Der Sprung aus dem Gleise: Der wirtschaftliche Kampf zwischen Auto und Reichsbahn. Der Behälterverkehr [Reprint 2021 ed.]
 9783112445365, 9783112445358

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Der Sprung aus dem Gleise Der wirtschaftliche Kampf zwischen SXuto und Reichsbahn. Der Behälterverkehr Don

Max Krusemark und Reinhold Bräuer

1933 München, Berlin und Leipzig Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Druck von Dr. F. P. Datterer & Eie., Freising-München.

Wirtschaftsnot — Verkehrsnot. Die ganze Welt leidet unter Wirtschaftsnot. Millionen Arbeitslose

kämpfen teils mit dem Verhungern, teils werden sie von ihren Heimatstaaten unter ungeheuren Opfern notdürftig unterhalten. Den Kampf gegen die Not haben die Regierungen aller Länder zum Teil mit mangelhaften, zum Teil mit brauchbaren Mitteln ausgenommen. Zollschranken schützen die heimische Produktion vor allzu großem Warenzustrom aus dem Auslande. An erster Stelle wird der Nähr­ stand, die Landwirtschaft, geschützt, und das mit Recht. Aber selbst­ verständlich entstand hierdurch eine Versteifung der Lebensmittel­ preise, die sich für die arbeitslosen Teile der Bevölkerung unangenehm auswirkte. Trotzdem war diese Maßregel wohl eine Notwendigkeit. Auch auf anderen Gebieten mußte erreicht werden, daß die heimische Produktion am Leben blieb. Es mußte verhindert werden, daß die­ jenigen Länder, welche sich auf einen ungeheuren Export eingestellt hatten, ihre Güter, welche sie unter dem Druck der allgemeinen Welt­ not nicht mehr los wurden, zu jedem Preise und zu allen Bedingun­ gen auf den Weltmarkt warfen und so die letzten Reste der Eigen­ produktion — vorzüglich der europäischen — vernichteten. Aber wie sinnlos erschien es, daß in Brasilien ungeheure Mengen Kaffee ver­ brannt wurden, daß in Südamerika die riesigsten Viehherden abge­ schlachtet und vernichtet wurden, daß in Kanada das Getreide nicht verkauft werden konnte, daß Tausende und aber Tausende Tonnen Mais der Vernichtung anheim fielen. Die Ursachen dieses Wahnsinns zu erkennen mußte der erste Schritt sein zum Versuch der Herbei­ führung einer Heilung; und die Erkenntnis war nicht schwierig. Im Zeitalter der Maschine hatte eine ausgesprochene Zentrali­ sation aller Produktionen stattgefunden. Unter dem Druck steigender Konkurrenz war der Zwang zu schärfster Kalkulation größer und größer geworden und die einfachste Gedankenfolge für jeden Produ­ zenten ist die, daß er die Möglichkeit erkennt, durch größeren Absatz und Umsatz eine Verbilligung seiner Fabrikationskosten, oder sagen wir besser Gestehungskosten, herbeiführen zu können. Solange der Betrieb, welcher diese Überlegungen anstellte, ein kleinerer oder mitt­ lerer Betrieb war, solange war die Anschaffung produktionsfördern­ der Maschinen unrentabel, weil die Anschaffungskosten der Maschinen, die Verzinsung und Amortisation derselben und vielleicht auch die Kosten der Bedienung in keinem Verhältnis standen zu den Absatz­ möglichkeiten. Aber die eiserne Notwendigkeit, die Produktion auf maschinelle Grundlage zu stellen, stand hinter diesen mittleren und kleineren Betrieben, denn große Konkurrenzbetriebe, bereits voll1*

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kommen auf rentabelste Produktion und zwar Massenproduktion ein­ gestellt, nahmen den kleinen und mittleren Betrieben die letzten Ab­ satzmöglichkeiten weg. Es begann ein Sterben dieser Betriebe, sofern nicht die Möglichkeit bestand, sich in den maschinellen Produktionsgang, unter Ausschaltung der letzten altübernommenen und unrentablen Arbeitsanschauungen einzuschalten. Im Kampf um die Existenz schlossen sich nicht nur die betroffenen Betriebe zu Produktionsver­ einigungen zusammen, es kauften auch größere Betriebe in weitestem Umfange die notleidenden kleineren Betriebe auf, sicherten sich da­ mit den notwendigen größeren Umsatz, und waren durch steigenden Absatz immer mehr in der Lage, günstige Preise zu bilden. Auf allen Gebieten eroberte sich die Maschine den Markt. In Amerika wurden landwirtschaftliche Maschinen konstruiert, welche in einem Arbeits­ gang ernteten, pflügten und eggten. Das Korn wurde unterhalb der Ähre abgeschnitten und das Stroh untergepflügt. Schließlich ging man soweit, Maschinen zu bauen, welche am Anfang des Traktor­ zuges ernteten und am Ende desselben bereits wieder säten. Die Voraussetzung für die Anschaffung einer solchen Maschine, welche die früher notwendige Herbeiziehung von Hunderten von Farm­ hands unnötig machte, waren riesige Geländeflächen und einheit­ liche Bebauung mit einem Produkt. Wo solche Geländeflächen nicht in einer Hand waren, schlossen sich Nachbarn zu einer maschinellen, produktiven Ausnutzung ihrer Ländereien zusammen, und der Eig­ nung des Bodens folgend, entstanden Landflächen von ungeheuerster Ausdehnung, die nur mit Weizen, Baumwolle oder einem anderen Produkt bestellt wurden. Immer mehr verschob sich der frühere Brauch der Landwirtschaft, möglichst alle landwirtschaftlichen Pro­ dukte selbst zu erzeugen, dahin, daß man nur ein oder zwei Produkte erzeugte und die Landwirtschaft nicht mehr als Bauer oder Farmer betrieb, sondern geradezu als Fabrikant. Die Folgen sozialer Art für die Landwirte und die landwirtschaftlichen Arbeiter waren kata­ strophale. Die Sicherheit der Existenz für den Bodenbesitzer wurde abgelöst durch vollkommene Abhängigkeit von den durch Speku­ lationen hin und her geworfenen Preisen der Produkte. Die Um­ gebung des Spezialerzeugnisse bringenden Landgutes war natürlich bei weitem nicht aufnahmefähig genug für die dort erzeugten Massen von einheitlichen Produkten. Der Landwirt mußte daran denken, seine Produkte über Tausende von Kilometer hinweg zu versenden. Die Landarbeiter, auch wenn es nur Saisonarbeiter waren, strömten in die Städte und bildeten dort ein Heer arbeitsloser entwurzelter Exi­ stenzen. Und mit der Zeit traten die fürchterlichen Folgen dieser Zen­ tralisation landwirtschaftlicher Produkte erschreckend hervor. Kanada erzeugt fast nur Weizen, Brasilien nur Kaffee, Mexiko war ganz auf Viehzucht eingestellt, riesige Gebiete erzeugten nur Baumwolle. Die Zentralisierung und die Massenfabrikation von tierischen und von Bodenprodukten ging soweit geradezu ins Lächerliche, daß weite

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Strecken in Amerika weiß von Hühnern waren, daß in dieser Gegend nicht nur Hühner und Eier zu einem beinahe gefürchteten Nahrungs­ mittel geworden waren, sondern daß auch die Preise einen lächerlichen Tiefstand erreicht hatten, welcher, trotzdem man die Hühner fast wild aufwachsen ließ, eine Zucht nicht mehr lohnend erscheinen ließ. Das Beispiel Amerikas ist so klar und so grotesk, daß wir es weiter durch­ denken wollen. In den verschiedenen Ecken des Landes, getrennt durch riesenhafte Entfernungen, entstand also die wahnwitzigste Überproduk­ tion spezieller Erzeugnisse, und während in einer Ecke des Landes der Weizen sich anhäufte, waren keine Kartoffeln, kein Vieh und kein Gemüse da. In der anderen Ecke waren nur Baumwollanbau, und in der anderen Ecke schließlich weideten Millionen von Rindern. Ver­ bunden waren diese Gebiete durch Eisenbahnstrecken, welche es voll­ kommen in der Hand hatten, die Tarife zu bestimmen. Und so trat die unsinnige Tatsache ein, daß an der mexikanischen Grenze ein Hammel mit Fell und Wolle 45 Dollarcents kostete, derselbe Hammel in Nordamerika jedoch 41/2 Dollar. Über 4 Dollar hatte der Trans­ port verschlungen, und wenn auch der Viehfarmer seinen Hammel verschenkt hätte, so hätte das an dem Preis in New York oder Chicago nur wenig ausgemacht. Diese Überlegungen führen mit absoluter Sicherheit zur Folge­ rung, daß die Wirtschaftsnot an erster Stelle in der Unmöglichkeit zu suchen ist, die erzeugten Güter billig zu verteilen. Denn man kann nicht einsehen, daß eine Überproduktion lebenswichtiger Güter unbe­ dingt zu schlechterer Lebenshaltung des Konsumenten führen muß. Es muß also irgendein Faktor vorliegen, der es unmöglich macht, diese überschüssigen Lebensmittelmengen dem hungernden Volke ent­ sprechend preiswert zuzuführen und dieser Faktor ist eben die schlechte Verteilungsmöglichkeit der Waren. Selbstverständlich wäre eine radikale Heilung möglich, wenn zwangsweise die Bodenflächen nicht mehr einseitig ausgenützt wür­ den, sondern eine gemischte Bebauung wieder einträte. Und es macht sich ja auch in allen Ländern die Tendenz geltend, einen gesunden Farmer oder Bauernstand auf nicht zu großem Grundbesitz am Leben zu erhalten. Aber mit derselben Berechtigung kann man das Übel dadurch an der Wurzel packen, daß man die Verteilung der Güter billiger zu gestalten versucht. Das aus Amerika gezeigte Beispiel ist, wenn auch in ganz anderem Maßstab, für Deutschland anwendbar. Wenn man Amerika mit einer großen, heftig arbeitenden Maschine ohne allzu große Empfindlich­ keit im Arbeitsgange bezeichnet, so kann man Deutschland mit dem feinen Mechanismus einer Präzisionsmaschine vergleichen. Hier greift ein Rädchen mit größter Genauigkeit ins andere und das Versagen des kleinsten Teilchens zieht schließlich den ganzen Mechanismus in Stockungen hinein.

