Der Stand unserer Kenntnisse vom fossilen Menschen [2., veränderte Ausgabe. Reprint 2020 ed.] 9783112369425, 9783112369418

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Der Stand unserer Kenntnisse vom fossilen Menschen [2., veränderte Ausgabe. Reprint 2020 ed.]
 9783112369425, 9783112369418

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Der

Stand unserer Kenntnisse vom fossilen Menschen von

Dr. Wilhelm Branca O. ü . P r o f e s s o r f ü r G e o l o g i e u n d P u l ä o n t o l o g i e UII d e r U n i v e r s i t ä t Geheimer bergrai

Berlin

Zweite, veränderte A u s g a b e mit e i n e m Nachtrage von

Dr. Hermann Stremine o. P r o f e s s o r f. Mineral, u. G e o l o g i e a. d. T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e in D a n z i g

Mit z a h l r e i c h e n

Abbildungen

Berlin und Leipzig 1919 Vereinigung w i s s e n s c h a f t l i c h e r Verleger Walter de Gruyter & Co. v o r m a l s Ci. J . buchhandlung

tiöschen'sche V e r l a g s h a n d l u n g ::

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Kopie nach G. Schwalbe: .Oer Neandertal-SclUdel", Tat. I, Fig. 1.

Übrigens erinnere ich an das auf S. 6 Hervorgehobene, daß die Stärke der Prognathie ein sehr viel weniger wichtiges Kennzeichen der Inferiorität eines Schädels ist, als die Stärke des Fliehens der Stirn und der Niedrigkeit des Hirnschädels. Gespannt wird man bei diesem Homo Mousteriensis auf die Berechnung des Gehirnvolumens sein dürfen, da die bedeutende Länge des Schädels bei dem erst ca. Sechzehnjährigen auf einen großen Schädelinhalt schließen läßt — so weit man das ohne Messungen beurteilen kann. Auch über den Grad Fig. 4. Neandertal - S c h l d e l von o b e n ; des Fliehens der Stirn und starker Langkopf. Kopie nach O. Schwalbe: der Niedrigkeit der Kalotte . D e r Neandertal-Schädel*, S. 4, Fig. 1. können uns erst genaue Messungen Auskunft geben, Bei Abbildungen e r s c h e i n t natürlich eine Stirn um so fliehender, je stärker nach hinten zurückgebeugt B r a n c a , Der fossile Mensch

Erfunde diluvialer Menschenreste

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m

der Schädel abgebildet wird; und um so steiler, je stärker er umgekehrt nach vorn vorgebeugt wird. Aus diesem Grunde bietet natürlich die richtige Orientierung solcher Schädel, von denen nur der obere Teil erhalten ist, wie bei dem Neandertaler, gewisse Schwierigkeiten. Ich habe oben in Fig. 3 u. 4 den Neandertaler nach Schwalbe in der von diesem eingeführten Orientierung neben den des Homo Mousteriensis Fig. 2 u. 1 gestellt. 9. D e r U n t e r k i e f e r v o n M a u r . Dem Mittel- bzw. Altdiluvium 1 mit Elephas antiquus und Rhinoceros antiquus gehört ferner der vor einigen Jahren von Schoetensack 4 beschriebene inferiore U n t e r k i e f e r an. Er entstammt der bekannten Sand- und Kiesablagerung, welche als „ S a n d v o n M a u r " b e i N e c k a r g e m ü n d bekannt ist und Ablagerungen des Neckar ihr Dasein verdankt, die später vom Löß bedeckt wurden. 8 Der Unterkiefer fällt zunächst auf durch seine Massigkeit und das mangelnde Kinn, so daß er im Profil vorn in tierischer Rundung von oben nach unten verläuft. Von vorn gesehen, zeigt er sich ebenfalls gerundet, wie der Verlauf der Incisiven erkennen läßt. Der Unterrand weicht auffallend stark von einer horizontalen Linie ab, indem er stark ausgeschweift ist. Dieser Unterkiefer des Homo Heidelbergensis steht von allen zum Vergleiche heranziehbaren dem von Spy II am nächsten. Es zeigt sich jedoch ein Mißverhältnis zwischen den Zähnen und dem Kiefer. Die Zähne weisen sehr große Pulpahöhlen und eine relativ dünne Dentinwand auf, so daß ein Bild entsteht, wie es uns der heutige Mensch speziell im Kindesalter darbietet. Durch ihre nur mäßige Größe zeigen sie an, daß an sie keineswegs nennenswert große Anforderungen gestellt worden sind. 1

E. Werth, Das geologische Alter und die stammesgeschichtliche Bedeutung des Homo Heidelbergensis. Globus ( V i e w e g , Braunschweig), 1909, Bd. XCV1, S. 229—232. Schoetensack sagt, daß die den Unterkiefer von Homo Heidelbergensis begleitende Säugetierfauna z. T. dem ältesten Diluvium angehöre, z. T. auf das Pliocän hinweise, so dafi er der älteste der bisher gefundenen fossilen Menschenreste sei; Schoetensack scheint ihn also dem Unter-Diluvium zuzurechnen, wenngleich er das nicht ausspricht. O. Werth verweist diese Ablagerung aber nur etwa in das Mittlere Diluvium, genauer in das vorletzte Interglacial, also als gleichaltrig mit der Paludinabank d e s Berliner Diluviums bzw. mit der Zeit des Chelleen. * Schoetensack, Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis. Leipzig bei Engelmann, 1908. 3 A. Sauer, Exkursion in die Maurer Sande. 42. Versammlung des oberrhein. geolog. Vereins zu Heidelberg 14. April 1909, S. 25—32.

Erfunde diluvialer Menschenreste

Umgekehrt dazu Dicke und Massivität diese Massivität nicht die dann ebenfalls so

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verhält sich der Kiefer, welcher gewaltig an ist. Aber die Zähne beweisen uns, daß er im Dienste der Zähne erlangt haben kann, massig sein müßten.

S c h o e t e n s a c k folgert d a r a u s , daß hier u n m ö g l i c h ein A n t h r o p o m o r p h e n s t a d i u m v o r a u s g e g a n g e n sein k ö n n t e , daß dieser Kiefer v i e l m e h r dem U r z u s t ä n d e , d e r U r f o r m n a h e s t e h e , welche sowohl dem Menschen als auch den Anthropomorphen vorausgegangen ist. Dagegen hob K o k e n 1 hervor, daß die Folgerungen, die Schoetensack zieht, doch wohl ein wenig weitgehend seien, in Anbetracht einerseits der Größe und Wichtigkeit derselben und anderseits der Beschränktheit des ihr zu-

Fig. 5.

Homo Heidelbergensis Schoetensack.

Kopie nach dem Gipsabgüsse.

gründe liegenden Restes. Ich stimme Koken darin völlig bei, daß das ein Mißverhältnis ist, welches, allein für sich betrachtet, zu größter Vorsicht mahnt. Aber ich möchte vorgreifend betonen, daß außer diesem noch eine ganze Reihe anderer solcher kleinen Beweise gegen die Abstammung des Menschen von den Anthropomorphen vorliegt (S. 50), so daß durch Summierung derselben eine Verstärkung eines jeden einzelnen sich ergibt. Von Interesse ist, daß auch dieses Kennzeichen des diluvialen inferioren M e n s c h e n , die Massivität des U n t e r k i e f e r s , sich h e u t e noch bei l e b e n d e n Menschen findet, ganz e b e n s o wie das b e z ü g l i c h der fliehenden Stirn und der vorspringenden Augen1

N e u e s J a h r b u c h f. Mineral., G e o l . , Pal., 1 9 0 8 , B d . II, S . 4 1 8 . 2*

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Erfunde diluvialer Menschenreste

B

b r a u e n b ö g e n d e r F a l l i s t . Oetteking 1 hat kürzlich und Gorjanovic-Kramberger hat soeben an Eskimo-Unterkiefern dasselbe Merkmal festgestellt. In g l e i c h e r W e i s e z e i g e n d i e s e E s k i m o s auch durch die g e r i n g e E n t w i c k l u n g des K i n n e s e i n e A n n ä h e r u n g an den g a n z k i n n l o s e n t y p i s c h e n diluvialen Unterkiefer des inferioren Typus.

Fig. 6 a.

Unterkiefer eines Franzosen.

Fig. 6 b.

Unterkiefer einer Australierin.

Fig. 6 a u. 6b. Kopien nach A. Oaudry, .Contribution ä l'histoire des Hommes fossiles". L'Anthropologie Taf. 15, Fig. 13, 14.

Fig. 6 gibt eine Darstellung dieser das Kinn betreffenden Verhältnisse in abnehmender Stärke des Kinnes vom modernen Europäer bis hinab zum Schimpanse. Vgl. darüber S. 46. 1

Oetteking, Ein Beitrag zur Kraniologie der Eskimos. Abhandlungen und Berichte des königl. zoolog. u. anthropolog.-ethnograph. Museums zu Dresden, 1908, Bd. XII. Ich zitiere nach Gorjanovic. Qorjanovic-Kramberger, Der Unterkiefer der Eskimos als Träger primitiver Merkmale. Sitzungsberichte der königl. preuß. Akademie der Wissensch. 1909, S. 1 2 8 2 - 1 2 9 3 , Taf. XV und XVI.

Es liegt mir fern, den Wert dieses Unterkiefers von Maur für die Erkenntnis des inferioren Schädeltypus herabsetzen zu wollen. A b e r w e n n m a n b e d e n k t , d a ß 1. b e i h e u t i g e n E s k i m o s , wie soeben gesagt, ä h n l i c h , w e n n a u c h n i c h t g l e i c h n i e d r i g o r g a n i s i e r t e U n t e r k i e f e r v o r k o m m e n , ohne daß Stirn und S c h ä d e l k a l o t t e die M e r k m a l e e i n e r so n i e d e r e n

Fig. 6 c. Unterkiefer des fossilen jungen Mannes aus der Grotte des Enfants. Kopie nach A. Gaudry, .Contribution à l'histoire des Hommes fossiles." L'Antropologie Taf. 15, Fig. 15.

Fig. 6d.

Unterkiefer eines Schimpanse.

Nach der Natur.

O r g a n i s a t i o n z e i g e n ; u n d d a ß 2. v o n d e n b e i d e n u n teren d i l u v i a l e n Skeletten aus der G r o t t e des E n f a n t s (S. 11) g a n z Ä h n l i c h e s g i l t — d a n n f o l g t d o c h d a r a u s , d a ß m a n i s o l i e r t e n U n t e r k i e f e r n g e g e n ü b e r zu s e h r g r o ß e r V o r s i c h t g e z w u n g e n ist, wenn man aus ihnen auf d i e I n f e r i o r i t ä t d e s ganzen S c h ä d e l s s c h l i e ß e n w o l l t e . D a s a b e r um so m e h r , a l s g e r a d e S t i r n u n d S c h ä d e l k a l o t t e d i e s e h r v i e l w i c h t i g e r e n (S. 5) M e r k -

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Erfunde diluvialer Menschenreste

Fig. 8. Schädel von La C h a p e l l e - a u x - S a i n t s . K o p i e nach Marc. Boule: L'homme fossile de la C h a p e l l e - a u x - S a i n t s (Corrêze). L'Anthropologie, XIX.

Erfunde diluvialer Menschenreste

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male n i e d e r e r O r g a n i s a t i o n d a r b i e t e n als die a n d e r e n S c h ä d e l t e i l e , und so a u c h U n t e r k i e f e r , d a s tun. 10. B e i L a C h a p e l l e - a u x - S a i n t s , C o r r è z e , ist ein dem Moustiérien angehörender Schädel ebenfalls erst ganz kürzlich, im Jahre 1908, gefunden worden, begleitet von einigen Wirbeln und Extremitätenknochen. Nach einer sehr mühsamen Rekonstruktion der Bruchstücke ergab sich ein Neandertaler Schädeltypus, der über-

Fig. 9.

Schädel von Chapelle-aux-Saints.

