Der Staat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [1 ed.] 9783428498086, 9783428098088

Im Maastricht-Urteil entschied der zweite Senat des BVerfG, der Unions-Vertrag begründe einen Staatenverbund zur Verwirk

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Der Staat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [1 ed.]
 9783428498086, 9783428098088

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JÖRG A L S H U T

Der Staat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 798

Der Staat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Von Jörg Aishut

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Aishut, Jörg: Der Staat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts / von Jörg Aishut. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 798) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09808-0

Alle Rechte vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09808-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Meiner Frau

Vorwort Die vorliegende Abhandlung lag der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum im Herbst 1998 als Dissertation vor. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Rolf Grawert möchte ich für die Betreuung der Arbeit meinen herzlichen Dank aussprechen. Seine Gedanken und kritischen Fragen boten für mich stets Grund, erneut nachzudenken und zu vertiefen, wiederholt Grund, gar umzudenken oder einfach besser zu verstehen. Daneben möchte ich mich natürlich auch bei Herrn Prof. Dr. Stefan Muckel für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens bedanken. Besonders verbunden fühle ich mich meiner Frau, der mein Dank nicht nur wegen der zahlreichen, insbesondere abendlichen Gespräche gilt, die sie unermüdlich zu führen bereit war, sondern auch wegen ihrer Kunst, Schokolade immer wieder neu zu erfinden. Auch meinen Eltern möchte ich Dank sagen. Ihre Unterstützung und Ermutigung hat mir ein unbeschwertes Studium ermöglicht und mein Promotionsvorhaben stets begleitet. Schließlich möchte ich noch Herrn Prof. Dr. Norbert Simon für die freundliche Aufnahme meiner Dissertation in die „Schriften zum Öffentlichen Recht" danken. Toronto, im April 1999 Jörg Aishut

Inhaltsverzeichnis Prolog

11

1. Teil

Der Staat unter Staaten A. Die deutsche Staatlichkeit I. Die Bundesrepublik Deutschland

13 13 13

1.

Die Bundesrepublik - ein Staat

14

2.

Die Bundesrepublik - ein Staat deutscher Identität

20

3.

Kritik der Rechtsprechung zur Bundesrepublik

26

Π. Die Deutsche Demokratische Republik B. Das Völkerrechtssubjekt Staat

29 35

I. Das Staatsgebiet

35

Π. Das Staatsvolk

38

ΠΙ. Die Staatsgewalt

43

1.

Die organschaftliche Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt

45

2.

Das Gewalt zur Staatsgewalt qualifizierende Moment

50

a) Das Moment der Hoheit

50

b) Das Moment der Hoheit bei Strukturen räumlich pyramidal gegliederter Gebietskörperschaften

52

aa) Die Verfassung ursprünglicher Gewalt

53

bb) Die Souveränität

58

cc) Kritik der Momente

64

10

Inhaltsverzeichnis 2. Teil Der Staat

A. Der Staat - der Mensch

72 72

I. Eine personifizierte Einheit

72

II. Eine entscheidende Einheit

78

1.

Entscheidungen über Menschen

78

2.

Entscheidungen von Menschen

82

ΠΙ. Eine organisierte Einheit

91

1.

Organisation der Gesellschaft

91

2.

Telos der Organisation

94

B. Der Staat-das Recht

106

I. Recht - des Staates

106

II. Staat-des Rechtes

112

1.

Der Rechtsstaat

112

2.

Der Bundesstaat

116

a) Der Bundesstaat in der Rechtsprechung - ein Staat der Staaten

117

b) Der Bundesstaat des Rechts des Staates

121

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union

133

Appendix

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Literaturverzeichnis Sachwortverzeichnis

143

159 163

Prolog Im Maastricht-Urteil vom 12. Oktober 1993 urteilte der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, der Unions-Vertrag begründe einen Staatenverbund zur Verwirklichung einer immer engeren Union der - staatlich organisierten - Völker Europas, keinen sich auf ein europäisches Staatsvolk stützenden Staat1. Die Bundesrepublik Deutschland ist demnach ein staatenverbundener Bundesstaat - einfacher gesagt: ein Staat. Staat zu begreifen - das Wort nach seinem eigentlichen Sinne genommen - , ist Thema der vorliegenden Abhandlung. Ausgangspunkt für dieses Unterfangen soll die Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts sein. Nicht nur, um überhaupt das Thema trotz seiner Vielseitigkeit angehen zu können, sondern auch und gerade, um das Staatsbild des Bundesverfassungsgerichts abzubilden und somit den Hintergrund, vor welchem eine weitere Integration der europäischen Rechtsgemeinschaft beurteilt werden wird, auszuleuchten. Die Arbeit hat weder den Anspruch, eine historische Abhandlung zur deutschen Staatsgeschichte zu sein, noch den, die zum Staat erschienene Literatur aufzuarbeiten oder Verfassungsnormen zu ergründen. Nicht fremde Begriffe und Gedanken sollen in die Rechtsprechung hineingetragen und mit ihr vermischt werden, nicht Kritik an ihr steht im Vordergrund, sondern der Versuch, ihr Konturen des Staates abzuringen und aus diesen ein stimmiges, in sich geschlossens Bild zu entwickeln - den Staat mit den Augen des Lesers zu sehen, der nur die Entscheidungssammlung vor Augen hat. Daher orientiert sich diese Arbeit inhaltlich an den Winkeln und Gesichtspunkten, aus denen das Bundesverfassungsgericht den Staat in seinen Entscheidungen beleuchtet hat; daher ist Ausgangspunkt der Erkenntnis und der Argumentation - um der Authentie willen - zuvörderst das seinen Kontext andeutende Zitat. Daß derart, auch wenn bestimmte Aspekte Schlüsse auf einige der im Dunkeln liegenden Flächen erlauben, kein vollständiges Bild des Staates gewonnen werden kann, sei eingeräumt. Andererseits vermag aber gerade der derart unbefangene Blick leichter zu entdecken, was neben dem auffallend Bekannten offen verborgen liegt.

1

Vgl. E 89,155 (156).

12

Prolog

Der erste Teil der Arbeit betrachtet den Staat unter Staaten, das heißt den deutschen Staat und das Völkerrechtssubjekt Staat, der zweite Teil den Staat im Verhältnis zu Mensch und Recht; auf dieser Grundlage eröffnet der Epilog zwei Möglichkeiten, den Staatenverbund Europäische Union staatsrechtlich zu begreifen: entweder als eine mehreren Nationalstaaten gemeine Gebietskörperschaft oder als nicht-souveränen Staat souveräner Staaten.

1. Teil

Der Staat unter Staaten A. Die deutsche Staatlichkeit „Die sowjetische Besatzungszone gehört zu Deutschland und kann im Verhältnis zur Bundesrepublik grundsätzlich nicht als Ausland angesehen werden" 1 . Aus der Sicht des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts gab es somit 1952 eine sowjetische Besatzungszone - den Staat Deutsche Demokratische Republik? Und es gab Deutschland - den Staat Deutschland? Und die Bundesrepublik - den Staat Bundesrepublik Deutschland? Daß die Entscheidung des ersten Senats diese Fragen nicht ausdrücklich klärt, erstaunt, hatte das Gericht doch über die Frage der Grundrechtsmäßigkeit der Gewährung von Vollstreckungshilfe durch Behörden der Bundesrepublik Deutschland gemäß §§ 162, 163 Gerichtsverfassungsgesetz gegenüber einem in der Deutschen Demokratischen Republik erlassenen Strafurteil zu entscheiden 2 , also über die Frage der staatsrechtlichen Qualität dieser beiden Republiken zu richten.

I. Die Bundesrepublik Deutschland Der Senat verwendet für die Deutsche Demokratische Republik den Begriff sowjetische Besatzungszone, bewertet also die durch Verfassung am 7.10.1949 gegründete Republik als noch immer kriegsbedingt besetztes Gebiet, welches er als zu Deutschland gehörend bezeichnet. Da diese Zugehörigkeit ihren Grund zeitlich nur vor der sowjetischen Besetzung haben kann und ein größeres Gebiet als das besetzte zur Anknüpfung voraussetzt, kann der Begriff Deutschland nur den 1945 besetzten Staat Deutsches Reich meinen, der also aus der Sicht des ersten Senats 1952 - da fortwährend zumindest gebietsweise besetzt - noch nicht untergegangen ist.

1

E 1,332 (341).

2

Vgl. E 1,332 (340 ff.).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

14

Ferner vermeidet der Senat die Verwendung der in der Präambel zum Grundgesetz bestimmten amtlichen Bezeichnung Bundesrepublik Deutschland für eben diese, benutzt aber, entsprechend dem allgemein üblichen Sprachgebrauch jener Zeit, den Namen Bundesrepublik. Diese gewinnt somit gegenüber der sowjetischen Besatzungszone den Charakter eines selbständigen Neubeginns, ohne gegenüber Deutschland allzu abgelöst und eigenverantwortlich zu wirken. In irgendeiner Weise gehören also auch die Bundesrepublik und der Staat Deutsches Reich zueinander, und zwar derart, daß besetzte Reichsgebiete im Verhältnis zur Bundesrepublik grundsätzlich nicht als Ausland angesehen werden können. Es gab folglich 1952 aus der Sicht des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine sowjetische Besatzungszone - keinen Staat Deutsche Demokratische Republik. Und es gab Deutschland - den Staat Deutsches Reich. Und die Bundesrepublik - den Staat Bundesrepublik Deutschland?

1. Die Bundesrepublik - ein Staat Als im Jahr 1952 der zweite Senat die Frage zu entscheiden hat, ob die Alliierte Hohe Kommission gegenüber der Bundesrepublik Deutschland einem auswärtigen Staat gleichzustellen ist, stellt er zu Beginn seiner Erörterungen fest, daß die Rechtslage Deutschlands unter alliierter Besatzung in der Völkerrechtsgeschichte ohne Präzedenz sei3. Daß mit Deutschland erneut der nicht untergegangene Staat Deutsches Reich gemeint ist, ergibt sich aus dem vom Gericht gezogenen Vergleich des der Klage zugrunde liegenden Petersberger Abkommens mit der Vereinbarung zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, Belgien, dem Britischen Reich und Frankreich betreffend die militärische Besetzung der Rheinlande von 1919, denn die Dinge lägen - so der zweite Senat - insofern anders, als das Deutsche Reich damals nämlich nicht unter Besatzungsgewalt stand4. Weitergedacht üben folglich die Besatzungsmächte Frankreich, Großbritannien und Vereinigte Staaten durch die Alliierte Hohe Kommission unter formeller Fortdauer des Kriegszustandes zumindest gebietsweise Herrschaftsgewalt über den Staat Deutsches Reich aus - eine die deutsche Staatsgewalt überwölbende Besatzungsgewalt5.

3

Vgl. E 1,351 (366 f.).

4

E 1,351 (367).

5

So formulierte es der zweite Senat, siehe E 1, 351 (362).

Α. Die deutsche Staatlichkeit

15

Der zweite Senat formuliert jedoch, daß die Besatzungsmächte durch die Kommission Herrschaftsgewalt in Deutschland ausüben, und folgert daraus, daß die Kommission der Bundesrepublik nicht wie ein auswärtiger Staat gegenüberstehe6. Übt also auch die Bundesrepublik Gewalt nur in Deutschland aus, etwa kraft der Staatsgewalt des fortbestehenden Deutschen Reiches? Die Antwort bleibt der zweite Senat schuldig, als er nur Zeilen später ausführt, daß das Petersberger Abkommen von Materien handele, deren Ordnung sowohl von den Besatzungsmächten kraft Besatzungsgewalt als auch von der Bundesregierung gemäß dem Grundgesetz in Anspruch genommen werde. Die Bundesrepublik, Staat gemäß dem Grundgesetz? „Das Grundgesetz will seinem gesamten Inhalt nach die Verfassung eines souveränen Staatswesens sein. Es war zwar entsprechend den Beschlüssen der Koblenzer Ministerpräsidenten-Konferenz vom 8. bis 10.7.1948 ... zunächst lediglich als Organisationsstatut eines besetzten Landes gedacht, hat dann aber doch schließlich die Gestalt der Verfassungsurkunde eines souveränen Staates angenommen"7. Der Parlamentarische Rat verzichtete 1948 bewußt darauf, die Beschränkung der Unabhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland in der Präambel zum Grundgesetz zu erwähnen, sollte doch der Wille zur Überwindung dieser Beschränkung und nicht Resignation ob der Besetzung durch fremde Mächte prävalierend Da aber dieser Wille die Gleichberechtigung der Bundesrepublik in der Völkerrechtsgemeinschaft nicht zu bewirken vermag, das Grundgesetz also, obgleich derart geschaffen, nicht die Verfassungsurkunde eines souveränen Staatswesens ist, bleibt offen, ob es die Verfassung eines nicht-souveränen Staates9 oder das bloße Organisationsstatut eines besetzten Landes ist. Weder die Entscheidung des ersten Senats über die Vollstreckungshilfe bei Strafurteilen der Deutschen Demokratischen Republik noch die des zweiten Senats über das Petersberger Abkommen klären demnach die staatsrechtliche Qualität der Struktur Bundesrepublik Deutschland, ihr Verhältnis zum fortbestehenden Staat Deutsches Reich. Im Urteil zur Sozialistischen Reichspartei vom 23.10.1952 formuliert der erste Senat jedoch die Idee der Kontinuität der deutschen Staatsgewalt - die

6

Vgl. E 1,351 (367).

7

E 1,351 (368).

8

Vgl. die Empfehlung des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 13. Dezember 1948, JöR NF Bd. 1,1951, S. 38 f. 9 Zur Souveränität und der Frage, ob ein Staat ohne sie sein kann, siehe unter „Die Souveränität", S. 58 ff., unter „Kritik der Momente", S. 64 ff., und unter „Der Bundesstaat des Rechts des Staates", S. 131.

1. Teil: Der Staat unter Staaten

16

Staatsgewalt der neu gebildeten Regierungsorgane der Bundesrepublik Deutschland beruhe nicht auf Rückübertragung durch die Alliierten, sondern stelle ursprüngliche deutsche Staatsgewalt dar, die mit dem Zurücktreten der Okkupationsgewalt wieder frei geworden sei, 10 - der Staat Deutschland als Kontinuum, früher Deutsches Reich genannt, heute Bundesrepublik Deutschland; aber der Senat referiert diese Idee nur als solche wissenschaftlicher Erörterungen, ohne sich ihr anzuschließen. In der Entscheidung vom 7.5.1953 nimmt der erste Senat schließlich Stellung: Die grundsätzliche Auffassung vom gesamtdeutschen Staatsvolk, vom gesamtdeutschen Staatsgebiet und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt sei im Grundgesetz verankert, die Bundesrepublik Deutschland der berufene und allein handlungsfähige Teil Gesamtdeutschlands, der staatlich wieder organisiert werden konnte 11 . Volk, Gebiet und Gewalt - mittels dieser drei Elemente, die seit Georg Jellinek den Staat konstituieren 12 , weist der Senat also a priori Gesamtdeutschland als Staat aus. Die Bundesrepublik Deutschland ist der wieder organisierte Teil dieses Staates - ist sie damit Staat, derselbe Staat? Die Bundesrepublik habe den Anspruch auf Wiederherstellung einer umfassenden deutschen Staatsgewalt gerechtfertigt und sich selbst als die Staatsorganisation des Gesamtstaates legitimiert, die bisher allein in Freiheit wieder errichtet werden konnte 13 . Die Gestalt der Bundesrepublik Deutschland ist also Organisation des Gesamtstaates, ihre Funktion seine Wiederherstellung. Deutschland ist Staat und soll organisiert werden, die Bundesrepublik ist organisiert und soll Deutschland werden. Ob die Bundesrepublik Deutschland als Teil des Staates Deutschland Staat ist, klärt der erste Senat nicht ausdrücklich. Den Staat konstituieren jedenfalls aus der Sicht des Gerichts Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt oder - um andere Worte Jellineks zu benutzen Staat ist „die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Körperschaft eines seßhaften Volkes" 1 4 . Dies entspricht dem Staatsverständnis des Völkerrechts - der Staat, betrachtet von außen, eine souveräne Struktur, ein Staat unter Staaten, ein gleichberechtigtes Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft 15.

10

E 2,1 (56).

11

E 2, 266 (277).

12

Vgl. Georg Jellinek,, Allgemeine Staatslehre, S. 174 ff., 394 ff.

13

E 2, 266 (277).

14

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 183.

15

Vgl. Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: HdbStR I, § 13 Rn. 28 f., 31.

Α. Die deutsche Staatlichkeit

17

Indem das Gericht die im Grundgesetz verankerte Auffassung vom deutschen Staatsvolk, dem deutschen Staatsgebiet und der deutschen Staatsgewalt beschwört, betrachtet es also Deutschland von außen und läßt es zu einem Subjekt in der äußeren Realität werden, ein Objekt der Betrachtung, ein Staat unter anderen Staaten. Das Gericht nutzt somit - ebenso wie das Völkerrecht die in der bloßen Addition statischer Momente liegende Schwäche der DreiElementen-Lehre als Stärke. Nicht das „Begreifen" - das Wort nach seinem eigentlichen Sinne genommen - dessen, was Staat in seinem Innersten ist, und nicht dessen Nachweis für Deutschland ist Gegenstand der gerichtlichen Erörterung; dem Gericht genügt - dank der Drei-Elementen-Lehre - die auf das Grundgesetz gestützte Behauptung der drei deutschen Staatselemente zur rechtlichen Begründung des Seins des Staates Deutschland. Deutschland ist Staat - diese grundsätzliche Auffassung des Grundgesetzes übernimmt das Bundesverfassungsgericht. Deutschland ist souverän - diesen Willen des gesamten Inhalts des Grundgesetzes übernimmt es nicht 1 6 . Ob diese Entscheidungen inhaltlich divergieren, soll später Thema sein 17 . Im Kontext der Staatlichkeit der Bundesrepublik erstaunt, daß das Bundesverfassungsgericht die essentielle Frage der Staatlichkeit der Bundesrepublik unter bloßer Berufung auf eine grundsätzliche gesamtdeutsche Auffassung des Grundgesetzes 1953 verneint, obgleich es sich bei der artverwandten Frage der Souveränität über den gesamten Inhalt des Grundgesetzes hinweggesetzt hat. Die Begründung wird um so erstaunlicher, wenn man die ein halbes Jahr später ergangene Entscheidung zur Fortdauer der Beamtenverhältnisse heranzieht: „Die vollständige Besetzung des deutschen Staatsgebietes, die Kapitulation der Wehrmacht, das Aufhören jeder staatlichen Verwaltungstätigkeit, die Auflösung aller Einrichtungen und Organisationen der den Staat allein tragenden politischen Partei und schließlich der Tod des alle politische, militärische und staatliche Gewalt in sich vereinigenden Staatsführers - ... bei dieser Sachlage könnten Zweifel aufkommen, ob nach dem 8. Mai 1945 das Deutsche Reich als Staat überhaupt noch bestand. Diese Zweifel sind von beachtlichen Stimmen zu einer die Staatsqualität des Reiches verneinenden Lehre ausgebaut worden ... 1 8 . Diese Lehre konnte sich auf manche offiziellen Äußerungen und

16

Vgl. E 1,351 (368 f.).

17

Siehe unter „Kritik der Momente", S. 64 ff., und unter „Der Bundesstaat des Rechts des Staates", S. 131. 18

Der erste Senat zitiert Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 1950, S. 7 f., und Kelsen, The legal status of Germany according to the declaration of Berlin, in: „The American Journal of International Law", Band 39,1945, S. 518 f. 2 Alshut

1. Teil: Der Staat unter Staaten

18

auf das tatsächliche Verhalten der Alliierten stützen, die in sämtlichen Zonen auch bisherige Länder als Staaten neu errichteten, ein Verfahren, das nur von der Annahme aus erklärbar ist, daß jede deutsche Staatsgewalt erloschen sei. Sie konnte weiter für sich geltend machen, daß eines der ,klassischen4 Elemente des Staates, die Staatsgewalt, jedenfalls zunächst nicht mehr verhanden gewesen sei, da die Regierung Dönitz ... niemals tatsächliche Staatsgewalt hatte; endlich konnte darauf hingewiesen werden, daß die Siegermächte das Verschwinden der deutschen Staatsgewalt als so vollständig angesehen hätten, daß sie ... auch die Befugnisse der Regierungen, Verwaltungen und Behörden der Länder, Städte und Gemeinden glaubten übernehmen zu müssen" 19 . Wenn derart starke rechtliche Zweifel an der Fortdauer der deutschen Staatsgewalt und somit an der des Deutschen Reiches bestehen, warum prüfte der erste Senat diese nicht in seiner Entscheidung vom 7.5.1953? Warum erklärt er sie erst ein halbes Jahr später in einer anderen Entscheidung, ohne ihnen entgegenzutreten, ohne sie zu entkräften? „Aber auch wenn man - mit der herrschenden Lehre .. . 2 0 - das Weiterbestehen eines zunächst nur seiner Handlungsfähigkeit beraubten Deutschen Reiches annimmt . . . " 2 1 , so wären, schließt der Senat seine Ausführungen der Zweifel ab, die Rechtsverhältnisse der Beamten erloschen. Indem der erste Senat in der abschließenden Bemerkung den Fortbestand des Deutschen Reiches nur als denkbare Alternative erwägt, die er der herrschenden Lehre zuordnet und einige Seiten später mit der „auf völkerrechtlich-politischem Gebiet" 2 2 entwickelten Identitätslehre verknüpft - auf deren Bestreitung der Senat, eingeleitet durch ein beiläufig anmutendes „übrigens", übrigens ausdrücklich hinweist - , distanziert er sich zugleich von der „herrschenden Lehre" und eröffnet die Frage der Staatlichkeit Deutschlands, die er ein halbes Jahr zuvor entschieden hatte, erneut. Dies ist der Grund, dessentwegen der Senat die Zweifel ausführlich erörtert, die „von beachtlichen Stimmen zu einer die Staatsqualität des Reiches verneinden Lehre ausgebaut worden" 23 sind, der er auch zuzuneigen scheint. Die Entscheidung vom 17.12.1953 ist der Versuch, die behauptend begründete - in ihren rechtlichen Konsequenzen, mit denen der Senat nunmehr konfrontiert ist,

19

E 3,58 (87 ff.).

20

Der Senat verweist auf die Zitate bei Maunz, Deutsches Staatsrecht, 2. Aufl. 1952, S. 14 und die Ausführungen S. 16 zu 4. 21

E 3, 58 (89).

22

Vgl. E 3,58 (121).

23

E 3, 58 (88).

Α. Die deutsche Staatlichkeit

19

vielleicht nicht vollständig bedachte - Rechtsprechung zur Rechtslage Deutschlands dahingehend zu ändern, daß Staat allein die Bundesrepublik Deutschland ist 2 4 . Interessanterweise wirft der erste Senat in derselben Entscheidung den Beschwerdeführern vor, mit ihrer Auffassung an der Oberfläche der Dinge haften zu bleiben, die Ereignisse historisch-politisch zu verharmlosen und auch methodisch unzulässig zu verfahren, denn die Einordnung eines staatsrechtlich relevanten Sachverhalts unter einen Rechtsbegriff könne nur auf Grund einer unmittelbaren und umfassenden Anschauung der tatsächlichen Verhältnisse und des politischen Zusammenhangs, in dem sie stehen, richtig vollzogen werden 25 . Die Frage der Staatlichkeit des Deutschen Reichs und der Bundesrepublik Deutschland ist nach der Entscheidung vom 17.12.1953 also wieder offen. Das Bundesverfassungsgericht hat aber die Staatsgewalt als eines der „klassischen" Elemente des Staates bezeichnet - es folgt also erneut der Drei-Elementen-Lehre Jellineks bei der Beurteilung der Staatlichkeit - und die fortdauernde Staatsgewalt des Deutschen Reiches bezweifelt 26 ; es erachtete die vorschnelle Anwendung staatsrechtlicher Begriffe in einer vom Ergebnis her bestimmten Betrachtungsweise für nicht angängig 27 und die staatsrechtlichen Verhältnisse Deutschlands für objektiv unklar 28 . Eingedenk dieser Ausführungen überrascht die Entscheidung vom 26.2.1954: „Die Annahme ... gegenseitiger Rechtsbeziehungen setzt voraus, daß das Deutsche Reich als Partner eines solchen Rechtsverhältnisses über den 8. Mai 1945 hinaus fortbestanden hat, eine Rechtsauffassung, von der das Bundesverfassungsgericht, wie schon in den Urteilen vom 23. Oktober 1952 ... und vom 7. Mai 1953 ..., so auch in den Urteilen vom 17. Dezember 1953 über

24 Zu den Reaktionen auf diesen Versuch vgl. Reinhard Fenner, Recht oder Politik? - Die deutsche Frage vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 61-68. 25

E 3, 58 (85); eine bloße grundsätzliche Auffassung des Grundgesetzes dürfte also keinesfalls genügen, um die Frage der Staatlichkeit Deutschlands zu entscheiden - vgl. aber E 2, 266 (277). 26

Vgl. E 3, 58 (88 f.).

27

E 3, 58 (85).

28

Dies ergibt sich einerseits aus den voranstehenden Ausführungen und wird andererseits vom Bundesverfassungsgericht selber in einer Entscheidung vom 14.1.1954 so formuliert, vgl. E 3, 256 (257).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

20

die Verfassungsbeschwerde der Beamten und der Angestellten gegen das Gesetz G 131 ausgegangen ist" 2 9 . Der Fortbestand des Staates Deutsches Reich ist also - schenkt man der Leugnung der Abtrünnigkeit Glauben - ständige Rechtsprechung. Ob die Bundesrepublik Deutschland in ständiger Rechtsprechung Staat ist und ob dieser identisch mit dem Staat Deutsches Reich wäre, läßt das Gericht offen. Genau auf dieser Linie liegen auch die Entscheidungen der folgenden Jahre: Die Phase, in der die Organe der Länder von der Militärregierung ernannt wurden, sei eine Phase der wiedererstehenden deutschen Staatlichkeit im Rahmen des fortbestehenden Deutschen Reiches 30 ; auf dem Boden des deutschen Reiches seien verschiedene, voneinander unabhängige staatliche oder staatsähnliche Gebilde entstanden31; zwei in vielen Punkten verschiedene Rechtsordnungen seien in dem geteilten Deutschland vorhanden 32 . In der die Kommunistische Partei Deutschlands als verfassungswidrig auflösenden Entscheidung wird der Fortbestand des Staats- und Völkerrechtssubjekts Deutsches Reich nach dem Zusammenbruch vom Jahre 1945 als rechtlicher Gesichtspunkt angeführt, dem das Grundgesetz Rechnung trage, indem es die von ihm für eine Übergangszeit aufgerichtete neue Ordnung des staatlichen Lebens als eine Ausübung gesamtdeutscher Staatsgewalt auf einem räumlich zunächst beschränkten Gebiet betrachte, nicht als neuen westdeutschen Staat, sondern als Teil eines einheitlichen deutschen Staates33. Während also das Gericht den Staat Deutsches Reich rechtlich als Wirklichkeit begreift, bleibt die Bundesrepublik Deutschland für ihn Gegenstand des nicht endgültigen Grundgesetzes, ihre Wirklichkeit ein staatsrechtlich ungeklärter Übergang bis zur Entscheidung des deutschen Volkes über seine Zukunft.

2. Die Bundesrepublik - ein Staat deutscher Identität Erst die Kirche brachte Licht ins Dunkel des Seins der Bundesrepublik Deutschland. A m 26.3.1957 hatte der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts darüber zu richten, ob die Bundesrepublik Deutschland an das im Jahre

29

E 3, 288 (319 f.).

30

E 4, 250 (252,275,277).

31

E 4, 299 (305).

32

E 5, 17(21).

33

E 5, 85 (126 f.).

Α. Die deutsche Staatlichkeit

21

1933 zwischen der Katholischen Kirche und dem Deutschen Reich geschlossene Konkordat gebunden sei, und bejahte dies mit einem einleuchtenden Gedankengang: „Das Deutsche Reich ... bestand auch nach 1945 fort; wenn auch die durch das Grundgesetz geschaffene Organisation vorläufig in ihrer Geltung auf einen Teil des Reichsgebiets beschränkt ist, so ist doch die Bundesrepublik Deutschland identisch mit dem Deutschen Reich . . . . Daraus ergibt sich, daß die Bundesrepublik an die vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge gebunden ist" 3 4 . Aus diesem Gedankengang ergibt sich aber auch, daß die Bundesrepublik Deutschland - da identisch mit dem Staat Deutsches Reich Staat ist. Den Gedanken der Identität der Staaten Bundesrepublik Deutschland und Deutsches Reich führt der zweite Senat 15 Jahre später in der Entscheidung über den Grundlagenvertrag näher aus: „ M i t der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert.... Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht Rechtsnachfolger' des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat,Deutsches Reich 4 , - in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ,teilidentisch', so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. Die Bundesrepublik umfaßt also, was ihr Staatsvolk und ihr Staatsgebiet anlangt, nicht das ganze Deutschland, unbeschadet dessen, daß sie ein einheitliches Staatsvolk des Völkerrechtssubjekts ,Deutschland4 (Deutsches Reich), zu dem die eigene Bevölkerung als untrennbarer Teil gehört, und ein einheitliches Staatsgebiet Deutschland4 (Deutsches Reich), zu dem ihr eigenes Staatsgebiet als ebenfalls nicht abtrennbarer Teil gehört, anerkennt. Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes4, fühlt sich aber auch verantwortlich für das ganze Deutschland 4435 . Die Bundesrepublik Deutschland ist folglich nicht - wie noch die Entscheidung über die Bindungskraft des Reichskonkordats aus dem Jahre 1957 zu vermuten Anlaß gab - Staat auf Grund der Identität, sondern als Staat identisch mit dem Staate Deutsches Reich, dessen Fortbestand nunmehr nicht mit einer bloßen Berufung auf eine grundsätzliche Auffassung des Grundgesetzes begründet wird, sondern mit einer auf die Präambel, auf Art. 12, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 Grundgesetz sowie die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 36.

34

E 6, 309 (338); vgl. auch S. 363 f., 366 derselben Entscheidung.

35

E 36,1(16).

36

E 36,1 (16).

22

1. Teil: Der Staat unter Staaten

Staat ist die Bundesrepublik demnach auf Grund ihres Staatsvolkes, ihres Staatsgebietes und ihrer Hoheitsgewalt - das Bundesverfassungsgericht folgt also endgültig der Lehre Jellineks bei der Begründung der Staatlichkeit 37 . Das Staatsvolk und das Staatsgebiet der Bundesrepublik seien untrennbare Teile des einheitlichen Staatsvolkes und Staatsgebietes des Deutschen Reichs - da Identität im Unterschied zur Gleichheit die vollständige Übereinstimmung in allen Merkmalen fordert, muß die Identität der Staaten denknotwendig die Identität der Staatsgewalten meinen; nur von daher ist auch die ausdrückliche territoriale Selbstbeschränkung 38 der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes zu erklären, deretwegen, insbesondere mangels institutionalisierter Organe des ganzen Deutschlands, das Gericht auch den Gesamtstaat Deutsches Reich selbst als nicht handlungsfähig beschreibt 39, obwohl handlungsfähig durch die Staatsorgane der identischen Bundesrepublik Deutschland. Volk und Gebiet sind also neben der Gewalt zwar Bedingung des staatlichen Seins, aber erst die - von den Naturprodukten Blut und Boden 40 ausgehende Bewertung der Gewalt entscheidet über die Identität des staatlichen Seins, also über die Kontinuität und Gleichheit des Staates in sich und in der Zeit. Staat offenbart als Synonym für Gewalt, eine bestimmte Art von „Gewalt über Land und Leute". Diese beiden Aspekte der staatlichen Gewalt bezeichnet das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen der achtziger Jahre 41 als Gebiets- und Personalhoheit. Staat - einerseits Gebietskörperschaft, andererseits Personenverband. Das Bundesverfassungsgericht beurteilt Staatlichkeit auf Grund des Grundgesetzes und auf Grund der Drei-Elementen-Lehre, Staat als normierter Wille

37

Vgl. aus neuerer Zeit E 77,137 (150).

38

Zur territorialen „Teilidentität" - vielleicht der einzige Rechtsbegriff, der ein Oxymoron ist, - vgl. neben E 36, 1 (16) auch E 5, 85 (127); 15, 126 (145); 46, 299 (308); 77,137 (155); 84,90 (122). 39 Vgl. E 36, 1 (16) - eine Auseinandersetzung mit der der Entscheidung zum Vertrag vom 21.12.1972 über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik an dieser Stelle innewohnenden Widersprüchlichkeit (vgl. nur Rudolf Bernhardt, Die deutsche Teilung und der Status Gesamtdeutschlands, in: HdbStR I, § 8 Rn. 32 f.) hat hier, um Thema und Rahmen der Arbeit wahren zu können, zugunsten der getroffenen, im staatsrechtlichen Kontext einzig sinngebenden Auslegung zu unterbleiben. 40 41

Siehe unter „Das Staatsvolk", S. 40 ff.

E 68, 1 (90); 72, 330 (392); 75, 223 (242) - in früheren Entscheidungen benutzte das Gericht diese staatsrechtlichen Begriffe nicht.

Α. Die deutsche Staatlichkeit

23

der Verfassungsgeber 42 auf der einen und als Subjekt des Völkerrechts auf der anderen Seite. Die Entscheidung vom 7.5.1953 43 ist geprägt vom Willen des Grundgesetzes, Deutschland möge Staat im Sinne des Völkerrechts sein; die Entscheidung vom 17.8.56 44 begreift den Staat Deutsches Reich als wirkliches Rechtssubjekt und die Bundesrepublik Deutschland als Willen des nicht endgültigen Grundgesetzes, der vorläufigen Verfassung; die Entscheidung vom 26.3.57 45 erklärt die Bundesrepublik zu einem mit dem Deutschen Reiche identischen Staat des Rechts; die Entscheidung vom 31.7.73 46 wiederum gründet den Staat Deutsches Reich auf den Willen des Grundgesetzes und die Bundesrepublik auf das Völkerrecht - eine bunte Palette. In der Entscheidung vom 21.10.1987 differenziert das Gericht zwischen dem Willen des Grundgesetzes und dem völkerrechtlichen Sein des deutschen Staates - scheinbar. Um das aus dem Wiedervereinigungsgebot abgeleitete Wahrungsgebot staatsrechtlich zu substanziieren, erläutert das Gericht zunächst die politische Grundentscheidung des Parlamentarischen Rates, nicht einen neuen westdeutschen Staat zu errichten, sondern das Grundgesetz als Reorganisation eines Teilbereiches des deutschen Staates - seiner Staatsgewalt, seines Staatsgebietes, seines Staatsvolkes - zu begreifen, ein Verständnis der politischen und geschichtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, das dem Grundgesetz zugrunde liege 47 . Die Bundesrepublik Deutschland ist also einerseits auf Grund des Grundgesetzes mit dem Deutschen Reich identischer Staat. Um auszuschließen, daß eine Verpflichtung aus Völkerrecht einer bestimmten Erwerbsart der deutschen Staatsangehörigkeit entgegensteht, erläutert das Gericht nunmehr die völkerrechtliche Lage Deutschlands, nämlich daß der deutsche Staat weder mit der Kapitulation seiner Streitkräfte, der Auflösung der letzten Reichsregierung im Mai 1945 noch durch die Inanspruchnahme der obersten Gewalt in bezug auf Deutschland durch die vier Hauptsiegermächte am 5. Juni 1945 völkerrechtlich erloschen sei, daß das Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik vom 23. Mai 1949 und der Verfassung der 42

Zum Verhältnis von Verfassung und Staat siehe unter „Die Verfassung ursprünglicher Gewalt", S. 53 ff. und unter „Recht - des Staates", S. 106 ff. 43

E 2,266 (277).

44

E 5, 85 (126 f.).

45

E 6, 309 (338).

46

E 36,1 (16).

47

E 77,137(150).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

24

Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 keinen völkerrechtlichen Tatbestand des Staatsuntergangs erfüllt und daß, auch wenn es sich bei der rechtlichen Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik um eine völkerrechtliche Sezession aus dem deutschen Staatsverband gehandelt habe, dies den Fortbestand des deutschen Staates nicht beenden könnte 48 . Der deutsche Staat ist also andererseits nicht auf Grund des Völkerrechts untergegangen. Die Subjektsidentität zwischen dem Deutschen Reich und der Bundesrepublik Deutschland aber begründet das Gericht damit, daß die Bundesrepublik sich von Beginn an als identisch mit dem 1871 gegründeten Völkerrechtssubjekt Deutschland betrachtet hätte und daß dies in den gebietsbezogenen Begrenzungen auf der völkerrechtlichen Ebene von zahlreichen Staaten anerkannt worden sei 49 ; die Identität - und somit den Fortbestand des Deutschen Reiches - gründet das Bundesverfassungsgericht demnach auch bei völkerrechtlicher Betrachtung nicht auf Völkerrecht, sondern auf einen - im Grundgesetz normierten und durch die Staatsorgane kontinuierlich gelebten - Willen, den die anderen Staaten lediglich völkerrechtlich anerkennen können, aber nicht müssen 50 . Die Identität eines Staates beruht folglich auch auf dem positiven Willen der Gewalt selbst, somit auf den Willen der Personen, die diese Gewaltorganisation geschaffen haben und erhalten. Wille der Regierung Badens unter Staatspräsident Wohleb in den Jahren nach 1947 war die Wiederherstellung Badens in seinen ursprünglichen Grenzen - ein durch die Verfassung normierter Wille, hatte doch das Badische Volk am 18. Mai 1947 eine Landesverfassung angenommen, in deren Präambel es sich als Treuhänder der alten badischen Überlieferung bezeichnete, beseelt von dem Willen, seinen Staat neu zu gestalten51. Dennoch verneinte das Bundesverfassungsgericht am 23.10.1951 die Existenz eines in seinen ursprünglichen Grenzen fortbestehenden Staates Baden 52 und entschied somit gegen eine Identität des fortbestehenden mit dem verfaßten Staat Baden, denn Baden habe zwar in seinem ursprünglichen Bestand den 8. Mai 1945 überdauert, existierte

48

E 77, 137(153-161).

49

E 77,137 (155 f.).

50

Vgl. E 36, 1 (22); 92, 277 (320); vgl. auch die Frage der Saar-Anerkennung: E 4, 157 (170-175); 4, 299 (306); 6, 300 (301). 51 Vgl. Verfassung des Landes Baden, in: Regierungsblatt der Landesregierung Baden, Nr. 21 vom 28. Mai 1947, S. 129 ff. 52

E 1,14 (16,50 f.).

Α. Die deutsche Staatlichkeit

25

also zunächst, obwohl es wie alle anderen deutschen Länder durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 seiner Hoheitsrechte entkleidet worden war 5 3 , über die Kapitulation des Deutschen Reiches hinaus fort. Mit der Annahme der Landesverfassungen seien aber spätestens die derzeit bestehenden Länder Baden, Württemberg-Baden und WürttembergHohenzollern gebildet worden, von denen und deren staatsrechtlicher Existenz das Grundgesetz der Bundesrepublik ausgehe, deren Existenz aber die Annahme, daß daneben noch die alten Länder Baden und Württemberg rechtlich fortbestünden, unvereinbar sei 54 . Selbst wenn im Falle der Neugliederung des Bundesgebietes wegen der Natur der Sache im Interesse der umfassenderen Einheit die Länder Einschränkungen zu erleiden haben 55 , kann dies nicht erklären, warum das Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik und der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit dem Fortbestand des Deutschen Reiches vereinbar ist, das Inkrafttreten der Landesverfassungen Badens, Württemberg-Badens und Württemberg-Hohenzollerns mit dem Fortbestand Badens aber nicht. Bei Gliedstaaten eines Bundestaates56 beruht die staatliche Identität folglich nicht auf dem positiven Willen der Gewalt allein, sondern auch auf dem Willen der umfassenderen, übergeordneten Gewalt. Wille des Deutschen Reichs im Jahre 1938 war die völlige Einverleibung des Staates Österreichs, normiert im Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 13. März 1938 57 . Die Wiedererrichtung eines selbständigen Staates Österreich durch die eine provisorische Regierung einsetzende und den Anschluß als Annexion kennzeichnende Proklamation der antifaschistischen Parteien vom 27. April 1945 bewertet das Bundesverfassungsgericht als Akt der Wiederherstellung des status quo ante 58 , der Staat Österreich erlosch also durch Annektierung.

53

E 4, 250 (251).

54

E 1,14(51).

55

Denkbares Argument aus dem rechtlichen Kontext der Entscheidung, vgl. E 1, 14

(50). 56

Zum Bundesstaat und der Frage, ob seine Glieder Staaten sind, siehe unter „Der Bundesstaat in der Rechtsprechung- ein Staat der Staaten", S. 117 ff., und unter „Der Bundesstaat des Rechts des Staates", S. 121 ff. 57 58

Vgl. RGBl. 1938 I,S.237.

E 4, 322 (325, 327 ff.); zur Regierungserklärung vom 12. April 1946 vgl. Michael Stolleis, Besatzungsherrschaft und Wiederaufbau deutscher Staatlichkeit 1945-1949, in: HdbStR I, § 5 Rn. 42.

1. Teil: Der Staat unter Staaten

26

Wille der vier Siegermächte nach der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 war hingegen die Übernahme der obersten Gewalt in Deutschland, ohne die Annektierung Deutschlands zu bewirken 59 . Der Staat Deutsches Reich erlosch nicht - daß aber das Bundesverfassungsgericht allein den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland genügen ließ, um die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands und somit die Erfüllung des Wiedervereinigungsgebotes zu bejahen 60 , obwohl das Deutsche Reich in den Grenzen vom 31.12.1937 auch Gebiete östlich von Oder und Neiße umfaßte 61 , läßt sich damit erklären, daß diese Gebiete zwar noch nicht bei Kriegsende annektiert 62 , aber bald danach von der Sowjetunion und Polen derart vollständig in ihren Herrschaftsbereich einbezogen wurden, daß sie aufhörten, Gebiete des fortbestehenden Staates Deutsches Reich zu sein 63 . Nach dem Ende einer Gewaltübernahme beruht die staatliche Identität folglich nicht auf dem positiven Willen der Gewalt allein, sondern auch auf dem historischen Willen der übernehmenden, übergeordneten Gewalt.

3. Kritik der Rechtsprechung zur Bundesrepublik Natürlich hätte die Erörterung zweier Entscheidungen64 gereicht, um die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtslage Deutschlands herauszuarbeiten, aber dann wäre die Entwicklung der Rechtsprechung im Verborgenen geblieben. Erst im Februar richts ausdrücklich nend, zwei Monate erwogen zu haben,

1954 entschied der erste Senat des Bundesverfassungsgefür den Fortbestand des Staates Deutsches Reich - leugzuvor den Staatsuntergang als vorzugswürdige Alternative vermutlich aber gerade wegen dieser Erwägung. Hatte der

59

Vgl. Berliner Erklärung, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 7 ff. 60

E 82,316 (320 f.); 82, 322 (322, 340); 84, 90 (114,118 f., 125).

61

Vgl. E 4, 157 (171); 6, 300 (301); 36, 1 (26); 40, 141 (157); 53, 164 (164, 176, 183) - diese Entscheidungen erstrecken das Wiedervereinigungsgebot zwar nicht ausdrücklich auf das Deutsche Reich in den Grenzen vom 31.12.1937, vielmehr läßt das Bundesverfassungsgericht in E 36,1 (23) die Frage der Grenze des umfassenden Staates Gesamtdeutschland ausdrücklich offen, die Grenzen vom 31.12.1937 sind aber denknotwendig der räumlich gedankliche Ausgangspunkt jedweder Wiedervereinigung; vgl. auch Eckart Klein, Bundesverfassungsgericht und Ostverträge, S. 46 ff. 62

E 40,141 (157).

63

Vgl. E 40,141 (158 f.).

64

E 36, I f f . und E 77,137 ff.

Α. Die deutsche Staatlichkeit

27

Senat doch frühere Anlässe, den Fortbestand des Deutschen Reiches explizit zu erklären, stets bloß genutzt, um sich langsam vorzutasten, ohne eindeutig und endgültig Stellung zu beziehen 65 . Erst im März 1957 entschied der zweite Senat ausdrücklich für den Bestand des mit dem Deutschen Reich identischen Staates Bundesrepublik Deutschland - obwohl die Frage der Bindungskraft des Reichskonkordats, in deren Rahmen die Aussagen zur Rechtslage Deutschlands fallen, zu diesen zwar keinen Grund bot, war doch der Antrag der Bundesregierung auch bei einem Verstoß gegen Schulbestimmungen des Reichskonkordats unbegründet 66, aber eben einen guten Anlaß. Stigma aller bis dahin erfolgten, frühen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtslage Deutschlands ist der Mangel jedweder rechtlichen Begründung; die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, der Fortbestand des Staates Deutsches Reich und die Identität dieser beiden Staaten werden nicht geprüft, sondern schlicht und einfach behauptet. Zwar bemüht der erste Senat die drei „klassischen" Staatselemente gleich in zwei frühen Entscheidungen, aber in der ersten behauptet er lediglich eine grundsätzliche Auffassung des Grundgesetzes von den drei gesamtdeutschen Staatselementen, während er in der zweiten gerade das Element der gesamtsdeutschen Staatsgewalt bezweifelt. Das Bundesverfassungsgericht erhebt folgende Methode zum Maß staatsrechtlicher Erörterung: „Die Einordnung eines staatsrechtlich relevanten Sachverhalts unter einen Rechtsbegriff kann nur auf Grund einer unmittelbaren und umfassenden Anschauung der tatsächlichen Verhältnisse und des politischen Zusammenhangs, in dem sie stehen, richtig vollzogen werden. Es ist nicht angängig, in einer vom Ergebnis her bestimmten Betrachtungsweise vorschnell einen staatsrechtlichen Begriff anzuwenden , . . " 6 7 , erst recht nicht, wenn die Staatlichkeit selber in Frage steht. Das Bundesverfassungsgericht klärt jedoch nicht das rechtliche Sein der Bundesrepublik, also der Organisation, deren Organ es selber ist, und dann deren Verhältnis zum Deutschen Reich, es betrachtet Deutschland vielmehr vermittels des völkerrechtlichen Staatsbegriffs von außen, in seinem geschichtlichen Kontext, ein besetzter Staat unter alliiert siegenden Staaten68. Ausgehend von dieser durch das Grundgesetz gestützten, grundsätzlichen Auffassung

65 Anlaß zur Klärung der Rechtslage Deutschlands boten zum Beispiel E 1, 332 ff.; 2,1 ff.; 2,266 ff.; erst recht aber E 3,58 ff. und E 3,162 ff. 66

Vgl. E 6, 309 (366 f.).

67

E 3,58 (85).

68

Zum Aspekt der „Trennung von einer positivistischen Rechtsbetrachtung" vgl. Peter Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft in der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 8.

28

1. Teil: Der Staat unter Staaten

von Deutschland, erklärt das Gericht zunächst die Staatlichkeit des Deutschen Reichs, später dessen Identität mit der Bundesrepublik Deutschland und damit indirekt deren Staatlichkeit; es überträgt somit das deutschlandpolitische Konzept der maßgebenden politischen Kräfte der Nachkriegszeit ins Recht 69 , übernimmt sogar deren Begriffe 70 . Ob der „von Rohdich'sche Legatenfonds" eine Stiftung des öffentlichen Rechts ist und somit Aufnahme in die Anlage A zu § 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen hätte finden müssen, klärt das Bundesverfassungsgericht auf dreizehn Seiten 71 . Ob das Wilhelm-Anton-Hospital in Goch im Sinne des Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung zur katholischen Kirche gehört und somit seine Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnen und verwalten darf, klärt das Gericht auf elf Seiten 72 . Gäbe es tatsächlich vom Staate keinen endgültigen Begriff 73 , so wäre gerade dies Grund, sein Sein und seine Identität nicht auf einer Seite in einem Satz zu entscheiden, sondern diese entscheidende Wertung offen und nachvollziehbar vorzunehmen. Denn Wertung wird erst begreifbar, wenn Argument und Gegenargument einander gegenüberstehen, wenn das ihnen in der Auseinandersetzung jeweils zugesprochene Gewicht offenbar wird. Das Bundesverfassungsgericht wertet schweigend, nur die Entscheidung, das Ergebnis der Wertung, nicht die Wertung selber wird veröffentlicht. Derartige Rechtsprechung vermag Andersdenkende nicht zu überzeugen, insbesondere dann nicht allgemein zu befrieden, wenn die Verfassungsmäßigkeit staatspolitischer Konzepte in Frage steht. „Ein Verfahren aber ist wichtig, denn es stellt erst sicher, daß ganz offen und ehrlich über etwas gesprochen werden kann" 7 4 .

