Der Staat – eine Hieroglyphe der Vernunft. Staat und Gesellschaft bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel [1. ed.] 9783832944506

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Der Staat – eine Hieroglyphe der Vernunft. Staat und Gesellschaft bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel [1. ed.]
 9783832944506

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Wissenschaftlicher Beirat: Klaus von Beyme, Heidelberg Giancarlo Corsi, Modena-Reggio Emilia Yehezkel Dror, Jerusalem Wolfgang Kersting, Kiel Ernesto Martinez Diaz de Guereñu, Bilbao Herfried Münkler, Berlin ~ Paulo Marcelo Neves, Sao Henning Ottmann, München Stanley L. Paulson, St. Louis Ryuichiro Usui, Tokyo

Staatsverständnisse Herausgegeben von Prof. Dr. Rüdiger Voigt Band 22

Walter Pauly (Hrsg.)

Der Staat – eine Hieroglyphe der Vernunft

Staat und Gesellschaft bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Nomos

Titelbild: Dr. Martin Siebinger

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8329-4450-6

1. Auflage 2009 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2009. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Editorial

Das Staatsverständnis hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder grundlegend gewandelt. Wir sind Zeugen einer Entwicklung, an deren Ende die Auflösung der uns bekannten Form des territorial definierten Nationalstaates zu stehen scheint. Denn die Globalisierung führt nicht nur zu ökonomischen und technischen Veränderungen, sondern sie hat vor allem auch Auswirkungen auf die Staatlichkeit. Ob die „Entgrenzung der Staatenwelt“ jemals zu einem Weltstaat führen wird, ist allerdings zweifelhaft. Umso interessanter sind die Theorien der Staatsdenker, deren Modelle und Theorien, aber auch Utopien, uns Einblick in den Prozess der Entstehung und des Wandels von Staatsverständnissen geben, einen Wandel, der nicht mit der Globalisierung begonnen hat und nicht mit ihr enden wird. Auf die Staatsideen von Platon und Aristoteles, auf denen alle Überlegungen über den Staat basieren, wird unter dem Leitthema „Wiederaneignung der Klassiker“ immer wieder zurück zu kommen sein. Der Schwerpunkt der in der Reihe Staatsverständnisse veröffentlichten Arbeiten liegt allerdings auf den neuzeitlichen Ideen vom Staat. Dieses Spektrum reicht von dem Altmeister Niccolò Machiavelli, der wie kein Anderer den engen Zusammenhang zwischen Staatstheorie und Staatspraxis verkörpert, über Thomas Hobbes, den Vater des Leviathan, bis hin zu Karl Marx, den sicher einflussreichsten Staatsdenker der Neuzeit, und schließlich zu den Weimarer Staatstheoretikern Carl Schmitt, Hans Kelsen und Hermann Heller und weiter zu den zeitgenössischen Theoretikern. Nicht nur die Verfälschung der Marxschen Ideen zu einer marxistischen Ideologie, die einen repressiven Staatsapparat rechtfertigen sollte, macht deutlich, dass Theorie und Praxis des Staates nicht auf Dauer von einander zu trennen sind. Auch die Verstrickung Carl Schmitts in die nationalsozialistischen Machenschaften, die heute sein Bild als führender Staatsdenker seiner Epoche trüben, weisen in diese Richtung. Auf eine Analyse moderner Staatspraxis kann daher in diesem Zusammenhang nicht verzichtet werden. Was ergibt sich daraus für ein zeitgemäßes Verständnis des Staates im Sinne einer modernen Staatswissenschaft? Die Reihe Staatsverständnisse richtet sich mit dieser Fragestellung nicht nur an (politische) Philosophen, sondern vor allem auch an Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften. In den Beiträgen wird daher zum einen der Anschluss an den allgemeinen Diskurs hergestellt, zum anderen werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse in klarer und aussagekräftiger Sprache –

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mit dem Mut zur Pointierung – vorgetragen. So wird auch der / die Studierende unmittelbar in die Problematik des Staatsdenkens eingeführt. Mit dem Forum Staatsverständnisse wird Interessierten zudem ein Diskussionsforum auf der Website www.staatswissenschaft.de eröffnet, um sich mit eigenen Beiträgen an der Staatsdiskussion zu beteiligen. Hier können z.B. Fragen zu der Reihe Staatsverständnisse oder zu einzelnen Bänden der Reihe gestellt werden. Als Reihenherausgeber werde ich mich um die Beantwortung jeder Frage bemühen. Soweit sich dies anbietet, werde ich von Fall zu Fall bestimmte Fragen aber auch an die HerausgeberInnen der Einzelbände weiterleiten.

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Vorwort

In Hegel begegnet ein Klassiker der politischen Philosophie von äußerster Wirkmächtigkeit, der nach wie vor in Lager der Zustimmung wie der Ablehnung spaltet. Zugleich handelt es sich um einen äußerst schwer zugänglichen Autor, dessen Studium das Überwinden sprachlicher Barrieren sowie das Erlernen eigensinniger Begriffsbelegungen erfordert. Mit seinen Analysen der basalen Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft und deren Abhängigkeit vom politischen Staat hat Hegel Grundbausteine des modernen Staatsverständnisses gelegt. Angesichts des beträchtlichen Analyse- und Lernpotentials seiner Methode und Theoriebildung bleibt die Auseinandersetzung mit Hegel für das Studium der Staats- und Gesellschaftswissenschaften, einschließlich der Rechts- und Staatsphilosophie, unverzichtbar. Hierbei den Zugang zu erleichtern und zentrale staatswissenschaftliche Theoreme Hegels aufzubereiten sowie die Hegelkritik wie -rezeption darzustellen, liegt in der Absicht dieses Buches. Dass die Herausgabe des Werkes eine Freude war, lag an der guten Zusammenarbeit mit den Autoren und einem umsichtig arbeitenden Lehrstuhlteam, in dem unter der Anleitung meines wissenschaftlichen Mitarbeiters Gunter Heiß die studentischen Hilfskräfte Carolin Böhm, Nora Jedlitschka und Friedemann Larsen an der technischen Entstehung der Schrift beteiligt waren. Das Projekt hilfreich begleitet hat zudem mein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Martin Siebinger. Die Anregung und Ermunterung zum Buch hat Herr Prof. Dr. Rüdiger Voigt gegeben, umfassende Unterstützung der Nomos-Verlag, namentlich Frau Beate Bernstein. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank.

Jena, im Dezember 2008

Walter Pauly

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Inhalt

Einleitung Walter Pauly Hegels Beitrag zur Theorie des modernen Verfassungsstaates

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I. Vernunft und Wirklichkeit in Hegels politischer Philosophie Christoph Binkelmann Hegel in der Tradition des politischen Denkens

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Thomas Sören Hoffmann Freiheit, Anerkennung und Geist als Grundkoordinaten der Hegelschen Staatsphilosophie

49

Elisabeth Weisser-Lohmann Der Staat als Gestalt der „Sittlichkeit“

71

II. Hegels Theorie des modernen Staates Michael Henkel Hegels Konzept der bürgerlichen Gesellschaft

93

Oliver W. Lembcke Staat und Verfassung bei Hegel

113

Thomas Petersen Staat als politischer Organismus Hegels Verständnis der institutionellen Struktur des modernen Staates

137

Uwe Volkmann Freiheit in Bindungen Beobachtungen zur Stellung des Einzelnen in Hegels Staat

155 9

9

III. Hegels Konzeption der internationalen Beziehungen Sergio Dellavalle Hegels äußeres Staatsrecht: Souveränität und Kriegsrecht Über eine schwierige Verortung zwischen universaler Vernunft und einzelstaatlichem Ethos

177

Steffen Schmidt Weltgeschichte als Weltgericht in Hegels Geschichtskonzeption

199

IV. Rezeption und Wirkung Tilman Reitz Die vernünftigen Institutionen und ihre Feinde Zur Kritik an der Hegelschen Rechtsphilosophie

221

Jean-Christophe Merle Hegels „freie Gesellschaft“ und der heutige Liberalismus

243

Literatur

257

Autoren

271

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Einleitung

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Walter Pauly

Hegels Beitrag zur Theorie des modernen Verfassungsstaates

Degradiert zum preußischen Hofphilosophen und der Staatsvergottung bezichtigt,1 blieb Hegel anders als Kant lange Zeit die Aufnahme in den Klassikerhimmel verfassungsstaatlichen Denkens verwehrt. Entsprechend liberale Rezeptionsmöglichkeiten sollten nicht zuletzt auf Grund der bald nach Hegels Tod einsetzenden Aufsplitterung seiner Anhänger in Rechts- und Linkshegelianer weitgehend ungenutzt bleiben, abgesehen von zunächst wenig beachteten Interpretationsansätzen einer sog. Hegelschen Mitte, in deren Tradition Hegel inzwischen verstärkt als „gemäßigter Liberaler“ sowie „Verfechter des modernen Verfassungsstaates“2 begriffen wird. Immerhin geht es in Hegels Rechts- und Staatsphilosophie um das Recht als das „Dasein des freien Willens“ (7/80, § 29),3 der „den freien Willen will“ (7/79, § 27), und um ein Verständnis des Staates als „das an und für sich Vernünftige“, in dem „die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt“ (7/399, § 258). Da aber die Freiheitlichkeit und Vernünftigkeit der geschichtlichen Staaten, zumal in der Epoche der Restauration, in der Hegels „Rechtsphilosophie“ erscheint, keineswegs auf der Hand liegt, nennt er den Staat „eine Hieroglyphe der Vernunft, die sich in der Wirklichkeit darstellt“ (7/449, § 279 Z),4 um seine widerständige Entschlüsselung als Institution verwirklichter Freiheit zu versinnbildlichen. Mag die Metapher auch auf einen für 1 2

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Maßgeblich für die einseitige, teils verketzernde Rezeption Haym 1857, S. 357 ff. und 372 f.; prominent Popper 2003, S. 59 f.; ferner etwa Topitsch 1981, S. 69 ff.; Kiesewetter 1995, S. 3 ff. So jüngst Rawls 2002b, S. 454 und 426; zur „Apologie des modernen freiheitlichen Rechtsstaats durch die Hegelsche Mitte“ vgl. Ottmann 1977, S. 224 ff., der auch auf die „Hegelapologetik“ der Ritterschule sowie die liberalen Hegel-Interpretationen französischer und angelsächsischer Autoren eingeht (Ottmann 1977, S. 261 ff. und 299 ff.). Zum Rechts- und Linkshegelianismus vgl. etwa Losurdo 1998, S. 265 ff. Quellenangaben ohne weitere Namensnennung beziehen sich auf die Theorie-Werkausgabe Hegel 1969 ff. Zitierung erfolgt nach ‚Band/Seitenzahl, Paragraph’; ‚A’ steht für Anmerkung, ‚Z’ für Zusatz. Die Entzifferung des Steins von Rosetta und somit cum grano salis der Hieroglyphenschrift war J.-F. Champollion 1822 gelungen, eine Sensation, die die zeitgenössische Kulturwelt außerordentlich beschäftigte und eine entsprechende Metapher nahe legte. Die Zusätze hat nach Hegels Tod sein Schüler Eduard Gans freigiebig aus Vorlesungsnachschriften und im Nachlass befindlichen Aufzeichnungen zusammengestellt und den jeweiligen Paragraphen der Rechtsphilosophie in der Ausgabe von 1833 hinzugefügt. Die Hieroglyphenmetapher stammt aus der Vorlesungsnachschrift von Hegel 1824/25, S. 670.

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die Vernunft letztlich unentzifferbaren Bestandteil jedweder konkreten Erscheinung des Kulturrätsels „Staat“ hindeuten,5 im Zentrum steht die prinzipielle intellektuelle Begreifbarkeit der sich in der politischen Form entfaltenden Vernunft, wie sie auch in Hegels nicht minder enigmatischer Formel aus der Vorrede zur „Rechtsphilosophie“ zum Ausdruck kommt: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“ (7/24). Die vielfach als brüskierend empfundene Beschwörung der Vernünftigkeit der Wirklichkeit verweist vornehmlich auf eine einsichtige Erklärbarkeit der sozialen Realität, die sich deswegen allerdings noch nicht in allen ihren Erscheinungen als vernünftig rechtfertigt. Auf der einen Seite steht der „Kern“ des Vernünftigen, die Idee, die nach Realisierung drängt, auf der anderen die „bunte Rinde“, die ungeheure Mannigfaltigkeit an Gestaltungen, in der man den „inneren Puls“ immer noch spürt, so wie selbst im mängelbehafteten Staat die „Idee des Staates“ noch immer lebendig und begreifbar ist (7/25; 7/403 f., § 258 Z). Die in einer Vorlesungsnachschrift nachweisbare Formulierung, „was vernünftig ist, wird wirklich, und das Wirkliche wird vernünftig“6, akzentuiert stärker die historische Verwirklichungstendenz der Vernunft im Fortgang der Geschichte. Weder geht es schlicht um Akkomodation an gegebene Verhältnisse oder gar blanken Faktenpositivismus, noch um ein abstraktes unhistorisches Vernünfteln und präskriptives Entwerfen des „richtigen“ Geschichtsverlaufs, sondern um das „Ergründen des Vernünftigen“ durch „Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen“ (7/24) – in der Tat eine brisante Mischung zwischen normativem Konzept und Realitätsverschreibung.7

1. Freiheitsphilosophischer Ausgangspunkt und Systemaufbau Hegels optimistisches Programm einer Weltgeschichte als „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ (12/32), sowie sein Verständnis des Staates als „Verwirklichung der Freiheit“ (7/403, § 258 Z), gründen auf dem Willen, „welcher frei ist“ (7/46, § 4). Freiheit umfasst dabei sowohl die mentale Aufhebung jedweder Beschränkung als auch das Setzen von Willensinhalten, das heißt ein Treffen positiver Bestimmungen, und führt in der Verbindung beider Momente zu selbstbewussten und reflektierten konkreten Entscheidungen, zu einem Sich-Wiederfinden im Anderen als dem doch eigenen. Bei Hegel prallt nicht schrankenlose Willkür unvermittelt auf äußere 5 6 7

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Symbolisierung des unauflösbaren „enigmatischen Charakters jeglicher Staatlichkeit“, auch im Sinne eines Unvermögens der Vernunft in Ansehung der politischen Form, die „archaischen Geheimnisse ihrer selbst nicht lesen“ zu können, urteilt Gehring 2000, S. 50 und 56 ff. Hegel 1983a, S. 51. Das Konzept einer „Fortschrittsgeschichte“ verortet Siep 1997b, S. 19, letztlich in der Tradition der Aufklärung. Vgl. Hösle 1998, S. 422 f.

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Grenzziehungen, sondern ist der sich selbst wollende freie Wille von vornherein mit den namentlich auch intersubjektiven Bedingungen seiner Verwirklichung vermittelt.8 Neben subjektiver Innerlichkeit gehört zur Hegelschen Freiheit immer auch ihre Überführung und Objektivierung in Institutionen wie Recht und Staat, die keine Hindernisse, sondern Voraussetzungen von Freiheit darstellen. In diesem Sinne ordnet Hegel seine Rechtsphilosophie der Sphäre des objektiven Geistes zu. Das Recht als das „Dasein des freien Willens“ (7/80, § 29), als „Reich der verwirklichten Freiheit“ (7/46, § 4), umfasst daher nicht nur das „beschränkte juristische Recht“, sondern in eminent ausgreifender Weite das „Dasein aller Bestimmungen der Freiheit“ (10/304, § 486), also die Summe derjenigen „gesellschaftlichen Voraussetzungen, die sich als notwendig für die Verwirklichung des ‚freien Willens’ jedes einzelnen Subjekts erweisen“.9 Nach ihrem Aufbau präsentieren die „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ die Objektivierungen von Freiheit auf den Stufen des abstrakten Rechts, der Moralität und schließlich der Sittlichkeit. In der Sphäre des auf die äußeren Handlungen zentrierten „abstrakten Rechts“ steht die formell anerkannte Person, nicht die jeweils besondere, im Vordergrund, die man selbst zu sein hat und als solche man die anderen respektieren soll (7/95, § 36).10 Mit Persönlichkeit ist die bloße und gleiche Rechtsfähigkeit bezeichnet, aber auch ein absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen verbunden, da sich die Person eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben muss. Eigentum kraft gemeinsamen Willens zu haben, führt zum Vertrag, seine Verletzung zum Unrecht, wogegen sich das Recht durch Negation dieser seiner Negation, wie dann auch in der Strafe, wieder herstellt. In der „Moralität“ wird die Person zum Subjekt, weil sie nicht mehr bloß allgemein an sich seiender Wille, sondern für sich seiende Identität ist, die sich im Modus des Sollens selbstbestimmend auf den Willen bezieht. Diese Stufe ist für Hegel unverzichtbar, da „nur im Willen, als subjektivem, […] Freiheit oder der an sich seiende Wille wirklich“ sein könne (7/204, § 106). Die als Entdeckung des Christentums und Kennzeichen der modernen Welt herausgestellte Besonderheit des Subjekts kann allerdings kein Recht im Widerspruch zur eigenen „substantiellen Grundlage“, ein „Freies“ zu sein, behaupten und sieht sich damit selbst in Beziehung auf das Allgemeine, darunter das Wohl aller, gesetzt (7/233, § 124; 7/236, §§ 125 f.). Das Gute als das erfüllte Allgemeine, die realisierte Freiheit zu wissen, beansprucht das Gewissen von einem formellen Standpunkt des Subjekts aus und gilt Hegel von daher als „ein Heiligtum, welches anzutasten Frevel wäre“ (7/255, § 137 A), obschon es vom Staat als Form 8 9 10

Hierzu Honneth 2001, S. 18 und 22 ff. Honneth 2001, S. 31. Knapper Abriss des Werkes bei Jaeschke 2003, S. 364 ff.

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rein subjektiver Reflexion in der Sache keine Anerkennung erfahren kann. Immer auf dem Sprung, ins Böse umzuschlagen, indem die eigene Besonderheit über das Allgemeine erhoben wird, bedarf die Moralität Hegel zufolge des Übergangs zur „Sittlichkeit“ als der „konkreten Identität des Guten und des subjektiven Willens“ (7/286, § 141).11 Unmittelbar erfolgt diese Synthese in der Familie, die ihre Mitglieder durch Liebe zur Einheit bringt, sich jedoch mit der Volljährigkeit der Kinder auflöst, die sie in die bürgerliche Gesellschaft entlässt. In dieser „Erscheinungswelt des Sittlichen“ ist sich jede Person „als besondere Zweck“ und verfolgt damit letztlich rein egoistische Ziele, erfährt aber nur vermittelst anderer besonderer Personen, insofern doch in „Form der Allgemeinheit“, eine Befriedigung ihrer Bedürfnisse (7/338 f., §§ 181 f.). Dieses „System allseitiger Abhängigkeit“ auf der Basis gesellschaftlicher Arbeitsteilung bedarf stabilisierender Institutionen wie der Rechtspflege, der Polizei und der Korporationen, kann sich dennoch als unerbittlicher Kampfplatz der Individualinteressen, als reiner „Not- und Verstandesstaat“ (7/340, § 183), nicht aus sich heraus vor der Selbstzerstörung bewahren. Hierfür bedarf es laut Hegel des Staates als der „Wirklichkeit der sittlichen Idee“, der als „das an und für sich Vernünftige“ dem Allgemeinen Wirklichkeit verschafft, was zugleich der politischen Gesinnung der Individuen entspricht und darin Rückhalt und Wirksamkeit findet (7/398 f., §§ 257 f.).12 Es geht Hegel hierbei um eine idealiter gedachte, keineswegs in jedem Staat vorfindliche institutionelle Objektivierung von Freiheit, die nicht von einem besonderen Standpunkt aus überboten oder instrumentalisiert werden kann. Untereinander verharren die souveränen Staaten mangels „Prätor“ Hegel zufolge im „Naturzustand“ und können ihren Streit letztlich nur durch Krieg entscheiden (7/499 f., §§ 332 ff.).13 Aus den Volksgeistern bringt sich der „allgemeine Geist“, der „Geist der Welt“ hervor, der an ihnen und den sie verkörpernden Staaten „Weltgericht“ in der „Weltgeschichte“ hält (7/503, § 340). Der Realismus dieser durchaus entwicklungsoffenen Deskription mündet nicht in die befriedende Vision eines Kantischen Staatenbundes, steht jedoch unter dem Anspruch einer weltgeschichtlichen Verwirklichung von Freiheit.

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Zum spezifischen Sittlichkeitsbegriff bei Hegel knapp Kervégan 2005, S. 162 ff.; hilfreich, wie überhaupt im Umgang mit der Hegelschen Terminologie, auch Cobben 2006, S. 408 ff. Rekonstruktion bei Maihofer 1975, S. 361 ff., und Avineri 1976, S. 211 ff., und jüngst Koslowski 2008, S. 86 ff. Zu Hegels Lehre von den internationalen Beziehungen vgl. Linser 2007, S. 277 ff., sowie Bubner/Mesch 2001.

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2. Biographischer und werkgeschichtlicher Hintergrund Seit Jugendtagen vom welthistorischen Ereignis der Französischen Revolution fasziniert, soll der 1770 in Stuttgart geborene Georg Wilhelm Friedrich Hegel zeitlebens am 14. Juli auf die Erstürmung der Bastille angestoßen haben.14 Im Tübinger Stift (1788-93), das den Studenten der Theologie und Philosophie mit Hölderlin und Schelling zusammenbringt, galt Hegel als einer der „überzeugtesten Revolutionsfreunde“15. In Jena, wo er nach Hofmeisterjahren in Bern (1793-96) und Frankfurt (1797-1800) sich 1801 habilitiert und zunächst als Privatdozent und dann auf Vermittlung Goethes als außerordentlicher Professor (1805) lehrt, stellt er seine „Phänomenologie des Geistes“ fertig, die den mit der Revolution einhergehenden Terror im Kapitel „Die absolute Freiheit und der Schrecken“ (3/431 ff.). kritisch reflektiert. Spiegelverkehrt zur griechischen Polis, in der sich die Freiheit des Einzelnen aus dem Ganzen ergibt und sich demselben fügt, sehen sich die Einzelnen als die Schöpfer des sozialen Weltganzen unter dem jeweiligen Anspruch allgemeiner Freiheit, finden aber nicht zu einem dauerhaften institutionellen Zusammenschluss, sondern enden in der „Furie des Verschwindens“ (3/436). In seinen „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“ bilanzierte Hegel das System Robespierre nüchtern: „[D]ie subjektive Tugend, die bloß von der Gesinnung aus regiert, bringt die fürchterlichste Tyrannei mit sich“ (12/533). Auch Fichtes „Grundlage des Naturrechts“ (1796) und Kants „Metaphysik der Sitten“ (1797) hatte Hegel als im rein Formellen verharrende Ansätze kritisiert und in seinem Jenaer Aufsatz „Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts“ (1802/03) auf eine mit der Geschichte vermittelte praktische Vernunft gesetzt, die den Gedanken einer „absoluten Sittlichkeit“ entfaltet, zunächst gebunden an die organische Totalität des ständisch gegliederten Volkes (2/480 f.).16 In den Jenaer Systementwürfen aus den Jahren 1805/06 erfolgt die Umstellung des Bezugspunktes der sich in einem geistig-begrifflichen Prozess der Selbstbewusstwerdung entwickelnden Sittlichkeit vom Volk auf den Staat, wobei sich der allgemeine Wille nun „zuerst aus dem Willen der Einzelnen zu konstituieren“ hat und die Einzelnen sich „zum allgemeinen zu machen“ haben.17 Dass Staat und Verfassung auch für die Theorie nur so heißen, wenn sie „wirklich“ sind, hatte Hegel bereits in seiner „Verfassungsschrift“, einem erst posthum publizierten, 1802 fertig gestellten Manuskript, betont (1/473). Schon hier geht es Hegel um das „Verstehen dessen, was ist“, und „was nicht mehr begriffen werden 14 15 16 17

Vgl. Rawls 2002b, S. 426 Anm. 2 m.w.Nw. Vgl. Althaus 1992, S. 40; weiterführend Weisser-Lohmann/Köhler 2000; zu Hegels Verfassungsverständnis vgl. auch Lucas/Pöggeler 1986. Vgl. auch Hegel 2002, S. 47 ff. Hegel 1987, S. 234.

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kann, ist nicht mehr“ (1/461, 463). Der berühmte provokante Einleitungssatz „Deutschland ist kein Staat mehr“, rechtfertigt sich für Hegel denn auch daraus, dass sich eine „Menschenmenge“ nur dann einen Staat nennen dürfe, wenn sie „eine gemeinsame Wehre und Staatsgewalt bilde“ (1/472 f.), wovon bei dem im Inneren verfallenen und nach außen wehrlosen Reich keine Rede sein könne. Ein „Urbarium von den verschiedensten der nach Art des Privatrechts erworbenen Staatsrechte“ kennzeichne die innere Verfassung, was wegen der Verwechslung von Staats- mit Privatrecht zu einer misslichen Orientierung an Partikularinteressen führe, wohingegen Hegel das „System der Repräsentation“ als das „System aller neueren europäischen Staaten“ herausstellt und auch die Rolle der Fürsten entsprechend interpretiert (1/466, 533 f). „Prinzip der modernen Staaten“ sei es nach der Zerreißung der älteren Gemeinwesen im Gefolge der Religionsspaltung überdies gewesen, eine Verbindung „über äußere Dinge“ herbeizuführen und die Staatsgewalt „als reines Staatsrecht“ von der „religiösen Gewalt und ihrem Recht zu sondern“ (1/479, 521). Durchaus gleichsinnig sollte Hegel die Vertauschung von Staats- und Privatrecht in seiner sog. „Landstände-Schrift“ rügen, die er 1817 von seinem Heidelberger Lehrstuhl für Philosophie aus anonym veröffentlichte, auf den er ein Jahr zuvor nach einem Intermezzo als Schriftleiter der Bamberger Zeitung (1807-08) und langen Jahren als Direktor des Nürnberger Aegydiengymnasiums (1808-16) gelangt war. Anfang 1815 hatte der württembergische König dem Landtag zur Festigung des in seinem Umfang verdoppelten und zu einem souveränen Staat aufgerückten “neuen Württemberg“ eine Repräsentativverfassung vorgelegt, gegen die die Landstände eine erbitterte Opposition entfachten, da sie zur altständischen Verfassung zurückkehren wollten. Hegel sah hierin nur den Versuch, sich die Fortdauer von Privilegien zu sichern, indem man positivrechtlich mit alten Rechten vom „Standpunkt des Privatrechts“ aus argumentiere (4/508). Die Landstände hätten „nichts vergessen und nichts gelernt“ und schienen die „letzten 25 Jahre, die reichsten, welche die Weltgeschichte wohl gehabt hat, und die für uns lehrreichsten, weil ihnen unsere Welt und unsere Vorstellungen angehören, verschlafen zu haben“ (4/507).

Die überkommenen Rechtsbegriffe sieht Hegel, der sich auf die Seite des sich zum Konstitutionalismus bekennenden Königs stellt, im Zuge der Französischen Revolution zerstampft. Insbesondere die Berufung auf einen den Fürsten bindenden „Staatsvertrag“ weist Hegel als verfehlte Bemühung einer Kategorie des Privatrechts zurück.18 Gleichgerichtet begründet er die Ablehnung des Kontraktualismus mit der Bindung an die „Willkür“ der einzelnen später in seinen „Grundlinien der Philoso-

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Vgl. 4/505.

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phie des Rechts“ (7/400, § 258 A),19 die im Oktober 1820 erscheinen, nachdem Hegel 1818 an die erst knapp ein Jahrzehnt zuvor gegründete Berliner Universität gewechselt war. Für die Interpretation dieses sozial-, rechts- und staatsphilosophischen Schlüsselwerkes sind die aus der Zeit vor und nach der von Hegel selbst veröffentlichten Fassung vorliegenden Vorlesungsnachschriften20 ebenso zentral wie der Abriss der Philosophie des objektiven Geistes in der als VorlesungsKompendium angelegten „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse“, die 1830, ein Jahr vor Hegels Tod, in dritter Auflage erschien (10/303365, §§ 483-552). Noch in seiner letzten, von ihm selbst zur Veröffentlichung gebrachten Schrift „Über die englische Reformbill“, die im Frühjahr 1831 in drei Teilen anonym in der „Allgemeinen Preußischen Staatszeitung“ erscheint, während der vierte Teil aus außenpolitischer Rücksichtnahme in einen Privatdruck ausweichen muss, kommt Hegel auf das Problem einer privatrechtlichen Ausgestaltung eigentlich öffentlichrechtlicher Verhältnisse zurück. In England seien die Staatsrechte „bei der privatrechtlichen Form ihres Ursprungs und damit bei der Zufälligkeit ihres Inhalts stehen geblieben“ und hätten „noch nicht die Entwicklung und Umbildung erfahren, welche bei den zivilisierten Staaten des Kontinents durchgeführt worden“ seien (11/89).21 Aus diesem Grund regierten hier Privilegien und Privateigennutz, so dass eine halbherzige Wahlrechtsreform nicht zwangsläufig die Revolutionsgefahr mindere oder banne, sondern ebenso gut steigern könne. Die Schrift entspringt nicht zuletzt Hegels Unmut gegenüber der Pariser Juli-Revolution wie der belgischen Revolution von 1830, die ihm den erreichten konstitutionellen Entwicklungsstand zu gefährden schienen. Im November 1831 stirbt Hegel in Berlin vermutlich an der Cholera, nachdem er drei Tage zuvor der Nachschrift David Friedrich Strauß’ zufolge in der Vorlesung zur „Philosophie des Rechts“ mit dem Satz geendet hatte: „Die Freyheit ist das Innerste, und aus ihr ist es, dass der ganze Bau der geistigen Welt hervor steigt.“22

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Zu „Hegels Kampf gegen die Vertragstheorie“ vgl. Adam 1999, S. 251 ff. Vgl. Hegel 1973 f.; vgl. weiter Hegel 1983a; Hegel 1983b; Hegel 1999; Hegel 2005. Hierzu Jamme/Weisser-Lohmann 1995. Hegel 1831, S. 925.

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3. Staats- und verfassungstheoretische Impulse 3.1. Hegel und die politische Moderne Der besondere Reiz, Hegel in heutigen sozialphilosophischen Debatten zu reaktualisieren, liegt in seiner Abkehr von den atomistischen Freiheitskonzeptionen des Naturrechts zugunsten einer Einbeziehung der „intersubjektiven Bedingungen der individuellen Selbstverwirklichung“23. Indem Hegel die „Wirklichkeit der konkreten Freiheit“ sowohl in die „persönliche Einzelheit und deren besondere Interessen“ als auch in deren Übergang „in das Interesse des Allgemeinen“ (7/406 f., § 260) verlegt, hat er die verfassungsstaatlich elementare Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Voraussetzung subjektiver Freiheit begründet.24 Das „Prinzip der modernen Staaten“ hat für ihn denn auch die „ungeheure Stärke und Tiefe“, das „Prinzip der Subjektivität sich zum selbständigen Extreme der persönlichen Besonderheit vollenden zu lassen und zugleich es in die substantielle Einheit zurückzuführen und so in ihm selbst diese zu erhalten“ (7/407, § 260).25 Die bürgerliche Gesellschaft mit ihren widerstreitenden Einzelinteressen bedarf dabei des Staates, der ihre Einseitigkeit und das daraus folgende Ungenügen ausgleicht und überwindet, der sich nicht mit der Rolle eines rein funktionalen „Not- und Verstandesstaats“, eines letztlich nur partikularen Egoismen dienenden „äußeren“ Staates, bescheidet, sondern der „das allgemeine Interesse“ zum Zweck hat (7/340, § 183; 7/415, § 270),26 das die gefilterten besondern Interessen enthält. Der Einzelne rückt in eine Subjektstellung ein, die ihn grundsätzlich, wie auch immer vermittelt, zur Mitgestaltung berechtigt.27 Erschien der Einzelne in der bürgerlichen Gesellschaft noch als Gefangener seiner 23 24 25

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Honneth 2001, S. 16; zur Rekonstruktion der politischen Philosophie Hegels und der zugrunde liegenden „synthetischen Freiheitsauffassung“ aus dem Begriff der Intersubjektivität Dellavalle 1998, S. 36 ff. u. passim. Böckenförde 1973, S. 10, nennt dies die „klassische Formulierung und Feststellung“. Im Zusatz erläutert Hegel (7/407, § 260 Z), das „Wesen der neuen Staaten“ sei die Verbindung des Allgemeinen „mit der vollen Freiheit der Besonderheit und dem Wohlergehen der Individuen“; die „Allgemeinheit des Zwecks“ könne also nicht ohne „das eigene Wissen und Wollen der Besonderheit, die ihr Recht behalten muss, fortschreiten“. Das Allgemeine müsse „also betätigt“ sein, „aber die Subjektivität auf der anderen Seite ganz und lebendig entwickelt werden. Nur dadurch, dass beide Momente in ihrer Stärke bestehen, ist der Staat als ein gegliederter und wahrhaft organisierter anzusehen.“ Im Einzelnen und zum Folgenden Pauly 2000, S. 381 ff. Unter anderem darin, dass Hegels Rechtsbegriff alle „Generationen“ der Grundrechte umfasse, erblickt Siep 2003, S. 191 und 196 ff. in seinem gleichnamigen Aufsatz die „Aktualität der praktischen Philosophie Hegels“; in der fehlenden institutionellen Absicherung der Individualrechte sieht Schnädelbach 2000, S. 343, „ein Defizit des Hegelschen Entwurfs“; insgesamt betrachtet Schnädelbach die Hegelsche Staatslehre jedoch als „eine Variante moderner Staatskonzeptionen“ (Schnädelbach 2000, S. 300).

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zufälligen Bedürfnisse, so befreit er sich im Staat zu einem allgemeinen Dasein, das seinem geistigen Potential entspricht. Der Staat wird Sache des Bürgers, der ihn versteht und nicht mehr als rein äußere Instanz ansieht. Unverzichtbar ist dabei die Anerkennung eines objektiven Geltungsanspruchs, der den allgemeinen Standpunkt gegenüber Partikularinteressen auszeichnet. Adäquat verstanden präsentiert sich der Staat als eine Stufe neuer Qualität, die sich ihrerseits als agierendes Subjekt begreifen lässt, das sich selbst will. Die Wirklichkeit des staatlichen Organismus hängt für Hegel hierbei immer auch an der entsprechenden Gesinnung und Leistung je Einzelner, die die Perspektive des Allgemeinen internalisiert haben. Für Hegel war der Halt entscheidend, den der Staat in einem realen Einzelwillen fand, der zwar nicht den Inhalt des staatlichen Willensaktes zu bestimmen, aber die Einheit der staatlichen Gewalten zu symbolisieren hatte. Den Ruf eines preußischen Staatsphilosophen hat Hegel insbesondere die Affirmation der konstitutionellen Monarchie eingetragen, die den Monarchen als Spitze formellen Entscheidens im souveränen staatlichen Organismus sieht, ihn aber mit der Rolle bescheidet, den „Punkt auf das I“ zu setzen (7/451, § 280 Z). Hegels zeitgebundene Rekonstruktion und zum Teil reformorientierte frühkonstitutionelle Überformung des preußischen Staatsrechts seiner Zeit lässt sich allerdings, wie die Hegel-Forschung mehrfach betont hat,28 durchaus in demokratischer Richtung fortschreiben.29 Sein Bild der bürgerlichen Gesellschaft hat Hegel alles andere als national konzipiert. Im Gegenteil gilt für ihn der Mensch in der Gesellschaft, weil er Mensch und „nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist“ (7/360, § 209 A).30 Da ihm zufolge die bürgerliche Gesellschaft zudem zur Expansion und Kolonisation neigt, steht sein Ansatz dem Konzept einer Weltgesellschaft keineswegs fern, wird aber dennoch begrenzt durch die nationalstaatliche Perspektive, der Hegel seinem Grundkonzept entsprechend, die Vernünftigkeit einer gegebenen Wirklichkeit zu begreifen, verpflichtet sein musste. In Hegels geschichtlicher Welt war der Nationalstaat Ausgangs- und Zuordnungspunkt gesellschaftlicher Aktivität. Die gedankliche Vorgängigkeit des Staates im Verhältnis zur Gesellschaft beruht bei Hegel auf der Annahme, dass die Gesellschaft in der sozialen Wirklichkeit keinen Bestand haben kann, wenn sie nicht zugleich an einen staatlichen Funktionszusammenhang zurückgebunden ist. Auch eine einzelstaatlichen Hegungen entwachsene 28 29 30

Vgl. Hartmann 1976, S. 185 ff.; Maluschke 1982, S. 256 ff. und 281 ff.; und Petersen 1992, S. 207 ff. Dass die „moderne Massendemokratie Hegels Ansprüchen wohl kaum genügt hätte“, betont Thiele 2008, S. 10, demzufolge für Hegel der „liberale Rechtsstaat“ und nicht die Demokratie den „Zielpunkt der bisherigen Verfassungsgeschichte“ bildet (Thiele 2008, S. 10). Der potentiellen Universalität der bürgerlichen Gesellschaft entspricht Ritter 1965, S. 62 ff., zufolge deren geschichtslose Abstraktheit.

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Weltgesellschaft bedürfte auf Grund der von Hegel formulierten prinzipiellen Defizienz bürgerlicher Gesellschaft der politischen Überformung, auf welcher Organisationsebene auch immer. Die hiermit verbundenen Grundfragen bleiben, auch nachdem jene historische Formation abgedankt hat, deren immanente Vernünftigkeit Hegel zu erfassen suchte.

