Der Traum im Alten Testament [Reprint 2020 ed.]
 9783112313473, 9783112302354

Table of contents :
Vorbemerkung
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Kapitel: Inkubation
II. Kapitel: Die symbolischen Träume im A. T.
III. Kapitel: Befehle und Weisungen, die Gott durch den Traum übermittelt
IV. Kapitel: Der Traum als Offenbarungsmittel der Gottheit
V. Kapitel: Der Traum im Vergleich
VI. Kapitel: Die Ablehnung des Traumes als Offenbarungsmittel
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der mehrmals zitierten Literatur
Nachträge
Nachwort

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DER TRAUM IM ALTEN TESTAMENT

VON

ERNST LUDWIG EHRLICH

ü V E R L A G A L F R E D T Ö P E L M A N N , B E R L I N W 35 1953

B E I H E F T E ZUR ZEITSCHRIFT FÜR DIE ALTTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT 73

Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen von der Verlagshandlung vorbehalten

Printed in Germany Satz : Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Druck: Buchkunst, Berlin W 35

MEINEN ELTERN

VORBEMERKUNG In dieser Arbeit wird die Aufgabe gestellt, Träume im Alten Testament zu untersuchen. Das ist bisher in einer besonderen Monographie noch nicht versucht worden1). Es kam uns hierbei darauf an, 1. unter Berücksichtigung des Traumes die betreffenden Stellen besser verstehen zu können; 2. die verschiedenen Meinungen im A. T. aufzuzeigen. Man verbindet heute mit dem Phänomen des Traumes oft die Vorstellung von der einen oder der anderen psychologischen Schulmeinung. Es mag daher verwunderlich erscheinen, wenn hier die moderne Tiefenpsychologie, über deren Verdienste sich der Autor im klaren ist, beiseite gelassen wird. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem Stoffe selbst. Die alttestamentlichen Schriftsteller, die uns von »Träumen« berichten, haben diese Träume nicht selbst geträumt, sondern es handelt sich dabei entweder um ein Stilmittel, das sie verwandt haben, oder um nur traumhafte Elemente, die in die Darstellung verwoben worden sind. Ein solches literarisches Produkt ist im allgemeinen anders zu beurteilen als ein wirklich geträumter Traum. Der Traum im Alten Testament ist weniger ein psychologisches Phänomen als vor allem ein traditions- und religionsgeschichtliches. Man hat zu fragen, warum wird an dieser bestimmten Stelle gerade von einem Traum gesprochen, und nicht, was bedeutet das »Motiv« in diesem Traum? Der Traum bietet eine der verschiedenen Möglichkeiten, eine Verbindung zwischen der Gottheit und dem Menschen herzustellen. Er kann dazu dienen, Zukünftiges auszusagen, um besonderes Wissen zu vermitteln, und er erweist sich so als ein Zeichen der Gottheit von großer Bedeutung. Der Traum ist im A. T. kein profanes Phänomen. Daraus folgt, daß dort, wo man Träumen volles Gewicht beimißt, ) E . MÖHRING, Theophanien und Träume in der biblischen Literatur, Theol. Diss. Heidelberg 1914 (Kap. 2 Träume S. 38 — 54), kann nicht als wissenschaftliche Arbeit bezeichnet werden. Aus dem allein gedruckten vorliegenden Teil der Gesamtdissertation kann man kaum etwas über den Traum im A. T. lernen, zumal M. weder auf literarische noch auf quellenkritische Probleme näher eingeht. L

VI

Vorbemerkung

sie nicht als Erzeugnis des eigenen Innenlebens verstanden werden, sondern als Ausdruck realen Erlebens, von den Offenbarungen im wachen Zustand nur dadurch unterschieden, daß sie im Schlafe erscheinen. Man kann unterscheiden zwischen Träumen, die spontan zum Menschen kommen, und solchen, die er an einer heiligen Stätte träumen will. Die letztgenannte Gattung (Inkubation) ist im A. T. äußerst selten und läßt sich nur an einer Stelle sicher nachweisen (1. Kg. 3). Die Träume können ferner symbolisch sein und bedürfen dann einer Deutung. Andere, die eine Gottesrede enthalten, sind ohne Deutung verständlich. Es gibt auch Inkubationsträume mit Gottesrede oder mit Symbolen. Das uns im A. T. vorliegende Material hat folgende Gliederung des Stoffes nahegelegt: I. Inkubation; das heißt also: Träume, die an einer heiligen Stätte geträumt werden. II. Symbolische Träume, die ohne Deutung nicht verständlich sind. III. Träume, die eine Botschaft der Gottheit — meist Befehl oder Warnung — vermitteln. IV. Der Traum als Offenbarungsmittel der Gottheit. V. Der Traum im Vergleich. VI. Die Ablehnung des Traumes als Offenbarungsmittel.

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

V

Einleitung

1

I. Kapitel: I n k u b a t i o n Einleitung

13

1. 2. 3. 4. 6. 6. 7.

19 27 32 35 45 51 53

I. Kg. 3 s - 1 5 Gen. 2 8 i o - 2 9 , i Gen. 4 6 i a - s a Gen. 15 1. Sam. 3 Inkubation in den Psalmen Jes. 65 4

Zusammenfassung

55

Anhang:

56 57

Inkubation in Assyrien und Babylonien Inkubation bei den Hethitern

II. Kapitel: D i e s y m b o l i s c h e n T r ä u m e im A. T. l a . Gen. 37 5 - 8 b. Gen. 37 9 - 1 0 2. Gen. 40 3. Gen. 41 4. Jud. 7 1 3 - 1 4 6. Dan. 2 6. Dan. 3 3 1 - 4 , 3 4

58 61 66 74 85 90 113

Zusammenfassung

122

I I I . Kapitel: B e f e h l e u n d W e i s u n g e n , übermittelt 1. 2. 3. 4.

Gen. 20 Gen. 31 24 Gen. 3 1 1 0 - 1 3 Vereinzelte Stellen

Zusammenfassung

die G o t t

durch

den

Traum 125 131 132 134 136

VIII

Inhaltsverzeichnis

IV. Kapitel: D e r T r a u m

als O f f e n b a r u n g s m i t t e l

der

Gottheit

1 . N u m . 12 6 - 8 2. 1. Sam. 28 6.15 3. Joel 3 1 4. Hiob 412—16 5. H i o b 7 i 3 — u 6. Hiob 3 3 1 4 - 1 6 7. 2. Makk. 1 5 1 1 - 1 6 8. Sap. Sal. 1 8 1 7 - 1 9 V.Kapitel: 1. 2. 3. 4.

D e r T r a u m im V e r g l e i c h

Jes. 29 7. 8 Hiob 20 8 Ps. 73 20 Ps. 126 l

VI. Kapitel: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

137 139 140 142 145 146 148 149

Die

151 153 153 154 Ablehnung

des T r a u m e s

Jer. 23 25-32 Jer. 27 9 - 1 0 Jer. 29 8. 9 Dt. 13 2 - 6 Sach. 10 2 Koh. 5 (2) 6 Jes. Sir. 3 1 1 - 8 Jes. Sir. 40 5 C - 7 Aristeasbrief 2 1 3 - 2 1 6

Zusammenfassung

als

Offenbarungsmittel

.

155 158 159 161 162 164 164 167 168 169

Abkürzungsverzeichnis I. Kommentarwerke

171

II. Zeitschriften und Sammelwerke

171

Verzeichnis der mehrmals zitierten Literatur

173

Nachträge

178

Nachwort

179

EINLEITUNG Die Etymologie des Stammes hlm ist umstritten. Nach KÖNIG und L . KÖHLER2) (gegen BROWN-DRIVER-BRIGGS 8 ) und GESENIUSBUHL4)) werden die beiden Bedeutungen der Wurzel in Verbindung gebracht: einerseits »fett sein, kräftig werden«, andererseits »träumen«. Das verbindende Glied dieser beiden an sich verschiedenen Bedeutungen ist vermutlich der sexuelle Traum, der mit der Pubertät auftritt. Von dieser speziellen Bedeutung hat sich das Wort zum allgemeinen Begriff des Traumes überhaupt entwickelt. Das arab. halama, mannbar werden und träumen, weist hier den Weg. Das Verb hlm träumen wird nur im qal verwandt (Jer. 29 8 ist wahrscheinlich in qal Partizip zu ändern). Im bibl. aram. ist nur das Substantiv vom Wortstamm hlm belegt, obwohl auch das Aramäische hlm als Verb kennt (pehl., jüd.-aram., christl. pal., syr.). Als Verb wird im bibl. aram. mit dem Substantiv vom Stamm hlm stets das Wort hzh gebraucht, wenn ausgesagt werden soll, daß der Traum geträumt worden ist; im Hebr. entspricht dem das Verb vom Stamm hlm. Das mag damit zusammenhängen, daß im bibl. aram. nur weissagende Träume vorkommen. Am häufigsten erscheint der Wortstamm hlm in der Gen. (48mal), 4mal im Dt. und lmal in Num.; jedoch kommt er in Ex., Lev. und Jos. überhaupt nicht vor. Ferner fehlt er im 2. Sam., 2. Kg. und in 1. u. 2. Chr. Bei den Propheten ist dieser Wortstamm nur bei Jes., Jer., Jo. und Sach. zu finden, innerhalb der Hagiographen nur bei Hi., in den Ps. und bei Dan. Neben diesem Wortstamm hlm gibt es nun eine Reihe weiterer Wörter, die zumindest einen traumähnlichen Zustand ausdrücken, wenn sie nicht sogar zuweilen promiscue mit hlm gebraucht werden. Als erstes dieser Wörter behandeln wir haeziön lailä, und zwar jene Stellen, wo haeziön lailä in Verbindung mit hlm vorkommt6). Sie werden im Hauptteil der Arbeit noch ausführlich besprochen, daher gehen wir hier nicht auf Textkritik ein. E. KÖNIG, Hebr. u. aram. Wörterb. z. A.T., 6. 7. 1936. *) L. KÖHLER, Lexicon in Veteris Testamenti Libros, 1948 ff. S ) BROWN-DRIVER-BRIGGS, A Hebrew Engl. Lex. to the O. T. 1881/1906. 4 ) GESENIUS-BUHL, Handwörterb. über das A. T. 17, 1921. 5 ) Zur Gegenüberstellung von Traum und Nachtvision im Assyr. vgl. W. v. SODEN, Die Unterweltsvision eines Assyr. Kronprinzen, ZA 43, 1936, S. l f f . Rücks. Zeile 41: E hr1i e h

Der Traum im Alten Testamen

1

2

Einleitung

Hi. 20 8 : V. a und b sind offensichtlich parallel. In V. a wird die Existenz des Gottlosen mit einem Traum, V. b mit einem Nachtgesicht verglichen. Das Gemeinsame von Traum und Nachtgesicht ist, daß beide vor dem inneren Auge vorbeihuschen und keine Spuren in der äußeren Wirklichkeit zurücklassen. Hi. 7 14 ist halöm (hier pl.) nicht haeziön lailä, sondern hizzaiön (pl.) gegenübergestellt. J H W H erschreckt Hiob durch Träume und Visionen, so daß er nicht einmal im Schlafe Ruhe findet. Sowohl in V. 13 wie in V. 14 ist vom Stilmittel des Parallelismus membrorum Gebrauch gemacht, hizzaiön muß, wenn es halöm so gegenübergestellt ist, eine verwandte Bedeutung haben, hizzaiön kommt (zum Unterschiede von halöm) fast nie in profaner Bedeutung vor. (Vgl. 2. Sam. 7 17; Jo. 3 i ; Sach. 13 4 in der Ablehnung; Hi. 413; 3315; zu Jes. 22 5 vgl. die Komment.) Die einzige Ausnahme ist Hi. 20 8. Das Wort hat einen spezielleren Sinn erhalten als das allgemeinere h'löm, das sowohl sakral wie auch profan verwendet wird. (Gen. 37; 4041 profan, gegenüber 1. Kg. 3 sfi.; Num. 12 6.) Zu dieser Bedeutungsnuance von hizzaiön paßt auch das Verb Wet, das mit einer Ausnahme (Hi. 1811) immer im Zusammenhange eines von Gott verursachten oder auf ihn zurückführbaren Schreckens gebraucht wird. (Vgl. BUDDE Z. St.) In Hi. 33 15ff., wo hHöm und haeziön lailä nebeneinandergestellt sind, ist von einer Offenbarung die Rede: »II (der Traum) devient ici l'instrument même de la révélation« (DHORME1) Z. St.). Hier erfahren wir, ob der Offenbarungsempfänger die Offenbarung im Schlaf oder im Wachen erhält. Es kann offen bleiben, ob V. 15a/? als Glosse zu streichen (HÖLSCHER U. a.) oder als Zitat aus Hi. 4 13 zu verstehen sei (so DHORME). Auf jeden Fall ist hier mit haeziön lailä, wegen V. 15b, der sich auf den ganzen Vers 15a bezieht, Schlafzustand gemeint (etwa ein Halbschlaf zwischen Traum und Wachen vgl. BUDDE zu 4 1 2 ) . Es ist falsch, was DHORME Z. St. sagt: »L'abstrait t'nümä de nütn, dormir, est le mot parallèle à sèna, sommeil.« D(mKum)-ma-a-a islal-ma tab-ri-it mu-Si i-na-(t)a-al i-na ¡utti-iu. (Kum)mâ legte sich schlafen und schaute ein Nachtgesicht. In seinem Traum. . . .« Nachtgesicht und Traum sind hier gleichbedeutend gebraucht. Für das Aramäische vgl. C. H. G O R D O N , Orientalia 20, Fase. 3,1961, S. 306f. Auf einer im Iran gefundenen magischen Schüssel findet sich ein aram. Text, in dem es u. a. heißt: »Die böse Lilith, welche die Herzen der Menschensöhne verführt und im Traum der Nacht (hêlmâ di lêljâ) erscheint und erscheint in der Vision des Tages (haezuiänä di jemätnä)*. Hier wird das Nachtgeschehen mit hilmä, das Tagesgeschehen mit haezuiänä bezeichnet und somit eine klare Unterscheidung der Termini vorgenommen. x ) Zur Zitierungsweise: Wenn nichts anderes vermerkt ist, handelt es sich bei den zitierten Namen von Forschern um Verfasser von Kommentaren zu den betreffenden alttest. Büchern. Die Komment, sind alle im Literaturverzeichnis genannt.

Einleitung

3

Pnümä ist nicht parallel, sondern nur bedeutungsverwandt und drückt eine andere Art des Schlafzustandes aus 1 ). Selbst wenn man V. lb&ß ganz außer acht läßt, so bleiben zwei Termini für die Offenbarung in V. a; haeziön lailä ist hier eine nähere Bestimmung des allgemeineren Begriffes hHöm. Dafür spricht auch, daß der SR %. kein be vor haeziön lailä aufweist, es also dem bahHöm unterordnet: Im Traum offenbart sich die Gottheit, aber nicht in einem gewöhnlichen Traum, sondern eben in der haeziön lailä. Diese Feststellung ist nicht zu verallgemeinern, auch 1. Kg. 3 5 ff. (eine Wortoffenbarung) wird als hHöm bezeichnet, deren Empfänger ein Israelit ist, so daß der hHöm nicht etwa eine mindere Art der Offenbarung sein muß (vgl. auch Num. 12 e). halöm ist vielmehr der allgemeine und neutrale Ausdruck, während haeziön lailä eine engere Bedeutung hat. Dieses Wort bleibt mehr als hHöm der Sprache der Offenbarung vorbehalten. h'zön lailä im Vergleich mit hHöm: Jes. 29 7. hHöm und h'zön lailä sind hier beide gleich gebraucht ( P R O C K S C H z. St.). Sie dienen zur Charakterisierung flüchtiger Erscheinungen, die sich in nichts auflösen. P R O C K S C H ' S weitere Feststellungen sind jedoch zweifelhaft: »An sich sind hHöm und hazön lailä... nicht identisch, da h'zön lailä in wachem Zustand empfangen wird (Hi. 4i2f., Num. 24 3ff. 15f.)« In Num. 24 ist nicht von einer hazön lailä die Zur näheren Definition von tenümä vgl. Talm. Megilla 18b: »R. Asche sagt: Jemand, der nicht ganz schlafend und nicht ganz wachend ist, und der, wenn man ihn ruft, zwar antwortet, aber nichts Vernünftiges zu erwidern weiß, wenn man ihn, jedoch an etwas erinnert sich dessen erinnert.« Wir übersetzen Pnümä am besten mit Schlummer, Halbschlaf, vgl. Ps. 132 4; Prv. 64. 10; 24 33, Zum ugarit. nhmt vgl. H. L. GINSBERG, The Legend of King Keret, 1 9 4 6 S. 3 4 : »The word nhmt . . . is obviously more or less identical in meaning and function with the Heb. tnümä, . . . nor can it be doubted that the two words are also related etymologically.« Wenn von vollem Schlaf geredet wird, so wird das Wort Send gebraucht. Der ganz tiefe Schlaf, oft von Gott bewirkt (Gen. 221; 16 12; 1. Sam. 26 12; Jes. 2910) heißt tardemä: »Tiefschlaf« oder wegen seiner Herkunft von der Gottheit auch »Zauberschlaf, Wunderschlaf« (vgl. GUNKEL, Genesis4, 1917 zu den entsprechenden Stellen). Kompliziert ist das Verhältnis zwischen dem Stamm nüm und dem Stamm jSn. Im Äth. ist nöma das gewöhnliche Wort für schlafen. Im Arab. wird jedoch zwischen wasina und näma unterschieden. FREYTAG, IV S. 467a bucht für das erste »somno gravi opressus fuit«, für das zweite (V S. 366) »dormivit vel dormitavit«. Im Syr. kommt das Verb vom Stamme jin nicht vor, wohl aber das Substantiv Pna, Sentä (vgl. Thesaurus S. 1638). Vgl. auch Akk. iittu. Das Verb näm, dormitavit und das Substantiv naum'tä, leichter Schlaf sind im Syr. gebräuchlich. Ähnlich jüd. aram. nüm, nümitä und jSn, Sentä. Im Arab. Hebr. und Aram. gibt es beide Wurzeln nebeneinander, und darum sind sie nuanciert. Der Unterschied zwischen jin und nüm liegt wahrscheinlich in der Schlaftiefe. Dafür spricht, daß der Stamm nüm 1*

4

Einleitung

Rede, sondern 90?. hat 24 4 mah'zae, ebenso Num. 2416. Auch von lailä steht im 90t. %. nichts und mit © fv ÜTTVCO in den Text einzufügen, liegt kein Grund vor. Hi. 4 12 wird übrigens nicht h'zön lailä, sondern haeziön lailä gebraucht. Einen Unterschied zwischen den beiden sehen wir nicht, jedoch geht aus Hi. 412ff. hervor, daß die haeziön lailä während des Schlafes stattfindet oder kurz vor dem Einschlafen im Halbschlaf 1 ). mafä in Verbindung mit h'löm: Num. 12 off. In 12 6 sind h'löm und m a f ä die Offenbarungsweisen JHWH's für die Propheten. Im Gegensatz zu beiden steht die besondere Art, in der sich J H W H Mose gegenüber offenbart (V. 8): mit ihm spricht J H W H von Mund zu Mund. In der Bewertung steht mafä auf gleicher Stufe wie h'löm. Inwieweit jedoch mafä und h'löm in ihrer Erscheinung sich ähneln, kann hieraus nicht entnommen werden. Es wäre jedoch verfehlt, mafä, nur weil es mit dem eindeutigen h'löm zusammengestellt ist, ohne weiteres als eine Erscheinung im Wachzustand aufzufassen. (Über den Sinn der Stelle, der allein verständlich wird, wenn man V. 6 und 8 textkritisch bereinigt, s. u. S. 137ff.) Gen. 46 2 handelt von einer Nachtvision, wahrscheinlich bedeutet mafä hier eine traumartige Erscheinung (mafae kommt übrigens niemals in dieser Bedeutung vor). 1. Sam. 315 wird eine in der Nacht erfolgende Audition als. mafä bezeichnet. Das Derivat vom Stamme rä"ä ist zur Bezeichnie vom Todesschlafe gebraucht wird, wohl aber jin: Hi. 313; Ps. 13 4; Jer. 61 39.57; Dan. 12 2. Schwierig ist Ps. 76 6. nüm und Send werden dort aber wohl nicht im Sinne von Todesschlaf benutzt. (Richtig H I T Z I G , D U H M gegen H U P F E L D , B X T H G E N , KITTEL, GUNKEL, WEISER.) Aus B E R T H O L E T und SCHMIDT geht nicht klar hervor, ob es sich nach ihrer Meinung um einen Todesschlaf handelt. B E R T H O L E T und G U N K E L verweisen richtig auf den Zauberschlaf. Schwierig ist Nah. 3 18 zu bestimmen, da der T e x t unsicher ist. Bemerkenswert ist H Ö L S C H E R ' S Versuch, das Nachtgesicht vom Traume abzugrenzen (Propheten, 1914 S. 83). E r sieht den Unterschied zwischen Traum' und Gesicht darin, daß für den Traum die Gesichtsbilder, für die Vision das Vernehmen von Lauten charakteristisch sind. E s fehlt jedoch bei H. das Eingehen auf die Frage, inwieweit sich Traum und Nachtgesicht hinsichtlich ihrer Erscheinung (Wachzustand oder Schlaf) gleichen. J E P S E N (Nabi, 1 9 3 4 S. 4 8 f.) weiß sich mit H . in der Unterscheidung von Traum und Nachtgesicht einig, wenn er das Besondere des Nachtgesichtes in der nächtlichen Audition sieht. H Ä N E L (Erkennen Gottes, 1 9 2 3 S. 1 2 2 ) widerspricht der These H Ö L S C H E R ' S von der Betrachtung der Nachtgesichte Sach. her. Man tut aber gut, sie bei der Behandlung der Termini für »Nachtgesicht« usw. nicht heranzuziehen. Denn bei Sach. handelt es sich um wirkliche Bilder, die er sieht, und es finden sich nirgends Termini wie hdzön oder mar 'ä. Die Visionen werden mit Formen des Verbes rd'ä eingeleitet. Wie das »Sehen« bei den Visionen der Propheten zu verstehen ist, führt H Ä U S S E R M A N N (Wortempfang 1 9 3 2 , S . 6 9 ) aus.