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Auch wir haben in einigen Fabrikationsgängen eine Zentralisie­ rung durchgemacht. Verschiedene Provinzen, bestimmte Gegenden, er­ zeugen bestimmte Produkte. Gott sei Dank weniger auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Hier ist die gesunde gemischte Bewirtschaftung noch fast restlos durchgeführt. Aber Produkte lebenswichtiger Art wie Leder, Stoffe, Konserven, Stahlwaren sind an bestimmte Bezirke gebunden worden und müssen von dort aus verteilt werden. Auch zwangsläufig, ohne daß die Zentralisierungswut der Wirtschaft ein­ griff, sind solche Gestehungszentren vorhanden. Im Norden des Landes liegt der ganze Fischanfall. Cuxhaven und Wesermünde ver­ sorgen fast ausschließlich Deutschland mit Fischen. Die Südgrenze des Landes ist als Anfallpunkt für südliches Obst festgelegt und so mag es noch weitere Beispiele geben, wie z. B. das der Kohle, welche nur in bestimmten Gebieten gewonnen wird. Noch vor dem Kriege trat die Schwierigkeit der Verteilung des­ wegen nicht so grob in Erscheinung, weil der Großhändler als Ver­ teilungsstelle und auch der Kleinhändler als Unterverteilungsstelle in ganz anderem Maße das Risiko größerer Warenlager auf sich nehmen konnte. Der Großhändler in Kolonialwaren bezog die ein­ zelnen Produkte in ganzen Waggonladungen, und entsprechend konnten, eines ruhigen, nennenswerten Absatzes sicher, die anderen Branchen große Abschlüsse tätigen. Die Reichsbahn als Verteilen» der meisten Güter stand haupt­ sächlich vor der Aufgabe, große Mengen in ganzen Ladungen geschickt zu verteilen, und wurde dieser Aufgabe mit Leichtigkeit dank ihrer vorzüglichen Organisation und eines vernünftigen Tarifes Herr. In den letzten Jahren hat sich dieses Bild vollkommen verändert. Der Großhandel steht vor der Notwendigkeit, seinen Kunden statt pro Kunde 10 oder 20 Zentner Kolonialwaren von jeder Sorte nur noch vielleicht 1 Zentner liefern zu können, denn nicht nur ist die Auf­ nahmefähigkeit der Kunden stark gesunken, die Kreditfähigkeit hat sich auch sehr verändert und weder Kleinhändler noch Großhändler kann eine Festlegung des Betriebskapitals im früher gewohnten Rahmen aushalten. Auf der anderen Seite aber brachte der Zwang der Lieferung ge­ ringerer Quantitäten eine Verteuerung der Kosten mit sich. Die Men­ gen waren auch so zusammengeschrumpft, daß sich eine Versendung mit der Reichsbahn nicht mehr lohnen wollte. Die großen Firmen, welche über Gleisanschluß verfügten, waren immer häufiger gezwun­ gen, Sammelsendungen zum Güterbahnhof zu senden. Es entstanden unangenehme Abfuhrkosten, die Verpackungskosten stiegen und schließ­ lich ging die Entwicklung klar dahin, daß alle Güter, welche einen ge­ wissen Wert darstellten und nicht in besonders großen Mengen zu transportieren waren, der Reichsbahn verloren gingen und zum Auto abwanderten. Für den Produzenten oder Großhändler war das be­ quem und für den Empfänger ebenfalls, denn er bekam die bestellte

Wirtschastsnot — VerlehrSnot.

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Ware ins Haus geliefert. Der Kampf zwischen dem Lastwagen und der Reichsbahn setzte ein und die Straßen wurden bevölkert mit schweren und leichteren Lastwagen, welche der Bahn alle Güter, die einen höheren Tarif vertrugen, vor der Nase wegschnappten, es aber dem Steuerzahler überließen, die von den Lastautos ruinierten Straßen in Ordnung zu halten. In einem späteren Kapitel „Die Auswirkungen des Behälterverkehrs auf die Rentabilität der Reichs­ bahn" bringen wir eine Tabelle mit dem Vergleich der Selbstkosten der Reichsbahn und der Selbstkosten des Lastwagens, verteilt auf die einzelnen Unkostenmomente. Aus dieser Tabelle geht mit größter Deutlichkeit hervor, daß die Reichsbahn das Auto konkurrenzlos zu schlagen imstande ist, sobald die Ware auf der Schiene rollt. Daß aber der Reichsbahn an Nebenkosten wie Rangieren, Umladen usw. derartige Unkosten entstehen, daß der Vorsprung der Reichsbahn vor dem Auto vollkommen verloren geht und das Auto, welches die Waren von Haus zu Haus befördert, einen Vorsprung gewinnt. Ließ man die Entwicklung so laufen, wie sie im Begriff war sich zu gestal­ ten, so war der Tag nahe, an welchem das Auto den gesamten wert­ vollen Güterumschlag des Landes an sich gezogen hätte und der Reichsbahn nur noch die Verfrachtung im Tarif niedrig stehender Güter auf große Strecken übrig blieb. Auch der Personenverkehr war nicht mehr das rentable Gebiet, was er früher war. Der Kurz­ streckenverkehr war durch Autobusse und auch durch das Privatauto stark beeinträchtigt und so konnte man wohl die sorgenvollen Gesichter bei der Reichsbahn verstehen. Hier drängte die ganze Entwicklung dahin, den riesenhaften, ein enormes Volksvermögen repräsentieren­ den Betrieb der Reichsbahn dadurch zur Gesundung zu bringen, daß man einen Faktor einschaltete, welcher den großen Vorteil des Autos, den Haus-zu-Haus-Verkehr, ebenfalls erfüllen konnte. Ferner mußte das Augenmerk darauf gerichtet werden, daß die ungeheuren Un­ kosten des Rangierens und der Umladung, welche mit 700 Millionen Mark im Jahre geschätzt werden, auf ein erträglicheres Maß herab­ gedrückt würden. Die einfachste Gedankenfolge ging dahin, daß, wenn eben die Wirt­ schaft große Mengen nicht mehr transportierte, ihr die Möglichkeit gegeben werden müßte, auch kleinere Mengen rentabel mit der Bahn zu befördern, ohne sich etwa den Weg zu einem späteren Wiederauf­ stieg im Güterverkehr zu verbauen. Man müßte also irgendwelchen Weg suchen, dem Kunden die Annehmlichkeiten des Autos auch bei der Bahn zu verschaffen. Der Kunde muß möglichst seine Waren bei sich zu Haus so verpacken können wie er sie in ein Auto verpackt hätte, er muß auch sicher sein, daß die Ware ohne Ausladen und ohne Um­ packung an ihren Bestimmungsort gelangt und zwar vor das Haus des Empfängers. In einigen Fällen des Gütertransports bestanden derartige Mög­ lichkeiten. Ein Beamter wurde von Hamburg nach München versetzt.

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Er ließ seine Möbel in einen Möbelwagen einpacken, der Möbelwagen wurde auf einen Waggon verstaut und landete vor der neuen Woh­ nung in München, wo er ausgepackt wurde. Ein Reisender mit einer schweren und großen Musterkollektion hatte sich einen besonders praktischen Musterkoffer machen lassen, den­ selben, damit der Hoteldiener ihn besser bewegen konnte, mit Röllchen versehen lassen, und dieser Musterkofser wanderte nun über die Reichsbahn von Stadt zu Stadt und von Hotel zu Hotel. Eine Porzellanfabrik, welche bei der ewigen Umladerei, womög­ lich auf Zwischenstationen, allzuviel Verlust durch Bruch gehabt hatte, ließ sich im Einverständnis mit der Reichsbahn große stabile Latten­ kisten, auf Rollen stehend, bauen, und diese Porzellankisten wander­ ten immer wieder zwischen Fabrik und Großlager hin und her. In Gegenden, in welchen solche Möglichkeiten stark gegeben waren, griff die Reichsbahn den praktischen Gedanken von selbst auf und stellte solche Transportkisten zur Verfügung. Hier waren eigentlich schon die ersten Anfänge eines Haus-zuHaus-Verkehrs, durchgeführt von der Reichsbahn, zu spüren. Aus diesen Anfängen heraus mag sich dann später der Gedanke entwickelt haben, möglichst alle Güter in solche Transportkisten zu verpacken und von Haus zu Haus zu bringen. Man prägte für den Begriff einer solchen lange lebenden Trans­ portkiste, welche bestimmt war, von Haus zu Haus zu wandern, das Wort „Behälter", und nachdem einmal der Gedanke klar lag, daß die Möglichkeit der Entwicklung eines solchen „Behälter-Verkehrs" große Vorteile bot, arbeitete die Reichsbahn intensiv an der Durchführung dieses Problems. Der Gedanke war auch zu verlockend. Die Reichsbahn war von da ab die Verkehrsbrücke für fast ulle Güter. Die Güter stiegen auf die Güterwaggons, wie die Personen in den Personenzug. Statt halb leerer großer Waggons hockten mittelgroße Behälter, je nach dem Inhalt offen oder geschlossen, auf den Rungenwagen, wohlverpackt am Ursprungsort der Waren und erst ausgepackt vor der Tür oder im Fabrikhof des Empfängers. Die Statistiker fingen an zu rechnen. 700 Millionen Mark be­ trugen die Rangier- und Umladekosten der Bahn. Bei richtiger Durch­ führung des Behälterverkehrs ließen sich 500 Millionen Mark sparen? Eine bestechende Zahl. Nahm man die Ersparnis eines Jahres, so konnte man ja damit den Behälterverkehr in ungeahnter Weise ins Leben rufen! Natürlich war man sich darüber klar, daß diese Ersparnis von 500 Millionen Mark nicht im ersten Jahr der Reichsbahn in die Sparbüchse fiel. Auch hier wird das neue und das alte System eine Zeitlang neben­ einander herlaufen, ehe die Entwicklung sich vollkommen auf das

