Der Vereinstag deutscher Arbeitervereine 1863–1868: Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung [Reprint 2019 ed.] 9783111456348, 9783111088891

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German Pages 106 [108] Year 1904

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Der Vereinstag deutscher Arbeitervereine 1863–1868: Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung [Reprint 2019 ed.]
 9783111456348, 9783111088891

Table of contents :
VORWORT
INHALT
I. Vorgeschichte
II. Der erste Vereinstag in Frankfurt 1868
III. Der zweite Vereinstag in Leipzig 1864
IV. Das zweite Vereinsjahr
V. Der dritte Vereinstag in Stuttgart 1865
VI. Bis zum vierten Vereinstag in Gera 1867
VII. Das vierte Vereinsjahr und die Spaltung in Nürnberg
VIII. Sclllüß

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DER VEREINSTAG DEUTSCHER ARBEITERVEREINE 1863-1868 EIN BEITRAG ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER DEUTSCHEN ARBEITERBEWEGUNG VON

Dr. ERICH EYCK

BERLIN DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER

1904.

VORWORT. Der Satz, daß die Arbeiterbewegung in Deutschland ein kultureller und politischer Faktor von entscheidender Bedeutung ist, bedarf heute keines Beweises mehr.

Die

ebenso dankbare wie schwierige Aufgabe einer unparteiischen und sachkundigen Erzählung ihres bisherigen Verlaufes ist noch nicht gelöst.

Als eine Vorarbeit zu einer

solchen Darstellung möchte die vorliegende Abhandlung angesehen werden, in welcher der Versuch

gemacht

wird, eine einzelne Episode aus der Frühzeit der deutschen Arbeiterbewegung eingehender zu schildern und in ihrer Bedeutung zu würdigen, die sonst unter einer besonders stiefmütterlichen Behandlung zu leiden hatte, weil

sie bei oberflächlicher Betrachtung lediglich als

eine vorübergehende Abweichung vom geraden Verlauf der Gesamtbewegung erschien.

Vom Vereinstag deut-

scher Arbeitervereine weiß man im allgemeinen nur, daß er 1863 im Gegensatz zur Lassalleschen Bewegung gegründet wurde und daß sich 1868/69 aus ihm die sog. Eiseiiacher sozialdemokratische Partei entwickelte. Daß er aber in den dazwischen liegenden Jahren eine



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Fülle sozialpolitischer Anregungen gegeben hat, die gerade heute vielleicht wieder auf ein größeres Interesse Anspruch haben, ist nur den wenigsten bekannt. Ich selbst bin für die Anregung, mich mit diesem fast vergessenen Kapitel zu beschäftigen, sowie für die Überlassung eines großenteils unbekannten Materials Herrn Leopold S o n n e m a n n in Frankfurt a. M., der persönlich an dieser Bewegung einen wesentlichen Anteil hatte, großen Dank schuldig, den ich ihm gern an dieser Stelle ausspreche. Von anderen Mitgliedern des Vereinstages hat mich Herr Dr. Max Hirsch ebenfalls mit Material unterstützt; auch ihm sage ich dafür besten Dank.

INHALT. Seite

Kap.

I. Vorgeschichte

1

II. Der erste Vereinstag in Frankfurt 1868

25

.,

III. Der zweite Vereinstag in Leipzig 1 8 6 4

35

,.