Einleitung

5

nung einer sinnlichen Wahrnehmung geworden und etwa im Sinne »prophetischer Wahrnehmung« zu verstehen. Eine Differenzierung der verschiedenen inneren Wahrnehmungen ist dem alttest. Schriftsteller noch fremd, rä'ä und häzä, die das eigentliche Sehen ausdrücken, werden auch für die verschiedenen Arten innerer Wahrnehmungen gebraucht1). Das ist seit langem klar erkannt worden2). Ausführlich behandelt auch PEDERSEN 3 ) dieses Problem. Zuerst war es KÖNIG4), der die Unterscheidung zwischen rä'ä und häzä gefunden zu haben glaubte. Er stellte den vorwiegenden Gebrauch des Wortstammes häzä als Bezeichnung für die »uneigentliche« Sehtätigkeit der falschen Propheten heraus, im Gegensatz zu rä'ä. In diesem Zusammenhang kennzeichnet KÖNIG Ez. 13 3 allerdings fälschlich als einen wahren »locus classicus probans«. KÖNIG hat nicht genügend beachtet, daß z. B. hözäe einfach synonym zu rö'ae ist. Ferner werden hazön, mah"zae und hizzaiön durchaus für echte Prophetie gebraucht. Es ist also zwischen dem sakralen Gebrauch und der gelegentlich profanen Verwendung zu unterscheiden. In dem Wortstamm häzä kann keine so negative Nuance gelegen haben, wie KÖNIG es vermutet hat. BAUDISSIN 5) nimmt an, daß ursprünglich für das Schauen der Wahrsager zwischen rä'ä und häzä nicht unterschieden wurde. Erst im Sprachgebrauch der Propheten hätte sich eine Unterscheidung der beiden Verben herausgebildet. rä'ä soll sich auf etwas objektiv Vorliegendes beziehen, häzä hingegen ein subjektives, innerliches Schauen bezeichnen. HÄNEL 6 ) kritisiert diese Auffassung, da Derivate vom Stamme häzä auch für »objektives Erleben« benutzt werden7). Er schließt sich Vgl. HALDER, Associations of Cult Prophets, 1 9 4 6 S . 1 0 8 Anm. 2 : »Of course this interpretation of häzä and rä'ä does not exclude their use for "dream vision', 'night sights' (hazön lailä often with accompanying sounds) (1. Sam. 3). There is an exact equivalent in the bärüs 'visions', which also included "night sights'.« . . . Der Terminus für Nachtgesicht ist im akkad. tabrit müSi; er würde etwa h"zön lailä entsprechen, während üuttu von der Wurzel jSn dem h"löm entspricht. 2 ) So u. a. LINDBLOM, Studia Theologica I, 1935 S. 10. ") Israel I - I I , 1926 S. 100. *) Der Offenbarungsbegriff des A. T. II, 1882, S. 29ff. 5 ) ARW, 18, 1915, S. 209ff. •) Das Erkennen Gottes bei den Schriftpropheten, 1923, S. 7 ff. ') Diese Wertbezeichnungen: objektiv/negativ werden dann verwendet, wenn man eine echte »Offenbarung« als etwas Objektives, eine aus dem eigenen Innern stammende »Meinung« als etwas Subjektives bezeichnet. Damit meinte man früher ein Kriterium für die Unterscheidung zwischen echter und falscher Prophetie gefunden zu haben. Zum Problem der falschen Propheten vgl. ROBINSON, ZAW 41. 1923, S. 11; v. R A D , ZAW 6 1 , 1933, S. 109ff.; M. BUBER, Der Glaube der Propheten. 1960, S. 265ff.

6

Einleitung

v. ORELLI an, wenn er den Unterschied zwischen rä'ä und häzä so formuliert, daß rä'ä die Beziehung des Auges auf einen bestimmten Gegenstand bezeichne, häzä zuständlich das Verweilen des Blickes auf einem Bilde. 2 HÄNEL ) kommt anläßlich der Besprechung von JEPSENS Arbeit »Nabi« noch einmal auf das Problem zurück: »Wenn im Hinblick auf die prophetischen Wahrnehmungen das häzä den Nabis vorbehalten wird, so wirkt letzten Endes die überholte Verteilung von häzä und rä'ä auf falsche und wahre Propheten nach. Auch das häzä kann nicht einer Gruppe zugewiesen werden. Insbesondere ist die soziologische Deutung mit »Wahrnehmung im Sinn des Nebiismus« derartig farblos, daß sich damit kaum etwas anfangen läßt. Vielmehr dürfte ganz allgemein häzä das Geheimnisvolle des prophetischen Wahrnehmens, rä'ä einfach das prophetische Wahrnehmen als solches meinen.« Erscheint uns HÄNEL'S frühere Unterscheidung gewunden, so deckt sich die zweite mit der von uns gemachten Andeutung zu Hi. 714. Danach hätte häzä eine mehr geheimnisvolle, numinose Nuance, die rä'ä als dem einfachen, eindeutigen Begriff für prophetische Wahrnehmung nicht eigen wäre. Man ist durch diese Definition nicht gezwungen, mechanisch zwischen echter und falscher Prophetie zu unterscheiden (was auch gar nicht leicht wäre), oder komplizierte Unterscheidungen anzustellen, wie v. ORELLI es tut. häzä als eine Tätigkeit für die Nabis allein aufzufassen, widerspricht jedenfalls dem vorliegenden Befund. So wenig wie Jo. 3 l passen auch die Hiobstellen in dieses Schema 3 ). Zuletzt hat sich JOHNSON mit dem Problem auseinandergesetzt 4 ). Soweit stimmen wir mit JOHNSON überein, als er häzä als den allgemeinen Begriff auffaßt, der den Gehalt einer »prophetischen Wahrnehmung« besitzt; andererseits finden wir in Gen. 46 2 und in 1. Sam. 315 eindeutige Auditionen mit einem Derivat von rcPä bezeichnet. Diese Stellen widersprechen dann wieder jenem Befund, wonach rä'ä im wörtlichen Sinne dem »Sehen« der Propheten vorbehalten bleibt. !) »Prophetentum im A. T.« in HERZOG-HAUCK RE S XVI, 190B, S. 91. ) Th. Lbl. 1934, S. 244 f. s ) Gegen JEPSEN, Nabi, 1934, S. 43ff. 4 ) The Cultic Prophet in Ancient Israel, 1944, S. 14 ff.: »In short, the haza seems to be used rather more than the rd'd with reference to visions in the secondary sense of the term, i.e. of auditory examples than strictly visual phenomena. Thus . . all the outstanding examples of visions in a literal sense are introduced by the verbal form of the rd'd . . . Nevertheless the above distinction between the two roots rd'd and hazd must not be pressed — at least so far as the nominal use of the active participle is concerned.« a

7

Einleitung

Als Ergebnis ist festzuhalten, daß rä'ä für das allgemeine und prophetische Sehen gebraucht wird, häzä hingegen mehr die Bedeutung einer geheimnisvollen Wahrnehmung ausdrückt, die dem Bereiche des Numinosen angehört1). Schließlich haben wir noch auf den Begriff des »däbär« einzugehen. Nach GRETHER 2 ) steht däbär zu Offenbarungstraum und Gesicht nicht im Gegensatz. In der Zeit von Samuel bis Elisa wird der däbär häufig durch Traum und Gesicht übermittelt (vgl. 1. Sam. 3io; 1511 f.; 2. Sam. 7 4 u.a.). Das Nebeneinander von däbär, Vision, Traum, Nachtgesicht und mechanischem Orakel und das Überwiegen des däbär ist charakteristisch für die Zeit vor den großen Schriftpropheten3). Dagegen treten bei den großen vorexilischen Schriftpropheten Vision, Audition und Traum im Verhältnis zur unmittelbaren Eingebung des däbär in den Hintergrund4). In der letzten prophetischen Periode erscheinen Visionen, Auditionen und Träume wieder häufiger als in der prophetischen Frühzeit. »Während unter halöm nur die im Traum geschaute oder gehörte Offenbarung verstanden werden kann, und mar'ae, mafä, häzön, hizzäjön oder mahazae mit dem Begriff des äußeren oder inneren Schauens und das seltene semücä5) mit dem des Hörens trotz vereinzelter Ausnahmen verknüpft ist, ist der däbär-Begnii über seine ursprüngliche Beziehung zur Audition hinausgewachsen und hat als das Ziel aller dieser Offenbarungsformen die allgemeinste und weiteste Bedeutung erlangt.« Damit ist der Vorzug, den der däbär bei einzelnen Propheten erfahren hat, geklärt. Das Wort ist eindeutiger als ein Bild, das erst zu deuten ist8). Vgl. LINDBLOM, Uppsala Universitets Ärsskrift, 1924, S. 38; vgl. ferner das Sammelreferat von H . H . ROWLEY, Harvard Theol. Review 38, 1945, S. 8 ff. und MICHAELIS, Theol. Wörterb. z. N . T., Bd. V, Lief. 6, 1950, S. 328ff. 2)

Name und W o r t Gottes im A. T., 1934; vgl. auch zum W o r t Gottes MOWINCKEL,

J B L , 1934, S. 199ff., und vom gleichen Verf. R H P h R , 1942, besonders S. 80ff. S)

GRETHER

a. a. O .

S. 87.

*)

GRETHER

a.a.O.

S. 91;

s)

¡Pmuä

bedeutet

MICHAELIS

a.a.O.

S. 330.

Jes. 28 9.19; 53 l ; Jer. 49 14 Ob. l

n i c h t Audition

oder

Offenbarung in dem Sinn, wie die oben genannten Termini. Als einer der Wenigen hat das BUDDE ( K . B . 4 zu Jes. 631) klar erkannt: »Darunter inneres Hören, prophetische Audition zu verstehen, liegt nicht der entfernteste Grund vor.« Das A . T. kennt also für Audition kein eigenes Wort.

Erst im Arab. wird samä'

»Audition«;

vgl. G. WIDENGREN, Literary and Psychol. Aspects of the Hebrew Prophets, 1948, S. 96,

besonders 6)

A n m . 4,

und

Vgl. GUNKEL, Einl. zu:

MICHAELIS

a. a. O ,

S. 330

A n m . 1.

Die großen Propheten®, übers, v. H . SCHMIDT, 1923,

S. X L I I ; ferner L . H . BROCKINGTON, Audition in the O. T., Journ. of Theol. Stud. XLIX,

Nr. 193-194,

1948, S. l f f .

8

Einleitung

Welche Unterschiede lassen sich nun zwischen Traum und Vision feststellen ? Auf diese Frage geht schonMAIMONIDES1) ein: »Ich brauche dir nicht auseinanderzusetzen, was ein Traum ist, wohl aber, was eine Vision ist, nämlich, was mit dem Ausspruch 'Ich tue im Gesicht mich ihm kund* (Num. 12 6) gemeint ist. Dies ist es, was man die prophetische Vision mar'ä nennt oder auch die Hand Gottes oder das Gesicht mah'zae. In einem solchen Zustand werden die Sinne unwirksam, ihre Tätigkeit hört auf. . . .«

Das Phänomen der Vision hat damit MAIMONIDES richtig beurteilt, wir erfahren aber nicht, inwiefern es sich nun vom Traum unterscheidet. PEDERSEN2) unterscheidet folgendermaßen zwischen Traum und Vision: »Alongside of the dream stands the vision, there is only the difference between them that the vision is received when awake.« Gerade MAIMONIDES hatte jenen besonderen Zustand des Visionärs geschildert, der darauf schließen läßt, daß es sich hierbei nicht um einen ganz normalen Wachzustand handelt. Man wird jedoch feiner differenzieren müssen. Das Wachsein allein ermöglicht kein Kriterium für die Abgrenzung der Vision. Daß die Vision nach alttest. Auffassung kein innerer Sehvorgang sei, ist ein Irrtum, dem auch HÄNEL unterliegt. HÄUSSERMANN 3) schränkt diese Meinung allerdings ein. Richtig ist, daß äußeres und inneres Sehen mit den gleichen Ausdrücken bezeichnet werden. Mit der Unterscheidung zwischen äußerem und inneren Sehen ist nichts über die Realität dieser Vorgänge für den Propheten ausgesagt. Für ihn sind sie Wirklichkeit, ob er sie nun mit dem nach innen oder mit dem nach außen gerichteten Auge sieht. GUILLAUME4), der versucht das Problem Traum und Vision zu klären, kommt zu dem Ergebnis, daß eine Trennung zwischen beiden Phänomenen schwer ist. Er verweist z. B. auf Jo. 3 l, wo Traum und Vision nebeneinander gebraucht werden. Wie schwierig es ist, x

) More Neb. II. B., c. 41. Auch MAIMONIDES erkennt noch den Traum als Offenbarungsweise Gottes an. Anders später SPINOZA (Theol.-pol. Traktat, Reclam S. 26), der ihn der Einbildungskraft des Menschen zuschreibt. Zur Wertschätzung des Traumes in der mittelalterl. jüd. Literatur vgl. H. M A L T E R , Dream as a Cause of Literary Compositions in: Kaufmann-Kohler-Festschrift, 1913, S. 199ff.; ferner J . B E R G M A N N , Legenden der Juden, 1919, S. 67f. 2 ) Israel I —II, 1 9 2 6 , S . 1 4 0 ; vgl. auch CORNELIUS, Indogermanische Religionsgeschichte, 1942, S. 11, der im Unterschied zum Traum bei der Vision ein waches Bewußtsein annimmt. 8 ) a. a. O. S. 6; vgl. auch S. 6 9 ; vgl. ferner S E L L I N , Der alttest. Prophetismus, 1912, S. 244f., Anm. 1; J U N K E R , Prophet und Seher, 1927, S. 79; LINDBLOM, Studia Theologica I, 1936. S. 112; M O W I N C K E L , R H P h R , 1942, S. 79. *) Prophétie et Divination, 1940, S. 261 ff.

Einleitung

9

Traum und Vision zu scheiden, geht aus den Untersuchungen der psychologischen Forschung hervor1). Ein Unterschied zwischen Traum und Vision liegt offenbar in der Tiefe des Schlafzustandes. Selbst während des Traumes ist ein Sich-im-Traume-Beobachten nicht ausgeschlossen. Das macht die Abgrenzung gegenüber der Vision besonders schwierig. Wachzustand kann bei Visionären nicht angenommen werden2). Ferner kann die Vision neben und auch gleichzeitig mit realen Wahrnehmungen erscheinen. An diese realen Wahrnehmungen knüpft die Vision an, und diese können sie beeinflussen, weitertreiben. Deshalb bleiben die Augen während einer Vision bisweilen offen, allerdings ohne ständige Einordnung in den objektiven Raum3). Eine Beschäftigung mit der psychologischen und vor allem auch psychopathologischen Literatur klärt darüber auf, daß die verschiedenen Formen der übersinnlichen Wahrnehmungen kaum ganz scharf geschieden werden können. HAUER 4 ) geht auf die Schwierigkeiten ein, die sich für die religionsgeschichtliche Arbeit ergeben: »Sodann ist es in einer Arbeit, die vor allem religionsgeschichtlich bestimmt ist, unmöglich, systematisch zu trennen zwischen Träumen, Visionen, Halluzinationen und Illusionen, und noch weniger ist es hier möglich, die Visionen einzuteilen. . . .« Dazu 5 1 ) K . J A S P E R S , Allg. Psychopathologie , 1948, S. 197: »Nachdem in stetiger Zunahme der Müdigkeit das Stadium der Somnolenz sich entwickelt hat, erfolgt plötzlich, fast insultartig, der Übergang zum Stadium der Dissoziation. Diese plötzlichen Verdunkelungen zum Schlaf können sich mehrmals wiederholen, indem immer wieder ein geringes Erwachen zur Somnolenz hin und damit ein Schwanken des Bewußtseins zwischen Schlaf und Wachen eintritt. In dieser Zeit treten vielfach pseudohalluzinatorische und zuweilen auch leibhaftige Sinnesphänomene auf (hypnagoge Halluzinationen). Visionen tauchen plötzlich auf und verschwinden ebenso schnell, abgerissene Worte und Sätze werden gehört, oder es werden szenenartige Zusammenhänge erlebt, die vom Traum nicht mehr zu trennen sind und ihn übergehen.« Vgl. auch HÖLSCHER, Propheten, 1914, S. 60f.; CORNELIUS a . a . O . S. 12ff.; vgl. zu den hypnagogen Halluzinationen SILBERER, Der Traum, 1919, S. 10ff.; SCHJELDERUP, Askese, 1928, S . 117; C . SCHNEIDER, Erlebnisechtheit der Apokalypse Johannes, 1930, S. 14ff.; CARUSO, Über den Symbolismus d. hypnagog. Vorstellungen, Schweiz. Zeitschr. f. Psychol., 1948, S. 87ff. Zu den verschiedenen Arten der visionären Erfahrung bei Swedenborg, die in diesem Zusammenhange instruktiv sind, vgl. E. B E N Z , Emanuel Swedenborg, 1948, S. 309ff.; zum Zustande eines Visionärs vgl. G U N K E L , Die geheimen Erfahrungen der Propheten, a . a . O . S. X V I I ff, auch in: Das Suchen der Zeit, I, 1903, S. 112ff., besonders S. 124; ferner W I D E N G R E N a . a . O . S. lOOf. 2 ) J A S P E R S a. a. O. S . 67ff. und H A U E R , Die Religionen I, 1923, S. 226ff.; vgl. auch T. A N D R A E , Mohammed, 1932, S . 40, aber auch die Ablehnung »unterwacher Bewußtseinsstufen« für die Berufungserlebnisse des Arnos, Jesaja und Jeremia durch

SEIERSTAD

S. 7 1 ff.

8

)

4

) a . a . O . S. 209; vgl. auch

LINDBLOM a . a . O .