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Behältersystem eingestellt hat. Aber trotzdem waren die Aussichten für die Zukunft bestechend. Es war durchaus zu begrüßen, daß sich aus Kreisen der Reichsbahn starke Widerstände zeigten. Diese Widerstände kamen nicht nur vom grünen Tisch, sondern auch aus Kreisen der Betriebsleute, welche sich nicht vorstellen konnten, daß eine rauhe Hand eine seit langen Jahren in einem Gleis laufende Entwicklung aus der Schiene heben wollte und ihr ein« andere Fahrtrichtung geben. Zu gleicher Zeit aber machten sich bei der Reichsbahn wertvollste Kräfte geltend, welche die Zukunftsaussichten dieser Entwicklung erkannten und in Theorie und Praxis das ihrige zur Erfüllung dieses Zukunftstraumes boten. In späteren Kapiteln kommen wir auf einige bemerkenswerte Kräfte im Laufe dieser Entwicklung zurück. Die Erkenntnis der Notwendigkeit der Einführung des Behälter­ verkehrs liegt Jahre zurück. In der Zwischenzeit ist vieles geschrieben und manches ausprobiert worden. Eins liegt klar zutage. Die Versuche, geeignete Behälter zu bauen, wurden ganz einseitig vom Standpunkt des Reichsbahnfachmannes aus betrieben. Es ist dies zu verstehen, denn das Bestreben der Kon­ strukteure, welche sich aus den Kreisen der. Reichsbahn einstellten, mußte notgedrungen dahin gehen, die Erfordernisse der Bahn soweit als irgend möglich zu erfüllen. Nun war ein Behälter, sobald er auf dem Waggon stand, dann am geeignetsten für den Transport und dann am widerstandsfähigsten gegen Rangierstöße, wenn er wie eine große Kiste mit seinem flachen Boden auf der Plattform des Waggons festsaß. Die ersten Versuche gingen tatsächlich dahin, solche Kisten zu kon­ struieren und sie mit untergeschobenen Fahrgestellen, meistens Hub­ wagen, auf der Rampe zu bewegen. Später ging man dazu über, diesen Kisten Rollen unterzubauen und ihnen somit eine gewisse Eigenbeweglichkeit zu verleihen. Man fand diese Eigenbeweglichkeit ausreichend, weil man über die Glätte der Rampe und über die glatte Fläche des Waggonbodens nicht hinaussah. Was aus dem Behälter auf einem weniger harten und weniger glatten Terrain werden sollte, war die geringere Sorge der ersten Konstruktionen. Es muß hier betonend eingefügt werden, daß diese Behälter mit einer Last von 2—5 Tonnen gedacht waren, also ganz bedeutende Gewichte darstellten. Bei den Versuchen, solche Behälter auf Rollen beweglich zu machen, kamen teure und schwierige Konstruktionen heraus, welche aber nie­ mals befriedigen konnten. In den Veröffentlichungen über den Behälterverkehr: „klkM-Veröffentlichungen Nr. 77, Verfasser Jng. Brauner", werden die Ver­ suche solcher Konstruktionen in Wort und Bild beschrieben, und zwar sind besonders bemerkenswert die Konstruktionen des ReichsbahnOberrats Dr.-Jng. Bäseler, München, und die durch Reichsbahn-

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Oberrat Becker, Frankfurt a. M., im Reichsbahn-Direktionsbezirk Frankfurt a. M. durchgeführten Konstruktionsversuche. Aber bei allen diesen Konstruktionen ist die straßenmäßige Ent­ wicklung des Behälters allzusehr außer acht gelassen. Der Behälter soll doch gerade den Haus-zu-Haus-Verkehr bringen. Der Behälterverkehr soll doch „der Gleisanschluß des kleinen Mannes" werden. Er soll sich beim Publikum durch große Geeignet­ heit und praktische Vorteile beliebt machen und Fabrikanten, Groß­ händler, Kleinhändler, Landwirtschaft und auch das außerhalb dieser Berufe stehende Bürgertum anreizen, sich des Behälterverkehrs zu bedienen. Was hat es für Zweck die schönsten und besten Bonbons herzustellen, wenn sie dem Publikum nicht schmecken! Es dürfte doch grundlegende Bedingung der Konstruktion von Behältern sein, daß dieselben auf der Straße, in jedem Fabrikhof, auf dem Landweg leicht und wendig transportierbar sind und nicht mit schwierigen und teuren Vorrichtungen erst aus einer unhandlichen schweren Trans­ portkiste Halbwegs zu einem Fahrzeug gestempelt werden müssen. Wer nur einmal eine Kiste von 50 Zentnern Gewicht oder auch nur 25 Zentnern Gewicht von einem Wagen oder Lastauto abladen mußte, der weiß was das bedeutet. Steht eine solche Kiste auf einer schrägen Ebene oder einer Rutsche, so bedeutet sie eine Gefahr für die abladen­ den Arbeiter, wenn dieselben nicht mit ihr umzugehen wissen. Steht eine solche Kiste auf der schrägen Ebene gar noch auf Rollen, so ist diese Gefahr unendlich viel größer. Hubwagen, Krane, Zwischen­ rampen oder andere Ablade- und Umlademöglichkeiten kann sich wohl die Reichsbahn und ein großes Werk leisten, aber nicht der Privat­ mann oder der mittlere und kleine Betrieb. Mit der Konstruktion solcher Behälter lediglich vom Standpunkt der Reichsbahn aus würde also die Popularität des Behälterver­ kehrs zerstört werden. Der Benutzer des Behälterverkehrs kann nur dann mit dem Be­ hälter etwas anfangen, wenn derselbe ein Fahrzeug darstellt, mit welchem er genau wie mit einem Wagen oder einem größeren Kasten­ karren herumfahren kann, ohne erst die schwierigsten Manipulationen mit Zwischengestellen, Zwischenrampen, Hubwagen oder Kranen vor­ nehmen zu müssen. Es blieb uns Vorbehalten, die Entwicklung des Behälterverkehrs auf den Weg zu lenken, welcher zur straßenmäßigen Entwicklung des Behälter-Fahrzeugs führte. Von uns wurde der Behälter von vornherein als straßenfähiges Fahrzeug konstruiert und durch die Er­ findung des Bräuerschen Behälter-Stafetten-Autos befähigt, in alle Winkel einer Stadt, auf jeden noch so engen Fabrikhof, in jeden, im Terrain noch so ungünstig gelegenen Bauernhof zu gelangen. Zur Auf- und Abladung des Behälters auf der Rampe, wie auch an jeder Empfangsstelle, ist nur der Chauffeur nötig, keine Zwischenmaschinen, keine Behelfsrampen, keine Hubwagen, keine Krane sind mehr not-

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wendig. Die Entwicklung des Behälterverkehrs kann jetzt ihren ge­ raden Weg gehen. In den letzten Monaten haben sich auch die führenden Stellen der Reichsbahn diesen Gedankengängen angeschlossen und erkannt, daß der Behälter ein Fahrzeug sein muß und daß es Sache der Reichs­ bahn ist, dieses Fahrzeug so praktisch wie möglich auf den Waggon zu verladen und dort so zu verstarren, daß es Rangierstöße aushalten kann. Diese Möglichkeit ist durch die Zusatzkonstruktion des Bräuerschen Autos längst gegeben und bietet keinerlei Schwierigkeiten mehr. Wir sind also jetzt auf dem gesunden Boden der Tatsache angelangt, daß die Reichsbahn ihren Kunden geeignete praktische Behälter zur Verfügung stellen kann, also ihre Kundschaft zur Benutzung der Be­ hälter anzureizen in der Lage ist, und auf diese Weise wie jeder ver­ nünftige Kaufmann handelt, welcher die Wünsche seiner Kundschaft an erste Stelle stellt und dann seinen eigenen Betrieb danach ein­ richtet. Die Zeiten sind günstig für die Durchführung solcher großer Pro­ bleme. In der Auflockerung aller erstarrter Begriffe, in der Dezen­ tralisierung allzu großer Kräfteansammlungen, in der Bekämpfung entwicklungsfeindlicher Vertrustungen, kurz in der Umwertung ver­ alteter Begriffe liegt die Größe und die Zukunft unserer Zeit. Deutschland mit seinem arbeitshungrigen Volk, mit seiner nie ver­ siegenden Erfinderkraft, geführt durch eine einsichtsvolle Regierung und gestützt durch das Erwachen nationaler Kräfte und Anschauungen wird auch das Problem der Verkehrskrise lösen und so auf der Leiter des wirtschaftlichen und seelischen Wiederaufstiegs weitere Sprossen emporsteigen. Denn mit der Beseitigung der wirtschaftlichen Not und des Zwan­ ges, den einfachsten Lebensbedingungen rastlos nachzujagen und mit der Beseitigung des seelischen Drucks der Untätigkeit werden Kräfte frei, die für das Wohl des Volkes unersetzlich sind. Wir nennen uns stolz ein Volk von alter Kultur und nicht nur ein Volk mit erworbener Zivilisation. Und wie wir bevölkerungstech­ nisch und im Interesse der Erhaltung unserer Rasse in unserer Heimat aufräumen, so werden wir auch der Wirtschaftsnot den Kragen um­ drehen.

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Welche Wege ging bisher die Entwicklung

Welche Wege ging bisher die Entwicklung des Behälterverkehrs? Seit Jahren arbeitet die Reichsbahn daran, geeignete Behälter zu konstruieren und dem Publikum zur Verfügung zu stellen. Natürlich sind diese Versuche in engen Grenzen gewesen. Die Reichsbahn­ direktion Frankfurt a. M. kann für sich das Recht in Anspruch neh­ men, einen gewissen, wenn auch beschränkten Behälterverkehr ins Leben gerufen zu haben. Hier finden wir praktische Versuche der verschiedensten Art. In der Zeitung des Vereins mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen Nr. 32 vom 10. August 1933 beschreibt Herr Reichsbahnoberrat Becker, Frankfurt, die in der Reichsbahndirektion angestellten Versuche mit Behälterkonstruktionen. Von vornherein muß hier festgestellt werden, daß Frankfurt in ganz klarer Form den Behälter vom Standpunkt der Reichsbahn aus entwickelt. Ebenso wie bei den Konstruktionen des Reichsbahn­ oberrats Dr.-Jng. Bäseler, München und des Ingenieurs Fritz. Brauner, Wien, sind die Belange der Reichsbahn so stark in den Vordergrund gestellt, daß sich die ganzen gezeigten, gezeichneten und verwirklichten Konstruktionen dieser drei Ursprungsstellen nur in Konstruktionseinzelheiten unterscheiden, nicht aber in den Grund­ gedanken. Bäseler, Becker und Brauner sind Anhänger des Rollenbehälters oder wenigstens Anhänger gewesen, und versuchen nun ihre Konstruk­ tionen so zu entwickeln, daß an erster Stelle die Behälter möglichst praktisch für den Transport auf dem Waggon ausgestaltet sind und machen dann nur in einigen Konstruktionen den Kunden der Reichs­ bahn, also dem Behälter anfordernden Publikum, gewisse Konzes­ sionen. Wir finden, wie wir später noch im einzelnen zeigen werden, hier Versuche, den Behälter entweder durch Aufschieben auf ein Fahr­ gestell zu einem Fahrzeug zu machen, oder durch größere Dimen­ sionierung der Rollen eine Annäherung des Fahrbehälters an den Rollenbehälter zu bilden. Aber bei allen Konstruktionen ist die Be­ weglichkeit der Behälter eine so beschränkte und die Beförderungs­ möglichkeit dieser Klein- oder Großrollenbehälter eine so geringe, daß man von allen bisherigen Versuchen denselben Satz prägen kann: Die bisherigen Konstruktionen gehen einheitlich auf den Standpunkt zurück, daß zuerst einmal der Behälter so praktisch wie möglich für die Reichsbahn sein muß und daß es erst sehr an zweiter Stelle kommt, wie der Kunde mit dem Behälter fertig wird. Und hier liegt unserer Ansicht nach der Fehler, welcher eine schnelle

des Behälterverkehrs?

