Der Reichs-Civilprozeß [12. u. 13., neu durchges. Aufl. Reprint 2020] 9783111538365, 9783111170268

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Der Reichs-Civilprozeß [12. u. 13., neu durchges. Aufl. Reprint 2020]
 9783111538365, 9783111170268

Table of contents :
Vorrede zur neunten Auflage
Vorwort zur zwölften und dreizehnten Auflage
Inhalt
Abkürzungen
Einleitung
Erster Teil. Die am Civilprozesse beteiligten öffentlichen Organe
Zweiter Teil. Die Parteien
Dritter Teil. Das Umfahren
Erster Abschnitt. Allgemeines
Zweiter Abschnitt. Ordentliches Bersahren
Dritter Abschnitt. Besondere Arten des Verfahrens
Vierter Abschnitt. Zwangsvollstreckung
Vierter Teil. Srozeßkosten und Sicherheitsleistungen
Anhang. Anhang. Aufgebotsverfahren und schiedsrichterliches Verfahren
Register

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Lehrbücher des

Deutschen Neichsrechtes. I.

Der Rkichs-Civilpro^eß von Kerman« Killing.

Berlin 1907. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Der

NeichS-Civtlprozeß. Von

Dr. Hermann Fitting, Geh. Justizrate und ord. Professor der Rechte zu Halle.

Zwölfte und dreizehnte, neu durchgesehene Auflage.

Berlin 1907. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, IN. 6. H.

Vorrede zur neunten Auflage.

Die vorliegende Neubearbeitung dieses Lehrbuches soll den Civilprozeß darstellen, wie er sich nach der Ctvilprozeßordnung in der vom Reichskanzler am 20. Mai 1898 bekannt gemachten neuen Fassung und nach den Neben­ gesetzen vom 1. Januar 1900 an im Deutschen Reiche ge­ stalten wird. Sie erscheint sonach unter ganz ähnlichen Verhältnissen wie im Herbste 1878 die erste Auslage» und

sie hat gleich dieser den Zweck, zu rascher Einführung in daö neue Prozeßrecht als Hilfsmittel zu dienen und damit die Schwierigkeiten deS Überganges zu erleichtem. Auch in anderer Hinsicht kehrt diese neue Bearbeitung zu der ursprünglichen zurück. Jener Zweck ist jetzt, wie damals, nur zu erreichen durch eine ganz kurze, streng auf die wesentlichen Grundzüge beschränkte Darstellung in möglichst einfacher und leicht verständlicher Sprache. Und gegenwärtig ist sogar noch mehr als damals knappe Kürze geboten angesichts der fast erdrückenden Maffe neuen Rechtes, womit sich die deutschen Juristen bis zum 1. Januar 1900 bekannt zu machen haben. Eine ganze Reihe von Erörte­ rungen einzelner Fragen, wodurch sich die siebente und achte Auflage von den früheren unterschieden, ist dämm in dieser neunten wieder gestrichen, und überdies war der Verfasier bemüht, die Darstellung überall so stark zusam­ menzudrängen» alS eS unbeschadet der Genauigkeit und

VI

Vorrede.

deS richtigen Verständnisses nur irgend möglich war. So ist eS erzielt, daß die neue Auflage, ungeachtet der nicht unbeträchtlichen Erweiterung, welche die Civilprozeßordnung in der neuen Gestalt erhalten hat, und trotz der Neu­ aufnahme der umfänglichen und schwierigen Lehre von der Zwangsvollstreckung in daS unbewegliche Vermögen, dennoch um mehr als hundert Seiten weniger zählt als die beiden vorhergehenden. Eine solche Umgestaltung im Sinne der sechs ersten Auflagen empfahl sich aber auch noch auS einer anderen Rücksicht. Obgleich eS der erweiterten Bearbeitung an Erfolg und Beifall nicht gefehlt hat, so erwies sich doch sehr bald durch die Erfahrung, daß für ein ganz kurzes Lehrbuch ein ungleich größeres Bedürfnis besteht. Ins­ besondere von Seite der Studierenden war eine beständige Nachfrage nach den älteren Auslagen. Aber auch auS nicht juristischen Kreisen zeigte sich ein stärkeres Begehren nach einer auch für sie geeigneten Darstellung des CivilprozefleS, wie sie die ersten Auflagen geboten hatten, als die Verlagsbuchhandlung früher angenommen hatte. Und einem solchen Wunsche gerade von dieser Seite hat die deutsche Rechtswissenschaft allen Grund, bereitwillig ent­ gegenzukommen. Denn läßt sich auch die Ansicht, daß daS Recht seinem Inhalte nach vom Volksgeiste erzeugt werde, der Wirklichkeit gegenüber wenigstens für höhere Stufen der Entwickelung schwerlich sesthalten, so ist doch soviel sicher und unverkennbar, daß eS erst dann voll­ kommen lebendig wird und zu wahrhaft segensreicher Wirk­ samkeit gelangt, wenn eS mindestens in seinen Grundzügen in daS allgemeine Volksbewußtsein elngedrungen ist. Da­ für nach Tunlichkeit zu sorgen, erscheint namentlich gegen­ über dem neuen Reichsrechte geradezu als vaterländische

Vorrede.

VH

Pflicht. Auch dieses Ziel hat daher der Verfasser bei der neuen Bearbeitung wieder im Auge gehabt, zumal da dem Bedürfnisse des Juristen damit kein Abtrag geschieht. Im Gegenteil wird, wie schon im Vorworte zu der ersten Auslage gesagt war, „der Versuch einer solchen Vereinigung der Interessen für beide Telle nicht anders als nützlich sein können, da einerseits die durch die Rück­ sicht auf den Nichtjuristen gebotene Einfachheit, Klarheit und Gleichförmigkeit der Sprache auch dem Juristen, andererseits die im Hinblick auf den letzteren geforderte Genauigkeit und Schärfe auch bent Nichtjuristen zustatten kommen muß." Die etwas veränderte Aufgabe, die somit dieser neuen Auslage im Vergleiche mit den beiden vorhergehenden ge­ steckt war, führte von selbst auch zu einer gewissen Ver­ änderung der inneren Haltung. In den genannten beiden Auslagen hat der Verfasser überall streng Farbe bekannt und seine Ansichten entwickelt, auch wo sie einer ganz allgemeinen Meinung und der Rechtsprechung deö Reichs­ gerichtes entgegentraten. Für ein zur Einführung be­ stimmtes und auf die weitesten Kreise berechnetes Lehrbuch wäre eS aber wenig geziemend, einen einsanlen Stand­ punkt einzunehmen, und die neue Darstellung schließt sich daher der gemeinen Meinung in weitem Maße an, nament­ lich überall da, wo eS sich um sachlich unbedeutende Formfragen handelt. In gewissen wichtigen Punkten hat freilich der Verfasser seine abweichende Ansicht auch dies­ mal nicht unterdrücken zu dürfen geglaubt. Übrigens ist eine ganze Reihe streitiger Fragen durch die neue

Fassung der Civilprozeßordnung teils unmittelbar, teils

wenigstens mittelbar entschieden, und solchen Entscheidungen hatte sich natürlich die Darstellung unbedingt zu fügen.

vni

Vorrede.

Dem gesetzlichen Sprachgebrauche ist auch bei dieser Neubearbeitung die größte Sorgfalt gewidmet worden. Nicht nur bedient sich das Lehrbuch selbst überall dieses

Sprachgebrauches, sondern die gesetzlichen Kunstausdrücke sind auch da, wo sie zum erstenmal auftreten, oder da, wo ihre Bedeutung erläutert wird, durch Anführungs­ zeichen kenntlich gemacht und so schon äußerlich von Kunst-

auödrücken nicht gesetzlichen Ursprunges unterschieden. In gleicher Welse ist auch sonst mitunter auf den Wortlaut deS Gesetzes hingewiesen.

Im Oktober 1898.

Vorwort zur zwölften und dreizehnten Auflage. Zufolge der Novelle vom 5. Juni 1905 war eine teil­ weise Neubearbeitung erforderlich. Der Verfasser hat daraus Veranlaflung genommen, daS ganze Buch einer erneuten genauen Durchsicht zu unterziehen, um es überall auf den heutigen Stand zu bringen. Die Rücksichten, die ihn dabei geleitet haben, sind bereits in der oben abgedruckten

Vorrede zur neunten Auslage dargelegt. So möge denn das kleine Werk von neuem hinauLgehen und versuchen, den damit beabsichtigten Nutzen zu stiften. Im Mai 1907.

Inhalt. Einleitung.

Seite

I. Begriff und Aufgaben des Civilprozesses. § 1 . . . 1 II. Geschichte der Civilprozeßordnung für daS Deutsche Reich. §2....................................................................................... 5 Hl. Bereich der Civilprozeßordnung und dieses Lehrbuches. §3.................................................................................................14 IV. Verhältnis der Civilprozeßordnung zu anderen den Civilprozeß betreffenden Gesetzen. § 4...................................18 V. Litteratur. §5........................................................................ 21

Erster Teil. Die am Ciottprozesse beteiligten öffentlichen Organe. Übersicht. §6............................................................................... 24

I. Die Gerichte. 1. Gerichtsbarkeit. § 7............................................................... 25 2. Gliederung der Gerichte. § 8............................................. 27 3. Erstreckung der Gerichtsgewalt und Rechtshilfe. §9 29 4. Gestaltung der Gerichte. § 10.............................................32 5. Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen. § 11.......................................................................................... 37 6. Zuständigkeit der Gerichte. a. Allgemeines. § 12........................................................ 42 b. Unbedingte Zuständigkeit. aa. Sachliche Zuständigkeit. § 13............................46 bb. Örtliche Zuständigkeit. a. Allgemeine Gerichtsstände. § 14 ... 51 b. Besondere Gerichtsstände. § 15 .... 54 c. Bedingte (sog. vereinbarte) Zuständigkeit. § 16 . 61 d. Bestimmung des zuständigen Gerichtes durch ein höheres Gericht. § 17...................................................64 7. Gerichtsferien. § 18 . ........................................ 66

X

Inhalt.

Seite II. Die Rechtsanwälte. 1. Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. § 19 . . . . 68 2. Standesrechte und Standespflichten der Rechts­ anwälte. § 20......................................................................71 3. Verhältnis des Rechtsanwaltes zu seinem Auftrag­ geber. § 21........................................................................... 74 III. Die Gerichtsvollzieher. § 22................................................78

Zweiter Teil.

Die Parteien. I. Allgemeines. 1. Begriff und Arten der Parteien. Parteisähigkeit. §23.......................................................................................82 2. Prozeßfähigkeit. § 24......................................................... 84 3. Sachlegitimation. § 25................................................... 91 II. Bevollmächtigte undBeistände der Parteien. § 26 . 96

Dritter Teil. Das Umfahren. Erster Abschnitt.

Allgemeines. I. Leitende Grundsätze des Verfahrens. 1. Übersicht. § 27....................................................................105 2. Insbesondere a. Die Grundsätze der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit des Versahrcns. § 28 .... b. Der Grundsatz der Öffentlichkeit des Vcrsahrens.

107

§ 29............................................................................... 111 II. Hallptarten der Handlungen im Civilprozesse. 1. Angriffs- und Vcrteidigungshandlungen. a. Im allgemeinen. §30............................................. 112 b. Anspruch. Angriffs- und Verteidignngsmittel. Zwischenstreit. §31...................................................117

Inhalt.

XI Sette

2. Entscheidungen. §32......................................................... 124 3. Zustellungen. § 33....................................................... 130 4. Ladungen. § 34..............................................................145 III. Zeit- und Ortsbestimmungen im Civilprozesse. 1. Termine. § 35....................................................................149 2. Fristen. § 36....................................................................152 IV. Folgen der Versäumung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. § 37..............................................................157 V. Gang des Verfahrens im allgemeinen. 1. Gang des vom Grundsätze der Mündlichkeit be­ herrschten Verfahrens. a. Einleitung. § 38........................................................ 165 b. Vorbereitende Schriftsätze. § 39............................ 168 c. Mündliche Verhandlung. aa. Äußere Form. Sitzungspolizei. § 40 . . 172 bb. Ausklärungsrecht, Prozeß - und Sachleitungs­ amt des Gerichtes. § 41................................. 177 cc. Der Grundsatz der Einheit der Verhandlung. § 42........................................................................... 183 d. Schriftliche Feststellung des Sachverhaltes. Prozeßakten. § 43.................................................. 186 2. Gang des nicht vom Gnlndsatze der Mündlichkeit beherrschten Verfahrens. § 44......................................... 190 VI. Stillstand des Verfahrens. § 45.......................................... 194 VII. Mängel im Civilprozesse. § 46 202

Zweiter Abschnitt.

Ordentliches Bersahren. Erstes Kapitel. Verfahren in erster Instanz.

I. Abgesehen von dem Fall der Versäumnis. A. Verfahren vor den Landgerichten. 1. Klageerhebung. a. Allgemeines. § 47 ........................................ b. Die Feststellungsklagcn insbesondere. § 48 .

209 227

XII

Inhalt. Seite

2. Weitere vorbereitende Schriftsätze, insbesondere Klagebeantwortung. a. Allgemeines. § 49 .............................................. 230 b. Aufrechnungseinwand und Widerklage. §50 . 236 3. Mündliche Verhandlung. § 51..................................242 4. Vorbereitendes Verfahret: in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen. § 52 248 5. Beweisverfahren. a. Einleitung. § 53................................................... 252 b. Beweis und Glaubhaftmachung. § 54 . . 264 c. Beweislast. § 55 .............................................. 268 d. Allgemeine Regeln über die Beweisaufnahme. § 56 .......................................................................... 274 e. Die einzelnen Beweismittel. aa. Augenschein. § 57 280 bb. Zeugen. § 58 ......................................... 282 ec. Sachverständige.§ 59 292 dd. Urkunden. a. Begriff und Hauptartem § 60 . . 298 b. Beweiskraft der Urkunden § 61 . . 300 c. Verpflichtung zur Vorlegung von Ur­ kunden. § 62 ........................................ 308 d. Verfahren beim Urkundenbeweise. § 63 311 es. Eid. a. Begriff deS Eides und Art der Eides­ leistung. § 64............................................. 315 b. Der Eid als Beweismittel. aa. Allgemeines. § 65............................ 318 bb. Zugeschobener Eid. § 66 . . . 320 cc. Richterlicher Eid. § 67 ... . 333 f. Vorgreifende Beweisaufnahme. § 68 . . . 336 6. Urteil. a. Ohne Rücksicht aus den besonderen Inhalt. § 69 340 b. In Rücksicht auf den besonderen Inhalt. § 70 344 c. Rechtskraft des Urteils. § 71............................ 353 B. Verfahren vor bcu Amtsgerichten. § 72 ... 367 II. Versäumnisverfahren. 1. Die Grundsätze desselben. § 73 ............................. 374 2. Der Einspruch. § 74 .................................................... 384

Inhalt.

xili Seile

III. Anhang. A. Beteiligung Mehrerer an einer Parieirolle. 1. Streitgenossenschaft. § 75 ........................... 388 2. Nebenintervention. § 76 ....................... .... 396 3. Veranlassung zur Beteiligung durch Streitverkün­ dung. § 77 .................................................. 402 4. Besondere Fälle der Streitgenossenschaft und Streitverkündung. a. Hauptintervention. § 78 ................... 404 b. Benennung des Auktors. § 79 .... 408 B. Eintritt einer Rechtsnachfolge während des Rechts­ streites. § 80...................................................... 410 Zweites Kapitel. Rechtsmittel. Einleitung. § 81........................................................ 414 I. Berufung. § 82....................................................... 415 II. Revision. § 83 ....................................................... 435 III. Beschwerde. § 84 ..................................................... 457 Drittes Kapitel. Wiederaufnahme des Verfahrens. 1. Voraussetzungen. § 85 ..................................... 469 2. Verfahren. § 86 .............................................. 475

Dritter Abschnitt. Besondere Arten des Verfahrens. I. Urkunden- und Wechselprozeß. § 87 ....................... 481 II. Mahnverfahren. § 88 ......................................... 490 HI. Verfahren in Ehesachen, Kindfchastssachen und Ent­ mündigungssachen. 1. Ehesachen. § 89 499 2. Kindschaftssachen. § 90........................................ 515 3. Entmündigungssachen. § 91............................... 519

XIV

Inhalt. Celte

Vierter Abschnitt.