S. 13. FASCHER,

Prophetes, 1927, S. 149.

10

Einleitung

kommt, daß wir bei antiken Texten über keine Berichterstattung verfügen, welche die Phänomene exakt so darstellt, wie sie erlebt worden sind1). Abgesehen von rein textlichen Schwierigkeiten (schlechte Erhaltung des Textes usw.) stellt sich das Problem der Überarbeitung und der Überlieferung, und schließlich verweben die Visionäre oder Träumer oft auch schon gewisse Elemente in ihre Darstellung, die mit der Vision gar nichts zu tun haben. Viele Sprachen auf niederer Kulturstufe unterscheiden nicht scharf zwischen Traum und Vision. Sogar in der modernen religionsgeschichtlichen und der psychologischen Literatur findet man beide Ausdrücke promiscue gebraucht 2 ). Auch das griechische Wort övEipos steht sowohl für Traum als auch für Vision 3 ), ebenso das arab. ru'yä'. Wie nun dasselbe Motiv in den verschiedenen Varianten einer Erzählung verschieden ausgedrückt wird, läßt sich an einem Beispiel zeigen: GRESSMANN4) hat die ägyptische Quelle und die jüdischen Varianten des Gleichnisses vom reichen Mann und armen Lazarus zusammengestellt. In Luk. 16 23Î. findet sich von einem Traum nichts. Es heißt dort : »Und als er im Totenreich, von Qualen geplagt, seine Augen erhob, sah er Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß.« Auch die ägyptische Erzählung von Setme und Chamoïs ( G R E S S M A N N S. 62ff.) enthält keinen Traum. Von den bei G R E S S M A N N verzeichneten jüdischen Varianten ist in fünf Fassungen vom Traum die Rede. In einer Fassung wird nur vom Schlafe berichtet (obwohl Elia auch da offensichtlich im Traume erscheint)5). Gingen die bisherigen Unterscheidungsversuche zwischen Traum und Vision vom Psychischen und vom Formalen aus, von der Phäno*) LINDBLOM a. a. O.

S . 1 6 ; vgl. a u c h TOR ANDRAE a . a . O . S. 4 2 . Z u r Schwierig-

keit Träume zu beurteilen, ohne den Träumer selbst zu vernehmen, vgl. FREUD, Ges. Werke, Bd. 14, 1948, S. 558f. : »car travailler sur des rêves sans pouvoir obtenir du rêveur lui même des indications sur les relations qui peuvent relier entre eux ou les rattacher au monde extérieur... ne donne aux règles générales, qu'un maigre résultat « 2 ) Etwa bei LINCOLN, Dream in Primitive Cultures, 1935, oder bei C. G. JUNG, Die Visionen des Zosimos, Eranosjahrb. 1937, S. 16ff., wo die Ausdrücke »Traum«, »Vision«, »Traumvision« für das gleiche Phänomen verwendet werden. •) Vgl. auch Artemidor, Symbolik der Träume, 1. Buch, c. 1: »Es unterscheidet sich das Traumgesicht (ÖvEipos) vom Traum (âvÙTrviov) dadurch, daß jenes die Zukunft voraussagt, dieser die Gegenwart andeutet.« Diese Unterscheidung ist jedoch spät und vereinzelt; vgl. OEPKE, Artikel övotp in: Theol. Wörterb. z. N . T . , Bd. V, Lief. 4, 1950, S. 221. *) Vom reichen Mann und armen Lazarus (Abh. kgl. Preuß. Akad. Wiss. 1918, Phil.-Hist. Kl. Nr. 7). s ) Wie kompliziert das Problem ist, wann es sich um »Traum«, wann um »Vision« handle, kann man aus folgender Midraschstelle ersehen: Der Midr. Koh. r. Abschn. 6 knüpft an Koh. 6 2 a an. »Achaschwerosch sah die ganze Nacht Haman mit gezücktem Schwerte in der Hand bei sich stehen. Haman riß dem König den Purpur ab und

Einleitung

11

menologie der Vision, so ließe sich vielleicht auch ein Unterscheidungsmerkmal nach der inhaltlichen Seite finden. Ausgehen kann man hier von dem Zusammenhang zwischen Vision und D i c h t u n g . Ein Traum ist im allgemeinen kurz, in der Form zu unbestimmt und zu verworren, als daß der Inhalt großer Dichtungen in der Form von Träumen dargestellt werden konnte. Die Vision, die mit dem Traum das freie Schalten über den Wirklichkeitsstoff gemein hat, zeichnet sich jedoch durch ein größeres Sinngewicht aus, durch einen strafferen Ablauf, einen durchsichtigeren Aufbau und eine, wenn auch manchmal noch zu deutende, so doch klarere Verständlichkeit1). G U A R D I N I 2 ) , der sich bemüht hat, die Unterschiede zwischen Traum und Vision zu klären, geht dabei von der folgenden Dantestelle aus, von der er annimmt, daß Dante wirklich ein visionäres Erlebnis gehabt habe, in welchem er das Wesen der Welt, den Sinn der Geschichte und den seines persönlichen Daseins erfaßt hätte. Dante beschreibt dieses Erlebnis: »Wie ich hineinkam (gemeint ist der dunkle Wald und der lichtumflossene Berg zu Beginn des 1. Gesanges der Göttlichen die Krone vom Kopie und wollte ihn töten. Der König erwachte und sprach: W a r dies ein Traum (hlm) oder eine Vision (hzw') ? Wie lange ? Bis daß der Morgen kam. Da fragte der König: Wer ist im Hof ? Man antwortete ihm: Siehe, H a m a n steht im Hof. Da sprach der König: Dies ist der Traum.« Vgl. dazu auch Midr. Ester r. Abschn. 10: »In jener Nacht floh der Schlaf des Königs, der in seinem Traum H a m a n gesehen hatte, wie dieser ein Schwert nahm, um ihn zu töten. Und der König wurde erschreckt und erwachte von seinem Schlaf, und er befahl seinen Schreibern, ihm das Buch der Chronik zu bringen, und zu lesen und zu sehen, was darüber geschehen ist. Der König öffnete die Bücher und fand die Dinge, die Mordechai über Bigthan und Taeraeä erzählt hatte. Als man nun zum König sagte, siehe hier steht H a m a n im Hofe, da sprach der König: W a h r ist die Sache, die ich in meinem Traume gesehen habe, dieser kam jetzt nur, um mich zu erschlagen.« Die Komment, versuchen die Bedeutung von »Traum« und »Vision« zu klären, so Matnat Kehuna ( I S S A C H A R B E E R M A N N B E N N A F T A L I H A K O H E N , um 1580) z. St.: tthzw' ist nichts anderes als eine mr'h, die man vom Himmel zeigt.« Anders W O L F E I N H O R N (gest. 1858): »hzw' ist bloß eine mr'h f l hlm (Traumgesicht), und nichts Wirkliches ist daran.« Wie indes die gleichen Erklärer schwanken, zeigt Midr. Koh. r. Abschn. 5 zu V. 6: »Es sagt Rabbi: Wenn du schwere Träume und schwere Visionen gesehen hast, und du fürchtest dich vor ihnen, ergreife drei Mittel, und du wirst vor ihnen gerettet werden. . . .« W O L F E I N H O R N erklärt die Visionen hier als »schwierige Prophetien.« Vgl. zum Traum des Achaschwerosch auch die bei G I N Z B E R G , Legends of the Jews VI, S. 475 genannten Quellen. x ) Durch W I D E N G R E N ' S Zitate (a. a. O. S. 117) kann ich ersehen, daß T. A N D R A E in seinem nur schwedisch erschienenen Buche Mystikens psykologi, 1926, den Unterschied zwischen einer Vision und einem T r a u m in der Konzentration der Vision auf ein einziges Bild oder eine kurze Szene sieht. 2 ) R . G U A R D I N I , Vision und Dichtung, 1946, S. 26ff.; vgl. ferner O . B E H A G H E L , Bewußtes und Unbewußtes im dichterischen Schaffen, Gießener Rektoratsiede 1906;

12

Einleitung

Komödie, d. Vf.), kann ich nicht recht wiedergeben, so sehr war ich voll Schlaf in jenem Augenblick, da ich den wahren Weg verließ« (110—12). Hier ist der Zustand des Visionärs klar wiedergegeben, sein Nicht-bei-sich-Sein. Wohl könnten die oben zitierten Schilderungen auch für den Träumer gelten. Der Traum aber entfaltet nicht immer eine so starke Bildkraft, eine so fortlaufende Handlungsfolge, einen so sinnhaften Zusammenhang wie die Vision; es sei denn, man verweise hier auf die sogenannten »Traumserien«, die aber einen inhaltlichen Zusammenhang haben mögen hinsichtlich irgendeines Problems des Träumenden, das sich im Laufe vieler Träume entfaltet; sie haben aber doch nicht diesen sinnhaften, offenbaren Zusammenhang, der der Vision eigen ist 1 ). In ihrem Wesen sind Traum und Vision verwandt; beiden erscheinen Dinge möglich, die vom Wachbewußtsein ausgeschlossen sind, und der Träumer oder der Visionär steht zu den Erscheinungen in einem persönlichen Verhältnis. Nur so kann man das Durchtränktsein der Dichtung mit Visionärem verstehen, die Hinübernahme visionärer Elemente in das dichterische Schaffen, das Dichtung und Vision fast zur untrennbaren Einheit vermengt. W. ALTWEGG, Die Vision des Dichters, im 46. Jahrb. des Vereins schweizer. Gymnasiallehrer, 1919; A. BÉGUIN, Le rêve chez les Romantiques Allemands et dans la Poésie Française moderne, 1937. *) Zur geringen Einschätzung des Traumes gegenüber der Vision bei den Derwischen vgl. HUART, Les saints des derviches tourneurs II, 1922, S. 18. Der Traum ist bisweilen auch Wegbereiter für eine entscheidende Vision; vgl. R. BENEDICT, Patterns of Culture (Mentor Books), 1949, S. 39. Aber auch das Gegenteil ist zu belegen, nämlich, daß der Schlaftraum in der Bewertung höher als jede andere Erfahrung steht; vgl. R. BENEDICT a. a. O. S. 76f. ; vgl. ferner A. LOMMEL, Traum und Bild bei den Primitiven in Nordwest-Australien, Psyche, 6. Jg., Heft 3, 1961, S. 188.

I. K a p i t e l

INKUBATION Einleitung Wir befassen uns zunächst mit einer religionsgeschichtlich besonders wichtigen Anwendungsweise des Traumes, der Inkubation. Nach einigen allgemeinen Hinweisen auf das Wesen der Inkubation werden wir das Vorkommen der Inkubation im A. T. aufzeigen und durch einige Beispiele von Inkubationen im Alten Orient erläutern. In der Dissertation »De incubatione« von L. DEUBNER 1 ) findet sich folgende Definition der Inkubation: »In deorum templis ad dormiendum se prosternebant, quia certis ritibus atque caeremoniis effectis animoque bene praeparato atque prorsus in res divinas converso verisimillimum erat illum per somnium appariturum esse deum in cuius templo incubant.« Diese Definition ist aus der Betrachtung der griechischen Inkubationsbräuche gewonnen. Hier handelt es sich vor allem um die Inkubation im Heiligtum des Asklepios in Epidauros 2 ). Seit der Auffindung und Veröffentlichung der ersten Stele (1883) sind zwei weitere ausgegraben worden 3 ), deren Inschriften 4 H I L L E R VON GAERTRINGEN ) herausgegeben und R . H E R Z O G 6 ) übersetzt und behandelt hat. Die Inschriften enthalten Berichte 6 ) von Wunderheilungen durch Asklepios; meist liegt Inkubation vor: Ein Kranker ging in das Heiligtum, hatte dort einen Traum, erwachte bereits geheilt (das ist die ältere Form der Heilung7)), oder erhielt im Traum die Weisung, was er zu tun habe, sich selbst zu heilen. Durch vorhergehende Gebete suchte man die Aufmerksamkeit des Gottes auf sich zu lenken, durch Bäder hatte man sich in einen *) De Incubatione, 1900, S. 5f. 2 ) Neben Epidauros kam die Inkubation vor in den Asklepios-Heiligtümern von Cos, Tricca, Pergamum, Lebedena, Aegae. Vgl. H A U S M A N N , Kunst u. Heiltum, 1948, S. 18fi. ") Die drei ganz erhaltenen Stelen enthalten 66 Wunder. Pausanias (II, 27 3) sah noch 6 Stelen. 4 ) Inscriptiones Epidauri (Inscr. Graec. IV 1 , 1, 1929). 6 ) Die Wunderheilungen von Epidauros, 1931. 6 ) Zur Problematik dieser »Berichte« s. u. Den Inhalt der lápcrra umschreibt HERZOG (S. 61) treffend: »Heilungen (oder andere Ereignisse), die auf Grund der Umstände göttlicher Einwirkung zugeschrieben werden.« ' ) E . und L . EDELSTEIN, Asclepius II, 1 9 4 5 , S . 1 6 1 .

14

I. Kapitel

kultisch reinen Zustand zu bringen 1 ), durch Opfer stattete man schließlich nach der Heilung dem Heilgott den ihm gebührenden Dank ab 2 ). Geheilt wurde der Inkubant nach vorangegangener Asklepios-Epiphanie im Traum. Der Rat des Gottes war eindeutig und bedurfte nicht priesterlicher Deutung 3 ). Asklepios erschien wie auf dem Kultbild als bärtiger Mann, aber auch häufig als Schlange oder Hund 4 ). Voraussetzung jeder Inkubation ist der Glaube an die Wirklichkeit des Traumes 6 ). Notwendig für die Inkubation ist der Traum an einer heiligen Stätte. Inkubation ist demnach eine Traumoffenbarung, die der Mensch an heiliger Stätte erlangt 8 ). So ist er nicht darauf angewiesen, passiv abzuwarten, ob die Überwelt sich ihm erschließen will; er kann auch selbsttätig die Beziehung zu ihr suchen. Durch die Inkubation sucht der Mensch konkrete Hilfe durch das machtbegabte Wesen oder die Gottheit, besonders Gesundung, Belehrung, Voraussagen7). Die heilige Stätte als Wohnsitz der Gottheit oder eines machtbegabten Wesens war geeignet für die Verbindung mit jenen Wesen, deren Hilfe sich der Mensch sichern wollte, zumal er annahm, daß das Wirken dieser Wesen an bestimmte Stätten gebunden wäre 8 ). Die notwendigen Inkubationsriten hatten den Sinn, die Gottheit zum Erscheinen zu zwingen. Die einleitenden Riten und später folgenden Zeremonien, die Offenbarungsweise der Gottheit, Art und Inhalt des Orakels können jedoch sehr verschieden sein. Als Vorbereitung dienten Reinigungsriten, Fasten, sexuelle und alkoholische Abstinenz, verschiedenartige Opfer, besondere Bereitung der SchlafX 2

)

EDELSTEIN

)

HERZOG a . a . O .

a. a. O. S.

S.

149.

130«.

s ) Vgl. C. A. M E I E R , Antike Inkubation und moderne Psychotherapie, 1949, S. 64, doch vgl. aber auch H E R Z O G a. a. O. S. 164.

*)

und

HERZOG a . a . O .

«) V g l .

S. 63;

S. 14

(W. 17),

S. 2 4

(W. 39)

u. a. v g l .

EDELSTEIN

II,

S.

151

a . a . O . S. 43ff. 5 ) P E D E R S E N , Israel I - I I , 1926, S . 134f. und Anm. 1 zu S . 135 und zu S . 140. Neben dem von P. zitierten Beispiel aus Josephus Ant. X V I I , 6 4 vgl. für die Primitiven C . G. SELIGMAN, Journ. Royal Anthrop. Instit. Great Brit. and Irel. L X I I , 1932, S. 216; L £ V Y - B R U H L , Die geistige Welt der Primitiven, 1927, S. 79ff. Vgl. ferner W E I N R E I C H , Antike Heilungswunder, 1909, S . 76, und F . CUMONT, Lux Perpetua, 1949, S. 91. *) Gewollter Traum ohne heilige Stätte findet sich in der jüd. Literatur, u. a. Talmud Men. 67a; 84b; Midr. Koh. r. IX, 10. Eine ausführliche Darstellung der bei dem »Traumverlangen« zu vollziehenden Riten findet sich im Komment, des R. MOSCHE BOTAREL (Anfang des 15. Jahrh.) zum Sefer Jezira, Mantua, 1662, Folio 78a—b. Auch der arab. Brauch der Istihära gehört hierher. Traumverlangen, das nicht an heiliger Stätte stattfindet, ist nicht Inkubation in strengem Sinne. 7 ) Zum Anliegen der Inkubanten vgl. L E V Y - B R U H L a. a. O . S . 1 4 6 . MEIER

HAUSMANN

WEINREICH

a. a. O.

S. 77.

15

Inkubation

stelle, Anlegung besonderer Kleider (oder völlige Nacktheit), Gebet, Selbsterniedrigung und kultisches Weinen1). In Epidauros waren Inkubationsritus Bad und Opfer. Die Erscheinung der Gottheit kann in einer Vision, einer Audition oder durch Berührung erfolgen. Sogar Operationen sollen von Asklepios während der Inkubation vorgenommen worden sein2). Der Mensch kann sich während der Inkubation passiv verhalten oder im Traum eine Rolle übernehmen und braucht nicht immer im Zustand des tiefen Schlafes zu sein3). Sind die vorbereitenden Riten verständlich zum Zwecke der Reinigung der Seele von der Befleckung des Leibes sowie zur Herstellung günstiger Beziehungen zwischen der Gottheit und dem Menschen (der Mensch leistet der Gottheit seinen Tribut), so stellen die Schlußzeremonien den Dank für das Erscheinen der Gottheit dar, die sich dem Menschen als gnädig erwies4). Vielleicht wollte der Mensch durch die Schlußriten die Gottheit festlegen, das im Traum gezeigte oder gesagte Orakel nun auch wirklich einzuhalten. Gibt es für den antiken Menschen zunächst keine andere Erklärung als die, daß die Gottheit oder das machtbegabte Wesen den Traum während der Inkubation dem Bittsteller sende5) — ohne diesen Glauben wäre der ganze Inkubationsritus sinnlos —, so hat man etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts n. Chr. eine Reihe von Deutungsmöglichkeiten vorgeschlagen6). Religiöse Erlebnisse sind jedoch selten von restloser Durchsichtigkeit, und die Deutungen des Rationalismus krankten daran, daß sie das religiöse Moment bei der Inkubation übersahen7). Es bestehen eine Reihe von SchwierigZum Fasten zwecks Erlangung eines Traumes vgl. L É V Y - B R U H L a. a. O. 142f. ; O. S T O L L , Suggestion und Hypnose in der Völkerpsychol., 1904, S . 143. Zu den vorbereitenden Riten im allgemeinen vgl. R. B E N E D I C T , American Anthropologist N. S. 24, Nr. 1, 1922, S. 3ff.; S. E I T R E M , Orakel und Mysterium a m Ausgang der Antike, 1946, S. 49f.; E T T L I N G E R , Precognitive Dreams in Celtic Legend, Folklore, Transact. of the Folk-Lore Soc. Vol. L I X , Sept. 1948, Nr. 3, S. 97ff.; C. A. M E I E R a. a. O. S. 60; R. B E N E D I C T , Pattern of Culture, 1949, S. 35 u. 74ff. 2 ) H E R Z O G a . a . O . S. 77ff.; vgl. auch M. P. N I L S S O N , Gesch. d. gr. Relig. I I , 1960, S. l l f f . S.

')

EDELSTEIN

II,

S. 1 6 0 ;

MEIER

a. a. O.