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und glückliche Entwicklung des Behälterverkehrs verhinderte. Es ist eigenartig zu sehen, daß auch im Ausland der Behälterverkehr keine anderen Wege ging. In Amerika, von welchem man behauptet, daß dort ein größerer Behälterverkehr sich entwickelt habe — was ein Märchen ist — finden wir zuerst einmal das System derNewDorkerZentralbahnen, welche ihre Behälter mit Kranen auf den Waggon setzen. Die Nach­ teile einer Verladung mit Kranen sind so offensichtlich, daß diese Entwicklung erledigt sein dürfte. Nur die größeren Wkrke besitzen Kranen und damit ist die Schwierigkeit, die Behälter beim Absender auf ein Fahrzeug zu schaffen, allzu groß. Ganz abgesehen davon, daß Kranenbehälter besondere Konstruktionen verlangen. Weiter finden wir ein solches Kranensystem bet Motor Termi­ nal Co. in Cincinnati, USA. Diese Gesellschaft befördert ihre Behälter ausschließlich mit Autos, nur werden die Behälter nicht auf die Waggons geladen, sondern der Inhalt wird umgeladen. Drittens finden wir bei der Boston and Main Railroad und der New Yorker New Haven and Harfford Rai 1road noch auf Rollen stehende Behälter, welche mit einem Elektro­ karren bewegt werden. Auf den Waggons sind Schienen und Verstarrungsvorrichtungen angebracht. Schließlich haben noch die De­ troit United Lines eigene Behälter, die auf Rollen stehend durch Spezialautos bewegt werden. Am beachtenswertesten sind die Behälter be§ Acme Fast Freight Service Co. New York. Auf Spezial-Eisenbahn­ wagen mit aufgelegten Längsschienen werden die Behälter über die Stirnseite der Wagen aufgerollt. Auf der Straße werden die Behälter durch Sattelschlevper bewegt, nachdem sie auf ein Untergestell auf­ gerollt sind. Dieses System hat eine gewisse Verbreitung gefunden. Aber anschließend kann man sagen, daß von einem richtigen Be­ hälterverkehr in Amerika nicht die Rede ist. Gerade in diesem Lande hat sich das Auto zu einer vernichtenden Konkurrenz der Bahn ent­ wickelt. Wir konnten noch vor kurzem in den Vereinigten Staaten uns durch den Augenschein überzeugen, daß die Konkurrenz des Autos beginnt, die Anfänge des Behälterveickehrs auch dort zu ersticken. In England finden wir fast ausschließlich das Kranensystem aus­ gebildet. England kennt keine Anschlußgleise und ist der Verbraucher darauf angewiesen, sich straßenmäßig sein Gut an der Bahn zu holen. Die Nachteile des Kranenshstems haben wir bereits genannt. Und in England zeigen sich diese Nachteile mit besonderer Deutlichkeit. Die Straßenfahrzeuge stehen an der Verladerampe endlos herum und müssen warten, bis sie abgefertigt werden können. In letzter Zeit versucht man in England auch Rollenbehälter einzuführen. Der Er­ folg ist noch nicht bekannt. Wenn trotz aller dieser Unzulänglichkeiten in England der Behälterverkehr Bedeutung erreicht hat, so ist dies

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auf das Fehlen der Anschlußgleise zurückzuführen, spricht aber auch mit Deutlichkeit dafür, daß der Behälterverkehr auch unter solchen ungünstigen Umständen Bedeutung erlangen kann. In Frankreich finden wir den Behälterverkehr in ähnlichen An­ fängen wie in Deutschland. Hauptsächlich versucht man ihn bei den südsranzösischen Bahnen einzuführen, wobei die Kleinbehälter für Obst- und Gemüsetransporte eine Rolle zu spielen beginnen. In anderen Ländern hat sich kein nennenswerter Behälterverkehr entwickelt. Wir wollen nicht in den Fehler verfallen, den echten Be­ hälter mit dem provisorischen zu verwechseln, also einen aufgeladenen Möbelwagen oder ein großes Faß oder einen Tank Behälter zu nennen. Wir wollen unter Behälter den Begriff des für alle Zwecke verwendbaren Gütersammelkastens verstehen und uns nicht durch Spezialfälle von der geraden Linie abbringen lassen. An erster Stelle aber dürfte uns die Entwicklung der Behälter in Deutschland selbst interessieren. Wie schon gesagt, finden wir hier eine Entwicklungslinie, welche in gerader Form nach demselben Ziele hingeht und sich nur in Kon­ struktionseinzelheiten von den Behältern anderer Länder unter­ scheidet. Allerdings hat man keine Versuche gemacht die Entwicklung des Behälters an den Kran zu binden, sondern man hat von vorn­ herein die Notwendigkeit erkannt, den Behälter vom Begriff der Kiste zu lösen und ihm wenigstens die Anfänge eines Fahrzeuges zu geben. Wir finden in der bereits angeführten Zeitung des Vereins mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen in den Aufsätzen des Herrn Reichsbahnoberrats Becker, Frankfurt, genaue Ausführungen über die im Bezirk Frankfurt angestellten Versuche. Wir finden ge­ eignete Klein-Behälter für Porzellan, Glas, aber auch für Obst ver­ wendbare Behälter, sowie mittlere Behälter für den Transport von Möbeln, und wir finden im zweiten Teil der Ausführungen die Kon­ struktion eines internationalen Groß-Behälters. Mit Ausnahme zweier Konstruktionen, welche mit teueren uno schwierigen Mitteln bat Be­ hältern eine gewisse Fahrbarkeit geben, sind es ausschließlich Kon­ struktionen von Rollenbehältern mit dem deutlich sichtbaren Bestre­ ben, dix Behälterböden möglichst stark der Erde anzunähern, was bei Möbelbehältern für den Transport besonders schwerer Stücke, wie z. B. eines Klaviers, praktisch sein mag. Aber erfahrungsgemäß ist schon für mittelschwere Möbelstücke oder sonstige Güter die ge­ eignete Anhubhöhe die obere Kante des menschlichen Beckens, so daß die Notwendigkeit, Möbelbehälter flach auf der Erde aufzusetzen, uns nicht unbedingt gegeben erscheint. Die Frankfurter Konstruktionen zeigen ausschließlich das Bestreben, die Behälter von der Rampe aus zu verladen und befassen sich nicht mit dem Problem, auf Rollen stehende Lasten von 2—5 Tonnen Gewicht über schiefe Ebenen zu bewegen, was im Interesse der Haftpflichtversicherungen zu begrüßen ist. Die Bewegung einer rollenden Last auf einer schiefen Ebene ist

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ein Problem, mit welchem sich die Transportarbeiter aus Erfahrung täglich befassen müssen. Alle in Frankfurt herausgebrachten Kon­ struktionen haben den großen Wert, daß sie ganz entschieden einen großen Schritt in der Erkennung der richtigen Wege gemacht haben. Wir haben uns nun mit zwei weiteren Konstruktionen zu befassen, welche, soweit uns bisher bekannt ist, leider nur aus dem Papier durchgeführt wurden. Es sind dies die Konstruktionen des Reichs­ bahnoberrats Dr.-Jng. Bäseler, München, mit dessen theoretischen und praktischen Arbeiten wir uns in diesem Buch an mehreren Stel­ len zu befassen haben, und des Ingenieurs Fritz Brauner, Wien. Bäseler ist in der Erkenntnis der Belange des Behälterverkehrs einen bedeutenden Schritt weitergekommen. Seine Konstruktionen zeigen deutlich den Wunsch, den Behälter dem Kunden besser zustellen zu können. In seinen ersten Ideen glaubt Bäseler eine Möglichkeit darin zu finden, daß er ganze Autos, also Behälterautos, auf den Eisenbahnwaggon auffahren läßt und über die Rampen mit eigener Kraft wieder verlassen läßt. Diese Idee wäre dann ideal, wenn sie nicht vollkommen unwirtschaftlich wäre, weil ja die teuere Kraft­ maschine mit spazieren fährt, an der Ankunftsstelle ein Chauffeur vorhanden sein muß, welcher evtl, sogar mitreisen muß. Es wird also eine Verkehrsmaschine von der anderen transportiert. Aber Bäseler hat diese Idee selbst schnell verlassen und sich mit der Konstruktion von Fahrbehältern befaßt, allerdings immer noch gebunden an die Anschauungen des alten Reichsbahnfachmannes. Er bildete Behälter mit zwei größeren Laufrädern und einer Lenkrolle, welche er auf dreierlei Weise zu bewegen gedenkt. Hinzugefügt muß noch werden, daß die mittelgroßen Räder hinten am Behälter angebracht sind, während die Rolle vorn sitzt. Man kann also diesen Behälter durch Vorspannen eines Pferdes oder eines Schleppers bewegen, man kann ihn auch aufsatteln und schließlich sogar auf ein niedrig gebautes Auto stellen. Und gerade die letzte Konstruktion zeigt, wie Bäseler schon damals die Belange des Behälterverkehrs deutlicher erkannt hat als andere. Wenn er auch den Behälter als solchen in seiner Be­ weglichkeit vernachlässigt, so sucht er doch deutlich klare Wege, um den Behälter als Fahrzeug auszubilden und geht schließlich sogar zu einem Spezialauto über, auf welches er seine Behälter aufrollen will. Aber er geht den Schritt nicht in klarer Form, den Behälter als Fahr­ zeug, als straßenfähiges Fahrzeug zu konstruieren. Der Ingenieur Fritz Brauner, welcher im Auftrag und unter Mit­ arbeit des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit unter Nr. 77 der HLW-Veröffentlichungen ein wertvolles Werk über den Behälter­ verkehr herausgebracht hat und darin besonders statistisch Inter­ essantes bringt, zeigt in seinen Konstruktionen die durchaus richtige Idee, die Behälter von der Seite auf den Waggon, also quer zur Fahrtrichtung, zu bringen. Diese Idee, so selbstverständlich sie scheint, ist bis dahin noch nicht mit genügender Schärfe herausgearbeitet ge-

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Fahrbehälter.

wesen. Aber auch Brauner begnügt sich damit, alle möglichen Formen von Behältern auf kleinen Rollen stehend vorzuschlagen und vernach­ lässigt leider das Problem, was nun mit diesen Rollenbehältern auf der Straße werden soll. Er denkt sich diese Behälter auf ein Auto geladen und weggefahren. In der Konstruktion der Behälter bringt er nichts neues. Und so stehen wir vor einer Reihe von Versuchen theoretischer und praktischer Art, alle entstanden aus direkten Beziehungen zur Reichs­ bahn. Also auch im engsten Gebundensein an die Wünsche der Reichs­ bahn.