Zwangsvollstreckung. Erstes Kapitel.

Allgemeines. I. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. 1. Vollstreckbarer Titel. a. Übersicht der Vollstreckungstitel. § 92 ... 531 • b. Die vollstreckbaren Urteile. § 93 ..................... 534 2. Vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels. § 94 546 3. Weitere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. § 95 556 II. Organe derZwangsvollstreckung. §96 ....................... 561 III. Einwendungen imVollstreckungsverfahren. § 97 . . 566 IV. Einstellung und Beschränkung der Zwangsvollstreckung. § 98........................................................ 1............................ 572 Zweites Kapitel. Einzelne Arten und Mittel der Zwangsvollstreckung. Übersicht. § 99 .............................................................. 575 I. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen. A. Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen. 1. Allgemeines. § 100 .......................................... 579 2. Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen. § 101 585 3. Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere unkörperliche Vermögensstücke. a. Allgemeine Vorbemerkung. § 102 .... 593 b. Zwangsvollstreckung in Geldforderungen. § 103 591 c. Zwangsvollstreckung in Ansprüche auf die Herausgabe oder die Leistung körperlicher Sachen. § 104 .......................................... 604 d. Mehrheit von Gläubigern bei der Zwangs­ vollstreckung in Geldforderungell oder in Ansprüche auf die Herausgabe oder die Leistung körperlicher Sachen. § 105 . . 606 o. Zwangsvollstreckung in sonstige Ansprüche und unkörperliche Vermögensstücke. § 106 . . 609 4. Vcrteilungsverfahren. § 107............................... 613

Inhalt.

xv Sette

B. Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen. 1. Einleitung. § 108 .......................................... 618 2. Gegenstände und Arten der Liegenschastsvollstreckung. § 109 ................................................ 620 3. Zwangsvollstreckung in Grundstücke und liegenschastliche Berechtigungen. a. Eintragung einer Sicherungshypothek. §110 623 b. Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. aa. Allgemeines. § 111.................................... 625 bb. Zwangsversteigerung. a. Anordnung der Zwangsversteigerung. § 112......................................................... 633 b. Aufhebung und einstweilige Einstellung des Verfahrens. § 113.......................... 639 c. Bestimmung des Versteigerungstermins. § 114......................................... 641 d. Versteigerungsbedingungen. Gering­ stes Gebot. § 115.......................... 645 e. Verhandlungen im Versteigerungs­ termin. § 116..........................................656 s. Entscheidung über den Zuschlag. § 117 661 g. Verteilungsverfahren. § 118 ... 667 cc. Zwangsverwaltung. § 119 . . . . 678 4. Zwangsvollstreckung in eingetragene Schiffe. §120 684 C. Beschaffung von Gegenständen der Zwangsvollstreckung durch Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners. § 121......................................... 690 II. Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sacher: und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen. § 122 ................................................ 703 III. Offenbarungseid. § 123...................................................711 IV. Haft. § 124......................................................................... 714

Drittes Kapitel. Sicherung der Zwangsvollstreckung. 1. Einleitung. § 125......................................................... 717 2. Arrest. § 126 .......................................................... 721 3. Einstweilige Beringungen. § 127 .......................... 735

XVI

Inhalt. Seite

Merter Zeil. Wrsxeßkssten Md Mcherhettsleistungen. I. Prozeßkosten. 1. Verschiedene Arten der Prozeßkosten. § 128 . . 741 2. Kostenpflichtigkeit gegenüber der Gerichtskasse. § 129 744 3. Verpflichtung zur Kostenerstattnng. § 130 . . . 749 II. Sicherheitsleistungen. § 131................................................ 760 III. Armenrecht. § 132 ........................ 764

Anhang.

AufgekstsVerfichren Md schredsrichterlichrS Verfahren. I. Aufgebotsverfahren. § 133 ........................................... II. Schiedsrichterliches Verfahren. § 134 ...........................

769 776

Abkürzungen. a. A. — am Anfänge. a. a. O. — am angeführten Ort. a.d.a.OO. — an den angeführten Orten, a. E. — am Ende. Abs. = Absatz. Abschn. = Abschnitt. Anf.G. — Gesetz, betreffend die An­ fechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkurs­ verfahrens. Anm. = Anmerkung. Art. = Artikel. Begr. — Begründung. Ber. der VI. Komm. — Bericht der VI. Kommission des Reichstages über die Entwürfe 1) eines Gesetzes, betr Änderungen

des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung, 2) eines Gesetzes, betreffend Ände­ rungen der Civilprozeßordnung, 3) eines Einführungsgesetzes zu die­ sem Gesetze. betr. — betreffend. bezw. — beziehungsweise. BGB. = Bürgerliches Gesetzbuch. CP. — Civilprozeßordnung. CP. a. F. — Civilprozeßordnung in der alten (ursprünglichen) Fassung. CP. Pr. — Protokolle der Justiz-Kom­ mission des Deutschen Reichstags, be­ treffend die Beratung der Ctvilprozeßordnung und des Einführungs­ gesetzes. Berlin 1876. CPÄE. — Entwurf eines Gesetzes, betreffend Ändermtgen der Civil­ prozeßordnung. CPE. — Entwurf der Civilprozeßord­ nung.

d. h. — das heißt. EG. — Einführungsgesetz, entspr. — entsprechend, oder: in ent­ sprechender Anwendung. Entw. — Entwurf. ff. — und die folgenden. fg. — und die folgende. FGG. — Gesetz über die Angelegen­ heiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit. G. = Gesetz. g. E. — gegen Ende. GBO. — Grundbuchordnung. GK. — Gertchtskostengesetz. GB. — Gerichtsverfassungsgcsetz. GB.Entw. — Entwurf des Gerichts­ verfassungsgesetzes. GBollz.Geb. — Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher. HGB. — Handelsgesetzbuch. KO. — Konkursordnilng. Mot. — Motive. Nr. — Nummer. O — Ordnung. ob. — oben. Pr. = Protokolle der Justiz-Kommis­ sion des Deutschen Reichstages. RAGeb. — Gebührenordnung für Rechtsanwälte. RAO. — Rechtsanwaltsordnung, RG. — Neichsgesetz. RGB. = Reichsgesetzblatt. RGer. — Entscheidung (Urteil oder Beschluß) des Reichsgerichtes. Die den Anführungen solcher Entschei­ dungen in Klammer bcigesetzten halbfett gedruckten Zahlen bezeich­ nen die Bände der „Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen".

xvm

Abkürzungen.

S. oder s. — fuhr. S. vor einer Zahl (4. B. S. 30) = Seite.

sog. — sogenannt. StGB. — Strafgesetzbuch.

StP. — Strafprozeßordnung. Tit. = Titel. u. a — und andere. u. dgl. — und dergleichen. u. dgl. m. — und dergleichen mehr. u. v. a. — und viele anderen. unt. — unten. v. — von. oder: vom.

vbd. oder vbd. — verbinde damit, oder: verbunden mit. Der.CSL. — Bereinigte Civilsenate. Vgl. oder vgl. — vergleiche, oder: verglichen mit. DO. — Verordnung. vorl. — vorletzt. WO. — Wechselordnung. z. — zu. oder: zum. oder: zur. ZGeb. — Gebührenordnung für Zeu­ gen und Sachverständige. ZVG. — Gesetz über die Zwangsver­ steigerung und die Zwangsverwal­ tung.

Einleitung. § i.

I. Kegrtff und Aufgaben des Civilproxesses. I. Der Civilprozeß ist eine Art des Prozesses. Unter Prozeß aber versteht man seit dem Mittelalter ein rechtlich geordnetes Verfahren zur Erreichung elneS be­ stimmten rechtlichen Zweckes. Je nach der Verschiedenheit dieses Zweckes verzweigt sich der Prozeß in verschiedene Arten, insbesondere in den Civilprozeß und den Straf­ prozeß. Der Strafprozeß ist das rechtlich geordnete Verfahren zum Zwecke der Verhängung und Vollstreckung der wegen Verletzungen der Rechtsordnung verwirkten öffentlichen Strafen. Der Civilprozeß dagegen ist das rechtlich geordnete Verfahren zur Wahrung privatrechtlicher Jnteresien durch die Tätigkeit von Staatsorganen. II. Der Civilprozeß in diesem weiteren Sinne zerfällt wieder in zwei Unterarten: das Verfahren in den Sachen der „streitigen Gerichtsbarkeit" oder den Civilprozeß im engeren Sinn, und das Verfahren in den Sachm der „freiwilligen Gerichtsbarkeit". Die Sachen der streitigen Gerichtsbarkeit sind die Fälle, worin es sich um die Wahrung des privatrechtlichen Jnteresies eines Beteiligten gegenüber dem widerstreitenden Inter­ esse eines anderen handelt, so daß mit der Möglichkeit eines sltttn», Lwuprozrb. 12. u. 13. Hilft

1

2

Einleitung.

Widerspruches von Seite dieses

letzten und

also

eines

Streites der Parteien zu rechnen ist. Die Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit dagegen sind die Fälle, worin Staatsorgane zur Wahrung privatrecht­ licher Interessen tätig werden, obgleich kein Widerstreit

solcher Interessen besteht, weil entweder gar keine Mehr­ heit von Beteiligten vorhanden ist, oder weil die Tätigkeit des Staatsorgans im gemeinsamen und übereinstimmenden Interesse der Beteiligten liegt.1 Hierher gehört z. B. die Anordnung von Vormundschaften und Pflegschaften, überhaupt die gesamte Tätigkeit der Vormundschaftsgerichte.

Desgleichen diejenige der Nachlaßgerichte. Nicht minder diejenige der Standesbeamten. Ferner die Führung der Grundbücher und der Vereins-, Güterrechts-, Handels-, Genossenschafts-, Schiffsregister. Endlich und ganz be­ sonders die Mitwirkung staatlicher Organe, vornehmlich der Gerichte und der Notare, beim Abschlüsse von Rechts­ geschäften. In diesem Lehrbuche kommt nur das Verfahren in den Sachen der streitigen Gerichtsbarkeit, also der Civilprozeß

im engeren Sinn, in Betracht. III. Der Civilprozeß in diesem engeren Sinne hat je nach der Verschiedenartigkeit der Bedürfnisse, denen er dienen soll, verschiedene Grundaufgaben. 1) Vor allem folgt aus dem in jedem geordneten Staats­ wesen bestehenden Verbote der Selbsthilfe das Bedürfnis

1 Im geltenden Rechte fehlt es freilich an einer festen begriff­ lichen Scheidung zwischen den Sachen der streitigen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit, und von seinem Standpunkte lassen

sich die letzten nur bezeichnen als oie Fälle, worin Staatsorgane zur Wahrung privatrechtlicher Interessen nicht in den Formen des Civilprozesses im engeren Sinne tätig werden.

Begriff und Aufgaben deS CivilprozeffeS.

§ 1.

3

des staatlichen Einschreitens, um berechtigten, aber von dem Verpflichteten nicht freiwillig befriedigten privatrecht­ lichen Ansprüchen die Befriedigung zu verschaffen. ES geschieht zunächst in der Weise, daß auf die „Klage" deS Berechtigten das Gericht den Verpflichteten zur Be­ friedigung des Anspruches „verurteilt", d. h. ihm im Namen des Staates diese Befriedigung noch besonders gebietet. Bleibt dieses Gebot erfolglos, so tritt dann die „Zwangsvollstreckung" ein, d. h. die Anwendung geeigneter Mittel von Staatswegen, um jene Befriedigung unabhängig von dem guten Willen des Verpflichteten her­ beizuführen. Die gerichtliche Verurteilung zu einer Leistung ist demnach für diese ein „vollstreckbarer Titel". Da­ neben gibt es nach der Reichs-Civilprozeßordnung noch eine Reihe weiterer Vollstreckungstitel. Da die Verurteilung zur Befriedigung eines erhobenen Anspruches nur dann erfolgen darf, wenn dieser dem Gerichte als ein berechtigter erscheint, so liegt in jeder vorbehaltlosen Verurteilung von selbst auch eine gericht­ liche Feststellung der Berechtigung deS Anspruches. Er­ scheint der erhobene Anspruch nicht als berechtigt, so kann nichts weiter als die gerichtliche Feststellung seiner Nicht­ berechtigung (In der Form der Abweisung des Anspruches)

erfolgen. 2) In manchen Fällen besteht aber überhaupt bloß daS Bedürfnis der gerichtlichen Feststellung deS Daseins oder deS NichtdaseinS eines Anspruches oder irgend eines anderen privatrechtlich wichtigen Verhältnisses, ohne daß eine Ver­ urteilung begehrt wird oder zurzeit auch nur begehrt werden

kann. So kann z. B. zur Vermeidung späterer Schwierig­ keiten die Feststellung des bestrittenen Bestehens einer be­ dingten oder betagten Forderung, zur Verhütung einer 1*

4

Einleitung.

Schädigung des Kredites die Feststellung deS NichtbestehenS einer von einem Anderen behaupteten Forderung, auS Rück­ sicht auf künftige Erbanfprüche die Feststellung eines be­ strittenen Kindesverhältnisies von Wichtigkeit sein. In Fällen solcher Art kann nach der Reichs-Civilprozeßordnung aus die bloße gerichtliche Feststellung geklagt werden (Fest­ stellungsprozesse). 3) Eine weitere Aufgabe deS Civilprozesies ist, privat­

rechtlichen Ansprüchen durch staatliches Einschreiten eine Sicherung gegen die Gefahr zu gewähren, daß sonst die

Erlangung ihrer Befriedigung durch eine den Umständen nach drohende Veränderung der Sachlage Unmöglich oder doch stark erschwert werden würde. Diese Sicherung er­ folgt je nach der Verschiedenheit der Fälle entweder durch „Arrest" oder durch „einstweilige Verfügung". 4) Endlich muß kraft besonderer Rechtsvorschrift der Weg des CivilprozesseS in einer Reihe von Fällen ein­ geschlagen werden, in denen es sich nicht um Befriedigung, Feststellung oder Sicherung schon bestehender privatrecht­ licher Ansprüche oder Verhältnisie, sondern um die Schaffung neuer oder um die Aufhebung bestehender privatrechtlicher Verhältnisse handelt. So z. B. wenn Ehescheidung, oder wenn Aushebung oder Wiederherstellung deS güterrecht­ lichen Verhältnisses zwischen Ehegatten begehrt roitb2 (RechtSg estaltungSkla gen). Die Fälle dieser Art liegen auf der Grenze der streitigen und der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit.2 * S. § 1564 ff. BGB. vbd. § 606 ff. CP., § 1418, 1468, 1469,1542, § 1425,1547 BGB. • Daraus erklärt sich, daß einzelne dieser Fälle von man­ chen Rechten dem Gebiete der

streitigen, von anderen demienioen der freiwilligen Gerichts­ barkeit zugeteilt sind. So hatte z. B. das gerichtliche Verfahren zum Zwecke einer Erbteilung nach dem früheren gemeinen

§ 2. II. Geschichte der GtvUprsrrßordurttrg für das Deutsche Keich.