Kopie nach Marc. Boule, Fig. 8.

aus tierischen Eindruck hervorruft, so daß man sagen muß, daß er noch unter den Neandertaler ins Tierische hinabgeht. Marcellin Boule hat denselben beschrieben und abgebildet. 1 Die Knochen dieses Schädels sind sehr dick, die Abplattung des Schädeldaches stärker als bei den Schädeln vom Neandertal und von Spy. Die Stirn zeigt sich als stark fliehend, die Augenbrauenbögen sehr entwickelt, ebenso wie bei dem Neandertaler, aber in der Mitte 1

Marcellin Boule, L'homme fossile de la Chapelle-aux-Saints, Corrèze. L'Anthro-

pologie, Bd. XIX, 1908, S. 5 1 9 - 5 2 5 , 3 Textfig.



Tätigkeit tertiärer Menschen

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gegen die Richtigkeit der Behauptung geltend macht, daß die Natur mit Hilfe des Wassers bzw. Eises ganz ebensolche Eolithe erzeuge wie die, welche er und andere für von menschlichen Vorfahren gebrauchte, also echte Eolithe erklären 1 : Einmal, so sagt Rutot, hat er die bekannten künstlichen Eolithe untersucht, welche in der Zementfabrik in Mantes zufällig entstanden waren. Hier zeigte sich, daß kaum 5°/ 0 aller Gesteinsstücke zu solchen Pseudo-Eolithen geworden waren. Er gibt zwar zu, daß diese zum Teil gewissen echten Eolithen ähnlich sind ; aber sie unterscheiden sich — und das erscheint recht einleuchtend, weil notwendig — dennoch von diesen dadurch, daß an ihnen stets deutliche Spuren der Abrollung und der Schrammung und Kritzung* auftreten, welche den echten fehlen. Zweitens aber haben Munck und Ghilain, so macht Rutot geltend, das Schicksal von Eolithen studiert, die vom Wasser transportiert worden sind. Die auf dem Plateau von Hautes-Fagnes an der Oberfläche liegenden Eolithe, die nach Rutot vom pliocänen Menschen fortgeworfen sind, werden nämlich von den, diesem Plateau entspringenden Wasserläufen talabwärts verfrachtet. Bereits nachdem sie den kurzen Weg von 2—3 km mit anderen Steinen zusammen zurückgelegt haben, ist ihre Eolithen-Natur überhaupt verschwunden, weil sie abgerollt sind. Rutot folgert daher: Das Auftreten von Pseudo-Eolithen ist ein ephemeres, eine schnell verschwindende Phase; wogegen echte Eolithe unverändert bleiben, falls die Natur sie nicht etwa weiter transportiert. Im letzteren Falle verändern sie sich natürlich auch ; und wenn dann ein Gegner der Eolithe solche Stücke mit Zeichen von Abrollung findet, dann wird er durch diese Zeichen zu dem irrtümlichen Schlüsse geführt, daß auch die Absplitterungen an ihnen nur durch den Transport hervorgerufen seien. Darin liege hier die Quelle des Irrtumes. Die Absplitterungen seien, zum Teil wenigstens, das Ältere, durch den Gebrauch vom Menschen Gemachte ; die Abrollung und Kritzung seien das Jüngere, später vom Wasser Gemachte. Endlich sind Pseudo-Eolithe nach Rutot im allgemeinen merklich kleiner als echte und ihre Absplitterungen treten an ganz unbestimmten, beliebigen Stellen auf, während sie an echten Eolithen 1

A. Rutot, Éolithes et Pseudo - Éolithes. Mémoires Soc. d'Anthropologie de Bruxelles. Bruxelles 1906, Bd. XXV, S. 1—45. 8 Hervorgerufen durch das starke Geschleudertwerden.



©

nur an den Stellen erscheinen, an welchen das Werkzeug gebraucht worden ist. Man sieht, daB Rutot nicht ungewichtige Gründe hat, welche ihn auf seiner Meinung verharren lassen.

¿er XI. Bedeutung von Pithecanthropus auch bei diluvialem Alter. W e n n wir von dem niederen, von dem Neandertaler Schädeltypus des Menschen aus in unserer Vorstellung nach abwärts in das Tierische steigen, so kennen wir bisher keinen anderen fossilen Rest, der in solchem Maße das nächste Glied nach abwärts sein k ö n n t e , den man also als tertiären direkten 1 Vorfahren des diluvialen Menschen betrachten k ö n n t e , als Pithecanthropus. Wir haben indessen gesehen, wie überaus zweifelhaft und umstritten das tertiäre Alter von Pithecanthropus ist. Es ist daher auch überaus zweifelhaft, ob dieser als tertiärer Vorfahr des diluvialen Menschen angesehen werden darf; und es ist völlig unzulässig, ihn trotzdem jetzt schon mit Sicherheit als einen solchen zu erklären. Es ist zudem, selbst wenn er wirklich tertiäres Alter besäße, eben so möglich, daß er, ganz wie die anderen anthropomorphen Affen, nur einem Seitenzweige des Menschengeschlechtes angehören könnte, der trotz seiner Annäherung im Schädelbau an das letztere absolut nicht in der Ahnenreihe des Menschen stände. W e n n b e i s p i e l s w e i s e s e i n e , uns ja u n b e k a n n t e n , Arme t y p i s c h l a n g e G i b b o n a r m e s e i n s o l l t e n , so wäre es g a n z und e n k b a r , d a ß d i e s e s i c h in d i e k u r z e n M e n s c h e n a r m e z u r ü c k g e b i l d e t h a b e n s o l l t e n ; zumal in der kurzen Spanne Frist, die das jüngste Tertiär von dem alten Diluvium trennt (S. 53). Anders l ä g e die S a c h e , wenn sich durch weitere E r f u n d e z e i g e n würde, daß P i t h e c a n t h r o p u s m e n s c h lich kurze Arme gehabt haben sollte. In diesem Falle würde die Möglichkeit, daß wir in ihm — bzw. in seinen tertiären Vorfahren, wenn er quartären Alters ist — einen direkten Ahnen des Menschen vor uns haben könnten, ganz wesentliche Unterstützung erfahren. 1

.Direkter",

damit meine ich also eine Form,

die der direkte Vorfahr des

diluvialen Menschen, speziell des vom niederen Schädeltypus gewesen sein könnte. Im

Gegensatz

zu irgendwelchen f e r n

stehenden Vorfahren aus ä l t e r e r

Zeit, Uber die doch nur Vermutungen aufstellbar sind (S. 68).

tertiärer



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nur an den Stellen erscheinen, an welchen das Werkzeug gebraucht worden ist. Man sieht, daB Rutot nicht ungewichtige Gründe hat, welche ihn auf seiner Meinung verharren lassen.

¿er XI. Bedeutung von Pithecanthropus auch bei diluvialem Alter. W e n n wir von dem niederen, von dem Neandertaler Schädeltypus des Menschen aus in unserer Vorstellung nach abwärts in das Tierische steigen, so kennen wir bisher keinen anderen fossilen Rest, der in solchem Maße das nächste Glied nach abwärts sein k ö n n t e , den man also als tertiären direkten 1 Vorfahren des diluvialen Menschen betrachten k ö n n t e , als Pithecanthropus. Wir haben indessen gesehen, wie überaus zweifelhaft und umstritten das tertiäre Alter von Pithecanthropus ist. Es ist daher auch überaus zweifelhaft, ob dieser als tertiärer Vorfahr des diluvialen Menschen angesehen werden darf; und es ist völlig unzulässig, ihn trotzdem jetzt schon mit Sicherheit als einen solchen zu erklären. Es ist zudem, selbst wenn er wirklich tertiäres Alter besäße, eben so möglich, daß er, ganz wie die anderen anthropomorphen Affen, nur einem Seitenzweige des Menschengeschlechtes angehören könnte, der trotz seiner Annäherung im Schädelbau an das letztere absolut nicht in der Ahnenreihe des Menschen stände. W e n n b e i s p i e l s w e i s e s e i n e , uns ja u n b e k a n n t e n , Arme t y p i s c h l a n g e G i b b o n a r m e s e i n s o l l t e n , so wäre es g a n z und e n k b a r , d a ß d i e s e s i c h in d i e k u r z e n M e n s c h e n a r m e z u r ü c k g e b i l d e t h a b e n s o l l t e n ; zumal in der kurzen Spanne Frist, die das jüngste Tertiär von dem alten Diluvium trennt (S. 53). Anders l ä g e die S a c h e , wenn sich durch weitere E r f u n d e z e i g e n würde, daß P i t h e c a n t h r o p u s m e n s c h lich kurze Arme gehabt haben sollte. In diesem Falle würde die Möglichkeit, daß wir in ihm — bzw. in seinen tertiären Vorfahren, wenn er quartären Alters ist — einen direkten Ahnen des Menschen vor uns haben könnten, ganz wesentliche Unterstützung erfahren. 1

.Direkter",

damit meine ich also eine Form,

die der direkte Vorfahr des

diluvialen Menschen, speziell des vom niederen Schädeltypus gewesen sein könnte. Im

Gegensatz

zu irgendwelchen f e r n

stehenden Vorfahren aus ä l t e r e r

Zeit, Uber die doch nur Vermutungen aufstellbar sind (S. 68).

tertiärer



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Aber auch die Kenntnis des Zahnbogens, also der Krümmung der Zahnreihe bzw. des Kiefers, wäre eine notwendige Vorbedingung, wenn man sich über die Natur, die systematische Stellung von Pithecanthropus ganz klar werden wollte. In Fig. 10—13 (S. 27—31) ist dieser Verlauf des Zahnbogens bei lebenden wie fossilen Menschen wie beim Schimpanse dargestellt. Fig. 12 zeigt, wie der beim Europäer schön bogenförmige Verlauf der Zahnreihe beim Australier, der dem Neandertaler Typus angehört, bereits winklig zu werden beginnt. Aber trotzdem besteht noch ein weiter Unterschied gegenüber dem Menschenaffen, wie Fig. 13 (S. 31) ihn zeigt, wo alles Bogenförmige verschwunden und an dessen Stelle das Rechteckige getreten ist. Wenn Pithecanthropus ein echtes Bindeglied, ein direkter Vorfahr des Menschen war, so müßte man bei der dann so n a h e n Verwandtschaft mit dem Menschen, bereits ein Abweichen von dem Tierisch-Rechteckigen und ein Hinneigen zum Bogenförmigen erwarten. Ein rein rechteckiger Verlauf der Zahnreihe dagegen würde für einen reinen Anthropomorphen sprechen. Wir wissen aber auch darüber gar nichts. Selbst wenn nun aber Pithecanthropus quartären Alters gewesen sein und selbst wenn er lange Arme und rechteckigen Verlauf der Zahnreihe gehabt Haben sollte, so wäre es doch weit gefehlt, wenn man ihn damit als seiner hohen Bedeutung beraubt ansehen wollte. Die Schädelform bleibt ja bestehen. So l a n g e bis später einmal neue E r f u n d e noch Wichtigeres über dem Menschen Ähnliches b r i n g e n , wird Pithecanthropus das interessanteste und wichtigste d e r F o s s i l e s e i n ; u n d w i r d d e m , der es bei s e i n e n s y s t e matischen Nachgrabungen entdeckte, Eugen Dubois, das u n g e s c h m ä l e r t e V e r d i e n s t b l e i b e n , es a n s T a g e s l i c h t g e z o g e n u n d zu u n s e r e r K e n n t n i s g e b r a c h t z u h a b e n . Ich sage, das interessanteste und wichtigste. Zwar mögen an und für sich die diluvialen Menschenschädel des niederen Typus interessanter erscheinen können. Aber d a , wie Macnamara und Klaatsch zeigten (S. 44), dieser Typus noch heute lebt und dem Homo sapiens angehört, während Pithecanthropus ausgestorben ist und noch weiter in das Tierische hinabreicht, als jene, so wird man seine Wichtigkeit höher einschätzen müssen. Das große VerdienstE. Dubois' kann somit keineswegs g e s c h m ä l e r t werden für den Fall, daß sich später als s i c h e r h e r a u s s t e l l e n s o l l t e , d a ß d i e F a u n a v o n Trinil