69 Zu diesem politischen Aspekt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. Reinhard Fenner, Recht oder Politik? - Die deutsche Frage vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 213 ff. 70 Vgl. zum Beispiel die Übernahme der Begriffe „Bundesrepublik" und „sowjetische Besatzungszone" an Stelle von „Bundesrepublik Deutschland" und „Deutsche Demokratische Republik", S. 13 f., 29 ff. 71

E 15, 46 (63-75).

72

E 46,73 (84-94).

73

So die apodiktische Aussage Adam H. Müllers, Elemente der Staatskunst l.Hbbd., S. 20; zu dieser Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: HdbStR I, § 13 Rn. 26 f. 7 4

Peter Hoeg, Der Plan von der Abschaffung des Dunkels, S. 93.

Α. Die deutsche Staatlichkeit

29

Ein Verfahren stellt aber eben nur sicher, daß ganz offen und ehrlich über etwas gesprochen werden kann, nicht, daß auch ganz offen und ehrlich über etwas gesprochen wird 7 5 . Im Juli 1973 führt der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts seine Beurteilung der Rechtslage Deutschlands, die sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 Grundgesetz ergebe und somit nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre sei, erstmals ausführlich aus 76 . Die wegweisenden Entscheidungen der fünfziger Jahre lagen lange zurück, die Zeit hatte ihren Inhalt für das Gericht zur grundgesetzgebenden rechtlichen Gewißheit verdichtet, zur rechtlichen Selbstverständlichkeit. Neun Seiten widmet derselbe Senat der Begründung der Rechtslage Deutschlands im Oktober 1987 77 , Zeichen für ein über die Jahrzehnte gewonnenes staatsrechtliches Selbstbewußtsein, das durch die Wiedervereinigung Deutschlands, deren Gebot das Bundesverfassungsgericht über Jahre hinweg ehern verteidigte, an Stärke eher noch gewonnen haben dürfte. Auf Grund dieses erstarkten Selbstbewußtseins steht für zukünftige europarechtliche Entscheidungen zu vermuten, daß das Bundesverfassungsgericht die Beachtung der von ihm gegenüber der Entwicklung der Europäischen Union aus nationalstaatlicher Sicht gezogenen Grenzen 78 genau überprüfen und ihr Überschreiten verurteilen wird, es sei denn, ein „überwältigender" gesellschaftspolitischer Konsens geböte anderes.

I I . Die Deutsche Demokratische Republik „Die sowjetische Besatzungszone gehört zu Deutschland und kann im Verhältnis zur Bundesrepublik grundsätzlich nicht als Ausland angesehen werden" 7 9 . Es gab also aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts 1952 eine

75

Zu Funktion und Leistungsgrenze der Verfassung vgl. Dieter Grimm, Verfassungsfunktion und Grundgesetzreform, AöR 97 (1972), S. 489, 494 ff., 501 ff. 76 E 36, 1 (15 ff.) - daß seine Rechtsprechung zur Rechtslage Deutschlands eben nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre sei, sondern eine des Grundgesetzes, ruft das Bundesverfassungsgericht sogar aus. 77

E 77,137(153-161).

78

Zu diesen Grenzen siehe unter „Der Staatenverbund Europäische Union", S. 140.

79

E 1,332 (341).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

30

sowjetische Besatzungszone, aber keinen Staat Deutsche Demokratische Republik 8 0 . In den folgenden Jahren stellt das Bundesverfassungsgericht einen unvereinbaren „Gegensatz zwischen der freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland und dem in der Sowjetzone herrschenden politischen System" 81 fest, bezeichnet letzteres lakonisch als „sowjetzonales Machtsystem" 82 , für dessen „Urteile, die die Verletzung der sowjetzonalen Gesetze zum Schutz der in der Zone faktisch ausgeübten Macht oder des in der Zone bestehenden Wirtschaftssystems bestrafen" 83, Rechtshilfe nicht zulässig sei. In dieser Zone versuche die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands „die bolschewistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ... zu begründen und zu festigen" 84 . „Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) besteht eine Herrschaftsgrenze, aber keine Zollgrenze" 85 . Die SBZ sei ein nicht handlungsfähiger Teil Deutschlands und somit nicht fremd, also kein Ausland 86 ; daher müsse eine rechtliche Kollision in dem geteilten Deutschland, für deren Lösung es an einer positiv-rechtlichen Regelungen fehle, analog den Grundsätzen des internationalen Privatrechts gelöst werden 87 , sei der Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sowjetischen Besatzungszone weder Außenhandel, also kein Handel mit Angehörigen fremder Staaten, noch reiner Binnenhandel 88 . Wenn aber ein derartiges Machtsystem nicht Staat ist, welcher rechtliche Begriff gebührt ihm? Bei der zweiten Lesung des Grundgesetzes „wurde der Antrag auf Streichung der Worte ,ans Ausland4 abgelehnt und der in Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG

80 Vgl. die Ausführungen zu E 1, 332 ff. unter „Die deutsche Staatlichkeit", S. 13 und unter „Die Bundesrepublik Deutschland", S. 13 f. 81

E l l , 150(160).

82

E 11,150 (161); vgl. auch E 12, 99 (109).

83

E 11,150 (150,160).

84

E 12, 99 (109).

85

E 18, 353 (354); vgl. E 19, 17 (28) zur Definition der Zölle als „Abgaben, welche die Staaten bei bestimmten Warenbewegungen über die Staatsgrenzen ... erheben". 86

E 2, 266 (277); 5,17 (21); 11,150 (158); 12, 62 (66).

87

E 5,17(21).

88

E 18, 353 (354).

Α. Die deutsche Staatlichkeit

31

übernommene Wortlaut beschlossen. Das Grundgesetz wollte" 8 9 damit - nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts - „dem Umstände Rechnung tragen, daß durch die Maßnahmen der Besatzungsmächte das Gebiet des Deutschen Reiches aufgesplittert worden war und auf seinem Boden verschiedene, voneinander unabhängige staatliche oder staatsähnliche Gebilde entstanden waren" 9 0 . Die Deutsche Demokratische Republik ist nach der frühen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folglich kein staatliches, sondern ein staatsähnliches Gebilde, gelegen auf einem Teil des Staatsgebietes des fortbestehenden Deutschen Reiches, so daß die Bundesrepublik Deutschland auf Grund ihrer Subjektsidentität mit dem Reiche zur Wiederherstellung einer umfassenden deutschen Staatsgewalt gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik berufen ist 9 1 . In der Entscheidung vom 18.3.1970 bezeichnet das Bundesverfassungsgericht die Deutsche Demokratische Republik erstmals als eben solche 92 ; die Entscheidung zum Grundlagenvertrag vom 31.7.1973 geht diesen neuen Weg der Rechtsprechung geradlinig fort: „Die Deutsche Demokratische Republik ist im Sinne des Völkerrechts ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekt. Diese Feststellung ist unabhängig von einer völkerrechtlichen Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik durch die Bundesrepublik Deutschland. Eine solche Anerkennung hat die Bundesrepublik Deutschland nicht nur nie förmlich ausgesprochen, sondern im Gegenteil wiederholt ausdrücklich abgelehnt" 93 . Das Bundesverfassungsgericht erkennt also die Deutsche Demokratische Republik als Staat im Sinne des Völkerrechts, als Staat unter Staaten, verneint aber die Anerkennung dieses Völkerrechtsubjekts durch die Bundesrepublik Deutschland. Der Abschluß des Grundlagenvertrages, würdige man das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik im Zuge der Entspannungspolitik als faktische Anerkennung, sei nur eine faktische Anerkennung besonderer Art 9 4 .

89

E 4, 299 (305).

90

E 4, 299 (305).

91

E 2, 266 (277).

92

E 28, 104 (106 f., 118); zum bisherigen Sprachgebrauch vgl. nur E 1, 332 (341); 2, 266 (273); 11,150 (150,158 ff.); 12, 62 (66); 12,99 (108 f.); 18, 353 (354 f.). 93

E 36,1 (22).

E 36,1 (2 f.).

32

1. Teil: Der Staat unter Staaten

„Das Besondere dieses Vertrags ist, daß er zwar ein bilateraler Vertrag zwischen zwei Staaten ist, für den die Regeln des Völkerrechts gelten und der die Geltungskraft wie jeder andere völkerrechtliche Vertrag besitzt, aber zwischen zwei Staaten, die Teile eines noch immer existierenden, wenn auch handlungsunfähigen, weil noch nicht reorganisierten umfassenden Staates Gesamtdeutschland mit einem einheitlichen Staatsvolk sind" 9 5 . Indem aber das Gericht den Grundlagenvertrag als völkerrechtlichen Vertrag zwischen zwei Staaten bewertet, würdigt es den Vertrag als faktische Anerkennung der Staatlichkeit der Deutschen Demokratischen Republik. Die besondere Art dieser Anerkennung zeigt sich daran, daß die Bundesrepublik den Rechtstitel, überall im internationalen Verkehr, auch gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik, nach wie vor die staatliche Einheit des deutschen Volkes im Wege seiner freien Selbstbestimmung fordern zu können, nicht verliert 96 ; obwohl beide deutsche Staaten Teile des umfassenden Gesamtstaates Deutschland sind, besteht nämlich nur zwischen der Bundesrepublik und dem Deutschen Reich eine dem Rechtstitel zu Grunde liegende Subjektsidentität, da anderenfalls die Deutsche Demokratische Republik wegen Identität mit dem Reiche auch mit der Bundesrepublik Deutschland identisch wäre. Obgleich das Gericht von einem handlungsunfähigen Gesamtstaat spricht, ist also der Staat Deutsches Reich kein dritter Staat neben den beiden deutschen Staaten, sondern mit der Bundesrepublik identischer Staat, der seiner umfassenden Wiederherstellung harrte. Daß der Fortbestand des Deutschen Reiches nur zu einem Rechtstitel führt, nicht aber zu einem dritten, die beiden deutschen Staaten umfassenden Staate, wird deutlich, wenn der zweite Senat vom noch nicht reorganisierten Gesamtstaat Deutschland oder noch existierenden Staat „Deutschland als Ganzes" spricht 97 und nicht vom zu reorganisierenden oder noch existierenden Staat Deutsches Reich. Denn Deutschland ist zwar als Gesamtstaat wiederherzustellen, die Bundesrepublik und mit ihm das Deutsche Reich sollen aber erst zu diesem Gesamtstaat Deutschland werden, der sie nicht sind und der daher handlungsunfähig ist. Der Gesamtstaat ist folglich kein dritter Staat neben oder über den beiden deutschen Staaten, sondern ein in der Zukunft zu schaffender Staat.

95

E 36,1 (23).

96

Vgl. E 36, 1 (25), wo der Bundesregierung als Exekutive des Staates Bundesrepublik Deutschland dieser Titel zwecks Geltendmachung zuerkannt wird; vgl. zur Ausübung des Selbstbestimmungsrechts ferner E 77,137 (138,151). 97

E 36, 1 (23 f., 26, 28) - das Gericht verwendet stets den Begriff Deutschland, wenn es die Zugehörigkeit der Deutschen Demokratischen Republik zum Gesamtstaat beschreibt, nie den des Deutschen Reiches, vgl. E 1, 332 (341); 5, 17 (21); 11, 150 (158); 12,99 (109); 37, 57 (64); 77,137 (138,151,165); 82,316 (320).

Α. Die deutsche Staatlichkeit

33

„Unrichtig ist also die Auffassung, jedes ,Zwei-Staaten-Modell· sei mit der grundgesetzlichen Ordnung unvereinbar" 98 . Seit der Entscheidung über den Grundlagenvertrag bestimmt diese komplexe Sicht der beiden deutschen Staaten die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 99. Bis zum Inkrafttreten des Grundlagenvertrags am 21. Juni 1973 ruhte die Rechtsprechung allein auf den grundsätzlichen Aussagen des Grundgesetzes, das vom Fortbestand des Deutschen Reiches ausgehend den Staat Bundesrepublik Deutschland organisierte, ohne den Bestand der sowjetischen Besatzungszone oder gar den der Deutschen Demokratischen Republik auch nur zu erwähnen. Mit dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrages vor dem Abschluß des verfassungsgerichtlichen Verfahrens hat die Exekutive das Bundesverfassungsgericht überspielt 100 . Der Grundlagenvertrag ist Grundlage für die neuen Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten geworden, „er ist kein beliebig korrigierbarer Schritt wie viele Schritte in der Politik, sondern er bildet, wie schon sein Name sagt, die Grundlage für eine auf Dauer angelegte neue Politik. ... Er stellt eine historische Weiche, von der aus das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik neu gestaltet werden soll" 1 0 1 . Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Staatlichkeit der Deutschen Demokratischen Republik ist also nunmehr neben dem Grundgesetz auch der Grundlagenvertrag, dessen politische Gestaltungsentscheidungen das Gericht mit seiner anderslautenden, aber auf das Grundgesetz gestützten Rechtsprechung zur deutschen Staatlichkeit in Einklang bringt, indem es den Grundlagenvertrag als seiner Art nach völkerrechtlichen Vertrag begreift, der aber einen Doppelcharakter habe, da er seinem spezifischen Inhalt nach vor allem interne Beziehungen regele, ihn also als eine „faktische Anerkennung besonderer Art" bewertet 102 , zugleich aber darauf hinweist, daß jeder weitere rechtliche Schritt zur Konkretisierung des neuen Neben- und Miteinan-

98

E 36, 1 (24) - auch der Versuch, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtslage Deutschlands nachzuvollziehen, kann zu einer Verwirrung auf hohem Niveau führen. 99 Vgl. E 37, 57 (64); 77, 137 (138, 151); 82, 316 (320) bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik und E 84,90 (91,113) danach. 100

E 36, 1 (15) - das Bundesverfassungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, daß die verantwortlichen Verfassungsorgane für die sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen einzustehen haben. 101

E 36,1 (20 f.).

102

E 36,1 (23 f.).

3 Aishut

1. Teil: Der Staat unter Staaten

34

der der beiden deutschen Staaten nicht nur vertragsgemäß, sondern auch grundgesetzmäßig sein müsse 103 . Das Bundesverfassungsgericht integriert also im Wege der verfassungskonformen Auslegung des Grundlagenvertrages 104 die Gestaltungsentscheidung der von SPD und FDP 1969 gebildeten Regierungskoalition in seine Rechtsprechung zur Rechtslage Deutschlands, zeigt aber der politischen Macht gleichzeitig ihre verfassungsrechtlichen Grenzen auf, deren Durchsetzung - darauf verweist das Gericht ausdrücklich - letztverbindlich ihm obliege 105 . Bemerkenswert ist eine den Ausführungen des Gerichts versteckt innewohnende Inkonsequenz: Obgleich nach seiner Rechtsprechung die Deutsche Demokratische Republik für die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich gerade kein Ausland ist, weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, daß das Grundgesetz jeder politischen Macht „auch im Bereich der auswärtigen Politik" 1 0 6 rechtliche Schranken setze. Die rechtlichen Voraussetzungen dieser neuen Rechtsprechung müssen zeitlich jedoch bereits vor dem Abschluß des Grundlagenvertrages erfüllt gewesen sein, da das Bundesverfassungsgericht die Feststellung, die Deutsche Demokratische Republik sei Staat im Sinne des Völkerrechts, als unabhängig von einer förmlich ausgesprochenen völkerrechtlichen Anerkennung durch die Bundesrepublik Deutschland und von einer faktischen Anerkennung im Zuge der Entspannungspolitik bezeichnet 107 . Bereits die „sowjetische Besatzungszone" muß also alle Voraussetzungen der Staatlichkeit in sich vereinigt haben. Daß ihr das Bundesverfassungsgericht dennoch die Staatlichkeit abgesprochen hat, offenbart eine verborgene politische Weitung, von der sich das Gericht zumindest bei der Entscheidung über diese Staatlichkeit leiten ließ. Wie aber beschreibt das Bundesverfassungsgericht den Staat „Sowjetische Besatzungszone" vor der völkerrechtlichen Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik durch die Bundesrepublik Deutschland? Anders gefragt: Was ist die Substanz des Staates, wenn sein Begriff zurücktritt?

103

E 36,1 (21).

104

Ob die verfassungskonforme Auslegung eines bereits inkraftgetretenen völkerrechtlichen Vertrages sinnvoll ist, soll in dieser Arbeit nicht Thema sein. 105

E 36,1 (14 f., 21).

106

E 36, 1 (14).

107

E 36,1 (22).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

35

Vor dem Abschluß des Grundlagenvertrages begreift das Bundesverfassungsgericht die Deutsche Demokratische Republik als politisches System, als Machtsystem, das auf einer bestimmten politischen, sozialen und weltanschaulichen Grundlage beruht, als Verbindung aus einer politischen Macht, welche in der Deutschen Demokratischen Republik von der diese mit Hilfe der Sowjetunion beherrschenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands unter anderem über Gesetzgebung und Rechtsprechung faktisch ausgeübt wird, und aus einem Wirtschaftssystem, das auf dem von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beherrschten Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik mit der DM-Ost als Währung besteht 108 . Voraussetzung für einen Staat ist folglich die auf einer bestimmten geistigen Grundlage beruhende und ein bewohntes 109 Gebiet faktisch beherrschende Macht, die den Menschen einen rechtlichen Rahmen für ihr Sein und Handeln vorgibt.

B. Das Völkerrechtssubjekt Staat Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Staatlichkeit zeigt, daß das Gericht Staatlichkeit im Sinne des Völkerrechts bejaht, wenn die drei „klassischen" Elemente Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt vorliegen 110 .

I. Das Staatsgebiet Der Begriff des Staatsgebietes wird zwar vom Bundesverfassungsgericht wiederholt zusammen mit den beiden anderen Staatselementen zur Begründung der Staatlichkeit angeführt 111 . Ansonsten ist er aber in den Entscheidungen des Gerichts eher selten anzutreffen. In der Entscheidung zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Auswirkungen des Flughafens Salzburg formuliert der erste Senat, daß „Eigentümer der auf deutschem Staatsgebiet gelegenen überflogenen Grundstücke Unterschreitungen der Sicherheitsmindest-

108

Vgl. E 11,150 (150,158 ff.); 12, 62 (66); 12, 99 (109); 18, 353 (353 ff.).

109

E 2, 266 (273).

110

Vgl. die Bejahung der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und des Deutschen Reiches, S. 16 f., 19,22,27. 111

Vgl. E 2, 266 (277); 36,1 (16); 77,137 (150).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

36

höhe beim Starten und Landen gegenüber den Fluggesellschaften ... zu dulden haben" 112 . Grundstücke können demnach auf einem Staatsgebiet liegen, die Erdoberfläche ist potentielles Staatsgebiet. Ferner seien die „Unterschreitungen der Sicherheitsmindesthöhe beim Starten und Landen als Teilhabe am Gemeingebrauch am deutschen Luftraum zu behandeln" 113 , das Staatsgebiet ist also nicht bloß eine Fläche, sondern ein dreidimensionaler Raum. Ein Staatshoheitsakt, der Geltung für den Gesamtbereich der staatlichen Einheit beansprucht, gilt „im ganzen von der Staatsgewalt ... beherrschten Raum in seiner jeweiligen Ausdehnung" 114 , der Gesamtbereich eines Staates, also das Gebiet eines Staates ist folglich ein Raum, der durch die Herrschaft der Staatsgewalt gekennzeichnet ist, der von der staatlichen Rechtsordnung mit alleinigem Gültigkeitsanspruch beherrscht w i r d 1 1 5 und zugleich fremdes Staatsgebiet für andere, ausländische Staaten darstellt 116 . Daß das Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Staat Bundesrepublik Deutschland kein fremdes Staatsgebiet war 1 1 7 , obwohl sich die Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland nicht nur tatsächlich, sondern auch staatsrechtlich und grundlagenvertraglich auf ihr damaliges Gebiet beschränkte, liegt darin begründet, daß die in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübte Staatsgewalt vom Bundesverfassungsgericht zwar dem Wortlaut des Grundlagenvertrages entsprechend als unabhängige und selbständige Gewalt bezeichnet, zugleich aber als nicht vom gemeinsamen Fundament des noch existierenden Staates „Deutschland als Ganzes" abgelöste fremdstaatliche, sondern als deutsche Gewalt bewertet wurde 1 1 8 . Die gegenseitige Abhängigkeit der Elemente Staatsgebiet und Staatsgewalt kommt besonders in den jeweils ein Element betonenden Begriffen des Ho-

112

E 72,66 (75).

113

E 72,66 (75).

114

E 6, 300 (306).

115

E 92, 26(26, 41).

116

E 63,343 (361, 373); 10,136 (139).

117

Ob die Bezeichnung eines fremden Staatsgebietes als Inland gegen das Völkerrecht verstößt, dürfte ebenso zu beurteilen sein, wie die Bezeichnung der Angehörigen eines fremden Staates als Inländer; zu letzterem vgl. E 77,137 (153 ff.). 118

Zum Grundlagenvertrag vgl. E 36, 1 (26 f.); 84, 90 (122); 92, 277 (331); zu dem Aspekt des nicht-fremden Verhältnisses der beiden deutschen Staaten vgl. E 11, 150 (158); 12, 62 (66); 36, 1 (13, 17); 71, 66 (79); 77, 137 (138, 151); 82, 316 (320); 84, 90 (113).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

37

heitsgebietes und der Gebietshoheit zum Ausdruck; das Bundesverfassungsgericht verwendet den ersten als Synonym für das Staatsgebiet, den zweiten allein oder in Verbindung mit dem Begriff Personalhoheit für die Hoheitsgewalt des Staates 119 . Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist also eines der Elemente des Staates sein Staats- oder Hoheitsgebiet. Da aber ein Gebiet nur Staatsgebiet ist, wenn es von der Gewalt eines Staates beherrscht wird, rechtliche Voraussetzung des Staates jedoch nicht sein kann, was diesen wiederum selber voraussetzt, ist es zwar nicht falsch, das Staatsgebiet ein konstitutives Staatselement zu nennen, rechtliche Voraussetzung des Staates ist aber nur ein Gebiet im Sinne eines Raumes. „Das Bestehen von Stadtstaaten gehört zum historischen Bestand der deutschen Staatsentwicklung, insbesondere auch seit der Entstehung des deutschen Bundeststaates im 19. Jahrhundert" 120 . Das Bundesverfassungsgericht läßt also das Gebiet einer Großstadt genügen, um darauf einen Staat zu gründen, der zwar nach allen Seiten von seinem Umland durch Staatsgrenzen getrennt ist, aber vielleicht gerade deswegen für ihn umgebende Gebiete zu einem Industrie-, Handels- und Dienstleistungszentrum oder einem Kapitalmagneten werden kann 1 2 1 . Das Bestehen der strukturell gegenüber den Flächenstaaten andersartigen Stadtstaaten Bremen und Hamburg gehört für den zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts zum historisch gewachsenen Bestand der Staatsentwicklung 1 2 2 ; das territoriale Sein dieser Staaten erklärt sich demnach nicht durch die Betrachtung des gegebenen Gegenwärtigen dieser Staaten, sondern der Senat bemüht zur Begündung ihrer strukturell „eigenartigen" Staatlichkeit die Geschichte. Sind Flächenstaaten also die von der Größe des Gebiets her natürliche Staatsart, verkörpert ihr Gebiet den Typus des natürlichen Staatsgebietes? Dies aus zwei Entscheidungen über die Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland, in dem die Anzahl der Flächenstaaten die der Stadtstaaten klar überwiegt, zu interpretieren, hieße jedoch, diese Entscheidungen des zweiten Senats ebenso klar überzubewerten.

119 Vgl. E 68, 1 (1, 90, 96); 72, 66 (66); 75, 223 (242); 76, 1 (46); 92, 26 (42); 92, 277 (320, 331). 120

E 72, 330 (415).

121

Zu dem Enklavecharakter der Stadtstaaten Bremen und Hamburg vgl. E 9, 268 (290); 72, 330 (415 f.); 86,148 (239 f.). 122

E 72, 330 (331, 415 f.); 86,148 (238 f.).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

38

Bereits in einer Entscheidung vom 30.5.1956 erklärte aber derselbe Senat, „daß das nach 1945 entstandene besonders dringende Bedürfnis nach einer Neugliederung im Südwestraum durch die unorganische, natürliche Zusammenhänge zerreißende, ausschließlich den Besatzungsinteressen dienende Bildung der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern entstand" 123 . Staatsgrenzen, die nicht den natürlichen organischen Zusammenhängen entsprechen, lassen folglich ein Bedürfnis nach einem diese Zusammenhänge berücksichtigenden Staatsgebiet entstehen, einen Willen der Bevölkerung zur Normalisierung seiner unnatürlichen Situation 124 . Ein Staatsgebiet ist demnach als natürlich zu qualifizieren, wenn seine Grenzen dem Willen seiner natürlichen organischen Bevölkerung entsprechen, also dem Willen eines natürlichen Staatsvolkes.

II. Das Staatsvolk „Das Land Baden i s t . . . ein Staat, zu dem notwendigerweise ein Staatsvolk gehört" 1 2 5 . Konstitutives Element eines Staates ist also neben dem Staatsgebiet auch das Staatsvolk - „ein Begriff, der wohl zu unterscheiden ist vom soziologisch-ethnologisch-politischen Volksbegriff' 1 2 6 , deren kumulative Bejahung aber Voraussetzung des natürlichen Staates sein könnte. Das „deutsche Volk" 1 2 7 , „deutsches Volkstum" oder „Deutschtum" 128 - die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält klare Aussagen zugunsten eines Volkes deutscher Identität, welches die historische Chance zur „Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands" 129 genutzt hat. Ist dieses deutsche Volk ein natürliches Volk, die Bundesrepublik Deutschland der natürliche Staat deutscher Volksidentität? In einer Entscheidung aus dem Jahre 1955 betont das Bundesverfassungsgericht, daß „angesichts der Kürze der seit dem ,Anschluß' verstrichenen Zeit von einem vollständigen Aufgehen des österreichischen Volkes im Staatsvolk

123

E 5, 34 (47).

124

Vgl. E 5, 34 (47).

125

E 1,14 (50).

126

E 1,14(50).

127

Vgl. nur E 2,1 (48); 2, 98 (99); 7 , 1 (7); 36,1 (25); 77,137 (153 f.).

128

E 17,199 (204); 17, 224 (228); 59,128 (151,156 ff.).

129

Vgl. E 82, 316 (321); 84, 90(114,118,125).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

39

des Deutschen Reiches nicht die Rede sein" 1 3 0 könne, es also neben dem deutschen Volk ein eigenständiges österreichisches Volk gab und gibt. Nach einer Entscheidung aus dem Jahre 1964 sollen frühere österreichische Staatsangehörige aber eindeutig nicht unter den nachträglich eingefügten § 3a des Namensänderungsgesetzes fallen, da in Österreich „die Deutschen keine Minderheit, sondern das eigentliche Staatsvolk sind" 1 3 1 . Das österreichische Volk wäre demnach kein eigenständiges Volk, sondern nur Teil des deutschen Volkes. Wäre aber das deutsche Volk das eigentliche Staatsvolk der Republik Österreich, wäre dann nicht - die Lehre der deutschen Teilidentität weiterdenkend die Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung nunmehr „teilidentisch" mit dem natürlichen Staat des gesamten deutschen Staatsvolkes, einem die Republik Österreich umfassenden Staat Deutschland? Keinesfalls. Jedenfalls zeigen die beiden zitierten Entscheidungen, daß die Entscheidung, ob ein Volk natürlich ist oder wer zu einem natürlichen Volk gehört, eine Frage der Wertung ist - einer vorsichtig vorzunehmenden Wertung, da sie einem Staat als Grund für den Anspruch auf Personen, die einem anderen Staate angehören, und das mit diesen Personen verbundene Gebiet zu dienen vermag. Blendet man den Gedanken des Ideals des natürlichen Volkes aus, bleibt die Frage nach der rechtlichen Konkretisierung des Volkes als Voraussetzung des Staates. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet das Volk in zwei Entscheidungen neuerer Zeit als eine - relativ homogen - geistig, sozial und politisch zur Einheit verbundene Gruppe von Menschen 132 . Zur Erläuterung der homogenen Verbundenheit zitiert das Gericht eine Schrift von Hermann Heller: „Soziale Homogenität ist immer ein sozialpsychologischer Zustand, in welchem die stets vorhandenen Gegensätzlichkeiten und Interessenkämpfe gebunden erscheinen durch ein Wirbewußtsein und -gefühl, durch einen sich aktualisierenden Gemeinschaftswillen. Solche relative Angeglichenheit des gesellschaftlichen Bewußtseins kann ungeheure Spannungsgegensätze in sich verarbeiten, ungeheure religiöse, politische, ökonomische und sonstige Antagonismen verdauen. Wodurch dieses Wirbewußtsein erzeugt... wird, läßt sich nicht allgemeingültig sagen" 133 .

130

E 4, 322 (329).

131

E 17,199 (203).

132

E 83, 37 (51); 89,155(186).

133

Hermann Heller, Gesammelte Schriften II, S. 428.

40

1. Teil: Der Staat unter Staaten

Diese soziale Homogenität ist aber für Heller nicht Merkmal des Volkes, sondern Voraussetzung dafür, daß das Volk als Vielheit sich selbst bewußt zum Volk als Einheit bilden kann 1 3 4 , und nur in diesem demokratischen Kontext stehen auch die zitierten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur - relativ homogenen - geistigen, sozialen und politischen Verbundenheit eines Volkes. Wenn aber ein Volk eine „zur Einheit verbundene Gruppe von Menschen" 135 ist, worin liegt dann die Verbindung? „Das Volk ... wird nach dem Grundgesetz von den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz gleichgestellten Personen gebildet" 136 ; eine Gruppe von Menschen wird demnach zu einem Volke durch das auf Dauer angelegte dichte rechtliche Band der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat verbunden 137 . Da Staatsangehörigkeit aber den Staat voraussetzt, kann sie zwar eine Gruppe von Bürgern 138 zu einem Staatsvolk, nicht aber eine Gruppe von Menschen zu einem Volk als Voraussetzung des Staates verbinden. Der Staat kann jedoch das Band der Zugehörigkeit nicht willkürlich durch Verleihung seiner Staatsangehörigkeit knüpfen, sondern ist an rechtliche Grenzen gebunden 139 , die somit zugleich bestimmte Gruppen von Menschen als potentielle Staatsvölker charakterisieren. Nach Völkerrecht „darf jeder Staat seine Staatsangehörigkeit nur an Personen verleihen, die zu ihm in einer näheren tatsächlichen Beziehung stehen. Nach der Staatenpraxis und der Judikatur der Schiedsgerichte ist als solche Beziehung u.a. die Abstammung von einem Staatsangehörigen oder die Geburt auf dem Staatsgebiete anerkannt" 140 , Grenze der innerstaatlichen Nomierung der Staatsangehörigkeit und somit idealtypische Voraussetzung der Volkszugehörigkeit sind also insbesondere die Prinzipien des ius sanguinis und des ius soli.

134

Hermann Heller, a.a.O., S. 427.

135

E 83, 37 (51).

136

E 83, 37 (51).

137

Vgl. E 89,155 (184).

138

Zum Bürger als Glied des Staatsvolkes vgl. E 8, 104 (114 f.); 13, 54 (87); 47, 253 (253). 139

Vgl. E 1, 322 (328 f.); 37, 217 (218); 77,137 (153).

140

E 1, 322 (329); vgl. auch E 37, 217 (219).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

41

Das Volk im soziologisch-ethnologisch-politischen Sinne, durch Blut und Boden - oder andere hinreichend nahe Sachverhalte 141 - verbundene Menschen? Die Geburt in der Gemeinschaft als Geburt in die Gemeinschaft, in das gemeinschaftliche Leben auf gemeinem Grund - die Idee der hinreichenden Nähe bestimmter Menschen bedeutet aber nicht nur die Schaffung einer Volksgesamtheit, einer Einheit, die eine Heimat gemeinsamer Identität ist 1 4 2 , sondern zugleich die Ausgrenzung der anderen, fremden Menschen, der nicht nahen, nicht in die Gemeinschaft eingeborenen. Die Wahrung der gemeinsamen, sich gegenüber den andersartigen abgrenzenden Einheit nennt das Bundesverfassungsgericht „die nationale Frage" 143 . Ist das Volk in seiner Einheit also eine Nation, „Jede Nation Ein Staat" 144 die jahrhundertalte Formulierung des heutigen Selbstbestimmungsrechts der Völker 1 4 5 ? „Für das deutsche Volk hat die Reichsidee einen besonderen Gefühlswert. Nach den bitteren Erfahrungen der deutschen Geschichte ist sie der Audruck der Sehnsucht des deutschen Volkes nach nationaler Einheit" 1 4 6 . Nationale Einheit meint staatliche Einheit 1 4 7 , die deutsche Nation kann daher zwar „ein Synonym für das deutsche Staatsvolk" sein 1 4 8 , „die Belange ihrer Angehörigen ... wahren" 1 4 9 kann das deutsche Volk jedoch nur in seiner staatlich organisierten Einheit, der deutschen Nation. Die Nation ist also qualitativ von dem Volk zu scheiden 150 ; Nation und Volk aber liegt die Idee der gemeinsamen Identität einer Gruppe verschiedener Indi-

141 E 37, 137 (153); vgl. als Beispiel für einen hinreichenden Sachverhalt zur Bejahung der Volkszugehörigkeit E 17,224 (227 f.). 142 Vgl. insgesamt E 4, 31 (42); 23, 98 (105); 33, 23 (27); 36, 1 (25); 47, 253 (253); 83, 37 (51); zum Staat als Heimat vgl. E 17,199 (203 f.). 143

E 36,1 (25); vgl. auch bereits E 5, 85 (126).

144

Johann Caspar Bluntschli, Allgemeine Staatslehre, S. 107.

145

Zum Selbstbestimmungsrecht vgl. E 2, 1 (1, 12 f.); 44, 125 (142); 77, 137 (138, 151,153 f., 161 ff.). 146

E 2 , 1 (48).

147

Vgl. E 5, 85 (126).

148

E 36,1(19).

149

Vgl. E 81, 208 (224).

150

In E 12, 205 (242) treten Nation und Volk besonders anschaulich einander gegenüber: „Der Bund hat ... keine Befugnis ... Rundfunksendungen zu regeln, die der

1. Teil: Der Staat unter Staaten

42

viduen zugrunde, eines verbindenden Moments der Gleichheit in sich und in der Zeit, das Einheit stiftet, Einzigkeit verleiht. Jedes Volk Eine Identität. Mögen Geschichte, Blut und Boden zur Identität der europäischen - zu Nationen vereinigten - Staatsvölker 151 beitragen, mögen derart verbundene Einheiten auf Grund äußerer natürlicher Gegebenheiten und innerer menschlicher Gefühle auch nicht willkürlich erzeugbar und gestaltbar sein 1 5 2 , so offenbart doch allein die Existenz der „nationalen Minderheit, die ... Staatsangehörigkeit mit fremder Volkszugehörigkeit verbindet" 153 , und die der „Vielvölkerstaaten" 1 5 4 , daß die zur Einheit verbundenen Menschen keinesfalls gleich in sich sind, sondern zu gleichen Staatsangehörigen erst durch innerstaatliche Staatsangehörigkeitsgesetze normativ wertend verbunden werden. Das Sollen stiftet also völkisches Sein. „Die früher vorherrschende und zum Teil noch jetzt anzutreffende Vorstellung, es handele sich bei der Zuerkennung der Staatsangehörigkeit um eine Abgrenzung des Staatsvolkes unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten, die der Staat nach seinem Ermessen - allenfalls eingeschränkt durch das Willkürverbot - vornehmen könne, entspricht nicht dem Verständnis ... des Grundgesetzes. Dieses Verständnis wird verfassungsrechtlich dadurch gekennzeichnet, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht..., daß sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin vollzieht, und daß die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, die für jeden einzelnen mit dem Besitz der Staatsbürgerschaft verbunden sind, zugleich konstituierende Grundlagen des gesamten Gemeinwesens bilden." 1 5 5 Nach dem Grundgesetz bestimmt also nicht der Staat die Staatszugehörigkeit und somit das Volk, sondern der Staat geht von den Rechten und Pflichten seiner Bürger, vom Volke aus; indem aber das Bundesverfassungsgericht das Volk zur Grund-

überregionalen Aufgabe nationaler Repräsentation nach innen, d.h. der Selbstdarstellung der Nation vor der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, zu dienen bestimmt sind". 151 Vgl. E 73, 118 (158); 89, 155 (155, 181); daß die Staatsvölker der Europäischen Union Nationen sind, kommt in der Maastricht-Entscheidung insbesondere darin zum Ausdruck, daß die Staatsvölker der Mitgliedstaaten über die nationalen Parlamente die Gewalt der Europäische Union legitimieren, vgl. E 89,155 (181-186). 152

Vgl. E 5, 34 (47).

153

E 6, 84 (98); vgl. zu nationalen Minderheiten ferner E 1, 322 (327, 330); 2, 98 (99); 4, 31 (42); 17,199 (202 f.). 154

E 59,128(155,157,159).

155

E 37,217 (239).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

43

läge des gesamten Gemeinwesens, zu einer den Staat tragenden Gesamtheit Staatsangehöriger Bürger erklärt 156 und somit die völkische Verbundenheit einer Gruppe von Menschen als Grundlage des Staates begreift, legitimiert es zugleich den Staat gegenüber den Individuen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum staatstrageriden Volk, obwohl erst die Staatsangehörigkeit eine Gruppe von Individuen zu einem Volk als Voraussetzung des Staates verbindet 157 . In der verfassungsrechtlichen Vorstellung des Volkes als verbundener Einheit liegt demnach eine versteckte Legitimation des Staates. Ist Voraussetzung für den Staat neben einem Gebiet folglich nur das Vorhandensein von Menschen auf diesem Gebiet? W i l l man Volk als Voraussetzung des Staates frei von in Normen versteckter Wertung begreifen, kann Volk nur eine bestimmbare Gruppe von Menschen meinen. Reicht das Gebiet einer Großstadt, um einen Staat zu gründen 158 , so dürfte hierfür auch die Anzahl ihrer Bewohner genügen. Ob darüberhinaus aber der Staat, um zu sein, eines gewissen Maßes an völkischer Identität seiner Angehörigen bedarf, fragt nach dem, was den Staat „im Innersten zusammenhält" 159 .

I I I . Die Staatsgewalt „Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, daß der Beamte Partei für ihn ergreift. Der Staat - und das heißt hier konkreter, jede verfassungsmäßige Regierung und die Bürger - muß sich darauf verlassen können, daß der Beamte in seiner Amtsführung Verantwortung für diesen Staat ... zu tragen bereit ist" 1 6 0 . Konkret jede Regierung und die Bürger, abstrakt die Verfassungsorgane des Staates und die dem Staat zugehörigen Menschen müssen sich auf die „im

156

Vgl. E 33, 23 (27); 47, 253 (253, 275); 52, 95 (130); 77, 1 (40); 83, 37 (37, 52); 89,155 (186). 157

Zu dieser Eskamotage vgl. Claus-Ekkehard sitivismus, in: Staat und Recht, S. 66 f. 158

Barsch, Der Gerber-Laband' sehe Po-

Zur Großstadt als Staat vgl. die Ausführungen unter „Das Staatsgebiet", S. 37.

159

Johann Wolf gang von Goethe, Faust, Eine Tragödie, S. 20; zu dieser Frage näherhin vgl. unter „Telos der Organisation", S. 104 f. 160

E 39, 334 (348 f.).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

44

Staat" stehenden Menschen, die „fixierte Verfassungssubstanz" im Sinne von Lerche 161 verlassen können. Warum? Allein den ersten sieben Bänden der Entscheidungssammlung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lassen sich folgende Aussagen zu Staat und Macht entnehmen: In der „Harzburger Front" fanden sich große Teilen der übrigen rechtsstehenden Kreise äußerlich mit den Nationalsozialisten zusammen, erleichterten aber dadurch nur diesen den Weg zur alleinigen Machtergreifung im Staate 162 ; aus dem Zusammentreffen des Machtfaktors Reichswehr mit der neuen, den Staat nunmehr ausschließlich beherrschenden politischen Macht des Nationalsozialismus ergaben sich besondere Probleme 163 ; die Bundesrepublik Deutschland hatte es übernommen, nicht einen großen Teil der Staatsangehörigen des deutschen Gesamtstaates an den Grenzen ihres Machtbereiches abzuweisen 164 ; das natürliche Streben jeder politischen Partei nach Einfluß auf den staatlichen Machtapparat wird bei bestimmten Parteien zum Anspruch auf eine „Machtergreifung" 165 . Besatzungsrechtliche Vorschriften begrenzten die Machtbefugnisse der deutschen Länder 166 ; das Grundgesetz normiert ein Gefüge der Verteilung von Macht 1 6 7 ; Verträge mit auswärtigen Staaten können die Machtstellung des Staates anderen Staaten gegenüber behaupten, befestigen oder erweitern 168 . Staatsgewalt ist also staatliche Macht 1 6 9 , genauer gesagt: Der Staat hat 1 7 0 und ist 1 7 1 Macht über Gebiet und Menschen. Staat ist also per definitionem Macht, Macht über ein Staatsgebiet und ein Staatsvolk, aber eben diese Macht wurde vom deutschen Volke verfaßt, ihre

161

Vgl. E 39, 334 (366) und den dort zu findenden Verweis auf BettermannNipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Halbband, S. 474. 162

E 1,14 (19).

163

E 3, 288 (303 f.).

164

E 2,266 (277).

165

E 5, 85 (138).

166

E 7, 330 (330, 339).

167

E 3,225 (247).

168

E 1,372 (381).

169

Vgl. auch E 49, 89 (125); 60, 253 (268); 63, 266 (284); 80, 315 (334).

170

Vgl. E 1, 14 (18, 34); 7, 198 (205).

171

Vgl. E 49, 24 (56 f.); 80, 315 (341).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

45

Ausübung einem bestimmten Sollen unterworfen. Darum muß auf die Beamten Verlaß sein.

1. Die organschaftliche Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt Gewalt übt der Staat durch seine verfassungsmäßigen Organe aus, er handelt organschaftlich 172 ; dies nicht nur, wenn seine Organe rechtsverbindliche Akte setzen, sondern auch, wenn sie von Befugnissen Gebrauch machen, die nicht unmittelbar verbindliche Wirkungen hervorrufen 173 . Aber nicht bei jedem Handeln übt der Staat Staatsgewalt aus. Er kann auch gleich einem Menschen tätig werden; maßgebend für die Unterscheidung zwischen Akten iure imperii und iure gestionis ist „nur die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses ..., nicht aber Motiv oder Zweck der Staatstätigkeit" 1 7 4 . Handelt der Staat in den Bereichen der auswärtigen und militärischen Gewalt, der Gesetzgebung, der Polizeigewalt und der Rechtspflege, übt er Gewalt im engeren und eigentlichen Sinn aus 1 7 5 . Als Staatsgewalt in weiterem Sinn bezeichnet das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel die von schleswigholsteinischen Gemeinden, weche in Übereinstimmung mit dem gemeindeutschen Verfassungsrecht Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts sind, ausgeübte Gewalt 1 7 6 . Staatsgewalt übt der Staat auch aus, wenn er öffentliche Gewalt oder Hoheitsgewalt ausübt 177 ; diese Begriffe betonen nur anders: Öffentliche Gewalt bringt eher den Aspekt der Gewalt der staatlichen Organe in Abgrenzung zur privaten Gewalt zum Ausdruck 178 , Hoheitsgewalt eher den Aspekt der vom

172

E 8,104 (104,114); 18, 407 (414); 22, 293 (297).

173

E 8,104(104,114).

174

E 16, 27 (28, 61 f.).

175

E 16,27 (63 f.); 46, 342 (394).

176

E 38, 258 (270); ob die Gewalt der allgemeinen Ordnungsbehörden der schleswig-holsteinischen Gemeinden Staatsgewalt im engeren und eigentlichen oder im weiteren und uneigentlichen Sinn ist, soll hier nicht Thema sein. 177 178

Vgl. E 7,198 (220); 16,27 (28, 61-64); 37,57 (60 f.); 38,258 (270); 83, 37 (54).

Vgl. E 6, 20 (26); 7, 198 (220); 10, 302 (327); 12, 205 (206, 243); 17, 306 (313 f.); 22, 293 (297); 47, 198 (237); 91, 125 (134) - insofern überrascht es nicht, daß das Bundesverfassungsgericht die Gewalt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Union als öffentliche und nicht als staatliche bezeichnet, vgl. E 22, 293 (295 ff.); 89,155 (156,175).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

46

Staat ausgeübten oder potentiell ausübbaren Gewalt über Gebiet und Personen 1 7 9 . Öffentliche Gewalt „im Staat" 180 können zwar auch Religionsgesellschaften ausüben, die gemäß Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, doch gliedert „die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ... eine Religionsgesellschaft nicht in den Staat ein ..., sondern bedeutet die Zuerkennung der Fähigkeit, Träger öffentlicher Kompetenzen und Rechte zu sein, und die Anerkennung der besonderen Bedeutung der öffentlichen Wirksamkeit einer Religionsgesellschaft" 181 . „Infolge dieser öffentlichen Rechtsstellung und öffentlichen Wirksamkeit der Kirchen, die sie aus ihrem besonderen Auftrag herleiten und durch die sie sich von anderen gesellschaftlichen Gebilden grundsätzlich unterscheiden, ist kirchliche Gewalt zwar öffentliche, aber nicht staatliche Gewalt" 1 8 2 . Staatliche Gewalt ist ein Element des Staates, aber muß der Staat, um zu sein, Gewalt durch organschaftliches Handeln ausüben? Eine mangels institutionalisierter Organe handlungsunfähige Staatsgewalt ist zwar denkbar, der auf ihr begründete Staat bleibt aber ein bloßer Gedanke, solange nicht die Gewalt Handlungsfähigkeit in der Wirklichkeit gewinnt; die grundsätzliche Auffassung des Grundgesetzes vom desorganisierten, aber wiederherzustellenden Staat deutscher Nation war ein solcher Gedanke 183 . Eine handlungsfähige Gewalt, die potentiell ist, aber nicht ausgeübt wird, ist zwar wirklich und vermag auch durch ihr bloßes Sein das Handeln der sich in ihrem Wirkungsbereich befindenden Personen zu beeinflussen, ob Staatsgewalt aber nicht gerade die Ausübung von Gewalt voraussetzt, insbesondere die

179

Vgl. E 6, 300 (301, 306); 10, 136 (139); 19, 206 (207); 31, 145 (174); 34, 216 (219); 46, 342 (342 f.); 48, 127 (160); 52, 187 (199); 55, 274 (301); 58, 1 (36); 59, 63 (85 ff.); 60, 253 (269 f.); 63, 343 (361); 66, 39 (57, 62 f.); 68, 1 (90 f.); 74, 51 (59); 75, 223 (242); 76,1 (46); 83, 37 (54); 90,286 (286, 350). 180 E 53, 366 (392); zur besonderen Qualität der Gewalt der Kirchen siehe unter „Kritik der Momente", S. 65 ff. 181

E 19,129 (133); vgl. auch E 53, 366 (387); 66,1 (19 f.).

182

E 18, 385 (387); vgl. auch E 66,1 (23).

183

Zur Handlungsunfähigkeit des Gesamtstaates Deutschland vgl. E 2, 237 (250); 3, 58 (154); 6, 309 (357); 7, 18 (26); 15, 126 (136); 19, 150 (159-162); 36, 1 (15 f., 23); zur Beurteilung der Staatlichkeit Deutschlands siehe unter „Die Bundesrepublik - ein Staat", S. 16, und unter „Die Bundesrepublik - ein Staat deutscher Identität", S. 23.