I. Bis zum Inkrafttreten der Reichs-Civilprozeßordnung hatte der Civilprozeß in den verschiedenen Teilen Deutsch­ lands eine sehr verschiedene Gestalt. Nicht einmal die allgemeinen Grundsätze, die seit Jahrhunderten unter dem Namen deS gemeinen deutschen CivilprozeßrechteS bestanden hatten und, wo es an besonderen landesrechtlichen Vorschriften fehlte, bei allen deutschen Gerichten befolgt werden sollten, hatten ihre Geltung überall in Deutschland zu retten vermocht. Überdies war das fast durchaus schriftliche, höchst künstliche und mit Förmlichkeiten überladene Verfahren, wie eS in den meisten deutschen Rechtsgebleten in Übung war, dem Verständnisse des Volkes fremd und veranlaßte durch seine Langsamkeit und Schwerfälligkeit allgemeine Klagen. Ein volkstümliches und allgemein beliebtes Verfahren bestand bis zur Mitte deS 19. Jahrhunderts nur auf dem linken Rheinufer, in Rheinpreuße», Rheinbayern und Rheinhessen, wo seit der französischen Herrschaft das französische mündliche und öffentliche Verfahren sich erhalten und unter dem Einflüsse des deutschen Gerichtsgebrauches eine sehr einfache, natür­ liche, jeden unbefangenen Sinn ansprechende Gestalt an­ genommen hatte. So kam eß, daß die öffentliche Stimme, wie sie namentlich in den Bewegungen deS JahreS 1848 deutschen Rechte die Gestalt eines Civilprozesses, währmd es jetzt in § 86 ss. des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sachlich angemes­ sener als ein Verfahren der frei­ willigen Gerichtsbarkeit gestaltet

ist. Ferner wird erklärlich, daß das Entmündigungsverfahren nach der Reichs - Civllprozeßordnung zum Teil als ein Ver­ fahren der freiwilligen Gerichts­ barkeit , zum Teil in den Formn« des Cimlprozesses verläuft.

6

Einleitung.

laut wurde, die Einführung eines neuen, nicht allein für ganz Deutschland gleichen, sondern auch nach dem Vor­ bilde des rheinischen Verfahrens auf die Grundsätze der Mündlichkeit und Öffentlichkeit gebauten Civilprozesscs dringend verlangte.

Dieses Verlangen blieb freilich gleich den meisten übrigen Einheitsbestrebungen des Jahres 1848 ohne Erfolg. Da­ für begann jetzt eine große Rührigkeit der Landesgesetz­ gebung zur Verbesserung des Civilprozesses. Namentlich wurde in Hannover durch die Allgemeine bürgerliche Prozeß­

ordnung vom 8. November 1850 ein dem rheinischen ver­ wandtes Verfahren eingeführt, das sich ebenfalls treff­ lich bewährte und in ganz Deutschland ungeteilten Beifall erwarb. Der gleiche Schritt geschah 1857 in Olden­ burg, 1864 in Baden, 1868 in Württemberg, 1869 in Bayern. Schon im Jahre 1862 hatte aber anch der Dentsche Bundestag, jedoch ohne Beteiligung Preußens, in Han­ nover eine Kommission niedergesetzt, die mit vorzugsweiser Anlehnung an die hannöverische Prozeßordnung den „Ent­ wurf einer allgemeinen Civilprozeßordnnng für die dentschen Bundesstaaten" ansarbeiten sollte. Der von ihr verfaßte sog. Hannoversche Entwurf wurde in erster Lesung 1864, in zweiter im Frühjahr 1866 vollendet lind veröffentlicht. Bereits vorher im Jahre 1861 war in Preußen eine Kommission eingesetzt worden zur Ausarbeitung einer Civilprozeßordiulng, die sich zur Einführung in alle Teile des preußische» Staates und, wo möglich, anch znr Herbei­ führung einer gemeinsamen deutschen Gesetzgebung eigne. Das Ergebnis war der „Entwurf einer ProzeßOrdnung in bürgerlichen Rcchtsstreitigkeiten für

Geschichte der Civilprozeßordnung.

§ 2.

7

den Preußischen Staat", der gleichfalls im Jahr 1864 vollendet und der Öffentlichkeit übergeben wurde. In dieser Sachlage erfolgte die Auflösung des Deutschen Bundes und die Errichtung des Norddeutschen Bundes. In seiner Berfaffuiig. die am 1. Juli 1867 in Kraft trat, war (Art. 4 Nr. 13) ausdrücklich auch „das gerichtliche Verfahren" als einer der Gegenstände der gemeinsamen Gesetzgebung bezeichnet, und die Abfassung einer gemein­

samen Civilprozeßordnung wurde unverweilt in Angriff

genommen. Auf Antrag Preußens wurde zur Ausarbeitung eines Entwurfes bereits im Oktober 1867 vom Bundes­ rate eine aus zehn Mitgliedern bestehende Kommission ernannt, die ihren Sitz in Berlin hatte und ihre Be­

ratungen am 3. Januar 1868 eröffnete. Sie legte ihrer Arbeit den erwähnten sog. Hannoversche» Entwurf von 1866 zugrunde, berücksichtigte aber daneben fortwährend auch den Preußischen Entwurf von 1864. Der von ihr verfaßte „Entwurf einer Civilprozeßordnung für den Nord­

deutschen Bund" oder sog. Norddeutsche Entwurf wurde in ihrer Schlußsitzung am 20. Juli 1870 zur Vorlegung an den Bundesrat endgültig festgestellt. Zu dieser Zeit hatte aber bereits der französische Krieg begonnen, und die Erweiterung des Norddeutschen Bundes zum Deutschen Reiche, die er zur Folge hatte, führte von selbst zu einer entsprechenden Erweiterung der obigen Auf­ gabe, zu dem Plan einer Civilprozeßordnung für daS Deutsche Reich. Zur Vorbereitung tvurde schon int Früh­ jahr 1871 von dem Preußischen Justizministerium der Ent­ wurf einer Deutschen Civilprozeßordnung aufgestellt und nunmehr durch Beschluß des Bundesrates vom 8. Mai 1871 zur endgültigen Feststellung eines Entwurfes eine ans zehn Mitgliedern gebildete Kommission unter dem

8

Einleitung.

Vorsitze deS Preußischen Justizministers Dr. Leonhardt berufen. Sie trat am 7. September 1871 in Berlin zusammen und schloß ihre Arbeiten am 7. März 1872.

Der daraus hervorgegangene Entwurf wurde durch Beschlüsie des Bundesrates noch mehrfach abgeändert und in dieser neuen Gestalt gemeinsam mit dem Entwürfe eines Gerichtsverfassungsgesetzes undeinerStrafprozeßordnung für das Deutsche Reich im Herbste 1874 dem Reichstage vorgelegt. Am Anfänge des Jahres 1875 folgte die Vorlegung des Entwurfes einer Konkurs Ord­ nung für das Deutsche Reich. Jedem dieser Entwürfe war zur Darlegung der allgemeinen Grundsätze und zur Rechtfertigung oder Erklärung der einzelnen Bestimmungen eine ausführliche „Begründung" (sog. Motive) bei­ gegeben, welche für die Auslegung von höchster Wichtig­ keit ist-1 Sämtliche Entwürfe wurden nun zunächst noch einer gründlichen Durchberatung durch Kommissionen des Reichs­ tages unterworfen, und zwar die drei erstgenannten durch 1 Sämtliche Entwürfe nebst ihren Begründungen liegen ge­ druckt vor teils in Gestalt Der dem Reichstage zugegangenen amtlichen Vorlagen, teils in den Aktenstücken des Deutschen Reichstags. II. Legislatur­ periode. 2. Session 1874/75. Justiz-Gesetzgebung Nr. I—IV. Aktenstücke Nr. 4, 5, 6 und 200 (auch im Buchhandel: Berlin 1874 und 1875 bei Fr. Kortkamps erschienen). Ferner finden sie sich in den aus Veranlassung des Reichs-Justizamtes unter dem Titel: „Die gesamten Ma­ terialien zu den Reichs-Justiz-

gesetzen" (Berlin, R. v. Decker's Verlag) von C. Hahn heraus­ gegebenen Vorarbeiten der vier Justizgesetze (Entwürfe nebst Begründungen, Reichslagsver­ handlungen , Protokolle und Berichte der Kommissionen): Band I. Gerichtsverfassungs­ gesetz. Band II. Civilprozeßordnung. Band III. Straf­ prozeßordnung. Band IV. Konkursordnunq. Um die Benutzung eines jeden Abdruckes zu ermög­ lichen, werden in diesem Lehr­ buche die Begründungen nach den Paragraphen der Entwürfe angeführt.

Geschichte der Civilprozeßordnung.

g 2.

9

eine gemeinsame Kommission von 28 Mitgliedern,

der Entwurf der Konkursordnung durch eine besondere Kom­ mission. Diese Beratungen hatten wichtige Abänderungen vornehmlich im Entwürfe des GerichtsverfasiungSgesetzeS, aber auch im Entwürfe der Civilprozeßordnung zur Folge.2 Die beiden anderen Entwürfe kommen für dieses Lehrbuch

nicht weiter in Betracht. Im Herbste 1876 erstatteten die Kommissionen dem Reichstage ihre Berichte, und nachdem zwischen dem Bundes­ rate und dem Reichstage auch über eine Anzahl zuletzt noch übrig gebliebener gewichtiger Streitpunkte durch wechsel­ seitiges Nachgeben eine Verständigung erreicht war, wurden die sämtlichen vier Justizgesetze nebst den dazu gehörigen Einführungsgesetzen in der vereinbarten Gestalt vom Reichs­

tage in der Sitzung vom 21. Dezember 1876 endgültig angenommen, das Gerichtsverfassungsgesetz mit großer Mehrheit, die Civilprozeßordnung fast mit Einstimmigkeit. Zugleich wurde im Einverständnisse mit dem Bundesrate beschlossen, daß alle diese Gesetze im ganzen Umfange deö Reiches spätestens am 1. Oktober 1879 gleichzeitig mit einer noch zu erlassenden Gebührenordnung zur Regelung des Kostenwesens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in Kraft treten sollten? Ferner gab der Bundesrat die Zu­ sage, dem Reichstage bei seinem nächsten oder spätestens übernächsten Zusammentreten den Entwurf einer RechtSanwaltsordnung vorzulegen.

2 Daher sind auch die Pro­ to ko l le derJustiz-Kommis­ sion des Deutschen Reichs­ tages ein wichtiges Hilfsmittel für die Auslegung. Sie werden in diesem Lehrbuche nach den

— auch in Hahn's „Materialien" vermerkten — Seitenzahlen des von der Kommission veranstal­ teten Druckes angeführt, •gl ber Einführungsgesetze zu jedem der Justizgesetze.

10

Einleitung.

Nach erfolgter Zustimmung des Bundesrates wurden daS Gerichtsversassungsgesetz nebst Einführungs­

gesetz als Gesetze vom 27. Januar 1877, die Clvilprozeßordnung nebst Einführungsgesetz als Gesetze vom 30. Januar 1877 im Reichsgesetzblatte verkündigt. In Erfüllung seiner Zusage legte der BundeSrat dem Reichstage im Februar 1878 den Entwurf einer Rechtsanwaltsordnung vor. Im März folgte die Vorlegung der Entwürfe eines Gerichtskostengesetzes zur Regellmg der Gerichtskosten nicht bloß für die bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten, sondern auch für die Konkurs- und Straf­ sachen, ferner einer Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher und einer Gebührenordnung für Zeugen und Sachverstän­ dige. Das Gerichtskostengesetz wurde als Gesetz vom 18. Juni 1878, die Gebührenordnung für Gerichts­ vollzieher als Gesetz vom 24. Juni 1878, die Ge­ bührenordnung für Zeugen und Sachverständige als Gesetz vom 30. Juni 1878, endlich die Rechtsanwaltsordnung als Gesetz vom 1. Juli 1878 ver­

kündigt. Endlich wurde dem Reichstage im Februar 1879 der Entwurf einer Gebührenordnung für Rechtsanwälte vorgelegt, die als Gesetz vom 7. Juli 1879 verkündigt wurde. Als ein ergänzendes Gesetz läßt sich auch noch das im Entwürfe dem Reichstage im April 1879 vorgclegte Gesetz, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfah­ rens, vom 21. Juli 1879 betrachten. Die Reichs-Justizgesetze sowie die sämtlichen genannten Nebengesetze sind, da sich eine frühere Jnkraftsetznng als nicht

möglich erwies, am 1. Oktober 1879 in Kraft getreten.

Geschichte der Civilprozeßordnung.

g 2.

11

n. Seitdem erfuhren diese Gesetze zunächst einige Änderungen und Ergänzungen in gewissen, verhältnis­ mäßig unbedeutenden Einzelheiten durch eine Anzahl neuerer

Reichsgesetze, wovon die folgenden hierher gehören: 1) Gesetz, betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes und der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher, vom 29. Juni 1881; 2) Gesetz, betreffend Abänderung des § 137 des Ge­ richtsverfassungsgesetzes, vom 17. März 1886; 3) Gesetz, betreffend die Ergänzung des § 809 der Civilprozeßordnung, vom 30. April 1886; 4) Gesetz, betreffend die unter Ausschluß der Öffent­

lichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen, vom 5. April 1888, welches die § 173 — 176 und § 195 des Gerichts­ verfassungsgesetzes durch andere Bestimmungen ersetzt; 5) Gesetz, betreffend die Ergänzung des § 14 der Ge­ bührenordnung für Zeugen und Sachverständige, vom 11. Juni 1890; 6) Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohues, und

der Civilprozeßordnung, vom 29. März 1897. III. Durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich wurden umfassendere Änderungen und Ergänzungen der Reichs-Justizgesetze und ihrer Neben­ gesetze zum unabweislichen Bedürfnisse. Auch war durch das Bürgerliche Gesetzbuch das Hindernis weggefallen, das bisher einer einheitlichen gesetzlichen Regelung der Zwangs­ vollstreckung in das unbewegliche Vermögen zur Beitrei­ bung einer Geldforderung iin Wege gestanden hatte. Diese einheitliche Regelung war daher jetzt als Ergänzung der Civilprozeßordnung geboten. Es erschien jedoch zweck­ mäßig, sie nicht erschöpfend in der Civilprozeßordnung

12

Einleitung.

selbst, sondern in der Hauptsache durch ein besonderes Gesetz

über die Zwangsversteigerung und die ZwangSverwaltung vorzunehmen, das ebenso wie die Abände­ rungen der Reichs-Justizgesetze und ihrer Nebengesetze nach Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs gleichzeitig mit diesem am 1. Januar 1900 in Kraft treten sollte. Im Entwürfe dem Reichstage im Dezember 1896 vorgelegt, wurde es als Gesetz vom 24. März 1897 verkündigt.^ Im Dezember 1897 wurden sodann dem Reichstage die Entwürfe eines Gesetzes, betreffend Änderungen des Gerichtsverfaffungsgesetzes und der Strafprozeßordnung, sowie eines Gesetzes, betreffend Änderungen der Civil-

prozeßordnung, und eines zugehörigen Einführungsgesetzes vorgelegt. Im Januar 1898 folgte die Vorlage von Entwürfen eines Gesetzes, betreffend Änderungen der Kon-

kurSordnung, und eines zugehörigen Einsührungsgesetzes. Allen diesen Entwürfen waren „Begründungen" bei­ gegeben.^ Der Reichstag verwies sie sämtlich zur Vor­ beratung an seine VI. Kommission, und auf Grund sehr umfassender und gründlicher Berichte dieser Kommission wurden sie, mit geringen Ausnahmen gemäß ihren Vor­ schlägen, vom Reichstage angenommen und nach erfolgter Zustimmung des Bundesrates sämtlich als Gesetze vom 17. Mai 1898 im Reichsgesetzblatte verkündigt. Gleich4 Der Entwurf nebst der bei­ gegebenen Denkschrift und die sonstigen Vorarbeiten finden sich in Hahn's Materialien,fortgesetzt von B. Mugdan, Band V. 6 Entwürfe, Begründungen und sonstige Vorarbeiten in den Materialien vonHahn-Mugdan, Band VIl und VIII. Auch diese

Begründungen werden in dem vorliegenden Lehrbuche nach den Paragraphen der Entwürfe an­ geführt. 6 Sie werden nach den and) beiHahn-Mugdan angegebenen Seitenzahlen des von oer Kom­ mission veranstalteten Druckes angeführt.