S. 63.

a . a . O . S. 130ff.; H A U S M A N N a . a . O . S. 41f. u. 72ff. 6 ) Von Unglauben an die Wunderheilungen in Epidauros und Spott über sie wird verschiedentlich berichtet. Diese Berichte dienen aber gerade dazu, den R u h m des Gottes und des Heiligtumes noch zu steigern. Die Spötter werden durch einen Unfall oder eine Krankheit gestraft, um dann vom Gotte geheilt zu werden, nachdem sie sich reuig zeigen; vgl. W E I N R E I C H S. 87 und H E R Z O G S. 96f., 99, 125ff. 4

)

•)

HERZOG

Vgl.

EDELSTEIN

II,

S.

142f.

Le Musée Belge X , 1906, S . 21ff., hat das Verdienst, das leligiöse Moment in der Inkubation wieder stärker herausgestellt zu haben. ')

T H . LEFORT,

16

I. Kapitel

keiten, die Inkubationsheilungen ganz aufzuklären: Wir sind nämlich auf Material angewiesen, das oft nicht aus erster Hand stammt, sondern auf literarisch verarbeitetes Erzählgut zurückgeht. Mancherlei Märchenmotive lassen sich bei den Berichten über Inkubationsheilungen in Epidauros feststellen1). Einige der »Inkubationsprotokolle« rücken so in das Gebiet des Märchens oder bestenfalls der Legende. Eine Reihe von Leiden würden sich heute als harmlose erweisen, die von selbst heilten. Manches, das wir der Natur zuschreiben, galt früher als Wunder. Blindheit und Lähmung sind nicht immer Dauerzustände 2 ). Auch der Verdacht des Priesterbetrugs 3 ) ist in einzelnen Fällen berechtigt. Schließlich wird man gut tun, sich die Situation vorzustellen, in der ein Mensch sich zur Inkubation anschickt 4 ). E r kommt in ein Heiligtum, beladen mit seinen Sorgen, beeindruckt von dem »Betrieb« und von dem geheimnisvollen Andersartigen. Seine Gedanken sind darauf gerichtet, ob der Gott ihn eines Traumes würdigt. So wird verständlich, daß manche Inkubanten wenigstens einmal in Tagen, Wochen oder Monaten 6 ), da sie im Tempel schlafen, Träume haben, in denen ihre besonderen Anliegen vorkommen, und daß dann auch jener Gott Vgl. dazu H E R Z O G a. a. O . S. 114ff., W . 46: »Der versteckte Schatz«; vgl. zu diesem Motiv W E I N R E I C H , ARW 34, 1937, S. 142. Die Märchenmotive werden zum Zwecke der Steigerung weitergebildet ( W E I N R E I C H , Heilungswunder, S. 83f.). Nach W E I N R E I C H (S. 84) hätten die epidaur. Priester absichtlich Wundergeschichten erzählt, und je vernunftswidriger sie waren, um so größeren Eindruck versprachen sie sich. Die Aretalogie will nicht nur erbauen, sondern auch unterhalten ( W E I N R E I C H S . 89f.). Deshalb wird Humor nicht verschmäht ( W E I N R E I C H S. 114). Vgl. auch H E R Z O G S. 67: »Der Kern der Sammlung besteht . . . aus wirklichen Fällen . . . Dieser Kern ist umwuchert von märchenhaften Wundergeschichten aus der Phantasie des Volkes . . und von novellistischen Wundergeschichten, die z. T. sicher nicht in Epidauros gewachsen sind.« Als Schöpfer der Wundergeschichten kommen sowohl die Priester als auch Pilger in Frage, die sich die Wartezeiten damit vertrieben; vgl. NILSSON 2)

II,

S.

212F.

HERZOG a . a . O .

S. 66.

•) Zum Priesterbetrug, der allerdings sich der Inkubation nur als Mittels zum Zwecke bedient, vgl. W E I N R E I C H , Der Trug des Nektanebos, 1 9 1 1 , Kap. 1 . Ein weiteres Beispiel für Priesterbetrug bei der Inkubation findet sich in L U K I A N ' S Lebensbeschreibung d. Lügenproph. Alexander 49. *) Vgl. F E S T U G I È R E , Histoire Générale des Religions, Grèce-Rome, 1944, S. 136. ') Neben verspäteten Heilungen (etwa zur Spannungssteigerung), vgl. H A U S MANN S. 68ff., wird auch von Inkubationen berichtet, die sich über vier Monate erstrecken (vgl. W. 6 4 , H E R Z O G S. 3 2 u. 6 7 ; vgl. auch W. 7 6 , H E R Z O G S. 3 9 u. 6 7 ) . Zum Warten auf Traumoffenbarungen vgl. H A U E R a. a. O . S. 2 6 0 . Zum Warten auf Visionen vgl. den alttest. Begriff des »Spähens« (¡ippä). Vgl. Hab. 2 l und dazu H O R S T : »Der Prophet hat eine 'Wacht' oder eine Warte, einen Ort, wo er abgeschlossen und der Umwelt entnommen sich für einen visionären oder auch auditionären Offen-

17

Inkubation

erscheint, in dessen Heiligtum sie sich aufhalten 1 ). Die Menschen haben bereits vorher die Statuen der Götter gesehen, und ihre Gestalt ist den Menschen vertraut. Ein Zusammenhang zwischen Tagesgeschehen und Traum war auch schon Herodot bekannt (VII, 16 2): »Solche Visionen, die bei uns im Traume umherschwärmen, sind zum größten Teile die Gedanken des Tages.« Ähnlich auch Artemidor (übersetzt v. KRAUSS 1. Buch, 1. Kap. S. 4): »Einige Gemütsaffekte sind von der Beschaffenheit, daß sie im Schlafe zurückkehren, sich der Seele in der alten Ordnung wieder darbieten und Traumbilder hervorrufen2).« Die Inkubationsberichte handeln oft von Menschen, die entweder eine besondere Beziehung zur Gottheit haben (Gottesmänner, Schamanen, Propheten, Priester, Häuptlinge, Könige), oder von solchen, die zur Heilung von physischen und nervösen Leiden eine heilige Stätte aufsuchen3). Die Glaubensinbrunst wird gesteigert durch des Neurasthenikers Eitelkeit, die durch Autosuggestion4) sich Traumoffenbarungen schafft und deutet. Gerade heute gewinnt in der Medizin die Erkenntnis an Raum, daß mancherlei somatische Krankheiten psychischen Ursprungs sind6). Daraus folgt, daß sie durch Einwirkung auf die Psyche — wenigstens im Anfangsstadium, wenn der körperliche Verfall noch nicht fortgeschritten ist — auch ihre Heilung finden. Ein weiteres Problem stellt sich durch die Frage, ob bei den Inkubationen auch technische Mittel verwendet wurden; sei es, daß die Träume durch toxische Präparate erzeugt wurden, sei es, daß Ärzte bei den Schlafenden Operationen vornahmen. Beides war wohl barungsempfang bereit hält.« (Vgl. auch Jes 21 6; Ps. 6 4 ; Jer. 2812ff.: 1 1 ; Jer. 421 ff., wo der Prophet um eine Offenbarung beten soll, die er nach 10 Tagen erhält.) !) Vgl. schon WELCKER, Kl. Schriften III, 1850, S. 110. Ferner HAUER a. a. O. S. 274; " A. STORCH, Artikel »Religionsphänomene« in: Handwörterbuch d. med. Psychol.,

1930;

HERZOG a . A . O .

S. 6 7 ;

HAUSMANN

S. 4 1 .

a)

Vgl. auch das arab. Sprichwort: »Was 'umm Hasen im Sinne hat, davon träumt sie in der Nacht.« 6000 Sprichwörter aus Palästina, aus dem Arab. übersetzt von THILO, 1937, S. 36. Vgl. ferner Midr. Jalkut Chadasch, S. 64: »Der König David hatte in seinem Leben keinen guten Traum, denn da er Tag für Tag Kriege führte, um alle seine Feinde zu vernichten, träumte er des Nachts von nichts anderem als von Schlachten, Schwertern und Blut.« Vgl. schließlich auch HUART a. a. O. II, 1922, S. 146f. ») HERZOG S . 1 4 5 ; 4)

EDELSTEIN

V g l . J . ST. LINCOLN a . a . O.

II,

S. 1 6 8 ;

C. A . MEIER

S. 1 0 3 .

S. 3 2 6 .

') HERZOG S. 69, besonders ANM. 10. Zum Problem vgl. die zahlreichen Arbeiten von VICTOR v. WEIZSÄCKER, Körpergeschehen und Neurose, 1947; Fälle und Probleme, 1 9 4 7 , u. a. E h r Ii c h a Der Traum im Alten Testament

2

18

I. Kapitel

in der jüngeren Phase bei den Inkubationen vonEpidauros möglich1). Die Griechen errichteten ihre Asklepiosheiligtümer an besonders gesunden und quellenreichen Orten. »Das galt wenigstens für jene Zeiten und Landschaften, in denen neben rein religiösen Gesichtspunkten auch hygienische Überlegungen in Betracht kamen.«2) Schließlich wurde bei Inkubationen gewiß nur ein kleiner Teil der Kranken geheilt, über Mißerfolge erfahren wir begreiflicherweisenichts 3). Die Inkubation blieb sogar in den Heiligtümern des Asklepios während der Jahrhunderte nicht immer die gleiche4). Durch das Aufkommen des Christentums wurde dann die Inkubation überhaupt stark eingeschränkt und nicht mehr in irgendeinem Heiligtum, sondern an einem Märtyrergrab vollzogen5). Heute ist die Inkubation fast nur noch in Nordafrika verbreitet, wo der Islam vergebens gegen sie ankämpft8). In den griechischen Berichten besitzen wir lange Beschreibungen von Inkubationen, hingegen liegt im A. T. eine Auswahl des Stoffes vor, durch die viel Material unter den Tisch gefallen ist. Die Inkubation ist, wie erwähnt, notwendigerweise an heilige Stätten gebunden. Infolge der Reform durch das Deuteronomium wurden manche an die heiligen Stätten geknüpfte Lokaltraditionen zunächst unterdrückt, und so gingen sie -verloren. Dazu kommt, daß in der Zeit Die Funde von ärztlichen Instrumenten, die im Asklepeion v. Kos (erst v. Chr. gegründet, HERZOG S . 148) ausgegraben wurden, deuten menschliche Nachhilfe bei der Inkubation an. Zu den toxischen Mitteln zur Erzeugung von Traumoffenbarungen im allgemeinen vgl. CONTENAU, Divination chez les Assyr. et les Babyl., 1940, S . 173; vgl. ferner SCHJELDERUP, Die Askese, 1928, S . 118; CORNELIUS a . a . O . S. 13, 219; ETTLINGER a . a . O . S. 111; D E L I U S , in: Der Nervenarzt, 20. Jg., 1949, Nr. 1, S. 12. S) K A R E N Y I , Der göttliche Arzt, 1948, S. 67; vgl. auch HERZOG S. 166f. 366

») HERZOG

S. 62.

4

) Zum Wandel der Inkubation vgl. M. HAMILTON, Incubation, or the Cure of Disease in Pagan Temples and Christian Churches, 1906, S. 42; WEINREICH a . a . O . S. 78f. u. HOff.; W. R. H A L L I D A Y in: Essays presented to Gilbert Muray, 1936, S. 278ff.; T H . LEFORT a. a. O. S. 26f.; I. GESSLER, Notes sur L'incubation et ses survivances in: Le Musion, Melanges L . Th. Lefort, 1946, S . 662; C . A . M E I E R a . a . O . S. 118. ») L U C I U S - A N R I C H , Die Anfänge des Heiligenkults, 1904, S. 82f., 286, 288 u. 299f.; vgl. auch J . ZELLINGER, Bad und Bäder in der altchristlichen Kirche, 1928, S. 123. ') Inkubation in heutiger Zeit außerhalb Nordafrikas berichtet G . J . K A Z A R O w : »Krankeninkubation in Bulgarien« (ARW 32, 1936, S. 362f.); ferner MEIER a . a . O . S . 60; E. A. GUTHEIL, Handbook of Dream Analysis, 1961, S . 66; J. E. HANAUER, Folk-Lore of the Holy Land, 1910, S. 66, wo die Inkubation eines jungen jüdischen Mädchens am Berge Carmel in der sogenannten »Höhle des Elia« beschrieben wird. Der vorher konsultierte Arzt hatte ein nervöses Leiden festgestellt!

19

Inkubation

nach dem Dt. der Traum an Offenbarungscharakter verlor und geradezu in Gegensatz zu echter Prophetie gestellt wurde (vgl. etwa Jer. 23 25ff.; Dt. 13 2ff.; Sach. 10 2). Schließlich war die Inkubation als eine heidnische Institution verdächtig und galt so fremden Kulten und Göttern zugehörig, gegen die das A. T. scharf Stellung nimmt. Nach der Auffassung jener Kreise, die gegen das kanaanäische Element in Juda und Israel kämpfen, gibt es keine feste Form und Zeit der Gotteserscheinung. Ebensowenig hat der Mensch die Möglichkeit, durch irgend ein Verfahren, sei es Gebet, Opfer oder spezifische Technik, eine Erscheinung Gottes herbeizuführen. »Der Mensch ist immer nur Empfänger, nie Veranlasser der Offenbarung« 1 ). Daher wird im A. T. nur einmal von einer reinen Inkubation berichtet. Es ist vielleicht auch bezeichnend, daß diese Inkubation nicht im Tempel zu Jerusalem, sondern auf einer der später so gebrandmarkten Höhen stattfand. Sonst sind im A. T. nur Reste von Inkubationsberichten erhalten, die den ursprünglichen Vorgang da und dort noch durchschimmern lassen 2 ). 1. I. Kg. 3 5—15 Wie sich aus der folgenden Untersuchung ergibt, handelt es sich hier um die vollständigste Inkubation im A. T.: Ein Heiligtum wird zur Erlangung eines Orakels aufgesucht, Opfer werden dargebracht, man legt sich zum Schlafen nieder, und im Traume erfolgt das Orakel. Hätten wir allein diese eine Stelle im A. T., käme man schon von Theol. d. A. T„ 1935, S. 86f. Bibl. Theol. d. A. T„ 1,1905, S . 130f. und H Ö L S C H E R , Isr. u. jüd. Relig., 1922, S. 20, Anm. 10; S. 71, 82 haben auf das Phänomen der Inkubation in richtiger Weise hingewiesen. Vgl. auchSMEND, Lehrb. d. alttest. Religionsgesch., 1893, S. 39,94 und B E U T Z E N , Introd. to the O. T., I, 1948, S . 186, der aber zu Unrecht Hi. 4 12 ff. dazunimmt. Andererseits haben eine Reihe von Forschern irrtümlich einzelne weitere Stellen im A. T. als Inkubation bezeichnet. So P R E U S C H E N , Doeg als Inkubant, ZAW 23, 1903, S. 141 ff. Das »nae'far lifne JHWH« (1. Sam. 21 8) bietet keine Handhabe eine Inkubation hier anzunehmen. Die Marginalnote in Lucian HSS (^lyoniipsTov oder piyoTrupiTCp), von der P R E U S C H E N ausgeht, ist eine Deutung, der andere Möglichkeiten gegenüberstehen. Vgl. ferner J I R K U , Altorient. Komment, z. A. T . , 1923, S. 73 und derselbe ZAW 33, 1913, S. 151 ff.; vgl. auch M. B U B E R , Moses, 1948, S. 65 und derselbe: Der Glaube der Propheten, 1950, S. 62. B U B E R will aus dem Gottesnamen in Gen. 16 13 'ei rö'i ein Inkubationsnumen erkennen: Wer sich an dem Brunnen des Gottes schlafen legte, bekam etwas zu sehen. Es handelt sich hier wohl um ein divinatorisches Quellnumen; allein V. 13 ist zu unklar, als daß man aus ihm mehr entnehmen könnte. G A S T E R , Thespis, 1950, S. 271, verkennt das Phänomen der Inkubation, wenn er 1. Sam. 3 als »excellent example« bezeichnet und Gen. 28 10 hinzunimmt. Das Gotteswort in Num. 22 8 erfolgt in keinem Heiligtum, und so liegt auch keine Inkubation vor. !) 2

)

L.

KÖHLER,

STADE,

2*

20

I. Kapitel

daher nicht um die Annahme herum, daß die Inkubation in Israel, wenigstens zu einer gewissen Zeit, bekannt war1). Wir haben es hier mit einer echten Inkubationsszene zu tun, deren Grundlage vermutlich eine am Heiligtum von Gibeon beheimatete lokale Tradition war. Salomo begibt sich nach Gibeon, das offenbar auch zu Salomos Zeiten eine führende Stellung innerhalb der israelitischen Heiligtümer einnahm2), trotz der Existenz des durch David erbauten Altars in Jerusalem. Für 1. Kg. 3 ist es selbstverständlich, daß Salomo dorthin geht, um zu opfern und sich eine Traumoffenbarung zu holen. Das ist ja gerade für die Inkubation wesentlich, daß man ein Heiligtum aufsucht, dort einschläft und im Traume eine Offenbarung oder Kundgabe der Götter erhält. Die tausend Opfer, die Salomo darbringt, sind als runde Zahl gedacht; wenn es auch 9JI. %. hier nicht ausdrücklich sagt, bleibt doch zu vermuten, daß auch hier vorder Traumerscheinunge ein Opfer dargebracht ist. Es Text und literarkritische Bemerkungen; vgl. dazu neben den Komment. Das Buch -der Könige, seine Quellen und seine Redaktion in: Gunkelfestschr., 1923, I, S. 168ff. V. 5: Der Beginn des Berichtes ist stilistisch hart und unvermittelt. Die L X X zieht das b'gib'än zu V. 4, streicht das hahu vom Ende von V. 4 und läßt V. 5 mit einem Kai beginnen. Dadurch wird V. 4 mit V. 6 verbunden. Dieser Text ist dem des SR. %. vorzuziehen, weil so eine Verbindung zwischen den Opfern (V. 4) und der Traumerscheinung (V. 6) hergestellt wird. In V. 10 ist mit vielen MSS JHWH zu lesen. V. 14 ist deuteronomistisch überarbeitet. Durch den Einschub mag auch am Ende das überflüssige hol jamaekä von V. 13 b in den Text geraten sein (vgl. den Schluß von V. 14). In V. 15 sind sachlich wichtige redaktionelle Änderungen vorgenommen worden. Hinter V. 15a gehört direkt uiajja'al 'olöt, erst dann folgt V. 16bhä 'el«. (Das Gelübde wird in den Versen 20—22 geschildert.) Nach dem Gelübde setzt Jakob seinen Weg fort (291). Bei der vorliegenden Erzählung sind zwei Stufen zu unterscheiden: 1. die kanaanäische Sage von der Entdeckung einer heiligen Stätte; 2. die Verbindung mit Jakob und damit mit den Vätersagen. Jakob weiß nicht, daß er an einer heiligen Stätte übernachtet; er

I. Kapitel

32

erkennt es erst, als er die Gottheit dort trifft (V. 16)1). An diesem Zuge aber läßt die alte Sage schon durchblicken, daß die Kultstätte älter ist als Jakob. Im Zusammenhang des A. T. soll die heilige Stätte des Lokalnumens auf JHWH übertragen werden. Die Erzählung ist gattungsmäßig eine ätiologische Kultsage. Nach dem Berichte des A. T. handelt es sich um keine Inkubation. Zur Inkubation gehört wesentlich, daß der Inkubant mit dem Zwecke ein Heiligtum aufsucht, um eine Traumoffenbarung zu erlangen; er muß ferner wissen, daß er sich in einem Heiligtum zum Schlafen niederlegt. Gerade das ist hier nicht der Fall! Aller Wert wird darauf gelegt zu zeigen, daß Jakob die heilige Stätte erst entdeckt, er trifft zufällig auf sie. Man kann allerdings fragen, ob der Traum nicht auch eine Ätiologie eines Brauches ist, der schon auf der kanaanäischen Stufe der Erzählung geübt wurde, weil hier ein Traum, an einer heiligen Stätte geträumt, vorliegt. In unserem alttestamentlichen Texte ist von Inkubation nicht die Rede, doch mag auf der kanaanäischen Stufe der Erzählung vielleicht an eine solche gedacht worden sein2). 3. Gen. 46 w—5» Quellenscheidung: Es gibt zwei Auffassungen über den Quellenbestand: a) Mein kann die Erzählerfäden trennen und somit J und E unterscheiden. So

WELLHAUSEN8),

SMEND4),

EISSFELDT8).

b) Das Stück ist im wesentlichen E zuzuweisen, so PROCKSCH •), NOTH •),

SIMPSON

HOLZINGER4),

GUNKEL'),

10).