Pithecanthropus als Bastard

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* y r v y > v i

d i l u v i a l e n A l t e r s w ä r e ; und es wird nicht geschmälert werden, gleichviel ob Pithecanthropus nun wirklich ein Bindeglied, oder ein Affe oder ein Mensch oder ein Bastard zwischen beiden gewesen sein sollte. War er ein Affe, dann hat uns E. Dubois in ihm den höchststehenden aller Affen kennen gelehrt, der nahe an das Menschliche des niederen Typus hinaufreicht; gleichviel ob er Vorfahr oder nur Seitenzweig des Menschen gewesen ist. War er ein Mensch, dann war er der inferiorste von allen, der nahe an das Äffische hinabreicht. S o ist ein Streit um die s y s t e m a t i s c h e Stellung des Pithecanthropus, ob er wirklich „Bindeglied" genannt werden muß, ziemlich hinfällig; denn in Wirklichkeit bleibt er als Affe ein Bindeglied nach oben hin, und als Mensch ein solches nach unten hin. E. Dubois behielte also, wenn auch in etwas anderem Sinne, als er das Wort „Bindeglied" anwendete, durchaus recht. Bei solcher Sachlage aber ist es auch mehr nebensächlich, ob Pithecanthropus tertiären Alters ist und damit ein wirkliches, zeitliches, ein Bindeglied „im engeren Sinne", also ein Vorfahr des Menschen gewesen sein könnte; oder ob er diluvialen Alters, mithin jedenfalls nur morphologisches Bindeglied, d. h. ein „Bindeglied im weiteren Sinne" wäre, das natürlich auf jeden Fall aus der Reihe der Vorfahren ausscheiden müßte. Überhaupt erscheint es mir verfehlt, wenn man jede weitere, dem Menschen nahestehende fossile Form, die vielleicht später noch zu unserer Kenntnis gelangt, gleich als einen V o r f a h r des Menschen erklären, sie mit Gewalt in die Ahnenreihe des Menschen hineinzwängen wollte, in der sie vielleicht nie gestanden hat. Der seitlichen Zweige an einem Baume gibt es doch wahrlich viele; aber nur einen einzigen Stamm hat der Baum. S o m i t i s t d i e W a h r s c h e i n l i c h k e i t , daß wir f o s s i l e S e i t e n z w e i g e f i n d e n , von v o r n h e r e i n g r ö ß e r , als daß S t ü c k e des S t a m m e s u n s in d i e H ä n d e f a l l e n m ü s s e n . Indessen, auch das Dasein von Zweigen beweist, daß ein Stamm vorhanden war.

XII. Pithecanthropus als Bastard? Nur

in dem einen Falle würde für Pithecanthropus auch jene Bindegliedsnatur „im weiteren Sinne" verschwinden, würde er nur ein Pseudo-Bindeglied sein, daß Pithecanthropus, wenn ich so sagen darf, nicht von makelloser Geburt, d. h. ein Bastard zwischen Mensch

Pithecanthropus als Bastard

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d i l u v i a l e n A l t e r s w ä r e ; und es wird nicht geschmälert werden, gleichviel ob Pithecanthropus nun wirklich ein Bindeglied, oder ein Affe oder ein Mensch oder ein Bastard zwischen beiden gewesen sein sollte. War er ein Affe, dann hat uns E. Dubois in ihm den höchststehenden aller Affen kennen gelehrt, der nahe an das Menschliche des niederen Typus hinaufreicht; gleichviel ob er Vorfahr oder nur Seitenzweig des Menschen gewesen ist. War er ein Mensch, dann war er der inferiorste von allen, der nahe an das Äffische hinabreicht. S o ist ein Streit um die s y s t e m a t i s c h e Stellung des Pithecanthropus, ob er wirklich „Bindeglied" genannt werden muß, ziemlich hinfällig; denn in Wirklichkeit bleibt er als Affe ein Bindeglied nach oben hin, und als Mensch ein solches nach unten hin. E. Dubois behielte also, wenn auch in etwas anderem Sinne, als er das Wort „Bindeglied" anwendete, durchaus recht. Bei solcher Sachlage aber ist es auch mehr nebensächlich, ob Pithecanthropus tertiären Alters ist und damit ein wirkliches, zeitliches, ein Bindeglied „im engeren Sinne", also ein Vorfahr des Menschen gewesen sein könnte; oder ob er diluvialen Alters, mithin jedenfalls nur morphologisches Bindeglied, d. h. ein „Bindeglied im weiteren Sinne" wäre, das natürlich auf jeden Fall aus der Reihe der Vorfahren ausscheiden müßte. Überhaupt erscheint es mir verfehlt, wenn man jede weitere, dem Menschen nahestehende fossile Form, die vielleicht später noch zu unserer Kenntnis gelangt, gleich als einen V o r f a h r des Menschen erklären, sie mit Gewalt in die Ahnenreihe des Menschen hineinzwängen wollte, in der sie vielleicht nie gestanden hat. Der seitlichen Zweige an einem Baume gibt es doch wahrlich viele; aber nur einen einzigen Stamm hat der Baum. S o m i t i s t d i e W a h r s c h e i n l i c h k e i t , daß wir f o s s i l e S e i t e n z w e i g e f i n d e n , von v o r n h e r e i n g r ö ß e r , als daß S t ü c k e des S t a m m e s u n s in d i e H ä n d e f a l l e n m ü s s e n . Indessen, auch das Dasein von Zweigen beweist, daß ein Stamm vorhanden war.

XII. Pithecanthropus als Bastard? Nur

in dem einen Falle würde für Pithecanthropus auch jene Bindegliedsnatur „im weiteren Sinne" verschwinden, würde er nur ein Pseudo-Bindeglied sein, daß Pithecanthropus, wenn ich so sagen darf, nicht von makelloser Geburt, d. h. ein Bastard zwischen Mensch

Pithecanthropus als Bastard

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und Affe gewesen sein sollte. Auch hier wieder würde er aber keineswegs an wissenschaftlichem Interesse und Wert verlieren. Diese würden sich nur nach einer anderen Seite hin verlagern, indem dadurch ein weiterer Beweis für die relative Nähe der Verwandtschaft zwischen Mensch und Menschenaffe geliefert würde. Ich habe seinerzeit diese Möglichkeit der Bastardnatur des Pithecanthropus hervorgehoben. 1 Allerdings hat, wenn ich nicht irre Schoetensack, in einer Besprechung meiner Arbeit einen solchen Gedanken kurz abgelehnt; Schwalbe hat ihn für nicht diskutierbar erklärt. Damit ist indessen keineswegs irgend etwas gegen diese M ö g l i c h k e i t — mehr hatte ich nicht gesagt — erwiesen. Gegen eine solche Deutung, daß Pithecanthropus möglicherweise ein Bastard gewesen sein könnte, ließe sich freilich scheinbar doch ein triftiger Einwurf erheben: seine bedeutende Körpergröße. Schon E. Dubois hat dieselbe als Beweismittel gegen eine andre Ansicht geltend gemacht; nämlich gegen die, daß Pithecanthropus ein Menschenaffe, speziell ein Gibbon gewesen sein könne: Der große Schädel des Pithecanthropus würde, wenn er ein Affe gewesen wäre, auf ein Tier von mehr als Menschengröße hinweisen; denn die Anthropomorphen haben relativ kleine Schädel. Ein so großes schweres Tier würde aber als Gibbon eine Unmöglichkeit gewesen sein: Einmal weil die Gibbons überhaupt nur kleine Affen sind. Zweitens weil sie auf Bäumen leben und gewaltige Turner sind; die Äste der Bäume würden daher den Turnübungen eines mehr als menschengroßen Gibbons nicht standgehalten haben; ein Baumleben wäre so für einen Gibbon von solcher Größe nicht möglich gewesen. Folglich könnte Pithecanthropus kein Gibbon sein. Derartig ungefähr ist Dubois' Gedankengang. Dagegen läßt sich indessen zweierlei geltend machen: Zunächst, warum sollte es nicht damals große Gibbons gegeben haben? Wir sehen ja, daß auch auf Madagaskar, wo heute nur die kleinen Lemuren leben, früher Rieseniemuren gelebt haben, wie erst vor wenigen Jahren festgestellt worden ist. Ähnlich könnte das mit fossilen Gibbons auf Java gewesen sein. Zweitens aber sollte man doch meinen, daß eine Affenart das Baumleben und das starke Turnen an den Ästen sehr bald aufgeben würde, sobald sie merken würde, daß die Äste dabei stets abbrechen, so daß die Tiere zu Boden stürzen. Diese bedeutende Körpergröße des Pithecanthropus könnte man 1

Der fossile Mensch.

V. Internationaler Zoologenkongrefi. Berlin 1902, S. 23.

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Pithecanthropus als Bastard

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also, wie gesagt, auch gegen die Ansicht geltend machen, daß er ein Bastard des kleinen Gibbon und des Menschen gewesen sei. Indessen man denke nur an die Bastarde von Pferd und Esel. Sobald hier die Mutter die große Pferdestute ist, dann wird der Bastard zu dem großen Maultier; ist sie dagegen die kleine Eselstute, so zu dem kleinen Maulesel. Die Größe der Mutter ist hier also maßgebend für die Größe des Bastards. Falls nun das eine allgemeine Gültigkeit für Bastarde haben sollte, so würde man sagen können, d a ß P i t h e c a n t h r o p u s s e i n e r G r ö ß e w e g e n sehr wohl ein B a s t a r d aus M e n s c h e n w e i b und G i b b o n m a n n g e w e s e n s e i n k ö n n t e , nicht a b e r u m g e k e h r t — falls nicht doch die d a m a l i g e n G i b b o n s von g r ö ß e r e r S t a t u r g e w e s e n sind als die h e u t i g e n , so daß dann auch ein B a s t a r d von G i b b o n w e i b u n d M e n s c h e n m a n n im P i t h e c a n t h r o p u s m ö g l i c h sein würde.

uer Pseudo-Bindeglieder auch bei anderen fossilen Tieren möglich. E i n e s o l c h e M ö g l i c h k e i t , daß ein als B i n d e g l i e d zweier Arten a n g e s e h e n e s F o s s i l , also eine vermeintl i c h e „ g u t e " A r t , in W i r k l i c h k e i t k e i n e s o l c h e , s o n dern nur ein B a s t a r d , a l s o ein P s e u d o - B i n d e g l i e d gewesen sein könnte, besteht übrigens keineswegs allein g e g e n ü b e r P i t h e c a n t h r o p u s , sondern ganz allgemein b e i f o s s i l e n T i e r e n . Wir sind freilich ohne weiteres bereit, jede fossile Tier- und Pflanzenform als gute Art (bzw. als Varietät einer solchen) zu betrachten; und sie dann als Bindeglied zwischen zwei Arten anzusehen, wenn sie Merkmale dieser beiden in sich vereinigt. Daß aber in solcher allgemein gepflegten Auffassungsweise eine Quelle von Irrtümern liegen kann und in manchen Fällen liegen wird, das ist nicht zu bestreiten, wenn auch bisher meines Wissens darauf noch nicht hingewiesen wurde. Offenbar können doch solche Formen öfters auch Bastarde gewesen sein, d. h. also im allgemeinen nicht fortpflanzungsfähige Wesen, mithin keine „gute Art" und kein Bindeglied, sondern fälschlich als solche erscheinend. Bei den fossilen Faunen liegen eben, das darf man nicht übersehen, die Verhältnisse anders als bei der heutigen Fauna. Heute stehen

