtung klar zu machen. Ziel der vorgenannten Formulierung des vertraglichen Versprechens ist nämlich vor allem, dass auf diesem Wege die Annah923 924

Vgl. ab S. 614. Denn auch im Rahmen von Werkverträgen gemäß § 631 BGB ist die Schadensersatzhaftung im Regelfall verschuldensabhängig und damit sorgfaltsabhängig.

126

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

me einer Verpflichtung ausgeschlossen wird, nach der sich der jeweilige Arzt usw. zur Herbeiführung eines Erfolges verpflichten will. Denn würde der Schuldinhalt nicht auf „reasonable care and skill“ lauten, wäre für das englische Recht – quasi im Gegenschluss – von der Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges auszugehen. Mit dieser Verpflichtung ginge dann nach englischem Recht, anders als nach deutschem Werkvertragsrecht, ein „strikter“ Haftungsstandard einher und diesen gilt es aus der Perspektive der vorgenannten Dienstleister im Regelfall zu vermeiden, worauf später einzugehen sein wird925.

2.

Parallele Abgrenzungsbemühungen im deutschen Recht vor anderem praktischem Hintergrund

a)

Abgrenzungskriterien

Das Einstehenmüssen für die Herbeiführung eines Erfolges will man indessen auch nach deutschem Recht vermeiden, wenn der Vertrag über Dienstleistungen (ggf. i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) nicht als Werkvertrag nach § 631 BGB, sondern als Dienstvertrag nach § 611 BGB qualifiziert wird926. Denn die Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges soll nach der gängigen „Faustformel“927 den Werkvertrag kennzeichnen, während beim Dienstvertrag keine Erfolgsherbeiführung, sondern lediglich ein Bemühen um sie, d.h. eine Tätigkeit, geschuldet sein soll928. Dabei handelt es sich jedoch im Ergebnis um nichts anderes als eine Frage der Vertragsauslegung929 und insofern soll es zu Recht u.a. darauf ankommen, ob die Parteien mit dem Erfolgseintritt rechnen930. Denn das einzige stichhaltige Merkmal zur Unterscheidung von Dienst- und Werkverträgen ist letztlich die vertragliche Risikoverteilung931, in der 925 926 927 928

929

930 931

Vgl. ab S. 144. Vgl. zum Folgenden auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 239 ff. m.w.N. Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 232. Vgl. schon Motive II, S. 471; BGHZ 54, 106, 107; BGH, NJW 2002, 3323, 3324; MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 22; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 1, 9, 14; Palandt /Sprau, BGB Einf v § 631 Rn. 8; Jauernig /Mansel, Vor § 611 Rn. 15; Erman/Edenfeld, BGB § 611 Rn. 14; Erman/H.C. Schwenker, BGB Vor §§ 631–651 Rn. 8; Bamberger / Roth /Voit, BGB § 631 Rn. 6; Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 395; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 397; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 361; Emmerich, BGB-Schuldrecht BT, § 9 Rn. 5; Tonner, Schuldverhältnisse, § 24 Rn. 1; vgl. insoweit aus jüngerer Zeit vor allem den Ordnungsversuch von Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 240 ff. m.w.N. Dies betonen zutreffend z.B. MünchKomm /Busche, BGB § 631 Rn. 15; Esser/ Weyers, Schuldrecht II/1, S. 233 f.; Emmerich, BGB-Schuldrecht BT, § 9 Rn. 5. Die praktische Handhabbarkeit der Abgrenzung mittels Vertragsauslegung betont zutreffend Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 241. BGH, NJW 2002, 3323, 3324; Palandt /Sprau, BGB Einf v § 631 Rn. 8. Vgl. Soergel /Kraft, BGB Vor § 611 Rn. 37; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1130; Oetker/ Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 397; BGH, NJW 2002, 3323, 3324; Larenz, Schuldrecht II/1, S. 310 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 101 f.; Roth, JZ 2003, 371, 372;

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

127

sich das „Erfolgs“-Kriterium „operational“ ausdrückt932: Der Werkunternehmer arbeitet auf eigene Gefahr dahin, dass ein bestimmter „Erfolg“, der über bloße Bemühungen um eine Zielerreichung hinausgeht, eintritt. Gemäß § 644 Abs. 1 S. 1 BGB trägt der Schuldner die Vergütungsgefahr bis zur Abnahme des vertragsgemäßen Werkes933. Der Dienstschuldner wird hingegen durch Erfüllung (§ 362 BGB) auch dann frei und erwirbt einen Vergütungsanspruch (§ 611 Abs. 1 BGB), wenn sich seine vertragsgemäßen Bemühungen um eine Zielerreichung nicht im Eintritt des vorgenannten Erfolges manifestieren. Dabei ist freilich zu beachten, dass die Antwort auf die Frage, ob und welcher Erfolg geschuldet ist, keineswegs für alle Teile eines Leistungsprogramms gleich ausfallen muss, sondern eine differenzierte Betrachtung des Pflichtenprogramms zulässig und geboten ist934.

b)

Qualifikation der Verträge mit Ärzten, Anwälten und Architekten

Praktische Schwierigkeiten bereitet die rechtsdogmatische Einordnung von Arzt-, Anwalts- und Architektenverträgen, die allesamt keine gesetzlichen Vertragstypen bilden, zunächst, weil die typischerweise geschuldeten Leistungen komplexer Natur sind, indem sie – im vorgenannten Sinne – „tätigkeits- und erfolgsbezogene“ Elemente kombinieren. Gerade die mangelnde Eindeutigkeit des Begriffs „Erfolg“ macht es nämlich möglich, diesen weit oder eng zu fassen. Die Risikoübernahme des Dienstleisters kann man daher natürlich – vermittelt durch die Verkehrsauffassung – über den „weichen“ Erfolgsbegriff kommuniziert steuern (wenngleich dies die Gefahr begründet, dass die eigentliche Frage der Risikoverteilung ein wenig aus dem Blick gerät), indem man den geschuldeten Erfolg abstrakt oder konkret formuliert. Immer

932 933

934

Heckendorn, Haftung, Rn. 279; vgl. auch BGH, NJW-RR 2006, 1490, 1491. Die z.B. von Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 242 vorgenommene Loslösung der Entgeltgefahr von der Vertragsauslegung wirkt künstlich; welche Gefahren zu tragen sind, ergibt sich gerade aus dem Vertrag. Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 233. Die Leistungsgefahr trägt er hingegen nach den allgemeinen Vorschriften, d.h. von ihr wird er nur im Rahmen der §§ 275, 635 Abs. 3, 313 BGB frei, vgl. statt aller Palandt /Sprau, BGB § 645 Rn. 2. Vgl. z.B. BGHZ 63, 306, 309 ff.; BGH, NJW 2002, 1571 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 234; Emmerich, BGB-Schuldrecht BT, § 9 Rn. 5; Locher, Baurecht, Rn. 366 ff.; vgl. ferner Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 245: „Eine Analyse der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur zeigt, dass es längst nicht mehr wirklich um die Abgrenzung zwischen Dienstund Werkvertrag geht, sondern um die Abgrenzung zwischen Erfolgs- und Bemühungspflichten im Rahmen eines mehr oder weniger einheitlichen Dienstleistungsvertrages bzw. eines Vertrages, der nur kraft Konvention überwiegend dem Dienstvertrag oder dem Werkvertrag zugeordnet wird. … So wird etwa bei der Tätigkeit von Ärzten, Anwälten, Wirtschaftsprüfern usw. schon lange nach der konkret übernommenen Aufgabe differenziert und gefragt, ob der Leistende mit ihr einen bestimmten Erfolg, oder nur kunstgerechtes Bemühen versprochen habe“. Vgl. zur Diskussion von Lösungsansätzen in der Literatur schon Weber, Unterscheidung, S. 154 ff.

128

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

möglich ist ferner eine Typenkombination oder-verschmelzung, sofern dies den Parteiintentionen gerecht wird. Wichtig ist – worauf Lieb zutreffend aufmerksam gemacht hat – sich immer zu vergegenwärtigen, dass der „Erfolgsbezug“ von Dienst- und Werkvertrag nur quanititativ differiert und „diese Unterschiede nicht etwa – dies wird häufig nicht ausreichend bedacht – gesetzlich vorgegeben sind, sondern auf der, durch Auslegung zu ermittelnden, Vereinbarung der Beteiligten und damit jedenfalls im Ansatz auf privatautonomer Entscheidung beruhen, mag dabei auch – wie immer – der für bestimmte Tätigkeiten üblich gewordene (und damit vom Auftraggeber zulässigerweise erwartete) Haftungsumfang mit zu berücksichtigen sein“935. Dies berücksichtigend kann man – sofern man die Möglichkeit einer Typenkombination oder -verschmelzung einmal unberücksichtigt lässt – den Erfolgsbegriff entweder recht abstrakt belassen und den Dienstleister, wenn der abstrakte Erfolg (Bsp. Prozessgewinn, Heilung) nur begrenzt steuerbar ist und eine Übernahme daher nicht der Parteierwartung entspricht, lediglich zu Sorgfalt verpflichten. Umgekehrt wäre es unter Orientierung am erwartungsgerechten Ergebnis allerdings auch denkbar, den Erfolgsbegriff so konkret wie möglich zu fassen936 (Bsp.: Abfassung und fristgemäße Einreichung der Klageschrift bei der zuständigen Kammer des richtigen Gerichts; Desinfektion des Operationsbestecks) und im Übrigen lediglich zu Sorgfalt zu verpflichten937. Ergibt die Summe der Einzelteile in diesem Fall – trotz sorgfältiger Leistung – nicht den abstrakten Erfolg im erstgenannten Sinne (Heilung), beschreibt die auftretende „Lücke“ das von dem Gläubiger zu tragende Verwendungsrisiko938. Rechtsprechung und Literatur wählen derzeit ganz überwiegend den ersteren Weg, wobei aber die Interessen der Vertragsparteien durch die Kombination oder Absorption einzelner vertraglicher Pflichten berücksichtigt werden.

aa) Einordnung des Arztvertrages in die Vertragstypen des BGB Hinsichtlich der näheren Qualifikation des Arztvertrages legt sich die Rechtsprechung häufig nicht eindeutig fest. Zumeist wird der Vertrag jedoch als Dienstvertrag qualifiziert939, der im Falle stationärer Behandlung um Elemente des Miet-, Beherbergungs-, Kauf- und Werkvertragsrechts ergänzt wird940, die in der Rechtspraxis 935 936

937 938 939

Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 215. Dies kommt i.E. dem Vorschlag von Hirte, Berufshaftung, S. 357 ff. nahe, der allerdings auf alle freien Berufe allein das Werkvertragsrecht anwenden will, was ich weder für zulässig noch für erforderlich halte. Vgl. zum Steuerberatervertrag die Ankläge hierfür in BGH, NJW 2002, 1571, 1572. Vgl. Hirte, Berufshaftung, S. 358. BGHZ 97, 273, 276; BGH, NJW 1991, 1540, 1541; OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 701, 702; Laufs, ArztR, Rn. 100 f.; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 699.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 2; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 8; MünchKomm/MüllerGlöge, BGB § 611 Rn. 79; Bamberger /Roth /Fuchs, BGB Vor § 611 Rn. 15; MünchKomm/ Busche, BGB § 631 Rn. 238; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 4; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 108 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 m.w.N. auch zur Gegenansicht.

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

129

regelmäßig nicht durchschlagen941. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sich das vom Chirurgen geschuldete Werk – weniger anspruchsvoll – nicht in der „Heilung“ sondern z.B. in der Wegnahme des Blinddarms oder der Amputation eines Körperteils sehen ließe942. Auch der Operateur – selbst bei einer Schönheitsoperation943 – will und kann nach ganz überwiegender Auffassung keinen Heilerfolg schulden944. Denn die Heilung des Patienten hängt immer nicht nur von der Tätigkeit des Arztes ab, sondern von vielen Faktoren, die auch heute – selbst unter optimalen Bedingungen und bei maximalem Aufwand – nur zum Teil durch die Medizin beherrschbar oder der Medizin bekannt sind945. Insofern „entspräche [es] weder dem erklärten Parteiwillen noch der Funktion des Arztvertrages in der sozialen Wirklichkeit“946, dem Arzt das Risiko einer Genesung seines Patienten aufzubürden. Der Patient kann eine derartige Risikoübernahme daher, soweit nicht eindeutig anderes gewollt ist947, nicht erwarten. Denn die Übernahme einer „Gesundungsgarantie“ würde den Arzt mit einem unüberschaubaren Haftungsrisiko belasten948. Geschuldet ist vom Arzt daher in der Regel nicht die Gesundung des Patienten, sondern das fachgerechte Bemühen um sie949. Soweit im Einzelfall eine vertragliche Haftung des behandelnden Arztes festgestellt wird, tut die Rechtsprechung dies in der Regel auf der Grundlage einer Pflichtverletzung i.S.d. § 280 BGB des (nicht näher qualifizierten) Behandlungsvertrages950. Insofern spielen auch spezielle vertragliche Rechtsbehelfe, wie das BGB sie bei Schlechterfüllung von Leistungspflichen vorsieht, praktisch so gut wie keine Rolle951. Die Anwendung werkvertraglicher Regeln wird lediglich für die Fälle, in denen die Behandlungsseite in erster Linie Herstellung und Lieferung von Sachen schuldet, in Betracht gezogen952. So werden z.B. Arztverträge, die prothetische Leistungen bein940 941 942 943 944 945

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Vgl. Büsken/Klüglich, VersR 1994, 1141 m.w.N. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 2. Vgl. F. Bydlinski, FS Kralik, S. 345, 354. So OLG Köln, VersR 1998, 1510. Vgl. BGHZ 76, 259, 261 (Sterilisation); MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 239 m.w.N. Vgl. schon RGZ 78, 432, 435: „Daß aber eine solche Veranwortung dem Arzte nicht aufgebürdet werden kann, ist selbstverständlich“; zu ähnlichen Erwägungen wie denen oben im Text RGZ 165, 336, 338 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 m.w.N. Laufs, ArztR, Rn. 100; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99; ähnlich Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 85. Manche haben bezüglich einer solchen Verpflichtung des Arztes standesrechtliche und standesethische Bedenken geäußert, vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 m.w.N. auch zur Gegenansicht. RGRK/Anders/Gehle, BGB § 611 Rn. 165; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 m.w.N. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 100. Vgl. BGHZ 106, 153, 160; BGHZ 105, 189, 192, 196 f.; BGHZ 89, 263, 269 ff. Die Annahme eines eigenständigen Typus des Arzt- bzw. „Behandlungsvertrages“ halten wegen der typischerweise vorhandenen Mischung von Tätigkeits- und Erfolgselementen für treffend Deutsch/ Geiger, Behandlungsvertrag, S. 1049, 1095 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 113. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 3. RGRK/Nüßgens, BGB § 823 Anh II Rn. 12; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 3.

130

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

halten, insbesondere bei zahnprothetischer Behandlung, zwar als Dienstverträge eingestuft953. In demjenigen Vertragssegment aber, in dem keine Heilbehandlung stattfindet954, sondern es sich vielmehr nur um die technische Anfertigung und deren durch Befindlichkeiten des Patienten beeinflusste Mängel handelt, finden die §§ 633 f. BGB Anwendung955. Hierin ergibt sich durchaus eine Paralle zum englischen Recht956. Es handelt sich dabei jedoch – im einen wie im anderen Recht – um Ausnahmekonstellationen. Denn in der deutschen Praxis schlägt „nahezu immer die Verflechtung mit der ärztlichen Heilbehandlung durch, sodass das Gewährleistungsrecht nicht zum Zuge kommt“957. So wird auch die Verordnung einer Brille durch den Augenarzt nicht werk- sondern dienstvertraglich qualifiziert958. Im Hintergrund dieser sehr weitgehend einheitlich dienstvertraglichen Qualifikation ärztlicher Leistungen steht einerseits das Interesse an einer einheitlichen Regelung des Arzt-Patient-Verhältnisses959. Auf der anderen Seite begegnet man damit der Gefahr von „Missverständnissen“, die darin besteht, dass in der Praxis „die diffizile Unterscheidung nicht getroffen und letztlich doch die Gesundung des Patienten als geschuldete Leistung eines mit dem Arzt geschlossenen Werkvertrages angesehen wird“960.

bb) Einordnung des Anwaltsvertrages in die Vertragstypen des BGB Der typische Anwaltsvertrag ist nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig ebenfalls als Dienstvertrag zu qualifizieren, der eine Geschäftsbesorgung961 zum Inhalt hat (§§ 611, 675 BGB)962. Insofern schuldet der Anwalt

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OLG Oldenburg, VersR 1997, 60; OLG Koblenz, VersR 1993, 1486, 1487; OLG Köln, VersR 1987, 620; OLG Düsseldorf, VersR 1985, 456, 457; Laufs, ArztR, Rn. 101 m.w.N. Die Zahnimplantation bspw. – trotz „Prothesenartigkeit“ der Leistung – als Heilbehandlung und damit dienstvertraglich qualifizierend Fallschüssel, MedR 1985, 147 ff. Vgl. BGHZ 63, 306, 309 ff. (Zahnprothese); OLG Karlsruhe, VersR 1996, 62 (Beinprothese); Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 4; RGRK/Nüßgens, BGB § 823 Anh II Rn. 12; für eine durchgängige Anwendung des Werkvertragrechts auf den Zahnarztvertrag aber Jakobs, NJW 1975, 1437, 1439 f.; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Geigel /Bacher, Haftpflichtprozess, Kap. 28 Rn. 121. Vgl. zur strikten Verpflichtung des Arztes im Rahmen der vertraglichen Produkthaftung nach englischem Recht ab S. 659. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 3. Vgl. Narr, MedR 1986, 170 ff.; Laufs, ArztR, Rn. 101. Vgl. Schiemann, in: Deutsch/Taupitz, Dienstleistungsberufe, S. 137, 141; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 101. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 101; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 108; letztlich für einen eigenständigen Vertragstypus eintretend Staudinger /Richardi, BGB Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 54. Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist gegenüber Dienst- und Werkvertrag kein gleichwertiges tertium, vgl. nur Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 235 ff.

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

131

– insbesondere für eine von ihm erhobene Klage963 – keinen Erfolg964, sondern sorgfaltsgemäßes Tätigwerden965. In Ausnahmefällen kann der Anwaltsvertrag aber auch als Werkvertrag, der wiederum auf eine Geschäftsbesorgung gerichtet ist, zu qualifizieren sein966. Die Rechtsprechung lässt die Einordnung als Anwaltsdienst- oder Anwaltswerkvertrag (die nicht pauschal vorgenommen werden kann, sondern im Einzelfall ermittelt werden muss967) bisweilen vor dem Hintergrund offen968, dass die Abgrenzung zwischen beiden Vertragstypen für die Voraussetzungen des § 280 BGB, insbesondere für die von einem Rechtsanwalt zu beachtenden Sorgfaltsstandards, weitgehend für bedeutungslos gehalten wird969. Ungeachtet dessen ist die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Regelfall, insbesondere bei der Beauftragung mit der Prozessführung oder der Besorgung sonstiger Rechtsangelegenheiten, als Dienstvertrag zu qualifizieren970. Den Vertragsgegenstand bildet in diesem Fall der umfassende anwaltliche Beistand, d.h. die Wahrung und Durchsetzung der Rechte und Interessen des Auftraggebers971. Für ein anwaltliches Dauerberatungs- bzw. Dauervertretungsmandat gilt nichts anderes972. Als Werkvertrag wird der Anwaltsvertrag in der Praxis ausnahmsweise qualifiziert, falls ausschließlich ein durch anwaltliche Arbeit herbeizuführender Erfolg den Gegenstand der Verpflichtung bildet973, d.h. wenn sich die anwaltliche Tätigkeit auf

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BGH, NJW 2004, 54, 55; BGH, NJW 2002, 290; Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 4; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 2; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 11; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 11, 16; Staudinger /Martinek, BGB § 675 Rn. B 165; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 8 Rn. 2, § 10 Rn. 24; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 272 ff. OLG Düsseldorf, VersR 1973, 424, 425. Manche gehen gar davon aus, dass dem Anwalt das Versprechen eines Erfolges standesrechtlich untersagt ist, vgl. nur Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 18; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 2 m.w.N. Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 16. RGZ 88, 223, 226 f.; BGH, NJW 1970, 1596, 1597; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 11; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 11, 18. Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 6. BGH, NJW 1996, 661, 662; BGH, NJW 1996, 2929, 2930. Hinsichtlich des Erfüllungsortes der anwaltlichen Pflichten ebenfalls offengelassen von BGH, NJW 2004, 54, 55. Vgl. BGH, NJW 1996, 2929, 2931; Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 5; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 11; Terbille, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 19 ff.; Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 3 m.w.N. BGH, NJW 2004, 54, 55; Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 6. Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 6. Vgl. BGH, NJW 1970, 1596, 1597; wie im Text Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 8; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 2 m. Fn. 17; Borgmann, in: dies./Jungk/ Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 10 Rn. 27. Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 7; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 11; Borgmann, in: dies./ Jungk/Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 11 Rn. 35.

132

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

eine spezifische, erfolgsorientierte Einzelleistung beschränkt974. Ein sicheres Indiz hierfür bildet die synallagmatische Verknüpfung von Erfolg und Vergütung975. Dies soll z.B. für einen Vertrag gelten, nach dem (ausschließlich) eine Rechtsauskunft über eine Einzelfrage976, die Erstattung eines Gutachtens977 oder die Erstellung eines Vertragsentwurfs978 bzw. eines Jahresabschlusses979 geschuldet ist, ferner für die Verpflichtung zur Abgabe einer legal opinion980. Auch in der vorgenannten Fällen ist ein Werkvertrag allerdings nicht anzunehmen, falls nicht der zu erzielende Erfolg den Inhalt der Vertragsleistung bildet, sondern – wovon im Regelfall auszugehen ist981 – die zur Erreichung des Erfolgs vorzunehmende Tätigkeit, Beratung und Vertragsfassung982. Dies ist aber eine Frage der Auslegung, d.h. der Risikoverteilung.

cc) Einordnung des Architektenvertrages in die Vertragstypen des BGB (1)

Die Qualifikation der Gesamt- oder Vollarchitektur in der Rechtsprechung des BGH

Den Architektenvertrag hat der BGH – entgegen der Rechtsprechung des RG983 – im Fall einer Gesamtarchitektur in seiner Grundsatzentscheidung vom 26.11.1959984 als Werkvertrag qualifiziert. Entscheidend für diese Qualifikation spreche, dass die planende wie die bauleitende Tätigkeit des Architekten der Herbeiführung desselben Erfolges dienten: der Erstellung des Bauwerks. Zwar schulde der auch mit der Oberleitung und Bauführung betraute Architekt nicht das Bauwerk als körperliche Sache. Er habe aber durch zahlreiche ihm obliegende Einzelleistungen dafür zu sorgen, dass das Bauwerk plangerecht und frei von Mängeln entstehe und zur Vollendung komme. Alle Einzelleistungen dienten insofern der Verwirklichung des im Bauplan verkör974

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Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 2; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 273. RGZ 88, 223, 227; OLG Düsseldorf, VersR 1993, 702, 703. BGH, NJW 1965, 106; OLG Düsseldorf, VersR 1993, 702, 703; a.A. Terbille, in: Rinsche/ Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 18. BGH, NJW 1965, 106; BGH, NJW 1967, 719, 720 („in der Regel Werkvertrag“). Offenlassend BGH, WM 1996, 1832, 1833; werkvertraglich einordnend OLG Köln, MDR 1980, 667 (Steuerberatervertrag). BGH, NJW 2000, 1107; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 2; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 11. Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 7. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 2; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 11 Rn. 35. RGZ 88, 223, 227; Zugehör /Sieg, Anwaltshaftung, Rn. 7. Nach RGZ 97, 122, 125 soll ein Vertrag, der ausschließlich „Vorarbeiten und Entwürfe“ zum Gegenstand hat, als Werkvertrag qualifiziert werden können, vgl. zur Rechtsprechung des RG BGHZ 31, 225, 227 m.w.N. VII R 120/58, BGHZ 31, 224, 227; zur Entwicklung auch Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 170 ff.

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

133

perten geistigen Werkes und hätten somit den Zweck, den dem Bauherrn geschuldeten Erfolg, die mängelfreie Errichtung des geplanten Bauwerks, zu bewirken. Dem folgte die Instanzrechtsprechung985 und überwiegend auch die Literatur986.

(2)

Die Übertragung der werkvertraglichen Qualifikation auf Einzelleistungen in der Praxis

Nicht geklärt war dadurch zunächst zwar, ob die isolierte Übertragung der örtlichen Bauaufsicht oder Objektüberwachung dienst- oder werkvertraglich zu qualifizieren war. Bereits mit Urteil vom 7.3.1974987 hat der BGH allerdings klargestellt, dass auch dann von einem Werkvertrag auszugehen ist, wenn der Architekt zwar nicht mit dem Vorentwurf, dem Entwurf und den Bauvorlagen, aber mit den sonstigen Architektenleistungen nach der GOA beauftragt worden ist. Für die Beauftragung mit einzelnen in der HOAI enthaltenen Leistungsphasen konnte daraus gefolgert werden, dass bei Übertragung der Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe und Mitwirkung an dieser sowie Objektüberwachung und -betreuung ein Werkvertrag anzunehmen war988. In seinem Urteil vom 22.10.1981989 führte der BGH die vorgenannte Rechtsprechung dahin weiter, dass auch der Vertrag über die örtliche Bauaufsicht nach der GOA als Werkvertrag zu qualifizieren ist. Gleiches wird man für die isolierte Übertragung der Objektüberwachung nach der HOAI annehmen müssen990. Insofern ist auf der Grundlage der Rechtsprechung anzunehmen, dass die Planungsleistungen nach § 15 HOAI Leistungsphasen 1-4 und die Objektüberwachung nach § 15 Nr. 8 HOAI werkvertraglich einzuordnen sind991. Gleiches dürfte auch für die Vorbereitung der Vergabe und die Mitwirkung bei der Vergabe (Leistungsphasen 6, 7) gelten992. Denn wenngleich diese Konstellationen noch nicht höchstrichterlich

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Vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1963, 759; OLG Stuttgart, MDR 1964, 843. Vgl. etwa Larenz, Schuldrecht BT II/1, S. 343; Bamberger /Roth /Voit, BGB § 631 Rn. 11; Soergel /Teichmann, BGB Vor § 631 Rn. 35; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 3; Schliemann/ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 58; MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 134; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 649 ff.; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 7; kritisch aber Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 235; Ganten, NJW 1970, 687 ff.; ders., FS Korbion, S. 85, 93; Jakobs, FS Ballerstedt, S. 355, 365 ff.; Tempel, JuS 1964, 346, 347 ff.; differenzierend mit Recht Staudinger /Peters/Jacoby, BGB, Vorbem zu §§ 631 ff. Rn. 124 ff., Anh II zu § 638 Rn. 5 ff. VII R 217/72, BGHZ 62, 204, 206 f. Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 368; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 650 ff. m.w.N. VII R 310/79, BGHZ 82, 100, 105 ff.; dem folgend BGH, NJW 1999, 3118; BGH, NZBau 2002, 150; OLG Koblenz, NZBau 2003, 282. Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 368; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 8. Dies gilt selbst dann, wenn die Überwachung nur stichprobenartig erfolgen soll, vgl. BGH, NZBau 2002, 150, 151. Locher, Baurecht, Rn. 368; Schmalzl, Haftung, Rn. 23. Locher, Baurecht, Rn. 368; Schmalzl, Haftung, Rn. 23.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

entschieden sind993, ist in der – ergebnisorientierten – Rechtsprechung doch die Tendenz unverkennbar, den Architektenvertrag jeglichen Inhalts als Werkvertrag zu qualifizieren994. So soll ein Werkvertrag z.B. auch vorliegen, falls der Architekt mit der künstlerischen Oberleitung neben der Objektplanung betraut wird995, reine Vermessungstätigkeit leistet996 oder ein Privatgutachten997 erstellt998 bzw. sich die Architektenleistungen auf die Schaffung der Voraussetzungen für eine Förderungszusage richten999. Nicht nur in der Literatur wird diese sehr umfassende Anwendung des Werkvertragsrechts auf den Architektenvertrag überwiegend gebilligt1000. Mit der Einführung des § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB hat auch der Gesetzgeber diese Sichtweise gestützt. Denn § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt, was die Verjährung betrifft, ein Werk, „dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen besteht“, einem Bauwerk gleich. Mit dieser Regelung sollten nach der Vorstellung der Gesetzesverfasser Architektenleistungen ausdrücklich dem Werkvertragsrecht zugeordnet werden1001.

(3)

Bislang weitgehend anerkannte verbleibende Spielräume für eine dienstvertragliche Qualifikation

Raum für eine dienstvertragliche Qualifikation bleibt insofern nach der Auffassung der Praxis nur noch in wenigen Fallkonstellationen1002. Möglich ist sie zunächst hinsichtlich solcher Architektentätigkeiten, die nicht unmittelbar bauwerksbezogen sind, sondern primär die Vermögensinteressen des Bauherrn betreffen1003. So wird z.B. – wenngleich dies umstritten ist – die alleinige Übertragung der Grundlagenermittlung nach § 15 Leistungsphase 1 HOAI als dienstvertraglich qualifiziert1004. Dasselbe dürfte für die isolierte Übertragung von Objektbetreuung und Dokumentation gel-

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Überblick über die durch den BGH nicht entschiedenen Konstellationen bei Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 4. 994 So ausdrücklich OLG Hamm, NJW-RR 1995, 400, 401; ebenso Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 9; vgl. auch Soergel /Teichmann, BGB Vor § 631 Rn. 32. 995 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 3; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 653. 996 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 3, Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 653. 997 BGH, NJW 2002, 749, 750. 998 Vgl. Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 9; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 653 m.w.N. 999 OLG Saarbrücken, NJOZ 2005, 1152, 1154. 1000 Vgl. oben Fn. 986. 1001 Vgl. die Anregung des Bundesrates in BT-Drucks. 14/6857, Nr. 126, S. 36 sowie die zustimmende Gegenäußerung der Bundesregierung ebenda, S. 67. 1002 Ebenso Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 9; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 4 mit Übersicht der vom BGH bislang nicht entschiedenen Fallkonstellationen. 1003 Vgl. etwa bei Beratung und Betreuung OLG Celle, BauR 2004, 1800; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 202.

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

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ten1005. Denn vor dem Eintritt der Phase Objektbetreuung und Dokumentation ist das Bauwerk regelmäßig bereits errichtet1006. Daher stellen Objektbetreuung und Dokumentation keine erfolgsbezogenen Tätigkeiten in Bezug auf das Entstehenlassen des Bauwerks dar1007. Als dienstvertraglich zu qualifizieren sein kann ferner die Übertragung einzelner Teilleistungen einer Leistungsphase, deren gesamte Erbringung werkvertraglich einzuordnen ist. Dies wird z.B. für die isolierte Übertragung der Rechnungsprüfung1008 oder eine Auflistung von Gewährleistungsfristen angenommen1009. Gleiches gilt nach bestrittener Aufassung, falls der Architekt nur die Tätigkeit eines verantwortlichen Bauleiters i.S.d. Landesbauordnung übernommen hat1010. Sofern die Tätigkeit in die ordnungsgemäße Erstellung eines Bauvorhabens eingebunden ist, spricht allerdings einiges dafür, dass sie – vor dem Hintergrund der werkvertragsfreundlichen Rechtsprechung des BGH – von der Praxis ebenfalls als werkvertraglich qualifiziert wird1011. Dies gilt umso mehr – und ist selbst für die vorstehend geschilderten Beispiele zweifelhaft – als der BGH in seinem Urteil vom 24.6.20041012 entschieden hat, dass eine an den Leistungsphasen des § 15 HOAI orientierte vertragliche Vereinbarung im Regelfall begründet, dass der Architekt die vereinbarten Arbeitsschritte als Teilerfolg des geschuldeten Gesamterfolgs schuldet. Auf Grund der vom BGH entwickelten Auslegungskriterien, die sehr global und funktional die Interessen des Auftraggebers beschreiben, dürften nämlich weitgehend alle in § 15 Nrn. 1-9 HOAI aufgeführten einzelnen Arbeitsschritte als Teilerfolg vom Architekten geschuldet sein1013, wenngleich die Frage, was bei der isolierten Übertragung einzelner bislang dienstvertraglich qualifizierter Leistungsphasen oder einzelner Teilleistungen einer Leistungsphase gilt, weiterhin offen sein dürfte.

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Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 2 Rn. 80; Locher, Baurecht, Rn. 368; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 650 m.w.N.; a.A. Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 78; Neuenfeld, NZBau 2000, 405, 407. 1005 Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 2 Rn. 81; Locher/Koeble/Frik, HOAI, Einl. Rn. 6; Locher, Baurecht, Rn. 368; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 9 ff. m.w.N.; a.A. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 652; Schliemann/ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 60; vgl. auch Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 4 m.w.N. 1006 Locher, Baurecht, Rn. 368. 1007 Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1995, 400, 401; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 10. 1008 Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 2 Rn. 80. 1009 Locher, Baurecht, Rn. 368. 1010 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 4; Werner/ Pastor, Bauprozess, Rn. 653 m.w.N. zum Streitstand. 1011 Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 368. 1012 VII R 259/02, NZBau 2004, 509. Zu dieser Entscheidung mit unterschiedlicher Bewertung Brückl, NZBau 2006, 491, 492 ff.; Pauly, NZBau 2006, 295, 297 ff.; Motzke, NZBau 2005, 361, 363 ff. 1013 Ebenso Brückl, NZBau 2006, 491, 493.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Letztlich muss es auch hier ohnehin auf den Parteiwillen ankommen1014. Daher kann Dienstvertragsrecht gelten, wenn der Architekt als Projektsteuerer tätig ist1015, oder er für potentielle Käufer ein Wohnhaus mit dem Ziel besichtigen soll, eine beratende Stellungnahme zur Qualität des Gebäudes abzugeben1016. Gleiches ist anzunehmen, wo ein Architekt an eigenen, umfassenden Architekten- und Ingenieurleistungen des Auftraggebers beteiligt wird1017. Dies gilt z.B. für den Fall, dass ein Architekt als freier Mitarbeiter ergänzende Planungs- und Koordinierungleistungen zu einem Bauprojekt erbringt. Denn in dieser Konstellation lässt sich die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts nicht allein aus dem Umstand herleiten, dass der freie Mitarbeiter auch planend und gutachterlich tätig gewesen ist1018.

(4)

Offene dogmatische Fragen und ihre Bedeutung für die Grenzen der Qualifzierung von Architektenpflichten als werkvertragliche Erfolgspflichten

Oft unberücksichtigt bleibt bei der nahezu global werkvertraglichen Qualifikation ohnehin1019, dass einige Pflichten des Architekten – von den typischen Umständen ausgehend – nicht werkvertraglich einzuordnen sind, weil diese Einordnung – wie auch der BGH mittelbar anerkennt – auf sie einfach nicht passt1020. Dies gilt zunächst nicht nur deshalb, weil der Bauunternehmer und die anderem am Bau Tätigen „gerade nicht Erfüllungsgehilfen des Architekten, sondern Vertragspartner des Bauherrn sind, da der Architekt die erforderlichen Genehmigungen von Behörden oder Dritten auch nicht einfach beschaffen, sondern nur auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bei ihrer Erteilung hinwirken kann, vermag der Architekt auch nicht die mangelfreie Errichtung des Bauwerks unabhängig vom eigenen Verschulden zuzusagen, sondern nur, sich um die ordnungsgemäße Auswahl der Handwerker, ihre Überwachung und darum zu bemühen, daß sie auftretende Mängel beseitigen, des weiteren, 1014

Ebenso Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 12; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 4; in der Sache wohl auch Brückl, NZBau 2006, 491, 492; i.E. MünchKomm/ Busche, BGB § 631 Rn. 68 (Frage der Vertragsauslegung); Kniffka, FS Vygen, S. 20, 25; Ziegler, ZfBR 2004, 529; allgemein zum Vertragsinhaltsbestimmungsmodell für gesetzlich nicht geregelte Vertragstypen Stoffels, Schuldverträge, § 6 (S. 153 ff.). 1015 Vgl. OLG Düsseldorf, BauR 1999, 1049, 1051; OLG Düsseldorf, BauR 1999, 508, 509; Schliemann/ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 59, 71 f.; die Vertragsauslegung insoweit betonend mit Recht BGH, NJW 1999, 3118; im Zusammenhang mit der Qualifikation der Pflichten aus einem Architektenvertrag allgemein Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 173. Zur Rechtsnatur und zweckmäßigen Gestaltung von Projektsteuerungsverträgen vgl. Stemmer/Wierer, BauR 1997, 935 ff. 1016 Vgl. OLG Hamm, BauR 1999, 1323 f. 1017 Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 12. 1018 BGH, NJW 1995, 2629; zur möglichen Anwendung des Dienstvertragsrechts bei Beratungsleistungen vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1995, 400, 401. 1019 Zu eng z.B. Schmalzl, Haftung, Rn. 23. Zu recht kritisch Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 173 ff. 1020 Vgl. unten ab S. 397.

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die Erteilung der erforderlichen Genehmigungen im Rahmen des Möglichen zu fördern. Dies aber sind dienstvertragliche Elemente“1021. Hierin erschöpfen sich die dienstvertraglichen Elemente des Architektenvertrags allerdings nicht. Vielmehr dürften auch eine Vielzahl der sog. Sachwalterpflichten1022 – unter ihnen besonders augenscheinlich die im Vordergrund stehenden Beratungspflichten1023, die dies in anderen Vertragstypen, wie eben dem Arzt- oder Rechtsberatungsvertrag, ja auch typischerweise nicht sind – keine Erfolgspflichten, sondern dienstvertraglicher Natur sein1024. Warum sie es im Rahmen eines Architektenvertrags nicht sein sollten1025, wird dann auch nirgendwo aufgeklärt. Dogmatisch /konstruktiv dürfte sich dies ohnehin nicht rechtfertigen lassen1026. Ein entsprechender Versuch wird insoweit folglich von der eine möglichst weitgehend werkvertragliche Qualifikation befürwortenden Auffassung auch nicht unternommen. Im Gegenteil: Die durch diese Elemente zusätzlich verstärkten „definitorischen Schwierigkeiten“1027 bezüglich des Architektenvertrags versucht man in der dieser Auffassung zuneigenden Literatur dadurch zu verdrängen, dass man die sog. Sachwalterpflichten in ihrer praktischen Bedeutung für die Bestimmung des zu erzielenden Werkerfolgs herunterspielt1028 und sie als „Nebenpflichten“ qualifiziert1029. Auch die Rechtsprechung hat bislang eine diesbezügliche Einordnung nicht vorgenommen, weswegen ungeklärt geblieben ist, aus welcher „Rechtsquelle“ die Sachwalterpflichten des Architekten hergeleitet werden müssen1030. Dieser Mangel an dogmatischer Klarheit beschränkt sich – wie hier zu unterstreichen ist – nicht lediglich auf die theoretische Frage1031, ob sich diese Pflichten im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157, 242 BGB aus dem Architektenwerkvertrag oder im Wege einer direkten oder analogen Anwendung der „entsprechenden“ Rechtsfolgen des § 675 Abs. 1 BGB ergeben. An einer dogmatischen Klärung fehlt es – aufgrund der nahezu 1021

Soergel /Teichmann, BGB Vor § 631 Rn. 35; ähnlich Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Vorbem zu §§ 631 ff. Rn. 124 ff., Anh. II zu § 638 Rn. 5 f.; vgl. ferner Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 174 f. 1022 Zu diesen Pflichten im Rahmen der sog. Sekundärhaftung BGH, NJW 2009, 3360; dazu Scholtissek, NZBau 2010, 94 ff. 1023 Vgl. nur MünchKomm /Busche, BGB § 631 Rn. 210; vgl. ferner auch Jagenburg/Sieber/ Mantscheff, Baurecht, Rn. N 67, welche die bei der Auswahl neuartiger Baustoffe bestehenden Prüfpflichten (vgl. ab S. 468) ausdrücklich als Sorgfaltspflichten qualifizieren. 1024 Vgl. für ein Beispiel OLG Hamm, NJW-RR 1995, 400, 401. 1025 Soergel /Teichmann, BGB Vor § 631 Rn. 33 hält „allenfalls bei einzelnen Beratungsaufgaben“ den Rückgriff auf dienstvertragliche Normen für „denkbar“. 1026 Vgl. Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Vorbem zu §§ 631 ff. Rn. 129. 1027 Soergel /Teichmann, BGB Vor § 631 Rn. 35. 1028 Anders für die Kostengewährleistung z.B. Neuenfeld, NZBau 2002, 13, 18: „… wird über § 635 BGB [a.F.] die Kostengewährleistung zu einer Hauptpflicht des Architektenvertrags unter Verschuldenskriterien“ (Hervorhebung im Original). 1029 Vgl. wiederum für viele MünchKomm /Busche, BGB § 631 Rn. 210, allgemein a.a.O. Rn. 74 ff.; zur Gegenansicht vgl. unten ab S. 389. 1030 Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 34. 1031 So scheinbar Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 34 m.w.N.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

global werkvertraglichen Qualifikation – auch hinsichtlich der praktisch durchaus wichtigen Frage, ob es wirklich durchweg dem Parteiwillen entspricht, soweit wie möglich werkvertragsrechtlich zu qualifizieren und möglichst umfassend eine Erfolgsherbeiführungspflicht anzunehmen1032. Das ist – wie der BGH mehrfach implizit zugestanden hat – nicht sachgerecht und also als zu undifferenziert abzulehnen1033. In der Sache scheint man sich dieses Zustandes freilich bewusst zu sein, wofür der Umstand ein äußeres Kennzeichen bildet, dass immer wieder von einer dem Architekten obliegenden „Sorgepflicht“(!)1034 die Rede ist; und dies überraschenderweise auch, wenn sein vertragliches Pflichtenprogramm werkvertraglich geeicht wird1035. Denselben Eindruck hinterlässt es, wenn sich die Beschreibung der Erfüllung der werkvertraglichen Erfolgspflicht des Architekten wie folgt gestaltet: „Die Erfüllung des Architektenvertrages besteht darin, daß der Architekt im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben (§ 15 HOAI) das seine tut, um das Bauwerk fehlerfrei entstehen zu lassen“1036. Denn dies klingt in keiner Weise nach einer Erfolgsherbeiführungspflicht. Im Gegenteil: Genauso würde man eine (noch dazu subjektivierte!) Verhaltenspflicht formulieren. Qualifiziert man demgegenüber jedenfalls einige Sachwalterpflichten – je nach praktischer Bedeutung der Pflicht nach Maßgabe des Parteiwillens – als Hauptpflichten, wie dies eine in der Literatur im Vordringen befindliche Auffassung (aus der Praxis kommend) zu Recht tut1037, und berücksichtigt man den Parteiwillen auch darüber hinaus bei der Bestimmung des Pflichtinhalts im Hinblick auf eine tätigkeitsoder erfolgsbezogene Qualifikation1038, wird man den Architektenvertrag zwar mit der herrschenden Meinung – wegen der vertragstypischen (vgl. die gesetzliche Überschrift zu § 631 BGB) Verpflichtung zur Herstellung des Architektenwerks – typischerweise im Ausgangspunkt grundsätzlich als Werkvertrag qualifizieren können, insoweit aber hinzufügen müssen, dass sich die typischen Vertragspflichten hierin nicht erschöpfen, sondern regelmäßig eben auch im Rahmen der Gesamtarchitektur dienstvertraglich zu qualifizierende Pflichten den Vertragsinhalt bilden. Der Architektenvertrag ist damit kein reiner Werkvertrag, sondern ein gemischttypischer Vertrag1039. 1032

Allgemein im Zusammenhang mit gesetzlich nicht geregelten Vertragstypen kritisiert Stoffels, Schuldverträge, § 6 (S. 153 ff.) den vielfachen sehr weitgehenden Versuch, den gesetzlich nicht geregelten Vertrag doch noch irgendwie gesetzlich zu verankern. 1033 Ebenso Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 173 ff., 176. 1034 Siehe die Nachweise in Fn. 1074. 1035 Siehe etwa Schmalzl, Haftung, Rn. 23. 1036 Schmalzl, Haftung, Rn. 33. 1037 Vgl. z.B. die Zusammenstellung von Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 188 ff. sowie unten ab S. 389. 1038 Auch dies scheint Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 188 ff. mit Recht tun zu wollen, wie die zitierten Anspruchsgrundlagen, die keinen Bezug auf die werkvertragliche Norm des § 634 BGB nehmen, deutlich machen. Vielmehr scheint Preussner die in Rede stehenden Pflichten der Sache nach dienstvertraglich, d.h. als Verhaltenspflichten qualifizieren zu wollen und deswegen auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht zurückzugreifen.

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Hierin liegt vielleicht eine materielle Erklärung dafür1040, warum die Rechtsprechung sich bislang nicht recht um die dogmatische Einordnung der Beratungspflichten des Architekten bemüht1041 und insbesondere ihr Verhältnis zur Qualifikation des Architektenvertrags als Werkvertrag nicht geklärt hat: Der Umgang mit ihnen ist ohne eine Ausdehnung des dogmatische Korsetts des Werkvertrages flexibler und diesen praktischen Vorteil will man sich nicht ohne weiteres nehmen. Hinter der werkvertraglichen Qualifikation des Architektenvertrags durch den BGH stehen ferner in erster Linie rechtspolitische Überlegungen1042: Die Anwendung der werkvertraglichen Regelungen sei sachgerechter, weil etwa über § 634 a Abs. 1 BGB (§ 638 Abs. 1 S. 1 Var. 3 BGB a.F.) ein Gleichlauf der Verjährungsfristen mit den Ansprüchen gegenüber dem in diesen Fällen meist ebenfalls haftenden Bauunternehmer erreicht wird1043; auch die Anwendbarkeit des § 649 BGB sei angemessener1044 und schließlich erhalte der Architekt einen notwendigen Schutz durch § 648 a BGB1045. Die notwendigerweise enge Verknüpfung der Leistungen von Architekt und Bauunternehmer gestatte nicht, beide Verträge unterschiedlichen Rechtsordnungen zu unterstellen1046. Dies erscheint indessen zu vordergründig, um eine undifferenzierte Anwendung des Werkvertragsrechts zu rechtfertigen. Denn es erscheint durchaus möglich – und bei weitem sachgerechter – werkvertraglichen Vorschriften jeweils nur dort anzuwenden, wo sich ansonsten rechtspolitisch unerwünschte Wertungswidersprüche ergeben (so etwa bezüglich der Verjährungs- und Sicherungsvorschriften) und im Übrigen die jeweilige Pflicht danach zu qualifizieren, ob der Architekt den Erfolgseintritt steuern kann oder nicht bzw. danach ob ein Rückgriff entlang der „Herstellerkette“ möglich ist. Damit ist der Vorstellung der Parteien eher entsprochen und auch den zu billigenden rechtspolitischen Überlegungen genüge getan. Auch wer dem nicht zu folgen vermag und (teilweise unsachlich) so weit wie möglich werkvertraglich qualifiziert, wird – losgelöst hiervon – indessen in der Praxis berücksichtigen müssen, welches Verhalten der Architekt schuldet:

1039

Ebenso Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 176; Ziegler, ZfBR 2004, 529; vgl. auch Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Vorbem zu §§ 631 ff. Rn. 129; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 362. 1040 Vgl. Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Vor §§ 631 Rn. 129: „Freilich muß man sich der Sonderstellung des Architektenrechts bewußt bleiben; Verallgemeinerungen von werkvertraglichen Rechtssätzen sind nicht ohne weiteres möglich“. 1041 Vgl. S. 389. 1042 Soergel /Teichmann, BGB Vor § 631 Rn. 34; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Vor §§ 631 Rn. 124 ff. 1043 Vgl. BGHZ 82, 100, 106 f.; aus diesem Grund erfolgte in § 634 a BGB n.F. die Erweiterung um die „Erbringung von Planungs- und Überwachungsleistungen“, die in § 638 BGB a.F. nicht vorgesehen war, vgl. BT rucks. 14/6857, S. 36 (Bundesrat), 67 (Bundesregierung). 1044 In der Anwendbarkeit des § 649 BGB sieht Tempel, Architektenvertrag, S. 155, 173 als besonders starke Motivation für die Qualifikation durch die Rechtsprechung. 1045 BGHZ 82, 100, 107. 1046 Soergel /Teichmann, BGB Vor § 631 Rn. 35.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Die Bedeutung des geschuldeten Architektenverhaltens im Rahmen erfolgsbezogener Pflichten

Wird der Architekt in der Form der Voll- bzw. Gesamtarchitektur verpflichtet, setzt sich sein Werk aus zahlreichen Einzelleistungen zusammen: der Planung, Koordinierung, Ausschreibung und der künstlerische Gestaltung sowie der Rechnungsprüfung und der Bauaufsicht1047. Anders als der Bauunternehmer1048, der die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder verkörperten Werkes zu erbringen hat, schuldet der Architekt als „Werk“ i.S.d. § 631 BGB nach der Auffassung der Literatur „eine technisch und wirtschaftlich einwandfreie Planung und den unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und dem Stand der Technik auf die Verwirklichung der Planung zu einem mangelfreien Bauwerk gerichteten Leistungseinsatz“1049. In dieser Definition angesprochen ist völlig zu Recht die Bedeutung der Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt für die geschuldete Erreichung des vertraglich avisierten Zieles. Diese ist ja auch im Dienstvertragsrecht, wo kein Erfolg geschuldet wird, deshalb Bestandteil der Verpflichtung, weil ohne sie die Zielerreichung unrealistisch ist1050. Hieran ändert sich selbstverständlich nichts dadurch1051, dass bei werkvertraglicher Pflichtenqualifikation gerade der Erfolg selbst geschuldet ist1052. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund der Verpflichtung, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, wird man vielmehr erst recht ein sorgfältiges Vorgehen verlangen müssen. Die Verpflichtung zu sorgfältigem Vorgehen ist – folgt man dem – sozusagen als Minus stets in der Verpflichtung zur Erfolgsherbeiführung enthalten; sie bildet geradezu einen integralen Bestandteil derselben. Durch die Rechtsprechung des BGH zum alten Schuldrecht war dies allerdings (überraschenderweise) keineswegs geklärt1053. Hierzu mag beigetragen haben, dass eine § 632 a BGB n.F. entsprechende Vorschrift, die den 1047

Zum Leistungsbild des Architekten nach deutschem Recht vgl. Locher, Baurecht, Rn. 372 ff.; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 25 ff.; Seul, S. 14 ff.; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 350 ff.; Palandt /Sprau, BGB § 631 Rn. 19 ff. Über das Pflichtenprogramm des Architekten bei Vollarchitektur nach englischem Recht findet sich als ausführlicher Überblick bei Mückl, Jahrbuch Baurecht 2007, 269, 276 ff. 1048 Das materielle Bauwerk schulden soll der Architekt aber z.B. nach Ganten, NJW 1970, 687, 689 ff.; vgl. zum Streitstand MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 198 m.w.N. 1049 Locher, Baurecht, Rn. 369 (Hervorhebung weggelassen); vgl. zum Architektenwerk ferner BGH, BauR 1982, 290, 291; BGH, NJW 1962, 390; BGH, NJW 1962, 1499; Schliemann/ ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 64; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 25 ff.; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 36 ff.; Ziegler, ZfBR 2004, 529 ff. Zur umstritten Frage der Abnahmefähigkeit des „geistigen“ Architektenwerks vgl. Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 338 f. m.w.N. 1050 Vgl. ab S. 346. 1051 Ebenso Heckendorn, Haftung, Rn. 1362 (anders aber wohl Rn. 269); a.A. wohl z.B. Neuenfeld, NZBau 2002, 13, 16. 1052 Vgl. aus der Rechtsprechung z.B. ebenso BGH, NJW 1981, 2243, 2244; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 731, 732; aus der Literatur (allgemein) etwa Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 248; Weber, Unterscheidung, S. 68; a.A. Maschmann, Arbeitsverträge, S. 118 f. 1053 Ebenso Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 35.

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Unternehmer ebenso wie § 632 a BGB den Besteller schon während der Leistungsphase in die Pflicht nimmt, fehlt und auch vor der Schuldrechtsmodernisierung nicht mit entsprechender Konsequenz vorhanden war. Die Streichung des insoweit einschlägigen § 634 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. ist daher als wertungswidersprüchlicher Rückschritt zu qualifizieren1054. Vorbildlich sind hingegen die Bestimmungen der §§ 4 Nr. 7, 5 VOB / B1055: Der Unternehmer hat seine Arbeiten alsbald aufzunehmen, sachgerecht zu fördern und etwaige Mängel schon jetzt abzustellen. Der BGH hat den Architektenvertrag demgegenüber zwar in seinem Urteil vom 11.3.19821056 als einen „Werkvertrag, dessen Ziel vor allem darin besteht, dass der Architekt durch die Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben das Bauwerk mangelfrei entstehen lässt“, qualifiziert und darüber hinaus festgestellt, in der Regel sei es für den Bauherrn „ohne Interesse, wie der Architekt den angestrebten Erfolg herbeiführt und welchen Arbeitseinsatz er dazu für erforderlich hält“. Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ihm in dieser rein auf die Mangelfreiheit des Bauwerks ausgerichteten Interessenbewertung gefolgt1057. Dabei wird jedoch übersehen1058, dass der BGH diese Betrachtung in dem Urteil vom 11.3.19821059 selbst bereits dadurch relativiert, dass er feststellt1060, der Architekt habe „noch andere, nicht im Bauwerk verkörperte Leistungen zu erbringen wie z.B. die Kostenschätzung, die Ermittlung der Herstellungskosten oder die […] Feststellung der endgültigen Höhe der Herstellungskosten“. Die Kostenschätzung wird man, wie noch zu erörtern sein wird1061, i.E. in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH nicht als werkvertragliche Erfolgsherbeiführungspflicht qualifizieren können, sodass die zusammenfassende Bezeichnung aller vom Architekten geschuldeten Leistungen als „Architektenwerk“ insoweit in die Irre führt. Denn eine allein auf das Bauwerk bezogene Betrachtungsweise wird – wie Preussner zu Recht feststellt1062 – der komplexen Leistungsverpflichtung des Architekten nicht gerecht. Die vertragliche Leistung des Architekten wird, ebenso wie sein Berufsbild, vielmehr „in jüngerer Zeit vermehrt geprägt durch eine Vielzahl mannigfaltiger, anderer Pflichten“, weswegen der Architekt „schlechthin als Sachwalter seines Auftraggebers mit ureigenen und auch atypischen Aufgaben bezeichnet“ wird1063. Vor diesem Hintergrund kann folgerichtig die Mangelfreiheit des Bauwerks nicht alleiniger Maßstab dafür sein, ob die

1054

Peters, NZBau 2002, 113, 121. Ebenso Peters, NZBau 2002, 113, 121. 1056 VII ZR 128/81, BauR 1982, 290, 291. 1057 Vgl. auf die „Gesamtleistung“ abstellend OLG Naumburg, BauR 2001, 1615, 1616; i.E. OLG Düsseldorf, IBR 2002, 26 (LS) – juris; Neuenfeld, NZBau 2002, 13, 16; vgl. zur Entwicklung in der Rechtsprechung und zum Meinungsstand in der Literatur Pauly, NZBau 2006, 295, 296 f.; ferner Brückl, NZBau 2006, 491. 1058 Ebenso Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 38. 1059 VII ZR 128/81, BauR 1982, 290, 291. 1060 Vgl. schon BGH, NJW 1964, 647. 1061 Vgl. ab S. 390. 1062 Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 39. 1063 So OLG Bamberg, OLGR 1998, 71 = IBR 1998, 217 – juris. 1055

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Architektenleistung vertragsgemäß ist1064. Ausgehend von der vertraglich geschuldeten Leistung1065 wird man vielmehr – wie der BGH dies in der Praxis durchaus tut – zu differenzieren haben, wobei die jeweilige Verpflichtung konkret zu qualifzieren ist1066. Ansonsten gerät man nämlich in die Gefahr, Wertungswidersprüche zu anderen Dienstleistungsverträgen herbeizuführen1067. Dieser Gefahr ist die Rechtsprechung für den Architektenvertrag teilweise bereits erlegen, wenn sie z.B. weitgehend unberücksichtigt lässt, ob der Architekt sich als Spezialist geriert oder nicht1068. Man wird – entgegen den vom BGH in seinem Urteil vom 11.3.19821069 getroffenen Feststellungen – auch deshalb nicht annehmen können, dass es für den Auftraggeber ohne Interesse ist, welchen Arbeitseinsatz der Architekt an den Tag legt, weil ein unsorgfältiges, unfachmännisches Vorgehen des Architekten das Risiko eines Fehlschlags begründet (oder doch zumindest deutlich erhöht), der zu zeit- und kostenintensiven Korrekturen oder Nachbesserungen zwingt, über deren Berechtigung dann typischerweise – wiederum zeit- und kostenintensive – rechtliche Auseinandersetzungen zu führen sind. Im Interesse des Auftraggebers liegt insofern bei realistischer Betrachtung nicht der Erhalt von Nachbesserungen oder gar Schadensersatz, sondern vor allem und in erster Linie die von vorneherein ordnungsgemäße Leistung, für deren Bewirken nun einmal Sorgfalt und Sachkunde typischerweise erforderlich sind1070. Vor diesem Hintergrund sind die Feststellungen des BGH nicht nur wie durch den BGH bereits vorgenommen im Hinblick auf quantitative1071, sondern auch in Bezug auf qualitative Defizite zu relativieren1072. Damit befinden wir uns – nebenbei bemerkt – im Einklang mit der Bewertung der Parteiinteressen durch die Verfasser der PELSC, die vor eben diesem Hintergrund den Schuldner verpflichten, Kontrolle und Einflussnahme durch den Gläubiger zu ermöglichen1073. 1064

Ebenso Kniffka, FS Vygen, S. 20, 24 f.; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 40. 1065 BGH, NJW 2002, 129 f.; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 44. 1066 Diesen Schritt macht der BGH (wahrscheinlich aus dem auf S. 138 genannten Grund) freilich nicht. 1067 Abgesehen von den Wertungswidersprüchen, die insoweit bereits im Vergleich zwischen Besteller und Unternehmer bestehen, vgl. dazu Peters, NZBau 2002, 113, 121. 1068 Vgl. MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 59 m.w.N. 1069 VII ZR 128/81, BauR 1982, 290, 291. 1070 Alles andere ist eine Frage der haftungsbegründenden oder -ausfüllenden Kausalität. 1071 Die hiermit verbundene Frage nach der Richtigkeit der in Teilen von Rechtsprechung und Literatur vertretenen Theorie von den „Zentralen Leistungen“ ist mit Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 43 ff. (m. Nachweisen zum Streitstand ab Rn. 41 ff.) aus den dort angeführten Gründen (systemwidrig, praktisch nicht interessengerecht und dogmatisch verfehlt) negativ zu beantworten. 1072 Für eine dienstvertragliche Qualifikation einiger Teilschritte – und damit automatisch auch für einen bestimmten geschuldeten Verhaltensstandard – Motzke, NZBau 2005, 361, 364 ff.; gegen eine dienstvertragliche Qualifikation (dem BGH zustimmend) Pauly, NZBau 2006, 295, 297. 1073 Vgl. ab S. 353.

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Aus den vorstehenden Gründen sind im Folgenden auch für den Architektenvertrag zentraler Gegenstand der Beobachtung die Kriterien des zur Zielerreichung erforderlichen Weges und nicht die zu erreichenden Ziele selbst. Wir folgen damit sozusagen nur der „Natur der Sache“: Die Verpflichtung zu sorgfältigem Vorgehen ist schon wegen des Erfordernisses sorgfältiger Leistungsbemühung für eine Haftungsbefreiung in schadensersatzrechtlicher Sicht letztlich systemimmanent dem Schuldner – auch im eigenen Interesse – vorgegeben. Den vor diesem Hintergrund letztlich übereinstimmenden Parteiwillen darf man bei der Qualifikation einer Pflichtverletzung nicht einfach übergehen. Die Rechtsprechung muss im Übrigen – was häufig übersehen wird – letztlich denselben Weg einschlagen, wenn sie einen Mangel des „Architektenwerks“ als ursächlich für einen Mangel des Bauwerks qualifizieren will. Denn am Bauwerk auftretende Mängel sind nicht ohne weiteres Mängel des „Architektenwerks“, sondern nach ständiger Rechtsprechung nur als solche zu qualifizieren, wenn sie auf eine Verletzung der „Sorgfaltspflicht“ (!)1074 des Architekten zurückgehen1075.

c)

Praktischer Hintergrund im deutschen und englischen Recht

Den praktischen Hintergrund betrachtend, vor dem die unterschiedliche Umfangsbestimmung der Verpflichtung des Schuldners (Dienst- oder Werkvertrag) nach deutschem Recht geschieht, ist zunächst zu konstatieren, dass gleichgültig, ob die konkrete Verpflichtung werk- oder dienstvertraglicher Natur ist, die Schadensersatzhaftung nach dem gesetzlichen Regelmodell verschuldensabhängig bleibt. Auch wenn als die Verpflichtung des Schuldners gemäß § 631 BGB die Herbeiführung eines Erfolges beinhaltet und dem Schuldner die Herbeiführung dieses Erfolges nicht gelingt, haftet er gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nämlich nicht auf Schadensersatz, falls er die Nichtherbeiführung des geschuldeten Erfolges nicht zu vertreten hat. Sofern (wie in der Regel) ein Verschulden das maßgebliche Zurechnungskriterium bildet, sind diese Voraussetzungen erfüllt, wenn der Schuldner das dem Erfolg entgegenstehende Hindernis mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht überwinden kann (§ 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB) und vertragsgemäß auch nicht überwinden muss1076. 1074

So ausdrücklich trotz werkvertraglicher Qualifikation: BGH, NJW 1994, 1276, 1277; BGH, NJW 1971, 1130, 1131; vgl. auch BGH, NJW 2001, 965, 966; ausdrücklich ferner OLG Karlsruhe, NZBau 2006, 322, 324; OLG Düsseldorf, NZBau 2005, 408, 409; OLG Saarbrücken v. 13.9.2004 – 4 W 166/04, n.v.; OLG Hamm v. 1.7.2004 – 21 U 20/04, n.v.; OLG Köln, NJOZ 2002, 2323, 2333; OLG München, NJW-RR 1992, 788, 789; Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch, § 12 Rn. 277; Neuenfeld, NZBau 2004, 633, 636; in Bezug auf die bei der Auswahl neuer Materialien bestehenden Prüfpflichten z.B. auch Jagenburg/ Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 67. Zur Sorgfalt als Pflichtinhalt bei werkvertraglichen Pflichten vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1991, 731, 732. 1075 Vgl. bereits BGH, BauR 1974, 63, 64; BGH, VersR 1967, 1150; BGH, NJW 1966, 1713 f.; BGH, NJW 1964, 1791; vgl. auch BGH, NJW 1960, 431. 1076 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 566; PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 280 Rn. 19.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Praktisch wichtig1077 ist die Frage, ob ein Dienst- oder ein Werkvertrag vorliegt, insofern nach deutschem Recht nicht wegen des mit der Erfolgsbezogenheit einer vertraglichen Pflicht verbundenen Haftungsstandards. Sie erhält ihre praktische Bedeutung vor allem aufgrund der bereits angesprochenen unterschiedlichen Gefahrverteilung (§ 644 BGB), unterschiedlichen Verjährungsfristen (vgl. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB) und Regeln der Vergütung im Falle einer Kündigung (vgl. § 628 Abs. 1 BGB und § 649 S. 1 BGB) sowie den im Werkvertragsrecht bestehenden speziellen Sicherungsmöglichkeiten (§§ 648 f. BGB). Dies zusammengenommen ist nicht zuletzt für die Inhaltskontrolle von AGB wichtig (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zusätzliche praktische Bedeutung kommt der Qualifikation des Vertrages allerdings auch zu, wenn man mit der Rechtsprechung und einem großen Teil der Literatur – nicht zutreffend – davon ausgeht, dass allein das Werkvertragsrecht verschuldensunabhängige Rechtsbehelfe wie Nacherfüllung und Minderung kennt, nicht aber das Dienstvertragsrecht1078. Damit stellt sich das Bedürfnis danach, den Schuldner nicht zur Herbeiführung eines Erfolges zu verpflichten, – trotz der in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB normierten Verschuldensvermutung – jedenfalls in einem anderen Licht als im englischen Recht. Denn dort steht im Hintergrund des Verständnisses der Parteierklärungen als einer Verpflichtung zu Sorgfalt, dass mit der Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges eine strikte Haftung verbunden ist, von der sich der Schuldener – trotz notwendig in Kauf zu nehmender und durch ihn nur sehr begrenzt steuerbarer Risiken – bei Nichteintritt des angestrebten Erfolges ohne Rückgriff auf die selten zur Verfügung stehende frustration nicht zu entlasten vermag1079.

II.

Faktoren für die Annahme einer Verpflichtung zu Sorgfalt bzw. einer sorgfaltsabhängige Haftung

Die Verpflichtung, mit angemessener Sorgfalt und entsprechendem Geschick vorzugehen, einerseits und der regelmäßige Ausschluss eines Erfolgszwangs andererseits reflektieren – im englischen wie im deutschen Recht1080, den Principles und auch im DCFR gleichermaßen –, dass einige bestimmende Faktoren außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners liegen1081. Dies gilt z.B. für die ärztliche Behandlung hin-

1077

Vgl. zum Folgenden etwa Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 13 ff.; Locher, Baurecht, Rn. 365. 1078 Vgl. hierzu ab S. 149. 1079 Vgl. zum Folgenden aus der Sicht des englischen Rechts Powell, in: Birks, Wrongs, S. 49. 1080 Vgl. BGHZ 151, 330, 333 f.; BGH, NJW-RR 2006, 1490, 1491; PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 241 Rn. 14; Soergel /Kraft, BGB Vor § 611 Rn. 42; RGRK /Anders/Gehle, BGB § 611 Rn. 20; Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 398; Larenz, Schuldrecht II/1, S. 310 f.; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 362; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 459. 1081 Zu diesem Ergebnis gelangt rechtsvergleichend auch Heckendorn, Haftung, Rn. 284; ebenso für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag nach deutschem Recht BGH, NJWRR 2006, 1490, 1491; ferner z.B. Roth, JZ 2003, 371, 372. Wendehorst, AcP 206 (2006),

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sichtlich der Konstitution und Kooperationsbereitschaft bzw. -fähigkeit des Patienten. Für den Prozessanwalt lassen sich ohne weiteres vergleichbar gewichtige Faktoren außerhalb seines Einflussbereichs ausmachen, bspw. die Kooperationsbereitschaft des Mandanten, die vorhandenen Beweise, die von den Parteien mitgeteilten Informationen sowie die Glaubwürdigkeit von Zeugen. Aus dem Bereich der Architektenhaftung lässt sich als Beispiel anführen, dass die Erteilung von Baugenehmigungen nicht selten eine vom Architekten nur begrenzt steuerbare politische Entscheidung darstellt1082. Darüber hinaus können auch bei angemessen sorgfältiger Überwachung und Koordinierung Anweisungen des Architekten auf der Baustelle nicht befolgt oder während seiner Abwesenheit nicht zu korrigierende Fehler gemacht werden1083. Hinzukommen dürften bei der Entscheidung für eine Verpflichtung zu Sorgfalt aber auch andere Überlegungen. Denn als Bestimmungsfaktoren denkbar sind in diesem Zusammenhang nicht nur Risiken, die außerhalb des Einflussbereichs des konkreten Schuldners liegen1084. Unter Umständen ist die Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges nämlich auch, wenn eine Kontrolle (theoretisch) möglich scheint, schlichtweg nicht gewollt. Welcher vernünftige Mensch hält sich schon in schwierigen oder nur (sehr) komplexen Fragen für unfehlbar?1085 Vor diesem Hintergrund sind auch die englischen Gerichte bemüht, den Pflichtinhalt so zu bestimmen, dass sowohl die Interessen der Dienstleistungsgläubiger als auch die vorgenannten Interessen der Dienstleistungsschuldner angemessen berücksichtigt werden1086. Denn schließlich ist der Dienstleister (auch wenn er in aller Regel versichert ist) kein Versicherer, der (außer im Fall der frustration) vertraglich immer einstehen möchte – egal was schief geht1087.

205, 229 f. betont insoweit insbesondere die Abhängigkeit des Erfolgseintritts von „Produktionsfaktoren“ aus der Sphäre des Gläubigers. 1082 Vgl. zu dieser Überlegung Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 5:104. 1083 Locher, Baurecht, Rn. 365. 1084 Auf das Vorhandensein einer entsprechenden „Risikoprämie“ als Kriterium weisen BGHZ 151, 330, 333; PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 241 Rn. 14 hin. 1085 Das Irrtumsrisiko, welches gewissen Leistungen immanent ist, hebt zu Recht Heckendorn, Haftung, Rn. 285 als Element für die Unterscheidung zwischen Erfolgsherbeiführungs- und Sorgfaltspflicht hervor. 1086 Vgl. zu diesem Bemühen der Gerichte nur die Feststellungen von Scott LJ in Mahon v Osborne [1939] 2 KB 14, 16, einer Entscheidung, in der es das Vergessen eines Operationsschwamms im Körper des Patienten zu beurteilen galt: „The case is one of general importance because its facts illumine the principles which apply. It calls for close attention by reason of the double need, on the one hand, of enforcing a high standard of care in surgeon against the grave danger of an overlooked swab, and, on the other, of protecting the surgeon from the risk of condemnation for actionable want of care where he has in reality been doing his best for his patient“. 1087 Vgl. Jones, Negligence, § 3–012 (für den Arzt).

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

III. Bedenken gegenüber einer undifferenzierten Verpflichtung zu care and skill im englischen Recht Diese Situationsbeschreibung trifft allerdings weder für jede Profession1088, noch für jede einzelne Dienstleistung und schon gar nicht für jeden Bestandteil einer Dienstleistung zu1089. Vielmehr unterliegen unterschiedliche Arten von Dienstleistungen entsprechend unterschiedlichen Erfolgsquoten1090. So wäre es z.B. nicht nur überraschend, sondern sogar höchst alarmierend, wenn ein Ingenieur erklärte, einige der von ihm konstruierten Gebäude stürzten eben ein, oder – um ein „englischeres“ Beispiel aufzugreifen –, wenn ein mit der Grundstücksübereignung (conveyancing) betrauter solicitor erklärte, einige seiner Klienten erhielten keine vollwertige Rechtsposition am Grundstück (title). Unterschiedliche Leistungsinhalte und die mit ihnen typischerweise verbundenen Erfolgschancen wecken entsprechend unterschiedliche Erwartungen des Vertragspartners, die die Interessenlage beeinflussen können. Es ist aus diesem Grund zu vermuten, dass eine Bewertung ärztlicher und/oder prozessanwaltlicher Leistungen nicht als Paradigma für alle (professionell erbrachten) Dienstleistungen taugt1091. Dennoch neigen die englischen Gerichte ein wenig dazu, „angemessene Sorgfalt“ als Gegenstand des vertraglichen Versprechens im Dienstleistungskontext zu qualifizieren1092. Dem case law ist insoweit die Beobachtung zu entnehmen, dass die Entscheidung für „reasonable care and skill“ als Leistungsinhalt und gegen die Einführung einer strikten Erfolgshaftung sich (historisch bedingt1093) nicht selten eher am Status als „professioneller Dienstleister“ orientiert und nicht so sehr an der versprochenen Dienstleistung, d.h. der vertraglich übernommenen Aufgabe selbst1094. Freilich finden sich auch Gegenbeispiele, die der im deutschen Recht vorzufindenden Differenzierung1095, die auch den PELSC und dem DCFR eigen ist1096, durchaus vergleichbar sind1097. Eine Beurteilung des vorgenannten Vorgehens der Rechtsprechung darf ohnehin nicht vernachlässigen, dass mit der Entscheidung für „care und skill“ noch nichts darüber ausgesagt worden ist, was im konkreten Fall geschuldet ist. Insoweit ist nämlich unübersehbar, dass die Gerichte die Sorgfaltsanforderungen – wo dies angebracht scheint – derart anschrauben, dass (nahezu) jede Fehlleistung sorgfaltswid1088

Vgl. auch Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 662. Ausgehend von der Lehre vom Vertragstypus gegen eine rechtliche Qualifikation von Vertragsbestandteilen BGH, NJW-RR 2006, 1490, 1491. 1090 Die nachfolgenden Beispiele gehen zurück auf Jackson/Powell, Negligence, § 2–003. 1091 Vgl. Powell, in: Birks, Wrong, S. 48, 53. 1092 Vgl. auch Cooke/Oughton, Obligations, S. 243; kritisch Powell, in: Birks, Wrongs, S. 49. 1093 Vgl. näher ab S. 328. 1094 Dagegen wendet sich Powell, in: Birks, Wrongs, S. 52 ff. 1095 Vgl. BGHZ 63, 306, 309 ff.; OLG Karlsruhe, VersR 1996, 62; Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 231, 234 ff. 1096 Die Verpflichtungen des Dienstleisters sinddurchaus differenziert ausgestaltet. Insofern werden zahlreichen Pflichten zu Sorgfalt einige strikte Verpflichtungen an die Seite gestellt, vgl. zu ihnen ab S. 614. 1097 Vgl. ab S. 635. 1089

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

147

rig ist und sich die sorgfaltsabhängige Haftung im Ergebnis der sorgfaltsunabhängigen annähert1098. Man darf daher auch die formale Qualifikation der Verpflichtung nicht überbewerten; denn die Verpflichtung zu Sorgfalt ist sehr dehnbar.

B.

Der „versprochene Dienst“ i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB – Verpflichtung zu Sorgfalt als Inhalt des Leistungsversprechens?

Wenn bisher auch für das deutsche Dienstvertragsrecht von einer Verpflichtung zu Sorgfalt gesprochen worden ist1099, war dies nicht allein der Wirkung des Verschuldensprinzips geschuldet, sondern es wurde damit für das deutsche Dienstvertragsrecht bewusst ein Problem ausgespart, auf das nunmehr einzugehen ist.

I.

Die Vorgaben der Rechtsprechung hinsichtlich des Inhalts des Leistungsversprechens des Dienstvertragsschuldners

Gemäß § 611 Abs. 1 BGB ist der Schuldner zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet. Dieser Gesetzeswortlaut lässt offen, welche Dienste geschuldet sind. Nur soviel steht fest: Entscheidend ist, was versprochen wurde. „Versprochen“ werden können dabei gemäß § 611 Abs. 2 BGB Dienste jeder Art. Nach einer in Rechtsprechung und Literatur (zumeist implizit im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen einer Schlechtleistung diskutiert) vertretenen Auffassung darf aber – losgelöst von der Art des versprochenen Dienstes – das vertragliche Leistungsversprechen eines Dienstvertragsschuldners nicht dahin verstanden werden, dass der Schuldner sich durch dieses Leistungsversprechen auch dazu verpflichtet, Dienste einer bestimmten Qualität zu leisten. Der Qualitätsstandard wird nicht Inhalt seiner synallagmatischen Verpflichtung. So hat der BGH1100 – anders als noch das RG1101 – entschieden, dass die Schlechterfüllung von Dienstverträgen allein zu Schadensersatzansprüchen führen kann. Dies bedeutet, dass eine Ersatzpflicht des Schuldners nur eintritt, wenn er die Schlechtleistung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Dieser Rechtsprechung folgen große Teile der Literatur1102. Konsequenz dieser Auffassung sind nicht nur Abgren-

1098

Vgl. dazu für das conveyancing ab S. 646. Vgl. ab S. 127. 1100 BGH, NJW 1983, 1188, 1189; BGH, NJW 2004, 2817 m.w.N. 1101 Vgl. RGZ 113, 264, 267 f.; ebenso PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 241 Rn. 13. 1102 Ullrich, NJW 1984, 585, 587 f. Larenz, Schuldrecht BT II/1, S. 315 f.; Heinrichs, FS Schlechtriem, S. 503, 511 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 21 Rn. 24; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 14; Steenken, Auswirkungen, S. 198 ff.; Slobodenjuk, NJW 2006, 113; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 256; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 460 ff. m.w.N.; jetzt wohl auch MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 23; a.A. z.B. Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 210 ff.; Lessmann, FS E. Wolf, S. 395, 402 ff.; Walter, Spezialisierung, S. 117 f., der dies sogar (irrtümlich) für die „wohl überwiegende[n] Ansicht“ hält; 1099

148

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

zungsprobleme zwischen Nicht- und Schlechtleistung1103, sondern ist vor allem, dass eine bestimmte Qualität der Leistung nicht (einklagbar) geschuldet ist. Denn der Schuldner braucht nach dieser Auffassung keine einem bestimmten Standard entsprechende Leistung zu erbringen, um seine Leistungspflicht zu erfüllen. Im Gegenteil, jede Form des Tätigwerdens, die zumindest im Ansatz brauchbar ist, d.h. noch als Schlecht- und nicht als Nichterfüllung zu qualifizieren ist1104, bedeutet die Leistung der i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB versprochenen Dienste und damit eine Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) des vertraglichen Leistungsversprechens durch den Schuldner1105. Sanktioniert wird die nicht angemessen sorgfältige Leistung nur als nicht synallagmatische Interessenwahrungspflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB1106.

II.

Die Unvereinbarkeit der Rechtsprechung mit dem Parteiwillen, der Systematik des BGB und den Vorgaben des historischen Gesetzgebers

1.

Die dogmatische Inkonsequenz und Unvereinbarkeit des Verneinens einer Verpflichtung zu Sorgfalt mit dem Parteiwillen

Diese Qualifikation ist zunächst dogmatisch inkonsequent. Es ist nämlich widersprüchlich, von einer Schlechtleistung zu sprechen und also eine Leistungspflicht zu sorgfältiger Dienstleistung „zwar als Ausgangsbasis für den Ersatz von Folgeschäden zu bejahen, im übrigen aber zu verneinen“1107. Aber selbst wenn man dies einmal unberücksichtigt lässt, ist die von der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur vertretene Qualifikation der Parteivereinbarung – insbesondere aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters – zumindest einigermaßen überraschend. Denn welcher vernünftige Gläubiger würde sich schon explizit damit einverstanden erklären, dass sein künftiger Schuldner nach Treu und Glauben (!) (§§ 157, 242 BGB) keine Leistung angemessener (!) Qualität zu erbringen bräuchte, um seinen Vertrag zu erfüllen? Der für einen vernünftigen Dritten (objektiver Empfängerhorizont) erkennbare Wille des Gläubigers wird im Regelfall – geradezu im Gegenteil – auf eine Verpflichtung zur Einhaltung eines angemessenen Qualitätsniveaus gerichtet sein1108. Dem kann

jetzt wohl auch Jauernig /Mansel, § 611 Rn. 16; offengelassen in BGH, NJW-RR 2006, 1490, 1491. 1103 Vgl. anschaulich BGH, NJW 1990, 2549, 2550. 1104 Anderes soll aber im Fall der Nichtleistung gelten, vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2003, 274 f.; Jauernig /Mansel, BGB § 611 Rn. 16; Peukert, AcP 205 (2005), 430, 460 f. 1105 Vgl. zu dieser Konsequenz Ullrich, NJW 1984, 585, 586; Oekter/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 409. Nachweise zur älteren Literatur bei Roth, VersR 1979, 494, 498 f. 1106 So ausdrücklich z.B. Slobodenjuk, NJW 2006, 113; vgl. auch Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 409. 1107 So zutreffend Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 208. 1108 Zutreffend hinsichtlich dem typischen Verständnis der Verpflichtungserklärung des Schuldners Peukert, AcP 205 (2005), 430, 459: „[Der Schuldner] verpflichtet sich lediglich

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

149

man auch nicht entgegenhalten, es bestehe kein praktisches Bedürfnis für eine solche, auch qualitative Einstandspflicht des Schuldners (und eine entsprechende Interpretation des Parteiwillens). Denn dass diese Verpflichtung scheinbar bislang selten praktsich geworden ist, dürfte sich relativ simpel aus dem Umstand erklären, dass die Minderwertigkeit spezieller Dienstleistungen, wie sie insbesondere von den hier untersuchten „Freiberuflern“ geschuldet werden, rein tatsächlich deswegen nicht erkannt wird, weil der Dienstberechtigte zumeist ein Laie ist1109. Die PELSC und auch das englische Recht nehmen ebendiesen Befund zum Anlass, den Dienstverpflichteten – vorvertraglich und vertraglich (Art. 1:103, 1:110 PELSC) – zur Aufklärung und Beratung seines Gläubigers über potentielle Defizite zu verpflichten1110. Mangels entsprechender Sachkunde und – damit zusammenhängend – Kontrolle wird der Dienstberechtigte ansonsten nämlich häufig erst auf die Minderqualität aufmerksam, wenn über die Minderleistung hinausgehende Schäden eingetreten sind1111. Vor diesem Hintergrund fragt sich, was die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur dazu veranlasst, von diesem vernünftigen Verständnis der Parteierwartung abzurücken.

2.

Die Irrelevanz des Fehlens „besonderer“ Leistungsstörungsregeln im Dienstvertragsrecht

Dies dürfte für sich genommen kaum der Umstand sein, dass dem Dienstvertragsrecht ein dem Werk- und Kauf- und Mietvertragsrecht entsprechendes besonderes „Gewährleistungsrecht“ fehlt1112. Denn diese Begründung ist – erst recht vor dem Hintergrund der durch die Schuldrechtsreform bewirkten Angleichung von „besonderem“ und „allgemeinem“ Leistungsstörungsrecht, die das allgemeine Leistungsstörungsrecht aufwerten sollte1113 und aufgewertet hat – allzu vordergründig1114. Sie erklärt insbesondere nicht, weswegen – entgegnen der durch die Schuldrechtsmoder-

– aber immerhin – zu einer mangelfreien, den eineschlägigen Sorgfaltsanforderungen genügenden Tätigkeit, ohne eine darüber hinausgehende Erfolgsgarantie zu übernehmen“ (Hervorhebung im Original). Ebenso Roth, VersR 1979, 494, 498 f. 1109 Ebenso Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 211. 1110 Vgl. zu den vorvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten ab S. 22; zu vertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten ab S. 351 sowie S. 358. 1111 Ebenso Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 211. 1112 Vgl. aber jüngst BGH, NJW 2004, 2817; AG Ludwigslust, NJW 2005, 610, 611; ebenso Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 14; Steenken, Auswirkungen, S. 234; a.A. zu Recht Medicus, Schuldrecht II, Rn. 323. 1113 Vgl. für das Kaufvertragsrecht explizit Reg. Begr. BT-Drs. 14/6040, S. 219 f.; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 119 f.; S. Lorenz, NJW 2005, 1321, 1323 f. (dies verkennend BGHZ 162, 219, 229 f.). 1114 Dagegen bereits zutreffend Motzer, Vertragsverletzung, S. 174 ff.; ähnlich jüngst Peukert, AcP 205 (2005), 430, 457.

150

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

nisierung noch einmal bekräftigten Systematik des BGB1115 – die „allgemeinen“ Regeln des Leistungsstörungsrechts keine Anwendung finden sollen1116.

a)

Die Minderung durch Gestaltungserklärung als allgemeiner Rechtsbehelf

Im Rahmen der Schuldrechtsreform gleichsam erledigt hat sich insbesondere das systematische Argument, es gebe im Dienstvertragsrecht anders als im Werkvertragsrecht de lege lata keine Möglichkeit zur abgestuften Minderung der Gegenleistung (durch Gestaltungserklärung) bei „schlechter“ Leistung des Dienstschuldners1117. Zwar findet sich im allgemeinen Teil des Schuldrechts auch nach der Reform keine Norm, die mit „Minderung“ überschrieben ist, obwohl man im Rahmen der Vorarbeiten zur Schuldrechtsmodernisierung erwogen hatte, die Minderung parallel zu Art. 9:401 PECL als allgemeinen, auch das Dienstvertragsrecht erfassenden Rechtsbehelf auszugestalten. – Dies ist vor allem am befürchteten Widerstand der Vertreter der freien Berufe gescheitert1118. – Auch haben die Verfasser des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sich über die Sachfrage „Erstreckung des Minderungsrechts auf den Dienstvertrag“ nicht explizit Gedanken gemacht1119. Doch ungeachtet dessen enthält das BGB in § 323 Abs. 5 S. 2 mit dem Teilrücktritt wegen Vertragswidrigkeit der Leistung einen Rechtsbehelf, der – wenngleich er sich nicht „Minderung“ nennt – funktionell nichts anderes ist als eine Minderung im Wege der Gestaltungserklärung1120. Diese Überlegung wird systematisch zunächst durch die Verweisungen der §§ 441 Abs. 1 S. 2, 638 Abs. 1 S. 2 BGB, darüber hinaus aber auch durch § 326 Abs. 1 S. 2 BGB bestätigt1121. Denn diese Norm wäre überflüssig1122, wenn § 326 Abs. 1 S. 1 1115

Vgl. zur Regelungstechnik des BGB z.B. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 8; zur Bestärkung dieser Technik durch die Schuldrechtsmodernisierung vgl. die Nachweise in Fn. 1113. 1116 Davon geht hingegen – wie selbstverständlich – zunächst einmal Roth, VersR 1979, 494, 501 zutreffend aus; a.A. hingegen – insoweit die Begründungslast verkennend – zu Unrecht Steenken, Auswirkungen, S. 234, der die Anwendbarkeit der allgemeinen (!) Regeln für begründungsbedürftig hält. 1117 Dagegen vor der Schuldrechtsreform eingehend Hirte, Berufshaftung, S. 370 ff. m.umf.N. Zu wenig differenziert wird nach der Reform in der Frage, ob es (weiterhin) eine automatische Minderung von Schlechtleistungen (analog) § 326 Abs. 1 S. 1 BGB gibt, und der davon zu unterscheidenden Frage, ob es eine Minderung als allgemeinen Rechtsbehelf durch Gestaltungserklärung gibt, zu undifferenziert insoweit z.B. Peukert, AcP 205 (2005), 340 ff., der aber einen guten Überblick über den Meinungsstand zur Auslegung des § 326 Abs. 1 S. 2 BGB bietet. Da die Leistungen der hier untersuchten Dienstleister nicht aus Dauerschuldverhältnissen herrühren (vgl. S. 155), braucht der Frage, ob parallel zu § 536 BGB gemäß oder analog § 326 Abs. 1 S. 1 BGB bei Dauerschuldverhältnissen eine automatische Minderung erfolgt, hier nicht nachgegangen zu werden. Für eine Minderung nach geltendem Recht Erman/Edenfeld, BGB § 611 Rn. 408. 1118 Vgl. Schlechtriem, JbJZivRWiss 2001, S. 9, 27; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 556. 1119 Zu weitgehend daher Peukert, AcP 205 (2005), 430, 440 m. Fn. 42, 452.

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

151

2. HS BGB nicht auch auf Fälle der Vertragswidrigkeit anwendbar wäre. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 323 Abs. 5 S. 2 BGB folgt sodann e contrario, dass „die Minderung im Wege der Gestaltungserklärung generell zur Verfügung steht“1123.

b)

Die Verpflichtung zur Nacherfüllung

Nicht zielführend ist – erst recht im Lichte der Schuldrechtsmodernisierung – ferner das Argument der eine Qualitätsverpflichtung verneinenden Ansicht, der Dienstschuldner müsse nach der hier vertretenen Auffassung „in einer Situation, in der er seine eigene Leistung nicht mehr zurückhalten [könne], entweder nacharbeiten oder auf seinen Lohn verzichten“. Denn für alle Vertragstypen, bei denen die Nacherfüllung nicht wie in §§ 439, 635 BGB mit eigener Anspruchsgrundlage kodifiziert worden ist, ergibt sich – soweit der Anspruch auf Naturalerfüllung nicht nach §§ 275, 313 BGB (z.B. aufgrund der Natur des Inhalts der Leistungspflicht1124) ausgeschlossen ist – grundsätzlich nichts anderes aus den §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB1125; der Nacherfüllungsanspruch stellt lediglich eine modifizierte Fortsetzung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs dar1126. Nach der Systematik des reformierten BGB kann der Gläubiger also – gleichgültig welchem Vertragstyp die verletzte Pflicht entspringt –, sofern die Leistung in ihrer Beschaffenheit hinter dem geschuldeten Stand zurückbleibt, „grundsätzlich Nacherfüllung verlangen und durchsetzen, um die vollständige Erfüllung der Schuldnerpflicht zu erzwingen, und er muß dies regelmäßig tun oder jedenfalls versuchen, bevor er auf andere Rechtsbehelfe zurückgreift“1127. Wieso dies (lässt man potentielle arbeitsrechtliche Besonderheiten einmal unberücksichtigt), sofern die Nacherfüllung nicht nach §§ 275, 313 BGB ausgeschlossen ist, im Dienstvertragsrecht anders sein 1120

Zutreffend Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 557; a.A. Kindl, WM 2002, 1313, 1318; Staudinger /Otto, BGB § 326 Rn. B 45, 60 m.w.N.; Ansätze hierfür sieht auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 275. 1121 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 557; vgl. auch MünchKomm/Ernst, BGB § 323 Rn. 240. 1122 Vgl. auch Peukert, AcP 205 (2005), 430, 434 ff. passim. 1123 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 557; i.E. MünchKomm/Ernst, BGB § 323 Rn. 199, 240. 1124 Dies gilt z.B. für Dauerschuldverhältnisse. Vgl. etwa für die Unnachholbarkeit vertragsgemäßen Gebrauchs beim Mietvertrag Mückl, JA 2006, 165 f. Dienstverträge sind – anders als Arbeitsverträge – allerdings in der Regel nicht als Dauerschuldverhältnisse zu qualifizieren, vgl. nur Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 196, 205 f.; vgl. zur Gegenansicht Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 273 m.w.N. 1125 Vgl. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 467, wo der Dienstvertrag freilich nicht aufgezählt wird. 1126 Vgl. Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 504; Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 88 m.w.N. 1127 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 467.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sollte1128, leuchtet nicht ein1129, zumal die gegenteilige Auffassung den vom Dienstverpflichteten geschuldeten „Leistungserfolg“ unzulässig in die Nähe des Werkvertragsrechts rückt und § 888 Abs. 3 ZPO erst auf vollstreckungsrechtlicher Ebene relevant wird1130. Auch der Einwand, Dienstleistungen seien – ähnlich Stückschulden – einer Standardisierung, die Voraussetzungen eines Qualitätsstandards ist, nicht hinreichend fähig, ist realitätsfremd und schon deswegen nicht zielführend1131. Losgelöst davon ist nicht einzusehen, warum es dem Dienstberechtigten verwehrt sein sollte, wenigstens Nacherfüllung zu verlangen, wenn er die Schlechtleistung als solche vor Eingreifen der §§ 275, 313 BGB erkennt1132. Dies wird – u.U. nach entsprechender Aufklärung – in vielen Fällen möglich sein. Denn „bei genauerem Zusehen kann […] kaum zweifelhaft sein, daß viele Dienstleistungen auf bestimmte Dienstleistungsergebnisse gerichtet sind, die im Fall der Mangelhaftigkeit nachbesserungsfähig sind“1133. Auch etwaige Beurteilungsschwierigkeiten hinsichtlich der Qualität der Dienstleistung (oder die Gefahr querulatorischer Prozesse) lassen sich dem nicht grundsätzlich entgegenhalten1134. Wichtig ist dabei zunächst, dass dem Dienstleister, was die vertragsgemäßen Modi der Leistung betrifft, in der Regel nach dem Parteiwillen weite Ermessensspielräume zustehen1135. Insofern ist der Bereich der Schlechtleistung ohnehin erst berührt, falls die Vertragsdurchführung – gemessen am Parteiwillen unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage – in unvertretbarer Weise erfolgt ist. Denn erst dort beginnt der Bereich der Schlechtleistung bzw. Pflichtverletzung1136. Auf dieses Problem wird später näher einzugehen sein1137. Jedenfalls bietet sich hier ein interessengerechter, flexibler Maßstab1138, den man nicht dadurch einschränken muss, dass man in entsprechender Anwendung des in §§ 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2 BGB niedergelegten Rechtsgedankens eine Nacherfüllung bereits ausscheiden lässt, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist1139. Hier einen den Voraussetzungen für eine Vertragsauflösung parallelen Maßstab ein1128

So aber z.B. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 264. Wie hier Erman/Edenfeld, BGB § 611 Rn. 406; Lessmann, FS E. Wolf, S. 395, 405, 409 ff.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 374, 376; Oetker/Mautzsch, Schuldverhältnisse, S. 415; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 324; Roth, VersR 1979, 494, 498 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 244; Hirte, Berufshaftung, S. 374 ff., der allerdings alle freiberuflichen Dienstleistungen in das Werkvertragsrecht einordnen will. 1130 Aus diesem Umstand genau umgekehrt argumentierend Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 265 m.w.N. zur hier im Text vertretenen Auffassung. 1131 Näher Hirte, Berufshaftung, S. 375 ff. 1132 Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 211. 1133 Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 211 m. Beispielen (Hervorhebung dort); vgl. ferner Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 374. 1134 So bereits Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 211. 1135 Vgl. zu den Mechanismen der Leistungskonkretisierung ab S. 297. 1136 Ähnlich Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 212; für den Behandlungsvertrag Deutsch/Geiger, Behandlungsvertrag, S. 1049, 1068. 1137 Vgl. ab S. 227. 1138 Wie hier i.E. Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 211 f. 1139 So aber Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 415. 1129

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zuführen, scheint demgegenüber nicht interessengerecht1140. Auch dürfen die der Erfüllung im Dienstvertragsrecht durch die §§ 275, 313 BGB gesetzten Grenzen nicht grundlos überspielt werden. Losgelöst davon wird man jedenfalls e contrario § 439 Abs. 1 BGB und analog § 635 Abs. 1 BGB – das Werkvertragsrecht steht dem Dienstvertragsrecht weitaus näher als das Kaufrecht – dem Schuldner die Wahl lassen müssen, ob er die ursprüngliche Leistung nachbessert oder in toto neu leistet. Festzuhalten ist, dass die systematische Argumentation der eine Qualitätsverpflichtung verneinenden Auffassung bis hierher bereits insofern nicht überzeugt, als kein Grund ersichtlich ist, von den Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts abzuweichen1141. Insbesondere kann nicht auf das Fehlen einer „besonderen“ Regelung des Leistungsstörungsrechts verwiesen werden, zumal auch das Werkvertragsrecht nur noch wenige „Sonderregeln“ enthält.

c)

Die Untauglichkeit einer systematischen Argumentation mit dem Werkvertragsrecht

Argumentiert wird systematisch jedoch auch in anderem Zusammenhang mit den Unterschieden zwischen Dienst- und Werkvertragsrecht: Würde man eine angemessene Qualität der Leistung zum Inhalt des Leistungsversprechens machen und insoweit folgerichtig bei nicht vertragsgemäßer Leistung § 320 BGB anwenden1142, würde man „den Dienstpflichtigen gewissermaßen nach getaner Arbeit unter einen Nachleistungszwang“ stellen. Er müsse „nun in einer Situation, in der er seine eigene Leistung nicht mehr zurückhalten [könne], entweder nacharbeiten oder auf seinen Lohn verzichten“. Dies bringe den Dienstvertrag „in eine gefährliche Nähe zum Werkvertrag, wo es Lohn nur auf das Risiko des Leistungserfolges“ gebe. Dies setze den Dienstpflichtigen „den Lohnrepressalien des Dienstberechtigten aus“1143. Mit anderen Worten drohen also die Unterschiede zwischen Dienst- und Werkvertrag, die sich überzeugend nur auf eine nach dem Parteiwillen unterschiedliche Risikoverteilung zurückführen lassen1144, verwischt und die Systematik des BGB überspielt zu werden1145.

1140

Ein „Schönheitsfehler“ wie etwa ein Tippfehler im Schriftsatz des Anwalts dürfte z.B. „unerheblich“ i.S.d. § 323 Abs. 2 S. 2 BGB sein. Er ist indessen mit geringem Aufwand korrigierbar und insofern ist nicht einzusehen, warum der Gläubiger keine entsprechende Korrektur verlangen können soll. 1141 Nicht überzeugend insoweit auch die Überlegungen von Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 264 f., die übersieht, dass sich die Rückgewährproblematik häufig in gleicher Weise im Werkvertragsrecht stellt. 1142 So Roth, VersR 1979, 494, 497 ff. 1143 Alle vorstehenden Zitate nach Ullrich, NJW 1984, 585, 588. 1144 Vgl. ab S. 126. 1145 So Steenken, Auswirkungen, S. 232 ff.; wohl auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 256.

154

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Bereits die widergegebenen Zitate machen indessen deutlich, dass diese Schlussfolgerung auf einer Vernachlässigung des zwischen den Parteien vernünftigerweise vereinbarten Leistungsinhalts beruht. Denn der laut Vereinbarung der Parteien eines Dienstvertrages vom Schuldner geschuldete Leistungserfolg ist nicht weniger und – dies ist unstreitig – nicht mehr als ein den einschlägigen Sorgfaltsanforderungen genügendes Tätigwerden1146. Eine Schlechtleistung, d.h. der Nichteintritt des vereinbarten Leistungserfolgs, liegt mit anderen Worten nur vor, falls der Schuldner keine angemessene Sorgfalt hat walten lassen. Hat er dies aber getan, bleibt – losgelöst davon, ob das von den Parteien mit dem Tätigwerden des Schuldners über dieses Tätigwerden hinaus angestrebte Ziel, d.h. ein „Erfolg“ im werkvertraglichen Sinne erreicht wurde1147 – kein Raum für die Annahme einer irgendwie gearteten Schlechtleistung. Denn darin realisiert sich gerade das Erfolgsrisiko, welches der Gläubiger vertraglich übernommen und so die Qualifikation des Schuldverhältnisses als „Dienstvertrag“ gemäß § 611 BGB bewirkt hat. An der Sache vorbei geht insofern auch das der oben referierten Argumentation nahe stehende Argument, man würde dem Schuldner durch das Zulassen eines Minderungsrechts auch bei nicht zu vertretenden Schlechtleistungen letztlich „doch wieder das Risiko [nämlich die Herbeiführung eines Erfolges im werkvertraglichen Sinne] aufbürden, das er im Zweifel nicht übernehmen wollte“1148. Denn wenn die Schlechtleistung gerade in einem Nichteinhalten des maßgeblichen Sorgfaltsstandards besteht, ist – bei zutreffend paralleler Ausgestaltung von Schuldinhalt des Dienstvertrags und Vertretenmüssen1149 – keine Situation denkbar, in der eine Schlechtleistung nicht gleichzeitig i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB vom Schuldner zu vertreten wäre. Die hier beschworene Gefahr ist mit anderen Worten irreal.

d)

Das Fehlen spezifischer Wertungen im Dienstvertragsrecht

Einsichtiger wird die Gegenauffassung auch nicht durch das Vorhandensein spezifisch dienstvertraglicher Wertungen, die ein Abgehen von den allgemeinen Regeln rechtfertigen würden1150. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung nicht auf § 616 S. 1 BGB rekurriert werden1151. Nach dieser Norm wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der 1146

Insoweit zutreffend Peukert, AcP 205 (2005), 430, 459; Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 239, 245; nur im Sinne einer Interessenwahrungspflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB wohl Ullrich, NJW 1984, 585, 588. 1147 Vgl. auch Hirte, Berufshaftung, S. 371. 1148 So Peukert, AcP 205 (2005), 430, 460 (Hervorhebung im Original). 1149 Vgl. dazu ab S. 173. 1150 Auch überholte Vorstellungen hinsichtlich der Natur der Gegenleistung des Gläubigers helfen nicht weiter, vgl. nur Roth, VersR 1979, 494, 502 ff. 1151 So – für den Arbeitsvertrag – Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119; a.A. für den Dienstvertrag etwa Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 259 m.w.N. auch zur Gegenansicht.

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

155

Dienstleistung verhindert wird. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass, wenn der Dienstverpflichtete schon bei unverschuldeter Nichtleistung seinen Vergütungsanspruch behalten können soll, für die unverschuldete Schlechtleistung nichts anderes gelten könne1152. Dagegen kann man nämlich zunächst einwenden, dass der sozialpolitisch motivierte § 616 S. 1 BGB, der richtig ohnehin nur auf solche Dienstverhältnisse „passt“, in denen „der Dienstverpflichtete seine Arbeitskraft zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausschließliche einem Berechtigten zur Verfügung stellt“1153, nur unter der Bedingung eine Ausnahme vom Eingreifen der allgemeinen Regeln bewirken soll1154, dass „die Leistung [gerade] in der Zeit [der Nichtleistung] geschuldet und nach Ablauf der Frist unmöglich wird, also eine Fixschuld ist und damit keine Nachbesserungspflicht besteht“1155. Denn bei Nachholbarkeit der Leistung greift § 326 Abs. 1 BGB, dessen Eingreifen § 616 S. 1 BGB ausnahmsweise ausschließen soll, von vorneherein gar nicht ein. Für die Dienstleistungen der hier untersuchten Schuldner (sowie der freien Berufe überhaupt) lässt sich folgerichtig aus § 616 S. 1 BGB nichts gewinnen. Denn deren Leistungen haben – da sie keinem Dauerschuldverhältnis entspringen1156 – generell keinen Fixschuldcharakter1157. Richtet man den Inhalt des Leistungsversprechens des Schuldners im Übrigen – wie es richtig ist1158 – parallel zum Maßstab des Vertretenmüssens nach § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB aus, bleibt für eine Übertragung der Wertung des § 616 S. 1 BGB losgelöst davon deshalb kein Raum, weil eine Schlechtleistung des Dienstverpflichteten in Form eines Nichtgenügens gegenüber dem maßgeblichen Sorgfaltsstandard vom Schuldner dann immer zu vertreten wäre. Soweit zur Rechtfertigung von Sonderregeln im Dienstvertragsrecht § 614 S. 1 BGB ins Feld geführt wird, bleibt dazu lediglich anzumerken, dass es sich bei dieser Norm – wie nunmehr auch die amtliche Überschrift klarstellt – lediglich um eine Fälligkeitsregelung handelt1159, die nicht den Ausschluss von Gewährleistungsrechten bei Dienstverträgen rechtfertigt1160.

1152

So – für den Arbeitsvertrag – Dietz/Wiedemann, JuS 1961, 116, 119. Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 206 (Hervorhebung dort). 1154 Zu Charakter und Wirkung des § 616 BGB für viele Jauernig /Mansel, BGB § 616 Rn. 1; Erman/Belling, BGB § 616 Rn. 1 a. 1155 Roth, VersR 1979, 494, 501. 1156 Zutreffend Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 206; vgl. auch BGHZ 106, 341, 343; a.A. Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 152 ff. 1157 Roth, VersR 1979, 494, 501; vgl. auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 256; a.A. Picker, JZ 1985, 693, 699; Staudinger /Richardi, Vorbem zu §§ 611 ff. BGB Rn. 42, deren Qualifikation sich aber mit der typischen Qualifikation von Arzt- und Anwaltsverträgen nicht in Einklang bringen lässt, vgl. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 244; allgemein Weber, Unterscheidung, S. 68. 1158 Vgl. ab S. 173. 1159 Steenken, Auswirkungen, S. 202 m.w.N. 1160 Dazu bereits Roth, VersR 1979, 494, 496 f.; Lessmann, FS E. Wolf, S. 395, 408; Jaspersen, VersR 1992, 1431, 1432; Hirte, Berufshaftung, S. 371; vgl. ferner die Nachweise bei Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 256. 1153

156

3.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Die Unzulässigkeit einer Überbürdung des Risikos einer vertragswidrigen Tätigkeit auf den Gläubiger

Den Vorwurf einer unzulässigen. d.h. dem Parteiwillen entgegenstehenden Risikoverteilung muss sich – um zu einem weiteren Argument der Gegenauffassung zurückzukehren – hingegen die Rechtsprechung sowie die ihr folgende Literatur gefallen lassen. Denn wollte man mit der Rechtsprechung, anders als dies hier befürwortet wird, entscheiden, würde man dem Gläubiger nicht lediglich das Erfolgsrisiko im werkvertraglichen Sinne, sondern – entgegen dem lege artis ermittelten Parteiwillen – darüber hinaus auch das Risiko einer vertragswidrigen Tätigkeit aufbürden1161. Dies wird man schon deswegen nicht mit dem vernünftigerweise anzunehmenden Parteiwillen vereinbaren können, weil der Gläubiger (lässt man arbeitsrechtliche Besonderheiten einmal unberücksichtigt) die Leistung des Schuldners, nämlich die Einhaltung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards durch den Schuldner, in aller Regel (bereits angesichts der typischerweise vorhandenen Informationsasymmetrie) ebenso wenig zu steuern vermag, wie der Schuldner den Eintritt eines über sein sorgfältiges Tätigwerden hinausgehenden Erfolges im werkvertraglichen Sinne. Auch aus § 613 BGB lässt sich eine Übernahme dieses Risikos nicht ableiten1162. Insofern wird ein vernünftiger Gläubiger dieses Risiko kaum jemals übernehmen wollen und ein vernünftiger Schuldner dies ebenso wenig erwarten. Für die Berücksichtigung dieses Umstands auf der einen ebenso wie auf der anderen Seite sprechen losgelöst vom vernünftigen Parteiwillen auch Gründe der Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit vertraglicher Risikoverteilung, d.h. die innere Systematik des BGB. Denn wenn die mangelnde Steuerbarkeit des Erfolgseintritts durch den Schuldner auf dessen Seite gegen die Übernahme des Erfolgsrisikos und für die Qualifikation als Dienstvertrag streitet, scheint es nicht nachvollziehbar, warum derselbe Umstand (mangelnde Steuerbarkeit) bei der Bestimmung der Risikoübernahme durch den Gläubiger keine Berücksichtigung finden soll. Dies wäre nur hinzunehmen, falls der Gesetzgeber insoweit besondere Vorgaben gemacht hätte, die nicht durch einen Rückgriff auf das Kriterium der Steuerbarkeit durch die jeweilige Vertragspartei überspielt werden dürften. Doch sind solche Weichenstellungen nicht erkennbar, d.h. insbesondere nicht § 613 BGB zu entnehmen, und insofern entspricht es zu Recht verbreiteter Übung, die Einschlägigkeit der dienst- bzw. werkvertraglichen Risikoverteilung nach dem Parteiwillen zu bestimmen1163.

4.

Die Position des „historischen“ Gesetzgebers

Indessen überzeugt nicht allein die systematische Argumentation der eine Qualitätsverpflichtung verneinenden Auffassung nicht. Hinzukommt, dass sich diese Auffassung auch nicht auf den Willen des historischen Gesetzgebers stützen kann1164. Vor 1161

Vgl. Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 414. Vgl. ab S. 170. 1163 Vgl. ab S. 126. 1164 Überzeugend Motzer, Vertragsverletzung, S. 175 ff. 1162

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

157

diesem Hintergrund verwundert nicht länger, warum weder die Rechtsprechung noch die ihr folgende Literatur auf den gemäß §§ 157, 242 BGB ermittelten Parteiwillen oder den historischen Gesetzgeber Bezug nehmen. Im Einzelnen: Das Dienstvertragsrecht wurde von den Vätern des BGB in Anlehnung an das Recht Sachmiete ausgestaltet1165. Zwar ist (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB) und war im Mietrecht eine automatische Reduktion des Gegenleistungsversprechens bei Schlechtleistungen des Vermieters vorgesehen und damit – über die synallagmatische Bedeutung der Qualität der Leistung – die Zugehörigkeit des Qualitätsstandards zum Leistungsversprechen klargestellt. Doch darf aus dem Fehlen einer entsprechenden Norm im Dienstvertragsrecht nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber des BGB das Synallagma im Dienstvertragsrecht abweichend vom Mietrecht beurteilen wollte. Denn für die Formulierung einer entsprechenden Norm im Mietrecht sahen die Gesetzesverfasser allein deshalb ein Bedürfnis, weil spezifische mietrechtliche Probleme – z.B. die Differenzierung zwischen anfänglichen und nachträglichen Mängeln der Mietsache – ihnen mit Hilfe der allgemeinen Unmöglichkeitsregeln nicht lösbar schienen1166. Da sich derartige Probleme im Dienstvertragsrecht aber nicht stellten (und stellen), sah (und sieht) man auch keinen Bedarf für die Formulierung einer ohnehin nur die allgemeinen Regeln wiederholenden Sonderregel. Insofern wurde in der 1. Kommission auch der Antrag Windscheids abschlägig beschieden1167, den heutigen § 611 Abs. 1 BGB wie folgt zu fassen: „Wer einem Anderen Dienste versprochen hat, ist nicht blos verpflichtet, bei der Leistung der Dienste die Sorgfalt eines guten Hausvaters anzuwenden, sondern er steht auch dafür ein, daß ihm dasjenige Maß von Einsicht und Fertigkeit beiwohne, zu welchem er sich ausdrücklich oder stillschweigend bekannt hat“1168. Diese Änderung des bisherigen Entwurfs der Leistungsverpflichtung des Dienstschuldners, die in der Entwurfsfassung bereits ebenso formuliert war wie der heutige § 611 Abs. 1 BGB, wurde mehrheitlich mit der Begründung abgelehnt, dass sie ausschließlich – in den Allgemeinen Teil gehörende (!) – Selbstverständlichkeiten enthalte1169. Damit weist die Position des historischen Gesetzgebers eindeutig in die der gegenwärtigen Rechtsprechung entgegengesetzte Richtung. Dies verwundert auch kaum, lässt sich diese doch schwerlich mit dem in aller Regel anzunehmenden Parteiwillen, der im Antrag Windscheids immerhin einen treffenden Ausdruck erfahren hat, vereinbaren.

1165

Vgl. Motive II, S. 455; ferner Hirte, Berufshaftung, S. 151; zur Entwicklung auch Staudinger /Richardi, BGB Vorbem zu §§ 611 ff. Rn. 8 ff. 1166 Motzer, Vertragsverletzung, S. 176 m.w.N. 1167 Jakobs/Schubert, Beratung, Schuldverhältnisse II, S. 747. 1168 Abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung, Schuldverhältnisse II, S. 745. 1169 Vgl. Jakobs/Schubert, Beratung, Schuldverhältnisse II, S. 747.

158

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

III. Die Unerheblichkeit praktischer Schwierigkeiten der Schadensidentifizierung Schließlich lässt sich die Erfüllungstauglichkeit einer objektiv minderwertigen Leistung auch nicht damit rechtfertigen, dass für die Beantwortung der Frage, ob aufgrund der Schlechtleistung die Tätigkeit zu wiederholen ist bzw. ob und (wenn ja) in welcher Höhe sich die Vergütung mindern soll, mangels gesetzlicher Vorgaben jeglicher Maßstab fehlt1170. Denn dieses Problem stellt sich in ganz ähnlicher Weise im Werkvertragsrecht1171 und wird dort auch nicht etwa als Argument dafür eingebracht, die Minderung als Rechtsbehelf oder die Anwendung des § 320 BGB abzuschaffen. Auch bestehen vielfach Honorarordnungen, während bei deren Nichtbestehen auf eine Schätzung zurückgegriffen werden könnte (vgl. § 441 Abs. 3 S. 2 BGB)1172. Insofern braucht im Dienstvertragsrecht ebenso nicht gleich „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“ zu werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich zusammenfassend Folgendes feststellen:

IV. Fazit und Vergleich mit den PELSC sowie dem DCFR Zum Ausmaß des Einsatzes und zur Höhe der geschuldeten Sorgfalt gibt das BGB für das Dienstvertragsrecht keine spezifischen Regeln vor. (Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus § 613 BGB.) Dies ändert indessen nichts daran, dass das Einhalten eines der übernommenen Aufgabe angemessenen Qualitätsstandards Inhalt des Leistungsversprechens ist. Denn diesbezüglich gelten – wie sonst auch – die §§ 157, 242, 276 BGB1173 und allein der vorgenannte Schuldinhalt entspricht dem lege artis ermittelten Parteiwillen. Dieses Auslegungsergebnis wurde – auch hinsichtlich des vernünftigen Parteiwillens – auch durch den historischen Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 611 ff. BGB vorausgesetzt. Es wird als Ergebnis der Auslegung des § 611 BGB allerdings nicht nur von der „historischen“ Auslegung gestützt, sondern fügt sich darüber hinaus bruchlos in die innere Systematik des BGB ein. Dies gilt umso mehr als spezifische Wertungen des Dienstvertragsrechts, die eine abweichende Auslegung – gegen den vernünftigen Parteiwillen (!) – tragen könnten, nicht ersichtlich sind und die bei der Berechnung von Schaden bzw. Minderwert entstehenden Schwierigkeiten nicht dienstvertragsspezifisch und als der Natur der Sache geschuldet hinzunehmen sind.

1170

So aber Larenz, Schuldrecht BT II/1, S. 315 f. Vgl. nur Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 377 m. Fn. 53; allgemein Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 245. Konkretisierungsvorschläge bei Motzer, Vertragsverletzung, S. 170 ff.; speziell für die Anwaltshaftung bei Steenken, Auswirkungen, S. 215 ff. 1172 So Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 275. Wendehorst (AcP 206 (2006), 205, 276) entscheidet sich letztlich gleichwohl auf der Grundlage des „Gerechtigkeitsgefühls“ nicht überzeugend gegen ein Minderungsrecht. 1173 Ebenso Esser/Weyers, Schuldrecht II/1, S. 239. 1171

§ 7 Sorgfalt als Leistungsgegenstand

159

Zu demselben Ergebnis gelangt man nicht nur im englischen Recht. Auch die PELSC und der DCFR teilen es. Art. 1:107(1)(a) PELSC (Art. IV.C. – 2:105(1)(a) DCFR) sieht explizit vor, dass der service provider die Vertragsdurchführung mit der Sorgfalt und dem Geschick schuldet, die bzw. das ein vernünftiger service provider unter den gegebenen Umständen ausüben würde. Dabei handelt es sich – wie die Kommentierung zu Art. 1:107(1) PELSC ausdrücklich klarstellt – nicht lediglich um eine Interessenwahrungspflicht. Vielmehr normiert Art. 1:107(1)(a) PELSC nach dem Willen der Verfasser gerade die „fundamental duty that is imposed upon a service provider in all legal cultures, unless there is reason to impose the stricter obligation upon him to actually achieve the result stated or envisaged by the client“1174. Diese steht neben einer etwaigen Erfolgsherbeiführungspflicht i.S.d. Art. 1:108 PELSC1175 (Art. IV.C. – 2:106 DCFR) und – was wichtiger ist – indiziert darüber hinaus rechtsvergleichend die Richtigkeit unseres zum deutschen Recht gefundenen Ergebnisses. Von einer Verpflichtung zum Erreichen eines angemessenen Qualitätsstandards ausgehend wenden wir uns nunmehr den praktischen Konsequenzen einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick zu.

C.

Praktische Konsequenzen einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

Die Umschreibung des Schuldinhalts mit „reasonable care and skill“ bzw. die Beschränkung des Schuldinhalts im Rahmen des § 611 BGB auf eine angemessen sorgfältige „Dienstleistung“ soll praktisch vor allem klarstellen, dass der Dienstleister keinen günstigen Ausgang seiner Bemühungen im Sinne einer Zielerreichung, keinen „Erfolg“ (im werkvertraglichen Sinne) verspricht1176. Zugleich wird durch die Beifügung des Attributs „reasonable“ deutlich gemacht, dass nicht die höchst- oder bestmögliche Sorgfalt und Sachkunde geschuldet wird1177. Die für die Anwaltshaftung insoweit klassisch gewordene Umschreibung des Sorgfaltsstandards stammt von Oliver J: “Now no doubt the duties owed by a solicitor to his client are high, in the sense that he holds himself out as practising a highly skilled and exacting profession, but I think that the court must beware of imposing upon solicitors – or upon professional men in other spheres – duties which go beyond the scope of what they are requested and undertake to do. It may be that a particularly meticulous and conscientious practitioner would, in his client’s general interests, take it upon himself to pursue a line of inquiry beyond the strict limits comprehended by his 1174

Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:107. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:107. 1176 Vgl. für das englische Recht Matrix-Securities Ltd v Theodore Goddard (a Firm) and Another [1998] STC 1 per Lloyd J (HC, lexis); Moresk Cleaners Ltd v Hicks [1966] 2 Lloyd’s Rep 338, 342 per Judge Sir Walker Carter QC (HC); East Ham Corporation v Bernard Sunley & Sons Ltd [1966] AC 406, 427 f. per Viscount Dilhorne (HL); Jones, Negligence, § 3–012; Holyoak/ Allen, in: Hodgin, Liability, S. 39, 63, 65; Jackson/Powell, Negligence, § 8–163; Billins, Solicitors, § 4–09. Zum deutschen Recht vgl. ab S. 126. 1177 Vgl. für die Sachkunde etwa Lanphier and Wife v Phipos (1838) 8 C & P per Tindal CJ (lexis). 1175

160

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

instructions. But that is not the test. The test is what the reasonably competent practitioner would do having regard to the standards normally adopted in his profession.”1178 Da mithin lediglich angemessene Sorgfalt und Sachkunde geschuldet wird, führt nicht jeder Fehler oder „Ausrutscher“ zur Haftung, sondern allein solche Fehlleistungen, die ein angemessen sorgfältiger und sachkundiger Dienstleister nicht bewirkt hätte1179: “… it is desirable to recall the well-established legal measure of a professional man’s duty. If he professes an art he must be reasonably skilled in it. … He must also be careful, but the standard of care which the law requires is not insurance against accidental slips. It is such a degree of care as a normally skilful member of the profession may reasonably be expected to exercise in the actual circumstances of the case in question. It is not every slip or mistake which imports negligence and, in applying the duty of care to the case of a surgeon, it is peculiarly necessary to have regard to the different kinds of circumstances that may present themselves for urgent attention.”1180 “It by no means follows that a professional valuation was negligently given because it turns out to have been wholly wrong. Nor does the fact that an architect’s certificate was given for the wrong amount of itself prove negligence against the architect. Whether or not there has been negligence is, of course, a pure question of fact depending upon the particular circumstances of each case.”1181 Konsequenz daraus ist z.B. für das Arzthaftungsrecht, dass der „Mißerfolg der Behandlung […] durchweg kein Beweis für schlechte Behandlungsqualität [ist]; auch die Feststellung eines Behandlungsfehlers erlaubt nur ausnahmsweise den Schluß, daß er sich in einer Schädigung des Patienten ausgewirkt hat, da jeder Organismus anders auf den Fehler reagiert“1182. Differenziert wird insofern im englischen Recht – wie aus den vorstehenden wörtlichen Zitaten ersichtlich – zwischen haftungsrelevanten Fehlleistungen und bloßen Fehlurteilen (errors of judgement)1183. Beides sind jedoch keine festumrissenen Kategorien, vielmehr kommt es auf die jeweilige Fehlleistung an: “If it is one that would not have been made by a reasonably competent professional man professing to have the standard any type of skill that the defendant held himself out as having, and acting with ordinary care, then it is negligent. If,

1178

Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 f. (HC). Holyoak/Allen, in: Hodgin, Liability, S. 39, 65; Jones, Negligence, § 3–012. 1180 Mahon v Osborne [1939] 2 KB 14, 31 per Scott LJ (CA). 1181 Sutcliffe v Thackrah [1974] AC 727, 760 per Lord Salmon (HL). 1182 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 130 m.umf.Rechtsprechungsnachweisen. 1183 Arthur J S Hall v Simons [2002] 1 AC 615, 677 per Lord Steyn (HL). 1179

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

161

on the other hand, it is an error that a man, acting with ordinary care, might have made, then it is not negligence.”1184 Vor diesem Hintergrund ist die vorgenannte Umschreibung eines Fehlers als „error of professional judgement“ bei der Beantwortung der Frage, ob ein Vertragsbruch vorliegt, nicht sonderlich hilfreich, es sei denn, dieser Fehler ist „so glaringly below proper standards as to make a finding of negligence inevitable“1185. Ist dies jedoch nicht der Fall, bereitet die Feststellung, ob es sich um eine Fehlleistung handelt, die auch bei „gewöhnlicher“ (richtigerweise: angemessener) Sorgfalt hätte eintreten können1186, regelmäßig Schwierigkeiten. Dies gilt umso mehr, als auch der Umstand, dass ihr Eintritt katastrophale Konsequenzen nach sich gezogen hat, nichts daran ändert, dass eine im Toleranzrahmen liegende Fehlleistung eine Haftung nicht zu begründen vermag1187.

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei einer Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick Haftet der Schuldner nach englischem Recht für reasonable care, so wird die Frage, wie dieser Schuldinhalt auszufüllen ist, unter Bezugnahme auf das Verhalten beantwortet, das ein reasonable man unter den gegebenen Umständen und zum gegebenen Zeitpunkt an den Tag gelegt hätte. Dieser Maßstab, der – weil er sich von der tatsächlichen Befähigung des Beklagten löst – häufig als fiktiv1188, hypothetisch1189 oder künstlich1190 bezeichnet wird, ist nicht dienstleistungsspezifisch, sondern gilt grundsätzlich für jegliches Verhalten, bei dem reasonable care geschuldet wird1191, sodass es für seine Geltung folgerichtig auch auf die Art der geschuldeten Dienstleistung nicht ankommt1192. Allein aus der Bezugnahme auf den reasonable man lässt sich indessen für die praktische Bestimmung des Sorgfaltsstandards kaum etwas gewinnen. Vor diesem Hintergrund erlangen die Umstände des Einzelfalls Bedeutung1193. Denn ohne ihre 1184

Whitehouse v Jordan [1981] 1 WLR 246, 263 per Lord Fraser (HL). Whitehouse v Jordan [1981] 1 WLR 246, 257 per Lord Edmund-Davies (HL). 1186 Zur Bedeutung des Umstands, dass Lord Fraser hier von gewöhnlicher anstatt – wie es richtig wäre – von angemessener Sorgfalt spricht, vgl. ab S. 245. 1187 Vgl. Whitehouse v Jordan [1981] 1 WLR 246, 257 per Lord Edmund-Davies, 263 per Lord Fraser (HL). 1188 Cooke/Oughton, Obligations, S. 222. 1189 Jones, Negligence, § 3–004; MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 11. 1190 Buckley, Negligence, § 2.01. 1191 Für viele Charlesworth/Percy, Negligence, § 6– 45; Buckley, Negligence, § 2.01. 1192 Vgl. nur Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.10 m.w.N.; Jones, Negligence, § 3–006. 1193 Greaves & Co. (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 329 per Lord Denning (CA); Charlesworth/Percy, Negligence, § 6–09 ff.; Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.07 f.; Lapraik, in: Campbell, Professional Liability, S. 75; vgl. auch Buckley, Negligence, § 2.04. 1185

162

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Berücksichtigung, kann man – mangels Bezugspunkts für eine Vergleichsprüfung – kaum sinnvoll davon sprechen, was angemessene Sorgfalt gewesen wäre1194. Dies gilt selbst dann, wenn man die (später aufzuzeigende1195) Irrelevanz persönlicher Defizite des Schuldners einmal unberücksichtigt lässt. Denn auch diese ermöglicht für sich genommen noch keine inhaltliche Festlegung des Sorgfaltsstandards1196. Dazu bedarf es vielmehr einer positiven Definition. Einige Eigenschaften müssen dem reasonable man also beigelegt werden und an dieser Stelle kommen im englischen Recht die Umstände des Einzelfalls ins Spiel.

A.

Gruppenspezifischer Sorgfaltsstandard

I.

Die Regelung der PELSC und des DCFR

Im Rahmen der PELSC stellt sich das Problem der Bestimmung von Kriterien zur Konkretisierung des Schuldinhalts wegen deren detaillierter Regelung in Art. 1:107 PELSC bei anderer dogmatischer Einkleidung in ähnlicher Weise. Gleiches gilt für den DCFR. Art. 1:107(1) PELSC, IV. C 2:105(1) DCFR bestimmen, dass der Dienstleister seine Leistung – in Übereinstimmung mit allen gesetzlichen sowie sonstigen rechtlich bindenden auf die Dienstleistung anwendbaren Vorgaben – mit der Sorgfalt und Sachkunde erbringen muss, die ein vernünftiger Dienstleister unter den gegebenen Umständen anwenden würde. Damit wird – anders als nach den von englischen Gerichten formulierten Tests – nicht ausdrücklich auf eine bestimmte Berufs- oder sonstige Gruppe Bezug genommen. Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR, nach denen der Dienstleister, soweit er Mitglied einer Gruppe professioneller Dienstleister ist oder zu sein vorgibt, für die hinsichtlich Sorgfalt und Sachkunde Standards existieren, die von dieser selbst bzw. von einer öffentlichen Behörde oder privaten Organisation festgelegt wurden, diesen Standards gerecht werden muss. Denn damit ist nicht festgelegt, dass die Bestimmung des Schuldinhalts sich an dem Standard eines vernünftigen typischen Schuldner der in Rede stehenden Dienstleistung, d.h. also am vernünftigen Arzt, Anwalt, Architekte usw. orientiert. Dass die Verfasser der PELSC ähnliches gleichwohl im Sinn gehabt haben dürften, lässt Art. 6:104(1)(b) PELSC, insbesondere aber Art. 7:104(1) PELSC erahnen. Diese Norm konkretisiert den Schuldinhalt im Kontext medizinischer Dienstleistungen dahin, dass der Schuldner gemäß Art. 1:107(1) PELSC insbesondere dazu verpflichtet ist, die Sorgfalt und Sachkunde auszuüben, die ein vernünftiger „treatment provider“ unter den gegebenen Umständen demonstrieren würde. Dem folgt Art. IV. – C 8:104(1) DCFR. Die Kommentierung des Art. 7:104(1) PELSC nimmt dann auch ausdrücklich auf den „average reasonable and prudent citizen“ Bezug1197 und bestätigt damit die vorstehende Vermutung. Insofern wird man die notwendige 1194

Jones, Negligence, § 3–012. Vgl. ab S. 165. 1196 Fischer, Haftung, S. 62; Kidner, (1991) 11 LS 1, 3. 1197 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:104. 1195

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

163

Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (Art. 1:107(1)(a) PELSC) zunächst dahin konkretisieren können, dass stets auf einen vernünftigen Schuldner gerade der in Rede stehenden Dienstleistung abzustellen ist. Vermittelt durch die Umstände des Einzelfalls, nämlich die Art der Dienstleistung, erhält der Schuldner eine erste Eigenschaft, die allerdings bis dahin weniger konkret ausfällt als etwa nach englischem Recht. Denn nach englischem Recht ist auf die jeweilige Berufsgruppe, der sich der Schuldner erkennbar zuordnet, d.h. auf den vernünftigen Arzt, Architekten usw. Bezug zu nehmen1198. Dieses Kriterium bleibt nach dem in Art. 1:107(1) PELSC normierten Konzept prima facie unberücksichtigt und wird erst vermittelt durch Art. 1:107(3) PELSC relevant1199. Auch im Falle eines Teams aus Angehörigen verschiedener Berufsgruppen soll folglich hinsichtlich des geschuldeten Sorgfaltsstandards differenziert, d.h. nicht allein auf die übernommene Aufgabe (die jeweilige Dienstleistung) abgestellt werden. Konsequenz daraus ist, dass zwar die übernommene Aufgabe (Dienstleistung unter den gegebenen Umständen) den einzuhaltenden Standard vorgibt, während die vorgegebene Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe (vorbehaltlich einer Indizwirkung für besondere Sachkunde i.S.d. Art. 1:107(2) PELSC) allenfalls vermittelt durch die übernommene Aufgabe relevant wird. An einem Beispiel verdeutlicht bedeutet dies, dass der bei einer Blutabnahme einzuhaltende Sorgfalts- und Sachkundestandard zunächst der eines vernünftigen „Blutabnehmers“ ist. Insofern gilt – soweit man Art. 1:107(2) PELSC einmal unberücksichtigt lässt – für einen Arzt und eine Schwester bei der Blutabnahme zunächst derselbe (Mindest)-Standard. Denn maßgeblich ist zunächst allein die übernommene Aufgabe (Blutabnahme), während die Zuordnung zu einer bestimmten Berufsgruppe lediglich modifizierend wirken kann. Durch diese hervorgehobene Bedeutung der „Aufgabe“ für die Bestimmung des Schuldinhalts wird der geschuldete Sorgfaltsund Sachkundestandard zwar nach dem konzept der PELSC und des DCFR in einem ersten Schritt stärker objektiviert als in den nationalen Rechten, in einem zweiten Schritt aber dem englischen und deutschen Recht (denen ein „Team“-Standard ebenfalls fremd ist1200) angeglichen. Vorteilhaft an einer zunächst erfolgenden Konzentration auf die übernommene Aufgabe ist, dass so der (hier vor allem am Beispiel des englischen Arzthaftungsrechts zu exemplifizierenden) Gefahr einer unreflektierten Übernahme professionsinterner Standards1201 vorgebeugt wird.

II.

Parallelen zwischen der Position des englischen Rechts und den Mechanismen der Bestimmung der gemäß § 276 Abs. 2 BGB maßgeblichen Sorgfalt

Im Gegensatz dazu scheint für das englische Recht in Rechtsprechung und Literatur Übereinstimmung jedenfalls insofern zu bestehen, als der maßgebliche Sorgfaltsstan1198

Vgl. auf S. 163. Vgl. so beispielhaft für Designer Barendrecht u.a., PELSC, Comment E. zu Art. 5:104. 1200 Vgl. ab S. 533. 1201 Vgl. ab S. 272 und S. 334. 1199

164

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

dard im Ausgangspunkt der eines angemessen sorgfältigen, d.h. vernünftig handelnden Angehörigen der betreffenden Profession ist1202. Er orientiert sich – neben der übernommenen Aufgabe – für den Gehirnchirugen also am angemessen sorgfältigen Gehirnchirugen, für den Börsenmakler am „vernünftig“ vorgehenden Börsenmakler, etc.1203 und nicht an dem Vorgehen eines gewöhnlichen Durchschnittsbürgers, des sprichwörtlichen „man on a Clapham omnibus“1204. Parallel dazu wird nach deutscher Dogmatik im Rahmen des § 276 Abs. 2 BGB für die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ zunächst zwischen nicht beruflicher und beruflicher Tätigkeit unterschieden (vgl. § 276 BGB und §§ 347 HGB, 93 Abs. 1, 116 AktG, § 43 Ab. 1 GmbHG, § 34 GenG)1205 und darüber hinaus nach Berufsgruppen1206 bzw. – allgemeiner in Anlehnung an den Wortlaut des § 276 Abs. 2 BGB formuliert – nach Verkehrskreisen differenziert1207. Wie detailiert dies möglich ist, wird später zu beantworten sein1208. Diese Art der Formulierung des Standards erlaubt jedenfalls ein flexibles Herangehen an verschiedenste Sachverhalte unter Beachtung sich wandelnder sozialer Ideale und ist keineswegs auf Fälle hochgradig fachspezifischer Fragen begrenzt1209. Die Kehrseite dieser Flexibilität ist allerdings – wie sich insbesondere am englischen Arzthaftungsrecht demonstrieren lässt1210 –, dass die Bezugnahme auf eine bestimmte

1202

Harmer v Cornelius (1858) 5 CB (NS) 236, 246 (zit. nach Jones, Negligence, § 3–006 Fn. 6); Simmons v Pennington [1955] 1 All ER 240, 243 per Denning LJ (CA); G & K Ladenbau v Crawley & de Reya [1978] 1 WLR 266, 282 per Mocatta J (HC); Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson, Stokes & Master [1984] AC 296, 306 ff. per Lord Brightman (PC); Kennedy/ Grubb, Medical Law, S. 416; Billins, Solicitors, § 4–11; Jones, Negligence, § 3–006; Fischer, Haftung, S. 58; Heckendorn, Haftung, Rn. 293. 1203 Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 52 per HJ Seymour QC (QB), unreported. 1204 Bolam v Friern Hospital Management Committe [1957] 1 WLR 582, 587 per McNair J. Der in dieser Entscheidung formulierte Test wird auf alle professionellen Dienstleister angewendet, vgl. zuletzt Fonexco Group Ltd & Ors v Manches (a firm) & Anor [2010] EWHC 493, Tz. 125 per HJ Seymour QC (QB), unreported. 1205 MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 59. 1206 Vgl. BGH, NJW 2006, 1589, 1591; BGH, NJW 2003, 2022, 2024. 1207 Vgl. BGHZ 113, 297, 303 f.; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 17; Staudinger /Löwisch/ Caspers, BGB § 276 Rn. 35 ff.; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 20 ff.; Soergel / Wolf, BGB § 276 Rn. 78 ff. (bereichsspezifischer Sorgfaltsmaßstab); MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 57 ff.; Jauernig /Stadler, BGB § 276 Rn. 29; Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 11 f.; Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 900; Walter, Spezialisierung, S. 65 ff. 1208 Vgl. für die Objektivierung des vertraglich geschuldeten Mindeststandards und die damit verbundenen Grenzen einer gruppeninternen Differenzierung sogleich im Text, zu den durch besondere Qualifikation des Dienstleisters bedingten Standarddifferenzierungen ab S. 508. 1209 Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.18. Vgl. Für das deutsche Recht die Nachweise in Fn. 1207. 1210 Vgl. ab S. 272 und vor allem ab S. 334.

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

165

Berufsgruppe geeignet ist, die unzureichend reflektierte Übertragung faktisch erreichter Standards auf rechtliche geschuldete Standards zu befördern.

B.

Die Objektivierung des vertraglich geschuldeten Mindestsorgfaltsstandards

I.

Die Position der PELSC und des DCFR

Diesem Effekt wirken die PELSC, wie gesagt, zunächst dadurch entgegen, dass es die Stellung der übernommenen Aufgabe im Rahmen der Bestimmung des Schuldinhalts insoweit hervorhebt, als die Berufsgruppe, der sich der Schuldner zuordnet, (jedenfalls dem Wortlaut nach) erst im Hintergrund zum Tragen kommt. Darüber hinaus stellen insbesondere die behandlungsvertragsspezifischen Konkretisierungen des Art. 1:107 PELSC in Art. 7:104 PELSC (parallel Art. IV.C. – 8:104 DCFR) sowie (vorvertragliche) Warnpflichten (Art. 5:102, 1:110 PELSC, IV.C. – 6:102, 2:102 DCFR) des Schuldners klar, dass der geschuldete Sorgfalts- und Sachkundestandard, objektiv, d.h. losgelöst von der subjektiven Qualifikation des konkreten Schuldners bestimmt wird, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbaren. Wichtig für dieses Verständnis ist zunächst Art. 7:104(2) PELSC, der Art. 1:107 PELSC im Kontext medizinischer Dienstleistungen konkretisiert. Art. 7:104(2) PELSC (Art. IV.C. – 8:104(2) DCFR) sieht vor, dass ein „treatment provider“, der den in Art. 1:107 PELSC für die Behandlung vorgesehenen Sorgfalts- und Sachkundestandard nicht besitzt, den Patienten an einen anderen Dienstleister, der dem Standard des Art. 1:107 PELSC gerecht werden kann, überweisen muss. Insofern wird das Erreichenkönnen eines der zu übernehmenden Aufgabe (nämlich der Behandlung) angemessenen Sorgfalts- und Sachkundestandards als durch Art. 1:107 PELSC gefordert vorausgesetzt. Daraus folgt – wie die Kommentierung zu Art. 7:104 PELSC ausdrücklich klarstellt – die Verpflichtung zur Einhaltung eines rein objektiven, d.h. durch die Aufgabe vorgegebenen Mindeststandards: Subjektive Faktoren wie mangelnde Erfahrung des Schuldners könnten keinen Verteidungseinwand begründen. Denn selbst von einem unerfahrenen Anfänger werde erwartet, dass er zumindest gewöhnliche Sachkunde und Kompetenz besitze. Jeder „treatment provider must meet the standard of the average reasonable health professional“1211. Dies reflektiert zutreffend die typischen Parteivorstellungen, auf denen der Art. 1:107 PELSC insgesamt aufzubauen scheint. Im Normalfall wird der Gläubiger nämlich – wie dem Schuldner in aller Regel bekannt sein muss – (jedenfalls bei typisierbaren Tätigkeiten) erwarten, dass der von ihm engagierte Dienstleister dem Standard gerecht wird, den ein vernünftiger Dienstleister unter den gegebenen Umständen erreichen würde1212. Diese Erwartung dürfte bereits auf der Grundlage der Art. 5:101(2), 6:101(1)(a), (c) PECL auch Vertragsinhalt werden. Im Kontext der PELSC wird dies mittelbar durch Art. 1:107(4) PELSC bestätigt, nach dem unter 1211 1212

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:104. Vgl. zur Bedeutung dieses Verständnisses des Parteiwillens für die Auslegung des § 611 BGB ab S. 148.

166

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Berücksichtigung der dort genannten Kriterien „the care and skill the client is entitled to expect“ als Vertragsinhalt zu bestimmen ist. Dass der Klient eine unterdurchschnittliche Qualifikation seines Schuldners bei Vertragsschluss grundsätzlich nicht erwartet und auch nicht erwarten muss, verdeutlicht konkret Art. 5:102 PELSC1213. Danach ist der Designer im Rahmen seiner Warnpflicht gemäß Art. 1:103 PELSC insbesondere verpflichtet, seinen Klienten vor Vertragsschluss darüber zu informieren, dass ihm (dem Designer) die Kompetenz für spezifische Problemstellungen fehlt und dass insofern zusätzlich andere Dienstleister engagiert werden müssen. Exemplifiziert wird daran ein typischerweise vorliegendes Informationsgefälle, von dem die Verfasser der PELSC durchweg ausgegangen sind, und das in detaillierten Aufklärungspflichten des Schuldners resultiert1214. Wird diesen Informationspflichten nicht nachgekommen, hat dies zunächst zur Konsequenz, dass die vernünftigen Erwartungen des Schuldners Vertragsinhalt werden (vgl. z.B. Art. 1:108 PELSC)1215. Dass die PELSC und ebenso der DCFR einen objektiven Mindeststandard zum Vertragsinhalt erheben, ist losgelöst davon mittelbar auch der Kommentierung des Art. 1:107(4) PELSC zu entnehmen: Art. 1:107(4) PELSC benennt danach die „most relevant [criteria ]“1216 für die Determinierung des gemäß Art. 1:107(1) PELSC geschuldeten Sachkunde- und Sorgfaltsstandards, auf die an gegebener Stelle näher einzugehen ist1217. Wichtig ist, dass die Fähigkeiten des konkreten Schuldners ausweislich des klaren Wortlauts des Art. 1:107(4) PELSC nicht zu diesen für die Bestimmung des Vertragsinhalts meist relevanten Kriterien gehören. Folgert man daraus im Umkehrschluss, dass sie nach dem Willen der Verfasser der PELSC allenfalls eine Nebenrolle spielen, dürfte es möglich sein, sie in den „Randbereich“ der Vertragsinhaltsbestimmung zu verweisen, sodass im „Kernbereich“ ein objektiver Mindeststandard gilt. In diesem Fall bestätigt das Schweigen des Art. 1:107(4) PELSC zu der Berücksichtigungsfähigkeit der konkreten Fähigkeiten und Erfahrungen des Gläubigers1218, dass diese bei der Bestimmung des vertraglich jedenfalls geschuldeten Mindeststandards keine Rolle spielen. Nach alledem können die aus Art. 7:104 PELSC gezogenen Schlüsse als im Rahmen der PELSC allgemeingültig ausgewiesen werden: Der Schuldner ist zur Einhal1213

1214 1215 1216 1217 1218

Eine entsprechende Warnpflicht dürfte vor dem Hintergrund der von den Verfassern der PELSC zur Begründung des Art. 5:102 PELSC angestellten Überlegungen (vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 5:102) erst recht nach Art. 1:110 PELSC gegeben sein, wenn dem Designer nach Vertragsschluss aufgeht oder aufgehen muss, dass ihm für bestimmte Aspekte des Designs die notwendige Kompetenz fehlt. Vgl. ab S. 351. Näher ab S. 618. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:107. Vgl. ab S. 215. Diese können allenfalls bei der Bewertung von Haftungsausschluss und -limitierung durch Vertragsgestaltung eine Rolle spielen. Dass sie dort von den Verfassern (vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:114) ausdrücklich für berücksichtigungsfähig erklärt werden, dürfte ebenfalls einen Umkehrschluss dahin rechtfertigen, dass die Fähigkeiten des konkreten Schuldners bei der Bestimmung der vertraglich geschuldeten Mindeststandards keine Rolle spielen.

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

167

tung eines rein objektiv, d.h. zunächst durch die zu übernehmende Aufgabe vorgegebenen Mindeststandards verpflichtet. Dies dürfte mit den Vorstellungen der Verfasser der PELSC ohne weiteres vereinbar sein. Denn deren Untersuchung hat ergeben, dass der geschuldete Sorgfaltsstand in den untersuchten Rechtsordnungen – allgemein gesprochen – von den „skills of a reasonably competent representative belonging to his profession“ abhängt und darüber hinausgehend von den „generally accepted (technical) standards and customs of that profession“ bestimmt wird1219. Diesen Standard wollen die Verfasser durch die in Art. 1:107 PELSC vorgesehene Regelung übernehmen. Denn bei der Verpflichtung gemäß Art. 1:107 PELSC handelt es sich nach den Feststellungen der Verfasser um die gerade vorgestellte „fundamental duty that is imposed upon a service provider in all legal cultures“1220.

II.

Die Behandlung der Problematik auf der Grundlage der Dogmatik und Praxis des deutschen Rechts

Soweit nach deutschem Recht vertraglich Sorgfalt geschuldet ist, richtet sich der Standard beim Fehlen einer abweichenden Parteivereinbarung1221 nach den Vorgaben des § 276 Abs. 2 BGB1222. In dieser Vorschrift ist die Fahrlässigkeit für das gesamte Zivilrecht legaldefiniert. Fahrlässig handelt danach, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Geschuldet ist vertraglich also – soweit keine abweichende Vereinbarung existiert – die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Durch die Bezugnahme auf die Erfordernisse des Verkehrs löst sich das Gesetz bereits seinem Wortlaut nach von einer subjektivierten Bestimmung des Schuldinhalts und entscheidet sich grundsätzlich für einen objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab 1223. Insofern bestimmt nach den gesetzlichen Vorgaben nicht die – größere oder geringere – indi-

1219

Barendrecht u.a., PELSC, Comment C. zu Art. 1:107. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:107. 1221 Eine derartige Vereinbarung ist möglich, dürfte aber an strenge Voraussetzungen gebunden sein. Denn sie ist zunächst einmal davon abhängig, dass dem Gläubiger bei Vertragsschluss mangelnde Fähigkeiten, die eine Nichteinhaltung der für die ordnungsgemäße Erfüllung der übernommenen Aufgabe erforderlichen Sorgfalt bedingen, erkennbar oder bekannt sind (so Walter, Spezialisierung, S. 63), und darüber hinaus setzt sie voraus, dass ein vernünftiger Gläubiger diesen Mangel an Fähigkeiten bezogen auf die Aufgabenerfüllung umsetzen kann, vgl. ab S. 208. 1222 Vgl. nur Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1146; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 267 m.w.N. An diesem Modell hat sich – entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung – bezogen auf das Verschulden als Entlastungsmechanismus durch die Schuldrechtsreform nichts geändert, vgl. bereits in und bei Fn. 444. 1223 Vgl. nur BGH, NJW 2000, 2812, 2813; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 15; PWW/ Schmidt-Kessel, BGB § 276 Rn. 10; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 564, 571; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1146; U. Huber, Leistungsstörungen I, § 27 II 3 (S. 670 ff.); Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 29 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 1220

168

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

viduelle Fähigkeit des konkreten Schuldners1224, sondern die im Verkehr verlangte Fähigkeit als maßgeblicher Standard über die Sorgfaltsanforderungen1225.

1.

Begründungsmuster

a)

Vertrauensgrundsatz

Als maßgebliche Begründung dafür wird zumeist der sog. Vertrauensgrundsatz herangezogen1226: Jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr müsse darauf vertrauen können, dass jeder andere Teilnehmer mit derjenigen Sorgfalt vorgehe, die für gewöhnlich erwartet werden kann1227. Denn die Berücksichtigung rein individueller Maßstäbe würde „den Verkehr bis zu einem gewissen Grade des erforderlichen Schutzes berauben“1228. Schutz durch Objektivierung kann aus unterschiedlichen Gründen „erforderlich“ werden. So kann man z.B. argumentieren, dass subjektive Sorgfaltsmaßstäbe für andere weniger gut oder gar nicht zu erkennen sind1229. Sofern im Vertragsrecht ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab gelten würde, wären Leistungen bzw. deren Qualität dadurch schlechter vergleichbar, „da das Maß der Qualitätsdurchsetzung diese mit bestimmt“. Mangels Erkennbarkeit der individuellen Leistungsfähigkeit für Dritte würde ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab „zu unausräumbaren Informationsungleichgewichten in diesem Punkte führen“. Der Informationsvorteil hinsichtlich der Qualität des Angebots läge so immer beim Anbietenden, ohne dass die Qualität für den Angebotsempfänger überprüfbar wäre. Jedoch ist eine „strukturelle Voraussetzung dafür, dass bessere Angebote verlässlich ausgewählt werden können“, d.h. für ein Funktionieren des Marktes, „dass das Versprechen von jedem Anbieter gleich weitgehend eingehalten wird“. Konsequenz daraus ist, dass das Erreichen dieser Voraussetzung sichergestellt werden muss. Kurz gesagt: Ein funktionsfähiger Markt existiert 1224

Vgl. auch Walter, Spezialisierung, S. 90 et passim. Die konkludente Vereinbarung milderer Sorgfaltsanforderungen hält indessen Soergel /Wolf, BGB § 276 Rn. 88, für möglich, „wenn erkennbar ein Laie oder Anfänger mit Aufgaben befasst wird, die eine bestimmte Sachkunde erfordern“. Dies wird man kaum jemals annehmen dürfen, vgl. ab S. 208. 1225 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 29; PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 276 Rn. 10; (jedenfalls für die Vertragshaftung auch) U. Huber, Leistungsstörungen I, § 27 II 3 (S. 671 ff.). 1226 So für das Vertragsrecht auch Koziol, AcP 196 (1996), 593, 605 f., der dies für das Deliktsrecht in Frage stellt (vgl. a.a.O. S. 596 ff.; sympathisierend U. Huber, Leistungsstörungen I, § 27 II 3 (S. 670); Canaris, VersR 2005, 577, 579 m. Fn. 14 u.w.N.); vgl. ferner Walter, Spezialisierung, S. 51 sowie allgemein zu den für die Ojektivierung vorgetragenen Argumente ebenda, S. 44 ff. 1227 Larenz, Schuldrecht I, S. 286; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 15; Staudinger /Löwisch/ Caspers, BGB § 276 Rn. 29; Jauernig /Stadler, BGB § 276 Rn. 29; Taupitz, NJW 1991, 1505, 1506; Velten, Standard, S. 17; Brüggemeier, FS E. Schmidt, S. 33, 53. 1228 Larenz, Schuldrecht I, S. 286. 1229 Vgl. hierzu MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 55, von dem auch die nachfolgenden Zitate stammen.

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

169

nur unter der Voraussetzung, dass die Qualität der angeboten Leistungen verglichen werden kann. Dies ist nur möglich, wenn die Qualität objektiv bewertbar ist.

b)

Garantiegedanke

Darüber hinaus wird mit dem in jedem Leistungsversprechen enthaltenen Garantiegedanken argumentiert1230: Wenn der Schuldner zusage, eine bestimmte Leistung zu erbringen, dürfe dies – soweit nicht Abweichendes vereinbart wurde – vom Vertragspartner dahin verstanden werden, dass der Schuldner zur verkehrsüblichen Sorgfalt in der Lage sei und daher die übliche Leistungsfähigkeit besitze. Dieser Ansatz scheint zur Begründung eines objektiven gesetzlichen Regelmaßstabs für den Schuldinhalt deshalb besonders tragfähig, weil die Vertragsauslegung grundsätzlich zu demselben Ergebnis führen wird1231. Denn bei der Auslegung der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen ist nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB im Regelfall der Verständnishorizont eines objektiven Erklärungsempfängers maßgeblich: Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind in der Regel so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste1232. Bei der Auslegung dürfen daher nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren. Auf seinen „Horizont“ und seine Verständnismöglichkeiten muss die Auslegung abstellen. Dies gilt nicht nur selbst dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat, sondern sogar, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstehen durfte1233. Die subjektive Befähigung des Vertragspartners zu einer objektiv angemessen sorgfältigen Vertragsdurchführung zählt – sofern nicht explizit darüber aufgeklärt wird – nicht zu diesen bei Vertragsschluss erkennbaren Umständen. Dies gilt – wie im Zusammenhang mit der Diskussion im englischen Recht näher erläutert werden wird – auch und gerade für die hier untersuchten Dienstleister1234. Den tatsächlichen Hintergrund dieser Objektivierung der Parteierklärungen bilden die allseits bekannten Grenzen menschlicher Kommunikation, während die Objektivierung normativ bezweckt, die Funktionsfähigkeit des Vertrags zu erhalten, indem sie das Vertrauen des Erklärungsempfängers in den objektiven Erklärungsinhalt schützt, wenn diesem bei sorgfältigem Bemühen um den „wirklichen“ Willen des Erklärenden kein von dem objektiv erklärten Willen abweichender Wille erkennbar war (arg. e contrario aus den §§ 119 ff. BGB, vgl. auch §§ 133, 157 BGB). Insofern wird wieder das Vertrauen des anderen Teils zur Begründung herangezogen1235 (aller-

1230

Vgl. Koziol, AcP 196 (1996), 593, 606 f.; zu dieser Überlegung jüngst Canaris, FS Heldrich, S. 11, 29 f. Zur Differenzierung zwischen Haftgrund und Zurechnungsprinzip oben ab S. 66. 1231 I.E. ebenso Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 268. 1232 Statt aller Palandt /Ellenberger, BGB § 133 Rn. 9. 1233 Statt aller Palandt /Ellenberger, BGB § 133 Rn. 9. 1234 Vgl. ab S. 208. 1235 Für viele Palandt /Ellenberger, BGB § 133 Rn. 7.

170

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

dings vor einem anderen Hintergrund), mit dem die Selbstverantwortung des Erklärenden als Konsequenz seiner Vertragsschlussfreiheit korrespondiert1236. Wenn aber die Objektivierung der vertraglich geschuldeten Sorgfalt als Regelfall ganz zwanglos bereits aus der Auslegung der Parteierklärungen folgt, kann für das dispositive Gesetzesrecht und damit für das Verständnis des § 276 Abs. 2 BGB nichts anderes gelten. Denn nach gängiger Dogmatik besteht die Funktion des dispositiven Rechts darin, „eine interessengerechte Vertragsordnung zur Verfügung zu stellen“, um so „den Parteien die Last abzunehmen, für alle Eventualitäten der Vertragsdurchführung Vereinbarungen treffen zu müssen“1237. Dispositives Gesetzesrecht stellt damit nichts anderes dar, als den vom Gesetzgeber typisiert vorweggenommenen, in Normen niedergelegten mutmaßlichen Parteiwillen1238. Die Konvergenz mit diesem gilt es daher bei der Auslegung des dispositiven Gesetzesrechtes zu suchen. Tut man dies, folgt daraus ohne weiteres die herrschend befürwortete Objektivierung der Sorgfaltsmaßstäbe im Vertragsrecht.

2.

Spezifische Wertungen des Dienstvertragsrechts?

a)

Subjektiver Leistungsmaßstab als Konsequenz der Zweifelsregel des § 613 S.1 BGB?

In der Literatur wird allerdings im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG1239 vielfach vertreten, dass eine Konsequenz der in § 613 S. 1 BGB normierten Auslegungsregel, nach der der Verpflichtete die Dienste im Zweifel in Person zu leisten hat, sei, dass sich der geschuldete Leistungsstandard regelmäßig nicht nach rein objektiven Kriterien, sondern nach den Fähigkeiten des Dienstverpflichteten bemesse1240. Ob eine Leistung als Schlecht- oder Minderleistung anzusehen ist, beurteilt sich allerdings auch nach der Rechtsprechung des BAG zunächst nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien1241. Indessen ist die Leistung zumeist im Vertrag nicht ausdrücklich der Menge und Qualität nach beschrieben und in diesem Fall muss auf zusätzliche Kriterien abgestellt werden1242. Dies geschieht nun gerade durch ein Abstellten auf die subjektive Leistungsfähigkeit des Schuldners: Der Schuldner muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann1243. Wird der Schuldner dem gerecht, soll selbst dann keine Pflichtverletzung i.S.d. §§ 280 ff., 628 BGB vorliegen, wenn von

1236

Statt vieler Medicus, BGB AT, Rn. 737. Beide Zitate nach Köhler, BGB AT, § 3 Rn. 24. 1238 Vgl. zu diesem Verständnis bereits Ballerstedt, FS Nipperdey, S. 261, 271. 1239 Vgl. nur BAGE 22, 402, 406. 1240 So etwa MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 19; RGRK/Schliemann, BGB § 611 Rn. 1366; Staudinger /Richardi, BGB § 611 Rn. 402; Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 409; a.A. mit Recht Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1146, 1157. 1241 BAG, NJW 2004, 2545, 2546. 1242 BAG, NJW 2004, 2545, 2546. 1243 BAG, NJW 2004, 2545, 2546; MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 20. 1237

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

171

anderen Personen eine qualitativ höherwertige Leistung zu erwarten gewesen wäre; vielmehr soll Erfüllung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB eintreten1244. Die damit – in Abkehr von den vorstehend ermittelten Vorgaben des § 276 Abs. 2 BGB – befürwortete Standardsenkung hinsichtlich des geschuldeten Leistungsinhalts soll nun im Interesse des Gläubigers durch Schadensersatzansprüche (zumindest teilweise)1245 ausgeglichen werden. Denn immerhin muss auch nach dieser Auffassung derjenige, der sich vertraglich zu Diensten verpflichtet, den Anforderungen, die sich aus dem Vertrag nach Treu und Glauben ergeben, gewachsen sein1246. Für die übernommene Leistungspflicht hat er einzustehen und macht sich, sofern er die Leistung trotz (verhaltens- oder personenbedingter) Unfähigkeit zum Erreichen des objektiv ermittelten Standards vorsätzlich oder fahrlässig übernommen hat, wegen Pflichtverletzung bei Vertragsschluss nach den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 S. 1 BGB schadensersatzpflichtig (sog. Übernahmeverschulden)1247. Jedoch ist nach der referierten Auffassung die Kategorie des Leistungsmaßstabs von der des Haftungs- oder Sorgfaltsmaßstabs zu unterscheiden. Denn der Dienstleister soll bei Leistungsstörungen (d.h. auch über ein Übernahmeverschulden hinaus) auf Schadensersatz haften, wenn ihn ein Verschulden trifft, d.h. falls ihm mindestens Fahrlässigkeit i.S.d. § 276 BGB zur Last fällt. Fahrlässigkeit bedeutet Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Diesbezüglich ist auch nach der einen subjektiven Leistungsmaßstab befürwortenden Auffassung also ein objektiver Maßstab anzulegen1248.

b)

Bewertung

aa) Der sozialpolitisch motivierte Hintergrund für die Einführung der dogamtischen Kategorie eines subjektiven Leistungsmaßstabs In dieser bereits auf den ersten Blick konstruiert wirkenden Gegenüberstellung von Leistungs- und Sorgfaltsmaßstab kehrt lediglich die bereits referierte, inkonsequente Position wieder, wonach auch objektive Minderleistungen als Erfüllung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB, d.h. als geschuldete Leistung zu qualifizieren sind1249. Dass dies nicht

1244

Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 409. Nämlich nicht hinsichtlich des in der bloßen Schlechtleistung liegenden Minderwerts, vgl. Erman/Edenfeld, BGB § 611 Rn. 408. 1246 MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 20. 1247 MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 20; Soergel /Kraft, BGB § 611 Rn. 111; Oetker/ Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 409. Im Hintergrund steht dabei der eben vorgestellte Garantiegedanke (vgl. S. 169). 1248 MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 21. 1249 Dies wird besonders deutlich z.B. bei MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 611 Rn. 19, der zur Begründung wiederum anführt, der Annahme eines objektiven Leistungsmaßstabs, der sich im Durchschnitt der Leistungen der entsprechende Dienste leistenden Personen als „Normalleistung“ orientieren müsste, stehe das Fehlen gesetzlicher Gewährleistungsregeln 1245

172

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

überzeugt, wurde bereits dargelegt1250. In dieser Konstruktion, die nichts anderes als eine Konsequenz der „Umdefinition“ des Leistungsinhalts ist, dürften – wie bereits der Hinweis auf den Ausgangspunkt dieser Überlegungen, die Rechtsprechung des BAG, deutlich macht – vor allem sozialpolitisch motivierte, auf arbeitsrechtlichen Überlegungen basierende Gründe Ausdruck finden1251. Dem Arbeitnehmer, der seine gesamte Arbeitskraft einem einzigen Gläubiger zur Verfügung stellt und damit von diesem abhängig ist, soll zunächst die Möglichkeit gesichert werden, seinen Lohnanspruch durchzusetzen1252. Dem Arbeitgeber obliegt es, dafür zu sorgen, dass die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung annäherungsweise gewahrt wird. Er wird diesbezüglich auf den Regressweg, d.h. auf Schadensersatzansprüche verwiesen.

bb) Die Irrelevanz dieser Überlegungen für das allgemeine Dienstvertragsrecht Diese Überlegungen sind indessen für das allgemeine Dienstvertragsrecht nicht tragfähig1253. Denn der sozialpolitische Hintergrund, den man im arbeitsrechtlichen Kontext (über § 242 BGB) zur Bewirkung des Abweichens des geschuldeten Standards von der typischen Parteierwartung an die Qualität der Leistung in Ansatz bringt, besteht im „allgemeinen“ Dienstvertragsrecht nicht1254. Ärzte, Architekten und Anwälte, die keine Arbeitnehmer sind, hängen in aller Regel nicht von ihrem Vertragspartner ab. Insofern besteht außerhalb des Arbeitsrechts kein Raum für eine sozialpolitisch motivierte Sonderstellung des Dienstvertragsrechts. Hier wird der Gläubiger eine Leistung in angemessener Qualität erwarten1255, ohne dass die Abhängigkeit seines Schuldners zu Modifikationen drängt. Dies hat der BGH jüngst im Zusammenhang mit der Bestimmung des Erfüllungsortes anwaltlicher Leistungen explizit anerkannt, indem er feststellte, „daß der Arbeitsvertrag ein auf Dauer angelegtes Verhältnis begründet, das insbesondere soziale Fürsorgepflichten des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer einschließt. Das sind Umstände, die einen Anwaltsvertrag regelmäßig gerade nicht kennzeichnen; vor allem ist ein dem Arbeitnehmer vergleichbarer Bein den §§ 611 ff. BGB entgegen. Dass dies nicht zutrifft, wurde bereits nachgewiesen (vgl. ab S. 148). 1250 Vgl. ab S. 148. 1251 So ausdrücklich das angebliche Nichtbestehen eines Minderungsrechts begründend Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 14. Wie im Text auch die Einschätzung von Hirte, Berufshaftung, S. 372; Roth, VersR 1979, 494, 501 f.; Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 208; Lessmann, FS E. Wolf, S. 395, 409 f.; vgl. auch Motzer, Vertragsverletzung, S. 204 ff. 1252 Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 4 Rn. 14. 1253 Die Emanzipation des Arbeitsrechts vom allgemeinen Zivilrecht betonend insoweit auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 223, 232. Der SGSA trennt insofern konsequent, indem s. 12(2) klarstellt, dass Arbeits- und Ausbildungsverträge nicht als service i.S.d. s. 12(1) SGSA zu qualifizieren sind, vgl. ab S. 103. 1254 Ebenso Roth, VersR 1979, 494, 502. 1255 Ebenso Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1146.

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darf des Rechtsanwalts nach Schutz, der sachgerecht nur durch Erfüllung seiner Honorarforderung am Ort des Mittelpunkts seiner Berufstätigkeit zu befriedigen wäre, nicht zu erkennen“1256. Dies gilt in gleicher Weise für das von Anwälten, aber auch von Ärzten und Architekten geschuldete Qualitätsniveau. Richtig ist insofern zwar, dass den Schuldner, der zum Erreichen dieser erwartungsgemäßen Qualität nicht in der Lage ist, zunächst ein sog. Übernahmeverschulden trifft. Warum er darüber hinaus aber auch durch Schlecht- oder Minderleistung soll erfüllen können, ist – wie bereits ausführlich dargelegt wurde1257 – im Allgemeinen, vor allem aber für die Fälle, in denen neben den Minderwert der Leistung kein anderweitiger Schaden tritt1258, nicht einzusehen. Diesbezüglich führt auch der Hinweis auf § 613 S. 1 BGB in keiner Weise weiter. Denn, wie auch die einen subjektiven Leistungsmaßstab befürwortende Ansicht nicht in Frage stellt1259, die objektiv erkennbaren Erwartungen seines Vertragspartners sind auf eine qualitativ angemessene Leistung gerichtet. Diese bestimmen folgerichtig den Leistungsinhalt.

3.

Die Rechtslage im Anwaltshaftungsrecht

a)

Differenzierung der Standards für Pflicht und Verschulden zur Vermeidung einer weitgehenden Konvergenz von Pflichtverletzungstatbestand und Verschulden bzw. Vertretenmüssen?

Überraschend ist es vor dem Hintergrund der (wie gerade dargelegt) im Dienstvertragsrecht durch Teile der Literatur gleichwohl für erforderlich erklärten Standardsenkung, wenn in der Literatur zum Anwaltshaftungsrecht umgekehrt vertreten wird, dass bei der rechtlichen Bewertung der Frage, ob eine Pflichtverletzung des Anwalts vorliegt, von einem Höchstmaß an objektiv möglicher Sorgfalt auszugehen sein soll1260. Motiviert ist diese Annahme, die sich auch in der allgemeinen zivilrechtlichen Literatur findet1261, vor allem dadurch, dass bei einem anderen Verständnis, nämlich bei der Annahme paralleler Maßstäbe, die Eigenständigkeit des Verschuldens neben der Pflichtverletzung einigermaßen zweifelhaft wird1262. Dass sich das Vorhandensein unterschiedlicher Maßstäbe für Pflichtverletzung und Verschulden, bei einem Abstellen auf den unter Maßgabe der Verkehrsauffassung ermittelten Parteiwillen (§ 157 BGB) in Frage stellen lassen muss, kann jedoch nicht dazu berechtigen, die Vertragsauslegung bzw. das dispositive Recht vom (typischen) 1256

BGH, NJW 2004, 54, 56. Vgl. ab S. 148. 1258 Vgl. Erman/Edenfeld, BGB § 611 Rn. 408. 1259 Denn die mit objektiv angemessener Qualität erbrachte Leistung soll ja immerhin den Ausgangspunkt für Schadensersatzansprüche bilden, vgl. ab S. 147. 1260 So etwa Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 386; Raiser, NJW 1991, 2049, 2053; Henssler, JZ 1994, 178, 182; a.A. zu Recht z.B. Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1912 f.; allgemein ebenso Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 268 m.w.N. 1261 Z.B. bei Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 905 ff. 1262 Vgl. für viele Walter, Spezialisierung, S. 218 ff. 1257

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Parteiwillen abzulösen1263. Denn der nach Maßgabe der Verkehrsauffassung (§ 157 BGB) ermittelte Parteiwille bildet – dies ist im Ausgangspunkt unstreitig – das maßgebliche Kriterium sowohl für die Bestimmung des Schuldinhalts als auch für die Bestimmung des Zurechnungsprinzips, d.h. für den in dieses intergrierten Haftungsstandard. Daran kann nicht zum Zwecke der „Erhaltung“ überkommener dogmatischer Kategorien gerüttelt werden1264, ohne die Grundlagen der Vertragsauslegung bzw. des dispositiven Rechts in Frage zu stellen. Der objektiven Parteierwartung entspricht vielmehr, dass eine der übernommenen Aufgabe angemessen sorgfältige Dienstleistung geschuldet ist1265. Mangels anderweitiger Vereinbarung wollen die Parteien nach dem gesetzlichen Regelmodell auch nicht vom Verschulden als Haftungsstandard abweichen, d.h. auf Schadensersatz soll nur gehaftet werden, falls mindestens Fahrlässigkeit vorliegt. Insofern ist im Rahmen der Zurechnung ebenfalls die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ maßgeblich (§ 276 Abs. 2 BGB) und die objektiv anhand der Verkehrsauffassung determinierte Sorgfalt taucht als Maßstab nicht nur im Rahmen der Pflicht(verletzung) sondern auch im Rahmen des Verschuldens auf 1266. Die zur Feststellung des Zurechnungskriteriums erforderliche Bezugnahme auf das vertragliche Leistungsversprechen1267, und d.h. auf den Parteiwillen, hat also zur Konsequenz, dass beide Standards aus derselben Quelle herrühren, nämlich aus ebendiesem (nach Maßgabe der Verkehrsauffassung ermittelten) Parteiwillen. Wird dieser anhand der Verkehrsauffassung bestimmt, ergibt sich daraus Folgendes: Die Verkehrsauffassung verlangt von keinem Schuldner höchstmögliche, sondern – wie § 276 Abs. 2 BGB ausdrücklich klarstellt – nur (aber immerhin) die Einhaltung der „im Verkehr erforderliche[n] Sorgfalt“. Konsequenz daraus ist, dass der Tatbestand der Pflichtverletzung und das Verschulden als Zurechnungsprinzip und Haftungsstandard nahe zusammen „rücken“1268. Tatsächlich ergeben sich – wie hier zunächst an der Rechtsprechung zum Anwaltshaftungsrecht demonstriert werden kann – in aller Regel sogar keinerlei Unterschiede, sodass statt vom „Zusammenrücken“ auch von einer sehr weitgehenden Konvergenz beider Maßstäbe gesprochen werden kann. Diese Konvergenz ist Folge des nach Maßgabe der Verkehrsauffassung ermittelten Parteiwillens und kann daher eigentlich kaum überraschen. Jede Auffassung, die sich hiervon ohne Not löst, ist abzulehnen. Dies gilt zunächst für die Auffassung, nach der eine objektive Schlechtleistung erfüllungstauglich ist1269, trifft aber in gleichem Maße auch auf die ebenso extreme Gegenansicht zu, nach der der Dienstverpflichtete – entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut und ohne

1263

I.E. ebenso Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 268. I.E. ebenso Heckendorn, Haftung, Rn. 490. 1265 Vgl. ab S. 148. 1266 Vgl. zur „Doppelrolle“ der Sorgfalt als konstituierendem Merkmal des Verletzungstatbestandes im Rahmen von Pflichten und als Maßstab der der Fahrlässigkeit auch Schur, Leistung, S. 95 ff., 207 ff. 1267 Vgl. dazu auf S. 67. 1268 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 6; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 268. 1269 A.A. (insoweit inkonsequent) Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 256. 1264

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erkennbare Grundlage in der Parteivereinbarung – vertraglich die höchstmögliche Sorgfalt schulden soll.

b)

Die von Rechtsprechung und Literatur befürworteten Pflichtenstandards

Anders als die zuletzt referierte Extremauffassung entscheiden dann hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs auch (insoweit zutreffend) die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur zum Anwaltshaftungsrecht. Denn die Pflichten des Anwalts sollen sich nach dem konkreten Mandat bestimmen, d.h. sie richten sich nach dem Inhalt der jeweils getroffenen Vereinbarung1270. Insofern hat der Anwalt – wie jeder andere Schuldner auch – objektiv nicht mehr und nicht weniger zu leisten als sein Vertragspartner nach Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) erwarten darf 1271. Vor diesem Hintergrund hat der Auftraggeber bei anwaltlichen Geschäftsbesorgungsverträgen nur – aber immerhin – „Anspruch auf eine Art der Erledigung, die den im Verkehr erforderlichen Leistungsmaßstäben der Berufsgruppe entspricht, zu der der Schuldner gehört“1272. Daher ist schon der Inhalt der vertraglich geschuldeten Pflicht richtigerweise nicht an einem Ideal, „sondern an einem gewissenhaft handelnden, die allgemein anerkannten Maßstäbe der Berufsausübung einhaltenden Anwalt auszurichten“1273. Dies ist – ohne dass diese Frage jemals besonders vertieft worden wäre1274 – auch die Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung1275. Im Anwaltshaftungsrecht begnügt sich diese in aller Regel damit, hinsichtlich des Pflichtinhalts auf die Einhaltung der allgemeinen Standards zu verweisen, und bejaht eine Pflichtverletzung bei einer von diesen Standards abweichenden Leistung1276. In der Regel kommt es für den Inhalt der Verpflichtung damit allein darauf an, was der Auftraggeber – bezogen auf den Inhalt der dem rechtlichen Berater übertragenen Aufgaben – allgemein von jedem gewissenhaften und sorgfältigen Anwalt erwarten durfte1277. Folgerichtig bleiben einzelfallbezogene Umstände, die es ausnahmsweise zweifelhaft erscheinen lassen, ob dem Anwalt die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt möglich und zumutbar

1270

Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 994; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 26 Rn. 19; insoweit auch Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 385. 1271 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 994. 1272 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 994. 1273 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 994; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 82; ders. in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 632 f.; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 26 Rn. 23; Fahrendorf, in: Rinsche/Terbille/Fahrendorf, Anwaltshaftung, Rn. 401, 645; ders., NJW 2006, 1911, 1912 f.; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 16 vgl. auch BGH, VersR 1967, 704, 705; BGH, NJW 2002, 1117, 1118 („durchschnittliche[r] Anwalt“). 1274 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 994. 1275 Vgl. BGH, NJW 1987, 1322, 1323; BGH, NJW 1988, 706, 707. 1276 Vgl. BGH, NJW 1996, 2648, 2650. 1277 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 995; ähnlich Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1912.

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war, auf der Ebene der Pflicht außer Betracht1278. Der BGH fordert vielmehr bereits auf der Pflichtenebene die Einhaltung der „verkehrsübliche[n] Sorgfalt“1279.

c)

Konsequenzen für die hinsichtlich des Verschuldens maßgeblichen Standards

Relevant werden sie – so Rechtsprechung und Literatur – erst auf der Ebene des Verschuldens.

aa) Regelfall Da im Rahmen des Verschuldens1280 erneut auf § 276 Abs. 2 BGB und damit auf die bereits zur Bestimmung des Pflichtinhalts herangezogene Verkehrsauffassung Bezug zu nehmen ist, kann allerdings nicht überraschen, dass für die Feststellung eines etwaigen Anwaltsverschuldens zunächst derselbe Standard maßgeblich ist wie im Rahmen der Pflichtbestimmung1281. Hiervon geht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung ganz selbstverständlich aus. Dies wird nicht zuletzt daran deutlich, dass sich besondere Hinweise auf ein gesondert zu prüfendes Verschulden in haftungsrechtlichen Entscheidungen nur selten finden1282. Im Hintergrund der in den meisten Entscheidungen nur sehr kurz oder gar nicht erfolgenden Befassung mit dem Verschulden steht die weitestgehende Konvergenz der Maßstäbe1283. Denn wenn die bereits auf der Ebene der vertraglichen Verpflichtung gebotene Sorgfalt nicht gewahrt wird, also eine Pflichtverletzung vorliegt, ist nur noch in seltenen Ausnahmefällen Raum für ein von der Pflichtverletzung zu unterscheidendes Verschulden. In aller Regel stellen sich also auf der Ebene des Verschuldens keine Fragen, die nicht bereits auf der Ebene des Pflichtverletzungstatbestands beantwortet worden sind1284. Dies kommt in den Feststellungen vieler Entscheidungen auch deutlich zum Ausdruck: Ein Abweichen von dem für die Verpflichtung ermittelten Standard im Rahmen des Verschuldens ist derart ungewöhnlich, dass die Praxis in der Regel nicht zwischen 1278

Für viele Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 17; Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 995. 1279 BGH, NJW-RR 2007, 1553, 1554. 1280 Ob es sich um materielles oder prozessuales Verschulden handelt, spielt dabei keine Rolle, Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 88; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 26 Rn. 32; Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1017 m.w.N. 1281 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1014 f.; vgl. auch Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1913. 1282 Vgl. immerhin BGH, VersR 1961, 467, 469; BGH, VersR 1967, 704, 705; BGH, VersR 1975, 425, 426. 1283 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1015; Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1913. 1284 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1015; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 678; Ganter, WM Sonderbeilage 6/2001, S. 17; Borgmann, in: dies./ Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 26 Rn. 31.

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177

Pflichtverletzung und Verschulden unterscheidet, sondern insoweit die Feststellung ausreichen lässt, dass eine „schuldhafte Pflichtverletzung“1285 oder (im gleichen Sinne) einfach „Verschulden“1286 vorliege. Entsprechend sind Entscheidungen zu qualifizieren, in denen von einer „Vertragsverletzung, die der Steuerberater zu vertreten hat,“ die Rede ist1287, in denen also zwar ein (welches?!) „Vertretenmüssen“ aber nicht mehr ein „Verschulden“ in Bezug genommen wird. Am Deutlichsten wird dies schließlich in Entscheidungen, die nicht einmal sprachlich zwischen Pflichtverletzung und Verschulden differenzieren, sondern lediglich von der jeweiligen Pflichtverletzung sprechen, ohne zum Verschulden gesondert Stellung zu nehmen1288. Erfolgt doch einmal eine ausdrückliche Begründung des Verschuldens, wird vom BGH – ebenso wie bei der Feststellung der Pflichtverletzung – auf „einen mit verkehrsüblicher Sorgfalt arbeitenden Rechtsanwalt“1289 abgestellt.

bb) Ausnahmen Lässt man diskutierte Ausnahmen, die aus dem Zusammenwirken mit oder der Abhängigkeit von Dritten resultieren1290 zunächst unberücksichtigt, entfällt der Schuldvorwurf nur in seltenen Einzelfällen mit situationsbezogenen Besonderheiten. Dies gilt etwa für unvorhergesehene, durch andere Maßnahmen nicht zu verhindernde oder rechtzeitig wieder auszugleichende Ereignisse wie die plötzliche Erkrankung, ein Unfall oder eine besondere seelische Belastung des Anwalts1291. Auch diese Ausnahmen spielen allerdings in der Regel praktisch eine „allenfalls marginale“1292 Rolle, was zum einen daher rührt, dass sie tatbestandlich sehr eng begrenzt sind: Für den Krankheitsfall muss der Anwalt einen Vertreter bestellen1293, 1285

Vgl. zur „schuldhaften Pflichtverletzung“ BGH, VersR 1975, 763, 764; BGH, NJW 1986, 2043, 2045; BGH, NJW 1992, 240; BGH, NJW-RR 1993, 243, 245; BGH, NJW 1993, 1323, 1324; BGH, NJW 1994, 1211, 1212; BGH, NJW 1998, 2048, 2049; BGH, NJW 2004, 1521; zur Unterlassung als „schuldhafte Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag“ BGH, NJW 1998, 749, 750; BGH, NJW 2000, 3560, 3561; BGH, NJW 2001, 675, 678; BGH, NJW 2002, 290; BGH, NJW 2002, 292; BGH, NJW 2002, 593, 594; „Pflichten schuldhaft nicht erfüllt“ BGH, NJW-RR 2003, 1212. 1286 Vgl. aus jüngerer Zeit BGH, NJW 2002, 1117, 1119. 1287 So BGH, NJW 2001, 146, 147. 1288 Vgl. BGH, NJW 1985, 1154; BGH, NJW 1986, 182; BGH, NJW 1993, 2045 ff.; BGH, NJW 2002, 1048, 1049 (dort dann allerdings im zweiten Vorwurf doch wieder „schuldhaft verletzt“); BGH, NJW 2003, 2986 f. 1289 BGH, NJW 2002, 1117, 1119. 1290 Vgl. dazu ab S. 533. 1291 Vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 415 ff.; Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1018 ff.; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 89; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 685 ff.; Ganter, WM Sonderbeilage 6/2001, S. 17; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 26 Rn. 31. 1292 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 688. 1293 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, VersR 1978, 667; BGH, VersR 1985, 1189.

178

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sodass eine Wiedereinsetzung immer ausscheidet, falls die Krankheit im konkreten Fall noch die Bestellung eines Vertreters gestattet hätte1294. Insofern kann den Anwalt ein Organisationsverschulden treffen1295, wenn er nicht beizeiten durch entsprechende Organisation Vorsorge getroffen hat, wozu auch eine entsprechende Handlungsanweisung an das Büropersonal gehört1296. Praktisch entlastet ihn daher im Krankheitsfall z.B. nur die Einlieferung auf die Intensivstation durch einen Notarzt1297. Dies dürfte sich mit dem nach Maßgabe der Vekehrsauffassung ermittelten Inhalt seiner Leistungspflicht immer dann ohne weiteres vereinbaren lassen, wenn dem Anwalt eine Vertreterbestellung auch bei angemessenen Vorsorgemaßnahmen nicht möglich war. Denn mehr als angemessene Vorsorge erfordert der Verkehr nicht. Wichtiger für die faktische Irrelevanz nicht nur der Erkrankung, sondern aller vorstehend geschilderten Entlastungsgründe ist jedoch1298, dass sie regelmäßig Gegenstand eines Wiedereinsetzungsverfahrens (§ 323 ZPO) bzw. vor dem Erlass eines Versäumnisurteils (vgl. § 337 ZPO) oder im Rahmen der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil (§§ 345, 514 ZPO) zu prüfen sind. Denn werden sie dort anerkannt, stellt sich die Frage eines Regresses regelmäßig deshalb nicht mehr, weil ein ersatzpflichtiger Schaden allenfalls in etwaigen Mehrkosten liegen kann. Wird in den vorgenannten Verfahren eine Entschuldigung indessen verneint, wird in der Praxis im Regressverfahren ein Entschuldigungsgrund zumeist1299 erst gar nicht mehr vorgetragen. Der restriktive Haltung der Gerichte, die sich z.B. auch darin äußert, dass der Anwalt sich bei Fristüberschreitung nicht durch ein ungerechtfertigtes Vertrauen auf seine stehen gebliebene oder nachgehende Uhr entlasten kann1300, wird man zustimmen müssen. Die Solidaritätspflichten des Mandanten gegenüber seinem Anwalt sollten nämlich nicht überspannt werden. Warum soll ein vernünftiger Mandant bspw. vertraglich das Risiko eines Verkehrsunfalls seines Anwalts übernehmen wollen? Es ist eher Sache des Anwalts, sich gegen derartige Risiken zu versichern.

1294

BGH, NJW-RR 2004, 1500, 1501; BGH, AnwBl 1999, 227, 228. Vgl. BGH NJW 1996, 1540, 1541; BGH, VersR 1994, 1207, 1208. 1296 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 686. 1297 BGH, VersR 1990, 1026. Dass dies auch gelten soll, wenn die Fähigkeit zu realisieren, dass infolge einer Stresssituation die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit nicht mehr erkannt werden, vermindert ist (so BGH, NJW-RR 1999, 938 f.), also kein Übernahmeverschulden vorliegen soll, überzeugt – wenn man die Objektivierung wirklich ernstnimmt – schon weitaus weniger. 1298 Zum Folgenden Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 688. 1299 Vgl. für eine Ausnahme aber BGH, WM 1993, 1194, 1196. 1300 Vgl. BGH, VersR 1978, 1168, 1169; BGH, VersR 1985, 477, 478; zustimmend Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1023; ablehnend Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 419 m. Fn. 315; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 689 m. Fn. 60. 1295

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cc) Konsequenzen der Objektivierung Insofern ist es richtig, dass sich der Anwalt – von den vorgenannten, in der Regel plötzlich und unerwartet auftretenden Ereignissen einmal abgesehen – für eine hinter der erforderlichen Sorgfalt zurückbleibende Bearbeitung eines Mandats grundsätzlich nicht durch den Hinweis auf gesundheitliche Beeinträchtigungen entlasten kann. Denn der Mandant hat Anspruch darauf, dass der Beauftragte seine Sache mit der berufserforderlichen Sorgfalt bearbeitet. Hierbei handelt es sich um ein Mindestmaß und nicht notwendig auch um ein Höchstmaß1301. Vor diesem Hintergrund kann auch eine Überlastung einen Anwalt nicht in jedem Fall entlasten1302. Soweit ein angemessen sorgfältiger Anwalt in der Situation des aktuellen Anwalts erkennen könnte, dass er zur Erreichung des erforderlichen Standards infolge persönlicher Umstände gegenwärtig (oder permanent) nicht in der Lage ist, muss er entweder durch Herabsetzung seiner Belastungen dafür sorgen, den erforderlichen Standard (wieder) zu erreichen, oder – wenn dies nicht möglich ist – den Mandanten über die Tatsachen aufklären, die seine Arbeitskraft einschränken, und dem Mandanten so eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber ermöglichen, ob er unter diesen Bedingungen das Vertragsverhältnis eingehen oder fortsetzen will1303. Vor diesem Hintergrund kann der Anwalt eine Pflichtverletzung – selbstverständlich – nicht damit entschuldigen, dass er infolge andauernder Überlastung nicht mehr zu angemessen sorgfältiger Arbeit fähig gewesen sei1304. Denn sofern er das Mandat gleichwohl annimmt, trifft ihn ein sog. Übernahmeverschulden. Dasselbe gilt – parallel zur Rechtslage im Arzthaftungsrecht1305 – erst recht für eine Berufung des Anwalts auf mangelnde Kenntnisse oder fehlende Erfahrung1306. Denn der Mandant darf grundsätzlich nicht deshalb schlechter stehen, weil er an einen Berufsanfänger geraten ist1307. Auch und gerade dies folgt aus der Objektivierung des Fahrlässigkeitsmaßstabs 1308. Bereits in der Übernahme eines – bei angemessen sorgfältiger Vergewisserung über die eigene Leistungsfähigkeit – den Anwalt überfordernden Mandats liegt ein sog. Übernahmeverschulden1309. Eine Ausnahme kommt – parallel zum Einwand der Überlastung – nur in Betracht, falls der Auftrag1301

Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 26 Rn. 30. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 690 m.w.N. 1303 Vgl. nur Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1024. 1304 BGH, NJW 1996, 997, 998; Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1024. 1305 Vgl. ab S. 180. 1306 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Anwaltshaftung, Rn. 691; Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1025; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 412; a.A. (unter Berufung auf seine ebenfalls abweichende Auffassung zum Arzthaftungsrecht) Walter, Spezialisierung, S. 233. 1307 Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1025. Gleiches gilt bei der Übernahme von Aufträgen auf Spezialgebieten. Hier erwartet der BGH eine entsprechende Einarbeitung, vgl. BGH, NJW-RR 1993, 243, 245; Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1912 m.w.N. 1308 Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 412. 1309 Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, Rn. 412; vgl. allgemein MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 67. 1302

180

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geber auf ein aus dem Umstand, dass es sich bei dem Anwalt um einen Berufsanfänger handelt, herrührendes Risiko zuvor ausdrücklich hingewiesen wurde1310. Darüber hinaus muss sich explizit oder doch zumindest aus den Umständen entnehmen lassen, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien der Anwalt ausnahmsweise nicht an der berufserforderlichen Sorgfalt gemessen werden soll1311. Hieran wird man – jedenfalls bei einem Laien-Mandanten – strenge Anforderungen stellen müssen1312. Als Konsequenz für die Vertragsinhaltsbestimmung und – vermittelt über diese – das Pflichtenprogramm folgt daraus, dass hinsichtlich der geschuldeten Sorgfalt zwar zunächst nach Berufsgruppen – oder allgemeiner formuliert: Verkehrskreisen – differenziert werden darf. Doch ist die Bildung einer Untergruppe „Berufsanfänger“ der Berufsgruppe „Rechtsanwalt“, innerhalb derer hinsichtlich der geschuldeten Standards von der übergeordneten Gruppe „Rechtsanwalt“ nach unten abgewichen werden darf, unzulässig. Denn das vertraglich avisierte Ziel kann nur bei einer der übernommenen Aufgabe angemessen sorgfältigen und sachkundigen Aufgabendurchführung erreicht werden. Eine der Aufgabe angemessene Durchführung ist also für die Zielerreichung, die zwar nicht geschuldet ist, auf die die Aufgabendurchführung aber unzweifelhaft hinarbeitet, erforderlich und wird demenstprechend von der Verkehrsauffassung auch erwartet. Anderes kann nur gelten, wenn die Parteien eindeutig eine Standardabweichung vereinbaren. Da eine derartige Vereinbarung materiell nichts anderes darstellt als eine Haftungsmilderung, wird man eine solche Vereinbarung strenge Anforderungen stellen müssen.

4.

Pflichtinhalt und Verschuldensmaßstab im deutschen Arzthaftungsrecht

Wenden wir uns nun der vertraglichen Arzthaftung zu, stellen sich – zum einen aufgrund der Objektivierung des Fahrlässigkeitsbegriffs und zum anderen aufgrund dessen Maßgeblichkeit sowohl für den Pflichtinhalt als auch für das Verschulden – erneut dieselben Fragen wie im Recht der vertraglichen Anwaltshaftung. Denn wie der VI. Zivilsenat des BGH jüngst zu Recht noch einmal klargestellt hat, auch im Arzthaftungsrecht gilt der objektiv-typisierte Fahrlässigkeitsmaßstab, sodass der Umstand, dass der Operateur mit einer bestimmten Operationsmethode „noch nicht hinreichend vertraut gewesen“ ist, nicht geeignet ist, einen ärztlichen Behandlungsfehler zu verneinen1313. Vor dem Hintergrund der Geltung des objektiven Fahrlässigkeitsbegriffs stellen Deutsch/Spickhoff stellvertretend für viele fest, die besondere Problematik der Formulierung der jeweiligen Pflichten des Arztes bestehe „in der Abgrenzung von Pflicht zu Verschulden“1314. 1310 1311 1312

1313

Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1025. Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1025. Bedingt ist dies durch den geringen Verständnishorizont eines derartigen Mandanten, vgl. dazu ab S. 208. BGH, NJW 2003, 2311, 2313; vgl. ferner BGH, NJW 2001, 1786, 1787; MünchKomm/ Wagner, BGB § 823 Rn. 742; Walter, Spezialisierung, S. 152 ff.; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 9.

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a)

181

Maßstäbe für Pflichtinhalt und Verschulden im Arzthaftungsrecht

In der Tat spielt die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auch in der Arzthaftung praktisch keine Rolle, wenn Pflichtinhalt und Verschulden anhand der Verkehrserwartung an einen angemessen sorgfältigen Arzt bestimmt werden. Denn dann sind beide Maßstäbe, wie bereits im Rahmen der Anwaltshaftung dargelegt, weitestgehend identisch1315. Als Gegenstand der Verschuldensvermutung blieben – neben dem praktisch irrelevanten Rechtsirrtum1316 – insoweit nur noch die Verschuldensfähigkeit sowie das Nichteingreifen von Entschuldigungsgründen1317. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hätte dann vor allem klarstellende Funktion1318. Denn die vorgenannte Verteilung der Beweislast ergibt sich bereits aus den allgemeinen Grundsätzen1319. Die zur Behebung dieser Konsequenz teilweise vertretene Unterscheidung zwischen „äußerer“ und „innerer“ Sorgfalt1320, nach der allein letztere Gegenstand des Verschuldens sein soll, überzeugt ausgehend von der regelmäßigen Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung für die Standardbestimmung im Vertragsrecht nicht. Insofern wird auch für die Arzthaftung der „Ausweg“ in einem Wechsel des Pflichtenstandards gesucht. Maßstab für die Pflicht(verletzung) sei ein Höchstmaß an Sorgfalt1321, während Maßstab für das Verschulden die Handlung eines typischen Arztes der jeweiligen Berufsgruppe sei1322. Dies überzeugt aus den bereits für das Anwaltshaftungsrecht vorgetragenen Gründen1323 im Vertragsrecht ebenfalls nicht1324. Denn die Verkehrserwartung an den Arzt, die auch im Arzthaftungsrecht 1314

Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 166. Vgl. zum Meinungsstand auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 268 m.w.N. 1315 Hart, FS Heinrichs, S. 291, 315; ähnlich U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft, S. 31, 102 f.; vgl. auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176 ff.; Spickhoff, NJW 2002, 2530, 2532. 1316 Raum bliebe hierfür nur, wenn durch eine Änderung der Rechtsprechung neue Pflichten begründet werden, ohne dass diese Pflichten vorhersehbar waren, vgl. Hart, FS Heinrichs, S. 291, 315. Zu den Anforderungen an einen Rechtsirrtum zuletzt BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, n.v. Gegen einen Rechtsirrtum in Form des Verbotsirrtum als zivilrechtlicher Kategorie im Rahmen der Fahrlässigkeitshaftung insgesamt Brüggemeier, FS E. Schmidt, S. 33, 56. 1317 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176. 1318 Von der Bedeutungslosigkeit des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB im Bereich der Haftung für medizinische Behandlungsfehler ausgehend hingegen E. Schmidt, Schuldverhältnis, Rn. 194; Hart, FS E. Schmidt, S. 131, 143. 1319 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176. 1320 Vgl. z.B. Rohde, NJW 1988, 2285, 2286; Deutsch, NJW 1993, 1506, 1508; Bolsinger, Dogmatik, S. 41 ff.; Walter, Spezialisierung, S. 94 ff., 112 ff.; Spickhoff, NJW 2005, 1694, 1698; Kohler, ZZP 118 (2005), 25, 34 f.; a.A. – allgemein, nicht lediglich auf das Vertragsrecht beschränkt – Velten, Standard, S. 18 f.; Hart, FS E. Schmidt, S. 131, 142 f. m.w.N. 1321 Hiervon ausgehend auch BGH, NJW 2005, 2614, 2617. 1322 So z.B. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188 f. m.w.N. 1323 Vgl. ab S. 173. 1324 Ebenso z.B. Heckendorn, Haftung, Rn. 490.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

den maßgeblichen Ausgangspunkt der Vertragsinhaltsbestimmung bildet, unterscheidet sich hinsichtlich Pflichtinhalt und Verschulden nicht1325. Insofern stellt sich für den Maßstab sowohl hinsichtlich des Inhalts vertraglicher Pflichten als auch hinsichtlich des Verschuldens allein die Frage nach der aufgrund der Verkehrserwartung von Berufs wegen gebotenen Sorgfalt. Richtigerweise kann dabei die tatsächliche Erwartung der Empfänger einer Leistung nur einen derjenigen Faktoren darstellen, die für die rechtliche Bewertung maßgeblich sind1326. Die Berücksichtigung dieser Erwartungen ergibt – insbesondere bei hochprofessionalisierten Dienstleistungen – indessen oft eben nur (aber immerhin) einen Mindestschutz, der durch die Erwartung der Professionskollegen deutlich gesteigert wird1327. Welcher exakten Definition des Behandlungsfehlers1328 man folgt, spielt dabei in der Praxis keine Rolle1329. Denn losgelöst von dieser Frage wird dem Arzt nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der – wie der BGH immer wieder zu Recht betont hat – auch im Arzthaftungsrecht Anwendung findet1330, jedenfalls nicht lediglich die gerade ihm persönlich mögliche Sorgfalt abverlangt. Vielmehr kommt es (objektivtypisierend) auf die von Ärzten typischerweise erwarteten Fähigkeiten und Kenntnisse an1331. Geschuldeter Standard ist dabei, was auf dem betreffenden Fachgebiet dem gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht und in der medizinischen Praxis zur Behandlung der jeweiligen gesundheitlichen Störung anerkannt ist1332. Der Arzt muss unter Einsatz der von ihm nach diesem Standard zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten im konkreten Fall, d.h. unter Berücksichtigung der konkreten Situation vertretbar, über die diagnostisch und therapeutisch zu treffenden Maßnahmen entscheiden und diese sorgfältig durchführen1333, insbesondere diejenigen Maßnahmen ergreifen, die von einem gewissenhaften, aufmerksamen Arzt nach dem Standard seines Fachgebiets erwartet werden1334. „Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise bedeutet eine Abweichung von dem haftungsrechtlich maßgeblichen Standard eines Facharztes […] und begründet einen ärztlichen Behandlungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes kommt es insoweit nicht an“1335. Der Arzt hat vielmehr „für 1325

Vgl. Palandt /Sprau, BGB § 823 Rn. 158; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 178, die zu Recht betonen, es finde kein Wechsel des maßgeblichen Verkehrskreises statt. 1326 Ebenso Taupitz, NJW 1991, 1505, 1507. Vgl. zur Normativität des Standards ab S. 229. 1327 Taupitz, NJW 1991, 1505, 1507. 1328 Zur Frage der Definition eingehend Katzenmeier, Arzthaftung, S. 273 ff. 1329 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 64. 1330 BGHZ 113, 297, 303 f.; BGHZ 144, 296, 305 f.; BGH, NJW 2001, 1786, 1787; BGH, MedR 2004, 51, 53. 1331 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 274; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 9; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 2; Frahm/Nixdorf, Arzthaftung, Rn.64; Laufs, ArztR, Rn. 474; ders., in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 99 Rn. 11; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 133; Broglie, in: Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, Rn. 736; MünchKomm /Grundmann, BGB § 276 Rn. 111; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 742. 1332 Palandt /Sprau, BGB § 823 Rn. 136; Walter, Spezialisierung, S. 155 m.w.N. 1333 BGH, NJW 1987, 2291, 2292. 1334 BGH, NJW 1999, 1778, 1779.

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

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sein dem medizinischen Standard zuwiderlaufendes Vorgehen auch dann haftungsrechtlich einzustehen, wenn dieses aus seiner persönlichen Lage heraus subjektiv als entschuldbar erscheinen mag“1336, „etwa weil er sich im gegebenen Behandlungsgeschehen als überfordert erwies und daher mit medizinisch falschen Mitteln helfen wollte“1337. Im Übrigen scheint unstreitig, dass der haftungsrechtliche Maßstab keine Rücksicht auf örtliche Schwächelagen, personelle oder instrumentelle Engpässe im konkreten Behandlungsbereich, die fehlende Ausbildung und Erfahrung eines Arztes oder Lücken in der Koordination – „selbst wenn sie von einer restriktiven Haushaltspolitik vor Ort diktiert werden“1338 – nehmen kann1339. Die Situationsfestigkeit des rechtlich maßgeblichen Standards gegenüber solchen individuellen Defiziten wird mit der Notwendigkeit begründet, das Vertrauen zu rechtfertigen, das die Medizin als Institution in Anspruch nimmt1340. Während örtliche Qualitätsgrenzen also bei der Festlegung des Leistungsinhalts keine Berücksichtigung finden, kann hinsichtlich der allgemeinen Grenzen des Systems gesundheitlicher Versorgung anderes gelten1341. Denn solche Defizite eignen sich ebensowenig wie das Krankheitsrisiko zur haftungsrechtlichen Abwälzung auf den Arzt1342. Auch vor diesem Hintergrund kann der Patient – anders als dies die „höchstmögliche“ Sorgfalt als Schuldinhalt propagierende Ansicht behauptet – nicht stets „optimale Behandlungsbedingungen, nach den neusten Methoden arbeitende Ärzte, die modernsten Apparate erwarten“1343. Denn die Grenze der jeweils verfügbaren „ärztlichen, pflegerischen, apparativen, räumlichen Potentiale verbieten es, den Maßstab für die ärztliche Behandlung und Haftung einheitlich ganz oben anzusetzen“1344. Eine Basisschwelle, die als Mindeststandard nicht unterschritten werden darf, muss umgekehrt angenommen werden1345. Insofern muss bspw. jedes Krankenhaus über eine dem modernen Standard gerecht werdende apparative Grundausstattung verfügen1346, hinsichtlich derer die Rechtsprechung einen Mittelweg zwischen dem Kostenaufwand und beständigem apparativem Modernisierungsdruck einerseits und der Gewährleistung der Interessen des Patienten an der Behandlungsqualität und -sicherheit andererseits befürwortet1347.

1335

BGH, MedR 2004, 51, 53. BGH, MedR 2004, 51, 53. 1337 BGH, NJW 2001, 1786, 1787. 1338 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 284. 1339 Vgl. BGHZ 144, 296, 306; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 133; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 284 m.w.N. 1340 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 133; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 285 m.w.N. 1341 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 285. 1342 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 134. 1343 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 135. 1344 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 135. 1345 Ebenso Bergmann, VersR 1996, 810, 812; Kullmann, VersR 1997, 529, 531; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 137; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 284. 1346 BGH, NJW 1992, 754, 755; BGH, NJW 1989, 2321, 2322. 1347 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 6 m. zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen. 1336

184

b)

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Die Zulässigkeit einer Objektivierung im Arzthaftungsrecht

Einer entsprechenden Objektivierung wird gerade im Bereich der Medizin jedoch unter dem Hinweis darauf widersprochen, dass gesichertes Wissen, das zur Objektivierung erforderlich sei, in schwierigen Behandlungssituationen fehle1348. Hintergrund dieses Missstands sei, dass der Medizin für zahlreiche Behandlungsmethoden – aufgrund eines Fehlens von Kontroll- und Vergleichsgruppen aus ethischen oder faktischen Gründen – keine statistischen Werte vorlägen, auf die die Medizin als weitgehend empirische Wissenschaft aber angewiesen sei, da medizinische Standards im Wesentlichen statistische Sachverhalte widergäben, sodass Wirksamkeitsnachweise letztlich immer statistischer Natur seien. Vor diesem Hintergrund halten einige Stimmen eine „intuitive Beurteilung“ und die „subjektive Erfahrung“ bei der Wahl der jeweiligen Behandlung für unumgänglich1349. Dies alles mag zutreffen, ist für den vernünftigen Patienten in der Rolle des Vertragspartners aber typischerweise nicht auf die konkrete Behandlung umsetzbar1350. Wenn und soweit letztgenannter Umstand für einen vernünftigen Arzt erkennbar ist – dies wird man nur im Ausnahmefall (Bsp.: Behandlung unter Kollegen derselben Fachrichtung) verneinen können –, bestimmt, soweit keine eindeutige Aufklärung über die Konsequenz der bestehenden Unsicherheiten für die Steuerbarkeit des Qualitätsniveaus erfolgt, zunächst der Erwartungshorizont eines vernünftigen Patienten den Inhalt der vertraglichen Leistungspflicht1351. Wo eine Objektivierung dann tatsächlich einmal nicht möglich ist, wird man, sofern diesbezüglich keine Parteiabreden vorliegen, die tolerierten Variationsbreiten bei der Behandlung entsprechend großzügig gestalten müssen. Das englische Recht setzt den Therapiemöglichkeiten (vielleicht auch vor diesem Hintergrund) nur sehr restriktiv Grenzen1352. Dies kann aber nur gelten, falls die Therapiewahl des Arztes nicht bereits aufgrund anderer Eigenschaften der Behandlungsmethode eingeschränkt ist. Soweit die mangelnde Objektivierung z.B. auf der Neuartigkeit der Methode beruht, sind die zur Wahl zwischen konservativer und progressiver Methode geltenden Grundsätze anzuwenden1353. Als äußerste Grenze muss darüber hinaus der „gesunde Menschenverstand“ fungieren. Denn objektiv unangemessene Risiken, d.h. solche Risiken, die nach sorgfältiger Überlegung – gerade mangels Steuerbarkeit – kein vernünftiger Mensch eingehen würde1354, dürfen auch vom Arzt nicht eingegangen werden. Vor 1348

Kienle, ZRP 1976, 65 ff. (für den Wirksamkeitsnachweis von Arzneimitteln); a.A. Buchborn, MedR 1987, 221, 223 f.; Velten, Standard, S. 40 f. m.w.N. 1349 Vgl. zum Vorstehenden Kienle, ZRP 1976, 65 f. sowie die Nachweise bei Velten, Standard, S. 40. 1350 Vgl. dazu ab S. 209. 1351 Vgl. i.E. Velten, Standard, S. 40; allgemein Taupitz, NJW 1991, 1505, 1507. 1352 Vgl. ab S. 271. 1353 Vgl. ab S. 462. 1354 Vgl. zu dieser Mindestgrenze im englischen Arzthaftungsrecht ab S. 283. Diese Mindestgrenze will wohl auch Taupitz (NJW 1991, 1505) in Bezug auf Heilpraktiker nicht unterschreiten, wenn er feststellt: „Man hält die Berufsgruppe in ihrem Ausbildungs- bzw. Qualitätsstandard für so heterogen, daß man keinen berufsgruppenspezifischen Sorgfalts-

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

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diesem Hintergrund kann die einzig sorgfaltsgemäßge Entscheidung eben auch darin bestehen, von der in Rede stehenden Behandlungsmethode abzusehen. Im Übrigen dürften „schwierige Behandlungssituationen“, auf die sich die oben referierte Argumentation bezieht, den Ausnahmefall bilden. Denn die meisten Behandlungen folgen anerkannten Mustern, was nicht zuletzt dadurch belegt wird, dass „die medizinische Behandlungstätigkeit zur Zeit in allen Bereichen von außerordentlich starken Normierungsbestrebungen durch das Aufstellen von Richtlinien, Leitlinien und Empfehlungen zur Qualitätssicherung begleitet wird“1355. Daher dürfte die Unmöglichkeit einer faktischen Objektivierung den Ausnahmefall bilden, sodass „das Kind“ auch im Rahmen der Arzthaftung nicht gleich „mit dem Bade ausgeschüttet“ werden sollte. Denn im Regelfall, den „gewöhnlichen“ Behandlungssituationen, ist eine Objektivierung durchaus möglich und erfolgt dementsprechend nach Maßgabe der Verkehrsauffassung, an der sich das dispositive Recht zu orientieren hat. Im Übrigen darf man nicht dem Irrtum verfallen, eine Objektivierung sei nur durch positive Definitionen möglich. Es bedeutet nämlich ebenfalls eine Objektivierung, wenn immerhin ausgeschlossen wird, dass subjektive Mängel des Behandelnden entlastend wirken können.

c)

Konsequenzen der Objektivierung im Arzthaftungsrecht

Die somit grundsätzlich erfolgende Objektivierung des jeweils maßgeblichen Standards steht auch im Arzthaftungsrecht einer Differenzierung nach Berufsgruppen bzw. Verkehrskreisen nicht entgegen1356. Denn Maß und Umfang der geschuldeten Sorgfalt sind abhängig von der Verkehrserwartung, d.h. vom Erwartungshorizont eines vernünftigen Patienten1357, der schließlich – je nach Leiden – nicht lediglich einen Arzt, sondern einen Arzt einer bestimmten Sparte (Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Chirurgie etc.) aufsucht. Insofern kommt es nicht auf die generell möglichen Fähigkeiten an, sondern auf die von Ärzten einer bestimmten Disziplin erwarteten1358. Determinierend wirkt dabei aber die übernommene Aufgabe, das zu behandelnde Leiden. So hat ein Arzt, wenn er Behandlungsmethoden anwendet, die in ein fremdes Fachgebiet fallen, dessen Standard zu garantieren1359. standard ermitteln kann – zieht aber nicht die Konsequenzen, daß der ‚verständige Rechtsgenosse‘ dann eben auch ‚nicht viel erwarten kann‘“. Denn das, was jedermann nach sorgfältiger Überlegung einleuchtet, wird man auch von jedermann erwarten können. 1355 Velten, Standard, S. 40, vgl. zu den Standardvorgaben in der medizinischen Praxis ebenda, S. 51 ff. 1356 Laufs, ArztR, Rn. 474; ders., in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 99 Rn.11; Franzki, MedR 1984, 186, 189; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 2; Walter, VersR 2003, 1130, 1131; ders., Spezialisierung, S. 172 ff.; MünchKomm /Grundmann, BGB § 276 Rn. 111; zweifelnd Bolsinger, Dogmatik, S. 41. 1357 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 71. 1358 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 71; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 9. 1359 Steffen/Dressler, Arzhaftungsrecht, Rn. 162; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 72; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 33.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Freilich ist hier – parallel zum Anwaltshaftungsrecht1360 – kein Raum für eine standardsenkende Moderierung der objektiven Sorgfaltspflichten durch subjektive Kriterien1361. Insofern muss selbst ein Nichtarzt, wie z.B. ein Heilpraktiker, der zu invasiven Behandlungsmethoden greift, – auch Fortbildungsobliegenheiten1362 betreffend – demselben Mindestsorgfaltsstandard genügen wie ein dafür ausgebildeter Mediziner1363. Gleiches wird man folgerichtig auch von einem Berufsanfänger fordern müssen1364. Aus diesem Grund sind die Feststellungen des BGH in seinem Urteil vom 27.9.19831365, wonach es darauf ankommen soll, ob „die Übernahme der Operation gerade durch den [Anfänger] diesem als Fehlverhalten vorzuwerfen“ sei, zumindest missverständlich1366. Der Patient darf sich auf eine nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft durchgeführte Operation verlassen1367. Abzustellen ist daher nicht auf einen angemessen sorgfältigen Berufsanfänger, sondern auf einen angemessen sorgfältigen Arzt1368. Dies muss nicht zuletzt deswegen gelten, weil „Belange der patientennahen Ausbildung […] im Krankenhaus nicht zur vordringlichen Aufgabe und zum Selbstzweck werden“ dürfen1369. Wenn insoweit festgestellt wird, dass die Not1360

Vgl. ab S. 179. BGH, VersR 1953, 338, 339; BGH, VersR 1962, 250, 251; Laufs, ArztR, Rn. 474; Walter, VersR 2003, 1130, 1131; Broglie, in: Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, Rn. 739; RGRK/ Nüßgens, BGB § 823 Anhang II Rn. 182; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 742; vgl. auch Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 21. 1362 Vgl. dazu ab S. 493. 1363 BGHZ 113, 297, 302 ff.; vgl. zuvor schon für den Dentisten im Vergleich zum Zahnarzt BGHZ 8, 138, 139; ferner MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 742; Taupitz, NJW 1991, 1505, 1508 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 163; a.A. unter Überbetonung des Verkehrskreisgedankens und Vernachlässigung der Bedeutung der Aufgabenstellung für den maßgeblichen Sorgfaltsstandard Walter, Spezialisierung, S. 191 ff. 1364 OLG Karlsruhe, VersR 1990, 53, 54; Gounalakis, NJW 1991, 2945, 2946; Franzki, MedR 1984, 186, 189; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 76. Heilmann, NJW 1991, 1513, 1514 geht überraschenderweise sogar davon aus, dass man an die Durchführung einer Operation durch einen „Anfänger“ „[e]rhöhte Sorgfaltsmaßstäbe“ werde stellen müssen. Das trifft indessen nicht zu. 1365 VI ZR 230/81, NJW 1984, 655, 657; offengelassen in BGH, NJW 1988, 2298, 2299. 1366 Ebenso Deutsch, NJW 1984, 650 f.; ablehnend auch Heilmann, NJW 1991, 1513, 1514; Franzki, MedR 1984, 186, 189; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 34; zweifelnd wohl auch BGH, NJW 1988, 2298, 2299. Ausführliche Rechtsprechungsnachweise zum Übernahmeverschulden eines noch in Facharztausbildung stehenden Assistenzarztes bei Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 16. 1367 Deutsch, NJW 1984, 650, 651; Franzki, MedR 1984, 186, 189. 1368 Gounalakis, NJW 1991, 2945, 2946; Franzki, MedR 1984, 186, 189; Giesen, JZ 1984, 331; Deutsch, NJW 1984, 650 f.; Fahrenhorst, MedR 1991, 173, 175 m.w.N.; für eine Verkehrskreisbildung nach dem Ausbildungsstand und eine dementsprechende Differenzierung indessen Walter, Spezialisierung, S. 201 ff. 1369 Opderbecke/Weißauer, MedR 1989, 306, 308. Vgl. zur Praxis der medizinischen Ausbildung Franzki, MedR 1984, 186 (Operation); OLG Zweibrücken, OLGZ 1988, 470, 476 (Narkose); ferner Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 33; Gounalakis, NJW 1991, 2945, 2946. 1361

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

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wendigkeit, „dem in der Fachausbildung […] stehenden Arzt Fachkenntnisse und -erfahrung am Fall zu verschaffen“, kein vom Patienten zu tragendes Risiko sei1370, kann dem aus vertragsrechtlicher Sicht nur zugestimmt werden. Denn der „Kranke sucht nicht die Klinik auf, um sich als Objekt für noch unerfahrene, lernende Ärzte zur Verfügung zu stellen, sondern um eine fachgerechte ärztliche Behandlung zu erhalten und Heilung zu finden“1371. Diesem allgemein bekannten Erwartungshorizont entsprechend1372 hat der Patient „aus der Übernahme seiner Behandlung […] einen Anspruch auf eine ärztliche Behandlung, die dem Standard eines erfahrenen Facharztes entspricht“1373. Das Risiko mangelnder Kenntnisse des behandelnden Arztes übernimmt der Patient nach der Verkehrsauffassung nämlich vertraglich nicht. Insofern muss sich eine allein die Geburtshilfeabteilung einer Klinik verwaltende Ärztin im Praktikum bspw. an dem Facharztstandard messen lassen, wenn sie in einer kritischen Situation – anstatt den Oberarzt zu benachrichtigen – eigenhändig eingreift1374. Der Facharztstandard soll sogar gelten, wenn der Patient über das Risiko einer Anfängeroperation aufgeklärt wird1375. Konsequenterweise ist eine entsprechende Aufklärung – mangels Entlastungsfunktion – (aus Sicht des Patienten zweifelhafterweise) auch nicht erforderlich1376. Die Übertragung der Operation an einen ungeübten Operateur zur selbständigen Erledigung stellt nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr eine durch Aufklärung nicht zu legitimierende Pflichtverletzung dar1377. Bewertet man dies aus vertragsrechtlicher Perspektive, wird man angesichts der Position des BGH annehmen dürfen, dass die bloße Aufklärung des Patienten nicht zur Senkung des objektiv vereinbarten Standards führt, sofern der Patient die Eigenschaft des Operateurs als Anfänger lediglich zur Kenntnis nimmt und akzeptiert. Zwar sind Abmilderungen des Sorgfaltsmaßstabs durch vertragliche Abreden – wie sonst auch1378 (arg. e contrario § 276 Abs. 3 BGB) – zulässig. Nicht annehmen dürfen wird man jedoch, dass durch die Akzeptanz eines Anfängers auch notwendig der zulässige Erwartungshorziont verschoben wird. Denn dies hieße nichts anderes, als dem Patienten einen Verzicht auf Regressansprüche bei objektiver Schlechtleistung 1370

Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 246; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 210; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 487; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 77; i.E. Gounalakis, NJW 1991, 2945, 2946. 1371 Opderbecke/Weißauer, MedR 1989, 306, 308; Fahrenhorst, MedR 1991, 173, 175. 1372 Dessen Maßgeblichkeit betonen zu Recht Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 76. 1373 BGH, NJW 1987, 1479, 1480; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 18a; Deutsch, NJW 1987, 1480; Broglie, in: Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, Rn. 739. 1374 OLG Düsseldorf, VersR 2001, 460, 461; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 742. 1375 Vgl. MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 743. 1376 BGH, NJW 1984, 655 f.; Deutsch, NJW 1984, 650; Gounalakis, NJW 1991, 2945, 2946; Franzki, MedR 1984, 186, 187 m.w.N.; a.A. OLG Köln, VersR 1982, 453, 454; kritisch auch RGRK/Nüßgens, BGB § 823 Anhang II Rn. 136; Müller-Graff, JuS 1985, 352, 357; hiergegen wiederum Schelling, Aufklärung, S. 116 ff.; zu Argumenten für eine Entkoppelung von ärztlicher Aufklärungspflicht und Körperverletzung Hart, FS Heinrichs, S. 291, 292 ff. 1377 Vgl. BGH, NJW 1984, 655 f.; BGH, NJW 1992, 1560, 1561; BGH, NJW 1993, 2989, 2991. 1378 Vgl. bereits RGZ 119, 397, 399; RGZ 126, 362, 365 f.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

zu unterstellen. Vielmehr wird durch die Akzeptanz lediglich der Eingriff an sich genehmigt. Dieses Verständnis findet eine Parallele in der im englischen Recht zu findenden Differenzierung1379 zwischen den unterschiedlichen Anforderungen an die Aufklärung zum Ausschluss der battery und den Anforderungen an den Ausschluss von negligence. Eine Pflichtverletzung – sowohl durch Übernahme1380 als auch durch Übertragung – kann losgelöst davon aber dadurch vermieden werden, dass der über das Behandlungfeld vorhandene theoretische Wissenstand des nicht hinreichend geübten Arztes kontrolliert und dieser bei der Operation durch einen kompetenten Operateur, der bei Fehlern und Notfällen eingreifen kann, durch Aufsicht und Anleitung begleitet wird1381. Hierauf ist an gegebener Stelle näher einzugehen1382. Ist die Beaufsichtigung durch einen angemessen kompetenten Arzt nicht möglich, darf die Aufgabe nicht übernommen werden. Stattdessen muss eine Überweisung erfolgen bzw. ein entsprechend qualifizierter Arzt hinzugezogen werden1383.

5.

Die maßgeblichen Standards im Architektenhaftungsrecht

a)

Die Bedeutung der Konvergenzproblematik im Architektenhaftungsrecht

Wenden wir uns nun dem Recht der Architektenhaftung zu, stellt sich hier die Problematik der Konvergenz des Pflichtinhalts und des im Zurechnungskriterium intergriertem Haftungsstandards in Bezug auf Schadensersatzansprüche, für die allein es neben § 284 BGB auf ein Vertretenmüssen des Schuldners ankommt, auf den ersten Blick nicht mit gleicher Schärfe. Denn der Architektenvertrag ist in der Regel im Kern Werkvertrag und daher schuldet der Architekt – insoweit anders als regelmäßig Arzt und Anwalt – die Herbeiführung eines Erfolges1384. Doch stellt sich die Konvergenzproblematik bei genauerem Hinsehen auch bei erfolgsbezogenen Pflichten. Denn bei erfolgsbezogenen Pflichten ist zur Entlastung – neben sorgfältigem Vorgehen – lediglich zusätzlich erforderlich, dass der Schuldner darlegt, dass der Erreichung des Erfolges ein Hindernis entgegensteht, das er – trotz sorgfältigen Vorgehens – entweder nicht überwinden kann oder – weil es auch bei sorgfältigem Vorgehen nicht überwindbar ist – nach dem Vertrag nicht überwinden muss1385. 1379

Vgl. ab S. 437. Vgl. Gounalakis, NJW 1991, 2945, 2946. 1381 BGH, NJW 1993, 2989, 2990 f.; OLG Oldenburg, VersR 1998, 1381, 1382; OLG Oldenburg, VersR 1998, 1380; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 77 ff.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 3; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 246; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 486 f.; Erman/Schiemann, BGB § 823 Rn. 133; Jauernig /Teichmann, BGB § 823 Rn. 116. 1382 Vgl. ab S. 603. 1383 Vgl. BGHZ 102, 17, 25; OLG Düsseldorf, VersR 2004, 1563, 1564; Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 99 Rn. 12; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 15; Giesen, JZ 1982, 345, 349 f. 1384 Vgl. ab S. 132. 1380

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Sofern der Architekt nämlich mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist, trifft ihn kein Verschulden. Dann hat er die in der Nichtherbeiführung des versprochenen Erfolges liegende Pflichtverletzung (sofern nicht ausnahmsweise ein strengerer Haftungsstandard vereinbart wurde) nicht zu vertreten und haftet folglich nicht auf Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Mit gleicher Schärfe wie im Anwalts- und Arzthaftungsrecht stellt sie sich freilich dort, wo die Pflichten des Architekten stärker tätigkeitsbezogen sind1386.

b)

Die maßgeblichen Standards im Architektenhaftungsrecht

aa) Die Position von Rechtsprechung und Literatur Wir hatten allerdings bereits bei der Erörterung des Anwalts- und Arzthaftungsrechts gesehen, dass die Konvergenzproblematik ohnehin nicht zu einem Abgehen von der für die vertraglichen Pflicht- und Haftungsstandards maßgeblichen Verkehrsauffassung berechtigt1387. Dies kann im Architektenhaftungsrecht nicht anders sein. Denn auch der Inhalt des Architektenvertrags richtet sich nach der Verkehrsauffassung1388, soweit die Parteien nicht eindeutig von dieser abweichen wollten. Daher wird von dem Architekten zwar eine in jeder Hinsicht mangelfreie Erbringung der vertraglichen Leistungen geschuldet1389. Dies bedeutet – wie die Rechtsprechung explizit klargestellt hat1390 – aber nicht, dass jede andere als die objektiv bestmögliche Leistung mangelhaft ist1391. Vielmehr genüngt der Architekt seiner vertraglichen Leistungspflicht schon dann, wenn seine Leistung brauchbar, d.h. angemessen und vernünftigerweise durchführbar ist1392. Dies gilt aber nicht nur für die praktische Durch1385

Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 566. Vgl. ab S. 134 und ferner Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 129: „Insoweit ist die Problematik jeweils weniger in dem Vertretenmüssen als solchem zu sehen. Es kommt vielmehr darauf an, die konkreten Pflichten des Unternehmers herauszuarbeiten, aus deren objektiver Verletzung dann grundsätzlich auch das Vertretenmüssen folgt“ (Hervorhebung im Original). 1387 Vgl. ab S. 173 und ab S. 181. 1388 Ihre Bedeutung für die Feststellung eines vom Architekten anzumahnenden bzw. zur Beseitigung anzuordnenden Fehlers des Bauwerks betont zutreffend BGH, VersR 1971, 84, 85. 1389 Vgl. zum Architektenwerk S. 140. 1390 OLG Karlsruhe, BauR 2001, 1933, 1934; OLG Hamm, BauR 1989, 501. 1391 Ebenso Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 32; Locher, Baurecht, Rn. 380; a.A. im Grundsatz Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Anh II zu § 638 Rn. 3, 5, die dann (a.a.O. Rn. 6) allerdings feststellen, was vom Architekten angesichts dieses Maßstabs konkret erwartet werden könne, folge letztlich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Bereits § 243 Abs. 1 BGB lässt sich indessen entnehmen, dass eine Leistung „mittlerer Art und Güte“, sofern nicht eindeutig die „bestmögliche“ Leistung vereinbart wurde, kaum treuwidrig sein kann. 1392 Vgl. OLG Hamm, BauR 1989, 501; Bindhardt/Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 2; Locher, Baurecht, Rn. 380; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 32. 1386

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führbarkeit der Planungsleistungen, sondern auch für die Pflichten des Architekten im Kostenbereich. Zwar ist die Architektenplanung mangelhaft, wenn sie nicht den zur Grundlage des Vertrages gemachten wirtschaftlichen Voraussetzungen entspricht1393. Doch trifft den Architekten – wie die Rechtsprechung explizit klargestellt hat1394 – keine allgemeine Verpflichtung, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bauherrn wahrzunehmen und unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten „so kostengünstig wie möglich“ zu bauen1395. Etwas anderes kann aber gelten, wenn Kernbereiche der Planung betroffen sind1396. Jedenfalls muss die Planung auf die erkennbare wirtschaftliche Kapazität des Auftraggebers zugeschnitten sein1397. Es muss sich mit anderen Worten insgesamt um die Leistung eines sorgfältigen und gewissenhaften Architekten handeln. Parallel dazu muss der Architekt zur Abwendung einer Schadensersatzverpflichtung auf der Ebene des Verschuldens auch nicht die höchstmögliche Sorgfalt, sondern lediglich die Sorgfalt eines gewissenhaften Architekten an den Tag gelegt haben1398.

bb) Die Unvereinbarkeit einer dispositiven Verpflichtung zur „bestmöglichen“ Leistung mit den Vorgaben des § 633 Abs. 2 BGB Dieser Pflichtenstandard folgt letztlich bereits aus der in § 633 Abs. 2 BGB normierten Stufenfolge und damit aus dem dispositiven Recht. Denn nach § 633 Abs. 2 BGB ist zwar zunächst zu prüfen, ob die Beschaffenheit des Werkes bzw. der geschuldete Erfolg konkret vereinbart wurde1399 und – wenn derartiges nicht feststellbar ist – ob sich aus der Vereinbarung ergibt, dass das Werk zu einer nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung geeignet sein muss. Fehlt es aber auch an einer derart vorausgesetzten Verwendung, kommt es auf die Eignung des Werkes für die gewöhnliche Verwendung an. Die gewöhnliche Verwendung ist also maßgeblich, wenn keine – hiervon abweichende – explizite oder implizite Parteivereinbarung vorliegt. Das Architektenwerk muss in diesem Fall eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Architektenwerken der gleichen Art üblich ist und welche der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann. Insbesondere mit der Formulierung des Pflichtinhalts im letzten Halbsatz des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB nimmt der Gesetzgeber in erfreuli1393

BGH, BauR 1996, 570, 571 (Verpflichtung zur Beantragung von öffentlichen Fördermitteln). 1394 BGHZ 60, 1, 3; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 31; Bindhardt/Jagenburg, Haftung, § 1 Rn. 8 m.w.N. 1395 Vgl. ab S. 390. 1396 OLG München, BauR 2004, 1806 (1. LS). 1397 Vgl. BGH, NJW-RR 1991, 664; OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 453; näher Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1783 ff. m.w.N. 1398 Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 45; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 127 ff.; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387 m.w.N. Vgl. aus der Rechtsprechung BGH, NJW 1994, 1276, 1277; BGH, NJW-RR 1996, 852. 1399 Wird hinsichtlich einer Holzbalkendecke eine höhere als die normale Qualität vereinbart, gilt für die Durchbiegung nicht der Regelwert der DIN 1052, OLG Stuttgart, IBR 2005 162.