3.2. Die einzelnen Beiträge Die Fundamente des Hegelschen Staats- und Verfassungsverständnisses untersucht ein erster Abschnitt „Vernunft und Wirklichkeit in Hegels politischer Philosophie“ zunächst im Rekurs auf die politische Ideengeschichte. Dabei zeigt Christoph Binkelmanns Beitrag „Hegel in der Tradition des politischen Denkens“ einen Entwicklungsstrang auf, der seinen Ausgang bei der platonischen Analogie zwischen Seelenund Polisverfassung wie der antiken Zentriertheit des Einzelnen auf die Polis nimmt. Diese noch natürliche Identität wird durch die Aufnahme des im Christentum entwickelten Prinzips subjektiver Freiheit, jedoch unter Absage an Hobbes’ vertragstheoretische Akzentuierung des Individuums, zur reflektierten Einheit von Bürger und Staat ausgeformt. Stark beeinflusst durch Rousseaus Konstruktion des Staates mittels der Figur eines über den partikularen Egoismen angesiedelten allgemeinen Willens und unter gleichzeitiger Rezeption wie Überwindung des sphärenabgrenzenden kantischen Autonomiekonzepts gelangt Hegel zu einer komplexen Synthese, die dem staatlichen Ganzen einen gewissen Primat vor dessen Teilen einräumt. Die subjektive Freiheit der Einzelnen hängt dabei zwar von der Objektivität des Ganzen ab, bestimmt deren Gestalt jedoch nicht unwesentlich mit. Von Fichte übernimmt Hegel das Anerkennungstheorem, wahrt aber gegenüber dessen polizeistaatlichen wie dann im Spätwerk herrschaftsüberwindenden Extrempositionen Distanz. Dass sich Selbstbewusstsein bei Hegel maßgeblich in Beziehung auf den Anderen konstituiert und deswegen intersubjektive Anerkennung die Basis von Gemeinschaftsbildung ausmacht, stellt Thomas Sören Hoffmann in seinem Aufsatz „Freiheit, Anerkennung und Geist als Grundkoordinaten der Hegelschen Staatsphilosophie“ heraus. Die damit einhergehenden spezifischen Strukturen von Geistigkeit exemplifiziert Hoffman am Staat als Emanation des objektiven Geistes, dessen vorgängige Existenz Hegel zufolge nicht mittels kontraktualistischen Atomismus eingeholt werden könne. Daß es Hegel um objektive Handlungstypen und die ganzheitliche Perspektive des staatlichen Organismus geht, illustriert schließlich Elisatbeth WeisserLohmann in ihrem Beitrag „Der Staat als Gestalt der ‚Sittlichkeit’“ anhand der gedanklichen Architektur der Hegelschen Rechtsphilosophie. Im zweiten Abschnitt „Hegels Theorie des modernen Staates“ bilden die Struktur22 der bürgerlichen Gesellschaft, die Begriffe von Staat und Verfassung, die staatlichen 22

Institutionen und die Stellung des Einzelnen den Gegenstand der Untersuchung. Michael Henkel erörtert „Hegels Konzept der bürgerlichen Gesellschaft“ als entwicklungsoffenen Entwurf, an den Denker bis ins frühe 21. Jahrhundert hinein konstruktiv anknüpfen konnten. Als Entdecker des modernen Gesellschaftsbegriffs ist Hegel von überdauernder Aktualität, nicht zuletzt gegenüber neoliberalen Profilierungen einer vom Staat abgelösten Gesellschaft. Henkel erkennt in Hegels bürgerlicher Gesellschaft im Grunde die Weltgesellschaft, die mangels eines „Menschheitsallgemeinen“ an das konkret Allgemeine einer lokal geerdeten Staatenwelt angebunden bleibt. Die mit der Globalisierung einhergehende Ausbildung internationaler Regime entspräche systematisch dem in Hinsicht der Freiheit defizitären Hegelschen Not- und Verstandesstaat. Behandelt wird ebenfalls die im Marxismus anzutreffende Auflösung der von Hegel entwickelten Verbindung von Staat und Gesellschaft, indem sich in letzter Instanz die kommunistische Gesellschaft ohne Staat präsentiert. Demgegenüber habe Lorenz von Stein auf die Integrationskraft des modernen Staates gesetzt, der in dieser Linie, wie dann namentlich bei Hermann Heller, zum freiheitlichen Sozialstaat fortentwickelt worden sei. Dass es sich bei Hegel um einen Theoretiker des klassischen Rechtstaatsprinzips handele, begründet Henkel aus dessen Abhandlung der Rechtspflege. Den Grundbegriffen „Staat und Verfassung bei Hegel“ widmet sich im Anschluß Oliver W. Lembcke, der das in den „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ ausgeformte Begriffssystem in seinen Anfängen in Hegels Verfassungsschrift nachzeichnet. Deutlich wird erneut insbesondere, wie wenig Hegel auf das nationalistische Projekt abzielte und stattdessen einen Patriotismus favorisierte, der auf ein Zutrauen baute, dass die eigenen besonderen Interessen auf der Ebene des Allgemeinen berücksichtigt und aufgehoben sind. Um der Selbstversklavung zu entgehen, müsse der in elementarer Sozialität befangene Einzelne in den Staat eintreten, der in diesem Sinne als ein „Zustand freiheitlichen Zusammenlebens“, als „spezifischer Modus des gesellschaftlichen Lebens“ überhaupt erscheint. Der spezifischen Selbstausdifferenzierung des Staates gilt ein zweiter Staatsbegriff, der unter dem Anspruch von Einheit und Differenz als politischer Organismus gefasst wird. Die Perspektive des Allgemeinen erheischt dabei eine Objektivität, die allererst als Referenzpunkt aller Subjektivismen konstituiert werden muss und zwar jenseits der Willkürlichkeit eines Staatsvertrages. Der „Staat als politischer Organismus“ lässt Thomas Petersen zufolge weder einen vom Staat separierten pouvoir constituant zu noch eine Souveränität von Monarch oder Volk, die über deren rein organschaftliche Stellung hinausführen könnte. Die Struktur des sich selbst erhaltenden Organismus ergibt sich aus den Begriffsmomenten der Allgemeinheit in Form der gesetzgebenden Gewalt, der Besonderheit in Form der Regierungsgewalt und der Einzelheit in Form der fürstlichen Gewalt, die durch konfliktlösendes Entscheiden die Einheit des Staates zu wahren vermöge. Einen allgemeinen23 23

Willen, den sich alle zueigen machen könnten, in deren Selbstbewusstsein und Willen der Staat doch letztlich existiere, vermöge nur die gesetzgebende Gewalt auszubilden – unter Einbeziehung der zunächst zufälligen und unaufgeklärten öffentlichen Meinung, die erst durch die öffentlich beratende Ständeversammlung geläutert werde. In „Freiheit in Bindungen“ untersucht Uwe Volkmann die Bedeutung des Einzelnen in Hegels Staat und sieht die Sicherung der individuellen Rechte dabei dem positiven Recht zugewiesen, wobei Hegel zu einer „spezifisch grund- oder gar menschenrechtlichen Absicherung“ oder auch zu Kontrollinstanzen, an die sich der Bürger richten könnte, nicht vorgedrungen sei. Da der Gesetzgeber bei Hegel jedoch Rücksicht auf die historisch vorgefundene und mental tief verankerte konkrete Lebensordnung nehmen müsse, stelle sich das Problem, zu dessen Lösung es klagbarer Grundrechte bedürfte, erst gar nicht. Das Fehlen individuell radizierter Mitwirkungsrechte sei vergleichsweise gravierender. Diskutiert wird die immer wieder beschworene Gefahr, bei Hegel werde der Einzelne letztlich zum Funktionär des Allgemeinen herabgestuft, demgegenüber jedoch die Abschirmung eines Refugiums persönlichen Gewissens und menschlicher Freiheit auch gegenüber staatlichem Zwang hervorgehoben. Entgegen gegenwartsmächtigen Entwürfen eines normativen Individualismus betont Volkmann die Hegelsche lebensweltliche Verankerung von Freiheit und findet insoweit Verbindungslinien zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nicht zuletzt zu der im Lüth-Urteil profilierten Wertordnungslehre. Anders als Hegel will Volkmann das für Staatlichkeit unverzichtbare Minimum gemeinsamer Wertorientierung „heute stärker prozedural und dynamisch als inhaltlich-erfüllt und statisch“ gedacht sehen, wobei die angesichts der zu verarbeitenden gesellschaftlichen Differenz und Pluralität geforderte kommunikative Offenheit möglicherweise bereits im Begriffshorizont des hegelschen sittlich Allgemeinen liegt. Der dritte Abschnitt über „Hegels Konzeption der internationalen Beziehungen“ bringt mit Sergio Dellavalles Beitrag „Hegels äußeres Staatsrecht: Souveränität und Kriegsrecht“ geradezu eine Ausdeutung von Hegel als Wegbereiter eines „kommunikativen Ordnungsparadigmas“, das allerdings durch eine subjektphilosophische Geisterontologie und Staatsfixierung überlagert sei. Nachgezeichnet wird eine Entwicklung der Ordnungsparadigmen internationaler Beziehungen ausgehend vom antiken holistischen Partikularismus über den holistischen Universalismus christlicher Provenienz zum universalistischen Individualismus der politischen Moderne, wie ihn Hegel in Form von Kants Entwurf zum ewigen Frieden explizit zurückweise. Gleichwohl könne Hegel nicht schlicht als holistischer Partikularist verbucht werden, da sich bei ihm auch eine universalistische Komponente zeige, wenn sich die universale Vernunft in der Weltgeschichte zur Geltung bringe und sich die Staaten als ihre endemischen Repräsentanten erwiesen. Ihmzufolge eignet auch dem24 24

Völkerrecht Normativität, wenngleich eine schwache angesichts der mangelnden Effektivität seiner Durchsetzung. Anders als Carl Schmitt begreife Hegel Politik nicht primär als existentielle Selbstbehauptung und Krieg nicht als existentiellen Kampf zwischen „quasi-natürlichen Entitäten“. In seinem Beitrag „Weltgeschichte als Weltgericht in Hegels Geschichtskonzeption“ räumt Steffen Schmidt das Mißverständnis sowohl einer geschichtsentscheidenden physischen Stärke als auch einer obskuren Vorsehung oder blinden Schicksals aus. Philosophie der Weltgeschichte als Grenzphänomen zwischen objektivem und absolutem Geist kennzeichnet vielmehr die Selbstauslegung des sich seiner Freiheit bewusst werdenden und zur Selbstverwirklichung drängenden Geistes. Menschliche Freiheit als Ziel und Motor von Geschichte, die damit immer auch ein Werk des Menschen ist, steht dabei grosso modo für Fortschritt, lässt aber Raum für Gelingen wie Scheitern. Der vierte und letzte Abschnitt gilt der „Rezeption und Wirkung“ der politischen Philosophie Hegels und nimmt sich im Beitrag von Tilmann Reitz „Die vernünftigen Institutionen und ihre Feinde“ vornehmlich der Kritikgeschichte an. Dabei präsentiert sich die Kritik als ebenso inhomogen wie die bis in die Gegenwart gesuchten Anschlüsse, nachdrücklich etwa bei Axel Honneth. Der Vorwurf reaktionärer Anbequemung findet sich bereits in den ersten zeitgenössischen Reaktionen auf die „Grundlinien“, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen politischen Lagern Widerspruch ernten. Die prominente Kritik des jungen Marx zielt auf eine „Genitivverkehrung“, die durch Vertauschung von Subjekt und Prädikat insbesondere den Staat als Entfremdungszustand seines logischen-spekulativen Vorrangs vor der Gesellschaft enthebt. Das Diskussionsfeld wird dabei auf Louis Althusser, Antonio Gramsci und Theodor Adorno erstreckt und reicht über die verzeichnende Etikettierung Hegels als Feind der offenen Gesellschaft bei Karl Popper bis hin zu poststrukturalistischen Demontagen bei Jacques Derrida. Im letzten Beitrag des Bandes analysiert Jean-Christophe Merle die erstaunliche Tatsache, dass sich in der gegenwärtigen politischen Philosophie sowohl Kommunitaristen wie namentlich Alasdair McIntyre und Charles Taylor als auch Vertreter des Liberalismus wie John Rawls maßgeblich auf Hegel berufen, mehr auf seine Gesellschafts- als denn seine Staatstheorie. Auf ihre Weise verzeichneten beide Seiten Hegel, der auf kommunitaristischer Seite mobilisiert werde, um den universalistischen Liberalismus zu kritisieren. Dabei werde der Staat aber entweder als Gemeinschaft in die Gesellschaft verlagert (McIntyre) oder ihr als Ideal (Taylor) entrückt. Auf der liberalen Seite finde sich Hegel in Ermangelung einer überzeugenden zivil-religiösen Integration als Lieferant eines gesellschaftlichen Bindemittels bemüht. Zugleich vermerkt Rawls selbst, daß sich das Hegelsche Modell monistischer politischer Zwecksetzung nicht problemlos in ein Konzept liberaler und pluralistischer Legitimität einarbeiten läßt. Rawls Bezugnahme verfehle Hegels Staatstheorie und verschenke zugleich25 25

Potentiale der Rawlschen Gerechtigkeitstheorie. Nicht zuletzt in solchen Transformationsversuchen bleibt Hegel aktuell.

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I. Vernunft und Wirklichkeit in Hegels politischer Philosophie

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Christoph Binkelmann

Hegel in der Tradition des politischen Denkens

1. Einleitung: Hegel und das politische Denken seiner Zeit Die philosophische Staatswissenschaft bestimmt Hegel in der Vorrede seiner Grundlinien der Philosophie des Rechts (1820) als „Versuch, den Staat als ein in sich Vernünftiges zu begreifen und darzustellen“ (7/26).1 Ihr Gegenstand, der Staat, befindet sich weder in der Vergangenheit (Tradition) noch der Zukunft (Utopie); ihre Methode besteht insofern darin, „ihre Zeit in Gedanken“ zu erfassen (7/26). In dieser Hinsicht verwundert es keineswegs, dass sich Hegel in der besagten Schrift nicht vordergründig mit dem politischen Denken der Tradition von Platon bis Fichte, sondern vorwiegend mit den kontemporären Theorien auseinandersetzt. Zu den prominenten Richtungen seiner Zeit zählt Hegel die restaurative Staatslehre von Carl Ludwig von Haller, die historische Rechtsschule um Friedrich Carl von Savigny und Gustav von Hugo sowie den von Kant beeinflussten politischen Denker Jakob Friedrich Fries. Das gemeinsame Vergehen dieser drei Positionen gründet Hegel zufolge im „Hass gegen alle Gesetze, Gesetzgebung, alles förmlich und gesetzlich bestimmte Recht“, obzwar sie jeweils aus unterschiedlichen Motivationen zu dieser Einstellung gelangen (7/402, § 258; 7/20).2 Wogegen sie sich gemeinsam wenden, ist die rationalistische Tradition, dergemäß der Staat, das Recht und die Gesetze aus der menschlichen Vernunft zu konstruieren und zu begründen sind. Dem setzt von Haller eine „naturalistische“ Theorie entgegen,3 wonach Recht und Herrschaft durch die Überlegenheit des Stärkeren über die Schwächeren entstehe und erhalten bleibe. Er verwirft insbesondere die Theorie des Gesellschaftsvertrags als Chimäre, welche die vertragliche Zustimmung aller Bürger zur notwendigen Staatslegitimierung erklärt. Eine gleichermaßen antikonstruktivistische Haltung nimmt die historische Schule an, wiewohl sie nicht eine natürliche als vielmehr eine kulturgeschichtliche Entstehungsgeschichte des Staates vertritt, die sich an Montesquieus Konzept des Natio1 2 3

Quellenangaben ohne weitere Namensnennung beziehen sich auf die Theorie-Werkausgabe Hegel 1969 ff. Zitierung erfolgt nach ‚Band/Seitenzahl, Paragraph’; ‚A’ steht für Anmerkung. Zu Fries. Haller 1964. Für Haller gehorcht die Natur der ewigen Ordnung Gottes, insofern ist die Rede von einem Naturalismus zu relativieren.

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nalgeistes (esprit des nations) anschließt. Danach entspringen Gesetzgebung und Verfassung eines Volkes keiner willkürlichen oder auch rein vernünftigen Festlegung, sondern empirischen Bedingungen wie Klima, geographische Lage, Sitten und Bräuche. Die Frage nach Recht und Gesetz muss sich folglich nicht an eine (abstrakte) Vernunft, sondern an die konkrete geschichtliche Genese wenden.4 Profilieren sich die beiden angeführten staatswissenschaftlichen und -rechtlichen Positionen durch ihre Kritik an der Aufklärung, insbesondere an der Kantischen Philosophie, so steht die Philosophie Fries’ in deren Denktradition. Für Hegel ist sie die „vollendete Verseichtigung der Kantischen“ Philosophie (7/67, § 15). Wie schon die beiden genannten Positionen ist auch Fries in Hegels Augen vom „Hass gegen das Gesetz“ geleitet. Indes rührt dieser Hass nicht aus einer naturalistischen oder historistischen Hinwendung zur Wirklichkeit. Fries verlegt das Kriterium des Rechten und Sittlichen in das Gefühl und Gewissen des Einzelnen. Hegel vergleicht ihn deshalb mit den Sophisten zu Platons Zeiten, „welche das, was Recht ist, auf die subjektiven Zwecke und Meinungen, auf das subjektive Gefühl und die partikuläre Überzeugung stellen, – Prinzipien, aus welchen die Zerstörung ebenso der inneren Sittlichkeit und des rechtschaffenen Gewissens […] als die Zerstörung der öffentlichen Ordnung und der Staatsgesetze folgt“ (7/21 f.).5

Allen drei Positionen attestiert Hegel die „Verkennung des vernünftigen Standpunktes“, welcher notwendig ist für die „an und für sich gültige Rechtfertigung“ der staatlichen Gewalt und deren Gesetze (7/44, § 3 A; 7/36, § 3). Doch was meint Hegel mit dieser notwendigen Vernünftigkeit? Wozu und für wen bedarf es ihrer? Der Aufweis der Vernunft im Staat und den Gesetzen ist Hegel zufolge notwendig sowohl für die Staatswissenschaft als auch für die Bürger. Die „Systematisierung und Rationalisierung“6 ist einerseits Aufgabe der Wissenschaft, andererseits aber auch der Politik, damit die Gesetze und Rechte eine normativ-bindende Kraft für die Bürger ausüben, die nicht bloß autoritär ist. Denn was vernünftig ist, dem kann jeder aus eigener Einsicht zustimmen. Die Möglichkeit dieser Einsicht vereitelt die naturalistische oder historistische Erklärung des Staates durch ihren rein deskriptiven Zugang zum Gegenstand. Ebenso wenig ist sie für Hegel dadurch wissenschaftlich, weil sie lediglich eine Darstellung von Fakten betreibt. Das Wirkliche muss in seiner Vernünftigkeit begriffen werden können. Gleichermaßen unwissenschaftlich ist die Position von Fries, wenn sie Wahrheit und Gerechtigkeit auf Gefühl und subjektive Überzeugung gründet. Denn diese 4 5 6

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Savigny 1967. Hegel stellt Fries an den Anfang der Kausalkette, die von dessen Rede auf dem Wartburgfest (1817) zur Ermordung des Dichters Kotzebue und zu den Karlsbader Beschlüssen führte (1819). Zur geschichtlichen Situation vgl. Koselleck 1967. Schnädelbach 2000, S. 200.

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Instanzen liefern keinen allgemeingültigen Maßstab für die politische Realität. Das Gefühl ist wankelmütig und instabil, seine Inhalte variieren von Mensch zu Mensch und von Zeit zu Zeit. Was die Menschen für richtig halten, muss in stabilen Institutionen und Gesetzen wirklich werden, das heißt wirken können. Das Vernünftige muss wirklich sein. Diese beiden Aspekte vereinigt Hegel in dem bekannten, stark pointierten Ausspruch: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“ (7/24). Die Identität von Vernunft und Wirklichkeit betrifft also sowohl die Staatswissenschaft und ihren Gegenstand als auch das Verhältnis des Bürgers zum Staat. „Das Politische“ ist für Hegel gerade diese Identität, die freilich nicht im Sinne eines statischen Zusammenfallens, sondern als eine dynamischgeschichtliche Entwicklung verstanden werden muss: Als eine Zunahme an Vernünftigkeit des einzelnen Menschen, des Staates und der Staatswissenschaft. Aus eben diesen Gründen wird es dann doch für Hegel notwendig, das politische Denken von Platon bis zu seiner Zeit in dieser Hinsicht, nämlich als ideelle Durchdringung und Auseinandersetzung mit der jeweils eigenen Zeit, nachzuvollziehen. Denn will man die Gegenwart auf vernünftige Weise erklären, muss man deren Genese sowie die Genese von deren wissenschaftlicher Reflexion begreifen. Dadurch wird sich klären, welche Form von Vernunft und Wirklichkeit das Politische zur stabilen Identität führen kann.7

2. Die Entstehung des politischen Denkens bei den Griechen: Platon – Aristoteles Eine Beschäftigung mit dem politischen Denken Hegels verlangt die Hinwendung zur Antike. Schon der Begriff des Politischen verlangt diesen Rekurs: Er stammt bekanntlich vom griechischen Wort Polis, der Bezeichnung für den griechischen Stadtstaat. In diesem Kontext entwickelte sich – so die bekannte These des Historikers Christian Meier – das „Politische“, verstanden als Raum öffentlichen Handelns und bürgerlicher Mitbestimmung. Im Gegensatz etwa zu autoritär organisierten Großreichen (wie z.B. Persien) ging mit dieser seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. „demokratischen“ Praxis auch ein öffentlicher Diskurs über politische Themen wie Gerechtigkeit und Verfassung einher.8 Dabei scheint es, als markiere der Höhepunkt 7

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Die folgende Auswahl der politischen Denker ergibt sich weitestgehend aus Hegels eigener Einschätzung ihrer Relevanz für den Gegenstand, wie sie vielen seiner Schriften zu entnehmen ist; z.B. der Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Aus diesem Grund wird das politische Denken im Mittelalter ausgeklammert; dabei soll nicht behauptet werden, dass ein Vergleich unangemessen ist. Vgl. Hindler 1979. Zu diesem Thema: Meier 1983.

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dieses politischen Denkens zugleich den Anfang vom Ende der griechischen Polis: „[D]ie Eule der Minerva [das heißt die Theorie] beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“ (7/28). Dieser Ansicht verleiht Hegel Ausdruck, wenn er die Politeia von Platon (427347 v. Chr.), die häufig als utopischer Entwurf eines Idealstaates gelesen wird, vielmehr als letzten Konservierungsversuch der damaligen Polis gegen ihren Zerfall deutet (7/24).9 Für Hegel glich die Polis einem kollektiven Organismus, in welchem jeder Bürger nur durch seine Stellung im politischen Ganzen bestimmt war, das heißt, indem er darin „das Seinige tut“.10 Mit dem Aufkommen der Sophisten, aber zum gewissen Teil auch mit Sokrates, Platons Lehrer, bricht der griechische Kollektivismus auf; es entsteht ein für den Fortbestand der Polis gefährlicher Individualismus.11 Das „Prinzip der griechischen Sittlichkeit [...] ist, dass [...] das Sittliche das Verhältnis des Substantiellen habe [...]. Die Bestimmung, die diesem entgegensteht – diesem substantiellen Verhältnis der Individuen zur Sitte –, ist die subjektive Willkür der Individuen, die Moral; dass die Individuen nicht aus Achtung, Ehrfurcht für die Institutionen des Staats, des Vaterlandes aus sich heraus handeln, sondern aus eigener Überzeugung, nach einer moralischen Überlegung einen Entschluss aus sich fassen, sich danach bestimmen. Dies Prinzip der subjektiven Freiheit ist ein späteres, ist das Prinzip der modernen, ausgebildeten Zeit. Dies Prinzip ist in die griechische Welt auch gekommen, aber als Prinzip des Verderbens der griechischen Staaten, des griechischen Lebens“ (19/113 f).

Die bedeutendste Einsicht Platons, wodurch alle späteren politischen Theorien nur wie „Fußnoten zu Platon“ (A.N. Whitehead) wirken, besteht in einem methodischen Kunstgriff zur Erklärung der Gerechtigkeit: die Seele-Staat-Analogie.12 Um zu erkennen, was einen gerechten Menschen auszeichnet, empfiehlt sich die Konstruktion einer gerechten Polis. „Vielleicht also ist wohl mehr Gerechtigkeit in dem Größeren und leichter zu erkennen“.13 Dieser Kunstgriff bedeutet – wie im Verlauf des Dialoges deutlich wird – mehr als eine methodische Abkürzung: Die Unterteilung der gerechten Polis in drei Stände – die Gewerbetreibenden bzw. Handwerker, die Wächter und die Herrscher – führt Platon zur hierarchischen Organisation der menschlichen Seele in Begierde, Affekte und Vernunft mit den jeweiligen Tugenden: Besonnenheit, Tapferkeit und Weisheit. Gerechtigkeit bedeutet dann, dass jeder 9 10 11

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Zu diesem Zweck muss Platon offensichtlich auch auf neuartige bis utopische Konstrukte zurückgreifen, wie z.B. die berüchtigte Frauen- und Gütergemeinschaft. Platon 2002, S. 333 (433 a). Vgl. dazu Bubner 2002, S. 61 ff. Die Nähe von Sokrates zu den Sophisten macht der Komödiendichter Aristophanes in Die Wolken deutlich. Daraus erklärt sich ebenso die ambivalente Position Platons – einerseits Verfechter der alten Ordnung, andererseits selbst vom sophistischen Gedankengut „infiziert“ zu sein. Zu dieser Idee bei Platon, Kant und Schiller: Baumanns 2007. Platon 2002, S. 259 (368 e).

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Seelenteil sowie jeder Stand die ihm angemessene Tugend ausbilde („das Seinige tue“) und sich der Gesamtorganisation füge. Die Harmonie der Seele, Thema der Ethik, sowie die Harmonie des Staates, Thema der Politik, bezeichnen für Platon zugleich die Harmonie von Seele und Staat. In Platons Politeia sind beide Disziplinen nicht sinnvollerweise voneinander zu trennen. Einsicht und Konstituierung dieser Einheit obliegt gemäß der Konzeption der Vernunft bzw. den Herrschern. Daraus folgt nicht nur die bekannte These Platons vom Philosophenkönig, sondern ebenso die Abwertung des Wissensmomentes bei den unteren Ständen – deren Tugenden bestehen in der Besonnenheit bzw. der Tapferkeit, nicht aber in der Vernunft. Allein der Philosophenkönig besitzt einen Einblick in die Natur des gerechten Menschen und Staates. Die feste, in der Natur der Sache begründete Dreiteilung von Seele und Staat bei Platon wehrt sich offensichtlich gegen die Korrosionserscheinungen der Polis durch den Subjektivismus der Sophisten, der den Menschen zum Maß aller Dinge (Protagoras) macht und einen ursprünglichen Egalitarismus und Konventionalismus (Antiphon) vertritt, der jede sich auf Tradition berufende Ordnung gefährdet. Mit weniger geschichtlichem Feingefühl kann man Platon deshalb einen totalitären Staatsbegriff vorwerfen, der sich mit liberalen Vorstellungen nicht vereinbaren lässt (so Popper). Weitaus sachlicher konstatiert Hegel in Platons Politeia den Mangel an subjektiver Freiheit, die sich erst im Verlauf des europäischen Christentums und der neuzeitlichen Aufklärung hat entwickeln müssen. Doch gewinnbringend scheint demgegenüber die Einsicht, dass zum Fortbestand des Staates die Möglichkeit einer Identifizierung der Bürger mit dem Staat offengehalten werden muss, die sich in einer strukturellen Isomorphie beider (Seele-Staat-Analogie) manifestiert; selbst wenn die inhaltliche Bestimmung dieser Analogie bei Platon letztlich totalitär anmutet. Vom Schüler Platons, Aristoteles (384-322 v. Chr.), kann man behaupten, dass er „gegen Platon die Wahrheit der sophistischen Reflexionsphilosophie eingeklagt hat“.14 Der sich schon in Platons Denken abzeichnende Aufbruch des griechischen Poliskosmos durch die sophistische Kritik und Politik entwickelt sich bei Aristoteles weiter. Als ein aus Stageira stammender Einwohner Athens (ein so genannter Metöke) besaß er keine Bürgerrechte und als Lehrer von Alexander dem Großen stand er in Kontakt mit dem makedonischen Großreich, das später durch kriegerische Expansion endgültig die politische Autarkie der Stadtstaaten zerstören wird. So warf er wohl einen distanzierteren Blick auf die Polis als Platon. Im Gegensatz zu Platons „Philosophie von oben“ nimmt Aristoteles den Ausgang „von unten“: In seiner Politik hebt die Frage nach dem Staat deshalb mit dem einzelnen Menschen (anthropos) an und entwickelt eine politische Anthropologie. 14

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Bien 1973, S. 16. https://doi.org/10.5771/9783845215273-29 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:39.

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Aristoteles kritisiert an Platon den zu starken Einheitsgedanken im Staatsbegriff, der die Rechte des Einzelnen z.B. in der Güter- und Frauengemeinschaft radikal beschneidet.15 Dagegen beginnt Aristoteles mit den Bedürfnissen des Einzelnen. Der Grund der Gemeinschaftsbildung unter den Menschen liegt neben dem natürlichen Trieb nach Fortpflanzung maßgeblich im genuin menschlichen Streben nach Glückseligkeit (eudaimonia), die laut der Nikomachischen Ethik das höchste Ziel menschlichen Handelns darstellt. Daraus leitet Aristoteles die Einrichtung der familiären Hausgemeinschaft (oikos), von Dörfern und schließlich der sie umfassenden Polis ab. Aus dieser Gliederung ergibt sich die bis zu Hegel geläufige Einteilung der praktischen Philosophie in Ethik, Ökonomie (im Sinne der Hauswirtschaftslehre) und Politik. Weil erst in einer autarken Polis das in der menschlichen Natur liegende Verlangen nach Glückseligkeit und gutem Leben (im Unterschied zum bloßen Leben) nachhaltig befriedigt werden kann, ist für Aristoteles der Mensch von Natur aus ein politisches Lebewesen (zoon politikon). Ebenso heißt dies, dass der Zweck des Staates im glückseligen Leben seiner Bürger bestehen muss.16 Schon die ethischen Untersuchungen über das glückselige Leben ergeben am Ende die Notwendigkeit einer staatlichen Erziehung, die (wie der Staat überhaupt) nicht autoritär, sondern durch vernünftige Gesetze geregelt sein muss.17 Wie für Platon gibt es für Aristoteles den sittlichen und glückseligen Menschen nur in einer (gerechten) Polis. „Losgerissen von Gesetz und Recht“ ist der Mensch das schlimmste Lebewesen von allen. Die Gerechtigkeit aber stammt erst vom Staate her, denn das Recht ist die Ordnung der staatlichen Gemeinschaft.18 „Das Politische ist also, wie beim Platon, das prius“ (19/227).19 Die oberste Staatsgewalt muss den vernünftigen Gesetzen zukommen, wohingegen der Herrscher nur dann die Gewalt übertragen bekommt, wenn die Gesetze in einem bestimmten Fall nicht eindeutig sind.20 Aristoteles entwirft im Gegensatz zu Platon keine ideale Verfassung des Staates, weil er der politischen Realität ein zu großes Gewicht beimisst. Doch ein wichtiges Kriterium des gerechten Staates ist die Glückseligkeit wie auch die Herrschaft vernünftiger Gesetze, die beide aus der Natur des Menschen hervorgehen. Denn als wesentliche Eigenschaft des Menschen nennt Aristoteles die Fähigkeit zum rationalen Abwägen (zoon logon echon), die jeden Menschen durch geeignete Erziehung zum Maßstab des Gerechten werden lässt. 15 16 17 18 19 20

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Aristoteles 1995c, S. 32 ff. (1261 a 17 ff.). Aristoteles 1995c, S. 94 (1279 b 29 f.). Aristoteles 1995b, S. 257 (1180 a 22 ff.). Aristoteles 1995c, S. 5 f. (1253 a 32 ff.). Vgl. Aristoteles 1995c, S. 5 (1253 a 20 f.). Aristoteles 1995c, S. 101 (1282 b 1 ff.). https://doi.org/10.5771/9783845215273-29 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:39.

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Diese Ausrichtung auf die subjektive Reflexion stiftet wohl trotz aller Unterschiede Aristoteles’ Nähe zu den Sophisten. Zentral für Hegel im Hinblick auf das antike politische Denken ist die Vorstellung, dass das Ganze vor den Teilen sei. Daraus lassen sich mindestens zwei zentrale Ideen gewinnen, welche nach Hegels Einschätzung in der Neuzeit verloren gehen. Erstens wird der Staat als Organismus betrachtet, worin die einzelnen Bürger leben, und nicht als äußerlicher Herrschaftsapparat; er ist eine Lebensform des Menschen. Zweitens können die anthropologischen und ethischen Fragen nach dem Wesen des Menschen nur im Rahmen der politischen Wirklichkeit erörtert werden – denn abstrahiert davon bleibt pointiert formuliert nichts übrig: „Jeder findet den Staat vor. Er ist schon längst im Staat erzogen, hat seine Muttermilch in sich aufgenommen, ohne dass er es noch weiß. Er kann sein ganzes Leben vielleicht nicht dazu kommen, dass er weiß, er lebt im Staat. Er kann immer den Staat hassen, dann hasst er seine eigenste Natur, und er kann nicht aus der Haut herausfahren“.21

3. Die eschatologische Wurzel des Politischen: Augustinus und das Christentum Nach einer bekannten These des Politikwissenschaftlers Dolf Sternberger gibt es drei Wurzeln des Politischen, die er jeweils mit einem Denker der Geschichte verbindet: Politologik (Aristoteles), Eschatologik (Augustinus) und Dämonologik (Machiavelli).22 Die zweite Wurzel, die Augustinus (354-430) und das politische Denken des christlichen Mittelalters umfasst, besitzt auch für Hegel eine große Bedeutung. In der Schrift De civitate Dei entwickelt Augustinus die Idee eines linearen Geschichtsverlaufs als christliches Heilsgeschehen. Bedeutsam dafür ist die Unterscheidung eines göttlichen vom irdischen Staat, die jeweils durch ein bestimmtes Prinzip charakterisiert werden: Im Gottesstaat vereinigen sich die Menschen, die von reiner Gottesliebe beseelt sind, während die Menschen im weltlichen Staat von der egoistischen Selbstliebe getrieben werden. Grundlage dieser Unterscheidung bildet die christliche Kirche als Manifestation des Gottesstaates und das irdischheidnische römische Reich zu Augustinus’ Zeit. Am Ende der Geschichte wird das göttliche Gericht über beide Staaten richten. Auch wenn Hegel diese Idee von der religiösen Vorstellung befreien wird, behält für ihn die Weltgeschichte als Weltgericht über das Schicksal der Staaten eine teleologisch-eschatologische Funktion.

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Hegel 2005, S. 233. Sternberger 1984.

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Ohne explizit auf Augustinus einzugehen,23 deutet Hegel die eschatologische Idee des Christentums als wesentlichen Fortschritt in der (Ideen-)Geschichte. Der Kerngedanke besteht in der Versöhnung von Gott und Welt bzw. Mensch. Im Gegensatz zur „natürlichen“, das heißt unmittelbaren Einheit beider in älteren Religionen, ist der christliche Mensch aufgefordert, aus seiner Natürlichkeit herauszutreten, um diese Einheit herzustellen: „Die erste Natürlichkeit soll aufgehoben werden. Dies ist die Idee des Christentums überhaupt“ (19/494). Die Geschichte wird zu einer Bildungs- oder Erziehungsgeschichte der Menschheit, wobei jeder einzelne Mensch als Individuum angesprochen ist: „[J]edes Subjekt, der Mensch als Mensch hat einen unendlichen Wert, ist dazu bestimmt, dass der göttliche Geist in ihm wohne, dass sein Geist vereinigt sei mit dem göttlichen Geist; und dieser ist Gott. Der Mensch ist zur Freiheit bestimmt, er ist hier anerkannt als an sich frei“ (19/500).

Das Prinzip der subjektiven Freiheit, das im antiken Denken nur mangelhaft ausgeprägt war, erhält nun volle Gültigkeit; dies impliziert im Politischen die Abschaffung von Sklaverei und Tyrannei. Ein weiterer, damit zusammenhängender Aspekt des Christentums ist die Nähe zur Vernunft. Die geforderte Einheit von Gott und Welt vollzieht sich dadurch, dass die Welt als Erscheinung Gottes vom Menschen vernünftig gestaltet werden muss: „Mit anderen Worten, die Gesetze, Sitten, Staatsverfassungen […] soll[en] vernünftig werden“ (19/501). An bekannter Stelle heißt es: „[E]s ist der Gang Gottes in der Welt, dass der Staat ist, sein Grund ist die Gewalt der sich als Wille verwirklichenden Vernunft“ (7/403, § 258). Das politische Denken der Neuzeit hält an diesen Überzeugungen fest, wonach der subjektive Wille des Einzelnen sowie die Vernünftigkeit des Staates unzerstörbare Elemente der politischen Wirklichkeit sind. Doch unterliegt die inhaltliche Bestimmung von Wille, Vernunft und Staat beträchtlichen Schwankungen.

4. Die politische Welt als Wille und Vernunft: Von Hobbes bis Fichte. Thomas Hobbes’ (1588-1679) philosophisches wie politisches Denken speist sich aus einer umgreifenden Kritik an demjenigen Weltbild, das unter Berufung auf Aristoteles die gesamte Schultradition prägte. In zweierlei Hinsicht verlangt er eine radikale Abwendung davon: Erstens setzt er anstelle des teleologischen Naturverständnisses, wonach jedes Seiende seiner ihm von Natur aus eigentümlichen Bestimmung zustrebe, das in den Naturwissenschaften seiner Zeit sich durchsetzende mechanisti23

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In den Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie und auch sonst erwähnt ihn Hegel kaum. https://doi.org/10.5771/9783845215273-29 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:39.