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

47

letztverbindliche Entscheidung der Konflikte der Staatsangehörigen, wird im Kontext des staatlichen Wesens zu erörtern sein 1 8 4 . Soll die Gewalt eines Staates nicht von einem einzigen Organ, sondern von verschiedenen Organen ausgeübt werden, muß sie derart auf die Organe verteilt werden, daß jedem Teil der Gewalt zumindest ein Organ und jedem Organ zumindest ein Teil der Gewalt zugeordnet wird. „Freilich ist die Gewaltenteilung ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes. Seine Bedeutung liegt in der politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsherrschaft. Dieses Prinzip ist jedoch nirgends rein verwirklicht. Auch in den Staatsordnungen, die das Prinzip anerkennen, sind gewisse Überschneidungen der Funktionen und Einflußnahme der einen Gewalt auf die andere gebräulich" 185 . Versteht das Bundesverfassungsgericht unter Gewaltenteilung also nicht die Unterscheidung von Organen, denen jeweils Teile der einheitlichen 1 8 6 Staatsgewalt zur Ausübung zugeordnet werden, sondern die Spaltung der Staatsgewalt in drei Gewalten? In einer späteren Entscheidung stellt das Gericht klar, daß „nach dem Prinzip der Teilung der Gewalten ... die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt" 187 wird, daß also das Grundgesetz nicht die einheitliche Gewalt scheidet, sondern lediglich deren Ausübung Organen überträgt, die grundsätzlich, insofern ist das Prinzip der Dreiteilung unrein verwirklicht, drei funktionalen Teilen der Staatsgewalt zugeordnet sind. „Das Prinzip der Aufteilung der Staatsmacht auf verschiedene, sich gegenseitig kontrollierende und hemmende Träger dient der Vermeidung übermäßiger Machtkonzentrationen an einer Stelle im Staat. Das gleiche Ziel verfolgt die Abspaltung von Bereichen der Staatstätigkeit aus der zentralen Leitung durch Übertragung an Körperschaften und Personengemeinschaften zu grundsätzlich selbstverantwortlicher Wahrnehmung" 188 . Aber bedeutet Konstituierung von Organen und Zuordnung von Teilen der Gewalt zur selbständigen Ausübung tatsächlich zwangsläufig eine Mäßigung der Macht, eine Stärkung der kleineren „Einheiten"?

184

Siehe unter „Die Souveränität", S. 62 ff.

185

E 3, 225 (247); vgl. ferner E 24, 184 (197); 30, 108 (110 f.); 67, 100 (130); 68, 1 (1, 86 f.); 70, 324 (355 f.); 90, 286 (357). 186

E 4, 27 (30); 21, 362 (370); 83, 60 (75).

187

E 7,183 (188); vgl. auch E 9,268 (279); 30,1 (27 f.); 57, 43 (66); 68,1 (86).

188

E 5, 85 (199 f.); vgl. auch E 21, 362 (370); 68,1 (86 f.).

48

1. Teil: Der Staat unter Staaten

„In der nationalsozialistischen Herrschaftsordnung wurden vielfach staatliche Aufgaben aus der unmittelbaren Staatsverwaltung ausgegliedert und auf besondere Rechtsträger in der Form öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten übertragen. Dieser Vorgang diente nicht einer Distanzierung des Staates oder einer Verstärkung der Selbstverwaltung, sondern bezweckte und erreichte umgekehrt eine immer stärkere staatliche Durchdringung der jeweiligen Lebensbereiche. ... Insgesamt bildeten diese Organisationen trotz ihrer formellen rechtlichen Selbständigkeit tatsächlich einen Teil der zentral gelenkten Reichsexekutive" 189 . Staatliche Macht wird also nur gemäßigt, wenn die Organe vom Staat distanziert bestehen, wenn sie dem staatlichen Einfluß entzogen oder höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen sind 1 9 0 ; aber wie entzieht man den organischen Bestandteil einer staatlichen Ordnung eben dieser Ordnung, ohne den Bestand der Ordnung selbst zu gefährden? Die Macht des Staates wird zum Beispiel gemäßigt, indem kollegialen Organen, zusammengesetzt aus allen bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen, die Macht verliehen wird, die für die Rundfunksendungen maßgeblichen oder mitentscheidenden Kräfte zu kontrollieren und zu korrigieren 191 , indem vom Staat gegründeten und unterhaltenen Universitäten in Wissenschaft, Forschung und Lehre Freiheit gewährt w i r d 1 9 2 oder Gemeinden Autonomie in grundsätzlich allen örtlichen Angelegenheiten übertragen wird 1 9 3 . Gleich, ob den Organen des Staates jeweils ein Teil der Gewalt des Staates tatsächlich als autonome Gewalt verliehen wird 1 9 4 , ob die Ausübung der Gewalt also formell und materiell geteilt wird, „vom Menschen und Bürger ... her

189

E 29, 413 (427); bezeichnend ist auch der „Versuch der nationalsozialistischen Machthaber, den Rechtsanspruch auf freie Zulassung durch ein Ausleseprinzip zu ersetzen und die ,individualistisch' ausgerichtete Rechtsanwaltschaft in ein Organ der nationalsozialistisch verstandenn Rechtspflege mit beamtenähnlichen Treuepflichten umzugestalten", E 63,266 (283). 190

Vgl. E 12, 205 (260 ff.); 61, 82 (103); 75, 192 (196 f.).

191

Vgl. E 12, 205 (216 f.); 31, 314 (327 f.).

192

Vgl. E 15, 256 (262); 35,79 (117 ff.).

193

Vgl. E 50,195 (201); 79,127 (143).

194

Vgl. E 10, 20 (50); 33, 125 (156-159); 33, 303 (342); 35, 79 (117); 39, 302

(313 f.).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

49

gesehen, handelt es sich jeweils nur um eine besondere Erscheinungsform der einheitlichen Staatsgewalt" 195 . Das Bundesverfassungsgericht formuliert zum Verhältnis von Gemeinde und Staat, daß „die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten nicht den Staatsbehörden übertragen werden d a r f 0 9 6 , daß der „Bereich der überörtlichen Staatsverwaltung von dem der Lokalverwaltung abzugrenzen" sei 1 9 7 , daß „weder die staatliche noch die kommunale Verwaltung ... anstelle des Gesetzgebers die eine Enteignung rechtfertigenden Gemeinwohlaufgaben bestimmen" 1 9 8 könnten, daß Gemeinden das Recht hätten, „vom Staat angehört zu werden" 1 9 9 , daß „die gesetzliche Aufgabenverteilung zwischen Staat und Kommunen ... stets im Spannungsverhältnis zwischen Verwaltungseffizienz und Bürgernähe" 200 stehe und daß der Staat zunächst darauf beschränkt sei, „sicherzustellen, daß die Gemeinden ihre Angelegenheiten nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfüllen" 201 . Diese Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts erwecken zwar den Eindruck, die Gewalt der Gemeinde bestünde aus sich heraus, getrennt von der Gewalt des Staates, dieser, nicht der des Bundes oder des Landes, gegenüber. Aber die autonome Gewalt der Gemeinden ist vom Staat abgeleitete Gewalt 2 0 2 . „Staat" kann eben nicht nur im Volksmund verschiedene Bedeutungen haben; das Bundesverfassungsgericht benutzt den Begriff hier als Synonym für Bund und/oder Land, letzteres allerdings um die Gemeinden geschmälert. Dieser Gebrauch des Begriffs ist aber nicht bloße und als solche zu kritisierende Verwässerung des Begriffs Staat, sondern offenbart einen Aspekt des staatlichen Seins, nämlich den zentraler Entscheidungsmacht203.

195

E 21, 362 (370); zur Einheitlichkeit des „mehrgesichtigen" Staates vgl. E 80, 315

(342 f.). 196

E 1,167 (175).

197

E 11,266(275).

198

E 56, 249 (261 f.).

199

E 59, 216 (227).

200

E 79, 127 (147 f.).

201

E 79,127(153).

202

Vgl. nur E 8,122 (122, 132-134).

203

Zu diesem zentralen Aspekt staatlichen Seins siehe unter „Die Souveränität", S. 62 ff., und unter „Entscheidungen über Menschen", S. 78 ff. 4 Aishut

1. Teil: Der Staat unter Staaten

50

Ob bestimmte Organe zu konstituieren und ob diesen bestimmte Teile der Staatsgewalt zuzuordnen sind, ist eine Frage der Form des Staates 204 - ob neben der bestimmenden Staatsform nur Praktikabilität und Pragmatismus der staatsgestaltenden menschlichen Phantasie Grenzen setzen? „ M i t jeder Ausgliederung ... ist eine gewisse Verselbständigung verbunden, mit der sich die Beibehaltung einer direkten Staatsleitung im allgemeinen nicht verträgt" 205 , so daß sich die Frage eröffnet, in welchem Maße der Staat sich seiner Gewalt an autonome Organe begeben darf, ohne die einheitliche Ausübung seiner Gewalt einzubüßen, seine Einheit zu verlieren. Oder ist etwa eine Gruppe autonomer „Gewalten", die nur verbindet, daß sie ursprünglich Teile einer einheitlich ausgeübten Staatsgewalt waren, noch Staat? Anders gefragt: Was qualifiziert eine Gewalt zur Staatsgewalt?

2. Das Gewalt zur Staatsgewalt qualifizierende Moment Soll die Bejahung der Staatlichkeit nicht der Beliebigkeit anheimfallen, so muß die Staatsgewalt gegenüber anderen auf Gebiet und Menschen bezogenen Mächten durch ein besonderes Moment qualifiziert sein.

a) Das Moment der Hoheit Die Staatsgewalt steht den beiden anderen Staatselementen Gebiet und Volk nicht bar des Zusammenhangs gegenüber, sondern bezieht sich auf sie. Staatsgewalt ist „Gebiets- und Personalhoheit" 206 ; staatliche Gemeinwesen haben „einen allgemein anerkannten Doppelcharakter als ,Gebietskörperschaft 4 und ,Personenverband'" 207 . Die Gebietskörperschaft Gemeinde betrachtend, beschreibt der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts Gebietskörperschaften als „solche Körperschaften des öffentlichen Rechts, bei denen sich die Mitgliedschaft aus dem Wohnsitz im Gebiet der Körperschaft ergibt und die mit Gebietshoheit ausgestattet sind. Sie werden von allen Bewohnern eines abgegrenzten Teils des Staatsgebietes getragen. Die Mitwirkung wird durch den Wohnsitz - evtl. in Verbindung mit dessen Dauer und der Staatsangehörigkeit - begründet. Jedermann,

204

Zur Demokratie als bestimmender Form vgl. E 33, 125 (158 f.).

205

E 29, 83 (313).

206

E 68,1 (90); 72, 330 (392); 75, 223 (242).

207

E 72, 330 (392).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

51

der sich auf ihrem Gebiet aufhält, wird der Herrschaftsgewalt der Körperschaft unterworfen. Wesentlich ist mithin das unmittelbare Verhältnis, welches zwischen Personen, Fläche und hoheitlicher Gewalt besteht . . . . Die wohl überwiegende Meinung hält die zumindest subsidiäre Allzuständigkeit (Universalität des Wirkungskreises) für ein konstituierendes Merkmal der Gebietskörperschaften Andere lassen es genügen, wenn die Summe der Einzelzuständigkeiten zur effektiven Universalität neigt" 2 0 8 . Was aber hat die Gebietskörperschaft Gemeinde mit dem Staat gemein? „Gemeinden ... sind Strukturelemente eigen, wie sie auch einen staatlichen Verband kennzeichen. Der der Selbstverwaltung der Gemeinden offenstehende Aufgabenkreis ist nicht sachlich-gegenständlich beschränkt sondern umfassend, soweit ihr gebietlicher Wirkungsbereich betroffen ist. Gemeinden bedürfen keines speziellen Kompetenztitels, um sich einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen Der inhaltlich-gegenständlich nicht weiter eingegrenzten Aufgabenzuweisung entspricht eine vergleichbar allgemeine Anknüpfung für die personelle Zugehörigkeit zu einer kommunalen Gebietskörperschaft. Sie bestimmt sich nicht nach gruppenspezifischen Kriterien, wie besonderen Eigenschaften, Funktionen oder Interessen, sondern ausschließlich nach der Wohnsitznahme im Hoheitsbereich der Gebietskörperschaft; deren personale Grundlage ist damit von einer ,offenen' und in diesem Sinne unbestimmten Allgemeinheit geprägt" 209 . Der Gemeinde sind also Menschen zugehörig, die nicht nach gruppenspezifischen Kriterien, sondern nach Wohnsitz in der Gemeinde - „evtl. in Verbindung mit dessen Dauer und der Staatsangehörigkeit" 210 - rechtlich bestimmt werden; dem Staat sind Menschen zugehörig, die von einem Staatsangehörigkeitsgesetz zu einem Volke verbunden werden 211 . Gemeinde und Staat sind folglich mitgliedschaftlich organisierte Personenverbände mit einen material umfassenden, nur durch ihren Wirkungsbereich beschränkten Aufgabenkreis. Die räumlich begrenzte Lebens- und Schicksalsgemeinschaft eines rechtlich mit der Aufgabe geformten Personenverbandes, für diese Personen umfassend zu sein, und daher mit der Macht ausgestattet, sich aller Angelegenheiten der Gemeinschaft anzunehmen und für alle Personen, die sich ihrem Gebiet, gleich ob der Gemeinschaft zugehörig oder nicht, aufhalten 212 , rechtlich verbindlich,

208

E 52,95 (117 f.).

209

E 83, 37 (54 f.).

210

E 52, 95 (118).

211

Siehe unter „Das Staatsvolk", S. 42.

212

Vgl. E 19, 206 (217); 52,95 (118).

52

1. Teil: Der Staat unter Staaten

hoheitlich zu entscheiden ist demnach - von der Gebietskörperschaft Gemeinde aus begriffen - ein Staat. Dieses „unmittelbare Verhältnis, welches zwischen Personen, Fläche und hoheitlicher Gewalt besteht" 213 kennzeichnet die Staatsgewalt, das Moment der Hoheit - die „Gebiets- und Personalhoheit" 214 - scheidet folglich Staatsgewalt von anderen auf Gebiet und Menschen bezogenen Mächten, macht sie einzigartig und konkurrenzlos. Die Gemeinde hat Hoheitsgewalt über ihr Gebiet und die Personen, die sich auf diesem befinden, sie besitzt wie ein staatliches Gemeinwesen den Doppelcharakter der Gebietskörperschaft und des Personenverbandes, ihr sind folglich genau die Strukturelemente eigen, die auch einen staatlichen Verband kennzeichnen 215 ; übt die Gemeinde Staatsgewalt also doch nicht im weiteren Sinn aus, sondern ist die Gemeinde Staat? Abstrakter gefragt: Welche Gewalt ist Staatsgewalt, wenn auf einem Gebiet mehrere räumlich pyramidal gegliederte Gebietskörperschaften Hoheitsmacht ausüben, wenn die Menschen mehreren Lebens- und Schicksalsgemeinschaften, mehreren rechtlich geformter Personenverbänden angehören? Ist Staatsgewalt die Gewalt der territorial oder personal größten oder kleinsten Gemeinschaft, bestimmen Geschichte und Gefühl den Staat oder sind mehrere oder alle Gewalten Teile einer Staatsgewalt, ist etwa gerade erst die Einheit aller Gewalten Staatsgewalt, „einzig und konkurrenzlos" 216 ?

b) Das Moment der Hoheit bei Strukturen räumlich pyramidal gegliederter Gebietskörperschaften Auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland existieren die Gebietskörperschaften des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden 217 in einer räumlich pyramidal gegliederten Struktur. Staat im Sinne des Völkerrechts ist die Bundesrepublik Deutschland 218 , ein „Bundesstaat, der im völkerrechtlichen Verkehr nach außen grundsätzlich als

213

E 52,95 (118), vgl. auch E 5,56 (64); 19, 206 (217); 83, 37 (54).

214

E 68,1 (90); 72, 330 (392); 75, 223 (242).

215

Vgl. E 83, 37 (54 f.).

216

Das Begriffspaar ist entlehnt bei Rolf Gr awert, Der Deutschen supranationaler Nationalstaat, in: Festschrift für Böckenförde, S. 137. 217

E 15,46 (62); 83, 37 (53).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

53

Einheit auftritt" 2 1 9 , der - auf Grund seiner Eingliederung in die Völkerrechtsordnung der Staatengesellschaft 220 - völkerrechtliche Pflichten übernehmen und sich seinem völkerrechtlichen Vertragspartner gegenüber nicht darauf berufen kann, daß ihm seine Verfassung keine Handhabe gebe, gegen seine Glieder vorzugehen, die ihm die Erfüllung seiner völkerrechtlichen Pflichten unmöglich machen 221 . Was qualifiziert die Bundesrepublik Deutschland zum Staat unter Staaten, warum ist nicht der Bund, sind nicht die Länder oder die Gemeiden Staaten im Sinne des Völkerrechts? Anders gefragt: Welches Moment bestimmt, welche Hoheitsgewalten Staatsgewalt im Sinne des Völkerrechts sind?

aa) Die Verfassung ursprünglicher Gewalt Ob Gewalten Staaten sind, „läßt sich nicht formal danach bestimmen, daß sie eine eigene Verfassung besitzen und daß sie über irgendein Stück ... unabgeleiteter Hoheitsmacht verfügen, also irgendeinen Rest von Gesetzgebungszuständigkeit, Verwaltungszuständigkeit und justizieller Zuständigkeit ihr eigen nennen. In solcher Sicht könnten" 2 2 2 Staaten durch Verteilung von Gewalt an autonome Organe „nach und nach ausgehöhlt werden, so daß am Ende nur noch eine leere Hülse von Eigenstaatlichkeit übrig bliebe" 2 2 3 . Gewalten sind aber „nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als ,Hausgut4 unentziehbar verbleibt" 224 . Formell betrachtet, ist eine Gewalt also Staatsgewalt, wenn sie verfaßt und ursprünglich ist. Wird die Ausübung der Gewalt auf Organe verteilt, so muß ferner ein - die drei funktionalen Teile der Gesetzgebung, der vollziehenden

218 Vgl. E 2, 347 (378); 6, 309 (336, 365 f.); 15, 25 (34); 23, 85 (97); 23, 288 (314); 40, 141 (141, 164 f.); 43, 203 (210); 66, 39 (39, 59, 61); 83, 162 (174); 88, 173 (180185); 89,155 (178); 90,145 (175); 90, 286 (356). 219

E 2, 347 (378).

220

E 23,288 (318); vgl. auch E 63, 343 (370); 75,1 (17).

221

E 6, 309 (365 f.).

222

E 34, 9 (19); zum Ursprung der formalen „Merkmale" des Staates vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 493. 223

E 34,9 (19 f.).

224

E 34, 9 (20).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

54

Gewalt und der Rechtsprechung umfassender - Teil der Gewalt durch nichtautonome Organe ausgeübt werden. Qualifiziert die Verfassung einer Gewalt diese zur Staatsgewalt? Die Verfassungsurkunde des Staates Bundesrepublik Deutschland ist das Grundgesetz 225 . Da „weder das Grundgesetz noch ein anderes Gesetz ... eine vorverlegte Wahlprüfung durch das Bundesverfassungsgericht auf Antrag eines Wahlberechtigten" 226 vorsehen, ist das Grundgesetz rechtstheoretisch gesehen ein besonderes Gesetz. Durch dieses Gesetz wurde eine staatliche Organisation für das Gebiet der westlichen Besatzungszonen errichtet 227 , dem staatlichen Leben eine einheitliche rechtliche Grundordnung gegeben 228 , unter deren Herrschaft das Rechtssystem im ganzen steht 229 . Aber qualifiziert die Verfassung einer Gewalt diese erst zur Staatsgewalt oder geht der Verfassung staatliches Leben voraus, dessen Gewalt erst die Verfassung dem Sollen unterwirft? Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll einerseits das Grundgesetz die Staatlichkeit konstituieren 230 , andererseits soll das Grundgesetz den Staat, den es zugleich verpflichtet 231 , verfassen 232 . Ob die Verfassung einer Macht untrügliches Zeichen ihrer Staatlichkeit ist, fragt nach der Weite des Begriffs der Verfassung. Die Garantie des Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 Weimarer Reichsverfassung kommt, so entschied der zweite Senats des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1985, „den verfaßten Kirchen und deren rechtlichen selbständigen Teilen zugute" 233 ; dem Gericht nach können also auch religiöse Mächte - die „nicht ... den Rechtscharakter von Gebietskörperschaften mit der Macht, jemanden, der in ihr Gebiet eintritt, einseitig ohne Rücksicht auf seinen Willen sich einzuglie-

225

E 1,351 (368).

226

E 63,73 (73); vgl. ferner E 33, 23 (27 f.).

227

E 6, 309 (338).

228

E 1, 14 (21); 19, 206 (220); 31, 58 (73); 33, 23 (27); 37, 57 (65); 62, 1 (1, 39); 89,155(182). 229

E 33, 23 (27).

230

E 42, 312 (326).

231

E 37,57 (65); 91,140 (145).

232

E 44,125 (142); 58,1 (26); 63, 343 (370).

233

E 70, 138(162).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

55

dem" 2 3 4 , haben - verfaßt sein, eine eigene Verfassung haben. Verfassung im Sinne des Bundesverfassungsgerichts können folglich auch die normativen Grundordnungen von sich in ihrem räumlichen Wirkungsbereich selber beschränkenden Personenverbänden sein, die nicht zugleich Gebietskörperschaften sind 2 3 5 . Verfassung ist demnach zwar Anzeichen möglicher Staatlichkeit einer Gewalt, aber nicht jede verfaßte Gewalt, die über Raum und Personen gebietet, ist Staatsgewalt 236 . Qualifiziert die Ursprünglichkeit einer Gewalt diese zur Staatsgewalt? Jellinek, dessen Drei-Elementen-Lehre das Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung der Staatlichkeit folgt 2 3 7 , definiert ursprüngliche Gewalt als rechtlich von keiner anderen Macht abgeleitete Macht, als „Herrschergewalt aus eigener Macht und daher zu eigenem Recht" 2 3 8 . Der verfaßten Gebietskörperschaft Gemeinde „sind Strukturelemente eigen, wie sie auch einem staatlichen Verband kennzeichnen" 239 , ihr ist ein unmittelbares Verhältnis zwischen Personen, Fläche und hoheitlicher Gewalt wesentlich 2 4 0 ; ließe man das Moment der Ursprünglichkeit außer acht, wäre ihre Staatlichkeit zu vermuten. Aber „wo ... ein Herrschergewalt übender Verband seine Organisation von einem über ihm stehenden Staate als dessen Gesetz empfangen hat, da ist kein Staat vorhanden. So vor allem bei den Kommunen, deren Verfassung stets auf Staatsgesetzen ruht, die höchstens in untergeordneten Dingen eine begrenzte

234

E 19, 206 (217).

235

Staatliche Gemeinwesen hingegen haben einen Doppelcharakter als Gebietskörperschaft und Personenverband, vgl. E 72, 330 (392). 236 Zur Verfassung der Europäischen Union vgl. Roland Bieber, Verfassungsentwicklung und Verfassungsgebung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Staatswerdung Europas?, S. 394 ff.; Markus Heintzen, Die „Herrschaft" über die Europäischen Gemeinschaftsverträge, AöR 119 (1994), S. 574 f. 237

Siehe unter „Die Bundesrepublik - ein Staat", S. 16, 19, und unter „Die Bundesrepublik - eine Staat deutscher Identität", S. 22. 238

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 489 f.

239

E 83, 37 (54); zur verfaßten Gebietskörperschaft Gemeinde vgl. E 7, 155 (155, 165 f., 167); 8, 122 (122, 132, 134); 11, 266 (275); 38, 258 (270); 83, 37 (53-55); zum rechtlichen Charakter der Gebietskörperschaft vgl. ferner E 5, 56 (64); 8, 122 (132); 19, 206 (217); 38,258 (270); 52,95 (117 f.); 83, 37 (54 f.); 83,60 (75). 240

E 52, 95(118).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

56

Organisationsbefugnis zugestehen" 241 . Obgleich verfaßte Gebietskörperschaft, sind Gemeinden demnach keine Staaten, da sie, „unbeschadet ihrer Autonomie', vom Staat, dem sie eingegliedert sind, abgeleitete Hoheitsmacht" 2 4 2 besitzen, sie vom Staat verfaßt sind, ihnen also das Moment der Ursprünglichkeit der Gewalt fehlt. Aber fehlt der Gemeinde die ursprüngliche Gewalt, weil ihre Verfassung formal das Gesetz des Landes ist oder weil eine andere Macht material die Macht hat, sie zu verfassen, weil sie sich aus eigener Macht nicht zu verfassen vermag? „Das Grundgesetz will seinem gesamten Inhalt nach die Verfassung eines souveränen Staates sein. Es war zwar entsprechend den Beschlüssen der Koblenzer Ministerpräsidenten-Konferenz vom 8. bis 10.7.1948 ... zunächst lediglich als Organisationsstatut eines besetzten Landes gedacht, hat dann aber doch schließlich die Gestalt der Verfassungsurkunde eines souveränen Staates angenommen. ... Der Parlamentarische Rat beabsichtigte lange Zeit hindurch, in die Präambel zum Grundgesetz einen klaren Hinweis auf die Beschränkung der Unabhängigkeit der Bundesrepublik durch die Besatzungsmächte aufzunehmen. ... Als dann aber der Allgemeine Redaktionsausschuß meinte, daß der Hinweis ... zu sehr nach Resignation klänge, vielmehr der Wille zur Überwindung dieser Beschränkung zum Ausdruck kommen sollte ..., verzichtete man endgültig darauf, das Besatzungsregime und das rechtliche Verhältnis zu ihm im Grundgesetz überhaupt zu erwähnen" 243 . Maßgebend für die Qualifikation einer Gewalt zur Staatsgewalt kann demnach nicht das formelle Moment verfaßter Ursprünglichkeit der Gewalt sein, da dieses der Feder und somit dem Willen der Verfasser entspringt, sondern nur das materielle Moment, die Macht zu haben, sich selber zu verfassen. Dies ergibt sich auch aus dem Gedanken, daß die Verfassung die Staatlichkeit vorfindet, ihre Ausübung nur dem Sollen unterwirft 244 ; wenn nämlich bereits vor der Verfassung einer Gewalt deren Staatlichkeit gegeben ist, kann die Verfassung dieser Gewalt als formell ursprünglich nicht das Moment der Qualifkation sein. Verfaßte Ursprünglichkeit ist demnach zwar Anzeichen möglicher Staatlichkeit einer Gewalt, aber kein staatsqualifizierendes Moment. Die Verfassung,

241

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 491.

242

E 8,122 (132); vgl. auch E 86,148 (215,220).

243

E 1,351 (368 f.).

244

Näherhin siehe drei Seiten zuvor.

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

57

die für sich in Anspruch nimmt, ursprüngliche Gewalt zu verfassen, begründet lediglich eine Vermutung zugunsten der Staatlichkeit der Gewalt. Versteht man aber unter ursprünglicher Gewalt materiell die Macht, aus eigener Macht zu sein, so ist Staat „die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Gebietskörperschaft" 245. Staatsgewalt ist folglich - begriffen über das formale Element der Verfassung des Sollens - die Gewalt einer Gebietskörperschaft, sich aus eigener Macht zu verfassen, ihr Sein dem Sollen zu unterstellen. Daher sind auch „alle wesentlichen materiellen Funktionen einer Staatsgewalt ... nur die Folge der Selbstorganisation der Herrschergewalt.... Daher ist der Schluß gerechtfertigt, daß ein Gemeinwesen ohne eigene Gesetze, ohne Regierung, Rechtsprechung kein Staat sei; mangelt ihm auch nur eines dieser Stücke, so ist dies ein Zeichen dafür, daß es nicht unter den Staatsbegriff fällt" 2 4 6 . Ob Gewalten Staaten sind, läßt sich aber folglich auch „nicht formal danach bestimmen, daß sie eine eigene Verfassung besitzen und daß sie über irgendein Stück ... unabgeleiteter Hoheitsmacht verfügen, also irgendeinen Rest von Gesetzgebungszuständigkeit, Verwaltungszuständigkeit und justizieller Zuständigkeit ihr eigen nennen" 247 . Soll die Hoheitsgewalt, welche aus eigener Macht ihr Sein dem Sollen zu unterstellen vermag, Staatsgewalt sein, so wären konkurrierend verfaßte Staaten denkbar, die in komplexen räumlich pyramidal gegliederten Strukturen existieren oder einfach nur bestimmte Gebiete und Personen gemein haben. Derart konkurrierende Staaten wären zwar gegenüber anderen auf Gebiet und Personen bezogenen Mächten einzigartig, der Staat wäre aber nicht einzig und konkurrenzlos 248 . Konkurrierende Staaten könnten zum Beispiel der Bund und die Länder oder die Länder und die Gemeinden sein, bundes- und landesunmittelbares Gebiet wäre denkbar. Staat im Sinne des Völkerrechts ist aber die Bundesrepublik Deutschland 249 , erhebt also erst die Einheit der Hoheitsgewalten aller pyramidal strukturierter Gebietskörperschaften diese zur einheitlichen Staatsgewalt 245

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 183.

246

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 493.

247

E 34, 9 (19).

248

Siehe unter „Das Moment der Hoheit", S. 51 f.

249

Siehe unter „Die Bundesrepublik - ein Staat", S. 14 ff., und unter „Kritik der Rechtsprechung zur Bundesrepublik", S. 27 f.

1. Teil: Der Staat unter Staaten

58

mit der Aufgabe und der Macht, umfassend für die Staatsangehörigen Men-

schen zu sein? Ist der Staat im Sinne des Völkerrechts einzig und konkurrenzlos?

bb) Die Souveränität Das Moment der Souveränität könnte die Antwort auf diese Frage enthalten, denn nach einer Aussage des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ist die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft „kein souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts ..., dem eine Kompetenz-Kompetenz zukäme" 250 . Zur Begründung dieser seiner Aussage führt der Senat aus: „Auf die Gemeinschaft ist weder die territoriale Souveränität noch die Gebiets- und Personalhoheit der Mitgliedstaaten übertragen worden; ihre auswärtigen Befugnisse betreffen begrenzte Bereiche, mögen sie im einzelnen hierbei auch nicht, wie im Bereich anderer Vertragsziele, durch den Grundsatz der Spezialermächtigung beschränkt sein. Nach wie vor sind derzeit die Mitgliedstaaten ... die Herren" 2 5 1 . Weder die Souveränität noch die Gebiets- und Personalhoheit seien auf die Gemeinschaft übertragen worden, diese sei daher kein souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts. Da Gebiets- und Personalhoheit nicht nur Zeichen des Staates252, sondern jedweder in den Staat eingegliederter Gebietskörperschaft sind 2 5 3 , kennzeichnet folglich das Moment der Souveränität Staatsgewalt im Sinne des Völkerrechts. Die Mitgliedstaaten sind souverän, sie sind die Herren, denen die Kompetenz-Kompetenz zukommt 2 5 4 , die also über das Sollen herrschend entscheiden können und dürfen; souverän sein, ein anderer Ausdruck für rechtlich unbegrenztes Herr sein, für Herrschen nach eigenem Gutdünken und Wohlgefallen?

250

E 75, 223 (242).

251

E 75, 223 (242).

252

Vgl. E 68,1 (90); 72, 330 (392); 75,223 (242).

253

Vgl. E 5, 56 (64); 19, 206 (217); 52, 95 (117 f.); 83, 37 (54 f.).

254

Kritisch zu dieser Rechtsprechung: H. J. Blanke, Der Unions-Vertrag von Maastricht, DöV 1993, S. 418 ff.; Markus Heintzen, Die „Herrschaft" über die Europäischen Gemeinschaftsverträge, AöR 119 (1994), S. 565-574; Juliane Kokott, Deutschland im Rahmen der Europäischen Union, AöR 119 (1994), S. 232 f., 236; Werner Schroeder, Alles unter Karlsruher Kontrolle? Die Souveränitätsfrage im MaastrichtUrteil des BVerfG, ZfRV 1994, S. 148-151; vgl. auch Daniel Thürer, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 1991, S. 122-125; zum Problem des Begriffs Souveränität: Albrecht Randelzhofer y Staatsgewalt und Souveränität, in: HdbStR I, § 15 Rn. 1 ff.

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

59

„Souveränität ist die Fähigkeit ausschließlicher rechtlicher Selbstbestimmung" 2 5 5 - schreibt Jellinek, den Gedanken der Gewalt aus eigener Macht ausführend, die Souveränität als Grundlage der Staatsgewalt begreifend, den staatsrechtlichen Positivismus im Sinne von Carl Friedrich von Gerber und Paul Laband fortschreibend 256 . Während aber Jellinek die Souveränität als Macht zur rechtlichen Selbstbestimmung beschreibt, als Macht, sich aus eigener Macht zu verfassen, läßt das Bundesverfassungsgericht dem souveränen Staat die ausschließliche rechtliche Selbstbestimmung in Form der Kompetenz-Kompetenz als Folge seines souveränen Seins „zukommen" 2 5 7 . Das Gericht begreift demnach unter Souveränität nicht die Fähigkeit zur ausschließlichen rechtlichen Selbstbestimmung, denn diese Fähigkeit kommt dem Staat vielmehr auf Grund seiner souveränen Macht zu, sie ist Folge, nicht aber Substanz der Souveränität. Aber was qualifiziert eine Macht zur souveränen Macht, die Gewalt einer Gebietskörperschaft zur souveränen Staatsgewalt? „Das Grundgesetz will seinem gesamten Inhalt nach die Verfassung eines souveränen Staates sein. ... Keine seiner Bestimmungen nimmt auf die Tatsache der Besetzung Bezug; insbesondere regeln sie nicht die Beziehungen zur Besatzungsmacht. Es geht ausnahmslos von der Gleichberechtigung der Bundesrepublik in der Völkerrechtsgemeinschaft aus" 2 5 8 , obgleich die Besetzung „die Beschränkung der Unabhängigkeit der Bundesrepublik durch die Besatzungsmächte ..., die Beschränkung der Souveränität" 259 bewirkt. Das Bundesverfassungsgericht verwendet also den Begriff der Unabhängigkeit als Synonym für Souveränität. In der zitierten Entscheidung erklärt das Gericht einerseits, das Grundgesetz wolle seinem gesamten Inhalt nach die Verfassung eines souveränen Staates sein, und erweckt somit den Eindruck, die Bundesrepublik Deutschland sei nicht souverän; andererseits erinnert es an den Willen des Parlamentarischen Rates, die Beschränkung der Souveränität zu überwinden, und beschreibt somit die Bundesrepublik Deutschland als souverän, wenn auch in beschränktem Maße. Das Gericht läßt demnach offen, ob die Besetzung durch fremde Mächte

255

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 495.

256 Ygj çari Friedrich von Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, und Paul Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches; zu diesen: Claus-Ekkehard Bärsch, Der Gerber-Laband'sehe Positivismus, in: Staat und Recht, S. 43-71. 257

Vgl. E 75,223 (242).

258

E 1,351 (368).

259

E 1,351 (368 f.).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

60

zum vollständigen Verlust der Souveränität führt oder zur bloßen Beschränkung bestehen bleibender Souveränität. Zwar ist die durch eine andere Macht beschränkte Unabhängigkeit ebenso denkbar wie die begrenzte Abhängigkeit von einer anderen Macht, aber ist dieser Gedanke möglicher Abstufungen der Unabhängigkeit auf das Moment der Souveränität, auf die Entscheidung über das Sein des Staates übertragbar? Das Besatzungsregime in der Bundesrepublik Deutschland endete am 5. Mai 1955 nach Maßgabe des Art. 1 Abs. 1 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 nebst Zusatzverträgen 260, gemäß dem zweiten Absatz desselben Artikels hat dadurch die Bundesrepublik Deutschland „die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten" 261 erlangt. Auch diese Formulierung läßt ungeklärt, ob die Gewalt der Bundesrepublik Deutschland vom Inkrafttreten des Grundgesetzes bis zur Beendigung der Besatzung die beschränkte Macht eines souveränen Staates oder die nicht-souveräne Macht einer Gebietskörperschaft war; das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in einer späteren Entscheidungen den 5. Mai 1955 als den Tag der „Herstellung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland" 262 bezeichnet, bis zu diesem Tag war die Bundesrepublik Deutschland demnach kein souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts. Eine Gewalt kann folglich nicht souverän sein, während sie zur Gänze von einer anderen Macht überwölbt 263 wird. Aber ist nur eine unbeschränkt unabhängige Macht souverän? War die Bundesrepublik Deutschland am 5. Mai 1955 souverän geworden, so behielten sich doch die Drei Mächte „die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands

260

Vgl. E 68, 1 (79 f.); zum Rechtscharakter der alliierten Herrschaftgewalt vgl. E 1, 10 (10 f.); 1, 351 (362, 366 f.); 1, 372 (372, 391 f.); 1, 418 (424); 2, 1 (56); 2, 237 (251); 3, 368 (374 f.); 4, 157 (169); 4, 250 (287); 6, 20 (26); 7, 330 (330, 339); 12, 281 (292); 27,253 (272 f.); 27, 326 (335); 41,126 (158 f.). 261 Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten, BGBl. 1955 Π, S. 305. 262

E 30, 1 (4); vgl. auch E 15, 337 (348 f.) - wo der erste Senat durch Zitat des Vertrages noch offen läßt, ob die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich souverän geworden ist - und E 22,91 (92); 41,126 (166). 263

Zum Begriff der „überwölbenden Gewalt" vgl. E 1, 351 (362).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

61

und einer friedensvertraglichen Regelung" 264 vor, insofern bestand also die übergeordnete Gewalt der Besatzungsmächte bis zur Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990 fort, ohne daß dies nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland gehindert hätte. Trotz territorialer Souveränität gehörte es ferner „schon zum Charakter herkömmlicher Militärbündnisse, daß Streitkräfte anderer Bündnispartner auf dem Territorium eines Bündnispartners Durchmarsch-, Aufenthalts- und Einsatzrechte hatten, ohne daß sie der Hoheitsgewalt dieses Bündnispartners unterworfen oder in seine Streitkräfte eingegliedert waren. Das möchte eine vorübergehende Einschränkung oder Minderung der Souveränität des betreffenden Bündnispartners bewirken, aber eine solche Einschränkung und Minderung war nicht mehr als eine unerläßliche Voraussetzung für den Schutz, den er ... im Bündnis suchte. Ebenso ist es heute Sinn einer mit Übertragung von Hoheitsrechten verbundenen Stationierung, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor Angriffen zu gewährleisten, und damit der Integrität ihrer Verfassungsordnung wie ihrer Souveränität zu dienen" 265 . Eine Macht kann also in ihrer Unabhängigkeit rechtlich beschränkt und insofern auch eingeschränkt souverän sein, gleich, ob die Beschränkung von anderen Mächten diktiert oder von der Macht selber frei gewählt ist. Souveränität setzt also nicht die unbeschränkte rechtliche Unabhängigkeit der Gewalt voraus. Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeigt aber auch, daß Unabhängigkeit kein Synonym für Souveränität ist, da die Gewalt der Bundesrepublik - je nach der Art und dem Grad der Beschränkung ihrer Unabhängigkeit entweder souverän oder nicht souverän war; Souveränität und Unabhängigkeit könnten demnach lediglich im gedanklichen Extrem ihrer reinen Verwirklichkeit identisch sein, vorausgesetzt ein Staat unter Staaten ließe sich rechtlich derart rein denken. „Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ist ein Konstitutionsprinzip des gegenwärtigen allgemeinen Völkerrechts" 266 , Souveränität ist also allen Staaten zu eigen und begründet ihre formale Gleichheit untereinander.

264 E 5, 85 (130); vgl. auch Art. 2 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten, BGBl. 1955 II, S. 305. 265

E 68,1 (96).

266

E 63,343 (344); vgl. auch E 36,1 (26).

62

1. Teil: Der Staat unter Staaten

Was aber ist der materielle Inhalt dieser Gleichheit, worin gleichen sich Staaten im Sinne des Völkerrechts? Die souveräne Gleichheit aller Staaten gebietet jedem Staat, seine Hoheitsgewalt auf sein Staatsgebiet zu beschränken und die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der anderen Staaten in ihren inneren und äußeren Angelegenheiten zu respektieren 267 . Demgemäß ist „das völkerrechtliche Verbot, Hoheitsakte ohne Zustimmung oder Duldung des betroffenen Staates - auf fremdem Hoheitsgebiet zu setzen, ... auf der Ebene des Völkerrechts eine ausschließlich staatsgerichtete, dem Schutz der Souveränität als solcher dienende N o r m " 2 6 8 . Die Souveränität eines Staates als solche beruht also auf der Verbindung des ausschließlichen rechtlichen Herrschaftsanspruchs des Staates in seinem Hoheitsbereich 269 , den der Staat zugunsten „der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs" 270, also zugunsten innerstaatlicher Mächte oder fremder Hoheitsgewalt zurücknehmen kann 2 7 1 , und der „nach Überwindung des mittelalterlichen Faustrechts ... beim Staat" 272 monopolisierten tatsächlichen Gewalt, diesen Anspruch auch durchzusetzen zu können 273 . Der Staat ist folglich allzuständig, er darf „aufgrund umfassender Verbandsund Organkompetenz grundsätzlich jede Materie gesetzlich regeln und auch die Regelungsform eigenverantwortlich wählen" 2 7 4 , ihm kommt die KompetenzKompetenz z u 2 7 5 . Daß das Bundesverfassungsgericht zur Bejahung der Staatlichkeit einer Gewalt den rechtlichen Anspruch, ausschließlich zu herrschen, allein nicht genügen läßt, sondern die tatsächliche Macht zur Durchsetzung dieses Anspruchs

267 Vgl. E 36, 1 (26 f.), wo das Gericht in einem Satz diesen „Grundsatz" in Zusammenhang mit zwei nur die Gleichberechtigung und Gleichheit der Staaten normierenden vertraglichen Abreden als dritte Abrede ausführt. 268

E 63, 343 (373).

269

Vgl. E 58,1 (28); 59, 63 (90); 68,1 (90 f.); 73, 339 (374); 92, 26 (26, 41).

270

E 58,1 (28); vgl. auch E 37, 271 (280); 73, 339 (374).

271

E 58,1 (28); 58, 233 (246); 64, 208 (215); 68,1 (90 f.); 73, 339 (374).

272

E 69, 315 (360).

273

Vgl. E 61, 126 (136); 68, 1 (90); 69, 315 (360); 80, 315 (336, 340 f.); 81, 58 (65); 81, 278 (294); zum Strafanspruch und -monopol des Staates vgl. 57, 250 (275, 284); 74, 358 (371); 91, 335 (344); 92, 277 (320, 324). 274

E 92,203 (240), vgl. auch E 52, 95 (118); 64, 208 (215); 83, 37 (54).

275

E 75,223 (242).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

63

fordert, verdeutlicht besonders die Entscheidung des zweiten Senats vom 10.7.1989: „Ihre Grundlage findet die asylrechtliche Zurechnung von Drittverfolgungsmaßnahmen nicht schon im bloßen Anspruch eines Staates auf das legitime Gewaltmonopol, sondern erst in dessen - prinzipieller - Verwirklichung. Soll die Asylgewährleistung Schutz vor einem bestimmt gearteten Einsatz verfolgender Staatsgewalt bieten ..., so liegt darin als Kehrseite beschlossen, daß der Schutz vor den Folgen anarchischer Zustände oder der Auflösung der Staatsgewalt nicht durch Art. 16 Abs. 1 GG versprochen i s t " 2 7 6 . „Ist Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit, so fehlt es an der Möglichkeit politischer Verfolgung, solange der Staat bei offenem Bürgerkrieg im umkämpften Gebiet faktisch nurmehr die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive Ordnungsmacht aber nicht mehr besteht. Daher sind in diesem Gebiet etwa Maßnahmen des zur Bürgerkriegspartei gewordenen Staates dann keine politische Verfolgung im asylrechtlichen Sinn, wenn und soweit sie typisch militärisches Gepräge aufweisen und der Rückeroberung eines Gebietes dienen, das zwar de iure (noch) zum eigenen Staatsgebiet gehört, über das der Staat jedoch de facto die Gebietsgewalt an die so bekämpften anderen Kräfte verloren hat" 2 7 7 . Staat setzt also effektive Gewalt voraus, die gegenüber anderen auf seinem Territorium wirkenden Mächten übergreifend und überlegen wirksam sein muß. Gewinnt ein Staat die effektive Herrschaftsgewalt über das Gebiet eines anderen Staates, geht daher der annektierte Staat, beruhend „auf dem faktischen Wechsel der Souveränität über das ... Staatsgebiet, der die völlige Einverleibung ... bezweckte und tatsächlich zur Folge hatte" 2 7 8 , unter. Der Staat hört aber ebenfalls auf zu sein, wenn seine Gewalt nachhaltig und nicht nur vorübergehend in Frage gestellt wird, er durch die Konkurrenz mit starken oder überlegenen Kräften seine übergreifende und effektive Macht verliert 279 . „Freilich ist hierbei zu berücksichtigen, daß es keiner staatlichen Ordnungsmacht möglich ist, einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und Gewalt, zumal in

276

E 80, 315 (336).

277

E 80, 315 (340).

278

E 4, 322 (325); zum Aspekt des Willens zur ausschließlichen Herrschaft und dessen Relevanz siehe unter „Die Bundesrepublik - ein Staat deutscher Identität", S. 24 ff. 279

Vgl. E 80, 315 (341).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

64

den oft unübersichtlichen Verhältnissen von Großstädten, zu garantieren" 280 , Staatsgewalt, auch wenn übergreifend und überlegen begriffen, herrscht also in wirklichen Staaten nur prinzipiell. Eine Gewalt ist folglich für das Bundesverfassungsgericht souverän und somit Staatsgewalt im Sinne des Völkerrechts, wenn sie die ausschließliche, monopolisierte Herrschaft über ein Gebiet und die Personen, die ihr zugehören sollen oder sich bloß auf ihrem Gebiet befinden, de iure beansprucht und diesen Anspruch de facto prinzipiell effektiv durchzusetzen vermag. Die eingangs gestellte Frage, was die Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu Bund, Ländern oder Gemeinden zum Staat unter Staaten qualifiziert 2 8 1 , ist somit beantwortet. Erst die Einheit der Gewalten der pyramidal strukturierten Gebietskörperschaften erhebt diese zu ausschließlicher, monopolisiert tatsächlicher Herrschaft und somit zur Staatsgewalt mit der Aufgabe und der Macht, umfassend für die Staatsangehörigen Menschen zu sein. Souveräne Gewalt qualifiziert folglich die Bundesrepublik Deutschland zum Staat unter Staaten, zum Staat im Sinne des Völkerrechts. Staat im Sinne des Völkerrechts ist folglich die souveräne Hoheitsgewalt, er ist einzig und konkurrenzlos.

cc) Kritik der Momente Die Beanspruchung ausschließlicher Herrschaft führt zu begrifflich gedanklichen Feinheiten, die Beachtung fordern. Zum Beispiel werden zwischenstaatlichen Einrichtungen, „deren Rechtsordnung, Willensbildung und Handlungsformen nicht dem Grundgesetz und damit auch nicht dem bestimmenden Einfluß des deutschen Gesetzgebers unmittelbar unterliegen, die gleichzeitig aber - je nach ihren Kompetenzen - in die deutsche Rechtsordnung hoheitlich mit unmittelbarer Wirkung für die Rechtsunterworfenen einwirken können" 2 8 2 , Hoheitsrechte nicht einfach „übertragen", sondern der souveräne Staat Bundesrepublik Deutschland nimmt „ein vordem tatsächlich gegebenes und rechtlich mögliches ausschließliches Herrschaftsrecht zugunsten fremder Hoheitsgewalt" 283 zurück, schränkt also die Ausübung der souveränen Gewalt, ohne die Souveränität aufzugeben, zugunsten der zwi-

280

E 81,58 (66); vgl. auch E 83, 216 (235 f.).

281

Siehe S. 53.

282

E 58,1 (36).

283

E 68,1 (90); vgl. auch E 59,63 (90), 68,1 (91); 75,223 (242).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

65

schenstaatlichen Einrichtung derart ein, daß „der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs Raum gelassen w i r d " 2 8 4 . Souveränität erklärt ausschließliche Gewalten zu Staaten; nicht die Gebietsund Personalhoheit schafft also die rechtliche Gleichheit der Staaten, sondern das Moment der Ausschließlichkeit der Gebiets- und Personalhoheit, das Moment der Souveränität, daher „der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten" 285 . Die Gewalten der Staaten sind auf Grund ihrer Souveränität gleichgeordnet, untergeordnet können ihnen die zur autonomen Ausübung verliehenen Gewalten anderer Gebietskörperschaften sein, übergeordnet die Gewalten inter- oder supranationaler Organisationen 286 ; mit der Souveränität läßt sich folglich die Beziehung einer Macht zu den sie umgebenden Mächten begreifen, eine Machtstruktur als unabhängige Staatsgewalt einordnen oder eine Macht als abhängig einer Staatsgewalt zuordnen. Souveränität ist insofern ein Moment der materiellen Macht, als es Macht in Relation zu anderen Mächten setzt, ein machtbeschreibendes Moment, das nicht das Wesen der staatlichen Gewalt zu erfassen, aber die Zugehörigkeit von Macht zu einem Staat oder dessen Zugehörigkeit zur Ebene der Völkerrechtssubjekte zu klären vermag. Offenbart das formale Moment der verfaßten Ursprünglichkeit der Gewalt mehr über das Wesen der Souveränität, das souveräne Sein des Staates? Abgesehen davon, daß Material die ausschließliche Herrschaft über Gebiet und Menschen Voraussetzung zur Verfassung aus eigener Macht ist, betont der formale Begriff der Staatsgewalt deren Eigenart, eine nicht weiter ableitbare, eine originäre Gewalt zu sein. „Nach dem kirchenpolitischen System des Grundgesetzes besteht keine Staatskirche. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde . . . . Damit erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht vom ihm herleiten" 287 , dem Eigenständigkeits- und

284

E 37,271 (280); 58, 1 (28); vgl. auch E 73, 339 (374).