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cher klarer Weise auf die Verkehrserwartung Bezug: Erwarten kann der Besteller nach der Verkehrsauffassung nämlich zumindest immer das Übliche und – u.U. darüber hinaus – in jedem Fall auch das Angemessene. Das „Bestmögliche“ wird man – auch nach der Vorstellung des Gesetzes (vgl. die Wertung des § 243 Abs. 1 BGB) – hingegen von einem Architekten nur bei eindeutiger Vereinbarung erwarten dürfen. Ohne derartige Vereinbarungen wird sich das „Bestmögliche“ rein tatsächlich auch kaum jemals bestimmen lassen, da die Frage, was das Beste ist, häufig nicht objektivierbar ist. Insofern ist für eine von der typischen Verkehrserwartung abweichende Qualifikation der vertraglichen Pflichten des Architekten in Richtung des „Bestmöglichen“ entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung1400 außerhalb einer eindeutigen Vereinbarung kein Raum.

cc) Die Objektivität der Standards Der Standard ist losgelöst davon jedenfalls wiederum objektiv-typisierend1401, sodass individuelle Schwächen des Architekten nicht geeignet sind, diesen zu entlasten1402. Dies gilt zunächst für vorhersehbare altersbedingte Krankheits- und Ausfallerscheinungen1403, aber auch für mangelhafte Ausbildung oder Erfahrung sowie für die objektiv zu geringe Vertrautheit mit Aufgaben der übernommenen Art1404. Gerade die Übernahme derartiger Aufgaben kann in Form des sog. Übernahmeverschuldens Anküpfungspunkt für ein Vertretenmüssen der Fehlleistung sein1405. So muss der Architekt die für die Durchführung seiner Aufgabe erforderlichen Fachkenntnisse besitzen1406; andernfalls hat er Sonderfachleute einzuschalten oder seinen Auftraggeber zu informieren und auf ihre Einschaltung hinzuwirken1407. Insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, dass ihm an der Universität die für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Fachkenntnisse nicht vermittelt worden sind1408. Auch bei im Rahmen der Architektenhaftung wird man losgelöst davon auf der Grundlage der Verkehrsauffassung eine Differenzierung nach bestimmten Berufsgruppen bzw. Verkehrskreisen für zulässig halten müssen. In der Praxis scheint sie indessen kaum 1400

Vgl. Fn. 1391. Vgl. Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 45; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387. 1402 BGHZ 65, 210, 215 f.; BGH, VersR 1971, 644, 645; OLG Düsseldorf, VersR 1969, 1051, 1052; Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 45; allgemein für diese Überlegung im Werkvertragsrecht Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 127. 1403 Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 45; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 127. 1404 BGH, VersR 1971, 644, 645; OLG Düsseldorf, VersR 1969, 1051, 1052; Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 45. 1405 OLG Düsseldorf, VersR 1969, 1051, 1052; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 127. 1406 BGHZ 65, 210, 215 f.; BGH, NJW-RR 2003, 1454, 1455; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 146; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Anh II. zu § 638 Rn. 44. 1407 OLG Saarbrücken, IBR 2005, 382. Vgl. zu den damit verbundenen Fragen ab S. 547. 1408 BGH, NJW-RR 2003, 1454, 1455; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 146; Neuenfeld, NZBau 2004, 633, 638. 1401

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vorgenommen zu werden1409, was man als Indiz dafür betrachten könnte, dass die Verkehrsauffassung – außerhalb der schon nach der Berufsbezeichnung (Architekt, Landschaftsarchitekt, Innenarchitekt, etc.) unterschiedlichen Kreise – kaum zwischen verschiedenen Architektentypen differenziert. Nicht ausschließen lässt sich insoweit aber auch, dass es sich hierbei um eine Konsequenz der möglichst weitreichenden werkvertraglichen Qualifikation des Architektenvertrages handelt1410.

dd) Die Konvergenzproblematik im vertraglichen Architektenhaftungsrecht Die Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung für die Bestimmung auch der im Recht der vertraglichen Architektenhaftung geltenden Standards wirft wiederum die Frage auf, inwieweit sich Pflichtinhalt und Verschulden unterscheiden. Diesbezüglich ist für das Architektenhaftungsrecht zu konstatieren, dass die Rechtsprechung auch hier praktisch allein auf die objektive Fehlerhaftigkeit des Verhaltens abstellt1411; ein Umstand der äußerlich dadurch belegt wird, dass das Verschulden als eigenständige Kategorie in den Lehr- und Handbüchern sowie den Kommentierungen zum Architektenhaftungsrecht kaum eines Wortes gewürdigt wird1412. Es verwundert daher nicht, dass – sofern dem Verschulden doch einmal selbständige Bedeutung beigemessen wird1413 – es in der Sache um eine Korrektur der objektiven Pflichtanforderungen geht1414.

6.

Konsequenz: Unterscheidbarkeit von Pflichtverletzung und Verschulden?

Treten wir nun von der Darstellung der einzelnen Vertragstypen einen Schritt zurück, um das Gesamtbild zu betrachten, müssen wir im Lichte der zum Arzt-, Anwalts- und Architektenvertrag jeweils getroffenen Feststellungen konstatieren, dass das Verschulden als dogmatisch eigenständiger Korrekturmechanis kaum einmal praktisch wird1415. Denn sofern man bereits den geschuldeten Pflichtenstandard an der Verkehrsauffassung ausrichtet, gleicht dieser dem im Rahmen des Verschuldens nahezu 1409

Vgl. z.B. BGH, VersR 1971, 644, 645; wie hier MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 59. 1410 Vgl. ab S. 132. 1411 Vgl. etwa – im dogmatisch brisanteren deliktischen Kontext – BGH, WM 1991, 202, 203; für das Vertragsrecht vgl. etwa BGH, NJW 1994, 1276, 1277; wie im Text Hirte, Berufshaftung, S. 130. 1412 Vgl. immerhin Bindhardt/Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 45; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 127 ff.; Anh II zu § 638 Rn. 44; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387 m.w.N. 1413 Vgl. OLG Zweibrücken, NJW-RR 1998, 1097, 1098. 1414 Hirte, Berufshaftung, S. 130. Insofern spricht der Senat in OLG Hamm, NJW-RR 1991, 731 ff. bezeichnender Weise nicht von einem Vertretenmüssen, sondern durchweg von einer „Pflichtverletzung“; in der Sache ebenso OLG Zweibrücken, NJW-RR 1998, 1097, 1098.

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völlig. Zum Teil wird – wie bereits mehrfach dargelegt – allerdings versucht, eine praktische Unterscheidbarkeit der Maßstäbe für den Pflichtinhalt und das Verschulden dadurch zu „retten“, dass man zwischen „innerer“ und „äußerer“ Sorgfalt differenziert1416. Auch dieser „gut gemeinte Versuch“1417 dürfte indes letztlich daran scheitern, dass beides im Ergebnis doch wieder mit denselben Maßstäben gemessen wird1418. Denn die „innere“ Sorgfalt bezieht sich auf die – unstreitig an objektiven Standards zu messende – Vergewisserung über die eigene Leistungsfähigkeit, die selbst ebenfalls an objektiven Standards zu messen ist. Erfolgt diese Vergewisserung nicht oder nicht objektiv sorgfältig genug, liegt ein sog. Übernahmeverschulden vor. Letztlich handelt es sich daher bei dem Verstoß gegen die „innere“ Sorgfalt um nichts anderes als um einen Unterfall des allgemeinen Sorgfaltsverstoßes1419. Vollzieht man die Rechtsprechungspraxis einmal nach (was nicht immer hinreichend geschieht1420) ist ebenfalls kein Element ersichtlich, das – im Sinne einer streng persönlichen Verantwortung1421 – über den den Vorwurf der objektiven Pflichtverletzung hinausgehen würde1422. Wenn die Standards – wie etwa in vollkommen unerwarteten und nicht durch Vorsorgemaßnahmen auszugleichenden Krankheitsfällen – doch einmal von einander abweichen, handelt es sich dabei um dogmatisch inkonsequente und insofern: „glücklicherweise“ sehr seltene Ausnahmefälle. Begreift man das Haftungsrecht nämlich funktionell zutreffend nicht (mehr)1423 als Sankti1415

Dies ist nämlich tatsächlich – gerade wegen der grundsätzlichen Konvergenz der Maßstäbe – nur dann der Fall, wenn ausnahmsweise doch einmal subjektive Entlastungsgründe berücksichtigt werden. Dies geschieht nur, wenn diese in unvorhersehbaren Krisensituationen auftreten und eine Handlung unausweichlich ist, vgl. MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 56. 1416 So etwa Deutsch, AcP 202 (2002) 889, 891, 903 f.; ders., JZ 1988, 993 ff.; Laufs, in: ders./ Uhlenbruck, HdB ArztR, § 99 Rn. 18; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 26 Rn. 25 ff. Ablehnend gegenüber dieser Begriffsbildung Larenz, Schuldrecht I, S. 290 f. 1417 Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 213. 1418 Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 213; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 565. 1419 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 565; Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 213; Larenz, Schuldrecht I, S. 290 f. 1420 Vgl. nur die Mahnung von Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 566. 1421 Dazu Larenz, Schuldrecht I, S. 279, 284 ff.; Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 903 ff. 1422 Ebenso Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 213. Daran ändert die Feststellung von Katzenmeier, Arzthaftung, S. 189, die Rechtsprechung habe die Unterscheidung zwischen objektiver Pflichtverletzung und Verschulden des Arztes zumindest im Ausgangspunkt stets befolgt, nichts. Denn wenn der theoretische Ausgangspunkt praktisch nicht durchgehalten wird, muss er sich in Frage stellen lassen. Soweit sich Katzenmeier (a.a.O.) im Übrigen zur Begründung seiner These auf die gerichtlichen Feststellungen beruft, nach denen nicht jeder ärztliche Irrtum usw. gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstößt und zum Schadensersatz verpflichtet, bleibt offen, wie dies seine Theorie stützen könnte. Zutreffend hingegen die – diese Konsequenz einer Verpflichtung zu Sorgfalt nicht in Frage stellende – Beobachtung von Hirte, Berufshaftung, S. 109, 141 f., wonach praktisch aus dem Vorliegen der Pflichtverletzung auch die Haftung folge. 1423 Vgl. zur Entwicklung Katzenmeier, Arzthaftung, S. 150 ff.; Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 9 ff.

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onsmechanismus für persönlich (ethisch-moralisch) vorwerfbares Fehlverhalten1424, sondern als Mechanismus zur Herstellung eines gerechten Schadensausgleichs1425, ist diese Korrektur verfehlt. Denn warum sollte der Gläubiger das Risiko einer Krankheit seines Vertragspartners in einer Weise übernehmen wollen, die ihn im Falle eines Schadens aufgrund eines von ihm weder vorhersehbaren, noch in irgendeiner Weise steuerbaren Umstands in der alleinigen Einflusssphäre seines Schuldners ohne Ersatz lässt? Ist es nicht eher Sache des Schuldners, insoweit Vorsorge – notfalls durch eine entsprechende Versicherung – zu treffen? Vor diesem Hintergrund wird teilweise dafür plädiert, das „Verschuldensprinzip mit seiner subjektiven Komponente offen aufzugeben“1426. Denn damit werde nur ein Schritt nachvollzogen1427, „der in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft schon seit längerem faktisch getan wurde und für den Bereich der Staatshaftung gesetzlich verankert worden war (was sich unmittelbar auf die Notarhaftung ausgewirkt hätte)“1428. Auch lasse sich die gerade für die hier untersuchten Dienstleister getroffene Feststellung, dass das Verschulden neben der bejahten Pflichtverletzung faktisch kaum einmal eine Rolle spielt, berufsgruppenübergreifend verallgemeinern 1429. In der Tat lässt sich durchaus fragen, warum man nach deutschem Vertragsrecht zwei bzw. – wenn man der Rechtswidrigkeit auch im Vertragsrecht eine eigenständige Bedeutung beimisst1430 – drei Ebenen differenziert werden, wenn doch letztlich – durch die notwendige Bezugnahme auf die Verkehrsauffassung – auf allen Ebenen (jedenfalls zunächst einmal) derselbe Maßstab Anwendung findet. Ob diese Trennung im De-

1424

Dies zu Recht unter Hinweis darauf verneinend, dass die Frage, ob der Schuldner überhaupt verantwortlich handeln kann, in §§ 276 Abs. 1 S. 2, 827 f. BGB abschließend beantwortet ist, Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 564; rechtsvergleichend zu diesem Problem Heckendorn, Rn. 650 ff. 1425 Larenz, Schuldrecht I, S. 286; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 160 f.; vgl. in diesem Zusammenhang die Diskussion des Verschuldensprinzips bei Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 420 ff. 1426 Hirte, Berufshaftung, S. 381; ähnlich schon Lieb, Dienstvertrag, S. 183, 214; vgl. ferner den Nachweis bei Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 3, 6; a.A. etwa U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft, S. 31, 109, 114 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188 f. m.w.N. 1427 Vgl. zur Verdrängung des Gedankens der Vorwerfbarkeit eines verursachten Schadens rechtsvergleichend von Bar, Deliktsrecht II, Rn. 226 ff. Kritisch zu diesem Phänomen allgemein Esser, JZ 1953, 129 ff.; für die Arzthaftung Katzenmeier, Arzthaftung, S. 167 ff., 174 ff., 185. 1428 Hirte, Berufshaftung, S. 381. 1429 Vgl. Odersky, NJW 1989, 1, 2; Hirte, Berufshaftung, S. 381 f. 1430 So die h.M. vgl. nur Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 16 ff.; MünchKomm/ Grundmann, BGB § 276 Rn. 12 ff., der aber (Rn. 16, 20) zu Recht betont, dass die Rechtswidrigkeit im Vertragsrecht nichts anders als die Vertragswidrigkeit ist; a.A. aus ebendiesem Grund Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 567. Zur „Rechtswidrigkeit“ als mehr oder minder eigenständiger deliktischer Kategorie auf breiter rechtsvergleichender Grundlage von Bar, Deliktsrecht II, Rn. 210 ff., 220 ff.; vgl. zur Diskussion aus jüngerer Zeit ferner insbesondere Jansen, Struktur, S. 405 ff.

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liktsrecht, das „anonymer“ ist und andere Zwecke verfolgt als das Vertragsrecht, Sinn macht1431, ist hier nicht zu diskutieren. Würde man dem jeweiligen Zurechnungskriterium im Vertragsrecht jedenfalls eine eigene Existenz absprechen, würde das deutsche Recht in die Nähe eines eingliedrigen Standards rücken1432, wie ihn das englische Recht mit der Haftung für negligence kennt1433. Dann wäre allein die objektive Abweichung vom geschuldeten Standard als haftungsbegründend zu qualifizieren. Dies befürwortende Stimmen finden sich für alle berufsmäßigen Dienstleistungen1434, aber insbesondere auch in der Literatur zum Arzthaftungsrecht1435. Dabei dürfte man dann allerdings nicht stehen bleiben. Denn ein Grund insoweit hinsichtlich der denkbaren Zurechnungskriterien zu differenzieren, ist nicht ersichtlich. Ist die Differenzierung aber allgemein unzulässig, d.h. nicht nur im Falle der Verschuldens- sondern auch für die Risiko- oder Garantiehaftung, muss man sich in der Tat fragen, warum das deutsche Recht – wie es herkömmlicher Dogamtik entspricht – zumindest zwei Ebenen der Haftung (Haftungsgrund und Zurechnungskriterium) unterscheidet. Denn auch im deutschen Recht wäre es denkbar (sowie vielleicht selbst für deutsche Dogmatiker weniger umständlich und verwirrend1436), den Haftungsstandard, der – vermittelt über das maßgebliche Zurechnungskriterium – ohnehin erst durch Bezugnahme auf das Leistungsversprechen ermittelt wird, direkt dort zu belassen, wo er herrührt, nämlich im Leistungsversprechen. Das in §§ 280 Abs. 1 S. 2, § 311 a Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich angesprochene Vertretenmüssen würde in seiner Bedeutung als eigenständige dogmatische Kategorie allerdings erhebliche Einbußen erleiden1437 und § 276 Abs. 1 S. 1 BGB wäre als ein Mechanismus zur Vertragsergänzung zu qualifizieren1438. In jedem Fall unterscheiden sich Pflichtverletzung und Vertretenmüssen nach geltendem Recht im Übrigen auf der Rechtsfolgenseite1439. Die Reichweite der Vermutung des Vertretenmüssens gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt sich danach, 1431

Vgl. in diesem Zusammenhang zum Konzept der Verkehrspflicht etwa von Bar, Verkehrspflichten, S. 172 ff.; zum Konzept des deutschen Deliktsrechts insgesamt dens., 50 Jahre BGH, FS Wissenschaft I, S. 595, 601 ff., 608 ff.; im Hinblick auf ein europäisch-einheitsrechtliches Deliktsrechtskonzept dens., ZEuP 2001, 515, 520. Für eine Differenzierung, soweit der Haftung das Verschuldensprinzip zugrunde liegt, im deliktischen Kontext auch Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 572. 1432 Hiergegen Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188 f. 1433 Hirte, Berufshaftung, S. 382 m.w.N. 1434 Vgl. berufsübergreifend Hirte, Berufshaftung, S. 385 m.w.N. 1435 Z.B. bei Kleinewefers, VersR 1992, 1425, 1429; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 128, 130; Odersky, NJW 1989, 1, 4; Hart, JURA 2000, 14, 18 f.; zum Streitstand Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188. 1436 Als Beispiel für bestehende Verwirrungen sei nur die Diskussion um § 311 a Abs. 2 BGB angeführt. 1437 Zur verbleibenden Bedeutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB de lege lata s. etwa Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 268. 1438 So Schmidt-Kessel, System, vgl. Staudinger /Löwisch, BGB (2004) § 276 Rn. 3, 6. 1439 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 566, die dies als „nicht eben befriedigende“ Antwort qualifizieren.

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ob die Verhaltenserwartung als Pflicht qualifiziert oder dem Vertretenmüssen zugeordnet wird1440: Wird eine Verhaltenserwartung als Pflicht i.S.d. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB qualifiziert, muss der Schadensersatz verlangende Gläubiger ihre Verletzung vortragen und beweisen, während es Sache des Schuldners ist, ihre Maßgeblichkeit und Einhaltung darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn sie als Sorgfaltsanforderung im Rahmen des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eingeordnet wird. Die weitgehende Austauschbarkeit der Qualifikation gewährt dem Richter „große Spielräume“1441.

7.

Fazit

Die bei der Erbringung von Dienstleistungen einzuhaltenden Standards werden – soweit die Vertragsparteien sie nicht im Einzelfall individuell festgelegt haben – nach deutschem Vertragsrecht objektiv, d.h. gruppenbezogen und damit losgelöst von individuellen Unzulänglichkeiten des Schuldners bestimmt. Ein subjektiver Leistungsmaßstab ist mit vertragsrechtlichen Vorgaben, soweit er nicht eindeutig vereinbart ist, inkompatibel. Wenn in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt doch subjektive Kriterien i.S. individueller Unzulänglichkeiten Berücksichtigung finden, obwohl ihre Berücksichtigung nicht eindeutig vereinbart worden ist, ist dies aus vertragsrechtlicher Perspektive als dogmatisch inkonsequent abzulehnen. § 276 Abs. 2 BGB gibt mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt für die Fälle, in denen es an einer eindeutigen individuellen Übereinkunft über den maßgeblichen Standard fehlt, einen jedenfalls einzuhaltenden Mindeststandard vor, der nicht nur für die Qualifikation des Pflichtinhalts sondern – sofern das Vertretenmüssen des Schuldners sich auf ein Verschulden beschränkt – auch für das einschlägige Zurechnungskriterium maßgeblich ist. Daraus folgt notwendig, dass das Verschulden als Entlastungsmechanismus kaum einmal praktisch wird. Eine Differenzierung zwischen Pflichtverletzung und Vertretenmüssen ist der Rechtsfolgenseite vorbehalten, was eine weitgehende Steuerung der Darlegungs- und Beweislast durch den Richter ermöglicht1442.

II.

Die Diskussion im englischen Recht

Im englischen Recht bestehen bei der Beantwortung der Frage, wie weit die Charakterisierung des reasonable man durch weitere Umstände des Einzelfalls gehen darf, d.h. wie objektiv die Standardbestimmung ist, (ebenso wie im deutschem Recht) veranlasst durch vereinzelte Entscheidungen bisweilen Unsicherheiten. Einerseits wird festgestellt, irrelevant sei für die Frage von Schuldinhalt und breach, was das „honest best according to the skill and competence which he in fact possesses“ des Schuldners ist, „for in the law of negligence standards of care are always objec1440

Spickhoff, NJW 2002, 2530, 2532 f.; Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272, 274. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 566; PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 280 Rn. 19. 1442 Grundlegend zur Haftungsverlagerungen durch beweisrechtliche Mittel, Stoll, AcP 176 (1976), S. 145 ff. 1441

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197

tive“1443. Diskutiert wird ungeachtet dieser eindeutigen höchstrichterlichen Feststellungen – um ein Beispiel aus dem Dienstleistungskontext zu wählen –, ob es genügt, zur Determinierung der von einem Chrirugen erwarteten Sorgfalt von dem Standard des reasonable surgeon zu sprechen oder ob weitere Umstände heranzuziehen sind. Müsste auch der Erfahrungsgrad des Chirurgen eine Rolle spielen, würde der Schuldinhalt statt durch den reasonable surgeon z.B. durch den reasonable newly qualified surgeon oder den reasonable head physician determiniert. Diskutiert wird mit anderen Worten, ob der Standard bezüglich derselben Aufgabe bezugsgruppenintern ausdifferenziert werden oder der Standard selbst individualisierend variabel sein sollte1444. Das Inkrafttreten der s. 13 SGSA hat diese Frage nicht präjudiziert, da s. 13 SGSA zum einen bestimmte Dienstleistungen nicht erfasst1445 und es zum anderen möglich scheint, dass Attribut „reasonable“ in einem der vorgenannten Sinne auszulegen.

1.

Standardsenkung auf Grundlage des erkennbaren Erfahrungslevels?

Für unbefriedigend halten manche sowohl einen rein objektiven als auch einen rein subjektiven Ansatz. Einem rein subjektiven Ansatz wird zu Recht entgegengehalten, dass es unrealistisch und unpraktikabel wäre, den Standard stets an den konkret anzunehmenden Fähigkeiten des Beklagten auszurichten, um dessen Vorgehen dann an diesem subjektiven Standard zu messen1446. Gegen derartige Überlegungen hatte sich – für Fahranfänger – auch Megaw LJ in Nettleship v Weston ausgesprochen: “… if this doctrine were to apply, would not logic irresistibly demand that there should be something more than a single, conventional standard applicable to anyone who falls into the category of learner driver …? That standard itself would necessarily vary over a wide range, not merely with the actual progress of the learner, but also with the passengers’s knowledge of that progress.”1447 Diese Schwierigkeiten vermeidet ein objektiver Ansatz, den manche gleichwohl nicht uneingeschränkt gelten lassen wollen1448. Es sei nämlich unrealistisch, denselben Kompetenzstandard (und folglich Sorgfaltsstandard) von Personen zu verlangen, 1443

Mutual Life and Citizens’ Assurance Co Ltd v Evatt [1971] AC 793, 803 f. per Lord Diplock (PC). Diese zur deliktischen negligence-Haftung getroffenen Feststellungen gelten wegen der konzeptionellen Übereinstimmungen zwischen vertraglicher und deliktischer Feststellung des Vertragsbruchs im englischen Recht (dazu ab S. 117) für den vertraglichen Bereich gleichermaßen. 1444 Vgl. zu diesen Ansatzmöglichkeiten Kidner, (1991) 11 LS 1, 3. 1445 Vgl. ab S. 104. 1446 Jackson/Powell, Negligence, § 2–119. 1447 Nettleship v Weston [1971] 2 QB 691, 708 f.; eindeutig für einen rein objektiven Standard Mutual Life and Citizens’ Assurance Co Ltd v Evatt [1971] AC 793, 803 per Lord Diplock (PC). 1448 Jackson/Powell, Negligence, § 2–119; a.A. etwa Winfield/Jolowicz, Tort, §§ 5.53 ff.; Fischer, Haftung, S. 61 f. m.w.N.; vgl. zur Diskussion auch Honoré, Responsibility, 14, 16 ff.

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die zwar dieselbe Profession ausübten, jedoch auf erkennbar unterschiedlichem Erfahrungslevel (z.B. junior hospital doctor und consultant oder leading und junior counsel) stünden. Vor diesem Hintergrund müsse der objektive Ansatz mit subjektiven, nämlich personenbezogenen Elementen kombiniert werden: Das geschuldete Verhalten solle unter Bezugnahme auf einen Sorgfaltsstandard bestimmt werden, der den Angehörigen der betreffenden Profession angemessen sei, die denselben – durch Status und formalen Rang gekennzeichneten – Erfahrungslevel wie der jeweilige Schuldner innehätten. Eine Ausnahme – nämlich ein rein objektiv nach der übernommenen Aufgabe bestimmter Sorgfaltsstandard – solle nur in dem Fall gelten, in dem sich der Schuldner als Spezialist ausgibt. Dies sei gegenüber den Interessen beider Seiten angemessen, da der Dienstleister dann nicht ohne „personal fault“ hafte, während der Dienstleistungsempfänger adäquat dadurch geschützt sei, dass es normalerweise haftungsrelevante Fahrlässigkeit bedeute, eine Aufgabe zu übernehmen, die die eigene Kompetenz übersteigt1449. Zusammenfassend soll also die Behauptung besonderer Sachkunde sorgfaltssteigernd wirken, während – ohne entsprechende Behauptung – der geschuldete Sorgfaltsstandard parallel zum erkennbaren Erfahrungslevel zu bestimmen ist, sodass auch eine gemessen am Standard des durchschnittlich erfahrenen Dienstleisters unterdurchschnittliche Leistung als „angemessen“ gelten kann. Während der erste Ansatz durchaus den Vorgaben der Rechtsprechung entspricht und sich – wie zu zeigen sein wird – auch ohne weiteres vertragsrechtlich begründen lässt1450, scheint der zweite Maßstab (auch unter vertragsrechtlichen Gesichtspunkten) bedenklich.

2.

Die Untauglichkeit einer Argumentation mit dem Gleichheitssatz

Was sich in der Kritik ausdrückt, die in dem vorgenannten Lösungsvorschlag mündet, ist zunächst nicht weniger als ein Verstoß gegen den negativen Gleichheitssatz: Ungleiches, nämlich Personen von unterschiedlicher Kompetenz und unterschiedlichem Status, wird gleich behandelt, da – bezogen auf die jeweilige Aufgabe – alle Personen ein und denselben (Mindest-)Sorgfaltsstandard erreichen sollen. Das scheint nur auf den ersten Blick stringent. Denn die Gegenansicht kann sich ebenso auf den (diesmal positiven) Gleichheitssatz berufen: Wenn die unternommene Aufgabe dieselbe ist, darf für ihre Durchführung kein unterschiedlicher Standard gelten1451. An der Aufgabe selbst ändern die Kenntnisse und Fähigkeiten des sie Übernehmenden nämlich ebenso wenig etwas wie dessen „Rang“. Die Berufung auf den Gleichheitssatz stellt sich bei näherer Betrachtung indes für die eine Seite wie für die andere Seite als petitio principii heraus: Die Frage ist ja gerade, ob es auf die erkennbare Erfahrung und Position bzw. den „Rang“ des Dienstleisters ankommen soll oder – jedenfalls als Minimum – allein auf die Aufgabe.

1449 1450 1451

Jackson/Powell, Negligence, § 2–120. Vgl. ab S. 208. Die Position von Jones, Negligence, § 3–078; ders., in: Grubb, Principles, § 6.47, an die sich dieses Argument anlehnt, ist, wie später zu zeigen sein wird, in sich stimmiger.

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3.

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Die Irrelevanz ethisch-moralischer Vorwerfbarkeit

Die Anhänger der differenzierenden Ansicht werben dementsprechend mit dem weiteren Argument für ihre Lösung, dass den Interessen beider Seiten durch ihr Konzept angemessen Rechnung getragen werde. Der Hinweis, dass der Schuldner nach ihrer Lösung allein bei dem Vorliegen von „personal fault“ hafte, beinhaltet das Argument, nur unter dieser Voraussetzung sei eine Haftung angemessen. Auch dies scheint zweifelhaft. Unklar ist bereits, welche Bedeutung dem Attribut „personal“ zukommen soll. Insoweit scheinen zwei Interpretationen möglich: Zunächst könnte „personal fault“ individuelle Vorwerfbarkeit i.S. einer ethisch-moralischen Verfehlung bedeuten. Diese Identifizierung wäre jedoch unzulässig1452: Daran dürfte zunächst der Umstand, dass der damalige Sir Browne Wilkinson V-C in Wilsher v Essex Area Health Authority ganz ähnlich argumentiert hatte, nichts geändert haben. Dort war einem frühgeborenen Kleinstkind in einem Inkubator eine ganz überhöhte Sauerstoffdosis zugeführt worden. Dazu kam es, weil der zur Überwachung der Blutsauerstoffwerte notwendige Katheter durch einen unerfahrenen Arzt in eine Vene eingeführt worden war, statt – wie es richtig gewesen wäre – in eine Arterie. Dies war zwar per se nicht fahrlässig, weil ein derartiger Fehler unter den gegebenen Umständen auch einem angemessen kompetenten Arzt hätte widerfahren können. Die Positionierung war von dem jungen Arzt auch durch eine Röntgenuntersuchung überprüft worden, als der Überwachungsmonitor ungewöhnlich niedrige Blutsauerstoffwerte angab. Bei der Überprüfung der Röntgenbilder übersah er jedoch die Fehlpositionierung des Katheters. Derselbe Fehler unterlief auch einem von ihm hinzugezogenen erfahrenen Arzt, der sogar noch einen zweiten Katheter – leider in dieselbe Vene – eingeführt hatte. So wurde die Sauerstoffdosierung beibehalten. Das Kind litt später unter einer retrolentalen Fibroplasie1453, aufgrund der das Kind später wahrscheinlich erblindete. Über den von dem jungen Arzt zu fordernden Sorgfaltsstandard war der Court of Appeal uneins. Der damalige Sir Browne-Wilkinson V-C führte in seinem dissentierenden Votum zunächst aus, der Sorgfaltsstandard werde durch die Aufgabe vorgegeben: „The general standard of care required of a doctor is that he should exercise the skill of a skilled doctor in the treatment which he has taken upon himself to offer“1454. Damit befand er sich ebenso noch auf gewohntem Terrain wie mit der Feststellung, die Unerfahrenheit mit der betreffenden Aufgabe sei im Allgemeinen kein Entlastungsgrund: “Such being the general standard of care required of a doctor, it is normally no answer for him to say the treatment he gave was of a specialist or technical nature in which he was inexperienced. In such a case, the fault of the doctor lies in embarking on giving treatment which he could not skilfully offer: he should not 1452

Vgl. auch Kidner, (1991) 11 LS 1, 3. D.i. eine Augenerkrankung mit Bildung einer gefäßreichen Bindegewebsplatte hinter der Linse, die zumeist bei Frühgeburten auftritt und eine der häufigsten Ursachen (25–50%) der Erblindung im Kindesalter ist. 1454 Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801, 833 (CA). 1453

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have undertaken the treatment but should have referred the patient to someone possessing the necessary skills.”1455 Neuland betritt der Richter jedoch, als er diesen Grundsatz einschränkt: Für Personen, die gerade erst mit der Bearbeitung eines spezialisierten Aufgabengebiets begonnen hätten, um notwendige Erfahrungen zu sammeln, könne der vorstehende Grundsatz nicht ohne Einschränkungen gelten. Diesem Personenkreis könne nämlich fairerweise nicht deswegen ein „personal fault“ vorgeworfen werden, weil sie die Fähigkeiten, die sie erst erwerben wollten, noch nicht besäßen1456. Ähnliche Überlegung hat es zwar schon zuvor gegeben. So war bereits in Junor v McNicol erklärt worden, dass ein „house surgeon“ die Pflicht habe „[to] display the care and skill of a prudent qualified house surgeon, it being remembered that such a position was held by a comparative beginner“1457. Kennedy/Grubb bemerken dazu aber für die Praxis zutreffend: „Perhaps not too much should be read into this comment“1458. Es lässt sich nämlich nachweisen, dass es sich dabei um vereinzelt gebliebene Annahmen handelt. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass ein Fahrlässigkeitsvorwurf die Frage der moralischen Vorwerfbarkeit unberührt lässt1459. Er ist das Ergebnis einer objektiven Bewertung des Nichterreichens eines Standards, losgelöst davon, ob dieses Nichterreichen auf Gründen beruht, die dem Beklagten ethischmoralisch vorgeworfen werden könnten1460.

4.

Objektivierung qua Rechtsprechungspraxis

Sofern „personal fault“ vor diesem Hintergrund – bei Sir Browne-Wilkinson V-C und Jackson/Powell – die Unzulänglichkeit gemessen an den persönlichen Fähigkeiten meint, ist ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Gegen diesen Maßstab spricht zunächst ein von Jackson/Powell eingangs selbst befürwortetes pragmatisches Argument: die Vermeidung der offensichtlichen praktischen Schwierigkeiten der Gerichte – dasselbe gilt für den beweisbelasteten Gläubiger –, nachzuvollziehen und aufzuklären, ob und inwieweit das Verhalten des Schuldners gemessen an seinen Möglichkeiten defizitär war1461.

1455

Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801, 833 (CA). Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801, 833 (CA). 1457 Junor v McNicol, The Times, March 26, 1959 (zit. nach Jones, Negligence, § 3–075 m. Fn. 74). 1458 Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 420. 1459 Jones, Negligence, § 3–076. 1460 Vgl. zum Hintergrund dieser Überlegung Whitehouse v Jordan [1980] 1 All ER 650, 666 per Donaldson LJ (CA); Clark v MacLennan [1983] 1 All ER 416, 433 per Pain J (HC); vgl. auch Thake v Maurice [1984] 2 All ER 513, 523 per Pain J (QB). Zum deutschen Recht ebenso PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 276 Rn. 3. 1461 So für deliktische Fahrlässigkeit Wagner, in: Zimmermann, Grundstrukturen, S. 189, 265; T. Honoré, Responsibility, S. 14, 19 f. 1456

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Zu berücksichtigen sein dürfte ferner, dass Bezugspunkte, die außerhalb der übernommenen Aufgabe liegen, in geringerem Maße mit der klassisch objektiven1462 Ausrichtung der Sorgfaltsdeterminierung vereinbar sind1463. Grundlage der sorgfaltsabhängigen Haftung für Dienstleistungen dürfte historisch betrachtet nämlich einerseits das Versprechen, angemessene Sorgfalt zu üben, und andererseits die objektive Verletzung einer versprechensunabhängigen Sorgfaltspflicht (negligent misfeasence) gewesen sein1464. Ein Hinweis darauf, dass die Erfahrung desjenigen, der die Aufgabe übernommen hatte, dabei irgendeine Rolle spielte, findet sich nicht. Vielmehr muss der jeweilige Dienstleister seit jeher die innerhalb seiner Profession üblichen Standards erreichen1465. Dafür, dass schon zur Zeit der Jury-Prozesse die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs unter Bezugnahme auf die übernommene Aufgabe dem gerichtlichen Vorgehen entsprochen hat, sprechen ferner dieselben pragmatischen Überlegungen wie heute: Im 19. Jahrhundert wurden zwar die bis dahin notwendigen Klageformeln abgeschafft, Zivilprozesse aber weiterhin vor einer Jury durchgeführt. Die vom Gericht angeleiteten Geschworenen entschieden darüber, ob der Beklagte sich nicht genügend sorgfältig verhalten hatte. Um eine unerträgliche Entscheidungsdivergenz zu vermeiden, bedurfte es daher einer Leitlinie, mittels derer das Gericht der Jury den einschlägigen Standard verdeutlichen konnte1466. Der Standard musste dazu zumindest im Ansatz objektiv formuliert werden, da man eine Betrachtung der individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Beklagten – wie auch heute anerkannt ist – für ineffektiv hielt. Im Ergebnis führte dies zu einem objektiven, nach der äußeren Erscheinung des Verhaltens urteilenden sowie individuelle Unzulänglichkeiten und Besonderheiten weitestgehend vernachlässigenden Standard1467. Dies bot den Gerichten umgekehrt auch den Vorteil, den Standard nicht mit Blick auf den Gläubiger unpraktikabel subjektivieren oder eine solche Subjektivierung durch „self-serving testimony coloured by hindsight“ zulassen zu müssen1468.

a)

Die Irrelevanz mangelnder Erfahrung oder Sachkunde

Insofern wird in der Rechtsprechungspraxis ganz überwiegend ein objektiver Standard für maßgeblich gehalten1469. Das House of Lords hat sich – soweit erkennbar – nie 1462

MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 10. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.11; Jones, in: Grubb, Principles, §§ 6.46 f. 1464 Vgl. Simpson, History, S. 234 ff. 1465 Vgl. Simpson, History, S. 233 und näher ab S. 328. 1466 Nach Cooke/Oughton, Obligations, S. 221 haben vor allem die im Zuge der Industrialisierung stark vermehrt auftretenden accident cases diese Notwendigkeit besonders dringlich werden lassen. 1467 Cooke/Oughton, Obligations, S. 221. 1468 MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 11. 1469 Vgl. Cynat Products Ltd v Landbuild (Investment and Property) Ltd [1984] 3 All ER 513, 521 per Sir William Stabb QC (HC); ebenso Emden/Redmond-Cooper, §§ IV–1121, 1124; Shaw/ Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 21. 1463

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dahin geäußert, der relativ erkennbare Erfahrungslevel könne sich sorgfaltsmindernd auswirken. Dem dürfte auch insbesondere die Anwendung des Bolam-Tests entgegenwirken1470. Ein Beispiel dafür bieten die von Glidewell LJ in Wilsher getroffenen Feststellungen, nach denen auch auf Berufsanfänger schlicht und einfach der Bolam-Test seinem Wortlaut nach, d.h. ohne Qualifizierungen anzuwenden ist: “The suggested test would only hold such a doctor liable ‘for acts or omissions which a careful doctor with his qualifications and experience would not have done or omitted.’ With great respect, I do not believe this is the correct test. In my view, the law requires the trainee or learner to be judged by the same standard as his more experienced colleagues. If it did not, inexperience would frequently be urged as a defence to an action for professional negligence.”1471 Zugleich wird hier ein Motiv dafür aufgedeckt, dass die überwiegende Auffassung (bereits im deliktischen Kontext1472) einen objektiven Mindeststandard annimmt: Unerfahrenheit könnte und würde verstärkt als Entlastungsgrund eingesetzt werden. Dies soll nicht möglich sein. Vor diesem Hintergrund ist der von Glidewell LJ verfolgte Ansatz – vertraglich wie deliktisch – seit langem etabliert und vielfach bestätigt1473. Lediglich beispielhaft sei insoweit auf die in Djemal v Bexley Health Auhtority getroffenen Feststellungen verwiesen. Der Rechtsbeistand der Beklagten hatte dort vorgetragen, der maßgebliche Sorgfaltsstandard sei der eines „reasonably competent senior house officer of about four months experience in the job in 1988“, was dem Erfahrungsgrad des bei der beklagten angestellten Arztes entsprach, der den Kläger behandelt hatte. Das Gericht lehnte dies jedoch unter Bezugnahme auf Wilsher rundheraus ab: “… in my view that is not the test: the test to be applied to the facts is that of a reasonably competent senior houseman acting as a casualty officer without any reference to the length of experience”1474. Dieser im arzthaftungsrechtlichen Kontext formulierte Test entspricht den klassischen Anforderungen der Gerichte an professionelle Dienstleistungen. Für die Anwaltshaftung sind diese in Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp wie folgt formuliert worden:

1470

Zur Bedeutung der sprachlichen Formulierung des Tests vgl. ab S. 214. Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801, 831 (CA). 1472 Für das deutsche Recht ist dies umstritten, vgl. etwa ablehnend Koziol, AcP 196 (1996), 593, 596 ff.; mit ihm sympathisierend Canaris, VersR 2005, 577, 579 m. Fn. 14 u.w.N. 1473 Vgl. Jones, in: Grubb, Principles, § 6.47; ders., Negligence, § 3–077; Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56. 1474 Djemal v Bexley Health Auhtority [1995] 6 Med LR 269 per Sir Haydn Tudor Evans (HC, lexis); ebenso etwa Bova v Spring [1994] 5 Med LR 120 per Sedley J (HC, lexis): „It is common ground that the minimum standard of care to be expected of a trainee general practitioner is no lower than that to be expected of an experienced one“. 1471

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“Now no doubt the duties owed by a solicitor to his client are high, in the sense that he holds himself out as practising a highly skilled and exacting profession, but I think that the court must beware of imposing upon solicitors – or upon professional men in other spheres – duties which go beyond the scope of what they are requested and undertake to do. It may be that a particularly meticulous and conscientious practitioner would, in his client’s general interests, take it upon himself to pursue a line of inquiry beyond the strict limits comprehended by his instructions. But that is not the test. The test is what the reasonably competent practitioner would do having regard to the standards normally adopted in his profession, … the duty is directly related to the confines of the retainer.”1475 In dieselbe Richtung weisen für die Architektenhaftung die Entscheidungen Investors in Industry Commercial Properties Ltd v South Bedfordshire D C1476 und Nordic Holdings Ltd v Matt MacDonald Ltd1477. Das klassische Anforderungsprofil formulierte Bingham LJ in Eckersley v Binnie & Partners so: “… a professional man should command the corpus of knowledge which forms part of the professional equipment of the ordinary member of his profession. He should not lag behind other ordinarily assiduous and intelligent members of his profession in knowledge of new advances, discoveries and developments in his field. He should have such awareness as an ordinarily competent practitioner would have of the deficiences in his knowledge and the limitations on his skill. He should be alert to the hazards and risks inherent in any professional task he undertakes to the extent that other ordinarily competent members of the profession would be alert. He must bring to any professional task he undertakes no less expertise, skill and care than other ordinarily competent members of his profession would bring, but need bring no more. The standard is that of the reasonable average. The law does not require of a professional man that he be a paragon, combining the qualities of polymath and prophet.”1478 Das anders lautende Votum des damaligen Sir Browne-Wilkinson V-C in Wilsher hat insofern keine bleibenden Spuren hinterlassen. Auch das zwischen beiden Extremen stehende Votum von Mustill LJ in Wilsher wird man nicht dahin interpretiert dürfen, dass dort einer Subjektivierung das Wort geredet wird. Mustill LJ hatte in einem ersten Schritt die „notion of a duty tailored to the actor rather than to the act which he elects to perform“, d.h. die Abhängigkeit des Schuldinhalts vom konkreten 1475

Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 f. (HC). Vgl. Investors in Industry Commercial Properties Ltd v South Bedfordshire D [1986] 1 All ER 787, 806 ff. per Slade LJ (CA). 1477 Nordic Holdings Ltd v Matt MacDonald Ltd (2001) 77 Con LR 88, Tz. 82 per Judge Seymour QC (HC, lexis), der entscheidend auf die vertraglich übernommene Aufgabe abstellt. 1478 Eckersley v Binnie & Partners [1955–95] PNLR 348, 383 (CA). Bingham LJ dissentiert zwar im Ergebnis, nicht aber hinsichtlich des geltenden Standards. Zustimmed etwa J D Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associates Ltd [2000] Lloyd’s Rep PN 823 per Ward LJ (CA, lexis). 1476

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Schuldner abgelehnt, gleich darauf aber für die Bestimmung des Pflichteninhalts auf die funktionelle Position des Beklagten Bezug genommen und bemerkt, dass „the structure of hospital medicine envisages that the lower ranks will be occupied by those of whom it would be wrong to expect too much“1479. Da Mustill LJ mit „post“ jedoch die funktionelle Position und ausdrücklich nicht den Status, Rang oder Erfahrungslevel des Behandelnden meint1480, sind seine Feststellungen nicht dahin zu interpretieren, dass er den von Glidewell LJ formulierten Test abwandelt1481. Vielmehr dürfte der Lordrichter lediglich betonen wollen, dass der Standard, an dem sich ein Arzt messen lassen muss, zwar durch die übernommene Aufgabe vorgegeben wird1482, dass aber Ärzten auf niedrigerem hierarchischem Level vom Krankenhaus regelmäßig Aufgaben mit entsprechend „niedrigem“ Schwierigkeitsgrad übertragen erhalten. Losgelöst davon ist für die vertragliche Haftung professioneller Dienstleister – soweit ersichtlich – noch nie entschieden worden1483, dass der relativ (etwa aufgrund der funktionellen Position) erkennbare Erfahrungslevel des Schuldners die Sorgfaltsanforderungen abmildert1484. Der zu erreichende Mindeststandard berücksichtigt den Erfahrunglevel gerade nicht1485; unter Bezugnahme auf die jeweilige Profession ist vielmehr auf die vertraglich übernommene Aufgabe abzustellen1486.

b)

Dogmatische Begründung der Haftung für ein Unterschreiten des Mindeststandards aufgrund mangelnder Erfahrung

Das haftungsbegründende Verhalten liegt dabei – entgegen den Überlegungen von Sir Browne-Wilkinson V-C – folgerichtig nicht so sehr darin, dass der unerfahrene Dienstleister die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen nicht besitzt. Haftungs1479

Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] QB 730, 751 (CA). Eine Bezugnahme auf den Rang (rank) eines Ingenieurs findet sich auch in Gloucestershire Health Authority v Torpy (1997) ConLR 124 per Bowsher J (HC, lexis). 1480 Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] QB 730, 751 (CA). 1481 Im anderen Fall vor dem Hintergrund der anders lautenden übrigen Rechtsprechung ablehnend Jones, Negligence, § 3–077. 1482 Vgl. Djemal v Bexley Health Auhtority [1995] 6 Med LR 269 per Sir Haydn Tudor Evans (HC, lexis); ebenso Blackie, in: Fischer/Lilie, Verantwortung, S. 195, 211. 1483 Etwas anderes wird man auch der Entscheidung des House of Lords in Moy v. Pettman Smith [2005] 1 WLR 581 nicht entnehmen können, vgl. nur McFaddens (a firm) v Platford [2009] PNLR 26, Tz. 43 ff. per HJ TOULMIN CMG QC (TCC); irreführende Formulierung in Williams v. Leatherdale & Francis [2009] PNLR 15, Tz. 67 per Field J (QB). 1484 Dies ausdrücklich als „zweifellos“ verneinend Duchess of Argyll v Beuselinck [1972] 2 Lloyd’s Rep 172, 183 per Megarry J (HC). 1485 Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.10; Jones in: Grubb, Principles, § 6.01; Lapraik, in: Campbell, Professional Liability, S. 75; Fischer, Haftung, S. 61 f. 1486 Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.11; Jones, in: Grubb, Principles, §§ 6.46 f.; vgl. dazu auch R v Bateman (1925) 94 LJKB 791 per Lord Hewart CJ (lexis); Freeman and Anor v Marshall & Co (1966) 200 EG 777 per Lawton J (HC, lexis); a.A. Jackson/Powell, Negligence, § 2–119.

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begründend ist nicht ein konstituionelles Defizit, sondern die Übernahme und Durchführung der Aufgabe selbst1487: “As regards cases where incompetence is alleged, it is only necessary to say that the unqualified practitioner cannot claim to be measured by any lower standard than that which is applied to a qualified man … It is, no doubt, conceivable that a qualified man may be held liable for recklessly undertaking a case which he knew, or should have known, to be beyond his powers, or for making his patient the subject of reckless experiment.”1488 Dies gilt nicht allein für Berufsanfänger, sondern immer, wenn der Schuldner eine Aufgabe übernimmt, die ihn überfordert1489.

c)

Territorial differenzierte Objektivierung?

Eine jüngere Entscheidung des Court of Appeal hat indessen die Frage aufgeworfen, ob nicht der von einem solicitor geforderte Sorgfaltsstandard auch danach zu bemessen ist, vor welchem Gericht der beklagte solicitor für gewöhnlich auftritt.

aa) Geltung der locality rule? In Balamoan v Holden & Co war der Beklagte, der in einer ländlichen Kleinstadt praktizierte, von dem auf Prozesskostenhilfe angewiesenen späteren Kläger mit einer Klage aus nuisance mit verhältnismäßig geringem Anspruchsumfang mandatiert worden. Der Court of Appeal entschied, in derartigen Fällen sei kein allzu strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen, weil ein solicitor dort keine Kosten verursachen dürfe, für die von der Gegenseite kein Ersatz verlangt werden könne. In Höhe der so entstehenden Prozesskostenhilfegebühren verringere sich nämlich der Ersatzanspruch des Mandanten. Insofern komme den Feststellungen des lokalen circuit judge dazu, welche Sorgfalt von den lokalen solicitors verlangt werden könne, maßgebliche Bedeutung zu1490. Die letzte Schlussfolgerung ist nicht nachvollziehbar. Sie weckt Assoziationen zur sog. locality rule, die in manchen Common Law-Jurisdiktionen (vor allem den USA) verbreitet ist (bzw. war). Nach ihr wird jeder Anwalt lediglich anhand des Sorgfaltsmaßstabs gemessen, der – räumlich betrachtet – durch Anwälte in seinem Praxisgebiet festgelegt wird1491. 1487

Jones, Negligence, § 3–077; ders., in: Grubb, Principles, § 6.47; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 422; wohl auch Billins, Solicitors, § 4–14. 1488 R v Bateman (1925) 94 LJKB 791 per Lord Hewart CJ (lexis); vgl. auch Freeman and Anor v Marshall & Co (1966) 200 EG 777 per Lawton J (HC, lexis, estate agent, der sich als surveyor ausgibt). 1489 Jones, Negligence, § 3–077; ders., in: Grubb, Principles, § 6.47. 1490 Balamoan v Holden & Co [1999] 149 NLJ 898 per Brooke LJ (CA, lexis). 1491 Vgl. Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1194.

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bb) Erklärungsmuster für eine territoriale Differenzierung Hintergrund dieser Regel ist u.a. die Überlegung, dass Anwälten, die im ländlichen Raum praktizieren, regelmäßig die Recherchemöglichkeiten, finanziellen Mittel bzw. die speziellen Kenntnisse fehlen, die in Großstädten angesiedelte Anwälte besitzen. Ist dies sehr häufig der Fall, scheint es unvorteilhaft für die potentiellen Mandanten, wenn das Recht den „Land-Anwälten“ denselben Standard auferlegt wie „Stadt-Anwälten“, da erstere dann aus Angst vor Regressfällen mutmaßlich weniger Mandate annehmen1492. Man befürchtet also defensive Rechtsberatung1493.

cc) Kritik der locality rule Mit dieser Begründung dürfte die locality rule angesichts des Ausbildungsstands, der Besiedlungsdichte und der technischen Recherchemöglichkeiten englischer Anwälte zwar bereits für sich genommen inadäquat sein. Entscheidend gegen die Schlussfolgerung des Court of Appeal spricht jedoch insbesondere folgende Überlegung: Wenn die Gerichte schon in Fällen mit geringem Streitwert bei der Festlegung eines strengen (aber der Aufgabe angemessenen) Standards Zurückhaltung üben sollen, muss dies in allen Fällen mit geringem Streitwert gelten1494. Denn für den laut der Begründung des Court of Appeal entscheidenden Gesichtspunkt der Kostenverursachung spielen der Sitz des Gerichts und das räumliche Territorium der Berufsausübung überhaupt keine Rolle1495. Unabhängig von der Frage der Berechtigung des erzielten Ergebnisses kann die Schlussfolgerung des Court of Appeal auf diese Begründung gestützt also in keinem Fall überzeugen. Soweit daher der Sorgfaltsmaßstab von der übernommenen Aufgabe gelöst werden soll, dürfte die Entscheidung ein Einzelfall bleiben. Als Ansatzpunkt für ein breites distinguishing bietet sich die vom Court of Appeal selbst vorgenommene Begrenzung auf geringe Streitwerte an.

d)

Zum Umgang mit mangelnder Sachkunde oder Erfahrung

Von einer Vergünstigung aufgrund eines niedrigeren „Postens“ kann nach alledem keine Rede sein. Vielmehr müssen sich unerfahrene Dienstleister die notwendige Sachkunde oder Erfahrung beschaffen1496.

1492

Vgl. dazu Evans, Liabilities, § 4–03. Die Argumentation gleicht derjenigen, mit der die Rechtsprechung früher ihre restriktive Haltung gegenüber der ärztlichen Aufklärungspflicht zu begründen bemüht war. Vgl. dazu ab S. 446. 1494 Evans, Liabilities, § 4–03. 1495 Evans, Liabilities, § 4–03. 1496 Vgl. z.B. Mückl, RIW 2006, 742, 746 (Anwaltshaftung); dens., Jahrbuch Baurecht 2007, 269, 278 ff., 286 (Architektenhaftung). 1493

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

207

aa) Arzthaftung So muss jeder Arzt nicht nur die eigenen Grenzen kennen, sondern – wo dies erforderlich ist – auch den Rat oder Beistand eines erfahreneren Kollegen suchen bzw. den Patienten an ihn überweisen1497. Der unerfahrene Arzt erfüllt seine Sorgfaltspflicht gegenüber dem Patienten im Grunde sogar, wenn ihm ein Fehler unterläuft, dadurch, dass er sich bei der Behandlung durch einen angemessen erfahrenen Arzt beaufsichtigen lässt1498. Auf diese Weise dürfte auch den widerstreitenden Interessen des Patienten (angemessen sorgfältige Behandlung im konkreten Fall) und des unerfahrenen Arztes (Sammeln von praktischen Erfahrungen) zumindest im Ansatz Rechnung getragen sein.

bb) Architektenhaftung Entsprechendes ist für die Architektenhaftung entschieden worden. Besitzt der Architekt nicht den vom Klienten benötigten Sachverstand, erfordert die Ausübung angemessener Sorgfalt – parallel zu Art. 5:102 PELSC – eine entsprechende Unterrichtung des Klienten1499. Darüber hinaus wird der Architekt einen Auftrag, dem er nicht gewachsen ist, entweder ablehnen müssen oder sich den erforderlichen Sachverstand durch seinerseitige Beauftragung eines Spezialisten verschaffen bzw. dem Klienten dazu raten, entsprechend vorzugehen1500. Diese drei Wege der Haftungsvermeidung bzw. -weitergabe1501 hat Sir Walker Carter QC in der Sache Moresk Cleaners Ltd v Hicks aufgezeigt: “If the defendant was not able, because this form of reinforced concrete was a comparatively new form of construction, to design it himself, he had three courses 1497

Zu den Möglichkeiten einer Entlastung durch Rückgriff auf Dritte vgl. ab S. 534. Junor v McNicol, The Times, 26 March 1959 (zit. nach Jones, Negligence, § 3–079 m. Fn. 87): das House of Lords entschied, dass ein Chirurg, der sich auf die Instruktionen eines konsultierten Orthopäden verlassen hatte, nicht hafte. In Tanswell v Nelson, The Times, 11 February 1959 (zit. nach Jones, Negligence, § 3–079 m. Fn. 87), entschied McNair J, dass ein Zahnarzt sich auf die Auskunft eines Arztes über die Verträglichkeit von Antibiotika für den Patienten solange verlassen dürfe, als die Auskunft nicht mit den festgestellten Fakten offensichtlich unvereinbar sei. Ganz ähnlich Lloyd J in Matrix-Securities Ltd v Theodore Goddard [1998] STC 1 (HC, lexis) für die Pflichten von solicitors, gegenüber ihrem Mandanten die von einem barrister erhaltene Auskunft zu korrigieren. 1499 Vgl. Richard Roberts Holdings Ltd v Douglas Smith Stimson Partnership and Others (1988) 46 BLR 50 per Judge Newey QC (HC). 1500 Jackson/Powell, Negligence, § 8–141. 1501 Der Court of Appeal hat jüngst in Bellefield Computer Services Ltd v E Turner & Sons Ltd [2003 ] Const LJ 19(8), T159 (Westlawdokument S. 13) = [2003] Lloyd’s Rep PN 53 besätigt, dass allein die vom Klienten erteilte Genehmigung der Beauftragung eines Spezialisten durch den Unternehmer diesen von der Haftung für gefährliche Designdefekte entlastet. 1498

208

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

open to him. One was to say: ‘This is not my field’. The second was to go to the client, the building owner, and say: ‘This reinforced concrete is out of my line. I would like you to employ a structural engineer to deal with this aspect of the matter’. Or he can, while retaining responsibility for the design, himself seek the advice and assistance of a structural engineer, paying for his service out of his own pocket but having at any rate the satisfaction of knowing that if he acts upon that advice and it turns out to be wrong, the person whom he employed to give the advice will owe the same duty to him as he, the architect, owes to the building owner.”1502

5.

Die Unvereinbarkeit einer sorgfaltsmindernden Subjektivierung mit vertragsrechtlichen Vorgaben

Spezifisch aus vertragsrechtlicher Perspektive ist gegen die am erkennbaren Erfahrungslevel ansetzende Subjektivierung zur Standardsenkung ferner einzuwenden, dass eine derartige Fixierung des Sorgfaltsstandards in aller Regel den Parteivorstellungen nicht gerecht wird.

a)

Vertraglicher Auslegungsmaßstab

Die Vertragsauslegung richtet sich (zumindest in zweiter Linie) im englischen1503 und deutschen (§§ 133, 157 BGB) Recht ebenso wie in Art. 5:101 PECL, Art. II. – 8:101 DCFR nach objektiven Kriterien, nämlich nach dem Verständnishorizont eines objektiven Erklärungsempfängers1504. Diese Konzession des Vertragsrechts an einen von dem „wirklichen“ Willen der Parteien abstrahierenden Maßstab legitimiert sich aus den allseits bekannten Grenzen menschlicher Kommunikation1505. Dabei bilden die sprachlichen Erklärungen der Parteien den Ausgangspunkt der Interpretation1506. Doch sind nach deutschem, englischem sowie gemeineuropäischem Recht für die Bestimmung des Inhalts der vertraglichen Einigung – wenngleich in unterschiedlichem Umfang1507 – auch nonverbal kommunizierte Inhalte zu berücksichtigen (vgl. § 157 BGB, Art. 5:102 PECL). 1502

Vgl. dazu Moresk Cleaners Ltd v Hicks [1966] 2 Lloyd’s Rep 338, 343 (HC). Vgl. nur OT Africa Line Ltd v Vickers plc [1996] 1 Lloyd’s Rep 700, 702 per Mance J (HC); von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 346; Emden/Palmer, § I–731 ff.; Treitel, Contract, S. 1, 8, 306 m.w.N. 1504 Canaris/Grigoleit, in: Hartkamp u.a., Civil Code, S. 445, 449. 1505 Vgl. Reardon-Smith Line Ltd v Yngvar Hansen-Tangen [1976] 1 WLR 989, 996 per Lord Wilberforce (HL); Canaris/Grigoleit, in: Hartkamp u.a., Civil Code, S. 445, 452; Zweigert/ Kötz, Rechtsvergleichung, § 30 I (S. 396). 1506 Canaris/Grigoleit, in: Hartkamp u.a., Civil Code, S. 445, 453; Emden/Palmer, § I–731. 1507 Vgl. für das deutsche Recht etwa BGH, NJW-RR 2000, 1002, 1003; Palandt /Ellenberger, BGB § 133 Rn. 15 ff.; für das englische Recht etwa Lewison, Interpretation, §§ 2.08, 2.10 f.; 7.05; Emden/Palmer, §§ I–773 ff. 1503

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

209

Voraussetzung ihrer Berücksichtigung bei der Bestimmung des Vertragsinhalts ist jedoch ihre Erkennbarkeit für den „vernünftigen“ Vertragspartner, wobei „Erkennbarkeit“ nicht naturalistisch-empirische „Wahrnehmbarkeit“ bedeutet, sondern im Vertragsrecht normativ-funktional interpretiert werden muss1508. Das bedeutet vor allem, dass nur solche Umstände berücksichtigt werden können, die zumindest ein vernünftiger Dritter in der Position des Vertragspartners in ihrer Bedeutung für den Inhalt der ihm angebotenen Leistung erkennen und verwerten, d.h. verstehen kann1509: “The judicial task is not to discover the actual intentions of each party it is to decide what each was reasonably entitled to conclude from the attitude of the other”1510. Zu diesem Ergebnis gelangt man für das englische Recht auch über einen Rückschluss aus den Regeln der Vertragsergänzung durch implication in fact. Denn Voraussetzung der Vertragsergänzung ist insoweit, dass die Parteien den Inhalt der zu ergänzenden Klausel kennen, d.h. verstehen, da die hinzuzufügende Klausel dogmatisch betrachtet dem Parteiwillen entspringen muss1511.

b)

Die regelmäßige Unverwertbarkeit der Informationen „Erfahrungslevel“

Insofern stellt sich die Frage, ob das Kriterium eines in Grenzen erkennbaren „Erfahrungslevels“ von einem potentiellen Gläubiger des Dienstleisters im vorgenannten Sinn verstanden werden kann und deshalb bei der Bestimmung des Vertragsinhalts zu berücksichtigen ist. Die dies befürwortende Auffassung muss von einem entsprechenden Verständnis des Gläubigers ausgehen, wenn sie argumentiert, dass es unrealistisch sei, von Personen erkennbar unterschiedlicher Erfahrung denselben Sorgfaltsstandard zu verlangen1512. Für den Gläubiger ist jedoch typischerweise – selbst unter Zuhilfenahme des formalen Status – überhaupt nicht identifizierbar, welchen Erfahrungsgrad und welche Kenntnisse die konkrete Aufgabe erfordert1513. Genau vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung den professionellen Dienstleister gerade zur Aufklärung verpflichtet. Der irische Supreme Court beurteilt dies mit großer Klarheit: 1508 1509 1510

1511 1512

1513

BGHZ 36, 30, 33; Palandt /Ellenberger, BGB § 133 Rn. 9. Palandt /Ellenberger, BGB § 133 Rn. 9. Mc Cutcheon v David MacBrayne Ltd [1964] 1 WLR 125, 128 per Lord Reid (HL); Lewison, Interpretation, § 1.02. Vgl. ab S. 64. Explizite Auseinandersetzungen mit diesem Argument finden sich allerdings kaum (eine Ausnahme bildet Jones, Negligence, § 3–078. Zu seiner Argumentation sogleich im Text), was man als ein äußeres Kennzeichen dafür werten kann, dass es nur ganz vereinzelt befürwortet wird und in der täglichen Gerichtspraxis keine bemerkenswerte Rolle spielt. Ebenso Teff, Care, S. 169 und – unter Bezug auf unter Patienten durchgeführte Umfragen – MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 19.

210

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

“The doctor has to ask certain questions. The patient does not know what is important in the context of his illness. If the doctor does not ask those, obviously, the patient is not going to volunteer it so if [the defendant] was not told it is because he did not ask.”1514 Selbst wenn der Patient also Erfahrungsgrad und den funktionellen Posten des Dienstleisters naturalistisch-empirisch zutreffend erfasst, wird es ihm kaum jemals gelingen, diese Informationen in Bezug auf die abgefragte Dienstleistung umzusetzen. Ohne explizite Aufklärung kann er sie also nicht „verstehen“. Welcher Mandant kann bspw. bei Vertragsschluss schon beurteilen, ob das Mandat einen konkreten Anwalt bzw. eine bestimmte Sozietät überfordert? Welcher Patient kann einschätzen, ob der ihn behandelnde Arzt kompetent genug ist, um Röntgenaufnahmen zutreffend auszuwerten1515? Dass dies vielmehr regelmäßig nicht der Fall ist, folgt ganz zwanglos aus dem Umstand, dass die vertragsgemäße Leistung (sorgfältige Durchführung der Aufgabe) besondere Sachkunde erfordert, d.h. den Sachverstand, den ein Durchschnittsbürger gerade nicht besitzt. Wer aber die Schwierigkeit der Aufgabe nicht zu identifizieren vermag, für den ist notwendig auch eine reflektierte Einschätzung der Tauglichkeit desjenigen ausgeschlossen, der die Aufgabe vertraglich übernimmt. Die Gerichte gehen folgerichtig regelmäßig davon aus, dass dem Gläubiger die Identifizierung der Schwierigkeit der Aufgabe unmöglich ist, wie sich darin offenbart, dass dem Dienstleister umfassende Informationspflichten vor, während und u.U. auch nach der Aufgabendurchführung obliegen1516. Anderes kann gelten, wenn und soweit der Gläubiger selbst kompetent ist. Im Regelfall entlasten aber selbst Möglichkeiten des Gläubigers, die Leistung des Schuldners zu prüfen, den Schuldner nicht1517.

c)

Indizien für eine Objektivierung des Mindeststandards

Die Ansicht, der in Grenzen erkennbare Erfahrungslevel solle stets sorgfaltsmindernd berücksichtigt werden können, beruht mithin auf einer fehlerhaften Prämisse, nämlich der in Wahrheit typischerweise gerade nicht vorhandenen Fähigkeit des vernünftigen Gläubigers, die Aufgabe einzuschätzen.

1514

1515

1516 1517

Collins v Mid-Western Health Board [2000] 2 IR 154 Tz. 24 per Barron J (nordirischer HC, lexis). Vgl. dazu auch Djemal v Bexley Health Authority [1995] 6 Med LR 269 per Sir Haydn Tudor Evans (HC, lexis). So dürften die Eltern des frühgeborenen Kindes in Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801 (CA) dazu keinesfalls in der Lage gewesen sein. Vgl. ab S. 358. Vgl. dazu auf S. 212 und ab S. 399.

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

211

aa) Berücksichtigung des Erfahrungslevels nur im Ausnahmefall Anders mögen die Dinge u.U. liegen, wenn die Aufgabe ausnahmsweise selbst für Laien erkennbar schwierig ist (Bsp.: Gehirnoperation). Meidet der potentielle Gläubiger in diesem Fall von sich aus z.B. einen (unbeaufsichtigten) Berufsanfänger, sind die oben genannten Kriterien mangels Vertragsschlusses von vorneherein irrelevant. Entscheidet er sich hingegen für den (wahrscheinlich) ungeeingten Dienstleister und akzeptiert er das erhöhte Risiko einer objektiv minderwertigen Leistung, muss er sich – innerhalb der Grenzen für haftungsentlastende Vereinbarungen zugunsten des Dienstleisters1518 – an dieser bewussten Entscheidung festhalten lassen1519. Für eine derartige Schlussfolgerung dürften jedoch nur ganz seltene Extremfälle in Betracht kommen1520, in denen eindeutig ist, dass der Gläubiger seinen Willen erkennbar nicht an dem ausrichtet, was ein vernünftiger Dritter wollen würde. Denn die Vertragsauslegung misst dem Wortlaut der Erklärung in der englischen Praxis besondere Bedeutung zu und dieser wird von Seiten des Gläubigers aus – sofern gegen die Kompetenz des Schuldners nicht evident Bedenken bestehen – praktisch kaum jemals eine Bezugnahme auf den Erfahrungsstatus beinhalten. So wird der Patient vielmehr schlicht und einfach sein Leiden beschreiben, der Klient den Gebäudetypus, der ihm vorschwebt, und der Mandant dem Anwalt einen Sachverhalt (mit der Bitte um die Vorbereitung einer Klage). Englische Gerichte werden die Parteien insoweit mit Recht zunächst beim Wort nehmen1521.

bb) Regelmäßige Irrelevanz eigener Kompetenz des Gläubigers Vor diesem Hintergrund spielt es im Regelfall für den vertraglich geschuldeten Sorgfaltsstandard zu Recht – parallel zu Art. 1:103(7), 1:110(6), 6:108 PELSC – keine Rolle, ob der Gläubiger die objektive Minderwertigkeit der angebotenen Leistung erkennen kann, wie Judge Bowsher QC in der Entscheidung Sahib Foods Ltd v Paskin Kyriakides Sands deutlich gemacht hat: “A competent architect does not present a design that he knows to be deficient in an important respect and then discuss with the client whether the deficiency should be removed. Still less does he present such a design and say, I did not need to tell the client about the deficiency because the client already knew that such a feature was required. Take a simple example. An architect designs a house as a residence for a client who happens to be a surveyor and forgets to require a damp1518

Zu ihnen Dugdale/Stanton, Negligence, §§ 24.01 ff. Im englischen Deliktsrecht erfolgt, soweit von einem objektiven Standard ausgegangen wird, die Lösung dieses Problems bevorzugt über ein Mitverschulden des Geschädigten, vgl. dazu nur Kidner, (1991) 11 LS 1, 11 ff., 16 ff., 21 ff., der allerdings darauf hinweist, dass die Dogmatik des Mitverschuldens noch keinesfalls abschließend durchdrungen ist. 1520 Vgl. auch Teff, Care, S. 169: „… a whole range of problems relating to imperfect consumer information which cannot be adequately overcome except in a tiny minority of cases“. 1521 Vgl. nur Lewison, Interpretation, § 1–03. 1519

212

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

proof course under a parapet wall. If after construction the client complains, it is no answer for the architect to say, ‘Well you knew about the need for the damp proof course as well as I did.’ The architect is employed to use his own skill and judgment. There is no duty on the client who happens to have a particular skill to examine the architect’s designs and tell the architect where he has gone wrong. If I, as a lawyer, go to a solicitor for advice and pay him for it, I do not see why I should be criticised if I fail to do that solicitor’s work all over again and check whether he has got it right.”1522 Es ist nicht Aufgabe des Gläubigers in Form der Überwachung einen Teil gerade der Arbeit zu machen, für die er den Schuldner engagiert hat.

cc) Kein Mitverschulden des Gläubigers wegen unterlassener Aufklärung des Erfahrungslevels Auch ein Mitverschulden1523 ist dem Gläubiger, sofern der Schuldner ihn nicht über seine eigenen Defizite in ihrer Bedeutung für die übernommene Aufgabe aufklärt, folgerichtig nicht anzulasten, wie die Sache Richard Roberts Holdings Ltd v Douglas Smith Stimson Partnership belegt, in der die Kläger eine durch einen Brand zersörte Färberei mitsamt Abflusstank neu errichten wollten. Die Kläger engagierten den Beklagten als Architekten, der für sie bereits in mehreren Projektien tätig geworden war, aber – wie die Kläger wussten – keine Erfahrung mit der Auskleidung von Abflussbehältern besaß. Der Abflussbehälter in einer anderen Färberei der Kläger war von einem spezialisierten Ingenieur errichtet worden. Für die nun erneut zu errichtende Färberei wurde – trotz fehlender Erfahrung des Architekten – kein entsprechender Ingenieur engagiert. Man war sich darüber einig, dass der Architekt sich bei eventuellen Fragen an den entsprechend sachverständigen Werksleiter der anderen Färberei bzw. den dortigen Werksingenieur wenden konnte und sollte. Der Architekt erhielt von den Zweitbeklagten (EEC) ein (besonders billiges) Angebot für die Auskleidung des Tanks mit einem bestimmten Material. Auf eine Nachfrage des Architekten bezüglich der Lebensdauer dieses Materials antworteten die Zweitbeklagten nicht. Der Architekt deutete gegenüber den Klägern gleichwohl an, da alle wesentlichen Fragen geklärt seien, stimme er der Verwendung zu. Die Kläger erwarben daher das entsprechende Material von den Zweitbeklagten und verwendeten es. Dieses stellte sich jedoch bald als untauglich heraus. Die Kläger waren eng in die Auswahl des Auskleidungsmaterials involviert gewesen, gleichwohl haftete der beklagte Architekt, weil er die Kläger nicht auf die Untauglichkeit des Auskleidungsmaterials aufmerksam gemacht hatte. Denn ungeachtet ihrer engen Involvierung in die Materialauswahl durften sich die Kläger darauf verlassen, dass ihr Architekt sie – ungefragt – mit den relevanten Informationen versorgt. Das Argument des Architekten, er habe keine Beratung in Materialfragen berechnet und geglaubt das Ange1522

Sahib Foods Ltd and Co-Operative Insurance Society Ltd v Paskin Kyriakides Sands (a Firm) (2003) Con & Eng Law 8.1(62) Tz. 40 (HC, lexis). 1523 Vgl. dazu instruktiv von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 256.

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

213

bot sei informell an ihn weitergeleitet worden, hatte ebenso wenig Erfolg wie sein Argument, die Kläger hätten gewusst, dass er keinerlei Erfahrung mit diesem Aspekt der Arbeit gehabt habe. Der letzte Einwand wurde abgewiesen, weil der Architekt diesen Teil nicht spezifisch und ausdrücklich von seiner Designaufgabe ausgenommen hatte. Er hatte vertraglich – mangels ausdrücklich anders lautender Vereinbarung – schlicht und einfach das gesamte Design übernommen. Ein Mitverschulden sei den Klägern nicht anzulasten1524.

d)

Die Bedeutung der Gegenleistung des Schuldners

Die Entscheidung macht ferner deutlich, dass auch die Höhe der Gegenleistung (hier: Nichtberechnung der Materialberatung) in Bezug auf professionelle Dienstleistungen nicht ohne weiteres geeignet ist, den geschuldeten Sorgfaltsstandard abzusenken. Eine richterliche Bezugnahme auf dieses Kriterium findet sich kaum jemals, was zum einen mit der Formulierung der maßgeblichen Tests1525, zum anderen mit der historischen Irrelevanz der Gegenleistung für Anwälte und Ärzte1526 und schließlich damit zusammenhängen dürfte, dass vergleichsweise niedrige Preise nicht unbedingt eine geringerwertige Dienstleistung begründen sollen, sondern auch schlicht und einfach dem Wettbewerb geschuldet sein können. Wenn allerdings der veranschlagte Preis als „üblich“ gelten kann, fehlt dem Gläubiger ein (weiteres) Indiz für ein Verständnis der vertraglichen Vereinbarung, nach dem der Gläubiger – wegen der relativen Unerfahrenheit des Schuldners – eine geringerwertige Dienstleistung erhalten soll.

e)

„Materielle“ Begründung der Verpflichtung zum Erreichen des durchschnittlichen Standards

Eingedenk der vorstehenden Überlegungen, wird ein vernünftiger Dritter in der Position des Gläubigers die Information „Erfahrungslevel“ nicht „verstehen“, d.h. umsetzen können. In diesem Fall dürften diese Informationen folgerichtig für die Bestimmung des Inhalts der vertraglich geschuldeten Dienstleistung insofern irrelevant sein, als sich der Gläubiger – parallel zur Bewertung des DCFR, der PELSC sowie des deutschen Rechts1527 – grundsätzlich auf eine zumindest durchschnittliche Leistung verlassen können muss und darf. Dies lässt sich auch „materiell“ aus der Interessenlage begründen: Ist der Dienstleister aus der Sicht eines objektiven Sachkundigen für das Erreichen eines der Aufgabe angemessenen Sorgfaltsstandards ungeeignet, ist das Risiko einer objektiv minderwertigen Leistung (unter der Prämisse, dass der Schuldner in eigener Person leistet) der Vertragsdurchführung im konkreten Fall 1524

Richard Roberts Holdings Ltd v Douglas Smith Stimson Partnership (1988) 46 BLR 50 per Judge Newey QC (HC, lexis). 1525 Dazu sogleich ab S. 214. 1526 Dazu ab S. 331. 1527 Vgl. ab S. 165.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

immanent, was – wie dem Dienstleister bewusst sein dürfte – für den Gläubiger bei Vertragsschluss regelmäßig nicht zu erkennen ist. Insofern ist dem Gläubiger die Möglichkeit eines privatautonomen Schutzes vor Minderleistungen (Absehen von einem Vertragsschluss) typischerweise verwehrt. Klärt der Schuldner seinen potentiellen Gläubiger vor diesem Hintergrund nicht über seine Defizite auf, darf dieser ohne weiteres davon ausgehen, der Schuldner sei dazu in der Lage, mit der Sorgfalt eines angemessen erfahrenen Dienstleisters vorzugehen, und wolle sich vertraglich dazu verpflichten. Gegen diese Schlussfolgerung und für einen subjektivierten milderen Sorgfaltsstandard lässt sich insoweit nicht einwenden, es sei bei Vertragsschluss ja nahezu niemals abzusehen, ob es – objektiv betrachtet – zu einer Minderleistung kommen werde. Das ist zwar für sich genommen richtig, geht aber an der Sache vorbei: Die Frage ist, ob man eine objektive Minderleistung allein deshalb als vertraglich geschuldet qualifizieren sollte, weil ihr Eintreten bei einem objektiv ungeeigneten Dienstleister wahrscheinlicher (bzw. sicher) ist. Anders gefragt: Soll man allein aus diesem Grund eine objektive Minderleistung entgegen den Erwartungen eines vernünftigen Durchschnittsbürgers in eine vertragsgerechte Leistung „umdefinieren“? Das scheint mit den Verkehrserwartungen von vorneherein unvereinbar.

f)

Die Vertragsauslegung vor dem Hintergrund des Wortlauts des Bolam-Tests

Ob die vorstehenden Überlegungen die englische Rechtsprechung und Literatur im vertraglichen Kontext dazu veranlassen, zur Determinierung des Sorgfaltsstandards auf einen für die Durchführung der Aufgabe angemessen sachkundigen und sorgfältigen Berufsangehörigen Bezug zu nehmen, lässt sich nicht vollkommen sicher sagen. Denn der Wortlaut des meistzierten Standards für die Haftung für professionelle Tätigkeit, des so genannten Bolam-Tests1528, lädt nicht gerade zur Kommunikation richterlicher Überlegungen ein: „The test is the standard of the ordinary skilled man exercising and professing to have that special skill“1529. Der Standard ist danach wortwörtlich der des „ordinary skilled man“. Eine Bezugnahme auf den immerhin in Grenzen erkennbaren Erfahrungslevel findet nicht statt. Das Abstellen auf derartige Faktoren hat dementsprechend keine Tradition und kann sich jedenfalls auf den maßgeblichen Test nicht berufen.

C.

Umstände des Einzelfalls und Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Zusammenfassen lassen sich die bisherigen Überlegungen zum Vertragsinhalt bei sorgfaltsabhängigem Leistungsgegenstand dahin, dass nach englischem, deutschem Recht sowie in den Principles und dem DCFR ein objektiv determinierter Mindeststandard geschuldet ist. Unterschiede haben sich zwischen den untersuchten Rechten insofern ergeben, als das englische und deutsche Recht den Vertragsinhalt beruf1528 1529

Zu ihm näher ab S. 245. Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 587 per McNair J (HC).

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gruppenspezifisch ausdifferenzieren, während die Modellregeln die übernommene Aufgabe in den Vordergrund stellen, ohne dass stets unmittelbar auf die Berufsgruppe, der sich der Schuldner erkennbar zuordnet, Bezug zu nehmen wäre. Diese erste Konkretisierung ermöglicht allerdings noch keine abschließende Bewertung der Leistung. Denn losgelöst von den Umständen des Einzelfalls lässt sich mangels eines konkreten Vergleichsmaßstabs die erbrachte Leistung nicht auf der geschuldeten Leistung ablichten. Insofern ist der Frage nachzugehen, welche Umstände des Einzelfalls neben der übernommenen Aufgabe und – in den nationalen Rechten – der Berufsgruppe, der sich der Schuldner erkennbar zuordnet, auf welche Weise allgemein zu berücksichtigen sind1530.

I.

Die allgemeinen Konkretisierungskriterien der PELSC und des DCFR

1.

Die Grundnormen Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR

Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR gibt nach der Vorstellung der Verfasser der PELSC die wichtigsten allgemeinen Konkretisierungskritierien (d.h. Umstände des Einzelfalls i.S.d. Art. 1:107(1) PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR) vor. Die dort normierten Kriterien sind daher nicht abschließend formuliert; weitere oder andere Kriterien dürfen Berücksichtigung finden1531. Nach Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR sind zu berücksichtigen: die Natur, das Ausmaß, die Häufigkeit und die Voraussehbarkeit der mit der Leistungserbringung einhergehenden Risiken. Außerdem müssen – sofern ein Schaden eingetreten ist – die für eine Vermeidung dieses oder eines ähnlichen Schadens erforderlichen Kosten Berücksichtigung finden. Gemäß Art. 1:107(4)(c) PELSC ist ferner danach zu differenzieren, ob die Leistung von einem „professional“ oder von einem Laien erbracht wurde, sowie danach, ob ein Entgelt vereinbart war oder die Leistung gratis erfolgen sollte. Generell bedeutsam ist folgerichtig gemäß Art. 1:107(4)(d) PELSC die Höhe der Gegenleistung. Gleiches gilt grundsätzlich nach Art. IV.C. – 2:105(4)(c), (d) DCFR: Danach ist neben dem „Ob“ und der Höhe einer etwaigen Vergütung zu berücksichtigen, dass die Leistung im Rahmen eines „business“ i.S.d. Annex I zum DCFR, also geschäftsmäßig erbracht wird. Schließlich ist der vernünftigerweise für die Leistungserbringung zur Verfügung stehenden Zeit Rechnung zu tragen (Art. 1:107(4)(e) PELSC, IV.C. – 2:105(4)(e) DCFR). Die Fähigkeiten des Schuldners gehören hingegen – dürfen wir im Umkehrschluss aus der Benennung der „most relevant“ Kriterien in Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR folgern – nicht zu den wichtigsten Faktoren1532. Da die vorgenannten, u.U. noch durch andere Faktoren ergänzten Kriterien und erst recht ihre Abwägungen gegeneinander kaum jemals einer exakten Quantifizierung zugänglich sind, erlauben sie nicht die Bildung fester Tatbestände. Eine solche war angesichts des generalklauselartigen Charakters des Art. 1:107(1) PELSC, 1530

Zu einzelnen praktisch wichtigen Sonderfragen der Leistungskonkretisierung vgl. ab S. 459. 1531 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:107. 1532 Vgl. ab S. 165.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

IV.C. – 2:105(1) DCFR wahrscheinlich auch gar nicht beabsichtigt. Möglich dürfte aber die Bildung „komparativer“ Sätze nach Art eines „beweglichen Systems“1533 sein, sodass sich immerhin sagen lässt: Je gefährlicher die Art, größer das Ausmaß, höher die Häufigkeit und eher die Voraussehbarkeit der mit der Leistungserbringung einhergehenden Risiken sind, je geringer die für eine Vermeidung des eingetretenen oder eines ähnlichen Schadens erforderlichen Kosten sind, je höher die Vergütung des Schuldners ist und je mehr Zeit für die Dienstleistung zur Verfügung stand, desto mehr Sorgfalt und Sachkunde ist geschuldet. Die Geltung eines bestimmten Standards setzt dabei nicht das Zusammentreffen aller oder bestimmter Kriterien in jedem Fall voraus, sondern kann sich aus beliebigen Kombinationen der Kriterien ergeben, die wiederum in verschiedenen Stärkegraden gegeben sein können1534.

2.

Konkretisierung durch dienstleistungstypenspezifische Vorgaben

Diese recht komplexe Bewertung wird teilweise durch die Formulierung konkreter, aus der Verpflichtung gemäß Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR zu folgernder Pflichten erleichtert, die allerdings eine Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR entsprechende Bewertung nur begrenzt erübrigen. Denn die Frage, ob diese Pflichten im Einzelfall verletzt wurden, indem der Schuldner bei dem Versuch, ihnen nachzukommen, nicht angemessen sorgfältig und sachkundig (Art. 1:107(1) PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR) vorgegangen ist, lässt sich ohne eine anhand der Umstände des Einzelfalls erfolgende Bewertung nach Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR nicht beantworten. Immerhin wird die globale Verpflichtung zu Sorgfalt und Sachkunde aber im „Besonderen Teil“ der PELSC bzw. des DCFR situationsbezogen (beispielhaft) in unterschiedlich intensiver Weise ausdifferenziert. Den geringsten Konkretisierungsgewinn erzielen Art. 7:104 PELSC, IV.C. – 8:104 DCFR, nach dessen Absatz 1 der Behandelnde gemäß Art. 1:107 PELSC dazu verpflichtet ist, den Patienten mit der Sorgfalt und Sachkunde zu behandeln, die ein vernünftiger Sorgfalt und Sachkunde ausübender „treatment provider“ in der konkreten Situation würde walten lassen. Damit ist gegenüber Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR kaum etwas gewonnen. Immerhin stellen Art. 7:104(2) PELSC, IV.C. – 8:104(2) DCFR klar, dass ein „treatment provider“, der den gemäß Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR geschuldeten Sorgfalts- und Sachkundestandard nicht besitzt, den Patienten an einen anderen Dienstleister, der dem Standard des Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR gerecht werden kann, überweisen muss. Deutlich differenzierter sind die Vorgaben der Art. 5:104 PELSC, IV.C. – 6:103 DCFR für Designverträge. So ist der Designer (d.h. auch: der planende Architekt) gemäß Art. 5:104(a) PELSC, IV.C. – 6:103(a) DCFR nach Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR verpflichtet, seine Designarbeiten auf die Arbeiten anderer Dienstleister, mit denen der Klient kontrahiert hat, abzustimmen, um so eine effiziente 1533

Zum Konzept eines beweglichen Systems (praktisch entwickelt anhand des Haftungsrechts) Wilburg, Elemente, S. 26 ff., 283 ff.; ders., Entwicklung, S. 12 ff.; (methodologisch) Bydlinski, Methodenlehre, S. 529 ff. 1534 Vgl. so für die Schadenshaftung Wilburg, Elemente, S. 28.

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Durchführung aller involvierten Dienstleistungen zu ermöglichen. Daher hat er die Arbeiten anderer Dienstleister in sein Design zu intergrieren, die notwendig sind, um sicherzustellen, dass das Design den Anforderungen der Art. 5:105 PELSC1535, IV.C. – 6:104 DCFR enspricht (Art. 5:104(b) PELSC, IV.C. – 6:103(b) DCFR). Ferner muss er jede Information einbeziehen, die für das Verständnis eines gewöhnlich kompetenten Nutzers des Designs zu dessen Nutzung erforderlich ist. Sofern dem Designer bei Vertragsschluss ein spezifischer Nutzer bekannt war, muss er die einzubeziehenden Informationen allerdings auf dessen Kompetenz zuschneiden (Art. 5:104(c) PELSC, IV.C. – 6:103(c) DCFR). Stets hat er dem Nutzer eine Nutzung ohne Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorgaben oder die Beeinträchtigung von Rechten Dritter – soweit er diese kennt oder seine Kenntnis von ihnen vernünftigerweise erwartet werden kann – zu ermöglichen (Art. 5:104(d) PELSC, IV.C. – 6:103(d) DCFR). Schließlich muss sein Design eine ökonomische und technisch effiziente Realisierung gestatten (Art. 5:104(e) PELSC, IV.C. – 6:103(e) DCFR). Am Detailliertesten fallen die Vorgaben für Informationsverträge nach Art. 6:104 PELSC, IV.C. – 7:104 DCFR aus, die im Zusammenhang mit den sonstigen Aufklärungs- und Beratungspflichten der hier untersuchten Dienstleister vorgestellt werden1536 und insofern nicht vorweggenommen werden sollen.

II.

Konkretisierung der relevanten Umstände des Einzefalls im englischen Recht

Zu den für die Sorgfaltsbestimmung relevanten Umständen zählen hingegen im englischen Recht – neben der beruflichen Bezugsgruppe, in die sich der Schuldner einordnet – stets die tatsächlichen Bedingungen, unter denen die Dienstleistung erbracht wird, die also die durchzuführende Aufgabe und nicht den Durchführenden selbst beschreiben1537. Im Architektenhaftungsrecht ist also z.B. die Art des Untergrunds, auf dem das Gebäude errichtet werden soll, relevant1538. Denn nur anhand derartiger Spezifika lässt sich ermitteln, welche Maßnahmen im konkreten Fall hätten getroffen (bzw. unterlassen) werden müssen, um die Realisierung eines Schadensrisikos zu vermeiden.

1.

Aufwand-Nutzen-Analyse

Von den Umständen des Einzelfalls hängt nämlich zum einen ab, wie hoch das Risiko des Eintritts eines bestimmten Schadens und wie groß dieser potentielle Schaden ist1539. Zum anderen lässt sich – u.U. als sorgfaltsmildernder Faktor im Rahmen etwaiger policy considerations – auch nur anhand ihrer bestimmen, wie nützlich das 1535

Zu diesen Anforderungen ab S. 621. Vgl. ab S. 365. 1537 Kidner, (1991) 11 LS 1, 5. 1538 Vgl. z.B. Wimpey Construction U Ltd v Poole [1984] 2 Lloyd’s Rep 499, 505 (HC). 1539 Vgl. zur Relevanz dieser Gesichtspunkte für die Bestimmung des geschuldeten Sorgfaltsstandards bspw. Lowe v Havering Hospitals NHS Trust (2001) 62 BMLR 69 per Crawford J 1536

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Eingehen gewisser Gefahren im konkreten Fall gewesen sein mag bzw. wie praktikabel oder teuer die Risikovermeidung war1540. Die Prüfung der Verletzung der duty to take reasonable care wird durch die auf der Basis dieser Faktoren zu erstellende AufwandNutzen-Analyse nachgerade dominiert, wenngleich sich die Gerichte zu ihr selten so offen bekennen1541 wie Gross J in Reynolds v North Tyneside Healt Authority: “Negligence, in the sense of breach of duty, involves the failure on the part of the Defendant […] to exercise reasonable skill and care in respect of […] the Claimant. In this regard: […] Generally, in considering whether some precaution should be taken against a foreseeable risk, it is necessary to weigh: (i) the magnitude of the risk; (ii) the gravity of the consequences should the risk materialise; (iii) the difficulty and cost of taking the precaution in question; (iv) any other disadvantages (including downside risks) of taking the precaution […]. Close attention must be paid to the particular circumstances. In some situations, ordinary life would be impossible if precautions had to be taken against every foreseeable risk, no matter how remote […]. By contrast, in other situations, a reasonable man would not ignore a small risk (provided it was a real risk as opposed to being far-fetched or fanciful) if action to eliminate it presented no difficulty, involved no disadvantage and required no expense – in short, unless there was a valid reason for neglecting it […].”1542 Das Eingehen hoher Risiken muss dabei keinesfalls immer und per se fahrlässig sein. Vielmehr können etwa Notlagen den Dienstleister berechtigterweise dazu veranlassen, weniger oder geringerwertige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, als dies im Idealfall oder unter gewöhnlichen Umständen erforderlich wäre1543. Damit wird nicht einer Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs das Wort geredet, weil es insoweit nicht die Konstitution des Dienstleisters, sondern die übernommene Aufgabe ist, die die Qualität des Pflichtinhalts beeinflusst. Umgekehrt ist ebenso denkbar, dass das Eingehen selbst sehr geringer Risiken als unangemessen qualifiziert wird, wenn es leicht möglich ist, sich gegen ihre Realisierung abzusichern oder die Risikoeingehung keinen Vorteil verspricht1544. Auch kann bspw. die unterdurchschnittliche Kondition des Gläubigers die erforderliche Sorgfalt erhöhen1545, während besondere Fähigkeiten (HC, lexis); zur Notwendigkeit einer Risikoabwägung Bolitho v City and Hackney Health Authority [1998] AC 232, 243 per Lord Browne-Wilkinson (HL). 1540 Charlesworth /Percy, Negligence, § 6–09 ff.; Winfield/Jolowicz, Tort, §§ 5.57 ff.; Buckley, Negligence, §§ 2.04 ff. m.w.N.; vgl. auch Fischer, Haftung, S. 62 f. 1541 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 342 m.w.N. 1542 Reynolds v North Tyneside Healt Authority, 30.5.2002, per Gross J (HC, lexis); s. aber z.B. auch G & K Ladenbau (UK) Ltd v Crawley & de Reya (a firm) [1978] 1 All ER 682, 701 f. per Mocatta J (HC). 1543 Vgl. zum Sorgfaltsstandard für ärztliche Dienstleistungen in Notfällen Jones, Negligence, §§ 3–086 ff. 1544 Vgl. G & K Ladenbau (UK) Ltd v Crawley and de Reya [1978] 1 All ER 682, 701 f. per Mocatta J (HC); Reynolds v North Tyneside Health Authority, 30.5.2002, per Gross J (HC, lexis).

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

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oder Kenntnisse des Gläubigers die Anforderungen an die Sorgfalt des Dienstleisers zwar zu senken vermögen1546, jedoch nicht unter den Standard, der von einem durchschnittlichen Dienstleister erwartet werden kann. Kenntnisse und Fähigkeiten des Gläubigers können nämlich, wie erörtert, grundsätzlich keine unterdurchschnittliche Leistung rechtfertigen1547. Zurückgewiesen wurde bspw. – parallel zu Art. 1:103(7), 1:110(6), 6:108 PELSC, IV.C. – 1:202(7), 2:108(6), 7:108 DCFR – das Argument, eine fehlerhafte Auskunft stelle deswegen keinen Vertragsbruch dar, weil der Klient (bzw. seine Angestellten) die Fähigkeit besaßen, die Fehlerhaftigkeit der Aussage bei eigener Untersuchung festzustellen1548.

2.

Maßgeblicher Zeitpunkt und rechtliche Qualifikation der Abwägungsentscheidung

Welcher Sorgfaltsstandard angemessen ist, wird zwar von Rechts wegen festgelegt1549. Die wichtige Frage, welches Verhalten ihm genügt, d.h. ob ein Vertragsbruch vorliegt, hängt indessen, wie gesagt, vollkommen von den Umständen des Einzelfalls ab1550 und ist nach englischem Recht als Tatfrage zu qualifizieren1551. Um diese zu beantworten, wird das Gericht alle relevanten Umstände daraufhin abwägen, ob das Verhalten des Beklagten angesichts der konkreten Fakten als angemessene Reaktion zu bewerten ist1552, und sich dabei in die vor der Risikorealisierung bestehende Situation versetzen. Denn bei der Beurteilung des Verhaltens des Beklagten ist zu fragen, inwieweit das jeweilige Risiko und seine Realisierung im Zeitpunkt seines Tuns oder Unterlassens vorhersehbar waren1553. Dies ist bei neuartigen Entwicklun1545

Vgl. z.B. Kirkham v Chief Constable of the Greater Manchester Police [1990] 2 QB 283, 289 per Lloyd LJ (CA). Im Anwaltshaftungsrecht kann deswegen eine Wiederholung des anwaltlichen Rates oder eine entsprechende Erinnerung erforderlich werden, vgl. ab S. 376. 1546 Qualcast (Wolverhampton) Ltd v Haynes [1959] AC 743, 754 per Lord Radcliffe (HL); Carradine Properties Ltd v D Freeman & Co (a firm) (1982) 126 SJ 157 (CA, lexis); Lapraik, in: Campbell, Professional Liability, S. 75. 1547 Vgl. ab S. 196. 1548 BL Holdings Ltd v Robert J Wood & Partners (1978) 10 BLR 48 per Gibson J (HC, lexis). 1549 Qualcast (Wolverhampton) Ltd v Haynes [1959] AC 743, 757 f. per Lord Sommervell (HL); Charlesworth/Percy, Negligence, § 6–50; Jones in: Grubb, Principles, § 6.01; Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56. Daran ändert der Bolam-Test nach richtiger und in jüngerer Zeit auch von den Gerichten in Arzthaftungsprozessen erneut verstärkt befürworteter Auffassung nichts. Vgl. dazu ab S. 283. 1550 Qualcast (Wolverhampton) Ltd v Haynes [1959] AC 743, 757 f. per Lord Sommervell (HL); Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.07. 1551 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 349 ff. 1552 Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.07; Winfield/Jolowicz, Tort, §§ 5.52 ff. 1553 Vgl. z.B. Wimpey Construction UK Ltd v Poole [1984] 2 Lloyd’s Rep 499, 507 per Webster J (HC); Gascoine v Ian Sheridan & Co [1994] 5 Med LR 437 per Mitchell J (HC, lexis); allgemein Charlesworth/Percy, Negligence, § 6– 43; Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.05; für solicitors Lapraik, in: Campbell, Professional Liability, S. 75; für die Planungshaftung Cornes, Design, § 4.13.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

gen in Rechnung zu stellen1554. Wichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass diese Zeitregel es keinesfalls gestattet, sich auf dem erreichten Kenntnisstand auszuruhen. Im Gegenteil, von jedem professionellen Dienstleister wird erwartet, dass er seine Kenntnisse laufend aktualisiert und sich (so) gegen potentielle Risiken schützt1555. Generell kann – insbesondere dort, wo das Tätigwerden experimentellen Charakter besitzt – nicht darauf vertraut werden, dass die relative Unkenntnis potentieller Risiken haftungsentlastend wirkt1556.

III. Die Grundmechanismen zur Konkretisierung der Sorgfaltsanforderungen nach deutschem Recht Für das deutsche Recht der Vertragshaftung gilt, nicht anders als für das englische Recht und auch die Principles sowie den DCFR, dass sich das Ausmaß der Sorgfaltsanforderungen in erster Linie nach dem Inhalt des jeweiligen Vertrages richtet1557. Maßgeblich sind im Vertragsrecht nicht die allgemeinen Verhaltenspflichten der Deliktsordnung, sondern die Anforderungen, die der Vertrag nach dem Willen der Parteien an das Verhalten der Vertragsparteien stellt1558. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB stellt dies durch Bezugnahme auch auf die privatautonome Bestimmung des Haftungsstandards sowie den sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses ausdrücklich klar. In diesem Rahmen ist die Höhe von Leistung und Gegenleistung (die allerdings im Dienstleistungskontext gesetzlich (RVG) oder durch Honorarordnungen (HOAI) bisweilen jedenfalls nach „unten“ hin standardisiert ist und insoweit nicht haftungsentlastend wirkt) ebenso zu berücksichtigen1559 wie die Stellung des Vertragspartners im arbeitsteiligen Wirtschaftsprozess1560.

1.

Die Bedeutung der Differenzierung nach Verkehrskreisen

Auch vertraglich objektiviert das deutsche Recht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und differenziert dabei, wie berichtet, zunächst nach Verkehrskreisen. Wenn – wie z.B. beim Beruf des Heilpraktikers1561 – kein hinreichend homogener Verkehrskreis existiert, tritt die erforderliche Interessenabwägung stärker in den Blick1562. Eine solche hat freilich in jedem Fall, d.h. auch dann stattzufinden, wenn ein bestimmter Verkehrskreis maßgeblich ist. Es gibt nämlich keine verkehrserforderliche 1554

Vgl. ab S. 463. Vgl. ab S. 493. 1556 Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.06. Zu innovativem Vorgehen vgl. ab S. 459. 1557 Soergel /Wolf, BGB § 276 Rn. 87 f.; Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 39. 1558 Vgl. für viele nur Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 14. 1559 RGZ 113, 425, 426; BGH, NJW 1972, 150, 152; Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 39. 1560 BGH, BB 1977, 1117 f.; Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 39. 1561 Vgl. Taupitz, NJW 1991, 1505. 1562 Vgl. etwa Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 25 ff. 1555

§ 8 Grundlagen der Vertragsinhaltsbestimmung bei Verpflichtung zu Sorgfalt und Geschick

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Sorgfalt schlechthin1563. Die „Anforderungen an den Verkehrskreis“ stellen insofern nichts anderes dar als die standardisierten Ergebnisse dieser Interessenbewertung bei der Übernahme einer bestimmten Aufgabe durch einen Schuldner, der sich erkennbar einer mit bestimmten Fähigkeiten ausgestatten Gruppe zuordnet1564. Dass kein auf den Schuldner zugeschnittener berufstypischer Verkehrskreis existiert, schadet also nicht. Das Fehlen eines hinreichend homogenen Verkehrskreises steht nämlich – wie der BGH mit Urteil vom 29.1.19911565 deutlich gemacht hat – einer Konkretisierung des maßgeblichen Standards durch eine Anleihe bei der Berufsgruppe, die sich typischerweise mit den in Rede stehenden Aufgaben beschäftigt, nicht entgegen. Denn damit wird nicht unzulässig der Standard einer spezialisierten Berufsgruppe auf eine – auch nach der Verkehrsauffassung – weniger qualifizierte Berufsgruppe oder Einzelperson übertragen1566. Vielmehr wird zur Konkretisierung und Identifizierung der durch die Aufgabe vorgegebenen äußeren Bedingungen, von denen die im Einzelfall erforderlichen Sorgfaltsmaßnahmen nun einmal abhängen, aus dem Umgang einer auf die jeweilige Aufgabe spezialisierten Gruppe mit dieser Aufgabe auf die in jedem Fall (Mindestmaß) erforderlichen Maßnahmen zurückgeschlossen. Um zu unserem Beispiel zurückzukehren: Auf den Umweg über die Standards der Ärzteschaft wird unter Berücksichtigung der beide Gruppen (Ärzte und Heilpraktiker) unterschiedlich einschätzenden Verkehrsauffassung, d.h. durch Ausblenden der ärztlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die vernünftigerweise nicht durch die Aufgabe vorgegeben sind, der Standard festgelegt, der der übernommenen Aufgabe angemessen ist1567: der aufgabenangemessene Standard als Mindeststandard. Möglich ist dabei freilich, dass sich der einer bestimmten Berufsgruppe zugeordnete Standard mit dem aufgabenangemessenen Mindeststandard deckt. In diesem Sinne wird man die Feststellungen des BGH in seinem Urteil vom 29.1.19911568 verstehen dürfen, wonach auch ein Heilpraktiker, wenn er eine invasive Behandlungsmethode anwendet, den Sorgfaltsstandard jedenfalls eines Arztes für Allgemeinmedizin garantieren muss1569.

2.

Kriterien der erforderlichen Interessenbewertung

Bei der erforderlichen Interessenabwägung ist – soweit, wie zumeist, diesbezüglich nichts Ausdrückliches vereinbart wurde – auch im Vertragsrecht zwischen der Handlungsfreiheit des Schädigers und dem Interesse des Geschädigten an Rechtsgüter-

1563

Ebenso Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 35. Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 35 m.w.N. 1565 VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 303 f. 1566 Vgl. die – nicht gegen BGHZ 113, 297 gerichtete – Kritik von Taupitz, NJW 1991, 1505 ff. 1567 Vgl. auch LG Berlin, NJW-RR 1994, 801 f. (hinreichende Qualifikation der Arzthelferin bzw. Krankenschwester zur intravenösen Injektion aufgrund entsprechender Ausbildung und Anleitung). 1568 VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 304. 1569 Ebenso Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 163; Taupitz, NJW 1991, 1505, 1508 f. 1564

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

schutz abzuwägen1570. Zu beachten ist jedoch, dass sich der Verpflichtete im Vertragsrecht freiwillig und im Bewusstsein dessen, was auf ihn zukommt, in der Regel gegenüber einem bestimmten Gläubiger verpflichtet hat. Auch das Vorhandensein sowie Art und Höhe einer Gegenleistung ist, wie dargelegt, in Rechnung zu stellen. Die Interessenlage unterscheidet sich damit bereits im Ansatz deutlich von der im deliktischen Kontext bestehenden. Im Übrigen ist aber auch im vertraglichen Kontext u.a. auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, den Umfang des möglichen Schadens sowie auf die Schutzwürdigkeit des Geschädigten abzustellen1571.

a)

Komparativer Maßstab

Die Rechtsprechung beachtet in diesem Zusammenhang insbesondere Aufwand und Nutzen. Komparativ formuliert, gelten folgende Grundsätze1572: Je höher die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts (Schädigung), umso intensivere Vermeidungsmaßnahmen (Sorgfaltsanforderungen) sind geboten1573 und je geringer der Vermeidungsaufwand ist, desto eher ist er auch bei entfernteren Gefahren geboten. Daher erhöhen sich die Sorgfaltsanforderungen, wenn eine Tätigkeit typischerweise besonders gefährlich ist1574. Dies gilt nicht nur, falls mit einem Verhalten die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts verbunden ist, sondern auch, wenn das bedrohte Rechtsgut besonders wertvoll ist1575, wobei beide Faktoren natürlich auch gleichzeit vorliegen und so die Sorgfaltsanforderungen kumulativ erhöhen können (Bsp.: Gehirnoperation). Konsequenz dieser Vorgaben ist auch, dass unter zwei gleich aufwändigen Vermeidungswegen grundsätzlich der sicherere, vorsichtigere gewählt werden muss1576, während von niemandem erwogene Sicherungsmaßnahmen nicht verlangt werden können1577.

b)

Schutzwürdigkeit des Gläubigers

Welche Maßnahmen zu erwägen sind, hängt jedoch (wie berichtet) auch von der Schutzwürdigkeit des Geschädigten, d.h. im Vertragsrecht: des Gläubigers, ab. Dieses normative Kriterium betrifft z.B. die Fälle des Handelns auf eigene Gefahr1578 und 1570

So für deliktische Sorgfaltspflichten z.B. von Bar, Verkehrspflichten, S. 112 ff.; vgl. ferner die Nachweise bei MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 61. 1571 So allgemein Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 25; zum letzten Kriterium auch Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 49. 1572 Vgl. hierzu MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 61 m.w.N. 1573 Für viele Soergel /Wolf, BGB § 276 Rn. 95. 1574 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 51. 1575 Vgl. Soergel /Wolf, BGB § 276 Rn. 92; Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 51. 1576 Vgl. MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 61 sowie für die Arzthaftung ab S. 300 und für die Anwaltshaftung ab S. 305. 1577 BGH, NJW 1975, 2245, 2246. 1578 Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 25.

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gestattet u.U. auch eine Senkung der geschuldeten Standards im Falle eines kompetenten Gläubigers. Den durch § 276 Abs. 2 BGB vorgegebenen Mindeststandard wird der Schuldner, soweit dies nicht eindeutig vereinbart ist, aber auch dann nicht unterschreiten dürfen, wenn der Gläubiger überdurchschnittlich kompetent ist. Denn eine aufgabenangemessene Leistung wird der Gläubiger von seinem Schuldner zu Recht in jedem Fall erwarten. Praktisch wichtig ist die Kompetenz des Gläubigers vor allem im Zusammenhang mit Aufklärungs- und Beratungspflichten. Denn je kompetenter der Gläubiger ist, desto geringer ist sein Bedürfnis nach Aufklärung und Beratung1579. In diesem Fall wird nämlich die übernommene Aufgabe (Beratung) durch die Konstitution des Gläubigers beeinflusst. Was dieser sicher weiß, möchte er nicht erklärt und in Rechnung gestellt bekommen.

c)

Kosten-Nutzen-Analyse

Inwieweit die Anforderungen an die Sorgfalt von einer Kosten-Nutzen-Analyse abhängig gemacht werden können, wird man nicht global festlegen können. Die Berücksichtigungsfähigkeit entsprechender Überlegungen wird man jedenfalls nicht in Abrede stellen können. Weder Rechtsprechung noch Literatur verneinen dies. Für Sachschäden wird vertreten, dass erforderlich zumindest solche Sorgfaltsanforderungen seien, deren Aufwand geringer ist als der durch ihre Nichtanwendung potentiell entstehende Schaden1580 (angelehnt an die sog. Learned-Hand-Formel)1581. Damit kann allerdings nur ein Richtmaß für in jedem Fall einschlägige Sorgfaltsanforderungen gemeint sein. Denn würde man allein auf eine Kosten-Nutzen-Analyse abstellen1582 (was auch die Aufwand und Nutzen bei der Abwägung besonders berücksichtigende Rechtsprechung nicht tut), liefe dies „auf einen Freibrief zur Schädigung anderer hinaus, wenn nur die Vermeidung des Schadens teurer ist als dieser selbst“1583. Dies lässt sich mit der vertraglichen Ökonomie insofern nicht vereinbaren1584, als auf dem Umweg über die Leistungserbringung ein für den Gläubiger günstiges Geschäft durch den Schuldner relativiert werden könnte: Der Schuldner könnte die Vertragsdurchführung, d.h. die Vornahme der zur Schadensvermeidung erforderlichen Maßnahmen, immer dann ablehnen, wenn der ihm infolge der Durchführung entstehende Nachteil objektiv größer ist als der dem Gläubiger infolge Nichtdurchführung entstehende Nachteil. Das Verhandlungsgeschick des Gläubigers würde entwertet. 1579

Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 39 m.w.N. sowie unten ab S. 358. Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 19; a.A. wohl Bamberger/Roth /Unberath, § 276 Rn. 25. 1581 Näher zu ihr MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 62 f.; mit beachtlichen Argumenten ablehnend Wright, in: Owen, Foundations, S. 249, 250 ff.; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 25. 1582 So vielleicht MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 61 ff. 1583 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 52; in dieselbe Richtung argumentierend Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 25. 1584 Auf das Prinzip, dass grundsätzlich niemand einen anderen schädigen darf, abstellend Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 52. 1580

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Dies wird man nicht zulassen können und auch nicht zulassen brauchen. Denn der Schuldner hat sich freiwillig in die vertragliche Verpflichtung gefügt und – wie sich e contrario aus §§ 119 ff., 275, 313 BGB ergibt – bedeutet die ökonomische Ineffizienz des Geschäfts aus Sicht des Schuldners – soweit sie nicht gerade eine Sittenwidrigkeit begründet (§ 138 BGB a.E.) – nach geltendem Recht keinen Grund für die berechtigte Nichtdurchführung des Vertrages. Die Kosten-Nutzen-Analyse kann losgelöst davon aber für die Art und den Umfang von Aufklärungs- und Beratungspflichten fruchtbar gemacht werden. Besteht die vertragliche Verpflichtung in der Wahrnehmung von fremden Vermögensinteressen, muss der Schuldner seinen Gläubiger nicht auf solche Schadensabwendungsmöglichkeiten aufmerksam machen, deren Kosten außer Verhältnis zu dem denkbaren Schaden stehen1585.

d)

Orts- und Zeitbezug

Soweit festgestellt wird, dass Sorgfaltsanforderungen, die in vergleichbaren Situationen gestellt werden, zeitlich und örtlich verschieden sein können1586, ist dem für die untersuchten professionellen Dienstleister nur mit Einschränkungen zuzustimmen. So spielen örtliche Standards (Kleinstadt ./. Großstadt)1587 für die von Ärzten, Architekten und Anwälten geschuldeten Leistungen anders als bei den Leistungen der Kaufleute, die auch nach der Verkehrserwartung von lokalen Handelsbräuchen beeinflusst werden (vgl. § 346 HGB), grundsätzlich keine Rolle. Denn von ihnen wird ein objektiv angemessener Umgang mit der Aufgabe erwartet. Ob eine Klage vor dem Amtsgericht Wipperfürth oder Köln eingereicht wird, ist für die hinsichtlich der Klageschrift gebotenen Sorgfaltsanforderungen – parallel zu den für das englische Recht angestellten Überlegungen1588 – irrelevant. Anderes kann nur im Ausnahmefall gelten. So stellt die Verkehrsauffassung an den eine Notoperation auf offener Straße durchführenden Notarzt nicht dieselben Anforderungen wie an einen die vereinbarte Blinddarmentfernung in der Universitätsklinik durchführenden Operateur. Uneingeschränkt zustimmen müssen wird man hingegen dem Zeitbezug der gebotenen Sorgfalt1589. Insofern kann ein Verhalten, das in der Vergangenheit noch als sorgfältig gelten konnte, z.B. aufgrund eines zwischenzeitlich eigetretenen technischen oder Erkenntnisfortschritts, später als fahrlässig zu qualifizieren sein1590.

1585

Vgl. BGH, LM § 276 BGB [Ca] Nr. 31, Bl. 506; Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 51. 1586 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 48. 1587 Vgl. RGZ 113, 425, 426; Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 48. 1588 Vgl. ab S. 206. 1589 Vgl. etwa BGH, NJW 1961, 600 f. 1590 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 48 sowie ab S. 493.

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e)

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Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des Schädigungserfolgs als Kriterien der Pflichtverletzung

Ein Verstoß gegen das vertragliche Verhaltensgebot, d.h. ein Nichtgenügen hinsichtlich der übernommenen Aufgabe, liegt vor, wenn nach einem objektivierten Beurteilungsmaßstab der Handelnde in der konkreten Lage den drohenden Erfolg seines Verhaltens erkennen und vermeiden konnte1591. Für die Bestimmung der so definierten Vertragswidrigkeit ist – sofern man die Sorgfaltspflicht global qualifiziert – hinsichtlich der Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit nicht allein auf den letztmöglichen Zeitpunkt rechtzeitiger Erfüllung der Vertragspflicht abzustellen1592. Wenn dies dennoch festgestellt wird1593, liegt dem die Annahme eines differenzierteren Pflichtenprogramms zugrunde, ohne dass diese Sichtweisen sich im Ergebnis unterscheiden1594. Denn nach beiden Ansichten ist auch zu fragen, ob der Schuldner sich in der Zeit zuvor im Hinblick auf seine Verpflichtung sorgfaltsgemäß verhalten hat1595. Der Umfang des Erkennbaren richtet sich in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls nämlich danach, ob und inwiefern den Schuldner nach dem Vertrag Vorsorgeund Prüfungspflichten treffen1596. Insofern kann ein vertragsgemäßes Verhalten zu verneinen sein, wenn der Schuldner eine Vertragspflicht übernommen hat, obwohl er damit rechnen musste, sie nicht erfüllen zu können. Gleiches gilt für den Fall, in dem der Schuldner einer Pflichtverletzung nicht durch mögliche und ihm zumutbare Vorsorgemaßnahmen vorgebeugt oder eine Möglichkeit, den Schaden in zumutbarer Weise abzuwenden, nicht genutzt hat1597. Wenn insoweit von einem Übernahmeverschulden, Vorsorgeverschulden und Abwendungsverschulden gesprochen wird1598, weist dies indiziell auf die bereits berichtete Vermischung bzw. Identifizierung von Pflichtverletzung und Vertretenmüssen hin1599. Denn wenn man Pflichtverletzung und Vertretenmüssen trennt, geht es hier doch zunächst um eine Vertragsverletzung1600. Das Vertragswidrigkeitsurteil muss im Falle der Annahme einer gobalen Vertragspflicht zu sorgfaltsgemäßem Verhalten losgelöst davon gewissermaßen „schichtweise“ gefällt werden1601. Im Fall der Annahme eines differenzierteren Pflichtenprogramms ist der notwendige Zeitbezug bereits in die Pflicht integriert. Die Rechtsprechung unterscheidet, z.B. im Rahmen der Architektenhaftung, hinsichtlich hinsichtlich der Rolle der Erkennbarkeit nach sorgfaltsabhängigen und 1591

Vgl. Erman /Westermann, BGB § 276 Rn. 13; Soergel /Wolf, BGB § 276 Rn. 101, 112; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 68 ff., 77 ff. 1592 Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 17 ff. 1593 Vgl. BGHZ 80, 199, 204; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 28. 1594 Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 20. 1595 Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 17 f. 1596 Vgl. Bamberger/Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 29; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 20. 1597 Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 18. 1598 Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 18. 1599 Vgl. ab S. 173. 1600 Vgl. Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 18. 1601 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 20, 17.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sorgfaltsunabhängigen Rechtsbehelfen: Während es im Bereich der Verschuldenshaftung auf den Zeitpunkt der Ausführung der Architektentätigkeit ankommen soll1602, stellt der BGH im Rahmen der verschuldensunabhängigen Gewährleistung auf das Ende der Gewährleistungsfristen ab1603. Im Rahmen der Prüfung des Fehlers sollen also auch nach der Ausführung der Architektenleistung aufgetretene spätere Erkenntnisse zu berücksichtigen sein1604. Was die Vermeidbarkeit als zweite Grenze der Verpflichtung betrifft, hängt sie von rechtlichen und tatsächlichen Momenten, nämlich von den Umständen des Einzelfalls und dem Inhalt des Schuldverhältnisses ab1605. Zu fragen ist jeweils, ob die Risikorealiserung vermieden werden kann und vertraglich auch vermieden werden muss1606. Grundsätzlich ist hierbei nicht ein jegliche Gefahr vermeidendes Verhalten, sondern lediglich ein sachgerechter Umgang mit der Gefahr1607, d.h. eine aufgabenangemessene Vertragsdurchführung zu fordern. Insofern sind erforderliche Sicherungsvorkehrungen auch zu treffen, falls sie mit Unbequemlichkeiten, Zeitverlust oder finanziellen Opfern verbunden sind1608. Die im Falle nicht zu verhindernder Schäden grundsätzlich bestehende Hinweispflicht1609, kann bei einer Verpflichtung zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen allerdings aufgrund ökonomischer Überlegungen eingeschränkt werden1610.

IV. Fazit Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass nach allen untersuchten Rechten die Qualifikation der Leistung des Schuldners als nicht angemessen sorgfältig und/oder sachkundig eine komplexe Vorteils- und Riskioabwägung im Lichte der tatsächlichen Bedingungen, unter denen die Dienstleistung erbracht wird und die die durchzuführende Aufgabe und nicht den Schuldner beschreiben, erfordert. Der Vertrag ist gebrochen oder nicht erfüllt bzw. die Pflicht verletzt, wenn das Verhalten des Schuldners angesichts der konkreten Fakten nicht mehr als der geschuldeten Sorgfalt angemessene Reaktion zu bewerten ist. Englische Gerichte gehen dabei recht pragmatisch vor1611. Für eine gewisse Konkretisierung lässt sich von den Umständen des Einzelfalls abstrahierend auf die Bildung „komparativer“ Sätze verweisen. Dies er1602

Vgl. BGHZ 48, 310, 312 f.; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 731. BGHZ 139, 16, 19; KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386; Werner/ Pastor, Rn. 1483, 1467 m.w.N.; a.A. Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 397 (Zeitpunkt der Bauwerkserrichtung). 1604 Kritisch Jagenburg, FS Korbion, S. 179, 183 ff. 1605 Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 31 f. 1606 Vgl. MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 78. 1607 Deutsch, NJW 1992, 73, 74; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 32; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 21. 1608 Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 21; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 32. 1609 Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 21; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 32. 1610 Vgl. S. 224. 1611 Ebenso Schmidt-Kessel, Standards, S. 342. 1603

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

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laubt ein flexibles und bis zu einem gewissen Grad doch einheitliches Herangehen an unterschiedlichste Sachverhalte. Fixe Relationen sind ohnehin in keinem der untersuchten Rechte auszumachen.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern für den Schuldner die Möglichkeit besteht, an den professionsintern jeweils verbreitet akzeptierten Verfahrensweisen Orientierung zu finden. Die Principles und der DCFR nehmen zu ihr nicht ausdrücklich Stellung. Im englischen Recht unterliegt diese Möglichkeit professionsabhängig einer wechselreichen Entwicklung.

A.

Die Position des deutschen Rechts

Für das deutsche Vertragsrecht stellt § 276 Abs. 2 BGB ausdrücklich klar, dass die gelebte Praxis für den geschuldeten Standard nicht das letzte Wort zu sprechen vermag. Denn nach dem Wortlaut des § 276 Abs. 2 BGB ist die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und nicht etwa nur die im Verkehr typische oder übliche Sorgfalt geschuldet. Der Standard ist normativ, nicht deskriptiv1612. Der dies klarstellende Wortlaut des § 276 Abs. 2 BGB wurde von den Gesetzesverfassern auch sehr bewusst gewählt; denn bereits die II. Kommission zur Vorbereitung des BGB hatte ganz eindeutige rechtspolitische Vorstellungen: „Die Mehrheit dagegen war der Ansicht, daß, wenn man von der im Verkehr üblichen Sorgfalt spreche, der Irrthum nahe liege, als ob unter Umständen auch ein im Verkehr eingerissener Schlendrian beachtet werden dürfe. Auch reiche die Vorschrift dann nicht aus, wenn sich eine Verkehrsübung noch nicht gebildet habe. Es könne allerdings nicht gefordert werden, daß in jedem einzelnen Falle diejenige Sorgfalt angewendet werde, welche erforderlich sei, um die für den konkreten Fall drohenden besonderen Gefahren abzuwenden. Vielmehr komme es darauf an, welches Maß von Sorgfalt der gesunde und normale Verkehr im Allgemeinen für erforderlich halte; der sich hieraus ergebende Maßstab sei in jedem einzelnen Falle zur Anwendung zu bringen. Es dürfe deshalb allerdings nicht von der erforderlichen Sorgfalt schlechthin gesprochen werden; bezeichne man aber die geforderte Sorgfalt als die ‚im Verkehr erforderliche‘, so werde dadurch dasjenige Moment, auf das es ankomme, treffender und deutlicher bezeichnet, als durch die Bezugnahme auf die Ueblichkeit.“1613

1612 1613

Deutsch, AcP (202) 2002, 889, 899. Protokolle II, S. 604.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Dieses Anknüpfen der im Einzelfall geschuldeten Sorgfalt an die typischen Gegebenheiten1614 überzeugt; denn „was faktisch als die Regel gelebt wird, kann, da es […] um Vertrags- und Verkehrserwartungen geht, nicht völlig irrelevant sein“1615. Anerkannt ist vielmehr, dass die gewöhnlichen Fachkenntnisse einer Berufsgruppe zu berücksichtigen sind1616. Die faktische Regel muss aber einer normativen Überprüfung standhalten1617. Denn die erforderliche Sorgfalt entspricht nicht notwendig der „verbreiteten“ oder der „üblichen“1618. Eingerissene Verkehrsunsitten1619, Nachlässigkeiten1620 und Unzulänglichkeiten im organisatiorischen Bereich1621 entschuldigen im Einklang mit den Überlegungen der Gesetzesväter ebenso wenig wie das Bestehen eines „verbreiteten Brauchs“1622. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die „fiktive“ Bezugsperson, mittels derer der geschuldete Sorgfaltsstandard bestimmt wird, bisweilen auch mit faktischen Bezugskriterien1623 beschrieben wird1624. Denn die faktische Regel kann allenfalls das Mindestmaß dessen sein, was der Gläubiger berechtigterweise erwarten kann1625. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt meint nämlich diejenige Sorgfalt, die – normativ – nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zum Zeitpunkt des zu beurteilenden Verhaltens zu beachten ist1626. Dies schließt zwar z.B. in der Regel die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik ein1627, entlastet aber eben nicht notwendig1628. Darstellen lässt sich diese Differenzierung mit Reinhard 1614

So Deutsch, AcP (202) 2002, 889, 900. MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 60; vgl. BGHZ 65, 304, 308 (Seefahrt); BGHZ 66, 208, 210 (loser Batterietransport); vgl. ferner Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 16; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 21. 1616 Vgl. z.B. BGH, NJW 1994, 2232, 2233; Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 12. 1617 BGHZ 8, 138, 140; BGHZ 23, 288, 290; BGH, NJW 1986, 1099, 1100; BGH, NJW 1990, 906, 907; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 60. 1618 BGHZ 8, 138, 140; BGHZ 23, 288, 290; BGH, NJW 1986, 1099, 1100; BGH, NJW 1990, 906, 907; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 21; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 16; Jauernig /Stadler, BGB § 276 Rn. 29; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 571. 1619 BGHZ 30, 7, 15; BGH, NJW 1971, 1881, 1882. 1620 Vgl. BGHZ 5, 318 f.; OLG Köln, OLGZ 1993, 200, 202 („möglicherweise weit verbreitete Unsitte“). 1621 BGHZ 89, 263, 271. 1622 BGHZ 23, 288, 290. 1623 Vgl. etwa BGH, NJW 1976, 1504 f.; Grunewald, JZ 1982, 627, 630. 1624 Bamberger/Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 21; MünchKomm /Grundmann, BGB § 276 Rn. 60. 1625 Soergel /Wolf, BGB § 276 Rn. 86; ähnlich („im Zweifel“) Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 16. 1626 BGH, NJW 1972, 150, 151; BVerwG, VIZ 2002, 28, 29; OLG Köln, NJW-RR 1990, 793; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 16; Jauernig /Stadler, BGB § 276 Rn. 29. 1627 Vgl. Jauernig /Stadler, BGB § 276 Rn. 29. 1628 BGH, NJW 1985, 620, 621; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 18; Bamberger /Roth /Unberath, BGB § 276 Rn. 24. Gleiches gilt erst recht für eine Einhaltung der DIN OLG 1615

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

229

Damm rechtstheoretisch auch wie folgt: „Mit dem […] normativen Vorrang des Rechts auf der Geltungsebene ist keine Unzuständigkeit der Professionen auf der Normbildungsebene verbunden. Es ist im Gegenteil von einer nicht nur faktischen, sondern auch rechtlichen Bedeutung professioneller [Beratungs-]Praxis und [Beratungs-]Normen auszugehen. Dieser Professionsbezug ist für das Recht als Wissensbasis nicht nur faktisch frei verfügbares Tatsachenmaterial, sondern aus rechtlichen Gründen bei der Bildung von Normprogrammen zu berücksichtigender Ausschnitt des Normbereichs“1629. Dies gilt nicht nur für die im vorstehenden Zitat von Damm gemeinte medizinische Beratungspraxis, sondern für alle hier untersuchten Dienstleister.

I.

Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Arzthaftung

1.

Begriff und Bedeutung des „Standards“

So bildet den Gegenstand des ärztlichen Vertragsangebots u.a. die Zusage des ärztlichen Standards1630 und der Arzt hat dementsprechend jedenfalls den „jeweils zu fordernden medizinischen Standard“ zu gewährleisten1631. Was diesen Standard ausmacht, ist in Medizin und Rechtswissenschaft indessen relativ unbestimmt1632. Jedenfalls wird mit dem Begriff „geschuldeter Standard“ aus rechtlicher Sicht im Ansatz lediglich das umschrieben, was der Gesetzgeber mit der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ ausdrücken wollte1633. Bei der Bezugnahme auf einen Standard handelt es sich – wiederum rechtstheoretisch betrachtet – um eine Vermittlungsbemühung zwischen abstrakter Norm („im Verkehr erforderliche Sorgfalt“) und konkretem Geschehen1634. Der medizinische Standard dient insofern – neben anderen Faktoren – der Bestimmung des jeweiligen Haftungsmaßstabs gemäß § 276 BGB, an dem die Behandlung im Einzelfall zu messen ist1635. „Dabei meint der Standard nicht nur das, was faktisch praktiziert wird, ist nicht bloße Beschreibung eines tatsächlichen Verhaltens von Ärzten, sondern enthält auch normativ wertende Elemente im Sinne von anerkannt Richtigem, eines in Wissenschaft und Praxis als erforderlich angesehenen Normalverhaltens. Gemeint ist diejenige Behandlung, die ein durchschnittlich qualifizierter Arzt nach dem jeweiHamm, BauR 1983, 173 f.; a.A. Marburger, Regeln, S. 441 f., der auch in den anerkannten Regeln der Technik das einzuhaltende Höchstmaß sieht. 1629 So Damm, MedR 2006, 1, 20 (Hervorhebungen im Original). 1630 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 114; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, HdB ArztR, § 39 Rn. 9. 1631 Vgl. BGHZ 144, 296, 305 f.; BGH, NJW 1995, 776, 777; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 133; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 64; Hart, JURA 2000, 64; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 278 m.w.N. 1632 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 278; Hart, MedR 1998, 8; ausführlich Velten, Standard, S. 36 ff. 1633 Deutsch, NJW 1987, 1480 f.; ders., JZ 1997, 1030, 1032; Velten, Standard, S. 38. 1634 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 279 m.w.N. 1635 BGH, NJW 1995, 776, 777; Velten, Standard, S. 38 f.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

ligen Stand von medizinischer Wissenschaft und Praxis an Kenntnissen, Wissen, Können und Aufmerksamkeit zu erbringen in der Lage ist“1636. Der BGH hat insoweit bereits früh klargestellt, dass „die Gebräuchlichkeit eines Verfahrens zur Verneinung eines Kunstfehlers nicht ausreicht, wenn nicht zugleich alles getan wird, was nach den Regeln und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft zur Bewahrung des Patienten vor körperlichen Schädigungen getan werden muß“1637. Daher liegt ein Behandlungsfehler auch vor, wenn eine an sich anerkannte, als solche nicht fehlerhafte Heilmethode angewendet wird, im konkreten Fall aber die konkurrierende Behandlungsmethode zwingend indiziert ist1638. Im Übrigen ist die Anwendung einer in zurückliegender Zeit anerkannten Therapiemethode erst vertragswidrig, falls sie derzeit bedenklich erscheinen muss, weil sie durch gesicherte medizinische Erkenntnisse überholt ist1639. Gleiches hat für das englische Recht auch McNair J in Bolam klargestellt1640.

2.

Grenzen der Orientierung des rechtlichen Standards an medizinischen Vorgaben

Natürlich muss sich aber auch die von einem Arzt zu fordernde Sorgfalt an den medizinischen Möglichkeiten orientieren1641. Maßgebend für den Sorgfaltsmaßstab sind „nach Grad und Struktur“ sogar „primär die Maßstäbe der Medizin“, weil der Sorgfaltsmaßstab „entsprechend seiner Funktion […] Maßstab für die erforderliche Expertenqualität ist, deren Defizite er benennen und ausgleichen soll“1642. Insofern lässt sich ohne Rückgriff auf medizinischen Sachverstand eine rechtliche Entscheidung darüber, ob eine Behandlung dem Standard entsprach, meist gar nicht zuverlässig treffen1643, und daher darf der Richter den maßgeblichen Standard nicht ohne sachverständige Grundlage und allein aus eigener Beurteilung festlegen1644. Dies bedeutet aber nicht, dass dem Recht keine eigenständige Beurteilung der Vertragsgemäßheit ärztlichen Verhaltens möglich ist1645. Im Gegenteil, insbesondere die unverkennbaren Schwierigkeiten bei der Ermittlung des im Einzelfall maßgeblichen Sorgfaltsgebots rechtfertigen es nicht, „die Definitionsmacht über den Umfang ärztlicher 1636

Katzenmeier, Arzthaftung, S. 279 m.w.N. BGH, NJW 1965, 345, 346. 1638 BGH, VersR 1956, 224, 225 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 38. 1639 BGH, NJW 1978, 587, 588; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 38. 1640 Vgl. Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 588 (HC). 1641 Vgl. BGH, NJW 1995, 776, 777; Velten, Standard, S. 67 ff.; Hart, JURA 2000, 64; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 281, 304 f. m.w.N. 1642 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 150; Katzenmeier, MedR 2004, 34, 36; einschränkend wohl Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 108. 1643 Hart, MedR 1998, 8; Müller-Graff, JuS 1985, 352, 356; Velten, Standard, S. 69; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 282 m.w.N. 1644 BGH, NJW 1995, 776, 777; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 29. 1645 Zu der Gefahr einer Bevormundung des Patienten und des Rechts durch die Ärzteschaft Giesen, Malpractice, Rn. 161 ff. sowie die Nachweise bei Katzenmeier, Arzthaftung, S. 282 m. Fn. 66; Hart, JURA 2000, 64. 1637

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Sorgfaltspflichten an die medizinische Profession abzutreten und sie dem ärztlichen Berufsethos oder der faktischen Übung im Bereich der Heilbehandlung zu überantworten“1646. „Eine Bindung der Zivilgerichte an Standesregeln, ärztliche Leitlinien und faktische Übungen der Ärzteschaft kommt […] genauso wenig in Betracht wie in Bezug auf das Berufsrecht anderer Professionen oder die Regeln der Technik“1647. Zwar kann das Recht nicht sagen, was medizinisch möglich oder nötig ist, und daher müssen Gerichte bei der Bestimmung der Vertragsgemäßheit eines Verhaltens auf die – durch Sachverständige repräsentierte – medizinische Wissenschaft zurückgreifen1648. Um eine ungeprüfte Übernahme medizinischer Sachverständigengutachten – die auch in englischen Entscheidungen nicht selten vorzukommen schien1649 – zu verhindern und um die vorgenannte richterliche Abhängigkeit von Gutachtern einzuschränken1650, hat die Rechtsprechung indes Kriterien entwickelt, anhand derer der Richter den Sachverständigen prüfen kann und muss. Beispielsweise ist das Gericht – ebenso wie nach englischem Recht1651 – verpflichtet, Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Widerspruchsfreiheit zu prüfen und Widersprüchen zwischen Feststellungen mehrerer Sachverständiger – auch durch Einholen anderweitiger Gutachten – nachzugehen1652. Immer muss das Gericht also prüfen, ob der jeweilige Sachverständige den medizinischen Standard richtig ermittelt hat1653. Darüber hinaus – dies ist entscheidend – können Gerichte stets überprüfen, ob den üblichen Verfahren vermeidbare Risiken immanent sind bzw. mögliche und insoweit nach der Verkehrserwartung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird1654. Denn insoweit besitzen die Gerichte die erforderliche Beurteilungskompentenz: „Entsprechend dem Grundsatz: ‚Eine juristische Qualitätskontrolle medizinisch-fachlicher Aussagen gibt es nicht‘ muss umgekehrt gelten: Eine Professionskontrolle nicht professionsspezifischer Regeln gibt es nicht“. Denn im vorliegenden Zusammenhang geht es „grundsätzlich nicht um die Bestimmung eines medizinischen, sondern eines rechtlichen Standards“1655. Bilden unterschiedliche Vorstellungen über das medizinisch Machbare den Gegenstand der Auseinandersetzung, bleibt das Gericht indes auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt, falls sich in der Medizin über das Machbare unterschiedliche 1646

MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 745; Damm, MedR 2006, 1, 9; Müller-Graff, JuS 1985, 352, 356; Conradi, Verknappung, S. 70 ff.; a.A. Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 71 (unter unzutreffender Berufung auf BGH, MedR 1995, 276, 277); i.E. Hart, MedR 1998, 8, 12 (Haftungsimmunisierung). 1647 MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 745; ebenso OLG Hamm, VersR 2002, 857, 858; Dressler, FS Geiß, S. 379, 382; Puhl/Dierks, FS Geiß, S. 477, 481; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 104 ff. m.w.N. 1648 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 282. 1649 Vgl. ab S. 271. 1650 Vgl. Velten, Standard, S. 70. 1651 Vgl. insbesondere ab S. 283. 1652 BGH, NJW 1994, 1596, 1597. 1653 Velten, Standard, S. 70. 1654 Katzenmeier, MedR 2004, 34, 36; ders., Arzthaftung, S. 282 m.w.N. 1655 Beide Zitate nach Damm, MedR 2006, 1, 9 (Hervorhebungen im Original).

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Aussagen finden und eine Auflösung der Widersprüche durch Einholung von Gutachten nicht möglich ist1656. Wenn demgegenüber vertreten wird, das Gericht könne in diesem Fall doch die Mehrheitsmeinung unter den Experten ermitteln und dieser folgen1657 oder selbst in den Meinungsstreit eintreten und in der Sache entscheiden1658, dürfte dies auf einer Rücksichtnahme gegenüber der Notwendigkeit gründen, den konkreten Streitfall in angemessener Zeit entscheiden zu müssen, ohne jeweils die wissenschaftliche Entwicklung abwarten zu können. Denn wissenschaftliche Kontroversen sind nach Möglichkeit wissenschaftsautonom, d.h. ohne staatliche Einflussnahme zu lösen1659. Im selben Sinne wurde durch die englische Literatur im Zusammenhang mit dem Bolam-Test explizit festgestellt, es sei nicht Aufgabe der Gerichte, wissenschaftliche Meinungsstreite zu entscheiden1660. Auf diese Überlegung gründet dann auch ein Versuch, die Zurückhaltung englischer Gerichte bei der Korrektur gelebter ärztlicher Standards zu erklären. Eine entsprechende Haltung wird – in Form der „äußerste[n] Zurückhaltung“ – auch deutschen Gerichten „bei der Bestimmung von Standards auf kontroversen Gebieten“ anempfohlen1661. Im Übrigen sei der Ausweg – wie dies in der Rechtsprechung durchaus bereits geschieht – in einem Rückgriff auf neutrale Kriterien zu suchen. Die Rechtsprechung entspricht dem z.B. bereits, indem sie bei der beabsichtigten Anwendung einer wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethode eine verstärkte Aufklärung des Patienten fordert1662. Dadurch wird dann allerdings auch der Anknüpfungspunkt der Pflichtverletzung verlagert1663.

3.

Der Hintergrund der Grenzziehung

Im Hintergrund der Kontroll- und Korrekturbefugnis der Gerichte hinsichtlich der gelebten ärztlichen Praxis dürfte die Überlegung stehen, dass das Recht – wie im Rahmen der Darstellung des englischen Rechts noch näher zu zeigen sein wird1664 – den medizinischen Standard auf seine Konvergenz mit den vertraglichen Vorgaben kontrollieren und ggf. korrigieren muss1665, will es nicht die vertraglichen Interessen des konkreten Patienten weitgehend zur Disposition des Arztes stellen. Auch liegt „auf der Hand, daß Angehörige des jeweiligen Verkehrskreises nicht unkontrolliert ihre 1656

Velten, Standard, S. 38, 73; ähnlich wohl Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 152. So zum „Stand der Technik“ usw. Niklisch, NJW 1982, 2633, 2639 ff. m.w.N. 1658 Vgl. BVerfGE 49, 89, 136; BGH, NJW 1995, 2930, 2932; Marburger, Technik, S. 174. 1659 Vgl. Kriele, NJW 1976, 355, 358; Velten, Standard, S. 38; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 306 m.w.N.; zum praktischen Hintergrund dieser Überlegung Grupp, MedR 1992, 256, 258. 1660 Vgl. Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56. 1661 Velten, Standard, S. 38 m.w.N. 1662 Vgl. ab S. 486. 1663 Auf dieses Phänomen weist im Zusammenhang mit einer erschwerten Haftungsbegründung bei schwierigem Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung zu Recht Heckendorn, Haftung, Rn. 235 f. hin. 1664 Vgl. ab S. 334. 1665 Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 151; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 309 m.N. 1657

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eigenen Haftungsstandards festlegen dürfen“1666. Dies wird in der englischen Rechtsprechung und Literatur ebenso gesehen1667 und insofern rechtsvergleichend bestätigt. Im Hintergrund dürfte dabei – in beiden Fällen – die zutreffende Einsicht stehen, dass die richterliche Entscheidung neben medizinischen Vorgaben auch eigene rechtliche Zwecke verfolgen kann und u.U. muss. Denn das Arzthaftungsrecht wird – ebenso wie der medizinische Standard – nicht ausschließlich von den „sozialen Regeln und Interessen der Medizin bestimmt, sondern eben auch von divergierenden Anschauungen anderer beteiligter Verkehrskreise“1668; deren Berücksichtigung bei der Bestimmung des rechtlich geforderten Standards legitimiert sich für das deutsche Vertragsrecht aus den Vorgaben der §§ 133, 157, 242 BGB für die Vertragsinhaltsbestimmung. Schon deshalb kann aus einem ärztlichen Rollenverhalten nämlich nicht unmittelbar das rechtlich relevante Verhalten abgeleitet werden1669. Das medizinisch Mögliche bildet vielmehr nur (aber immerhin) die Grenze des rechtlich Erforderlichen. Denn Unmögliches erwartet die Verkehrsauffassung richtigerweise nicht. Zur Bestimmung der Erwartung der Verkehrsauffassung und damit des typischen Vertragsinhalts ist im Gegenteil klarzustellen1670, dass es zumindest missverständlich ist, wenn der BGH in seinem Urteil vom 29.1.19911671 davon ausgeht, dass bei Ermittlung des Maßes und Umfangs der von einem Heilpraktiker zu verlangenden Sorgfalt nicht auf die Verkehrsauffassung der Heilpraktikerschaft abzustellen sei, selbst wenn es eine homogene „Heilpraktikerschaft“ gäbe. Maßgebend sei vielmehr (scheinbar allein) der Erwartungshorizont eines durchschnittlichen Patienten, der einen Heilpraktiker aufsucht. Überträgt man dies einmal auf die Arzthaftung, müssten sich die Sorgfaltspflichten eines approbierten Arztes ebenfalls ausschließlich am laienhaften Verständnis des durchschnittlichen (nicht etwa: des normativ bestimmten „vernünftigen“ [§§ 157, 242 BGB]) Patienten bemessen1672 – eine Position, die selbst die im Grundsatz deutlich patientenfreundlich ausgestalteten PELSC nicht teilen1673. Denn die tatsächliche Erwartung der Empfänger einer Leistung kann im Lichte der §§ 157, 242 BGB nur einen derjenigen Faktoren darstellen, die für die rechtliche Bewertung maßgeblich sind. Insbesondere bei „hochprofessionalisierten Dienstleistungen“ wird sich hieraus u.U. sogar nur ein gewisser Mindestschutz ergeben, der „durch die fachkundige Erwartung der Professionskollegen erheblich angehoben wird“1674. Das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestimmt sich nämlich nach dem, was der „normale Umgang berechtigterweise verlangt“1675, wobei es – wie der BGH bereits mit 1666

Velten, Standard, S. 70 m.w.N. auch zu abweichenden Stimmen, a.A. wohl auch Hart, MedR 1998, 8, 12. 1667 Vgl. auf S. 275. 1668 Velten, Standard, S. 71. 1669 Vgl. auch Velten, Standard, S. 70 f. 1670 Taupitz, NJW 1991, 1505, 1507. 1671 VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297, 303. 1672 Taupitz, NJW 1991, 1505, 1507. 1673 Vgl. zu dem nach den PELSC gerechtfertigten Erwartungshorziont des Patienten ab S. 165. 1674 Taupitz, NJW 1991, 1505, 1507. 1675 Laufs, ArztR, Rn. 474.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Urteil vom 13.6.19601676 festgestellt hatte – „geboten ist, Rücksicht zu nehmen auf die Verhältnisse des in Betracht kommenden engeren Verkehrskreises und auf das Maß von Umsicht und Sorgfalt, das danach entsprechend dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger dieses Kreises von dem in seinem Rahmen Handelnden zu fordern ist“. Umgekehrt ist freilich ebenso zu berücksichtigen, dass der „Erwartungshorizont eines durchschnittlichen Patienten … mitgeprägt [wird] u.a. durch … nicht stets gerechtfertigte allgemeine Vorstellung[en] des Laien“1677. Es sind durchaus Fälle denkbar, „in denen die Erwartung des durchschnittlichen Empfängers einer Leistung aus rechtlicher Sicht zu hoch – eben nicht ‚berechtigt‘ oder ‚gerechtfertigt‘ – ist“1678. Insofern sind auch die durchschnittlichen tatsächlichen Erwartungen eines Patienten der rechtlichen Kontrolle und Korrektur zugänglich. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die dem Arzt im Ansatz gewährte Therapiefreiheit1679 nicht der Privilegierung des Arztes dient, sondern ein fremdnütziges Recht zugunsten des Patienten darstellt, sodass „zur Freiheit der Methodenwahl als unausweichliches Korrelat die Verbindlichkeit von Sorgfaltspflichten gehört, welche die Verfahrensqualität sichern“1680. Denn schließlich bestimmt das Recht unter Beachtung der tatsächlichen Möglichkeiten das, was im Verkehr erforderlich ist, dahin, dass kein optimales, sondern zunächst nur (aber immerhin) ein aufgabenangemessenes Verhalten geschuldet ist1681. Vor diesem Hintergrund dürfen und müssen Gerichte im Rahmen der auch in Arzthaftungsfällen stets erforderlichen Interessenabwägung u.a. auf solche nicht-medizinische Kriterien, die die faktischen Grenzen der Medizin nicht in Frage stellen, zurückgreifen. Dies deutet auch der BGH in seinem Urteil vom 29.11.19941682 ganz klar an. Denn wenn dort festgestellt wird, dass die Frage, ob „ein Arzt seine berufsspezifischen Sorgfaltspflicht verletzt hat“, „in erster Linie eine Frage [ist], die sich nach medizinischen Maßstäben richtet“1683, bedeutet dies, dass in zweiter Linie eben auch andere Kriterien Berücksichtigung finden können und u.U. müssen. Innerhalb des vorgenannten Rahmens sind die Gerichte daher befugt, auch solche Standards festzulegen, die von den Vorstellungen oder Gepflogenheiten der Medizin abweichen1684. Eine Konsequenz hieraus bildet z.B. die Regel, dass aus mehreren möglichen Standardbehandlungen die auszuwählen ist, die für den konkreten Patienten die geringste Belastung bedeutet1685. Dies hat der BGH bereits mit Urteil vom 27.11. 19521686 klargestellt: 1676

III R 54/59, NJW 1961, 600. BGHZ 113, 297, 303. 1678 Taupitz, NJW 1991, 1505, 1507. 1679 Vgl. dazu ab S. 298. 1680 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 309 m.w.N. 1681 Vgl. ab S. 175. 1682 VI R 189/93, NJW 1995, 776. 1683 BGH, NJW 1995, 776, 777. 1684 Ebenso Velten, Standard, S. 71. 1685 Vgl. Velten, Standard, S. 71; zur Konkretisierung der vom Arzt geschuldeten Leistungsmodalität vgl. ab S. 298. 1686 VI R 25/52, BGHZ 8, 138, 140 (Hervorhebung im Original). 1677

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

235

„Herrscht […] Streit darüber, welches Maß von Vorsicht zur Verhütung von Schäden bei der Behandlung notwendig ist, so hat der Arzt im allgemeinen die größere Vorsicht zu beachten, wenn er nicht fahrlässig handeln will […], denn der Kranke darf verlangen, daß der Arzt alle, auch entferntere Verletzungsmöglichkeiten in den Kreis seiner Erwägungen zieht und sein Verhalten bei der Behandlung des Patienten hiernach einrichtet […]. Deshalb kann auch der Arzt, wenn er die in seinem Tätigkeitsbereich erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, sich nicht darauf berufen, daß er die übliche Sorgfalt angewendet habe.“

4.

Rechtsprechungspraxis

Auf dieser Linie ist die Rechtsprechung geblieben. Wenngleich rechtliche Korrekturen medizinischen Verhaltens praktisch nicht eben häufig die ärztliche Abwägung von Heilungschancen und Behandlungsgefahren betreffen1687, kommen sie doch durchaus vor1688. Dass die Rechtsprechung insoweit der Grundtendenz folgt, Ärzten im Kernbereich ihrer Tätigkeit für den Normalfall keine Verhaltensanforderungen vorzugeben1689, lässt nicht den Schluss zu, dass eine Überprüfung i.S. zumindest einer Plausibilitätskontrolle hier nicht stattfinden kann. Vielmehr wird man aus diesem Befund schließen dürfen, dass sich die meisten praktizierenden Ärzte, was die Behandlungsmaßnahmen betrifft, eben im Regelfall pflichtgemäß verhalten. Öfter Anlass zur Korrektur bietet scheinbar die Organisation des Betriebs im Krankenhaus (z.B. Arbeitszeiteinteilung, Lückenlosigkeit der Überwachung, arbeitsteiliges Zusammenwirken)1690, die – weil sie nicht das medizinisch Machbare betrifft – der rechtlichen Kontrolle eher zugänglich ist als u.U. umstrittene spezifisch medizinische Fragen. Hier vernachlässigen nach der Überzeugung der Gerichte die organisatorischen Anforderungen die Sicherheitsinteressen des Patienten (auch bei Anerkennung allgemeiner wirtschaftlicher Grenzen der Krankenversorgung) bisweilen zu sehr1691; z.B. durch zu starke Orientierung am Fehlen ausgebildeter Fachkräfte1692, an

1687

Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 152; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 282. Vgl. etwa BGH, VersR 1985, 969, 970; BGH, VersR 1985, 886 f.; BGH, VersR 1985, 338, 339 f.; OLG Hamm, VersR 1998, 1243 f.; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 55; OLG Oldenburg, VersR 1994, 1196, 1197; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 152 m.w.N. 1689 Vgl. auch Groß, VersR 1996, 657, 663; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 282 f. 1690 Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 151; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 283 m.w.N. Zu Organisationspflichten sowie zur sog. „Organisationsaufklärung“ Hart, MedR 1999, 47 ff. 1691 BGH, NJW 1979, 1248, 1249 f.; BGH, VersR 1984, 356, 358 f.; BGH, NJW 1986, 2365, 2366 f. 1692 Vgl. BGHZ 88, 248, 255; BGHZ 95, 63, 71 ff.; BGH, NJW 1983, 1374, 1375 f.; BGH, NJW 1986, 776 f.; OLG Köln, VersR 1992, 452; OLG Düsseldorf, VersR 1987, 489, 490 f. 1688

236

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

einer Überbewertung von Ordnungsgesichtspunkten1693 bzw. am Interesse, vorhandene Diagnosegeräte auszunutzen1694.

II.

Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Anwaltshaftung

Anders als im Arzthaftungsrecht findet im Rahmen des Anwaltshaftungsrechts eine Diskussion um die Frage, inwieweit anwaltliche Pflichten rechtlich determiniert sind, eigentlich gar nicht statt. Kritisiert wird bisweilen nur, dass der Pflichtenkreis des Anwalts gegenüber seinem Mandanten von der Rechtsprechung sehr weit gefasst wird1695. Das „Ob“ wird somit als selbstverständlich vorausgesetzt und lediglich das „Wie“ für diskussionswürdig gehalten. Denn auch im Rahmen des Anwaltshaftungsrechts gilt, dass die erforderliche Sorgfalt nicht notwendig der üblichen entspricht1696. In seiner älteren Rechtsprechung hat der BGH dies für den Anwalt sehr klar formuliert. So heißt es z.B. im Urteil des BGH vom 7.2.19671697: „Gewiß bestimmt sich auch bei einem Rechtsanwalt das Maß der Anforderungen an seine Sorgfalt danach, was normalerweise von einem gewissenhaften und erfahrenen Angehörigen seines Berufskreises bei der gegebenen Sachlage an Umsicht und Sorgfalt zu erwarten war“. Wenn der BGH demgegenüber seit 1982 wiederholt festgestellt hat, Maßstab sei die „übliche, von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt“1698 oder vereinzelt auf den „durchschnittlichen Anwalt“1699 abstellt, dürfte hierin kein Wechsel des Standards und keine Einschränkung seiner rechtlichen Determination liegen1700. Dass der BGH nämlich so leichthin von der Sorgfalt des „durchschnittlichen Anwalts“ sprechen kann, dürfte darin begründet liegen, dass die Anforderungen des BGH an den „durchschnittlichen Anwalt“ dazu führen, dass die erforderliche und die übliche Sorgfalt sich (weitestgehend) decken. Das Einreißen eines „Schlendrians“, das die Verfasser des BGB durch ein Abstellen auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu verhindern gedachten1701, wird angesichts dieser Anforderungen 1693

BGH, NJW 1983, 1374, 1375 (nicht – wie üblich – durch Krankenhausverwaltung vorgewarnt); OLG Düsseldorf, VersR 1987, 489, 490 f. 1694 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 151. 1695 Vgl. z.B. Prinz, VersR 1986, 317 ff.; Schneider, NJW 2001, 3756, 3758; Slobodenjuk, NJW 2006, 113, 116 f.; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 406, die feststellen, der BGH würde den Anwalt überfordern. Dies trifft indessen nicht zu, denn dem wirkt der BGH gerade entgegen, vgl. z.B. BGH, NJW 2006, 501, 502; BGH, NJW 1985, 1710, 1711; BGH, NJW 1982, 2670 f.; vgl. wie hier auch Fahrendorf, NJW 2006, 1911 ff. 1696 Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 392, 402. 1697 VI R 101/65, VersR 1967, 704, 705. 1698 BGH, NJW-RR 1988, 508; BGH, NJW 1985, 1710, 1711; BGH, NJW 1985, 495, 496. 1699 BGH, NJW 2002, 1117, 1118. 1700 Ebenso Walter, Spezialisierung, S. 228 m.w.N. 1701 Vgl. S. 227.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

237

durch die Rechtsprechung praktisch ausgeschlossen. Was von einem ordentlichen Rechtsanwalt erwartet werden kann, legt die Rechtsprechung nämlich im Einzelnen fest, ohne dabei – was nach §§ 73 Abs. 2 Nr. 8, 177 Abs. 2 Nr. 5 BRAO möglich wäre – auf Sachverständigengutachten über die gelebte Praxis zurückzugreifen1702. Im Hintergrund dürfte dabei die Überlegung stehen, dass sie das im Rahmen der Mandatsbetreuung durch einen Rechtsanwalt „Machbare“ – anders als im Arzthaftungsrecht das für den Arzt medizinisch „Machbare“ – ohne weiteres aus eigenem Sachverstand festlegen kann. Dieselbe Überlegung hat auch die englische Rechtsprechung herangezogen, um die Unzulässigkeit von Sachverständigengutachten in Anwaltshaftungsfällen zu begründen1703. Gleichwohl kommt – obwohl nicht durch Sachverständigengutachten ermittelt – auch im Rahmen der Anwaltshaftung dem, was „gute“ Übung ist, durchaus Bedeutung zu1704. Dies wird schon daran deutlich, dass, wenn die Rechtsansicht des Anwalts nach Abschluss der Rechtsprüfung von der herrschenden Meinung abweicht, ein hoher Begründungszwang bezüglich der Abweichung bestehen soll1705. Insbesondere genügt den Anforderungen an die für eine pflichtgemäße Wahrnehmung des Mandats in diesem Fall erforderliche Aufklärung des Mandanten über das Erfolgsund Kostenrisiko1706 nicht der Hinweis, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung von Instanzgerichten und/oder im Schrifttum abgelehnt werde1707. Nur am Rande bemerkt sei, dass, wo es um umstrittene Fragen geht, – insoweit parallel zum Arzthaftungsrecht – auch im Anwaltshaftungsrecht ein Ausweg in einem Wechsel des Anknüpfungspunkts der Pflichtverletzung gesucht wird, nämlich indem man die Aufklärungspflicht des Anwalts betont. Umgekehrt wird der Anwalt indes gleichzeitig zur Wahl des relativ sichersten Weges verpflichtet1708 und – unbestritten – von der Rechtsprechung die Entscheidung darüber getroffen, welcher Weg der relativ Sicherste ist. Im Anwaltshaftungsrecht geht es somit, soweit die Rechtsprechung kritisiert wird, in der Sache vielmehr darum, die Art und Weise, in der anwaltliche Pflichten durch die Rechtsprechung wahrgenommen werden, aufzuzeigen und zu korrigieren, wenn und soweit diese mit dem, was im Allgemeinen realistischer Weise von einem Anwalt erwartet werden kann, der vom BGH gewählten Formulierung nach für nicht mehr (evident) vereinbar gehalten wird. Vor allem die Allgemeinheit, in der der BGH bisweilen die jeweilige Pflicht begründet, – also die Formulierung – wird zunächst in Frage gestellt, um für eine stärkere Ausdifferenzierung des Pflichtenprogramms anhand des engeren Verkehrskreises zu plädieren, wenn die Maßgeblichkeit

1702

Einen solchen Rückgriff fordernd Scheffler, NJW 1961, 577, 581; Ostler, NJW 1965, 1785, 1791; Förster, NJW 1980, 432, 433. 1703 Vgl. ab S. 255. 1704 Insoweit zutreffend Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 402. 1705 Vgl. BGH, MDR 1958, 496, 497; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 54. 1706 Vgl. BGH, NJW 1993, 3323, 3325; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 583. 1707 Vgl. BGH, NJW 1961, 601; BGH, NJW 1993, 3323, 3324; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 582. 1708 Vgl. ab S. 305.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

des Einzelfalls (des konkreten Mandats1709) nach Ansicht der Kritiker nicht hinreichend deutlich wird. Dies gilt z.B. für die Kritik an den Feststellungen des BGH zur Verpflichtung des Anwalts, sich an der zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme maßgeblichen, d.h. der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren und seine Beratung an dieser auszurichten1710. Insoweit hat der BGH zwar betont, dass auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere in den Fällen gefestigter Rechtsprechung vertraut werden dürfe1711. Zugleich hat er aber umgekehrt auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nicht bedeute, dass der Anwalt sich auf ihre Fortdauer blind verlassen dürfe. Im Gegenteil, der Anwalt hat: „die Auswirkungen neuer Gesetze auf eine zu dem alten Rechtszustand ergangene Judikatur zu erwägen. Auch hat er Hinweise eines obersten Gerichts auf die Möglichkeit einer künftigen Änderung seiner Rechtsprechung zu berücksichtigen. Ferner hat er nach Möglichkeit neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft, namentlich das Entstehen neuer Rechtsfiguren zu verfolgen und im Rahmen des ihm Zumutbaren deren mögliche Auswirkungen auf eine ältere Rechtsprechung im Bereich des jeweiligen Problemfelds zu bedenken. […] Grundsätzlich wird darauf abzustellen sein, mit welchem Grad an Deutlichkeit (Evidenz) eine neue Rechtsentwicklung in eine bestimmte Richtung weist und eine neue Antwort auf eine bisher anders entschiedene Frage nahelegt. Ferner wird ins Gewicht fallen, mit welchem Aufwand – auch an Kosten – der neuen Rechtsentwicklung im Interesse des Mandanten Rechnung getragen werden kann. Insbesondere wird zu bedenken sein, ob der Anwalt sich bei einer Berücksichtigung der neuen Rechtsentwicklung für den Fall, daß die bisherige Rechtsprechung nicht geändert wird, dem Vorwurf aussetzen kann, diese Rechtsprechung nicht beachtet und deshalb einen Schaden seines Mandanten verursacht zu haben.“1712 Soweit diese Grundsätze kritisiert werden1713, soll dies nicht für den Revisionsanwalt gelten1714, sondern lediglich in Anbetracht des „Anwalt[s] mit einer Normalpraxis“1715. Es geht also in erster Linie um eine Ausdifferenzierung der maßgeblichen Bezugsgruppe. Dass Bestandteile der Vertragsdurchführung durch die Rechtsprechung – gerade weil sie sich im Rahmen des Üblichen halten – nicht überprüfbar

1709

1710

1711 1712 1713 1714

1715

Denn vermittelt über dieses findet zumeist eine Konkretisierung statt, vgl. dazu allgemein auch Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 401; ders., NJW 2006, 1911, 1912. Vgl. z.B. BGH, NJW 1993, 2799, 2800; BGH, NJW 2001, 146, 148; BGH, NJW 2003, 2022, 2025. BGH, NJW 1993, 3323, 3324 f., dort auch zum Folgenden. BGH, NJW 1993, 3323, 3324 f. Dem BGH folgend Ganter, WM Sonderbeilage 6/2001, S. 1, 9. Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 577; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 489. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 489.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

239

sind, wird, soweit ersichtlich, aber von niemandem vertreten. Gleiches gilt – wie nunmehr zu zeigen sein wird – für das Architektenhaftungsrecht.

III. Die rechtliche Determinierung des Standards im Rahmen der Architektenhaftung Freilich kann die gelebte Praxis auch hier nur Bedeutung erlangen, falls die Parteien keine konkrete, d.h. nicht durch Bezugnahme auf eine entsprechende Praxis ausfüllbare Regelung getroffen haben. Denn in diesem Fall steht die vertragliche Regel – wie z.B. das OLG Naumburg zutreffend in seinem Urteil vom 8.11.19951716 entschieden hat – selbstverständlich nicht zur Disposition. In dieser Entscheidung wusste die vom Beklagten mit Architektenleistungen beauftragte Klägerin z.B., dass der Beklagte nur 1.800.000 DM investieren wollte, und daher konnte die Beklagte nach den ausdrücklichen Feststellungen des Gerichts insoweit „nicht auf die allgemein üblichen Toleranzen verweisen“. „An die Erfüllung ihrer Pflicht hatte sie angesichts der ihr gesetzten Kostengrenze … [vielmehr] mit besonderer Sorgfalt und Genauigkeit heranzugehen“1717. Zur Einschätzung der Rolle, die die gelebte Praxis im Falle ausfüllbarer Vereinbarungen im Rahmen der Architektenhaftung spielt, ist nun zunächst die Bedeutung der Qualifikation des Architektenvertrages als Werkvertrag zu bemessen.

1.

Der Inhalt des Leistungsversprechens im Falle der Gesamtarchitektur

Auf der Grundlage der „Werkvertragstheorie“ des BGH1718 ist für die Architektenhaftung von § 633 BGB auszugehen. Der Architekt hat aber dafür Sorge zu tragen, dass das von dem Bauherrn in Auftrag gegebene Bauwerk in dem durch den Architektenvertrag vorgegebenen Rahmen „richtig“ geplant und verwirklicht wird1719. Hierzu ist eine stufenweise Verwirklichung der ihm übertragenen Leistungen (§ 15 HOAI) erforderlich, bei der der Architekt fortlaufend verpflichtet ist, erbrachte Teilleistungen darauf zu prüfen, dass sie für die nächste Teilphase geeignet sind1720. Ferner hat der Architekt für die Einschaltung der erforderlichen Sonderfachleute zu sorgen1721, die Leistungen aller an der Planung und Ausführung Beteiligten zu koordinieren1722, den Bauherrn über etwaige Risiken aufzuklären1723 und ihn bei der Durchsetzung von Mängelansprüchen gegen Handwerker und Baustofflieferanten zu 1716

6 U 153/95, BauR 1996, 889. OLG Naumburg, BauR 1996, 889, 890; vgl. auch BGH, BauR 1994, 268, 269; BGH, NJW 1975, 1657. 1718 Vgl. ab S. 132. 1719 Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 374. 1720 Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1479; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 374. 1721 Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 6 Rn. 6 ff. 1722 Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1493; Bindhardt/Jagenburg, Haftung, § 6 Rn. 94 ff. 1723 Vgl. ab S. 389 sowie Weyer, BauR 1987, 131 ff. 1717

240

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

unterstützen1724. Zusammenfassend und verallgemeinernd schuldet der Architekt mithin „eine technisch und wirtschaftlich einwandfreie Planung und den unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und dem Stand der Technik auf die Verwirklichung der Planung zu einem mangelfreien Bauwerk gerichteten Leistungseinsatz“1725. Bereits in dieser Definition deutet sich eine Konsequenz der „Werkvertragstheorie“ des BGH an. Geschuldet ist – als im geistigen Architektenwerk verkörperter Erfolg – auf der Ebene des „Primäranspruchs“ die einwandfreie Planung, während im Übrigen vielfach primär nur (aber immerhin) die erforderliche (d.h. auch: sachkundige) Sorgfalt geschuldet ist1726. Auffällig ist, dass im Rahmen der Sorgfaltspflichten nach der vorstehenden Definition die erforderliche Sorgfalt und der Stand der Technik nebeneinander stehen. Dies ist ein wenig irreführend; denn der Stand der Technik hat neben der erforderlichen Sorgfalt (richtigerweise) keine eigenständige Bedeutung. Zwar dürfte in der Regel nicht die erforderliche Sorgfalt eingehalten worden sein, falls der „Leistungseinsatz“ nicht den Stand der Technik berücksichtigt. Denn die „allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und Bautechnik“ bilden nur das unterste Maß an Fachkunde und Sorgfalt1727, während der Architekt auf der Grundlage der Verkehrsauffassung Leistungen nach dem „Stand der Technik“ schuldet1728. Doch dürfte allein dessen Berücksichtigung umgekehrt noch nicht notwendig einen Leistungseinsatz bedeuten, der die erforderliche Sorgfalt ausübt. Denn im Rahmen der erforderlichen Sorgfalt sind neben dem Stand der Technik andere, weitere Faktoren zu berücksichtigen, wie z.B. die Qualifikation und Zuverlässigkeit der Lieferanten, Weisungen des Bauherrn usw. Die Berücksichtigung des Stands der Technik bildet daher nur einen Teil der vertragsgemäß auszuübenden, „im Verkehr erforderlichen“ Sorgfalt.

2.

Die Bedeutung der tatsächlichen Übung am Beispiel der Planungshaftung

Besonders im Rahmen der Planungshaftung findet – nicht zuletzt vermittelt über § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB – die tatsächliche Übung indes bei der Bestimmung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ausdrückliche Berücksichtigung1729. Denn die Planung kann, wie vorstehend erörtert, insbesondere deshalb fehlerhaft sein, weil sie (nach der Rechtsprechung des BGH: zum Zeitpunkt der Abnahme des Architektenwerks, § 640 Abs. 1 BGB) nicht den „anerkannten Regeln der Technik und Baukunst“ genügt1730. Dies gilt auch, wenn das Werk als solches funktionstauglich ist, weil eine derartige Werkleistung das Risiko eines Schadens in sich birgt1731.

1724

Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 6 Rn. 128, 155 ff. Locher, Baurecht, Rn. 369 (Hervorhebung weggelassen). 1726 Vgl. zur Qualifikation der vom Architekten geschuldeten Leistungen ab S. 132. 1727 Vgl. Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32; BVerfG, NJW 1979, 359, 362. 1728 Bartsch, BauR 1994, 314, 315; Reinelt/Frikell, in: Münchener Vertragshandbuch 5/I, § III. 18 Tz. 4. 1729 Vgl. zur Bewertung der Bedeutung des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB durch die Literatur nach der Schuldrechtsmodernisierung S. 312. 1725

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

241

Die „anerkannten Regeln der Technik und Baukunst“ werden definiert als „technische Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreis der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind“1732. Auch die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik vermag den Architekten aber nicht in jedem Fall von dem Vorwurf eines Planungsfehlers zu entlasten. Vielmehr kann ein solcher Fehler trotz Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik zunächst vorliegen, wenn diese Regeln „mehrere Möglichkeiten des Plans vorsehen oder an Klarheit zu wünschen übrig lassen“1733. Denn in diesem Fall darf der Architekt „nicht einfach darauflosplanen, sondern muß den Bauherrn entsprechend informieren und sich mit ihm abstimmen“1734. Wichtig ist dabei, dass die fehlende Aufklärung und Abstimmung nach den vorstehenden Feststellungen nicht lediglich einen isolierten Beratungsfehler darstellen soll, sondern die Planung bei unzureichender Abstimmung für sich genommen fehlerhaft macht. Damit wird der Schutz der Interessen des Bauherrn sehr streng durchgesetzt und auf die Aufklärungspflichtverletzung, die bisweilen als „Hilfsmittel“ eingeordnet wird1735, als eigenständigen Ansatzpunkt des Haftungsrechts verzichtet1736. Losgelöst hiervon kann ein Planungsfehler aber auch vorliegen, wenn nur eine eindeutige Planungsmöglichkeit vorgesehen ist. Denn die anerkannten Regeln der Technik können hinter dem aktuellen Stand der Technik zurückbleiben1737; das OLG Hamm hat dies z.B. ausdrücklich anerkannt und hierzu festgestellt: „[D]ie Ordnungsmäßigkeit einer Bauleistung ist nicht allein an den schriftlich fixierten technischen Normen zu messen, sondern an den allgemeinen, nicht notwendigerweise schriftlich fixierten Regeln der Bautechnik, die als solche nach Entwicklung und Stand der jeweiligen anerkennenswerten Handhabung wandel1730

OLG Düsseldorf, BauR 1996, 287; Schliemann/ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 294, 299; Schmalzl, Haftung, S. 45 f.; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 64. 1731 Für die Schadenswahrscheinlichkeit reicht es dabei aus, dass eine Verarbeitung entgegen den Herstellervorgaben den Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik begründet, vgl. OLG Schleswig-Holstein, BauR 2004, 1946, 1947; Neuenfeld, NZBau 2005, 657, 661 m. Fn. 56. 1732 So OLG Hamm, BauR 1992, 262; vgl. ferner Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 65; Schliemann/ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 299; Mundt, NZBau 2003, 73, 74. Die DIN-Vorschriften sind hingegen private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, BGH, BauR 1998, 872, 873. Es ist daher falsch, sie mit den anerkannten Regeln der Technik und Baukunst gleichzusetzen, Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 66. 1733 Schmalzl, Haftung, Rn. 46. 1734 Schmalzl, Haftung, Rn. 46. Näher zum Konkretisierungsmechanismus ab S. 309. 1735 Vgl. so – zur Umgehung von Beweisproblemen – statt vieler Hübner, NJW 1989, 5, 7. 1736 Das hierdurch abgesicherte Interesse ist das Interesse des Bauherrn an der Durchsetzung seiner Vorstellungen hinsichtlich des Bauwerks, vgl. hierzu näher ab S. 315. 1737 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 65 f.

242

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

bar sind; dies kann im Einzelfall dazu führen, dass eine technische Vorschrift, wie eine DIN-Norm, die einmal als anerkannte Regel der Baukunst fixiert worden ist, ihre Gültigkeit verliert, weil sie durch die technische Entwicklung überholt ist“1738. Damit ist auch für die Architektenhaftung klargestellt, dass das Übliche (anerkannte Reglen der Technik und Baukunst) nicht notwendig das Erforderliche (aktueller Stand der Technik) ist. Vor diesem Hintergrund wird man auch die vielfach kritisierte1739 Rechtsprechung des BGH sehen müssen, nach der ein Planungsfehler im Rahmen des § 633 BGB auch vorliegt, falls die Planung erst im Lichte späterer, nach der Abnahme gewonnener technischer Erkenntnisse als fehlerhaft zu qualifizieren ist1740. Obwohl den Architekten in diesem Fall kein Verschulden trifft1741 und es im Gegenteil unerheblich sein soll, ob ihm ein Sorgfaltsmangel vorzuwerfen ist1742, ändert dies am Vorliegen einer Pflichtverletzung, nämlich eines Sachmangels i.S.d. § 633 BGB, nichts. Dass das tatsächlich Übliche auch im Lichte des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB nicht notwendig das rechtlich Maßgebliche ist1743 – insoweit kann die Formulierung des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB für den Architektenvertrag in die Irre führen1744 – ‚ dürfte, ohne dass dies jemals besonders hervorgehoben worden ist, auch die Position des BGH zutreffend abbilden. Lediglich beispielhaft sei hierfür auf den Nichtannahmebeschluss des III. Zivilsenats des BGH vom 26.5.19831745 verwiesen. Im Rahmen der Zurückweisung des Revisionsbegeherens des Klägers auf der Grundlage des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB beschäftigte sich der Senat dort mit dem Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen seinen Architekten aus positiver Vertragsverletzung wegen Verursachung einer fehlerhaften und wieder zurückgenommenen Erteilung einer Baugenehmigung. Der Architekt hatte dem Bauausschuß dort ein Modell des Bauvorhabens und der umliegenden Gebäude vorgestellt, in dem die baulichen Anlagen in der Umgebung zum Teil erheblich überhöht dargestellt waren. Das Modell war vom Hausschreiner des Klägers gefertigt und vom Architekten nicht sorgfältig auf seine Maßstäblichkeit überprüft vorgelegt worden. Das auf den Ausschluss einer Vertragsverletzung des Architekten gerichtete Vorbringen des Klägers, der Architekt habe von der allgemeinen Kenntnis des Umstands ausgehen dürfen, dass derartige Modelle „keine absolut zuverlässigen genauen Maße aufweisen und daß mit fachüblichen Toleranzen zu 1738

OLG Hamm, 1983, 173 (Kurzwiedergabe) zitiert nach juris. Vgl. z.B. Schmalzl, Haftung, Rn. 46. 1740 Vgl. BGH, NJW 1971, 92 f. 1741 BGH, BauR 1985, 567, 568; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 147; Locher, Baurecht, Rn. 400. 1742 BGH, BauR 1985, 567, 568. 1743 Diese Möglichkeit als „Gefahr“ einräumend immerhin Mundt, NZBau 2003, 73, 76. 1744 Denn die übliche Beschaffenheit i.S.d. § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB ist im Rahmen des Architektenvertrags nur insoweit die tatsächlich übliche Beschaffenheit, als diese sich auf dem Stand der Technik befindet. 1745 III R 212/82, VersR 1983, 980. 1739

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

243

rechnen“ sei, wies der BGH als unerheblich zurück, wobei der Senat auch zur Frage der Relevanz der Fachüblichkeit von Abweichungen Stellung nahm: Das Berufungsgericht gehe zwar selbst davon aus, dass solche „fachüblichen“ Toleranzen nicht zu vermeiden seien. Wenn es aber feststelle, es handele sich im vorliegenden Fall nicht um „geringfügige Toleranzen“ sondern um „gravierende Abweichungen“, wolle es damit – nach Auffassung des Senats offenbar zutreffend – nicht zwischen „fachüblichen Toleranzen“, die geringfügig sind, und solchen unterscheiden, die nicht geringfügig sind. Es habe vielmehr diese Toleranzen – „Abweichungen also, die toleriert werden können, die also (wenn anders das Modell überhaupt nicht verwendbar sein soll) als geringfügig bewertbar sein müssen – den festgestellten und als gravierend (und deshalb nicht mehr tolerierbar) bewerteten Abweichungen gegenübergestellt“1746. Der Senat will mit anderen Worten die Fachüblichkeit der Toleranzen als Kriterium unberücksichtigt lassen und allein darauf abstellen, ob die Abweichungen – in den Augen eines neutralen Beobachters und ausgerichtet am Zweck des Modells – als geringfügig bewertbar sind. Denn nur in diesem Fall ist das Modell nach den Feststellungen des Senats überhaupt verwendbar. Insofern löst sich der Senat vollständig von dem, was bezüglich solcher Modelle gelebte Praxis ist, und kontrolliert die Verwendbarkeit der Leistung allein an autonomen Maßstäben.

3.

Fazit

Vor diesem Hintergrund wird auch im Hinblick auf die Architektenhaftung deutlich, dass die im konkreten Fall maßgeblichen Standards letztlich immer rechtlich determiniert sind. Insofern wird – soweit ersichtlich – im Gegensatz zum Arzthaftungsrecht, aber ebenso wie im Anwaltshaftungsrecht im Architektenhaftungsrecht nicht in Frage gestellt, dass die Architektenleistung – auch in ihrem Kernbereich – der gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Dem Architekten kann zwar keine Sorgfaltsplichtverletzung vorgeworfen werden, falls die Planung zum Zeitpunkt der Abnahme dem Stand der Technik entspricht1747. Da dieser aber nicht mit den „anerkannten Regeln der Technik und Baukunst“ übereinzustimmen braucht, gilt auch hier entsprechend der gesetzlichen Vorgaben der §§ 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 276 Abs. 2 BGB, dass maßgeblich der „Stand der Technik“ bzw. die „im Verkehr“ (d.h. bei Übernahme und Durchführung einer Aufgabe typischerweise) erforderliche Sorgfalt ist.

B.

Die Regelung der Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR

Die PELSC nehmen zur Bedeutung der gelebten Praxis für die Leistungsbewirkung nicht explizit Stellung. Nach Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR muss der Dienstleister immerhin, soweit er Mitglied einer Gruppe professioneller Dienstleis-

1746 1747

BGH, VersR 1983, 980, 981. Locher, Baurecht, Rn. 400.

244

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

ter1748 ist oder zu sein vorgibt, für die hinsichtlich Sorgfalt und Sachkunde Standards existieren, die von dieser selbst oder von einem relevanten Entscheidungsträger festgelegt wurden, zwar diesen Standards gerecht werden. Damit wird aber nur gesagt, dass die Erfüllung der nach Art. 1:107(1) PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR geschuldeten Leistung auch das Gerechtwerden gegenüber jenen Standards zählt. Im Binnenverhältnis zwischen Art. 1:107(1) und Art. 1:107(3) PELSC bzw. Art. IV.C. – 2:105 (1) und Art. IV.C. – 2:105(3) DCFR gilt, sofern man sich einmal am typischen Parteiwillen orientiert, dass der Schuldner sich nicht auf Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR zurückziehen kann, um sich von einer potentiell strengeren, nach Art. 1:107(1) PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR geschuldeten Anstrengung zu entlasten. Denn wenn der professionsintern erreichte Standard objektiv betrachtet zu lax, d.h. unangemessen ist, dürfte es – schon aufgrund des typischerweise bezüglich dieses Umstands vorhandenen Informationsgefälles – kaum den übereinstimmenden Vorstellungen beider Parteien entsprechen, einen objektiv unangemessenen Standard als vertraglich geschuldet zu qualifizieren1749. Davon sind die Verfasser der PELSC auch nicht ausgegangen. Als Ergebnis ihrer rechtsvergleichenden Forschung stellen sie zwar fest: „Generally speaking, the standard of care to be observed by the service provider depends on the skills of a reasonably competent representative belonging to his profession and is further determined by the generally accepted (technical) standards and customs of that professions“1750. Der professionsinterne Standard determiniert den geschuldeten Standard nach diesen Feststellungen nicht abschließend – denn es fehlt insoweit eine Beifügung wie „conclusively“ –, sondern beeinflusst diesen im Gegenteil nur (aber immerhin). Auch dies tut er aber nur, wenn er „generally accepted“ ist. Die Beziehung zwischen Art. 1:107(1) und Art. 1:107(3) PELSC bzw. Art. IV.C. – 2:105(1) und Art. IV.C. – 2:105(3) DCFR, die so allerdings noch nicht zwingend eindeutig aufgeklärt scheint, wird indessen klar, wenn man die weitere Kommentierung zu Art. 1:107 PELSC berücksichtigt: „[Art. 1:107 PELSC] imposes a duty upon the service provider to carry out the service with care and skill, generally to be observed in the circumstances of the case. This is the fundamental duty that is imposed upon a service provider in all legal cultures, unless there is reason to impose the stricter obligation upon him to actually achieve the result stated or envisaged by the client“1751. Die Klarstellung „generally to be observed in the circumstances of the case“ innerhalb der Erläuterung zur „Preferred Option“ lässt eine abschließende Determination des Schuldinhalts durch professionsinterne Vorgaben als mit den Vorstellungen der Verfasser ebenso unvereinbar erscheinen wie die Feststellung, dass „if the service provider is a member of a group of professional service providers, that has set ist own disciplinary standards to be observed, paragraph (3) requires that these standards will also have to be observed by the service 1748

Einer spezifischen Definition des professionellen Dienstleisters oder einer typushaften Umschreibung – wie sie in der englischen Literatur bisweilen zu finden ist (vgl. Jackson/ Powell, Negligence, §§ 1–00 1 ff.) – enthalten sich die PELSC. 1749 Ebenso Griffin v Kingsmill and others [2001] EWCA Civ 934, Tz. 65, per Sir StuartSmith (CA). 1750 Barendrecht u.a., PELSC, Comment C. zu Art. 1:107 (Hervorhebung hinzugefügt). 1751 Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:107 (Hervorhebung hinzugefügt).

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

245

provider concerned“1752. Vor diesem Hintergrund benennen Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR lediglich ergänzend Gesichtspunkte, die bei der Bestimmung des nach Art. 1:107(1) PELSC, IV.C. – 2:105(1) DCFR geschuldeten Mindeststandards bei Verträgen über professionelle Dienstleistungen zu berücksichtigen sind. Leider ist dies im Entwurf nicht ausdrücklich klargestellt worden. Wie bereits die Formulierung des Ergebnisses der rechtsvergleichenden Untersuchung der Verfasser1753 deutlich macht, darf man die praktische Bedeutung der professionsintern erreichten Standards für die Bestimmung des Schuldinhalts auch im Rahmen der Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR gleichwohl nicht unterschätzen. Dass eine Beifügung wie „ordinary“ dennoch keinen Eingang in den Wortlaut der Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR gefunden hat, ist indessen durchaus zu begrüßen. Denn dadurch wird zumindest im Ansatz der Versuchung entgegengewirkt, tatsächlich verbreitet erreichten (Sein) und vertraglich geschuldeten Standard (Sollen) in Eins zu setzen. Da die Vertragsinhaltsbestimmung vom berechtigten Erwartungshorizont des Gläubigers abhängt (vgl. Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR), kann zwar, was „faktisch als die Regel gelebt wird“1754, nicht völlig irrelevant sein. Doch kann die faktische Identifizierung von Sein und Sollen – wie vor allem am englischen Arzthaftungsrecht demonstiert werden soll – den aus Sicht des Gläubigers nicht unbedingt erwartungsgerechten Schuldinhalt zum Regelfall befördern. Insofern ist die Entwicklung des englischen Rechts aufschlussreich, in der sich diesbezüglich auch für die Arzthaftung in jüngerer Zeit eine „Trendwende“ ankündigt.

C.

Vorbemerkungen zum so genannten Bolam-Test und zu dessen Bedeutung im englischen Recht

Maßstab für die geschuldete Sorgfalt ist, wie wir gesehen haben, nach englischem Recht der Standard des reasonable man, dessen Rolle zu Zeiten des Jury-Prozesses wie folgt definiert war: Bei zivilgerichtlichen Verhandlungen vor einer Jury wurde die Frage, ob der Beklagte fahrlässig gehandelt und so den Vertrag gebrochen hatte, als Tatfrage von der Jury entschieden1755. In Deutschland gilt die Annahme von Fahrlässigkeit demgegenüber als revisibel, während die Feststellung der sie begründenden Tatsachen mit der Revision nicht überprüfbar ist1756. Bevor die Jury diese beantworten konnte, musste sie jedoch zunächst durch das Gericht darüber aufgeklärt werden, welche Sorgfaltsanforderungen das Recht an den Beklagten stellte, d.h. welche Leistung er schuldete und nach welchen Kriterien sich deren Konkretisierung richtete. Diese Festlegung des geschuldeten Sorgfaltsstandards beinhaltete die maßgebliche Wertungsfrage, die durch das Gericht beantwortet werden sollte1757. Insofern war die 1752

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:107 (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment C. zu Art. 1:107. 1754 MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 60. 1755 Zum Folgenden Jones, Negligence, §§ 3–004 f. 1756 Vgl. nur BGHZ 10, 14, 16; Soergel /Wolf, BGB § 276 Rn. 205; Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 145; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 190. 1757 Vgl. dazu ab S. 249. 1753

246

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

für die Einordnung als Tatfrage erforderliche Abgrenzung zwischen der Begründung der duty als Rechtsfrage und ihrer Konkretisierung als Tatfrage vergleichsweise einfach1758. Bei der Begründung der duty und der rechtlichen Vorgaben für ihre Konkretisierung griffen die Gerichte auf die Figur des „reasonable man“ zurück. Divergierende Entscheidungen konnten hingenommen werden, soweit sie im Verdikt der Jury begründet waren1759. Nach der weitgehenden Aufgabe des Jury-Verfahrens im Zivilprozess liegt nun allerdings auch die Entscheidung über die Tatsachen in der Hand der erstinstanzlichen Richter. Rechtliche und tatsächliche Ausführungen sind vor diesem Hintergrund nicht immer leicht zu trennen, was eine verbreitete Tendenz nach sich gezogen hat, „einzelne Konkretisierungen des Maßstabs des reasonable man in die Nähe bindender Präjudizien zu rücken“1760, obwohl es diese im Bereich der Dienstleistungshaftung eigentlich nicht gibt: „Each case is decided on its own facts, and precedent – normally a determining factor in common law – is of no relevance here“1761. Dies mag in den für diese Untersuchung relevanten Konstellationen zum Teil in dem Umstand begründet liegen, dass der reasonable man hier vertraglich eine Aufgabe übernommen hat, deren Durchführung in der Regel besondere Sachkunde erfordert. Da das Gericht selbst diese Sachkunde (sofern es nicht gerade um eine Rechtsfrage geht) nicht besitzt, wird es sich – ebenso wie zuvor die Jury – bei seiner Entscheidung durch Sachverständigengutachten unterstützen lassen müssen, um dem Verhalten des Beklagten gerecht werden zu können1762. Das Sachverständigengutachten dient ihm insoweit zur Feststellung des gewöhnlich innerhalb der relevanten Bezugsgruppe erreichten Sorgfaltsstandards, d.h. des Ist-Zustands. Die Frage, welche Bedeutung diesen Feststellungen für die gerichtliche Determinierung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards, d.h. für den Soll-Zustand angemessenen Verhaltens zukommt, hat die englische Dogmatik lange, intensiv und umfänglich beschäftigt.

I.

Divergerierende Entscheidungen über den Inhalt des Bolam-Tests

Keine Einigkeit scheint in der Frage zu bestehen, ob für die vertraglich geschuldete Leistung der Standard maßgeblich ist, den die Berufsgenossen in der Regel tatsächlich erreichen1763, oder der Standard, den sie nach Auffassung des urteilenden Gerichts 1758

Schmidt-Kessel, Standards, S. 350. Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 350. 1760 Näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 350 f. m.w.N. 1761 So Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 22; Qualcast (Wolverhampton) Ltd v Hayes [1959] AC 743, 755 per Lord Keith, 757 f. per Lord Sommervell (HL). 1762 Connor v Surrey County Council [2010] EWCA Civ 286, Tz. 66 per Laws LJ (CA), unreported. 1763 So etwa Whitehouse v Jordan [1981] 1 WLR 246, 257 f. per Lord Wilberforce (HL); Smith v Eric S. Bush [1990] 1 AC 831, 851 per Lord Templeman (HL); Luxmoore-May v Messenger May Baverstock [1990] 1 WLR 1009, 1020 per Slade LJ (CA) und nach manchen Urteilen auch Bolam v Friern Hospital Management Committe [1957] 1 WLR 582, 587 f. per McNair J (doctors). 1759

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

247

erreichen sollten1764. Wenn insoweit – als dritte Formulierungsvariante – auf ein „reasonable competent member“ des in Rede stehenden Berufszweigs abgestellt wird1765, bedeutet dies solange keinen Unterschied zur normativ ansetzenden Auffassung, wie das urteilende Gericht bestimmt, was mit „reasonable competent member“ gemeint ist. Die praktische Bedeutung dieser Fragestellung erschließt sich am ehesten, wenn man die prozessuale Dimension einbezieht: Der Kläger wird vortragen, der Beklagte habe zwar die übliche, nicht aber die vertraglich geschuldete Sorgfalt walten lassen und so den Vertrag gebrochen. Sofern man nun der erstgenannten Auffassung folgt, ist dem Kläger der damit formulierte Einwand abgeschnitten, der verbreitet erreichte Sorgfaltsstandard sei zu lax und daher rechtlich nicht maßgebend. Denn sofern die durchschnittliche Sorgfalt mit der geschuldeten Sorgfalt identisch ist, hat der Schuldner seine vertraglichen Pflichten erfüllt, wenn er in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis gehandelt hat. Der Beklagte wird also typischerweise der erstgenannten Auffassung zuneigen, während der Kläger darauf dringen wird, der normative Ansatz gebe das geltende Recht zutreffend wieder.

II.

Hintergrund: Die restriktive Grundhaltung der englischen Rechtsprechung

Die Frage nach dem „richtigen“ Sorgfaltsbestimmungsmodell wird vor dem Hintergrund divergierender Umschreibungen des maßgeblichen Tests bzw. einer teilweise sehr restriktiven Interpretation desselben durch die Gerichte vor allem in der arzthaftungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur mit großem Aufwand unter dem Stichwort „Bolam test“ diskutiert. Denn insbesondere die Rechtsprechung zum englischen Arzthaftungsrecht hat es lange Zeit kaum gewagt, bei der Festlegung des geschuldeten Sorgfaltsstandards von dem abzuweichen, was per Sachverständigengutachten als durchschnittlich erreichter Sorgfaltsstandard festgestellt worden war1766. Der Vortrag, dass der Beklagte diesem Standard gerecht geworden sei, war folglich als Haftungsentlastungsmechanismus von zentraler Bedeutung. Insofern 1764

So z.B. ausdrücklich Pudney v Union-Castle Mail Steamship Company Ltd [1953] 1 Lloyd’s Rep 73, 74 per Mr. Justice Devlin (HC); Midland Bank Trust Co. Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] 1 Ch 384, 402 per Oliver J (HC); Bown v Gould & Swane [1996] PNLR 130, 135 per Simon Brown LJ (CA); Barings Plc and Another v. Coopers & Lybrand and Ors [2001] EWHC Ch 17, Tz. 33 per Evans-Lombe J (HC); vgl. auch Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 243 per Lord Browne-Wilkinson (HL). 1765 Bspw. in Saif Ali v Sydney Mitchell & Co [1980] AC 198, 218, 220 per Lord Diplock (HL); Whitehouse v Jordan [1981] 1 WLR 246, 263 per Lord Fraser (HL); Eckersley v Binnie and Partners [1955–95] PNLR 348, 383 per Bingham LJ (CA); McFarlane v Wilkinson [1997] 2 Lloyd’s Rep 259, 275 per Brooke LJ (CA). 1766 Heckendorn, Haftung, Rn. 312 behauptet irreführend verkürzend, dies sei die – noch dazu offiziell anerkannte – Position des englischen Rechts insgesamt, das erst seit Bolitho (dazu ab S. 283) davon ausgehe, die Gerichte dürften Sachverständigenansichten überprüfen. Dies ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, indessen nachweislich falsch und die insoweit einschlägige, vielschichtige Diskussion findet noch dazu vornehmlich im Arzt-

248

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

überrascht es, dass sich zu dieser Thematik zwar sogar rechtsquellentheoretische aber – auch außerhalb des Arzthaftungsrechts – keine spezifisch vertragsrechtlichen Überlegungen finden. Zwischen Vertrag und Delikt wird insoweit kaum einmal differenziert1767. Auch das Inkrafttreten der s. 13 SGSA hat die Diskussion nicht beeinflusst, obwohl der Wortlaut dieser Norm mit seiner Forderung nach reasonable care zunächst an einen normativen Ansatz denken lässt. Allerdings sind die Gerichte tendenziell nicht lediglich im Arzthaftungsrecht zurückhaltend bei der Verurteilung einer verbreiteten Praxis. Im Hintergrund steht dabei – so die Bewertung in der Literatur – selbst in Urteilen, in denen eine solche Praxis scheinbar für fahrlässig gehalten wird, bei näherer Untersuchung der Umstand, dass der Beklagte dieser Praxis lediglich wegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht hätte folgen dürfen1768. Daher wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, in der richterlichen Zurückhaltung möge „a reflection of professional competence rather than judicial timidity“1769 liegen, und diese Hoffnung dürfte für den Regelfall in der Tat begründet sein1770.

III. Die verschiedenen Funktionen des Bolam-Tests Soweit in Rechtsprechung und Literatur in diesem Zusammenhang immer wieder auf den sog. Bolam-Test Bezug genommen wird, ist indes genau zu differenzieren, vor welchem Hintergrund die Bezugnahme erfolgt. Der Begriff „Bolam test“ berührt nämlich nur zum Teil die vorgenannte Diskussion. Mit „Bolam test“ werden schlagwortartig nicht weniger als drei1771 unterschiedliche Aspekte des Sorgfaltsbestimmungsmodells für professionelle Dienstleister umschrieben: (1) Zunächst modifiziert der Bolam-Test den „gewöhnlichen“ Test für negligence dahin, dass nicht auf die Sachkunde eines Durchschnittsbürgers (des sprichwörtlichen „man on a Clapham omnibus“) abzustellen ist, sondern – wie in der namensgebenden Entscheidung Bolam v Friern Hospital Management Committee formuliert wurde – auf den „ordinary skilled man exercising and professing to have […] special skill“. Bezugspunkt ist danach das gewöhnliche Mitglied einer mit spezieller Sachkunde versehenen Bezugsgruppe1772. Insofern besteht keinerlei Streit. (2) Auf Bolam haftungsrecht statt, was als äußeres Kennzeichen darauf hindeutet, dass es sich in erster Linie um ein auf diesen Dienstleistungsausschnitt begrenztes Problem handelt. 1767 Der differenzierende Ansatz von Megarry J in Duchess of Argyll v Beuselinck [1972] 2 Lloyd’s Rep 172, 183 (HC) hat – soweit ersichtlich – kaum praktisch bemerkbare Spuren hinterlassen. 1768 Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.25. 1769 Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.25. 1770 Zur Bedeutung einer verbreiteten Praxis vgl. ab S. 251. 1771 In der englischen Literatur ist nicht selten von zwei Teilen oder Kernaspekten die Rede, wobei dann die hier als zweiter und dritter Teil bezeichneten Elemente zusammengefasst werden, vgl. etwa Teff, (1998) 18 OJLS 473, 475. Das ist einer Analyse aber nicht förderlich, da sich die Elemente 2 und 3, wie noch zu zeigen sein wird, nur bedingt gegenseitig beeinflussen. Vgl. ab S. 317.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

249

stützt sich allerdings auch die Ansicht, die das Erreichen des durchschnittlich erreichten Sorgfaltsstandards als Vertragserfüllung betrachtet1773. Dies wird – wie dargelegt – durchaus unterschiedlich formuliert und beurteilt. Insofern ist die Bedeutung „des“ Bolam-Tests umstritten. (3) Schließlich legt die Entscheidung in der Sache Bolam v Friern Hospital Management Committe fest, wie in Fällen zu entscheiden ist, in denen potentiell mehrere Handlungsoptionen für ein angemessen sorgfältiges Vorgehen bestehen. Auf diese Frage ist an späterer Stelle zurückzukommen1774. Wichtig ist die Unterscheidung der vorgenannten Bestandteile des Tests vor allem, weil selten sprachlich zwischen ihnen differenziert wird1775. Eine Aussage über die Verbindlichkeit richterlicher Feststellungen lässt sich aber nur mit hinreichender Sicherheit treffen, wenn geklärt wird, auf welchen der vorgenannten Bestandteile des Tests sie sich beziehen. Falls also in Entscheidungen undifferenziert der Geltung des „Bolam-Tests“ das Wort geredet wird, ist stets behutsam zu untersuchen, auf welchen Bestandteil sich diese Aussage bezieht.

IV. Ausgangsüberlegung zur Bedeutung einer bestehenden professionellen Praxis Wir wollen uns an dieser Stelle lediglich mit dem zweiten Aspekt des Bolam-Tests beschäftigen und uns insoweit zunächst verdeutlichen, welche Überlegungen für eine Erfüllungswirkung des Vorgehens in Übereinstimmung mit einer verbreiteten Praxis sprechen.

1.

„Vermutung“ angemessenen Verhaltens

Im Rahmen des tort of negligence gilt es jedenfalls als starker Beweis für das Nichtvorliegen eines breach of duty, wenn der Beklagte sich in einer bestimmten Situation in Übereinstimmung mit einer für eine vergleichbare Situation verbreiteten Praxis verhalten hat1776. Hintergrund dieser Annahme ist die Vermutung, dass Menschen normalerweise nicht systematisch Verhaltensweisen übernehmen, die sich durch Rücksichtslosigkeit gegenüber der Sicherheit anderer auszeichnen1777. Auf ein dieser Vermutung entsprechendes Verhalten zielt, wie gesehen, die Objektivierung des

1772

Vgl. dazu auf S. 163; ferner Adams v Rhymney Valley District Council [2000] Lloyd’s Rep PN 777 per Sir Christopher Staughton (CA, lexis); MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 206. 1773 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 246. 1774 Vgl. dazu ab S. 317. 1775 Vozugswürdig ist demgegenüber z.B. die differenzierte Darstellung bei Evans, Liabilities, §§ 4–03 f. 1776 Vgl. Morris v West Hartlepool Steam Navigation Co Ltd [1956] AC 552, 579 per Lord Cohen (HL). 1777 Jones, Negligence, § 3–015.

250

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Fahrlässigkeitsbegriffs ab1778. Die vorgenannte Überlegung lässt sich indessen wie folgt auf das Vertragsrecht übertragen: Hier ist nämlich genauso wenig anzunehmen, dass Menschen systematisch Verträge eingehen, die sie – mangels Qualifikation – nicht erfüllen können oder – durch Übernahme von Verhaltensweisen, die die Interessen des Vertragspartners ignorieren – nicht erfüllen wollen. Dass insoweit für Vertrag und Delikt ähnliche Überlegungen anzustellen sind, dürfte nicht nur zur Erklärung dafür beitragen, warum die Sorgfaltsanforderungen in beiden Haftungsregimen (soweit der Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt) dieselben sind1779, sondern dürfte auch den berechtigten Hintergrund für die richterliche Zurückhaltung bei der Disqualifikation einer verbreiteten Praxis bilden. Auch wer sich der Parallelität der „Vermutungen“ für Vertrag und Delikt nicht anzuschließen vermag, muss jedenfalls praktisch vor dem Hintergrund zum selben Ergebnis gelangen, dass die Konkretisierung der geschuldeten Sorgfalt in Vertrag und Delikt im englischen Recht parallel verläuft, d.h. wer wegen Verstoßes gegen eine deliktische duty of care haftet, ist bei gleichzeitiger vertraglicher Verpflichtung auch wegen Vertragsbruchs verantwortlich und umgekehrt. Die Steuerungsfunktion des Deliktsrechts1780 schlägt sozusagen auf das Vertragsrecht durch, da vertragsrechtlich grundsätzlich derselbe Sorgfaltsstandard geschuldet wird wie deliktisch.

2.

Widerleglichkeit der „Vermutung“ der Angemessenheit

Wichtig ist allerdings, dass die Übereinstimmung mit einer verbreiteten Praxis bislang lediglich stark darauf hindeutet, dass der Beklagte mit angemessener Sorgfalt vorgegangen ist1781. Dem Übereinstimmen kommt also richtigerweise zunächst keine absolute und definitive Entlastungsfunktion zu1782, da es immer noch möglich ist, dass die vorgenannten Vermutungen widerlegt werden, weil die verbreitete Praxis selbst als fahrlässig qualifiziert werden muss. Es lässt sich leicht nachweisen, dass die Rechtsprechung insbesondere außerhalb des Arzthaftungsrechts – vor und nach Bolam – keine Schwierigkeiten hatte1783, eine allgemein geübte Praxis als fahrlässig zu quali-

1778

Vgl. ab S. 165. Vgl. ab S. 117. 1780 Zu ihr statt aller Wagner, in: Zimmermann, Grundstrukturen, S. 189, 266. 1781 Jones, Negligence, § 3–015; Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.25; Fischer, Haftung, S. 58. 1782 Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.25; Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56; Jones, Negligence, § 3–015; Fischer, Haftung, S. 58; Montrose, (1958) 21 MLR 259 ff.; vgl. auch Cornes, Design, § 3.1.4. 1783 Für die Architektenhaftung bspw. ausführlich diskutiert in The Royal Brompton Hospital NHS Trust v Hammond and others (No 8) (2002) 88 Con LR 1, Tz. 16 ff. per Judge Lloyd QC (HC, lexis). Besonders deutlich sind Fälle der Arbeitgeberhaftung, vgl. Cavanagh v Ulster Weaving Co Ltd [1960] AC 145 (HL); Morris v West Hartlepool Steam Navigation Co Ltd [1956] AC 552 (HL); Stokes v Guest, Keen & Nettlefold (Bolts & Nuts) Ltd [1968] 1 WLR 1776, 1783 per Swanwick J (HC). Zur Arbeitgeberhaftung für die körperliche Integrität des Arbeitnehmers Schmidt-Kessel, Standards, S. 308 ff. Vgl. im Übrigen auch Nicholson v States 1779

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

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fizieren1784. So wies Lord Wright in der Bankhaftungssache Lloyd’s Bank v Savory & Co1785 den Vortrag, eine Bank handele nicht fahrlässig, wenn sie alle üblicherweise von Banken getroffenen Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt habe, ausdrücklich für solche Fälle zurück, „where the ordinary practice of bankers fails in making due provision for a risk fully known to those experienced in the business of banking“. Es mag dann auch viele Gründe geben, aus denen eine bestimmte Praxis verbreitet ist, die nichts mit angemessener Vermeidung einer potentiellen Schädigung anderer zu tun haben, z.B. Bequemlichkeit, Kosten oder auch bloße Gewohnheit1786. In diesen Fällen spricht nichts dafür, das Übereinstimmen mit einer derartigen Praxis (notwendig) als Ausübung angemessener Sorgfalt anzusehen, da, wie es Lord Tomlin einmal plastisch ausgedrückt hat: „Neglect of duty does not cease by repetition to be neglect of duty“1787. Insofern ist im Folgenden besonderes Augenmerk auf die Umständen zu legen, die eine bestehende Praxis als fahrlässig erscheinen lassen und damit die Grenzen der Entlastung durch eine Berufung auf ein mit dieser Praxis übereinstimmendes Verhalten markieren.

D.

Der Bolam-Test in der Rechtsprechungspraxis

I.

Bolam-Test und Anwaltshaftung

Für die solicitor-Haftung wird die Frage der Bedeutung einer verbreiteten Praxis vor allem im Zusammenhang mit der rechtlichen Begleitung der Grundstücksübereignung (conveyancing) disktutiert, wobei allerdings auf Bolam kaum einmal Bezug genommen wird1788. Den praktischen Hintergrund für die geringe Relevanz von Bolam als umstrittenen Haftungsentlastungsmechanismus im Rahmen forensicher Tätigkeit bildet zunächst, dass insoweit kaum jemals Sachverständigengutachten zulässig

of Jersey Health and Social Services Committee [2004] JCA 203 m. Anm. Hanson, (2005) 13 Med L Rev 268 ff. (nach der auch zitiert wird). 1784 Vgl. schon Montrose, (1958) 21 MLR 259, 262 ff.; im Übrigen statt vieler Cornes, Desgin, § 3.1.4. Äußerungen wie die von Lord Alness in Vancouver General Hospital v McDaniel (1934) 152 LT 56, 57 („a defendant charged with negligence can clear [himself] if he shows that he has acted in accord with general and approved practice“) sind, wie Lord MacDermott in Whiteford v Hunter (1950) 94 SJ 758 mit Recht betont hat, in dieser Allgemeinheit bedeutungslos: „… such expressions beat the air and are meaningless unless used in relation to some particular condition or state of affairs“ (beide Zitate nach Charlesworth/Percy, Negligence, § 6–32 m. Fn. 70). 1785 Lloyd’s Bank v Savory & Co [1933] AC, 201, 232 (HL). 1786 Jones, Negligence, § 3–015. 1787 Bank of Montreal v Dominion Gresham Guarantee and Casualty Co Ltd [1930] AC 659, 666 (HL); ebenso Worshipful Company of Carpenters of the City of London v British Mutual Banking Co Ltd [1937] 3 All ER 811, 820 per Slesser LJ (CA). 1788 Eine Ausnahme bildet etwa G & K Ladenbau (UK) Ltd v Crawley & Crawley de Reya [1978] 1 WLR 266, 282 per Mocatta J (HC).

252

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sind1789. Insofern wird über eine das Vorgehen des Beklagten stützende Praxis nahezu niemals Beweis erhoben, sodass es für die Entlastung allein auf die Argumente des Beklagten ankommt. Allenfalls kann sich der Beklagte darauf stützen, dass ein seinem Vorgehen analoges Verhalten in einer anderen Entscheidung als sorgfaltsgemäß qualifiziert worden ist. Dabei wird die Differenzierung zwischen Tat- und Rechtsfragen virulent, denn der Vertragsbruch ist Tatfrage und die Entscheidung in einem anderen Fall kann insofern nicht präjudizierend wirken1790. Auch die bisweilen vorgetragene Übereinstimmung mit dem in der Literatur befürworteten Vorgehen vermag nur begrenzt entlastend zu wirken1791. Denn in den Fällen der solicitor-Haftung scheinen die Gerichte – dies lässt sich verallgemeinern – den Nachweis einer allgemein geübten Praxis vornehmlich als Hinweis darauf oder Leitlinie dafür zu bewerten, welche Pflichtverletzungen und Schäden vorhersehbar gewesen sind1792. Im Allgemeinen kommt es bei forensicher und nicht forensischer Tätigkeit allein auf die Auffassung des urteilenden Gerichts an. Ist dieses mit dem Vorgehen des Beklagten nicht einverstanden, wird er ungeachtet einer Übereinstimmung mit einer verbreiteten Praxis als fahrlässig verurteilt werden1793. Insoweit wird das Gericht diese Praxis nämlich als „logisch“ unhaltbar bzw. nicht von einem verantwortlichen Teil der Berufsgenossen vertreten qualifzieren1794. Handelt der beklagte solicitor z.B. in Übereinstimmung mit einer allgemeinen Praxis, die vorhersehbar zu einer Schädigung seines Mandanten führt, vermag ihn dies bei Risikorealisierung nicht vor einer Haftung wegen negligence zu schützen. Dass die beanstandete Praxis sehr verbreitet ist, spielt insoweit keine Rolle1795. Dies hat der HJ Simon Brown QC jüngst in der Sache West Wallasey Car Hire Ltd. v Berkson & Berkson (A Firm) & Another1796 noch einmal explizit klargestellt.

1.

Die verbreitete Praxis als Entlastungsmechanismus mangels bisheriger Risikorealisierung?

Noch nicht ganz klar wird dies in einer Entscheidung aus dem Jahr 1955: In Simmons v Pennington & Son1797 wurden solicitors beim Verkauf des Grundstücks ihres Mandanten tätig. Obwohl das Eigentum bereits zu Zeiten des Erwerbs des Verkäufers (im Jahr 1920) per deed mit einer Verpflichtung zu ausschließlich privater Nutzung belastet war (seit 1870), wurde das Grundstück von ihm über viele Jahre geschäftlich genutzt und die Vereinbarung hinsichtlich der privaten Nutzung wurde obsolet. Der 1789

Vgl. näher ab S. 255. Vgl. auf S. 219 und ab S. 337. 1791 Vgl. Watson, Litigation, § 7.93. 1792 Vgl. Hammerton/Warnock, in: Pittaway/Hammerton, Professional Negligence, S. 16; ebenso Fischer, Haftung, S. 58 ff. 1793 Vgl. dazu Watson, Litigation, § 7.93. 1794 Zu dieser Begrenzung ab S. 257, S. 266 und S. 283. 1795 Hammerton/Warnock, in: Pittaway/Hammerton, Professional Negligence, S. 16. 1796 [2009] EWHC B39, Tz. 17 ff. (Mercantile). 1797 Simmons v Pennington & Son [1955] 1 All ER 240 (CA). 1790

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

253

spätere Kläger versteigerte das Grundstück 1948 als geschäftliche Betriebsfläche. Es fand sich ein Käufer, der das Grundstück bereits 27 Jahre lang kannte und daher wusste, dass es während der gesamten Zeit geschäftlich genutzt worden war. Über die Nutzungsbeschränkung wurde er nicht ausdrücklich aufgeklärt. Der Käufer leistete eine Anzahlung und fragte später nach, ob das Grundstück irgendwelchen nutzungsbeschränkenden Vereinbarungen unterliege. Die Beklagten gaben zur Auskunft: „Yes. See Special Condition 7. There appear to have been breaches of the covenant as to user but no notice of breach has been served“. Auf diese Auskunft hin verweigerte der Erwerber die Vertragsdurchführung und verlangte seine Anzahlung zurück. Davon wollte der Kläger nichts wissen. Der Court of Appeal verurteilte ihn dennoch zur Rückzahlung. Die Auskunft seiner Anwälte an die Käufer sei irreführend gewesen, der Erwerber habe vom Vertrag zurücktreten dürfen. Der Eigentümer verklagte angesichts dessen seine Anwälte. Diese hätten sich vertragswidrig verhalten, weil ihre auf die Anfrage hin erteilte Antwort ausdrücklich bzw. konkludent die Aussage beinhaltet habe, dass die in Rede stehende Nutzungsbeschränkung erzwingbar war oder vielleicht sein werde, obwohl sie zwischenzeitlich höchstwahrscheinlich obsolet geworden war. Dem folgte das Gericht nicht. Der Court of Appeal argumentierte (zwei Jahre vor Bolam), dass die Beklagten nicht fahrlässig gehandelt hätten, weil sie – nicht zuletzt zum Schutz ihres Mandanten – bei ihrer Auskunft in Übereinstimmung mit einer beim conveyancing seit vielen Jahren gängigen Praxis vorgegangen seien: “… such questions had been answered from the time of the memory of man, or at all events for a long time. But by ill luck the courts held that the words which the solicitors used, instead of protecting their clients, amounted to a repudiation of the contract. That was, in my view, not the solicitors’ fault … The solicitors acted in accordance with the general practice of conveyancers.”1798 Dies wirkt zwar auf den ersten Blick ganz so, als sollte bereits die Übereinstimmung des Vorgehens mit der üblichen Praxis die Beklagten entlasten. Wichtig ist jedoch, dass dies allein dem Gericht nicht zu genügen scheint. Denning LJ fügte nämlich ausdrücklich hinzu, dass von einer derartigen Standardauskunft noch niemals nachteilige Wirkungen ausgegangen seien1799. Es scheint mithin bis zum Zeitpunkt der Entscheidung an einer empirisch nachgewiesenen Gefahr der Schädigung des Mandanten gefehlt zu haben und damit – zumindest in den Augen des Gerichts – auch an einer rechtlich relevanten Vorhersehbarkeit der potentiellen Schädigung1800. Schon deshalb bleibt zweifelhaft, ob die Entscheidung auf denselben Prinzipien beruht, wie sie in der Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht bei der Interpretation von Bolam entwickelt worden sind1801.

1798

Simmons v Pennington & Son [1955] 1 All ER 240, 243 per Denning LJ. Simmons v Pennington & Son [1955] 1 All ER 240, 243 (CA). 1800 Vgl. auch Billins, Solicitors, § 4–11. 1801 Davon ausgehend aber Hammerton/Warnock, in: Pittaway/Hammerton, Professional Negligence, S. 17. 1799

254

2.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Die Rechtsprechungspraxis zur Bedeutung eines verbreiteten Standards

Eine der meistzitierten Formulierungen zu dem von solicitors geschuldeten Sorgfaltsstandard ließe sich allerdings u.U. dahin deuten, dass die Berufung auf eine gängige Praxis entlastet. Denn in Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp beschrieb Oliver J die von einem solicitor geschuldete Sorgfalt wie folgt: “Now no doubt the duties owed by a solicitor to his client are high, in the sense that he holds himself out as practising a highly skilled and exacting profession … But that is not the test. The test is what the reasonably competent practitioner would do having regard to the standards normally adopted in his profession …”1802 Insbesondere der letzte Satz lässt zumindest Raum für eine entsprechende Interpretation.

a)

Keine definitive Determination

Gegen sie spricht jedoch die ausdrückliche Einschränkung, dass die normalerweise angenommenen Standards lediglich zu berücksichtigen sind („… having regard to“). Eine definitiv determinierende Bedeutung kommt diesen Standards offenbar nicht zu1803. Gegen diese Schlussfolgerung lässt sich nur vordergründig einwenden, dass der vorgenannten Einschränkung nicht unbedingt ein eigener Regelungsgehalt zukommen muss, wie die ältere arzthaftungsrechtliche Rechtsprechung zeigt1804. Denn die nachfolgenden, durch den Court of Appeal mehrfach bestätigten Festellungen von Oliver J bekennen, dass auch eine gängige Praxis stets durch das Gericht auf ihre Angemessenheit überprüft werden darf: „The extent of the legal duty in any given situation must, I think, be a question of law for the court“1805. Der Court of Appeal formuliert insoweit noch direkter: „What solicitors should properly do in the circumstances of this case is by no means a matter of practice. It is a matter of law to be resolved by the judge“1806.

1802

Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 f. (HC). Evans, Liabilities, § 4–04; Jackson/Powell, Negligence, § 10–078. 1804 Vgl. ab S. 272. 1805 Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 (HC). 1806 Vgl. Bown v Gould & Swayne [1996] PNLR 130 per Simon Brown LJ (CA, lexis). Diese Entscheidung bestätigte der Court of Appeal, soweit sie die Zulässigkeit von Sachverständigen als Beweismittel betrifft, noch einmal einstimmig in Woodford & Ackroyd (A Firm) v Burgess [1999] EWCA Civ 620, unreported. 1803

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

b)

255

Die Bedeutung des gerichtlichen Sachverstands

Diese Haltung dürfte für die Anwaltshaftung zum Teil darin gründen, dass sich das Gericht in Fragen der anwaltlichen Tätigkeit ohne weiteres selbst sachverständig machen kann, sofern es eine derartige Qualifikation nicht ohnehin bereits besitzt1807. Es stellen sich daher für den durch das Gericht repräsentierten reasonable man nicht dieselben Probleme wie im Arzthaftungs- oder Architektenrecht. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Beobachtung, dass dem Sachverständigenbeweis für die Anwaltshaftung bei forensischer Tätigkeit nur geringe Bedeutung zukommt. Es wird davon ausgegangen, der erstinstanzliche Richter sei “well qualified, without any need of expert evidence, to make allowance for the circumstances in which the impugned decision fell to be made and to differentiate between an error that was so blatant as to amount to negligence and an exercise of judgment which, though in the event it turned out to have been mistaken, was not outside the range of possible courses of action that in the circumstances reasonably competent members of the profession might have chosen to take”1808. Es existiere eine „tradition in this country that the courts do not need expert evidence because judges will be familiar with the standard of care which is reasonably required of lawyers and do not need evidence to help them“1809. Der Court of Appeal konzediert zwar, dass, „[a]s the practice of the law becomes more and more specialised, the existence of this tradition may give rise on occasion to difficulties“1810. Gegenwärtig kann aber mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass derartige „Schwierigkeiten“ sich bei der Beurteilung forensischer Tätigkeit kaum ergeben werden1811. Dies gilt nicht mit derselben Klarheit für die nicht-streitige Tätigkeit. Insofern besteht vielmehr seit einiger Zeit eine gewisse Unsicherheit, weil und soweit Untergerichte beginnen, in eine andere Richtung weisenden dicta per distinguishing für unanwendbar zu halten1812.

1807

Vgl. dazu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 15 II 6 (S. 206): „Alle Richter – auch die Circuit Judges – werden aus dem Kreise der erfolgreichen und angesehenen barristers ausgewählt …“ Die barristers werden insbesondere bei schwierigen Geschäften hinzugezogen, vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 15 III 2 (S. 209 f.). 1808 Saif Ali v Sidney Mitchell & Co [1980] AC 198, 220 f. per Lord Diplock (HL). 1809 Balamoan v Holden & Co [1999] NLJ 898 per Brooke LJ (lexis); Bown v Gould & Swayne [1996] 1 PNLR 130 per Simon Brown LJ (CA, lexis) unter Bestätigung von Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 per Oliver J (HC). 1810 Balamoan v Holden & Co [1999] NLJ 898 per Brooke LJ (lexis). 1811 Watson, Litigation, § 3.19. 1812 Vgl. Liverpool Roman Catholic Archdiocese Trustees Inc v Goldberg (No 2) 2001 WL 171 980 per Neuberger J (HC).

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

256

c)

Konsequenz

Damit ist die Beweisführung über angemessenes Verhalten freilich nicht vollkommen ausgeschlossen. Denn die Bereitschaft eines Gerichts, über die Vorgaben eines code of practice1813 sowie über die in der Literatur vertretene Auffassung1814 Beweis zu erheben, dürfte vernünftigerweise kaum auf das conveyancing beschränkt sein1815. Anderes gilt nach den vorgenannten Feststellungen nur für den Beweis durch einen Sachverständigen. Sofern die gängige Praxis daher nicht über Sachverständige „bewiesen“ wird, wird das Gericht sie bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen. Das bedeutet, wie jüngere Entscheidungen belegen1816, entgegen anders lautenden Literaturstimmen1817 aber nicht, dass ein solicitor für einen Fehler, der ihm bei einem Vorgehen in Übereinstimmung mit einer solchen Praxis unterläuft, nicht aus Fahrlässigkeit haften kann. Denn die Verbreitetheit eines Vorgehens mag zwar darauf hindeuten, dass es in den meisten Fällen zu zufrieden stellenden Ergebnissen führt1818. Das gilt insbesondere, wenn – wie in Simmons v Pennington – trotz eines gewissen Risiko- und Schädigungspotentials bislang keinerlei Realisierung bekannt war. Gleichwohl ignoriert die jüngere Rechtsprechung die Risikorealisierung und den Schadenseintritt in diesen Fällen nicht einfach.

d)

Inhaltliche Übereinstimmung bei abweichender Formulierung

Daran ändert sich auch dann nichts, wenn nicht ausdrücklich erklärt wird, dass in jedem Fall das Gericht über „the extent of the legal duty“ befindet. Denn nichts anderes bedeutet es nach Auffassung des Court of Appeal, wenn Lord Diplock die Frage der Fahrlässigkeit in der Sache Saif Ali v Sidney Mitchell & Co wie folgt formuliert: “Those who hold themselves out as qualified to practise other professions … are … liable for damage caused by their advice acts or omissions in the course of their professional work which no member of the profession who was reasonably well-informed and competent would have given or done or omitted to do”1819. Gehaftet werden soll danach immer, wenn „… the error was such as no reasonably well-informed and competent member of that profession could have made“1820. Ob

1813

Johnson v Bingley Dyson & Furrey [1997] PNLR 392, 404 per Judge Hytner QC (HC); Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 per Oliver J (HC). Zu deren Bedeutung näher ab S. 500. 1814 Dean v Allin & Watts [2001] 2 Lloyd’s Rep 249, 263 per Lightman J (CA). 1815 Ebenso Watson, Litigation, § 3.20. 1816 Vgl. ab S. 262. 1817 So aber Jackson/Powell, Negligence, § 10–084. 1818 Vgl. ab S. 249. 1819 Saif Ali v Sidney Mitchell & Co [1980] AC 198, 218 (HL). 1820 Saif Ali v Sidney Mitchell & Co [1980] AC 198, 220 (HL).

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

257

das Vorgehen üblich oder verbreitet war, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, ob ein angemessen informierter und komptenter Berufsgenosse ebenso vorgegangen wäre. Mit der Beifügung „well-informed“ wird die Zahl der zu entschuldigenden Fehler dabei nicht erweitert. Im Gegenteil, der hier formulierte Test soll sich nach den Festellungen des Court of Appeal nicht von dem durch Oliver J in Midland Bank Trust formulierten unterscheiden1821.

e)

Die Maßgeblichkeit der Erwartungen der Öffentlichkeit

Die Formulierung des Tests durch Oliver J ist zudem nur scheinbar generöser als die in Simmons v Pennington gewählte. Dort hatte der Court of Appeal vielmehr den erstinstanzlichen Test bestätigt, der lautet: “[A solicitor’s liability for negligence ] is the same as anybody else’s liability. Having regard to the degree of skill held out to the public by solicitors, does the conduct of the solicitor fall short of the standard which the public has been led to expect of the solicitor?”1822 Nach diesen Feststellungen kommt es nicht auf die professionsintern akzeptierten Standards sondern auf die u.U. durchaus strengeren Erwartungen der Öffentlichkeit an1823, in diesem Sinne wird man auch die Formulierung des maßgeblichen Tests durch Oliver J auslegen müssen. Denn in Midland Bank Trust hatte sich dieser Richter gerade mit dem vorgenannten Maßstab indentifziert und daher – in dem Bewusstsein seiner Bestätigung durch den Court of Appeal – die Argumentation des Beklagten zurückgewiesen1824.

3.

Fahrlässigkeit trotz Übereinstimmung mit einer verbreiteten Praxis

Ein klares Beispiel für diese These, dass die in Simmons v Pennington von Denning LJ zur Haftungsentlastung angestellten Überlegungen die Rechtslage nicht ganz treffend abbilden, findet sich in der Sache Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master1825, in der die klagenden Kreditgeber mit Firmensitz in Hong Kong zugestimmt hatten, einer Gesellschaft (Po Fung) das für den Erwerb eines im Gebiet der Kolonie 1821

McManus Development Ltd v Barbridge Properties Ltd (1992) [1996] PNLR 431 per Dillon LJ (CA, lexis). 1822 Bestätigt durch Hodson LJ in Simmons v Pennington & Son [1955] 1 All ER 240, 245 (CA); zustimmend auch Danckwerts J in Goody v Baring [1956] 1 WLR 448, 454 (HC). Insbesondere teilte Hodson LJ a.a.O. ausdrücklich nicht die Ansicht einer anderen Abteilung des Court of Appeal, die in der Verhandlung der Kaufpreisklage angenommen hatte, Harman J habe sich bei seinem Urteil insoweit verschätzt. 1823 Evans, Liabilities, § 4–03. 1824 Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402, 419 (HC). 1825 Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296.