Fahrbehälter. Es blieb der neuesten Zeit Vorbehalten, zu erkennen, daß der schönste Behälter sich nicht beim Publikum einführen kann, wenn er eine unhandliche Kiste darstellt. Die Reichsbahn mußte sich zu dem Standpunkt bekehren, daß sie dem Kunden etwas brauchbares, also ein brauchbares Fahrzeug auf der gepflasterten Straße, auf dem Landwege, auf dem Bauernhof und auf dem Fabrikhof, leicht fahrbar wie jeder Wagen und wendig, bieten muß. Erst dann, das erschien klar, schien die Möglichkeit ge­ geben, daß die Wirtschaft in größtem Umfange sich der Behälter be­ dienen würde und somit der Reichsbahn die Möglichkeit zur groß­ zügigen Einführung des Behälterverkehrs gegeben würde. Die Wirt­ schaft läßt sich mangelhafte Konstruktionen nicht gefallen. Sie will etwas Praktisches, Billiges und einfach Konstruiertes haben. Rollende Maschinenfabriken oder in die Erde versinkende schwere und schwerste Kisten werden ihr niemals Interesse abgewinnen. Sie will ein leichtes, wendiges Fahrzeug haben, welches sie an der Bahn, an der Rampe oder auf der Ladestraße übernehmen kann, ohne die Zuhilfenahme von Hubwagen, ohne Krane und sonstige teuere Vorrichtungen. Ihr ist es ganz gleich, wie die Reichsbahn solche ideale Behälter trans­ portiert, ob sie praktisch oder unpraktisch für die Reichsbahn sind. Sie steht auf dem Standpunkt, daß der Lieferant das zu liefern hat, was der Kunde braucht und daß den Kunden niemand zwingen kann, etwas Ungeeignetes und Unhandliches zu verwenden. Dieser Gedankengang ist richtig und logisch und mußte eigentlich bei der Reichsbahn als eine selbstverständliche Forderung anerkannt werden. Aber hier lagen deutlich starre Entwicklungswege vor, aus welchen hinauszukommen allzu schwer erschien. Wie starr diese Entwicklungswege waren, möge daraus hervor­ gehen, daß ein internationaler Wettbewerb zur Ausfindigmachung des besten Behälters ausgeschrieben wurde, und zwar von der Internationalen Handelskammer, dem Beratenden Technischen Ausschuß für Verkehr und Transit beim Völkerbund,

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Fahrbehälter.

wesen. Aber auch Brauner begnügt sich damit, alle möglichen Formen von Behältern auf kleinen Rollen stehend vorzuschlagen und vernach­ lässigt leider das Problem, was nun mit diesen Rollenbehältern auf der Straße werden soll. Er denkt sich diese Behälter auf ein Auto geladen und weggefahren. In der Konstruktion der Behälter bringt er nichts neues. Und so stehen wir vor einer Reihe von Versuchen theoretischer und praktischer Art, alle entstanden aus direkten Beziehungen zur Reichs­ bahn. Also auch im engsten Gebundensein an die Wünsche der Reichs­ bahn.

Fahrbehälter. Es blieb der neuesten Zeit Vorbehalten, zu erkennen, daß der schönste Behälter sich nicht beim Publikum einführen kann, wenn er eine unhandliche Kiste darstellt. Die Reichsbahn mußte sich zu dem Standpunkt bekehren, daß sie dem Kunden etwas brauchbares, also ein brauchbares Fahrzeug auf der gepflasterten Straße, auf dem Landwege, auf dem Bauernhof und auf dem Fabrikhof, leicht fahrbar wie jeder Wagen und wendig, bieten muß. Erst dann, das erschien klar, schien die Möglichkeit ge­ geben, daß die Wirtschaft in größtem Umfange sich der Behälter be­ dienen würde und somit der Reichsbahn die Möglichkeit zur groß­ zügigen Einführung des Behälterverkehrs gegeben würde. Die Wirt­ schaft läßt sich mangelhafte Konstruktionen nicht gefallen. Sie will etwas Praktisches, Billiges und einfach Konstruiertes haben. Rollende Maschinenfabriken oder in die Erde versinkende schwere und schwerste Kisten werden ihr niemals Interesse abgewinnen. Sie will ein leichtes, wendiges Fahrzeug haben, welches sie an der Bahn, an der Rampe oder auf der Ladestraße übernehmen kann, ohne die Zuhilfenahme von Hubwagen, ohne Krane und sonstige teuere Vorrichtungen. Ihr ist es ganz gleich, wie die Reichsbahn solche ideale Behälter trans­ portiert, ob sie praktisch oder unpraktisch für die Reichsbahn sind. Sie steht auf dem Standpunkt, daß der Lieferant das zu liefern hat, was der Kunde braucht und daß den Kunden niemand zwingen kann, etwas Ungeeignetes und Unhandliches zu verwenden. Dieser Gedankengang ist richtig und logisch und mußte eigentlich bei der Reichsbahn als eine selbstverständliche Forderung anerkannt werden. Aber hier lagen deutlich starre Entwicklungswege vor, aus welchen hinauszukommen allzu schwer erschien. Wie starr diese Entwicklungswege waren, möge daraus hervor­ gehen, daß ein internationaler Wettbewerb zur Ausfindigmachung des besten Behälters ausgeschrieben wurde, und zwar von der Internationalen Handelskammer, dem Beratenden Technischen Ausschuß für Verkehr und Transit beim Völkerbund,

Technische Erkenntnisse. Das Behälterstafettenauto.

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dem Internationalen Eisenbahnverband, dem Ständigen Internationalen Bureau der Automobil-Kon­ strukteure, dem Internationalen Verband anerkannter Automobilklubs, dem Zentralrat für internationalen Fremdenverkehr, der Federation Internationale des Transports Commerciaux Automobiles, dem Bureau Internationale de Normalisation de l’Automobile. Zum Wettbewerb wurden zugelassen: Firmen, die rollendes Material für Eisenbahn und Kraftwagen herstellten, Transport-Unternehmungen, die Syndikate dieser Industrien, Technische und Handelshochschulen, öffentliche Organisationen, die sich mit Verkehrs- und Trans­ portfragen befassen. Also nicht zugelassen waren Zivilingenieure, von denen man eigent­ lich hätte annehmen können, daß sie geeignet gewesen wären, neue Gedanken erstehen zu lassen. Ein Kuriosum! Aber gerade den Ingenieuren fiel doch die Aufgabe anheim, mit alten Überlieferungen zu brechen und die Notwendigkeit der Einfüh­ rung klarer Fahrbehälter nicht nur zu propagieren, sondern auch die Konstrukteure der Reichsbahn und die berufenen Führer der Wirt­ schaft von der Richtigkeit ihrer Gedanken zu überzeugen. Bereits 1930 trat der Zivilingenieur Reinhold Bräuer mit den ersten Konstruk­ tionsvorschlägen für Fahrbehälter hervor. In der in 300 Spezial­ exemplaren herausgegebenen Schrift: „Die Revolution der Reichs­ bahn" entwickelten wir die Grundideen, welche zwangsläufig zur Einführung des reinen Fahrbehälters führen mußten, und in der Kon­ struktion des Bräuerschen Behälter-Stasetten-Autos gipfelte schließ­ lich der Werdegang dieser Entwicklung. In folgenden Ausführungen sollen die Erkenntnisse und Konstruktionen, welche zur Entwicklung des reinen Fahrbehälters und zur Konstruktion des Behälter-Stafetten-Autos führten, beschrieben werden.

Technische Erkenntnisse. Das Behälterstasettenauto. Es ist ein alter technischer Traum, das Motorpferd an Stelle des Pferdes zu verwenden, und dieses dadurch zu ersetzen. Eine Motorisierung des Verkehrswesens findet insoweit seine Grenze, solange diese Aufgabe nicht einwandfrei gelöst ist. Es ist bis jetzt noch nicht geglückt, die Ladefläche eines Lastkraft­ wagens vom Motorwagen zu trennen und mit einem anderen Motor­ wagen zu einem Wagen zu vereinigen. Krufemark-Bräuer, Behälterverkehr.

Technische Erkenntnisse. Das Behälterstafettenauto.