Geschichte der Zivilprozeßordnung.

§ 2.

13

zeitig wurde aber durch daS Gesetz, betreffend die Ermäch­ tigung des Reichskanzlers zur Bekanntmachung der Texte verschiedener Reichsgesetze, ebenfalls vom 17. Mai 1898, der Reichskanzler ermächtigt, das GerichtSverfaffungsgesetz, die Civilprozeßordnung, die Konkursordnung, die vier Kostengesetze und das Gesetz, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Kon­ kursverfahrens, in der durch die genannten Gesetze be­ wirkten neuen, vom 1. Januar 1900 an maßgebenden Fassung, und zwar die Civilprozeßordnung und die KonkurSordnung mit neuer, fortlaufender Zählung der Para­ graphen, durch das Reichsgesetzblatt bekannt zu machen, ebenso aber auch das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und das zugehörige Einfüh­ rungsgesetz sowie daS Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Berichtigung der darin enthaltenen Verweisungen auf die Civilprozeßordnung, die Konkursordnung und einige andere Gesetze nach den neuen Paragraphenzahlen dieser Gesetze von neuem bekannt zu machen. Der Reichskanzler entsprach dieser Ermächtigung durch die Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 in Nr. 25 (©. 369 ff.) deS Reichsgesetzblattes von 1898. IV. Eine weitere den Civilprozeß berührende Änderung

des Gerichtsverfaffungsgesetzes wurde herbeigesührt durch das Gesetz, betreffend Änderung deS § 113 deS Gerichts­ verfaffungsgesetzes, vom 20. März 1905. Die Civilpro­ zeßordnung selbst aber erfuhr zur Erleichterung der GeschäftSlast des Reichsgerichtes eingreifende Änderungen durch daS Gesetz, betreffend Änderungen der Zivilprozeßordnung,

vom 5. Juni 1905.7

’ Die Vorarbeiten zu diesem Gesetze finden sich in dm „Materialien zu dem Gesetz vom

S. Juni 1905 betreffend Ände­ rungen der Zivilprozeßordnung" (Leipzig 1905).

14

Einleitung.

Auf die sämtlichen Reichs-Justizgesetze (sowie auch auf das Bürgerliche Gesetzbuch) bezieht sich daS Gesetz, be­

treffend die Rechtsstellung des Herzoglich Holsteinischen Fürstenhauses, vom 25. März 1904.

§ 3. III. Krrrtch der CivUprozeßordnung und dieses Lehrbuches.

I. Die Civilprozeßordnung beschränkt sich, ebenso wie das Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozeßordnung, auf das Gebiet der „ordentlichen streitigen Gerichts­ barkeit", d.h. derjenigen streitigen Gerichtsbarkeit, welche

durch die „ ordentlichen Gerichte" ausgeübt wird.* Die ordentlichen Gerichte sind aber diejenigen, welche als die eigentlich normalen gelten, denen gegenüber alle anderen sich als Ausnahmeerscheinungen darstellen. Außerhalb des Bereiches der obigen Gesetze (sog. ReichsJustizgesetze) liegt also zuvörderst das Gebiet der Ver­

waltung, soweit nicht von ihnen einzelne streng genommen zur Verwaltung gehörigen Geschäfte als Zubehör des Civilprozesses oder des Strafprozesses behandelt sind.2 Ferner liegt außerhalb des Bereiches der Reichs-Justizgesetze die freiwillige Gerichtsbarkeit, soweit sie nicht

gewisse ihrer Art nach eher zur freiwilligen Gerichtsbar­ keit gehörigen Sachen, wie namentlich die Aufgebotssachen und die Entmündigungssachen, in das Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit hereinziehen. Im übrigen bestimmt sich 1 § 2 EG. z. GV., §3Abs. 1 EG. z CP., § 3 Abs. 1 EG. z. StP. Auch das Konkursver­ fahren gehört vom Standpunkte der Reichs - Justizgesetze zum Ge­ biete der ordentlichen streitigen

Gerichtsbarkeit. S.Begr.z.Entw. des EG. z. GV. a.E., Pr.z.GV. S. 71. 9 S. z. B.836 CP., §14,19 StP.; § 57, 779 Abs. 2 CP.; §114, 115 CP. u. dgl. m.

Bereich der Civilprozeßordnung.

§ 8.

15

die Abgrenzung teils durch das Gesetz über die Ange­ legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898, die Grundbuchordnung vom 24. März 1897, das Bürgerliche Gesetzbuch und andere Relchsgesetze, teils durch die Landesgesetze. Auch bemißt sich nach diesen Reichs­

oder Landesgesetzen, welchen Staatsorganen die Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit obliegen. Sie können den ordentlichen Gerichten übertragen werdensie können aber auch anderen Behörden oder Amtspersonen über­ tragen werden. Insbesondere kann die Landesgesetzgebung für die Beurkundung von Rechtsgeschäften, die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches gerichtlicher oder notarieller Beurkundung bedürfen, entweder nur die Ge­ richte oder nur die Notare für zuständig erklärend Endlich liegt außerhalb des Bereiches der Reichs-Justiz­ gesetze die außerordentliche streitige Gerichtsbar­ keit, d. h. diejenige streitige Gerichtsbarkeit, welche durch

Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte oder durch „besondere", d. h. andere als die ordentlichen, Gerichte auSgeübt wird. Auch hier entscheiden über die Abgrenzung die einschlägigen Vorschriften des Reichs- oder Landes­ rechtes. Weil jedoch die ordentlichen Gerichte grundsätz­ lich zur Erledigung aller Sachen der streitigen Gerichts­

barkeit bestimmt sind, so gehören vor diese Gerichte alle

bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, die nicht durch das Reichs- oder Landesrecht den genannten anderen Behörden besonders zugewiesen sind? Ferner sind derlandesb 8 4 EG. z. GV. 4 Art. 141 EG. z. BGB. 6 § 13 GB. Die bürgerlichen Nechtsstreitigkeiten umfassen be­ grifflich alle Fälle, in denen es sich um Schutz (Befriedigung,

Feststellung oder Sicherung) an­ geblich schon bestehender privat­ rechtlicher Ansprüche oder Ver­ hältnisse gegenüber den wider­ streitenden Interessen einer Gegenpartei durch obrigkeitliche

16

Einleitung.

geschlichen Ausschließung oder Erschwerung des „Rechts­ weges", d. h. der Angehung der Gerichte, für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten Schranken gezogen nicht bloß durch die Vorschriften einzelner besonderer Reichsgesetze, die in ge­ wissen Fällen den Rechtsweg für zulässig ertlären,6* 7 *sondern *** auch durch Bestimmungen der Reichs-Justizgesetze selbst? Endlich ist durch diese die Zahl der besonderen Gerichte beschränkt. Außer den reichsgesetzlich bestellten8 oder ge­ ordneten * besonderen Gerichten sind nämlich besondere Tätigkeit handelt. Jede Er­ weiterung wie jede Verengerung dieses Rahmens beruht auf be­ sonderer Rechtsvorschrift. Vgl. ob. § 1II. u. III. 6 So z. 93. § 118 ff. MilitärPensionierungsG. vom 27. Juni 1871, § 79,144,149 ff. ReichsbeamtenG. v. 31. März 1873, § 34 Witwen - VersorgungsG. v. 17. Juni 1887 u. a.

7 S. §9GV., §4,5 Abs. 1 Satz 2 EG. z. CP., §11 Gö z. GB.

8 Hierher gehören namentlich die Konsutargerichte als Gerichte über Deutsche und Schutzgenossen in den Ländern, worin die Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit durch Her­ kommen oder durch Staatsverträge gestattet ist, und die Ge­ richte in den Deutschen SchutzMeten. Beiderlei Gerichte tehen für den Bereich ihrer Zu­ ständigkeit den deutschen ordent­ lichen Gerichten gleich. S. G. über die Konsulargerichtsbarkeit v. 7. April 1900, SchutzgebietS-

!

gesetz in der Fassung vom 10. September 1900. 9 Reichsgesetzlich geordnete be­ sondere Gerichte sind die „Ge­ werbegerich le" für gewisse Streitigkeiten zwischen Arbeitern (auch Lehrlingen) und ihren Ar­ beitgebern sowie zwischen Ar­ beitern desselben Arbeitgebers und die „Kaufmannsgerichte" für ähnliche Streitig­ keiten zwischen Kaufleuten und ihren Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlingen. Die einen wie die anderen werden für den Berirk einer Gemeinde oder mehrerer Gemeinden durch Orts­ statut errichtet. Für Gemeinden mit mehr als 20000 Einwoh­ nern ist die Errichtung geboten; für andere Gemeinden kann sie bei vorhandenem Bedürfnisse er­ folgen. Stets ist aber die Zu­ sammensetzung, der Geschäfts­ kreis und das Verfahren dieser Gerichte reichsgesetzlich geregelt. S. Gewerbegerichtsgesetz in der Fassung vom 29. Sept. 1901, G. betr. die Kaufmannsgerichte v. 6. Juli 1904. Reben diesen

Bereich der Civilprozeßordnung.

17

tz 3.

Gerichte nur für wenige bestimmte Arten von Sachm zugefaffen.10 * * * *Soweit ** die LandeSgesetzgebung von der Be­

fugnis, für solche Sachen besondere Gerichte zu bestellen, keinen

Gebrauch

macht,

ordentlichen Gerichte.

gehören sie von selbst vor die

Doch dürfen sie diesen nach anberen

als den durch das GerichtSverfaffungSgefetz vorgeschriebenen

ZustSndigkeitSnormen übertragen Werden." Ferner kann die LandeSgesetzgebung für solche Sachen auch den ordentlichen

Gerichten ein besonderes Verfahren vorschreiben." AuS dem Bereiche der Civilprozeßordnung insbesondere

scheiden von den zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehörigen Sachen noch aus die Strafsachen, die durch die Strafprozeßordnung, und die Konkurssachen,

die

durch die KonlurLordnung geregelt sind. Der Bereich der Civilprozeßordnung ist zugleich der­

jenige dieses Lehrbuches.

auf

die

Grundzüge

ES bezweckt eine ganz knappe,

beschränkte Darstellung

deS

Civil-

prozeffeS nach Maßgabe der Civilprozeßordnung und der sie ergänzenden Nebengesetze. n. Über die Zulässigkeit des Rechtsweges haben grund­ sätzlich die Gerichte selbst in den vor sie gebrachten Sachen zu entscheiden, und zwar schon von Amts wegen und so,

daß die Feststellung der Zulässigkeit durch rechtskräftige

Entscheidung allen anderen Behörden gegenüber maßgebend ist.18 Für den Fall, daß eine solche Feststellung noch nicht erfolgt ist, kann jedoch die LandeSgesetzgebung die EntGerichten stehen mit verwandten Aufgaben die „Innungen" und die „JnnungSschiedsgerichte". S. § 81a Nr. 4, 81b Nr. 4, 91—01 b GewerbeOrdnung. 10 S. § 14 GB., § 5, 7 EG.

z.GD.Vbd. § 39 Abs. 3 ReichSMilitärG. v. 2. Mat 1874. 11 8 3 Abs. 1 EG. z. GB. "8 3 Abs. 2 EG. z. CP., 83 Abs. 2 EG. z. StP. » 8 17 Abs. 1 vbd. Abs. 2 Nr. 4 GB.

gitttng, 8 503 CP. Vgl. NGer.21. III. 1898 (41 S. 376fg ). 9 8 141 CP. Der Prozeß­ bevollmächtigte der Partei hat ihr den Beschluß mitzuteilen. S. § 218, § 329 Abs. 3 vbd. § 176 CP. Zwang zum Erschei­ nen besteht nicht (Ausnahmen: 8 619, 640, 641 CP.): daS Nichterscheinen kann aber als für die Partei nachteilige Jnzicht verwertet werden: § 286 CP. Vgl. ob. Anm 6. 10 § 142 Abs. 1 CP. Nicht­

befolgung wäre wiedemm nach­ teilige Jnzicht: § 286 CP. — Besondere Vorschrift inAnsehung der Handelsbücher der Parteien: 8 45 Abs. 1HGB, in Ansehung des Tagebuches eines Handels­ mäklers: 8 102 HGB. "8143CP. Alsonichtauch die Akten, die sich nur auf die Vorbereitung des Prozesses be­ ziehen, wie z. B. der Brief­ wechsel mit dem Anwälte. 13 § 142 Abs 2 CP. Vgl. §134 und § 443 CP.

180

X. UL Verfahren. Abschn.1. Allgemeines,

gemachte schriftliche Übersetzung beigebracht toetbe.43 End­ lich kann eS, ebenfalls von Amtswegen, eine Begutachtung durch Sachverständige und die Einnahme eines Augen­ scheins onorbncn.14 * ***16 *** m. Zufolge des dem Gerichte zustehenden Prozeßund SachleitungsamteS43 hat zunächst der Vorsitzende durch geeignete Leitung der Verhandlung einen zweckmäßigen äußeren Gang der Verhandlung und eine sachgemäße An­ ordnung ihres Inhaltes zu veranlasien, sowie auch dafür zu sorgen, daß die Sache erschöpfend erörtert und die Ver­ handlung ohne Unterbrechung zu Ende geführt werde.43 Eine noch stärkere Einwirkung auf den Gang der Ver­ handlung kann aber durch Beschlüsse des Gerichtes selbst geübt werden. Zuvörderst hat es zur Erhaltung der Übersicht und zur Verhütung von Verwirrung und Verzögerung deS 18 § 142 Abs. 3 CP. Bel Nichtbefolgung kann daS Gericht die Urkunde unberücksichtigt lasten oder nach § 144 CP. vbd. § 193 GB. die Übersetzung von Amts­ wegen anordnen, 14 § 144 CP. Und zwar nicht bloß zu richtigem Verständnisse der Parteibehauptungen, son­ dern, wie auS § 3 vbd. § 253 Abs. 3 und aus § 287 CP. er­ hellt, auch zur Ermittelung ihrer WahrheitoderUnwahrheit. Vgl. Begr. z.§354 —366CPE. 16 Prozeßleitung ist die richterliche Tätigkeit, die den Gang des Verfahrens bestimmt. Soweit sie sich auf den Gang der mündlichen Verhandlung be­ zicht, wird sie von der Civil-

prozeßordnung (§ 140) alS „Sachleitung" bezeichnet. Vielfach wird zwischen Prozeß­ leitung und Sachleitung in anderer Weise unterschieden; über die Unterscheidungsmerk­ male ist man aber keineswegs einig. 16 §136 Abs. 1-3 CP. Ent­ scheidung des Gerichtes im Fall der Beanstandung eines die Sach­ leitung betreffenden Schrittes deS Vorsitzenden als unzulässig: § 140 CP. S. ob. Anm. 4. — Die Verhandlung und Entschei­ dung über die Prozeß- oder Sachleitung ist frei von Gerichts­ gebühren: §47 Nr. 1GK. RechtSanwaltSgebühren: § 23 Nr. 1 vbd. §29Nr.6RAGeb.