258

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

gelegenen Fabrikanteils benötigte Darlehen zu gewähren ($ 1.355m). Gleichzeitig mandatierten sie die beklagten solicitors, sie bei der Eintragung einer Hypothek auf dem Grundstück zu unterstützen. Zu dieser Zeit war es in Hong Kong bei der Übertragung von Grundstücken für die vom Käufer beauftragten solicitors üblich, den Kaufpreis bereits an die vom Verkäufer beauftragten solicitors auszuzahlen, wenn diese sich gegenüber den auf Seiten des Käufers handelnden solicitors verpflichtet hatten, innerhalb eines bestimmten Zeitraums die vereinbarungsgemäß vervollständigten Übertragungsurkunden zu übergeben. Dieser Praxis entsprechend zahlten die vom Käufer beauftragten solicitors den von den Klägern bereitgestellten Kaufpreis auf eine entsprechende Verpflichtungserklärung des vom Verkäufer mandatierten solicitors an diesen aus. Dieser gab das Geld aber nicht an seinen Mandanten weiter, sondern verließ – mitsamt dem ihm anvertrauten Geld – Hong Kong. Das Grundstück wurde nicht erworben und die Hypothek nicht eingetragen. Die Kreditgeber verklagten daraufhin die vom Käufer beauftragten solicitors wegen Fahrlässigkeit.

a)

Kriterien zur Konkretisierung der reasonableness

Das Vorgehen der Beklagten war in Hong Kong allgemein als zweckmäßiges und effektives Verfahren anerkannt und darüber hinaus gab es keinerlei Nachweise dafür, dass sich das dem „Hong Kong Style“-conveyancing immanente Risiko einer Unterschlagung des vorgeleisteten Kaufpreises jemals zuvor realisiert hatte1826. Die Vorinstanz hatte zudem mehrheitlich dafür votiert1827, dass das Risiko im verhandelten Fall auch nicht abnorm groß gewesen sei, obwohl es sich bei dem vom Verkäufer beauftragten solicitor um einen jungen Mann handelte, der allein arbeitete und die Hypothekensumme im Vergleich zum Kaufpreis sehr hoch war ($ 4.4m). Der Privy Council entschied gleichwohl zugunsten der Kläger. Bereits in der Vorinstanz hatte Li J. zur Frage der Angemessenheit des Vorgehens ausgeführt: “As a reasonable person of ordinary prudence she should or ought to have foreseen the risk of parting with the money before obtaining the property one bought in any ordinary transaction. It was not her skill that was put to test. It was her common sense, her prudence of any ordinary person that is put to test. The socalled Hong Kong practice has an inherent risk in the ordinary sense. The fact that practically all her fellow solicitors adopted this practice is not conclusive evidence that it is prudent … acting in accordance with the general practice she took a foreseeable risk for her client while there was no necessity to do so. The fact that other solicitors did the same did not make the risk less apparent or unreal.”1828

1826

Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 304 f. Die dissenting opinion von Li J. ist zitiert in Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 305 f. 1828 Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 306 per Lord Brightman. 1827

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

259

Der Privy Council stellte sich angesichts dessen drei Fragen: (1) War ein Risiko vorhersehbar? (2) Wenn ja, hätte die Risikorealisierung vermieden werden können? (3) Falls die Risikorealisierung hätte vermieden werden können, waren die Kläger unangemessen nachlässig, indem sie keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen? Die erste Frage bejahte das Gericht. Die Vorhersehbarkeit des bestehenden Risikos folge nicht zuletzt daraus, dass eine von der Hong Kong Law Society eingesetzte Expertenkommission es bereits 1965 in einem von der Hong Kong Law Society veröffentlichten Report als solches erkannt hatte1829. Zumindest einige solicitor mussten dieses Risiko also gekannt haben. Darüber hinaus hätte es vermieden werden können, ohne dass das „Hong Kong Style“-conveyancing hätte leer laufen müssen1830; die Hong Kong Law Society hatte bereits Wege dazu aufgezeigt 1831. Schließlich wurde auch die dritte Frage bejaht. Das Gericht schloss sich der oben wiedergegebenen dissenting opinion von Li J. an1832. Über dessen Urteil ging der Privy Council allerdings insoweit noch hinaus, als er sich ausdrücklich davon distanzierte, eine Klage könne nur Erfolg haben, wenn „warning bells“ geläutet, also spezielle Umstände vorgelegen hätten1833. Damit stellte das Gericht klar, dass es sich keinesfalls an eine allgemein übliche, als zweckmäßig und effizient akzeptierte Praxis gebunden fühlt. Die zum damaligen Zeitpunkt vielleicht entgegenstehende arzthaftungsrechtliche Rechtsprechung fand keine Erwähnung1834.

b)

Bewertung der Entscheidung in der Sache Edward Wong

Bei einer Bewertung von Edward Wong muss man sich darüber klar sein, dass es sich hier um einen ungewöhnlichen Fall handelt. Zum einen enthielt die übliche Praxis derart offensichtliche Risiken, dass ein Sachverständiger sie in der Verhandlung bereitwillig als selbst-evident bezeichnete1835. Lässt man den Grad des in Rede stehenden Risikos jedoch einmal unberücksichtigt, ist Edward Wong im Übrigen mit Simmons v Pennington vergleichbar. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass in Edward Wong ein warnender Report der Hong Kong Law Society nicht berücksichtigt worden war, wofür sich in Simmons v Pennington keine Entsprechung findet. Denn dieser Faktor ist bedeutungslos, sofern man ein Vorgehen in Übereinstimmung 1829

Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 306 per Lord Brightman. Ein Abdruck der maßgeblichen Passage des Reports findet sich auf S. 307. 1830 Lord Brightman gibt hierzu einige Hinweise, vgl. Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 307 f. 1831 Abgedruckt in Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 308. Vorgeschlagen wurde bspw. die Aufnahme einer Klausel in den Vertrag, nach der die Kaufpreisforderung bereits mit der Auszahlung an den vom Verkäufer engagierten Solicitor erlöschen soll. 1832 Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 308. 1833 Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 308. 1834 Relativierend muss hier freilich erwähnt werden, dass von dem Privy Council überhaupt keine authorities zitiert wurden. 1835 Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson Stokes and Master (a firm) [1984] AC 296, 307.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

260

mit einer verbreiteten Praxis als per se angemessen definiert, wie der „eng“ interpretierte Bolam-Test dies tut. Ob die Standesorganisation ein von der ganz einheitlichen Praxis abweichendes Vorgehen empfiehlt, müsste dann nämlich irrelevant sein. Wichtig wäre lediglich, dass eine solche Praxis besteht und dass der Beklagte deren Verhaltensstandard entsprochen hat. Dies war in Edward Wong der Fall und gleichwohl hafteten die Beklagten. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass nach dem Spruch des Privy Councils das Bestehen einer entsprechenden Praxis für die Entscheidung über die Vertragserfüllung ohne Belang ist, wenn und soweit diese Praxis – wie in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall – wegen unangemessener immanenter Risiken als fahrlässig gelten muss. Wohl deshalb findet auch die im englischen Arzthaftungsrecht oftmals betonte Frage keine Erwähnung, ob die Ausfüllung des Leistungsinhalts nicht als Teil eines „professional judgement“ durch die Berufsgenossen (hier: die Hong Kong solicitors) vorzunehmen ist1836.

c)

Konsequenzen

Es ist vermutet worden, dass es dem Privy Council dabei nicht zuletzt auf eine effektive, an der Versicherbarkeit orientierte Risikoverteilung ankam: Sofern sich die solicitors für ein Verfahren mit immanenten Risiken entschieden haben, sollen sie auch den durch Realisierung dieses Risikos entstandenen Schaden tragen, nicht ihre Mandanten1837. Zugleich habe der Privy Council rechtspolitisch bei einer Anhebung der Verhaltensstandards „assistiert“1838. Mit den Urteilen1839, die die Entscheidung über den Sorgfaltsstandard in letzter Instanz der Rechtsprechung zuweisen, lässt sich Edward Wong jedenfalls ohne weiters in Einklang bringen. Folgern lässt sich daraus, dass der Beklagte vor allem dann verurteilt werden wird, wenn die umstrittene Praxis deutliche Risiken beinhaltet. Dies dürfte eher selten vorkommen1840, ist aber keinesfalls ausgeschlossen: “If there is a common practice which has inherent defects, which ought to be obvious to any person giving the matter due consideration, the fact that it is shown to have been widely and generally adopted over a period of time does not make the practice any less negligent. Neglect of duty does not cease by repetition to be neglect of duty.”1841

1836

Vgl. ab S. 273. Johnson v Bingley Dyson & Finney [1997] PNLR 392, 404 per Benet Hytner QC (HC); Lord Hoffmann, (1994) 10 PN 6, 8; Evans, Liabilities, § 4–04. 1838 Lord Hoffmann, (1994) 10 PN 6, 8. 1839 Vgl. ab S. 254. 1840 Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 10–087; Evans, Liabilities, § 4–04. 1841 O’Donovan v County Council of the County of Cork [1967] IR 173, 193 per Walsh J (irischer Supreme Court, Arzthaftung) bestätigt in Duffy (A Minor) v Rooney and Dunnes Stores (Dundulk) Limited 1992 No 3439P per Laffoy J (irischer HC) m.w.N. 1837

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

261

Wenn einer verbreiteten Vorgehensweise also unangemessene Risiken immanent sind, werden die oben aufgestellten Vermutungen wiederlegt und das in Rede stehende Vorgehen wird – losgelöst von dem Bestehen einer entsprechenden Praxis – allein aus sich heraus beurteilt. Der Beklagte haftet, soweit sein Vorgehen nicht der übernommenen Aufgabe angemessen sorgfältig war, bei Risikorealisierung wegen Fahrlässigkeit. Dies ist – weil Qualität mit Quantität nichts zu tun hat1842 – selbst dann nicht „unfair“, wenn sich das bekannte Risiko zum ersten Mal realisiert hat1843. Denn sofern man dem vom Privy Council niedergelegten „Drei-Stufen-Test“ folgt, spielt die Übereinstimmung mit einer verbreiteten Praxis eigentlich keine Rolle mehr1844: Ist der streitgegenständlichen Verfahrensweise ein erkennbares Risiko immanent, werden durch Risikorealisierung verursachte Schäden regelmäßig vorhersehbar gewesen sein. Ebenso wird es für einen durchschnittlich begabten Anwalt typischerweise möglich sein, Modifikationen vorzuschlagen, die das Risiko stark vermindern oder sogar ausschließen. Auch der Schluss auf die Fahrlässigkeit fällt – wie der irische Supreme Court zutreffend mit folgender Begründung festgestellt hat – nicht unbedingt schwer: “The reason for that exception is that the duty imposed by the law rests on the standard to be expected from a reasonably careful member of the profession, and a person cannot be said to be acting reasonably if he automatically and mindlessly follows the practice of others when by taking thought he would have realised that the practice in question was fraught with peril for his client and was readily avoidable or remediable”1845. Mit dieser Auffassung befindet sich der irische Supreme Court in bester Gesellschaft, denn ganz ähnlich hatte sich bereits mehr als 50 Jahre zuvor Lord Wright in Lloyds Bank Ltd v E. B. Savory & Co geäußert: “The practice on its face is inconsistent with provident precautions against a known risk, and the mere fact that it is usual and long-established is not a sufficient justification. It cannot be justified as an excuse simply because in the past, by good fortune, no harm seems to have happend.”1846 Die Argumentation von Denning LJ in Simmons v Pennington & Son1847 lässt sich mit diesen Feststellungen allerdings nicht offensichtlich vereinbaren. Freilich zeigen 1842

Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.20: „The test is one of quality rather than quantity of the practice“. 1843 Vgl. auch Evans, Liabilities, § 4–04. 1844 Vgl. zum Folgenden Evans, Liabilities, § 4–04. 1845 Roche v Peilow [1985] IR 232, 254 per Henchy J (Irischer Supreme Court); bestätigend zitiert in Duffy (A Minor) v Rooney and Dunnes Stores (Dundulk) Limited 1992 No 3439P per Laffoy J (irischer HC) m.w.N. 1846 Lloyds Bank Ltd v E.B. Savory & Co [1933] AC 201, 235 (HL). 1847 Vgl. S. 253.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

262

Entscheidungen zu anderen Dienstleistertypen1848, dass Gerichte vielleicht nur unter mehr oder weniger extremen Bedingungen zu einer Verurteilung bereit sind1849.

4.

Die jüngere Rechtsprechungspraxis

Die Entscheidung des Privy Council in Edward Wong wurde nachfolgend gleichwohl mehrfach und nicht lediglich für solicitors bestätigt1850.

a)

Conveyancing

Für die solicitor-Haftung ist insbesondere die Entscheidung Patel & Another v Daybells1851 von Interesse, da sie auf einem Edward Wong ähnlichen Sachverhalt beruht. In dieser Entscheidung hatte die V, deren Alleingesellschafter und Vorstand die Eheleute P bildeten, sich darum bemüht, von der A einen Sportplatz nebst Clubhaus zu erwerben. V beauftragte die Beklagten mit der Vertragsdurchführung, während die A als Verkäuferin einen allein praktizierenden solicitor (S) mit dieser Aufgabe betraute. Das Grundstück sollt laut Kaufvertrag mit Kaufpreiszahlung übereignet werden. Die V hatte allerdings Schwierigkeiten, den Kaufpreis aufzubringen. Diese Schwierigkeiten zogen sich über mehrere Monate hin, sodass die A eine Zahlungsfrist setzte und vom Vertrag zurückzutreten drohte. Buchstäblich mit Ablauf der Frist gelang es den Beklagten, die Zahlung durch einen Kredit der B zu bewirken, der auf das Konto von S bei der M Bank überwiesen wurde. S sollte daraufhin eine Hypothek ablösen, mit der das Grundstück zugunsten der M belastet war. M sollte dies auf einem gängigen Formular bestätigten. Dies alles war den Beklagten von S schriftlich zugesagt worden. M bestätigte das Erlöschen der Hypothek aber nicht formgemäß und das Grundstück wurde nicht übereignet. Erst mehrere Jahre später wurde die Hypothek gelöscht, nachdem die B eine Klage gegen die P angestrengt hatte, bei der S Drittbeklagter war. Seine Versicherung löste die Hypothek aus. Die V befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Zwangsliquidation. Das Ehepaar P verklagte seine solicitors. Es sei fahrlässig gewesen, den Kaufpreis schon auf die bloße Zusage von S auf dessen Konto zu überweisen.

1848

Vgl. z.B. Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 242 f. per Lord BrowneWilkinson (HL). 1849 So jedenfalls die Vermutung von Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.26, die durch die Festellungen von Lord Browne-Wilkinson in der Sache Bolitho im Arzthaftungsrecht eine gewisse Bestätigung erfahren. Vgl. dazu ab S. 287. 1850 Vgl. etwa Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 242 f. per Lord BrowneWilkinson (HL); AB & Ors v Leeds Teaching Hospital NHS Trust [2004] 2 FLR 365, Tz. 226 per Gage J (HC, lexis, Arzthaftung); Arbiter Group plc v Gill Jennings and Every (a Firm) [2000] PNLR 680, 687 ff. per Swinton Thomas LJ (CA, Patentanwalt). 1851 Patel & Anor v Daybells (A Firm) [2002] PNLR 6 (CA).

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

263

aa) Bestätigung von Edward Wong Auch das Instanzgericht erkannte ohne weiteres die tatsächliche Nähe zu Edward Wong. Obwohl es die von Seiten der Beklagten vorgetragene Kritik an dieser Entscheidung einerseits nicht für ganz unberechtigt hielt und andererseits nicht durch die Entscheidung des Privy Councils gebunden war, fühlte es sich doch verpflichtet, das dort niedergelegte Prinzip zu bestätigen. Noch weit weniger zögerlich war insoweit der Court of Appeal; vielmehr stellte Robert Walker LJ ausdrücklich klar: “We would unhesitatingly accept the general principle in Wong, as restated in the context of clinical negligence in Bolitho, that conformity to a common (or even universal) professional practice is not an automatic defence against liability; the practice must be demonstrably reasonable and responsible if it is to give protection”1852. In der Sache hielt der Court of Appeal die Beklagte allerdings nicht für fahrlässig. Die Praxis, die Zusagen eines solicitors ohne die Rückversicherung zu akzeptieren, dass dieser auch von seinem Mandanten bevollmächtigt ist, den Grundstückskaufpreis entgegenzunehmen, war von der Law Society und dem Council of Mortgage Lenders bestätigt worden. Das Gericht war überzeugt, dass Vor- und Nachteile bei der Entscheidungsfindung durch die jeweiligen Experten ausreichend gegeneinander abgewogen worden waren, um diesen Entschluss vertreten zu können.

bb) Die Bedeutung der obligatorischen Haftpflichtversicherung Entscheidend sei, dass entsprechenden Zusagen gegen die obligatorisch haftpflichtversicherten solicitors immerhin im Umweg über die Versicherung teilweise durchgesetzt werden könnten und zwar sogar im Betrugsfalle, da dann der Compensation Fund einspringe. Insofern bestätigt sich die Vermutung, dass es den Gerichten in den die conveyancing practice betreffenden Fällen nicht zuletzt um die Zuweisung des Versicherungsrisikos geht1853. Mit der Sorgfältigkeit des in Rede stehenden Verhaltens hat dies freilich nichts zu tun.

b)

Prozessführung

Wesentlich klarer sind demgegenüber die von Sir Stuart-Smith in Griffin v Kingsmill zum maßgeblichen Standard bei forensischer Tätigkeit getroffenen Feststellungen, in denen ganz deutlich zwischen professionsintern erreichtem Standard und dem vom Recht geforderten Standard unterschieden wird, der allein maßgebend ist:

1852 1853

Patel & Another v Daybells (A Firm) [2002] PNLR 6, Tz. 41 per Robert Walker LJ (CA). Vgl. dazu ab S. 646.

264

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

“On the face of it it is surprising result that advice which turns out to be one hundred per cent wrong in such a case was not negligent. The interested layman, or our old friend the officious bystander, might well ask ‘if the lawyers can be so wrong and they are considered to have acted in a way that competent and experienced lawyers could be expected to advise – why do we need lawyers?’ I confess that I have listened with increasing amazement and some dismay to the submissions of counsel for the defence that the advice given here complied with the proper standard of care and competence. If that is so the profession should be ashamed that its standards are so low. I do not accept for one moment that this was the sort of advice that competent and experienced solicitors and counsel should have given. The judge thought that it was honestly and carefully given. There has never been any question about the honesty, but I am not at all clear how the judge arrived at the view that it was carefully given if he had correctly applied the law. It is not enough that counsel and solicitors have read the papers and given clear advice which could be understood.”1854 Im selben Sinne hat jüngst HJ Brown QC die Bedeutung von Bolam in der Sache West Wallasey Car Hire Ltd. v Berkson & Berkson & Another angewandt: “This test [Bolam] is open to two potentially different standards: a) That which members of the particular profession do in fact achieve ordinarily; or b) That which, in the opinion of the court, members of the profession ought to achieve. As Jackson & Powell on Professional Liability observe in paragraph 2-119, this distinction is frequently blurred but the latter approach is correct as it is the duty of the court to decide what is meant by the appropriate standard of professional competence. In professional negligence cases, codes of practice or expert evidence of standard accepted practices are usually provided to aid the court in establishing what the requisite minimum standard is, or should be. It is then for the court, as a matter of law, to determine what that standard is […]“1855.

II.

Bolam-Test und Architektenhaftung

1.

Die Anwendbarkeit des Bolam-Tests

Auch im Recht der Architektenhaftung finden die in Bolam niedergelegten Grundsätze indes grundsätzlich Anwendung:

1854 1855

Griffin v Kingsmill and others [2001] EWCA Civ 934, Tz. 65, unreported (CA). West Wallasey Car Hire Ltd. v Berkson & Berkson & Another [2009] EWHC B39, Tz. 16 ff. (Mercantile).

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

265

“The test is that formulated in a Negligence case – Bolam v Frien Hospital Management Committee … Where there is a conflict as to whether he has discharged that duty, the courts approach the matter upon the basis of considering whether there was evidence that at the time a responsible body of architects would have taken the view that the way in which the subject of enquiry had carried out his duties was an appropriate way of carrying out the duty, and would not hold him guilty of negligence merely because there was a body of competent professional opinion which held that he was at fault.”1856 Insofern erfolgt die Bestimmung der geschuldeten Sorgfalt und Sachkunde für gewöhnlich unter Bezugnahme auf die Berufsgruppe, der der in Rede stehende Dienstleister angehört1857. Ebenso muss eine unqualifizierte Person, die sich als „architect“ ausgibt und entsprechende Aufgaben übernimmt1858, dem Sorgfaltsstandard gerecht werden, den ein angemessen sachkundiger Architekt geleistet hätte1859.

2.

Die Leitlinienqualität einer verbreiteten Praxis

In der Sache Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle and Partners hatte der Court of Appeal1860 die Geltung aller Teile des Bolam-Tests bestätigt1861, gleichzeitig aber klargestellt, dass der Umstand, dass der beklagte Ingenieur in Übereinstimmung mit einer innerhalb seiner Profession verbreiteten Praxis vorgangen war, für sich genommen nicht notwendig haftungsentlastend wirke, sondern es letztlich stets allein darauf ankomme, ob das Vorgehen im konkreten Fall angemessen war1862. Anders als dies – zumindest faktisch – im Arzthaftungsrecht lange Zeit der Fall war1863, sehen sich die Gerichte im Architektenhaftungsrecht nicht nur durchaus 1856

Nye Saunders & Partners (a firm) v Alan E Bristow (1987) 37 BLR 92 Stephen Brown LJ (CA, lexis); zustimmend zitiert von Department of National Heritage v Steensen Varming Mulcahy (1998) 60 Con LR 33, Tz. 122 per Judge Bowsher QC (HC, lexis); zuvor schon einstimmig entschieden in Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle and Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325 (CA). 1857 Jackson/Powell, Negligence, § 8–143; Cornes, Design, § 3.1.4. 1858 Wichtig ist dafür, dass die vertraglich übernommene Aufgabe typischerweise gerade von Architekten übernommen wird. Denn wer berufsfremde Aufgaben übernimmt, muss sich an einem berufsfremden aufgabentypischen Standard messen lassen. So muss auch ein Architekt, der berufsfremde Aufgaben übernimmt, sich an dem berufsfremden Standard messen lassen, der diesen Aufgaben entspricht, Jackson/Powell, Negligence, § 8–142, a.A. scheinbar Sunderland v McGreavy [1987] IR 372, 385 per Lardner J. 1859 Vgl. Cornes, Design, § 3.1.1 m.w.N. 1860 Zum Sachverhalt vgl. ab S. 633. 1861 Vgl. insbesondere Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle and Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 328 f. per Lord Denning MR. 1862 Ebenso McGlinn v Waltham Contractors Ltd (2007) 111 Con LR 1, Tz. 327 per HJ Coulson QC (TCC). 1863 Vgl. dazu ab S. 273.

266

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

dazu in der Lage, eine verbreitete Praxis in Zweifel zu ziehen, sondern handeln auch dementsprechend1864. Entscheidend ist stets, ob das Vorgehen des Beklagten im konkreten Fall angemessen gewesen ist1865; der verbreiteten Praxis selbst kommt – parallel zum Anwaltshaftungsrecht – vor allem die Funktion einer Leitlinie zu. Dies spiegelt sich z.B. in den Feststellungen des Court of Appeal in der Sache Sansom v Metcalfe Hambleton & Co: “In my judgment, it is clear, from both lines of authority to which I have referred, that a court should be slow to find a professionally qualified man guilty of a breach of his duty of skill and care towards a client (or third party) without evidence from those within the same profession as to the standard expected on the facts of the case and the failure of the professionally qualified man to measure up to that standard. It is not an absolute rule as Sachs LJ indicated by his example but, unless it is an obvious case, in the absence of the relevant expert evidence the claim will not be proved.”1866 Im Unterschied zum Anwaltshaftungsrecht ist – mangels vergleichbarer Sachkunde des Gerichts1867 – jedoch im Architektenhaftungsrecht der Sachverständigenbeweis ohne weiteres zulässig und in der Regel auch erforderlich.

3.

Funktionsgrenzen der Leitlinie

a)

„Evidente“ Fehlleistungen

Dies gilt indessen nur insoweit, als das gewählte Vorgehen – losgelöst vom Bestehen einer entsprechenden Praxis – nicht derart unzulänglich ist, dass die Gerichte, um zu einem ablehndenden Urteil zu gelangen, nach eigenem Bekunden keiner besonderen Sachkunde bedürfen1868. In diesem Zusammenhang wurde dann auch ausdrücklich entschieden, dass der maßgebliche Sorgfaltsstandard durch das Gericht – und nicht durch die jeweilige Profession – bestimmt wird. In der richterlichen Umsetzung dieser Grundsätze offenbart sich jedoch eine gewisse Diskrepanz zu einigen arzthaftungsrechtlichen Entscheidungen, die andeutet, dass ärztliche Dienstleistungen von englischen Gerichten mit besonderer „Rücksicht“ behandelt werden, wie in der Literatur oft genug kritisiert worden ist1869. Für die Architektenhaftung gilt indessen Folgendes: Zunächst können offensichtliche Fälle der Architektenhaftung nach den von Sachs 1864

Jackson/Powell, Negligence, § 8–144. Cornes, Design, § 3.1.4. 1866 Sansom v Metcalfe Hambleton & Co [1998] PNLR 542, 549 per Butler-Sloss LJ (CA); zustimmend Hammersmith Hospitals NHS Trust v Troup Bywaters & Anders [2000] Env LR 343 per Judge Toumlin CMG QC (HC, lexis). 1867 Vgl. aber zum Technology and Construction Court ab S. 270. 1868 Vgl. auch McGlinn v Waltham Contractors Ltd (2007) 111 Con LR 1, Tz. 334 per HJ Coulson QC (TCC). 1869 Dazu ab S. 278. 1865

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

267

LJ1870 in der Sache Worboys v Acme Investments Ltd (obiter) getroffenen Feststellungen ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden werden: “There may well be cases in which it would be not necessary to adduce such evidence – as, for instance, if an architect omitted to provide a front door to the premises”1871. Insoweit dürfte sogar professionsübergreifend Einigkeit bestehen. Denn ähnlich wird auch in der zeitweise besonders restriktiven arzthaftungsrechtlichen Rechtsprechung argumentiert: „If the giving of contraceptive advice required no special skill, then I could see an argument that the Bolam test should not apply“1872.

b)

Kriterien für die Bestimmung von „Evidenzfällen“

Schwierigkeiten bereitet freilich die Feststellung, wann es sich um einen „offensichtlichen“ Fall handelt. Manche Entscheidungen gehen davon aus, dass ein Vorgehen nur „offensichtlich“ fehlerhaft ist, wenn die Sachlage keine Interpretation zulässt, nach der das Vorgehen angemessen hätte sein können1873. „Offensichtlich“ meint dann „für den Durchschnittsbürger eindeutig“. Illustrieren lässt sich dies anhand der Entscheidung in der Sache J D Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associated Ltd, in der der Court of Appeal die Beibringung von Sachverständigengutachten für unnötig befand und die Berufungsklage eines Architekten abwies:

aa) J Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associated Ltd Der Beklagte hatte die Lagerräume eines großen Kleidungsversandunternehmens mit – aus Gründen der Wirtschaftlichkeit – direkt statt (wie üblich) indirekt befeuerten Gasheizungen versehen lassen, ohne die Gefahr eines Vergilbens der eingelagerten Textilien hinreichend zu beachten, obwohl der Gaslieferant (British Gas) in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerade für den Fall des Eintretens solcher Schäden einen Haftungsausschluss vorgesehen hatte. Die bei einer derartigen Beheizung typischerweise austretenden Gasstoffe (Nitrogenoxidierungen) können mit den im Verpackungsmaterial von Textilien enthaltenen chemischen Stoffen (z.B. Phenolen) 1870

Sachs LJ hatte sich in einer aus dem Jahr 1968 datierenden arzthaftungsrechtlichen Entscheidung auch dort gegen die praktische Unangreifbarkeit verbreiteter Praxis gewendet. Seine speech (vgl. ab S. 281) beinhaltet wichtige Hinweise für den Umgang mit dem geltenden Arzthaftungsrecht. 1871 Worboys v Acme Investments Ltd (1969) 4 BLR 133 (CA, lexis); zustimmend zitiert in Sansom v Metcalfe Hambleton & Co [1998] PNLR 542, 547 per Butler-Sloss LJ (CA). 1872 Gold v Haringey Health Authority [1988] 1 QB 481, 490 per Lloyd LJ (CA). 1873 So Sansom v Metcalfe Hambleton & Co [1998] PNLR 542, 549 per Butler-Sloss LJ (CA, lexis); ihr folgend Kennedy v Hamill (p/a Gerry Hamill, Charterd Architect) [2005] NIQB 23, per Coghlin J (nordirischer HC).

268

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

derart reagieren, dass es zu gelblichen Ausbleichungen der eingelagerten Kleidung kommt; dieses Phänomen ist relativ unbekannt. Der Sachverständige der Kläger hatte vorgetragen, der Beklagte hätte sie auf diese Gefahr hinweisen, zumindest in Kenntnis des Haftungsausschlusses aber weitere Untersuchungen anstellen müssen. Der sich ebenfalls auf ein Sachverständigengutachten stützende Beklagte replizierte, nicht er sei der Textilexperte, sondern der Kläger. Infolgedessen sei es – vor allem in Kenntnis des disclaimers der British Gas – Sache der Kläger gewesen, hinsichtlich derartiger Nebeneffekte weitere Untersuchungen vorzunehmen bzw. entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Zur Relevanz der Sachverständigenaussagen hatte das erstinstanzliche Gericht ausgeführt, es habe die Frage der Pflichtverletzung als Tatfrage zu entscheiden, ohne dass es darauf ankomme, „what might or might not be accepted practice among some architects“. Die Frage sei schlicht und einfach, ob der Beklagte (bzw. dessen Angestellter) das Risiko des Verbleichens trotz Hinweises in den AGB der British Gas und diesbezüglich beabsichtiger Besprechungen mit dieser hätte abtun dürfen. Für die Beantwortung dieser Frage bedürfe es keiner besonderen Sachkunde. Vielmehr seien schlicht und einfach Vor- und Nachteile der gewählten Befeuerung abzuwägen, d.h. die Gefahr eines Verbleichens gegenüber den Vorteilen billiger Beheizung. Vor dem Hintergrund, dass British Gas auf seinem Haftungsausschluss für Verbleichungsschäden bestand, sei es jedenfalls falsch gewesen, sich bezüglich dieses Risikos in Sicherheit zu wiegen. „I agree that was a ‚red beacon‘ which he failed to heed“1874. Der Court of Appeal hielt dieses Urteil aufrecht. Ward LJ bestätigte dabei noch einmal ausdrücklich, dass der Bolam-Test lediglich eine Richtlinie sei, die bei der Feststellung von negligence assistiere. In jedem Fall lege aber das Gericht den maßgeblichen Standard fest und nicht die Angehörigen der betreffenden Profession1875. Vor diesem Hintergrund könnten Sachverständigenauffassungen in Fällen dahinstehen, deren Bewertung keine besondere Sachkunde erfordere. Das Gericht dürfe sie nach eigener Überzeugung entscheiden1876.

bb) Konsequenzen: Grenzen des Bolam-Tests Aufschlussreich sind diese Feststellungen zunächst für das Verhältnis zwischen geschuldeten Sorgfaltsstandard und angemessener Sachkunde. Die Leitlinienqualität des Vorgehens der Gruppe, in der die aufgabenspezifische Sachkunde gebündelt ist, entfällt jedenfalls, wenn die Leistung (hier: Risikobewertung durch Aufwand-Nutzen-Analyse bezüglich Bleichrisiko und billiger Beheizung) keiner besondere Sachkunde bedarf. Sofern der Bolam-Test also die Bezugnahme auf die unter den Berufsgenossen befürwortete Praxis vorgibt, findet er keine Anwendung, falls die in Rede 1874

Wiedergegeben in J Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associated Ltd [2000] Lloyd’s Rep PN 823 (CA, lexis). 1875 J Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associated Ltd [2000] Lloyd’s Rep PN 823 (CA, lexis). 1876 Das Gericht stützte sich dabei auf das oben widergegebene Diktum von Lloyd LJ in der Sache Gold.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

269

stehende Aufgabe auch von einem Durchschnittsbürger mit der ihr angemessenen Sorgfalt hätte bewältigt werden können. Formuliert wird damit letztlich eine Selbstverständlichkeit: Der Bolam-Test kann nicht in der Weise entlastend wirken, dass er die Möglichkeit eines Zurückbleibens hinter dem bereits von einem Durchschnittsbürger zu erwartenden Sorgfaltsniveau gestattet; dies ist – wie bereits erörtert – auch nie beabsichtigt gewesen. Der Bolam-Test will vielmehr wegen der besonderer Sachkunde der von ihm erfassten Personen gerade einen überdurchschnittlichen Standard normieren. Gerichtlich wurde genau diese Abgrenzung in Royal Brompton Hospital NHS Trust v Hammond (No. 7) ausdrücklich anerkannt: “… if I am satisfied on the evidence that an obvious mistake was made which would not have been made by any careful person of whatever profession, or, indeed, of none, then I can find that the person who made that mistake was negligent. What I cannot do, as it seems to me, is to substitute my own view for that of a professional person of the appropriate discipline on any matter in respect of which any special skill, training or expertise is required to make an informed assessment.”1877

c)

Die Bedeutung eigener Sachkunde des Gerichts

Parallel zur Gerichtspraxis bei der Anwaltshaftung ist im Rahmen der Architektenhaftung auch die Rolle eigener gerichtlicher Sachkunde bei der Fixierung der Standards nicht zu vernachlässigen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Überlegungen von Judge Lloyd QC in der vorgenannten Entscheidung hinzuweisen, die zum einen die Zulässigkeitsgrenze für Sachverständigengutachten aufzeigen und nach denen zum anderen zwischen Gerichtstypen zu differenzieren ist1878:

aa) Die Funktionen von Sachverständigen Judge Lloyd QC indentifiziert fünf potentielle Funktionen von Sachverständigen: (1) Zunächst sei deren Berücksichtigung zulässig, wenn das Gericht ansonsten über den unter Berufung auf ein Abweichen von der etablierten Praxis formulierten Fahrlässigkeitsvorwurf der Klägers (d.h. wenn Bolam in seiner haftungsbegründenden Funktion eingreifen soll) nicht entscheiden könne, weil es ohne Gutachten den professionsinternen Meinungsstand nicht ermitteln könne. (2) Darüber hinaus sei der Sachverständigenbeweis aus Gründen der policy insoweit erforderlich, als ein professioneller Dienstleister grundsätzlich nicht haftbar gemacht werden solle, solange das Gericht sich nicht versichert habe, dass sich – positiv formuliert – jeder kompetente Berufsangehörige anders verhalten und die eingetretenen Konsequenzen 1877

Royal Brompton Hospital NHS Trust v Frederick A Hammond & Others (No 7) (2000) 76 Con LR 148, Tz. 20 per Judge Seymour QC (HC, lexis). 1878 Royal Brompton Hospital National Health Service Trust v Hammond & Ors (No 8) (2002) 88 Con LR 1, Tz. 16 ff. (HC, lexis).

270

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

vermieden hätte. Der Entscheidung J D Williams folgend sei dies allerdings keine zwingende Voraussetzung einer Verurteilung. Insofern wird noch einmal bestätigt, dass, soweit die Umstände des Einzelfalls es zulassen, auch verurteilt werden darf, falls andere kompetente Berufsangehörige sich ebenso objektiv unangemessen verhalten hätten wie der Beklagte. (3) Losgelöst davon könne ein Sachverständigengutachten ferner benötigt werden, um festzustellen, welche Faktoren bzw. technischen Überlegungen die Entscheidung eines professionellen Dienstleisters hinsichtlich des Vorgehens im konkreten Fall beeinflusst haben würden. (4) Im Übrigen könne ein Sachverständiger zur Aufklärung darüber beitragen, ob die Art und Weise der Baudurchführung bestimmte Tatsachenfeststellungen in Frage stelle. Auch diesbezüglich sei der Sachverständigenbeweis allerdings irrelevant, „where the decision is a matter of common sense“. (5) Hilfreich – nicht erforderlich – sei der Sachverständigenbeweis schließlich insbesondere, wenn der Fahrlässigkeitsvorwurf sich – mangels einer entsprechenden Praxis – nicht auf ein Abweichen von der etablierten Praxis beziehe. Denn in diesem Fall müsse das Gericht verstehen, „what would go through the mind of a professional person in those cases where what would be common sense to the rest of the world would not or might be not sensible in that profession or occupation“. Aus Gründen der Vollständigkeit seien auch solche Erwägungen zu berücksichtigen. Das Gericht könne sich auf diesem Wege u.a. versichern, keine abwegigen Anforderungen aufzustellen.

bb) Besonderer Sachverstand des Gerichts Abschließend unterstreicht das Gericht noch einmal, dass die Einholung entsprechender Sachverständigenansichten – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – keineswegs zwingende Voraussetzung einer Verurteilung sei. Der Richter sei insbesondere dort, wo es sich bei dem Sachverständigengutachten um nicht mehr als eine Umschreibung dessen handeln könne, was der konkrete Sachverständige in eigener Person in der gegebenen Situation unternommen hätte, nicht nur dazu in der Lage, sondern auch berechtigt, ohne Sachverständigenbeweis zu entscheiden. Dies gelte in noch größerem Umfang für die an speziellen Gerichten wie dem Technology and Construction Court (TCC) beschäftigten Richter, denn: “… judges of this court possess and acquire knowledge of the construction industry and other areas of commerce so that they do not require such expert evidence to enable them to assess evidence, not only in relation to common questions of professional practice but also in relation to matters such as causative impact of events in cases of delay or disruption or ordinary practice in the construction and other fields of commercial disputes which come to this court. If that were not the case there would be little point in having specialist courts, such as the Technology and Construction Court (TCC).”1879

1879

Royal Brompton Hospital National Health Service Trust v Hammond & Ors (No 8) (2002) 88 Con LR 1, Tz. 20 (HC, lexis).

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

271

Dieser Differenzierung wird man zustimmen müssen. Denn je sachverständiger das Gericht ist, desto weniger Bedarf besteht für „externen“ Sachverstand. Auch diesbezüglich liegt das Urteil auf einer Linie mit der Rechtsprechung zum Anwaltshaftungsrecht1880.

4.

Konsequenzen für die Bestimmung des Standards

Wir hatten gesehen, dass das Gericht bei der Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards die Rolle des reasonable man übernimmt, dem – ausgehend vom Standard des Durchschnittsbürgers – gerade die besondere Sachkunde fehlt, die zur angemessen sorgfältigen Leistung typischerweise erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund bedarf das Gericht, um die Angemessenheit der erbrachten Leistung beurteilen zu können, insoweit der Aufklärung, als die Beurteilung besondere Sachkunde erfordert. Ist besondere Sachkunde hingegen nicht erforderlich, bedarf es folgerichtig auch keiner Aufklärung. Daraus erklärt sich, warum Sachverständigengutachten, die dem Gericht zur Feststellung des gewöhnlich innerhalb der Bezugsgruppe mit besonderer Sachkunde erreichten Sorgfaltsstandards dienen, von geringer Bedeutung sind, „where the decision is a matter of common sense“: Denn wenn die besondere Sachkunde für die konkrete Frage keine Rolle spielt, muss die Bezugsgruppe nicht auf die mit besonderer Sachkunde versehenen Personen beschränkt bleiben. Insofern kommt den (per Sachverständigengutachten getroffenen) Feststellungen zu den professionsinternen Standards keine größere Bedeutung zu als den (ohne Sachverständigengutachten getroffenen) Feststellungen zu den vom Durchschnittbürger zu erreichenden Standards. Die Ausgangsfrage, ob professionsinterne Standards bei der Leistungsdeterminierung haftungsentlastend zu berücksichtigen sind, lässt sich daher wie folgt beantworten: Den professionsinternen Standards kommt in ihrer haftungsentlastenden Funktion keine definitve Wirkung zu, sofern die vertraglich geschuldete Leistung (angemessene Sorgfalt) auch von einem Durchschnittsbürger erbracht bzw. beurteilt werden könnte.

III. Bolam-Test und Arzthaftungsrecht Im Arzthaftungsrecht zeichnen sich erst in jüngerer Zeit Entwicklungen dahin ab, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung es verstärkt (wieder) als ihre Aufgabe begreift, die ärztliche Praxis eigenständig zu beurteilen. Angesichts der Hartnäckigkeit, mit der der Court of Appeal die Anwendung seiner faktisch gegenläufigen Interpretation von Bolam in Aufklärungsfällen verteidigt hatte1881, überraschte zunächst die jüngere Entwicklung seiner Rechtsprechung. Nahezu unvermittelt näherte sich

1880 1881

Vgl. ab S. 255. Vgl. dazu ab S. 273.

272

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

der Court of Appeal im Jahr 19931882 nämlich der vorstehenden Interpretation des Bolam-Tests dahin an, dass die gängige Praxis lediglich eine funktionell begrenzte Leitlinie für die Bestimmung des geschuldeten Sorgfaltsstandards bildet. Diese Entwicklung bestätigte der Court of Appeal in mehreren Folgeentscheidungen1883; eine Reihe erstinstanzlicher Entscheidungen schloss sich dem an1884. Zuvor war man bei der Disqualifizierung einer verbreiteten Praxis äußerst restriktiv.

1.

Die ältere gerichtliche Interpretation des Bolam-Tests

a)

Bolam v Friern Hospital Management Committee

Die Grundlagen für diese restriktive Interpretation des „Bolam-Tests“ enthält nach verbreiteter Auffassung der berühmte namensgebende Arzthaftungsfall Bolam v Friern Hospital Management Committee1885 selbst. In dieser Entscheidung machte der Kläger, John Hector Bolam, die Beklagten für die mangelnde Sorgfalt eines in dem von ihnen geführten Krankenhaus angestellten Arztes verantwortlich, der Mr. Bolam wegen krankhafter Depressionen mit Elektroschocks therapiert hatte. Dabei wurde dem Kläger weder ein muskelentspannendes Mittel verabreicht, noch wurde er zumindest manuell fixiert. Die Elektroschocks bewirkten – dies war dem behandelnden Arzt bekannt – enorme, unkontrollierbare Muskelzuckungen. Weil der Kläger nicht fixiert oder ihm ein Relaxat verabreicht worden war, fiel dieser infolge der unkontrollierbaren Kontraktionen vom Behandlungstisch und seine Oberschenkelknochen bohrten sich durch ihre beckenseitigen Gelenkpfannen. Der Kläger erlitt diverse Verletzungen seines Beckens. Das Risiko eines solchen Vorfalls war sehr gering (1:10.000). Dennoch war es in der ärztlichen Praxis sowohl verbreitet, ein Relaxat zu verabreichen bzw. manuell zu fixieren, als auch nichts dergleichen zu unternehmen. McNair J wies die Jury – nachdem er zunächst sein Verständnis des Tests für negligence erläutert hatte – mit folgenden Worten an: “[A doctor] is not guilty of negligence if he has acted in accordance with a practice accepted as proper by a responsible body of medical men skilled in that particular art”1886. 1882

Bolitho v City and Hackney Health Authority (1993) 13 BMLR 111; mit Besprechung durch Grubb, (1993) 1 Med L Rev 241 ff. 1883 Vgl. Joyce v Merton, Sutton and Wandsworth Health Authority (1995) 27 BMLR 124 (CA, lexis); De Freitas v O’Brien [1955-95] PNLR 680 (CA). 1884 Vgl. Gascoine v Ian Sheridan & Co (a Firm), 9.9.1994, per Mitchell J (HC, lexis); Dowdie v Camberwell Health Authority [1997] 8 Med LR 368 per Kay J (HC, lexis); vgl. auch Smith v Salford Health Authority (1994) 23 BMLR 137 per Potter J (HC, lexis). Zu dieser Entwicklung vgl. mit weiteren Nachweisen Grubb, (1995) 3 Med L Rev 198 ff.; dens., (1996) 4 Med L Rev 86 ff.; Kennedy, (1995) 3 Med L Rev 195 ff.; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 441. 1885 Bolam v Friern Hospital Management Committe [1957] 1 WLR 582 (HC). 1886 Bolam v Friern Hospital Management Committe [1957] 1 WLR 582, 588 per McNair J (HC).

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

273

Das Gericht betont, dass es sich gerade um die Auffassung eines verantwortlichen Teils der Ärzteschaft handeln muss. Wenn und soweit „responsible“ eine echte Einschränkung bedeutet, also einen eigenen „Regelungsgehalt“ besitzt, der dem Gericht die Ausfüllung dieses Attributs überlässt1887, ist ohne weiteres der Schluss möglich, dass dieses Urteil gar nicht dazu taugt, als authority für eine „außerrechtliche“, d.h. durch die jeweilige Profession vorgenommene Definition der einschlägigen Verhaltensstandards herangezogen zu werden, wie dies der Fall ist, wenn man das Erreichen einer verbreiteten Praxis als unumstößlichen Verteidigungseinwand zulässt. Denn mit der Einschränkung „responsible“ behielte Bolam der Rechtsprechung eine Prüfung des Sorgfaltsmaßstabs vor. Das Gericht könnte dann den Teil der Ärzteschaft, der das streitgegenständliche Vorgehen befürwortet, als „irresponsible“ qualifizieren, ihn ignorieren und wegen Vertragsverletzung zugunsten des Klägers entscheiden. Bolam enthielte „its own quality control system“1888. Die entscheidende Frage ist also, ob das Tatbestandsmerkmal „responsible“ einen eigenen Regelungsgehalt besitzt1889.

b)

Die gerichtlich praktizierte Interpretation

In der Rechtsprechung ist häufig betont worden, dass der befürwortende Teil der medizinischen Lehrmeinung, der durch eine verbreitete Praxis repräsentiert wird, „respectable and responsible“ sein müsse1890. Doch was steht dahinter? Das House of Lords, das Bolam sowohl in Behandlungs- als auch in Diagnosefragen angewendet1891 und dadurch erst richtig populär gemacht hat1892, wies die Frage, ob eine medizinische Lehrmeinung von einem verantwortlichen Teil der Mediziner befürwortet werde, zunächst scheinbar den Ärzten selbst zur Beantwortung zu. Die wichtige Entscheidung Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors1893 deutet zwar an, dass der Bolam-Test in Fällen mangelnder Aufklärung des Patienten, die den zentralen Gegenstand der Entscheidung bildeten, (vielleicht) anders zu interpretieren sei als in Fragen von

1887

Montrose, (1958) 21 MLR 259, 262 hält das nicht für ausgeschlossen. Healy, Negligence, S. 65. 1889 Newdick, Treat, S. 135 ff. differenziert hinsichtlich der Rolle des Gerichts bei der Bestimmung der geschuldeten medizinischen Sorgfalt zwischen vier unterschiedlichen Idealtypen. 1890 Z.B. Hills v Potter [1984] 1 WLR 641, 653 per Hirst J (HC). 1891 Whitehouse v Jordan [1981] 1 WLR 246, 258 per Lord Edmund-Davies (HL, Behandlung); Maynard v West Midlands Regional Health Authority [1984] 1 W.L.R. 634, 639 per Lord Scarman (HL, Diagnose). 1892 Vgl. dazu Newdick, Treat, S. 137, der darauf hinweist, dass der Bolam-Test vor seiner Anwendung in den vorgenannten Entscheidungen des House of Lords und der Entscheidung in der Sache Sidaway (vgl. nachfolgende Fn.) im Arzthaftungsrecht keine besondere Rolle gespielt hat. 1893 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] AC 871 (HL). 1888

274

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Behandlung und Diagnose1894. Gleichwohl enthält sie jedoch auch für die letztgenannten Themenkomplexe wichtige Feststellungen, indem sie Bolam sowie die ihn in Behandlungs- und Diagnosefragen interpretierenden bis dahin ergangenen Entscheidungen des House of Lords explizit bestätigte: “Broadly, a doctor’s professional functions may be divided into three phases: diagnosis, advice and treatment. In performing his functions of diagnosis and treatment, the standard by which English law measures the doctor’s duty of care to his patient is not open to doubt. ‘The test is the standard of the ordinary skilled man exercising and professing to have that special skill.’ These are the words of Mc Nair J in Bolam v Friern Hospital Management Committee …, approved by this House in Whitehouse v Jordan … and in Maynard v West Midlands Regional Health Authority … The test is conveniently referred to as the Bolam test.”1895 Wer den ärztlichen Standard definiert, stellte Lord Scarman dabei ausdrücklich wie folgt klar: “The Bolam principle may be formulated as a rule that a doctor is not negligent if he acts in accordance with a practice accepted at the times as proper by a responsible body of medical opinion even though other doctors adopt a different practice. In short, the law imposes the duty of care; but the standard of care is a matter of medical judgement.”1896 Vor allem der letzte Satz ist entscheidend; denn diese Äußerungen wurden und sind mit Recht so interpretiert worden, dass danach der für ärztliche Behandlung und Diagnose maßgebliche Sorgfaltsstandard von der Medizin selbst festgelegt wird1897. Es ist auch deutlich zu erkennen, dass dieser Satz keinesfalls lediglich die Selbstverständlichkeit ausdrückt, dass das Recht nur solche Anstrengungen verlangen kann, die im Rahmen des (medizinisch) Möglichen liegen. Vielmehr bestimmt Lord Scarman ausdrücklich: „… the standard of care is a matter of medical judgement“. Damit stellt Lord Scarman implizit fest, dass der Einschränkung „resonsible“ kein gerichtlich bestimmter Bedeutungsgehalt zukommt, sondern es einzig die Aufgabe der Gerichte sein soll, den durch medical judgement festgelegten Standard in rechtliche Kategorien zu transportieren. Die Prozesswirklichkeit bestätigt dies, wie an späterer Stelle zu zeigen sein wird1898. Es gilt zunächst festzuhalten: Die Medizin bestimmt die für sie 1894

Für eine Analyse dieser nicht leicht zu durchschauenden Entscheidung vgl. Kennedy, Treat, S. 193 ff.; Jones, Negligence, § 6–083 ff.; Kennedy/Grubb; Medical Law, S. 691 ff.; aus dem deutschen Schrifttum Hauschild, Maßstab, S. 83 ff. sowie unten ab S. 439. 1895 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] AC 871, 896 per Lord Bridge (HL). 1896 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] AC 871, 881 per Lord Scarman (HL). 1897 Genau dies (matter of judgement) als Verteidigungseinwand im Rahmen der Anwaltshaftung ausdrücklich zurückweisend, sofern nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gewertet wurde (was das Gericht beurteile): Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 65 per HJ Seymour QC (QB), unreported. 1898 Vgl. ab S. 278.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

275

geltenden Sorgfaltsstandards selbst. Die Gerichte bleiben auf eine bloße Übernahme „außerrechtlich“ abschließend determinierter Inhalte beschränkt. Konsequenz dieser Selbstbeschränkung ist eine deutliche Stärkung des Verteidigungseinwands, man habe einen verbreiteten Standard erreicht und dadurch seine Verpflichtung erfüllt. Denn je weniger die Gerichte eine Praxis in Frage stellen, desto mehr Erfolg verspricht es, sich auf sie zu berufen.

c)

Konsequenzen der restriktiven Haltung der Gerichte

aa) Weitgehende Irrelevanz der Interessen des Gläubigers Die referierte Interpretation der gerichtlichen Aufgaben ändert selbstverständlich nichts daran, dass die Gerichte im Rahmen des Prozesses eine gewisse Wertung vornehmen1899. Problematisch ist jedoch, dass in der Praxis, um zu dieser Wertung zu gelangen, zunächst oft nicht mehr geschieht, als dass sich das Gericht von der Kompetenz des Sachverständigen überzeugt1900; damit geht eine Beschränkung des Verhandlungsgegenstands einher. Soweit im Arzthaftungsprozess die Angemessenheit von Diagnose und Behandlung untersucht werden, beschäftigen sich die Gerichte inhaltlich beinahe ausschließlich mit Fragen der medizinischen Technik1901. Drehund Angelpunkt ist regelmäßig die Frage, ob der Arzt ein Verfahren angewendet hat, das innerhalb der Ärzteschaft – zumindest von einem bemerkenswerten Teil – als akzeptabel betrachtet wird1902. Differenzierte Überlegungen zu Interessen (oder gar Rechten) des Patienten1903 spielen dagegen – lässt man dessen Interesse an einer abstrakten Befähigung des behandelnden Arztes einmal außer Betracht – keine erwähnenswerte Rolle1904. 1899

Potentiell entstehende rechtsquellentheoretische Probleme „außerrechtlicher“ Sorgfaltsdeterminierung bleiben hier außer Betracht. Nur soviel sei gesagt, dass sich die Gerichte dagegen verwehrt haben, sie würden der Medizin die Rechtsetzungkompetenz zusprechen: „I do not accept the argument … that, by adopting the Bolam principle, the court in effect abdicates its power of decision to the doctors. In every case the courts must be satisfied that the standard contended for on their behalf accords with that upheld by a substantial body of medical opinion, and that this body of medical opinion is both respectable and responsible, and experienced in this particular field of medicine“, Hills v Potter [1984] 1 WLR 641, 653 per Hirst J (HC). Vgl. zu einem dadurch u.U. faktisch eintretenden Funktionsverlust der Rechtsprechung auch Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 89. 1900 Teff, Care, S. 186. 1901 Teff, Care, S. 186; vgl. auch Healy, Negligence, S. 66; Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 88 f. 1902 Teff, Care, S. 186. 1903 Der Versuch einer Begründung dafür, warum die Interessen des Patienten so wenig Aufmerksamkeit erhalten, wird ab S. 326 unternommen. 1904 Teff, Care, S. 174 stellt dazu fest, im deliktischen negligence-Recht seien Rechte des Patienten „at best a moral afterthought“. Eine atypische Ausnahme bilden insoweit manche der speeches in Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital and the Maudsley

276

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Damit wird den Medizinern ein großer Ermessensspielraum hinsichtlich ihres Vorgehens eingeräumt. Denn letztlich bewirkt diese Konzentration auf eine technische Befähigung zumindest faktisch nicht weniger, als dass das Vorgehen eines Arztes hinsichtlich der gesamten medizinischen Behandlung – die Wahl der Diagnosetechnik, der konkreten Behandlungsverfahren, die Wahl der Medikamente und ihrer Dosierung – unter minimaler Rücksichtnahme auf die individuellen Eigenschaften und potentiellen Präferenzen des Patienten allein danach beurteilt wird, ob dieses Vorgehen von einem Teil der medizinschen Lehrmeinung als ein akzeptables Verfahren im konkreten Fall angesehen wird1905. Damit ist auf der anderen Seite eine deutliche Einschränkung der rechtlichen Position des Patienten verbunden: Insbesondere die Forderung von Dillon LJ in der Entscheidung der Sache Bolitho v City & Hackney Health Authority1906 durch den Court of Appeal, die angegriffene ärtzliche Praxis müsse „Wednesbury unreasonable“ sein, gibt wichtige Hinweise auf eine verbreitete Assoziation1907. Denn mit „Wednesbury“ wird für die Frage ärztlicher Fahrlässigkeit auf eine bekannte verwaltungsrechtliche Doktrin über die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen Bezug genommen, die der Court of Appeal in der Grundsatzentscheidung Associated Provinical Picture Houses Ltd v Wednesbury Corporation1908 festgelegt hatte. Die Lordrichter hatten in Wednesbury für ein äußerst restriktives Konzept der reasonablenessPrüfung votiert, nach dem sich die gerichtliche Prüfung auf den Weg der Entscheidungsfindung konzentrieren soll und nicht so sehr auf den Inhalt. Dabei standen Gründe der Gewaltenteilung im Hintergrund! Ein Bedürfnis dafür, derartige Prinzipien des „öffentlichen Rechts“ zur Bestimmung zivilrechtlicher Fahrlässigkeit heranzuziehen, ist indessen nicht erkennbar1909. Denn in Fragen der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Verwaltung geht die Rechtsprechung allein deshalb restriktiv vor, weil sie stets befürchtet, die Souveränität des Gesetzgebers anzutasten, der der Verwaltung insoweit die Staatgewalt übertragen hat1910. Dieses Problem stellt sich im Arzthaftungrecht aber gar nicht. Überhaupt sind Mediziner und Verwaltungsbeamte nur insoweit vergleichbar, als beide mit besonderem Wissen ausgestattet fachspezifische Entscheidungen treffen müssen1911. Darin unterscheiden sie sich jedoch wiederum in keiner Weise von jedem anderen Spezialisten1912. Die Arzthaftung weist also keine Besonderheit auf, die eine Lösung vom allgemeinen

Hospital [1985] AC 871, vgl. ab S. 439. Das diesen Ausnahmen gegenüberstehende Paradigma bildet die Gewichtung in Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582 (HC). 1905 Vgl. auch Teff, Care, S. 186 f. 1906 Bolitho v City and Hackney Health Authority (1993) 13 BMLR 111 (CA). 1907 Vgl. hierzu noch ab S. 446. 1908 Associated Provincial Picture Houses Ltd v Wednesbury Corporation [1948] 1 KB 223, 228 f. per Lord Greene MR (CA). 1909 Joyce v Merton, Sutton and Wandsworth Health Authority (1995) 27 BMLR 124 per Hobhouse LJ (CA, lexis). 1910 Jones, Negligence, § 3–027. 1911 Vgl. auch Jones, Negligence, § 3–027.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

277

Privatrecht durch eine Analogie zu öffentlich-rechtlichen Konstruktionen fordern oder rechtfertigen würde1913.

bb) Bewertung des Sachverständigengutachtens Die gleichwohl zumindest faktisch praktizierte richterliche Selbstbeschränkung führt im Ergebnis neben der Konzentration auf die technische Seite vor allem dazu, dass sich das Gericht bei seiner Untersuchung damit zufrieden gibt, dass die durch die Sachverständigen nachgewiese Praxis wahrheitsgemäß und ehrlich geschildert wurde („truthfully expressed“, „honestly held“) bzw. von „distinguished medical men“ vertreten wird1914. Bewertet wird also in erster Linie die Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit des Sachverständigen, die im Anwaltshaftungsrecht – wie Sir Stuart-Smith jüngst ausdrücklich klargestellt hat – gerade nicht zur Entlastung genügt1915. In der vorstehend wiedergegebenen Weise hatte jedoch Lord Scarmann in Maynard v West Midlands Regional Health Authority den Prüfungsumfang der Gerichte formuliert1916. Höchstrichterliche Ablehnungen von Sachverständigenansichten finden indessen (vor dem Hintergrund nicht zu unterschätzender anwaltlicher Einflussnahme auf die Sachverständigen1917: bedauerlicherweise) kaum statt. Es findet sich (nahezu) keine höchstrichterliche Entscheidung, die feststellt, der Vortrag eines Sachverständigen über eine bestimmte ärztliche Praxis entspreche nicht den von Lord Scarman formulierten oder äquivalenten Anforderungen1918. Innerhalb von sechzehn Jahren beschäftigte sich das House of Lords sechsmal mit Klagen wegen Negligence und in keinem (!) Verfahren waren die Kläger erfolgreich1919. Zur Begründung dieser Zurückhaltung vor allem im Arzthaftungsrecht werden in der Literatur teilweise soziologische Argumente bemüht:

1912

1913

1914 1915 1916 1917 1918 1919

Vgl. auch Gold v Haringey Health Authority [1988] QB 481, 489 per Lloyd LJ: „I can see no possible ground for distinguishing between doctors and any other profession or calling which requires special skill, knowledge or experience.“ Richtig Joyce v Merton Sutton and Wandsworth Health Authority (1995) 27 BMLR 124 per Hobhouse LJ (CA, lexis): „… it does not assist to introduce concepts from administrative law such as the Wednesbury test …; such tests are directed to very different problems and their use, even by analogy, in negligence cases can, in my judgment, only serve to confuse.“ Ebenso Jones, Negligence, § 3–027. Healy, Negligence, S. 66; Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 88 f.; Teff, Care, S. 186. Griffin v Kingsmill and others [2001] EWCA Civ 934, Tz. 65 (CA), vgl. auf S. 263. Maynard v West Midlands Regional Health Authority [1984] 1 WLR 634, 640 (HL). Vgl. dazu Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481 ff. Healy, Negligence, S. 66. Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 88 m.w.N.

278

d)

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Begründungsansätze für die besonders restriktive Haltung im Arzthaftungsrecht

aa) Richterliche Voreingenommenheit? Die Praxis vermeint insbesondere in Arzthaftungsprozessen eine gewisse Voreingenommenheit der Gerichte konstatieren zu können1920. Es sei „common knowledge“, dass es in der Vergangenheit sehr schwer gewesen sei, die Fahrlässigkeit ärztlichen Verhaltens zu beweisen1921. Dabei sei zwar nicht zu vernachlässigen, dass regelmäßig eine Reihe komplexer technischer Fragen im Raum stehe, denen gegenüber die Gerichte vielleicht schlichtweg weniger gut gewappnet seien als bei anderen Professionen1922. Dies ist – zumindest gegenüber Anwälten und Architekten – gewiß ein nicht zu vernachlässigender Faktor, da die Gerichte in Rechtsfragen zweifellos selbst sachverständig sind und für die Fragen der Baudienstleisterhaftung erstinstanzlich ein besonderes Gericht existiert, der Technology and Construction Court, das mit größerem eigenen Sachverstand ausgestattet ist. Für das Anwaltshaftungrecht sind der eigene Sachverstand des Gerichts und die damit verbundene Befähigung zu einem eigenständigen Urteil sogar in noch größerem Maße anerkannt. So hat Baroness Hale in Moy v Pettman Smith jüngst noch einmal bestätigt, dass „[i]n claims against members of other professions, the court will have expert evidence on whether their conduct has fallen short of this standard. In cases against advocates, however, the court assumes that it can rely upon its own knowledge and experience of advocacy to make that judgment“1923. Losgelöst davon fehle es den Gerichten aber, wird weiterhin argumentiert, (auch) an dem Willen, im Arzthaftungsrecht mit derselben Strenge vorzugehen, die andernorts an den Tag gelegt werde1924 – ein Phänomen, dass sich ferner z.B. in zurückhaltender Kontrolle des Medizinsektors auf Wettbewerbsbeschränkungen durch den Director General of Fair Trading1925 offenbart. Einige sehen hierin insbesondere einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, denn: „There is no sufficent reason for singling out one particular group in the workforce and making its own customary practices or self-proclaimed standards the yardstick of liability. If medical practice can be said to 1920

Vgl. die Schilderung bei Lewis, Negligence, S. 264: „… one would think that the plaintiff was virtually guilty of lese-majesté in bringing an action.“ Den gleichen Eindruck vermittelt die lebendige Schilderung von Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 131 bzw. 134: „… Oddly, the judges seemed frequently impressed – presumably by the white hair and gold-rimmed glasses [of the expert witnesses] … Back to Bolam. It has often been suggested that the test and its application by the judges betray an excessive, even sycophantic, respect for medical professionals on the part of judges and the law. Certainly there is on occasion an almost embarrassing judicial deference to medical experts, as if they retained the old aura of magician or shaman which used to invest witch doctors and healers of the past … Other professionals do not enjoy the same indulgence from the law“. 1921 Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 131; Lewis, Negligence, S. 263. 1922 Vgl. MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 8; Teff, (1998) 18 OJLS 473, 476. 1923 Moy v Pettman Smith (a firm) [2005] 1 WLR 581, 589 per Baroness Hale (HL). 1924 Healy, Negligence, S. 64. 1925 Vgl. Teff, Care, S. 163.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

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have acquired a unique status in this respect, part of the explanation would seem to lie in judicial readiness to interpret loose expressions in the case law in ways which reflected, some would say pandered to, the prestige and mystique associated with medicine. If anything, this process became more marked with the progressive professionalization and entrenchment of medical practice from the latter part of the nineteenth century onwards, culminating in the Bolam test as narrowly understood“1926.

bb) Kollegialität unter Sachverständigen Eine weitere Hauptursache dafür, dass Arzthaftungsprozesse über lange Zeit hinweg nur schwerlich zu gewinnen waren, ist laut der anwaltlichen Praxis, dass der Beklagte bei seiner Beweisführung über das Bestehen einer mit seinem Vorgehen übereinstimmenden Praxis regelmäßig mit „enthusiastic collegial support“1927 rechnen dürfe1928. Es sei in aller Regel nahezu ausgeschlossen, einen Sachverständigen zu finden, der sich bereit erkläre, gegen einen Kollegen auszusagen (sog. „closing ranks“ syndrome)1929. Hinzukomme, dass je spezieller der Gegenstand des Gutachtens sei, es umso schwerer werde, einen entsprechenden Sachverständigen beizubringen. Denn 1926

Teff, Care, S. 175 f.; vgl. zu Pflichtverletzungen von Sachverständingen auch General Medical Council v. Meadow [2006] EWCA Civ. 1390 (CA) und dazu Devaney, (2007) 15 Med L Rev 116 ff. 1927 Healy, Negligence, S. 64; vgl. dazu auch Kennedy, Treat, S. 189 f. und Lakey v Merton, Sutton and Wandsworth Health Authority (1999) 48 BMLR 18 per Thorpe LJ (CA, lexis): „I suspect that in this field of litigation it is not uncommon for the forensic experts to take relatively extreme positions in the hope of securing an outcome for the party by whom each is instructed“. 1928 Anschaulich wiederum Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 131 f.: „Quite frequently in my early days in the field [of Negligence] a defence expert witness could be heard to assert that although he might not himself have done as the defendant doctor did, yet there were a good number (not that he could necessarily name or count them) who would have acted in the same way. This wasn’t always the same expert witness, you understand, although there were certainly some who turned up with regularity and on the same theme. Some of them were elderly men, sceptical about modern advances who were proud to tell the judge that, man and boy, they had acted as the defendant had, and that they approved of what he had done notwithstanding its catastrophic outcome. Some managed to imply that the plaintiff’s experts were whippersnappers who lacked respect for methods which had withstood the test of time, even if not withstood the test of evidence-based medicine or up-to-date research … Sometimes historical luck with an unsafe procedure has made the expert witness complacent. After all, near misses are much more common than collisions. Sometimes an expert’s approval of an objectively risky practice may stem from personal success with it, success which was due to his exceptional skill, but which was not shared by ordinary mortals. Occasionally, however, I sense that a defence owes more to solidarity with a respected colleague than to the merits, or even that it stems from a doctrinaire belief that there is too much suing of doctors and so any defence is justified“. Dasselbe Phänomen gab es in anderen Jurisdiktionen, vgl. Robertson, (1981) 97 LQR 102, 110.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

je spezieller das Problem sei, umso sicherer würden sich alle Experten persönlich kennen und dies verstärke die Zurückhaltung noch. Einen Teil des Problems bildeten allerdings auch in diesem Zusammenhang die Gerichte. Denn Sachverständigenangaben würden teilweise selbst dann ohne weiteres akzeptiert, wenn starke Indizien darauf hindeuteten, dass der Sachverständige (vermutlich nicht ohne Grund) in seiner eigenen Praxis vollkommen anders verfahre1930. Eine Verbesserung der Erfolgsaussichten einer Klage sei in jüngerer Zeit zunächst dem Umstand zu verdanken, dass sich die Anwaltschaft in der Auswahl und Anleitung der Sachverständigen entwickelt habe1931.

cc) Rolle der Anwaltschaft Anzumerken ist, dass es im Gegensatz dazu keinerlei Schwierigkeiten bereiten dürfte, einen solicitor nicht nur für eine Aussage, sondern sogar für eine Klage gegen einen Kollegen zu finden. Denn nach Standesrecht ist jeder Anwalt verpflichtet, ein derartiges Mandat anzunehmen. Ein erstes Beratungsgespräch wird von der Law Society sogar gemäß ihrem Negligence Panel bezahlt1932! Wenn also mehrfach behauptet wird, die Medizin spiele eine Sonderrolle, kommt dies nicht von ungefähr. Nicht verschwiegen werden darf jedoch, dass vielleicht auch die Anwaltschaft seit der Zulässigkeit einer Vereinbarung von conditional fees stärker am Prozessausgang interessiert ist, sodass u.U. auch größere Anstrengungen der Prozessvertreter einen relevanten Faktor bilden1933.

2.

Erste Andeutungen eines Rechtsprechungswandels in Sidaway?

Indessen hat auch die Rechtsprechung ihre Position in jüngerer Zeit neu definiert. In der Entscheidung der Sache Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital 1929

Eindringlich Healy, Negligence, S. 74 ff. unter Berufung auf mehrere Studien. Vgl. im Übrigen insbesondere die – auch Auswirkungen auf die Karriere einbeziehende – Abhandlung von Burrows, (2001) 9 Med L Rev 110 ff., die Umfragen unter Krankenschwestern referiert (S. 121 ff.). 1930 Healy, Negligence, S. 77 m.w.N.; Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 85 und 89: „Line up your champion expert in sober garb and with letters after his name and the defendant could not fail“. Vgl. auch die Schilderung bei Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 131. Vgl. aber auch Irwin/Fazan/Allfrey, Negligence, S. 9: „Some practitioners treat the Bolam test as if it meant that when two or more experts who are ostensibly qualified and responsible can be found to give evidence in support of the defence, that is conclusive of the issue of the case. That is clearly not the law, nor is it the way cases are decided in practice“. Die praktischen Erfahrungen dürften je nach Fall und Richter(n) im letztgenannten Punkt wohl auseinandergehen, doch fehlen dazu empirische Untersuchungen. 1931 Lewis, Negligence, S. 263. 1932 Vgl. Dietlmeier, Haftung, S. 16 m. Fn. 11. 1933 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 223.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

281

durch den Court of Appeal1934 wies bereits der damalige Master of the Rolls, Sir Donaldson, darauf hin, dass Bolam seines Erachtens in restriktiver Interpretation falsch verstanden worden sei. Nach der Auffassung des Master of the Rolls ist das Vorgehen eines Arztes nämlich nur rechtmäßig, falls das Recht dieses Vorgehen als „right“ betrachtet. Unter dieser Voraussetzung wird eine gerichtliche Überprüfung der ärztlichen Praxis und auch eine Berufung des Patienten auf deren Unangemessenheit möglich: “I accept the view expressed by Laskin CJC1935 that the definition of the duty of care is not to be handed over to the medical or any other profession. The definition of the duty of care is a matter for the law and the courts. They cannot stand idly by if the profession, by an excess of paternalism, denies its patients a real choice. In a word, the law will not permit the medical profession to play God … I think that, in an appropriate case, a judge would be entitled to reject a unanimous medical view if he were satisfied that it was manifestly wrong and that the doctors must have been misdirecting themselves as to their duty in law. Another way of expressing my view of the test is to add just one qualifying word (which I have emphasised) to the law as Skinner J summarised it, so that it would read: The duty is fulfilled it the doctor acts in accordance with a practice rightly accepted as proper by a body of skilled and experienced medical men.”1936

3.

Die Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Bolitho

Trotz dieser unverhofften Andeutung eines „Wandels“ dauerte es nahezu 10 Jahre, bis sich der Court of Appeal dazu durchrang, Bolam auch in dieser Weise praktizieren zu wollen. Zwar hatte 1990 bereits Stuart-Smith LJ in Loveday v Renton ausgeführt: “The mere expression of opinion or belief by a witness, however eminent, […] does not suffice. The court has to evaluate the witness and the soundness of his opinion. Most importantly this involves an examination of the reasons given for his opinions and the extent to which they are supported by evidence. The judge also has to decide what weight to attach to a witness’s opinion by examining the internal consistency and logic of his evidence …”1937 Doch diese Feststellungen liegen noch klar außerhalb des arzthaftungsrechtlichen „mainstream“1938. Ein Wandel kündigte sich erst in der Entscheidung Bolitho v City 1934

Zu dieser Entscheidung vor allem Kennedy, Treat, S. 176 ff. In der kanadischen Entscheidung Reibl v Hughes (1980) 114 DLR (3d) 1 hatte Laskin CJC die oben geschilderte Auslegungspraxis von Bolam durch die englischen Gerichte ausdrücklich abgelehnt. Dasselbe trifft auch für andere Common Law-Jurisdiktionen (Australien, Neuseeland) zu, vgl. nur die Nachweise bei Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 438 f. 1936 Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital [1984] 1 All ER 1018, 1028 per Sir Donaldson MR (CA). Was „rightly“ bedeuten könnte, erörtert z.B. Kennedy, Treat, S. 186. 1937 Loveday v Renton [1990] Med LR 117 (zit. nach Teff, (1998) 18 OJLS 473, 478). 1938 Teff, (1998) 18 OJLS 473, 478. 1935

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

and Hackney Health Authority1939 an, in der der 2-jährige Patrick Bolitho wegen einer Krupp-Erkrankung behandelt worden war. Im Januar 1984 wurde er mit akuten Atembeschwerden in ein Krankenhaus eingeliefert. Zweimal wurde die zuständige Ärztin gerufen, die jedoch nicht erschien, weil ihr Pieper nicht funktionierte. Der Zweijährige erholte sich kurzzeitig, kollabierte dann aber; die Atmung setzte aus und das Kind erlitt einen Herzstillstand, der zu einer ernsthaften Hirnschädigung führte. Kurz darauf verstarb Patrick Bolitho. Seine Mutter klagte (für den Nachlass) wegen Negligence gegen das Krankenhaus. Streitig war, ob das beklagte Krankenhaus für den aus dem Herzstillstand resultierenden Hirnschaden verantwortlich war. Das Krankenhaus gab zu, fahrlässig nicht für eine Erstuntersuchung – und sei es durch Hilfspersonal – gesorgt zu haben. Unstreitig war überdies auch, dass eine Intubation und Beatmung mit Sicherheit die zu den Hirnschäden führende Atemstörung verhindert hätte. Dennoch verneinte das Krankenhaus seine Haftung: Der Geschädigte wäre nach dem Vortrag der Beklagten auch dann nicht intubiert worden, wenn er untersucht worden wäre. Die Beklagte belegte durch Sachverständigengutachten, dass der Geschädigte, um den Herzstillstand zu vermeiden, bereits vor dem ersten Anfall von Atemschwierigkeiten hätte intubiert werden müssen. Die erste Instanz entschied den Bolam-Test anwendend zu Gunsten der Beklagten. Diese Entscheidung hielt der Court of Appeal wie später auch das House of Lords aufrecht. Obwohl die Klage damit in allen Instanzen abgewiesen wurde, ist die Entscheidung wichtig. Der Court of Appeal legt in ihr nämlich erstmals dar, wie sich seine Entscheidung in der Sache Hucks v Cole aus dem Jahr19681940 mit der bisherigen Handhabung des Bolam-Tests verträgt. Denn mit der erst 1993 (im selben Jahr wie Bolitho) (print) veröffentlichten Entscheidung in der Sache Hucks v Cole war diese nicht offensichtlich vereinbar. In Hucks v Cole hatte der beklagte Arzt es versäumt, den Kläger mit Penizillin zu behandeln, was zu Gesundheitsschäden führte, als der Kläger eine Blutvergiftung erlitt. Die Nichtanwendung von Penizillin wurde laut Sachverständigengutachten medizinisch vertreten. Der Tatrichter hatte den Arzt dennoch zu Schadensersatz verurteilt und diese Entscheidung hielt der Court of Appeal mit folgender Begründung aufrecht: “When the evidence shows that a lacuna in professional practice exists by which risks of grave danger are knowingly taken, then, however small the risks, the Courts must anxiously examine that lacuna – particularly if the risks can be easily and inexpensively avoided. If the Court finds, on an analysis of the reasons given for not taking those precautions that, in the light of current professional knowledge, there is no proper basis for the lacuna, and that it is definitely not reasonable that those risks should have been taken, its function is to state that fact and where necessary to state that it constitutes negligence … On such occasions the fact that other practitioners would have done the same thing as the defendant practitioner is a very weighty matter to be put in the scales on his behalf; but it is 1939

Bolitho v City and Hackney Health Authority (1993) 13 BMLR 111 mit Besprechung durch Grubb, (1993) 1 Med L Rev 241 ff. 1940 Hucks v Cole (1968) [1993] 4 Med LR 393 (zit. nach Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 439 f.).

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283

not … conclusive. The Court must be vigilant to see wether the reasons given for putting a patient at risk are valid in the light of any well-known advance in medical knowledge.”1941 Sachs LJ stellte hier in der leading speech ausdrücklich klar, dass die Entscheidung über die Angemessenheit des ärztlichen Handelns bei den Gerichten liegt. Unangemessen ist ein Vorgehen dabei – ungeachtet seiner professionsinternen Verbreitetheit – insbesondere, wenn schwere Risiken eingegangen werden, die sich mit geringem Aufwand vermeiden lassen. Diesen Ansatz – dessen Nähe zu Edward Wong auf der Hand liegt – übernimmt die Mehrheit der Richter des Court of Appeal in Bolitho. Farquharson LJ stellt rundheraus fest, dass, „[t]here is, of course, no inconsistency between the decisions in Hucks v Cole and Maynard’s case. It is not enough for a defendant to call a number of doctors to say that what he had done or not done was in accord with accepted clinical practice. It is necessary for the judge to consider that evidence and decide whether that clinical practice puts the patient unnecessarily at risk“1942. Und im selben Sinn entscheidet Dillon LJ, der insoweit feststellt: “In my judgement, the court could only adopt the approach of Sachs LJ and reject medical opinion on the ground that the reasons of one group of doctors do not really stand up to analysis, if the court, fully conscious of its own lack of medical knowledge and clinical experience, was nonetheless clearly satisfied that the view of that group of doctors were Wednesbury unreasonable, ie views such as no reasonable body of doctors could have held”1943. Simon Brown LJ äußerte sich nicht zur Bedeutung von Bolam. Gleichwohl hatte der Court of Appeal erstmals (wieder) festgestellt, dass – zumindest im Prinzip – die Gerichte den als angemessen einzuhaltenden Sorgfaltsstandard bestimmen und nicht die Ärzteschaft. Darin liegt allerdings auch schon der gesamte durch den Court of Appeal erreichte Fortschritt. Denn die Anforderungen, die die Richter an den durch den Kläger zu führenden Beweis der unreasonableness einer ärztlichen Praxis stellen, sind tendenziell sehr hoch1944.

4.

Die Entscheidung des House of Lords in der Sache Bolitho

Mit der Entscheidung des Court of Appeal in Bolitho sowie der ihrem Ansatz vermehrt folgenden instanzgerichtlichen Rechtsprechung1945 war im Jahre 1997 der Boden für eine klarstellende Entscheidung des House of Lords bereitet. In der leading speech von 1941

Hucks v Cole (1968) [1993] 4 Med LR 393 (zit. nach Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 440). Bolitho v City and Hackney Health Authority (1993) 13 BMLR 111 (zit. nach Kennedy/ Grubb, Medical Law, S. 441). 1943 Bolitho v City and Hackney Health Authority (1993) 13 BMLR 111 (zit. nach Kennedy/ Grubb, Medical Law, S. 441). 1944 Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 441. 1945 S. auf S. 271. 1942

284

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Lord Browne-Wlkinson, der sich die übrigen Richter anschlossen, stellte das House of Lords dann ausdrücklich fest, dass die Entscheidung darüber, welcher Standard maßgeblich sei, beim Gericht liege und nicht bei der Ärzteschaft. Das House of Lords bestätigte die Neuinterpretation oder zumindest modifizierte Anwendung des BolamTests.

a)

Die Relevanz des Bolam-Tests

Zunächst stellten die Lordrichter fest, dass selbst dort, wo eine Pflichtverletzung bewiesen oder zugestanden sei, den Kläger immer noch die Beweislast dafür treffe, dass diese Pflichtverletzung die erlittene Verletzung auch verursacht habe1946. Bestehe die Pflichtverletzung aber, wie hier, in einem Unterlassen, sei die Untersuchung faktischer Zusammenhänge per definitionem allein auf hypothetischer Grundlage möglich. Daher stellten sich zwei Fragen: (1) Was wäre getan worden und (2) wäre dieses hypothetische Vorgehen fahrlässig? Für die erste Frage spielt der Bolam-Test offensichtlich keine Rolle1947. Für die zweite Frage ist er hingegen von entscheidender Bedeutung1948. Um erfolgreich zu sein, müsste die Klägerin nämlich beweisen, dass die kontinuierliche Ausübung angemessener Sorgfalt in einer Intubation gemündet hätte1949, die unstreitig die todesursächlichen Atembeschwerden verhindert hätte. Für das House of Lords stellte sich daher die Frage, ob die Beklagten die zum Tode führenden Beschwerden verursacht hatten. Die Beklagten gestanden zu, es sei fahrlässig, einen um Behandlung nachfragenden Patienten nicht einmal mit einem Arzt sprechen zu lassen. Gleichwohl argumentierten sie, selbst wenn ein Arzt das Kind aufgesucht hätte, würde er dennoch nicht intubiert haben, da dies wegen des jungen Alters des Patienten mit nicht zu unterschätzenden Gefahren verbunden gewesen wäre. Mit anderen Worten fehlte es nach dem Vortrag der Beklagten also an der haftungsbegründen Kausalität; der sog. „but for test“ sei – so die Beklagten – nicht erfüllt1950. 1946

Vgl. die Nachweise in Fn. 1950 f. Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 97. 1948 Dazu auch Grubb, (1998) 6 Med L Rev 380, 381; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 445; Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 97; de Cruz, Medical Law, S. 139. 1949 In der Frage der Beweislast bestätigte Lord Browne-Wilkinson die Festellungen von Hobhouse LJ in Joyce v Merton, Sutton and Wandsworth Health Authority [1996] 7 Med LR 1, 20: „In the Bolitho case the plaintiff had to prove that the continuing exercise of proper care would have resulted in his being intubated.“ Vgl. Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 240 (HL). 1950 Zu dem zur Beweisführung in tatsächlicher Hinsicht verwendeten „but for“-Test vgl. Jones/ Grubb, in: Grubb, Principles, § 7.05 ff.; Jones, Negligence, § 5–004 ff.; Winfield/Jolowicz, Tort, § 6.6 (S. 213 f.). Das Gericht fragt: „Would the claimant have suffered the injury but for the defendant’s negligence?“ Fällt die Antwort negativ aus, muss der Beklagte den Schaden verursacht haben, statt vieler de Cruz, Medical Law, S. 134. Der Test entspricht also der Frage nach der conditio sine qua non im deutschen Recht, dazu Larenz, Schuldrecht I, § 27 III a) (S. 433); Palandt /Grüneberg, BGB Vorb v § 249 Rn. 25; Röckrath, Kausalität, § 2 (S. 12 ff.). Die Möglichkeiten des mit dieser Fragestellung verbundenen Erkenntnisge1947

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285

Dieser Argumentation folgte das House of Lords nicht. Lord Browne-Wilkinson stellt insoweit zunächst klar, dass die Beklagte einer Haftung nicht dadurch entgehen könne, dass sie beweise, sie würde in keinem Fall gehandelt haben1951. Er akzeptierte zwar die instanzgerichtlichen Feststellungen dahin, dass die zuständige Ärztin Patrick so oder so nicht intubiert hätte, dass der „but for test“ also nicht erfüllt sei. Dies sei aber für sich genommen zur Haftungsentlastung nicht ausreichend. Vielmehr sei vorliegend entscheidend, ob das Unterlassen einer Intubation für sich genommen fahrlässig sei; hier wurde Bolam relevant.

b)

Das Erfordernis einer gegenüber dem Patienten verantwortlichen Vorgehensweise

Der Sachverständigenbeweis erbrachte diesbezüglich zwei unterschiedliche in der Medizin praktizierte Vorgehensweisen: Ein Teil der Ärzte hätte intubiert, der andere Teil nicht. Nach gängigem Verständnis von Bolam im Arzthaftungsrecht hätte dies für eine Klageabweisung ausgereicht. Das House of Lords entschied indes anders: Das Gericht habe darüber zu befinden, ob die vertretene medizinische Lehrmeinung „respectable“, „reasonable“ bzw. „responsible“ sei. Lord Browne-Wilkinson führte dazu unter Bezugnahme auf Edward Wong und Hucks v Cole aus: “These decisions demonstrate that in cases of diagnosis and treatment there are cases where, despite a body of professional opinion sanctioning the defendant’s conduct, the defendant can properly be held liable for negligence … In my judg-

1951

winns sind bekanntermaßen begrenzt, zumal es eigentlich um Wertungsfragen (Haftungsbegrenzung) geht. Das House of Lords entschied daher jüngst, es könne auch da gehaftet werden, wo der but-for-Test nicht erfüllt sei, Fairchild v Glenhaven Funeral Services Ltd [2003] 1 AC 32, 68 per Lord Bingham, S. 69 f. per Lord Nicholls; näher Grubb (2002) 10 Med L Rev 324 ff. m.w.N. Zu einer Diskussion von Alternativen zum „but for test“ s. T. Honoré, in: Owen, Foundations, S. 363 ff. Eine Begründung dafür bleibt Lord Browne-Wilkinson schuldig. Vgl. für mögliche Ansatzpunkte Grubb, (1998) 6 Med L Rev 380, 385 f., nach dessen Einschätzung sich Bolitho nicht auf Grundlage des sog. NESS-Tests (Nessesary Element of a Sufficient Set) begründen lässt (zum NESS-Test s. Röckrath, Kausalität, S. 20 f., 32 ff.). Grubb möchte sich daher eher auf eine Gefahrschaffung als Haftungsgrundlage stützen, wie dies einige Stimmen in der deliktsrechtlichen Literatur vorschlagen, vgl. J. Stapleton, (1988) 104 LQR 389, bzw. auf eine Risikorealisierung, vgl. Perry, in: Owen, Foundations, S. 321 ff. Die Gerichte haben derartige Theorien bisher allerdings nicht aufgegriffen, vgl. Grubb, (1998) 6 Med L Rev 380, 386 m.w.N. Zur Diskussion um die Risikobegründung und -erhöhung als haftungsbegründendes Kriterium im deutschen Deliktsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Idee einer „Berufshaftung“ vgl. von Bar, Verkehrspflichten, S. 233 ff.; Canaris, 2. FS Larenz, S. 83 f., Larenz/Canaris, Schuldrecht II/1, § 76 III 3 b) (S. 408 ff.). Auf der Grundlage der deutschen Dogmatik ließe sich die Zurechnung ohne weiteres aus der Adäquanztheorie bzw. aus der Lehre vom Schutzzweck der Norm erklären. Zu diesen Theorien Palandt /Grüneberg, BGB Vorb v § 249 Rn. 26 ff.

286

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

ment that is because, in some cases, it cannot be demonstrated to the judge’s satisfaction that the body of opinion relied upon is reasonable or responsible.”1952

c)

Kriterien zur Konkretisierung einer verantwortlichen Vorgehensweise

Im unmittelbaren Anschluss daran erklärt das Gericht, wann ein solcher Fall vorliege: “In the vast majority of cases the fact that distinguished experts in the field are of a particular opinion will demonstrate the reasonableness of that opinion. In particular, where there are questions of assessment of the relative risks and benefits of adopting a particular medical practice, a reasonable view necessarily presupposes that the relative risks and benefits have been weighed by the experts in forming their opinions. But if, in a rare case, it can be demonstrated that the professional opinion is not capable of withstanding logical analysis, the judge is entitled to hold that the body of opinion is not reasonable or responsible.”1953 Ein wenig überraschend ist zunächst, dass die Entscheidung der Frage, fahrlässig oder nicht, von einer „logischen“ Analyse abhängen soll. Daran ist sicher richtig, dass eine medizinische Lehrmeinung, die in sich widersprüchlich ist, rechtlichen (wie medizinischen) Ansprüchen nicht genügt. Bei ärztlichen Entscheidungen liegt der Schwerpunkt der Aufgabe und des Argumentationsaufwands aber nur in geringem Maße im Nachvollzug logisch-deduktiver Begründungszusammenhänge1954. Vielmehr geht es um die Bewältigung und Kommunikation einer wertenden Gesamtbetrachtung1955. Besprechungen von Bolitho vermuten, dass sich hinter dem Kürzel „logical analysis“ die folgenden Kriterien für die Bewertung von Sachverständigengutachten verbergen1956: (1) Haben die Sachverständigen alle relevanten Fakten und Gesichtspunkte in Betracht gezogen? (2) Haben sie dieses Material in einem aufmerksamen, kohärenten und folgerichtigen Entscheidungsfindungsprozess erwogen? (3) War ihre daraufhin getroffene Entscheidung rational und angemessen?1957 Während sich die ersten beiden Kriterien eher mit den Prozess der Entscheidungsfindung beschäftigen, betrifft das dritte Kriterium den Inhalt der Entscheidung über die Angemessenheit des Vorgehens selbst1958. Gefordert wird damit letztlich, dass „courts, taking full 1952

Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 243 (HL). Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 243 (HL). 1954 Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481. 1955 Grubb, (1998) 6 Med L Rev 380, 381; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 445; Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481. 1956 Auch Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481 geht davon aus, dass „there is reason to think that Lord Browne-Wilkinson’s reference to logic was not intended to preclude substantive evaluation of medical testimony“. 1957 Grubb, (1998) 6 Med L Rev 380, 381; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 445. 1958 Diese Differenzierung ist dem deutschen Juristen aus dem Verwaltungsrecht bekannt, vgl. §§ 40 VwVfG, 114 VwGO. 1953

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287

cognisance of relevant medical data, should deploy their own sense of reasonableness as the operative criterion“1959. In Bolitho war die Entscheidung gegen die Intubation nach Auffassung des House of Lords nicht „unlogisch“ im vorgenannten Sinne. Lord Browne-Wilkinson hebt ausdrücklich hervor, dass dies ohnehin nur sehr selten der Fall sein werde: “I emphasise that in my view it will very seldom be right for a judge to reach the conclusion that views genuinely held by a competent medical expert are unreasonable. The assessment of medical risks and benefits is a matter of clinical judgment which a judge would not normally be able to make without expert evidence. As the quotation from Lord Scarman1960 makes clear, it would be wrong to allow such assessment to deteriorate into seeking to persuade the judge to prefer one of two views both of which are capable of being logically supported. It is only where a judge can be satisfied that the body of expert opinion cannot be logically supported at all that such opinion will not provide the bench mark by reference to which the defendant’s conduct falls to be assessed.”1961

5.

Die jüngere Entwicklung nach Bolitho

a)

Bewertung in der Literatur

Wie sich diese Rechtsprechung entwickeln wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit bis in Einzelheiten absehbar1962. Die zu der Frage nach der Wirkung von Bolitho in der Literatur vertretenen Auffassungen gehen auseinander1963. Während manche meinen, dass die Gerichte immer noch sehr zögerlich sein werden, „to be seen to censure the expert medical opinion“1964, gehen andere vorsichtig davon aus, dass mit Bolitho endlich die akademisch schon lang erhoffte Wende eingeläutet worden ist1965. Jedenfalls besinnt sich, wie gleich zu zeigen sein wird, die Rechtsprechung seit Bolitho immerhin (wieder) stärker darauf, dass sie selbst die Angemessenheit der eingeschlagenen Vorgehensweise bewerten muss1966. Es besteht 1959

Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481. Lord Browne-Wilkinson bezieht sich hier auf die Ausführungen von Lord Scarmann in Maynard v West Midlands Regional Health Authority [1984] 1 WLR 634, 639 (HL). 1961 Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 243 (HL). 1962 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 210 f. m.w.N.; vgl. auch de Cruz, Medical Law, S. 141. 1963 Zum Meinungsstand vor allem MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 209 ff. 1964 Healy, Negligence, S. 66. 1965 Vgl. etwa Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 137; Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 98 f., 103, die sich von der Fahrlässigkeit (in einem Extremfall) bejahenden und durch Bolitho möglich gemachten Entscheidung Marriott v West Midlands Health Authority [1999] Lloyd’s Med Rep 23 den Beginn einer „revolution in judicial attitudes to Negligence claims“ erhoffen. Vorsichtig optimistisch auch Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481. 1966 Vgl. Wisniewski (A Minor) v Central Manchester Health Authority [1998] Lloyd’s Rep Med 223 per Brooke LJ (CA, lexis); Jones v South Tyneside Health Authority [2001] EWCA Civ 1960

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

dadurch weniger Anlass zu der Befürchtung, dass Ärzte – im Gegensatz zu anderen Professionen – zum „Richter in eigener Sache“ werden1967. Die Feststellungen von Lord Browne-Wilkinson sind, wie MacLean unterstrichen hat, allerdings nicht zweifelsfrei in diese Richtung zu deuten1968: Zunächst weist MacLean auf die „Spitzfindigkeit“ hin, mit der Lord Browne-Wilkinson sich bemüht zu erklären, warum das erstinstanzliche Gericht richtig daran getan habe, die eigenen Bedenken fortzuwischen und die Ansicht des Sachverständigen der Beklagten zu akzeptieren1969. Darüber hinaus habe Lord Browne-Wilkinson Überlegungen zu der Frage vermissen lassen, warum das der Verteidigung implizit zu entnehmende Argument „logisch“ gewesen sein soll, dass das Aufsuchen von Patrick während seines kritischen Zustandes das Urteil eines vernünftigen Arztes darüber, welches Risiko eher einzugehen sei – Erstickungstod oder Verletzung durch Intubation –, nicht beeinflusst hätte. Eine Risikoanalyse, wie sie Lord Browne-Wilkinson hinsichtlich einer Intubierung von Patrick einfordere, finde in dem Urteil zudem gar nicht statt. Schließlich deute der ausdrücklich betonte Hinweis darauf, dass „it will very seldom be right for a judge to reach the conclusion that the views genuinely held by a competent medical expert are unreasonable“ auf das Fortbestehen der einzigartigen und ungewöhnlichen Ehrerbietung der Gerichte an die Ärzteschaft hin1970, die – sollte sie fortbestehen – weiterhin dazu führen werde, dass nicht die Inhalte medizinischer Gutachten überprüft würden, sondern lediglich die Glaubwürdigkeit der Gutachter1971. „Hoffnung“ hat die Entscheidung in der Sache Bolitho gleichwohl aufkeimen lassen und dies an prominenter Stelle. Lord Woolf MR hat – als Wissenschaftler – den (soweit ersichtlich am weitest gehenden) Folgerungen von Brazier/Miola zugestimmt, die seiner Überzeugung entsprächen, „that the courts are going to take Lord Browne-Wilkinson’s injunction to review the logical basis of the expert medical testimony seriously“1972.

b)

Die Entwicklung der Rechtsprechung

aa) Entscheidungsstatistik Eine statistische Untersuchung der Rechtsprechung nach Bolitho hat im Jahr 2002 MacLean vorgelegt1973. Ausgewertet wurden 64 Arzthaftungsfälle, in denen zumindest 1701, Tz. 23 ff. per Walker LJ (CA, unreported, lexis); Atwood v The Health Service Commissioner [2009] 1 All ER 415, Tz. 21 per HJ Burnett (Admin). 1967 Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 98. 1968 Wegen ihnen hält Teff ((1998) 18 OJLS 473, 481) es für möglich, dass die Verwendung des Begriffs „logisch“ „may be seen as a residue of deference“, welcher freilich in künftigen Fällen nicht in „any unduly constraining sense“ betrachtet werden dürfe. 1969 Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 243 f. (HL). 1970 Vgl. dazu auch ab S. 278. 1971 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 210; die letzte Befürchtung teilt Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481. Vgl. dazu auch auf S. 277. 1972 Lord Woolf, (2001) 9 Med L Rev 1, 10. 1973 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 211 f.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

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einen Streitpunkt der einschlägige Sorgfaltsstandard bildete: 18 Fälle wurden durch den Court of Appeal entschieden, während es sich im Übrigen um Entscheidungen des High Court oder des County Court handelt. In den Entscheidungen des Court of Appeal wurde der Sorgfaltsstandard achtmal unter expliziter Bezugnahme auf Bolam festgelegt, während lediglich in vier Fällen auf Bolitho Bezug genommen wurde. In den übrigen sechs Fällen wurde weder die eine noch die andere Entscheidung ausdrücklich erwähnt. In immerhin neun Fällen wurde der Beklagte verurteilt, wobei drei Entscheidungen auf der Grundlage des in Bolam formulierten Tests getroffen wurden und drei weitere Entscheidungen die in Bolitho formulierten Kriterien als erfüllt ansahen. In den Entscheidungen der Untergerichte ist die Verurteilungsrate indessen nicht derart hoch. Lediglich in 16 Fällen wurde der Beklagte verurteilt. In zehn Fällen wurde ausdrücklich der Bolam-Test zur Sorgfaltsbestimmung herangezogen, in acht von ihnen wurde die Klage abgewiesen. Auf Bolitho wurde dagegen in 25 Fällen für die Sorgfaltsbestimmung Bezug genommen, von denen neun mit einer Verurteilung des Beklagten endeten. Zehn Entscheidungen, von denen vier zur Verurteilung führten, erwähnen weder die eine noch die andere Entscheidung ausdrücklich. Es fällt jedoch insgesamt auf, dass die Verurteilungsrate wesentlich höher ist als bisher angenommen wurde. Denn in 50% der Entscheidungen des Court of Appeal wird der Beklagte haftbar gemacht und dasselbe gilt für immerhin 36% der instanzgerichtlichen Entscheidungen1974. Lord Woolf MR war kurz zuvor noch – mutmaßlich auf der Grundlage eines parlamentarischen Berichts des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 19981975 – davon ausgegangen, dass es lediglich in 17% aller Fälle zu einer Verurteilung des beklagten Arztes komme1976. Wichtig ist losgelöst davon vor allem, dass die Verurteilungsrate scheinbar mit der Anwendung von Bolitho steigt1977: 75% der Bolitho-Entscheidungen des Court of Appeal führten zur Verurteilung des Beklagten, während es nur in 38% der an Bolam orientierten Entscheidungen und 50% der Fälle ohne ausdrückliche Bezugnahme zur Verurteilung kam. Bezogen auf die Untergerichte stellt sich das Verhältnis anders dar: (1) Bolitho: 36%, (2) Bolam: 20% und (3) weder-noch: 45%.

bb) Entscheidungsanalyse Derartige zahlenmäßige Untersuchungen sind indessen ohne eine Entscheidungsanalyse von begrenztem Wert, sodass hier auch auf die Entscheidungsinhalte hingewiesen werden soll. Dabei offenbart sich sowohl für die Entscheidungen des Court of Appeal als auch für die Entscheidungen der Instanzgerichte, dass die Tendenz, auf die eine zahlenmäßige Untersuchung hindeutet, sich in den Entscheidungsbegründungen nicht mit derselben Klarheit wieder findet:

1974

MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 212. Vgl. MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 212, 227 m. Fn. 60. 1976 Lord Woolf, (2001) 9 Med L Rev 1, 2. 1977 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 212. 1975

290

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Die Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Marriott v West Midlands Health Authority gilt den Propheten eines Rechtsprechungswandels als besonders klarer Hinweis auf einen solchen1978. In dieser Entscheidung haftete die Beklagte, weil sie einen Patienten trotz des Risikos eines intrakraniellen Hämatoms nicht zurück ins Krankenhaus beordert hatte, wobei die Richter ausdrücklich – unter Bezugnahme auf Bolitho – erklärten, das Gericht sei berechtigt eine medizinische Lehrmeinung darauf hin zu analysieren, „to see whether it can properly be regarded as reasonable“1979. Die in dieser Entscheidung vorgetragen Sachverständigengutachten stellten allerdings nicht viel mehr dar als eine bloße Schilderung der eigenen Praxis der Sachverständigen, sodass sie bereits für die Erfüllung der Bolam-Kriterien untauglich waren, weil sie keine respektable medizinische Lehrmeinung wiedergaben1980. Die Richter mussten demnach – losgelöst von den in Bolam und Bolitho formulierten Anforderungen – eine eigenständige Risikobewertung vornehmen. Darüber hinaus war es nach der Ansicht von Pill LJ überhaupt nicht erforderlich, die Expertengutachten einer „logischen“ Überprüfung zu unterziehen, weil das Gutachten der Verteidigung von der durch die Beklagte vorgenommenen Einschätzung der Ernstheit des Patientenzustands ausgegangen sei und sich diese Einschätzung tatsächlich als falsch herausgestellt habe. Da die Fakten des Falles also anders lagen als die, von denen der Sachverständige ausgegangen war, wurde sein Gutachten weithin wertlos. Ähnlich liegen die Dinge, wie MacLean nachgewiesen hat1981, in anderen Entscheidungen des Court of Appeal; die meisten Verurteilungen erfolgen aus tatsächlichen Gründen1982. Auch kommt es vor1983, dass der Court of Appeal mehr oder weniger unterstellt, dass die Ansichten eines „eminent consultant and [an] impressive witness“ „logisch“ haltbar sind, bzw. die ehrliche Auffassung eines derartigen Sachverständigen mit einer Auffassung gleichsetzt, die auf einer „logischen“ Grundlage beruht1984. Ebenso scheinen die Instanzgerichte (immer noch) häufig nach der Glaubwürdigkeit des Sachverständigen1985 und nicht anhand einer inhaltlichen Bewertung seines Gutachtens zu entscheiden. Genau dies bildet den Hintergrund für 1978

Vgl. Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 102 f. Marriott v West Midlands Health Authority [1999] Lloyd’s Rep Med 23 (Westlaw-Summary, im Text zit. nach MacLean, a.a.O., 212 ff.). 1980 Vgl. zur parallelen Sichtweise im Rahmen von Architektenhaftungsprozessen oben auf S. 270 und zum Anwaltshaftungsprozess bereits Midland Bank Trust Co Ltd v Hett Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 per Oliver J. 1981 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 213 ff. 1982 So in Penney, Palmer and Cannon v E Kent Health Authority [2000] Lloyd’s Rep Med 41 per Lord Woolf MR (CA, lexis); Briody v St Helen’s and Knowsley Area Health Authority [1999] Lloyd’s Rep Med 185 per Ward LJ (CA, lexis) und auch in O’Keefe v Harvey-Kemble (1999) 47 BMLR 138 per Thomas, Potter LJJ (CA, lexis). 1983 Wisniewski v Central Manchester Health Authority [1998] Lloyd’s Rep Med 223 per Brooke LJ (CA, lexis). 1984 Vgl. MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 215 f.; für ein Gegenbeispiel aus jüngerer Zeit s. aber Smith v Southampton University Hospital NHS Trust [2007] EWCA Civ 387, Tz. 44 per Wall LJ (CA, unreported). 1979

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Teffs Kritik an der von Lord Browne-Wilkinson gewählten Bezeichnung der Aufgabe der Gerichte als „logische Analyse“. Denn „[t]o speak of logic in this context suggests an appeal to the internal consistency of the expert’s testimony, rather than a more extensive, pragmatic assessment of what the court deems reasonable. If so, we are still very much in the domain of credibility“1986. Eine Tendenz, die Glaubwürdigkeit der Expertengutachten kritischer zu hinterfragen, lässt sich immerhin feststellen1987, was angesichts der bisherigen gerichtlichen Praxis bereits durchaus als Fortschritt gewertet werden darf 1988. Dies richtet sich keineswegs gegen die Sachverständigen selbst, vielmehr werden diese erwiesenermaßen häufig durch die jeweiligen Prozessvertreter gedrängt, in ihrem Gutachten zu einem bestimmten Ergebnis zu gelangen1989.

c)

Schlussfolgerungen

Wenngleich das House of Lords in Bolitho also ausdrücklich klargestellt hat, dass die Letztentscheidung über die Angemessenheit und d.h. auch: Vertragsgemäßheit der ärztlichen Leistung bei den Gerichten liegt, besitzt die Einschränkung, dass es nur in sehr seltenen Fällen zulässig sein werde, ein in Übereinstimmung mit einer verbreiteten medizinischen Praxis befindliches Vorgehen als unangemessen zu (dis)qualifizieren, einiges Gewicht. In manchen Fällen ist sie allerdings von vorneherein ohne Belang. Insoweit lassen sich die Arzthaftungsfälle, die sich mit dem Standard des ärztlichen Vorgehens beschäftigen, in drei grobe Kategorien einordenen1990: (1) Fälle, in denen sich die Sachverständigen beider Seiten über den Sorgfaltsstandard einig sind, in denen also lediglich um die Auslegung der Fakten gestritten wird. In diesen Fällen, spielen der Bolam-Test und seine Interpretation durch Bolitho keine Rolle. Es muss – entsprechend dem „gewöhnlichen“ Fahrlässigkeitsbeweis1991 – auf der Grundlage einer Abwägung von Wahrscheinlichkeiten entschieden werden. Insoweit darf das Gericht der Auslegung des Faktenmaterials durch den einen Sachverständigen mehr Glauben schenken als der Auslegung des anderen. Hier wird es – wie in anderen Prozessen auch – regelmäßig auf die Glaubwürdigkeit des Sachverständigen ankommen. (2) Denkbar sind darüber hinaus Fälle, in denen sich die Sachverständigen über den Sorgfaltsstandard und auch über die Auslegung des Faktenmaterials einig sind. 1985

Vgl. dazu die Analyse der (mir teilweise nicht zugänglichen) Entscheidungen Swift v South Manchester Health Authority (2000); Zinzuwadia v The Home Office (2000); Drake v Pontefract Health Authority [1998] Lloyd’s Rep Med 425; Brogan v Central Manchester Healthcare NHS Trust (2001), bei MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 218 f.; Hutchinson v Leeds Health Authority (2000), Tz. 53 ff. per Bennett J (HC, lexis). 1986 Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481. 1987 Vgl. etwa Lowe v Havering Hospital NHS Trust (2001) 62 BMLR 69 per Crawford J (HC, lexis). 1988 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 224; ähnlich Newdick, Treat, S. 144. 1989 Teff, (1998) 18 OJLS 473, 481. 1990 MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 221. 1991 Vgl. ab S. 217.

292

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Zu einer derartigen Konstellation kann es vor allem dort kommen, wo die Sachverständigen beider Seiten das Vorgehen des Beklagten zwar für angemessen halten, keiner von beiden aber persönlich ebenso vorgegangen wäre. Diese Situation ist der in Hucks v Cole entschiedenen ähnlich und hier müssen die Gerichte am deutlichsten selbständig werten, wenn sie eine einheitlich als angemessen befürwortete Praxis ungeachtet dessen als unangemessen (dis)qualifizieren. (3) Schließlich kommen Fälle in Betracht, in denen die Sachverständigenansichten darüber divergieren, ob ein bestimmtes Vorgehen verbreitet als angemessen praktiziert wird. Insoweit bieten sich für das Gericht drei Möglichkeiten: (a) Der Richter befindet einen der Sachverständigen für unglaubwürdig und weist dessen Gutachten zurück. Der Nachweis einer verbreiteten und als angemessen akzeptierten Praxis scheitert. (b) Zwar hält das Gericht beide Sachverständigen für glaubwürdig, weist jedoch eine verbreitete Praxis als „unlogisch“, d.h. als unangemessen zurück1992. (c) Das Gericht akzeptiert den Nachweis einer verbreiteten Praxis und bestätigt diese als angemessen.

IV. Grenzen der Haftungsentlastung durch eine verbreitete Praxis Nach alledem lassen sich die Grenzen der haftungsentlastenden Wirkung einer mit einer verbreiteten Praxis übereinstimmenden Vorgehenweise wie folgt zusammenfassen: Soweit die übernommene Aufgabe besondere Sachkunde erfordert, wird das Gericht sich bei der Determinierung des ihr angemessenen Sorgfaltsstandards durch Sachverständigengutachten unterstützen lassen1993, soweit es nicht selbst sachkundig ist. In diesem Rahmen wird es insbesondere berücksichtigen, dass das Vorgehen des Beklagten in der konkreten Situation dem Vorgehen eines Teils seiner Berufsgenossen in vergleichbaren Situationen entsprochen hat. Denn wenn ein solches Vorgehen für diesen Aufgabentypus von einer Vielzahl der Berufsgenossen befürwortet wird, ist zunächst zu vermuten, dass es der Aufgabe angemessen sorgfältig war1994. Diese Vermutung kann jedoch dadurch widerlegt werden, dass die in Rede stehende Praxis – verbreitet oder nicht – bei objektiver Beurteilung unangemessen ist. Die Letztentscheidung liegt stets bei dem mit der Sache befassten Gericht, das insoweit eine eigene wertende Entscheidung treffen muss und nicht an die Bewertung der Sachverständigen gebunden ist. In der (jüngeren) Rechtsprechung sind – wie der Ward LJ in der Entscheidung Michael Hyde & Associates Ltd v J D Williams & Co Ltd bestätigt hat1995 – drei Fallkategorien anerkannt, in denen die Ansichten sachverständiger Gutachter durch das Gericht vernachlässigt werden dürfen: 1992

Newdick, Treat, S. 143 fordert, dass die Gerichte in dieser Situation besonders genau und kritisch vorgehen sollten. 1993 Jackson/Powell, Negligence, §§ 8–143 f., 8–149. 1994 Vgl. oben ab S. 249. Im Hintergrund steht dabei auch die wichtige Feststellung, dass „you ought to know what is before you say what ought to be“, MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 12.

§ 9 Grundlagen und Grenzen der Pflichterfüllung durch das Erreichen verbreiteter Standards

293

(1) Fälle, in denen das Gericht annimmt, es fehle der in Rede stehenden Vorgehensweise an einer logischen Grundlage i.S.d. Bolitho-Rechtsprechung1996. (2) Fälle, in denen das beigebrachte Sachverständigengutachten substantiell nicht mehr darstellt als die Schilderung des hypothetischen eigenen Vorgehens des Gutachters in der konkreten Situation. Derartige Gutachten taugen von vorneherein nicht dazu, den Standard zu beeinflussen, da sie nicht repräsentativ sind1997 und also nicht zum Nachweis einer verbreiteten Praxis beitragen. Sie stellen nicht viel mehr dar als eine bloße Meinungsäußerung und eine solche ist – losgelöst vom Ruf des sie Äußernden – rechtlich irrelevant1998. (3) Fälle, in denen die Aufgabe bzw. genauer: die Vermeidung des in Rede stehenden Fehlers bei ihrer Durchführung keinen besonderen Sachverstand erfordert, in denen das Vorgehen des Dienstleisters also nach allgemeingültigen Maßstäben (common sense) beurteilt werden kann1999 und dort – gemessen an diesen Maßstäben – insbesondere, wenn es offensichtlich, d.h. evident eindeutig unangemessen war2000. Problematisch dürfte vor allem die Konkretisierung eines Ausschlusses der „logischen“ Haltbarkeit eines verbreiteten Vorgehens sein. Tendenziell lässt sich dem 1995

J D Williams & Co Ltd v Michael Hyde & Associates Ltd [2000] Lloyd’s Rep PN 823 (CA, lexis). 1996 Vgl. zu den Anforderungen einer Ablehnung als „unlogisch“ Eckersley v Binnie [1955–95] PNLR 348, 380 per Bingham LJ: „In resolving conflicts of expert evidence, the judge remains the judge; he is not obliged to accept evidence simply because it comes from an illustrious source; he can take account of demonstrated partisanship and lack of objectivity. But, save where an expert is guilty of a deliberate attempt to mislead (as happens only very rarely), a coherent reasoned opinion expressed by a suitably qualified expert should be the subject of a coherent reasoned rebuttal, unless it can be discounted for other good reason.“ Dem zustimmend Knight v West Kent Health Authority (1998) 40 BMLR 61 per Kennedy LJ (CA, lexis). 1997 Immer wieder herangezogen werden für diese Fallgruppe die Feststellungen von Oliver J in Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 402 (HC); ganz ähnlich Nye Saunders & Partners (a firm) v Alan E Bristow (1987) 37 BLR 97 per Stephen Brown LJ (CA, lexis). 1998 Sehr klar A County Council v A Mother [2005] 2 FLR 129, Tz. 46 per Ryder J (HC, lexis), Loveday v Renton [1990] Med LR 117, 125 per Stuart-Smith LJ (CA) zitierend; vgl. auch Midland Bank Trust Co Ltd v Hett Stubbs & Kemp [1979] Ch 389, 402 per Oliver J; Jones, Negligence, § 3–009; Jackson/Powell, Negligence, §§ 2–117, 8–149; Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.20. 1999 Vgl. dazu bspw. Prendergast v Sam & Dee Ltd, The Times 14 March 1989, per Dillon LJ (CA, lexis); Chin Keow v Government of Malaysia [1967]1 WLR 813, 816 f. per Sir Wooding (PC); Landau v Werner (1961) 105 SJ 1008 (zit. nach Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 254); aus jüngster Zeit AB v Leeds Teaching Hospital NHS Trust [2004] 2 FLR 365, Tz. 230 per Gage J (HC, lexis). 2000 Grundlegend Sachs LJ in Worboys v Acme Investments Ltd (1969) 4 BLR 133 (CA, lexis); ebenso Lloyd LJ in Gold v Haringey Health Authority [1988] 1 Q.B. 481, 490 (CA).

294

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

untersuchten Entscheidungsmaterial insoweit entnehmen, dass eine verbreitete Praxis umso eher als „unlogisch“ verworfen werden kann, desto größer und offensichtlicher ein ihr immanentes Risiko ist und je einfacher und auch billiger Maßnahmen der Risikominimierung bzw. -eliminierung hätten getroffen werden können. Dabei dürfte es umso eher zur Verurteilung kommen, je mehr der vorgenannten Faktoren zusammenwirken. Im Gegensatz zu der Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Simmons v Pennington kommt es nach den Entscheidungen des Privy Council, des House of Lords und des irischen Supreme Court in den Sachen Edward Wong, Lloyds Bank und auch Roche v Peilow richtigerweise nicht darauf an, ob das erkennbare Risiko sich bis zum konkreten Fall noch niemals realisiert hat. Denn an der Erkennbarkeit des Risikos für den Dienstleister ändert die bisherige Nichtrealisierung nichts. Diese Lösung überzeugt zudem auch wirtschaftlich, da es eher dem Dienstleister zuzumuten ist, sich gegen die Risikorealisierung zu versichern, als dem Gläubiger, der dieses Risiko – mangels Sachkunde – u.U. nicht einmal erkennen kann.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung Nachdem zu Beginn dieses Grundlagenkapitels der vertraglich geschuldete Regelstandard identifiziert wurde (§§ 7 f.), hatten wir uns der Frage zugewandt, inwieweit der Schuldner sich bei seiner Leistung an der professionsintern verbreiteten Praxis orientieren kann (§ 9). Dabei haben wir zunächst bewusst unberücksichtigt gelassen, dass es häufig nicht nur eine, sondern mehrere potentielle Lösungen für eine bestimmte Aufgabenstellung gibt. In dieser Situation stellt sich nämlich die Frage, wie bestimmt wird, welche der zur Verfügung stehenden Lösungsmöglichkeiten vertraglich geschuldet ist. Dem ist nunmehr nachzugehen. Unberücksichtigt bleiben dürfen dabei nur die Lösungsmöglichkeiten, die in den vorstehend entwickelten Grundsätzen (§ 9) entsprechend als „unangemessen“ zu qualifizieren sind. Denn diese sind, sofern sie nicht eindeutig von den Parteien gewollt sind, – weil sie objektiv „unangemessen“ sind – nicht einmal als potentiell vertragsgemäß zu qualifizieren. Aktuell wird die Frage also nur, wenn mehrere nicht „unangemessene“ Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

A.

Die Position der PELSC und des DCFR

In Verträgen über die hier untersuchten Dienstleistungen wird eine strenge Fixierung des Leistungsprogramms nur selten vorkommen2001. Dies resultiert zum einen aus der typischerweise vorhandenen Informationsasymmetrie und zum anderen aus dem Umstand, dass die hier untersuchten Dienstleistungen sich nicht selten unter im Vorhinein nur begrenzt absehbaren Bedingungen entwickeln2002, sodass ein entsprechen2001

Vgl. zu diesem Problemkomplex auch die Überlegungen von Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 228 f.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

295

der Raum für flexible Entscheidungen von beiden Vertragsparteien in der Regel gewünscht ist. Die Frage ist lediglich, wer diesen Raum im Einzelfall ausfüllen soll2003.

I.

Primäre Entscheidung durch den Gläubiger

Ein erster Hinweis auf den von den PELSC und dem DCFR intendierten Mechanismus ergibt sich aus Art. 1:109(1)(c) PELSC, Art. IV.C. – 2:107 DCFR, nach dem der Dienstleister allen rechtzeitigen und vernünftigen2004 Weisungen des Klienten hinsichtlich der Vertragsdurchführung unter der Bedingung Folge leisten muss, dass diese sich aus der Durchführung ursprünglich offen gelassener Auswahlentscheidungen ergeben. Mit dieser Regel wird die Entscheidung über Fragen, die nicht ausdrücklich dem Schuldner zugewiesen sind, zunächst dem Gläubiger überlassen. Die PELSC weichen damit insofern von den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung nach Art. 5:101 ff. PECL, II. – 8: 101 ff. DCFR ab, als sie besonderes Gewicht auf die Vorstellung des Klienten legen2005. Nicht präjudiziert ist damit nur die Frage, was geschehen soll, wenn der Gläubiger eine Entscheidungsmöglichkeit nicht initiativ wahrnimmt oder wahrnehmen kann.

II.

Sekundäre Entscheidung durch den Schuldner mit Revisionsmöglichkeit des Gläubigers

Einen Hinweis darauf, wie in dieser Frage zu verfahren ist, bietet zunächst Art. 1:104 (1)(d) PELSC bzw. Art. IV.C. – 2:103(1)(d) DCFR. Danach ist der Schuldner verpflichtet, den Gläubiger vernünftigerweise dazu in die Lage zu versetzen, festzulegen, ob der Schuldner seinen vertraglichen Pflichten nachkommt. Auf diesem Wege soll dem Schuldner nicht nur die Nachvollziehung und Prüfung der Leistung im Rahmen der Vertragsdurchführung, sondern auch eine frühzeitige Einflussnahme auf die Leistungsentwicklung, insbesondere auf Fehlentwicklungen ermöglicht werden2006. Denn durch die Möglichkeit angemessener Überprüfung erhält der Gläubiger zum einen Gelegenheit, dem Schuldner Fehlentwicklungen aufzuzeigen, die den u.U. geschuldeten Erfolg zu beeinträchtigen geeignet sind (Art. 1:113(1) PELSC, IV.C. 2.110(1) 2002

Den prozesshaften und entwicklungsfähigen Charakter der Leistung von Diensten legen auch die Verfasser der PELSC ihrer Konzeption zu Recht zugrunde, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, General Comment A. zu Chapter 1; Comment B. zu Art. 1:109. 2003 Diese Frage stellt sich entgegen Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 245 durchaus. Denn entgegen Wendehorst kann z.B. der Patient seinem Arzt in Grenzen durchaus vorschreiben, wie dieser ihn zu behandeln hat. Etwas anderes gilt u.U. bei völlig unvertretbaren, eine Lebensgefahr begründenden Entscheidungen des Patienten. 2004 Die letztgenannte Einschränkung ergibt sich ausdrücklich leider erst aus der Kommentierung zu Art. 1:109 PELSC, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:109. 2005 Zum Hintergrund Barendrecht u.a. PELSC, Comment D. zu Art. 1:109. 2006 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:104.

296

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

DCFR). Zum anderen kann er im Rahmen seines Direktionsrechts nach Art. 1:109 (1) PELSC, IV.C. – 2:107 DCFR die künftige Leistungsentwicklung durch Weisung im eigenen Sinne beeinflussen. Die Rolle des Gläubigers wird durch Art. 1:104(1)(d) PELSC, IV.C. – 2:103(1)(d) DCFR also zunächst auf den Nachvollzug der Entscheidungen des Schuldners festgelegt. Ermöglicht werden soll ihm ferner, die Entscheidung des Schuldners – soweit angemessen: vor deren Umsetzung2007 – zu korrigieren (Art. 1:109, 1:111 PELSC, IV.C. – 2:107, 2:109 DCFR) oder vom Vertrag Abstand zu nehmen (Art. 1:115 PELSC, IV.C. – 2:111 DCFR)2008. Im Umkehrschluss könnte man daraus folgern, dass die Entscheidung darüber, auf welchem konkreten Weg das vertraglich avisierte Ziel erreicht werden soll, zunächst beim Schuldner liegt, der seine Entscheidung – soweit dies vernünftigerweise angezeigt ist – vor ihrer Umsetzung dem Gläubiger mitzuteilen und diesem so Gelegenheit zur Reaktion zu geben hat. Dieser Mechanismus macht zunächst insofern Sinn, als der Gläubiger die Auswahl der konkreten Vorgehensweise im Zweifel dem von ihm ausgewählten sachkundigen Dienstleister überlassen wollen wird. Denn die sachkundige Auswahl des Weges zur Zielerreichung wird insoweit gerade ein Teil der Dienstleistung sein, die der Gläubiger erwerben wollte. Selbst wenn der Gläubiger ausnahmsweise selbst sachkundig ist, wird er dem Dienstleister vor diesem Hintergrund die Entscheidung überlassen, soweit er in dessen Auswahl vertraut, während er ansonsten durch nichts daran gehindert ist, die Wahlmöglichkeiten durch ausdrückliche Vereinbarung oder Weisung (Art. 1:109, 1:111 PELSC, IV.C. – 2:107, 2:109 DCFR) zu begrenzen. Denn seine eigene Sachkunde ermöglicht es ihm, eine entsprechende Auswahl zu treffen und seine Wünsche unmissverständlich zu kommunizieren. Gerade damit er eigene Ressourcen – wenigstens außerhalb seiner Pflichten nach Art. 1:104 PELSC – nicht nutzen muss, kann er sich allerdings für die vertragliche Verpflichtung des Schuldners entschieden haben, wie die Verfasser der PELSC in anderem Zusammenhang ausdrücklich anerkennen2009. Vor diesem Hintergrund würde der aufgezeigte Mechanismus auch Sinn machen, wenn der Gläubiger über eigene oder ihm zuzurechnende Sachkunde verfügt. Losgelöst davon wird die Wahrung der Gläubigerinteressen – lässt man die bestehenden Aufklärungspflichten des Schuldners2010 einmal unberücksichtigt – auch im Fall einer initiativen Entscheidung durch den Schuldner zunächst dadurch abgesichert, dass dieser die Gläubigerinteressen vor seiner Entscheidung nach Art. 1:105 PELSC zu erforschen hat und ferner sicherstellen muss, dass sie bei der Vertragsdurchführung berücksichtigt werden. (Eine Verpflichtung, die der DCFR, weil sie wohl für selbstverständlich gehalten wird, im „Allgemeinen Teil“ nicht mehr explizit normiert.) Die Erforschungs- und Berücksichtigungspflicht bezieht sich dabei auch und gerade auf die Präferenzen und Prioritäten des Gläubigers, wie für Informationsund Behandlungsverträge in Art. 6:102(1), 7:102(a) PELSC ausdrücklich klargestellt 2007

Vgl. das Beispiel zur Funktionsweise des Art. 1:104(1)(d) PELSC bei Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:104. 2008 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. und D. zu Art. 1:104. 2009 Vgl. auf S. 366. 2010 Vgl. ab S. 350.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

297

wird und für Designverträge mittelbar aus Art. 1:108, 5:105 PELSC folgt. Hinzu kommt dann in zweiter Linie die Verpflichtung, dem Gläubiger im Rahmen des Art. 1:104(1)(d) PELSC eine angemessene Kontrolle und Einflussnahmemöglichkeit zu gewähren. In diesem Zusammenhang spielen, wie noch zu zeigen sein wird2011, auch die bestehenden Aufklärungspflichten eine bedeutende Rolle. Durch all diese Maßnahmen wird dem von den Verfassern der PELSC als „essential to many service contracts“2012 qualifizierten Umstand Rechnung getragen, dass „the service is performed on the basis of the client’s specific needs and wishes and that the client has an interest in determining whether his particular wishes are being fulfilled“2013.

III. Fazit Die Leistungskonkretisierung erfolgt nach alledem – lässt man bestehende Aufklärungspflichten noch einmal unberücksichtigt – auf folgenden Wegen: Den Rahmen für etwaige Auswahlentscheidungen gibt der Vertrag vor. Innerhalb dieses Rahmens gewährt Art. 1:109 PELSC, außerhalb Art. 1:111 PELSC dem Gläubiger die Möglichkeit, auf die konkretisierende Ausfüllung des vertraglichen Rahmens einzuwirken (ebenso Art. IV.C. – 2:107, 2:109 DCFR). Nutzt der Gläubiger diese nicht initiativ, um zuerst einen konkreten Weg zur Zielerreichung vorzugeben, liegt die Entscheidung über das konkrete Vorgehen, wie sich aus dem in Art. 1:104(1)(d) PELSC vorgesehenen Mechanismus und den typischen Parteiinteressen schließen lässt, zunächst beim Schuldner2014. Der hat vor seiner Entscheidung die Interessen des Gläubigers zu erforschen und ihnen bei seiner Entscheidung Rechnung zu tragen (Art. 1:105 PELSC). Darüber hinaus muss er dem Gläubiger – soweit dies angemessen ist – Gelegenheit geben, seine Entscheidung zu überprüfen (Art. 1:104 (1)(d) PELSC). Der Gläubiger erhält insofern die Gelegenheit nach Art. 1:109, 1:111 oder gar Art. 1:115 PELSC vorzugehen. Den Interessen des Schuldners tragen die PELSC dadurch Rechnung, dass er nur rechtzeitigen und vernünftigen Weisungen des Gläubigers hinsichtlich solcher Auswahlentscheidungen folgen muss, die ursprünglich von den Parteien offengelassen wurden (Art. 1:109(1) PELSC). Auch haftet er, sofern er den Klienten gemäß Art. 1:110 PELSC gewarnt hat, nicht, wenn er gegen eine Verpflichtung nach Art. 1:107, 1:108 PELSC verstößt, indem er einer Weisung des Klienten folgt (Art. 1:109(2) PELSC).

B.

Der Konkretisierungsmechanismus nach deutschem Recht

Auch nach deutschem Recht wird die Verpflichtung zur Dienstleistung als Hauptpflicht des Dienstleisters aus dem Vertrag grundsätzlich durch Parteiabrede inhaltlich 2011 2012 2013 2014

Vgl. ab S. 351. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:104. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:104. Weitergehend (ohne Bezug auf eine bestimmte Rechtsordnung) Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 230.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

298

festgelegt. Vielfach lässt sich der genaue Inhalt der Dienstleistungspflicht jedoch nicht schon bei Vertragsschluss bestimmen. Dies gilt – wie bereits angedeutet2015 – zunächst jedenfalls für die Verträge mit sog. professionellen Dienstleistern. Denn bei solchen Verträgen wird – schon wegen der typischerweise zwischen Dienstleister und Klient vorliegenden Informationsasymmetrie – die Konkretisierung der Leistungspflichten in dem durch den Vertrag gesetzten Rahmen (Bsp.: medizinische Behandlung, anwaltliche Vertretung, Planung eines Gebäudes, mit dem ein bestimmter Zweck verfolgt wird) zunächst dem Dienstleister überlassen, wobei dieser gleichzeitig zur sorgfältigen Interessenwahrnehmung2016 sowie zur Aufklärung verpflichtet wird. Der entsprechend aufgeklärte Gläubiger bestimmt dann in Abstimmung mit dem Dienstleister das konkrete Vorgehen, wobei dem Gläubiger die Letztentscheidung insoweit zukommt, als ihm ein bestimmtes Vorgehen nicht aufgezwungen werden kann.

I.

Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Arzthaftungsrecht

Im Bereich der ärztlichen Behandlung wird der gerade skizzierte Mechanismus teilweise bereits durch die Natur der Sache vorgegeben. Denn prinzipiell kann sich „richtiges ärztliches Vorgehen nicht auf einen abgeschlossenen Regelkodex stützen, sondern muß für den jeweiligen Behandlungsfall die Regel erst in der Behandlung finden“2017. Vor diesem Hintergrund muss dem Arzt ein ausreichender – auch nicht durch die Haftung verkürzter – Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum für Diagnose und Therapie gelassen werden2018. Denn – so die Befürchtung der deutschen Praxis, die von Teilen der englischen Rechtsprechung durchaus geteilt wird2019 – alles andere würde „zur Überdiagnose, zur defensiven, auf eingefahrene Methoden fixierten Therapie führen und zum Nachteil des Patienten ausschlagen“2020.

1.

Diagnose

Zu den Voraussetzungen einer verantwortlichen Entscheidung über die zu wählende Therapie gehört allerdings gleichwohl eine genaue und umfassende Befunderhebung2021. Vor diesem Hintergrund ist für den Bereich der Diagnose zunächst die schlichte Fehlinterpretation tatsächlich erhobener Befunde, die von der Rechtsprechung eher selten als Behandlungsfehler bewertet wird2022, von der Nichterhebung 2015

Vgl. auf S. 294. Vgl. nur Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 355. 2017 Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 153; ähnlich Katzenmeier, Arzthaftung, S. 304 m.w.N. 2018 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 304 m.w.N. 2019 Vgl. ab S. 448. 2020 Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 153; ähnlich Katzenmeier, Arzthaftung, S. 65 m.w.N. 2021 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 310 m.w.N. 2022 Diese Zurückhaltung darf nicht dahin missverstanden werden, dass nur prima vista völlig unvertretbare diagnostische Fehlleistungen zur Haftung führen können (so (entgegen dem 2016

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

299

von Befunden sowie von dem – nicht selten zur Haftung führenden2023 – Nichtabklären einer sich aufdrängenden Verdachtsdiagnose zu unterscheiden2024. Der Umfang der Diagnostik muss sich – allgemein gesprochen – am Krankheitsbild orientieren2025, woraus folgt, dass auch ein Zuviel an diagnostischen Maßnahmen vertragswidrig ist2026. Zur Bestimmung vertragsgemäßer Diagnostik im Einzelfall bedarf es einer komparativen Abwägung zwischen der diagnostischen Aussagefähigkeit, den Aufklärungsbedürfnissen und den besonderen Risiken für den Patienten2027. In komparativer Form ausgedrückt lässt sich formulieren: „Je stärker ein diagnostischer Eingriff die körperliche Integrität berührt und je größer die mit ihm verbundenen Risiken sind, desto mehr stellt sich neben den ansonsten eher maßgeblichen Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten die Frage nach einer ausreichenden medizinischen Indikation“2028.

2.

Therapie

a)

Die primäre Auswahl durch den Arzt

Ähnliche Grundsätze gelten für die Auswahl der konkreten Therapie2029: Diese ist primär Sache des Arztes, nicht des Patienten2030. Das stellt keine Entmündigung des Patienten dar, sondern ist – wie dargelegt – im Normalfall der Natur der Sache geschuldet. Denn im Normalfall überlässt der Patient als medizinischer Laie die Therapiewahl dem Arzt, weil er eine medizinisch informierte Entscheidung durch den kompetenten Fachmann wünscht2031. Unter dieser Prämisse muss die Entscheiersten Anschein) auch nicht OLG Frankfurt, VersR 1997, 1358). Hinreichend ist vielmehr, dass das diagnostische Vorgehen für einen gewissenhaften Arzt nicht vertretbar erscheint, Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 155a. Denn das Nichterkennen jeder erkennbaren Erkrankung und der sie kennzeichnenden Symptome begründet eine Pflichtverletzung, wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 96. 2023 Vgl. nur Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 155 m.w.N. 2024 Vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 96; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 155 ff. 2025 Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 155b. 2026 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 198; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 98. 2027 BGH, NJW 1995, 2410; i.E. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 310. Wenn Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 34 hierzu feststellen, es sei eine „besonders sorgfältige Güterabwägung“ vorzunehmen, dürfte damit kein besonderer Maßstab gemeint sein. 2028 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 98 (Hervorhebung weggelassen). 2029 Zur Rechtsprechung hinsichtlich dieses Problemkreises vgl. die umfassenden Nachweise bei Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 39 ff. 2030 BGH, NJW 2006, 2477, 2478; BGH, NJW 2005, 1718; OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174; OLG Brandenburg, VersR 2004, 199, 200; OLG Karlsruhe, MedR 2003, 229, 230; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn.B. 34, C 22; Katzenmeier, NJW 2006, 2738; Palandt /Sprau, BGB § 823 Rn. 139; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 39, I 92 m.w.N.; a.A. Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 4 (alleiniges Wahlrecht des Arztes); hiergegen zutreffend Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 217 m. Fn. 90. 2031 MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 757.

300

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

dung dann allerdings auch vom Arzt entsprechend den Gegebenheiten des konkreten Behandlungsfalles und unter Berücksichtigung seiner Erfahrungen und Geschicklichkeit in der jeweils in Rede stehenden Behandlungsmethode im Grundsatz eigenständig gewählt werden können2032. Denn grundsätzlich soll der Arzt die Methode wählen dürfen, die er selbst aufgrund praktischer Erfahrungen besonders beherrscht2033. Im Hintergrund steht dabei der mit dem Grundsatz der Wahlfreiheit korrespondierende Grundsatz weitestmöglicher Methodensicherheit im Anwendungsbereich: Die fehlerfreie und den erkennbaren Besonderheiten des Patienten gerecht werdende Wahl einer Therapiemethode, die für den Patienten mit besonderen Risiken verbunden ist, setzt voraus, dass der Arzt im Hinblick auf seine speziellen Vorkenntnisse und Vorerfahrungen sowie im Hinblick auf die Beherrschung der konkreten Behandlungsrisiken die erforderliche Methodensicherheit gewährleistet2034. Im Einzelnen gilt Folgendes:

b)

Immanente Grenzen der Wahlfreiheit

Soweit die „Vorauswahl“ – wie üblich – vom Arzt getroffen wird, ist dieser in seiner Entscheidung gleichwohl nicht völlig frei. Zunächst muss sich die Auswahlentscheidung nämlich im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten der Diagnose2035 halten und hat darüber hinaus dem jeweiligen Stand der Medizin zu entsprechen2036, d.h. insbesondere indiziert sein2037. Ein sorgfältiger Arzt der Spezialität des Behandelnden müsste diesen Weg möglicherweise ebenfalls gegangen sein2038. Daher haftet der Arzt – wenngleich dies umstritten ist – auch für ein irrtümliches Überschreiten seiner Ermessensgrenzen2039, falls der Irrtum einem sorgfältigen Arzt seiner Spezialität nicht unterlaufen wäre. Ein sorgfaltswidriges Überschreiten seiner Ermessensgrenzen ist dem Arzt – obwohl der Arzt bei mehreren therapeutischen Möglichkeiten nicht stets den „sichersten“ Weg wählen muss2040, weil das Patienteninteresse zunächst auf Befreiung von der Krankheit und nicht auf „größtmögliche Sicherheit“ ausgerichtet 2032

Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 77; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 157 m.w.N. OLG Düsseldorf, VersR 1992, 751; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 39; vgl. auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 192. 2034 Vgl. OLG München, NJW 1997, 1642, 1643; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 36; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 25. 2035 Zur Bedeutung des sozialversicherungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots im Arzthaftungsrecht vgl. ab S. 529. 2036 Vgl. BGHZ 72, 132, 135; BGHZ 106, 153, 157; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 192; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 757; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 39; Quaas/ Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 77; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 26. 2037 BGH, NJW 1996, 777, 778; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 34. 2038 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 192. 2039 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 192. 2040 Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 39; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 35; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 28; a.A. u.U. Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 78, die davon ausgehen, der Arzt müsse grundsätzlich den sichersten Weg wählen. 2033

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

301

ist2041 – insbesondere dann anzulasten, wenn ein aufgrund der vorgenommenen Auswahlentscheidung eingegangenes höheres Risiko nicht in besonderen Sachzwängen des konkreten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose sachlich gerechtfertigt ist2042. Dies gilt auch, wenn sich eine Risikoerhöhung allein aus gefährlichen Nebenwirkungen der in Aussicht genommenen Therapie ergibt. Denn dann muss der Arzt im Allgemeinen bei der Auswahl zwischen Behandlungsalternativen, die sich hinsichtlich der Heilungsprognose nicht ins Gewicht fallend unterscheiden, der Sicherheit den Vorrang vor der Effizienz einräumen2043. Auch sind bekannte Risiken durch die Wahl der risikoärmeren Alternative möglichst zu verringern oder zu vermeiden2044, sodass die Wahl der risikoreicheren Therapie letztlich stets sachlich-medizinisch begründet sein muss2045. Unerheblich ist hierbei, ob auch eine Verletzung der Pflicht zur Selbstbestimmungsaufklärung2046 durch den Arzt vorliegt2047. Denn die hier in Rede stehende Feststellung eines Behandlungsfehlers richtet sich allein danach, ob der Arzt unter Einsatz der von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen im konkreten Fall vertretbar, d.h. mit der erforderlichen Sorgfalt, darüber entschieden hat, welche therapeutische Maßnahme vorzunehmen ist2048. Hierbei hat der Arzt nach dem typischen Parteiwillen alle bekannten und medizinisch vertretbaren Sicherungsmaßnahmen anzuwenden, die eine möglichst erfolgreiche und komplikationslose Behandlung ermöglichen2049. Auch insoweit gilt grundsätzlich ein komparativer Maßstab: Der Arzt muss umso umsichtiger vorgehen, je einschneidender sich ein Fehler für den Patienten auswirken kann2050. Bestehen verschiedene medizinisch gleichermaßen indizierte Therapiemöglichkeiten, hat der Arzt auch nach der Rechtsprechung des BGH dem Patienten nach vollständiger Belehrung2051 die Entscheidung darüber zu überlassen, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll, (auf welches Risiko sich der Patient also einlassen will,) wenn die indizierten Behandlungsmethoden wesentlich unterschiedliche Risi2041

Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 157a; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 311 m.w.N. BGH, NJW 1987, 2927; OLG Hamm, NJOZ 2003, 1432, 1434; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 35; Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 78; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 99; Steffen/ Dressler, Arzthaftung, Rn. 157a; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 311; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 28; Palandt /Sprau, BGB § 823 Rn. 139; Staudinger / Hager, BGB § 823 Rn. I 39; Deutsch, VersR 1998, 261, 264. 2043 OLG Bamberg, NJWE-VHR 1997, 206, 207; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 160 a. 2044 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 35. 2045 OLG Bamberg, NJWE-VHR 1997, 206, 207. 2046 Dass insoweit nicht eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten in Rede steht, bedeutet freilich nicht, dass den Arzt nicht gleichwohl weit reichende Pflichten zur therapeutischen Aufklärung, Beratung und Kontrolle treffen. 2047 BGH, NJW 1987, 2291, 2292; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 99. 2048 BGH, NJW 1987, 2291, 2292; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 99. 2049 OLG Hamm, NJOZ 2003, 1432, 1434. 2050 Vgl. BGH, VersR 1985, 969, 970; OLG Köln, NJW-RR 1999, 675, 676; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 158. 2051 Zu den insoweit gestellten Anforderungen ab S. 432. 2042

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

ken und Erfolgschancen aufweisen und also eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten besteht2052. Wo Unterschiede zwischen den Behandlungsalternativen objektiv nicht ins Gewicht fallen und auch gefährliche Nebenwirkungen nicht zu befürchten stehen, ist der Arzt (vertraglich) verpflichtet, die sicherere Methode zu wählen2053. Für diese Maxime findet sich in der englischen Rechtsprechung keine Entsprechung2054. Auch die PELSC und der DCFR kennen sie nicht, sondern fordern insoweit eine Ausrichtung an den Prioritäten und Präferenzen des Patienten2055. Hierin liegt keineswegs ein unbedingter Mangel des englischen Rechts, der PELSC oder des DCFR, zumal die praktische Umsetzung der Auswahl des (relativ) sichersten Weges häufig nicht oder doch nur bedingt gelingt2056. Jede Methode birgt nämlich ihre Risiken und diese sind nach Größe, Zahl und Häufigkeit nicht nur abhängig von der individuellen Befindlichkeit und Konstitution des konkreten Patienten, sondern auch von dessen Behandlungssituation im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung2057. Ergeben sich bereits hieraus zahlreiche schwer einschätzbare und noch dazu keineswegs konstante Unsicherheitsfaktoren, spricht schon dies dafür, die Vorgabe, der Arzt habe den relativ sichersten Weg zu wählen, nur (aber immerhin) als Umschreibung einer Leitlinie für die typische Interessenlage zu verstehen. Hinzukommt, dass – wie stets2058 – eine Risiko-Nutzen-Bewertung vorzunehmen ist2059. Denn stets ist das Verhältnis von Eingriffsintensität, Risiken und Nutzen sowie Erfolgsaussicht zu beachten2060. Dies trägt – da auch der Nutzen nicht immer exakt ermittelt werden kann – weitere Unsicherheiten in den Prozess der Entscheidungsfindung hinein. Insofern dient die Verpflichtung zur Auswahl der relativ sichereren Methode in erster Linie der Orientierung: Ausgehend davon, dass der Patient für den Arzt erkennbar bei (nahezu vollkommen) gleicher Heilungsprognose zweier Behandlungsmöglichkeiten, der sichereren Methode zuneigen wird, sofern nicht besondere Umstände Gegenteiliges erkennen lassen, hat der Arzt die nach sorgfältiger Einschätzung sicherere Methode auszuwählen. Fällt die Risikobewertung allerdings gleich hoch aus, ist entscheidend auf den Nutzen für den Patienten abzustellen und insofern bei gleichen Risiken der Weg mit der relativ größten Chance zu wählen2061. Konsequenz daraus, dass es somit letztlich auch nach deutschem Recht auf die (vermuteten) Prioritäten und Präferenzen des Patienten ankommt, ist, dass, wenn der Arzt dem Patienten die Einleitung der aus medizinischer Sicht gebotenen Therapie vorschlägt und diese vom Patienten zugunsten einer anderen, nicht dem medizini2052

BGHZ 116, 379, 385, BGH, NJW 2005, 1718; BGH NJW 1992, 2353, 2354; Staudinger / Hager, BGB § 823 Rn. I 92 m.w.N. 2053 Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 159; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 39. 2054 Vgl. ab S. 317. 2055 Vgl. ab S. 294. 2056 Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 160. 2057 Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 160. 2058 Vgl. auf S. 223. 2059 Vgl. BGH, NJW 1972, 335, 337; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 39; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 160. 2060 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 99; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 310 m.w.N. 2061 Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 39 m.w.N.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

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schen Standard entsprechenden Methode trotz Aufklärung abgelehnt wird, der Patient insoweit2062 auf eigenes Risiko handelt2063. Denn sofern der Arzt in dieser Situation dem Willen des Patienten folgt, handelt er, da der Patient im Rahmen seiner Autonomie selbst über die Art seiner Behandlung entscheiden kann, damit nicht pflichtwidrig, sondern gerade pflichtgemäß2064. Ist der medizinische Nutzen der vom Patienten verlangten Therapie nicht oder nur unter deutlichen Schwierigkeiten erkennbar, muss die Maßnahme indes jedenfalls unterbleiben, wenn sich in der Forderung des Patienten ein die Einwilligungsfähigkeit ausschließender psychopathologischer Zustand manifestiert2065. Gleiches wird man auch in den Fall annehmen müssen, in dem der Patient schweren Gesundheitsrisiken ausgesetzt wird, denen ein erkennbarer Nutzen nicht gegenübersteht2066. In derartigen Fällen ändert sich an dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers auch dadurch nichts, dass der Patient die konkrete Behandlung wünscht2067 und den Arzt erst hierzu überreden musste2068.

II.

Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Anwaltshaftungsrecht

1.

Gesetzliche Ausgangsbewertung der Interessenlage

Die Ermittlung der konkret geschuldeten Maßnahmen im Anwaltshaftungsrecht fällt ausgehend von den gesetzlichen Vorgaben der §§ 675 Abs. 1, 665 BGB zunächst scheinbar leichter. Dies gilt jedenfalls für den Ausgangspunkt. Gemäß § 675 Abs. 1, 665 BGB hat der Anwalt nämlich Weisungen seines Mandanten grundsätzlich zu befolgen und diese unverzüglich umsetzen2069. Dies gilt auch bei Weisungen, die für den Mandanten nachteilig sind oder sein können2070, wenngleich den Anwalt, bevor er (potentiell) nachteiligen Weisungen folgen darf, Aufklärungs- und Vergewisse2062

Die therapeutischen Beratungspflichten des Arztes erlöschen auch dann nicht vollständig, vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 104. 2063 OLG Hamm, NJW-RR 2002, 814, 815; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 758. 2064 MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 758. Die Beweislast für die Weigerung des Patienten, die medizinisch gebotene Therapie zu verfolgen, trägt indes der Arzt, OLG Hamm, NJW-RR 2002, 814, 815. Auch darf sich der Arzt mit einer spontanen Ablehnung durch den Patienten dann nicht zufrieden geben, wenn für die Gesundheit und Lebensführung des Patienten ernsthafte Konsequenzen im Raum stehen. Vielmehr muss dann eine ausreichende Bedenkzeit gewährt (MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 690) und u.U. auch der Versuch unternommen werden, den Patienten zu abweichenden Maßnahmen zu motivieren, vgl. OLG Hamm, NJW 2001, 3417, 3418. 2065 OLG Köln, VersR 1999, 1371, 1372; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 759. 2066 Vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2002, 611, 612; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 759. 2067 Vgl. OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 1329. 2068 Vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2004, 244, 245; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 34; ferner die strafgerichtliche Entscheidung BGH, NJW 1978, 1206. 2069 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 575. 2070 BGH, NJW 1985, 42, 43; BGH, NJW 1997, 2168, 2169; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 81; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 571 m.w.N.

304

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

rungspflichten treffen2071. Diese Weisungsbefugnis ist Ausdruck einer hinter ihr stehenden Bewertung der Interessenlage beim typischen Anwaltsvertrag: „Da der Mandant nicht nur die Gebühren des Anwalts zu bezahlen und auch das Kostenrisiko der vom Anwalt empfohlenen Maßnahmen wie auch deren Erfolgsrisiko trägt, unterliegt es in erster Linie der Dispositionsbefugnis des Mandanten, solche und ähnliche grundlegende Bestimmungen und Weichenstellungen vorzunehmen, an denen sich das Anwaltsverhalten zu orientieren hat“2072.

2.

Abgrenzung der Entscheidungsbefugnisse von Anwalt und Mandant

Freilich darf man auch angesichts dieses Ausgangspunkts die Überlegung nicht vernachlässigen, dass der typische Mandant sich nun einmal deshalb (ungeachtet einer etwaigen gesetzlichen Verpflichtung) an einen Anwalt wendet, weil er selbst eben nicht sachkundig ist und daher gerade eines anderen bedarf, der ihn rechtlich betreut, d.h. die „ureigenen“ anwaltlichen Aufgaben der Rechtsprüfung, -beratung- und vertretung wahrnimmt2073. Eingedenk dieser faktischen Verhältnisse sollen folgerichtig die vorgenannten Tätigkeiten in der Regel dem Zugriff des Mandanten durch Weisung verschlossen sein2074. Zur Vornahme der im Einzelfall erforderlichen Abgrenzung der Entscheidungskompetenzen hat der BGH in seinem Urteil vom 10.6.19802075 folgende Grundsätze aufgestellt, in denen die gerade skizzierte Überlegung deutlich hervortritt: Zunächst dürfe der Anwalt in der Regel, falls ihm bei der Verfolgung eines bestimmten Auftrags keine besonderen Weisungen erteilt worden seien, den Auftrag aus eigener Entschließung erledigen2076. Er müsse nur darauf achten, dass dabei vorausseh- und vermeidbare Nachteile für den Auftraggeber vermieden würden. Unter dieser Bedingung sei der Anwalt nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, so vorzugehen, wie es ihm aufgrund der erhaltenen Informationen und seiner sonstigen Kenntnisse als sachgerecht erscheinen müsse. Der ihm insoweit verbleibende Spielraum sei – wie der BGH wörtlich ausführt – „aufgrund seiner Sachkenntnis und Erfahrung nicht einmal eng zu ziehen“. Den Entschluss über das Vorgehen im Einzelnen bei Ausführung eines bestimmten Auftrags könne der Mandant nämlich in vielen Fällen gar nicht alleine fassen. Im Gegenteil müsse er dem Anwalt „oft notgedrungen […] gewisse ‚freie Hand‘ lassen“. Der Anwalt selbst könne im Einzelfall sogar verpflichtet sein, gegen frühere 2071

Vgl. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 571 ff. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 576 (Hervorheb. weggelassen); ähnlich Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 980. 2073 Vgl. zum Oberbegriff „Rechtsbetreuung“ Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 576. 2074 BGH, VersR 1980, 925, 926; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 576; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 983. 2075 VI R 127/79, VersR 1980, 925, 926. 2076 Dies deckt sich mit der Rechtslage im Arzthaftungsrecht, wonach die Auswahl der Therapie auch zunächst einmal Sache des Arztes und nicht des Patienten ist, vgl. oben ab S. 299. 2072

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

305

ausdrückliche Weisungen des Mandanten zu handeln, nämlich wenn es in einer neuen Situation objektiv dem Interesse des Mandanten entspreche. Aus diesen Feststellungen, die in der bereits referierten Rechtslage im Arzthaftungsrecht durchaus Parallelen finden, darf indes, wie in der Literatur zu Recht betont wird, nicht gefolgert werden, der Anwalt könne im Zweifel (und anders als im Arzt-Patienten-Verhältnis) ohne Rücksprache mit dem Mandanten vorgehen2077. Im Gegenteil, sofern seine Pflichten zur Interessenwahrnehmung und Schadensverhütung dies gestatten, keine besondere Eilbedürftigkeit besteht, nicht aus sonstigen zeitlichen Gründen keine Absprache mit dem Mandanten erfolgen kann und sofern nicht lediglich Entscheidungen anfallen, die in den Bereich der Rechtsbetreuung gehören2078, sollte der Anwalt im Zweifel immer die Rücksprache und Abklärung mit dem Mandanten suchen2079. Insbesondere, wenn es um wesentliche Weichenstellungen geht, wird man den Anwalt für verpflichtet halten müssen, zunächst eine Absprache mit dem Mandanten herbeizuführen und dessen Weisung einzuholen2080. Dies ist kein Ausfluss des Gebots des sichersten Weges (hierzu sogleich)2081, sondern der oben referierten Interessenlage, insbesondere der Risikotragung durch den Mandanten geschuldet, die mit dessen Kompetenz korrespondiert, (sorgfältig beraten) letztlich eigenverantwortlich die wesentlichen Entscheidungen zu treffen2082. Die möglichst effektive Umsetzung dieser Entscheidungen ist dann Sache des Anwalts, der insoweit mit der erforderlichen Sorgfalt den entsprechenden Rechtsbehelf usw. auszuwählen hat2083.

a)

Insbesondere: Das Gebot des relativ sichersten Weges

Erst an dieser Stelle greift das in der Literatur bisweilen missverstandene2084 sog. Gebot des relativ sichersten Weges ein2085. Der Rechtsanwalt hat nach ständiger Rechtsprechung2086 zur Wahrnehmung der berechtigten Interessen des Mandanten, falls verschiedene Vorgehensweisen in Betracht kommen, den relativ sichersten Weg zu 2077

Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 983. Dieser ist dem Anwalt in der Regel allein zugewiesen, vgl. die vorhergehende S. 2079 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 578 f. m.w.N. und Beispielen. 2080 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 578; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 983. 2081 So aber Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 983. 2082 Zutreffend Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 578 m. Fn. 499; a.A. Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 230. 2083 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 580; vgl. BGH, NJW 1996, 2648, 2649 f. 2084 Repräsentativ Solobodenjuk, NJW 2006, 113, 115 f.; dagegen Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1913. 2085 Vgl. z.B. BGH v. 20.10.2005 – IX R 147/02, n.v.; Dieses Gebot gilt auch für Steuerberater, vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1070; BGH, NJW 2004, 3487 m.w.N. 2086 Vgl. schon RGZ 151, 259, 264; umf. Nachweise bei Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/ Terbille, Haftung, Rn. 535 m. Fn. 377. 2078

306

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

wählen2087. Wie bereits die Beifügung „relativ“ klarstellt, wird der Rechtsanwalt damit gerade nicht auf den absolut sichersten Weg zur Zielerreichung verwiesen, sondern es geht „um den relativ sichersten und gefahrlosesten Weg […], auf dem sich nach den konkreten Umständen unter Ausschluss vermeidbarer Risiken das Ziel des Auftrags mit größter Sicherheit erreichen lässt“2088. Alles andere wäre, insbesondere mit Hinblick auf die Prozessführung, wo notwendig nicht alle Risiken gemieden werden können2089, auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, sodass der Anwalt schon deshalb nicht allen Risiken aus dem Weg gehen muss2090, weil er eben nicht allen Risiken aus dem Weg gehen kann2091. Dies, die Verpflichtung zum Vorschlag des relativ sichersten Weges, steht mit den Erwartungen eines vernünftigen Mandanten im Einklang, um deren Willen ja auch gerade nicht – wie in Teilen des Schrifttums zu Unrecht angenommen wird – höchstmögliche, sondern nur die für die jeweilige Aufgabe erforderliche Sorgfalt geschuldet ist2092, mit der die unabgesprochene Eingehung vermeidbarer Risiken durch den Anwalt ja auch prima facie unvereinbar scheint. Isoliert betracht wird in der Verpflichtung des Anwalts, den relativ sichersten Weg zu wählen, allerdings eine Interessenbewertung manifest, die sich dadurch von der im Arzthaftungsrecht vorgenommenen unterscheidet, dass dort zur Vermeidung eines Behandlungsfehlers – ungeachtet etwaiger Aufklärungspflichten – nicht der „relativ sicherste“ Weg gegangen zu werden braucht, weil – dies ist entscheidend – das Interesse des Patienten dort in erster Linie auf eine Heilung und nicht auf eine Risikovermeidung gerichtet ist. Die Auswahl der riskanteren Therapie muss nur (aber immerhin) in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falls oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden2093. In beiden Fällen orientiert sich die Interessenbewertung indessen – in den Grenzen des dem Schuldner vernünftigerweise Zumutbaren – konsequent daran, welches Vorgehen der Gläubiger typischerweise bevorzugen oder – mit den Worten des § 665 S. 1 BGB – „billigen“ würde. Hieran hat der Schuldner, soweit keine konkrete Abstimmung mit dem Gläubiger stattfindet und daher ihm die Konkretisierung des Vorgehens (vor allem aufgrund seiner größeren Sachkunde) überlassen bleibt, seine Entscheidung in beiden Fällen auszurichten.

2087

BGH, NJW 2010, 73, 74; zahlreiche Beispiele für den relativ sichersten Weg finden sich bei Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 603 ff.; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 545 ff. 2088 Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1913; ders., in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 535 f.; vgl. auch Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 601; ders., Beraterhaftung, Rn. 59; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 10. 2089 Weswegen der Anwaltsvertrag insoweit ja grundsätzlich auch als Dienstvertrag qualifiziert wird, vgl. oben ab S. 130. Vgl. zu dieser Überlegung auch Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 288; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 536. 2090 Vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 288; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 536. 2091 Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 601. 2092 Vgl. ab S. 148. 2093 Vgl. ab S. 300.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

b)

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Zweckmäßigkeitserwägungen

Deshalb scheint es allerdings auch nur konsequent, wenn das Gebot des sichersten Weges nicht ausnahmslos gilt, sondern eingeschränkt wird, falls die Interessen des Mandanten dies gebieten, weil ein anderer Weg nicht so sicher, aber zweckmäßiger ist. Es kann nämlich alternative Wege geben, von denen der eine zwar der relativ „sicherste“, nicht aber unbedingt der zweckmäßigste ist. Die Pflichten des Anwalts in diesem „Entscheidungskonflikt“ hat der BGH wie folgt gekennzeichnet: „Der ‚sicherste‘ Weg ist nicht immer der juristisch völlig unangreifbare Weg. Es kann gegelegentlich andere Wege geben, die, jedenfalls ex ante – und darauf ist abzustellen – betrachtet, wahrscheinlicher und damit auch ‚sicherer‘ zu dem von dem Mandanten erstrebten Ziel führen. Ein Anwalt darf sich in solchen Fällen Zweckmäßigkeitserwägungen nicht verschließen und kann oder muß sogar bisweilen Wege beschreiten, die rechtlich nicht abgesichert oder sogar nicht einmal haltbar sind.“2094 Mit dieser – freilich potentiell missverständlichen2095 – Formulierung nähert sich der BGH der im Arzthaftungsrecht vorgenommenen Interessenbewertung (Chance vor Risiko) deutlich an. Konsequenterweise wird man dann allerdings parallel zur Rechtslage im Arzthaftungsrecht2096 auch eine der im Arzthaftungsrecht anerkannten entsprechende Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts fordern müssen2097, die nicht nur im Interesse des Mandanten, sondern ebenso im Interesse des Anwalts liegt. Denn sonst könnte sich nur „allzu leicht […] das Blatt wenden und dem Anwalt zum Vorwurf gemacht werden, zwar den rechtlich korrekten, nicht aber den [relativ] zweckmäßigsten und damit ‚sichereren‘ Weg eingeschlagen zu haben“2098. Schlägt der Anwalt diesen Weg jedoch auf eine Weisung des entsprechend aufgeklärten Mandanten hin ein, kann daraus ein Haftungsvorwurf nicht entstehen2099. Das Risiko eines Fehlschlags bleibt dann vielmehr sachgerecht bei demjenigen, der sich eigenverantwortlich und aufgeklärt per Weisung für seine Eingehung entschieden hat. Ist die hier geforderte Absprache in Eilfällen etc. nicht möglich, liegt die Entscheidung allerdings auch insoweit allein beim Anwalt, der in dieser Situation mit der erforderlichen Sorgfalt zwischen den Risiken einer Wahl des rechtlich sichereren, aber nicht so zweckmäßigen und einer Wahl des zweckmäßigeren, aber rechtlich nicht so sicheren Weges abzuwägen hat. Gelangt er hier zu einer vertretbaren Ab2094

BGH, VersR 1975, 540, 541. Der Terminus „sicherste“ sollte nicht doppelt belegt sein. Zu terminologischen Klarstellungen gegenüber der bisweilen sachlich nicht berechtigten Ausdruckweise in der Rechtsprechung und Literatur in diesem Zusammenhang vgl. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/ Terbille, Haftung, Rn. 539. 2096 Vgl. dazu ab S. 432. 2097 So dann auch Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 290 m. Fn. 457; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 537. 2098 So die Bedenken von Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 291. 2099 Vgl. oben ab S. 303. 2095

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308

wägungsentscheidung, verletzt er auch dann seine vertraglichen Pflichten nicht, wenn sich die Wahl im Nachhinein als fehlerhaft erweist. Auch für die grundsätzlich ohnehin im Interesse des Mandanten veranlassten Zweckmäßigkeitserwägungen 2100 bestehen losgelöst davon jedenfalls dort Grenzen, wo keine rechtlich einwandfreie Handlungsalternative besteht. Der Anwalt ist insofern auch auf der Grundlage von Zweckmäßigkeitsüberlegungen weder verpflichtet noch berechtigt, unlautere oder anrüchige Methoden zur Erreichung des von seinem Mandanten avisierten Ziels zu wählen2101. Nichts anderes gilt im Lichte des Gebots des relativ sichersten Weges; denn auch dieses bezieht sich nur auf rechtlich einwandfreie Maßnahmen2102.

3.

Fazit

Die Auswahlentscheidung hinsichtlich des konkreten Leistungsinhalts erfolgt – sofern potentiell mehrere Wege zur Zielerreichung gangbar sind – auch im Anwaltshaftungsrecht durch kooperatives Zusammenwirken von Schuldner und Gläubiger (Anwalt und Mandant). Der sachkundige Schuldner hat, falls mehrere Wege zur Zielerreichung gangbar scheinen, zunächst den von ihm bevorzugten auszuwählen. Leitend für die Auswahl sind allerdings die Interessen des Gläubigers, die – so die Bewertung der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur – beim Anwaltsvertrag zunächst auf eine möglichst sichere Zielerreichung gerichtet sind. Der Anwalt hat dementsprechend grundsätzlich nur den relativ sichersten Weg vorzuschlagen, gleichzeitig aber Zweckmäßigkeitserwägungen nicht unberücksichtigt lassen. Solche Zweckmäßigkeitserwägungen können im Einzelfall im Interesse des Mandanten ein Abgehen vom relativ sichersten Weg auf einen rechtlich weniger sicheren, dafür aber aus anderen Gründen zweckmäßigeren Weg rechtfertigen. Da es – wie auch das vorhandene Entscheidungsmaterial deutlich macht – nur wenige Fälle geben dürfte, in denen „juristische Korrektheit und Zweckmäßigkeit einander völlig ausschließen“2103, es hier also um Ausnahmekonstellationen geht, wird man eine solche Auswahlentscheidung vor dem Hintergrund der oben referierten Interessenbewertung grundsätzlich nur nach sachgerecht und verständlich dargestelltem anwaltlichem Rat als vertragsgemäß betrachten können.

2100

2101 2102

2103

Vgl. zu dieser Selbstverständlichkeit auch Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 291. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 544. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 544; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 601; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 287; Ganter, WMSonderbeilage 6/2001, S. 10. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 291.

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III. Ermittlung der konkret geschuldeten Vorgehensweise im Architektenhaftungsrecht Die Frage, welche konkreten Leistungspflichten den Architekten treffen, stellt sich selbstverständlich nicht, wenn der Vertrag die Leistungspflichten abschließend umschreibt. Dies dürfte indes praktisch ein seltener Ausnahmefall sein.

1.

Vertrag mit Bezugnahme auf § 15 HOAI

Die vorgenannte Frage stellt sich allerdings ebenfalls mit weit weniger Dringlichkeit, wenn der Vertrag auf § 15 HOAI Bezug nimmt. Zwar ergeben sich Inhalt und Umfang der Verpflichtung des Architekten nicht ohne weiteres aus der Bezugnahme im Vertrag auf die in § 15 Abs. 1, 2 Nr. 1 HOAI beschriebenen Leistungsbilder2104. Für derartige Verträge aber hat der BGH in jüngerer Zeit klargestellt, dass der vom Architekten geschuldete Gesamterfolg im Regelfall nicht darauf beschränkt ist, dass er die Aufgaben wahrnimmt, die für eine mangelfreie Errichtung des Bauwerks erforderlich sind2105. Vielmehr hat der Architekt nach den Feststellungen des BGH regelmäßig eine ganze Reihe von Arbeitsschritten als Teilerfolge zu erbringen, um seiner vertraglichen Leistungspflicht gerecht zu werden. Eine Bezugnahme auf § 15 Abs. 2 HOAI begründet nach den vom BGH entwickelten Auslegungsregeln im Regelfall jedoch nicht nur, dass der Architekt die vereinbarten Arbeitsschritte als Teilerfolge des geschuldeten Gesamterfolgs schuldet. Ferner hat die Festlegung, um welche Arbeitsschritte es sich hierbei handelt, anhand einer interessengerechten Auslegung zu erfolgen2106. Dies bedeutet, dass die Auslegung die durch den konkreten Vertrag begründeten Interessen des Auftraggebers an den Arbeitsschritten, die für den vom Architekten geschuldeten Werkerfolg erforderlich sind, zu berücksichtigen hat2107. Dabei wird man mit Brückl danach zu differenzieren haben, ob der Vertrag mit einem fachkundigen oder nicht fachkundigen Auftraggeber abgeschlossen wird2108. Losgelöst hiervon ist festzustellen, dass sich der referierte Ansatz des BGH – wenngleich der BGH hierauf nicht abstellt – durchaus mit den Ansätzen deckt, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen des Anwalts- und Arzthaftungsrechts verfolgt werden, was vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Interessenlage beim Vertrag über professionelle Dienstleistungen durchaus folgerichtig scheint.

2104 2105

2106 2107 2108

BGH, BauR 1997, 488, 490; Preussner, BauR 2006, 898, 899. BGHZ 159, 376, 382; BGH, BauR 2005, 400, 405; ebenso Preussner, BauR 2006, 898, 899; ders., in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 36 f., 49 ff.; Kniffka, FS Vygen, S. 20, 24 f.; tendenziell a.A. etwa OLG Düsseldorf, BauR 2002, 510, 513; OLG Naumburg, BauR 2001, 1615, 1616. BGHZ 159, 376, 382; BGH, BauR 2005, 400, 405. BGHZ 159, 376, 382; Preussner, BauR 2006, 898, 899; Brückl, NZBau 2006, 491, 492. Brückl, NZBau 2006, 491, 492 f.

310

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

In Übereinstimmung mit den Feststellungen des BGH wird man die referierten Vorgaben umsetzend davon ausgehen können, dass der Auftraggeber im Regelfall ein Interesse an den Arbeitsschritten haben wird2109, „die als Vorgaben aufgrund der Planung des Architekten für die Bauunternehmer erforderlich sind, damit diese die Planung vertragsgerecht umsetzen können. Er wird regelmäßig ein Interesse an den Arbeitsschritten haben, die es ihm ermöglichen zu überprüfen, ob der Architekt den geschuldeten Erfolg vertragsgemäß bewirkt hat, die ihn in die Lage versetzen, etwaige Gewährleistungsansprüche gegen Bauunternehmer durchzusetzen, und die erforderlich sind, die Maßnahmen zur Unterhaltung des Bauwerkes und dessen Bewirtschaftung zu planen.“2110 Insoweit wird man die geschuldete Leistung demnach bei vertraglicher Bezugnahme auf § 15 Abs. 2 HOAI in einem ersten Schritt konkretisieren können. Darüber hinausgehend hat der BGH im Bereich des Kostenmanagements ferner folgende Arbeitsschritte als im Regelfall geschuldet angesehen: Zunächst ist der Architekt bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung gehalten, den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken2111. Ungeachtet einer etwaigen Verpflichtung, verschiedene Kostenermittlungen vorzulegen, schuldet der Architekt ferner eine zutreffende Aufklärung über die voraussichtlichen Baukosten2112. Gemeint ist mit dem Geschuldetsein dieses „Teilerfolgs“ – im Lichte des seit jeher anerkannten Toleranzrahmens bei der Kostenermittlung2113 – trotz der werkvertraglichen Qualifikation des Architektenvertrages wohl nur eine sorgfältige Prognose des Architekten, sodass man auch formulieren könnte: Der Architekt verletzt seine Kosteneinschätzungspflicht zum einen, falls er Kosten übersieht, die ein mit der erforderlichen Sorgfalt schätzender Architekt nicht übersehen, sondern in seine Einschätzung einbezogen haben würde, und zum anderen dann, wenn er dem Besteller solche Kosten im Rahmen seiner Aufklärung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt deutlich macht. Die vom BGH gewählte Beifügung „zutreffend“ verdunkelt dies etwas, denn hellseherische Fähigkeiten wird man vom Architekten nicht verlangen können, was der BGH selbstverständlich auch nicht tut. Im Rahmen der Kostenberatung hat der Architekt den Besteller losgelöst hiervon – wie der BGH ausdrücklich klarstellt – deshalb über die zu erwartenden Kosten des Bauvorhabens zu informieren, damit dieser die Entscheidung über die Durchführung des Bauvorhabens auf einer geeigneten Grundlage treffen kann2114. Zweck der Kos-

2109 2110 2111 2112 2113 2114

Preussner, BauR 2006, 898, 899 f.; Brückl, NZBau 2006, 491, 492. BGHZ 159, 376, 382. BGH, BauR 2005, 400, 402 f.; BGH, BauR 1991, 366, 367. BGH, BauR 2005, 400, 402 f. Vgl. ab S. 396. BGH, BauR 2005, 400, 402.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

311

tenberatung ist es damit gerade, dem Besteller eine reflektierte Entscheidung über das weitere Vorgehen zu ermöglichen2115. Mit dieser Zweckrichtung der Aufklärungspflicht des Architekten bestätigt der BGH nicht nur eine in ihrer Bedeutung für den Konkretisierungsmechanismus bisweilen unterschätzte Funktion von Aufklärungspflichten, sondern grundsätzlich auch den bereits im Anwaltshaftungsrecht herausgearbeiteten Konkretisierungsmechanismus selbst: Der Dienstleister erläutert sachkundig die Situation und schlägt im Rahmen der Beratung ein bestimmtes Vorgehen vor. Die Entscheidung darüber, welche der bestehenden Optionen gewählt wird, liegt jedoch sodann allein beim Gläubiger. Diesen Mechanismus werden wir auch im Arzthaftungsrecht bestätigt finden2116.

2.

Der Konkretisierungsmechanismus bei Verträgen ohne ausdrückliche oder in Bezug genommene Leistungsbeschreibung

Der BGH hat zu der Frage, welche Kriterien außerhalb dieser Fallkonstellationen, also wenn keine konkrete Leistungsbeschreibung bzw. keine Bezugnahme auf eine solche vorliegt, für die Leistungskonkretisierung maßgeblich sind, bislang noch nicht explizit Stellung genommen2117. Der Weg über § 15 HOAI ist in diesen Fällen nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls verschlossen, hat dieser doch in mittlerweile ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass „der Inhalt und Umfang der Verpflichtung des Architekten sich nicht ohne weiteres aus der Bezugnahme im Vertrag auf die in § 15 Abs. 1 HOAI beschriebenen Leistungsbilder ergeben“2118. Dies ist bedauerlich, denn gerade hier gestaltet sich eine exakte Fixierung der Leistungspflichten bei Vertragsschluss mit dem Architekten in der Praxis schwierig: „Bei Abschluss des Vertrages vermag der Bauherr häufig nur sehr diffus auszudrücken, welche Anforderungen er stellen will. Der Architekt soll üblicherweise zunächst abklären, welche Optionen für die Bebauung eines Grundstückes überhaupt verwirklicht werden können. Innerhalb des durch die bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Vorgaben definierten Rahmens soll der Architekt sodann mehrere Varianten entwickeln“2119. Der Architektenvertrag wird vor diesem Hintergrund wesentlich durch die „die Dinge

2115

2116 2117 2118

2119

Weshalb dadurch andere Interessen des Bauherrn bei der Vertragsauslegung ins Hintertreffen gelangen sollten, wie Pauly, NZBau 2006, 295, 298 annimmt, ist nicht ersichtlich. Denn hierbei handelt es sich lediglich um eine konkrete Ausprägung eines allgemeineren Gedankens. Der BGH hatte diese konkrete Sachfrage zu entscheiden und wollte damit keinen Vorrang des Kosteninteresses vor anderen Interessen des Bauherrn begründen. Vgl. ab S. 427. Für offen hält diese Frage auch Pauly, NZBau 2006, 295, 298. BGH, BauR 1997, 488, 490 (Hervorhebung hinzugefügt); vgl. schon oben auf S. 57. Brückl, NZBau 2006, 491 sieht allerdings in BGHZ 159, 376 eine Aufweichung dieser Rechtsprechung. Preussner, BauR 2006, 898, 899; ders., in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 19.

312

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

vorantreibende Tätigkeit des Architekten“2120 geprägt2121. Insofern fehlt es zumeist auch an einer „vereinbarten Beschaffenheit“ der Architektenleistung i.S.d. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB, die unmittelbar für die konkreten Teilleistungen fruchtbar gemacht werden könnte2122.

a)

Die Bedeutung der Vorgaben des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB

Hilfreicher dürfte daher ein Blick auf § 633 Abs. 2 S. 2 BGB sein, dessen Nr. 1 die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung für maßgeblich erklärt bzw. nach Nr. 2 – subsidiär („sonst“)2123 – die Eignung für die gewöhnliche Verwendung und eine Beschaffenheit fordert, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller (deswegen) nach der Art des Werkes erwarten kann. An diesem Mechanismus wird sich eine Konkretisierung des Leistungsinhalts ausgehend von der (in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gesetzgeberisch anerkannten) Leitbildfunktion des dispositiven Rechts orientieren können, soll dieses doch den Parteiwillen am ehesten widerspiegeln2124. Für die vorliegende Fallgruppe, in der es an der Leistbeschreibung mangelt, wird man indes annehmen müssen, dass in der Praxis auch eine Leistungskonkretisierung typischerweise nur sehr begrenzt anhand der vorausgesetzten Verwendung erfolgen kann, sodass vor allem § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB in den Blick gerät2125. Ausgehend davon, dass es somit auf die übliche und (deswegen) zu erwartende Beschaffenheit ankommt, fragt sich bei der Übertragung dieser Kriterien auf Teilleistungen, welche Teilleistungen üblicherweise geschuldet und daher erwartet werden können: Die ursprünglich für die Neufassung des § 633 BGB vorgesehene Formulierung, wonach die „anerkannten Regeln der Technik“ einzuhalten gewesen wären, wurde zwar deshalb zu Recht nicht Gesetz, weil sie den – wie noch zu zeigen sein wird2126 – falschen Schluss nahe gelegt hätte, bereits die Befolgung der „anerkannten Regeln der Technik“ schließe die Annahme einer Pflichtverletzung von vorneherein aus2127. Dies bedeutet freilich nicht, dass die anerkannten Regeln der Technik nun nicht zu befolgen wären. Vielmehr ergibt sich dies – der bisherigen Praxis entsprechend2128 – ohne weiteres bereits aufgrund der Üblichkeit ihrer Befolgung aus § 633 Abs. 2 S. 2 2120 2121 2122

2123

2124 2125 2126 2127

Staudinger /Peters/Jacoby, BGB Vorbem zu §§ 631 ff. Rn. 124 (Hervorhebung im Original). Preussner, BauR 2006, 898, 902; ders., in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 53. Dass der Erfolgsbezug des Werkvertragsrechts einer Heranziehung des § 633 BGB zur Konkretisierung nicht entgegensteht, betont zutreffend Preussner, BauR 2006, 898, 900. Palandt /Sprau, BGB § 633 Rn. 7; Erman/Schwenker, BGB § 633 Rn. 17; MünchKomm/Busche, BGB § 633 Rn. 25; a.A. unter Berufung auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 26; Mundt, NZBau 2003, 73, 78; für sprachlich verunglückt halten § 633 Abs. 2 BGB Thode, NZBau 2002, 297, 304; Mundt, NZBau 2003, 73, 77 f.; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 25. Vgl. hierzu S. 170. Von vorneherein hierauf abstellend auch Preussner, BauR 2006, 898, 900. Vgl. zum früheren Recht bereits BGH, BauR 1989, 462, 464. BT-Drucks. 14/6040, S. 261.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

313

Nr. 2 BGB2129. Ferner wird man bei der Beantwortung der vorliegend aufgeworfenen Frage auf die sog. zentralen Leistungen der in der HOAI vorgesehenen Leistungsphasen zurückgreifen können2130. Gemeint sind damit die Leistungen, die einen eigenständigen Leistungserfolg darstellen und dadurch gekennzeichnet sind, dass sie entweder notwendig sind, weil spätere Leistungen auf ihnen aufbauen, oder dass sie Vorgaben für die Entscheidung des Bauherrn liefern2131. Was hierzu gezählt werden muss, ist noch nicht abschließend geklärt. Es besteht jedoch ein gewisser, durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärter Grundkonsens2132, bei dem man jedoch schon deswegen nicht stehen bleiben können wird, weil üblicherweise eine ganze Reihe weiterer Teilleistungen durchgeführt werden muss, um ein vollständiges Architektenwerk zu schaffen2133. Diese Teilleistungen orientieren sich im Rahmen des technisch Möglichen – parallel zum Arzt- und Anwaltsvertragsrecht – durchweg an den Interessen des Bauherrn2134: Zunächst muss der Architekt zu Beginn seiner Tätigkeit die Bauwünsche des Auftraggebers ermitteln2135 und den Leistungsbedarf abklären2136. Im Rahmen der Vorplanung hat er sodann die Grundlagen zu analysieren und seine Zielvorstellungen mit denen des Bauherrn abzustimmen2137. Im Rahmen dieser Ermittlung der Planungsgrundlagen ist eine die Kostenseite einbeziehende Beratung des Bauherrn, die sich auf die finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu erstrecken hat2138, denen das Bauvorhaben unterliegen soll, sogar eine hervorzuhebende Pflicht des Architekten2139. Nicht nur hier, sondern auch während aller weiteren Leistungsphasen hat der Architekt die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Bauherrn festzustellen und seine Planungsleistungen darauf abzustimmen2140. Insofern sind die finanziellen Vorgaben des Bauherrn zu berücksichtigen2141 und dessen Vermögensinteres2128

2129

2130 2131 2132

2133 2134

2135

2136 2137 2138 2139 2140 2141

Vgl. zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung nur BGHZ 139, 16, 19; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 20 m.w.N. Thode, NZBau 2002, 297, 305; Bamberger /Roth /Voit, BGB § 633 Rn. 12; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 31; wohl auch Herchen, NZBau 2007, 139 ff.; einschränkend MünchKomm/Busche, BGB § 633 Rn. 21; Palandt /Sprau, BGB § 633 Rn. 6 b. Preussner, BauR 2006, 898, 900 f. Locher/Koeble/Frik, HOAI § 5 Rn. 20. Vgl. dazu Locher/Koeble/Frik, HOAI § 5 Rn. 20 ff.; Preussner, BauR 2006, 898, 901; ders., in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 51 f. mit zahlreichen Nachweisen. Preussner, BauR 2006, 898, 901 f.; ders., in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 53. Für eine ausführliche Darstellung der üblicherweise geschuldeten Pflichten vgl. Preussner, BauR 2006, 898, 902 ff.; dens., in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 54 f. BGH, NJW-RR 1998, 668; Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 46; Preussner, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 54. BGH, NJW-RR 1991, 664. BGH, NJW-RR 1991, 664. BGH, NJW-RR 2005, 318, 320. BGH, NJW-RR 1991, 664; OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 453. OLG München, IBR 2000, 512 (LS). Preussner, BauR 2006, 898, 902; vgl. zum Umgang mit potentiell bestehenden Toleranzen BGH, NJW-RR 1997, 850, 851.

314

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sen im Auge zu behalten2142, wenngleich der Architekt nicht verpflichtet ist, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bauherrn wahrzunehmen2143. Dies hat z.B. zur Konsequenz, dass der Architekt im Allgemeinen nicht gehalten ist, so kostengünstig wie möglich zu planen2144. Auch hierbei kommt es aber auf die erkennbaren Interessen des konkreten Auftraggebers an2145, sodass eine möglichst kostengünstige Planung z.B. angezeigt ist, falls es sich bei dem Bauherrn um eine Privatperson handelt, bei der erkennbar nur geringes Eigenkapital vorhanden ist und die Finanzierung auf die Einkommensverhältnisse zugeschnitten sein muss2146. Das OLG München hat die kostengünstigte Lösung darüber hinaus gefordert, soweit Kernbereiche der Planung betroffen sind2147. Betrachtet man die über die gerade lediglich skizzierten hinausgehenden weiteren typischerweise von der Rechtsprechung eingeforderten Teilleistungen, die sich auch als einzlene Architektenpflichten formulieren lassen2148, so stimmen sie weitestgehend mit den nach § 15 Abs. 2 HOAI preisrechtlich festgelegten Grundleistungen überein2149. Dies verwundert freilich auch nicht, da der synallagmatische Zusammenhang gebietet, dass sich Vertrags- und Preisrecht nicht widersprechen2150. Auch die Amtliche Begründung der HOAI geht davon aus, dass die Auflistung in § 15 Abs. 2 HOAI „alle wesentlichen planerischen Grundleistungen der Auftragnehmer für die Objektplanung nach dem gegenwärtigen Stand der Technik“2151 enthält. Einen Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, wonach § 15 Abs. 2 HOAI nicht „ohne weiteres“ zur Leistungskonkretisierung herangezogen werden kann, bedeutet dieses aus einer Analyse der Rechtsprechung gefolgerte Ergebnis nicht. Es bestätigt vielmehr die von Tempel getroffene Feststellung, dass es vom Anerkennung einer Leistungsbeschreibung durch Inbezugnahme von § 15 Abs. 2 HOAI „nur noch ein kleiner Schritt zu der Feststellung [ist], in der Beschreibung der Gebührentatbestände einen Niederschlag der Verkehrsanschauung zu sehen, was im Einzelnen üblicherweise als Inhalt der Architektenverträge anzusehen ist“2152. Denn in der Tat dürfte auf der Grundlage des von der Rechtsprechung entwickelten Pflichten- oder Teilerfolgsprogramms davon auszugehen sein, dass, falls die Parteien nicht konkret geregelt 2142

Näher Preussner, BauR 2006, 898, 902 f. m.w.N. BGHZ 60, 1, 3; BGH, BauR 1996, 570, 571. 2144 BGHZ 60, 1, 3; OLG Hamm, NJW-RR 1986, 1150 (Planung nur (aber immerhin) im Kostenrahmen); Bindhardt/ Jagenburg, Haftung, § 1 Rn. 8; Jagenburg/ Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 85 m.w.N. 2145 Vgl. etwa Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 105. 2146 Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 379; zur Kostenüberschreitung vgl. Werner/ Pastor, Bauprozess, Rn. 1781 ff., 1783 ff. 2147 OLG München, BauR 2004, 1806 (1. LS). 2148 Vgl. zu ihnen nur die Zusammenstellung bei Preussner, BauR 2006, 898, 902 ff.; dens., in: Thode u.a., Architektenrecht, § 9 Rn. 54 f. 2149 Preussner, BauR 2006, 898, 904. 2150 Preussner, BauR 2006, 898, 904; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 331; Locher/ Koeble/Frik, HOAI Einl. Rn. 56; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 55. 2151 BR-Drucks. 270/76, S. 24. 2152 Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 331. 2143

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

315

haben, welchen werkvertraglichen Erfolg der Architekt schulden soll, er regelmäßig die in § 15 Abs. 2 HOAI aufgeführten Grundleistungen, wie sie durch die Rechtsprechung des BGH konkretisiert worden sind, zu erbringen hat2153.

b)

Der Mechanismus der Leistungskonkretisierung

Wichtig für die an dieser Stelle ferner interessierende Frage nach dem Leistungskonkretisierungsmechanismus ist, dass dem Bauherrn – zusammengefasst – zunächst alle wesentlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, die zur Entscheidungsfindung notwendig sind2154. Das Bauwerk entsteht in der Praxis typischerweise im Zusammenwirken zwischen Auftraggeber und Architekt, nämlich im Austausch von Wünschen und Anregungen des Auftraggebers sowie der an diesen ausgerichteten Beratung des Architekten2155. Auf der durch diese Beratung geschaffenen informationellen Grundlage muss dem Bauherrn sodann Gelegenheit gegeben werden, zwischen mehreren bestehenden Möglichkeiten zu wählen2156. Folgerichtig ist der Architekt insofern nicht berechtigt, mit Leistungsphasen „vorzupreschen“, also trotz noch nicht fertiggestellter Leistungsphase schon mit der nächsten Leistungsphase zu beginnen2157. Vielmehr darf er (aus Gründen der Kostensicherheit2158) die einzelnen Leistungsphasen nur stufenweise und dann verwirklichen, wenn aufgrund einer früheren Leistungsstufe feststeht, dass das Bauvorhaben weiter in dieser Form verwirklicht werden kann2159. Dem Bauherrn sollen auf diese Weise unnütze Kosten erspart bleiben2160. Zusammenfassend hat der Architekt damit zunächst die „richtigen“ Baumaterialien auszuwählen und bei mehreren Alternativen grundsätzlich den sichersten Weg zu gehen, Nutzungsnachteile und erhöhte Betriebskosten zu berücksichtigen sowie den Auftraggeber darüber zu belehren2161. Vor diesem Hintergrund muss der Architekt die Ergebnisse der einen Leistungsphase zunächst mit dem Bauherrn abstimmen2162. Geschieht dies nicht, hängt sein Vergütungsanspruch insoweit davon ab, ob der Bauherr die Ergebnisse nachträglich billigt2163. Der Architekt handelt dabei also auf eigenes Risiko. 2153 2154 2155 2156 2157 2158 2159

2160 2161 2162 2163

Vgl. Preussner, BauR 2006, 898, 904 f. Vgl. KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386. Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 456. BGH, BauR 1998, 356, 357. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 790; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 70. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 915, 916 f. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 915, 916 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 403, 404; OLG München, NJW-RR 1996, 341, 342 f.; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 791; vgl. auch Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 331 m (anderenfalls kein Honoraranspruch). Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 366. KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386 m.w.N. Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 70. OLG Düsseldorf, MDR 1972, 867; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 791; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 70. Dies gilt auch dann, wenn der Bauherr zur Eile auffordert, vgl. OLG Düsseldorf, BauR 1980, 376, 377.

316

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Damit kehrt auch im Architektenvertragsrecht der Mechanismus wieder, dem ebenso das Arzt- und Anwaltsvertragsrecht folgen: Die Entscheidung über die konkrete Vorgehensweise liegt, sofern unter der stets notwendigen Ausrichtung der Bewertung an den Vorgaben und Zwecken des Bauherrn mehrere Möglichkeiten in Betracht kommen, in der Hand des aufgeklärten Gläubigers. Dem Architekten steht zwar ein gewisses Planungsermessen zu2164; er muss aber grundsätzlich den relativ sichersten Weg wählen. Fordert der Bauherr eine bestimmte Bauausführung, geht dies dem Planungsermessen des Architekten vor2165. Die Vorgaben des Bauherrn sind für den Architekten mithin verbindlich2166. Dies gilt auch, wenn diese Vorgaben vom Bauherrn erst während der Planungsphase gemacht werden2167. Potentielle Spannungen zwischen dem Weisungsrecht des Bauherrn und der (künstlerischen) Gestaltungsfreiheit des Architekten sind dabei (jedenfalls bei technischen Zweckbauten) zugunsten des Bauherrn zu entscheiden2168. Denn nur ihm kommt die Gewichtung der einzelnen Zielvorgaben sowie die Bestimmung zu, welches Ziel von mehreren im Einzelfall vorrangig zu verfolgen ist2169. Gestaltungsfreiheit genießt der Architekt also nur „im Rahmen seines Vertrages“2170. Bedenken wegen der Ungeeignetheit oder Unfachmännischkeit einer vom Bauherrn geforderten Maßnahme hat der Architekt zu äußern und den Bauherrn auf die mit der Maßnahme verbundenen Risiken hinzuweisen2171, der Weisung jedoch, falls der Bauherr auf ihr besteht, grundsätzlich zu folgen2172. Dies gilt freilich nicht, wenn der Architekt sich durch die Befolgung der Weisung gegenüber Dritten haftpflichtig oder sogar strafbar machen würde2173; denn dann bewegt sich die Weisung nicht mehr im Rahmen der Billigkeit (§ 315 BGB), weil ihre Befolgung dem Architekten nicht zumutbar ist2174.

2164 2165

2166 2167 2168

2169 2170

2171 2172

2173

2174

OLG Hamm, NJW-RR 1989, 470, 471; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 66 f. BGH, NJW-RR 1998, 668; BGHZ 55, 77, 80 f.; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1487; Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 19, § 6 Rn. 57; MünchKomm /Busche, BGB § 631 Rn. 67. Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 58; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1487. BGH, NJW 1998, 1064; BGH, NJW-RR 1998, 668; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1487. BGH, NJW 1971, 556 f.; Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 6 Rn. 59 ff.; Locher, Baurecht, Rn. 269; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 376. BGH, NJW 1998, 1064; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 58. MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 67. Dies gilt auch für die Abgrenzung der Kompetenzen von Architekten und Innenarchitekten, vgl. Locher, BauR 1971, 69, 71. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1491; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 376. Eine Haftung für die Risikorealisierung scheidet dann freilich aus, vgl. Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 20; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1562; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 382. Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 4 Rn. 24; Locher, Baurecht, Rn. 269; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 376. Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 269: „Zumutbarkeit“.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

C.

Der Konkretisierungsmechanismus nach englischem Recht

I.

Der Sorgfaltsbestimmungsmechanismus auf der Grundlage von Bolam v Friern Hospital Management Committee

317

Im Rahmen des englischen Rechts ist zur Beantwortung der in Rede stehenden Frage zunächst noch einmal auf die Entscheidung Bolam v Friern Hospital Management Committee zurückzukommen. Bislang nur nebenbei erwähnt wurde nämlich, dass es nach dem durch McNair J in Bolam formulierten – zwischenzeitlich sogar gesetzgeberisch mittelbar anerkannten2175 und in naher Zukunft nicht zu änderenden2176 – Test für die entlastende Wirkung lediglich darauf ankommt, dass sich der Arzt im Einklang mit einer – unter mehreren – von einem verantwortlichen Teil seiner Berufsgenossen akzeptierten Vorgehensweisen befand. Insoweit hatte das Gericht zustimmend auf die folgenden, in der schottischen Entscheidung Hunter v Hanley getroffenen Feststellungen Bezug genommen: “In the realm of diagnosis and treatment there is ample scope for genuine difference of opinion, and one man clearly is not negligent merely because his conclusion differs from that of other professional men, nor because he has displayed less skill or knowledge than others would have shown. The true test for establishing negligence in diagnosis or treatment on the part of a doctor is whether he has been proved to be guilty of such failure as no doctor of ordinary skill would be guilty of if acting with ordinary care.” Während der Test hier dahin formuliert wird, dass zu prüfen ist, ob der in Rede stehende Fehler keinem sachkundigen und sorgfältigen Arzt unterlaufen wäre, zieht Mc Nair J – ohne damit in der Sache einen anderen Test begründen zu wollen – eine negative Formulierung vor, nach der der Arzt nicht haftet, wenn er in Übereinstim2175

2176

Vgl. schon s. 1(5) Congenital Disabilities (Civil Liability) Act 1976: „The defendant is not answerable to the child, for anything he did or omitted to do when responsible in a professional capacity for treating or advising the parent, if he took reasonable care having due regard to then received professional opinion applicable to the particular class of case; but this does not mean that he is answerable only because he departed from received opinion“. Vgl. den nachfolgenden Beitrag des britischen Gesundheitsministeriums im Rahmen der Debatte der NHS Redress Bill vom 2.11.2005, Column 237: „Several noble Lords, and the noble Baroness, Lady Finlay, in particular, raised the issue of the Bolam test. Any offer of redress will be made only on the basis of a liability in tort arising under the law of England and Wales. The same test for negligence as applied in civil proceedings will be applied to cases under the redress scheme. Those tests are currently the Bolam and Bolitho tests. The Bolam test provides that a professional is not negligent if their practice was in accordance with that accepted as proper at the time of treatment by a responsible body of medical opinion, even though other doctors adopt a different practice. I will not go into the detail of that, but I am trying to reassure her that we are not changing the test in any way under this legislation“.

318

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

mung mit (irgend)einer Praxis vorgegangen ist, die von einem verantwortlichen Teil seiner Berufsgenossen als angemessen betrachtet wird: “I myself would prefer to put it this way, that he is not guilty of negligence if he has acted in accordance with a practice accepted as proper by a responsible body of medical men skilled in that particular art. I do not think there is much difference in sense. It is just a different way of expressing the same thought. Putting it the other way round, a doctor is not negligent, if he is acting in accordance with such a practice, merely because there is a body of opinion that takes a contrary view.”2177

II.

Konsequenz: Primäre Leistungskonkretisierung durch den Schuldner

Zunächst dem Arzt, d.h. im Gegensatz zum Modell der PELSC: dem Schuldner steht damit hinsichtlich der Konkretisierung und Ausfüllung des mit „reasonable care and skill“ nur sehr abstrakt umschriebenen Schuldinhalts eine Art Wahlrecht zu. Sofern mindestens zwei „angemessene“ Lösungsmöglichkeiten existieren, kann der Schuldner jede von ihnen wählen, ohne vertragsbrüchig zu werden2178. Ob die Wahl auf die von der überwiegenden Auffassung oder vom Gläubiger bevorzugte Vorgehensweise fällt, ist unerheblich. Insbesondere muss – anders als in früher datierenden Entscheidungen zur Versicherungsmaklerhaftung2179 – nicht die überwiegend befürwortete Vorgehensweise gewählt werden2180. Auch die Vertragsdurchführung in Übereinstimmung mit einer Minderheitsansicht reicht aus2181, sofern diese nur „a responsible body of [medical ] men skilled in that particular art“ bildet.

1.

Konkretisierung des Leistungsinhalts durch den Schuldner

Dieser Konkretisierungsmechanismus gilt, obwohl die Formulierung des Tests in Bolam für deliktische Klage vorgenommen wurde, auch im vertraglichen Kontext. Denn insoweit ist zu erinnern, dass Rechtsprechung und Literatur keinen Anlass sehen, den vertraglich geschuldeten Sorgfaltsstandard abweichend vom deliktischen zu bestimmen2182. Vor diesem Hintergrund kann für die Person des den Leistungsinhalt Kon2177 2178

2179

2180 2181

Bolam v Friern Hospital Management Committe [1957] 1 WLR 582, 588 per McNair J (HC). Im Hintergrund mag dabei auch die Überlegung stehen, dass es nicht die Aufgabe der Gerichte ist, wissenschaftliche Theorienstreite „rechtsverbindlich“ zu entscheiden, so Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56. Losgelöst davon kann eine Änderung des vereinbarten Vertragsinhalts nicht einseitig durch den Schuldner erfolgen, sondern bedarf selbstverständlich der Zustimmung des Gläubigers, vgl. – lediglich beispielhaft – Hodson Developements Ltd v. GTA Civils [2006] EWHC 1913, Tz. 168 ff. (TCC). Vgl. dazu etwa die Entscheidung Hurell v Bullard (1863) 3 F & F 445 Common Pleas (zitiert nach Stagg/Lindsay, in: Pittaway/Hammerton, Professional Negligence, S. 149 f.). Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.20. Vgl. z.B. Maynard v West Midlands Regional Area Health Authority [1985] 1 All ER 635 (HL).

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

319

kretisierenden nichts anderes gelten. Daher wird man die Konkretisierung des Leistungsinhalts in Übereinstimmung mit den in Bolam getroffenen Vorgaben losgelöst vom dogmatischen Kontext der Haftungsbegründung zunächst als Teil des professional judgement behandeln müssen – vorbehaltlich einer Korrektur durch die Rechtsprechung. Lässt man die umfangreichen Aufklärungspflichten professioneller Dienstleister insoweit einmal unberücksichtigt2183, folgt daraus, dass z.B. ein vertraglich engagierter Arzt dadurch, dass er in Übereinstimmung mit einer verantwortlichen Lehrmeinung handelt (die auf die subjektiven Vorstellungen des konkreten Patienten – wie Bolam zeigt – keine Rücksicht zu nehmen braucht), ohne Rücksicht auf die Vorstellungen des konkreten Patienten festlegen kann, welche Leistungsmodalität geschuldet ist. Der Patient kann insoweit, auch wenn er ein Vorgehen in Übereinstimmung mit der in der Medizin vertretenen Gegenauffassung bevorzugt hätte und dies mangels eigenen medizinischen Sachverstands lediglich nicht im Vorhinein kommunizieren konnte, keinen Vertragsbruch des Arztes geltend machen, sondern muss das nehmen, was er bekommt.

2.

Leistungskonkretisierung und Vertragsrecht

Es stellt sich aber aufgrund des deliktischen Ursprungs dieser Wahlmöglichkeit doch die Frage, wie sich dies vertraglich legitimieren lässt. Der durch Bolam etablierte Konkretisierungsmechanismus erinnert an ein Recht zur einseitigen Leistungbestimmung, sodass insoweit ein Blick auf die in anderen Vertragsbeziehungen akzeptierten Mechanismen Aufschluss bieten könnte.

a)

Einseitige Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei

Insoweit hat Viscount Dunedin für den Kaufvertrag in May & Butcher Ltd v R zunächst klargestellt, dass nur vollständig ausgehandelte Verträge rechtswirksam und bindend seien, und eine Verpflichtung, über einzelne Aspekte nach Vertragsschluss zu verhandeln, folglich unwirksam sei2184. Dies schließe jedoch nicht aus, die Festlegung des Kaufpreises vertraglich einer der Parteien zu überlassen2185. Da somit die Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmung möglich und wirksam ist, bestehen gegen den 2182

2183 2184

2185

Anderes gilt nur, wenn ausdrücklich ein höherer oder niedrigerer Sorgfaltsstandard vereinbart wird. Nur vertraglich kann im Übrigen ein Erfolg geschuldet sein. Zu Ansätzen eines unterschiedlichen Sorgfaltsstandards in Vertrag und Delikt sowie zu ihrer Ablehnung in der Rechtsprechung ab S. 508 und ab S. 515. Dazu ab S. 350. May & Butcher Ltd v R (1929) [1934] 2 KB 17, 21 (CA). Das ist die grundsätzliche Ausgangsposition des englischen Vertragsrechts in dieser Frage, vgl. dazu aus jüngerer Zeit Mamidoil-Jetoil Greek Petroleum Co SA v Okta Crude Oil Refinery AD [2001] 2 Lloyd’s Rep 76, 89 per Rix LJ (CA); Lewison, Interpretation, § 7.14 m.w.N. May & Butcher Ltd v R (1929) [1934] 2 KB 17, 21 (CA).

320

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

durch Bolam etablierten Konkretisierungsmechanismus an sich zunächst keine Bedenken. Denn gemessen am Beispiel des Arztvertrages sind beide Leistungsbestimmungsrechte sich nicht unähnlich: Beim Kaufvertrag steht zwar fest, dass ein Preis geschuldet wird, jedoch nicht, um welchen Preis es sich konkret handelt. Beim Arztvertrag steht fest, dass angemessene Sorgfalt geschuldet ist, nur nicht, welche Behandlungsvariante konkret vorzunehmen ist. Grenzen der Vergleichbarkeit ergeben sich jedoch daraus, dass der Inhalt der Leistungspflicht des Käufers zumindest gattungsmäßig bestimmt ist (Geld in bestimmter Währung), während sich dies für den Leistungsinhalt im Dienstleistungsbereich nicht mit derselben Sicherheit sagen lässt (Bsp.: konservative oder operative Behandlung). Hier wird der Leistungsgegenstand – schon mangels entsprechender Sachkunde des Patienten – zunächst allenfalls sehr grob umschrieben (Bsp.: Behandlung eines konkreten Leidens). Im Kaufrecht geht es für die Pflichten des Käufers vor allem um die Festlegung von Quantitäten, während im Rahmen von Dienstleistungsverträgen der Dienstleister über die Qualität (Art und Weise) seiner Leistung entscheiden dürfen soll. Dass sich Viscount Dunedin nicht darüber äußert, ob der Preis angemessen zu sein hat, damit die Leistungsbestimmung wirksam ist und May & Butcher Ltd v R also nicht als Präzedenz dafür, dass die Preisbestimmung angemessen sein muss, herangezogen werden kann2186, ist für uns irrelevant. Denn nach den im vorhergehenden Abschnitt (§ 9) entwickelten Grundsätzen darf ohnehin nur aus objektiv angemessenen Alternativen gewählt werden.

b)

Leistungskonkretisierung durch Dritte

Gerade aufgrund dieses Aspekts weist der durch Bolam etablierte Konkretisierungsmechanismus freilich eine gewisse Affinität zur Leistungsbestimmung durch Dritte auf. Denn die „Vorauswahl“ erfolgt zunächst objektiv durch die verantwortlichen Berufsgenossen als Experten und im Übrigen durch die Gerichte. Für die Leistungsbestimmung durch einen dritten Experten haben sich folgende Grundsätze herausgebildet:

aa) Unterlassen einer Leistungsbestimmung durch den benannten Dritten Zunächst sind auch hier lediglich vollständige Verträge rechtsgültig. Insofern muss der Vertrag – parallel zu den in May & Butcher Ltd v R getroffenen Feststellungen – einen Leistungsbestimmungsmechanismus enthalten, was konkret bedeutet, dass der Dritte, der die Leistungsbestimmung vornehmen soll, benannt werden muss. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann die Unwirksamkeit der Einigung gleichwohl daraus folgen, dass der Dritte die Leistungsbestimmung nicht vornimmt oder nicht vornehmen kann (vgl. s. 9(1) SGA)2187. Diese Unwirksamkeitsfolge gilt jedoch nicht ausnahmslos. Denn das House of Lords hat sich bereit gezeigt, autonom einen Preis festzusetzen, sofern sich der 2186

An einem solchen Präzedenzfall fehlt es bisher, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 372.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

321

vertragliche Mechanismus als unwirksam herausstellt und die Klausel über die Drittbestimmung von lediglich untergeordneter Bedeutung ist. Das ist nach den Feststellungen des House of Lords der Fall, wenn die Klausel nur dazu dient, eine konkrete Methode zur Bestimmung des Leistungsinhalts zur Verfügung zu stellen2188. Losgelöst davon kann es dem Gericht ferner möglich sein, per implication zu bestimmen, dass der zu vereinbarende Preis angemessen sein muss2189 (vgl. auch s. 15(1) SGSA a.E.). Insoweit ergibt sich für die Dienstleistungshaftung eine Parallele zu den Fällen, in denen entweder keine verbreitete Praxis existiert, auf die als Leitlinie Bezug genommen werden könnte, oder die verbreitete Praxis „unlogisch“ i.S.d. Bolitho-Rechtsprechung ist. In diesen Fallkonstellationen scheiden die Berufsgenossen nämlich als vorgeschalteter „Qualitätsfilter“ aus und das Gericht muss autonom über die angemessene Leistung entscheiden.

bb) Leistungsbestimmung durch einen Dritten Erfolgt die Leistungsbestimmung hingegen durch den vertraglich benannten Dritten, ist zunächst nach der Art eines potentiellen „Fehlers“ zu differenzieren: Ist der Dritte bei der Festsetzung der Leistung nicht nach den Instruktionen vorgegangen, die ihm von den Parteien vertraglich vorgegeben worden sind, entspricht sein Vorgehen nicht dem zwischen den Parteien Vereinbarten und bindet diese folgerichtig nicht. Hat sich der Dritte dagegen an die Instruktionen gehalten und ist ihm lediglich in der Ausübung seiner Funktion ein Fehler unterlaufen, sind die Parteien grundsätzlich an dessen Festsetzungen gebunden, ohne dass es darauf ankommt, ob das Ergebnis angemessen ist. Denn dieses Risiko haben die Parteien dadurch übernommen, dass sie vereinbart haben, durch die Entscheidung des Dritten gebunden zu sein. Diese Rechtslage hat jüngst Cooke J noch einmal bestätigt: “The law is clear that where a contract provides for the decision of an expert to be final and binding, it does bind the parties even if there is an admitted mistake as long as there is no fraud, collusion, bias or a material departure by the expert from his instructions”2190.

2187

2188

2189 2190

Vgl. zum Folgenden auch von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 375; Treitel, Contract, S. 59. Vgl. Sudbrook Trading Estate Ltd v Eggleton [1983] 1 AC 444 (HL); Didymi Corporation v Atlantic Lines and Navigation Co Inc [1988] 2 Lloyd’s Rep 108, 115 per Bingham LJ; Mamidoil-Jetoil Greek Petroleum Co SA v Okta Crude Oil Refinery AD [2001] 2 Lloyd’s Rep 76, 89 per Rix LJ (CA): „The true distinction is between those cases where the mode of ascertaining the price is an essential term of the contract, and those cases where the mode of ascertainment, though indicated in the contract, is subsidiary and non-essential“; Robertshaw, (1983) 46 MLR 493 ff.; ferner Murdoch, [1983] LMCLQ 652, 660. Vgl. dazu Corson v Rhuddlan Borough Council [1990] 1 EGLR 255 (CA, lexis). Bernhard Schulte GmbH & Co KG v Nile Holdings Ltd [2004] 2 Lloyd’s Rep 352, Tz. 68 (HC, lexis, für die Überprüfung einer § 317 BGB entsprechenden Klausel) m.w.N.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

322

3.

Die Integration des Konkretisierungsmechanismus in den Vertrag

Vor diesem Hintergrund wird man auch den von Bolam etablierten Leistungskonkretisierungsmechanismus verstehen können. Insofern wird man die Parteivereinbarungen im Regelfall zunächst dahin zu ergänzen haben, dass die Expertenbestimmung in Form der verbreiteten Praxis solange „final and binding“ ist, wie es sich um die Praxis eines „responsible body“ i.S.d. Bolitho-Rechtsprechung handelt. Soweit diese Praxis dabei – obwohl an sich angemessen – im Einzelfall zu einem dem Gläubiger ungünstigen Ergebnis führt, ist dies hinzunehmen. Denn geschuldet ist – soweit Bolam Anwendung findet – nur Sorgfalt und kein erfolgreicher Ausgang. Dieses Risiko hat der Gläubiger dadurch übernommen, dass er – obwohl dies grundsätzlich möglich ist2191 – keine strikte Haftung vereinbart hat. Dass lediglich eine Vertragsergänzung dieses Ergebnis zu begründen vermag, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

a)

Vertragsauslegung

In aller Regel werden die Parteien im Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen haben, dass der Dienstleister die Leistung – wenngleich auf objektive Angemessenheit vorgefiltert – einseitig konkretisieren können soll. Die Vagheit der express terms des Anstellungsvertrages wird, im Gegenteil, sogar häufig dazu führen, dass die Parteien entgegengesetzte Vorstellungen über Art und/oder Umfang der vereinbarten Dienstleistung haben2192. So wird der Gläubiger z.B. davon ausgehen, der Schuldner werde sich bei der Wahl seiner Vorgehensweise daran orientieren, was für den Gläubgier die beste Lösung ist.

b)

Keine implication in fact

Vor diesem Hintergrund klafft zwischen Bolam-Test und Parteiwillen insofern eine Lücke, als die Leistungskonkretisierung schlicht nach ihrer objektiven Vertretbarkeit erfolgen soll, wobei von den Interessen des individuellen Gläubigers abstrahiert wird. Denn auch im Wege der Vertragsergänzung in fact wird sich eine solche Klausel nicht einfügen lassen. Der Parteiwille wird nämlich nicht dahin gehen, dass der Schuldner bei der Wahl seiner Vorgehensweise die Interessen des Gläubigers vernachlässigen und sich – bei objektiver Angemessenheit – ausnahmslos danach richten darf, was ihm als Schuldner entgegenkommt2193. Ruft man sich bspw. den Sachverhalt der Entscheidung Bolam in Erinnerung, ist kaum davon auszugehen, dass Mr. Bolam augenblicklich mit einem „Oh, of course!“ geantwortet hätte2194, falls der officious bystander ihn gefragt hätte, ob er damit einverstanden sei, einer weithin befürworte2191 2192 2193

2194

Vgl. ab S. 623. Ebenso Holyoak/Allen, in: Hodgin, Liability, S. 41. Damit ist nicht gesagt, dass Dienstleister tatsächlich so verfahren. Die Frage ist allein, ob sie dem Vertrag nach so verfahren dürfen sollen. Zu diesen Voraussetzungen einer implication in fact s. oben ab S. 64.

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

323

ten, Verletzungen sicher ausschließenden Behandlungspraxis nicht zu folgen, weil der behandelnde Arzt ihr nicht folgen wolle, da er bereit sei, das (geringe) Risiko schwerer Verletzungen einzugehen2195. Auch das Kriterium der business efficacy hilft insoweit nicht weiter, da es bei negativer Beantwortung des officious-bystander-test keine implication in fact zu legitimieren vermag2196. Eine Entscheidung, in der die Leistungskonkretisierung qua Bolam gestützt auf einen den Bolam-Test in fact implizierenden term geschieht, findet sich dementsprechend nicht. Vielmehr beziehen sich die Gerichte bei der Anwendung von Bolam gar nicht auf die Parteivorstellungen im Einzelfall.

c)

Implication in law

Lässt sich die in Bolam vorgesehene Regel dem Parteiwillen also nicht unbedingt positiv entnehmen2197, kommt insoweit vor allem eine implication in law in Betracht. Denn die implication in law wird allein durch einen entgegenstehenden Parteiwillen ausgeschlossen2198 und abstrahiert von der konkreten Interessenlage unter Berück2195

2196 2197

2198

Ein eindringliches Beispiel für einen einem solchen Wahlrecht entgegenstehenden Willen schildert auch Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 135 f.: „Let me tell you a story about a meeting of the Professional Negligence Bar Association which was convened to discuss the case of Rogers v Whitaker and its implications for the Bolam test. [In diesem australischen Fall war eine auf einem Auge erblindete Lehrerin an der Augenpartie operiert worden, ohne auf ein Risiko von 1:14.000 hingewiesen worden zu sein, dass sie dadurch auf ihrem gesunden Auge erblinden könne. Das Risiko realisierte sich. Die australischen Gerichte verurteilten den behandelnden Arzt wegen ungenügender Aufklärung, obwohl es eine verbreitet akzeptierte Praxis darstellte, nicht über dieses Risiko aufzuklären.] A distinguished High Court Judge opened the meeting with a scathing critique: ‚Bolam should of course prevail. The Australian judges were plainly wrong.‘ A very senior Silk [d.h. barrister] then stood up. ‚Not many of you know this,‘ he began, ‚but I am a one-eyed man, having lost sight of my other eye long ago, and I can tell you that if I were offered this operation and told that there was even a 1 in 10 million chance of it costing me the sight in my good eye, I would certainly refuse to undergo it. That is how important my remaining sight is to me.‘ He sat down amidst general recognition that this personal statement, from the most directly relevant standpoint imaginable, made the strict application of Bolam to those facts seem both misguided and wrong. Or perhaps you disagree, but that is how it struck the meeting.“ Vgl. Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 110. Vgl. Teff, Care, S. 165, der im Kontext der Diskussion eines primär vertraglichen Rahmens für medizinische Dienstleistungen feststellt: „But as the public service of ethic of the NHS progressively gives way to a more commercial one, health care is more readily perceived as a commodity and its provision as a matter of private ordering. The more this altered perception takes root, the stronger might appear to be the case for a contractual framework, with terms designed by the parties, in place of externally imposed criteria, largely shaped by the medical profession via the Bolam ‚one club‘ approach“ (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. dazu ab S. 64.

324

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sichtigung rechtspolitischer Wertungen hin zur typischen. Es fragt sich also abstrakttypisierend, ob der Wille des Gläubigers der Zuweisung eines Wahlrechts zwischen mehreren objektiv angemessenen Vorgehensweisen entgegensteht.

aa) Typische Interessenlage Dagegen spricht zunächst, dass zumindest die Beziehung zwischen Ärzten, Anwälten sowie Architekten und ihren jeweiligen Vertragspartnern regelmäßig auf einem dem Dienstleister entgegengebrachten Vertrauen in dessen Person und Fertigkeiten basiert2199. Denn dieses folgt geradezu als Kehrseite in aller Regel aus der mangelnden Sachkunde des Gläubigers: Die Vertragsparteien werden die Auswahl der konkreten Vorgehensweise, wie referiert2200, im Zweifel selbst dann, wenn der Gläubiger sachkundig ist, dem Dienstleister überlassen wollen und nicht dem Gläubiger. Ist dies hingegen ausnahmsweise doch der Fall, ändert dies an der Bewertung der typischen Interessenlage nichts. Man wird daher davon ausgehen dürfen, dass der durch Bolam etablierte Konkretisierungsmechanismus dem Vertrag durch implication in law by courts hinzugefügt wird. Eine entsprechende Rechtsregel ist jedenfalls seit Bolam, wahrscheinlich aber auch schon zuvor für den supply of services durch professional men anerkannt2201.

bb) Berücksichtigung der Gläubigerinteressen Die rechtspolitisch wünschenswerte Absicherung einer Berücksichtigung der Gläubigerinteressen findet dabei im englischen Recht durch Integration in den Konkretisierungsmechanismus statt; denn nur objektiv angemessene Vorgehensweisen können überhaupt gewählt werden. Losgelöst davon werden die Gläubigerinteressen zusätzlich durch das Bestehen von Aufklärungspflichten hinsichtlich potentieller Leistungsmodalitäten abgesichert2202. Anderes gilt nur, falls die Beratung selbst den Leistungsinhalt bildet. Denn dann findet eine zusätzliche Absicherung insoweit nicht statt, als eine Aufklärung über die Beratung selbst – eine Metaberatung – typischerweise weder explizit noch implizit vertraglich vereinbart wird2203. In diesem Zusam2199

Vgl. Oswald Hickson Collier & Co v Carter-Ruck [1984] AC 720, 723 per Lord Denning MR (CA, solcitior); allgemein etwa Jackson/Powell, Negligence, §§ 2–125 ff. 2200 Vgl. ab S. 294. 2201 Bolam formuliert nämlich eigentlich keine neuartigen Grundsätze, vgl. ab S. 334. 2202 Vgl. zu ihnen ausführlich ab S. 350. 2203 Aufzuklären ist aber in gewissen Grenzen auch über eigene Fehlleistungen oder Unfähigkeit, vgl. Alan Clive Gold v. Mincoff Science & Gold (a firm) (2000) WL 33 148 680 (Ch D) Tz. 98 ff.; Williams v Fanshaw Porter & Hazelhurst (a firm) [2004] 1 WLR 3185 (CA); Allen v Tucker [2001] PNLR 884 (Tz. 6–10, 36–38, 48); Jackson/Powell, Negligence, § 10–164 m. Fn. 65 (solicitor); Stag Line Ltd v Tyne Shiprepair Group Ltd („The Zinnia“) [1984] 2 Lloyd’s Rep 211 (HC); Chesham Property Ltd v Bucknall Austin Project Management Services Ltd (1996) 53 Con LR 1, Tz. 52 ff., 81 per Judge Hicks QC (HC); Emden/Palmer, § II–331

§ 10 Die Konkretisierung der Leistungspflicht durch Auswahlentscheidung

325

menhang ist drittens zu berücksichtigen, dass die Aufklärung – wie zumeist im Arzthaftungsrecht – auch wenn sie vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart ist, u.U. notwendig erfolgen muss, um eine deliktische Haftung zu vermeiden. In diesem Fall konkretisieren die zum Zwecke der Aufklärung mitgeteilten Informationen typischerweise auch den vertraglichen Leistungsinhalt2204. Wie weit der dadurch bewirkte Schutz der Gläubigerinteressen reicht, hängt vom Umfang der Aufklärungspflicht ab.

III. Die Bedeutung des Konkretisierungsmechanismus für die Gegenleistung Da sich auch die vom Gläubiger geschuldete Gegenleistung nach der Schwierigkeit und dem Umfang der Dienstleistung richtet, weil die Vergütung der erbrachten Dienstleistung – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (s. 15(2) SGSA) – angemessen sein muss (s. 15(1) SGSA), wirkt sich der vorgestellte Konkretisierungsmechanismus für die Leistung auch auf die vom Gläubiger geschuldete Gegenleistung aus. Konsequenz daraus ist, dass je freier der Schuldner Vorgehensalternativen wählen kann und je weniger er darüber aufklären muss (auch auf die Aufklärungspflicht findet nämlich der Bolam-Test Anwendung2205), er umso mehr Einfluss auf die Gegenleistung nehmen kann. Die Position des Dienstleisters wird durch den vorgestellten Konkretisierungsmechanismus doppelt gestärkt.

D.

Fazit

Die PELSC und der DCFR auf der einen und das englische Recht auf der anderen Seite wählen unterschiedliche Ausgangspunkte für die Konkretisierung der im Vertrag typischerweise nur rahmenhaft umschriebenen Leistung: Während nach den PELSC und dem DCFR die Leistungskonkretisierung primär dem Gläubiger und nur sekundär dem Schuldner zugewiesen ist – der dem Gläubiger darüber hinaus auch noch die Möglichkeit einer Revision geben muss –, erfolgt die Leistungskonkretisierung nach englischem Recht ebenso wie nach deutschem Recht primär durch Auswahlentscheidung des Schuldners zwischen prima facie tauglichen Leistungen. Im praktischen Ergebnis werden sich englisches, deutsches Recht, PELSC und DCFR allerdings zunächst deswegen sehr nahe sein, weil der Gläubiger sogar, wenn er selbst sachkundig ist, typischerweise die Vornahme der Auswahlentscheidung als Teil der vom Dienstleister geschuldeten Leistung begreifen wird. Insofern wird er diese – unter der Bedingung, dass sie seine Interessen in den Blick nimmt – grundsätzlich nicht nur dem Dienstleister überlassen wollen, sondern sogar erwarten, dass dieser die „richti(Architekt); Naylor v Preston Area Health Authority and others [1987] 1 WLR 958, 968 per Lord Donaldson MR (CA, obiter); Powell v Boldaz (1997) 39 BMLR 35 per Stuart-Smith LJ (CA, lexis); vgl. auch von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 427 m. Fn. 1501; zu anderen Common-Law-Jurisdiktionen Jones, in: Grubb, Principles, § 6.65 (Arzt). 2204 Vgl. ab S. 350. 2205 Vgl. ab S. 439.

326

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

ge“ Art und Weise der Leistung auswählt. In dieselbe Richtung wirken die später zu erörternden Aufklärungspflichten, die dem Gläubiger eine reflektierte Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Zielerreichung zumeist überhaupt erst ermöglichen.

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen im englischen Dienstleistungshaftungsrecht Zunächst soll aber der Frage nachgegangen werden, wie es möglich sein konnte, dass das englische Recht auf der Grundlage des Bolam-Tests scheinbar anders als das deutsche Recht, die PELSC und der DCFR lange Zeit die Interessen des konkreten Gläubigers kaum in den Blick nahm.

A.

Betonung der Verpflichtungsperspektive

Einen wichtigen Faktor dafür dürfte zunächst der nicht dienstleistungsspezifische Umstand bilden, dass das englische Recht herkömmlich nicht in der Form subjektiver Rechte „denkt“2206; ihm ist eher eine Betrachtung der Pflicht eigen2207. Dass somit nicht die Berechtigung des Gläubigers, sondern die Verpflichtung des Schuldners den 2206

Röhl (Allgmeine Rechtslehre, S. 554) geht davon aus, deshalb gelinge es dem englischen Juristen nicht, sich die Abtretung der Ansprüche aus einem Vertrag vorzustellen, und aus demselben Grund hätten auch erhebliche Vorbehalte gegenüber dem Vertrag zugunsten Dritter bestanden, die erst durch den Gesetzgeber ausgeräumt worden seien. 2207 Vgl. Teff, Care, S. 173 f. Zur Betonung des Versprechens im vertraglichen Kontext und der Bedeutung dieses Umstands für das englische Vertragsverständnis oben ab S. 61. Eine Stütze findet die im Text vertretene These z.B. in folgender Überlegung: Die Verurteilung zu specific performance bildet zumindest theoretisch die Ausnahme. Der Gläubiger muss erst ein besonderes Interesse an der Naturalleistung nachweisen, was sich mit der Vorstellung eines subjektiven Rechts auf die Leistung nur schwerlich vereinbaren lässt. Dieses RegelAusnahme-Verhältnis kann man aus dem Willen heraus erklären, die Verpflichtung des Schuldners zu begrenzen: Diese soll nicht allzu streng ausfallen; der Schuldner soll vielmehr in den Schadensersatz fliehen dürfen, wo eine alternative Erfüllungsmöglichkeit besteht, deren Inanspruchnahme dem Schuldner billigerweise zugemutet werden kann (vgl. Downes, Contract, S. 325, der sich dies u.a. im Liberalismus des 19. Jahrhunderts begründet sieht). Das Bedürfnis, den Schuldner nicht allzu streng zu verpflichten, mag indessen für die Fälle der strikten Haftung auch ganz praktisch mit dem (nahezu) vollkommenen Fehlen von Entlastungsmöglichkeiten zusammenhängen. Denn dieses dürfte nicht nur „praktisch einen Druck auf diejenigen Voraussetzungen der Haftung nach sich ziehen“, in denen Konkretisierungsspielräume bestehen (Schmidt-Kessel, Standards, S. 291), sondern ohnehin tendenziell eher zur Zurückhaltung bei der Festlegung des Umfangs der Verpflichtung anhalten. Das neue deutsche Schuldrecht begreift die Vertragsdurchführung hingegen eher als Chance, wie insbesondere an den Fristsetzungserfordernissen als Voraussetzung ein Abgehen vom Vertrag auf Seiten des Gläubigers deutlich wird,

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

327

gedanklichen Ansatzpunkt bildet2208, dürfte zur Folge haben, dass „im Rechtsdenken des Common Law der Individualismus und Formalismus stärkeres Gewicht haben“2209 als z.B. im deutschen Vertragsrecht. Individualismus soll hier mit Kötz dahin verstanden werden, „dass die Parteien in erster Linie auf ihre eigenen Kräfte vertrauen, sich selbst als ihres Glückes Schmied ansehen, die lex contractus selbst durch ihre Vereinbarung vollständig festlegen und dem Staat und der Obrigkeit, also auch: dem Richter nur eine eingeschränkte Rolle bei der Ermittlung des Vertragsinhalts zuweisen wollen“2210. Dass ein so verstandener Individualismus das englische Vertragsverständnis beeinflusst, ist nicht zuletzt an den Regeln über die implication of terms deutlich geworden2211. Hinzukommt allerdings auch eine gegenüber dem deutschen Vertragsrecht stärkere Berücksichtigung äußerer Umstände, die man mit Kötz „formal“ nennen kann. Die englische Methodik der Vertragsauslegung ist durch eine gegenüber der deutschen Methodik stärkere Wertschätzung des Vertragswortlauts geprägt. Denn der Schwerpunkt der Vertragsauslegung liegt eher auf dem objektiv, d.h. losgelöst vom „wirklichen“ Parteiwillen interpretierten Leistungsversprechen als auf der Ermittlung von Bestehen und Umfang einer subjektiven Willensübereinstimmung2212, wie Lord Steyn in einer jüngeren Entscheidung noch einmal betont hat: “It is true the objective of the construction of a contract is to give effect to the intention of the parties. But our law of construction is based on an objective theory. The methodology is not to probe the real intentions of the parties but to ascertain the contextual meaning of the relevant contractual language. Intention is determined by reference to expressed rather than actual intention. The question therefore resolves itself in a search for the meaning of language in its contractual setting … That does not mean that the purpose of a contractual is not important. The commercial or business object of a provision, objectively ascertained, may be highly relevant … But the court must not try to divine the purpose of the contract by speculating about the real intention of the parties. It may only be inferred from the language used by the parties, judged against the objective contextual background. It is therefore wrong to speculate about the actual intention of the parties in this case …”2213 Steht also der Wortlaut des Versprechens im Mittelpunkt, ist nachvollziehbar, wie es möglich ist, sich z.B. im Arzthaftungsprozess auf das Leistungsversprechen des Schuldners und dessen Umsetzung zu konzentrieren.

welche dem Schuldner reflexartig ein „Recht zur zweiten Andienung“ einräumen, vgl. §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB. 2208 Das gilt auch und gerade für Bolam, vgl. MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 11, 13 m.w.N. 2209 Kötz, FS Heldrich, S. 771, 775. 2210 Kötz, FS Heldrich, S. 771, 776. 2211 Vgl. dazu oben ab S. 64. 2212 Vgl. Dazu auch Samuel/Rinks, Obligations, S. 210 f.; Kötz, FS Heldrich, S. 771, 776. 2213 Deutsche Genossenschaftsbank v Burnhope [1995] 1 WLR 1580, 1587 (HL).

328

B.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Die Bedeutung der Ausübung eines common calling für die Dienstleistungshaftung

Nicht allein das Arzthaftungsrecht, in dem die Konzentration auf die handwerklichtechnische Seite besonders deutlich wird, hat seine Wurzeln in der jeden „professionellen“ Dienstleister treffenden Pflicht zu angemessener Sorgfalt und entsprechendem Geschick. Die für diesen gesetzgeberisch in s. 13 SGSA bestätigten Modellinhalt des Leistungsversprechens maßgeblichen Leitentscheidungen beschäftigen sich mit Ärzten, Veterinären, Apothekern und Anwälten, wobei – zumindest in der den supply of services prägenden Zitiertradition – nach Zahl und Häufigkeit die erst- und letztgenannte Profession zu dominieren scheint. Daher wurde bereits die These aufgestellt, dass beide Paradigmen für den „professional man“ bilden und dass die Entwicklung des Dienstleistungshaftungsrechts sich an ihrem Vorbild orientiert hat2214.

I.