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sche Erklärungsmodell. Ein ganzheitliches Modell weicht einer Betrachtung der Bewegung von Körperelementen. Zweitens verwirft er auch in der Politik die Vorstellung, dass das Ganze vor seinen Teilen sei, und begründet damit den neuzeitlichen Individualismus. Allgemein wird für diese Wende die neuzeitliche Legitimationskrise des Staates verantwortlich gemacht. Politisches Denken befasst sich nicht länger mit der Frage, wie die richtige Herrschaftsform beschaffen ist, sondern sie stellt die radikalere Frage, ob und wie Herrschaft überhaupt zu rechtfertigen ist. Fokus dieser Rechtfertigungsstrategie ist der einzelne Mensch: „Vorher wurden Ideale aufgestellt, oder Schrift oder positives Recht; Hobbes hat den Staatsverband, die Natur der Staatsgewalt auf Prinzipien zurückzuführen versucht, die in uns selbst liegen, die wir als unsere eigenen anerkennen“ (20/226).

Wie Aristoteles geht Hobbes in seinem politischen Hauptwerk Leviathan vom einzelnen Menschen aus, den er indes nicht als ein von Natur aus zur Gemeinschaft bestimmtes Lebewesen verstanden wissen will. War die Polis für Aristoteles noch eine natürliche Lebensform des Menschen, so wird der Staat bei Hobbes zu einem künstlichen Konstrukt. Im Gegenzug kann man den Menschen in einem vorpolitischen Zustand, dem Naturzustand, beschreiben. Hobbes entwirft ein Bild der natürlichen Verhältnisse unter den Menschen auf der Grundlage eines mechanizistischen Materialismus der Ruhe und Bewegung. Der natürliche, das heißt vorpolitische Mensch ist getrieben von einem Streben nach Selbsterhaltung, Macht und Ehre, das ihn in einen Krieg aller gegen alle verstrickt: „Hereby it is manifest, that during the time men live without a common Power to keep them all in awe, they are in that condition which is called Warre; and such a warre, as is of every man against every man“.24

Jeder Mensch ist dem anderen ein Wolf (homo homini lupus) – wie es nach einer anderen bekannten Formulierung heißt. Es herrscht ein Zustand allgemeinen Egoismus, worin jeder von seiner natürlichen Freiheit, seinem Recht auf alles, Gebrauch machen kann. Die Vernunft treibt dabei den Menschen zu immer größerer Macht, da sie ihn zum Vergleich mit anderen anstiftet. Für Hobbes ist die den Menschen auszeichnende Fähigkeit der Vernunft nicht mehr als ein kalkulierendes Vermögen zur richtigen Mittelwahl, die den höchsten Zielen wie Selbsterhaltung und Glückseligkeit untersteht.25 Mehrere Gründe – so z.B., dass im Naturzustand jeder den anderen jederzeit umbringen kann,26 oder auch das allgemeine Streben nach Frieden (Ruhe) – veranlassen

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Hobbes 1994, S. 71. Hobbes 1994, S. 40. Darin besteht für Hobbes die natürliche Gleichheit unter den Menschen (Hobbes 1994, S. 69). Vgl. 7/152.

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den Übergang in den gesellschaftlichen Zustand. Dieser Schritt verlangt die Zustimmung aller oder den Gesellschaftsvertrag, den Hobbes in folgende Formel fasst: „I Authorise and give up my Right of Governing my selfe, to this Man, or to this Assembly of men, on this condition, that thou give up thy Right to him, and Authorise all his Actions in like manner“.27

Dies ist die Geburtsstunde des Leviathans, ursprünglich ein biblisch-mythologisches Seeungeheuer, das Hobbes als Sinnbild für den Staatssouverän, dem sich alle Bürger durch Vertrag unterwerfen, annimmt.28 Trotz aller inhaltlichen Unterschiede besteht – wie schon bei Platon – auch bei Hobbes eine gewisse Analogie zwischen Mensch und Staat: Der mechanistisch konzipierte Mensch, dessen von Natur aus freier Wille nach Selbsterhaltung und individuellem Glück strebt, unterwirft sich der künstlich geschaffenen Staatsmaschine, an deren Spitze die Willkür des Monarchen (oder einer Versammlung) steht und für die Selbsterhaltung des Ganzen Sorge trägt. Wie Hegel kritisch anfügt, steht in Hobbes’ Staatsentwurf durchgehend das Individuum im Mittelpunkt; der Staat entspringt dem aggregativen Zusammenschluss menschlicher Atome zu einem künstlichen Ganzen. Auch die Vernunft, welche die Menschen zu diesem Übergang treibt, ist eine den individuellen Vorteil berechnende Instanz. Für Hegel wird spätestens mit Hobbes der subjektiven Freiheit im politischen Denken Rechnung getragen. Ihre Überbewertung führt jedoch zu einem folgenschweren Widerspruch: Im Ausgang von der subjektiven Freiheit wird ein Staat gefordert, der zugunsten des Friedens eine radikale Einschränkung, wenn nicht gar Vernichtung der subjektiven Freiheit initiiert: Staat bedeutet Unterwerfung und nicht Freiheit. Dennoch weist Hegel der Theorie vom Naturzustand ein gewisses Recht als logische Fiktion zu. Im berühmten Kapitel „Selbstbewusstsein“ der Phänomenologie des Geistes kann man unschwer eine Würdigung Hobbes’ erkennen. Dort schildert Hegel, wie das von der Begierde getriebene Subjekt den Kampf auf Leben und Tod mit den anderen und seine permanente Furcht vor dem Tod durch eine vertragsähnliche gegenseitige Anerkennung aller Vernunftwesen überwindet. Daraus entsteht indes für Hegel kein Staat. Der Machtkampf der Individuen um die eigene Glückseligkeit ist Ausdruck der bürgerlichen Gesellschaft, das heißt des innerstaatlichen Wirtschaftssystems. Hobbes entwirft mithin eine bürgerliche Philosophie, die nicht bis zu den wahren Wurzeln staatlicher Gemeinschaft – dem Ganzen vor den Teilen – vordringt.

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Hobbes 1994, S. 100. Dieser für die Moderne zentrale Begriff der Souveränität wird für gewöhnlich auf Jean Bodin (1529-1596) zurückgeführt (Bodin 1983).

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Ein weiterer wichtiger Theoretiker des Gesellschaftsvertrags ist John Locke (1632-1704). Obzwar Hegel betont, dass Lockes Staatsrecht lediglich von historischem Interesse sei (20/221), finden sich bei ihm einige Einflüsse von Locke. Dies betrifft insbesondere den zentralen Stellenwert von Freiheit und Eigentum, wie er in der Zweiten Abhandlung über die Regierung entfaltet wird.29 Auch wenn Lockes Theorie des Gesellschaftsvertrags gern mit Hobbes in die Reihe eines (atomaren) Individualismus gestellt wird, bestehen gewaltige Unterschiede bereits in der Konzeption des Naturzustandes. Einer ungebändigten und deshalb auch gefährlichen Freiheit aller Menschen bei Hobbes, die sich im Recht auf alles manifestiert, steht ein durch Naturgesetze geregeltes Leben bei Locke gegenüber, in welchem sich eine allen Menschen gemeinsame Vernunft widerspiegelt. Vernunft ist eben nicht wie bei Hobbes ein Instrument zum individellen Nutzenkalkül: „The state of nature has a law of nature to govern it, which obliges every one: and reason, which is that law, teaches all mankind, who will but consult it, that being all equal and independent, no one ought to harm another in his life, health, liberty, or possessions“.30

Der Naturzustand ähnelt eher einem friedvollen und geregelten Zusammenleben unter den Menschen, deren Gleichheit nicht die Tatsache, dass jeder jeden umbringen kann, sondern das für alle geltende Naturgesetz, nämlich die Vernunft, ausmacht, woraus die Gleichheit angesichts der Grundrechte auf Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum hervorgeht. Dennoch gibt es auch für Locke einen überzeugenden Grund für einen vertraglich vereinbarten Übergang in den Gesellschaftszustand. Der friedvolle Naturzustand ist stets bedroht, in einen Kriegszustand überzugehen. Auslöser dessen könnte ein Handeln wider das Naturgesetz der Vernunft sein, das heißt ein Unrecht unter den Personen in Form des Eingreifens in das Leben, die Freiheit oder das Eigentum eines Anderen. Unrecht lässt sich generell als Eingriff in die Eigentumssphäre bestimmen; denn unter Eigentum versteht Locke die eigene Person und die zu ihrem Fortbestand wichtigen Güter, die neben Tausch und Erwerb durch Geld vorwiegend durch die eigene Arbeitskraft angeeignet werden. Ein Eingriff ist insofern ein Unrecht, das bei Fehlen einer juristischen Instanz zur Selbstjustiz und möglicherweise zum Kriegszustand führen kann. Zur besseren Bewahrung der Gleichheit und deshalb im Interesse aller Beteiligten ist der vertragliche Zusammenschluss zu einem politischen Körper. Der Staat dient somit vorwiegend dem Eigentumsschutz sowie der Regelung der ökonomischen Verhältnisse unter den Menschen. Mit dieser liberalistischen Staats29 30

Vor allem über Kant erklärt sich Hegels Übernahme Lockescher Ideen (vgl. Siep 1992, S. 81 ff.). Locke 1970, S. 289. Die Formulierung und Begründung von Grundrechten bei Locke hatte Einfluss auf die Unabhängigkeitserklärung und die Verfassung der Vereinigten Staaten. Auch im Hinblick auf Menschenrechte ist Locke ein wichtiger Vorreiter.

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theorie leistet Locke eine wichtige Vorarbeit für die Staatsökonomen Adam Smith (1723-1790), Jean-Baptiste Say (1767-1832) und David Ricardo (1772-1823), die wiederum Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft maßgeblich beeinflusst haben. Welcher Staat eignet sich für die vernünftige Natur des Menschen? Welchen Staat fordert die Seele-Staat-Analogie bei Locke? Während der Leviathan bei Hobbes absolute Macht über die Individuen ausübt, bleibt die Regierung bei Locke durch die Gesetze der menschlichen Natur gebunden. Dem Staat obliegt es demnach das Wohlergehen und die Freiheit seiner Bürger zu sichern und sich an Recht und Gesetz zu binden. Zu diesem Zweck führt Locke noch vor Montesquieu (1669-1755) eine Gewaltendreiteilung ein, die Machtmissbrauch vorbeugen soll. Allerdings setzt er neben der legislativen und der exekutiven eine föderative Gewalt ein, welche über außenpolitische Beziehungen (Bündnisse, Krieg) entscheidet. Eine weitere Maßnahme, welche demonstriert, dass Locke im Gegensatz zu Hobbes nicht die völlige Unterwerfung der Bürger unter den Staat verlangt, ist das Widerstandsrecht: Bei Verstößen der Staatsgewalt gegen das Naturgesetz sind die Menschen zur Revolution berechtigt. Selbst wenn die im Gesellschaftsvertrag getroffene Wahl der Staatsform auf die Monarchie oder Oligarchie fällt, bleibt für Locke die endgültige Souveränität beim Volk oder besser: bei der menschlichen Natur. Es gehört zu den Entwicklungen neuzeitlichen Staatsverständnisses, dass der einzelne Mensch dem Staat gegenüber äußerlich ist. So lautet zumindest Hegels Kritik am liberalen Modell des Verstandes- bzw. Notstaates, das er von Hobbes bis zu Fichte wirksam sieht.31 Grundlage dieses Verständnisses ist die Ausrichtung der Staatskonzeption an Natur und Interessen des Einzelnen. Dies entspricht aber Hegel zufolge nicht dem Staat, sondern dem ökonomischen Abhängigkeitssystem der bürgerlichen Gesellschaft. „Wenn der Staat mit der bürgerlichen Gesellschaft verwechselt und seine Bestimmung in die Sicherheit und den Schutz des Eigentums und der persönlichen Freiheit gesetzt wird, so ist das Interesse der Einzelnen als solcher der letzte Zweck, zu welchem sie vereinigt sind, und es folgt hieraus ebenso, dass es etwas Beliebiges ist, Mitglied des Staates zu sein“ (7/399, § 258).

Gegen diesen Minimalstaat, der zum bloßen Mittel verkommt, setzt Hegel aber nicht nur die antike Auffassung der Polis als kosmosähnlicher Totalität, welche den Individuen vorausgeht und ihre Lebensform ermöglicht. Bereits im neuzeitlichen Denken vor Hegel gibt es eine Tendenz, Mensch und Staat inniger zu versöhnen. Darunter fasst Hegel Rousseau, Kant und Fichte (7/400, § 258).

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Später wird Ferdinand Lassalle (1825–1864) dafür die Bezeichnung „Nachtwächterstaat“ prägen. Darunter ist ein Ultraminimalstaat (R. Nozick) zu verstehen, der nur noch zur Regelung des reibungslosen Ablaufs der gesellschaftlichen Interessenverfolgung zuständig ist.

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Jean-Jacques Rousseaus (1712-1778) politisches Denken bewegt sich zwischen Fortführung und vehementer Kritik des Fortschrittsoptimismus der Aufklärung. Insbesondere in seinen beiden kulturkritischen Abhandlungen vertritt Rousseau eine fortschrittsfeindliche Position, die den Übergang vom Natur- in den Gesellschaftszustand im Sinne einer Dekadenzgeschichte schildert.32 Als falsch verwirft er das Bild, das Hugo Grotius (1583-1645), Samuel von Pufendorf (1632-1694) und Thomas Hobbes vom Naturzustand zeichneten: „[I]ls parlaient de l’homme sauvage, et ils peignaient l’homme civil“.33 Alle drei machen sich schuldig, ihren Naturmenschen mit Fähigkeiten und Vorstellungen ausgestattet zu haben, die allererst dem Gesellschaftsmenschen zukommen wie Rechte, Eigentum und Herrschaft. Anders als für Hobbes stellt Rousseaus Naturmensch keine Gefahr für die anderen Menschen dar; er ist von natürlicher Güte (bonté naturelle), lebt isoliert und kennt insofern nicht den gesellschaftlichen Konkurrenz- und Machtkampf. Solange er gemäß seiner Natur lebt, bleibt er von gesellschaftlichen „Krankheiten“ wie Ehrgeiz, Ruhmsucht und Eitelkeit verschont. Durch zufällige Begebenheit wie Naturkatastrophen oder steigender Bevölkerung wird auch Rousseaus Naturmensch schließlich zur Preisgabe seines paradiesischen Erdenlebens gezwungen. In dieser Krisensituation beginnt die Ausbildung der menschlichen Vernunft (in deren Gefolge: Wissenschaften und Künste): „[L]’état de réflexion est un état contre nature, et […] l’homme qui médite est un animal dépravé“.34 Den eigentlichen Übergang markiert jedoch die Erfindung des Eigentums: „Le premier qui ayant enclos un terrain s’avisa de dire, Ceci est à moi, et trouva des gens assez simples pour le croire, fut le vrai fondateur de la société civile“.35 Obzwar gegen Pufendorf gerichtet, lässt sich diese Passage auch gegen Locke und dessen These von der „Natürlichkeit“ der Vernunft und des Eigentums lesen. Rousseau zufolge besteht im Naturzustand keine Notwendigkeit des Eigentums, da die Natur allen Menschen ausreichend Mittel zum Leben darreicht. Eigentum ist eine gesellschaftlich vermittelte Vorstellung, die Konkurrenz, Feindschaft und letztlich auch Kriege nach sich zieht. Umso dringlicher stellt sich für Rousseau die Frage nach einer gerechten Gesellschaftsordnung; denn er glaubt keineswegs an das ihm schon zu seiner Zeit unterstellte „Zurück zur Natur“. Vielmehr muss die Vernunft auf künstliche Weise errichten, was die Natur von selbst getan hat.36 Die Vorgaben dieser Konstruktion fließen in seinem politischen Hauptwerk Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des 32 33 34 35 36

Rousseau 1995b. Rousseau 1995b, S. 78. Rousseau 1995b, S. 98. Rousseau 1995b, S. 190. Rousseau 1995b, S. 73. https://doi.org/10.5771/9783845215273-29 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:39.

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Staatsrechts ein. Dessen Kernstück ist die Theorie des Willens als moralischpolitischer Instanz, mit der sich Rousseau zu einem der wichtigsten Vorreiter für den Deutschen Idealismus (Kant, Fichte, Hegel) macht.37 Durch die Vergesellschaftung des Menschen kommt es zur Ausbildung konfligierender partikulärer Interessen (volonté particulière). Der durch Vertrag zu konstituierende Staat soll nun weder die Rolle übernehmen, ausschließlich diese Interessen zu regeln wie bei Locke, noch soll er sie als Souverän gänzlich unterdrücken. Der Gesellschaftsvertrag sowie die darin festzusetzenden bürgerlichen Gesetze sollen vielmehr Ausdruck des allgemeinen Willens (volonté générale) aller „Vertragspartner“ sein. Für Rousseau ist der Staat keine äußerliche Regierung für die Bürger, sondern der Zusammenschluss derselben, deren gemeinsames Ich (moi commun). Deshalb ist das Volk selbst Souverän und gesetzgebende Gewalt.38 Rousseau wehrt sich gegen die Idee einer repräsentativen Gewalt; jeder Bürger verfügt über einen Willen, der nicht bloß egoistische Ziele, sondern qua Vernunft auch allgemeine Interessen verfolgt. Dieser allgemeine Wille stiftet die Identität von Bürger und Staat; er ist jedoch vom Willen aller (volonté de tous), im Sinne einer faktischen Gemeinsamkeit aller Bürger, zu unterscheiden. Er ist eine Norm, ein Ideal. Der Gesellschaftsvertrag lautet: „Jeder von uns unterstellt gemeinschaftlich seine Person und seine ganze Kraft (puissance) der höchsten Leitung des Gemeinwillens (volonté générale), und wir empfangen als Körper jedes Glied als unzertrennlichen Teil des Ganzen“.39

Rousseaus politische Theorie hat mit zwei schwerwiegenden Problemen zu kämpfen: die Auslegung des allgemeinen Willens sowie der moderne Staat. Die Kritik der neuzeitlichen Trennung von Mensch und Staat (als Regierung) gründet bei Rousseau auf der antiken Vorstellung der Polis als Lebensform der Bürger. Insofern stellt sich die Frage, ob dieses auf eine kleine Gemeinschaft zugeschnittene Modell überhaupt übertragbar auf größere Nationen sei. Rousseau tritt deshalb für ein förderatives System von Kleinstaaten ein, was aber de facto zu seiner Zeit nur sehr begrenzt anwendbar ist.40 Des Weiteren verlangt die Unterscheidung von allgemeinem Willen und Willen aller allgemeingültige Kriterien, die zu Gesetzen führen; doch wer ist in der Lage, diese zu finden und anzuwenden? Rousseaus Misstrauen in das Volk als ganzes zwingt ihn letztlich dazu, die nahezu mythisch anmutende Person des législateur einzuführen, die stark an Platons Philosophenkönig erinnert. In dieser Hinsicht ist auch die Kritik Hegels zu verstehen, der zunächst lobt, dass Rousseau als erster „den Willen als Prinzip des Staats aufgestellt“ habe (7/400, § 258). Diese Instanz ermöglicht eine freie Identifizierung des Bürgers mit dem 37 38 39 40

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Rousseaus Bedeutung für Hegel schildert Neuhouser 2000. Rousseau 1995a, S. 95 ff. Rousseau 1995a, S. 74. Rousseau 1995a, S. 120; 127. https://doi.org/10.5771/9783845215273-29 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:39.

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Staat, die deren neuzeitliche Entfremdung (Äußerlichkeit) voneinander im Sinne der christlichen Versöhnungsidee zu überwinden verspricht. Doch letztlich scheitert Rousseau an der Frage, was unter der Allgemeinheit des Willens zu verstehen ist. Im Gefolge von Hobbes und Locke geht auch Rousseau vom einzelnen Menschen aus. Dies widerspricht nicht nur der antiken Vorstellung vom Vorrang des Ganzen vor den Teilen; es ist vielmehr ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, weil für Hegel der Staat eine höhere Würde und Existenzform als die Menge seiner Bürger besitzt. Er ist „der Gang Gottes in der Welt“, das heißt nicht von den einzelnen Bürgern geschaffen. Desiderat bei Rousseau bleibt eine konkrete Beschreibung des allgemeinen Willens: Wie vermag man zu entscheiden, was Inhalt dieses Willens ist und auf welche Weise lässt er sich in einem politischen Gemeinwesen verwirklichen? In diese Kerbe schlagen Immanuel Kant (1724-1804) und Johann Gottlieb Fichte (1762-1814). So gründet Kants gesamte praktische Philosophie auf dem Begriff der Willensfreiheit. Wahrhaft frei ist derjenige Wille, der sich dem Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft, dem kategorischen Imperativ, verschreibt; darin gibt er sich selbst ein Gesetz seines Handelns und ist autonom. Erfolgt die Motivation des Willens allein aus der gebotenen Pflicht um ihrer selbst willen, dann widersteht der Mensch den partikulären Interessen sinnlicher Provenienz und verfolgt das allgemeine Vernunftinteresse. Diese Abwendung von der Sinnenwelt und Hinwendung zur moralischen Selbstbestimmung ist für Kant auch in der politischen Philosophie bestimmend.41 Höchste Wirklichkeit besitzt nicht die phänomenale, sondern die intelligible Welt der praktischen Vernunft: „[H]ier gilt sich die Vernunft als das Wirkliche“ (20/365). In Kants politischer Philosophie setzt sich die Vorstellung fort, dass die Gesetzmäßigkeit die Allgemeinheit des Willens konstituiert. Da es nunmehr nicht länger um die innere Einstellung des Willens, sondern die Regelung der äußeren Handlungen unter den Menschen geht, sind die Gesetze anderer Art: Politische Philosophie ist bei Kant Rechtsphilosophie. Grundsätzlicher Orientierungspunkt ist weiterhin die menschliche Willensfreiheit, aber nicht, um an den Willen moralische Forderungen zu stellen, sondern um den nötigen Freiraum für moralische Selbstbestimmung zu schaffen und zu bewahren. Kein Mensch darf von anderen zu Handlungen gezwungen werden. „Also ist das allgemeine Rechtsgesetz: handle äußerlich so, dass der freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne.“42 Für Kant fordert die reine praktische 41 42

„Die Rousseausche Bestimmung, dass der Wille an und für sich frei ist, hat Kant aufgestellt. […] Der Wille bestimmt sich in sich, auf Freiheit beruht alles Rechtliche und Sittliche“ (20/365). Kant 1968, Bd. 8, S. 338.

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Vernunft (das Sittengesetz) – und nicht empirisch-pragmatische Gründe wie Existenzsicherung oder Glückseligkeit – den Übergang in den Rechtszustand und die Staatsgründung. Aber gerade um moralische Selbstbestimmung zu gewährleisten, muss ein Rechtssystem etabliert werden, das an seine Mitglieder keine moralischen Forderungen erhebt, also auch für ein „Volk von Teufeln“ funktioniert. Die Verbreitung von Rechtszuständen vollzieht sich, wie Kant in seiner bis heute wirkmächtigsten politischen Schrift Zum ewigen Frieden erörtert, auf den drei Ebenen des Staats-, Völker- und Weltbürgerrechts. Es ist nicht die bewusste Absicht des Menschen, die „zu Begünstigung seiner moralischen Absicht“ führe, sondern die Natur, „aus deren mechanischem Laufe sichtbarlich Zweckmäßigkeit hervorleuchtet, durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen. […] Die Natur will unwiderstehlich, dass das Recht zuletzt die Obergewalt erhalte“.43

In der Gesellschaft herrscht nach Kant ein Antagonismus („ungesellige Geselligkeit“), der schließlich die Rechtsordnung hervorruft. Im Staat ist dies durch eine republikanische Verfassung möglich, welche Freiheit und Mitbestimmung der Bürger durch Gewaltenteilung sichert; dabei optiert Kant für eine repräsentative Demokratie. Zentral ist die Unterordnung aller unter das den allgemeinen Willen verkörpernde Gesetz. Auf internationaler Ebene fordert Kant einen Föderalismus der Völker, der die Autonomie der Staaten erhält. Nationale wie internationale Politik schaffen im Verlaufe der Geschichte einen Möglichkeitsraum für Moralität unter den Bürgern, ohne doch diese bewirken zu können. Obzwar Kant mit dem kategorischen Imperativ und dem allgemeinen Rechtsgesetz eine Art Dechiffrierung des allgemein-vernünftigen Willens geleistet hat, bleibt eine Kluft zwischen Vernunft und geschichtlicher Wirklichkeit, zwischen selbstbestimmter Moral und durch Natur bewirktem Recht. Dieser Dualismus erinnert nicht von ungefähr an Augustinus’ Unterscheidung von Gottes- und Erdenstaat. Auch Kant insistiert auf die Etablierung einer ethischen Gemeinschaft, die niemals politisch, vielmehr nur in der Kirche, verwirklicht werden kann.44 Auf diese Weise ist aber eine vollständige aktive, das heißt willentlich vollzogene Identifizierung des Bürgers mit dem Staat unmöglich; es bleibt eine Entfremdungssituation gegenüber dem „Notstaat“, nur die Kirche verspricht Versöhnung. Zwei Alternativen stehen offen, um diesen „Missstand“ zu beheben: Während die erste die Einschränkung der Moralität und Umdeutung des allgemeinen Willens im Sinne eines „patriotischen“ Willens betreibt, forciert die andere den Primat der Mo43 44

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Kant 1968, Bd. 11, S. 217 und 225. Zur Geschichtstheorie und dem Verhältnis von Moral und Recht bei Kant vgl. Binkelmann 2009. Kant 1968, Bd. 8, S. 757 ff.

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ralität, was letztlich zur Abschaffung des Staates als äußerer Zwangsanstalt führen soll. Diese revolutionär-anarchistische Alternative wählt der junge Fichte unter dem Eindruck der Französischen Revolution. Auch Fichte verankert das Recht in der Freiheit und Vernunftnatur des Menschen; dies geschieht durch die Theorie der Anerkennung, die Hegel früh in seine Philosophie integrierte. Danach gewinnt jeder Mensch erst dadurch ein Selbstbewusstsein von sich als vernünftigem Wesen, dass ein anderer Mensch ihn zu einer vernünftigen Handlung auffordert. Dieser Vorgang, den man empirisch in der Kindeserziehung verorten kann, impliziert die gegenseitige Anerkennung beider Seiten als vernünftiger Wesen und damit den ursprünglichen Schöpfungsakt eines Rechtszustandes: „Ich muss das freie Wesen außer mir in allen Fällen anerkennen als ein solches, d.h. meine Freiheit durch den Begriff der Möglichkeit seiner Freiheit beschränken“.45 Diese Anerkennung ist die Keimzelle eines Gesellschaftsvertrags, woraus als logische Implikationen Eigentums-, Schutz-, Unterwerfungs- und Vereinigungsvertrag folgen. Um aus diesen Verträgen, die jeder Mensch befolgen muss, insofern er als vernünftiges und freies Wesen gelten will, einen stabilen Rechtszustand zu schaffen, fordert Fichte eine konsequente Anwendung („mit mechanischer Notwendigkeit“) der abgeleiteten Gesetze durch Staat und Polizei, die Hegel letztlich dazu verleiten wird, Fichtes Staat als „Polizeistaat“ zu verurteilen. Doch mehr noch als bei Kant dient Fichte ein vor Eigeninteressen und Machtkämpfen gesicherter Rechtszustand als Mittel zur Verwirklichung der moralischen Autonomie der Bürger. Auch wenn Fichte dazu ähnlich wie Kant einen Gegensatz zwischen moralischer Kirchengemeinschaft und politischer Zwangsanstalt aufstellt, gibt er als höchstes Ziel der Kultur die Moralisierung aller Bürger an. Sobald alle Bürger den allgemeinen moralischen Willen frei übernehmen, was nur in unendlicher Annäherung möglich ist, bedarf es keiner äußeren Zwänge mehr; sämtliche Institutionen fallen hinweg: „Es fällt weg Kirche und Staat. Alle haben die gleichen Überzeugungen, und die Überzeugung eines jeden ist die Überzeugung Aller. Es fällt weg der Staat, als gesetzgebende und zwingende Macht. Der Wille eines jeden ist wirklich allgemeines Gesetz, weil alle anderen dasselbe wollen: und es bedarf keines Zwanges, weil jeder schon von sich selbst will, was er soll“.46

Fichte entwirft den idealen Zustand einer Gemeinschaft, in welcher jedes Individuum den allgemeinen Willen in seiner Person vollkommen realisiert und sich deshalb mit dem Ganzen identifiziert. Dieser Wille ist Ausdruck und Vollendung von Fichtes Theorie des absoluten Ich, das an Rousseaus moi commun erinnert. Hegel übernimmt viel von Fichtes Willenskonzeption, insbesondere die Vorstellung, dass die menschliche Willensstruktur mit der Realität des Kollektivs übereinstimmen 45 46

Fichte 1991, S. 52. Fichte 1969, S. 250. https://doi.org/10.5771/9783845215273-29 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:39.

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muss, weil nur so der Mensch seine vollkommene Zustimmung zu dieser Realität als Manifestation seines Willens geben kann.47 Doch ist Fichtes Idealzustand einer moralischen Gemeinschaft kein realer politischer Zustand, dessen Bestandteil wie Gesetze, Institutionen und Regierung stellen sich für Fichte als eine abzuschaffende Realität dar, welche der menschlichen Freiheit letztlich widerspricht. Mit der staatlichen Wirklichkeit vermag sich der Fichtesche Mensch nicht zu versöhnen.

5. Zusammenfassung Das politische Denken von Platon bis Hegel ist – ob explizit oder nicht – von der Analogie von Bürger und Staat geleitet. Diese reicht von einer natürlichen Einheit von Seelen- und Polisverfassung bei Platon bis zur vom Bürger bewusst gewollten und tätig vollzogenen Identifizierung. Diesen geschichtlichen Prozess deutet Hegel als einen Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit. Das dem antiken Denken fremde Moment der subjektiven Freiheit hat sich im Ausgang des Christentums insbesondere im neuzeitlichen Denken bis zur Transzendentalphilosophie im Selbstverständnis der Menschen durchgesetzt. In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts hat sich für Hegel die Theorie der Subjektivität in den romantischen Positionen wie bei Fries ad absurdum geführt; dort ist der subjektive Wille jeglicher Vernünftigkeit entkleidet. Dagegen ist es wichtig, die Tradition von Rousseau bis Fichte und damit ihre Idee eines allgemeinen, vernünftig-gesetzmäßigen Willens zu rehabilitieren. Dennoch insistiert Hegel gleichermaßen auf die Errungenschaften antiken Denkens, wenn er die Tragweite subjektiver Freiheit einschränkt. Nicht der einzelne Bürger bestimmt über den Staat, vielmehr ist letzterer eine Lebensform, in welcher der Bürger erst zu dem heranwächst, was er ist und will: Das Ganze ist vor seinen Teilen. In dieser Erkenntnis, die in historistischer Relativierung auch die Rechtsschule um Savigny vertritt, steht nicht so sehr der Wille nach subjektiver Selbstbestimmung an höchster Stelle. Vielmehr muss dem Bürger die Erhaltung dieser Lebensform, seines Staates, am wichtigsten sein. Der allgemeine Wille manifestiert sich daher im Patriotismus. Indes folgt Hegel nicht dem Hass der Gesetze und der Vernunft seiner Zeit: Auch der patriotische Wille ist als geschichtliche Konsequenz vernünftig verfasst; nur so vermag er seine subjektive Freiheit zu erhalten. Der moderne Staat besitzt eine vernünftige Konstitution, die sich notwendigerweise in der Geschichte durchgesetzt hat, weil nur so eine stabile Identität von Bürger und Staat, die das Wesen des Politischen darstellt, auf Dauer bestehen kann. Bürger und Staat 47

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Die ausführliche Darstellung dieser Parallele in der praktischen Philosophie von Fichte und Hegel in: Binkelmann 2007.

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sind dann nur noch zwei Seiten einer Einheit, die zugleich wirklich und vernünftig ist: „Die Notwendigkeit in der Idealität ist die Entwicklung der Idee innerhalb ihrer selbst; sie ist als subjektive Substantialität die politische Gesinnung, als objektive in Unterscheidung von jener der Organismus des Staats, der eigentlich politische Staat und seine Verfassung“ (7/412 f., § 267).

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Michael Henkel

Hegels Konzept der bürgerlichen Gesellschaft

1. Staat und Gesellschaft in der politischen Auseinandersetzung der Moderne Die Grundpositionen der politischen Auseinandersetzung sind seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert wesentlich geprägt von der jeweiligen Auffassung des Verhältnisses zwischen Staat und Gesellschaft. Für liberale Positionen ist prinzipiell die Auffassung charakteristisch, dass die Gesellschaft diejenige Sphäre darstellt, in der sich die als frei und rational vorgestellten Individuen in der Verfolgung ihrer persönlichen Interessen frei zu entfalten vermögen. Werden dem entsprechenden Handeln der Einzelnen keine Barrieren – etwa in Form rechtlicher Ungleichbehandlung – in den Weg gelegt, so führt die individuelle Interessenverfolgung im Ergebnis zugleich zur Beförderung des Wohles der Gesamtheit. Eigenwohl und Gemeinwohl stellen sich so als Resultat einer wohlgeordneten, das heißt in ihrer „Eigenlogik“ möglichst unbeeinträchtigten Gesellschaft dar. Dieses liberale Ideal verzichtet keineswegs auf den Staat, fordert aber von ihm ein bestimmtes Handeln: Der Staat habe im Innern das bürgerliche Recht sowie das Strafrecht, und damit die gesellschaftliche Sicherheit und Ordnung zu garantieren, sich ansonsten aber aus den gesellschaftlichen Beziehungen herauszuhalten.1 Da indes der Staat und seine Repräsentanten regelmäßig eigene Interessen verfolgen, die dem freien Spiel der gesellschaftlichen Kräfte oft zuwiderlaufen, erweist sich der Staat in den Augen liberaler Positionen prinzipiell als Bedrohung gesellschaftlicher Freiheit. So bleibt das liberale Verhältnis gegenüber dem Staat ambivalent: Obgleich der Liberalismus aus seiner individualistischen Perspektive den Staat als freiheitsgefährdende Institution ansieht, anerkennt er ihn zugleich als ein „notwendiges Übel“.2 Im Ausgang vom Liberalismus sehen auch sozialistische Positionen, namentlich die kommunistische Position marxistischer Provenienz, die Gesellschaft als den Bereich der Freiheit an – woher der Sozialismus seinen Namen hat. Die wahre Freiheit verwirklicht sich demzufolge in der Gesellschaft, und zwar erst dann, wenn diese sich gänzlich vom Staat emanzipiert hat. Die Emanzipation vom freiheitsver1 2

Im Übrigen obliegen dem Staat aus liberaler Perspektive Schutz und Sicherung der bürgerlichen Gesellschaft auch in den außenpolitischen Beziehungen. Vom Staat als notwendigem Übel spricht ausdrücklich z.B. Popper 2003, S. 152. Zur liberalen Sicht auf Staat und Gesellschaft siehe Koslowski 1982, S. 165-292 und Taylor 1993b.

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hindernden Staat erfolgt durch eine gesellschaftliche Revolution. Ebenso bekannt wie paradigmatisch ist die auf diese Zusammenhänge gemünzte Aussage von Friedrich Engels, dass der Staat nach der Revolution im Kommunismus „absterben“ werde.3 Wie und von welcher Instanz aber nach dem Verschwinden des Staates die für eine Gesellschaft unabdingbaren Aufgaben und Herausforderungen – etwa die Rechtsprechung – bewältigt werden, bleibt hier allerdings überaus unklar, was sich in der Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Gesellschaftsbegriffes bei Marx und Engels widerspiegelt.4 Dem entspricht auf der anderen Seite ein ungeklärter und ungenügender Staatsbegriff. Allerdings blieb diese Position innerhalb der sozialistischen Theoriedebatte nicht unwidersprochen. So traten neben den staatsfeindlichen Sozialismus der Marxisten Positionen, die der Vorstellung entgegentraten, dass eine staatsfreie Gesellschaft denkbar sei. Von solchen Überlegungen aus wurden dezidiert sozialistische Staatskonzeptionen entworfen, beispielsweise (in einer idealistischen Variante) von Ferdinand Lassalle oder später (in einer wirklichkeitswissenschaftlichen Variante) von Hermann Heller. Es ist alles andere als ein Zufall, dass sich sowohl Lassalle als auch Heller affirmativ in die Tradition des von Marx kritisierten und verworfenen Hegelschen Staatsdenkens stellten und von dort aus liberale wie sozialistische Staatsangst zurückwiesen: Dass eine freiheitliche Gesellschaft auf den Staat angewiesen sei, und zwar um der Freiheit (und um des Sozialismus’) willen, blieb für sie unzweifelhaft. Hier trafen sich die sozialistischen Staatsdenker mit einem liberal-konservativen Gelehrten wie Lorenz von Stein, der ebenfalls an Hegel anknüpfte und den Staat als unentbehrlich für die Verwirklichung moderner Freiheit auswies. In einer gewissen Umkehrung der liberalen und der marxistischen Vorstellungen und ganz in Übereinstimmung mit Hegel hob Stein hervor, dass sich die bürgerliche Gesellschaft jenseits des Staates und entgegen ihrem Anspruch und ihren Grundlagen als die Sphäre der Unfreiheit und Ungleichheit herausstellt. Eine Leistung Steins war es dabei gerade, die Gesellschaft gleichwohl als Triebkraft moderner Freiheit nicht allein anzuerkennen, sondern sie im Anschluss an Hegel als einer der ersten Theoretiker zugleich in ihrer Eigenart und Dynamik zu erforschen.5 Für konservative Positionen wurde dagegen eine gegenüber der Gesellschaft allgemeine und prinzipielle Skepsis charakteristisch. Diese wuchs sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Fortentwicklung der industriellen Gesellschaft zu einer gewissen Feindschaft gegenüber der Gesellschaft aus. Entsprechende Positionen stellten der Gesellschaft meist die Nation oder den Staat – oder beides – als die 3 4 5

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Siehe Engels 1877/78, S. 262. Siehe dazu die Diskussion bei Heller 1992a, S. 384-388; Heller 1992c, S. 482-485. Stein kann insoweit als einer der ersten Soziologen in Deutschland gelten; siehe dazu Freyer 1931, S. 69-74; Pankoke 1970, S. 126-134.