285

E 63, 343 (344).

286

Zur Rechtsqualität der Gewalt der Europäischen Union siehe unter „Der Staatenverbund Europäische Union", S. 133 ff. 287

E 18, 385 (386); vgl. ferner E 66,1 (19).

S Aishut

1. Teil: Der Staat unter Staaten

66

Unabhängigkeitsbewußtsein der großen Kirchen entspricht also die „Anerkennung ihrer originären Rechtsgewalt durch den Staat" 288 . Kirchen verfügen demnach, genau wie der Staat, auf dessen Gebiet sie als sich im räumlichen Wirkungsbereich selber beschränkende Personenverbände existieren, über originäre, ursprüngliche Gewalt 2 8 9 . Da sie „ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform ... dem Staat nicht inkorporiert" 290 sind, stehen sie wie jedermann dem Staat „ i m Staat" 291 gegenüber und können gegen ihn eigene Rechte geltend machen 292 . Das formale Moment der verfaßten Ursprünglichkeit der Gewalt offenbart also die Existenz anderer ursprünglicher und unabhängiger Gewalten auf dem Gebiet des Staates. Eingedenk dessen, daß weder die rechtliche Beschränkung der Staatsgewalt durch übergeordnetes Besatzungsrecht noch die durch Völkerrecht im Rahmen der „Eingliederung des ... verfaßten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengesellschaft" 293 die Ausschließlichkeit der Staatsgewalt zu negieren vermag 294 , obwohl Regeln des Völkergewohnheitsrechts einen Staat gegen seinen Willen auch dann binden, „wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten ... anerkannt werden" 295 . Und eingedenk dessen, daß auch eine de facto nur prinzipiell effektive, aber ausschließlich beanspruchte Herrschaftsgewalt de iure souveräne Gewalt ist 2 9 6 , stellt nunmehr ein anderer Aspekt die Ausschließlichkeit souveräner Hoheitsgewalt in Frage: Wie kann der Staat Souveränität im Sinne ausschließlicher Herrschaft über sein Gebiet und sein Volk besitzen, wenn auf seinem Gebiet auch andere eigen-

288

E 19,1 (12); siehe auch E 30, 415 (428); 42, 312 (321).

289

Zu diesem Aspekt der Rechtsqualität der Kirchen vgl. E 19, 206 (217).

290

E 53, 366 (387); vgl. auch E 18, 385 (386); 30, 415 (428); 42, 312 (321); 66, 1

(19 f.). 291

Vgl. E 53, 366 (392), wo der zweite Senat die „Freiheit der Kirche im Staat" gewährleistet sieht; zur Verwendung des Begriffs Staat durch das Bundesverfassungsgericht im Kontext des Verhältnisses zwischen Gemeinde und Staat siehe unter „Die organschaftliche Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt", S. 49. 292

E 53, 366 (387); 42, 312 (322).

293

E 63, 343 (370); 75,1 (17).

294

Siehe unter „Die Souveränität", S. 59 ff.

295

E 15,25 (34); 16, 27 (33); zum Völkergewohnheitsrecht vgl. nur 66, 39 (64 f.).

296

Siehe unter „Die Souveränität", S. 62 ff.

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

67

ständige, von der Staatsgewalt unabhängige ursprüngliche Mächte Gewalt ausüben? „Die Zuerkennung der Fähigkeit, Träger öffentlicher Kompetenzen und Rechte zu sein, und die Anerkennung der besonderen Bedeutung der öffentlichen Wirksamkeit einer Religionsgesellschaft" 297 gliedert diese zwar nicht in den Staat ein, gewährleistet ihr aber zur Erfüllung ihres Auftrags Organisationsformen des staatlichen Rechts 298 . Indem jedoch der Staat die originäre Gewalt der Kirchen anerkennt und für ihre Ausübung eine öffentlich-rechtliche Form - deren Erwerb ebenso frei steht „wie es im Ermessen der betreffenden Religionsgesellschaft steht, die Organisationsform des rechtsfähigen oder nichtrechtsfähigen Vereins zu wählen" 2 9 9 - bereitstellt, bindet er sie zugleich in den Rahmen seiner Rechtsordnung ein, gewährt er ihnen Freiheit innerhalb seiner ausschließlichen Herrschaftsordnung; das Bundesverfassungsgericht zitiert in diesem Kontext Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" 300 . Gerade diese Art der rechtlichen Einbindung der Religionsgesellschaften zeigt, daß Staaten in sich befriedete Einheiten darstellen, „die nach innen alle Gegensätze, Konflikte und Auseinandersetzungen durch eine übergreifende Ordnung in der Weise relativieren, daß diese unterhalb der Stufe der Gewaltsamkeit verbleiben und die Existenzmöglichkeit des Einzelnen nicht in Frage stellen, insgesamt also die Friedensordnung nicht aufheben . . . . Dazu dient staatliche Macht" 3 0 1 , daher ist der Staat als rechtlich geformter Personenverband mit der ausschließlichen Macht ausgestattet, sich aller Angelegenheiten der räumlich begrenzten Lebens- und Schicksalsgemeinschaft anzunehmen und gegenüber allen Personen Gewalt zu üben, die sich auf seinem Gebiet, gleich ob der Gemeinschaft zugehörig oder nicht, aufhalten. Die in der staatlichen Rechtsordnung normierte originäre Gewalt der Kirchen ist demnach eine innerhalb der ausschließlichen staatlichen Herrschaft gewährte originäre Gewalt. Kirchengewalt und Staatsgewalt sind also verfaßt ursprüngliche Gewalten. Aber nur die Staatsgewalt ist souveräne Gewalt.

297

E 19,129 (133); vgl. auch E 66,1 (20).

298

Vgl. E 53, 366 (392).

299

E 19,129(134).

300

Vgl. E 18, 385 (386); 66,1 (19).

301

E 80, 315 (334).

1. Teil: Der Staat unter Staaten

68

Das formale Moment der verfaßt ursprünglichen Gewalt bestätigt demnach die sich bereits aus dem völkerrechtlichen Gebot der souveränen Gleichheit ergebende Erkenntnis, daß Souveränität Macht in Relation zu anderen Mächten zu beschreiben und zu begreifen vermag. Souverän ist die Gewalt, die gegenüber den anderen Gewalten ihres Herrschaftsbereiches übergeordnet und daher fähig zur Selbstbestimmung ist. Eine Gewalt, die Gebiet- und Personalhoheit will und prinzipiell effektiv hat, ohne einer anderen Gewalt untergeordnet zu sein, ist Staatsgewalt im Sinne des Völkerrechts. Stand am Anfang die Frage, in welchem Maße sich der Staat seiner Gewalt an autonome Organe begeben darf, ohne die Qualität seiner Gewalt einzubüßen 3 0 2 , setzt nunmehr die Souveränität der Begebung der Gewalt eine Grenze. Wenn der Staat sich seiner ausschließlichen Macht in einem Maße an autonome Organe begibt, daß er selber die umfassende effektive Gewalt an seine Organe verliert, hört der Staat auf zu sein. Positiv formuliert, sind Gebietskörperschaften „nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als ,Hausgut' ... verbleibt. Was immer im einzelnen dazu gehören mag, jedenfalls muß ... die freie Bestimmung über seine Organisation einschließlich der ... organisatorischen Grundentscheidungen" 303 dem Staate verbleiben. Anders formuliert: Wenn die Gewalt einer bisher einem Staate eingegliederten Gebietskörperschaft sich auf Grund ihrer eigenen, ursprünglich nur zur autonomen Ausübung übertragenen effektiven Macht aus der einheitlichen Staatsgewalt mit dem Anspruch löst, die umfassende Gewalt in Relation zu den anderen Mächten zu sein und zu haben, bildet sich eine neue souveräne Gewalt, verliert zugleich der alte Staat einen Teil seiner selbst; aber die Sezession eines Teils „beendet nicht die Subjektsidentiät des verbleibenden Teils, sofern dessen Staatlichkeit... erhalten bleibt" 3 0 4 . Aber eröffnet Souveränität wirklich einen Begriff dessen, was Staat ist? Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft „ist kein souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts ..., dem eine Kompetenz-Kompetenz über innere Angelegenheiten zukäme. Nach wie vor sind derzeit die Mitgliedstaaten ... die Her-

302

Siehe unter „Die organschaftliche Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt",

S. 50. 303

E 34,9 (20).

304

E 77,137 (160 f.); vgl. auch E 4, 322 (328).

305

E 75,223 (242).

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

69

Souverän ist, wer herrscht, wer keinen mächtigeren Herrscher über sich hat - rein materiale Macht entscheidet letzten Endes darüber, wer Staat im Sinne des Völkerrechts ist: ob die Hoheitsgewalt ausübende Macht, die an der Spitze einer pyramidalen Machtgliederung steht, Teil einer Staatsgewalt ist, wie die Gewalt der Gebietskörperschaft Bund Teil der Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland, oder von Staaten eingeräumte Hoheitsgewalt, wie die Gewalt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, deren Herren derzeit die Mitgliedstaaten sind. Innerhalb einer räumlich pyramidalen Gliederung der Hoheitsgewalt ist folglich die Ebene der Souveränität die der relativ größten Macht, über die derzeit die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verfügen 306 ; daher sind die europäischen Nationen zur Zeit Staaten im Sinne des Völkerrechts, nicht aber ihre Union. Daß faktische Macht über Souveränität entscheidet, bestätigt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Deutschen Demokratischen Republik307. Vor dem Abschluß des Grundlagenvertrags am 31.7.1973 - den der politisch überspielte zweite Senat als „eine faktische Anerkennung besonderer Art" bewertete 308 - urteilte der Senat über die Deutsche Demokratische Republik im Zusammenhang mit deren Devisengesetz: „Der Wille der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ... ist aber, wie allgemein bekannt, darauf gerichtet, die gesellschaftlichen Verhältnisse in dem von ihr ... beherrschten Teil Deutschlands im kommunistischen Sinne umzugestalten und die bolschewistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in der Zone zu begründen und zu festigen. Das Gesetz dient damit unmittelbar dem Schutze und der Festigung der in der Sowjetzone ausgeübten politischen Macht und des dort bestehenden Wirtschaftssystems" 309 . Blendet man die Ideologie, den politischen Willen der Sozialistischen Einheitspartei, und den Aspekt des deutschen Staates aus, beschreibt der Senat die Deutsche Demokratische Republik als von der Sozialistischen Einheitspartei beherrschte Macht, die über ein Gebiet und zugehörige Menschen herrscht, die faktisch ausschließlich ist und ausgeübt wird 3 1 0 , er begreift also eine souveräne

306

E 89,155 (155 f., 181,184).

307

Zu dieser siehe unter „Die Deutsche Demokratische Republik", S. 29 ff.

308

E 36, 1 (22 f.); zur Kritik des Gerichts an der Politik vgl. S. 14 f. derselben Entscheidung. 309

E 12, 99 (109).

310

Siehe unter „Die Deutsche Demokratische Republik", S. 29,35.

1. Teil: Der Staat unter Staaten

70

Hoheitsmacht, ohne sie als solche zu bezeichnen 311 , ohne ihr diesen Begriff zubilligen zu wollen - oder zu können? - , war doch vor Abschluß des Grundlagenvertrages eine völkerrechtliche „Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik durch die Bundesrepublik Deutschland ... nicht nur nie förmlich ausgesprochen, sondern im Gegenteil wiederholt ausdrücklich abgelehnt" 3 1 2 worden. Ohne dem Verdacht ausgesetzt zu sein, Staat begrifflich fassen zu wollen und somit in Tradition und Gedanken gefangen zu sein, bestätigt das Gericht also durch die Beschreibung des faktischen Seins des Systems der Sowjetzone 3 1 3 , daß Staat im Sinne des Völkerrechts die ausschließliche Hoheitsmacht zu herrschen ist und haben muß. Faktische Macht entscheidet also letzten Endes über Souveränität, die Legitimation dieser Herrschaftsmacht, der Gewaltherrschaft 314 , ist hingegen für ihr souveränes Sein ohne Belang. Wesen des Staates im Sinne des Völkerrechts ist also nur sein Doppelcharakter als Gebietskörperschaft und Personenverband; Souveränität begreift lediglich Relationen der Macht und ihre Veränderungen in der Zeit, erfaßt Macht als eine relative Größe. Souveränität eröffnet einen Begriff dessen, wer Staat im Sinne der Völkerrechts ist, nicht aber die Erkenntnis dessen, was Staat ist. Souverän ist relativ. Wer Souverän ist, ist beliebig, es bedarf nur seiner zur Herrschaft. „Im deutschen Rechtsbereich trat das Gnadenrecht mit der Entstehung des Königtums in Erscheinung. Es wurde zwar nicht mehr von kultischsakralen Vorstellungen getragen, war aber auf das engste mit der Person des Herrschers und seinem Gottesgnadentum verknüpft" 315 . Ob ein Mensch - wie der Herrscher von Gottesgnaden - oder mehrere Menschen, gar zu einem Volk - wie „in der modernen parlamentarischen Demokratie" 316 - verbundene, Souverän sein soll, ist eine Frage der Verfassung der Staatsform, deren Bewertung eine Frage der Zeit 3 1 7 .

311

Das Bundesverfassungsgericht hat die Deutsche Demokratische Republik bisher wohl in keiner Entscheidung als „souveränen Staat" bezeichnet. 312

E 36,1 (22).

313

Vgl. auch den Tenor der Beschreibung der Sowjetzone in E 11,150 (150,160 f.).

314

Das Bundesverfassungsgericht gebraucht den Begriff der Gewaltherrschaft im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Herrschaft, vgl. E 6, 309 (336); 13, 46 (49 f.). 315

E 25, 352 (358 f.).

316

E 73, 40 (85).

317

Zur Form der Staaten in der Zeit siehe unter „Telos der Organisation", S. 99 ff.

Β. Das Völkerrechtssubjekt Staat

71

Ausschließliche Macht hat der Staat, um für die Staatsangehörigen, das Volk, umfassend zu sein; besteht seine Macht aber um des Volkes Willen, so sollte das Volk auch herrschen, Souverän sein, die Macht ginge dann von dem aus, dessen sie sich bemächtigt. Derart verstandene „Volkssouveränität" 318 aber ist ein für die Freiheit des Einzelnen gefährlicher Begriff, da er die Frage der Legitimation der Macht eskamotiert. Das Volk ist eine normative Wertung, wer zu ihm gehört, bestimmt das Staatsangehörigkeitsrecht, das auf dem Staat und seiner Macht gründet 319 ; ein derart bestimmtes Volk mag zwar der Souverän sein, es vermag aber nicht die Macht gegenüber dem Einzelnen, der dieser nicht Untertan sein will, zu rechtfertigen, auch wenn der Begriff Volkssouveränität diesen Eindruck erweckt 3 2 0 . Aus dem ersten Teil der Arbeit läßt sich folgende Kernthese entwickeln: Der Staat unter Staaten ist und hat souveräne Hoheitsmacht über Gebiet und Personen, er ist einzig und konkurrenzlos.

318

Vgl. E 2,1 (1,12 f.); 44,125 (145); 83, 37 (50-52); 83, 60 (60,71 f.).

319

Siehe unter „Das Staatsvolk", S. 42.

320 Ygj j osef Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung - Mythos und Relevanz der Lehre von der verfassungsgebenden Gewalt, S. 50,76 ff.

2. Teil Der Staat A. Der Staat - der Mensch Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts formulierte im Jahre 1952, daß der freiheitlich demokratischen Grundordnung nach der im Grundgesetz getroffenen verfassungspolitischen Entscheidung die Vorstellung zugrunde liege, „daß der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt und Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit sind" 1 . Ob eine Schöpfungsordnung existiert und wenn, ob in dieser der Mensch einen bestimmten Wert besitzt, soll nicht Thema sein - anders die staatliche Einheit. Was bedeutet der Begriff staatliche Einheit, was sagt er über das Sein des Staates und der Staatsangehörigen Menschen aus?

I. Eine personifizierte Einheit In der Schrift gewordenen Vorstellung der Verfassungsgeber ist der Staat eine Einheit 2 . Einheit wird aus einer Mehrheit gebildet, ohne die Mehrheit als solche aufzuheben, Einheit in der Mehrheit stiftet ein Moment, das gemeisame Identität verleiht. Welche Mehrheit findet Einheit im Staat, welches Moment stiftet die staatliche Einheit? Die Reichsidee, so fährt der erste Senat in der gerade zitierten Entscheidung aus dem Jahre 1952 einige Seiten später fort, sei „der Ausdruck der Sehnsucht des deutschen Volkes nach nationaler Einheit" 3 . Ein Volk kann also eine nationale Einheit bilden, aber sind die durch eine Staatsangehörigkeit verbundenen Menschen auch die Mehrheit, die die staatliche Einheit ist?

1

E 2,1(12).

2

Zur staatlichen Einheit Deutschlands vgl. E 6, 300 (306); 6, 309 (363 f.); 36, 1 (25); 84,90(114,118,125). 3

E 2,1 (48); zu Volk und Nation siehe unter „Das Staatsvolk", S. 41 f.

Α. Der Staat - der Mensch

73

Zwei Jahre später formuliert der zweite Senat, daß „mit Bezug auf die parlamentarische Repräsentation des als Einheit gedachten Staatsvolkes ... die Eigenschaft als Partei einer nationalen Minderheit keine Verschiedenheit" 4 begründet, die wesentlich ist. Das Staatsvolk ist folglich keine naturgestiftete Einheit sich in mindestens einem Moment gleichender Menschen, sondern wird als solche nur gedacht5. Ist demnach auch der Staat nur gedachte Einheit eines einheitlich gedachten Volkes Staatsangehöriger, seine Einheit eine reine Vorstellung der Verfassungsgeber? Der Staat ist eine Gebietskörperschaft. „Gebietskörperschaften ... sind rechtliche Einheiten, juristische Personen, die hoheitliche Gewalt über ein bestimmtes Gebiet ausüben"6. Der Staat ist also eine rechtliche Einheit, eine juristische Person 7. Wollte „die juristische Erkenntnis des Staates ... nicht sein reales Wesen erfassen, sondern den Staat juristisch denkbar machen, d.h. einen Begriff auffinden, in dem alle rechtlichen Eigenschaften des Staates widerspruchlos zu denken sind" 8 , so wäre dies nunmehr erreicht: „die Auffassung des Staates als eines Rechtssubjektes"9, von der aus „die Einheit des Staates, die Einheitlichkeit seiner Organisation und des durch sie erzeugten Willens dem juristischen Verständnis entgegengeführt werden" 10 . Demnach wäre der Staat ein bloßer Begriff des Rechts, die staatliche Einheit eine Formel ohne Substanz. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet den Staat selten als juristische Person 11, es begreift ihn in seiner Einheit eher als Gemeinwesen12, als staatliche Gemeinschaft 13, gebildet durch die Schicksalsgemeinschaft aller Bürger 14 .

4

E 4, 31 (42).

5

Zur gestifteten Einheit Volk siehe unter „Das Staatsvolk", S. 40 ff.

6

E 5, 56 (64).

7

Vgl. E 6,132 (137 f., 151).

8

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 163.

9

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 169.

10

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 172.

11

Soweit ersichtlich nur in E 6, 132 (137 f., 151) und selbst dort nur, weil es Kritik aufnimmt. 12

E 28, 36 (49); 44, 125 (142); 68, 1 (78); 72, 330 (392); 79, 127 (143); das Gericht benutzt femer den Audruck des Staatswesens, vgl. E 4, 352 (356); 20, 56 (98); 69, 315 (343). 13

E 10, 59 (84); 27, 253 (253); 33, 23 (32); 35, 202 (225); 37, 217 (241, 253); 44, 125 (147 f.); 44, 353 (375); 79, 69 (77).

2. Teil: Der Staat

74

Für die deutschen Bürger hat aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts das Grundgesetz „eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die die öffentliche Gewalt begrenzt. Durch diese Ordnung soll die Eigenständigkeit, die Selbstverantwortlichkeit und die Würde des Menschen in der staatlichen Gemeinschaft gesichert werden" 15 . Der Mensch ist also Teil der staatlichen Gemeinschaft, sein individuelles Sein bedarf ihr gegenüber der Sicherung durch die Verfassung ihrer Gewalt. „In der Konfliktslage zwischen der Gemeinschaft, die ... mit einer besonders ernsten Forderung an ihre Bürger herantritt, und dem Einzelnen, der nur seinem Gewissen folgen will, räumt die Verfassungsnorm dem Schutz des freien Einzelgewissens in bemerkenswerter Weise den Vorrang ein. Das ist einem Staate angemessen, der eine Gemeinschaft freier Menschen sein will und gerade in der Möglichkeit freier Selbstbestimmung des Einzelnen einen gemeinschaftsbildenden Wert erkennt" 16 . Daß die Gemeinschaft mit Forderungen an den Einzelnen heranzutreten vermag und beide ob dieser in Konflikt geraten können, zeigt aber zugleich, daß aus der Sicht des Gerichts die Gemeinschaft gleich einer Person dem Einzelnen gegenübersteht. In der deutschen Staatsangehörigkeit kommt folglich nicht nur die Grundbeziehung der mitgliedschaftlichen Verbindung zum Ausdruck, sondern auch die der „rechtlichen Zugehörigkeit zur staatlichen Gemeinschaft der Bundesrepub l i k " 1 7 . Ideelles Grundprinzip des freiheitlich demokratischen Gemeinwesens ist daher „die Zugehörigkeit zu dem allen gemeinsamen, nicht mehr obrigkeitlichen Staat" 18 , zu dem „Gesamtorganismus einer freiheitlichen Demokratie" 19 . Der Staat ist also ein einheitliches Gemeinwesen, ein Gesamtorganismus ist der Staat der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gar ein Wesen im Sinne eines organisch gegliederten, lebendigen Ganzen? „Für ein freiheitliches demokratisches Staatswesen ist die politische Mitarbeit seiner Bürger lebensnotwendig" 20 , ihm darf keinesfalls „für unübersehbare Zeitdauer jede Möglichkeit genommen werden, auf den entscheidenden Ge-

14

Vgl. E 27, 253 (270); 72, 330 (419).

15

E 6, 32 (40).

16

E 12, 45 (54).

17

E 37, 217 (241), vgl. auch S. 251 f. derselben Entscheidung.

18

E 12, 45 (51).

19

E 12, 113(130).

20

E 4, 352 (356); vgl. auch E 20, 56 (102 f.).

Α. Der Staat - der Mensch

75

bieten das Recht den wechselnden Bedürfnisse des Staatslebens anzupassen"21. Nähme man dem Staat das eine oder das andere, müßte er sterben 22. Das Bundesverfassungsgerichts begreift den Staat demnach als eine lebende Einheit, als einheitliches Lebewesen23. Aber das Gericht geht noch weiter. Es verleiht der lebendigen staatlichen Einheit den Körper und die Gefühle eines menschlichen Wesens: „In nicht wenigen Ländern tritt der Staat... zwei- oder mehrgesichtig auf Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß auch dieser mehrgesichtige Staat immer ein und derselbe Staat ist" 2 4 . Ferner schließen die in den „Konstitutionsprinzipien unserer Verfassung enthaltenen Wertentscheidungen ... es aus, daß der Staat seine Hand dazu leiht, diejenigen auszubilden, die auf die Zerstörung der Verfassungsordnung ausgehen"25 und nach allgemeinem Völkerrecht ist der Staat „grundsätzlich nicht verpflichtet, in seinem Hoheitsbereich die Vornahme von Hoheitsakten eines anderen Staates durch dessen Organe zu dulden ... oder dafür - im Wege der Rechtshilfe - seine Hand zu reichen" 26 . Die staatliche Einheit hat demnach ein Gesicht und handelt vermittels ihrer Hände; sie ist nicht nur eine Körperschaft des Rechts, sondern verfügt zudem über wesentliche Eigenschaften des menschlichen Körpers. Zum Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens, der beim Gebrauch bestehender Kompetenzen gegenseitige Rücksichtnahme gebietet, führt das Gericht aus: „er hält die Egoismen des Bundes und der Länder in Grenzen und greift dort ein, wo deren Interessen auseinanderfallen, und zwar so, daß der eine Teil Schaden nimmt, wenn der andere Teil seine Maßnahmen ausschließlich nach seinen Interessen treffen würde" 27 - die Staaten Bund und Länder 28 besitzen also nicht nur ihnen eigene Interessen 29, sondern empfinden darüberhinaus sogar menschliche Emotionen wie den Egoismus. 21

E 2, 237 (250).

22

E l , 14(19).

23

Zum Leben des Staates vgl. E 2, 237 (250); 3, 58 (58 f.); 6, 309 (357); 7, 155 (162 f.); 31, 58 (73); 48, 127 (160). 24

E 80, 315 (342).

25

E 46, 43 (52).

26

E 63, 343 (361).

27

E 43, 291 (348).

28

Zur Frage der Staatlichkeit von Bund und Ländern siehe unter „Der Bundesstaat", S. 116 ff. 29

Zum Staat als interessierte Person vgl. E 25, 1 (16); 28,191 (197); 33, 23 (32); 41, 126 (159); 49,15 (22); 57,250 (267); 58, 300 (344).

2. Teil: Der Staat

76

Der Staat ist jedoch aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht nur zu Gefühlen fähig, sondern auch zu einem eigenen Willen. Zum Beispiel werde „die Zuständigkeit der Bundesorgane zur ausschließlichen eigenverantwortlichen Bewältigung einer Sachaufgabe ... nicht erst dann von den Ländern beeinträchtigt, wenn sie ein Stück dieser Aufgabe dem Bund dadurch entziehen, daß sie selbst es sachlich regeln, sondern schon dann, wenn sie ... einen Landesstaatswillen bilden wollen, um ihn dem verfassungsgemäß gebildeten Bundestaatswillen entgegenzusetzen"30. Der Staat vermag also auch einen ihm eigenen Willen zu bilden - unter staatlicher Willensbildung versteht das Gericht die „Äußerung der Meinung oder des Willens eines Staatsorgans in amtlicher Form" 3 1 - und zu besitzen. Der Staat ist folglich - die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beim Worte genommen - ein mit einem eigenen, einheitlichen Willen beseeltes Wesen 32 . Der Gefahr, daß verschiedene Staatsorgane divergierende, die staatliche Einheit negierende Äußerungen treffen, muß der Staat begegnen, indem er den Äußerungen seiner Organe einen Rang zuordnet; beispielsweise hat gemäß einem „Grundsatz des gemeinen deutschen Staatsrechts ... der in Gesetzesform geäußerte Staatswille den Vorrang" 33 gegenüber dem Willen der Exekutive. Derart kann aber nur die Einheitlichkeit des Willens einer in Organe gegliederten Einheit gewährleistet werden, nicht dessen eindeutige Erkenntnis: „Staatliche Schutzbereitschaft kann nicht schon deshalb bejaht werden, weil die zum Handeln verpflichteten Organe erklären, ihren diesbezüglichen Pflichten genügen zu wollen. Gerade der die Ausschreitungen Dritter innerlich billigende Staat wird sich oft - schon aus außenpolitischen Gründen - von diesen distanzieren und sie - etwa unter Hinweis auf bestehende Rechtsvorschriften - nach außen hin mißbilligen" 34 . Der einheitliche Wille des Staates kann aber auch in sich divergent und daher ambivalent sein: „In nahezu allen Staaten der Welt - so auch in der Bundesrepublik Deutschland und in der ehemaligen DDR - wird Spionage nur insoweit als strafbares Unrecht geahndet, als sie sich gegen den eigenen oder auch gegen einen verbündeten Staat richtet. Für sich selbst sehen die Staaten

30

E 8, 104 (117 f.).

31

E 8, 104(104, 113).

32

Zum einheitlichen Staatswillen vgl. E 5, 85 (134 f.); 8, 104 (104, 113); 20, 56 (98); 52, 63 (83); 58, 45 (66); 91,262 (269). 33

E 10, 89 (101); vgl. ferner E 58, 45 (66).

34

E 83, 216 (235).

Α. Der Staat - der Mensch

77

hingegen Spionage als ein legitimes Mittel zur Erlangung von Erkenntnissen für die Lagebeurteilung und die Entscheidungsfindung im politischen Bereich" 3 5 . Das Bundesverfassungsgericht begreift demnach die staatliche Einheit als die organische Einheit der ihm Angehörigen, als ein Gemeinwesen mit eigener Persönlichkeit und eigenem Willen, gebildet aus der Mehrheit der Menschen, die im Staat eine durch das Moment der Staatsangehörigkeit gestiftete Gemeinschaft finden, aus dem Volk. Ist das Staatswesen also das personifizierte Volk? „Willensbildung des Volkes und Willensbildung in den Staatsorganen vollziehen sich in vielfältiger und tagtäglicher, von den Parteien mitgeformter Wechselwirkung" 36 . Folglich müssen „Willensbildung des Volkes und Bildung des staatlichen Willens durch seine verfaßten Organe ... unterschieden werden. ... Nur dann, wenn das Volk als Verfassungs- oder Kreationsorgan durch Wahlen und Abstimmungen selbst die Staatsgewalt ausübt ..., fällt die Äußerung des Volkswillens mit der Bildung des Staatswillens zusammen" 37 . Menschen sind demnach zwar die Mehrheit, die im Staat eine Einheit findet, die der Staat als Volk voraussetzt, aber die Person Staat ist nicht identisch mit seinem Volk. Der personifizierte, individualisierte Staat ist vielmehr die lebendige Verbindung der Menschen zum Staatsvolk, daher begreift das Bundesverfassungsgericht „Volk als eine zur Einheit verbundene Gruppe von Menschen" 38 , als eine Gruppe von Staatsangehörigen. Da die Europäische Union eine „Union der - staatlich organisierten - Völker Europas" 39 ist, fehlt den Europäern diese Verbindung zur Einheit, hat die durch den Vertrag von Maastricht begründete „Unionsbürgerschaft ... zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ein auf Dauer angelegtes rechtliches Band geknüpft, das ... nicht eine der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte besitzt, dem bestehenden Maß existenzieller Gemeinsamkeit jedoch einen rechtlich verbindlichen Ausdruck verleiht" 40 .

35

E 92, 277 (328 f.).

36

E 85, 264 (285); 91, 262 (268).

37

E 20,56 (98); vgl. ferner E 8,104 (104); 20,56 (98 f.); 52, 63 (83).

38

E 83, 37 (51); zur verbundenen Gruppe Volk vgl. unter „Das Staatsvolk", S. 39 ff.

39

E 89,155 (156).

40

E 89, 155 (184); zur Unionsbürgerschaft vgl. Stephan Hobe, Die Unionsbürgerschaft nach dem Vertrag von Maastricht, Der Staat 1993, S. 254 ff.; Albrecht Randelzhofer, Marktbürgerschaft - Unionsbürgerschaft - Staatsbürgerschaft, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, S. 591-594.

78

2. Teil: Der Staat

Vorstufe der staatlichen Einheit ist also ein bestimmtes Maß existenzieller Gemeinsamkeit, das Vollendung in der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat, zu einer Schicksalsgemeinschaft, findet. Das bestehende Maß europäischer Gemeinsamkeit mag noch nicht die der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte aufweisen 41 . Verglichen mit der Verbindung der Menschen zu einem Staatsvolk besitzen jedoch zwischenmenschliche Verbindungen, wie die der „zwischen den Eltern bestehenden engen Gemeinschaft" 42 , zumindest eine der staatlichen Zugehörigkeit gleichwertige Dichte. Aber diese menschliche Gemeinschaft wird in der Rechtsprechung nicht zu einem lebendigen Wesen mit eigenem Willen erhoben - warum erfährt dies die staatliche Gemeinschaft? Wird die staatliche Einheit personifiziert gedacht, so erwächst aus dem „Wirbewußtsein und -gefühl" der Menschen 43 ein allen gemeinsames Sein, ein „Ego", das nunmehr dem Einzelnen gegenübersteht. Einem derartigen „Ego" aller können Entscheidungen über einzelne Menschen leicht zugerechnet werden - aber trifft es tatsächlich die einen Staat kennzeichnenden Entscheidungen?

II. Eine entscheidende Einheit Bevor Thema sein kann, wer die einen Staat kennzeichnenden Entscheidungen trifft, muß zunächst ergründet werden, welche Entscheidungen dies überhaupt sind, was gerade die Entscheidungen der Einheit Staat kennzeichnet.

1. Entscheidungen über Menschen Grundlage einer jeden Entscheidung ist der Wille. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Staat als der Einheit der Menschen und den einzelnen Menschen der eigene Wille gemein. „Zwischenglieder zwischen den Einzelnen und dem Staat..., Instrumente, durch die der Bürgerwille auch

41

Kritisch Daniel Thürer, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 1991, S. 124 f.; zur Frage der Qualität der Europäischen Union vgl. unter „Der Staatenverbund Europäische Union", S. 133 ff. 42

E 37,217 (250).

43

Vgl. hierzu unter „Das Staatsvolk", S. 39 ff.

Α. Der Staat - der Mensch

79

zwischen den Wahlen verwirklicht werden kann" 4 4 , sind in einer Demokratie unter anderen die politischen Parteien 45 . „Sie stellen, sofern sie die Parlamentsmehrheit bilden und die Regierung stützen, die wichtigste Verbindung zwischen dem Volk und den politischen Führungsorganen des Staates her und erhalten sie aufrecht. Als Parteien der Minderheit bilden sie die politische Opposition und machen sie wirksam" 46 . Aber wie wirken diese Mittler zwischen den Einzelnen und dem Staat, was bewirken sie? Parteien „sammeln die auf die politische Macht und ihre Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen, gleichen sie in sich aus, formen sie zu Alternativen, unter denen die Bürger auswählen können" 47 und „beeinflussen die Bildung des Staatswillens, indem sie in das System der staatlichen Institutionen und Ämter hineinwirken, und zwar insbesondere durch Einflußnahme auf die Beschlüsse und Maßnahmen von Parlament und Regierung" 48 , ohne in den Bereich der organisierten Staatlichkeit eingefügt, sondern vielmehr im gesellschaftlich-politischen Bereich verwurzelt zu sein 49 . Parteien sind also „die politischen Handlungseinheiten, deren" 50 der Mensch in der demokratischen staatlichen Einheit bedarf, um sich als „Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ... einen wirksamen Einfluß auf das staatliche Geschehen"51 gewinnen zu können. Parteien stehen daher in einem „auf die Erringung politischer Macht und deren Ausübung gerichteten Wettbewerb" 52 , sie streben „nach Einfluß auf den staatlichen Machtapparat" 53 , um den ihrer Einheit angehörigen Einzelnen zu ermöglichen, die sie

44

E 20, 56 (101); vgl. auch E 44, 125 (145); 52, 63 (82); 60, 53 (66); 91, 262 (268); 91,276 (285). 45

Vgl. Peter Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft in der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 20 f. 46

(101).

E 44, 125 (145); 52, 63 (83); 60, 53 (66 f.); vgl. ferner E 14, 121 (135); 20, 56

47

E 52, 63 (82 f.); 60, 53 (67); 73, 1 (33); vgl. ferner E 20, 56 (101); 44, 125 (146); 47, 130 (140); 85, 264 (285 f.); 91, 262 (268 f.); 91, 276 (286). ^20,56(101). 49

E 20, 56 (56,101 f.); 52, 63 (85); 73, 40 (66, 96 f.); 85, 264 (287).

50

E 41, 399 (416); 52, 63 (82); 60, 53 (61); vgl. auch E 11, 266 (273); 44, 125 (145); 60, 53 (66 f.); 71, 81 (94); 85, 264 (284); 91, 262 (268); 91, 276 (285). 51

E 11, 266 (273); 41, 399 (416); 52, 63 (82); 69, 92 (110); vgl. auch E 1, 208 (223 f.). 52

E 73, 1 (33).

53

E 5, 85 (138).

80

2. Teil: Der Staat

verbindenden besonderen Interessen in der staatlichen Einheit durch Einflußnahme auf die Entscheidungen der Staatsorgane zu wahren. Parteien mittein demnach zwischen den Willen der Einzelnen und der Einheit wegen der Frage, wie der Einzelne in der staatlichen Einheit sein darf. „Es mag in der Konsequenz eines idealtypisch zu Ende gedachten Parteienstaates liegen, daß sich die Willensbildung des Volkes nur durch das Medium der Parteien vollzöge" 54 . Auf jeden Fall ist „ohne ein solches System von Vermittlungen ... die Einheit in der Vielheit unvermittelter Gegensätze demokratisch nicht zu denken" 55 . Die Existenz von Parteien ist dementsprechend eine unabdingbare Tatsache der politischen Wirklichkeit, der das Grundgesetz - im Gegensatz zu den deutschen Verfassungen der Zeit nach dem ersten Weltkriege, die aus ideologischem Grunde die politischen Parteien kaum erwähnten, obwohl schon damals das demokratische Verfassungsleben weitgehend von ihnen bestimmt war 5 6 - Rechnung trägt, „indem es die Parteien als Träger der politischen Willensbildung des Volkes ... ausdrücklich anerkennt" 57 . In der staatlichen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland wird „die Willensbildung des Volkes ... allerdings nicht nur von den politischen Parteien vorgeformt und beeinflußt. Neben ihnen wirken etwa auch Verbände, andere Gruppen und Vereinigungen sowie die Massenmedien auf den Prozeß der Meinungs- und Willensbildung ein" 5 8 . Dieses vielschichtige Engagement verdeutlicht das enorme Interesse der Einzelnen an der Einflußnahme auf die Entscheidungen der Einheit und kennzeichnet zugleich die „entscheidende" Bedeutung der Einheit für das Sein des Einzelnen. „Was jeweils praktisch zu geschehen hat, wird also in ständiger Auseinandersetzung aller an der Gestaltung des sozialen Lebens beteiligten Menschen und Gruppen ermittelt" 59 , in einem „Kampf um die politische Macht im Staat" 60 , wobei nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts „das Adjektiv politisch' nicht einen abgegrenzten Gegenstandsbereich von Politik,

54

E 41, 399 (416).

55

Hermann Heller, Gesammelte Schriften II, S. 427, den das Bundesverfassungsgericht im Kontext der sozialen Homogenität als Voraussetzung der Demokratie zitiert, vgl. oben S. 39 f. 56

Vgl. E 2, 1 (10); 20, 56 (108,110).

57

E 2,1 (10); vgl. auch S. 72 derselben Entscheidung und E 20, 56 (110).

58

E 52, 63 (83); vgl. auch E 20, 56 (99); 41, 399 (416 f.); 44,125 (140); 71, 81 (94); 85, 264 (284); 91,262 (268). 59

E 5, 85 (198).

60

E 5, 85 (198).

Α. Der Staat - der Mensch

81

sondern eher eine Eigenschaft bezeichnen soll, die alle Sachbereiche unter bestimmten Umständen jederzeit annehmen können" 61 . Da die einzelnen Menschen unterschiedliche Interessen haben, ihre staatliche Einheit aber nur ein einheitliches Interesse verfolgen und verwirklichen kann, schließen sich also im Staat Einzelne, die über gleichgelagerte Interessen verfügen, zu Gruppen zusammen, um ihre Interessen gegenüber den anderen Einzelnen, deren Gruppen und der staatlichen Einheit besser vertreten, sie bestenfalls sogar zu den Interessen der Einheit aufwerten zu können. Einzelne suchen im Endeffekt über die gegenläufigen Interessen der anderen Einzelnen und deren Gruppen zu obsiegen. Gleichen in einer Demokratie die Handlungseinheiten der Parteien die Interessen Einzelner aus und bündeln diese, um dem Einzelnen wirksamen Einfluß auf die politische Willensbildung in der staatlichen Einheit zu vermitteln, deren Ergebnis, der Mehrheitsentscheidung, alle - „auch diejenigen, die nicht die Partei der Mehrheit unterstützt haben" 62 - unterworfen sind, so offenbart dies, daß dem Staat die Macht wesentlich ist, das einheitliche Interesse aller Einzelnen zu formulieren, es zu verfolgen und es auch gegen den Widerstand Einzelner durchzusetzen - es somit über die Interessen eines jedweden Einzelnen zu stellen. Daß der Staat zum Beispiel Tarifautonomie gestattet, also davon absieht, ein staatliches Interesse im einzelnen zu formulieren, bezeugt nicht einen Mangel der Macht, sondern gerade seine Macht, Einzelnen und ihren Gruppen das Recht zu verleihen, „in dem von der staatlichen Rechtsetzung frei gelassenen Raum das Arbeitsleben im einzelnen durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, insbesondere die Höhe der Arbeitsvergütung für die verschiedenen Berufstätigkeiten festzulegen, und so letztlich die Gemeinschaft sozial zu befrieden" 63 . Der Staat ist somit die mit der Macht zur verbindlichen Entscheidung über Einzelne versehene Einheit einer Gruppe von Einzelnen, deren Sein und Handlungen durch das einheitliche Sein dem Sollen unabhängig davon unterworfen werden, ob der Einzelne sich der Einheit und ihrer Entscheidungsmacht unterwerfen will oder nicht.

61

E 76, 143 (157) - die zitierte Äußerung des zweiten Senats fällt im Kontext der Erörterung „politischer" Verfolgung. 62

E 52,63 (93); vgl. auch E 44,125 (142).

63

E 18, 18 (28); vgl. auch E 20, 312 (317); 44, 322 (322, 349); zur Gefahr der Tarifautonomie für die Herrschaftsgewalt des Staates siehe Roman Herzog, Staat und Recht im Wandel, S. 4-7, 28-31. 6 Aishut

82

2. Teil: Der Staat

Derart betrachtet, ist der Staat eine menschliche Einheit, der die Macht zur Entscheidung wesentlich ist 6 4 . Für die Ausübung dieser Macht bedarf die staatliche Einheit aber keines lebendigen Wesens, sondern lediglich der Organe. Daß dies auch dem Bundesverfassungsgericht bewußt ist, erweist schon eine im ersten Band seiner Entscheidungssammlung abgedruckte Entscheidung, in der es Gustav Radbruch wie folgt zitiert: Parteien seien „die letzten Kreationsorgane aller anderen Organe ..., ohne deren Zwischenschaltung die amorphe Volksmasse gar nicht imstande wäre, die Organe der Staatsgewalt aus sich zu entlassen"65. Im Umkehrschluß besagt diese Aussage, daß der Staat nicht des Organismus, sondern allein der Organe zur Ausübung seiner Gewalt bedarf und nur diese somit Bedingung des Seins der staatlichen Einheit sind. Dennoch beschreibt das Bundesverfassungsgericht die staatliche Einheit als ein lebendiges Gemeinwesen. Aber tatsächlich trifft nicht dieses die den Staat kennzeichnenden Entscheidungen über das Sein einzelner Menschen, was nunmehr gezeigt werden soll.

2. Entscheidungen von Menschen Zurück zum Kampf der Einzelnen und ihrer Gruppen um die politische Macht im Staate. Wie sehen die einzelnen Gruppen das Verhältnis ihrer Angehörigen und der anderen Einzelnen zur staatlichen Einheit? „Bestimmt man die politischen Richtungen im wesentlichen danach, wie sie das Verhältnis des Einzelnen zum Staate sehen, so wird man das Wesen der Staatsauffassung, von der alle Rechtsparteien ideologisch ihren Ausgang nehmen, darin zu sehen haben, daß sie in überindividualistischer Sicht dem Staat vor dem Einzelnen den Vorrang gibt - im Gegensatz zum Liberalismus, der den Primat des Individuums vor dem Staat betont. Das würde in der letzten Konsequenz heißen, daß auf der einen Seite der Einzelne als um des Staates willen, auf der anderen Seite der Staat als um des Einzelnen willen existierend gedacht wird. Die historische Entwicklung zeigt freilich eine breitere Farbenskala politischer Richtungen, indem individualistische und überindividualisti-

64 65

Vgl. hierzu E 83, 60 (73).

Gustav Radbruchy Die politischen Parteien im System des deutschen Verfassungsrechts, in: Handbuch des deutschen Staatsrechts I, § 25 S. 288 - zitiert nach E 1, 208 (224), wo der zweite Senat sogar ausdrücklich darauf hinweist, daß Radbruch dies mit Recht hervorgehoben habe.

Α. Der Staat - der Mensch

83

sehe Vorstellungen sich vielfach vermengen und Gedanken aus anderen ideologischen Bezirken hinzutreten" 66 . Das Bundesverfassungsgericht beschreibt den Staat als lebendiges Wesen, verleiht ihm ein „Ego" 6 7 , welches Entscheidungen über Einzelne trifft, denen gegenüber es also zumindest insoweit den Vorrang genießt. Dies entspricht auf der Farbenskala politischer Richtungen eher einer überindividualistischen Staatsauffassung. Die vom Bundesverfassungsgericht verwendete Beschreibung der staatlichen Einheit als eines individuellen Organismus könnte also Ausdruck dafür sein, daß das Gericht den Einzelnen als um des Staates willen existierend denkt, den Staat als ein dem Einzelnen gegenüber höherwertiges und ihm daher übergeordnetes Wesen eigener Identität begreift. Grundlage der Staatsauffassung des Verfassungsgerichts ist das Grundgesetz - wie verfaßt dieses, betrachtet aus der Sicht des Gerichts, das Verhältnis der Einzelnen zu ihrer staatlichen Einheit? „Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines isolierten souveränen Individuums; das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden"68. Zwischen der Gemeinschaft, der alle Einzelnen angehören, und den Einzelnen besteht also eine Spannung, die vom Grundgesetz nicht aufgelöst, sondern aufgenommen wird, die ihren Grund nicht in der Divergenz der Interessen der Einzelnen hat, sondern in der Macht der staatlichen Einheit, über die Interessen der Einzelnen zu entscheiden. Hierin liegt weder eine überindividualistische Staatsauffassung, noch eine individualistische. Vielmehr wird der Konflikt widerstreitender Einzelner, wenn diese sich in einer staatlichen Einheit zusammenfinden, zum Konflikt der Einzelnen mit der Einheit aller Einzelnen. Widerpart des Einzelnen ist somit nicht mehr der andere Einzelne, sondern die Einheit, der er selber angehört. Personifiziert das Bundesverfassungsgericht diese Einheit, um einen gedanklichen Gegenpart zu schaffen? Der Staat ist eine Einheit, deren Substanz eine Mehrheit von Menschen 69 . Auch wenn das Grundgesetz „mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen" 70 und ein Wertesystem schaffen wollte, „das seinen Mittelpunkt in

66

E 2,1 (15 f.).

67

Siehe unter „Eine personifizierte Einheit", S. 72 ff., 78.

68

E 4,7 (15 f.); vgl. auch E 65,1 (44).

69

Vgl. unter „Eine personifizierte Einheit", S. 72,77.

70

E 7,198 (205); vgl. auch E 41, 126 (150).

2. Teil: Der Staat

84

der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden Persönlichkeit und ihrer Würde findet" 71 , selbst wenn alle Einzelnen einem „gemeinsamen, nicht mehr obrigkeitlichen Staat" 72 zugehören, „der eine Gemeinschaft freier Menschen sein will und gerade in der Möglichkeit freier Selbstbestimmung des Einzelnen einen gemeinschaftsbildenden Wert erkennt" 73 , so kennzeichnet doch den Staat letztlich die Macht zur Entscheidung über die Interessen der ihm angehörigen Menschen. Mag auch das Ringen um die Entscheidung „gleichzeitig ein Prozeß der Klärung und Wandlung ... in Richtung auf Ausgleich und der Schonung der Interessen aller" 7 4 Staatsangehörigen sein, „die schließlich erreichten Entscheidungen werden gewiß stets mehr den Wünschen und Interessen der einen oder anderen Gruppe oder sozialen Schicht entsprechen" 75 . „Insbesondere können im Bereich der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik Maßnahmen zu Lasten der Bürger oder einzelner Gruppen von ihnen im Gesamtinteresse geboten sein" 76 . Das Gesamtinteresse gebietet also den Organen bestimmte Entscheidungen, die „als Wille der Gesamtheit gelten und nach der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger Verpflichtungskraft für alle Bürger entfalten" 77 . Mit anderen Worten: „Weil er der freien Selbstbestimmung aller unter Gewährleistung von Frieden und Ordnung einen institutionellen Rahmen verbürgt, kommt dem Staat Hoheitsgewalt, d.h. die Macht zu, Akte zu setzen, die für alle verbindlich sind, insbesondere Recht zu schaffen und Herrschaftsorgane einzusetzen" 78 . Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt demnach die Macht des Staates gegenüber den Einzelnen, indem es die Gesamtheit der Einzelnen personifiziert denkt, ein Gemeinwesen beschwört, dem der Einzelne um der Existenz des Gemeinwesens willen nachrangig sein muß, da diesem die Macht über die Einzelnen wesentlich ist 7 9 . Letzten Endes ist also - trotz des Bekenntnisses der Verfassung zu bestimmten Werten, der Fähigkeit des Staates, seine Macht dem

71

E 7, 198 (205); vgl. auch E 2,1 (12).