Die Vermutung angemessener Sachkundigkeit für Betreiber eines common calling

Die medizinische Behandlung war ebenso wie der Rechtsrat oder der Betrieb einer Apotheke ein common calling. Bei dieser Rechtsfigur ist die Ausgangssituation der des § 362 HGB nicht unähnlich2215: Ein Anbieter erklärt öffentlich seine Bereitschaft, eine oder mehrere bestimmte Dienstleistungen gegen Entgelt zu erbringen2216. Derartiges kam nur für bestimmte Berufsgruppen in Betracht2217, die nach der zusammenfassenden Umschreibung von Holmes „the general obligation of those exercising a public or ‚common‘ business to practise their art on demand, and show skill in it“2218 traf. Verbunden mit dem common calling war – damals wie heute2219 – die Vermutung, dass die Betreiber in der Ausübung ihrer „Kunst“ angemessen befähigt waren2220. Die Verpflichtung, eine dieser Befähigung entsprechende Leistung zu erbringen, wurde losgelöst von einem Vertragsschluss2221 scheinbar einfach aufgrund des Betreibens eines calling versprochen2222: 2214

Vgl. ab S. 146. Die Rechtsfolgen sind nur in Grenzen vergleichbar. Ob es eine allgemeine Kategorie von Rechtsverhältnissen gegeben hat, die durch ein „common calling“ begründet wurden, ist zweifelhaft (vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 281), hier aber nicht zu erörtern. 2216 Schmidt-Kessel, Standards, S. 281 m.w.N. 2217 Beispiele sind der carrier, innkeeper und farrier (Walker, The Oxford Companion to Law, S. 252; weitere Beispiele bei Schmidt-Kessel, Standards, S. 283). Es etablierte sich ganz vornehmlich eine strikte Haftung für die Angehörigen solcher Berufsgruppen, (vgl. Walker, a.a.O.; näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 281 ff.) nicht aber für Ärzte und Anwälte (vgl. ab S. 623). 2218 Holmes, The Common Law, S. 184 (zitiert nach Teff, Care, S. 174). 2219 Vgl. auch Gold v Haringey Health Authority [1988] QB 481, 489 per Lloyd LJ. 2220 Teff, Care, S. 174. 2221 Simpson, History, S. 206 f. Diesen vorzutragen war im vierzehnten Jahrhundert für den Kläger nachgerade schädlich, vgl. Simpson, History, S. 207 ff. 2215

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

329

“Herein lies the difference between these professional men and other persons who have been held to be under no duty to use care … Those persons do not bring, and are not expected to bring, any professional knowledge or skill into the preparation of their statements … It is, however, very different with persons who engage in a calling which requires special knowledge and skill. From very early times it has been held that they owe a duty of care to those who are closely and directly affected by their work, apart altogether from any contract or undertaking in that behalf. ”2223 Im Hintergrund steht dabei die Vorstellung2224, dass „[t]he public profession of an art is a representation and undertaking to all the world that the professor possesses the requisite ability and skill. An express promise or express representation in the particular case is not necessary“2225. Aus diesem Status wurden bspw. die rechtlichen Pflichten eines Arztes abgeleitet 2226.

II.

Die Maßgeblichkeit der Erwartungen der Öffentlichkeit

Dass zunächst der Status des Schuldners und nicht die Interessen des konkreten Gläubigers oder die Parteivereinbarungen standardbegründend wirkten2227, macht leichter nachvollziehbar, dass den Vorstellungen des konkreten Gläubigers wenig Aufmerksamkeit zukam. Die Haftung des Schuldners reflektierte insoweit nämlich nicht die Verletzung irgendwelcher Rechte dieses Gläubigers, sondern die Unzulänglichkeit des Gewerbetreibenden bzw. Angehörigen einer gelehrten Profession2228, durch die die Erwartungen der Öffentlichkeit enttäuscht wurden, die auch heute noch teilweise als Maßstab für die Bestimmung des Schuldinhalts herangezogen

2222

Simpson, History, S. 229, 233; Teff, Care, S. 174; ganz ähnlich Powell, in: Birks, Wrongs, S. 53; vgl. auch Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.01; für das amerikanische Arzthaftungsrecht Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 274 f.; ablehnend zum Versuch einer Haftungsbegründung durch einen von einer consideration unabhängigen „contract implied in law“ oder „quasi-contract“ mit Recht Silver, [1992] Winsconsin Law Review 1193, 1198 f. m. Fn. 20. 2223 Candler v Crane, Christmas Co [1951] 2 KB 164, 179 f. per Denning LJ (CA); Hedley Byrne & Co Ltd v Heller & Partners Ltd [1964] AC 465, 530 per Lord Devlin, 538 f. per Lord Pearce (HL). 2224 Vgl. Simpson, History, S. 206 f., 234; Holdsworth, History VIII, S. 449 ff. 2225 Harner v Cornelius (1858) 5 CB (NS) 236, 246 per Wiles J (zit. nach Jones, Negligence, § 3–006 m. Fn. 6); Bell v Peter Browne Co [1990] 2 QB 495, 508 f. per Bedlam LJ (CA): „The obligation of a solicitor in carrying out his retainer is to exercise the care and skill of a competent solicitor. His duty to act with that degree of care and skill arises originally from the fact that a professional man warranted that he possessed and would exercise in the execution of the task he undertook the care and skill expected of a person practising that profession: see Harmer v. Cornelius (1858) 5 C.B.N.S. 236“ (Hervorhebung hinzugefügt). 2226 Ausführlich dazu Teff, Care, S. 159 f., 173 ff. 2227 Teff, Care, S. 174. 2228 Teff, Care, S. 174; Simpson, History, S. 233 f.

330

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

werden2229. Konzeptionelle Grundlage für „negligence“ ist – anders als bei trespass und im Vertragsrecht – nicht eine individuelle Rechtsposition, sondern die Konzentration auf „welfare via the objectivized standard of care which it imposes“2230. Dies wirkt insbesondere im Rahmen der Entwicklung ärztlicher Aufklärungspflichten nach2231. Dass nicht in allen Fällen deutlich wird, ob das „unternommen haben“ (assumpsit) vom Kläger zu beweisende Haftungsvoraussetzung war oder ob der Gewerbebetrieb – das „public calling“ – ausreichte2232, spielt insoweit eine untergeordnete Rolle, da die Erwartungen der Öffentlichkeit sowohl bei Schlecht- als auch bei Nichtleistung enttäuscht werden. Von Beginn an galt für Betreiber eines common callings auch die sonst übliche, heute grundsätzlich überwundene2233 Einteilung in deliktische Haftung für Schlechtleistung (misfeasance) und vertragliche Haftung wegen Nichtleistung (nonfeasance) nicht: Sie hafteten nicht nur deliktisch, wenn sie die übernommene Aufgabe schlecht erfüllten, sondern auch, falls sie gar nicht tätig wurden2234. Dies bedeutete zunächst eine Haftungsverschärfung, d.h. eine Verbesserung der Gläubigerposition. Denn „gewöhnliche“ Dienstleister, die ihre Leistung nicht im Rahmen eines common calling erbrachten, hafteten nur für eine unzureichende Leistung, falls sie das ausdrücklich abgegebene Versprechen, einen Erfolg herbeizuführen, gebrochen hatten2235.

III. Konzentration auf die handwerkliche Qualität der Leistung Eine zentrale Rolle bei der Haftungsbegründung spielte nach den bisherigen Feststellungen die Enttäuschung der Erwartungen der Öffentlichkeit. Diese erwartete jedenfalls bei Durchführung der Aufgabe angemessene Sachkunde und angemessenes Geschick. Entsprach die erbrachte Leistung einer mit angemessener Sachkunde und entsprechendem Geschick erbrachten Leistung nicht, war sie – gemessen an den Erwartungen der Öffentlichkeit – unzulänglich. War die Leistung dagegen mit angemessener Sachkunde und entsprechendem Geschick erbracht worden und wurde gleichwohl im konkreten Fall ein ungünstiges Ergebnis erreicht, haftete der Schuldner nicht. Denn die Haftung war, soweit es Ärzte, Anwälte usw. betraf, von vorneherein nicht strikt2236. Bereits Entscheidungen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts zeigen Ansätze für eine Entwicklung dessen, was heute als (deliktische oder vertragliche) Haftung für negligence qualifiziert werden müsste2237. So wird in dem wahr2229

Vgl. ab S. 257. Teff, Care, S. 195. 2231 Vgl. ab S. 439. 2232 Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 165 m. Fn. 11 und w.N. 2233 Vgl. zu ihren Nachwirkungen für die Abgrenzung zwischen Vertrag und Delikt aber Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 165 ff. 2234 Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 166. 2235 Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1196. Die Hintergründe dieser Differenzierung sind nicht leicht aufzuklären, vgl. Simpson, History, S. 229. 2236 Winfield, (1926) 42 LQR 184, 187 f.; Teff, Care, S. 175; Schmidt-Kessel, Standards, S. 283. 2230

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

331

scheinlich ersten dokumentierten Arzthaftungsfall2238 die Haftungsentlastung mit einer Analogie zur Haftung eines Veterinärs begründet: Dieser hafte nicht, „if he does all he can and applies himself with all due diligence to the cure“2239. Ganz ähnlich einer negligence-Klage nach heutigem Recht konzentrierte sich die Fragestellung bei den mittelalterlichen Klagen auf die Frage der Pflichterfüllung durch die Ausübung der Sorgfalt, die unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände angemessen erschien. Ein wesentlicher Umstand war insoweit, wie gesehen, der besondere Sachverstand des betreffenden Dienstleisters2240: Ärzte usw. waren verpflichtet, sich so zu verhalten, wie es für eine Person mit entsprechendem Sachverstand angemessen erschien. Die Anforderungen unterscheiden sich damit kaum von denen, die heute an die Vermeidung einer Haftung aus dem tort of negligence gestellt werden. Im Gegenteil, „the doctrine of common callings merely reflected a first conception of ‚duty‘ and ‚circumstances‘, as those words bear on today’s notions of negligence. The medieval physician was liable under the rule of common callings and medieval medical malpractice cases were thus based on negligence and little else“2241. Da die Öffentlichkeit insoweit insbesondere – dem mit dem common calling verbundenen Status des Schuldners entsprechend – die sachkundige und geschickte Aufgabendurchführung erwartete, dürfte nicht nur die Interessen des konkreten Gläubigers, sondern auch die Qualität des Ergebnisses der Bemühungen aus dem Blick geraten sein2242, worin ein weiterer Grund dafür liegen mag, dass die Haftung sorgfaltsabhängig war und nicht – auf das Ergebnis orientiert – strikt.

IV. Die historische Bedeutungslosigkeit einer Gegenleistung Die Konzentration auf den Status des Schuldners und die damit verbundene Ablösung von konkreten Parteiinteressen spiegelt sich auch in dessen Entlohnung durch den Gläubiger wider. Denn nach common law waren physicians scheinbar2243 ebenso wie barristers nur zu einem honorarium berechtigt, das keine consideration darstellt und nicht erzwungen werden kann2244. D.h. Ärzte erhielten – anders als Apotheker oder andere an eher „kommerziellen“ Transaktionen Beteiligte2245 – (und nicht zuletzt in 2237

Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1195; Simpson, History, S. 218 ff.; Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 164 ff. 2238 The Surgeon’s Case (oder Morton’s Case) (1374) 48 Edw 11, vgl. Teff, Care, S. 175. 2239 Abgedruckt bei Teff, Care, S. 175; insoweit nicht abgedruckt bei Fifoot, History, S. 82 f. 2240 Simpson, History, S. 233. 2241 Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1205; Teff, Care, S. 175; i.E. Schlechtriem, Vertragsordnung, S. 164 ff., 274. 2242 Powell, in Birks, Wrongs, S. 49: „The focus of the duty is on the standard of performance and not result“. 2243 Dies ist historisch für Ärzte noch nicht endgültig aufgeklärt, vgl. Teff, Care, S. 176. 2244 Vgl. auf S. 48. 2245 Damals wie heute wurde bzw. wird ein Arzt eher dann, wenn er Medikamente, Prothesen usw. verkauft bzw. herstellt oder nicht medizinisch indizierte Behandlungen (Schönheits-

332

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Anerkennung ihrer besonderen Position als „Heiler“) für die Behandlung keine Gegenleistung, sondern lediglich das, was ihnen aus freien Stücken dafür überlassen wurde2246. Vor diesem Hintergrund kann Lord Kenyon in Turner v Philipps auf die allgemeine Auffassung der Profession Bezug nehmen, dass „the fees of barristers and physicians were as a present by the client, and not a payment or hire for their labour“2247. Über Jahrhunderte hinweg scheint für die Qualität der geschuldeten Dienstleistung zunächst allein der Status des Leistenden relevant gewesen zu sein2248 und nicht, ob der Gläubiger eine Gegenleistung erbrachte oder nicht2249: “Those authorities settled the law … for 100 years. … it had been held ever since 1789 that, if a professional man undertook a task involving his skill, without any fee at all, he was liable if he performed it negligently”2250. Diese Position setzt sich bis ins 20. Jahrhundert fort: “It is well established that if a doctor proceeded to treat a patient gratuitously, even in a case where the patient was insensible at the time and incapable of employing him, the doctor would be bound to exercise all the professional skill and knowledge he possessed, or professed to possess, and would be guilty of gross negligence if he omitted to do so”2251.

chirurgie) vornimmt, als Unternehmer wahrgenommen, vgl. Teff, Care, S. 160 f. Vor diesem Hintergrund scheint auch ein Arzt dann folgerichtig für Produkte strikt zu haften, vgl. unten ab S. 663. 2246 Teff, Care, S. 176. 2247 Turner v Philipps (1792) Peake N 166, 170 ER, 116 (zit. nach Teff, Care, S. 176 m. Fn. 10); vgl. ferner Shiells and Thorne, etc. v Blackburne (1789) 1 H Bl 158, 161 (zit. nach Teff, Care, S. 176): „… if a man gratuitously undertakes to do a thing to the best of his skill, where his situation or profession is such as to imply skill, an omission of that skill is imputable to him as gross negligence“ (per Lord Loughborough). „The surgeon would also be liable for such negligence, if he undertook gratis to attend a sick person, because his situation implies skill in surgery“ (per Heath J). 2248 Teff, Care, S. 176 (für die Arzthaftung). 2249 Vgl. Simpson, History, S. 238. Der Entscheidung Marshal’s Case (1441) 19 Hen IV, H.f. 49, pl. 5 lässt wohl richtigerweise nichts anderes entnehmen, vgl. Simpson, History, S. 237 f. 2250 Rondel v Worsley [1967] 1 QB 443, 500 per Lord Denning MR (CA). Vgl. auch Denning LJ in Cassidy v Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 359 (CA): „If a man goes to a doctor because he is ill, no one doubts that the doctor must exercise reasonable care and skill in his treatment of him: and that is so whether the doctor is paid for his services or not“. 2251 Banbury v Bank of Montreal [1918] AC 626, 689 per Lord Ashburton (HL); Everett v Griffiths [1920] 3 KB 163, 213 per Atkin LJ (CA); Hedley Byrne & Co Ltd v Heller & Partners Ltd [1964] AC 465, 495 per Lord Morris Borth-Y-Gest (HL).

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

V.

333

Konsequenzen

Nach alledem liegt die Vermutung nahe, dass die Absprachen und Vorstellungen des Schuldners sowie des Gläubigers professioneller Dienstleistungen insgesamt nur eine Nebenrolle spielten; sie wurden dem „öffentlichen“ Charakter des Rechtsverhältnisses untergeordnet2252. Die öffentliche Bedeutung2253 der callings beeinflusste die dogmatische Grundlage der Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger. Das äußert sich etwa darin, dass in Swinfen v Lord Chelmsford festgestellt wird, der barrister schließe mit seinem Mandanten keine Verträge, sondern übernehme mit dem Mandat ein „office“: “We are all of the opinion that an advocate at the English Bar, accepting a brief in the usual way, undertakes a duty, but does not enter into a contract or promise, express or implied. Cases may indeed occur where, on an express promise, he would be liable in assumpsit; but we think a barrister is to be considered not as making a contract with his client, but as taking upon himself an office or duty.”2254 Auf dieser Basis ließe sich etwa erklären, dass eine Verpflichtung des Gläubigers zu einer Gegenleistung – die der Berücksichtigung seiner Interessen objektiv betrachtet eher Nachdruck zu verleihen geeignet sein dürfte2255 – die Anforderungen an die Leistung des Schuldners ursprünglich nicht berührt hat. Freilich dürften die Gerichte damit nur einen Mindeststandard abgesichert wissen wollen. Dies wird man auch jüngeren Entscheidungen noch entnehmen können, während heute die vereinbarte Gegenleistung – jedenfalls für die hier untersuchten Dienstleistungen – insoweit relevant ist2256, als sie sich eignet, den Parteiwillen zu beeinflussen2257. Nach deutschem Recht muss dieser Einfluss im Rahmen der sog. Rentabilitätsvermutung sogar vom beklagten Schuldner widerlegt werden2258, doch wird man dies nicht verallgemeinernd auf das englische Recht übertragen können. Die Grundsätze über die Auswirkung der Vereinbarung eines Erfolgshonorars bilden insoweit etwa ein klares Gegenbeispiel2259. Die Konzentration auf die professionsinternen Standards und der durch Bolam etablierte Leistungskonkretisierungsmechanismus dürften losgelöst davon zumindest teilweise historisch begründet sein. Die Berücksichtigung von Interessen des konkre2252

So Teff, Care, S. 176. Dies wird auch in heute noch deutlich, wenn gesagt wird: „An architect is a professional and as such is expected to carry out his skilled and specialised work to a high standard for its own sake. Arguably, he ows a duty to the community which goes beyond that which he owes to his client“ (so Fernyhough/Franklin, in: Burns, Obligations, S. 15). 2254 Swinfen v Lord Chelmsford (1860) 5 H & N 890, 920 (zit. nach Graef, Haftung, S. 127). 2255 Vgl. insoweit auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 226. 2256 Für ärztliche Dienstleistungen allerdings eher theoretisch als praktisch, vgl. Teff, Care, S. 165 f. 2257 Vgl. für die Arzthaftung Roe v Minister of Health [1954] 2 QB 66, 89 per Morris LJ (CA). 2258 BGHZ 123, 96, 99; Palandt /Grüneberg, BGB § 281 Rn. 24 m.w.N. 2259 Vgl. S. 518. 2253

334

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

ten Gläubigers hat – mit einer Ausnahme – keine Tradition: Erwarten darf der Gläubiger nur, dass der Schuldner angemessen kompetent ist und angemessen sorgfältig vorgeht; andere oder weitere Interessen spielen für die Feststellung einer Pflichtverletzung – zumindest ausdrücklich – keine Rolle. Die Angemessenheit von Sorgfalt und Kompetenz wiederum bestimmt sich in erster Linie aufgrund des Schuldnerstatus als Gewerbetreibender bzw. Angehöriger einer gelehrten Profession. Den Gegenstand des durch eine defizitäre Leistung verursachten Vorwurfs bildet nicht unmittelbar die Beeinträchtigung der Interessen des konkreten Gläubigers, sondern zunächst das „handwerkliche Versagen“2260, durch das die Erwartungen der Öffentlichkeit an den Betreiber eines callings enttäuscht werden.

C.

Die gedankliche Identifizierung der Standards für Sachkunde und Sorgfalt

Diese Sicht der Dinge könnte erklären, warum sich die Gerichte lange Zeit nicht deutlicher auf eine autonome Bestimmung des Sorgfaltsstandards festlegen woll(t)en, sondern diesen auf der Grundlage des Bolam-Tests als Frage des „professional judgement“ in weitem Umfang den Berufsgenossen selbst – nur (aber immerhin) faktisch – zur Beantwortung zuweisen bzw. zugewiesen haben2261. Darüber hinaus scheint – auch vor diesem Hintergrund – die Beziehung zwischen dem haftungsbegründenden Status, der schließlich auf den Erwartungen der Öffentlichkeit an die Profession basierte, und den innerhalb der Profession tatsächlich erreichten Standards zunehmend unklar geworden zu sein2262. Für das amerikanische Arzthaftungsrecht hat diese Entwicklung Silver unter Bezugnahme auf auch für das englische Recht aufschlussreiche Mechanismen nachgewiesen und begründet.

I.

Die Entwicklung im amerikanischen Arzthaftungsrecht

Laut Silver führte die Rechtspflicht des Arztes noch in amerikanischen Entscheidungen aus dem frühen 19. Jahrhundert ein Zwei-Stufen-Dasein („two-tier entity“)2263: (1) Zuerst verpflichtete sein calling den Mediziner, die für einen kompetenten, qualifizierten Arzt übliche Sachkunde zu besitzen. Bei der eigentlichen Behandlung des Patienten war er, (2) dazu verpflichtet, „ordinary care“ auszuüben. Damit war die Sorgfalt gemeint, die jede vernünftige Person – also gerade nicht lediglich ein Angehöriger der betreffenden Profession, sondern die Öffentlichkeit – unter den gegebenen Umständen erwartet hätte. Später begannen einige Gerichte jedoch „careless2260

Teff, Care, S. 174; vgl. auch Simpson, History, S. 233: „The professional status of the defendant can also be used to show in more general terms what standard of conduct is appropriate; thus in an action against a surgeon the defendant may be said to have undertaken to cure ‚according to his calling‘. This makes it clear that the action is brought because the surgeon has fallen below the standards of his craft“. 2261 Vgl. ab S. 273. 2262 Vgl. Teff, Care, S. 177. 2263 Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1220.

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

335

ly to overlook the distinction between (1) the skill with which a physician was obliged to approach his task, and (2) the care that he was obliged to give it.“ Sie fingen an „blindly to blend the two very different concepts to form one misguided idea: that the physician’s duty was that of ordinary skill and care which meant the skill and care that would be manifest generally within the profession … these same courts further misled themselves by misreading the articulated rule that rendered custom relevant to the matter of ordinary care as one that made custom equivalent to ordinary care“2264. Die erste Verwechslung – skill = care – zog folglich laut Silver einen weiteren Irrtum nach sich. Das Konzept von reasonable care wurde in der späteren Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr derart mit der gewöhnlichen medizinischen Praxis identifiziert, dass es schließlich sogar oft mit ihr gleichgesetzt wurde2265. Aus „reasonable care“ wurde also im Laufe der Zeit „ordinary care“. Infolgedessen waren die Gerichte irgendwann sogar dahin zu verstehen, dass das common law bestimme, „that a physician’s duty is not measured by the ordinary rule of reasonableness, but rather by professional custom. The doctor is bound to do no more than follow ordinary practice within the profession“2266. Vor diesem Hintergrund „the medical community is answerable not for want of care but for want of conformity … [it] has the curious advantage of establishing, on its own, the standard of care to which it is legally obliged“2267. Die Ursache für diese Verschiebung der rechtlichen Anforderungen von der Berücksichtigung der medizinischen Praxis hin zur Übereinstimmung mit der (bzw. einer2268) medizinischen Praxis sieht Silver nicht sachlich begründet2269, sondern in „conceptual confusion, compounded by the law’s propensity toward ‚lazy repetition‘“2270. Die heutigen „Sonderregeln“ über die Sorgfalt von Ärzten beruhen damit im amerikanischen Arzthaftungsrecht letztlich auf einem doppelten Irrtum: Zum einen auf einer Identifizierung von Sorgfalt mit Sachkunde und zum anderen auf einer Identifizierung von „gewöhnlich“ mit „angemessen“. – „Thus, it seems, the professional custom rule was born, not by reason, but by linguistic and conceptual mutation – unintended, unplanned, and, at the very time of its birth, unseen“2271.

2264

Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1222 (Hervorhebung im Original). Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1211 ff. 2266 Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1212. 2267 Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1213. 2268 Ein Bolam entsprechender Konkretisierungsmechanismus existiert auch in der amerikanischen Rechtsprechung, vgl. Silver, [1992] Winsconsin Law Review 1193, 1212 f. 2269 Vgl. Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1216 ff. mit beeindruckenden Argumenten. 2270 Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1219. 2271 Silver, [1992] Wisconsin Law Review 1193, 1225. 2265

336

II.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Das englische Recht

Ein ähnliches „Missgeschick“ könnte für das englische Recht – mit Wirkung für Nachfolgeentscheidungen – zuerst McNair J. in Bolam unterlaufen sein2272 und sich dann im Zuge der kaum vorhersehbaren Entwicklung von Bolam zu dem zentralen „Test“ fortgesetzt haben.

1.

Konzeptionelle Trennung zwischen care und skill?

Zwar finden sich auch in den englischen Leitentscheidungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit den (öffentlichen) Vorstellungen bezüglich des von professionellen Dienstleistern geschuldeten Standards Bezugnahmen auf innerprofessionelle Standards, jedoch stets in einer Form, die nicht unbedingt auf eine Vermischung von care und skill im Hinblick auf eine definitve Wirkung der beruflichen Standards schließen lässt2273. Der Schuldinhalt wird auch dort mit „reasonable care and skill“ angegeben. In dieser Umschreibung spiegelt sich das von Silver nachgezeichnete, ursprünglich (ebenso) im amerikanischen Arzthaftungsrecht verfolgte Konzept der Trennung zwischen den Anforderungen an die Sachkunde (skill) und an die Sorgfaltsausübung (care) wider. Während im früheren amerikanischen Recht für die maßgebliche Sachkunde – wie gesehen – auf den beruflichen Standard abgestellt wurde, war dieser für die Sorgfaltsausübung nicht definitiv, sondern lediglich einer der relevanten Faktoren, wenngleich kein unbedeutender. Wie sich nun das englische Recht tatsächlich in dieser Frage verhalten hat, ist aufgrund der Formulierungspraxis der Gerichte nicht unbedingt festzulegen2274. Für beide Elemente gemeinsam, also „care and skill“, nehmen die Gerichte zunächst aber scheinbar nicht (abschließend) auf den tatsächlich erreichten Standard Bezug2275. Das zeigt noch recht deutlich die Umschreibung der Anforderungen an die ärztliche Leistung durch Scott LJ in Mahon v Osborne: “It is such a degree of care as a normally skillful member of the profession may reasonably be expected to exercise in the actual circumstances of the case in question. It is not every slip or mistake which imports negligence and, in applying the duty of care to the case of a surgeon, it is peculiarly necessary to have regard to 2272

Auch dürfte davon auszugehen sein, dass jedenfalls zu Beginn der Entwicklung der action of assumpsit Sorgfalt geschuldet war und zwar die Sorgfalt, die den Umständen nach angemessen schien, vgl. dazu Simpson, History, S. 219: „… the dicussion makes it clear that the medieval lawyers’ conception of negligence was not radically different from the modern conception, consisting in failure to do what reason dictated as appropriate, bearing in mind such matters as the cost of precautions, the type of risk, etc.“ 2273 Teff, Care, S. 178. 2274 Teff, Care, S. 178. 2275 Vgl. dazu Teff, Care, S. 178 f. sowie die dort wiedergegebenen Zitate aus Slater v Baker (1767) 95 ER 860, 862; Seare v Prentice 103 ER 376, 377 (1807), die den Bezug zur professionellen Praxis jedoch nicht ganz klar werden lassen.

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

337

the different kinds of circumstances that may present themselves for urgent attention.”2276 Scott LJ trennt hier zwischen dem „normally skillfull member of the profession“ und dem Grad an Sorgfalt, die von einem solchen unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise erwartet werden kann. Damit ist freilich nicht ausdrücklich gesagt, dass der gewöhnlich erreichte Standard dispositiv ist; aber nur wenige Entscheidungen (zum Arzthaftungsrecht) aus dem frühen 20. Jahrhundert nähern sich der Idee der Haftungsentlastung durch Konformität tatsächlich an2277. Auch dies geschieht zumeist lediglich obiter und nicht ohne unmittelbar anschließende Einschränkung. So hat bspw. Maugham LJ in der Sache Marshall v Lindsey County Council zunächst keine Zweifel an der „general truth of the observation … that a defendant charged with negligence can clear himself if he shows that he has acted in accord with general and approved practice“2278, fühlt sich aber daraufhin sofort veranlasst, die Gründung der in Rede stehende Praxis „on good sense“2279 zu unterstreichen. Die Frage, was geschehen soll, wenn dies nicht der Fall ist, und ob sich das Gericht darüber überhaupt ein Urteil erlauben darf, wird nicht berührt.

2.

Betonung des Tatfragecharakters

In anderen Entscheidungen finden sich klarere Andeutungen dafür, dass die Gerichte nicht der Ansicht waren, der Jury komme allein die Aufgabe zu, die gewöhnliche Praxis – das übliche „Handwerk“ – abzusegnen. In der Entscheidung Lanphier and Wife v Phipos leitet Tindal CJ die Jury, im Gegenteil, völlig ohne Bezugnahme auf den durchschnittlichen Standard an und ist damit weit davon entfernt, diesen als verbindlich zu betrachten: “What you will have to say is this, wether you are satisfied that the injury sustained is attributable to the want of a reasonable and proper degree of care and skill in the defendants treatment. Every person who enters into a learned profession undertakes to bring to the exercise of it a reasonable degree of care and skill. He does not undertake, if he is an attorney, that at all events you shall gain your case, and a surgeon does not undertake that he will perform a cure, nor does he undertake to use the highest possible degree of skill. There may be persons who have higher education and greater advantages than he has, but he undertakes to bring a fair, reasonable, and competent degree of skill, and you will say whether, in this case, the injury was occasioned by the want of such skill in the defendant.”2280

2276

Mahon v Osborne [1939] 2 KB 14, 31 (CA). Vgl. Marshall v Lindsey County Council [1935] 1 KB 516 (CA); Whiteford v Hunter [1950] WN 553 (HL, zit. nach Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 340, 341). 2278 Marshall v Lindsey County Council [1935] 1 KB 516, 539 (CA). 2279 Marshall v Lindsey County Council [1935] 1 KB 516, 542 (CA). 2280 Lanphier and Wife v Phipos (1838) 8 C & P 475, 479 (lexis). 2277

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Insoweit scheint noch vollkommen erstgenommen zu werden, dass die Frage des breach eine Tatfrage ist, sodass es keine Rechtsregel geben kann, die bestimmt, dass das, was üblich ist, auch geschuldet wird: “… it was an action charging [the defendant] with a breach of his legal duty, by reason of inattention and negligence and want of proper care and skill; and if they [die Jury] were of the opinion that there had been a culpable want of attention and care, he would be liable. A medical man … was bound to have that degree of skill which could not be defined, but which, in the opinion of the jury, was a competent degree of skill and knowledge. What that was the jury were to judge.”2281 Dass es insoweit unmöglich eine Rechtsregel geben könne, wird bisweilen sogar ausdrücklich klargestellt: “… take the case of an action against a surgeon for negligence in the treatment of his patient. What law can there possibly be in the question whether such and such conduct amounts to negligence? That must be determined entirely by the jury.”2282 Ähnliche Formulierungen, die den gewöhnlichen Standard offenbar nicht für verbindlich halten, finden sich bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein2283. Als Beispiel mag insoweit die Anleitung einer Jury durch Herwart CJ in R v Bateman dienen: “If a person, eg, a doctor, holds himself out as possessing special skill and knowledge, and he is consulted, as possessing such skill and knowledge, by or on behalf of another person, he owes a duty to that person to use due caution in undertaking the employment. If, in the case of the doctor, he accepts the responsibility and undertakes the treatment and the patient submits to his direction and treatment accordingly, he owes a duty to the patient to use diligence, care, knowledge, skill, and caution in administering the treatment. No contractual relation is necessary, nor is it necessary that the service be rendered for reward. It is for the judge to direct the jury what standard to apply and for the jury to say whether that standard has been reached. The jury should not exact the highest, or a very high, standard, nor should they be content with a very low standard. The law requires a fair and reasonable standard of care and competence. This standard must be reached in all the matters above mentioned.”2284 Hier tritt die Differenzierung zwischen Sorgfalt und Sachkunde, Aufmerksamkeit etc. ganz deutlich hervor. Die Jury soll sowohl für die geschuldete Sorgfalt als auch für die geschuldete Kompetenz einen fairen und angemessenen Standard festlegen. Weder 2281

Rich v Pierpoint (1862) 176 ER 16, 18 f. Erle CJ; zit. nach Teff, Care, S. 180 (Hervorhebung dort). 2282 Doorman v Jenkins [1824–1834] All ER Rep 364 (1834) (lexis) (Hervorhebung hinzugefügt). 2283 Vgl. Teff, Care, S. 180. 2284 R v Bateman (1927) 19 Cr App R 8 (lexis; eine strafrechtliche Entscheidung).

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

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wird ein einheitlicher Standard erwartet, noch werden unterschiedliche Standards vermischt. Insbesondere ist die Frage des angemessenen Standards durch die gewöhnliche Praxis in keiner Weise abschließend determiniert. Ähnlich wird später in Simmons v Pennington festgestellt: “I do not think I need deal at any great length with the question of a solicitor’s liability for negligence. It is the same as anybody else’s liability. Having regard to the degree of skill held out to the public by solicitors, does the conduct of the solicitor fall short of the standard which the public has been led to expect of the solicitor?”2285 Maßstab für die Angemessenheit der Sorgfalt sind laut Hodson LJ die Erwartungen der Öffentlichkeit an den solicitor2286. Es ist nicht zu verkennen, dass Hodson LJ die Sorgfalt für angemessen hält, die jede vernünftige Person – also gerade nicht lediglich ein Angehöriger der betreffenden Profession – unter den gegebenen Umständen als angezeigt empfunden hätte; der Sorgfaltsstandard wird insofern autonom bestimmt.

III. Noch einmal: Bolam v Friern Hospital Management Committee 1.

Normativer oder deskriptiver Test?

Dieser Befund öffnet den Blick dafür, dass es vielleicht tatsächlich zuerst die Anleitung der Jury durch McNair J in Bolam v Friern Hospital Management Committee war, die eine Identifizierung von gewöhnlicher und angemessener Sorgfalt praktisch befördert hat. Insoweit handelte es sich dann um eine konkrete Fallgruppe, zu der sich „Konkretisierungen in großer Zahl“ finden, die sich – wenn auch unglücklich – „normativ verfestigt“ haben2287, obwohl Präzedenzfälle hier – anders als sonst im englischen common law, wo sie einen entscheidenden Faktor bilden – an sich keine Rolle spielen2288.

a)

Die Feststellungen des Gerichts

Es ist allerdings nicht unbedingt wahrscheinlich, dass McNair J die Wirkung seiner Umschreibung der Rechtslage vorausgesehen hat; denn der Richter fordert in Bolam,

2285

Simmons v Pennington & Son [1955] 1 All ER 240, 245 (CA). Insbesondere teilte Hodson LJ ausdrücklich nicht die Ansicht einer anderen Abteilung des Court of Appeal, die in der Verhandlung der Kaufpreisklage angenommen hatte, Harman J habe sich bei seinem Urteil insoweit verschätzt. 2286 Vgl. schon oben ab S. 257 und Evans, Liabilities, § 4–03. 2287 Zu diesem verbreiteten Phänomen Schmidt-Kessel, Standards, S. 350. 2288 Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 22.

340

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

die Einhaltung von „proper standards“2289 und dass die Anwendung einer bestimmten Methode auf „reasonable grounds“2290 beruhen muss. Die exakte Natur des Tests, d.h. vor allem die Mechanismen seiner Anwendung, wird aber nicht beim Wort genommen. Wie oben gesehen2291, klärt erst die spätere Rechtsprechung die Frage, ob dem Attribut „responsible“ ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zukommt. Die Auslegungsfähigkeit der in Bolam gewählten Umschreibung des Standards verursachte unmittelbar im Anschluss an die Entscheidung Zweifel daran, ob dort ein normativer oder deskriptiver Standard formuliert worden war2292. Eine damit zusammenhängende Schwäche der Anleitung ist insbesondere, dass McNair J. – anders als viele Richter zuvor – die wertende Rolle der Jury bezüglich der Tatfrage breach nicht ausdrücklich klarstellt oder (dann jedoch in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung) ablehnt.

b)

Normatives Verständnis des Gerichts

Von einer in Bolam getroffenen Entscheidung für eine Definitionsmacht der Ärzte über die Recht- und Vertragsmäßigkeit ärztlichen Vorgehens ist angesichts dieser Unsicherheiten nicht ohne weiteres auszugehen. Im Gegenteil, es lassen sich deutliche Zeichen für die Schlussfolgerung finden, dass es sich in Bolam wahrscheinlich vor allem um eine Schwäche dieser Umschreibung, nicht aber des Konzepts an sich handelt2293.

aa) Ansprache vor der Medico-Legal Society Aufschlussreich für das Verständnis des von McNair J. zugrunde gelegten Tests sind insoweit Äußerungen desselben Richters in einer Ansprache vor der Medico-Legal Society, die ebenfalls aus dem Jahr 1957 datiert. Hier erläutert McNair J. die einschlägigen Mechanismen zur Sorgfaltsbestimmung wie folgt: “[Der Test gründet] on the proper standard of behaviour of a person having that professional skill and competence. The surgeon and physician must exercise such skill and competence as accords with the general and approved standard in the profession for a person carrying out those functions …” “The question must always be wether the particular act or ommission in the circumstances was or was not negligence tested by the standard of the ordinary practitioner in a similar position …” 2289

Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 588 (Hervorhebung hinzugefügt). 2290 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 588 (Hervorhebung hinzugefügt). 2291 Vgl. ab S. 273. 2292 Grundlegend Montrose, (1958) 21 MLR 259. 2293 Ebenso MacLean, (2002) 5 Med Law Int 205, 213.

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

341

“… a professional man must be judged by the standard of knowledge and approved practice at the date of the alleged negligence”. “Was the technique in fact adopted one commonly adopted by competent practitioners or in a case of a specialist, by competent specialist practitioners at the material time?” “… the practitioner whether newly qualified or not must show the skill of the reasonabley competent person”2294. Betrachtet man diese Umschreibungen näher, scheint Bolam den Gerichten bzw. der Jury eher eine wertende Rolle zuzusprechen2295. Von Beginn an soll es nämlich auf den „proper standard of behaviour“ ankommen, der zwar vom „ordinary practitioner in a similiar position“ vorgegeben wird. Der „ordinary practitioner“ wiederum ist jedoch der „competent (specialist) practitioner“ und für diesen gilt, dass er „the skill of the reasonably competent person“ an den Tag legen muss. Diese Gedankenfolge lässt nicht nur einen normativen Test, sondern auch eine Differenzierung zwischen dem Bewertungsmaßstab für care und skill erahnen.

bb) Die Bedeutung von Hunter v Hanley Als in die Gegenrichtung weisend könnte man freilich die Bezugnahme auf die Übereinstimmung mit dem „general and approved standard in the profession“ sowie mit dem „standard of knowledge and approved practice at the date of the alleged negligence“ auslegen. Doch wird eine „reasonably competent person“ ohne diesen auch gar nicht auskommen können und dass der durchschnittlich erreichte Standard für die Festlegung des Schuldinhalts wichtig ist, wird von keiner Seite bestritten. McNair J ist jedoch – parallel zur Entwicklung im amerikanischen Arzthaftungsrecht – vielleicht zu schnell bereit, den gewöhnlichen Standard sprachlich mit dem geschuldeten Standard zu identifizieren2296. Veranlasst haben, könnte ihn dazu – neben Lord Dennings „wise words“ in Roe v Minister of Health2297 – die von ihm selbst zitierte speech von Lord President Clyde in der schottischen Sache Hunter v Hanley, wo auf „ordinary skill“ und „ordinary care“ Bezug genommen wird: “The true test for establishing negligence in diagnosis or treatment on the part of a doctor is whether he has been proved to be guilty of such failure as no doctor of ordinary skill would be guilty of if acting with ordinary care”2298.

2294

Justice McNair, [1957] Medico-Legal Journal 129, 131–133 (zit. nach Teff, Care, S. 182). Ebenso Teff, Care, S. 182; i.E. Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 241 f. per Lord Browne-Wilkinson (HL). 2296 Vgl. Teff, Care, S. 182. 2297 Gemeint ist eine Passage in Roe v Minister of Health [1954] 2 QB 66, 83 f., in der Lord Denning um besonderes Verständnis für medizinische Fehlleistungen wirbt. 2298 Hunter v Hanley (1955) SC 200, 205 (Hervorhebung hinzugefügt). 2295

342

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

cc) Ungestellte und nicht beantwortete Fragen Im Regelfall wird die übliche Sorgfalt zwar auch die angemessene Sorgfalt sein2299 – und zwar losgelöst von der jeweiligen Profession. Die Frage ist lediglich, ob dies bereits dem rechtlichen Test immanent sein und daher in ausnahmslos jedem Fall gelten soll. Dies bedeutete nämlich insbesondere auch, wenn die gesamte Berufsgruppe (oder doch zumindest ein bemerkenswerter Teil derselben) objektiv inadäquat laxe Standards einführt. Diesen Fall scheint McNair J sowohl in Bolam als auch in seiner Ansprache vor der Medico-Legal Society gar nicht bewusst wahrgenommen zu haben. Das Überwiegen normativer Attribute nicht nur in den gerade wiedergegebenen Zitaten, sondern auch in Bolam selbst eröffent daher zumindest die Möglichkeit (wenn nicht gar die Wahrscheinlichkeit), dass McNair J eine wertende Entscheidung des Gerichts im Sinn hatte2300, als er den Test formulierte. Denn auch in Bolam fordert McNair J den Grad an Sorgfalt und Sachkunde, der von einem „reasonably competent [practitioner]“ erwartet wird2301; das Vorgehen müsse für einen „competent body of professional opinion“ akzeptabel sein2302. Bloße Konformität genügt daher nicht notwendig und nur darüber – das ist entscheidend – herrscht(e) lange Zeit Uneinigkeit. Darauf, dass dies letztlich die wahrscheinlichere „Natur“ des Test ist, deutet die laufende Wiederholung wertender Attribute hin2303: „proper standards“2304, „a practice accepted as proper by a responsible body of medical men skilled in [the] particular art“2305 und schließlich noch einmal „a proper standard of competent professional opinion“2306.

2.

Die Identifizierung von ordinary mit reasonable in der Rechtsprechung nach Bolam

Eine Tendenz dahin, den Begriff „ordinary man“ als Synonym für „reasonable man“ zu verwenden2307 und ebenso mit den Begriffen „ordinary doctor“ und „reasonable doctor“ 2299

Vgl. ab S. 249. Vgl. Bolitho v City & Hackney Health Authority [1998] AC 232, 241 f. per Lord BrowneWilkinson (HL); Teff, Care, S. 182. 2301 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 587 (HC). 2302 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 588. 2303 Teff, Care, S. 182. 2304 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 588 (Hervorhebung hinzugefügt). 2305 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 588 (Hervorhebung hinzugefügt). 2306 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 591 (Hervorhebung hinzugefügt). 2307 Vgl. Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 587: „In an ordinary case it is generally said, that you judge that by the action of the man in the street. He is the ordinary man. In one case it has been said that you judge it by the conduct of the man on the top of a Clapham omnibus. He is the ordinary man“. 2300

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

343

zu verfahren, ist allerdings nicht allein in Bolam zu erkennen2308. Insbesondere in der Entscheidung des House of Lords in Maynard v West Midlands Regional Health Authority2309 lässt sie sich nachweisen, aber auch andernorts2310, z.B. in der für die Anwaltshaftung so wichtigen Entscheidung Hall v Simons2311. Der Literatur unterläuft bisweilen derselbe Irrtum, wenn erklärt wird, zur Entscheidung über die Frage der Fahrlässigkeit sei es erforderlich „to look at what an ordinary competent designer exercising the particular skill would do and to compare that with the actions of the person against whom the negligence is alleged“2312. Nicht zuletzt diese (sachlich durch nichts herausgeforderte) sprachliche und gedankliche Assimilierung spricht dafür, dass Bolam tatsächlich über lange Zeit missverstanden wurde, wie Sir John Donaldson MR bereits in Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital2313 geurteilt hatte. Denn das Ineinssetzen von „ordinary doctor“ und „reasonable doctor“ dürfte dazu geführt haben, dass gedanklich nicht länger zwi2308

Vgl. zuvor schon James v Dunlop (1931) 1 BMJ 730, 731 per Scrutton LJ (CA); unentschieden zunächst (vielleicht aber auch nur falsch berichtet) Galloway v Hanley (1956) 1 BMJ 580 per Lord Strachan: „ordinary and reasonable care“, dann: „that the length of the needle which [the plaintiff] used was one which no professional man of ordinary skill would have used if acting with ordinary care“. 2309 Maynard v West Midlands Regional Health Authority [1984] 1 WLR 634, 638 per Lord Scarman (HL). 2310 Vgl. für die Ingenieurshaftung Eckersley v Binnie & Partners [1955–95] PNLR 348, 383 per Bingham LJ; für die Architektenhaftung West Faulkner Associates (a firm) v London Borough of Newham (1994) 71 BLR 1 per Brown LJ (CA, lexis); für die Anwaltshaftung etwa Arthur JS Hall & Co v Simons [2002] 1 AC 615, 726 per Lord Hope (HL); Firstcity Insurance Group Ltd v Orchard (a firm) [2002] Lloyd’s Rep PN 543, Tz. 81 per Forbes J (HC, lexis); für die Arzthaftung vgl. etwa Walker v Semple (30.3.1993) unreported (lexis), per Russel LJ; De Martell v Merton and Sutton Health Authority [1995] 6 Med LR 234 per Judge Simpson QC (HC, lexis); Gascoine v Ian Sheridan & Co [1994] 5 Med LR 437 per Mitchell J (HC, lexis); Mahon v Osborne [1939] 2 KB 14, 31 per Scott LJ (CA); Chin Keow v Government of Malaysia [1967] 1 WLR 813, 818 per Sir Hugh Wooding (PC) sowie die Nachweise bei Jones, Negligence, §§ 3–009 ff. und näher Teff, Care, S. 185, 212 ff. Dasselbe Phänomen findet sich in der irischen Rechtsprechung, wenn es bspw. in der Entscheidung des irischen Supreme Court in der Sache Collins v Mid-Western Health Board [2000] 2 IR 154 per Barron J (nordirischer HC, lexis) heißt: „The test of the obligation of the general practitioner is whether a reasonably prudent general practitioner exercising ordinary care would have acted as he did in the circumstances“ (Hervorhebung hinzugefügt). Für die schottischen Gerichte vgl. gerade auf S. 341. 2311 Arthur JS Hall & Co v Simons [2002] 1 AC 615, 726 per Lord Hope (HL). 2312 Cornes, Design, § 3.1.3; ähnlich vielleicht auch Pittaway/Hay, in: Pittaway/Hammerton, Negligence, S. 533: „In medical negligence cases, the standard of skill and care which the defendant must meet in order to discharge the obligation placed upon him is the standard of the ordinary skilled man exercising and professing to have that particular skill“. 2313 Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital [1984] 1 All ER 1018, 1028 per Sir Donaldson MR (CA). Was „rightly“ bedeuten könnte, erörtert z.B. Kennedy, Treat, S. 186.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

schen „ordinary practice“ und „reasonable practice“ unterschieden wurde2314. Vor diesem Hintergrund wurde aus der „gewöhnlichen“ die „angemessene“ Praxis. Konsequenz daraus ist, dass nicht nur Sein und Sollen notwendig übereinstimmen, sondern den Test für die Angemessenheit der Sorgfalt auch nicht mehr die Erwartungen eines vernünftigen – d.h. auch entsprechend sachkundig aufgeklärten – Durchschnittsbürgers an einen angemessen kompetenten Dienstleister bilden, sondern die Erwartungen der Angehörigen der betreffenden Profession an die Einhaltung professionsinterner Standards. Die Assimilierung bedeutet daher vor allem auch eine Umdeutung des Begriffs „ordinary man“ im Kontext professioneller Dienstleistungen, beinhaltete die Bezugnahme auf den ordinary man ursprünglich doch insofern gerade eine Absicherung gegen die blinde Übernahme durchschnittlicher Standards, als der Maßstab des „ordinary man“ die Anforderungen der Öffentlichkeit, der Laien, an den professional man widerspiegelte2315. Dieser zusätzliche Angemessenheitsfilter war vor allem aufgrund der restriktiven Interpretation von Bolam durch die nachfolgende Rechtsprechung entfallen. Die jüngere, weniger restriktive und vor allem durch die Entscheidung des House of Lords in der Sache Bolitho bestätigte Tendenz der Rechtsprechung2316 scheint demgegenüber jetzt wieder auf den „richtigen“ Weg zurückgefunden zu haben. Den dafür maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt hat jüngst der Jersey Court of Appeal hervorgehoben: “We accept that in the context of the law of negligence the reasonable should not be confused with the ideal, but we would equally assert that what was reasonable to achieve should not be confused with what was actually achieved. Otherwise standards would be subject to an ineluctable process of dumbing down.”2317

3.

Die stärkere Betonung unabhängiger Wertung in der australischen Rechtsprechung als Vorbild

Hilfreich mag es in Zukunft für eine Festigung dieser Grundlage sein, das Attribut „reasonable“ wirklich ernst zu nehmen, was vor allem bedeutet, es nicht mit „ordinary“ zu verwechseln2318; ebenso ist zwischen dem für skill und dem care maßgeblichen Standard zu trennen. Die in Bolitho festgelegten Kriterien sind insofern noch weit von der Deutlichkeit entfernt2319, mit der sich australische Entscheidungen zu dieser Differenzierung bekennen. So unterstreicht King CJ in F v R die Eigenständigkeit des Sorgfaltsurteils2320: 2314

Vgl. Teff, (1998) 18 OJLS 473, 477. Teff, Care, S. 185. 2316 Dazu ab S. 280. 2317 Nicholson v States of Jersey Health and Social Services Committee [2004] JCA 203, Tz. 72 m. Anm. Hanson, (2005) 13 Med L Rev 268 ff. (nach der auch zitiert wird). 2318 Jones, Negligence, § 3–009; Teff, Care, S. 187. 2319 Darauf weist mit Recht Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 135 hin. 2320 Bestätigt duch Rogers v Whitaker (1992) 175 CLR 479, 490 (australischer HC); vgl. zur australischen Rechtsprechung auch Miola, (2009) 17 Med L Rev 76, 85 ff. 2315

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

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“Professions may adopt unreasonable practices, particularly as to disclosure, not because they serve the interests of the client but because they protect the interests or convenience of members of the profession. The court has an obligation to scrutinise professional practices to ensure that they accord with the standards of reasonableness imposed by law”2321. “The ultimate question … is not whether the defendant’s conduct accords with the practices of his profession or some part of it, but whether it confirms to the standard of reasonable care demanded by the law. That is a question for the court and the duty of deciding cannot be delegated to any profession or group in community.”2322 Ebenso verfährt Woods J in Darley v Shale: “While a failure of a defendant who pursues a particular occupation or profession to act in accordance with the current standards and practices of that occupation or profession will amount to a breach of duty of care resting on that person, the controversy does not necessarily follow. Evidence of a current practice is almost always of great value and may be decisive, yet when explored it may nevertheless turn out to be negligent practice. It is in this respect that the Bolam test may be unhelpful or inappropriate as a single determinant of general application.”2323 Die Bedeutung des Sachverständigenbeweises über das Bestehen einer verbreiteten Praxis erörtert Bollard J in F v R2324: “Expert evidence will assist the court, but in the end it is the court which must say whether there was a duty and a breach of it. The court will have been guided and assisted by the expert evidence. It will not produce an answer merely at the dictation of the expert evidence. It will afford great weight to the expert evidence. Sometimes its decision will be the same as it would have been had it accepted dictation, but the court does not merely follow expert evidence slavishly to a decision. The court considers and weighs up all admissible evidence which it has received. If the court did merely follow the path apparently pointed by expert evidence, with no critical consideration of it and the other evidence, it would abdicate its duty to decide on the evidence whether in law a duty existed and had not been discharged.”2325

2321

F v R (1983) 33 SASR 189 (zit. nach Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 135). F v R (1983) 33 SASR 189, 194, zustimmend zitiert in Rogers v Whitaker (1992) 175 CLR 479, 488; zustimmend Jackson/Powell, Negligence, § 8–149 m.w.N. 2323 Darley v Shale (1993), zit. nach Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 135. 2324 Vgl. auch Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 136. Ähnlich formuliert – ohne Bezugnahme auf die Entscheidung – Jones, Negligence, § 3–009. 2325 F v R (1983) 33 SASR 189, zit. nach Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 136 f. 2322

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

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Von dieser Position sowie von einer entsprechend klaren Stellungnahme ist die englische Rechtsprechung noch ein gutes Stück weit entfernt2326. An diesen australischen Entscheidungen wird im Übrigen deutlich, dass die Fehlentwicklung, die die Rechtsprechung im amerikanischen und wahrscheinlich auch englischen Recht genommen hat, dem Konzept von reasonable care and skill als Schuldinhalt keineswegs immanent ist. Vielmehr ist ein Erreichen auch wertungsmäßig überzeugender Ergebnisse auf dieser Grundlage ohne weiteres möglich.

IV. Ein Modell des Sorgfaltsbestimmungsmechanismus auf der Grundlage einer Differenzierung zwischen skill und care Der Versuchung einer Annäherung von care und skill sowie von ordinary und reasonable könnte die englische Rechtsprechung dadurch begegnen, dass sie wieder deutlicher zwischen dem Standard für care und einem davon zu unterscheidenden Standard für skill differenziert. Gleichzeitig sollte die Beziehung zwischen beiden Standards erneut im Sinne der ursprünglichen Rechtsprechung zur professional negligence – und parallel zur Rechtslage im sonstigen negligence-Recht – klargestellt werden. Der Bestimmung des Schuldinhalts und – vermittelt durch ihn – des Vertragsbruchs könnte dann das nachfolgende dogmatische Modell zugrunde liegen:

1.

Angemessene Sorgfalt als Schuldinhalt

Geschuldet ist zunächst die der übernommenen Aufgabe angemessene Sorgfalt. Welche Sorgfalt angemessen ist, beurteilt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, d.h. nach der konkreten Sachfrage sowie den Kenntnissen und Fähigkeiten, die die Öffentlichkeit von einem vernünftigen Schuldner erwarten darf. Abzustellen wäre insoweit auf die Erwartungen eines reasonable man, d.h. eines vernünftigen Durchschnittsbürgers und nicht allein auf die Erwartungen eines Angehörigen der betreffenden Profession. Dieser „Erwartungshorizont“ fügt sich auch ganz zwanglos in die Regeln der Vertragsauslegung ein. Insoweit gilt, wie gesehen, im Ausgangspunkt der Verständnishorizont eines vernünftigen Durchschnittsbürgers, sodass auch für das vertragliche Versprechen des Dienstleisters hinsichtlich Inhalt und Umfang seiner Leistung nichts anderes gelten kann.

a)

Mindeststandard

Stets erwarten darf der Gläubiger zumindest ein Erreichen des Sorgfaltsstandards, den Personen, die eine derartige Aufgabe typischerweise berufsmäßig übernehmen, durchschnittlich erreichen. Dieser dient jedoch ausschließlich negativer Abgren2326

Ebenso Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 137, der hinzufügt, dass er sich bewusst sei, dass manche in der Abschaffung der früheren Interpretation von Bolam „a dangerous heresy“ sehen werden.

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zung: Unterdurchschnittliche Sorgfalt ist immer „unangemessen“ und bedeutet einen Vertragsbruch. Eine positive Definitionsmacht kommt dem Durchschnittsstandard nicht zu. Im Gegenteil: Ist der durchschnittlich erreichte Standard gemessen an den Erwartungen eines reasonable man, d.h. nach den im vorhergehenden Abschnitt (§ 9) festgestellten Grundsätzen, zu lax – dabei handelt es sich tatsächlich eher um den Ausnahmefall –2327, hat der Schuldner, selbst wenn er ihn erreicht, keine „angemessene“ Sorgfalt walten lassen und den Vertrag gebrochen. Hier kommt den Gerichten, die den „vernünftigen Durchschnittbürger“ seit der weitgehenden Abschaffung des Jury-Prozesses repräsentieren, die zentrale Wertungsaufgabe zu.

b)

Das Vorgeben besonderer Kenntnisse

Gibt sich der Schuldner darüber hinaus im jeweiligen Fall als „Spezialist“ für derartige Aufgaben aus, schreibt sich also überdurchschnittliche Sachkunde zu, wird er daran festgehalten, sofern er damit gleichzeitig verspricht, einen höheren Sorgfaltsstandard zu erreichen: Der jedenfalls erwartete Standard ist dann der eines durchschnittlichen Spezialisten für die übernommene Aufgabe. Auch dieser ist, nicht anders als im Falle des „gewöhnlichen“ Schuldners, der Überprüfung und Korrektur durch die Gerichte zugänglich. Verspricht der Spezialist nicht, einen höheren Standard zu erreichen, muss er, um „angemessen“ sorgfältig vorzugehen, seine besondere Sachkunde zumindest einsetzen, um das Erreichen des „durchschnittlichen“ Standards in größerem Umfang sicherzustellen2328.

2.

Die Bestimmung angemessener Sachkunde

Für die Bestimmung angemessener Sachkunde ist auf die Profession, die sich auf die Übernahme entsprechender Aufgaben spezialisiert hat, Bezug zu nehmen, soweit der Dienstleister dieser Profession angehört oder vorgibt ihr anzugehören. Das ist sinnvoll; denn in ihr sind Sachkunde und handwerkliches Geschick bezüglich solcher Aufgaben gebündelt oder doch am Ehesten vorhanden. Stets erwartet werden darf auch insoweit zumindest ein Erreichen des Sachkundestandards, den die Angehörigen dieser Profession durchschnittlich erreichen. Unterdurchschnittliche Sachkunde ist – parallel zur Rechtslage hinsichtlich des angemessenen Sorgfaltsstandards – immer „unangemessen“. Der durchschnittlich vorhandenen Sachkunde kommt hier – anders als bei der Bestimmung des angemessenen Sorgfaltsstandards – auch bis zu einem gewissen Grad eine positive Definitionsmacht zu. Sofern sich der betreffende Dienstleister nämlich nicht besonderer Sachkunde berühmt und (konkludent) deren Einsatz verspricht, ergibt die Vertragsauslegung, dass er sich bei der Durchführung der 2327

Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.27: „The specialist and technical nature of the discipline means much will turn on expert evidence as to acceptable practice with relatively little scope for consideration of the common sense of the hypothetical reasonable man“. 2328 Vgl. ab S. 514.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

übernommenen Aufgabe lediglich zum Einsatz durchschnittlicher Sachkunde verpflichten wollte. Soweit – was nur begrenzt möglich sein dürfte – ausdrücklich nur unterdurchschnittliche Sachkunde versprochen wird, gilt ein entsprechend niedrigerer Standard. Die Profession, auf deren Angehörige für die Bestimmung der Sachkunde abzustellen ist, wird insofern durch die übernommene Aufgabe bestimmt. Werden also von einem Dienstleister „professionsfremde“ Aufgaben übernommen, gilt für die maßgebliche Sachkunde der Standard, den Angehörige der Profession, die solche Aufgaben typischerweise übernimmt, durchschnittlich erreichen. Wird die in Rede stehende Aufgabe dabei typischerweise von mehreren unterschiedlichen Professionen übernommen, gilt für den Dienstleister der Sachkundestandard, der in der Profession durchschnittlich erreicht wird, der er sich erkennbar zuordnet.

3.

Die Bedeutung der geschuldeten Sachkunde für den geschuldeten Sorgfaltsstandard

Zur Bedeutung der geschuldeten Sachkunde für den maßgeblichen Sorgfaltsstandard ist nach alledem Folgendes zu sagen:

a)

Die Bedeutung sachkundiger Leistung für den Gläubiger

Wichtig ist für den Gläubiger vor allem eine angemessen sorgfältige Durchführung der Aufgabe; denn auch der größte Sachverstand bleibt bei unsorgfältiger Aufgabendurchführung nutzlos, sodass Sachkunde ohne Sorgfalt für den Gläubiger wertlos ist. Entscheidend ist aus der Sicht des Gläubigers also das Erreichen eines der Aufgabe angemessenen Sorgfaltsstandards. Sorgfalt und Sachkunde sind dementsprechend nur dadurch verknüpft, dass das Erreichen eines der Aufgabe angemessenen Sorgfaltsstandards regelmäßig ohne entsprechende Sachkunde nicht möglich sein wird. Dies dürfte der einzige sachliche Grund sein, aus dem zusätzlich zur Sorgfalt Sachkunde geschuldet wird2329. Theoretisch ist – etwa durch Zufall – freilich auch das Erreichen eines angemessenen Sorgfaltsstandards ohne entsprechende Sachkunde denkbar. In diesem Fall wird zwar der Vertrag gebrochen, aber mangels Schadens und haftungsbegründender Kausalität nicht gehaftet2330.

b)

Sachkunde und Standard des reasonable man

Losgelöst davon ist Sachkunde auch für die Bestimmbarkeit angemessener Sorgfalt von Bedeutung. Für den vernünftigen Durchschnittsbürger, der, wie berichtet, den Sorgfaltsstandard festlegt bzw. festlegen sollte und der im Prozess durch die Rechtsprechung repräsentiert wird, ist Sachkunde erforderlich, um einen der Aufgabe 2329

2330

Vgl. auch die Definition des Architekten in R v Architect’s Registration Tribunal ex parte Jaggar [1945] 2 All ER 131, 134 sowie Fernyhough/Franklin, in: Burns, Obligations, S. 15. Vgl. ab S. 109.

§ 11 Erklärungsmuster für die beschränkte Berücksichtigung konkreter Gläubigerinteressen

349

angemessenen Sorgfaltsstandard bestimmen zu können. Der reasonable man muss angemessen sachkundig sein, um die für die Durchführung der Aufgabe angemessene Sorgfalt festlegen zu können. Sofern der reasonable man infolge einer Aufklärung durch Sachverständigengutachten angemessene Sachkunde besitzt, ist er in der Lage, den maßgeblichen Sorgfaltsstandard zu bestimmen. Seine Möglichkeiten, einen Sorgfaltsstandard festzulegen, sind allerdings gerade nicht durch die innerhalb der betreffenden Profession durchschnittlich vorhandene Sachkunde beschränkt. Denn der Sorgfaltsstandard wird am Maßstab des reasonable man festgelegt und es ist möglich, dass das Erreichen des Sorgfaltsstandards, den ein vernünftiger Durchschnittsbürger – etwa für eine neuartige Aufgabe – erwarten würde, bei durchschnittlicher Sachkunde nicht möglich ist. Der Dienstleister hat in einem solchen Fall dann zwar nicht seine Pflicht, angemessene Sachkunde walten zu lassen, verletzt, wohl aber die von dieser zu unterscheidende Pflicht2331, angemessen sorgfältig vorzugehen. Dass er angemessen sachkundig ans Werk gegangen ist, nützt ihm mit anderen Worten nichts, sofern trotzdem unangemessene Risiken eingegangen worden sind2332.

c)

Konsequenzen für das Verhältnis von Sorgfalt und Sachkunde

Sorgfalt und Sachkunde sind vor diesem Hintergrund nicht „gleichwertig“. Die Umschreibung des Haftungsstandards mit „reasonable care and skill“ verwischt diese Beziehung sprachlich, was bereits für sich genommen unvorteilhaft ist, da beide Elemente scheinbar gleichrangig nebeneinander stehen. Damit wird nicht nur die begrenzte Interdependenz zwischen Sorgfalt und Sachkunde verdunkelt. Ferner scheint diese Formulierung gleichzeitig zu bewirken, dass die Aufmerksamkeit auf die Sachkunde gelenkt wird. Dafür ist die Anleitung der Jury in Bolam paradigmatisch. Zunächst stellt McNair J dort fest: „… the only question is really a question of professional skill“2333. Um die Jury anschließend einzig und allein zu fragen, ob die Beklagten „were falling below a proper standard of competent professional opinion on 2331

2332

2333

Von einem Pflichtenbündel wird man auch im englischen Arzthaftungsrecht ausgehen müssen, soweit die vertragliche Haftung betroffen ist. Anderes, nämlich eine singuläre allumfassende Verpflichtung, wird zwar im deliktischen Kontext angenommen (Sidaway v Board of Governors of The Bethlem Royal Hospital and the Maudsley Hospital [1985] AC 871, 893 per Lord Diplock (HL); Gold v Haringey Health Authority [1988] QB 481, 489 per Lloyd LJ, S. 492 per Brown LJ (CA); zustimmend Charlesworth/Percy, Negligence, § 8–94). Im Vertragsrecht gilt freilich anderes, wie die Rechtsprechung zur implication of terms in den Arztvertrag belegt, vgl. nur Eyre v Measday [1986] 1 All ER 488 (CA); Thake and Another v Maurice [1986] QB 644 (CA) sowie Pittaway/Hay, in: Pittaway/Hammerton, Negligence, S. 529. Ein Beispiel für einen solchen Fall bildet die Entscheidung in der Sache Edward Wong (vgl. oben ab S. 258), in der es den solicitors bei der Durchführung des conveyancing nicht an Sachkunde, sondern an Sorgfalt gefehlt hat. Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 587 per McNair J (HC, Hervorhebung hinzugefügt).

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

350

this question“2334. Erkennt man diesen Zusammenhang, trägt dies vielleicht zur Erklärung dafür bei, warum sich die arzthaftungsrechtliche Rechtsprechung auf der Grundlage ihrer früheren Interpretation von Bolam ganz auf die angewandte medizinische Technik, d.h. auf das handwerkliche Können des Arztes konzentriert hat. Die scheinbare Gleichrangigkeit von care und skill hält die Sachkunde im Zentrum der Aufmerksamkeit, obwohl – wie immer wieder betont wird – bei der Bestimmung der geschuldeten Sorgfalt alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Als einzigen dieser „Umstände“ nennt die gängige Formel allerdings die Sachkunde und so fällt es nicht sonderlich schwer nachzuvollziehen, warum ihr stets besondere Aufmerksamkeit zukam. Überdies geht es natürlich auch in der Sache um die Beurteilung der Qualität der erbrachten Dienstleistung, sodass das Erreichen fachlicher Standards unbedingt Beachtung finden muss. Richtig ist die (in manchen Entscheidungen zu findende) „Alleinherrschaft“ der Sachkunde, die – wie gezeigt – durch die Historie befördert wird, deswegen gleichwohl nicht. Es besteht diesbezüglich durchaus Bedarf nach einer Klärung und Neuorientierung. Diese Einschätzung wird von der australischen Rechtsprechung geteilt. Bollen J ist beizupflichten, soweit er in Bezug auf die restriktive englische Arzthaftungsrechtsprechung feststellt: „I respectfully think that some of the cases in England have concentrated rather too heavily on the practice of the medical profession“2335.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Konkretisierung der vertraglichen Pflichten des Dienstleisters A.

Vorbemerkung

Eine deutliche Verbesserung der vertraglichen Position des Gläubigers bedeutet das Bestehen einer Verpflichtung des Schuldners, über das von ihm beabsichtigte Vorgehen aufzuklären2336. Denn insbesondere durch die Verpflichtung zur Aufklärung über die diesem Vorgehen immanenten Risiken wird dem Gläubiger zunächst die Möglichkeit eröffnet, auf die Konkretisierungsentscheidung des Schuldners einzuwirken2337: Der Patient kann einer bestimmten Behandlungsmethode die Zustimmung verweigern, der Mandant sich für oder gegen eine Klageerhebung entscheiden usw. Je größer der Umfang einer entsprechenden Aufklärungspflicht ist, desto weniger liegt die Konkretisierung des Leistungsinhalts damit jedenfalls faktisch in der Hand des Dienstleisters. Darüber hinaus erhält der typischerweise selbst nicht sachkundige Gläubiger durch eine mehr oder weniger fortlaufende Aufklärung über das vom 2334

2335 2336

2337

Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 591 per McNair J (HC, Hervorhebung hinzugefügt). F v R (1982) 33 SASR 189, 201 per Bollen J (zit. nach Teff, Care, S. 187 m. Fn. 54). Vgl. zur Rechtsentwicklung vermögensbezogener Aufklärung und Beratung Damm, FS Derleder, S. 55 ff., 72 ff. Einen rechtsvergleichenden Überblick über Inhalt und Umfang von Informationspflichten bietet Heckendorn, Haftung, Rn. 237 ff. (der insoweit allerdings bisweilen Irrtümern unterliegt). Vgl. auch Heckendorn, Haftung, Rn. 224, 228 ff.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

351

Schuldner beabsichtigte Vorgehen in größerem oder geringerem Umfang die Möglichkeit, zu überprüfen, ob der Dienstleister sich vertragsgemäß verhält.

I.

Weichenstellungen der PELSC und des DCFR

1.

Informationspflichten außerhalb von spezifischen Informationsverträgen

Die PELSC bestimmen vor diesem Hintergrund im Rahmen der in Art. 1:104 PELSC erfolgten Konkretisierung der in Art. 1:202 PECL geregelten Verpflichtung der Vertragsparteien zur Zusammenarbeit ausdrücklich, dass der Schuldner den Gläubiger vernünftigerweise dazu in die Lage versetzen muss, zu bestimmen, ob der Schuldner seinen vertraglichen Pflichten nachkommt (Art. 1:104(1)(d) PELSC, IV.C. – 2:103 (1)(d) DCFR). Auf diesem Wege soll dem Schuldner nicht nur die Nachvollziehung und Prüfung der Leistung im Rahmen der Vertragsdurchführung, sondern auch eine frühzeitige Einflussnahme auf die Leistungsentwicklung, insbesondere auf Fehlentwicklungen, ermöglicht werden2338. Denn durch die Möglichkeit angemessener Überprüfung erhält der Gläubiger zum einen Gelegenheit, dem Schuldner Fehlentwicklungen aufzuzeigen, die den u.U. geschuldeten Erfolg zu beeinträchtigen geeignet sind (Art. 1:113(1) PELSC). Zum anderen kann er im Rahmen seines Direktionsrechts nach Art. 1:109(1) PELSC die künftige Leistungsentwicklung durch Weisung im eigenen Sinne beeinflussen2339. Diese aus Art. 1:104(1)(d) PELSC, IV.C. – 2:103(1)(d) DCFR folgende Verpflichtung wird man jedoch nicht losgelöst von vertraglichen Informationspflichten des Schuldners betrachten können2340. Letztlich dürfte es sich dabei – wenngleich dem Gläubiger auch Gelegenheit gegeben werden muss, eigenständig Informationen zu sammeln – im Gegenteil vor allem um eine Ankündigungs- und Rückspracheverpflichtung, d.h. um eine Informationspflicht handeln. Die von Art. 1:104(d) PELSC, IV.C. – 2:103(1)(d) DCFR bezweckte Einflussnahmemöglichkeit des Gläubigers ist – soweit der Gläubiger wie im Regelfall nicht selbst sachkundig ist oder sich die erforderliche Sachkunde anderweitig beschafft – nämlich mangels seiner Befähigung zur Beurteilung der Leistung (insbesondere in Unkenntnis von Alternativen) nicht selten illusorisch. Vor diesem Hintergrund wird man die Verpflichtung des Schuldners nach Art. 1:104(d) PELSC, IV.C. – 2:103(1)(d) DCFR nicht vollkommen isoliert von seiner Verpflichtung nach Art. 1:110 PELSC, IV.C. – 2:108 DCFR betrachten können. Nach dieser Norm muss der Schuldner, der sich bewusst ist oder Grund hat, zu wissen, dass die vom Klienten nachgefragte Dienstleistung (a) den vom Klienten benannten oder vorgesehenen Erfolg nicht herbeiführen kann oder (b) geeignet ist, andere Interessen des Klienten zu schädigen, oder (c) teurer werden oder mehr Zeit in 2338

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:104. Vgl. ab S. 294. 2340 Ebenso – in Bezug auf Informationen hinsichtlich der Gefahr von Personen- und Sachschäden bei der Vertragsdurchführung – zur Grundnorm des Art. 1:202 PECL von Bar/ Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 118. 2339

352

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Anspruch nehmen wird als vom Klienten erwartet, diesen losgelöst vom Bestehen eines Informationsvertrags i.S.d. Art. 6:101(1) PELSC, IV.C. – 7:101(1) DCFR entsprechend warnen (Art. 1:110(1) PELSC, IV.C. – 2:108(1) DCFR). Diese vertragsrechtliche Parallele zu Art. 1:103 PELSC, IV.C. – 2:102 DCFR soll vor allem solche der vorgenannten Risiken erfassen, die dem Schuldner erst nach Vertragsschluss bekannt geworden sind oder bei denen erst nach Vertragsschluss ein Grund bestand, um sie zu wissen. Dies kann z.B. darauf beruhen, dass der Schuldner Informationen oder Anweisungen vom Klienten erhalten oder die Kenntnis bzw. den Grund dazu im Rahmen der gemäß Art. 1:105 PELSC geschuldeten Sachverhaltsaufklärung erlangt hat. Dabei muss er durch angemessene Anstrengungen sicherstellen, dass der Klient den Inhalt der Warnung begreift (Art. 1:110(2) PELSC, IV.C. – 2:108(2) DCFR). Welche Anstrengungen dies im Einzelfall erfordert, geben die PELSC nicht vor. Diese Konkretisierung wollen die Verfasser der PELSC zwar den Gerichten überlassen2341. Diese dürften dabei allerdings – mit angemessenen Modifikationen –, soweit eine Vergleichbarkeit der Sachfragen und der Interessenlage besteht, auf die Regeln über Informationsverträge zurückgreifen können (Art. 6:101(2) PELSC, vgl. auch den Umkehrschluss aus Art. IV.C. – 7:101(2) DCFR). Die Warnpflicht, die ist unter den gleichen Voraussetzungen ausgeschlossen ist wie im Rahmen der Art. 1:103 PELSC, IV.C. – 2:102 DCFR2342, unterliegt indes nach Art. 1:110(1), (5) PELSC, IV.C. – 2:108(1), (5) DCFR der wichtigen Einschränkung, dass sie zum einen allein die vorgenannten Risiken und zum anderen auch diese nur in dem Fall erfasst, dass der Schuldner das betreffende Risiko tatsächlich erkannt hat oder es für einen vergleichbaren Schuldner in der Situation des aktuellen Dienstleisters offensichtlich gewesen wäre2343. Dies dürfte, da Art. 1:104 PELSC Art. 1:202 PECL konkretisiert, selbst vor dem Hintergrund, dass nach Art. 1:202 PECL (III. – 1:104 DCFR) für jede Vertragspartei die Verpflichtung besteht, die Gegenseite hinsichtlich der Gefahr von Personen- und Sachschäden bei der Vertragsdurchführung zu warnen, ohne dass es sich um einen offensichtlichen Fall handeln muss, als

2341

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:110. Vgl. ab S. 24. 2343 Insoweit wird parallel zu Art. 1:103 PELSC subjektiv-objektiv und nicht entsprechend der Offensichtichtkeit für einen vernünftigen Dienstleister angesetzt, vgl. auf S. 24. Einen dritten Standard führen – wohl unbeabsichtigt – verwirrenderweise die Verfasser der PELSC in Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:110 ein, wenn sie vom Schuldner insoweit fordern, „he should be normally attentive“ (Hervorhebung hinzugefügt). Dies objektiviert den Standard zwar im Gegensatz zum Wortlaut der Art. 1:103, 1:110 PELSC, lässt aber wiederum dem Wortlaut nach grundsätzlich auch objektiv unangemessene Leistungen als vertragsgemäß gelten, soweit sie durchschnittliches Niveau erreichen. Dies dürfte im Lichte des Art. 1:107 PELSC allerdings nicht beabsichtigt sein. Insoweit dürfte es sich daher um ein Redaktionsversehen handeln, zumal das Konzept der „reason to know“ dem amerikanischen Recht entlehnt ist (vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D zu Art. 1:110, dort auch das folgende Zitat), nach dem „reason to know is determined in light of weather a reasonable person … would draw the inference that the fact does or will exist“ (Hervorhebung hinzugefügt). 2342

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

353

abschließende Regelung intendiert sein2344. Um eine nicht explizit geregelte, über Art. 1:110 PELSC, IV.C. – 2:108 DCFR hinausgehende Aufklärungspflicht dürfte der Vertrag daher generell auch auf der Grundlage der Art. 1:104 PELSC, IV.C. – 2:103 DCFR nicht zu ergänzen sein. Denn eine Regelung, nach der der Schuldner den Gläubgier vor jeder einzelnen Entscheidung benachrichtigen müsste, wäre nicht nur höchst unpraktikabel und ließe die Informationsbeschaffungskosten des Schuldners entgegen dem Willen der Verfasser der PELSC anschnellen2345, sondern würde auch im Widerspruch zu der in Art. 1:109 PELSC, IV.C. – 2:109 DCFR ausgedrückten Entscheidung der PELSC und des DCFR stehen, beiden Vertragsparteien autonome Entscheidungen zu ermöglichen2346. Immerhin wird man aber in entsprechender Anwendung des Art. 6:102(3) PELSC, IV.C. – 7:102(3) DCFR (vgl. Art. 6:101(2) PELSC, IV.C. – 7:101(2) DCFR) einschränkend hinzufügen müssen, dass der Schuldner nicht passiv darauf warten darf, dass der Gläubiger von sich aus die bei ihm vorhandenen Informationen über Risiken, die für einen vergleichbaren Schuldner offensichtlich wären, offen legt. Vielmehr muss er die vom Gläubiger zur Einschätzung benötigten Informationen aktiv einfordern und dabei erläutern, welche Konsequenzen ein Unterlassen der Informationsverschaffung durch den Gläubiger für die Dienstleistung haben könnte2347.

2.

Interessenlage

Entsprechende Pflichten des Schuldners zur Ermöglichung von Kontrolle und Einflussnahme sind praktisch zunächst nicht etwa deshalb überflüssig, weil für das Erreichen des Leistungsziels (sei es die Ausübung von Sorgfalt oder ein bestimmter Erfolg) nach den PELSC grundsätzlich allein der Schuldner verantwortlich zeichnet. Denn obwohl dem Gläubiger bei einer (unentschuldigten) Fehlleistung (Art. 8:101, 8:108 PECL) der Rückgriff auf Sekundäransprüche offen steht, wird er doch zunächst ein Interesse daran haben, das zu erhalten, weswegen er sich überhaupt vertraglich gebunden hat2348. Wenn anders als nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR die Frage, ob das Erreichen eines bestimmten Erfolgs aufgrund konkludenter oder impliziter Vereinbarung den Leistungsinhalt bildet, nicht maßgeblich durch die Perspektive eines vernünftigen (und in aller Regel selbst nicht sachkundigen) Gläubigers determiniert wird, wie dies im englischen Recht der Fall ist2349, wird die vorgenannte Informationsverpflichtung besonders bedeutsam. Denn je weniger die Perspektive des Gläubigers maßgeblich ist, desto eher wird man von einer Sorgfalts- und gerade nicht von einer Erfolgspflicht ausgehen müssen. Dem sachkundigen Schuldner sind nämlich in aller Regel Risiken bekannt, die der nicht sachkundige Gläubiger nicht

2344

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment H. zu Art. 1:104. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:110. 2346 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:110. 2347 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, General Comment J zu Chapter 6. 2348 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:104. 2349 Vgl. ab S. 623. 2345

354

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

kennt und vernünftigerweise auch nicht kennen muss2350. Insofern macht es Sinn, wenn die PELSC den Schuldner nicht nur in Art. 6:102(3) (Art. IV.C. – 7:102(3) DCFR) dazu verpflichten, die vom Gläubiger benötigten Informationen aktiv einzufordern, sondern darüber hinaus in Art. 1:109(3) PELSC (IV.C. – 2:107(3) DCFR) eine Warnpflicht des Schuldners hinsichtlich die Zielerreichung gefährdender Weisungen des Klienten vorsehen2351. Losgelöst davon – und praktisch wohl noch wichtiger – ist durch das Bestehen entsprechender Pflichten vor allem einer Bevormundung des Gläubigers durch den Schuldner vorgebeugt2352, die – wie das frühere englische Arzthaftungsrecht deutlich gezeigt hat2353 – insbesondere zu befürchten ist, wenn die Determinierung sorgfaltsgemäßen Verhaltens faktisch allein durch Bezugnahme auf professionsinterne Standards erfolgt. Gerade eine derartige Bevormundung scheinen die PELSC und der DCFR verhindern zu wollen, widerspräche sie doch den Feststellungen der Verfasser der PELSC, nach denen es für viele Dienstleistungsverträge wesentlich ist, dass die Leistung nach Maßgabe der Wünsche und Bedürfnisse des individuellen Gläubigers erfolgt. Dementsprechend habe er auch ein legitimes Interesse daran, festlegen zu können, ob seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprochen wird2354. Der Schuldner werde auf diesem Weg vor einem Verfehlen des Vertragsziels bewahrt, wodurch auch seinen Interessen entsprochen sei, zumal eine entsprechende Überprüfung es dem Gläubiger ermögliche, seinen Kooperationspflichten (Art. 1:104(1)(a)-(c) PELSC, IV.C. – 2:103(1)(a)-(c) DCFR) nachzukommen. Zur Überprüfung und Steuerung der Vertragsdurchführung dürften dem Gläubiger (wenngleich die Verfasser diese Thematik nicht problematisieren 2355) vor allem die vom Schuldner übermittelten oder ermöglichten Informationen über ihre bisherige sowie ihre (beabsichtigte) künftige Entwicklung dienen. Dieselbe Information kann 2350

Ebenso Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:110, Comment A. zu Art. 1:108. Eine Verpflichtung des Schuldners zur aktiven Suche nach Risiken, halten die Verfasser allerdings für übermäßig belastend (vgl. a.a.O. Comment B. zu Art. 1:110) und daher auch mit dem Hinweis auf überlegenes Wissen des Schuldners nicht begründbar. 2351 Zur regelmäßig fehlenden Gläubigerkompetenz als Hintergrund dieser Regelung vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:109. 2352 Da gemäß Art. 1:108 PELSC ohnehin die Vorstellungen eines vernünftigen Gläubigers hinsichtlich der Erreichbarkeit eines bestimmten Erfolgs maßgeblich sind, sehen die Verfasser der PELSC insoweit keine Möglichkeit einer Bevormundung. Denn die Abweichung von der maßgeblichen Gläubigererwartung bedeutet im Rahmen des Art. 1:108 PELSC einen Vertragsbruch bzw. eine Nichterfüllung, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:104. 2353 Vgl. ab S. 439. 2354 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:104. 2355 Dies geschieht wohl vor dem Hintergrund, dass eine inadäquate Überwachung durch den Gläubiger den Schuldner nicht von seiner Verpflichtung zur Erreichung des vom Gläubiger ausdrücklich oder vernünftigerweise erwarteten Ziels entlastet, vgl. Art. 2:105(3), 3:106 (2) PELSC; die Mitwirkungspflicht nach Art. 1:104 PELSC ist gleichwohl nicht als Obliegenheit des Gläubigers, sondern als echte Rechtspflicht ausgestaltet, vgl. Art. 1:104(3) PELSC und Barendrecht u.a., PELSC, Comment H zu Art. 1:104.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

355

insoweit Schutz vor Eingriffen in bestehende Rechtsgüter (Körper, Leben, Gesundheit, Vermögen) bewirken und zugleich die Zuweisung des Verwendbarkeitsrisikos an den potentiellen Gläubiger beeinflussen. Je informierter der Gläubiger ist, desto eher besteht folglich für ihn die Möglichkeit, die Konkretisierung der in Rede stehenden Dienstleistung zu beeinflussen, genauer, sie nach den eigenen Interessen zu optimieren: Der Gläubiger kann einerseits das Erreichen des bezweckten Erfolgs in dem seinen Interessen am ehesten entsprechenden Umfang sicher stellen und andererseits die – nach ausreichender Information – unerwünschte Einflussnahme auf die eigenen Rechtsgüter ausschließen. Es könnnen mit anderen Worten nicht nur aufgedrängte (unnütze oder zumindest nicht hinreichend zwecktaugliche) Leistungen, sondern auch aus der Sicht des Gläubigers zu intensive oder risikoreiche Eingriffe in bzw. Schäden an vorhandenen Rechtsgütern vermieden werden. Unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang der Dienstleister den Gläubiger informieren muss, ist daher für den Gläubiger von besonderer Bedeutung.

II.

Einführende Bemerkungen zum englischen und deutschen Recht

Entsprechende vertragliche Aufklärungspflichten bestehen im englischen Recht durchaus, sind jedoch – ebenso wie im deutschen Recht – nicht für alle Professionen (jederzeit) im selben Umfang entwickelt. Dies dürfte – in beiden Rechtsordnungen – nicht allein damit zusammenhängen, dass die Beratung je nach Art der Dienstleistung den zentrale Leistungsgegenstand bilden (Bsp.: Rechtsberatung) oder lediglich dienende Funktion haben kann (Bsp.: Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen eines Medikaments)2356. Auch der bereits oben angesprochene Aspekt der Bedeutung der Beratung für eine „erfolgreiche“ Vertragsdurchführung2357 ist keineswegs für alle Dienstleistungen im gleichen Umfang geklärt2358. Je nach Art der Dienstleistung stehen auch unterschiedliche Interessen im Raum, sodass unterschiedliche Gründe der public policy mehr oder weniger stark zu berücksichtigen sind. An dieser Stelle soll vor allem untersucht werden, ob und inwieweit für den Dienstleister eine vertragliche Verpflichtung besteht2359, über Risiken aufzuklären, die der geplanten Art und 2356

Vgl. zur Ausbildung eines Typus der „Beratungsbehandlung“ aber Damm, MedR 2006, 1. Heckendorn, Haftung, Rn. 224 ff. ignoriert diese Unterschiede funktionell und fasst beide im Text genannten Typen und dem Oberbegriff „Wissenvermittlung“ zusammen, um die es sich in beiden Fällen selbstverständlich auch handelt. Gleichwohl steht die Informationsvermittlung aus der Perspektive des zentralen Vertragsgegenstands nicht auf derselben Stufe. 2357 Vgl. zu dieser Funktion von Aufklärungspflichten auch Heckendorn, Haftung, Rn. 233 f. 2358 Vgl. für den Arztvertrag nach deutschem Recht die Feststellungen von Damm, MedR 2006, 1, 2. 2359 Kein Gegenstand der nachfolgenden Überlegungen sind vorvertragliche Informationspflichten des Dienstleisters. Vgl. zur vorvertraglichen Informationshaftung im englischen Recht Treitel, Contract, S. 286 ff., 390 ff.; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 813 ff.; rechtsvergleichend zur Frage der Haftung für vorvertragliche non-disclosure Beale/Harrington, in: Beale u.a., Contract, S. 409 ff. Im Kontext von Verträgen über die Erteilung von Informa-

356

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Weise der Vertragsdurchführung immanent sind. Es geht mithin um die Verpflichtung des Dienstleisters zur Bereitstellung von Informationen über die konkret beabsichtigte Leistung, mit dem Zweck, dem Gläubiger eine Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie der Dienstleister konkret vorgehen soll, sofern Alternativen bestehten. Entsprechende Pflichten sind dabei entweder als Unterlassungs- oder als Handlungspflicht denkbar2360: Unzutreffende Informationen dürfen grundsätzlich nicht weitergegeben werden (Unterlassungspflicht oder Wahrheitspflicht), während zutreffende Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen (Handlungspflicht oder Aufklärungspflicht). Begriffliche Differenzierungen2361 dienen vorliegend – sozusagen umgangssprachlich – nur zur Verdeutlichung einzelner Aspekte. Eine sachlichsinnvolle dogmatische Kategorisierung ist, soweit ersichtlich, nämlich bislang selbst im (begriffsverliebten) deutschen Recht nicht geglückt2362, was einen Grund dafür bilden könnte, dass dem englischen Recht wie den PELSC und dem DCFR entsprechende Bemühungen fremd sind2363.

III. Erklärungsmuster für vertragliche Informationspflichten nach englischem Recht Die Grundlage vertraglicher Aufklärungspflichten bildet auch im englischen Recht der Vertrag selbst; sie sind – ebenso wie nach deutschem Recht, aber anders als nach Art. 1:110, 6:101 ff., 7:105 ff. PELSC oder Art. IV.C. – 2:108, 7:101 ff., 8:105 ff. DCFR – nicht etwa gesetzlich vorgesehen und insofern in der Konzeption des Vertragsrechts der Ausnahmefall2364. Denn eine allgemeine Pflicht, dem Vertragspartner innerhalb eines Vertragsverhältnisses Informationen zu eröffnen, die für diesen wichtig oder interessant sein könnten, gibt es nach common law nicht2365. Im Anwalts- und Architektenrecht gehört die Vermittlung von Informationen in Form der Beratung tionen ist es häufig schwierig zwischen vorvertraglichen und vertraglichen Pflichten zu unterscheiden, so etwa bei der Rechtsberatung. Für die Haftung nach den PELSC spielt diese Unterscheidung allerdings deswegen nicht unbedingt eine Rolle, weil Art. 1:103 und Art. 1:110 PELSC grundsätzlich parallel ausgestaltet sind, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, General Comment I. und L. zu Chapter 6. 2360 Ebenso Grigoleit, Informationshaftung, S. 4; für das englische Recht ebenso Heckendorn, Haftung, Rn. 231, 574 ff. m.w.N. 2361 Eine Auflistung potentieller termini findet sich in Bezug auf das deutsche Recht bei Grigoleit, Informationspflichten, S. 5; Thamm/Pilger, BB 1994, 729, 730. 2362 Vgl. Soergel /Teichmann, BGB § 242 Rn. 135; Grigoleit, Informationshaftung, S. 5 m.w.N. Um eine Qualifikation nach Typen bemüht sich für das Medizinrecht gleichwohl Damm, MedR 2006, 1, zu Ansätzen für inhaltlich relevante Differenzierungen vgl. ebenda, S. 12. 2363 Die Fragen nach den Voraussetzungen von Informationspflichten sind folgerichtig auch im deutschen Recht ganz unabhängig von derartigen Kategorisierungen zu entscheiden, vgl. Grigoleit, Informationspflichten, S. 5. 2364 Grubb, in: ders., Principles, § 3.111; ebenso Heckendorn, Haftung, Rn. 231 m.w.N. 2365 Treitel, Contract, S. 400.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

357

immerhin klassischerweise zum Vertragsinhalt. Schon für das englische Arzthaftungsrecht lässt sich dies aber nicht mit gleicher Sicherheit sagen, hatten doch vor einer Entscheidung des House of Lords im Jahre 19852366 lediglich zwei instanzgerichtliche Entscheidungen die Frage konkret angesprochen2367. Als „special relationship“, die eine Informationspflicht auch zwischen den als gleich „stark“ gedachten Vertragparteien2368 zu begründen vermag, ist die Arzt-Patienten-Beziehung unabhängig davon, ob sie vertraglichen oder deliktischen Ursprungs ist, nach common law zunächst nicht zu qualifizieren2369. Auch die Annahme einer zur Begründung initiativer Informationspflichten tauglichen „fiduciary relationship“2370 zwischen Arzt und Patienten2371 hat das House of Lords – anders als die amerikanische Rechtsprechung2372 – explizit verworfen2373. Der Ursprung der dem Grunde nach dennoch zweifellos anerkannten Informationsverpflichtung des Arztes gegenüber seinem Patienten ist vor diesem Hintergrund letztlich nicht dogmatisch entwickelt worden. Die Gerichte haben vielmehr – ganz pragmatisch und die „legal-technical difficulties involved in actually finding some juristic basis for a duty of affirmative action“ weitgehend ignorierend2374 – die (vertragliche und deliktische) duty of care des Arztes gegenüber seinem Patienten einfach dahin erweitert, dass dieser nicht nur sorgfältig vorgehen muss, wenn er tätig wird, sondern dass er – innerhalb der Arzt-Patienten-Beziehung – von sich aus tätig werden, d.h. informieren und beraten muss2375. Aus vertragsrechtlicher Perspektive dürfte der Annahme dieser Handlungspflicht die Vorstellung zugrunde liegen, dass der Arzt, sofern er die Behandlung übernimmt, implizit verspricht, positiv im Interesse seines Vertragspartners, des Patienten, tätig zu werden2376.

2366

Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital [1985] 1 AllER 643 und dazu ab S. 439. 2367 Chatterton v Gerson [1981] QB 432 (HC); Hills v Potter [1984] 1 WLR 641 (HC). In beiden Fällen geschah dies im deliktischen Kontext. Da sich das vertragliche Pflichtenprogramm vom deliktischen allerdings in Abwesenheit besonderer Umstände nicht unterscheiden soll, ist die Frage im vertraglichen Kontext nicht anders zu beantworten als im deliktischen, vgl. Thake and Another v Maurice [1986] QB 644, 679 per Kerr LJ (CA). 2368 Dazu oben ab S. 97. 2369 Grubb, in: ders., Principles, § 3.112. 2370 Vgl. dazu etwa Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 838 ff.; Treitel, Contract, S. 399. 2371 Diese Qualifikation grundsätzlich befürwortend Bartlett, (1997) 5 Med L Rev 193 ff. 2372 Vgl. die Nachweise bei Grubb, in: ders., Principles, § 3.113. 2373 Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital [1985] 1 All ER 643, 650 f. per Lord Scarman (HL). 2374 So Grubb, in: ders., Principles, § 3.114. 2375 Vgl. vor allem Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital [1985] 1 All ER 643 und dazu unten ab S. 439. 2376 Vgl. Grubb, in: ders., Principles, § 3.114.

358

B.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Aufklärungspflicht des Anwalts

Unter den hier untersuchten Dienstleistungsverträgen ist jedoch zunächst der Anwaltsvertrag zumeist ein Vertrag, „whereby one party, the information provider, is to supply factual information, evaluative information or a recommendation to another party, the client“, also ein Informationsverschaffungsvertrag im Sinne des Art. 6:101 (1) PELSC2377, VI.C. – 7:101(1) DCFR. Wenn dem Anwalt die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage angetragen wird, bildet das Sammeln, Bewerten, Aufbereiten und Vermitteln von Informationen den zentralen Vertragsgegenstand. Für die Aufklärungspflichten des Architekten, die in der Regel eher neben den Aufgaben Planung und Bauaufsicht stehen, finden sich insoweit in den PELSC keine expliziten Regeln. Diese sind folglich in entsprechender Anwendung der in den Art. 6:102 ff. PELSC (Art. IV.C. – 7:101 ff. DCFR) geregelten Pflichten des Schuldners zu entwickeln (Art. 6:101(2) PELSC, IV.C. – 7:101(2) DCFR), wobei das Ziel der Art. 6:101 ff. PELSC, dem Gläubiger auf der Grundlage der vom Schuldner vermittelten Informationen, Bewertungen oder Ratschläge eine vernünftige Auswahlentscheidungen zwischen bestehenden Alternativen zu ermöglichen, angemessen berücksichtigt werden muss. Dies gilt nach ausdrücklicher Anweisung der Art. 7:105(2), 6:101(2) PELSC (bzw. Art. IV.C. – 7:101(2), 8:105(2). DCFR) ebenso für die Aufklärungspflichten des Arztes, soweit diese nicht in Art. 7:105 ff. PELSC gesondert geregelt sind oder der Patient (was nicht uneingeschränkt möglich ist) wirksam auf eine Information verzichtet. Vor dem Hintergrund der vorgenannten realtypischen Ausgangslage sind die Regeln des PELSC bzw. des DCFR über Informationsverträge zweckmäßigerweise dem Grunde nach im Zusammenhang mit den Strukturen anwaltlicher Aufklärungspflichten zu erläutern2378.

I.

Zweckrichtung der Aufklärung

Wir hatten gesehen, dass nach deutschem Recht die wesentlichen Entscheidungen über das Vorgehen zur Erreichung des Vertragszwecks vom Mandanten getroffen werden2379: „Der Mandant – und nicht sein anwaltlicher Vertreter – soll auf Grund der Beratung entscheiden und entscheiden können, ob er ein Recht geltend machen, ob und mit welchem Inhalt er rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben oder Verträge eingehen will“2380. Dies ist dem Mandanten – wie bereits aus den vorstehenden Feststellungen des BGH deutlich wird – freilich nur sinnvoll möglich, wenn er die mit dem Einschlagen eines bestimmten Wegs verbundenen Risiken kennt und vergleichend bewerten kann; hierzu ist er aufgrund des typischen Fehlens eigener Sachkunde regelmäßig nicht in der Lage. Gerade vor diesem Hintergrund hat die Recht2377

Die Regeln über Informationsverschaffungsverträge wurden unter besonderer Berücksichtigung anwaltlicher Dienstleistungen entwickelt, vgl. Loos, in: Hartkamp u.a., Civil Code, S. 571, 580; vgl. zuvor schon dens., (2001) ERPL 9, 565, 571. 2378 Zu den Sonderfragen der Aufklärung bei neuartigen Aufgaben vgl. ab S. 461. 2379 Vgl. ab S. 303. 2380 BGH, NJW-RR 2000, 791, 792 m.w.N.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

359

sprechung die die Sachverhaltsaufklärung und die rechtliche Bearbeitung begleitende und deren Ergebnisse gegenüber dem Mandaten umsetzende Belehrung über Rechtslage, Erfolgsaussichten, Risiken und u.U. auch über Kosten zu einer Maxime2381 erhoben, an der sich die anwaltliche Tätigkeit jederzeit auszurichten hat. Ausgehend davon bestimmen sich Inhalt, Umfang, Art und Weise sowie Erforderlichkeit von Belehrung und Beratung2382, die – wie der BGH in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich betont – dem Mandanten eine sachgerechte und eigenverantwortliche Entscheidung ermöglichen soll2383. Die PELSC und der DCFR gehen, wie gleich im Einzelnen zu zeigen sein wird, ganz selbstverständlich von derselben Zweckrichtung der Aufklärungspflicht aus, was angesichts der vorstehend umschriebenen tatsächlichen Ausgangslage allerdings auch nicht verwundert. Gleiches ist schließlich – vor demselben Hintergrund – für die Zweckrichtung anwaltlicher Aufklärungspflichten im englischen Recht anzunehmen, wenngleich dies kaum ausdrücklich formuliert wird. Diesen Rückschluss auf den Zweck der anerkannten Informationspflichten wird man – wie sogleich zu zeigen sein wird – indessen aus deren Ausrichtung, Inhalt und Umfang ziehen müssen. Es ist insofern ohne praktische Bedeutung, dass dieser Zweck in der englischen Rechtsprechung (der „Maximen“ ohnehin in der Regel suspekt sind) nicht wie in der deutschen wiederholt klargestellt wird.

1.

Orientierung am Informationsbedürfnis des Mandanten

a)

Deutsches Recht

Ausgehend von der vorgenannten Zweckrichtung der Aufklärungspflicht ist die Belehrungspflicht in dem Umfang und der Intensität erforderlich, in dem bzw. der ein entsprechendes Informationsbedürfnis2384 des Mandanten (sog. Belehrungsbedürftigkeit) besteht2385. Insofern kann der Umfang der Beratungs- und Belehrungspflichten ebenso wie die sprachliche und begriffliche Gestaltung der Beratung – parallel zur englischen Rechtslage2386 – auch vom Bildungs- und Wissenstand des Mandanten abhängen2387. Dabei hat der Anwalt grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit

2381

So Borgmann, NJW 2000, 2953, 2958; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 509; ähnlich Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 508 (Kardinalpflicht). 2382 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 509. 2383 Vgl. nur BGH, NJW-RR 2000, 791, 792; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 587; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 509 m.w.N. 2384 Dieses erhebt Heckendorn, Haftung, Rn. 227 – wie sich im Fortgang der vorliegenden Untersuchung zeigen wird: zu Recht – zum zentralen Kriterium für die Bestimmung des vertraglich (und deliktisch) geschuldeten Informationsumfangs. 2385 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 527. 2386 Vgl. hierzu ab S. 361. 2387 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 527 m.w.N.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

360

des Mandaten auszugehen2388, weswegen dem Mandaten bei der Schlechtleistung des Anwalts grundsätzlich kein Mitverschulden vorzuwerfen ist2389. Vom Ausgangspunkt der Belehrungsbedürftigkeit ist auch gegenüber juristisch vorgebildeten2390 und geschäftlich erfahrenen Auftraggebern2391 keine Ausnahme zu machen. Das fehlende Beratungsbedürfnis hat im Regressprozess ausnahmsweise stets der Anwalt zu beweisen2392, was ihm regelmäßig schwer fällt2393. An der Belehrungsbedürftigkeit fehlt es nämlich nur, falls der Mandant „erkennbar mit den gegebenen Rechtsproblemen oder der Relevanz und den möglichen Auswirkungen tatsächlicher Unsicherheiten in zuverlässiger Weise hinreichend vertraut ist und diese Risiken des Geschäfts oder der beabsichtigten rechtlichen Gestaltung oder Vorgehensweise auch bei einer Belehrung auf sich nehmen würde“2394.

b)

Englisches Recht

aa) Die Anerkennung von Aufklärungspflichten bei bestehenden Risiken Auch solicitors sind anerkanntermaßen dazu verpflichtet, ihre Mandanten2395 ausdrücklich über spezifische Risiken des vorgeschlagenen Vorgehens aufzuklären und sie entsprechend zu warnen2396. Geschieht dies nicht, bricht der solicitor den Vertrag2397. Relevant sind in diesem Zusammenhang vor allem zwei Fallkonstellationen, 2388

BGH, NJW 2001, 517, 518; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 10; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 527. 2389 Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 588. 2390 BGH, NJW 2001, 517, 518; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 527 m.w.N. 2391 BGH, NJW 2001, 517, 518; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 10; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 588; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 527. 2392 BGH, NJW 2001, 517, 518; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 10; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 588. 2393 Der häufige Vortrag mangelnder Belehrungsbedürftigkeit ist nach den Feststellungen von Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 527 durchweg ohne Erfolg geblieben. 2394 So Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 527 m.w.N. 2395 Handelt der solicitor für eine Gesellschaft, genügt es, dass er den spezifisch mit der Angelegenheit beschäftigten Gesellschafter informiert, vgl. Sykes v Midland Bank Executor & Trustee Co Ltd [1971] 1 QB 113, 124 per Harman LJ, 126 per Salmon LJ; Tomlinson v Broadsmith [1896] 1 QB 386, 390 per Lord Esher MR; 391 per Lopes LJ; 392 per Rigby LJ (CA). Handelt er für mehrere Personen, die nicht gesellschaftsrechtlich verbunden sind, z.B. ein Ehepaar oder mehrere Ehepaare, ist grundsätzlich die Instruktion jeder Person erforderlich, vgl. dazu Penn v Bristol & West Building Society [1997] 1 WLR 1356 (CA), sodass auch jede einzelne Person über Risiken zu informieren ist, vgl. Farrer & Another v Copley Singeltons (a firm) [1998] PNLR 22, 32 f. per Brooke LJ (CA); Jackson/Powell, Negligence, § 10–155. Wird ein vollumfänglich vertretungsberechtigter Stellvertreter bestellt, genügt die Information an ihn, vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 10–155 m. Fn. 28.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

361

die beide aus dem Umstand resultieren, dass der Mandant selbst gerade nicht sachkundig ist2398, sich also nur begrenzt privatautonom (durch Nachfrage) vor entsprechenden Risiken schützen kann. Klagen wegen unzureichender Information treten zum einen auf, (1) wenn der solicitor es unterlässt, Informationen weiterzugeben, die er von sich aus anbieten muss2399, und zum anderen, (2) falls die weitergegebene Information für den Mandanten nicht erkennbar unvollständig ist2400.

bb) Orientierung am erkennbaren Informationsbedürfnis des Mandanten Ohne Bedeutung ist dabei, wie sich der Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Boyce v Rendells entnehmen lässt, ob ein Risiko aus der Sicht des solicitors klar auf der Hand liegt, da dies für den Mandanten keinesfalls ebenso offensichtlich sein muss2401: “… if, in the course of taking instructions, a professional man like a land agent or a solicitor learns of facts which reveal to him as a professional man the existence of obvious risks then he should do more than merely advise within the strict limits of his retainer. He should call attention to and advise upon the risks.”2402 Bei den verschiedensten Gelegenheiten hat man insofern eine entsprechende Aufklärungs- und Warnpflicht des solicitors angenommen, deren Verletzung zur Haftung führt2403. Dabei wird man freilich neben dem Informationsbedürfnis des Mandanten weitere Umstände des Einzelfalls, etwa Ort und Zeit(druck) der Beratung berücksichtigen müssen. So hat Lord Carswell in Moy v Pettman Smith zu Recht darauf hingewiesen2404, dass die Beratung, die als Reaktion auf ein Vergleichsangebot der

2396

Billins, Solicitors, § 4–25; Newdick, Treat, S. 145; Jackson/Powell, Negligence, § 10–165; vgl. auch Geismar, Haftung, S. 36 f. 2397 Jackson/Powell, Negligence, § 10–154. 2398 Aus demselben Grund kann vom Mandanten auch nicht erwartet werden, dass er den Auftrag an den solicitor juristisch exakt formuliert, vgl. Griffiths v Evans [1953] 1 WLR 1424, 1429 per Denning LJ (CA): „The reason is plain. It is because the client is ignorant and the solicitor is, or should be, learned“. 2399 Jackson/Powell, Negligence, § 10–154. 2400 Vgl. dazu etwa Crossan v Ward Bracewell & Co (1986) 136 MLJ 849 per Kennedy J (HC, lexis) (Unterlassen eines Hinweises darauf, dass die rechtliche Vertretung vor Gericht von der Versicherung des Klägers gedeckt war). 2401 Ausdrücklich Queen’s Elizabeth’s School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors [2001] EWCA Civ 1360, Tz. 45 per Arden LJ (CA). 2402 Boyce v Rendells (1983) 268 EG 268 per Lawton LJ (CA, lexis); Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (lexis). 2403 Vgl. etwa Amersfort Ltd v Kelly Nichols & Blayney [1996] EGCS 156 per Judge Levy QC (HC, lexis); Jackson/Powell, Negligence, § 10–165; Billins, Solicitors, § 4–25. 2404 Moy v Pettman Smith (a firm) [2005] 1 WLR 581, 599 (HL).

362

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Gegenseite erfolgt2405, das sprichwörtlich beim Eintritt in den Verhandlungssaal unterbreitet wird, nicht dieselben Überlegungen enthalten kann, die ein Appellationsgericht nach eingehender Argumentation und Diskussion anstellen könne2406.

cc) Das Informationsbedürfnis als Grenze der Informationspflicht Dies ändert indes ebenso wenig an der zentralen Ausrichtung der Informationspflicht am entsprechenden Bedürfnis des Mandanten wie der Umstand, dass das englische Recht für die Feststellung eines implied term, die vorliegend vor allem im Zusammenhang mit vom Mandanten nicht ausdrücklich oder konkludent aufgeworfenen Fragen praktisch wird2407, direkt beim reasonable client als officious bystander ansetzt und also analytisch einen objektiven Ausgangspunkt wählt. Denn wenngleich es für die Bestimmung der vom solicitor zu beantwortenden Fragen keine fixen, schematisch handhabbaren Regeln gibt2408, muss dieser doch stets eine Abwägungsentscheidung treffen, die maßgeblich am objektiv erkennbaren Informationsbedürfnis des Mandanten orientiert ist2409. Die Kenntnisse des Mandanten können die Anforderungen an die geschuldete Information folgerichtig je nachdem steigern oder senken, wie sich in der englischen Rechtsprechung ohne weiteres nachweisen lässt2410. So hat der Privy Council in Clark Boyce v Mouat festgestellt, dass jedenfalls dann, wenn der Mandant sich im Vollbesitz seiner Fähigkeiten offensichtlich bewusst ist, was er konkret zu tun beabsichtigt, der solicitor nicht über seine Instruktionen hinaus informieren muss: “When a client in full command of his faculties and apparently aware of what he is doing seeks the assistance of a solicitor in the carrying out of a particular transaction, that solicitor is under no duty whether before or after accepting instructions to go beyond those instructions by proffering unsought advice on

2405

Zu diesem Thema auch Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 60 ff. per HJ Seymour QC (QB), unreported. 2406 Dazu, dass die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen, jetzt auch Pritchard Joyce & Hinds (a firm) v. Batcup [2009] PNLR 28, Tz. 97, 103 (CA); vgl. ferner West Wallasey Car Hire Ltd v Berkson & Berkson [2009] EWHC B39, Tz. 22 ff. (Mercantile). 2407 Vgl. sogleich ab S. 367. 2408 Vgl. für Fragen des Mietrechts Sykes v Midland Bank Executor and Trustee Co Ltd [1971] 1 QB 113, 125 per Salmon LJ (CA); ebenso für jede andere Aufgabe Reeves v Thrings & Long [1996] PNLR 265 per Sir Thomas Bingham MR (CA, lexis); Jackson/Powell, Negligence, § 10–160. 2409 Vgl. auch Buckley, Negligence, § 15.19. Zur Bedeutung von Gesprächsnotizen, Erläuterungsschreiben usw. bei der Bestimmung dieses Bedürfnisses vgl. Farrer v Copley Singletons [1998] PNLR 22, 35 per Brooke LJ (CA) sowie Watson, Litigation, § 4.9. 2410 Vgl. z.B. Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (HC, lexis). Die contributory negligence des Gläubigers lässt aber den Umfang der vertraglichen Verpflichtung des Schuldners unberührt und steht einem breach of contract nicht entgegen, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln, S. 544.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

363

the wisdom of the transaction. To hold otherwise could impose intolerable burdens on solicitors.”2411 In dieser Entscheidung war sich die Mandantin über die ihrem Vorgehen immanenten Risiken durchaus bewusst. Die beklagten solicitors waren zeitgleich für die Klägerin und ihren Sohn tätig geworden, der sich ein Darlehen hatte gewähren lassen, das die Klägerin mit einer Grundschuld besicherte. Als der Sohn später Insolvenz anmeldete, musste die Klägerin das Darlehen zurückzahlen, um nicht aus der Sicherheit in Anspruch genommen zu werden. Sie selbst verklagte daraufhin die beratenden solicitors aus Vertragsbruch, Delikt und Verletzung ihrer treuhänderischen Pflichten; der Privy Council wies die Klage ab. Die Anwälte hatten der Klägerin ganz deutlich gemacht, dass sie in Anspruch genommen werden würde, sollte ihr Sohn zahlungsunfähig werden. Sie waren von der Klägerin, die sich dennoch bewusst für die Besicherung entschieden hatte, nicht engagiert worden, um darüber aufzuklären, ob die Besicherung allgemein eine „gute Idee“ war. Dass dem Klienten vernünftigerweise bekannte Informationen unerwähnt gelassen werden dürfen, lässt sich auch anderen Entscheidungen entnehmen2412. Als Tendenz wird man damit festhalten können, dass – auch ungefragt – umso eher aufgeklärt werden muss, je deutlicher objektiv erkennbar ist, dass der Mandant der Aufklärung bedarf 2413. Dies wird an den von Donaldson LJ in Carradine Properties Ltd v D J Freeman & Co getroffenen Feststellungen mit vorbildlicher Klarheit deutlich: “In deciding what [the solicitor ] should do and what advice he should tender the scope of his retainer is undoubtedly important, but it is not decisive. If a solicitor is instructed to prepare all the documentation needed for the sale or purchase of a 2411

Clark Boyce v Mouat [1994] 1 AC 428, 437 per Lord Jauncey of Tullichettle (PC). Vgl. Central Land Investments Ltd v Winn (1972) 223 EG 2334 per Stevenson J (HC, lexis). In dieser Entscheidung hatte der solicitor seinen Mandanten, der in einem Gebiet, dass gerade neu strukturiert wurde, ein Geschäft eröffnen wollte, nicht darüber informiert, dass wegen des Baus einer Brücke notwendig für eine bestimmte Zeit die Schließung einer Straße für den Kraftfahrzeugverkehr angeordnet worden war. Bei der Ortsbesichtigung vor Erwerb des Lokals war die Straßensperre allerdings bereits ohne weiteres erkennbar in Kraft. Der solicitor hatte daher nicht fahrlässig gehandelt, als er seinen Mandanten nicht darüber informierte, dass dies auch genauso angeordnet worden war. Als fahrlässig hat Pritchard J es hingegen in Lake v Bushby [1949] 2 All ER 964 (HC) qualifiziert, dass der während laufenden Kaufverhandlungen über ein Grundstück engagierte solicitor seinen Mandanten nicht darüber unterrichtet, dass für das auf dem Gelände befindliche Gebäude keine Baugenehmigung vorhanden war, wie der solicitor im Rahmen seiner gewöhnlichen Nachforschungen erfahren hatte. Vgl. im Übrigen Piper v Daybell Court-Cooper & Co (1969) 210 EG 1047 per Nield J (HC, lexis, Nichtunterrichtung über die Existenz eines Wegerechts); Pilkington v Wood [1953] Ch 770 (HC; Solicitor gesteht zu, fahrlässig gehandelt zu haben, indem er seinen Mandanten nicht über einen Rechtsmangel an dessen Grundstück informiert). Vgl. ferner Schellenberger, Haftung, S. 111. 2413 Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (lexis); vgl. auch Pickersgill v Riley [2004] PNLR 31, Tz. 7 per Lord Scott (PC). 2412

364

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

house, it is no part of his duty to pursue a claim by the client for unfair dismissal. But if he finds unusual covenants or planning restrictions, it may indeed be his duty to warn of the risks and dangers of buying the house at all, notwithstanding that the client has made up his mind and is not seeking advice about that. I say only that this may be his duty, because the precise scope of that duty will depend inter alia upon the extent to which the client appears to need advice. An inexperienced client will need and will be entitled to expect the solicitor to take a much broader view of the scope of his retainer and of his duties than will be the case with an experienced client.”2414 Es sind mit anderen Worten alle Umstände des Einzelfalls darauf zu befragen, ob der Mandant ernsthaft an der betreffenden Information interessiert ist oder doch zumindest sein müsste. Die Konkretisierungslast liegt nach alledem in erster Linie beim sachkundigen solicitor und nicht beim Mandanten2415. So wirkt es konsequent, wenn Jackson/Powell in diesem Zusammenhang auf die neuseeländische Entscheidung Gilbert v Shanahan aufmerksam machen, in der es heißt: “Solicitors’ duties are governed by the scope of their retainer, but it would be unreasonable and artificial to define that scope by reference only to the client’s express instructions. Matters which fairly and reasonably arise in the course of carrying out those instructions must be regarded as coming within the scope of the retainer.”2416 Mit der Entscheidung Clark Boyce v Mouat, in der sich die Mandantin des Risikos voll bewusst ist, befindet man sich sicherlich eher an einem Ende einer breiten Skala. In anderen Fällen ist die Bestimmung der Grenzen der Informationsverpflichtung schwieriger und – parallel dazu – ein Fahrlässigkeitsvorwurf schwer zu begründen2417. Gleichzeitig dürfte es für den solicitor freilich auch entsprechend schwierig sein, sich zu seiner Entlastung auf eine verbreitete Aufklärungspraxis zu berufen. Die dritte Funktion des Bolam-Tests hat angesichts der von einer Rückversicherungspflicht in jeder Zweifelsfrage, die dem solicitor nicht vom Mandanten zur Alleinentscheidung

2414

Carradine Properties Ltd v D Freeman & Co (A Firm) [1955–95] PNLR 219, 226; ganz ähnlich ebenda S. 225 Eveleigh LJ (CA); zustimmend Virgin Management Ltd and Another v De Morgan Group plc and Another [1996] NPC 8 per Legatt LJ (CA, lexis); R P Howard Ltd & Richard Alan Witchell v Woodman Matthews and Co (a firm) [1983] BCLC 117 per Staughton J (HC, lexis); Johnson v Bingley Dyson & Finney (a firm) [1997] PNLR 392, 408 per Judge Hytner QC (HC). Vgl. im Übrigen auch Hall v Meyrick [1957] 2 QB 455, 475 per Hodson LJ (CA). 2415 A.A. Dietlmeier, Haftung, S. 73. 2416 Gilbert v Shanahan [1988] 3 NZLR 528, zustimmend zitiert bei Jackson/Powell, Negligence, § 10–162. Der Umstand, dass es sich insoweit mittlerweile schon um einen term implied in law handeln dürfte, verleiht den Gerichten einen gewissen Spielraum. 2417 Buckley, Negligence, § 15.19 hält den Nachweis der Verletzung einer Erläuterungspflicht gar für den am schwierigsten zu führenden.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

365

überantwortet ist2418, flankierten Verpflichtung, den Mandanten in seinem objektiv besten Interesse aufzuklären, keine praktische Bedeutung.

c)

PELSC und DCFR

aa) Explizite Ausrichtung am Informationsbedürfnis des Klienten Die für die Aufklärungsverpflichtung im vorstehenden Zusammenhang zentrale Vorschrift der Modellregeln bildet Art. 6:102 PELSC (Art. IV.C. – 7:102 DCFR). Der Schuldner muss sich nämlich gemäß Art. 6:102(1) PELSC (Art. IV.C. – 7:102(1) DCFR) – immer unter der Bedingung, dass dies für die Vertragsdurchführung vernünftigerweise erforderlich ist – über den besonderen Zweck informieren, für den der Klient die vertraglich nachgefragte Informationen benötigt, sowie über die Vorlieben und Prioritäten des Klienten in Bezug auf die benötigte Information (d.h. wohl hinsichtlich Art, Umfang, Gewichtung der Informationen, vgl. Art. 6:105(1) PELSC, IV.C. – 7:105(1) DCFR), ferner über die Entscheidungen, die vom Klienten auf der Grundlage der Information erwartet werden können, und schließlich auch über die persönliche Situation des Klienten. Art. 6:102 PELSC (Art. IV.C. – 7:102 DCFR) konkretisiert insoweit Art. 1:105 PELSC, der vorsieht, dass der Schuldner – soweit dies zur Vertragsdurchführung vernünftigerweise erforderlich ist – Informationen über die Umstände, unter denen die Leistung erfolgen soll, sammeln und sicherstellen muss, dass die Ergebnisse seiner Nachforschungen bei der Vertragsdurchführung in Rechnung gestellt werden. Geschuldet ist trotz der strengen Umschreibung des der Berücksichtigungspflicht mit „ensure“ aber auch insoweit lediglich angemessene Sorgfalt, zumal die Verfasser der PELSC davon ausgehen, dass eine entsprechende Verpflichtung des Schuldners sich u.U. bereits aus Art. 1:107 PELSC herauslesen ließe2419. Dadurch dass den Schuldner nach den PELSC (und dem DCFR) im Rahmen von Informationsverträgen zunächst die Pflicht trifft, sich der Bedürfnisse des Gläubigers in angemessenem Umfang zu versichern, wird losgelöst davon klargestellt, dass sich der Pflichtinhalt im Ansatz parallel zum englischen und deutschen Recht am Informationsbedürfnis des Mandanten orientiert. Der Maßstab für den Umfang der Pflicht zur Bedürfnisaufklärung ist dabei komparativ, wie das Zusammenspiel von Art. 6:102(1) und Art. 6:102(2) PELSC (Art. IV.C. – 7:102(1) und (2) DCFR) deutlich macht: Je personalisierter die angebotene Dienstleistung ist, desto umfangreicher müssen deren Umstände bezogen auf die konkreten Interessen des aktuellen Gläubigers aufgeklärt werden und umgekehrt2420.

2418

Vgl. Groom v Crocker [1939] 1 KB 194, 222 per Scott LJ (CA). Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:105. 2420 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 6:102. 2419

366

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

bb) Bestätigung durch die Entlastungswirkung einer beim Mandanten vorhandenen Information Die vorgenannte Ausrichtung von Inhalt und Umfang der Informationspflicht wird ferner durch die Entlastungsregel des Art. 6:108 PELSC (Art. IV.C. – 7:108 DCFR) bestätigt. Als alternativer Entlastungsmechanismus2421 neben der Klarstellung der Einschränkung der Aufklärungspflicht aus den Umständen oder dem Verzicht des Gläubigers auf eine Aufklärung steht dem Schuldner nämlich gemäß Art. 6:108 PELSC nur begrenzt die Berufung auf die vorhandene oder zu erwartende Kompetenz des aktuellen Klienten und damit auf ein fehlendes Aufklärungsbedürfnis bzw. (kumulativ) auf ein Mitverschulden (contributory negligence) (Art. 9:505 PECL)2422 des Klienten offen. So wirkt nach Art. 6:108(1) PELSC zunächst einmal der Umstand, dass auf Seiten des Klienten dritte Personen in die Erbringung der Dienstleistung eingeschaltet sind oder der aktuelle Klient selbst an sich sachkundig ist, für sich genommen nicht entlastend. Anderes gilt gemäß Art. 6:108(2) PELSC (Art. IV.C. – 7:108(2) DCFR) vielmehr nur, wenn der aktuelle Gläubiger die nicht eröffnete Information bereits besitzt oder Grund hatte, sie zu besitzen. Letzteres ist parallel zu Art. 1:103(7), 1:110(6) PELSC der Fall, wenn die Information einem vergleichbaren Klienten in der Situation des aktuellen Klienten aufgrund ungewöhnlicher Umstände ohne Nachforschungen anzustellen bekannt wäre. Dem komparativen Ansatz zur Bestimmung des Umfangs der Informationsverpflichtung2423 wird damit ein einheitlicher, teilweise objektivierter Mechanismus an die Seite gestellt, der beim Klienten vorhandene oder vernünftigerweise zu erwartende Kenntnisse nur ausnahmsweise als Entlastungsgrund zulässt. Dahinter steht zunächst die Überlegung, dass selbst (teilweise) kompetente Gläubiger in eigner Sache den Überblick verlieren oder nicht erlangen können und u.U. gerade aus diesem Grund unabhängige Dritte beauftragen2424. Ferner sollen dem Schuldner keine Anreize zu Passivität gegeben werden, zumal ein Gläubiger, der wegen eigener Kenntnisse nur an einer begrenzten Aufklärung interessiert ist, zumeist von sich aus darauf hinweisen bzw. den Vertragsgegenstand entsprechend begrenzen wird2425. Durch die grundsätzliche Nichtberücksichtigung der Beratung durch Dritte wird schließlich der Gefahr begegnet, dass bspw. im Fall zweier Schuldner beide den Gläubiger an den jeweils anderen verweisen2426. Beim Gläubiger effektiv vorhandene oder vernünftigerweise zu erwartende Kenntnisse sollen hingegen vor allem aus ökonomischen Gründen (Beschränkung auf die notwendigen Informationskosten) Berücksichtigung finden2427.

2421

Zu dieser dogmatischen Qualifikation vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:108. 2422 Zum Nebeneinander beider Mechanismen vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment E. zu Art. 6:108. 2423 Vgl. ab S. 374. 2424 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 6:108. 2425 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 6:108. 2426 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 6:108. 2427 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 6:108.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

II.

367

Der Inhalt der Aufklärungs- bzw. Belehrungspflicht: Konkretisierung des Informationsbedürfnisses des Mandanten

Das deutsche Anwaltshaftungsrecht nimmt eine dem in weiten Teilen vergleichbare Position ein, die durch die Rechtspraxis freilich in ausdifferenzierterer Form entwickelt ist:

1.

Der Inhalt und Umfang der Belehrungspflicht des deutschen Rechtsanwalts

Nach deutschem Recht muss der Anwalt seinen Mandanten – entsprechend dem Zweck der Belehrungspflicht – nach Sachverhaltsaufklärung nicht nur über das Ergebnis seiner rechtlichen Prüfung unterrichten2428, sondern hat ihn in den Grenzen seines Mandats, umfassend und möglichst erschöpfend rechlich zu belehren2429, soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, er bedürfe des Rates nur in einer bestimmten Richtung2430. Ferner sind dem Mandaten die daraus zu ziehenden Konsequenzen darzulegen2431, insbesondere ist auf die mit dem von ihm beabsichtigten Vorgehen verbundenen Gefahren hinzuweisen2432. Ob der Mandant rechtsschutzversichert ist, spielt für den Umfang der Belehrungspflicht keine Rolle2433. Risiken und Gefahren können sich dabei sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen ergeben2434, sodass eine „quasi mathematische Genauigkeit“2435 zumeist nicht erreicht werden kann. Eine unklare Sach- und/oder Rechtslage muss der Anwalt vor dem Hintergrund des Zwecks seiner Belehrungspflicht gegenüber dem Mandanten offen legen und diesen sorgfältig darüber belehren, welche Gesichtspunkte für die eine und welche für die andere Interpretation streiten. Ferner müssen die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen erläutert werden2436. Dazu muss sich der Anwalt über die Sach- und Rechtslage klar werden und diese dem Auftraggeber verständlich darstellen. Der Mandant benötige – so der BGH – , „insbesondere wenn er juristischer Laie ist, nicht unbedingt eine vollständige rechtliche Analyse, sondern allein die Hinweise, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Situation und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage liefern“2437.

2428

Vgl. hierzu etwa Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 585. BGH, NJW 2009, 3025, 3026; BGH, NJW 2006, 501, 502; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 510 beide m.w.N. 2430 BGH, NJW 2006, 501, 502; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9 m.w.N. 2431 Vgl. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 510; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 585. 2432 Vgl. etwa BGH, NJW 2000, 725, 726. 2433 OLG Hamm, NJW-RR 2005, 134, 137. 2434 Anschaulich Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 513 f., 519. 2435 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 514. 2436 BGH, NJW-RR 2000, 791, 792; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/ Terbille, Haftung, Rn. 515. 2437 BGH, NJW 2007, 2485, 2486. 2429

368

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu erteilen2438. Ist eine eindeutige Auskunft hingegen nicht möglich, tritt vor allem die Risikobelehrung in den Vordergrund, deren Inhalt von der Rechtsprechung immer wieder wie folgt umschrieben werden: „Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, hat der Anwalt dem Auftraggeber darzulegen und mit diesem zu erörtern“2439. Dies schließt, sofern die Rechtslage unklar ist oder verschiedene Vorgehensweisen gestattet, die Belehrung über die vorhandenen Alternativen und ihre Folgen unter Darstellung und Gewichtung ihrer Vor- und Nachteile ein2440. Insoweit genügt es also gerade nicht, dass der Anwalt „filtert“, d.h. sich eine vertretbare Meinung bildet und nur diese – unter Verschweigung der Alternativen – dem Mandaten unterbreitet2441. Insbesondere darf der Anwalt unter keinen Umständen eine eindeutige Rechtsaufkunft oder eine klare Prognose über den Prozessausgang abgeben, falls tatsächlich Zweifel angezeigt sind2442. Die geschuldete Aufklärung umfasst insoweit nicht nur die Darstellung des Vorhandenseins von Risiken rechtlicher oder wirtschaftlicher Art2443, sondern auch die Belehrung über das ungefähre Ausmaß der Risikolage2444. So muss der Anwalt bspw. konkret beschreiben, woraus sich ein Prozessrisiko ergibt2445. Ziel dieser Aufklärung ist es, dem Mandanten „eine eigenverantwortliche, sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie er seine Interessen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zur Geltung bringen will“2446. Eingedenk dieses Ziels ist auch der Gefahr einer Überforderung des Mandanten vorzubeugen, die eine „in jeder Hinsicht lückenlose Aufklärung über alle rechtlichen Zusammenhänge und Folgen“ „vor allem bei schwieriger Sach- und Rechtslage“ in sich trüge und die dem Mandanten „den Blick auf die für die Entscheidung wichtigen Gesichtspunkte zu verstellen“ droht. Der Rechtsanwalt hat dem Mandanten daher nur die Hinweise zu erteilen, die ihm die für seine Entscheidung notwendigen Informationen liefern2447.

2438

BGH, NJW 2007, 2485, 2486. So bereits BGH, NJW 1961, 601, 602; BGH, NJW 1995, 449, 450; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 343, 344; OLG Hamm, NJW-RR 2005, 134, 136; Fahrendorf, in: Rinsche/ Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 516 alle m.w.N. 2440 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 516; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 589. 2441 Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9 f. m.w.N. 2442 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 517. 2443 Zum Hintergrund der Belehrung über wirtschaftliche Risiken etwa Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1914. 2444 Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 517; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 589 alle m.w.N. 2445 Vgl. nur Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 672 m.w.N. und Beispielen. 2446 BGH, NJW 2009, 3025, 3026; zu den vor diesem Hintergrund bezüglich eines geplanten Vergleichs bestehenden Aufklärungs- und Hinweispflichten BGH, NJW 2009, 1589, 1590. 2447 BGH, NJW 2007, 2485, 2486. 2439

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

369

Ein Vorbehalt dahin, es sei noch eine weitere (intensivere) Überprüfung erforderlich, taugt indes nur zur Entlastung des Anwalts, „wenn der Vorbehalt aus der maßgeblichen Sicht des Mandanten dahin verstanden werden muss, die zuvor erteilte Auskunft solle gerade auch in den Punkten, in denen sie unrichtig ist, nur vorläufig sein“2448. Der Anwalt muss sich also um eine möglichst deutliche Einschätzung bemühen2449. Dies gilt auch bei der Abgabe von Prognosen. Sind etwa die Erfolgsaussichten eines Prozesses in besonderem Maße zweifelhaft, darf der Anwalt sich folgerichtig nicht mit der Erklärung begnügen, bei jedem Prozess sei ein gewisses Risiko vorhanden2450, „er muß vielmehr von sich aus deutlicher zum hohen Grad des Risikos und zur Wahrscheinlichkeit eines Prozessverlustes Stellung nehmen“2451. Daher ist eine aussichtslose Klage als solche darzustellen und von ihrer Erhebung abzuraten2452. Wünscht der Mandant sie gleichwohl, muss der Anwalt immerhin das Prozessrisiko klar herausstellen2453, verletzt aber seine Pflichten nicht, wenn er die Klage auf den Wunsch des aufgeklärten Mandanten hin erhebt2454. In dieser Absicherung der Ausgangsbasis der Risikoverteilung findet sich eine Parallele zu dem hier für die Aufklärungspflichten des Art. 7:105 PELSC (Art. IV.C. – 8:105 DCFR) befürworteten Ausschluss der Möglichkeit des Arztes, die Risikozuweisung durch simple Rückfrage umzukehren2455, sodass diese Überlegung rechtsvergleichend eine gewisse und in der Sache berechtigte Stützung erfährt. Derartige Umgehungsmöglichkeiten müssen ausgeschlossen werden, weil die ermittelte Interessenlage nach dem erkennbaren Willen vernünftiger Parteien für die Beibehaltung der „ursprünglichen“ Risikoverteilung spricht und eine Risikoabwälzung insoweit also nicht sachgerecht ist.

2.

Inhalt und Umfang der Aufklärungspflicht englischer solicitors

Die praktisch wichtige Frage nach Art und Umfang der im Einzelfall erforderlichen Information ist durch die Ausrichtung der Verpflichtung am Informationsbedarf des Mandanten für das englische Recht nur tendenziell präjudiziert, folgt aus ihr doch nicht die Verpflichtung, jede Information, die der solicitor erhält, an den Mandanten weiterzuleiten bzw. jedes Argument für oder gegen das empfohlene Vorgehen mit dem Mandanten zu erörtern. Denn Anwälte – seien es barristers oder solicitors – werden nach Auffassung des House of Lords dafür bezahlt, „to express their opinions, but not necessarily their full reasons“2456. Insofern muss mit angemessener Sorgfalt ausge-

2448

So BGH, NJW-RR 2003, 1064, 1066 (für Steuerberater). Näher hierzu Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 520 ff. 2450 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 519. 2451 BGHZ 89, 178, 182; BGH, WM 1997, 1392, 1393. 2452 BGHZ 97, 372, 376; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 670. 2453 BGHZ 97, 372, 376; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 670. 2454 Vgl. nur Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 670 m.w.N. 2455 Vgl. ab S. 422. 2456 Moy v Pettman Smith (a firm) [2005] 1 WLR 581, 602 per Lord Carswell (HL). 2449

370

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

wählt werden, welche Informationen für den Mandanten wichtig sind oder es sein könnten2457. Nicht immer leicht ist dabei die Frage zu beantworten, inwieweit der solicitor über Fragen informieren muss, die der Mandant nicht (ausdrücklich oder konkludent) zum Gegenstand des Mandats gemacht hat, inwieweit der solicitor also wegen eines entsprechenden implied term2458 „ungefragt“ Nachforschungen anstellen muss2459. Wichtige Anhaltspunkte für den Umgang mit diesem Problem bieten die von Sir Bingham MR in der Sache Mortgage Express Ltd v Bowerman & Partners getroffenen Feststellungen. Hier waren die beklagten solicitors von den Klägern engagiert worden, um diesen im Zusammenhang mit dem Hypothekenantrag eines Dritten (H) behilflich zu sein. Mit der durch die Hypothek erlangten Summe wollte H eine Wohnung erwerben, die laut der den Beklagten vorliegenden Begutachtung £ 199,000 wert war. Der im Gegenzug für die Hypothek gewährte Kredit sollte £ 180,150 betragen, während der Kaufpreis sich auf £ 220,000 belief. Bevor die entsprechenden Verträge durchgeführt worden waren, erhielten die Beklagten die Information, dass der Verkäufer die Wohnung für lediglich £ 150,000 erworben hatte. Dies hätte die Beklagten an der Richtigkeit des Wertgutachtens zweifeln lassen sollen und diese Zweifel hätten sie den Klägern mitteilen müssen. Sir Thomas Bingham MR stellte in diesem Zusammenhang fest: “A client cannot expect a solicitor to undertake work he has not asked him to do, and will not wish to pay him for such work. But if in the course of doing the work he is instructed to do the solicitor comes into possession of information which is not confidential and which is clearly of potential significance to the client, I think that the client would reasonably expect the solicitor to pass it on and feel understandably aggrieved if he did not … if, in the course of investigating title, a solicitor discovers facts which a reasonably competent solicitor would realise might have a material bearing on the valuation of the lender’s security or some other ingredient of the lending decision, then it is his duty to point this out.”2460 Grundsätzlich wird man daher davon ausgehen dürfen, dass der solicitor nur die Fragen beantworten muss, die an ihn gestellt wurden2461, und zwar unbedingt auch im Interesse des Mandanten, da diesem ansonsten ungewollte Leistungen aufgedrängt werden könnten, die dieser bezahlen müsste. Insoweit handelt es sich letztlich aber allein um eine Frage der Vertragsauslegung bzw. -ergänzung2462, sodass die Angabe 2457

Jackson/Powell, Negligence, §§ 10–158 f.; Billins, Solicitors, § 4–23. Billins, Solicitors, § 4–24. 2459 Vgl. für ein Beispiel etwa Goody v Baring [1956] 1 WLR 448, 454 ff. per Danckwerts J (HC). 2460 Mortgage Express Ltd v Bowerman & Partners [1996] PNLR 62, 69 (CA); Pickersgill v Riley [2004] PNLR 31, Tz. 9 per Lord Scott (PC). 2461 Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 10–160; Pickersgill v Riley [2004] PNLR 31, Tz. 8 per Lord Scott (PC). 2462 Wie hier wohl Schellenberger, Haftung, S. 112. Vgl. z.B. auch Amersfort Ltd v Kelly Nichols & Blayney [1996] EGCS 156 per Judge Levy QC (HC, lexis). In dieser Entscheidung waren die beklagten solicitors gebeten worden, zu drei konkreten, den Entwurf eines Pacht2458

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

371

konkreter Kriterien einigermaßen schwer fällt. Wenn der Master of the Rolls im vorstehenden Zitat für die Beurteilung der Relevanz von Informationen auf die Perspektive eines „reasonably competent solicitor“[’s] abstellt, dürfte dies dem Umstand geschuldet sein, dass ein objektiver Dritter aus der Perspektive eines angemessen kompetenten Anwalts eher in der Lage ist, Informationen in rechtliche Kategorien zu übertragen und zu bewerten. Im Übrigen scheint jede Information gesammelt und eröffnet werden zu müssen, die klarerweise von potentiellem Interesse für den Mandanten ist2463. Bei der Bestimmung des Pflichtinhalts wird man daher aus der Perspektive eines angemessen kompetenten solicitors zu fragen haben, welche Informationen für den Mandanten wichtig sind, auch wenn er diese nicht ausdrücklich nachgefragt hat, welche Informationen der Mandant also vernünftigerweise vom solicitor erwarten darf: “… this approach accords with my understanding of the service which a solicitor sets out to give and of what a client expects from a solicitor and thinks he is paying for. In a situation such as this a solicitor is not engaged for the performance of mechanical tasks such as reading the clauses aloud and having necessary emendations typed out. He is engaged to exercise his professional judgment and experience for the benefit of the client. This must involve drawing the client’s attention, clearly and specifically, to aspects of the transaction to which a reasonably prudent client would wish to be alerted.”2464 Bei der Ausübung seines „professional judgement“ hat der solicitor angemessen sorgfältig vorzugehen. Damit dürfte man im englischen Recht weitestgehend zu Ergebnissen gelangen, die den im deutschen Anwaltshaftungsrecht ermittelten vergleichbar sind. Dies gilt vor allem auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der solicitor über die Entwicklung der Angelegenheit, für die er beauftragt worden ist – gleich, ob streitig oder nicht-streitig2465 –, deshalb Bericht zu erstatten hat, um seinem Mandanten eine Entscheidung über das Eingehen von Risiken zu ermöglichen2466. Dadurch soll dem Mandanten – parallel zu dem mit Art. 1:110, 6:101 ff. PELSC, IV.C. – 2:108, 7:101 ff. DCFR verfolgten Zweck – nicht nur die Gelegenheit vertrages betreffenden Fragen Stellung zu nehmen. Das taten die Beklagten. Fraglich war insoweit allein, ob sie aber nicht auch engagiert worden waren, um den Entwurf in seiner Gesamtheit zu überprüfen. Denn die Beklagten hatten die Kläger nicht über die Beantwortung der konkret an sie gerichteten Fragen hinaus auf ungewöhnliche Vertragsbestandteile hingewiesen und dies hätte einen Vertragsbruch bedeutet, falls ihr Mandat die Beantwortung dieser Frage nach dem Parteiwillen umfasst hätte. Das Gericht entschied, dass dies nicht der Fall gewesen sei, obwohl den Beklagten die Vereinbarung der in Rede stehenden Klauseln abwegig vorgekommen war. 2463 In dieser Richtung bereits County Personnel (Employment Agency) Ltd v Alan R Pulver & Co [1987] 1 WLR 916, 923 per Bingham LJ (CA); jüngst Pickergrill v Riley [2004] PNLR 31, Tz. 7 per Lord Scott (PC). 2464 Reeves v Thrings & Long [1996] PNLR 265 per Sir Thomas Bingham MR (CA, lexis). 2465 Billins, Solicitors, § 4–23; vgl. für streitige Tätigkeit auch Schellenberger, Haftung, S. 111. 2466 Vgl. dazu etwa Ashton v Wainwright [1936] 1 All ER 805, 809 per Goddard J (HC).

372

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

gegeben werden, seine Instruktionen zu erweitern oder zu modifizieren2467. Vielmehr soll der solicitor – der Entwicklung der Angelegenheit entsprechend – von sich aus weitere Instruktionen anregen2468, wie Scott LJ in der Sache Groom v Crocker klargestellt hat: “The retainer […] puts into operation the normal terms of the contractual relationship, including in particular the duty of the solicitor to protect the client’s interest and carry out his instructions in the matters in which the retainer relates, by all proper means. It is an incident of that duty that the solicitor should consult with his client in all questions of doubt which do not fall within the express or implied discretion left him, and should keep the client informed to such an extent as may be reasonably necessary according to the same criteria.”2469 Von einer entsprechenden Pflicht geht auch r. 15 der Solicitors Practice Rules aus, die bestimmt, dass der solicitor seinen Mandanten Informationen zu Kosten und sonstige Sachfragen in Übereinstimmung mit den Regeln des Client Care Code vermitteln muss2470. § 7(a)(i) des Solcitiors’ Costs Information and Client Care Code 1999 bestimmt u.a., dass „[e]very solicitor in private practice must ensure that the client … is given a clear explanantion of the issuses raised in a matter and is properly informed about its progress (including the likely timescale)“2471. Diese Regel enthält keine Einschränkung dahin, dass lediglich die Sachfragen zu klären sind, die der Mandant aufgeworfen hat, sondern fordert eine klare und d.h. – ebenso wie nach common law – für den Mandanten angemessen nachvollziehbare Erläuterung2472 aller (man wird hinzufügen müssen: vernünftigerweise) relevanten Sachfragen. Nichts anderes dürfte parallel dazu § 13.06.3 des Guide to the Professional Conduct of Solicitors bestimmen, der fordert, dass „[t]he solicitor should keep clients informed of the progress of matters“.

3.

Grundlinien der Regelung des Informationsvertrags nach PELSC und DCFR

Betrachten wir in diesem Lichte die PELSC und den DCFR, fällt zunächst insbesondere auf, dass dieses hinsichtlich der Erfüllung einer Informationspflicht abhängig davon, ob ihr Gegenstand wertende oder faktische Informationen sind, grundsätzlich unterschiedliche Standards normiert. Hierfür findet sich weder im deutschen noch 2467

Vgl. dazu auch Dietlmeier, Haftung, S. 72. Zum Zweck der Warnpflicht des Art. 1:110 PELSC sowie der Art. 6:101 ff. PELSC vgl. ab S. 351. 2468 Vgl. auch Billins, Solicitors, § 4–23. 2469 Groom v Crocker [1939] 1 KB 194, 222 (CA, Hervorhebung hinzugefügt). 2470 Abrufbar unter http://www.lawsociety.org.uk/professional/conduct/guideonline/view= index.law. 2471 Abrufbar unter http://www.lawsociety.org.uk/documents/downloads/Profethics_Costs Info.pdf. 2472 Vgl. zu dieser Anforderung nach common law die Entscheidung Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (HC, lexis); County Personnel (Employment Agency) Ltd v Alan R Pulver & Co [1987] 1 WLR 916, 923 per Bingham LJ (CA).

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

373

im englischen Recht eine dogmatische Entsprechung. Die Modellregeln setzen darüber hinaus auch allgemein insoweit differenzierter an, als zwischen den in Art. 6:104 (1) PELSC, IV.C. – 7:104(1) DCFR geregelten allgemeinen Pflichten bei der Informationsvermittlung und den in Art. 6:104(2) PELSC, IV.C. – 7:104(2) DCFR geregelten besonderen Pflichten im Falle eines Beratungsvertrages zu unterscheiden ist2473.

a)

Allgemeine Pflichten im Rahmen von Informationsverträgen

aa) Differenzierte Regeln und Haftungsstandards für wertende und faktische Informationen Im Umgang mit und bei der Vermittlung von wertenden Informationen ist der Schuldner nach Art. 6:104(1)(b) PELSC, IV.C. – 7:104(1)(b) DCFR verpflichtet, mit der Sorgfalt und Sachkunde vorzugehen, die ein vernünftiger Schuldner unter den gegebenen Umständen anwenden würde. Hintergrund dieser Verpflichtung zu Sorgfalt und damit der Entscheidung für eine sorgfaltsabhängige Haftung ist hier, dass es für den Schuldner bei wertenden Informationen – anders als bei der Weitergabe von Fakten (vgl. Art. 6:105(2) PELSC, IV.C. – 7:105(2) DCFR) – prinzipiell schwierig ist, ein Zutreffen seiner Bewertung zu garantieren. Denn zumeist geht es insoweit um die Vorhersage eines künftigen Ereignisses, das sich per definitionem von niemandem mit absoluter Sicherheit voraussagen lässt2474 (Bsp.: Prozessausgang). Anderes gilt nach Art. 6:105(2) PELSC, IV.C. – 7:105(2) DCFR für die Weitergabe rein tatsächlicher Informationen, deren Richtigkeit der Schuldner im Grundsatz garantiert, weil sie – zumindest nach der Vorstellung der Verfasser der PELSC und des DCFR – zumeist leicht zu überprüfen (und so in ihrer Richtigkeit sicherzustellen) sind2475. Da auf diesem Wege letztlich vermutet wird2476, dass der Schuldner die Richtigkeit der vermittelten Fakten garantiert, wird ihm im Ergebnis die Verpflichtung auferlegt, den Gläubiger entsprechend zu warnen (Art. 1:103, 1:110 PELSC, IV.C. – 2:102, 2:108 DCFR), sofern das Zutreffen tatsächlicher Informationen einmal nicht garantiert werden kann oder nicht garantiert werden soll2477. Anderes soll gelten, wenn selbstevident ist, dass die Richtigkeit der Information nicht garantiert werden kann2478. Entsprechendes muss allerdings angenommen werden, falls die faktischen Informationen nach Aufklärung über den Informationsbedarf des Schuldners 2473

Soweit Art. 6:105(1) PELSC bestimmt, dass der Schuldner (information provider) Informationen der vertraglich geschuldete Anzahl, Qualität und Beschreibung schuldet, wird damit indessen zunächst einmal eine Selbstverständlichkeit normiert, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A zu Art. 6:105. 2474 Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 6:104. 2475 Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 6:105. 2476 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment G. zu Art. 6:105. 2477 Art. 6:105(2) PELSC ist dispositiv, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment G. zu Art. 6:105. 2478 Barendrecht u.a., PELSC, Comment F. zu Art. 6:105.

374

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

(Art. 1:104(1)(a), (2) PELSC, IV.C. – 2:103(1)(a), (2) DCFR) vom Gläubiger bereitgestellt worden sind. Dass der Anwalt den tatsächlichen Angaben seines Mandanten grundsätzlich vertrauen darf – so ist es im englischen2479 und im deutschen Recht –, wird durch Art. 6:105 PELSC, IV.C. – 7:105 DCFR insofern im Ergebnis nicht in Frage gestellt. Denn hält der Mandant für den Anwalt nicht erkennbar auf dessen Nachfrage (Art. 6:102(3), 1:104(1)(a) PELSC) und nach entsprechender Aufklärung (Art. 1:110 PELSC) Informationen zurück oder macht fehlerhafte tatsächliche Angaben, greift im Falle der Nichterfüllung der in Art. 6:105 PELSC normierten Pflichten Art. 8:101(3) PECL (Art. III. – 3:101(3) DCFR) ein, sodass dem Gläubiger keine Rechtsbehelfe nach Art. 9:101 ff. PECL (Art. III. – 3:301 ff. DCFR) zustehen. Eine der Vorstehenden entsprechende Ausdifferenzierung des maßgeblichen Haftungsstandards nach Art der vermittelten Information ist dem englischen Recht ebenso wie dem deutschen grundsätzlich fremd. Insofern bleibt es bei der Grundregel, dass solicitors nur für Sorgfalt und Sachkunde haften und deutsche Anwälte für Vorsatz und Fahrlässigkeit einstehen (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Damit ist eine strikte vertragliche Informationshaftung zwar nicht ausgeschlossen, aber im Einzelfall besonders begründungsbedürftig2480.

bb) Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer vom Gläubiger zu treffenden Auswahlentscheidung Immer wenn vom Gläubiger auf der Grundlage der übermittelten Information eine Entscheidung zwischen potentiellen Vorgehensweisen2481 erwartet werden kann, muss der Schuldner diesen darüber hinaus gemäß Art. 6:104(1)(c) PELSC (Art. IV.C. – 7:104(1)(c) DCFR) über die mit den jeweiligen Vorgehensweisen verbundenen Risiken aufklären. Die Hauptschwierigkeit liegt dabei praktisch darin, exakt zu bestimmen, welche Risiken der Schuldner eröffnen muss. Wichtig ist daher die im letzten Halbsatz von Art. 6:104(1)(c) PELSC (Art. IV.C. – 7:104(1)(c) DCFR) vorgenommene Einschränkung, nach der nur über solche Risiken aufzuklären ist, die die Entscheidung des Gläubigers vernünftigerweise beeinflussen könnten. Damit wird – parallel zu dem für die Aufklärungspflichten eines solicitors geltenden Standard2482 und zur arzthaftungsrechtlichen Rechtsprechung des BGH2483 – ein Eingrenzungsmechanismus normiert, der auf die objektive Einschätzung des potentiellen Einflusses des jeweiligen Risikos auf die Entscheidung des konkreten Gläubigers abstellt und der in Art. 7:105 PELSC (Art. IV.C. – 8:105 DCFR) für den Behandlungsvertrag eine an gegebener Stelle zu erläuternde Konkretisierung erfährt2484. Die 2479

Vgl. Mückl, RIW 2006, 742. Vgl. zu den Möglichkeiten der Herbeiführung einer strikten Haftung ab S. 614. 2481 In diesem Zusammenhang ist die Zuweisung der Konkretisierungsentscheidung hinsichtlich der konkreten vertraglichen Leistung nach Art. 1:109(1)(c) PELSC primär an den Gläubgier zu beachten, vgl. zu ihr ab S. 295. 2482 Vgl. ab S. 369. 2483 Vgl. ab S. 427. 2484 Vgl. ab S. 416. 2480

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

375

in Art. 6:104(1)(c) PELSC (Art. IV.C. – 7:104(1)(c) DCFR) normierte Aufklärungspflicht ist freilich im Grundsatz dispositiv2485, sodass nicht aufgeklärt werden muss, wenn der Gläubiger keine entsprechende Aufklärung wünscht, was vor allem im Rahmen medizinischer Behandlung nicht selten vorkommt2486.

b)

Beratungspflichten

Soweit vertraglich die Beratung des Gläubigers geschuldet ist, erweitert und konkretisiert Art. 6:104(2) PELSC (Art. IV.C. – 7:104(2) DCFR) den Aufklärungsumfang. Ein entsprechender Beratungsvertrag liegt nach den Vorstellungen der Verfasser der PELSC vor, sofern zentraler Gegenstand des Vertrages ist, dem Gläubiger eine bestimmte Vorgehensweise zu empfehlen2487. Eine vertragsgemäße Empfehlung setzt dabei zunächst eine sachkundige Analyse der gesammelten Informationen2488, d.h. insbesondere des in Bezug auf die Zwecke, Prioritäten, Vorlieben sowie des in Bezug auf die persönliche Situation des Klienten zu sammelnden Expertenwissens (Art. 6:102, 1:105 PELSC, IV.C. – 7:102 DCFR) voraus, auf deren Grundlage dann die Empfehlung an den Klienten formuliert werden soll. Im Rahmen dieser Analyse muss der Berater – wenngleich dies aus dem Text des Art. 6:104(2)(a) PELSC, IV.C. – 7:104(2)(a) DCFR nicht ohne weiteres hervorgeht – alle vorhandenen alternativen Vorgehensweisen sowie deren immanente Risiken berücksichtigen2489. Dies ergibt sich aus einer systematischen Zusammenschau mit Art. 6:104(2)(b) PELSC, IV.C. – 7:104(2)(b) DCFR, die nicht nur vorschreiben, dass der Schuldner den Gläubiger im Rahmen eines Beratungsvertrages – anders als im Rahmen gewöhnlicher Informationsverträge2490 – über alle Alternativen zum empfohlenen Vorgehen, die er persönlich anbieten kann, informieren muss, sondern auch, dass deren Vorteile und Risiken mit denen der empfohlenen Vorgehensweise verglichen werden müssen. Entsprechendes gilt gemäß Art. 6:104(2)(c) PELSC, IV.C. – 7:104(2)(c) DCFR grundsätzlich sogar für solche Alternativen, die der Schuldner selbst nicht anbieten kann, sofern er gegenüber dem Gläubiger nicht unverzüglich2491 ausdrücklich klarstellt, dass er nur eine begrenzte Anzahl an Alternativen anbieten will, oder sich dies aus den Umständen ergibt. Vor diesem Hintergrund müsste ein gesellschaftsrechtlich spezialisierter Anwalt, der mit der Prüfung der Rechtsfolgen einer Verschmelzung oder Umstrukturierung mehrerer Konzernunternehmen beauftragt wird, z.B. darauf hinweisen, dass die Einschätzung der arbeitsrechtlichen Konsequenzen alternativer 2485

Anderes gilt teilweise für ihre Konkretisierung in Art. 7:106 PELSC, vgl. ab S. 461. Vgl. für das englische Recht dazu ab S. 456. 2487 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. 2488 Zu diesem umfassenderen Verständnis des Gegenstands der Analyse vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. 2489 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. 2490 Der „gewöhnliche“ Informationsschuldner muss, wie sich e contrario aus Art. 6:104(2) PELSC ergibt, nicht über Alternativen aufklären, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. 2491 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. 2486

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Vorgehensweisen vertiefte arbeitsrechtliche Kenntnisse (§§ 613 a BGB, 323 ff. UmwG) erfordert, sodass eine angemessene Gesamteinschätzung der Konsequenzen verschiedener Gestaltungsalternativen nur unter Hinzuziehung spezialisierter arbeitsrechtlicher Expertise erfolgen kann. Alternativ könnte klargestellt werden, dass die Einschätzung allein aus gesellschaftsrechtlicher Sicht erfolgt und arbeitsrechtliche Fragen also unberücksichtigt bleiben, d.h. zusätzlich zu prüfen wären. Derartige Situationen, in denen der Schuldner (eine) Alternative(n) nicht anbieten kann, rühren meist daher, dass es dem Schuldner an der nötigen Kompetenz oder an den notwendigen Mitteln fehlt, – über beide Umstände wird er auch nach englischem Recht aufklären müssen2492. Insbesondere die in Art. 6:104(2)(b), (c) PELSC, IV.C. – 7:104(2)(b), (c) DCFR normierten Pflichten verdeutlichen, dass – trotz regelmäßig überlegenen Wissens – nicht der Dienstleister paternalistisch darüber entscheiden soll, welche Leistung für den Klienten die Beste ist. Vielmehr soll die Konkretisierung des Leistungsinhalts durch den angemessen informierten Klienten selbst erfolgen (Art. 1:109, 1:111 PELSC, IV.C. – 2:107, 2:109 DCFR). Diesem Modell folgt der DCFR in Art. IV.C. – 7:104.

III. Einzelfragen der anwaltlichen Aufklärungspflicht Nachdem somit die Grundlinien der (anwaltlichen) Aufklärungspflicht in den untersuchten Rechten nachgezeichnet worden sind, sollen nun einige Einzelfragen der Aufklärungsverpflichtung des Anwalts nachgegangen werden, die in den PELSC bzw. dem DCFR freilich nicht immer eine konkrete Erwähnung gefunden haben.

1.

Art und Weise der Aufklärung

a)

Deutsches Anwaltshaftungsrecht

Entgegen einer missverständlichen Entscheidung des BGH2493 ist nach deutschem Anwaltshaftungsrecht keine besondere Nachdrücklichkeit oder Eindringlichkeit bei der Belehrung erforderlich2494, „weil sachgerechte Unterscheidungen für den Grad des Einwirkens auf den Mandanten, den erteilten Rat anzunehmen und ihm auch zu folgen, nicht möglich sind“2495, d.h. weil es „hierfür keinen objektiven Maßstab gibt“2496. Insofern braucht der Anwalt nur (aber immerhin) konkret, klar, sachlich

2492

Vgl. zu mangelnder Kompetenz ab S. 200, zu fehlenden Mitteln ab S. 530. BGHZ 97, 372, 376; vgl. auch OLG Schleswig, NJW-RR 2004, 417, 420 („dringend darauf hinwirken“). 2494 BGHZ 126, 217, 220; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 586; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 10; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 525 f. alle m.w.N. 2495 BGH, NJW 1987, 1322, 1323. 2493

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

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und nüchtern sowie deutlich und verständlich zu belehren2497. Eine dem genügende Belehrung braucht er, sofern er davon ausgehen darf, dass der Mandant sie zwar verstanden hat, ihr aber nicht zu folgen bereit ist, nicht zu intensivieren2498 oder zu wiederholen2499.

b)

Englisches Anwaltshaftungsrecht

Gleiches gilt auch im englischen Recht: Wenn und soweit er einmal einen angemessenen Rat bzw. eine angemessene Auskunft erteilt hat, trifft den solicitor grundsätzlich keine Verpflichtung, dies zu wiederholen oder den Mandanten entsprechend zu erinnern2500. Diese Regel trägt u.a. dem wirtschaftlichen Interesse des Mandanten Rechnung2501, indem sie der Vermeidung unnötiger, aufgedrängter Kosten dient. Anderes dürfte für Erinnerungen freilich nicht nur gelten, sofern diese klar nachgefragt werden, sondern auch, wenn die Konstitution des Mandanten sie erforderlich scheinen lässt; das kann z.B. der Fall sein, wenn der Mandant gebrechlich oder (geistig) behindert ist2502. Der solicitor wird mit Blick auf die Interessen des Mandanten – dies schließt die Vermeidung unnötiger Kosten ein – also angemessen sorgfältig beurteilen müssen, ob der Mandant einer Erinnerung bedarf. Dies wäre vom Anwalt im Rahmen des Art. 6:102(1) PELSC bzw. Art. IV.C. – 7:102(1) DCFR zu erforschen, erfordert nach englischem Recht aber nicht notwendig ein atypisch nachteiliges Erinnerungsvermögen des Mandanten. Auch handelt es sich – ebenso wie nach deutschem Recht – nicht zwingend um eine Frage des Bildungsniveaus. Vielmehr kommt es schlicht darauf an, ob der Mandant im konkreten Fall aus der Perspektive eines angemessen kompetenten und sorgfältigen solicitors einer Erinnerung bedarf. Ein Beispiel dafür bildet die Entscheidung R P Howard Ltd v Woodman Matthews, in der die beklagten solicitors ihren Mandanten nicht daran erinnert hatten, gemäß den Bestimmungen des Landlord and Tenant Act 1954 rechtzeitig vor dem county court die Verlängerung eines Pachtvertrages zu beantragen: “Mr Witchell [der Zweitkläger, der gemeinsam mit seiner Ehefrau alle Anteile an der klagenden Gesellschaft hielt] was, as he [= Mr. Mason, der das Mandat betreut hatte] must have known, an engineer. He was not a lawyer or a man of any formal business training. He did not, I imagine, have a fully trained company secretary or a legal department. In short, he was precisely the sort of man who could be

2496

So der BGH zur Steuerberaterhaftung unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zur Anwaltshaftung in NJW 1995, 2842, 2843. 2497 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 525. 2498 Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 10; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 525. 2499 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 525. 2500 Billins, Solicitors, § 4–25 m.w.N. 2501 Yager v Fishman & Co and Teff & Teff [1944] 1 All ER 552, 558 per Du Parcq LJ (CA). 2502 Vgl. Billins, Solicitors, § 4–25.

378

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

expected to rely on his solicitor to remind him when legal steps ought to be taken. It was Mr Mason’s duty to do so.”2503

c)

Die Anforderungen der PELSC und des DCFR an die Aufbereitung der Information im Vergleich

Die Anforderungen an die Vermittlung der Information konkretisieren Art. 6:104 (1)(a) PELSC, IV.C. – 7:104(1)(a) DCFR zunächst dahin, dass der Schuldner sich angemessen darum bemühen muss, sicherzustellen, dass der Gläubiger den Inhalt der Information begreift (ebenso Art. 1:110(2) PELSC, IV.C. – 2:108(2) DCFR)2504. Dies bedeutet, die Information muss für den konkreten Klienten vernünftigerweise nachvollziehbar und – sofern schriftlich vermittelt – auch leserlich sein2505. Dazu lassen sich im englischen Recht durchaus Parallelen ausmachen. Denn die zu eröffnenden Informationen müssen durch den solicitor – wiederum angemessen sorgfältig – in ihrer Bedeutung für die Angelegenheit des Mandanten erläutert werden2506, wobei sich solicitors „on giving clear and readily understood advice to their clients about the course of action they recommended“2507 konzentrieren müssen. Eine gerichtlich anerkannte Selbstverständlichkeit ist dabei2508, dass die Informationen mit angemessener Klarheit derart formuliert werden müssen, dass sie der Mandant vernünftigerweise begreifen kann. Für den Umfang der Darstellungs- und Aufbereitungspflicht soll nach den Vorstellungen der Verfasser der PELSC ein komparativer Maßstab gelten: Je mehr der Schuldner dem Gläubiger den Eindruck vermittelt, dass die Information auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten ist, desto mehr Anstrengungen müssen unternommen werden, um sicherzustellen, dass der konkrete Gläubiger begreift, und umgekehrt2509. Für den Anwalt bedeutet dies vor allem, dass er umso weniger fachsprachlich erläutern darf, je geringer die juristische Vorbildung des Mandanten ist. Ferner soll der Schuldner nach Art. 6:104(1)(a) PELSC, IV.C. – 7:104(1)(a) DCFR auch angemessen klarstellen, auf welcher informationellen Grundlage die seinerseits vermittelte Information beruht. Dadurch wird dem Klienten nämlich eine 2503

R P Howard Ltd & Richard Alan Witchell v Woodman Matthews and Co (a firm) [1983] BCLC 117 per Staughton J (HC, lexis). 2504 A.A. Heckendorn, Haftung, Rn. 248, der aus nicht nachvollziehbaren Gründen davon ausgeht, nach Art. 6:104(1) PELSC sei „so zu informieren […], dass die Information verstanden wird“. Eine derartige Erfolgsherbeiführungspflicht, die mit einer strikten Haftung verbunden wäre, lässt sich Art. 6:104(1) PELSC zweifellos nicht entnehmen und ist auch von den Verfassern der PELSC nicht beabsichtigt. 2505 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. 2506 Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (lexis); County Personnel (Employment Agency) Ltd v Alan R Pulver & Co [1987] 1 WLR 916, 923 per Bingham LJ. 2507 Moy v Pettman Smith (a firm) [2005] 1 WLR 581, 602 per Lord Carswell (HL). 2508 County Personnel (Employment Agency) Ltd v Alan R Pulver & Co [1987] 1 WLR 916, 923 per Bingham LJ (CA). 2509 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

379

Bewertung der erhaltenen Informationen ermöglicht und dem Schuldner Gelegenheit gegeben, eine Haftung zu vermeiden, indem er auf diesem Wege sein Verständnis des Umfangs der Dienstleistung eröffnet2510. Insofern muss der Anwalt klarstellen, welche Informationen er verwertet hat und welche nicht. So wird ein mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragter Anwalt etwa darauf hinweisen müssen, dass ihm potentiell einschlägige Haustarifverträge des Mandanten nicht vorliegen. Beherrscht der Gläubiger die Landessprache kaum, wird man auch dies berücksichtigen müssen. Ob das im Einzelfall bedeuten kann, dass der Schuldner mit einem Übersetzer zusammenarbeiten muss, lässt sich abstrakt nicht abschließend beurteilen. Stehen entsprechende Mittel aber ohne unangemessenen Kostenaufwand zur Verfügung, dürfte ihr Einsatz geschuldet sein, zumal im Rahmen der Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR – losgelöst von der Frage nach der Notwendigkeit des Vorhaltens entsprechender Übersetzungen2511 – ein angemessener Einsatz vorhandener Mittel geschuldet ist2512.

2.

Rücksichtnahme auf die aktuellen Kenntnisse des Anwalts?

Berücksichtigt werden kann bei der Bestimmung des Umfangs der geschuldeten Information indessen nach manchen englischen Entscheidungen scheinbar auch, dass von solicitors eine immer breitere Kenntnis erwartet wird2513. Dies darf allerdings nicht zu der Überlegung verleiten, angesichts der erwarteten Wissenbreite dürfe nicht überall dieselbe Kenntnistiefe gefordert werden2514. Denn diesen Schluss zieht die Rechtsprechung nicht2515, was auch nicht verwundert, da die Frage aus der Sicht des englischen Rechts so falsch gestellt ist. Geschuldet ist vom solicitor nämlich ohnehin keine abstrakte umfassende Rechtskenntnis, sondern lediglich eine mandatsbezogene2516, was erneut bestätigt: Die vertraglich übernommene Aufgabe determiniert – unter Bezugnahme auf das für gewöhnlich innerhalb der Berufsgruppe Erreichte – den maßgelblichen Standard2517. Mangelnde Vertrautheit mit der mandatsrelevanten Rechtslage ist folglich als „persönliches Defizit“ nicht berücksichtigungsfähig2518. Der DCFR und die PELSC beurteilen dies nicht anders. Art. 6:103 PELSC, IV.C. – 7:103 DCFR fordern vom Schuldner, dass er insbesondere das zur objektiv 2510 2511

2512 2513 2514 2515

2516 2517 2518

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. Vgl. zum deutschem Recht LAG Niedersachsen, NZA-RR 2005, 401, 402; BGH, NJW 1995, 190 (Übersetzung aus dem Deutschen in Fremdmuttersprache nicht erforderlich); C. Schäfer, JZ 2003, 879, 880 ff.; Palandt /Grüneberg, BGB § 310 Rn. 26. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment I. zu Art. 1:107. Griffiths v Evans [1953] 1 WLR 1424, 1428 (CA). Zu unterdurchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten näher ab S. 200. Auch Sommervell LJ, dessen Äußerungen in Griffiths v Evans [1953] 1 WLR 1424, 1428 (CA) u.U. dahin ausgelegt werden könnten, zieht diesen Schluss nicht. Vgl. Mückl, RIW 2006, 742, 743. Vgl. ab S. 163. Vgl. ab S. 200.

380

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

angemessenen Leistung erforderliche Expertenwissen sammelt und einsetzt, zu dem er als professioneller information provider Zugang hat oder Zugang haben sollte. Der Haftungsstandard folgt den in Art. 6:104 f. PELSC, IV.C. – 7:104 f. DCFR normierten Regeln für wertende und faktische Informationen. Gerade die Unvollständigkeit der vom Schuldner herangezogenen Informationen soll – gemessen an den Erwartungen an einen professionellen information provider – danach nicht nur nicht entlastend wirken, sondern die Verfasser der PELSC gehen sogar davon aus, Expertenwissen sei regelmäßig faktischer Natur und unterliege damit dem strikten Haftungsstandard des Art. 6:105(2) PELSC (Art. IV.C. – 7:105(2) DCFR). So soll z.B. unbedingt eine – bezogen auf das Mandat – lückenlose Rechtskenntnis geschuldet sein. Die sorgfältige Rechtsprechungs- und Literaturrecherche soll den Anwalt nicht entlasten2519. Gleiches wird man für das deutsche Recht nicht annehmen können, das insoweit vielmehr eine dem englischen Recht2520 vergleichbare Position einnimmt: Die vom Rechtsanwalt zu erwartenden Rechtskenntnisse sind stets nur bezogen auf das jeweilige Mandat zu ermitteln2521. Es wird – wie der BGH klargestellt hat – gerade keine im Wesentlichen lückenlose Gesetzeskenntnis vorausgesetzt2522. Was allerdings gefordert wird, ist eine mandatsbezogene Rechtskenntnis2523. Der Anwalt muss sich die für die sachgerechte Mandatsbearbeitung erforderlichen Rechtskenntnisse also verschaffen2524.

3.

Hinweisobliegenheiten des Mandanten in Bezug auf Rechtsfragen?

Nicht berücksichtigen können wird man – entgegen der Mehrheitsentscheidung in Griffiths v Evans – zumindest auf der Grundlage der jüngeren englischen Rechtsprechung ferner, dass der Mandant nicht von sich aus auf alternative Rechtsbehelfe aufmerksam macht2525. PELSC und DCFR beurteilen dies ebenso, hat doch der Anwalt gemäß Art. 6:104(2) PELSC, IV.C. – 7:104(2) DCFR auf alternative Vorgehensweisen zur Zielerreichung aufmerksam zu machen, der von dieser Verpflichtung nur befreit wird, wenn sein Mandant den alternativen Rechtsbehelf kennt oder Grund hat, ihn zu kennen (Art. 6:108 PELSC, IV.C. – 7:108 DCFR). Nach deutschem Recht gilt typischwerweise nichts anderes, trifft den Mandanten bei Schlechtleistung des Anwalts doch regelmäßig kein Mitverschulden2526. In Griffiths, wo mehrheitlich anders entschieden worden ist, hatte der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten, der ihn zum Bezug einer wöchentlichen Zahlung gemäß 2519

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 6:103. Vgl. unter diesem Gesichtspunkt näher Mückl, RIW 2006, 742, 743. 2521 Vgl. zuletzt Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1912. 2522 BGH, NJW 2006, 501, 502. 2523 BGH, NJW 2006, 501, 502. 2524 Vgl. nur Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 469 ff. 2525 Vgl. auch Dickinson v Jones Alexander & Co [1993] 2 FLR 521 (HC, lexis, Verantwortlichkeit der Beklagten von diesen zugestanden); Mildred, in: Hodgin, Liability, S. 555. 2526 Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 588. 2520

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

381

dem Workmen’s Compensation Act berechtigte. Fünf Monate nach dem Unfall befürchtete er, die Versicherung seines Arbeitgebers werde versuchen, die Zahlungshöhe zu verringern; deshalb wandte er sich an den beklagten solicitor. Dieser unterrichtete den Kläger allein über seine Rechte aus dem Workmen’s Compensation Act, stellte aber keinerlei Überlegungen zu etwaigen Ansprüchen aus common law an. Diese waren daher gemäß s. 29 Workmen’s Compensation Act 1925 nach einer bestimmten Zeit gesperrt. Die Frage war nun, ob der Beklagte sich zu Rechtsbehelfen nach common law hätte Gedanken machen müssen, was dieser verneinte, da der Kläger mit ihm – wie geschehen – nur die gesetzlichen Rechtsbehelfe habe diskutieren wollen. Dem folgt die Mehrzahl der Richter die Tatsache betonend, dass es sich um einen Grenzfall handele. Denning LJ befand hingegen zu Recht2527 auf Fahrlässigkeit des solicitors, da vom Mandanten nicht erwartet werden könne, dass dieser von sich aus auf alternative Rechtsbehelfe aufmerksam mache2528. In allgemeinerer Form wird dies nunmehr in der Sache Law v Cunningham ausgedrückt: “The client’s instructions are, however, no defence to a solicitor if they are the result of inadequate advice by the solicitor … ‘A solicitor did not do his duty merely by reporting facts to client and then seeking instructions.’ ”2529 Es ist daher durchaus denkbar2530, dass ein heutiges Gericht Griffiths anders entscheiden würde2531.

4.

Grund und Grenzen einer wirtschaftlichen Aufklärung

Im Rahmen einer Konkretisierung der Informationspflichten des solicitors bzw. Anwalts lassen sich bis zu einem gewissen Umfang nicht-rechtliche, z.B. ökonomische Fragen ausgrenzen.

a)

Aufklärungspflichten des englischen solicitors über wirtschaftliche Risiken

Denn der solicitor ist kein „general adviser on matters of business“2532, soweit er nicht auch diese Aufgabe ausdrücklich vertraglich übernommen hat oder zumindest die Umstände des Einzelfalls (entschieden) dafür sprechen2533. Insofern ist der solicitor 2527

Für falsch entschieden hält diesen Fall auch Billins, Solicitors, § 4–24. Griffiths v Evans [1953] 1 WLR 1424, 1429 ff. (CA). 2529 Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (lexis). 2530 Ebenso Watson, Litigation, § 4.10. 2531 Vgl. etwa Hurlingham Estates Ltd v Wilde & Partners [1997] 1 Lloyds Rep 525, 528 ff. per Lightman J (HC) und – dem folgend – Estill v Cowling [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis). 2532 Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (lexis). 2533 Vgl. Mahoney v Purnell [1996] 3 All ER 61, 92 ff. per May J (CA); Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (HC, lexis); Jackson/Powell, Negligence, 2528

382

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

zwar zur Erläuterung der rechtlich bedeutsamen Fragen mit wirtschaftlichem Hintergrund (z.B. Bestehen eines Wegerechts, anfallende Steuern) verpflichtet2534, denn: “it is not possible to deal with the question of duty in relation to quasi commercial matters in the abstract. Solicitors concerned with assisting parties in relation to commercial transactions are often faced with commercial considerations. Ultimately, commercial matters are for the client but things are not so simple that one can say the solicitor’s duty simply stops at questions of law …”2535 Der solicitor braucht aber im Regelfall nicht darüber aufzuklären, ob die von seinem Mandanten angestrebte Transaktion (wirtschaftlich betrachtet) eine „gute Idee“ ist2536. Denn “[t]o impose on a solicitor the legal responsibility of answering such a business question would require both unequivocal instructions and unqualified acceptance; for it is no part of a solicitor’s normal duty to profess the skill and experience for giving such advice”2537. Eine entsprechende Verpflichtung wird man daher nur aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls annehmen können. Insofern dürfte sich regelmäßig i.S.d. Art. 6:104 (2)(c) PELSC, IV.C. – 7:104(2)(c) DCFR aus den Umständen der Verpflichtung eines solicitors ergeben, dass eine Wirtschaftsberatung nicht angeboten wird. Schwierigkeiten dürfte die Festellung des Bestehens einer entsprechenden Verpflichtung vor allem dort bereiten, wo der solicitor sie nicht ausdrücklich übernommen hat. Hier wird viel von der erkennbaren Erfahrung des Mandanten abhängen. Denn auch in dieser Frage, bestimmt sich der Umfang der Verpflichtungen des solicitors nach den erkennbaren Erwartungen und Bedürfnissen des Mandanten. So hat Goddard LJ die Frage, in welchem Umfang der solicitor auch in anderen als rechtlichen Dingen Beratung schuldet, in der Entscheidung Yager v Fishman ausdrücklich von der Geschäftserfahrung des Mandanten abhängig gemacht: “The nature and amount of advice which, in a matter of this sort, a solicitor would be expected to give to a person wholly unacquainted with business may differ very

§ 10–169; Billins, Solicitors, § 4–27, beide m.w.N. Offengelassen von Scott LJ in Yager v Fishman & Co and Teff & Teff [1944] 1 All ER 552, 555 (CA). 2534 Vgl. Dietlmeier, Haftung, S. 74 m.w.N. 2535 Guild (Claims) Ltd v Eversheds and others [2001] Lloyd’s Rep PN 910, Tz. 22 per Jacob J (HC, lexis). 2536 Vgl. etwa Bowdage v Harold Michelmore & Co (1962) 106 SJ 512 per Melford Stevenson J (HC, lexis); i.E. Pickersgill v Riley [2004] PNLR 31, Tz. 11 per Lord Scott (PC); Jackson/ Powell, Negligence, § 10–169; Billins, Solicitors, § 4–27; Schellenberger, Haftung, S. 110. 2537 Yager v Fishman & Co and Teff & Teff [1944] 1 All ER 552, 555 per Scott LJ (CA).

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

383

materially from what he would offer to an experienced business man, who would naturally decide for himself the course he thought it in his interest to take”2538. Je erfahrener der Mandant ist, desto weniger nicht-rechtliche Beratung darf er daher erwarten2539. So ist es z.B., wie in der Entscheidung Carradine Properties Ltd v D J Freeman & Co festgestellt wurde, unter gewöhnlichen Umständen nicht die Aufgabe eines solicitors, gegenüber seinem Mandanten, der von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, auf die Prüfung der Frage zu dringen, ob dieser gegen die in Rede stehenden Schäden versichert ist. Soweit können die Erwartungen eines durchschnittlich erfahrenen Mandanten nämlich laut dem Court of Appeal nicht gehen: “I can see no reason in the circumstances of this case why the solicitors should think it necessary to direct their minds to the question of insurance. The management of the company was well-known to the defendants and they cannot be expected to tell the management to do that which commonsense would have told them to do as a simple matter of business.”2540 Anderes mag gelten, falls der Mandant offensichtlich „ins Unglück“ läuft2541. Ein Beispiel für einen solchen Fall bildet die Entscheidung in der Sache Neushul v Mellish & Harkavy, in der die Klägerin, eine Witwe, beabsichtigt hatte, einem Mr. Fleischmann (F), einem Heiratsschwindler, der ihr die Hochzeit versprochen hatte, ein Darlehen über £ 4,000 zu gewähren. Nachdem der Direktor ihrer Bank dieses Ansinnen mit der Bemerkung, F sei der offensichtlichste Betrüger, den er je gesehen habe, abglehnte hatte, wandte sich die Klägerin – wie F sie angewiesen hatte – an die Beklagten, deren Mr. Harkavy schon mehrfach für F tätig geworden war und dessen finanzielle Verhältnisse kannte, damit dieser ihr bei der Beschaffung der Summe durch Belastung ihres Grundstücks mit einer Hypothek behilflich sei. So geschah es. F erhielt sein Geld und verließ Europa für immer, ohne irgendetwas zurückzuzahlen oder sein Heiratsversprechen wahr zu machen. Die Mehrheit des Court of Appeal entschied, die solicitors hätten den Vertrag gebrochen, als sie die Klägerin nicht angemessen davor warnten, das Darlehen aufzubringen und zu gewähren:

2538

Yager v Fishman & Co and Teff & Teff [1944] 1 All ER 552, 556 (CA); zustimmend Bowdage v Harold Michelmore & Co (1962) 106 SJ 512 per Melford Stevenson J (HC, lexis); Virgin Management Ltd and Another v De Morgan Group plc and Another [1996] NPC 8 per Legatt LJ (CA, lexis); Law v Cunningham & Co [1993] EGCS 126 per Judge Bromley QC (HC, lexis). 2539 Vgl. einerseits County Personnel (Employment Agency) Ltd v Alan R Pulver & Co [1987] 1 WLR 916, 924 per Bingham LJ (CA) und andererseits Reeves v Thrings & Long [1996] PNLR 265 (CA, lexis); im Übrigen Jackson/Powell, Negligence, § 10–172. 2540 Carradine Properties Ltd v D Freeman & Co (A Firm) [1955–95] PNLR 219, 225 f. per Eveleigh LJ (CA). 2541 Ob dafür allein ein Ausnutzen der geschäftlichen Unerfahrenheit des Mandanten genügt, wie Dietlmeier, Haftung, S. 74, meint, ist hingegen zweifelhaft, vgl. zu diesen Fragen aus jüngerer Zeit Mahoney v Purnell [1996] 3 All ER 61, 92 ff. per May J (CA).

384

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

“a solicitor carrying out a transaction for a client [is] not justified in expressing no opinion when plainly the client was rushing into an unwise, not to say disastrous, adventure”2542. Zusammenfassend lässt sich daher sagen: Der solicitor ist verpflichtet, seinen Mandanten – abhängig von dessen erkennbaren Informationsbedürfnis – über die rechtlichen Konsequenzen wichtiger Dokumente und Transaktionen derart aufzuklären, dass dieser, deren Implikationen bewerten und deren wirtschaftliche Bedeutung eigenständig einschätzen kann. Durch eine derartige Verpflichtung wird man auch der Überlegung gerecht, dass die Grenze zwischen rechtlichem und sonstigem Rat nicht immer leicht zu ziehen ist; denn die Unterschiede zwischen beidem sind bisweilen nur gradueller Natur2543. So besteht z.B. jedenfalls eine Verpflichtung des solicitors, den Mandanten in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Solicitors’ Costs Information and Client Care Code 19992544 über die potentiellen Prozesskosten zu informieren2545. Zentral ist in diesem Zusammenhang vor allem § 4(k). Danach soll der solicitor mit dem Mandanten erörtern, „whether the likely outcome in a matter will justify the expense or risk involved including, if relevant, the risk of having to bear an opponent’s costs“. Seinen Rat soll der solicitor dem Mandanten dabei nicht nur schriftlich geben, sondern auch in angemessenen zeitlichen Abständen überdenken und erneuern (§ 13.04 Code of Conduct). Die Aufwand-Nutzen-Analyse muss also regelmäßig wiederholt werden2546, wobei im Prozess insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage einen bedeutenden Faktor bilden. Hier ist die Interdependenz von rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten der Beratung besonders deutlich2547.

b)

Zur Beratungspflicht des deutschen Anwalts über wirtschaftliche Risiken

Zu ganz ähnlichen Ergebnissen wird man auch im deutschen Recht gelangen: Die vom deutschen Anwalt geschuldete Aufklärung umfasst, wie erörtert, nicht nur die Darstellung des Vorhandenseins und des ungefähren Ausmaßes von Risiken rechtlicher, sondern auch von Risiken wirtschaftlicher Art. Im Zusammenhang mit der Aufklärung über wirtschaftliche Risiken ist jedoch zu bedenken, dass der Anwalt dem 2542

Neushul v Mellish & Harkavy (1967) 203 EG 27 = [1967] EGD 418 per Danckwerts LJ (CA, lexis). 2543 Jackson/Powell, Negligence, § 10–172. 2544 In der Fassung vom 9.3.2004 abrufbar unter http://www.lawsociety.org.uk/documents/down loads/Profethics_CostsInfo.pdf. 2545 Vgl. dazu näher Watson, Litigation, §§ 4.94 ff.; zur dogmatischen Natur dieser Verpflichtung a.a.O. § 4.96. 2546 Vgl. zur Bedeutung der Beratung über eine möglichst wirtschaftliche Prozessführung die Entscheidungen des Court of Appeal in Derek Jefferson v National Freight Carriers Plc 2001 WL 1560725 per Lord Woolf CJ; Lownds v Home Office [2002] 1 WLR 2450. Zur wirtschaftlichen Erwägungen bei der Hinzuziehung eines barristers vgl. Watson, Litigation, § 4.114. 2547 Vgl. etwa Davy-Chiesman v Davy-Chiesman [1984] Fam 48, 62 f. per May LJ.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

385

Mandanten nach der Zweckrichtung der Belehrungspflicht zwar die Grundlagen für dessen Entscheidung verschaffen und Empfehlungen geben muss. Seine Aufgabe ist es jedoch nicht, dem Mandanten die wirtschaftlichen Entscheidungen und Risiken abzunehmen. Auch schuldet der Anwalt nach allgemeiner Ansicht – ebenso wie der solicitor – keine Wirtschaftsberatung2548. Der Anwalt ist als Rechtsberater nämlich grundsätzlich nicht verpflichtet, die wirtschaftlichen Interessen seines Mandanten wahrzunehmen und ihm auf unternehmerischem Gebiet z.B. zur Verhütung eines Forderungsausfalls Ratschläge zu erteilen2549. Er muss vielmehr nur (aber immerhin) über Risiken der von Mandanten gewünschten Vorgehensweise aufklären und machbare rechtlichen Konstruktionen vorschlagen2550. Hierbei darf er freilich die wirtschaftlichen Konsequenzen nicht unberücksichtigt lassen, zumal sein Auftrag meist vor einem konkreten wirtschaftlichen (ihm bekannten) Hintergrund erfolgt.

IV. Zwischenergebnisse Die Aufklärungspflichten des solicitors, Rechtsanwalts und Informationsvertragsschuldners fallen nach alledem relativ umfangreich aus. Innerhalb der Grenzen seines Mandats ist er zur umfassenden Aufklärung verpflichtet, soweit eine Information für seinen Mandanten objektiv von Interesse sein könnte, d.h. soweit der Mandant eine entsprechende Aufklärung und Beratung erwarten darf. Dies gilt dem Grunde nach selbst für Beratungspflichten des solicitors, die mangels Vereinbarung nicht Gegenstand des zwischen den Parteien vereinbarten Vertrages geworden sind. Denn sofern der Mandant der Beratung hinsichtlich bestimmter Gesichtspunkte außerhalb des retainers objektiv erkennbar bedarf, ist er auch bezüglich dieser Gesichtspunkte der Angelegenheit zu beraten, d.h. notfalls an einen Spezialisten innerhalb einer anderen Profession zu verweisen. Insofern ist der Vertrag um entsprechende Beratungspflichten zu ergänzen. Die Beratungspflicht beschränkt sich dabei aber, soweit im Ausnahmefall nichts anderes vereinbart oder zu ergänzen ist, auf die rechtlichen Aspekte der Angelegenheit. Wichtig ist, dass sich der Beratungsumfang explizit am Beratungsbedürfnis des Mandanten, nämlich an dessen Interessen orientiert2551. So heißt es bereits in Groom v Crocker: „The retainer […] puts into operation the normal terms of the contractual relationship, including in particular the duty of the solicitor to protect the client’s interest and carry out his instructions in the matters in which the retainer relates, by all proper means.“2552. Die Berücksichtigung der Interessen des konkreten Gläubigers ist insoweit zentraler Gegenstand des Vertrages, weshalb sich der solicitor wiederholt mit seinem Mandanten zu beraten und abzustimmen hat. Diese Sichtweise ist insbeson-

2548

Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1914; ders., in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 407 ff.; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 595. 2549 BGH v. 19.6.2008 – IX ZR 18/07, n.v. 2550 Vgl. hierzu auch OLG München v. 24.7.2003 – 19 U 5651/02 (LS 2) – juris. 2551 Pickersgill v Riley [2004] PNLR 31, Tz. 7 per Lord Scott (PC). 2552 Groom v Crocker [1939] 1 KB 194, 222 (Hervorhebung hinzugefügt).

386

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

dere vor dem Hintergrund des früheren Arzthaftungsrechts2553, das eine Aufklärung des Patienten ursprünglich als zweitrangig qualifiziert hat, für das englische Recht bemerkenswert. Dies macht zunächst ein erneuter Blick auf Bolam deutlich, wo Mc Nair J zur Frage ungenügender Aufklärung gegenüber der Jury einleitend erklärt: „… the only question is really a question of professional skill“2554. Nachdem der Richter die Jury insofern über die Ansichten der medizinischen Sachverständigen zur akzeptablen Praxis aufgeklärt hat, fordert er sie nur noch auf, darüber nachzudenken, ob die Beklagten „were falling below a proper standard of competent professional opinion on this question“2555. Dem in diesem Zusammenhang nicht allzu subtilen Hinweis2556, dass dies nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall sei2557, folgt die Feststellung: „I now pass to what I venture to believe is the real point which you have to consider“2558. Im Anschluss wird die Frage vorgestellt, ob die Behandlung ohne Relaxat bzw. Fixierung fahrlässig gewesen sei. Die Frage angemessener Aufklärung wird damit im Kern unter Bezugnahme auf die damalig akzeptable Praxis beantwortet und nicht am Maßstab dessen gemessen, was eine angemessene Berücksichtigung der Interessen oder gar Rechte des Patienten fordert2559; die Patientenautonomie spielt nur eine Nebenrolle. Aus historischer Perspektive ist dieser Ansatz dadurch zu erklären, dass die negligence-Haftung sich insoweit auf die „handwerkliche“ Qualität von skill und care konzentrierte und in der Medizin zuerst die Behandlung durch den Arzt, nämlich „the exercise of his healing functions“2560, als Gegenstand der Rechtsbeziehung betrachtete. Da die Beratung insoweit – anders als beim Anwaltsvertrag – nicht zentraler Gegenstand der Rechtsbeziehung war, sondern ihr lediglich dienende Funktion zukam (Ausschluss der Haftung für battery und Haftungsausschluss durch Gerechtwerden gegenüber den professionsinternen Standards) scheint es schwer gefallen zu sein, die Interessen des konkreten Gläubigers in den Blick zu nehmen. Diesbezüglich ist das Arzthaftungsrecht allerdings derzeit im Umbruch begriffen2561. 2553

Vgl. dazu ab S. 440. Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 586 per Mc Nair J (HC). 2555 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 591 per Mc Nair J. 2556 Ebenso Teff, Care, S. 188. 2557 „Members of the jury, though it is a matter entirely for you, you may well think that when dealing with a mentally sick man and having a strong belief that his only hope of cure is E.C.T. treatment, a doctor cannot be criticized if he does not stress the dangers which he believes to be minimal involved in that treatment“, Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 591 per Mc Nair J. Interessanterweise enthält die All ERVersion des Urteils in dieser Passage nicht den Begriff „E.C.T. Treatment“, sondern die Umschreibung „submission to electro-convulsive therapy“ (vgl. [1957] 2 All ER 118, 124), die eine Lösung vom Willen des konkreten Patienten deutlicher vor Augen führt. 2558 Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 592 per Mc Nair J (Hervorhebung hinzugefügt). 2559 Teff, Care, S. 188. 2560 Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal Hospital [1985] AC 871, 893 per Lord Diplock (HL). 2561 Vgl. ab S. 450. 2554

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

387

Die in den Art. 1:103, 1:110 und 6:101 ff. PELSC, IV.C. – 7:101 ff. DCFR normierten Aufklärungs- und Informationspflichten sind demgegenüber ebenso wie das richterrechtlich geprägte deutsche Anwaltshaftungsrecht sehr deutlich am Informationsbedürfnis des konkreten Gläubigers orientiert, über das sich der Schuldner aktiv zu informieren hat. Die dadurch erlangten Informationen über subjektive Präferenzen hat der Anwalt als Schuldner im Rahmen der Vertragsdurchführung zu berücksichtigen und nicht nur seine Empfehlung, sondern auch bestehende Alternativen in Bezug auf Vorteile und immanente Risiken zu erläutern und zueinander in Bezug zu setzen. So ist die Entscheidungsfreiheit und Integrität des Gläubigers weitgehend abgesichert, wobei – anders als nach englischem und deutschem Recht – in den PELSC und dem DCFR freilich noch hinzukommt, dass für faktische Informationen hinsichtlich Richtigkeit und Vollständigkeit strikt gehaftet wird.

C.

Aufklärungspflicht des Architekten

Den Aufklärungspflichten eines solicitors ähnlich sind – wie nun zeigen sein wird – auch die Aufklärungspflichten eines Architekten nach englischem Recht. Denn den Architekten treffen je nach Engagement ebenfalls in den unterschiedlichsten Fallkonstellationen detaillierte Informations- und Aufklärungspflichten, die sich am Aufklärungsbedürfnis seines Auftraggbers orienteren. Insoweit kann es – wiederum parallel zur Rechtslage im Anwaltshaftungsrecht – bei der Bestimmung des Pflichtumfangs nicht selten erforderlich werden, über die Grenzen des Vertragswortlauts hinwegzugehen2562. Sind dem Vorgehen, das der Architekt ausgewählt hat, (vermeidbare) Risiken immanent, muss dieser von sich aus darüber aufklären. Dies gilt nicht nur in Designfragen, z.B. dort wo das Design neuartig und/oder potentiell risikobehaftet ist2563, sondern auch dort, wo die Kosteneffizienz von Investionen des Gläubigers in Rede steht, wenn und soweit diese für den Gläubiger erkennbar von Relevanz ist. Dies wird sogleich im Einzelnen darzustellen sein. Zunächst ist allerdings kurz auf die Position des der PELSC und des DCFR einzugehen:

I.

Grundlinien der Aufklärungspflichten des Architekten nach den PELSC und dem DCFR

Für die spezifischen Inhalte der Aufklärungspflichten eines Architekten sehen die PELSC bis auf Art. 5:102 PELSC (gleiches gilt für den DCFR, vgl. Art. IV.C. – 6:102 DCFR) keine expliziten Regeln vor, sodass auf die allgemeinen Regeln (Art. 1:103, 1:110 PELSC, IV.C. – 2:102, 2:108 DCFR) und eine entsprechende Anwendung der Regeln über Informationsverträge (Art. 6:101(2) PELSC; Umkehrschluss aus Art. IV.C. – 7:101(2) DCFR) zurückgegriffen werden muss: Im Rahmen der Duty to Co-operate hat daher zunächst ein gegenseitiger Informationsaustausch stattzufinden. Dadurch sind die Parteien in der Lage, sich gemäß Art. 1:103, 5:102, 1:110 PELSC, 2562 2563

Dazu Cornes, Design, § 3.1.3. Vgl. dazu Jackson/Powell, Negligence, § 8–186 f., zu neuartigem Design unten ab S. 465.

388

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

IV.C. – 2:102, 6:102, 2:108 DCFR zu warnen. Für den Architekten bedeutet dies insbesondere die Verpflichtung, den Klienten über die Aspekte des Designs aufzuklären, die besondere, bei ihm selbst nicht vorhandene Sachkunde erfordern, für die also Spezialisten engagiert werden müssen (Art. 5:102 PELSC, IV.C. – 6:102 DCFR). Dazu ist der Architekt zwar bereits vorvertraglich verpflichtet. Entsprechendes gilt gemäß Art. 1:110(1), (5), 1:109(3) PELSC, IV.C. – 2:108(1), 2:107(3) DCFR aber auch, falls das Erfordernis besonderer Sachkunde erst im Lichte späterer Informationen (Art. 1:105 PELSC) oder Klientenweisungen (Art. 1:109, 1:111 PELSC; IV.C. – 2:107, 2:109 DCFR) entsteht2564. Nach Art. 1:110(1) PELSC, IV.C. – 2:108(1) DCFR hat der Architekt den Klienten ferner insbesondere zu warnen, wenn ein Risiko für den vom Klienten benannten oder erwarteten Planungserfolg (Art. 1:108, 5:105 PELSC, IV.C. – 2:106, 6:104 DCFR) bzw. dafür ersichtlich ist, dass das Design nicht für den vom Klienten verfolgten Zweck taugt2565. Gleiches gilt, wenn sich diese Gefährdung erst aus einer Weisung des Klienten ergibt nach Art. 1:109(3) PELSC, IV.C. 2:107(3) DCFR. Den erstrebten Erfolg oder Zweck hat der Architekt, sofern dieser nicht benannt wird, gemäß Art. 1:105, 6:101(2), 6:102(1)(a) PELSC, IV.C. – 7:102(1)(a) DCFR zu erforschen und dem Klienten insbesondere zu erläutern, welche Informationen er von diesem zur Einschätzung benötigt (Art. 6:101(2), 6:102(3) PELSC, IV.C. – 7:102 (3) DCFR). Entsprechende Aufklärungspflichten treffen den Architekten in dem durch Art. 1:110(1), (5) PELSC, IV.C. – 2:108(1), (5) DCFR vorgegebenen Rahmen in allen Bauphasen2566. Die Formulierung des Aufklärungsrahmens in Art. 1:110(1) PELSC, IV.C. – 2:108(1) DCFR dürfte alle nachfolgend im nationalen Kontext vorgestellten Aufklärungspflichten erfassen. Praktisch wichtig ist aber die Einschränkung, dass eine entsprechende Risikoaufklärung – soweit nichts anderes vereinbart wurde – nur erfolgen muss, wenn der Architekt das betreffende Risiko tatsächlich erkannt hat oder es (für einen vergleichbaren Schuldner in der Situation des aktuellen Architekten [so die ausdrückliche Konkretisierung der PELSC]) offensichtlich gewesen wäre. Eine derartige generelle Einschränkung des Aufklärungsumfangs kennen die nationalen Architektenrechte nicht. Sie beurteilen den Aufklärungsumfang an einem stärker objektivierten Maßstab. Insofern sind sie von der Perspektive eines Architekten stärker losgelöst und am Informationsinteresse eines vernünftigen Klienten orientiert. Auch ist die vertragliche Informationshaftung des Architekten im deutschen wie im englischen Recht sorgfaltsabhängig. Die in PELSC und DCFR vorgenommene Differenzierung zwischen strikter Haftung für faktische Information und sorgfaltsabhängiger Haftung für wertende Informationen (vgl. Art. 6:101(2), 6:104, 6:105(2) PELSC, IV.C. – 7:104, 7:105(2) DCFR) findet in den nationalen Rechten keine Parallele. Die im englischen Recht mit einer derartigen Differenzie2564

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, General Comment L. zu Chapter 5. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, General Comment C. III zu Chapter 5. 2566 Dies folgt mittelbar auch daraus, dass der während des gesamten Verfahrens – d.h. sobald neue Informationen auftauchen – fortlaufend zur Erforschung der Bedürfnisse und Wünsche seines Klienten (Art. 1:105 PELSC) verpflichtet ist, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, General Comment I. zu Chapter 5. 2565

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

389

rung in Bezug auf die Richtigkeit von Bauplänen, – zeichnungen etc. auftretende Problematik der Unvereinbarkeit einer mittelbar strikten Planungshaftung mit dem common law2567 stellt sich für PELSC und DCFR allerdings nicht. Dort wird nämlich in der Regel – anders als nach deutschem und englischem Recht – ohnehin unmittelbar strikt für die Erfolgs- und Zwecktauglichkeit der Planung gehaftet (Art. 1:108, 5:105 PELSC, IV.C. – 6:104 DCFR). Vor diesem Hintergrund besteht allerdings auch weniger Bedarf für entsprechende Informationspflichten. Denn wenn der Planungserfolg nicht erreicht wird oder das Design nicht zwecktauglich ist, haftet der Architekt. Vorbehaltlich Art. 8:101(2), (3) PECL, III. – 3:101(2), (3) DCFR kann der Klient auf der Erfüllung bestehen. Die Informationspflichten haben – parallel zu den Erforschungspflichten (Art. 1:105 PELSC) – bei strikter Verpflichtung vornehmlich den Zweck, deren Nichterfüllung von vorneherein erst gar nicht eintreten zu lassen. Sie dienen damit aus der Perspektive des Gläubigers lediglich der zusätzlichen Absicherung2568. Bei sorgfaltsabhängiger Haftung sind sie – wie sich am Beispiel des englischen Arzthaftungsrechts zeigen lässt2569 – hingegen zur Wahrung der Autonomie des zumeist nicht sachkundigen Gläubigers von zentraler Bedeutung. Konform sind PELSC, DCFR und nationale Rechte aber insoweit, als der Architekt seine Aufklärung so gestalten muss, dass der Klient sie vernünftigerweise verstehen kann (Art. 1:110(2), 6:101(2), 6:104(1)(a) PELSC, IV.C. – 7:104(1)(a) DCFR); insoweit ist die Haftung sorgfaltsabhängig.

II.

Die Aufklärungspflichten des Architekten nach englischem und deutschem Recht

Nicht nur in der englischen, sondern auch in der deutschen Mandatspraxis ist man sich der Bedeutung der vertraglichen Beratungspflichten des Architekten für die Situation des Auftraggebers (wenngleich ihre dogmatische Qualifikation durch die deutsche Rechtsprechung noch nicht abschließend erfolgt ist2570) bewusst2571. Dies kommt im deutschen Recht auch sprachlich darin zum Ausdruck, dass der Architekt verbreitet als Sachwalter des Bauherrn2572 bezeichnet wird. Denn darin soll die umfassende, den Bau begleitende Beratungstätigkeit des Architekten ihren Ausdruck

2567

Vgl. ab S. 656. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, General Comment I. zu Chapter 5. 2569 Vgl. ab S. 440. 2570 Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 465. 2571 Vgl. z.B. Neuenfeld, NZBau 2002, 13, 16; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 1 ff. m.w.N. 2572 Vgl. für viele BGH, NJW-RR 2002, 1531, 1532; OLG Stuttgart, NZBau 2003, 446; Palandt /Sprau, BGB § 631 Rn. 19; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 210; Wirth/Theis, Bauherr, S. 295; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 1 ff.; Neuenfeld, NZBau 2002, 13, 16. 2568

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

390

finden2573. So wird der ganz überwiegende Teil der vertraglichen Beratungspflichten nicht nur in technischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht von manchen Stimmen in der deutschen Literatur als nach dem Parteiwillen derart wesentlich für den Architektenvertrag qualifiziert, dass ohne ihre Erfüllung seine Durchführung an sich sinnlos erscheint2574. Folgerichtig werden sie von dieser Literaturmeinung als Hauptpflichten qualifiziert2575, soweit es sich nicht um solche Beratungspflichten handelt, „die lediglich am Rande der auf die technisch einwandfreie und kostengerechte Verwirklichung der mangelfreien Planung gerichteten Architektentätigkeit angesiedelt sind […] wie Beratungspflichten rechtlicher Art zum Zweck günstiger Prozessführung oder gewisser nachvertraglicher Mitwirkungspflichten“2576. Für die Schadensersatzhaftung ist diese Qualifikation nach der Schuldrechtsmodernisierung weitgehend bedeutungslos und Gleiches gilt, wenn man auch Nebenpflichten für klagbar hält2577, für den Erfüllungsanspruch. Insofern wird diese Qualifikation im Folgenden vernachlässigt. Vielmehr soll praxisnah nachvollzogen werden, welche Informationspflichten den Architekten treffen und wie sich ihr Vorhandensein auf die Position seines Vertragspartners auswirkt. Dieses Vorgehen ist hier nicht zuletzt der Vergleichsperspektive geschuldet. Denn die Informationspflichten des Architekten werden im englischen Recht nicht global-isoliert, sondern konkret-kontextbezogen erörtert. Ausgehend von konkreten Konstellationen werden wir uns vor diesem Hintergrund vorsichtig um eine Abstrahierung bemühen, um so einzelfallübergreifende Feststellungen zu ermöglichen. Strukturiert man die Informationsverpflichtung insofern einmal nach der Abfolge der Bauphasen, ergibt sich das folgende Bild.

1.

Planungsphase

a)

Wirtschaftliche Verwendbarkeit

Eine Mitwirkung bei der Gestaltung der Finanzierung schuldet der Architekt nach deutschem Recht, sofern er sich hierzu nicht ausdrücklich verpflichtet hat, auch insoweit nicht, als ihn keine Beratungspflicht auf dem Gebiet steuerlicher Vergünstigungen trifft2578. Muss sich dem Architekten nach den Umständen des Einzelfalls aber aufdrängen, dass der Auftraggeber bestimmte steuerliche Vergünstigungen anstrebt, ist er verpflichtet, von sich aus die Wünsche des Auftraggebers zu klären und sich nach ihnen zu richten2579. Dies wird man z.B. annehmen müssen, wenn die 2573

Locher, Baurecht, Rn. 456. Locher, Baurecht, Rn. 465; Koeble, FS Locher, S. 117, 120; a.A. etwa Erman/Schwenker, BGB § 631 Rn. 33 (Nebenpflichten); ebenso (aber relativierend) MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 210. 2575 Vgl. nur Locher/Koeble/Frik, HOAI § 15 Rn. 28 m.w.N. 2576 Locher, Baurecht, Rn. 465. 2577 So etwa Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 468; Erman/Westermann, BGB § 241 Rn. 13; vgl. auch MünchKomm/Roth, BGB § 241 Rn. 113 m.w.N. 2578 Seul, Recht des Architekten, S. 247; Locher, Baurecht, Rn. 462; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 256. 2574

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

391

Einhaltung bestimmter Raumgrößen zu beachten ist, um erhöhte Abschreibungen oder Zuschüsse in Anspruch nehmen zu können2580. Vergleichbares lässt sich auch für das englische Recht feststellen2581: Ein Beispiel für einen Fall, in dem die Risiken für die Kosteneffizienz unangemessen hoch waren, bildet die Entscheidung Gable House Estates Ltd v Halpern Partnership, in der die klagende Bauentwicklungsgesellschaft ein Gebäude mit Grundstück in London erworben hatte und dieses entweder renovieren oder sanieren und neu errichten oder leerstehend veräußern wollte. Bei der Wahl zwischen diesen Optionen sollten die beklagten Architekten der Klägerin dadurch behiflich sein, dass sie für verschiedenartige Maßnahmen die nach Instandsetzung vermietbare Fläche errechneten. Die Beklagten stellten vier denkbare Modelle vor, aus denen sich vermietbare Flächen zwischen 35,056 sq ft (= 3.257 m2) und 34,163 sq ft (= 3.174 m2) ergaben. Die Klägerin entschied sich für eine Sanierung auf der Grundlage eines der vier Vorschläge der Beklagten. Nach der Realisierung des Entwurfs stellte sich heraus, dass die vermietbare Fläche tatsächlich nur 31,769 sq ft (= 2.951 m2) groß war. Die Klägerin hätte sich in Kenntnis dieser Bedingungen nicht für eine Sanierung entschieden und verklagte die Architekten wegen Fahrlässigkeit. Diese hätten sie (u.a.) nicht hinreichend darüber informiert, inwieweit die Berechnung auf der Grundlage einer Schätzung durchgeführt worden und in welchem Umfang mit Abweichungen zu rechnen gewesen sei. Dem gab Judge Esyr Lewis QC statt. Der von den Beklagten auf den Entwurfsplänen verzeichnete Hinweis, dass alle Flächenzahlen auf Schätzungen beruhten, genügte nicht, um die Klägerin adäquat auf den Umfang möglicher Abweichungen vorzubereiten: “I have come to the conclusion that, having regard to the fact that the importance of lettable area to Gable House was well understood by Halpern, the formula ‘All areas approximate’ was not a sufficient warning to Gable House of the uncertainties which existed in March 1987 and which could affect the figures of lettable area in the March schedule … What qualification should have been made in March? I am of opinion that Halpern should have warned Gable House that there were a number of uncertainties which could adversely affect the lettable areas set out in the March figures and that was why the figures must be regarded as approximate. This would, in my view, have been sufficient to warn Gable House to be cautious in their use of the figures.”2582 Die Aufklärungspflicht hinsichtlich der Risiken für die Verwendbarkeit der Leistung der Architekten für den Auftraggeber wird hier mit einer gewissen Selbstverständlichkeit als Vertragsinhalt betrachtet. 2579

Vgl. BGHZ 60, 1, 3 f.; OLG Köln, BauR 1993, 756, 757; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 256; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 56 f. m.w.N. 2580 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 90 m.w.N. 2581 Vgl. zu dieser Thematik ferner Plymouth & South West Co-Operative Society Ltd v Architecture, Structure & Management Ltd [2006] EWHC 5 (TCC). 2582 Gable House Estates Ltd v Halpern Partnership (1995) 48 ConLR 1 per Judge Esyr Lewis QC (lexis).

392

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Dass dies keineswegs immer der Fall sein muss, belegt die Entscheidung HOK Sports Ltd v Aintree Racecourse Ltd. Dort hatte die Aintree Racecourse Ltd (A) die beklagten Architekten (HOK) mit dem Entwurf einer neuen Zuschauertribüne an der von der Klägerin betriebenen Rennbahn beauftragt, die, damit sie sich für die A wirtschaftlich sicher rechnete, auf den Rängen mindestens 2.800 Zuschauern und davor mindestens 300 Zuschauern Platz bieten musste. Die Zahlen und auch ihr Hintergrund war HOK mitgeteilt worden. Das von HOK vorgelegte Design trug dem aber keine Rechnung; auf der Tribüne fanden nach deren Entwurf allein 2.000 Zuschauer Platz. HOK hatte die A auf diese geringe Zuschauerzahl nicht aufmerksam gemacht, bevor deren Entscheidung für dieses Design und den Beginn der Bauarbeiten fiel. Der Technology and Construction Court2583 sah – ebenso wie das vor ihm angerufene Schiedsgericht – allein darin, dass HOK die Information über geringere Zuschauerzahlen nicht übermittelt und so die Entscheidung der A beeinflusst hatte, einen Vertragsbruch. Denn über die geringer als von A gefordert ausfallende Zuschauerzahl hätte von HOK informiert werden müssen. Eine Beratung über die Verwendbarkeit der Leistung war hingegen gerade nicht geschuldet: “… [HOK] did not have: ‘a duty to advise Aintree as to whether the project should be postponed in the light of the factors of which they should have warned’ Aintree. In connection with this duty to warn, [HOK]: ‘were aware from the outset that capacity was an important factor in Aintree’s decision to proceed with the project’ and ‘knew that Aintree considered that proceeding with the project in 1997’ was a ‘high risk strategy’”. Finally: “it was a foreseeable consequence of their failure to [warn] that Aintree would be deprived of the opportunity to remedy those losses by postponement and reconsideration of the project’. It follows from these findings that [HOK]’s duty was to provide information and not to provide advice.”2584 Diese Entscheidung macht deutlich, dass es – ebenso wie im Rahmen der Anwaltshaftung – hinsichtlich des Umfangs von Aufklärungspflichten stets auf den (u.U. durch implied terms ergänzten) retainer ankommt. Den Grund dafür, dass in Gable House eine Pflicht zur Aufklärung über die Verwendbarkeit der übermittelten Informationen bestand, in HOK Sports aber nicht (hier bestand allein eine Pflicht zur Information), bildet, dass die Beklagten in HOK Sports um die „high risk strategy“ der Klägerin wussten, die ein Erreichen der Zuschauerzahl zur notwendigen Bedingung der Verwendbarkeit der Planungsleistung machte. In Gable House fehlte es an dieser Gewissheit sowohl für die Klägerin als auch für die Beklagten. Vor diesem Hintergrund hätten sich die Beklagten mit der Klägerin über die Bedeutung der erreichten vermietbaren Fläche abstimmen müssen. Im Zweifel wird man allerdings von einer Aufklärungspflicht ausgehen müssen. Dies machen die folgenden Feststellungen von HJ Thornton QC deutlich: 2583 2584

Eine besondere Abteilung des High Court of Justice. HOK Sport Limited (Formerly Lobb Partnership Limited) v. Aintree Racecourse Company Limited [2003] BLR 155 = 2002 WL 31676330 (QBD (TCC)) Tz. 72 f. per Judge Thornton QC.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

393

“In general terms, it would not suffice for an architect to adopt the position that such detailed and continuous advice need not be given or could be scaled down because the client was experienced in development work or knew already the cost consequences of delayed or varied instructions or had worked with the architect on previous projects or had used the two-stage tendering procedure and provisional sums procedure before. Moreover, it would not suffice for an architect to adopt a less formal or detailed method of advising a client because it was perceived that the client was experienced or familiar with the type of contractual arrangements or building work contemplated on any particular project. It would only be permissible for an architect to scale down the nature or extent of advice that would be given to an inexperienced client or one who had not worked with that architect previously if the client expressly instructed the architect to scale down its advice services having taken an informed decision that that reduced service was all that was required. It would not be sufficient for an architect to assume that its client did not require or need the full service, such a decision to provide less than the full service could only be made after receiving express and informed instructions to that effect.”2585 Die gerade festgestellte Abhängigkeit des vom Architekten nach englischem Recht geschuldeten Informationsumfangs sowie der Informationsintensität vom erkennbaren Informationsbedürfnis seines Vertragspartners, die parallel auch im Arzt- und Anwaltsvertragsrecht zu konstatieren ist, lässt sich in vergleichbarer Form im deutschen Architektenvertragsrecht nachweisen. Welche Pflichten dem Architekten insoweit obliegen, hängt zwar von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei u.a. Art und Inhalt des Auftrages, mögliche Besonderheiten der Vertragsdurchführung usw. von Bedeutung sind. Entscheidend für die Bestimmung der geschuldeten Information sind aber auch nach deutschem Architektenvertragsrecht der Kenntnisstand, die Sachkunde und die Erfahrung des Auftraggebers2586. Auszugehen ist dabei – ebenso wie im englischen Recht, den PELSC und dem DCFR2587 – im Grundsatz davon, dass auch ein sachkundiger Bauherr denselben Anspruch auf Wahrnehmung der Informationspflichten durch den Architekten hat wie ein weniger fachkundiger Auftraggeber2588. Denn in aller Regel wird dem Architektenvertrag keine Einschränkung der Informationspflicht im Hinblick auf die Sachkunde des Gläubigers entnommen, was sich auch darin widerspiegelt, dass eine entsprechende Reduzierung des Honorars wegen der besonderen Fach- und Sachkunde des Auftraggebers in der Praxis nicht vorkommt2589. 2585

Plymouth & South West Co-Operative Society Ltd v Architecture, Structure & Management Ltd [2006] EWHC 5, Tz. 126 (TCC). 2586 Vgl. BGH, NJW 1987, 2743, 2744; OLG Stuttgart, NZBau 2003, 446, 447; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 1098; Locher/Koeble/Frik, HOAI § 15 Rn. 98; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1562; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 3 m.w.N. 2587 Vgl. oben S. 212. 2588 Ebenso Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 3. Vgl. z.B. OLG Köln, NJW-RR 1993, 1493 f. 2589 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 3.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

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b)

Kostenvoranschlag und Budget

In der Planungsphase wird der zukünftige Bauherr indessen typischerweise insbesondere wissen wollen, welche ungefähren Kosten er zu erwarten hat, und aus diesem Grund den Architekten (oder aber einen Ingenieur etc.) um einen entsprechenden Kostenvoranschlag bitten. Nach deutschem Recht ist der Architekt insoweit sogar verpflichtet, von sich aus bereits im Rahmen der Vorplanung den Kostenrahmen abzuklären2590, d.h. zu hinterfragen, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bauherr hat bzw. in welchem Umfang er wirtschaftliche Mittel für das Bauvorhaben einsetzen will2591. Der Natur der Sache nach wird insoweit keine exakte Bemessung erwartet, sondern es ist lediglich eine mit angemessener Sorgfalt und Sachkunde durchgeführte Kosteneinschätzung geschuldet2592. Über die bestehenden Ungenauigkeiten ist allderings aufzuklären2593. Diesem Maßstab dürfte der Architekt jedenfalls nicht gerecht werden, wenn das in Rede stehende Projekt sich auf der Grundlage der veranschlagten Summe offensichtlich überhaupt nicht durchführen lässt2594.

aa) Konkretisierungskriterien nach englischem Recht (1)

Starke Abweichung

Im Rahmen des englischen Architektenvertragsrechts ist jedoch, wie die Entscheidung in der Sache Copthorne Hotel (Newcastle) Ltd v Arup Associates belegt, eine starke Abweichung der tatsächlichen von den veranschlagten Kosten kein zwingender Indikator für Fahrlässigkeit2595. In dieser Entscheidung hatten die Beklagten die Kosten für die Stützpfeiler eines großen Hotels auf £ 425,000 geschätzt. Die tatsäch2590

Zu Einzelfragen hinsichtlich der Vereinbarung eines Kostenrahmens vgl. z.B. Neuenfeld, NZBau 2004, 633, 639 m.w.N. 2591 BGH, NJW-RR 2005, 318, 320; vgl. auch OLG Braunschweig, BauR 2003, 1066, 1068; Palandt /Sprau, BGB § 631 Rn. 20; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 255; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 58 m.w.N. 2592 Für das englische Recht ebenso Jackson/Powell, Negligence, § 8–191; Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.15. Nichts anderes dürfte gemeint sein, wenn der BGH (NJW-RR 2005, 318, 320) davon spricht, der Besteller dürfe davon ausgehen, „dass […] abgegebene Kosteneinschätzungen zutreffend sind“. Denn einer Schätzung (!) sind der Natur der Sache nach Unsicherheiten immanent, die der Annahme einer Erfolgsherbeiführungspflicht entgegenstehen. 2593 Vgl. BGH, NJW-RR 2005, 318, 320; Palandt /Sprau, BGB § 631 Rn. 20. 2594 Vgl. dazu das bei Jackson/Powell, Negligence, § 8–191 abgedruckte Zitat aus Monneypenny v Hartland (1826) 2 Car & P 378 per Best CJ sowie Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.15 m. Fn. 1 und 2. 2595 Jackson/Powell, Negligence, § 8–195 wenden sich insoweit – angelehnt an die Regel, dass für die Bestimmung von Fahrlässigkeit nachträgliche Ereignisse ausser Betracht zu bleiben haben – insbesondere gegen eine in kanadischen Entscheidungen angenommene Umkehr der Beweislast.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

395

lichen Kosten beliefen sich auf £ 975,000. Allein die enorme Differenz genügte nach den Feststellungen von Judge Hicks QC nicht, um den Schluss auf eine fahrlässige Fehleinschätzung der Beklagten zu ermöglichen. Da die Abweichung auch andere Ursachen gehabt haben konnte und die Anwendbarkeit der Grundsätze über den Anscheinsbeweis nicht vorgetragen worden war, scheiterten die Kläger2596.

(2)

Stets zu berücksichtigende Faktoren

In Betracht ziehen muss der Architekt aber die Informationen, die ein angemessen kompetenter Architekt besitzen würde, sodass bei der Berechnung z.B. die in der Bauindustrie zu erwartenden Lohnerhöhungen und Materialkostensteigerungen sowie – vor allem bei langfristigen Projekten – die Inflationsrate zu berücksichtigen sind2597. Stützt er seine Berechnung allein auf die gegenwärtig entstehenden Kosten, muss er dies ausdrücklich klarstellen, um einer Haftung zu entgehen2598. Ob eine derartige Berechnung zulässig ist, richtet sich danach, welche Form der Berechnung der Architekt vertraglich übernommen hat, sodass letztlich jeder Fall individuell bewertet werden muss. Damit die jeweilige Berechnung den Klienten angemessen zuverlässig informiert, ist es insbesondere wichtig, dass der Architekt diesen in klaren Worten zum einen darauf hinweist, welche Daten, die er er nicht in die Berechnung einbezogen hat, sich auf die effektiven Kosten des Projekts auswirken können2599. Zum anderen muss der Architekt aber auch deutlich machen, welche Faktoren variabel sind, sodass sie sich während der Durchführung des Projekts verändern können2600. In diesem Zusammenhang dürfte eine ausdrückliche Klarstellung der Genauigkeit der gemachten Angaben von Vorteil sein2601, wie die Entscheidung in der Sache Nye Saunders & Partners v Alan E Bristow deutlich macht, in der die klagenden Architekten zunächst engagiert worden waren, um eine Baugenehmigung zu beantragen und die Kosten eines Bauvorhabens des Beklagten zu schätzen. Der Beklagte hatte ihnen diesbezüglich mitgeteilt, er sei bereit ca. £ 250,000 auszugeben. Die Kläger konsultierten einen quantity surveyor und schätzen auf der Grundlage von dessen Angaben die Kosten auf etwa £ 238,000. Unerwähnt ließen sie bei ihrer Schätzung aber inflationsbedingte Kostensteigerungen; die gesamte Berechnung war auf der Grundlage der gegenwärtigen Baukosten erstellt. Nachdem die Baugenehmigung erteilt worden war, beauftragte der Beklagte die Kläger mit der Bauausführung, bei der sich schnell 2596

Copthorne Hotel (Newcastle) Ltd v Arup Associates (1996) 58 Con LR 105 (lexis) Tz. 67 f. (HC). 2597 Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.15; Jackson/Powell, Negligence, § 8–196. 2598 Cornes, Design, § 4.14; Jackson/Powell, Negligence, § 8–196. 2599 Vgl. dazu (wenngleich in anderem Kontext) nochmals Gable House Estates v Halpern Partnership (1995) 48 Con LR 1 per Judge Esyr Lewis QC (HC, lexis). 2600 Hieraus kann sich auch eine Warnpflicht darüber ergeben, dass die Projektkosten sich so entwickelt haben, dass die ursprünglich zutreffende Einschätzung nicht länger verlässlich ist, vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.15. 2601 Jackson/Powell, Negligence, § 8–196.

396

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

herausstellte, dass die Kosten tatsächlich wesentlich höher sein würden. Sechs Monate nach Baubeginn wurden die mutmaßlichen Kosten bereits auf £ 440,000 festgesetzt, wobei die Schätzung erstmals Zahlen über die inflationsbedingte Kostensteigerung enthielt. Der Beklagte stoppte daraufhin das Projekt, kündigte den Klägern und weigerte sich, deren Gebühren zu begleichen. Die Kläger nahmen ihn auf Zahlung ihrer Gebühren in Höhe von £ 15,581.59 in Anspruch. Der Beklagte verteidigte sich dagegen mit dem Einwand, sofern ihm die Kläger eine adäquate Kostenschätzung vorgelegt hätten, würde er das Projekt nicht fortgesetzt haben. Dies sah der Court of Appeal einstimmig ebenso und hielt die Entscheidung der Vorinstanz aufrecht, nach der ein Hinweis auf die inflationsbedingten Kostensteigerungen unbedingt hätte erfolgen müssen2602. Insbesondere den Architekten, der weiß, dass seinem Auftraggeber (freiwillig oder nicht) nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung steht, trifft darüber hinaus die Pflicht, mit angemessener Sorgfalt zu beobachten und bewerten, ob das Budget möglicherweise überschritten wird2603. Kommt er zu diesem Schluss, muss er seinen Klienten in adäquater Weise darauf aufmerksam machen2604, verliert jedoch nicht notwendig seinen Vergütungsanspruch. Auch insoweit kommt es lediglich darauf an, ob der Architekt unter Anwendung angemessener Sorgfalt und Sachkunde davon ausgehen durfte, sein Design werde im vorgegebenen finanziellen Rahmen umgesetzt werden können2605. Losgelöst davon sollte der Architekt allerdings auch, wenn kein bestimmtes Budget festgelegt ist, nur solche Arbeiten planen, die – unter Berücksichtigung ihrer Funktion und ihres Umfangs – zu einem angemessenen Preis geleistet werden können2606.

bb) Grundzüge der Verpflichtung zur Kostenkontrolle nach deutschem Recht Im Rahmen seiner Verpflichtung, die wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn zu wahren, ist der Architekt auch verpflichtet, die Baukosten zunächst einzuschätzen2607, sie sodann projektbegleitend zu kontrollieren und den Bauherrn laufend über seine Ergebnisse zu informieren2608. Auf diese Weise soll dem Bauherrn – losgelöst von den nach der DIN 276 vorgesehenen Kostenermittlungen2609 – ermöglicht wer2602

Nye Saunders & Partners v Alan E Bristow (1987) 37 BLR 92 per Stephen Brown LJ (CA, lexis). Im SFA/92 ist ausdrücklich eine Verpflichtung des Architekten vorgesehen, seinen Klienten über inflationsbedingte Kostensteigerungen zu informieren, vgl. Cornes, Design, § 4.14. 2603 Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.15 gehen davon aus, dass die entsprechenden Pflichten in Kenntnis dieses Umstands u.U. auch strenger ausfallen können, was bedeuten dürfte, dass nur eine kleinere Anzahl an Fehlern als nicht-fahrlässig qualifiziert werden kann. 2604 Vgl. dazu Jackson/Powell, Negligence, § 8–197. 2605 Cornes, Design, § 4.6.1. 2606 Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–197 m.w.N. 2607 BGH, BauR 2005, 400, 402 f. 2608 BGH, NJW 1999, 3554, 3556; BGH, NJW-RR 1997, 850, 851; OLG Düsseldorf v. 17.3. 2005 – 5 U 75/04, BeckRS 2006, 02079; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1776; Hebel, in:

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

397

den, auf zu erwartende Baukostensteigerungen adäquat, d.h. durch Akzeptanz oder Umplanung, Qualitätsreduktion bzw. Aufgabe des Vorhabens usw., zu reagieren2610. Wenn der Architekt feststellt, dass sich die Baukostenvorstellungen des Bauherrn bei unmodifiziertem Baufortgang nicht erreichen lassen werden, muss er den Bauherrn nicht nur umgehend hierüber unterrichten, sondern ihn auch über die in Betracht kommenden Reaktionsmöglichkeiten beraten2611. Auf welchen Gründen die Kostenerhöhung beruht, ist für das Bestehen der Aufklärungspflicht unerheblich2612. Die Abhängigkeit ihres Bestehens, Umfangs sowie ihrer Intensität von den Kenntnissen des Bauherrn zeigt sich aber darin, dass eine (wie auch immer geartete) Informationspflicht jedenfalls nicht besteht, wenn dem Bauherrn die Erhöhung der zu erwartenden Kosten bekannt ist2613. Soweit darüber hinausgehend angenommen wird, Gleiches gelte, falls sich die Kostenerhöhung aus den Gesamtumständen ergebe bzw. dem Bauherrn ohnedies einsehbar sei2614, scheint dies zweifelhaft2615. Ausgehend von dem Grundsatz der Aufklärungsbedürftigkeit des Klienten wird man insoweit jedenfalls einen ernsthaften Aufklärungsversuch des Architekten verlangen müssen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum die fahrlässige Unkenntnis des Bauherrn für den Architekten insoweit zum Glücksfall werden sollte, als dieser etwaige Aufklärungen ja typischerweise pauschal vergütet erhält. Für den Architekten bedeutet ein entsprechender Aufklärungsversuch einen geringen Aufwand, kann aber den Bauherrn vor finanziellen Fehlschlägen schützen. Insofern wird man annehmen müssen, dass im Zweifel aufzuklären ist. Die auch für das Architektenhaftungsrecht konstatierte Abhängigkeit der Kosteninformationspflicht von der Person des Bauherrn äußert sich losgelöst hiervon darin, dass die Form, in der die Information durch den Architekten zu erfolgen hat, sich nach den Umständen des Einzelfalls und in ihrem Rahmen insbesondere nicht nur nach den vertraglichen Abreden, sondern auch den Erkenntnismöglichkeiten des Bauherrn richtet2616. Ebenso wie im englischen Architektenvertragsrecht bedeutet allerdings nicht jede nachträgliche Abweichung der Kostenentwicklung von bisher gegenüber dem Bauherrn kommunizierten Einschätzungen eine Pflichtverletzung2617. Denn insoweit sind dem Architekten gewisse Toleranzen zuzugestehen. Entscheidend sind dabei Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 61; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 501. 2609 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 61. 2610 OLG Stuttgart, BauR 1977, 426, 427 f. 2611 BGH, NJW-RR 1997, 850, 851; OLG Naumburg, BauR 1996, 889, 890 f. Das bloße Abwarten der nächsten Kostenermittlung nach der DIN 276 genügt insoweit nicht, Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 61. 2612 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 62. 2613 BGH, NJW 1999, 3554, 3556; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 62. 2614 So OLG Köln, NJW-RR 1993, 986, 987; OLG Stuttgart, NJW-RR 1987, 913, 914; Werner/ Pastor, Bauprozess, Rn. 1785; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 255. 2615 Ebenso Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 62. 2616 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 63. 2617 Vgl. nur Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 102 m.w.N.