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dem Internationalen Eisenbahnverband, dem Ständigen Internationalen Bureau der Automobil-Kon­ strukteure, dem Internationalen Verband anerkannter Automobilklubs, dem Zentralrat für internationalen Fremdenverkehr, der Federation Internationale des Transports Commerciaux Automobiles, dem Bureau Internationale de Normalisation de l’Automobile. Zum Wettbewerb wurden zugelassen: Firmen, die rollendes Material für Eisenbahn und Kraftwagen herstellten, Transport-Unternehmungen, die Syndikate dieser Industrien, Technische und Handelshochschulen, öffentliche Organisationen, die sich mit Verkehrs- und Trans­ portfragen befassen. Also nicht zugelassen waren Zivilingenieure, von denen man eigent­ lich hätte annehmen können, daß sie geeignet gewesen wären, neue Gedanken erstehen zu lassen. Ein Kuriosum! Aber gerade den Ingenieuren fiel doch die Aufgabe anheim, mit alten Überlieferungen zu brechen und die Notwendigkeit der Einfüh­ rung klarer Fahrbehälter nicht nur zu propagieren, sondern auch die Konstrukteure der Reichsbahn und die berufenen Führer der Wirt­ schaft von der Richtigkeit ihrer Gedanken zu überzeugen. Bereits 1930 trat der Zivilingenieur Reinhold Bräuer mit den ersten Konstruk­ tionsvorschlägen für Fahrbehälter hervor. In der in 300 Spezial­ exemplaren herausgegebenen Schrift: „Die Revolution der Reichs­ bahn" entwickelten wir die Grundideen, welche zwangsläufig zur Einführung des reinen Fahrbehälters führen mußten, und in der Kon­ struktion des Bräuerschen Behälter-Stasetten-Autos gipfelte schließ­ lich der Werdegang dieser Entwicklung. In folgenden Ausführungen sollen die Erkenntnisse und Konstruktionen, welche zur Entwicklung des reinen Fahrbehälters und zur Konstruktion des Behälter-Stafetten-Autos führten, beschrieben werden.

Technische Erkenntnisse. Das Behälterstasettenauto. Es ist ein alter technischer Traum, das Motorpferd an Stelle des Pferdes zu verwenden, und dieses dadurch zu ersetzen. Eine Motorisierung des Verkehrswesens findet insoweit seine Grenze, solange diese Aufgabe nicht einwandfrei gelöst ist. Es ist bis jetzt noch nicht geglückt, die Ladefläche eines Lastkraft­ wagens vom Motorwagen zu trennen und mit einem anderen Motor­ wagen zu einem Wagen zu vereinigen. Krufemark-Bräuer, Behälterverkehr.

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An Versuchen und Lösungen auf diesem Gebiet hat es nicht ge­ fehlt, aber diese Versuche gipfelten darin, Motorschlepper zu ver­ wenden, die einen Anhänger nachschleppten. Die Bulldoggs und Fordschlepper zeigen die Lösungen dieses Ge­ dankens, entstanden aus der Zuglokomobile. Die weitere Veredelung dieses Gedankens sind die Sattelschlepper, die den Vorderteil des Anhängers auf die Zugmaschine auflasten. Beide Entwicklungen haben eine ziemliche Verbreitung erfahren, und zwar hat sich in letzter Zeit der Sattelschlepper besonders im Fernlastverkehr und in Holland in den Vordergrund geschoben. Es ist dies nicht zu verwundern, da der Gedanke, den Laderaum vom Zugwagen unabhängig zu machen, wie dies beim Pferd der Fall ist, hier gelöst erscheint und immer ein bestechender Gedanke bleiben wird. Das Pferd kann einen Wagen beliebig abholen, sich also von der Last beliebig trennen. Sobald das Pferd eingespünnt ist, bildet es mit dem Wagen eine Einheit, das Fahrzeug kann auf der Stelle wenden, viel besser als der Kraftwagen, der einen Drehradius braucht, meist mehr als die Straßenbreite beträgt. Immerhin kann der Kraftwagen durch Rückwärtsfahren und Vor­ ziehen ohne weiteres auf der engen Straße wenden und notfalls in die verwinkeltsten Höfe oder Einfahrten mit Sicherheit manövriert werden. Der Schlepper oder der Sattelschlepper bilden aber niemals eine Einheit mit dem Anhänger. Es bleiben immer zwei Fahrzeuge mit verschiedenen Steuersystemen, die nicht miteinander zu vereinigen sind. Nach vorwärts laufen die Anhänger dem Zugwagen nach. Rückwärts ist eine Steuerung oder ein Manövrieren nicht möglich. Und hier ist die Grenze der Entwicklung gegeben. Die Schlepper und Sattelschlepper müssen auf der Straße bleiben, können nicht in Einfahrten, Sackgassen oder Höfe einfahren und vor allem bei Steigungen nicht rückwärts fahren. Dadurch schalten diese Systeme zu 95o/o aus den Verkehrsaufgaben aus, und man nimmt lieber den einheitlichen Lastwagen mit dessen Mängeln in den Kauf, daß er untrennbar vom Laderaum ist, als in der Mehrzahl der Fälle in Fahrsituationen zu geraten, aus denen man nicht mehr herauskommen tarnt, was besonders für bergiges Ge­ lände gilt. Wie brennend das Problem geworden ist, das Anhängerfahrzeug mit dem Zugwagen zu einer Einheit zu verschmelzen, zeigt eine Er­ findung von 1930, bei der als Zugwagen ein Vorderradantrieb ver­ wendet wurde, bei dem die Hinterräder bei Verbindung mit dem ^n^ hänger vom Boden abgehoben wurden gleichzeitig mit den Vorder­ rädern des Anhängers.

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Es entstand so ein zweiachsiges Fahrzeug, das die Eigenschaften eines Motorwagens besaß und rückwärts fahren konnte. Diese Lösung entstand unter dem Zwang der Aufgabe des Be­ hälterverkehrs auf der Bahn, der unbedingt zur Voraussetzung hat, daß die Anhänger rückwärts fahren können und müssen. Diese Lösung war schlecht und teuer und somit blieb auch der Ge­ danke des Behälterverkehrs stecken. Anfangs des Jahres ist jetzt die Lösung des Gedankens einwand­ frei gelungen, den Laderaum des Kraftwagens von der Maschine zu trennen und in Minuten mit einem andern Kraftwagen zu einer neuen Fahreinheit zu verbinden, und so eine Umwälzung im Kraft­ wagenverkehr einzuleiten, der dem Kraftwagen plötzlich ganz neue Gebiete erschließt. In welchem Ausmaß die Entwicklung sofort einsetzt, ist nicht direkt zu sagen, es ist aber ganz sicher, daß ganz große Veränderungen im Kraftwagenbau die Folge sein werden. Es ist ganz natürlich, daß das Bessere des Guten Feind ist und dies gilt ganz besonders im Verkehrswesen, bei dem schon geringe Verbesserungen und Verbilligungen eine fühlbare Verbesserung unseres Lebensstandards automatisch zur Folge haben. Das neue Fahrzeug ist ein Stafettenfahrzeug geworden, das seinen Laderaum ohne Umladen in Minuten an ein neues Fahrzeug abgeben kann, dieses dann, ein Fahrzeug mit den gleichen Fahreigenschaften wie das erste, den neuen Laderaum an seinen Bestimmungsort bringt oder an eine dritte Stafette abgibt usw. Es geschieht dies dadurch, daß der Laderaum in Form eines An­ hängers über den Zugwagen geschoben wird. Dann werden seine Räder ganz oder teilweise abgehoben und das Fahrzeug ist genau so manövrierfähig wie ein Motorwagen beliebiger Art. Dies geschieht in Minuten. Es ist sonach ohne weiteres möglich, beliebige Laderäume in der gleichen Zeit zu wechseln und die Zug­ fahrzeuge ununterbrochen im Betrieb zu halten. Bei Stafettenwagen übernimmt die Zugmaschine völlig die Eigen­ schaft des Pferdes und bei Trennung sind Last- und Zugwagen selb­ ständige Fahrzeuge geworden, die unabhängig voneinander jedes für sich ihre Funktionen ausüben können. In diesem Zusammenhang ist es natürlich sehr wichtig, sich eine Vorstellung zu machen über die Umstellung, die eine solche Neuerung im Gefolge hat und es ist nützlich, die Erfahrungen ähnlicher Ent­ wicklungen zu beobachten. Vorhin wurde erwähnt, daß der Sattelschlepper in Holland relativ eine besonders große Verbreitung gefunden hat. Es ist dies daraus zu erklären, daß Holland ganz wenige Steigungen hat, und die Nach­ teile des Sattelschleppers dadurch in erträglichen Grenzen gehalten werden können. Dort haben sich Sammelgüterbahnhöfe gebildet für Autos in der 2*

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Stadt, wo die Güter gesammelt und nach anderen Städten weiter­ geleitet und von diesen empfangen werden. Da der Anhänger ähnlich der Stafette ausgewechselt werden kann, bleiben die Fahrer bodenständig, die Wagen fahren immer organi­ siert mit der gesammelten Last, und es ist heute in Holland praktisch so, daß für den allgemeinen Güterverkehr die Bahn nahezu ausgcschaltet ist, und diese nur noch den Schwergutverkehr versieht. Diese Frage wird als Vorbild der Entwicklung wichtig bei der Schaffung der Autobahnen, die ja eine ähnliche Entwicklung ermög­ lichen. Diese Entwicklung ist besonders wichtig bei dem Behälter­ verkehr, bei dem die Bahn zeitweise als Verkehrsbrücke die Stelle des Stafettenautos einnehmen kann. Jetzt kommen wir zum Grund, weshalb der Behälterverkehr sich nur stockend oder eigentlich gar nicht entwickeln konnte. Es wurde schon gesagt, daß der Fehler darin lag, daß die Bahn nicht geistig über ihre Rampe hinaus sah; aber mit demselben Recht kann man ja wohl auch sagen, daß die Autoindustrie dies ebensowenig getan hat, sonst hätte sie sich mit dieser Entwicklung nicht so ohne weiteres abgefunden. Allerdings muß ganz klar gesagt werden, daß die Entwicklung des Behälterverkehrs eine technische Großaufgabe zunächst des Autos ist, weil hier die Lösung unendlich viel schwieriger ist, als bei der Bahn, wo ziemlich übersichtliche Konstruktionsunterlagen vorliegen, und wo man über die entsprechenden Erfahrungen in Masse verfügt, soweit sie die Bahn betreffen. Anders beim Kraftwagen, sobald es sich um konzentrierte, schwere Lasten handelt, die für die Bahn klein, für den Kraftwagen aber groß sind und durch die viel viel schlechteren Fahrbedingungen der Straße noch größer werden, wobei die Ladevorgänge und Entladungsvor­ gänge, die bei der Bahn technisch überhaupt keine oder doch eine sehr untergeordnete Rolle spielen, beim Auto aber die Grundlage der Kon­ struktion angreifen. Es ist sehr schwierig, die verschiedenen Forderungen zu erfüllen, die an das Fahrzeug gestellt werden, sobald die Bahn als Stafetten­ träger mit dem Auto verheiratet werden soll. Es treten sofort eine Reihe sich zum Teil scharf widersprechender Probleme auf, die alle vereinigt werden müssen. Bei der Bahn ist es fahrtechnisch wünschenswert, den Schwerpunkt der Ladung hochzu­ legen, beim Auto so tief als möglich, dem stehen wieder militärische Gesichtspunkte entgegen, die eine möglichst große Bodenfreiheit wün­ schen und zur Bedingung machen. So wird die Verlagerung des Ladungsschwerpunktes, das Kurven­ fahren, die Gefahr einseitiger Belastung beim Laden und Ent­ laden konzentrierter Lasten zu einer sehr schwierigen technischen Auf­ gabe, die an die Autoindustrie die allerhöchsten Forderungen stellt