Pithecanthropus als Bastard

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wir im allgemeinen vor bereits fest fixierten Arten. Ganz anders jedoch gestaltet sich die Sachlage, wenn wir die lange Reihenfolge aller fossilen Faunen ins Auge fassen, die durch alle vergangenen Zeiten der Erdgeschichte hindurch nacheinander gelebt haben. Wenn doch im Verlaufe der Jahrmillionen eine Art aus der anderen durch Umbildung hervorgegangen ist, dann müssen unter den neuentstandenen Arten z u n ä c h s t immer noch gewisse derselben so nahe verwandt gewesen sein, d a ß i h n e n eine Zelt hindurch d i e N e i g u n g und die F ä h i g k e i t i n n e w o h n t e n , mit den nächst verw a n d t e n F o r m e n B a s t a r d e zu b i l d e n , die dann als solche gewiß oft nicht mehr recht fortpflanzungsfähig (bisweilen vielleicht doch), also keine gute Art waren. Diese Bastarde können uns dann heute als Bindeglieder erscheinen. Aber tatsächlich sind sie doch nur Pseudo-Bindeglieder, wenn sie sich nicht fortpflanzen konnten. Wenn nun eine solche Bastardbildung sogar bei der jetzt lebenden Tierwelt — wenngleich nur selten, da die Arten meist fest fixiert sind — vorkommt, wieviel mehr muß das bei der Gesamtheit aller früheren Faunen der Fall gewesen sein können. Mit einem bloßen Achselzucken kann man die Sache nicht darum beiseite schieben, weil sich natürlich in gegebenen Fällen niemals wird sagen lassen, ob hier eine echte gute Übergangsart, ein Bindeglied zwischen zwei fossilen Arten vorliegt, oder nur eine Pseudo-Übergangsart, ein Bastard. Wer nach Erkenntnis der Wahrheit strebt, darf nicht Wahres abschütteln, nur darum, weil es zu praktischen Schwierigkeiten oder Unlösbarkeiten führt. Eine solche Möglichkeit liegt daher zunächst theoretisch auch bei Pithecanthropus vor; und wenn wir die verschiedenen möglichen Deutungen desselben ins Auge fassen, so darf auch diese nicht außer acht gelassen werden. Daß Mensch und Menschenaffe noch heute relativ nahe verwandt sind, wird durch Verhalten des Blutes,1 durch Skelett und Weichteile wahrscheinlich gemacht. Unter solchen Umständen muß aber selbst noch heute die Möglichkeit einer erfolgreichen Kreuzung zwischen beiden theoretisch nicht als absolut ausgeschlossen erscheinen. Durch Bernelot Moens werden jetzt in Afrika k ü n s t l i c h e 4 Kreuzungsversuche gemacht. Ob sie zu einem 1

H. Friedenthal, Neue Versuche zur Frage nach der Stellung des Menschen im zoologischen System. Sitzungsberichte d. königl. preufi. Akad. d. Wissensch., Berlin 1902, Bd. XXXV, S. 830—835. * Bernelot Moens, Wahrheit. Experimentelle Untersuchungen über die Abstammung des Menschen. Leipzig, bei Owen & Co., 1908. .

Pithecanthropus als Bastard positiven E r g e b n i s führen w e r d e n weisen.1

oder n i c h t ,

wird der Erfolg be-

H a b e n s i e Erfolg, selbst heute n o c h Erfolg, s o ist natürlich zur Zeit d e s Pithecanthropus e i n e K r e u z u n g v o n M e n s c h u n d M e n s c h e n affe u m s o viel eher m ö g l i c h g e w e s e n . A b e r auch w e n n das E r g e b n i s für die h e u t i g e n L e b e w e s e n , M e n s c h u n d M e n s c h e n a f f e , n e g a t i v ausfallen s o l l t e , s o wird damit natürlich n o c h k e i n e s w e g s b e w i e s e n , daß d a s zur Zeit d e s Pitheca n t h r o p u s nicht doch noch m ö g l i c h g e w e s e n s e i n k ö n n t e , daß also P i t h e c a n t h r o p u s nicht [ein Bastard z w i s c h e n M e n s c h u n d M e n s c h e n affe g e w e s e n s e i n k ö n n t e ; d e n n w e n n auch h e u t e die Verwandtschaft z w i s c h e n M e n s c h u n d M e n s c h e n a f f e bereits e i n e s o ferne g e w o r d e n sein sollte, daß damit Kreuzung z w i s c h e n b e i d e n zur U n m ö g l i c h k e i t g e w o r d e n wäre, s o kann doch in altdiluvialer oder gar tertiärer Zeit 1 Wegen früherer sehr heftiger Angriffe möchte ich, zur Vermeidung von Mißverständnissen, hierzu einige Erläuterungen geben und ausdrücklich bemerken, daß es sich um kflnstliche Kreuzung handelt. Bekanntlich sind von den Zoologen längst künstliche Befruchtungsversuche angestellt worden. Auch in der Landwirtschaft bzw. Tierzucht ist längst davon Gebrauch gemacht worden. Vielfach ist das in der Fischzucht der Fall, vielfach bei der Zucht edler Pferde in Nordamerika, hie und da auch schon in Rußland; und in Deutschland scheint man auch bereits dahingehende Veranstaltungen treffen zu wollen (Zeitschr. f. Gestütkunde, 1908, Heft 7). Bei dem Hengste hält sich das Sperma bei geeigneter Aufbewahrungsmethode mindestens sechs Tage lang beweglich und damit wirkungsvoll, läßt sich also weithin verschicken. Indem nun bereits ganz kleine Portionen desselben genügen, so kann jetzt ein solcher Hengst ungefähr zehnmal mehr Stuten als bei natürlichem Verfahren decken, und — was sehr wichtig — in d e r F e r n e decken. Ein Verfahren, das für die Zucht edler leistungsfähigster Tiere, also in nationalökonomischer Beziehung, von unberechenbarem Vorteil ist. Da die Spermatozoen eines toten Mannes, vermutlich doch auch anderer männlicher Lebewesen, noch bis 24 Stunden nach dem Tode in der Wärme beweglich erhalten werden können, so ist es sogar nicht unwahrscheinlich, daß man auch von t o t e n männlichen Wesen das Sperma zu künstlichen Befruchtungsversuchen erfolgreich benutzen könnte.

Was hier für die Landwirte bzw. Tierzüchter durchaus statthaft ist, das wird für den Mann der Wissenschaft, der nicht um eines Vorteils willen, sondern aus idealsten, sittlich reinsten Gründen — um der Erforschung der Wahrheit willen — ein Anthropomorphen-Weibchen mit Negersperma k ü n s t l i c h befruchtet, kein Verbrechen sein können. Die W i s s e n s c h a f t kann e i n e r s e i t s vor der E r f o r s c h u n g des Menschen nicht haltmachen; und a n d e r s e i t s kann wahre Religion durch E r k e n n t n i s der W a h r h e i t u n m ö g l i c h S c h a d e n l e i d e n . Das möchte ich als Antwort auf die gegen mich von ultra-kirchlicher Seite gerichteten Angriffe hier entgegnen (S. 85). Eine Religion, welche die Wahrheit, auf welchem Gebiete es auch sei, scheuen würde, würde sich auf dieselbe Stufe stellen wie eine Wissenschaft, welche von der Wahrheit abwiche (S. 85, Anm. 5).

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Pithecanthropus als Bastard

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die Verwandtschaft zwischen beiden noch eine so nahe gewesen sein, d a ß eine erfolgreiche Kreuzung zwischen beiden möglich war. W e n n m a n ü b e r h a u p t eine V e r w a n d t s c h a f t z w i s c h e n Mensch und Menschenaffen annimmt, dann muß es jedenfalls notwendig irgendeine Zeit gegeben haben, in d e r e i n e K r e u z u n g z w i s c h e n V e r t r e t e r n d e s e i n e n Zweiges und solchen d e s a n d e r e n n o c h m ö g l i c h war. E i n W i d e r s p r u c h s c h i e n u n d s c h e i n t m i r j e d o c h in F o l g e n d e m zu l i e g e n : Auf G r u n d d e r F r i e d e n t h a l s c h e n V e r s u c h e (S. 81) w u r d e e i n e n o c h h e u t e r e c h t n a h e V e r wandtschaft beider wahrscheinlich. Auf d e r anderen Seite aber machten wieder der Erwerb der Sprache und die A u s b i l d u n g des G e h i r n s bei d e m Menschen e i n e n so ü b e r a u s l a n g e n W e g d e r E n t w i c k l u n g w a h r scheinlich, daß man daraus ini Gegenteil auf eine schon s e h r lange Zeit der T r e n n u n g , also auf einen h e u t e s c h o n viel f e r n e r e n Grad der Verwandtschaft beider schließen möchte. Wie unsagbar langsam tatsächlich die menschliche Intelligenz sich in älteren Zeiten entwickelt hat, das zeigt sich in ganz überraschender Weise in der langen Dauer der paläolithischen Zeit. Mit anderen Worten, es zeigt sich in der bedeutenden Länge des Zeitraumes, welcher nötig war, bis die Menschheit die einfache Tatsache begriff, d a ß man Steinbeile usw. nicht nur durch Z u s c h l a g e n schlechter, weil spliftriger, leicht zerbrechlicher Steine, herstellen könne; sondern d a ß sie auch, und viel vorteilhafter, aus zäherem Gestein, durch Reiben auf anderen Steinen, also durch Z u s c h l e i f e n sich erzeugen ließen. Es ist heute schwer begreiflich, d a ß die Menschheit nicht im Gegenteil, sehr bald, auch diese so naheliegende Schleifmethode 1 erfunden h a t ; und daraus geht eben die große Langsamkeit der Gehirnentwicklung hervor. Wenn nun aber gar die Eolithe (S. 68) der plio-, mio- und selbst oligozänen Zeit wirklich Werkzeuge eines Vorfahren des Menschen gewesen sein sollten, d a n n würde sich diese Langsamkeit in der Entwicklung der Menschheit zu einer geradezu ungeheuerlichen steigern. Müßten doch dann so und so viele Hunderttausende von Jahren dahingegangen sein, während welcher diese menschlichen 1

A. L a c r o i x (Sur le travail de la pierre polie dans le haut Oubanghi. La Geographie, 15. Okt. 1909, Bd. XX, S. 202—206, 5 Textfig.) berichtet über solche Schleifsteine (Fig. 25 11. 26) für Herstellung von Nadeln für Quarz bei heutigen Menschen.

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Pithecanthropus als Bastard

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V o r f a h r e n in u n s a g b a r e m S t u m p f s i n n wieder und i m m e r wieder n u r die zufällig an der Erde liegenden und zufällig eine b r a u c h b a r e G e s t a l t besitzenden Steine, so wie diese w a r e n , b e n u t z t e n — ohne bald auf d e n G e d a n k e n zu k o m m e n , d a ß sie diesen, doch bei j e d e m Schlage vor ihren Augen a b s p l i t t e r n d e n F e u e r s t e i n auch d u r c h künstlich h e r b e i g e f ü h r t e s Absplittern m i t leichtester Mühe eine viel b r a u c h b a r e r e Gestalt geben k ö n n t e n . Bis sie d a n n l e t z t e r e s in der q u a r t ä r e n Mesvinienepoche endlich g a n z leise zu begreifen a n gefangen h ä t t e n . F a s t eine J a h r m i l l i o n w ä r e d a h i n g e g a n g e n , bis diese a n g e h e n d e n „ H e r r e n der S c h ö p f u n g " endlich diesen einfachen Gedanken gefaßt hätten. Gleichviel aber, o b die Eolithe wirklich von einem Lebewesen h e r r ü h r e n oder n i c h t , allein schon d u r c h d a s oben e r w ä h n t e Verh a l t e n des Menschen in paläolithischer Zeit ist die T a t s a c h e sicher erwiesen, d a ß sein D e n k v e r m ö g e n sich in ä l t e r e r Z e i t ganz überraschend langsam entwickelt h a t . Es liegt also tatsächlich ein W i d e r s p r u c h in jenen beiden obigen T a t s a c h e n , von denen die eine d a r a u f hinweist, d a ß die Zweige des Menschen und des Menschenaffen sich erst vor k u r z e m voneina n d e r g e t r e n n t zu haben scheinen, während die a n d r e a n z u d e u t e n scheint, d a ß d a s im Gegenteil schon vor sehr langer Zeit geschehen sein müsse.