398

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

nach der Rechtsprechung des BGH die Umstände des Einzelfalls. In seinem Urteil vom 16.12.19932618 hat der BGH dies ausdrücklich wie folgt klargestellt: „Nicht jede Überschreitung bedeutet schon eine Vertragsverletzung. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob über diese Grenze hinaus entstandene Kosten dem Architekten zur Last gelegt werden können … Eine absolute, von den Einzelheiten des Falles unabhängige Grenze gibt es nicht. Auch besteht eine allgemeine Grenze in der Größenordnung von 16% nicht. Maßgeblich sind vielmehr die vertraglichen Verpflichtungen aufgrund der jeweiligen konkreten Lage.“ Damit hat der BGH zunächst den in der Literatur2619 und der obergerichtlichen Rechtsprechung2620 verbreiteten – und mit zunehmendem Genauigkeitsgrad der Kostenermittlungsarten abnehmenden – Toleranzen nach Prozentsätzen eine Absage erteilt2621. Wichtiger ist jedoch, dass damit die typischen Kennzeichen einer sorgfaltsabhängigen Verpflichtung angedeutet werden: Toleranz gegenüber Misserfolgen. Dies wird bestätigt durch die vom BGH – freilich verfehlt – bemühte Assoziation einer Vorwerfbarkeit der Vertragsverletzung („zur Last gelegt“). Zusammengenommen ergibt sich daraus aber immerhin die Verhaltensabhängigkeit der Beurteilung. – Darin offenbart sich, dass auch der BGH das Werkvertragsmodell 2622 als seinen Ausgangspunkt für die Architektenhaftung nicht soweit wie möglich, d.h. für jede Architektenpflicht, ausdehnt. (Was ein äußeres Kennzeichen für die Berechtigung der von Storme gerade für die Dienstleistungsverträge ausgesprochenen Warnung sein könnte, sich nicht zu sehr von der Dichotomie von Erfolg und Sorgfalt gefangen nehmen zu lassen2623.) Die Formulierung einer Erfolgspflicht passt bei Beratungen über zukünftige Entwicklungen einfach nicht, weil diese eben nur begrenzt vorherseh- und steuerbar sind2624. Dies ist dem BGH selbstverständlich völlig klar, hat er doch in seiner grundlegenden Entscheidung vom 23.1.19972625 ausdrücklich ausgeführt: „Für die das Bauvorhaben begleitenden Kostenermittlungen kann ein Architekt die vom BerGer. angesprochenen Toleranzen in Anspruch nehmen. Diese reichen jedoch nur soweit, als die in den Ermittlungen enthaltenen Prognosen von unver-

2618

VII R 115/92, NJW 1994, 856, 857 m.w.N. Vgl. näher Locher/Koeble/Frik, HOAI Einl. Rn. 92 ff. m.w.N. 2620 Vgl. etwa OLG Stuttgart, BauR 1977, 426, 427. 2621 Dem BGH folgend Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 501; Jagenburg/ Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 102. 2622 Vgl. oben ab S. 133. 2623 Vgl. Storme, in: Schlechtriem, Wandlungen, S. 11, 23 f. und (in Bezug auf die französische Doktrin) S. 26. 2624 Vgl. am Beispiel der Kostenschätzung Hartmann, BauR 1995, 151, 155 ff. 2625 VII R 171/95, NJW-RR 1997, 850, 851 m.w.N.; zustimmend z.B. Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 502; kritisch zur gesamten Konzeption des Toleranzrahmens Hartmann, BauR 1995, 151, 155 ff. 2619

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

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meidbaren Unsicherheiten und Unwägbarkeiten abhängen. Dementsprechend darf eine erste Kosteneinschätzung weniger genau ausfallen, als spätere Kostenermittlungen bei fortgeschrittenen Bauvorhaben, ohne gleich eine Pflichtverletzung darzustellen. Welchen Umfang die Toleranzen haben können, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.“ Die Abhängigkeit der Pflicht von den Umständen des Einzelfalls bedeutet, dass (je nach Planungsfortschritt) parallel zum englischen Recht2626 auch deutliche Abweichungen keinen zwingenden Indikator für eine Pflichtverletzung bilden. Differenziert man insoweit nach dem Planungsfortschritt2627, kann zwar z.B. eine vorvertraglich falsche Kosteneinschätzung bei einer Differenz von 59% zu den tatsächlichen Baukosten als Pflichtverletzung qualifiziert werden2628. Eine Kostenüberschreitung der Einschätzung von ca. 35%2629 bzw. von 14-15%2630 wurde in einzelnen Entscheidungen umgekehrt jedoch noch als innerhalb der Toleranzgrenzen liegend angesehen.

2.

Baudesign

a)

Keine Haftungsentlastung durch Billigung des Desgins ohne Aufklärung

Eine der Hauptfunktionen eines Architekten ist die Erstellung eines Entwurfs des Gebäudes2631. Dies schließt die Herstellung von Bauplänen, -zeichnungen und -beschreibungen ein. Der Haftungsstandard für die Erbringung derartiger Leistungen ist auch im englischen Recht – anders als in den PELSC und dem DCFR2632 – regelmäßig nicht strikt oder absolut2633. Es wird vielmehr auch insoweit lediglich für Sorgfalt gehaftet2634 und Gleiches gilt – wiederum u.U. anders als in den PELSC und dem DCFR2635 – für die hiermit zusammenhängenden Beratungspflichten.

2626

Vgl. soeben oben ab S. 394. Für geboten halten dies z.B. Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 102. 2628 OLG Stuttgart, BauR 1979, 174. 2629 OLG Zweibrücken, BauR 1993, 375 (LS). 2630 OLG Hamm, BauR 1991, 246; vgl. ferner OLG Nürnberg, BauR 1980, 486, 487. 2631 Aufklärungspflichten bei der Wahl eines neuartigen Designs werden unten ab S. 465 näher geschildert. 2632 Vgl. ab S. 621. 2633 Statt aller Cornes, Design, § 3.1.3. 2634 Vgl. ab S. 656. 2635 Zu dessen differenzierender Sichtweise vgl. ab S. 373. 2627

400

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

aa) Keine Entlastung des Architekten bei unaufgeklärter Billigung durch den Auftraggeber An der Haftung für mangelnde Sorgfalt bei der Fertigung des Entwurfs ändert sich dabei grundsätzlich dadurch nichts, dass der Auftraggeber den Entwurf billigt2636. Denn insoweit darf der Auftraggeber sich gerade zur Vorbeugung vor entsprechenden Fehlern auf den Architekten verlassen2637. Daraus folgt, dass eine Haftungsentlastung hier nur in Betracht kommt, sofern der Auftraggeber den Entwurf im vollen Bewusstsein seiner Unzulänglichkeiten billigt2638. Auch die Nichtbeanstandung des Entwurfs durch eine öffentliche Stelle ändert daran nichts2639. Entsprechendes gilt nach deutschem Architektenvertragsrecht: Von einer die Fehlplanung eines Architekten rechtfertigenden Einwilligung kann nur in seltenen Ausnahmefällen ausgegangen werden2640. Dies fügt sich voll in die Verpflichtungen des Architekten im Rahmen der Vorbereitung der Abnahme: Denn zur Vorbereitung der Abnahme hat der Architekt den Bauherrn zunächst darüber aufzuklären, wann, in welcher Form und mit welcher Wirkung Abnahmen mit den einzelnen Baubeteiligten durchzuführen sind2641. Soweit bereits Mängel an einzelnen Gewerken festgestellt worden sind, muss der Bauherr auf die Notwendigkeit eines entsprechenden Vorbehalts hingewiesen werden2642. Dies gilt auch für eigene Fehler des Architekten, über die dieser nach der ständigen Rechtsprechung des BGH im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets2643 ebenfalls von sich aus, ohne entsprechende Nachfrage des Klienten, aufzuklären hat2644.

bb) Anforderungen an die Kommunikation von Defekten und Änderungen des Designs Die Anforderungen an die Kommunikation derartiger Defekte dürften nach englischem Recht keine anderen sein, als die, die an die Verständigung über die Änderung eines Designs durch den Architekten gestellt werden2645, und diese hat in jün2636

Cornes, Design, § 4.6.1; Jackson/Powell, Negligence, § 8–202; Keating, Building Contract, S. 222 f. 2637 Vgl. Cornes, Design, § 4.6.1. 2638 Vgl. dazu die australische Entscheidung Voli v Inglewood Shire Council [1963] ALR 657, 663 f. (zit. nach Jackson/Powell, a.a.O.). 2639 Vgl. dazu etwa Eames London Estates Ltd and Others v North Hertfordshire District Councel (1980) 18 BLR 50 per Judge Fay QC. Näher Jackson/Powell, Negligence, § 8–203. 2640 BGH, NJW-RR 1994, 916; Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 48. 2641 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 39; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 260; Locher/Koeble/Frik, HOAI § 15 Rn. 218. 2642 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 263; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 39; Locher/Koeble/Frik, HOAI § 15 Rn. 218. 2643 Zu dieser Einschränkung zuletzt BGH, NJW 2009, 3360. 2644 Vgl. nur BGH, NJW-RR 2002, 1531; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 40 ff. m.w.N.; Vergleichbares gilt für Anwälte, vgl. nur BGH, NJW 2008, 2041, 2043.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

401

gerer Zeit Judge David Wilcox in der Entscheidung Christopher Moran Holdings Ltd v Carden & Godfrey konkretisiert. In dieser Entscheidung war durch die beklagten Architekten der Neigungswinkel einer Terrasse, die zugleich das Dach für eine darunter liegende Küche bildete, gegenüber den ursprünglichen Plänen verändert worden, wodurch Regenwasser nur unzureichend ablaufen konnte. Die Küchendecke erlitt starke Wasserschäden, sodass die Terrasse neu errichtet werden musste. Die Beklagten hatten die revidierten Pläne zwecks Billigung an ihren Auftraggeber gesandt, ohne diesen gesondert – bspw. telefonisch – auf die vorgenommene Veränderung hinzuweisen. Dies hielt das Gericht für unzureichend, da es einem Laien – wie Judge Wilcox zu Recht bemerkt – nicht möglich ist, aus den Plänen auf Änderungen und deren Auswirkungen zu schließen2646: “No lay client, even those as informed as the claimant, can be expected to interpret changed technical measurements and levels on a drawing which show a significant alteration in the range of use from a general amenity terrace to a mere promenade terrace. Such a change is a material change and the lay client is entitled to know both the effect of the change and the reason for it together with any other options there may be. It is unlikely that a drawing alone in a situation like this would suffice unless the annotations and sketchwork clearly depicted in lay terms the effect of the changes and user consequence.”2647 Wichtig ist, dass der Klient nach dieser Entscheidung insbesondere auch auf Alternativen aufmerksam gemacht werden muss. Es ist klar zu sehen, dass das Gericht hier auf eine Leistungskonkretisierung nicht des Dienstleisters, sondern des Gläubigers abzielt. Denn selbst wenn der Entwurf – gemessen an den Kriterien des Bolam-Tests –, obwohl er nachträglich verändert worden war, u.U. nicht fehlerhaft gewesen wäre2648, sichert doch die den Architekten treffende Informations- und Aufklärungspflicht, dass die Leistung gemeinsam mit dem über Alternativen aufgeklärten Gläubiger konkretisiert wird.

2645

Jackson/Powell, Negligence, § 8–202. Vgl. für einen Fall, in dem der Klient die Abmessungen einer Garage, in der ein Mittelklassewagen keinen Platz, fand ausdrücklich und gesondert bestätigt hatte, und in dem der beklagte Architekt daher unter dem Gesichtspunkt einer Fehldimensionierung der Garage nicht haftete Worboys v Acme Investments Ltd (1969) 210 EG 215 = (1969) 4 BLR 133 per Sachs LJ (CA, lexis). Diese Entscheidung zeigt zugleich, dass nicht über Aspekte des Designs aufgeklärt werden muss, die auch für Laien offensichtlich sind. Ein weiterer Klagepunkt war nämlich, dass in den zu errichtenden Häusern lediglich ein WC vorgesehen war. Da dies aus den Plänen ohne weiteres ersichtlich war, mussten die Beklagten nicht gesondert darauf hinweisen, Worboys v Acme Investments Ltd (1969) 210 EG 215 = (1969) 4 BLR 133 per Widgery LJ (CA, lexis). 2647 Christopher Moran Holdings Ltd and others v Carden & Godfrey (a firm) (1999) 73 ConLR 28, Tz. 17 (HC, lexis). 2648 Dies scheint deswegen möglich, weil er weitgehend den originalen Verhältnissen des historischen Gebäudes entsprach. 2646

402

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Nach deutschem Recht gilt, wie wir bereits in anderem Zusammenhang gesehen hatten2649, bezüglich der Konkretisierung durch Zusammenwirken von Architekt und Auftraggeber nichts anderes. Insofern überrascht es nicht, dass die Anforderungen an die Kommunikation von Planungsänderungen ebenfalls parallel ausgestaltet sind: Nimmt der Architekt eine mit dem Auftraggeber nicht abgesprochene Planungsänderung oder eine Änderung in der Ausführung vor, verletzt er seine vertraglichen Pflichten2650. Eine Pflichtverletzung scheidet hier nämlich nur aus, falls sich der Bauherr mit der Planungsänderung usw. einverstanden erklärt hat2651. Voraussetzung hierfür ist jedoch grundsätzlich, dass der Bauherr die Bedeutung und Tragweite der Planungsänderung begreift2652. Auch insoweit besteht aber keine Erfolgspflicht, sondern der Architekt schuldet lediglich eine Aufklärung mit der erforderlichen Sorgfalt. Anderes folgt nicht aus der Feststellung des BGH, wonach von dem vorausgesetzten Begreifen des Bauherrn auszugehen ist, wenn der Architekt den Bauherrn vor dessen Zustimmung umfassend aufgeklärt und belehrt hat2653. Erforderlich ist also nicht, dass der Bauherr tatsächlich begreift – was der Architekt auch kaum jemals feststellen kann –, sondern nur (aber immerhin), dass ein mit der erforderlichen Sorgfalt vorgehender Architekt nicht daran zweifeln muss, dass der Bauherr begriffen hat. Typischerweise nicht ausreichend ist es daher, dem Bauherrn ohne weitere Erläuterung lediglich geänderte Pläne zur Kenntnisnahme vorzulegen2654. Dasselbe gilt im Grundsatz auch für den bloßen Hinweis auf einzelne Planänderungen. Ein solcher Hinweis genügt nämlich nicht, wenn der Bauherr die sich aus dieser Änderung ergebenden Folgen nicht ohne weiteres überblicken kann2655. Gleiches gilt, falls während der Ausführung Umstände erkennbar werden, die der Architekt nicht von vorneherein zu berücksichtigen brauchte, etwa spätere Wünsche des Bauherrn. Dann muss er nicht nur prüfen, ob und inwieweit diese Umstände mit der bisherigen Planung vereinbar sind und ob sie deren Ergänzung oder Änderung erforderlich machen, wofür es keines zusätzlichen Auftrags bedarf 2656. Darüber hinaus hat er den Auftraggeber, soweit eine entsprechende Ergänzung oder Änderung für eine mangelfreie Planung erforderlich ist, diesbezüglich ungefragt zu belehren und für eine entsprechende Planung zu sorgen2657. Insoweit kommt es wiederum auf das bei Ausübung der erforderlichen Sorgfalt erkennbare Informationsbedürfnis des Bauherrn an; ein Ergebnis, das im englischem Architektenvertragsrecht eine deutliche Parallele findet:

2649

Vgl. oben ab S. 313 und S. 397. Vgl. BGH, NJW 1996, 2370, 2371; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 36. 2651 BGH, NJW 1996, 2370, 2371; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 37. 2652 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 37. 2653 BGH, NJW 1996, 2370, 2371; LG Köln v. 15.12.2004 – 14 O 201/04, BeckRS 2005, 05055. 2654 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 37. 2655 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 37. 2656 BGH, NJW 1981, 2243, 2244. 2657 BGH, NJW 1981, 2243, 2244. 2650

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

403

cc) Abhängigkeit vom Informationsbedürfnis des Klienten Auch hier kommt es bezüglich des Inhalts und Umfangs der geschuldeten Aufklärung bzw. Information nämlich auf die erkennbaren Kenntnisse und Fähigkeiten des Klienten an. Ist der Auftraggeber etwa kein Laie, sondern selbst mit entsprechender Sachkunde ausgestattet, dürften sich die Inhalt und Umfang der Verpflichtung dieser Situation anpassen2658. Denn insoweit hat der Court of Appeal in der Sache J Jarvis & Sons Ltd v Castle Wharf Developements Ltd ausdrücklich die für die Anwaltshaftung in Carradine Properties Ltd v D J Freeman & Co entwickelten Kritierien2659 für anwendbar erklärt2660. Daraus folgt – parallel zur Rechtslage im Anwaltshaftungsrecht –, dass den Architekten, auch wenn keine ausdrückliche oder implizite Beratungsnachfrage vorliegt, die Pflicht trifft, von sich aus über die Umstände aufzuklären, hinsichtlich derer der Klient aus der Perspektive eines vernünftigen Architekten der Beratung bedarf. Immer eingehalten werden muss dabei der durchschnittliche Sorgfaltsstandard. Mit der Erfahrung des Klienten kann nämlich nicht argumentiert werden, um von diesem Standard nach unten abzuweichen, wie Judge Bowsher QC in der Sache Gloucestershire Health Authority and others v M A Torpy & Partners Ltd ausdrücklich klargestellt hat. In dieser Entscheidung hatten die beklagten Ingenieure vorgetragen, ihr Klient habe einige Erfahrung mit Müllverbrennungsanlagen, ihre Pflichten ihm gegenüber seien daher geringer als gegenüber einem „normalen“ Klienten. Davon wollte das Gericht nichts wissen: “Counsel for the defendants sought to introduce a qualification to that duty. He submitted that the client’s own special skills are capable of reducing the duties owed to him and his characteristics are relevant to determining the applicable standard. He made that submission in the context of accepted evidence, that the defendants were acting for an experienced and knowledgeable client who required them to become heavily and intimately involved in the design. Counsel did not specify by what measure or to what extent the duties owed should be so reduced. No authority was cited for or against this proposition, probably because no one has ever had the temerity to make it before. I cannot see how it can possibly be right to suggest that, for example, conveyancing counsel should accept from a solicitor engaged to convey his house a lower than usual standard of care. I reject that submission made on behalf of the defendants.”2661

2658

Ebenso Jackson/Powell, Negligence, § 8–202. Vgl. dazu oben ab S. 369. 2660 J arvis & Sons Ltd v Castle Wharf Developements Ltd [2001] Lloyd’s Rep PN 308, Tz. 94 per Peter Gibson LJ (CA, lexis). 2661 Gloucestershire Health Authority and others v M A Torpy & Partners Ltd (1997) 55 Con LR 124 (HC, lexis). 2659

404

b)

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Nachforschungspflicht des Architekten

Losgelöst davon gilt nach englischem Recht, dass der Architekt sich bei seinem Entwurf angemessen sorgfältig darum bemühen muss, den Anforderungen seines Klienten gerecht zu werden2662. Daraus folgt, wie Judge Bowsher QC in der Sache Stormont Main Working Men’s Club v J Roscoe Milne Partnership entschieden hat, auch die Verpflichtung des Architekten, undeutliche Instruktionen durch Nachfrage zu klären. Der Architekt muss sich insoweit insbesondere über den von seinem Klienten verfolgten Zweck versichern. In der vorgenannten Entscheidung hielt der Kläger die Leistung der beklagten Architekten deswegen für fehlerhaft – und diese für vertragsbrüchig –, weil die Anordnung der Säulen in dem von den Beklagten entworfenen Erweiterungsbau des Clubhauses es unmöglich machte, Billardtische derart aufzustellen, dass der sie umgebende Raum Wettkampfbedingungen genügte. Im konkreten Fall hatten die Kläger aber laut festgestelltem Sachverhalt nie beabsichtigt, das Gebäude wettkampfgerecht auszubauen. Die Beklagten hatten die Kläger zutreffend dahin verstanden, dass diesen jede Erweiterung der Spielräumlichkeiten recht gewesen war, sodass die Klage scheiterte. Zur Nachforschungspflicht des Architekten bemerkte das Gericht, dass lediglich deren Umfang von den Umständen des Einzelfalls abhänge, dies jedoch nichts daran ändere, dass im Einzefall bestehende Unklarheiten über den vom Klienten verfolgten Zweck durch Nachfrage des Architekten aufzuklären sind: “The extent and nature of the architect’s duty to point out matters to the client must depend on the particular facts of each relationship and it is difficult to formulate any general rule … The expectations of the client, so far as the architect can be expected to be aware of them, are relevant when considering the duty of the architect to seek clarification of his brief. In making his design, an architect has a duty to exercise due care to ensure that the design should be reasonably effective to achieve the client’s purpose. It follows that if the client has expressed his instructions in terms which leave the architect in doubt as to what his purpose is, the architect has a duty to ascertain what is the purpose he is instructed to achieve.”2663 Dass auch die Aufklärung von undeutlichen Instruktionen – parallel zum Anwaltshaftungsrecht – dem Architekten obliegt2664, es also an diesem ist, von sich aus tätig zu werden, bedeutet eine weitere Verbesserung der Gläubigerposition und steht wiederum im krassen Gegensatz zum früheren Arzthaftungsrecht, nach dem der Umfang der Aufklärung weitgehend von konkreten Fragen des – typischerweise medizinisch ungebildeten und daher kaum zur Formulierung konkreter Fragen in der Lage befindlichen – Patienten abhängig war2665. 2662

Jackson/Powell, Negligence, § 8–204. Stormont Main Working Men’s Club v J oscoe Milne Partnership (a firm) (1988) 13 ConLR 127 (HC, lexis). 2664 Ebenso Emden/Redmond-Cooper, § IV–1122.1. 2665 Vgl. dazu unten ab S. 440. 2663

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

405

Wiederum parallel zu den vorstehenden Vorgaben des englischen Rechts sind die Anforderungen des deutschen Architektenvertragsrechts an die Planungsberatung des Architekten ausgestaltet: Der Architekt hat typischerweise, ohne dass es hierzu einer ausdrücklichen Vereinbarung bedürfte2666, schon in einem sehr frühen Planungsstadium2667 die Zielvorstellungen des Bauherrn zu ermitteln2668, ihn über Möglichkeiten ihrer Realisierung aufzuklären2669 und den wirtschaftlichen Rahmen abzustecken2670. Da die Auflösung von etwaigen Zielkonflikten nach der vertraglichen Aufgabenverteilung durch den Bauherrn erfolgen soll2671, hat der Architekt ihn stets über ggf. bestehende Zielkonflikte aufzuklären2672 und ihn ferner durch die Unterbreitung verschiedener Planungsvarianten bei der Lösung dieser Konflikte zu unterstützen2673. Gleiches gilt, sofern objektiv eine Ausweitung des ursprünglichen Auftrags erforderlich scheint2674. Eine Aufklärungspflicht besteht nämlich nur dann nicht, wenn dem Bauherrn die negativen Konsequenzen der unmodifizierten Verfolgung seiner ursprünglichen Ziele bekannt sind2675, wofür der Architekt beweispflichtig ist2676. Berücksichtigt der Architekt Zielvorstellungen nicht, die zwar beim Bauherrn bestehen, dem Architekten aber wegen unterlassener Beratung und Aufklärung des Bauherrn unbekannt geblieben sind, liegt hierin ein Planungsfehler, d.h. eine Pflichtverletzung, die daraus resultiert, dass der Architekt vertragswidrig seine Lösung des Zielkonflikts an die Stelle der Lösung des Bauherrn setzt2677. Insofern kann eine vom Architekten vorgenommene Planung auch fehlerhaft sein, wenn sie technisch funktionstauglich ist und sich innerhalb des Kostenrahmens hält2678. Hieran wird besonders deutlich, dass Informationspflichten vor allem die Wahrung der Interessen des Gläubigers sicherstellen sollen.

2666

Vgl. auch Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 46. Zur Gebotenheit einer Bauvoranfrage vgl. Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 21. 2668 BGH, NJW-RR 1998, 668; Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 46; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 58; Locher, Baurecht, Rn. 458. 2669 BGH, NJW-RR 1998, 668. 2670 BGH, BGH, NJW-RR 2005, 318, 320; OLG Düsseldorf, BauR 1998, 880, 882; OLG Naumburg, BauR 1996, 889, 890. 2671 Vgl. oben ab S. 315. 2672 OLG Köln, BauR 1990, 103; Locher, Baurecht, Rn. 458. 2673 OLG Düsseldorf v. 25.10.1983 – 21 U 33/83, (zit nach Weyer, BauR 1987, 131, 143); Locher, Baurecht, Rn. 458; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 58; Jagenburg/Sieber/ Mantscheff, Baurecht, Rn. N 46. 2674 OLG Düsseldorf, NZBau 2005, 406, 408. 2675 OLG Hamm, NJW-RR 1989, 470, 471. 2676 Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 46. 2677 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 58. 2678 BGH, NJW 1998, 1064; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 470, 471; Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 22; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 58. 2667

406

c)

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Insbesondere: Aufklärung über Risiken und Risikoabwägung

Eine wichtige Stärkung erhält der Gläubiger im englischen Architektenvertragsrecht durch die Verpflichtung des Architekten, insbesondere darüber aufzuklären, welche Risiken bei der Erstellung des Entwurfs abzuwägen waren und welche Überlegungen im Rahmen der notwendigen Risikoabwägung schließlich den Ausschlag für den gewählten Entwurf gaben.

aa) Aufklärung über objektiv inakzeptable Risiken Denn da den Architekten die Pflicht trifft, in seinem Entwurf unangemessene Risiken zu meiden, kann er sich, wie die Entscheidung Pride Valley Foods Ltd v Hall & Partners (Contract Management) Ltd deutlich macht, selbst wenn entsprechende Risiken erst durch Anweisungen des Klienten entstehen, nur von einem Vertragsbruch entlasten, sofern er seinen Gläubiger angemessen auf die durch dessen Anweisungen entstehenden Risiken hinweist2679. In Pride Valley Foods Ltd wollte der Kläger, der eine industrielle Bäckerei betrieb, möglichst kostengünstig ein Produktionsgebäude errichten. Er engagierte die Beklagten als Projektmanager und entschied sich aus Kostengründen für eine Auskleidung der Produktionsstätte mit einem den Hygieneanforderungen genügenden aber leicht brennbaren Material. Dabei war ihm nach den Tatsachenfeststellungen des Gerichts nicht bewusst, wie leicht entzündlich und brandgefährlich das Material war. Auch hatte der Kläger nicht realisiert, dass die Verwendung dieses Materials in den Backstuben ein hohes Brandrisiko bedeutete, das sich später realisierte. Zur Frage der Erörterung der Brandgefahr führte das Gericht aus: “They [= the defendants] were under a duty to prepare a schedule of requirements which to their knowledge did not constitute a serious or unacceptable fire risk. If the employer wanted to specify materials which [the defendants] did know constituted an unacceptable fire risk they were under a duty to warn the employer of the risk which they thought that the employer was undertaking.”2680 Die Architekten hätten mit anderen Worten die teurere aber weniger brandgefährliche Alternative vorstellen müssen. Vergleichbares gilt – wie vor dem Hintergrund des vertraglichen Leistungskonkretisierungsmechanismus nicht überraschen kann2681 – auch nach deutschem Archi2679 2680

2681

Ebenso Cornes, Design, § 4.9. Pride Valley Foods Ltd v Hall & Partners (Contract Management) Ltd (2001) 76 ConLR 1, Tz. 150 per Juge John Toulmin GMG QC (HC, lexis). Die kanadische Rechtsprechung sieht dies nicht anders. Enthält ein Entwurf ein Risiko, das eine alternativer Entwurf nicht enthielte, ist der Architekt verpflichtet, seinen Auftraggeber über das Bestehen des Risikos im einen Entwurf und die größere Sicherheit der Alternative aufzuklären, vgl. Jackson/ Powell, Negligence, § 8–210. Vgl. oben ab S. 316.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

407

tektenvertragsrecht bei entsprechenden Zielkonflikten: Lassen sich etwa ein vom Bauherrn vorgegebenes Qualitätsniveau oder die gewählte Ausstattung innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens nicht umsetzen bzw. genügen die vorgegebenen Materialien nicht der bei der beabsichtigten Nutzung des Gebäudes zu erwartenden Beanspruchung – wie dies in Pride Valley Foods der Fall war –, hat der Architekt den Bauherrn hierauf hinzuweisen und Lösungsvorschläge für diese Zielkonflikte zu unterbreiten2682. Gleiches gilt, falls die vom Bauherrn beabsichtigte Nutzung des Gebäudes aufgrund sonstiger (technischer oder rechtlicher) Vorgaben nicht möglich ist2683.

bb) Kriterien zur Bestimmung objektiv inakzeptabler Risiken Wann ein Risiko „unacceptable“ – und daher wohl immer aufklärungsbedürftig – ist, bestimmt sich gemäß den Feststellungen des Court of Appeal in der Sache Eckersley v Binnie nach den Umständen des Einzelfalls. Russel LJ erklärt dort2684 die folgenden durch Lord Reid in Overseas Tankships (UK) Ltd v The Miller Steamship Co Pty formulierten Kriterien für anwendbar: “But it does not follow that, no matter what the circumstances may be, it is justifiable to neglect a risk of such a small magnitude. A reasonable man would only neglect such a risk if he had some valid reason for doing so, e.g. that it would involve considerable expense to eliminate the risk. He would weigh the risk against the difficulty of eliminating it … In their Lordships’ judgment Bolton v. Stone did not alter the general principle that a person must be regarded as negligent if he does not take steps to eliminate a risk which he knows or ought to know is a real risk and not a mere possibility which would never influence the mind of a reasonable man. What that decision did was to recognise and give effect to the qualification that it is justifiable not to take steps to eliminate a real risk if it is small and if the circumstances are such that a reasonable man, careful of the safety of his neighbour, would think it right to neglect it.”2685 Für sich genommen nicht entscheidend ist also, ob die Wahrscheinlichkeit der Risikorealisierung gering ist; aufgeklärt werden muss der Klient auch in diesem Fall. Etwas anderes gilt nur, sofern ausnahmsweise ein stichhaltiger Grund für die Vernachlässigung der Aufklärung existiert. Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen eines entsprechenden Sachgrunds trifft den Architekten. Überträgt man die durch Lord Reid formulierten Kriterien auf die Aufklärungspflicht, gilt zusammengefasst Folgendes: Gelangt der Architekt bei der Abwägung zwischen der Wahrscheinlichkeit der Risikorealisierung und dem Aufwand der Risikovermeidung zu dem Ergebnis, dass das Risiko (1.) gering ist und (2.) auch ein 2682

Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 59. Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 59. 2684 Eckersley and Others v Binnie [1955–95] PNLR 348, 357. 2685 Overseas Tankships (UK) Ltd v The Miller Steamship Co Pty [1967] 1 AC 617, 642. 2683

408

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sorgfältiger, auf die Sicherheit potentiell von der Risikorealisierung betroffener Dritter – insbesondere: seines Auftraggebers – bedachter Durchschnittsbürger es für richtig halten würde, das Risiko zu vernachlässigen, muss der Architekt über dieses Risiko nicht aufklären. Ist nur eine der vorgenannten Bedingungen nicht erfüllt, ist der Architekt umgekehrt zur Aufklärung verpflichtet. Bemerkenswert ist, dass, obwohl es in Eckersly v Binnie um die Haftung von Ingenieuren ging, die Unangemessenheit eines Risikos sich danach richtet, ob der professional man davon ausgehen muss, dass ein über das Risiko aufgeklärter Durchschnittsbürger dieses für unangemessen halten würde. Insoweit findet sich eine Parallele zu dem in Edward Wong und Bolitho verfolgten Ansatz2686. Diese Entscheidung bildet daher nicht nur ein Beispiel für eine hinreichende Differenzierung zwischen skill und care, sondern auch für eine autonome Bestimmung der Anforderungen an den jeweiligen Schuldinhalt2687. Ausgehend davon, dass auch nach deutschem Architektenvertragsrecht das Informationsbedürfnis des Bauherrn das maßgebliche Kriterium für die Bestimmung der Informationspflicht des Architekten bildet, dürften nach deutschem Architektenvertragsrecht vergleichbare Kriterien maßgeblich sein.

d)

Aufklärung über die Leistungen Dritter

aa) Aufklärungspflicht und Überwachungspflicht An der Verpflichtung des Architekten zur Aufklärung seines Klienten ändert sich, sofern der Architekt (u.a.) zur Überwachung von Subunternehmern engagiert worden ist2688, auch dadurch nichts, dass diese bezüglich der von ihnen übernommenen Aufgaben besser qualifiziert sind als der Architekt selbst2689. Dies folgt z.B. aus der Entscheidung Try Build Ltd v Invicta Leisure Tennis Ltd, in der zunächst Ingenieure (B) mit dem Entwurf und der Errichtung von zwei Tennishallen beauftragt worden waren. Die Verpflichtungen der Ingenieure übernahm im Wege der Novation die klagende Try Build Ltd (T). Die T kontrahierte wegen des Entwurfs und der Errichtung der Dächer der Tennishallen mit einem darauf spezialisierten Subunternehmer (V). Das von diesem entworfene Dachdesign war neuartig: Jedes Dach bestand aus vier von einem Seil zusammengehaltenen, aufgeblasenen Folienkissen. Es erwies sich jedoch als untauglich; das Dach leckte. Die T musste gemäß ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Invicta Nachbesserungsarbeiten durchführen, deren Kosten sie von den ursprünglich beauftragten B ersetzt verlangte. Diese hatten nämlich gegen2686

Vgl. ab S. 257 bzw. ab S. 283. Zu dieser Differenzierung und ihrer dogmatischen sowie praktischen Bedeutung oben ab S. 346. 2688 Zum Inhalt der Verpflichtung ausführlich McGlinn v Waltham Contractors Ltd (2007) 111 Con LR 1, Tz. 213 ff. per HJ Coulson QC (TCC) m.w.N. 2689 Vgl. dazu auch Baxall Securities Ltd v Sheard Walshaw Partnership [2002] Lloyd’s Law Rep PN 231 (lexis, fehlerhaftes Design einer Drainage); die erstinstanzliche Entscheidung ist auszugsweise zusammengefasst und kommentiert von Reynolds, (2001) Con & Eng Law 6.1(27) (lexis). 2687

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

409

über T vertraglich versichert, dass der Entwurf von und seine Ausführung durch V den Anforderungen des Bauherrn genügen werde. Unstreitig war zwischen den Parteien, dass die Wasserdurchlässigkeit der Dächer zum einen von Rissen in der verwendeten Folie herrührte, die zu dünn war, und dass das Design hinsichtlich der Wasserdurchlässigkeit fahrlässig fehlerhaft war. Beide Verfehlungen qualifizierte Judge Bowher QC als Vertragsbruch der Ingenieure. Diese hätten ihrem Klienten (1) zu Tests bezüglich der Tauglichkeit und Lebensdauer des vorgeschlagenen Materials raten und (2) eine Materialstärke bestimmen müssen, die der erwarteten Windstärke standhält. Sie hätte darüber hinaus (3) zwecks Überprüfung der Wasserundurchlässigkeit der Dächer von der V ausführliche Herstellungszeichnungen (shop drawings) der Dachkonstruktion verlangen sollen2690. Das Argument der Beklagten, sie habe auf die Erfahrung des Subunternehmers vertraut und sei davon ausgegangen, dass diese ein zwecktaugliches Material liefern würden, wies das Gericht zurück: “Engineers who are engaged to supervise and check the work of others are not paid to trust those others blindly, though the degree of trust or lack of it may affect the depth of inquiries made”2691. Die Beklagten hätten also entweder selbst Tests veranlassen oder ihren Gläubiger auf die Notwendigkeit solcher Tests hinsweisen müssen2692. Daraus folgt zugleich, dass es zumindest erforderlich gewesen wäre, dem Gläubiger mitzuteilen, dass sie sich ganz auf den Subunternehmer verlassen und keine Tests anstrengen würden2693. Vergleichbares gilt auch im Rahmen des deutschen Architektenvertragsrechts: Vorliegende Leistungen von Sonderfachleuten (Bsp.: Statiker, Bodengutachter) muss der Architekt, der nicht an ihnen beteiligt war, insoweit überprüfen, als dies für die in seine Zuständigkeit fallende Realisierung des Projekts erforderlich ist2694. Über die in diesem Rahmen erkannten Fehler hat der Architekt den Bauherrn selbstverständlich vor der Abnahme zu informieren2695.

bb) Integrationsfähigkeit eines Teilentwurfs Nicht selten werden Architekten oder Ingenieure lediglich mit dem Entwurf eines Gebäudeteils beauftragt. In diesem Fall muss vom Architekten unter Risikogesichtspunkten auch beachtet werden, ob sich der ihm vorschwebende Entwurf mit den Entwürfen für die übrigen Gebäudeteile vereinbaren lässt. Die Vereinbarkeit muss insoweit nicht nur unter technischen Gesichtpunkten mit angemessener Sorgfalt sichergestellt werden. Vielmehr belegt die Entscheidung des Court of Appeal in der 2690

Try Build Ltd v Invicta Leisure Tennis Ltd (2000) 71 ConLR 140, Tz. 72 (lexis). Try Build Ltd v Invicta Leisure Tennis Ltd (2000) 71 ConLR 140, Tz. 89 (lexis). 2692 Try Build Ltd v Invicta Leisure Tennis Ltd (2000) 71 ConLR 140, Tz. 86 (lexis). 2693 Vgl. dazu auch Jackson/Powell, Negligence, § 8–206. 2694 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 30. Zu den Anforderungen an die Überprüfung vgl. ab S. 553. 2695 Vgl. hierzu S. 398. 2691

410

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Sache Holland Hannen & Cubitts (Northern) Ltd v Welsh Health Technical Services Organisation, dass für Fragen der Ästhetik nichts anderes gilt. In dieser Entscheidung wollte die Welsh Health Technical Services Organisation (WHTSO) ein Krankenhaus errichten. Sie engagierte dazu Percy Thomas & Partners (PTP) als Architekten und Wallace Evans and Partners (WEP) als für die Statik zuständige Ingenieure. Beide Firmen zusammen sollten das Design-Team bilden. Die Kläger (Cubitts) wurden als main contractor engagiert, während die Redpath Dorman Long Ltd (CED), eine auf Stahlkonstruktionen spezialisierte Gesellschaft, als nominated subcontractor für die Fussbodenbeläge engagiert wurde. Alan W Marshall & Partners (AMP), die schon oft mit CED zusammengearbeitet hatten, stimmten implizit zu, CED bei ihrer Aufgabe als Berater für statische Fragen des Betonfussbodenbelages zu unterstützen. Der Bodenbelag sollte nämlich aus vorgefertigten Betonplatten gefertigt werden, die sich, sofern sie wie im entschiedenen Fall über Balken gelegt werden, durchbiegen (sog. Deflexion), was unvermeidbar und Ingenieuren bekannt ist. Der Biegungsgrad muss daher, um ein zufrieden stellendes Ergebnis zu erreichen, jeweils berechnet werden; so geschah es. CED begann daraufhin, wie geplant, mit der Errichtung des Estrichs. Die Bodenplatten bogen sich jedoch stärker durch als vom Design-Team erwartet, das auf diesen Umstand aufmerksam wurde, als die Kläger wenige Monate nach Einfügung der Platten eine zusätzliche Bezahlung für die Errichtung von Trennwänden einforderten: Da sich der Boden stark durchbiege, erfordere die Errichtung der Trennwände zusätzlichen Aufwand, der entsprechend entlohnt werden müsse. Bei der nachfolgenden Besichtigung des Bodens durch WHTSO stellte sich heraus, dass der Boden, der statisch einwandfrei war, infolge der starken Biegung der Platten irritierend „hügelig“ wirkte, was von der WHSTO als Vertragsverletzung der CED bewertet wurde. CED wollte aus diesem Grund AMP in Anspruch nehmen. In dem sich anschließenden Klageverfahren stimmte der Court of Appeal darin überein, dass AMP zur Ausübung von Sorgfalt und Geschick eines durchschnittlich kompetenten Ingenieurs verpflichtet waren. Uneins war sich das Gericht jedoch darüber, was dies im konkreten Fall bedeutete. Während Lawton und Dillon LJJ feststellten, dass die angemessen sorgfältige Sicherstellung eines ästhetisch zufrieden stellenden Ergebnisses die Aufgabe des Architekten sei, AMP für das Design also nur im Rahmen der von ihnen übernommenen Aufgabe, der Statik, verantwortlich waren, kam Goff LJ zu dem Ergebnis, dass auch mit der Statik beauftragte Ingenieure sich fragen müssen, ob ihr Entwurf unter anderen Gesichtspunkten inakzeptabel sein könnte. Die auf Stahlkonstruktionen spezialisierte CED sei hinsichtlich der Deflexion von Betonplatten i.E. als Laie zu betrachten und daher seien die AMP verpflichtet gewesen: “a duty to draw to the attention of their clients any matter within their expertise which might result in a significant risk of the structure being unacceptable to the building owner or his architect, and I can see no reason why this should exclude a risk that an aspect of the configuration of the structure might render it visually unacceptable”2696. 2696

Holland Hannen & Cubitts (Northern) Ltd v Welsh Health Technical Services Organisation and Others (1987) 7 ConLR 14 = (1987) 35 BLR 1 (lexis).

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

411

Wichtig für uns ist, losgelöst von der Frage, ob ein Baudienstleister seine Entwürfe auch aus dem Blickwinkel einer anderen Profession betrachten muss2697, dass jedenfalls ein Architekt, der nicht allein für die Statik engagiert ist, seinen Klient auch auf das Risiko aufmerksam machen muss, dass Teilentwürfe das Gesamtergebnis ästhetisch inakzeptabel machen können.

e)

Anforderungen an die Detailtreue von Bauplänen, -zeichnungen und -beschreibungen

Ein Teil der vom Architekten geschuldeten Information wird in Form von Bauplänen, -zeichnungen und – beschreibungen vermittelt, wenngleich die schlichte Übergabe entsprechender Dokumente die Aufklärungspflicht, wie dargelegt2698, nicht zum Erlöschen bringt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings häufig bereits die Frage, wie detailliert die entsprechenden Dokumente sein müssen, um zumindest im Ansatz der Informationspflicht zu genügen. Insoweit lassen sich keine allgemeingültigen Regeln formulieren. Der geschuldete Detailgrad hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu fragen ist, welche Aufgabe der Architekt vertraglich übernommen hat, d.h. welche Art Dokument er herstellen soll2699. Steht dies fest, folgt bis zu einem gewissen Grad aus der Natur der Sache, welchen Grad an Detailtreue und Präzision die in Rede stehenden Dokumente haben müssen. Denn die Erwartungen an Vorentwürfe werden andere sein, als Erwartungen an die für die Erteilung einer Baugenehmigung erforderlichen Entwürfe, die sich wiederum von den Erwartungen an die für die Bauausführung notwendigen Dokumente unterscheiden2700. Das Entscheidungsmaterial lässt aufgrund der Einzelfallabhängigkeit der Entscheidung über diese wenigen Hinweise hinaus, die in vergleichbarer Weise auch für das deutsche Recht gelten dürften, keine weiterführenden Überlegungen zu2701. So hat die deutsche Rechtsprechung z.B. entschieden, dass über die Frage, ob der Architekt bei der Planung Detailpläne2702 (§ 15 Abs. 2 Nr. 5 HOAI) zu erstellen hat (oder den Handwerkern auf der Baustelle im Rahmen seiner Überwachung mündliche Detailanweisung erteilen muss2703), im Einzelfall zu befinden ist2704: Wichtige Details der Ausführung erfordern hiernach eine entsprechende Detailplanung des

2697

Der Mehrheit des Court of Appeal zustimmend Jackson/Powell, Negligence, § 8–215. Vgl. ab S. 400. 2699 Jackson/Powell, Negligence, § 8–212. 2700 Jackson/Powell, Negligence, § 8–212. 2701 Vgl. die Beispiele bei Jackson/Powell, Negligence, § 8–212 m. Fn. 40. Jackson/Powell weisen hier zutreffend darauf hin, dass sich den Entscheidungen nur marginale Hinweise zum Umgang der Gerichte sogar mit – auf den ersten Blick – ähnlich liegenden Fällen entnehmen lassen. 2702 Vgl. z.B. OLG Hamburg, IBR 2005, 337. 2703 Vgl. hierzu OLG Hamm, BauR 2005, 897, 898. 2704 Vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1489 m.w.N.; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 375. 2698

412

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Architekten2705; es dürfte ein komparativer Maßstab gelten. Im Rahmen der Vergabe von Bauleistungen (§ 15 Abs. 2 Nr. 6 und 7 HOAI) ist der Architekt allerdings zu dem Aufstellen klarer und vollständiger Leistungsbeschreibungen verpflichtet2706.

3.

Beratung bei der Wahl der Unternehmer und des Vertragstyps

a)

Auswahl der Haupt- und Subunternehmer

Wird ein Architekt darüber hinaus vom Bauherrn beauftragt, diesem bei der Auswahl des Bauunternehmers und/oder der in Frage kommenden Subunternehmer behilflich zu sein, empfiehlt es sich für den Architekten eine Ausschreibung vorzuschlagen bzw. mehrere Angebote einzuholen2707. Bei Bauaufträgen von öffentlichen Auftraggebern ergibt sich diese Verpflichtung bereits aus den von dem Architekten zwingend zu beachtenden Vergabevorschriften, d.h. nach deutschem Recht aus der VOB / A2708. Anderes kann gelten, falls die Arbeiten nur von einem ganz bestimmten Unternehmer, z.B. dem einzigen Spezialisten, durchgeführt werden können oder es sich um einen „Notfall“ handelt und die Umstände des Falles die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens verbieten2709. Ansonsten wird es dem Architekten aber regelmäßig obliegen, den Bauherrn bei der Auswahl der in Betracht kommenden Wettbewerber zu beraten und die eingegangenen Angebote zu bewerten2710. Hintergrund dieser Verpflichtung ist, dass der Bauherr in der Regel nicht über die notwendige Qualifikation verfügt, um feststellen zu können, welches das für ihn geeignetste Angebot darstellt2711. Vor diesem Hintergrund hat der Architekt im Rahmen des deutschen Architketenvertrages die eingehenden Angebote nicht nur auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu kontrollieren, sondern die Angebotspreise unter Berücksichtigung der Eignung der Bieter nach erforderlicher Fachkunde, Leis-

2705

Vgl. BGH, NJW-RR 1988, 275; Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 28 ff. m.w.N. OLG Dresden, BauR 2000, 1341, 1342 f.; OLG Stuttgart, BauR 1977, 140 ff.; Jagenburg/ Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 16; näher Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 5 f., 10. 2707 Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 8. In der Entscheidung Hutchinson v Harris (1977, unreported) wurde eine Architektin für fahrlässig gehalten, weil sie es unterlassen hatte, von mehr als einem Unternehmer Angebote einzuholen. Der Court of Appeal ließ diesen Punkt, obwohl er davon ausging, dass es gute Gründe dafür geben könne (vgl. dazu sogleich im Text), unbeanstandet, vgl. Hutchinson v Harris (1978) 10 BLR 19 per Stephenson LJ (CA, lexis). 2708 Korbion, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI § 15 Rn. 141; Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 6, 8. 2709 Jackson/Powell, Negligence, § 8–220. 2710 Vgl. zur Haftung für die Empfehlung eines untauglichen Unternehmers als „very reliable“ Valerie Pratt v Georg J Hill Associates (a firm) (1987) 38 BLR 25 (lexis). 2711 Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 8; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 251. 2706

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

413

tungsfähigkeit, Zuverlässigkeit2712 sowie ausreichenden technischen und wirtschaftlichen Mitteln zu prüfen und zu bewerten2713. Auf der Grundlage der insoweit gefundenen Prüfungsergebnisse hat er den Bauherrn zur Vorbereitung der Verhandlungen mit den Bietern umfassend zu beraten und ihn bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen2714. Vergleichbare Pflichten treffen den Architekten nach englischem Recht; insoweit seien lediglich beispielhaft folgende Aspekte berichtet: Eine angemessen sorgfältige Beratung erfordert vom Architekten z.B., dass er – wiederum angemessen sorgfältig – Solvenz und Leistungsvermögen des Unternehmers sowie der von diesem benannten Subunternehmer überprüft. Insofern wurde es in der Sache Partridge v Morris als fahrlässig qualifiziert2715, dass eine Architektin keine eigenen Untersuchungen über den finanziellen Status des empfohlenen Bauunternehmers angestellt, sondern sich insoweit auf die Angaben eines Bekannten verlassen hatte2716. Zur Erfüllung dieser Nachforschungspflicht hätten verschiedene Möglichkeiten bestanden, z.B. das Einholen einer Bankauskunft oder einer Warenkreditreferenz, die Erkundigung bei anderen Architekten oder die Vorlage des testierten Unternehmensabschlusses2717. Neben der Information über die mit einem bestimmten Unternehmer verbundenen Risiken wird der Architekt dem Bauherrn in der Regel auch von solchen Unternehmern abraten müssen, deren Preisvorstellungen angesichts der veranschlagten Leistung unangemessen sind. In Tyrer v District Auditor for Monmountshire war ein quantity surveyor wegen Fahrlässigkeit verurteilt worden, weil er Quantitäten und Preise bestätigt hatte, von denen er wissen musste, dass sie geradezu lächerlich überzogen waren2718. Für Architekten dürfte insofern nichts anderes gelten, zumal derartige Extreme für die Qualifikation als fahrlässig nicht unbedingt erforderlich sind. Vielmehr genügt für das Entstehen einer Aufklärungspflicht, dass das Preis-LeistungsVerhältnis schlicht unangemessen ist2719.

2712

2713

2714 2715

2716 2717

2718 2719

Vgl. Locher, Baurecht, Rn. 459, 461; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 251; zur Zuverlässigkeitsberatung (und den damit für den Architekten gegenüber dem Bauunternehmer verbundenen Haftungsfragen) auch OLG Oldenburg, BauR 1984, 539 ff. Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 8; Korbion, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI § 15 Rn. 143; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 359. Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 8. Vgl. für weitere, mir nicht zugängliche Entscheidungen Jackson/ Powell, Negligence, § 8–221. Partridge v Morris [1995] CILL 1095, Tz. 73 per Judge Hicks QC (lexis). Vgl. zu all diesen Möglichkeiten Partridge v Morris [1995] CILL 1095, Tz. 75 per Judge Hicks QC (lexis). Tyrer v District Auditor for Monmountshire (1973) 230 EG 973 per Lord Widgery CJ (lexis). Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–222.

414

b)

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Beratung hinsichtlich eines angemessenen Vertragstyps und -inhalts

Mit dem Auftrag zur Auswahl geeigneter Unternehmer ist auch nach englischem Architektenvertragsrecht regelmäßig ausdrücklich oder implizit auch die Verpflichtung des Architekten verbunden, dem Bauherrn bei der Auswahl des Vertragstyps2720 bzw. der Vertragsbedingungen zur Hand zu gehen2721, wobei Art und Größe des Projekts zu beachten sind. Die Ausübung angemessener Sorgfalt kann den Architekten insoweit verpflichten, einen ganzen Vertragstypus oder lediglich einzelne Klauseln als aus der Sicht des Bauherrn unvorteilhaft abzulehnen2722. Dies kann – gemessen an der Vielfalt möglicher Vertragsbestimmungen – eine schwierige Entscheidung sein, zumal vom Architekten keine umfassende Rechtskenntnis erwartet werden darf 2723. Es ist daher zur Haftungsvermeidung für den Architekten u.U. ratsam, rechtlichen Rat zu suchen oder den Klienten auf die Vorteilhaftigkeit eines solchen Vorgehens explizit aufmerksam zu machen. Eine entsprechende Verpflichtung wird man dabei umso eher annehmen dürfen, je größer die Bedeutung der in Rede stehenden Frage zum einen und je größer die Unsicherheit des Architekten hinsichtlich der richtigen Formulierung der Klausel zum anderen ist2724. Teilweise wird bereits die Empfehlung eines nicht an das individuelle Projekt modifizierten Standardvertrages für fahrlässig gehalten2725. Bei der Änderung von Standardverträgen ist allerdings Vorsicht geboten, weil diese die Ausgewogenheit des gesamten Vertragswerks beeinflussen können. Hier ist die Beiziehung eines Rechtsbeistands besonders ratsam2726. Im Übrigen werden auf diesem Wege auch die Vorteile der bekannten Standardformulare teilweise zurückgenommen, da nun wieder unvorhergesehene Auswirkungen und unbemerkte Modifikationen befürchtet werden müssen. Die Ausgewogenheit der von den Berufsorganisationen bereitgestellten Standardformulare lässt allerdings nach verbreiteter Ansicht ohnehin zu wünschen übrig2727. Nach deutschem Recht verpflichtet die Beauftragung des Architekten zur Mitwirkung an Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber diesem im Wesentlichen, die aus der Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedigungen (hierzu § 10 Nr. 2 VOB / A) bestehenden Verdingungsunterlagen zusammenzustellen2728. Die Vorbereitung der gängigen Bauverträge gehört allgemein zum Kernbereich der Leistungen, die ein zur Mitwirkung bei der Vergabe verpflichteter Architekt schuldet2729. Zur Bereitstellung der erforderlichen Vertragsunterlagen ist der Architekt insoweit nach be2720

Zu den in der Bauindustrie üblichen Standardformularen vgl. schon S. 53. Jackson/Powell, Negligence, § 8–223. 2722 Vgl. dazu die nicht veröffentlichte Entscheidung Burrell Hayward & Budd v Chris Carnell and David Green, 20 February 1992, zusammengefasst bei Jackson/Powell, Negligence, § 8–223 m. Fn. 72. 2723 Vgl. dazu Mückl, Jahrbuch Baurecht 2007, 269, 276 ff. 2724 Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–223. 2725 Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.15 m.w.N. 2726 Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–223. 2727 A. A wohl Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.15. 2728 Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 7. 2729 Vgl. BGH, BauR 1983, 168, 169; Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 82. 2721

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

415

strittener Auffassung aber nicht verpflichtet2730. Vielmehr soll es ausreichen, wenn der Architekt den Bauherrn auf die gängigen Vertragsmuster für Vertragsabschlüsse mit Sonderfachleuten und Bauhandwerkern hinweist2731. Die Verwendung bzw. Übergabe gängiger Vertragsmuster führt – ungeachtet des Umstands, dass der Architekt keine Rechtsberatung schuldet – zu einer dem von einem Architekten zu erwartenden Wissen entsprechenden Überprüfungspflicht2732. Der Grund hierfür ist regelmäßig darin zu sehen, dass Architekten vielfach veraltete Muster verwenden und sich bzw. sie nicht auf dem aktuellen Stand halten2733. Die vorgeschlagenen vertraglichen Bestimmungen müssen jedoch vollständig sein und insbesondere eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB bestehen2734. Der Architekt muss den Auftraggeber über eine günstige Vertragsgestaltung unterrichten und auch auf die unterschiedlichen Regelungen der VOB und des BGB sowie auf die Zweckmäßigkeit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe hinweisen2735. Wichtig für unsere Betrachtung der Informationspflichten ist insoweit allerdings vor allem, dass der Architekt bei der Bereitstellung der Vertragsunterlagen die Wünsche des Bauherrn beachten muss2736. Kann er ihnen nicht mit der notwendigen Sicherheit genügen, muss er den Bauherrn hierüber informieren und zur Hinzuziehung eines Juristen raten2737.

4.

Zusammenfassung

Der vorstehende Überblick über die umfassenden Informations- und Aufklärungspflichten des Architekten gegenüber seinem Klienten hat gezeigt, dass das Recht der Architektenhaftung den Interessen des Gläubigers durchaus Rechnung trägt. Der Klient erhält – vermittelt durch diese Informationspflichten – hinreichenden Einfluss auf die Konkretisierung der Leistungspflicht des Architekten. Denn Ziel der Aufklärungs- und Hinweis- sowie Betreuungs- und Beratungspflichten ist es, „durch Konkretisierung und Ergänzung der Planungs- und Objektüberwachungstätigkeit des Architekten […] sicherzustellen, dass das Planungs- und Bauvorhaben entsprechend den Vorstellungen des Auftraggebers realisiert werden kann und dem Auftraggeber vermeidbare wirtschaftliche Nachteile nicht entstehen“2738. Von seiner Beratungs-

2730

Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 251 m.w.N. Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 251; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 74 m.w.N. 2732 OLG Hamm, BauR 2005, 1350, 1352. 2733 Schmeel, MDR 2006, 613, 616. 2734 Vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI § 15 Rn. 172; Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 11. 2735 Locher, Baurecht, Rn. 459. 2736 Vgl. Müller-Werde, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 14 Rn. 11. 2737 Vgl. etwa zutreffend zur Problematik der Vereinbarung von Vertragsstrafen Vygen, BauR 1984, 245, 252 f. mit kritischer Stellungnahme gegenüber diese Verpflichtung potentiell überschreitenden Feststellungen des BGH. 2738 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 2. 2731

416

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

pflicht kann der Architekt insofern bei entsprechender Sachkunde seines Auftraggebers befreit sein2739. Das im englischen Architektenvertragsrecht zunächst durch den Bolam-Test gezeichnete Bild der Architektenhaftung wird durch die Hinzunahme der den Architekten treffenden Aufklärungspflichten insoweit relativiert, als dem Klienten durch Information die Gelegenheit gegeben wird, auf die gemäß dem Bolam-Test bestehende Konkretisierungsentscheidung des Architekten in jeder Phase der Projektplanung Einfluss zu nehmen. Denn der Klient ist im Ausgangspunkt nicht nur über jegliches für einen vernünftigen Durchschnittbürger in der Rolle des Bauherrn relevante Risiko derart aufzuklären, dass er dessen Bedeutung wirklich verstehen kann, sondern ihm sind zugleich – wenn und soweit dies möglich ist – potentielle Alternativen aufzuzeigen, die die Realisierung des betreffenden Risikos mit größerer Sicherheit ausschließen. Erforderlich ist allerdings, dass der Architekt die damit einhergehende Pflicht fortlaufender Kontrolle des Designs übernommen hat2740.

D.

Aufklärungspflichten des Arztes

Im Arztvertragsrecht – dies lässt sich für beide nationalen Rechte feststellen – wird bei der Diskussion der Problematik der Aufklärungspflichten des Arztes der darstellerische Schwerpunkt zumeist nicht auf deren konkrete Bedeutung für die Behandlungsgestaltung, sondern auf die „praktische Konkordanz“ zweier gegenläufiger Autonomien gelegt: „Es soll Patientenautonomie ausweislich einer kaum noch überschaubaren Diskussion insbesondere über Aufklärung und Beratung, also über informationelles Handeln mit dem Ziel informationeller und optionaler Selbstbestimmung, sicher gestellt werden. Und es sind auf der anderen Seite Reichweite und Grenzen ärztlicher Autonomie und Verantwortung betroffen“2741. Vor dem Problem, diese zentralen Überlegungen2742 in vertragsrechtliche Kategorien zu übersetzen, stehen die PELSC ebenso wie die nationalen Rechte und der DCFR.

I.

Die duty to inform des Arztes nach den PELSC und dem DCFR

Die PELSC und der DCFR betonen in ihrer Lösung zunächst ebenfalls den Gedanken der Patientenautonomie: Nach Art. 7:108(1) PELSC, IV.C. – 8:108(1) DCFR hat der Schuldner vor dem Behandlungsbeginn in jedem Fall den „informed consent“ des Patienten einzuholen. Der Patient besitzt nämlich auch nach den Vorstellungen der 2739

Vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 1098; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 210. Vgl. zu dieser Verpflichtung Oxford Architects Partnership v Cheltenham Ladies College [2007] BLR 293, Tz. 24 per Ramsey J. 2741 Damm, MedR 2006, 1, 2, 7; vgl. hierzu näher dens., MedR 2002, 375 ff.; zum rechtsdogmatischen Verhältnis von Autonomie- und Integritätsschutz im Rahmen der Arzthaftung nach deutschem Recht vgl. analytisch Hart, FS Heinrichs, S. 291, 292 ff. 2742 Als allgemeines Spannungsverhältnis, in dem sich die Angehörigen freier Berufe befinden, beschreibt dieses Phänomen Heckendorn, Haftung, Rn. 243. 2740

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

417

Verfasser der PELSC das in seiner Autonomie begründete Recht, grundsätzlich nur die Behandlung zu erfahren, der er im Vorhinein zugestimmt hat2743. Bei der Verpflichtung zur Einholung einer informierten Zustimmung in Art. 7:108(1) PELSC, IV.C. – 8:108(1) DCFR geht es nach den Vorstellungen der Verfasser der PELSC um die „reality of consent“, d.h. die tatsächliche Einwilligung des Patienten, die – wie das Attribut „informed“ bereits andeutet – nach der Konzeption der PELSC zunächst eine den Vorgaben der Art. 7:105 ff. PELSC, IV.C. – 8:105 ff. DCFR entsprechende Information des Patienten sowie dessen Auswahlentscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ einer Behandlung voraussetzt2744. Bereits im Wortlaut der zentralen Vorschrift (Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR) kommt diese Grundentscheidung der Verfasser über den Zweck ärztlicher Auskunft – eine freie Auswahlentscheidung des Patienten – zweifelsfrei zum Ausdruck. Diese Entscheidungsfreiheit sichern Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR und Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR in unterschiedlicher Funktion. Denn während Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR den Aufklärungsumfang bzw. die Elemente, über die aufgeklärt werden muss, allgemein bestimmt, normieren Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR eine (vorbehaltlich der Vorgaben der Art. 7:107 PELSC, IV.C. – 8:107 DCFR) immer vorzunehmende Mindestaufklärung, die allerdings – wie sich der Kommentierung des Art. 7:105 PELSC entnehmen lässt – auch zur Entlastung des Schuldner beitragen kann und soll.

1.

Die Elemente der Aufklärung gemäß Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR

Lässt man die in Art. 7:106 PELSC, IV.C. – 8:106 DCFR geregelten Besonderheiten bei unnötiger und experimenteller Behandlung einmal unberücksichtigt2745, ist der Schuldner gemäß Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR zunächst dazu ver2743

Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 7:108. Anderes kann gelten, wenn der Patient nicht einwilligungsfähig ist, vgl. Art. 7:108(3)-(5), (7) PELSC. Die in Art. 7:108 PELSC vorgesehenen Regeln nehmen insbesondere auf die Vorgaben des von den meisten europäischen Staaten unterzeichneten und ratifizierten Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, Oviedo, 4.4.1997, Bezug, vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. ff. zu Art. 7:108, General Comment E. zu Chapter 7 (Der Unterschriften- und Ratifizierungsstand sowie der Text des Übereinkommens ist abrufbar unter http://conventions.coe.int). 2744 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. und D. und E. zu Art. 7:108. Anders als man die Verfasser dort (ebenso Comment B. und D. zu Art. 7:108) verstehen könnte, wird die Einwilligung in eine bestimmte Behandlung zwar häufig, aber nicht immer zugleich die vertragliche Annahmeerklärung (Art. 2:204 PECL) darstellen müssen. Insoweit sind nämlich durchaus Fälle denkbar, in denen für Arzt und Patient bereits zu Beginn der Aufklärung feststeht, dass eine Behandlung durch den Arzt vorgenommen werden und die konkrete Behandlungsmethode nach Vertragsschluss im gegenseitigen Einvernehmen ausgewählt werden wird. 2745 Dazu ab S. 476.

418

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

pflichtet, den Patienten angemessen sorgfältig (Art. 7:104 PELSC, IV.C. – 8:104 DCFR)2746 über dessen Gesundheitszustand, die Art der vorgeschlagenen Behandlung, deren Vorteile und Risken, aber auch über alternative Behandlungsmethoden sowie deren Vorteile und Risiken zu informieren. Dabei hat der Schuldner die vorgeschlagene Behandlungsmethode mit den bestehenden Alternativen in Bezug auf Vorteile und Risiken zu vergleichen und den Patienten endlich auch darüber aufzuklären, welche Folgen ein Absehen von jeglicher Behandlung hätte. Seinen Behandlungsvorschlag hat er gemäß Art. 7:105(2) S. 3, 6:101(2), 6:104(2)(a) PELSC, IV.C. – 8:105(2) S. 3, 7:104(2)(a) DCFR auf eine sachkundige Analyse der gesammelten Informationen2747, d.h. insbesondere des in Bezug auf die Zwecke, Prioritäten, Vorlieben sowie in Bezug auf die persönliche Situation des Patienten zu sammelnden Expertenwissens (Art. 7:102, 7:105(2) S. 3, 6:101(2), 6:102, 1:105 PELSC) zu stützen. Auf der Grundlage dieser Analyse soll dann die Empfehlung an den Patienten formuliert werden. Zu den aufzuklärenden Alternativen zählen dabei auch solche, die nicht der traditionellen westlichen Medizin angehören (z.B. solche aus der traditionellen chinesischen Medizin2748), soweit sie – gemessen an den Vorgaben des Art. 7:104 PELSC, IV.C. – 8:104 DCFR – dem aufklärungsverpflichteten Schuldner bekannt sein müssen2749. Auf diesem Wege wird dem Patienten auf der Grundlage einer Aufwand-Nutzen-Analyse eine recht umfassende Wahl zwischen bestehenden Behandlungsalternativen ermöglicht, wodurch sichergestellt werden soll, dass der Schuldner die Autonomie des Patienten respektiert2750. Dies wird dadurch zusätzlich abgesichert, dass der Arzt auch über die Behandlungsalternativen entsprechend aufklären muss, die er selbst nicht anbieten kann (Art. 7:105(2) S. 3, 6:101(2), 6:104 (2)(c) PELSC, IV.C. – 8:105(2) S. 3, 7:104(2)(c) DCFR). Anderes gilt parallel zu den Regeln über Informationsverträge nur, falls der Arzt von vorneherein klarstellt, dass er nur bestimmte Behandlungsmethoden anbietet oder sich dies ohne weiteres aus den Umständen ergibt2751. Eine Einschränkung dieses auf den ersten Blick geradezu exorbitanten Aufklärungsumfangs ergibt sich erst aus Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR.

2746

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment E. zu Art. 7:105. Zu diesem umfassenderen Verständnis des Gegenstands der Analyse vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 6:104. 2748 Vgl. zu ihrer Behandlung nach englischem Recht Shakoor v Situ [2001] 1 WLR 410 und dazu Brahams, (2000) 68 Medico-Legal Journal 142. 2749 Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:105. 2750 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. und D. zu Art. 7:105. 2751 Bsp.: Wer sich wegen Minderwertigkeitskomplexen, die in der eigenen äußeren Erscheinung begründet sind, in psychologische oder psychatrische Behandlung begibt, wird vom Psychologen bzw. Psychiater kaum eine fachkundige Analyse potentieller operativer Korrekturen erwarten können und dürfen. Allenfalls erwartet werden kann hier der Hiweis auf die Möglichkeiten einer operativen Korrektur sowie der Hinweis auf allgemeine bekannte mit Operationen verbundene Risiken. 2747

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

2.

419

Die Konkretisierung des Aufklärungsumfangs durch Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR

Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR konkretisiert den durch Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR vorgegebenen Aufklärungsumfang, indem dort der Umfang einer in jedem Fall vorzunehmenden Mindestaufklärung normiert wird. Denn nach Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR muss der Schuldner den Patienten gemäß den Vorgaben des Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR in jedem Fall über jedes Risiko und jede Behandlungsalternative informieren, die die Entscheidung über die Zustimmung (Art. 7:108 PELSC, IV.C. – 8:108 DCFR) des Patienten zur vorgeschlagenen Behandlung vernünftigerweise beeinflussen könnte. Im Ergebnis soll damit ein Aufklärungsstandard normiert werden, nach dem nicht über jedes Risiko, sondern nur über solche Risiken aufzuklären ist, die die Auswahlentscheidung des Patienten über das „Ob“ und das „Wie“ einer Behandlung vernünftigerweise beeinflussen können2752. Damit wird der Aufklärungsumfang, soweit – was nur begrenzt möglich ist – nichts anderes vereinbart wird, einem Angemessenheitstest unterworfen und auf diesem Wege begrenzt. Denn der reasonableness-Test verschlüsselt den wesentlichen Kontrollmechanismus zur Vermeidung sowohl einer unangemessen niedrigen als auch hohen Informationsvermittlung. Auf diesem Wege sollen zum einen die bei einer besonders aufwändigen Informationsvermittlung entstehenden hohen Kosten2753 sowie der hohe Zeitaufwand des Schuldners vermieden werden und zum anderen eine Überforderung des Patienten durch zu detaillierte Informationen2754. Der neueren englischen Rechtsprechung kommt dies unter der Bedingung, dass die Ausfüllung des reasonable-patient-standard aus der Perspektive eines reasonable man erfolgt2755, durchaus nahe. Soweit in Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR nicht explitzit auf professionsinterne Standards Bezug genommen wird – was insbesondere vor dem Hintergrund der früheren englischen Aufklärungsrechtsprechung auffällt – bedeutet dies indes nicht, dass die professionsintern erreichten Standards für die Aufklärung keine Rolle spielen. Denn bei der Aufklärung hat der Schuldner den Vorgaben des Art. 7:104 PELSC, IV.C. – 8:104 DCFR zu entsprechen, der zwar seinerseits auch nicht explizit auf professionsintern erreichte Standards verweist, aber Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR konkretisiert. In Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR findet sich dann endlich die Bezugnahme auf professionsinterne Standards, die aber – wie dargelegt2756 – anders als zumindest faktisch lange Zeit im englischen Arzthaftungsrecht2757 nur bedingt konstitutiv wirkt.

2752

Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:105. Diese würden – da eine personalisierte Aufklärung erfolgen soll (vgl. dazu ab S. 420) – wohl auf den konkreten Patienten umgelegt werden und die ärztliche Aufklärung damit auch für den Patienten teurer werden lassen. 2754 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B und D. zu Art. 7:105. 2755 Vgl. ab S. 450. 2756 Vgl. ab S. 243. 2757 Vgl. ab S. 273. 2753

420

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Art. 7:105(2) S. 2 PELSC, IV.C. – 8:105(2) S. 2 DCFR kommen dem Patienten losgelöst davon insofern entgegen, als nach dieser Bestimmung vermutet wird, dass ein Risiko dann geeignet ist, die Entscheidung des Patienten i.S.d. Art. 7:105(2) S. 1 PELSC, IV.C. – 8:105(2) S. 1 DCFR zu beeinflussen, wenn seine Realisierung nach der Auffassung eines vernünftigen Patienten in der konkreten Situation zu einem ernsthaften Schaden führen würde. Das Attribut „ernsthaft“ wird man dabei – wie die Kommentierung zu Art. 7:105 PELSC, die als Beispiele für einen derartigen Schaden den Tod, die Entstellung oder die permanente Unzurechnungsfähigkeit des Patienten nennt2758, deutlich macht – durchaus ernstnehmen müssen. Andere Kriterien zur Bestimmung des aufklärungsbedürftigen Risikos sollen so aber keinesfalls ausgeschlossen werden; ernsthafte Schäden werden wegen ihrer besonderen Relevanz für die Auswahlentscheidungen lediglich besonders hervorgehoben und einer Beweislastumkehr unterworfen2759. Insofern sind weitere Kriterien zur Bestimmung der relevanten Information, wie etwa die Häufigkeit der jeweiligen Risikorealisierung, aber auch die Dringlichkeit einer Behandlung (vgl. im Extremfall Art. 7:107(2) PELSC, IV.C. – 8:107(2) DCFR), im Rahmen des reasonableness-Tests durchaus zu berücksichtigen, unterliegen aber nicht der in Art. 7:105(2) S. 2 PELSC, IV.C. – 8:105 (2) S. 2 DCFR normierten Beweislastumkehr, sondern müssen den allgemeinen Regeln über die Beweislast bei Informationspflichten entsprechend in ihrer Bedeutung für einen vernünftigen Patienten vom konkreten Patienten dargelegt und ggf. bewiesen werden (Art. 7:105(2) S. 3, 6:106, 6:109 PELSC)2760. Da die Maxime res ipsa loquitur im Zusammenhang mit Aufklärungsfehlern praktisch keine Rolle spielt2761, sind dem englischen Recht vergleichbare Beweiserleichterungen hier unbekannt2762.

3.

Die Anforderungen an die Informationsaufbereitung

Hinsichtlich der Anforderungen an die Aufbereitung der Information, deren Bedeutung für die Auswahlentscheidung Gläubiger kaum erneut erläuterungsbedürftig ist2763, stellen Art. 7:105(1) PELSC, IV.C. – 8:105(1) DCFR dem Wortlaut nach sehr strenge Anforderungen. Denn dort ist normiert, dass die Information in einer für den Patienten verständlichen Weise erfolgen muss. Damit wird jedoch – entgegen dem potentiellen ersten Anschein – keine mit einer strikten Haftung verbundene Erfolgs2758

Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:105. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:105. 2760 Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:105. 2761 Vgl. Jones, Negligence, §§ 3–107 ff. 2762 Dies gilt auch dann, wenn dem Patienten entgegen Data Protection Act 1984, Access to Health Records Act 1990 und Access to Medical Reports Act 1988 kein Zugang zur Patientenakte verschafft wird, vgl. Jones, Negligence, §§ 10 –086 ff. Die Verletzung der nur für elektronisch gespeicherte Daten geltenden Pflichten nach dem Data Protection Act 1984 berechtigt allerdings zum Schadensersatz, vgl. Jones, Negligence, § 10–091. 2763 Auch die objektiv wichtigste Information nützt dem Gläubiger dann nichts, wenn er sie nicht umsetzen kann, vgl. ab S. 209. 2759

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

421

pflicht dahin festgelegt, dass Informationen so aufbereitet sein müssen, dass der konkrete Patient sie tatsächlich subjektiv begreift. Zwar soll die Information in dem Sinne personalisiert sein, dass sie zum einen den konkreten Patienten und dessen Gesundheitszustand, Präferenzen usw. in den Blick nimmt (Art. 7:102(1) (a), 7:105(2) S. 3, 6:102(1) PELSC) und sich in ihrer Aufbereitung auf ihn einstellt. Der Schuldner muss aber, wie sich aus Art. 7:105(2) S. 3, 6:104(1) PELSC, IV.C. – 8:105(2) S. 3, 7:104(1) DCFR und aus der Kommentiertung zu Art. 7:105 PELSC ergibt, nicht sicherstellen, dass der Patient die Information tatsächlich begreift. Er muss vielmehr lediglich angemessene Anstrengungen unternehmen, um dem Patienten zu helfen, die auf ihn zugeschnittene Information zu begreifen2764. Daraus folgt z.B. die Verpflichtung umso weniger fachsprachlich zu erläutern, je geringer die fachliche Vorbildung des Patienten ist. Wichtiger ist indes, dass eine Formularaufklärung durch bloße Aushändigung und Unterschrift einer „Einwilligungserklärung“ ohne zusätzliche Erläuterung den Vorgaben der Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR regelmäßig nicht oder jedenfalls nur begrenzt genügt2765, da Formulare ja gerade die Personalisierung ersparen sollen, die durch Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR vorgegeben wird.

4.

Beschränkung des Aufklärungsumfangs im Patienteninteresse

Die in Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR normierte Aufklärungsverpflichtung gilt aber nicht ausnahmslos, sondern wird durch die in Art. 7:107 PELSC, IV.C. – 8:107 DCFR festgelegten Ausnahmen eingeschränkt.

a)

Gesundheitsschädliche oder lebensgefährliche Aufklärung

Insofern muss eine Aufklärung nach Art. 7:107(1) PELSC, IV.C. – 8:107(1) DCFR zunächst nicht erfolgen (sie darf aber wohl schon), wenn objektive Gründe für die Annahme existieren, dass die Eröffnung der Information an den Patienten dessen Gesundheit oder Leben ernsthaft negativ beeinflussen würde. Um hier nicht die Schleusentore für ein Unterlaufen der Aufklärungsverpflichtung zu öffnen, verlangen die Verfasser der PELSC in ihrer Kommentierung zu Art. 7:107 wörtlich „very serious and decisive arguments to support it“, in Situationen, in denen die Aufklärung Gesundheit und Leben des Patienten ernsthaft beeinträchtigen würde. Vor demselben Hintergrund möchten die Verfasser den Wortlaut des Art. 7:107(1)(a) PELSC insofern durchaus ernstgenommen wissen, als dort nur für die Eröffnung der Information an den Patienten selbst eine Ausnahme vorgesehen ist. Für Personen, die in den Angelegenheiten des Patienten entscheidungsbefugt sind, gilt diese Ausnahme folgerichtig nicht2766. Eine weitere Eingrenzung sehen die Verfasser in zeitlicher Hinsicht vor. Sofern die Umstände, unter denen die Entscheidung gegen eine Eröffnung

2764

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:105. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B und D. zu Art. 7:105. 2766 Dazu und zum Vorstehenden Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:107. 2765

422

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

des Risikos gefallen ist, sich zwischenzeitlich dahin geändert haben, dass nichts mehr gegen eine Information spricht, muss sie nachgeholt werden2767.

b)

Möglichkeiten und Grenzen eines Verzichts des Patienten auf die geschuldete Aufklärung

Nach Art. 7:107(1)(b) PELSC, IV.C. – 8:107(1)(b) DCFR muss ferner nicht aufgeklärt werden (es darf aber wiederum wohl grundsätzlich schon), sofern der Patient eine Information explizit ablehnt. In dieser Ausnahme von der Aufklärungspflicht, von der im englischen Recht nicht sicher ist, ob es sie überhaupt gibt2768, ziehen die PELSC die Konsequenz aus ihrer Anerkennung eines „right to know“ des Patienten2769. Die dem Patienten infolge seiner Entscheidungsautonomie zugestandene Verfügungsbefugnis über die Information berechtigt ihn nämlich auch dazu, auf eine entsprechende Information zu verzichten. Dies soll (wohl aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit sowie des effektiven Schutzes der Patientenautonomie) allerdings nur möglich sein, falls der Verzicht ausdrücklich erklärt wird.

aa) Faktische Umkehrung der Aufklärungspflicht durch Gegenfrage des Arztes? Zweifelhaft dürften dementsprechend die Fallkonstellationen sein, in denen der Arzt zunächst nicht über ein nach Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR aufzuklärendes Risiko informiert und im Anschluss daran dem Patienten dadurch die Aufklärungslast zuweist, dass er diesen fragt, ob von seiner Seite noch Fragen bestünden. Lässt man die verneinende Antwort des Patienten auf diese Frage als expliziten Verzicht i.S.d. Art. 7:107(1)(b) PELSC, 8:107(1)(b) DCFR gelten, könnte der Arzt – bei konsequenter Fortführung dieses Gedankens – die Aufklärungslast in großem Umfang auf den selbst nicht sachkundigen Patienten abwälzen. Die praktische Ausübung einer autonomen Entscheidung wird dadurch allerdings nur erschwert, falls man – was nicht im Sinne des Regelungskonzepts der PELSC bzw. des DCFR erscheint – insoweit vom Patienten die Frage nach spezifischen Risiken verlangt. Damit geriete man in eben die Abgrenzungsschwierigkeiten, die die frühre englische Rechtssprechung zum Arzthaftungsrecht teilweise heraufbeschworen hatte2770, und würde losgelöst davon regelmäßig vom nicht sachkundigen Patienten Unmögliches verlangen. Vor diesem Hintergrund wird man bereits ein für einen vernünftigen Arzt erkennbares Aufklärungsinteresse des Patienten, das sich in der allgemein gehaltenen Frage nach potentiell interessanten Risiken ausdrückt, nicht als Verzicht auf die Aufklärung nach Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR ansehen können. Denn dies korrespondiert mit der Grundhaltung der PELSC, nach der es im

2767

Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:107. Vgl. in Fn. 2973. 2769 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. und B. zu Art. 7:107. 2770 Vgl. ab S. 440. 2768

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

423

Ausgangspunkt dem sachkundigen Schuldner obliegt, den Gläubiger erst auf entsprechende Risiken aufmerksam zu machen (Art. 1:103, 1:110, 6:104(1)(c), (2)(a) PELSC, IV.C. – 2:102, 2:108, 7:104(1)(c), (2)(a) DCFR). Dies wird der Schuldner nicht durch eine simple allgemein gehaltene Frage nach dem Informationsinteresse des Gläubigers umkehren können, zumal man diese Frage in aller Regel lediglich als Erfüllung seiner aus den Art. 1:104(1)(a), 6:102(1), 7:102(a) PELSC, IV.C. – 7:102 (1), 8:102(a) DCFR folgenden Nachforschungspflicht über „preferences and priorities“ des Gläubigers in Bezug auf die Dienstleistung wird interpretieren müssen. Um eine Entlastung zu erreichen, wird der Schuldner vor diesem Hintergrund den Patienen zunächst darüber aufzuklären haben, dass der vorgeschlagenen Behandlung Risiken immanent sind bzw. das Alternativen mit anderer Risikostruktur bestehen. Des Weiteren wird der Schuldner darüber aufklären müssen, dass die bestehenden Risiken – auch im Vergleich zu den bestehenden Behandlungsalternativen – für die Entscheidung eines vernünftigen Gläubigers objektiv relevant wären (Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR). Stellt er sodann die Frage, ob der Patient an einer Aufklärung über die bis dahin nicht näher geschilderten Risiken interessiert ist, und verneint dieser, liegt ein entlastender Verzicht i.S.d. Art. 7:107(1)(b) PELSC, IV.C. – 8:107(1)(b) vor.

bb) Grenzen des Verzichts auf eine Aufklärung Lässt man die für eine Aufklärung nach Art. 7:106 PELSC, IV.C. – 8:106 DCFR geltenden Besonderheiten erneut einmal unberücksichtigt2771, werden die Grenzen der Möglichkeit, auf eine Aufklärung zu verzichten, vor allem durch die Interessen anderer Personen sowie der Öffentlichkeit markiert. Gemäß Art. 7:107(1)(b) letzter HS. PELSC, IV.C. – 8:107(1)(b) letzter HS. DCFR kann der Patient nämlich nur unter der Bedingung auf die an sich geschuldete Aufklärung verzichten, dass die Nichtaufklärung die Gesundheit und Sicherheit Dritter nicht gefährdet. „Dritte“ i.S.d. Art. 7:107(1)(b) PELSC, IV.C. – 8:107(1)(b) DCFR können konkrete Personen oder die Öffentlichkeit im Allgemeinen sein2772. Gedacht ist dabei u.a. an genetische oder Infektionserkrankungen, die den Patient infolge unterlassener Aufklärung zu einer Gefahr für konkrete andere Personen oder die Öffentlichkeit im Allgemeinen machen könnten2773. Sofern derartige Gefahren im Raum stehen, soll der Gläubiger nicht sorglos bleiben können. Insoweit ist Art. 7:107(1)(b) PELSC, IV.C. – 8:107 (1)(b) DCFR folgerichtig zwingend2774.

2771

Vgl. zu ihnen ab S. 461. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A., B. und D. zu Art. 7:107. 2773 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:107. 2774 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment G. zu Art. 7:107. 2772

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

424

II.

Aufklärungspflichten des Arztes nach deutschem Recht

Die Aufklärungspflichten des Arztes sind – anders als in den PELSC und dem DCFR – mit wenigen spezialgesetzlichen Ausnahmen im deutschen2775 ebenso wie im englischen Recht nicht gesetzlich geregelt, sondern weitestgehend von der Rechtsprechung entwickelt worden2776. An Vorschlägen hierzu hat es nicht gefehlt2777. Für das Zivilrecht sei insoweit auf den Mustergesetzentwurf von Deutsch/Geiger verwiesen, der eine allgemein gehaltene Regelung für die ärztliche Aufklärung vorsah2778. Die mangels gesetzlicher Umsetzung derartiger Vorschläge maßgeblich durch die Rechtsprechung geprägte Dogmatik unterscheidet verschiedenartige Aufklärungspflichten, nämlich die sog. Selbstbestimmungsaufklärung, die Sicherungsaufklärung und die wirtschaftliche Aufklärung2779.

1.

Grundlagen

Die (auch vertragliche) Verpflichtung zur sog. Selbstbestimmungsaufklärung beruht auf dem Postulat, dass ein durch Diagnose und Behandlung erfolgender Eingriff in die körperliche und gesundheitliche Befindlichkeit des Patienten nicht ohne dessen wirksame Einwilligung erfolgen darf 2780, wobei die Einwilligung nur wirksam ist, wenn der Patient weiß, worin er einwilligt2781. Unerheblich ist dabei, ob die Behandlung lege artis, fehlerfrei und erfolgreich ist2782. Denn die Verpflichtung zur Selbstbestimmungsaufklärung – nomen est omen – dient in erster Linie dazu, dem Patienten eine sinnvolle Wahrnehmung seines Selbstbestimmungsrechts zu ermöglichen2783. Sie soll gewährleisten, dass der Patient in der medizinischen Betreuung nicht Objekt, sondern eigenverantwortliches Subjekt der Behandlung bleibt, und soll ihn davor schützen, dass sich der Arzt ein ihm nicht zustehendes Bevormundungsrecht anmaßt2784.

2775

Zu ihnen etwa Damm, MedR 2006, 1, 4. Vgl. Damm, MedR 2006, 1, 3; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 323 f. m.w.N. Zu den Normierungsüberlegungen für den Bereich der Fortpflanzungsmedizin Damm, MedR 2006, 1, 5. 2777 Vgl. zur eher ablehnenden Aufnahme derartiger Vorschläge Damm, MedR 2006, 1, 3 m.w.N. 2778 Deutsch/Geiger, Behandlungsvertrag, S. 1049, 1112 (dort § 5). 2779 Sehr ausdifferenziert Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 266 ff. 2780 Vgl. hierzu Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 76 f. m.w.N. zum Streitstand. 2781 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 321; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 167; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 324. 2782 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 167; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 324. 2783 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 324 m.w.N. 2784 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 1. Gleiches gilt für den Tatrichter. Auch dieser darf seine eigene Beurteilung des etwaigen Entscheidungskonflikts nicht an die Stelle derjenigen des Patienten setzen, wie der BGH jüngst zu Recht mehrfach betont hat, vgl. BGH, NJW 2005, 1364 f. 2776

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

425

Wesensverschieden hiervon ist die Verpflichtung des Arztes zur Sicherungsaufklärung, d.h. die Aufklärung des Patienten mit dem Ziel, diesem „ein therapierichtiges Verhalten zur Sicherung des Heilungserfolges, zum Schutz vor Unverträglichkeitsrisiken, vor Nachteilen einer Überschätzung der Therapie“ zu ermöglichen2785. Hierher gehört auch die Unterrichtung der nachbehandelnden Ärzte bzw. des Patienten über die erhobenen Befunde und vorgekommene Zwischenfälle mit dem Ziel, rechtzeitig eine sachgerechte Nachbehandlung einzuleiten bzw. abzusichern2786. Wird diese letztlich allein der erfolgreichen Behandlung dienende Informationspflicht verletzt, liegt – dieser Schutzrichtung entsprechend – ein Behandlungsfehler2787 in Form der Unterlassung von Gefahrsicherungsmaßnahmen vor2788. Denn eine dementsprechende „therapeutische Aufklärung ist notwendiger Bestandteil der kunstgerechten ärztlichen Behandlung“2789. Da es sich bei dieser Aufklärung um einen Behandlungsbestandteil handelt, finden die oben2790 referierten Regeln über die Wahl von Behandlungsmethoden durch den Arzt Anwendung. Die Steuerung der Behandlung durch den Patienten wird durch diese Aufklärungspflicht gegenüber diesen Grundsätzen nicht in erheblicher Weise gesteigert, weil die Methodenentscheidung im Zeitpunkt der Aufklärung über therapierichtiges Verhalten bereits gefallen ist. Anderes gilt für die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung. Danach hat der Arzt den Patienten im Einzelfall über die ihn treffenden Kosten der Behandlung aufzuklären2791. Unter diesem Gesichtspunkt soll der Arzt sogar verpflichtet sein, ungefragt auf eigene Behandlungsfehler hinzuweisen, wenn infolge des Fehlers eine Folgebehandlung erforderlich wird, die für den Patienten mit eigenen Vermögensopfern verbunden sein wird2792.

2.

Insbesondere: Die Selbstbestimmungsaufklärung

Wichtig für den Patienten ist unter dem Gesichtspunkt der Bestimmung der konkreten vertraglichen Leistung des Arztes danach augenscheinlich zunächst die Selbstbestimmungsaufklärung, die grundsätzlich vor allem diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen geboten ist2793.

2785

Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 325. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 325. 2787 BGH, NJW 2009, 2820, 2821; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 28, I 78 m.w.N. 2788 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 325; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 100 ff., 166. 2789 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327 m.w.N. 2790 Vgl. ab S. 297. 2791 Vgl. näher Schelling, MedR 2004, 422 ff. m.w.N. 2792 Vgl. hierzu Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn 166; Spickhoff, NJW 2006, 1630, 1634 f.; Prütting, FS Laufs, S. 1009, 1015 ff., 1022 f. 2793 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 5. 2786

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

426

a)

Gegenstand

Die an sie gestellten Anforderungen hat der BGH mit der Begründung, dass nur auf diese Weise das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Patienten gewahrt werden, in seinem Urteil vom 14.3.20062794 z.B. noch einmal dahin zusammengefasst, „dass ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten bedürfen, um rechtmäßig zu sein, und dass diese Einwilligung nur wirksam erteilt werden kann, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist“. Hierin klingen bereits die Fallgruppen der Selbstbestimmungsaufklärung an, die überlicherweise in Form von Risiko-, Diagnose- und Verlaufsaufklärung unterschieden werden2795. Die Risikoaufklärung informiert – zusammengefasst – über die Gefahren des ärztlichen Eingriffs. Hierzu zählen mögliche oder vorübergehende Nebenfolgen, die sich auch bei Anwendung der vertraglich geschuldeten Sorgfalt, d.h. bei fehlerfreier Durchführung des Eingriffs, nicht vermeiden lassen2796. Die Diagnoseaufklärung ist die Information des Patienten über den medizinischen Befund, d.h. darüber, ob er krank ist und – falls ja – an welcher Krankheit er leidet2797. Die Verlaufsaufklärung betrifft dagegen die Information über die Art, den Umfang und die Durchführung des Eingriffs sowie „Informationen über die nach dem jeweiligen Stand des ärztlichen Wissens prognostizierbare weitere Gesundheitsentwicklung ohne medizinische Behandlung“ und „den prognostischen Gesundheitsverlauf im Falle eines Eingriffs“2798. Zusammenfassend betrachtet ist der Patient vom Arzt somit im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung über „den ärztlichen Befund, über Art, Tragweite, Dringlichkeit, voraussichtlichen Verlauf und Folgen des geplanten Eingriffs, über Art und konkrete Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Risiken im Verhältnis zu den entsprechenden Heilchancen, über mögliche andere Behandlungsweisen und über die ohne den Eingriff zu erwartenden Risiken einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes“2799 zu informieren. Rein gegenständlich betrachtet steht dem Patienten also nicht lediglich nach den PELSC und dem DCFR, sondern auch nach deutschem Recht eine breite Grundlage für die Entscheidung über die von dem Arzt befürwortete Behandlungsmethode zur Verfügung.

2794

VI ZR 279/04, NJW 2006, 2108 m. Anm. Spickhoff, NJW 2006, 2075 f. Für viele Katzenmeier, Arzthaftung, S. 325 m.w.N. 2796 Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 1; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326 m.w.N. 2797 Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 63 Rn. 13; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326 m.w.N. 2798 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326 m.w.N. 2799 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 326 m.w.N. 2795

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

b)

427

Umfang und Intensität

aa) Die Bedeutung der Zweckrichtung der Aufklärungspflicht Einer Überfrachtung mit Informationen, die einer reflektierten Entscheidung des Patienten eher schädlich als förderlich ist, wirkt die deutsche Rechtsprechung dadurch entgegen, dass sie – obwohl sich der Umfang der geschuldeten Aufklärung nach den Umständen des Einzelfalls richtet2800 – zunächst von folgenden Grundsätzen ausgeht: Der Aufklärungspflicht ist im Ansatz genügt, wenn der Patient Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung erfasst2801 und darüber hinaus das Für und Wider in den Grundzügen so versteht, dass ihm eine verständige Abwägung und – vermittelt über diese – eine Ausübung des Selbstbestimmungsrechts überhaupt möglich ist2802. Dies ist gemeint2803, wenn der BGH der Spruchpraxis englischer Gerichte nicht unähnlich2804 formuliert, der Patient müsse „im Großen und Ganzen“2805 wissen, worin er einwillige. Auch das „Wie“ der Aufklärung steht nach der Rechtsprechung des BGH – wiederum der Spruchpraxis englischer Gerichte nicht unähnlich – prinzipiell im pflichtgemäßen Beurteilungsermessen des Arztes2806; der BGH konkretisiert die Ausübung dieses pflichtgemäßen Ermessen aber richtlinienartig stärker als die englische Rechtsprechung: Durch grundlegende Informationen ist der Patient zunächst in die Lage zu versetzen, eine Risikoabwägung vorzunehmen2807. Die Aufklärung bezweckt nämlich nicht, dem Kranken medizinisches Fachwissen zu vermitteln, sondern soll ihm aufzeigen, was der Eingriff für seine persönliche Situation bedeuten kann2808. Immer hat vor diesem Hintergrund eine Grundaufklärung zu erfolgen2809, die sich nicht nur auf Diagnose, Art und Verlauf des geplanten Eingriffs sowie auf seine notwendigen oder zumindest möglichen Folgen und die Art der Belastung, die für die Unversehrheit seines Körpers und seiner Lebensführung auf den Patienten zukommen können, sondern darüber hinaus auch auf die Wahrscheinlichkeit der Risiken2810 und namentlich auch die bestehenden Alternativen – mögen 2800

Vgl. etwa BGH, NJW 1976, 363, 364; BGH, VersR 1981, 456, 457 f.; Erman/Schiemann, BGB § 823 Rn. 138; Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 63 Rn. 11. 2801 BGHZ 29, 176, 180. 2802 BGH, NJW 1990, 2929, 2930; BGH, NJW 1986, 780; Erman/Schiemann, BGB § 823 Rn. 138; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 258 m.w.N. 2803 Ebenso Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 83; Frahm/ Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 177, alle m.w.N. 2804 Vgl. ab S. 440. 2805 BGH, NJW 2006, 2108; BGH, NJW 2009, 1209, 1210. 2806 BGH, NJW 1990, 2928, 2929; BGH, NJW 1984, 2629, 2630; BGH, NJW 1984, 1397, 1398; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 393. 2807 Vgl. BGHZ 29, 176, 180; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 83. 2808 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 329; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 258; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327 f. 2809 BGH, NJW 1996, 777, 779; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 83. 2810 Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht auf ein bestimmtes Risiko ist aber nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik. Maßge-

428

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

sie in einem Absehen von jeglicher Behandlung oder einer anderen Behandlungsmethode bestehen – erstreckt2811. Auch die „Grundaufklärung“ erfasst daher alle gegenständlich geschilderten Faktoren. Wichtig ist, dass nach der Zweckrichtung der Aufklärungsverpflichtung nicht nur die berufliche und private Lebensführung des Patienten, sondern auch seine erkennbaren Entscheidungspräferenzen zu berücksichtigen sind2812. Dies ist eine entscheidende Weichenstellung, weil damit unumkehrbar festgelegt wird, dass sich der Umfang der geschuldeten Information – parallel zu unseren Ergebnissen hinsichtlich anwaltlicher Aufklärungspflichten2813 – unbedingt nach dem Informationsbedürfnis des Gläubigers richtet. Insofern stehen Notwendigkeit und Inhalt der Aufklärung nicht im Ermessen des Arztes, sondern ergeben sich aus objektiven Kriterien und den erkennbaren Erwartungen des Patienten2814. Erforderlich ist nach einhelliger Auffassung eine patientenbezogene Informationsvermittlung2815. Das, was sie ausmacht, verschließt sich indes einer konkreten Definiton, da jeder Patient in anderem Umfang der Information bedarf. Doch wird vor diesem Hintergrund immerhin leicht nachvollziehbar, warum der BGH die Aufklärungspflicht auf genereller Ebene zurückhaltend dahin umschreibt2816, dass zwar die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken durch den Arzt nicht erforderlich ist2817, dem Patienten aber in jedem Fall eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden muss2818. Auf dieser Grundlage kann der Patient nach der Vorstellung des BGH – wie sich aus dessen Anforderungen im Umkehrschluss ergibt – genauere Einzelheiten über Art und Größe der Gefahr erfragen2819. Eine Nachfragelast des Patienten wird man – parallel zu den gerade hinsichtlich der Vorgaben der PELSC und des DCFR angestellten Überlegungen2820 – jedoch nur ausnahmsweise annehmen können2821. Denn eine real-effektive Selbstbestimmung des Patienten darf nicht durch eine für diesen nicht einschätzbare generelle Zuweisung des Informationsrisikos eingeschränkt werden. Dies sieht auch bend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet, BGH, VersR 2010, 115, 116. 2811 BGH, NJW 1990, 2928; BGH, NJW 1983, 333; BGH, NJW 1971, 1887, 1888 f. Die Aufklärungspflicht bezüglich eines Risikos besteht aber auch dann, wenn das Risiko statistisch betrachtet nur in einem von 1.000 Fällen auftritt, vgl. OLG Köln v. 25.4.2007 – 5 U 180/05, n.v. 2812 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 330; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 327 ff. 2813 Vgl. ab S. 361. 2814 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 282. 2815 BGH, VersR 2009, 257, 258; Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 2; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 7; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 330; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 328 m.w.N. 2816 BGH, NJW 2006, 2108, 2109. 2817 Vgl. bereits BGHZ 144, 1, 7; BGHZ 90, 103, 106; BGH, VersR 1991, 777, 779. 2818 So bereits BGHZ 90, 103, 106, 108; BGH, VersR 1992, 960, 961. 2819 Erman/Schliemann, BGB § 823 Rn. 138; kritisch Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 101. 2820 Vgl. ab S. 422.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

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der BGH letztlich nicht anders, muss doch nach ständiger Rechtsprechung auch über sehr seltene Risiken, die im Falle ihrer Verwirklichung die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien aber überraschend sind, aufgeklärt werden2822. Die Vorstellung davon, was zur nicht der Nachfrage bedürftigen Grundaufklärung gehört, variiert also in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls. Die Rechtsprechung behält sich – der Natur der Sache angemessen2823 – eine flexible Reaktion vor und zwingt damit auch den Arzt, sich auf den konkreten Patienten einzustellen.

bb) Im Ansatz komparativer Maßstab Auch die geschuldete Intensität der Aufklärung ist folgerichtig abhängig von den vorstehend beschriebenen Umständen des Einzelfalls, was eine abschließende Aufzählung der maßgeblichen Kriterien unmöglich macht2824. Immerhin lässt sich auch insoweit allerdings feststellen, dass die „Elemente der Beurteilung“ „in einer komparativen Wechselbeziehung zueinander“ stehen2825. In der Literatur werden als in Ansehung der Rechtsprechung in der Regel besonders bedeutsame Kriterien der Intensitätsbestimmung die Komplikationsdichte2826, die Dringlichkeit der Maßnahme und die Größe des Risikos benannt2827. Diese wirken sich – komparativ betrachtet – wie folgt auf die geschuldete Intensität der Aufklärung aus: Die Aufklärung hat umso intensiver zu erfolgen, je weniger dringend der Eingriff ist, je wahrscheinlicher und gravierender seine Folgen für den Patienten sind, je mehr aussichtsreiche Alternativen existieren und je geringer die Chancen einer Heilung oder einer etwaigen Linderung sind2828. Ähnlich formuliert der BGH in seinem Urteil vom 14.3.2006: „[D]er erkennende Senat [hat] den Grundsatz aufgestellt, dass ein Patient umso ausführlicher und eindrücklicher über Erfolgsaussichten und etwaige schädliche

2821

I.E. ebenso OLG Stuttgart, VersR 1998, 1111, 1113; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 101; tendenziell ein wenig großzügiger zugunsten des Arztes hingegen BGH, NJW 1980, 633, 635. 2822 BGH, NJW 1984, 1397, 1398; BGH, NJW 2006, 2108, 2109; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 330; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 333 ff. m.w.N. 2823 Vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 7: „Umfang und Intensität der Aufklärung lassen sich nicht abstrakt festlegen, …“ 2824 Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 84; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 7. 2825 Erman/Schiemann, BGB § 823 Rn. 138; i.E. Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 84; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 7; vgl. auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 328. 2826 Diese verliert aber aufgrund besserer Einsicht immer mehr an Gewicht, vgl. zu den Hintergründen nur Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 332; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 329. 2827 Erman/Schiemann, BGB § 823 Rn. 138. 2828 Vgl. Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 84, der feststellt, bei der Indikation spiele die Dringlichkeit die wichtigste Rolle.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Folgen eines ärztlichen Eingriffs zu informieren ist, je weniger dieser medizinisch geboten ist“2829. Vor diesem Hintergrund sind die Anforderungen an die Intensität der Aufklärung bei rein kosmetischen Operationen z.B. äußerst streng2830: Der Patient muss darüber unterrichtet werden, welche Verbesserungen er günstigenfalls erwarten kann, und ihm müssen etwaige Risiken deutlich vor Augen geführt werden, damit er genau abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg des ihn immerhin belastenden Eingriffs oder sogar gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will, selbst wenn diese auch nur entfernt als Folge des Eingriffs in Betracht kommen2831. Dies gilt erst recht bei der Aufklärung über Eingriffe, die dem Patienten weder gesundheitliche noch sonstige Vorteile körperlicher Art bringen können, sondern allein zugunsten der Allgemeinheit erfolgen, wie z.B. bei Blutspenden2832. Wenn hier indessen eine geradezu „schonungslose“ Aufklärung gefordert wird2833, ist dem nur mit der zu den PELSC und dem DCFR entwickelten Einschränkung2834 zu folgen, dass dem Patienten durch diese schonungslose Aufklärung selbst keine ernsthafte Gefahr droht.

cc) Möglichkeiten und Grenzen eines Abstellens auf die typische Interessenlage Ob hieraus allerdings umgekehrt gefolgert werden kann2835, dass therapeutische Gesichtspunkte das Maß der ärztlichen Aufklärungspflicht umso eher begrenzen können, je dringlicher der Eingriff sich nach medizinischer Indikation und Heilungsaussicht darstellt2836, ist zweifelhaft. Doch dürfte es sich bei den entsprechenden Feststellungen der Rechtsprechung um eine stark ergebnisorientierte Umschreibung der typischen Interessenlage handeln2837, die ein wenig missverständlich formuliert ist. Denn ausgehend davon, dass ein vernünftiger Patient umso eher in einen Eingriff einwilligen wird, desto stärker die medizinische Indikation und desto größer die Heilungschancen sind, handelt es sich im Ansatz um eine durchaus treffende Umschreibung der typischen Interessenlage2838. Wichtig ist hierbei einerseits zu bemer2829

BGH, NJW 2006, 2108; BGH, NJW 1991, 2349. Zuletzt BGH, VersR 2009, 257, 258; vgl. hierzu auch Staundinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 85 m.w.N. 2831 BGH, NJW 2006, 2108; BGH, NJW 1991, 2349; BGH, NJW 1972, 335, 337. 2832 BGH, NJW 2006, 2108. 2833 So ausdrücklich OLG Bremen, VersR 2004, 911, 912; Spickhoff, NJW 2006, 2075 m.w.N. Für ein experimentelles, wissenschaftlich noch nicht anerkanntes Verfahren, dessen Erfolgsaussicht als zweifelhaft einzustufen ist, ebenso OLG Düsseldorf, VersR 2004, 386. 2834 Vgl. ab S. 476. 2835 Zum Streitstand Katzenmeier, Arzthaftung, S. 328 f. 2836 Vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 10 m.w.N. 2837 Vgl. z.B. deutlich in diese Richtung BGH, NJW 1973, 556, 558. 2838 Möglichkeiten und Grenzen einer Standardisierung ärztlicher Beratung untersucht Damm, MedR 2006, 1, 8 ff. 2830

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

431

ken, dass die Umstände des Einzelfalls selbstverständlich eine hiervon abweichende Beurteilung erforderlich machen können2839. Andererseits darf nicht aus dem Blick geraten, dass es sich auch nach den Feststellungen des BGH insoweit letztlich nur um „Richtungsangaben“ handelt, denen gerade vor dem Hintergrund selbstbestimmten Patientenhandelns bestimmte Grenzen unausweichlich immanent sind. So entbindet selbst eine vitale oder absolute Indikation in keinem Fall schlechthin von der Aufklärungspflicht, sondern beeinflusst nur Genauigkeitsgrad und Intensität der Aufklärung2840. Maßstab ist letzlich immer das Informationsbedürfnis des konkreten Patienten und wenngleich bisweilen (in Abwesenheit besonderer Umstände des Einzelfalls: zu recht2841) auf die Figur des „verständigen Patienten“ abgestellt wird2842, wird das Informationsbedürfnis und die u.a. mit ihm korrespondierende Informationsverpflichtung doch nicht durch diese Figur begrenzt2843. Denn einem im konkreten Fall offenbar gewordenen Informationsbedürfnis hat der Arzt stets nachzukommen, womit der aktuelle Patient dem „verständigen“ Patienten vorgeht2844. Nicht aufklärungspflichtig sind folgerichtig grundsätzlich eingriffsspezifische Risiken, die so außergewöhnlich und unvorhersehbar sind, dass sie für die Einwilligungsentscheidung des aktuellen Patienten keine Bedeutung haben2845. Anderes kann allerdings gelten, sofern für den Eingriff keine Dringlichkeit besteht2846. Allgemeine Operationsrisiken, wie sie mit jedem größeren Eingriff verbunden sind (z.B. Wundinfektionen usw.), darf der Arzt wiederum im Regelfall als bekannt und damit nicht erörterungsbedürftig voraussetzen2847. Auch dies darf er mit der Konsequenz einer entsprechenden Aufklärungspflicht aber konkret dann nicht, wenn der Patient den Eingriff ersichtlich für ganz ungefährlich hält2848. Denn der Arzt ist – abstrakt formuliert – hinsichtlich aller Risiken aufklärungspflichtig, deren Kenntnis bei dem konkreten Patienten nicht

2839

So ausdrücklich etwa BGH, NJW 1973, 556, 558. BGHZ 90, 103, 105 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 373b m.w.N. 2841 Denn letztlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um den Versuch, die Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten für den Normalfall praktikabel zu gestalten, RGRK /Nüßgens, BGB § 823 Anh. II, Rn. 112; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 269 m. Fn. 376. 2842 Vgl. z.B. BGH, VersR 1973, 244, 245 f. 2843 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 331. 2844 Für viele Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 89; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 49; Damm, MedR 2006, 1, 8; Steffen, MedR 1983, 88, 89; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 331 m.w.N. 2845 BGH, NJW 1991, 2346, 2347; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 89; zweifelnd Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 45. 2846 OLG Bremen, VersR 2004, 911, 912; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 181 m.w.N. 2847 BGHZ 116, 379, 382; BGH, NJW 1996, 788; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 404; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 47; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 330 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 2848 Vgl. BGHZ 116, 379, 383; nach Bildungsschichten differenzierend OLG Karlsruhe, MedR 1985, 79, 81. 2840

432

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

vorausgesetzt werden kann, die aber für seine Entscheidung über die Behandlungseinwilligung ernsthaft ins Gewicht fallen können2849. Eine formularmäßige Aufklärung durch Übergabe eines Merkblattes o.Ä. genügt hierfür im Übrigen in aller Regel nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Arzt sich grundsätzlich nicht auf die Übergabe von Formularen oder Merkblättern zurückziehen, die er vom Patienten unterzeichnen lassen hat2850. Die Unterzeichnung derartiger Formulare beweist nämlich für sich genommen nicht, dass der Patient sie gelesen und verstanden hat sowie dass ihm ihr Inhalt oder (erst recht) nicht ausdrücklich im Formular erwähnte Risiken erörtert wurden2851. Die reine Formularaufklärung kann nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung geradzu im Widerspruch zu Wesen und Sinn der Patientenaufklärung stehen2852. Jedenfalls ist es dem Arzt anders als im „vertrauensvollen Gespräch“2853 einerseits gar nicht möglich, angemessen sicherzustellen, dass der Patient die mitgeteilten Informationen verstanden hat. Andererseits hat der Patient außerhalb eines Gesprächs auch keine Möglichkeit, seinerseits Fragen zu stellen und so sein Verständnis zu vergrößern, zu entwickeln oder zu überprüfen2854. Um das Aufklärungsgespräch vor- und nachzubereiten, d.h. letztlich: zu entlasten, sind Formulare m.E. allerdings durchaus geeignet und insofern auch sinnvoll2855.

c)

Insbesondere: Die Aufklärung über Behandlungsalternativen

Die Wahl der Behandlungsmethode steht, wie dargelegt, grundsätzlich dem Arzt zu2856. Im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung ist der Patient allerdings grundsätzlich auch über Behandlungsalternativen aufzuklären2857. Dogmatisch betrachtet ist diese Alternativenaufklärung Bestandteil der Risikoaufklärung2858. Die Einwilligung des Patienten in die Verletzung seiner körperlichen Integrität ist – wie erörtert – nur wirksam, wenn dieser die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs versteht. Damit der Patient sein Selbstbestimmungsrecht mit der Konsequenz einer wirksamen Einwilligung ausüben kann, muss er jedoch wissen, was mit ihm geschehen soll. Dies setzt zunächst jedenfalls voraus, dass er sich ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des Eingriffs machen kann. Ferner muss er in der Lage sein, die Vor2849

Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 49; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 331. Vgl. BGH, NJW 1985, 1399; einschränkend für Routineeingriff mit geringer Risikoneigung BGHZ 144, 1, 13 f. (Schluckimpfung); hiergegen etwa Soergel /Spickhoff, BGB § 823 Anh. I Rn. 142; dem BGH zustimmend aber MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 797; zum Streitstand auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 342 m.w.N. 2851 BGH, NJW 1985, 1399. 2852 Spickhoff, NJW 2006, 2075, 2076. 2853 BGHZ 144, 1, 13; BGH, NJW 1985, 1399. 2854 MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 797. 2855 Vgl. dazu S. 448. 2856 Vgl. ab S. 299. 2857 Vgl. hierzu insbesondere Schelling/Erlinger, MedR 2003, 331 ff. 2858 Vgl. nur OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174 f. 2850

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

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und Nachteile einer geplanten Behandlung abzuwägen. Dies ist er aber nur, falls er auch die vorhandenen Alternativen kennt2859. Allerdings soll nach einer teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung eine Alternativenaufklärung grundsätzlich nicht erfolgen müssen2860, wenn der Arzt eine Therapie auswählt, die dem aktuellen medizinischen Standard entspricht. In diesem Fall soll der Arzt nicht verpflichtet sein, ungefragt zu erläutern, welche Alternativen theoretisch in Betracht kommen und mit welchen Vor- und Nachteilen diese jeweils verbunden sind2861. Dem wird man indessen in dieser Allgemeinheit nicht folgen können: Stehen für die konkrete Erkrankung mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen zur Verfügung, gebietet es das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, dass ihm durch eine entsprechende vollständige Aufklärung die Entscheidung darüber überlassen bleibt, auf welche Weise die Behandlung erfolgen soll2862, auf welches Risiko er sich also einlassen will2863. Denn bei unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen der in Frage kommenden Behandlungswege besteht für den Patienten eine echte Wahlmöglichkeit (Entscheidungskonflikt), die dieser – und nicht der Arzt an seiner Statt2864 – wahrnehmen können muss2865, was ihm nur bei entsprechender Aufklärung möglich ist. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn eine Diagnose nicht gesichert, sondern nur überwiegend wahrscheinlich ist, wie z.B. das OLG Köln hinsichtlich einer unklaren Krebs-Diagnose entschieden hat, bei der die Alternativen in einer radikalen Operation oder in einer Abklärung der Qualität des Tumors innerhalb der Operation mit dem Versuch einer schonenden Entfernung lagen2866. Aus den oben benannten, die Aufklärungspflicht bestimmenden Faktoren2867 ist als tragende dogmatische Kategorie vor allem die Dringlichkeit hervorzuheben: „Eine bestimmte therapeutische Maßnahme kann grundsätzlich nicht als dringend indiziert gelten, wenn es eine Alternative zu ihr gibt“2868. Was den Umfang der in diesem Fall geschuldeten Aufklärung angeht, gilt, dass der Arzt, sofern eine Wahlmöglichkeit für

2859

OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 175; Rehborn, MDR 2004, 371, 374 m.w.N. Kritisch zu recht etwa Damm, NJW 1989, 737, 741 ff.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 217 ff. 2861 Vgl. etwa KG, VersR 1993, 189 f.; Schelling/Erlinger, MedR 2003, 331; Katzenmeier, ArztR, S. 331 beide m.w.N. 2862 BGH, NJW 2006, 2477 f.; BGH, VersR 2005, 836, 837; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 779 f.; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 92 m.w.N. 2863 Vgl. etwa BGH, NJW 2000, 1788, 1789; OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174; Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 4; Katzenmeier, ArztR, S. 331; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 381 m.w.N. 2864 BGH, NJW 1982, 2121, 2122. 2865 Zu den Rechtsprechungsgrundsätzen vgl. Greiner, FS Geiß, S. 411 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 2866 OLG Köln, VersR 2006, 124, 125; vgl. auch OLG Köln, VersR 2005, 1147, 1148 m. zu Recht krit. Anmerkung Rinke, VersR 2005, 1149 f. 2867 Vgl. ab S. 426. 2868 Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 5. 2860

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

den Patienten besteht, grundsätzlich alle Informationen vermitteln muss, die der Kranke für seine Entscheidung benötigt2869. Ausgehend von einer echten Wahlmöglichkeit als Hintergrund und „Auslöser“ der Aufklärungspflicht ist nicht auf den ersten Blick nachzuvollziehen, warum die Akzeptanz der vom Arzt gewählten Methode den Umfang der hinsichtlich des Vorhandenseins sowie der Chancen und Risiken anderer Behandlungsmethoden geschuldeten Aufklärung beeinflussen können soll. Eine echte Wahlmöglichkeit kann ohne weiteres ja auch zwischen zwei akzeptierten, gleichermaßen dem aktuellen medizinischen Standard entsprechenden Methoden bestehen, sofern diesen nur unterschiedliche Chancen und Risiken eigen sind. Entscheidend kann daher für sich genommen nicht das Kriterium der Standardentsprechung, sondern muss die unterschiedliche Chancen- und Risikostruktur sein. Im Hintergrund der Einschränkung der Aufklärungspflicht bei standardentsprechender Methodenwahl dürfte indessen die in eine völlig andere Richtung gehende Überlegung stehen, dass der Patient typischerweise eher eine Behandlung wünschen wird, die dem medizinischen Standard entspricht, als eine nicht dem Standard entsprechende Behandlung. Denn dass die eine Behandlung zum Standard gehört, gewährt ihr in der Regel einen gewissen „Plausibilitätsvorschuss“2870 gegenüber der nicht zum Standard gehörenden Methode und es ist anzunehmen, dass sich der Patient diesen Plausibilitätsvorschuss zu Eigen machen wird2871. Vor diesem Hintergrund ist der Patient in der Tat in erster Linie über den Standard aufzuklären. Wünscht er nämlich eine alternative, nicht standardgemäße Methode – z.B. weil er die Standardmethode ablehnt –, wird er diese nach Vorschlag des Standards und Aufklärung über diesen durch den Arzt typischerweise von sich aus abstrakt erfragen („Bestehen noch andere Möglichkeiten?“), was dann in jedem Fall eine Aufklärungspflicht auslöst. Im Übrigen dient auch diese Begrenzung der Aufklärungspflicht dem realistischen Ziel, die Aufklärung nicht umfänglich zu überfrachten, was sie für den Arzt unangemessen belastend und für den Patient weniger nachvollziehbar macht. Insofern wird zu Recht angenommen, dass eine Pflicht, über ein alternatives Verfahren aufzuklären, das der Arzt nicht gewählt hat2872, grundsätzlich zumindest so lange nicht besteht, wie sich dieses erst in der Erprobung befindet2873 und der Patient nicht nach Alternativen fragt. Dabei ist umgekehrt nicht zu vernachlässigen, dass Standards sich dynamisch entwickeln und der Patient grundsätzlich ein Interesse haben wird, sich die neueren Erkenntnisse und Entwicklungen, die sich abzeichnen, zu nutze zu machen. Dem Rechnung tragend wählt die Rechtsprechung einen begrüßenswerten „Mittelweg“, wonach eine initiative Aufklärungspflicht zwar nicht für Verfahren in der „Erprobungsphase“2874, wohl aber für Behandlungsaltenativen besteht, in Bezug auf die die 2869

Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 5; näher MünchKomm /Wagner, BGB § 823 Rn. 779 f. 2870 Begriff nach Katzenmeier, Arzthaftung, S. 311; ders., NJW 2006, 2738. 2871 I.E. Schelling/Erlinger, MedR 2003, 331, 333 f. 2872 Vgl. zu den Aufklärungspflichten bei einer vom Arzt gewählten neuartigen Behandlungsmethode ab S. 462. 2873 LG Koblenz, VersR 1994, 1349; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 23; Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 4.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

435

wissenschaftliche Diskussion der immanenten Risiken zwar noch nicht in dem Sinne abgeschlossen ist, dass sie zu allgemein akzeptierten Ergebnissen geführt hat, bezüglich derer aber ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft auf bestimmte, mit einer entsprechenden Behandlung verbundene Gefahren hinweisen2875.

3.

Fazit

Auffällig ist, insbesondere vor dem Hintergrund der sogleich vorzustellenden älteren englischen Rechtsprechung, dass selbst die sprachliche Umschreibung des Aufklärungspflichtenprogramms in der deutschen Rechtsprechung und Literatur sich ganz auf die Bedürfnisse und Interessen des Patienten konzentriert. Wie Ärzte typischerweise in den entsprechenden Aufklärungssituationen tatsächlich verfahren, ist – trotz der unstreitigen Maßgeblichkeit des § 276 Abs. 2 BGB im Ansatz – scheinbar weder sprachlicher noch gedanklicher Ausgangspunkt der Überlegungen. Im Gegenteil, man konzentriert sich auf den konkreten Patienten in einer konkreten Situation, in der – dies ist entscheidend – in erster Linie er eine Entscheidung treffen soll und muss. Im Hintergrund mag dabei die Betonung seines Rechts auf Selbstbestimmung stehen, das die Perspektive entscheidend vorprägt. Dies war im englischen Recht auf der Grundlage der älteren englischen Rechtsprechung im Ansatz zunächst durchaus anders.

III. Die Aufklärungspflicht des Arztes nach englischem Recht Im englischen Arzthaftungsrecht war eine Aufklärungs- und Informationspflicht mit dem Ziel einer Entscheidung des Patienten für oder gegen eine bestimmte Form der Behandlung, die die Bezeichnung als „Entscheidung des Patienten“ auch wirklich verdient, lange Zeit keinesfalls ebenso selbstverständlich. Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht bilden insofern seit längerem einen bevorzugten Gegenstand dogmatischer Diskussion2876. 2874

Solange bewährte und mit vergleichsweise geringem Risiko behaftete Methoden zur Verfügung stehen, braucht der Arzt den Patienten nicht von sich aus über andere neuartige Verfahren zu unterrichten, sofern nicht der Arzt wissen muss, dass der Patient wegen eines speziellen Leidens zweckmäßiger und besser in entsprechenden Spezialkliniken untersucht und behandelt wird, vgl. BGH, NJW 1984, 1810, 1811; BGHZ 102, 17, 25; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 386. 2875 BGH, NJW 1996, 776, 777; OLG Koblenz, VersR 1999, 759, 760; i.E. OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 380; Laufs, in: ders./ Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 4. 2876 Vgl. nur Robertson, (1981) 97 LQR 102 ff.; Jones, (1984) 100 LQR 355 ff.; Kennedy, (1984) 47 MLR 454 ff.; Teff, (1985) 101 LQR 432 ff. sowie – ausgelöst durch die Entscheidung des australischen High Court in der Sache Rogers v Whitaker (1992) 175 CLR 479 (High Court of Australia) – Chalmers/Schwartz, (1993) 1 Med L Rev 139 ff. [dort zit. als (1992) 67 ALJR 47]; Trindade, (1993) 109 LQR 352 ff.; Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.29 m.w.N.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

Fest steht dabei zunächst, dass der Arzt den Patienten vor der Behandlung aufklären muss2877. Aus der Perspektive des Deliktsrechts ist dies erforderlich, um eine Haftung aus dem tort of negligence oder dem tort of battery zu vermeiden2878. Konzeptionell ist der Vortrag, der Patient habe in die Behandlung eingewilligt, nämlich zunächst ein Verteidigungsinstrument gegen den tort of battery2879. Battery erfordert eine vorsätzliche Berührung des Patienten2880. Daneben ist der Vortrag eines consent zur Verteidigung gegen eine Klage wegen Verletzung der duty to inform aus dem tort of negligence geeignet2881, wenngleich er diese nicht zwingend auszuschließen vermag. Denn nicht nur schließt auch die Einwilligung des Patienten eine Haftung des Arztes nicht aus, sofern kein kompetenter Mediziner die in Rede stehende Behandlung vorgenommen hätte2882. Darüber hinaus beschäftigt sich die negligence-Haftung auch nicht eigentlich mit der Frage, ob die Pflicht, eine wirksame Einwilligung in die Behandlung einzuholen, erfüllt wurde, sondern mit der anders gelagerten Frage, ob der Arzt – ungeachtet einer wirksamen Einwilligung – seinen vertraglichen bzw. deliktischen Aufklärungsverpflichtungen nachgekommen ist2883. Dies gilt es im Folgenden zu erläutern. Wenn und soweit bei der ärztlichen Behandlung neben den deliktischen Pflichten ein Vertrag besteht, dürfte dies für den Umfang der Aufklärungspflicht zunächst insofern keine Rolle spielen, als die Gerichte bemüht sind, die Ergebnisse vertraglicher und deliktischer Haftung soweit wie möglich anzugleichen2884. Darüber hinaus definieren die zur Erfüllung der deliktisch ohnehin bestehenden Aufklärungspflicht übermittelten Informationen in der Regel auch den Vertragsinhalt. Denn im Rahmen der Vertragsauslegung sind die Umstände zu berücksichtigen, die eine Partei der anderen vor Vertragsschluss zur Kenntnis gebracht hat2885. Soweit der Arzt den Patienten also vor der Behandlung über sein beabsichtigtes Vorgehen aufklärt und dieser sich damit einverstanden erklärt, handelt es sich dabei um nicht weniger als die Konkretisierung des Leistungsgegenstandes. Unterschreibt ein Patient, wie üb2877

Die zusätzlichen Problemkomplexe, die der incompetent patient aufwirft, bleiben hier ausgeklammert, s. zu ihnen etwa Jones, Negligence, §§ 6–023 ff., §§ 6–036 ff.; Kennedy/ Grubb, Medical Law, S. 596 ff.; knapp de Cruz, Medical Law, S. 32 f. 2878 Zu den deliktsrechtlichen Fragen der Behandlung ohne rechtsgültige Einwilligung des Patienten vgl. ausführlich Jones, Negligence, § 6; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 650 ff. 2879 Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 105; Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298. 2880 Das Motiv spielt keine Rolle, Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 106. 2881 Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 105; Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298. 2882 Vgl. dazu Doughty v North Staffordshire Health Authority [1992] 3 Med LR 81 (zit. nach Jones, Negligence, § 4–061): Erfolglose Durchführung zahlreicher plastischer Operationen an einem Kind zur Entfernung eines Geburtsmals, die zu einer deutlichen Vernarbung des Gesichts führten. 2883 Vgl. z.B. Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93 f. 2884 Vgl. nochmals Jones, Negligence, §§ 2–003 f. 2885 Vgl. nur Lewison, Interpretation, § 2.08. Die Auslegungsmethode für schriftliche Verträge ist unlängst durch Lord Hoffmann zusammengefasst worden in Investors Comp. Scheme v West Bromwich Building Society [1998 ] 1 All ER 98, 114 f. (HL), dazu Spellenberg, in: H. Honsell u.a., FS Ernst A. Kramer, S. 311, 318 ff.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

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lich, vor der Operation und nach einer entsprechenden Aufklärung eine Einwilligungserklärung, wird diese – soweit dies nicht ausnahmsweise nicht gewollt ist – Teil des Behandlungsvertrages2886.

1.

Der Umfang der Aufklärungspflicht

Inwieweit sich die vertragliche Position des Patienten aufgrund der Aufklärungspflicht des Arztes verbessert, hängt wesentlich mit deren Umfang zusammen. Hier gilt es zunächst zu differenzieren. Denn an die Aufklärung, die einen consent, der den tort of battery ausschließt, begründet, sind andere Anforderungen zustellen, als an die, die die Erfüllung von Aufklärungspflichten im Rahmen der negligence-Haftung bedeutet.

a)

Aufklärung und battery

Der tort of battery scheidet nämlich bereits aus, wenn eine wirksame Einwilligung des Patienten in die Behandlung vorliegt. Die Einwilligung wird insoweit als Bewusstseinszustand begriffen, nach dem der Patient mit einer Verletzung seiner körperlichen Integrität einverstanden ist2887. Einem formularmäßigen schriftlichen Einverständnis2888 kommt lediglich eine gewisse beweisrechtliche Bedeutung zu; entscheidend ist jeweils die aktuelle Haltung des Patienten gegenüber der Behandlung2889. Ein nur der Form nach vorhandenes Einverständnis ist kein Einverständnis im Rechtssinne2890. Nicht genügend ist zum Nachweis einer wirksamen Einwilligung des Patienten folglich die Vorlage einer unterzeichneten Einwilligungserklärung, die der Patient nie gelesen oder lediglich auf dem Weg in den Operationssaal unterschrieben hat2891. Denn eine Zustimmung zur Behandlung erfordert, dass der Patient Zeit hatte, die maßgeblichen Informationen aufzunehmen und zu reflektieren. Mit den Worten von Lord Donaldson MR: “They [consent forms] will be wholly ineffective … if the patient is incapable of understanding them, they are not explained to him and there is no good evidence

2886

Eyre v Measday [1986] 1 All ER 488, 492 per Slade LJ (CA); Thake v Maurice [1986] 1 All ER 497, 511 per Nourse LJ (CA); Jones, Negligence, § 2–007; Kennedy/Grubb, Medcial Law, S. 274; Grubb, in: ders., Principles, § 5.13; Teff, Care, S. 171; International Encyclopedia of Laws – Medical Law – United Kingdom /Price, § 169. 2887 Vgl. Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal and Maudsley Hospital [1985] 1 All ER 643, 658 per Lord Diplock (HL); Grubb, in: ders., Principles, § 3.37. 2888 Zu den damit verbundenen Problemen näher Grubb, in: ders., Principles, §§ 3.61 ff. 2889 Grubb, in: ders., Principles, § 3.38. 2890 Chatterton v Gerson [1981] 1 All ER 257, 264 f. per Bristow J (HC). Vgl. auch Teff, Care, S. 171 m. Fn. 168. 2891 Newdick, Treat, S. 149.

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

(apart from the patient’s signature) that he had that understanding and fully appreciated the significance of signing it”2892. Um wirksam zu sein, muss das Einverständnis drei Voraussetzungen erfüllen2893. Es muss zunächst (1) von einer rechtlich entscheidungsfähigen Person erteilt sein2894. Ferner muss es (2) „real“ sein, d.h. sich auf adäquate Information gründen, und schließlich (3) freiwillig, d.h. ohne unzulässige Einflussnahme erteilt werden. Im vorstehenden Zusammenhang soll uns nur die zweite Anforderung interessieren, die adäquate Information, die ermöglicht, die erklärte Zustimmung als „real“ zu qualifizieren. Der häufig zu findende, auch in Art. 7:108 PELSC, IV.C. – 8:108 DCFR verwendete Begriff des „informed consent“ sollte bei der Behandlung des englischen Rechts gemieden werden, da er ohne Not Konnotationen mit der vor allem im amerikanischen Recht entwickelten Doktrin des „informed consent“ weckt, die es im englischen Recht in dieser Form nicht gibt2895. Stattdessen ist zu fragen, unter welchen Voraussetzungen der consent „real“ ist. Bristow J hat insoweit – bestätigt durch den Court of Appeal2896 – lediglich gefordert, dass der Patient in groben Zügen informiert werden muss: “once the patient is informed in broad terms of the nature of the procedure which is intended, and gives her consent, that consent is real, and the cause of action on which to base a claim for failure to go into risks and implications is negligence, not trespass”2897. Sofern ein echtes Einverständnis vorliegt, scheidet eine – für den Patienten in mehrfacher Hinsicht vorteilhafte2898 – Haftung des Arztes wegen battery aus. Eine Haftung wegen negligence vermag diese „Echtheit“ der Einwilligung indessen nicht auszuschließen. Nach welchem Maßstab insoweit differenziert wird, lässt sich nicht trennscharf formulieren, was den Hintergrund für die von Robertson getroffene Feststellung bilden dürfte, dass „[t]he phrase ‚the general nature and purpose of the proposed treatment‘ is one which is often used but seldom explained“2899. Klar ist immerhin, dass, um die Echtheit des consent verneinen zu können, größere Informationsdefizite vorhanden sein müssen als im Rahmen der negligence-Haftung2900. Denn nur wenn

2892

Re T [1992] 4 All ER 649, 663 per Lord Donaldson MR (CA). Statt aller Grubb, in: ders., Principles, § 3.68; Jones, Negligence, § 6–019. 2894 Einzelheiten dazu bei Grubb, in: ders., Principles, §§ 3.69 ff. 2895 Vgl. nur Grubb, in: ders., Principles, § 3.93. 2896 Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal and Maudsley Hospital [1984] 1 All ER 1018, 1029 per Dunn LJ (CA). 2897 Chatterton v Gerson [1981] 1 All ER 257, 265 (HC). 2898 Vgl. dazu nur Jones, Negligence, § 6–030. 2899 Robertson, (1981) 97 LQR 102, 113. 2900 Jones, Negligence, § 6–029; vgl. auch von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 427 m. Fn. 1501. 2893

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

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nicht einmal über die „Natur“ der beabsichtigten Behandlung aufgeklärt wird, kommt eine Haftung aus battery in Betracht. Insofern bildet die fehlende oder fehlerhafte Aufklärung über die mit der – in ihrer „Natur“ erläuterten und bewilligten – Behandlung das alleinige Ressort der negligence-Haftung. Eine trennscharfe Unterscheidung dürfte auf dieser Grundlage zwar – entgegen dem Verständnis der Rechtsprechung – nicht möglich sein2901, doch wird diese ihr Konzept in absehbarer Zukunft nicht korrigieren2902.

b)

Aufklärungspflichten und negligence

Ob die Aufklärung ausreichend war, um eine Haftung aus negligence – und damit wegen Vertragsbruchs – zu vermeiden, orientiert sich (wenigstens vordergründig2903) wiederum an den Kriterien des Bolam-Tests2904. Dies illustiert bereits anschaulich die (wenige Jahre vor Bolam ergangene) Entscheidung Hatcher v Black, in der einer professionellen Sängerin nicht erklärt worden war, dass die partiale Thyreoidektomie (teilweise Entfernung der Schilddrüse), die sie im Begriff war, an sich durchführen zu lassen, ein geringes Risiko beinhaltete, ihre Stimme dauerhaft zu beschädigen. Tatsächlich wurde sie diesbezüglich sogar vorsätzlich getäuscht, indem man ihr erklärte, es bestehe kein Risiko. Dieses angeblich inexistente Risiko realisierte sich und zerstörte ihre Karriere, woraufhin sie den behandelnden Arzt verklagte. Dieser gab vor Gericht die Lüge zu. Er habe allerdings „for the good of the patient“ gelogen, damit diese sich keine Sorgen machen würde. Andere Chirurgen befürworteten dieses Vorgehen als Gegenstand eines individuellen professionellen Urteils und angesichts dessen fragte Lord Denning die Jury: „If they [= other surgeons] do not condemn him, why should you?“2905. Fragen wie diese sind es, die manche annehmen lassen, bei der gerichtlichen Behandlung der arzthaftungsrechtlichen Aufklärungspflicht habe sich die Interpretation des Bolam-Tests von ihrer schlimmsten Seite gezeigt2906. Das englische Arzthaftungsrecht beginnt jedoch, dem verstärkt Rechnung zu tragen.

2901

Ebenso Jones, Negligence, § 6–032 m.w.N. Konkretisierungsbemühungen bei Grubb, in: ders., Principles, §§ 3.96 ff. 2902 Ebenso Grubb, in: ders., Principles, § 3–100. 2903 Zur jüngsten Rechtsprechung des House of Lords vgl. ab S. 454. 2904 Robertson, (1981) 97 LQR 102, 118; Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 110 f. 2905 Hatcher v Black, The Times, July 2, 1954 (zit. nach Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 133). 2906 So etwa Badenoch, (2004) 72 Medico-Legal Journal 127, 133. Newdick, Treat, S. 145: „This view must surely be wrong today“.

440

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

aa) Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal and Maudsley Hospital Zu nennen ist hier zunächst die Entscheidung des House of Lords in der Sache Sidaway v Board of Governors of the Bethlem Royal and Maudsley Hospital2907: Die Klägerin war in dieser Entscheidung durch einen (noch vor Verhandlungsbeginn verstorbenen) Arzt zur Linderung von Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule operiert worden, wobei es zu einer unverschuldeten Verletzung ihres Rückenmarks kam, die in einer schweren Behinderung der Klägerin mündete. Das Risiko einer derartigen Verletzung war sehr gering (unter 1%). Der operierende Artz hatte es laut Prozessvortrag der Klägerin unterlassen, sie über dieses Risiko aufzuklären, obgleich er sie offenbar – die Tatsachenfeststellungen waren insoweit vage – über ein anderes, vergleichbar geringes Risiko aufgeklärt hatte. Laut Sachverständigengutachten entsprach es der Praxis eines verantwortlichen Teils der Medizin, nicht über das realisierte Risiko aufzuklären. Damit waren die Voraussetzungen des Bolam-Tests in arzthaftungsrechtlicher Interpretation an sich erfüllt und dieser Test war zuvor auch schon in Aufklärungsfällen angewendet worden2908. Das House of Lords entschied sich indes (mehrheitlich) dafür, den Bolam-Test (bzw. dessen praktische Handhabung) in Aufklärungsfällen zu relativieren.

(1)

Die vermittelnde „Mehrheitsauffassung“2909

Lord Bridge (dessen Ansicht Lord Keith teilt) nimmt insoweit zwar an, dass der BolamTest das „right to decide“ des Patienten nicht ausreichend zu schützen vermöge2910, will die Bemessung des Aufklärungsumfangs aber gleichwohl dem Bolam-Test entsprechend in erster Linie der Ärzteschaft überlassen. Er fügt – und das ist entscheidend – jedoch einschränkend hinzu, dass in Ausnahmefällen auch das Gericht selbst über den erforderlichen Aufklärungslevel entscheiden dürfe: “… the judge might in certain circumstances come to the conclusion that disclosure of a particular risk was so obviously necessary to an informed choice on the part of the patient that no reasonably prudent medical man would fail to make it. The kind of case I have in mind would be an operation involving a substantial risk of grave adverse consequences.”2911 2907

Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643. Zu einer Analyse dieser Entscheidung vgl. vor allem Kennedy, Treat, S. 193 ff. 2908 Hills v Potter [1984] 1 WLR 641, 652 per Hirst J (HC). 2909 Es ist, u.a. weil die speech von Lord Templeman nicht ganz leicht einzuordnen ist, nicht völlig klar, ob es in Sidaway tatsächlich eine „Mehrheitsauffassung“ gibt bzw. wie sich diese zusammensetzt, vgl. zum Meinungsstand in der Literatur Jones, Negligence, § 6–089 m. Fn. 92; außerdem Grubb, in: ders., Principles, §§ 3.124; wie hier Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298, 300; ähnlich wohl Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93, 94 m. Fn. 8. 2910 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 662 (HL). 2911 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643. 663 (HL) mit einem – nicht zu verallgemeinerbaren Schlüssen taugenden – Beispiel.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

441

Es ist freilich schwer zu sagen, wann diese Kriterien im Einzelfall erfüllt sind2912. Eine vermittelnde Lösung wählt auch Lord Templeman, der sich insoweit auf vertragsrechtliche Überlegungen stützt. Nach seiner Auffassung ist weder der Patient nicht berechtigt, alles zu wissen, noch der Arzt berechtigt, alles zu entscheiden. Die Auflösung dieses Konflikts habe den vertraglichen Ursprung der Arzt-Patienten-Beziehung zu berücksichtigen. Insofern sei zu bedenken, dass der Arzt zwar „obedient to the high standards set by the medical profession impliedly contracts to act at all times in the best interests of the patient“2913. Aber kein Arzt „in his senses would impliedly contract at the same time to give to the patient all the information available to the doctor as a result of the doctor’s training and experience and as a result of the doctor’s diagnosis of the patient“2914. Im Gegenteil, eine Verpflichtung, dem Patienten alles ärztliche Wissen zugänglich zu machen, würde mit der Verpflichtung des Arztes, jederzeit im besten Interesse des Patienten zu handeln, häufig sogar unvereinbar sein. Denn einige Informationen würden den Patienten vielleicht verwirren, andere sogar (gemeint ist wohl: unnötig) alarmieren. Vor diesem Hintergrund müsse der Arzt, wann immer er sich in der Situation befinde, den Patienten über seine Diagnose, die möglichen Behandlungsarten sowie über die Vorteile und Nachteile der empfohlenen Behandlung zu informieren, „decide in the light of his training and experience and in the light of his knowledge of the patient what should be said and how it should be said“2915. Dabei sei der Arzt aber nicht berechtigt, „to make the final decision with regard to the treatment which might have disadvantages or dangers“. Vielmehr gelte, dass, „[w]here the patient’s health and future are at stake, the patient must make the final decision“. Der Patient sei insoweit frei, sich der empfohlenen Behandlung zu unterziehen oder nicht. Gerade aus diesem Grund verspreche der Arzt vertraglich implizit, „to provide information which is adequate to enable the patient to reach a balanced judgement, subject always to the doctor’s own obligation to say and do nothing which the doctor is satisfied will be harmful to the patient“. Zusammenfassend umschreibt Lord Templeman den Inhalt der ärztlichen Pflicht wie folgt: “The obligation of the doctor to have regard to the best interests of the patient but at the same time to make available to the patient sufficient information to enable the patient to reach a balanced judgement if he chooses to do so has not

2912 2913

2914 2915

Kritisch deshalb Grubb, in: ders., Principles, §§ 3.127 f. Dazu sei angemerkt, dass sich dies kaum mit der häufig zu findenden Formulierung verträgt, geschuldet sei – auch persönlich – lediglich Durchschnitt, d.h. nicht das Beste, das zu leisten man im Stande ist. Das relativ Beste im Sinne des Patienten ist es, wenn der Arzt zumindest so gut ist, wie er kann. Das ist aber typischerweise gerade nicht geschuldet, sondern lediglich die Sorgfalt eines der betreffenden Profession angehörigen reasonable man. Lord Templeman schwächt diese Aussage in der Folge aber auch dadurch stetig ab (vgl. das oben widergegebene Zitat), indem er lediglich davon spricht, der Arzt müsse auf das Beste im Sinne des Patienten Rücksicht nehmen. Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 665 (HL). Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 666 (HL).

442

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

altered because those obligations have ceased or may have ceased to be contractual and become a matter of duty of care”2916. Lord Templemans speech ist nicht nur wegen dieses vertragsrechtlichen Denkmodells bemerkenswert2917. Zweifelhaft ist, ob mit diesem vertragsrechtlich orientierten Ansatz die überraschenderweise vom Individualrecht ausgehende Begründungsrichtung zusammenhängt, die in der sogleich näher dargestellten speech von Lord Scarman noch viel deutlicher werden wird. Die Herleitung einer ärztlichen duty to warn aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, also aus einem Individualrecht, ist für das englische Deliktsrecht zumindest untypisch2918. Im Regelfall wird nämlich der Pflichtenkreis des Akteurs zum Ausgangspunkt der Betrachtung gemacht, während das deutsche Deliktsrecht umgekehrt eher den Schutz subjektiver Rechtsgüter ausgeht2919. Dem Bolam-Test begegnet Lord Tempelmans Lösung jedenfalls im Ansatz mit einer Einschränkung seines Anwendungsbereichs, die im Ansatz deutliche Parallelen zur Rechtsprechung des BGH aufweist: Wenn und soweit der Arzt dem Patienten eine generelle Kenntnis darüber vermittelt habe, dass (und inwiefern) es sich um eine aufwendige und gefährliche Operation handele, bleibe die Vermittlung von Detailwissen über die bestehenden allgemeinen Risiken den Fragen des Patienten überlassen2920. Soweit bestehende Risiken allerdings nicht in die Kategorie „allgemein“ fielen, sollten sie dem Patienten ausdrücklich und ungefragt zur Kenntnis gebracht werden2921. Diese Differenzierung ist problematisch. Denn zunächst erscheint es unrealistisch, anzunehmen, dass sich Patienten genereller Risiken bewusst sind2922. Der Ansatz im Anwaltshaftungsrecht ist insoweit zu Recht ein anderer2923. Selbst wenn man dies aber einmal unberücksichtigt lässt, ist ferner darauf hinzuweisen, dass – schon bei objektiver Betrachtung – allenfalls im Kernbereich klar ist, wann es sich um ein „generelles“ und wann um ein „besonders“ Risiko handelt. Entscheidend kommt hinzu, dass es – da schließlich dem konkreten Patienten eine Wahl zwischen verschiedenen Behandlungsvarianten ermöglicht werden soll – gar nicht allein auf eine globale Qualifikation als „generell“ oder „besonders“ ankommen darf 2924. Denn was einem Patient vielleicht als „generelles“ Risiko bekannt ist, mag für einen anderen 2916

Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 666 (HL). Auffällig ist bereits, dass er seine speech beginnt, „as if the legal canvas is empty and then seeks to paint a new picture“, Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 693; vgl. im Übrigen auch Jones, Negligence, § 6–089 m. Fn. 92; Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298, 300. 2918 Vgl. zum Folgenden zutreffend Hauschild, Maßstab, S. 88 f. 2919 Näher zum Gedanken des Rechtsgüterschutzes im deutschen Deliktsrecht Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §§ 75 I 3 b), 76, 77 II 4; Canaris, 2. FS Larenz, S. 26, 48 ff., 58 ff.; das Konzept des deutschen Deliktsrechts rechtsvergleichend umfassend in den europäischen Kontext stellend von Bar, Deliktsrecht I, II. 2920 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 664 f. (HL). 2921 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 665 (HL). 2922 Ebenso Grubb, in: ders., Principles, § 3.129 und – auf der Grundlage von Patientenbefragungen – MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 19. 2923 Vgl. ab S. 369. 2917

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

443

Patienten ein „besonderes“ Risiko darstellen2925. Vor diesem Hintergrund wird die eigentliche Frage: „Wer bestimmt, was eröffnet werden muss?“ nicht mit hinreichender Sicherheit entschieden. In Fragen der Patientenaufklärung über „besondere“ Risiken, in denen die Medizin gespalten ist oder sich gegen die Erwähnung eines Risikos entschieden hat, ist nach Lord Templemans Auffassung jedoch (immerhin tendenziell) kein Raum für ein „medical judgement“.

(2)

Die „Minderheitsauffassungen“

(a) Noch weiter geht in seiner speech Lord Scarman. Sich maßgeblich – hilfsweise unter Übernahme der amerikanischen „doctrine of informed consent“2926 – auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten stützend2927, stellt Lord Scarman zunächst fest, dass viele Patienten trotz mangelhafter Aufklärung ohne Anspruch bleiben müssten, falls man der Prüfung des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht ausschließlich den eng interpretierten Bolam-Test zugrunde lege. Aus diesem Grund – und weil die Ärzteschaft nicht Richter in eigener Sache sein soll – lehnt er die in Behandlungsfragen damals im Arzthaftungsrecht mehrheitlich vertretene Interpretation des Bolam-Tests als zu eng ab: “It would be a strange conclusion if the courts should be let to conclude that our law, which undoubtedly recognises a right in the patient to decide whether he will accept or reject the treatment proposed, should permit the doctors to determine whether and in what circumstances a duty arises requiring the doctor to warn his patient of the risks inherent in the treatment which he proposes”2928. In diesen Feststellungen kehrt für die Bestimmung des Umfangs der Aufklärungspflicht dasselbe Motiv wieder, das uns bereits für die Architektenhaftung in der Entscheidung Gable House begegnet ist: Eine Pflicht zur Aufklärung besteht dort, wo der Leistung Risiken immanent sind2929. Dies konkretisiert Lord Scarman auf der Grundlage des in der nordamerikanischen Rechtsprechung zu findenden Konzepts der „materiality“: Der Arzt muss dem Patienten die Informationen vermitteln, die „material“ für dessen Entscheidung sind2930. Welche Risiken dies sind, bestimmt sich nach dem Maßstab eines vernünftigen Patienten in der Position des konkreten Patienten:

2924

Insofern zutreffend der anders lautende Ansatz von Lord Woolf MR in Pearce v United Bristol Healthcare NHS Trust (1998) 48 BMLR 118 (CA, lexis). Dazu ab S. 451. 2925 Grubb, in: ders., Principles, § 3.129; vgl. MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 4 ff. passim. 2926 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 654 f. (HL). 2927 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 649 (HL) „basic human right“. 2928 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 649 (HL). 2929 Vgl. oben ab S. 390. 2930 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 655 (HL).

444

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

“The critical limitation is that the duty is confined to material risk. The test of materiality is whether in the circumstances of the particular case the court is satisfied that a reasonable person in the patient’s position would be likely to attach significance to the risk. Even if the risk be material, the doctor will not be liable if on a reasonable assessment of his patient’s condition he takes the view that a warning would be detrimental to his patient’s health.”2931 Lord Scarman nähert sich, indem er so an eine „reasonableness“ anknüpft2932, wie sie im Rahmen der allgemeinen negligence-Haftung verstanden wird, der hier befürworteten Konzeption2933 der vertraglichen Haftung professioneller Dienstleister merklich an. Eine dieser Position gefährliche Tür öffnet Lord Scarman indessen, indem er – wiederum in Übernahme amerikanischer Dogmen – dem Arzt ein sog. „therapeutic privilege“ zugesteht. Danach muss der Arzt nicht aufklären, wenn und soweit die Aufklärung dem Patienten mehr schaden als nutzen würde. Da dem Arzt insoweit ein Ermessen eingeräumt wird, steht einer Rückkehr des „medical judgement“ durch die Hintertür der Weg weitgehend frei2934. Immerhin soll der Arzt beweisen müssen, dass eine Aufklärung nicht im Interesse des Patienten gewesen ist2935, was ihm nicht immer gerade leicht fallen dürfte. Endgültig erledigt ist die restriktive Interpretation von Bolam damit aber noch nicht. (b) Uneingeschränkt Partei für Bolam ergreift im Gegensatz dazu Lord Diplock, der es nicht für möglich hält, zwischen Aufklärung, Diagnose und Behandlung zu differenzieren, und der daher einheitlich den (eng interpretierten) Bolam-Test angewendet wissen will2936: “… no convincing reason has in my view been advanced before your Lordships that would justify treating the Bolam test as doing anything less than laying down a principle of English law that is comprehensive and applicable to every aspect of the duty of care owed by a doctor to his patient in the exercise of his healing functions as respects that patient”2937. Immerhin – diese Ansicht teilen alle Lords – stellt Lord Diplock zwar klar, dass auf alle Fragen des Patienten wahrheitsgemäß geantwortet werden muss2938. Dies hilft jedoch aus der Perspektive des Patienten (und Vertragspartners) nur begrenzt weiter, da kaum ein Patient medizinisch derart vorgebildet ist, dass er sich mit spezifischen Fragen an seinen Arzt wenden könnte.

2931

Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 655 (HL). Vgl. zu dieser Interpretation auch Grubb, in: ders., Principles, § 3.133. 2933 Vgl. ab S. 346. 2934 Ebenso Grubb, in: ders., Principles, § 3.133. 2935 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 654 (HL). 2936 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 657 f. (HL). 2937 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 658 (HL). 2938 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 659 (HL). 2932

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

(3)

445

Fazit

Zusammenfassend ist ferner festzustellen, dass – dies ist aus Sicht des Patienten entscheidend – auch die Bolam einschränkenden Feststellungen der übrigen Lords stets mehrere nicht aus sich heraus verständliche Begriffe wie „material risks“, „general“ und „special risks“, „reasonable“ oder „prudent patient“ verwenden, ohne diese definitions- und subsumtionsfähig zu erläutern2939. Insofern bleibt relativ unklar, was ein „prudent patient“ noch als „general risk“ betrachten darf, und aus wessen Perspektive sich dies beurteilt2940. Wesentlich problematischer als diese terminologischen Bedenken selbst ist aus patientenperspektivischer Sicht jedoch, wie die Entscheidung in Sidaway (infolge der terminologisch verursachten Unsicherheit über den präzisen Umfang der Aufklärungspflicht) umgesetzt wurde.

bb) Gold v Haringey Health Authority und Blyth v Bloomsbury Health Authority In der Sache Gold v Haringey Health Authority2941 hatte sich die Klägerin, bereits Mutter von drei Kindern, von dem Beklagten sterilisieren lassen. Die Sterilisation war nicht erfolgreich und die Klägerin gebar ihr viertes Kind. Zum Streit kam es, weil der Beklagte seine Patientin weder über ein immanentes Misserfolgsrisiko (20-60:10.000), noch darüber aufgeklärt hatte, dass eine Sterilisation ihres Mannes in Form einer Vasektomie die sicherere Verhütungsmethode gewesen wäre (5:10.000). Das Sachverständigengutachten ergab, dass ein Teil der Medizin über das bestehende Misserfolgsrisiko nicht aufzuklären pflegte. Der Tatrichter differenzierte zwischen der Aufklärung vor therapeutischen und nicht-therapeutischen Eingriffen und unterschied seinen Fall damit von Sidaway (sog. distinguishing). Der Bolam-Test betreffe allein die erste Art der Aufklärungssituation, die hier nicht vorliege. Insofern setzte das Gericht, statt auf den berufsspezifischen Standard abzustellen, eigenständig den Aufklärungsumfang fest und gelangte so zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin. Der Court of Appeal folgte dieser Differenzierung nicht. Lloyd LJ bezeichnet sie als schwer fassbar (elusive) und nicht praktikabel. Auch nicht-therapeutische Eingriffe forderten den Einsatz ärztlicher special skills, sodass kein Grund ersichtlich sei, Bolam – restriktiv ausgelegt – nicht anzuwenden2942. Dass über die alternative Möglichkeit einer Vasektomie nicht aufgeklärt worden war, ließ das Gericht unberücksichtigt. Eine Aufklärung über die Verwendbarkeit der Leistung ist nach dieser Entschei2939

Vgl. zu Analysen Kennedy, Treat, S. 193 ff.; Jones, Negligence, § 6–083 ff.; Kennedy/Grubb; Medical Law, S. 691 ff.; Hauschild, Maßstab, S. 88 f. 2940 Positiv beurteilt die Vagheit des Urteils in dieser Hinsicht allerdings Kennedy, Treat, S. 207, der davon ausgeht, die schwer fassbare Formulierung halte den Arzt im Zweifel zur Aufklärung an. 2941 Gold v Haringey Health Authority [1987] 2 All ER 888, 894 ff. (CA). Eine Besprechung beider Entscheidungen findet sich bei Montgomery, (1988) 51 MLR 245 ff. 2942 Für weitere, diesen Ansatz bestätigende Entscheidungen des Court of Appeal s. Jones, Negligence, § 6–089 m. Fn. 91.

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dung also offenbar – anders als im Architektenhaftungsrecht2943 – nicht geschuldet. Lloyd LJ zitiert insoweit zwar Sidaway, stützt sich dabei aber allein auf die Minderheitsauffassung von Lord Diplock, der Bolam als einziger Richter in Sidaway unmodifiziert lassen wollte. Die „Mehrheitsauffassung“ findet keinerlei Berücksichtigung! Kennedy merkt dazu in seiner Besprechung an: „… the decision in the Gold case does somewhat take one’s breath away … To read the judgement of the Court of Appeal is to imagine that Sidaway had not happend“2944. Der Court of Appeal hat seitdem mehrfach festgestellt, Sidaway habe den Bolam-Test unmodifiziert bestätigt2945. Ein weiteres Beispiel dafür bildet das Urteil in der Sache Blyth v Bloomsbury Health Authority, in der der Klägerin, einer Krankenschwester, ein für die langfristige Einnahme vorgesehenes empfängnisverhütendes Mittel (Depo-Provera) verschrieben worden war. Da die Klägerin zuvor bereits schlechte Erfahrungen mit derartigen Mitteln gemacht hatte, richtete sie an den behandelnden Arzt konkrete Fragen über Wirkweise und Risiken von Depo-Provera. Dank ihrer beruflichen Ausbildung war sie dabei in der Lage, die übermittelten Informationen zu begreifen und umzusetzen. Infolge der Einnahme des Mittels kam es zu Blutungen und Menstruationsstörungen. Die Krankenschwester verklagte daraufhin die zuständige Health Authority mit der Begründung, dass man sie nicht adäquat über die Nebenwirkungen des Medikaments aufgeklärt habe. In diesem Fall würde sie ein anderes Mittel bevorzugt haben. Der Court of Appeal wies die Klage mit der Begründung zurück, dass der Bolam-Test dem Arzt die Entscheidung über den Umfang der Aufklärung überlasse. Dies gelte sogar für Inhalt und Umfang der Beantwortung konkreter Fragen: “I am not convinced that the Bolam test is irrelevant even in relation to the question of what answers are properly to be given to specific enquiries”2946. Dies überzeugt nicht allein vor dem Hintergrund der Mehrheitsauffassung in Sidaway kaum. Insbesondere ist nicht einzusehen, warum, selbst wenn kein (dringendes) medizinisches Behandlungsbedürfnis besteht, der Arzt an der Stelle einer – zudem überdurchschnittlich sachkundigen! – Patientin entscheiden dürfen soll, was für diese das Beste ist2947.

2.

Begründungsdefizite

Welche Gründe gibt es für diesen Umgang mit der Aufklärungspflicht? Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Judgments von Dunn und Browne-Wilkinson LJJ in Gold, da sich aus ihnen – zusammengefasst – die Begründung entnehmen lässt, die den 2943

Vgl. ab S. 390. Kennedy, Treat, S. 210. 2945 Vgl. Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 506 f. per Kerr LJ (CA) sowie die Nachweise bei Jones, Negligence, § 6–089 m. Fn. 91. 2946 Blyth v Bloomsbury Health Authority, The Times 11 February 1987, per Kerr LJ, zustimmend Neill LJ (CA, lexis). 2947 Aus diesem Grund ablehnend auch Newdick, Treat, S. 151. 2944

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

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Entscheidungen gewöhnlich zugrunde liegt2948: Würde ein anderer Ansatz gewählt als der vom Court of Appeal veranschlagte, würde das Vertrauen der Patienten in ihren Arzt unterminiert, was die medizinische Praxis nachteilig beeinflussen müsse. Gleichzeitig würde sich die Anzahl der Klagen gegen Ärzte deutlich erhöhen2949. Dies könne dazu führen, dass sich die Ärzteschaft aufgrund der größeren Klagezahl veranlasst sehen könnte, in erster Linie nicht mehr das Wohl des Patienten, sondern die eigene Absicherung gegen potentielle Klagen im Auge zu haben2950. Sie würde dann nicht mehr den besten, sondern nur noch den – für sie selbst – sichersten Weg wählen. Im Hintergrund steht hier eine Furcht der Gerichte vor „amerikanischen Verhältnissen“2951. Häufig wird auch darauf hingewiesen, dass eine Aufklärung des Patienten ihn vielleicht auch vor der Behandlung zurückschrecken lasse, und dies sei nicht zu seinem „Besten“2952.

a)

Vertrauen

Bereits das erste Argument, eine potentielle Beschädigung der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient, ist zweifelhaft, da auf den ersten Blick zu vermuten ist, dass eine Verpflichtung, in der Funktion als Arzt mehr offen legen zu müssen, als es aus Eigeninteresse optimal wäre, eher das Gegenteil bewirkt2953. Dem Patienten wird dann im Rahmen der Behandlung nämlich die Rolle eines Partners zugewiesen, der in die Risiken eingeweiht und in die Entscheidungsfindung einbezogen ist2954. Der Patient muss weniger fürchten, dass seine eigenen Wünsche ignoriert werden, und kann sich gleichzeitig kaum noch darauf berufen, er habe die gewählte Behandlung tatsächlich nicht gewollt. Das Haftungsrisiko des Arztes sinkt vermutlich also eher. Denn da dem Patienten nun weniger verschwiegen wird, wird er sich proportional weniger „hintergangen“ fühlen und entsprechend geringeren Anlass zur Klage sehen2955. Gleichzeitig wird der Gefahr begegnet, dass die Einwilligung nur noch der Form halber eingeholt wird2956 Diese Lösung hat – wie Umfragen in den USA und im Vereinigten Königreich2957 belegen – darüber hinaus den Vorteil, einem echten Bedürfnis der Patienten entgegenzukommen2958. Patienten wollen nämlich im Regelfall 2948

Mögliche Gründe für die Zurückhaltung von Informationen erörtert auch Robertson, (1981) 97 LQR 102, 121; vgl. im Übrigen Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.29. 2949 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1984] 1 All ER 1018, 1031 per Dunn LJ (CA). 2950 Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1984] 1 All ER 1018, 1031 per Dunn LJ (CA). 2951 Hauschild, Maßstab, S. 91. 2952 Vgl. dazu Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 666 per Lord Templemann (HL). 2953 Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 104. 2954 Wie hier Kennedy, Treat, S. 188. 2955 Vgl. Kennedy, Treat, S. 188. 2956 Vgl. Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 107. 2957 Zu jüngeren Umfragen sowie zu Problemen mit empirischen Belegen vgl. MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 13 ff. 2958 Vgl. dazu die Nachweise bei Kennedy, Treat, S. 188.

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aus leicht nachvollziehbaren Gründen über den Umfang ihrer Information mitentscheiden. Ziel ist insoweit nur ausnahmsweise „to override the doctor’s judgement, or to dispense with the doctor’s Services. Typically their objective is to have a fuller dialogue, a more fruitful and collaborative consultation, rather than to assert an abstract ‚right to know’ and then act independently‘ “2959. Dieses Interesse relativierte die Rechtsprechung durch den Hinweis auf die bereits angesichts der gerade angestellten Überlegungen unwahrscheinliche, gleichwohl aber immer wieder heraufbeschworene Gefahr einer Klageflut.

b)

Floodgates?

Besonders der Hinweis auf die Anzahl der vor amerikanischen Gerichten verhandelten Arzthaftungsklagen soll insoweit als abschreckendes Beispiel dienen. Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass die Hintergründe der vor allem in den 1970er Jahren in den USA zunehmenden Klagezahl äußerst komplex sind und auf Faktoren wie dem Fehlen eines „sozialen Auffangnetzes“ beruhen, die für das Vereinigte Königreich keine Rolle spielen2960. Losgelöst davon ist bereits die Zahl der tatsächlich wegen Fehlinformation eingereichten Klagen gar nicht beeindruckend hoch2961. Ferner sind scheinbar noch deutlich weniger Klagen erfolgreich. Kurz gesagt: Es lässt sich empirisch belegen, dass die hier beschworene Gefahr irreal ist.

c)

„Defensive“ Medizin

Lässt man dies gelten, erledigt sich gleichsam automatisch auch die Befürchtung „defensiver“ Medizin. Dieser Terminus ist ohnehin irreführend, da allenfalls Unsicherheit über die rechtlichen Anforderungen an die Patientenaufklärung Ärzte zu einem defensiven Verhalten veranlassen kann2962. Erfahrungen in den USA belegen eine Verbreitung defensiver Beratung jedenfalls nicht2963. Im Gegenteil, die routinemäßige Verwendung von formalisierten Mustererklärungen2964 erhöht das Sicherheitsgefühl für Arzt und Patienten: Der Patient erhält den standardisierbaren Teil 2959

Teff, Care, S. 170; vgl. auch MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 19. Vgl. Kennedy, Treat, S. 189; Hauschild, Maßstab, S. 91; zur möglicherweise in den USA verfolgten richterlichen Rechtspolitik Robertson, (1981) 97 LQR 102, 109 ff. 2961 Kennedy, Treat, S. 189 m. Fn. 67 weist darauf hin, dass laut einer amerikanischen Untersuchung aus den Jahren 1975–1976 „informed consent“ lediglich in 3% aller bundesweiten Klagen Erwähnung fand. Die Zahl der erfolgreichen Klagen ist scheinbar noch viel geringer. 2962 Kennedy, Treat, S. 190; so auch die Grundidee der Abhandlung von Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93 ff. 2963 Vgl. Kennedy, Treat, S. 190 f. 2964 Das General Medical Council hat dazu detailierte Richtlinien herausgegeben, General Medical Council, Seeking Patients’ Consent: The Ethical Considerations, February 1999, vgl. Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 108. 2960

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der Aufklärung „schwarz auf weiß“; für beide Seiten bestehen hinsichtlich dieses Teils deutlich weniger Unklarheiten. Begegnet werden muss insoweit freilich der anderweitigen Gefahr, dass solche Aufklärungen mechanisch (oder exzessiv2965) verlaufen und so den eigentlich angestrebten Dialog ersetzen2966. Sofern die englische Rechtsprechung allerdings ihre geschilderte Linie zur Bedeutung der Unterzeichnung von Aufklärungsformularen beibehält2967, besteht diesbezüglich kein ernsthafter Anlass zur Sorge.

d)

Ablehnung der Behandlung durch den Patienten

Was nun das letzte der oben referierten Argumente betrifft, ein Zurückschrecken des Patienten vor der Behandlung, ist dieses Argument für den Normalfall nur schwer nachvollziehbar2968. Denn damit wird zuallererst unterstellt, dass Ängstlichkeit hier per definitionem eine schlechte Sache sei, und das trifft nicht zu2969. Richtig ist vielmehr, dass eine Verweigerung der Offenlegung von Risiken aus den vorgenannten Gründen in ihren Annahmen und Zielen ungerechtfertigt paternalistisch ist. Denn eine „Ausnahme“ von der allgemeinen Eröffnungspflicht, weil Information den Patienten zur Ablehnung führen könnte, trägt – losgelöst von dem Streit um eine „doctrin of informed consent“ nach amerikanischem Vorbild – die Gefahr in sich, dass das anerkannte Recht jedes Patienten untergraben wird, einer Behandlung zuzustimmen oder auch nicht2970. Würde die bloße Tatsache, dass ein Arzt vermutet, der Patient werde bei Information die aus Sicht des Arztes angezeigte Behandlung ablehnen, eine Nichtinformation rechtfertigen, müsste dies – bei konsequenter Fortführung dieses Gedankens – sogar dazu führen, dass immer, falls eine Maßnahme medizinisch angebracht ist, den Arzt überhaupt keine Pflicht mehr trifft, über relevante Risiken aufzuklären2971. Dies ist aber keinesfalls die Position des General Medical Council2972 und würde darüber hinaus, wie zu vermuten ist, eher zu Ängsten und Sorgen des Patienten beitragen als das Bewusstsein, über Gefahren und Risiken –

2965

Vgl. Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93, 97. Vgl. Teff, Care, S. 170 f.; ähnlich Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93, 96; Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. und D. zu Art. 7:105. 2967 Vgl. dazu ab S. 437. 2968 Anderes mag in Ausnahmefällen gelten, vgl. etwa das Beispiel bei Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93, 97. 2969 Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 113. 2970 Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 113. 2971 Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 113 f. 2972 Vgl. dazu General Medical Council, Seeking Patients’ Consent: The Ethical Considerations, February 1999, § 10: „You should not withhold information necessary for decision making unless you judge that disclosure of some relevant information would cause the patient serious harm. In this context serious harm does not mean the patient would become upset, or decide to refuse treatment“, abgedruckt bei Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 114 in Fn. 40 (Hervorhebung vom Verf.). 2966

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sofern nicht ausdrücklich Gegenteiliges gewünscht wird2973 – aufgeklärt zu sein2974. Nach alledem scheinen die Argumente der Rechtsprechung insgesamt wenig überzeugend. Das gilt umso mehr, als der in der Literatur befürwortete gegenteilige Lösungsansatz den Interessen beider Seiten weit besser gerecht wird. Anlass für neue „Hoffnung“ auf eine Annäherung der Rechtsprechung an diese Position bot der Literatur2975 bereits Bolitho v City & Hackney Health Authority, obwohl das House of Lords information cases ausgenommen hatte2976.

3.

Die jüngere Rechtsprechung

Lord Woolf MR hat indessen – auch außergerichtlich2977 – unmissverständlich klargestellt, dass Sidaway nunmehr im Lichte von Bolitho verstanden werden müsse. Dies wird man in der Tat als Hinweis auf eine durch die Rechtsprechung eingeleitete Hinwendung zur Ausrichtung des Informationsstandards am Maßstab des reasonable patient verstehen dürfen. Die jüngere Rechtsprechung ist der Entscheidungsfreiheit des Patienten nämlich in zweifacher Weise entgegengekommen.

a)

Bestärkung der Aufklärungsverpflichtung

Ein Beispiel für den einen Aspekt dieses Entgegenkommens bildet die Entscheidung Smith v Turnbridge Wells Health Authority, in der der Patient und spätere Kläger an einem Rektalprolaps litt, der operativ beseitigt werden sollte. Der operierende Arzt hatte es allerdings versäumt, den Kläger darüber aufzuklären, dass die vorgesehene Operation zu Errektions- und Blasenschwierigkeiten führen konnte. Medizinisch notwendig war die Operation überdies nicht, da sich der Patient mit den Komplikationen, die seine Krankheit mit sich brachte, arrangiert hatte. Mangels Aufklärung über die vorgenannten Risiken willigte der Patient gleichwohl in die Operation ein, deren Durchführung zur Impotenz des Klägers führte. Obwohl es dem behandelnden Chirurgen gelang, andere Ärzte zu finden, die als Sachverständige aussagten, sie hätten ebenfalls nicht über die relevanten Risiken aufgeklärt, verurteilte das Gericht die Beklagte mit der Begründung, dass „although some surgeons may still not have been warning patients similar in situation to the plaintiff of the risk of impotence, 2973

Ob für den Patienten die Möglichkeit besteht, dem Arzt die Aufklärung zu erlassen, wird für das englische Recht kaum diskutiert und scheint gerichtlich überraschenderweise nicht geklärt zu sein, vgl. immerhin Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 752; Teff, (1985) 101 LQR 432, 452; Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93, 100 ff. 2974 Jones, (1999) 7 Med L Rev 103, 114 m.w.N. 2975 Pessimistisch noch Robertson, (1981) 97 LQR 102, 125 f. 2976 Die Gründe dafür sind nicht leicht nachvollziehbar. Die meisten Kommentatoren gehen davon aus, dass der Grund darin zu suchen ist, dass Bolitho eben kein information case war, Grubb (1998) 3 Med L Rev 380, 382; Jones (1999) 2 Med L Rev 103, 117; Brazier/Miola (2000) 1 Med L Rev 85, 108; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 445 f. 2977 Lord Woolf, (2001) 9 Med L Rev 1, 11. Zu seiner Position als Richter vgl. sogleich im Text.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

451

that omission was neither reasonable nor responsible“2978. Diese Entscheidung erging noch vor der „Neuinterpretation“ von Bolam durch das House of Lords in Bolitho.

aa) Der Ansatz von Lord Woolf MR Nach Bolitho wurde die Aufklärungspflicht des Arztes in der Entscheidung Pearce v United Bristol NHS Healthcare Trust durch Lord Woolf MR explizit am Standard des reasonable patient ausgerichtet: “In a case where it is being alleged that a plaintiff has been deprived of the opportunity to make a proper decision as to what course he or she should take in relation to treatment, it seems to me to be the law … that if there is a significant risk which would affect the judgment of a reasonable patient, then in the normal course it is the responsibility of a doctor to inform the patient of that significant risk, if the information is needed so that the patient can determine for him or herself as to what course he or he should adopt”2979. Dieser Ansatz wirkt zweifellos stärker an den Bedürfnissen des Patienten orientiert. Der formulierte Test ist allerdings vielleicht komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Denn die Formulierung des Aufklärungsmaßstabs setzt sich aus vier Elementen zusammen2980: (1) Zunächst ist zu fragen, ob ein signifikantes Risiko bestand. (2) Dann ist zu erörtern, ob die Eröffnung dieses Risikos die Entscheidung eines vernünftigen Patienten hinsichtlich der Behandlung beeinflusst hätte. (3) Im Anschluss daran ist zu untersuchen, ob ein Ausnahmefall vorliegt, der eine andere Bewertung rechtfertigt, und (4) schließlich ist zu fragen, ob der konkrete Patient der Information bedurfte, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Bei dem letzten Element handelt es sich eher um eine Frage der Kausalität als um eine des Informationsstandards2981, sodass dieses hier vernachlässigt werden kann. Gleiches gilt für das dritte Element, da es uns hier um den Standard und nicht um mögliche Ausnahmen geht.

bb) Interpretationsansätze in der Literatur Betrachten wir daher die ersten beiden Elemente des Tests, fällt zunächst auf, dass den wertausfüllungsbedürftigen Begriffen „significant risk“ und „reasonable patient“ immer noch ein gewisser Unsicherheitsfaktor innewohnt2982, zumal nicht ausdrück-

2978

Smith v Turnbridge Wells Health Authority [1994] 5 Med LR 334, 339 (zit. nach Newdick, Treat, S. 152). 2979 Pearce v United Bristol NHS Healthcare Trust (1998) 48 BMLR 118 (CA, lexis). 2980 Vgl. MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 4. 2981 Ebenso MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 4. 2982 Ebenso Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93, 95.

452

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

lich festgelegt wird, wer diese Begriffe ausfüllt: der Patient2983, der Arzt oder ein Gericht als Repräsentant des reasonable man2984. In der Literatur wird eine Ausfüllung durch den Patienten mit dem Argument für möglich gehalten, dass er es schließlich sei, der die Konsequenzen einer Risikorealisierung zu tragen habe2985. Insofern scheine es angemessen, dass das Urteil über das Vorliegen eines signifikanten Risikos vom Standpunkt eines vernünftigen Patienten, in der Position des konkreten Patienten, anhand des Kriteriums gefällt werde, welches Risiko ein vernünftiger Patient für signifikant halten würde. Dieser Ansatz vereinige die ersten beiden Elemente des Tests und gleiche diesen dem in Canterbury v Spence2986 formulierten Standard des „prudent patient“ an, nach dem „[a] risk is … material when a reasonable person, in what the physician knows or should know to be a patient’s position, would be likely to attach significance to the risk or cluster of risks in deciding whether or not to forgo the proposed therapy“. Stützen lässt sich diese Überlegung2987 dadurch, dass Lord Woolf MR außergerichtlich die ganz ähnlich lautende Interpretation seines Tests durch Brazier/Miola bestätigt hat2988, die insoweit festgestellt hatten: „Even the cynic must concede that, whatever the outcome on the facts, the ‚reasonable doctor‘ test received a body blow in Pearce. It survives only if the ‚reasonable doctor‘ understands that he must offer the patient what the ‚reasonable patient‘ would be likely to need to exercise his right to make informed decisions about his care“2989. Problematisch daran ist allerdings, dass sich dies mit der Formulierung und Handhabung des Tests in Pearce nicht auf Anhieb vereinbaren lässt2990. Denn dort scheint Lord Woolf MR zum einen die Existenz eines Risikos mit dessen Signifikanz verbunden zu haben und zum anderen die Feststellung des Bestehens eines entsprechenden Risikos den Sachverständigen zuzuweisen. Anstatt nämlich zunächst zu fragen, ob ein Risiko bestehe, und dann dessen Bedeutsamkeit nachzugehen, fragt der Richter in Pearce schlicht: „Was there a significant risk?“2991 Die Sachverständigen der Beklagten verneinten dies und ihnen folgend Lord Woolf MR. Folglich scheint die Feststellung eines signifikanten Risikos die Domäne der Sachverständigen zu sein, sodass dem Gericht nur noch in dem Fall, in dem ein signifikantes Risiko festgestellt wird, zu beurteilen bleibt, ob dieses Risko die Entscheidung eines vernünftigen Patienten in der Position des konkreten Patienten beeinflusst haben würde.

2983

Für möglich halten das Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298, 302. Vgl. auch Newdick, Treat, S. 152. Diese Unsicherheiten übersehen Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298, 301. 2985 So Heywood, (2005) 7 Med Law Int 93, 95; vgl. auch MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 7. 2986 Canterbury v Spence 464 F 2d 772 (DC Cir 1972) zit. nach MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 7, 37 m. Fn. 40. 2987 Vgl. MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 8. 2988 Lord Woolf, (2001) 9 Med L Rev 1, 10. 2989 Brazier/Miola, (2000) 8 Med L Rev 85, 110. 2990 Vgl. MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 8. 2991 Pearce v United Bristol NHS Healthcare Trust (1998) 48 BMLR 118 per Lord Woolf MR (CA, lexis). 2984

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

453

cc) Interpretation durch die Rechtsprechung Nach alledem scheint der Durchbruch zum Standard des reasonable patient mit Pearce noch nicht recht gelungen zu sein2992. Der Court of Appeal hat aber in Wyatt v Curtis eine gegenüber diesem Standard großzügige Auslegung der Vorgaben von Lord Woolf MR angedeutet. In dieser Entscheidung trug die Klägerin, die während ihrer Schwangerschaft an Windpocken erkrankt war, vor, sie würde sich um einen Schwangerschaftsabbruch bemüht haben, sofern sie über die Risiken einer Windpockenerkrankung für ihren Fötus aufgeklärt worden wäre. Der Court of Appeal stellte – dem folgend – eine Pflichtverletzung der Beklagten fest, wobei Sedley LJ den von Lord Woolf MR in Pearce formulierten Test wie folgt erläuterte: “Lord Woolf’s formulation refines Lord Bridge’s test [in Sidaway] by recognising that what is substantial and what is grave are questions on which the doctor’s and the patient’s perception may differ, and in relation to which the doctor must therefore have regard to what may be the patient’s perception. To the doctor, a chance in a hundred that the patient’s chickenpox may produce an abnormality in the foetus may well be an insubstantial chance, and an abnormality may in any case not be grave. To the patient, a new risk which (as I read the judge’s appraisal of the expert evidence) doubles, or at least enhances, the background risk of a potentially catastrophic abnormality may well be both substantial and grave, or at least sufficiently real for her to want to make an informed decision about it.”2993

dd) Konsequenzen für die Konkretisierung der Aufklärungspflicht Insofern scheint der Court of Appeal anerkennen zu wollen, dass sich die Bedeutsamkeit eines Risikos nicht allein objektiv gestützt auf die Sachverständigenansichten bestimmen lässt. Vielmehr scheint die Einschätzung des Sachverständigen auf die Vorstellung des (vernünftigen) Patienten von der Bedeutung des Risikos Rücksicht nehmen zu müssen. Die Qualifikation des Risikos als bedeutsam lässt im Übrigen erahnen, dass nicht jedes Risiko eröffnet werden muss. Insoweit wird man generelle Festlegungen ohnehin nicht treffen können2994, sondern anhand des Einzelfalls entscheiden müssen, wobei insbesondere die Art der Erkrankung und das erkennbare Bedürfnis des Patienten nach Information eine Rolle spielen werden2995. Insofern kann auch nicht in simplen Prozentzahlen erschöpfend bestimmt werden, wann ein Risiko „bedeutsam“ ist2996. Stattdessen muss der Arzt „take into account all the relevant considerations, which include the ability of the patient to comprehend what he has to say to his or 2992

Ebenso MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 8. Wyatt v Curtis [2003] EWCA Civ 1779, Tz. 16, (CA, lexis, unreported). 2994 A.A. wohl Dugdale/Stanton, Negligence, § 17.31. 2995 Ebenso Newdick, Treat, S. 153. 2996 Ebenso Pearce v United Bristol NHS Healthcare Trust (1998) 48 BMLR 118 per Lord Woolf MR (CA, lexis); MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 6. 2993

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4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

her and state of the patient at the particular time, both from the physical point of view and the emotional point of view“2997. Dabei sollte es – wird in der Literatur zu Recht gefordert – in etwa parallel zu den Vorgaben in Art. 7:105(2) PELSC, IV.C. – 8:105(2) DCFR – nicht darauf ankommen, dass das Risiko derart groß ist, dass der vernünftige Patient, hätte er es gekannt, sein Einverständnis erst gar nicht erteilt oder zurücknommen hätte. Vielmehr soll ausreichen, dass es für einen vernünftigen Patienten relevant war2998. Tendenziell darf dabei angenommen werden, dass die Notwendigkeit einer Aufklärung umso dringender ist, je ernster sich das jeweilige Risiko darstellt2999. Parallel wird man bei der Bestimmung der „materiality“, d.h. der Beurteilung der Bedeutung des Risikos unter den konkret gegebenen Umständen verfahren müssen3000. In der Literatur wird – mit Blick auf die Entscheidung in Wyatt v Curtis scheinbar zu Recht – die Hoffnung geäußert, dass sich in der Rechtsprechung eine Verschiebung der rechtlichen Wertungsverhältnisse ankündigt. Dies sei insofern besonders erstrebenswert, als „[m]ore important will be questions of value: respect for the patient’s right to choose and decide what is to be done to his or her body. Reasoning based upon ‚the need not to trouble the patient‘, the ‚desire to avoid worrying the patient unduly‘ or ‚the fear of refusal‘ will simply not stand up to analysis because they embody the wrong values“3001. Hilfreich könnte sich – vermuten Kennedy/Grubb – in diesem Zusammenhang auch die durch das General Medical Council niedergelegten Regeln über die Patientenaufklärung erweisen3002.

ee)

Die jüngste Entwicklung

Eine gewisse Bekräftigung erhielten diese Annahmen bereits durch die Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Chester v Afshar, die einen Sachverhalt betrifft, der dem in Sidaway entschiedenen durchaus ähnlich ist. Auch in Chester v Afshar wurde eine Patientin, die über Rückschmerzen klagte, die nicht ausschließlich operativ hätten behandelt werden müssen, nicht über das unvermeidliche Risiko einer Wirbelsäulenverletzung durch die vorgeschlagene Operation in Höhe von etwa 1% aufgeklärt. Der Court of Appeal verurteilte den Beklagten, nachdem sich das Risiko realisiert hatte, mit folgender Begründung: “The purpose of the rule requiring doctors to give appropriate information to their patients is to enable the patient to exercise her right to choose whether or not to have the particular operation to which she is asked to give her consent … the 2997

Pearce v United Bristol NHS Healthcare Trust (1998) 48 BMLR 118 per Lord Woolf MR (CA, lexis). 2998 Grubb (1999) 7 Med L Rev 61, 64. 2999 Vgl. z.B. Joyce v Merton, Sutton and Wandsworth Health Authority (1996) 27 BMLR 124 (CA, lexis); Newdick, Treat, S. 152 m. Fn. 95. 3000 Ähnlich wohl MacLean, (2005) 7 Med Law Int 1, 10. 3001 Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 709 f.; zustimmend Newdick, Treat, S. 153. 3002 Abgedruckt bei Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 710 f.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

455

patient does … have the right to choose what will and will not be done with her body and the doctor must take the care expected of a reasonable doctor in the circumstances in giving her the information relevant to that choice. The law is designed to require doctors properly to inform their patients of the risks attendant on their treatment and to answer questions put to them as to that treatment and its dangers, such answers to be judged in the context of good professional practice, which has tended to a greater degree of frankness over the years, with more respect being given to patient autonomy. The object is to enable the patient to decide whether or not to run the risks of having that operation at that time. If the doctor’s failure to take that care results in her consenting to an operation to which she would not otherwise have given her consent, the purpose of that rule would be thwarted if he were not to be held responsible when the very risk about which he failed to warn her materialises and causes her an injury which she would not have suffered then and there.”3003 Das House of Lords hat diese Sicht der Dinge3004 und damit auch die Hoffnungen bestätigt, die in der Literatur bereits aufgrund seiner Entscheidung in der Sache Bolitho entstanden waren: Alle fünf Lords unterstrichen in Chester v Afshar, dass der Selbstbestimmung des Patienten entscheidende Bedeutung zukomme. Jeder erwachsene, geistig gesunde Mensch müsse durch ausreichende Information in die Lage versetzt werden, darüber zu entscheiden, was mit seinem Körper geschehe; über ernsthafte Risiken müsse also nahezu immer aufgeklärt werden3005. Allenfalls in absoluten Ausnahmefällen sei denkbar, zum Wohl des Patienten von einer Aufklärung abzusehen3006. Auffällig ist dabei, dass nur ein einziger Richter auf Bolam Bezug nimmt: Lord Hope zitiert die von Lord Diplock in Sidaway getroffenen Feststellungen; allerdings nur, um sie sogleich darauf zu verwerfen3007. In der Literatur wird dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin auf der Grundlage der allgemeinen Regeln die haftungsbegründende Kausalität nicht nachgewiesen hatte, und das House of Lords in Kenntnis dieser Tatsache aus rechtspolitischen Gründen – zur Stärkung der Patientenautonomie! – dennoch zugunsten der Klägerin befand, dahin gedeutet, dass der Bolam-Test in Fragen der Risikoaufklärung ausgedient habe3008. In diese Richtung weisen auch Feststellungen in jüngsten Entscheidungen, die der „expert evidence“ allenfalls Hilfsfunktion zuweisen. So stellt z.B. HJ Nicol in Jones v North West Strategic HA fest: “Pearce itself rejected the argument that the doctor was relieved of a duty to warn of the risks of allowing nature to take its course as opposed to the risks of positive 3003

Chester v Afshar [2003] QB 356, 379 per Sir Denis Henry (CA). Vgl. dazu knapp Deutsch, MedR 2005, 464 f. 3005 Chester v Afshar [2005] 1 WLR 134, 140 per Lord Bingham, 143 per Lord Steyn, 147 per Lord Hoffmann, 153 per Lord Hope, 164 per Lord Walker (HL). 3006 Chester v Afshar [2005] 1 WLR 134, 143 per Lord Steyn (HL). 3007 Chester v Afshar [2005] 1 WLR 134, 152 f. (HL). 3008 Mason/Brodie, (2005) 9 EdinLR 298, 302 ff. 3004

456

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

intervention by a doctor. At least where there was a viable medical alternative to the natural route, the patient was entitled to be told of any significant risk that attached to either course. The role of expert evidence is different in this context. It is not to identify whether or not there is a body of responsible or reasonable medical opinion in accordance with which the doctor in question acted. That sets the bar too high in determining whether the risk was a matter which should have been disclosed. On the other hand, Lord Woolf did not regard the medical evidence as irrelevant in deciding whether the risk was significant. It can obviously assist in explaining what the outcome of one course or another might be. It may or may not be able to quantify the risk of that outcome. Whether or not a risk is ‘significant’ is ultimately for the Court to decide.”3009 Sollte sich diese Tendenz bestätigen, befände sich das Arzthaftungsrecht in Fragen der Risikoaufklärung deutlich stärker im Einklang mit dem Architekten- und Anwaltshaftungsrecht, in denen die zweite und dritte Funktion des Bolam-Tests für Informationspflichten keine bemerkswerte Rolle spielen. Im Architekten- und Anwaltshaftungsrecht muss der Mandant nämlich so aufgeklärt werden, dass er sowohl das Risiko als auch dessen Bedeutung für den von ihm erstrebten Leistungszweck begreift3010. Dem kommt die neue Tendenz der Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht entgegen, aus der sich u.a. folgern lässt, dass zumindest dort, wo eine bestimmte Behandlung nicht notwendig medizinisch indiziert ist, auch bei geringer Wahrscheinlichkeit der Realisierung eines Risikos für – aus der Sicht eines Durchschnittsbürgers – bedeutende Körperteile und -funktionen aufgeklärt werden muss3011. Dieser Ansatz kommt sowohl den innerhalb der Richterschaft gegenüber der früheren Rechtsprechung zunehmend bestehenden Bedenken3012 als auch der Position des General Medical Council sowie den Vorstellungen der britischen Regierung3013 entgegen.

b)

Die Position des englischen Rechts zur Beschränkung des Aufklärungsumfangs im Patienteninteresse

Die in der jüngeren englischen Rechtsprechung erwachte Bestärkung der Patientenautonomie zeigt sich nicht allein darin, dass die Anforderungen an die Aufklärung im Interesse des Patienten inhaltlich verschärft werden. Sie kommt vielmehr in manchen Fällen auch umgekehrt gerade darin zum Ausdruck, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Aufklärung im Interesse des Patienten beschränkt werden. Denn nach jüngeren Entscheidungen soll sich die Selbstbestimmung des Patienten auch gegenüber dem medizinisch befürworteten Informationsumfang durchsetzten, falls 3009 3010 3011

3012 3013

Jones v North West Strategic Health Authority [2010] EWHC 178, Tz. 24 (QB) unreported. Vgl. dazu ab S. 377 und S. 400. Vgl. außer den vorstehenden Entscheidungen z.B. Williamson v East London and City Health Authority (1998) 41 BMLR 85 per Butterfield J (HC, lexis). Vgl. Lord Woolf, (2001) 9 Med L Rev 1 ff. Vgl. Lord Irvine of Lairg, (1999) 7 Med L Rev 255, 267.

§ 12 Die Bedeutung von Aufklärungspflichten für die Pflichtenkonkretisierung

457

der behandelnde Arzt eine umfassendere Information für erforderlich hält, damit der Patient eine informierte Wahl treffen kann3014. Dies wurde jüngst in der Entscheidung der Sache Re B bestätigt. In dieser Entscheidung litt die Klägerin nach einer schweren Blutung in ihrer Wirbelsäule an einer ganzkörperlichen Lähmung und war vollumfänglich auf lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen. Da die Klägerin, deren geistige Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt war, unter diesen Umständen nicht weiter leben wollte, hatte sie sich gegen eine Aufrechterhaltung der lebenserhaltenden Maßnahmen entschieden und ihre Ärzte angewiesen, diese Maßnahmen einzustellen, wohlwissend, dass dies ihren Tod bedeuten musste3015. Die hinzugezogenen Psychiater lehnten diese Aufforderung, nachdem sie zuerst einverstanden gewesen waren, nachträglich mit der Begründung ab, dass die Patientin depressiv sei. Wenig später erklärte die Klägerin in der Tat zunächst, sie sei froh, dass die künstliche Beatmung nicht abgesetzt worden sei. Es wurden mehrere Versuche unternommen den Gesundheitszustand der Klägerin operativ zu verbessern, die allerdings nur minimale Erfolge zeigten. Daraufhin äußerte die Klägerin erneut den Wunsch, die lebenserhaltenden Maßnahmen zu beenden. Diesen Wunsch lehnten die behandelnden Psychiater erneut ab, obwohl ein unabhängiger Gutachter mittlerweile bestätigt hatte, dass der Wunsch der Klägerin – zumindest der neuerliche – nicht auf eine krankhafte Depression zurückzuführen sei. Die Klägerin sei, im Gegenteil, durchaus in der Lage, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen. Aus der Sicht der behandelnden Ärzte war die Klägerin hingegen im Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegen lebenserhaltende Maßnahmen noch nicht hinreichend über die Möglichkeiten eines Lebens mit lebenserhaltenden Maßnahmen informiert. Die Ärzte waren der Ansicht, ohne diese Information – die allein durch eine langfristige Erfahrung gewonnen werden können sollte – sei die Klägerin nicht hinreichend kompetent, sich für oder gegen lebenserhaltende Maßnahmen zu entscheiden, sodass diese Maßnahmen im „besten“ Interesse der Klägerin fortgesetzt werden sollten. Das Gericht wies diese Argumentation zurück. Die Auffassung der behandelnden Ärzte, dass “not to have experienced rehabilitation means that the patient lacks informed consent cannot be the basis for the legal concept of mental capacity. If [this] were 3014

3015

Vgl. mittelbar bestätigend aus jüngerer Zeit etwa St George’s Healthcare NHS Trust v S [1998] 3 All ER 673, 685 ff. per Judge LJ (CA), wo die werdende Mutter, welche unter einer schweren Präeklampsie [damit bezeichnet man (heute) die schwangerschaftsbedingten Spättoxikosen, die sich u.a. in einer Mangeldurchblutung der Planzenta äußern, welche – so nimmt man an – zu Gefäßspasmen in allen lebenswichtigen Stoffwechselorganen und dem Gehirn führen, woraus eine Lebensgefahr für Mutter und Kind resultiert ] litt, für berechtigt gehalten wird, einen Kaiserschnitt abzulehnen, obwohl sie dadurch sowohl sich als auch das ungeborene Kind einer Lebensgefahr aussetzte. Zum umgekehrten Fall (Entzug lebensverlängernder Maßnahmen gegen den Willen des Patienten) s. R v. the General Medical Council [2005] EWCA Civ. 1003 und dazu Gurnham, (2006) 14 Med L Rev 253 ff.; allgemein zum „Right to die“ nach englischem Recht Coggon, (2006) 14 Med L Rev 219 ff.; Keown, (2007) 15 Med L Rev 126 ff.

4. Kapitel . Angemessene Sorgfalt als Leistungsgegenstand – Grundlagen

458

correct, the absence of experience in the spinal rehabilitation unit clinic would deny Ms. B, or any other similar patient, the right to choose whether or not to go on … That is not the state of the law.”3016 Denn habe die Patientin einmal bewiesen, dass sie die Konsequenzen ihrer Entscheidung begriffen habe und abwägen könne, sei zu vermuten, dass sie hinreichend entscheidungsfähig ist. Dass die behandelnden Ärzte die Entscheidung der Patientin ablehnten, weil diese Entscheidung nach der Überzeugung der Ärzte nicht im „besten“ Interesse der Klägerin sei, lasse das Entscheidungsrecht der Patientin unberührt. Die Aufgabe des Gerichts wird dahin umschrieben, dass “[i]t is a question of values and … we have to try inadequately to put ourselves into the position of the gravely disabled person and respect the patient’s subjective character of experience”3017. Damit bestätigt das Gericht ein Recht des (mutmaßlich) kompetenten Patienten, über die medizinische Behandlung zu entscheiden, ohne dass es darauf ankommt, welche Ansicht der behandelnde Arzt über die Grenzen des Verständnisses des Patienten vertritt. Dies ist verglichen mit der Entscheidung Hatcher v Black, in der dem Arzt noch ein Recht zugestanden wird, Patienten zu ihrem eigenen „Besten“ zu belügen, ein geradezu radikaler Wandel.

c)

Fazit

Während der Hinweis auf die ärztliche Aufklärungspflicht als Eingrenzungskriterium der einseitigen Leistungskonkretisierung durch den Arzt früher auf der Grundlage des restriktiv interpretierten Bolam-Tests häufig fehlging, nähert sich die jüngere Rechtsprechung in dieser Frage deutlich stärker einer Berücksichtigung der Patienteninteressen an. Dies bedeutet insbesondere, dass objektiv bedeutende Risiken stets eröffnet werden müssen, wobei es für die Bestimmung, welches Risiko bedeutsam ist und welches nicht, maßgeblich auf die Bewertung eines objektiven Patienten in der Position des aktuellen Patienten ankommt. Die Entscheidung dieses Patienten für eine bestimmte Behandlungsmethode legitimiert ebenso wie eine bewusste Überantwortung der Auswahlentscheidung an den Arzt ohne weiteres die Zuweisung des Verwendbarkeitsrisikos an den Patienten.

3016

3017

Re B (adult: refusal of medical treatment) [2002] 2 All ER 449, 472 per Dame Elizabeth Butler-Sloss P (HC). Re B (adult: refusal of medical treatment) [2002] 2 All ER 449, 472 per Dame Elizabeth Butler-Sloss P (HC).

5. Kapitel Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards Das vorstehende Kapitel hat sich mit den bei Sorgfalt als Schuldinhalt ergebenden Grundfragen beschäftigt. Dabei haben wir festgestellt, dass der geschuldete Standard sich im Ergebnis und in der Regel objektiv nach dem Vorgehen, das ein vernünftiger Berufsgenosse bei der Erfüllung der übernommenen Aufgabe wählen würde, bestimmt. Daran anschließend wurde untersucht, ob und inwieweit durchschnittliche Leistungen dem geschuldeten Standard gerecht werden. Daraufhin war zu klären, wie und von wem zu entscheiden ist, welche von mehreren alternativen Erfüllungsmodalitäten konkret geschuldet ist. Danach war (paradigmatisch) vor allem die Haltung englischer Entscheidungen insoweit zu erläutern, wie in ihnen die Position des Gläubigers zugunsten des Schuldners über den Sorgfaltsbestimmungsmechanismus eingeschränkt wird. Schließlich war der Frage nachzugehen, wie die bisherigen Ergebnisse durch das Bestehen von Aufklärungspflichten relativiert werden. Nach alledem dürften jedenfalls die Grundmechanismen der Vertragsinhaltsbestimmung und der Pflichtverletzungsproblematik aufgedeckt sein. Das folgende Kapitel soll vor diesem Hintergrund einigen besonderen praktischen Aspekten der Leistungskonkretisierung nachgehen.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen – Zur Bedeutung professionsintern akzeptierter Standards A.

Notwendig neuartige Aufgaben

Insofern stellt sich praktisch zunächst häufig das Problem, dass für eine bestimmte Aufgabe keine der bereits entwickelten und etablierten Lösungen taugt. Diese Situation kann sich im medizinischen, bautechnischen und auch juristischen Bereich ergeben. So kann in der Medizin bspw. die Behandlung einer neuartigen Krankheit notwendig werden. Möglich ist auch, dass der Patient auf die bislang bemühten Behandlungsmethoden für bereits bekannte Krankheiten nicht anspricht, sodass diese modifiziert oder ersetzt werden müssen, um wenigstens die Chance auf einen Heilungserfolg zu erhalten. In der Bautechnik können vergleichbare Situationen z.B. dort auftreten, wo extreme Umweltbedingungen oder Entwicklungen auf anderen Gebieten der Technik ein Baudesign erforderlich werden lassen, mit dem bisher keinerlei praktische Erfahrungen bestehen. Auch unumstößliche Vorstellungen des Bauherrn können zu diesem Ergebnis führen. Für die rechtsberatenden Berufe ist in diesem Zusammenhang vor allem an einen Wandel der Rechtsprechung zu denken, sei er nun durch eine Gesetzesänderung veranlasst oder nicht.

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

460

Kennzeichnend für die gerade geschilderten Situationen ist, dass es in ihnen – ohne dass der Dienstleister dies veranlasst hätte – keine hergebrachte, speziell zugeschnittene Vorgehensweise gibt, auf die sich der Schuldner in der jeweiligen Situation stützen könnte, sodass bezogen auf das englische Recht der Bolam-Test (in seiner „engen“ Interpretation) hier bereits tatbestandlich nicht eingreift. Insofern unterscheiden sich die zunächst untersuchten Konstellationen von denen, in denen eine entsprechende Praxis besteht, von der der Dienstleister aus eigenem Entschluss abweicht. Explizite Sonderregeln für ein experimentelles Vorgehen sehen die PELSC und der DCFR nur für den Bereich der Arzthaftung vor. Im Übrigen wird man daher die bereits vorgestellte3018 Aufwand-Nutzen-Analyse durchzuführen haben. Dabei wird man zunächst berücksichtigen müssen, welche alternativen Lösungen theoretisch zur Verfügung stehen. Zu ihnen ist – sofern sich jedes Tätigwerden als unangemessen risikoreich herausstellt – aber auch das Unterlassen jeglicher Tätigkeit zu zählen, sodass zumindest immer eine Alternative besteht. Die Alternativen sind dann mit der experimentellen Lösung nach Maßgabe des Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:05(4) DCFR zu vergleichen. Eine Bewertung des mit der experimentellen Lösung verbundenen Risikos hat dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass sie sich bezüglich Natur, Ausmaß, Häufigkeit und Voraussehbarkeit der mit der Leistungserbringung einhergehenden Risiken aufgrund des experimentellen Charakters der Lösung nicht auf Erfahrungswerte stützen kann. Gleiches gilt hinsichtlich der für eine Vermeidung des eingetretenen Schadens oder eines diesem ähnlichen Schadens erforderlichen Kosten. Die Anzahl der abzuwägenden Faktoren fällt also u.U. geringer aus. Das Fehlen entsprechender Erfahrungswerte wird man in Abhängigkeit von den bestehenden Alternativen differenziert und d.h. erneut: „komparativ“ bewerten müssen. Je größer die mit den Alternativen zur experimentellen Lösung verbundenen Risiken sind und je höher der Vermeidungsaufwand für die bei ihrer Realisierung eintretenden Schäden, desto eher wird man durch experimentelle Lösung unbekannte Risiken eingehen dürfen. Zumindest dort, wo keine signifikante Risikosteigerung zu erwarten ist, spricht – außer wirtschaftlichen Aspekten (u.U. mangelnde Versicherungsdeckung) – insbesondere bei bedeutenden Risiken im Falle des nicht-experimentellen Tätigwerdens, nichts ernsthaft dagegen, einer neuartigen Lösung auch dann den Vorzug zu geben, wenn nicht klar ist, ob sie zur Erreichung des angestrebten Ziels taugt. Die Konkretisierung der berechtigten Erwartungen des Gläubigers (Art. 1:107 (4) PELSC) wird indes auch die Aufklärung des Gläubigers durch den Schuldner (Art. 1:103, 1:110, 6:104 i.V.m. 6:101(2) PELSC) berücksichtigen müssen.

3018

Vgl. ab S. 215.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

I.

Arzthaftung

1.

Sonderregeln für die experimentelle Behandlung in den PELSC und dem DCFR

461

Die die Aufklärungsverpflichtung des Arztes (Art. 1:103, 1:110, 6:104 i.V.m. 6:101(2) PELSC) bei experimenteller und unnötiger Behandlung wird in Art. 7:105 f. PELSC, IV.C. – 8:105 f. DCFR konkretisiert. „Experimentell“ ist eine Behandlung nach dem Verständnis der Verfasser der PELSC dabei zunächst, falls sie (a) potentiell vorteilhaft für den Patienten ist, sich aber noch im Stadium der Erforschung befindet. Dasselbe gilt, wenn sie (b) potentiell vorteilhaft für den Patienten ist, aber von der professionell befürworteten Praxis abweicht, oder (c) ihrer Natur nach noch nicht derart entwickelt ist, dass sie dem Standard anerkannter medizinischer Praxis entspricht3019. Kennzeichnend ist für die vorgenannten Behandlungsmethoden laut den Verfassern der PELSC, dass ihnen unerwartete Risiken entweder deswegen immanent sind, weil sich die Methode noch in einem experimentellen Stadium befindet, oder weil die mit ihr verbundenen Risiken jedenfalls noch nicht vollständig bekannt sind3020. Dieselben Überlegungen dürften dem DCFR zugrunde liegen. Für die Bestimmung des geschuldeten Sorgfaltsstandards wird man diese Umstände – parallel zum Vorgehen im sogleich darzustellenden englischen und deutschen Recht – im Rahmen der allgemeinen Regeln (Art. 7:104, 1:107 PELSC, IV.C. – 8:104, 2:105 DCFR) zu berücksichtigen haben. Ein besonderer Test kommt dementsprechend ebenso wenig wie ein allein auf die Unerprobtheit der Behandlung gestützter Vertragsbruch in Betracht. Deutlich umfangreicher als im Allgemeinen nach Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR fällt in Bezug auf eine experimentelle Behandlung allerdings die Aufklärungspflicht des Dienstleisters aus. So hat der Schuldner nach Art. 7:106(2) PELSC, IV.C. – 8:106(2) DCFR dem Patienten alle Informationen über die Ziele des Experiments, die Art der Behandlung, ihre Vorteile und Risiken sowie bestehende oder auch nur mögliche Alternativen zu eröffnen. Im Hintergrund dieser Erweiterung der Informationspflichten steht die Überlegung, dass Patienten im Rahmen einer experimentellen Behandlung wegen der mit ihr verbundenen Risiken besonders schutzbedürftig und d.h. aufklärungsbedürftig sind3021. Insoweit sei zwar sowohl eine persönliche Aufwand-Nutzen-Analyse bezogen auf den Patienten, als auch eine altruistische Aufwand-Nutzen-Analyse bezogen auf die Bedeutung des Experiments für die Allgemeinheit vorzunehmen. Die Interessen des Patienten an einer möglichst umfassenden Aufklärung – z.B. auch darüber, dass er möglicherweise in eine mit Placebos behandelte Kontrollgruppe aufgenommen werden könnte3022 – überwiegen aber nach der Auffassung der Verfasser der PELSC die Interessen (der Öffentlichkeit

3019

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:106. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:106. 3021 Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 7:106. 3022 Weitere Bsp. bei Barendrecht u.a., Comment B. zu Art. 7:106. 3020

462

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

und) der Forschung an der Zurückhaltung einiger Informationen3023. Dies geht sogar so weit, dass die Aufklärung nach Art. 7:106(2) PELSC nicht einmal zur Disposition der Parteien steht. Denn bei Art. 7:106(2) PELSC, IV.C. – 8:106(2) DCFR handelt es sich um eine zwingende Vorschrift, von der zum Nachteil des Patienten nicht abgewichen werden kann (Art. IV.C. – 8:106(3) DCFR)3024. Nach den Verfassern der PELSC soll keinerlei Möglichkeit bestehen, den äußerst weitgefassten Aufklärungsumfang im Rahmen des Art. 7:107 PELSC einzuschränken3025, was – insbesondere vor dem Hintergrund einer potentiellen Gefährdung gerade durch die Aufklärung – (auch) gegenüber dem Patienten überzogen und unnötig paternalistisch wirkt. Der DCFR korrigiert dies in Art. IV.C. – 8:106(3) DCFR daher völlig zu Recht.

2.

Pflichten und Haftungsstandards des Arztes bei neuartigen Aufgaben nach deutschem Recht

Nach deutschem Recht kann der Arzt eine neue Behandlungsmethode ebenfalls zunächst auch dann anwenden, wenn sie sich noch in der Erprobungsphase befindet. Dies gilt freilich nur unter der (selbstverständlichen) Bedingung, dass sie im konkreten Fall nicht kontraindiziert ist. Ferner muss der Arzt die bezüglich des Potentials spezifischer Komplikationen vorhandenen Erkenntnislücken durch entsprechend großzügige „Sicherheitspolster“ für den Patienten neutralisiert haben3026. Dies bedeutet, die Anwendung einer noch nicht allgemein eingeführten und bewährten Methode setzt voraus, dass der Arzt mit Blick auf seine speziellen Vorkenntnisse und Vorerfahrungen wie mit Blick auf die Beherrschung der konkreten Behandlungsrisiken die erforderliche Methodensicherheit gewährleistet3027. Ferner muss er den Patienten über die Neuartigkeit und die Möglichkeit unbekannter Risiken ausführlich unterrichtet haben3028, wobei auch der Versuchscharakter sowie der Chancen- und Risikovergleich dargestellt werden muss3029. Unter diesen Voraussetzungen kann je nach Lage des medizinischen Sachverhalts auch die Anwendung einer Außenseiter-Methode3030 oder die Anwendung eines erst in der Erprobung stehenden Heilversuchs vertretbar sein und nicht schon für sich genommen einen Behandlungsfehler begründen3031. Dies gilt insbesondere, wenn die Standardmethode im konkreten Fall wenig Aussicht bietet, die Prognose der Alternative

3023

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 7:106. Barendrecht u.a., PELSC, Comment E. zu Art. 7:106. 3025 Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. und E. zu Art. 7:106. 3026 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 171. 3027 OLG Düsseldorf, VersR 1991, 1176 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 36; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 30. 3028 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 171. 3029 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 177. 3030 BGH, NJW 1987, 2927; BGH, NJW 1981, 633. 3031 BGH, NJW 2006, 2477; OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 37. 3024

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

463

deutlich günstiger ist und das in Kauf genommene Fehlschlagsrisiko von den Heilungschancen deutlich überstiegen wird3032. Nach der Rechtsprechung des BGH „darf die Anwendung einer neuen Behandlungsmethode erfolgen, wenn die verantwortliche medizinische Abwägung und ein Vergleich der zu erwartenden Vorteile dieser Methode und ihrer abzusehenden und zu vermutenden Nachteile mit der standardgemäßen Behandlung unter Berücksichtigung des Wohls des Patienten die Anwendung der neuen Methode rechtfertigt“3033. Verzichtet der Arzt auf die neue, noch in der Erprobungsphase befindliche Methode, begeht er keinen Behandlungsfehler3034 und ist darüber hinaus auch nicht zur Aufklärung über die neue Methode verpflichtet3035. Denn zur aufklärungspflichtigen Alternative kann die Methode, wie dargelegt3036, erst werden, falls sie sich etabliert hat oder im Behandlungszeitraum voraussichtlich etablieren wird. Behandlungsfehlerhaft ist die Anwendung einer in der Vergangenheit anerkannten Therapiemethode umgekehrt (erst), wenn sie durch gesicherte medizinische Erkenntnisse überholt ist und daher im Behandlungszeitpunkt bedenklich erscheinen muss3037.

3.

Die englische Rechtsprechung zur Arzthaftung bei notwendig neuartigen Aufgaben

Im Arzthaftungsrecht haben die englischen Gerichte für Fälle, in denen keine Orientierung bietende Praxis besteht, den Standard eigenständig festgelegt. Maßgeblich ist insoweit aus jüngerer Zeit zum einen die Entscheidung des Court of Appeal in der Sache AB v Tameside & Glossop Health Authority, in der die insgesamt 114 Klägerinnen in den Einrichtungen der beiden Beklagten durch einen Geburtshelfer behandelt worden waren, der – wie sich im Nachhinein herausstellte – H.I.V.-positiv war. Es bestand die sehr geringe Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung. Die Beklagten hatten sich vor diesem Hintergrund dazu entschieden, ihre Patientinnen über diese Entwicklung in einem allgemein gehaltenen Schreiben zu unterrichten, das u.a. mehrere Telefonnummern enthielt, bei denen näherer Rat erfragt werden konnte. Die Patientinnen waren von Art und Inhalt der Benachrichtigung geschockt und warfen den Beklagten insoweit negligence vor. Diese hätten nach Auffassung der Klägerinnen den Grad der Schockwirkung dadurch verringern müssen, dass sie für die Überbringung der Nachricht im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit dem jeweiligen Hausarzt hätten Sorge tragen müssen. Der Court of Appeal wies die Klagen – anders als das erstinstanzliche Gericht – ab.

3032

Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 177. BGH, NJW 2007, 2767, 2768. 3034 BGHZ 102, 17, 24; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 749. 3035 LG Koblenz, VersR 1994, 1349. 3036 Vgl. ab S. 432. 3037 Vgl. BGH, NJW 1978, 587, 588; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 38. 3033

464

a)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Autonome Bestimmung des Standards durch das Gericht

Zur Bestimmung des Sorgfaltsstandards in bislang unbekannten Situationen stellte Brooke LJ fest, dass es insofern für ein Gericht nicht sonderlich sinnvoll sei, zu fragen, wie die bisherige medizinische Praxis in vergleichbaren Situationen verfahren sei. Der Bolam-Test sei vor diesem Hintergrund nicht anwendbar. Vielmehr müsse das Gericht in einem solchen Fall „perform the familiar role of considering the factual evidence carefully, listening to the expert evidence, and forming a view as to whether in all the circumstances these public health authorities fell below the standards reasonably to be expected of them when they selected their preferred method of communicating the information to the patients“3038. Im Falle einer neuartigen Situation fällt also dem Gericht die Aufgabe zu, anhand der Umstände des Einzelfalls, durch Sachverständige infomiert den Standard festzulegen. Den allgemeinen Regeln wird insoweit nichts hinzugefügt. Ein Hilfestellung für die materielle Bewertung des ärztlichen Vorgehens im Zusammenhang mit unerforschten Behandlungsmethoden für neuartige Krankheiten bietet demgegenüber die Entscheidung Simms v Simms, in der zwei Jugendliche unter einer Abwandlung der Kreutzfeld-Jakob-Krankheit litten. Die Krankheit war bei beiden etwa in dem gleichen fortgeschrittenen Stadium und ihre Eltern hatten vor Gericht beantragt, dass ihnen die Entscheidungsgewalt über die weitere Behandlung ihrer Kinder zugesprochen werden sollte. Die Kinder sollten nicht länger entscheiden können. Im Hintergrund stand dabei die Behandlung mit einem an Menschen noch unerprobten Medikament (PPS). Das Gericht stellte fest, im Umgang mit nicht entscheidungsfähigen Patienten bestünden für den Arzt vornehmlich zwei Verpflichtungen. Zunächst müsse er gemäß dem Bolam-Test in Übereinstimmung mit einem verantwortlichen Teil der Medizin vorgehen und dabei sei er ferner verpflichtet, im besten Interesse des Patienten zu handeln3039. Die Behandlung mit PPS war bislang allerdings allein in Japan im Tierversuch erprobt worden, sodass nur unter Schwierigkeiten von einer im Vereinigten Königreich existenten Praxis eines verantwortlichen Teils der Ärzteschaft ausgegangen werden konnte. Das geplante Vorgehen wurde aber von verschiedenen Experten unter sorgfältiger Abwägung befürwortet. Vor diesem Hintergrund ging das Gericht – in Übereinstimmung mit der im Bolam-Test zum Ausdruck kommenden „Philosophie“ – davon aus, ein verantwortlicher Teil der Medizin befürworte das geplante Vorgehen3040.

b)

Konkretisierungskriterien

Zur Frage der Risikoabwägung bei unerforschten Behandlungsmethoden für unerforschte Krankheiten führte das Gericht aus:

3038

AB and Others v Tameside & Glossop Health Authority [1997] PNLR 140, 154 f. Simms v Simms [2003] 1 All ER 669, 679 f. per Dame Butler-Sloss P (HC). 3040 Simms v Simms [2003] 1 All ER 669, 681 per Dame Butler-Sloss P (HC). 3039

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

465

“Where there is no alternative treatment available and the disease is progressive and fatal, it seems to me to be reasonable to consider experimental treatment with unknown benefits and risks, but without significant risks of increased suffering to the patient, in cases where there is some chance of benefit to the patient”3041. Diese Überlegungen sind sicherlich tragfähig, sodass sich z.B. auch auf der Grundlage des Art. 1:107 PELSC keine andere Bewertung ergeben dürfte. Denn zumindest dort, wo keine signifikante Risikosteigerung zu erwarten ist, spricht – außer wirtschaftlichen Aspekten (mangelnde Versicherungsdeckung bei neuartigen Behandlungsmethoden, d.h. Kostentragung durch den Patienten auch bei Misserfolg und damit Zuweisung des Verwendungsrisikos an ihn) – insbesondere bei potentiell tödlichem Krankheitsverlauf nichts ernsthaft dagegen, eine neuartige Behandlung auch anzuwenden, wenn nicht klar ist, ob diese Behandlung eine Verbesserung verspricht. Wo mit der neuartigen Behandlung eine Risikosteigerung verbunden ist, wird man wiederum unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls Gewinn und Verlust abzuwägen haben. Die Abwägung wird insoweit stark derjenigen gleichen, die im Rahmen einer fakultativ abweichenden Behandlung durchzuführen ist. Darauf ist an gegebener Stelle zurückzukommen3042. Wichtig ist, dass ausdrücklich die Orientierung der Abwägungsentscheidung an einem sehr breit verstandenen besten Interesse des Patienten festgeschrieben wird. Das Gericht habe „to assess the best interests in the widest possible way to include the medical and non-medical benefits and disadvantages, the broader welfare issues of the two patients, their abilities, their future with or without treatment, the views of the families, and the impact of refusal of the applications. All of these matters have to be weighed up and balanced in order for the court to come to a decision in the exercise of its discretion“3043. Man wird daher konstatieren können, dass die Entscheidung sich in den an dieser Stelle untersuchten Konstellationen soweit wie möglich an den Interessen des Gläubigers zu orientieren hat.

II.

Neuartiges Baudesign und Architektenhaftung

1.

Die Position des englischen Rechts

Ältere Entscheidungen weisen für die Architektenhaftung demgegenüber in eine andere Richtung.

3041

Simms v Simms [2003] 1 All ER 669, 682 per Dame Butler-Sloss P (HC). Vgl. ab S. 478. 3043 Simms v Simms [2003] 1 All ER 669, 683 per Dame Butler-Sloss P (HC). 3042

466

a)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Ausschluss der Fahrlässigkeitshaftung?

Die Entscheidung Turner v Garland and Christopher3044 deutet etwa an, dass Fehlschläge eines Architekten bei der Verwendung eines neuartigen Designs, mit dem dieser bislang keine Erfahrung hat, nicht auf Fahrlässigkeit zurückzuführen seien3045. In dieser Entscheidung wurde ein Architekt mit dem Entwurf von Bauplänen und der Bauüberwachung durch einen Bauherrn beauftragt, der ihn gleichzeitig aufforderte, eine neuartige Dacheindeckung mit Beton vorzunehmen, die billiger als die bisher verwendeten Materialien – Blei bzw. Schiefer – war. Die Betoneindeckung erwies sich im Nachhinein als Fehlschlag; sie musste entfernt und ersetzt werden. Der Bauherr verklagte daraufhin den Architekten wegen negligence. Erle J klärte die Jury darüber auf, dass zwar eine Fehlentscheidung bei dem Bau eines gewöhnlichen Gebäudes zum Nachweis von Fahrlässigkeit geeignet sei. Werde ein Architekt dagegen für ein neuartiges Projekt engagiert, mit dem er keine Erfahrung besitze, könnten auch Entscheidungen, die sich nachträglich als Fehler herausstellen, mit der Ausübung angemessener Sorgfalt vereinbar sein. Denn: “… they were not guarantors of success, for, as Erle J directed the jury in Turner v Garland & Christopher …: ‘… if you employ (an architect) about a novel thing, about which he has had little experience, if it has not had the test of experience, failure may be consistent with skill. The history of all great improvements shows failure of those who embark in them.’ ”3046 Diese Begründung scheint allerdings zu undifferenziert. Denn es kann nicht richtig sein, dass bei neuartigen Aufgaben allein wegen ihrer Neuartigkeit jeder Fehler entschuldigt ist3047. In der Literatur wird dementsprechend bezweifelt, dass dieser Fall nach heutiger Rechtslage mit gleicher Begründung ebenso entschieden werden würde3048.

b)

Risiko- und Interessenabwägung

Diese Zweifel wird man durchgreifen lassen müssen, hatte doch bereits Lord Fitz Gerald in der Sache Hughes v Percival3049 Fahrlässigkeit nicht von vorneherein aus3044

Turner v Garland and Christopher (1853) Volume 2 Hudson’s Building Contracts, 4th Ed., 1914, p. 1, non vidi, zit. nach IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 (lexis) per Lord Edmund-Davies. Sachverhalt nach Cornes, Design, § 4.8. 3045 So die Deutung von Cornes, Design, § 4.8. 3046 IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 (lexis) per Lord Edmund-Davies. 3047 Insofern dürfte der Architekt nach geltendem Recht jedenfalls dann zu verurteilen sein, wenn er seinen Auftraggeber nicht über die potentielle Nichteignung einer Betoneindeckung aufgeklärt hat, vgl. ab S. 404. 3048 Cornes, Design, § 4.8; a.A. wohl Emden/Redmond-Cooper, § IV–1131. 3049 Hughes v Percival (1883) 8 App. Cas. 443, 455 (zit. nach IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 per Lord Edmund-Davies (HL, lexis).

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

467

geschlossen, sondern den für „building operations“ geltenden Haftungsstandard mit folgenden Worten umschrieben: “[The architect ] is not in the actual position of being responsible for injury, no matter how occasioned, but he must be vigilant and careful, for he is liable for injuries to his neighbour caused by any want of prudence or precaution, even though it may be culpa levissima”. Das heute für derartige Fragen maßgebliche Urteil bildet die Entscheidung des House of Lords in der Sache IBA v EMI and BICC. In dieser Entscheidung3050 war der von den Beklagten entworfene, 1250 Fuß (≈ 400 m) hohe Fernsehmast kollabiert. Das Gericht akzeptierte, dass der Entwurf eines so angelegten zylindrischen Mastes zur Zeit der Bauausführung „both at and beyond the frontier of professional knowledge at that time“ war. Gleichwohl mussten den Beklagten wegen der mit den Ausmaßen des Mastes bei einem Umsturz bestehenden Gefahren bei dem Entwurf mit besonders hoher Sorgfalt vorgehen3051. Einer der Faktoren, die zum späteren Umstürzen des Mastes geführt hatten, war eine asymmetrische Belastung des Mastes durch Vereisung seines Gestänges. Bei der Planung des Entwurfs waren die Beklagten davon ausgegangen, dass übermäßige Vereisungen infolge eines windbedingten Schwankens des Mastes abbrechen und herabfallen würden. Hier bot sich ein erster Ansatzpunkt für einen Fahrlässigkeitsvorwurf. Denn insoweit mochte die Erfahrung der Beklagten mit anderen Konstruktionen zu einem Fehlurteil verleitet haben. Für die in Rede stehende Konstruktion, mit der keinerlei Erfahrungen bestanden, hätte davon, wie Viscount Dilhorne feststellte, nicht ausgegangen werden dürfen. Unnachvollziehbar fand seine Lordschaft auch die Annahme, dass die Vereisung symmetrisch erfolgen werde. Dass der Mast asymmetrisch vereisen könnte, schien den Beklagten nachlässigerweise nicht einmal in den Blick geraten zu sein. Da solche Überlegungen jedenfalls bei diesem völlig neuartigen Design in Rechnung gestellt werden hätten müssen, befand Viscount Dilhorne auf Fahrlässigkeit3052. Dass auch bei neuartigen Aufgaben die allgemeinen Vorsichtsmaßregeln gelten und sich der Sorgfaltsmaßstab also anhand einer Risiko- und Interessenabwägung in Form einer Aufwand-Nutzen-Analyse unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, stellte parallel dazu Lord Edmund-Davies überzeugend klar. In seiner speech finden sich abstraktere Richtlinien zum Umgang mit neuartigem Baudesign. Der Umstand, dass es sich um eine neuartige Aufgabe handelt, wirkt danach nicht entlastend. Im Gegenteil: Denkbar sei, dass der Architekt angesichts der mit einem neuartigen Design verbundenen Risiken sogar zusätzlich Sicherungsmaßnahmen erfüllen müsse, um seiner Sorgfaltspflicht gerecht zu werden3053. Dem wird man jedenfalls zustimmen müssen, wenn die Aufgabe, wie hier, bei einem Fehlschlag enormes

3050

Zum Sachverhalt vgl. bereits oben ab S. 29. IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 per Viscount Dilhorne (HL, lexis). 3052 IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 (lexis). 3053 Ebenso Cornes, Design, § 4.8. 3051

468

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Gefahrenpotential birgt3054. Eine Sonderregel gegenüber den allgemeinen Kriterien für die Prüfung von negligence ergibt sich daraus freilich nicht. Es kommt – wie stets – darauf an, welches Vorgehen die übernommene Aufgabe in der konkreten Situation erfordert. Insoweit ist auch denkbar, dass ein Architekt nur angemessen sorgfältig vorgeht, wenn er das Projekt als zu gefährlich beendet3055: “The project may be alluring. But the risks of injury to those engaged in it, or to others, or to both, may be so manifest and substantial, and their elimination may be so difficult to ensure with reasonable certainty that the only proper course is to abandon the project altogether. … circumstances can and have at times arisen in which it is plain commonsense and any other decision foolhardy. The law requires even pioneers to be prudent.”3056

2.