Der Sprung aus dem Gleise, und den Chassisbau vor Aufgaben stellt, die zunächst unlösbar scheinen. Es kommt hinzu, daß die Autoindustrie der Auflösung und Ver­ kleinerung der Lasten zustrebt und die Bahn den größeren, und daher gegensätzliche Entwicklungen einander genähert werden müssen. So kann man ruhig sagen, daß die Lösungen nur schwieriger wurden, je mehr man sich in die Aufgabe vertieft hat. Alle diese Schwierigkeiten sind in dem vorbeschriebenen Stafetten­ auto gelöst und erprobt, und man kann sagen, daß bei dieser Lösung neben jahrelanger anstrengendster Arbeit auch das Glück zur Lösung mit beigetragen hat, daß man nicht gezwungen wurde, völliges Neu­ land zu betreten und auf Erfahrungen aufbauen konnte, die sich bewährt haben. Wie auf allen Gebieten der Technik und besonders auf dem Gebiete des Verkehrswesens brachte der Krieg Fortschritte und Möglichkeiten zur Erforschung in der Praxis, und zwar in der Praxis unter ganz schwierigen Verhältnissen. Es wurden Fortschritte gemacht, welche bei ruhiger Entwicklung nicht hätten gemacht werden können, und cs standen Mittel zur Verfügung, welche sonst nicht vorhanden gewesen wären. Besonders die Fahrbarmachung schwerer Lasten im Gelände konnte in der Praxis untersucht werden und führte zu Erkenntnissen, welche der jetzigen Entwicklung die Wege ebneten. Aber nur wer diese ganze Entwicklung objektiv betrachtet und nicht versponnen ist im Netz von Vorschriften, übernommenen Anschau­ ungen und erstarrten Prinzipien, und nur wer den Sprung aus dem alten Gleise einmal wagt, nur der wird mit wirklicher Klarheit die ganze Entwicklung, welche in diesem Buche beschrieben wird, erkennen können. Und so kommen wir zu einem neuen Abschnitt dieses Buches, welcher geschrieben werden muß, auch auf die Gefahr hin. Räuspern und Stirnrunzeln hervorzurufen. Wir überschreiben das neue Kapitel mit dem Titel dieses Buches.

Der Sprung aus dem Gleise. Der Sprung aus dem Gleise! Aus dem alten Gleise erstarrter tech­ nischer Anschauungen, aus dem alten Gleise überlieferter Vorschrif­ ten und Verordnungen, aus dem alten Gleise wirtschaftshemmender Tarife und aus dem alten Gleise überholter Anschauungen und ein­ seitiger Standpunkte. Wir behaupten, daß derjenige, welcher inmitten einer Kampfhand­ lung um sich schlägt, nicht die Entwicklung des Kampfes erkennen kann. Er wird nur die örtliche Kampfhandlung beurteilen können. Wer im Gleise veralteter Vorschriften Jahre und Jahre gerollt ist, wird zwar die Schattenseiten und Fehler seiner Tätigkeit be-

Der Sprung aus dem Gleise, und den Chassisbau vor Aufgaben stellt, die zunächst unlösbar scheinen. Es kommt hinzu, daß die Autoindustrie der Auflösung und Ver­ kleinerung der Lasten zustrebt und die Bahn den größeren, und daher gegensätzliche Entwicklungen einander genähert werden müssen. So kann man ruhig sagen, daß die Lösungen nur schwieriger wurden, je mehr man sich in die Aufgabe vertieft hat. Alle diese Schwierigkeiten sind in dem vorbeschriebenen Stafetten­ auto gelöst und erprobt, und man kann sagen, daß bei dieser Lösung neben jahrelanger anstrengendster Arbeit auch das Glück zur Lösung mit beigetragen hat, daß man nicht gezwungen wurde, völliges Neu­ land zu betreten und auf Erfahrungen aufbauen konnte, die sich bewährt haben. Wie auf allen Gebieten der Technik und besonders auf dem Gebiete des Verkehrswesens brachte der Krieg Fortschritte und Möglichkeiten zur Erforschung in der Praxis, und zwar in der Praxis unter ganz schwierigen Verhältnissen. Es wurden Fortschritte gemacht, welche bei ruhiger Entwicklung nicht hätten gemacht werden können, und cs standen Mittel zur Verfügung, welche sonst nicht vorhanden gewesen wären. Besonders die Fahrbarmachung schwerer Lasten im Gelände konnte in der Praxis untersucht werden und führte zu Erkenntnissen, welche der jetzigen Entwicklung die Wege ebneten. Aber nur wer diese ganze Entwicklung objektiv betrachtet und nicht versponnen ist im Netz von Vorschriften, übernommenen Anschau­ ungen und erstarrten Prinzipien, und nur wer den Sprung aus dem alten Gleise einmal wagt, nur der wird mit wirklicher Klarheit die ganze Entwicklung, welche in diesem Buche beschrieben wird, erkennen können. Und so kommen wir zu einem neuen Abschnitt dieses Buches, welcher geschrieben werden muß, auch auf die Gefahr hin. Räuspern und Stirnrunzeln hervorzurufen. Wir überschreiben das neue Kapitel mit dem Titel dieses Buches.

Der Sprung aus dem Gleise. Der Sprung aus dem Gleise! Aus dem alten Gleise erstarrter tech­ nischer Anschauungen, aus dem alten Gleise überlieferter Vorschrif­ ten und Verordnungen, aus dem alten Gleise wirtschaftshemmender Tarife und aus dem alten Gleise überholter Anschauungen und ein­ seitiger Standpunkte. Wir behaupten, daß derjenige, welcher inmitten einer Kampfhand­ lung um sich schlägt, nicht die Entwicklung des Kampfes erkennen kann. Er wird nur die örtliche Kampfhandlung beurteilen können. Wer im Gleise veralteter Vorschriften Jahre und Jahre gerollt ist, wird zwar die Schattenseiten und Fehler seiner Tätigkeit be-

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Der Sprung aus dem Gleise.

urteilen, aber es muß ihm mit der Zeit der gesunde Überblick verloren gehen und er muß einseitig werden. Und wenn eine Organisation sich darin gefällt, daß sie ihre Ab­ teilungen ganz starr auf ein Ziel hinarbeiten läßt und bewußt ein Spezialistentum dieser Abteilungen züchtet, so wird sie zwar bei jeder Abteilung das Höchste auf diesem Spezialgebiete herauszwin­ gen können, sie wird aber zu gleicher Zeit erreichen, daß sich diese Abteilungen bekämpfen und den Blick für den Nutzen des großen Ganzen verlieren. Und wie es innerhalb einer Organisation zu solchen Kämpfen kommen muß, so muß es kommen, und ist es gekommen im allgemeinen Wirtschaftsleben zu einem Kampf zum Schaden der All­ gemeinheit. Wir haben das Beispiel vor uns. Die Autoindustrie sah nicht rechts und links, sondern starr geradeaus zum Ziel, die Reichs­ bahn wirtschaftlich zu überholen und ihr Gut auf Gut abzujagen. Sie erreichte in diesem Kampf Erfolge, denn sie hatte den Vorteil, daß der Steuerzahler ihr die Fahrbahn für die Autotransporte, die Straßen, in Ordnung hielt. Die Reichsbahn versuchte den Kampf gegen das Auto zu führen durch Monopolwünsche und Tariferleichterungen und schließlich durch Verträge mit dem Speditionswesen. Der Kampf war schwer, denn ein Behördenapparat, auch wenn er noch so vorbildlich arbeitet wie dies bei der Reichsbahn bestimmt der Fall ist, hat es im Kampfe mit den frei arbeitenden Energien der freien Wirtschaft sehr schwer. Ein Apparat wie der der Reichsbahn läuft eben, und deswegen paßt unser Beispiel so gut — im alten Gleise der Verordnungen, Tarife und Erfahrungen. Das ist seine Stärke in Zeiten langsamer Entwicklung, das ist aber seine Schwäche in Zeiten stürmischer Ent­ wicklungen. Und in einer solchen Zeit befinden wir uns jetzt. Der Sprung aus dem Gleise muß gewagt werden, und wenn wir das Recht für uns in Anspruch nehmen, den Behörden und der Wirtschaft die Not­ wendigkeit des Zerreißens verstaubter Vorschriften erkennbar ge­ macht zu haben, und wenn wir technische und wirtschaftliche Erkennt­ nisse brachten, um einer Entwicklung zum Siege zu verhelfen, welche den Sieg verdient, so weisen wir auf die Anfangszeilen dieses Ab­ schnittes hin, in welchem wir behaupteten, daß nur der die Entwicklung überschauen kann, welcher sich nicht im Kreise gewohnter Anschauungen dreht, sondern welcher die notwendige Unverfrorenheit besitzt, mitten» hinein zu greifen in den Brennesselbusch auch auf die Gefahr hin, daß die Finger eine Zeitlang brennen. Aber das Unkraut herauszu­ reißen und die Erde frei zu machen für das neue Samenkorn ist wich­ tiger. Und mit großer Freude stellen wir fest, daß wir bei den führenden Köpfen der Reichsbahn, welche dank ihrer gehobenen Stellung die Ob­ jektivität sich bewahrten, Verständnis und Hilfe fanden. Wir glauben gern, daß es den berufenen Fachleuten schwer fiel, den ketzerischen

Der Sprung aus dem Gleise.