Zu a): J : V . l . 4a: E : 2. 3. 4b. 6a. Wir glauben, daß dieses Stück im wesentlichen zu E gehört und man innerhalb des Stückes keine Quellenscheidung vornehmen kann. Statt »JiSrä'eU in V. 2 ist x) Vgl. R A S C H I zu V. 1 6 : »Denn hätte ich gewußt (daß J H W H an diesem Ort ist), nicht hätte ich mich schlafen gelegt an solch heiligem Orte.« Dem Sinn der Erzählung entsprechend weist R A S C H I mit seiner Auffassung von V. 1 6 jeden Gedanken an eine Inkubation ab. 2) Vgl. S T A D E , Bibl. Theol. d. A. T. I, 1905, S . 130; ders., Geschichte Isr. I, 1887, S. 446, 476; ferner H O L Z I N G E R , Komment, z. St.; S M E N D , Lehrb. der alttest. Religionsgesch., 1893, S. 39 und D H O R M E , l'Evolution religieuse d'Israel, I, 1937, S. 232. Die genannten Forscher befinden sich alle in dem gleichen Irrtum, daß sie für Gen. 28 eine Inkubation annehmen. ») Composition», 1899 z. St. «) Erz. d. Hexat., 1912, 6.108. 8 ) Hexat.-Synopse, 1922 z. St. •) Komm. z. Genesis, 1898 z. St. 7 ) Komm. z. Genesis4, 1917 z. St. «) Komm. z. Genesis2. 3 , 1923 z. St. ») Überl. d. Pt„ 1948, S. 38; vgl. S. 230. 10) Early Traditions, 1948, S. 146.

33

Inkubation

mit G U N K E L u . a . » J a a q ö b t zu lesen. G U N K E L möchte ferner V. 3 b/? ausscheiden (ebenso neuestens S I M P S O N ) als Zutat eines Späteren, dem die Verheißung zu gering erschien, aber neben persönlichen Verheißungen, welche die Stammväter erhalten, finden sich immer auch solche für die Zukunft des Volkes (Gen. 17 iff.; 263ff.; 28 13), so daß das Sätzchen sehr wohl ursprünglich sein kann. Warum S M E N D und E I S S F E L D T in V. 4 a den Zusammenhang unterbrochen sehen, ist unverständlich; dieser Satz schließt an V. 3 b « an, und er dient zur Beruhigung Jakobs. Das Opfer in V. 1 dem Jahwisten zuzuschreiben ( E I S S F E L D T , PROCKSCH, Z I M M E R L I 1 ) ) , liegt kein Grund vor; die Ausscheidung für J zerstört den Aufbau des Stückes und seinen Sinn (s. u.).

Jakob kommt zum Heiligtum Beer-Seba, um dort dem Gotte Isaaks zu opfern; er will dadurch von Gott Aufschluß bekommen, Gott zitieren ( G U N K E L ) . PROCKSCH'S Einwand gegen GUNKEL verfängt nicht: Der Inkubationsritus geht doch darauf aus, durch vorhergehende Riten und Opfer die Gottheit zu bestimmen, ein Orakel oder eine Offenbarung zu senden. Die Opfer gehören wesentlich zur Vorbereitung der Inkubation, wie bereits an Hand griechischer Belege gezeigt worden ist 2 ). Die Gottheit erscheint denn auch dem Jakob, das Opfer hatte also Erfolg. Sie offenbart sich in Nachtgesichten (der Plural kommt nur an dieser Stelle vor, LXX und mahazae« hier Nach HOLZINGER hätte der Glossator aber die Stelle falsch verstanden, denn er meint, daß diese Furcht nicht als Folge des bösen Omens, sondern als Bangen vor der bevorstehenden Theophanie zu verstehen sei (und damit also nicht als Angst vor der Dunkelheit). ) a . a . O . S. 21 f. ) Zur Kundgabe Gottes im Feuer vgl. 1. Kg. 18 24. 36 ff. Beachte ferner 'änä als Terminus der Orakelsprache, vgl. 1. Sam. 2 8 1 5 ; Jer. 2 3 3 5 . 3 7 ; Mi. 6 5 . Vgl. auch Gudea, Zyl. A. ( T H U R E A U - D A N G I N , Die sumer. Königsinschr., 1907, S. 102f.). 2 3

Inkubation

39

anzunehmen ist u n d dieser im Zustande der »tardemä« erfolgt 1 ), so handelt es sich um einen T r a u m ; dieser enthält nicht nur die Bestätigung einer Verheißung allein, sondern J H W H schließt durch dieses Traumgesicht mit Abraham einen Bund. Handelt Gen. 15 1—6 von Abrahams persönlichen Leibeserben und Nachkommen, so ist in V. 7ff. von der nationalen Zukunft des Volkes die Rede. Motivmäßig ähneln sich beide Erzählungen. Der Aufbau der zweiten Erzählung ist folgender: 1. Selbstoffenbarung J H W H ' s ; 2. Opferhandlung; 3. ein Traumgesicht; 4. die Erklärung dieses Traumgesichtes und dessen Verwirklichung durch die berit. War in V. 6 der Glaube Abrahams die außerhalb des Traumes stehende Wirklichkeit, so entspricht dem in V. 8 als nicht t r a u m h a f t e Realität die berit. Sie ist die Art, in welcher der alttestamentliche Erzähler ausdrückt, daß J H W H mit Abraham ist. Es geht aus dem Texte nicht hervor, daß J H W H in der Feuerflamme und dem rauchenden Ofen gewesen wäre. Der Erzähler vermeidet geradezu das Aufkommen einer solchen Vorstellung. »Auch hat Abraham Jahves Gestalt selbst nicht gesehen« (GUNKEL). Der Handlungsort der zweiten Erzählung läßt sich nicht lokalisieren, weil sie vom Redaktor in die erste Geschichte hineingeschoben worden ist; sie hat keinen rechten Anfang und beginnt sofort mit der Offenbarung. Vielleicht spielt sie im Heiligtum von Hebron, was wir schon f ü r die erste Erzählung mit W E L L H A U S E N angenommen haben. Die zweite Erzählung weist mehr auf eine Inkubation hin als die erste: Abraham opfert und wird nachher eines guten Zeichens gewürdigt. Schon E W A L D 2 ) erkannte hier die Andeutung einer Inkubation. F ü r ihn war es selbstverständlich, Hebron als Ort der Handlung anzunehmen. Wir nennen im folgenden einige Parallelen zum Vorkommen des Feuers in der Symbolik der Völker. Man kann die Bedeutung des Feuers von zwei Seiten her sehen: von der Seite des Lichten, Hellen, Lichtgebenden und von der anderen des Zerstörenden und Verbrennenden. I m allgemeinen scheint aber in der Symbolik die erste Seite vorzuherrschen, nach der das Lichte des Feuers betont wird, der positive Charakter. Da das Feuer eines der Urphänomene ist, können hier nur andeutungsweise Beispiele angeführt werden. ') E s stellt sich die Frage, ob tardemä ein traumloser Schlaf sein muß. Der Sinn dieses besonderen Schlafes hier und Gen. 2 21 scheint mit v. RAD, A T D (Teilband 2, 1949, S. 67) der zu sein, daß der Mensch G o t t nicht leibhaftig sehen dar'. V o n e i n e m Erwachen aus diesem Schlaf ist nicht die Rede, und auch der Redaktor v o n V. 13ff. faßt die J H W H - W o r t e offenbar so auf, Abraham vernehme sie in seiner tardemä. Schwerwiegende Argumente scheinen nicht gegen die Annahme zu sprechen, daß die tardemä auch traumhaltig sein kann. 2

) Gesch. d. Volkes Isr. I, 1843, S. 379, besonders Anm. 1.

I. Kapitel

4 0

Ein Beispiel für die unheilbringende Vorbedeutung des Feuers ist dem ältesten uns bekannten Traumbuch entnommen; es geht auf die 12. ägyptische Dynastie zurück, wie der Herausgeber A . H. G A R D I N E R vermutet. »Seeing a burning fire: Bad, the removal of his son or his brother« 1 ). Als glückliches Vorzeichen sei erwähnt: Plutarch, Alexander I I . : »Die Nacht vor der Vermählung hatte die Braut (gemeint ist die Mutter Alexanders, d. Vf.) einen Traum, als ob bei einem Gewitter der Blitz ihr in den Leib schlüge, und aus diesem Schlage ein heftiges Feuer entstünde, welches nach allen Seiten hin in helle Flammen ausbräche und dann plötzlich verlöschte.« Eine Feuerflamme, die sich über Himmel und Erde ausbreitet, sagt dem unbekannten Vater der drei Buwaihidenprinzen die Begründung des Ruhmes seiner Familie voraus 2 ). In dem Traumschlüssel des Jagaddeva ist an mehreren Stellen vom Feuer die Rede*): »Wer ein flammendes Feuer sieht, trägt, verschlingt oder ausbreitet 4 ), seinen Leib und nächste Umgebung von Flammen eingehüllt erblickt 5 ), wird Glück haben. Die Flamme nimmt sogar numinosen Gegenständen die unheilbringende Macht*). Eine Fackel bedeutet Glück«7). Auch in der Geburtslegende des Moses spielt das Feuer als Vorzeichen eine Rolle. Diese Geburtslegende findet sich im Midrasch8) wie in der Chronik des T A B A R I ® ) . Danach sah Pharao ein Feuer, das sich von Jerusalem nach Syrien und nach Ägypten erstreckte, die Kopten mit ihren Häusern verschlang, den Israeliten aber nichts Böses tat. Pharaos Traumdeuter erklärten ihm, daß dies die Geburt eines Israeliten bedeute, welcher der Untergang der Ägypter sein werde. Im Midrasch, der Tabari vorangeht, ist das Feuer als positives Zeichen verwendet. Daß für die Ägypter die Sache aber umgekehrt ist, interessiert den Midrasch wenig. Feuer und Licht sind mit der Geburt überhaupt oft verbunden. So sagt Artemidor 10 ), der im 9. und 10. Kap. des zweiten Buches die Symbolik des Feuers ausführlich behandelt und auf dessen ambivalenten Charakter hinweist: »Träumt man davon, auf dem Herde oder im Backofen Feuer anzuschlagen, das schnell aufflackert, so bringt es Glück und bedeutet die Geburt von Kindern; denn der Herd und der ') Hieratic Papyri in the British Museum, Third Series I, 1935, S. 18. Auch bei den Primitiven Nordwest-Australiens sind alle Träume vom Feuer besonders gefürchtet. Die Lebenskraft des Träumers wird verbrannt, was seinen leiblichen Tod nach sich zieht; vgl. LOMMEL a. a. O. S. 195; vgl. auch The first Book of the Hadlqatu'l — Haqlqat, or the enclosed Garden of the Truth of the Hakim Abü'l — Majd Majdüd Sanä'i of Ghasna (1118 — 1152), ed. and transl. by J . S T E V E N S O N , 1910, S. 86: »A fierce fire means the heat of anger.« 2)

3)

BLAND, J R A S 16, 1866, S. 121.

J . v. N Ä G E L E I N , Der Traumschlüssel des Jagaddeva, 1 9 1 2 , S . 8 4 . 4 ) a. a. O. 1 i l l . 6 ) a. a. O. 1 74. 6 ) a. a . O. 2 40. ') a. a. O. a 13 in 1 2 0 . 8) Pirqe d. R. Elieser, Abschn. 48. ») ed. ZOTENBERG I, 2 9 4 - 2 9 6 . 10) Symbolik der Träume, übersetzt von F. K R A U S S , S. 112 (2. Buch, 10. Kap.).

Inkubation

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Backofen gleichen einer Frau darin, daß sie das, was man zum Leben braucht, aufnehmen; das Feuer in ihnen prophezeit die Schwangerschaft der Frau. . . .« Einige weitere Beispiele für den Zusammenhang von Geburt, Licht und Feuer 1 ): In der schiitischen Legende von der Geburt Mohammeds heißt es: »Abd Al-Muttalib, der Großvater des Propheten träumt, er sehe einen Baum aus seinem Rücken aufwachsen, dessen Spitze bis zum Himmel reiche, und dessen Zweige sich nach Osten und Westen erstreckten; er strahle ein Licht aus, das siebzigmal stärker als die Sonne gewesen sei, und sowohl Perser wie auch Araber beteten es an.« Als Begleiterscheinung spielt das Licht bei der Geburt eines bedeutenden Menschen eine Rolle 2 ). D Ö L G E R ' ) weist auf die Glücksbedeutung hin, die dem Licht in der Volksauffassung des Altertums zukam. Auch in der Dichtung der Neuzeit hat das Licht, insbesondere im Zusammenhang mit Träumen, die Bedeutung von Kraft, Heiterkeit, Liebe, Wahrheit, Erkenntnis, Bewußtheit, Geist usw. *) 5 )*).

Anschließend an den Gedanken vom versagten Leibeserben der Erzählung in Gen. 15 1—6 werden im folgenden Erzählungen über ») AL-QUMMI, Kitab al-din, Teheran, 1300, S. 103. 2) Die Belege dieser Anmerkung verdanke ich Herrn R. MACH, Basel: J E L L I N E K , Bet-Ha-Midrasch, I», 1938, S. 26 (Abraham); Bereschit r. S. 93, ed. A H L B E C K ; Midr. Gen. r. 63 8, Tanh. ed. B U B E R 1 5 4 A , Pesikta r. Abschn. 42 (Isaak); Aeth. Henoch 106 2 ff., Talmud Sota 12 a (Moses); Prophetenleben, R I E S S L E R a. a. O. S. 879 (Elia). Licht vor der Geburt des Zarathustra: D E N K A R T VII, Kap. 2 56 (transl. W E S T , Sacred Book of the East,1897, Bd. 47, S. 30; vgl. auch a. a. O. V, II, 2 W E S T S. 122). Vgl. noch P. T O L D O , Zeitschr. f. vgl. Literaturgesch., Bd. 14,1901, S. 321: Ein Räuber, der die Stadt von Flammen umgeben sieht, prophezeit die Geburt des heiligen Fechinus (20. Januar). 8 ) Lumen Christi, in: Antike und Christentum, V, 1936, H. 1, S. l f f . In Nachwirkung der antiken Symbolik heißt es noch in dem Traumbuch des Patriarchen Nikephoros von Konstantinopel (806—815): »Sieht man ein strahlend Licht, so bedeutet dies Freude.« (Nikephoros, Oneirokrit. Vs. 332.) Zum ganzen Lichtproblem vgl. G. P. W E T T E R , Phos, 1916; Eranosjahrbuch Bd. X , 1943, Alte Sonnenkulte und die Lichtsymbolik in der Gnosis und im frühen Christentum, 1944. Ferner R. B U L T MANN, Zur Geschichte der Lichtsymbolik im Altertum, Philologus, Bd. 97, 1948, S . l f f . 4 ) Vgl. M . BAUMANN, Der Traum im Werk von Jeremias Gotthelf, 1 9 4 6 , S . 8 5 . 5) Zur »Flamme« und zum »Licht« als Zeichen der Bestätigung in den Träumen und Visionen Swedenborgs vgl. E. B E N Z , Emanuel Swedenborg, 1948, S. 168ff., 313f. •) Ganz allgemein wird die Geburt eines besonderen Menschen (oft Religionsstifter) durch einen Traum angezeigt: Mose: Pseudo Philo Ant., Basel, 1527, S. 10 wird Miriam die bevorstehende Geburt des Mose im Traum durch einen Engel kundgetan, nach Josephus Ant. II, 9 3—4 Amram durch Gott. Jesus: Mt. 1 20. Buddha: Seine Mutter Mäyä träumte, daß Gautama in Gestalt eines weißen Elefanten sie dreimal auf ihrem Lager umwandelte, an ihre rechte Seite klopfte und gleichsam in ihren Leib eingezogen war (H. v. G L A S E N A P P , Buddha, Geschichte und Legende, 1950, S. 7f.). Augustus Vater träumte, daß aus dem Schoß seiner Gemahlin der Sonnenglanz hervorgehe (Suet. Augustus 94). Hier haben wir neben der vorhergehenden Ankündigung noch das Lichtsymbol. Für Perikles vgl. Herodot VI, 131 und für Cyrus Herodot 1,108. Vgl. auch M A R M O R S T E I N , ARW 16, 1913, S. 160ff.:

42

I. Kapitel

Inkubationen besprochen, die der Literatur außerhalb Israels angehören. Gemeinsam mit der Erzählung aus Gen. 15 1—6 ist ihnen also nicht die Inkubation (weil diese für Gen. 15 l—6 nicht nachzuweisen ist), sondern der Wunsch nach Leibeserben und der Glaube, daß die Gottheit dieses Anliegen erfüllen könne. Der erste Bericht über Inkubation in Ugarit findet sich in K R T A. Wir folgen hier unwesentlichen der Untersuchung von H . L. GINSBERG 1 ) . Der Inhalt dieses Traumes, zu dem die Inkubation gehört, ist durch den Wunsch, Nachkommen zu haben, bestimmt : »Le thème principal serait donc celuici: assurer la durée de la dynastie par une descendence« 2 ). In den ersten Zeilen von K R T A war vermutlich vom Untergang von K R T ' s Familie die Rede, dann heißt es Z. 26ff. : Z. Z. Z. Z. Z. Z. Z. Z. Z. Z.

26: 27: 28: 29: 30: 31 : 32: 33: 34: 35:

E r betritt seinen Schlafraum, er weint . . . und heult. Seine Tränen tropfen Wie Schekel auf die Erde. Sein B e t t ist durchweicht ( ?) Durch sein Weinen, und über seinem Heulen Schläft er einen Schlummer. Schlaf gewinnt die Oberhand, Und er liegt (im) Schlummer, Und er ruht. Und in seinem Traum

Z. 36: Steigt E l nieder, in seiner Vision Z. 37: Der Vater der Menschen. . . .

Aus den Zeilen 38—43 ersehen wir, daß El K R T nach seinem Begehren fragt. Der Text ist nur bis Z. 43 durchsichtig. Der Grund von K R T ' s Weinen ist nicht ganz klar. GINSBERG nimmt an, daß K R T über das Aussterben seiner Familie klage. Vielleicht handelt es sich hier jedoch um eine Art von kultischem Weinen. K R T möchte von der Gottheit Hilfe erlangen, und die Gottheit gewährt dann die Hilfe eher, wenn der Bittende sich vor ihr demütigt. Ein eindrückliches Beispiel dafür finden wir im assyrischen Bereich: »Ich (gemeint ist Assurbanipal, d. Vf.) betete zu ihrer Gottheit, (während) meine Tränen flössen. . . .« In der Antwort an Assurbanipal sagt Ischtar: »Dafür daß du deine Hände zum Gebet Legendenmotive in der rabb. Literatur (Geburt und Kindheit der Heiligen, Lichterscheinungen) . The Legend of King Keret, BASOR, Supplem. Stud. 2 - 3 , 1946, vgl. auch ANET, 1 4 3 und GORDON, Ugar. Literature, 1949, S. 66 ff. 2 ) R. DE LANGHE, Les Textes de Ras Shamra-Ugarit et leurs Rapports avec le Milieu Biblique de l'Ancient Testament II, 1945, S. 500. C A S S U T O , BASOR, 119, 1950, S. 20, vergleicht richtig K R T , A, mit Gen. 15.