Die Position des deutschen Architektenvertragsrechts

Diesen Ansatzpunkt teilt das deutsche Architektenvertragsrecht dem Grunde nach. Zwar hat die Leistung des Architekten mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarungen als Mindeststandard den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen3057. Dies gilt auch für die im Rahmen der Projektrealisierung der Planung nach zu verwendenden Baustoffe sowie für die Herstellungs- und Konstruktionsweisen, die die Planung umsetzen3058. Folglich darf der Architekt grundsätzlich nur Baustoffe zur Verwendung vorsehen und Konstruktionen wählen (entsprechendes gilt für die sog. Sachwalterpflichten3059), bei denen er sich völlig sicher ist, dass sie den zu stellenden Anforderungen genügen3060. Umgekehrt hat der Architekt die Planung mit einem Baustoff, der sich im Ergebnis als ungeeignet erweist, nicht zu vertreten, falls im Zeitpunkt der Planung und Durchführung an sich eine ausreichende Erfahrung mit dem Baustoff bestand und sich erst später dessen Ungeeignetheit herausgestellt hat. Der Architekt braucht insofern trotz kurz vor der Abnahme erstmals geäußerter kritischer Stimmen nicht zu einer Abnahmeverweigerung zu raten3061. An der Mangelhaftigkeit der Planung ändert dies jedoch auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH3062 nichts3063.

3054

Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–206; Eckersley v Binnie [1955-95] PNLR 348. Ebenso Jackson/Powell, Negligence, § 8–206. 3056 IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 (lexis). 3057 Vgl. ab S. 189. 3058 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32. 3059 Vgl. Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32. 3060 BGH, BauR 1976, 66, 67; KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386; OLG Celle, NJW-RR 1991, 1175, 1176; Reim, BauR 1990, 762; vgl. auch Locher/Koeble/Frik, HOAI § 15 Rn. 30; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32 m.w.N. 3061 OLG Hamm, IBR 2005, 33. 3062 Vgl. oben ab S. 225 bzw. 189. 3063 OLG Hamm, IBR 2005, 33. 3055

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

469

Von diesem Mindesstandard darf der Architekt grundsätzlich nur nach Warnung und damit letztlich mit dem Einverständnis des Bauherrn abweichen3064. Allein der Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik führt allerdings theoretisch – legt man § 633 Abs. 2 S. 1 BGB zugrunde – nicht zu einem Werkmangel, sofern dadurch kein Beschaffenheitsmangel hervorgerufen wird3065. Dies dürfte in der Praxis aber kaum einmal anzunehmen sein, da einem unter Nichtbeachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik erstellten Werk immer das Risiko eines Schadens immanent ist. Dies genügt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits für die Annahme eines Werkmangels3066. Vor diesem Hintergrund wird man in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH zunächst zu fordern haben, dass der Architekt den Bauherrn auf die in einer neuartigen Konstruktion liegenden Risiken „ganz deutlich“ hinweist3067. Besteht der Bauherr gleichwohl hierauf, z.B. weil ihm niedrige Kosten wichtiger sind als eine weitergehende Risikofreiheit, muss der Architekt dem folgen, ist umgekehrt aber für die Risikorealisierung nicht verantwortlich. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BGH – parallel zur Rechtsprechung des House of Lords – allerdings, falls der neuartigen Konstruktion „besonders große“ Risiken immanent sind3068. Denn in diesem Fall scheint auch nach der Rechtsprechung des BGH der Verzicht auf die ins Auge gefasste Konstruktion der einzig gangbare Weg zu sein3069. Das Risiko des Fehlschlagens neuer Baukonstruktionen liegt damit zunächst beim Architekten3070 und kann nur nach „ganz deutlicher“ Aufklärung durch dessen Zustimmung auf den Bauherrn abgewälzt werden, sofern es sich insoweit nicht um ein „besonders großes“ Risiko handelt.

III. Anwaltshaftung Im Rahmen der Anwaltshaftung dürfte sich das Problem unfreiwillig neuartiger Aufgaben vor allem beim Umgang mit bislang ungeklärten Rechtsfragen ergeben, seien sie durch eine Änderung der Rechtslage veranlasst oder nicht.

1.

Das englische Anwaltshaftungsrecht

Für Erteilung von Rechtsauskünften in streitigen und nicht-streitigen Angelegenheiten gelten insoweit nach englischem Recht folgende Grundsätze:

3064

Vgl. BGH, BauR 1970, 177; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 25. MünchKomm/Busche, BGB § 633 Rn. 42. 3066 OLG Schleswig-Holstein, BauR 2004, 1946, 1947. 3067 BGH, BauR 1981, 76, 77; ähnlich OLG Düsseldorf, BauR 2001, 1780, 1781 („eindringlich“). 3068 Vgl. zur englischen Rechtsprechung gerade auf S. 468. 3069 Vgl. BGH, BauR 1981, 76, 77. 3070 Ebenso MünchKomm/Busche, BGB § 633 Rn. 42. 3065

470

a)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Sorgfalt als Vertragsgegenstand

Nicht erwartet wird von einem solicitor die Versicherung, dass die mitgeteilte Rechtsauffassung die (einzig) Richtige sei3071. Äußert sich der solicitor zu einer umstrittenen Rechtsfrage und hängt von ihr bspw. der Prozessausgang ab, kann der solicitor nicht verantwortlich gemacht werden, wenn das Gericht anders entscheidet3072. Umgekehrt haftet der solicitor ohne weiteres, wenn seine Angaben fehlerhaft von einer endgültigen Entscheidung der Rechtsfrage abweichen3073. Die insoweit einzuhaltenden Regeln wurden von Tindal CJ in der Entscheidung Godefroy v Dalton grundlegend wie folgt zusammengefasst: “[The solicitor] is liable for the consequences of ignorance or non-observance of the rules of the practice of the court; for the want of care in the preparation of the cause for trial; or of the attendance thereon with his witnesses, and for the mismanagement of so much of the conduct of a cause as is usually an ordinarily allotted to his department of the profession. Whilst on the other hand, he is not answerable for error in judgement upon points of new occurrence, or of nice and doubtful construction, or of such as are usually entrusted to men in the higher branch of the profession of the law.”3074 In diesen Feststellungen spiegelt sich klar wider, dass der solicitor für Sorgfalt haftet. Er ist daher für angemessene Irrtümer in unvorhersehbaren oder nicht eindeutig zu beantwortenden Fragen nicht verantwortlich. Tindal CJ stellt zugleich klar, dass für die Bestimmung des geschuldenten Sorgfaltsstandards nicht lediglich auf die vertraglich übernommene Aufgabe abzustellen ist, sondern darüber hinaus, wie gesagt3075, berücksichtigt werden muss, welcher Bezugsgruppe der Beklagte erkennbar zuzuordnen ist. Auch hier wird allerdings gelten müssen, dass der solicitor für die Schlechterfüllung einer Aufgabe, die für gewöhnlich „men in the higher branch of the profession of the law“ anvertraut wird, nur dann nicht haftet, falls für ihn nicht vorhersehbar war, dass sich diese Frage ergeben würde. Denn sofern eine Aufgabe übernommen wird, die mangels Erfahrung nicht angemessen sorgfältig erfüllt werden kann, ist es dem solicitor nicht möglich, sich zur Haftungsentlastung auf diesen Erfahrungsmangel zu berufen3076. Auch der Unerfahrene muss, dem Standard eines Erfahrenen gerecht werden. Anderes kann nur in der von Tindal CJ nicht behandelten Situation gelten, dass niemand Erfahrung mit der entsprechenden Aufgabe hat. Dies wird aus den Entscheidungen deutlich, nach denen ein solicitor nicht haftet, wenn er – was nicht 3071

Billins, Solicitors, § 4–10. Billins, Solicitors, § 4–10. 3073 Billins, Solicitors, § 4–10. 3074 Godefroy v Dalton (1830) 6 Bing 460 (zit. nach Billins, Solicitors, § 4–10); vgl. dazu auch Halsbury’s, Vol. 44 (1) Solicitors, § 153. 3075 Vgl. bereits ab S. 163. 3076 Vgl. dazu ab S. 200. 3072

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

471

ungewöhnlich ist – seine Rechtsauskunft auf die gegenwärtige Rechtslage stützt und erst die anders lautende Entscheidung des von ihm betreuten Falles diese Rechtslage verändert3077.

b)

Pflicht zum sorgfältigen Bemühen um Prozessvermeidung

Ist die Rechtslage bezüglich einer bestimmten Frage unsicher, z.B. weil zu ihr noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, ist es gleichwohl zuallerst die Pflicht jedes solicitors, einen Prozess, in dem diese Frage relevant werden muss, zu vermeiden. Dies lässt sich der Entscheidung des Court of Appeal in Roberts v J W Ward & Son entnehmen, in der ein solicitor für seinen Mandanten eine Kaufoption für ein Grundstück ausüben sollte. Verkäufer des Grundstücks waren laut schriftlichem Optionsvertrag Mr. Victor Worlock (W) und die Worlock Builders Ltd. Der Beklagte sandte die Optionserklärung in Unkenntnis der Rechtsbeziehungen zwischen W und der Gesellschaft lediglich an W. Dieser wies die Erklärung wirksam zurück, da das Optionsrecht gegenüber beiden Verkäufern hätte ausgeübt werden müssen. Das Gericht erklärte, dass dies im konkreten Fall jedenfalls der sicherste Weg gewesen wäre, um das Optionsrecht wirksam auszuüben. Diesen hätte der Beklagte folglich einschlagen müssen. Denn insofern habe ein „reasonably competent solicitor“ „no need to take any risk“ gehabt, zumal: “a solicitor’s first job is to ensure that there is no litigation; all he had to do, and all the draftsman had to do, was to sit down with the option agreement, to observe that there were two intending vendors; to observe that notice in writing had to be given to the intending vendors and therefore to send and serve a notice on both the intending vendors, thus avoiding any risk and exercising the option in a form which, so far as the parties were concerned, was bound to be effective whether the solicitor’s view of the law was right or wrong.”3078 Der solicitor muss vor diesem Hintergrund jedes Risiko vermeiden, das sich (man wird hinzufügen müssen: mit vertretbarem Aufwand) vermeiden lässt. Für den Umgang mit neuartigen Rechtsfragen ergibt sich daraus die Verpflichtung, diese soweit wie möglich zu meiden. Ist dies nicht möglich, erfüllt der solicitor seine vertraglichen Pflichten, indem er bspw. ein Gesetz, zu dessen Auslegung noch keine Rechtsprechung existiert, wenn er es so auslegt, wie ein angemessen kompetenter und sorgfältiger solicitor das Gesetz ausgelegt hätte3079.

3077

Vgl. Billins, Solicitors, § 4–10 m.w.N. Roberts v JW Ward & Son (1981) 126 SJ 120 per Templeman LJ (CA, lexis). 3079 Vgl. Jones v Jones [1970] 2 QB 576, 583 per Salmond LJ, 587 per Sachs LJ (CA) sowie Watson, Litigation, § 4.92. 3078

472

c)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Aufklärung über die unsichere Rechtslage und Prozesswahrscheinlichkeit

In der Sache Queen’s Elizabeth’s School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors wurden die Pflichten des solicitors in einer derartigen Situation ferner dahin ergänzt, dass dieser seinen Mandanten auch darüber aufzuklären hat, ob und inwieweit über seine Auffassung zur Rechtslage Streit entstehen könne. In dieser Entscheidung wurde der beklagte solicitor als fahrlässig verurteilt, weil er seine Mandantin nicht darüber aufgeklärt hatte, dass die von ihm befürwortete Auslegung einer vertraglichen Beschränkung der Bauhöhe für ein neues Gebäude, das die Mandantin errichten errichten wollte, Raum für Diskussionen bot. Wichtig war dabei, dass dem solicitor bekannt war, dass sowohl der aus der vertraglichen Beschränkung Berechtigte als auch die Bauplanungsbehörden „unglücklich“ mit den Plänen seiner Mandantin waren3080. Dies hätte – so der Court of Appeal – in seine Beratung einfließen müssen, obwohl die Mandantin ihn lediglich mit der Auslegung der Beschränkungsklausel beauftragt hatte3081. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte seine Mandantin nämlich darüber aufklären müssen, dass die Bedeutung der Klausel diskussionsfähig sei und dass das Aufkommen entsprechender Diskussionen aufgrund der Einstellung des Berechtigten sowie der Bauplanungsbehörden nicht unwahrscheinlich sei. Er hätte sich daher nicht – wie geschehen – lediglich darauf beschränken dürfen, dass ein Prozessausgang niemals sicher vorauszusagen sei. Dies gilt nach den Feststellungen des Court of Appeal ungeachtet der Tatsache, dass der solicitor allein dazu beauftragt worden war, über die wahrscheinliche Bedeutung der Klausel zu beraten – und nicht über die Risiken eines Prozesses. Die Klägerin hatte sich insoweit auf Dixey & Sons Limited v Parsons3082 gestützt3083. Während Salmon LJ dort aber entscheidend darauf abgestellt hatte, es hätte „an obvious danger that a different view might be taken“ bestanden, scheint der Court of Appeal in Queen’s Elizabeth’s School Blackburn Ltd darüber hinausgehen zu wollen. Denn den Feststellungen von Arden LJ lässt sich insoweit entnehmen, dass der solicitor immer – d.h. auch außerhalb offensichtlicher Fälle – darüber aufklären muss, ob und inwieweit das Risiko anderweitiger Auslegung sowie ein entsprechendes Prozessrisiko besteht: “But it is clear, from the facts as I have set them out, that [the defendant] knew that a dispute was potentially to emerge with a neighbour over the effect of the clause, and in those circumstances it seems to me that it behoved him to point out that there was a risk about the construction of the clause. In my judgment, the arguments supporting the contrary construction on the clause were of sufficient

3080

Queen Elizabeth’s Grammar School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors [2001] EWCA Civ 1360, Tz. 35 ff. per Arden LJ (CA, lexis). 3081 Queen Elizabeth’s Grammar School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors [2001] EWCA Civ 1360, Tz. 47 f. per Arden LJ (CA, lexis). 3082 C W Dixey & Sons Ltd v Parsons (1964) 192 EG 197 per Salmon LJ (QB, lexis). 3083 Queen Elizabeth’s Grammar School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors [2001] EWCA Civ 1360, Tz. 42 f. per Arden LJ (CA, lexis).

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

473

significance to meet the threshold that they should have been pointed out to the client.”3084 Die Entscheidung des Court of Appeal in Queen Elizabeth’s Grammar School Blackburn Ltd unterstreicht die Bedeutung der Implikation von Aufklärungspflichten für den Gläubiger. Denn der solicitor wird dort wegen einer Aufklärungspflichtverletzung verurteilt, obwohl er die Beschränkungsklausel angemessen ausgelegt und damit die Aufgabe, für die er vertraglich primär engagiert worden war, vertragsgemäß erfüllt hatte3085. Dass die Interessen des Mandanten insoweit teilweise gegenläufig sind, wird gerichtlich anerkannt, ist aber laut Sedley LJ hinzunehmen: “Clients, I know, want two inconsistent things. They want confident advice on which they can act, and they want cautionary advice about the risks of doing so. It is a solicitor’s unhappy lot to have to try to satisfy both requirements simultaneously.”3086 Vor diesem Hintergrund scheint eine Ausübung von „reasonable skill and care“ nun also auch die Beratung über Prozessrisiken einzuschließen, wenn der solicitor augenscheinlich allein für die Beratung in nicht-streitigen Angelegenheiten engagiert wird. Der Verpflichtungsumfang des solicitors und – abhängig davon – sein Haftungsrisiko werden dadurch erhöht. Denn die Mandantierung zur Auslegung einer Vertragsklausel und die Beratung über ein eventuelles Prozessrisiko sowie die Erfolgssaussichten des Mandanten sind nicht nur (zumindest auf den ersten Blick) zwei völlig verschiedene Dinge, sondern wurden in der Vergangenheit – soweit es sich nicht um Evidenzfälle handelte – auch als solche behandelt. Nunmehr wird sich ein solicitor zukünftig jedoch stets die Fragen stellen müssen, ob (1) objektiv die Möglichkeit besteht, dass in der mandatsgegenständlichen Frage eine andere Auffassung vertreten wird und ob (2) ein ernstzunehmendes Risiko besteht, dass die Frage gerichtlich verhandelt wird. Seine diesbezügliche Aufklärungsverpflichtung kann er nicht lediglich durch den Hinweis erfüllen, dass der Ausgang eines Prozesses nie sicher vorauszusagen sei. Vielmehr wird er die bestehenden Risiken konkret benennen und erläutern müssen.

2.

Das deutsche Anwaltshaftungsrecht

Für den Rechtsanwalt dürfte von einer durchaus vergleichbaren Pflichtenstellung auszugehen sein. Dies lässt sich zunächst für „offene“, d.h. für solche Rechtsfragen konstatieren, die noch nicht höchstrichterlich entschieden sind: 3084

Queen Elizabeth’s Grammar School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors [2001] EWCA Civ 1360, Tz. 47 per Arden LJ (CA, lexis). 3085 Queen Elizabeth’s Grammar School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors [2001] EWCA Civ 1360, Tz. 45 per Arden LJ, Tz. 50 per Sedley LJ (CA, lexis). 3086 Queen Elizabeth’s Grammar School Blackburn Ltd v Banks Wilson Solicitors [2001] EWCA Civ 1360, Tz. 51 (CA, lexis).

474

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Fehlt zu einer für die Mandatsbearbeitung erheblichen Frage noch höchstrichterliche Rechtsprechung, ist der Anwalt nach den Feststellungen des BGH immerhin verpflichtet, die „Tendenz“ der Entwicklung einer solchen Rechtsprechung festzustellen3087. Drängt sich aufgrund eindeutiger Anhaltspunkte insoweit eine bestimmte Prognose auf 3088, hat der sorgfältige Anwalt diese zu treffen und sein Vorgehen hieran auszurichten3089. Voraussetzung dafür dürfte allerdings – wie Fahrendorf zu Recht hervorhebt – sein, „dass (auch) in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür eindeutige Umstände als Prognosegrundlage vorliegen“3090. Sofern es hieran fehlt und sich lediglich die instanz- oder obergerichtliche Rechtsprechung bzw. Literatur mit dem Problem beschäftigt hat, wird man den Anwalt nämlich nur (aber immerhin) für verpflichtet halten können, diese auszuwerten3091 und sie seiner Beratung zugrunde zu legen3092. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wird er daneben freilich gemäß den allgemeinen Grundsätzen beachten müssen3093. Nicht verlangen dürfen wird man aber selbst in Evidenzfällen, dass der Anwalt aus der vorhandenen instanz- oder obergerichtlichen Rechtsprechung bzw. Literatur auf eine bestimmte Entwicklungslinie schließen muss3094. Denn damit wird eine Erfolgspflicht behauptet, die dem Anwaltsvertrag fremd und darüber hinaus auch deshalb nicht sachgerecht ist, weil der BGH bisweilen durchaus in einer bislang offengelassenen Frage von der in der Literatur ganz herrschenden Meinung abweicht3095. Selbst scheinbar sicheren Prognosen wohnt damit stets ein vom Anwalt in keiner Weise steuerbares Risikomoment inne, was gegen den Willen zur Begründung einer Erfolgs- und für den Willen zur Begründung einer Sorgfaltspflicht spricht; denn „hellseherische Fähigkeiten“3096 erwartet der Verkehr von einem Anwalt nicht3097. Ausgehend vom Gebot, den relativ sichersten Weg zu wählen, wird man parallel zu den soeben dargestellten Pflichten eines solicitors auch den Rechtsanwalt im Einzelfall bei aufgrund des Fehlens einer höchstrichterlichen Entscheidung unsicherer Entscheidungsprognose für verpflichtet halten müssen, zunächst die Möglichkeiten 3087

BGH, NJW-RR 1993, 243, 245; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 578 m.w.N.; a.A. Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9. 3088 Vgl. Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 578, der insoweit „Evidenz“ fordert und dazu auf BGH, WM 1993, 3323, 3325 verweist. 3089 Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 578; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 491; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 19 Rn. 51. 3090 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 491. 3091 Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 491. 3092 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 491. 3093 Vgl. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 491. 3094 Ebenso Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 491; a.A. Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 578. 3095 Vgl. nur das Urteil des BGH in Sachen „verdeckte Sacheinlage“, BGH, ZIP 2003, 1540, 1543 und dazu (sofort die früher in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Lehre vertretene Ansicht aufgebend) Pentz, ZIP 2003, 2093 ff. 3096 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 491. 3097 A.A. zu Unrecht etwa Heckendorn, Haftung, Rn. 239 m.w.N.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

475

einer Prozessvermeidung auszuloten. In diesem Zusammenhang muss der Anwalt seiner Risikobelehrungspflicht entsprechend, wenn und soweit er die Erfolgsaussichten aufgrund der instanz- oder obergerichtliche Rechtsprechung bzw. Literatur negativ prognostiziert, dies nicht nur gegenüber dem Mandanten klarstellen, sondern auch erläutern, aus welchen Gründen er die Sachlage so einschätzt. Ob dies, wie der Court of Appeal für den solicitor anzunehmen scheint, auch gilt, wenn der Rechtsanwalt nur für nicht-streitige Beratung engagiert wird, dürfte nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des erkennbaren Informationsbedürfnisses des Mandanten zu entscheiden sein3098. Es ist indessen keineswegs unüblich, sondern im Gegenteil geradezu typisch, dass auch lediglich mit der Vertragsauslegung beauftragte Rechtsanwälte sich – jedenfalls am Rande – Gedanken über die prozessualen Risiken für den Mandanten machen. Da die Auslegung schließlich nicht „im luftleeren Raum“ stattfindet, sondern zumeist vor dem Hintergrund einer konkreten (oder konkret drohenden) Streitigkeit, wird man auf der Grundlage der vom BGH umfassend formulierten Belehrungspflicht3099 vom Anwalt typischerweise erwarten, dass er auch die Durchsetzungschancen kurz bedenkt, soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er der Beratung nur in einer ganz bestimmten Richtung bedarf 3100. Selbst unter diesem Aspekt wird man daher eine deutliche Nähe von englischem und deutschem Anwaltshaftungsrecht konstatieren können.

B.

Fakultativ neuartige Aufgaben – Haftungsbelastung durch ein Abweichen von der gängigen Praxis?

Anders als in den vorstehenden Fallkonstellationen stellt sich die Interessenlage dar, wenn die äußeren Umstände (zu denen hier auch die festen Vorstellungen des Gläubigers gezählt wurden) kein Abgehen von einer bekannten und bewährten Möglichkeit der Leistungserbringung erzwingen. In der Medizin betrifft dies z.B. den Bereich der sog. forschenden Behandlung, d.h. der Behandlung eines Kranken mit neuen Methoden und Mitteln, bei der immerhin vorrangig (wenn nicht sogar ausschließlich) der Heilungszweck verfolgt wird; man bezeichnet dies auch als therapeutischen Versuch3101. Dieser unterscheidet sich in seiner Zweckrichtung vom Bereich der Forschung, d.h. der Behandlung von Personen mit neuen Methoden, Mitteln und Medikamenten zu ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken, den manche den Bereich der wissenschaftlichen Versuche nennen3102. Der Bereich der Forschung ist allerdings nicht Gegenstand dieser Untersuchung3103, da in ihm seiner Zweckrichtung entsprechend keine Dienste an einem Kranken geleistet 3098

Vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Kriteriums für Umfang und Inhalt der Belehrungspflicht ab S. 359. 3099 Vgl. zur (unberechtigten) Kritik hieran die Nachweise in Fn. 1695. 3100 Vgl. zu dieser vom BGH immer wieder genutzten Formel nur BGH, NJW 2006, 501, 502. 3101 Vgl. zu dieser Begriffsbildung Giesen, Neue Behandlungsmethoden, S. 18. 3102 Vgl. Giesen, Neue Behandlungsmethoden, S. 18. Zur Abgrenzung von Heilversuchen und klinischen Prüfungen vgl. Deutsch, VersR 2005, 1009 ff. 3103 S. dazu etwa Giesen, (1995) 3 Med L Rev 22, 38 ff.; Jones, Negligence, § 3–044 f.

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

476

werden, sondern eher umgekehrt der Kranke (oder Gesunde) seinen Körper für wissenschaftliche Experimente des Arztes zur Verfügung stellt und sich den Bedingungen der Behandlung unterwirft3104. Die PELSC fordern für die gemessen am Gesundheitszustand des Patienten „unnötige“ Behandlung3105 – abweichend von den Vorgaben des Art. 7:105 PELSC, IV.C. – 8:105 DCFR – stets eine umfassende Aufklärung über alle bekannten Risiken (Art. 7:106(1) PELSC, IV.C. – 8:106(1) DCFR). Für die Rechtsberatung ist vor allem an fakultativ neuartige Formen der Vertragsgestaltung zu denken, da der Umgang mit streitigen Angelegenheiten stark formalisiert und der neuartigen individuellen Modifikation durch den Anwalt kaum zugänglich ist3106. Im Bereich der Architektenhaftung werden es u.a. ökonomische Gründe sein, die den durchschnittlichen Baudienstleister ohne zwingenden Anlass zu einem Abgehen von der üblichen Praxis bewegen. Denn insbesondere große Bauprojekte werden zumeist ausgeschrieben und der Wettbewerb unter den Baudienstleistern um das beste Angebot mag den Architekten dazu veranlassen, neue Wege zu gehen, um durch ein neuartiges Design die Kostenlast des Bauherrn zu verringern. In all diesen Konstellationen stellt sich zuerst die Frage, ob das Abgehen von einer etablierten Praxis, sofern es „fehlschlägt“, notwendig einen Vertragsbruch bedeutet.

I.

Arzthaftung

1.

Die Vorgaben der PELSC und des DCFR für eine unnötige Behandlung

PELSC und DCFR sehen bezüglich der Behandlung selbst auch im Falle ihrer Unnötigkeit keine expliziten Sonderregeln vor. Es finden sich insoweit lediglich Sonderregeln hinsichtlich der Aufklärungspflicht des Behandelnden. Daraus wird man schließen dürfen, dass die PELSC und der DCFR eine an sich unnötige und d.h. auch: fakultativ neuartige Behandlung für sich genommen nicht als vertragswidrig qualifizieren. Insoweit finden dann, was die Bestimmung der Anforderungen an die geschuldete Behandlung selbst betrifft, die allgemeinen Regeln Anwendung; ein Ergebnis, das sich, wie zu zeigen sein wird, für die nationalen Rechte weitestgehend ebenso festhalten lässt. Zu den in den PELSC und dem DCFR explizit geregelten Aufklärungspflichten ist losgelöst hiervon darüber hinaus Folgendes zu sagen: Als „unnötig“ wird eine Behandlung dort qualifiziert, wenn sie nicht strikt medizinisch indiziert ist, sondern auf einer anderweitig motivierten Entscheidung des Patienten beruht. Über den therapeutischen Nutzen ist mit der Qualifikation als „unnötig“ indessen kein Bezug auf ein medizinisches Werturteil verbunden3107. 3104

3105 3106

3107

Keine Rolle spielt für den Sorgfaltsstandard aber, ob der in Rede stehende Versuch kommerziellen Zwecken dient oder nicht, vgl. The Creutzfeld-Jakob Disease Litigation, Plaintiffs v United Kingdom Medical Research Council (1996) 54 BMLR 8 per Morland J (HC, lexis). Zur Definition dieses Begriffs Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:106. Denken ließe sich z.B. an den bislang praktisch nicht üblichen Einsatz neuer Telekommunikationsmedien, den § 130 a ZPO gestattet. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:106.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

477

Soweit die Behandlung im vorstehenden Sinne unnötig, d.h. zur Verbesserung oder Erhaltung des Gesundheitszustands des Patienten nicht erforderlich ist, muss der Schuldner den Patienten nach Art. 7:106(1) PELSC, IV.C. – 8:106(1) DCFR so umfassend wie möglich informieren. Dies schließt insbesondere die Information auch über außergewöhnliche oder unerhebliche Risiken ein3108, wobei wohl die Überlegung im Hintergrund steht, dass der Patient hier – anders als möglicherweise in Bezug auf eine medizinisch indizierte Behandlung – im Rahmen der Aufwand-Nutzen-Analyse nicht emotional beeinflusst zu einer Fehlbeurteilung neigen wird. Zunächst einmal, weil die Nichtbehandlung hier nicht die Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustands begründet, halten es die Verfasser der PELSC für unschädlich, falls der Patient aufgrund einer Fehl- bzw. Überbewertung der mit der unnötigen Behandlung verbundenen Risiken von ihr absieht. Ferner gehen sie davon aus, dass selbst die geringste Wahrscheinlichkeit einer Risikorealisierung schwerer wiegen wird als die mit der unnötigen Behandlung verbundenen Vorteile, von denen vermutet wird, dass sie aus medizinischer Sicht inexistent sind3109. Dieser Maßstab scheint sehr streng und zu einseitig an dem medizinisch indizierten Interesse des Patienten orientiert3110. Dies gilt umso mehr, als für den Arzt keine Möglichkeit besteht, den Aufklärungsumfang einseitig nach Art. 7:107(1)(a) PELSC zu begrenzen. Der DCFR ist in Art. IV.C. – 8:106(3) zu Recht liberaler, indem er nur Abweichungen zu Lasten des Patienten ausschließt Die zusammenfassend als „therapeutisches Privileg“ bezeichnete Ausnahme nach Art. 7:107(1)(a) PELSC, Art. IV.C. – 8:107(1)(a) DCFR entfällt allerdings – trotz anders lautender sprachlicher Fassung der Norm – nach den Vorstellungen der Verfasser nicht allein bei experimenteller Behandlung, sondern in beiden Fällen des Art. 7:106 PELSC3111. Dies leuchtet für die i.S.d. Art. 7:106(1) PELSC unnötige Behandlung keineswegs unbedingt ein. Auch eine unnötige Behandlung kann nämlich ein Risiko bergen, dessen Aufklärung den (vielleicht erkennbar psychisch labilen) Patienten schwer schockt und so psychisch und/oder physisch ernsthaft schädigt. Die anders lautende Auffassung der Verfasser der PELSC3112 beruht scheinbar – jedenfalls für den Fall der unnötigen, d.h. medizinisch nicht indizierten Behandlung – auf einem Irrtum. Denn das Fehlen eines durch eine Krankheit verursachten Risikos, das durch das Fehlen einer medizinischen Indikation widergespiegelt wird, hat mit dem Bestehen eines Risikos, das durch die Aufklärung über ein der vorgeschlagenen Behandlung immanentes Risiko begründet wird, entgegen der Auffassung der Verfasser nichts zu tun3113. Insofern ist diese – im Wortlaut wohl zu Recht nicht 3108 3109 3110

3111 3112 3113

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 7:106. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:106. Vgl. auch Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 7:106, wo dieser Aspekt zum alles überstrahlenden Kriterium erhoben wird. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. und F. zu Art. 7:107. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:106 et passim. A.A. offenbar Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:106: „The therapeutic exception provided by article 7:107(1)(a) does not apply to these specific types of treatment … In the case of unnecessary treatment, it does not apply because the treatment would in no way harm the health of endanger the life of the patient“.

478

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

zum Ausdruck gekommene – Gegenausnahme der Aufklärungspflicht im Rahmen des DCFR – wie Art. IV.C. – 8:106(3) DCFR klarstellt – zu Recht noch einmal überdacht worden. Denn der durch die notwendige Aufklärung zu befürchtende Schaden stellt vielleicht ein wesentlich größeres Risiko dar als die mit einer an sich unnötigen Behandlung ohne Aufklärung über dieses Risiko verbundenen Risiken. In derartigen Fällen erweisen die Verfasser der PELSC durch die Konstituierung der Gegenausnahme dem Patienten dann geradezu einen „Bärendienst“; sein Recht, aufgeklärt zu werden, wird ihm zur risikobehafteten Last. Ein Ausweg bietet sich für die i.S.d. Art. 7:107(1)(a) PELSC risikobehaftete Aufklärung nur, sofern der Patient nach Art. 7:107(1)(b) PELSC einseitig wirksam und explizit auf eine Aufklärung verzichtet3114. Insoweit ist Art. 7:106(1) PELSC nämlich dispositiv. Dem potentiell zu weitgefassten Aufklärungsumfang wird man losgelöst davon – in erster Linie in den Fällen der Gefährdung gerade durch Aufklärung – am ehesten dadurch begegnen können, dass man das Attribut „unnötig“ wirklich ernst nimmt, d.h. die Anforderungen an eine medizinische Indikation der Behandlung nicht übermäßig restriktiv gestaltet. Dies dürfte nicht gerade unzulässig sein, weil die Verfasser der PELSC sich der Schwierigkeiten der Grenzziehung zwischen „nötig“ und „unnötig“ ohne weiteres bewusst sind3115. Für die unvermeidlichen „Grenzfälle“ dürfte im Lichte der zur Begründung des Art. 7:106(2) PELSC angestellten Überlegungen3116 ein komparativer Maßstab anzulegen sein: Je eher eine Behandlung als „unnötig“ eingestuft werden kann, desto umfassender ist zu informieren und umgekehrt. Dies dürfte auch im Rahmen des DCFR gelten.

2.

Die Position des englischen Rechts

a)

Kein Vertragsbruch per se

Gegen die These, eine neuartige Behandlung bedeute für sich genommen einen Vertragsbruch, sprechen laut englischen Entscheidungen zum Arzthaftungsrecht zunächst Gründe der public policy. Dies hat nicht allein Lord President Clyde in der (freilich schottischen) Entscheidung Hunter v Hanley deutlich gemacht, in der während einer Injektion die verwendete Nadel abgebrochen war. Die dadurch verletzte Patientin verklagte den behandelnden Arzt wegen negligence. Im Verfahren vor dem Court of Session stellte Lord President Clyde zur Pflichtwidrigkeit eines Abweichens von der herkömmlichen Praxis fest: “in regard to allegations of deviation from ordinary professional practice … such deviation is not necessarily evidence of negligence. Indeed it would be disastrous if this where so, for all inducement to progress in medical science would then be destroyed. Even a substantial deviation from normal practice may be warranted by the particular circumstances.”3117 3114 3115 3116

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment E. zu Art. 7:106. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 7:106. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 7:106.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

479

Danach bedeutet ein Abweichen von der etablierten Praxis oder von dem in medizinischen Standardwerken gelehrten Verfahren3118 nicht per se einen Vertragsbruch3119. Vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände des Falles an3120.

b)

Anforderungen an einen Vertragsbruch

Das leuchtet ein, denn konzeptionell kommt es für die Pflichtgemäßheit eines Verhaltens lediglich darauf an, dass das Vorgehen der übernommenen Aufgabe angemessen ist. Solange diese Bedingung erfüllt ist, kann es nach den gängigen Tests dahinstehen, ob es noch andere angemessene Vorgehensweisen gab. Ein Vertragsbruch scheidet jedenfalls bei angemessenem Vorgehen aus3121.

aa) Die Maßgeblichkeit des Bolam-Tests Diese Überlegung steht hinter dem Hinweis auf die „particular circumstances“, wie der im Anschluss daran durch Lord President Clyde formulierte Test belegt: “To establish liability by a doctor where deviation from normal practice is alleged, three facts require to be established. First of all it must be proved that there is a usual and normal practice; secondly it must be proved that the defender has not adopted that practice; and thirdly, (and this is of crucial importance) it must be established that the course the doctor adopted is one which no professional man of ordinary skill would have taken if he had been acting with ordinary care. There is clearly a heavy onus on a pursuer to establish these facts, and without all three his case will fail. If this is the test, then it matters nothing how far or how little he deviates from the ordinary practice. For the extent of deviation is not the test. The deviation must be of a kind which satisfies the third of the requirements just stated.”3122 Es kommt nach diesen Feststellungen lediglich darauf an, dass die Vorgehensweise mit der eines professional man of ordinary skill acting with ordinary care unvereinbar ist. Mit anderen Worten findet – wie gewöhnlich – der erste Teil des Bolam-Tests An3117

3118

3119

3120 3121

3122

Hunter v Hanley (1955) SC 200, 206 (Hervorhebung hinzugefügt); ebenso Simms v Simms [2003] 1 All ER 669, 680 f. per Dame Butler-Sloss P (HC). Vgl. Holland v The Devitt and Moore Nautical College (1960), The Times, 4. März, per Streatfield J, zit. nach Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 237, 238; Jones, in: Grubb, Principles, § 6.71. Ebenso Jones, Negligence, § 3–042, der nachweist, dass auch nach der kanadischen Rechtsprechung nichts anderes gilt. Jones, in: Grubb, Principles, § 6.20. Ähnlich wohl Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 657 per Lord Diplock (HL); vgl. auch Jones, Negligence, § 3–041. Hunter v Hanley (1955) SC 200, 206 (Hervorhebung hinzugefügt).

480

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

wendung. Auch die englische Rechtsprechung hält ein Abweichen von der etablierten Praxis nicht notwendig für pflichtwidrig, solange es sich nur rechtfertigen lässt: “… a doctor might not be negligent if he tried a new technique but that if he did he must justify it before the court”3123. “If the decision to embark on the [comparatively untried] treatment at all was justifiable and was taken with the informed consent of the patient, the court should … be particularly careful not to impute negligence simply because something has gone wrong.”3124

bb) Konkretisierungskriterien Als „bester“ Nachweis für ein pflichtgemäßes Vorgehen soll eine erfolgreiche Behandlung gelten3125. Nicht klar wird aus den dies befürwortenden Entscheidungen aber, ob insoweit bereits das Erreichen eines Nahziels (z.B. erfolgreiche Herztransplantation = das transplantierte Herz arbeitet im fremden Körper) genügt oder ob es auf das Erreichen eines Fernziels (Bsp.: der Körper stößt das fremde Herz nicht ab, sodass der Patient so lebensfähig wie ein „normaler“ Mensch ist) ankommen soll3126. Das Argumentieren mit „Erfolgen“ scheint dort, wo lediglich Sorgfalt und gerade kein „Erfolg“ versprochen wurde3127, ohnehin nicht gerade weiterführend.

(1)

Aufwand-Nutzen-Analyse

Überhaupt lässt sich bezweifeln, dass die zitierten Feststellungen die allgemeinen Regeln des common law für diese spezielle Fallgruppe um ein besondere Regelung ergänzen, da die Gerichte ohnehin zögern, allein deshalb auf negligence zu schließen, weil dem Handelnden ein Fehler unterlaufen ist3128. Die Entscheidungszitate bieten für die entscheidende Frage, wann ein Abweichen von der etablierten Praxis gerechtfertigt ist, keine materiellen, die Risikoabwägung steuernden Kriterien. Einen Ansatzpunkt für Überlegungen zu dieser Frage bieten immerhin die Gesichtspunkte der public policy, die in der Entscheidung Hunter v Hanley zum Ausdruck kamen. Derartige Überlegungen hat bezogen auf das englische Recht in ganz ähnlicher Weise Lord Diplock in Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors angestellt: “Those members of the public who seek medical or surgical aid would be badly served by the adoption of any legal principle that would confine the doctor to 3123

3124 3125

3126 3127 3128

Landau v Werner (1961) 105 SJ 1008 per Sellers LJ (zitiert nach Jones, Negligence, § 3–037). Wilsher v Essex Health Authority [1986] 3 All ER 801, 812 per Mustill LJ (CA). Landau v Werner (1961) 105 SJ 1008 per Sellers LJ (zitiert nach Jones, Negligence, § 3–037): „Success was the best justification for unusual and unestablished treatment“. Vgl. Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 454. James v Dunlop (1931) 1 BMJ 730, 731 per Scrutton LJ (CA). Jones, Negligence, § 3–040.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

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some long-established, well-tried method of treatment only, although its past record of success might be small, if he wanted to be confident that he would not run the risk of being held liable in negligence simply because he tried some more modern treatment, and by some unavoidable mischance it failed to heal but did some harm to the patient. This would encourage ‘defensive medicine’ with a vengeance.”3129 In diesem Befund deutet sich zumindest ein materieller Faktor an, der bei der Entscheidung über die Angemessenheit eines Abgehens von der herkömmlichen Praxis Berücksichtigung finden kann3130. Gerechtfertigt kann ein solches Vorgehen z.B. sein, wenn die herkömmliche Behandlungsmethode sich nicht mehr als sonderlich effektiv erwiesen und die neue Methode zumindest zu keinem spezifisch durch sie verursachten Schaden geführt hat. Im Übrigen wird man auf die allgemeinen Regeln zur Bestimmung der Angemessenheit eines Vorgehens zurückgreifen müssen, zumal typischerweise zwischen der Entwicklung einer neuartigen Technik und ihrer Verbreitung innerhalb der Profession eine gewisse Zeit vergehen wird3131, sodass der „zweite“ Teil des Bolam-Tests keine Anwendung findet3132. Die notwendige Abwägung wird dabei maßgeblich von dem durch die Anwendung der neuartigen Behandlungsmethode eingegangen Risiko im Vergleich zu dem den bisherigen Behandlungsmethoden immanenten Risiko sowie von den Auswirkungen der zu behandelnden Krankheit abhängen3133. Dort, wo bspw. der Zustand des Patienten sehr ernst ist und die Standardbehandlung sich als relativ ineffektiv erweist oder erweisen müsste, wird der Arzt eher von ihr abweichen können, zumal sich diese Situation der oben untersuchten3134 annähert, in der die Aufgabe bislang unbekannt war.

(2)

Eingehen unnötiger Risiken

Bei besonders akuten Situationen kann losgelöst davon das Eingehen höherer Risiken gerechtfertigt sein, wenngleich der Patient selbstverständlich keinen übermäßigen3135, d.h. vor allem unnötigen Risiken ausgesetzt werden darf. Richterliche Äußerungen zu dieser Frage finden sich in der Entscheidung Hepworth v Kerr3136, in der der beklagte Anästhesist ein neuartiges Narkotikum verwendet hatte, das den Blutdruck des Patienten stark absenkte. Zweck dieser Maßnahme war, dem operierenden 3129 3130 3131

3132 3133 3134 3135 3136

Sidaway v Bethlem Royal Hospital Governors [1985] 1 All ER 643, 657 (HL). Jones, Negligence, § 3–041. Jones, Negligence, § 3–041. Vgl. für ein Beispiel Crawford v Board of Governors of Charing Cross Hospital, The Times, 8 December 1953 (zit. nach Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 188 f.). Vgl. zu den Funktionen diese Tests ab S. 248. Jones, Negligence, § 3–041. Vgl. ab S. 463. Jones, Negligence, § 3–041. Hepworth v Kerr [1995] 6 Med LR 139 (zit. nach Jones, Negligence, § 3–041).

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Chirurgen ein möglichst wenig durch Blutfluss beeinträchtigtes Operationsfeld zu ermöglichen. Der Beklagte war sich des experimentellen Charakters seines Vorgehens bewusst, beschäftigte sich aber gleichwohl nicht mit dessen wissenschaftlicher Bewertung, die zu diesem Zeitpunkt in Form von Studien bei etwa 1.500 Patienten vorlag. Auch handelte es sich nicht um eine kleinere Modifikation der herkömmlichen Maßnahmen. Sein Vorgehen hatte sich vielmehr von der bisherigen medizinischen Lehrmeinung vollkommen gelöst, stieß an die Grenzen der Lebensgefährlichkeit und brachte die Patienten wörtlich „to the very edge of existence“. McKinnon J verurteilte den Beklagten wegen Fahrlässigkeit, als der Patient infolge dieser Behandlung unter dem Spinalis-anterior-Syndrome3137 litt, ungeachtet des Umstands, dass er damit das „life-time work“ der Beklagten verurteilte.

(3)

Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung der Angemessenheit sowie konstante Risikoüberwachung und -bewertung

Im Übrigen sollte, wo dies möglich ist, zumindest der Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung über die Angemessenheit der beabsichtigten Maßnahme unternommen werden3138. Zur Vermeidung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs ist ferner eine konstante Risikoüberwachung und -bewertung erforderlich. Der Arzt darf sich also nicht auf seiner ursprünglichen Risikoanalyse und dem auf ihrer Grundlage gefundenen Abwägungsergebnis ausruhen: “… during the clinical trial of a new drug or form of treatment, and especially when the clinical trial is becoming a general therapeutic programme, all reasonably practicable steps should be taken to minimise dangers and side-effects. To discharge this duty, constant alert and inquiring evaluation of the trial or programme is required.”3139 Besondere Schwierigkeiten, dem Vorwurf der Fahrlässigkeit zu begegnen, werden sich für den Arzt ergeben, wenn die bestehende Praxis der Vermeidung eines bekannten Risikos dient und es keinen guten Grund gibt, dieses Risiko durch Abweichen von der akzeptierten Praxis einzugehen3140. So wurde es bspw. in der Entscheidung Chin Keow v Government of Malaysia als klar fahrlässig verurteilt3141, einer Patientin Penizillin zu verabreichen, ohne sich zuvor über deren Krankengeschichte zu informieren. Die gegen Penizillin stark allergische Patientin verstarb. Die erforderliche Recherche 3137

3138 3139

3140

3141

Es handelt sich dabei um einen Symptomkomplex infolge von Durchblutungsstörungen der Arteria spinalis anterior mit beidseitiger Spastik und dissoziierten Empfindungsstörungen unterhalb der Läsion. Jones, Negligence, § 3–041; ders., in: Grubb, Principles, § 6.26. The Creutzfeld-Jakob Disease Litigation, Plaintiffs v United Kingdom Medical Research Council (1996) 54 BMLR 8 per Morland J (HC, lexis). Vgl. Clark v MacLennan [1983] 1 All ER 416, 425 per Pain J (HC); Jones, in: Grubb, Principles, § 6.20. Chin Keow v Government of Malaysia [1967] 1 WLR 813, 816 f. per Sir Wooding (PC).

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483

hätte nach übereinstimmender Sachverständigenansicht etwa fünf Minuten in Anspruch genommen.

c)

Spezielle Rechtsfolgen eines Abweichens von der herkömmlichen Praxis

Nicht beantwortet ist allerdings bislang die Frage, ob das Abweichen von einer gewöhnlichen Praxis überhaupt einen eigenständigen rechtlichen Effekt auslöst. Dies hatte vor allem Peter Pain J in der Sache Clark v MacLennan angenommen, wo eine junge Mutter seit der Geburt ihres Kindes an stressbedingter Inkontinenz litt, einem nicht ungewöhnlichen post-natalen Zustand, bei dem das Empfinden von Stress zum Verlust über die gewöhnliche Kontrolle der Blase führt. Die konventionellen Behandlungsmethoden brachten keine Verbesserung und da die Patientin akut beeinträchtigt war, entschloss sich der behandelnde Arzt bereits einen Monat nach der Geburt zu einer vorderen Kolporrhapie (d.i. eine plastische Raffung und Stützung der vorderen Scheidenwand bei Senkung). Für gewöhnlich wird eine solche Operation frühestens drei Monate nach der Entbindung vorgenommen, um den Erfolg sicherzustellen und das Risiko von (inneren) Blutungen auszuschließen. In Clark v MacLennan war die Operation zu früh erfolgt; Blutungen zerstörten die vorgenommene Korrektur. Im Verlauf der folgenden drei Jahre wurden zwei weitere erfolglose vordere Koporrhapien vorgenommen. Die Patientin war permanent in Stresssituationen inkontinent. Zur Frage des Abweichens von einer bestehenden zur Behandlung tauglichen Praxis führte Peter Pain J zunächst parallel zu der von Lord President Clyde getroffenen Entscheidung aus: “Where however there is but one orthodox course of treatment and [the doctor] chooses to depart from that … [i]t is not enough for him to say as to his decision simply that it was based on his clinical judgement. One has to inquire whether he took all proper factors into account which he knew or should have known, and whether his departure from the orthodox course can be justified on the basis of these factors. The burden of proof lies on the plaintiff. To succeed she must show, first, that there was a breach of duty and, second, that her damages flowed from that breach.”3142 Neuland betrat der Richter, als er im Anschluss daran von einer Beweislastumkehr ausging3143. Damit wäre zwar eine besondere Rechtsfolge des Abweichens von einer verbreiteten Praxis formuliert; dieser Ansatz wurde aber sowohl vom Court of Appeal als auch vom House of Lords verworfen3144. Sieht man von der Problematik einer echten Beweislastumkehr allerdings einmal ab, legt insbesondere der von Mustill LJ in Wilsher festgestellte Befund die Frage nahe, ob der Lordrichter dort entschieden hat, dass der Kläger zumindest dann ein stattgebendes Urteil erhalten kann, wenn er eine Abweichen des Beklagten von einer 3142 3143 3144

Clark v MacLennan [1983] 1 All ER 416, 425. Clark v MacLennan [1983] 1 All ER 416, 427; ebenso Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56. Vgl. dazu Jones, Negligence, § 3–098 m.w.N.

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etablierten Praxis bewiesen hat und der Beklagte seinerseits die Angemessenheit seines Vorgehens nicht darlegt und ggf. beweist: “[A]lthough [Pain J] indicated that he proposed to decide the case on burden of proof …, this could be understood as an example of the forensic commonplace that, where one party has, in the course of the trial, hit the ball into the other’s court, it is for that other to return it”3145. Folge eines Abweichens von der herkömmlichen Praxis wäre dann zumindest eine Veränderung der Beweisbelastung3146: Weicht ein Arzt nachweislich von den herkömmlichen Behandlungsmethoden ab, muss er für gewöhnlich irgendeine Rechtfertigung für sein Vorgehen vorweisen, sofern der Patient infolge der abweichenden Behandlung einen Schaden erleidet3147.

3.

Die Position des deutschen Rechts

In ganz ähnlicher, wenngleich deutlich konkreter formulierter Weise beurteilt diese Konstellation das deutsche Arztvertragsrecht, nach dem auf der Grundlage des typischen Parteiwillens die Auswahl der Behandlungsmethode ja zunächst Sache des Arztes ist3148. Im Rahmen dieser Wahlmöglichkeit darf der Arzt nach verbreiteter Auffassung auch von dem üblichen Standard abgehen, wenn er nach gewissenhafter Überlegung zu dem Schluss gelangt, einer besonderen Methode folgen zu müssen3149. Gebunden ist er hierbei aber an die von der Rechtsprechung ganz allgemein aufgestellte Vorgabe, wonach ein höheres Risiko in den Sachzwängen des konkreten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose eine sachliche Rechtfertigung finden muss3150. Dieser Satz wird in Bezug auf die Wahl einer Behandlungsmethode, die vom Standard abweicht, komparativ wie folgt näher konkretisiert: Je gesicherter die Erkenntnisse der Medizin sind und je zuverlässiger die herkömmlichen Therapien einen Erfolg verbürgen, umso größer ist ihr „Plausibilitätsvorschuss“3151 und umso gewichtiger müssen die Gründe für eine Abweichung sein3152. Eine neuartige Behandlungsmethode darf insofern z.B. gewählt und dem Patienten vorgeschlagen werden, falls die neue Methode dem herkömmlichen Verfahren bei Abwägung der Vorund Nachteile nicht unterlegen ist3153. Der BGH hat dementsprechend jüngst fest3145 3146 3147

3148 3149

3150 3151 3152

Wilsher v Essex Health Authority [1986] 3 All ER 801, 815 (CA). Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 454. Jones, Negligence, § 3–040 m.w.N.; für Wirtschaftsprüfer ebenso Lloyd Cheyham & Co Ltd v Littlejohn & Co [1987] BCLC 303 per Woolf J (HC, lexis). Vgl. BGH, NJW 2007, 2774 und ausführlich ab S. 299. Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 3 Rn. 16; Katzenmeier, NJW 2006, 2738, 2739, ders., Arzthaftung, S. 311 m.w.N. BGH, NJW 2007, 2774, 2775; ausführlich oben ab S. 300. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 311. Franzki, MedR 1994, 171, 173; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 311; aus strafrechtlicher Sicht Jung, ZStW 97 (1985), 47, 57.

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485

gestellt, die Anwendung einer neuen Behandlungsmethode dürfe nur erfolgen, „wenn die verantwortliche medizinische Abwägung und ein Vergleich der zu erwartenden Vorteile dieser Methode und ihrer abzusehenden und zu vermutenden Nachteile mit der standardgemäßen Behandlung unter Berücksichtigung des Wohles des Patienten die Anwendung der neuen Methode rechtfertigt“3154. Hiervon wird man vor allem ausgehen müssen, sofern darüber hinaus weitere risikomindernde Faktoren hinzukommen wie z.B. die Vornahme der therapeutischen Maßnahme durch besonders trainierte Ärzte an einer hochspezialisierten Klinik3155. Diese Abwägung ist allerdings – wie der BGH betont hat – „kein einmaliger Vorgang bei Beginn der Behandlung, sondern muss jeweils erneut vorgenommen werden, sobald neue Erkenntnisse über mögliche Risiken und Nebenwirkungen vorliegen, über die sich der behandelnde Arzt ständig, insbesondere auch durch unverzügliche Kontrolluntersuchungen zu informieren hat“3156. Dass der Arzt die neuartige Methode auswählen und vorschlagen darf, lässt seine hiervon unabhängige, im Selbstbestimmungsrecht des Patienten gründende Verpflichtung unberührt, den Patienten zum Zwecke der Selbstbestimmung aufzuklären. Denn, wie erörtert3157, ist immer initiativ aufzuklären, sofern mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen und somit eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Dann ist diesem die Entscheidung darüber zu überlassen, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Will der Arzt also keine allseits anerkannte Standardmethode, sondern eine relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken anwenden, muss er den Patienten auch darüber aufklären und darauf hinweisen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind3158. Die Anwendung neuer Verfahren ist – wie auch der BGH ausdrücklich anerkennt3159 – für den medizinischen Fortschritt zwar unerlässlich. Am Patienten dürfen sie aber, wie der BGH in seinem Urteil vom 13.6.20063160 noch einmal klargestellt hat, nur angewandt werden, falls ihm zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, dass die neue Methode die Möglichkeit unbekannter Risiken birgt. Der Patient muss – so der BGH weiter – in die Lage versetzt werden, für sich sorgfältig abzuwägen, ob er sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken 3153

3154 3155 3156 3157 3158

3159 3160

OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174; ebenso etwa Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 130 Rn. 23; aus der Sicht des Strafrechts Siebert, MedR 1983, 216, 219. BGH, NJW 2006, 2477. OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174. BGH, NJW 2007, 2774, 2775. Vgl. ab S. 432. BGH, NJW 2006, 2477, 2478; vgl. schon OLG Düsseldorf, VersR 2004, 386; OLG Karlsruhe, VersR 2004, 244, 245; OLG Köln, NJW-RR 1992, 986, 987; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 185; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 39; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 387. BGH, NJW 2006, 2477, 2478. VI ZR 323/04, NJW 2006, 2477, 2478.

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operieren lassen möchte oder nach der neuen unter besonderer Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren3161. Damit befindet sich der BGH durchaus auf der Linie, die bereits zuvor die obergerichtliche Rechtsprechung eingenommen hatte, und die sich mit den Worten des OLG Frankfurt treffend wie folgt zusammenfassen lässt: „Begibt sich der Arzt mit der von ihm vorgeschlagenen Behandlungsmethode auf Neuland mit noch nicht vollständig geklärten Risiken, muss der Patient über diese Tatsache sowie die Vor- und Nachteile dieser und alternativer Verfahren aufgeklärt werden“3162. Wie vor dem Hintergrund der zur Alternativenaufklärung im Allgemeinen gefundenen Ergebnisse3163 nicht überraschen kann, gilt freilich auch hier ein komparativer Maßstab: Auch die Aufklärungspflicht reicht umso weiter, je weniger sich der Arzt eingeführter und fachlich weithin anerkannter Methoden bedient3164. Im Allgemeinen besteht eine Aufklärungspflicht nach der Rechtsprechung des BGH zwar nur, sofern ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft, die nicht lediglich als unbeachtliche Außenseitermeinungen abgetan werden können, sondern als gewichtige Warnungen angesehen werden müssen, auf bestimmte mit einer Behandlung verbundene Gefahren hinweisen3165. Bei einer Neulandmethode können zum Schutz des Patienten je nach Lage des Falles jedoch strengere Anforderungen gelten, wobei allerdings auch hier nicht über bloße Vermutungen aufzuklären ist3166. Insoweit kommt es aber auf den Einzelfall an, sodass anderes gelten kann, wenn Vermutungen sich so weit verdichtet haben, dass sie zum Schutz des Patienten in dessen Entscheidungsfindung einbezogen werden sollten3167. Umgekehrt muss der Arzt eine Methode folgerichtig nicht länger als „Neulandmethode“ vorstellen, falls diese sich im Zeitpunkt der Behandlung in der Praxis neben anderen Verfahren bereits durchgesetzt hat3168. Die allgemeine Verpflichtung zur Alternativenaufklärung bleibt hiervon jedoch unberührt.

II.

Anwaltshaftung

Hinsichtlich der Haftung von solicitors für ein nicht durch äußere Umstände herausgefordertes Abweichen von der herkömmlichen Praxis in nicht-streitigen Angele3161

3162 3163 3164

3165

3166 3167 3168

Bestätigt in BGH, NJW 2007, 2774, 2775; vgl. ferner BGH, NJW 2007, 2771; BGH, NJW 2007, 2767. Vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 173, 174; ferner die Nachweise in Fn. 3158. Vgl. ab S. 432. Vgl. OLG Stuttgart, VersR 1981, 691; Katzenmeier, NJW 2006, 2738, 2740; Laufs, in: ders./Uhlenbruck, HdB ArztR, § 64 Rn. 4 m.w.N.; vgl. parallel dazu hinsichtlich der allgemeinen Bekanntheit der Operationsrisiken differenzierend BGH, NJW 1976, 365. BGH, NJW 2006, 2477, 2479; vgl. schon BGH, VersR 1990, 522, 523; BGH, VersR 1996, 233 m.w.N.; ferner Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. C 39; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 391. BGH, NJW 2006, 2477, 2479. BGH, NJW 2006, 2477, 2479. OLG Köln, VersR 2000, 493 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 387.

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genheiten ist vor allem auf die bereits erörterte Entscheidung des Privy Council in der Sach Edward Wong Finance Co Ltd v Johnson, Stokes & Master und auf die dort gefundenen Ergebnisse zu verweisen3169. Dort hatten Hong Konger solicitors die durch eine Hypothek zu sichernde Kreditsumme bereits auf die bloße Versicherung des solicitors des künftigen Kreditnehmers hin an diesen (den solicitor) ausgezahlt, dass er die notwendigen Schritte einleiten und die Übertragung der Rechte an dem Grundstück durch seinen Mandanten innerhalb von 10 Tagen herbeiführen werde. Dieses Verfahren hatte sich in Hong Kong in Abkehr von der bisherigen, in England noch heute üblichen Methode – Auszahlung des Kredits erst nach Entstehen des Rechts am Grundstück – stark verbreitet. Der Privy Council erklärte die beklagten solicitors gleichwohl für vertragsbrüchig, da diesem Vorgehen erkennbar große Risiken immanent waren. Besondere Regeln werden in der Entscheidung jedoch nicht aufgestellt, es findet vielmehr eine „gewöhnliche“ Risikoabwägung statt, die allerdings nach in der Literatur geäußerten Vermutungen stark von der Versicherbarkeit des in Rede stehenden Risikos beeinflusst ist3170. Losgelöst davon bestätigt die Entscheidung unsere zur Rechtslage im englischen Arzthaftungsrecht gefundenen Ergebnisse. Eine explizite Erörterung dieser Frage in der deutschen Rechtsprechung oder Literatur zum Anwaltshaftungsrecht findet sich – soweit ersichtlich – nicht. Die nachfolgend skizzierten Grundsätze finden aber anerkanntermaßen bei ungewöhnlichen und d.h. wohl auch: falkultativ neuartigen Herangehensweisen Anwendung und können insoweit fruchtbar gemacht werden: Insoweit ist auch nach deutschem Recht zunächst eine „gewöhnliche“ Risikoabwägung vorzunehmen3171: Erhöht der Rechtsanwalt durch eine ungewöhnliche Maßnahme das Misserfolgsrisiko seines Mandanten, indem er z.B. im Prozess einen Sachvortrag zurückhält3172 oder mehrfache Klagen bei unzuständigen Gerichten anhängig macht3173, verletzt er seine Pflichten und haftet für die daraus folgenden Nachteile seines Mandanten, soweit dieser nicht zuvor hinreichend über die damit verbundene Risikosteigerung unterrichtet worden ist und sich mit dieser einverstanden erklärt hat3174. Entscheidend ist das Kriterium der Risikoerhöhung. Insoweit hat der BGH in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichtsgerichts3175 ausdrücklich betont: „will [der Rechtsanwalt] einen weniger sicheren Weg gehen, dann muss er zumindest seinen Auftraggeber zuvor über die insoweit bestehenden Gefahren belehren […] und sein weiteres Verhalten von dessen Entscheidung abhängig machen“3176. Immanent ist dieser Rechtsprechung auch eine Verpflichtung zur Rück3169 3170 3171

3172 3173 3174 3175 3176

Vgl. ab S. 257. Vgl. ab S. 646. Vgl. zum Folgenden Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 592; ders., Beraterhaftung, Rn. 65; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 10; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 570 m.w.N. BGH, NJW-RR 1990, 1241, 1243. BGH, NJW 1991, 2280, 2282 f. BGH, NJW 1991, 2280, 2282 f.; BGH, NJW-RR 1990, 1241, 1243. RGZ 151, 259, 264. BGH, NJW 1974, 1865, 1866.

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versicherung über die Maßnahme anhand Rechtsprechung und Literatur. Denn eine sorgfältige Bewertung der Risikosteigerung dürfte ohne eine solche Rückversicherung nicht möglich sein. Hintergrund der Pflichtverletzung ist auch hier – wie gesagt – nicht die Ungewöhnlichkeit der Maßnahme an sich, sondern die (nicht herausgeforderte) Risikosteigerung. Diese ist angesichts der Verpflichtung, grundsätzlich den relativ sichersten Weg zu wählen, als Ausnahme rechtfertigungs- und im Interesse des Mandanten darüber hinaus aufklärungsbedürftig, sodass sie grundsätzlich nicht zu den Maßnahmen zählt, die den „ureigenen“ Bereich anwaltlicher Tätigkeit ausmacht. Die Wahl des weniger sicheren Weges muss – in Anlehnung an die arzthaftungsrechtliche Rechtsprechung – daher nicht nur aufgeklärt, sondern das einzugehende höhere Risiko muss in den besonderen Sachzwängen des konkreten Falles oder – obwohl in rechtlicher Sicht weniger sicher – in einer günstigeren faktischen Erfolgsprognose3177 eine sachliche Rechtfertigung finden. Lediglich beispielhaft sei hierfür auf die Konsequenzen eines Abweichens von der „herrschenden Meinung“ verwiesen: Wenn die Rechtsansicht des Anwalts nach Abschluss der Rechtsprüfung von der herrschenden Meinung abweicht, soll hierfür ein hoher Begründungszwang bestehen3178. Gefordert wird damit nichts anderes als eine – der Risikoerhöhung entsprechende – sachliche Rechtfertigung. Darüber hinaus hat der Anwalt seinen Mandanten freilich auch über diese Risikoerhöhung aufzuklären, wobei den Anforderungen an die für eine pflichtgemäße Wahrnehmung des Mandats in diesem Fall erforderliche Aufklärung des Mandanten über das Erfolgs- und Kostenrisiko3179 insbesondere nicht der Hinweis, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung von Instanzgerichten und /oder im Schrifttum abgelehnt werde, genügt3180.

III. Architektenhaftung 1.

Das englische Architektenvertragsrecht

Mit der Haftung von Architekten für ein fakultativ neuartiges Design beschäftigt sich die Entscheidung Victoria University of Manchester v Hugh Wilson and Lewis Womersley3181, in der der Entwurf der erstbeklagten Architekten für eine Vielzahl an Gebäuden vorsah, eine nicht wasserdichte Stahlbetonkonstruktion mit Ziegeln und Kacheln zu verkleiden. Die Kacheln, die die Beklagten bis dahin noch niemals zur Verkleidung eines Gebäudes eingesetzt hatten und gegen deren Einsatz von Seiten der Klägerin Bedenken geäußert worden waren, blieben nicht an der Gebäudeoberfläche haften, wie sich bald nach der Fertigstellung herausstellte. Ferner bildeten sich 3177 3178 3179 3180

3181

Vgl. etwa das Beispiel bei Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 570. Vgl. BGH, MDR 1958, 496, 497; Zugehör, Beraterhaftung, Rn. 54. Vgl. BGH, NJW 1993, 3323, 3325; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 583. Vgl. BGH, NJW 1961, 601; BGH, NJW 1993, 3323, 3324; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 582. Victoria University of Manchester v Hugh Wilson and Lewis Womersley (1984) 2 Con LR 43 per Judge John Newey QC (lexis).

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hinter ihnen Wasseransammlungen, aus denen kontinuierlich Wasser in den nicht wasserresistenten Beton eindrang, was eine Fleckenbildung bewirkte. Bauliche Maßnahmen, die die direkte Regeneinwirkung auf die gekachelte Fläche abmilderten, waren nicht vorgesehen. Dies zusammengenommen führte nicht nur zu einer ästehtischen Beeinträchtigung der Gebäude, sondern beeinflusste auch deren Wetterfestigkeit und „Lebensdauer“ negativ3182. Die Klägerin warf den Beklagten daraufhin u.a. vor, ihr Design sei fahrlässig fehlerhaft. Ferner seien die verwendeten Materialien nicht zwecktauglich und die Überwachung der Bauausführung unangemessen gewesen, sodass in mehrfacher Hinsicht ein Vertragsbruch vorliege.

a)

Kein Vertragsbruch per se

Obwohl sich die Klägerin und die Architekten später durch Vergleich einigten, äußerte sich das Gericht zur Verantwortlichkeit der Architekten, da das Verfahren gegen die Zweit- und Drittbeklagten fortgeführt wurde und die einschägigen Fragen auch insoweit relevant waren: In der hier interessierenden Frage der Haftung für die Wahl eines neuartigen Designs bestätigte Judge Newey QC – parallel zur arzthaftungsrechtlichen Rechtsprechung – zunächst noch einmal, dass die Wahl einer noch (relativ) unerprobten Methode nicht bereits für sich genommen fahrlässig sei, da der Bauindustrie in diesem Fall jede Entwicklungsmöglichkeit genommen werde.

b)

Risikoaufklärung

Ungeachtet dessen seien Architekten, die sich ins Ungewisse wagten, jedoch wohl beraten, ihre Klienten genau darüber aufzuklären, was sie zu tun gedächten. Dies bedeutet, dass sie insbesondere sicherstellen müssen, dass der Klient sich der bestehenden Risiken bewusst ist3183. Nach dieser Aufklärung sei außerdem die ausdrückliche Zustimmung des Klienten einzuholen. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin, nach dem sie von der geplanten Kachelung erfahren hatte, die Beklagten zwar nicht von ihrem Plan abgehalten, aber immerhin Bedenken geäußert. In einem solchen Fall, obliegt es Architekten nach der Auffassung des Gerichts umsomehr, bei der Wahl dieses Entwurfs Vorsicht walten zu lassen. Im konkreten Fall – vermutete das Gericht – hätte bereits die praktische Unmöglichkeit, die zwischen den Betonblöcken bestehenden Toleranzen mit den Spielräumen abzustimmen, die für eine zufrieden stellende Kachelung erforderlich waren, bei den Architekten Zweifel aufkommen lassen, ob eine Kachelung erfolgreich durchgeführt werden könnte. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegenüber den Beklagten klargestellt habe, dass sie Gebäude wünsche, die nur geringer Pflege bedürften, woraufhin die Beklagten geantwortet hätten, die Kacheln würden ein Leben (des Gebäudes) lang halten. 3182

3183

Vgl. allgemein zur Hinweispflicht auf die Lebensdauer des verwendeten Materials Cornes, Design, § 4.6.4 m.w.N. So wird der maßgebliche Passus von Judge Bowsher QC in Department of National Heritage v Steensen Varming Mulcahy (a firm) (1998) 60 ConLR 33 (lexis) interpretiert.

490

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Jegliche Zweifel an der Verlässlichkeit der Kacheln hätten angesichts der vorgenannten Instruktionen der Klägerin daher dadurch beseitigt werden müssen, dass die Kacheln nicht verwendet wurden. Wasserundurchlässigkeit und auch den erwünschten ästhetischen Effekt hätten die Beklagten durch die Verwendung eines anderen Materials erreichen können.

c)

Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung

Zur Bedeutung der von den Beklagten bezüglich der Kacheln während der Planung durchgeführten Recherche bemerkt das Gericht, dass literarische Hinweise zur Verwendung des noch weitgehend unerprobten Materials die Beklagten zwar nicht sklavisch binden würden. Einschlägige Veröffentlichungen müssten indessen jedenfalls in Betracht gezogen werden. Sie dürften nur aus guten wissenschaftlichen Gründen hintangesetzt werden. Insoweit kehren die bereits im Arzthaftungsrecht formulierten Forderungen3184 wieder: Der Klient bzw. Patient muss nicht nur darüber aufgeklärt werden, dass die ins Auge gefasste Vorgehensweise (relativ) unerprobt ist, sondern ihm müssen insbesondere die bestehenden Risiken klargemacht werden. Erforderlich ist darüber hinaus die ausdrückliche Zustimmung des Gläubigers zum beabsichtigten Vorgehen. Ferner müssen einschlägige Veröffentlichungen konsultiert werden, d.h. zumindest der Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung über die Angemessenheit des beabsichtigten Vorgehens ist erforderlich3185. Dabei genügt die bloße Konsultation allerdings für sich genommen nicht. Denn ein Abweichen von dem in den einschlägigen Veröffentlichungen befürworteten Vorgehen ist – man wird hinzufügen müssen: soweit eine (relativ) klare Tendenz erkennbar ist – nur gerechtfertigt, wenn der Dienstleister sich dafür auf „good scientific reasons“3186 sützen kann. Daraus lässt sich mittelbar folgern, dass die reflektierte Konsultation von Veröffentlichungen ihn im Übrigen nicht von der Pflicht befreien wird, eine eigenständige Risikoabwägung vorzunehmen.

2.

Das deutsche Architektenvertragsrecht

Die grundsätzliche Verpflichtung des Architekten, bei seinen Leistungen den Mindeststandard der anerkannten Regeln der Technik einzuhalten, hindert ihn auch nach deutschem Architektenvertragsrecht nicht von vorneherein, neuartige, nicht bereits seit Jahren in der Praxis erprobte Materialien oder Konstruktionsweisen anzuwenden3187. Insofern bedeutet ein Abgehen von den anerkannten Regeln auch

3184 3185

3186

3187

Vgl. ab S. 479. Vgl. dazu auch Vacwell Engineering Co Ltd v BDH Chemicals Ltd [1971] 1 QB 88, 97 ff. per Rees J (HC). Victoria University of Manchester v Hugh Wilson and Lewis Womersley (1984) 2 Con LR 43 per Judge John Newey QC (lexis). KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

491

nach deutschem Architektenvertragsrecht nicht per se eine Pflichtverletzung. Im Hintergrund steht dabei – parallel zum englischen Recht – die Überlegung, dass andernfalls der Einsatz neuer Materialien und Konstruktionsweisen niemals möglich wäre3188. Dies stünde jedoch einer – auch im Interesse des Bauherrn liegenden – Fortentwicklung des Bauwesens entgegen und wird insofern nicht angenommen3189. Es lässt sich indes bezweifeln, ob wirklich der konkrete Vertragspartner bei der Auftragsvergabe an einer Fortentwicklung des Bauwesens interessiert ist. Tatsächlich dürfte diese Konstruktion durch Gemeinwohlerwägungen begründet sein, die angesichts des bereits referierten Leistungskonkretisierungsmechanismus eigentlich überflüssig sind. Denn da dieser auch im Hinblick auf die Auswahl neuartiger Baustoffe und Konstruktionsweisen Anwendung findet, dürfte eine Verletzung der Interessen des Bauherrn ausgeschlossen sein: Beabsichtigt der Architekt die Verwendung neuartiger Baustoffe oder Konstruktionsweisen, muss er diese besonders sorgfältig – d.h. eingedenk der gerade durch die Unerprobtheit entstehenden Risiken3190 – prüfen3191 und insoweit – zunächst im Rahmen der von ihm zu erwartenden Sachkenntnis3192 – klären, ob er sich mit der Verwendung bzw. Empfehlung des neuartigen Baustoffs usw. auf das Gebiet einer risikoreicheren Planung begibt3193. Denn beim Bestehen mehrerer Alternativen hat der Architekt, losgelöst von der ohnehin erforderlichen Aufklärung des Auftraggebers3194, im Grundsatz die sicherste zu wählen3195, worin eine deutliche Parallele zum Anwaltsvertragsrecht liegt3196. Das OLG Celle hat insoweit ausdrücklich klargestellt: „Zu seinen [des Architekten] Sorgfaltspflichten aufgrund des Architektenvertrages gehört es, bei der Bauplanung den sicheren Weg der herkömmlichen und bewährten Konstruktion zu wählen. Das ist eine Betrachtungsweise, die für alle mit Risiken behaftete menschliche Handlungsbereiche ankerkannt ist und deshalb auch dem Beklagten geläufig sein müßte“3197. Damit wird das Risiko des Fehlschlagens einer neuartigen Konstruktion dem Architekten zugewiesen3198 und die Entlastung durch den Nachweis fehlenden Verschuldens praktisch ausgeschlossen. Vermieden werden soll so, dass der Bauherr zum „Experimentierfeld“3199 des Architekten wird. Erforder-

3188 3189 3190 3191

3192 3193 3194 3195

3196 3197 3198 3199

KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386 m.w.N. Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32. Budnick, Architektenhaftung, S. 57. OLG Köln, BauR 1990, 103; Bindhardt/Jagenburg, Haftung, § 6 Rn. 54; Locher, Baurecht, Rn. 403. Budnick, Architektenhaftung, S. 65 f. weist darauf hin, dass eine Standardbildung insoweit schwierig und bislang nicht gelungen sei. LG Tübingen, BauR 1990, 497, 498; Budnick, Architektenhaftung, S. 57. Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32. KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386. KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386; OLG Celle, BauR 1990, 759, 761; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 15 Rn. 32. Vgl. zum dort geltenden Grundsatz des relativ sichersten Weges ab S. 305. OLG Celle, BauR 1990, 759, 761. Ebenso MünchKomm/Busche, BGB § 633 Rn. 42. Budnick, Architektenhaftung, S. 57.

492

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

lich zur Entlastung ist daher, dass dieser alles ihm Zumutbare unternimmt, um z.B. zu klären, ob das in Rede stehende Material die für den Einbau unerlässlichen Eigenschaften besitzt3200 und wie dieses fachgerecht einzuarbeiten ist3201. Ferner ist er dazu verpflichtet, Nutzungsnachteile sowie erhöhte Betriebskosten zu berücksichtigen und den Auftraggeber hierüber zu belehren3202. Eine Parallele zu der nach englischem Architektenvertragsrechts bestehenden Pflicht, sich um eine wissenschaftliche Rückversicherung zu bemühen, findet sich für das deutsche Architektenvertragsrecht in der Verpflichtung des Architekten, über die eigene Sachkunde hinausgehend Stellungnahmen Dritter zu berücksichtigen3203, die der Architekt in Bezug auf die in Rede stehenden Materialien oder Konstruktionsweisen für hinreichend sachverständig halten darf 3204. Eine weitergehende Verpflichtung zu eigenen Prüfungen oder Eignungstests besteht dagegen in der Regel nicht3205. Umfassend aufzuklären und zu belehren ist der Bauherr sodann über die nach den vorstehenden Ermittlungsgrundsätzen erkennbaren, nicht auszuschließenden Risiken der Verwendung eines bestimmten Baustoffs oder einer bestimmten Konstruktionsweise3206. Nicht genügend ist insoweit insbesondere der bloße Hinweis, es handele sich „um völlig neues Material“ bzw. die gewählte Konstruktion sei „ungewöhnlich“ oder es gebe „keine Referenzobjekte“3207. Der Bauherr muss vielmehr den bereits referierten allgemeinen Grundsätzen3208 entsprechend aufgeklärt werden. Dies bedeutet vorliegend, dass der Bauherr nicht nur auf konservative Alternativen hingewiesen, sondern im Angesicht der bestehenden Alternativen derart umfassend aufgeklärt, belehrt und beraten werden muss, dass es ihm auf dieser Grundlage möglich ist, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob er das bestehende Risiko eingehen will oder nicht3209. Zu beweisen hat eine diesen Vorgaben genügende Aufklärung im Streitfall der Architekt3210.

3200

Budnick, Architektenhaftung, S. 57 m.w.N. OLG Köln, BauR 1990, 103; Jagenburg/Sieber/Mantscheff, Baurecht, Rn. N 67. 3202 KG, NJW-RR 2001, 1385, 1386. 3203 Budnick, Architektenhaftung, S. 57. 3204 BGH, BauR 1976, 66, 67; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, Rn. 33; Budnick, Architektenhaftung, S. 57. 3205 BGH, BauR 1976, 66, 67; Locher/Koeble/Frik, HOAI § 15 Rn. 31; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, Rn. 33. 3206 BGH, BauR 1976, 66, 67 f.; OLG Köln, BauR 1990, 103; Budnick, Architektenhaftung, S. 57; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, Rn. 34 m.w.N.; vgl. auch Locher/Koeble/ Frik, HOAI § 15 Rn. 30. 3207 Vgl. OLG Köln, BauR 1990, 103; Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, Rn. 34. 3208 Vgl. ab S. 399. 3209 Hebel, in: Thode u.a., Architektenrecht, Rn. 34. 3210 OLG Düsseldorf, BauR 2001, 1780, 1781. 3201

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

C.

493

Zwischenergebnis

Nach alledem lässt sich zunächst verallgemeinernd feststellen, dass ein Abgehen von der etablierten Praxis nicht per se fahrlässig und vertragswidrig ist. Dies gilt sowohl für ein obligatorisch neuartiges als auch für ein fakultativ neuartiges Verfahren. Der Vertragsbruch ist vielmehr abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Bei der Bestimmung der Vertragsgemäßheit des Verfahrens finden die allgemeinen Konkretisierungskriterien Anwendung, d.h. es findet vor allem eine Aufwand-Nutzen-Analyse statt. Insofern dürfen unangemessene Risken nicht eingegangen werden. Sind die erkennbaren Risiken aus der Perspektive eines durchschnittlich kompetenten Dienstleisters zu groß, kann die einzig sorgfaltsgemäße Handlung darin bestehen, von der neuartigen Vorgehensweise abzusehen. Denn „[t]he law requires even pioneers to be prudent“3211. Für ein Absehen wird dabei umso eher sprechen, wenn das verfolgte Ziel sich in angemessenem Umfang und mit angemessenem Aufwand auch auf anderem Wege, z.B. durch konservative Behandlung, erreichen lässt. Immer ist der Gläubiger über die Neuartigkeit des beabsichtigten Vorgehens sowie die erkennbar mit ihm verbundenen Risiken aufzuklären, d.h. wohl – in Übertragung der für Aufklärungspflichtspflichten gefundenen Grundsätze3212 – auch über die Vorteile alternativer (konservativer) Verfahren. Ferner muss nicht nur zumindest der Versuch einer wissenschaftlichen Versicherung über das beabsichtigte Vorgehen unternommen werden, sondern auch eine konstante Risikoabwägung und -bewertung erfolgen. Spezifische Rechtsfolgen eines Abweichens von der etablierten Praxis sind den Entscheidungen – von den wichtigen Aufklärungs- und Rückversicherungspflichten abgesehen – nicht explizit zu entnehmen.

D.

Kenntnisnahme und Berücksichtigung neuer Entwicklungen

Die vorstehenden Überlegungen haben ergeben, dass ein Abgehen von der etablierten Praxis nicht per se fahrlässig und vertragswidrig ist. Im konkreten Fall kann die Lösung von der bewährten Verfahrensweise gleichwohl durchaus vertragswidrig sein. In anderen Konstellationen ist es freilich ebenso gut umgekehrt denkbar, dass ein Festhalten am etablierten Vorgehen vertragswidrig ist. Einer einmal als „richtig“ oder „vertretbar“ akzeptierten Praxis kommt nämlich keine zeitlose Gültigkeit zu. Im Gegenteil, die professionelle Praxis ist nicht statischer, sondern dynamischer Natur, d.h. in ständiger Entwicklung begriffen. Die Vorstellungen darüber, welches Vorgehen akzeptabel ist, können sich folglich wandeln.

I.

Beobachtungs- und Anpassungspflicht

Eingedenk dieses Phänomens muss ein professioneller Dienstleister sich nach englischem Recht unzweifelhaft kontinuierlich über die Entwicklungen auf seinem Tä3211 3212

IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 per Lord Edmund-Davies (HL, lexis). Vgl. ab S. 399.

494

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

tigkeitsfeld informieren und – sofern dies angezeigt ist – sein Verfahren entsprechend anpassen3213. Insoweit hatte schon McNair J in Bolam klargestellt, dass obwohl “… a man is not negligent, if he is acting in accordance with such a practice, merely because there is a body of opinion that takes a contrary view. At the same time, that does not mean that a medical man can obstinately and pig-headedly carry on with some old technique if it has been proved to be contrary to what is really substantially the whole of informed medical opinion. Otherwise you might get men today saying: ‘I don’t believe in anaesthetics. I don’t believe in antiseptics. I am going to continue to do my surgery in the way it was done in the eighteenth century.’ That clearly would be wrong.”3214 So klar werden die Fällen freilich nur selten liegen. Auch wird man nicht annehmen können, dass die Nichtbeachtung neuerer Entwicklungen wirklich nur fahrlässig ist, wenn nahezu die gesamte informierte Fachöffentlichkeit sich von einer bestimmten Technik abgewandt hat. Wann bzw. in welchen Situationen eine ältere Technik oder Verfahrensweise im Lichte der fortschreitenden Erkenntnis nicht länger als vertragsgemäß akzeptiert werden kann, lässt sich im Gegenteil abstrakt nur schwerlich exakt festlegen3215, zumal der Gläubiger bei der Anwendung neuer Techniken u.U. einem unnötigen Risiko ausgesetzt wird. Insofern muss der Schuldner also wohl oder übel zwischen Skylla und Charybdis hindurchsegeln, wobei ihm zur Bestimmung des Kurses wiederum nur der „reasonably competent practioner“ zur Seite steht. Auch die PELSC und der DCFR bieten für derartige Situationen keine spezifischen Vorgaben. Fahrlässig ist die Anwendung älterer Verfahrensweisen insofern nach englischem Recht und wohl auch nach PELSC und DCFR, sobald deren Risiken sowie ihre Vermeidbarkeit durch eine neuartige Technik, die selbst keine noch größeren Risiken beinhaltet, derart bekannt sind, dass von einem angemessen sachkundigen Dienstleister eine Anpassung seines Verfahrens erwartet werden kann3216. Dieser Standard ist – jedenfalls für die Arzthaftung – nach älteren englischen Entscheidungen national zu bestimmen, d.h. die im Ausland etablierte Praxis ist für die von englischen Ärzten geschuldete Leistung grundsätzlich ebenso irrelevant wie der im Ausland erreichte Kenntnisstand3217. Die exakte Bestimmung kann losgelöst davon nur im Einzelfall erfolgen, wobei zu beachten ist, dass nicht jede „neuartige“ Verfahrensänderung sachlich begründet sein 3213

3214 3215

3216

3217

Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.24; Jones, in: Grubb, Principles, § 6.28; ders., Negligence, § 3–046; de Cruz, Medical Law, S. 123; Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56; Giesen, Malpractice, § 10 Rn. 153. Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 588 (HC). Ebenso Jackson/Powell, Negligence, § 2–123; Jones, in: Grubb, Principles, § 6.28; ders., Negligence, § 3–048. Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.24; Jones, in: Grubb, Principles, § 6.28; Jackson/ Powell, Negligence, § 2–124; Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 37. Vgl. Whiteford v Hunter [1950] WN 533 (HL, zit. nach Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 340); Jones, in: Grubb, Principles, § 6.29; dens., Negligence, § 3–049.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

495

muss. Vielmehr gibt es auch im Dienstleistungssektor nicht selten „Modeerscheinungen“3218, sodass die Tatsache, „[that] new methods become available does not make the contiued use of the old negligent unless and until they are shown to be wrong or to carry an unacceptabley higher risk to the patient than the new“3219. Um dies beurteilen zu können, muss der Schuldner jedoch ausreichend über die jeweils bestehenden Risiken informiert sein und sich insofern mit angemessenem Aufwand auf dem aktuellen Stand halten. Den maßgeblichen Standard hat Bingham LJ in Eckersley v Binnie – in bewusst allgemein gehaltenen Worten – dahin umschrieben, dass “… a professional man should command the corpus of knowledge which forms part of the professional equipment of the ordinary member of his profession. He should not lag behind other ordinarily assiduous and intelligent members of his profession in knowledges of new advances, discoveries and developments in his field.”3220 Dieser Standard gilt dementsprechend nicht nur für die Ingenieurshaftung, mit der sich diese Entscheidung beschäftigt hatte, sondern ebenso für Architekten, Ärzte und Anwälte3221. Das deutsche Recht sieht dies keineswegs anders.

II.

Grenzen der Beobachtungs- bzw. Fortbildungspflicht nach deutschem und englischem Recht

1.

Arzthaftung

a)

Englisches Arzthaftungsrecht

Selbst von diesem Kriterien ausgehend kann, wie in der Sache Crawford v Charing Cross Hospital entschieden wurde, z.B. von einem Arzt realistischer Weise nicht erwartet werden, dass er jeden Aufsatz in jeder Fachzeitschrift liest3222. In dieser Entscheidung war der Arm des Klägers während einer Operation so gelagert worden, dass er später gelähmt war. Der beklagte Anästhesist hatte einen sechs Monate zuvor in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichten Artikel, der auf genau dieses Risiko hinwies, nicht gelesen, obwohl ihm später veröffentlichte Reaktionen auf den Artikel bekannt waren. Der Court of Appeal wies die Klage mit der Begründung ab3223, dass – da von Ärzten nicht erwartet werden könne, dass sie jeden Aufsatz in jeder 3218

Vgl. Jones, in: Grubb, Principles, § 6.28 m. Fn. 89. Newbury v Bath District Health Authoriy (1998) 47 BMLR 138 per Ebsworht J (zit. nach Jones, in: Grubb, Principles, § 6.28 m. Fn. 89). 3220 Eckersley & Others v Binnie & Others [1955-95] PNLR 348, 383. 3221 Ebenso Watson, Litigation, § 3.3. 3222 Ebenso Jones, in: Grubb, Principles, § 6.29; DugdaleStanton, Negligence, § 15.24; de Cruz, Medical Law, S. 122 f. 3223 Crawford v Governors of Charing Cross Hospital (1953) Times, 8 Dezember (zit. nach Jones, Negligence, § 3–047). 3219

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Fachzeitschrift lesen – das Nichtlesen eines einzelnen Artikels nicht zwingend auf mangelnde Sachkunde und/oder Sorgfalt schließen lasse. Die Nichtbeachtung einer ganzen Reihe von literarischen Warnungen könne demgegenüber auf mangelnde Sorgfalt hindeuten. Parallel dazu sei es auch nicht automatisch als fahrlässig zu bewerten, wenn ein Arzt nicht augenblicklich das in einem derartigen Artikel befürwortete Verfahren anwende. Erst wenn die neuartige Technik ein dauerhafter Bestandteil der akzeptierten Praxis werde, sei eine Nichtanwendung (man wird hinzufügen müssen: im Rahmen des Bolam-Tests) als fahrlässig zu qualifizieren3224. Erforderlich ist vor diesem Hintergrund nur (aber immerhin), dass, „where there is developing knowledge, [the defendant] must keep reasonably abreast of it and not be too slow to apply it“3225. Daraus folgt bspw.: Ein gewöhnlicher Gynäkologe muss lediglich die Standard-Informationsquellen heranziehen; nicht notwendig ist, dass er mehr oder weniger exotische Zeitschriften vorhält: “During the trial I referred to [the defendant] as a shop floor gynaecologist. That was no sort of disparaging remark it is a phrase which serves as a timely reminder that he, like many others, was a very busy man who clearly had a responsibility to keep himself generally informed on main stream changes in diagnosis treatment and practice through the main stream literature such as the leading textbooks and ‘The Journal of Obstetrics and Gynaecology’. Equally clearly it would be unreasonable to suppose that [the defendant] had the opportunity to acquaint himself with the content of the more obscure journals.”3226 Folgerichtig gilt dort, wo der Haftungsvorwurf in einem Unterlassen eigeninitiativer Ermittlung entsprechender Daten gründet, dass „the court must be slow to blame him for not ploughing a lone furrow“3227.

b)

Deutsches Arzthaftungsrecht

Die Entwicklung der vorliegenden Thematik im deutschen Arzthaftungsrecht ist noch nicht abgeschlossen. An die Fortbildungspflicht des Arztes stellt die Rechtsprechung jedoch strenge Anforderungen3228. So muss der Arzt zum Ausschluß von Risiken für seinen Patienten zwar nicht sämtliche Fachveröffentlichungen verfolgen3229, aber immerhin die neueste Auflage eines Lehrbuchs benutzen3230 und sich mit der Funktionsweise neuer Geräte vertraut machen, bevor er sie einsetzen will3231. Auch 3224

Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.24. Stokes v Guest, Keen & Nettlefold (Bolts & Nuts) Ltd [1968] 1 WLR 1776, 1783 per Swanwick J (HC, Arbeitgeberhaftung für die Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz). 3226 Gascoine v Ian Sheridan and Co and Another [1994] 5 Med LR 437 per Mitchell J (HC, lexis). Vgl. aus der deutschen Rechtsprechung zu diesme Themenkreis OLG Bamberg, VersR 1977, 436, 437. 3227 Thompson v Smith Shiprepairers (North Side) Ltd [1984] 1 All ER 881, 889, vgl. ferner S. 894 per Mustill J (HC). 3228 Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 20 m.w.N. 3225

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

497

hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass der Arzt jedenfalls verpflichtet ist, die einschlägigen Fachzeitschriften auf dem Fachgebiet, auf dem er tätig sein will, regelmäßig zu lesen3232. Der Allgemeinmediziner ist – parallel zum englischen Recht – jedoch zur Lektüre ausländischer Fachzeitschriften nicht verpflichtet3233. Inwieweit dies auch für den Facharzt gilt, hat der BGH indes bislang nicht entschieden3234. Dies wird indes jedenfalls gefordert, wenn der Arzt eine bestimmte Methode anwenden will, die sich noch in der medizinisch-wissenschaftlichen Erprobung befindet3235. Eine längere Karenzzeit bis zur Aufnahme der wissenschaftlichen Diskussion durch die Praxis billige der BGH grundsätzlich nicht zu3236. Gleichwohl muss der Arzt nicht jeder in der Wissenschaft vertretenen Meinung sofort nachgehen3237, sondern nur solche Erkenntnisse und Methoden verfolgen, die in der Medizin bereits ernsthaft, d.h. auf breiter Basis, diskutiert werden, auch wenn sie sich noch nicht allgemein durchgesetzt haben3238.

2.

Anwaltshaftung

a)

Englisches Anwaltshaftungsrecht

Wenden wir uns dem Anwaltshaftungsrecht zu, lässt sich als Ausgangspunkt zunächst klarstellen, dass „[n]o attorney is bound to know all the law“3239. Dies bedeutet freilich nicht, dass der Anwalt sich neuen Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung verschließen darf 3240. Es ist, im Gegenteil, 3229

So müssen etwa im Zeitpunkt der Behandlung in entlegenen Fachzeitschriften enthaltene Warnungen über die Wirkungsweise von Ergotaminpräparaten, die sich erst Jahre später verdichten, nicht bekannt sein, vgl. Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 4 m.w.N. 3230 Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 20 m.w.N. 3231 OLG Saarbrücken, VersR 1991, 1289, 1290; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 12. 3232 Näher BGHZ 113, 297, 304; vgl. auch BGH, NJW 1982, 697, 698; ebenso Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 32. 3233 Näher BGHZ 113, 297, 304; BGH, VersR 1962, 155 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 12; MünchKomm /Wagner, BGB § 823 Rn. 748; Staudinger /Hager, BGB § 823 Rn. I 20; a.A. vielleicht Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 32. 3234 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 169; befürwortend MünchKomm /Wagner, BGB § 823 Rn. 748; vgl. zu dieser Frage aus der Instanzrechtsprechung OLG Düsseldorf, VersR 1987, 414, 415 (ohne sich einschränkend auf „inländische“ Fachliteratur zu beziehen); OLG München, VersR 2000, 890, 891 (keine Verpflichtung zur Kenntnis von Spezialveröffentlichungen über Kongresse und ausländischer Fachliteratur). 3235 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 12. 3236 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 169. 3237 OLG Frankfurt a.M., VersR 1998, 1378, 1379. 3238 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 169. 3239 Vgl. zur erforderlichen Rechtskenntnis auch Mückl, RIW 2006, 742, 743 m.w.N. 3240 Vgl. dazu auch Moy v Pettman Smith [2002] EWCA Civ 875, [2002] PNLR 961; unter diesem Gesichtspunkt nicht durch das House of Lords ([2005] 1 WLR 581) beanstandet.

498

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

“quite essential for advocates who hold themselves out as competent to practise in a particular field to bring and keep themselves up to date with recent authority in their field. By ‘recent authority’ I am not necessarily referring to authority which is only to be found in specialist reports, but authority which has been reported in the general law reports.”3241 Bei der Bewertung dieser Feststellungen ist zu berücksichtigen, dass sie die dem Anwalt gegenüber dem Gericht obliegenden Pflichten umschreiben, für das Rechtsverhältnis zum Mandanten keine Aussage treffen und daher – bezogen auf das Mandat, d.h. die Determinierung des vertraglich geschuldeten Sorgfaltsstandards – u.U. zu niedrig ansetzen. So wird in der Literatur vermutet, dass auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierte Anwälte, um dem vertraglich geschuldeten Sorgfaltsstandard gerecht zu werden, darüber hinaus durchaus von den Entscheidungen Kenntnis nehmen müssen, die in den fachspezifischen Periodika veröffentlicht werden3242.

b)

Deutsches Anwaltshaftungsrecht

Diesen Grundsätzen gleicht weitestgehend die Bewertung des Problems durch das deutsche Anwaltshaftungsrecht3243: Zur vertragsgemäßen Mandatsbearbeitung hat sich der Anwalt nach der Rechtsprechung des BGH „in erster Linie an der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten; denn diese hat richtungsweisende Bedeutung für Entwicklung und Anwendung des Rechts […]. Der Anwalt muss sich deshalb über die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur anhand der amtlichen Sammlungen, sondern auch anhand der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten“3244. Damit ist auch nach deutschem Anwaltsvertragsrecht eine Fortbildungspflicht gegeben, da der Anwalt sich ohne Fortbildung nicht an der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung orientieren kann. Die gerade wiedergegebenen Feststellungen beinhalten indes auch eine erste wichtige Einschränkung der Fortbildungspflicht3245: Die in Rede stehende Rechtsprechung muss in der amtlichen Sammlung oder zumindest in einer einschlägigen Fachzeitschrift veröffentlicht sein. Der Anwalt darf also zwar nicht ausschließlich die amtliche Sammlung bemühen3246, muss sich aber selbstverständlich nicht immer allen potentiellen Fundstellen zuwenden, sondern nur die einschlägigen Fachzeitschriften auswerten3247.

3241

Copeland v Smith [2000] 1 WLR 1371, 1375 per Brooke LJ (CA). Watson, Litigation, § 4.85. 3243 Zur anwaltlichen Fortbildungspflicht vgl. auch Hartung, MDR 2001, 1038 ff. 3244 So BGH, NJW 2001, 675, 678 m.w.N.; vgl. zur Bedeutung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Regressprozess gegen den Anwalt BGH, NJW 2001, 146, 148. 3245 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 484. 3246 Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 575 m.w.N. 3247 Zutreffend Fahrendorf, NJW 2006, 1911, 1912 f. 3242

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

499

Darüber hinaus konkretisiert der BGH die Fortbildungspflicht dahin, dass dem Rechtsanwalt ein „realistischer Toleranzrahmen“ zugebilligt werden muss3248, was nichts anderes bedeutet, als dass ihm zur Kenntnisverschaffung eine angemessene Zeitspanne3249 einzuräumen ist3250. Der Umfang der geschuldeten Kenntnisnahme ist indessen umstritten; der BGH hat sich hierzu noch nicht geäußert. Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf genügt der Anwalt seinen Lektürepflichten nicht, „wenn sich der zu berücksichtigende Rechtssatz nicht aus dem veröffentlichten Leitsatz, sondern nur aus den tragenden Gründen der BGH-Entscheidung ergibt“3251. In der Literatur wird hingegen lediglich eine „zumindest überblicksmäßige, d.h. im Wesentlichen leitsatzmäßige Kenntnis“3252 vom Vorhandensein grundlegender höchstrichterlicher Entscheidungen in den allgemeinen Kerngebieten sowie in sonstigen Standardtätigkeitsgebieten des in Rede stehenden Anwalts gefordert. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass die Fortbildung ja einerseits ohne konkreten Anlass zu erfolgen hat und andererseits der Anwalt nicht insgesamt über ein dauerhaft präsentes Wissen verfügen muss3253, eher realistisch. Eine Anpassungspflicht besteht für den Anwalt indes nur aufgrund konkreter Anhaltspunkte im Ausnahmefall; in der Regel darf er sich nämlich auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung verlassen3254. Dies gilt insbesondere in den Fällen einer gefestigten Rechtsprechung, aber auch bei zunächst vereinzelten Entscheidungen aus neuerer Zeit, in denen die jeweilige Problematik behandelt und in einem bestimmten Sinne entschieden worden ist3255. Abweichende Entscheidungen der Instanzgerichte bzw. Literaturstimmen braucht der Anwalt in diesem Stadium nicht zu berücksichtigen3256. Dieses Vertrauen in den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung ist freilich nicht grenzenlos gerechtfertigt. Vielmehr hat der BGH insoweit deutliche Grenzen aufgezeigt3257: Zunächst fehlt es an einer rechtfertigenden Vertrauensbasis, wenn das Gericht eine Änderung seiner Rechtsprechung – z.B. per obiter dictum – selbst angekündigt hat3258 oder sich die 3248

BGH, NJW 2001, 675, 678; zustimmend Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 576; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 210 m.w.N. 3249 Zu in der Literatur geäußerten Konkretisierungsvorschlägen vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 210 m.w.N. 3250 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 486; Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9. 3251 OLG Düsseldorf, VersR 1980, 359 (Leitsatz 2). 3252 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 487; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 211 ff. m.w.N. 3253 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 487; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 225 ff. 3254 BGH, NJW 1993, 3323, 3324. 3255 Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9. 3256 Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9. 3257 BGH, NJW 1993, 3323, 3324 f.; kritisch dazu Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 489; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 577. 3258 BGH, NJW 1993, 3323, 3324 f.; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 577.

500

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Änderung aufgrund anderer eindeutiger Umstände (z.B. einer Gesetzesänderung) aufdrängt3259. Dasselbe soll nach in der Literatur kritisierter Rechtsprechung des BGH gelten, falls die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung schon älter ist und abweichende instanzgerichtliche Entscheidungen sowie kritische Literaturansichten einen dogmatischen Wandel signalisieren3260.

E.

Die Bedeutung der Leitfäden der Standesorganisationen und Berufsvereinigungen

Hat sich bislang häufig eine weitgehende Übereinstimmung zwischen deutschem und englischem Recht ergeben, so scheint dies nicht für die Bedeutung von Leitlinien, Richtlinien usw. zu gelten, die von den Berufsvereinigungen verfasst und herausgegeben werden. Dies mag auch an den durchaus unterschiedlichen Funktionen liegen, die derartigen Regelwerken beigemessen werden3261. PELSC und DCFR scheinen insoweit der englischen Position näher zu sein.

I.

Die Position des englischen Rechts

Die von den Standesorganisationen und Berufsvereinigungen verfassten Leitfäden für professionelles Vorgehen (sog. codes of practice oder codes of conduct) umschreiben als soft law im englischen Recht zumeist regelartig die professionsintern akzeptierten Standards. Insofern überrascht kaum, dass ein Abgehen von den in ihnen geregelten Verfahrensweisen haftungsbegründend wirken kann3262.

1.

Die praktische Bedeutung der codes als Beweiserleichterung

Indessen dürfte das Abweichen von den in einem code of practice enthaltenen Regeln einen Vertragsbruch nicht stärker indizieren als ein Vorgehen, das von nicht derart kodifizierten, professionsintern aber gleichwohl anerkannten Regeln abweicht. Durch eine solche Kodifikation lassen sich das Bestehen einer entsprechenden Praxis und ein Abweichen des jeweiligen Dienstleisters von ihr vor Gericht lediglich leichter beweisen, wie Judge Newey QC zutreffend festgestellt hat: “British Standards Codes of Practice are not legal documents binding upon engineers or upon anyone else, but they reflect the knowledge and expertise of the profession at the date when they were issued. They are guides to the engineer and in my view they also provide strong evidence as to the standard of the competent 3259

Ganter, WM-Sonderbeilage 6/2001, S. 9; Zugehör, in: ders., Anwaltshaftung, Rn. 577. S. Fn. 3257. 3261 Zu pauschal (vor diesem Hintergrund) Heckendorn, Haftung, Rn. 302, 310. 3262 Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.23; Cornes, Design, § 4.6.4; Schmidt-Kessel, Standards, S. 348. 3260

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

501

engineer at the date when they were issued … Textbooks and manuals can also be of help, but are not of the same value as codes of practice.”3263 Auch ein Vorgehen entgegen der kodifizierten Regeln bedeutet also nicht per se einen Vertragsbruch, denn – wie bereits mehrfach betont wurde – „breach of duty is a question of fact“3264. Die vorgenannte Beweiswirkung kommt z.B. dem von der Law Society verfassten Guide to the Professional Conduct of Solicitors3265 und den vom General Medical Council verfassten codes of practice zu3266. Es ist, sofern dem Kläger der Nachweis des Abweichens von der akzeptierten Praxis gelingt, an dem Beklagten, nachzuweisen, dass trotz Abweichens vom code of practice mit angemessener Sorgfalt vorgegangen wurde3267. Die Entwicklung von sog. best practice guidelines dürfte die Anforderungen an diesen Nachweis insbesondere im medizinischen Kontext erhöhen und zwar faktisch selbst dort, wo ein Teil der Medizin eine von diesen Richtlinien abweichende Behandlung befürworten3268. Denn manche Entscheidungen deuten darauf hin, dass sie derartigen Richtlinien hohe Überzeugungskraft zubilligen3269. Verbindlich sind auch diese codes of practice gleichwohl nicht. Um die Bedeutung derartiger Richtlinien generalisierend zu umschreiben, wird gerne auf die nachfolgende Passage aus der neuseeländischen Entscheidung Bevan Investments Ltd v Blackhall & Struthers (No 2) Bezug genommen3270: “Bearing in mind the function of codes, a design which departs substantially from them is prima facie a faulty design, unless it can be demonstrated that it conforms to accepted engineering practice by rational analysis. If I am correct in this appreciation, and if on the evidence it is established that the design in several material respects fails to comply with the relevant codes, then [the defendant] and 3263

The Board of Governors of the Hospital for Sick Children v McLaughlin & Harvey plc (1987) 19 Con LR 25 (lexis). 3264 The Board of Governors of the Hospital for Sick Children v McLaughlin & Harvey plc (1987) 19 Con LR 25 (lexis); vgl. dazu auch Victoria University of Manchester v Hugh Wilson (1984) 2 Con LR 43 per Judge Newey QC (lexis). 3265 Mortgage Express Ltd v Bowerman & Partners [1996] PNLR 62, 68 f. per Bingham MR. 3266 Jones, in: Grubb, Principles, § 6.23. Die codes sind im Internet abrufbar unter http:/ /www.g mc-uk.org/standards/default.htm. Eine statistische Untersuchung zur Bedeutung der Clinical Guidelines des GMC in der Praxis findet sich bei Samanta/Mello/Foster/Tingle/Samanta, (2006) 14 Med L Rev 321 ff.; vgl. aus der Rechtsprechung auch Airdale NHS Trust v. Bland [1993] 1 All ER 821 (HL); Burke v. General Medical Council [2005] EWCA Civ. 103 (CA). 3267 Vgl. dazu etwa London Borough of Newham v Taylor Woodrow Anglian Ltd (1981) 19 BLR 99 (CA, lexis), wo die Beklagten ein Verbindungselement für Gasleitungen verwendet hatten, das nicht den Vorgaben der einschlägigen codes of practice entsprach. 3268 Vgl. Harpwood, (1994) 1 Med Law Int 241, 250 f.; Jones, in: Grubb, Principles, § 6.23. 3269 Vgl. z.B. W v Edgell [1990] 1 All ER 835, 843 per Sir Brown P, 850 per Bingham LJ (CA); Airedale NHS Trust v Bland [1993] 1 All ER 821, 871 f. per Lord Goff (HL). 3270 Vgl. etwa Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.23; Jackson/Powell, Negligence, § 8–157.

502

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

his experts must show that the design is capable of rational analysis and is adaequate and safe. I do not go so far as to say however that the mere circumstance that a client is unaware that the designer is working outside a code can of itself categorise a designer’s actions as negligent.”3271

2.

Die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln

Auch der letzte Satz des vorstehenden Zitats dürfte mit der englischen Rechtsprechung insoweit vereinbar sein, als die Feststellung einer Aufklärungspflichtverletzung unabhängig davon erfolgen kann, ob die Wahl des Designs für sich genommen fahrlässig gewesen ist3272. Im Übrigen wird man diesem Urteil entnehmen können, dass ein Vertragsbruch umso eher indiziert ist, je größer Grad und Anzahl der Abweichungen sind. Der Architekt haftet wegen Vertragsbruchs, wenn es ihm in dieser Situation nicht gelingt, „to call evidence or to show by rational analysis that although the defendant’s design did not comply with the current Codes of Practice and did not appear to be within the mainstream of knowledge, it was nevertheless as a result of local conditions adaequate“3273. Da ein code of practice aber lediglich die akzeptierte Praxis widergibt, gelten für die Feststellung eines Vertragsbruchs die allgemeinen Regeln über ein Abweichen von der professionsintern befürworteten Praxis3274. Illustrieren lässt sich dies für die Anwaltshaftung anhand der Entscheidung Johnson v Bingley Dyson & Finney. Dort hatte sich neben dem code of conduct für solicitiors eine von diesem abweichende Praxis etabliert. Die beklagten solicitors waren vorgeblich von der unter der AlzheimerKrankheit leidenden geschäftsunfähigen Klägerin durch deren Sohn (der sich auf eine unwirksame Vollmacht berief) beauftragt worden, ihr beim Verkauf eines Grundstücks zu assistieren. Die Beklagten, die von der potentiellen Geschäftsunfähigkeit der Klägerin ausgingen, handelten in Übereinstimmung mit den Angaben, die sie vom Sohn der Klägerin erhalten hatten, ohne zu prüfen, ob diese tatsächlich von der Klägerin stammten oder ob diese überhaupt in der Lage war, wirksam Willenserklärungen abzugeben. Dieses Vorgehen stand nicht im Einklang mit der von der Law Society befürworteten Verfahrensweise. Der 1987 und 1988 geltende Guide bestimmte in Principle 7.05: “… where instructions are received not from a client but from a third party on behalf of that client, the solicitor should obtain written instructions from the client that he wishes him to act or to see the client in order to obtain instructions directly from him”.

3271

Bevan Investments Ltd v Blackhall & Struthers (No 2) [1973] 2 NZLR 45, 65 f. per Beattie J (zit. nach Jackson/Powell, a.a.O.). 3272 Vgl. ab S. 399. 3273 Kaliszewska v John Clague & Partners (1984) 5 Con LR 62 (zit. nach Jackson/Powell, Negligence, § 8–157). 3274 Vgl. dazu ab S. 479.

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

503

Die Klägerin trug vor, bereits das Abweichen der Beklagten von dem Law Society Guide begründe Fahrlässigkeit. Demgegenüber konnten die Beklagten nachweisen, dass eine Gruppe von conveyancing-Praktikern (solicitors u.a.) ebenso wie sie vorginge und sich ihre Instruktionen nicht noch einmal ausdrücklich vom Klienten bestätigen lassen würde. Beiden Argumenten folgte das Gericht nicht, stellte aber zunächst klar, dass ein Vorgehen, das nicht mit den Vorgaben der Law Society übereinstimme, nicht allein aus diesem Grund fahrlässig sei. Weder die Law Society noch andere Körperschaften könnten durch Satzungen oder Erlasse das geltende englische Recht ändern: “It is, I think, first of all necessary to consider the true status of the Guide … It is clear that it is a comprehensive Code of Conduct for solicitors. It embraces the conduct expected of a normally careful and skilful solicitor by his or her governing body. I have, however, come to the conclusion that a breach of the Guide cannot ipso facto and of necessity be negligence. Negligence is a legal concept embracing duty situation, nature of duty and breach of duty. The basic approach is enshrined in the well-known speech of Lord Atkin in Donoghue v. Stevenson …, as developed in voluminous subsequent case law. In my view, neither the Law Society nor any other body can, by rules or edicts, alter the law of the land.”3275 Bestärkt fühlte sich das Gericht in dieser Sicht der Dinge durch die Entscheidung des Privy Council in der Sache Edward Wong3276, nach der es für die Frage der Fahrlässigkeit darauf ankomme, ob das gewählte Vorgehen ein Risiko für den Mandanten begründe. Gingen solicitors davon aus, dass es für sie vorteilhaft sei, dieses Risiko einzugehen, sei dies ihre Sache. Im Falle der Risikorealisierung müssten dann aber auch sie und nicht der Mandant den Schaden tragen, soweit die Risikorealisierung sich nicht mit angemessenem Aufwand vermeiden ließe3277. Erforderlich sei mithin – wie stets – die Prüfung der Frage, mit der Realisierung welcher Risiken man vernünftigerweise rechnen müsse: “I must therefore revert to basics. Was it reasonably foreseeable in all the circumstances of the case – which of course include Principle 7.05 – that failure to comply with the Principle would lead to a risk of damage to the client? Were the steps envisaged in the Principle reasonable, having regard to the nature and extent of the risk, the damage likely to flow if it materialised, and the difficulty and expense of those steps?.”3278 Der Law Society Guide ist nach diesen Feststellungen im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung zu berücksichtigen, aber keinesfalls verbindlich. Vielmehr gelten die allgemeinen Regeln für die Bestimmung einer Pflichtverletzung.

3275

Johnson v Bingley Dyson & Finney [1997] PNLR 392, 404 per Benet Hytner QC. Ausführlich zu dieser Entscheidung oben ab S. 257. 3277 Johnson v Bingley Dyson & Finney [1997] PNLR 392, 404 per Benet Hytner QC. 3278 Johnson v Bingley Dyson & Finney [1997] PNLR 392, 404 per Benet Hytner QC. 3276

504

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Das Vorgehen der Beklagten im konkreten Fall qualifizierte das Gericht als fahrlässig. Insbesondere konnten sich die Beklagten nach den Feststellungen des Gerichts zur Haftungsentlastung nicht auf Bolam berufen. Denn einerseits könne von den Gerichten nicht erwartet werden, dass sie die Vernachlässigung traditioneller Sicherungsmechanismen, die der Erhaltung professioneller Standards dienten, zugunsten einer Senkung des Standards absegneten. Andererseits hält das Gericht – unter Berufung auf Eward Wong – den zweiten und dritten Teil des Bolam-Tests in Fällen der solicitor-Haftung für nicht anwendbar. Das in Rede stehende Vorgehen sei auf der Grundlage des allgemeinen Tests für Fahrlässigkeit als Pflichtverletzung zu qualifizieren. Nach der Ansicht von Judge Hytner QC fällt die Entscheidung in Fällen der solicitor-Haftung letztlich also immer auf der Grundlage einer eigenständigen Risikobewertung durch das Gericht, da hier – anders als in Arzthaftungsfällen – keine Situationen denkbar seien, in denen es mehrere gleich „richtige“ Vorgehensweisen gebe3279.

3.

Keine definitive Haftungsentlastung

Die einschlägigen codes of practice vermögen den Schulder allerdings nicht nur nicht zu binden. Vielmehr gilt umgekehrt auch, dass der Schuldner ihnen nicht sklavisch folgen darf. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Insofern ist die im jeweiligen code of practice empfohlene Vorgehensweise stets auf ihre Tauglichkeit für das konkrete Projekt zu überprüfen, wie bereits Lord Fraser in IBA v EMI and BICC verdeutlicht hat: “… I have reached a firm conclusion that BIC failed in their duty of care when they applied the code of practice that had been found appropriate for lattice masts to the new cylindrical mast at Emley Moor without noticing that the reason for disregarding ice on the stays was not applicable to a cylindrical mast. They were therefore negligent in their design.”3280 Zu demselben Ergebnis gelangt in der Entscheidung Holland Hannen & Cubitts (Northern) Ltd v Welsh Health Technical Services Organisation Goff LJ: “The structural engineer will therefore simply consider the profile of the floor as such; and ask himself the question whether there is a significant risk that the floor, with that profile, in the building in question, may be unacceptable. In considering that question he cannot simply rely on the code of practice. It is plain from the evidence that the code of practice is no more than a guide for use by professional men, who have to exercise their own expertise; this must more3279

Die „Sonderrolle“ des Arzthaftungsrechts wird insofern noch einmal verdeutlicht. Zugleich zeigt sich die Bedeutung des Fehlens oder Vorhandenseins von Sachkunde beim Urteilenden selbst: Je sachkundiger der Urteilende ist, desto eher sieht er sich zu einem eigenständigen Urteil in der Lage. Zur Bedeutung dieses Umstandes vgl. ab S. 255, 269. 3280 IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 (lexis).

§ 13 Innovatives und experimentelles Vorgehen

505

over be especially true in a case such as the present, where the design was a novel one, omitting as it did a finishing screed. Practice alone can, I consider, provide of itself no reliable guide where, as here, a novel design concept is being used.”3281 Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die codes of practice weder zum Segen noch zum Fluch werden. Nach Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR dürfte nichts anderes gelten. Wir hatten gesehen, dass der Schuldner zur Einhaltung eines rein objektiven, d.h. durch die zu übernehmende Aufgabe vorgegebenen Mindeststandards verpflichtet ist3282. Gemäß Art. 1:107(3) PELSC, IV.C. – 2:105(3) DCFR müssten professionsinterne Vorgaben zwar vom Dienstleister beachtet werden3283. Soweit diese allerdings gemessen an den berechtigten Erwartungen des Gläubigers (Art. 1:107(4) PELSC, IV.C. – 2:105(4) DCFR) zu lax sind, bedeutet ihre Befolgung nicht nicht notwendig eine Vertragserfüllung.

II.

Die Position des deutschen Rechts

Während in der Literatur zum deutschen Anwaltshaftungsrecht ganz überwiegend die Möglichkeit, die für den Rechtsanwalt geltenden Sorgfaltsstandards durch Heranziehung des Standesrechts (abschließend) zu konkretisieren, mit dem Argument verneint wird3284, dass das Standesrecht nur die äußere Ordnung der Anwaltstätigkeit, nicht aber ihre Inhalte betreffe und insofern keine Auswirkungen auf die zivilrechtliche Haftung habe3285, wird in der Rechtsprechung und Literatur zum deutschen Arzthaftungsrecht durchaus an die Konkretisierung des maßgeblichen Standards durch Leitlinien und Richtlinien gedacht3286. Doch dürfte auch hier eine Konkretisierung allein anhand der Leit- und Richtlinien ausscheiden. Zu pauschal ist es

3281

Holland Hannen & Cubitts (Northern) Ltd v Welsh Health Technical Services Organisation and Others (1987) 35 BLR 1 (lexis). Zum Sachverhalt vgl. bereits oben ab S. 409. 3282 Vgl. ab S. 165. 3283 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:107. 3284 Eine Abhängigkeit der zivilrechtlichen Haftung vom anwaltlichen Standesrecht verneinend etwa Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 308; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 4 Rn. 46; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 504 (jedenfalls nicht allein anhand des Standesrechts) sowie eingehend Steinkraus, Berufsordnung, S. 85, 200 ff., 276 ff. Die Rechtsprechung scheint sich mit der Frage noch nicht explizit befasst zu haben. 3285 Näher Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 4 Rn. 46; zur über §§ 157, 242 BGB u.U. erfolgenden Berücksichtigung standesrechtlicher Vorgaben per Übermittlung ins Zivilrecht nach eigener Richtigkeitskontrolle Steinkraus, Berufsordnung, S.200 ff. 3286 Vgl. zur Abgrenzung von Leitlinien, Richtlinien und Empfehlungen auch Tomassone/Wöffen, StudZR 2005, 61, 66 ff. Ein umfangreicher Katalog ärztlicher Leitlinien ist im Internet abrufbar unter http://leitlinien.net / bzw. http://www.uni-duesseldorf.de /AWMF/ll/index. html.

506

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

dabei zunächst – wie Spickhoff zu Recht feststellt3287 –, wenn Richtlinien mit ärztlichem Standard gleichgesetzt werden3288, was bedeuten müsste, dass der darin festgelegte Standard nicht unterschritten werden darf, aber auch nicht überschritten zu werden braucht3289. Deshalb überrascht es nicht, wenn der BGH in seinem Beschluss vom 28.3.20083290 feststellt: „Leitlinien von ärztlichen Fachgremien oder Verbänden können (im Gegensatz zu den Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen) nicht unbesehen mit dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers gebotenen medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Sie können kein Sachverständigengutachten ersetzen und nicht unbesehen als Maßstab für den Standard übernommen werden. Letztendlich obliegt die Feststellung des Standards der Würdigung des sachverständig beratenen Tatrichters, dessen Ergebnis revisionsrechtlich nur auf Rechts- und Verfahrensfehler überprüft werden kann.“ Richtigerweise wird man aus einem Abgehen von Leitlinien also allenfalls ein Indiz für eine Standardverletzung ableiten können3291. Insofern spricht – wie der BGH festgestellt hat – auch das Fehlen von Richtlinien nicht gegen die Pflicht zur nachträglichen Sicherungsaufklärung, da – so der BGH weiter – die Formulierung von Richtlinien notwendigerweise dem tatsächlichen Erkenntnisstand hinterherhinken muss3292. Vor diesem Hintergrund erscheint die vorstehend zitierte Feststellung zu Richtlinien der Bundesausschüsse allerdings verfehlt. Wegen dieses „Hinterhinkens“ wurde schließlich bislang auch ein grober Behandlungsfehler durch eine Abweichung von entsprechenden Richt- oder Leitlinien nicht einmal indiziert3293. Für das Anwaltshaftungsrecht wird sogar jede Indizwirkung der Verletzung einer Standesregel verneint3294.

3287

Spickhoff, NJW 2005, 1710, 1714; i.E. Tomassone/Wöffen, StudZR 2005, 61, 76 f. Zum Streitstand vgl. auch Tomassone/Wöffen, StudZR 2005, 61, 73 ff. 3289 So aber z.B. KG, NJW 2004, 691; a.A. zu Recht etwa OLG Hamm, VersR 2002, 857, 858 (Richtlinien nur deklaratorisch); OLG Hamm, VersR 2000, 1373 (Abbildung der überwiegenden Überzeugung maßgeblicher ärtzlicher Kreise); ähnlich OLG Naumburg, MedR 2002, 471, 472 (lediglich Informationscharakter für Ärzte); i.E. auch OLG Stuttgart, MedR 2002, 650, 653. 3290 VI ZR 57/07, GesR 2008, 361 f. 3291 Tomassone/Wöffen, StudZR 2005, 61, 78 m.w.N. Selbst die vorgenannte Indizwirkung entfällt, wenn widersprüchliche Leitlinien existieren, sofern nicht etwa eine veraltet ist, Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 216. 3292 BGH, NJW 2005, 2614, 2617; LG Hannover, NJW 1997, 2455, 2456. 3293 OLG Stuttgart, MedR 2002, 650, 653; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 216; Spickhoff, NJW 2005, 1710, 1714; weitergehend, aber nicht zutreffend Ziegler, VersR 2003, 545, 549. 3294 So Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 4 Rn. 46. 3288

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

507

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard Nachdem im vorstehenden Abschnitt (§ 13) zunächst der Einfluss von Besonderheiten der Aufgabenstellung auf den Standard zu untersuchen war, woran sich zweckmäßigerweise eine Erörterung der Dynamik der Standards anschloss, ist nunmehr dem Einfluss von Besonderheiten in der Person des Schuldners auf den Schuldinhalt nachzugehen. In diesem Zusammenhang ist zunächst noch einmal daran zu erinnern, dass unterdurchschnittliche Sachkunde oder Erfahrung den Schuldner nicht entlastet; denn der Mindeststandard wird soweit wie möglich objektiv bestimmt. Dagegen ist der Umstand, dass der Schuldner besondere Sachkunde besitzt (oder dies zumindest vorgibt) u.U. durchaus geeignet, den Vertragsinhalt zu beeinflussen. In der Medizin, dem Baugewerbe und der Rechtsberatung finden sich häufig (schon aus wirtschaftlichen Gründen) Spezialisierungen auf bestimmte Aufgabengebiete, die im Extremfall (z.B. Zahnmedizin) so weit führen, dass die Spezialisierung als eigenständige Berufskategorie aufgefasst wird. Ist dieses Stadium noch nicht erreicht, stellt sich die Frage, ob der Patient, Mandant usw. vom „Spezialisten“ einen höheren Sorgfaltsstandard erwarten darf als von einem „gewöhnlichen“ Angehörigen der betreffenden Berufsgruppe.

A.

Die Position der PELSC und des DCFR

Nach Art. 1:107(2) PELSC, IV.C. – 2:105(2) DCFR muss der Dienstleister, sofern er (in der Regel) einen höheren Sorgfalts- und Sachkundestandard ausübt, diesem höheren Standard gerecht werden3295. Die Kommentierung zu Art. 1:107 PELSC erläurtert dies nicht näher. Im Hintergrund dürfte aber – ebenso wie bei der Begründung desselben Ergebnisses im deutschen Recht – die Überlegung stehen, dass die Parteien eines Vertrages typischerweise vom Einsatz der tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten ausgehen3296. Dies gilt für die Arzt- wie für die Anwalts- und Architketenhaftung.

3295

Gleiches dürfte gelten, wenn er dies nur vorgibt. Sofern die Auslegungsregel des Art. 6:101 (2) PECL Anwendung findet, müsste dies nicht einmal gerade gegenüber dem Klienten kommuniziert werden. Es genügt auch eine entsprechende Behauptung in der Öffentlichkeit, die allerdings, damit sich die beschwerte Partei auf Art. 6:101(2) PECL berufen kann, deren Entscheidung, den Vertrag zu schließen, beeinflusst haben muss, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 358. 3296 So die zutreffende Begründung desselben Ergebnisses nach deutschem Recht von Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 571; PWW/Schmidt-Kessel, BGB § 276 Rn. 12.

508

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

B.

Die Behandlung der Problematik durch die nationalen Rechte

I.

Arzthaftung und Spezialisierung

1.

Die Differenzierung nach deutschem Arzthaftungsrecht

Ist der jeweilige Arzt Spezialist, muss er auf der Grundlage des nach deutschem Recht geltenden Prinzips der Gruppenfahrlässigkeit die in seinem Verkehrskreis, d.h. dem der spezialisierten Fachärzte3297, geltenden Standards erreichen3298. Dabei wird teilweise tiefdringend nach der jeweiligen Verkehrserwartung differenziert, wenn etwa angenommen wird, dass von dem Direktor einer Universitätsklinik mehr fachliche Kompetenz zu erwarten stehe als vom Chefarzt eines kleineren Krankenhauses; Entsprechendes gelte für die unterschiedliche Erwartungshaltung an Sorgfalt und Können eines Fachartzes im Vergleich zum Allgemeinmediziner3299. Insofern ist von „Kapazitäten“ ein höherer Sorgfaltsmaßstab geschuldet3300. Darüber hinaus gilt, dass, wenn ein an der Behandlung beteiligter Arzt über besonderes Fachwissen oder über individuelle Spezialkenntnisse aus der konkreten Behandlung verfügt, er ihr Maß an Sorgfalt zugunsten seines Patienten einzusetzen hat3301. Entsprechende Grundsätze gelten auch für apparativ besonders ausgestattete Krankenhäuser und Kliniken3302: Das Krankenhaus muss die vorhandenen besseren Apparate einsetzen, sofern dies indiziert ist3303.

2.

Die Bedeutung besonderer Sachkunde des Arztes nach englischem Recht

Nichts anderes als im deutschen Recht, den PELSC und dem DCFR dürfte im Ergebnis auch nach englischem Recht gelten. Denn auch hier ist – ausgehend von der typischen Parteierwartung – vom Vertragspartner der Einsatz vorhandener Kenntnisse und Fähigkeiten geschuldet. Dies gilt freilich nur, wenn diese Kenntnisse und 3297

Vgl. z.B. BGH, VersR 1962, 250, 251 (praktischer Arzt); BGHZ 8, 138, 139 (Gleichbehandlung von Zahnärzten und Dentisten). 3298 Vgl. für viele MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 742. 3299 BGHZ 113, 297, 304; BGH, NJW 1994, 3008, 3009; BGH, NJW 1997, 3090, 3091; Laufs, ArztR, Rn. 474. 3300 Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 148. 3301 BGH, NJW 1997, 3090, 3091; BGH, NJW 1987, 1479, 1480 m. zust. Anm. Deutsch, NJW 1987, 1480, 1481 und zust. Anm. Giesen, JZ 1987, 879 f.; OLG Düsseldorf, VersR 1992, 494, 495; OLG Oldenburg, VersR 1989, 402 (LS); Laufs, ArztR, Rn. 474; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 4; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 148 f.; Walter, Spezialisierung, S. 211 f.; ebenso für zusätzlich vorhandene Ressourcen OLG Stuttgart, VersR 2000, 1108, 1109. 3302 Vgl. Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 4; Walter, Spezialisierung, S. 216 f. m.w.N.; zum berechtigten Erwartungshorizont des Patienten OLG Stuttgart, VersR 1994, 1068, 1069. 3303 BGH, NJW 2003, 2311, 2313; BGH, NJW 1988, 2949, 2950; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 148.

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

509

Fähigkeiten bezogen auf die übernommene Aufgabe auch eingesetzt werden können. Insofern ist nicht losgelöst von der konkreten Aufgabe allein aufgrund des Vorhandenseins entsprechender Fähigkeiten oder Kenntnisse ein „freischwebend“ höherer Sorgfaltsstandard geschuldet. In diesem Sinne sind indes die nachfolgenden, von Megarry J in Duchess of Argyll v Beuselinck obiter angestellten Überlegungen zu einer Differenzierung zwischen Vertrag und Delikt gedeutet worden: “But to say that in tort the standard of care is uniform does not necessarily carry the point in circumstances where the action is for a breach of an implied duty of care in a contract whereby a client retains a solicitor. No doubt the inexperienced solicitor is liable if he fails to attain the standard of a reasonable competent solicitor. But if the client employs a solicitor of high standing and great experience, will an action for negligence fail if it appears that the solicitor did not exercise the case and skill to be expected of him, though he did not fall below the standard of a reasonably competent solicitor? … The essence of the contract of retainer, it may be said, is that the client is retaining the particular solicitor or firm in question, and he is therefore entitled to expect from that solicitor or firm a standard of care and skill commensurate with the skill and experience which that solicitor or firm has. The uniform standard of care postulated for the world at large in tort hardly seems appropriate when the duty is not one imposed by the law of tort but arises from a contractual obligation existing between the client and the particular solicitor or firm in question. If, as is usual, the retainer contains no express term as to the solicitor duty of care, and the matter rests upon an implied term, what is that term in the case of a solicitor of long experience or specialist skill? Is it that he will put at his client’s disposal the care and skill of an average solicitor, or the care and skill that he has?”3304 Insofern findet sich z.B. in der kanadischen Rechtsprechung3305 die Auffassung, dass eine Aufgabe von spezieller Natur einen höheren Sorgfaltsstandard verlangt. Diese Position wird man für das englische Recht abstrakt, d.h. losgelöst von der vertraglich übernommenen Aufgabe (d.h. den Umstände des Einzelfalls) nicht einnehmen dürfen3306. Die Schlussfolgerung von der besonderen Sachkunde auf den notwendig erhöhten Sorgfaltsstandard wäre irreführend3307. Dies wird klar, wenn man sich noch einmal in Erinnerung ruft, dass die notwendige Sachkunde – innerhalb der beruflichen Bezugsgruppe3308 – konzeptionell durch die übernommene Aufgabe vorgegeben wird3309. Selbst wenn die in Rede stehende Aufgabe (Rechtsfrage, Operationstechnik, 3304 3305

3306 3307 3308

3309

Duchess of Argyll v Beuselinck [1972] 2 Lloyd’s Rep 172, 183 per Megarry J (HC). Vgl. zur kanadischen Rechtsprechung Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.12; Jackson/ Powell, Negligence, § 10–093. Für viele Evans, Liabilities, § 4–03. Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.12. Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 52 per HJ Seymour QC (QB), unreported. Vgl. ab S. 164.

510

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Brückenkonstruktion usw.) also besonders speziell ist, dürfte dies am Test – bezogen auf diese Aufgabe – nichts ändern3310. Zu Fragen ist in diesem Fall – nicht anders als sonst auch – nach der Sorgfalt, die für eine solche Aufgabe benötigt wird3311. Daher ist auch im englischen Recht zunächst zu ermitteln, welcher Sorgfalt und Sachkunde die übernommene Aufgabe bedarf. Ist dieser Standard ermittelt, muss der Schuldner ihm gerecht werden. Soweit der Schuldner allerdings gemessen an dem ermittelten Standard überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die bei der Durchführung des Vertrages eingesetzt werden können, muss er diese einsetzen. Der zu ermittelnde Standard, d.h. die berufliche Bezugsgruppe ändert sich dadurch freilich nicht. Praktisch besitzt diese dogmatische Konstruktion den Vorteil, dass sie allen Beteiligten – Gläubiger, Schuldner und Gericht – die schwierige Aufgabe erspart, individualisierend für jeden Einzelfall einen auf die besonderen Fähigkeiten des Schuldners zugeschnittenen Standard festzulegen3312. Dass ein solches Vorgehen weder praktikabel ist, noch den Vorstellungen der Vertragsparteien entsprechen dürfte, wurde bereits dargelegt3313.

a)

Die Beurteilung nach der übernommenen Aufgabe

Die Bezugnahme auf die übernommene Aufgabe ist im Ansatz bereits der sprachlichen Fassung des Bolam-Tests immanent, wenn McNair J formuliert: “… a doctor is not guilty of negligence if he has acted in accordance with a practice accepted as proper by a responsible body of medical men skilled in that particular art …”3314 Lord Bridge hat dies in Sidaway ausdrücklich anerkannt: “The language of the Bolam test clearly requires a different degree of skill from a specialist in his own special field than from a general practitioner. In the field of neuro-surgery it would be necessary to substitute for the Lord President’s phrase ‘no doctor of ordinary skill’, the phrase ‘no neuro-surgeon of ordinary skill.’ ”3315 Die in der Formulierung von Bolam verwendete Bezugnahme auf „a doctor“ bildet lediglich eine zusammenfassende Bezeichnung für „a doctor undertaking this type of 3310 3311 3312

3313 3314

3315

Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.12. Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.12. Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 10–093. Die individuelle Festlegung ist nicht erforderlich, ausdrücklich Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 54 per HJ Seymour QC (QB), unreported. Vgl. ab S. 200. Bolam v Friern Hospital Management Committee [1957] 1 WLR 582, 587 (Hervorhebung hinzugefügt). Sidaway v Board of Governors of Bethlem Royal Hospital [1985] 1 All ER 643, 660 (HL, Hervorhebung hinzugefügt).

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

511

act or procedure“3316, woraus folgt, dass ein Arzt der übernommenen Aufgabe entsprechend beurteilt wird3317. Ein Allgemeinmediziner ist insofern zwar grundsätzlich am Standard des mit angemessener Sorgfalt vorgehenden Allgemeinmediziners zu messen3318. Übernimmt er jedoch eine Aufgabe, die als Aufgabe für einen Spezialisten zu qualifizieren ist, wird er – wie das House of Lords mehrfach bestätigt hat3319 – an dem Standard eines gewöhnlichen Spezialisten auf diesem Fachgebiet gemessen3320: „… a doctor who professes to exercise a special skill must exercise the ordinary skill of his specialty“3321. Kann er diesem Standard nicht gerecht werden, bricht er den Vertrag. Insofern muss der Arzt sich einer „speziellen“ Aufgabe in einer Weise annehmen, die eine anerkennenswerte Gruppe von Spezialisten für angemessen hält, selbst wenn diese Vorgehensweise für einen gewöhnlichen Arzt per se zu risikoreich und damit vertragswidrig wäre3322. Daraus folgt allerdings umgekehrt auch, dass es z.B. für einen spezialisierten Chirugen angemessen sein kann, ein kompliziertes Verfahren unter Umständen anzuwenden, unter denen dies gewöhnlichen Chirurgen als zu risikoreich erscheinen muss, sofern dieses Verfahren nur von einer anerkennenswerten Gruppe spezialisierter Chirurgen auch unter diesen Umständen als angemessen betrachtet wird3323. Den allgemeinen Grundsätzen zur Bedeutung von Sorgfalt als Schuldinhalt entsprechend ist insoweit wiederum nicht der Standard des „besten“ oder des erfahrensten Spezialisten geschuldet. Vielmehr wird lediglich für den Standard des „gewöhnlichen“ Spezialisten gehaftet3324. Ob der Beklagte ein „novice specialist“ ist oder eine derartige Operation zum ersten Mal durchführt, spielt folgerichtig keine Rolle3325.

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3325

Jones, Negligence, § 3–068; ebenso Shakoor v Situ [2001] 1 WLR 410, 417 per Judge Livesey QC (HC). Jones in: Grubb, Principles, § 6.40. Sa’d v Robinson (1989) 4 BMLR 131 (lexis); Jones in: Grubb, Principles, § 6.40 m.w.N. Sidaway v Board of Governors of Bethlem Royal Hospital [1985] 1 All ER 643, 657 per Lord Diplock, 660 per Lord Bridge (HL); Maynard v West Midlands Regional Health Authority [1985] 1 All ER 635, 638 per Lord Scarmann (HL); Whitehouse v Jordan [1981] 1 WLR 246, 263 per Lord Fraser (HL). Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 54 per HJ Seymour QC (QB), unreported; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 418; Jones in: Grubb, Principles, § 6.40; vgl. auch A and Others v Tameside & Glossop Health Authority [1997] PNLR 140, 153 per Brooke LJ. Maynard v West Midlands Regional Health Authority [1985] 1 All ER 635, 638 per Lord Scarmann (HL, Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. Jones in: Grubb, Principles, § 6.42. De Freitas v O’Brien (1995) 25 BMLR 51 per Otton LJ (CA, lexis). Vgl. De Freitas v O’Brien (1995) 25 BMLR 51 (lexis); Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 418; Jackson/Powell, Negligence, § 12–075; Jones in: Grubb, Principles, § 6.41 m.w.N. Jones in: Grubb, Principles, § 6.47.

512

b)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Erhöhung der Sorgfaltspflichten durch besondere Sachkunde?

Zu der Frage, ob besondere Sachkunde notwendig zu einer Anhebung des geschuldeten Sorgfaltsstandards führt, findet sich – soweit ersichtlich – keine aktuelle vertragsrechtliche Rechtsprechung. Im deliktischen Kontext hat sich zu ihr Kilner-Brown J in der Sache Ashcroft v Mersey Regional Health Authority im Vorbeigehen geäußert. Dort hatte der Beklagte, ein Chirurg mit langjähriger Erfahrung, höchster Kompetenz und großem Ansehen, der Klägerin mit Hilfe von Zangen eine körnige, an ihrer Ohrmuschel anhaftende Substanz entfernt. Der nicht durch Knochen geschützte Gesichtsnerv liegt nahe an der Ohrmuschel und das Granulat reichte an ihn heran. Als der Beklagte dort die Entfernung vornehmen wollte, setzte er die Zange versehentlich am Gesichtsnerv an, der dadurch beschädigt wurde. Die Klägerin trug eine teilweise Gesichtslähmung davon. Das Gericht wies die Klage ab, weil eine Sorgfaltspflichtverletzung nicht nachgewiesen werden konnte. Im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung äußerte es sich obiter auch zur Frage des bei besonderer Sachkunde geltenden Sorgfaltsstandards: “The question for consideration is whether on a balance of probabilities it has been established that a professional man has failed to exercise the care required of a man possessing and professing special skill in circumstances which require the exercise of that special skill. If there is an added burden, such burden does not rest on the person alleging negligence, on the contrary, it could be said that the more skilled a person is the more the care that is expected of him. It is preferable in my judgment to concentrate on and to apply the test which has long been established in the law and to avoid all commentary or gloss.”3326 Mit diesen durch den Court of Appeal nicht beanstandeten3327 Feststellungen wird ein losgelöst von den Umständen des Einzelfalls komparativer Standard allenfalls angedacht, letztlich aber als nicht vorzugswürdig verworfen. Denn Kilner-Brown J zieht diesen Standard lediglich vor dem Hintergrund in Erwägung, dass in dem zu entscheidenden Fall Umstände vorliegen, die den Einsatz besonderer Sachkunde erfordern. Insofern wird man diese Feststellungen dahin interpretieren müssen, dass der besonders Sachkundige den Einsatz seiner überdurchschnittlichen Sachkunde schuldet, wenn und soweit dies durch die Umstände des Einzelfalls gefordert wird. Damit ist man letztlich bei vertragsrechtskonformen Ergebnissen angelangt. Dies wird insbesondere durch die Rechtsprechung des Court of Appeal bestätigt, der in einer vertragsrechtlichen Entscheidung ein in eine andere Richtung interpretierbares Diktum desselben Richters (Kilner Brown J) in einem Fall der Ingenieurshaftung ausdrücklich professionsübergreifend zurückgewiesen hatte3328.

3326

3327 3328

Ashcroft v Mersey Regional Health Authority [1983] 2 All ER 245, 247 per Kilner Brown J (HC). Ashcroft v Mersey Regional Health Authority [1985] 2 All ER 96. Vgl. zu dieser Entscheidung ab S. 522.

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

c)

513

Insbesondere: Krankenhäuser und Kliniken

Nach der übernommenen Aufgabe wird auch in Bezug auf die Verpflichtung der Health Authorities, in ihren Krankenhäusern und Kliniken ein sicheres „Health Care Environment“ bereitzustellen3329, differenziert. Die daraus folgende Pflicht, „to provide … a reasonable regime of care at its hospital“3330, fordert insbesondere, „to provide doctors of sufficient skill and experience to give the treatment offered at the hospital“3331. Welches regime of care angemessen ist, richtet sich, wie Brooke LJ in der Sache Re R festgestellt hat, nicht nur nach Art und Ausstattung des Krankenhauses, sondern auch nach dem nach außen kommunizierten Qualitätsstandard: “By a reasonable regime of care we mean a regime of a standard that can reasonably be expected of a hospital of the size and type in question – in the present case a large teaching centre of excellence”3332. Dass von unterschiedlich ausgestatteten und beleumundeten Kliniken auch ein unterschiedlicher Sorgfaltsstandard erwartet werden kann, hatte zuvor bereits Dillon LJ in der Entscheidung Bull v Devon Area Health Authority obiter anerkannt: “We have had a certain amount of discussion … as to whether the law should impose, or a patient should have the right to expect, the same standard of care and treatment from a local district hospital such as the defendant’s hospital in the present case as from a ‘centre of excellence’ – a major teaching hospital in London or Oxbridge or a large modern hospital in a large city. Obviously, there are highly specialised medical services which a district hospital does not have the equipment to provide and does not hold itself out as ready to provide. But this case is not about highly specialised services like that. The Exeter City Hospital provides a maternity service for expectant mothers, and any hospital which provides such a service ought to be able to cope with the not particularly out of the way case of a healthy young mother in somewhat premature labour with twins.”3333 Diese Vorgaben betreffen zwar zunächst Kliniken ohne besondere Ausstattung und entsprechenden Ruf. Entnehmen lässt sich ihnen allerding auch, dass die centres of excellence nicht an sich – sozusagen „freischwebend“ – einen höheren Standard zu 3329

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Dabei geht es um eine Organisationshaftung; vgl. A v Ministry of Defence and Guys and St Thomas’s Hospital NHS Trust [2005] QB 183, 196 per Lord Phillips MR; Grubb, in: ders., Principles, § 8.19 ff. Robertson v Nottingham Health Authority [1997] 8 Med LR 1 per Brooke LJ (CA, lexis, dort unter dem Titel Re R (a minor) berichtet); vgl. auch Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 302 und 304 per Lord Greene MR, 309 per Goddard LJ (CA). Wilsher v Essex Health Authority [1986] 3 All ER 803, 833 per Browne-Wilkinson VC; vgl. auch S. 831 per Glidewell LJ (CA). Re R (a minor) 16 July 1996, CA (lexis) = Robertson v Nottingham Health Authority [1997] Med LR 1. Bull v Devon Area Health Authority (1989) 22 BMLR 79 (lexis).

514

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

schulden3334. Denn die Umstände, in denen dies tatsächlich der Fall ist, werden von Dillon LJ ausdrücklich identifiziert. Ein höherer Sorgfaltsstandard ist jedenfalls dort geschuldet, wo (hoch) spezialisierte medizinische Leistungen angeboten werden, die ein gewöhnliches Bezirkskrankenhaus schon mangels Ausstattung nicht anbietet und Entsprechendes auch nicht vorgibt. Ob daraus zu folgern ist, dass in Bezug auf Leistungen, die ein Bezirkskrankenhaus anbietet, auch von einem centre of exellence nur der Standard eines Bezirkskrankenhauses erwartet werden kann, bleibt offen. Parallel zu den in Ashcroft v Mersey RHA angestellten Überlegungen erscheint dies jedoch unwahrscheinlich3335. Es ist, im Gegenteil, auch hier anzunehmen, dass einsetzbares Spezialwissen eingesetzt werden muss. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die nunmehr auszuwertenden, zur Anwalts- und Architektenhaftung entschiedenen Fälle.

II.

Besondere Sachkunde und Anwaltshaftung

1.

Die Position des englischen Rechts

a)

Dogmatische Überlegungen

Im vertraglichen Kontext wird man sich für den Umgang mit besonderer Sachkunde zunächst zu fragen haben, welche Bedeutung dieser Umstand für das Verständnis des Vertragsinhalts für einen objektiven Dritten hat: “… if the client employs a solicitor of high standing and great experience, will an action for negligence fail if it appears that the solicitor did not exercise the case and skill to be expected of him, though he did not fall below the standard of a reasonably competent solicitor?”3336 Entscheidend ist, wie Megarry J insoweit völlig zutreffend feststellt, welche Sorgfalt der Gläubiger von einem „solicitor of high standing and great experience“ erwarten darf. Diesbezüglich wird man zunächst wiederum danach zu differenzieren haben, welche Art Aufgabe übernommen wurde. Denn entsprechend den allgemeinen Grundsätzen gibt – innerhalb der Berufsgruppe – die Aufgabe die erforderliche Sachkunde vor. Wird also ein Mandat übernommen, das besondere Sachkunde verlangt, muss der Schuldner entsprechende Sachkunde zum Einsatz bringen. Dies kann er, sofern er selbst diese Sachkunde nicht besitzt, tun, indem er sich die Sachkunde beschafft (z.B. mandatsrelevante besondere Rechtskenntnisse3337) oder – soweit zulässig – auf sachkundige Dritte zurückgreift3338. 3334

3335

3336 3337

Vgl. auch Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 54 per HJ Seymour QC (QB), unreported. A.A. offenbar Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 54 per HJ Seymour QC (QB), unreported. Duchess of Argyll v Beuselinck [1972] 2 Lloyd’s Rep 172, 183 per Megarry J (HC). Zu dieser Verpflichtung des solicitors vgl. z.B. Mückl, RIW 2006, 742, 745 f.

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

515

Daraus folgt freilich nicht, dass von besonderer Sachkunde notwendig auf einen höheren Sorgfaltsstandard geschlossen werden darf (Megarry approach)3339: „The generally accepted view is that it would be wrong to slavishly follow the Megarry approach“3340. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der solicitor gegenüber seinem Gläubiger in Bezug auf das übernommene Mandat besondere Sachkunde zugeschrieben hat. So stellt etwa Forbes J in Benson v Thomas Eggar & Son fest: “But whether a solicitors practices in Grosvenor Square or Spitalfields, whether he is old or young, and whether he is a member of a large firm or the sole partner, it seems to me that his duty remains the same, subject to one matter to which I shall return; it is to act as a reasonably prudent and competent professional man … the matter may be different if a solicitor holds himself out as an expert in a particular field: in such a case the client can expect a higher standard than that of a reasonably prudent and competent solicitor.”3341 Eine entsprechende Inanspruchnahme besonderer Sachkunde durch den solicitor braucht sich nicht spezifisch auf das konkrete Mandat zu beziehen. Ausreichend ist vielmehr, dass sich dieser allgemein besonderer Sachkunde auf einem bestimmten Rechtsgebiet berühmt: “A solicitor is required to exercise reasonable care and skill in advising his client. Section 13 of the Supply of Goods Act 1982 restates the common law duty which is in those terms … [the defendant] is of course a specialist and it was agreed that the law as stated in Jackson & Powell on Professional Negligence … should be applied by me and I do so: It is suggested therefore that the correct approach is to judge the defendant’s solicitor by the standard of the ‘reasonably competent practitioner’ specialising in whatever area of law the defendant holds himself out as a specialist.”3342

3338 3339

3340 3341

3342

Vgl. ab S. 570. Evans, Liabilities, § 4–03 geht davon aus, dass die im Text aufgestellte These „has been generally adopted by the courts“. Billins, Solicitors, § 4–13. Benson v Thomas Eggar & Son, 2 December 1977, unreported (zit nach Billins, Solicitors, § 4–12). Green v Collyer-Bristow [1999] Lloyd’s Rep PN 798 per Brown J (lexis, Hervorhebung hinzugefügt). In der Sache ebenso Hurlingham Estates Ltd v Wilde & Partners [1997 ] 1 Lloyd’s Rep 525, 528 ff. per Lightman J. (HC) Vgl. für den umgekehrten Fall auch Locke v Camberwell Health Authority (1990) NLJ 205 per Moreland J (HC, lexis). Hier hatte Moreland J hypothetisch den Sorgfaltsstandard eines nicht auf Arzthaftungsfälle spezialisierten solicitors betrachtet: „He is not expected to have specialised expertise of a partner in a firm specialising in Negligence work, yet he still must apply his mind to the conduct of the litigation, the strengths and weaknesses of his client’s case and assess counsel’s advice. He is expected to have the competence and the skill to be expected of a solicitor engaged in litigation in general practice“. Es wird deutlich, dass von einem gewöhnlichen solicitor, der

516

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

In diesem Sinne sind auch die von Megarry J in Dutchess of Argyll v Beuselinck getroffenen Feststellungen in der nachfolgenden Rechtsprechung interpretiert worden3343. So wurde z.B. in Matrix-Securities Ltd v Theodore Goddard in Bezug auf den Standard entschieden, der von einer etablierten Sozietät von solicitors mit eigener Steuerrechtsabteilung und dem (im konkreten Fall nicht von dieser, sondern ihren Beratungsvorgängern) beauftragten barrister geschuldet wird. Lloyd J bezieht im ersten Schritt den Sorgfaltsstandard auf die vorgegebene Kompetenz: “I had some submissions on the relevant standard of competence and as always in this context Duchess of Argyll v Beuselinck … featured among the citations. I approach the case on the footing that the standard of competence by which [the defendant barrister] is to be judged is that of the rather small and select group of silks specialising in tax matters, and for [the firm of solicitors ] it is that of firms of solicitors with specialist tax departments.” Im Anschluss daran stellt Lloyd J klar, inwiefern sich die besondere Sachkunde der beklagten solicitors auf den Vertragsinhalt auswirkt: “The only difference that that [=special experience ] makes is that the solicitor must bring that experience to bear on the matter. It remains the position … that after leading counsel has given considered advice to the client, … it is only a solicitor’s duty to differ from it at that time and to give separate advice or to record reservations separately to the client if there was an important point on which the solicitor regarded counsel’s advice as being seriously wrong.”3344 Konsequenz besonderer Sachkunde ist danach – parallel zu dem in der Rechtsprechung zur Ingenieurshaftung verfolgten Ansatz –, dass vorhandene Sachkunde zum Einsatz gebracht werden muss, soweit sie mandatsrelevant ist. Dies ist mit den Vorstellungen der Parteien typischerweise zu vereinbaren. Zwar werden diese kaum jemals ausdrücklich vereinbaren, dass vorhandene Sachkunde eingesetzt werden muss. Doch dürfte eine entsprechende Vertragsergänzung mit dem officious-bystander-Test in aller Regel ohne weiteres vereinbar sein. Sollte es einmal an einem entsprechenden positiven Parteiwillen fehlen, wird der beabsichtigten Ergänzung der Parteiwille jedenfalls nicht negativ entgegenstehen3345. Insofern kann in diesem Fall auf eine implication of terms in law by courts zurückgegriffen werden. Denn eine entsprechende Rechtsregel, nach der vorhandene Sachkunde einzusetzen ist, ist dem vorhandenen Entscheidungsmaterial zu entnehmen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass in Fragen der Spezialisierung dadurch zwischenzeitlich ein wenig Unsicherheit verursacht wurde, dass der Court of Appeal es in Martin Boston & Co v sich nicht als Spezialist ausgibt, auch nur die für gewöhnliche Fälle angemessene Sorgfalt erwartet werden kann. 3343 Offenbar a.A., wenngleich etwas unklar, Lapraik, in: Campbell, Professional Liability, S. 75, 79 unter Hinweis allein auf Duchess of Argyll v Beuselinck [1972] 2 Lloyd’s Rep 172 (HC). 3344 Matrix-Securities Ltd v Theodore Goddard [1998] PNLR 290 = [1998] STC 1 (lexis). 3345 Vgl. dazu ab S. 64.

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

517

Roberts den Megarry approach in Erwägung gezogen hatte; denn von einer Positionierung dazu hat das Gericht dort ausdrücklich abgesehen3346. Insofern haben die Instanzgerichte den vorgestellten Ansatz fortgeführt3347.

b)

Rechtsprechungspraxis

Die Rechtsprechungspraxis lässt sich insoweit bislang wie folgt (vorsichtig) zusammenfassen3348: Befassen sich Anwälte mit allgemeinen Fragen, die speziellere rechtliche Aspekte einschließen, ohne sich besonderer Sachkunde zu berühmen, ist der angelegte Maßstab ein wenig großzügiger3349. Mindestens muss aber der Standard erreicht werden, der auch ohne echte Spezialisierung erreicht werden kann. Denn alles andere wäre eine regelrechte Einladung zur Senkung der Qualitätsanforderungen an die Rechtsberatung, zumal kein Anwalt Mandate annehmen und betreuen sollte, die seine Fähigkeiten übersteigen3350. Gibt sich der Anwalt in einer Frage als Spezialist, wird er am Standard eines angemessen sorgfältigen Spezialisten gemessen3351. Grundsätzlich nicht erforderlich ist im Rahmen der Anwaltshaftung eine Erörterung der schwer zu beantwortenden Frage nach dem exakten Qualifikationsgrad des Beklagten3352. Eine gewisse Sonderstellung nimmt hier noch einmal das Urteil von Lloyd J in Matrix-Securities Ltd v Theodore Goddard3353 ein, der den beklagten tax

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Martin Boston & Co v Roberts [1996] PNLR 45 = The Times 17 March 1995 per Simon Brown LJ (CA, lexis): „It may be, as a passage in Megarty J, judgment in the Duchess of Argyll case suggests, that different standards apply, depending on the different level of experience, expertise and, indeed, expensiveness of individual solicitors. For present purposes, however, it seems to me immaterial to explore the accuracy of that proposition or how far it may be taken“. Vgl. (für barristers) etwa Estill v Cowling [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis). Vgl. Evans, Liabilities, § 4–03. Vgl. Estill v Cowling [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis) bei einem Vergleich: Nicht der Standard eines tax barristers, sondern der eines „reasonably competent barrister in general Chancery practice, that is having (among other things) experience in tax and trust matters“. Locke v Camberwell Health Authority (1990) NLJ 205 per Moreland J (HC, lexis): Nicht der Sorgfaltsstandard eines auf Arzthaftungsfälle spezialisierten solicitors, sondern der „of a solicitor engaged in litigation in general practice“. Zur jüngeren Entwicklung s. West Wallasey Car Hire Ltd. v Berkson & Berkson [2009] EWHC B39, Tz. 36 per HJ Brown QC (Mercantile) m.w.N. Balamoan v Holden & Co [1999] NLJ 898 per Brooke LJ (lexis); Evans, Liabilities, § 4–03; Mückl, RIW 2006, 742, 746 m.w.N. Vgl. neben den bislang angeführten Entscheidungen die Nachweise bei Billins, Solicitors, § 4–14. Evans, Liabilities, § 4–03; Billins, Solicitors, § 4–13; Jackson/Powell, Negligence, § 10–093 f. Matrix-Securities Ltd v Theodore Goddard [1998] PNLR 290 = [1998] STC 1 (lexis).

518

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

barrister nicht lediglich am Standard eines counsel, sondern eines leading counsel messen will.

c)

Insbesondere: Die Bedeutung der Gegenleistung

Unbeachtet geblieben ist bislang, dass auch eine erhöhte Gegenleistung – zumindest nach heutiger Rechtslage3354 – prima facie geeignet sein dürfte, den geschuldeten Leistungsstandard zu beeinflussen. Dies folgt zwar nicht aus s. 15(1) SGSA. Denn dort sind lediglich für den Fall, dass kein Preis festgesetzt worden ist, die Konsequenzen des Leistungsstandards für den festzusetzenden Preis normiert. Die Frage, wie sich die vereinbarte Gegenleistung auf den geschuldeten Sorgfaltsstandard auswirkt ist hingegen allenfalls von dem sehr allgemein gehaltenen Absatz 2 der s. 15 SGSA erfasst, nach dem die Frage der Angemessenheit sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt. Zu diesen „Umständen des Einzelfalls“ wird man auch die Höhe der Gegenleistung rechnen dürfen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass s. 15 SGSA selbst auf die forensische Tätigkeit eines solicitors keine Anwendung findet3355. Denn s. 15 SGSA soll ebenso wie s. 13 SGSA nur das bereits vor Inkrafttreten geltende common law abbilden3356. Insofern wird man hinsichtlich des Einflusses der Gegenleistung auf geschuldete Leistung auch im streitigen Kontext nichts anderes annehmen können. Sofern also ein Mandant z.B. eine Großsozietät mit bedeutenden Ressourcen und einer entsprechenden Infrastruktur zur Betreuung seiner Angelegenheit engagiert und dabei auch eine entsprechend höhere Gebührenvereinbarung abschließt, als er dies mit einer geringer ausgestatteten und beleumundeten Kanzlei getan hätte, darf man durchaus annehmen, dass er den Einsatz der besonderen Möglichkeiten der Sozietät erwartet3357. Dabei wird man die übrigen „Umstände des Einzelfalls“ berücksichtigen müssen und insofern zu beachten haben, dass eine überdurchschnittlich hohe Gebührenvereinbarung zumeist erst durch die erwartete besondere Kompetenz des Schuldners motiviert sein wird. Im Hintergrund der Modifikation des Standards steht dann nicht der höhere Preis, sondern die Erwartung des Einsatzes besonderer Sachkunde3358. Angesichts dessen wird man die Vereinbarung eines höheren Preises allenfalls als äußeres Kennzeichen eines erkennbar erhöhten Erwartungshorizonts des Mandanten bewerten dürfen3359. Abschließende Überlegungen ermöglicht dieses Kriterium aber nicht. Anders wird man indessen den Abschluss eines Conditional Fee Agreement3360 beurteilen müssen. Denn durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars im Rahmen 3354 3355 3356 3357 3358

3359

Vgl. zur ursprünglichen Irrelevanz im Rahmen der negligence-Haftung ab S. 331. Vgl. ab S. 104. Vgl. ab S. 113. Vgl. Billins, Solicitors, § 4–13. In diesem Sinne wohl auch Hedrich v Standard Bank London [2007] PNLR 31, Tz. 67 per LJ Ward (HC). In diesem Sinne auch (wenngleich zu weitgehend in der Schlussfolgerung) Duchess of Argyll v Beuselinck [1972] 2 Lloyd’s Rep 172, 183 f. per Megarry J (HC).

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

519

eines Conditional Fee Agreement – wie der Master of the Rolls in Hodgson v Imperial Tobacco Ltd ausdrücklich klargestellt hat – die Pflichtenstellung des Anwalts gegenüber seinem Mandanten (und dem Gericht) in keiner Weise berührt3361. Es beeinflusst den Sorgfaltsstandard nach diesen Feststellungen gerade nicht, dass dem solicitor die Chance auf eine höhere Gegenleistung eingeräumt worden ist.

2.

Die Position des deutschen Anwaltsvertragsrechts

Zu durchaus vergleichbaren Ergebnissen, nämlich zur Berücksichtigung der kommunizierten Kompetenz einerseits und des konkreten Mandates (Aufgabenstellung) andererseits, wird man auch nach deutschem Recht kommen müssen: So ist zunächst z.B. das Führen eines Fachanwaltstitels, das gemäß § 2 FAO (das Maß dessen, was üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird, erheblich übersteigende) besondere praktische Erfahrungen (vgl. § 5 FAO) und theoretische Kenntnisse in dem betreffenden Sachgebiet (§§ 8 ff. FAO) erfordert, die ausdrückliche Kommunikation besonderer Kenntnisse und Erfahrung auf dem jeweiligen Rechtsgebiet3362. Entscheidend für die vertragliche Berücksichtigung dieses Umstandes ist, dass der Mandant die Auftragserteilung auf dem in dem Titel ausgewiesenen Gebiet typischerweise im Vertrauen auf die besondere Qualifikation des Fachanwalts auf seinem Spezialgebiet vornehmen wird, wobei der Anwalt ebenso typischerweise weiß, dass er als „Spezialist“ engagiert wird: „Damit ist Vertragsinhalt die Erbringung einer anwaltlichen Dienstleistung als ein derartiger Spezialist“3363. Konsequenz daraus ist aber parallel zu den zum englischen Recht angestellten Überlegungen zunächst der Wechsel der Bezugsgruppe. Geschuldet ist nämlich nicht mehr die Sorgfalt eines gewissenhaften „Allgemeinanwalts“, sondern die Sorgfalt eines gewissenhaften „Fachanwalts“3364. Dieselben Grundsätze gelten, sofern der Anwalt sich auf andere Weise derart besondere Kompetenzen zumisst, dass er in eine 3360 3361

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3364

Vgl. dazu oben ab S. 16. Hodgson v Imperial Tobacco Ltd [1998] 1 WLR 1056, 1065 per Lord Woolf MR (CA); Watson, Litigation, § 2.63. Walter, Spezialisierung, S. 237 f. (mit freilich falscher, von seinem dogmatischen Ausgangspunkt jedoch konsequenter Einordnung der Problematik auf der Verschuldensebene); Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 504; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 408 sprechen hierbei sogar von einer „Garantie“. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 504; ähnlich Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 408. Insoweit dogmatisch richtig bereits auf der Pflichtenebene ansetzend Fischer, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 1026; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 504; Friedmann, Anwaltspflichten, S. 124 ff. vgl. auch BGH, NJW 1989, 1432, 1433, wo für die umgekehrte Konstellation der Pflichteneinschränkung eines ausländischen Anwalts ebenso angesetzt wird; a.A. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 408 (Berücksichtigung nur auf der Verschuldensebene), deren dogmatischer Ansatz zur Pflichtbestimmung indessen verfehlt ist, vgl. ab S. 173.

520

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

andere Verkehrsgruppe einzuordnen ist, etwa wenn er Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte angibt3365. Denn der „durchschnittliche Mandant begreift weder die subtile Unterscheidung zwischen Fachanwalt, Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten noch die Voraussetzungen zu deren Erwerb bzw. Benennung“3366. Diese Zuordnung ist aber nicht ausnahmslos erheblich3367, sondern kann es – wiederum parallel zum englischen Recht – nur sein, sofern die kommunizierte besondere Kompetenz auch im Rahmen der übernommenen Aufgabe eingesetzt werden kann und – dem nach den allgemeinen Grundsätzen konkretisierten Parteiwillen entsprechend – folgerichtig auch eingesetzt werden muss. Wie Fischer zutreffend bemerkt, lässt sich dies also nicht allgemein, sondern „nur bezogen auf den Inhalt des jeweiligen Vertrages beurteilen“3368. Ausgehend von der damit letztlich alleinigen Erheblichkeit der im Lichte Aufgabenstellung erkennbaren Mandantenerwartung ist wie folgt zu differenzieren3369: Wird der Auftrag auf einem Spezialgebiet erteilt und erfordert er also notwendig besondere Spezialkenntisse, kommt es letztlich gar nicht darauf an, ob der Auftragnehmer einen Fachanwaltstitel führt oder nicht, schuldet doch auch ein Allgemeinanwalt, der die Aufgabe vorbehaltlos übernimmt, die für die ordnungsgemäße Erfüllung erforderlichen Sorgfaltsstandard3370. Die hierfür erforderlichen Rechtskenntnisse hat er sich – nicht anders als bei jedem anderen Mandat auch – zu verschaffen3371. Genügt der Anwalt dem von der Aufgabe vorgegebenen Standard nicht, bricht er den Vertrag, ohne dass es darauf ankommt, ob er sich als Fachanwalt geriert hat oder nicht. Der in der Praxis einzige Unterschied dürfte damit sein, dass es in einem Urteil wohl heißen würde, dass der Anwalt seine Pflichten erkennen und ihnen gerecht hätte werden müssen, „zumal er Fachanwalt ist“3372. Ansonsten wird schlicht und einfach mitgeteilt3373, dass es sich bei dem Beklagten um einen Fachanwalt handelt3374. Den allgemeinen, auch im Arzthaftungsrecht angewandten Grundsätzen3375 entsprechend wird man allerdings den Einsatz besonderer individueller Kenntnisse erwarten3376, was zur Konsequenz hat, dass eine Pflichtverletzung beim Fachanwalt 3365

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3371 3372 3373

3374 3375

Vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 409; Borgmann, in: dies./Jungk/ Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 26 Rn. 30; Walter, Spezialisierung, S. 239 f. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 409; zustimmend Borgmann, in: dies./ Jungk/Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 26 Rn. 30. A.A. offenbar – und insoweit zu undifferenziert – Friedmann, Anwaltspflichten, S. 124 ff. Fischer, in: Zughör, Anwaltshaftung, Rn. 1026. Fischer, in: Zughör, Anwaltshaftung, Rn. 1026; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 408; Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 26 Rn. 30; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 505. Ebenso Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 408; Fahrendorf, in: Rinsche/ Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 506 m.N. zum Streitstand. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 506. So Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 506. Vgl. BGH, NJW 2000, 730, 731 („zu Recht angenommen, dass der Bekl. zu 3 – Fachanwalt für Arbeitsrecht – seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag […] verletzt hat“). Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 506. Vgl. ab S. 512.

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

521

auf seinem Spezialgebiet leichter zu bejahen sein kann als bei einem Anwalt mit allgemeiner Beratungs- und Prozesspraxis3377. Bei einer Auftragserteilung auf „Standardgebieten“ wird der Mandant umgekehrt typischerweise keine speziellen Kenntnisse erwarten. Teilweise wird daher angenommen, diese seien „in einem Auftrag an einen Fachanwalt im Zweifel sogar vertraglich nicht mitumfasst“3378. Damit ist losgelöst von der Richtigkeit dieser Annahme jedenfalls die richtige Fragestellung angesprochen. Es handelt sich hierbei nämlich letztlich gar nicht um ein Problem des Standards, sondern des Vertragsumfangs, dessen von der erkennbaren Mandantenerwartung ausgehende Konkretisierung in einem ersten Schritt – nämlich durch Aufklärung des Mandanten – wie dargestellt Aufgabe des Anwalts ist3379. Dieser hat den Mandanten folglich darüber aufzuklären3380, dass die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung spezielle Kenntnisse erfordert, die ihm fehlen und die er auch nicht in angemessener Zeit mit entsprechendem Aufwand erwerben kann, und dass deshalb zur ordnungsgemäßen Erfüllung die Einschaltung eines Spezialisten erforderlich ist. Insoweit finden die allgemeinen Regeln über die Aufklärung von mit der gewählten Vorgehensweise verbundenen Risiken Anwendung3381. Mit einer dementsprechenden Aufklärung hat der Anwalt allerdings in einem solchen Fall hinsichtlich dieser Spezialfragen seine Pflichten auch erfüllt3382. Denn mehr wird der Verkehr berechtigterweise von einem Anwalt, der mit einem (scheinbaren) „Standardproblem“ betraut wird, nicht erwarten (allerdings auch nicht weniger). Insofern ist gemäß §§ 133, 157 BGB auch nichts anderes geschuldet. Den im englischen Recht für die Bedeutung der Gegenleistung gewonnenen Ergebnissen entsprechende Ergebnisse wird man schließlich auch hinsichtlich der Bedeutung der Gegenleistung für den anwaltlichen Pflichtenstandard erzielen müssen. Drückt sich in einer besonders erhöhten Gegenleistung erkennbar die Erwartung erhöhter Kompetenz und/oder intensivierter Anstrengungen aus, wird man auch hier einen entsprechenden Standard als vereinbart ansehen müssen. Hierbei handelt es sich um eine „gewöhnliche“ Auslegungsfrage, deren positive Beantwortung nicht allein durch die Höhe der Gegenleistung zwingend präjudiziert, sondern die vielmehr im Einzelfall zu prüfen ist. Entscheidungen dieser Frage oder Stellungnahmen hierzu in der Literatur sind gegenwärtig nicht ersichtlich. Die infolge der jüngst in Kraft getretenen Änderung des § 34 RVG durch Art. 5 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts3383 ausgelöste Entwicklung, wonach Anwälte faktisch vermehrt zum 3376 3377

3378

3379 3380

3381 3382

3383

Walter, Spezialisierung, S. 244 m.w.N. Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 505; Borgmann, in: dies./Jungk/ Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 26 Rn. 30. So Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 26 Rn. 30; a.A. vielleicht Hübner, NJW 1989, 5, 7. Vgl. dazu ab S. 303. Zu vorsichtig formuliert dies Borgmann, in: dies./Jungk/Grams, Anwaltshaftungsrecht, § 26 Rn. 30 („Hinweis auf die eigene fachliche Inkompetenz kann geboten sein“). Vgl. ab S. 367. Zu demselben Ergebnis gelangen müssen Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 408; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 507. Vgl. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004 Teil I Nr. 21, S. 847 ff.

522

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Hinwirken auf Gebührenvereinbarungen gezwungen sind, bleibt hinsichtlich ihres diesbezüglichen Einflusses abzuwarten.

III. Besondere Sachkunde und Architektenhaftung Auch für die vertragliche Haftung des Architekten ist nach englischem Recht zunächst immer die übernommene Aufgabe entscheidend. Dies ist im Zusammenhang mit der Bedeutung besonderer Sachkunde für den geschuldeten Sorgfaltsstandard sogar mehrfach ausdrücklich klargestellt worden.

1.

Die Position des englischen Rechts

a)

Maßgeblichkeit der übernommenen Aufgabe

So entschied der Court of Appeal in der Sache Greaves & Co. (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners einstimmig, dass zunächst die Aufgabe den Standard vorgebe. Lord Denning MR stellte dabei ausdrücklich klar, dass der Sorgfaltsstandard nicht allein der besonderen Qualifikation der beklagten Ingenieure wegen vom gewöhnlichen Maß abweiche: “What is the degree of care required? … [The High Court] said …: In the special circumstances of this case, by his knowledge of the requirement and the warning about vibration, it can be said that there was a higher duty imposed upon him than the law in general imposes on a medical or other professional man. I do not think that was quite accurate. It seems to me that in the ordinary employment of a professional man, whether it is a medical man, a lawyer, or an accountant, an architect or an engineer, his duty is to use reasonable care and skill in the course of his employment. The extent of this duty was described by Mr. Justice McNair in [Bolam] … approved by the Privy Council in Chin Keow v. Government of Malaysia … In applying that test, it must be remembered that the measures to be taken by a professional man depend on the circumstances of the case.”3384 Die potentiell anders zu interpretierenden Feststellungen von Kilner-Brown J, der sich in einem Arzthaftungsfall ähnlich ausgedrückt hatte3385, interpretierte Lord Denning MR übereinstimmend mit unseren bisherigen Überlegungen dahin, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls den Einsatz besonderer Sachkunde erforderlich machten:

3384

3385

Greaves & Co. (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 328 f. (Hervorhebungen hinzugefügt). Vgl. ab S. 512.

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

523

“Although the Judge talked about a ‘higher duty’, I feel sure that what he meant was that in the circumstances of this case special steps were necessary in order to fulfil the duty of care”3386. Browne LJ stimmte dem nicht nur zu, sondern unterstrich darüber hinaus noch, dass, sofern das erstinstanzliche Gericht bezüglich einer „higher duty“ ein allgemeines Prinzip habe feststellen wollen, dies nicht der Rechtslage entspreche: “If Mr. Justice Kilner Brown intended to lay down any general principles as to the obligations and liabilities of professional men going beyond what they have been held to be in the long series of authorities from 1830 to 1967 cited to us … that there is any such wider general principle, I do not agree. In my view the Judge’s decision should not be regarded in future as laying down any general principle …”3387 Lane LJ bestätigte die vorstehenden Dikta nicht nur, sondern stellte darüber hinaus – parallel zum Anwaltshaftungsrecht – fest, dass neben der Aufgabe die besondere Kompetenz des Schuldners dann den Standard beeinflusse, wenn der Schuldner sich ihrer berühmt: “I also agree. No great issue of principle arises in this case … The [duty] is cast by law on every professional man holding himself out as an expert in any particular field, namely, the contractual duty as described by Mr. Justice McNair in [Bolam] … It is sufficient if he exercises the ordinary skill of an ordinary competent man exercising that particular art … [T]he difficulty has arisen very largely from the way in which the learned Judge expressed his finding … At first sight he does appear to be saying that there is implied by law a higher form of duty than that set out in Bolam’s case, a duty which is nevertheless lower than a warranty. If the learned Judge indeed had said that, it would have been wrong; because there is no such duty. We are told by … Counsel that neither side at the trial advanced such a proposition, and I do not believe that the Judge was intending to say that there was such a duty. What he was intending to convey was that there may be special circumstances in any particular case which require the reasonably careful expert to take special steps before his duty under Bolam’s case can be said to have been discharged.”3388 Alle drei Richter bestätigten, dass für Architekten nichts anderes gilt. Dieser Rechtsprechung folgen die Instanzgerichte. Der Entscheidung in der Sache Wimpey Construction U K Ltd v Poole lässt sich insoweit nichts anderes entnehmen. Dort war der 3386

3387

3388

Greaves & Co. (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 328 f. (Hervorhebungen hinzugefügt). Greaves & Co. (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 329. Greaves & Co. (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 329 f. (Hervorhebung hinzugefügt).

524

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

beklagten Firma u.a. vorgeworfen worden, bei dem Design einer neuen Kaimauer im Hafen von Southampton nicht mit angemessener Sorgfalt vorgegangen zu sein. Das Design hatte die Ingenieursabteilung der Firma entworfen, die einige der erfahrensten Designer beschäftigte. Unter ihnen befand sich nach den Tatsachenfeststellungen des Gerichts mindestens ein Ingenieur mit herausragender Qualifikation. Die Umsetzung des Entwurfs machte Bohrungen erforderlich, die zu Bodenabsenkungen und dadurch verursachten Beschädigungen des vorhandenen Baubestands führten. Hinsichtlich des Sorgfaltsstandards argumentierten die Kläger, ein Klient, der einen besonders qualifizierten Ingenieur auswähle und bezahle, könne auch einen höheren Sorgfaltsstandard verlangen. Dies lehnte Webster J in Kenntnis der in Duchess of Argyll vorgetragenen Überlegungen unter Berufung auf den Bolam-Test ab3389.

b)

Konsequenzen besonderer Sachkunde für den Sorgfaltsstandard

Wichtige Feststellungen werden in dieser Entscheidung auch für die Frage getroffen, wie sich das Vorhandensein besonderer Sachkunde auf den geschuldeten Standard auswirkt. Webster J stellt ausdrücklich klar, dass erworbenes Wissen – soweit sinnvoll einsetzbar – eingesetzt werden muss3390: “The second gloss which Mr Phillips sought to put upon the [Bolam] test was that it is the duty of a professional man to exercise reasonable care in the light of his actual knowledge and that the question whether he exercises reasonable care cannot be answered by reference to a lesser degree of knowledge than he had, on the grounds that the ordinarily competent practitioner would only have had that lesser degree of knowledge. I accept Mr Phillips’ submission; but I do not regard it as a gloss upon the test of negligence as applied to a professional man. As it seems to me, that test is only to be applied where the professional man causes damage because he lacks some knowledge or awareness. The test establishes the degree of knowledge or awareness which he ought to have in that context. Where, however, a professional man has knowledge, and acts or fails to act in a way which, having that knowledge he ought reasonably to foresee would cause damage, then, if the other aspects of duty are present, he would be liable in negligence by virtue of the direct application of Lord Atkins’ original test in M’Alister (or Donoghue) (a Pauper) v Stevenson.”3391 In dieser Erörterung wird deutlich, an welcher Stelle überdurchschnittliche Kenntnisse dogmatisch zu verorten sind: Geschuldet wird deren Einsatz im Rahmen der Erfüllung des Sorgfaltsstandards, dessen Erreichen die übernommene Aufgabe verlangt. Besitzt der Dienstleister überdurchschnittliche Kenntnisse muss er diese – unabhängig von einer echten Spezialisierung – einsetzen. Denn von einem reasonable 3389 3390 3391

Wimpey Construction U Ltd v Poole [1984] Lloyd’s Rep 499, 506 (HC). Jones, Negligence, § 3–070. Wimpey Construction U Ltd v Poole [1984] 2 Lloyd’s Rep 499, 506 f.

§ 14 Der Einfluss besonderer Sachkunde auf den Sorgfaltsstandard

525

man erwartet das Gericht, dass er seine vorhandenen Kenntnisse nicht ignoriert, sondern anwendet. Hatte der Schuldner infolge besonderen Wissens Kenntnis von Umständen, die eine Schädigung des Gläubigers erwarten lassen, die ohne dieses ausnahmsweise vorhandene Wissen aber nicht erkennbar waren, muss er diese Umstände als reasonable man in Rechnung stellen3392. Aus einem breiteren Wissen um potentielle Gefahren folgt also die Notwendigkeit, die Mechanismen zur Vermeidung der Risikorealisierung dem persönlichen Kenntnisstand anzupassen3393.

c)

Die Bedeutung überdurchschnittlicher Erfahrung ohne echte Spezialisierung

Berühmt sich der Schuldner nicht, „Spezialist“ zu sein, wirkt sich dies zunächst allein dahin aus, dass sich die Vergleichsgruppe anders als in dem Fall, in dem der Dienstleister als echter Spezialist qualifiziert wird, nicht ändert3394. Die Anforderungen an die Sicherstellung des Erreichens des „gewöhnlichen“ Standards werden in diesem Fall aber gleichwohl entsprechend den vorstehend entwickelten Grundsätzen erhöht3395. Allerdings sind die Gerichte insoweit – ebenso wie im Anwaltshaftungsrecht – ein wenig großzügiger, wenn der Architekt sich als „Nicht-Spezialist“ zu erkennen gibt, der lediglich mit dem in Rede stehenden Aufgabentypus bereits etwas Erfahrung gesammelt hat. Dies folgt etwa aus der Entscheidung in der Sache Gloucestershire Health Authority v Torpy, in der die beklagten Ingenieure zur Überprüfung des durch Dritte gefertigten Designs neuer Müllverbrennungsanlagen für ein Krankenhaus engagiert worden waren. Die installierte Anlage zeigte Leistungsdefizite und war infolgedessen ungeeignet. Obwohl die Beklagten angegeben hatten, Erfahrung mit Müllverbrennungsanlagen zu besitzen, will Judge Bowsher QC den durchschnittlichen Standard gelten lassen. Den Hinweis auf eigene Erfahrungen der Beklagten bezüglich des Entwurfs von Müllverbrennungsanlagen versteht das Gericht lediglich als vorauseilende Erwiderung auf den von den Klägern zu erwartenden Vortrag, die Beklagten hätten eine Aufgabe übernommen, die ihre Kompetenz übersteige. Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet macht die Beklagten nach der Auffassung des Gerichts noch nicht zu Spezialisten auf diesem Gebiet. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten insofern nicht als Spezialisten für die Konstruktion von Müllverbrennungsanlagen ausgegeben, sondern lediglich als „gewöhnliche“ building mechanical and engineering service consulting engineers, die für die übernommene Aufgabe geeignet waren, weil sie bereits entsprechende Erfahrung besaßen: “The defendants should be treated as general practitioner mechanical and engineering building service consulting engineers acting within their claimed sphere 3392

3393 3394 3395

Wilson v Brett (1843) 11 M & W 113, 115 per Rolfe B.: „If a person more skilled knows that to be dangerous which another not so skilled as he does not, surely that makes a difference in liability“ (zit. nach Jones, Negligence, § 3–070 m. Fn. 59). So für die Arzthaftung Jones, Negligence, § 3–070. Vgl. Jackson/Powell, Negligence, § 8–166. Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.12.

526

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

of competence and they should be judged by the ordinary test established in Bolam … The defendants are required to exercise that degree of skill and care which is ordinarily exercised by reasonably competent members of the profession who have the same rank and standing as the defendants, tested in an objective way.”3396 Dieser Ansatz wurde wenige Jahre später zuerst durch Judge Toumlin CMG QC in der ebenfalls Müllverbrennungsanlagen betreffenden Entscheidung Hammersmith Hospitals NHS Trust v Troup Bywaters & Anders3397 bestätigt und in der Berufung vor dem Court of Appeal nicht bemängelt3398.

2.

Die Position des deutschen Architektenvertragsrechts

Wohl die Qualifizierung des Architektenvertrags als Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB und die mit ihr verbundene Konzentration auf die Feststellung, ob das vertraglich avisierte Ziel erreicht wurde, ist es, die der deutschen Rechtsprechung und großen Teilen der Literatur – wie erörtert – den Weg, der zu diesem Ziel führen dürfte, aus dem Blick geraten lässt3399. Ein äußeres Kennzeichen dieses Umstands ist es, dass bei Architekten – selbst bei der Übernahme von Spezialaufgaben – kaum nach Berufsgruppen differenziert wird3400. Ungeachtet dessen wird man freilich – den allgemeinen Grundsätzen entsprechend – auch hier annehmen müssen, dass besondere subjektive Stärken wie besondere Kenntnisse oder besondere Erfahrung den geschuldeten Sorgfaltsstandard (individuell) verschärfen können3401. Daher muss der Architekt auch als Werkunternehmer überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten nicht nur einsetzen, sofern er gerade ihretwegen – als Spezialist – engagiert worden ist3402, sondern – losgelöst von einer spezifischen Vereinbarung ihres Einsatzes – immer 3396

Gloucestershire Health Authority v M Torpy (1997) 55 Con LR 124 (lexis, Hervorhebung hinzugefügt). 3397 Hammersmith Hospitals NHS Trust v Troup Bywaters & Anders [2000] Env LR 343 (lexis): „It is agreed that TBA were and are a firm of Consulting Engineers and that they were not and should not be judged by the standards of specialists in combustion, incineration, or waste handling technology. As general practitioner mechanical and engineering building service consulting engineers acting within their claimed sphere of competence, they should be judged by the ordinary standards of their profession, established in Bolam …; namely that they were required in advising the SHA … to exercise that degree of care and skill which is ordinarily exercised by reasonably competent members of their profession of the same rank and standing as the defendants tested in an objective way.“ 3398 Hammersmith Hospitals NHS Trust v Troup Bywaters & Anders [2001] EWCA Civ 793. 3399 Vgl. oben ab S. 140. 3400 MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 59. 3401 Vgl. zu diesem allgemeinen Grundsatz MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 56; Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 10; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 15; (zu Unrecht) einschränkend Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 276 Rn. 30. 3402 Soergel /Teichmann, BGB § 635 Rn. 35; Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 129.

§ 15 Fehlende Mittel

527

dann, wenn er ein Werk herzustellen verspricht, das besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen voraussetzt3403. Denn parallel zum englischen Recht bestimmen sich die Anforderungen, die an den Unternehmer gestellt werden, hier nach der Eigenart des Werkes3404, d.h. der vertraglich übernommenen Aufgabe. Den allgemeinen Grundsätzen entsprechend wird darüber hinaus generell innerhalb werkvertraglicher Vereinbarungen angenommen, dass der Schuldner die überdurchschnittlichen Fähigkeiten, die er besitzt und die eingesetzt werden können, auch einsetzen muss3405.

IV. Fazit In der englischen Rechtsprechungspraxis ist losgelöst von einer gewissen Uneinheitlichkeit der Formulierung der Standards die Unterscheidung zwischen echter Spezialisierung und allgemeiner Praxis in Kombination mit sachspezifischer Erfahrung zu finden. Nur im ersten Fall ändert sich die Vergleichsgruppe für die Determinierung des Sorgfaltsstandards. Denn spezialisierte Schuldner schulden die Sorgfalt eines angemessen sorgfältigen Spezialisten, während bei nicht-spezialisierten Schuldnern mit überdurchschnittlichen Kenntnissen die Vergleichgruppe der angemessen sorgfältige „Durchschnittsdienstleister“ bleibt. Auch der Durchschnittsdienstleister muss aber vorhandene Kenntnisse einsetzen, soweit diese für die Leistung relevant sind. Berühmt sich der Schuldner darüber hinaus besonderer Sachkunde – sei es, dass er sich als „Spezialist“ bezeichnet oder nur auf vorhandene Erfahrung verweist –, muss er diese bei der Aufgabendurchführung zum Einsatz bringen3406. Mit den Vorgaben der s. 13 SGSA ist dies ohne weiteres vereinbar3407. Denn die Angemessenheit eines Verhaltens hängt – wie berichtet – von den die Aufgabe konkretisierenden Umständen des Einzefalls ab und variiert dementsprechend. Dieselben Grundsätze finden, wie wir gesehen haben, auch im deutschen Recht, nach den PELSC und dem DCFR Anwendung.

§ 15 Fehlende Mittel Die zur Vermeidung der Realisierung eines erkennbaren Risikos erforderlichen Kosten sind, wie dargestellt, bei der Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards nach englischem, deutschem3408 Recht, den PELSC und dem DCFR zu berücksichti-

3403

MünchKomm/Busche, BGB § 634 Rn. 62; Bamberger /Roth /Voit, BGB § 636 Rn. 48; vgl. auch Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 129. 3404 MünchKomm/Busche, BGB § 634 Rn. 62. 3405 Staudinger /Peters/Jacoby, BGB § 634 Rn. 129. 3406 I.E. ebenso Fischer, Haftung, S. 65 f. 3407 Ebenso Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.55. 3408 Vgl. allgemein auch MünchKomm /Wagner, BGB § 823 Rn. 259 f.; BGH, VersR 2007, 72, 73.

528

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

gen3409. Doch gilt im englischen Recht nicht anders als im deutschen Recht, den PELSC und dem DCFR, soweit nicht anderes vereinbart ist, grundsätzlich ein objektiver Maßstab: Sofern eine bestimmte Maßnahme bei objektiv angemessen sorgfältigem Vorgehen erforderlich gewesen wäre, kann sich der Beklagte nicht auf fehlende finanzielle Mittel berufen3410. Gleiches gilt in einem ähnlichen Kontext etwa für das deutsche Architektenvertragsrecht: Der Architekt hat dafür zu sorgen, dass der derzeitige Standard erreicht wird. Der Einwand kostensparenden Bauens verfängt regelmäßig nicht, es sei denn, es gelingt dem Architekten ausnahmsweise einmal, hierzu klare schriftliche Abreden zu dokumentieren und zu beweisen3411. Im Übrigen denkt man – was die hier untersuchten Dienstleister betrifft – im deutschen Recht über die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation gerade des Schuldners allerdings ebenso wie im englischen Recht scheinbar allein im Rahmen der Medizinhaftung nach. Auf diese beschränken sich daher nachfolgend unsere Erörterungen der nationalen Rechte. PELSC und DCFR nehmen zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung. Da die für eine Vermeidung des eingetretenen oder eines ähnlichen Schadens erforderlichen Kosten nach dem Wortlaut des Art. 1:107(4)(b) PELSC, IV.C. – 2:105(4)(b) DCFR losgelöst davon zu berücksichtigen sind, ob der konkrete Schuldner sie aufbringen kann, wird man die Unfähigkeit des Schuldners, diese Kosten aufzubringen, jedenfalls dann nicht berücksichtigen können, wenn sie dem Gläubiger nicht zur Kenntnis gebracht und in ihrer Bedeutung für die Erreichbarkeit des avisierten Leistungsziels erläutert werden (Art. 1:103, 1:110, 6:104 i.V.m. 6:101(2) PELSC, IV.C. – 2:102, 2:108, 7:104 DCFR). Im Übrigen sind standardsenkende Festlegungen des Pflichtinhalts nach den PELSC und dem DCFR aber grundsätzlich ebenso möglich, wie es Haftungsbegrenzungen sind (vgl. dazu Art. 1:114 PELSC, III. 3:105, IV.C. – 6:107 DCFR).

A.

Die Position des deutschen Rechts

Ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die Bedeutung fehlender Mittel gerade des Schuldners bildet im deutschen Recht für den Arzt § 12 Abs. 1 SGB V3412. Diese sozialversicherungsrechtliche Norm stellt die Leistungserbringung generell unter das Gebot der Wirtschaftlichkeit und bestimmt ferner ausdrücklich, dass die Heilbehandlung das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf 3413. Der Kassenpatient erhält daher nicht die medizinisch mögliche Optimalbehandlung (die bei lebensnaher Vertragsauslegung indes ohnehin nicht geschuldet wäre3414), sondern „ein Leis3409

Vgl. ab S. 215. Jones, in: Grubb, Principles, § 6.38; ders., Negligence, § 4–087; vgl. Newdick, Treat, S. 188; Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.16. 3411 Paradigmatisch OLG Frankfurt, BauR 2005, 1937, 1939. 3412 Vgl. zu den Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Ressourcen vor allem Ulsenheimer, FS Kohlmann, S. 319, 323 ff. 3413 Zum sozialversicherungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot vgl. Conradi, Verknappung, S. 91 ff. 3410

§ 15 Fehlende Mittel

529

tungspaket, das zwar auf die Schwere der Erkrankung abgestimmt ist, aber eben auch das Kostendämpfungsinteresse der Kasse berücksichtigt“3415. Wenn vielfach vertreten wird3416, dass der geschuldete Standard ärztlicher Sorgfalt außerhalb des Sozialversicherungsrechts nicht durch wirtschaftliche Überlegungen relativiert werden dürfe3417, überzeugt dies insofern nicht, als sich der Umfang der gebotenen Bemühungen des Arztes bzw. Krankenhauses nicht unabhängig von den sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Leistung erbracht werden soll, beurteilen lässt3418. Denn der rechtliche Sorgfaltsmaßstab kann die allgemeinen Grenzen im System der Krankenversorgung – auch wenn es Grenzen der Finanzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit sind – nicht ignorieren, zumal sich die hiermit verbundenen Risiken ebenso wenig zur Abwälzung auf den Arzt eignen wie die Abwälzung des Krankheitsrisikos3419. Im Rahmen der Vertragshaftung kann die Berücksichtigung dieser Grenzen im Gegenteil ohne weiteres über § 157 BGB erfolgen. Denn die Verkehrsauffassung – ein vernünftiger Patient – wird derartige Grenzen selbstverständlich nicht ignorieren. Insofern ist zu Recht seit langem anerkannt, dass von einem kleinen Institut nicht der Standard einer hochspezialisierten Fachklinik erwarten werden kann3420. Folgerichtig lässt sich kein Sorgfaltsverstoß mit dem Argument begründen, dass ein Krankenhaus nicht über die modernsten Geräte verfügt, weil die Mittel für deren Anschaffung fehlen3421. In den Grenzen oberhalb einer unverzichtbaren Basisschwelle, die den medizinischen Qualitätsanforderungen im Zeitpunkt der Behandlung zu entsprechen hat, kann der Standard für die personellen, räumlichen und apparativen Behandlungsbedingungen vor diesem Hintergrund für ein Landkrankenhaus niedriger anzusetzen sein als für eine Universitätsklinik3422. Gefährdungen eines Patienten werden indes allein durch die Berufung auf die Unwirtschaftlichkeit der Behandlung nie gerechtfertigt3423. Losgelöst hiervon erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Arzt sich mit einer unter dem medizinisch Möglichen und Gebotenen bleibenden Behandlung (untere Grenze der Behandlungsbedingungen) begnügt, sofern er den Patienten nur hierüber

3414

Vgl. oben ab S. 167. MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 750. Zum Inhalt dieses „Paketes“ vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 136. 3416 Vgl. Conradi, Verknappung, S. 131 ff. m.w.N. 3417 Für einen Gleichlauf von zivilem Haftungsrecht und Sozialversicherungsrecht hingegen Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 134. 3418 Ebenso MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 751 m.w.N.; ähnlich i.E. Conradi, Verknappung, S. 131 ff. 3419 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 134. 3420 BGHZ 102, 17, 24 f.; OLG Karlsruhe, VersR 1990, 53, 54; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 751. 3421 MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 751; vgl. zu weiteren Einzelfällen Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 138 ff. m.w.N. 3422 BGH, NJW 1989, 2321, 2322; BGH, NJW 1988, 1511; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 137. 3423 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 144. 3415

530

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

aufklärt und darauf hinweist, dass dieser weitergehende medizinische Dienstleistungen nur gegen zusätzliche Vergütung erhalten wird3424.

B.

Sonderregeln für öffentliche Einrichtungen nach englischem Recht?

Die englische Rechtsprechung hat sich mit der Frage, ob fehlende finanzielle Mittel den Dienstleister entlasten können, nur vereinzelt beschäftigt und ist hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Gesicherte Erkenntnisse fehlen zu dieser Frage daher bislang3425.

I.

Die uneinheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte

Ob fehlende finanzielle Mittel eine Absenkung des Sorgfaltsstandards rechtfertigen können, wird – worin sich im Hinblick auf die durch § 12 SGB V bezogene Position des deutschen Sozialversicherungsrechts eine gewisse Parallele findet – allein im Zusammenhang mit den von öffentlichen Einrichtungen erbrachten Dienstleistungen diskutiert. Pill J hatte in Knight v Home Office entschieden, dass Gefängnisse gegenüber psychisch Kranken nicht denselben Sorgfaltslevel an den Tag legen müssen wie psychatrische Kliniken, und dabei festgestellt, dass bei einer Entscheidung über den maßgeblichen Sorgfaltsstandard auch die begrenzten Mittel öffentlicher Einrichtungen berücksichtigt werden müssten3426. Dass damit gemeint war, zur Haftungsentlastung dürfe auf fehlende Mittel verwiesen werden, ist zwischenzeitlich allerdings ausdrücklich in Zweifel gezogen worden. In der Entscheidung Brooks v Home Office hat sich Garland J ausdrücklich gegen diese Möglichkeit ausgesprochen und insofern entschieden, dass eine werdende Mutter in Haft dieselbe Sorgfalt erwarten darf, die ihr auch in Freiheit zu Teil werden würde3427. Diese Sichtweise bezieht den Sorgfaltsstandard streng auf die Aufgabe, vernachlässigt allerdings, dass die Sorgfalt grundsätzlich gruppenbezogen bestimmt wird3428. Dabei lässt sich durchaus fragen, ob ein Gefängnis in dieselbe „Gruppe“ einzuordnen ist wie eine psychatrische Klinik.

II.

Die Position des Court of Appeal

Eine Entscheidung der Frage, ob fehlende Mittel einen Entlastungsgrund bilden können, durch den Court of Appeal steht noch aus3429. In Wilsher v Essex Area Health Authority hatte Sir Browne-Wilkinson V-C diese Frage berührt, als er erwog, dass

3424

Vgl. Steffen, FS Geiß, S. 487, 502; MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 752. Ebenso Beswick, (2007) 15 Med L Rev 245, 251 f. m.w.N. 3426 Knight v Home Office [1990] 3 All ER 237, 243 (HC). 3427 Brooks v Home Office (1999) 48 BMLR 109 (HC, lexis). 3428 Vgl. ab S. 164. 3425

§ 15 Fehlende Mittel

531

“a health authority which so conducts its hospital that it fails to provide doctors of sufficient skill and experience to give the treatment offered at the hospital may be directly liable in negligence to the patient”3430. Die Zulassung entsprechender Ansprüche3431 gegen die Health Authority würde nach der Auffassung von Sir Browne-Wilkinson V-C aber heikle Fragen aufwerfen: “To what extent should the authority be held liable if (e.g. in the use of junior housemen) it is only adopting a practice hallowed by tradition? Should the authority be liable if it demonstrates that, due to the financial stringency under which it operates, it cannot afford to fill the posts with those possessing the necessary experience?”3432 Mit beiden Fragen beschäftigt sich die Entscheidung Bull v Devon Area Health Authority, in der die beklagte Health Authority für haftbar erklärt wurde, weil sie ein unzulängliches und unzuverlässiges System für gynäkologische Notfälle eingerichtet hatte. Dem (hypothetischen) Argument, das Krankenhaus habe angesichts seiner begrenzten Mittel gleichwohl das Beste getan, das von ihm erwartet werden konnte, stand Mustill LJ zwar eher ablehnend gegenüber. Da ihm dies im konkreten Fall aber nicht entscheidungserheblich erschien, sah er von einer abschließenden Stellungnahme ab. Festgestellt wurde lediglich, dass diese Sachfragen „raise important issues of social policy, which the courts may one day have to address“3433. Dillon LJ begnügte sich in diesem Zusammenhang mit der Feststellung, dass ein Krankenhaus einen Beschäftigungslevel erreichen müsse, der „reasonably sufficient for the foreseeable requirements of the patient“ sei. Die Frage, ob die objektive Unterbesetzung eines Krankenhauses für sich genommen zur Haftung der Health Authority führt, ist daher – wie gesagt – offen3434 und auch in der Literatur wenig geklärt.

3429

Offengelassen jüngst auch vom Jersey Court of Appeal in Nicholson v States of Jersey Health and Social Services Committee [2004] JCA 203, Tz. 68; vgl. dazu Hanson, (2005) 13 Med L Rev 268, 271 (nach der auch zitiert wird); allgemein Newdick, Treat, S. 188; Jones, Negligence, § 4–087. 3430 Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801, 833 (CA). 3431 Nichts zu tun hat diese Frage mit der anerkannten Haftung der Health Authority für ein Fehlverhalten ihrer Angestellten (vicarious Liability). Vgl. zu ihr ab S. 567. 3432 Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801, 834 (CA). 3433 Bull v Devon Area Health Authority (1989) 22 BMLR 79 (lexis). 3434 Die Entscheidung A v Ministry of Defence and Guys and St Thomas’s Hospital NHS Trust [2005] QB 183, 196 per Lord Phillips MR hat daran nichts geändert.

532

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

III. Stellungnahmen in der Literatur Newdick hält es für gefährlich, den Sorgfaltsstandard als Reaktion auf finanzielle Engpässe abzusenken3435. Dem wird man insofern zustimmen müssen, als der Standard ja nicht ins Bodenlose sinken darf. Irgendwo muss also eine Grenze gezogen werden. Gerade dies dürfe indessen schwer fallen, wenn man die Argumentation mit fehlenden Mitteln einmal zulässt. Mit Newdick wird man der Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Johnstone v Bloombury Health Authority indessen zumindest entnehmen können, dass der Umstand, dass begrenzte Ressourcen für die Schädigung verantwortlich sind, der Verurteilung einer Health Authority nicht pauschal entgegensteht3436. In dieser Entscheidung hatte der Court of Appeal nämlich die Klage eines jungen Arztes gegen seinen Arbeitgeber zugelassen, mit der dieser von jenem Schadensersatz wegen einer Gesundheitsverletzung einforderte. Der Arzt hatte vorgetragen, dass dauernde Überstunden seine Gesundheit beeinträchtigt hätten3437, und diese gesundheitsschädigenden Überstunden waren wohl notwendig geworden, weil das Krankenhaus, in dem der Kläger arbeitete, ansonsten personell unterbesetzt war.

IV. Fazit zum englischen Recht Darüber hinaus lässt sich im Hinblick auf eine künftige Entscheidung der Frage fehlender Mittel und daraus resultierender Unterbesetzung allerdings wenig Konkretes aussagen. Gegen die Zulassung entsprechender Klagen wird stets streiten, dass Health Authorities auf eine Verurteilung mit der Einstellung bestimmter Dienstleistungen reagieren könnten, was die Gesamtbevölkerung potentiell noch schwerer treffen könnte als objektiv minderwertige Leistungen der Health Authorities3438. Überdies geht es bei der Allokation öffentlicher Ressourcen immer um Ermessensentscheidungen. Der Kläger müsste also darlegen, dass die Entscheidung, die vorhandenen Mittel so zu verteilen wie geschehen, ermessensfehlerhaft war. Die Gerichte sind mit dieser Annahme äußerst zurückhaltend3439. Immerhin wird man zumindest dort, wo der Patient bei seiner Behandlung die Wahl hat, sich für oder gegen eine öffentliche Einrichtung zu entscheiden, von dieser Einrichtung eine Aufklärung darüber verlangen können, dass ihre Leistung durch beschränkte Mittel beeinträchtigt werden könnte3440. In der Literatur wird darüber 3435

Newdick, Treat, S. 188. Newdick, Treat, S. 189. 3437 Vgl. zu den damit verbundenen Fragen der public policy Johnstone v Bloombury Health Authority [1991] 2 All ER 293, 301 f. (CA). 3438 Jones, Negligence, § 4–090. 3439 Vgl. nur Johnstone v Bloombury Health Authority [1991] 2 All ER 293, 301 f. per StuartSmith LJ (CA); ebenso der Jersey Court of Appeal in Nicholson v States of Jersey Health and Social Services Committee [2004] JCA 203, Tz. 68 m. Anm. Hanson, (2005) 13 Med L Rev 268 ff. (nach der auch zitiert wird); allgemein Jones, Negligence, § 4–090. 3440 Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.16. 3436

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

533

hinaus unter Bezugnahme auf die australische Rechtsprechung befürwortet, zwischen den Leistungen zu differenzieren, die die Health Authority aufgrund rechtlicher Verpflichtung erbringt, und denen, die vollkommen freiwillig erbracht werden3441. Im letzteren Fall müsse die Health Authority sich am selben Maßstab messen lassen wie ein privates Unternehmen, d.h. sie kann sich insoweit nicht auf fehlende Mittel berufen. Im Lichte unserer Überlegungen zur Objektivierung des Mindeststandards3442 wird man losgelöst hiervon – parallel zum deutschen Recht – tendenziell annehmen können, dass der Standard für die personellen, räumlichen und apparativen Behandlungsbedingungen nur in den Grenzen oberhalb einer unverzichtbaren Basisschwelle, die den medizinischen Qualitätsanforderungen im Zeitpunkt der Behandlung zu entsprechen hat, unter Berufung auf wirtschaftliche Überlegungen absenkbar sein dürfte. Gefährdungen eines Patienten dürften allein durch die Berufung auf die Unwirtschaftlichkeit der Behandlung auch nach englischem Recht nie gerechtfertigt sein.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken Der praktisch wichtigen Frage, unter welchen Bedingungen ein Vertragsbruch des Schuldners vorliegen kann, wenn mehrere oder weitere Personen außer dem Schuldner in die Vertragsdurchführung eingeschaltet sind3443, wollen wir uns als letztem Sonderaspekt der Sorgfaltsbestimmung zuwenden.

A.

Team Work

Dazu ist zunächst zu konstatieren, dass ein einheitlicher „Team-Sorgfaltsstandard“ dem englischen und deutschen Recht – ebenso wie den PELSC und dem DCFR3444 – fremd ist3445. Denn die Tatsache, dass Angeörige unterschiedlicher Berufsgruppen einander unter der gemeinsamen Zielsetzung zuarbeiten, ein Projekt erfolgreich abzuschließen, führt nicht dazu, dass ihnen dieselben rechtlichen Pflichten obliegen. Wie stets nach englischem Recht, gibt die innerhalb der beruflichen Rolle übernommene Aufgabe den erforderlichen Standard vor3446. Folgerichtig wurde der Gedanke eines „‘team‘ standard of care, whereby each of the persons who formed the staff of the unit held themselves out as capable of undertaking the specialised procedures which that unit set out to perform“ von Mustill LJ in Wilsher v Essex Area Health Authority ausdrücklich zurückgewiesen:

3441

Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.16. Vgl. ab S. 196. 3443 Rechtsvergleichend zu diesem Problemkomplex etwa Heckendorn, Haftung, Rn. 1077 ff.; zum englischen Recht vgl. ebenda, Rn. 1090 ff. 3444 Zu diesem Verständnis des Art. 1:107(3) PELSC vgl. ab S. 165. 3445 Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.13. 3446 Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 15.13; Jones, in: Grubb, Principles, § 6.76. 3442

534

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

“I acknowledge the force of this submission, so far as it calls for recognition of the position which the person said to be negligent held within this specialised unit. But, in so far as the proposition … seeks to attribute to each individual members of the team a duty to live up to the standards demanded of the unit as a whole, it cannot be right, for it would expose a student nurse to an action in negligence for a failure to possess the skill and experience of a consultant.”3447 Aus vertragsrechtlicher Perspektive überzeugt dies ohne weiteres. Denn welcher vernünftige Mensch käme schon auf die Idee, eine Krankenschwester wolle, wenn sie ihre Dienste anbietet, ärztliche Aufgaben übernehmen und einen ihnen entsprechenden Sorgfaltsstandard an den Tag legen?3448 Dass sich die Verantwortlichkeiten eines Buchhalters, der seinen Klienten über einzelne technische Aspekte eines Modells zur Erbschaftssteuerersparnis aufklärt, von der eines solicitors unterscheidet, der seinen Mandanten über die Funktionsweise des Modells aufklärt, hat der Court of Appeal folgerichtig in der Sache Mathew v Maughold entschieden3449. Gleiches gilt, wie die Entscheidung Stewart v East Cambridgeshire District Council deutlich macht3450, im Rahmen der Baudienstleisterhaftung.

B.

Die Einschaltung Dritter in die Vertragsdurchführung

Wenden wir uns nunmehr der Problematik der Einschaltung Dritter in die Durchführung der vom Schuldner geschuldeten Maßnahmen selbst zu, ist diese Einschaltung, die wir als Aufgabenübertragung bezeichnen wollen, einerseits von dem Tätigwerden mehrer Schuldner in getrennten Pflichtenkreisen und andererseits von der Übertragung der Pflicht selbst zu unterscheiden.

I.

Die Möglichkeit einer befreienden Pflichtübertragung auf Dritte

Von der Frage der bloßen Übertragung der Aufgabendurchführung ist insofern zunächst die Übertragung der Verpflichtung selbst zu differenzieren, die prima facie nur ausnahmsweise möglich sein darf, weil sie zur Auswechslung des Schuldners bzw. zur Befreiung des übertragenden Schuldners führt, dessen vorgebliche Fähigkeiten – insoweit wird man die Vermutung des deutschen Rechts auch für das Verständnis des DCFR und des englischen Rechts fruchtbar machen können – entscheidend für den Vertragsschluss überhaupt waren. Praktisch bedeutsam wird die Frage der Übertragbarkeit eigener Pflichten an Dritte ferner deshalb, weil nur so für eine schuldhafte 3447

Wilsher v Essex Area Health Authority [1986] 3 All ER 801, 812 f. (CA). Vgl. dazu auch Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293 (CA), wo ein einheitlicher Team-Standard nicht einmal diskutiert wird. 3449 Mathew v Maughold, The Times, 19 February 1987, per O’ Connor LJ (CA, lexis). 3450 Stewart v East Cambridgeshire District Council (1979) 252 EG 1105 per Sir Douglas Frank QC (HC, lexis): an einen Bauinspektor dürfen nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie an einen Architekten oder Ingenieur. 3448

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

535

Nicht- oder Schlechterfüllung ursprünglich eigener Pflichten durch den Dritten nicht gehaftet wird3451.

1.

Die Behandlung des Problemkreises in den PELSC und im DCFR

Zunächst sind Art. 1:106 PELSC, 7:106 PECL, III. – 2:107(1), (2), IV.C. – 2:104 DCFR zu qualifzieren: Diese Vorschriften betreffen nur die hier als Aufgabenübertragung bezeichnete Übertragung der Erfüllungshandlung auf Dritte, nicht aber die hiervon zu unterscheidende Übertragung der Pflicht selbst. Dies folgt im Wege der Auslegung schon aus Art. 1:106 PELSC, 7:106 PECL, III. – 2:107(1), (2), IV.C. – 2:104 DCFR, ergibt sich aber vor allem aus einem Umkehrschluss aus Art. 12:101, 12:201 PECL, III. – 5:201, 5:301 DCFR, in denen die Übertragung von Pflichten eigenständig geregelt wird. Art. 12:101 PECL, III. – 5:201 DCFR bestimmt, dass ein Dritter sich nur mit Zustimmung des Schuldners und des Gläubigers dazu verpflichten kann, mit befreiender Wirkung für den bisherigen Schuldner an dessen Stelle zu treten, und Art. 12:201 PECL, III. – 5:301 DCFR sieht vor, dass eine Vertragspartei mit einem Dritten vereinbaren kann, dass dieser sie als Vertragspartei ersetzt. In diesem Fall wird die Ersetzung allerdings nur wirksam, wenn infolge der Zustimmung der anderen Vertragspartei die erste Partei von ihren Verpflichtungen befreit wird. Soweit im Rahmen dieser Ersetzung der bisherigen Vertragspartei durch den Dritten Verpflichtungen übertragen werden, findet wiederum Art. 12:101 PECL, III. – 5:201 DCFR Anwendung. Das insoweit zentral hervorgehobene Erfordernis der Zustimmung des Gläubigers3452 zur Auswechslung des Schuldners bzw. zur befreienden Übertragung seiner Pflichten auf einen Dritten lässt sich, wie sogleich zu zeigen sein wird, durchaus gerade auch im englischen und deutschen Dienstleistungshaftungsrecht nachweisen und ist Konsequenz der vertraglichen Bindung: Darin, dass der Gläubiger nach Wortlaut und Sinn der Regelung im Rahmen der Art. 1:201 f. PECL, III. – 1:103 f. DCFR frei ist, seine Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern, wird deutlich, dass er sich auf einen derartigen Antrag seines Schuldners in der Regel nicht einzulassen braucht; eine Stärkung des Grundsatzes pacta sunt servanda. Seine Hervorhebung im allgemeinen Teil des einheitlichen Europäischen Vertragsrechts betont zutreffend den generellen Ausnahmecharakter einer befreienden Pflichtübertragung3453, wie er sowohl im englischen als auch im deutschen Recht nachzuweisen ist. 3451

Vgl. Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 56. Gemäß Art. 12:101(2) PECL kann der Gläubiger einer künftigen Schuldübernahme im Voraus zustimmen. Um eine für den Gläubiger hieraus potentiell resultierende Unsicherheit zu vermeiden, wird die Schuldübernahme in einem solchen Fall jedoch nur wirksam, wenn die Vereinbarung zwischen dem neuen und dem bisherigen Schuldner dem Gläubiger von dem neuen Schuldner mitgeteilt wird. 3453 Der Schuldner ist in der Regel durch die bestehenden Kooperationspflichten (Art. 1:202 PECL, 1:104 PELSC) ausreichend geschützt, wie z.B. Art. 5:103 PELSC zeigt, wonach der Gläubiger, falls dies zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung notwendig ist, anderweitigen Sachverstand engagieren muss. Gründe, die für eine ihm – anders als nach dem 3452

536

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Zu der Frage der Pflichten des Schuldners bei der Übertragung von Pflichten, d.h. etwaige Aufklärungspflichten des übertragenden Schuldners gegenüber dem Gläubiger oder Auswahlpflichten des Schuldners in Bezug auf den Dritten, besagen die PECL bedauerlicherweise ebenso wenig etwas wie die PELSC oder der DCFR. Insoweit wird man gemäß Art. 1:107 PECL (der DCFR enthält keine Entsprechung) bei der Entwicklung dieser Pflichten wohl auf die allgemeinen Regeln, etwa auf Art. 1:107 PELSC, zurückgreifen müssen. Hierauf gestützt wird man z.B. annehmen können, dass der redliche Schuldner seinem Gläubiger nicht antragen darf, seine Verpflichtung auf einen Dritten zu übertragen, von dem der Schuldner weiß oder vernünftigerweise wissen muss, dass er zur Vertragsdurchführung ungeeignet ist. Auf diesem Wege gelangt man dann letztlich zu Anforderungen, die nicht nur parallel auch für die Auswahl von Hilfspersonen gelten dürften3454, sondern auch – wie nun zu zeigen sein wird – durchaus im Rahmen dessen liegen, was im englischen und deutschen Recht anerkannt ist.

2.

Pflichtenübertragung nach englischem und deutschem Recht

a)

Die Position des englischen Rechts

In diesem Zusammenhang ist zunächst klarzustellen, dass das englische Recht – ebenso wie deutsche Recht, die Principles und der DCFR – zwischen der Übertragbarkeit von Pflichten und der Übertragbarkeit der faktischen Aufgabendurchführung differenziert: Dem common law ist eine befreiende Pflichtübertragung durch den Schuldner auf Dritte ohne Zustimmung des Gläubigers unbekannt3455. Gesetzliche Ausnahmen sind für die hier untersuchten Dienstleister insoweit nicht ersichtlich3456. Auch findet eine Diskussion über Auswahlpflichten bei der Übertragung von Pflichten – soweit ersichtlich – in der Praxis nicht statt3457. Anderes gilt selbstverständlich, sofern dem Schuldner die Ausgliederung bestimmter vertraglich spezifizierter Pflichten von vorneherein gestattet ist. Dies kann in Architektenverträgen vorkommen3458. Davon wird man allerdings nicht ohne weiteres ausgehen können3459.

Konzept des DCFR – zustehende Möglichkeit sprechen, seine Pflichten einseitig befreiend übertragen zu können, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil, mit einer derartigen Berechtigung würde eine unerträgliche Unsicherheit in den Rechtsverkehr eingeführt. 3454 Vgl. ab S. 569. 3455 Vgl. Linden Gardens Ltd v Lenesta Ltd [1994] 1 AC 85, 103 per Lord Browne-Wilkinson (HL): „every lawyer knows that the burden of a contract cannot be assigned“; von Bar/Zimmermann, Grundregeln III, S. 710; Treitel, Contract, S. 701 m.w.N. 3456 Vgl. Treitel, Contract, S. 701. 3457 Vgl. für eine Ausnahme aus der Literatur die Überlegung bei Yule, in: Hodgin, Liability, S. 117. 3458 So der Vortrag des Beklagten in Moresk Cleaners Ltd v Hicks Cornwall Assizes [1966] 2 Lloyd’s Rep 338. 3459 Vgl. Moresk Cleaners Ltd v Hicks Cornwall Assizes [1966] 2 Lloyd’s Rep 338.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

537

Zu der Frage, inwieweit einem Arzt die Übertragung seiner Pflicht auf einen anderen Arzt möglich ist, findet sich, soweit ersichtlich, keine Entscheidung. Dies dürfte einerseits damit zusammenhängen, dass bereits die Durchführung der zentralen Vertragsaufgabe, wie wir sehen werden3460, grundsätzlich nicht übertragbar ist, sondern die diese zentrale Aufgabe betreffenden ärztlichen Pflichten regelmäßig als nondelegable zu qualifizieren sind. Andererseits dürfte eine solche Situation auch praktisch kaum vorkommen. Dies gilt selbst in dem Fall, in dem der Patient vom Allgemeinmediziner an einen Facharzt überwiesen wird. Auch dann findet bei lebensnaher Betrachtung keine Pflichtenübertragung statt. Vielmehr hat der Arzt seine Pflichten aus dem Arztvertrag mit dieser Überweisung in der Regel gerade erfüllt, verspricht er doch bei vernünftiger Auslegung seines vertraglichen Versprechens Behandlung nur innerhalb seines Fachgebiets und im Übrigen lediglich sorgfältige Überweisung an einen Angehörigen der anderen/spezielleren Fachrichtung. Parallel zur Rechslage bei der Anwalts- und Architektenhaftung kann sich der Arzt nämlich dadurch entlasten, dass er Leistungen, die seinen Sachverstand übersteigen, vom Vertrag ausnimmt. Insoweit dürften ihm – wenngleich dies noch nicht gerichtlich bestätigt worden ist – in entsprechender Anwendung der in der Sache Moresk entwickelten Grundsätze3461 drei Möglichkeiten offenstehen3462: Entweder lehnt er die Übernahme einer bestimmten Aufgabe (Operation, Diagnose, etc.) von vorneherein ab oder rät seinem Patienten dazu, einen Spezialisten aufzusuchen, bzw. überweist ihn an diesen. Die Überweisung an einen Spezialisten dürfte sich im Fall der Überforderung des Arztes regelmäßig als Erfüllung und Vertragsbeendigung darstellen. Denn mit dem Vertragsschluss verspricht ein gewöhnlicher Arzt – mangels anders lautender Angaben – wie gesagt eben nur, das zu tun, was von einem angemessen kompetenten und sorgfältigen Durchschnittsarzt erwartet werden kann, und von einem solchen Arzt wird man erwarten, dass er seinen Patienten an einen Spezialisten überweist, sofern ihn die konkrete Erkrankung überfordert. Der Spezialist wird in diesem Falle also nicht etwa Hilfsperson des Arztes. Mit der – angemessen sorgfältigen – Überweisung an einen kompetenten Spezialisten hat der Arzt seine vertragliche Verpflichtung vielmehr erfüllt. Sofern der Arzt nicht zur eigenhändigen Leistung verpflichtet ist und sich seine vertragliche Verpflichtung nicht durch eine Überweisung erfüllen lässt, kann er – obwohl dies praktisch wohl nur im Falle des Vertragsschlusses mit einer Klinik vorkommen dürfte – im eigenen Namen einen entsprechenden Spezialisten engagieren, für dessen Fehlleistungen er dann allerdings nach den Grundsätzen über die Hilfspersonenhaftung verantwortlich ist3463.

3460

Vgl. ab S. 560. Vgl. ab S. 589. 3462 Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.13. 3463 Vgl. zur Hilfspersonenhaftung des Arztes ab S. 599. 3461

538

b)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Deutsches Dienstleistungsrecht

aa) Deutsches Anwaltshaftungsrecht Eine befreiende Übertragung von Pflichten dürfte angesichts der Haftungsbefreiung als Konsequenz bereits auf der Grundlage einer Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des Anwaltsvertrags, die dem dispositiven § 675 BGB vorgeht3464, ausnahmslos nur mit ausdrücklicher oder konkludenter3465 Zustimmung des Mandanten und unter der zusätzlichen Voraussetzung möglich sein, dass die Übertragung durch objektiv sachliche Gründe bedingt ist, die im Interesse des Mandanten eine (teilweise) Übertragung der anwaltlichen Pflichten auf einen Dritten erfordern3466, ohne dass es auf eine etwaige entsprechende Anwendung des § 664 Abs. 1 S. 2 BGB3467 ankommt3468. Im Zweifel dürfte eine solche Übertragung nicht gewollt sein (vgl. auch die Wertung des Gesetzgebers in § 415 Abs. 2 BGB). Unter den vorstehenden Voraussetzungen sind zwar selbst höchstpersönliche Pflichten3469 des Anwalts übertragbar. Von einer dem Mandanteninteresse entsprechenden Übertragung kann aber nur die Rede sein, sofern die Person, die die anwaltlichen Pflichten übernehmen soll, dafür den allgemeinen Grundsätzen entsprechend3470 hinreichend qualifiziert ist. Insofern scheidet nicht nur eine Übertragung insbesondere der vorgenannten Pflichten auf Bürokräfte aus3471. Vielmehr darf der Anwalt ihre Erfüllung auch nicht einfach seinem Büropersonal überlassen3472 oder dulden, dass diese ihm „abgenommen“ werden bzw. auch nur den Eindruck erwecken, 3464

Ebenso für den vorstehenden Zusammenhang Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 700; allgemein für die Frage der Substitution Erman/Ehmann, BGB § 664 Rn. 9. 3465 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 57; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 435. 3466 Zustimmung und Sachgründe kombinierend auch Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 435; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 698; auf die objektive Sachgemäßheit der Übertragung abstellend Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 319; ähnlich für Patentanwälte bereits RG, JW 1926, 246 („Entscheidend ist, daß die Übertragung sachgemäß war“). 3467 Dies befürwortend BGH, NJW 1952, 2257 (LS); RGZ 78, 310, 313 (§ 664 Abs. 1 S. 2 BGB auch auf Dienst- und Werkverträge anzuwenden); vgl. ferner Erman/Ehmann, BGB § 664 Rn. 7; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 434; beide m.w.N. zum Streitstand. 3468 Ebenso Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 57; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 698. 3469 Vgl. zur derartigen Pflichten Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 693; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 840; für die Sachverhaltsermittlungspflicht BGH, NJW 1981, 2741, 2743. 3470 Vgl. ab S. 167. 3471 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 694; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 840. 3472 BGH, NJW 1981, 2741, 2743.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

539

dass das Personal für diese Aufgaben von ihm bevollmächtigt worden ist3473; damit gelangt man praktisch zu denselben Ergebnissen, die auch im englischen Recht erzielt werden3474. Handelt es sich bei der zu übertragenden Pflicht nicht um eine solche, die nur von einem Spezialisten mit der hierfür erforderlichen Sorgfalt behandelt werden kann, darf der Anwalt grundsätzlich darauf vertrauen, „dass jeder in Deutschland zugelassene bzw. in internationalen Referenzbüchern aufgelistete Anwalt die übertragenen Aufgaben wahrzunehmen in der Lage ist“3475. Dies gilt aber nicht, falls der Anwalt Tatsachen kennt, die an einer Befähigung des Aufgabenempfängers zweifeln lassen3476, und auch nicht, wenn der Anwalt solche Tatsachen kennen muss3477. Wenig praxisrelevant3478 ist die unabhängig davon bestehende Frage, ob der Anwalt neben seiner Pflichtverletzung durch unwirksame Übertragung zusätzlich eine Auswahlpflicht verletzen kann. Dies wird auf der Grundlage einer analogen Anwendung von § 664 Abs. 1 S. 2 BGB z.B. bejaht3479, wenn der Anwalt den Dritten nicht mit der hierfür erforderlichen Sorgfalt auswählt. Einer Analogie zu § 664 Abs. 1 S. 2 BGB bedarf es zur Begründung einer Auswahlpflicht indessen nicht, wird man doch – wenn dieses Ergebnis allein interessengerecht ist, wie ganz überwiegend angenommen wird3480 – bereits dem Anwaltsvertrag selbst im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) die Verpflichtung entnehmen können, dass der übertragende Rechtsanwalt verpflichtet ist, den übernehmenden Dritten sorgfältig auszuwählen, einzuweisen und zu instruieren, kurz: „bei der ‚Übertragung der Geschäftsbesorgung‘ die Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft arbeitenden Rechtsanwalts walten zu lassen“3481.