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Forderungen, welche wir stellten, nicht stets eine Wand von Para­ graphen entgegenzustellen, aber die Zeit war eben reif für solche ketzerische Erkenntnisse. Wir danken an dieser Stelle den Männern der Reichsbahn, welche die Sache über die Person stellten, und welche erkannten, daß wir nichts anderes wollten, als daß Deutschland ge­ holfen werde. Wir wollen zur Beleuchtung dieser Worte ein kleines Beispiel bringen. Bei den ersten Besprechungen, in welchen die Gestaltung der Behälterbahnhöfe zur Sprache kam, wurden uns die Schwierig­ keiten der Überbrückung des Zwischenraumes zwischen den beiden Gleisen einer zweigleisigen Strecke vorgehalten. Wir standen vor ge­ radezu entsetzten Gesichtern, als wir erklärten, daß eine selbstverständ­ liche Voraussetzung der Gestaltung der Behälterbahnhöfe die sei, daß an beiden Seiten der Gleisführung Rampen zu entstehen hätten. Der zweiseitige Güterbahnhof, gestellt an die Stelle, an welcher sich die Strecke in zwei Geleise auflöst, verstieß gegen jedes Herkommen. Wir standen vor dem Ausruf: „Ja, wenn Sie das natürlich machen, dann geht es!" Und heute? Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, daß der Behälterbahnhof an beiden Seiten der Strecke liegt. Wir verweisen auf die Ausführungen des Reichsbahnoberrats Dr. Baseler über die Lage der Rampen. Also fassen wir zusammen. Es ist durchaus logisch und folgerichtig, daß solche umstürzenden Anschauungen von außen kommen, und zwar von einer Seite, welche mit der notwendigen Unverfrorenheit den Sprung aus dem Geleise wagt und mit aller Energie das Wort: „Un­ möglich" und den Satz: „Das verstößt gegen die Vorschriften" ab­ lehnt. Aber auch in die Entwicklung der Wirtschaft wollen wir hinein­ leuchten. Es ist natürlich, daß die unglückliche Zentralisierungspolitik nach amerikanischem Vorbild für alle Betriebe, die dieser Einstellung zum Opfer gefallen sind, ganz unheilvolle Folgen gehabt hat. Die Betriebe wurden immer unübersehbarer und verstarrter, und die Folge war die wirtschaftliche Zerrüttung, die Abtötung der leben­ digen Entwicklungskräfte in der Wirtschaft in demselben Maße als die Betriebe größer und größer wurden. Es wurde immer schwerer dieselben lebendig zu erhalten, und schließlich war die Leitung eines technischen Betriebes unrettbar in die Hände der Banken und der Geldspekulation geraten, die sie nur noch als fingiertes Objekt ihrer Ausbeutung und Spekulationsgier behandelten. Der eigentliche Herr der Wirtschaft waren nicht di« wirklichen tüchtigen Wirtschaftler, es waren verkappt die Banken und Interessengruppen, die hinter ihr standen und ihre Kreaturen in die Verwaltung geschickt haben, um dort die reinen Geldinteressen zu ver­ treten. Daß diese ganz andere waren als die Lebensinteressen der Werke,

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Die freie Wirtschaft und der Behälterverkehr.

davon zeugen die Kämpfe und die Tragödien, die sich um die Erhal­ tung der Brotstätten abgespielt haben. Es war die Zeit der sogenannten großen Industriekapitäne der Wirtschaft, gekennzeichnet durch das Maß der Begabung, aus den verwirrten Geldverhältnissen Nutzen zu ziehen. Wir blicken heute zu­ rück auf diese Kapitäne, die in Wirklichkeit noch nicht mal Industrie­ schiffsjungen waren, mit Abscheu und Verachtung. Was ist aus einem großen Teil davon geworden, welche unsagbaren Sünden haben sie auf sich geladen, wie haben sie ihre Volksgenossen ins Unglück gebracht, wie ist ihre Bahn gekennzeichnet durch Un­ treue an dem anvertrauten Volksgut, durch Bestechung und Gewis­ senlosigkeit. Die Naturgesetze sind auch hier stärker gewesen, wenn sie auch schein­ bar unsichtbar geworden waren, und wir erleben heute in umgekehr­ tem Maße eine ebenso langsame Reinigung der technischen und Wirt­ schaftsentwicklung zur Gesundheit. Wir haben erlebt, mit welcher Frische und Natürlichkeit die Revolution diesen Sumpf schonungslos ans Licht gezogen hat und im Begriff ist ihn auszutrocknen. Wenn es der Regierung gelingt, die mittleren und kleineren Be­ triebe wieder lebensfähig zu machen, so wird sie sich ein unsterbliches Verdienst erwerben. Die Arbeit muß aus den Händen des Kapitals heraus, und zu einem selbständigen Faktor im freien Kampf des Besseren gegen das Gute werden. — Untergang des Minderwer­ tigen ist Naturgesetz. Schlechtes zu schützen ist Unsinn. Aber den Schwächeren gegen die Gewalt des überstarken zu schützen ist Pflicht!

Die freie Wirtschaft und der Behälterverkehr. Die Erkenntnis, daß sich die freie Wirtschaft der Behälter in weitestem Ausmaße bedienen wird, ist nicht neu. Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre hat alle Industrien gezwungen, sich auf einen mengenmäßig geringeren Absatz einzustellen. Fabriken, welche früher gewohnt waren, Waggons mit 10 bis 20 t für ihre Kunden zu beladen, müssen heute versuchen, zu demselben Preise, womöglich auch frei Verbrauchsort wesentlich kleinere Mengen von durchschnittlich 40 bis 50 Ztr. und noch weniger zu liefern. Im reinen Handel haben sich diese Mengen noch stärker vermindert, oft in einem Ausmaße, daß Kunden, welche früher 10 bis 50 Ztr. bezogen, heute kaum einen Zentner abnehmen können. Aber dieser Warenumschlag kam auch früher kaum für die Verladung auf der Reichsbahn in Frage, sondern wurde durch Stückgutverkehr oder durch Speditions­ verkehr erledigt. Nun ist es Tatsache, daß eine große Anzahl Fabriken alle Möglichkeiten der rentablen Verfrachtung, wie z. B. Gleisan­ schluß und sogar Kanalanschluß haben und trotzdem ihre Waren mit dem Auto weit über Land schicken, weil der Kunde zu geringe Mengen bestellt und weil ferner der sehr anspruchsvoll gewordene Kunde drin-

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Die freie Wirtschaft und der Behälterverkehr.

davon zeugen die Kämpfe und die Tragödien, die sich um die Erhal­ tung der Brotstätten abgespielt haben. Es war die Zeit der sogenannten großen Industriekapitäne der Wirtschaft, gekennzeichnet durch das Maß der Begabung, aus den verwirrten Geldverhältnissen Nutzen zu ziehen. Wir blicken heute zu­ rück auf diese Kapitäne, die in Wirklichkeit noch nicht mal Industrie­ schiffsjungen waren, mit Abscheu und Verachtung. Was ist aus einem großen Teil davon geworden, welche unsagbaren Sünden haben sie auf sich geladen, wie haben sie ihre Volksgenossen ins Unglück gebracht, wie ist ihre Bahn gekennzeichnet durch Un­ treue an dem anvertrauten Volksgut, durch Bestechung und Gewis­ senlosigkeit. Die Naturgesetze sind auch hier stärker gewesen, wenn sie auch schein­ bar unsichtbar geworden waren, und wir erleben heute in umgekehr­ tem Maße eine ebenso langsame Reinigung der technischen und Wirt­ schaftsentwicklung zur Gesundheit. Wir haben erlebt, mit welcher Frische und Natürlichkeit die Revolution diesen Sumpf schonungslos ans Licht gezogen hat und im Begriff ist ihn auszutrocknen. Wenn es der Regierung gelingt, die mittleren und kleineren Be­ triebe wieder lebensfähig zu machen, so wird sie sich ein unsterbliches Verdienst erwerben. Die Arbeit muß aus den Händen des Kapitals heraus, und zu einem selbständigen Faktor im freien Kampf des Besseren gegen das Gute werden. — Untergang des Minderwer­ tigen ist Naturgesetz. Schlechtes zu schützen ist Unsinn. Aber den Schwächeren gegen die Gewalt des überstarken zu schützen ist Pflicht!

Die freie Wirtschaft und der Behälterverkehr. Die Erkenntnis, daß sich die freie Wirtschaft der Behälter in weitestem Ausmaße bedienen wird, ist nicht neu. Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre hat alle Industrien gezwungen, sich auf einen mengenmäßig geringeren Absatz einzustellen. Fabriken, welche früher gewohnt waren, Waggons mit 10 bis 20 t für ihre Kunden zu beladen, müssen heute versuchen, zu demselben Preise, womöglich auch frei Verbrauchsort wesentlich kleinere Mengen von durchschnittlich 40 bis 50 Ztr. und noch weniger zu liefern. Im reinen Handel haben sich diese Mengen noch stärker vermindert, oft in einem Ausmaße, daß Kunden, welche früher 10 bis 50 Ztr. bezogen, heute kaum einen Zentner abnehmen können. Aber dieser Warenumschlag kam auch früher kaum für die Verladung auf der Reichsbahn in Frage, sondern wurde durch Stückgutverkehr oder durch Speditions­ verkehr erledigt. Nun ist es Tatsache, daß eine große Anzahl Fabriken alle Möglichkeiten der rentablen Verfrachtung, wie z. B. Gleisan­ schluß und sogar Kanalanschluß haben und trotzdem ihre Waren mit dem Auto weit über Land schicken, weil der Kunde zu geringe Mengen bestellt und weil ferner der sehr anspruchsvoll gewordene Kunde drin-

Die freie Wirtschaft und der Behälterverkehr.

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gend wünscht, daß er die Ware ins Haus geliefert bekommt. Ihm ist es unbequem, zum Güterbahnhof fahren zu müssen, dort die Ware auf ein Fahrzeug abladen und dann erst zu dem Verbrauchs­ ort transportieren zu müssen. In steigendem Maße stellen die Ab­ nehmer der Industrie und des Großhandels die Bedingung der Lieferung frei Haus. Dies ist für die Kalkulation der Verkäufer eine außerordentliche Belastung. Wir haben eine große Anzahl von Industrien und Han­ delsfirmen, welche sich notgedrungen einen Lastwagen kaufen und daran kranken, daß ein solcher Lastwagen tägliche Kosten von 15 bis 20 Mark macht. Die Unterhaltung eines solchen Wagens ist auch meistens deswegen so überaus unrentabel, weil der Wagen nicht aus­ genutzt werden kann. In Autos angebrachte Kontrolluhren haben ergeben, daß im aller­ besten Falle die Fahrzeuge 40