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NACHTRAG Von Professor Dr. H. S t r e m i n e

Im Laufe der seit dem ersten Erscheinen dieses Buches vergangenen J a h r e ist entsprechend dem Ansehen seines Stoffes viel über den fossilen Menschen gearbeitet worden. Wertvolle neue Funde sind bekannt geworden, viele Untersuchungen Ober das geologische Alter und die Kulturen hinzugekommen, deren Inhalt im folgenden kurz wiedergegeben werden soll.

6k I. Die neuen Schfidelfunde. W . Branca hat die Schädel der Diluvialmenschen eingeteilt in solche des höheren Typus (entsprechend denen der heutigen Europäer), solche des Zwittertypus (Grimaldi-Rasse) und solche des niederen Neandertaler Typus. Ich behalte im folgenden diese Einteilung bei.

A. Höherer Typus. Wohl als der größte Schädelfund paläolithischer Menschen, der bisher bekannt geworden ist, kann der bei R. R. Schmidts 1 systematischer Durchforschung der süddeutschen Höhlen gelungene d e r g r o ß e n O f n e t - H ö h l e am Riesrande bei Nördlingen bezeichnet werden. Nicht weniger als 33 Schädel wurden in zwei Bestattungs1 R. R. S c h m i d t , Die diluviale Vorzeit Deutschlands. S t u t t g a r t 1912. Hierin A. Schliz, Die diluvialen Menschenreste Deutschlands. S. 231—256.

B r a n c a , Der fossile Mensch.

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NACHTRAG Von Professor Dr. H. S t r e m i n e

Im Laufe der seit dem ersten Erscheinen dieses Buches vergangenen J a h r e ist entsprechend dem Ansehen seines Stoffes viel über den fossilen Menschen gearbeitet worden. Wertvolle neue Funde sind bekannt geworden, viele Untersuchungen Ober das geologische Alter und die Kulturen hinzugekommen, deren Inhalt im folgenden kurz wiedergegeben werden soll.

6k I. Die neuen Schfidelfunde. W . Branca hat die Schädel der Diluvialmenschen eingeteilt in solche des höheren Typus (entsprechend denen der heutigen Europäer), solche des Zwittertypus (Grimaldi-Rasse) und solche des niederen Neandertaler Typus. Ich behalte im folgenden diese Einteilung bei.

A. Höherer Typus. Wohl als der größte Schädelfund paläolithischer Menschen, der bisher bekannt geworden ist, kann der bei R. R. Schmidts 1 systematischer Durchforschung der süddeutschen Höhlen gelungene d e r g r o ß e n O f n e t - H ö h l e am Riesrande bei Nördlingen bezeichnet werden. Nicht weniger als 33 Schädel wurden in zwei Bestattungs1 R. R. S c h m i d t , Die diluviale Vorzeit Deutschlands. S t u t t g a r t 1912. Hierin A. Schliz, Die diluvialen Menschenreste Deutschlands. S. 231—256.

B r a n c a , Der fossile Mensch.

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Nachtrag

kreisen zu 27 und 6 Stücken e n t d e c k t . N u r die durch Ockerrot b r a u n g e f ä r b t e n Schädel mit den abgeschnittenen ersten Halswirbeln sind hier beerdigt worden, und zwar hauptsächlich die von Kindern und Halberwachsenen (20), daneben 9 von Weibern und n u r 4 von M ä n n e r n . Den Weibern, weniger den K i n d e r n , sind d u r c h b o h r t e Hirschzähne, den Kindern, weniger den Männern u n d Weibern, d u r c h b o h r t e Schneckenschalen z. T. in F o r m von Schneckenhäubchen beigegeben worden. Der K u l t u r nach h a n d e l t es sich u m Azilien-Tardenoisien, also der jüngsten paläolithischen Epoche, welche bereits dem Postglazial angehört (nach Wiegers Ancyluszeit). A. Schliz h a t die anatomische U n t e r s u c h u n g a u s g e f ü h r t . 17 von den Schädeln konnten der Größe nach gemessen und verglichen werden. Von diesen waren 4 dolichozephal, d a r u n t e r 3 mittelhoch, einer flach. Der eines f ü n f u n d z w a n z i g j ä h r i g e n Mannes w a r ein schmaler, niittelhoher Langschädel von f a s t typischer B r ü n n f o r m m i t dem Längenbreitenindex 70,50, während die Indizes der drei anderen zwischen 72,16 bis 73,68 schwanken. 8 weitere sind flache und mittelhohe Mesozephalen mit den Indizes 75,71 bis 78,69. Die 5 übrigen sind brachyzephal ( 8 3 , 3 3 - 88,89), teils flach, teils mittelhoch. Einer der Schädel zeigt die alpine Birnform, drei weitere den hyperbrachyzephalen Flachschädel des Grenelle-Typus, der f ü n f t e , ein Mittelhochschädel, h a t dolichozephalen Einschlag. Die a c h t mesozephalen Schädel werden als modifizierte Grenelleformen bezeichnet. T r o t z dieser großen Verschiedenheit der Schädeltypen, welche vom extremen dolichozephalen bis zum extremen brachyzephalen reicht und flache bis mittelhohe u m f a ß t , sind die Gesichter bis auf das des schmälsten Langschädels einander ähnlich. Es handelt sich u m chamaeprosope, orthognathe, orthorhine Schmalgesichter, welche zeigen, d a ß die Schädel Vertreter eines S t a m m e s angehörten. U n t e r den jung paläolithischen Schädeln des höheren T y p u s lassen sich n u n m e h r unterscheiden: Schmale Langschädel, flach bis mittelhoch, Stirn mäßig gewölbt bis hoch, Gesicht schmal ( T y p u s Brünn-Aurignacensis). Breite Langschädel, flach bis mittelhoch, Stirn gewölbt, Gesicht schmal ( T y p u s Ofnet). Breite Langschädel, mittelhoch bis hoch, Stirn geneigt bis hoch, Gesicht breit, niedrig (Typus Cro Magnon-Oberkassel). Mittelschädel, flach bis mittelhoch, Stirn gewölbt, Gesicht schmal ( T y p u s Ofnet). Birnförmige Kurzschädel, hoch, Stirn hoch, Gesicht schmal ( T y p u s Ofnet-alpin).

Runde (börsenförniige) Kurzschädel, flach bis mittelhoch, Stirn hoch, Gesicht schmal (Typus Ofnet-Grenelle 1 ). Die Unterkiefer sind bei den meisten durch gute Entwicklung des Kinns, sehr stumpfen Winkel, schmalen aufsteigenden Ast, geringe Dicke der Zahnregion ausgezeichnet, nur der Aurignac-Mensch hat einen primitiven, negerartigen Unterkiefer. Viele den heutigen ähnliche Schädel waren also bereits im jüngeren Paläolithikum vorhanden, und zwar die Langschädel vom Aurignacien ab, die Mittelund Kurzschädel nach bisheriger Kenntnis sicher erst im AzilienTardenoisien. Der Schädel von Galley-Hill, den A. Rutot (s. S. 9) als einen der geologisch ältesten Menschenreste auffaßte, ist neuerdings von R. R. Schmidt 2 ganz aus der Liste der sicher diluvialen Schädel gestrichen worden. Die Fundumstände sind nicht einwandfrei. Erst 6 Jahre nach dem Auffinden t r a t man der Altersfrage näher. Die Tierreste aus der gleichen Schicht (Mittelterrasse der Themse) sind alle besser fossiliert als der frischere, rezenter aussehende Schädel. Außer dem Schädel war noch das vollständige Skelett vorhanden, während von allen Tieren nur Streufunde vorkamen.

B. Negroide Rasse von Grimaldi (Zwittertypus). Diese sind schmale Langschädel mit schmalem Gesicht, prognath, platyrhin. Der Unterkiefer ist typisch negerartig: schlecht entwickeltes Kinn, wenig stumpfer, fast rechter Winkel, breiter aufsteigender Ast. Die beiden paläolithischen Skelette der Kindergrotte von Mentone sind beide in Hockerstellung begraben. Nach der Zusammenstellung von M. Hoernes 8 sollen solche negerartige Schädel auch im Neolithicum, in der Bronze- und Eisenzeit der Bretagne, der Schweiz und von Oberitalien, ferner selbst in der Gegenwart in der Schweiz, in Oberitalien und auf Sizilien vorkommen. M. Hoernes stützt sich hierbei auf die Mitteilungen von G. Hervé, A. Schenk, E. Pittard, R. Verneau und V. Giuffrida-Ruggeri. Ein typischer Negerschädel ist der noch nicht beschriebene OldowaySchädel, welchen H. Reck 4 1913 in der Serengeti-Steppe in Zentral1

Der Schädel von Grenelle ist jedoch bekanntlich unsicheren Alters. R. R. Schmidt, Die Grundlage für die Diluvialchronologie und Paläethnologie. Zeitschr. f. Ethnologie. X V I I I . 1911. S. 945—973. 1 M. Hoernes, N a t u r - und Urgeschichte des Menschen. I. 1909. S. 257. 4 H. Reck, Sitzungsber. d. Ges. Naturf. Freunde. 1914. S. 81—95. 2

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Nachtrag

afrika gefunden hat. Es ist der schmale Langschädel eines etwa 40 bis 50jährigen Mannes mit schmalem, langem Gesicht, großen, fast runden Augenhöhlen, prognathem Kiefer, dicker, echt negerartiger Mandibel. Reck hat den Schädel für mindestens diluvial erklärt. Die Schädelknochen selbst machen einen recht fossilen Eindruck, die Halswirbel dagegen nicht. Auch die Zähne sind durch völligen Mangel an Fossilisierung ausgezeichnet, die Pulpa ohne Infiltration, das Dentin frisch und gelblich, der Schmelz zumeist vollkommen frisch und glänzend, ohne eine Spur der an den Schädelknochen häufigen Mangan- und Eisenfiltrationen. Die in der gleichen Schicht vorkommenden Elefantenzähne sind dagegen hochgradig fossilisiert. Die Lagerungsverhältnisse beweisen das angeblich diluviale Alter nicht. Wahrscheinlich handelt es sich um ein rezentes Negergrab. 1

C. Inferiorer Typus. (Homo p r i m i g e n i u s Wilser.) Nach A. Schliz 2 läßt sich die folgende Übersicht der früheren Funde dieses Typus geben: 1. Bestattungen. Spy (2 Skelette), Le Moustier, La Quina, La Chapelle aux Saints, La Ferrassie, ? Neandertal, ? Gibraltar. 2. Unterkiefer und Einzelzähne. La Naulette, Petit Puymoyen, Arcy sur Cure, Malarnaud, Sipka, Ochos, Mauer (dieser besser für sich gestellt), Taubach. 1 W. Branca, Bisherige Ergebnisse der Untersuchungen der von Dr. Reck in der Serengeti-Steppe, Deutsch-Ostafrika, ausgegrabenen Reste von Säugetieren. Sitzungsber. Ak. Wiss. Berlin 1914, S. 1164—1182.

' A. Schliz in R. R. Schmidt, Die diluviale Vorzeit

Deutschlands.