Inkubation

4 3

erhoben hast (und) sich deine Augen mit Tränen gefüllt haben, erbarme ich mich deiner«1). Zu solchem Weinen vgl. Ps. 67 und Herodot II, 141 2 ). In den Zeilen 62—64 werden KRT Reinigungsriten vorgeschrieben wie sie für eine Inkubation unerläßlich sind 3 ). Nach den Reinigungsriten soll KRT opfern (Z. 66—72). Es handelt sich um ein Opferlamm, ein Zicklein, sowie um andere, uns nicht bekannte Opfergaben; schließlich folgt ein Trankopfer. Die Opfer bringt KRT auf einem Turm dar (73)4). Er träumt jedoch in seinem Zimmer auf seinem Bette liegend (26f.). Der Gang der Handlung dürfte so sein: KRT hat den Traum in seinem Zimmer, und es wird ihm im Traume befohlen zu opfern. Die Riten, die er vor dem Opfern ausübt, sowie das Opfer selbst, haben jedoch mit einer Inkubation nichts mehr zu tun, sie gehören zur Vorbereitung des nun folgenden Kriegszuges. Als Inkubationsritus lassen sich allein das Seufzen und die Selbstdemütigung vor der Gottheit fassen; sie mögen Voraussetzung für den Traum gewesen sein (Z. 26—30). Am Ende des Traumes wird das Anliegen KRT's noch einmal zusammengefaßt: Z. 152: Und einen Nachkommen dem K R T laß sie gebären, Z. 163: Und einen K n a b e n dem Diener des El. !) Assurb. Cyl. B V, 29 48f. (VAB V I I , 112ff.). Vgl. A N E T S. 451. 2

) Dieses kultische Weinen läßt sich noch bis in die christlichen Kirchen verfolgen. Vgl. B E D A (Eccles. Hist. I I , 6) und H A M I L T O N a. a. O. S. 113: »When Laurence (gemeint ist der Erzbischof Laurenz, der die Kirche von St. Peter und Paul in Cambridge besuchte, die 613 von Adelbert erbaut worden war, d. Vf.) was a b o u t t o leave Britain, he bade a bed prepared t h a t night in t h e church of t h e blessed apostles, Peter and Paul, in which after m a n y tears and prayers t o t h e Lord on behalf of t h e state of t h e church, he laid his limbs to rest and t h e blessed chief of t h e apostles appeared t o him.« Das Opfer wird hier durch Beten und Weinen ersetzt. Es handelt sich u m eine Inkubation, es wird eigens d a f ü r ein B e t t in die Kirche gestellt. Zum kultischen Weinen vgl. A. J . W E N S I N C K , Sachau-Festschr., 1915, S. 26ff.; ferner ders., Some Semitic Rites of Mourning and Religion (Verh. d. Kon. Akad. v. Wetensch. t e Amsterd. N. R. X V I I I , Nr. 1, 1917, S. 78ff.). Siehe auch F. F. H V I D B E R G , Graad og L a t t e r i det Gamle Testamente, 1938, besonders Kap. I I I (kurze deutsche Inhaltsangabe ZAW, 57, 1939, S. 150 — 162); ferner H . F R A N K F O R T , Kingship and t h e Gods, 1948, S. 271 f.; A. B E N T Z E N , Introduction, I, 1948, S. 155; R. B E N E D I C T , P a t t e r n s of Culture, 1949, S. 36f. und G A S T E R , Thespis, 1950, S. 12ff. 3 ) Vgl. ferner ähnlichen hethit. Brauch A. G Ö T Z E , Kleinasien, 1933, S . 139f. I m assyrischen Bereich schildert C O N T E N A U , Divination, 1 9 4 0 , S . 1 4 8 , der Inkubation vorausgehende Reinigungsriten.

*) Z u m Dach als Heiligtum vgl. S T A D E , Theologie I, 1905, S . 358; K A T 3 , S.601; 3 L I D Z B A R S K I , Ginza, 1925, 5319; COOK bei W . R . S M I T H , Rel. Sem. , 1927, S. 580; R . P A T A I , H U C A X X (1947), S. 165; P . C O L L A R T et P . C O U P E L , L'Autel Monumental de Baalbek, 1951, und die hier genannte Literatur ( D U S S A U D usw.).

44

I. Kapitel

Der Abschluß des Traumes wird so bekannt gegeben: Z. 154: KRT erwachte (?) und (es war) ein Traum (him); Z. 155: Der Diener von El, und (es war) ein Gesicht (hdrt)1).

Dann folgt die Ausführung der Traumanweisung (Z. 156ff.). Zusammenfassend ergibt sich: a) Der Traum, in dem künftiges Geschehen bekannt gegeben wird, und was KRT zu tun habe, b) Die Ausführung dieses Traumes. Stärker als die alttestamentlichen Schriftsteller benützt der Erzähler aus Ugarit den Traum als Stilmittel. Nirgends findet sich ein Symbol oder ein Bild, sondern es wird im Traume nur die Vorschau des Kommenden gezeigt: »How a fabulous personage by the name of Daniel was to beget a son named Aqhat through the efficacy of a divine blessing is related in a lengthy episode of an Ugaritic poem. . . ,«2). Diese Episode, die OBERMANN als Inkubationsszene erkannt hat, führt in der wissenschaftlichen Literatur die Bezeichnung 2 Dan'el (oder 2 Aqht), obwohl es sich hier um die Einleitung zum Folgenden handelt. Der Anfang der Erzählung ist von der Tafel abgebrochen, doch dürfen wir vermuten, daß Dan'el sich traurig und klagend in den Tempel begab, weil ihm bis jetzt Nachkommen versagt blieben. Es gehört zum Inkubationsritus, daß Dan'el den Göttern Opfer darbringt. Sieben Tage wiederholt er seine Riten, und erst in der 7. Nacht wird er erhört. Baal erscheint ihm und verkündet Dan'el die Geburt eines Sohnes. Offensichtlich liegt dem Opferritus hier der siebentägige Zyklus zugrunde3). Obwohl Dan'el sich auch in den vorangehenden sechs Nächten zum kultischen Schlafe niederlegt, scheint er kein Traumorakel zu erwarten. Opfer bringt er jedoch an jedem der !) C. H.

Ug. Handb., 1947, S. 225. Suppl. JAOS, 6, 1946, S. I f f . ; vgl. ferner A . H E R D N E R , Syria, t. X X V I , 1949, S. Iff. und GASTER, Thespis, 1950, S. 270ff; G I N S B E R G , ANET, S. 149 f. GORDON, Ugar. Literature, 1949, S. 84 gibt folgende Inhaltsangabe des uns hier interessierenden Abschnitts: »A king named Daniel, craving a son, sought the company of gods, whom he wined and dined for a week. Baal at last appeared to him in a dream produced by the technique of incubation; and Baal together with other satisfied deities, secures the blessing of 'II, so that the forthcoming conjugal embrace of Daniel and his wife, Dnty, will result in a model son«. 3 ) Zum siebentägigen Zyklus im magischen Ritus vgl. auch K R T A 221—222; ferner J . H E H N , Siebenzahl und Sabbat, 1907, S. 40ff.; O. W E I N R E I C H , Triskaidekad. Stud., 1916, S. 96, Anm. 3; A. JEREMIAS, ATAO 4 , 1930, S . 8 2 1 f . ; G O R D I S , JBL 62, 1943, S. 17ff.: Heptad in Biblical and Rabbinic Style. Die Siebenzahl spielt auch im hethitischen Epos eine Rolle; vgl. H. G. GÜTERBOCK, Kumarbi, 1946, S. 10, 15; vgl. auch J. F R I E D R I C H , ZA 49, 1949, S. 234ff. Zum siebentägigen Zyklus im marokkanischen Inkubationsritual vgl. E. WESTERMARCK, Ritual and Belief in Morocco I, 2

)

GORDON,

OBERMANN,

1926, S. 167; vgl. ferner

FRANKFORT,

Kingships and the Gods, 1948, S. 260.

Inkubation

45

sechs Tage (oder Abende) dar. In der KRT-Legende verkehrt El direkt mit KRT, in der Dan'el-Legende steht jedoch Baal zwischen El und Dan'el. Aus der Dan'el-Legende ergibt sich ein volles Bild der zur Erlangung eines günstigen Bescheides notwendigen Inkubationsriten. Nirgends im AT haben wir eine derartig eingehende Beschreibung. Es ist indes gefährlich, nun ohne weiteres die Situation von Ugarit für Altisrael vorauszusetzen. »Die kanaanäische Religion des palästinensischen Berglandes, mit der Israel zu ringen hatte . . ., mag im einzelnen — bei aller gemeinsamen Grundlage — erheblich anders ausgesehen haben« ( H E M P E L ) 1 ) . Aus der griechischen Zeit Ägyptens berichtet eine Geschichte ebenfalls von einer Inkubation, in der offenbar wird, wie die Gottheit einen männlichen Nachkommen gewährt 2 ). Der Anfang der Erzählung ist nicht erhalten, läßt sich aber aus dem Zusammenhang ergänzen. Seton Chamwese lebt in Memphis. Seine Gattin hatte ihm kein Kind geboren. Eines Tages begibt sie sich in den Tempel in Memphis und betet zur Gottheit (Imuthes?), daß sie von ihrer Unfruchtbarkeit geheilt werde. In der gleichen Nacht legt sie sich in den Tempel und träumt, daß der Gott zu ihr komme und ihr sage, welches Heilmittel sie anwenden solle. Sie handelt nach der Weisung des Gottes. Ihr Mann hat ebenfalls einen Traum, in dem ihm der Name des Knaben offenbart wird, der Si-Osire heißen soll. Es ist deutlich, daß der Gott hier als Arzt erscheint, genau wie in den Heiligtümern des Asklepios. ERMAN3) sieht in der Geschichte des Seton Chamwese eine Reklameschrift für das Imuthesorakel von Memphis4). 5. 1. Sam. 3 Es mag zwar scheinen, daß hier formal ein klassisches Beispiel einer Inkubation vorliege: Die Szene spielt im Heiligtum zu Silo während der Nacht, Samuel liegt im Tempel, und J H W H offenbart sich ihm. Bei näherer Prüfung ist jedoch die Annahme einer Inkubation abzulehnen. Eine Quellenscheidung für das Kap. erübrigt sich 6 ). Z A W 55, 1937, S . 305f. Vgl. BAUMGARTNER, Th. R. 13, 1941, H. 3 - 4 , S. 101. Vgl. G. MASPERO, Les contes populaires de l'Egypte Ancienne, Quatr. E d . 1911, S. 154ff.; vgl. RÖDER, Altägypt. Märchen, 1927, S. 158ff. s)

») Relig. d. Ägypt., 1934, S. 402f. 4 ) Zur Inkubation in Memphis vgl. auch B. GUNN, The Journ. of Egypt. Archaeol., 27, 1941, S. 2ff. sowie H. E . S I G E R I S T , A History of Medecine I, 1951, S. 289. 5) H Y L A N D E R , Der liter. Samuel-Saul-Komplex, 1932, S . 108. Vgl. GRESSMANN, Ält. Geschichtsschr. 2, 1921, der folgende Verse ausscheidet: 1 b/?. 7b. 12 — 1 4 a (Zu-

46

I. Kapitel

In der Einleitung zu dieser Erzählung (V. 1) erfahren wir, daß zu jener Zeit der »debar JHWH« selten war. Parallel zu däbär wird häzön gebraucht, das hier am besten mit »prophetischer Wahrnehmung« zu übersetzen ist, denn von einem eigentlichen »Gesicht« ist nicht die Rede. Als Offenbarungstermini treten ferner auf : jiggälae debar JHWH (V. 7) und mar'ä (V. 15) ; die Offenbarung wird zusammenfassend als eine mar'ä bezeichnet, däbär, häzön und mafä werden also für das gleiche Phänomen gebraucht. Die Offenbarung wird jedenfalls nicht als ein halöm bezeichnet. Von einem Traumbild oder Symbol ist in der ganzen Erzählung nicht die Rede, sondern nur vom däbär, der von dem wahrgenommen wird, dem JHWH dafür die Ohren öffnet (vgl. 1. Sam. 915). Samuel liegt im Tempel bei der Lade, als er den Anruf vernimmt. Nach V. 3a verläuft dies während der Nachtzeit. Mit mer 5Elöhim« ist eine Lampe gemeint, welche die ganze Nacht brannte 1 ). Eine Offenbarung, wie sie Samuel erlebt, läßt der alttestamentliche Schriftsteller mit gutem Grund bei Nacht erfolgen. Vgl. dazu auch Tertul., De anima 48: »Certiora et colatiora somniari affirmant sub extimis noctibus quasi iam emergente animarum vigore prodacto sopore«, worauf W E L L H A U S E N und C A S P A R I hinweisen.

Dreimal wird Samuel gerufen (V. 4. 6. 8) von einer (scheinbar) menschlichen Stimme, und er begibt sich jeweils zu Eli, weil er glaubt, daß dieser ihn gerufen habe 2 ). Dreimal tut er seine Bereitschaft kund, indem er sich mit einem »hinnenl« meldet. Der alte Priester Eli merkt schließlich, daß die Gottheit sich hier ankündigt, und er gibt dem unerfahrenen Samuel Anweisungen, wie er sich zu verhalten habe, wenn der Ruf wieder ertöne (V. 9). Samuel legt sich wieder an seinen Platz (V. 9b). Wie auch vorher ist das Wort »Liegen« mit einem Verb von der Wurzel skb ausgedrückt. Dieses Verb meint zwar nicht das Aussetzen des Wachbewußtseins, es bedeutet das Niederlegen zum Schlafen, doch ist der Schlaf dann oft inbegriffen, wie auch im deutschen Sprachgebrauch. Vgl. auch Gen. 28 il u. a. satz auf Grund von 2 27—36). 17b. 19 —4 l (20: Samuel ist Prophet, nach der E r zählung selbst nur Priester und Seher). 3 19 —21 a und 3 2 i b — 4 i a sind Varianten. Zum T e x t : In V. 4 ist vermutlich mit L X X statt 'ael ein zweiter Anruf mit dem Namen »Samuel« zu lesen (vgl. Gen. 22 11 ; 46 2 ; E x . 3 4 u. a.) ; vgl. auch V. 10. V. 7 ist jeda' zu punktieren, da taeraem gewöhnlich m i t Imperi, verbunden wird (GESENIUS-KAUTZSCH,

§ 107

io).

Komment, z. d. Büch. Sam., 1 9 0 2 z. St.; vgl. W E L L H A U S E N , Der T e x t d. Bücher Sam., 1871, z. St. 2 ) Vgl. auch pseudo-philon »Liber antiquitatum biblicarum« c. 53 4 : »Ruft jemand zweimal den andern bei Nacht oder am Mittag, dann sollen sie wissen, daß es ein böser Geist ist. Ruft er aber dreimal, dann weiß ich: E s ist ein Engel.« (Vgl. RIESSLER, Altjüd. Schriftt., 1928, S. 843.) *)

BUDDE,

Inkubation

47

Das Wort kommt dann zu der von G E S E N I U S - B U H L (16. Aufl. 1915) angegebenen Bedeutung »schlafend liegen«. MÖHRING'S Auffassung ist abzulehnen: »Samuel antwortet im Schlaf. . . . Er hat sich also so in der Gewalt, trotzdem der Schlaf doch anhält« 1 ). Für die Frage, ob es sich um eine Offenbarung im Wachen oder im Traum handelt, ist nicht das Verb »niederlegen« von Bedeutung, — Samuel kann ja jeweils sofort wieder einschlafen —, sondern der Ruf »hinneni« sowie Samuels Antwort (V. 10). Auch in 1. Kg. 3 hat man sich nicht gescheut, eine längere Unterhaltung zwischen J H W H und Salomo als »Traum« zu bezeichnen. Der Erzähler verlegt also offenbar derartige Gespräche zwischen Gott und Mensch in das Innere des Menschen 2 ) (wie wir es modern ausdrücken können), so wie die Visionen der Propheten auch mit dem »inneren Auge« gesehen werden. Da Samuel also vermutlich schlafend lag, erfolgte die Offenbarung im Traum, der für den Erzähler das geeignete Mittel schien, J H W H mit Samuel in Verbindung zu bringen 3 ). Obwohl J H W H näher getreten ist (V. 10) und seine Gegenwart ganz konkret vorgestellt wird, sieht ihn Samuel nicht. Durfte Jakob J H W H wenigstens im Traum sehen (Gen. 28), so hört Samuel nur noch J H W H ' s Stimme, und J H W H ' s Nähe wird vermutlich durch die Stärke der Stimme angedeutet (so verstehen wir V. 10a). Aus dieser Scheu, die Gottheit unmittelbar oder durch das Medium eines Traumes den Menschen sichtbar zu machen, erklärt es sich, daß das Wort miar'ä« hier in völlig abgeblaßter Bedeutung gebraucht wird, und zwar im Sinne von »Wahrnehmung göttlicher Offenbarung«. Der Schriftsteller war auf die Worte häzön und mar^ä angewiesen, und er vermochte noch nicht im einzelnen zwischen den verschiedenen Weisen göttlicher Offenbarung zu differenzieren, was übrigens für das gesamte AT gilt. Der Bericht selbst zeigt jedoch eindeutig, daß es sich um eine Audition handelt. Die Offenbarung erfolgt vermutlich in den frühen Morgenstunden, zu einer Zeit also, da der Mensch besonders leicht träumt, weil sein Schlaf nicht mehr sehr tief ist. Da Samuel und nicht Eli das Orakel empfängt, kann die Erzählung zu den Berufungsgeschichten gezählt werden 4 ). Es gehört nun zum Charakter einer Berufungsvision, daß sie den Erwählten Theophanien und Träume i. d. bibl. Literatur, Theol. Diss. 1914, S. 40. ') Auch Josephus (Ant. V, X , 4, § 348) läßt Samuel das dreimalige Rufen J H W H ' s im Schlaf vernehmen. — Vgl. die Traumgespräche Ilias X X I I I , 62ff., Od. IV, 795ff. ')

Vgl.

HÖLSCHER

a. a. O.

S.

57f.

(Exeget. Hdb. z. AT) bemerkt, daß Samuel durch diese Offenbarung ausgezeichnet wird. 1. sind Offenbarungen zu jener Zeit ohnehin selten gewesen, 2. bekommt sie Samuel und n i c h t Eli. *)

SCHULZ

48

I . Kapitel

ohne Vorbereitung, ja manchmal gegen seinen Willen überfällt. Daraus erklärt sich auch das Bestreben des Erzählers hervorzuheben, wie unbeabsichtigt die Offenbarung gewesen ist. Dies ist ein Moment, auf das wir noch zurückkommen, zumal es bisweilen zuwenig beachtet worden ist. Zum Aufbau der Erzählung ist zu bemerken, daß sie vier Szenen enthält mit dem Nachdruck auf der letzten. W . BAUMGARTNER1) sagt darüber: »Sie (gemeint ist die letzte Szene, d. Vf.) bringt die entscheidende Handlung, was vorangeht hat nur vorzubereiten und zugleich zu retardieren, so daß die Spannung erhöht wird und sich eine wirkungsvolle Steigerung gegen das E n d e hin ergibt.«

Ebenfalls vier Szenen enthält die Legende 1. Sam. 19 i8ff.; bei Davids Salbung 1. Sam. 16 finden wir eine aufsteigende Wiederholung, verbunden mit einer absteigenden, im ganzen sind es aber auch vier Szenen. Liegt nun in 1. Sam. 3 eine Inkubation vor ? Es handelt sich zwar um eine Art Traumorakel durch die Gottheit. Samuels Anwesenheit im Tempel ist jedoch durch sein Amt gegeben. Es fehlt vollkommen die Absicht, ein Traumorakel zu erlangen. Obwohl die Traumoffenbarung im Tempel stattfindet, handelt es sich um keine Inkubation! (Gegen B U D D E , K I T T E L , GRESSMANN, GASTER U. a.) War in Gen. 28 durch Jakobs Unkenntnis der Heiligkeit des Ortes die Absicht zur Inkubation ausgeschlossen, so bezeugt hier die völlige Unerfahrenheit des Offenbarungsempfängers das Unbeabsichtigte. Parallelen zu 1. Sam. 3 außerhalb des AT: a) In der Mohammed Vita des IBN ISHAK2) findet sich folgende Parallele: »Alhasan hat mir erzählt, Mohammed habe einst gesagt: Während ich im Tempel schlief, kam Gabriel und stieß mich mit seinem Fuße, ich setzte mich aufrecht und sah nichts, kehrte daher wieder auf mein Lager zurück. E r stieß mich abermals mit seinem Fuße, ich erhob mich, da ich aber nichts sah, legte ich mich wieder hin. E r stieß mich zum drittenmal, und als ich mich aufrecht setzte, faßte er meinen Arm, und als ich aufstand, führte er mich an die Türe des Tempels, da stand ein weißes Gunkel-Festschr. 1923, S. 163f. Vgl. auch 2. Kön. 1 9ff.: Zwei gleiche Szenen mit dem Höhepunkt in der dritten Szene, die wie die beiden ersten beginnt (V. 13). (»Bei drei Szenen pflegt die zweite der ersten parallel zu laufen, ist aber mindestens formal etwas von ihr unterschieden.«) B e i den vier Szenen in 1. Sam. 3 verlaufen die beiden ersten gleich, doch fehlt das zweitemal wajjelaek wajjiSkab, und es kommt beni hinzu; die dritte Szene ist durch Elis Antwort verändert; in der vierten wird J H W H anders eingeführt, Samuel zweimal gerufen, und auch seine Antwort ist geändert (vgl. BAUMGARTNER, S. 164). J ) Aus dem Arabischen übersetzt von G. WEILL, 1. 2., 1864, V I , 264.