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freiheitlichen öffentlichen Lebensordnungen gegenüber und befürchteten eine Zerstörung dieser Ordnungen durch das Ausgreifen der individualistisch ausgerichteten Gesellschaft, insbesondere durch ein Eindringen der Gesellschaft in den Staat. Von daher speist sich etwa die Kritik Carl Schmitts am modernen Pluralismus, durch den der Staat zur Beute gesellschaftlicher Partikularinteressen werde.6

2. Staat und Gesellschaft zwischen Trennung und dialektischer Unterscheidung Mit Blick auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft zeigt sich in idealtypischer Vereinfachung, dass die oben skizzierten Positionen des Liberalismus’, des staatsfeindlichen Sozialismus’ und des Konservativismus’ im Grunde eine Trennung und damit eine Trennbarkeit beider Sphären voraussetzen. Demgegenüber beziehen die beiden zum modernen Sozialstaat führenden Richtungen, nämlich der staatsbejahende Sozialismus und der hier so genannte liberale Konservativismus, Staat und Gesellschaft sub specie libertatis von vornherein aufeinander, sie erkennen die Sphären also nicht als voneinander trennbar. Gerade damit stehen letztere Positionen in der Tradition der praktischen Philosophie Hegels, die von den hier paradigmatisch genannten Denkern – Lassalle, Heller, Stein – auch ausdrücklich aufgegriffen wird. Für Hegel nämlich, dem gelegentlich nachgesagt wird, er habe die theoretische „Trennung“ von Staat und Gesellschaft eingeführt,7 sind diese, bzw. genauer: der politische Staat und die bürgerliche Gesellschaft, zwei notwendig aufeinander verweisende, also gerade nicht voneinander trennbare Aspekte eines umfassenden praktischen Freiheitszusammenhanges,8 der Sittlichkeit. Schon aus methodologischer Perspektive können Staat und Gesellschaft in Hegels Ansatz nicht voneinander getrennt begriffen werden: Das Signum der Hegelschen Philosophie ist bekanntlich die Dialektik, das heißt das Denken in und von Zusammenhängen eines Ganzen, in dem zwar einzelne Elemente und Momente zu differenzieren, die aber als solche nur im Zusammenhang des Ganzen zu denken sind und die daher gar nicht angemessen als („analytisch“) isolierte und getrennte Einzelne verständlich gemacht werden können.

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Siehe Schmitt 1994, S. 154 f. Es war charakteristischerweise Karl Marx, der behauptete, dass Hegel „von der Trennung des ‚Staats’ und der ‚bürgerlichen’ Gesellschaft“ (Marx 1971b, S. 58) ausgehe; siehe ferner etwa Heidt 1998, S. 391 („Sphärentrennung“). „Gesellschaft und Staat sind die Zustände, in welchen die Freiheit [...] verwirklicht wird“ (12/59). Quellenangaben ohne weitere Namensnennung beziehen sich auf die TheorieWerkausgabe Hegel 1969 ff. Zitierung erfolgt nach ‚Band/Seitenzahl, Paragraph’; ‚A’ steht für Anmerkung, ‚Z’ für Zusatz.

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Ein Verständnis, das Staat und Gesellschaft voneinander getrennt bestimmen zu können meint und das dann in der Theorie oder in der Praxis die Gesellschaft gegen den Staat oder den Staat gegen die Gesellschaft auszuspielen unternimmt, bleibt defizitär, weil es wesentliche Aspekte beider, die sich aus ihrem Zusammenhang ergeben, verkennen muss: Weder existiert der geschichtliche Staat unabhängig von der Gesellschaft, noch vermag die Gesellschaft ohne den Staat, jenseits also eines politischen status, zu bestehen. Vor dreißig Jahren konnte festgestellt werden, dass die Auffassung von einer Trennung der beiden Sphären im Sinne eines strikten Dualismus’ kaum noch explizit vertreten werde.9 Indes gewann die Auffassung von der Trennung seit den 1980er Jahren international wieder theoretische und praktisch-politische Bedeutung: Die Politik Margaret Thatchers gab das herausragende praktische Beispiel für Vorstellungen einer vom Staat unabhängigen Gesellschaft,10 und diese Vorstellungen stehen seither ausgesprochen oder implizit häufig im Hintergrund derjenigen neueren Ansätze, die man pauschalisierend als „neo-liberal“ bezeichnet. Schon aus dieser Perspektive ist es sinnvoll, sich der Zusammenhänge des Unterschiedenen neu zu vergewissern.

3. Der Ort der bürgerlichen Gesellschaft im Zusammenhang der Hegelschen Staatstheorie 3.1. Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft Hegel qualifiziert die bürgerliche Gesellschaft als eine der Sphären der modernen Sittlichkeit – neben Familie und Staat. Die moderne Sittlichkeit ist dabei ein umfassender Freiheitszusammenhang, für den im Unterschied zur antiken Sittlichkeit die besondere Freiheit des Einzelnen konstitutiv ist.11 In der modernen Sittlichkeit aufgehoben sind das abstrakte Recht und die Moralität, denen der erste und der zweite Teil der Darstellung in den Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821) – Hegels

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Siehe so Böckenförde 1976, S. XIV f. Dieses Beispiel greift Taylor 1993b, S. 120 auf. In diesem Sinne heißt es auch: „Die Schöpfung der bürgerlichen Gesellschaft gehört übrigens der modernen Welt an, welche allen Bestimmungen der Idee erst ihr Recht widerfahren lässt“ (7/339, § 182 Z); siehe dazu auch 7/233, § 124 A; 7/341-343, § 185 mit A und Z; sowie das Beispiel des Kynikers Diogenes in 7/351, § 195 Z. Zur Sittlichkeit siehe aus der Literatur Rameil 1981; Wang 2004; sowie die Beiträge in Kimmerle/Lefèvre/Meyer 1987.

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politiktheoretischem Hauptwerk – gewidmet ist.12 Die bürgerliche Gesellschaft als solche wird Hegel zufolge von zwei Prinzipien bestimmt: „Die konkrete Person, welche sich als besondere Zweck ist, als ein Ganzes von Bedürfnissen und eine Vermischung von Naturnotwendigkeit und Willkür, ist das eine Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft, – aber die besondere Person als wesentlich in Beziehung auf andere solche Besonderheit, so dass jede durch die andere und zugleich schlechthin nur als durch die Form der Allgemeinheit, das andere Prinzip, vermittelt sich geltend macht und befriedigt“ (7/339, § 182).

Wenn Hegel hier die konkrete Person als mit „Willkür“ begabt bezeichnet, so meint er die Freiheit der Person. Diese ist also einerseits bestimmt durch die Naturnotwendigkeiten, andererseits durch ihre Freiheit. Die „Vermischung“ beider Aspekte prägt die menschliche Bedürfnisstruktur. Die konkrete Person vermag ihre Bedürfnisse nur dadurch geltend zu machen und zu befriedigen, dass sie mit anderen in Beziehung tritt. Daher bleibt sie in der Erfüllung ihrer Bedürfnisse auf die anderen angewiesen. Indem dies für alle gleichermaßen gilt, erhält die Besonderheit in der bürgerlichen Gesellschaft „die Form der Allgemeinheit“. „Form der Allgemeinheit“ bedeutet, dass das Zusammenleben in der bürgerlichen Gesellschaft allen gemeinsamen Regeln folgen muss, ohne aber dass zugleich der Wille zum Allgemeinen dieses Zusammenleben bestimmt. Es bleibt vielmehr dabei, dass sich „in der bürgerlichen Gesellschaft [...] jeder [...] Zweck, alles andere [ihm] nichts“ ist. Dadurch werden die Anderen zwar Mittel zum Zweck des Besonderen, „aber der besondere Zweck gibt sich durch die Beziehung auf andere die Form der Allgemeinheit und befriedigt sich, indem er zugleich das Wohl des anderen mit befriedigt“ (7/339 f., § 182 Z).13

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Hegels Charakterisierung der bürgerlichen Gesellschaft deren sittlichen Gehalt klar herausarbeitet: Obgleich sich nämlich jeder selbst Zweck ist, mithin aufgeklärte Egozentrik das Verhalten bestimmt, kann man in der bürgerlichen Gesellschaft nur effektiv egozentrisch handeln, indem man den anderen gerecht wird, selbst wo im besonderen Handeln keine an sich guten Zwecke angestrebt werden. Aufgeklärt egozentrisches Verhalten hat hier also durchaus einen ethischen Effekt. 12 13

Zum abstrakten Recht und zur Moralität bei Hegel siehe den Überblick bei Henkel 2000a, S. 238-245. Weiter heißt es: „Indem die Besonderheit an die Bedingung der Allgemeinheit gebunden ist, ist das Ganze der Boden der Vermittlung, wo alle Einzelheiten, alle Anlagen, alle Zufälligkeiten der Geburt und des Glücks sich frei machen, wo die Wellen aller Leidenschaften ausströmen, die nur durch die hineinscheinende Vernunft regiert werden. Die Besonderheit, beschränkt durch die Allgemeinheit, ist allein das Maß, wodurch jede Besonderheit ihr Wohl befördert“.

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Des ungeachtet erweist sich die bürgerliche Gesellschaft als ein „System allseitiger Abhängigkeit“, weil die allgemeine, selbstsüchtige Verfolgung der besonderen Zwecke deren Verwirklichung davon bedingt sein lässt, dass sie „in die Subsistenz, das Wohl und Recht aller verflochten, darauf gegründet und nur in diesem Zusammenhang wirklich und gesichert ist“ (7/340, § 183). Dieses System aber bleibt die Bühne, auf der sich die Subjektivität der Besonderheit „nach allen Seiten“ entfalten darf und auch jeder beliebige subjektive Zweck verwirklicht werden kann, solange er in seiner Realisierung das Recht beachtet. So ist die bürgerliche Gesellschaft auch „das System der in sich verlorenen Sittlichkeit“. Besonderheit und Allgemeinheit fallen eigentümlich auseinander, indem sich die Besonderheit völlig abstrakt entwickeln, gewissermaßen jeder seinen Einfällen, wie irrational und bizarr sie auch sein mögen, folgen darf – und dabei nur an die formale, nicht an eine substanzielle Allgemeinheit gebunden ist. Die Allgemeinheit erweist sich als die „notwendige Form der Besonderheit sowie als die Macht über sie und ihren letzten Zweck“ (7/340, § 184), der in der bürgerlichen Gesellschaft als solcher aber nicht gewollt wird. Sind Besonderheit und Allgemeinheit in der bürgerlichen Gesellschaft derart entzweit, so bleiben sie doch aufeinander verwiesen: „Indem das eine gerade das dem andern Entgegengesetzte zu tun scheint und nur sein zu können vermeint, indem es sich das andere vom Leibe hält, hat jedes das andere doch zu seiner Bedingung“ (7/341, § 184 Z).14

Näheres Hinsehen zeigt, dass das Auseinanderfallen und die gleichzeitige Verwiesenheit von Besonderheit und Allgemeinheit Hegels bürgerliche Gesellschaft genau in der Weise bestimmt, in der Thomas Hobbes den Staat konzipiert hat.15 Der Eingangsparagraph in dem Abschnitt der Grundlinien, der die bürgerliche Gesellschaft behandelt (7/339 ff., § 182), umschreibt mit der Bestimmung der beiden Prinzipien genau das theoretische Problem, um das es auch Hobbes in seiner Staatstheorie zu tun war, nämlich die Frage, wie die allgemeine Macht des Staates als Resultat der besonderen Einzelwillen der Individuen gedacht werden kann.16 Das Hobbes14

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Als Beispiel nennt Hegel das Zahlen von Steuern bzw. Abgaben, das etwa dem Erhalt der Infrastruktur und der Aufrechterhaltung der Rechtspflege dient. Er führt aus: „So sehen die meisten z.B. die Bezahlung von Abgaben für ein Verletzen ihrer Besonderheit an, für ein ihnen Feindseliges, das ihren Zweck verkümmert, aber so wahr dies scheint, so kann doch die Besonderheit des Zwecks nicht befriedigt werden ohne das Allgemeine, und ein Land, worin keine Abgaben bezahlt werden, dürfte sich auch nicht durch die Erkräftigung der Besonderheit auszeichnen“ (7/341, § 184 Z). Siehe Rohrmoser 1964, S. 395. Dass Hegel bei seinem Nachdenken über die bürgerliche Gesellschaft unter anderem Hobbes’ Theorie vor Augen stand, geht auch aus der Formulierung hervor, dass „die bürgerliche Gesellschaft der Kampfplatz des individuellen Privatinteresses aller gegen alle ist“ (7/458, § 289 Z). Damit entspricht die wirkliche bürgerliche Gesellschaft dem hypothetischen Naturzustand bei Hobbes; siehe dazu Jaeschke 2003, S. 387.

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sche Vertragskonzept führt dann zu der Lösung, dass der Vertrag eines jeden mit jedem eine allgemeine Macht hervorbringt, der die Individuen als vereinzelte gegenüberstehen, den Leviathanstaat.17 In diesem Modell konzentriert sich die staatlichpolitische Sphäre (die Allgemeinheit) im Leviathan – das ist letztlich der Herrscher –, dem die unpolitisch-gesellschaftliche Sphäre (die Besonderheit) gegenübersteht. Aber in Hobbes’ Staatslehre sind, ebenso wie in Hegels bürgerlicher Gesellschaft, beide Bereiche aufeinander verwiesen und nicht unabhängig voneinander zu denken. Entscheidend allerdings ist, dass der Leviathanstaat des Hobbes allein über Wohl und Wehe der öffentlichen Angelegenheiten befindet, den Bürgern aber, die hier als bourgeois gedacht werden, nur verbleibt, im Rahmen der Gesetze dem privaten Handel und Wandel zu folgen. Den Bürgern steht daher der Staat als etwas ihnen äußerliches gegenüber – was ja eine Richtung der Kritik an Hobbes motiviert hat. Gerade im Lichte des Vergleichs der bürgerlichen Gesellschaft mit dem Staat des Thomas Hobbes wird deutlich, warum Hegel die bürgerliche Gesellschaft ausdrücklich auch als „den äußeren Staat, – Not- und Verstandesstaat“ bezeichnet (7/340, § 183). Tatsächlich hat also die bürgerliche Gesellschaft bereits in sich einen staatlichen Charakter. Aber als Staat bleibt sie Notstaat, weil dieser als Bedingung der aufgeklärten Egozentrik notwendig bzw. weil die Allgemeinheit notwendige Form der Besonderheit ist; und er bleibt Verstandesstaat, weil er vom aufgeklärt egozentrischen Verstand um der Verfolgung der besonderen Zwecke willen gefordert wird. Es ist eben dieser Not- und Verstandesstaat, dessen Begriff den liberalen Theorien (und den meisten staatsfeindlichen sozialistischen Ansätzen) zugrunde liegt, denen zufolge der Staat ein notwendiges Übel sei. In diesen Theorien bleibt der Staat den Individuen gegenüber äußerlich, begegnet ihnen als Zwangs- und nicht zuerst als Freiheitsordnung. Aber während dies für jene liberalen Theorien das letzte Wort ist, geht Hegel hierüber hinaus, indem er zeigen kann, dass dieses Verständnis des Staates als Not- und Verstandesstaat gar nicht zum politischen Staat, zum Vernunftstaat vordringt, also defizitär bleibt. Denn der äußere Staat ist zwar notwendig und vom Verstand gefordert, er ist aber noch nicht vernünftig eingesehen, nicht aus Vernunft gewusst und gewollt,18 damit noch nicht aus objektiver Freiheit begründet. Erst indem die bürgerliche Gesellschaft als Not- und Verstandesstaat sich zum politischen Staat erhebt, wird dies geleistet.

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Siehe zu Hobbes’ Staatstheorie nur etwa die einführenden Darstellungen von Münkler 2001, bes. S. 107-131; Henkel 2000b; Kersting 1994, S. 59-108. Hegel hat sich schon früh mit Hobbes auseinandergesetzt und dessen Staatstheorie kritisiert; namentlich die Konzeption eines sog. Gesellschaftsvertrages muss Hegel von seinem Ansatz aus zurückweisen. „Sie [die Einzelnen; MH] sind aufeinander bezogen wider ihr Wissen und wider ihren Willen“ (Hegel 1983a, S. 147).

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Bevor aber der entsprechende Übergang von der bürgerlichen Gesellschaft in den Vernunftstaat dargelegt wird, ist der Blick auf die innere Differenzierung der bürgerlichen Gesellschaft zu richten.

3.2. Die Momente der bürgerlichen Gesellschaft Die beiden von Hegel in Paragraph 182 der Grundlinien festgestellten Prinzipien entfalten sich in die drei Momente der bürgerlichen Gesellschaft. Es sind dies: „A. Die Vermittlung des Bedürfnisses und die Befriedigung des Einzelnen durch seine Arbeit und durch die Arbeit und Befriedigung der Bedürfnisse aller Übrigen, – das System der Bedürfnisse. B. Die Wirklichkeit des darin enthaltenen Allgemeinen der Freiheit, der Schutz des Eigentums durch die Rechtspflege. C. Die Vorsorge gegen die in jenen Systemen zurückbleibende Zufälligkeit und die Besorgung des besonderen Interesses als eines Gemeinsamen, durch die Polizei und Korporation“ (7/346, § 188).

3.2.1. Das System der Bedürfnisse Mit dem System der Bedürfnisse thematisiert Hegel die Eigenart der Marktwirtschaft. Dabei greift er aus kritischer Perspektive auf die Einsichten der klassischen Nationalökonomie insbesondere von Adam Smith, Jean Baptiste Say und David Ricardo zurück, die er auch namentlich erwähnt. Daneben sind es Einsichten der überkommenen Kameralistik bzw. Polizeiwissenschaft, die Hegel hier rezipiert. Dabei entwickelt er nicht so sehr eine eigene wirtschaftswissenschaftliche Theorie, als dass er vielmehr die wirtschaftswissenschaftlichen Lehren seiner Zeit mit Blick auf die Idee – also Begriff und Wirklichkeit19 – der Freiheit aufgreift.20 Die Befriedigung der individuellen Bedürfnisse erfolgt allererst durch Arbeit. In dieser Perspektive erweist sich die bürgerliche Gesellschaft als eine Arbeitsgesellschaft.21 Es ist eines ihrer herausragenden Charakteristika, dass der Einzelne seine

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Generell meint bei Hegel Idee den Begriff und seine Verwirklichung. So heißt es gleich am Anfang der Einleitung in den Grundlinien, dass „die philosophische Rechtswissenschaft [...] die Idee des Rechts, den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung zum Gegenstande“ habe (7/29, § 1). Hegel gibt seiner Bewunderung für die neuere Wirtschaftswissenschaft Ausdruck in: 7/346 f., § 186 A und Z. Über Hegels ökonomische Vorstellungen und über sein Verhältnis zur Wirtschaftslehre seiner Zeit informiert grundlegend Priddat 1990; siehe ferner Diesing 1999, S. 87-94. Hegel setzte sich gründlich mit dem Begriff der Arbeit auseinander, so namentlich in der Phänomenolgie des Geistes von 1807. Entscheidend ist, dass Arbeit für Hegel einen bilden-

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eigenen Bedürfnisse nicht so sehr durch seine persönliche Arbeit befriedigt, als vielmehr dadurch, dass er vermittels der Arbeitsteilung die Arbeit der anderen für seine eigene Bedürfnisbefriedigung nutzen kann: Die Arbeit wird unter modernen Bedingungen abstrakt, und ebendies bewirkt eine „Spezifizierung der Mittel und Bedürfnisse“ ebenso wie der Produktion und bringt die Teilung der Arbeit hervor. Arbeitsteilung bedeutet unter anderem Produktivitätssteigerung, hat aber zugleich auch zur Folge, dass die „Abhängigkeit und die Wechselbeziehung der Menschen“ (7/352, § 198) um der Bedürfnisbefriedigung willen zunimmt, sich zur Notwendigkeit auswächst.22 Mithin ist in dieser Form für die ökonomische Sphäre das der bürgerlichen Gesellschaft charakteristische Verhältnis von Besonderheit und Allgemeinheit wirksam. Die Bedürfnisse selbst qualifiziert Hegel als spezifisch menschliche im Unterschied zu tierischen Bedürfnissen. Die menschlichen Bedürfnisse sind geistig, das heißt auch: sozial vermittelte Bedürfnisse – selbst dort wo es sich um sog. natürliche Bedürfnisse handelt. Der geistige Aspekt menschlicher Bedürfnisse besteht in den Vorstellungen, die sich die Menschen von den begehrten Dingen machen. Und genau darin sieht Hegel eine – wenn auch formell bleibende23 – Befreiung von der strengen Naturnotwendigkeit. Anstatt zu unmittelbar natürlichen Bedürfnissen verhält sich der Mensch „zu seiner, und zwar einer allgemeinen Meinung und einer nur selbst gemachten Notwendigkeit, statt nur zu äußerlicher, zu innerer Zufälligkeit, zur Willkür“ (7/350, § 194). Gerade ob ihrer meinungshaften und insoweit künstlichen Natur ist es den menschlichen Bedürfnissen eigentümlich, im Grunde unendlich zu sein, und tatsächlich vervielfältigen sie sich im marktwirtschaftlichen System ebenso wie die Mittel zu ihrer Befriedigung ins Unabsehbare.24 Gerade dies vermehrt umgekehrt auch die „Abhängigkeit und Not“, die sich so als eine andere Seite der Steigerung der „Bedürfnisse, Mittel und Genüsse“ (7/351, § 195) erweisen. Die Arbeitsgesellschaft bringt den gesellschaftlichen Reichtum hervor, das von Hegel so genannte allgemeine Vermögen: In der „Abhängigkeit und Gegenseitigkeit der Arbeit und der Befriedigung der Bedürfnisse schlägt die subjektive Selbstsucht in den Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse aller anderen um, –

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den und befreienden Charakter hat; siehe dazu Schmidt am Busch 2002; Avineri 1976, S. 112118. Klar steht Hegel vor Augen, dass das Prinzip der Arbeitsteilung auch zur Simplifizierung, Mechanisierung und Technisierung der Arbeit führt. Die „Befreiung ist formell, indem die Besonderheit der Zwecke der zugrunde liegende Inhalt bleibt“ (7/350, § 195). Hegels Konzept des Bedürfnisses zeigt, dass Bedürfnisse nicht einfach gegeben sind, sondern künstlich erzeugt werden, und zwar besonders durch Gewinnstreben; so heißt es: „Es wird ein Bedürfnis [...] nicht sowohl von denen, welche es auf unmittelbare Weise haben, als vielmehr durch solche hervorgebracht, welche durch sein Entstehen einen Gewinn suchen“ (7/349, § 191 Z).

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in die Vermittlung des Besonderen durch das Allgemeine als dialektische Bewegung, so dass, indem jeder für sich erwirbt, produziert und genießt, er eben damit für den Genuss der Übrigen produziert und erwirbt. Diese Notwendigkeit, die in der allseitigen Verschlingung der Abhängigkeit aller liegt, ist nunmehr für jeden das allgemeine, bleibende Vermögen [...], das für ihn die Möglichkeit enthält, durch seine Bildung und Geschicklichkeit daran teilzunehmen, um für seine Subsistenz gesichert zu sein, – so wie dieser durch seine Arbeit vermittelte Erwerb das allgemeine Vermögen erhält und vermehrt“ (7/353, § 199).

Die Möglichkeit, am allgemeinen Vermögen teilzuhaben, ist die des besonderen Vermögens der Individuen bzw. der Familien.25 Das besondere Vermögen ist innerhalb des Systems der Bedürfnisse bedingt durch das Verfügen über Kapital sowie über die „Geschicklichkeit“.26 Diese wiederum weiß Hegel nicht zuletzt „durch die zufälligen Umstände“ (7/353, § 200) bedingt. Geschicklichkeit und Zufall führen daher zu gesellschaftlicher, namentlich zu ökonomischer Ungleichheit. Ökonomische Ungleichheit ist so für Hegel ein – im Übrigen nicht prinzipiell überwindbares – Signum der bürgerlichen Gesellschaft. Zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Vermögen vermitteln innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft die Stände. Die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft sind in diesen Ständen organisiert, die ihre Eigenart von ihrer Stellung im Prozess der Bedürfnisbefriedigung erhalten.27 Hegel unterscheidet dabei den substantiellen Stand, der durch ein unmittelbares Verhältnis zur Natur geprägt ist und namentlich die Landwirtschaft umfasst, dann den formellen Stand des Gewerbes und des Handels, der durch ein mittelbares Verhältnis zur Natur geprägt ist und schließlich den allgemeinen Stand, der auf das Funktionieren des Prozesses der Bedürfnisbefriedigung als solchen gerichtet ist und die staatliche Beamtenschaft umfasst. Anders als die heutige Wirtschaftswissenschaft, die in ihrer Lehre von den drei Wirtschaftssektoren lediglich auf die ökonomische Funktion der Bereiche Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft (primärer Sektor), Bergbau und verarbeitendes Gewerbe (sekundärer Sektor) sowie Handel und öffentliche wie private Dienstleistungen (tertiärer Sektor) abhebt, geht es Hegel in der Ständekonzeption um die ethischen Aspekte der unterschiedlichen Verhältnisse zum Produktions- und Verteilungsprozess. Die Stände sind daher nicht nur als ökonomische Sektoren qualifiziert, sondern als spezifische Lebensformen. So ist die Mitgliedschaft im substanziellen Stand gekennzeichnet durch eine traditionsorientierte – agrarische und ländliche – Lebensweise, während der formelle Stand die freie städtische Lebensweise prägt und der allgemeine Stand dem Staatsethos, nicht etwa dem Profitstreben, verpflichtet ist. 25 26 27

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Siehe 7/323, § 170. Zur Kapitaltheorie Hegels siehe Priddat 1990, S. 139-156. Siehe 7/354, § 201. https://doi.org/10.5771/9783845215273-93 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:44.

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Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass Hegels Ständelehre beispielsweise als Grundlage zur Erklärung moderner politischer Konfliktlinien ebenso geeignet ist wie zur Erläuterung des besonderen Status’ der Beamtenrechtsverhältnisse im modernen Staat. Ferner dürfte klar sein, dass Hegels Ständelehre weder auf eine Restauration der Ständegesellschaft abhebt noch irgendetwas mit Vorstellungen von einem sog. Ständestaat gemein hat, wie sie auf der antidemokratischen Rechten in der Zeit zwischen den Weltkriegen propagiert wurden.

3.2.2. Die Rechtspflege Die Marktökonomie und die ihr entsprechende Wirtschaftsgesellschaft, die Hegel als System der Bedürfnisse beschreibt, bleiben auf eine funktionierende und gesicherte Rechtsordnung, namentlich auf die Garantie des Eigentumsrechtes angewiesen. Den entsprechenden Zusammenhängen widmet sich Hegel unter dem Stichwort der Rechtspflege.28 Es geht ihm hier nicht mehr um die Existenz des Rechts im freien Willen, wovon der erste Teil der Grundlinien handelt. Vielmehr thematisiert Hegel nun das „Dasein“ des Rechts „als allgemein Anerkanntes, Gewusstes und Gewolltes“ (7/360, § 209), mithin die positive Rechtsordnung und ihre Institutionalisierung. Die positive Rechtsordnung der bürgerlichen Gesellschaft qualifiziert Hegel zunächst als Ausdruck einer zivilisatorischen Entwicklung, die Bildung hervorgebracht hat, das heißt ein „Denken als Bewusstsein des Einzelnen in Form der Allgemeinheit“ das das „Ich als allgemeine Person“ aufzufassen vermag, „worin Alle identisch sind“ (7/360, § 209 A). Mithin basiert die bürgerliche Rechtsordnung auf dem Bewusstsein der Gleichheit aller in der Freiheit bzw. der gleichen Freiheit aller – als Rechtssubjekte. In offenkundiger Anlehnung an eine Stelle im Paulusbrief an die Galater (Gal 3, 28) schreibt Hegel: „Der Mensch gilt [in der bürgerlichen Gesellschaft; MH] so, weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist“ (7/360, § 209 A). Die für die bürgerliche Gesellschaft unabdingbare Rechtssicherheit erwächst Hegel zufolge aus drei Faktoren: Aus der Gesetzesförmigkeit des Rechts, aus dem positiven Charakter des Rechts, das heißt daraus, dass das Recht in Akten der Gesetzgebung ausdrücklich und öffentlich erlassen wird, und schließlich aus einer durch unabhängige Gerichte vorgenommenen Rechtsprechung.

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Wenn man die spezifische Differenz zwischen (positivem) Recht und Politik außer Betracht lässt, mag es auf den ersten Blick überraschen, dass Hegel die Rechtspflege der bürgerlichen Gesellschaft und nicht dem politischen Staat zuordnet. Gerade auf jene Differenz kommt es aber an; siehe dazu auch Jaeschke 2003, S. 388 f.

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Die Darstellung der Rechtspflege weist Hegel unzweifelhaft als Theoretiker des klassischen Rechtsstaatsprinzips aus. Wie Immanuel Kant – der herausragende Vordenker des liberalen Rechtsstaates in Deutschland – in der Schrift Zum ewigen Frieden von 1795 hebt Hegel nicht zuletzt die Bedeutung der Öffentlichkeit für eine freiheitliche Ordnung hervor:29 Wie Kant betont er, dass die Öffentlichkeit des Rechts auch zur Gerechtigkeit der öffentlichen Ordnung beitrage.30 Wenn sich Hegel in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch für die Kodifizierung des Rechts ausspricht, nimmt er zugleich Stellung gegen die Auffassung, dass das Recht nicht künstlich gemacht und von gesetzgebenden Organen in Rechtsbüchern festgeschrieben werden solle, sondern dass es gewissermaßen dem Volksgeist abzulauschen und als lebendiges Recht von den Richtern und der Rechtswissenschaft zu verwalten sei. Diese Frage war im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts aktuell im so genannten Kodifikationsstreit, in dem sich Carl Friedrich von Savigny auf den Standpunkt stellte, dass die Zeit für eine kodifizierende Gesetzgebung noch nicht reif sei. Auf der Gegenseite forderte namentlich Anton Friedrich Justus Thibaut die Kodifizierung des bürgerlichen Rechts in einem allgemeinen Gesetzbuch. Hier war die Einsicht leitend, dass eine Zusammenfassung des Rechts in Gesetzbüchern die Berechenbarkeit und Sicherheit, die Rationalität des Rechts steigere.31 Eben diese Auffassung vertrat auch Hegel, der sie mit seiner Konzeption der Rechtsprechung verknüpfte. Über „das Gericht“ heißt es prinzipiell: „Das Recht, in der Form des Gesetzes in das Dasein getreten, ist für sich, steht dem besonderen Wollen und Meinen vom Rechte selbständig gegenüber und hat sich als allgemeines geltend zu machen. Diese Erkenntnis und Verwirklichung des Rechts im besonderen Falle, ohne die subjektive Empfindung des besonderen Interesses, kommt einer öffentlichen Macht, dem Gerichte, zu“ (7/373, § 219).

Im ersten dieser Sätze spricht Hegel aus, dass es verschiedene konfligierende Rechtsmeinungen gibt, das Recht insoweit strittig ist, andererseits aber einen allgemeinen und objektiven Anspruch erhebt, und deshalb mit verbindlicher Geltung entschieden werden muss. Der zweite Satz konstatiert, dass eben diese Entscheidung dem nicht im Rechtsstreit befangenen, insoweit unparteiischen Gericht obliegt, das vom Recht selbst ebenso gefordert wird wie die Rechtmäßigkeit des Gerichtsverfahrens. Diese Sicht auf das Rechtssystem bestätigt unzweideutig die Modernität der Hegelschen Rechtsstaatstheorie.

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Siehe Kant 1984, S. 49-56. Siehe 7/368, § 215 A. Siehe Hassemer 1994, S. 252; zum Kodifikationsstreit siehe Thibaut/Savigny 1973; Senn 2007, S. 333-338.

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3.2.3. Polizei und Korporation Das System der Bedürfnisse ermöglicht die Subsistenz und das (ökonomisch fundierte) Wohl des Einzelnen. Individuelle Subsistenzsicherung und subjektives Wohl sind dabei aber abhängig vom objektiven System des Marktmechanismus’ sowie von persönlichem Geschick und zufälligen Umständen. Dass diese Faktoren wiederum für die besondere Subistenz und das besondere Wohl nutzbar gemacht werden können, gewährleistet die Rechtspflege mit ihrem Eigentums- und Persönlichkeitsschutz (in Zivil- und Strafrecht). Die so umschriebenen formalen Möglichkeiten bedürfen aber zu ihrer Verwirklichung, zu ihrer tatsächlichen Realisierung weiterer Institutionen, die die einzelnen Wirtschaftsbürger gegen allgemeine Wechselfälle und Risiken absichern: „Im System der Bedürfnisse ist die Subsistenz und das Wohl jedes Einzelnen als eine Möglichkeit, deren Wirklichkeit durch seine Willkür und natürliche Besonderheit ebenso als durch das objektive System der Bedürfnisse bedingt ist; durch die Rechtspflege wird die Verletzung des Eigentums und der Persönlichkeit getilgt. Das in der Besonderheit wirkliche Recht enthält aber sowohl, dass die Zufälligkeiten gegen den einen und den anderen Zweck aufgehoben seien und die ungestörte Sicherheit der Person und des Eigentums bewirkt [sei], als dass die Sicherung der Subsistenz und des Wohls der Einzelnen, – dass das besondere Wohl als Recht behandelt und verwirklicht sei“ (7/382, § 230).

Die Gewährleistung der tatsächlichen Sicherheit von Person und Eigentum obliegt der Polizei, während die Absicherung der individuellen Subsistenz und des Wohls des Einzelnen Sinn der Korporation ist. Hegels Polizeibegriff entspricht nicht dem eng gefassten Polizeiverständnis des heutigen Polizeirechts, wonach die Aufgabe der Polizei in der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht. Vielmehr entspricht sein Verständnis dem überkommenen, weiter gefassten Polizeibegriff, demzufolge unter Polizei allgemein die öffentliche (Sicherheits- und Wohlfahrts-) Verwaltung zu verstehen war.32 Neben der ebenfalls kurz abgehandelten Sicherheitsverwaltung richtet Hegel sein Augenmerk vor allem auf die Wohlfahrtsverwaltung. Deren Unabdingbarkeit für die bürgerliche Gesellschaft leitet er von der Überlegung ab, dass diese Gesellschaft zwar auf dem Prinzip der individuellen Bedürfnisbefriedigung beruht, dass aber die individuelle Bedürfnisbefriedigung für alle gleichermaßen von gemeinsamen Institutionen abhängt, ohne die das Ganze des unendlich verschränkten und vernetzten Marktsystems nicht bestehen könnte. Die entsprechenden Institu32

Siehe dazu nur Knemeyer 1978. Das ältere Verständnis klingt heute noch nach, wenn beispielsweise von bau- oder von feuerpolizeilichen Maßnahmen die Rede ist. Etymologisch geht das Wort „Polizei“ auf das griechische Wort „politeia“ (= Republik, Staat) zurück, was auf den engen Zusammenhang von Polizei und Politik verweist. Dem alten Polizeiverständnis entsprach die Polizeiwissenschaft.

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tionen beruhen insoweit auf einem gemeinsamen Interesse, und dementsprechend fordern „diese allgemeinen Geschäfte und gemeinnützigen Veranstaltungen [...] die Aufsicht und Vorsorge der öffentlichen Macht“ (7/384, § 235) – die Polizei. Ihrem Begriff entsprechend leistet die Polizei neben der Sicherung der öffentlichen Ordnung die Bereitstellung einer Infrastruktur (Hegel nennt exemplarisch Straßenbeleuchtung und den Bau von Brücken), Gewerbe- und Marktaufsicht (zu denken wäre etwa an Kartellgesetzgebung, die Durchsetzung von Standards zur Arbeitsplatzsicherheit oder die Verhinderung von Schwarzmärkten), Prüfung der Warenqualität, Bereitstellung einer Gesundheitsinfrastruktur (etwa durch Errichtung öffentlicher Krankenhäuser oder Einstellung von Amtsärzten), öffentlicher Erziehungs- und Bildungseinrichtungen oder auch von Armenhäusern. Bleibt die Polizei eine „äußere Ordnung und Veranstaltung zum Schutz und Sicherheit der Massen von besonderen Zwecken und Interessen“ (7/392, § 249), so sorgt die Korporation (bzw.: die Korporationen, denn es sind dieser notwendigerweise mehrere) für eine gewissermaßen innere Ordnung zu jenem Schutz und jener Sicherheit, indem sie nämlich dem Individuum seine bürgerliche Ehre vermitteln, durch die es sich als etwas weiß, und zwar – in heutiger Sprache – als eigenständiger Leistungsträger der Gesellschaft. Eine entsprechende Vermittlung kann nur institutionell erfolgen, und so stellen sich Korporationen als Berufsgenossenschaften dar. Diese gibt es nur für den Stand des Gewerbes und sie erweisen sich insoweit als spezifisch moderne Institutionen, die zwar in ethischer Hinsicht den Zünften der vormodernen Zeit vergleichbar sind, dennoch aber durch die Eigenart der modernen Arbeitswelt qualifiziert werden. Korporationen sind intermediäre Instanzen zwischen dem Individuum und dem Ganzen, und es ist diese Mittelstellung, auf die es ankommt: Einerseits leisten die als Korporationen organisierten Berufszweige einen Beitrag zum allgemeinen Vermögen, andererseits organisieren sie die Fähigkeiten des seine eigenen Zwecke verfolgenden Individuums in den Prozess jenes Ganzen hinein und geben dem Individuum erst seinen Ort im geordneten oder strukturierten Ganzen des Wirtschaftsprozesses. Ebendeshalb weiß sich das Individuum als Mitglied der Korporation in seiner Besonderheit allgemein anerkannt. Die Zwecke der Korporation als solcher schließlich sind nur im allgemeinen Zweck des Ganzen realisierbar und verweisen insoweit auf diesen allgemeinen Zweck des Ganzen, das heißt des politischen Staates, für den sie gewissermaßen einen Transmissionsriemen gesellschaftlicher Interessen darstellen.33 So stellt Hegel in den Grundlinien die Korporation neben der 33

Der Staat hat daher umgekehrt auch die Aufsicht über die Korporationen, um zu verhindern, dass diese in ihrer Selbstbezogenheit erstarren und sich wie die mittelalterlichen Zünfte zu geschlossenen Gesellschaften wandeln: „Freilich muss über dieser [Korporation; MH] die höhere Aufsicht des Staates sein, weil sie sonst verknöchern, sich in sich verhausen und zu

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Polizei als den Ausgangspunkt des Überganges von der bürgerlichen Gesellschaft in den politischen Staat vor: „Der Zweck der Korporation als beschränkter und endlicher hat seine Wahrheit – sowie die in der polizeilichen äußerlichen Anordnung vorhandene Trennung und deren relative Identität – in dem an und für sich allgemeinen Zwecke und dessen absoluter Wirklichkeit; die Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft geht daher in den Staat über“ (7/397, § 256).