72

E 12, 45 (51).

73

E 12, 45 (54); vgl. auch E 2,1 (12); 35, 202 (225); 41, 29 (50).

74

E 5, 85 (198).

75

E 5, 85 (198).

76

E 44, 125(148).

77

E 44,125 (142).

78

E 44, 125(142).

79

Zum Aspekt des „ontischen Status der Macht" siehe Claus-Ekkehard Gerber-Laband'sche Positivismus, in: Staat und Recht, S. 60-64.

Barsch, Der

Α. Der Staat - der Mensch

85

Sollen anheimzugeben80, - im Staat nicht der Mensch freier Herr seiner selbst, sondern die Einheit sein absoluter Herr. Staatliche Einheit ist „Einheit der Herrschaft ist Einheit im Willen des Herrn" 81 - nur dessen Macht über andere Menschen zu herrschen, über ihr Sein zu entscheiden verdient Rechtfertigung. Die Frage ist somit, ob das gemeine Staatswesen aller Staatsangehörigen zugleich Herr sein und diesem Sein Legitimation verleihen kann. Wenn Herr sein zugleich diesem Sein Legitimation verleihen können sollte, so könnte „insbesondere die faktische Einheit von Staat und Staatspartei oder von Staat und Staatsreligion" 82 auf diesem Gedanken aufgebaut sein und ihn somit verwirklichen. „Wenn ein Staat seine Existenz auf eine bestimmte Religion gründet (Staatsreligion), wie das in islamischen Ländern vielfach der Fall ist" 8 3 , bedarf es keiner weiteren Frage nach dem Recht des Herrn, einer zu sein. War früher auch in deutschen Gebieten Herrschaft „mehr von kultisch-sakralen Vorstellungen getragen, ... auf das engste mit der Person des Herrschers und seinem Gottesgnadentum verknüpft" 84 , bezeichnete im Jahre 1972 nur noch der Richter v. Schlabrendorff den Staat als „die von Gott gestiftete Erhaltungsordnung" 8 5 , deren Bewahrung die irdische Aufgabe des Menschen sei. Ohne die übergreifende Prägekraft des Christentums leugnen zu wollen 8 6 , die Zeit seiner legitimierenden Kraft ist vergangen 87. Der Nationalsozialismus sieht „im Staat nur eine Machtapparatur im Dienst ,des Volkes 4 " 8 8 , er reduziert also den Begriff Staat - das Wort entgegen seinem eigentlichen Sinne gebrauchend - auf die bloße Organisation des Staates. Da „der Volkswille nur von einer einzigen politischen Partei bestimmt und dargestellt wird, ist der Staat praktisch ihr Werkzeug, und das bedeutet in Wirklichkeit das Werkzeug des sie unumschränkt beherrschenden politischen Füh-

80

Vgl. E 2, 1 (12); 44, 125 (141 f.).

81

Hermann Heller, Gesammelte Schriften II, S. 62.

82

E 54, 341 (358).

83

E 76,143(159).

84

E 25, 352 (359).

85

E 33,23 (37).

86

Vgl. E 93,1 (22).

87

Zur Zeit als Aspekt des Staates siehe unter „Telos der Organisation", S. 99 ff.

88

E 3,58 (85).

2. Teil: Der Staat

86

rers" 89 . „Der von der NSDAP beherrschte Staat" 90 war also eine „Diktatur, in der der mit schrankenloser Machtfülle ausgestattete Parteiführer den staatlichen Machtapparat, den er gleichzeitig technisch zu seinen äußersten Möglichkeiten anspannte, zur Durchsetzung seiner Pläne beliebig in Bewegung setzte" 91 . Hitler herrschte also als Führer des Volkes über die anderen mit ihm in einer staatlichen - nunmehr das Wort wieder in seinem eigentlichen Sinne genommen - Einheit verbundenen Menschen, bemühte gerade diese völkische Verbundenheit - obgleich auf staatlichen Normen beruhend 92 - zur Rechtfertigung seiner Macht, indem er das Volk begrifflich über den Staat, diesen als bloße Organisation begreifend, stellte. Wollte ein Gesetz der Deutschen Demokratischen Republik „nach seinem Vorspruch ... eine Devisenpolitik ermöglichen, ,die dem Willen der Werktätigen entspricht und in ihrem Interesse durchgeführt wird'", war „unter dem Willen der Werktätigen ... nichts anderes als der Wille der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu verstehen" 93 . Die SED herrschte als eine Staatspartei 94 über die in ihrem Staat zu einer Einheit verbundenen Menschen, berief sich als Regime 95 auf deren Willen. Die führenden Vertreter des „staatstragenden Klerus oder der staatstragenden Partei" 96 vertreten also ihre Macht über die und gegenüber den Staatsangehörigen Menschen. Sie verfugen hierfür über eine Rechtfertigung, die ihr Herr sein nicht aus sich selbst heraus legitimiert. Dagegen fordert der Grundsatz der Volkssouveränität, „daß das Volk einen effektiven Einfluß auf die Ausübung von Staatsgewalt durch die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung hat" 9 7 . „Deren Akte müssen sich daher auf den Willen des Volkes zurückführen lassen

89

E 3,58 (85 f.).

90

E 6,132 (163); zum totalitären Aspekt der NSDAP vgl. E 5, 85 (137 f.).

91

E 3,58 (86).

92

Vgl. unter „Das Staatsvolk", S. 40 ff.

93

E 12,99(109).

94

E 84,290 (300).

95

E 37,57 (66).

96

E 80,315 (336).

97

E 83,60 (60); vgl auch S. 71 f. derselben Entscheidung.

Α. Der Staat - der Mensch

87

und ihm gegenüber verantwortet werden" 98 . Europäisch formuliert: „Jedes der Staatsvölker ist Ausgangspunkt für eine auf es selbst bezogene Staatsgewalt"99. „Hinter dieser Auffassung steht ersichtlich die Vorstellung, ... eine Kongruenz zwischen den Inhabern demokratischer politischer Rechte und den dauerhaft einer bestimmten staatlichen Herrschaft Unterworfenen herzustellen" 100 , einen „Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft" 101 , der dieser Legitimation verleiht. In einem auf die Volkssouveränität gegründeten Staat sollen also die Staatsangehörigen Menschen als Volk selber herrschen. Die staatliche Macht ist somit gegenüber denen zu rechtfertigen, von denen sie zugleich ausgeht. Aber wie herrscht ein Volk, das doch nur eine gedachte Einheit ist 1 0 2 , über sich? Rechtfertigt nicht auch die Volkssouveränität bloß die Macht der Vertreter des Volkes gegenüber diesem, benennt den Zurechnungszusammenhang zwischen den tatsächlichen Machtinhabern, den die Entscheidungen für alle Staatsangehörigen treffenden Menschen, und dem Volke, vom dem die Macht bloß in der eben diese rechtfertigenden gedanklichen Vorstellung ausgeht? „Als Ausübung von Staatsgewalt, die der demokratischen Legitimation bedarf, stellt sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar" 103 _ Entscheidungen aber treffen in einer Demokratie Mehrheiten von Menschen 104 , auch wenn der Staat vom Volk und „nicht allein von den jeweils regierenden Mehrheiten und den hinter ihnen stehenden poltischen Kräften" 1 0 5 getragen wird. Selbst „wenn die Mehrheit aus einem freien, offenen, regelmäßig zu erneuernden Meinungs- und Willensbildungsprozeß, an dem grundsätzlich alle wahlmündigen Bürger zu gleichen Rechten teilhaben können, hervorgegangen ist, wenn sie bei ihren Entscheidungen das - je und je zu bestimmende - Gemeinwohl im Auge hat, insbesondere auch die Rechte der Minderheiten beachtet und ihre Interessen mitberücksichtigt, ihr zumal nicht die rechtliche

98

E 83,60 (72).

99

E 89,155 (186).

100

E 83, 37 (52).

101

E 83, 60 (72).

102

Vgl. unter „Das Staatsvolk", S. 40 ff.

103

E 83, 60 (73); vgl. auch E 77,1 (40).

104

Vgl. E 2, 1 (12 f.); 5, 85 (198 f.); 44,125 (141 f.); 69, 315 (347).

105

E 44, 125(143).

2. Teil: Der Staat

88

Chance nimmt oder verkürzt, zur Mehrheit von morgen zu werden" 1 0 6 , vermag dies nichts daran zu ändern, daß eine Mehrheit von Menschen für die Einheit und somit über andere Menschen entscheidet. Staatsgewalt wird „namentlich in Demokratien mit parlamentarischem Repräsentativsystem und geringen plebiszitären Mitwirkungsrechten ... durch besondere Organe ausgeübt und durch einen überlegenen bürokratischen Apparat verwaltet" 107 - herrscht also die Mehrheit aller dem Volke zugehörigen Menschen, die der wahlmündigen Bürger oder die Mehrheit einiger, alle anderen bloß repräsentierenden Menschen, der gewählten und amtswaltenden Bürger? Welche dieser Mehrheiten ist Herr gegenüber den in der staatlichen Einheit verbundenen Menschen, entscheidet über ihr Sein, verdient Rechtfertigung? „Ausgangspunkt aller demokratischen Legitimation" 108 in der Bundesrepublik Deutschland ist die Wahl zum Deutschen Bundestag. „ I m Wahlakt geht die Staatsgewalt vom Volke aus" 1 0 9 , die dann „das Parlament als Ganzes im Sinne der Gesamtheit seiner Mitglieder" 1 1 0 ausübt, da die „Ausübung von Staatsgewalt einer Legitimation, die - als eine demokratische - auf die Gesamtheit der Staatsbürger, das Volk, zurückgeht" 111 , bedarf. Dem Volk gegenüber muß also „die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse ... verantwortet werden" 1 1 2 , das Volk begibt sich also in der Demokratie seiner Macht als Einheit an eine Vertretung 113 , die ihm für dieses Vertrauen Verantwortung schuldet 114 . Aber selbst wenn „der Grundsatz der getreuen Abbildung der politischen Meinungsschichtung in der Wählerschaft bis zur letzten Konsequenz durchge-

106

E 44,125 (142); vgl. auch E 5, 85 (198 f.); 69, 315 (347).

107

E 69, 315 (347).

108

E 89, 243 (250); vgl. auch E 29, 154 (164 f.); 44, 125 (142).

109

E 89, 155 (171); vgl. auch E 73, 40 (85); 77, 1 (40).

110

E 56, 396 (405).

111

E 83, 60 (72); vgl auch E 52,95 (130); 77,1 (40); 83, 37 (50).

112

E 89,155(182).

113

Zur „Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage" vgl. E 83, 37 (55); zur Vertretung E 4, 144 (149 f.); 5, 85 (199); 29, 154 (164 f.); 56, 396 (405); 70, 324 (360 f.); 77, 1 (40); 83, 37 (55). 114

Vgl. E 40, 296 (327); 44, 125 (141 f.); 67, 100 (139); 68, 1 (86); 77, 1 (40); vgl. ferner E 1, 97 (105); 51, 356 (362); 72, 330 (398).

Α. Der Staat - der Mensch

89

führt" 115 wäre, der Deutsche Bundestag als Ganzes somit getreues Abbild der Interessen der Staatsangehörigen Menschen wäre, träfe die der staatlichen Einheit wesentlichen Entscheidungen über die Einzelnen ein „Repräsentationsorgan" 1 1 6 , genauer die prozentuale Mehrheit seiner Abgeordneten, eine Mehrheit von Menschen, die nicht mit der Mehrheit aller dem Staate angehörigen Menschen identisch ist. Daher können auch beider Mehrheiten Willen divergieren, kann „verantwortliche Politik ... zu unpopulären Maßnahmen gezwungen sein. Insbesondere können im Bereich der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik Maßnahmen zu Lasten der Bürger ... im Gesamtinteresse geboten sein, ohne daß deren Notwendigkeit der Aktivbürgerschaft unmittelbar einsichtig ist" 1 1 7 . Daher ist auch in einer Demokratie der Wille des Gemeinwesens Staat von dem des Volkes zu scheiden 118 . Die Menschen, die - in besonderen Organen organisiert - die staatliche Einheit vertreten und in deren Namen Entscheidungen treffen, sind also die Mehrheit der Menschen, die über das Sein der zur Einheit verbundenen Menschen entscheiden. Daher hat zum Beispiel „im heutigen Verwaltungsstaat... die Entscheidung über Einstellung, Beförderung, Versetzung und sonstige personelle Angelegenheiten der Beamten erhebliches politisches Gewicht", denn „unter der Autorität des Volkes kann der Beamte sozusagen als Staat Befehle geben, kann das Handeln des Staates realisieren und verfügt dadurch über eine Machtstellung, die mit dem ungeheuren Aufgabenzuwachs des moderenen Staates ein großes Ausmaß angenommen h a t 4 " 1 1 9 . Nicht die Mehrheit aller Menschen entscheidet demnach in der demokratisch organisierten staatlichen Einheit, sondern sie betraut eine andere Mehrheit von Menschen mit dieser Macht. Welche dieser Mehrheiten letztendlich Herr ist, bedarf im Kontext dieser Arbeit keiner Antwort. Staat ist jedenfalls - die vorangehenden Gedanken, gelöst von demokratischer oder anderer Verfaßtheit gedacht, zusammengefaßt - eine Einheit von Menschen, deren einzelne Sein in einem diese umfassenden „Entscheidungs-

115

E 51,222 (236).

116

E 89,155 (182); vgl. auch E 4,144 (150); 56, 396 (405); 69, 315 (347).

117

E 44,125 (148); vgl. auch E 69, 315 (347).

118

Zu dieser Unterscheidung vgl. „Eine personifizierte Einheit", S. 77.

119

E 9, 268 (282).

2. Teil: Der Staat

90

und Verantwortungszusammenhang" 120 verbunden sind, und zwar derart, daß einige für alle und somit auch über das Sein aller entscheiden. Beschwört das Bundesverfassungsgericht neben der demokratischen Legitimation das lebendige Gemeinwesen, sucht es die Herrschaft der Mehrheit zur Herrschaft des allen gemeinen Wesens werden zu lassen. Dem Herrn der staatlichen Einheit, einer Mehrheit von Menschen, wird der Anschein der allen gemeinen Macht gegeben; der Entscheidungs- und Verantwortungszusammenhang, der zwischen den Menschen besteht, die einer von ihnen zur Entscheidung über ihre Interessen geschaffenen Einheit angehören, wird auf ein Verhältnis zwischen ihnen und ihrer Einheit verlagert. Die Macht einiger Menschen, über das Sein aller zur Einheit verbundenen Menschen zu entscheiden, gerät somit aus dem Blick, aus dem Bewußtsein. Wird Demokratie als Form der Legitimation staatlicher Macht mit dem Gedanken der Volkssouveränität verbunden, erwächst aus diesem Bund der komplexe Versuch der gedanklichen Rechtfertigung der tatsächlichen Macht des Staates. Wird aber darüberhinaus die staatliche Einheit personifiziert, kann „die Entscheidung der Mehrheit bei Ausübung von Staatsgewalt als Wille der Gesamtheit gelten" 121 und dem Gemeinwesen zugerechnet werden. Das gemeine Staatswesen aller Staatsangehörigen verleiht sich folglich nicht durch sein bloßes „Herr sein" Legitimation. Das Gemeinwesen illustriert vielmehr den Gedanken der Teilhabe aller an der Macht der Einheit und erleichtert damit den Einzelnen die Einordnung in diese, wird doch deren Teilverlust an Selbstbestimmung augenfällig sinnvoll. Demokratie und Volkssouveränität stellen dagegen - neben den erörterten Beispielen der Staatsreligionen und Staatsparteien - eine Möglichkeit dar, staatliche Herrschaft über zu einem Volke verbundene Menschen zu verwirklichen und zugleich zu rechtfertigen. Warum aber ein derart verwirklichter Staat, staatliche Herrschaft auch denen gegenüber ausüben darf, die nicht staatlich verbunden sein wollen, läßt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Dunkeln. Gleich, ob die Richter des Bundesverfassungsgerichts den verfaßten Staat Deutschland - um seines Fortbestands willen - willkürlich zum Gemeinwesen erheben oder nicht, sie wirken staatsbewahrend. Aber bedarf der Staat dieser Art konservierender Rechtsprechung, die den gefährlichen Gedanken stützt, Staat nicht als Verbindung von Menschen zur einheitlichen Entscheidung zu begreifen, sondern als jemanden, dessen wir

120

E 44,125(142).

121

E 44,125 (142); vgl. auch E 83, 37 (50 f.).

Α. Der Staat - der Mensch

91

Menschen beständig und umfassend bedürfen, der alles für uns zu regeln und zu verantworten hat, - gleich einem übermenschlichen Führer?

ΠΙ. Eine organisierte Einheit Stiften einheitliche, von Menschen über Menschen getroffene Entscheidungen staatliche Identität, setzt diese deren organisierte Findung und Verfolgung voraus 122 . Eine Mehrheit von Menschen, organisiert verbunden, um über aller Sein einheitlich zu entscheiden, - die folgenden Erörterungen werden zeigen, daß dies den Aspekt der Organisation einer staatlichen Einheit nicht erschöpfend begreift.

1. Organisation der Gesellschaft Die Organisation der Einheit bedarf der parteiischen Mittler. Diese unterscheiden sich „danach, wie sie das Verhältnis des Einzelnen zum Staate sehen" 1 2 3 . Die Unterschiede beruhen laut Bundesverfassungsgericht „auf einer historisch begründeten verschiedenen Auffassung des Verhältnisses von Individuum, Staat und Gesellschaft" 124 . Auch die Gesellschaft ist folglich ein das Verhältnis des einzelnen Menschen zu seiner staatlichen Einheit prägendes Element. Sie eröffnet einen anderen Aspekt der menschlichen Einheit Staat, ein dichteres Begreifen des verbundenen Seins. Das Bundesverfassungsgericht sieht im Grundgesetz „Stellung und Aufgabe des Menschen in Gesellschaft und Staat" 125 geregelt, der Mensch ist also Element der Gesellschaft wie des Staates, sein Tun „wirkt in alle Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens hinein" 1 2 6 , seinem Sein steht „das Ganze von Staat und Gesellschaft" 127 gegenüber, in dem er lebt, das durch ihn lebt. In welchem Verhältnis aber stehen Staat und Gesellschaft 128 ?

122 Zu Organen als Organisationsform siehe unter „Die organschaftliche Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt", S. 45 ff. 123

E 2,1 (15).

124

E 8, 51 (66).

125

E 30,292 (315).

126

E 12, 45 (52); vgl. auch E 8,104 (114 ff.); 35, 202 (222); 48,127 (160).

2. Teil: Der Staat

92

„Der ,ethische Standard4 des Grundgesetzes ist ... die Offenheit gegenüber dem Pluralismus weltanschaulich-religiöser Anschauungen angesichts eines Menschenbildes, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bestimmt ist 4 4 1 2 9 - eine freiheitliche Gesellschaft ist also pluralisitisch und different 130 , der freiheitliche Staat des Grundgesetzes neutral 131 . In jedweder Gesellschaft leben Menschen „verschiedenartigster Interessen 44132 ; da „große Verbände, finanzstarke Geldgeber oder Massenmedien ... beträchtliche Einflüsse ausüben, während sich der Staatsbürger eher als ohnmächtig erlebt..., verbleibt dem Einzelnen ... nur kollektive Einflußnahme 44133 vermöge gesellschaftlicher Gruppen, „die partielle Interessen vertreten 44134 oder „ähnlich wie der Staat den Menschen als Ganzes in allen Feldern seiner Betätigung und seines Verhaltens 44135 ansprechen, Forderungen an ihn stellen. „Frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen 44136 schaffen also eine Verbindung zwischen Gesellschaft und Staat, suchen den Staat in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Suche nach Einflußnahme auf den Staat kann sogar - wie zur Zeit des Nationalsozialismus 137 - zur kompletten Übernahme des staatlichen Machtapparates durch eine Gruppe führen.

127

E 38, 281 (308); 71, 81 (103); vgl. auch E 39, 334 (348).

128

Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Staat und Gesellschaft vgl. Peter Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft in der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz II, S. 11-15. 129

E 41, 29 (50).

130

Vgl. E 24, 236 (248 f.); 41, 29 (49 f.); 44, 125 (143); 47, 46 (76); 69, 315 (346 f.); 73,1 (38). 131

Vgl. E 12, 1 (4); 12, 45 (54); 18, 385 (386); 19, 1 (8); 24, 236 (246 f.); 30, 415 (421 ff.); 41, 29 (50); 44, 353 (375). 132

E 44,125 (143); vgl. auch E 37, 84 (90); 51,222 (236); 73,1 (38).

133

E 69, 315 (346); vgl. die Wirkungsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten und einer Fraktionen im Parlament, E 43,142 (149). 134 E 42, 312 (333); vgl. auch E 12, 205 (261 f.); 31, 314 (325); 37, 84 (90); 40, 296 (317); 51,222 (234). 135

E 42, 312 (333).

136

E 85, 264 (264); vgl. auch S. 283 derselben Entscheidung und E 20, 56 (100 ff.); zu Parteien siehe unter „Entscheidungen über Menschen", S. 82 ff. 137

Vgl. unter „Entscheidungen von Menschen", S. 85 f.

Α. Der Staat - der Mensch

93

Umgekehrt sucht aber auch der Staat die Gesellschaft zu beeinflussen. So verfolgten „die meisten Wirtschaftsstrafgesetze der Sowjetzone ... in erster Linie den Zweck, die Umgestaltung der gesellschaftlichen Struktur in der Sowjetzone im kommunistischen Sinne durchzusetzen" 138 . Der von einer gesellschaftlichen Gruppe beherrschte Staat sucht hier also die Gesellschaft im Sinne eines ihrer Teile umzugestalten - andererseits: in jeder „höchst komplizierten Wirtschafts- und Industriegesellschaft" 139 , „in der ... die allgemeine Staatspolitik in weitem Maße von wirtschaftlichen Vorgängen und Entwicklungen bestimmt wird und demzufolge - auch in einer grundsätzlich freien Wirtschaft - staatliche Einwirkungen auf das Wirtschaftsleben unvermeidbar sind und ständig in großer Zahl erfolgen" 140 , wirkt der Staat in einem bestimmten Sinne auf die Gesellschaft ein. Zum Beispiel greift „jede Steuer ... irgendwie in das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte ein" 1 4 1 ; auch ist gerade „der Staatshaushalt wegen seines Umfangs ein gewichtiger Faktor für das Wirtschaftsleben und kann als konjunktursteuerndes Instrument eingesetzt werden. Er ist zudem im Sozialstaat ... zu einem bedeutenden politischen Gestaltungsmittel geworden" 1 4 2 . Diese Zitate verdeutlichen, daß zwischen Gesellschaft und Staat eine komplexe Wechselwirkung besteht. Gesellschaft und Staat sind also begrifflich trennbar, aber auf Grund ihrer wechselseitigen Ein- und Auswirkungen aufeinander nur miteinander denkbar 1 4 3 . Laut Bundesverfassungsgericht sei die Regelung, daß niemand gekündigt oder entlassen werden dürfe, weil er das Amt eines Abgeordneten übernehme und ausübe, „hineingesprochen in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland und in die durch das Grundgesetz konstituierte Staatlichkeit" 144 . Wird der Staat Bundesrepublik Deutschland also erst durch seine Verfassung konstituiert, während das Sein der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland unab-

138

E 11,150 (161); vgl. ferner E 12,99 (107, 109).

139

E 40, 296 (313); vgl. auch E 72, 330 (392).

140

E 15, 235 (240).

141

E 21, 12(27).

142 g 311 (329), vgl. auch die übernächste Seite derselben Entscheidung; zur wirtschaftspolitischen Lenkung vgl. ferner E 16,147 (147,161); 30, 292 (317 f.). 143 Zu Staat und Gesellschaft vgl. Horst Ehmke, „Staat" und „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, in: Festgabe für Smend, S. 24 f. und Ernst-Wolf gang Böckenförde y Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, S. 21 ff., m.w.N. auf die soziologische, politile- und rechtswissenschaftliche Literatur in Fn. 1, S. 7. 144

E 42, 312 (326).

94

2. Teil: Der Staat

hängig von ihrer Verfaßtheit, vielleicht aber gerade Voraussetzung der Verfassung ist? Anders gefragt: Kann Gesellschaft ohne Staat, Staat aber nicht ohne Gesellschaft existieren? „Ist auf die Beamtenschaft kein Verlaß mehr, so sind die Gesellschaft und ihr Staat in kritischen Situationen ,verloren"' 145 , Staat ist also Organisation einer Gesellschaft, derart, daß das Sein der Gesellschaft einer Einheit, der staatlichen Einheit, die für und über alle der Gesellschaft angehörigen Menschen entscheidet, unterstellt ist. Da Staat Organisation einer Gesellschaft bedeutet, kann „auch ein Staat, der die Glaubensfreiheit umfassend gewährleistet und sich damit selber zu religiösweltanschaulicher Neutralität verpflichtet, ... die kuturell vermittelten und historisch verwurzelten Wertüberzeugungen und Einstellungen nicht abstreifen, auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von denen auch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben abhängt" 146 . Für die Bundesrepublik Deutschland sind „der christliche Glaube und die christlichen Kirchen ... von übergreifender Prägekraft gewesen. Die darauf zurückgehenden Denktraditionen, Sinnerfahrungen und Verhaltensmuster können dem Staat nicht gleichgültig sein. Das gilt in besonderem Maß für die Schule, in der die kulturellen Grundlagen der Gesellschaft vornehmlich tradiert und erneuert werden" 1 4 7 . Die Bundesrepublik Deutschland will aber „eine Gemeinschaft freier Menschen sein ... und gerade in der Möglichkeit freier Selbstbestimmung des Einzelnen einen gemeinschaftsbildenden W e r t " 1 4 8 erkennen - weil „gerade auch der Gedanke der Toleranz für Andersdenkende" 149 dem Christentum immanent ist oder weil Neutralität dem telos der Organisation der Gesellschaft dient, telos der Organisation ist?

2. Telos der Organisation „Ein geordnetes menschliches Zusammenleben setzt nicht nur die gegenseitige Rücksichtnahme der Bürger, sondern auch eine funktionierende staatliche

145

E 39, 334(347).

146

E 93,1 (22); vgl. auch E 5, 85 (379).

147

E 93, 1 (22); vgl. zum Beispiel die Ausführungen zur Fürsorgepflicht des Sozialstaates für Hilfsbedürftige, E 40,121 (133); ferner allgemein E 41, 29 (52). 148

E 12, 45 (54); vgl. auch E 33, 23 (29); 41,29 (50).

149

E 93,1 (23); vgl. auch E 41, 29 (52).

Α. Der Staat - der Mensch

95

Ordnung voraus" 150 ; daher hat „der Gesetzgeber ... vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten" 151 ; daher war Ziel der vorbehaltenen Gesetzgebung hinsichtlich der Passiva des Reiches, „für die Zukunft die Grundlage für gesunde staatliche Finanzen zu schaffen, weil dies die erste Voraussetzung einer geordneten Entwicklung des ganzen sozialen und politischen Lebens i s t " 1 5 2 ; daher muß „echte staatspolizeiliche Aufgaben ... jeder Staat unter jeder Verfassung erfüllen" 153 . Dient staatliche Ordnung aber dem geordneten Zusammenleben der Menschen, ist sie dann „Ordnung um der Ordnung w i l l e n " 1 5 4 oder um des Menschen willen? Anders angesetzt: Welcher konkrete menschliche Wille wird mit der staatlichen Ordnung des gesellschaftlichen Lebens verwirklicht? Als Ausgangspunkt seien drei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts exemplarisch ausgewählt: „Bleiben gesellschaftliche Gruppen einander fremd, kann dies zu sozialen Reibungen führen, die zu vermeiden legitimes Zeil auch staatlicher Schulpolitik i s t " 1 5 5 ; die gesetzliche Pauschalierung von Wahlkampfkosten ist nicht zu beanstanden, da sie kaum Anlaß zu Streitigkeiten zwischen den Parteien und der mittelverwaltenden Stelle gibt und „dadurch dem innerpolitischen Frieden" 156 dient; nur solche Koalitionen dürfen „an der Tarifautonomie teilnehmen ..., die in der Lage sind, den von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten, um so die Gemeinschaft sozial zu befrieden" 157 - staatliche Ordnung dient also der Vermeidung gesellschaftlicher Reibungen, verwirklicht Frieden in der Gesellschaft. Die staatliche Einheit ist demnach eine die Gesellschaft übergreifende Friedensordnung 158 , eine Entscheidungen treffende Einheit, die den Gehorsam des

150

E 81, 278 (292); zum Aspekt Funktionsfähigkeit vgl. ferner E 1, 208 (248); 48, 1 (18); 51,222 (236); 66, 337 (354); 71, 81 (97); 82, 322 (338); 90,60 (84). 151

E 82, 60 (82); vgl. auch E 30, 292 (311 f., 324); 33, 303 (334).

152

E 19,150 (163); vgl. auch E 15, 126 (141).

153

E 6, 132 (209).

154

E 66, 116 (142), die Worte fallen dort jedoch im Kontext Rechtsordnung; vgl. auch E 15, 337 (347). 155

E 88, 40 (50).

156

E 24, 300 (335).

157

E 58, 233 (248); vgl. auch E 18, 18 (27 f., 32), ferner E 4, 96 (108); 20, 312

(317). 158

Vgl. E 49,24 (56 f.); 80, 315 (315); 83, 216 (230).

2. Teil: Der Staat

96

Einzelnen erfordert, um der Gesellschaft den Frieden zu geben, um dessentwillen sie geschaffen wurde, Wert besitzt 159 . In welchem Maße wird die Ordnung des Staates Bundesrepublik Deutschland diesem telos gerecht? „Der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Uberzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz nur gewährleisten, wenn er selber in Glaubensfragen Neutralität bewahrt. Er darf daher den religiösen Frieden in einer Gesellschaft nicht von sich aus gefährden" 160 . Eingedenk der ewigen Existenz der „Gruppen der ... Gesellschaft und ihrer verschiedenartigsten Interessen" 161 , ist also aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts „der weltanschaulich neutrale Staat" 162 Bundesrepublik Deutschland - „als Heimstatt aller Staatsbürger ohne Ansehen der Person" 163 - das Ideal friedlichen Zusammenlebens, des Seins der Menschen in Gesellschaft 164 . Aber ist der weltanschaulich neutral geordnete Staat wirklich das Ideal friedlichen Zusammenlebens? Oder ist diese Sicht dahingehend zu relativieren, daß diese Ordnung nur eine Idee gesellschaftlichen Seins verwirklicht, die gegenwärtig vom Bundesverfassungsgericht als die ideale angesehen wird? Dies würde zunächst voraussetzen, daß jeder Staat eine Idee gesellschaftlichen Seins zu verwirklichen sucht. „Staaten stellen in sich befriedete Einheiten dar, die nach innen alle Gegensätze, Konflikte und Auseinandersetzungen durch eine übergreifende Ordnung in der Weise relativieren, daß diese unterhalb der Stufe der Gewaltsamkeit verbleiben und die Existenzmöglichkeit des Einzelnen nicht in Frage stellen, insgesamt also die Friedensordnung nicht aufheben . . . . Dazu dient die staatliche Macht. Die Macht, zu schützen, schließt indes die Macht, zu verfolgen, mit

159

Vgl. E 44,125 (142); insofern ist E 49,24 (56 f.) mißverständlich formuliert.

160

E 93,1 (16 f.); vgl. ferner E 19, 206 (216).

161

E 44,125 (143); vgl. auch E 51, 222 (236).

162

E 12, 1 (4); vgl. auch E 18, 385 (386); 19, 1 (8); 19, 206 (216); 24, 236 (246 f.); 30, 415 (421 f.). 163 164

E 19,206 (216).

Zur historischen Entwicklung der Trennung von Kirche und Staat vgl. ErnstWolfgang Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 100-109; zur in der Gegenwart daraus für den Staat resultierenden Gefahr: S. 110-114; allgemeinen Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: HdbStR I, § 13 Rn. 47.

Α. Der Staat - der Mensch

97

e i n " 1 6 5 , die Macht, Freiheit zu gewähren, die Macht, Freiheit zu verwehren. Wie der Staat seine „übergreifende und effektive Ordnungsmacht" 166 einsetzt, um das „unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen negativer und positiv e r " 1 6 7 Freiheit des Einzelnen, der mit anderen in Gesellschaft lebt, zu lösen, fragt nach der Grundentscheidung des gesellschaftlichen Seins, der Idee „von der grundsätzlichen Stellung und Aufgabe des Menschen in Gesellschaft und Staat" 168 , konkret der Verfassung, der die Einheit der Einzelnen sich verpflichtet hat, der sie verpflichtet ist 1 6 9 . Zwar könnte das „Phänomen des mehrgesichtigen Staates" 170 - ein solcher Staat „verfolgt für verschiedene Regionen unterschiedliche Ziele, errichtet unterschiedliche Kultur- oder Rechtsordnungen oder läßt solche z u " 1 7 1 - Zweifel daran nähren, daß jeder Staat stets nur einer Idee verpflichtet ist. Gerade der unterschiedlichen Ordnung des mehrgesichtigen Staates aber muß eine entscheidende Idee gemein sein, die diese erst zu einer Einheit eint, Grund dafür ist, „daß auch dieser mehrgesichtige Staat immer ein und derselbe Staat ist" 1 7 2 . Jeder Staat Eine Idee. Bezogen auf die Gesellschaft: Gesellschaft ist stets different, ihr Staat nie indifferent 173 . Aber fehlt nicht gerade dem Staat Bundesrepublik Deutschland die „Eine Idee", ist nicht gerade er indifferent, insbesondere verglichen mit dem deutschen Staat zur Zeit des - nicht zu verwechseln mit dem Staat im Sinne des 1 7 4 - Nationalsozialismus? „Das ,Dritte Reich' war ein sogenannter Weltanschauungsstaat, der ... ,nur solche Personen als Angehörige, vor allem aber als Organe (duldete), die sich zu dem staatlich festgelegten geistigen Inhalt' bekannten, und der ,die Reinhaltung, Festigung und Verbreitung dieses Gehalts als eine seiner vornehmsten

165

E 80, 315 (334).

166

E 80, 315 (341); vgl. auch E 49, 24 (56 f.).

167

E 41, 29 (50); 93,1 (22); vgl. auch E 33,23 (29).

168

E 30, 292 (315).

169

Vgl. E 7, 198 (205); 12, 45 (51); 37,57 (65); 40, 287 (291).

170

E 80, 315 (342).

171

E 80, 315 (342).

172

E 80, 315 (343).

173

Vgl. E 19, 1 (8).

174

Siehe unter „Entscheidungen von Menschen", S. 85 f., und unter „Organisation der Gesellschaft", S. 92. 7 Aishut

2. Teil: Der Staat

98

Aufgaben 4 betrachtete 441 7 5 . Für die Organe der Bundesrepublik Deutschland dagegen ist „unverzichtbar ..., daß der Beamte den Staat - ungeachtet seiner Mängel - und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie in Kraft steht, bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt 4 4 1 7 6 , denn auch „der freiheitliche demokratische Rechtsstaat kann und darf sich nicht in die Hand seiner Zerstörer geben 4 4 1 7 7 . Die Bundesrepublik Deutschland ist folglich gerade kein einer Weltanschauung verpflichteter Staat, sondern verpflichtet ihre Organe nur gegenüber ihrer verfassungsrechtlichen Ordnung. Es wäre somit zwar „eine Verkennung, ja Mißachtung der Stellung des Beamtentums im freiheitlich-demokratischen Staate, wollte man annehmen, daß Aufgabengebiete und Pflichten der Beamten bei der Durchführung ihrer Aufgaben sich nicht grundsätzlich von denjenigen der Beamten des nationalsozialistischen Staates unterschieden, ja überhaupt nicht unterscheiden könnten 44178 ebenso wäre es aber eine Verkennung, ja Mißachtung der Verfassung unseres freiheitlich-demokratischen Staates, wollte man nicht anerkennen, „daß diese Verfassung nicht wertneutral ist, sondern sich für zentrale Grundwerte entscheidet, sie in ihren Schutz nimmt und dem Staat aufgibt, sie zu sichern und sie zu gewährleisten 44179 . Auch „der weltanschaulich neutrale Staat 44180 Bundesrepublik Deutschland ist folglich, wenn auch gerade kein Weltanschauungsstaat, einer grundlegenden Idee verpflichtet, und zwar der, „daß alle Staatsgewalt um des Schutzes der Würde und Freiheit aller und der sozialen Gerechtigkeit gegenüber allen anvertaut ist, mithin stets am Wohl der Bürger ausgerichtet zu sein hat 4 4 1 8 1 . So wie „Methoden, die die Person herabwürdigen ... für totalitäre Herrschaftssysteme kennzeichnend 44182 sind, ist „Kennzeichen für einen Staat, der die Menschenwürde zum obersten Verfassungswert erklärt ..., daß er auch Außenseitern und Sektierern die ungestörte Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß ihren subjektiven Glaubensüberzeugungen gestattet, solange sie nicht in Wider-

175

E 6, 132(164).

176

E 39, 334 (348).

177

E 39, 334 (349).

178

E 6, 132(164).

179

E 39, 334 (349); vgl. auch E 2, 1 (12); 5, 85 (134 ff.); 6, 32 (40 f.); 7, 198 (205); 13, 46 (49); 18,112 (117); 35, 202 (225); 40,287 (291); 41,126 (150). 180

E 12, 1 (4).

181

E 44,125 (141 f.); vgl. auch E 37,57 (65); 41,29 (50); 41,126 (150).

182

E 74,102(120).

Α. Der Staat - der Mensch

99

spruch zu anderen Wertentscheidungen der Verfassung geraten und aus ihrem Verhalten deshalb fühlbare Beeinträchtigungen für das Gemeinwesen oder die Grundrechte anderer erwachsen" 183 . Jeder Staat Eine Idee. Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland: Idee des Staates ist nicht die einer Partei oder einer Religion, sondern die der Nichtidentifikation mit eben diesen, der grundsätzlichen Erlaubnis und Förderung eines freien Spiels der politischen und religiösen Kräfte als Ausdruck einer sich frei entfalten könnenden pluralistischen Gesellschaft, sofern im Rahmen der vom Staat gesetzten - den gesellschaftlichen Frieden als Voraussetzung für das Funktionieren eines derartigen gesellschaftlichen Zusammenlebens bewahrenden - Grenzen. Nunmehr zurück zu der eingangs gestellten Frage: Ist dies das Ideal eines geordneten menschlichen Zusammenlebens? Zwischen Staaten, die wesensverschiedene innere Strukturen entwickelt haben, bestehen „tiefgreifende gesellschaftspolitische und weltanschauliche Gegensätze" 184 . Entspricht die Wirklichkeit des gesellschaftlichen Seins nicht der Idee, der die staatliche Einheit verpflichtet ist, wird „in einer Reihe von Staaten ... zur Durchsetzung und Sicherung politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen die Staatsgewalt ... eingesetzt" 185 . Zum Beispiel lehnt das Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland den Gesichtspunkt Gleichheitssatz in einer Entscheidung ab, weil „der demokratische Staat ... sich die Beseitigung des Nationalsozialismus, insbesondere seines Staatsdenkens, zum Ziele gesetzt hat" 1 8 6 ; verfolgten „die meisten Wirtschaftsstrafgesetze der Sowjetzone ... in erster Linie den Zweck, die Umgestaltung der gesellschaftlichen Struktur in der Sowjetzone im kommunistischen Sinne durchzusetzen" 187 . Die Ideen der Staaten wechseln also in Zeit und Raum, gleich, ob von unten initiiert oder von oben oktroyiert.

183

E 33, 23 (29); vgl. E 76,143 (159).

184

E 9, 174 (180); vgl. nur das Verhältnis zwischen Deutscher Demokratischer Republik und Bundesrepublik Deutschland, E 37, 57 (64 f.). 185

E 9, 174 (180); vgl. auch E 12, 99 (103, 107); zur Grenze der Realität vgl. Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: HdbStR I, § 13 Rn. 31 f., und Paul Kirchhof Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: HdbStR I, § 19 Rn.16. 186

E 16,254 (274); vgl. ferner E 41,126 (150); 74,102 (120).

187

E l l , 150(161).

2. Teil: Der Staat

100

Daher wird auch „kein Staat... sich im allgemeinen hinsichtlich seiner Behördenorganisation - und sei es auch nur punktuell - für die Zukunft binden, weil eine solche Bindung jeder Reform im Wege stünde, die staatlichen Einrichtungen aber, wie jeder Vernünftige weiß, immer wieder an die veränderten Verhältnisse und Bedürfnisse angepaßt werden müssen" 188 . Da Gesellschaft sich verändert, ist ihr auch ihre Organisation immer wieder angepaßt worden und wird auch immer wieder angepaßt werden müssen. Aber begreift das Bundesverfassungsgericht auch die Idee, der die Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig verpflichtet ist, nur als eine vorübergehende? Laut Bundesverfassungsgericht bedeutet zum Beispiel die Abschaffung der Todesstrafe für die Bundesrepublik Deutschland „eine Entscheidung von großem staats- und rechtspolitischen Gewicht. Sie enthält ein Bekenntnis zum grundsätzlichen Wert des Menschenlebens und zu einer Staatsauffassung, die sich in betonten Gegensatz zu den Anschauungen eines politischen Regimes stellt, dem das einzelne Leben wenig bedeutete und das deshalb mit dem angemaßten Recht über Leben und Tod des Bürgers schrankenlosen Mißbrauch trieb. Diese Entscheidung ist aus der besonderen Situation heraus zu verstehen, in der sie getroffen wurde. Sie kann deshalb kein Werturteil über andere Rechtsordnungen bedeuten, ... die auf Grund einer anders verlaufenen geschichtlichen Entwicklung, anderer staatspolitischer Gegebenheiten und staatsphilosophischer Grundauffassungen eine solche Entscheidung für sich nicht getroffen haben" 189 . Bedeutet sie dennoch ein positives Werturteil über die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland? „Die Ordnung in der Bundesrepublik ... beruht auf einer ungebrochenen Tradition, die - aus älteren Quellen gespeist - von den großen Staatsphilosophen der Aufklärung über die bürgerliche Revolution zu der liberal- rechtsstaatlichen Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts geführt ... hat" 1 9 0 . Sie nimmt also „die bestehenden, historisch gewordenen staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse und die Denk- und Verhaltensweisen der Menschen zunächst als gegeben h i n " 1 9 1 , geht aber zugleich „davon aus, daß sie verbesserungsfähig und -bedürftig sind. Damit ist eine nie endende, sich immer wieder in neuen Formen und unter neuen Aspekten stellende Aufgabe gegeben; sie muß in Anpassung an die sich wandelnden Tatbestände und Fragen des sozia-

188 E 38, 231 (238 f.); vgl. ferner E 2, 237 (250); 8, 1 (16); 21, 362 (372 f.); 32, 157 (157,164). 189

E 18,112(117).

190

E 5, 85 (379).

191

E 5, 85 (197).

Α. Der Staat - der Mensch

101

len und politischen Lebens durch stets erneute Willensentschließungen gelöst werden" 1 9 2 . Somit - so das Bundesverfassungsgericht - sei „nur die ständige geistige Auseinandersetzung zwischen den einander begegnenden sozialen Kräften und Interessen, den politischen Ideen und damit auch den sie vertretenden Parteien der richtige Weg zur Bildung des Staateswillens ... - nicht in dem Sinne, daß er immer objektiv richtige Ergebnisse liefere, denn dieser Weg ist a process of trial and error (/. B. Talmon ), aber doch so, daß er durch die ständige gegenseitige Kontrolle und Kritik die beste Gewähr für eine (relativ) richtige politische Linie als Resultante und Ausgleich zwischen den im Staat wirksamen politischen Kräften g i b t " 1 9 3 . Das Bundesverfassungsgericht bejaht also „den Staat - ungeachtet seiner Mängel - und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie in Kraft steht" 1 9 4 . „Die hier berührten Probleme sind im F l u ß " 1 9 5 . Ob „die politische Ordnung des heutigen Staates" 196 , die „Ausdruck der sozialen und politischen Gedankenwelt ist, die dem gegenwärtig erreichten kulturellen Zustand des deutschen Volkes entspricht" 197 , die ideale Idee ist, fragt nach der zeitlosen Wertung der Idee eines gesellschaftlichen Seins der Gegenwart, nicht nach dem Sein des Staates, und soll daher hier nicht weiter Thema sein. Wenn aber allen Staaten die Verwirklichung einer bestimmten Idee gesellschaftlichen Seins gemein ist, drängt sich die Frage auf, ob neben diesem individuellen telos noch ein allen Staaten gemeines telos existiert. Voraussetzung aller Staaten ist unter anderem ein Staatsvolk, dem begrifflich nicht alle der Gesellschaft des Staates zugehörigen Menschen angehören müssen. Liegt somit im Volk das telos der Staaten, ist der Staat eine, um für das Volk zu sein, geschaffene Organisation der Gesellschaft? Wenn dem so wäre, müßte dieses telos insbesondere bei einem Staat in Not deutlich ablesbar sein. I m Jahre 1945 waren „die Behörden in der Ebene der Gemeinden und Kreise ... weitgehend die einzigen Verwaltungsbehörden, die überhaupt noch funktionierten und, auf sich selbst gestellt, sich sämtlicher dringender Staatsaufga-

192

E 5,85 (197).

193

E 5, 85 (135); vgl. auch E 5, 85 (205); 7,198 (208); 12,113 (125).

194

E 39, 334 (348).

195

E 2,1 (15), wo diese Bemerkung im Kontext Ordnung der Parteien erfolgt.

196

E 13, 46 (49); vgl. auch E 84,90 (126).

197

E 5, 85 (379); vgl. auch E 45,187 (187).

2. Teil: Der Staat

102

ben annehmen mußten. Hierbei kam es vor allem darauf an, der durch den Zusammenbruch, besonders das Einströmen der Flüchtlingsmassen hervorgerufenen Notsituation Herr zu werden: Im Vordergrund stand die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern, die Unterbringung der Flüchtlinge und die Aufrechterhaltung eines Minimums an öffentlicher Ordnung und Sicherheit" 198 . Blendet man die Ordnung aus, wird offenbar: „Wesentlich ist, das Uberleben der Bevölkerung zu sichern" 199 , das „Leben eines Volkes" 2 0 0 . Die Toten, die im Jahre 1945 zu beklagen waren, legen nicht gegen das Überleben als telos einheitlichen Seins Zeugnis ab, sondern für den Kampf staatlicher Einheiten um die unentbehrliche - aber nicht unvermeidbare 201 Macht über Blut und Boden 2 0 2 . Aber kann das Leben des Volkes telos sein, obgleich dieses doch nur eine gedachte und somit keine tatsächlich lebende Einheit ist 2 0 3 ? Was konkret schützt also der Staat, wenn er das Volk schützt? Anders formuliert: Um wessen willen schützt der Staat das Volk? Als Ansatzpunkt soll eine Gemeinsamkeit aller Staaten dienen: Jeder Staat straft. „In der Strafe soll die Verbindlichkeit der für ein friedliches Zusammenleben der Gemeinschaft unabdingbaren Grundwerte für alle sinnfällig werden" 204 . „Sofern Amnestien nicht aus Anlaß eines besonders bedeutsamen Ereignisses im Leben eines Volkes (z.B. Inkrafttreten einer neuen Verfassung) gewährt werden, liegt ihnen in der Regel die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, unter eine Zeit, in der das Rechtsbewußtsein infolge außergewöhnlicher Verhältnisse erheblich gestört war, einen Strich zu ziehen. Es wird dabei einer allgemeinen Befriedung der Vorrang ... eingeräumt," 205 die Idee, der die Einheit verfassungsrechtlich verpflichtet ist, soll für alle erlebbar werden. Die Bundesrepublik Deutschland straft, um „den Schutz des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der Freiheit eines einzelnen Bürgers gegen ...