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Nachtrag

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3. Überreste von Kannibalenmahlzeiten. Krapina. Dazu kommt 4. Extremitätenfund. Ludwigshafen. 1 I hrer Form nach ist ein Teil als breite Langschädel zu bezeichnen, ein Teil mesozephal, ein Teil brachyzephal. Langschädel sind der Neandertaler (Index 73,9), Spy I (72,2); Mittelschädel sind Spy II (77,2), Gibraltar (75, nach Klaatsch 79, Sollas80); Kurzschädel (birnförmig) sind Krapina C und D (83,7; 85,5). 2 Die Schädelwölbungen sind sehr flach (nach Klaatsch jedoch die ganzen Schädel nicht niedriger als die von heutigen Australiern). Die Kultur dieser inferioren Gruppe ist die des Acheuleen (Le Moustier), des Köstener Typus (Taubach) und des Moustirien (La Chapelle aux Saints, Spy, La Quina, Krapina). Das Alter des Homo Heidelbergensis wird dem des Chelllen gleichgeachtet. Ein Schädelfund, welcher ursprünglich trotz einiger Abweichungen diesem inferioren Typus nahegestellt wurde, ist der des E o a n t h r o p u s D a w s o n i A. Smith Woodward 3 , des PiltdownMenschen. Vier Schädelteile, der rechte Unterkiefer und ein Eckzahn wurden von Dawson in 1—2 m mächtigen Flußschottern gefunden, außerdem Bruchstücke der Zähne von Mastodon, Stegodon?, Hippopotamus, Equus, Castor fiber und eines Geweihes von Cervus elaphus. Ferner kamen Artefakte vor, welche Dawson als Chell6en oder Prächellien bezeichnet. Es sind z. T. einseitig bearbeitete, rohe Schaber, z. T. Bohrer usw., wie sie nach einem Hinweis von E . W e r t h dasMousterien charakterisieren. Keines der übrigen Artefakte widerspräche dieser Deutung. Es käme das Primitiv-Mousterien in Betracht. Die begleitenden Säugetiere sprechen z. T. für Alt-Diluvium bzw. Pliocän (Mastodon, Stegodon, Hippopotamus), z. T. für Jung- oder PostDiluvium (Cervus elaphus, Castor fiber). Erstere könnten umgelagert sein. Der Erhaltungszustand der Schädelteile und der Tierreste ist der gleiche. 1

W. Lustig, Ein neuer Neandertal-Fund. Inaug.-Diss. Breslau 1916. Die Zahlen zumeist nach der Zusammenstellung von Stolyhwo in M. Hoernes, a. a. O., S. 286, z. T. in den Originalarbeiten kontrolliert. * C. D a w s o n , A. S m i t h W o o d w a r d ( 0 . C. S m i t h ) , On the Discovery of a Palaeolithic Human Skull and Mandible in a Flint-bearing Gravel, overlying the wealden (Hastings Beds) at Piltdown. Fletching (Lussex). Quarterly Journal Geol. Soc. London 1913, S. 117—151; A. S m i t h W o o d w a r d , Note on the Piltdown. Man. Geo I. Magazine 1913. S. 433/434. 1

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Nachtrag

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Die vier Schädelteile umfassen Teile der Frontalien, Parietalien, Occipitalien und Temporalien. Sie sind von bemerkenswerter Dicke an der inneren Protuberanz des Hinterhauptes 20 mm, am hinteren Seitenwinkel des linken Parietale und am Occipitale 11 —12 mm, an den übrigen Teilen des linken Parietale und des Frontale 10 mm, am rechten Parietale 8—9 mm, gegenüber 5—6 mm durchschnittliche Dicke der Teile des rezenten Europäerschädels und 6—8 mm bei Australiern und dem als besonders dick geltenden Schädel von La Chapelle-aux-Saints. Die vier Stücke wurden zu einem ganzen Schädel rekonstruiert, welcher 150 mm größte Schädelbreite hinter dem Jochbogen und 112 mm an der Einengung hinter den Augenbrauenbögen aufweist. Die Länge ist unsicher, vielleicht 190 mm, der Schädelindex vielleicht 7 8 — 7 9 ( ? ) , der Schädel also mesozephal bis brachyzephal. Die Kapazität wird auf 1070 geschätzt (dagegen von Keith als 1500 angenommen). Die auf der linken Seite vollständig erhaltene Stirn zeigt eine regelmäßige Wölbung und an der Fossa temporalis eine scharf markierte Leiste, welche nach oben bis zur Kronennaht verläuft. Supraorbitalwülste können nicht bestanden, sondern die Stirn dürfte der eines heutigen Mitteleuropäers geglichen haben. Unmittelbar hinter der Kronennaht sind die Scheitelbeine stark abgeflacht, doch ist der Scheitel selbst von breiter Rundung. In der Mitte ist auf dem Parietale nahe der Lambdanaht ein schwacher Kamm angedeutet. Der in gleicher Weise wie die Schädelteile fossilierte Unterkieferast schien in den Dimensionen zu diesen zu passen. Es fehlen die Gegend des Condylus und die Zahnregion vom zweiten Prämolaren nach vorn. Doch ist die untere Kinnpartie erhalten, auch M 1 und Af 2 ; dagegen von Af 3 nur die Alveole. Der aufsteigende Ast mißt 45 mm Breite und am Kronfortsatz über 70 mm Höhe. Hinter- und Unterrand bilden einen Winkel von 110°. In diesen Maßen besteht Übereinstimmung mit denen der Unterkiefer von La Chapelle-aux-Saints und von Mauer. Die Zahnregion ist sehr dick, aber am Ai 3 nur etwa 27 cm hoch. Nach der sonstigen Ähnlichkeit mit dem Unterkiefer des Neandertaler Typus dürfte das Kinn diesem ähnlich gewesen sein. Die beiden Molaren sind auffallend lang (11 mm) und mit je einem fünften Höcker versehen. Es sind Höckerzähne mit mäßiger Runzelung, in gewöhnlicher Weise an der Kronenbasis etwas verengt, die Wurzeln bis zum oberen Ende getrennt. Der später gefundene Eckzahn soll dem gleichen Unterkiefer angehören. Er ist ziemlich spitz und hoch, nicht wie sonst beim Neandertaler Typus infolge des vorherrschenden Aufbisses abgekaut.

Nachtrag

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An einem inneren Schädelausguß konnte G. E. Smith einige auffallende Eigenschaften des Gehirns erkennen. Im ganzen gleicht es denen des Gibraltar- und La Quina-Schädels, es ist lang, Ichmal und flach. Aber es ist kleiner als diese, die Frontal- und Parietalregion weniger ausgedehnt und die Temporalregion tiefer ausgehöhlt. Die linke Hemisphäre scheint wie bei Rechtshändern etwas länger gewesen zu sein als die rechte. G. E. Smith hält es ffir das primitivste und affenähnlichste menschliche Gehirn, welches bisher bekannt geworden ist. In vieler Hinsicht glichen nach dieser ersten Beschreibung Schädel und Unterkiefer des Menschen von Piltdown denen des Neandertaltypus. In einzelnen Punkten, besonders in dem Mangel starker Augenbrauenwfllste und infolgedessen in der weniger fliehenden Stirn, weicht der Schädel ab. Man kennt nun aber von den Neandertalschädeln bisher mit Sicherheit nur männliche. Sollas und Klaatsch sind geneigt, den Gibraltarschädel für einen weiblichen zu halten. Ein weiblicher müßte gerade in der Ausbildung der Stirn und der Augenbrauenwülste ähnlich von den männlichen abweichen wie der von Piltdown. Immerhin ist diese Auffassung naturgemäß nur eine mögliche. Es fehlt vom Piltdownmenschen namentlich das Gesicht, das eventuell auch gegen jede Zugehörigkeit zum Neandertaler Typus sprechen könnte. Von späteren Beurteilern ist die Zugehörigkeit des Unterkiefers zum Oberschädel bezweifelt worden. G. S. Miller1 hat auf Grund großen Vergleichsmaterials den Unterkiefer einer neuen diluvialen Schimpansenart zugewiesen: Pan (Troglodytes) vetus. Der Eckzahn wurde als Oberkiefereckzahn ebenfalls des Schimpansen erkannt. Die Übereinstimmung mit Schimpanse, auf die auch von anderen Autoren hingewiesen war, ist so groß, daß hauptsächlich seine fossile Natur eine Artabtrennung rechtfertigt. Die Zuweisung des Unterkiefers zum Schimpansen ist um so überraschender 2 , als damit zum ersten Male ein fossiler Schimpanse im europäischen Diluvium und in Europa überhaupt festgestellt wäre. Nachträglich hat Miller, um diese gewiß nicht weniger merkwürdige Entdeckung, als die des Eoanthropus war, natürlicher zu machen, auch einen Taubacher Zahn dem Schimpansen zugeschrieben. So unsicher diese letztere ist, so 1 G. S. Miller, The jaws of the Piltdown man. Smithsonien misc. coli. Vol.12. 1915. Zitiert nach W. O. Dietrich, Naturw. Woch. 1916, S. 714—715. Vergl. auch E.Werth, Die Auflösung des Eoanthropus Dawsoni. Ztschr. Ethnologie. 1916. S. 261. 2 W . O . D i e t r i c h , Ein angebl. Vormensch aus Südengland: „Unsere W e l t . " 1914. S. 369.

Nachtrag

hatten die Zugehörigkeit des Piltdownkiefers zu Schimpanse außer Miller und unabhängig von diesem noch M. Boule, Rammström und H.Virchow 1 festgestellt. Eoanthropus Dawsoni würde danach in Homo Dawsoni umzuwandeln sein, dessen Stellung erst recht unsicher ist. Der Schädel von Le Moustier ist inzwischen in der von W. Branca (S. 15) geforderten Weise umgeändert worden. Die übertriebene Schnauzenhaftigkeit des Gesichtes ist dadurch gemildert, der Oberkiefer gekürzt.

dfc II. Das Alter der Pithecanthropusschichten. I m Jahre 1911 ist das W e r k 2 der Selenka-Expedition erschienen, welches die in den Jahren 1907 und 1908 gesammelten Materialien verarbeitete. Fast von allen Autoren dieses Werkes wird die viel umstrittene Altersfrage behandelt. M. Blanckenhorn, der Mitherausgeber, f a ß t diese und die früher geäußerten Ansichten zusammen. Die Autoren, welche die Pflanzen der Pithecanthropusschicht untersuchten, Elbert, Carthaus und Schuster, stimmen darin überein, daß diese eine niederschlagsreiche oder Pluvialzeit charakterisieren. Eine solche entspricht zeitlich den europäisch-amerikanischen Glazialperioden, und zwar entspricht die Pluvialperiode von Nordafrika und Vorderasien nach Blanckenhorns eigenen Untersuchungen der Günz- und Mindel-Eiszeit. Jene versetzt Blanckenhorn in das bisherige Oberpliocän, diese entspricht nach ihm dem bisherigen Altdiluvium. Besser würde man jedoch auch das bisherige Oberpliocän in das Diluvium stellen, da das wichtige Moment des starken Klimawechsels sich am besten zur Erhebung einer Formationsgrenze eigne. Die Kalke im Liegenden werden von K. und H. Martin und I. Felix als Pliocän, von E. Dubois als Miocän bezeichnet. Darüber folgen dann die mächtigen Tuffschichten mit den Pflanzen der Pluvialperiode. In Ägypten hat Blanckenhorn über einer marinen Pliocänformation mächtige Ablagerungen einer großen Pluvialperiode gefunden, welcher er die javanische gleichsetzt. Da nun die Pithecanthropusschicht nahe der Basis auftritt, so dürfte sie der Günz-Eiszeit isochron sein, d. h. dem bisherigen Oberpliocän. „ J e nachdem man 1

H. Virchow, Ztschr. Ethnologie. 1916, S. 294—295.

' M. L. Selenka und M. Blanckenhorn, J a v a . Leipzig 1911.