Prozeß- und Sachleitungsamt des Gerichtes.

§ 41.

181

Verfahrens ein weitreichendes TrennungSrecht. ES kann nach Ermessen anordnen, daß mehrere in einer Klage erhobenen Ansprüche abgesondert in getrennten Prozessen verhandelt werden, so daß von jetzt an der bisher einheitliche Prozeß in eine Mehrheit von Prozessen zerfällt." Gleiches gilt, wenn der Beklagte durch Wider­ klage einen Gegenanspruch geltend gemacht hat, der mit

dem in der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht in rechtlichem Zusammenhänge steht." Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung gellend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhänge steht, so kann daS Gericht eine getrennte Verhandlung über diese Forderung und über die Aufrechnung onotbnen.19 Das Gericht kann

aber in allen den genannttn Fällen, minder weit gehend, sich auch mit der Anordnung begnügen, daß die Ver­ handlung zunächst auf einen der mehreren Ansprüche bezw. auf die Forderung oder auf die aufgerechnete Gegenforderung zu beschränken sei," und diese Anordnung ist sogar bei rechtlichem Zusammenhänge von Forderung und Gegenforderung statthaft.21 Auch bei mehreren selb8145 Abs. 1 CP. Verbot der Trennung in Art. 51 des internst. Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtoerkehrv 14. Oft. 1890 (RGB. 1892 S. 829). " §145 Abs 2 CP. Ein recht­ licher Zusammenhang zwischen Anspruch und Gegenanspruch besteht dann, wenn beide auS dem nämlichen Vertragsverhältnisse oder sonstigen Rechts­ verhältnisse abgeleitet werden (Ml. Begr. z. § 130,131 EPE. Abs. 2,3), oder wenn das Be­

stehen deS einen Anspruches durch dasjenige deS anderen rechtlich bedingt ist. *• § 145 Abs. 3 vbd. § 302 CP. Vgl. unt. §501. ” Dies folgt von selbst auS der durch § 145 CP. gewährten noch weiter gehenden Befugnis und aus § 301, 302 CP. — Auch schon der Vorsitzende kann zufolge § 136 CP. eine solche Anordnung treffen. “ Folgt aus § 301 und § 146 CP.

182

T. III. Verfahren.

Abschn. I. Allgemeines,

ständigen Angriffs- oder Verteidkgungsmitteln,

die sich

auf einen und denselben Anspruch beziehen, kann daS Ge­ richt die Verhandlung zunächst auf eines oder einige davon beschränken.22

Endlich kann es über jeden Zwischen­

streit eine von der Verhandlung der Hauptsache getrennte

Verhandlung onorbncn.23 Auf der anderen Seite hat das Gericht zur Verhütung widerstreitender Entscheidungen und nutzlosen Aufwandes von Zeit und Kosten auch ein Verbindungsrecht. ES kann nämlich nach (Ermessen die Verbindung mehrerer bei ihm" anhängigerProzeffe derselben oder auch verschiedener Parteien zu gleichzeitiger Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozeffe bilden, entweder in rechtlichem Zusammenhänge stehen oder gemeinsam in einer und derselben Klage hätten geltend gemacht werden können.23 Endlich hat das Gericht zur Vermeidung widerstreitender Entscheidungen und zur Wahrung des gebührenden Ein” § 146 CP. Ebenso der Vorsitzende nach § 136 CP. Vbd. 8 303 CP. S. auch 8 461 Abs. I CP. Vgl. ob. 8 31II. " Erhellt aus § 238 Abs. 1, 347 Abs. 2, 350 Abs. 2, 303,461 Abs. 1 CP. Vgl. ob. § 31III. " D. h. bei derselben Kammer oder demselben Senate; denn j. § 71 GV. Sonst würde es ja auch an der praktischen Mög­ lichkeit der Verbindung fehlen; denn welche der verschiedenen Kammern sollte darüber be­ schließen» 8 147 CP. Vbd. 8 300 Abs. 2 CP. Vgl. 8 59, 60, 260 CP. und ob. Anm. 18. Die

Verbindung ist vorgeschrieben in 8 976 Abs. 2 CP., 8 272 Abs. 2, 3O9HGB., 8 51 Abs. 3, 112 Abs. 1 GenossenschastsG. Sie ist verboten in Art. 52, des in Anm. 17 genannten Überein­ kommens. Besondere Vorschrift: 8 959 CP. — Durch die Ver­ bindung werden itach der herr­ schenden Meinung und nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichtes die bisher selb­ ständigen Prozesse zu einem ein­ heitlichen Rechtsstreite vereinigt, was freilich mit dem Wort­ laute von 8 147 CP. und mit 8 300 Abs. 2 CP. schwer zu ver­ einigen ist.

Grundsatz der Einheit der Verhandlung. §42.

183

flusses der Entscheidung einer anderen, nahe verwandten Sache oder einer näher berufenen Behörde ein AussetzungSrecht. Hängt nämlich die Entscheidung des Rechts­ streites ganz oder zum Teil von dem Ausgange eines anderen anhängigen Rechtsstreites, eines Berwaltungsverfahrens oder eines Strafverfahrens ab, so kann das Gericht nach Ermessen die Aussetzung der Verhandlung biS zur Beendigung jenes anderen Verfahrens mwrbnen.26 DaS Gericht kann eine von ihm kraft seines Ermessens angeordnete Trennung, Verbindung oder Aussetzung der Verhandlung nach Ermessen wieder ausheben.2^ Auch kann es die Wiedereröffnung einer bereits geschloffenen Verhandlung auordnen, wenn es nach ihrem Schluffe findet, daß die Sache in tatsächlicher Beziehung nicht voll­ ständig erörtert ist28 §42. cc. Der Grundsatz der Einheit der Verhandlung.

Nach der Civilprozeßordnung erscheint, soweit nicht daS Gericht eine getrennte Verhandlung über einen von mehreren 89 Näheres § 148, 149 CP. Wegen der Anfechtung des Be­ schlusses s. 8 252 CP. In zahl­ reichen Fällen ist die Äusserung reichsgesetzlich oder landesgesetz­ lich vorgeschrieben. Vgl. § 11 Abs. 2 EG. z. GV. Wirkungen der Aussetzung: § 249 CP. — Besondere Vorschriften für die Fälle, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreites davon ab­ hängt, ob eine Ehe nichtig ist, ob eine mittels derAnfechtungsklage angefochtene Ehe anfechtbar ist, oder ob ein Kind, dessen Ehelich­ keit mittels der Anfechtungsklage angefochten worden ist, wirklich unehelich ist, sowie für die Fälle,

wenn int Lause eineS Rechts­ streites streitig wird, ob zwischen den Parteien eine Ehe bestehe, ob zwischen ihnen ein (Eltern = und Kindesverhältnis bestehe, oder ob der einen Partei die elterliche Gewalt über die andere zustehe, und wenn von der Entscheidung einer dieser Fragen die Entschei­ dung des Rechtsstreites abhängt, s. 8 151-154 CP. 8T 8 150 CP. Besondere Vorschrist über die Aushebung der auf Grund der 8 151—153 an­ geordneten Aussetzung: 8155CP. 88 8 156 CP. Vgl 8 136 Abs.4 CP. Vbd. § 526 Abs. 2, 669 Abs. 2 CP.

184

T. m. Verfahren. Abschn. I. Allgemeines.

Ansprüchen, über Forderung und Aufrechnung oder über einen Zwischenstreit angeordnet hat, die gesamte zur Er­ ledigung deS Rechtsstreites in einer Instanz erforderliche mündliche Parteiverhandlung, auch wenn sie äußerlich in verschiedenen Terminsverhandlungen vor sich geht, alS ein einheitliches Ganzes, welches abgesehen von der Scheidung deS Vorverfahrens, der Verhandlung zur Hauptsache und des Nachverfahrens*1 nicht in rechtlich geschiedene Stufen zerfällt? Demzufolge kann, abgesehen von den Ausnahmen, welche diese Scheidung oder jene Trennung mit sich bringt, während deS ganzen Verlaufes der Verhandlung früh oder spät und bis zum Schluffe derjenigen Terminsverhandlung, auf welche unmittelbar daö Urteil ergeht, jedes im Laufe der Instanz überhaupt zulässige Vorbringen wirksanl gemacht und jede überhaupt zulässige Erklärung wirksam abge­ geben werden? Verzögerungen des Prozesses, die durch ein nach dem Ermessen des Gerichtes ungehörig ver­ spätetes Vorbringen entstehen, können jedoch durch gänz­ liche oder teilweise Auferlegung der Prozeßkosten, nach Befund sogar einer besonderen VerhandlungS- oder BeweiSgebühr gestraft werden? Ferner können bet jeder Fortsetzung der Verhandlung in einem späteren Termin oder nach der Unterbrechung durch eine Beweisaufnahme die Parteien ihr Vorbringen oder ihre Erklärungen unter den nämlichen Voraussetzungen wie in 1 S. ob. § 38II. 1 S. Allg. Begr. des CPE. § 6 Abs. 1, 2, Begr. z. § 125 CPE. Abs. 1. 8 S. 8278 Abs.l, 280, 283 Abs. 1,288 CP. Das ailt auch dann, wenn die bereits ge­

schlossene Verhandlung nach § 156 CP. wieder eröffnet wird. 4 § 278 Abs. 2, 283 Abs. 2 CP., § 48 GK. Weiterer Schutz gegen Mißbrauch liegt in dem Trennungsrechte des Gerichtes und in 8 279,374,433 CP.

Grundsatz der Einheit der Verhandlung. § 42.

185

jedem früheren Termin bezw. wie vor der Beweisaufnahme erweitern, berichtigen oder abändern? Hiemit und mit der scharf durchgeführten Mündlich­ keit des Verfahrens hängt es zusammen, daß bei jeder Fortsetzung der Verhandlung in einem weiteren Termin oder nach stattgehabter Beweisaufnahme grundsätzlich alles, was nach der jetzigen Sachlage jede Partei bei der Ent­ scheidung berücksichtigt wissen will, behufs dieser Berück­ sichtigung neu vorgetragen werden muß, wenn auch nur in Gestalt einer kurzen, auf das früher Vorgetragene be­ zugnehmenden „Darlegung des Streitverhältnisses"? Der­ jenige Verhandlungsabschnitt (Terminsverhandlung oder Verhandlung nach erfolgter Beweisaufnahme), welcher der Urteilsfällung unmittelbar vorhergeht, ist daher grund­ sätzlich der allein maßgebende? Hieraus erklärt sich, daß bei Nichterscheinen einer Partei in einem späteren Ver­ handlungstermin oder zu der Verhandlung nach stattge­ fundener Beweisaufnahme das Versäumnisverfahren gegen sie ganz in der nämlichen Weise eintritt wie bei Nicht­ erscheinen gleich in dem ersten Verhandlungstermin? 8 S. 8280, 531 CP. Die in einem früheren Termin gemachten bindenden Erklärungen, wie ge­ richtliches Geständnis, Annahme oderZurückschiebung eines Eides, behalten also auch in jedem späteren Termine ihre Wirksam­ keit; s. 8 532, 533 CP. Und Prozeßhandlungen, die, z. B. nach § 271 Abs. 1, 274 Abs. 3 CP., schon in einem früheren Termin ausgeschlossen waren, sind auch in oen späteren Ter­ minen ausgeschlossen; s. § 528 Abs. 1 CP. " S. § 285 Abs. 1 CP. vbd.

Begr.z.8247,248CPE.Abs.l, 2, Allg. Begr. deS CPE. 8 6 Abs. 1—3. Wie weit bei unver­ änderter Zusammensetzung deS Gerichtes die Wiederholung von bereits früher Vorgetragenem tatsächlich gehen müsse, hängt von den Umständen und von dem Erinnerungsvermögm der Richter ab. Erleichterungen ge­ währen 8 298,509 CP. 7 S. Allg. Begr. deS CPE. 8 6 Abs. 3 8 S. 8332 vgl. 8 330, 331 CP. Vbd. Allg. Begr. des CPE. 8611.

186

Abschn.1. Allgemeine».

T.IN. Verfahren.

§43. d. Schriftliche Feststellung des Sachverhaltes. Projetzaklen.

I. Auch in dem vom Grundsätze der Mündlichkeit be­

herrschten Verfahren bedarf es einer schriftlichen Feststellung deS Sachverhaltes, teils zum Verständnisse der Entschei­ dungen, teils in Rücksicht auf die höheren Instanzen. Sie geschieht nach der Civilprozeßordnung in zwiefacher Weise: teils durch die Terminsprotokolle, insbesondere

die „Sitzungsprotokolle-? teils durch den „Tat­ bestand-, den jedes in vollständiger Form abgefaßte Ur­

teil enthalten mu§? A. Die Sitzungsprotokolle sind die Protokolle über die mündliche Verhandlung (Gesamtverhandlung) vor dem erkennenden Gerichte? Ein solches Protokoll muß jedes­ mal enthalten die Angabe des Ortes und Tages der Verhandlung, die Nanien der daran als Richter, GerichtSschreiber, Staatsanwalt, Dolmetscher sowie als Parteien, gesetzliche Vertreter, Bevollmächtigte, Beistände teil­ nehmenden Personen, die Bezeichnung deS Rechtsstreites, endlich die Angabe, daß öffentlich oder nicht öffentlich verhandelt worden sei? Der Gang der Verhandlung ist nur im allgemeinen anzugeben? Jedoch ist alles in daS Protokoll aufzunehmen, waS, wie z. B. der Aufruf der Sache, die Verlesung der Sachanträge im Anwaltsprozesse, die Tatsache, daß von beiden Parteien oder nur von einer verhandelt worden ist u. dgl., noch außer dem in § 159 und § 160 Nr. 6 CP. Genannten zu den für die münd­ liche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten gehört, weil die Beobachtung dieser Förmlichkeiten bloß durch daS

* S. ob. § 35 IV. ' 8 313 Nr. 3 CP. ' S. ß 159 Abs. 1 CP. Vgl.

ob. Z 40II. 4 8159Abs.2,607Abs4CP. • § 160 Abs. 1 CP.

Schriftliche Feststellung des Sachverhaltes.

§43.

187

Protokoll bewiesen werden kann, durch es aber bis zum Beweise der Fälschung bewiesen totrb.6 Ferner sind auch vom Inhalte der Verhandlung gewisie einzelne Stücke

durch Aufnahme in das Protokoll oder ein ihm als An­ lage beigefügtes Schriftstück7 festzustellen. Und zwar schon

von Amtswegen und im Anwalts- wie im Parteiprozesse: 1) die Anerkenntnisse, Verzichte und Vergleiche, wo­ durch der geltend gemachte (Rechtsschutz-)Anspruch ganz oder teilweise erledigt toitb,® 2) die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen,8 * * 11

3) das Ergebnis eines Augenscheins," 4) die in dem Termin ergehenden Entscheidungen (Ur­ teile, Beschlüsse, Verfügungen) deö Gerichtes und ihre Verkündung." Im Anwaltsprozesse muß außerdem jeder Sachantrag, der nicht in einem vorbereitenden Schriftsätze enthalten ist, oder der von einem früher gestellten in wesentlichen Stücken abweicht, durch eine von der Partei eingereichte Anlage

deS Sitzungsprotokolls festgestellt werden, widrigenfalls er nicht berücksichtigt werden borf.12 In der nämlichen Form sind auf Antrag einer Partei Geständnisse und die Erklärungen über die Annahme oder die Zurückschiebung zugeschobener Eide festzustellen." Desgleichen (eigene oder 6 § 164 CP. Im übrigen bemißt sich die Beweiskraft aller Protokolle nach §415,418 CP. 7 8 160Abs.3CP. 8 8160Nr.l CP. 236b. §306, 307,794 Nr. 1 CP.