198

E 19,150 (160).

199

E 19,150 (160); vgl. auch E 25,1 (16); 25, 236 (247).

200

E 10, 234 (241).

201

E 21, 73 (82 f.) ist daher nur Ausdruck der für die Bundesrepublik Deutschland verfaßten Abkehr von vermehrender Gewalt. 202

Vgl. nur E 1, 372 (381); 90,286 (359).

203

Zur gedachten Einheit Volk vgl. unter „Das Staatsvolk", S. 40 ff.

204

E 64,261 (271).

205

E 10,234 (241).

Α. Der Staat - der Mensch

103

Angriffe von Seiten Dritter" 2 0 6 zu bewirken. Staatlichen Schutz genießt aber nicht nur das Sein der Einzelnen, sondern auch deren verfaßte Einheit 207 : „Unter dem Bestand der Bundesrepublik Deutschland, den es zu schützen und zu erhalten gilt, ist nicht nur ihr organisatorisches Gefüge, sondern auch ihre freiheitliche demokratische Grundordnung zu vestehen" 208 . Daher genießen staatliche Symbole der Bundesrepublik Deutschland „insoweit verfassungsrechtlichen Schutz ..., als sie versinnbildlichen, was die Bundesrepublik Deutschland grundlegend prägt" 2 0 9 . Extrem gedacht, gilt also ab dem Moment ihrer Gründung als staatlicher Einheit: „Alle Politik besteht nun in der Gestaltung und Erhaltung dieser Einheit. Alle Politik muß im Ernstfall den Angriff auf diese Einheit letztlich durch physische Vernichtung des Angreifers beantworten" 210 . Zwar betont das Bundesverfassungsgericht, daß die Sicherheit des Staates als verfaßter Friedens- und Ordnungsmacht 211 und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung unverzichtbar sei, „weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung" 212 herleite. Andererseits aber hänge vom Bestand des Staates „das Funktionieren des gesellschaftlich-politischen Systems und die Möglichkeit eines menschenwürdigen Lebens der Gruppen, Minderheiten und jedes Einzelnen Tag für T a g " 2 1 3 ab. Auch könne „der Staat, der Menschenwürde, Leben, Freiheit und Eigentum als Grundrechte anerkennt und schützt, dieser verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtung gegenüber seinen Bürgern nur mit Hilfe eben dieser Bürger und ihres Eintretens für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nachkommen" 2 1 4 . Der Staat Bundesrepublik Deutschland verdient folglich Schutz, weil er eine Idee gesellschaftlichen Seins verwirklicht, konkret die Idee der Mehrheit der

206

E 49,24 (53); vgl. auch E 29, 183 (192 f.); 30, 409 (414); 57, 250 (275).

207

E 20, 162 (222); 21, 239 (243); 28, 175 (186); 28, 243 (260); 30, 1 (18); 33, 52 (71); 40,141 (177); 48, 127 (161); 92, 277 (319, 321). 208

E 20, 162(178).

209

E 81, 278 (294); 81, 298 (298, 309); vgl. hierzu auch Eckart Klein, Die Staatssymbole, in: HdbStR I, § 17 Rn. 1 ff. 210

Hermann Heller, Gesammelte Schriften II, S. 424; vgl. auch E 90, 286 (291).

211

Siehe unter „Kritik der Momente", S. 67, und vgl. S. 96 f.

212

E 49, 24 (56 f.); vgl. auch E 44,125 (142).

213

E 39, 334 (347).

214

E 48,127 (161).

2. Teil: Der Staat

104

Menschen, denen die Macht gegeben ist, die Gesellschaft zu verfassen. Deren Idee soll für alle dem Staate Angehörigen sinnfällig werden, um den für die Einheit notwendigen Gehorsam aller Einzelnen zu erreichen, Tag für Tag 2 1 5 . Wer also im Staat nur die organisierte Einheit, nur deren fertigen politischen status sieht, denkt zu eng, denn „dieser ist ... nichts Statisches, sondern ein täglich neu zu Gestaltendes, un plébiscite de tous les jours" 2X 6 über das telos der Verfasser. Daher sucht der Staat den Einzelnen in die Einheit einzubinden; die Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel sucht „das Kind bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu unterstützen und zu födern" 2 1 7 und verleiht Erwachsenen Satzungsautonomie, um „gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen" 218 . Daher ist - über den einzelnen Staat hinausgedacht - auch für die weitere Entwicklung der Europäischen Union entscheidend, „daß die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt" 2 1 9 . Ist auch das telos „Leben eines Volkes" 2 2 0 nur eine Idee der mächtigen Mehrheit, die Vielheit unter sich zu einen? Der Begriff Volk ist ein Versuch, Sinn durch ein Moment zu stiften, das Einheit in der Vielheit unabhängig vom Staate geriert, obwohl erst der Staat es gebiert. Ein Moment, das gerade für das Leben auch Gefahr birgt, denn nicht das nur als Einheit gedachte Volk, sondern jeder einzelne Mensch lebt. Wenn also dessen Einheit über das Leben des Einzelnen entscheidet, dann letzten Endes nicht um des Volkes willen, sondern um die Leben der anderen willen. Diese

215 Vgl. E 44, 125 (142); ferner Hermann Heller, Gesammelte Schriften II, S. 57 ff. und S. 426. 216

Hermann Heller, Gesammelte Schriften II, S. 425.

217

E 34, 165 (182), vgl. auch die folgende Seite derselben Entscheidung und E 47, 46 (46); 52,223 (236). 218

E 33,125(156).

219

E 89,155 (213).

220

E 10,234 (241).

Α. Der Staat - der Mensch

105

Grundabwägung der Einheit aber wird eliminiert, wenn die Einheit selber - im Namen des Volkes - zum Lebewesen erweckt wird. Gerät sie nicht nur aus dem Blick, sondern auch aus dem Bewußtsein der zur Entscheidung berufenen Einzelnen, wird „das Bedürfiiis, eine Macht zu zügeln, die versucht sein könnte, praktisch-effiziente Regelungen auf Kosten der Freiheit der Bürger durchzusetzen, ... ungleich fühlbarer" 221 . Telos des Staates als Organisation der Gesellschaft kann folglich nur sein, für das Leben der Staatsangehörigen Menschen umfassend zu sein 222 - andererseits: Einheit in der Vielheit bedarf des Moments, das den Menschen ein Gefühl vertrauter Gemeinsamkeit gibt, ihnen die Abgrenzung gegenüber anderen, andersartig empfundenen Menschen und somit ein Wir ermöglicht, dessen der Staat als Einheit bedarf 223 . Das Moment Volk vermag Menschen ein „Wir" zu stiften, sie in Staaten zu einen - „take him for all in a l l " 2 2 4 . Abschließend bleibt zu bemerken, daß bei den voranstehenden Erörterungen der verschiedenen Aspekte der staatlichen Einheit sich stets ein Gedanke herauskristallisierte: Sind Menschen in einer staatlichen Einheit verbunden, hat die effektive Macht einer Mehrheit prinzipiell alle Menschen, die auf dem von ihr beherrschten Gebiet sind, einer Idee gesellschaftlichen Seins unterworfen. Folglich begreift der Staat - auch wenn er als plébiscite de tous les jours taglich neu zu gestalten ist - insofern einen status, als er bestimmte, tatsächlich bestehende Macht- und Gesellschaftsverhältnisse kategorisierend erfaßt und ausdrückt. Das einheitliche Sein des Staates ist also gleich dem zuvor erörterten Sein des Staates als Staat unter Staaten 225 gekennzeichnet durch die Macht, das Sein vieler Menschen zu einheitlicher Entscheidung zu verbinden, Einheit zu verfassen, wo Vielheit ist.

221

E 33,125 (157).

222

Vgl. E 49, 24 (53).

223

Vgl. E 4, 31 (42); 6, 20 (26); vgl. hierzu S. 34.

22 4

William Shakespeare, Hamlet, Act I, Scene II; kritisch zum Rekurs auf das Volk Josef Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung - Mythos und Relevanz der Lehre von der verfassungsgebenden Gewalt, S. 21 ff., 47 f., 76 ff., 105 f. 225

Siehe unter „Der Staat unter Staaten", S. 13 ff.

2. Teil: Der Staat

106

B. Der Staat-das Recht Im Staat sind viele Menschen zu einheitlicher Entscheidung verbunden. Daß das Recht hierbei eine entscheidende Rolle spielt, soll durch folgendes Zitat zur Unumgänglichkeit der einstweiligen Fortführung des divisenrechtlichen Systems des Besatzungsrechts beispielhaft belegt werden: „Wären am 5. Mai 1955 unvermittelt die divisenrechtlichen Vorschriften außer Kraft gesetzt worden, so wäre trotzdem noch in weitem Umfang chaotische Unordnung eingetreten. An die Stelle einer planvollen, Schritt für Schritt ... vorgehenden Lokkerung der Beschränkungen wäre mit einem Schlage absolute, regellose Freiheit getreten" 226 . Die Einheit staatlicher Macht wird folglich „durch ein System rechtlich gesetzter oder vorausgesetzter Spielregeln sichergestellt" 227 , ohne das „menschliches Zusammenleben in einem Gemeinwesen nicht möglich i s t " 2 2 8 . Staat ist demnach ohne Rechtsordnung, das heißt ohne das gesellschaftliche Zusammenleben ordnende Rechtsnormen, seien diese vom Staat gesetzt oder von ihm vorausgesetzt, nicht denkbar. Aber sind Rechtsordnungen ohne Staat, ist ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben ohne staatliche Rechtsetzung denkbar?

I. Recht - des Staates „Der Wasserhaushalt eines Gebietes als Naturvorgang ist einer rechtlichen Regelung nicht zugänglich. Jedoch können die menschlichen Einwirkungen auf Oberflächen- und Grundwasser einer allgemein verbindlichen Normierung unterworfen werden" 2 2 9 . Recht kann demnach nicht Vorgänge der Natur, jedoch des menschlichen Verhaltens in ihr regeln. Aber gibt es natürliches Recht, gar eine natürliche Rechtsordnung, die zeitlich vor dem Staat ist, die den Menschen somit bereits im Urständ der Gesellschaft, vor der staatlichen Rechtssetzung verpflichtet? Dann müßte zunächst Recht überhaupt neben den staatlichen Gesetzen bestehen können. Das Bundesverfassungsgericht „hält das Bewußtsein aufrecht, daß sich Gesetz und Recht zwar faktisch im allgemeinen, aber nicht notwendig

226

E 12,281 (293).

227

E 5, 85 (199).

228

E 66,116(142).

229

E 15,1 (14).

Β. Der Staat-das Recht

107

und immer decken. Das Recht ist nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch. Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag" 2 3 0 . Auch das menschliche Miteinander in einer Gesellschaft kann ein ungeschriebenes Mehr an Recht erzeugen, „nicht durch förmliche Setzung, sondern durch längere tatsächliche Übung ..., die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine sein muß und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm anerkannt w i r d " 2 3 1 . Recht kann demnach auch als ein ungeschriebenes Mehr 2 3 2 gegenüber staatlich gesetztem Recht sein, aber kann es ohne dieses sein? Das Verfassungsrecht selber besteht „nicht nur aus den einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung ..., sondern auch aus gewissen sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden allgemeinen Grundsätzen und Leitideen, die der Verfassungsgesetzgeber, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild geprägt haben, von dem er ausgegangen ist, nicht in einem besonderen Rechtssatz konkretisiert hat" 2 3 3 . Sind diese Grundsätze und Leitideen Teil einer vorverfassungsmäßigen Rechtsordnung, die zu konkretisieren im Bedarfsfall zum Beispiel den Organen der Rechtsprechung obliegt? „Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren" 234 . Die Rechtsprechung konkretisiert demnach nicht vorverfassungsmäßiges Recht, sondern erkennt für Recht gemäß der Verfassung immanenten Rechtes. Aber auch und gerade soweit diese Erkenntnis willenhafte Elemente enthält, setzt das Gericht als Organ des Staates dessen Recht. Weiter gedacht: Das als geltend erkannte Recht ist immer das des Staates, unabhängig davon, ob alle Fragen des gesellschaftlichen Lebens lückenlos ver-

230

E 34,269 (286 f.).

231

E 22,114(121).

232

Zu ungeschriebenem Recht vgl. E 1, 208 (233); 4, 250 (276 f.); 6, 84 (91); 11, 89 (96-99); 12,205 (251); 34,216 (231 f.); 42, 345 (358); 51, 222 (234 f.). 233

E 2, 380 (381, 403); vgl. auch E 1,14 (32); 25,269 (290); 34, 216 (231 f.).

234

E 34,269 (287); vgl. auch E 3, 58 (119); 3, 225 (232 f.).

2. Teil: Der Staat

108

möge geschriebenen Rechts entschieden werden oder dieses Leben nur einer bestimmten „Idee" 2 3 5 des einheitlichen Seins verschrieben wird. Anders angesetzt: Das Recht einer staatlichen Einheit beruht einerseits auf dem faktischen Sein seiner Gesellschaft und andererseits auf der bestimmten Idee des einheitlichen Seins, der der Staat verpflichtet ist. Aber entscheidet allein die staatliche Einheit, was ihr Recht ist? „Der Staat des Grundgesetzes ist der Entscheidungs- und Verantwortungszusammhang - zunehmend eingebettet in internationale Wirkungsbereiche - , vermittels dessen sich das Volk nach der Idee der Selbstbestimmung aller in Freiheit und unter der Anforderung der Gerechtigkeit seine Ordnung, insbesondere seine positive Rechtsordnung als verbindliche Sollensordnung setzt" 236 . Das Volk steht also bereits in dem Moment, da es sich erstmals Recht setzt, sich in Freiheit verpflichtet, einerseits anderen Staaten und andererseits der Anforderung der Gerechtigkeit gegenüber. Geht dem Recht des Staates demnach das Recht der anderen Staaten vor, ohne daß dieses Recht des Staates ist? Zwar „enthält das gegenwärtige allgemeine Völkerrecht ... Normen, durch die subjektive Rechte und Pflichten des privaten Einzelnen unmittelbar auf der Ebene des Völkerrechts begründet werden" 237 . Aber gelten diese - ihren Ursprung im Völkerrecht findenden - Rechte und Pflichten auch auf staatlicher Ebene aus eigenem Sein und somit für die staatliche Einheit 238 ? Zwar gelten allgemeine Regeln des Völkerrechts, „wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten - nicht notwendigerweise auch von der Bundesrepublik Deutschland - anerkannt werden" 239 , aber das Grundgesetz regelt, daß allgemeine Regeln des Völkerrechts nur „dem deutschen innerstaatlichen Recht - nicht dem Verfassungsrecht - im Range vorgehen" 240 . Auch den anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist nicht eindeutig zu entnehmen, Völkerrecht vermöge aus eigenem Sein - ohne eines innerstaatlichen

235

Zur „Einen Idee" des Staates siehe unter „Telos der Organisation", S. 96 ff.

236

E 44, 125(142).

237

E 46, 342 (362).

238

Zu den Ebenen vgl. E 1, 351 (351, 371); 6, 290 (295); 92, 26 (47); zum Charakter ausländischen Rechts bei innerstaatlicher Anwendung vgl. E 31,58 (74). 239

E 15,25 (34); vgl. auch E 16, 27 (33).

240

E 6, 309 (363); vgl. auch E 1,208 (233).

Β. Der Staat-das Recht

109

Rechtsanwendungsbefehls zu bedürfen 241 - staatlich gesetztes Recht zu brechen; vielmehr läßt der Umkehrschluß zu der Formulierung, es gebe einen Raum, „der von der deutschen Rechtsordnung nicht mit alleinigem Gültigkeitsanspruch beherrscht w i r d " 2 4 2 , die Verneinung des Geltungsvorrangs des Völkerrechts seitens des Bundesverfassungsgerichts vermuten. Die Frage, ob Völkerrecht nicht letzten Endes auch von Staaten - also nur insofern nicht von einem Staat - gesetztes Recht ist, kann daher unbeantwortet bleiben. Das Völkerrecht widerspricht also nicht der These, Recht sei des Staates. Aber ihr könnte die Anforderung der Gerechtigkeit, die dem Volk ebenfalls gegenübersteht, entgegenstehen. „Recht und Gerechtigkeit stehen nicht zur Disposition des Gesetzgebers. Die Vorstellung, daß ein , Verfassungsgeber alles nach seinem Willen ordnen kann, würde einen Rückfall in die Geisteshaltung eines wertungsfreien Gesetzespositivismus bedeuten, wie sie in der juristischen Wissenschaft und Praxis seit längerem überwunden ist. Gerade die Zeit des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland hat gelehrt, daß auch der Gesetzgeber Unrecht setzen kann' . . . . Daher hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit bejaht, nationalsozialistischen ,Rechts'-Vorschriften die Geltung als Recht abzuerkennen, weil sie fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit so evident widersprechen, daß der Richter, der sie anwenden oder ihre Rechtsfolge anerkennen wollte, Unrecht statt Recht sprechen würde" 2 4 3 . Das Bundesverfassungsgericht behält es sich also vor, „in äußersten Fällen ... den Grundsatz der materialen Gerechtigkeit höher zu werten als den der Rechtssicherheit, wie er in der Geltung des positiven Gesetzes für die Regel der Fälle zum Ausdruck kommt" 2 4 4 . Gerechtigkeit ist also das höchste Gebot. Die Frage ist, ob es im Staat als der Verfassung immanentes Gebot gilt oder es dem Volke gegenüber aus eigenem Sein und somit als für dessen Ordnung geboten gilt. „Als der Parlamentarische Rat an die Abfassung des Grundgesetzes ging, stand seine Arbeit noch unter der frischen Erfahrung der geschichtlichen Katastrophe, die durch den nationalsozialistischen Unrechtsstaat herbeigeführt wor-

241 E 77, 170 (170 f., 210); vgl. E 31, 145 (173 f.); 52, 187 (199); 82, 159 (193); 89, 155 (190).

2 4 2 E 92, 26 (26, 41); vgl. auch S. 42 derselben Entscheidung. 243 E 23, 98 (106); vgl. auch S. 98 derselben Entscheidung und E 3, 58 (119); 3, 225 (232); 54, 53 (68). 244

E 3,225 (232).

2. Teil: Der Staat

110

den war. In entschiedener Abkehr von einer Haltung, die in Recht und Gerechtigkeit keine Werte zu sehen vermochte, war er bemüht, im Grundgesetz die Idee der Gerechtigkeit zu verwirklichen" 245 . Möge Gerechtigkeit also eine Idee sein, der die Bundesrepublik Deutschland durch den Parlamentarische Rat verfassungsrechtlich verpflichtet ist 2 4 6 , - aber bedarf die Geltung des Gebots der Gerechtigkeit einer selbstverpflichtenden Setzung? „Das sowjetzonale Einkommenssteuergesetz ist ein Mittel zur Umgestaltung der Gesellschaft im Sinne der marxistisch-leninistischen Theorie. ... Dieses ,Recht* ist ein Mittel des Klassenkampfes. Es verstößt ganz offensichtlich gegen den Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit und das Rechtsstaatsprinzip. Daher ist es mit der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar" 247 . Für das Bundesverfassungsgericht ist das Recht der Deutschen Demokratischen Republik also nicht unvereinbar mit dem der Bundesrepublik Deutschland, weil jene als andere Einheit eine andere Idee ausformuliert, sondern weil jener Recht gegen die Gerechtigkeit und somit auch gegen die der Gerechtigkeit verpflichtete verfassungsmäßige Ordnung verstößt. Wird aber das Recht einer staatlichen Einheit an „dem Ideal der Gerechtigk e i t " 2 4 8 gewertet, ist Gerechtigkeit nicht ein vom Staat gesetztes, sondern ein für den Staat geltendes Gebot. Daraus folgt, „daß Geltungsanordnungen, sollen sie als Recht gelten, diese Qualität nicht lediglich dadurch erlangen, daß sie von der staatlichen Macht im jeweils vorgesehenen Verfahren gesetzt sind, sondern daß sie darüber hinaus inhaltlich nicht fundamentalen Prinzipien der Idee der Gerechtigkeit widersprechen dürfen" 2 4 9 . Demnach wäre „auch ein ursprünglicher Verfassungsgeber ... der Gefahr, jene äußersten Grenzen der Gerechtigkeit zu überschreiten, nicht denknotwendig entrückt" 250 . Wer sich aber nicht nur auf die „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft" 251 , der er angehört, im Sinne „der für ein friedli-

245

E 3, 225 (233).

246

Vgl. E 3, 225 (233 f., 237); 20, 323 (331); 37, 57 (65); 44, 125 (141 f.); 54, 53

(68). 247

E 12,99 (107).

248

E 3, 225 (234).

249

E 54,53 (67 f.).

250

E 3, 225 (232); vgl. auch die beiden folgenden Seiten derselben Entscheidung und E 1,14(17,61). 251

E 34,269 (287).

Β. Der Staat-das Recht

111

ches Zusammenleben der Gemeinschaft unabdingbaren Grundwerte" 252 beruft, sondern Gerechtigkeit - konkreter wohl „die jedem geschriebenen Recht vorausliegenden überpositiven Rechtsgrundsätze" 253 - als vorgegebenes Gebot beschwört 254 , wer Rechtsakte als rechtswidrig „in einem höheren Sinne" 2 5 5 bezeichnet, muß sich, da gebotenes Sein nicht ohne gebietendes Sein denkbar ist, fragen lassen, wessen Gebote er müht und - sollten es solche der Natur oder der Menschheit sein 2 5 6 - woher er deren Wortlaut kennt. Anders angesetzt: Wer im Namen der Gerechtigkeit Recht spricht 257 , der „birgt die Gefahr in sich, ... vom ,Hüter' zum (unkontrollierbaren) ,Herrn' der Verfassung" 258 zu werden. Gerade diese Gefahr, die jeder, der im Namen des Staates Entscheidungen zu treffen hat, in sich trägt, bezeugt aber: Das Recht ist des Staates. Ob das Recht eines Staates richtig ist, fragt nach der Wertung der Idee, der der Staat verpflichtet ist 2 5 9 . Dies bedeutet keinen „Rückfall in die Geisteshaltung eines wertfreien Gesetzespositivismus ..., wie sie in der juristischen Wissenschaft und Praxis seit längerem überwunden i s t " 2 6 0 , sondern die Erkenntnis, das Sollen stets Wertung, aber nicht mit dieser zu verwechseln ist.

252

E 64, 261 (271).

253

E 1,14 (17,61); vgl. auch E 10, 59 (81).

254

Vgl. E 3, 58 (119); 3, 225 (225); 19, 150 (162); 27, 253 (270); 28, 191 (197); 44, 125(142); 76,130(139). 255

E 3,58 (119).

256

Zur Menschheit vgl. E 22, 387 (387, 409, 425 f.); zur Natur vgl. E 10, 59 (81); 47, 46 (46); 60,79 (88). 257

Vgl. E 48,127 (162,168 f.); 69,1 (24).

258

Abweichende Meinung des Richters Hirsch, E 48, 127 (201), der auf Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation ..., NJW 1976, S. 2089 (2099), unter Bezug auf Geiger, verweist. 259 Zum wirklichen und richtigen Recht vgl. E 3, 58 (119); 3, 225 (232 f.); 7, 89 (92); 21, 73 (83); 23,98 (99). 260

E 3, 225 (232).

2. Teil: Der Staat

112

II. Staat-des Rechtes Das Recht ist zwar des Staates, dieser ist aber andererseits als Organisation der Gesellschaft verfaßt, ein Staat des Rechtes. Unbedarft gefragt: Ist jeder Staat eigentlich ein Rechtsstaat?

1. Der Rechtsstaat In einer Entscheidung aus dem Jahre 1960 führt das Bundesverfassungsgericht aus, daß ein Gesetz den Forderungen widersprechen kann, „die eine Verfassung, die sich zum materiellen Rechtsstaat bekennt, an Gesetzgeber und Richter stellt. Darum ist es verfehlt, dieses Gesetz - und ähnliche - nur unter dem Gesichtspunkt einer formalen Rechtsstaatlichkeit zu würdigen. Dabei wird übersehen, daß auch ein Unrechtssystem nicht umhin kann, alltägliche Fragen des Gemeinschaftslebens auf weite Strecken in einer Weise zu lösen, die sich äußerlich von einer formalrechtsstaatlichen Lösung fast nicht unterscheidet" 261 . Das Bundesverfassungsgericht unterschied also in frühen Jahren zwischen Rechtsstaaten und Unrechtssystemen, die nur äußerlich dem Rechtsstaat ähneln. Die Frage, ob ein derartiges Unrechtssystem überhaupt Staat ist, stellt sich seit Abschluß des Grundlagenvertrages nicht mehr in Bezug auf die Deutsche Demokratische Republik 2 6 2 ; geblieben aber ist die Unterscheidung zwischen Rechtsstaat und Unrechtsstaat, formal wie material. Der Rechtsstaat ist ein grundgesetztes Prinzip unter verschiedenen anderen, die alle der Idee der Gerechtigkeit dienen sollen 263 . „Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß das Prinzip der Rechtssicherheit mit der Forderung nach materialer Gerechtigkeit häufig in Widerstreit liegt und daß es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers sein muß, einen solchen Widerstreit bald nach der Seite der Rechtssicherheit, bald nach der Seite der materialen Gerechtigkeit hin zu entscheiden" 264 . Wird aber Gerech-

261

E 11,150(163).

262

Zum Grundlagenvertrag siehe unter „Die Deutsche Demokratische Republik",

S. 31 ff. 263 Vgl. E 1, 14 (18); 2, 380 (403); 3, 225 (225, 237); 7, 89 (92 f.); 17, 306 (313); 19, 166 (166); 20, 323 (331); 25, 269 (290); 29, 413 (432); 30, 367 (386); 37, 57 (65); 44, 353 (374); 45,187 (246). 264 E 3, 225 (237); vgl. auch E 7, 89 (92 f.); 14, 1 (7); 19, 166 (166); 20, 230 (235); 20, 336 (344); 25,269 (290); 29, 413 (432).

. Der Staat - d

ech

113

tigkeit zu einer der „verschiedenen Seiten des Rechtsstaatsprinzips selbst" 265 herabgestuft, genießt ihr gegenüber gar die Rechtssicherheit als anderes Element des Rechtsstaates häufig den Vorrang, ähnelt der Gerechtigkeit zwar gebietende, den vielfachen Verstoß gegen sie aber billigend in Kauf nehmende Rechtsstaat insofern äußerlich einem Unrechtsstaat. Denn auf den ersten Blick wird nicht die Gerechtigkeit als höchstes Gebot verwirklicht, sondern ein anderes, staatlich gesetztes Gebot namens Rechtssicherheit. „Gerechtigkeit ist ... ihrem Wesen und ihrer inneren Struktur nach immer auf den konkret-individuellen Einzelfall bezogen" 266 . Gerade im Einzelfall aber muß „um der Rechtssicherheit willen ... die Rechtsordnung etwa über das Institut der Rechtskraft in Kauf nehmen, daß selbst unrichtige Gerichtsentscheidungen für den Einzelfall endgültig verbindlich sind. Das rechtsstaatliche Grundgebot, materiale Gerechtigkeit zu verwirklichen, ist indessen nicht allein auf den Einzelfall bezogen, sondern auch auf den Wirkungszusammenhang der Rechtsordnung und ihrer Vollzüge insgesamt. Zwischen diesem Gebot und dem Anliegen der Rechtssicherheit besteht zwar ein - im Einzelfall nicht immer auflösbares - Spannungsverhältnis, nicht aber ein generell unüberbrückbarer Gegensatz: Rechtssicherheit über gehörige Verfahren herbeizuführen ist selbst eine Forderung materialer Gerechtigkeit" 267 . Dieses Zitat sät Zweifel, ob Recht überhaupt Gerechtigkeit zur Gänze zu verwirklichen vermag. „Der Krieg und seine Folgen haben in Millionen verschiedenartigster Fälle zu materiellen und immateriellen Schäden geführt. Es ist nicht möglich, für diesen Gesamtbereich gesetzliche Regelungen zu finden, die im Ergebnis jeden Bürger gleichstellen und Schicksalsschläge in jedem Einzelfall gerecht ausgleichen. Vielmehr muß es genügen, wenn die gesetzliche Regelung in großen Zügen dem Gerechtigkeitsgebot entspricht" 268 . Recht „erfaßt ... das Individuelle im Typus, verallgemeinert das Konkrete, vergröbert Unterschiedlichkeiten" 269 , daher vermag kein Rechtssystem das Leben in seiner Vielgestaltigkeit zur Gänze gerecht zu regeln. Entscheidet also der Grad verwirklichter Gerechtigkeit über die Frage, ob ein Staat Rechtsstaat oder Unrechtsstaat ist?

265

E 7, 89 (92); vgl. auch E 20, 323 (331); 21, 378 (388); 25, 269 (290).

266

E 25, 352 (364).

267

E 60, 253 (268 f.), vgl. auch S. 300 derselben Entscheidung und E 19, 166 (166); 45,187 (261). 268

E 27, 253 (286); vgl. auch E 46, 299 (307).

269

E 82,159 (185 f.); vgl. auch E 21,12 (26).

8 Aishut

114

2. Teil: Der Staat

„Soweit der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält, verlangt er auch die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege, ohne die Gerechtigkeit nicht verwirklicht werden kann" 2 7 0 . Der Rechtsstaat ist also ein formal der Idee der Gerechtigkeit verschriebener Staat, der material diese Verpflichtung vermittels des Rechts zu verwirklichen sucht. Wie erfolgreich ist hierbei ein darum bemühter Staat wie die Bundesrepublik Deutschland? Im Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland können „die Grundrechte von Strafgefangenen ... nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden" 271 . Liegt ein solches Strafvollzugsgesetz nicht vor, müssen „gleichwohl ... Eingriffe in die Grundrechte von Strafgefangenen auch ohne gesetzliche Stütze für eine Ubergangsfrist hingenommen werden" 272 . Der Rechtsstaat verwirklicht also nicht nur die Gerechtigkeit nicht zur Gänze, er verstößt sogar gegen sein eigenes Recht, wenn er dessen Befolgung für zu gefahrvoll erachtet, oder verzichtet einfach auf dessen Ahndung, zum Beispiel „aus Anlaß eines besonders bedeutsamen Ereignisses" 273 . Einen anderen, den Anspruch, Rechtsstaat zu sein, in der Realität relativierenden Aspekt, enthält das Saar-Urteil vom 4. Mai 1955: „Die rechtliche Feststellung einer Verfassungswidrigkeit wird grundsätzlich dadurch ausgeschlossen, daß der durch den Vertrag geschaffenen Zustand ,näher beim Grundgesetz steht1 als der vorher bestehende. Wollte man nur eine dem Grundgesetz voll entsprechende vertragliche Regelung als verfassungsgemäß gelten lassen, so hieße das, einen verfassungsrechtlichen Rigorismus vertreten, der sich in den Satz verdichten ließe: Das Schlechte darf dem Besseren nicht weichen, weil das Beste (oder von diesem Standpunkt aus: das allein Gute) nicht erreichbar ist. Das kann vom Grundgesetz nicht gewollt sein" 2 7 4 . Auch in einem Rechtsstaat herrscht also kein Rigorismus, kein kompromißloses Festhalten an der Verfassung; vielmehr wird an dieser nur solange festgehalten, wie es dem Erreichen des gewollten Seins dient, dessen Wert dem Staat wesentlicher und somit wertvoller ist als der des Sollens an sich. Gegenteiliges kann gerade die Verfassung als Grundordnung des Staates - wie auch das Gericht betont - nicht gebieten. Offenbar wird dies an der Rechtsprechung zur Bewältigung des totalen Staatsbankrotts des Deutschen Reiches: „Danach ist das Ziel der vorbehaltenen

270

E 44, 353 (374).

271

E 40,276 (283).

272

E 40,276 (283); vgl. auch S. 276 derselben Entscheidung und E 33,1 (13).

273

E 10,234 (241).

274

E 4, 157 (170); vgl. auch E 12, 281 (290 f.); 14,1 (7 f.); 15, 337 (348 f.).

. Der Staat - d

ech

115

Gesetzgebung hinsichtlich der Passiven des Reiches, den Staatsbankrott des Reiches vollständig zu bereinigen und für die Zukunft die Grundlage für gesunde staatliche Finanzen zu schaffen, weil dies die erste Voraussetzung einer geordneten Entwicklung des ganzen sozialen und politischen Lebens ist. Im Rahmen dieser Zielsetzung darf der Gesetzgeber die Forderungen gegen das Reich, die ihm als dem Grunde nach existent zur Berücksichtigung nach Maßgabe des Möglichen überwiesen sind, kürzen oder ihre Befriedung auch ganz verweigern" 275 . Ob diese relativen Rechte gegen den Staat in diesem gelten, wird also der Entscheidung des Staates überantwortet. Um den Preis, daß damit die Grundlage der neuen Ordnung selbst wieder gefährdet wird, soll „auch das Rechtsstaatsprinzip ... keine weitergehende Haftung des neugeordneten Staatswesens für die Mißwirtschaft des nationalsozialistischen Regimes begründen Auch der Grundsatz der ,Kontinuität' kann nicht hindern unter die frühere verhängnisvolle Finanzwirtschaft einen Strich zu ziehen. Treu und Glaube, insbesondere das Vertrauen in diese Kontinuität, gebieten nichts anderes, weil gerade eine Fortsetzung ruinöser Finanzwirtschaft verhindern würde, daß Treu und Glaube wieder einkehren" 276 . Recht wird folglich auch im Rechtsstaat „ , i m Rahmen des Möglichen'" 2 7 7 gesprochen - auch dem der möglichen Gerechtigkeit 278 . Da das Bundesverfassungsgericht unter Rechtsstaat mehr als eine verfaßte Organisation der Gesellschaft - einen Staat des Rechts - begreift, obgleich kein Staat die Gerechtigkeit oder sein Recht zur Gänze verwirklicht, kann dieser Begriff in seiner Rechtsprechung nur für eine Summe bestimmter grundlegender Spielregeln stehen, vermittels derer der Staat Bundesrepublik Deutschland seiner Idee eine konkretere rechtliche Gestalt zu verleihen sucht, ist also die Bezeichnung eines anderen Staates als Rechtsstaat Belobung, die als Unrechtsstaat Brandmarkung seiner Idee 2 7 9 .

275

E 19, 150 (163); vgl. auch E 15, 126 (126, 141, 144); 23, 153 (153); 27, 253 (284 f.); 29, 413 (427); 41, 126 (151 f.); 45, 83 (100 f.); 71, 66 (77). 276

E 15, 126(146).

277

E 19,150(163).

278

Vgl. zum Beispiel beim Staatsbankrott das Argument der immateriellen Schäden, E 27,253 (285); 41,126(152). 279 Letztere stünde gegenüber nicht-deutschen Staaten „nicht in Einklang mit der völkerrechtsfreundlichen Grundhaltung des Grundgesetzes, die vor allem Achtung vor fremden Rechtsordnungen und Rechtsanschauungen fordert", E 18,112 (121).

2. Teil: Der Staat

116

Der Rechtsstaat gebiete Berechenbarkeit des Rechts, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, nicht unvermittelte einzelfallbezogene Güter- und Interessenabwägung. „Eine solche mag zwar in besonderem Maße Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen. Sie kann aber die Rechtsfindung nicht normativ leiten, wie es die Aufgabe der Gesetze und des ergänzenden Richterrechts i s t " 2 8 0 - die Einheit zur Entscheidung aber bedarf derart totaler Leitung nicht, nur vermögen wir den Rechtsstaat auf Grund seiner gegenwärtigen Gestalt nicht mehr anders zu denken, obgleich Gerechtigkeit, da ihrem Wesen nach immer auf den Einzelfall bezogen 281 , durch Recht nicht absolut zu verwirklichen ist.

2. Der Bundesstaat Wird im Geltungsbereich des Grundgesetzes die staatliche Einheit einerseits durch den Rechtsstaat, vermittels dessen der Staat Bundesrepublik Deutschland seiner Idee eine konkretere rechtliche Gestalt zu verleihen sucht, verwirklicht, wird diese andererseits „durch die Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat verwirklicht, deren Glieder der Bund und die Länder sind" 2 8 2 . Aus diesem Zitat des Konkordatsurteils vom März 1957 ist zu folgern, daß im Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland die Gewalt der rechtlich organisierten Einheit Staat räumlich pyramidal auf zwei Ebenen verteilt ist 2 8 3 . Aber derart isoliert täuscht das Zitat: Das Bundesverfassungsgericht begreift unter Bundesstaat nicht einen gegliederten Staat, sondern Staaten - einen „Staat der Staaten". Dieser Bundesstaat der Rechtsprechung soll zunächst Thema sein 2 8 4 . Das über die Sicht des Bundesverfassungsgerichts täuschende Zitat steht in Einklang mit den bisher getroffenen Aussagen zum Staat. Ob auch ein Staat der Staaten in Einklang mit den aus der Rechtsprechung entwickelten Thesen zum Staat denkbar ist und wenn, wie ein solcher gedacht werden muß, soll anschließend erörtert werden.

280

E 66,116(138).

281

Vgl. E 25, 352 (364).

282

E 6, 309 (364), vgl. auch S. 340 derselben Entscheidung.

283

Zur Möglichkeit der räumlich pyramidalen Gliederung der einheitlichen Staatsgewalt vgl. S. 52. 284

Zum Bundesstaat und der Rechtsprechung zu diesem vgl. Otto Kimminich, Der Bundesstaat, in: HdbStR I, § 26 Rn. 1 ff. m.w.N. und Walter Rudolf\ Die Bundesstaatlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz Π, S. 233 ff.

Β. Der Staat-das Recht

117

a) Der Bundesstaat in der Rechtsprechung - ein Staat der Staaten Bereits in einer Entscheidung vom 23. Oktober 1951 formuliert der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts: „Die Länder sind als Glieder des Bundes Staaten mit eigener - wenn auch gegenständlich beschränkter - nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht" 285 . Daß die „Länder aus dem Willen der Besatzungsmacht entstanden bzw. wiedererstanden waren, und daß ihre Organe von der Militärregierung eingesetzt waren, i s t . . . ohne Bedeutung" 286 für die ursprüngliche Hoheitsgewalt der Länder als Voraussetzung ihrer Staatlichkeit 287 , da die Länder ihre Gewalt nicht von der Besatzungsmacht ableiteten, sondern diese die ursprüngliche „Ausübung deutscher Staatsgewalt durch die Organe der Länder in begrenzten Umfange freigegeben" 288 hatte. Die Länder sind folglich Staaten, zugleich aber Glieder eines Bundes, der ihre staatliche Hoheitsmacht anerkennt. Meint das Gericht mit Anerkennung die völkerrechtliche Anerkennung von Staaten, erkennt somit - aus Sicht des Gerichts - der Staat Bund die Staatlichkeit der Länder an? Ein Leitsatz der gerade zitierten Entscheidung lautet: „Regeln des Völkerrechts können innerhalb des Bundesstaates nur im Verhältnis von Land zu Land und im Bereich ihrer rechtlichen Gleichordnung angewendet werden. Neugliederungsgesetze des Bundes berühren stets auch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern" 289 . Gleich, ob Völkerrecht nur im Verhältnis von Land zu Land Anwendung finden kann, weil der Bund kein Staat ist oder weil zwischen Bund und Ländern keine rechtliche Gleichordnung besteht, Bund und Länder sind innerhalb des Bundesstaates. Es gibt also die Bundesrepublik Deutschland - den Bundesstaat. Und es gibt die Länder der Bundesrepublik Deutschland - die Gliedstaaten 290 . Und den

285

E 1,14 (18, 34).

286

E 4, 250 (275); vgl. auch S. 251 f. derselben Entscheidung und E 1, 418 (424); 2, 237 (251); 5, 66 (70); 6, 20 (22); zur Entwicklung der Länder in den Besatzungszonen vgl. Michael Stolleis, Besatzungsherrschaft und Wiederaufbau deutscher Staatlichkeit 1945-1949, in: HdbStR I, § 5 Rn. 54 ff., 68 ff., 86 ff., 95 ff., 116. 287 Zur Ursprünglichkeit der Hoheitsgewalt siehe unter „Die Verfassung ursprünglicher Gewalt", S. 53 ff. 288

E 4, 250 (275), nicht eindeutig ist insofern die Formulierung auf S. 252 derselben Entscheidung; vgl. auch E 2 , 1 (56 f.); 7, 330 (330, 339). 289

E 1,14 (16), vgl. auch S. 51 derselben Entscheidung.

290

Zum Begriff Gliedstaat vgl. E 1,14 (47 f.).

2. Teil: Der Staat

118

Bund, der mit seinen Gliedern, den Ländern, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist und der die Länder anerkennt, - den Staat Bund? Im Bundesstaat müssen nach einer Entscheidung vom Mai 1952 „die Glieder des Bundes sowohl einander als auch dem größeren Ganzen und der Bund den Gliedern die Treue halten und sich verständigen. ... Der ... Zwang zur Verständigung ... ist es vor allem, der auch der Übermacht des Gesamtstaates im Interesse der Glieder feste Schranken zieht" 2 9 1 . Gesamtstaat könnte hier zwar für den Bund stehen, aber auch für das größere Ganze des Bundesstaates, der Bund und Länder umfaßt. Ob das größere Ganze Bundesstaat überhaupt mehr ist, als „alle an dem verfassungsrechtlichen ,Bündnis' Beteiligten" 292 , oder gerade nur deren Bündnis, gilt es im folgenden herauszuarbeiten. In der Entscheidung zum Kehler Hafenvertrag vom Juni 1953 betont der zweite Senat, daß völkerrechtliche Verträge, die „im Rahmen des Bundesstaates - sei es von der Bundesgewalt, sei es von den Gliedern - geschlossen werden" 2 9 3 , stets im Namen des Bundes oder eines Landes geschlossen werden. Sollte die Bundesrepublik Deutschland trotz ihrer Bezeichnung als Bundesstaat gerade kein Staat, sondern nur Begriff für ein bestimmtes Bündnis von Staaten, bestehend aus dem Gesamtstaat Bund und den Gliedstaaten Ländern sein? Dann träte der „Bundesstaat, der im völkerrechtlichen Verkehr nach außen grundsätzlich als Einheit auftritt" 2 9 4 , tatsächlich nur als staatliche Einheit von Menschen auf, während in Wirklichkeit nach innen eine Mehrheit von Staaten, von Einheiten bestünde, die in Konkurrenz miteinander stünden - jeder weder einzig noch konkurrenzlos 295 . Im Dezember des Jahres 1953 formuliert der erste Senat: „Der Zusammenbruch des Reiches im Mai 1945 hatte für zahlreiche Angehörige des öffentlichen Dienstes den Verlust ihres Amtes, ihres Arbeitsplatzes oder ihrer Versorgungsbezüge zur Folge. ... Eine erschöpfende und sachgerechte Lösung des mehr und mehr bedrückend gewordenen Komplexes der Rechtsverhältnisse der verdrängten und amtsentfernten Angehörigen des öffentlichen Dienstes war ... nur dem deutschen Gesamtstaat möglich. Das Problem erschien so bedeutsam, seine Lösung so vordringlich, daß schon das Grundgesetz ... dem Bundesge-

291

E 1,299 (315).

292

E 1,299 (315).

293

E 2,347 (371), vgl. auch S. 378 f. derselben Entscheidung.

294

E 2, 347(378).

295

Zu diesem Begriffspaar vgl. unter „Das Gewalt zur Staatsgewalt qualifizierende Moment", S. 52,58,64,71.

. Der Staat - d

ech

119

setzgeber" 296 bestimmte Pflichten auferlegt hat. Organe des Bundes lösen also Aufgaben, die zu lösen nur dem Gesamtstaat möglich ist, aber löst der Bund die Aufgaben als Gesamtstaat, der Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland wäre dann bloß ein Bündnis von Staaten, oder löst er sie für den Gesamtstaat Bundesstaat? Ein halbes Jahr später entscheidet der erste Senat: „In einem föderalistischen Staat, d.h. in einem Staat, der im Rahmen der Bundesverfassung eine selbständige politische Willensbildung der Glieder voraussetzt, braucht nicht mit Rücksicht auf die Bedeutung, die eine Partei in bestimmten Gliedstaaten und im Bund besitzt, unterstellt zu werden, daß sie diese Bedeutung in jedem Land habe" 2 9 7 . Bundesstaat bezeichnet also nicht nur Staaten, sondern ist Staat. Der zweite Senat bestätigt diese Sicht des Bundesstaates im Konkordatsurteil: „Im Geltungsbereich des Grundgesetzes ist als Partner des Reichskonkordates die Bundesrepublik Deutschland - das sind verfassungsrechtlich der Bund und die Länder als ein Ganzes - anzusehen" 298 , denn „im Geltungsbereich des Grundgesetzes wird die staatliche Einheit durch die Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat verwirklicht, deren Glieder der Bund und die Länder sind" 2 9 9 . Der status des Bundesstaates ist somit geklärt, der des Bundes der Glieder als dessen Glied offen. Diesen klärt erst im Juli 1961 der zweite Senat 300 : der „Bund ist kein Zentral·,Staat 4 im Unterschied zu einem Gesamt-,Staat4, sondern nur die oberstaatliche Organisation, die zugleich im Verhältnis zu den Gliedstaaten den Bundesstaat repräsentiert. Die Rechtskreise zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten und zwischen den Gliedstaaten werden durch das Bündnis der Gliedstaaten geschaffen, das der Bundesstaat begrifflich voraussetzt. Zwischen dem so geschaffenen Oberstaat und den Gliedstaaten kann aber nicht ein weiteres Bündnis bestehen, aus dem ein sogenannter Gesamtstaat hervorgehen würde.

296

E 3, 58 (60 f.).

297

E 3, 383 (402).

298

E 6, 309 (340).

299

E 6, 309(364).

300

Vgl. bis dahin E 7 , 1 (13); 7, 29 (30); 8, 104 (116, 118); 8,122 (123, 138); 11, 89 (96 f.); 12, 205 (254 f., 258 f.).

2. Teil: Der Staat

120

Wenn das Grundgesetz vom Bund im Gegensatz zu den Ländern spricht..., dann versteht es unter Bund den Oberstaat, der durch die Verbindung der Länder zu einem Bundesstaat bewirkt w i r d " 3 0 1 . Mit anderen Worten: Die Länder sind Gliedstaaten, der Bund der Länder ist Oberstaat und die Länder sowie der Bund sind Glieder eines nicht ein weiteres Bündnis seienden Gesamtstaates, den im Verhältnis zu den Ländern der Bund repräsentiert. Es gibt also die Gliedstaaten, den Oberstaat und den Gesamtstaat, aber nur zwei Staaten, da neben dem „Bündnis der Gliedstaaten ... nicht ein weiteres Bündnis bestehen" 302 kann, der Bund also kein Zentralstaat im Unterschied zu einem Gesamtstaat, sondern Oberstaat der Glieder Länder und Gesamtstaat der Glieder Bund und Länder in einem ist. Der Bundesstaat ist folglich ein Staat der Staaten, den letzteren zugleich gegenüber und mit ihnen eins. Das Konkordatsurteil tritt also zwar dem Mißverständnis, das Bundesverfassungsgericht folge der Konzeption eines dreigliedrigen Bundesstaates, entgegen, begreift aber nicht den Staat als eine rechtlich organisierte Einheit, deren Gewalt räumlich pyramidal gegliedert sein kann, im Bundesstaat zweifach gegliedert ist, sondern vertritt eine zweigliedrige Konzeption. Aber ist der Bundesstaat - die bloße Behauptung des Bundesverfassungsgericht, es könne kein weiteres Bündnis neben dem der Gliedstaaten Länder bestehen 303 , hinterfragend - wirklich auf ein Bündnis zwischen diesen Gliedstaaten reduzierbar? Bereits 1952 hatte das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß der im Bundesstaat geltende verfassungsrechtliche Grundsatz des Föderalismus die Rechtspflicht des Bundes und aller seiner Glieder zu bundesfreundlichem Verhalten enthalte, „d.h. alle an dem verfassungsrechtlichen ,Bündnis4 Beteiligten sind gehalten, dem Wesen dieses Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung seiner und der wohlverstandenen Belange seiner Glieder beizutragen" 304 . Wären wirklich nur die am Bündnis Beteiligten zu bundesfreundlichem Verhalten gehalten - wie vom Bundesverfassungsgericht 1952 formuliert - und bestünde ein Bündnis - wie 1961 formuliert - wirklich nur zwischen den Gliedstaaten Ländern und nicht zwischen ihnen und dem durch sie geschaffe-

301

E 13,54 (78).