Die Pithecanthropusschichten

auf

Nachtrag

hatten die Zugehörigkeit des Piltdownkiefers zu Schimpanse außer Miller und unabhängig von diesem noch M. Boule, Rammström und H.Virchow 1 festgestellt. Eoanthropus Dawsoni würde danach in Homo Dawsoni umzuwandeln sein, dessen Stellung erst recht unsicher ist. Der Schädel von Le Moustier ist inzwischen in der von W. Branca (S. 15) geforderten Weise umgeändert worden. Die übertriebene Schnauzenhaftigkeit des Gesichtes ist dadurch gemildert, der Oberkiefer gekürzt.

dfc II. Das Alter der Pithecanthropusschichten. I m Jahre 1911 ist das W e r k 2 der Selenka-Expedition erschienen, welches die in den Jahren 1907 und 1908 gesammelten Materialien verarbeitete. Fast von allen Autoren dieses Werkes wird die viel umstrittene Altersfrage behandelt. M. Blanckenhorn, der Mitherausgeber, f a ß t diese und die früher geäußerten Ansichten zusammen. Die Autoren, welche die Pflanzen der Pithecanthropusschicht untersuchten, Elbert, Carthaus und Schuster, stimmen darin überein, daß diese eine niederschlagsreiche oder Pluvialzeit charakterisieren. Eine solche entspricht zeitlich den europäisch-amerikanischen Glazialperioden, und zwar entspricht die Pluvialperiode von Nordafrika und Vorderasien nach Blanckenhorns eigenen Untersuchungen der Günz- und Mindel-Eiszeit. Jene versetzt Blanckenhorn in das bisherige Oberpliocän, diese entspricht nach ihm dem bisherigen Altdiluvium. Besser würde man jedoch auch das bisherige Oberpliocän in das Diluvium stellen, da das wichtige Moment des starken Klimawechsels sich am besten zur Erhebung einer Formationsgrenze eigne. Die Kalke im Liegenden werden von K. und H. Martin und I. Felix als Pliocän, von E. Dubois als Miocän bezeichnet. Darüber folgen dann die mächtigen Tuffschichten mit den Pflanzen der Pluvialperiode. In Ägypten hat Blanckenhorn über einer marinen Pliocänformation mächtige Ablagerungen einer großen Pluvialperiode gefunden, welcher er die javanische gleichsetzt. Da nun die Pithecanthropusschicht nahe der Basis auftritt, so dürfte sie der Günz-Eiszeit isochron sein, d. h. dem bisherigen Oberpliocän. „ J e nachdem man 1

H. Virchow, Ztschr. Ethnologie. 1916, S. 294—295.

' M. L. Selenka und M. Blanckenhorn, J a v a . Leipzig 1911.

Die Pithecanthropusschichten

auf

ff- Q- •

Nachtrag

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nun beliebt, mit der älteren Auffassung die Äquivalente des Beginns der großen Glazialperiode als Oberpliocän zu bezeichnen oder mit mir als Diluvium, je nachdem mag man der Pithecanthropusschicht tertiäres oder quartäres Alter zuerkennen." Die Autoren des Werkes und der früheren Untersuchungen haben sich verschieden geäußert; wie Blanckenhorn feststellt, tritt die eine Gruppe (Dubois, Verbeek) f ü r Pliocän, die zweite (Martin, MartinIcke, Volz, Elbert, Carthaus, Schuster, Pohlig) f ü r Diluvium ein, die dritte (Stremme) läßt die Frage unentschieden. In der zweiten Gruppe hält Volz das Alter f ü r mitteldiluvial, die übrigen für altdiluvial. K. und H. Martin und Carthaus haben aus dem Zahlenverhältnis der rezenten zu den ausgestorbenen Formen der marinen und limnischen Konchylienfauna ihre bestimmten Schlüsse gezogen; Dubois dagegen bezweifelt die Gültigkeit der in Europa aufgestellten Berechnungen f ü r die Tropen. Stremme findet unter 19 Gattungen 5 ausgestorbene und unter 27 gut bestimmbaren Arten keine lebende. Danach scheint Blanckenhorn der Schluß auf Oberpliocän berechtigt. Dames, Frech und Uhlig haben früher auf die Übereinstimmung mit der altquartären Narb a d d a f a u n a hingewiesen. Diese wird jedoch von Dubois ebenfalls ins Oberpliocän gestellt, während nach Koken das Vorkommen von Artefakten doch f ü r quartäres Alter spricht. Pohlig parallelisiert die Trinilschichten nach den Säugetieren mit dem Norfolkium oder älteren Interglazial. Doch sei es nicht klar, ob dieses Interglazial dem älteren oder dem mittleren im Penck-Brücknerschen Sinne entspräche. Volz benutzt zu seiner Beweisführung die geologische Entstehungsgeschichte der Sundainseln. Die Tuffe entstammten dem Lawu und dem Kukusan, jüngeren Pyroxenandesit-Vulkanen. Die Eruptionen des Kukusan hätten im Altdiluvium, die des Lawu noch später begonnen. Die Haupttätigkeit des letzteren sei jungdiluvial. Nach'Verbeek hätten jedoch bereits im Miocän derartige Eruptionen stattgefunden. Im Pliocän, so nimmt Volz an, hätten Landverbände zwischen dem malaiischen Archipel und dem Festlande bestanden; an der Wende zum Pleitocän sei jedoch dieser Kontinent versunken. N u r die Sundainseln seien als Außenwand stehen geblieben. In der Zertrümmerungszone wären die Vulkane entstanden. Elbert, Carthaus und Schuster schließen sich dieser Beweisführung an. Nach Schuster sei die fossile Trinilflora vollständig aus rezenten Arten zusammengesetzt, welche der kühleren Gewächszone Javas

90

(H

Nachtrag

N W

S

angehören; dies ließe mit Sicherheit auf altdiluviales Alter schließen und zwar auf jüngeres Altdiluvium. Dagegen erscheinen nach Elbert die Schichten mit den Pflanzen der kühleren Gewächszone beträchtlich über der Knochenschicht. Als Leitfossilen können jedoch weder die völlig ausgestorbenen Säugetierarten, noch die völlig rezenten Pflanzenarten gelten, sondern die Süßwassermolusken der Pithecanthropusschicht, welche nach H. Martin-lcke ein Verhältnis von mindestens 87,5°/ 0 rezenter Formen aufweist. Dieses passe vorzüglich f ü r den Beginn des Diluviums. „Nach all dem Gesagten kommen wir wieder zu meinem obigen Schlüsse zurück, daß ein sehr frühdiluviales oder sehr spätpliocänes Alter, d. h. die Wende von Tertiär und Quartär, etwa die Mitte der großen pliocän-unterdiluvialen oder besser (nach meiner Bezeichnung) altdiluvialen Pluvialperiode (im engeren Sinne) diejenige Zeit ist, welche am besten allen Bedingungen entspricht. Fassen wir den Zeitbegriff ein wenig weiter, so ist es sicher die große Pluvialzeit, auf welche sich die Altersbestimmungen der unbedingten Mehrzahl der Autoren zusammen vereinigen lassen. Im Grunde kann es sich jetzt eigentlich n u r mehr um die Frage handeln, welcher Abschnitt des langen Pluvials am meisten in Betracht kommt, ob das erste Drittel (die sog. oberpliocäne Günz-Eiszeit), die Mitte (das erste kurze Interglazial) oder das letzte Drittel (die Mindel-Eiszeit). Wenn wir den Affenmenschen Pithecanthropus erectus Dub. etwa in das erste oder G. M. Interglazial verlegen, so wäre er immer noch um eine ganze Eiszeit, nämlich die M.-Eiszeit, den Höhepunkt des Pluvials im engeren Sinne, älter als der älteste bis jetzt bekannte Skelettrest des eigentlichen Menschen, des Homo Heidelbergensis Schöt. Letzterer an der Basis der Sande von Mauer gegraben, bezeichnet den Anfang der folgenden M. R.-Interglazialzeit, wogegen der Homo Neandertalensis oder primigenius im Chell6en(?) oder Mousterien das weitere oder letzte R. W.-Interglazial beherrscht. Wenn wir aber, mehr den Erörterungen Schusters über die Flora der Trinilschichten unser Ohr leihend, die Pithecanthropus-Schichten in die obere Hälfte, das oberste Drittel oder den Höhepunkt des Pluvials, also in die MindelEiszeit verlegen, so blieben diese Ablagerungen immer noch um eine halbe Eiszeit von denjenigen, welche den Unterkiefer von Heidelberg einschließen, getrennt. — Dieses im eigentlichen oder früheren Sinne unterdiluviale Alter der Schicht würde auch am meisten der Auffassung des Geologen Carthaus entsprechen." (M. Blanckenhorn.)

döb

m ii»t)i

91

Nachtrag

III. Die K u l t u r e p o c h e n . W . Branca hat eine Übersicht über die Kulturepochen nach R u t o t gegeben, die inzwischen vielfältig ausgebaut wurde. Die folgende Darstellung nach R . R . S c h m i d t 1 zeigt den Fortschritt der letzten J a h r e , an welchem besonders die Funde in Frankreich, Süd- und Westdeutschland beteiligt sind. Die Artefakte, welche aus Mittel- und Norddeutschland bekannt wurden, werden lebhaft umstritten. Sie lassen sich nur mit Schwierigkeit und Unsicherheit in das französische Schema einreihen. Das zeigen besonders die Diskussionen über Taubach, Markkleeberg und Hundisburg, deren Artefakte bald als Acheuléen, bald als Moustérien gedeutet werden. Wahrscheinlich sind sie beides nicht, sondern gehören zu 0 . Hausers 2 Micoquien oder Typus Kösten, welcher in Frankreich bisher nur in La Micoque, in Deutschland aber an vielen Stellen nachzuweisen ist. Auch die Station vom Wildkirchli gehört hierher. Dieser Typus Kosten würde neben das Moustérien I zu stellen sein ( ? ) . J u n g - und nach unten:

Altpaläolithikum

gliedern

sich

von

oben

J u n g p a l ä o l i t h i k u in. 12. T a r d e n o i s i e n und 11. A z i l i e n . Geometrische Kleingeräte; rot bemalte Kiesel (Embleme von totemistischer Bedeutung), von Knocheninstrumenten nur flache Hirschhornharpune; Steininstrumente klein und schlecht retuschiert; kleine Federmesserchen, kurze unregelmäßige Schaber, ovale Kratzer (Mas d'Azil, Ofnet). Verfall der Ornamentik. 10. S p ä t m a g d a l é n i e n . Knochen: zweireihige Harpune, Meißel aus Renngeweih, von Blutrille durchzogen, desgl. die Kommandostäbe. Stein: Mikrolithik, „Papageienschnabel". (Les Eyzies). Reiche Ornamentik, keine Plastik, Gravierungen einfach. 1

R. R. Schmidt, Die diluviale Vorzeit Deutschlands. Stuttgart 1912. - O. Hauser, La Micoque, Die Kultur einer neuen Diluvialrasse. Leipzig 1916. Zit. nach Prähist. Ztschr. 1916, S. 172—174. Ref. Schuchhardt. O. Hauser, Das Micoquien-Hauser in Deutschland. Ztschr. Ethnologie 4 8 , 1916. S. 8 9 — 92. E. W e r t h , Über die Paläolithfundstätten der Gegend von Weimar. Ztschr. Ethnologie 48, 1916, S. 119—130.

92

Q O 4

Nachtrag

9. H o c h m a g d a l é n i e n . Knochen: Harpune mit einreihigem Widerhaken, auch mit Schwalbenschwanzbasis; Spitzen mit gegabelter Basis, bisweilen gewunden; Stäbchen, Nadeln. Stein: Mikrolithik wie Frûhmagdalénien. (Bruniquel, Langerie basse). 8. F r û h m a g d a l é n i e n . Knochen: Harpune einreihig, Plattchen, Nadeln. Stein: Massen kleiner unretuschierter Klingen, Klingenkratzer flüchtig retuschiert (Abrunden der Klingenenden, Abdrücken kleiner Spitzen), länglich dünne Messerchen, Steinpfriemen, kleine Stichel, kleine nukleusförmige Kratzer. In 8 und 9 reiche Ornamentik, Tierplastiken (Pferd, Steinbock, Rinder, Ren), Mensch selten, Umrißzeichnungen in höchster Blüte. 7. S p ä t s o l u t r é e n . Knochengeräte. Stein: kleine, plumpe Lorbeerblattspitze, Kerbspitze, Messer, Bohrer, Eckstichel. Knochengeräte. 6. H o c h s o l u t r é e n . Stein: Lorbeerblattspitze mit Schuppenretusche, Klingen mit einfachem und doppeltem Kratzerende, Eckstichel, Bohrer (Volgu, Le Solutré). 5. F r û h s o l u t r é e n . Knochengeräte wenig zahlreich. Stein: kleine, klingenförmige Weidenblattspitze mit schmaler Flächenretusche. Doppelkratzer, wenige Stichel, üravettespitzen. In 5 und 7 Plastiken nicht sehr häufig; Rundstabfigur, Hochrelief (Löwe); klare geometrische Ornamente. 4. Ü b e r g a n g z u m S o l u t r é e n . Knochen: (keine Spitzen). Stein: gestielte Spitzen; Gravettespitzen; Eck- und Kantenstichel. (Font-Robert.) 3. S p ä t a u r i g n a c i e n . Knochen: Stäbe und große Nadeln. Stein: Gravettespitzen mit kurzen enggedrängten kleinen Retuschen; kleine Kielkratzer, weniger sorgfältige Klingenretusche, Klingen schmaler und dünner. Stichel: Bogen, Eck, Kanten, nukleusförmige und polyedrische. Gravierung von Pferden auf Knochen, vom Rhinozeros auf Schiefer. Felsgravierung. 2. H o c h a u r i g n a c i e n . Knochen: Spitzen. Stein: Klingenkratzer, Kielkratzer, blattförmige Spitzen, Korbklingen, Eck-, Kanten-, Bogenstichel. Klingenränder rundum retuschiert. (Brassempouy).