8 § 160 Nr. 3 CP. nahme: § 161 CP. 16 § 160 Nr. 4 CP. 11 § 160 Nr. 5, 6 CP.

Aus­

Vgl.

ob. § 32 Anm. 7 a. E. Die An­ ordnungen des Vorsitzenden sind im allgemeinen nicht sestzustellen. — Tie Verkündung gehört schon zu den Förmlichkeiten. S. RGer. 18. III. 1886 (16 S. 331 fg). " §297 Abs.2-4 vbd.§16O Nr. 2 CP. S. auch § 607 Abs.4 CP. " § 298 Abs. 2 vbd. 8 160 Nr. 2 CP.

188

T. I1L Verfahren. Abschn. I. Allgemeines.

fremde) wesentliche Erklärungen anderer Art (Behaup­ tungen, Beweisantretungen u. dgl ), die nicht in vorbe­ reitenden Schriftsätzen enthalten sind, oder wesentliche Ab­

weichungen von dem Inhalte solcher Schriftsätze." Jm Parteiprozesie sind Sachanträge sowie die Erklärungen über Annahme oder Zurückschiebung zugeschobener Eide

sofort und von Amtswegen durch das Sitzungsprotokoll (oder eine Anlage) festzustellen. Sind solche Anträge oder Erklärungen in einem vorbereitenden Schriftsätze enthaltm, so genügt die Bezugnahme darauf in dem Pro­ tokoll. Sonstige Erklärungen einer Partei, insbesondere Geständniffe, sind durch daS Protokoll insoweit festzustellen, alS daS Gericht bei dem Schluffe der mündlichen Termins­ verhandlung, worin die Erllärung erfolgt ist, die Fest­ stellung für angemeffen erachtet." Soweit sich daS Protokoll (oder eine Anlage) auf den Inhalt der Verhandlung, jedoch mit Ausnahme der er­ gehenden Entscheidungen, (also auf § 160 Nr. 1—4 CP.) bezieht, ist eS (bezw. die Anlage) den Beteiligten vorzu­ lesen oder zur Durchsicht vorzulegen und dieses im Pro­ tokoll nebst der erfolgten Genehmigung oder den erhobenen Einwendungen zu termetlen.16 Schließlich ist das Pro­ tokoll von dem Vorsitzenden oder im Fall seiner Ver­ hinderung für ihn von dem ältesten beisitzenden Richter zu unterschreiben. Bei Verhinderung deS Amtsrichters genügt die Unterschrift des Gerichtsschreibers." B. Der Tatbestand eines Urteils ist eine möglichst kurze und übersichtliche Darstellung des Sach- und Streit­ standes nach Maßgabe der mündlichen Vorträge der Par11 §298 Abs. 1 vbd. § ICO Nr. 2 CP. 11 §509 vbd.zi60Nr.2CP.

Vgl. Begr.z.§470CPÄE. a.E. *• § 162 CP. " § 163 CP.

Schriftliche Feststellung deS Sachverhaltes,

g 43.

189

feien mit Hervorhebung der Sachanträge, worüber daS Urteil entscheidet." Er ist mit Hilfe der Terminsproto­ kolle, der bestimmenden und vorbereitenden Schriftsätze,

der etwaigen schriftlichen Notizen der Richter, soweit aber diese Hilfsmittel nicht auSreichen, nach dem Gedächtnisse der Richter zu fertigen. Nach Ermessen kann dabei auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze, auf die Fest­ stellungen im Sitzungsprotokoll und seinen Anlagen oder auf ein früher ergangenes Urteil Bezug genommen werden." In Ansehung deS mündlichen Parteivorbringens ist der

Tatbestand, und zwar nicht bloß dafür, daß etwas darin als vorgebracht Verzeichnetes vorgebracht, sondern auch dafür, daß etwas nicht darin als vorgebracht Verzeichnetes nicht vorgebracht worden ist, dergestalt beweisend, daß dieser Beweis bloß durch eine ausdrückliche Feststellung im Sitzungsprotokoll entkräftet werden Iann.20 Sind bei der Abfassung deS Tatbestandes Irrtümer oder Versehen untergelaufen, so kann jede Partei die Berichtigung bemittagen.21

n. In den Terminsprotokollen mit ihren Anlagen, den dem Gerichte übergebenen Abschriften der bestimmenden und vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen, den bei ihm angebrachten Gesuchen, den auf die Zustellung von AmtS-

wegen bezüglichen Beurkundungen, den Urschriften der Urteile und sonstigen Entscheidungen und den übrigen den Rechtsstreit betreffenden Schriftstücken, die dem Gerichte gehören, bestehen die „Prozeßakten' oder.Gerichts­ akten'.22

Jede (Haupt- oder Hilfs-) Partei hat daS

» § 313 Nr. 3 CP. Bbd. § 350 Abs. 1 CP. " 8313Abs. 2, 543 CP. ” § 314 CP.

" 8 320CP. ©amt §69111. ” 880Abs.l,299Abs.l,544, 566,706 Abs. 1 vbd § 133,159, 160 Abs. 3, 212 Abs. 2, 299

190

T. m. Verfahren.

Abschn. I.

Allgemeines.

Recht, persönlich oder durch einen Bevollmächtigten davon

(auf der GerichtLschreiberei) Einsicht zu nehmen und sich daraus durch den Gerichtsschreiber Ausfertigungen, Aus­ züge und Abschriften erteilen zu loffen.23 Dritte Personen dürfen die Akten nur mit Erlaubnis des GerichtsvorstandeS (b. h. Gerichtspräsidenten oder die Dienstaufsicht führenden Amtsrichters) einsehen, die ohne Einwilligung der Parteien bloß dann erteilt werden darf, wenn ein rechtliches Jnteresie an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht wird."

8 44. 2. Gang des nicht vom Grundsätze der Mündlichkeit beherrschten Verfahrens.

I. DaS Verfahren, daS einer nicht durch mündliche Verhandlung bedingten Entscheidung (Beschluß oder Ver­

fügung) vorausgeht, kann mitunter von Amtswegen er­ öffnet werden.2 Wo daS nicht geschieht oder gar nicht geschehen darf, wird eS eröffnet durch die „Anbringung" eines „Gesuches" um die Entscheidung bei dem Gerichte.2 Und zwar wird schon durch diese Anbringung die Sache anhängig, und damit entsteht für das Gericht, den Vor­ sitzenden, den beauftragten oder den ersuchten Richter die Verpflichtung, für die Erledigung und mithin für die Abs. 3, 362 Abs. 2 CP. Wegen der Handakten der Parteien s. ob. § 21 Anm. 19. " 8 299 Abs. 1 CP. siorm der Aussertiqunqcn und Aus­ züge: §317 Abs. 3 CP. Schreib­ gebühr: § 80,86 Abs 2,97 KG. — Eine Beschränkung enthält 8 299 Abs. 3 CP. " § 299 Abs. 2 CP. Bbd.

8 294 CP. Besondere Vor­ schriften: 8 996 Abs. 2, 1001, 1016,1022 Abs. 2,1023 CP.

1 S. z B. 8 48, 102, 319 Abs. 2 vbd. Abs. 1,873 ff. CP. ' S. z. B. 8 44 Abs. 1, 104 Abs. 2, 118 Abs. 1, 248 Abs 1, 381 Abs. 2, 406Abs 2, 486 Abs. 1 CP. Vgl. ob. §301.

Nicht von der Mündlichkeit beherrschtes Verfahren,

g 44.

191

Veranlassung der dazu erforderlichen Schritte von AmtSwegen zu sorgen? Die Anbringung eines Gesuches geschieht als Regel durch (formlose) Einreichung des schriftlich abgefaßten Ge­ suches? Sie kann aber, wo ein Termin dazu Gelegen­ heit und Veranlassung gibt, auch durch mündliche Stellung des Gesuches bei dem entscheidenden Gerichte oder Richter? endlich in zahlreichen Fällen auch durch mündliche Er­ klärung vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll geschehen? DaS Gesuch einer Partei (nicht auch eines anderen Be­ teiligten^) unterliegt dem Anwaltszwange, wenn es an ein Kollegialgericht gerichtet ist und nicht durch Erklärung zu Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht werden kann? 8 S. § 573 Abs. 2, 571, 577 Abs. 4 CP. 4 Diese Form der Anbringung ist allein zulässig in denRegelsällen des 8 569 Abs. 2 CP. Sie wird außerdem ausdrücklich er­ wähnt in § 236 Abs. 2, 381 Abs. 2, 647,947 Abs. 1 CP. S. auch § 702 CP. Sie ist aber im Sinn des Gesetzes als die regel­ mäßige zu betrachten, weil die zweite nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist, und die dritie immer ausdrücklich hervorgehoben wird.

6 S. § 381 Abs 2 CP. So z. B. auch im Fall des § 44 CP. S. ob. §11 Anm. 9. Jedenfalls beweist § 381 Abs. 2, ebenso wie § 702 CP., daß schriftliche Anbringung nicht zum Be­ griffe des Gesuches gehört. 6 S. §44 Abs. 1, 104 Abs. 2,

118 Abs. 1, 248 Abs. 1, 381 Abs. 2, 406 Abs. 2, 486 Abs. 1, 569 Abs. 2, 647,676 Abs. 3,680 Abs 3, 685, 920 Abs. 3, 936, 947 Abs 1 CP. Außerdem muß aber entspr. § 496, 501, 502, 647, 676 Abs. 3, 680 Abs. 3, 685, 947 Abs. 1 CP. diese Form bei jedem Gesuche zulässig sein, das bei einem Amtsgerichte an­ gebracht wird, also z. B. auch im Fall des § 834 CP. Ferner entspr. § 118 Abs. 1 CP. bei jedem Gesuche, das eine Hand­ lung der Justizverwaltung be­ gehrt. — Die Aufnahme eines Protokolls ist ausnahmsweise nicht erforderlich in ben Fällen des § 702 CP.

7 ©.§381 Abs. 2,569 Abs. 2 vbd. §78 Abs. 2 CP. 8 Folgt aus § 78 CP.

192

II.

T.M.

Abschn. I.

Bersahren.

Die Entscheidung

Allgemeiner.

ein Gesuch

über

kann in der

Regel9* * und * * * 8muß in gewissen Fällen" ohne vorgängiges Gehör deS Gegners ergehen.

Soll er oder ein sonstiger

Beteiligter vorher gehört werden,

oder muß dies aus­

so kann daS Gericht bezw. der

nahmsweise geschehen,"

Richter mit angemessener Fristsetzung eine schriftliche Er­

klärung anordnen."

Für diese Erklärungen besteht der

Anwaltszwang unter den nämlichen Voraussetzungen, unter denen er für daS Gesuch besteht.

Wo er besteht, können

sie nur durch schriftliche Eingabe, sonst auch zu Protokoll deS GerichtSschreiberS abgegeben »erben.13

Die Entschei­

dung wird, wenn sie ohne vorgängiges Gehör oder nur

auf schriftliches Gehör der Beteiligten ergeht, schriftlich erlasien und ist dann in der Regel allen Beteiligten von

AmtSwegen zuzustellen.11 * DaS Gericht bezw. der Richter kann aber zur Anhörung der Beteiligten nach Ermeffen statt schriftlicher Erklärungen

oder behufs ihrer Ergänzung auch eine mündliche Ver­ handlung

anordnen.13

Diese Anordnung

• Folgt auS § 102 Abs. 2, 225 Abs. 1 vgl. Abs. 2; 573 Abs. 1 vbd. Abs. 2; 688 66b. § 692; 844 Abs. 2 vbd. § 764 Abs. 3; 891; 921 Abs. 1 vbd. 8 922Abs. 1,924 CP. S- auch Allg Begr. deSCPE. §4 Abs.7. 18 S. § 611 Abs. 2. 834 CP. S. auch ß 48 Abs. 2 CP. 11 S. 8102 Abs. 2,225 Abs. 2, 844 Abs. 2, 891 CP. S. auch § 622 CP. " S. § 573 Abs. 2 CP. und Allg. Begr. deSCPE. 8 4 Abs. 7. Auch dem Gesuchsteller kann allenfalls noch eine weitere

ist

dann mit

schristliche Erklärung aufgegebcn werden. 11 Folgt auS 8 78,573 Abs. 2 CP. vbd. Allg. Begr. des CPE. a. a. O. " §329Abs.3CP. Näheres s. ob. §32II. 15 S. Allg. Begr. des CPE. § 4 Abs. 7. Daß auch der Vor­ sitzende sowie ein beauftragter oder ein ersuchter Richter seinen Entscheidungen eine mündliche Verhandlung vorausgehen lassen kann, erhellt aus §329 Abs. 2, 3 vbd. § 312, ferner aus § 733 Abs. 3 („wenn die Entscheidung

Nicht von der Mündlichkeit beherrschtes Verfahren, ß 44.

193

der TermlnSbestlmmung den Beteiligten von AmtSwegen zuzustellen, dem Gegner deS Gesuchstellers unter Mit­ teilung deS Gesuches." Findet die Verhandlung vor einem Kollegialgerichte statt, so hat in dem Termin ein Mitglied des Gerichtes über die vor der mündlichen Ver­ handlung erfolgten schriftlichen Erklärungen Bericht zu erstatten." Für die mündlichen Vorträge der Parteien (nicht auch anderer Beteiligten besteht, wenn vor einem Kollegialgerichte verhandelt wird, der Anwaltszwang." Auch sonst sind die Vorschriften, die für die mündliche Verhandlung in dem vom Grundsätze der Mündlichkeit beherrschten Verfahren gelten, entsprechend anzuwenden. Jedoch brauchen die Parteien keine mündlichen Anträge zu stellen, weil bloß über das Gesuch zu entscheiden ist, dessen Stellung bereits in seiner Anbringung Hegt.20 Auch sind, da die Civilprozeßordnung nur Versäumnis­ urteile, aber keine Versäumnisbeschlüsse oder Versäumnis­ verfügungen kennt, die Regeln des VersäumniSverfahrenS hier nicht anwendbar. Sondern der Beschluß oder die --------- nicht verkündet ist") und § 406 Abs. 4 vgl. § 405,406 Abs. 2 CP. 18 §329 Abs. 3 CP. Eine La­ dung ist nicht erforderlich: entspr. § 218, 352, 366 Abs.2, 370 Abs. 2,555 Abs. 1 CP. Vgl. ob. § 34 bei Anm. 11. Daß von AmtSwegen auch der Verhandlungsiermin bestimmt und den Beteiligten bekannt gemacht wird, folgt schon auS dem ob. I Gesagten. Auch steht hier, ab­ gesehen von dem Arreswerfahren, die mündliche Verhandlung nach Zweck und Bedeutung aus gleicher

Linie mit den schriftlichen Er­ klärungen, die daS Gericht hätte anordnen können, und sie muß daher in gleicher Weise herbei­ geführt werden. Die Meinungen über die Frage sind steilich sehr verschieden. Eine feste Recht­ sprechung besteht noch nicht. S. RGer. 18 IX. 1897 (39 S.424). 17 Entspr. § 389 Abs. 3 CP. S. auch 8 388 vbd. § 386 Abs. 3 CP. 18 Entspr. § 387 Abs. 2 und nach § 78 Abs. 1 CP. 19 8 78 Abs. 1 CP. 10 S. 8 236 Abs. 2 CP.