IV. Das zweite Vereinsjahr

47

,

,,

V. Der dritte Vereinstag in Stuttgart 1 8 6 5

67

_

VI. Bis zum vierten Vereinstag in Gera 1867

74

_ VII. Das vierte Vereinsjahr und die Spaltung in Nürnberg

83

.. VIII. Sclllüß

94

I. Vorgeschichte. Wenn wir den Tendenzen und Motiven nachforschen, die zur Begründung des „Vereinstages deutscher Arbeitervereine" führten, so finden wir, daß sie mit denen identisch sind, die der Agitation F e r d i n a n d L a s s a l l e s und der Schöpfung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" zugrunde lagen. Aus e i n e r Quelle entsprangen diese beiden Ströme, die zunächst in so entgegengesetzter Richtung liefen, um sich schließlich wieder miteinander zu vereinen. Beide sind sie das Produkt e i n e r Zeitströmung: des Verlangens des erwachenden deutschen Arbeiterstandes, im öSentlichen Leben des Vaterlandes selbst ein Wörtchen mitzusprechen, ohne sich eines Vormundes zu bedienen. Suchen wir diese Bewegung an einzelnen markanten Punkten zu erfassen, so fällt ins Auge die Beschickung der L o n d o n e r W e l t a u s s t e l l u n g von 1862 durch eine deutsche Arbeiterexpedition. Um dieses Ereignis gruppieren sich eine Anzahl charakteristischer Vorgänge. Zum Verständnis der historischen Situation sei an das Folgende erinnert: Das letzte und höchste Ziel aller wirklich populären Bestrebungen jener Tage war die Herbeiführung des einigen Deutschlands, die Verwirklichung des jahrzehntelangen Einheitstraumes, für die endlich die Zeit reif geworden schien. Eine ganze Reihe von Organisationen, die diesem Zwecke dienen sollten, waren geschaffen worden: in erster Linie der D e u t s c h e N a t i o n a l v e r e i n , dessen Programm es war, „die Einigung und freiheitliche Entwicklung des großen gemeinsamen Vaterlandes zur Tatsache" zu machen. Weniger programmatisch E y c k , Vereinst, d. Arb.-Ver.

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ausgesprochen wirkte der gleiche Gedanke als treibende Kraft und als verbindende Macht im D e u t s c h e n J u r i s t e n t a g und im K o n g r e ß D e u t s c h e r V o l k s w i r t e . Unter seinem Zeichen versammelten sich Turner- uud Schützentage. In allen diesen Verbänden lag die Führung in der Hand des liberalen Bürgertums; selbstverständlich, denn s e i n e Sehnsucht in erster Linie war die Einigung und moderne Gestaltung Deutschlands. In Preußen aber kämpfte dieses liberale Bürgertum gleichzeitig unter dem Banner der D e u t s c h e n F o r t s c h r i t t s p a r t e i für die durch die Krone bedrohte Verfassung. Hinter — oder auch neben — dem Bürgertum aber standen die Arbeiter. War schon bei dem bis dahin erreichten Grade der wirtschaftlichen Entwicklung von einer strengen sozialen Scheidung beider Klassen keine Rede, so noch viel weniger von einer politischen. Vielmehr betrachtete die Arbeiterschaft die liberal-nationalen Bestrebungen auch als die ihrigen. Absolut herrschend war die Anschauung, daß Bürger und Arbeiter hier große Aufgaben gemeinsam zu erfüllen hätten, daß beide von Natur auf einander angewiesene, eng verbundene Brüder seien. Zwar fehlte es nicht an Spezialorganisationen der Arbeiter. Es bestanden Arbeitervereine, aber es galt als selbstverständlich, daß sie jedem Bürger offen standen, der sich an ihren Bestrebungen beteiligen wollte. Das lag schon im Charakter dieser Vereine. Dominierend war in ihnen der Bildungszweck. Man war durchdrungen von dem Gedanken, daß es die erste Aufgabe eines tüchtigen Arbeiters sei. sicli eine gediegene Bildung zu verschaffen: dann besitze er die Waffen für sein Fortkommen, mit denen er sich selber helfen könne. Die Verbreitung dieser Bildung unter den Minderbemittelten, den Arbeitern und Handwerkern, sahen viele der Besten im Bürgertum für ihre soziale und staatsbürgerliche Pflicht an. Wir brauchen nur einen Mann namhaft zu machen, in dem sich diese Auffassung am kräftigsten verkörperte: H e r m a n n S c h u l z e - D e l i t z s c h . Der ehemalige Patrimonialrichter, der parlamentarische Vorkämpfer der achtundvierziger Bewegung, der als Steuerverweigerer auf der Anklagebank



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hatte Platz nehmen müssen, war in den Jahren der Reaktion,