302

E 13,54 (78).

303

Vgl. E 13, 54 (78).

304

E 1,299 (315).

. Der Staat - d

ech

121

nen Oberstaat Bund, wäre folglich der Bund als Nicht-Beteiligter des Bündnisses nicht zu bundesfreundlichem Verhalten verpflichtet. Dieser eindeutige Widerspruch zwischen den zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 305 beruht auf der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs Gliedstaat, mit dem das Gericht sowohl Bund und Länder, als auch nur die Länder beschreibt. Daß Verstandeskraft die komplexe rechtliche Konstruktion des Bundesstaates gleich der Rechtsprechung zur Rechtslage Deutschlands im Kern kaum klar zu begreifen vermag, liegt andererseits darin begründet, daß das Bundesverfassungsgericht beide Male unvereinbar anmutende Rechtssätze begrifflich zu vereinbaren sucht, vereinbaren muß. Jener Konstruktion lag zu Grunde, das Deutsche Reich bestehe als Staat fort und die Bundesrepublik Deutschland sei Staat, dieser, die Länder seien Staaten und ihr Bündnis sei Staat unter Staaten. Ob das Bundesverfassungsgericht seiner zweigliedrigen Konzeption formal treu bleibt 3 0 6 , sei dahingestellt. Im Folgenden soll untersucht werden, ob das angeblich „Eigentümliche des Bundesstaates, daß der Gesamtstaat Staatsqualität und daß die Gliedstaaten Staatsqualität besitzen" 307 , ob dieses Sollen staatlichen Seins mit dem Sein des Bundesstaates Bundesrepublik Deutschland, wie es sich aus den Entscheidungen des Gerichts ergibt, übereinstimmt.

b) Der Bundesstaat des Rechts des Staates Um dies konkret beantworten zu können, bedarf es zunächst der Feststellung, wie ein Staat der Staaten zu denken ist. Staat hat und ist Hoheitsmacht über Gebiet und Personen 308 . Daß Staat ein Gebiet voraussetzt, über das seine Gewalt sich räumlich erstreckt, verhindert nicht, ein zwei Staaten gemeines Gebiet zu denken. Aber vermag ein Mensch zwei Staaten anzugehören?

305 Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum bundesfreundlichen Verhalten vgl. Hartmut Bauer, Die Bundestreue, S. 9-12, 143-152; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 268 ff. 306 Vgl. E 19, 377 (388); 27, 44 (55); 34, 9 (19 f.); 36, 342 (360 f.); 55, 274 (300); 56, 298 (322); 60, 175 (205, 207); 60, 319 (327); 66, 107 (114); 72, 330 (331, 385-388); 81, 310 (331, 337 f.); 82, 272 (282); 86, 148 (149, 213 f., 264 f., 275); 87, 181 (196); 90,60 (84 ff.); 91,186 (201 f.); 92, 203 (203,230, 235 f., 243). 307

E 36, 342 (360 f.).

308

Siehe unter „Die Staatsgewalt", S. 43 f., 50 ff., 71.

2. Teil: Der Staat

122

Doppelte oder mehrfache Staatsangehörigkeit wird vom Bundesverfassungsgericht nicht als unzulässig erachtet, aber „als ein Übel b e t r a c h t e t d a s sowohl im Interesse der Staaten wie im Interesse der betroffenen Bürger nach Möglichkeit vermieden oder beseitigt werden sollte:... Von Seiten der Staaten wird Ausschließlichkeit der jeweiligen Staatsangehörigkeit erstrebt, um ihre Personalhoheit klar abzugrenzen; sie wollen der - notfalls bis zum Einsatz des Lebens gehenden - Treuepflicht ihrer Bürger sicher sein und diese nicht durch mögliche Konflikte mit einer fremden Staaten geschuldeten Loyalität gefährdet sehen.... Auch die betroffenen Bürger haben ein erhebliches Interesse daran, nicht Treuekonflikten und Pflichtenkollisionen ..., besonders hinsichtlich der Wehrpflicht ausgesetzt zu sein. Die Belastung des einzelnen hängt aber wesentlich von dem jeweiligen innerstaatlichen Recht einschließlich etwaiger von den Heimatstaaten abgeschlossener zwischenstaatlicher Abkommen ab" 3 0 9 . Sowohl ein Gebiet als auch Menschen können also zwei oder mehr Staaten angehören - diese aber stünden gedanklich dem Grunde nach in ewiger Konkurrenz um den Gehorsam der Einzelnen und die auf ihm beruhende Macht der Einheit, über das Sein aller Einzelnen zu entscheiden. „Was jeweils praktisch zu geschehen hat, wird also in ständiger Auseinandersetzung aller an der Gestaltung des sozialen Lebens beteiligter Menschen und Gruppen ermittelt. Dieses Ringen spitzt sich zu einen Kampf um die politische Macht ... z u " 3 1 0 , den jede Einheit für sich zu gewinnen sucht, um ihre Entscheidungen verwirklichen zu können. Beschränkt sich die Konkurrenz zweier Mächte nicht auf die geistige Auseinandersetzung um die politische Macht, herrscht offener Bürgerkrieg. „Neben die sogenannte offene Bürgerkriegslage tritt in den letzten Jahrzehnten häufiger der Guerilla-Bürgerkrieg. Dessen Besonderheit liegt in der Asymmetrie, insofern hier die Aufständischen, um keine Angriffsfläche zu bieten, im Verborgenen bleiben, aber das staatliche Gewaltmonopol fortschreitend aushöhlen. Führt dies zu einer nachhaltigen und nicht nur vorübergehenden Infragestellung der staatlichen Gebietsgewalt, so tritt ein Zwischenzustand ein, in dem zwar die staatliche Schutz- und Verfolgungsmächtigkeit teilweise noch besteht, jedoch mit derjenigen starker oder überlegener gegnerischer Kräfte konkurriert" 311 . Dieser Zwischenzustand - zwei miteinander konkurrierende Mächte, von denen keine zur Gänze über „das Gesetz des Handelns als über-

309

E 37,217 (254 f.).

310

E 5, 85(198).

311

E 80,315 (341), vgl. auch S. 316, 340 derselben Entscheidung.

Β. Der Staat-das Recht

123

greifende und effektive Ordnungsmacht" 312 verfügt, - ist purer Konkurrenzkampf zweier Einheiten, denen Gebiet und Bürger gemein sind, um eben diese. Nunmehr konkret gefragt: Sind der Gesamtstaat Bund und die Gliedstaaten Länder dem Grunde nach Konkurrenten um die Macht, Konkurrenten, die „ein vordem tatsächlich gegebenes oder rechtlich mögliches ausschließliches Herrschaftsrecht zugunsten fremder Hoheitsgewalt zurückgenommen" 313 haben, Staaten, die ihre Konkurrenz gegenwärtig aufgrund geschlossener Abkommen gewaltlos austragen? „Das Staatsvolk, von dem die Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, wird nach dem Grundgesetz von den Deutschen ... gebildet. ... Auch die den Bundesländern zukommende Staatsgewalt kann ... nur von denjenigen getragen werden, die Deutsche ... sind. Insofern tritt der territorial begrenzte Verband der im Bereich des jeweiligen Landes lebenden Deutschen, das (Landes-) Volk, als Legitimationssubjekt an die Stelle des Staatsvolkes der Bundesrepublik Deutschland oder ... an seine Seite" 314 . Das Gebiet und die Bürger eines Landes gehören also nicht zugleich einem anderen Land, aber dem Bund an; kein Gebiet und kein Bürger ist bundes- oder landesfrei 315 . Dieses teilidentische Verhältnis zwischen Bund und Land erinnert - abgesehen von der Frage der Handlungsfähigkeit der Gewalt - an die Rechtsprechung zur Teilidentität zwischen Deutschem Reich und Bundesrepublik Deutschland, umfaßt doch in beiden Fällen eine größere staatliche Einheit Gebiet und Bürger einer kleineren zur Gänze. Aber die Teilidentität von Gebiet und Volk umfaßt in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur Bund und Länder. „ I m Ergebnis gilt nichts anderes, soweit durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG eine Vertretung des Volkes auch für die Kreise und Gemeinden vorgeschrieben wird. ... Die Norm bestimmt, daß die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie ... nicht nur auf Bundes- und Landesebene gelten sollen, sondern auch in den Untergliederungen der Länder, den Gemeinden" 316 . „Daraus läßt sich indessen keineswegs folgern, daß das demokratische Prinzip es ... beliebig zuließe, anstelle des Gesamtvolkes - dieses und das Parla-

312

E 80, 315 (341).

313

E 68,1 (90); vgl. E 37,271 (280); 59, 63 (90).

314

E 83, 37 (37,53).

315

Zum Status des Saargebiets vom 1. März 1935 bis zur Besatzung vgl. E 4, 157 (158) in Verbindung mit E 4,250 (251) und E 22, 221 (231). 316

E 83, 37 (53); vgl. auch E 79,127 (151); 81, 53 (55); 83, 60 (75, 81).

2. Teil: Der Staat

124

ment umgehend - jeweils einer durch örtlichen Bezug verbundenen, gesetzlich gebildeten kleineren Gesamtheit von Staatsbürgern Legitimationskraft zuzuerkennen. Dies bedeutete eine Ausgliederung aus der einheitlichen Staatsgew a l t " 3 1 7 . Dem entspricht, daß Legitimationssubjekt im Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland „das jeweilige Bundes- oder Landesstaatsvolk" 318 ist. Entspricht dem auch, daß der Staat Land nicht seinerseits wiederum ein Bundesstaat mit den Legitimationssubjekten Landesstaatsvolk und Gemeindestaatsvolk ist? Anders angesetzt: Wenn Bund und Länder, im Gegensatz zu den Gemeinden 3 1 9 , staatliche Einheiten mit jeweils eigenen Legitimationssubjekten sind, wie ist dann zu verstehen, daß „Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ... für alle Gebietskörperschaften auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage" 320 gewährleistet? Das Gebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gleicht „dem Gebot der Wahrung der Einheit der deutschen Staatsangehörigkeit..., das eine normative Konkretisierung des im Grundgesetz enthaltenen Wiedervereinigungsgebotes ist" 3 2 1 . Aus diesem folgt, „daß dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen des ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit beizumessen ist" 3 2 2 , nicht aber, daß die zwei Staaten Deutsche Demokratische Republik und Bundesrepublik Deutschland eine staatliche Einheit waren. Der einheitlichen Legitimation durch das Volk ist also nicht zu entnehmen, ob das Grundgesetz eine komplexe Konkurrenz des Gesamtstaates Bund und der Gliedstaaten Länder konkretisiert oder „die Aufteilung einer ... Einheitsstaatsgewalt auf Bund und Länder zum Gegenstand" 323 hat. Zwar kennt „das Grundgesetz ... nicht die strenge Trennung der Kompetenzräume von Bund und Ländern, die z.B. die Verfassung der Vereinigten

317

E 83,60 (75), vgl auch S. 60 derselben Entscheidung.

318

E 83, 60 (74).

319

Zu deren rechtlicher Qualität siehe S. 49, 50 ff., 55 f.

320

E 83, 37 (53); vgl. auch E 83,60 (71).

321

E 77,137(137, 149).

322

E 77,137 (137,149); vgl. auch E 36,1 (30 f.).

323

E 6, 309 (361); vgl. auch E 18, 407 (414); 60, 175 (204); 81, 310 (334); 84, 25 (25); 86,148 (264).

Β. Der Staat-das Recht

125

Staaten auszeichnet" 324 , aber „in dem betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes stehen die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander" 325 , können „weder der Bund noch die Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen" 326 . Daher vermag zum Beispiel „das vielfach betonte Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung des gesamten Baurechts dem Bund nicht das Recht der Gesetzgebung zu verleihen ..., wenn aus anderen Gründen die grundsätzliche Zuständigkeit des Bundes" 327 im Grundgesetz verneint wird. Dennoch lassen viele Rechtsprechungszitate Bund und Länder eher als eine staatliche Einheit denn als eine Mehrheit staatlicher Einheiten erscheinen: Die Bundesrepublik Deutschland tritt „im völkerrechtlichen Verkehr nach außen grundsätzlich als Einheit" 3 2 8 auf; ihr Strafgesetz begegnet nur „den Bemühungen fremder Geheimdienste ..., sich auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland einzurichten und hier die Basis für weitergehende Angriffe gegen die Sicherheit des Staates zu schaffen" 329 ; die Bundesrepublik Deutschland wirkt darauf hin, daß ein Kind deutscher Staatsangehörigkeit „eine echte Bindung zum deutschen Volk, seiner Rechtsordnung und Kultur erwirbt und in den deutschen Staatsverband hineinwächst" 330 ; die hoheitlichen Entscheidungen des Bundes und der Länder sind auch „vom Menschen und Bürger ... her gesehen ... jeweils nur ... eine besondere Erscheinungsform der einheitlichen Staatsgewalt" 331 ; eine „,Doppelzuständigkeit' ..., auf deren Grundlage Bund und Länder ein und denselben Gegenstand in unterschiedlicher Weise zu regeln

324

E 10,285 (296).

325

E 60, 175 (209); 64, 301 (317); vgl. auch E 1, 299 (300, 314 f.); 4, 178 (189); 6, 376 (382); 13, 54 (78); 18, 419 (416); 22, 267 (270); 36, 342 (357); 41, 88 (118); 42, 20 (27); zur Begründung der Behauptung der „betont föderativen" Gestaltung vgl. Erhard Bauschke, Bundesstaatsprinzip und Bundesverfassungsgericht, S. 28-30. 326

E 32, 145 (156); vgl. auch E 1, 14 (18, 35); 4, 115 (115, 139); 41, 291 (311); 55, 274 (301); 63, 1 (39); zur versteckten Verlagerung von Kompetenzen vgl. E 47, 285 (312); 78, 32 (36). 327

E 3, 407 (421).

328

E 2, 347 (378); vgl. nur E 6, 309 (340); 23, 288 (318); 40, 141 (164); 66, 39 (39, 57, 62 f.); 75, 1 (17); 83, 162 (174); 88, 173 (180-184); 90, 145 (175); 92, 26 (26, 41 f., 47). 329 E 57, 250 (270); vgl. auch S. 263 f., 267, 271 derselben Entscheidung und E 92, 277 (328 f., 332). 330

E 37,217 (252); vgl. auch S. 251 derselben Entscheidung.

331

E 21, 362 (370).

2. Teil: Der Staat

126

vermöchten" 332 , ist „dem System der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen ... fremd und mit ihrer Abgrenzungsfunktion ... auch nicht vereinbar" 333 . Aber gerade das grundgesetzlich gebotene System der Kompetenzen könnte entgegen dem einheitlichen Erscheinen der Bundesrepublik auf Willensentscheidungen des Bundesvolkes und der Landesvölker beruhen 334 , ein komplexer Kompromiß der Konkurrenten Bund und Ländern sein, der ihr einheitliches Erscheinen einschließt. Jeder Staat, der nicht mit einem anderen in Konkurrenz wegen Gebiet und Bürgern steht oder eine derartige Konkurrenz kriegerisch austrägt, hat ein eigenes Rechtssystem. Daher sieht sich zum Beispiel der „international tätige Interpret nicht einem einheitlichen, weltweit gültigen Leistungsschutzrecht, sondern einem Bündel nationaler Regelungen mit zum Teil erheblich unterschiedlichem Gehalt" 3 3 5 gegenüber, einem „,Flickenteppich' von auf das jeweilige Territorium beschränkten Systemen nationaler Schutzrechte" 336 . Bund und Länder hingegen kennzeichnet eine einheitliche Rechtsordnung. Dennoch könnte der Einzelne sich gerade im Bundesstaat den Rechtssystemen des Bundes und der Länder gegenüber sehen, einem komplex geknüpften Teppich. „Daß sich der Neuaufbau unter zeitlicher Priorität der Entwicklung der Staatlichkeit der Länder vor der Bildung der deutschen Gesamtorganisation vollzog, stellte den Grundgesetzgeber in zweifacher Hinsicht vor vollendete Tatsachen. Einerseits hatte sich das Recht in den Ländern weithin selbständig entwickelt, und zwar ... in einem Maße, daß diese besondere Rechtsentwicklung vom Grundgesetz nicht ignoriert werden konnte. ... Andererseits konnten die Kompetenzen der Länder schon wegen des ihnen damals eigenen politischen Gewichts nicht beliebig beschnitten werden. Das Grundgesetz bedurfte auch der Annahme durch die Volksvertretungen in zwei Dritteln der deutschen Länder" 3 3 7 . „Aus dem Willen der Besatzungsmacht entstanden" 338 , nahmen die Länder das Grundgesetz an und verpflichteten derart die Bundesrepublik Deutschland 332

E 61, 149(204).

333

E 61,149 (204); vgl. auch S. 175 f. derselben Entscheidung und E 11,6 (13).

334

Zum Verhältnis zwischen Bundesverfassung und Ländern vgl. E 1, 208 (208 f., 227, 232); 8, 104 (116); 9, 268 (277, 279); 12, 205 (259); 41, 88 (119); 60, 175 (207 f.); 66,107(114); 90, 60 (84 f.). 335

E 81,208 (223).

336

E 81, 208 (223).

337

E 6, 309 (360); vgl. auch S. 357 derselben Entscheidung.

338

E 4, 250 (275).

. Der Staat - d

ech

127

der Demokratie, obgleich nach demokratischer Idee „die Willensentscheidung des Volkes die Grundlage jeder Staatsbildung sein muß" 3 3 9 und nur „eine verfassungsgebende Versammlung ... im Besitz des »pouvoir constituant 4 " 340 ist. Welche Idee verwirklicht „die föderative Gestaltung der Bundesrepub l i k " 3 4 1 ? Wenn nicht bloß die einer Neuauflage „der ausgeprägt föderalistischen Reichsverfassung von 1871" 3 4 2 , läßt sich aus dieser Idee vielleicht ableiten, ob der Gesamtstaat Bund und die Gliedstaaten Länder dem Grunde nach Konkurrenten um die Macht sind. Einen interessanten Ansatz liefern die Ziele, welche die kommunale Selbstverwaltung zu verwirklichen sucht: „Kommunale Selbstverwaltung - wie sie heute verstanden wird - bedeutet ihrem Wesen und ihrer Intention nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die in der örtlichen Gemeinschaft lebendigen Kräfte des Volkes zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammenschließt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und heimatliche Eigenart zu wahren . . . . Die örtliche Gemeinschaft soll nach dem Leitbild des Art. 28 GG ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und in eigener Verantwortung solidarisch gestalten" 343 . Andererseits trägt „das Ziel optimaler Verwaltungseffizienz ... die Tendenz zur immer großräumigeren Organisation und stetigen ,Hochzonung4 von Aufgaben in sich, während das Ziel möglichster Bürgernähe und Bürgerbeteiligung dem widerstreitet und dezentrale Aufgabenansiedlung anempfiehlt" 344 . Die bundesstaatliche „Ordnung des Grundgesetzes, in der die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben und Befugnisse zwischen Bund und Ländern kompetentiell aufgeteilt ist" 3 4 5 , vermag all diese Ziele - angemessen verschränkt - zu verwirklichen 346 . 339

E 1,14 (41); vgl. auch S. 50 derselben Entscheidung und E 13,54 (73).

340

E 1, 14 (17, 61); zum pouvoir constituant vgl. ferner E 3, 225 (232); 5, 85 (131); 70, 324 (360 f.); 89,155 (180). 341

E 41, 291 (307); vgl. auch E 3, 58 (60, 158); 6, 309 (346 f.); 12, 205 (229); 15, 126 (134); 17, 319 (331); 32, 346 (360); 42, 20 (27); 55, 274 (319); 61,149 (205). 342

E 10, 285 (296 f.); zur geschichtlichen Entwicklung vgl. auch E 72, 330 (389).

343

E 11, 266 (275 f.).

344

E 79, 127(148).

345

E 81, 310 (334); vgl. auch E 84, 25 (25).

346

Vgl. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 223 ff.; Josef Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 18.

128

2. Teil: Der Staat

„Die Setzung regional verschiedenen Rechts ist Sache der Länder" 3 4 7 , Recht aber ist des Staates - sind die Länder somit Staaten oder des Staates? „Als das Gesetz vom 30. Juni 1933 erlassen wurde, war das Deutsche Reich durch die nationalsozialistische Machtergreifung faktisch bereits zum Einheitsstaat geworden, wenn auch formal die Gliederung des Reiches in Länder noch fortbestand und es noch einen Unterschied zwischen Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung gab" 3 4 8 - die Setzung regionalen Rechts allein qualifiziert die Länder also nicht zu Staaten. „Ob die Länder der Bundesrepublik ,Staaten' sind oder von Körperschaften ,am Rande der Staatlichkeit' zu ,höchstpotenzierten Gebietskörperschaften' in einem dezentralisierten Einheitsstaat herabsinken, läßt sich nicht formal danach bestimmen, daß sie eine eigene Verfassung besitzen und daß sie über irgendein Stück vom Gesamtstaat unabgeleiteter Hoheitsmacht verfügen, also irgendeinen Rest von Gesetzgebungszuständigkeit, Verwaltungszuständigkeit und justizieller Zuständigkeit ihr eigen nennen. In solcher Sicht könnten die Länder in ihrer Qualität als Staaten durch Grundgesetzänderungen nach und nach ausgehöhlt werden, so daß am Ende nur noch eine leere Hülse von Eigenstaatlichkeit übrig bliebe. Die Länder im Bundesstaat sind nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als ,Hausgut' unentziehbar verbleibt. Was immer im einzelnen dazu gehören mag, jedenfalls muß dem Land die freie Bestimmung über seine Organisation einschließlich der in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen sowie die Garantie der verfassungskräftigen Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen im Bundesstaat verbleiben" 349 . Diese Voraussetzungen der Staatlichkeit erfüllen die Länder im Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland. Aber spiegelt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - abgesehen vom stets abgelegten Bekenntnis zur Staatlichkeit der Länder 3 5 0 , das in Widerspruch zum ebenso steten Erscheinen des einen geeinten Staates

347 E 18, 407 (416); vgl. ferner E 11, 6 (7, 19); 17, 319 (331); 32, 346 (360); 42, 20 (27); 52,42(58). 348

E 4, 115 (138 f.); vgl. auch E 6, 20 (21); 22, 221 (231).

349

E 34, 9 (19 f.); vgl. auch E 39, 96 (96, 107 f.); 55, 274 (300 f.); 61, 149 (206); 67, 256 (278, 285); 72, 330 (383, 385, 388 f., 398); 86, 148 (213 f., 264); 87, 181 (196); 91,186 (201 f.). 350 Vgl. E 1, 14 (18, 34, 50); 6, 309 (346 f.); 7, 1 (13); 12, 205 (255); 13, 54 (74 f.); 34, 9 (19 f.); 60,175 (207); 60, 319 (327); 66, 107 (114); 72, 330 (330, 385 ff.); 81, 310 (331); 82, 272 (282); 86, 148 (275); 87, 181 (196); zur Staatlichkeit der Länder als Prämisse siehe Peter Badura, Die „Kunst der föderalen Form", in: Festschrift für Lerche, S. 371 f.

Β. Der Staat-das Recht

129

Deutschland in den Entscheidungen des Gerichts steht 351 - die komplexe Konkurrenz von derzeit siebzehn staatlichen Einheiten oder die komplexe Kooperation zweier Ebenen 352 einer staatlichen Einheit wieder? „Die bundesstaatliche Verfassungsordnung kann sehr verschieden ausgestaltet sein" 3 5 3 . „Es ist behauptet worden, im Bundesstaat könne ein Gliedstaat nicht gegen den Willen seiner Bevölkerung beseitigt werden. Richtig ist," so formuliert das Bundesverfassungsgericht, „daß in der Regel die Verfassung eines Bundesstaates die Existenz und das Gebiet der Gliedstaaten garantiert. Von dieser Regel weicht aber das Grundgesetz ausdrücklich ab. ... Eine Garantie für die derzeit bestehenden Länder und ihre Grenzen kennt das Grundgesetz nicht. ... Das Grundgesetz hat sich also zum ,labilen Bundesstaat' im Sinne Thomas ... bekannt. Daraus folgt, daß es dem Grundgesetz nicht widerspricht, wenn ein Land gegen den Willen seiner Bevölkerung im Zuge einer Neugliederung seine Existenz verliert" 3 5 4 . Der Behauptung, das Grundgesetz könne nicht „den territorialen und personalen Bestand, ja die Existenz einzelner Länder zur Disposition der Bundesgewalt" 3 5 5 stellen, da der „Wille des Volkes der höheren Einheit" 3 5 6 nicht über das Sein der Völker der regionalen Einheiten zu entscheiden vermöge, begegnet das Bundesverfassungsgericht also mit der lapidaren Bemerkung, das Grundgesetz statuiere eine Ausnahme von der Regel.

351 Vgl. E 2, 347 (378 f.); 6, 309 (340); 7, 330 (330, 339); 22, 267 (270); 22, 293 (297); 27, 71 (84); 37, 217 (251 f.); 40,141 (164); 52, 223 (236, 242); 54, 53 (69 f.); 57, 250 (275, 284); 64, 1 (15, 21); 66, 39 (39, 57, 62 f.); 73, 339 (374); 74, 244 (251); 74, 358 (371); 75, 1 (15 ff., 19); 75, 40 (40, 61, 66 f.); 76, 1 (1, 46); 76, 107 (107, 114); 78, 104 (117); 79, 69 (76 f.); 80, 124 (124, 134); 82, 159 (193 f.); 85, 264 (285, 288, 290, 315); 88, 384 (404); 90, 145 (175); 90, 286 (348 f.); 91, 335 (340 f., 344 f.); 92, 26 (26, 41 f., 47). 352 Zur Kooperation im Bundesstaat vgl. E 1, 299 (300, 314 f.); 4, 115 (115, 140 ff.); 6, 309 (361 f.); 8, 122 (122 f., 131, 138 ff.); 12, 205 (206, 239 f., 249 f., 251 f., 254 ff.); 13, 54 (54, 75); 34, 9 (9, 20 f., 44 f.); 34, 216 (232); 37, 104 (106); 39, 96 (119 f.); 41, 291 (308); 42, 103 (103, 117 f.); 43, 291 (348 f.); 61, 149 (205); 72, 330 (330, 385 ff., 389, 396 ff., 404); 73, 118 (197); 81, 310 (310, 337 f.); 84, 25 (33); 86, 148 (149, 211 f., 214, 263 ff.); 92, 203 (230-234); zum Begriff der Ebene vgl. E 8, 122 (123,138); 13, 54 (54, 76); 40,141 (164); 56,298 (322); 68,1 (86 f.); 91,262 (267); 91,276 (284). 353

E 10, 285 (296).

354

E 1, 14 (47 f.); das Gericht verweist auf Thoma, HdbDStR Bd. I, S. 184; vgl. auch E 5, 34 (38 f.); 13,54 (75); 49,15 (22). 355

E 13, 54 (75).

356

E 1,14 (48).

9 Aishut

2. Teil: Der Staat

130

Wesen jeder staatlichen Einheit ist aber, „daß die Willensentscheidung des Volkes die Grundlage jeder Staatsbildung sein muß" 3 5 7 . Aber nach der Annahme des Grundgesetzes durch die Länder ist die Willensentscheidung derer Völker nicht mehr Grundlage der Länder 358 . Denn im Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland bestimmt „der Verfassungssatz ,Alle Gewalt geht vom Volke aus4 ..., wer das Volk ist, das ... durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ... Staatsgewalt ausübt: Es ist das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird ... als demokratischer und sozialer Bundesstaat mit rechtsstaatlich-gewaltengliedernder Struktur konstituiert; als demokratischer Staat kann sie nicht ohne die Personengesamtheit gedacht werden, die Träger und Subjekt der in ihr und durch ihre Organe ausgeübten Staatsgewalt i s t " 3 5 9 . Als solche kennt sie kein „gegen den Staat gerichtetes ursprüngliches Selbstbestimmungsrecht der regionalen Bevölkerung" 360 . Die Willensentscheidung des Volkes eines Landes ist also nach der Annahme des Grundgesetzes nicht mehr Grundlage der Staatsgewalt des Landes, da dieses Volk sein ursprüngliches Selbstbestimmungsrecht mit der Annahme des Grundgesetzes eingebüßt hat. Aber nur die Einheit von Menschen ist Staat, welche die alleinige Macht ist und hat, über das Sein der von ihr beherrschten Menschen und Gebiete zu entscheiden 361 ; zwischen Bund und Länder besteht folglich keine - auf Grund geschlossener Abkommen gewaltlos austragene - Konkurrenz um den Gehorsam der Einzelnen und die auf ihm beruhende Macht der Einheit, über das Sein aller Einzelnen zu entscheiden. Pointiert zusammengefaßt: Wenn Staat eine Einheit von Menschen sein soll, über deren Sein zu entscheiden eine Mehrheit die Macht hat, ist der Bundes-

357

E 1, 14 (41); vgl. auch S. 50 derselben Entscheidung und E 2, 1 (1, 12 f.); 77, 137(138, 151). 358 Zur Verfassungshoheit der Länder vgl. Henner Jörg Boehl, Landesverfassungsgebung im Bundesstaat, Der Staat 1991, S. 582 ff., Rolf Grawert, Die Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart, NJW 1987, S. 2330 f., 2337 und Theodor Maunz, Staatlichkeit und Verfassungshoheit der Länder, in: HdbStR IV, § 94 Rn. 1 ff., einerseits und Josef Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung - Mythos und Relevanz der Lehre von der verfassungsgebenden Gewalt, S. 64 ff., 79 und derselbe, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 45, 78 ff., andererseits. 359

E 83, 37 (50); vgl. auch die folgenden Seiten derselben Entscheidung und E 77,1 (40); 83,60 (71); 89,155 (186). 360 361

E 49,15 (22).

Siehe unter „Das Moment der Hoheit bei Strukturen räumlich pyramidal gegliederter Gebietskörperschaften", S. 52 ff.

. Der Staat - d

ech

131

Staat Bundesrepublik Deutschland keine komplexe Konkurrenz siebzehn staatlicher Einheiten, sondern eine „im Interesse einer wirksamen Teilung der Gewalten" 3 6 2 in zwei Ebenen gegliederte staatliche Einheit 3 6 3 , deren Verfassung diese Art der Gewaltteilung effektiv zu garantieren sucht. Im Juli 1961 führte das Gericht, dem Mißverständnis entgegentretend, es folge der Konzeption eines dreigliedrigen Bundesstaates, genau diese - von ihm aber nicht vertretene - Sicht des Bundesstaates näher aus: „Das Bundesverfassungsgericht hat zwar im Konkordatsurteil von der Bundesrepublik Deutschland als dem Bundesstaat gesprochen, dessen Glieder der Bund und die Länder sind Damit sollte aber nur zum Ausdruck gebracht werden, daß die Aufteilung der staatlichen Befugnisse im Innern des Bundesstaates zwischen den Organen des Bundes und den Organen der Länder keine Wirkung nach außen hat, daß vielmehr nach außen alle Organe, die im Innern staatliche Befugnisse ausüben, die völkerrechtliche Einheit Bundesrepublik Deutschland darstellen. Nicht aber ist daraus zu folgern, daß zwischen einem Zentralstaat und einem Gesamtstaat als zwei verschiedenen Rechtsträgern und Subjekten gegenseitiger verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten unterschieden werden kann. Es gibt nicht neben dem Bundesstaat als Gesamtstaat noch einen besonderen Zentralstaat, sondern nur eine zentrale Organisation, die zusammen mit den gliedstaatlichen Organisationen im Geltungsbereich des Grundgesetzes als Bundesstaat alle die staatlichen Aufgaben erfüllt, die im Einheitsstaat einer einheitlichen staatlichen Organisation zufallen. Das Grundgesetz hat eine Aufteilung der Kompetenzen nur zwischen den Organen des Bundes und denen der Länder vorgenommen" 364 . Wie bereits festgestellt, täuscht dieses Zitat. Das Bundesverfassungsgericht begreift den Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland als Staat der Staaten, als teilidentische Gesamt- und Gliedstaaten. Es verzichtet somit auf die Souveränität als das Gewalt zur Staatsgewalt qualifizierende Moment, obgleich es kein anderes Moment gibt, das ermöglicht, Staaten von Gebietskörperschaften abzugrenzen 365 .

362

E 12, 205 (229).

363 Ygj ^as t e j o s des Bundesstaates bei Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 229 ff. und dessen Zitat von Peter Lerche in Fn. 12; kritisch zu diesen Peter Badura, Die „Kunst der föderalen Form", in: Festschrift für Lerche, S. 373 f.; vgl. auch Ulrich Scheuner, Struktur und Aufbau des Bundesstaates in der Gegenwart, DöV 1962, S. 645 f., 648. 364 365

E 13, 54 (77).

Siehe unter „Das Moment der Hoheit bei Strukturen räumlich pyramidal gegliederter Gebietskörperschaften", S. 52 ff.

2. Teil: Der Staat

132

Folglich fällt es der Beliebigkeit des Verfassungsgebers anheim, ob und welche seiner räumlich pyramidal gegliederten Gebietskörperschaften er zu Staaten erhebt; zum Beispiel könnten auch Gemeinden zu Gliedstaaten der Länder oder des Bundes erklärt werden 366 . In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird demnach aus dem Rechtsbegriff Staat ein Begriff des Staatsrechts; dazu dienend, bestimmte Gebietskörperschaften gegenüber anderen begrifflich abzugrenzen, auszuzeichnen. Der Begriff Staat wird somit ein offener 367 . Befreit vom Gedanken Bundesstaat, begreift das Gericht Staat im Sinne eines einheitlich entscheidenden Seins, gezwungen den Bundesstaat zu begreifen, zumindest auch im Sinne einer durch die Verfassung garantierten Gebietskörperschaft. Daher rührt auch die Frage, wie das Sein der Bundesrepublik mit dem des Bundes, das Sein des Staates in dem einen mit dem des Staates in dem anderen Sinne zu vereinbaren ist. Das Wiederaufleben des Nationalstaates im Rahmen der europäischen Integration wird diese - nicht nur de iurisdictione bestehende - Divergenz des Staates noch vertiefen. Der zweite Teil dieser Arbeit führt zur Entwicklung der zweiten Kernthese: Der Staat ist eine Einheit von Menschen, über deren einzelne Sein zu entscheiden, eine Mehrheit die maßgebende Macht hat; er ist und hat eine Idee.

366 367

Vgl. E 83, 37 (54 f.).

Zur Offenheit der Verfassung vgl. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 19-28; zum offenen Staat vgl. unter „Der Staatenverbund Europäische Union", S. 138.

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union Nicht die Frage nach der Art des Seins der Europäischen Union soll zunächst gestellt, sondern die Rechtsprechung zur Europäischen Union mit der zur Bundesrepublik Deutschland, zu Bund und Ländern - begriffen im Sinne der Rechtsprechung zum Bundesstaat1 - verglichen werden. Im Oktober 1967 entschied der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, daß „Verordnungen des Rates und der Kommission ... Akte einer besonderen, durch .. Vertrag geschaffenen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten deutlich geschiedenen supranationalen' öffentlichen Gewalt" 2 sind. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft könnte hiernach eine von der Gewalt der Mitgliedstaaten geschiedene und damit unabhängige Hoheitsgewalt über Gebiet und Menschen oberhalb der Gewalt der Staaten haben und sein. „Die Organe der EWG üben Hoheitsrechte aus, deren sich die Mitgliedstaaten zugunsten der von ihnen gegründeten Gemeinschaft entäußert haben. ... Damit ist eine neue öffentliche Gewalt entstanden, die gegenüber der Staatsgewalt der einzelnen Mitgliedstaaten selbständig und unabhängig ist; ihre Akte brauchen weder bestätigt (,ratifiziert') zu werden noch können sie von ihnen aufgehoben werden. ... Das Gemeinschaftsrecht und das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten sind ,zwei selbständige, voneinander verschiedene Rechtsordnungen'; das vom EWG-Vertrag geschaffene Recht fließt aus einer ,autonomen Rechtsquelle'" 3 . Dieses Verhältnis der Rechtsordnungen erinnert an den Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland. Denn auch „in dem betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes stehen die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander" 4, ist „die Setzung regional verschiedenen Rechts ... Sache der Länder" 5 .

1

Vgl. unter „Der Bundesstaat", S. 116 ff.

2

E 22,293 (295 f.).

3

E 22,293 (296).

134

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union

Die Länder sind Gliedstaaten des Bundes, die Bundesrepublik Deutschland ist Mitgliedstaat der Europäischen Union - ist ein Mitgliedstaat ein Gliedstaat, somit die Europäische Union ein Gesamtstaat? Der erste Senat verneint dies: „Die Gemeinschaft ist selbst kein Staat, auch kein Bundesstaat" - aber was ist die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, wenn nicht Staat, Gesamtstaat oberhalb der Mitgliedstaaten? „Sie ist eine im Prozeß fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art, eine zwischenstaatliche Einrichtung' auf die die Bundesrepublik Deutschland - wie die übrigen Mitgliedstaaten - bestimmte Hoheitsrechte ,übertragen' hat" 6 . Sei somit die Gemeinschaft der Mitgliedstaaten kein Staat, sondern eine Gemeinschaft eigener Art. Aber was versteht das Bundesverfassungsgericht unter einer Gemeinschaft eigener Art? Im Jahre 1970 führte der zweite Senat aus: „Der Gesetzgeber kann in einer Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen auch auf Normen und Begriffe des Rechts der Europäischen Gemeinschaften verweisen. Gemeinschaftsrecht und nationales Recht der Mitgliedstaaten sind zwar zwei verschiedene Rechtsordnungen . . . . Die beiden Rechtsordnungen stehen jedoch nicht unverbunden nebeneinander, greifen vielmehr auf mannigfache Weise ineinander. Diese vielfältige Verschränkung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht verbietet es, Verweisungen auf Gemeinschaftsrecht anders zu beurteilen als Verweisungen auf nationales Recht" 7 - als besäße eine Verweisung auf das Recht der Gemeinschaft nicht eine ganz andere Qualität als eine innerstaatliche, als wäre jenes Recht nicht von eigener, nicht-staatlicher Art 8 . Ein Jahr später erklärt der zweite Senat, daß „durch die Ratifizierung des EWG-Vertrages ... eine eigenständige Rechtsordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstanden"9 sei, deren „Hoheitsakte ... vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen" 10 seien, aber er erklärt sich nicht zum status der außerstaatlich hoheitsgewaltigen Gemeinschaft.

4

E 60,175 (209); 64, 301 (317).

5

E 18, 407 (416).

6

E 22,293 (296).

7

E 29,198(210).

8

Vgl. E 31,145 (173 f.).

9

E 31, 145 (173 f.); zur Ratifizierung vgl. Art. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 1957, BGBl. 1957 II, S. 753.

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union Anders drei Jahre später: Das Verhältnis zwischen Mitglied und Gemeinschaft sei derart zu denken, „daß der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des Grundgesetzes zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs Raum gelassen wird" 1 1 . Ist im Staat geltendes Recht also nicht allein des Staates12, sondern entspringt es auch der Gemeinschaft als einer anderen Quelle? Dies ist zu verneinen, ist es doch „das Zustimmungsgesetz zum Vertrag, das den Rechtsanwendungsbefehl für die Geltung des sog. primären Gemeinschaftsrechts für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland erteilt hat" 1 3 . Gleich welcher Quelle Gemeinschaftsrecht ist, „gilt für die Verfassung einer Gemeinschaft von Staaten mit einer freiheitlich-demokratischen Verfassung im Zweifel grundsätzlich nichts anderes wie für einen freiheitlich-demokratisch verfaßten Bundesstaat: Es schadet der Gemeinschaft und ihrer freiheitlichen (und demokratischen) Verfassung nicht, wenn und soweit ihre Mitglieder in ihrer Verfassung die Freiheitsrechte ihrer Bürger stärker verbürgen als die Gemeinschaft es tut" 1 4 . Ferner gilt, „daß die mitgliedstaatliche Rechtsordnung und die Gemeinschaftsrechtsordnung nicht unvermittelt und isoliert nebeneinander stehen, sondern in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und wechselseitigen Einwirkungen geöffnet sind" 1 5 . Die Europäische Gemeinschaft ist also eine Rechtsgemeinschaft, in der „der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gilt. Dieser Grundsatz verpflichtet nicht nur die Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft, sondern er legt auch den Gemeinschaftsorganen entsprechende Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten a u f ' 1 6 - eine dem „aus der Gemeinschaftstreue folgenden Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme" 17 verfassungsrechtlich 18 verpflichtete Gemeinschaft.

10

E 31,145(174).

11

E 37,271 (280); 58,1 (28); 73, 339 (374).

12

Siehe unter „Recht - des Staates", S. 106 ff.

13

E 52,187 (199); vgl. auch E 73, 339 (367, 375).

14

E 37,271 (282 f.).

15

E 73, 339 (368); vgl. auch E 52, 187 (200); 58, 202 (207); 73, 339 (367 f.); 82, 159 (192). 16

E 89,155 (202).

136

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union

Material denkt also das Bundesverfassungsgericht die Gemeinschaft eigener Art derart, wie der Bundesstaat zu denken ist 1 9 , formal aber stellt es das Axiom auf, die Gemeinschaft sei kein Bundesstaat, sondern eine Gemeinschaft eigener Art. Wie bei der frühen Rechtsprechung zur Rechtslage Deutschlands begründet das Gericht seine apodiktischen Aussagen nicht, spricht nicht Recht aus Erkenntnis materialer Momente, sondern bekennt eine Sicht staatlichen Seins 20 - nur wiegt das Fehlen einer Erklärung bei der Behauptung, zwei Sein, die dem unbefangenen Auge gleich anmuten, seien anderer Art, schwerer. Im Jahre 1987 verneinte der zweite Senat die Frage, ob dem Europäischen Gerichtshof eine Befugnis zur Rechtsfortbildung im Bereich des Kompetenzrechts übertragen ist, mit folgender Begründung: „Die Gemeinschaft ist kein souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts ..., dem eine KompetenzKompetenz über innere Angelegenheiten zukäme. Auf sie ist weder die territoriale Souveränität noch die Gebiets- und Personalhoheit der Mitgliedstaaten übertragen worden, ihre auswärtigen Befugnisse betreffen begrenzte Bereiche, mögen sie im einzelnen hierbei auch nicht, wie im Bereich der anderer Vertragsziele, durch den Grundsatz der Spezialermächtigung beschränkt sein. Nach wie vor sind derzeit die Mitgliedstaaten im Rahmen des allgemeinen Völkervertragsrechts die Herren der Gemeinschaftsverträge" 21. Abgesehen von der Frage, ob Souveränität überhaupt getrennt von Gebiets- und Personalhoheit übertragbar oder Begriff eines bestimmten Maßes an Gebiets- und Personalhoheit ist 2 2 , offenbart dieses Zitat den Grund dafür, warum die Europäische Gemeinschaft aus Sicht des Gerichts kein Staat, insbesondere kein Bundesstaat ist: die Gemeinschaft ist und hat keine souveräne Macht. Eingedenk der nicht-souveränen Gliedstaaten des Bundesstaates verleitet diese Begründung zu einer Idee, die Frage sein soll: Ist die Europäische Gemeinschaft ein nicht-souveräner Gesamtstaat souveräner Mitgliedstaaten, also Übergangsform zwischen Bundesstaat und Staatenbund, insofern Gemeinschaft eigener Art?

17

E 89, 155 (184); vgl. auch E 92, 203 (237).

18

Zur Verfassung vgl. E 51,222 (246); 89,155 (212).

19

Vgl. unter „Der Bundesstaat", S. 120,124 f.

20

Vgl. unter „Die Bundesrepublik Deutschland", S. 16 f., 18 f., 27.

21

E 75,223 (242); vgl. auch E 89,155 (181,190).

22

Vgl. E 89, 155 (188 f.).

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union In seiner Entscheidung zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union formuliert der zweite Senat zwar, daß „der Unions-Vertrag ... einen Staatenverbund zur Verwirklichung der immer engeren Union der staatlich organisierten - Völker Europas ..., keinen sich auf ein europäisches Staatsvolk stützenden Staat" 23 begründe, aber gerade diese Aussage läßt sich eingedenk der verschiedenen Begriffe des Bundesverfassungsgerichts vom Staat 24 - dahingehend deuten, daß die Europäische Union kein souveräner, aber ein nicht-souveräner Staat ist, vom Gericht daher nicht als Staatenbund, sondern als Staatenverbund bezeichnet. Entspricht die Europäische Union der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einem derart gedachten Staatenverbund? Ein Staat ist nicht ohne Legitimationssubjekt zu denken. Im Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland sind Legitimationssubjekte das Bundesvolk und die mit diesem teilidentischen Landesvölker 25 . Soll der Staatenverbund Europäische Union nicht-souveräner Gesamtstaat souveräner Mitgliedstaaten sein, müßten demnach Legitimationssubjekte einerseits die Mitgliedsvölker und andererseits die mit diesen teilidentischen Unionsbürger sein. In der Entscheidung zum Maastricht-Vertrag führt das Bundesverfassungsgericht zur Legitimation im Staatenverbund Europäische Union aus: „Nimmt ein Verbund demokratischer Staaten hoheitliche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Befugnisse aus, sind es zuvörderst die Staatsvölker der Mitgliedstaaten, die dies über die nationalen Parlamente demokratisch zu legitimieren haben. Mithin erfolgt demokratische Legitimation durch die Rückkoppelung des Handelns europäischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten; hinzu tritt - im Maße des Zusammenwachsens der europäischen Nationen zunehmend - innerhalb des institutionellen Gefüges der Europäischen Union die Vermittlung demokratischer Legitimation durch das von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählte Europäische Parlament" 26 . Diese Sicht eines mit den Legitimationssubjekten Mitgliedsvölker teilidentischen Legitimationssubjektes Unionsbürger zwingt zu folgendem Schluß:

23

E 89, 155 (156); vgl. auch S. 181, 188 derselben Entscheidung.

24

Vgl. nur unter „Der Bundesstaat des Rechts des Staates", S. 131 f.

25

Siehe unter „Der Bundesstaat des Rechts des Staates", S. 123.

26

E 89,155 (155); vgl. auch S. 185 f. derselben Entscheidung.

138

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union

Wer den Bundesstaat als souveränen Staat nicht-souveräner Staaten denkt, wer den Staat derart offen denkt 27 , muß auch den Staatenverbund als nichtsouveränen Staat souveräner Staaten denken. Daß die Europäische Union kein „sich auf ein europäisches Staatsvolk stützender Staat" 28 ist, hindert nicht, sie als einen sich auf die europäischen Völker stützenden Vielvölkerstaat 29 zu begreifen. Soll aber Staat nicht im Sinne der Rechtsprechung zum Bundesstaat begriffen werden, sondern soll Staat - im Sinne des ersten Teils dieser Arbeit - die souveräne Hoheitsmacht über Gebiet und Personen sein und haben oder soll Staat - im Sinn des zweiten Teils - die Einheit von Menschen sein, über deren Sein zu entscheiden, eine Mehrheit die Macht hat, dann wäre die Europäische Union neben den Ländern und den Gemeinden bloß eine weitere Ebene der Hoheitsgewalt des Staates, im Gegensatz zu diesen Ebenen aber eine den verbundenen Nationalstaaten gemeine Ebene 30 - das heißt keine Untergliederung eines Staates, sondern Verbund eines Teils der Gewalt eines jeden Staates zu einer supranationalen Gewalt 31 . Aber unabhängig davon, welcher Begriff des Staates dem staatsrechtlichen Begreifen des staatenverbundenen Bundesstaates Bundesrepublik Deutschland zu Grunde gelegt wird, gilt: Hoheitsmacht teilen sich heute die Europäische Union, der Bund, die Länder und deren Gebietskörperschaften - Hoheit aber setzt Einheit, gleich welcher Identität, voraus. Entscheidend sei, betont das Bundesverfassungsgericht im letzten Satz seiner Entscheidung zum Vertrag über die Europäische Union, eine eigene, einige Seiten zuvor getroffene Aussage zitierend, „daß die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt" 3 2 . Ist dies dahingehend zu verstehen, daß sich das Bundesverfassungsgericht, indem es die Bewahrung der lebendigen Demokratie in den Mitgliedstaaten fordert, entschieden hat, die deutsche Identität zu wahren?

27

Vgl. unter „Der Bundesstaat des Rechts des Staates", S. 149; zur internationalen Offenheit und der der Verfassung vgl. Christian Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: HdbStR VII, § 172 Rn. 9. 28

E 89,155 (156, 188).

29

Vgl. E 59,128(155,157 ff.).