Fitting, Livllpro-eß. 12. u. 13. Aufl.

13

164

T. HI.

Verfügung

Abschn. 1.

Verfahren.

ergeht

Allgemeine-. oder sogar

bei Nichterscheinen eines

aller Beteiligten auf Grund des Gesuches und der sonstigen vor der mündlichen Verhandlung etwa erfolgten schriftlichen sowie der von

dem

erschienenen Beteiligten

gemachten

mündlichen Erklärungen."

8 45.

VI. Stillstand des Verfahrens. I. Das Verfahren im Rechtsstreite kann unbeschadet der Fortdauer der Rechtshängigkeit zu zeitweiligem Still­ stände kommen.

Und zwar ist hier zu unterscheiden die

„Unterbrechung",

d. h.

der unabhängig vom Willen

des Gerichtes und der Parteien eintretende, die „Aus­ setzung", d. h. der durch Anordnung des Gerichtes her­

beigeführte, endlich das „Ruhen" des Verfahrens, d. h. der auf dem gemeinsamen Willen oder der gemeinsamen

Untätigkeit der Parteien beruhende Stillstand. n. Eine Unterbrechung des Verfahrens wird bewirkt

durch jedes Ereignis, das entweder einer Partei oder dem Gerichte eine Tätigkeit in der Sache einstweilen unmög­ lich macht.

Nämlich:

1) durch den Tod einer nicht durch einen Prozeßbe­ vollmächtigten

vertretenen

Partei?

Ihre

Erben

oder

sonstigen Rechtsnachfolger - treten zwar von selbst in ihre 11 Entspr. §388, 387 Abs. 1, 389 Abs. 3 CP. Nur derSchlußsatz des § 389 Abs. 3 kann als Ausfluß der den Fall des § 389 ausnahmsweise beherrschenden Eventualmaxime nicht entsprechend angewendct werden. ' §239Abs.lvbd.g246CP.

’ Darunter sind hier alle Die­ jenigen zu verstehen, welche von Todeswcgen in das Recht und die Pflicht der Partei eintreten. S. RGer.4.11.1890(26©. 141), 16.X. 1893 (31 S. 334), 9. H. 1895 (84 S. 430)."

Stillstand des Verfahrens, g 45.

195

Parteirolle ein und sind daher der Gegenpartei gegenüber zur Fortführung des Verfahrens berechtigt und genötigt. Da sie aber in den meisten Fällen tatsächlich nicht in der Lage

sind, sich sofort mit dieser Fortführung zu befasien, so steht, falls nicht der Verstorbene einen Prozeßbevollmächtigten bestellt hat,^ das Verfahren von seinem Tode an still, bis seine Rechtsnachfolger es „aufnehmen", d.h. der Gegen­ partei durch Zustellung eines Schriftsatzes oder in einem Verhandlungstermin mündlich erklären, nunmehr das Ver­ fahren fortsetzen zu wollen.* Wird von ihnen diese Auf­ nahme ungebührlich verzögert, so kann die Gegenpartei ihrerseits die Beendigung der Unterbrechung durch Ladung der Rechtsnachfolger zur Aufnahme herbeiführen, womit, falls nach der Lage der Sache noch eine Verhandlung zur Hauptsache erforderlich ist, die Ladung zu dieser Ver­ handlung verbunden werden muß.^ Erscheint der Geladene 8 Denn s. § 86 CP. < 8239 Abs.1 vbd. Abs. 2, 4 und 8 250 CP. Bestreitet ihnen der Gegner die Eigenschaft als Nechtsnachsolger, so ist über diesen die Sachlegitimation be­ treffenden Zwischenstreit durch Urteil zu entscheiden. Wenn es die Rechtsnachfolge bejaht, und mithin zufolge der erklärten Auf­ nahme das Verfahren seinen Fortgang nimmt, so ist es ein nicht selbständig anfechtbares Zwischenurteil (nach 8 303 CP.). Verneint es dagegen die Rechts­ nachfolge, und erscheint also die erklärte Aufnahme als unberech­ tigt und unwirksam, so ergeht es als Endurteil, das den Auf­ nehmer unter Verurteilung in

die Kosten des Aufnahmeversahrens abweist. S. RGer. 7. XL 1894 (34 S. 383 fg), 9. II. 1895 (34 S. 429 fg.). Vgl. auch RGer. 26.IV.1884(11S. 317fg.), 5.11.1900 (46 S. 320 ff.). 8 8 239 Abs. 2 CP. S. auch 8 239 Abs. 3 CP. Vbd. in An­ sehung des Parieiprozesses 8 501 CP. — Die Verbindung einer Ladung zur Verhandlung der Hauptsache mit der Ladung zur Aufnahme ist z. B. nicht mög­ lich, wenn die Unterbrechung des Verfahrens bloß zum Zwecke der Zustellung eines Urteils be­ endigt werden soll, oder um eine unterbrochene Notfrist wieder in Lauf zu bringen (s. 8 249 Abs. 1 CP.).

196

T. III. Verfahren.

Abschn. I.

Allgemeines.

in dem Termin, so ist damit die Unterbrechung des Ver­ fahrens beendigt, wenn er seine Verpflichtung zur Aufnahme nicht bestreitet. Bestreitet er sie, weil er entweder die vom Gegner behauptete Rechtsnachfolge leugnet oder Gründe vorbringt, weshalb ihm die Aufnahme noch nicht zugemutet werden sönne,6 so ist die Unterbrechung erst beendigt, wenn dieser Zwischenstreit zu seinen Ungunsten entschieden ist7 Erscheint (oder verhandelt) er in dem

Termine nicht, und beantragt die erschienene Gegenpartei die Erlasiung eines Versäumnisurteils, so ist die von ihr behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden zu behandeln

und gegen den Geladenen das Versäumnisurteil im Sinn der erfolgten Aufnahme des Verfahrens, falls aber zu­ gleich zur Verhandlung der Hauptsache geladen war, in dieser selbst zu erlassen.6 Diese Regeln über die Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei und über ihre Beendigung kommen entsprechend zur Anwendung, wenn während des Rechtsstreites zwischen einem Vorerben und einem Dritten über einen der Nacherbfvlge unterliegenden Gegenstand der Fall der Nacherbfolge eintritt, vorausgesetzt daß der Voreibe befugt war, ohne Zustimmuug des Nacherben über den Gegenstand zu verfügen? 2) Das Verfahren wird ferner unterbrochen, wenn, bet Nichtvorhandensein eines Prozeßbevollmächtigten,10 eine Partei die Prozeßfähigkeit (z. B. durch Entmündigung) 8 § 239 Abf. 4 CP. vgl mit 6 Ein solcher Grund liegt für I den Erben des Verstorbenen ! der Fassung dieses Absatzes in stets darin, das; er die Erbschaft : §217 CP. a. F. noch nicht angenommen hat: 9 § 242 vbd. § 246 CP. Vgl. § 239 Abf. 5 CP. vbd. § 1943 §2112,2136 BGB. BGB. Vgl. § 1958 BGB. " § 246 CP. Vgl. § 86 CP.

7 S. ob. Anm. 4.

Stillstand des Verfahrens. § 45.

107

verliert oder der gesetzliche Vertreter einer prozeßunfähigen

Partei bei Fortdauer ihrer Prozeßunfähigkeit durch seinen Tod oder durch Aufhören seiner Vertretungsbefugnis weg­ fällt. Tie Unterbrechung dauert in diesen Fällen so lange,

bis durch Zustellung eines Schriftsatzes entweder der ge­ setzliche Vertreter bezw. neue gesetzliche Vertreter dem Gegner seine Bestellung oder dieser jenem seine Absicht der Fortsetzung des Verfahrens anzeigt." Dem Verluste der Prozeßfähigkeit des Erben steht es bezüglich der Unterbrechung des Verfahrens gleich, wenn eine Nachlaßverwaltung angeordnet toirb.11 12 13

3) Wird im Laufe des Verfahrens der Konkurs über das Vermögen einer Partei eröffnet, so wird, falls der Rechtsstreit die Konkursmasse betrifft, durch die Konkurs­ eröffnung das Verfahren selbst dann unterbrochen, wenn die Partei durch einen Prozeßbevollmächtigtcn vertreten war. Die Unterbrechung wird hier beendigt entweder

durch die Allsnahme des Verfahrens gemäß den Vorschriften der Konkursordnung ober, wenn währenb bes Konkurs­ verfahrens bie Aufnahme nicht erfolgt ist, ohne weiteres durch bie Veenbigung bes Konkursverfahrens."

11 8 241 Abs. I vbd. 8 250 CP. In gleicher Weise wird die durch den Tod einer Partei eingetretciie Unterbrechung des Ver­ fahrens beendigt, wenn für den Nachlast ein Nachlastpfleger be­ stellt oder ein zur Führung des Nechtsstreites berechtigter Testa­ mentsvollstrecker vorhanden ist: 8 243 13 § 241 Nbs. 2 CP. Vgl. 81975,1981 ff. BGB.

18 §240 CP. Vbd. 810,11, 144 Abs. 2, 146 Abs. 3 KO. S. auch 8 13 Abs. 2 AnfechtungsG. Wird nach Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei der Konkurs über den Nachlaß eröffnet, so wird wäh­ rend des Konkursverfahrens die Unterbrechung ebenfalls durch Aufnahme des Verfahrens gemäß den Vorschriften der Konkurs­ ordnung beendigt: 8 243 CP.

198

T. HL Verfahrm.

Abschn. I.

Allgemeines.

4) Wenn in einem Anwaltsprozesse der für die Instanz

als Prozeßbevollmächtigter bestellte Anwalt einer Partei stirbt oder zur Fortführung der Vertretung unfähig wird (z. B. durch Ausscheiden auS der Anwaltschaft bei

dem Prozeßgerichte), so wird das Verfahren unterbrochen,

biS der bestellte neue Anwalt dem Gegner durch Zu­ stellung eineS Schriftsatzes seine Bestellung anzeigt." Wird diese Anzeige verzögert, so kann die Beendigung der Unterbrechung von der Gegenpartei auf doppeltem Wege herbeigeführt werden. Entweder durch Ladung der Partei selbst zur mündlichen Verhandlung der Hauptsache (unter Aufforderung zur Bestellung eines Anwaltes-; die Unter­ brechung ist dann mit der Zustellung der Ladung be­ endigt. Oder durch Zustellung einer bloßen Aufforderung an sie zur Bestellung eines neuen Anwaltes innerhalb einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist. Wird dann die Unterbrechung nicht schon vor Ablauf dieser Frist durch die Anzeige der Bestellung eines neuen Anwaltes beendigt, so endigt sie von selbst mit dem Ablaufe der Frist. In jedem der beiden Fälle können von der Beendigung der Unterbrechung an biS zu nachträglicher Anzeige der Be­ stellung eines neuen Anwaltes alle Zustellungen an die säumige Partei, falls diese weder am Orte des ProzeßgerichteS noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirkes wohnt, worin jenes Gericht seinen Sitz hat, durch Aufgabe zur Post erfolgen." 5) Endlich wird das Verfahren unterbrochen durch sog. Gerichtsstillstand, d. h. durch Aushören der Tätigkeit des Gerichtes wegen Krieges oder eines anderen äußeren Ereignisses, z. B. einer ansteckenden Krankheit, Übcr-

« 8244 Abs. 1 vbd. § 250 CP. |

16 § 244 Abs. 2 CP.

Stillstand des Verfahrens,

schwemmung u. dgl.

§ 45.

199

Die Unterbrechung beginnt von selbst

mit dem tatsächlichen Eintritte, sie endigt von selbst mit der tatsächlichen Beendigung des Gerichtsstillstandes.18 in. Die Aussetzung des Verfahrens muß vom Ge­ richte angeordnet werden, wenn durch den Tod einer Partei, den Eintritt der Nacherbfolge, den Verlust der

Prozeßfähigkeit einer Partei, den Wegfall ihres gesetz­ lichen Vertreters oder die Anordnung einer Nachlaßver­ waltung (|. ob. II. Nr. 1 und 2) eine Unterbrechung des Verfahrens darum nicht eingetreten ist, weil die Partei durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nun aber dieser Bevollmächtigte die Aussetzung beantragt. In den Fällen des Todes und der Nacherbfolge muß die Aussetzung auch auf Antrag der Gegenpartei erfolgen.*17 Durch die Aussetzung wird hier die nämliche Sachlage hergestellt, wie durch die Unterbrechung, die bei Nichtvor­ handensein eines Prozeßbevollmächtigten eingetreten sein würde, und sie wird daher in derselben Weise beendigt, wie je nach Verschiedenheit des Falls diese Unterbrechung beendigt tourbe.18

Das Gericht kann nach Ermessen, auf Gesuch einer Partei oder auch von AmtSwegen, die Aussetzung des Verfahrens anordnen, wenn eine Partei sich zu Kriegs­ zeiten im Militärdienste befindet, oder fich an einem Orte aufhält, der durch obrigkeitliche Anordnung oder durch Krieg oder durch andere Zufälle, z. B. Überschwemmung, vom Verkehr mit dem Prozeßgerichte abgeschnitten ist. Die Aussetzung dauert hier so lange, bis sie nach der

§ 245 CP. 17 § 246 Abs. 1 CP. Vgl. Begr.z.§2I5CPE. Abs. I.

" § 246 Abs. 2 CP. Vgl. ob. II. Nr. 1, 2.

200

T.IN. Verfahren. Abschn. I. Allgemeine-.

Beseitigung deS Hindernisse- durch Beschluß deS anord­ nenden Gerichte- wieder aufgehoben tolrb.19 20 Ein Gesuch um Aussetzung kann schriftlich oder bet Gelegenheit einer mündlichen Verhandlung mündlich, aber auch durch Erklärung zu Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht werden (also kein Anwaltszwang). Die Ent­ scheidung darüber kann ohne vorgängige mündliche Ver­ handlung erfolgen?9 IV. Die Wirkungen der Unterbrechung und der Aus­ setzung sind die nämlichen. Durch beides wird der Lauf einer jeden Frist, selbst einer Notfrist, in der Weise auf­ gehoben, daß nach der Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem läuft.21 Ferner haben Prozeßhandlungen, die eine Partei während der Unterbrechung oder Aussetzung in Ansehung der Haupt­ sache, d. h. nicht lediglich zur Beseitigung der Unterbrechung oder Aussetzung, vornimmt, „der anderen Partei gegen­ über" keine rechtliche Wirkung, d. h. sie sind nur wirk­ sam, wenn diese Partei sie als wirksam behandelt.^ Auch das Gericht kann vor der Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung Prozeßhandlungen in Ansehung derHaupt19 §247 vbd. 8160 CP. Be­ sondere Fülle, in denen das Gericht die Aussetzung des Ver­ fahrens anordnen kann oder muß, s. 8 65, 151—154, 620, 621, 681, 953, 969 CP. Über die Aussetzung der mündlichen Verhandlung kraft des Aussetzungsrechles des Gerichtes s. ob. 8 41 g. E. 20 8 248 CP. Sie ist frei von Gerichtsgebühren: 8 47 Nr. 1 GK. Rechtsanwallsgebühren: 8 23 Nr. 1 vbd. § 29 Nr. 6 RAGeb.

Gegen den Beschluß, der eine Aussetzung anordnet, ist einfache Beschwerde, gegen den Beschluß, der sie ablehnt, sofortige Be­ schwerde statthaft: 8 252 CP. 21 8 249 Abs. 1 CP. Dies ist jedoch nur aus die eigentlichen prozessualischen Fristen anwend­ bar, al'o namentlich nicht auf die ausschließenden Jahresfristen der Civilprozeßordnung. Vgl. ob. 8 36 Anm. 14. 22 8 249 Abs. 2 CP. Vbd. § 295 Abs. 1 CP.