3.3. Der Übergang der bürgerlichen Gesellschaft in den Staat Tatsächlich lässt sich der Übergang von der bürgerlichen Gesellschaft in den Staat von Hegels Verständnis der Polizei und der Korporationen ausgehend gut plausibel machen.34 Dazu ist zuerst zu bedenken, dass Polizei und Korporationen als öffentliche Institutionen der liberalen Marktgesellschaft dienen und nicht etwa dazu eingeführt werden, um den vormodernen, bevormundenden Wohlfahrtsstaat des aufgeklärten Absolutismus’ zu restaurieren, der mit den freiheitlichen Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft für Hegel so wenig wie etwa für Kant zu vereinbaren ist. Worauf es allerdings ankommt ist, dass der Anspruch der bürgerlichen Gesellschaft, dem Wohl des Individuums zu dienen und allein das aufgeklärte Selbstinteresse gelten zu lassen, ohne jene öffentlichen und allgemeinen Institutionen gar nicht eingelöst werden kann. Das heißt aber, dass die bürgerliche Gesellschaft etwas voraussetzt, das nicht aus der aufgeklärten Egozentrik hervorgebracht werden kann, da diese eben nur auf die Realisierung des besonderen Interesses ausgerichtet ist. Indem aber die aufgeklärte Egozentrik als allgemeines Prinzip gilt, weist die bürgerliche Gesellschaft insoweit über sich hinaus, als dieses Allgemeine vorhanden, nicht aber als solches gewusst und gewollt ist. Von einem etwas anderen Blickwinkel aus kann man diese Zusammenhänge auch so formulieren: Die Allgemeinheit des besonderen Strebens nach individueller Bedürfnisbefriedigung lässt bereits gemeinsame Interessen entstehen, und deshalb bereiten Polizei und Korporationen als Repräsentanten dieser Allgemeinheit den Übergang der bür-

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einem elenden Zunftwesen herabsinken würde. Aber an und für sich ist die Korporation keine geschlossene Zunft: sie ist vielmehr die Versittlichung des einzelnstehenden Gewerbes und sein Hinaufnehmen in einen Kreis, in dem es Stärke und Ehre gewinnt“ (7/367, § 255 Z); siehe Avineri 1976, S. 133. Im Vergleich zu anderen Aspekten der Hegelschen Gesellschaftstheorie kann die Korporationslehre auf den ersten Blick als am wenigsten aktuell erscheinen. Blickt man allerdings auf die Funktion, die Hegel den Korporationen beimisst, wird sogleich deutlich, dass auch die Gegenwartsgesellschaft ohne Hegelsche „Korporationen“ nicht auskommt: Ihre Funktion wird heute erfüllt namentlich von politischen Parteien, öffentlichen Bildungseinrichtungen und Interessenverbänden (unter denen sich nach wie vor Berufsgenossenschaften finden). Zum Übergang siehe auch Pauly 2000, S. 387-392; Petersen 1992, S. 118-121.

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gerlichen Gesellschaft in den politischen Staat vor. Im politischen Staat stellt sich dann das gemeinsame Interesse nicht mehr lediglich hinter dem Rücken des individuellen Interesses objektiv ein und erscheint nicht mehr lediglich als Notwendigkeit und Zwang, sondern in ihm wird das gemeinsame Interesse als solches gewusst und gewollt. Und erst durch das Wissen und Wollen kann es frei, also nicht mehr nur als Notwendigkeit und Zwang, verwirklicht werden. Indem also die allgemeine Freiheit als solche gewusst und gewollt wird, vermag Freiheit als Ganze Wirklichkeit zu werden. Diese wirkliche Freiheit umfasst nicht nur die individuelle, sondern auch die allgemeine und ebendeshalb politische Freiheit. Mit der Erläuterung dieser Zusammenhänge leitet Hegel in Paragraph 257 der Grundlinien den Abschnitt über den politischen Staat ein. Die Gestalt des politischen Wissens und Wollens, das den Staat hervorbringt, ist hier ebenso wenig auseinanderzulegen wie die Einzelheiten des Konzeptes des Verfassungsstaates, als den Hegel den politischen Staat ausbuchstabiert.35

3.4. Armut im Reichtum und der Weg zum freiheitlichen Sozialstaat Der Verfassungsstaat sah sich im 19. Jahrhundert mit der aufkommenden Industriegesellschaft Problemen gegenüber, die man bald unter den Titel der sozialen Frage fasste:36 Anders als es die optimistischen Perspektiven der liberalen Wirtschaftstheorien eines Adam Smith oder David Ricardo nahe legten,37 erzeugte die Marktökonomie der bürgerlichen Gesellschaft bald ein vorher unbekanntes und zunächst erheblich zunehmendes Ausmaß an gesellschaftlicher Armut, an Not, Elend und Ausbeutung derjenigen, die von ihrer Arbeit leben mussten. Das Freiheits- und Gleichheitsversprechen der modernen Gesellschaft erwies sich für die arbeitenden Klassen vielfach als eine Illusion: So sehr die Industriegesellschaft Reichtum und Wohlstand produzierte und durch technische Entwicklungen die Lebensführung zu erleichtern vermochte, so sehr war der Anteil derjenigen, die in den Genuss dieser Fortschritte kamen, zunächst relativ gering, während ein erheblicher Teil der an-

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Siehe zu Hegels Staatsbegriff die Beiträge von Lembcke und Pertersen in diesem Band; ferner zum Verfassungskonzept (7/406-490, §§ 260-320): Hösle 1998, S. 561-579; Petersen 1992, S. 134-143; Schnädelbach 1997. Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts präsentierte sich zunächst und bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen als Arbeiterfrage. Durchaus im Sinne der Hegelschen Sichtweise hält Marx über Smith und Ricardo fest, dass das Elend, das die bürgerliche Produktionsweise hervorbringe, „in ihren Augen nur der Schmerz“ sei, „der jede Geburt begleitet in der Natur wie in der Industrie“ (Marx 1971a, S. 512).

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wachsenden Arbeiterschaft einen Kampf um das tägliche Überleben führen musste.38 Hegel konnte die Herausbildung der Industriegesellschaft (am Beispiel Englands) lediglich in ihren frühen Anfängen verfolgen und ihre weitere Entwicklung noch kaum voraussehen. Erst einige Jahre nach seinem Tod wurde die Eigenart der Industriegesellschaft deutlich erkennbar. Gleichwohl hat Hegel in der theoretischen Durchdringung des Systems der Bedürfnisse die grundlegenden Tendenzen, die die widersprüchliche Dynamik der bürgerlichen Industriegesellschaft später prägen sollten, bereits klar erfasst. Die wichtigsten seiner vielzitierten Ausführungen zu dieser Problematik seien auch hier wiedergegeben: „Wenn die bürgerliche Gesellschaft sich in ungehinderter Wirksamkeit befindet, so ist sie innerhalb ihrer selbst in fortschreitender Bevölkerung und Industrie begriffen. – Durch die Verallgemeinerung des Zusammenhangs der Menschen durch ihre Bedürfnisse und der Weisen, die Mittel für diese zu bereiten und herbeizubringen, vermehrt sich die Anhäufung der Reichtümer [...] auf der einen Seite, wie auf der andern Seite die Vereinzelung und Beschränktheit der besonderen Arbeit und damit die Abhängigkeit und Not der an diese Arbeit gebundenen Klasse, womit die Unfähigkeit der Empfindung und des Genusses der weiteren Freiheiten und besonders der geistigen Vorteile der bürgerlichen Gesellschaft zusammenhängt“ (7/389, § 243).

Und weiter: „Das Herabsinken einer großen Masse unter das Maß einer gewissen Subsistenzweise, die sich von selbst als die für ein Mitglied der Gesellschaft notwendige reguliert – und damit zum Verluste des Gefühls des Rechts, der Rechtlichkeit und der Ehre, durch eigene Tätigkeit und Arbeit zu bestehen –, bringt die Erzeugung des Pöbels hervor, die hinwiederum zugleich die größere Leichtigkeit, unverhältnismäßige Reichtümer in wenige Hände zu konzentrieren, mit sich führt“ (7/389, § 244).

Im Ganzen erweise sich die bürgerliche Gesellschaft trotz ihres Reichtums als „nicht reich genug“, sie besitze „an dem ihr eigentümlichen Vermögen nicht genug [...], dem Übermaße der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern“ (7/390, § 245). Hegel qualifiziert hier die relative Exklusion eines Teils der Bevölkerung aus dem gesellschaftlichen Vermögen als ein Strukturmerkmal der bürgerlichen Gesellschaft, die für ihn durch Überproduktionskrisen gekennzeichnet ist, denen die Gesellschaft von sich aus deshalb nicht beizukommen vermag, weil direkte oder indirekte öffentliche Hilfsmaßnahmen gegen ihre Freiheitsprinzipien verstießen: Arbeitslose Transfereinkommen etwa würden zwar die Subsistenz der Bedürftigen sichern, dies aber geschähe ohne dass diese Bedürftigen arbeiteten, was gegen das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft verstoße und den Individuen verwehre, ihre Selbständigkeit und Ehre durch eigene Arbeit zu gewinnen. Ein öffentliches Arbeitsangebot an die Be38

Siehe dazu nur etwa Nipperdey 1998a, S. 219-248; Nipperdey 1998b, S. 335-373. https://doi.org/10.5771/9783845215273-93 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:44.

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dürftigen vergrößerte indes nur die Produktion, der keine „selbst produktiven Konsumenten“ (7/390, § 245) gegenüberstünden, was das Problem nur verschärfe.39 Andere Möglichkeiten der Abhilfe – nämlich Export, Auswanderung und Koloniengründung – mögen zwar vorübergehend die Überproduktionskrisen linderen können, sind aber außerstande, das Strukturproblem prinzipiell zu überwinden, da die Erde letztlich endlich ist und auch eine auf den Globus ausgedehnte bürgerliche Gesellschaft mit ihnen belastet sein wird. Hegel belässt es mithin bei der Beschreibung des gesellschaftlichen Strukturproblems der Armut, für das er keine prinzipielle Lösung sieht. Er geht mithin davon aus, dass die moderne Gesellschaft mit den entsprechenden Dilemmata leben muss, und dass im übrigen die Integrationskraft des politischen Staates stark genug ist, um die derart instabile Gesellschaft jedenfalls auf seinem geographischen Gebiet zusammenzuhalten. Mit dieser Sicht der Dinge war namentlich Karl Marx nicht zufrieden. Marx rühmte Hegel für seine Einsichten in jene Strukturprobleme der bürgerlichen Gesellschaft, setzte aber nicht etwa auf die Integrationskraft des Staates, sondern hielt – wie oben angesprochen – dafür, dass der Staat gerade ein Teil des Problems sei: Die voll entwickelte, ihre Widersprüche voll entfaltende bürgerliche Gesellschaft werde sich nämlich aus sich selbst heraus befreien, und zwar nicht zuletzt, indem sie den Staat und die von ihm repräsentierte bürgerliche Eigentumsordnung in einer Revolution überwinde, die schließlich die vollkommene, die kommunistische Gesellschaft aus sich entlasse. Dieser durchaus von Hegel ausgehenden Sicht Marxens steht ein Entwurf gegenüber, der ebenfalls an Hegel anknüpft, dessen Theorie jedoch im Angesicht der Eigenart der Industriegesellschaft konstruktiv weiterentwickelt. Es ist dies der Entwurf Lorenz von Steins. Stein zeigt auf, wie der Staat zwar die Antinomien der zur Industriegesellschaft gewandelten bürgerlichen Gesellschaft nicht aus der Welt schaffen kann, wie er aber den (nicht zuletzt in Armut und Elend begründeten) freiheitsbedrohenden Konsequenzen der Gesellschaft begegnen kann – nämlich dadurch, dass der Verfassungsstaat sich zum freiheitlichen Sozialstaat fortentwickelt. Mit seiner Theorie wurde Stein im Anschluss insbesondere an Hegel zum Begründer der Theorie des modernen Sozialstaates.40 Dem von Stein eingeschlagenen Hegelschen Weg folgte insoweit namentlich Hermann Heller.41 So erwies sich Hegels Theorie

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Siehe dazu Priddat 1990, S. 171-175. Siehe dazu nur Böckenförde 1972; Huber 1972; Koslowski 1989. Siehe Heller 1992b. Wie oben bemerkt, hielt im Unterschied zu Marx auch der Hegelbewunderer Lassalle am Staat fest. Sein Konzept eines in die Gesellschaft eingreifenden, insoweit sozial tätigen Staates unterscheidet sich aber in entscheidenden Punkten sowohl von Hegels

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als entwicklungsoffener Entwurf, an den zum Verständnis der sich fortentwickelnden modernen Gesellschaft noch ein Jahrhundert nach Hegels Tod angeknüpft werden konnte.

4. Hegels Erbe und das Verhältnis von Staat und Gesellschaft heute Seit Hegel seine Theorie des Staates und der Gesellschaft ausarbeitete, sind rund 200 Jahre vergangen. In dieser Zeit haben sich die soziale und politische Welt in vielfacher Weise und zum Teil erheblich gewandelt. Man kann sich angesichts dessen die Frage vorlegen, ob das begriffliche Instrumentarium und die Einsichten der Hegelschen Theorie auch für unsere Welt der Gegenwart noch Geltung beanspruchen können. Eine einfache Antwort auf diese Frage ist selbstverständlich nicht möglich.42 Zunächst bleibt festzuhalten, dass Hegel mit der Entdeckung des modernen Gesellschaftsbegriffs ein Paradigma geprägt hat, durch das er ein Wegbereiter der modernen Soziologie wurde.43 Wer nach Hegel ernsthaft über Gesellschaft nachzudenken unternimmt, kommt nicht umhin, sich mit Hegels Entwurf auseinanderzusetzen. Schon deshalb wurde seine Theorie immer wieder aktualisiert, sei es in affirmativer oder in kritischer Weise.44 Immer wieder aufs Neue erwies Hegels Denken die Fähigkeit, „sich mit ihm auf den Stand einer veränderten Erfahrung zu bringen“.45 So kann es nicht wundern, dass auch namhafte politische Denker, Staats- und Gesellschaftstheoretiker des 20. und frühen 21. Jahrhunderts – in je unterschiedlicher Weise – konstruktiv an Hegel anknüpf(t)en, und zwar nicht nur in Deutschland. Genannt seien der bereits erwähnte Heller, sodann Theodor Litt, Eduard Spranger, Hans Freyer, Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gerd Roellecke, Niklas Luhmann, Günter Rohrmoser, Rüdiger Bubner, Axel Honneth, Vittorio Hösle, Benedetto Croce, Michael Oakeshott, Charles Taylor, Shlomo Avineri oder Robert P. Pippin. Im Werk

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Theorie wie auch von den Ansätzen Steins und Hellers; siehe in dieser Hinsicht zum Verhältnis Lassalles, Hegels und Marxens Ramm 2004, S. 47, 176-178. Immer wieder wurde und wird nach der Aktualität Hegels gefragt, siehe etwa Negt 1970; Taylor 1979, S. 125-134, 166-169; Quante/Rósza 2001. Dass Hegels Gesellschaftsbegriff einen „Neubeginn“ darstellt und Hegel der erste war, der einen kritischen Gesellschaftsbegriff vorformulierte, hebt Riedel in seinen wichtigen Arbeiten hervor (Riedel 1975a, S. 779; Riedel 1975b, S. 836, 857; Riedel 1974a, Sp. 472; Riedel 1976); siehe ferner Freyer 1931, S. 63-69; Klages 1969, S. 60, 65; Siemek 1996; Jaeschke 2003, S. 387. Siehe dazu Riedel 1975a, S. 781 f. Rohrmoser 1983, S. 375.

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dieser und zahlreicher anderer Gelehrter erweist sich „Hegels Erbe“46 als überaus lebendig. Möglich ist dies mit Blick auf Staat und Gesellschaft deshalb, weil die Gesellschaft der Gegenwart in ihren Prinzipien und Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft Hegels noch immer weitgehend entspricht, und zwar ungeachtet aller seit Hegel festzustellenden Wandlungen: Arbeit, Eigentum, Kapital und Bildung stehen hinter der Dynamik auch der heutigen Wirtschaftsgesellschaft. Und dass diese nunmehr die Gestalt einer sich globalisierenden Gesellschaft, einer Weltgesellschaft annimmt, entspricht ganz der Hegelschen Konzeption, kennt doch das System der Bedürfnisse an sich keine Grenzen, seien diese politischer oder ethnischer Natur. Indem ferner die Individuen in Hegels bürgerlicher Gesellschaft ihr Leben als Menschen leben, wird in ihr auf eine universelle Kategorie rekurriert, ist Hegels bürgerliche Gesellschaft von vornherein prinzipiell und potentiell Weltgesellschaft.47 Mit Hegel lässt sich aber dann auch begreifen, warum eine globalisierte Wirtschaftsgesellschaft einer politischen Organisation nicht entraten kann, die auch heute noch der Staat ist, weil ein konkretes Allgemeines, das als solches gewusst und gewollt werden kann, sich nach wie vor allein in geschichtlich überlieferten, an bestimmte geographische Gebiete gebundenen Formen präsentiert, ein „Menschheitsallgemeines“ aber nirgendwo auszumachen ist. Während die gesellschaftliche und namentlich die ökonomische Ordnung sich heute zunehmend als global erweist, besteht die politische Ordnung der Weltgesellschaft nach wie vor im Pluriversum der Staaten. Das hindert nicht, dass sich beispielsweise internationale Regime in der Weltgesellschaft ausbilden – sie erweisen sich aus Hegelscher Perspektive als Varianten des Not- und Verstandesstaates und bleiben in politischer Hinsicht – das heißt in Hinsicht auf die Freiheit – defizitär. Es darf also von einer Aktualität der Hegelschen Theorie des Staates und der Gesellschaft auch am Beginn des 21. Jahrhunderts gesprochen werden. Dies kann nicht bedeuten, Hegels Ansichten einfach unkritisch hinzunehmen und zu übernehmen; es beinhaltet aber die Forderung, sich von Hegels Problembewusstsein und seiner Sicht anregen zu lassen und sein Angebot anzunehmen, der Frage nach Staat und Gesellschaft auf den Grund zu gehen.

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Siehe Halbig/Quante/Siep 2004; Gadamer 1979. „Hegel war der erste, der die der Konstitution der bürgerlichen Gesellschaft zugrundeliegenden Prinzipien und Strukturen als die einer potentiellen Weltgesellschaft in ihrer abstraktungeschichtlichen Universalität und Homogenität zu Ende gedacht und die Probleme auf den Begriff gebracht hat, die sich aus ihrer Verwirklichung in der Gestalt einer weltumspannenden industriellen Zivilisation ergeben müssen“ (Rohrmoser 1983, S. 376).

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Sergio Dellavalle

Hegels äußeres Staatsrecht: Souveränität und Kriegsrecht Über eine schwierige Verortung zwischen universaler Vernunft und einzelstaatlichem Ethos

1. Einleitung In einer Stellungnahme gegen den nationalstaatlich geprägten Widerstand gegenüber dem normativen Vorrang supranationalen Rechts ortet Christian Tomuschat eine solche Ablehnung als spätes Resultat von „längst für überwunden geglaubte[n] Theorien des 19. Jahrhunderts, die in der Nachfolge Hegel’scher Gedanken das Völkerrecht für ‚äußeres Staatsrecht’ hielten“.1 So gesehen erscheint Hegel als der Wendepunkt, der vom Projekt des „ewigen Friedens“ zum Vorrang des Nationalstaates führte. Unbestreitbar ist in der Tat, dass zwischen Immanuel Kant und Adolf Lasson – um nur einen, allerdings besonders prominenten und dezidierten Vertreter der nationalstaatlich zentrierten Rechtstheorie zu nennen – eine Zäsur stattgefunden hat. Diese betrifft, genau gesehen, nicht nur den Übergang des Völkerrechts von seiner ursprünglichen naturrechtlichen Grundlage zu einer positiv-rechtlichen Ausformung.2 Was sich geändert hat, ist vielmehr die Position des Völkerrechts im gesamten Rechts- und Sozialsystem und daher auch seine Funktion und sein Ziel. So schrieb Kant noch, dass „für Staaten, im Verhältnisse unter einander, [...] es nach der Vernunft keine andere Art geben [kann], aus dem gesetzlosen Zustande, der lauter Krieg enthält, herauszukommen, als dass sie, eben so wie einzelne Menschen, ihre wilde (gesetzlose) Freiheit aufgeben, sich zu öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen, und so einen (freilich immer wachsenden) Völkerstaat (civitas gentium), der zuletzt alle Völker der Erde befassen würde, bilden“.3

Diametral entgegengesetzt ist die Position von Lasson: „Nein, dieser Traum von einer Rechtsordnung über und zwischen den Staaten ist ein wüster und widersinniger Traum, aus der Feigheit und Sentimentalität geboren und nur durch den

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Tomuschat 1997, S. 73. Dieser Aspekt ist von Heinhard Steiger hervorgehoben worden. Vgl. Steiger 1997, S. 45. Kant 1968, Bd. 11, S. 212.

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Missbrauch der Werte und durch schwebende unklare Vorstellungen mit einem Schein von Realisierbarkeit und Vernünftigkeit umkleidet.“4

Umstritten bleibt allerdings die Rolle, die Hegel bei dieser Zäsur tatsächlich gespielt haben soll. Ist er wirklich – wie Tomuschat zu vermuten scheint – der Ziehvater der post-illuministischen Wende, die sich letztlich zu jenem systematischen Vorrang des Staatsrechts über das Völkerrecht und zu der beinahen „Annektierung“ des zweiten durch das erste entwickelte, welche das Rechts- und politische Denken bis zu der von Hans Kelsen herbeigeführten Revolution entscheidend prägte? Oder bleibt Hegel nicht vielmehr, einer Janus-Gestalt gleich, zwei Richtungen zugewandt, einerseits der Universalität der Aufklärung und andererseits deren Überwindung durch die Singularität des Staates? Ist seine Staatsauffassung tatsächlich so eng verwandt mit dem romantischen Gedanken des Nationalstaates? Oder entspricht sie nicht eher dem Versuch, die Unzulänglichkeiten des aufklärerischen Staats- und Völkerrechtsbegriffs aufzuheben, wenn auch in eine Richtung, die das Problem eher hypostasiert als löst?5 Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Fragen wird Hegels Souveränitätsund Völkerrechtsverständnis hier nicht rein rechtswissenschaftlich, sondern als Teil einer breiteren Konzeption staatlicher und überstaatlicher Ordnung erfasst. Aus der Perspektive einer interdisziplinären Theorie sozialer Ordnung, zu der politische Philosophie und Rechtsphilosophie sowie Rechtswissenschaft und Politologie beitragen und in der sie sich auf Augenhöhe begegnen, werden Hegels Deutungen von Souveränität und Völkerrecht in seine allgemeine Sicht hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen eines geordneten Zusammenlebens sowohl innerhalb des Staates als auch in den Beziehungen zwischen den Gemeinwesen eingebettet. Dies vorausgesetzt, wird der erste Schritt der Untersuchung darin bestehen, die relevantesten Ordnungsauffassungen zu rekonstruieren, die vor seiner Zeit entwickelt wurden und deshalb das ideengeschichtlich tradierte Material darstellten, mit dem er sich mit seiner Philosophie und seinem eigenen Vorschlag auseinanderzusetzen hatte (2.). In einem zweiten Schritt wird dann Hegels eigene Auffassung untersucht. Dabei werden die wichtigsten Elemente seiner Theorie der „Souveränität nach außen“ und des „äußeren Staatsrechts“ herausgearbeitet und im Kontext seiner Werke sowohl synchronisch als auch diachronisch analysiert (3.). Im letzten Paragraphen werden schließlich sowohl Hegels Position bezüglich der tradierten Ordnungsauffassungen als auch seine Wirkung hinsichtlich der Entwick-

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Lasson 1871, S. 26. Zur Zweideutigkeit von Hegels Auffassung der internationalen Beziehungen siehe Smith 1983. Für eine Verortung von Hegels Völkerrechtskonzeption im Rahmen der Theorien seiner Zeit vgl. Jaeschke 2008.

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lung und Konsolidierung neuer Ordnungskonzeptionen im 19. Jahrhundert und darüber hinaus dargelegt und gewertet (4.).

2. Der Acquis der Ordnungsparadigmen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Drei Paradigmen sozialer Ordnung hatten sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts konsolidiert. Bevor man zur kurzen Darlegung dieser Grundkonzeptionen gesellschaftlichen Zusammenlebens übergeht, welche den Ausgangspunkt auch von Hegels Verständnis interstaatlicher Beziehungen darstellten, ist aber zunächst nötig zu klären, was hier unter „Paradigmen sozialer Ordnung“ zu verstehen ist. Dabei ist einerseits hervorzuheben, dass jede funktionsfähige Gesellschaft Regeln braucht, deren Aufgabe in der Garantie besteht, dass die Interaktion zwischen gesellschaftlichen Akteuren friedlich bzw. fair sowie möglicherweise – wenn auch nicht immer explizit und reflexiv –6 kooperativ verläuft. Soziale Ordnung ist daher jener Zustand, in dem Konflikt zwar nicht beseitigt, jedoch durch institutionalisierte Verfahren so abgefangen wird, dass er seine ursprüngliche destruktive Wirkung weitgehend verliert. Andererseits bezeichnet „Paradigma“ den Zusammenhang von begrifflichen Voraussetzungen von Wissen und Handeln, die den theoretischen und praktischen Vernunftgebrauch in einer bestimmten Gesellschaft und mit Bezug auf einen spezifischen Bereich der Erkenntnis bzw. des Handelns entscheidend prägen.7 Paradigmen bilden daher die konzeptuelle Grundlage, auf der Theorien zur Interpretation von Phänomenen und/oder zur Handlungsanleitung aufgestellt werden. Sie differenzieren sich synchronisch mit Verweis auf die Spezifizität des theoretischen und praktischen Bereichs: So entwickelt jede Disziplin im Rahmen einer bestimmten Gesellschaft eigene, den jeweils ausschlaggebenden Erkenntnis- und praktischen Interessen entsprechende Paradigmen als Grundgerüst disziplinspezifischer Theorien. Genauso differenzieren sich die Paradigmen aber auch diachronisch, insofern als jede Disziplin im Laufe ihrer Geschichte, meistens in Folge einer komplexen Mischung von interner Diskursentwicklung und Anpassung an geänderte gesamtgesellschaftliche Verhältnisse, paradigmatische Revolutionen durchläuft. Bringt man die angeführten Definitionen von „Ordnung“ und „Paradigma“ zusammen, lässt sich besser erklären, was unter „Ordnungsparadigmen“ verstanden

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So ist die Kooperation in der Interaktion im Wirtschaftsbereich insofern nicht „explizit“ und „reflexiv“, als sich der kollektive Vorteil beinahe „naturwüchsig“ – das heißt spontan bei Prozessen der Verfolgung von Eigeninteressen von Seiten der beteiligten Akteure – einstellt. Die hier verwendete Definition von „Paradigma“ geht, wenn auch sehr vermittelt, auf die Arbeiten von Thomas Kuhn zurück: Kuhn 1996a, S. 186 bzw. Kuhn 1996b, S. 174).

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wird.8 Ein „Paradigma der Ordnung“ ist nämlich – wenn man unter Ordnung „soziale Ordnung“ versteht – ein Zusammenhang von Begriffen, auf dessen Basis Theorien zum Verständnis und zur Gestaltung gelingender, das heißt friedlicher und kooperativer gesellschaftlicher Interaktion verfasst werden. Genauer betrachtet, muss jedes Ordnungsparadigma, um seiner theorie-poietischen Funktion bezüglich der Phänomene gesellschaftlicher Interaktion gerecht zu werden, zwei Aussagen enthalten. Die erste betrifft die mögliche Reichweite der Ordnung, das heißt wie weit eine geordnete Gesellschaft inklusiv sein kann: Auf der einen Seite haben wir hier jene Theorien, die davon ausgehen, dass eine geordnete Gesellschaft immer nur begrenzt und weitgehend homogen sein kann; auf der anderen Seite steht hingegen die Auffassung, dass eine weltweite Ordnung im Prinzip nicht nur erstrebenswert, sondern auch möglich ist. Die zweite Aussage betrifft dann die ontologische Struktur der Ordnung, indem sie eine bestimmte Entität – sei diese das Individuum oder die Familie, die Nation oder die Menschheit – als die Grundlage der Ordnung, nämlich als deren Ausgangs- und Fluchtpunkt, definiert. Dementsprechend ist jedes Paradigma sozialer Ordnung dadurch gekennzeichnet, dass in seiner Grundbegrifflichkeit eine bestimmte und unverwechselbare Stellungnahme in Bezug sowohl auf die Grenzen der Ordnung, bzw. eventuell auf das Fehlen dieser Grenzen, als auch auf die Entität, deren ontologische Qualität für die erfolgreiche Bildung gesellschaftlicher Ordnung bürgen soll, enthalten ist. Auf Grund dieser kombinierten Stellungnahme ist in jedem Ordnungsparadigma eine Interpretation von Voraussetzungen, konkreter Gestaltung, Möglichkeiten und Beschränkung der Ordnung im inner- sowie im interstaatlichen Bereich vorhanden. Anhand des Bezugs auf die Ordnungsparadigmen kann auch Hegels Theorie des äußeren Staatsrechts besser sowohl auf seine gesamte Gesellschaftstheorie als auch auf konkurrierende Auffassungen zurückgeführt werden. Diese begriffliche Klärung vorausgesetzt, können wir uns nun der Darstellung der Ordnungsparadigmen zuwenden, die als Bezugspunkte der Hegelschen Auffassung gelten.

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Der Begriff des „Ordnungsparadigmas“ ist im Rahmen eines Forschungsprojekts des MaxPlanck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht entwickelt worden, das von Armin von Bogdandy und mir koordiniert worden ist. Näheres unter: http://www.mpil.de/ww/de/pub/forschung/forschung_im_detail/projekte/voelkerrecht/philoso phie_voelkerrecht.cfm.

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2.1. Der holistische Partikularismus als Ordnungsparadigma der Antike Das älteste Ordnungsparadigma des Westens9 ist zunächst durch die Behauptung charakterisiert, dass Ordnung ausschließlich innerhalb begrenzter Gemeinschaften möglich ist. Während daher im Bereich der einzelnen Gemeinwesen geordnete Interaktionen zwischen sozialen Akteuren möglich sind, ist in den Beziehungen zwischen den politischen Gemeinschaften selbst nur eine Hegung des Konfliktes im Sinne einer Einschränkung von den destruktivsten Folgen denkbar, die aus nicht institutionalisierbaren, zumeist kriegerischen Auseinandersetzungen wachsen können. Diese Auffassung ist insofern partikularistisch, als die Idee einer weltweiten Ordnung, die über die Grenzen einzelner Gemeinwesen hinaus gilt oder gelten soll, ins Reich der Phantastereien verbannt wird. Der Partikularismus der Ordnungskonzeption verbindet sich, was deren Reichweite betrifft, dann in diesem Paradigma mit einem holistischen Verständnis der Ordnungsstruktur. Die Grundlage der Ordnung ist hier nämlich eine soziale Entität, die nicht nur partikular, weil begrenzt ist, sondern eine Ganzheit darstellt, die intern weitgehend homogen ist und sich in ihrer Besonderheit von allen anderen politischen Einheiten unterscheidet. Im holistischen Partikularismus ist die soziale Totalität, welche die Basis der spezifischen Ordnung jedes einzelnen Gemeinwesens ausmacht, mehr als die bloße Summe ihrer Komponenten: Hier besitzt die Gemeinschaft eine Geltung, die den Interessen und Rechten der Individuen und sozialen Gruppen, aus denen sie besteht, deutlich übergeordnet ist und nicht aus der prozeduralen Partizipation der involvierten Akteure entsteht. Hinsichtlich der angeblich unvermeidbaren Konflikthaftigkeit zwischen den Gemeinwesen wurde diese Ordnungsidee bereits in der Antike,10 nämlich von Thukydides11 so überzeugend ausformuliert, dass seine Grundargumente für die Abweisung der Perspektive einer überstaatlichen Ordnung zum Gemeingut aller „Realisten“ bis weit über Hegels Zeit hinaus wurden.12 Schwieriger und wendungsreicher gestaltete sich die Suche nach einer geeigneten ontologischen Grundlage der partikularen Ordnung in den Grenzen der einzelnen politischen Gemeinschaften. Wenn 9

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Auf Grund des angeführten Materials ist es angebracht, lediglich von „Ordnungsparadigmen des Westens“ in diesem Zusammenhang zu sprechen. Es ist dennoch anzunehmen, dass eine kulturübergreifende Untersuchung ähnliche Ordnungsverständnisse – zumindest bezüglich der zwei ältesten Paradigmen – zu Tage fördern würde. Näheres über die Entstehung des partikularistisch-holistischen Paradigmas in der Antike in: Bogdandy/Dellavalle 2008. Thukydides 2006, Buch V, Rn. 86 ff. Basierend natürlich auf einem signifikant unterschiedlichen Erkenntnisinstrumentarium, lassen sich Thukydides’ Argumente gegen die „Illusion“ einer universalen Ordnung bis in die „realistischen“ und dann „neo-realistischen“ Interpretationen der internationalen Beziehungen von Hans Morgenthau (1948) bis Jack Goldsmith und Eric Posner (2005) wiederfinden.

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die Interaktion zwischen den Gemeinwesen unausweichlich zu einem kaum gebändigten Konflikt führte, stellte sich die Frage, was hingegen garantierte, dass in den Grenzen der Polis bzw. der Republik und später des Territorialstaates halbwegs stabile und geachtete Regeln des sozialen Umgangs gelten konnten. Thukydides schwieg sich diesbezüglich fast gänzlich aus13 und überließ die schwere Suche nach einer Antwort zwei berühmten, wenige Jahrzehnte jüngeren Philosophen. Der erste bedeutende Denker, der sich die Klärung der Faktoren, die den Zusammenhalt der Polis garantieren sollen, explizit zur Aufgabe macht, ist Platon. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts ortet er im Begriff der „Gerechtigkeit“ (δικαιοσύνη). Platon definiert allerdings Gerechtigkeit in einer für uns ungewöhnlich gewordenen Art: Für ihn ist sie nämlich jener Zustand, in dem jeder Einzelne nur jenen Geschäften nachgeht, die einerseits dem kollektiven Interesse der Polis dienen und für die er andererseits von Natur aus besonders veranlagt ist.14 Gerechtigkeit beschreibt daher das gelungene soziale Leben in einer organischen Gemeinschaft, in der sich jede Bürgerin und jeder Bürger derart mit deren Zielen identifiziert, dass sie bzw. er bereit ist, das kollektive Gute mit den vorgegebenen Aufgaben für die Einzelnen den eigenen Selbstverwirklichungsvorstellungen vorzuziehen. Eine solche Auffassung stellt ungemein hohe Ansprüche an die Bereitwilligkeit der Einzelnen, sich mit dem Gemeinwesen zu identifizieren, in dem sie leben. Um Zweifel an der Einlösbarkeit dieser Ansprüche aufkommen zu sehen, brauchte man nicht auf die Moderne zu warten.15 Schon Aristoteles – die Zweite der vorher erwähnten philosophischen Größen – hatte sich von seinem Vorgänger distanziert: Erstens entwarf er ein Verständnis von Gerechtigkeit, das unserem wesentlich näher kommt.16 Zweitens bezeichnete er die Glückseligkeit und nicht die Identifikation mit dem Gemeinwesen als das höchste moralische Ziel.17 Drittens maß er dem kontemplativen Leben einen höheren Wert bei als dem politischen Leben.18 Indem er die ethischen Anforderungen an die Einzelnen hinsichtlich ihrer unmittelbaren Leistungsbereitschaft zugunsten des Kollektivs nach unten korrigierte, war Aristoteles aber auch gezwungen, eine neue Grundlage für das weiterhin organischholistische Verständnis des sozialen Lebens zu finden.19 Die Lösung, auf die er kam, erwies sich als außerordentlich erfolgreich und prägte die holistische Konzeption der Politik und insbesondere das partikularistisch-holistische Ordnungsparadigma für 13 14 15 16 17 18 19

Marginale und eher allgemeine Hinweise finden sich in: Thukydides 2006, Buch III, Rn. 82. Platon 1920, Buch IV, 432b ff. Auf die Unvereinbarkeit des Prinzips der modernen Freiheit des Individuums mit Platons Sichtweise hatte schon Hegel hingewiesen. GW 8, S. 263. Aristoteles 1995b, Buch V, 1129a ff. Aristoteles 1995b, Buch I, 1097a ff. Aristoteles 1995b, Buch X, 1177a. Aristoteles 1995c, Buch IV, 1290b f.; Buch VII, 1328a f.