9 0»

Nachtrag

fr-iftr» 93

Erste plastische Darstellungen, exotischer weiblicher Kopf und Venusstatuette aus Elfenbein. 1. F r i i h a u r i g n a c i e n . Knochen: grobe, spateiförmige Bein- und Horngeräte, Pfriemen; viel Elfenbein. Stein: breite, gebogene Chatelperon-Spitze, Eckstichel, grobe Randretusche an den Klingenrändern. Geometrische Muster auf Knochen. Altpaläolithikum. II. O b e r g a n g z u m A u r i g n a c i e n . Knochen: erste Knochenwerkzeuge. Stein: unregelmäßige Miniaturfäustel, D-förmige Schaber, massive Kratzer, Stichel selten. Typische Moustierspitze fehlt. (Abri Audit.) 10. S p ä t m o u s t e r i e n . Knochen: Scheiben als Unterlagen. Stein: feinretuschierte Schaber, kleine Fäustel (La Quina). 9. H o c h m o u s t e r i e n . Knochen: keine Werkzeuge. Stein: sorgfältig bearbeitete Moustierspitze, häufig über die ganze Fläche bearbeitet. 8. P r i m i t i v m o u s t e r i e n (Frühmousterien). Stein: kleine, unregelmäßige, grobe Schaber, trianguläre Spitzen, Bohrer, Disken (Le Moustier). 7. F r ü h m o u s t e r i e n . Stein: herzförmige Fäustel, Moustierspitzen (Combe Capelle). 6. S p ä t a c h e u l i e n . Stein: kleine Fäustel (La Micoque-Typus), trianguläre Fäustelformen. 5. H o c h a c h e u l l e n . Stein: leichtere spitzovale Fäustel. 4. F r ü h a c h e u l e e n . Stein: schollenförmige Fäustel, breitflache, ovale Fäustel. 3. H o c h c h e l l e e n . Stein: mandelförmige, langgezogene Fäustel; Ovalfäustel. 2. F r ü h c h e l U e n . Stein: Beginn der Fäustelindustrie, vorerst noch rohere, teilweise entkrustete Fäustel, erstes Erscheinen des spitzmandelförmigen Fäustels. 1. P r ä c h e l l i e n . Stein: Vereinzelte Fäustelprototypen, primitive Abschlagsstücke ohne regelrechte Formengebung. Diese Einteilung läßt eine allmähliche Entwicklung der Kulturen auseinander annehmen. Dem muß aber widersprochen werden. Die Entwicklung von einer Kultur zur anderen ist nur bei einer einzelnen Rasse d e n k b a r ; jede der so grundverschiedenen Rassen der älteren

94 M «

Nachtrag

^ ^ ^ ^

Steinzeit h a t t e sicherlich ihre eigene Kultur. Homo primigenius L. Wilser h a t die altpaläolithischen getragen. D a ß sich die jungpaläolithischen aus diesen entwickelt h ä t t e n , ist so wenig bewiesen, wie die A b s t a m m u n g der jungpaläolithiker von den Neandertalern. Im Jungpaläolithikum fällt die Solutrekultur aus dem Rahmen der beiden anderen Hauptteile heraus: wenige K n o c h e n , wenige Bildwerke, keine zeichnerischen Darstellungen, geometrische Ornamente und ganz besonders die Weiden- und Lorbeerblattspitzen, für deren eigentümliche Arbeit es sonst im Paläolithikum wenig Entsprechendes gibt, während sie mehr an die gemuschelten Speerspitzen der jüngeren Steinzeit erinnern. Dagegen stimmen Aurignacien und Magdalenien in der reichen Verwendung von Knochen, der reichen Ornamentik und den Umrißzeichnungen mehr zu einander. Das Azilien fällt noch stärker aus dem Rahmen der sonstigen jungpaläolithischen Arbeitsweise heraus. Es ist leicht von einem Verfall zu sprechen. Wenn man aber beim Azilien der Ofnet die Kurzschädel sieht, so m ö c h t e man eher an die Kultur dieser anderen Rasse oder wenigstens deren Einfluß glauben.

6h IV. Das geologische Alter der Kulturen. N a c h allen Richtungen hin ist diese wichtige Frage von zahlreichen Forschern diskutiert worden. Ausführliche Diluvial-Chronologien finden sich bei A. Penck, K . Obermaier, E. Kayser, I. Bayer, M. Blanckenhorn, E . Geinitz, R . R . Schmidt, E. Koken, A. Tornquist. E. W e r t h , F. Wiegers. Besonders wertvolle Untersuchungen wurden in den letzten J a h r e n über die Aufeinanderfolge der Säugetierfaunen im Diluvium und die stratigraphische Stellung der Artefakte veröffentlicht. Die mit den diluvialen Menschen und den paläolithischen Artefakten zusammen vorkommenden Säugetiere geben vielfach die einzigen Anhaltspunkte für das geologische Alter (nicht wie nach Rutot im Falle des Galley-Hill-Schädels umgekehrt die Ausbildung der Artefakte für das Alter der Faunen.) E . K o k e n 1 hat die Aufeinanderfolge der diluvialen Säugetierfaunen in Mitteleuropa eingehend studiert und k o m m t zur Unterscheidung der folgenden 9 Faunen, welche

gart

1 E. Koken in R . R . S c h m i d t , 1912.

Die diluviale Vorzeit Deutschlands.

Stutt-

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Nachtrag

^ ^ ^ ^

Steinzeit h a t t e sicherlich ihre eigene Kultur. Homo primigenius L. Wilser h a t die altpaläolithischen getragen. D a ß sich die jungpaläolithischen aus diesen entwickelt h ä t t e n , ist so wenig bewiesen, wie die A b s t a m m u n g der jungpaläolithiker von den Neandertalern. Im Jungpaläolithikum fällt die Solutrekultur aus dem Rahmen der beiden anderen Hauptteile heraus: wenige K n o c h e n , wenige Bildwerke, keine zeichnerischen Darstellungen, geometrische Ornamente und ganz besonders die Weiden- und Lorbeerblattspitzen, für deren eigentümliche Arbeit es sonst im Paläolithikum wenig Entsprechendes gibt, während sie mehr an die gemuschelten Speerspitzen der jüngeren Steinzeit erinnern. Dagegen stimmen Aurignacien und Magdalenien in der reichen Verwendung von Knochen, der reichen Ornamentik und den Umrißzeichnungen mehr zu einander. Das Azilien fällt noch stärker aus dem Rahmen der sonstigen jungpaläolithischen Arbeitsweise heraus. Es ist leicht von einem Verfall zu sprechen. Wenn man aber beim Azilien der Ofnet die Kurzschädel sieht, so m ö c h t e man eher an die Kultur dieser anderen Rasse oder wenigstens deren Einfluß glauben.

6h IV. Das geologische Alter der Kulturen. N a c h allen Richtungen hin ist diese wichtige Frage von zahlreichen Forschern diskutiert worden. Ausführliche Diluvial-Chronologien finden sich bei A. Penck, K . Obermaier, E. Kayser, I. Bayer, M. Blanckenhorn, E . Geinitz, R . R . Schmidt, E. Koken, A. Tornquist. E. W e r t h , F. Wiegers. Besonders wertvolle Untersuchungen wurden in den letzten J a h r e n über die Aufeinanderfolge der Säugetierfaunen im Diluvium und die stratigraphische Stellung der Artefakte veröffentlicht. Die mit den diluvialen Menschen und den paläolithischen Artefakten zusammen vorkommenden Säugetiere geben vielfach die einzigen Anhaltspunkte für das geologische Alter (nicht wie nach Rutot im Falle des Galley-Hill-Schädels umgekehrt die Ausbildung der Artefakte für das Alter der Faunen.) E . K o k e n 1 hat die Aufeinanderfolge der diluvialen Säugetierfaunen in Mitteleuropa eingehend studiert und k o m m t zur Unterscheidung der folgenden 9 Faunen, welche

gart

1 E. Koken in R . R . S c h m i d t , 1912.

Die diluviale Vorzeit Deutschlands.

Stutt-

Nachtrag

eindringlich zeigt, wie wenig Einzelfunde von Elephas a n t i q u u s u n d primigenius, Rhinoceros Merckii und tichorhinus oder auch selbst von ihnen beherrschte Faunen für die A l t e r s b e s t i m m u n g bedeuten. 1. A l t q u a r t ä r e F a u n a mit wesentlich pliocäneni Habitus, Tone Campine, Tegelen. In Deutschland u n b e k a n n t .

der

2. A l t q u a r t ä r e F a u n a mit Elephas a n t i q u u s und Resten der pliocänen Fauna. St. Prest, Abbeville, Forestbed, Mosbach, Mauer z. T., S ü ß e n b o r n . 3. A n t i q u u s f a u n a o h n e Pliocän: T r a n k e n b a c h , Steinheini an der Murr, Mauer z. T., R u t o t s Mosten z. T., c h e l l e e n f ü h r e n d e Schotter der Seine u n d Somme. 4. Ältere P r i m i g e n i u s f a u n a (glaziale Mischfauna ohne Elephas a n t i q u u s und Rhinoceros Merckii): M a m m u t l e h m von C a n n s t a t t , belgisches Campinien z. T. 5. J ü n g e r e A n t i q u u s f a u n a . Elephas a n t i q u u s , Rhinoceros Merckii, Elephas primigenius, Rhinoceros tichorhinus. Tuff von T a u b a c h , älterer Löß von S t r a ß b u r g , C a n n s t a t t . 6. J ü n g e r e P r i m i g e n i u s f a u n a (glaziale Mischfauna), lokal noch Elephas a n t i q u u s und Rhinoceros Merckii. Rixdorf, P h ö b e n , W e s t p r e u ß e n (R. H e r m a n n ) ; erstes A u f t r e t e n arktischer Nager, Basis des jüngeren Löß. Tiefere Lage der Höhlen und Abris. 7. E q u u s f a u n a . E q u u s weit überwiegend, M a m m u t und Nashorn ( R h . tichorhinus) noch häufig, Ren verbreitet. H a u p t m a s s e des jüngeren Löß. Mittlere Lager der Höhlen u n d Abris. 8. Spätglaziale F a u n a .

Pferd und Ren überwiegend, M a m m u t

und

Nashorn selten. Breites Auftreten arktischer Nager. Höchste Lage des jüngeren Löß, Abris der Madeleinezeit. 9. Postglaziale F a u n a . Ren verschwindet aus Mitteleuropa, dominiert. W i l d p f e r d sehr häufig. Dann Ü b e r g a n g zur W a l d f a u n a .

Hirsch

Bei der E i n o r d n u n g dieser Faunen in das zeitliche S c h e m a steht Koken noch auf d e m S t a n d p u n k t , d a ß der Löß nicht glazial, z. B. der ältere interglazial sei, w ä h r e n d z. Zt. wohl die Mehrzahl der Diluvialgeologen d a r ü b e r einig ist, d a ß der Löß in allen Fällen ein eiszeitliches P r o d u k t darstellt. K o k e n bringt die F a u n a 5 infolgedessen in d a s Riss-Würm-Interglazial u n d die Fauna 6 in die W ü r m - E i s z e i t .

Nachtrag

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e o

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