30

Zur europäischen Ebene vgl. E 73, 339 (386); 92,203 (236,243).

31

Vgl. E 2, 347 (374); 22, 293 (295 f.); 51, 222 (238); 58, 1 (29); 89, 155 (155 f., 175,181). 32

E 89,155 (213), vgl. auch S. 186.

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union Oder will das Gericht „einem immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker" 3 3 den Weg ebnen, den rechten Fortgang der Integration aufzeigen? Gleich, ob ein Staat der Staaten oder eine Staaten gemeine Ebene, „jeder Beitritt zu einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft hat zur Folge, daß das Mitglied einer solchen Gemeinschaft an deren Entscheidungen gebunden ist. Der Mitgliedstaat - und mit ihm seine Bürger - gewinnt freilich auch an Einflußmöglichkeiten durch die Beteiligung an einer Willensbildung der Gemeinschaft zur Verfolgung gemeinsamer - und damit auch eigener - Zwecke, deren Ergebnis für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist und deshalb auch die Anerkennung der eigenen Bindung voraussetzt" 34 . Ob das Bundesverfassungsgericht den Gewinn an Einflußmöglichkeiten gegenüber dem Verlust der Ungebundenheit als Gewinn oder als Entschädigung bewertet, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Laut Bundesverfassungsgericht „war schon der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 von dem Entschluß der Mitgliedstaaten getragen, ,an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluß ihrer wesentlichen Interessen zu setzen, durch die Errichtung einer wirtschaftlichen Gemeinschaft den ersten Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern zu legen, die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren, und die institutionellen Grundlagen zu schaffen, die einem nunmehr allen gemeinsamen Schicksal die Richtung weisen können'" 35 . Nunmehr werde „mit der durch den Vertrag von Maastricht begründeten Unionsbürgerschaft ... zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ein auf Dauer angelegtes rechtliches Band geknüpft, das zwar nicht eine der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einem Staat vergleichbare Dichte besitzt, dem bestehenden Maß existentieller Gemeinsamkeit jedoch einen rechtlich verbindlichen Ausdruck verleiht" 36 . Das Bundesverfassungsgericht enthält sich also der Bewertung der zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge, begreift „die Europäische Union ... nach ihrem Selbstverständnis als Union der Völker Europas" 37 . Aber das Gericht setzt dem auf eine dynamische Entwicklung angelegten Verbund demokratischer Staaten eine Grenze: „vermitteln die Staatsvölker - wie gegen-

33

E 51,222 (246); vgl. auch E 22,293 (296); 37,271 (278); 58, 202 (207 f.).

34

E 89,155 (182 f.).

35

E 51, 222 (238 f.).

36

E 89,155 (184).

37

E 89,155(184).

140

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union

wärtig - über die nationalen Parlamente demokratische Legitimation, sind mithin der Ausdehnung der Aufgaben und Befugnisse der Europäischen Gemeinschaften vom demokratischen Prinzip her Grenzen gesetzt. ... Die Staaten bedürfen hinreichend bedeutsamer eigener Aufgabenfelder, auf denen sich das jeweilige Staatsvolk in einem von ihm legitimierten und gesteuerten Prozeß politischer Willensbildung entfalten und artikulieren kann, um so dem, was es relativ homogen - geistig, sozial und politisch verbindet..., rechtlich Ausdruck zu geben" 38 . Der dynamischen Wirtschaftsgemeinschaft 39 - „auch Ausdruck einer gesamteuropäischen Idee, die nach dem zweiten Weltkrieg neuen Aufschwung genommen hat, weil sich die beteiligten Staaten bewußt geworden waren, daß sie nur in engem Zusammenwirken ihre gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Aufgaben wirksam erfüllen können" 40 - hat das Bundesverfassungsgericht also die demokratisch verbrämte Grenze der Wahrung der deutschen Identität gezogen 41 , da es in dieser das Wirbewußtsein und -gefühl, die relative Angeglichenheit des gesellschaftlichen Bewußtseins erkennt, die „ungeheure Spannungsgegensätze in sich verarbeiten, ungeheure religiöse, politische, ökonomische und sonstige Antagonismen verdauen" 42 kann und somit erst die Bildung einer Einheit in der Vielheit ermöglicht 43 .

38

E 89,155(186).

39

Vgl. E 89, 155 (190).

40

E 51, 222 (238).

41

Vgl. auch E 73, 339 (375 f.); 89, 155 (184 f.); zu dieser Grenze: Paul Kirchhof, Europäische Einigung und der Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland, in: Europa als politische Idee und als rechtliche Form, S. 96-100; ferner Mario Rainer Lepsius, Nationalstaat oder Nationalitätenstaat als Modell für die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaften, in: Staatswerdung Europas?, S. 26 ff.; kritisch zu den vom Maastricht-Urteil gezogenen Grenzen: Ulrich Everling, Bundesverfassungsgericht und Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach dem Maastricht-Urteil, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, S. 66 ff.; Rolf Grawert, Der Deutschen supranationaler Nationalstaat, in: Festschrift für Böckenförde, S. 139-143; Markus Heintzen, Die „Herrschaft" über die europäischen Gemeinschaftsverträge, AöR 119 (1994), S. 567574: Werner Schroeder, Alles unter Karlsruher Kontrolle? Die Souveränitätsfrage im Maastricht-Urteil des BVerfG, ZfRV 1994, S. 149-155; Christian Tomuschat, Die Europäische Union unter der Aufsicht des Bundesverfassungsgerichts, EuGRZ 1993, S. 494 f. 42

Vgl. den vom Bundesverfassungsgericht in E 89, 155 (186) im Kontext homogener Verbundenheit zitierten Hermann Heller, Gesammelte Schriften II, S. 428. 43

Vgl. Paul Kirchhof Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, in: HdbStR VII, § 183 Rn. 3, 12, 15 ff., 52, 55 f.; derselbe, Europäische Einigung und der Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland, in: Europa als politische Idee und als rechtliche Form, S. 71, 78-83; kritisch: Heinrich Schneider, Die Europäische

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union Die gegenwärtig zwischen der Europäischen Union, dem Bund, den Länder und deren Gebietskörperschaften geteilte Hoheitsmacht setzt folglich aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die Einheit deutscher Identität voraus. Daher ist auch „Deutschland ... einer der ,Herren der Verträge 4, die ihre Gebundenheit an den ,auf unbegrenzte Zeit 4 geschlossenen Unions-Vertrag ... mit dem Willen zur langfristigen Mitgliedschaft begründet haben, diese Zugehörigkeit aber letztlich durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben könnten. Geltung und Anwendung von Europarecht in Deutschland hängen von dem Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes ab. Deutschland wahrt damit die Qualität eines souveränen Staates aus eigenem Recht und den status der souveränen Gleichheit mit anderen Staaten4444. „Die Besorgnis ..., die Europäische Gemeinschaft werde aufgrund ihrer weit gesteckten Ziele ohne erneute parlamentarische Rechtsanwendungsbefehle sich zu einer politischen Union mit nicht vorausbestimmbaren Hoheitsrechten entwickeln können 4445 , sei derzeit - so das Bundesverfassungsgericht - nicht begründet, „eine Gründung bereinigter Staaten von Europa 4, die der Staatswerdung der Vereinigten Staaten von Amerika vergleichbar wäre 4446 , nicht beabsichtigt. Daß gewichtige Stimmen darauf hinweisen, „daß eine Währungsunion, zumal zwischen Staaten, die auf eine aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik ausgerichtet sind, letztlich nur gemeinsam mit einer politischen - alle finanzwirtschaftlich wesentlichen Aufgaben umfassenden - Union, nicht aber unabhängig davon oder als eine bloße Vorstufe auf dem Wege dahin verwirklicht werden könne 4447 , ist für das Bundesverfassungsgericht „keine verfassungsrechtliche sondern eine politische Frage 4448 .

Union als Staatenverbund oder als multinationale „Civitas Europea"?, Gedächtnisschrift für Grabitz, S. 682-685, 712 f. und Christian Tomuschat, Die Europäische Union unter der Aufsicht des Bundesverfassungsgerichts, EuGRZ 1993, S. 493, 496; vgl. auch den Ansatz von Daniel Thürer, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 1991, S. 128-134. 44 E 89, 155 (190); vgl. auch S. 184 derselben Entscheidung und Juliane Kokotu Deutschland im Rahmen der Europäischen Union - zum Vertrag von Maastricht, AöR 119 (1994), S. 212-214, 216-220, 223-226 sowie Bruno Kahl, Europäische Union: Bundesstaat - Staatenbund - Staaten verbünd?, Der Staat 1994, S. 246-250. 45

E 89, 155 (192).

46

E 89,155(189).

47

E 89, 155 (206); vgl. Juliane Kokott, Deutschland im Rahmen der europäischen Union - zum Vertrag von Maastricht, AöR 119 (1994), S. 209 f., 226-231. 48

E 89,155 (207).

Epilog: Der Staatenverbund Europäische Union

142

Entstünde aber in Zukunft de facto eine derartige politische Union, könnte deren status nicht mehr als bloß politische Frage bezeichnet werden, sondern müßte de iure begriffen werden - als die Mitgliedstaaten zur Gänze umfassende Gebietskörperschaft, wenn das Moment der Souveränität den Begriff Staat von dem der Gebietskörperschaft abgrenzen soll, oder als nicht-souveräner Staat souveräner Mitgliedstaaten, wenn die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundesstaat folgerichtig auf den Staatenverbund erstreckt werden soll. Zu der Frage, ob nicht schon der heutige Staatenverbund Europäische Union derart zu begreifen ist, ein letztes Zitat aus einer Entscheidung vom Mai 1957: „Die deutsche Staatspraxis hat die vom Grundgesetz festgelegte Stellung Berlins in der Bundesrepublik zunächst nicht klar erkannt.... In der Folgezeit hat sich dann immer mehr die Einsicht Bahn gebrochen, daß Berlin rechtlich zur Bundesrepublik gehört, und daß nur die für Berlin aufrechterhaltene Besatzungsgewalt und der sich darauf beziehende Vorbehalt gegenüber dem Bund der vollen Auswirkung dieser de jure bestehenden Mitgliedschaft entgegensteht"49. Auch die Europäische Union gehört rechtlich bereits zum Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland, nur ist deren staatsrechtliche Stellung über diesem noch nicht klar erkannt. Die Europäische Union eröffnet die Chance, die europäischen Staaten nationaler Identität in einen nicht-souveränen Staat - „kohärent und solidarisch" 50 zu integrieren und derart den abstrakten Idealtypus des souveränen Nationalstaates - „einzig und konkurrenzlos" 51 - zu relativieren.

49

E 7,1 (12).

50

Vgl. Art. A des Vertrags über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, BGBl. 1992 II, S. 1253(1254). 51

Zu diesem Begriffspaar vgl. unter „Die Staatsgewalt", S. 52, 58, 64,71.

Appendix

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

1,10

11.10.51

Eger

60

1,14

23.10.51

Südweststaat

24, 25, 38, 44,54,75,107, 110, 111,112,117, 125, 127, 128,129,130

1,97

19.12.51

Hinterbliebenenversorgung

88

1,167

20.03.52

Offenbach am Main

49

1, 208

05.04.52

Südschleswigscher Wählerverband I

79, 82, 95,107,108,126

1,299

21.05.52

Förderung des sozialen Wohnungsbaus

118,120,125,129

1,322

28.05.52

Auslieferungs-Haftbefehl

40,42

1, 332

13.06.52

Sowjetzonales Strafurteil

13, 27, 29, 30,31,32

1, 351

29.07.52

Petersberger Abkommen

14, 15, 17, 54,56, 59, 60,

108 1, 372

29.07.52

Deutsch-französisches Wirtschaftsabkommen

1,418

18.09.52

Hessisches AhndungsG

2,1

23.10.52

SRP-Verbot

2,98

12.12.52

Auslieferung bei abgelegter deutscher Staatsangehörigkeit

2,237

24.04.53

Fliegerbombenbeschädigte Hausgrundstücke

46, 60, 75, 100, 117

2,266

07.05.53

Notaufnahme

16, 19, 23, 27, 30,31,35, 44

44, 60, 102 60, 117 16, 27, 38, 41,60,71,72, 80, 83, 84, 85, 87,91,98, 101,117,130 38,42

2,347

30.06.53

Kehler Hafenabkommen

53, 118, 125, 129, 138

2, 380

01.07.53

Beanstandungsrecht in Haftentschädigungssachen

107, 112

3,58

17.12.53

Beamte und Versorgungsempfänger

18, 19, 27, 46,75, 85, 86, 107, 109,111,119,127

144

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

3,162

17.12.53

Angestellte

27

3,225

18.12.53

Gleichberechtigung

44,47,107,109,110,111, 112,127

3,256

14.01.54

Ernennungsurkunde

19

3,288

26.02.54

Soldaten und Versorgungsempfänger der Wehrmacht

20,44

3, 368

28.04.54

Nordrhein-westfälisches Landeswoh- 60 nungsG

3, 383

03.06.54

Nordrhein-westfälisches LandeswahlG

119

3, 407

16.06.54

BundesbauG

125

4,7

20.07.54

Investitionshilfe

83

4, 27

20.07.54

Organstreit wegen Gleichbehandlung 47 von Parteien

4,31

11.08.54

Südschleswigscher Wählerverband I I 41,42,73,105

4,96

18.11.54

Koalitionsfreiheit

95

4, 115

01.12.54

Beamtenbesoldung

125,128,129

4, 144

16.03.55

Schleswig-holsteinisches AbgeordnetenentschädigungsG

88, 89

4,157

04.05.55

Saar-Statut

24,26,60,114,123

4, 178

11.05.55

Württemberg-badisches VerwaltungsgerichtsbarkeitsG

125

4, 250

28.07.55

Land Lippe

20, 25,60,107,117,123, 126

4,299

06.10.55

Zulieferung in das Saargebiet

20, 24, 31

4, 322

09.11.55

Auslieferung nach Österreich

25, 39, 63, 68

4, 352

30.11.55

§ 187a StGB

73,74

5,17

25.05.56

Übersiedlung eines Volljährigen

20, 30,32

5, 34

30.05.56

Heimatbund Badenerland

38, 42,129

5, 56

30.05.56

62 südhessische Gemeinden

52, 55,58,73

5, 66

19.04.56

Geesthacht

117

5, 85

17.08.56

KPD-Verbot

20,22, 23, 41,44,47,61, 76,79, 80, 84, 86, 87, 88, 94,98,100,101,106,122, 127

6, 20

05.12.56

Vaterstädtische Vereinigung Lübeck von 1949

45,60,105,117,128

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

145

BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

6,32

16.01.57

Elfes

74,98

6,84

23.01.57

Sperrklausel

42,107

6,132

19.02.57

Angehörige der Gestapo

73,86,95,98

6,290

21.03.57

Abkommen zwischen BRD und Schweiz

108

6, 300

21.03.57

Kommunistische Partei, Landesverband Saar I

24,26, 36,46,72

6, 309

26.03.57

Konkordats-Urteil

21,23,27, 46, 53,54,70, 72,75,108,116,119,124, 125,126,127,128,129

6,376

07.05.57

Baden-württembergische Kommunal- 125 rechtsangleichung

7,1

21.05.57

Ehrengericht der Rechtsanwaltskammer Berlin

38,119,128,142

7,18

28.05.57

Kommunistische Partei, Landesverband Saar I I

46

7, 29

04.06.57

Verjährung von Pressedelikten

119

7,89

24.07.57

Hamburgisches HundesteuerG

111,112,113

7,155

17.10.57

Schleswig-holsteinische Gemeindeordnung

55,75

7,183

28.11.57

Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung

47

7,198

15.01.58

Lüth

44,45,83,84,97,98,101

7, 330

19.03.58

Rheinland-pfälzisches SteuerneuordnungsG

44, 60,117,129

8,1

11.06.58

Angemessene Beamtenbesoldung

100

8,51

24.06.58

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden

91

8,104

30.07.58

Hamburgische und bremische Volks- 40, 45,76, 77, 91,119,126 befragung über Atomwaffen

8,122

30.07.58

Volksbefragung über Atomwaffen hessischer Gemeinden

49,55,56,119,129

9,174

04.02.59

Nachfluchtgründe

99

9, 268

27.04.59

Bremisches PersonalvertretungsG

37, 47, 89,126

10,20

04.07.59

Stiftung, »Preußischer Kulturbesitz"

48

10,59

29.07.59

Stichentscheid

73,111

10,89

29.07.59

Großer Erftverband

76

10 Aishut

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

10,136

20.10.59

Rückführung nach Frankreich

36,46

10.234

15.12.59

Platow

102,104,114

10,285

02.02.60

BeamtenrechtsrahmenG

125,127,129

10,302

10.02.60

Unterbringung volljähriger Entmündigter in geschlossenen Anstalten

45

11,6

15.03.60

Typenzulassung

126,128

11,89

10.05.60

Bremisches UrlaubsG

107,119

11,150

31.05.60

Sowjetzonales Gesetz zum Schutz innerdeutschen Handels

30, 31, 32,35, 36,70,93, 99,112

11,266

12.07.60

Rathausparteien

49,55,79,127

12,1

08.11.60

Tabakfall

92,96,98

12, 45

20.12.60

Kriegsdienstverweigerung

74, 84,91,92,94,97

12,62

17.01.61

Strafklageverbrauch

30,31,35,36

12,99

24.01.61

Sowjetzonales Einkommenssteuerrecht und DevisenG

30, 31, 32, 35,69, 86,93, 99,110

12,113

25.01.61

Smid

74,101

12,205

28.02.61

Deutschland-Femsehen-GmbH

41, 45, 48,92,107,119, 126, 127, 128,129,131

12,281

21.03.61

Art. I DevisenbewirtschaftungsG

60,106,114

13, 46

27.06.61

§ 6 Abs. 3 BundesentschädigungsG

70,98,101

13, 54

11.07.61

Neugliederung des Bundesgebietes

14,1

06.02.62

Entscheidungen der Joint ExportImport Agency

40,120,125,127,128,129, 131 112,114

14,121

30.05.62

WDR-Sendezeiten für Wahlpropaganda

79

15,1

30.10.62

Reinhaltung der Bundeswasserstraßen

106

15,25

30.10.62

Gesandtschaftsgebäude

53,66,108

15,46

06.11.62

Von Rohdich'scher Legatenfonds

28,52

15,126

14.11.62

Die Passiven des Deutschen Reiches

22, 46,95,115,127

15.235

19.12.62

Pflichtzugehörigkeit zu Industrie-

93

und Handelskammern 15,256

16.01.63

Justus Liebig-Universität Gießen

48

15,337

20.03.63

Höfeordnung

60,95,114

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

16,27

30.04.63

Heizungsanlage des iranischen Botschaftsgebäudes

45,66,108

16,147

22.05.63

BeförderungssteuerG

93

16,254

09.07.63

Hessisches Gesetz zur Änderung und 99 Angleichung des Besoldungs- und Beamtenrechts

17,199

04.02.64

Änderung von Familien- und Vornamen

38,39, 31,42

17,224

12.02.64

Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit

38,41

17,306

07.04.64

Mitfahrzentralen

45,112

17,319

14.04.64

Bayerische Bereitschaftspolizei

127,128

18,18

06.05.64

Katholischer Hausgehilfmnenverband

81, 95

18,112

30.06.64

Auslieferung bei drohender Todesstrafe

98,100,115

18, 353

16.02.65

DevisenbewirtschaftungsG

30, 31, 35

18, 385

17.02.65

Teilung einer Kirchengemeinde

46, 65, 66, 67,92, 96

18, 407

23.03.65

Verbot der Gewerbsunzucht

45,124,128,134

18,419

24.03.65

Rechtliches Gehör Sicherungsverwahrter

125

19,1

28.04.65

Gebührenfreiheit der Neuapostolisehen Kirche

66, 92, 96,97

19,17

05.05.65

Zoll auf „Lemon-Squash" und „Lime-CordiaT

30

19,129

04.10.65

Wachtturm Bibel- und TraktatGesellschaft gegen Umsatzsteuer

46, 67

19,150

03.11.65

Reichsbezogene Verbindlichkeiten der Gemeindeverbände

46,95, 102, 111,115

19,166

03.11.65

Lastenausgleichsabgaben

112,113

19,206

14.12.65

Kirchenbausteuer

46,51,52,54,55,58,66, 96

19,377

20.01.66

Entscheidung in einer „Berliner Sache"

121

20,56

19.07.66

Parteienfinanzierung

73,74,76,77,79,80,92

20,162

05.08.66

Spiegel

103

20,230

11.10.66

§ 55c Abs. 1 LastenausgleichsG

112

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

20,312

19.10.66

Tariffähigkeit der Innungen und Innungsverbände

81,95

20, 323

25.10.66

Nulla poena sine culpa

110,112,113

20,336

25.10.66

Zurückverweisung durch das Revisionsgericht

112

21,12

20.12.66

Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer

93,113

21,73

12.01.67

Kapitalanlage Waldgrundstück

102,111

21,239

15.03.67

Fahrlässiger Landesverrat

103

21,362

02.05.67

Sozialversicherungsträger

47, 49,100,125

21,378

02.05.67

Wehrdisziplin

113

22,91

06.06.67

Oberstes Rückerstattungsgericht für Berlin

60

22,114

28.06.67

Entziehung der Verteidigungsbefugnis

107

22,221

17.07.67

Land Coburg

123,128

22,267

19.07.67

Verletzung rechtlichen Gehörs durch das LG Ansbach

125,129

22,293

18.10.67

Verfassungsbeschwerde gegen EWG-Verordnungen

45, 129,133,134

22, 387

12.12.67

Hinterbliebenenversorgung

111

23, 85

07.02.68

„Recht auf Rente"

53

23,98

14.02.68

11. Verordnung zum ReichsbürgerG

41,109,111

23,153

06.03.68

Berliner Handels-Gesellschaft wegen 115 der Passiven des Reiches

23,288

14.05.68

Besteuerung eines Finnen für Grund- 53,125 stück in Braunschweig

24,184

09.10.68

Ausländische öffentliche Urkunden

47

24,236

16.10.68

Aktion Rumpelkammer

92,96

24,300

03.12.68

ParteienG

95

25,1

18.12.68

MühlenG

75,102

25,236

25.02.69

Zahnheilkundige

102

25,269

26.02.69

Verjährung nationalsozialistischer Verbrechen

107, 112,113

25,352

23.04.69

Justiziabilität von Gnadenentscheidungen

70, 85,113,116

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom 27,44

22.07.69

(...)

zitiert auf Seite

Schleswig-holsteinischer Minister-

121

149

Präsident 27,71

03.10.69

Leipziger Volkszeitung

129

27, 253

03.12.69

Besatzungsschäden

60,73,74,111,113,115

27,326

15.01.70

Besatzungsschäden infolge Freiheits- 60 entziehung

28, 36

18.02.70

Politische Diskussionen unter Soldaten

73

28,104

18.03.70

Waisenrente für ein in der DDR lebendes Kind

31

28,175

15.04.70

§ 100e StGB a.F.

103

28,191

28.04.70

§ 353b StGB

75,111

28,243

26.05.70

Kriegsdienst verweigernder Soldat

103

29,83

21.07.70

Gewerkschaft Auguste Victoria

50

29,154

06.10.70

Nr.7 auf der Liste der Allgemeinen Wählergruppe

88

29,183

13.10.70

Rücklieferung eines Deutschen nach Österreich

103

29, 198

13.10.70

Schwellenpreisverordnung

134

29,413

15.12.70

Reichsnährstand-Abwicklung

48,112,115

30,1

15.12.70

Abhör-Urteil

47,60,103

30,108

12.01.71

Widerruf eines Gnadenerweises

47

30, 292

16.03.71

Bevorratungspflicht für Erdöl

91, 93,95, 97

30,367

23.03.71

§ 150 BundesentschädigungsG

112

30,409

23.03.71

Haftentschädigung für Ausländer

103

30,415

31.03.71

Kirchensteuerpflicht

66,92,96

31,58

04.05.71

Spanier-Entscheidung

54,75,108

31,145

09.06.71

15.000 kg Vollmilchpulver aus Luxemburg

46,109,134,135

31,314

27.07.71

Umsatzsteuerpflicht der Rundfunkan- 48, 92 stalten

32,145

21.10.71

Verwaltung der Beförderungssteuer

125

32,157

21.10.71

Abgeordnetenbesoldung und-ruhegeld

100

32, 346

23.02.72

Strafbestimmungen in Gemeindesatzungen

127,128

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

33,1

14.03.72

Briefgeheimnis Strafgefangener

114

33,23

11.04.72

Eidesverweigerung durch evangelisehen Pfarrer

41,43,54,73,75, 85,94, 97,99

33,52

25.04.72

„Der lachende Mann"

103

33,125

09.05.72

Facharzt

48,50,104,105

33,303

18.07.72

Absoluter numerus clausus für Studi- 48,95 enanfänger

34,9

26.07.72

Erstes hessisches BesoldungsanpassungsG

34,165

06.12.72

Obligatorische Förderstufe in Hessen 104

34.216

30.01.73

Stadt Neustadt bei Coburg

46,107,129

34,269

14.02.73

Soraya

107,110

35,79

29.05.73

Hochschul-Urteil

48

35,202

05.06.73

Lebach

73,84,91,98

36,1

31.07.73

Grundlagenvertrag

21,22,23,24,26,29,31, 32, 33, 34, 35, 36, 38, 41, 46, 61,62,69,70, 72,124

36,342

29.01.74

Vorlage des niedersächsischen Staatsgerichtshofes

121,125

37,57

27.03.74

Zulieferung an Strafverfolgungsbehörden der DDR

32, 33, 45,54, 86,97,98, 99,110,112

37,84

02.04.74

Volksentscheid im Lande Baden

92

37,104

03.04.74

Malus

129

37,137

23.04.74

Änderungskündigung und ortsübliche 41 Vergleichsmiete

37.217

21.05.74

Staatsangehörigkeit des Kindes einer 40, 42,73,74,78,122,125, Deutschen 129

37,271

29.05.74

Solange I

62,65,123,135,139

38,231

27.11.74

Auflösung des Forstamtes Königsberg i. Bay.

100

38,258

10.12.74

Gemeindeordnung für SchleswigHolstein

45,55

38,281

18.12.74

Zwangsmitgliedschaft in Arbeitnehmerkammern

92

39,96

04.03.75

Städtebauförderung

128,129

39,302

09.04.75

Acht Allgemeine Ortskrankenkassen

48

39, 334

22.05.75

Extremisten-Beschluß

43,44,92,94,98,101,103

53,57,68,121,128,129

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ΒVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

40,121

18.06.75

Waisenrente bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres

94

40.141

07.07.75

Ostverträge

26,53,103,125,129

40,276

29.10.75

„St. Pauli-Nachrichten" für Strafgefangene

114

40,287

29.10.75

NPD gegen „Verfassungsschutz '73"

97,98

40,296

05.11.75

Status und Finanzen saarländischer Abgeordneter

88,92,93

41,29

17.12.75

Simultanschule christlichen Charakters

84,92,94,97,98

41,88

17.12.75

Gemeinschaftsschule

125,126

41,126

13.01.76

Reparationsschäden

60,75, 83,98,99,115

41,291

10.02.76

Sonderprogramm für Gebiete mit Strukturproblemen

125,127,129

41,399

09.03.76

Daniels

79,80

42,20

10.03.76

Hamburgisches WegeG

125,127,128

42,103

07.04.76

Bonus-Malus-Klausel des Staatsverträges

129

42, 312

21.09.76

Bremisch evangelisches KirchenG

54, 66,92,93

42,345

22.09.76

Land Waldeck-Pyrmont

107

43.142

14.12.76

Acht Abgeordnete des bayerischen Landtages

92

43,203

25.01.77

Deutsch-tschechoslowakischer Vertrag

53

43,291

08.02.77

Studienplatzvergabe

75,129

44,125

02.03.77

Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung

41, 54,71, 73, 79, 80, 81, 84, 85, 87, 88, 89,90,92, 96, 98,103,104,108,110, 111

44,322

24.05.77

Tarifverträge

81

44, 353

24.05.77

Beschlagnahme von Klientenakten

73,92,112,114

45,83

08.06.77

Deutsch-niederländischer Finanzvertrag

115

45,187

21.06.77

Lebenslange Freiheitsstrafe

101,112,113

46,43

05.10.77

Einstufige Juristenausbildung in Hamburg

75

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

46,73

11.10.77

Stiftung „Wilhelm-Anton-Hospital" in Goch

28

46, 299

08.11.77

Stichtag im Kriegsfolgenrecht

22,113

46, 342

13.12.77

Pfändungs- und Überweisungsbe45, 46,108 schluß gegen die Republik der Phillipinen

47,46

21.12.77

Sexualkunde

92,104,111

47,130

17.01.78

§ 89 StGB

79

47,198

14.02.78

Verfassungswidrige Wahl Werbespots 45

47,253

15.02.78

Nordrhein-westfälische Bezirksvertretungen

40,41,43

47,285

01.03.78

Anwaltsnotare gegen Gebührenbefreiungsvorschriften

125

48,1

15.02.78

Milch-und FettG

95

48, 127

13.04.78

Änderung von Wehrpflicht- und

46,75,91,103,111

49,15

01.08.78

Land Oldenburg

75,129,130

49, 24

01.08.78

KontaktsperreG

44,95,96,97,103,105

49,89

08.08.78

Kalkar I

44

50,195

17.01.79

Stadt Rheda-Wiedenbrück

48

51, 222

22.05.79

5% Sperrklausel des EuropawahlG

51,356

26.06.79

Freiwillige Weiterversicherung im Ausland lebender Ausländer

89, 92, 95,96,107,136, 138,139,140 88

52,42

18.07.79

Gemeinderatsangehöriger Rechtsanwait

128

52, 63

24.07.79

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden

76,77,79, 80, 81

52, 95

24.07.79

Schleswig-holsteinische Gemeindeverbände

43, 51, 52,55,58, 62, 88

52,187

25.07.79

Vielleicht-Beschluß

46,109,135

52,223

16.10.79

Schulgebet

104,129

53,164

26.02.80

Rente an Deutsche in Oder-NeißeGebieten

26

53,366

25.03.80

Konfessionelle Krankenhausträger gegen KrankenhaustageG

46,66,67

ZivildienstG

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Β VerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

54,53

15.04.80

Deutsche Staatsangehörigkeit eines 1940 Ausgebürgten

109,110,129

54, 341

02.07.80

Asyl bei Änderung politischer Verhältnisse

85

55,274

10.12.80

AusbildungsplatzförderungsG

46,121,125,127,128

56.249

10.03.81

Dürkheimer Gondelbahn GmbH

49

56,298

07.10.80

Lärmschutzbereich für den Flugplatz Memmingen

121,129

56,396

24.03.81

Geheimdienstliche Agententätigkeit eines Abgeordneten (Einstweilige Anordnung)

88,89

57,43

07.04.81

Ineligibilität

47

57.250

26.05.81

Geheimdienstliche Agententätigkeit

62,75,103,125,129

153

eines Abgeordneten (Beschluß) 58,1

23.06.81

Eurocontrol I

46,54,62,64,65,135,138

58,45 58, 202

23.06.81 07.10.81

Erste Wasserverbandsverordnung Wahlrecht eines in Belgien lebenden Deutschen

76 135,139

58, 233

20.10.81

Tariffähigkeit des Deutschen Arbeitnehmerverbandes

62,95

58,300

15.07.81

Naßauskiesung

75

59,63

10.11.81

Eurocontrol I I

46,62,64,123

59,128

16.12.81

Vertriebenenausweise

38,42,138

59,216

12.01.81

Erneute Änderung eines Gemeindenamens

49

60, 53

09.02.82

Organstreit zur Mitwirkung beim NDR

79

60, 79

17.02.82

Entziehung elterlicher Sorge

111

60,175

24.03.82

Volksbegehren „Keine Startbahn West"

121,124,125,126,128, 134

60,253

20.04.82

Verschulden des Prozeßbevollmächtigten im Asylverfahren

44,46,113

60,319

27.04.82

Antragsbefugnis bei öffentlichrechtlicher Streitigkeit innerhalb eines Landes

121,128

61,82

08.07.82

Sasbach

48

11 Aishut

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

61,126

19.10.82

Erzwingungshaft zur Abgabe eidesstattlicher Versicherung

62

61,149

19.10.82

StaatshaftungsG

126,127,128,129

62,1

16.02.83

Auflösung des 9. Deutschen Bundes- 54 tages

63,1

12.01.83

Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfeger

125

63,73

12.01.83

Vorverlegte Wahlprüfung durch das BVerfG

54

63,266

08.03.83

Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

44,48

63, 343

22.03.83

Rechtshilfevertrag zwischen BRD und Österreich

36, 46,53, 54, 61, 62, 65, 66,75

64,1

12.04.83

National Iranian Oil Company gegen Arrestbefehle und Pfändungsbeschlüsse

102,129

64,208

14.06.83

Dynamische Verweisungen auf tarifvertragliche Regelungen

62

64,261

28.06.83

Hafturlaub fur zu lebenslang Verurteilte

111

64, 301

29.06.83

Baden-württembergische Abgeordnetenentschädigung und -Versorgung

125,134 83

65,1

15.12.83

Volkszählungs-Urteil

66,1

13.12.83

Zahlung der Umlage für Konkursaus- 46, 65, 66,67 fallgeld durch Kirchen

66, 39

16.12.83

NATO-Doppelbeschluß (Einstweilige 46,53, 66,125,129 Anordnung)

66,107

24.01.84

Die Grünen Baden Württemberg wegen Steuerbefreiung von Wirtschaftsverbänden

121,126,128

66,116

25.01.84

Wallraff-Urteil

95,106,116

66,337

04.04.84

Ausschließung aus der Rechtsanwaltskammer

95

67, 100

17.07.84

Flick-Untersuchungsausschuß

47,88

67,256

06.11.84

Investitionshilfeabgabe

128

68,1

18.12.84

NATO-Doppelbeschluß (Urteil)

22, 37, 46, 47, 50,52,58, 60,61,62,64,73, 88,123, 129

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Β VerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

69,1

24.04.85

Kriegsdienstverweigerungs-NeuordnungsG

111

69,92

15.01.85

Absetzbarkeit von Spenden an Wählergemeinschaften

79

69,315

14.05.85

Brokdorf-Beschluß

62,73,87,88,89,92

70,138

04.06.85

Kündigung durch kirchliche Einrichtung

54

70,324

14.01.86

Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste

47,88,127

71,66

22.10.85

Witwenrente einer in der DDR lebenden Rentenberechtigten

36,115

71,81

22.10.85

Arbeitnehmerkammem im Lande Bremen

79,80,92,95

72,66

12.03.86

Flughafen Salzburg

36,37

72, 330

24.06.86

Zerlegung und Finanzausgleich

22, 37, 50, 52, 55, 58, 73, 74, 88,93,121,127,128, 129

73,1

14.07.86

Globalzuschüsse an parteinahe Stiftungen

79,92

73,40

14.07.86

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden, Chancengleichheit und Wahlkampfkostenerstattung

70,79, 88

73,118

04.11.86

Niedersächsisches RundfunkG

42,129

73, 339

22.10.86

Solange II

62, 65,129,135,138,140

74,51

26.11.86

Selbstgeschaffene Nachfluchttatbestände

46

74,102

13.01.87

16 h Hilfsdienst als Erziehungsmaßregel

98,99

74,244

25.02.87

Teilnahme am konfessionsfremden Religionsunterricht

129

74,358

26.03.87

Unschuldsvermutung im Privatklage- 62,129 verfahren

75,1

31.03.87

Ne bis in idem im allgemeinen Völkerrecht

53,66,125,129

75,40

08.04.87

Subventionierung privater Ersatzschulen

129

75,192

14.04.87

Grundrechtsfähigkeit öffentlichrechtlicher Sparkassen

48

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

75,223

08.04.87

Umsatzsteuerrichtlinien-Beschluß

22, 37,46,50,52,58,59, 62,64, 68,136

76,1

12.05.87

Familiennachzug

37,46,129

76,107

23.06.87

Stadt Wilhelmshaven gegen Raumordnungsprogramm

129

76,130

Ol .07.87

Pauschgebührenregelung des SozialgerichtsG

111

76,143

Ol .07.87

Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft

81, 85,99

77,1

01.10.87

Beschlagnahme zugunsten des Unter- 43,87,88,130 suchungsausschusses „Neue Heimat"

77,137

21.10.87

Teso-Beschluß

22, 23, 24, 26, 29, 32, 33, 35, 36, 38,40,41,68,124, 130

77,170

29.10.87

C-Waffen-Lagerung

109

78,32

25.02.88

Zulässigkeit von Richtervorlagen

125

78,104

26.04.88

Ratenzahlungen bei Prozeßkostenhilfe

129

79,69

25.10.88

Kommunalmandat ohne Eid

73,129

79,127

23.11.88

Aufgabenzuständigkeit für die Abfallbeseitigung

48, 49,73,123,127

79,311

18.04.89

Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht

93

80,124

06.06.89

Postzeitungsdienst

129

80, 315

10.07.89

Politische Verfolgung der Tamilen

44, 49,62, 63, 67,75, 86, 95,97,122,123

81,53

12.10.89

Ausländerwahlrecht bei Gemeindeund Kreiswahlen in SchleswigHolstein (Einstweilige Anordnung)

123

81,58

10.11.89

Inländische Fluchtalternativen

62,64

81,208

23.01.90

Inlandsschutz ausländischer Interpreten

41,126

81,278

07.03.90

Verunglimpfung der Bundesflagge

62,95,103

81,298

07.03.90

Verunglimpfung der Hymne der BRD

103

81, 310

22.05.90

Kalkar I I

121,124,127,128,129

82,60

29.05.90

Kindergeld für Besserverdienende

95

82,159

31.05.90

Abgabe für Absatzfonds

109,113,129,135

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Β VerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite 121,128

82,272

26.06.90

„Zwangsdemokrat" Josef Strauß

82,316

18.09.90

Rechtsstellung Abgeordneter in Blick 26, 32,33,36,38,77 auf den Einigungsvertrag

82,322

29.09.90

Erste Gesamtdeutsche Wahl

26,95

83,37

31.10.90

Ausländerwahlrecht bei Gemeindeund Kreiswahlen in Schleswig-Holstein (Urteil)

39,40,41,43,45,46,51, 52,55,58,62,71,77, 87, 88,90,123,124,130,132

83,60

31.10.90

Ausländerwahlrecht zu BezirksverSammlungen in Hamburg

47, 55, 71, 82, 86, 87, 88, 123,124,130

83,162

11.12.90

Enteignungen auf besatzungsrechtli- 53,125 eher Grundlage (Einstweilige Anordnung)

83,216

23.01.91

Verfolgungsmaßnahmen durch Dritte 64,76,95

84,25

10.04.91

Eisenerzgrube „Konrad" in Salzgitter

124,127,129

84,90

23.04.91

Enteignungen auf besatzungsrechtlieher Grundlage (Urteil)

22,26, 33,36,38,72,101

84,290

10.07.91

Vermögen der DDR-Parteien

86

85,264

09.04.92

Chancengleichheit, Sockelbetrag, Publizitätsgrenze, steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden

77, 79, 80,92,129

86,148

27.05.92

Finanzausgleich

37,56,121,124,128,129

87,181

06.10.92

Hessischer Rundfunk gegen Werbungsverbot

121,128

88,40

16.12.92

Freie Schule Kreuzberg

95

88,173

08.04.93

Flugverbot über Bosnien-Herzegowina

53,125

88,384

25.05.93

ZinsanpassungsG

129

89,155

12.10.93

Maastricht-Urteil

11, 39, 40, 42, 43, 45, 53, 54, 69, 77, 87, 88, 89,104, 109,127, 130, 135,136, 137, 138,139, 140,141

89,243

20.10.93

Kandidatenaufstellung des CDU Landesverbands Hamburg

88

90,60

22.02.94

Festsetzung der Rundfunkgebühr durch bayerischen Landtag

95,121,126

90,145

09.03.94

Cannabisprodukte

53,125,129

90,286

12.07.94

Auslandseinsätze

46, 47, 53,102,103,129

91,125

14.07.94

Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal

45

Appendix: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE vom

(...)

zitiert auf Seite

91,140

03.08.94

Rechtshilfe bei punitive damages (Einstweilige Anordnung)

54

91,186

11.10.94

Kohlepfennig

121,128

91,262

17.11.94

Nationale Liste

76,77,79,129

91.276

17.11.94

Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei

79,129

91,335

07.12.94

Rechtshilfe bei punitive damages (Beschluß)

62,129

92,26

10.01.95

Internationale Seeschiffahrtsregister

36, 37,62,108,109,125,

92,203

22.03.95

Fernsehrichtlinie des Rates der EWG

62,121,129,136,138

92.277

15.05.95

Strafbarkeit der DDR-Spionage

24, 36, 37, 62,77,103,125

93,1

16.05.95

Kruzifix-Beschluß

85,94,96,97

129

Literaturverzeichnis Badura, Peter: Verfassung, Staat und Gesellschaft in der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Band 2, S. 1-21, hrsg. von Christian Starck, Tübingen 1976 -

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160

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162

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arverzeichnis Annexion 25; 63

Besatzung 13-18; 26 f.; 31; 44; 54; 59-61; 66; 117 - sowjetische Besatzungszone 13 f.; 29 f.; 33-35; 69; 93; 99; 110 Bundesrepublik Deutschland 13-28 - Deutsche Demokratische Republik 13 f.; 23-25; 29-34; 36 - Staat 13-16; 19-23; 27 f.; 52 f. - Symbole 103 Bundesstaat 25; 116-132 - Bündnis 118; 120 f. - Einheitsstaat 128 - Föderalismus 119; 125; 127; 133 f. - Identität 123 f.; 131; 137 - Kompetenzräume 124 f.; 127; 131 - labiler Bundesstaat 129

Deutsche Demokratische Republik 2935 - Recht 110; 112 - Staat 13 f.; 24; 30-35; 69 f.; 86 - Staatsbürgerschaft 124 - Staatsgebiet 36 - Verfassung 23-25 Deutsches Reich - Einheitsstaat 128 - Fortbestand 17-21; 24-27; 31-33 - Identität 18; 21; 22-24; 27 f.; 31 f.; 123 - Handlungsfähigkeit 18; 22; 30; 32 - Staat 13 f.; 17-23; 27 f. Deutschland - gesamtdeutsch 16 f.; 20; 32; 36; 39; 44 - Staat 13-24; 27-29; 34 Drei-Elementen-Lehre 16-19; 22; 27; 35; 55

Einheit 40-43; 52 f.; 57; 64; 67; 72106; 108; 110; 116; 124-126; 129 f.; 138 Europäische Union 133-142 - Bundesstaat 133 f.; 136 - Gemeinschaft eigener Art 134; 136 - Gemeinschaftsrecht, -rechtsordnung 133-135 - Gewalt 133 f. - Integration 104; 132; 134; 138 f. - Mitgliedstaaten 58; 68 f.; 104; 133 f. - Staat 134; 136-138; 142 - Staatenverbund 137 f. - supranational 65; 133; 138 - Union der Völker 77; 87; 137-139 - Unionsbürgerschaft 77; 139 - Währungsunion 141 f. - zukünftige Entscheidungen des BVerfG 29 Flächenstaat 37 Gebiet 13; 20; 22; 26; 31; 35-38; 44; 50-52; 54; 62-66; 121 - Boden 20; 22; 31; 41 f.; 102 - Staatsgebiet 16 f.; 21-23; 35-38; 44; 62 f.; 66 Gebietskörperschaft - Gewalt 45; 49; 52-57; 60; 64 f.; 69 - Staat 22; 49-52: 57 f.; 60; 64; 6870; 73; 124; 128; 131 Gesellschaft 91-112; 115 Gewalt - Besatzungsgewalt, siehe Besatzung - Handlungsfähigkeit 46 - Kompetenz-Kompetenz 58 f.; 62; 68; 136 - Legitimation 42 f.; 70 f.; 85-90; 123 f.; 137; 140

164

arverzeichnis

-

Macht 30; 34 f.; 44-49; 54-71; 7992; 96 f.; 102-106; 110; 122 f.; 132; 136 - Monopol 62-64; 122 - Staatsgewalt 14-26; 36; 43-71; 8790 - Teilung 44; 47-50; 53 f.; 130 f. - Übertragung 61; 64 f.; 134 - ursprüngliche 53-57; 65-68; 117 - Verfassung 54 f. Grundgesetz 16 f.; 22-29; 33 f.; 54; 59 - Deutsche Demokratische Republik 30 f. - Geltungsbereich 21 f.; 54; 119; 131;135 - Menschenbild 83; 92 - Ordnung 20; 74; 108; 114; 127 - Organisation 15; 21; 23; 33; 54; 56 - Parlamentarischer Rat 15; 23; 109 f. - Präambel 15; 21; 29; 56 - Verfassungsurkunde 15; 54; 56 - Volk 42 f. Kirchen, siehe Religionsgesellschaften Länder -

Baden 24 f. Entstehung 18; 20; 24 f.; 117 Fortbestand 24 f. Staaten 53; 117-132 Verfassungen 24 f.

Nation 41 f.; 46; 69; 72 f.; 126; 132; 142 Österreich 25; 38 f. - Volk 38 f. Organe 27; 42-50; 53 f.; 68; 76 f.; 82; 84; 86; 88; 97 f. Organisation 15 f.; 27; 32; 47 f.; 54; 68; 73; 85 f.; 91; 94,100 f.; 105; 112;115 Organismus 74 f.; 82 f. Parteien 79-82; 86 - NSDAP 85 f. - SED 35; 69; 86 Recht 106-132

-

Gerechtigkeit 109-116 Gesetzespositivismus 109; 111 Rechtsordnungen 20; 36; 66; 97; 100; 106-108; 125 f.; 133-135 - Rechtsstaat/Unrechtsstaat 109 f.; 112-116 - Verfassung 107; 111 Religionsgesellschaften 46; 54 f.; 6567; 85 f.; 94

Schicksalsgemeinschaft 51; 67; 73 f.; 78 Souveränität 15-17; 56; 58-71; 131; 136; 141 f. - Volkssouveränität 71; 86 f.; 90; 123 Sowjetunion 26; 35 - sowjetische Besatzungszone, siehe Besatzung Staat - Beamte 43-45; 94; 97 f. - Begriff 28; 34; 49; 57; 70; 73; 105; 132 - Form 50; 74; 88-90 - Gebiets-und Personalhoheit 22; 36 f.; 50-52; 58; 65; 68; 70; 136 - Gemeinde 49-53; 55 f. - Idee 35; 96-105; 108; 110 f.; 115; 132; 140 - Identität 22-28; 31 f.; 38; 41-43; 68; 72; 91; 138-142 - Juristische Person 73 - Mensch 72-106 - Nationalsozialismus 44; 48; 85 f.; 97-99; 109 f.; 115 - Ordnung 54; 67; 84; 94-98; 100102; 108; 122 f. - Substanz 34 f.; 73 - Völkerrecht 16 f.; 27 - Wesen, lebendiges 75 f.; 82 f.; 90; 105 - Wille 76-80; 84-90; 95 Staatenverbund, siehe Europäische Union Staatsangehörigkeit 23; 40; 42; 51; 71-74; 77; 85; 105; 121 f. - mehrfache 121 f. Staatsbankrott 95; 114 f. Staatsrecht - Methode 19; 27

Sachwortverzeichnis - Staatsbegriff 132 - Staatspraxis 142 Staatsverband 24; 51 f.; 55 Stadtstaaten 37; 43 Verfassung 53-57; 65 f.; 89; 95; 103 f.; 112; 114 - Verfassungsurkunde 15; 54; 56 Volk 16; 22; 38-44; 71 f.; 77; 85-88; 101 f.; 104 - Blut 22; 41 f.; 102 - Bundesstaat 123 f. - Identität 38; 41-43 - Leben 101 f.; 104 f. - Menschen 35; 39-44; 50 f.; 77 f.; 104 f. - Staatsgewalt 42 f.; 87; 130

-

165

Staatsvolk 16 f.; 21-23; 38-44; 73; 101; 123 - Verbindung 39-43; 77 f.; 89 f. - Wille 129 f. Völkerrecht 108 f. - Anerkennung 21; 31-34; 69 f. - Bundesstaat 117 f.; 125 - Staat 16 f.; 23; 27; 31; 34-71; 136 - Staatsangehörigkeit 23; 40 - Völkerrechtsgemeinschaft 15 f.; 52 f.; 59 - Völkerrechtssubjekt 21-24; 31 Weltanschauungsstaat 96-98 Wiedervereinigung 29; 38; 60 f. - Gebot 23; 26; 31; 124