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beinahe zwei Jahrtausende. Die ontologische Basis der Kohäsion einzelner Gemeinwesen besteht nämlich für Aristoteles in ihrer Interpretation als erweiterte Familien.20 Insofern die politische Gemeinschaft der Familie gleichgestellt wird, bekommt die Loyalität der Bürgerinnen und Bürger eine quasi-natürliche Dimension, welche ihre Willensleistung nicht zu überfordern braucht. Die gleiche Interpretation der organischen Kohäsion des einzelnen Gemeinwesens als Folge einer naturwüchsigen Familienbindung findet sich durch die Jahrhunderte immer wieder, bis sie besonders prominent im 16. Jahrhundert von Jean Bodin als Voraussetzung seiner Theorie der absolutistischen und souveränen république postuliert wird.21 Er verflocht die Theorie des familistischen Ursprungs der politischen Gemeinschaft jedoch eng mit dem politischen Programm des Absolutismus, zu dessen bedeutendster konzeptueller Stütze sie sogar aufstieg.22 Damit war allerdings ihr Schicksal besiegelt. Ohnehin war die These des politischen Gemeinwesens als erweiterter Familie in einer immer komplexer werdenden modernen Gesellschaft kaum mehr haltbar. Es war aber auch der Sturz absolutistischer Monarchien durch parlamentarische und dann demokratische Revolutionen – von Cromwell über die Glorious Revolution bis zur amerikanischen und dann zur französischen Revolution –, der auch die Ideologie, auf die sich diese Monarchien stützten, in eine unumkehrbare Krise stieß. Am Ende des 18. Jahrhunderts war daher die Auffassung, nach der es keine universale soziale, politische und rechtliche Ordnung geben könne, ihrer holistischen Begründung hinsichtlich der Besonderheit jedes einzelnen Gemeinwesens beraubt. Wer immer noch glaubte, dass zwischen den Gemeinwesen nur Hegung des Konflikts möglich ist, sah sich mit einem bedrohlichen Mangel an überzeugenden Argumenten konfrontiert, weshalb die besondere Gemeinschaft intern zusammenhalten sollte, was sie von anderen sozialen Einheiten unterscheidet. Das 19. Jahrhundert fand darauf eine neue Antwort: Der Unterschied liege begründet in der Spezifizität der Nation.23 Für die Ziele dieser Darstellung der Hegelschen Konzeption der überstaatlichen (Un-)Ordnung ist es deswegen von großer Bedeutung klarzustellen, inwieweit seine Ausführungen über das äußere Staatsrecht den Weg in die neue Zeit vorbereiten oder gar bereits dazu gehörten.

20 21 22 23

Aristoteles 1995c, Buch I, 1252a ff. Bodin 1576, I, I, S. 1. Vgl. Filmer 1680. Vgl. Müller 1922, der als erster die paradigmatische Neugründung einführt.

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2.2. Der holistische Universalismus als Ordnungsparadigma des Christentums Am Ausklang der Antike entwickelte die Stoa zum ersten Mal in der Geschichte des Westens die Idee eines universal geltenden, alles umfassenden Logos. Seine Funktionsprinzipien lenkten nach der stoischen Philosophie das Geschehen nicht nur in der natürlichen, sondern auch in der sozialen und politischen Welt. Infolgedessen wurde es möglich, einen universalen Nomos als Gesetz einer alle Menschen einschließenden civitas maxima über die spezifischen Nomoi der einzelnen politischen Gemeinwesen hinaus zu konzipieren. Der Universalismus der Stoa wurde vom Christentum übernommen und von einem abstrakten philosophischen Prinzip zur Maxime der konkreten, nicht zuletzt politischen Ausgestaltung der communitas christiana erhoben. Neben der Überzeugung, dass eine weltweite Ordnung denkbar und möglich ist, wodurch der Partikularismus des ersten Ordnungsparadigmas umgekehrt wurde, kennzeichnete diese erste Form des westlichen Universalismus dennoch ein weiterhin holistischer Ansatz hinsichtlich der ontologischen Struktur der sich nun über die ganze Welt ausdehnenden geordneten Gesellschaft: Ordnung ist nämlich deshalb in der ganzen Welt realisierbar, weil alle Menschen Mitglieder einer unbegrenzten Gemeinschaft in nuce schon sind und sich dessen nur bewusst werden sollen. So richtet sich die Heilsbotschaft des Christentums an alle Menschen, die dazu aufgerufen sind, eine Friedensordnung im Namen der christlichen Verbrüderung zu konstituieren. Daher ist dieses zweite Ordnungsparadigma des Westens zum einen universalistisch in seiner angestrebten Reichweite, zum anderen holistisch in seiner ontologischen Konzeption. In seiner christlichen Ausformung charakterisierte es zunächst das europäische Mittelalter, um dann in der katholischen Tradition weitgehend ungebrochen weiterzuleben. Indem das Christentum zur herrschenden Religion des Westens wurde, musste das mit ihm verwobene Ordnungsparadigma auch eine konkrete Vorstellung hinsichtlich der Ausgestaltung der politischen Verhältnisse liefern. So nahm die universalistisch-holistische Ordnung zunächst die Form einer Universalmonarchie24 und später die eines jus inter gentes an, in dem die Verhältnisse zwischen unabhängigen Staaten im Sinne der Friedensstiftung und der gegenseitigen Anerkennung auf der Grundlage allgemein geteilter und übergeordneter christlicher Prinzipien geregelt wurden.25

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25

Die Konzeption einer christlichen Universalmonarchie, die historisch mit dem Schicksal des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation eng zusammenhing, fand seine eindringlichste Schilderung, als das Projekt schon längst im geschichtlichen Niedergang begriffen war, in Dante 1989. Suarez 1944a, insb. Bücher I–III.

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Trotz der bahnbrechenden Leistung, die Idee einer internationalen Friedensordnung zum ersten Mal konzipiert zu haben, haftete dem holistischen Universalismus christlicher Prägung von Anfang an ein gravierender Mangel an: Wenn nämlich die Ordnung des Friedens auf einem religiösen Heilsversprechen basiert, müssen all jene Völker und Individuen, die sich nicht zur christlichen Botschaft bekennen, aus dem Genuss der Vorteile einer solchen Ordnung notgedrungen ausgeschlossen werden. Dieser Aspekt macht sich – um bloß zwei prominente Beispiele zu nennen – sowohl in der Theorie des gerechten Krieges des Augustinus26 als auch in der Abhandlung der Rechte und Pflichten von Eroberern und Eroberten in der Neuen Welt durch die spanische Scholastik bemerkbar.27 Durch eine ihrer Intention nach universalistische Ordnungstheorie schimmerte somit teils der Ruf nach dem Kampf gegen die Andersgläubigen, teils die gewundene Rechtfertigung von deren Diskriminierung und Unterjochung hindurch: Der Universalismus geriet dadurch zu einem strukturell nicht einzuhaltenden Versprechen. Teilweise als Reaktion auf diesen Mangel, teilweise aber auch auf Grund innerreligiöser Diskurse, entwickelte sich, vornehmlich auf protestantischer Seite, eine zweite Variante des Paradigmas, welche – wenigstens ihrer Absicht nach – auf die religiöse Begründung der Universalität der Ordnung verzichtete. Ausgehend von Alberico Gentili,28 formten durch die Theologie der Reformation beeinflusste Philosophen und Juristen – von Johannes Althusius29 und Hugo Grotius30 bis, mit Einschränkungen, Samuel Pufendorf31 und Christian Wolff32 – ein Verständnis der internationalen Beziehungen, in dem die Festlegung und Beachtung geteilter Regeln auf der Grundlage der gemeinsamen Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht basieren. Das Normengeflecht zur Reglementierung des gegenseitigen Verhaltens der Staaten entstand daher aus der Annahme einer natürlichen Geselligkeit, die aber jetzt nicht mehr nur die Mitglieder eines jeweiligen Gemeinwesens, sondern alle Menschen weltweit verbinden sollte. Ist jedoch die Existenz einer derartigen Geselligkeit schon im überschaubaren Rahmen eine schwer zu beweisende Behauptung, gerät die weltweite Ausdehnung der Zusammengehörigkeit leicht in den Verdacht, eine optimistische Mutmaßung mit zumindest teilweise contraintuitiven Aspekten zu sein. Diese Kritik machte sich auch Hegel zu eigen, der schon auf Grund seiner eher pes-

26 27 28 29 30 31 32

Augustinus 1600, insb. Buch XV. Vitoria 1952; Suarez 1944b, Buch XIII, V, 7, und Buch XVIII, II, 8. Gentili 1933, I, I, S. 10; I, XV, S. 107. Althusius 1932, Kap. I und Kap. IX. Grotius 1995, Prolegomina, 6, 16, 17. Pufendorf 1995, II, II, VII; II, III, XV. Wolff 1750, IX, I, V und VI.

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simistischen anthropologischen Auffassung von der Vorstellung einer allgemeinen Sozialität klar Abstand nahm.

2.3. Der universalistische Individualismus als Ordnungsparadigma der Moderne Sei es die Polis oder die Republik der Antike, der dynastische Territorialstaat oder gar die alle Einzelnen inkludierende, universale Menschengesellschaft – alle Gemeinwesen, auf denen die soziale Ordnung von den verschiedenen theoretischen Auffassungen gegründet wurde, hatten bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts den Charakter eines holon, nämlich einer Totalität, die mehr zu sein beansprucht als die Summe ihrer Komponenten. Die Lage änderte sich dramatisch am Anfang des modernen Zeitalters. Der Krise des holistischen Weltbildes in Folge einer zunehmenden sozialen Dynamik trug die politische Theorie Rechnung, indem sie das Individuum zum Ausgangs- und Fluchtpunkt gesellschaftlicher Ordnung machte. Die individualistische Revolution im politischen Denken, die von Thomas Hobbes eingeleitet wurde,33 sah zum ersten Mal das Individuum mit seinen Interessen und Rechten im normativen Zentrum der Politik. Somit war das Gemeinwesen mit seinen Institutionen nicht mehr eine Entität, die den Individuen normativ vorausging, sondern vielmehr ein Instrument, das diese mit einem freien Vertrag konstituierten und nur zu dem Zwecke einsetzten, dass ihre Grundrechte bzw. ihr Wohlstand angemessen geschützt wurden. Nun stellt sich die Frage, wie weit die individualistische Gesellschaftsordnung reichen kann bzw. soll, ob sie nämlich an den Grenzen des Territorialstaates Halt macht, oder der Gesellschaftsvertrag zumindest im Prinzip alle Menschen einschließt. Zunächst wurde die Vertragstheorie zum Zwecke einer Neugründung der politischen Macht und deren Legitimation im Geiste der Moderne konzipiert. Da die politische Macht in einem Zeitalter, in dem internationale Organisationen noch gar nicht existierten, mit den Institutionen des Territorialstaats zusammenfiel, fokussierte sich die Vertragstheorie nicht nur bei Hobbes, sondern auch bei anderen von ihm direkt beeinflussten Autoren,34 ausschließlich auf die Neudefinition der Legitimität öffentlicher Macht im Staate. Insofern von den Beziehungen zwischen den Staaten die Rede war, wurden diese als Naturzustand beschrieben.35 Ungeachtet dieser anfänglichen Einschränkung war das Prinzip des Individualismus im Ansatz universa33 34 35

Vgl. Hobbes 1951; Hobbes 1973. Vgl. insbesondere Locke 1970; Spinoza 1924b; Spinoza 1924c; Rousseau 1995a. Hobbes 1973, S. XXX; Spinoza 1924b, S. XVI; Spinoza 1924c, S. III; Locke 1970, S. 294 f. (II, 2, 14) und S. 408 f. (II, 16, 183).

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listisch: Wurde das Individuum zum Mittelpunkt sozialer Ordnung erhoben, schwand nämlich auf Grund der transzendentalen Gleichheit aller Individuen jenseits jeglicher durch dieses Paradigma überwundenen, vorreflexiven und spezifischen Zugehörigkeitsform jedes Argument zugunsten einer kontextuellen Begrenzung dahin. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis der Individualismus zu seinen universalistischen Potentialitäten fand. Dieser epochale Schritt wurde von Immanuel Kant unternommen. In seinen Werken sieht das öffentliche Recht zum ersten Mal explizit drei Ebenen vor: das „Staatsrecht“, das „Völkerrecht“ und das „weltbürgerliche Recht“.36 Somit war eine Ebene konturiert, auf der als Rechtsadressaten die Individuen nicht qua Bürger oder Bürgerinnen eines Staates, sondern qua Akteure einer weltweiten Interaktion vorkommen. Darüber hinaus wurde die Friedensordnung unter den Staaten auf der Grundlage allgemeingültiger positiver Normen von Kant als eine politische Notwendigkeit sowie auch als eine moralische Pflicht angesehen. Obwohl Kant hinsichtlich der Institutionen, die eine solche Friedensordnung hätten garantieren sollen, zweideutig bleibt,37 geht sein Projekt zum ewigen Frieden im Geiste des universalistischen Individualismus deutlich über die vorigen Formen des Universalismus holistischer Prägung hinaus. Insbesondere verzichtet er auf jegliche religiöse oder metaphysische Annahme bezüglich der angeblichen natürlichen Sozialität des Menschen. Infolgedessen verbindet er eine eher pessimistische Anthropologie, in der der Konflikt als unauslöschbares Element menschlicher Sozialität anerkannt wird, mit der festen Überzeugung, dass die Menschen auf Grund ihrer Vernunft doch fähig sind, ihn in prozedurale Bahnen zu lenken und sich zu diesem Zweck frei gewählten sowie universal geltenden Gesetzen zu unterstellen. Freilich wurde diese herausragende geistige Leistung nicht ohne Kosten erkauft: Die metaphysisch voraussetzungsfreie, transzendentale Aufstellung einer normativen Sphäre des weltweiten Schutzes der Individuen ging nämlich mit einer radikalen historischen und sozialen Dekontextualisierung der konkreten Individualitäten einher. Kants universale Friedensordnung freier Individuen war somit bar einer adäquaten gesellschaftlichen Verortung.

3. Hegels Theorie der Souveränität nach außen und des äußeren Staatsrechts Hegel erläutert seine Theorie der internationalen Beziehungen gegen Ende seiner Rechtsphilosophie, und zwar unmittelbar vor dem letzten, der Weltgeschichte ge36 37

Kant 1968, Bd. 11, S. 203. Kant 1968, Bd. 11, S. 212 f.; Kant 1968, Bd. 8, S. 467, § 54; Kant 1968, Bd. 8, S. 474 f., § 61.

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widmeten Abschnitt. Insgesamt ist die Darstellung recht konzise und umfasst in der von Hegel selbst veröffentlichten Fassung der Rechtsphilosophie nämlich in den Grundlinien, zwanzig eher kurze Paragraphen, von Paragraphen 321 bis einschließlich Paragraphen 340 (7/490 ff.).38 In sich ist die Abhandlung noch einmal zweigeteilt: Der erste Teil, der den Titel „Die Souveränität gegen außen“ trägt, ist noch dem „inneren Staatsrecht“ zugeordnet, während der zweite, das eigentliche „äußere Staatsrecht“, ein eigenes Kapitel, nämlich das zweite – zwischen „innerem Staatsrecht“ und „Weltgeschichte“ – der Hegelschen Analyse der Staatslehre bildet. Neben der Abhandlung des Stoffes in den offiziell 1821, aber eigentlich schon im Oktober des Jahres zuvor veröffentlichten Grundlinien verfügen wir auch über weitere Schilderungen von Hegels Theorie der internationalen Beziehungen, die von den Vorlesungen über Rechtsphilosophie stammen, die er zwischen 1817 und 1831 zunächst in Heidelberg (1817/18) und dann in Berlin hielt.39 Dabei handelt es sich um Nachschriften, die von Kursteilnehmern nach jeweils eigenen Kriterien angefertigt wurden. Sie behandeln das Thema unterschiedlich ausführlich – in einer der Nachschriften wird die Thematik gar gänzlich übergangen –40 und setzen von Mal zu Mal Akzente, die in den anderen Nachschriften bzw. in den Grundlinien anders ausfallen oder gelegentlich fehlen. Bis auf vereinzelte Ausnahmen, von denen nur eine für unsere Untersuchung relevant ist,41 sind die Ausführungen in den Vorlesungsnachschriften insgesamt mit der Darstellung des Stoffes in den Grundlinien gänzlich kohärent. Im Folgenden werden die drei Hauptmerkmale von Hegels Konzeption der internationalen Beziehungen kurz erläutert.

3.1. Die Souveränität des Staates Eine der bedeutendsten Besonderheiten von Hegels Staatsauffassung – und sicherlich die wichtigste für sein Verständnis der internationalen Beziehungen – ist die Souveränität. Im Begriff der Staatssouveränität drückt sich laut Hegel das Spezifikum der Verwirklichung des Geistes im Bereich des Sozialen und Politischen aus. Als das – nach der Logik des Denkens und nach der Natur – eigentlich Menschliche unter den Dimensionen der Welt und deren Erkenntnisformen realisiert sich der 38 39 40 41

Quellenangaben ohne weitere Namensnennung beziehen sich auf die Theorie-Werkausgabe Hegel 1969 ff. Zitierung erfolgt nach ‚Band/Seitenzahl, Paragraph’; ‚A’ steht für Anmerkung. Vgl. Hegel 1983b, S. 246 ff., §§ 159 ff.; Hegel 1818/19, S. 338 ff., §§ 130 ff.; Hegel 2000, S. 197 ff.; Hegel 1822/23, S. 827 ff.; Hegel 1824/25, S. 731 ff. Hegel 2005. Siehe unten Fn. 55.

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Geist in der Wirklichkeit, indem er nach Hegels Verständnis verschiedene Formen annimmt. Diese gehen vom so genannten „abstrakten Recht“ aus (7/92 ff., §§ 34 ff.), schließen die Moralität (7/203 ff., §§ 105 ff.) und die niederen Gestalten der Sittlichkeit wie Familie (7/307 ff., §§ 158 ff.) und bürgerliche Gesellschaft ein (7/339 ff., §§ 182 ff.), um dann im Staat zu gipfeln (7/398 ff., §§ 257 ff.). Der Staat ist daher „der Geist, der in der Welt steht, der sich in der Welt realisiert“,42 in ihm konkretisiert sich die Freiheit als die höchste Bestimmung des Menschlichen, allerdings nicht als epistemisch originäre Entscheidungsfähigkeit der Einzelnen, sondern als deren Bereitschaft, sich geteilte – und in Hegels Sichtweise weitgehend vorgegebene – Werte und Interessen des Gemeinwesens zu eigen zu machen. Ungeachtet dessen, wie akzeptabel – oder eher inakzeptabel – ein solcher Freiheitsbegriff aus liberaler und demokratischer Sicht sein mag, steht allerdings für Hegel fest, dass der Staat die höchste Form darstellt, die das Menschliche im Bereich der Sozialität und des Politischen und daher auch in der Dimension der sozialen Ordnung annehmen kann. Dennoch ist der Staat mit einem Merkmal behaftet, das selbst aus Hegels Perspektive einen gewissen Mangel darstellt: Indem sich hier der Geist in die Wirklichkeit entäußert, verliert die ihm innewohnende Universalität ihre Evidenz – wie immer in Hegels System, wenn die Universalität der Idee sich eine wirkliche Gestalt gibt und daher Kompromisse mit der Materialität der Welt eingehen muss. Wie die Universalität der Idee sich hinter den mannigfaltigen Erscheinungen der Natur versteckt, so konkretisiert sich die Allgemeingültigkeit des Geistes in der Pluralität der Staaten und derer Verfassungen, büßt aber dabei auch ihre unvermittelte Wahrnehmbarkeit ein. Auf Grund der Materialität der Welt bilden die Staaten nach Hegel ein Pluriversum: Nie können sie zu einem Universum zusammenwachsen. Die Realisierung des Geistes in der Welt geschieht somit auf Kosten einer Entfremdung, die nur dadurch behoben werden kann, dass der Geist die Sphären der staatlichen Pluralität überwinden muss, um seine explizite Universalität zurückzugewinnen. Die unmittelbare Folge dieser Entäußerung des Geistes in die Pluralität der politischen Wirklichkeit besteht darin, dass der Staat für Hegel „Individualität“ hat (7/490, § 321). In der Welt der Mannigfaltigkeit ist jede Erscheinung des Geistes insofern „individuell“, als sie sich prioritär auf sich selbst bezieht, wobei die Rationalität des Ganzen eher als invisible hand oder – hegelianisch – als „List der Vernunft“ zum Zuge kommt. Nach der Übertragung der klassischen Kategorien der Subjektphilosophie, die auch Hegel übernimmt, ins Politische ist darüber hinaus jede „individuelle“ politische Einheit, die sich in ihrem Handeln zumindest nach ihrer

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Hegel 1824/25, S. 632, § 258.

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bewussten Wahrnehmung prioritär oder ausschließlich auf sich selbst bezieht, per definitionem „souverän“. Die Theorie des Staates als souveräne Individualität hat drei Konsequenzen in Hegels Auffassung. Die erste besteht darin, dass der Staat das Recht besitzt, die Eigenständigkeit der konkreten Individualitäten auf seinem Gebiet unter bestimmten Bedingungen aufzuheben. Faktisch bedeutet dies, dass das souveräne Gemeinwesen zum Zwecke der Behauptung seiner Individualität im konfliktreichen Pluriversum der Staaten autorisiert ist, das Vermögen privater Personen einzusetzen, oder von ihnen im extremen Fall sogar verlangen kann, ihr Leben zu opfern (7/442 ff., § 278). Im übermenschengroßen Ganzen der staatlichen Individualität versinken somit die privaten Interessen der Einzelnen im Namen der Aufrechterhaltung der Totalität. Die zweite Konsequenz ist, dass jeder Staat gegenüber anderen politischen Gemeinwesen in sich geschlossen ist und ihnen notwendigerweise entgegensteht. Jede staatliche Individualität ist nämlich – schreibt der Philosoph – „wesentlich Für-sichSein, das den bestehenden Unterschied in sich aufgenommen hat und damit ausschließend ist“ (7/490, § 321). Die dritte Konsequenz ist schließlich, dass die Außenpolitik im Kompetenzbereich der fürstlichen Gewalt angesiedelt wird: Wenn der Staat nach außen ein Individuum ist, so soll er in diesem Rahmen von seiner verkörperten Individualität repräsentiert werden. Zu den Kompetenzen, die dem Monarchen damit zufallen, zählt Hegel „die bewaffnete Macht zu befehligen, die Verhältnisse mit den anderen Staaten durch Gesandte usf. zu unterhalten, Krieg und Frieden und andere Traktate zu schließen“ (7/497, § 329).

3.2. Die Welt der internationalen Beziehungen als Pluriversum Aus dem Begriff der Staatssouveränität ergibt sich Hegels Auffassung der internationalen Beziehungen. Im Verhältnis zu anderen politischen Gemeinwesen ist jeder Staat nämlich, als souveräne und ausschließende Individualität, „selbständig und gegen die anderen“ (7/490, § 322). In der internationalen Arena stehen sich daher die Staaten gegenüber wie Individuum gegen Individuum. Die Aussage impliziert allerdings nicht, dass dieser Zustand von ständigen Auseinandersetzungen und Kämpfen geprägt wäre. Vielmehr will Hegel hiermit betonen, dass im Bereich der Beziehungen unter den Staaten die Eigenart eines jeden einzelnen Priorität besitzt. Daraus ergibt sich die Unrealisierbarkeit einer stabilen überstaatlichen Ordnung und deswegen die allgegenwärtige Möglichkeit des Konflikts. Dennoch geht die

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mentation Hegels – anders als z. B. die Carl Schmitts –43 von der unhintergehbaren Identität des einzelnen Gemeinwesens aus, und nur in zweiter Instanz kommt das Element des Konflikts, der daraus leicht und ohne effektive Prävention entflammen kann, zum Vorschein. Die gelegentlich feindliche Gegenüberstellung von politischen Entitäten ist deswegen bei Hegel die manchmal unvermeidbare Folge der Behauptung unreduzierbarer Identitäten (7/491, § 323) eher als der ursprüngliche existentielle Inhalt des Politischen, aus dessen Grundlage sich kollektive Individualitäten formen lassen. Für Hegel ist nämlich Politik im Wesentlichen Organisation des Sittlichen und nicht existentielle Selbstbehauptung. Freilich ist Hegel daher kein Befürworter ante litteram des Freund-FeindSchemas als Wesen des Politischen. Nichtsdestotrotz finden wir auch bei ihm die These, dass die Hervorhebung der staatlichen Individualität gegenüber den „anderen“ und noch mehr der Konflikt gegen „außen“ die innere Stabilität fördern, indem sie „innere Unruhen [verhindern] und die innere Staatsmacht [befestigen]“ (7/493, § 324). Darüber hinaus wird dem Krieg als einer ständigen Möglichkeit, die den vorigen Prämissen notwendigerweise entwächst, durchaus auch ein „sittliches Moment“ beigemessen (7/492, § 324 A). Dies bestehe laut Hegel darin, dass im Kriege alles Äußerliche und Zufällige, welches dem Individuum gehört, darunter Besitz und das Leben selbst, sich in seiner Nichtigkeit gegenüber den bleibenden Institutionen der Sittlichkeit oder gar in Anbetracht des welthistorischen Ganges zeigt. Gegenüber dem Ganzen erfährt das einzelne Individuum am deutlichsten im Kriege seine Marginalität. Hegel nimmt explizit Abstand von der Theorie des gerechten Krieges (7/500, § 334): In einer internationalen Arena, in der keine anerkannten und effektiven überstaatlichen Normen gelten und keine überstaatlichen Organisationen die letzte Kompetenz bei Konflikten besitzen, ist jeder einzelne Staat schlussendlich Schiedsrichter in eigener Sache. Wenn die Wahrnehmung des eigenen Interesses dazu rät, wird ein Grund für die militärische Auseinandersetzung gefunden: So können ein Bruch der Verträge oder die „Verletzung der Anerkennung und Ehre“ erklärt werden (7/500, § 334); in keinem Fall wird es aber eine unabhängige Instanz geben, die in der Lage wäre, die Berechtigung der Anschuldigungen zu überprüfen. Der Krieg wird damit zum legitimen Mittel zur Klärung der Interessenunterschiede zwischen den Staaten: „Der Streit der Staaten kann deswegen, insofern die besonderen Willen keine Übereinkunft finden, nur durch Krieg entschieden werden.“ (7/500, § 334) In Anbetracht der dramatischen Entscheidung über Krieg und Frieden soll dann laut Hegel die Staatsräson als die Orientierung am konkreten Wohl des einzelnen Staates (7/501, § 336) und nicht „ein allgemeiner (philanthropischer) Gedanke“ oder ein abstraktes 43

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Schmitt 1963.

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„moralisches Gebot“ die Hand von Monarchen und Regierung lenken (7/501 f., § 337). Hinsichtlich der Organisation des Militärs hebt Hegel die Notwendigkeit stehender Heere hervor, wobei für Zeiten besonderer Not die allgemeine Wehrpflicht als notwendig erachtet wird (7/494 f., § 326). An dieser Aussage zeigt sich allerdings, dass Hegel der Kriegsauffassung des 18. Jahrhunderts weitgehend – wenn auch nicht vollständig – verbunden blieb und den unumkehrbaren Prozess der sozialen Mobilmachung in Folge der napoleonischen Kriege nur partiell durchschaute. Offensichtlich fehlgeschlagen – und den weiteren historischen Erfahrungen Hohn sprechend – ist dann seine Einschätzung, dass die Kriege auf Grund von deren Technologisierung zunehmend menschlicher und für den Einzelnen in Folge der Marginalisierung des Nahkampfes trotz bleibender Lebensgefahr weniger brutal würden (7/496, § 328).

3.3. Die schwache Normativität des Völkerrechts Auf dem Boden des Gesagten kann nur ein Völkerrecht von bescheidener Effektivität und daher auch von geringem normativem Gehalt entstehen. Indem die Staaten selbständig sind, sind Übereinkommen zwischen ihnen immer vom souveränen, am eigenen Wohl orientierten Willen eines jeden einzelnen von ihnen abhängig. So sind solche Übereinkommen außerordentlich fragil und bilden, da sie in keiner konkreten Sittlichkeit wurzeln können, welche im internationalen Bereich gar nicht existiert oder existieren kann, ein Normensystem als reines „Sollen“ (7/497 f., § 330). Dabei ist hervorzuheben, dass bei Hegel der normative Gehalt eines Normensystems immer eng an seine soziale Effektivität gekoppelt ist. Aus diesem Grund ist er am höchsten in den „sittlichen“ Sphären innerhalb des Staates, während das Völkerrecht wegen der ihm eigenen Ungewissheit zumindest teilweise in die Nähe der moralischen Pflicht, des „Sollens“ nämlich, gerückt wird. Selbst das höchste Prinzip des Völkerrechts, nach dem die Verträge einzuhalten sind (pacta sunt servanda), ist laut Hegel nichts mehr als eine der konkreten Willkür der Machtverhältnisse überlassene Verpflichtung (7/499 f., § 333). Trotz dieser Einschränkung bildet das Völkerrecht auch nach Hegels Verständnis eine normative Realität, wenn auch von minderer Bedeutung und Effektivität. Unter den Funktionen, die ihm zugewiesen werden, entsteht die erste aus dem Streben der Staaten nach Anerkennung: Indem sie Abkommen untereinander schließen, erkennen sie sich gegenseitig als souveräne Entitäten an (7/498, § 331). Dennoch ist diese Anerkennung rein formal und bezieht sich ausschließlich auf die souveräne Individualität. Sie hat daher keine Wirkung auf die innere Verfassung der einzelnen Staa-84 ten, so dass die Legitimität der jeweiligen Regierungsform eine innere 192 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:08:53.

heit bleibt. Eine Ausnahme ist allerdings vorgesehen: Wenn die innere Verfassung eines Staates eine Drohung für andere darstellt, dann dürfen diese die Anerkennung verweigern bzw. fordern, dass die Verfassung geändert wird (7/498, § 331).44 Darüber hinaus hebt der Philosoph hervor, dass eine völkerrechtliche Anerkennung nur unter Staaten möglich ist, welche die ausschließende religiöse Identität zugunsten einer politischen Sittlichkeit überwunden haben (7/499, § 331 A): Nur der politische, wenn auch durch seine Geschichte religiös geprägte, und in seinen Institutionen säkulare Staat kann daher laut Hegel Subjekt des Völkerrechts im vollen Sinne des Wortes sein. Eine weitere Funktion des Völkerrechts besteht dann sinngemäß darin, die zwischenstaatlichen Angelegenheiten, sei es auch in der genannten aleatorischen Weise, durch Verträge zu regeln (7/499, § 332). Dabei wird unterstrichen, dass der Stoff dieser Verträge im Vergleich zu der Fülle an Gehalt, die das Rechtssystem der bürgerlichen Gesellschaft charakterisieren, eher gering sei. Schließlich widmet Hegel einer spezifischen Sparte des Völkerrechts, nämlich dem Kriegsrecht, traditionsgemäß eine spezielle Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang ist der Ton – vor allem für einen Befürworter des Krieges als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte – ausgesprochen mild. So wird gefordert – nicht anders als bei dem sonst kritisierten Kant –, dass der Krieg so geführt wird, dass die Möglichkeit eines anschließenden Friedens immer erhalten bleibt. Dies schließt die Immunität der Gesandten und die Schonung der nicht-militärischen Infrastruktur des Landes sowie des Lebens und Eigentums von Privatpersonen ein (7/502, § 338). Hinsichtlich der Grundlage dieser Hegung der Gewalt im Kriege verweist Hegel auf die „Sitten der Nationen“ (7/502, § 339) bzw., in einer Vorlesungsnachschrift, auf die sittliche „Familie“ der europäischen Nationen.45 Solche Begriffe sind jedoch in seinem System, in dem die Sittlichkeit auf die staatlichen Institutionen beschränkt bleibt, kaum untermauert. Vielleicht können sie eher als Eröffnung einer Perspektive verstanden werden, die aber bei Hegel selbst nicht angemessen erkundet wurde.

44 45

Deutlicher, mit Verweis auf die französische Republik, in: Hegel 1983b, S. 251, § 161. Hegel 1824/25, S. 743 f., § 339.

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4. Hegels Vermächtnis in der Geschichte der Theorien der internationalen Beziehungen Wendet man sich nun der Frage nach dem Verhältnis Hegels zu den tradierten Ordnungsparadigmen bzw. nach seinem Beitrag zur Entwicklung eines neuen Paradigmas zu, ist zunächst seine Auseinandersetzung mit dem historischen Universalismus von Interesse. Hat man dessen Zurückweisung festgestellt, ist dann zu untersuchen, inwieweit diese bei Hegel mit einer Übernahme des klassischen holistischen Partikularismus zusammenfällt. Angesichts der Unhaltbarkeit auch dieser zweiten Hypothese wird schließlich die These konturiert, dass Hegels Konzeption in nuce eine neue Idee von Ordnung in sich trägt, welche aber zu seinen Zeiten noch weit davon entfernt war, konzeptuell in adäquater Weise entfaltet zu werden.

4.1. Hegels Ablehnung des historisch tradierten Universalismus Beiden Ordnungsparadigmen des historischen Universalismus stand Hegel kritisch gegenüber. Bezüglich des holistischen Universalismus katholischer Prägung kann es kaum verwundern, dass die religiös fundierte Idee einer communitas christiana unter der geistigen Ägide des Heiligen Stuhls dem überzeugten Protestanten zumindest fremd – wenn nicht gar suspekt – war. Im Allgemeinen hielt er sie in Folge des Übergangs zur Neuzeit und der Reformation für überwunden.46 Jedoch auch die im protestantischen Milieu entstandene Theorie einer communitas humana mit gleichen Interessen und Werten wird von Hegel skeptisch beurteilt. Um seine Position zu bezeugen, verfügen wir in diesem Fall nur über Hinweise: Sei es seine Kritik an der Idee einer weltweiten Föderation47 oder an der Vorstellung eines ursprünglich friedlichen und geselligen Naturzustandes (7/350, § 194),48 sein Schweigen über die Theorie der universalen communitas humana und über ihre Vertreter bzw. seine Geringschätzung von Grotius als ihrem vielleicht prominentesten Befürworter (20/224 f.), oder sei es seine Bewunderung für Hobbes’ Auffassung des Naturzustands (20/225 ff.) – in allen Fällen gehen Hegels Sympathien zu Gunsten der Gegenseite. Explizit ist hingegen das negative Urteil über den aus der individualistischen Erkenntnis- und Gesellschaftstheorie stammenden Universalismus, im Spezifischen 46 47 48

Siehe Hegels Darstellung des Übergangs des Mittelalters zur Neuzeit in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte: Hegel 1996, S. 462 ff. Zu Hegels politisch gefärbtem Protestantismus vgl. Dellavalle 1998, S. 193 ff. Hegel 1983b, S. 253, § 162. Hegel 1822/23, S. 33 ff.

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über Kants Entwurf zum ewigen Frieden. Da es „keinen Prätor [gebe], höchstens Schiedsrichter und Vermittler zwischen Staaten, und auch diese nur zufälligerweise,“ bedürfe der von Kant angestrebte Friedensbund der Einwilligung der einzelnen Staaten, was wiederum „überhaupt immer auf besonderen souveränen Willen beruhen würde, und dadurch mit Zufälligkeit behaftet bliebe“ (7/500, § 333 A).