49

Inkubation

Tier, der Größe nach zwischen einem Maulesel und einem Esel mit zwei Flügeln an den Hüften, unter welchen die Hinterfüße hervortraten, während seine Vorderbeine so weit reichten, als das Auge sehen konnte.«

Es bestehen gewisse Ähnlichkeiten mit 1. Sam. 3. So handelt es sich um ein Schlafen im Tempel (ob um eine Inkubation, ist nicht zu erkennen); gemeinsam ist ferner das Wiederaufsuchen des Lagers, massiver jedoch die Weise, wie die numinose Macht sich kundtut. b) Zum Motiv des dreimaligen Anrufes sei ein weiteres Beispiel aus der arabischen Welt angeführt1): »War da ein König. Als er einst im süßen Schlafe lag, rief ihn ein Engel und sagte zu ihm: "Wenn deine Frau siebzig Jahre alt ist, wird sie schwanger werden und ein Kind gebären. Du sollst es David nennen, und er wird dir ein Widersacher sein.' E r rief ihn einmal und wiederholte den Ruf dreimal und sagte zu ihm: 'Das ist Wahrheit, kein Traum.'«

Die dreimalige Wiederholung des Rufes im Traume soll die absolute Wahrheit beweisen und jeden Irrtum ausschließen. Erst bei der Wiederholung des Anrufes oder des Trauminhaltes nimmt der König das ihm Gesagte oder Gezeigte wirklich ernst. Das gleiche berichtet Lincoln von Träumen aus der »Eastern Woodlands Culture Area«: »If such a dream occurs three times it must be accepted«2). c) G. Lindblom berichtet folgende lebendige Erzählung3): »A barren wife in the Machakos district one night heard a voice which said to her: Thou shalt give birth to a child She got up to see what it was, but saw none. When she had lain down again, she again heard the voice and once more got up, but to no purpose. The next morning she told her husband, but he said: Nonsense! Dreams have no meaning. . . . However a year later the woman gave birth to a child. . . . »

In dieser Geschichte ist für uns wesentlich, daß in der Nacht eine Stimme die Frau ruft (hier allerdings wohl nur zweimal). Um einen Tempelschlaf handelt es sich natürlich nicht, jedoch um eine für die Frau wichtige Verheißung, und zwar nach der Aussage des Mannes um einen Traum. d) Aus den keltischen Legenden entnehmen wir bei Ettlinger 4 ) folgendes Beispiel: »Laisren fasted thrice three days while purifying the Church Cluain Chain which is in the territory of Connaught. At the end of the third three days' fast, sleep overpowered him in the oratory, and in his sleep he heard a voice saying to him: 'Ansel' The first time he did not move. When for the second time he heard the voice he raised his head and made the sign of the cross over his face. Then he saw the church in ') SCHMIDT-KAHLE: Volkserzählungen aus Palästina I, 1918, S. 147. ') LINCOLN a. a. O. S. 268. Die Wichtigkeit der dreimaligen Wiederholung eines Traumes gilt jedoch nur für ganz bestimmte Träume. *) The Akamba in British East Africa (Archives d'Etudes Orientales Vol. 17, 1920, 2. Aufl., S. 212). *) E T T L I N G E R a . a . O . Ehrlich,

S. 1 0 9 .

Der Traum im Aiten Testament

4

I. Kapitel

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which he was, all alight, and yet there was still a part of the night. And between the chancel and the altar he saw a shining figure. Said the figure to him: 'Come towards me!' At that voice the cleric's whole body from crown to sole shook. Then all at once he beheld his soul (hovering) over the crown of his head, and knew not which way she had come out of the body. And he saw the church open above towards heaven, and two angels taking his soul between them and rising into the air.«

Hier handelt es sich nicht um eine Inkubation, da der Priester sich nicht niederlegt, um eben diese Vision zu erhalten. Bemerkenswert ist der doppelte Anruf: »Arise!«, der ihn zur Aufmerksamkeit bringt. e) Weiter führen wir ein anderes Beispiel aus den keltischen Sagen an 1 ): »Thorsteinn, the son of Si Ju-Hallr, is . . . visited in a dream by three women, who warn him that his thrall is plotting his death. They come to him three times, and the third time they are weeping. One of them asks: 'Where shall we turn after your day, Porsteinn ?' and he replies: "To my son Magnus.' 'We may not abide there long', she answers, and utters a verse in which she prophesies his son's death also.«

In dieser Sage liegt eine dreimalige Warnung im Traum vor mit dem Höhepunkt beim dritten Male. f) In HEINRICH V. K L E I S T ' S »Geistererscheinung«2) findet sich ein Beispiel für die anfängliche Verkennung des Rufenden: Ein Bauernknabe aus einem Dorfe in Böhmen schläft mit seinem Onkel und seinen Geschwistern zusammen in einer Kammer. Eines Nachts wird er durch Schütteln geweckt, und wie er aufwacht, sieht er eine Gestalt sich langsam vom Fuße fortbewegen und im Dunkel verschwinden. Der Junge nimmt an, daß die Gestalt sein Onkel sei, und daß dieser ihn geweckt habe, um ihn zu necken. Der Onkel, ob der Beschuldigung zornig geworden, verprügelt seinen Neffen; die inzwischen herbeigekommenen Eltern bestrafen ihn ebenfalls. In der folgenden Nacht geschieht genau das gleiche: Der Knabe wird geweckt, sieht die Gestalt, hält sie wieder für den Onkel und wird verprügelt, diesesmal jedoch noch stärker. In der dritten Nacht hat der Knabe die gleiche Erscheinung, inzwischen hat er aber bereits die schlechten Erfahrungen mit der Prügel gemacht, so daß er nichts von der Erscheinung verlauten läßt und bald wieder einschläft. Den Tag darauf hat der Knabe um die Mittagsstunde eine Erscheinung: Ein fremder Herr, bekleidet mit einem weißen Mantel, kommt zu ihm und teilt ihm mit, daß er ihm in den drei vergangenen Nächten erschienen sei, um von ihm einen Dienst zu begehren. . . . Der weitere Verlauf der Erzählung ist für unseren Zusammenhang unerheblich.

Der Unterschied zu 1. Sam. 3 liegt vor allem darin, daß der Ablauf der Handlung auf drei Nächte und den folgenden Tag verteilt ist, hingegen spielt sich in 1. Sam. 3 das ganze Geschehen in einer Nacht ab. Weiter ist die Erscheinung am vierten Tag eine Erscheinung am Tage, und schließlich »sieht er eine Gestalt sich langsam vom HILDA ')

R.

KLEIST'S

E L L I S , The Road to Hei, 1943, S. 131. Werke Bd. VII, Bibliogr. Institut, Leipzig, o. J .

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Inkubation

Fuße seines Bettes fortbewegen«, Samuel aber hört die Stimme JHWH's und fühlt dessen Nähe gegenwärtig, sieht ihn aber nicht1). 6. Inkubation in den Psalmen Es ist erstaunlich, wie wenige wirklich gesicherte Anspielungen auf die Inkubation in den Psalmen vorhanden sind, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Tempel in ihnen eine große Rolle spielt, daß es eine Reihe von Liedern gibt, in denen der Beter dankt, daß er »Gott gesehen« habe, dieses Sehen im Heiligtum stattfand, und daß der Tempel schließlich der Ort ist, wo der Mensch eine Verbindung mit der Gottheit sucht. Nur MOWINCKEL2) vermeinte in den Psalmen einige Andeutungen von Inkubation zu finden. Wir konnten uns aber von der Richtigkeit seiner Auffassung nicht überzeugen. So vermutet MOWINCKEL in Ps. 3 6 einen solchen Hinweis. Allein die Tatsache, daß jemand liegt, schläft, erwacht und Gott als seine »Stütze« empfindet, erlaubt nicht diesen Rückschluß. Wir erfahren auch nichts über den Ort, wo der Beter sich niederlegt und einschläft. Die gleichen Einwände sind zu Ps. 4 9 vorzubringen. »Leider erfahren wir weder hier noch sonst 1

) Zur Wiederholung in einer Erzählung vgl. C. K Ü H L , Die drei Männer im F e u e r , 1930, S. 20f. : »Märchenerzähler bedienen sich innerhalb ihrer Geschichte gern derselben Redewendungen. Das ist ü b e r h a u p t die primitive Art, dem Volk etwas zu erzählen.« A n m . 1: »Du m u ß t es dreimal sagen.« Vgl. das reiche Märchenmaterial bei K Ü H L . Vgl. auch L. L É V Y - B R U H L a. a. O. S. 91 f. (vgl. auch L a Mythologie primitive, 1935, S. 249f.), wo berichtet wird, wie wiederholte oder ähnliche T r ä u m e das G e t r ä u m t e bei den Primitiven zur Gewißheit werden lassen. »Wenn Casembo von einem Menschen zwei- oder dreimal t r ä u m t , läßt er ihn töten, weil er ein Mensch ist, der sein Leben durch Verhexung bedroht.« »Oft wenn alle Anstrengungen der Missionare vergeblich gewesen sind, einen Eingeborenen zu bekehren, bestimmt ihn ein T r a u m plötzlich dazu, besonders, wenn dieser T r a u m mehrere Male wieder erscheint.« Vgl. auch T a l m u d Ber. 6 5 b : »R. J o h a n a n sagt: Drei T r ä u m e gehen in Erfüllung: ein Morgentraum, ein T r a u m , den sein Genosse über ihn t r ä u m t e , und ein T r a u m , der im T r a u m e selbst gedeutet wurde. Manche sagen, auch ein T r a u m , der sich w i e d e r h o l t e . « Vgl. auch V I R O L L E A U D , Légendes de Babyl. et de Canaan, 1949, S . 4 0 f.

und

R . BOSSARD

a. a. O.

S. 1 1 6 ff.

2

) Psalmenstudien I, 1921, S. 145f. Allerdings drückt sich M. vorsichtig a u s : »Endlich gibt es ein paar Stellen, die vielleicht auf . . . das Inkubationsorakel hindeuten.« Ps. 3 e möchte M. auf eine Inkubation zum Orakelschlaf beziehen (S. 156), aber der Dichter denkt an glücklich überstandene Gefahren in der Nacht. Ebenso liegt in Ps. 4 9 — wie bereits bemerkt — keine Inkubation vor. Der Sänger schläft nach dem Niederlegen ein; er erfreut sich daran, daß J H W H ihm Freude erwiesen hat, und im Gedenken daran kann er sich beruhigt niederlegen. E s herrscht der vollkommene Zustand des ¡älöm zwischen ihm und J H W H , und das ist f ü r ihn gewiß ein Grund, ruhig zu schlafen. Vgl. auch W I D E N G R E E N , The Accad. and Hebrew Ps. of Lamentation, 1937, S. 291. 4»

52

I. Kapitel

irgendwo, auf welche Weise sich die Frage nach Schuld und Unschuld nun gelöst hat. Es muß doch eine Art von Gottesgericht geschehen sein. Ob der Schlaf im Heiligtum, von dem auch hier gesprochen wird, damit etwas zu tun hat?« (H.SCHMIDT). Gegen SCHMIDT ist einzuwenden, daß der Schlaf im Heiligtum in Ps. 4 gar nicht erwähnt wird. GUNKEL lehnt daher die Annahme einer Inkubation zu Ps. 3 und 4 mit Recht ab 1 ). Etwas schwieriger stellt sich das Problem zu Ps. 17 5. Von einem Besuche des Tempels ist aber auch hier nicht die Rede; es dürfte sich um das Erwachen am Morgen handeln. Mit BAUDISSIN 2 ) »empfiehlt sich doch die Auffassung des Erwachens im gewöhnlichen Sinne als das nächstliegende«, es handelt sich also nicht um ein Gottesschauen in der unmittelbaren Gottesnähe eines jenseitigen Zustandes oder um ein Erwachen aus der Nacht des Unglücks. In Ps. 63 ist in der Tat von einem Gottschauen im Heiligtum die Rede (V. 3). Hier ist deutlich ausgesprochen, daß das Gottschauen im Tempel zu erlangen sei: »Im Heiligtum habe ich dich geschaut (häzä), sehend (rä'ä) deine Kraft und Herrlichkeit. . . .« »Als der Psalmist im Tempel weilte, wurde sein Blick erschlossen, so daß er in jenen Erscheinungen die Kraft und Herrlichkeit Gottes sah und so Gott schaute« (BAUDISSIN). Der Psalmist meint hier das Gottschauen perfektisch im Sinne einer Erfahrung. V. 3 allerdings, von dem man bei diesem Psalm auszugehen hat, ist textkritisch schwierig; ebenso sind Verse durcheinander geraten, wie die Exegeten gesehen haben. Schließlich hören wir auch nicht näher, wie man sich das Gottschauen vorzustellen hätte; von Schlaf oder von Traum ist nichts gesagt, in V. 7 ist der Psalmist wach. So wird man auch bei Ps. 63 darauf verzichten müssen, Hinweise auf Inkubation zu finden3). Wie man sich etwa solche Belege für die Inkubation denken könnte, zeigen die akkadischen Psalmen, wofür WIDENGREEN 4 ) anschauliche Beispiele bietet: 1. »In the night time loosening of my sin may I hear, my sin mayest thou remove. t 2. »Send me that I may see a favourable dream. The dream I see, may it be favourable. The dream I see, may it come true. The dream I see, turn into favour.« 3. »May my omens be satisfactory, may my dreams be favourable, the dream which I see make favourable« 5 ). *) Vgl. auch J . ZIEGLER, Die Hilfe Gottes »am Morgen« (Nötscher-Festschr. 1960, S. 281ff.). •) A R W (18) 1916, S. 173ff.; vgl. auch NÖTSCHER, Das Angesicht Gottes schauen, 1924, S. 166ff., der bei Ps. 17 15 an das Erwachen aus dem Tode denkt. 3)

V g l . NÖTSCHER, S. 1 4 8 f .

4)

WIDENGREEN a . a . O .

S . 2 6 3 f.

*) Inkubation findet sich auch in einem der fünf syrisch überlieferten apokryphen Psalmen; vgl. NOTH, ZAW 48, 1930, S. lff. Im 3. Ps., einem individuellen

53

Inkubation

7. Jes. 65 4 »Die in Gräbern sitzen, a n geheimen Orten (?) übernachten; die Schweinefleisch essen und unreine 'Fleischbrühe' 'in' ihren Gefäßen haben.«

Schon Hieronymus 1 ) hatte diese Stelle in den Zusammenhang der Inkubation gebracht, wenn er sagt: »Sed sedens quoque vel habitans in sepulcris et in delubris idolarum dormiens, ubi stratis pellibus hostiarum incubare solitierantutsomniisfuturacognoscerent.« Von den modernen Forschern denken CHEYNE 2 ), M A R T I 3 ) , D U H M 4 ) , HALLER 6 ),

BUDDE6)

und

OESTERLEY-ROBINSON 7 )

bei Jes. 65 4 an

In-

kubation. Von einem Traum ist allerdings nicht die Rede; V. 4ä nennt und brandmarkt nur das »Sitzen und Übernachten« in Gräbern. Das jälinü gibt LXX bezeichnenderweise mit KoinuvTai 8icc ivCnrvia wieder (V. 4 a ß). Unklar ist n'sürlm in V. 4a ß. DUHM und L . KÖHLER 8 ) haben an Wachthütten gedacht, die zum Schutze der Gräber gegen Schändung errichtet wurden; CHEYNE und VOLZ 9 ) an »geheime Orte«, doch weist CHEYNE auch auf die Felsengräber Palästinas hin. HALLER denkt an Höhlen (vgl. LXX). Der Parallelismus zu V. 4a« legt vielleicht die Bedeutung der Felsengräber nahe, dann wäre mit BH 3 bin sürim abzuteilen. Immerhin stimmt die neugefundene Jes.-Handschrift hier mit 9JI. St. überein10). Danklied, wird dem B e t e r in der N a c h t die erhoffte E r r e t t u n g geschenkt: V. 28: »Ich rief zu J H W H , und er erhörte mich, V. 29: Und er heilte die Krankheit meines Herzens. V. 30: Ich r u h t e und schlief, ich t r ä u m t e und schon ward mir Hilfe zuteil. V. 31: Und du, J H W H , stärktest mich.« Der Beter ist, wie aus V. 19 hervorgeht, an Aussatz erkrankt. Vielleicht befindet sich der K r a n k e im Tempel, um dort u m Heilung zu beten. Die Verse 3—27 bilden ein Klagelied, während in den Versen 28ff. die R e t t u n g beschrieben wird. Indes kann m a n schwanken, ob m a n m i t Nora (S. 16, Anm. 3) annehmen soll, daß der Beter durch den T r a u m Gewißheit über seine kommende Heilung erhält, oder ob nicht vielmehr die Heilung bereits im T r a u m erfolgte, wie oft bei den griechischen Inkubationsorakeln. x

) Hieron. Migne P. L a t . t. 24, p. 657. ) Einl. i. d. Buch Jes. 1897, S. 370. ») K o m m e n t , zu Jes., 1900, z. St. 4 ) Jesaja», 1914, z. St. *) Das J u d e n t u m , 1914, S. 124. «) K. B. 4 , 1922, z. St. ') Hebrew Religion 8 , 1933, S. 80. •) Das B. Jes., Kap. 65 — 66 (bei L . GLAHN, Der P r o p h e t der Heimkehr, 1934, S. 228). ») J e s a j a I I , 1932, z. St. 10 ) Z u m T e x t von V. 4 : Mit Q 1.: m'raq. Mit %fß u n d Dead Sea Scrolls I, ed. M. B U R R O W S , 1 9 6 0 , Tafel L I I , ergänze 'bi' vor h'lehaem. 2

54

I . Kapitel

Auch in der jüdischen Tradition wird das Schlafen an Gräbern zur Erlangung von Traumoffenbarungen berichtet 1 ). Für das spätere Mittelalter erwähnt JOSEF A L B O 2 ) diesen Brauch: »Manche übernachten am Friedhofe, damit der unreine Geist der Toten über sie komme, um ihnen die Zukunft anzuzeigen.« Eine weitere in diesen Zusammenhang gehörende Stelle aus dem späten Midrasch (Sefer hajjaschar) erzählt von Josef folgendes 3 ): Als Josef auf dem Wege nach Ägypten war, kam er am Grabe seiner Mutter Rahel vorbei. Er weinte und schrie auf dem Grabe, bis er ermattet vor Kummer regungslos wie ein Stein lag. Dann hörte er eine Stimme aus der Tiefe des Grabes sprechen, die ihn anredete: »Mein Sohn Josef, ich hörte deine Klage und dein Seufzen, und ich kenne dein Unglück.« . . . »Fürchte nichts, denn Gott ist mit dir, und er wird dich von allem Bösen befreien.«

Wir haben hier kein Inkubationsritual an Gräbern vor uns; immerhin erhält Josef nach diesem Midrasch am Grabe seiner Mutter eine trostspendende Offenbarung. Das Schlafen an Gräbern zur Erlangung eines Traumorakels ist weit verbreitet 4 ). Herodot I V , 172 berichtet diese Sitte von den Nasamonen, Tertullian, De anima 57, von den Kelten. Traumweissagungen spendeten aus ihren Gräbern vor allem solche Heroen, die einst im Leben Wahrsager gewesen waren, wie Mopsos und Amphilochos zu Mallos in Kilikien. Die Totenbeschwörungen an griechischen Seelenorakelstätten, wo nach dem Totenopfer und der Beschwörung die Antwort der veKuSaipoves im Traume abgewartet wurde (Plutarch, Consol. ad Appolon 14; Cyrillus, Contra Julian. 10 u. a.), sind bei HOPFNER ausführlich behandelt. Über die Inkubation auf christlichen Märtyrergräbern ist oben kurz gesprochen worden 5 ). Im streng monotheistischen Islam konnten die Inkubanten sich nicht an Götter, sondern nur an verstorbene Heilige wenden 6 ). z. B. Talmud Joma 83b; Baraita Sanh. 65b; Midr. Ester r. 107b. *) JOSEF

ALBO, I k k a r i m

III,

8.