3473

Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 694; Jungk, in: Borgmann/Jungk/ Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 76 m.w.N. 3474 Vgl. ab S. 571. 3475 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 59; i.E. wohl auch Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 700 (in der Praxis kaum fehlerhafte Auswahl möglich); Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 437 m. Fn. 388; für die Übertragung an ausländische Anwälte Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 322; a.A. Seltmann, VersR 1974, 97, 99. 3476 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 59. 3477 A.A. insoweit wohl Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 59 (Beschränkung auf positive Kenntnis). 3478 Ebenso Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 700; ähnlich Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 59. 3479 Für eine Analogie insoweit etwa Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 437, 442. 3480 Vgl. bereits RGZ 78, 310, 313; BGH, NJW 1952, 257 (LS). 3481 So Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 700; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 248; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 59.

540

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

bb) Deusches Architektenhaftungsrecht Auch nach deutschem Architektenvertragsrecht scheidet eine einseitige Substitution durch den Architekten in der Praxis in nahezu allen Fällen aus. Dies gilt zunächst für alle AGB, weil eine im Architektenvertrag enthaltene Substitutionsklausel, wonach der Architekt die von ihm geschuldeten Leistungen auch durch Dritte und insbesondere in der Weise erbringen lassen kann, dass er Dritte mit ihrer Wahrnehmung im Namen und für Rechnung des Bauherrn betraut, gegen § 309 Nr. 10 BGB verstößt3482. Auch wenn es sich nicht um AGB handelt, dürfte – parallel zur Rechtslage im Anwaltshaftungsrecht – aber nur eine ganz eindeutige Formulierung des Übergangs der Verantwortung auf den Dritten – an der es typischerweise fehlen wird – die Möglichkeit einer Substitution eröffnen. Die Rechtsprechung lässt hierfür etwa Klauseln, wonach der Baubetreuer berechtigt ist, namens und auf Rechnung des Bauherrn einen Dritten mit der Wahrnehmung der technischen Betreuungsleistungen zu betrauen, nicht genügen. Denn aus ihnen geht nicht eindeutig genug hervor, dass die Verantwortung auf den Dritten übergehen soll. Die gebotenen Unterscheidung, ob der Baubetreuer die Verantwortlichkeit auf einen Dritten überwälzen darf oder lediglich zur Zuziehung von Gehilfen berechtigt ist, muss eindeutig zu treffen und insofern erkennbar sein3483, welche Rechtsfolge gewollt ist. Ausgangspunkt ist dabei (wie auch § 309 Nr. 10 BGB deutlich macht), dass der Bauherr dem Architekten typischerweise keine Substitutionsbefugnis einräumen will. Vor diesem Hintergrund spielt die Frage der Substitution in der Praxis kaum eine Rolle.

cc) Deutsches Arzthaftungsrecht Da sich die Auslegung des vertraglichen Versprechens des Arztes nach deutschem Recht im Ergebnis nicht von den gerade für das englische Recht angestellten Überlegungen unterscheidet, wird man auch hier meist nicht zu einer Pflichtenübertragung, sondern zu einer Trennung der Pflichtenkreise gelangen3484. Insofern kann und wird regelmäßig die Überweisung des Patienten an ein anderes Fach, zu der der Arzt bei einer fachlichen Überforderung verpflichtet ist3485, die eigene Behandlungsaufgabe vertraglich beschränken, wo sie eigene Vertrags- (und Honorar-)Beziehungen des Patienten zu dem Kollegen eröffnet, für den Patienten also als wirkliche Überweisung in fremde Hände offenbart wird3486. Häufig schulden vor diesem Hintergrund mehrere unterschiedliche Personen jeweils einen Teil der Behandlung, sodass sich u.a. das Problem stellt, derartige Situationen zu identifizieren. Dies soll nachfolgend skizzenhaft geschehen.

3482

Vgl. OLG Saarbrücken, NZM 1999, 527. Vgl. OLG Saarbrücken, NZM 1999, 527. 3484 Vgl. S. 556. 3485 Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 34. 3486 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 71 m.w.N. 3483

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

II.

541

Die Differenzierung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit nach Pflichtenkreisen

Auszugehen ist hierbei von der bereits dargelegten Vertragsgestaltung3487, sodass vorliegend nur noch auf typische Abgrenzungsfragen einzugehen ist.

1.

Die Differenzierung der Verantwortlichkeit nach englischem Recht

a)

Arzthaftung

Wenden wir uns insoweit zunächst der Arzthaftung zu, ist festzustellen, dass Abgrenzungsprobleme hinsichtlich zu trennender Pflichtenkreise vor allem im Rahmen einer Behandlung in Krankenhäusern und Kliniken bestehen.

aa) Getrennte Pflichtenkreise Hier hängt die dogmatische Natur der Verantwortlichkeit des Krankenhauses nämlich ggf. davon ab, ob der Arzt als Arbeitnehmer des Krankenhauses gilt. Für einen durch Arbeitnehmer im Rahmen der Durchführung ihres Arbeitsvertrages verantworteten tort haftet der Arbeitgeber – jedenfalls deliktisch, daneben aber auch vertraglich3488 –, ohne dass es auf mangelnde Sorgfalt des Arbeitgebers ankommt3489, sofern (1.) ein Arbeitnehmer (2.) bei der Durchführung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten (3.) irgendeinen3490 tort begeht3491. Die Erfüllung der zweiten und dritten Voraussetzung bereitet zumeist keine Probleme. Ein Arzt wird sogar noch dort im Rahmen „der Durchführung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten“ handeln, wo er den Patienten vorsätzlich und rechtswidrig verletzt (battery) oder einsperrt (false imprisonment), z.B. da, wo er im Rahmen der Behandlung gegenüber einem unmündigen Patienten (incompetent patient) in unangemessener Weise Gewalt oder Zwang anwendet3492. Nur für ganz unerhörte, nicht durch die Behandlung veranlasste Verhaltensäußerungen – ein Pfleger schlägt den Patienten – ist der Arbeitgeber nicht verantwortlich3493. 3487

Vgl. oben ab S. 34. So für das Arbeitsrecht Lister v Romford Ice and Cold Storage Co Ltd [1957] AC 555 (HL); Matthews v Kuwait Bechtel Corporation [1959] 2 QB 57 (CA); näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 406. 3489 Vgl. Jones, Negligence, § 7–002 und § 7–014. 3490 Für die vicarious Liability (Hilfspersonenhaftung) des Krankenhauses spielt die Frage, welches Delikt begangen wurde, keine Rolle, vgl. Grubb, in ders., Principles, § 8.03 m. Fn. 20. 3491 Grubb, in ders., Principles, § 8.03. 3492 Grubb, in ders., Principles, § 8.03. 3493 Vgl. Keppel Bus Co v Sa’ad bin Ahmad [1974] 1 WLR 1082 (PC) wo ein Busfahrer einen Fahrgast geschlagen hatte. Der Privy Council entschied hier, es habe sich nicht um eine Tätigkeit „in course of the employment“ gehandelt, obgleich es die Aufgabe des Busfahrers 3488

542

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Problematisch war und ist jedoch bisweilen die Arbeitnehmereigenschaft des Handelnden3494: Zum einen wurde die Belegschaft eines Krankenhauses bei der Ausübung ihrer professionellen Fähigkeiten nicht als Arbeitnehmer qualifiziert3495. Anders ist ernsthaft erst in Gold v Essex County Council entschieden worden3496. Insofern ist es möglich, dass der Arzt bei einer Klinik bzw. deren Trägergesellschaft als Arbeitnehmer angestellt ist. Denkbar ist jedoch auch ein Tätigwerden als independent contractor (unabhängiger Auftragnehmer)3497. In diesem Fall kommt eine Haftung des Krankenhauses als „Arbeitgeber“ nur in Betracht, falls es den behandelnden Arzt fälschlich als seinen Arbeitnehmer ausgegeben hat3498. Sofern die Grundsätze der Arbeitgeberhaftung eingreifen, ist für den Patienten – ebenso wie bei einer ausschließlich im Rahmen des NHS erfolgenden Behandlung3499 – unerheblich, wem der haftungsrelevante Fehler unterläuft, denn “in each case the first task is to discover the extent of the obligation assumed by the person whom it is sought to make liable. Once this is discovered, it follows of necessity that the person accused of a breach of the obligation cannot escape liability because he has employed another person, whether a servant or agent, to discharge it on his behalf, and this is equally true whether or not the obligation involves the use of skill.”3500 Schwierigkeiten kann die Identifikation des Anspruchsgegners dem Patienten allerdings bereiten, wenn er – wie häufig – mit einem bestimmten Arzt, etwa einem bestimmten Chirurgen, und einem Krankenhaus jeweils separate Verträge geschlossen hat und der Arzt nicht Hilfsperson des Krankenhauses ist, sodass dieses nicht nach den Grundsätzen der vicarious liablity für dessen Fehlleistungen haftet3501. Denn

sei, die Ordnung im Fahrzeug zu bewahren. Denn einer derartigen Eskalation habe es in der konkreten Situation unter keinen Umständen bedurft. Vgl. ferner Vasey v Surrey Free Inns [1996] PIQR 373 (distinguished). Vgl. allgemein zu dieser Thematik Rose, (1977) 40 MLR 420 ff. sowie – zu einer Diskussion des „scope of employment“ – Lister and Others v Hesley Hall Ltd [2002] 1 AC 215, 224 ff. per Lord Steyn, 231 ff. per Lord Clyde, 240 ff. per Lord Hobhouse of Woodbrough, 243 ff. per Lord Millet (HL). 3494 Grubb, in ders., Principles, § 8.03; vgl. dazu Dugdale/Stanton, Negligence, § 22.07 ff. 3495 Hillyer v Governors of St. Bartholomew’s Hospital [1909] 2 KB 820, 825 ff. per Farwell LJ, S. 829 f. per Kennedy LJ (CA). Vgl. zuvor bereits Evans v Mayor & Corporation of Liverpool [1906] 1 KB 160, 166 f. per Walton J (HC). 3496 Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 308 f. per MacKinnon LJ, 312 f. per Goddard LJ (CA); ferner Cassidy v Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 361 f. per Denning LJ und Roe v Minister of Health [1954] 2 QB 66, 82 per Denning LJ, S. 91 per Morris LJ (CA). 3497 Zu einer Qualifikation der manchmal problematischen Fälle von „borrowed“, „visiting“ und „agency staff “ s. Grubb, in: ders., Principles, §§ 8.08 f. 3498 Jones, Negligence, § 7–012. 3499 Vgl. dazu Jones, Negligence, § 4–056. 3500 Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 301, 304 per Lord Greene MR (CA). 3501 Vgl. zur Hilfspersonenhaftung grundsätzlich Schmidt-Kessel, Standards, S. 405 ff.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

543

normalerweise haftet auch der Arzt in dieser Fallkonstellation nicht für die Fehlleistungen des Hilfspersonals3502: “I think it is well-established as a matter of law that the resident medical officers in a hospital of this kind, and the nursing staff, are not the agents of a specialist surgeon who comes and performs an operation of this kind, at any rate in so far as they are performing the ordinary routine duties which have to be carried out at a hospital of this kind. The very reason for a patient’s entering a hospital of this kind – and it is inherent in the arrangements that he makes with the specialist – is that he will go somewhere where he will receive nursing attention, and where he will also receive some attention from the resident medical officers in the hospital. No authority has been cited to me for the proposition that, ordinarily speaking, apart from any special contract …, a surgeon is responsible for what I call the ordinary routine acts of the resident medical officers or the nursing staff in a hospital, in a case of this kind.”3503

bb) Pflichten beim Tätigwerden in getrennten Pflichtenkreisen Im Fall einer Trennung der Pflichtenkreise bei der Behandlung im Krankenhaus kann ein Vertragsbruch vor allem in der Verletzung von Kommunikations-, Prüfungs- und Abstimmungspflichten – kurz: Organisationspflichten – des Krankenhauses liegen, nicht aber ist der eine Arzt insoweit im Rahmen einer non-delegable duty für den anderen verantwortlich. Auch die Verpflichtung, ein angemessen effizientes Kommunikationssystem vorzuhalten, besteht jedoch nur im Rahmen dessen, was der Einsatz angemessener Sorgfalt gebietet. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der jeweilige medizinische Dienstleister Fehlleistungen grundsätzlich nur in seiner eigenen Verantwortlichkeitssphäre angemessen sorgfältig vermeiden muss3504. So darf ein Hausarzt, dem von einem Krankenhaus die Resultate eines Bluttests zugesandt werden, z.B. davon ausgehen, dass die dort behandelnden Ärzte sich dieser Resultate bewusst sind, und dass sie diese bei der Eruierung der Symptome des Patienten berücksichtigen. Es ist insoweit nicht Aufgabe des Hausarztes, die Krankenhausaufzeichnungen durchzugehen, um zu überprüfen, ob das Krankenhaus auch das getan hat, was es hätte tun sollen3505. Warn- und Hinweispflichten bezüglich vertragswid3502

Das Hilfspersonal selbst haftet allerdings losgelöst davon, ob es auf Anweisung eines Arztes handelt, analog den für solicitors und Architekten entwickelten Grundsätzen deliktisch für alle Fehlleistungen, die es nach eigenem Sachverstand hätte vermeiden können, Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 313 per Goddard LJ (CA). 3503 Morris v Winsbury-White [1937] 4 All ER 494, 497 f. per Tucker J (HC); Jones, Negligence, § 4–057. 3504 Zu krankenhausinternen Kommunikationsfehlern vgl. Robertson v Nottingham Health Authority [1997] 8 Med LR 1 per Brooke LJ (CA, lexis, dort unter dem Titel: Re R (a minor)). 3505 Weir v Graham [2002] EWHC 2291 Tz. 54 ff. per Evans J (HC, lexis); vgl. zur Abgrenzung von Verantwortlichkeitsspähren auch Thompson v Blake-James [1998] PIQR P286, P294 per

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

riger Leistungen Dritter bestehen nämlich nur in engen Grenzen und zwar vor allem, wenn vernünftigerweise von einer Beaufsichtigung durch den jeweiligen Dienstleister ausgegangen werden kann3506, was regelmäßig nur innerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs der Fall sein wird. So haftet ein Arzt seinem Patienten z.B., sofern er weiß oder vernünftigerweise wissen müsste, dass ein Angehöriger des Operationsteams (z.B. die OP-Schwester oder der Anästhesist) den Patienten durch sein Verhalten einem Risiko aussetzt, aber gleichwohl keine Schritte unternimmt, um die Risikorealisierung zu vermeiden3507. Denn vor diesem Hintergrund haftete der den behandelnden (jungen) Arzt beaufsichtigende registrar (≈ Oberarzt) in der Sache Wilsher v Essex Area Health Authority, als er nicht bemerkte, dass dieser den Katether nicht in eine Arterie, sondern in eine Vene eingeführt hatte3508. Diese Grundsätze dürften – u.U. parallel zur Rechtsprechung bezüglich der Grenzen des Vertrauens in die Rechtsauffassung des barristers erweitert – auch zwischen Ärzten verschiedener Fachrichtungen entsprechend anwendbar sein. Dies verdeutlicht die Entscheidung Tanswell v Nelson im Hinblick auf das Vertrauen auf die Auskunft eines „Spezialisten“3509. McNair J entschied hier, dass ein Zahnarzt sich auf die Auskunft eines Allgemeinmediziners über das Ansprechen einer Patientin auf die Behandlung mit Antibiotika verlassen dürfe, es sei denn, dessen Angaben seien mit den dem Zahnarzt erkennbaren Tatsachen klarerweise unvereinbar3510. In der Einschränkung, dass die Angaben des Spezialisten „clearly“ mit anderen Daten unvereinbar sein müssen, findet sich eine Parallele zur Anwalts- und Architektenhaftung. Dort ist es für den Dienstleister ebenfalls nicht zulässig, „to rely blindly on the expert, with no mind of his own, on matters which must or should have been apparent to him“3511. Die Nähe der arzthaftungsrechtlichen Rechtsprechung zur Rechtsprechung im Anwaltshaftungsrecht wird in der Literatur durchaus gesehen3512.

Bedlam LJ, S. P296 per Gibson LJ, S. P298 per Waller LJ (Beratung in dem Wissen, dass endgültige Entscheidung über eine Impfung erst nach Hinzuziehen eines anderen Arztes erfolgt). 3506 Vgl. Jones (Fn. 2), §§ 4–048, 4–058. 3507 Jones, Negligence, § 4–058. 3508 Wilsher v Essex Area Health Authority [1987] QB 730, 758 per Mustill LJ, S. 774 per Glidewell LJ, S. 779 per Sir Browne-Wilkinson V-C (CA). 3509 Vgl. dazu auch Junor v McNicol, The Times, 26 March 1959 (zit. nach Jones, Negligence, § 3–079 m. Fn. 87). Das House of Lords wies in dieser Sache die Klage gegen einen Assistenzarzt ab, weil dieser bei seinem Vorgehen den Anweisungen des hinzugezogenen Orthopäden gefolgt war. 3510 Tanswell v Nelson, The Times, 11 February 1959 (zit. nach Jones, Negligence, § 3–079 m. Fn. 87). 3511 Investors in Industry Commercial Properties Ltd v South Bedfordshire District Council (Ellison and Partners (a firm) and others [1986] QB 1034 per Slade LJ (CA, lexis, in [1986] QB 1034 nicht abgedruckt). 3512 Vgl. etwa Jones, Negligence, § 3–079 m. Fn. 87.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

545

cc) Exkurs: Die Beauftragung privater Dienstleister durch den NHS Im Rahmen des Tätigwerdens in getrennten Pflichtenkreisen stellt sich in der englischen Praxis vor allem das Problem, ob gegenüber dem Patienten auch dann vom Vorliegen einer non-delegable duty ausgegangen werden kann, wenn eine Privatklinik bzw. ein unabhängiger Arzt von einer NHS-Institution vertraglich zur Behandlung von NHS-Patienten engagiert werden3513.

(1)

Qualifikation des Vertrages zwischen NHS und Dienstleister

Dabei ist zunächst klarzustellen, dass Verträge zwischen NHS-Institution und privatem Medizindienstleister „gewöhnliche“ Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen sind, die vor Gericht durchgesetzt werden können. Es handelt sich nicht um sog. „NHS-contracts“3514, da private Krankenhäuser und Ärzte keine „health service bodies“ i.S.d. s. 4 National Health Service and Community Care Act 1990 sind3515. Der Vertragsinhalt muss allerdings – insoweit unterscheiden sich die in Rede stehenden Verträge doch von „gewöhnlichen“ Verträgen – gesetzlichen Mindeststandards entsprechen3516.

(2)

Vertragliche Rückgriffshaftung des NHS?

Während also zwischen NHS und privatem Dienstleister ein Vertrag zustande kommt, bleibt der Patient ohne vertraglichen Anspruch, soweit die Möglichkeiten des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 nicht genutzt werden, was bislang 3513

3514 3515

3516

Das Bedürfnis auf Seiten der NHS-Dienstleister nach einer derartigen Unterstützung durch Private ist – ebenso wie die praktische Bedeutung der Problematik – groß und ansteigend, näher dazu und zur Reaktion der Politik Newdick, Treat, S. 231 ff. Newdick, Treat, S. 233. Die Möglichkeit, derartige „gewöhnlichen“ Dienstleistungsverträge abzuschließen, ist dem Gesundheitsministerium im Verhältnis NHS-Institution zu Privatinstitution bzw. -arzt durch s. 23(1) National Health Care Act 1977 ausdrücklich eröffnet. So dürfen Verträge über die Bereitstellung von Personal (Ärzte und Pflege), Gebäuden, Waren, Material etc. mit Privaten geschlossen werden, s. 23(2), (3) National Health Care Act 1977. Private Erbringer von medizinischen Dienstleistungen an die Öffentlichkeit werden – losgelöst von der Frage, ob sie innerhalb einer NHS-Behandlung tätig werden – von staatlicher Seite durch die Commission for Social Care Inspection und die Commission for Healthcare Audit and Inspection (CHAI) überwacht, die detaillierte Verhaltensmaßregeln für die Behandlung durch Private aufgestellt hat, die z.B. die Erstellung von Richtlinien zur Aufklärung des Patienten über die Grundlagen der ihn betreffenden Behandlung, Qualitätsüberwachung usw. fordern. Rechtsgrundlage für die Schaffung der vorgenannten Commissions ist der Health and Social Care (Community Health and Standards) Act 2003, der in s. 52(6)(b) die NHS-Patienten betreffend auch ein Zutrittsrecht zu Privatkliniken für die CHAI vorsieht, Newdick, Treat, S. 233.

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

546

nicht ersichtlich ist. Vertragliche Ansprüche kommen insofern nur für die jeweilige NHS-Körperschaft (und zwar im Wege des Rückgriffs) in Betracht, wenn und soweit sie vom Patienten wegen Fahrlässigkeit des privaten Dienstleisters in Anspruch genommen wird. Nach der in der Literatur befürworteten Position des Gesundheitsministeriums soll dem NHS dann ein entsprechender Schadensersatzanspruch zustehen3517.

(a)

Nachlässige Auswahl

Die Haftung des NHS kommt – als Vorbedingung einer Rückgriffshaftung – unter zwei Aspekten in Betracht: Zunächst kann der NHS dem geschädigten Patienten wegen nachlässiger Auswahl eines ungeeigneten Behandlungssubjekts aus dem tort of negligence haften3518. War die Auswahl aber nicht zu beanstanden, fragt sich, ob der NHS auch in diesem Fall ein Fehlverhalten des Privaten verantworten muss oder ob die Haftung allein auf den privaten Dienstleister selbst beschränkt bleibt.

(b)

Haftung des NHS für independent contractors?

Die Regeln über die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht anwendbar3519 und auch eine Übertragung der Regeln über eine non-delegable duty des Krankenhauses3520 scheidet nach verbreiteter Auffassung aus: Zunächst – wird zur Begründung vorgetragen – scheinen die Ärzte in den zugrunde liegenden Entscheidungen stets Arbeitnehmer gewesen zu sein3521, sodass die Frage der Haftung für independent contractors vielleicht noch nicht zwingend präjudiziert ist3522. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Behandlung vorliegend – anders als 3517

Treating more Patients and Extending Choice – Overseas Treatment for NHS Patients (Department of Health, 2002) § 6.3, zit. nach Newdick, Treat, S. 235 m. Fn. 26, der zustimmt. 3518 Vgl. Newdick, Treat, S. 235. 3519 Rivers v Cutting [1982] 1 WLR 1146, 149 f. per Fox LJ (CA); Charlesworth/Percy, Negligence, § 2–279 f. Eine derartige Haftung kommt insofern allenfalls ausnahmsweise dann in Betracht, wenn das deliktische Verhalten des Dienstleisters durch den Auftraggeber ausdrücklich gestattet oder wissentlich stillschweigend geduldet wurde, vgl. Charlesworth / Percy, Negligence, § 2–281. 3520 Vgl. insbesondere Lord Denning in Cassidy v Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 365 (CA); Jones v Manchester Corporation [1952] 2 All ER 125, 132 (CA); Roe v Minister of Health [1954] 2 QB 66, 82 (CA) und darüber hinaus Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 301 per Lord Greene MR (CA). 3521 Es handelt sich insoweit um Fälle, bei denen die primäre Haftung – dogmatisch eigentlich die Domäne der independent contractors – neben die sekundäre arbeitnehmerbezogene Haftung getreten ist. Zu der wichtigen Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Haftung vgl. ab S. 567. Zu dem vorstehend umschriebenen Phänomen allgemein SchmidtKessel, Standards, S. 408.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

547

in den vorgenannten Entscheidungen – in privaten Kliniken stattfinde und nicht im Herrschaftsbereich der beklagten Health Authority3523. Dem wurde zwar in M v Calderdale & Kirkless HA entgegengehalten, dass es darauf nicht ankommen könne, da ansonsten den Patienten, die nicht in einer NHS-Einrichtung behandelt würden, die Haftung aus dem tort of negligence verloren gehe, die ihnen andernfalls offenstünde3524. Dieses Argument wurde jedoch jüngst in A v Ministry of Defence vom Court of Appeal ausdrücklich zurückgewiesen3525: M v Calderdale weite den Anwendungsbereich der non-delegable duty insoweit aus, ohne dass dafür im konkreten Fall überzeugende policy-Argumente3526 vorgetragen worden seien. Eine Haftung des NHS für independet contractors dürfte vor diesem Hintergrund zwar nicht gerade ausgeschlossen sein, kann aber zunächst nur für Nachlässigkeit des NHS bei der Auswahl des Dienstleisters in Betracht kommen3527.

b)

Architektenhaftung

aa) Grundsatz Im Rahmen der Architektenhaftung ist im hier untersuchten Zusammenhang paradigmatisch an die Aufgabenteilung zwischen Architekt und clerk of works zu denken: Bei größeren und komplexeren Projekten wird neben einem Architekten regelmäßig noch ein sog. clerk of works engagiert, der für die Überprüfung von Details zuständig sein soll, während sich der Architekt auf die übergreifenden und zentralen Aspekte konzentriert3528. Schwierigkeiten bereitet – wie nicht anders zu erwarten – die Abgrenzung dieser Aufgaben- und Verantwortungsbereiche, die praktisch vor allem deshalb wichtig ist, weil der Architekt – soweit er den clerk of works nicht ausnahmsweise im eigenen Namen engagiert hat – sich dessen Fehlleistungen für gewöhnlich nicht zurechnen zu lassen braucht3529. Insoweit kommt es wiederum auf eine wertende Betrachtung im Einzelfall an, wobei sich der Architekt in diesem Zusammenhang 3522

Vgl. Newdick, Treat, S. 236. So A v Ministry of Defence and Guys and St Thomas’s Hospital NHS Trust [2005] QB 183, 203 per Lord Phillips of Worth Matravers MR. 3524 M v Calderdale and Kirkless Health Authority [1998] Lloyd’s Rep Med 157 per Garner J (CC die relevante Passage ist wiedergegeben in A v Ministry of Defence and Guys and St Thomas’s Hospital NHS Trust [2005] QB 183, 198 f. (CA)); zustimmend wohl Charlesworth/Percy, Negligence, § 2–290. 3525 A v Ministry of Defence and Guys and St Thomas’s Hospital NHS Trust [2005] QB 183, 203 per Lord Phillips MR. 3526 Erörtert wurden insbesondere (scheinbar) günstigere Klagemöglichkeiten bei unzulänglicher medizinischer Behandlung im Ausland. 3527 Zu dieser Haftungsgrundlage bei der primären Haftung für independent contractors vgl. ab S. 567. 3528 Jackson/Powell, Negligence, § 8–244. 3529 Vgl. Victoria University of Manchester v Hugh Wilson & Lewis Womersley (a firm) (1984) 2 Con LR 43 per Judge Newey QC (HC, lexis); Jackson/Powell, Negligence, § 8–245. 3523

548

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

nicht (vollständig) durch eine Delegation der Durchführung ihm obliegender Aufgaben an den vom Bauherrn engagierten clerk of works entlasten kann3530. Vergleichbares gilt – lässt man bestehende Überwachungspflichten des Architekten insoweit einmal unberücksichtigt – für die Arbeitsteilung zwischen Architekt und sonstigen von dem Auftraggeber engagierten Dritten, soweit sich die Aufgabenkreise nicht überschneiden. Denn in diesem Fall, d.h. bei Vorliegen separater Versprechen über dieselbe Leistung3531, ist der Architekt ebenso wie der Dritte verantwortlich.

bb) Warn- und Hinweis- sowie Vorsorgepflichten hinsichtlich vertragswidriger Leistungen Dritter Losgelöst hiervon bildet auch die Leistung von Personen, die nicht der Architekt, sondern der Gläubiger in die Vertragsdurchführung eingeschaltet hat, u.U. einen Auslöser für Pflichten des Architekten, was bedeutet, dass der Architekt auch diese ggf. sorgfältig im Auge behalten muss.

(1) Warn- und Hinweispflichten In Fällen, in denen ein Teil des Designs durch vom Gläubiger engagierte sub-contractors bereitgestellt wurde, treffen den Architekten insoweit vor allem Überwachungs- und Bewertungspflichten. Ingenieure bzw. Architekten hafteten hier entweder, weil sie auf Designdefekte nicht aufmerksam wurden und ihren Vertragspartner auch nicht hinreichend3532 auf die entsprechenden Defizite aufmerksam machten3533. Freilich kommt es auch insoweit stets auf die konkreten vertraglichen Vorgaben an3534. Insofern wird man den konkreten Vertrag auszulegen und ggf. per implication zu ergänzen haben. Dies ist auch dann möglich, wenn der Vertrag nach cl. 3.6 der RIBA-Bedingungen vorsieht, dass “[w]here the client employs the consultants, either directly or through the agency of the architect, the client will hold each consultant, and not the architect, 3530

Kensington and Westminster and Chelsea Area Health Authority v Wettern Composites Ltd and Ohters (1984) 1 Con LR 114 per Judge Newey QC (HC, lexis); vgl. auch Scott Wilson Kirkpatrick v Ministry of Defence (1999) 73 Con LR 52, Tz. 34 f. per Mance LJ (CA, lexis). 3531 Zu den sich insoweit ergebenden Abgrenzungsfragen vgl. allgemein Treitel, Contract, S. 568 f. 3532 Vgl. Plant Construction plc v Clive Adams Associates and another (No 2) (1999) 69 Con LR 106 per May LJ (CA) mit breiter professionsübergreifender Diskussion instanzgerichtlicher Entscheidungen zu dieser Thematik im Bausektor. 3533 Vgl. Try Build Ltd v Invicta Leisure Tennis Ltd (2000) 71 ConLR 140 (lexis); Emden/Redmond-Cooper, § IV–1125. 3534 Chesham Property Ltd v Bucknall Austin Project Management Services Ltd (1996) 53 Con LR 1, Tz. 83 per Judge Hicks QC (HC); Plant Construction plc v Clive Adams Associates and another (No 2) (1999) 69 Con LR 106 per May LJ (CA).

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

549

responsible for the competence, general inspection and performance of the work entrusted to that consultant”3535. Denn dass der Vertrag vorsieht, dass der Architekt für Kompetenz, allgemeine Überwachung und die Durchführung der dem jeweiligen „consultant“ übertragenen Aufgaben nicht verantwortlich ist, steht einer entsprechenden Vertragsauslegung bzw. -ergänzung nicht grundsätzlich entgegen3536. Für sie kann insbesondere die Verpflichtung sprechen, den Bauprozess zu beobachten. Denn obwohl dies nicht explizit die Beaufsichtigung anderer Dienstleister einschließt, wird man Entsprechendes gleichwohl annehmen müssen, „[because ] there is not much point in reporting on failures to meet time and cost targets or to maintain due progress of the works if the reports do not attempt to identify the causes of those failures“3537.

(2)

Vorsorgepflichten

Denkbar ist allerdings u.U. auch eine Verpflichtung, entsprechenden Defekten vorzubeugen. Für Architekten ist dies z.B. (im deliktischen Kontext) in der Sache Baxall Securities Ltd v Sheard Walshaw Partnership entschieden worden, in der die Kläger eine Industrieanlage gemietet hatten, die von den beklagten Architekten konstruiert worden war. An zwei Tagen mit starkem Regenfall erwies sich das Dach der Anlage als undicht, was zu einer Beschädigung des eingelagerten Eigentums der Kläger führte und auf eine fehlerhafte Konstruktion der Regenablaufrinnen zurückzuführen war. Die Ablaufrinnen, die von einem dritten sub-contractor konstruiert worden waren, besaßen zum einen ein zu geringes Fassungsvermögen, zum anderen fehlte es ihnen an Überläufen. Das Gericht ging davon aus, dass die Angebote potentieller sub-contractors typischerweise eine geringe Regenmenge zugrunde legen würden, um ihr Angebot möglichst günstig zu halten. Dieser Gefahr für die Realtauglichkeit der Abflussanlage hätten die Architekten durch spezifische Angaben über das erwartete Fassungsvermögen in der Ausschreibung der Designarbeiten begegnen müssen3538.

3535

Zitiert nach Chesham Property Ltd v Bucknall Austin Project Management Services Ltd (1996) 53 Con LR 1, Tz. 76. 3536 Chesham Property Ltd v Bucknall Austin Project Management Services Ltd (1996) 53 Con LR 1, Tz. 80 per Judge Hicks QC (HC, lexis). 3537 Chesham Property Ltd v Bucknall Austin Project Management Services Ltd (1996) 53 Con LR 1, Tz. 81 per Judge Hicks QC (HC, lexis). 3538 Baxall Securities Ltd v Sheard Walshaw Partnership (a firm) (2001) 74 Con LR 116 Tz. 86 per Judge Bowsher QC (HC, lexis). Die Entscheidung ist unter diesem Gesichtspunkt vom Court of Appeal nicht kritisiert worden, vgl. Baxall Securities Ltd v Sheard Walshaw Partnership (a firm) [2002] Lloyd’s Law Rep PN 231 (lexis).

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

550

c)

Anwaltshaftung

Im Rahmen der Anwaltshaftung ergeben sich im vorstehenden Zusammenhang keine typischen Abgrenzungsprobleme. Für die Aufgabenteilung zwischen barrister und solicitor ist vielmehr seit jeher geklärt, dass keiner von beiden im Pflichtenkreis des jeweils anderen tätig wird. Gleiches gilt umgekehrt auch für die Arbeitsteilung zwischen country solicitor und town agent usw.: Hier ist seit jeher klar, dass der Vertreter jeweils im Pflichtenkreis des Vertretenen tätig wird. Nicht endgültig geklärt3539 ist demgegenüber die Frage, wie der solicitor für mangelnde Sorgfalt ausländischer Anwälte haftet, die er im Namen des Mandaten als Berater in den materiell-rechtlichen und prozessualen Fragen ihres Heimatrechts engagiert hat. Wichtig ist für den solicitor in dieser Konstellation, wie die Entscheidung Gregory v Shepherds demonstriert, jedenfalls, sich in Form einer eindeutigen Stellungnahme versichern zu lassen, dass die ausländischen Anwälte ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen sind. In dieser Entscheidung hatten die Beklagten im Namen des Klägers spanische Anwälte engagiert, die sie wiederholt als „ihre“ Korrespondenzanwälte in Spanien bezeichneten. Diese sollten sicherstellen, dass die materiellen und verfahrensrechtlichen Anforderungen des spanischen Rechts für den Erwerb eines Grundstücks in Spanien durch den Kläger erfüllt waren und dem Kläger eine vollumfängliche Rechtsposition am Grundstück verschaffen. Der Kläger wiederum hatte ursprünglich allein die Beklagten, die erklärten, über einen „Spanish conveyancing service“ zu verfügen, engagiert, um ihm bei dem Erwerb dieses Grundstücks behilflich zu sein. Die – vermittelt über die Beklagten – beauftragten spanischen Anwälte übersahen eine auf dem Grundstück liegende Belastung. Der mit dem Grundstück aus anderen Gründen im Nachhinein unzufriedene Kläger konnte es wegen dieser Belastung nur zu einem deutlich geringeren Preis weiterveräußern. Zur Frage des Vertragsbruchs der englischen solicitors führte Morritt LJ aus: “… the reasonably careful solicitor in England does not, in the circumstances of this case, pay over his clients’ money to the vendor without first obtaining specific confirmation that the searches he instructed the foreign lawyer to carry out have been satisfactorily completed … Nor, in my view, does the reasonably careful English solicitor pay over his clients’ money, not to the clients’ foreign solicitor, but to the foreign vendor, if his specific question whether it is in order to make the payment has not been specifically and unequivocally answered by the foreign lawyer. In the light of the fact that Sr Ivars had never confirmed that he had carried out the requisite searches nor that they did not disclose any incumbrance, it was exposing [the plaintiffs ] to an entirely unjustified risk to rely on an implication only.”3540 Die argumentativen Parallelen zum reasoning in Edward Wong sind offensichtlich3541. Daraus wird man schließen dürfen, dass auch bei der Beteiligung ausländischer Anwälte die allgemeinen Grundsätze Anwendung finden: 3539 3540

Vgl. auch Watson, Litigation, § 2.74; Billins, Solicitors, § 5–04. Gregory v Shepherds [2000] PNLR 769, 780 f.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

551

Zunächst ist zu fragen, wozu sich der solicitor vertraglich verpflichtet hat, d.h. ob er – wie in Gregory – die Zusammenarbeit nur im Namen des Mandanten herstellt oder aber im eigenen Namen ausländische Anwälte als Mitarbeiter engagiert. Liegt die erste Konstellation vor, ist in einem nächsten Schritt festzustellen, was angesichts dessen vernünftigerweise von ihm verlangt werden kann. Dabei muss der solicitor, wie es scheint, erkennbare Risiken – wie sonst (im Rahmen des Bolam-Tests) auch – so weit, wie es mit angemessenem Aufwand möglich ist, meiden. Dies bedeutet u.a.: Wenn er auf die Frage, ob der ausländische Anwalt seinen vertraglichen Pflichten nachgekommen ist, keine oder lediglich eine ausweichende Antwort erhält, darf er nicht so verfahren, als sei seine Frage eindeutig positiv beantwortet worden. Eine entsprechende Nachfrage wird man dem solicitor, wie Morritt LJ im konkreten Fall zu Recht feststellt, im Übrigen wohl stets zumuten können. Ob die Grundsätze über die Hilfspersonenhaftung in der zweiten Konstellation modifiziert werden müssen, ist gerichtlich derzeit hingegen noch nicht geklärt.

2.

Die Differenzierung der Verantwortlichkeit nach deutschem Recht

a)

Rechtsanwaltshaftung

Betrachten wir nun dieselbe Situation aus der Perspektive des deutschen Anwaltshaftungsrechts, lassen sich durchaus Parallen erkennen: Werden mehrere Anwälte nacheinander tätig, haftet jeder aus seinem eigenen Mandatsverhältnis, sodass zwar Organisationspflichten3542, aber an sich keine Abgrenzungsprobleme bestehen. Denn beide Anwälte führen hier rechtlich selbständige Mandate aus, sodass keiner der Anwälte in seinem Pflichtkreis als Erfüllungsgehilfe des anderen angesehen werden kann3543. Die Situation ist hier daher grundsätzlich der zwischen solicitor und barrister im Rahmen der typischen Aufgabenteilung zwischen diesen Anwaltstypen vergleichbar3544. In einer solchen Konstellation muss der später mandatierte Anwalt die Arbeit seines Vorgängers auch grundsätzlich nicht in Frage stellen, sondern darf ein gewisses Vertrauen in eine ordnungsgemäße Mandatsbetreuung seines Vorgängers haben3545, soweit er nicht gerade zu dessen Kontrolle engagiert wird3546. Bei der pflichtgemäßen Bearbeitung ersichtliche Fehler seines Vorgängers muss er freilich, soweit dies noch möglich ist, korrigieren, worin sich eine Parallele zu den nach englischem Recht für die Beratung eines solicitors durch einen barrister geltenden Maßstäben findet3547.

3541

Vgl. dazu ab S. 257. Näher zu ihnen z.B. Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 65. 3543 BGH, NJW 1994, 1211, 1212; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 291; Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 449. 3544 Vgl. oben ab S. 43. 3545 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 66. 3546 Vgl. zu einer solchen Konstellation sowie zu den Konsequenzen im Regressprozess gegen den Erstanwalt BGH, NJW-RR 2005, 1435 f. 3547 Vgl. hierzu ab S. 573. 3542

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

552

Entsprechendes gilt für die berechtigte Einschaltung anderer Rechtsberater oder von Spezialisten, die zu einer Beschränkung des eigenen Mandats führt3548. Eine Haftung z.B. für die Leistung des Spezialisten kommt dann nach den oben referierten Grundsätzen nicht in Betracht3549. Obwohl auch eine Überwachung des Spezialisten nicht erfolgen muss, kann es hier jedoch zu Überschneidungen kommen3550. Denn wenn der neben dem Spezialisten weiterhin eingeschaltete „allgemeine“ Anwalt Fehler oder Risiken in der Arbeit des Spezialisten entdeckt, kann sich diesbezüglich aus seinem eigenen allgemeinen Mandat eine Hinweispflicht ergeben3551. Auch hier wird der allgemeine Anwalt allerdings nicht als Erfüllungsgehilfe des Spezialisten tätig oder umgekehrt3552. Diese Konsequenz tritt – wie erörtert – vielmehr nur ein, sofern die Übertragung an den Spezialisten z.B. mangels Zustimmung des Mandanten unwirksam war3553.

b)

Architektenhaftung

aa) Grundsatz Auch im Rahmen der Architektenhaftung sind typische Fallgestaltungen erkennbar, in denen ein nebeneinander Arbeiten in getrennten Pflichtenkreisen von Überschneidungen verschiedener Pflichtenkreise anhand der jeweils übernommenen Aufgabe zu differenzieren ist3554: Der planende Architekt und der Bauunternehmer haben – entsprechend der vertraglichen Ausgangslage3555 – in der Regel zunächst getrennte Pflichtenkreise: Während der Bauunternehmer sich zur mangelfreien Errichtung des Bauwerks verpflichtet, schuldet der Architekt nicht das Bauwerk selbst als körperliche Leistung, sondern nur die Planung sowie alle weiteren intellektuellen Leistungen, die der Errichtung des Bauwerks dienen3556. Gleiches gilt, wenn der Auftraggeber mit Architekt und Sonderfachmann, etwa einem Bodengutachter, getrennte Verträge abgeschlossen hat: Der Sonderfachmann ist in diesem Fall weder Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers im Verhältnis mit dem Architekten, noch ist es der Architekt im Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Sonderfachmann3557. Etwas anderes soll nach der Rechtsprechung des BGH allerdings im Verhältnis des Auftraggebers zum bauleiten3548

Zur Haftung bei vom Anwalt nicht korrigierten Fehlern des Gerichts s. BGH, NJW 2010, 73, 74. 3549 Vgl. ab S. 519; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 67. 3550 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 67. 3551 BGH, NJW-RR 2001, 201, 202; BGH, MDR 2001, 1444 (Steuerberater). 3552 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 67. 3553 Vgl. oben ab S. 538. 3554 Zu der hiervon zu unterscheidenden Frage nach dem Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses zwischen mehreren am Bau Beteiligten vgl. Vorwerk, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 20 Rn. 28 ff.; Soergel, BauR 2005, 239 ff.; Glöckner, BauR 2005, 251 ff. 3555 Vgl. ab S. 57. 3556 Vgl. oben ab S. 140; Soergel, BauR 2005, 239, 240 f.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

553

den Architekten bezüglich des planenden Architekten gelten: Der planende Architekt sei im Verhältnis zum bauleitenden Architekten Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers3558. Erfüllungsgehilfe des bauleitenden Architekten im Verhältnis zum Auftraggeber ist er hingegen nicht. Ist dem Architekten die Bauüberwachung übertragen worden, überschneiden sich die dort von ihm geschuldeten Pflichten nach der Rechtsprechung des BGH mit denen des Bauunternehmers zur Herstellung eines mangelfreien Werks. Dem Architekten obliegt jene Pflicht nämlich als erfolgsbezogenes Element seiner Bauüberwachungspflicht3559, dem Bauunternehmer als Element seiner Herstellungspflicht3560.

bb) Verantwortlichkeit für Dritte – Koordinations-, Aufsichts-, Kontroll- und Überwachungspflichten Koordination, Aufsicht, Kontrolle und Überwachung bilden als Bestandteile der Bauüberwachungspflicht die Aufgaben des Architekten, die haftungsrechtlich eine Brücke zwischen getrennten Pflichtenkreisen schlagen. Dies lässt sich beispielhaft auch an der Verantwortlichkeit des Architekten für einen nicht im eigenen Namen beauftragten3561 Sonderfachmann demonstrieren: Beauftragt der Architekt den Sonderfachmann im Namen des Bauherrn, ist der Sonderfachmann nicht Erfüllungsgehilfe des Architekten und der Architekt haftet nur für eigenes Verschulden bei Auswahl3562 und Überprüfung des Sonderfachmanns3563 sowie bei der Koordinierung seiner Leistungen bzw. der anderer Unternehmer3564. Soweit ihm die hierfür erforderliche Fachkunde fehlt, haftet der Architekt dem Auftraggeber, falls er weder auf

3557

BGH, BauR 2003, 1918, 1919 ff.; im Verhältnis des Auftraggebers zum Sonderfachmann differenzierend Glöckner, BauR 2005, 251, 270; die Vergleichbarkeit verschiedener Fallkonstellationen insoweit zu Recht klarstellend Soergel, BauR 2005, 239, 245. 3558 BGH, NJW 2009, 582, 585 m.w.N.; a.A. die bis dahin h.M., z.B. Glöckner, BauR 2005, 251, 256. 3559 Grundlegend BGHZ 31, 224, 227; zuletzt BGH, NJW-RR 2008, 260, 261 (Gesamtschuldner). 3560 Vorwerk, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 20 Rn. 31 m.w.N. 3561 Fehlt es an einer expliziten Beauftragung, wird der bauaufsichtsführende Architekt von seinen Koordinierungspflichten, z.B. der Zeitplanung nur dann entlastet, wenn diese von einem Projektsteuerer oder einem Sonderfachmann tatsächlich übernommen wird, OLG Celle, BauR 2004, 1173, 1175. 3562 OLG Köln, NJW-RR 1998, 1476, 1477. 3563 BGH, NJW-RR 2003, 1239, 1240; BGH, NJW 2001, 1276; OLG Köln, NJW-RR 1998, 1476, 1477; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 2464 f.; Vorwerk, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 20 Rn. 35; Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch, § 12 Rn. 285; Tempel, in: ders./ Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387. 3564 BGH, NJW 1972, 447, 448; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1500, 1501; Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch, § 12 Rn. 285.

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

554

eigene Kosten einen Sonderfachmann hinzuzieht noch den Auftraggeber auf mögliche Risiken hinweist3565. Noch geringer ist der Pflichtenkreis des Architekten, wenn der Bauherr, ohne den Architekten einzuschalten, selbst einen Sonderfachmann engagiert hat. In diesem Fall kommt eine Haftung nur für erkennbare Fehler von dessen Leistungen in Betracht3566. Ein Architekt kann dabei grundsätzlich dem Spezialwissen eines vom Auftraggeber beauftragten Sonderfachmanns vertrauen. Er ist aber für Fehler des Sonderfachmanns mitverantwortlich, wenn er einen Mangel in der Vorgabe bzw. Planung nicht beanstandet, obwohl er diesen nach den von einem Architekten zu erwartenden Kenntnissen hätte erkennen können3567. Zu beachten ist dabei aber, dass die Hinzuziehung des Sonderfachmanns durch den Bauherrn den Architekten nicht von seinen eigenen Pflichten entlastet: Schaltet der Bauherr also z.B. für die Beurteilung der Wasser- und Bodenverhältnisse eines Baugrundstücks einen Sonderfachmann ein, wird dadurch der Architekt nicht von seiner eigenen Verantwortung entbunden3568. Entsprechendes gilt im Rahmen der Haftung für eine nicht genehmigungsfähige Planung3569 und z.B. für den mit Planung und Baueitung beauftragten Architekten im Verhältnis zum Statiker3570. Dementsprechend wird eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen Architekten und Rechtsanwalt angenommen, wenn der dem Rechtsanwalt unterlaufene Fehler in der rechtlichen Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Planung auch vom Architekten hätte entdeckt werden müssen3571.

c)

Arzthaftung

Bei der Beantwortung der Frage, ob und ggf. wer von den an der Behandlung Beteiligten für den jeweils anderen Vertragsschuldner zur Erfüllung von dessen Vertragspflichten als Erfüllungsgehilfe tätig wird und wer darüber hinaus für ärztliches und nichtärztliches Hilfspersonal einzustehen hat, ist nach deutschem Recht wie folgt zu differenzieren3572:

3565

OLG Saarbrücken v. 24.6.2003 – 7 U 930/01 – 212, 7 U 930/01, n.v. – juris. Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 1544; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387. 3567 BGH, NZBau 2003, 567, 569; BGH, NJW 2001, 1276; OLG Bamberg, BauR 2004, 553 (LS); Vorwerk, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 20 Rn. 35, weitere Nachweise oben in Fn. 3563. 3568 OLG Hamm v. 17.3.2004 – 25 U 177/03, n.v. – juris (LS). 3569 Vgl. nur Vorwerk, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 20 Rn. 38. 3570 BGH, NJW 2007, 2262, 2263. 3571 Welche rechtlichen Kenntnisse vom Architekten erwartet werden können, ist umstritten, vgl. zum Streitstand Vorwerk, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 20 Rn. 36 f. m.w.N.; zum englischen Recht vgl. insoweit Mückl, Jahrbuch Baurecht 2007, 269, 276 ff. 3572 Eingehend, auch nach Behandlungsaufgaben differenzierend Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 54 ff. 3566

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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aa) Arbeitsteilung, insbesondere niedergelassener Ärzte Zwischen den einzelnen medizinischen Disziplinen herrscht – ähnlich wie zwischen solicitor und barrister – Arbeitsteilung3573. Bspw. können Behandlung und Diagnose aufgeteilt sein3574. Es gilt daher im Ausgangspunkt das vorstehend Gesagte: Pflichtentrennung unter Ausschluss einer Qualifikation als Erfüllungsgehilfe. Für die horziontale Arbeitsteilung (Chirurg – Anästhesist usw.) ist dagegen zunächst an die dem jeweiligen Schuldner zugewiesene Aufgabe nach Maßgabe der Fachgebietsbezeichnung, berufsständischen Vereinbarungen3575 und konkreter Rollenverteilung anzuknüpfen3576. Der BGH hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass Ärzte, die gemeinsam an einer Operation beteiligt sind, ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen3577 und so „den spezifischen Gefahren der Arbeitsteilung entgegenwirken“ müssen3578. Im Rahmen einer derart angelegten Arbeitsteilung darf sich der Arzt auf Daten, Hinweise und Behandlungen anderer Abteilungen – etwa des überweisenden Arztes (jedenfalls wenn dieser derselben Fachrichtung angehört) – verlassen, wenn sich nicht Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit zeigen3579 oder sich solche Zeifel aufdrängen3580. So darf z.B. der niedergelassene Arzt, der seinen Patienten zwecks weiterer Diagnostik in ein ihm an personeller und apparativer Ausstattung überlegenes Krankenhaus überwiesen hat, dessen Ergebnisse zugrunde legen. Etwas anderes gilt – parallel zum englischen Recht – insbesondere, falls sich ihm Zweifel an der Richtigkeit aufdrängen müssen3581. Hieraus darf freilich nicht hergeleitet werden, dass eine Abstimmung zwischen mehreren an einer Heilmaßnahme beteiligten Ärzten in solchen Fällen unterlassen werden darf, in denen sich die Gefährdung des Patienten gerade aus dem Zusammenwirken mehrerer Ärzte ergibt3582. Ähnlich wie für das englische Recht unter Bezugnahme auf die zur solicitor-Haftung entwickelten Grundsätze3583 befürwortet wird, haftet der Arzt auch nach deutschem Recht für Fehler eines Spezialisten, an den er seinen Patienten überwiesen hat, wo er erkennt oder – trotz seiner beschränkten Einsicht in die Behandlung des Spezialisten – ohne weiteres erkennen muss, dass gewichtige Bedenken gegen dessen 3573

Vgl. dazu auch Scholz, JR 1997, 1 ff. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle bloß zeitlicher Nachfolge von Ärzten desselben Fachs, vgl. zu ihnen Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 243 ff. 3574 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 222. 3575 Vgl. auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 222; Katzenmeier, MedR 2004, 34. 3576 So Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 55; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 234 m.w.N. 3577 Vgl. hierzu näher Katzenmeier, MedR 2004, 34, 37 f. m.w.N. 3578 BGHZ 140, 309, 313 ff., 316; vgl. zu dieser Entscheidung auch Katzenmeier, MedR 2004, 34, 35 ff. 3579 Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 55. 3580 Vgl. BGHZ 140, 309, 313; BGH, NJW 1994, 797, 798; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 235 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 222. 3581 OLG Köln, NJW-RR 1993, 1440; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 237 m.w.N. 3582 BGHZ 140, 309, 313 f.; näher Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 68. 3583 Vgl. zu ihnen ab S. 572.

556

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

diagnostisches oder therapeutisches Vorgehen bestehen3584. Dementsprechend befreit die Hinzuziehung eines Konsiliars eines anderen Fachgebiets den Arzt nicht schon von der eigenen Behandlungs- und Haftungszuständigkeit, wenn und soweit sie ihm durch sein eigenes Fach und die übernommene Behandlung aufgegeben ist3585. Da der niedergelassene Arzt, der eine ärztliche Leistung eines Kollegen veranlasst, im Zweifel ein weiteres direktes Vertragsverhältnis zwischen Patient und hinzugezogenem Arzt begründet, wird in der Regel keiner der Kollegen als Erfüllungsgehilfe des jeweils anderen tätig3586. Denn bei Tätigkeit aufgrund separaten Vertrages wird keiner zur Erfüllung einer Verbindlichkeit des jeweils anderen tätig (§ 278 BGB). Erfüllungsgehilfe für einen niedergelassenen Arzt ist indessen der für diesen tätigwerdende Urlaubsvertreter3587. Gleiches gilt, sofern ausnahmsweise der erstbehandelnde Arzt den Dritten im eigenen Namen beauftragt3588. Im Übrigen kann den Arzt eine Haftung für Versagen in der Zusammenarbeit mit einer anderen Stelle wegen eigener Koordinations- oder Kooperationsfehler auch treffen, wenn sie nicht als sein Erfüllungsgehilfe anzusehen ist3589.

bb) Ambulante Behandlung im Krankenhaus Bei der ambulanten Behandlung ist entweder nur der die Ambulanz leitende, liquidierungsberechtige Chefarzt oder das Krankenhaus selbst Vertragspartner. Im ersten Fall haftet der Chefarzt – ob ortsanwesend oder nicht – gemäß § 278 BGB für das ärztliche und nichtärztliche Personal3590, im anderen Fall der Krankenhausträger, wobei der Chefarzt dann neben dem Personal ebenfalls als Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers tätig wird3591.

cc) Totaler Krankenhausaufnahmevertrag Im Falle eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages ist der Krankenhausträger alleiniger Vertragspartner des Patienten3592. Zu dem somit von ihm im Rahmen des Notwendigen geschuldeten Leistungen gehören gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPflV auch die vom Haus veranlassten Leistungen Dritter. Vor diesem Hintergrund wird man nur 3584

Vgl. OLG Koblenz, VersR 1992, 752, 753 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 238 m.w.N. OLG Köln, VersR 1990, 1242, 1243; Steffen/Dressler, Arzthaftung, Rn. 239; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 66. 3586 BGHZ 142, 126, 132. 3587 BGHZ 144, 296, 310 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 73a m.w.N. 3588 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 49. 3589 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 73, 240 m.w.N. 3590 BGHZ 105, 189, 196 f.; Laufs, ArztR, Rn. 565; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 50. 3591 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 69; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 50. 3592 Zur Frage der persönlichen Haftung des pflichtwidrig handelnden Arztes vgl. MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 708. 3585

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

557

ausnahmsweise davon ausgehen können, die Leistungen eines auswärtigen hinzugezogenen Arztes seien gleichwohl im Namen des Patienten veranlasst. Daher ist der im Rahmen des totalen Krankenhausaufnahmevertrages hinzugezogene niedergelassene Konsiliararzt nicht anders als das ärztliche und nichtärztliche Personal des Krankenhauses sowie der Chefarzt Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers3593.

dd) Belegarztvertrag Liegt im Rahmen stationärer Behandlung ein Belegarztvertrag vor, ist gemäß der bei dieser Vertragsgestaltung vorgenommenen Aufteilung der Behandlungsaufgaben zwischen Belegarzt und Krankenhaus zu differenzieren3594. Da der Belegarzt mit der Behandlung ausschließlich seine eigenen Vertragspflichten erfüllen will, ist er hierbei nicht Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers3595. Anders als beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag und ähnlich wie beim Arztvertrag mit niedergelassenen Ärzten werden hingegen hinzugezogene, außenstehende niedergelassene Ärzte in der Regel – ohne dass es darauf ankommt, ob der Belegarzt oder das Krankenhaus die Hinzuziehung veranlasst – selbst unmittelbare Vertragspartner des Patienten und keine Erfüllungsgehilfen der übrigen Vertragsschuldner3596. Für das ärztliche und nichtärztliche Hilfspersonal haftet der Belegarzt hingegen losgelöst davon, ob sich dieses in einem Anstellungsverhältnis z.B. zum Krankenhausträger befindet, soweit es im Rahmen der Erfüllung seiner eigenen Vertragspflichten tätig wird3597, d.h. für die ärztlichen Mitarbeiter derselben Gebietsbezeichnung3598. Ansonsten ist der Krankenhausträger Geschäftsherr3599. Die Trennlinie zwischen den vertraglichen Zuständigkeiten beschreibt – mangels anderweitiger vertraglicher Regelung – § 23 BPflV (§ 17 KHEntG), wobei sich aber insbesondere im Hinblick auf das nichtärztliche Personal Überschneidungen nicht immer vermeiden lassen, sodass bisweilen beide Geschäftsherren gesamtschuldnerisch für das Verhalten des Hilfspersonals einzustehen haben können3600.

ee)

Krankenhausvertrag mit Wahlleistungsabrede

Auch im Rahmen eines Krankenhausvertrages mit Wahlleistungsabrede ist zu differenzieren, hängt die Haftung nach § 278 BGB doch von der konkret gewählten Vertragsgestaltung ab. Mangels näherer Vereinbarung ist dabei zwischen einem (in 3593

Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 51; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 75. Näher Franzki/ Hansen, NJW 1990, 737 ff.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 31 ff.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 52 ff. 3595 BGHZ 129, 6, 13 f. 3596 BGH, NJW 1992, 2962; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 52. 3597 Zum Folgenden auch Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 52. 3598 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 78 m.w.N. 3599 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 78 m.w.N. 3600 Vgl. hierzu Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 55 m.w.N. 3594

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

der Regel gewollten) einheitlichen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag und einem (nur ausnahmsweise gewollten) gespaltenen Krankenhausvertrag zu unterscheiden.

(1)

Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag

Im ersten Fall bleibt der Krankenhausträger Schuldner sämtlicher Leistungen, d.h. auch der Wahlleistungen, sodass nicht nur das ärztliche und nichtärztliche Personal, sondern auch der selbstliquidierungsberechtigte Wahlarzt Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers ist. Dies gilt sogar, wenn ausschließlich Pflichten aus dem Zusatzvertrag betroffen sind3601. Im Rahmen der Wahlleistung haftet daneben freilich auch der selbstliquidierungsberechtigte Arzt3602, zu dessen Erfüllungsgehilfen die von ihm zur Erfüllung seiner eigenen Vertragspflichten hinzugezogenen nachgeordneten Krankenhausärzte gehören3603. Anderes ärztliches Personal mag infolge des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntG im Rahmen der Verpflichtung des Chefarztes und (/oder) des Krankenhausträgers auf einem anderen Fachgebiet tätig werden und insoweit Erfüllungsgehilfe dieser Vertragsschuldner, nicht aber des Belegarztes sein3604. Gleiches gilt für das nichtärztliche Personal, das in der Regel – ebenso wie beim Belegarztvertrag – allein für den Krankenhausträger tätig sein soll3605. Anderes soll nur gelten, sofern die Behandlungspflege spezifische ärztliche Anweisungen des Wahlarztes erfordert3606. Denn dann soll dieser für ein Verschulden des Pflegepersonals aus deren Nichtbefolgung3607 oder für Pflegefehler aus Anweisungsversäumnissen3608 – ebenso wie beim Belegarztvertrag – gesamtschuldnerisch mit dem Krankenhausträger einstehen müssen. Entsprechendes gilt bei einer Verzahnung der Behandlungsaufgaben3609.

(2)

Gespaltener Krankenhausvertrag

Wird hingegen ausnahmsweise ein gespaltener Krankenhausvertrag gewählt, schuldet der Krankenhausträger die Wahlleistungen nicht, sodass der Wahlleistungsarzt insoweit nicht als Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers tätig wird3610. Soweit bei dieser Vertragsgestaltung im Übrigen für Fragen des § 278 BGB auf das Belegarzt3601

BGHZ 121, 107, 115; Büsken/Klüglich, VersR 1994, 1141, 1142 f. MünchKomm/Wagner, BGB § 823 Rn. 711. 3603 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 82; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 53. Diesem ärztlichen Personal kommt also als Erfüllungsgehilfe eine Doppelstellung zu. 3604 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 57; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 83. 3605 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 84. 3606 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 84 m.w.N. 3607 Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 54; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 57. 3608 BGHZ 89, 263, 271 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 39. 3609 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 40, 84; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 57. 3610 Vgl. BGHZ 85, 393, 397; BGHZ 129, 6, 13 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 76; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 58. 3602

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

559

modell verwiesen wird, ist dem aufgrund des Umstands, dass auch die Wahlleistungsabrede gemäß § 328 BGB oder in Stellvertretung mit dem Krankenhausträger getroffen wird und sich Wahlleistungen (Bsp.: Chefarztbehandlung) nicht notwendig von der „gewöhnlichen Behandlung“ unterscheiden (Bsp.: turnusmäßig wäre ohnehin eine Chefarztbehandlung erfolgt), nur vorsichtig zuzustimmen. Eine derart weitgehende Zuständigkeitsaufteilung wie beim Belegarztmodell wird man – jedenfalls ohne ausdrückliche Vereinbarung – nicht annehmen können. Vielmehr sind ärztliches und nichtärztliches Personal stets auch Erfüllungsgehilfen des Krankenhausträgers3611. Ob sie daneben auch Erfüllungsgehilfen des Wahlleistungsarztes sind, richtet sich hingegen nach dem zum Arztzusatzvertragsmodell entwickelten Grundsätzen3612.

III. Aufgabendelegation durch den Schuldner Wenden wir uns vor diesem Hintergrund nunmehr der letzten Fallkonstellation zu, der Aufgabenübertragung durch den Schuldner, ergibt sich folgendes Bild:

1.

Die Möglichkeit einer Aufgabendelegation durch den Schuldner

a)

PECL, PELSC und DCFR

Nach Art. 7:106(1)(a) PECL, III. – 2:107(1) DCFR ist es dem Schuldner grundsätzlich möglich, die Vertragsdurchführung oder Teile der Vertragsdurchführung auch ohne Zustimmung des Klienten an Dritte zu übertragen. Art. 1:106(1) PELSC, IV.C. – 2:104(1) DCFR stellt dies im Dienstleistungskontext in Bezug auf die Einschaltung von Subunternehmern noch einmal ausdrücklich klar. Etwas anderes gilt nach Art. 1:106(1) PELSC, 7:106(1) PECL, IV.C. – 2:104(1) DCFR nur, wenn die eigenhändige Leistung durch den Schuldner wesentlich für den Vertrag ist, d.h. der Vertrag die „persönliche Erfüllung“ erfordert. Zur Bestimmung der Bedeutung einer eigenhändigen Leistung durch den Schuldner für den Vertrag bieten die PECL, PELSC und der DCFR keine Konkretisierungskriterien. Die Frage wurde von den Verfassern der PELSC bewusst offen gelassen und den Gerichten zur Beantwortung im Einzelfall zugewiesen3613. Gleichwohl wird man von einer entsprechenden Verpflichtung selbstverständlich zunächst bei ausdrücklicher Vereinbarung auszugehen haben. Ferner ist die Verpflichtung zu eigenhändiger Leistung anzunehmen, wenn die Umstände klar für sie sprechen (vgl. Art. 5:101 f., 6:102 PECL, II. – 8:101 f., 9:101(2) DCFR). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn es dem Patienten beim Abschluss eines „Chefarztvertrages“ über eine „schwierige“ Operation erkennbar gerade auf die praktische und theoretische Erfahrung seines Vertragspartners ankommt (Art. 5:101(2) PECL, II. – 8:101(2) DCFR). „Komparativ“ ausge3611

Vgl. OLG Bamberg, VersR 1994, 813, 814; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 38; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 58. 3612 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 58. 3613 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:106.

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drückt lässt sich verallgemeinernd sagen, dass umso eher eine „eigenhändige“ Leistung vereinbart sein dürfte, desto mehr es für die Erreichung des vertraglich avisierten Zieles auf die Kenntnisse und Fähigkeiten gerade des Schuldners ankommt3614. Wichtig ist aber, dass dabei – wie der Wortlaut des Art. 1:106(1) PELSC, IV.C. – 2:104(1) DCFR klarstellt3615 – durchaus nach Leistungsteilen differenziert werden darf und u.U. sogar muss. So gehört zu einer Operation sicherlich die Narkose. Diese wird allerdings nach dem Willen der Vertragsparteien auch, sofern eine „eigenhändige“ Leistung vereinbart wurde, kaum der operierende Chirurg eigenhändig durchführen sollen. Insofern dürfte sich die vorstehende Leitlinie dahin konkretisieren lassen, dass umso eher eine „eigenhändige“ Durchführung des jeweiligen Leistungsteils vereinbart sein dürfte, desto mehr es für die Erreichung des vertraglich avisierten Zieles durch den jeweiligen Leistungsteil auf die Kenntnisse und Fähigkeiten gerade des Schuldners ankommt. Der zumeist global umschriebene Vertragsgegenstand ist in Bezug auf die Erforderlichkeit eigenhändiger Leistung folglich differenziert zu bewerten. Zu unterstreichen ist losgelöst hiervon, dass die Art. 1:106 PELSC, 7:106 PECL, VI.C. – 7:104, III. – 2:107 DCFR keine Regelung im Hinblick auf die Frage treffen, ob und nach Maßgabe welches Standards der Schuldner für die Tätigkeit des eingeschalteten Dritten haftet3616.

b)

Englisches Recht

aa) Differenzierung nach der Natur der Aufgabe sowie der Qualifikation und Erfahrung des mit der Durchführung zu Beauftragenden Die trotz zunehmender Standardisierung und Mechanisierung „persönliche“ Natur der Schuldner-Gläubiger-Beziehung im Rahmen professioneller Dienstleistungen3617 hindert den Schuldner auch nach englischem Recht grundsätzlich nicht daran, Dritte mit (Teilen) der Vertragsdurchführung zu beauftragen3618. Der Court of Appeal hat dies jüngst noch einmal in einem Patentanwaltshaftungsfall bestätigt: “A professional man in appropriate circumstances is entitled to delegate tasks. Whether he is entitled to delegate a particular task will depend on the nature of the task. He is entitled to delegate some tasks to others but not entitled to delegate others. It all depends on the nature of the task involved. If he does delegate he must delegate to a suitably qualified and experienced person.”3619

3614

Vgl. auch von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 409. Dasselbe gilt nach Art. 7:106 PECL, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 409. 3616 Diese Frage wird auf S. 607 beantwortet. 3617 Vgl. auch Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 14. 3618 A.A. irrtümlich Heckendorn, Haftung, Rn. 210 f.; anders zu Recht Rn. 215. 3619 Arbiter Group plc v Gill Jennings and Every (a firm) [2000] PNLR 680, 686 per Swinton Thomas LJ (CA). 3615

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

561

Von der damit in allgemeinen Worten bestätigten Zulässigkeit einer Aufgabendelegation zu unterscheiden ist wiederum die Frage der Haftung des Schuldners für Fehlleistungen einer Hilfsperson3620. Wichtig ist losgelöst hiervon festzuhalten, dass das englische Recht die Übertragbarkeit der Aufgabe einerseits von ihrer „Natur“ und andererseits davon abhängig macht, ob die Person, der die Aufgabendurchführung übertragen wird, angemessen qualifiziert und erfahren ist, um mit einer Aufgabe dieser Natur in adäquater Weise umzugehen. Mit der Umschreibung „Natur der Aufgabe“ dürfte zwar u.a. die mit der Aufgabe verbundenen Risiken und Gefahren gemeint sein, doch beschränkt sich die Natur der Aufgabe nicht allein auf diese Gesichtspunkte wie ein Blick auf das Arzthaftungsrecht deutlich macht. Die Natur der Aufgabe wirkt sich im Arzthaftungsrecht nämlich grundsätzlich dahin aus, dass dort eine Übertragung der zentralen Vertragsaufgabe nicht möglich ist: Auch hier kommt es hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen arbeitsteiligen Zusammenwirkens zwar zunächst auf den konkreten Vertrag an. Seit Morris v Winsbury-White kann indes zumindest als gesichert gelten, dass der Arzt eine eigenhändige Leistung verspricht, wenn er versichert, dem Fall seine „personal attention“ zu widmen3621. Wichtig ist an diesem Urteil ferner, dass der entscheidende Richter darin bezweifelte, dass es für diesen Leistungsinhalt (bei Operationen) einer besonderen Übereinkunft bedarf: “Whether you call it a special contract or not is quite immaterial, because, in my view, it merely emphasises, if necessary, or it merely contains, all the necessary ingredients of the ordinary case where a surgeon is retained to perform an operation of this kind. It is necessarily involved in the retainer that he will perform the operation personally.”3622 Dieses Ergebnis dürfte im Arzthaftungsrecht nicht zuletzt durch die Rechtsprechung zur Einwilligung des Patienten in Diagnose und Behandlung gefördert werden. Denn nach ihr ist die Zustimmung des Patienten prima facie auf Maßnahmen des Arztes beschränkt, dem die Einwilligung erteilt wurde3623. Dementsprechend wurden dem Kläger in der Sache Michael v Molesworth wegen Vertragsbruchs nominal damages zugesprochen3624, weil die Leistenbruchoperation von einem anderen Arzt vorgenommen wurde, als vom Kläger erwartet worden war. Der NHS hat eine entsprechende (deliktische) Haftung zunächst dadurch zu verhindern gesucht, dass er seinem Standardeinwilligungsformular die Klausel „No assurance has been given to me that the operation /treatment will be performed or administered by any particular practioner“ beifügte. Heute lautet die entsprechende 3620

Allgemein zur Hilfspersonenhaftung Schmidt-Kessel, Standards, S. 403 ff. Jones, Negligence, § 2–004; Grubb, in: ders., Principles, § 5.13; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 274. 3622 Morris v Winsbury-White [1937] 4 All ER 494, 500 per Tucker J (HC). 3623 Jones, Negligence, § 6–012. 3624 Michael v Molesworth [1950] 2 BMJ 171 per Singleton LJ (zit. nach Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 272). 3621

562

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Klausel: „I understand that the procedure may not be done by the doctor /dentist who has been treating me so far“3625. Derartige Klauseln wären in ähnlicher Form als Gegenstand eines Einwilligungsformulars im Kontext privater Behandlung denkbar und in diesem Fall – wie erörtert – typischerweise auch Teil des Behandlungsvertrags3626. Bei der Auslegung einer entsprechenden Klausel wird man indessen die Überlegungen von Jones berücksichtigen müssen3627. Denn auch angesichts der Unterzeichnung einer entsprechenden Erklärung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Patient damit einverstanden ist, sich von jedweder Person behandeln zu lassen. Da die vorstehenden Klauseln nur die Behandlung durch einen bestimmten bzw. den bisher behandelnden oder aufklärenden Arzt ausschließen, ist in einem ersten Schritt (parallel zum Anwaltshaftungsrecht3628) zumindest zu fordern, dass der Behandelnde tatsächlich Arzt ist. Irrtümer über diese Qualifikation machen die Einwilligung als Irrtum über die „Natur des Leistungsgegenstandes“ unwirksam3629. Weiterhin wäre bei einer nicht offengelegten Behandlung durch einen Nicht-Arzt in Übertragung der zum Anwaltshaftungsrecht entwickelten Grundsätze3630 von einem Vertragsbruch des Dienstleisters auszugehen. Freilich wird der Patient im Regelfall auch nicht mit der Behandlung durch „(irgend)einen Arzt“ einverstanden sein, sondern nur mit der Behandlung durch einen angemessen kompetenten und qualifizierten Arzt. So werden bspw. Herzoperationen weder von gerade approbierten Ärzten durchgeführt, noch wird dies in aller Regel erwartet oder gar gewünscht. Hinsichtlich des typischerweise vom Patienten gewollten Vertragsinhalts kann hier auf die bereits angestellten Überlegungen zum regelmäßigen Erwartungshorizont des Gläubigers verwiesen werden3631. Sofern vertraglich die eigenhändige Leistung durch den Arzt vereinbart worden ist, bedeutet dies im Regelfall gleichwohl nur, dass dieser den Eingriff persönlich vornehmen muss, nicht aber, dass er sich dabei keines Hilfspersonals bedienen darf. So sind bspw. Operationen zumeist ohne administrative Unterstützung durch Krankenschwestern, Anästhesisten usw. überhaupt nicht mit angemessener Sorgfalt durchführbar. Die Hinzuziehung von Hilfspersonal ist dem Arzt daher in aller Regel nicht nur gestattet, sondern er ist vielmehr umgekehrt vertraglich zur Heranziehung verpflichtet, wenn ein angemessener Sorgfaltsstandard auf anderem Wege nicht erreicht werden kann.

3625

Zitat in beiden Fällen nach Jones, Negligence, § 6–012 m. Fn. 40. Die aktuelle Consent Form for medical or dental investigation, treatment or operation des NHS ist abgedruckt bei Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 583 f. 3626 Vgl. ab S. 436. 3627 Zum Folgenden Jones, Negligence, § 6–012. 3628 Vgl. ab S. 569. 3629 Jones, Negligence, § 6–012: „… the consent would be invalid because the qualifications of the person wielding the scalpel go to the nature of the transaction“ (Hervorhebung im Original). 3630 Vgl. ab S. 569. 3631 Vgl. ab S. 165.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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bb) Bewertung des deutschen Rechts, der PELSC und des DCFR im Lichte der Kriterien des englischen Rechts Das englische Recht deutet mit der Natur der Aufgabe und der zu ihr in Bezug gesetzten Qualifikation des mit ihrer Durchführung Betrauten zwei zentrale Kriterien an, die nicht nur eine gewisse Parallelität zu den zu PELSC und DCFR getroffenen Feststellungen aufweisen, sondern auch im deutschen Recht vielfach für die Beantwortung der Frage maßgeblich sind, ob eine Pflicht als „höchstpersönliche“ Pflicht zu qualifizieren ist oder nicht. § 613 S. 1 BGB lassen sie sich zwar ebenso wenig entnehmen wie § 664 Abs. 1 S. 1 BGB. Doch erklären sich diese Auslegungsregeln für den Zweifelsfall schlüssig vor dem Hintergrund, dass der Gläubiger den Schuldner wohl deshalb als Vertragspartner gewählt hat, weil er ihn am ehesten für geeignet hält, mit den Risiken, die die Aufgabe mit sich bringt, umzugehen. Dies ist gemeint, wenn vom „Vertrauen in die Person des Schuldners“3632 die Rede ist: ein Vertrauen in die Fähigkeiten gerade des Schuldners u.a. eben auch und gerade zur Risikobeherrschung bzw. -vermeidung; ein Gedanke, der – wie wir eben gesehen hatten – auch die Regelung der PELSC und des DCFR beherrscht. Vor eben diesem Hintergrund dürfte es in der Tat, wie §§ 613 S. 1, 664 Abs. 1 S. 1 BGB dies vorsehen, im Zweifel eher dem erkennbaren Willen des Gläubigers entsprechen, dass der Schuldner sich der Aufgabe und ihren Risiken persönlich annimmt. Auf solche Überlegungen kommt es nämlich auch an, wenn zwar im Hinblick auf den zentralen Leistungsinhalt keine entsprechenden Zweifel bestehen können, weil die Parteien insoweit z.B. ausdrücklich die höchstpersönliche Leistung vereinbart haben (Bsp.: Chefarztbehandlung)3633. Über die zur Durchführung der eigentlichen Vertragsaufgabe beinahe ausnahmslos notwendigen Vorbereitungs- und Unterstützungsmaßnahmen wird aber in aller Regel gerade keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, sodass insoweit auf der Grundlage des typischen Parteiwillens – d.h. parallel zu den zu PELSC und DCFR getroffenen Feststellungen – entschieden werden muss. Dieser wird die mit der jeweils zu übertragenden Maßnahme verbundenen Risiken durchaus in Rechnung stellen, sodass parallel zu PELSC und DCFR auch nach deutschem Recht hinsichtlich etwaiger Leistungsteile zu differenzieren ist. Gleiches dürfte letztlich auch für das englische Recht gelten, ist dort doch ebenfalls in Bezug auf jedes einzelne „task“ gesondert zu unterscheiden. Im deutschen Recht ist vor diesem Hintergrund wie folgt zu differenzieren.

c)

Deutsches Recht

aa) Aufgabendelegation und Anwaltsvertrag Der Anwaltsvertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB, aus dem grundsätzlich der Beauftragte selbst verpflichtet ist. Da § 675 Abs. 1 BGB nicht auf 3632

3633

So z.B. Erman/Ehmann, BGB § 664 Rn. 3; ähnlich MünchKomm/Seiler, BGB § 664 Rn. 1 „persönliche[s] Vertrauen[s]“. Vgl. dazu ab S. 566.

564

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

§ 664 Abs. 1 S. 1 BGB verweist (was für den Geschäftsbesorgungsdienstvertrag wegen der Anwendbarkeit des inhaltsgleichen § 613 S. 1 BGB3634 auch überflüssig wäre3635), wird angenommen, aus dem Gesetz gehe nicht mit letzter Klarheit hervor, inwieweit eine Übertragung an Dritte zulässig ist3636. Der Anwalt, der sämtliche Schritte und Maßnahmen bei der Mandatserledigung selbst eigenhändig durchführt ist indes – nicht erst heute – illusorisch3637. Denn die Vielzahl der mit einem Mandat verbundenen Aufgaben und Pflichten macht es dem Rechtsanwalt in der Regel unmöglich, jede einzelne persönlich zu erfüllen3638. Dies ist dem Auftraggeber typischerweise bekannt. So wird z.B. kein Mandant erwarten, dass sein Anwalt die Schriftsätze eigenhändig tippt. Dies ist, im Gegenteil, geradezu ein Paradebeispiel für eine Pflicht, deren Übertragung auf eine Sekretärin man ohne weiteres als mit dem Willen und den Vorstellungen des Mandaten für vereinbar wird halten müssen. Vor diesem Hintergrund ist zunächst festzustellen, dass dem Anwalt, losgelöst davon, ob ein Anwaltsdienstvertrag oder Anwaltswerkvertrag vorliegt, auf der Grundlage der Verkehrsanschauung (§ 157 BGB) an sich die Einschaltung Dritter in die Vertragsdurchführung gestattet ist. Im Einzelfall problematisch und praktisch wichtig dürfte nur die Frage sein, inwieweit und unter welchen Bedingungen dies geschehen kann. Dem Gesetz können für den Fall, dass es sich nicht gerade um eine über die bloße Übertragung der Aufgabendurchführung hinausgehende Substitution gemäß § 664 Abs. 1 BGB handelt, keine konkreten Pflichten des Anwalts bei der Aufgabendelegation entnommen werden. Indessen besteht anerkanntermaßen jedenfalls eine Pflicht zur Büroorganisation – dabei handelt es sich letztlich um die zusammenfassende Bezeichnung für ein ganzes Pflichtenbündel3639 –, d.h. vor allem zur Überwachung der Wahrnehmung der delegierten Aufgaben. Daneben wird man – parallel zum Arzt- und Krankenhausvertragsrecht3640 – eine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl des Aufgabenempfängers annehmen müssen. Denn obgleich dem keine der Auswahlund Überwachung gemäß § 831 BGB entsprechende Entlastungsfunktion zukommt, wird man doch – was den Pflichtenkatalog angeht – das Vertragsrecht, bei dem von vorneherein eine Bindung zwischen Gläubiger und Schuldner besteht, nicht dem Deliktsrecht hinterherhinken lassen können. Auf diesem Wege wird man auch weitgehend dem englischen Recht parallele Ergebnisse erreichen.

3634

Eine entsprechende Anwendung auf den Geschäftsbesorgungswerkvertrag wird bei Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses für möglich gehalten, vgl. Jauernig /Mansel, BGB § 675 Rn. 11; Larenz, Schuldrecht II/1, § 56 V (S. 423). 3635 Erman/Ehmann, BGB § 664 Rn. 9; Larenz, Schuldrecht II/1, § 56 V (S. 423); Vollkommer/ Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 434. 3636 Für viele Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 54. 3637 So ausdrücklich Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 433. 3638 Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 53. 3639 Vgl. nur Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 1382 ff. 3640 Dazu sogleich ab S. 566.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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bb) Aufgabendelegation und Architektenvertrag Schon das RG hatte es auch dem Architekten, der mit Bauleitung und Bauaufsicht betraut ist, gestattet, diese durch einen geschulten Gehilfen vornehmen zu lassen3641. Daran hat sich nach heutiger Rechtslage nichts geändert3642, wird doch aus dem Fehlen einer § 613 BGB entsprechenden Regelung in den §§ 631 ff. BGB und dem Nichtverweisen des § 675 Abs. 1 BGB auf § 664 BGB der Schluss gezogen, dass im Werkvertragsrecht grundsätzlich eine Aufgabendelegation möglich ist3643: Übernimmt der Architekt etwa eine „beratende und prüfende Ausführung“ von Sanierungsleistungen, schuldet er eine regelmäßige und angemessene Bauüberwachung im Sinne der Leistungsphase 8 des § 15 HOAI. Gefahrenträchtige Bauabschnitte kann er dabei auch durch zuverlässige Gehilfen unmittelbar überwachen lassen, muss sich allerdings anschließend von der Ordnungsgemäßheit der Arbeiten überzeugen3644. Im Schrifttum werden die höchstpersönlichen Pflichten des Architekten dahin umschrieben, dass dieser jedenfalls die Leistungen persönlich erbringen müsse, „die dem Bauwerk die geistige Grundlage geben und für die Übertragung dieser geistigen Idee in die praktische Verwirklichung maßgebend sind. Deshalb wird man vom Architekten verlangen müssen, daß er die Bauausführung wenigstens in ihren Grundzügen selbst überwacht“3645. Die allgemeine Möglichkeit des Architekten, seine Pflichten durch Hinzuziehung Dritter zu erfüllen, wird insofern nicht in Zweifel gezogen. Im Gegenteil: Bisweilen muss der Architekt sogar Dritte in Form von sog. Sonderfachleuten in die Erfüllung einschalten, um ordnungsgemäß zu erfüllen, weil ihm selbst die hierfür erforderlichen Spezialkenntnisse fehlen. Auch im Rahmen des Architektenvertrages wird man generell die Grenzen der Übertragung der Aufgabendurchführung dort ziehen müssen, wo nach dem Parteiwillen (§§ 133, 157 BGB) eine höchstpersönliche Leistung des Architekten geschuldet sein soll. Dies wiederum wird man z.B. umso eher annehmen müssen, je mehr es auf die künstlerische Leistung bei der Planung und dabei auf die „Handschrift“ eines bestimmten „Künstlers“ ankommt3646. Entscheidend wird man also auch insoweit auf die erkennbaren legitimen Interessen des Gläubigers abzustellen haben3647.

3641

RGZ 82, 285, 287. Vgl. Bindhardt/Jagenburg, Haftung, § 2 Rn. 87, § 8 Rn. 8; Staudinger /Richardi, § 613 Rn. 9; MünchKomm /Müller-Glöge, BGB § 613 Rn. 3; Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch, § 12 Rn. 285; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 264, 290 m. 3643 Vgl. MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 71 f.; Weber, Unterscheidung, S. 27 f.; Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 251 m.w.N. 3644 Vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1506 m.w.N. 3645 Bindhardt /Jagenburg, Haftung, § 2 Rn. 87 (Hervorhebungen weggelassen). 3646 In diesem Sinne auch Weber, Unterscheidung, S. 27 f.; MünchKomm/Busche, BGB § 631 Rn. 71. 3647 Vgl. hierzu auch Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 251. 3642

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

cc) Aufgabendelegation und Arzt- bzw. Krankenhausvertrag Auch im Rahmen von Arzt- und Krankenhausverträgen wird man schließlich die Einschaltung Dritter in die Vertragsdurchführung grundsätzlich zulassen müssen. Denn die Verwendung nichtärztlicher Hilfspersonen ist aus der modernen Medizin und insbesondere aus dem heutigen Klinikwesen nicht mehr hinwegzudenken3648. Da diese verbreitete Erkenntnis die Verkehrsanschauung beeinflusst, verwundert es nicht, wenn ganz allgemein angenommen wird, dass es dem Arzt, soweit der seiner Tätigkeit zugrunde liegende Vertrag, wie üblich, ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) ist, im Rahmen des medizinisch Notwendigen gestattet ist, dritte Medizinalpersonen, insbesondere dritte Ärzte hinzuzuziehen3649. Dass § 613 S. 1 BGB dem grundsätzlich nicht entgegen steht, folgt im Rahmen der §§ 133, 157 BGB dann nämlich – parallel zum Anwaltshaftungsrecht – bereits aus der Auslegung der Parteierklärungen, die die Verkehrsauffassung zu berücksichtigen hat. Wenn die Hinzuziehung Dritter nicht indiziert ist, weil die Risikobeherrschung ihnen aus der Sicht des Patienten nicht in einer der Risikobeherrschung durch den Schuldner vergleichbaren Weise zuzutrauen ist, wird man vor diesem Hintergrund umgekehrt nicht von einer Hinzuziehungsberechtigung ausgehen können. Auch andere Umstände können freilich für eine persönliche Leistungspflicht streiten. So darf der Patient z.B. auf der Grundlage der Verkehrsanschauung (§ 157 BGB)3650, sofern er die Leistung des leitenden Arztes als gesondert berechenbare Leistung in Anspruch nimmt, davon ausgehen, dass sie von dem (leitenden) Arzt persönlich erbracht wird3651. Anderes kann als Gegenausnahme gelten, wenn der leitende Arzt an der Leistung wegen Krankheit oder Urlaub verhindert ist3652. Dies wird man aber in der Regel nicht annehmen können, weswegen die Übertragung der Hauptleistung, d.h. der Behandlung, z.B. bei Chefärzten nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zugelassen wird3653. Denn dem Parteiwillen dürfte es zwar entsprechen, dass sich der Chefarzt bei unvorhersehbarer Verhinderung sowie u.U. auch bei Vor- und Nachbehandlung durch einen Oberarzt vertreten lässt3654. Eine weitergehende Vertretungsregelung (z.B. auch die Vertretung wegen Urlaubs) bedarf indes einer besonderen Vereinbarung3655. Erfolgt sie in AGB, unterliegt eine derart vom gesetzlichen Leitbild des § 613 BGB abweichende Regelung wegen (§ 305 c BGB und) § 307 BGB zumindest Bedenken3656. Als Vertreter darf darin nur 3648

So bereis BGH, NJW 1975, 2245, 2246. Hahn, NJW 1981, 1977, 1980 ff.; MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 613 Rn. 3 m.w.N.; vgl. auch Palandt /Weidenkaff, BGB § 613 Rn. 1. 3650 Palandt /Weidenkaff, BGB § 613 Rn. 1. 3651 MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 613 Rn. 3. 3652 MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 613 Rn. 3. 3653 Für viele Erman/Edenfeld, BGB § 613 Rn. 3 m.w.N. 3654 OLG Karlsruhe, NJW 1987, 1489. 3655 Erman/Edenfeld, BGB § 613 Rn. 3. 3656 Bamberger /Roth /Fuchs, BGB § 613 Rn. 5; MünchKomm/Müller-Glöge, BGB § 613 Rn. 3. Als überraschende Klausel i.S.d. § 305 c BGB qualifiziert sie OLG Karlsruhe, NJW 1987, 1489; vgl. auch OLG Düsseldorf, NJW 1995, 2421 f. m.w.N. Aus jüngerer Zeit zur Problematik Miebach/Patt, NJW 2000, 3377, 3378 ff.; Spickhoff, NZS 2004, 57, 58 ff. 3649

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der ständige ärztliche Vertreter i.S. d. GOÄ bestimmt sein3657. Erst recht dürfen nach dem Willen der Vertragsparteien ärztliche Aufgaben nicht auf nichtärztliches Personal übertragen werden3658. Hinter dieser Auslegung des Parteiwillens durch Rechtsprechung und Literatur steht die Überlegung einer Ausgrenzung der Haftungsbereiche anhand der Aufgabenverteilung, die ihrerseits nach dem medizinischen Einflussbereich und den medizinischen Kontrollmöglichkeiten der beanspruchten medizinischen Expertenstellung erfolgen soll3659. Mit dieser komplizierten Umschreibung ist letzlich nichts anderes ausgedrückt, als dass auch nach deutschem Arzthaftungsrecht die Fähigkeiten zur Risikovermeidung bzw. -beherrschung für die Frage der Aufgabenübertragbarkeit maßgeblich sind.

2.

Aufgabendelegation und Hilfspersonenhaftung: Einführende Vorbemerkung zur Dogmatik des englischen Rechts im Lichte des deutschen Rechts, der PECL, der PELSC sowie des DCFR

Von der vorstehend skizzierten Zulässigkeit einer Aufgabendelegation zu unterscheiden ist die Frage der Haftung des Schuldners für Fehlleistungen einer Hilfsperson. Dieser Frage sowie den konkreten Möglichkeiten einer Aufgabendelegation soll im Folgenden3660 nachgegangen werden. Zunächst sind aber die dogmatischen Grundlagen (a) und im Zusammenhang mit diesen die Regeln der PECL, PELSC und des DCFR (b) darzustellen.

a)

Dogmatik

Dogmatisch ist nach englischem Recht zunächst – ebenso wie nach deutschem Recht, den Principles und dem DCFR – zwischen einer Haftung für eigenes Fehlverhalten (primary liability) und der Haftung für fremdes zugerechnetes Verhalten (secondary liability) zu differenzieren. Die Frage der primary liability ergibt sich vor allem im Zusammenhang mit der Bewertung des Verhaltens der vom Schuldner eingeschalteten unabhängigen Dritten (independent contractors), während nach der secondary liability bei der Haftung für eigene Arbeitnehmer zu fragen ist3661. Für letztere haftet der Arbeitgeber sowohl bei fahrlässigen als auch bei vorsätzlichen Fehlleistungen3662. Problematischer ist, dass der Schuldner für Fehlleistungen unabhän-

3657

BGH, NJW 2008, 987. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 222. 3659 Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 221. 3660 Ab S. 570. 3661 Näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 407 f., zur Abgrenzung vgl. ebenda S. 411 ff.; Emden/ Redmond-Cooper, §§ IV–004 ff.; für die Rechtsfolge „Haftung“ spielt die Differenzierung natürlich keine Rolle, vgl. Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 26. 3662 Vgl. Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 27; näher im Rahmen der Erläuterungen zu den einzelnen Dienstleistern ab S. 570. 3658

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

giger Dritter nur bei eigenem Sorgfaltsmangel haftet3663. Denn vor diesem Hintergrund besteht grundsätzlich immer die Möglichkeit, sich durch angemessen sorgfältige Auswahl, Anleitung und Überwachung freizuzeichnen. Dies ist nach deutschem ebenso wie nach PECL und DCFR im Rahmen der vertraglichen Haftung gerade nicht möglich (§ 278 BGB, Art. 8:107 PECL, III. – 2:106 DCFR) und auch das englische Recht bemüht sich, eine umfassende Freizeichnung durch eigene Sorgfalt einzuschränken. Ihr wirken die Gerichte vor allem durch strenge Anforderungen an die haftungsentlastende Aufgabenübertragung entgegen. Wird diesen (sogleich für die einzelnen Dienstleister zu erörternden) Anforderungen nicht Rechnung getragen, ist die Verpflichtung als non-delegable zu qualifizieren. Dies bedeutet, dass die Übertragung zwar möglich ist, aber nicht haftungsentlastend wirkt. Mit der Qualifikation der Verpflichtung ist insofern richterlich auch gleich die Frage der Haftungsbegründung entschieden3664. Denn aufgrund der Qualifikation der Verpflichtung als nicht-delegierbar spielt es keine Rolle, ob der Schuldner die Haftung für den Dritten im Einzelfall explizit oder implizit übernommen hat: Die Übernahme einer non-delegable duty impliziert – losgelöst vom Einzelfall – immer die Haftung für den Dritten. Für dessen Fehlleistungen haftet der Schuldner dann nach common law ebenso wie nach § 278 BGB bzw. PECL und DCFR, d.h. ohne sich durch den Nachweis sorgfältiger Auswahl, Anleitung und Überwachung entlasten zu können3665, wie dies im Rahmen der der deliktischen Haftung nach deutschem Recht möglich ist (vgl. § 831 BGB). Das Drittverhalten wird den hier untersuchten Dienstleistern insofern losgelöst von einem eigenen Sorgfaltsmangel bzw. Verschulden i.S.d. deutschen Rechts zugerechnet, sie unterliegen einer Art Garantiehaftung3666. Denn im Ergebnis besteht die vertragliche Pflicht insoweit nicht darin, sorgfältig vorzugehen, sondern darin, sicherzustellen, dass sorgfältig vorgegangen wird3667. Soweit die zulässigerweise delegierte Aufgabe mit angemessener Sorgfalt durchgeführt wird, ist der Vertrag jedoch erfüllt. Konsequenz daraus ist nicht nur, dass die Verpflichtung to take reasonable care durch Delegation erfüllt werden kann3668, sondern u.U. sogar delegiert werden muss3669. Im Bereich der vertraglichen Haftung kommt es für die insoweit erforderliche Einordnung zunächst auf die Auslegung des betroffenen Vertrages an: Die betreffende Pflicht ist darauf zu untersuchen, ob sie auch das sorgfältige Verhalten eingeschalteter bzw. einzuschaltender Dritter verlangt oder nicht3670.

3663

Vgl. Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 27. Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 410. 3665 Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.11. 3666 Zu Einschränkungen in anderen Vertragsbeziehungen vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 421; für das deutsche Recht zur „Garantiehaftung“ für Hilfspersonen statt aller MünchKomm/Grundmann, BGB § 278 Rn. 3; Palandt /Grüneberg, BGB § 278 Rn. 1 („Erfolgshaftung“). 3667 Dugdale/Stanton, Negligence, § 16.20. 3668 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 422 m.w.N. 3669 Vgl. z.B. für die solicitor-Haftung Mückl, RIW 2006, 742, 746. 3670 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 422 f. m.w.N. 3664

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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Daneben wird freilich – parallel zu Art. 1:106(2) PELSC – für ungenügende Sorgfalt bei Auswahl, Anleitung und Überwachung gehaftet3671. Ein ähnliches Bild bietet für die Pflichtenübertragung § 664 Abs. 1 S. 2 BGB, der ebenfalls an ein Auswahlverschulden anknüpft3672 und insofern für § 278 BGB den Rückschluss nahe legt, dass vertragliche Pflichten nach der Konzeption des BGB – ebenso wie nach der von Art. 8:107 PECL, III. – 2:106 DCFR – grundsätzlich non-delegable duties sind3673. Dem kommt die englische Rechtsprechungs- und Vertragspraxis, wie gleich zu zeigen sein wird, bei der Haftung für Fehlleistungen von independent contractors durch eine restriktive Haltung zur degelability zumindest bei den hier untersuchten Dienstleistern durchaus nahe.

b)

Die Hilfspersonenhaftung nach der Konzeption von PECL, PELSC und DCFR

Die Frage der Haftung des Schuldners für Fehlleistungen einer Hilfsperson beantwortet in den PECL Art. 8:107, im DCFR Art. III. – 2:106. Danach bleibt, wer die Erfüllung eines Vertrages einem anderen anvertraut, gleichwohl selbst für die Erfüllung verantwortlich. Dafür spielt die interne Beziehung zwischen dem Schuldner und dem Dritten keine Rolle3674. Unerheblich ist insofern auch, ob der Dritte als Stellvertreter, Erfüllungsgehilfe, Arbeitnehmer den Weisungen des Schuldners unterliegt oder unabhängiger Subunternehmer ist. Für Fehlleistungen des Dritten haftet der Schuldner also unbedingt. Erfüllung und Schadensersatz scheiden als Rechtsbehelfe des Gläubigers allein unter den Voraussetzungen der Art. 8:108 PECL, III. – 3:104(1), (3), (5) DCFR aus. Vom Schuldner in die Vertragsdurchführung eingeschaltete Dritte liegen allerdings grundsätzlich in dessen Einflussbereich3675, sodass Art. 8:108 PECL, III. – 3:104(1), (3), (5) DCFR kaum einmal eingreifen. Denkbar ist allenfalls die Berufung des Schuldners darauf, dass außer dem beauftragten Subunternehmer, der die Nichterfüllung bewirkt hat, kein anderer Subunternehmer überhaupt zur Erfüllung in der Lage gewesen wäre. Voraussetzung einer Entlastung vom Erfüllungsund Schadensersatzanspruch ist selbst in diesem Fall allerdings zusätzlich, dass das Erfüllungshindernis auch außerhalb des Einflussbereichs des Subunternehmers gelegen hat3676. Ein Vertragsbruch bzw. eine Nichterfüllung des Schuldners liegt losgelöst davon bei jeder Nichterfüllung durch die eingeschaltete Hilfsperson vor. Neben dieser unbedingten Einstandspflicht des Schuldners für die Fehlleistungen der von ihm eingeschalteten Hilfspersonen haftet der Schuldner indessen auch für eine nicht hinreichend sorgfältige (Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR) Auswahl der eingeschalteten Hilfspersonen; denn nach Art. 1:106(2) PELSC, IV.C. – 2:104(2) DCFR darf der Schuldner nur solche Subunternehmer auswählen, die angemessen kompetent sind. Diese Verpflichtung muss im Zusammenhang mit der Verpflichtung 3671

Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 408. Näher Erman/Ehmann, BGB § 664 Rn. 21; MünchKomm/Seiler, BGB § 664 Rn. 6. 3673 Schmidt-Kessel, Standards, S. 408 f. 3674 von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 457. 3675 von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 460. 3676 von Bar/Zimmermann, Grundregeln I, II, S. 460. 3672

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

zur Ausübung angemessener Sorgfalt nach Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR gesehen werden3677 und soll zur Sicherstellung des Erreichens des vertraglich avisierten Zieles beitragen, indem sie ausdrücklich zur sorgfältigen Auswahl von Subunternehmern anhält3678. Entsprechendes scheint auf der Grundlage der Art. 1:107 PELSC, 7:106(1)(a), 6:102, 6:108 PECL, IV.C. – 2:105, III. – 2:107(1)(a), II. 9:101 (2), 9:108 DCFR allerdings auch für sonstige Hilfspersonen begründbar. Solange der Schuldner aufgrund eigener Entscheidung Dritte in die Vertragsdurchführung einschaltet, sind ihm deren Fehlleistungen schon deswegen eher zuzurechnen als dem Gläubiger. Denn die haftungsrelevante Fehlleistung entspringt ja seinem Tätigkeits- und Herrschaftsbereich. Anderes müsste auf der Basis dieser Begründung allerdings gelten, sofern der Gläubiger selbst Dritte auswählt, die einen Teil der vertraglichen Leistung erbringen sollen. Dies erkennen Art. 1:106(6) PELSC, IV.C. – 2:104(4) DCFR an. Danach muss der Schuldner einer entsprechenden Personalauswahlentscheidung des Gläubigers zwar im Rahmen von Art. 1:109 PELSC, IV.C. – 2:107 DCFR folgen. Führt die (als Weisung nach Art. 1:109(1) PELSC, IV.C. – 2:107(1) DCFR zu qualifizierende) Auswahlentscheidung aber zu einer Nichterfüllung der aus Art. 1:107 f. PELSC, IV.C. – 2:105 f. DCFR folgenden Pflichten, haftet der Schuldner für die Nichterfüllung nicht, solange er seiner Warnpflicht nach Art. 1:110 PELSC, IV.C. – 2:108 DCFR nachgekommen ist, Art. 1:109(2) PELSC, IV.C. – 2:107(2) DCFR. Sofern die Fehlleistung also auf einer Auswahlentscheidung des Gläubigers beruht, haftet der Schuldner nicht, solange er den Gläubiger hinreichend gewarnt hat. Eine entsprechende Verpflichtung sehen u.U. auch das deutsche und das englische Recht für die hier untersuchten Dienstleister vor, sofern die Leistungen Dritter bei angemessener Sorgfalt erkennbar untauglich oder vertragswidrig sind. Ferner wird der Schuldner u.U. für verpflichtet gehalten, potentiellen Fehlleistungen Dritter vorzubeugen. Diese Verpflichtung könnte sich nach den PELSC allenfalls aus Art. 1:107, nach dem DCFR allenfalls aus Art. IV.C. – 2:105 f. DCFR ergeben.

3.

Die konkreten Möglichkeiten und Grenzen einer Aufgabendelegation

a)

Die Behandlung der Problematik im Rahmen von Anwaltsverträgen nach englischem und deutschem Recht

aa) Die Problematik im Lichte des solicitor-retainers Eine erste Grenze findet die Aufgabendelegation durch solicitors insofern zumeist im Vertrag. Zwar ist ihm, auch wenn die Behandlung der Angelegenheit durch einen solicitor den Vertragsgegenstand bildet, die Übertragung von (Teil-)Aufgaben auf Dritte möglich3679. Wird z.B. ein country solicitor3680 durch seinen Mandanten zur Erhebung einer andernorts einzureichenden Klage ermächtigt, ist grundsätzlich da3677

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:106. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. und D. zu Art. 1:106. 3679 Näher Hollins v Russell [2003] 1 WLR 2487, 2536 ff. per Brooke LJ (CA). 3678

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

571

von auszugehen, dass er insoweit einen town agent bestellen darf, der das Klageverfahren stellvertretend einleitet3681. Eine Pflichtenübertragung ist damit aber nicht verbunden, da der town agent nicht Vertragspartner des Mandanten, sondern allein des country solicitors wird3682. Ist indessen – was bei Vertragsschluss mit einer law firm mehrfach vorgekommen ist – ein solicitor an der Aufgabendurchführung ohne Wissen des Mandanten gar nicht beteiligt, bedeutet dies in jedem Fall einen Vertragsbruch und führt u.U. sogar einen discharge of contract by breach mit der Folge herbei, dass die schuldnerische Firma zunächst keinerlei Aufwandsersatz verlangen kann. Daneben kommt eine Schadensersatzhaftung und zwar nicht nur wegen Vertragsbruchs, sondern auch auf Grundlage des Misrepresentation Act 1967 oder wegen Betrugs (fraud) in Betracht3683. So wurde durch den Court of Appeal ein entsprechender Sachverhalt etwa in Pilbrow v Pearless De Rougement entschieden: “This case is not properly to be analysed as a case of defective performance of a contract for legal services with a term that these should be performed by a solicitor. I categorise it as one of non-performance of a contract to provide legal services by a solicitor. In my judgment a firm of solicitors which is asked for a solicitor and, without telling the client that the adviser is not a solicitor, provides an adviser who is not a solicitor, should not be entitled to recover anything. I would come to the same conclusion in relation to a case where a person goes into a doctor’s surgery, asks for a doctor and the receptionist refers him to a nurse who thereafter, perfectly competently, handles his problems. These situations are not to be equated with situations where a drinker asks for a pint of one make of bitter but is mistakenly provided with a pint of another make and does not discover the difference until he has drunk the glass dry.”3684

3680

Die räumliche Konzentration der obersten Gerichte auf das Stadtgebiet von London führt dazu, dass viele solicitors, die ihre Kanzlei andernorts betreiben, ständig mit einem bestimmten in London sitzenden solicitor kooperieren. Dieser sog. London agent wird tätig, wenn vor einem in London sitzenden Gericht verhandelt wird. Allgemeiner formuliert geht es dabei um die Zusammenarbeit zwischen auf dem Land praktizierendem (country solicitor) und in der Stadt praktizierendem solicitor (town agent). Näher zu den vertraglichen Beziehungen Cordery, Solicitors, S. 63; Halsbury’s, Vol 44 (1) Solicitors, § 406; Kellermann, Standesrecht, S. 57 ff. 3681 Billins, Solicitors, § 5–01; Cordery, Solicitors, S. 63; Halsbury’s, Vol 44 (1) Solicitors, § 406 m.w.N. 3682 Vgl. nur die Nachweise in den vorhergehenden Fußnoten. 3683 Adrian Alan Ltd v Fuglers [2002] EWCA Civ 1655, Tz. 11 ff. per Brooke LJ (CA). Allgemein zur Bedeutung der Haftung wegen misrepresentation im Zusammenhang mit unterdurchschnittlichen Dienstleistungen Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 20. 3684 Pilbrow v Pearless De Rougement [1999] 3 All ER 355, 360 per Schiemann LJ (CA).

572

(1)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Entlastung des solicitors durch Vertrauen auf barrister

In gewisser Weise zwischen der Problematik des Tätigwerdens in getrennten Pflichtenkreisen und der (Teil-)Delegation einer Aufgabe steht die nachfolgend zu erörternde Problematik, nämlich die Frage, unter welchen Umständen der solicitor einen barrister beratend hinzuziehen darf (oder muss) und inwieweit die Berücksichtigung von dessen Ratschlag (u.U. als integrierter Bestandteil der Leistung des solicitors) trotz Fehlerhaftigkeit keinen Vertragsbruch des solicitors begründet. In der Sache Arthur JS Hall & Co v Simons hat das House of Lords noch einmal klargestellt, dass ein solicitor, der sich unsicher ist, stets einen barrister hinzuziehen darf3685. U.U. besteht sogar eine Hinzuziehungspflicht3686. § 13.06 Guide sieht z.B. vor, dass ein solicitor „should advise the client when it is appropriate to instruct counsel“. Unter Berücksichtigung der Mandanteninstruktionen muss der solicitor insofern sorgfältig abwägen3687: Überfordert ihn das Mandat (teilweise), dürfte es fahrlässig sein, (hinsichtlich der überfordernden Teile) nicht zum Hinzuziehen eines barristers zu raten3688. Soweit das Mandat den solicitor im Ganzen überfordert, dürfte bereits die Übernahme fahrlässig sein3689. Mit einer entsprechenden beratenden Hinzuziehung ist losgelöst davon nicht notwendig eine Pflichtübertragung verbunden. Die regelmäßige Folge ist vielmehr, dass sich der solicitor umgekehrt bei seiner Pflichterfüllung in gewissen Grenzen auf den Rat des barristers verlassen darf:

(a)

Grundlagen und dogmatische Konstruktion

Entlastend wirkt im Anwaltshaftungsprozess im Regelfall der Vortrag des solicitors, er habe sich bei seinem Vorgehen auf den Rat des beauftragten barristers verlassen. Diese Regel reicht weit ins 19. Jahrhundert zurück3690, unterliegt im Laufe der Zeit jedoch einem gewissen Wandel3691. Dies erklärt sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die Ausbildung zum barrister sich kaum noch von der Ausbildung zum solicitor unterscheidet3692. Auch spezialisieren sich viele solicitors auf bestimmte Rechtsgebiete oder Prozessarten, sodass es immer mehr zu einer Annäherung der Kompetenzen kommt. 3685

Arthur JS Hall & Co v Simons [2002] 1 AC 615, 738 per Lord Hobhouse (HL). Vgl. Mückl, RIW 2006, 742, 746. 3687 Watson, Litigation, § 5.53. 3688 Vgl. Green v Collyer-Bristow [1999] Lloyd’s Rep PN 798 (lexis). 3689 Watson, Litigation, § 5.53. 3690 Vgl. noch Francis v Francis and Dickerson [1956] P 87, 96 per Sachs J: „… it is the standard – and proper – view of taxing officers that as a general rule a solicitor acting on the advice of properly instructed counsel can hardly be said to be acting unreasonably – save perhaps in some very exceptional set of circumstances“. 3691 Vgl. nur Jackson/Powell, Negligence, § 10–116 m. Fn. 66. Dort auch zum Folgenden. Zum praktischen Hintergrund vgl. auch McFaddens (a firm) v Platford [2009] PNLR 26, Tz. 56 per HJ Toulmin CMG QC. 3692 Vgl. dazu auch Bond v Livingstone [2001] PNLR 30, Tz. 91 per Sir Christopher Bellamy QC, der insoweit Jackson/Powell, a.a.O. zustimmt. 3686

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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Dies wird seit einiger Zeit auch gerichtlich reflektiert, wie die Entscheidung des Court of Appeal in Davy-Chiesman v Davy-Chiesman belegt3693, auf die später zurückzukommen sein wird. Dogmatisch lässt sich die haftungsentlastende Wirkung eines Vertrauens in counsel’s advice auf zwei Wegen konstruieren: “[W]here, as here, the advice as to plea was later confirmed by counsel, any action against the solicitor would almost certainly be bound to fail either on the ground that the solicitor had also been advised by counsel and was not negligent, or as a matter of causation, counsel’s intervention broke any link between the solicitor’s advice and the eventual plea”3694. Die Berufung auf eine Durchbrechung der Kausalkette wird vor allem dort in Betracht kommen, wo der solicitor bereits zu einem bestimmten Vorgehen geraten hat und diese Empfehlung nachträglich vom hinzugezogenen barrister bestätigt wird3695. Sie scheidet in dieser Form allerdings aus, sofern der Vertragsbruch sich wiederholt, weil es sich um eine dauerhafte Pflicht handelt, die fortwährend zur neuerlichen Kontrolle zwingt3696, oder falls der Schaden vor Einholung des Rates eines barristers eingetreten ist3697. Gleiches gilt, wenn der solicitor seine Pflicht zur eigenständigen Überprüfung des vom barrister erteilten Rates verletzt3698 oder u.U. auch, wenn seit dem Rat des barristers viel Zeit vergangen ist. Im Übrigen waren bereits vor der durch Davy-Chiesman v Davy-Chiesman3699 eingeleiteten breiteren Einschränkung der Entlastungsmöglichkeit einige wichtige Ausnahmen von der Berufung auf counsel’s advice anerkannt, die u.a. Anleitungs- und Überwachungsfehler betreffen:

(b)

Anerkannte Ausnahmen von der Entlastung

Zunächst haftet der solicitor unabhängig davon, ob er auf die Rechtsansicht des barristers vertraut, wegen Vertragsbruchs, wenn er gegen die ausdrücklichen Anweisungen des Mandanten verstößt3700. Denn die Rechtsauffassung des barristers – wie zutreffend sie auch ist – vermag nicht die ausdrücklichen Anweisungen des Man3693

Diese Entscheidung dürfte grundlegend für die Weiterentwicklung der sogleich vorzustellenden Ausnahmen gewesen sein, vgl. Bond v Livingstone [2001] PNLR 30, Tz. 92 per Sir Christopher Bellamy QC. 3694 Somasundaram v M Julius Melchior & Co [1988] 1 WLR 1394, 1404 per May LJ (CA). 3695 Vgl. Estill v Cowling Swift & Kitchen [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis); Watson, Litigation, § 7.106. 3696 Vgl. Bond v Livingstone [2001] PNLR 30, Tz. 113 ff. per Sir Christopher Bellamy QC. 3697 Cook v Swinfen [1966] 1 WLR 635, 642 per Lawton J. 3698 Estill v Cowling Swift & Kitchen [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis); vgl. zu dieser Pflicht näher sogleich im Text. 3699 Zu dieser Entscheidung sowie zur nachfolgenden Entwicklung ab S. 576. 3700 Billins, Solicitors, § 4– 41.

574

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

danten außer Kraft zu setzen3701. Eine weitere Ausnahme von der Regel ergibt sich aus dem Umstand, dass der barrister nur adäquat tätig werden kann, wenn er angemessen instruiert worden ist3702. Beruht das Ergebnis, zu dem der barrister gelangt ist, mithin auf ungenügender Instruktion durch den solicitor (Bsp.: nicht alle notwendigen Unterlagen werden vorgelegt), haftet dieser, ohne sich darauf berufen zu können, er habe der Rechtsauskunft des barristers vertraut3703. Der solicitor ist folglich einerseits dazu verpflichtet, den barrister mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu versorgen, und muss den barrister andererseits in die Lage versetzen, sich weitere Informationen, die für eine adäquate Behandlung der Sache erforderlich sind, zu verschaffen3704. Ist die vom barrister erteilte Auskunft fahrlässig fehlerhaft, entlastet sie den solicitor des Weiteren nicht, sofern er sie dem Mandanten gegenüber als seine eigene ausgegeben hat3705. Darüber hinaus kann sich der solicitor nur auf die Auskunft des barristers berufen, falls dieser aus der Sicht eines vernünftigen dritten solicitors in der Rolle des beklagten solicitors nicht offensichtlich inkompetent ist3706. Dasselbe gilt schließlich für die Beratung in Fragen, in denen der solicitor selbst ebenso kompetent ist (oder zumindest sein sollte) wie der beauftrage barrister. Dazu hatte Tindal CJ bereits im Jahre 1830 festgestellt: “We lay no stress upon the fact, that the attorney had consulted his counsel as to the sufficiency of the evidence; because we think, his liablity must depend upon the nature and description of the mistake or want of skill which has been shown; and he cannot shift from himself such responsibility by consulting another where the law would presume him to have the knowledge himself ”3707.

3701

Vgl. C v C (Wasted Costs Order) [1994] 2 FLR 34 perEwbank J (HC, lexis); Jackson/Powell, Negligence, § 10–121, die gleichzeitig darauf hinweisen, dass der solicitor freilich nicht dazu verpflichtet ist, alles zu tun, was der Mandant verlangt. So muss er bspw. nicht alles in die Klageschrift aufnehmen, was sich der Mandant wünscht. Denn dies könnte im Einzelfall sogar „very negligent“ sein, vgl. Watson, Litigation, § 5.16; Jackson/Powell, Negligence, § 10–177 m.w.N. 3702 Vgl. dazu insbesondere Watson, Litigation, § 7.102. 3703 Firstcity Insurance Group Ltd v Orchard (a firm) [2002] Lloyd’s Rep PN 543, Tz. 82 per Forbes J (HC, lexis); Locke v Camberwell Health Authority [1990] 140 NLJ 205 per Morland J (HC, lexis), Unter diesem Aspekt nicht durch den Court of Appeal beanstandet, vgl. (1991) [2002] Lloyd’s Rep PN 23 per Taylor LJ (CA, lexis). Ebenso Billins, Solicitors, § 4– 41; Jackson/Powell, Negligence, § 10–121. 3704 Vgl. Locke v Camberwell Health Authority [1990] 140 NLJ 205 per Morland J (HC, lexis) unter Bezugnahme auf Halsbury’s, Vol. 3(1) Barristers, § 424. 3705 So Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.12, die zur Begründung dieser Ausnahme darauf verweisen, dass in Groom v Crocker [1939] 1 KB 194 die Tatsache, dass der solicitor, als er den Vertrag mit seinem Mandanten brach, dem Rat des hinzugezogenen barristers folgte, nicht einmal als Verteidigungseinwand vorgetragen wurde. 3706 Billins, Solicitors, § 4– 41; Jackson/ Powell, Negligence, § 10–121; Watson, Litigation, § 7.103; Halsbury’s, Vol. 44(1) Solicitors, § 153 m. Fn. 6 f.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

575

Folgerichtig kommt es in diesem Fall nicht darauf an, ob dem barrister ein Fehler unterlaufen ist: In der Sache Cook v S hatte die Klägerin den beklagte solicitor als ihren Anwalt in dem von ihrem Gatten angestrebten Scheidungsprozess mandatiert. Weil der Beklagte sich in diesem Scheidungsverfahren fahrlässig nicht rechtzeitig als Prozessvertreter der Klägerin bestellte, erlangte der damalige Ehemann der Klägerin ein vorläufiges Scheidungsurteil (decree de nisi). Einen Monat nachdem das vorläufige Scheidungsurteil ergangen war, riet der vom beklagten solicitor der Ehefrau beauftragte barrister irrtümlich davon ab, den mehrfachen Ehebruch des Ehemanns der Klägerin vorzubringen, um das Erstarken des Scheidungsurteils in Rechtskraft zu verhindern. Das Scheidungsurteil wurde kurze Zeit später endgültig; die Klägerin erlitt infolge dessen (psychsich bedingte) Gesundheitsschäden und ging sowohl der Möglichkeit, ihrerseits die Scheidung einzureichen, als auch der Unterhaltsansprüche für sie und ihren Sohn verlustig. Lawton J stellte zur Frage der Verantwortlichkeit des barristers fest, dass dieser bei seiner Einschätzung nicht fahrlässig gewesen sei, sondern „just mistaken as any lawyer and judge might be“. Der beklagte solicitor könne sich darauf jedoch nicht berufen, denn “[t]he defendant by his negligence had created a source of danger for the plaintiff. The danger was of a kind which the defendant, within the limits of his own knowledge and experience, was incapable of overcoming without help. He turned to experienced counsel for help; but counsel, being human, made a mistake in the nature of an error of judgment. Why then, in justice, should the defendant be relieved of the consequences of his own negligence by pointing to the error of the man he had called in to advise how to get out of the difficulty which he himself had created? In my judgment, he cannot.”3708 Bei diesem Urteil könnte durchaus die Überlegung im Hintergrund stehen, dass ein Mandant, der einen solicitor mit der Vertretung seiner Angelegenheiten betraut, im Regelfall selbstverständlich davon ausgehen wird, dass dieser die notwendige Sachkunde und Erfahrung besitzt, um mit der Angelegenheit umgehen zu können3709. Denn diese Überlegung haben die Gerichte in jüngerer Zeit mehrfach in Anspruch genommen, um auf der Grundlage der vorgestellten Ausnahmen die Entwicklung eines breiter angelegten Prinzips voranzutreiben3710. 3707

Godefroy v Dalton (1830) 6 Bing 460, 469 (zit. nach Jackson/Powell, Negligence, § 10–121 m. Fn. 82); ebenso Bond v Livingstone [2001] PNLR 30, Tz. 111 per Sir Christopher Bellamy QC; vgl. auch Billins, Solicitors, § 4– 41. 3708 Cook v S [1966] 1 WLR 635, 643. 3709 Billins, Solicitors, § 4– 42. 3710 Vgl. dazu die in Martin Boston and Company v Roberts [1996] 1 PNLR 45, 51 per Simon Brown LJ bestätigte erstinstanzliche Umschreibung der berechtigten Erwartungen des Mandanten: „… the client is entitled to expect the service of a reasonably competent solicitor acting in litigation with knowledge of the risks involved and to use sufficient, to use a northern expression, nous or, to use a less northern and more general one, experience and expertise to protect the client’s interests“. Vgl. auch Billins, Solicitors, § 4– 42.

576

(c)

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Die jüngere Entwicklung der Rechtsprechung

In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung in der Sache Davy-Chiesman v Davy-Chiesman einzugehen, in der ein bankrotter Ehemann seine ehemalige Gattin nach der Scheidung der Ehe auf Zahlung von Unterhaltsleistungen in Anspruch genommen hatte. Obwohl die Klage wegen einer Veränderung der Tatsachengrundlage ab einem gewissen Zeitpunkt offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte, trieb der vom ehemaligen Gatten beauftragte solicitor, der insoweit auf die vor diesem Zeitpunkt anders lautende Einschätzung des durch ihn engagierten barristers vertraute, die Klage weiter voran. Ungeachtet seines Vertrauens auf die Auskunft des barristers, die – wie der solicitor wusste – unter anderen Umständen abgegeben worden war, wurde der solicitor vom Court of Appeal gemäß der damaligen Order 62, r 8 der Supreme Court Rules, nachdem die Klage gescheitert war, dazu verurteilt, die Prozesskosten beider Parteien ab dem Zeitpunkt zu tragen, ab dem die Klage offensichtlich aussichtslos war. May LJ begründete die Kostenentscheidung damit, dass es zwar für gewöhnlich die Regel sei, „that save in exceptional circumstances a solicitor cannot be criticised where he acts on the advice of properly instructed counsel“3711, fügte aber qualifizierend hinzu: “However, this does not operate so as to give a solicitor an immunity in every such case. A solicitor is highly trained and rightly expected to be experienced in his particular legal fields. He is under a duty at all times to exercise that degree of care, to both client and the court, that can be expected of a reasonably prudent solicitor. He is not entitled to rely blindly and with no mind of his own on counsel’s views.”3712 Diese Beurteilung ist zwischenzeitlich vielfach bestätigt worden3713 und auch die Law Society verpflichtet den solicitor dazu, die Rechtsauffassung des barristers auf offensichtliche Fehler zu prüfen. S. 20.05 § 1 des Guide lautet: “A solicitor should take care in the selection of suitable counsel or other advocate and must, when considering the advice of counsel or other advocate, ensure that it contains no obvious errors. If the advice conflicts with previous advice, it may be necessary to seek clarification.” Die gegenwärtige Rechtslage wird in zwei jüngeren Entscheidungen des Court of Appeal wie folgt zusammengefasst 3714: 3711 3712 3713

3714

Davy-Chiesman v Davy-Chiesman [1984] Fam 48, 63. Davy-Chiesman v Davy-Chiesman [1984] Fam 48, 64, ganz ähnlich S. 67 per Dillon LJ. Vgl. zustimmend etwa Clark v Clark (No 2) [1991] FLR 179 per Booth J (lexis; Vertrauen nicht gerechtfertigt); R v Oxfordshire County Council, ex parte Wallace [1987] 137 NLJ 542 May LJ (lexis; Vertrauen gerechtfertigt); Locke v Camberwell Health Authority [1990] 140 NLJ 205 per Morland J (HC, lexis). Vgl. außerdem bestätigend Balamoan v Holden & Co [1999] 149 NLJ 898 per Brooke LJ (CA, lexis); R v Justices of Luton Family Proceedings Court & Ors ex parte R [1998] EWCA

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

577

“The principles relevant to the present case to be derived from those authorities can be shortly stated. (1) In general, a solicitor is entitled to rely upon the advice of counsel properly instructed. (2) For a solicitor without specialist experience in a proper field to rely on counsel’s advice is to make normal and proper use of the Bar. (3) However he must not do so blindly but must exercise his own independent judgment. If he reasonably thinks counsel’s advice is obviously or glaringly wrong, it is his duty to reject it.”3715 “A solicitor does not abdicate his professional responsibility when he seeks the advice of counsel. He must apply his mind to the advice received. But the more specialist the nature of the advice, the more reasonable it is likely to be for a solicitor to accept it and act on it.”3716

(aa) Grenzen der Entlastung Die „professional responsibility“ des solicitors verpflichtet danach zunächst zu einem „independent judgement“3717, bei dessen Ausübung ein komparativer Maßstab gilt: Je weniger es sich um eine Frage handelt, die Spezialkenntnisse voraussetzt, desto unangemessener ist es, sich auf die Rechtsauskunft des barristers zu verlassen und umgekehrt.

(i)

Fehlen von Grundlagenkenntnissen

So wird, wie sich an der Entscheidung Green v Collyer-Bristow illustrieren lässt, z.B. erwartet, dass die Grundlagenkenntnisse des Rechtsgebiets, auf dem sich der solicitor bewegt, bekannt sind, auch wenn es sich nicht um sein „Spezialgebiet“ handelt3718.

3715

3716 3717

3718

Civ 80, 27 January 1998, Tz. 13 per Lord Woolf MR (unreported); Reaveley v Safeway Stores Plc [1998] PNLR 526, 532 f. per Aldous LJ; Fletamentos Maritimos SA v Effjohn International BV (1997) [2003] Lloyd’s Rep PN 26 per Simon Brown LJ (CA, lexis); Tolstoy-Miloslavsky v Aldington [1996] 1 WLR 736, 748 f. per Rose LJ; vgl. auch Martin Boston and Company v Roberts [1996] 1 PNLR 45, 50 per Simon Brown LJ und Matrix-Securities Ltd v Theodore Goddard (a firm) [1998] STC 1 per Lloyd J (HC, lexis). Locke v Camberwell Health Authority (1991) [2002] Lloyd’s Rep PN 23 per Taylor LJ (CA, lexis). Ridehalgh v Horsefield [1994] Ch 205, 237 per Sir Thomas Bingham MR (CA). Vgl. dazu auch Tolstoy-Miloslavsky v Aldington [1996] 1 WLR 736, 748 per Rose LJ; aus jüngerer Zeit im selben Sinne Fraser v Bolt Burdon Claims & Others [2009] EWHC 2906, Tz. 67 per HJ Seymour QC (QB), unreported. Vgl. auch Bond & Ors v Livingstone & Co (A Firm) [2001] PNLR 30, Tz. 108 per Sir Christopher Bellamy QC und am Beispiel des Steuerrechts Estill v Cowling Swift & Kitchen [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis): „To carry out what he had undertaken to do, a reasonably competent solicitor would in my view have taken steps to give himself some general knowledge of the subject. In other words, as respects the tax considerations, he would have read some general outline of the tax implications of setting up a trust,

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

578

„To undertake some lesser service, for example that of simply asking questions approved by the client and forwarding counsel’s advice to the client, would have required an express agreement to that effect“3719. In Green hatten sowohl die beklagten solicitors, als auch der hinzugezogene barrister bei der Beratung der Klägerin, die ihren ehemaligen Ehemann auf Übereignung eines Grundstücks in Anspruch nehmen wollte, s. 2 des Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 übersehen, die strengere Anforderungen (u.a. hinsichtlich der Schriftform) an den zugrunde liegenden Vertrag stellt, als s. 40 des Law of Property Act 1925 dies getan hatte. Die Beklagten waren „Familienrechtler“, doch konnte dieser Umstand sie ebenso wenig entlasten wie der, dass zwei führende Lehrbücher zum Scheidungs- und Güterrecht s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 im Zusammenhang mit Eigentumsübertragungen nicht einmal erwähnten, denn: “… the requirement in s.40 for written acknowledgement of an agreement to transfer an interest in land, which goes back to the Statute of Frauds was part of basic legal knowledge acquired prior to qualification. It is perhaps not surprising that two of the three standard works made no reference to it because specific performance was not part of the standard armoury of the matrimonial lawyer. It remained nevertheless basic information to be held in mind, if infrequently referred to, by any lawyer engaged in the transfer of interests in land.”3720

(ii)

Pflichtenkollision

Für „obviously or glaringly wrong“ und daher nicht haftungsentlastend wird man die Rechtsauskunft des barristers auch halten müssen, wenn das von diesem vertretene Verfahren offensichtlich mit anderweitig bestehenden Pflichtenbindungen des solicitors konfligiert. Rückhalt findet diese Überlegung z.B. in der Entscheidung Clark v Clark (No 2). Dort hatten solicitors die ihnen gegenüber dem Legal Aid Fund obliegenden Pflichten verletzt, indem sie – dem Rat eines barristers folgend – die Abänderung einer gerichtlichen Verfügung beantragt hatten, nach der aus dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Vermögen des ehemaligen Ehemannes ihrer Mandantin zunächst die Kosten des Unterhaltsprozesses bestritten werden sollten. Die solicitors beantragten die Änderung der Verfügung dahin, dass aus dem Vermögen zuerst rückständige Unterhaltszahlungen an die Mandantin geleistet werden sollten. and … looked to see what exemptions were available. The point was not some obscure point of tax law. It was a basic principle … which had been discussed in the professional press at the time, particularly when the law was changed to make transfers to IIP trusts PETs“. Vgl. auch Green v Hancocks (a firm) [2000] Lloyd’s Rep PN 813 per Ferris J (HC, lexis; solicitor verkennt, dass Mandant keine Klagebefugnis besitzt); Johnson v Gore Wood & Co [2001] 2 WLR 72 (HL) und Watson, Litigation, §§ 7.98 ff. 3719 Estill v Cowling Swift & Kitchen [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis); vgl. auch Hurlingham Estates Ltd v Wilde & Partners [1997] 1 Lloyds Rep 525, 528 ff. per Lightman J (HC). 3720 Green v Collyer-Bristow (a firm) [1999] Lloyd’s Rep PN 798 per Douglas Brown J (HC, lexis).

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

579

So blieb der Legal Aid Fund zu einer größeren Zahlung verpflichtet. Die Pflichtverletzung gegenüber dem Legal Aid Fund und der Law Society konnten die solicitors nicht unter Berufung auf counsel’s advice ausräumen: “… it should have been very clear to the solicitor that the result it was intended to achieve conflicted directly with the duty which he himself owed to the Law Society and to the Legal Aid Fund. That duty constituted a personal obligation upon him … to protect the Legal Aid Fund. Whatever the advice of counsel, he remained responsible at all times to the Law Society … Where, as here, the action which was proposed, and which was followed, placed the solicitor … in a position which directly conflicted with a duty of care he owed to the Legal Aid Fund, it would have required the clearest authorisation from the Law Society if he were to be absolved from that duty. No reliance upon counsel, however compelling the advice, could have absolved him from that duty.”3721

(iii) Ernsthafter Versuch einer Prüfung der Rechtsauskunft des barristers Im Übrigen wird der solicitor stets zumindest einen ernsthaften Versuch unternommen haben müssen, die vom barrister erhaltene Auskunft zu überprüfen. Denn eine Verpflichtung, „to review the advice with the benefit of his legal knowledge, albeit without the specialist knowledge that counsel would be expected to have“3722, dürfte der solicitor im Regelfall implizit vertraglich übernommen haben3723. Insoweit gilt es zu differenzieren3724: Zwar ist der solicitor nicht verpflichtet, sicherzustellen, dass der barrister bei seinem Ratschluss angemessene Sorgfalt walten lassen hat. Sorgfalt schuldet der solicitor selbst jedoch zum einen bei der Auswahl derjenigen Person, der die Aufgabe an seiner statt übertragen werden soll, und zum anderen bei der Beurteilung der Angemessenheit und Verwertbarkeit der Leistung des Dritten für seinen Mandanten, soweit die Kenntnisse und Fähigkeiten eines durchschnittlich kompetenten und angemessen sorgfältigen solicitors eine entsprechende Bewertung zulassen. Denn insoweit dürften auf solicitors die Regeln entsprechende Anwendung finden3725, die der Court of Appeal unter Bezugnahme auf die in Davy-Chiesman v Davy-Chiesman niedergelegten Grundsätze für die Architektenhaftung entwickelt hat3726.

3721

Clark v Clark (No 2) [1991] FLR 179 per Booth J (HC, lexis). Estill v Cowling Swift & Kitchen [2000] Lloyd’s Rep PN 378 per Arden J (HC, lexis). 3723 Ebenso Watson, Litigation, § 7.104; Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.14. 3724 Dugdale/Stanton, Negligence, §§ 4.13 f. m.w.N. 3725 Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.14. 3726 Vgl. ab S. 593. 3722

580

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

(bb) Möglichkeiten der Entlastung Ein solicitor, bei dem als „general practitioner“ keine speziellen Kenntnisse bezüglich einer Frage, bei der es auf derartige spezielle Kenntnisse ankommt, vorhanden sind, darf sich indessen regelmäßig auf die Auskunft des hinzugezogenen barristers verlassen3727. Ein Beispiel dafür bietet die Entscheidung in der Sache Manor Electronics Ltd v Dickson, in der die das Mandat betreuende Partnerin keinerlei Erfahrung mit Prozessen besaß, die Fragen des geistigen Eigentums zum Gegenstand hatten, noch nie einen Antrag auf eine entsprechende einstweilige Verfügung (sog. Anton Piller order) gestellt hatte und sich daher an einen in diesen Fragen erfahrenen barrister wandte. Dem Vorwurf, sie habe die vertraulichen Informationen nicht hinreichend deutlich benannt, die Gegenstand einer entsprechenden Verfügung hätten sein können, konnte sie unter Berufung auf ihr Vertrauen in die Auskunft und Vorbereitungen des barristers begegnen. Das Gericht urteilte: “I accept that a solicitor ought not blindly to rely on counsel and owes both the court and the client a duty to bring his or her independent mind to bear on the problems of the litigation and the adequacies of the procedure being adopted. But litigation regarding misuse of confidential information, breaches of duty of fidelity by employees and directors, is specialist litigation. Many litigation solicitors may have a lifetime’s experience without encountering such a case. Anton Piller orders too, while common enough to those practising in the intellectual property field, may be unfamiliar territory for many litigation solicitors. [The defendant], given her own inexperience in the field, acted properly in placing the case in the hands of counsel, both for advice and for preparation of the necessary documents. … [The defendant], in instructing and relying on counsel in a case involving subjects of which she knew she lacked any personal experience, was making a normal and proper use of the bar.”3728 Dies leuchtet unmittelbar ein: Da eigene Sachkunde nicht vorhanden ist, muss der solicitor, um einen der Aufgabe angemessenen Sorgfaltslevel zu erreichen, sogar auf externen Sachverstand zurückgreifen, wenn er seine Pflicht erfüllen will. Mit der Delegation bestimmter Erfüllungshandlungen an den barrister verletzt der solicitor seine vertraglichen Pflichten folglich in diesem Fall nicht, sondern erfüllt sie gerade3729. Umgekehrt kann die Berufung auf den barrister dort eigentlich keine Legitimationsgrundlage für eine Entlastung bieten, wo hinreichende eigene Sachkunde vorhanden ist. Insofern müssen sachkundige solicitors auf Fehler des barristers zwar auf3727

Ebenso Billins, Solicitors, §§ 4– 43, 5-03. Dies gilt bspw. für das Führen von Arzthaftungsprozessen, sofern keine eigene Erfahrung vorhanden ist, Locke v Camberwell Health Authority (1991) [2002] Lloyd’s Rep PN 23 per Taylor LJ (CA, lexis). 3728 Manor Electronics Ltd v Dickson (orse In re Knight & Others practising as Dibb & Clegg, Barnsley), The Times 8 February 1990 per Scott J (HC, lexis). 3729 Vgl. zu weiteren Fällen, in denen die Berufung auf counsel’s advice Erfolg hatte, Jackson/ Powell, Negligence, § 10–120.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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merksam machen. Dies gilt aber, wie in Matrix-Securities v Theodore Goddard für die steuerrechtliche Beratung festgestellt wurde, nur soweit relevante Gesichtspunkte übersehen werden oder in einer wichtigen Frage keine Einigkeit besteht: “[Counsel] had – as he was intended to have – the last word, while it was [the solicitor’s] duty to contribute to the debate and so far as possible make sure that relevant points were not overlooked, it would not be their duty to express a separate view or reservation to [the client], whose representative was of course present at the conference, unless there were some important point on which they disagreed strongly.”3730 Vor diesem Hintergrund wird man annehmen dürfen, dass solicitors sich auch bei eigener Sachkunde grundsätzlich auf die Richtigkeit der Rechtsansicht des barristers verlassen dürfen. Die Feststellungen des Court of Appeal in Ridehalgh, dass „… the more specialist the nature of the advice, the more reasonable it is likely to be for a solicitor to accept it and act on it“, wird man daher durchaus wörtlich nehmen müssen3731. Im Übrigen wird es dem solicitor vor allem dort leichter fallen, sich auf die Auffassung des barristers zu berufen, wo dessen Einschätzung ein Element der Abwägung innewohnt. Ein Beispiel für einen solchen Fall bildet die Entscheidung in der Sache Reaveley v Safeway Stores plc, in der die beklagten solicitors ihrem Mandanten – der Einschätzung des barristers folgend – geraten hatten, eine Zahlung zurückzuweisen und die Klage fortzuführen, obwohl ihnen hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage Zweifel gekommen waren. Mit der Aufrechterhaltung der Klage stand fest, dass der Mandant die £ 2,500, die er bereits erhalten hatte, zurückzahlen musste. Ein Scheitern der Klage musste bedeuten, dass der Kläger eine geringere Summe erhielt, als ihm zwischenzeitlich angeboten worden war. Dennoch waren die Beklagten in ihrem Vertrauen nicht fahrlässig gewesen: “… a solicitor, in general, is entitled to rely on the advice of counsel properly instructed. No doubt he must not do so blindly but must exercise his own independent judgment. In this case the medical evidence did not go so far as to make it clear that the plaintiff could not succeed in establishing that he was not capable at the date of the accident of working as a painter and decorator. The case depended upon the plaintiff’s evidence that he had the motivation. In those circumstances I do not believe that it was negligent for the solicitors to seek the advice of counsel and to act upon it.”3732

3730

Matrix-Securities v Theodore Goddard [1998] STC 1 per Lloyd J (HC, lexis). Vgl. auch Watson, Litigation, § 7.96. 3732 Reaveley v Safeway Stores plc [1998] PNLR 526, 533 per Aldous LJ. 3731

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

(cc) Bewertung aus der Position des Mandanten Vergleichen wir die heutige Rechtslage bezüglich des Einwands der reliance on counsel’s advice mit der Position des Mandanten vor der Entscheidung des House of Lords in der Sache Arthur JS Hall & Co v Simons3733, hat sich diese deutlich verbessert. Denn vor dieser Entscheidung und der jüngst verstärkten Limitierung haftungsentlastenden Vertrauens haftete der solicitor dem Mandanten zumeist nicht, weil er auf den Rat des barristers vertrauen durfte. Der barrister haftete ebenso wenig, da er Immunität genoß3734. Der Mandant blieb – salopp formuliert – auf dem durch die Fahrlässigkeit seines Rechtsbeistands verursachten Schaden sitzen. Die gegenwärtige Rechtsprechung kommt dem Mandanten unter beiden Aspekten deutlich entgegen.

(2)

Entlastung durch Vertrauen auf sonstige Experten

Außer auf ihr Vertrauen in die Auskunft des barristers können sich solicitors zum Zwecke der Entlastung vom Vorwurf einer Vertragsverletzung u.U. allerdings auch auf den Rat Dritter berufen, z.B. auf die Sachverständigengutachten eines Arztes oder Wertgutachters3735. Diese Regel kennt – parallel zur Rechtslage bezüglich der reliance on counsel’s advice – allerdings wiederum einige Ausnahmen, insbesondere Auswahlund Anleitungsfehler. So ist das Vertrauen auf die Experteneinschätzung z.B. ungerechtfertigt, falls (1) der Experte fahrlässig ausgesucht wurde (etwa keine geeignete Qualifikation besitzt)3736 oder (2) nur unzureichend instruiert ist3737, (3) der Experte seine Sicht der Dinge nur beiläufig (inoffiziell) erwähnt hat3738 oder (4) seine Stellungnahme (bzw. die Instruktion durch den solicitor) offensichtlich einer Aktualisierung oder Klarstellung bedarf 3739 und schließlich auch, wenn (5) seine Stellungnah-

3733

Arthur JS Hall & Co v Simons [2000] 3 WLR 543 (HL). Vgl. auch Jackson/Powell, Negligence, § 10–122. 3735 Vgl. etwa UCB Bank plc v Peter J Pinder plc [1998] 2 EG 203 per Jonathan Playford QC (lexis; Vertrauen eines solicitors in die Auskunft eines Wertgutachters auf eine für diesen (theoretisch) leicht zu beantwortende Frage); allgemein Watson, Lititgation, § 7.108. 3736 Vgl. zu den Anforderungen an Sachverständige etwa Sansom v Metcalfe Hambleton & Co [1998] PNLR 542, 549 f. per Butler-Sloss LJ (CA); Palmer v Durnford Ford [1992] QB 483, 488 f. per Judge Tuckey QC (HC). 3737 Watson, Lititgation, § 7.108. 3738 Vgl. etwa Fashion Brokers Ltd v Clarke Hayes (a firm) [2000] Lloyd’s Rep PN 398 per Gage J (CA, lexis). 3739 Vgl. etwa Locke v Camberwell Health Authority (1991) [2002] Lloyd’s Rep PN 23 per Taylor LJ (lexis; Verpflichtung, sicherzustellen, dass der medizinische Sachverständige alle relevanten Krankenblätter kennt); In re G (Minors) (Care Proceedings: Wasted Costs) [2000] 2 WLR 1007, 1018, 1021, 1026 per Wall J (HC, Verpflichtung, sicherzustellen, dass der Sachverständige alle relevanten Zeugenaussagen kennt); Balamoan v Holden & Co [1999] 149 NLJ 898 per Brooke LJ (CA, lexis). 3734

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

583

me (bzw. die Instruktion durch den solicitor) im Widerspruch zu anderen Angaben steht3740.

(3)

Die Hilfspersonenhaftung des solicitors

Auch der beauftragte solicitor kann seine Haftung in den übrigen Fällen aber grundsätzlich nicht dadurch vermeiden, dass er die Erledigung einer Angelegenheit bzw. Teile von ihr einem Stellvertreter oder Angestellten überlässt3741. Eine Sonderregel gilt – wie wir gerade gesehen haben – vor allem im Zusammenhang mit der Beauftragung eines barristers und anderer Experten, die u.U. haftungsentlastend wirkt. Grundsätzlich ist der solicitor indes verpflichtet sicherzustellen, dass die Aufgabe, für die er engagiert worden ist, mit angemessener Sorgfalt und Sachkunde durchgeführt wird3742. Insofern haftet er nicht nur für ein Nichterreichen des maßgeblichen Sorgfaltsstandards durch seinen Stellvertreter3743, sondern ebenso für ein Nichterreichen dieses Sorgfaltsstandards durch seine Angestellten, soweit diese bei der Durchführung der Aufgabe im Rahmen ihrer Befugnisse handeln3744.

(a)

Haftung für vorsätzliche und fahrlässige Fehlleistungen

In den vorgenannten Fällen haftet der solicitor – sowohl für Stellvertreter als auch für Angestellte – nicht nur für fahrlässige sondern auch für vorsätzliche Schlechtleistungen3745. Als Beispiel dafür mag die Entscheidung des House of Lords in der Sache Lloyd v Grace Smith & Co dienen3746, in der eine Sozietät von solicitors für das Fehl3740

Vgl. Computastaff Ltd v Ingledew Brown Bennison & Garrett (1983) 268 EG 906 per McNeill J (HC, lexis). 3741 Billins, Solicitors, § 5–02; Jackson/Powell, Negligence, § 10–146. 3742 Billins, Solicitors, § 5–02; Watson, Litigation, § 2.74. 3743 Vgl. dazu Jackson/Powell, Negligence, § 10–146; Billins, Solicitors, § 5–02; Halsbury’s, Vol 44(1) Solicitors, § 156; Kellermann, Standesrecht, S. 57 ff. (zur Haftung des country solicitors für seinen town agent); allgemein zur Haftung nach den Grundsätzen der agency SchmidtKessel, Standards, S. 419 f.; Gregory v Shepherds [2000] PNLR 769, 778 f., wo die von den Beklagten engagierten spanischen Anwälte allerdings nicht als deren Stellvertreter qualifiziert wurden. Die Entscheidung zeigt die Grenzen für die Annahme einer Stellvertretung auf. 3744 Billins, Solicitors, § 5–02. Das Haftungsrisiko lässt sich folglich dadurch verringern, dass der solicitor seinen Mandanten zum Zwecke der Haftungsentlastung über die Identität und den Status der Personen aufklärt, die in die Betreuung des Mandats involviert sein werden, um so jeglichen Zweifel über deren Handlungsbefugnisse auszuschließen, Billins, Solicitors, § 5–03. 3745 Allgemein zu diesem Aspekt der Haftung für Arbeitnehmer Schmidt-Kessel, Standards, S. 416 ff. 3746 Jüngst noch einmal bestätigt in Lister and Others v. Hesley Hall Ltd [2002] 1 AC 215, 224 per Lord Steyn (HL).

584

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

verhalten ihres Bürovorstehers (managing clerk) haftete. Dieser hatte die Klägerin dazu veranlasst, ihm ein Grundstück mitsamt den zwei darauf befindlichen (kleinen) Landhäusern zu übereignen, das er daraufhin zu seinem eigenen Vorteil verwandte. Es bestand kein Zweifel daran, dass der Bürovorsteher, der die conveyancing-Abteilung der Firma leitete, dazu autorisiert war, „to receive deeds and carry through sales and conveyances“3747. Zur Begründung der Verantwortlichkeit der solicitors räumte Lord MacNaghten zunächst die Zweifel aus, die aufgrund der missverständlich formulierten Entscheidung in der Sache Barwick v. English Joint Stock Bank aufgetreten waren3748: “The general rule is, that the master is answerable for every such wrong of the servant or agent as is committed in the course of the service and for the master’s benefit, though no express command or privity of the master be proved. To that statement of the law no objection of any sort can be taken.”3749 Entsprechendes gelte, sofern das Fehlverhalten nicht dem Geschäftsherrn, sondern seinem Stellvertreter oder Angestellten selbst einen Vorteil verschaffen soll. Vielmehr dürfe (seit jeher) gegolten haben, dass “ ‘an innocent principal was civilly responsible for the fraud of his authorized agent, acting within his authority, to the same extent as if it was his own fraud.’ That, my Lords, I think is the true principle. It is, I think, a mistake to qualify it by saying that it only applies when the principal has profited by the fraud. I think, too, that the expressions ‘acting within his authority,’ ‘acting in the course of his employment,’ and the expression ‘acting within the scope of his agency’ (which Story uses) as applied to an agent, speaking broadly, mean one and the same thing … The only difference in my opinion between the case where the principal receives the benefit of the fraud, and the case where he does not, is that in the latter case the principal is liable for the wrong done to the person defrauded by his agent acting within the scope of his agency; in the former case he is liable on that ground and also on the ground that by taking the benefit he has adopted the act of his agent; he cannot approbate and reprobate.”3750 Dass die Sozietät aus dem Betrug ihres Angestellten keinerlei Vorteil erlangt, spielt für ihre Haftung keine Rolle.

(b)

Begründungsmuster der Verantwortlichkeit für Arbeitnehmer

Begründet wird die Haftung damit, dass der Geschäftsherr bei einem Fehlverhalten der von ihm eingeschalteten Arbeitnehmer „näher dran“ ist, d.h. für Fehlleistungen, 3747

Lloyd v Grace, Smith & Co [1912] AC 716, 724 per Earl Loreburn (HL). Barwick v. English Joint Stock Bank (1867) LR 2 Ex 259 per Willes J. 3749 Lloyd v Grace, Smith & Co [1912] AC 716, 732 (HL). 3750 Lloyd v Grace, Smith & Co [1912] AC 716, 735 f., 738 per Lord MacNaghten (HL). 3748

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

585

deren Ursachen in seinem Herrschaftsbereich begründet sind, eher verantwortlich zu machen ist, als ein Dritter, der die Organisation des Geschäftsherrn weder zu entschlüsseln noch zu beeinflussen vermag: “When [the plaintiff ] put herself in the hands of the firm, how was she to know what the exact position of Sandles [= der betrügerische Bürovorsteher] was? Mr Smith [= der zuständige solicitor] carried on business under a style of firm which implies that unnamed persons are, or may be included in its members. Sandles speaks and acts as if he were one of the firm … Who is to suffer for this man’s fraud? The person who relied on Mr. Smith’s accredited representative, or Mr. Smith, who put this rogue in his own place and clothed him with his own authority? If Sandles had been a partner in fact, Mr. Smith would have been liable for the fraud of Sandles as his agent. It is a hardship to be liable for the fraud of your partner. But that is the law under the Partnership Act. It is less a hardship for a principal to be held liable for the fraud of his agent or confidential servant.”3751 Die in der englischen Rechtsprechung und Literatur vorgetragene Begründung der Haftung des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer ist allerdings nicht in jedem Fall die der Kontrolle des eigenen Herrschaftsbereichs. Im Gegenteil, die Begründungsansätze differieren nicht nur, sondern sind teilweise mit dem heutigen Stand der Dogmatik sogar unvereinbar3752. Praktisch weiterführend sind losgelöst davon zunächst Hinweise auf die Risikoverteilung, wie z.B. der vorstehende Hinweis auf die Kontrolle des eigenen Herrschaftsbereichs, aber auch der Hinweis darauf, dass „der Hintermann den Vorgang erst ins Rollen gebracht habe“3753. Verbreitet ist ferner der Hinweis auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Hintermannes, der „die tieferen Taschen“ habe, womit zumeist auf Versicherung und Preiskalkulation gezielt wird3754. Ähnliche Argumentationsmuster finden sich auch im deutschen Recht, hier allerdings zur Begründung der allgemeinen Hilfspersonenhaftung nach § 278 BGB, wieder. Dies gilt zunächst für das Argument, dass, wenn sich der Schuldner bei der Erfüllung seiner Pflichten die Vorteile der Arbeitsteilung zunutze macht, er auch das damit verbundene (Personal-)Risiko tragen soll3755. Ferner wird die Haftung damit begründet, dass der Gläubiger sein Vertrauen in den Schuldner und nicht in die von diesem ausgewählten Dritten gesetzt hat. Dieses Vertrauen müsse maßgeblich sein, sofern – was wünschenswert ist – die Funktionsvoraussetzungen für eine (auch ökonomisch) autonome (bzw. optimale) Auswahl erhalten bleiben sollen3756. Dies soll insbesondere für die nicht offengelegte Einschaltung Dritter gelten, da der Gläubiger 3751

Lloyd v Grace, Smith & Co [1912] AC 716, 738 per Lord MacNaghten (HL). Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 409 f. m.w.N. 3753 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 409 m.w.N. 3754 Schmidt-Kessel, Standards, S. 409. 3755 Staudinger /Löwisch/Caspers, BGB § 278 Rn. 1; Soergel /Wolf, BGB § 278 Rn. 1; Palandt / Grüneberg, § 278 Rn. 1; MünchKomm/Grundmann, BGB § 278 Rn. 3. 3756 MünchKomm/Grundmann, BGB § 278 Rn. 3. 3752

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

auf diese nicht reagieren kann, obwohl der eingeschaltete Gehilfe vielleicht weniger solvent und weniger zuverlässig als der Schuldner ist.

(c)

Die Irrelevanz des Umfangs der erfolgten Delegation

Die oben vorgestellte Haftung des solicitors für Hilfspersonen greift unabhängig davon ein, ob die gesamte Aufgabe übertragen wird oder lediglich eine Teilaufgabe: So hafteten solicitors, die von der Klägerin beauftragt worden waren, um gerichtlich die Belästigung der Klägerin durch ihren ehemaligen Bekannten unterbinden zu lassen, in Heywood v Wellers, weil sie die Angelegenheit durch einen junior clerk ohne irgendeine Erfahrung bearbeiten ließen, dem nahezu jeder denkbare Fehler unterlief. Insbesondere aber unterließen es die Beklagten – durch den junior clerk handelnd – fahrlässig, die Einhaltung einer einstweiligen Verfügung (interlocutory injunction) durchzusetzen, gegen die der Täter verstoßen hatte. Dieser setzte seine Belästigungen mehrfach fort, was bei der Klägerin zu einer spürbaren seelisch-mentalen Beeinträchtigung führte. Der Court of Appeal ging zunächst ohne weiteres davon aus, dass die Beklagten für alle Fehler ihres junior clerk hafteten3757. Infolgedessen sprach Lord Denning MR den Beklagten gestützt auf folgende Begründung jeglichen Kostenersatz ab3758: Zum einen handelte es sich um einen Vertrag, bei dem die Gläubigerin an einer Teilleistung kein Interesse hat (entire contract)3759, zum anderen war die erbrachte Teilleistung für die Gläubigerin als Schlechtleistung vollkommen wertlos. Beides rechtfertigte für sich genommen3760 den vollständigen Wegfall der Vergütungspflicht3761. Darüber hinaus sprach der Court of Appeal der Klägerin general damages in Höhe von £ 125 Pfund zu, da die Beklagten nicht, wie vertraglich geschuldet, mit angemessener Sorgfalt und angemessenem Sachverstand vorgegangen waren und so den Vertrag gebrochen hatten3762, was zur seelischen Beeinträchtigung der Klägerin führte. Dieselben Grundsätze finden Anwendung, sofern – anders als in Heywood – nicht die gesamte Prozessführung, sondern lediglich Teilaspekte an (unerfahrene) Mitarbeiter delegiert werden3763. Ebenso haftet der solicitor, wenn er seinem Bürovorsteher die Mandantenberatung in schwierigen Rechtsfragen überlässt. Exemplifizieren lässt sich dies an der Entscheidung Richards v Cox, in der es dem Bürovorsteher überlassen 3757

Heywood v Wellers (a firm) [1976] QB 446, 457 per Lord Denning MR (CA). Heywood v Wellers (a firm) [1976] QB 446, 458 (CA). 3759 Gleiches hat der BGH (NJW 1990, 2549, 2550) in einem Fall für möglich gehalten, in dem der beauftragte Detektiv die geschuldete Überwachung nur in einem dem Zweck des Vertrages nicht entsprechenden Umfang ausgeführt hatte. 3760 Vgl. zur Alternativität aus jüngester Zeit bestätigend White v Paul Davidson & Taylor (a firm) [2005] PNLR 15, 37 per Ward LJ (CA). 3761 Zu der nach deutschem Recht umstritten Frage, ob eine Schlechterfüllung als Teilleistung i.S.d. §§ 323 ff. BGB zu qualifizieren ist, vgl. hinsichtlich des Streitstandes nur Bamberger / Roth /Grothe, BGB § 326 Rn. 31 m.w.N. 3762 Heywood v Wellers (a firm) [1976] QB 446, 458 f. per Lord Denning MR. 3763 Watson, Litigation, §§ 2.74, 5.33. 3758

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

587

wurde, einen komplizierten KfZ-Versicherungsvertrag auszulegen und die Mandantin hinsichtlich ihrer Ansprüche gegen ihren Arbeitgeber aus einem Unfall zu beraten3764.

bb) Die Hilfspersonenhaftung des Rechtsanwalts Wenden wir uns nun der Problematik der Aufgabenübertragung und den damit verbundenen Fragen der Hilfspersonenhaftung im Rechtsanwaltsvertragsrecht zu, ist zunächst zu erinnern, dass, wenn der Versuch einer Übertragung der Pflicht an einen Dritten nicht den oben benannten Voraussetzungen3765 entspricht, die Übertragung also vertraglich nicht gestattet worden ist, eine Übertragung der Pflicht selbst nicht stattfindet. Allerdings liegt in der Regel bereits eine Pflichtverletzung des „übertragenden“ Anwalts darin, die Aufgabendurchführung durch die unwirksame Übertragung einem Dritten überlassen zu haben (Bsp.: unabgestimmte Beauftragung eines Unterbevollmächtigten)3766. Die analoge Anwendung des § 664 BGB führt insoweit zum selben Ergebnis3767. Die Haftung erfolgt zum einen wegen eigenen Verschuldens des „übertragenden“ Anwalts. Daneben wird ihm das Verschulden des eingeschalteten Dritten, der – mangels wirksamer Pflichtübertragung – in Erfüllung einer Verbindlichkeit des „übertragenden“ Anwalts tätig wird, gemäß § 278 BGB zugerechnet3768. Jedoch entsteht zwischen dem zu unrecht eingeschalteten Dritten und dem einschaltenden Anwalt keine Gesamtschuld3769. Wir hatten bereits gesehen, dass der Anwalt bestimmte, höchstpersönliche Pflichten aus dem Mandat gar nicht an sein Büropersonal, d.h. an seinen Bürovorsteher3770, Assessor3771, Anwaltsgehilfen3772, Referendar oder Auszubildende3773 usw.3774 übertragen darf 3775. Insoweit haftet er bereits wegen der Übertragung, sodass 3764

Richards v Cox [1943] 1 KB 139. Vgl. ab S. 538. 3766 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 699. 3767 Vgl. Palandt/Sprau, BGB § 664 Rn. 5; MünchKomm/Seiler, BGB § 664 Rn. 10; für den Anwaltsvertrag Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 58. 3768 Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 699; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 442; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 253; Jungk, in: Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, § 38 Rn. 61, 67, 69. 3769 Näher Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 442; Fahrendorf, in: Rinsche/ Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 699; a.A. Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 252. 3770 Vgl. BGH, VersR 1958, 191 f. (zur Haftung für diesen nach § 278 BGB); BGH, NJW 1981, 2741, 2743. 3771 Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 463. 3772 BGH, VersR 1965, 43, 44 (zur Haftung für diesen nach § 278 BGB). 3773 Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 463. 3774 Vgl. nur die Aufzählung bei Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 838. 3775 Vgl. ab S. 538 und ab S. 563; zur Prüfung der Eintragung der Berufungsbegründungspflicht jüngst BGH v. 14.6.2006 – IV ZB 18/05, BB 2006, 1822 (LS). 3765

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

eine Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB nicht Haftungsvoraussetzung ist3776. Erfolgt hingegen lediglich eine Übertragung der Aufgabendurchführung – nicht der Verpflichtung hierzu – und verbleibt die Verantwortung hierfür also beim Anwalt, findet für die Tätigkeit der vorgenannten Personen § 278 BGB Anwendung3777, der keine § 664 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechende Entlastungsmöglichkeit durch sorgfältige Auswahl vorsieht. Denn die vorbezeichneten Personen sind typischerweise Erfüllungsgehilfen des einzelnen beauftragten Anwalts bzw. der beauftragten Sozietät usw. Diese sollen lediglich unterstützend im Pflichtenkreis des Anwalts usw. tätig werden, sodass von einer Tätigkeit als Erfüllungsgehilfe streng genommen nicht mehr gesprochen werden kann, wenn das Büropersonal hiervon abweicht, also Maßnahmen vornimmt, die nicht mehr im sachlichen Zusammenhang zu seinem generellen und durch den Mandantenauftrag spezifizierten Aufgabenbereich stehen. An sich entfällt für solches Handeln dann die Haftung des Rechtsanwalts nach § 278 BGB3778, doch ist insoweit zu differenzieren3779: Zunächst wird eine Zurechnung gemäß § 278 BGB nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Erfüllungsgehilfe Weisungen des Rechtsanwalts missachtet3780. Darüber hinaus können auch vorsätzliche deliktische Handlungen eines Erfüllungsgehilfen zuzurechnen sein (z.B. eine Unterschlagung oder Veruntreuung anvertrauter Mandantengelder unter Ausnutzung der ihm anvertrauten Stellung3781). Das Reichsgericht hat dies in einem Fall entschieden, in dem der Bürovorsteher eines Rechtsanwalts, dem dieser während seiner Abwesenheit „in ungewöhnlich weitgehendem Maße“ den Verkehr mit seinen Mandanten überlassen hatte, eine Mandantin betrügerisch zur Herausgabe von Wertpapieren veranlasst und diese sodann unterschlagen hatte3782. Der hinter § 278 BGB stehende Gedanke der Zusammengehörigkeit von Vorteil und Nachteil der Einschaltung Dritter passt in der Tat auch in derartigen Situationen. Wichtiger ist noch, dass erst die Einschaltung hier die deliktische Handlung ermöglicht oder jedenfalls wesentlich erleichtert hat3783. Losgelöst davon haftet der Rechtsanwalt im Übrigen selbstverständlich auch für eine Pflichtverletzung seines Personals außerhalb von dessen Verantwortungsbereich, wenn er durch nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgende Überwachung (Personalkontrolle), d.h. durch eine eigene Pflichtverletzung, den Anschein einer Duldung oder Billigung dieses Verhaltens erweckt hat3784. 3776

Vgl. BGH, NJW 1981, 2741, 2743; Fahrendorf, in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Haftung, Rn. 693 m.w.N. 3777 Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 463. 3778 Vgl. BGHZ 114, 263, 270; BGH, NJW 1993, 1704, 1705; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 839. 3779 Vgl. zum Folgenden auch Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 463. 3780 BGH, VersR 1965, 43, 44; Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 839 m.w.N. 3781 Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 839; vgl. auch BGH, NJW 1993, 1704, 1705. 3782 RGZ 101, 248, 249. 3783 Vgl. zur diesbezüglichen Diskussion im allgemeinen schuldrechtlichen Schrifttum etwa Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 391. 3784 Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 841; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 463.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

b)

589

Die Behandlung der Problematik beim Architektenvertrag nach englischem und deutschem Recht

aa) Englisches Recht (1)

Grundsatz

Ungeachtet der Möglichkeit, Dritte zur Aufgabenerfüllung hinzuziehen, scheidet eine haftungsentlastende Aufgabenübertragung im Rahmen des Architektenvertrags in aller Regel selbst dann aus, wenn der Architekt nicht zur eigenhändigen Leistung verpflichtet ist3785: In der Sache Moresk Cleaners Ltd v Hicks hatten die Kläger den beklagten Architekten zur Planung eines Erweiterungsbaus für ihre Wäscherei engagiert. Zwei Jahre nach Bauvollendung zeigten sich Defekte an dem von einer dritten Firma errichteten Gebäude (Risse und eine Absenkung des Daches); die Kläger nahmen den Beklagten wegen fehlerhaftem Design in Anspruch. Dieser berief sich zu seiner Verteidigung darauf, dass er – notfalls auf der Grundlage eines implied term – dazu berechtigt gewesen sei, seine Planungsverpflichtung auf die Drittfirma zu übertragen. Dem folgte das Gericht nicht und stellte zunächst ausdrücklich klar, dass “… the defendant had no power to delegate this duty of design at all. It is said in the defence that it was an implied term of the defendant’s employment that he should be entitled to delegate certain specialized design tasks to qualified specialist sub-contractors. I am unable to make any such implication … if a building owner entrusts the task of designing a building to an architect he is entitled to look to that architect to see that the building is properly designed. The architect has no power whatever to delegate his duty to anybody else, certainly not to a contractor who would in fact have an interest which was entirely opposed to that of the building owner.”3786 Ausgeschlossen ist damit regelmäßig die Haftungsentlastung durch – ohne eindeutige Zustimmung des Gläubigers erfolgende – Übertragung der vertraglichen Leistungspflicht auf Dritte3787. Allerdings kommt es auch insoweit stets auf die Um3785

Vgl. Keating, Building Contracts, S. 218. Die Verpflichtung zu eigenhändiger Leistung wird als Regelfall bezeichnet von Yule, in: Hodgin, Liability, S. 116. Einen Fall der Verpflichtung zur eigenhändigen Leistung behandelt die Entscheidung Southway Group Ltd v Wolff (1991) 57 Build LR 33 (lexis). 3786 Moresk Cleaners Ltd v Hicks [1966] 2 Lloyd’s Rep 338, 342 per Judge Sir Walker Carter QC. 3787 Vgl. dazu auch Nye Saunders & Partners v Alan E Bristow (1987) 37 BLR 92 per Stephen Brown LJ (CA, lexis); Equitable Debenture Assets Corporation Ltd v William Moss Group Ltd (1985) 2 Con LR 1 per Judge Newey QC (lexis; „In the absence of agreement to the contrary architects cannot escape liability to their clients by delegating their duties to others“) und Cornes, Design, § 5.1 m.w.N. Dies bedeutet freilich nicht, dass das beauftragte Unternehmen die übernommenen Designaufgaben allein durch die Person erfüllen kann, die von dem Klienten die maßgeblichen Instruktionen erhalten hat, vgl. Yule, in: Hodgin, Liability, S. 116 m. Fn. 42.

590

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

stände des Einzelfalls, d.h. auf den konkreten Vertrag an, der diesbezüglich auszulegen ist3788.

(2)

Ausnahme bei der Übertragung von Teilaufgaben?

Nicht leicht nachvollziehbar ist vor dem Hintergrund des vorgenannten zumindest faktisch vorherrschenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses die (mit Moresk auf den ersten Blick unvereinbare) Entscheidung des Court of Appeal in der Sache London Borough of Merton v Lowe, in der der beklagte Architekt auf der Grundlage der damaligen RIBA-Bedingungen mit dem Entwurf eines Schwimmbades sowie der Bauüberwachung beauftragt worden war. Der Entwurf des Beklagten beinhaltete abgehängte Decken, die mit einer Schicht eines bestimmten Produkts (Pryrok) beschichtet waren, das exklusiv von der Pyrok Ltd (P) vertrieben wurde. Die P war als sub-contracter für das Verputzen der Decke nominiert, vergab die Arbeiten aber an eine dritte Firma. Die Decke wies wenig später Risse auf, die sich mit der Zeit vermehrten und auf eine Unvereinbarkeit der Mischung der unteren Putzschichten mit der abschließenden Schicht aus Pyrok sowie auf schlechte handwerkliche Bauausführung zurückzuführen waren. Nachdem die ersten Risse aufgetreten waren, bat der Beklagte, nachdem die P die Risse inspiziert und eine Vermutung hinsichtlich der Ursache geäußert hatte, lediglich den Manager des Schwimmbads darum, ein Auge auf die Risse zu haben. Später musste das Material abgetragen werden; zuvor hatte der Beklagte allerdings bereits ein positives Abschlusszeritifikat ausgestellt. Woraus Pyrok bestand, war dem Beklagten zu Zeiten des Entwurfs nicht bekannt. Erstinstanzlich war entschieden worden, dass die Materialmischung zwar Teil des vom Beklagten geschuldeten Designs war. Da sich der Beklagte auf die Bereitstellung einer tauglichen Mischung durch die P aber habe verlassen dürfen, sei das Design nicht fahrlässig fehlerhaft gewesen. Diese Beurteilung teilte Ward LJ, weil die P bei anderen Projekten taugliche Arbeit geleistet hatte. Moresk wurde in diesem Zusammenhang distinguished: “I entirely agree with the judgment in [Moresk]. There the architect had virtually handed over to another the whole task of design. The architect could not escape responsibility for the work which he was supposed to do by handing it over to another. This case was different. Pyrok were nominated sub-contractors employed for a specialised task of making a ceiling with their own proprietary material. It was the defendants’ duty to use reasonable care as architects. In view of successful work done elsewhere, they decided that to employ Pyrok was reasonable.”3789 Daraus ließe sich schließen, dass ein Pflichterfüllung durch Vertrauen auf einen spezialisierten Dritten zumindest dann möglich ist, wenn es sich nur um einen be3788

So Southway Group Ltd v Wolff (1991) 57 Build LR 33 per Parker LJ (CA, lexis) im Anschluss an Davies v Collins [1945] 1 All ER 247, 250 per Lord Greene; Keating, Building Contracts, S. 219 f.; Yule, in: Hodgin, Liability, S. 115; Ndekurgi/Rycroft, JCT 98, § 8.3. 3789 London Borough of Merton v Lowe and Another (1981) 18 BLR 130 per Ward LJ (lexis).

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

591

grenzten Teilausschnitt der Aufgabe, hier: des Designs, handelt3790. Insoweit müsste der Vertrag dahin ausgelegt werden, dass der Architekt sich durch eine angemessen sorgfältige Auswahl des beauftragten Spezialisten entlasten können soll3791. Dass die rigorose Ablehnung in Moresk diese Möglichkeit wirklich offenlässt, darf bezweifelt werden3792. Ein mit den in Moresk getroffenen Feststellungen vereinbarer Erklärungsansatz wäre, dass die Dritten gemessen an dem für die Beklagten geltenden Sorgfaltsstandard hinreichend sorgfältig gehandelt hatten3793. Entsprechende Feststellungen fehlen allerdings in London Borough of Merton. In Moresk hatte das Gericht indessen drei theoretisch gangbare Wege aufgezeigt, auf denen sich der Architekt um eine Pflichtenminimierung bemühen, zumindest aber eine Haftungsentlastung erreichen kann: “If the defendant was not able, because this form of reinforced concrete was a comparatively new form of construction, to design it himself, he had three courses open to him. One was to say: ‘This is not my field’. The second was to go to the client, the building owner, and say: ‘This reinforced concrete is out of my line. I would like you to employ a structural engineer to deal with this aspect of the matter’. Or he can, while retaining responsibility for the design, himself seek the advice and assistance of a structural engineer, paying for his service out of his own pocket but having at any rate the satisfaction of knowing that if he acts upon that advice and it turns out to be wrong, the person whom he employed to give the advice will owe the same duty to him as he, the architect, owes to the building owner.”3794 Ein Haftungsausschluss per Delegation – auch für Teilaspekte – ist dort indessen gerade nicht vorgesehen.

(3)

Arbeitsteiliges Zusammenwirken auf der Grundlage von Formularverträgen

Diese Frage dürfte sich allerdings zumindest dort, wo der Architekt auf der Grundlage eines der gängigen Vertragsmuster tätig wird3795, weitgehend erledigt haben3796. Denn die heutigen Musterverträge enthalten – anders als dies in Merton der Fall war –

3790

So Yule, in: Hodgin, Liability, S. 117. So möchte Yule, in: Hodgin, Liability, S. 117 die Entscheidung des Court of Appeal verstanden wissen. 3792 Anders – im Sinne dieser Zweifel – etwa Hill Samuel v Frederick Brand and Another (1993) (zit. nach Cornes, Design, § 4.7.); zweifelnd auch Jackson/Powell, Negligence, § 8–178. 3793 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 426. 3794 Moresk Cleaners Ltd v Hicks [1966] 2 Lloyd’s Rep 338, 343 per Judge Sir Walker Carter QC. 3795 Zur Einbeziehung solcher Muster in den konkreten Vertrag vgl. z.B. Sidney Kaye, Eric Firmin & Partners v Leon Joseph Bronesky (1973) 4 BLR 1 (lexis). 3796 Vgl. auch Jackson/Powell, Negligence, § 8–179; Schmidt-Kessel, Standards, S. 426. 3791

592

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

durchweg Bestimmungen über Möglichkeiten und Grenzen der Delegation vertraglicher Pflichten3797, die sich in allen Formularen ungefähr ähneln:

(a)

Das Architect’s Appointment

Das Architect’s Appointment sieht insoweit folgende Regelung vor3798: “3.5 Consultants may be appointed by either the client or the architect, subject to acceptance by each party. 3.6 Where the client employs the consultant, either directly or through the agency of the architect, the client will hold each consultant, and not the architect, responsible for the competence, general inspection and performance of the work entrusted to that consultant, provided that in relation to the execution of such work under the contract between the client and the contractor nothing in this clause shall affect any responsibility of the architect for issuing instructions or for other functions ascribed to the architect under the contract. 3.7 The architect will have authority to co-ordinate and integrate into the overall design the services provided by any consultant, however employed.” Auch hier findet sich – ebenso wie im JCT 983799 – keine explizite Berechtigung des Architekten zur Pflichtendelegation ohne Zustimmung des Klienten (cl. 3.5), sodass unter diesem Aspekt – parallel zum common law – eine ausdrückliche Ergänzung des Standardformulars erforderlich ist3800. Cl. 3.6 zielt darauf ab, die Haftung des Architekten auszuschließen, „where the client employs the consultant, either directly or through the agency of the architect“. Ein derartiger Ausschluss dürfte grundsätzlich ohne weiteres möglich sein, wenn der Architekt keinen bestimmten sub-contractor empfohlen hat3801. Der Court of Appeal hat zur Bedeutung derartiger Klauseln obiter festgestellt, dass diese grundsätzlich haftungsentlastend wirken, indem sie einen Teil der Aufgabe ausnehmen, also den Pflichtenumfang des Architekten reduzieren: “[w]hether or not in any given instance these conditions apply, it must generally be the duty of an architect to exercise reasonable care in the work which he is 3797

Vgl. dazu auch Yule, in: Hodgin, Liability, S. 114 f.; Ndekugri/Rycroft, JCT 98, § 8.3.2. Zitiert nach Cornes, Design, § 5.5.1. 3799 Vgl. dazu Ndekugri/Rycroft, JCT 98, § 9.8. 3800 Ebenso wenig findet sich eine Verpflichtung des Architekten, seinen Klienten darauf hinzuweisen, dass, sofern dieser eine vertragliche Haftung des sub-contractors ihm gegenüber wünscht, employer /sub-contractor warranty agreements abgeschlossen werden müssen, vgl. dazu Cornes, Design, § 5.4. Eine entsprechende Pflicht wird sich aber – insbesondere angesichts der damit durch den Architekten angestrebten Haftungsminimierung – im Regelfall aus der Verpflichtung des Architekten ergeben, seinen Klienten bei dem Engagement von sub-contractors zu beraten, vgl. dazu Mückl, Jahrbuch Baurecht 2007, 269, 286 ff. sowie Cornes, Design, § 5.5.1. 3801 Vgl. Emden/Palmer, § I–1064; Jackson/Powell, Negligence, § 8–179. 3798

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

593

engaged to perform. However, cll 1.20, 1.22 and 1.23 of the RIBA conditions, in our judgment, clearly contemplate that, where a particular part of the work involved in a building contract involves specialist knowledge or skill beyond that which an architect of ordinary competence may reasonably be expected to possess, the architect is at liberty to recommend to his client that a reputable independent consultant, who appears to have the relevant specialist knowledge or skill, shall be appointed by the client to perform this task. If following such a recommendation a consultant with these qualifications is appointed, the architect will normally carry no legal responsibility for the work to be done by the expert which is beyond the capability of an architect of ordinary competence in relation to the work allotted to the expert, the architect’s legal responsibility will normally be confined to directing and co-ordinating the expert’s work in the whole.”3802

(b)

Grenzen der Entlastung durch typische Formularklauseln

Dies gilt allerdings nur insoweit, wie ein durchschnittlich kompetenter Architekt mit dieser Aufgabe überfordert wäre. Ist dem Vorgehen des engagierten Spezialisten eine Gefahr oder ein Risiko immanent, dessen sich ein durchschnittlich kompetenter Architekt bewusst sein müsste, bleibt der Architekt – losgelöst davon, was der Spezialist unternimmt oder aussagt – dazu verpflichtet, seinen Klienten so zu warnen, wie es vernünftigerweise von ihm erwartet werden kann. In diesem Zusammenhang finden, wie Slade LJ ausdrücklich klarstellt, die in Davy-Chiesman v Davy-Chiesman für die Anwaltshaftung niedergelegten Grundsätze entsprechende Anwendung. Dies bedeutet, dass der Architekt nicht berechtigt ist, „to rely blindly on the expert, with no mind of his own, on matters which must or should have been apparent to him“3803. Beschränkt sich der Architekt nicht lediglich darauf, der Auswahl seines Klienten zuzustimmen, sondern empfiehlt er den ausgewählten consultant, ist eine (auch deliktische3804) Haftung für diese Empfehlung dem Wortlaut der Klausel nach ohnehin nicht ausgeschlossen3805. Gleiches dürfte in dem Fall gelten, in dem der Architekt ausdrücklich um seine Einschätzung des ausgewählten sub-contractors gebeten wird. Ein Beispiel für einen derartigen Fall bildet die Sache Richard Roberts Holdings Ltd v Douglas Smith Stimson Partnership, wo die beklagten Architekten die Vergabe der Auskleidungsarbeiten an die Zweitbeklagten trotz einer verdächtig günstigen Offerte und der Nichtbeantwortung der Frage nach der Lebensdauer des verwendeten Materials gegenüber ihrem Klienten befürworteten3806.

3802

Investors in Industry Commercial Properties Ltd v South Bedfordshire District Council [1986] QB 1034 per Slade LJ (CA, lexis, in [1986] QB 1034 nicht abgedruckt). 3803 Investors in Industry Commercial Properties Ltd v South Bedfordshire District Council [1986] QB 1034, 1034 per Slade LJ (CA, lexis, in [1986] QB 1034 nicht abgedruckt). 3804 Hedley Byrne & Co Ltd v Heller & Partners Ltd [1964] AC 465. 3805 Cornes, Design, § 5.5.1.; Yule, in: Hodgin, Liability, S. 115. 3806 Vgl. näher ab S. 212.

594

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Cl. 3.6 erfasst mit der Umschreibung „through the agency of the architect“ nach Ansicht der Literatur möglicherweise zwei unterschiedliche Fallkonstellationen: Zum einen die Stellvertretung im technischen Sinn, bei der ein Vertrag zwischen employer und sub-contractor zustande kommt, aus dem der Architekt, der nicht Partei des Vertrages wird, nicht haftet, und zum anderen – untechnisch ausgelegt – auch das Engagement eines consultant durch den Architekten, ohne dass ein Vertrag zwischen employer und consultant zustande kommt3807. In beiden Konstellationen stellt sich die Frage, ob die Klausel geeignet ist, die Haftung des Architekten für einen Vertragsbruch des consultant auszuschließen. Gegen einen potentiellen Haftungsausschluss in der zweiten Variante spricht bereits, dass die Klausel contra proferentem ausgelegt werden muss3808 und insofern nicht anzunehmen ist, dass sie die untechnische „Stellvertretung“ erfasst3809. Handelt es sich darüber hinaus – wie regelmäßig – um die „written standard terms of business“ des Architekten, greift insoweit s. 3 Unfair Contract Terms Act 1977 (UCTA) ein, sodass die Klausel prima facie „unreasonable“ und daher unwirksam ist. Der Architekt muss das Gegenteil darlegen und beweisen3810. Insoweit ist jedoch anzunehmen3811, dass ein Gericht sich bei der Überprüfung der Klausel an den in IBA v EMI and BICC getätigten Überlegungen orientieren wird, nach denen es vernünftig ist, einen Rückgriff entlang der Vertragskette bis zum Letztverantwortlichen zu ermöglichen3812. Losgelöst davon betrifft der Haftungsausschluss – selbst wenn man die Klausel für wirksam hält – nur die ausdrücklich aufgezählten Aspekte des Designs, namentlich „the competence, general inspection and the performance of the work entrusted to the consultant“. Im Übrigen bleibt die vertragliche Haftung des Architekten3813 unberührt, d.h. insbesondere die ausdrücklich erwähnte Haftung für durch den Architekten erteilte Anweisungen. Gleiches gilt gemäß cl. 3.7 hinsichtlich der Haftung für Koordination und Integration der Arbeit des consultants in das Gesamtwerk. Denn diese Bestimmung berechtigt den Architekten nicht nur zur Übernahme dieser Aufgaben, sondern verpflichtet ihn umgekehrt auch entsprechend3814. Cl. 3.9, die normiert, dass „[t]he client will employ a contractor under a seperate agreement to undertake construction or other works. The client will hold the contractor, and not the architect, responsible for the contractor’s operational methods and for the proper execution of the works“3815, zielt auf den Ausschluss einer Haftung des Architekten für einen Vertragsbruch des vom Klienten engagierten Unterneh-

3807

Cornes, Design, § 5.5.1. Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 468. 3809 Cornes, Design, § 5.5.1. 3810 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 468. 3811 Vgl. Cornes, Design, § 5.5.1. und allgemein Keating, Building Contracts, S. 220. 3812 IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 per Lord Fraser (lexis), vgl. dazu ab S. 100. 3813 Zur Bedeutung der Klausel für die deliktische Haftung des Architekten vgl. Cornes, Design, § 5.5.1. 3814 Cornes, Design, § 5.5.1. Gleiches gilt für cl. 3.8, abgedruckt bei Cornes, a.a.O. 3815 Zitat nach Cornes, Design, § 5.5.1. Ganz ähnlich cl. 35.21.2 des JCT 98 (abgedruckt bei Speaight/Stone, Architect, S. 149), vgl. dazu Ndekugri/Rycroft, JCT 98, § 9.8. 3808

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

595

mers ab, ist jedoch – contra proferentem ausgelegt – nicht geeignet den Architekten von seiner Pflicht zur Bauüberwachung zu entlasten3816.

(c)

Standard Form of Agreement for the Appointment of an Architect (SFA/92)

Entsprechendes gilt für die Umschreibung der Pflichten des Klienten im SFA/92: “3.2.1 The Client shall employ a contractor under a seperate agreement to undertake construction or other works relating to the Project. 3.2.2 The Client shall hold the contractor and not the Architect responsible for the contractor’s management and operational methods and for the proper carrying out and completion of the Works and for health and safety provisions. 4.2.4 The Client shall give authority to the Architect to co-ordinate and integrate the services of all Specialists into the overall design and the Architect shall be responsible for such co-ordination and integration. 4.4.5 The Client shall hold any Specialist and not the Architect responsible for the products and materials supplied by the Specialist and for the competence, proper execution and performance of the work with which such Specialists are entrusted.”3817 Die Pflichten in cl. 4.2.4 und c. 4.4.5 sind nur Bestandteil des Vertrages, falls der Architekt „Lead Consultant“ sein soll – eine Rolle, die definiert wird als „The consultant given the authority and responsibility by the Client to co-ordinate and integrate the services of other consultants“3818. Das SFA/92 enthält indes auch einige Bestimmungen, die auf alle Aufträge Anwendung finden sollen: “1.3.7 The Client acknowledges that the Architect does not warrant the work or products of others … 1.4.1 Neither the Architect nor the Client shall assign the whole or any part of the benefit or in any way transfer the obligation of the Appointment without the consent in writing of the other.”3819 Parallel zur Bewertung der cl. 3.6 des Architect’s Appointment dürfte cl. 1.3.7 SFA/92 die Haftung des Architekten nicht ausschließen, falls dieser bestimmte consultants oder Produkte empflieht oder gutheißt. Denkbar ist, dass die Klausel nur dem Argument begegnen soll, durch die bloße Wahl eines Produktes garantierte der Architekt

3816

3817 3818

3819

Vgl. Cornes, Design, § 5.5.1. Entsprechendes dürfte für cl. 35.21.2 des JCT 98 gelten, vgl. Ndekugri/Rycroft, JCT 98, § 9.8 und Speaight/Stone, Architect, S. 152. Zitat nach Cornes, Design, § 5.5.2. Cornes, Design, § 5.5.2.; vgl. auch McGlinn v Waltham Contractors Ltd (2007) 111 Con LR 1, Tz. 149 ff. (TCC). Zitat nach Cornes, Design, § 5.5.2, dort auch zum Folgenden.

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

596

dessen Zwecktauglichkeit. Seiner Haftung für einen fahrlässigen Auswahlprozess vermag der Architekt dadurch jedoch nicht zu entgehen3820. Cl. 1.4.1 schließt zum einen die Forderungsabtretung durch den Architekten und zum anderen eine Übertragung der „obligation“, d.h. eine Übertragung der Pflichten des Architekten, aus3821. Anderes gilt nur, wenn jeweils das schriftliche Einverständnis der anderen Vertragpartei vorliegt. Die Bestimmung geht insofern über die nach common law bestehenden Anforderungen an die Übertragbarkeit der Verpflichtung noch hinaus, als dieses lediglich eine eindeutige, nicht aber eine schriftliche Zustimmung des Gläubigers fordert3822. Sie entspricht damit indes den Anforderungen, die die RIBA an die Verträge ihrer Mitglieder stellt. Denn Guidance Note 4.6 des Code of Professional Conduct der RIBA bestimmt für den „Transfer of responsibilities“, dass „Members should not transfer or sub-contract their agreed responsibilities without first obtaining the written consent of the client“3823.

(d)

Fazit

Bei Betrachtung dieser Klauseln zeigt sich zunächst, dass die Standardformulare die haftungsentlastende Übertragbarkeit von Pflichten noch stärker einschränken, als dies nach common law bereits der Fall ist. Verpflichtet der Klient mit (schriftlicher) Zustimmung des Architekten – eigenhändig oder durch den Architekten als seinen Stellvertreter – einen Spezialisten für bestimmte Teilaspekte des Baus, finden auf die Verantwortlichkeit des Architekten, wie der Court of Appeal in Investors v South Bedfordshire District Council ausdrücklich anerkannt hat, die für die solicitor-Haftung entwickelten Regeln hinsichtlich der reliance on counsel’s advice entsprechende Anwendung3824. Praktisch am wenigsten verbreitet ist das dritte der in Moresk authorisierten Verfahren, das Engagement eines Spezialisten durch den Architekten selbst3825. An dem Fortbestehen der Verantwortlichkeit des Architekten gegenüber seinem Gläubiger ändert sich durch ein entsprechendes Engagement, wie referiert3826, nichts. Vielmehr entsteht auf diese Weise wiederum lediglich eine Vertragskette bis zum Letztverantwortlichen, die – soweit keine wirksamen Ausschlussklauseln vorgesehen sind – dem 3820

Dazu allgemein Cornes, Design, § 5.3. Vgl. Cornes, Design, § 5.5.4 und für eine parallele Bestimmung in cl. 17(2) JCT Standard Form of Building Contract (Private Edition with Approximate Quantities, 1975) Linden Gardens Trust Ltd v Lenesta Sludge Disposals Ltd and others and St Martin’s Property Corporation Ltd v Sir Alfred McApline & Sons Ltd [1993] 3 WLR 408, 419 f. per Lord Browne-Wilkinson (HL). Allgemein zu den in diesem Zusammenhang verwendenten Begriffen „benefit“ und „burden“ Ndekurgi/Rycroft, JCT 98, § 8.2. 3822 Vgl. ab S. 536. 3823 Abrufbar unter http://www.riba.org/fileLibrary /pdf/GN4_appointments001.pdf. 3824 Vgl. dazu ab S. 572. 3825 Cornes, Design, § 5.2. 3826 Vgl. ab S. 589. 3821

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

597

Architekten im Haftungsfall einen Rückgriff bei seinem Schuldner, dem Spezialisten, ermöglicht3827.

bb) Die Behandlung der Problematik nach deutschem Architektenvertragsrecht Sofern der Architekt zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben im eigenen Namen Erfüllungsgehilfen, z.B. Fachbauunternehmen oder auch Sonderfachleute, beizieht, haftet er für deren Fehlleistungen gemäß § 278 BGB wie für eigenes Verschulden3828. Diese Rechtsfolge greift allerdings nicht schon deshalb ein, weil er den Sonderfachmann im eigenen Namen beauftragt hat, sondern selbstverständlich nur, wenn die übertragene Aufgabe (etwa die Klärung der Gutachterfrage) zu den vertraglichen Pflichten des Architektenvertrages gehört3829. Der Inhalt des Architektenvertrages und die Pflichten der Vertragsparteien sind dabei nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Vertragsrechts, d.h. durch Vertragsauslegung, zu ermitteln und nicht nach den Leistungsbildern der HOAI3830, da sich Inhalt und Umfang der Verpflichtung des Architekten nicht ohne weiteres aus der Bezugnahme im Vertrag auf die in § 15 Abs. 1, 2 Nr. 1 HOAI beschriebenen Leistungsbilder ergeben. Freilich kommen sich beide – wie erwähnt – durchaus nahe, doch losgelöst hiervon kommt im Rahmen der erforderlichen Auslegung nach der Rechtsprechung des BGH dem Kriterium ein besonderes Gewicht zu, ob die jeweilige Aufgabe Fachkenntnisse voraussetzt, die typischerweise von einem Architekten zu erwarten sind, oder ob umgekehrt die speziellen Fachkenntnisse eines Sonderfachmannes notwendig sind3831. Gehört die Aufgabe danach nicht zu den primären Leistungspflichten des Architekten, haftet er bei Zuziehung eines Fachmannes – nach dem von ihm geschuldeten Hinweis darauf, dass diese Hinzuziehung erforderlich ist3832 – parallel zu den für das englische Recht gefundenen Ergebnissen nur für dessen Auswahl und dessen Überprüfung nach dem Maß der von ihm als Architekten zu erwartenden Kenntnisse3833 sowie für unzureichende Vorgaben3834; zusätzlich muss der Architekt die Einhaltung seiner Vorgaben überwachen3835. Im Übrigen gelten für ihn – wie der 3827

Cornes, Design, § 5.2; Wallace, Hudson’s Building, S. 131. Merl, in: Kleine-Möller/Merl, Handbuch, § 12 Rn. 285; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 264, 290 m; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387. 3829 BGH, NJW 1997, 2173, 2174; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 264; Tempel, in: ders./Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387. 3830 BGH, NJW 1997, 586, 587; BGH, NJW 1997, 2173, 2174. 3831 BGH, NJW 1997, 2173, 2174. 3832 Vgl. OLG Frankfurt v. 2.8.2000 – 9 U 60/99, n.v. – juris. 3833 BGH, NJW 2001, 1276; BGH, NJW 1997, 2173, 2174; OLG Frankfurt, BauR 2000, 598, 599; OLG Köln, NJW-RR 1998, 1476, 1477; Vorwerk, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 20 Rn. 35 m.w.N. 3834 BGH, NJW 2001, 1276; OLG München, BauR 2005, 156 (LS); OLG Köln, NJW-RR 1998, 1476, 1477; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 196 p; 1544; Tempel, in: ders./ Seyderhelm, Zivilprozess, S. 387. 3835 OLG München, BauR 2005, 156 (im abgedruckten LS nicht widergegeben). 3828

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

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BGH jüngst klargestellt hat – im Sinne einer Obliegenheit die Grundsätze entsprechend, die der BGH für den Fall herausgearbeitet hat, dass der Unternehmer ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lässt, sofern der Architekt die Herbeiführung des von ihm geschuldeten Werkerfolgs arbeitsteilig organisiert hat3836.

c)

Die Problematik beim Arzt- bzw. Krankenhausvertrag

aa) Englisches Recht (1)

Grundsatz

Nach englischem Recht werden Krankenhaus oder Arzt gegenüber dem Patienten ebenfalls – trotz Aufgabendelegation – dort vertraglich haften, wo der mit dem Patienten abgeschlossene Vertrag eine nicht übertragbare Verpflichtung (non-delegable duty)3837 beinhaltet3838. Ob derartiges vereinbart wurde, ist eine Frage der Vertragsauslegung3839. Im Arztvertrag ist hiervon jedenfalls für die zentrale Vertragsaufgabe, wie wir gesehen hatten, im Regelfall nicht auszugehen3840. „Nicht übertragbar“ bedeutet auch in diesem Zusammenhang freilich nicht, dass das Krankenhaus „persönlich“ die Leistung erbringen muss, sondern lediglich, dass es die Leistung nicht in dem Sinne haftungsbefreiend auf Dritte übertragen kann, dass es für Fehler der von ihm zur Erfüllung eingesetzten Personen nicht verantwortlich ist3841. Zur Erfüllung seiner Pflichten muss es sich selbstverständlich einer natürlichen Person bedienen3842, kann sich dadurch aber nicht aus der Verantwortung ziehen3843. Die Umstände, unter denen man vom Bestehen derartiger Pflichten in Bezug auf Krankenhäuser ausgehen darf, sind – im Gegensatz zum Arztvertrag – scheinbar nur relativ fixiert. Ein übergreifendes Prinzip, das bestimmt, wann und wie eine solche Pflicht – vertraglich oder deliktisch – entsteht, existiert auch in diesem Zusammenhang nicht3844. Eine entsprechende Qualität vertraglicher Pflichten des Krankenhauses wird man indes zumindest dort annehmen dürfen, wo sich das aufnehmende 3836

BGH, NJW 2009, 582, 584 m.w.N. Zu den komplexen Fragen einer deliktischen non-delegable duty vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, §§ 20.04, 20.07 ff. 3838 Ausführlich Grubb, in: ders., Principles, § 8.24 ff.; Jones, Negligence, § 7–024 ff. 3839 Vgl. nur Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 301 per Lord Greene MR (CA). 3840 Vgl. ab S. 560. 3841 Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 22.01. 3842 Jones v Manchester Corporation [1952] 2 QB 852, 867 per Denning LJ; Cassidy v Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 360 per Denning LJ; Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 301 per Lord Greene MR (CA). 3843 Vgl. dazu Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, 301 per Lord Greene MR (CA); McDermid v Nash Dredging and Reclamation Co Ltd [1987] 2 All ER 878, 887 per Lord Brandon (HL). 3844 Vgl. unten Fn. 3849 sowie McKendrick, (1990) 53 MLR 770, 773 ff.; Dugdale/Stanton, Negligence, § 22.01. 3837

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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Krankenhaus nicht lediglich zur Bereitstellung von technischer Einrichtung, Pflege und Pflegepersonal, sondern auch zur Behandlung selbst verpflichtet hat3845. Im deliktischen Kontext entnimmt man dies der Entscheidung Roe v Ministry of Health3846. Für die Krankenhausbehandlung innerhalb des NHS, also für eine deliktische Haftung, soll sich dies ferner aus der Auslegung der s. 3(1)(c) National Health Service Act 1946 (entspricht s. 3(1) National Health Service Act 1977) in der Entscheidung Razzel v Snowball3847 ergeben3848. Die Entwicklung ist insoweit keineswegs abgeschlossen3849.

(2)

Pflichten des Arztes in Bezug auf die Hilfspersonen

Sofern vertraglich die eigenhändige Leistung durch den Arzt vereinbart worden ist, bedeutet dies im Regelfall gleichwohl nur, dass dieser die zentrale Leistung, d.h. etwa den Eingriff, persönlich vornehmen muss, nicht aber, dass er sich dabei keines Hilfspersonals bedienen darf. So sind bspw. Operationen zumeist ohne administrative Unterstützung durch Krankenschwestern, Anästhesisten usw. überhaupt nicht mit angemessener Sorgfalt durchführbar. Die Hinzuziehung von Hilfspersonal ist dem Arzt daher in aller Regel nicht nur gestattet, sondern er ist vielmehr umgekehrt vertraglich zur Heranziehung verpflichtet, falls ein angemessener Sorgfaltsstandard auf anderem Wege nicht erreicht werden kann. Handelt es sich bei den hinzugezogenen Hilfspersonen um Arbeitnehmer des behandelnden Arztes, ist dieser nach den Grundsätzen der Arbeitgeberhaftung für die Fehlleistungen von Arbeitnehmern verantwortlich3850. Erforderlich ist darüber hinaus eine sorgfältige Abstimmung zwischen den an der Behandlung beteiligten Hilfspersonen. Informationen über die Konstitution des Patienten müssen zwischen den medizinisch Verantwortlichen (Ärzten, dem medizinischen Personal und Krankenhäusern) in angemessenem Umfang und innerhalb

3845

Jones, Negligence, § 7–012. Roe v Minister of Health [1954] 2 QB 66, 89 per Morris LJ (CA); vgl. Jones, Negligence, § 7–012. 3847 Razzel v Snowball [1954] 1 WLR 1382 (CA). 3848 So Jones, Negligence, § 7–012. 3849 Ungeachtet der durch Lord Browne-Wilkinson in X (Minors) v Bedfordshire County Council [1995] 3 All ER 353, 372 (HL) (dazu Cane, (1996) 112 LQR 13, 20 f.) bestärkten Zweifel (vgl. näher A v Ministry of Defence and Guys and St Thomas’s Hospital NHS Trust [2005] QB 183, 195 ff. per Lord Phillips MR (CA)) daran, unter welchen Umständen man eine unübertragbare (vertragliche oder deliktische) Sorgfaltspflicht des Krankenhauses gegenüber dem Patienten wird annehmen können, hat der Court of Appeal jüngst signalisiert, dass diese Annahme nicht grundsätzlich in Frage zu stellen ist, vgl. A v Ministry of Defence and Guys and St Thomas’s Hospital NHS Trust [2005] QB 183, 205 per Lord Phillips MR (CA). In Robertson v Nottingham Health Authority [1997] 8 Med LR 1 per Brooke LJ (CA, lexis, dort unter dem Titel: Re R (a minor)) verweigerte Brooke LJ es, sich mit dieser Frage zu befassen. 3850 Vgl. zu ihnen Schmidt-Kessel, Standards, S. 410 ff. 3846

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

angemessener Zeit kommuniziert werden3851. Kommunikationsfehler sind dabei sowohl in Form von individueller Sorglosigkeit als auch in Form eines „Systemversagens“ denkbar3852. Vor diesem Hintergrund müssen Krankenhäuser – in entsprechender Anwendung der vom Court of Appeal zur Personaldichte entwickelten Grundsätze3853 – zunächst ein adäquates Informationssystem einrichten3854. Dies bedeutet zum einen selbstverständlich, dass das System nicht bereits an sich unzureichend sein darf, z.B. weil die etwaigen Ansprechpartner nicht oder nicht in angemessener Anzahl oder Belastungsfähigkeit vorhanden sind3855. So ist es etwa erforderlich, „to have [a] scheme or system of examination of a surgeon’s patients when the surgeon goes away for a week-end“3856. Insoweit wird erwartet, dass ein Mechanismus vorhanden ist, anhand dessen der jeweils Behandelnde darüber informiert wird und sich umgekehrt auch selbst darüber informiert, welche Behandlung ein Patient bereits erhalten hat, und welche weitere Behandlung erforderlich ist3857. Auch muss dafür Sorge getragen werden, dass die betreffenden Informationen an die Personen kommuniziert werden, an die sich der Patient bei Nachfragen wendet. So muss etwa das Fehlschlagen einer Fruchtwasseruntersuchung in die Krankenakte eingetragen werden, damit die um Auskunft gebetene Schwester keine Fehlinformationen erteilt3858. Die Verpflichtung, den jeweils Behandelnden zu informieren, besteht dabei losgelöst von dessen eigener Verpflichtung, sich selbst zu informieren3859. Dass schriftliche Unterlagen angemessen sorgfältig, d.h. vor allem angemessen leserlich, verfasst sein müssen, versteht sich dabei von selbst3860. Dasselbe gilt für die Verschreibung von Medikamenten3861. Sind die vorgenannten Grundvoraussetzungen erfüllt, kann das veranschlagte System – obgleich „an sich“ angemessen – z.B. deshalb unzulänglich sein, weil es 3851

Vgl. etwa Starcevic v West Hertfordshire Health Authority (2001) 60 BMLR 221, Tz. 9, 13 per Mantell LJ (CA, lexis), wo eine Physiotherapeutin und eine erfahrene Krankenschwester die behandelnden Ärzte nicht darüber informierten, dass der Fuß des sich wegen einer Meniskusoperation in Behandlung befindlichen Patienten vor der Operation geschwollen war und sich verfärbt hatte, was auf die Thrombose hindeutete, an welcher der Patient unmittelbar nach der Operation verstarb. 3852 Jones, Negligence, § 4–044; ders., in: Grubb, Principles, § 6.68. 3853 Vgl. dazu Bull v Devon Area Health Authority (1989) 22 BMLR 79 (CA, lexis) sowie – zu dem damit verbundenen Problem ausreichender Mittel und deren Verteilung – Syrett, (2005) 13 Med L Rev 434, 438 f. 3854 Ebenso Jackson/Powell, Negligence, §§ 12–197, 12–200. 3855 Vgl. Jones, Negligence, § 4–045; Jackson/Powell, Negligence, § 12–200. 3856 Cassidy v Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 359 per Singleton LJ (CA). 3857 Jackson/Powell, Negligence, § 12–197. Vgl. Coles v Reading and District Hospital Management Committee and Another (1963) 107 SJ 115 per Sachs J: In dieser Entscheidung wurde festgestellt, dass bereits die Erste-Hilfe-leistende Krankenschwester dem Patienten entweder eine Tetanusspritze hätte geben oder auf andere Weise hätte sicherstellten müssen, dass der Patient angemessen behandelt wird. So hätte sie dem Patienten ein Dokument für das künftig behandelnde Krankenhaus mitgeben sollen, auf dem – unter konkreter Bezugnahme auf eine Tetanusimpfung – stand, welche Behandlung vorgenommen und welche Behandlung noch vorzunehmen war. Dass es aber auch insoweit auf die Umstände des Einzel-

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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das (unvermeidliche) Risiko menschlicher Fehlleistungen unberücksichtigt lässt, indem es bspw. keine entsprechenden Kontrollmechanismen vorsieht3862. Auch die Verpflichtung, ein angemessen effizientes Kommunikationssystem vorzuhalten, besteht jedoch nur im Rahmen dessen, was der Einsatz angemessener Sorgfalt gebietet. Dies vor Augen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der jeweilige medizinische Dienstleister Fehlleistungen grundsätzlich nur in seiner eigenen Verantwortlichkeitssphäre angemessen sorgfältig vermeiden muss3863. Warn- und Hinweispflichten bezüglich vertragswidriger Leistungen Dritter bestehen nämlich nur in engen Grenzen und zwar vor allem, wenn vernünftigerweise von einer Beaufsichtigung durch den jeweiligen Dienstleister ausgegangen werden kann3864, was regelmäßig nur innerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs der Fall sein wird. Wiederum gilt im Übrigen, dass nicht jeder Fehler einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründet. Selbst die „besten“ Systeme sind nicht gegen unerwartete Fehlleistungen gefeit3865. So hatte z.B. die Dienst habende Ärztin in der Sache Bolitho eine ihr dienstlich untergeordnete Ärztin beauftragt, sie während ihrer Hausbesuche zu vertreten, was an sich als adäquates Sicherungssystem ausgereicht haben dürfte. Der Dienst habenden Krankenschwester gelang es jedoch nicht, die Stellvertreterin in dem eingetretenen Notfall zu erreichen, da die Batterien ihres Piepers im konkreten Zeitpunkt zu schwach waren3866. Solange sie den Batteriestatus in angemessenen Abständen kontrolliert hat, wird man dies nicht als fahrlässige Fehlleistung qualifizieren können3867. falls ankommt, macht die Entscheidung des House of Lords in der Sache Chapman v Rix (1960), The Times, 22. Dezember (zit. nach Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 177) deutlich, vgl. zu ihr Jackson/Powell, Negligence, § 12–198; Jones, Negligence, § 4–046 und dort (Fn. 21) auch die abweichenden Voten von Lord Keith und Lord Denning. 3858 Vgl. Gregory v Pembrokeshire Health Authority [1989] 1 Med LR 81 per O’Connor LJ (CA, lexis; Nichteintragung des Fehlschlags eines Tests in die Krankenakte und daraus resultierende Fehlinformation der Patientin durch eine Krankenschwester). 3859 Vgl. dazu wiederum Coles v Reading and District Hospital Management Committee and Another (1963) 107 SJ 115 per Sachs J; McKay v Essex Area Health Authortiy [1982] QB 1166, 1178 f. 1184 per Stephenson LJ (CA; Verfehlung des Labors, über Laborwerte/Tests zu informieren, und Verfehlung des Arztes, sich über Laborwerte/Tests zu informieren) sowie Jones, Negligence, § 4–050. 3860 Vgl. Everett v Griffiths [1920] 3 KB 163, 213 per Atkin LJ (CA); Jones, Negligence, § 4–049. 3861 Näher dazu Prendergast v Sam & Dee Ltd & Others (1988), The Times, 24. März, per Auld J (HC, lexis). 3862 Jones, Negligence, § 4–044; ders., in: Grubb, Principles, §§ 6.68 f. 3863 Zu krankenhausinternen Kommunikationsfehlern vgl. Robertson v Nottingham Health Authority [1997] 8 Med LR 1 per Brooke LJ (CA, lexis, dort unter dem Titel: Re R (a minor)). 3864 Vgl. Jones, Negligence, §§ 4–048, 4–058. 3865 Vgl. Jones, in: Grubb, Principles, § 6.68. 3866 Bolitho v City and Hackney Health Authority [1998] AC 232, 236 (HL). 3867 Zu einer fahrlässigen Fehlleistung durch Verhören einerseits und fehlende Kontrolle andererseits vgl. Collins v Hertfordshire County Council [1947] 1 KB 598, 614, 620 ff. 624 per Hilbery J (HC). Zur fahrlässigen Fehlinterpretation einer Behandlungsanweisung vgl.

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

Der Entscheidung in der Sache Collins v Hertfordshire County Council lässt sich ferner eine Verpflichtung entnehmen, bei der eigenen Leistung die Möglichkeit von Fehlleistungen der übrigen beteiligten Personen in Betracht zu ziehen. Vor diesem Hintergrund muss der Arzt sich in angemessenem Umfang, d.h. auch: mit angemessenem Aufwand, zumindest darüber versichern, dass die Teilleistungen Dritter nicht schädlich sind3868. In Collins starb ein Patient, weil ihm anstelle von Prokain als Lokalanästhetikum Kokain in großer Menge verabreicht worden war. Dazu war es gekommen, weil eine noch nicht approbierte Ärztin bei der Vorbereitung des Eingriffs die telefonische Anweisung des behandelnden Chirurgen, sie solle „procaine“ in bestimmter Menge bereitstellen, als „cocaine“ missverstanden hatte. Der Apotheker, an den sie sich in dieser Sache wandte, stellte – obwohl es sich um eine „unheard of dosage“3869 der Droge handelte – keinerlei Rückfragen und verlangte insbesondere keine Verifikation durch eine zur Order der Droge authorisierte Person. Der behandelnde Chirurg wiederum injizierte die Droge, ohne sich zu versichern, ob es sich dabei auch wirklich um die Substanz handelte, die er angefordert hatte. Der behandelnde Chirurg haftete deswegen – wie er selbst eingestanden hatte3870 – wie auch die noch nicht approbierte Ärztin und das Krankenhaus (weil es ein unsicheres Medikamentenabgabesystem unterhielt). Insoweit dürfte, wie die Entscheidung in der Sache Fussell v Beddard verdeutlicht, wiederum ein komparativer Maßstab gelten. In Fussell war ein Patient aufgrund einer viel zu hohen Dosierung eines Anästhetikums verstorben, die zustande gekommen war, weil eine unerfahrene Schwester die Dosierungsanweisung des Anästhesisten falsch verstanden hatte. Lewis J stellte fest, dass, sofern eine unerfahrene Schwester an der Behandlung beteiligt ist, Chirurg und Anästhesist sorgfältig darauf achten müssten, dass die Schwester die ihr übertragenen Aufgaben durchführe bzw. dazu entsprechend geeignet sei, während bei erfahrenen Schwestern darauf vertraut werden dürfe, dass diese die Anweisungen korrekt umsetzen3871.

Strangeways-Lesmere v Clayton [1936] 2 KB 11, 14 f. per Horridge J. Dass bei Anweisungen an erfahrenes Hilfspersonal überhaupt keine Durchführungskontrolle vorgenommen werden muss, wie Lewis J in Fussell v Beddard (1942) 2 BMJ 411 annimmt, geht – gemessen an der übrigen Rechtsprechung – zu weit, vgl. auch Jones, Negligence, § 4–048 m. Fn. 25 und ebenso Nelson-Jones/Burton, Negligence, S. 213, 214. 3868 Vgl. auch Jones, Negligence, § 4–058. 3869 Collins v Hertfordshire County Council [1947] 1 KB 598, 620 per Hilbery J. 3870 Collins v Hertfordshire County Council [1947] 1 KB 598, 624 per Hilbery J. 3871 Fussell v Beddard (1942) 2 BMJ 411. Das Ergebnis, zu dem Lewis J gelangt (keine Haftung des Anästhesisten oder der Schwester), dürfte allerdings heute nicht mehr vertretbar sein, vgl. Jones, Negligence, § 4–048 m. Fn. 25. Zu einer Verpflichtung sowohl der Hebamme als auch des behandelnden Arztes, das einer in den Wehen liegenden Frau zu injezierende Medikament zu überprüfen, vgl. Jones, Negligence, § 4–083 m.w.N.

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

(3)

603

Entlastung infolge Anleitung bzw. Überwachung durch einen hinzugezogenen Spezialisten?

Ist der Arzt zur eigenhändigen Leistung verpflichtet, stellt sich mit Blick auf die bestehende Entlastungsmöglichkeit des solicitors durch Einschaltung eines ihn beratenden barristers die Frage, ob und inwieweit der Arzt sich dadurch entlasten kann, dass er sich bei der Aufgabendurchführung von einem Spezialisten anleiten und/oder überwachen lässt, wozu er – mangels eigener Sachkunde – jedenfalls verpflichtet ist. Der Entscheidung des Court of Appeal in Jones v Manchester Corporation lässt sich entnehmen, dass es insoweit wiederum auf die Umstände des Einzelfalls ankommen dürfte. Dort hatte eine seit fünf Monaten approbierte Ärztin unter der Aufsicht eines seit zwei Jahren approbierten Kollegen einem bereits betäubten Patienten ein Anästhetikum (Pentothal) in zu hoher Dosierung oder mit zu großer Geschwindigkeit verabreicht, was zum Tode des Patienten führte. Zur Verantwortlichkeit beider Ärzte, die mit diesem Mittel im Allgemeinen nur sehr wenig und mit dessen Verwendung bei bereits betäubten Patienten keine Erfahrung besaßen, stellte Denning LJ fest: “Then they decided together to use pentothal. If that needed special care and skill, he was the one who should tell her what was necessary; because he was, according to the general superintendent, one of the doctors available for her to consult. She administered the pentothal under his very eyes and to his entire approval. In these circumstances, it seems to me that her share in the responsibility is much less than his.”3872 Daraus lässt sich entnehmen, dass Anleitung und Beaufsichtigung durch einen (prima facie) erfahreneren Kollegen keineswegs stets und vollständig entlastend wirken. Vielmehr bleibt der Arzt auch unter solchen Umständen zur Anwendung durchschnittlicher Sachkunde und angemessener Sorgfalt verpflichtet, was bedeutet, dass er jedenfalls solche Fehler vermeiden muss, die ein durchschnittlich kompetenter und angemessen sorgfältiger Arzt vermieden hätte. Im konkreten Fall waren alle Sachverständigen der Auffassung, dass die verabreichte Dosis in jedem Fall zu hoch war und die Ärztin die Wirkung der verabreichten Menge – lehrbuchgemäß – hätte überprüfen müssen, indem sie den Patienten laut zählen ließ3873. Dies war im konkreten Fall unmöglich gewesen, da der Patient bereits durch ein anderes Anästhetikum derart betäubt war, dass er zum Zählen nicht in der Lage war. Diese Überlegungen werden durch die Entscheidung des Court of Appeal in Wilsher v Essex Area Health Authority bestätigt. Mustill LJ hielt es in dieser Entscheidung für „disturbing“ sich vorzustellen, dass ein Arzt „could be regarded as measuring up to the standards of his post … if he is incapable of recognising that the instrument upon which he relies is so positioned as to give dangerously misleading information“3874, ohne dass es darauf ankam, dass der in Rede stehende Arzt seine Tätigwerden durch einen sehr erfahrenen älteren Kollegen überprüfen ließ (dem später derselbe Fehler 3872

Jones v Manchester Corporation and another [1952] 2 QB 852, 871 (CA). Vgl. Jones v Manchester Corporation and another [1952] 2 QB 852, 858 f. (CA). 3874 Wilsher v Essex Area Health Authority [1987] QB 730, 758. 3873

5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

604

unterlief). Den Pflichtinhalt formulierte Glidewell LJ, nach dem er zunächst (zutreffend) festgestellt hatte, dass der Test für den maßgeblichen Sorgfaltsstandard bei einem unerfahrenen Arzt kein anderer ist als bei einem erfahrenen Arzt3875, wie folgt: “If this test appears unduly harsh in relation to the inexperienced, I should add that, in my view, the inexperienced doctor called upon to exercise a specialist skill will, as part of that skill, seek the advice and help of his superiors when he does or may need it. If he does seek such help, he will often have satisfied the test, even though he may himself have made a mistake.”3876 Durch die Einschränkung „often“ wird klar gestellt, dass Anleitung und Beaufsichtigung durch einen erfahreneren Kollegen zwar häufig, aber keinesfalls immer entlastend wirken.

bb) Die Problematik im Rahmen des Arztvertrages nach deutschem Recht (1)

Grundsatz

Wenden wir uns nun der Hilfspersonenhaftung des Arztes nach deutschem Recht zu, ist zunächst klarzustellen, dass der Schuldner auch im Rahmen der Arzthaftung für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB einzustehen hat, wobei gleichgültig ist, ob der Arzt bzw. Krankenhausträger ihnen gegenüber weisungsbefugt ist3877. Delegiert der Arzt Aufgaben im oben erörterten Rahmen zulässigerweise auf medizinisches Hilfspersonal (Krankenschwester usw.), handelt er hierbei indes nur vertragsgemäß, wenn er seinen Auswahl-, Instruktions-, Überwachungs- und Kontrollpflichten nachkommt3878: Zunächst obliegt es dem Arzt nämlich, nur solche Mitarbeiter heranzuziehen, die eine fehlerfreie Ausführung der Verrichtung erwarten lassen3879. Die Gehilfen müssen insofern für die Behandlungsmaßnahmen nicht nur hinreichend qualifiziert sein, sondern auch die für ein selbstständiges Arbeiten allgemein zu fordernde fachliche und charakterliche Qualifikation besitzen3880. Über eine sorgfältige Auswahl und Führung hinaus müssen ausreichende Instruktion, Überwachung und Weiterbildung gewährleistet sein. Hierbei gilt wiederum ein komparativer Maßstab: Instruktion, Überwachung und Weiterbildung müssen umso in3875

Vgl. ausführlich ab S. 196. Wilsher v Essex Area Health Authority [1987] QB 730, 758. Dies scheint – losgelöst von der Frage eines variierenden Sorgfaltsstandards – auch die Position der dissenting opinion von Sir Browne-Wilkinson V-C zu sein, vgl. S. 778: „Moreover, Dr. Wiles called in his superior, Dr. Kawa, to check what he had done“. 3877 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 70 m.w.N. 3878 Zum Folgenden Hahn, NJW 1981, 1977, 1983 f. 3879 Näher Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 228 ff. 3880 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 191. 3876

§ 16 Arbeitsteiliges Zusammenwirken

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tensiver sein, je risikobelasteter und entfernter von der Routine die Behandlung ist und je weniger Zeit in ihr zur Gefahrenvorkehr bleibt3881. Beeinflusst wird der Maßstab – wie der BGH jüngst folgerichtig im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen der nicht selbst aufklärende Operateur sich darauf verlassen kann, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist, klargestellt hat – dabei auch von der Qualifikation des eigentlich Verpflichteten. In seinem Urteil vom 7.11.20063882 hat der BGH insoweit nämlich festgestellt, dass die hiernach bestehenden Kontrollpflichten in noch stärkerem Maß gelten, wenn der Operateur zugleich Chefarzt und deshalb für die ordnungsgemäße Organisation der Aufklärung im Krankenhaus verantwortlich ist. Der operierende Chefarzt muss folgerichtig auch darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und die Befolgung seiner Anweisungen zu kontrollieren. Vor der eigentlichen Ausführung der übertragenen Verrichtung hat der Arzt die Hilfsperson insofern angemessen zu instruieren, wobei es sinnvoll ist, nach typischen Gefahrenlagen zu differenzieren3883: So darf die ärztliche Instruktion dem Informationsempfänger nichts offenlassen, muss insbesondere möglichen Kommunikationsmängeln und -irrtümern vorbeugen sowie auf medizinische Komplikationssituationen hinweisen, was auch die Aufklärung über Wirkung und Kontraindikation von Arzneimitteln einschließt. Im Krankenhausbereich lässt sich dies oft durch Dienstanordnungen präzisieren und ausfüllen. Das Ausmaß der während der Ausführung erforderlichen Überwachung richtet sich nach Qualifikation und Zuverlässigkeit der Hilfsperson3884. Allerdings darf der Arzt, soweit keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten oder Unachtsamkeit der Hilfsperson ersichtlich sind, grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Gehilfe die Verrichtung einwandfrei durchführt3885. Schließlich wird in der Literatur eine Art „Endkontrolle“ durch den Arzt für erforderlich gehalten, die nach Abschluss der von der Hilfsperson vorgenommenen Aufgabendurchführung zu erfolgen hat3886. Der die Behandlung durchführende Arzt haftet im Übrigen nur bis zu dem Punkt, an dem die Betreuung des Patienten ohne Defizit für ihn einer anderen, nichtärztlichen Person oder Stelle überlassen werden kann3887. Soweit also Krankenschwestern usw. im Rahmen der Grund- und Funktionspflege sowie der pflegerischen Ergänzung des ärztlichen Behandlungskonzepts durch die Behandlungspflege tätig werden, erfüllen sie nicht aus dem ärztlichen Tätigkeitsbereich abgeleitete Aufgaben und werden deshalb insoweit nicht als Erfüllungsgehilfen des Arztes tätig, sondern stehen unter der alleinigen Weisungs- und Überwachungsverantwortung der Pflegedienstleitung bzw. des Krankenhausträgers3888. Anderes gilt nur, wenn und soweit die Pflege 3881

Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 193. BGH v. 7.11.2006 – VI ZR 206/05, n.v. 3883 Vgl. hierzu auch Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 232. 3884 Vgl. Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 73 (Maßgeblichkeit der im Einzelfall erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten). 3885 Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 233. 3886 Hahn, NJW 1981, 1977, 1984. 3887 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 224. 3888 BGHZ 89, 263, 271 f. 3882

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

aufgrund besonderer Umstände die ärztliche Beurteilung und Anordnung von Maßnahmen verlangt3889.

(2)

Entlastung durch Tätigkeit unter Fachaufsicht

Auch für das deutsche Arzthaftungsrecht wollen wir abschließend der Frage nachgehen, ob und inwieweit eine Entlastung durch Tätigwerden unter fachlicher Aufsicht möglich ist. Diese Frage stellt sich naturgemäß in der Praxis insbesondere für die Tätigkeit von Berufsanfängern, weswegen sie in diesem Zusammenhang die größte praktische Aufmerksamkeit erfahren: Da auch dem Arzt in der Ausbildung – wie bei jedem anderen Beruf – Gelegenheit gegeben werden muss, Praxiserfahrung zu sammeln, ist der junge Arzt langsam und schrittweise an das operative Geschehen heranzuführen3890. Insofern darf ein in der Facharztausbildung stehender Arzt erst nach Feststellung seiner Zuverlässigkeit bei ähnlichen Eingriffen wie dem Anstehenden und nach Nachweis praktischer Fortschritte eigenständig operieren3891. An die Feststellung ausreichender Übung und Erfahrung zur selbständigen Durchführung einer Operation ist ein strenger Maßstab anzulegen3892. Solange der Arzt nicht in eigener Person den geschuldeten Facharztstandard sicherzustellen vermag, muss die Erfüllung dieses Standards durch die rechtzeitige Unterstützung und Überwachung durch einen Facharzt sichergestellt werden3893. Eine Sorgfaltspflichtverletzung bzw. ein Verschulden des übernehmenden Arztes dürfte insoweit – parallel zum englischen Recht – in der Regel ausgeschlossen sein, wenn und soweit sich der in der Ausbildung befindliche Arzt auf eine Beurteilung seiner Eignung und Fähigkeiten hinsichtlich einer bestimmten Aufgabe durch den übergeordneten Facharzt verlassen darf, weil von ihm aufgrund seines Ausbildungsstandes oder anderer Umstände nicht bessere Erkenntnisse oder Einsichten zu erwarten sind3894. Auch darf der Assistenzarzt grundsätzlich darauf vertrauen, dass die für seinen Einsatz Verantwortlichen für den Fall von Komplikationen, mit denen zu rechnen ist und für deren Beherrschung – wie die Verantwortlichen wissen müssen – seine Fähigkeiten nicht ausreichen, organisatorisch die erforderliche Vorsorge getroffen haben3895. Ein solches Vertrauen kann freilich nicht bestehen – und damit keine Haftungsentlastung herbeiführen –, sofern für den Assistenzarzt Umstände erkennbar sind, die ein solches Vertrauen als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen3896. Die Rechtsprechung differenziert hinsichtlich der erforderlichen Aufsicht bzw. Vorsorge je nach übernommener Aufgabe: Während im geburtshilflich-gynäkologi3889

Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 225. Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 42. 3891 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 77; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 42. 3892 Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 42. 3893 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 77. 3894 Vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 80; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 41. 3895 Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 80. 3896 BGH, NJW 1994, 3008, 3009. 3890

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schen Bereich die Organisation einer Rufbereitschaft des Oberarztes (zu Hause) ausreichen soll3897, ist zwischen einem noch unerfahrenen Anästhesisten und dem in einem benachbarten Operationssaal tätigen Fachanästhesisten Blick- und/oder Rufkontakt erforderlich, aber auch ausreichend3898. Den strengsten Maßstab legt die Rechtsprechung im Bereich der Chirurgie an: Operationen müssen von einem stets anwesenden, eingriffsbereiten Facharzt überwacht werden, solange irgendwelche Zweifel an dem erforderlichen Ausbildungsstand des Operateurs bestehen können3899.

4.

Fazit

Rückblickend sind Anwalts-, Arzt und Architektenhaftung, was die vorstehend untersuchten Fragen angeht, in allen erörterten Rechten in weiten Teilen parallel ausgestaltet. Dies gilt zunächst für die Ablehnung eines berufsgruppenübergreifenden Team-Standards, aber auch weitgehend darüber hinaus: Während eine haftungsentlastende Fremdvergabe durch Pflicht- oder Aufgabenübertragung ohne Zustimmung des Gläubigers in der Regel nicht möglich ist, entspricht es umgekehrt regelmäßig dem Parteiwillen, hinsichtlich der Verpflichtung zur eigenhändigen Leistungserbringung nach Vertragsbestandteilen zu differenzieren. Insofern darf der Dienstleister – verkehrstypisch – bestimmte Leistungsbestandteile durch Hilfspersonen durchführen lassen, für deren Leistung er freilich verantwortlich ist. Diese Feststellung führt uns zu der bislang nur implizit beantworteten Frage, nach welchen Maßstäben das Verhalten der Hilfspersonen zu beurteilen ist. Nach der maßgeblichen Zurechnungsnorm des deutschen Rechts (§ 278 BGB) – gleiches dürfte nach Art. 8:107 PECL, III. – 2:106 DCFR gelten – ist insoweit der vom Schuldner einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab auch für die Beurteilung des Gehilfenverhaltens maßgeblich. Entsprechendes gilt nach englischem Recht zunächst für die Beurteilung des Verhaltens von servants oder agents: Haftet der Schuldner sorgfaltsunabhängig, spielt es für die Frage des Vertragsbruchs keine Rolle, ob seine Hilfspersonen angemessen sorgfältig vorgegangen sind3900. Haftet der Schuldner nur bei negligence, muss diese bei der Hilfsperson vorliegen3901. Folgerichtig sind Haftungsmilderungen für den Geschäftsherrn auch bei der Bewertung des Gehilfenverhaltens einschlägig3902. Im Rahmen der primary liability folgt Entsprechendes einfach aus dem Umstand, dass es insoweit dogmatisch um die Beurteilung des Schuldnerverhaltens geht, sodass auf die Bereitstellung eigener Maßstäbe für die Hilfspersonenhaftung eigentlich gar nicht ankommt. Praktisch wird indessen nur in den Fällen der Auswahl-, Anleitungs- und Überwa3897

BGH, NJW 1994, 3008, 3009; vgl. auch BGH, NJW 1998, 2736, 2737 f.; ebenso Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 42. 3898 BGH, NJW 1993, 2989, 2991; Gehrlein, Arzthaftpflicht, Rn. B 42. 3899 BGH, NJW 1992, 1560, 1561; BGH, NJW 1984, 655, 656; Rumler-Detzel, VersR 1994, 254, 257; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 79. 3900 Vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 429 m.w.N. 3901 Schmidt-Kessel, Standards, S. 429. 3902 Weir, Casebook, S. 266; Schmidt-Kessel, Standards, S. 429.