4.2. Das zwiespältige Verhältnis zum holistischen Partikularismus Die Tatsache, dass Hegel von den universalistischen Ordnungsparadigmen deutlich Abstand nimmt, legt die Vermutung nahe, dass er zum holistischen Partikularismus als erstem Ordnungsparadigma zurückkehrte bzw. seine Weiterentwicklung zum Nationen-Begriff vorbereitete und begleitete. In der Tat spricht zweifelsohne einiges für ein „Bekenntnis“ Hegels zu der Hauptbegrifflichkeit des holistischen Partikularismus. Dazu gehört zum einen seine Befürwortung einer holistisch-organizistischen Auffassung des politischen Gemeinwesens (7/414, § 269) und zum anderen die vorher dargestellte Interpretation der internationalen Beziehungen als Arena, die durch endemische Konflikte charakterisiert ist. Somit sind in seinem Denken beide Merkmale des ersten Ordnungsparadigmas vorhanden. Zahlreich und gewichtig sind dennoch die Argumente, die einer Lesart von Hegels politischer Philosophie als Fortsetzung des alten Paradigmas oder als dessen Erneuerung entgegentreten. Bezüglich der Möglichkeit – zunächst –, dass Hegel die alten Kategorien einfach wieder zum Leben erwecken wollte, ist nämlich zum einen anzumerken, dass nicht nur Platons „Gerechtigkeit“ sowie Aristoteles’ „Glückseligkeit“ ohne große Sehnsucht ad acta gelegt werden, sondern auch, dass der Souveränitätsbegriff nicht mehr familistisch angelegt ist und deshalb erheblich anders strukturiert ist als noch bei Bodin. Die organische Einheit des Staates dient bei Hegel keineswegs der Rechtfertigung eines dynastischen Absolutismus, sondern der Hervorhebung der spezifischen kulturellen und politischen Identität eines jeden staatlich verfassten Gemeinwesens. Zum anderen fällt auch seine Konzeption der Beziehungen unter Staaten signifikant anders aus als bei den klassischen Vertretern des partikularistischen Ansatzes wie Thukydides, Machiavelli oder – unter den uns zeitlich näher stehenden Autoren – Carl Schmitt. Obwohl der Krieg bei Hegel berechtigt und endemisch ist, wird er nie als existentieller Überlebenskampf unter quasi-natürlichen Entitäten verstanden. Gegen eine solche Lesart sprechen im Wesentlichen drei Argumente. Erstens hebt er – wie wir in einer Vorlesungsnachschrift lesen können – hervor, was unter echten „Partikularisten“ zumindest verwunderlich wäre, nämlich dass die Staaten durch das Völkerrecht einander „als solche [anerkennen], mit welchen sich in einem

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zustand leben lässt“.49 Somit wird angenommen, dass der Frieden nicht nur eine Unterbrechung der Hostilitäten darstellt, sondern ein mit eigenen Qualitäten versehener Lebenszustand ist, der im Allgemeinen als erstrebenswert zu erachten ist. Zweitens ist der Krieg, von dem Hegel spricht, nicht der zügellose Selbstbehauptungskampf eines Volkes oder einer Nation, sondern vielmehr „die Bewegung der Winde“, welche „die See vor der Fäulnis bewahrt“ (7/493, § 324 A). Der Krieg ist daher das politische Ereignis, das eine abgeschlaffte und in ihren Mängeln ruhende Gesellschaft wachrüttelt.50 Diese Vorstellung mag uns heute aus guten Gründen befremden. Sie war aber zu Hegels Zeiten nicht nur weit verbreitet, sondern auch von Autoren vertreten, die keineswegs als rückwärtsgewandt anzusehen sind: In ihren Augen stellte der Krieg den immer schmerzhaften, aber manchmal notwendigen Schritt auf dem Weg zu einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte dar.51 Drittens ist die Tatsache, dass Krieg für Hegel nie die unvermittelte Folge dezisionistischer Handlung sein darf, durch die Rolle belegt, die er den Ständen bei der Kriegserklärung zuweist.52 Hinsichtlich des Verhältnisses Hegels zum holistischen Partikularismus bleibt jetzt noch die Frage zu klären, ob er die Wende dieses Ordnungsparadigmas zum Nationen-Begriff des 19. Jahrhunderts nicht mit vorbereitet hätte. In diesem Fall wäre er sozusagen ein Weggefährte Adam Müllers gewesen. Jedoch sind die Belege in diese Richtung trotz mancher einflussreicher Interpretation53 spärlich.54 Zwar findet man in einer Vorlesungsnachschrift einen Hinweis auf die Nation als anthropologische Grundlage der Individualität des Staates.55 Diese Lesart bleibt jedoch weitgehend isoliert: Im Allgemeinen ist die Nation bei Hegel jene soziale Gruppe, die eben noch „natürlich“ ist, das heißt noch nicht die höhere Gestalt eines staatlich verfassten Volkes angenommen hat (10/350, § 549). Die Basis eines staatlich organisierten Volkes ist hingegen die Sittlichkeit, das heißt jene sozial und historisch 49 50 51

52

53 54 55

Hegel 1983b, S. 250, § 161. Interessant ist dabei das trotz der politischen Lage seiner Zeit distanzierte Urteil Hegels über die Heilige Allianz. Vgl. Hegel 1822/23, S. 835. In dieser Hinsicht darf nicht vergessen werden, dass die Projekte zum ewigen Frieden nicht immer den politisch und sozial progressiven Inhalt hatten, den wir aus den Texten von Rousseau, Penn oder Kant kennen. In manchen anderen Fällen dienten sie nämlich primär der Erhaltung des Status quo sowie der sozialen Ungerechtigkeit und des politischen Despotismus, die diesen kennzeichneten. Besonders deutlich erscheint der Konservatismus bei Crucé 1623. Vorhanden, wenn auch in nicht so evidenter Weise, ist er aber auch bei Saint-Pierre 1713. Hegel 1824/25, S. 738, § 329: Auf Grund der Bedeutung der Stände kann in England „kein unpopulärer Krieg geführt werden“. Die Beteiligung des Volkes kann aber auch – präzisiert Hegel – insofern negative Folgen haben, als sie einen schwer zu zügelnden und unzweckmäßigen Kriegsenthusiasmus hervorruft. Vgl. Meinecke 1922. Vgl. Bogdandy 1991. Hegel 1983b, S. 246 f., § 159.

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vermittelte, spezifische Form seiner gesellschaftlichen und politischen Interaktionen, die das Stadium der Natürlichkeit weit hinter sich gelassen hat. Als Fazit kann man also feststellen, dass Hegel trotz einiger Affinitäten nicht zum Kreis der Wiederentdecker des holistisch-partikularistischen Ordnungsparadigmas gezählt werden kann. Zu prägnant ist dafür die universalistische Komponente seines Denkens. Selbst der Staat wird, obwohl individuell verfasst, als Statthalter der allgemeinen Vernunft in der politischen Welt dargestellt. Hinzu kommt, dass sich in Hegels Werken eine Dimension über die Arena der Staaten wölbt, die in ihrem Anspruch nach Allgemeingültigkeit den genuinen Partikularisten völlig fremd ist: Es handelt sich um die Weltgeschichte, welche die Partikularität der Staaten aufhebt und die universale Vernunft zur Geltung bringt (7/503, § 340). Somit hat die Universalität der menschlichen Interaktion zwar nicht die Form einer verbrüderten und geselligen Menschheit und auch nicht jene eines weltweiten Gesellschaftsvertrages, sie wird jedoch nicht getilgt: In der Gestalt eines hypostasierten Weltgerichts und eines absoluten Geistes, der über die Dimension des Sozialen und Politischen hinausgeht, lebt sie nämlich weiter, wenn auch in einer von den konkreten Individualitäten entfremdeten Sphäre.

4.3. Die Auffassung der Sittlichkeit als Vorstufe eines kommunikativen Ordnungsparadigmas Abschließend kann man feststellen, dass Hegels Theorie der internationalen Beziehungen seine eigenständige Position im Rahmen der Ordnungskonzeptionen beweist. Substantiell fremd den historisch tradierten Ordnungsparadigmen gegenüberstehend, antizipiert er einige Aspekte einer Auffassung – nämlich des kommunikativen Ordnungsparadigmas –, die erst viel später ausbuchstabiert wurde.56 Der Schlüssel zu dieser Wegbereiterrolle ist die Bedeutung, die Hegel dem Begriff des Geistes in seiner Verwirklichung im Rahmen der Sittlichkeit zuweist: Hier ist die Idee einer historisch und sozial situierten Kommunikationsgemeinschaft auf eine Weise angelegt, die seinesgleichen in der früheren Philosophiegeschichte sucht. Jenseits sowohl vom traditionellen Individualismus als auch vom klassischen Holismus wird hier die Gesellschaft als ein Ort verschiedenartiger Interaktionen verstanden, wobei die Einheit immer die Pluralität in sich trägt und aus dieser entsteht. Jedoch sind die Potentialitäten dieser bahnbrechenden Intuition bei Hegel durch mindestens zwei Mängel eingeschränkt. Zum einen wird die gesellschaftliche Dy56

Das kommunikative Ordnungsparadigma geht hauptsächlich auf Werke von Jürgen Habermas zurück. Für eine Darstellung der Thematik siehe Bogdandy/Dellavalle 2009.

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namik durch deren Rückführung auf einen subjektphilosophisch geprägten Geistesbegriff ontologisch überlagert, wodurch Hegels Sozialphilosophie die Kraft zur Darstellung konkreter Interaktionsphänomene teilweise einbüßt und in einem konzeptuellen Korsett erstarrt. Zum anderen wird aus seinen Ausführungen nicht gänzlich ersichtlich, warum die Verwirklichung des Geistes in reflexiven sozialen Verhältnissen an den Pforten der Staaten Halt machen sollte. Darüber hinaus realisiert sich der Geist nur noch außerhalb der sozialen Verhältnisse – als absoluter Geist – oder jenseits des reflexiven Bewusstseins konkreter Akteure in der List der Vernunft der Weltgeschichte. Mit anderen Worten ist nicht einleuchtend, weshalb der Geist des Politischen als Begriff einer durch Werte und Institutionen gebundenen Interaktion nicht auch den Bereich der internationalen Beziehungen kennzeichnen könnte. Der Verweis auf die unvermeidbare Mangelhaftigkeit der konkreten politischen Welt scheint eher ein bewusstseinstheoretisch beeinflusstes Vorurteil zu sein und vermag dadurch nicht zu überzeugen. Versuche, den Begriff des Geistes auf den Bereich der internationalen Beziehungen auszudehnen, gab es schon im 19. Jahrhundert.57 Für eine intersubjektive Theorie der internationalen Beziehungen, in der nicht nur Hegels Ordnungsvorstellung die staatliche Zentrierung überwindet, sondern auch seine Intuition einer sozialen und politischen Einheit aus gesellschaftlicher Interaktion expliziert und mit Rekurs auf eine post-subjektivistische Begrifflichkeit untermauert wird, musste man jedoch bis zum Übergang zum nächsten Jahrtausend warten.

57

Vgl. Trendelenburg 1868, S. 564 ff. In Ansätzen ist die Idee einer Erweiterung von Hegels Begriff des sittlichen Geistes jenseits der staatlichen Sphäre, wenn auch eher konfus vorgetragen, bereits bei Johannes Fallati vorhanden: Fallati 1844. Vgl. auch Steiger 1997, S. 66 ff.

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Tilman Reitz

Die vernünftigen Institutionen und ihre Feinde Zur Kritik an der Hegelschen Rechtsphilosophie

Einleitung „Wann immer Hegel […] im Vordergrund philosophischer Auseinandersetzungen stand, war es“ laut Hermann Klenner „seine Rechtsphilosophie, die der Parteien Hass und Gunst auf ihn lenkte“.1 Das stimmt nicht ganz, da von Schopenhauer bis heute auch Hegels Dialektik häufig Unmut erregt. Zudem dürften die Grundlinien der Philosophie des Rechts mehr Empörung ausgelöst als Gunst gefunden haben. Doch Klenner betont zu Recht, dass es ein Streit der Parteien ist, der sich an Hegels Vorlesungshandbuch entzündet. In einem selbst für Texte der politischen Philosophie ungewohnten Maß gruppieren sich seine Kritiker und Verteidiger entlang politischer Fronten. Dabei hatte Hegel eine Objektivität angestrebt, die dem Streit der „unendlich verschiedenen Meinungen“ (7/14)2 entgeht – weil sie sich an wirkliche Institutionen hält und durch streng wissenschaftliche (bzw. philosophische) Verfahren abgesichert wird. Wie konnte dieser Versuch zum philosophischen Feindbild oder Fetisch von Liberalen und Marxisten, Demokraten und Antidemokraten, Konservativen und Progressiven werden? Hegel hat den Streit um seinen Grundriss mit einer ganzen Reihe von Entscheidungen provoziert. Anstößig wirkte nicht zuletzt sein Objektivitätsanspruch selbst. Das gilt bereits für die angestrebte Wissenschaftlichkeit: Hegels kaum einem Zeitgenossen durchsichtige und bis heute nicht völlig aufgeklärte „begriffliche“ Ableitung von Rechts- und Lebensformen, die dann als garantiert vernünftig gelten sollen,3 steht seit den ersten Rezensionen unter dem Verdacht, vorrangig das zu beweisen, was der Autor gerade beweisen will bzw. empirisch zur Kenntnis nimmt. Dass 1 2 3

Klenner 1982, S. 207. Quellenangaben ohne weitere Namensnennung beziehen sich auf die Theorie-Werkausgabe Hegel 1969 ff. Zitierung erfolgt nach ‚Band/Seitenzahl, Paragraph’; ‚Z’ steht für Zusatz. Wie schwer sich die Hegel-Forschung besonders in diesem Text mit Hegels Vorgehensweise tut, zeigt etwa der gesamte dritte Teil des Tagungsbandes von Henrich und Horstmann 1982. Die hilfreichsten Vorschläge gehen davon aus, dass Hegel zu Beginn mit starken Abstraktionen arbeitet, die er dann kontrolliert zurücknimmt. Für die einen ergibt sich so eine „Phänomenologie des Bewusstseins der Freiheit“ (Ilting 1982), für andere eine „kritische Darstellung des neuzeitlichen Naturrechtsdenkens“ (Theunissen 1982, S. 318).

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er überhaupt historisch-empirische Rekonstruktion und begrifflich-abstrakte Entwicklung zu verbinden versucht, war und ist ein weiterer Stein des Anstoßes. Zumal Hegels pointierter Anspruch, das Vernünftige als „wirklich“ und das Wirkliche als „vernünftig“ auszuweisen (7/24), hat von Beginn an Widerspruch und Empörung ausgelöst. Dazu trägt bei, dass er sich in eine polemische Tradition der Normativitätskritik einreiht. Statt dem ‚Sein’ gleichberechtigt ein ‚Sollen’ gegenüber zu stellen, verwirft Hegel das letztere als Produkt unverbindlichen Wunschdenkens – „eine Welt, wie sie sein soll, […] existiert“ für ihn nur im „Meinen“, „einem weichen Elemente, dem sich alles Beliebige einbilden lässt“ (7/26). Doch anders als Machiavelli und Spinoza, die mit verwandten Argumenten Skandal gemacht haben, verleiht Hegel zudem der bestehenden Ordnung die Weihe, im Kern eben nichts anderes zu sein als realisierte Vernunft. Ihr gegenüber, namentlich im Verhältnis zum als höchste sittliche Form begriffenen Staat, erscheinen Ansichten und Eigenheiten der Einzelnen als quantité negligeable. Das musste besonders empörend wirken, wo Hegel den Staat, der ihn selbst als Professor beschäftigte, Preußen im Übergang von der Reform zur Restauration, als vernünftig begriff. In den Paragraphen zum Staatsrecht schien so weniger ein philosophisches System als das gegebene politische den gedanklichen Fluchtpunkt zu bilden, und die bereits zitierte Vorrede enthielt auch eine heftige Polemik gegen Jakob Heinrich Fries als Vertreter der demokratischen Opposition. Mit Angriffen auf die politisch-theoretisch entgegengesetzte Seite, die konservative Staatswissenschaft und die historische Rechtsschule, machte Hegel den Kreis seiner Feinde komplett. Über seine Zeit hinaus hat er vor allem mit dem Schluss provoziert, den er aus der Annahme zieht, dass keine Philosophie „über ihre gegenwärtige Welt hinaus“ gehen könne (7/26): Für Hegel scheint die rechtsstaatliche Realisierung des Geistes in seiner Gegenwart grundsätzlich abgeschlossen zu sein. Die Weigerung, über Zukünftiges zu mutmaßen, verbindet sich hier eng mit dem Anspruch, ein System aller denkbaren Positionen und tragfähigen Institutionen zu erarbeiten.4 Dass dies ein Problem für jedes nachhegelsche „Individuum“ darstellt, das seinerseits als „Sohn seiner Zeit“ (7/26) denken und handeln will, war eigentlich abzusehen. Im Folgenden werden die Kritiken an Hegels Rechtsphilosophie politisch akzentuiert und aus ihrer jeweiligen Entstehungszeit heraus begriffen. Dabei werden zugleich systematische Fragen verhandelt – nicht so systematisch, wie das Hegel für seine eigenen Rekonstruktionen beansprucht hat, aber vielleicht immerhin übersichtlich und einsichtig genug, um die Spuren von Vernunft in dieser Rezeptionsgeschichte erkennbar zu machen. Sie resultieren gerade daraus, dass Hegel zur poli4

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Vgl. für eine andere, auf den Kontext der Restauration bezogene Deutung Ilting 1973, bes. S. 77-82.

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tisch-sozialen Positionierung herausfordert, und geben umgekehrt seinem Entwurf ein schärferes Profil, als er es von sich aus hat. Wichtige Leistungen und Probleme der Rechtsphilosophie werden erst durch ihre negative Rezeption deutlich: Die Auszeichnung sozialer Lebensvollzüge gegenüber bloßen Rechtsansprüchen, die Präferenz für Institutionen gegenüber Individuen, der Versuch, das geschichtlichgesellschaftliche Ganze in den Blick zu nehmen. Recht und Unrecht der HegelKritik werden primär mit Bezug auf diese Sachfragen geprüft. Im Einzelnen diskutiere ich: 1) die liberale, demokratische und konservative Kritik der Grundlinien in der ersten Rezeptionsphase, 2) die Erweiterung der Kritik zum Gegenentwurf bei Marx und die marxistische Hegel-Kritik, 3) die verschärfte liberale Kritik, die Hegel als theoretischen Begründer des Totalitarismus angreift, sowie die poststrukturalistische, die sein Totalitätsdenken als solches ablehnt, 4) die Kritik der Anerkennungstheorie, die Hegel eine Unterbietung seiner eigenen Maßstäbe vorwirft.

1. Wirklichkeit statt Vernunft. Die kritische Rezeption von den Rezensionen bis Haym 1.1. Die 1919 in Karlsbad und Preußen beschlossenen Polizei- und Zensurgesetze, die Hegel vermutlich dazu bewogen haben, seine bereits druckfertige Rechtsphilosophie noch einmal zu überarbeiten und mit einer neuen Vorrede zu versehen,5 prägen auch die ersten Reaktionen auf das im Herbst 1820 publizierte Buch. Einerseits ist Hegels Lob bestehender Institutionen in diesem Kontext besonders schwer erträglich, andererseits kann solche Kritik nicht offen geäußert werden. Stattdessen konzentriert man sich a) auf den Komplex Sollenskritik / Zeitgebundenheit der Philosophie / Vernünftigkeit des Wirklichen, b) Hegels Verbindung begrifflich-konstruktiver und historisch-rekonstruktiver Verfahren sowie c) seinen sittlich unschönen Angriff auf Fries. Im ersten Bereich wird Hegel von Sympathisanten wie Gegnern Begriffsverwirrung vorgeworfen: er habe nicht zureichend ausgewiesen, in welchem Sinn er etwas als ‚wirklich’ begreife. Nötig sei, so der Hegel nahe stehende Rezensent Paulus, eine „Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Wirklichkeit“: „Allerdings hält Rez. […] die sittliche Welt so gut wie der Verf. für vernünftig, für gottbeseelt, auch er weiß, dass der Philosoph diese Welt zu begreifen streben solle, wie sie ist, allein so weit ist er freilich noch nicht mit seiner Spekulation gedrungen, dass er die Überzeugung gewonnen hätte, als seien nun auch die einzelnen Erscheinungen innerhalb der sittlichen Welt (die doch auch sind) überall und ohne Unterschied Wahrheit, Vernunft, Göttlichkeit“.6 5 6

Vgl. Ilting 1973, S. 43-69, sowie kritisch zu dessen Überarbeitungsthese Lucas/Rameil 1980. Paulus 1821, S. 59 und 61. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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Andere Besprechungen werfen Hegel schärfer eine missglückte Verbindung von Spinoza und Kant vor oder erklären, dass praktische Philosophie nun einmal darin bestehe, sich über die Wirklichkeit zu erheben. In Andeutungen kann die Kritik an Hegels Programm schließlich auch politisch werden. So liest ein Rezensent den Satz, Philosophie sei „ihre Zeit in Gedanken erfasst“ (7/26), als Lizenz zur Anpassung: „Eine solche Philosophie kann sich freilich nach allem akkomodieren, was gerade an der Tagesordnung ist. Herrschen liberale Grundsätze in der Welt, so wird die Philosophie diese lehren; hat der Despotismus die Oberhand, so muss die Philosophie diesen predigen“.7

Die Kritik an Hegels Kopplung begrifflicher Konstruktion und geschichtlicher Rekonstruktion führt diese Motive weiter. Sie mündet in dem Urteil, dass seine Auszeichnung bestimmter gegebener Wirklichkeiten nicht weniger kontingent ist als eine Konstruktion sein sollender: „Übrigens glaubt Rezens., Hrn. H. bei all seinem Erforschen der Wirklichkeit eben der willkürlichen Staatskonstruktion, die er uns andern vorwirft, […] zeihen zu können. Denn, wie möchte derselbe sonst zu dem Resultate kommen (seine wissenschaftliche Fortbewegung des Gedankens hat uns nicht überzeugt), dass eine konstitutionelle Monarchie eigentlich die einzig wahre und durchaus vernunftgemäße Form des Staats sei […]?“8

Auch in diesem Kontext kommt es freilich nicht zum frontalen Angriff auf Hegels politische Haltung. Allein seine Ansicht, dass der „Seichtigkeit“ und ihrem „Heerführer“ Fries kein Unrecht geschehe, wenn „die Regierungen auf solches Philosophieren endlich die Aufmerksamkeit gerichtet haben“ (7/18, 21), wird offen zurückgewiesen. Neben „absichtlicher Kränkung eines ohnehin gebeugten Mannes“9 wirft man Hegel Denunziation vor: „Der allein unseichte Philosoph vergisst sich soweit, mit der philosophischen eine polizeiliche Funktion zu vermischen“.10 Der Vorwurf, dass sich Hegel politisch reaktionär bzw. opportunistisch zeige, ist aus der Publikationszeit nur brieflich erhalten oder rückblickend überliefert. Fries selbst urteilt, „Hegel’s metaphysischer Pilz“ sei „nicht in den Gärten der Wissenschaft, sondern auf dem Misthaufen der Kriecherei aufgewachsen. Bis 1813 hatte seine Metaphysik die Franzosen, dann wurde sie königlich württembergisch und jetzt küsst sie dem Herrn von Kamptz die Karbatsche“.11

7 8 9 10 11

Z.C. 1822, S. 101 f. Paulus 1821, S. 63. So 1822 der Rezensent der „Allgemeinen Literaturzeitung“ (Riedel 1975c, S. 157). Fries war seine Professur entzogen worden. Paulus 1821, S. 55. Brief vom 6.1.1821, in: Nicolin 1970, S. 221. Karl Albert von Kamptz, zu dieser Zeit leitender Direktor des preußischen Polizeiministeriums, war ein entschiedener Verfolger der ‚Demagogen’.

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Hegels „eifrige[r] Schüler“ Nikolaus von Thaden, dem trotzdem einiges an dessen neuer „Politik missfallen hat“, berichtet ihm: „Sie sind verschrien abwechselnd als royalistischer Philosoph und als philosophischer Royalist – daher ist ein Teil des wackern Buchs eine historisch-philosophische Streitschrift geworden“.12 Und Eduard Gans sieht sich in seiner Vorrede zur Neuausgabe der Grundlinien von 1833 dem fatalen Resultat gegenüber, dass das Werk „nicht allein dem deutschen Publikum […] als ein serviles“ gilt, „von dessen Grundsätzen und Lehren sich jeder freiheitsliebende Mann entfernt halten müsse“.13 1.2. Die politischen Gegenpositionen zu Hegel bilden sich erst ab Beginn der 1830er Jahre, in der konsolidierten Restauration, im Vormärz und nach der Revolution deutlich heraus. Der Abfolge der jeweils führenden Kräfte entsprechend nimmt erst eine konservative, dann eine demokratische und schließlich eine gemäßigt liberale Kritik Gestalt an. Zugleich klären sich die Haltungen zu Hegels konstruktivrekonstruktiver Vorgehensweise – auffälliger Weise zunächst so, dass alle Kritiker für das geschichtlich Konkrete Partei ergreifen. Die konservative Kritik zeigt, sozusagen Gans’ Verteidigung zuarbeitend, dass Hegel auch von rechts angreifbar ist. Ihre Hauptvertreter Friedrich Julius Stahl und Karl Ernst Schubarth monieren vor allem, dass er historisch gewachsene Institutionen (wie die Erbmonarchie) und die konkrete Persönlichkeit (etwa des Monarchen) nicht respektieren kann, weil er sie in allgemeine Kategorien auflöst – und dass seine Staatsbegeisterung keinen Raum für höhere Mächte, namentlich für Gott und Kirche lässt. Schubarths ersten Zweifeln, ob Hegels „Lehre von der konstitutionellen Monarchie“ nicht die „innerste Natur“ und „ganze geschichtliche Stellung“ Preußens untergrabe, ist dieser noch selbst entgegengetreten.14 Den eigentlichen Angriff führt Schubarth jedoch erst acht Jahre nach Hegels Tod, erklärtermaßen „von der politischen Seite her“, „als Preuße und Protestant“.15 Nun bemängelt er ausführlich, dass für Hegel die Persönlichkeit des Monarchen, die „Besonderheit“ seines „Charakters“ bzw. des „regierenden Geschlechts“ insgesamt, keine Rolle spielt, während sie doch die „Substanz des Preußischen Staats, als einer reinen Monarchie“ ausmache.16 Und er bemerkt, dass es in den Grundlinien stattdessen auf staatlich-soziale Strukturen ankommt: „Hegel verfährt ganz folgerecht […], den Fürsten auf [die] bloß formelle Qualität und Funktion des ‚Ja’ sagen zu beschränken, da“ bei ihm „nicht der Fürst die Substanz des Staats ist, 12 13 14 15 16

Brief vom 8.8.1821, in Riedel 1975c, S. 76. Gans 1833, S. 242. Vgl. Die Texte in Riedel 1975c, S. 209-219, hier S. 212. Schubarth 1839, S. 249. Schubarth 1839, S. 255. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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sondern diese durch den Inbegriff der verschiedenen einzelnen organischen Sphären, als der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft nach ihrer Gliederung in den verschiedenen Ständen und Korporationen, der Kammern etc., gebildet wird“.17

Der Zurechnungspunkt von Entscheidungen, auf den sich der Fürst damit reduziert, gleicht für Schubarth antiken Orakeln, und das Prinzip ‚Persönlichkeit’, das er selbst vorzieht, lässt Hegels Institutionalismus zumindest vorreformatorisch aussehen: „Es muss aber für einen Rückschritt […] betrachtet […] werden, wo die Bildung aus einer besonderen, individuellen und persönlichen, eine allgemeine, sachliche und dingliche zu werden beginnt, wo bloße Institutionen, als Mechanismen oder Organismen, sei es weltlicher oder heiliger Art, die Gewalt über die Persönlichkeit gewinnen […] und den eigentlichen und besten Halt für die geschichtliche Entwicklung des Menschen abgeben sollen“.18

Ob Rück- oder Fortschritt – hier ist sicher ein Hauptmotiv Hegels getroffen. Stahl sieht es bereits 1830: „Daher geht durch das ganze System das Interesse und der Vorzug der Unpersönlichkeit, diese ist es, was da sein soll, was die Persönlichkeit als nur vorübergehendes Moment sich gegenüber setzt, bloß um sie wieder aufheben zu können“.19

Anders als Schubarth gewinnt er dieses Motiv aus einer genauen Kritik von Hegels Konstruktion, in der er die „Erschleichung“ oder „Usurpation“ geschichtlicher Gestaltungen durch die „dialektische Methode“ angreift.20 Dagegen setzt Stahl neben der Persönlichkeit auch den Eigenwert konkreter Institutionen (während Hegel „keinem Institute vergönnt, es selbst zu sein, um seines eigenen Inhalts willen Dasein zu haben“) und die „Dissonanz, welche nur zu reell die Welt durchschneidet“.21 Am Ende interessiert ihn freilich nur die „tiefere“ Dissonanz, „dass wir getrennt sind von Gott“,22 und die Hegel-Kritik mündet in einem langen Bekenntnis zum Christentum und zu Schelling. Die Kritik der Junghegelianer an ihrem Schulvater konzentriert sich demgegenüber auf Religion und Geschichte, Selbstbewusstsein und sinnliche Anschauung; die Bezüge auf die Grundlinien bleiben selten und meist abstrakt. Die generelle Kritikrichtung bringt deutlich Edgar Bauer zum Ausdruck, der sich weiter an der Identifikation von Vernünftigem und Wirklichem abarbeitet. Für ihn müsste es richtig heißen, dass das Vernünftige fortgesetzt wirklich wird; „nur das Fortschreiten und Vergehen ist vernünftig berechtigt“.23 Damit ist Bauer, ohne es zu wissen, nahe an dem,

17 18 19 20 21 22 23

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Schubarth 1839, S. 254. Schubarth 1839, S. 261. Stahl 1830, S. 231. Stahl 1830, S. 225. Stahl 1830, S. 229. Stahl 1830, S. 229. Bauer 1985, S. 635. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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was Hegel im mündlichen Vortrag selbst formuliert hat.24 Seine Folgerungen stehen dessen Rechtslehre jedoch diametral entgegen. Zum einen will Bauer keinen bleibenden Staat akzeptieren: „Die Vernunft einer Staatsform ‚begreifen’ heißt also diese Staatsform für die Vergänglichkeit vorbereiten: denn jene Vernunft ist selbst das Vergängliche.“ Und zum anderen ist für ihn „die freie Kritik“ der denkenden Einzelnen „stets über Staat und Gesetz hinaus“;25 es gelte „das staatliche Bewusstsein dem freien Selbstbewusstsein unterzuordnen“.26 Andere Autoren behandeln die Rechtsphilosophie noch summarischer; so belegt Feuerbach seine Kritik an Hegels System, das „nichts voraussetzen“ und „nichts […] übrig lassen“ soll, knapp damit, „dass sein Naturrecht der reinste spekulative Empirismus ist (z.B. Deduktion selbst der Majoratsherren!)“.27 Die einzige eingehendere Kritik vor Marx stammt von Arnold Ruge. Sie bezieht eine interessante Gegenposition zu den konservativen Angriffen auf Hegel. Während diese ‚Persönlichkeit’ verlangen, polemisiert Ruge gegen „die abstrakte Innerlichkeit des Protestantismus“, die er in Kant verkörpert und noch bei Hegel fortwirken sieht.28 Und während Schubarth und Stahl Gott über dem Staat lassen wollen, kritisiert Ruge Hegel dafür, „Religion“ nicht als Medium politischen Wandels erkannt zu haben. Mit ihr trete das „Pathos der Reformation […] an die Stelle der Hierarchie, das der Revolution an die Stelle des alten Staatsunwesens“.29 Die Stelle verweist auch darauf, dass Ruge Hegel eben von links, als Demokrat entgegentritt. Das gibt er freilich nur mit unspezifischen Begriffen wie „Staatsfreiheit“, „erhöhtes politisches Lebensgefühl“ und „Staatsbürgertum“30 zu erkennen. Und seine Kritik an Hegel konzentriert sich erneut aufs Methodische, das Verhältnis von Theorie und Praxis. „An und für sich ist Hegel kein Feind der politischen Praxis und des reellen Denkens, welches als Wille auftritt und an den Willen sich wendet […]; aber sein Lebensberuf, das System der reinen Einsicht zu gründen und durchzusetzen, wirft ihn auf den einseitig theoretischen Standpunkt“.31

Mit diesen Vorzeichen fordert Ruge schließlich wie Stahl mehr Achtung für das Gegebene: „Der wirkliche Staat und die Existenz seiner Verfassung hat aber dassel-

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Eine Nachschrift der Berliner Vorlesung von 1819/20 hält fest: „Was vernünftig ist, wird wirklich, und das Wirkliche wird vernünftig.“ Hegel 1983a, S. 51. Bauer 1985, S. 636. Bauer 1985, S. 635. Feuerbach 1982, S. 33. Ruge 1842, S. 333. Ruge 1842, S. 344 f. Ruge 1842, S. 323 f. Ruge 1842, S. 335.

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be Interesse, wie die wirkliche Philosophie, das geschichtliche. […] Diese Wendung der Theorie auf die Existenz fehlt bei Hegel“.32 Alles in allem müssen solche Anschlüsse (samt der noch nicht betrachteten sozialistischen) im Nachmärz unkontrollierbar gewirkt haben – jedenfalls entsteht in den 1850er Jahren eine moderat-liberale Hegelkritik, die die Grundlinien als restaurativ abstempelt, dabei jedoch Argumente fortführt, die von ihren konservativen Kritikern entwickelt wurden.33 Das Hauptzeugnis dieser Richtung bildet Rudolf Hayms Hegel und seine Zeit. Hayms Urteile zur Rechtsphilosophie klingen bekannt, sind aber das erste Mal wirkungsvoll gebündelt: „Das Hegel’sche System wurde zur wissenschaftlichen Behausung des Geistes der preußischen Restauration“; in der Vorrede „machte die Philosophie mit der Polizei gemeinschaftliche Sache“, um dann mit der Kopplung vernünftig-wirklich „die absolute Formel des politischen Conservatismus, Quietismus und Optimismus“ zu prägen; durchgängig spürt man „das Übergewicht des theoretischen über den praktischen […] Geist“ und sieht, wie der Anspruch, das Absolute geschichtlich verwirklicht zu finden, sich selbst erledigt: „Das Vergängliche absolutisiren heißt unmittelbar, sich selbst der Vergänglichkeit unterwerfen.“34 Unter der Oberfläche dieser Schuldsprüche dominieren das Motiv der Persönlichkeit und die Abwehr von Staatsvergötterung. Wie Schubarth und Stahl tadelt Haym an Hegel „die Missachtung, welche […] das Individuelle erfährt“.35 Sogar die relative Ohnmacht des Monarchen legt er negativ aus: „bei Hegel theilt diese Persönlichkeit nur das Schicksal des Persönlichen und Individuellen überhaupt; sie wird dem Harmonismus, dem Ganzen in seiner systematischen Gestaltung […] zum Opfer gebracht“.36

Die „Ueberordnung“ des Staats „über die Religion“37 wird gleichfalls als Verherrlichung des organisierten Ganzen geschildert;38 eine konservative Religions-Apologie fehlt hier. Deutlich ist aber der Gegensatz zu Ruges Auffassung – Haym arbeitet daran, dass die letzten Überzeugungen nicht zum politischen Sprengstoff werden können. Insgesamt hat seine Verurteilung von Hegels Rechtsphilosophie eine manifeste und eine latente Ebene: Er sieht in ihr offenkundig einen autoritären, kritikfeindlichen Etatismus – und bekämpft zugleich ihre subversive Tendenz, etablierte

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Ruge 1842, S. 337 f. So auch die – materialreich belegte, aber stark Hegel-apologetisch vorgetragene – These von Losurdo 1993. Haym 1857, S. 359, 364, 365, 370 und 386. Haym 1857, S. 375. Haym 1857, S. 383. Haym 1857, S. 373. „Kein Attribut der absoluten Idee oder des sich in der Religion und Speculation selbst wissenden Geistes, welches nicht ebenso dem Staate zugewendet würde.“ (Haym 1857, S. 372).

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Werte und private Besitztümer in den politisch-geschichtlichen Prozess hineinzuziehen. Damit sind die möglichen Negativreaktionen auf die politischen Ziele Hegels entwickelt: Man kann ihm eine Verherrlichung des bestehenden Staates, dessen heimliche philosophische Aushöhlung und schließlich mangelnde Konsequenz in der Umwälzungstheorie vorwerfen. Um über diese Lage hinauszukommen, war eine Auseinandersetzung mit seinen strukturellen Neuerungen nötig.

2. Abstraktion und Gesellschaft. Die Marxsche und die marxistische Kritik 2.1. Für die sozialtheoretische Entwicklung von Marx war bekanntlich vor allem ein Element der Hegelschen Rechtsphilosophie wichtig: Die Konzeption der bürgerlichen Gesellschaft, der „Differenz“, die theoretisch wie geschichtlich „zwischen die Familie und den Staat tritt“ (7/339, § 182 Z). Marx entwickelt diesen Begriff bald weiter. Dient er zunächst dazu, die Unzulänglichkeit bloß politischer Revolutionen angesichts der davon ausgesparten privaten Lebensvollzüge zu kritisieren,39 meint er ab Mitte der 1840er Jahre vorrangig die privatarbeitsteilige Produktion, die Hegel als ‚System der Bedürfnisse’ thematisiert und in der Nationalökonomie behandelt gefunden hatte. Zugleich wird der Gegensatz bourgeois-citoyen von einem Klassenbegriff der Bürger oder Bourgeois abgelöst, die andere arbeiten lassen und sich den Profit aneignen; als ‚bürgerliche Gesellschaft’ gilt jetzt die von ihnen beherrschte Sozialformation. Vor diesem Hintergrund eignet sich Marx ein Hegelsches Motiv an, das die frühe Rezeption nur wenig beachtet hatte: Die Rückführung von Rechtsverhältnissen auf Lebensformen. Wollte Hegel damit ‚abstraktes Recht’ und ‚Moralität’ im konkreten Ganzen von Familienleben, Arbeit und Rechtspflege, Staatsregierung und -verwaltung verankern, erklärt Marx Theorie und Realität des Staates ihrerseits zu bloßen Superstrukturen der ökonomisch-materiellen Verhältnisse. Rückblickend hält er dann als „Ergebnis“ seiner „kritischen Revision der Hegelschen Rechtsphilosophie“ fest, „dass Rechtsverhältnisse und Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der so genannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach dem Vorgang der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts, unter dem Namen ‚bürgerliche Gesellschaft’ zusammenfasst, dass aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der Ökonomie zu suchen sei“.40

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So das Programm von Marx 1844. Marx 1859, S. 8. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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Dabei haben sich freilich in die Wiedergabe von Hegels Begriff (der ja den ganzen „Not- und Verstandesstaat“ meint [7/340, § 183]) wie auch in Marx’ Selbstbeschreibung Ungenauigkeiten eingeschlichen. Sein (unvollendetes und unpubliziertes) Manuskript zur Kritik des Hegelschen Staatsrechts stammt nämlich aus einer Zeit, in der er eine Konzeption ‚materieller Lebensverhältnisse’ wirklich erst sucht.41 Statt sie zu umreißen, setzt er hier politische Akzente, die in der späteren Theorie wegfallen. Zudem verdeckt Marx’ Selbstbeschreibung seinen lebenslangen Versuch, sozialtheoretische Abstraktionen auf eine vertretbare, Hegelsche Fehler vermeidende Weise einzusetzen. Diese beiden Besonderheiten müssen durchdrungen werden, wenn man von Marx’ Rechtsphilosophie-Kritik mehr als ihre Außendarstellung zu Gesicht bekommen will. Politisch konkretisiert Marx den Vorwurf, dass Hegel aus Prinzipien abzuleiten vorgibt, was er eigentlich aus der Realität aufnimmt: Er denkt die Verhältnisse des Zusammenlebens selbst konsequent von unten, aus den kleinen Gegebenheiten und Lebensvollzügen. Das bedeutet zunächst, dass er bürgerliche Gesellschaft und Familie als „Voraussetzungen […] des Staats“ beschreibt: „sie sind die eigentlich Tätigen; aber in der Spekulation wird es umgekehrt“.42 Zudem muss ihre Tätigkeit im Gegensatz zur philosophisch beglaubigten nicht zielgerichtet sein: „Der Staat geht auf eine unbewusste […] Weise aus ihnen hervor“.43 Auch verträgt ein- und dieselbe Sozialordnung diverse Staatsformen: „Das Eigentum etc., kurz der ganze Inhalt des Rechts und des Staats, ist mit wenigen Modifikationen in Nordamerika dasselbe wie in Preußen. Dort ist also die Republik eine bloße Staatsform wie hier die Monarchie“.44

In diesem Rahmen wird schließlich zweifelhaft, ob der Staat wirklich sich selbst wollender Geist sein kann bzw. ein ideelles Zentrum hat. In Hegels konkreten Ausführungen entdeckt Marx eher verschiedene Konflikte zwischen den Staatsbürgern und den Beamten, bei denen – als ein Rest lebendiges Mittelalter – soziale und politische Stellung zusammenfallen.45 Sein eigener Lösungsvorschlag für solche Konflikte macht die Richtung von unten nach oben zum Prinzip: Es gilt die verselbständigte Staatsordnung in die bewusste Praxis aller zu überführen. 41

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Die zentralen Konzeptionen sind erst im Manuskript der Deutschen Ideologie aus den Jahren 1845-46 sichtbar. Hier bezeichnet ‚bürgerliche Gesellschaft’ zum einen „die unmittelbar aus der Produktion und dem Verkehr sich entwickelnde gesellschaftliche Organisation, die zu allen Zeiten die Basis des Staats und der sonstigen idealistischen Superstruktur bildet“, zum anderen aber auch diese Struktur in einer bestimmten Periode: „Die bürgerliche Gesellschaft als solche entwickelte sich erst mit der Bourgeoisie“ (Marx/Engels 1845 f., S. 36). Marx 1843, S. 206. Marx 1843, S. 205. Marx 1843, S. 232. Vgl. Marx 1843, S. 274 f.