V g l . auch

J. BERGMANN,

Die Legenden

der

Juden, 1919, S. 69. *) Sefer hajjaschar ed. GOLDSCHMIDT, 1923, S. 150ff. 4 ) Vgl. BOUCHE-LECLERCQ, Histoire de la Divination, I I I , 1881, S. 366ff.; E. RHODE, Psyche 10 , 1926, S. 186; HOPFNER, Griech.-ägypt. Offenbarungszauber, 1921, 1924 (im letztgenannten Bd. § 328-376). Vgl. auch ders. in PAULY-WISSOWA X V I s , 1936, Sp. 2218ff., Art. Nekromantie; vgl. ferner F. CUMONT, LUX perpetua, 1949, S. 94ff. und H. J. ROSE, Ghost Ritual in Aeschylus, The Harvard Theol. Rev. X L I I I , 4, 1950, S. 257ff. E)

LUCIUS-ANRICH, Anfänge des Heiligen-Kultes, 1904, S. 288ff.

•) Vgl. E. WESTERMARCK, Ritual and Belief in Morocco I, 1926, S. 164f.: »Very many dead saints are held in repute as doctors, as general practitioners or as specialists who are able to cure certain complains. In many cases the patient goes and stays at the shrine, until the saint appears to him in a dream telling him to leave, and some-

Inkubation

55

Zusammenfassung Als gesichertes Beispiel einer Inkubation ließ sich nur 1. Kg. 3 nachweisen. Der Inkubant (Salomo) begibt sich zum Zwecke der Inkubation zu einer heiligen Stätte (Gibeon), opfert dort und legt sich schlafen, um ein Traumorakel zu erlangen. Den Beschluß der Inkubation bildet ein Opfer und Festmahl. Nach Gen. 28 träumt Jakob an einer heiligen Stätte, an die er zufällig gekommen ist. Gen. 46 l—5 handelt nicht von einem Traume, sondern von einer Nachtvision an einer heiligen Stätte (Beer Scheba). Die Offenbarung wird durch ein Opfer vorbereitet. In Gen. 15 l—6 ist Hebron als Ort der Offenbarung nur zu vermuten. Abraham empfängt in einem visionären Zustand ein Gotteswort, Opfer werden nicht dargebracht; eine Inkubation kann hier nicht angenommen werden. V. 7—21 wird das Opfer befohlen, Abraham legt sich zum Schlafe nieder, das Orakel erfolgt durch ein Feuerzeichen. Vorhergehendes Opfer und Schlaf könnten den Gedanken an eine Inkubation nahelegen, wenn wir über den Ort der Erzählung Bescheid wüßten und mit Bestimmtheit V. 17 als ein Traumgeschehen auffassen dürften. In 1. Sam. 3 handelt es sich nicht um Inkubation, da die Offenbarung wie Gen. 28 ganz unerwartet erfolgt. In den Psalmen ist die Inkubation an keiner einzigen Stelle nachzuweisen. In Jes. 65 4 ist vielleicht polemisch gegen die Inkubation Stellung genommen im Zusammenhang der Ablehnung heidnischer Bräuche. times the saint advises him to visit the shrine of SIdi of Mülai So-and-So, being himself iucable of curing him.« W E S T E R M A R C K zeigt, wie Istifrära (Bittgebet eines Unschlüssigen n m Eingebung eines heilsamen Entschlusses in bezug auf eine beabsichtigte Unternehmung) und Inkubation nebeneinander bestehen und daß sogar die Inkubation als Istifcära bezeichnet wird ( a . a . O . II, S . Ö6ff.). Zur Istifyära vgl. GOLDZIHER in Enzykl. Islam, II, S. 600ff. (Handwb. d. Isl., 1941, S. 231f.). Zur Inkubation bei den Arabern vgl. auch v. KREMER, Sitzungsber. d. Kaiserl. Akad. Wiss., Wien, Phil.hist. Kl., Bd. 120, 1890; Stud. zur vgl. Culturgesch. III. IV, S . 70f.; ferner D O U G H T Y , Travels in Arabia Deserta I, 1888, S. 449; E. DOUTTE, Magie et Religion dans l'Afrique du Nord, 1908, S. 411 ff.; ders., Missions au Maroc, 1914, S. 90ff.; D O N A L D S O N , The Shi' te Religion, A History of Islam in Persia and Irak, 1933, S. 263f. (Inkubation an Heiligengräbern).

56

I. Kapitel

Anhang

INKUBATION IM ALTEN ORIENT a) in Assyrien und Babylonien Der Gudea Zylinder A, 1—17/12 n 2 ). Es handelt sich um den Bau von Ningirsu's Tempel Eninnu. Gudea bemerkte, daß etwas nicht in Ordnung war, als der Tigris, den Ningirsu überwachte, nicht wie gewöhnlich die Felder überschwemmte. Gudea begab sich in den Tempel und hatte dort einen Traum. Obwohl Gudea verstand, worum es sich im allgemeinen handelte, nämlich den Tempel für Ningirsu wieder aufzubauen, waren ihm doch die Einzelheiten des Traumes unklar. Er entschließt sich daher die Göttin Ninä, die Traumdeuterin, aufzusuchen. Die Reise zu ihr nimmt viel Zeit in Anspruch, weil er bei jedem Tempel Halt macht, um Hilfe und Unterstützung zu erbitten. Bei Ninä angelangt, erzählt er ihr seinen Traum, und sie deutet ihn sofort. Aber noch immer waren dem Gudea die Einzelheiten des zu bauenden Tempels nicht deutlich. Daher gab Ninä dem Gudea den Rat, weitere Einzelheiten vom Gotte zu erfragen. Aber bevor Gudea nun seine Bitte an Ningirsu richtet, muß er die Gottheit versöhnlich stimmen. Er soll daher einen verschwenderisch ausgestatteten Streitwagen für Ningirsu bauen und ihn unter Trommelschall dem Gotte bringen. Dann, so sagt Ninä, wird Ningirsu auf Gudeas Gebete achten und ihm genau sagen, wie der Tempel gebaut werden solle. Gudea befolgt diesen Rat. Zu den Vorbereitungen der Befragung Ningirsus gehören auch Opfer. Nachdem er einige Nächte vergeblich im Tempel verbracht hatte, sah er endlich Ningirsu im Traume, der ihm in allen Einzelheiten erklärte, was der neue Tempel zu enthalten habe. Als Gudea erwachte, erkannte er, daß es sich um einen Traum handelte. Als Zeichen dafür, daß er gewillt sei, Ningirsus Befehlen zu folgen, beugte er den Kopf. Hier liegt eine Inkubation vor. Vgl. DHORME, Les religions de Babyl. et d'Assyr., 1946, S. 276; MEISSNER, Babyl. u. Assyr. II, 1926, S. 246f.; L. WATERMAN, Royal Correspondance of the Assyrian Empire IV, 1936, S. 28f.; CONTENAU, La Divination chez les Assyriens et les Babyloniens, 1940, S. 124ff.; FRANKFORT, The Intellect. Adv. of Ancient Man, 1946, S. 12. *) Daß es sich hier um eine Inkubation handelt, haben KMOSKO, Z. A. 29, 1914-1916,

S. 1 6 8 f f . ; WITZEL, Z. A . 3 0 , 1 9 1 6 - 1 9 1 6 , S. l O l f f . u n d K e i l i n s c h r .

Stud.,

H. 3, 1922 sowie TH. JACOBSEN in: The Intellect. Adv. of Ancient Man, Chapt. VI, S. 189 if. (1946) erkannt, dessen Darstellung wir hier im wesentlichen folgen.

Inkubation

5 7

b) Auch die Hethiter kannten die Inkubation 1 ). Hauptbeleg ist das Gebet eines Königs während der Pest. Der König bittet seine Gottheit um Aufklärung, was seine Sünde sei und welche Buße er auf sich nehmen solle, um die Folgen der Pest von sich abzuwenden2). 11 3: »(Ferner aber) wenn auch aus irgendeinem anderen Grund das Sterben herrscht, so möchte ich ihn entweder im Traume schauen, oder er soll durch ein Orakel festgestellt werden, oder ein Gottbegeisterter (?) soll ihn nennen, oder was ich allen Priestern auftrug, das sollen sie auf reinem (Bette) erschlafen. Hattischer Wettergott, mein Herr, rette michl 11 i : Und nun sollen die Götter, meine Herren, göttliches Walten beweisen 11 5: Und das soll dort einer im Traume erschauen, und aus welchem Grunde das Sterben herrscht, das sqll gefunden werden.«

Hier ist die Inkubation eine der verschiedenen Möglichkeiten, die Gottheit zu befragen. Die Inkubation wird aber nicht vom König selbst, sondern seinen Beamten ausgeführt 3 ). Die Stellvertretung bei der Inkubation ist auch sonst zu belegen4). Die kultische Reinheit und das kultisch reine Bett begegnen uns in der nun folgenden Schilderung einer Inkubation 8 ): 9: 10: 11: 12: 13: 14: 15: 16: 17: 18:

»(Nar)amsin begann von Iätar zu fordern: (D)u hast mir (doch) verkündet: "Die dunklen Länder werde ich Dir in die Hand legen." Und Iätar antwortet ihm: 'Geh! reinige Dich, schlafe auf einem reinen Bett! Rufe Deine Götter an und klage zu Deinen Göttern!' Naramsin reinigte sich, unterzog sich der Inkubation auf einem reinen Bett, rief seine Götter an und begann zu seinen Göttern zu klagen. (Seine Götter) antworteten ihm: "Naramsin. . . .'«

Hier haben wir eine Reihe von charakteristischen Merkmalen der Inkubation beieinander: Neben der geforderten kultischen Reinheit, dem kultisch reinen Bett erscheint auch die kultische Klage und der Anruf an die Götter. Les Hittites, 1936, S. 272f. Kleinasiat. Forschungen I , 1930, S. 204ff. Das zweite Pestgebet des Mursiiis. Vgl. auch F U R L A N I a. a. O. S. 367. 3 ) Der Zustand der kultischen Reinheit war Voraussetzung für die Inkubation; vgl. F U R L A N I a. a. O. S. 163; G Ö T Z E , Kleinasien, 1933, S. 139. 4 ) Vgl. H E R Z O G a . a . O . S . 1 6 (Heilbericht 2 1 ) , auch S . 7 7 ; W E I N R E I C H a.a.O. S. 86, Anm. 3: »Inkubation für andere bezeugt Herodot VIII, 134; Strabon X V I I , S. 801. . . .« Arrian (Anab VII, 262) erzählt, daß man in Babylon im Tempel des Sarapis durch Inkubation über den totkranken Alexander d. Gr. anfragen ließ. 5 ) Vgl. H. G . G Ü T E R B O C K , Die historische Tradition und ihre literarische Gestaltung bei Babyloniern und Hethitern bis 1200, Z. A. XLIV, 1938, S. 45ff. Ergänzung muß aus technischen Gründen in die „Nachträge". !)

2

)

L.

DELAPORTE,

GÖTZE,

II. Kapitel DIE SYMBOLISCHEN TRÄUME IM ALTEN TESTAMENT »Symbolische Träume« sind solche, die einer Deutung bedürfen1). Wir beginnen mit den Träumen der Josefsgeschichte. 1. Gen. 37 5—io,

a) V. 5—8.

b) V. 9—10.

Ein einleuchtender Beweis, daß dieser Abschnitt quellenmäßig aufgeteilt werden müsse, ist nicht erbracht worden. Die Forscher haben denn auch im allgemeinen auf eine Verteilung der einzelnen Verse auf die Quellen J und E verzichtet und die Verse in ihrer Gesamtheit entweder J (so E I S S F E L D T und N O T H ) oder E (so H O L Z I N G E R . G U N K E L , P R O C K S C H ) zugeschrieben*) *). L) GADD, Ideas of Divine Rule in the Ancient East, 1948, S. 2 5 f . : »The first observation to be made is t h a t the exalted ones of the antiquity had little taste for puzzles in these communications. B y far the most prolific in dreams which need interpretation is the Old Testament; Joseph and Daniel t o look no farther, owed their fortunes to interpretation of symbolic dreams. Elsewhere such posers are far to seek.« Vgl. C. M. B O W R A , Heroic Poetry, 1952, S.291ff. und H. R . S T E I N E R , S . 7 , 4 8 f l . a ) Vgl. auch SIMPSON a. a. O. S. 121: J : 5 a . 6. 7. 8a dätnekä. Zu S. 21 Anm. 5: Zum Königstraum vgl. auch Vergil, Aeneis VII, 81—106; zum Ägyptischen jetzt B O N N E T , Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, 1952, S. 836; zu assyrisch-babylonischen Königsträumen H . L E W Y , Archiv Orientalni X V I I , 1949, S. 42f. 82ff. und S. H . H O O K E , Babyl. and Assyr. Religion, 1953, S. 86f. Zu S. 24 Anm. 3: Inkubation in Ägypten, vgl. B O N N E T a. a. O. S. 837 f. Zu S. 43 Anm. 1: Vgl. ferner A. F A L K E N S T E I N und W. von SODEN, Sumerische und 3

Akkadische Hymnen und Gebete, 1963, S. 270f. Zu S. 50 Anm. 1: Vgl. ferner H. M. und N. K.

CHADWICK,

The Growth of Literature,

I, 1932, S. 452. Zu

S.

52 Anm. 4 : Vgl.

FALKENSTEIN-SODEN,

Zu S. 56 Anm. 1: Vgl. auch

H . LEWY,

S. 317;

319;

350f.

a. a. O. S. 86ff. und S.

H . HOOKE,

Babyl. and

Assyr. Religion S. 87f. Zu Zu

S.

56 Anm. 2: Vgl. auch F A L K E N S T E I N - S O D E N , S . 137ff. Anm. 4 : Vgl. auch L U C K E N B I L L , Ancient Records of Assyria and Babylonia, II, 1927, S. 302 Nr. 790. — Anm. 5 ergänze: Die epische Erzählung von Naramsin (Übersetzung und Interpretation der Keilschrifttexte aus Boghazköi I I I 16-20).

S. 57

Zu S. 61 Anm. 2: Zu einem babylonischen Sternentraum vgl. H.

LEWY,

a. a. O. S. 42ff.

Zu S. 64 Anm. 3: Vgl. auch das oben Nachtrag zu S. 50 genannte dreibändige Werk von H. M. und N.

K.CHADWICK,

Zu S. 68 Anm. 2: Vgl. ferner

BONNET,

1932—1940. Reallexikon S. 835ff., Stichwort „Traum".

Zu S. 77 Anm. 3: „Zum Haus des Lebens" vgl. ferner

BONNET

S. 417 ff.

Zu S. 78 Anm. 4: Auch in den akkadischen Hymnen und Gebeten sind Götter für Träume und Traumdeutung zuständig; vgl. für SamaS a. a. O. S. 242; 325, für Zakar ebenda S. 317.

FALKENSTEIN-SODEN,

179

Nachträge. Nachwort Zu S.

Anm. 1 : Zeile 2 v.u. hinter Der Traum in der Aeneis, S. 48.

81

Zu S. 91 Anm. 4: Vgl. ferner Zu S.

STEINER,

GUTHEIL,

S.

a. a. O.

20f.; 41; 46.

S.

266

einzufügen:

H.R.STEINER,

Anm. 2: Vgl. jetzt auch H . H . R O W L E Y , The Servant of the Lord and other Essays on the O. T., 1952, S. 237ff.

111

Zu S. 120 Anm. 1: Vgl. ferner Talm. b. Gittin 56b; Midr. Eccl. r. V. 8 § 4, und MARMORSTEIN, MGWJ, N. F. 47, 1939, S. 185ff. Zu

S.

121 Anm. 2: Vgl. ferner neuestens A. gegen W. VON SODEN, Z.A.W. 53, 1935, X V I I , 1949, S. 33.

Daniel, 2. Aufl. 1952, S . 46f. 87 und H. L E W Y , Archiv Orientàlni,

BENTZEN, S.

Zu S. 125 Anm. 3: Vgl. etwa auch die Beschreibung des Ningirsu im Traume des Gudea, (GudeaZyl. A, IV, Z. 14ff.) bei F A L K E N S T E I N - V O N SODEN, a. a. O . S . 141 f. Zu S. 133: Ergänze im Text Zeile 5 v. u. hinter „heimkehren soll" Anm. 4: Vgl. Aeneis IV, 3 5 1 - 3 5 3 und IV, 664FF. und dazu S T E I N E R a. a. O. S . 47f.; 51ff. Zu

S.

146 Anm. 1: Vgl. jetzt auch F A L K E N S T E I N - V O N betsbeschwörung an Marduk.)

Zu S. 148 Anm. 3 : Vgl. ferner J . H.

S.

S.

166 Anm.

Zu

S.

166 Anm. 3 : Vgl. ferner Aeneis Vi, 893—899 und dazu

H . ROWLEY,

304ff. (Aus einer Ge-

A History of Egypt 2 , 1952, S. 468.

Zu

2

: Vgl. ferner H.

BREASTED,

SODEN

The Servant of the Lord, 1952, STEINER

S.

a. a. O.

S.

106ff. 88ff.

Zu S. 167 Anm. 1: Vgl. zu Jes. Sir. 40, 5ff. auch Ps. Sai. 6, 3 und dazu H. L. J A N S E N , Die spätjüd. Psalmendichtung, 1937 S. 49 u. S. A A L E N , Die Begriffe „Licht" u. „Finsternis" im A.T., im Spätjudent. u. im Rabbinismus, 1961, S. 104ff. Zu S. 168 Anm. 3: Vgl. jetzt auch G. Q U I S P E L , Mensch und Energie im antiken Christentum, Eranos Jb. 21, 1962, S. 109ff., besonders S. 148ff.

Nachwort Die Arbeit wurde bereits Anfang 1950 abgeschlossen, und Literatur konnte nur noch vereinzelt nachgetragen werden. Herrn Prof. Dr. WALTER BAUMGARTNER bin ich für seine aufbauende Kritik und für viele Hinweise bei der Ausarbeitung zu großem Dank verpflichtet. Den Herren Professoren Dr. EISSFELDT und Dr. HEMPEL danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Beihefte zur ZAW; Herrn Prof. HEMPEL schulde ich besonderen Dank für das Lesen der Korrekturen. Basel, 1. Juni 1953.