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5. Kapitel . Sonderaspekte der Konkretisierung des Sorgfaltsstandards

chungs- bzw. Bewertungsmängel für eigene Fehlleistungen des Schuldners gehaftet. Im Rahmen der Haftung wegen Verletzung einer non-delegable duty wird hingegen – anders als dies die dogmatische Konstruktion vorgibt – nicht eine Fehlleistung des Schuldners bei der Delegation oder für die Delegation an sich gehaftet, sondern das Drittverhalten an dem für den Schuldner geltenden Sorgfaltsmaßstab überprüft3903. Kehren wir zu den vorstehend gesammelten Erkenntnissen zurück, ist vor allem darauf hinzuweisen, dass bei dem Tätigwerden in getrennten Pflichtenkreisen demgegenüber insbesondere den Gefahren eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens durch Kontrolle und Überwachung sowie Koordination zu begegnen ist. Die Verpflichtung des Dienstleisters reicht hierbei allerdings wiederum nur soweit, wie von einem Dienstleister des in Rede stehenden Typus Sachkunde und Sorgfalt erwartet werden kann. Ist der Dienstleister mit der übernommenen Aufgabe oder Teilen von ihr überfordert, kann er sich durch Hinzuziehen eines mit der erforderlichen Sachkunde usw. ausgestatteten Dritten innerhalb gewisser Grenzen entlasten, die die nationalen Rechte jeweils ausdifferenziert entwickelt haben. 3903

Ebenso Schmidt-Kessel, Standards, S. 429.

6. Kapitel Strikte Dienstleistungshaftung Im folgenden Kapitel dieser Arbeit wollen wir, nachdem wir uns bislang vor allem Fragen der sorgfaltsabhängigen Haftung gewidmet haben, einmal der Frage nachgehen, unter welchen Voraussetzungen der Dienstleister nach den untersuchten Rechten sorgfaltsunabhängig haftet.

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt Bereits im Rahmen der Informationshaftung hatten wir feststellen können, dass PELSC und DCFRin größerem Umfang als die hier untersuchten nationalen Rechte strikte Verpflichtungen des Dienstleisters vorsehen3904. So haftet der Schuldner z.B. für die Richtigkeit faktischer Informationen nach Art. 6:105(2) PELSC, IV.C. – 7:105 DCFR strikt. Dieser Eindruck wird durch die mit einem strikten Haftungsstandard verbundenen Pflichten nach Art. 1:106(3), 1:108, 5:105, 7:103 PELSC, IV.C. – 2:104 (3), 2:106, 6:104 DCFR bestätigt. Anderes gilt für das englische und deutsche Arzt-, Anwalts- und Architektenhaftungsrecht. Die strikte vertragliche Verpflichtung dieser Dienstleister bildet nach den nationalen Rechten die Ausnahme, von der nur im Einzelfall ausgegangen werden kann. Lediglich der SGSA sieht im Zusammenhang mit vom Dienstleister zu überlassenden goods die Implikation einiger gesetzlicher terms vor, in deren Rahmen strikt gehaftet wird3905.

A.

Deutsches Vertragsrecht

Wenn soeben von der strikten Verpflichtung des Dienstleisters als „Ausnahme“ gesprochen wurde, ist dies insbesondere den Arzt- und Anwaltsvertrag nach deutschem Recht betreffend noch relativ milde ausgedrückt. Letztlich gilt aber auch im Architektenvertragsrecht kaum einmal Anderes. Da unsere Untersuchung dem Vertragsbruch gewidmet ist, werden an dieser Stelle lediglich aus Gründen der annähernden Vollständigkeit des Vergleichs die Grundzüge der strikten Vertragshaftung nach deutschem Recht wiedergegeben. Für die Frage der Pflichtverletzung spielt der Haftungsstandard nach deutschem Recht, das diese beiden Ebenen trennt, nämlich keine Rolle3906. Insofern soll die strikte Haftung

3904

Vgl. ab S. 373. Vgl. ab S. 656. 3906 Vgl. ab S. 66. 3905

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

610

hier nicht über das aus Gründen angemessener Vollständigkeit des Vergleichs Nötige hinaus vertieft werden.

I.

Allgemeine Grundsätze

Die Feststellung, dass eine strikte Haftung nach deutschem Vertragsrecht die Ausnahme bildet, betrifft kaum die Ebene der Erfüllung selbst. Wir hatten gesehen, dass die Erfüllungspflicht im Grunde (vgl. aber § 275 Abs. 2 S. 2 BGB) verschuldensunabhängig besteht. Anderes gilt jedoch auf haftungsrechtlicher Ebene, soweit als Rechtsfolge Schadensersatz begehrt wird. Dort ist die strikte Verpflichtung im haftungsrechtlichen Sinne, d.h. ein Nichtberufenkönnen auf sorgfältiges Verhalten zur Haftungsentlastung am Ehesten noch dem Architektenvertragsrecht geläufig, indes auch hier nur in äußerst engen Grenzen anzunehmen. Denn das Haftungsmodell des deutschen Vertragsrechts ist auch hier im Ausgangspunkt verschuldensabhängig. Das Inkrafttreten des § 311 a Abs. 2 BGB hat diese Positionierung im Allgmeinen – wie dargelegt – bestärkt3907. In § 276 Abs. 1 S. 1 BGB wird gleichwohl abstrakt klargestellt, dass eine Haftungsverschärfung bis hin zur Verschuldensunabhängigkeit stattfinden und sich nicht nur aus dem Gesetz bzw. ausdrücklicher Vereinbarung, sondern auch aus konkludenter Abrede („aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses“) ergeben kann3908. Gesondert hervorgehoben werden in § 276 Abs. 1 S. 1 BGB insoweit zwei Regelbeispiele verschärfter Haftung3909: die Übernahme eines Beschaffungsrisikos und die Übernahme einer Garantie. Zu differenzieren sind beide anhand des Inhalts der „Übernahme“: Die Übernahme einer Garantie enthält Zusagen hinsichtlich des Einstehenwollens für Qualität, während die Übernahme des Beschaffungsrisikos die Zusage der Beschaffung selbst betrifft3910. Letztere wird in den hier interessierenden Fällen der Dienstleistungsverpflichtung von Arzt, Anwalt und Architekt nicht erkennbar praktisch. Denn diese Dienstleister sagen – wie wir gesehen haben – eine persönliche Leistung zu3911, deren Beschaffung sie allein in der Hand haben, und gleichwohl nimmt man – wie gleich zu zeigen sein wird – ungeachtet dessen an, sie wollten nur für Sorgfalt haften. Das ist weitestgehend auch nahezu selbstverständlich, 3907

Vgl. auf S. 93. MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 171 m. Fn. 650 weist insoweit zu Recht darauf hin, dass aus den in BT-Drucks. 14/6040, S. 131 getroffenen Feststellungen, wonach „der Rechtsanwender [durch § 276 Abs. 1 S. 1 BGB] außer auf ‚Bestimmungen‘ (durch Gesetz oder Rechtsgeschäft) auch auf andere Umstände hingewiesen werden“ soll, ‚die im Einzelfall für einen abweichenden Haftungsmaßstab sprechen können‘, – lässt man die Diskussion um die Bedeutung des Richterrechts einmal unberücksichtigt – unklar bleibt, welche Kategorie noch neben Gesetz (zwingendes oder dispositives Recht) und ausdrückliche bzw. konkludente Abrede treten könnte. 3909 Vgl. zu dieser Qualifikation MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 172; Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 17, 19 m.w.N. 3910 Vgl. MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 172. 3911 Vgl. ab S. 563. 3908

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

611

wenn man den Inhalt ihres vertraglichen Versprechens betrachtet, soweit dieser lediglich auf ein sorgfältiges Tätigwerden gerichtet ist3912. Das praktisch zweifellos wichtigere „Regelbeispiel“ ist eingedenk dieses Befundes die Übernahme einer Garantie, d.h. die Frage, unter welchen Bedingungen von einer Zusage hinsichtlicher der Qualität ausgegangen werden kann, die inhaltlich dahin geht, dass für die zugesagte Qualität verschuldensunabhängig einzustehen sein soll3913. Zunächst ist für die Annahme einer Garantie i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB nach dem Gesetzeswortlaut eine Übernahme, d.h. eine (zumindest konkludente) Abrede erforderlich3914. Aus § 276 Abs. 1 BGB selbst ergibt sich ferner nur, dass sich aus einer vom Schuldner übernommenen Garantie eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht ergeben kann, nicht aber das sich eine solche ergeben muss3915. Insofern ist bei jeder Garantieübernahme ihr Inhalt durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln3916. Für Kauf- und Werk- und Mietverträge kann insoweit nach verbreiteter – den Vorstellungen der Gesetzesverfasser 3917 folgender – Auffassung auf die zu dem in §§ 463, 633 Abs. 1 BGB a.F., 536 Abs. 2 BGB verwendeten Begriff der „zugesicherten Eigenschaft“ entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden3918. Während entsprechende Grundsätze für den Dienstvertrag nicht existieren, weil sie hier wegen der Nähe von Pflichtverletzung und Verschulden kaum praktische Bedeutung entwickeln können3919, kann im Werkvertragsrecht insoweit also auf entsprechende Entscheidungen Bezug genommen werden. Wir werden allerdings sehen, dass die Annahme einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht selbst für das Architektenwerk (bzw. Teile von ihm) den absoluten Ausnahmefall bildet3920. Soweit Anwalts- oder Arztverträge als Werkverträge qualifiziert bzw. durch werkvertragliche Elemente ergänzt werden3921, findet sich dennoch – soweit ersichtlich – keine Entscheidung, in der darauf erkannt worden wäre, der Schuldner wolle strikt haften.

3912

Vgl. hierzu ab S. 127 bzw. S. 147. Vgl. zu diesem Verständnis, wonach allein die Garantie im oben genannten Sinne in § 276 Abs. 1 BGB abgehandelt wird, etwa Erman /Westermann, BGB § 276 Rn. 23; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 176; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 29; vgl. auch BGH, NJW 2007, 1346, 1348. 3914 MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 174. 3915 Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 29. 3916 Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 29; Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 23 m.w.N. 3917 BT-Drucks. 14/6040, S. 132. 3918 BGH, NJW 2007, 1346, 1348; Erman/Westermann, BGB § 276 Rn. 23; Palandt /Grüneberg, BGB § 276 Rn. 29; MünchKomm/Grundmann, BGB § 276 Rn. 175 m.w.N.; speziell für das Werkvertragsrecht Peters, NZBau 2002, 113, 119; speziell für das Kaufrecht OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1220, 1221; OLG Düsseldorf, NJOZ 2004, 1935, 1940 f.; OLG Koblenz, NJW 2004, 1670, 1671. 3919 Vgl. oben ab S. 173. 3920 Vgl. ab S. 612. 3921 Vgl. ab S. 127. 3913

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612

II.

Spuren einer strikten Haftung

1.

Arzt- und Anwaltsvertragsrecht

Dem Arzthaftungsrecht ist eine strikte Verpflichtung des Arztes zu Schadensersatz bei Verletzung der aus dem Arztvertrag folgenden Pflichten, soweit ersichtlich, bislang durchweg unbekannt. Zwar nähert die Rechtsprechung die Haftung des Arztes einem strikten Haftungsstandard dort deutlich an, wo sie – der gesetzlichen Vorgabe in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend – sein Verschulden vermutet und – im Fall eines groben Behandlungsfehlers – darüber hinausgehend eine Beweiserleichterung beim Nachweis der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden gewährt. Dies geschieht vor allem, wenn feststeht, dass die Schädigung aus einem Bereich stammt, dessen Gefahren ärztlicherseits voll ausgeschlossen werden können und müssen, d.h. wo es sich um „voll beherrschbare Risiken“ handelt, wozu insbesondere die Organisation und Koordination des Behandlungsbetriebs und -geschehens sowie der technisch-apparative Bereich (Gerätesicherheit), aber auch Hygienegewähr, Verrichtungssicherheit des Pflegepersonals und nicht zuletzt die Anfängerbeschäftigung zählen3922. Es findet sich jedoch keine Entscheidung, in der erkannt worden wäre, der Arzt hafte verschuldensunabhängig i.S.d. § 276 Abs. 1 S. 1 letzter HS. BGB. Nichts anderes ist im Anwaltsvertragsrecht festzustellen. Auch hier ist noch niemals darauf erkannt worden, dass ein Rechtsanwalt für seine (auch werkvertragliche) Leistung verschuldensunabhängig einstehen wollte3923. Im Gegenteil, mit Sieg lässt sich insoweit durchaus feststellen, dass die „Abgrenzung von Anwaltsdienst- und Anwaltswerkvertrag […] für die Voraussetzungen der positiven Vertragsverletzung, insbesondere für die von einem Rechtsanwalt zu beachtenden Sorgfaltsstandards, […] grundsätzlich ohne Bedeutung“3924 ist.

2.

Architektenvertragsrecht

Eine Garantiehaftung des Architekten kommt in der Praxis eigentlich nur in Form so genannter Bausummengarantien vor. Eine solche Bausummengarantie setzt neben der Vereinbarung einer ganz bestimmten Bausumme – die im Zeitpunkt der Garantieübernahme bereits feststehen muss3925 – die Zusage des Architekten voraus, für die 3922

Vgl. BGH, NJW 1999, 860, 861 (Befundsicherung); BGH, NJW 1995, 1618 (Lagerungsschaden); BGH, NJW 1992, 1560, 1561 (Anfängeroperation); BGH, NJW 1991, 1541, 1542; BGH, NJW 2007, 1682 (Hygienemangel); BGH, NJW 1991, 1540, 1541 (Personal und Koordination); BGH, NJW 1978, 584, 585; BGH, VersR 2007, 1416 (Gerätesicherheit); OLG Köln, VersR 2000, 974, 975; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 500 ff.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 214. 3923 Vgl. RG, JW 1914, 642, 643; RGZ 88, 223, 226 f.; BGH, NJW 1970, 1596, 1597; BGH, NJW 1967, 720; BGH, NJW 1965, 106, 107; OLG Düsseldorf, VersR 1993, 702, 703 sowie jüngst OLG Frankfurt a.M. v. 14.2.2007 – 19 U 175/06, n.v. 3924 Sieg, in: Zugehör, Anwaltshaftung, Rn. 5.

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

613

Kosten, die über die feststehende Summe hinausgehen, verschuldensunabhängig haften und die Mehrkosten tragen zu wollen3926. Unterschieden wird dabei zwischen einer totalen Garantie und einer beschränkten Garantie3927: Im Fall einer totalen Bausummengarantie verpflichtet sich der Architekt zur Einhaltung der bestimmten Bausumme selbst bei atypischen Geschehensabläufen. Er trägt mithin auch das mögliche Preissteigerungsrisiko während der Durchführung der Baumaßnahme, während er sich bei der beschränkten Bausummengarantie lediglich verpflichtet, die Bausumme für typische Geschehensabläufe einzuhalten3928. Wird die garantierte Bausumme aufgrund von der Garantie erfasster Geschehensabläufen überschritten, muss der Architekt für die Kosten aufkommen. Hierbei handelt es sich dogmatisch betrachtet nach der Rechtsprechung des BGH nicht um Schadensersatz, sondern um einen Erfüllungsanspruch des Auftraggebers gegen den Architekten3929, sodass die Grundsätze über den Vorteilsausgleich zugunsten des Architekten nicht angewendet werden können3930. Wichtig für die Interessenbewertung und damit für die Auslegung etwaiger Erklärungen des Architekten ist darüber hinaus, dass dieser im Fall der Vereinbarung einer Bausummengarantie den Versicherungsschutz verliert3931. Wegen dieser weitreichenden Folgen besitzt die Bausummengarantie in der Praxis nur geringe Bedeutung3932. Die Rechtsprechung nimmt sie nur an, wenn entsprechende Erklärungen des Architekten einzig und allein dahin verstanden werden können, persönlich und ggf. unbedingt für die Einhaltung des Kostenrahmens einstehen zu wollen3933. Fehlt es an einer klaren und schriftlichen3934 Garantieerklärung, ist im Zweifel nicht von einer Bausummengarantie auszugehen3935. Eine Baukosten3925

Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 498 f. BGH, BauR 1987, 225, 226; BGH, BauR 1974, 347 f.; OLG Koblenz, NZBau 2002, 231, 232; Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 498; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 381; Schmeel, MDR 2002, 564; Schliemann, in: ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 393; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 1730; MünchKomm/Busche, BGB § 650 Rn. 22 m.w.N. 3927 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 382; Schliemann, in: ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 393; MünchKomm/Busche, BGB § 650 Rn. 23 ff. alle m.w.N. 3928 Vgl. Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 1729 m.w.N. 3929 BGH, BauR 1987, 225, 226; OLG Koblenz, NZBau 2002, 231, 232; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 383; Schliemann, in: ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 394; MünchKomm/Busche, BGB § 650 Rn. 26; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 1729. 3930 Schliemann, in: ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 394; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 383; MünchKomm/Busche, BGB § 650 Rn. 26. 3931 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 387; MünchKomm/Busche, BGB § 650 Rn. 26 m.w.N. 3932 Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 383; vgl. auch Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, Rn. 1730. 3933 Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 498. 3934 Anschaulich Schmeel, MDR 2002, 564 f.: „so etwas Exquisites muss man sich schriftlich geben lassen; glauben wird es sonst: zu Recht! niemand“. 3935 Vgl. OLG Düsseldorf, BauR 1996, 293, 295; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 383; Schliemann, in: ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 394 m.w.N. 3926

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

614

garantie des Architekten, wonach er für die Einhaltung einer bestimmten Bausumme dergestalt persönlich einstehen soll, dass er die Mehrkosten selber zu tragen hat, ist insofern nicht gegeben, wenn er lediglich erklärt hat, er könne persönlich die Einhaltung des Gesamtvolumens garantieren; es werde zu keiner Kostenüberschreitung kommen3936. Vor diesem Hintergrund führt selbst die Verwendung des Begriffs „Bausummengarantie“ nicht zwingend zu der Auslegung, dass der Architekt sich tatsächlich im Rahmen einer Bausummengarantie verpflichten wollte3937. Die jüngsten veröffentlichten Entscheidungen haben derartiges jeweils nicht feststellen können3938, der BGH die hiergegen gerichteten Revisionen nicht angenommen3939. Eine ausnahmsweise vom Architekten tatsächlich erklärte Bausummengarantie verliert darüber hinaus ihre rechtliche Wirksamkeit, wenn der Bauherr Änderungen der ursprünglichen Planung selbst veranlasst3940 oder eine Neuberechnung der Baukosten schriftlich anerkennt3941.

B.

Die strikte Haftung nach PELSC und DCFR

Neben der strikten Vertragshaftung für faktsiche Informationen kennen PELSC und DCFR demgegenüber auch eine strikte vertragliche Materialhaftung (Art. 1:106(3), 703 PELSC, IV.C. – 2:104(3), 8:103 DCFR), die ihr Hauptanwendungsfeld, was die hier untersuchten Dienstleister betrifft, im Rahmen der Arzthaftung haben dürfte. Innerhalb der vertraglichen Architektenhaftung ist hingegen in erster Linie die strikte Designhaftung zu untersuchen (Art. 1:108, 5:105 PELSC, IV.C. – 2:106; 6:104 DCFR).

I.

Strikte Materialhaftung

1.

Die strikte Materialhaftung nach Art. 1:106(3) PELSC, IV.C. – 2:104(3) DCFR

a)

Regelungsinhalt und Funktion

Art. 1:106(3) PELSC, IV.C. – 2:104(3) DCFR sieht eine strikte, sorgfaltsunabhängige Haftung des Dienstleisters für die bei der Vertragsdurchführung verwendeten Werkzeuge und Materialien vor3942. Konkret müssen sie nicht nur vertrags- und u.U. 3936

OLG Celle, BauR 1998, 1030. Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 498. 3938 OLG Braunschweig, BauR 2003, 1066, 1067; OLG Koblenz, NZBau 2002, 231, 232; OLG Celle, BauR 1998, 1030; OLG Düsseldorf, BauR 1996, 293, 295; OLG Düsseldorf, BauR 1993, 356 f.; vgl. aber im Rahmen eines formularmäßigen Baubetreuungsvertrages BGHZ 126, 326, 335. 3939 Vgl. auch Schwenker, in: Thode u.a., Architektenrecht, § 13 S. 499. 3940 OLG Düsseldorf, BauR 1995, 411 f.; Niestrate, Architektenhaftung, Rn. 384; Schliemann, in: ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 396. 3941 Schliemann, in: ders., Architekten- und Ingenieurrecht, Rn. 395 m.w.N. 3937

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

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gesetzeskonform sein, sondern auch dazu taugen, den mit ihrem Einsatz erstrebten Zweck zu erreichen. Dies bedeutet, dass der Schuldner Materialien und Werkzeuge der Qualität auswählen muss, die benötigt wird, um sicherzustellen, dass der Erfolg, den der Klient durch die Dienstleistung erreichen will (Art. 1:108 PELSC), tatsächlich erreicht wird3943. Dies gilt nicht allein in den Fällen, in denen der Schuldner strikt für das Erreichen dieses Erfolgs haftet (Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR), sondern auch in den Fällen der Verpflichtung zu sorgfältigem Bemühen um die Zielerreichung (Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR)3944. Auf diesem Wege sollen zusätzliche Anreize geschaffen werden, das vom Klienten erstrebte Resultat zu erreichen3945. Der Verpflichtung zur Verwendung zwecktauglicher Werkzeuge und Materialien kommt somit – parallel zur Aufklärungs- und Nachforschungspflicht – eine Sicherungsfunktion zu, die, sofern keine Verpflichtung nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR besteht, dadurch wichtig wird, dass sie Möglichkeiten eliminiert, Fehlleistungen als mit Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR vereinbar auszuweisen3946. Begreifen wir die Verpflichtung nach Art. 1:106(3) PELSC, IV.C. – 2:104(3) DCFR nämlich als Konkretisierung des nach Art. 1:107 PELSC, IV.C. – 2:105 DCFR geschuldeten Pflichtenprogramms – infolge Begrenzung des Anwendungsbereichs dieser Norm –, scheidet zum einen für den Schuldner der Verteidigungseinwand, dass der in Rede stehende Materialfehler mit angemessener Sorgfalt nicht aufzudecken gewesen wäre, aus. Zum anderen braucht der Gläubiger den u.U. schwierigen Beweis einer Sorgfaltspflichtverletzung nicht zu führen.

b)

Begründungsmuster

aa) Veranlassung im eignen Tätigkeits- und Herrschaftsbereich Hinter der Normierung einer strikten Werkzeug- und Materialhaftung dürfte als materielle Überlegung zunächst stehen, dass der Schuldner, solange er Werzeug und Materialien auswählt, „näher dran“ ist als der Gläubiger, weil die haftungsrelevante Fehlleistung seinem Tätigkeits- und Herrschaftsbereich entspringt. Dies folgt im Umkehrschluss aus Art. 1:106(6) PELSC, IV.C. – 2:104(4) DCFR, wonach der Schuldner einer Werkzeug- und Materialauswahl durch den Gläubiger zwar im Rahmen des Art. 1:109 PELSC, IV.C. – 2:107 DCFR folgen muss. Führt die als Weisung nach Art. 1:109(1) PELSC, IV.C. – 2:107(1) DCFR zu qualifizierende Auswahlentscheidung aber zu einer Nichterfüllung der aus Art. 1:107 f. PELSC, IV.C. – 2:105 f. DCFR folgenden Pflichten, haftet der Schuldner für die Nichterfüllung nicht, solange er seiner Warnpflicht nach Art. 1:110 PELSC, IV.C. – 2:108 DCFR nachgekommen ist, Art. 1:109(2) PELSC, IV.C. – 2:107(2) DCFR. Sofern die Fehlleistung also

3942

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:106. Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. und B. zu Art. 1:106. 3944 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:106. 3945 Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:106. 3946 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:106. 3943

616

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

auf einer aufgeklärten Auswahlentscheidung des Gläubigers beruht, d.h. dessen Tätigkeits- und Herrschaftsbereich entspringt, haftet der Schuldner nicht. Dies gilt grundsätzlich aber nur solange, wie der Gläubiger nicht „an sich“ geeignete Materialien und Werkzeuge auswählt, die sich lediglich im konkreten Fall als inadäquat erweisen3947. Eine Zurechnung der Fehlleistung im konkreten Fall scheint den Verfassern der PELSC dann nämlich zunächst insofern ungerechtfertigt, als der Klient mit der Auswahl „an sich“ adäquater Werkstoffe und -zeuge den Handlungsspielraum des Dienstleisters nicht unangemessen eingeschränkt hat. Darüber hinaus wird – parallel zur Begründung der strikten Haftung im englischen Kauf- und Bauvertragsrecht3948 – darauf verwiesen, dass der Dienstleister bei seinem Lieferanten Regress nehmen kann3949.

bb) Rückgriff entlang der Vertragskette Die Möglichkeit eines entsprechenden Rückgriffs entlang der Vertragskette dürfte den entscheidenden zweiten Begründungsansatz für die strikte Haftung des Schuldners für zwecktaugliche Werkzeuge und Materialien bilden, der die isolierte Betrachtung der „Veranlassung“ des Fehlers im eigenen Tätigkeits- und Herrschaftsbereich insofern ungenügend erscheinen lässt, als sie für sich genommen zu wenig aussagekräftig ist. Dies ergibt sich aus der Einschränkung, die der vorgenannte Grundsatz3950 nach dem Willen der Verfasser der PELSC in dem Fall erfahren soll, in dem der Schuldner verpflichtet wird, Werkstoffe oder -zeuge von einem durch den Gläubiger nominierten Subunternehmer zu beziehen, der gegenüber dem Schuldner seine Haftung stärker limitiert, als dies dem Schuldner gegenüber dem die Nominierung (Auswahlentscheidung) vornehmenden Gläubiger möglich ist. Sofern der Rückgriff entlang der Vertragskette infolge einer entsprechenden Haftungslimitierung des Lieferanten ausscheidet, weisen die Verfasser der PELSC das Misserfolgsrisiko infolge Materialmangels usw. auch dann dem die Auswahlentscheidung treffenden Gläubiger zu, wenn dieser „an sich“ geeignete Materialien auswählt hat3951. Dies überzeugt vor allem, sofern der Gläubiger die Auswahl freiwillig übernommen und so den Entscheidungsspielraum des Schuldners eingeschränkt hat, ist aber auch akzeptabel, wenn der Schuldner den Gläubiger gebeten hat, das Material bzw. den Lieferanten auszuwählen. Denn an dem Bemühen, den Gläubiger soweit wie möglich in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, kann vor dem Hintergrund der in Art. 1:103 f., 1:110 PELSC, IV.C. – 2:102 f., 2:108 DCFR geregelten Kooperationsund Aufklärungspflichten keine den PELSC bzw. DCFR widersprechende Risikoverlagerung auf den Gläubiger gesehen werden. Im Gegenteil, Freiheit geht insoweit mit Verantwortung einher. Unangemessen wird die Risikoverlagerung losgelöst davon 3947

Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:109. Vgl. ab S. 100. 3949 Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:109. 3950 Haftung des Schuldners auch dann, wenn der Gläubiger zwar an sich angemessenes, aber konkret untaugliches Material auswählt. 3951 Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 1:109. 3948

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

617

auch unter Berücksichtigung der regelmäßig fehlenden Sachkunde des Gläubigers nicht. Denn dass z.B. objektiv unerkennbare Produktionsfehler vorkommen, stellt kein „überlegenes Wissen“ des Schuldners dar, sondern ist Gegenstand der allgemeinen Lebenserfahrung und folgerichtig nicht aufklärungsbedürftig (Art. 1:110(3)(b) PELSC, IV.C. – 2:108(3)(b) DCFR). Die Regelungen des DCFR folgen diesem Modell, sodass für sie dasselbe gilt.

2.

Die strikte Materialhaftung nach Art. 7:103 PELSC, V.C. – 8:103 DCFR

Während die Materialhaftung nach Art. 1:106(3) PELSC, IV.C. – 2:104(3) DCFR also auf der Veranlassung des Fehlers im eignen Herrschafts- und Tätigkeitsbereich sowie der (durch Aufklärung) bewussten Risikoübernahme durch interdependente Einschränkung des gegenseitigen Spielraums für autonome Entscheidungen beruht, ist die medizinische Materialhaftung zudem durch die Eigenarten medizinischer Gerätschaften, Materalien usw. motiviert. Art. 7:103 PELSC, IV.C. – 8:103 DCFR, die Art. 1:106 PELSC, IV.C. – 204 DCFR im medizinischen Kontext konkretisieren, verpflichten den Schuldner strikt zur Verwendung von Instrumenten, Medikamenten, Materialien, Einrichtungen und Räumlichkeiten, die zwecktauglich und gesetzeskonform sowie von zumindest der Qualität sind, die die akzeptierte, ordentliche medizinische Praxis verlangt. Die Komplexität und immanenten Risiken (insbesondere die Möglichkeiten mechanischer und/oder menschlicher Fehler bei der Bedienung, aber auch zufällige Fehlfunktionen) der vorgenannten „input media“ machen in den Augen der Verfasser der PELSC eine strikte Haftung erforderlich3952. Dem Patienten komme man dadurch insofern entgegen, als dieser keinen Sorgfaltsmangel des Bedienenden oder Behandelnden nachweisen müsse, während die Interessen des Schuldners dadurch berücksichtigt würden, dass die Frage der Vorwerfbarkeit des Verhaltens keine Rolle spiele und daher nicht zur Sprache komme. Eine Analyse individueller Vorwerfbarkeit sei auch unnötig und unangemessen, da defektes Equipment als latenter Fehler angemessener Kontrolle nur auf System- bzw. Institutionslevel kontrolliert zugänglich sei. Die strikte Materialhaftung bedeute eine Loslösung von der persönlichen Haftung und eine Hinwendung zur kollektiven bzw. Organisationshaftung, die auch dadurch gerechtfertigt werde, dass empirische Studien die Ineffektivität sorgfaltsabhängiger Haftung sowie die bessere Vermeidbarkeit von Fehlleistungen durch aktive Vorbeugungsmaßnahmen nachgewiesen hätten. Derartige Vorbeugemaßnahmen ließen sich auf organisatorischem bzw. institutionellem Level besser verfolgen als individuell. Zusammenfassend betrachtet wird eine strikte Haftung des Schuldners durch die begrenzt effektive Kontrollfähigkeit des individuellen Schuldners begründet. PELSC und DCFR ziehen damit – was die „Materialhaftung“ angeht – aus der begrenzten Steuerung des Erfolgseintritts durch den Schuldner die Konsequenz, die das englische und deutsche Recht für die Vertragshaftung gerade nicht ziehen wollen. In beiden nationalen Rechten greift allerdings auch neben der vertraglichen Haftung die ge-

3952

Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 7:103. Dort auch zum Folgenden.

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6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

setzliche und deliktische Produkthaftung des Herstellers ein3953, sodass insoweit ein weiteres Haftungssubjekt zur Verfügung steht, das im Falle der gesetzlichen Produkthaftung (s. 2 Consumer Protection Act 1987; § 1 ProdHaftG) ebenfalls strikt haftet3954. Insofern ist das von den Verfassern der PELSC ausgemachte Bedürfnis nach einer strikten vertraglichen Materialhaftung in den nationalen Rechten nicht in gleicher Weise vorhanden.

II.

Strikte Haftung für die Herbeiführung eines Resultats

Strikt haften die hier untersuchten Dienstleister nicht nur für faktische Informationen und erfolgs- bzw. zwecktaugliche Materialien und Werkzeuge, sondern auch, wenn sie sich nicht lediglich zum sorgfältigen Bemühen um die Herbeiführung eines bestimmten Resultats verpflichtet haben, sondern zur Herbeiführung des Resultats selbst.

1.

Allgemeine Anforderungen an die strikte Haftung für den Eintritt eines Erfolges nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR

a)

Anforderungen an die Annahme einer Erfolgsherbeiführungspflicht

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen von der Übernahme einer solchen Verpflichtung auszugehen ist, beantworten in allgemeiner Form Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR. Danach haftet der Schuldner zunächst strikt für die Herbeiführung eines spezifischen Resultats, wenn der Gläubiger dieses bei Vertragsschluss (ausdrücklich3955) benannt hat. Denn dann besteht für einen vernünftigen Dienstleister – auf dessen Blickwinkel die Kommentierung der PELSC abstellt3956 – kein Zweifel daran, wohin der Wille seines Vertragspartners geht. Praktisch wichtiger dürfte indes der zweite Fall einer strikten Verpflichtung nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR sein. Der Schuldner haftet nämlich auch strikt für die Herbeiführung eines spezifischen Resultats, wenn der Gläubiger dieses bei Vertragsschluss ins Auge gefasst hat. Wann ein vernünftiger Dienstleister davon ausgehen muss, dass sein Vertragspartner bei Vertragsschluss ein entsprechendes Resultat der Dienstleistung ins Auge gefasst hat, konkretisieren Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR wie folgt: Dies ist zunächst nur anzunehmen, wenn das vom aktuellen Klienten ins Auge gefasste Resultat unter den gegebenen Umständen auch von einem objektiven vernünftigen Klienten ins Auge gefasst worden wäre (Art. 1:108(a) PELSC, IV.C. – 2:106(1)(a) DCFR). Damit nicht genug, darf ferner 3953

Zum englischen Recht z.B. Jones, Negligence, §§ 8–009 ff.; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 1614 ff. 3954 Palandt /Sprau, ProdHaftG § 1 Rn. 1. Gleiches gilt grundsätzlich auch für das englische Recht, vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 250 ff. 3955 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:108. 3956 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:108.

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

619

ein vernünftiger Klient unter den gegebenen Umständen keinen Grund haben, anzunehmen, dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass das erstrebte Resultat durch die Dienstleistung nicht erreicht werden kann (Art. 1:108(b) PELSC, IV.C. – 2:106 (1)(b) DCFR). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit eine strikte Haftung aufgrund Klientenerwartung eingreift3957. Durch das maßgebliche Abstellen auf die dem sachkundigen Dienstleister erkennbaren Erwartungen eines vernünftigen Gläubigers kommt Art. 1:108 PELSC dem Gläubiger entgegen. Denn je eher die Perspektive des Gläubigers maßgeblich ist, desto eher wird man nicht nur von einer Sorgfalts-, sondern von einer Erfolgspflicht ausgehen können. Dem sachkundigen Schuldner sind nämlich in aller Regel Risiken bekannt, die der nicht sachkundige Gläubiger nicht kennt und vernünftigerweise auch nicht kennen muss3958. Da sich nach Art. 1:108 PELSC – in seiner Funktion als Auslegungsregel bzw. Konkretisierung der Art. 6:102, 6:108 PECL3959 – bei differierenden Parteivorstellungen über die Erreichbarkeit eines Erfolges die Erwartung eines vernünftigen Klienten durchsetzt3960, ist auch dann die mit einer strikten Haftung verbundene Herbeiführung eines Resultats geschuldet, wenn ihr nach Überzeugung eines kompetenten Dienstleisters – anders als nach der Überzeugung des nicht kompetenten aber dennoch vernünftigen Gläubigers – Risiken entgegenstehen, die nicht im Sinne des Art. 1:108(b) PELSC ernsthaft sind. Anderes gilt nur, sofern der Dienstleister den Klienten im Rahmen der Art. 1:103, 1:110 PELSC über das Bestehen dieser Risiken aufklärt. Denn dann hat ein vernünftiger Klient keinen Grund mehr, anzunehmen, dass kein ernsthaftes Risiko besteht, dass das erstrebte Resultat durch die Dienstleistung nicht erreicht werden kann (Art. 1:108(b) PELSC)3961. Aufgeklärte Risiken sind immer „ernsthaft“ i.S.d. Art. 1:108(b) PELSC. Konsequenz daraus ist, dass nach Art. 1:108 PELSC weit häufiger von einer strikten Verpflichtung zur Erfolgsherbeiführung auszugehen ist, als nach englischem oder deutschem Recht. So ist etwa die Verpflichtung des Anwalts, rechtzeitig einen appeal (Berufung oder Revision) zu beantragen, nach Art. 1:108 PELSC – anders als nach deutschem und englischem Recht3962 – in der Regel als strikt zu qualifizieren3963. Denn ernsthafte Risiken, die einer rechtzeitigen Beantragung des appeals entgegenstehen, sind der anwaltlichen Tätigkeit regelmäßig nicht immanent. Im Ergebnis dürfte aus Art. IV.C. – 2:106 DCFR kaum anderes folgen. Dort ist zwar nicht mehr vom „vernünftigen Gäubiger“ die Rede, sondern davon, dass das Ergebnis vom Gläubiger vernünftigerweise erwartet werden durfte. Dass hiermit eine 3957

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:108. Ebenso Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:110, Comment A. zu Art. 1:108. Eine Verpflichtung des Schuldners zur aktiven Suche nach Risiken, halten die Verfasser allerdings für übermäßig belastend (vgl. a.a.O. Comment B. zu Art. 1:110) und daher auch mit dem Hinweis auf überlegenes Wissen des Schuldners nicht begründbar. 3959 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment E. zu Art. 1:108. 3960 Zur Beweislast vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment G. zu Art. 1:108. 3961 Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:108. 3962 Zum englischen Recht vgl. Mückl, RIW 2006, 742, 748. 3963 Bsp. nach Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:108. 3958

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

620

Abkehr vom vernünftigen Gläubiger verbunden ist, wird man aber nicht annehmen können. Ohnehin darf die scheinbare dogmatische Divergenz zwischen PELSC und DCFR einerseites und den nationalen Rechten auf der anderen Seite nicht überbewertet werden. Praktisch werden sich alle Regelungen in Fällen, in denen nur sehr begrenzt steuerbare Risiken nicht bestehen, im Ergebnis nämlich sehr nahe sein: In solchen Fällen ist die Möglichkeit der Entlastung durch angemessene Sorgfalt in der Regel nur theoretischer Natur, während praktisch für eine Entlastung kein Raum bleibt. So sind z.B. kaum Fälle denkbar, in denen es einem angemessen sorgfältigen Anwalt nicht möglich ist, rechtzeitig Berufung oder Revision einzulegen.

b)

Begründungsmuster

Obgleich nach PELSC und DCFR häufiger eine strikte Verpflichtung zur Herbeiführung eines Resultats anzunehmen ist als nach deutschem oder englischem Recht, bildet eine entsprechende Verpflichtung des Dienstleisters – insoweit parallel zu den nationalen Rechten – doch eher die Ausnahme als die Regel. Hintergrund für diese Haltung von PELSC und DCFR ist zunächst, dass eine strikte Verpflichtung zur Erfolgsherbeiführung gegenüber einigen Dienstleistern deshalb unangemessen streng ist, weil diese die Erfolgsherbeiführung nur begrenzt steuern können3964. Dass entsprechende Risken bei der Vermittlung faktischer Informationen fehlen, bildet dementsprechend den Hintergrund der strikten Haftung nach Art. 6:105(2) PELSC, IV.C. – 7:105(2) DCFR3965. Wir hatten ferner bereits gesehen, dass diese Begründung insofern auch auf ärztliche und anwaltliche Dienstleistungen zutrifft, als der vom Gläubiger in Aussicht genommene Erfolg die Heilung oder der Prozessgewinn ist3966. Diese Bewertung bildet grundsätzlich ebenso die Basis für die Zurückhaltung englischer Gerichte gegenüber der Annahme strikter Verpflichtungen professioneller Dienstleister3967. Bei ihrer Entscheidung gegen eine strikte Verpflichtung zur Erfolgsherbeiführung als Regelfall haben die Verfasser der PELSC indes auch die Interessen des Klienten sowie der Allgemeinheit im Blick. Denn eine strikte Verpflichtung zur Erfolgsherbeiführung würde gerade die Dienstleistungen, bei denen die Erfolgsherbeiführung nur begrenzt steuerbar ist, deswegen deutlich teurer werden lassen, weil der Schuldner entsprechend teuren Versicherungsschutz erwerben und dessen Kosten auf den Gläubiger umlegen müsste. Die Interessen der Allgemeinheit würden davon insofern berührt, als Dienstleistungen, für die kein oder nur äußerst teurer Versicherungsschutz erlangt werden könnte, infolge dessen u.U. gar nicht mehr angeboten werden könnten3968. Diese Überlegung dürfte auch der Regelung des DCFR zugrunde liegen.

3964

Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:108. Vgl. ab S. 373. 3966 Vgl. ab S. 144. 3967 Vgl. ab S. 623. 3968 Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:108. 3965

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

621

Vor diesem Hintergrund soll von einer strikten Verpflichtung zur Erfolgsherbeiführung grundsätzlich nur unter den oben vorgestellten Bedingungen ausgegangen werden können, wobei der Schuldner die Möglichkeit erhält, den Inhalt seiner vertraglichen Verpflichtung und den mit ihr verbundenen Haftungsstandard durch Aufklärung nach Art. 1:103, 1:110 PELSC, IV.C. – 2:103, 2:108 DCFR, d.h. auch: durch Vertragsgestaltung, zu steuern.

c)

Konsequenzen der Verpflichtung nach Art.1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR für sonstige vertragliche Pflichten

Dabei lässt das Bestehen einer strikten Verpflichtung zur Erfolgsherbeiführung nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR die aus anderen Bestimmungen der PELSC folgenden Pflichten des Schuldners unberührt. Die jeweiligen Pflichten bestehen nach dem Willen der Verfasser der PELSC durchweg nicht alternativ, sondern kumulativ3969. Dahinter steht die Überlegung, dass der Umstand, dass keine Ablösung sonstiger Pflichten stattfindet, den Schuldner am ehesten dazu anhält, den vom Klienten (nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR oder nicht) erstrebten Erfolg zu erreichen. Auch erhält der Klient eher die Möglichkeit auf Fehlentwicklungen, die der Erfolgsherbeiführung schädlich sein könnten, aufmerksam zu werden (Art. 1:104(1)(d) PELSC, IV.C. – 2:103(1)(d) DCFR) oder zu machen (Art. 1:113 PELSC, IV.C. – 2:110 DCFR) bzw. ihnen entgegenzuwirken (Art. IV.C. – 2:107, 2:109 DCFR, 1:109, 1:111 PELSC, 8:105(1) PECL)3970.

2.

Strikte Designhaftung nach Art. 5:105 PELSC, IV.C. – 6:104 DCFR

Neben der strikten Haftung für faktische Informationen bildet ferner die strikte Designhaftung nach Art. 5:105 PELSC, IV.C. – 6:104 DCFR für die hier untersuchten Dienstleister eine wichtige Konkretisierung der strikten Erfolgshaftung nach Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR.

a)

Regelungsinhalt

Art. 5:105(1) PELSC, IV.C. – 6:104 DCFR konkretisieren den vom Klienten ins Auge gefassten Erfolg i.S.d. Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR dahin, dass das Design – sofern nicht anderes vereinbart ist – nicht den vertraglichen Vorgaben entspricht, sofern es den Design-Verwender bei angemessen sorgfältiger Umsetzung nicht in die Lage versetzt, einen spezifischen Erfolg zu erreichen. Dies gilt nur dann nicht, wenn das Design aufgrund Befolgung einer Klientenweisung (Art. 1:109 PELSC, IV.C. – 2:107 DCFR) nicht vertragsgemäß ist und der Dienstleister den

3969 3970

Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 1:108. Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 1:107.

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

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Klienten diesbezüglich gemäß Art. 1:110 PELSC, IV.C. – 2:108 DCFR gewarnt hatte (Art. 5:105(2) PELSC, IV.C. – 6:104(2) DCFR).

b)

Begründungsmuster

Die Erfüllung der Voraussetzungen für eine vernünftige Klientenerwartung an die Zwecktauglichkeit des Designs i.S.d. Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR prima facie, die Art. 5:105(1) PELSC, IV.C. – 6:104(1) DCFR festlegen, lässt sich allein durch die im Rahmen der Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 6:104 DCFR vorgestellten Begründungsmuster in dieser Allgemeinheit nicht überzeugend rechtfertigen. Wie die Verfasser der PELSC nicht verkennen3971, können nämlich (z.B. aufgrund der Neuartigkeit des Designs oder vom Designer nur begrenzt einschätzbarer Umweltbedingungen3972) auch bei Designaufgaben Risikofaktoren existieren, die der Designer nur begrenzt steuern kann. Insofern beruht die Entscheidung für eine strikte Verpflichtung zur Herstellung eines erfolgstauglichen Designs hier auf zusätzlichen Überlegungen: In erster Linie halten die Verfasser der PELSC es für unangemessen, dem Gläubiger die Beweislast dafür aufzuerlegen, welcher Fehler im Rahmen des Designprozesses zum Verfehlen des erstrebten Erfolges geführt hat. Dieser Beweis sei für den Gläubiger nämlich sehr schwer zu führen. Anders sei dies, wenn der Designer zur Herstellung eines erfolgstauglichen Designs verpflichtet werde. Denn die Führung des Beweises, dass die sorgfältige Umsetzung des Designs nicht zum beabsichtigten Erfolg geführt hat, werde dem Gläubiger in der Regel leicht(er) fallen3973. Pragmatisch argumentiert die Begründung zu Art. 5:105 weiter, dass der Hersteller des Designs am ehesten in der Lage sein dürfte, etwaige Fehler zu beheben3974. Im Übrigen stehe es dem Schuldner – wie bereits der Wortlaut des Art. 5:105(1) PELSC klarstellt – frei, vertraglich einen anderen Pflichtinhalt und Haftungsstandard zu vereinbaren bzw. seine Haftung im Rahmen des Art. 5:108 PELSC zu begrenzen. Wertungswidersprüche, die auf den ersten Blick auftreten, sofern der Bauunternehmer lediglich für Sorgfalt haftet3975, sind vor dem Hintergrund dieser Möglichkeit zu ihrer privatautonomen Behebung scheinbar – parallel zu der von englischen Gerichten in der umgekehrten Situation vorgenommenen Bewertung3976 – zu vernachlässigen. 3971

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 5:105. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 5:105. Gleiches gilt auch für nur begrenzt vorhersehbare politische Entscheidungen (vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 5:104), die im Rahmen der Bau- und Flächenplanung keine unbedeutende Rolle spielen. Zwar mag eine solche Entscheidung unvorhersehbar sein und den Schuldner daher im Rahmen des Art. 8:108 PECL entlasten (vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment A. zu Art. 5:104). Verhindern lassen sich dadurch aber ein Vertragsbruch und eine Haftung für vom Schuldner nicht steuerbare Risiken nicht. 3973 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 5:105. 3974 Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 5:105. 3975 Vgl. zu dieser Überlegung Barendrecht u.a., PELSC, Comment B. zu Art. 5:105. 3976 Vgl. auf S. 100. 3972

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

623

Gegen die Erforderlichkeit einer Pflichtversicherung zur Deckung der Designrisiken als potentielle Konsequenz der prima facie strikten Haftung haben die Verfasser der PELSC ebenfalls nichts einzuwenden3977.

C.

Strikte Dienstleistungshaftung nach englischem Recht

Die vertraglich geschuldete Leistung professioneller Dienstleister besteht nach englischem Recht demgegenüber für gewöhnlich darin, dass der Schuldner bei der Vertragsdurchführung angemessene Sorgfalt walten lässt. Er ist in der Regel also gerade nicht verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen3978, sondern schuldet lediglich ein angemessen sorgfältiges und sachkundiges Bemühen um die Erfolgsherbeiführung. Dies gilt – auch für das conveyancing3979 – selbst, wenn für den Umgang mit häufig wiederkehrenden Sachfragen detaillierte Regeln entwickelt worden sind. Denn auch sofern es dort bisweilen so scheinen mag, als handele es sich dabei um strikt zu erfüllende Pflichten, sind derartige Eindrücke eher als Konkretiserungen und Verdichtungen der geschuldeten Sorgfalt bzw. Sachkunde zu betrachten3980. Die Regel, dass Schuldinhalt nur die Ausübung angemessener Sorgfalt und Sachkunde ist, gilt jedoch nicht ausnahmslos. Denn insbesondere bei ausdrücklicher Vereinbarung einer strikten Verpflichtung haftet der Schuldner zweifellos strikt. Doch auch außerhalb explitziter Vereinbarungen kommt die Annahme einer entsprechenden Verpflichtung in Ausnahmefällen3981 in Betracht.

I.

Ausdrückliche Vereinbarungen

Am Ehesten wird einer strikten Verpflichtung gleichwohl zunächst eine ausdrückliche Zusage zugrunde liegen. Zur Rechtfertigung einer derartigen Annahme dürfte dabei mehr erforderlich sein, als das Akzeptieren der Anweisungen des Gläubigers3982. Im Hintergrund dürfte dabei zumeist die relative Unbeherrschbarkeit leistungsimmanenter Risiken stehen3983. So ist die regelmäßig erkennbare Unwilligkeit des Schuldners, einen Erfolg zu versprechen, z.B. für das Arzthaftungsrecht ohne weiteres nachvollziehbar. Denn die Medizin ist nun einmal bekanntermaßen keine exakte Wissenschaft und insofern kann typischerweise nicht davon ausgegangen werden, 3977

Vgl. Barendrecht u.a., PELSC, Comment D. zu Art. 5:105. James v Dunlop (1931) 1 BMJ 730, 731 per Scrutton LJ (CA); Emden/Redmond-Cooper, § IV–1132. 3979 Vgl. ab S. 646. 3980 Ebenso Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.02; Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56 und – für das conveyancing – Evans, Liabilities, § 4–02. 3981 Den Ausnahmecharakter auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung betonend auch Shaw/Wheeler, in: Deutsch/Taupitz, Haftung, S. 13, 14. 3982 Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.04. 3983 Vgl. ab S. 144. 3978

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

624

dass ein vernünftiger Arzt sich zur Herbeiführung eines Resultats verpflichten will, das er nicht mit Sicherheit herbeiführen kann3984. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass Menschen systematisch unkontrollierbare haftungsrechtlich sanktionierte Risiken eingehen wollen3985.

1.

Arzthaftung

Die thematisch im Arzthaftungsrecht maßgeblichen Entscheidungen beschäftigen sich mit der Problematik fehlgeschlagener Sterilisationen3986.

a)

Eyre v Measday

In Eyre v Measday hatte die Klägerin und damalige Mutter von drei Kindern gemeinsam mit ihrem Ehemann entschieden, dass sie keine weiteren Kinder wünschten, und sich infolgedessen zu einer laparoskopischen Sterilisation entschlossen. Da derartige Operationen zu diesem Zeitpunkt (1978) nicht im Rahmen des NHS durchgeführt wurden, erfolgte die Behandlung durch den Beklagten auf vertraglicher Basis. Die Sterilisation wurde durchgeführt; die Klägerin wurde gleichwohl erneut schwanger. Das Risiko einer erneuten Schwangerschaft war sehr gering (0,2-0,6%), eine vollkommen sichere Sterilisation nach damaligem Stand der Medizin nicht möglich. Beides hatte der Beklagte unerwähnt gelassen, gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann aber betont, dass der Eingriff irreversibel sein werde. Die Eheleute waren infolgedessen unstreitig davon ausgegangen, dass die Klägerin nach dem Eingriff dauerhaft unfruchtbar sein werde. Nachdem die Klägerin gleichwohl Mutter eines weiteren Kindes geworden war, verklagte sie den behandelnden Arzt wegen fahrlässiger Verletzung seiner Aufklärungspflichten und Vertragsbruchs: Der Beklagte habe sich vertraglich (alternativ: durch collateral warranty) dazu verpflichtet, sie vollständig und dauerhaft unfruchtbar zu machen. Die Klägerin stütze sich insoweit insbesondere darauf, dass der Beklagte ihr gegenüber die Irreversiblität des Eingriffs betont hatte. Dies genügte weder Slade LJ noch Purchas LJ für die Annahme, der Beklagte habe eine entsprechende Verpflichtung übernommen. Denn „unumkehrbar“ bedeute lediglich, dass es ausgeschlossen sei, den Eingriff operativ rückgängig zu machen. In einem anderen Sinne könnten die Äußerungen des Beklagten nicht ausgelegt werden3987. Kein Chirurg würde nämlich bewusst garantieren wollen, die Klägerin vollständig und dauerhaft unfruchtbar zu machen, da ein solcher Erfolg (in Anbetracht der Grenzen der medizinischen Möglichkeiten) tatsächlich nicht garantiert werden könne3988. Dieselben Überlegungen macht das Gericht, wie noch zu 3984

Jones, Negligence, § 2–007. Vgl. ab S. 249. 3986 Vgl. zur Haftung für fehlgeschlagene Sterilistaionen im Übrigen Jones, Negligence, § 4–069 m.w.N. 3987 Eyre v Measday [1986] 1 All ER 488, 494 per Slade LJ (CA). 3988 Eyre v Measday [1986] 1 All ER 488, 496 per Purchas LJ (CA). 3985

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

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zeigen sein wird, für die Ablehnung der Implikation eines entsprechenden terms in fact fruchtbar. Darauf wird zurückzukommen sein3989.

b)

Thake v Maurice

Ähnlich lagen die Dinge in der Entscheidung Thake v Maurice, in der sich die Kläger, Eltern von fünf Kindern, gegen weitere Kinder und für eine Vasektomie des Mannes entschieden hatten. Auch hier hatte der Beklagte die überwiegend wahrscheinliche Irreversibilität des Eingriffs betont, aber nicht darauf hingewiesen, dass ein geringes Risiko für eine spontane Wiedervereinigung der Samenleiter bestand. Dieses Risiko realisierte sich, obwohl postoperative Tests den Kläger zunächst als zeugungsunfähig ausgewiesen hatten, und die Klägerin wurde erneut vom Kläger schwanger. Die Kläger warfen dem Beklagten daraufhin Vertragsbruch vor: Der Beklagte habe sich vertraglich dazu verpflichtet, den Kläger unwiderruflich unfruchtbar zu machen.

aa) Befürwortung einer strikten Verpflichtung durch Kerr LJ Zu eben diesem Ergebnis gelangte Kerr LJ in seiner dissenting opinion. Dazu betonte er zunächst, dass der Begriff „irreversible“ objektiv im jeweiligen Kontext auszulegen sei und dies im vorliegenden Fall zu der Annahme führen müsse, dass der Beklagte versprochen habe, den Kläger unwiderruflich unfruchtbar zu machen, d.h. “‘irreversible by God or man’ ”3990. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt der Lordrichter auf der Grundlage folgender Überlegungen3991: Zunächst habe man es bei einer Vasektomie mit einer Art Amputation zu tun und nicht mit der Behandlung einer Verletzung bzw. einer Krankheit, die nicht unter allen Umständen erfolgreich abgeschlossen werden könne. Hier bestehe die Operation jedoch in der Entnahme eines Teils der Samenleiter in einer Art und Weise, die deren Wiedervereinigung ausschließe. Hingewiesen wird damit darauf, dass das Misserfolgsrisiko bei einer Vasektomie wesentlich geringer ist als bei anderen medizinischen Eingriffen. Dabei dürfte es sich um eine Überlegung im Rahmen der public policy gestützt auf den negativen Gleichheitssatz handeln: Wenn das Risiko eines Fehlschlags bei einer Vasektomie wesentlich geringer ist, als in den Fällen, in denen die Haftung üblicherweise sorgfaltsabhängig ausgestaltet ist, sollte sich diese anders gelagerte Risikoverteilung in der Qualifikation des Versprechens und dem mit ihm verbundenen Haftungsstandard niederschlagen. Gestützt auf die konkreten Fakten des Falles führt der Richter weiterhin aus3992, dass der Beklagte den Kläger – mehrfach – sehr deutlich gemacht habe, dass der Eingriff endgültig sein werde, da selbst eine chirurgische Korrektur nur wenig Erfolg verspreche. Dieser Akzentuierung folgend und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beklagte die Kläger nicht über das Risiko eines spontanen Zusammenwuch3989

Vgl. ab S. 633. Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 505 (CA). 3991 Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 505 (CA). 3992 Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 505 (CA). 3990

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6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

ses der Samenstränge aufgeklärt habe, sei keine andere Auslegung des Versprechens des Beklagten möglich als die, dass er den Kläger dauerhaft unfruchtbar machen werde, zumal darüber hinaus auch postoperative Tests die Unfruchtbarkeit des Klägers bestätigten hätten.

bb) Ablehnung einer strikten Verpflichtung durch die Mehrheit des Court of Appeal Die Mehrheit des Court of Appeal folgt dem nicht. Neil LJ betont zunächst noch einmal: “It is the common experience of mankind that the results of medical treatment are to some extent unpredictable and that any treatment may be affected by the special characteristics of the particular patient. It has been well said that ‘the dynamics of the human body of each individual are themselves individual.’ ”3993 Dies berücksichtigend könnten die Äußerungen des Beklagten nicht dahin verstanden werden, dass dieser ein Resultat garantiert habe. Zwar sei in der Tat anzunehmen, dass sowohl die Kläger als auch der Beklagte davon ausgegangen seien, dass die Operation den Kläger unwiderruflich unfruchtbar machen werde. Dies bedeute aber nicht, dass ein vernünftiger Dritter den Äußerungen des Klägers eine über die bloße Mitteilung seiner Erwartungen hinausgehende Garantie eines entsprechenden Erfolgs entnehmen würde. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, “… that a reasonable person would have expected a responsible medical man to be intending to give a guarantee. Medicine, though a highly skilled profession, is not, and is not generally regarded as being, an exact science. The reasonable man would have expected the defendant to exercise all the proper skill and care of a surgeon in that speciality; he would not in my view have expected the defendant to give a guarantee of 100% success.”3994 Ähnliche Überlegungen veranlassten Nourse LJ zu demselben Schluss: Zwar sei nicht davon auszugehen, dass ein vernünftiger Dritter in der Position des Klägers wisse, dass eine Vasektomie eine Operation sei, deren (dauerhafter) Erfolg von einem Verheilen menschlichen Gewebes abhänge, das nicht beeinflusst werden könne. Denn dies müsse bedeuten, den reasonable man mit einer irrealen Allwissenheit auszustatten. Realistischerweise könne jedoch davon ausgegangen werden, dass einer vernünftigen Person in der Position des Klägers immerhin bekannt sei, dass „in medical science all things, or nearly all things, are uncertain“, da dies „part of the general experience of mankind“ sei3995. Dieses Wissen müsse bei jeglicher Form der medizinischen oder chirurgischen Behandlung berücksichtigt werden, auch bei der Entfernung eines Teils des Samenleiters. 3993

Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 510 (CA). Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 510 (CA). 3995 Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 511 (CA). 3994

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

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Für die Vertragsauslegung sei vor diesem Hintergrund zwischen sicherem Erfahrungswissen und „neuartigen“ Amputationen zu unterscheiden. Zwar gebe es Amputationen, bei denen ein Nachwachsen des amputierten Körperteils erfahrungsgemäß ausgeschlossen sei, so etwa bei der Entfernung einer Extremität. Bei „neuartigen“ Amputationen sei ein entsprechendes Erfahrungswissen allerdings nicht vorhanden, sodass niemand sicher sagen könne, dass sich der entfernte Körperteil nicht einmal in einem aus 10.000 Fällen regeneriere. Mit anderen Worten: Es besteht die – wenngleich geringe – Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlags durch Regeneration, d.h. die medizinische Behandlung bewahrt in diesen Fällen ihren Mangel an Exaktheit. Aus diesem Grund gelangt Nourse LJ in der Folge zu dem Schluss, dass sich die Annahme des Eingehens strikter Verpflichtungen schwerlich mit der „universal warranty of reasonable care and skill“ vertrage, die die Inexaktheit der ausgeübten Wissenschaft geradezu zu reflektieren scheine. Dies müsse für die Medizin allemal gelten; denn diese sei die Inexakteste aller Wissenschaften und “[therefore] a doctor cannot be objectively regarded as guaranteeing the success of any operation or treatment unless he says as much in clear and unequivocal terms”3996. Dies habe der Beklagte im vorliegenden Fall jedoch nicht getan.

c)

Fazit

Die vorstehende Argumentation der Mehrheit des Court of Appeal fasst die wesentlichen Gründe für die restriktive Haltung der Gerichte gegenüber dem Vortrag einer strikten Verpflichtung eines Arztes zusammen: Die Medizin ist eine inexakte Wissenschaft; jeder vernünftige Mensch ist sich dieses Charakters bewusst und daher wird kein vernünftiger Mensch von einem Arzt erwarten, dieser wolle sich zum Erreichen eines bestimmten Erfolges verpflichten, es sei denn, der Arzt hat sich ausdrücklich und eindeutig in dieser Richtung geäußert3997.

2.

Architektenhaftung

Auch im Recht der Architektenhaftung begegnen die Gerichte der Annahme einer strikten Verpflichtung mit besonderer Zurückhaltung, soweit kein ausdrückliches und eindeutiges Versprechen vorliegt3998. Illustrieren lässt sich dies anhand der Entschei3996

Thake and another v Maurice [1986] 1 All ER 497, 512 (CA). Vgl. etwa hinsichtlich der Vereinbarung eines „schmerzlosen“ Zahnziehens Edwards v Mallan [1908] 1 KB 1002, 1005 per Vaughan Williams LJ (CA). 3998 Vgl. CFW Architects (A Firm) v Cowlin Construction Ltd (2006) 105 ConLR 116, Tz. 46 ff. per HJ Thorton QC (TCC). Gleiches gilt für die Annahme, es sei ein besonders hoher Ausführungsstandard vereinbart. Dies wird nur bei entsprechender schriftlicher Vereinbarung, die den zu erreichenden Standard definiert, erfolgreich vorgetragen werden kön3997

628

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

dung B L Holdings v Robert J Wood & Partners3999, in der die beklagten Architekten zunächst engagiert worden waren, um bei der Einholung der Baugenehmigung für einen Bürokomplex zu beraten. Der Auftrag wurde später auf den Entwurf des Geäudes ausgeweitet. Die Büros sollten in einem Industriegebiet errichtet werden, sodass eine Baugenehmigung gemäß dem im damaligen Zeitpunkt geltenden Control of Office and Industrial Development Act 1965 nur aufgrund einer besonderen Zusatzgenehmigung (sog. Office Development Permit) wirksam erteilt werden konnte, sofern die Bürogrundfläche mehr als 10.000 sq ft (= 929 m2) betrug. Als „Bürofläche“ galten insoweit neben den eigentlichen Büroräumen auch die Räume, deren Hauptzweck es war, die Nutzung der Büros zu ermöglichen oder zu fördern, die also nicht von jedermann genutzt werden konnten. Die Beklagten hatten ein Gebäude mit einer Bürofläche von 16.000 sq ft (= 1.486,4 m2) entworfen und keine Zusatzgenehmigung eingeholt, da sie sich insoweit auf eine irrtümliche Behördenauskunft verlassen hatten, laut der lediglich 10.000 sq ft der Grundfläche des Entwurfs als „Bürofläche“ gelten würden. Die Baugenehmigung konnte, als die zuständige Behörde das Fehlen der erforderlichen Zusatzgenehmigung feststellte, nicht erteilt werden. Das Genehmigungsverfahren musste nachgeholt werden. Die Kläger nahmen wegen des Verzögerungsschadens die Beklagten in Anspruch, da diese versprochen hätten, ein Gebäude zu entwerfen, das eine Bürofläche von nicht mehr als 10.000 sq ft aufweise. Dies lasse sich dem umfangreichen Schriftverkehr zwischen den Parteien sowie der mündlichen Kommunikation entnehmen. Dieser Argumentation folgte das Gericht nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Beweismaterial nicht. Ein entsprechender express term sei weder der schriftlichen noch der mündlichen Kommunikation der Parteien zu entnehmen, obwohl den Beklagten klar gewesen sei, dass das Gebäude eine „Bürofläche“ von nicht mehr als 10.000 sq ft besitzen sollte. Soweit Derartiges besprochen wurde, sei dies jedoch zunächst lediglich in Form einer Reihe von Anweisungen der Kläger an die Beklagten geschehen, das Projekt derart fortzusetzen, dass die 10.000 sq ft-Grenze nicht überschritten werde. Auf diese Anweisungen hätten die Beklagten dann mit Sachstandsberichten reagiert. Durch ihr Akzeptieren der klägerischen Instruktionen gegen eine gewöhnliche Gebühr hätten die Beklagten jedoch nicht versprochen, dieses Resultat sicherzustellen, sondern lediglich garantiert, dass sie „… all the necessary and ordinary skill and judgment of an architect undertaking to advise upon and handle a planning application for office development“ angewandt hätten und weiterhin anwenden würden. Darüber hinaus hätten sie nichts versprochen. Aus dieser Entscheidung lässt sich folgern, dass auch dort, wo (1) beiden Parteien vollkommen klar ist, welches Ziel verfolgt wird, und wo (2) darüber hinaus objektiv auch keinerlei Schwierigkeiten erkennbar sind, die der Sicherstellung des Erfolgseintritts entgegenstehen4000, der Architekt in der Regel gleichwohl nicht strikt haftet. Eine konsensfähige Begründung dieser Feststellung fällt im konkreten Fall indes ungleich schwerer als im Arzthaftungsrecht. Denn das Nichtüberschreiten einer nen, vgl. McGlinn v Waltham Contractors Ltd (2007) 111 Con LR 1, Tz. 188 ff. per HJ Peter Coulson QC (TCC). Vgl. zur Zurückhaltung bei der Annahme strikter Pflichten dort auch Tz. 218: „It is not appropriate to judge an architect’s performance by the result achieved“. 3999 B Holdings v Robert J Wood & Partners (1978) 10 BLR 48 per Gibson J (HC, lexis).

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

629

bestimmten Gebäudefläche ist nicht mit unkontrollierbaren Risiken verbunden, da es sich durch exakte Planung und Messung ohne unangemessenen Aufwand sicherstellen lässt. Vor diesem Hintergrund dürfte es sich bei dem Urteil um eine typische Status-Entscheidung handeln4001, sodass es den Klägern mutmaßlich auch wenig geholfen hätte, alternativ vorzutragen, jedenfalls sei eine entsprechende Bestimmung zumindest in fact in den Vertrag zu implizieren.

3.

Anwaltshaftung

Dass es jedoch grundsätzlich die durch den Schuldner nicht steuerbaren Risiken sind, die die Gerichte dazu veranlassen, unqualifizierte Verpflichtungen als sorgfaltsabhängig einzuordnen, macht die Gegenüberstellung von zwei jüngeren Entscheidungen zum Anwaltshaftungsrecht deutlich.

a)

Midland Bank plc v Messrs Cox McQueen

Nicht als absolut wurde in der Entscheidung Midland Bank plc v Messrs Cox McQueen die Verpflichtung einer Sozietät von solicitors gegenüber der klagenden Bank qualifiziert, die Unterschrift der Ehefrau eines der Kunden der Bank zu erlangen. Diese Unterschrift war zur Entstehung einer Hypothek an dem im Alleineigentum der Ehefrau stehenden Grundstück erforderlich, mit der besagter Kunde einen Kredit der Bank besichern sollte. Der Kunde stellte den mit der Unterschriftserlangung beauftragten solicitors eine seiner Angestellten als seine Ehefrau vor, die die Einverständniserklärung mit dem Namen der Ehefrau unterschrieb. Die Hypothekenbestellung war unwirksam und die Bank verklagte die solicitors, da diese nicht die Unterschrift der wahren Ehefrau beigebracht hätten, wozu sie vertraglich aber unbedingt verpflichtet gewesen seien. Eine Sorgfaltspflichtverletzung wurde den Beklagten vor dem Court of Appeal nicht (mehr) vorgeworfen. Für das Gericht stellte sich daher die Frage, ob die Beklagten beabsichtigt hatten, der Bank zu versprechen, die Unterschrift der wahren Ehefrau in jedem Fall zu erlangen, also auch in dem Fall, dass sie betrogen wurden und diesen Betrug selbst mit angemessener Sorgfalt nicht aufdecken konnten. Dies lehnte das Gericht, soweit ein derartiges Versprechen – wie im vorliegenden Fall – nicht ausdrücklich formuliert wurde, ab4002. Dabei spielten public policy-Erwägungen eine entscheidende Rolle4003: 4000

Grundsätzlich lassen vor allem nicht steuerbare Risike oder Umstände eine strikte Verpflichtung entfallen, s. CFW Architects (A Firm) v Cowlin Construction Ltd (2006) 105 ConLR 116, Tz. 50 per HJ Thornton QC (TCC). 4001 Vgl. ab S. 328. 4002 Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der faktisch ähnlich liegenden Entscheidung Zwebner v Mortgage Corporation [1998] PNLR 769 (CA). Vgl. zu dieser Entscheidung ab S. 653. 4003 Midland Bank plc v Cox McQueen [1999] PNLR 593, 603 per Lord Woolf MR (CA).

630

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

Sofern kommerziellen Institutionen wie Banken an einer strikten Verpflichtung gelegen sei, sollten sie dies ausdrücklich klarstellen, damit die beauftragten Anwälten den Umfang der ihnen angetragenen Verpflichtung deutlich erkennen können. Dabei sei (im vorliegenden Fall) insbesondere zu berücksichtigen, dass Aufgaben wie die in Rede stehende Erlangung von Einverständniserklärungen zur hypothekarischen Belastung von Grundstücken zumeist von kleineren Sozietäten übernommen würden, die ohnehin – insbesondere wegen hoher Versicherungskosten – kaum überlebensfähig arbeiten könnten. Müssten diese in dem Fall, dass eine Kunde seine Bank betrügt, für den gesamten Schaden einstehen, hätte dies zur Folge, dass sie die in Rede stehenden Dienstleistungen entweder gar nicht mehr anbieten könnten oder doch zumindest die anfallenden Gebühren (der dann notwendigen Versicherungssumme entsprechend) drastisch erhöhen müssten. Dies sei weder im Interesse der Banken, noch im Interesse von deren Kunden und auch nicht im Interesse der Allgemeinheit, da in diesem Fall entweder die rechtliche Beratung entfalle oder aber die deutliche Kostensteigerung von den Banken auf ihre Kunden umgelegt werden müsste. Im Hintergrund dieser Überlegungen steht klar das Argument, dass die Beklagten den Erfolgseintritt nur begrenzt steuern können und dass angesichts dessen grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, sie wollten dessen Herbeiführung unbedingt versprechen. Dies wird man, wie die Entscheidung weiterhin deutlich macht, insbesondere dort annehmen müssen, wo die Erfolgsherbeiführung vollständig von der Kooperationsbereitschaft eines Dritten abhängt, die der Dienstleister nicht beeinflussen kann. Denn wie das Gericht zutreffend ausführte, sprach im vorliegenden Fall gegen einen absoluten Charakter der Verpflichtung bereits die Überlegung, dass der Kunde und seine Frau sich hätten entschließen können, den Kredit doch nicht in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall wäre eine Haftung der Beklagten wegen Nichterlangung der Unterschrift von den Parteien sicher nicht gewollt gewesen4004. Das Gericht qualifizierte die Verpflichtung als nicht „absolut“. Sofern man den Wortlaut insoweit ernstnimmt – wobei Vorsicht angebracht ist4005 – käme daher immer noch das Argument in Betracht, die Verpflichtung sei immerhin strikt. In diesem Fall hätte das Ergebnis „Haftungsbefreiung bei Weigerung der Eheleute“ u.U. auch unter der Annahme einer frustration des retainers erreicht werden können. Die Argumentations- und Beweislast für das Vorliegen einer frustration läge allerdings auf der Seite der Beklagten4006. Die Argumentations- und Beweislast wäre also für die solicitors weit ungünstiger verteilt, während nicht ersichtlich ist, wie der Kläger die durch den Regelfall begründete Vermutung4007 widerlegt haben könnte, dass die Beklagten sich erst gar nicht auf eine absolute oder strikte Verpflichtung einlassen wollten.

4004

Midland Bank plc v Cox McQueen [1999] PNLR 593, 598 per Lord Woolf MR (CA). Vgl. ab S. 95. 4006 Vgl. zur frustration ab S. 73. 4007 Midland Bank plc v Cox McQueen [1999] PNLR 593, 604 per Mummery LJ (CA): „Professional services provided by the Solicitors would not normally involve the guaranteeing of a result by them …“ 4005

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b)

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Rey v Graham & Oldham

Bisweilen sind die gerichtlichen Vorgaben für den einzuhaltenden Sorgfaltsstandard dort, wo der Erfolgsherbeiführung keine entsprechenden Risiken entgegenstehen4008, aber dermaßen streng, dass man – mangels erkennbarer Entlastungsmöglichkeit – trotz nomineller Sorgfaltsabhängigkeit der Haftung faktisch durchaus in die Nähe einer strikten Verpflichtung gerät4009. So verklagte der Mandant in Rey v Graham & Oldham seinen solicitor erfolgreich auf Schadensersatz, weil dieser es in einem Konkursantragsverfahren derart versäumt hatte, einen Verhandlungstermin wahrzunehmen und eine Vertagung zu beantragen, dass auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen war. Zur Frage nach der Natur der übernommenen Verpflichtung nahm McKinnon J in der Entscheidungsbegründung zwar nicht ausdrücklich Stellung, hielt es angesichts der gerade wiedergebenen Tatsachenlage aber für „impossible for the defendant sensibly to contend that it was not negligent in failing to request an adjournment of the hearing or, failing that, to attend the hearing for that purpose“4010. Denn „a solicitor, taking reasonable care“, der die oben wiedergebenen Instruktionen seines Mandanten akzeptiert habe, würde von sich aus „have attended at court and applied for [an adjournment], even in the absence of specific instruction to that effect“. Der Court of Appeal hat dies bestätigt4011. Da – soweit ersichtlich – keine Möglichkeit bestand, der Haftung zu entgehen, wird man die übernommene Verpflichtung quasi als strikt qualifizieren dürfen, wenngleich diese Qualifikation durch das Gericht nicht vorgenommen wird und die Verpflichtung daher dogmatisch wohl als sorgfaltsabhängig zu qualifiziern wäre. Bei derart einfachen Aufgaben wie der Terminswahrnehmung handelt es sich freilich eher um Ausnahmefälle, während den solicitor bei der Übernahme der Prozessvertretung zumeist nicht nur ein komplexes Bündel an Pflichten trifft4012, sondern die Zielerreichung (z.B. der Prozessgewinn) auch von taktischen Erwägungen bestimmt wird, die Abwägungsentscheidungen unerlässlich machen. Wie berichtet, sind dabei ferner eine Reihe von Faktoren im Spiel ist, die der solicitor nicht beeinflussen kann4013. Eingedenk dieser rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen der Prozessführung gehen die Gerichte zu Recht in der Regel nicht von einem Willen zur strikten Verpflichtung aus.

4008 4009

4010 4011 4012 4013

Vgl. auch Watson, Litigation, § 1.41. Eine solche lässt sich aber den von Oliver J in Midland Bank Trust Co Ltd v Hett, Stubbs & Kemp [1979] Ch 384, 435 (HC) getroffenen Feststellungen entgegen Fischer, Haftung, S. 55 keinesfalls entnehmen. Rey v Graham & Oldham [2000] BPIR 354 (HC, lexis). Rey v Graham & Oldham, 6 October 1999, per Robert Walker LJ, unreported (CA, lexis). Vgl. dazu Mückl, RIW 2006, 742 ff. Vgl. ab S. 144.

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

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II.

Vertragsergänzung (Implied Terms)

Angesichts der restriktiven Haltung der Gerichte bei der Auslegung der ausdrücklichen Erklärungen der Parteien vermag indessen kaum zu überraschen, dass die Rechtsprechung mit der Implikation strikter Pflichten in den Vertrag ebenfalls nicht gerade schnell bei der Hand ist.

1.

Implication in fact

So ermöglichen die Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde, nur in außergewöhnlichen Fällen die Implikation einer strikten Verpflichtung in fact. Freilich gelten hier keine Sonderregeln, d.h. wenn und soweit nach den Umständen des Einzelfalls die Kriterien des officious bystander test bzw. des business efficacy test erfüllt sind, kann der Vertrag auch um einen strikten term ergänzt werden.

a)

Begründungsmechanismen

Wie die Entscheidung B L Holdings v Robert J Wood & Partners verdeutlicht, in der die Annahme sorgfaltsabhängiger Haftung sich kaum auf Risikoerwägungen stützen lässt, rührt die Außergewöhnlichkeit einer derartigen Implikation wohl u.a. daher, dass die historisch überkommene Statusbezogenheit der Dienstleistungshaftung die Bewertung der Umstände des Einzelfalls stark vorprägt. Ferner dürften einige der Gründe, die im Rahmen der Auslegung der Parteierklärungen dagegen sprechen, dass dem Vertrag eine strikte Verpflichtung zu entnehmen ist, einer entsprechenden Implikation in fact zumeist ebenso im Wege stehen4014. Denn für eine derartige implication in fact wäre ein übereinstimmender, notwendig auf das Eingehen einer strikten Verpflichtung gerichteter Parteiwille erforderlich. Ein solcher wird in der Regel jedoch vor dem Hintergrund der „Vermutung“, dass Menschen nicht systematisch unkontrollierbare haftungsrechtlich sanktionierte Risiken eingehen wollen4015, nicht vorliegen. Die Begründung einer strikten Verpflichtung erfordert vom Gläubiger einen argumentativen Aufwand, von dem unter gewöhnlichen Umständen nicht ersichtlich ist, wie er geleistet werden könnte. Denn Gerichte werden in Abwesenheit einer expliziten Vereinbarung kaum jemals geneigt sein anzunehmen, der Schuldner habe sich zur Herbeiführung eines Erfolges verpflichten wollen, sofern der Herbeiführung dieses Erfolgs Risiken immanent sind, die der Schuldner nicht oder doch nur sehr begrenzt steuern kann.

4014

4015

Zur Bedeutung des Parteiwillens im Rahmen der implication of terms in fact allgemein Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997) 101, 106 ff. Vgl. ab S. 249.

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633

aa) Arzthaftung Insofern ist zunächst auf die Entscheidung Eyre v Measday zurückzukommen. Dort waren die Äußerungen des Beklagten, die Sterilisation der Klägerin werde unumkehrbar sein, nur dahin ausgelegt worden, dass dieser zwar eine operative Reversion ausgeschlossen, nicht aber das Erreichen eines bestimmten Erfolgs garantiert habe. Auch ein entsprechender term implied in fact scheide aus, da selbst ein intelligenter Laie (geschweige denn ein Mediziner) der Diskussion der Parteien nicht hätte entnehmen können, der Beklagte wolle sich dazu verpflichten, die Klägerin vollständig und dauerhaft unfruchtbar zu machen. Zwar gesteht das Gericht ohne weiteres zu, dass es für die Klägerin durchaus vernünftig gewesen sei, von der Übernahme der gerade verneinten Verpflichtung auszugehen. Darauf komme es aber nicht an. Denn in Abwesenheit einer ausdrücklichen Verpflichtung sollten Gerichte „for the very simple reason“ zurückhaltend mit der Annahme der Übernahme einer entsprechenden Verpflichtung durch einen Arzt sein, dass es – „objectively speaking“ – „most unlikely“ sei, „that a responsible medical man would intend to give a warranty of this nature“4016. „Höchst unwahrscheinlich“ wohl deshalb, weil ein solcher Erfolg, wie das Gericht im Rahmen der Vertragsauslegung bereits festgestellt hatte, objektiv nach medizinischer Kenntnis nicht garantiert werden konnte.

bb) Architekten- bzw. Ingenieurshaftung Zu einem anderen Ergebnis gelangte der Court of Appeal in der Sache Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners, in der ein Bauunternehmer Ingenieure mit der Konstruktion des durch ihn zu errichtenden Lagerhauses beauftragt hatte. Dabei hatte der Kläger die Beklagten insbesondere darüber informiert, dass die Böden des Gebäudes zum Befahren mit beladenen Gabelstaplern tauglich sein müssten. Das Design der Beklagten erwies sich dazu als untauglich. Denn bereits kurz nach Inbetriebnahme des Lagerhauses zeigten sich Risse in den Böden, die durch von den Gabelstaplern verursachte Vibrationen entstanden waren, die die Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt hatten. Lord Denning MR entschied, da den Beklagten aufgrund der Information durch den Kläger klar gewesen sei, dass die Böden das Befahren durch Gabelstapler aushalten sollten, sei es die „common intention“ der Parteien gewesen, „that the engineer should design a warehouse which would be fit for the purpose for which it was required“4017. Insofern sei dem Vertrag ein entsprechender term in fact zu implizieren. Der Master of the Rolls betont allerdings, dass es sich insoweit um eine Einzelfallentscheidung handele und kein allgemeines Prinzip etabliert werden solle. Daraus wird man schließen dürfen, dass auch, wenn der Verwendungszweck ausdrücklich kommuniziert wird, nicht stets von einer strikten Verpflichtung ausgegangen werden

4016 4017

Eyre v Measday [1986] 1 All ER 488, 495 per Slade LJ (CA). Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 328 (CA).

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darf, wie auch Geoffrey Lane LJ in derselben Entscheidung ausdrücklich klargestellt hatte: “So far as the implied warranty is concerned it was suggested that to uphold the Judge’s finding of implied warranty in this case would mean that every professional man would be warranting the successful outcome of his endeavours. Nothing of the sort. All the Judge was in fact saying was that on the facts proved before him a warranty was to be implied that the building as designed by the defendants would be fit for the purpose which the plaintiffs stipulated; and one has only to read those passages in the evidence to which my Lord has already referred and also the defence as originally drafted to see that there was ample evidence upon which the Judge could come to the conclusion that he did.”4018 So ist es, wie ein Blick auf die Entscheidung B L Holdings v Robert J Wood & Partners verdeutlicht, möglich, dass in durchaus ähnlich liegenden Fällen unterschiedliche Verpflichtungen eingegangen werden.

b)

Fazit

Die der Erfolgsherbeiführung immanenten Risiken scheinen allenfalls als Ansatzpunkt für eine tendenzielle Bewertung der Einfügung strikter terms in fact geeignet: Während die Rechtsprechung davon auszugehen scheint, dass in der Medizin nahezu jede Erfolgsherbeiführung mit unannehmbaren Risiken belastet ist – dies soll sogar ein allgemeingültiger Erfahrungssatz sein4019 –, ist sie mit derartigen Annahmen im Rahmen der Ingenieurshaftung – zu Recht – nicht leichtfertig bei der Hand. Insofern dürfte parallel dazu die Einfügung einer strict duty implied in fact in einen Architektenvertrag eher in Betracht kommen als die Einfügung einer entsprechenden Verpflichtung in einen ärztlichen Behandlungsvertrag. Hier kann es jedoch nur um Tendenzen gehen, deren Feststellung – dies ist entscheidend – in keinem Fall von einer Prüfung des konkreten Vertrages und der Umstände seines Abschlusses entlastet. Denn letztlich kommt es stets darauf an, was die Parteien im konkreten Fall übereinstimmend gewollt haben4020. Bei der Bestimmung dieses Parteiwillens im Einzelfall dürften allerdings die vorgenannten Rechtsprechungstendenzen zu berücksichtigen sein. Halten wir uns die Entscheidung in B L Holdings vor Augen, ist insoweit jedoch zu erinnern, dass die Gerichte der Annahme von dem Vertrag in fact beigefügten strikten Verpflichtungen des Schuldners mit besonderer Zurückhaltung begegnen4021. In B L Holdings dürften nämlich – ebenso wie in Greaves und anders als in Eyre v Measday – der Herbeiführung des in Rede stehenden Erfolgs keine nicht durch die Beklagten steuerbaren Risiken entgegenstanden haben und gleichwohl wurde nicht auf eine strikte Verpflichtung erkannt. 4018

Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 330. Vgl. ab S. 626. 4020 Ebenso (für Architekten- und Ingenieursverträge) Emden/Redmond-Cooper, § IV–1132. 4021 Ebenso Winfield/Jolowicz, Tort, § 5.56; für die Anwaltshaftung i.E. Fischer, Haftung, S. 56 f. 4019

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

2.

635

Terms implied in law by courts

Da insofern eine Implikation strikter Pflichten gestützt auf den positiven Parteiwillen regelmäßig auszuscheiden scheint, kann eine derartige Implikation in der Regel – unter der Bedingung, dass ihr der Parteiwille nicht entgegensteht bzw. es sich um zwingendes Gesetztesrecht handelt – nur in law erfolgen. Auch dies ist allerdings für die hier untersuchten Dienstleister, soweit nicht der SGSA eingreift, selten der Fall.

a)

Strikte Haftung für Medizinprodukte

Möglich ist dies aber zunächst, wenn die vertraglichen Pflichten des (professionellen) Dienstleisters den Verkauf von Waren oder die Bereitstellung „work and materials“ umfassen4022. Denkbar ist dies bei den hier untersuchten Dienstleister vor allem für Ärzte.

aa) Beispiel: Strikte Haftung für Zahnersatz Leading case ist insoweit die Entscheidung des Court of Appeal in Samuels v Davis, wo der klagende Zahnarzt für die Frau des Beklagten ein Gebiß gefertigt hatte. Der auf die Erbringung der Gegenleistung gerichteten Klage hielt der Beklagte entgegen, das Gebiß sei für seine Frau unbrauchbar. Aus diesem Grunde habe der Kläger seinerseits den Vertrag gebrochen. Der Vertrag sei entweder als Kaufvertrag oder als Vertrag „for work done and materials supplied“ zu qualifizieren und daher in jedem Fall ein term in den Vertrag zu implizieren, dass „the denture should be reasonably fit for the purpose for which it was supplied“. Der Kläger argumentierte dagegen, es gehe nicht um den Kauf des Gebisses, vielmehr liege – wie bei jeder anderen Form der ärztlichen Behandlung – nur ein gewöhnlicher Behandlungsvertrag vor, sodass der Kläger lediglich zur sorgfältigen Herstellung des Zahnersatzes aus „gutem“ Material verpflichtet gewesen sei, nicht aber zur Herstellung einer zwecktauglichen Prothese. Dem folgte der Court of Appeal nicht; denn auf die Frage, ob es sich um einen Kaufvertrag oder einen Vertrag „for work and materials“ handele, komme es nicht an: “[I]t is a matter of legal indifference whether the contract was one for the sale of goods or one of service to do work and supply materials. In either case, the contract must necessarily, by reason of the relationship between the parties, and the purpose for which the contract was entered into, import a term that, given reasonable co-operation by the patient, the dentist would achieve reasonable success in his work, or, in other words, that he would produce a denture which could be used by the patient for the purpose of eating and talking in the ordinary way.”4023 4022 4023

Vgl. Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.06. Samuels v Davis [1943] KB 526, 527 per Scott LJ ; ebenso 528 ff. per du Parcq LJ.

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

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Die dogmatische Qualifikation des Vertrages ließ das Gericht folgerichtig ausdrücklich dahinstehen4024.

bb) Abgrenzungsbemühungen Ähnliche Überlegungen dürften nicht nur für die Übereignung oder Überlassung – denn auf eine Übereigung kommt es für die strikte Haftung nicht an4025 – von Waren im Rahmen von Behandlungsverträgen gelten (z.B. für die Behandlung mittels Injektion4026, mittels einer Salbe4027 oder durch einen Herzschrittmacher4028), sondern auch für die Übereignung eines für einen bestimmten Kunden entwickelten Computerprogramms bzw. für die Übertragung der Nutzungsrechte an diesem Programm4029. Die jüngere Rechtsprechung im Bauvertragsrecht hat eine Qualifikation des Vertragstyps ebenfalls für unnötig gehalten und ist von einer strikten Verpflichtung zur Herstellung eines zwecktauglichen Gegenstands ausgegangen4030. Klare Abgrenzungskriterien – etwa nach Vertragstypen – sind insoweit allerdings noch nicht formuliert worden.

(1)

Nähe zum Kaufvertrag

Die Umschreibung „contract for work and materials“ ist geeignet, eine Vielzahl unterschiedlichster implied terms zu erfassen4031, was die Abgrenzung nicht eben er4024

Samuels v Davis [1943] KB 526, 528 per Scott LJ. Bell, (1984) 4 LS 175, 176 m.w.N. 4026 Jones, Negligence, § 2–011; vgl. dazu auch den Veterinärhaftungsfall Dodd v Wilson [1946] 2 All ER 691. 4027 Bell, (1984) 4 LS 175, 176. 4028 Jones, Negligence, § 2–012. 4029 So Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.07 mit entsprechenden Nachweisen aus der kanadischen Rechtsprechung. In der Entscheidung Anglo Group plc, Winther Brown & Co Ltd v. Winter Brown & Co Ltd, BML (Office Computers) Ltd, Anglo Group plc, BML (Office Computers) Ltd [2000] EWHC Technology 127, Tz. 266 per Judge Toumlin CMG QC (unreported) schied ein solcher term unter Anwendung von s. 9(6) SGSA aus. 4030 Vgl. Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd [1969] 1 AC 454, 473 f. per Lord Upjohn: „So I cannot see any logical distinction between the obligations which ought in general to be implied with regard to quality and fitness between a sale of goods and a contract for work and materials. Indeed, for my part I think, as a matter of common sense and justice, one who contracts to do work and supply materials ought to be under at least as high, if not a higher, degree of obligation with regard to the goods he supplies and the work that he does than a seller who may be a mere middleman or wholesaler“. Samuels v Davis zustimmend auch Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 328 per Lord Denning MR. Vgl. ferner Cornes, Design, §§ 4.1.1, 8.1. 4031 Bell, (1984) 4 LS 175, 176. Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.07 halten – um ein weiteres Beispiel zu nennen – das Engagement eines Architekten als Bauträger für denkbar. Soweit 4025

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leichtert. Gleichwohl wird aufgrund der in Samuels v Davies erfolgten Betonung der Nähe des dortigen Vertrages zu einem Kaufvertrag in der Literatur angenommen, dass umso eher von einer strikten Haftung für die Zwecktauglichkeit des zu übertragenden Gegenstandes ausgegangen werden kann, je eher die Verpflichtung zur Übereignung auch als kaufvertraglich hätte qualifiziert werden können4032.

(2)

Differenzierung nach dem zentralen Vertragsgegenstand

Eine Differenzierung danach, ob die Übereignung des „Materials“ zentraler Inhalt des Vertrages ist (= strikte Verpflichtung) oder lediglich einen Nebenaspekt des Pflichtenprogramms bildet (= sorgfaltsabhängige Verpflichtung), wie sie in der Literatur vorgeschlagen worden ist4033, lässt sich der Rechtsprechung zwar in einigen Fällen entnehmen4034. Einer gesonderten Bestimmung des Haftungsstandards für jede einzelne Verpflichtung wird man gleichwohl – losgelöst vom jeweiligen Vertragstypus – nicht ausweichen können4035.

(3)

Qualifikation des zu überlassenden Gegenstandes

Diskutiert wird in der arzthaftungsrechtlichen Literatur eine Begrenzung der strikten Haftung für die Zwecktauglichkeit aufgrund einer näheren Qualifikation des zu überlassenden Gegenstandes. Anlass dafür ist die kanadische Rechtsprechung, die es z.B. abgelehnt hat, in einen Vertrag über eine künstliche Befruchtung eine strikte Haftung für die Zwecktauglichkeit des verwendeten Spermas zu implizieren4036. Ebenso wurde für bei einer Bluttransfusion verwendetes unbearbeitetes Blut entschieden. In beiden Fällen wurde die Implikation eines strikten terms mit dem Inhalt, dass die Körpersubstanzen frei

der Architekt in dieser Rolle am Verkauf der erbauten Wohnhäuser beteiligt ist, würde ihn dann die Pflicht treffen, Wohnhäuser zu verkaufen, die „fit for habitation sind“, vgl. Batty and another v Metropolitan Property Realisations Ltd [1978] QB 554, 564 per Megaw LJ (HC). 4032 Bell, (1984) 4 LS 175, 177. 4033 Leung/Darvell, (2001) 31 HKLJ 389, 389 f., 395 ff.; vgl. auch Bell, (1984) 4 LS 175, 177 m. Fn. 12. Ähnlich die australische Rechtsprechung, vgl. zu ihr sogleich im Text. 4034 Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd [1969] 1 AC 454, 468 per Lord Reid: „It appears to me that less cogent circumstances may be sufficient to exclude an implied warranty of quality where the use of spare parts is only incidental to what is in essence a repairing operation where the customer’s main reliance is on the skill of the tradesman, than in a case where the main element is the supply of an article, the installation being merely incidental“. 4035 Vgl. nur Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd [1969] 1 AC 454, 468 per Lord Reid, der gleichwohl ganz auf die Umstände des Einzelfalls abstellen will. 4036 Vgl. dazu ter Neuzen v Korn (1995) 127 DLR (4th) 577 per Sopinka J (abgedruckt bei Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 1646 ff.); im Übrigen Jones, Negligence, § 2–012.

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von Krankheitserregern zu sein hätten, abgelehnt, wobei allerdings für „verarbeitete“ Körpersubstanzen nach englischem Recht eine abweichende Bewertung in Betracht kommen könnte4037. Bei der Ablehnung der vorgenannten strikten Verpflichtungen mag die Überlegung eine Rolle gespielt haben, dass unbearbeitete Körpersubstanzen als biologische Produkte „unavoidably unsafe“ sein könnten4038. Wichtig für die Qualifikation der Bereitstellung von Blut war jedenfalls, dass einerseits für dieses „Produkt“ keine Alternative existierte (bzw. existiert) und das verwendete Blut andererseits aus unentgeltlichen Spenden herrührte, sodass ein Regress in der Vertragskette bis hin zum „Hersteller“ nicht stattfinden konnte4039. Darüber hinaus wurde (wieder einmal) die Befürchtung defensiver Medizin vorgetragen, die – wie gesehen4040 – in anderen Zusammenhängen auch von der englischen Rechtsprechung gerne bemüht wird. Dass englische Gerichte ähnlich argumentieren könnten, scheint insofern – lässt man die aufgrund des SGSA gesetzlich zu implizierenden Vertragsbestimmungen einmal unberücksichtigt – keineswegs ausgeschlossen. Wie die kanadischen haben auch die australischen Gerichte gegen die Implikation einer strikten Verpflichtung entschieden. Sie haben sich dabei dogmatisch einerseits auf eine Differenzierung zwischen Kaufvertrag und Vertrag über Dienstleistungen gestützt4041, die in der englischen Rechtsprechung, wie skizziert, nicht als Argument herangezogen wird, und insoweit andererseits die potentiell kaufvertraglichen Elemente dem sorgfaltsabhängigen Haftungsregime für Dienstleistungen untergeordnet.

b)

Design Services – Strikte Planungshaftung?

Anders als die Haftung des Bauunternehmers4042 im Rahmen eines design and build contract ist die Haftung des Architekten für die Tauglichkeit seines Designs für den kommunizierten Verwendungszweck nach common law noch nicht vollkommen klar definiert4043. Vergleichbar einem Verkäufer4044, der zunächst unbedingt für die Übereinstimmung der Kaufsache mit einer Beschreibung, ihre Tauglichkeit zum kommu-

4037

Jones, Negligence, § 2–012 m. Fn. 38. Vgl. näher ab S. 660. Jones, Negligence, § 2–012. 4039 Jones, Negligence, § 2–012. 4040 Vgl. ab S. 448. 4041 Jones, Negligence, § 2–012. 4042 Zu dessen Haftung für „materials and workmanship“ eingehend Emden /Palmer, §§ II–200 ff.; zu einer Interpretation des zuvor maßgeblichen common law im Lichte des SGSA insbesondere §§ II–255 ff. 4043 Zu pauschal Heckendorn, Haftung, Rn. 271. Für die Haftung wegen eines breach of statutory duty ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt, ob diese sorgfaltsabhängig oder strikt ist, vgl. dazu Cornes, Design, § 4.3.2. 4044 Eine analoge Betrachtung hat bei der Entscheidungsbegründung schon häufig eine Rolle gespielt, vgl. Emden/Palmer, II–104 ff. 4038

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nizierten Verwendungszweck sowie für eine zufrieden stellende Qualität4045 einzustehen hat, haftet der Unternehmer nämlich strikt für das von ihm errichtete Gebäude gegenüber dem Gebäudeerwerber sowohl für die Verwendung von Materialien „of good quality“ als auch für die Bereitstellung von angemessen zwecktauglichen Arbeiten und Werkstoffen4046. Vergleichbare Pflichten bestehen ferner im Vertragsverhältnis General- und Subunternehmer. So hatte z.B. in Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd der Subunternehmer ausschließlich von einem bestimmten Hersteller produzierte Dachziegel verwendet, die vom Generalunternehmer ausgewählt worden waren. Die Ziegel erwiesen sich als defekt, sodass der Subunternehmer die Verpflichtung, Materialien „of good quality“ zu verwenden gebrochen hatte, ohne dass es darauf ankam, dass der Generalunternehmer sie ausgewählt hatte4047. Die rechtspolitische Rechtfertigung dieses Ergebnisses findet sich, wie berichtet4048, darin, dass bei mangelhaftem Verkaufsgegenstand ein Rückgriff in der Vertragskette bis hin zum Warenhersteller stattfindet4049. Für einen mit design services betrauten Architekten ist mit entsprechender Begründung obiter ebenfalls eine strikte Haftung vorgeschlagen, bislang aber nicht aufgegriffen worden.

aa) Die Ausgangsposition des Court of Appeal Lord Denning MR hatte die Frage, ob ein Architekt über die Haftung für Sorgfalt (s. 13 SGSA) hinaus auch strikt für die fitness for purpose seines Designs haftet, in Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners ausdrücklich offengelassen: “What then is the position when an architect or an engineer is employed to design a house or a bridge? Is he under an implied warranty that, if the work is carried out to his design, it will be reasonably fit for the purpose? or is he only under a duty to use reasonable care and skill? This question may require to be answered some day as matter of law. But, in the present case I do not think we need answer it. For the evidence shows that both parties were of one mind on the matter. Their common intention was that the engineer should design a warehouse 4045

Vgl. dazu näher Schmidt-Kessel, Standards, S. 229 ff.; Kircher, Sachmängelhaftung, S. 68 ff.; Twigg-Flessner, GPR 2003, 12 ff. 4046 Vgl. Hancock v B W Brazier (Anerley) Ltd [1966] 1 WLR 1317, 1327 ff. per Diplock LJ; 1333 f. per Lord Denning MR (CA); Viking Grain Storage v TH White Installations Ltd and TH White Ltd (1985) 3 Con LR 52 = 33 BLR 103 per Judge John Davis QC (HC, lexis). Zum Ausschluss der Implikation entsprechender strikter Verpflichtungen im Wege der Vertragsgestaltung vgl. Southern Water Authority v Carey and others (1985) 27 BLR 111 per Judge David Smout QC (lexis). Ausführlich zu alldem Emden/Palmer, II–111 ff. 4047 Obiter angestellte Überlegungen dazu, wann dies doch einmal eine Rolle spielen könnte, finden sich in Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd [1969] 1 AC 454, 467 per Lord Reid. 4048 Vgl. oben ab S. 100. 4049 Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd [1969] 1 AC 454, 466 per Lord Reid; 470 per Lord Pearce; 475 per Lord Upjohn; 479 per Lord Wilberforce.

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which would be fit for the purpose for which it was required. That common intention gives rise to a term implied in fact.”4050 Die strikte Haftung wird hier ausnahmsweise in fact impliziert. Über das Bestehen einer Rechtsregel, nach der die strikte Haftung in law by courts zu implizieren ist, sagt dies allein zwar noch nichts aus. Der Court of Appeal betont im Fortgang der Entscheidungsbegründung indes einstimmig die Einzelfallabhängigkeit der Entscheidung und verneint explizit die Möglichkeit, aus ihr eine allgemeine Rechtsregel abzuleiten4051.

bb) Die Position des House of Lords Das House of Lords näherte sich der Frage wenige Jahre später in der Sache IBA v EMI and BICC. Die Beklagten (EMI) hafteten in dieser Entscheidung allerdings bereits deshalb vertraglich, weil sie sich die fahrlässig fehlerhafte Planung der Zweitbeklagten (BICC) zurechnen lassen mussten4052. Unter diesen Umständen war es folglich „not necessary to consider whether EMI had by their contract undertaken to supply a mast reasonably fit for the purpose for which they knew it was intended and whether BICC had by their contract with EMI undertaken a similar obligation but had that been argued“4053.

(1)

Andeutungen des Bestehens einer Rechtsregel

Viscount Dilhorne fügte hinzu, dass er selbst „would … have been surprised if it had been concluded that they had not done so“. Ebenso beurteilte den konkreten Fall Lord Scarman: “But, in the absence of a clear, contractual indication to the contrary, I see no reason why one who in the course of his business contracts to design, supply, and erect a television aerial mast is not under an obligation to ensure that it is reasonably fit for the purpose for which he knows it is intended to be used. The Court of Appeal held that this was the contractual obligation in this case, and I agree with them”, ging über die Beurteilung des konkreten Falles allerdings hinaus, als er – im Stil einer Leitentscheidung4054 – seine speech mit den Worten beschloß: 4050

Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 328 (Hervorhebung im Original). 4051 Greaves & Co (Contractors) Ltd v Baynham Meikle & Partners [1975] 2 Lloyd’s Rep 325, 329 per Browne LJ; 330 per Geoffrey Lane LJ. 4052 Vgl. auch oben ab S. 28. 4053 IBA v EMI and BICC (1980) 14 BLR 1 per Viscount Dilhorne (lexis). 4054 Schmidt-Kessel, Standards, S. 306.

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“In the absence of any terms (express or to be implied) negativing the obligation, one who contracts to design an article for a purpose made known to him undertakes that the design is reasonably fit for the purpose. Such a design obligation is consistent with the statutory law regulating the sale of goods: see Sale of Goods Act 1893, the original s. 14, and its modern substitution enacted by s. 3, Supply of Goods (Implied Terms) Act 1973.” In der oben wiedergegeben, von Viscount Dilhorne geäußerten Vermutung, dass die Erstbeklagten gegenüber den Klägern die Verpflichtung übernommen haben dürften, einen Sendemast zu designen, der „reasonably fit for the purpose for which they knew it was intended“ sein werde, und dass die Zweitbeklagten gegenüber den Erstbeklagten eine ganz ähnliche Verpflichtung übernommen haben dürften, deutet sich hierfür eine materielle Begründung an, die in der speech von Lord Fraser ausdrücklich erläutert wird.

(2)

Der Rückgriff entlang der Vertragskette als Begründungsansatz

Lord Fraser möchte die in Young & Marten Ltd v McManus Childs Ltd hinsichtlich der strikten Haftung des Bauunternehmers4055 für die Tauglichkeit der verwendeten Baustoffe entwickelte Begründung auf die Haftung für die „complete structure“ – inklusive des Baudesigns – übertragen. Mit anderen Worten: Im Regelfall könne und solle ein Rückgriff in der Vertragskette bis hin zum „Designhersteller“ stattfinden: “In the present case it is accepted by BICC that, if EMI are liable in damages to IBA for the design of the mast, then BICC will be liable in turn to EMI. Accordingly, the principle that was applied in Young & Marten Ltd in respect of materials, ought in my opinion to be applied here in respect of the complete structure, including its design. Although EMI had no specialist knowledge of mast design, and although IBA knew that and did not rely on their skill to any extent for the design, I see nothing unreasonable in holding that EMI are responsible to IBA for the design seeing that they can in turn recover from BIC who did the actual designing.”

(3)

Die Bedeutung der Ausübung eigener Sachkunde durch den Designer

Aufschlussreich für das hier obiter vorgestellte Haftungsmodell sind weiterhin die Ausführungen, die Lord Fraser in Abgrenzung zu der zwei Jahre zuvor ergangenen Entscheidung des irischen Supreme Court in der Sache Norta Wallpapers (Ireland) Ltd v John Sisk & Son (Dublin) Ltd macht. In dieser Entscheidung hatte die Kägerin den Auftrag über die Errichtung einer Fabrik an die Beklagte vergeben, zuvor aber bereits eine dritte Firma (Hoesch) u.a. mit dem Entwurf des Dachs betraut. Die Beklagte engagierte, da ihr die Klägerin insoweit keine andere Wahl ließ, Hoesch als sub-con4055

Vgl. dazu näher z.B. Dennys, FS Wallace, S. 204 ff.

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642

tractor für die Errichtung des Dachs nach dem ebenfalls bereits von der Klägerin akzeptierten Entwurf. Dieser erwies sich bald als untauglich. Das Dach war nicht wetterbeständig und leckte, was – wie schiedsgerichtlich festgestellt worden war – zu 85% auf das unzulängliche Design der Hoesch zurückzuführen war. Der Supreme Court entschied, dass “[i]n all cases of supply and installation by a sub-contractor … the law [is] that, unless the particular circumstances give reason for its exclusion, there is implied in the contract a term to the effect that the contractor will be liable to the employer for any loss or damage suffered by him as a result of the goods, materials or installations not being fit for the purpose for which they were supplied”4056. Von der Existenz eines entsprechenden terms könne allerdings nur ausgegangen werden, sofern dies auch der Vorstellung der Parteien entspreche und es im Übrigen nicht unvernünftig sei, von seiner Existenz auszugehen. Am Erfordernis der reasonableness scheitere die Implikation im vorliegenden Fall, da die Klägerin nicht auf den Sachverstand und das Urteil der Beklagten vertraut habe, sondern vielmehr auf Sachverstand und Urteil der Hoesch, in dem sie die Beklagte zur Übernahme des von Hoesch entworfenen Designs verpflichtet habe. Die Beklagte habe keine eigenständige Prüfung des Designs vornehmen sollen und auch nicht vorgenommen, sondern sei schlicht zum Engagement der Hoesch verpflichtet worden. Dies, urteilte Lord Fraser in IBA v EMI and BICC, sei ein wichtiger tatsächlicher Unterschied zum Sachverhalt in der Sache IBA v EMI and BICC. Denn zwar sei die EMI hier ebenfalls verpflichtet gewesen, mit einem bestimmten sub-contractor (BICC) zu kontrahieren. Hinsichtlich des von der BICC entworfenen Designs habe die Klägerin die Beklagte – anders als in Norta Wallpapers – jedoch nicht festgelegt gewesen, sodass die EMI auf den notwendigen Modifikationen hätte bestehen können. Die Gegenüberstellung beider Entscheidungen legt ein materielles und abstraktes Kriterium für die Prüfung der Frage, ob der Architekt im Einzelfall strikt für die fitness for purpose haftet: Von einer entsprechenden Haftung ist umso weniger auszugehen, je weniger der Architekt vertraglich verpflichtet sein soll, bezüglich des Designs eigene Sachkunde auszuüben und sich ein eigenständiges Urteil zu bilden, d.h. je weniger Prüfungs- und Entscheidungsfreiheit er hinsichtlich des Designs besitzt.

(4)

Fazit

Auch die obiter getätigten Ausführungen der Lordrichter in der Sache IBA v EMI and BICC sind im Übrigen aber nicht zur Begründung einer allgemeinen Rechtsregel des Inhalts geeignet, dass die Planungshaftung des Architekten als Typus strikt ausgestaltet ist. Denn zum einen sind obiter dicta eben nicht bindend und zum anderen war insbesondere Lord Scarman, dessen speech am ehesten für eine Rechtsregel in An4056

Norta Wallpapers (Ireland) Ltd v John Sisk & Son (Dublin) Ltd (1978) IR 114, 123 per Henchy J (SC).

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spruch genommen werden könnte, „at pains to draw a distinction between the case where an article was to be delivered and the case where the professional man is not the supplier of the article“4057. Infolgedessen gehen Rechtsprechung4058 und Literatur4059 weiterhin überwiegend davon ausgehen, dass sich die Verpflichtungen des Architekten hinsichtlich seines Entwurfs nicht von seinen sonstigen Verpflichtungen unterscheiden. Der Architekt haftet in law also lediglich für sorgfältige und sachkundige Planung (s. 13 SGSA), nicht aber strikt für die Zwecktauglichkeit des Entwurfs.

cc) Die Position des Court of Appeal nach der Entscheidung des House of Lords Eine strikte Haftung für fitness for purpose kann sich nur über einen term implied in fact ergeben, was – den von Lord Denning MR in Greaves getroffenen Feststellungen entsprechend – jeweils im Einzelfall geprüft werden muss und geprüft wird4060. In der Sache Hawkins v Chrysler (UK) and Burne Associates hat sich der Court of Appeal – in Auseinandersetzung mit dem Feststellungen des House of Lords in IBA v EMI – einstimmig gegen eine anderweitige Sichtweise ausgesprochen. In Hawkins hatten die Erstbeklagten die Zweitbeklagten mit dem Design eines Duschraums beauftragt, der später dem Entwurf der Zweitbeklagten entsprechend ausgeführt wurde. Der Kläger (Arbeitnehmer der Erstbeklagten) glitt darin beim Duschen aus und verletzte sich; seine Schadensersatzklage wurde in erster Instanz durch Vergleich erledigt, sodass der Court of Appeal nur noch über die Regressansprüche der Erstbeklagten gegen die Zweitbeklagten zu entscheiden hatte. Da diese ihren Entwurf mit hinreichender Sorgfalt und Sachkunde geplant hatten, kam es entscheidend darauf an, ob die Zweitbeklagten auch für die Rutschfestigkeit des Bodens (fitness for purpose) hafteten.

4057

Balcomb v Wards Construction (Medway) Ltd (1981) 259 EG 765 per Sir Douglas Frank QC (lexis). 4058 Vgl. Benaim (UK) Ltd v Davies Middleton & Davies Ltd and another [2005] All ER (D) 104 (Jul), Tz. 122 ff. per Judge Coulson QC (HC, lexis). 4059 Emden /Palmer, §§ II–101 ff.; Cornes, Design, § 4.1.4; Jackson/Powell, Negligence, § 8–173; Schmidt-Kessel, Standards, S. 306; von Bar/Drobing, Property Law, Rn. 93; vgl. auch Fernyhough/Franklin, in: Burns, Obligations, S. 19, 33; a.A. wohl Treitel, Contract, S. 841. 4060 Vgl. etwa Balcomb v Wards Construction (Medway) Ltd; Pethybridge & Another v Wards Construction (Medway) Ltd (1981) 259 EG 765 per Sir Douglas Frank QC (lexis); Consultants Group International v John Worman Ltd (1987) 9 Con LR 46 per John Davies QC (lexis); Viking Grain Storage Ltd v T White Installations Ltd and T White Ltd (1985) 3 Con LR 52 = (1985) 33 BLR 103 per John Davies QC (lexis); Hawkins v Chrysler (UK) Ltd and another [1986] BTLC 351 (lexis).

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644

(1)

Ablehnung einer Implikation in law

Die Implikation eines entsprechenden term in fact lehnte der Court of Appeal ab und folgte darüber hinaus auch nicht dem Vortrag, ein entsprechender term sei in law zu implizieren. Insbesondere den Feststellungen von Lord Scarman in IBA sei derartiges nicht zu entnehmen. Insofern sei der Court of Appeal: “bound by the established rule that a professional man, as in the Greaves case, only undertakes, when his advice is sought, to use reasonable care and skill in his profession, and does not warrant the accuracy of his advice in the absence of special circumstances. I see no reason why that should not equally apply to a designer, who may be called on to design, according to his professional skill, something of extreme sophistication on the borders of science.”4061 Dabei erkannte Neill LJ zwar ausdrücklich an, dass „it can be strongly argued that there is no logical basis for drawing a distinction between on the one hand the responsibilities of a contractor who designs and erects a building, and on the other hand the responsibilities of an engineer or the consultant who merely designs it“, ging gleichwohl aber davon aus, dass “… it is not open to this court, except where there are special facts and special circumstances, to extend the responsibilities of a professional man beyond the duty to exercise all reasonable skill and care in conformity with the usual standards of his profession”4062.

(2)

Konsequenz

Potentielle Wertungswidersprüche der Rechtsregeln in law im Vergleich zur strikten Haftung des Bauunternehmers4063 (stärkerer Schutz des Bauherrn beim design and build contract als beim klassischen building contract, bei dem das Design dem Architekten obliegt; unterschiedlicher Haftungsstandard für Bauunternehmer und beratenden Architekten, auch wenn beide gemeinsam für das Design verantwortlich sind4064; fehlende Regressmöglichkeit des Bauunternehmers gegen den Architekten bei sorgfältiger, aber dennoch nicht zwecktauglicher Planung) sind nach Auffassung 4061

Hawkins v Chrysler (UK) Ltd and another [1986] BTLC 351 per Dillon LJ (CA, lexis); ähnlich Fox und Neill LJJ. 4062 Vgl. schon die Entscheidung des Court of Appeal in Holland Hannen & Cubitts (Northern) Ltd v Welsh Health Technical Services Organisation (1987) 7 Con LR 14 per Goff LJ (dissenting, aber nicht insoweit [lexis]). 4063 Vgl. dazu Dugdale/Stanton, Negligence, § 4.09. 4064 Etwas anderes kann für diese Fallkonstellation ausnahmsweise nur dann gelten, wenn sich der Architekt im Einzelfall gegenüber dem Unternehmer in demselben Umfang verpflichten will, wie der Unternehmer gegenüber dem Bauherrn, vgl. für einen solchen Fall Consultants Group International v John Worman Ltd (1987) 9 Con LR 46 per Judge Davies QC

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des Court of Appeal also hinzunehmen. Zusammenfassend kann insoweit festgestellt werden, dass eine strikte Verpflichtung nur im Einzelfall ergeben kann4065.

c)

Konsequenz: Die Unergiebigkeit kategorialer Typisierungen

Gerade die unterschiedliche Qualifizierung des Pflichtinhalts bei nahezu identischer Sachlage in den vorgenannten Entscheidungen öffnet allerdings den Blick dafür, dass es eine Kategorisierung i.S. einer Vertragstypenbildung mit durchweg gleich bleibenden Haftungsstandards – strikte Haftung für Gegenstände und sorgfaltsabhängige Haftung für service-Elemente – nicht gibt und bis zur Entwicklung solcher Vertragstypen durch die Rechtsprechung nicht geben kann4066. Denn in der Rechtsprechung zur Planungshaftung werden Wertungswidersprüche in law insoweit bewusst hingenommen. (Gleiches gilt, wie noch zu zeigen sein wird, im Rahmen der Anwaltshaftung für conveyancing.) Insofern kann der Haftungsstandard bezüglich ein und desselben Leistungsgegenstands explizit unterschiedlich ausfallen: Während der Bauunternehmer für unzulängliches Design in aller Regel strikt haftet, muss ein mit derselben Aufgabe, nämlich der Planung, betrauter Architekt regelmäßig nur für angemessene Sorgfalt einstehen. Die im SGSA zu findende Differenzierung zwischen strikter Haftung für den supply of goods und sorgfaltsabhängiger Haftung für den supply of services lässt sich, wie am Beispiel atypischer Reaktionen des Patienten auf ein Medikament zu zeigen sein wird4067, ebenfalls nicht streng durchhalten. Dies ist, wie s. 16(3)(a) SGSA belegt, hinsichtlich der service-Elemente eines vom SGSA erfassten Vertrages allerdings ohnehin nie das Ziel des Gesetzgebers gewesen. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass für „die Bestimmung des einschlägigen Haftungsstandards … der Rückgriff auf ‚gemischte Verträge‘… kaum hilfreich“ ist. Denn die „Grenze zwischen strikter Haftung und Haftung für reasonable care läuft quer durch die in dieser Weise eingeordneten Vertragstypen, ohne daß sich aus der Einordnung selbst ein Hinweis auf den genauen Verlauf ergäbe“4068. Man wird daher auch nicht unter Rückgriff auf solche abstrakten Kategorisierungen um eine Qualifikation des jeweils in Rede stehenden vertraglichen Versprechens herumkommen, zumal dies – wie berichtet – der klassischen Perspektive des englischen Vertragsrechts entspricht4069.

(HC, lexis), wo ausdrücklich betont wird: „[The Architects] were not retained by [the builders] to provide architectural services in the usual way“. 4065 Vgl. zu einer allgemeineren Bewertung Treitel, Contract, S. 841; Schmidt-Kessel, Standards, S. 307. 4066 So im Ansatz aber Treitel, Contract, S. 840; ders., FS Wilberforce, S. 185, 197. 4067 Vgl. ab S. 659. 4068 Schmidt-Kessel, Standards, S. 308. 4069 Vgl. ab S. 326.

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d)

Conveyancing

Dies wird durch die Rechtsprechung zur Haftung von solicitors im Zusammenhang mit Fehlleistungen beim conveyancing bestätigt, obgleich hier eine stillschweigend strikte Haftung in law by courts diskutiert wird.

aa) Andeutungen strikter Haftung? So hat etwa Lord Hoffmann – als Wissenschaftler – die These aufgestellt, dass der „reasonably competent lawyer“ als vorgeblicher Prüfstein der Haftung inoffiziell ausgedient habe4070. Seit dem Aufkommen von Versicherungen für solicitors beruhe die Haftung für Fehlleistungen nicht mehr auf moralischer Vorwerfbarkeit4071 und die Rechtsprechung ziehe (stillschweigend) andere Überlegungen zur Haftungsbegründung heran. So sei u.a. die Frage von Belang, ob eher der Mandant oder der Versicherer des solicitors das Risiko eines Fehlers des solicitors tragen solle. Ein weiterer (rechtspolitischer) Faktor sei, dass die Rechtsprechung sich um eine Anhebung und Entwicklung der Verhaltensstandards bemühe. Lord Hoffmanns Überlegungen münden schließlich in der Feststellung: “The underlying truth seems to be that judges regard conveyancing as an activity which should give a result to the client. The solicitor is insured, and it seems only fair that the risk of the mistake should be borne by the underwriters rather than the client.”4072 Gerichtlich ist dieses Argument, wie Lord Hoffmann nicht verschweigt, freilich noch nicht explizit zur Entscheidungsbegründung herangezogen worden. Selbst in der gegen ein restriktives Pflichtenprogramm eintretenden Entscheidung Edward Wong, die einen Fall des conveyancing behandelte4073, und den diese Entscheidung bestätigenden Nachfolgeentscheidungen wird die traditionell mögliche Erfüllung durch Anwendung von „reasonable care and skill“ nicht in Frage gestellt. Dafür gibt es – wie Evans hervorgehoben hat4074 – auch gute Gründe:

4070

Lord Hoffmann, (1994) 10 PN 6 (non vidi, zit. nach Evans, Liabilities, § 4–02). Dies ist, wie berichtet (vgl. ab S. 199), zumindest nach gegenwärtiger Rechtslage losgelöst von der Frage des Beginns dieser Entwicklung zutreffend. 4072 Lord Hoffmann, (1994) 10 PN 6, 8. 4073 Vgl. ab S. 258. 4074 Evans, Liabilities, §§ 4–02 ff. 4071

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bb) Begründsansätze für die Verpflichtung zu reasonable skill and care (1)

Versicherung als zentrales Kriterium?

Zwar wird es für die Entscheidung über die Haftung in der Regel tatsächlich von Belang sein, dass der solicitor entsprechend versichert ist – die Versicherbarkeit des Risikos spielt auch für die Zulässigkeit einer Haftungsbeschränkung eine bedeutende Rolle4075. Doch dies ist kein Spezifikum der Haftung für fehlerhaftes conveyancing, sondern trifft auf die meisten Professionen zu (oft ist eine entsprechende Versicherung sogar Voraussetzung der Berufsausübung)4076. Darüber hinaus werden die Gerichte bei dieser Überlegung kaum stehen bleiben. Vielmehr dürfte bspw. auch ein im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit der Risikorealisierung und/oder deren Auswirkungen unangemessen hoher Vermeidungsaufwand ebenso gegen die Verantwortlichkeit des solicitors streiten4077, wie ein besonders geringer Vermeindungsaufwand für eine Haftung spricht4078.

(2)

Praktische Zweifel an einem Bemühen der Gerichte um eine Anhebung der Standards

Das zweite Argument – das Bemühen der Gerichte um eine Anhebung der Standards – ist, wie Evans zu Recht betont, zumindest quantitativ betrachtet in Bezug auf das conveyancing weniger bedeutsam, als dies auf den ersten Blick scheinen mag. Denn dieses Argument dient in erster Linie der Kritik an einer verbreiteten Praxis, der der Beklagte beigetreten ist, während die meisten Haftungsfälle nicht darauf gründen, dass der Beklagte eine übliche Vorsichtsmaßnahme unterlassen hat, sondern schlicht darauf, dass der Beklagte übersehen hat, dass sich ein bestimmtes Problem stellen könnte4079. Losgelöst davon verliert dieses Argument – aus ökonomischer Sicht – umso stärker an Bedeutung, je mehr Gewicht man der Versicherung des (verbreitet in Kauf genommenen) Risikos beimisst, da diese bei Risikorealisierung mit relativer Sicherheit den wirtschaftlichen status quo wiederherstellt.

4075

Vgl. s. 11(4)(b) UCTA. Evans, Liabilities, § 4–02. 4077 Evans, Liabilities, § 4–02. 4078 Vgl. etwa Creech v Mayorcas (1966) 198 EG 1091 per Pennycuick J (lexis; Nichteinholen einer rechtsverbindlichen Zustimmung des Verpächters zum Pächterwechsel bevor dem Neupächter zur Inbesitznahme des Pachtobjekts geraten wird) oder Fashion Brokers Ltd v Clarke Hayes (A Firm) [2000] Lloyd’s Rep PN 398 (lexis; Vertrauen auf Behördenangabe ohne Kenntnis der Kompetenzen des Gesprächspartners und ohne autoritative Bestätigung nicht zulässig) und – für die Arzthaftung – auf S. 283. 4079 Evans, Liabilities, § 4–02. 4076

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648

(3)

Typische Mandantenerwartung?

Stärker dürfte demgegenüber das dritte Argument wiegen: Das conveyancing werde – im Gegensatz zur Prozessführung – als Tätigkeit begriffen, die dem Mandanten ein Resultat verschaffen soll. Denn tatsächlich ist die Ausgangslage beim conveyancing anders als bei der Prozessführung, wo notwendig eine Partei unterliegen muss (sofern man die Möglichkeiten eines Vergleichs einmal unberücksichtigt lässt). Dieser Überlegung folgend mag es für den Mandanten nicht direkt unvernünftig sein, davon auszugehen, dass beim conveyancing keine Risiken existieren, die der solicitor nicht steuern kann, und daraus zu folgern, dass dieser ihn vor möglichen Schäden aus der Transaktion zu bewahren habe. Entsprechende Differenzierungen mag man auch zwischen unterschiedlichen Professionen anstellen4080, da es bspw. in der Tat für einen Architekten eher sicherzustellen sein dürfte, dass die Statik eines Gebäudes einwandfrei ist, als für einen Arzt zu garantieren, dass eine bestimmte Operation zum Erfolg führt4081.

(a)

Die Mandantenerwartung als Risikofaktor

Solche schematischen und noch dazu einseitigen Betrachtungen werden jedoch der realen Risikostruktur nicht gerecht4082. So mag der Erwerber einer Pacht bspw. nur wenige konkrete Vorstellungen hinsichtlich des exakten Umfangs seiner Berechtigung haben4083 und die Pacht folglich u.U. nicht seinen Erwartungen entsprechen. Daraus kann Streit um die Frage entstehen, ob der beauftragte solicitor ihn auch unter diesem Aspekt hätte aufklären müssen. Haftungsrelevant ist dann aber ein Aufklärungsfehler, der mit der sorgfaltsunabhängigen Steuerbarkeit der Herbeiführung eines Resultats nichts zu tun hat.

(b)

Die typische Notwendigkeit einer Abwägungsentscheidung

Damit ist lediglich beispielhaft ein vom solicitor nur begrenzt steuerbarer Risikofaktor angesprochen: der Inhalt und Umfang seines retainers. Während dieser typischerweise im Kernbereich klar formuliert sein wird (Eigentumserwerb am Grundstück XY), besteht in dem (durch das obige Beispiel illustrierten) Randbereich ebenso typisch ein nicht im Vorhinein schematisch festzulegender Konkretisierungsbedarf.

4080

Vgl. ab S. 146. Dies ist, wie gezeigt, durchaus auch die Position der Rechtsprechung, vgl. ab S. 623. 4082 Vgl. Evans, Liabilities, § 4–02 („The distinction is not absolute.“). 4083 Bsp. nach Evans, Liabilities, § 4–02. 4081

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649

(aa) Die Konstitution des Mandanten Insbesondere der Inhalt und Umfang der Aufklärungsverpflichtung hängen, wie gesehen4084, u.a. von den Vorkenntnissen des Mandanten ab, die für den solicitor keineswegs sicher zu bestimmen sind. Eingedenk dieses Umstandes werden auch und gerade bei angeblichen Aufklärungspflichtverletzungen 4085 entsprechende Haftungsvorwürfe zurückgewiesen. Denn zur Beantwortung der Frage, welche Risiken oder Negativeigenschaften einer Transaktion dem Mandanten zu Bewusstsein gebracht werden müssen, bedarf es einer Abwägungsentscheidung, die nicht immer eindeutig beantwortet werden kann4086. Dabei mag auch eine Rolle spielen, dass der Mandant im eigenen Interesse regelmäßig nicht mit Informationen überfrachtet werden will4087. Vor diesem Hintergrund sind die Gerichte tendenziell sogar eher bereit, fehlerhafte Abwägungsentscheidungen zu verzeihen als z.B. einen Fehler des solicitors beim eigentlichen conveyancing-Verfahren4088. Als Beispiel mag insoweit die Sache Bowdage v Michelmore dienen, in der die Klägerin, (Sport)Lehrerin an einer anerkannten Schule, über einen estate agent (Immobilienmakler) aufgrund finanzieller Schwierigkeiten potentiellen Erwerbern eine Kaufoption auf ein in ihrem Eigentum befindliches Grundstück gewährt hatte, auf dem diese eine Tankstelle errichten wollten. Da an dem Grundstück ohne entsprechende behördliche Genehmigung des Tankstellenbetriebs kein Interesse bestand, die Genehmigung also erst abgewartet werden musste, verlängerte die Klägerin die Option zweimal gegen eine geringe consideration. Nachdem die Genehmigung erteilt worden war, stieg der Grundstückswert auf etwa das Fünffache des in der Option vereinbarten Kaufspreises. Die Klägerin nahm daraufhin den von ihr in die Transaktion eingeschalteten solicitor in Anspruch: Dieser habe sie auf den unangemessenen Kaufpreis aufmerksam machen und ihr raten müssen, das Grundstück begutachten zu lassen. Das Gericht wies die Klage ab. Dabei bestätigte es zunächst, dass der geschuldete Aufklärungsumfang von der Kondition des Mandanten abhänge. Es sei jedoch nicht davon auszugehen,

4084

Vgl. ab S. 359. Vgl. Evans, Liabilities, § 4–06. 4086 Vgl. Central Land Investments Ltd v Winn (1972) 223 EG 2334 (lexis). 4087 Vgl. etwa Walker v Boyle [1982] 1 WLR 495, 507 f. per Dillon J (HC): „It is, of course, the duty of a solicitor to advise his client about any abnormal or unusual term in a contract, but I think it is perfectly normal and proper for a solicitor to use standard forms of conditions of sale such as the National Conditions of Sale. I do not think he is called on to go through the small print of those somewhat lengthy conditions with a tooth-comb every time he is advising a purchaser or to draw the purchaser’s attention to every problem which on a careful reading of the conditions might in some circumstance or other conceivably arise. I cannot believe that purchasers of house property throughout the land would be overjoyed at having such lengthy explanations of the National Conditions of Sale ritually foisted on them“. 4088 Vgl. Evans, Liabilities, § 4–06 m. Rechtsprechungsnachweisen. 4085

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“that a solicitor who acts for a client in relation to the sale of a piece of land can be said in the absence of specific instructions to undertake the duty of advising the client whether the transaction he is instructed to carry through is from the client’s point of view a prudent one”4089. Zwar sei die Klägerin in geschäftlichen Dingen nicht sonderlich erfahren gewesen oder „very versed in the ways of the world“, dies ändere an dem vorgenannten Ergebnis aber nichts, sie könne nicht als „a simple person“ betrachtet werden. Da sie den Beklagten darüber hinaus ihrer eigenen Aussage nach und zur Überzeugung des Gerichts nie um seine Einschätzung des Grundstückswerts gebeten hatte, sondern nur davon ausgegangen war, dass dieser eine ungefähre Vorstellung davon besitzen müsse, stellte das Gericht fest, es könne nicht akzeptieren, „that the nature of the transaction, his relations with his client, or any lack of experience on the client’s part imposed on him a duty to advise as to the value of the land in question“4090.

(bb) Weitere Abwägungsfaktoren Seine ablehnende Entscheidung hinsichtlich des zweiten Haftungsvorwurfs – kein Rat zur Hinzuziehung eines Gutachters – begründete das Gericht damit, dass der Grundstückswert selbst für professionelle Gutachter zum maßgeblichen Zeitpunkt schwer zu schätzen gewesen sei. Im Übrigen habe der Beklagte davon ausgehen dürfen und müssen, dass die Klägerin das Grundstück aufgrund ihrer schwierigen finanziellen Lage so schnell wie möglich habe veräußern wollen. Unter diesen Umständen könne nicht angenommen werden, “[that] it was the professional duty of [the defendant] to advise the plantiff as to the reasonableness or otherwise of the proposed price for the land, or to recommend that she should consult an independent valuer; and even if such a duty did exist, I cannot find on the evidence before me that there was any breach of it”4091. Hier wird ganz deutlich, dass hinsichtlich des Inhalts und Umfangs notwendiger Aufklärung stets mehrere Faktoren abzuwägen sind und dass das Ergebnis dieser Abwägung keineswegs von vorneherein abschließend feststeht. Insofern kann zwischen der Mandantenerwartung und dem real erreichbarem Ziel durchaus ein gewisser Spielraum bestehen.

(4)

Begründungsansätze für die Urteilspraxis

Die vollkommen übliche Umschreibung des Schuldinhalts mit „reasonable care and skill“ auch beim conveyancing4092, die als bestimmender Faktor nicht nur deswegen 4089 4090 4091

Bowdage v Michelmore & Co (1962) 106 SJ 512 per Melford Stevenson J (HC, lexis). Bowdage v Michelmore & Co (1962) 106 SJ 512 per Melford Stevenson J (HC, lexis). Bowdage v Michelmore & Co (1962) 106 SJ 512 per Melford Stevenson J (HC, lexis).

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

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nicht unterschätzt werden darf 4093, weil die Anwendung der s. 13 SGSA nur für die forensische Tätigkeit des solicitors ausgeschlossen ist4094, deutet an, dass für die neben der Aufklärungsverpflichtung bestehenden Verpflichtungen im Rahmen des conveyancing-Verfahrens ebenfalls sorgfaltsabhängig gehaftet wird. Dies macht den Befund, dass die Gerichte bei „Verfahrensfehlern“ eher zur Verurteilung bereit sind als bei (im Nachhinein) fehlerhaften Abwägungsentscheidungen, zwar erklärungsbedürftig. Die Erklärung dürfte allerdings nicht in einer strikten Verpflichtung des solicitors zur Einhaltung standardisierter Verfahren beim conveyancing zu finden sein. In der Sache Penn v Bristol & West Building Society haftete der beklagte solicitor z.B., weil er es – entgegen § 12.05 des Guide to the Professional Conduct of Solicitors – unterlassen hatte, sich schriftlich von seiner angeblichen Mandantin instruieren zu lassen, die er nie persönlich kennengelernt hatte und die beim Verkauf ihres Grundstücks vorgeblich von ihrem Mann vertreten wurde, tatsächlich aber von diesem Vorgang keinerlei Kenntnis besaß. Hätte sich der Beklagte seine Mandatierung von der Klägerin schriftlich bestätigen lassen, wäre es nicht zur Haftung gekommen. Das in § 12.05 des Guide vorgesehene Verfahren dient offenbar auch gerade dem Zweck, die Realisierung derartiger Haftungsrisiken zu vermeiden. Abstrahiert man einmal von der konkreten Entscheidung, haftet der solicitor, weil er ein leicht verringerbares Risiko nicht verringerte, obwohl ihm eine Standardsicherungsmaßnahme zur Verfügung stand. Es handelt sich um einen simplen Fall des Abweichens von einer professionsintern akzeptierten Regel4095, die das Ergebnis der Aufwand-Nutzen-Analyse implizit durch Zuweisung des Vermeidungsrisikos an den solicitor feststellt. Haftungsbegründend wirkt dann nicht eine sorgfaltsunabhängige Verpflichtung, sondern das Fehlen alternativer sorgfaltsgemäßer Verfahrensweisen. Hierin könnte ein Begründungsansatz für die Urteilspraxis der Gerichte bezüglich „Verfahrensfehlern“ liegen: Dass es bei einer Nichtdurchführung gewöhnlicher Verfahrensabläufe in der Regel – ebenso wie im konkreten Fall – zu einer Verurteilung kommt, wäre dadurch zu erklären, dass derartige Vorgehensweisen standardisiert sind, weil sie der Vermeidung bekannter Risiken unter (anerkanntermaßen) zumutbarem Aufwand dienen4096. Ein Abweichen von dieser Praxis ist insofern begründungsbedürftig4097, als ein angemessen kompetenter und sorgfältiger solicitor gerade „StandardSicherungsmaßnahmen“ durchführen wird. Hindernisse, die der solicitor nur begrenzt steuern kann, stehen dem nämlich in aller Regel nicht entgegen und vor diesem Hintergrund dürfte eine Abwägungsentscheidung in derartigen Fällen weitgehend 4092

Ebenso Evans, Liabilities, § 4–02: „First, none of the arguments mentioned [for an absolute obligation ] is decisive and many of them imply that there will be cases where liability should not be imposed. If there is to be any balancing exercise, there are some cases where there will not be liability, for instance when protection against a risk is disproportionately expensive“. 4093 Ebenso für die Anwaltshaftung Evans, Liabilities, § 4–02. 4094 Vgl. ab S. 104. 4095 Zu deren Bedeutung ab S. 245 und ab S. 459. 4096 Vgl. zur Vermutung rationalen Verhaltens ab S. 249. 4097 Vgl. ab S. 459.

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

652

vorhersehbar ausfallen: Alternative Wege, mit dem in Rede stehenden Risiko angemessen sorgfältig umzugehen, bestehen nicht. Zumindest ist ein in keiner Weise kompensiertes Außerachtlassen der Sicherungsmaßnahme keine solche Alternative. Stillschweigend im Hintergrund der Urteilspraxis stünde damit – zusammengefasst –, dass sich „Verfahrensfehler“ zumeist mit zumutbarem Aufwand, nämlich durch Standardmaßnahmen, vermeiden lassen, ohne dass es einer echten Abwägung bedürfte. Sofern hingegen eine Abwägungsentscheidung getroffen werden muss, ist zu berücksichtigen, dass derartigen Entscheidungen unumgänglich ein gewisses Unsicherheitsmoment innewohnt. In jedem Fall wird aber sorgfaltsabhängig und nicht strikt gehaftet.

(5)

Ausnahmen?

Etwas anderes folgt als Rechtsregel auch nicht aus der Entscheidung des Court of Appeal in Zwebner v The Mortgage Corp Ltd, in der eine relativ kleine Kanzlei von solicitors (B) – zunächst allein von der künftigen Hypothekengläubigerin (TMG) beauftragt – im Rahmen einer Hypothekenbestellung tätig wurde. Im Verlauf der Transaktion ging B allerdings davon aus, zusätzlich von den potentiellen Hypothekenschuldnern, dem Ehepaar Zwebner (Z), bestellt worden zu sein. Die Urkunde über die Hypothek (deed) war ebenso wie der retainer ein von TMG vorformuliertes Muster. B sandte dem in der Kanzlei nicht persönlich bekannten Ehepaar Z die Urkunde über die Hypothekenbestellung zur Unterschrift zu und erhielt sie kurze Zeit darauf zurück – scheinbar mit den Unterschriften beider Eheleute versehen. Tatsächlich wusste Mrs. Z allerdings nichts von einer Hypothekenbestellung auf dem beiden Eheleuten gemeinsam gehörenden Grundstück. Mr. Z, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, hatte seine Frau nicht informiert und ihre Unterschrift gefälscht. Die Hypothekenbestellung war damit unwirksam, die durch die Hypothek zu sichernde Summe aber bereits auf ein allein auf Mr. Z lautendes Konto ausgezahlt worden. Dieser wurde kurz darauf insolvent.

(a)

Strikte Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Durchführung des Unterschriftenverfahrens?

TGM verklagte nun die B. Diese habe TGM zunächst – entgegen dem Vertragswortlaut – keinen „good and marketable title to the property“ verschafft. Ferner habe sie es pflichtwidrig unterlassen, die Unterschriften der Eheleute Z in Gegenwart eines unbeteiligten Zeugen vornehmen zu lassen. In diesem Sinne sei ihre vertragliche Verpflichtung, die lautete „All appropriate documents will be properly executed on or before completion“, aber auszulegen. Erstinstanzlich hatte Lloyd J ebenso entschieden: “When it comes to the second undertaking, that all appropriate documents will be properly executed on or before completion, I see no ambiguity, doubt or

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653

qualification in that. It is a clear and unqualified warranty that the documents, which certainly include the mortgage deed, will have been properly executed, that is to say will have been signed as a deed by each of the borrowers in the presence of a witness.”4098 Die Beklagten argumentierten gegen die Annahme einer derartigen „warranty“, dass es für einen professionellen Dienstleister vollkommen unüblich sei, eine solche strikte Verpflichtung einzugehen. Bereits der County Court habe darauf hingewiesen, es sei “‘very far from sensible’ for a solicitor to give an unqualified warranty”. Eine entsprechende Annahme sei daher unangemessen, wenn – wie hier – der Vertragswortlaut Entsprechendes nicht klarer zum Ausdruck bringe. Schließlich – argumentierten die Beklagten weiter – hätten sie auch nicht mit einem Betrug zu rechnen brauchen. Denn Handelsbräuche, d.h. kommerzielle Praktiken im Wirtschaftsverkehr, basierten nicht auf der Annahme, der Geschäftspartner könne einen Betrug begehen. Sie seien allein auf die Vermeidung der mit einer Insolvenz des Geschäftspartners zusammenhängenden Risiken ausgerichtet. Für Transaktionen im Bereich des conveyancing müsse dasselbe gelten.

(b)

Die Argumentation des Court of Appeal in Zwebner

Diese Argumentation überzeugte den Court of Appeal nicht. Zwar seien Transaktionen im Bereich des conveyancing in der einen oder anderen Hinsicht kommerziell, doch würden sie „not generally regarded as being within the field of mercantile law“. Wichtiger ist für den Court of Appeal allerdings noch, dass “[t]raditionally the practice of conveyancers of unregistered land shows (especially in relation to mortgages protected by a deposit of title deeds) a lively awareness of the possibility of fraud. The risk of a husband forging his wife’s signature on a mortgage of their jointly-owned property is one which (as the expert witness said) was known long before the flood of more complex mortgage frauds came to light in 1991 and 1992.”4099 Dem weiteren Vortrag der Beklagten, sofern eine erste Hypothek eingetragen würde, seien dem beauftragten solicitor seine Auftraggeber bis dahin zumeist unbekannt und dasselbe gelte bei Eigentumsübertragungen an Grundstücken, bei denen dem für den Käufer auftretenden solicitor der Verkäufer in der Regel unbekannt sei, hielt der Court of Appeal entgegen, dass die käuferseitigen solicitors in diesem Fall von den solicitors des Verkäufers eine der hier in Rede stehenden gleichlautende Versicherung verlangen könnten, die, wenn sie nicht gewährt würde, die Käufer-solicitors ohnehin zu Nachforschungen anregen müsse. Darüber hinaus würden die (angeblich) vom Verkäufer beauftragten solicitors in diesem Fall sogar ohne ausdrückliche Versicherung

4098 4099

Wiedergegeben in Zwebner v The Mortgage Corp Ltd [1998] PNLR 769, 775 (CA). Zwebner v The Mortgage Corp Ltd [1998] PNLR 769, 777 per Robert Walker LJ (CA).

654

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

„normally be liable on an implied warranty of authority if on completion they handed over a transfer or conveyance with a forged signature“4100. Auch die Argumentation der Beklagten, dass die Formulierung „properly“ sich allein auf Formfragen, d.h. auf den Mechanismus der Vertragsdurchführung (ein Hong Kong-Style-conveyancing wie in Edward Wong sollte ausgeschlossen werden) beziehe, wies der Court of Appeal zurück. Zwar sei dies zweifellos auch beabsichtigt gewesen, das Gericht sei aber nicht überzeugt, “that the distinction between form and efficacy can be sustained, or that the consequences of giving weight to the word ‘properly’ are so unreasonable as to justify a construction which largely disregards it. It does not in this factual context make the solicitors guarantors of proper execution of documents by persons who are not their clients.”4101

(c)

Die Interpretation von Zwebner durch die nachfolgende Rechtsprechung

Diese Begründung lässt sich allerdings, wie der Court of Appeal in der Entscheidung Midland Bank plc v Cox McQueen, der ein ganz ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag4102, klargestellt hat, nicht verallgemeinern 4103. Vielmehr komme es auch bei ähnlich liegenden Sachverhalten auf den Inhalt des konkreten Vertrages an. Entschei4100

4101 4102 4103

Zwebner v The Mortgage Corp Ltd [1998] PNLR 769, 777 per Robert Walker LJ (CA). Der vollmachtslose Stellvertreter ist nach englischem Recht gegenüber Dritten grundsätzlich strikt für die Irreführung des Dritten verantwortlich, vgl. nur Penn v Bristol & West Building Society [1997] 1 WLR 1356, 1360 ff. per Waller LJ (CA); Reynolds, in: Chitty on Contracts II, §§ 31–099 f. Zwebner v The Mortgage Corp Ltd [1998] PNLR 769, 777 f. per Robert Walker LJ (CA). Vgl. zum Sachverhalt oben ab S. 629. Das Gericht bestätigte in diesem Zusammenhang (vgl. Midland Bank plc v Cox McQueen [1999] PNLR 593, 598 ff. per Lord Woolf MR (CA)) die Entscheidungen des Court of Appeal in der Sache Barclays Bank plc v Weeks Legg & Dean (a firm) [1998] 3 WLR 656. Das Gericht hatte hier in drei Fällen zugunsten von solicitors entschieden, die für die Erwerber von Grundstücken tätig geworden waren, und in dieser Eigenschaft von einer Bank den Kaufpreis in Empfang genommen hatten, der jeweils durch Sicherheiten an den erworbenen Grundstücken besichert werden sollte. Die solicitors hatten der Bank in diesem Zusammenhang in einem von der Law Society und der Bank vorformulierten Dokument jeweils versichert, alles empfangene Geld werde verwendet werden, um „a good marketable title“ an den Grundstücken zu erwerben. Die Banken nahmen jeweils die solicitors mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, dass es diesen jeweils nicht gelungen sei, einen Titel zu erwerben, der ausreichend Sicherheit für die Banken bot. Der Court of Appeal entschied, nach dem verwendeten Vertragstext sei der solicitor nur verpflichtet, das zu erwerben, „what a reasonably competent solicitor acting with proper skill and care would accept as good marketable title“, sodass es im dritten Fall keine Rolle spielte, dass die Unterschrift auf den Dokumenten, die den Kaufvertrag bildeten, gefälscht war (vgl. S. 670 f. per Millet LJ).

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655

dend sei für die Entscheidung in Zwebner gewesen, dass die Beklagten dort versprochen hätten, „[to] properly execute[d]“: “The obvious distinctions between Zwebner and this case on the facts are that here the obligation was not to ‘properly execute’ the documents but to obtain the signatures of Mr and Mrs Dukes and certify and not undertake that Mrs Dukes understood the document and signed it of her own free will. These do not amount to dramatic distinctions between the two cases. On the other hand it is clear that the words ‘properly executed’ were ones to which Robert Walker LJ attached significance and they do involve a statement as to the quality of the execution which is absent in the retainer here.”4104 Auf der Grundlage der durchaus ähnlich liegenden Fakten im vorliegenden Fall sah sich Lord Woolf MR weder dazu gezwungen noch dazu in der Lage, Zwebner zu folgen und eine strikte bzw. absolute Verpflichtung mit dem Inhalt anzunehmen, dass der Beklagte die Unterschrift der wahren Ehefrau sicherzustellen habe. Er sei nicht bereit das Attribut „properly“ in den Vertrag einzufügen – und damit Zwebner einen weiteren Anwendungsbereich zu verschaffen als nötig –, wenn die Parteien nicht von sich aus eine entsprechend qualifizierte Pflicht vereinbart hätten. Eine implication scheidet also auch bei ganz ähnlicher Sachlage in aller Regel aus4105: “The obligation was not absolute. In those circumstances I do not feel constrained by the decision in Zwebner and I am not prepared to imply into the retainer the word ‘properly’ which does not appear, nor am I prepared to assimilate a certificate with an undertaking. Lines do have to be drawn so that two cases dealing with similar facts produce different results. This is undesirable but inevitable. In my judgment the decision in Zwebner should not be given a wide application. To do so would ignore the wider consequences of our decision.”4106 Die Entscheidung in der Sache Zwebner ist mithin nicht verallgemeinerungsfähig, sondern eine ganz auf den Fakten des konkreten Falles beruhende Einzefallentscheidung. Im Hintergrund steht dabei scheinbar die Überlegung, dass kein solicitor „could be properly advised to accept [such a liability ]“4107.

(6)

Fazit

Im Lichte dieser Feststellungen kann – parallel zum Architektenhaftungsrecht – nur das Fehlen einer Rechtsregel über die strikte Haftung beim conveyancing konstatiert werden. Insofern scheidet die Implikation strikter Pflichten in law aus. Die strikte 4104 4105

4106 4107

Midland Bank plc v Cox McQueen [1999] PNLR 593, 602 per Lord Woolf MR (CA). Vgl. dazu auch Mercantile Credit Company Ltd v Fenwick [1999] 2 FLR 110 (CA, WestlawSummary). Midland Bank plc v Cox McQueen [1999] PNLR 593, 602 f. per Lord Woolf MR (CA). So Barclays Bank plc v Weeks Legg & Dean [1998] 3 WLR 656, 670 per Millet LJ (CA).

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656

Haftung bleibt damit auf Ausnahmefälle beschränkt und ist nur bei ausdrücklicher Vereinbarung oder auf der Grundlage einer im Einzelfall erfolgenden implication in fact denkbar.

e)

Zwischenergebnis

Für die hier untersuchten Dienstleister lässt sich nach alledem konstatieren, dass eine strikte Verpflichtung implied in law by courts in aller Regel ausscheidet. Anderes gilt im Ansatz nur im Rahmen der Medizinproduktehaftung für kaufähnlich ausgestaltete Verträge. Auch insoweit ergeben sich aber nach common law Grenzen der strikten Haftung, z.B. für die Verschaffung von Körpersubstanzen, die unter bestimmten Voraussetzungen nicht kaufähnlich als „goods“ qualifiziert werden. Daran dürfte auch das Inkrafttreten des SGSA nichts geändert haben, zumal dessen Bedeutung in diesem Zusammenhang nicht einmal diskutiert wird.

3.

Implikation strikter Pflichten durch den Supply of Goods and Services Act 1982

Praktisch relevant – und daher näher zu behandeln – sind die Regeln des SGSA „for the transfer of property in goods“ sowie „for the hire of goods“, soweit sie strikte Verpflichtungen implizieren, hinsichtlich der hier untersuchten Dienstleister nur im medizinischen Kontext4108. Denn weder Anwalt noch Architekt werden im Rahmen ihrer vertraglichen Pflichten in praktisch relevanter Weise „goods“ i.S.d. SGSA zu überlassen haben. Zwar werden auch im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen Dokumente übereigent werden (Stellungnahmen, Skizzen, Baupläne). Diese Dokumente aber unter Anwendung von s. 4 SGSA dahin auszulegen, dass sich der Dienstleister dazu verpflichten will, strikt für die Zwecktauglichkeit der Dokumente – und damit mittelbar auch für die in ihnen in Bezug genommenen Dienstleistungen4109 – zu haften, wie dies teilweise in der Literatur erwogen worden ist, dürfte falsch sein4110. Denn wie berichtet wollte der Gesetzgeber im SGSA lediglich das geltende common law kodifizieren. Eine anders lautende Entscheidung gibt es dann auch nicht. Vor diesem Hintergrund wird, nachdem die entsprechenden Regeln abstrakt vorgestellt 4108 4109

4110

Dazu ab S. 663. Bsp.: Der Architekt übereignet die von ihm entworfenen Baupläne. Für deren Tauglichkeit zur Errichtung eines den Zwecken des Gläubigers entsprechenden Gebäudes haftet der Architekt – folgt man der im Text genannten Theorie – sorgfaltsunabhängig. Entspricht das plangemäß errichtete Gebäude den Zwecken des Gläubigers nicht, war der Bauplan nicht zwecktauglich. Der Architekt haftet für das nicht zwecktaugliche Design – vermittelt über den nicht zwecktauglichen Plan – strikt. Ebenso Emden/Palmer, §§ II–171-199 m.N. zu abweichenden Stimmen in der Literatur („The theory is an adventurous one, and a modern court would probably strive to resist it.“); wie hier auch Emden/Redmond-Cooper, §§ II–665-670, der das für eine strikte Haftung erforderliche Vertrauen des Gläubigers in skill und judgement des Architekten insoweit für nicht gegeben hält.

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

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worden sind (a), lediglich auf die Bedeutung des SGSA für die Arzthaftung einzugehen sein (b).

a)

Die Regeln des SGSA „for the transfer of property in goods“ sowie „for the hire of goods“

Der SGSA sieht für Verträge „for the transfer of property in goods“ und für Verträge „for the hire of goods“ in ss. 4 und 9 SGSA gesetzlich zu implizierende Vertragsbestandteile vor, die den in course of a business4111 handelnden supplier (transferor oder bailor) strikt dafür haften lassen, dass die überlassenen oder vermieteten Gegenstände weitestgehend den Anforderungen entsprechen, die auch an gekaufte Ware gestellt würden.

aa) Contracts for the transfer of property in goods Die ss. 1-5 SGSA finden u.a. auf die bereits vorgestellten Verträge „for work and materials“, d.h. insbesondere auf den Design-and-Build Contract und seine Derivate Anwendung4112.

(1)

Sachlicher Anwendungsbereich

Den sachlichen Anwendungsbereich der ss. 1-5 SGSA definiert s. 1(1) SGSA, die eine Vielzahl kaufähnlicher Verträge erfasst und den Vertrag „for the transfer of goods“ als einen Vertrag definiert, „under which one person transfers or agrees to transfer to another the property in goods“. Dabei kommt es gemäß s. 1(3) SGSA nicht darauf an, ob neben der Übertragung gleichzeitig Dienstleistungen erbracht werden4113. Ohne Belang ist ferner, von welcher Art die consideration ist. Einige Verträge – u.a. Warenkaufverträge – werden explizit aus dem Anwendungsbereich ausgenommen (vgl. s. 1(1), (2) (a)-(e) SGSA); denn zum Teil existierten insoweit bereits anderweitige gesetzliche Regeln4114. Die ss. 2 bis 5 SGSA sehen gesetzlich in den Vertrag zu implizierende Regeln vor, die den in ss. 12 bis 15 SGA für den Warenkauf normierten weitestgehend entsprechen4115:

4111 4112

4113 4114 4115

Vgl. zu diesem Tatbestandsmerkmal sec. 18(1) SGSA. Vgl. James, [1983] JBL 10, 11; Palmer, (1983) 46 MLR 619, 620; Cornes, Design, § 4.1.1; Emden/Palmer, § II–243; Emden/Redmond-Cooper, § II–655 ff. Vgl. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 621. Näher James, [1983] JBL 10, 12. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 620; Emden/Palmer, § II–253; James, [1983] JBL 10, 12.

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

658

(2)

Inhaltliche Parallelen zum Warenkaufrecht

Folglich bestimmt s. 2(1) SGSA parallel zu der in s. 12(1) SGA für den Warenkauf getroffnen Regelung, dass der Übertragende zur Übertragung berechtigt sein muss, während s. 2(2) SGSA – parallel zu s. 12(2) SGA – vorsieht, dass die übertragenen Güter frei von Abgaben und Lasten sein müssen, die dem Übernehmer (transferee) nicht offengelegt wurden oder bekannt sind. S. 3 SGSA impliziert einen term, der an s. 13 SGA angelehnt ist und bestimmt, dass das übertragene Gut mit einer zuvor durch den transferor abgegebenen Umschreibung korrespondiert. In s. 4 SGSA finden sich s. 14(2), (3) SGA entsprechende Bestimmungen dahin, dass das übertragene Gut von zufrieden stellender Qualität zu sein hat (s. 4 (2)-(3) SGSA), und darüber, unter welchen Umständen das übertragene Gut für den (explizit oder implizit) kommunizierten Verwendungszweck taugen muss (s. 4(4), (5) SGSA)4116. In s. 5 SGSA findet sich schließlich eine dem in s. 15 SGA geregelten Kauf nach Muster entsprechende Regelung für die Übertragung nach Muster4117.

(3)

Grenzen der parallelen Ausgestaltung

Die Parallele zum Kaufrecht ist allerdings nicht bis in jede Einzelheit durchgehalten worden, sodass durchaus ein gewisser Spielraum für eine von der Regelung im SGA abweichende Interpretation der Bestimmungen des SGSA bleibt4118. So ist aufgrund des Fehlens einer ss. 11(4) und 35 SGA entsprechenden Regelung im SGSA z.B. unklar, ob und unter welchen Voraussetzungen die in den ss. 2 bis 5 SGSA vorgesehenen implied terms als warranties zu qualifizieren sind. Denn der Begriff „condition“ wird in diesen Bestimmungen bewusst neutral verwendet und – anders als in ss. 11(3) und 53(1) SGA – findet sich in ihnen auch keine Rechtsfolgenregelung, die für diese Frage fruchtbar gemacht werden könnte. Ein weiterer Mangel ist, dass sich im SGSA – wiederum anders als im SGA – keine Regelung über den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs findet. Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, weil die gesetzlichen Pflichten augenscheinlich in diesem Zeitpunkt erfüllt sein müssen. In der Literatur geht man gleichwohl davon aus, dass sich die Gerichte – losgelöst vom Fehlen einer parallelen Normierung – an den ss. 16 bis 18 SGA orientieren können4119.

bb) Contracts for the hire of goods Vergleichbare terms werden durch ss. 7 bis 10 SGSA in Verträge über die Vermietung von Mobilien impliziert. Den Vertrag „for the hire of goods“ definiert s. 6(1) SGSA 4116

4117

4118 4119

Näher dazu Emden/Palmer, § II–251; zur Medizinproduktehaftung in diesem Zusammenhang ab S. 664. Vgl. zum sale by sample Murdoch, (1981) 44 MLR 388 ff.; Reynolds, in: Benjamin’s Sale of Goods, §§ 11–090 ff. Vgl. zum Folgenden Palmer, (1983) 46 MLR 619, 622 f. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 623.

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659

insofern als einen Vertrag, „under which one person bails or agrees to bail goods to another by way of hire“. Von dieser Definition nimmt s. 6(2) SGSA wiederum bestimmte Verträge aus, während s. 6(3) SGSA klarstellt, dass es auch für die Implikation der ss. 7 bis 10 SGSA keine Rolle spielt, ob gleichzeitig mit der Vermietung Dienstleistungen erbracht werden und dass es ferner erneut ohne Belang ist, von welcher Art die consideration des bailee ist. Die ss. 7 bis 10 SGSA lehnen sich ebenso an die ss. 12-15 SGA an wie die ss. 2-5 SGSA4120: s. 7(1), (2) SGSA entspricht s. 12(1), (2) SGA, schließt aber weder einen express noch einen implied term aus, nach dem der bailor berechtigt ist, die Sache wieder in Besitz zu nehmen (s. 7(3) SGSA)4121. Im Übrigen entspricht s. 8 SGSA der s. 13 SGA und s. 9 SGSA enthält s. 14(2), (3) SGA vergleichbare Regelungen über Qualität und Zwecktauglichkeit. Schließlich ist in s. 10 SGSA eine s. 15 SGA entsprechende Regelung vorgesehen.

cc) Grenzen der Haftungsentlastung durch Vertragsgestaltung Die gemäß ss. 1 ff., 6 ff. SGSA zu implizierenden terms können gemäß s. 11(1) SGSA insoweit ausgeschlossen werden, als der Ausschluss einerseits den Vorgaben des UCTA genügt und anderseits ausdrücklich sowie derart formuliert ist4122, dass eine Implikation mit der Formulierung der Ausschlussklausel unvereinbar ist (s. 11(2) SGSA). Der Verweis auf den UCTA betrifft vor allem dessen s. 7, die diejenigen Verträge über den supply of goods regelt, die keine Warenkauf- oder Ratenkaufverträge (hire-purchase contracts) sind4123. Die Parallelität zwischen supply of goods und Kaufrecht setzt sich auch im UCTA fort. Gänzlich ausgeschlossen ist die Freizeichnung – ähnlich wie nach § 475 BGB jedoch unter Einbeziehung des Schadensersatzes – nur für Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern: Denn gemäß s. 7(2) UCTA kann die Haftung für die Verletzung eines implied terms nach ss. 3-5, 8-10 SGSA gegenüber Verbrauchern nicht ausgeschlossen oder begrenzt werden (vgl. parallel dazu s. 6(2) UCTA). Gleiches gilt gemäß s. 7(3A) UCTA für den Ausschluss des nach s. 2 SGSA zu implizierenden terms (vgl. hierzu parallel s. 6(1) UCTA). Liegt kein Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer vor, sind entsprechende Vereinbarungen nach s. 7(3) UCTA nur einem reasonableness-Test unterworfen.

b)

Part I des Supply of Goods and Services Act 1982 im medizinischen Kontext

Im medizinischen Kontext bereitet die Fixierung des „Ob“ und „Wie“ der Anwendbarkeit der ss. 1 ff, 6 ff. SGSA größere Probleme als bspw. im Bauvertragsrecht. 4120

4121 4122

4123

Auch diese Bestimmungen lassen aber so manche Frage ungeklärt, vgl. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 624 ff. Zu den Grenzen einer Rücknahmeberechtigung vgl. Palmer, (1983) 46 MLR 619, 625. Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer Haftungsfreizeichnung nach dem UCTA vgl. Schmidt-Kessel, Standards, S. 479 ff. m.w.N. Diese werden in s. 6 UCTA geregelt.

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660

aa) Grenzen der Annahme eines transfer Im Rahmen der ärztlichen Behandlung wird der Patient bei vielen Gelegenheiten durch den Arzt mit bestimmten medizinischen Produkten versorgt werden. Dabei kann es durchaus zu einem „transfer of goods“ gemäß s. 1(1) SGSA kommen, z.B. bei der Versorgung des Patienten mit speziellen, vom Arzt entwickelten und produzierten Medikamenten, mit Prothesen, Zahnspangen usw. Sehr häufig wird der Arzt seinem Patienten allerdings bestimmte Gegenstände – bspw. Schienen oder Krücken – im Rahmen der Behandlung nur auf Zeit überlassen. Insoweit unterfällt die Überlassung s. 6(1) SGSA.4124 Häufig wird man die Anwendbarkeit der s. 1 ff., 6 ff. SGSA auf derartige Situationen allerdings verneinen müssen. Lediglich beispielhaft sei insoweit auf die chemische Wundreinigung durch einen Arzt mit anschließender Einsalbung der Verletzung verwiesen. 4125 Die Annahme, dass hier im Zuge der Behandlung das Eigentum an dem chemischen Reinigungsmittel vom Arzt auf den Patienten übertragen wurde, wirkt zumindest künstlich, wenn nicht gar gezwungen. 4126 Denn der Patient als Konsument4127 kann zu keiner Zeit über die ihm zugeführten Güter verfügen – diese werden ja im Moment des Aufbringens auf den Körper verbraucht – und er ist daher schwerlich als deren „Erwerber“ identifizierbar.4128 In der Literatur wird freilich für möglich gehalten, dass in derartigen Fällen – ungeachtet der Unanwendbarkeit des SGSA – per common law terms in den Vertrag eingefügt werden können, die den in s. 4 SGSA vorgesehenen entsprechen. 4129 In der Rechtsprechung ist diese Frage, soweit ersichtlich, noch nicht geklärt.

bb) Grenzen der Qualifikation von Gegenständen als „Goods“ Während die bei der Behandlung verwendeten medizinische Produkte im Normalfall ohne weiteres eigentumsfähig sind und Gegenstand kommerzieller Transaktionen sein können, bereitet die Konkretisierung des Begriffs „goods“ im Zusammenhang mit Behandlungen, die unter Einsatz von „Materialien“ menschlichen Ursprungs (Organen, Blut, Plasma, Sperma) durchgeführt werden, einige Schwierigkeiten, da 4124 4125

4126 4127

4128

4129

Vgl. Bell, (1984) 4 LS 175, 178. Ein weiteres Beispiel bildet die Untersuchung per Ultraschall (Sonographie), bei welcher der Arzt zunächst ein Gel aufträgt, welches vermeiden soll, dass Luft zwischen den Schallkopf und das Gewebe gerät. „Erwirbt“ der Patient hier das Ultraschallgel? Bell, (1984) 4 LS 175, 178. Dieselbe Problematik stellt sich bspw. für Verträge mit Friseuren, sofern nicht lediglich ein Haarschnitt, sondern daneben noch eine Haarwäsche und das anschließende Frisieren vereinbart werden. „Erwirbt“ der Kunde in diesem Fall das verwendete Shampoo, Haargel, Haarspray, die Tönung, Farbe, etc.? Palmer, (1983) 46 MLR 619, 622; vgl. die entsprechenden Überlegungen zur Eigentumssituation bei der Verarbeitung von Materialien in Borden (UK) Ltd v Scottish Timber Products Ltd [1979] 3 All ER 961, 973 per Templeman LJ (CA). Palmer, (1983) 46 MLR 619, 622 verweist insoweit auf Ingham v Emes [1955] 2 QB 366.

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

661

das common law lange Zeit davon abgesehen hat, zumindest solche Gegenstände als „goods“ zu qualifizieren, die dem Körper eines Toten entnommen worden sind.4130 Hält man an dieser traditionellen Auffassung fest und überträgt sie auf die dem Körper eines Lebenden entnommenen Bestandteile, fallen Transplantationen und Transfusionen ebenso wenig in den Anwendungsbereich des SGSA wie die Insemination.4131

(1)

Übertragbarkeit der Regeln über Körperteile Verstorbener?

Es unterliegt allerdings ernsthaften Zweifeln, ob das common law wirklich eine universelle Regel kennt,4132 nach der ehemalige Bestandteile des menschlichen Körpers nicht eigentumsfähig sind. Der australische High Court hat dies für Bestandteile eines Leichnams in der Sache Doodeward v Spence ausdrücklich verneint. 4133 Diese Entscheidung hat der Court of Appeal jüngst in der strafrechtlichen Sache R v Kelly ausdrücklich bestätigt, in der ein Künstler einen dort beschäftigten Techniker überredet hatte, Leichenteile aus dem Royal College of Surgeons zu stehlen, die der Künstler bearbeiten wollte. Zwar bestätigte das Gericht zunächst die vorgenannte Regel des common law ungeachtet ihrer historischen Fragwürdigkeit. 4134 Da die Regel, dass ein Leichnam nicht „gestohlen“ werden könne, in allen vorhergehenden Entscheidungen anerkannt worden sei, sei allein der Gesetzgeber in der Lage, ihre Geltung aufzuheben.

(2)

Grenzen der Übertragbarkeit

Nachdem sich der Court of Appeal derart allgemein geäußert hatte, ging er allerdings im wichtigsten Teil der Entscheidung auf eine Ausnahme von der Regel ein und erklärte s. 4 Theft Act 1968 losgelöst von der Anerkennung der Regel für anwendbar, sofern den ehemaligen Körperbestandteilen durch die Anwendung von Sachkunde – etwa durch Präparieren oder Konservieren – neue Attribute beigefügt worden sind.4135 Auch weitere Ausnahmen sind nach Auffassung des Gerichts keineswegs durch die ältere Rechtsprechung pläkludiert. Der Court of Appeal hält es, im Gegenteil, mit dem Argument, dass das common law stets in der Entwicklung befindlich sei, ausdrücklich für möglich, dass insbesondere Körperbestandteile, die zur medizinischen Behandlung dienen sollen, eigentumsfähig sein können: 4130

4131 4132 4133

4134 4135

Zu den historischen Ursprüngen dieser Regel im sakralen Recht vgl. Meyers, The Human Body, S. 183 ff.; Grubb, (1998) 6 Med L Rev 247, 248; ders., (1998) 3 Med Law Int 299, 307. Vgl. Bell, (1984) 4 LS 175, 178. Vgl. für viele Sealy, in: Benjamin’s Sale of Goods, § 1–089; Bell, (1984) 4 LS 175, 178. Doodeward v Spence (1908) 6 CLR 406, 413 f. per Griffith CJ, S. 417 per Barton J; a.A. S. 423 f. per Higgins J (dissenting). R v Kelly [1998] 3 All ER 741, 749 per Rose LJ (CA). R v Kelly [1998] 3 All ER 741, 749 per Rose LJ.

662

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

“Furthermore, the common law does not stand still. It may be that if, on some future occasion, the question arises, the courts will hold that human body parts are capable of being property for the purposes of section 4, even without the acquisition of different attributes, if they have a use or significance beyond their mere existence. This may be so if, for example, they are intended for use in an organ transplant operation, for the extraction of DNA or, for that matter, as an exhibit in a trial.”4136 Damit befindet sich der Court of Appeal durchaus auf einer Linie mit der jüngeren Literatur, die angesichts der Legititmität und Verbreitetheit der Verwendung menschlicher Körperbestandteile zum Zwecke medizinischer Behandlung davon ausgeht, es stehe den Gerichten frei, festzustellen, dass sich die Wahrnehmung dieser Körperbestandteile durch die Gesellschaft zumindest im vorstehenden Kontext geändert habe, sodass in jenem Kontext auch deren Qualifikation als „goods“ zulässig sei. 4137 Wichtig ist vor allem, dass sich die Feststellungen des Court of Appeal insoweit nicht auf Teile eines Leichnams beschränken, sondern auch Körperbestandteile lebender Menschen einbeziehen: Das Gericht spricht ausdrücklich nicht von „parts of a corpse“, sondern von „human body parts“. Diese praktisch wohl bedeutsamere Frage,4138 wurde vor der Entscheidung in R v Kelly bereits in drei anderen strafrechtlichen Entscheidungen indirekt bejaht,4139 eine ausdrückliche Entscheidung stand aber bis zur Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Yearworth & Ors v North Bristol NHS Trust4140 noch aus,4141 in der der Court of Appeal Eigentumsrechte an eingefrorenen Spermien ausdrücklich anerkannt hat. Die „no property“-Regel stand dem richtigerweise ohnehin nicht entgegen, denn diese Regel bezieht sich allein auf Leichenteile. 4142 Zwingende sonstige Gründe, die Eigentumsrechte an Körperbestandteilen als „Sachen“ ausschließen, waren nicht ersichtlich,4143 zumal auch die Gesetzeslage keine eindeutigen Schlüsse rechtfertigt. 4144 Der BGH hat die vorgenannte Frage überzeugend dahin beantwortet,4145 dass getrennte Körperteile wie Haare, gespendetes Blut oder Sperma und zur Transplan-

4136

R v Kelly [1998] 3 All ER 741, 750 per Rose LJ. Vgl. etwa Bell, (1984) 4 LS 175, 178; ähnlich Grubb, (1998) 3 Med Law Int 299 ff.; vgl. auch Herring/Chau, (2007) 15 Med L Rev 34 ff.; Nwabueze, (2008) 16 Med L Rev 201 ff. 4138 Ebenso Grubb, (1998) 6 Med L Rev 247, 250. 4139 R v Welsh [1994] RTR 478 (Urin); R v Rothery [1976] RTR 550 (Blut); R v Herbert (1961) 25 Journal of Criminal Law 163 (Haare) (zit. nach Grubb, a.a.O.). 4140 [2009] EWCA Civ. 37; dazu Quigley, (2009) 17 Med L Rev 457 ff. m.w.N. 4141 Grubb, (1998) 6 Med L Rev 247, 251. 4142 Grubb, (1998) 6 Med L Rev 247, 251. 4143 Grubb, (1998) 6 Med L Rev 247, 251; Dworkin/Kennedy, (1993) 1 Med L Rev 291, 298 ff. passim; Harmon, (2006) 7 Med Law Int 329 ff. 4144 Vgl. zu ihr Grubb, (1998) 3 Med Law Int 299, 304. 4145 Ebenso Palandt /Ellenberger, BGB § 90 Rn. 3; kritisch aber Taupitz, NJW 1995, 745, 746 ff.; Nixdorf, VersR 1995, 740, 742 f. 4137

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

663

tation entnommene Organe weiterhin zum Schutzgut Körper gehören – also nicht eigentumsfähig sind –, sofern sie zur Bewahrung von Körperfunktionen oder zur späteren Wiedereingliederung in den Körper bestimmt sind.4146 Andernfalls werden sie bewegliche Sachen i.S.d. § 90 BGB, wobei sich die Herrschaft des Menschen über seinen Körper in analoger Anwendung des § 953 BGB mit der Trennung ipso facto in sein Eigentum über die abgetrennten Teile verwandelt. 4147

(3)

Fazit

Der Eigentumserwerb des „Spenders“ dürfte im englischen Recht nur dogamtisch umstritten sein,4148 während die Frage, ob z.B. Blut und Sperma nur unter der Voraussetzung „goods“ i.S.d. SGSA bilden, dass eine gewisse Form der Verarbeitung stattgefunden hat, durch die Entscheidung des Court of Appeal in Yearworth geklärt sein dürfte. 4149 Unterstützung für diese Tendenz fand sie nicht nur in der jüngeren Literatur, sondern auch in der Empfehlung der Pearson Commission, dass Blut als „product“ i.S.d. strikt ausgestalteten gesetzlichen Produkthaftung4150 qualifiziert werden sollte. 4151 In der Literatur wird – unter Hinweis auf die kanadische Rechtsprechung – allerdings auch für möglich gehalten, dass die Gericht dieser Frage dadurch ausweichen, dass sie die ärztliche Behandlung mit menschlichen Körpersubstanzen nicht als supply of goods and services, sondern als reinen service-Vertrag qualifizieren,4152 sodass allein s. 13 SGSA Anwendung findet.

cc) Zufriedenstellende Qualität Gemäß ss. 4(2), 9(2) SGSA ist der Arzt strikt verpflichtet,4153 sicherzustellen, dass die von ihm gelieferten oder vermieteten goods von zufrieden stellender Qualität

4146 4147

4148

4149 4150

4151

4152

4153

BGHZ 124, 52, 54 f. Vgl. dazu Palandt /Ellenberger, BGB § 90 Rn. 3; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 208 ff. mit weiteren Gestaltungsmöglichkeiten. Vgl. zu den diskutierten Konstruktionsmöglichkeiten Grubb, (1998) 3 Med Law Int 299, 305 f. Yearworth & OH v North Bristol NMS Trust [2009] EWCA Civ. 37. Die gesetzliche Produkthaftung nach dem Consumer Protection Act 1987 ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung, vgl. zu ihr ausführlich etwa Teff, in: Grubb, Principles, § 15; Williamson, (2002) 5 Med Law Int 281 ff.; Jones, Negligence, §§ 8–052 ff.; Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 1642 ff. Zur Haftung für HIV-verseuchte Blutkonserven nach deutschem Recht vgl. BGH, NJW 2005, 2614 ff. Royal Commission on Civil Liability and Compensation for Personal Injury, Cmnd. 7054 (1978), Vol. I, § 1276, zit. nach Jones, Negligence, § 2–013 m. Fn. 49. Kennedy/Grubb, Medical Law, S. 1650, die selbst allerdings eine Qualifikation als Vertrag über den supply of goods and services befürworten, a.a.O. S. 1780. Vgl. Bell, (1984) 4 LS 175, 178.

664

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

sind. Die gesetzliche Definition der „satisfactory quality“ in ss. 4(2A), 9(2A) SGSA lehnt sich eng an den Vorgaben des SGA an (vgl. s. 14(2A) SGA): Inhaltlich bewirkt diese Verpflichtung zunächst, dass die bei der Behandlung verwendeten Materialien dem Patienten nicht schaden dürfen. 4154 Dies bedeutet freilich umgekehrt nicht, dass die Behandlungsmittel den Erfolg der Behandlung garantieren müssen.4155 Vielmehr kommt es – parallel zur Rechtslage beim Warenkauf – darauf an, wie der Arzt dem Patienten gegenüber die Wirkung des jeweiligen Produkts dargestellt hat.4156 Wird dem Patienten also ein Medikament als „Schmerzmittel“ übergeben, muss es zur Schmerzlinderung derart tauglich sein, wie man es von einem durchschnittlichen Schmerzmittel vernünftigerweise erwarten darf. 4157 Auch insoweit gilt freilich ein komparativer Maßstab: Übergibt der Arzt dem Patienten wortlos eine Prothese, muss diese das fehlende Körperteil im vernünftigerweise zu erwartenden Umfang ersetzen. Beschreibt der Arzt hingegen ein Schmerzmittel als besonders stark oder wirksam, hat er das Erreichen eines dementsprechenden Standards sicherzustellen. Dabei kommt es allerdings gemäß ss. 4(2A), 9(2A) SGSA nicht auf die Erwartungen des konkreten Patienten, sondern – den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung entsprechend – auf die Erwartungen eines vernünftigen Dritten angesichts der Umschreibung des Arztes an. Weiß der konkrete Patient jedoch um bestimmte Defizite des übergebenen Produkts oder sind sie ihm ausdrücklich zur Kenntnis gebracht worden, dürfte dies als einer der bei der Bestimmung der „satisfactory quality“ relevanten Umstände (vgl. ss. 4(2A), 9(2A) SGSA a.E.) zu berücksichtigen sein.4158 So kann bspw. ein Medikament, das bekanntermaßen unerwünschte Nebeneffekte (allergische Reaktion) auslöst, gleichwohl von zufrieden stellender Qualität i.S.d. SGSA sein.4159 Dass es insoweit jedenfalls auch auf die vermittelten Informationen ankommt, belegt die Entscheidung in der Sache Wormell v RHM Agriculture (East) Ltd, in der ausdrücklich festgestellt wird, dass auch eine irreführend formulierte Gebrauchsanweisung dazu führen kann, dass eine Chemikalie nicht von zufrieden stellender Qualität ist bzw. in angemessener Weise für den Verwendungszweck taugt.4160

dd) Tauglichkeit für den kommunizierten Verwendungszweck Im Übrigen müssen die übergebenen Behandlungsmittel in angemessener Weise zur Erreichung jedes Zwecks tauglich sein, den der Patient dem Arzt explizit oder implizit mitteilt (ss. 4(4), (5), 9(4), (5) SGSA). Etwas anderes gilt nur, sofern der Patient hinsichtlich der Zwecktauglichkeit nicht auf Sachkunde und Urteil des Arztes ver4154 4155 4156 4157 4158 4159 4160

Vgl. Bell, (1984) 4 LS 175, 178; Jones, Negligence, § 2–013. Jones, Negligence, § 2–014. Bell, (1984) 4 LS 175, 179. Bell, (1984) 4 LS 175, 179. Bell, (1984) 4 LS 175, 179. Jones, Nelgigence, §§ 2–014, 8–006 m. Fn. 14. Wormell v RHM Agriculture (East) Ltd [1986] 1 All ER 769, 779 per Piers Ashworth QC (HC).

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

665

traut oder es für ihn unvernünftig wäre, darauf zu vertrauen4161 (ss. 4(6), 9(6) SGSA).

(1)

Vernünftiges Vertrauen

Im Regelfall wird der Patient indessen selbstverständlich auf Sachkunde und Urteil seines Arztes vertrauen und auch dazu berechtigt sein. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Patient bei der Beurteilung der Zwecktauglichkeit der Behandlungsmittel durch den Arzt vernünftigerweise nur auf die Ausübung angemessener Sorgfalt vertrauen darf, sodass gemäß ss. 4(6), 9(6) SGSA nur diese geschuldet ist, oder ob der behandelnde Arzt – in den sogleich zu erörternden Grenzen möglicher Zweckverfolgung – verpflichtet ist, die Zwecktauglichkeit zu garantieren, weil der Patient ebendarauf vertrauen darf 4162. Während für die erste Alternative die Erwägung streitet, dass der ärztlichen Behandlung unausweichlich Risiken immanent sind, die auch die Beurteilung der Zwecktauglichkeit der eingesetzten Behandlungsmittel erfassen, spricht die parallele Ausgestaltung der gesetzlichen Regeln über den supply of goods zu denen über den sale of goods deutlich für die zweite Alternative4163. Denn dem Verkäufer eines Medikaments, z.B. eines nicht rezeptpflichtigen Schmerzmittels, ist es u.U. genauso wenig wie dem supplier dieses Medikaments tatsächlich möglich, dessen Zwecktauglichkeit zu garantieren. Gleichwohl haftet der seller für die Zwecktauglichkeit zweifellos strikt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es gemäß ss. 4(6), 9(6) SGSA auf die Erwartungen der Öffentlichkeit ankommt, und diese werden in der Tat kaum zwischen sale und supply of goods differenzieren. Die Rechtsprechung erkennt dies an, wenn sie eine Qualifikation des Vertrages über die Lieferung von Zahnersatz ausdrücklich dahinstehen lässt4164. Es spricht also einiges dafür, die Haftung für die Zwecktauglichkeit der verwendeten „goods“ auch im Bereich der ärztlichen Behandlung als strikt zu qualifizieren und die Angemessenheit der Belastung des Artzes über eine Konkretisierung der zulässigerweise verfolgbaren Zwecke zu steuern.

(2)

Tauglichkeit für welchen Zweck?

Dabei kommen zunächst mehrere Zwecke in Betracht, für deren Erreichung das Behandlungsmittel potentiell tauglich sein müssen könnte4165: (1) Die Behandlungsmittel müssen ganz allgemein für die Behandlung von Menschen tauglich, d.h. nur (aber immerhin) nicht schädlich sein. (2) Die Behandlungsmittel müssen zur Heilung des körperlichen oder seelischen Defekts, den der Arzt diagnostiziert hat, tau4161

4162 4163 4164 4165

Die Verpflichtung zu fitness for purpose scheidet auch im Lichte des bis zum Inkrafttreten des SGSA geltenden common law aus, vgl. Emden/Palmer, §§ II–291 ff. Bell, (1984) 4 LS 175, 179 f. Vgl. dazu Bell, (1984) 4 LS 175, 180. Vgl. dazu oben ab S. 635. Vgl. wiederum Bell, (1984) 4 LS 175, 180.

666

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

gen. (3) Die Behandlungsmittel müssen zur Heilung des tatsächlich vorliegenden Defekts taugen, womit dem Arzt gleichzeitig mittelbar eine strikte Haftung für die Richtigkeit seiner Diagnose auferlegt wird. Da Letzteres der gesamten bisherigen Rechtsprechung zuwiderläuft, nach der der Arzt in Fragen der Diagnose lediglich für Sorgfalt und Sachkunde haftet, und der Gesetzgeber im SGSA lediglich das bis dahin geltende common law kodifizieren wollte, scheidet Option (3) aber offensichtlich aus4166. Dies gilt umso mehr, als durch die Annahme einer entsprechenden Verpflichtung des Arztes s. 13 SGSA in weiten Teilen der medizinischen Behandlung unanwendbar wäre, was mit der gesetzgeberisch intendierten Systematik des SGSA unvereinbar sein dürfte4167. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens, das geltende common law zu kodifizieren, sind bei der Auslegung der ss. 4(4), (5), 9(4), (5) SGSA vor allem die Entscheidungen Dodd v Wilson und Samuel v Davis zu berücksichtigen. Während in Samuels v Davies für eine strikte Haftung bezüglich der Zwecktauglichkeit der Zahnprothese in dem Sinn plädiert wird, dass diese der Ehefrau des Klägers nicht nur nicht schaden dürfe, sondern von ihr, im Gegenteil, „for the purpose of eating and talking in the ordinary way“4168 verwendet werden könne, was für eine Auslegung i.S.d. Variante (2) spricht, scheint die Entscheidung Dodd v Wilson auf den ersten Blick in die entgegengesetzte Richtung zu weisen. Dort war Rindern ein Serum injeziert worden, das Entzündungskrankheiten verhindern sollte, sich aber im Nachhinein nicht nur als dazu untauglich, sondern sogar als schädlich herausstellte. Das Gericht verurteilte den Beklagten wegen Bruchs der strikten vertraglichen Verpflichtung, sicherzustellen, dass das verwendete Serum nicht schädlich sein werde4169, also auf der Grundlage eines terms i.S.d. Variante (1). Wollte man Dodd v Wilson allerdings in diesem Sinne interpretieren, müsste man eine wichtige tatsächliche Feststellung des Gerichts ignorieren: Der beklagte Veterinär hatte dem Kläger vor der Injektion ausdrücklich mitgeteilt, dass es sich um ein neuartiges Serum handele, bei dem nicht sicher sei, ob es sich zur Vermeidung einer „summer mastitis“ eigne4170. Der Beklagte hatte mithin erklärt, gerade nicht für die Erfolgseignung garantieren zu wollen. Interpretiert man die Entscheidung vor diesem Hintergrund und stellt sie der in Samuels v Davis getroffenen Entscheidung gegenüber, ist davon auszugehen, dass der Veterinär, hätte er die Zwecktauglichkeit im Sinne einer Erfolgstauglichkeit nicht ausgeschlossen, für die Untauglichkeit des Serums zur Mastitis-Prävention strikt gehaftet hätte4171. Denn in dieselbe Richtung weisen die oben referierten Fälle der Bauvertragshaftung, in denen festgestellt wird, dass Wohnhäuser nicht nur nicht schädlich konstruiert und errichtet werden dürften, sondern darüber hinaus angemessen für die Bewohnung durch Menschen geeignet zu sein hätten4172. 4166 4167 4168 4169 4170 4171 4172

Ebenso Jones, Negligence, § 2–014. Ähnlich Bell, (1984) 4 LS 175, 181 f. Samuels v Davis [1943] KB 526, 527 per Scott LJ (CA). R N Dodd and F L Dodd v Wilson and McWilliam [1946] 2 All ER 691, 695 per Hallett J (HC). R N Dodd and F L Dodd v Wilson and McWilliam [1946] 2 All ER 691, 692. Ebenso Bell, (1984) 4 LS 175, 181. Vgl. oben ab S. 638, insbesondere die Nachweise in Fußnote 4046.

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

667

Man wird für die in den ss. 4(4), (5), 9(4), (5) SGSA geregelten, von Gesetzes wegen in den Vertrag zu implizierenden Verpflichtungen daher in der Tat davon ausgehen müssen, dass die übereigneten oder vermieteten Behandlungsmittel zur Heilung des diagnostizierten Defekts abstrakt-generell tauglich sein müssen. Für diese Tauglichkeit haftet der Arzt strikt. Anderes gilt aber für die konkret-individuelle Tauglichkeit, da der Arzt ansonsten – parallel zur Haftung nach der hier ausgeschlossenen Variante (3) – erneut mittelbar für die Herbeiführung des Behandlungserfolgs haften würde, was, wie gesagt, nicht dem bisherigen common law, dem Willen des Gesetzgebers und der Systematik des SGSA entspricht.

(3)

Atypische Reaktionen auf die Behandlungsmittel

Diese Überlegungen ermöglichen indes noch keine konsistente Beantwortung der Frage, ob und wie der Arzt haftet, wenn die dem Patienten (z.B. zur Einnahme) übergebenen Mittel wirkungslos bleiben oder sogar schädlich sind, weil der Patient eine atypische Konstitution, bspw. eine seltene Allergie besitzt. Denn mit der Feststellung, dass es für die strikte Haftung auf die abstrakt-generell Zwecktauglichkeit ankommt, ist noch nicht darüber entschieden, ob nicht auch der Konstitution des Patienten eine konkretisierende Rolle zukommen muss. Das vor Inkrafttreten des SGSA geltende common law indiziert aber, dass sich durchaus fragen lässt, ob nicht konstitutionsabhängig nach Patientengruppen differenziert werden muss, und – falls ja – wie. Dass die Konstitution des Patienten geeignet ist, den Leistungsinhalt zu beeinflussen, lässt sich der Entscheidung des Court of Appeal in der Sache Ingham v Emes entnehmen, in der sich eine Kundin während eines Friseurbesuchs beim Färben ihrer Haare eine Hautentzündung zugezogen hatte. Die Klägerin hatte den Beklagten nicht über ihre – ihr bekannte – Allergie gegen bestimmte Inhaltsstoffe des Färbemittels (Inecto) aufmerksam gemacht, sodass der Beklagte, nachdem die von ihm durchgeführten Standardtests keine Auffälligkeiten offenbart hatten, in Unkenntnis der Allergie die Haare der Klägerin mit dem besagten Mittel gefärbt hatte. Der Court of Appeal wies die Klage ab, weil der Beklagte infolge des Informationsmangels nicht mit einer besonderen Konstitution seiner Kundin hatte rechnen müssen4173.

(a)

Differenzierung nach Patiententypen

Folgern lässt sich daraus, dass es im Einzelfall für die Haftung wegen Zwecktauglichkeit darauf ankommen dürfte, welchen Verwendungszweck die Parteien vereinbart haben4174: Soll das Behandlungsmittel abstrakt-generell zur Behandlung eines typischen Kranken oder – wiederum abstrakt-generell – zur Behandlung eines speziellen

4173

4174

Ingham v Emes [1955] 2 QB 366, 373 f. per Denning LJ, 376 f. per Birkett LJ, 377 f. per Romer LJ (CA). Bell, (1984) 4 LS 175, 182.

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

668

Patiententypus geeignet sein4175. Die Bestimmung des Patiententypus hängt insoweit wesentlich davon ab, welche Informationen der Arzt besitzt bzw. aus der Perspektive eines vernünftigen Dritten in der Rolle des Patienten besitzen müsste4176.

(b)

Konkretisierungsansätze

Natürlich ergeben sich bei der Differenzierung zwischen „typisch“ und „atypisch“ Abgrenzungsschwierigkeiten, doch sind diese ebenso selbstverständlich kein Grund4177, jegliche Differenzierung auch dort abzulehnen, wo – wie hier – jedenfalls im Kernbereich eine klare Trennung möglich ist4178. Diese Überlegung findet sich auch in der Entscheidung Ingham v Emes selbst. Dort hatte Denning LJ den „Normalfall“ auf den konkreten Streitgegenstand bezogen und insoweit festgestellt: “In order for the implied term to arise, however, the customer must make known to the contractor expressly or by implication the ‘particular purpose’ for which the materials are required so as to show that he relies on the contractor’s skill or judgement. The particular purpose in this case was to dye the hair, not of a normal person, but of a person known to be allergic to Inecto. [The claimant ] did not make that particular purpose known to the assistant. She cannot therefore recover on the implied term.”4179 Birkett LJ hatte eine Differenzierung anhand desselben Kriteriums vorgeschlagen: “In my opinion the assistant did not impliedly warrant that Inecto was safe to be used by persons who were in fact allergic to it but only by those who, having 4175 4176 4177

4178

4179

Vgl. Ingham v Emes [1955] 2 QB 366, 374 per Denning LJ (CA). Vgl. Bell, (1984) 4 LS 175, 182. Ebenso Griffiths v Peter Conway Ltd [1939] 1 All ER 685, 691 f. per Sir Wilfried Greene MR (CA): „No two normal people are precisely alike, and, in the matter of sensitiveness of skin, among people who would be described as normal their sensitiveness must vary in degree. This does not mean that there is a line which it is the function of the court, or a medical witness, to draw with precision, so as to define all cases where normality ceases and abnormality begins. The impossibility of drawing such a line by reference to some scientific formula or something of that kind does not mean that, for the present purpose, the difference between normality and abnormality is a thing that must be disregarded or cannot be ascertained. It is a question that no judge an no jury would have any real difficulty in deciding on the evidence in any particular case“. Vgl. dazu treffend – in einem anderen Kontext – Canaris, VersR 2005, 577, 579: „Schließlich leugnet ja auch kein bei Verstand befindlicher Mensch den Unterschied zwischen Tag und Nacht unter Hinweis auf die Dämmerung. Solange sich also eine Trennung in den Kernbereichen klar treffen lässt …, stellt das Auftreten von Abgrenzungsschwierigkeiten kein relevantes Argument dar“. Ingham v Emes [1955] 2 QB 366, 374 (CA); vgl. ganz ähnlich Griffiths v Conway Ltd [1939] 1 All ER 685, 691 per Sir Greene MR (CA).

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

669

passed the test, could be regarded as normal ordinary people. [The claimant ] was not an ordinary normal person in this sense at all, and as she knew of her pecularity and failed to disclose it to the assistant, I think that she disables herself from relying on the implied warranty.”4180 Da ein Patient indessen nicht überzeugenderweise allein deshalb als „atypisch“ qualifiziert werden kann, weil irgendein Test – der ja möglicherweise vollkommen inadäquat ist – die Eigentümlichkeiten seiner Konstitution nicht aufzudecken vermag, wird man eher darauf abstellen müssen, ob sich die Atypik der körperlichen Verfassung des Patienten unter angemessenen Anstrengungen hätte ermitteln lassen4181. Die Haftung ist dann – in gewissem Umfang – sorgfaltsabhängig. Dies bedeutet aber keineswegs, dass der Arzt sich gegenüber atypischen Reaktionen stets unter Berufung darauf, dass ein Test mit angemessenem Aufwand nicht durchführbar war, entlasten kann. Denn gerade in dem Fall, in dem ein Test undurchführbar oder sogar unmöglich ist, wird er sich, sofern die Empfindlichkeit des Patienten nur hinreichend verbreitet ist, gerade nicht auf die Undurchführbarkeit bzw. Unmöglichkeit eines Tests berufen können4182, da in diesem Fall – mangels einschlägigen Tests – eine differenzierte Gruppenbildung ausgeschlossen ist. Die zur Haftungsentlastung eingeführte Unterscheidung zwischen „typisch“ und „atypisch“ ist dann nämlich nicht durchführbar, sodass es lediglich eine einzige Patientengruppe gibt. Diese Überlegung wird im Ansatz durch die Entscheidungen gesützt4183, in denen ein Produkt von vornherein keinen Gedanken an eine potentielle Unverträglichkeit aufkommen lässt, sodass vor der Anwendung vernünftigerweise überhaupt kein Verträglichkeitstest durchgeführt werden muss, in denen aber gleichwohl gehaftet wird, sofern – entgegen gewöhnlicher Erwartungen – doch Unverträglichkeitsreaktionen auftreten4184.

(c)

Grenzen der Atypik als Entlastungsmechanismus

Wichtig ist im Übrigen, dass es auf die Konstitution des Patienten ohnehin nur dort ankommen kann, wo Eigentümlichkeiten seiner körperlichen Verfassung die Unverträglichkeitsreaktion auslösen4185. Denn wenn auch ein typischer Patient das Behandlungsmittel nicht vertragen hätte und die atypische körperliche Verfassung des Patienten die Abwehrreaktion im konkreten Fall nur verstärkt hat, kann sich der

4180 4181 4182 4183 4184

4185

Ingham v Emes [1955] 2 QB 366, 377 (CA). Bell, (1984) 4 LS 175, 182. Bell, (1984) 4 LS 175, 183. Vgl. nochmals Bell, (1984) 4 LS 175, 183. Vgl. z.B. Ashington Piggeries Ltd v Christopher Hill [1972] AC 441, 479 per Lord Guest (HL), der insoweit Griffiths v Peter Conway Ltd [1939] 1 All ER 685 (CA) als „highly special case“ relativiert. Bell, (1984) 4 LS 175, 183.

6. Kapitel . Strikte Dienstleistungshaftung

670

Arzt keinesfalls zur Haftungsentlastung auf die atypische Konstitution des Patienten berufen4186.

III. Fazit Nach alledem bildet die strikte Haftung des Dienstleisters nicht nur im deutschen, sondern auch im englischen Recht den klaren Ausnahmefall. Eine strikte Verpflichtung des Schuldners ist in beiden Rechten nur im Falle ihrer expliziten und eindeutigen Vereinbarung überwiegend gesichert. Denn wie insbesondere das englische Arzthaftungs- und Architektenhaftungsrecht ebenso wie das deutsche Architektenhaftungsrecht deutlich gemacht haben, neigen die Gerichte bei möglichen Zweifeln an der Eindeutigkeit des Parteiwillens dazu, nicht auf eine strikte Verpflichtung zu erkennen. PELSC und DCFR betonen hingegen in Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR die Perspektive des in der Regel nicht sachkundigen Gläubigers und bewirkten dadurch eine Öffnung des Dienstleistungsvertrages gegenüber der strikten Haftung, die sich tendenziell in den verschiedentlich implizierten strikten Verpflichtungen widerspiegelt. Teilweise (z.B. im Rahmen der Informationshaftung) sind zwischen PELSC und DCFR auf der einen und nationalen Rechten auf der anderen Seite signifikante Unterschiede in der Pflichtenqualifikation auszumachen. Bleibt man bei dieser rein dogmatischen Betrachtung freilich nicht stehen, fällt auf, dass die nationalen Rechte – trotz eines sorgfaltsabhängigen Ansatzes – in der Praxis, wo dies rechtspolitisch sinnvoll scheint, durchaus zu vergleichbaren Ergebnissen gelangen (könnten). Das objektiv-normative Modell zur Bestimmung der vertraglich geschuldeten Sorgfalt steht entsprechenden Modifikationen offen, indem es den Gerichten weitgehende Möglichkeiten zur Steuerung des Vertragsinhalts im Wege der Risikozuweisung ermöglicht. Über eine entsprechende Anspannung des geschuldeten Sorgfaltsstandards kann – lässt man Extremfälle einmal unberücksichtigt – nahezu jede Fehlleistung als pflichtwidrig ausgewiesen werden4187. Wohl auch vor diesem Hintergrund haben es englische Gerichte – ebenso wie die deutschen – nicht eben eilig, vertraglichen Pflichten, die Dienstleistungsverträgen entspringen, einen strikten Haftungsstandard beizumessen oder den Vertrag gar um strikte Verpflichtungen zu ergänzen. Anders ist dies im englischen Dienstleistungsvertragsrecht vor allem in Bezug auf solche Pflichten bzw. Verträge, die normativ dem Kaufvertrag nahe stehen. Dieser bereits bei der Betrachtung des common law gewonnene Eindruck wird durch die strikten Verpflichtungen des Schulders, die auf der

4186

4187

Vgl. dazu die im Kontext der remoteness of damage getätigten Überlegungen in Parsons (Livestock) Ltd v Uttley Ingham & Co Ltd [1978] QB 791, 803 f. per Lord Denning MR, 811 ff. per Lord Scarman LJ (CA). Dies stellt richtigerweise die Unterscheidung zwischen den Vertragstypen Dienst- und Werkvertrag bzw. die Differenzierung zwischen Sorgfalts- und Erfolgspflichten nicht in Frage. Es handelt sich eben nicht um fest umrissene Kategorien, sondern um einen Typus (näher zum „Typus“ aus methodologischer Sicht Bydlinski, Methodenlehre, S. 543 ff.).

§ 17 Grenzen der Haftungsentlastung durch Ausübung angemessener Sorgfalt

671

Basis des SGSA in den Vertrag zu implizieren sind, bestärkt. Mit den im SGSA vorgesehenen strikten Pflichten des Schuldners steht das englische Recht dem PELSC und dem DCFR dann auch – wenn man einmal allein die gesetzliche Regelung der vertraglichen Haftungsstandards betrachtet – näher als das deutsche Dienstleistungsvertragsrecht.

7. Kapitel Schlussbemerkung Der Vertragsbruch des Dienstleisters ist in dieser Untersuchung aus dem Blickwinkel des englischen und deutschen Anwalts-, Architekten- und Arztvertragsrechts betrachtet worden. Die beiden nationalen Rechte wurden allerdings nicht isoliert verglichen, sondern zusätzlich im Lichte der PELSC, des DCFR und – soweit relevant – auch der PECL gepiegelt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechungspraxis konnten dabei – trotz unterschiedlicher dogmatischer Konstruktion und der schillerenden Bedeutung der Begriffe „Dienstleistung“, service usw. – oftmals durchaus nahe beieinander liegende Ergebnisse konstatiert werden. Dies überraschte im Rahmen der zu Beginn der Untersuchung vorgestellten Mechanismen der Vertragsbegründung, aber auch der Vertragsgestaltung im Dienstleistungskontext kaum. Unter Rücksichtnahme auf das Eingangs dieser Untersuchung erinnerte, scheinbar stets in gewissem Umfang bestehende Bedürfnis nach einer Einführung durch das Aufschließen von Kontexten schien gleichwohl zunächst eine kurze Darstellung der Rahmenbedingungen und Hintergründe des Vertragsschlusses sowie der dienstleistertypischen Vertragsgestaltung zweckmäßig.

A.

Zum Gegenstand vertraglicher Dienstleistungen und seiner Bestimmung

Wer angesichts der im Anschluss hieran vorgestellten Mechanismen vertraglicher Haftung – insbesondere im Lichte des Schlagworts von der „Garantiehaftung“ des englischen Vertragsrechts – in der Sache stark divergierende Ergebnisse erwartet hatte, wurde in dieser Vorstellung durch die nachfolgende Untersuchung der sorgfaltsabhängigen und sorgfaltsunabhängigen Pflichten und Haftungsstandards weitgehend entäuscht: Vertragliche Dienstleistungshaftung ist in der Mehrzahl der Fälle nach allen untersuchten Regeln sorgfaltsabhängige Verpflichtung und Haftung. Die Frage des Vertragsbruchs ist dabei in der Praxis – insbesondere auch der des deutschen Vertragsrechts – (weitgehend) identisch mit der Frage der Verletzung einer Sorgfaltspflicht. Auf die Bedingungen sorgfaltsabhängiger Verpflichtung und Haftung war insofern das stärkste Augenmerk zu richten. Daneben waren freilich die Situationen zu identifizieren, in denen eine strikte Verpflichtung und Haftung in Betracht kommt. Als nur sehr bedingt aussagekräftig für die Kennzeichnung des Pflichtinhalts und Haftungsstandards im Dienstleistungskontext erwiesen hat sich dabei zunächst der Umstand, dass der dogmatische Ausgangspunkt des deutschen Rechts von dem des englischen Rechts insoweit grundverschieden ist, als das deutsche Recht zwischen Pflicht und Haftungstandard differenziert. Das englische und mit diesem übereinstimmend PECL, PELSC und DCFR betrachten den Haftungsstandard demgegen-

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7. Kapitel

über als integralen Bestandteil jeder vertraglichen Pflicht. Das Fehlen eines isolierten Entlastungsmechanismusses neben der ungeliebten Figur der frustration bewirkt dabei im englischen Recht eine Erhöhung der Konzentration auf den Pflichtinhalt, der im englischen Recht unter besonderer Berücksichtigung des vertraglichen Versprechens des Schuldners bestimmt wird, während PELSC und DCFR, wie nicht zuletzt Art. 1:108 PELSC, IV.C. – 2:106 DCFR deutlich machen, stärker am den Verständnishorizont des Gläubigers orientiert ist. Ziel dieser Konzeption von PELSC und DCFR ist es, hierdurch die Position des Gläubigers zu stärken. Dieser wird in der Regel nämlich, weil er selbst in Bezug auf die vertragliche Aufgabe typischerweise nicht sachkundig ist, eher von der Möglichkeit einer Zielerreichung ausgehen als der sachkundige Schuldner. Stellt man vor diesem Hintergrund letztlich auf die Perspektive des Gläubigers ab, wird man öfter als im Falle der Maßgeblichkeit des Schuldnerverständnisses von einer Verpflichtung desselben ausgehen müssen, einen Erfolg herbeizuführen. Eine derartige Verpflichtung ist in PELSC und DCFR ebenso wie im englischen Recht mit einem sorgfaltsunabhängigen Haftungsstandard verbunden. Gerade dieser Umstand ist es, der englische Gerichte bei der Annahme und Implikation strikter Pflichten, die – außerhalb des Anwendungsbereichs der frustration – selbst auf externe, nicht steuerbare Störungen trotz sorgfältigen Vorgehens des Schuldners nicht anders als durch Haftung reagieren können, Zurückhaltung üben lässt. Anerkannt werden strikte Verpflichtungen indessen z.B. in kaufähnlichen Situationen, d.h. bei der Zuwendung von Gegenständen, weil bei fehlerhaften Gegenständen grundsätzlich u.a. ein „Rückgriff entlang der Vertragskette“ bis zum Urheber der Störung stattfinden kann. Wo durch den Schuldner objektiv nicht oder jedenfalls nur begrenzt steuerbare Risiken für das Erreichen des vertraglich avisierten Zieles im Raum stehen, tendieren jedoch alle untersuchten Rechte bei der Interpretation des Parteiwillens zu einer sorgfaltsabhängigen Verpflichtung und Haftung des Schuldners. Im geringsten Maße gilt dies für das – wie gesagt – gläubigerfreundlicher angelegte Pflichtenprogramm von PELSC und DCFR, das strikte Pflichten auch in einigen Fällen prima facie verringter Steuerbarkeit durch den Schuldner (immer neben einer Verpflichtung zu Sorgfalt) unter dem Hinweis impliziert, dass dieser sich durch Vertragsgestaltung hiervon entlasten könne. Eine derartige Begründung scheint für das englische Recht durchaus untypisch, was deutlich macht, dass trotz zahlreicher Parallen, die sich zwischen den Mechanismen der Begründung einer strikten Haftung durch das englische Recht, PELSC und DCFR identifizieren lassen, die Philosophie, die PELSC und DCFR (vielleicht vor dem Hintergrund beabsichtigten Verbraucherschutzes) zu atmen scheint, nicht unbedingt eine traditionell englische ist. Für das deutsche Dienstleistungsvertragsrecht, das zwar durch die Dichotomie von Dienst- und Werkvertrag strukturell geprägt wird, stellt sich diese Problematik – lässt man Erfüllungsansprüche einmal unberücksichtigt – nicht im gleichen Maße. Denn auch nach der Schuldrechtsmodernisierung bildet das Verschulden den gesetzlichen Regelhaftungsmaßstab für die Verantwortlichkeit des Schuldners. Dies bedeutet, dass der Schuldner auf der Grundlage des vorgenannten Regelhaftungsstandards auch im Falle seiner Verpflichtung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges nur unter der Bedingung einer Sorgfaltspflichtverletzung zu Schadensersatz verpflichtet wird. Daher stellt Wendehorst zu Recht fest, dass die Differenzierung zwischen Erfolgs-

B. Fazit zur Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards

675

versprechen und Bemühungsversprechen „in ihrer Bedeutung für das besondere Vertragsrecht überschätzt“4188 wird. Im Sinne einer typisierenden Unterscheidung bleibt sie aber als (wenn auch begrenzt erhellender) Anknüpfungspunkt sinnvoll. Ähnliches lässt sich für die dem deutschen Recht eigene dogmatische Differenzierung zwischen Pflicht und Haftungsstandard konstatieren, die in der Praxis (für verhaltensabhängige) Verpflichtungen relativiert und im Ergebnis deutlich dem Modell des englischen Rechts und der ihm folgenden Regelungen von PELSC und DCFR angeglichen wird: Die für die vertraglichen Pflichten einerseits und das Verschulden als Entlastungsmechanismus andererseits maßgeblichen Standards weisen jedenfalls im Dienstvertragsrecht, teilweise aber auch im werkvertraglich qualifizierten Architektenvertragsrecht, einen derart hohen Deckungsgrad auf, dass der Entlastungsmechanismus „Verschulden“ kaum einmal praktisch wird. Dem Verhalten des Schuldners kommt bei der Bestimmung der vom Architekten vertragsgemäß zu übernehmenden Risiken und der von ihm vertragsgemäß zu überwindenden Hindernisse in der Praxis der Urteilsbegründung nämlich entscheidende Bedeutung zu.

B.

Fazit zur Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards

Die Anforderungen an das im Zentrum der Aufmerksamkeit dieser Untersuchung stehende Verhalten, zu dem der Schuldner vertraglich verpflichtet ist, bestimmen alle untersuchten Regeln im Ansatz objektiv-normativ. Insofern entlasten zunächst mangelnde Fertigkeiten sowie Kenntnisse, Erfahrungen usw. den Schuldner grundsätzlich ebenso wenig wie fehlende wirtschaftliche Mittel. Zur Begründung hierfür wird in der deutschen Rechtsprechung und Literatur auf den so genannten Vertrauensgrundsatz und einen dem vertraglichen Versprechen des Schuldners entnommenen Garantiegedanken verwiesen. Vertrauen ist ohne die Annahme einer entsprechenden Garantie wohl auch vor dem Hintergrund nicht denkbar, dass der Gläubiger die Befähigung des Schuldners in der Regel nicht zu beurteilen vermag. Dem letztgenannten Gedanken ähnliche Überlegungen werden im englischen Recht pragmatisch unter Bezugnahme auf die Notwendigkeit einer Anleitung der die Tatfrage Fahrlässigkeit beurteilenden Jury und normativ – zur Vermeidung unerwünschter Standardsenkungen – angestellt. Als Mindestmaß geschuldet ist vor diesem Hintergrund stets die der übernommenen Aufgabe angemessene Sorgfalt eines durchschnittlich sachkundigen Schuldners4189. Dabei hatten wir gesehen, dass der Umstand, dass sich der Schuldner einem bestimmten Verkehrskreis bzw. einer Berufsgruppe usw. zuordnet, vor allem im Rahmen der Bestimmung der geschuldeten Sachkunde und Geschicklichkeit maßgeblich sein sollte. Darüber hinaus sind nach allen untersuchten Regeln vorhandene Kenntnisse und Mittel einzusetzen, soweit sie eingesetzt werden können. Für die Bestim4188 4189

Wendehorst, AcP 206 (2006), 205, 298. Hieran wird sich für den solicitor durch die jüngst vorgelegte Draft Legal Services Bill nichts ändern. Denn diese soll lediglich eine effektivere Kontrolle der Einhaltung bestehender Standards ermöglichen, will aber selbst keine neuartigen Standards einführen, vgl. bereits Mückl, RIW 2006, 742.

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7. Kapitel

mung des erforderlichen und daher geschuldeten Sorgfaltsstandards darf der im Grundsatz aber auf den Gruppendurchschnitt bezogene Sachkundestandard insofern nicht allein determinierend sein. Dies gilt umso mehr, als Sachkunde ohne Sorgfalt für den Gläubiger stets einen zumindest geringeren Wert hat. Ferner darf insbesondere der typisch oder üblich sachkundige Umgang mit der vertraglichen Aufgabenstellung innerhalb der für die Bestimmung des Sachkundestandards maßgeblichen Gruppe nicht mit dem maßgeblichen Sorgfaltsstandard identifiziert werden. Die tatsächliche Übung ist bei der Bestimmung der geschuldeten Sorgfalt nach allen untersuchten Regeln berücksichtigungsfähig und -würdig, wirkt aber nicht determinierend. Sie begründet auch keinen unwiderleglichen Verteidigungseinwand des in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Übung vorgehenden Schuldners, wenn sie von einem Teil seiner Berufsgenossen befürwortet wird. Welches Verhalten vertragsgemäß ist, beantwortet sich nach den Maßstäben des Vertrages und ist damit eine normative, keine rein empirische Frage. Ihre Beantwortung ist im Einzelfall dem Recht und nicht den Berufsgenossen – quasi als Richter in eigener Sache – zugewiesen. Die englische Rechtsprechung ist im Begriff, insoweit detaillierte Abgrenzungsmechanismen zu entwickeln. Entscheidend für den Schuldinhalt ist nach allen untersuchten Regeln nämlich, was der Gläubiger vernünftigerweise vom Schuldner erwarten darf. Die zulässige Erwartung wird normativ ausgehend vom vorgenannten objektiven Standard im Lichte der Parteiabreden bestimmt, wobei den Gerichten in der Praxis ein breiter Bewertungsspielraum zukommt, der u.a. durch eine komparative Aufwand-NutzenAnalyse ausgefüllt wird. Maßgeblich ist hierbei der im Zeitpunkt der Vertragsdurchführung objektiv vorhandene Kenntnis- und Entwicklungsstand, dem der Schuldner durch Fortbildung oder – bei Überforderung – Überweisung, Anleitung usw. gerecht zu werden hat. Ein Abweichen hiervon durch das Einschlagen neuartiger Wege bedeutet für sich genommen keinen Vertragsbruch, ist in der Regel aber mit einer Verpflichtung des Schuldners verbunden, den Gläubiger über die Neuartigkeit des beabsichtigten Vorgehens und die darin begründeten Risiken aufzuklären. Zuvor hat der Dienstleister daher den Versuch zu unternehmen, sich der potentiellen Risiken sowie deren Vermeidbarkeit gewahr zu werden. Oftmals mittelbar steuernd für die Bestimmung der berechtigten Erwartungen des Gläubigers wirken detaillierte Aufklärungspflichten des Schuldners: Risiken, über die der Schuldner aufklären muss, braucht der Gläubiger in der Regel nicht zu kennen. Sie sind folgerichtig, sofern keine Aufklärung stattfindet, bei der Bestimmung dessen, was der Gläubiger erwarten darf, grundsätzlich nicht zu seinem Nachteil zu berücksichtigen und wirken so im Ergebnis häufig auch auf den geschuldeten Standard selbst ein. Bisweilen dient die Festlegung von Aufklärungspflichten aber auch dazu, eine alternative Haftungsgrundlage zu schaffen, um so dem häufig schwierigen Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung bei der Vertragsdurchführung im Übrigen auszuweichen. Regelmäßig bezwecken entsprechende Aufklärungspflichten mittelbar allerdings auch ein Zusammenwirken von Gläubiger und Schuldner mit dem Ziel einer Konkretisierung der Parteivorstellungen und einer darauf gründenden, für beide Seiten zufrieden stellenden und erwartungsgerechten Vertragsdurchführung. Deren konkreten Ablauf bestimmt nach den nationalen Rechten – entsprechend der typischen

B. Fazit zur Bestimmung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards

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Interessenlage – zunächst der sachkundige Gläubiger. Dieser hat sich bei seiner Wahl einer bestimmten Vorgehensweise grundsätzlich jedenfalls auch an den Interessen des Gläubigers auszurichten, wenngleich diese Verpflichtung durch die nationale Rechtsprechung unterschiedlich intensiv gestaltet wird, wobei partiell dienstleistungsabhängige Differenzierungen festzustellen sind, die durchaus nicht immer stringent begründet werden. Wenigstens teilweise dürfte sich dieses Phänomen nicht nur durch den Verweis auf Gründe der public policy usw., sondern auch dadurch erklären lassen, dass die Grundlage des Vorverständnisses der Rechtsprechung nicht zuletzt durch die in der Person der Richter vorhandene Sachkunde geprägt wird. Letztere fällt dienstleistungsabhängig typischerweise unterschiedlich aus. Wichtig ist losgelöst hiervon, dass die abschließende Entscheidung darüber, welches konkrete Verfahren der Vertragsdurchführung erfolgt, nach allen untersuchten Regeln insoweit dem Gläubiger als Leistungsempfänger zusteht, als dieser – jedenfalls bei erheblichen Unterschieden zwischen den verfügbaren Varianten – vom Schuldner nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden darf. Control device hierfür ist die Frage der Erheblichkeit der Unterschiede zwischen den potentiell verfügbaren Varianten. Abhängig davon, welche Perspektive insoweit maßgeblich ist, lässt sich dem Schuldner ein breiterer oder engerer Entscheidungsspielraum zuweisen. Am engsten dürfte dieser wiederum auf der Grundlage des Regelungsmodells der PELSC und des DCFR ausfallen, was abermals die Annahme einer gläubigerfreundlichen Philosopie bestätigt, die den PELSC und dem DCFR zugrunde zu liegen scheint und die auch in der – im Vergleich zu den existierenden nationalen Kodifikationen Deutschlands und Englands – starken Fixierung der PELSC auf die Präzisierung und Klarstellung von Neben- und Sorgfaltspflichten zum Ausdruck kommt. Diese lässt die PELSC bisweilen etwas „überreguliert“ wirken. Der DCFR ist – wohl auch deshalb – wesentlich schlanker. Dies dürfte seine Akzeptanz durch die künftige Praxis erhöhen. Als Modell für ein mögliches europäisches Zivilgesetzbuch erscheint er auch aus diesem Grund wesentlich geeigneter.

Stichwortverzeichnis Anwaltshaftung, normativer Standard 236 Anwaltsvertrag fakultativ neuartige Aufgaben 486 Konkretisierung 303 neuartige Aufgaben 469 Pflichtenstandards 175 relativ sicherster Weg 305 Verschulden, Bedeutung 173 Arbeitsteilung 534 Architektenhaftung, normativer Standard 239 Architektenvertrag building contract 54 design and build contract 55 fakultativ neuartige Aufgaben 488 HOAI, Bezugnahme auf 309 Konkretisierung 309 Konkretisierung, Mechanismen 315 management contract 56 neuartiges Baudesign 465 ohne Leistungsbeschreibung 311 Pflichtenstandards 188 Verschulden, Bedeutung 192 Arzthaftung, normativer Standard 229 Arztvertrag Belegarztvertrag 41 Diagnose 298 experimentelle Behandlung 461 fakultativ neuartige Aufgaben 476 Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag 42 neuartige Aufgaben 462 NHS 35 notwendig neuartige Behandlung 463 Pflichtenstandards 181 Therapie 299 Therapiewahl 299

Totaler Krankenhausvertrag 41 Verschulden, Bedeutung 180 Aufgabe neuartig, fakultativ 475 neuartig, notwendig 459 Aufgabendelegation 559 Architektenvertrag; Formularverträge 591 Entlastung durch Anleitung 603 Entlastung durch Vertrauen 572 Grenzen der 570 Aufgabenübertragung, Hilfspersonenhaftung 567 Aufklärungspflicht, vertraglich 350 Anwaltsvertrag 358 Anwaltsvertrag, Konkretisierung 376 Anwaltsvertrag, mandantenbezogen 359 Anwaltsvertrag, Art und Weise 376 Anwaltsvertrag, Inhalt 367 Anwaltsvertrag, wirtschaftlich 381 Anwaltsvertrag, Zweck 358-359 Architektenvertrag 387 Architektenvertrag, auftraggeberbezogen 403 Architektenvertrag, Risikoaufklärung 406 Architektenvertrag, wirtschaftlich 390 Architektenvertrag, Baudesign 399 Architektenvertrag, Leistungen Dritter 408 Arztvertrag 416 Arztvertrag, Behandlungsalternativen 432 Arztvertrag, DCFR 416 Arztvertrag, deutsches Recht 424 Arztvertrag, englisches Recht 435 DCFR 351

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Stichwortverzeichnis

englisches Recht, Erklärungsmuster 356 Aufklärungspflicht, vorvertraglich deutsches Recht 25 Hintergrund 21 DCFR 22 Sorgfaltsstandard 24 Auswahlentscheidung Anwaltsrecht, Mechanismen 303 Architektenrecht, Mechanismen 309 Arztrecht, Mechanismen 298 DCFR, Mechanismen 295 englisches Recht, Mechanismen 317 Konkretisierung, Leistungspflicht 294 Barrister 46 Bausummengarantie 612 Bolam-Test 245 Anwaltshaftung 251 Architektenhaftung 264 Arzthaftung 271 Arzthaftung, Rechtsprechungsänderung 280 Benachteiligung des Gläubigers 275 Bolitho 283 Entlastungsmechanismus 249 Funktionen 248 Hintergründe, restriktive Interpretation 278 Inhalt 246 Sachverständige 255, 269, 277, 279 Common Calling

328

Deliktsrecht Bedeutung für das Vertragsrecht 115 Vertragsbruch, rechtstechnische Parallele 121 Dienstvertrag Auslegung, historische 156 Fehlen spezifischer Wertungen 154 Leistungsinhalt 147 Leistungsinhalt, Parteiwille 148

Minderung 150 Nacherfüllung 151 Sonderregeln, Fehlen von 149 Dritte, Einschaltung von haftungsrechtliche Verantwortung 541 Pflichtenübertragung 534 Europäisches Zivilgesetzbuch

2

Fortbildungspflicht 493 Anwalt 497 Arzt 495 Frustration 73 Dienstleistungsverträge 77 Rechtsfolgen 83 Risikoverteilung 86 Störung der Geschäftsgrundlage Unmöglichkeit 76

75

Garantie 611 Gläubigerinteressen australische Rechtsprechung 344 beschränkte Berücksichtigung 326 Bolam-Test 339 englisches Recht 326 Gegenleistung, historische Bedeutungslosigkeit 331 Gleichsetzung Sachkunde und Sorgfalt 334 Sorgfaltsbestimmungsmodell 346 Haftung, strikte 94 Begründungsmuster 98, 615, 620, 622, 632 Conveyancing 646 DCFR 612 Design, DCFR 621 deutsches Recht 612 englisches Recht 623 englisches Recht, Planungshaftung 638 Erfolgspflicht, DCFR 618 implied terms 656 Material 614 Medizinprodukte 659

681

Stichwortverzeichnis

SGSA 656 Vertragsergänzung 632 Haftung, vertragliche 125 Erreichen verbreiteter Standards 227 frustration 73 frustration, Dienstleistungsvertrag 77 frustration, Rechtsfolgen 83 fruststration, self-induced 88 gegenüber Dritten 29 Haftungsstandard 61 Haftungsstandard, Hintergrund 143 implied terms 64 Leitfäden, Bedeutung 500 Mechanismen 61, 66, 68 normativer Standard 227 Risikoverteilung 86 sorgfaltsabhängig 96, 125, 144 sorgfaltsabhängig, Konsequenzen, praktische 159 sorgfaltsabhängig, Vertragsinhaltsbestimmung 161 Störung der Geschäftsgrundlage 75 strikt, englisches Recht 623 strikt, sorgfaltsunabhängig 94, 144, 609 strikt, Zurückhaltung 125 Unmöglichkeit 74, 76 Unmöglichkeit, anfänglich 91 verbreitete Praxis 500 Vertragsergänzung 63 Hilfspersonenhaftung 567 Kaufvertrag 5 Körperteile, Goods 660 Leistungskonkretisierung englisches Recht 317 Implikation 322 Negligence, Begriff 117 Nichterfüllung, Mechanismen 61 Pflichtenkreise, getrennte 541 Pflichtenübertragung 534

Pflichtverletzung Erreichen verbreiteter Standards 227 Haftungsgrund 66 Mechanismen 61 normativer Standard 227 Verschulden 66 Verschulden, Unterscheidbarkeit 192 Zurechnungsgrund 66 Sachkunde, besondere 507 Anwaltshaftung 514 Architektenhaftung 522 Arzthaftung 508 DCFR 507 Selbstbestimmungsaufklärung 425 SGSA 101 Haftungsstandard 107 praktische Bedeutung 113 Sorgfalt als Leistungsinhalt 125 Begründungsmuster 168, 196 Hintergründe für 125 praktischer Hintergrund 143 Sorgfaltsstandard Arbeitsteilung 534 besondere Sachkunde 507 fehlende Mittel 527 Gegenleistung, Bedeutung 213 gruppenspezifisch, DCFR 162 gruppenspezifisch, deutsches Recht 163 gruppenspezifisch, englisches Recht 163 Kompetenz, Gläubiger 211 Konkretisierung 459 Konkretisierungskriterien, deutsches Recht 220 Konkretisierungskriterien, englisches Recht 217 Konkretisierungskriterien, DCFR 215 Leitfäden 500 Modell 346 neuartige Aufgaben 459

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normativ, DCFR 243 normativ, deutsches Recht 229, 236, 239 normativ, englisches Recht 245 objektiv, DCFR 165 objektiv, deutsches Recht 167 objektiv, Dienstvertrag 170 objektiv, englisches Recht 196, 208 Teamwork 533 Umstände des Einzelfalls 214 Substitution 534 Team Work 533 Verpflichtung, strikte DCFR 614 deutsches Recht 612 englisches Recht 623 Vertrag Anwaltsvertrag, BGB 130 Architektenvertrag, BGB 132 Arztvertrag, BGB 128 Illegalität, englisches Recht 15 illegality 12 Konkretisierung, Arztrecht 298

Stichwortverzeichnis

Konkretisierung, DCFR 294 Konkretisierung, deutsches Recht 297 Konkretisierung, Leistungspflicht 294 Nichtigkeit 12 Qualifikation 127 Rechtswidrigkeit 12 Sittenwidrigkeit 12 Teilbarkeit 19 Verbot 12 Vertragsbruch, Mechanismen 61 Vertragsgestaltung Anwaltsrecht 43 Architektenrecht 51 Arztrecht 34 Vertragsinhaltsbestimmung Ausdrückliche Vereinbarungen 61 Vertragsergänzung 63 Vertragsschluss implizit 19 implizit, Begründungsmuster 28 konkludent 19 Schriftform 10