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„Die Demokratie ist das aufgelöste Rätsel aller Verfassungen. Hier ist die Verfassung nicht nur an sich, dem Wesen nach, sondern der Existenz, der Wirklichkeit nach in ihren wirklichen Grund, den wirklichen Menschen, das wirkliche Volk stets zurückgeführt und als sein eignes Werk gesetzt“.46

Marx macht auch klar, dass dies verlangen würde, die moderne Differenz zwischen Staat und (bürgerlicher) Gesellschaft aufzugeben; er lässt allerdings offen, wie es geschehen soll. Die Trennung selbst wird häufig durch einen Begriff bezeichnet, der den Text insgesamt theoretisch interessant macht: Abstraktion. Wie seine Vorgänger kritisiert Marx damit unter anderem Hegels Begriffsfetischismus. „Das Wesen der staatlichen Bestimmungen ist nicht, dass sie staatliche Bestimmungen, sondern dass sie in ihrer abstraktesten Gestalt als logisch-metaphysische Bestimmungen betrachtet werden können.“47

Daran knüpft sich eine Reihe oft bemerkter methodologischer Pointen, etwa die von Feuerbach übernommene Idee, Subjekt und Prädikat bzw. Objekt von Hegels Sätzen auszuwechseln, und ein charakteristisches Muster der Genitivumkehrung – nicht die Logik der Sache, sondern die Sache der Logik sei der Fluchtpunkt der Rechtsphilosophie u.ä. Daneben registriert Marx jedoch Hegels eigenen kritischen Gebrauch des Wortes ‚abstrakt’ und stimmt ihm trotz fortgesetzter Kritik partiell zu: „Hegel entwickelt das Privatrecht und die Moral als […] Abstraktionen, woraus bei ihm nicht folgt, dass der Staat, die Sittlichkeit, die sie zu Voraussetzungen hat, nichts als die Sozietät […] dieser Illusionen sein kann, sondern umgekehrt geschlossen wird, dass sie subalterne Momente dieses sittlichen Lebens sind. […] Man hat Hegel vielfach angegriffen über seine Entwicklung der Moral. Er hat nichts getan als die Moral des modernen Staats und des modernen Privatrechts zu entwickeln“.48

Was Hegel als vernünftige Realität schildert, ist also – traurige Realität. Folgerichtig entwickelt Marx selbst Kategorien des Real-Abstrakten, um die Gesellschaft und Politik seiner Gegenwart zu begreifen. Einige Formulierungen lesen sich dabei wie Hegel selbst: „Da in der modernen Zeit die Staatsidee nicht anders als in der Abstraktion des ‚nur politischen Staates’ oder der Abstraktion der bürgerlichen Gesellschaft von sich selbst, von ihrem wirklichen Zustande, erscheinen konnte, so ist es ein Verdienst der Franzosen, diese abstrakte Wirklichkeit […] produziert […] zu haben“.49

Der Unterschied bleibt, dass Marx die herausgestellten Abstraktionen praktisch zurückzunehmen verlangt, während sie sich für Hegel immer schon selbst aufgeho-

46 47 48 49

Marx 1843, S. 231. Marx 1843, S. 216. Marx 1843, S. 313. Marx 1843, S. 319.

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ben haben. Schließlich will dieser nicht „die Entschiedenheit wirklicher Gegensätze, ihre Bildung zu Extremen“ und ihre „Entzündung zur Entscheidung des Kampfes“ zulassen, so dass er stattdessen ggf. die „verselbständigte Abstraktion“ stehen lassen muss.50 Offen bleibt hier, wie mit Abstraktionen umzugehen ist, die Theorie als solche verlangt. Nicht jeder Gebrauch von Abstrakta wie ‚Produktion’, ‚Arbeit’ oder selbst ‚Wert’ führt ja direkt auf praktische Forderungen; als Bezugsgröße sollte außer dem System der Sittlichkeit oder der befreiten Gesellschaft auch eine gegebene Sozialstruktur denkbar sein, die man analysieren will. Marx hat in diesem Sinn später eine weitere Alternative zu Hegel entwickelt: „Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist […]. Im Denken erscheint es daher als Prozess der Zusammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt […]. Hegel geriet daher auf die Illusion das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfassenden […] und aus sich selbst bewegenden Denkens zu fassen, während die Methode vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist, sich das Konkrete anzueignen, es als ein geistig Konkretes zu reproduzieren. Keineswegs aber der Entstehungsprozess des Konkreten selbst“.51

Eine Marx folgende Hegel-Kritik hat damit ziemlich viel vom Kopf auf die Füße zu stellen: Sie muss zugleich reale Abstraktionen angreifen, ideologische Abstraktionen darauf zurück beziehen und theoretische Abstraktionen unter Kontrolle halten. 2.2. Verschiedene Autoren haben versucht, dieses Programm durchzuführen, nicht wenige mit positivem Bezug auf Hegel – allgemein oder auch direkt an die Rechtsphilosophie geknüpft.52 Die Bandbreite der kritischen Positionen zu seiner Methode wird deutlich, wenn man die weiter auf ‚Dialektik’ verpflichteten Einwände Sidney Hooks mit den strukturalistischen Louis Althussers vergleicht. Hook, der in der Hegel-Forschung durch seine Bekräftigung der Haymschen Vorwürfe bekannt ist,53 hat darüber hinaus in dem Buch From Hegel to Marx sorgfältig rekonstruiert, wie und mit welchen Gründen sich der letztere vom ersteren abstößt. Dabei bildet in der Tat die preußische Ursituation einen Ausgangspunkt, weil Hook an ihr verdeutlichen kann, dass die theoretisch-spekulative Haltung Hegels nicht weniger politische Parteinahme beinhaltet als die praktische von Marx – nur eben eine konservative, „for within a system of teleological metaphysics, all explanation is justification“.54 Hook betont aber auch, was Marx von Hegel übernimmt, und hebt dabei besonders die

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Marx 1843, S. 293. Marx 1857, S. 22. Vgl. Lukács 1970 sowie Marcuse 1989. Vgl. Hook 1970. Hook 1958, S. 25. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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Beziehung abstrakter Bestimmungen zum konkret gegebenen Ganzen bzw. die „Logic of Totality“ hervor: „The development of knowledge, in the language of Hegel and Marx, is from the abstract to the whole. The part is an abstraction, the whole is concrete.“ Damit werden u.a. letzte Gründe verzichtbar: „The nature or essence of the system studied does not exist behind or beyond the appearances but is expressed in them.“55 Und da diese Einsicht wiederum Marx wie Hegel zugeschrieben wird, bleiben, was die Dialektik angeht, wenig Differenzen: Hegel gibt auch hier dem Gedanken zuviel Gewicht, Marx untersucht nicht das Ganze überhaupt, sondern ein bestimmtes Ganzes, und kann auf eine Dialektik der Natur verzichten – sonst aber fand er den Schlüssel zum „social system“56 anscheinend fertig vor. Eben diesen Eindruck, zu dem Marx selbst erheblich beigetragen hat, will Althusser zerstören. Für ihn ist die ‚expressive Totalität’, die sich in allen Erscheinungen realisiert, die zentrale metaphysische Fehlannahme Hegels, und die Pointe des Marxschen Vorgehens gerade ihre Zertrümmerung. Es sind vor allem drei Punkte, an denen Althusser Marx’ Kritik genauer lesen will als üblich: Die Frage, bei welcher Art von Abstraktion Sozial- und Geschichtstheorie ansetzen, die Struktur der konkreten Totalität, in die sie (re-)integriert wird, sowie schließlich das Verständnis der dabei beanspruchten Gegensätze und Widersprüche. Die ersten beiden Punkte sind eng verbunden, da Althusser Hegel vorwirft, im Grunde immer beim abstrakten Anfang, der „Einheit des einfachen Wesens“ zu bleiben. Er erklärt, „dass alle konkreten Unterschiede, die in der Hegelschen Totalität auftreten, auch die ‚sichtbaren Sphären’ in dieser Totalität (die bürgerliche Gesellschaft, der Staat, die Religion, die Philosophie etc.), […] kaum dass sie sich bestätigt haben, geleugnet werden: da sie nichts anderes sind als die ‚Momente’ […] des einfachen, inneren Prinzips der Totalität, das sich vollendet, indem es die entfremdeten Unterschiede, die es setzt, leugnet“.57

Während man den Hegel der Rechtsphilosophie zumeist dafür anklagt, das Bestehende zu fixieren,58 hebt Althusser hervor, dass er auch hier nichts bestehen lässt. Ganz anders bei Marx, wo stattdessen ein „‚schon gegebenes’, komplexes, strukturiertes Ganzes“ mit all seinen Unebenheiten auch „der einfachen Kategorie ihren Sinn gibt“.59 Wichtig für die Struktur sind dann zudem Gegensätze, die einander überlagern, statt einfach ineinander umzuschlagen. Ein zentrales Beispiel bildet Hegels Annahme, dass der Staat die ‚Wahrheit’ der bürgerlichen Gesellschaft ist. 55 56 57 58 59

Hook 1958, S. 63 f. Hook 1958. Althusser 1968, S. 149. So neben den schon zitierten Kritikern sehr deutlich Ernst Bloch: „Obwohl seine [Hegels] Vernunft nur dem Sein als Werden konform sein will, verfiel sie in der Rechtsphilosophie […] dem festen Wirklichsein von heutzutage“ (Bloch 1961, S. 142). Althusser 1968, S. 137 und 141.

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Favorisiert man umgekehrt einfach „das Ökonomische, das das ganze Wesen des Politisch-Ideologischen ausmacht“ (statt die komplexen Verflechtungen beider Bereiche zu analysieren), erhält man nur einen krypto-philosophischen „Ökonomismus“.60 Althusser wirft mithin auch dem nichthegelianischen Marxismus vor, Hegel durch schematische Kritik nur weiter zu folgen. Wo die Konzeption der Grundlinien selbst zur Debatte steht, finden sich freilich oft differenziertere Stellungnahmen. Antonio Gramsci hat eine erfahrungsnahe politische Theorie, wie sie Althusser für den Marxismus fordert (und bei Gramsci auch angelegt sieht), teilweise gerade in Auseinandersetzung mit Hegel entwickelt. Er kritisiert dessen ‚bürgerliche Gesellschaft’, die er mit „società civile“ übersetzt,61 nicht als eine unentwickelte Konzeption ökonomischer, sondern politischer Zusammenhänge diesseits des Staates. Hegel erkennt laut Gramsci anders als der „reine Konstitutionalismus“, dass der „Konsens der Regierten“ stetig organisiert werden muss, unter anderem in „Vereinigungen“, die auf der „Privatinitiative der führenden Klasse“ beruhen; derart habe er bereits eine Theorie „des parlamentarischen Staates mit seinem Parteienregime“ angebahnt.62 Doch: „Seine Konzeption der Vereinigung ist zwangsläufig noch vage und primitiv, […] der historischen Erfahrung seiner Zeit gemäß, die […] nur ein vollendetes Beispiel von Organisiertheit besaß, das ‚korporative’ (auf die Wirtschaft aufgepfropfte Politik)“.63

Verbreiteter sind Einzelbeobachtungen, die das Bild Hegels als Obrigkeitsstaatsdenker festigen. Während es für Gramsci faktisch zutrifft, dass der „Staat“ auch „erzieht“,64 hebt Bloch die autoritären, „Angst vor dem Demos“ verratenden Ausprägungen dieses Motivs bei Hegel hervor. Der Volksvertretung etwa gebe er „einzig die Aufgabe, das Volk wissen zu lassen, dass es gut regiert wird; sie ist nicht das Instrument des Besserwissenwollens, lediglich die Vermittlungsstelle vom objektiven Geist zum subjektiven Bewusstsein“.65 Ähnliche Beobachtungen hält wiederholt auch Adorno fest. Bei ihm fügen sie sich jedoch in einen Theorierahmen, der das Verhältnis Hegelkritik-Marxrezeption grundsätzlich neu bestimmt. Da Adorno seit der Dialektik der Aufklärung die Entfaltung von Rationalität eng mit der Fortentwicklung von Herrschaft verbunden sieht, kann er Hegel viel rückhaltloser als Marx Recht geben, dabei aber trotzdem kritische Distanz aufrechterhalten: Die „Vormacht des Objektiven über die einzelnen Men60 61 62 63 64 65

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Althusser 1968, S. 75. Bei Bezugnahmen auf Marx und Engels spricht er dagegen von der „società borghese“ (vgl. Markner 1995, S. 390). Gramsci 1991, S. 118. Gramsci 1991, S. 118. Gramsci 1991, S. 118. Bloch 1961, S. 143.

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schen“, die unaufhaltsame „Ausbreitung der bürgerlich rationalen Gesellschaft“ sind nur zu wirklich, aber ein Unheil für alle, die ihnen „unterworfen sind“.66 In der Lektüre der Rechtsphilosophie bewährt sich dieses Muster vor allem, wo Hegel Ansprüche der Individuen abwehrt. Wenn er betont, dass Pflicht und Gesetz „als ein toter, kalter Buchstabe und als eine Fessel empfunden“ werden, „weil das Gesetz die Vernunft der Sache ist, und diese dem Gefühle nicht verstattet, sich an der eigenen Partikularität zu wärmen“ (7/20), beschreibt das für Adorno vor allem einen intolerablen Zustand. „Sieht tatsächlich das individuelle Gewissen die ‚wirkliche Welt des Rechts und des Sittlichen’ als feindselig an, weil es in ihr nicht sich selbst erkennt, so wäre darüber nicht beteuernd hinwegzugleiten. Denn die Hegelsche Dialektik besagt, dass es darin gar nicht anders sich verhalten kann, gar nicht darin sich erkennen kann. Damit konzediert er, dass die Versöhnung, die zu beweisen Inhalt seiner Philosophie ist, nicht stattfand“.67

Neben dem damit verbundenen Leiden scheinen Adorno die von Hegel verlangten Opfer an ‚Partikularität’, Besonderheit oder Individualität auch als solche unzumutbar. Auf der einen Seite herrschen derart weiterhin verselbständigte Abstraktionen. Im Staat „tritt die allgemeine Rationalität unvermeidlich fast in Gegensatz zu den besonderen Menschen, die sie negieren muss, um allgemein zu werden“.68 Und auf der anderen Seite führt Hegels Geschichtsphilosophie (wie der reale Nationalismus) das Verdrängte in mythisierter Form wieder ein. „Was den Volksgeistern, als Kollektivindividualitäten, von Hegel hypertrophisch zugemessen ward, ist der Individualität, dem menschlichen Einzelwesen entzogen“.69 Hegels Rechtsphilosophie zeigt sich damit als ideales Anwendungsfeld für marxistische Ideologiekritik, von der idealisierten Herrschaft bis zur Pseudokonkretheit. Zugleich trifft diese Kritik bei ihm auf ein sehr spezifisches Problem: Die Frage, inwiefern Strukturen, gegen die man ethisch-politisch aufbegehrt, sich sozialtheoretisch als unausweichlich darstellen. Deutlicher: Ob nicht die individualistischen Standards unserer liberalen Welt nur unter den Bedingungen verselbständigten Zwangs gedeihen, die sie anzuklagen lehren.

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Adorno 1965, S. 295 und 297. Adorno 1965, S. 305. Adorno 1965, S. 312. Adorno 1965, S. 335. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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3. Totalität und Totalitarismus. Von Popper zur Postmoderne 3.1. Karl Popper hätte diese Fragen nicht sinnvoll gefunden. Für ihn ist man entweder Freund oder Feind der offenen Gesellschaft, und Hegel gehört auf die zweite Seite, in eine Tradition, die mit der Demokratiekritik Platons anfängt und im Nationalsozialismus oder Stalinismus mündet. Er habe mit „intellektueller und später […] sittlicher Verantwortungslosigkeit“ die gegenwärtige „Episode des ewigen Aufstandes gegen die Freiheit und gegen die Vernunft“ eingeleitet: die des „moderne[n] Totalitarismus“.70 Vor allem „[i]n der Politik“ wird Hegel dabei ein „ungeheure[r] Einfluss“ zugeschrieben: Popper nimmt an, „dass sowohl der extreme linke Flügel der Marxisten als auch die konservative Mitte sowie schließlich die faschistische extreme Rechte alle ihre politische Philosophie auf Hegel gründen; der linke Flügel ersetzt den Kampf der Nationen, der im historizistischen Schema Hegels erscheint, durch den Klassenkampf, die extreme Rechte ersetzt ihn durch den Kampf der Rassen, aber beide folgen ihm mehr oder weniger bewusst“.71

Zur Erklärung spitzt Popper, da er den einflussreichen Denker für einen unoriginellen Scharlatan hält, die Haymsche Kritik noch einmal zu: Hegel hat intellektuell nur überlebt, weil er sich vom preußischen Staat funktionalisieren ließ (der dann im Gegenzug seine Schule förderte). „Als die reaktionäre Partei 1815 in Preußen wieder die Macht übernahm, bedurfte sie dringend einer Ideologie. Hegel wurde vom preußischen Staat ernannt, um eben diesem Bedürfnis zu entsprechen.“72

Wie aus dieser Situation der Totalitarismus hervorgehen konnte, schildert Popper mit zwei Akzenten: Allgemein sieht er Hegel an einer Verherrlichung der jeweils stärksten Kräfte arbeiten, spezifisch hat er für ihn den Nationalismus staatsfähig gemacht. Das erste Motiv fasst Popper mit seinem Begriff des ‚Historizismus’. Gemeint ist eine (im Text nicht immer randscharf bestimmte) „Position“, für die erstens „Wissen über soziale Institutionen“ primär dadurch zustande kommt, dass „wir ihre Geschichte […] studieren“, die zweitens ein „historisches Schicksal“ der jeweiligen kollektiven Akteure, etwa der Nationen annimmt und drittens für „gerecht“ erklärt, was immer sich im Gegeneinander dieser Akteure durchsetzt.73 Hegels Rechtsphilosophie zeigt für Popper, dass der damit propagierte „Krieg“ keine Grenzen kennt: „Der Gegenstand des Kampfes ist die Weltherrschaft.“74 Damit ist jedoch nur das 70 71 72 73 74

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Popper 2003, S. 36 und 73. Popper 2003, S. 38. Popper 2003, S. 39. Popper 2003, S. 46 f. Popper 2003, S. 47. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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eine, äußere Extrem der Rechtsphilosophie bezeichnet. Ebenso desaströs sieht es für Popper im Inneren der kämpfenden Staaten aus. Hier bleiben nicht allein die Individuen in letzter Instanz rechtlos, es wird auch jeder demokratische Impuls erstickt. Indem er dies durch allerlei dialektische Verdrehungen begründet,75 erfüllt Hegel seine historische Mission. Der „moderne Nationalismus“ war nämlich „in seiner kurzen Geschichte vor Hegel, seltsam genug, ein liberales und revolutionäres Bekenntnis“.76 Man kämpfte gegen die napoleonische Fremdherrschaft und die Fürsten der deutschen Kleinstaaten. Es gilt also zu sehen, wie „Hegel den Nationalismus in das totalitäre Lager zurückgeführt hat“.77 Die Antwort ist einfach: „Er tat dies, indem er den Nationalisten einredete, dass ihre kollektivistischen Forderungen in einem allmächtigen Staat automatisch erfüllt seien und dass sie nur durch Stärkung der Macht des Staats hilfreich mitzuarbeiten brauchten“.78

Die Energien, die sich auf Selbstregierung richteten, wurden mithin (wie laut Adorno die Ansprüche der ‚Individualität’) auf den Kampf gegen den äußeren Feind um die Weltherrschaft umgelenkt. Popper kann seine Thesen nur teilweise belegen, und er kümmert sich seltsam wenig um historisches Vergleichsmaterial. So muss er zugestehen, dass Hegel den Staat als solchen viel nachdrücklicher verherrlicht als die deutsche Nation, und blendet aus, dass der Gedanke des kämpferischen Machtstaats bei verschiedenen Zeitgenossen noch stärker formuliert ist als bei ihm.79 Darüber hinaus wird die Bezeichnung ‚totalitär’ nicht wirklich transparent. Auf die These, „[f]ast alle wichtigeren Ideen der modernen totalitären Bewegungen“ seien „direkt von Hegel übernommen“, folgt nur eine äußerst unspezifische Belegliste: fünf Stichpunkte zu Krieg, Heroismus und Weltherrschaft, einer zur laut Hegel angeblich erlaubten „Verdrehung der Wahrheit“ durch den Staat und einer zur „schöpferischen Rolle des großen Mannes“80 – mehr nicht. Für eine Theorie totalitärer Ideologie oder Staatlichkeit reicht das kaum aus. Und jede Betrachtung, die etwas stärker deren irrationalistische, fortschrittsfeindliche Züge betont, kann leicht damit unvereinbare Elemente bei Hegel aufweisen, von der Gleichheit aller Menschen bis zur liberalen Wirtschaftstheorie.81 Man kann daher fragen, was Popper außer Übertreibungen zur

75 76 77 78 79 80 81

Vgl. Popper 2003, S. 51-60. Popper 2003, S. 62. Popper 2003, S. 63. Popper 2003, S. 69. Vgl. etwa für den Historismus Iggers 1968. Popper 2003, S. 75. In diesem Sinn formuliert Marcuse: „Hegels politische Theorie idealisierte den Staat der Restauration; aber er erblickte in ihm die Verkörperung der bleibenden Errungenschaften des modernen Zeitalters […]. Der totalitäre Staat bezeichnet demgegenüber die historische Stufe,

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Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie beigetragen hat. Ein Verdienst besteht darin, dass er zu genaueren Untersuchungen des Hegelianismus unter Hitler angeregt hat;82 die Gegenseite hat entsprechend die nationalsozialistische HegelAblehnung ins Licht gerückt.83 Darüber hinaus bleibt zu diskutieren, welche Rolle Hegels Rechtsphilosophie in der Ideengeschichte des deutschen Nationalismus insgesamt spielt – und ob nicht ihr dunkelster Punkt tatsächlich ihr geschichtsphilosophischer Abschluss ist. 3.2. Diese Annahme haben besonders poststrukturalistische Autoren ausgeführt, die wie zuvor Althusser jedem homogenen System kritisch gegenüber stehen und sich zudem auf kategorial nicht fassbare Phänomene wie „Überfluss“84 und „Ereignis“85 konzentrieren. Ihre Bezugstexte sind – vermittelt durch Alexandre Kojève – jedoch eher die Phänomenologie des Geistes und die Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte als die Grundlinien. Noch Peter Engelmann, einer der Popularisierer der ‚Postmoderne’ im deutschen Sprachraum, bindet seine These, dass „Hegelsche Politik totalitär sein muss“, an dessen Erkenntnistheorie, die „kein Außen des Systems“ duldet,86 nicht an die Staatskonzeption der Rechtsphilosophie. Es finden sich aber auch direkte Auseinandersetzungen. Die ausführlichste bietet Derrida in Glas. Er lenkt den Blick anders als die meisten Interpreten nicht auf Staat oder bürgerliche Gesellschaft, sondern auf den dritten Bereich des sittlichen Lebens, die Familie, deren (Re-)Konstruktion er von Hegels Jenaer Systementwürfen bis in die Berliner Zeit nachzeichnet. Zugrunde liegt der Vorwurf, dass auch Hegels Ökonomie und Politik eigentlich noch eine Hauswirtschaftslehre sind, eine Strategie, in der systematischen Erfassung des institutionellen und geschichtlichen Universums immer beim Vertrauten, Familiären zu bleiben. „Ökonomie: Gesetz der Familie, des Hauses der Familie, des Besitzes. […] Die Aufhebung [dt. im Original], ökonomisches Gesetz einer absoluten Wiederaneignung des absoluten Verlustes, ist ein familialer Begriff“.87

82 83 84 85 86 87

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auf der eben diese Errungenschaften der Aufrechterhaltung der bürgerlichen Gesellschaft gefährlich werden.“ (Marcuse 1989, S. 360). Vgl. (weiter im Popper-Gestus) Kiesewetter 1995, S. 261-350. Vgl. summarisch Riedel 1975c, S. 31 f. So einer der anti-hegelschen Begriffe Georges Batailles für das ‚ganz Andere’, das kein System mehr aufheben kann (vgl. Meier 1998, S. 88-94; 123-130). Vgl. für eine nietzscheanische Geschichtstheorie, die die Zusammenhangslosigkeit der Ereignisse betont, Foucault 2002, und für eine, die gegen den Hegelianismus die Unerwartbarkeit künftiger Ereignisse ins Zentrum rückt, Derrida 1995. Engelmann 1998, S. 53. Derrida 2006, S. 150.

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Umgekehrt erlaubt es der Bereich Familie, genauer zu fragen, was übrig bleibt, was also an Gegebenheiten, Strukturen und Ereignissen nicht ins System ‚aufgehoben’ werden kann, selbst wenn es für dieses konstitutiv ist. Derrida kommt auf eine ganze Reihe von Motiven: Schwestern und Brüder (in der Mehrzahl, die Erbfragen aufwirft), Begehren und dessen Hemmung, Inzestverbot – im Grunde alles, was zwischen Natur und Sittlichkeit steht. Sein Ergebnis ist, dass es niemals zu einer „einfachen Entfernung von der Natur“ kommt, „einer einfachen Erhebung über die Animalität in der ontologischen Hierarchie, die mit all den anderen Formen der Negativität homogen ist […]. Aber nichts ist jemals homogen in den verschiedenen Brüchen, Stillständen oder Sprüngen der spekulativen Dialektik“.88

Auf diese Weise kann Derrida einiges an Hegels Methodik demontieren – nutzt dabei aber die Themen der Rechtsphilosophie fast nur als Mittel. Bei ihm und verwandten Hegel-Kritikern wie Deleuze oder Lyotard steht sozusagen die Sache der Anti-Logik über der Struktur der Sache. Eine gewisse Ausnahme bildet Antonio Negri, in dessen radikaldemokratischer Spinoza-Rezeption Hegels Rechtsphilosophie ein Hauptgegner ist. Ihm herrscht darin nicht zu wenig Fremdheit, sondern zu viel „alienazione“; statt die Macht wie Spinoza immer im Tun der vereinigten Menge zu suchen, konzentriere sie Hegel, das Staatsvertragsdenken vollendend, in einer auf „Übertragung (trasferimento)“ beruhenden, abgespaltenen Herrschaft. Die Bürger sind damit nicht mehr „cittadini“, sondern nur noch „sudditti“.89 Auf eine genauere kritische Lektüre lässt sich freilich auch Negri nicht ein. Insgesamt sieht es daher so aus, als hätten die Poststrukturalisten die erheblich feineren Analysemittel, über die sie im Vergleich zu Popper verfügen, nicht genutzt, um Hegel politisch zu kritisieren.

4. Ausblick: Die Anerkennung der Rechtsphilosophie Die geschilderte vehemente Kritik hat nicht verhindert, dass Hegels Rechtsphilosophie von Linken wie Marcuse bis zu Konservativen wie Joachim Ritter und Rüdiger Bubner immer wieder aufgenommen worden ist; in der analytisch geprägten Philosophie erlebt sie durch Autoren wie Robert Pippin und Frederick Neuhouser ein Renaissance. Kritisch werden dabei zumeist Hegels Liberalitäts- und Demokratiedefizite registriert. Systematische Einwände im Rahmen grundsätzlicher Zustimmung zeichnet sich vor allem in der Theorie der Anerkennung ab, die Motive aus Hegels Jenaer Zeit in der Rechtsphilosophie herauszuarbeiten versucht. Sie kann einerseits 88 89

Derrida 2006, S. 221. Negri 1998, S. 323. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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plausibel machen, dass Hegel das ‚abstrakte Recht’ und die individualistische ‚Moralität’ von vornherein darauf anlegt, eine Konzeption intersubjektiver Freiheit dagegen zu setzen – und muss andererseits bemerken, dass seine Theorie sittlicher Institutionen weit hinter diesem Ziel zurückbleibt. Ein erstes Mal ausgeführt hat diesen Ansatz, wohl angeregt durch Habermas’ Lektüre der Jenaer Realphilosophie,90 Michael Theunissen. Für ihn hat Hegel eine individuelle „Freiheit“, die sich erst „in Interaktionen realisiert“,91 tatsächlich anvisiert, aber am Ende gründlich verfehlt. Statt nämlich Wechselverhältnisse der Subjekte zu untersuchen, konstruiere er Selbst- und Fremdbezüge der sittlichen ‚Substanz’. Theunissens Hauptbeispiel ist erneut die Familie, die bei Hegel zwar einige inter- und innersubjektive Verhältnisse ermöglicht, dann aber selbst ein ‚Selbstbewusstsein’ zugesprochen bekommt – wie später auch der Staat. In beiden Fällen gilt: „Zunächst polt Hegel jedes Verhältnis der Individuen zueinander auf ein Verhältnis der Substanz zu diesen Individuen um; und sodann deutet er das angeblich basale Verhältnis als ein Verhältnis der Substanz zu sich selbst“.92

Hinzu kommt schließlich, dass auch noch ein ausgewähltes Glied der substanziellen Ordnung ihr Selbstbewusstsein repräsentiert, der Mann das der Familie, der Monarch dasjenige des Staates, und dass die Untergeordneten ‚Zutrauen’ zum in ihm pseudo-konkretisierten Ganzen entwickeln sollen. Damit deutet sich an, inwiefern Derridas Kritik auf Sachfragen anwendbar wäre. Insgesamt lässt Theunissens Analyse wohl nur einen Einwand zu: die bereits mit Marx formulierbare (und später von Luhmann bejahte) Frage, ob Institutionen und Mechanismen des Zusammenlebens nicht in der Tat ein Selbstverhältnis entwickeln können. Axel Honneth, der den Anerkennungsansatz systematisiert hat – ohne dabei Theunissens Aufsatz zu nennen – sieht zumindest die Möglichkeit, dass die „Sphären“ konkreter Freiheit um je „ein einziges Interaktionsmuster“ organisiert sind:93 Liebe bzw. dichte Bindungen in der Familie, wechselseitig zugestandenes Eigeninteresse in der bürgerlichen Gesellschaft und gemeinsame Zwecksetzungen im Staat. Zugleich kritisiert er, dass Hegel diese Prinzipien nicht klar trennt und erst recht nicht zulässt, in (der Sphäre) „demokratischer Willensbildung“ ihr Verhältnis zu klären.94 Vor allem greift er jedoch eine ‚Überinstitutionalisierung’ der Anerkennung an. Statt auch informelle Beziehungsformen wie Freundschaft vorzusehen, beschränke sich Hegel auf solche, die wie die Familie „an die positive Rechtsset-

90 91 92 93 94

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Vgl. Habermas 1979. Theunissen 1982, S. 319. Theunissen 1982, S. 328. Honneth 2001, S. 122. Honneth 2001, S. 127. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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zung des Staates zurückgebunden“ bleiben.95 Ob das Hegels Stoßrichtung trifft (der ja ein bloßes Rechtsverständnis der Ehe scharf zurückweist) und ob man viel für die Sache der Freiheit gewinnt, wenn man ihm den Institutionenbegriff Arnold Gehlens entgegensetzt,96 sei hier dahingestellt. In jedem Fall verdeutlicht Honneth, dass die Chancen, die Grundlinien kritisch weiterzuführen, noch lange nicht ausgeschöpft sind. Insgesamt zeigt sich das Panorama der Hegelkritik nicht weniger uneinheitlich als das der positiven Anschlüsse. Interessant wird es dort, wo sich die divergenten Angriffe zu Diagnosen wirklicher Gegensätze verbinden lassen – etwa denen, dass restaurative Politik auch erreichte Fortschritte bestätigen muss, dass der Liberalismus fremdbestimmte Ordnungen ideologisch angreift und praktisch voraussetzt, dass Fremdbestimmung selbst erst erfolgreich ist, wenn die ihr Unterworfenen sich mit den übergeordneten Instanzen identifizieren. Solche Impulse kann man dem „ärgerlichen Buch“97 wohl nur entnehmen, wenn es ärgerlich bleibt. Sobald Hegels Rechtsphilosophie keine Kritik mehr auslöst, wird sie auch nicht mehr lesenswert sein.

95 96 97

Honneth 2001, S. 114. Honneth 2001, S. 113. Theunissen 1982, S. 345. https://doi.org/10.5771/9783845215273-221 Generiert durch Universität Leipzig, am 28.11.2022, 16:09:02.

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Autoren

Christoph Binkelmann, Dr. phil., Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie, Wissenschaftstheorie, Wissenschafts- und Technikgeschichte der Technischen Universität Berlin; Forschungsschwerpunkte: Praktische Philosophie, Ontologie, Transzendentalphilosophie, Hermeneutik, Kultur- und Geschichtsphilosophie, Ästhetik, Philosophische Anthropologie. Sergio Dellavalle, Prof. Dr. phil., Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Turin (Italien) und Forschungsleiter am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg; Forschungsschwerpunkte: Rechtsphilosophie, politische Philosophie, Staatstheorie, Grundlagen des Völkerrechts. Michael Henkel, Dr. phil., Lehrstuhlvertretung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Jena; Forschungsschwerpunkte: Politische Theorie, Soziologische Theorie, Rechtssoziologie, Rechtsphilosophie, Sozialpolitik, Friedens- und Gewaltforschung, politische Theorie des Völkerrechts. Thomas Sören Hoffmann, Prof. Dr. phil., apl. Professor für Philosophie an der Universität Bonn; Forschungsschwerpunkte: Deutscher Idealismus, Philosophie der Antike, aktuelle Fragen der Ethik und Rechtsphilosophie. Oliver W. Lembcke, Dr. phil., Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Jena; Forschungsschwerpunkte: Theorien der Politik und des Rechts, Ideengeschichte des Verfassungsstaates, Politische Ethik internationaler Beziehungen, Politische Institutionen der Regierungssysteme Europas und der USA. Jean-Christophe Merle, Prof. Dr. phil., Professor am Philosophischen Institut der Universität Saarbrücken; Forschungsschwerpunkte: Rechtsphilosophie, politische Philosophie, Kant, deutscher Idealismus. Walter Pauly, Prof. Dr. jur., o. Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena; Forschungsschwerpunkte: Öffentliches Recht, Rechts- und Verfassungsgeschichte, Rechtsphilosophie, -theorie und -soziologie.

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Thomas Petersen, PD Dr. phil., Privatdozent am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg; Forschungsschwerpunkte: Politische Philosophie, Ethik, Deutscher Idealismus, Rationalitätstheorien ökonomischer Provenienz, Philosophie und Ökonomie. Tilman Reitz, Dr. phil., Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie der Universität Jena; Forschungsschwerpunkte: Politische Philosophie, Gesellschaftstheorie, Ästhetik. Steffen Schmidt, Dr. phil., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Jena; Forschungsschwerpunkte: Transformationsforschung und Theorie sozialen Wandels, Praktische Philosophie, Deutscher Idealismus, Kulturphilosophie. Uwe Volkmann, Prof. Dr. jur., o. Professor am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Mainz; Forschungsschwerpunkte: Staatslehre, insb. Veränderungen von Staatlichkeit, Zuordnung von Individuum und Gemeinschaft, Grundrechte, Demokratietheorie, Parteienrecht. Elisabeth Weisser-Lohmann, PD Dr. phil., Privatdozentin am Institut für Philosophie der Fernuniversität Hagen; Forschungsschwerpunkte: Praktische Philosophie, Deutscher Idealismus, Nachidealistische Ästhetik, Geschichte der Philosophie.

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