Stillstand de- Verfahrens.

§ 45.

201

fache, wie z. B. Zeugenvernehmungen, Einnahme eines

Augenscheins u. dgl., nicht mit rechtlicher Wirkung gegen­ Nur die Verkündung der auf Grund einer mündlichen Verhandlung zu erlassenden Entscheidung wird durch eine Unterbrechung des Verfahrens, die erst nach dem Schluffe dieser Verhandlung eintritt, nicht gehindert?« V. Da das Verfahren im Civilprozesse nur im Inter­ esse der Parteien stattfindet, so können diese in jeder Lage deö Rechtsstreites kraft Vereinbarung das Verfahren ruhen lasten?« Eine solche Vereinbarung hat dieselben prozeßrechtlichen Wirkungen wie die Aussetzung des Ver­ fahrens?« Während der Dauer des Ruhens kann also keine Partei „der anderen gegenüber" wirksame Prozeß­ handlungen vornehmen. Ferner muß sich daS Gericht jeder Tätigkeit in der Sache und sogar der Verkündung einer schon gefüllten Entscheidung enthalten. Endlich wirkt die Vereinbarung auch auf den Lauf der Fristen ebenso wie die Aussetzung. Nur auf den Lauf der Notfristen hat sie keinen Einfluß?^ und folglich können auch die zur Wahrung einer Notfrist erforderlichen Prozeßhandlungen während deS Ruhens wirksam vorgenommen werden. DaS alleS gilt aber in vollem Umfange nur dann, wenn für daS Ruhen des Verfahrens eine Frist vereinbart ist. Denn ist keine Frist vereinbart, so endigt der Stillstand durch jede Prozeßhandlung einer Partei, worin sich der Wille über den Parteien vornehmen?«

" Folgt mittelbar auS § 249 Abs. 3 CP. " § 249 Abs. 3 CP. " §251 Abs. 1 CP. ’• S. RGer. 7. V. 1901 (49 S. 349 ff.). " § 251 Abs. 1 Satz 2 vbd.

§ 224 Abs. 1 CP. Bgl.Begr.z. § 220 CPE. Abs. 1 a. E. Gleiches muß von den Fristen der § 234 Abs. 2, 654 Abs. 2 CP. gelten, weil auch sie durch Vereinbarung der Parteien nicht verlängert werden können.

202

T. m. Verfahren.

Abschn. I.

Allgemeines,

der Fortsetzung deS Verfahrens ausspricht, wie z. B. je nach der Sachlage Ladung zur mündlichen Verhandlung, Zustellung eineS Urteils, Einlegung eines Rechtsmittels usw. In dem vom Grundsätze der Mündlichkeit beherrschten Verfahren tritt Ruhen des Verfahrens auch dann ein, wenn in einem zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termin beide Parteien nicht erscheinen oder nicht verhandeln, und zwar ruht es dann so lange, bis eine Partei von neuem zur mündlichen Verhandlung labet.28

§ 46. VII. Mängel im Civilprozesse. I. Im Civilprozesse sind zwei Hauptarten von Mängeln zu unterscheiden, die sich als materielle Mängel und Mängel des Verfahrens bezeichnen lassen. Materielle Mängel sind solche, die bloß den Prozeß­ stoff betreffen und entweder in mangelhafter Beschaffenheit oder in mangelhafter richterlicher Beurteilung des Prozeß­ stoffes bestehen. Jenes z. B. bei unrichtiger oder unge­ nügender Begründung eines Anspruches, unterlaffener Geltendmachung triftiger Rechtsbehelfe, Unwahrheit von Zeugenaussagen, Unechtheit von Urkunden, Leistung eines falschen Eides u. dgl., dieses bei unrichtiger Anwendung von Rechtssätzen, Annahme einer Tatsache als bewiesen unter Umständen, unter denen diese Annahme nicht gerecht­ fertigt war, u.dgl. Solche Mängel beeinträchtigen niemals die Gültigkeit und Wirksamkeit des Verfahrens.2 Haben sie zu einem dem materiellen Rechte nicht entsprechenden End­ urteil geführt, so gewähren in der Regel bloß die RechtS-

-« 8251 Abs. 2 CP. I 325),8.VII. 1885(146.382fa.), 1 RGer. 18. III. 1883 (9 S. | 22. XII. 1886 (17 S. 348 o. E.).

Mängel tat Civilprozesie.

§ 46.

203

mittel oder bei Versäumnisurteilen der Einspruch, nur unter besonderen Voraussetzungen auch die RestitutionSklage eine Hilfe.

II. Die Mängel des Verfahrens bestehen teils in fehlerhafter, d. h. dem Gesetze nicht entsprechender, Art und Form des prozessualischen Handelns (wie z. B. fehlerhafte Klageerhebung, unbeeidigte Vernehmung von Zeugen, un­ richtige Ausführung von Zustellungen, Vornahme einer Prozeßhandlung erst nach Ablauf der dafür bestimmten

Frist), teils in dem Mangel prozeßrechtlicher Voraus­ setzungen für die Wirksamkeit eines seiner Art und Form nach fehlerlosen prozessualischen Handelns (wie z. B. vor­ schriftswidrige Besetzung des Gerichtes, Prozeßunfähigkeit einer Partei, Ausschließung eines Richters von der Aus­ übung seines Amtes kraft Gesetzes). Die Folge eines solchen Mangels ist alS Regel die Un­ gültigkeit der davon betroffenen Prozeßhandlung? Jedoch

ist hier ein wesentlicher Unterschied zwischen den „un­ verzichtbaren", d. h. von dem Willen der Parteien un­ abhängigen, und den „verzichtbaren", d. h. von dem Willen der Parteien abhängigen, Mängeln des Verfahrens. Die ersten können von jeder Partei und in jeder Lage deS Rechtsstreites geltend gemacht werden, selbst wenn sie ausdrücklich darauf verzichtet hätte? Dagegen kann ein verzichtbarer Mangel des Verfahrens von einer Partei nicht mehr wirksam geltend gemacht werden, wenn sie aus­ drücklich darauf verzichtet, oder wenn sie ohne gesetzliche Ent­ schuldigung die rechtzeitige Geltendmachung versäumt hat. Wann die rechtzeitige Geltendmachung versäumt ist, ist

1 Vgl. §551, 579 CP. I 528 Abs. 1, 566, § 295 Abs. 2, • S.§88Abs.l,8274Abs.3, | 530, 558 CP.

204

T. HL Verfahren.

Abschn. L Allgemeines,

für die verschiedenen Fälle verschieden bestimmt; doch lasten sich diese Vorschriften auf den allgemeinen Grundsatz zurück­ führen, daß die an sich zur Rüge eines verzichtbaren Mangels berechtigte Partei von der wirksamen Rüge ausgeschlosten ist, sobald sie eine Prozcßhandlung vorgenommen

hat, womit die nachträgliche Geltendmachung des Mangels in innerem Widerspruche stehen würde. So kann eine Partei einen Richter nicht mehr wegen Besorgnis der Be­ fangenheit ablehnen, wenn sie bei ihm ohne Geltend­ machung des Ablehnungsgrundes sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, es wäre denn, daß sie glaubhaft macht, der Ablehnungsgrund sei erst später entstanden oder ihr bekannt geworden.^ Ter Mangel einer Prozeßvoraussetzung, den der Beklagte durch eine verzichtbare prozeßhindernde Einrede geltend machen kann, kann nicht mehr wirksam geltend gemacht werden, nach­ dem der Beklagte seine mündliche Verhandlung zur Haupt­ sache begonnen hat, falls er nicht glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden zur vorherigen Geltendmachung außerstande gewesen fei.4 5 Jeden anderen verzichtbaren Mangel des Verfahrens kann die Partei, deren Interesse durch die verletzte Vorschrift gewahrt werden soll, nicht mehr wirksam rügen, wenn sie darauf verzichtet, oder wenn sie den Mangel bei der nächsten mündlichen Ver­ handlung, die auf Grund des damit behafteten Verfahrens (z. B. der mangelhaften Ladung) stattgesunden hat oder worin auf dieses Verfahren § 267 CP. 536b. § 284 Abs. 1, 291, 292, 818 Abs. 4, 847, 987, 989, 994 Abs. 2,996, 1300 Abs. 2, 1613, 2023 BGB., § 852 CP.

" § 209, 941 BGB. § 207 Abs. 1 CP.

Vbd.

" § 263 Nr. 1 vbd. § 274 Nr. 4 CP.

Klageerhebung. Klageänderung,

§ 47,

221

2) Die Zuständigkeit deS ProzeßgerkchteS wird, wenn sie

nach den Umständen zur Zeit der Klageerhebung begründet

war, durch eine spätere Veränderung dieser Umstände nicht berührt, bb 3) Auch eine Veränderung der aktiven oder passiven Sachlegitimatkon nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit hat regelmäßig auf den Prozeß keinen Einfluß." (S. unt. § 80 IL) 4) Endlich ist nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit der Kläger nicht einseitig zu einer die Verteidigung des Beklagten erschwerenden „Änderung der Klage" befugt. Eine Änderung der Klage liegt vor, wenn das Vor­

bringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung von dem wesentlichen Inhalte der Klageschrift abweicht. Sie besteht entweder in einer Änderung des Klagegrundes oder in einer Änderung des Klagantrages oder endlich

in einer Änderung

deS einen und deS anderen.

Der

Klagegrund erscheint als geändert, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung den (bisherigen oder eben­ falls geänderten) Klagantrag auf einen anderen Tatbestand als den in der Klageschrift angegebenen stützt, so daß er

jetzt entweder einen anderen materiellen Anspruch alS in der Klageschrift geltend macht, also im Grunde unter Zurücknahme der erhobenen Klage (f. unt. VI.) eine neue Klage erhebt," oder zwar denselben Anspruch geltend " § 263 Nr. 2 vbd. §4 CP. S- jedoch § 506 CP. — Dage­ gen genügt es, wenn die anfangs nicht begründete Zuständigkeit im Laufe .deS Rechtsstreites, z.B. durch Änderung des Wohn­ sitzes deS Beklagte», begründet wird: RGer. 8. VII. 1902 (52 S. 136 ff.).

" § 265, 266 CP. 85 Wie z. B. wenn der Kläger, der in der Klageschrift die Ver­ urteilung des Beklagten zur Zahlung von 1000 Jt wegen eines ihm am 1. April gegebenen Darlehens beantragt hat, nach dem Beweise der Rückzahlung dieses Darlehen- jenen Antrag

222

T. III. Abschn. II. Kap. I. Ordentl. Verf. in erster Instanz,

macht, ihn aber jetzt aus einem anderen Rechtsgrunde (rechtlichen Gesichtspunkte) ableitet,36 oder die aktive oder passive Sachlegitimation in anderer Weise begründet.3? Dagegen ist es keine Änderung des Klagegrundes, wenn der Kläger unter Festhaltung des in der Klageschrift an­ gegebenen Tatbestandes die dort gemachten tatsächlichen Angaben erweitert oder ergänzt oder in Einzelheiten be­ richtigt,^^ oder wenn er jenen (unveränderten) Tatbestand unter neue rechtliche Gesichtspunkte stellt (vgl. ob. § 30 II.).39 Der Klagantrag wird geändert nicht nur, wenn in der mündlichen Verhandlung die Verurteilung des Beklagten zu einer anderen Leistung als der in der Klageschrift ge­ forderten (z. B. zum Schadenersätze statt zu der ursprüng­ lich geforderten Herausgabe einer bestimmten Sache) oder die Feststellung eines anderen als des dort bezeichneten

auf ein anderes, am I. Juli gegebenes Darlehen stützt, oder wenn er auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe wegen einer schon vor der Klageerhebung angeblich geschehenen Vertragsverletzung geklagt hat und nach der in erster Instanz erfolgten Abweisung dieser Klage sich in der Be­ rufungsinstanz auf eine andere, während des Rechtsstreites be­ gangene Vertragsverletzung be­ ruft. S. wegen dieses Falls RGer.8. II 1901 (48 § 519 Abs. 2 CP. Die

Berufungsanträge gelangen also nicht, entsprechend dem Klag­ antrage, schon durch die Zu­ stellung der Bemfungsschrift an denBerusungSbellagten, sondern erst durch die mündliche Stellung in der Gerichtssitzung zu recht­ lichem Dasein.

§ 518 Abs. 3 CP. ” § 544 Abs. 1 CP.

27*

420

T.III. «bschn. II. Kap. II. Rechtsmittel.

gung statthaft.

Sie geschieht entweder durch mündliche

Erklärung im Verhandlungstermin oder durch Zustellung eines Schriftsatzes an den Berufungsbeklagten, wovon

sofort nach der Zustellung Abschrift auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen ist, und sie bringt alles rechtlich in die Lage, wie wenn die Berufung gar nicht eingelegt toäre.23 Außerdem hat sie den Verlust des Rechtsmittels sowie die Verpflichtung zur Tragung der durch das Rechts­ mittel entstandenen Kosten zur Folge, waS beides auf Antrag

des

Berufungsbeklagten

durch

Urteil

auSzu-

sprechen ist24

IV. Durch die Einlegung der Berufung gegen ein Urteil wird, selbst wenn sie nicht in zulässiger Weise erfolgt ist, der Rechtsstreit, soweit er durch dieses Urteil ent­ schieden ist, bei dem Berufungsgerichte „anhängig",23 und dieses hat daher über die Berufung durch Urteil zu entscheiden, sei es auch nur in dem Sinn ihrer Ver­ werfung als unzulässig.23 Ist aber die Einlegung in zulässiger Weise erfolgt, so wird dadurch der Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils gehemmt,22 und zwar, weil sie immer allgemein gegen daS Urteil erklärt werden muß, des Urteils in seinem ganzen Umfange und zugunsten beider Parteien. Deshalb kann sich der Be­ rufungsbeklagte der Berufung „anschließen", d. h. nun auch seinerseits in der mündlichen Verhandlung über das Rechtsmittel Berufungsanträge, also Anträge auf Abände11 §515 Abs. 1, 2,522 Abs.1 vbd. § 271 Abs. 3 CP. S. auch § 176 CP. und ob. § 33Anm. 17. " § 515 Abs. 3 CP. Vgl. 8 271 CP. und ob. §47 VI. — Gerichtsaebühren: § 26 Nr. 5 vbd. § 28, §46 GK.; Rechts­

anwallsgebühren: § 20 vbd. §29 RAGeb. « S. § 176,541 Abs. 1, 706 Abs. 1, 943 Abs. 1 CP. 16 S. § 535, 543, 544 Abs. 2 CP. Vgl. ob. §47 V. " § 705 Satz 2 CP.

Berufung. Aufgabe des Berufungsgerichtes. § 82.

421

rung deS Urteils zu seinen Gunsten, stellen, und zwar sogar dann, wenn er auf die Berufung verzichtet hatte oder die Berufungsfrist bereits verstrichen ist?« Jedoch kann er ein gegen ihn ergangenes Versäumnisurteil auch durch Anschließung an die Berufung nur insoweit an­ fechten, alS er das durch selbständige Berufung hätte tun können?« Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig ver­ worfen wird. Nur dann ist dies nicht der Fall, wenn sie noch innerhalb der Berufungsfrist erfolgt oder auch nur in einem dem Berufungskläger zugestellten vorbereitenden Schriftsätze angekündigt wird. Sie ist dann von dem Schicksal der Berufung so unabhängig wie eine von dem Berufungsbeklagten selbständig eingelegte Berufung.30 V. Die Aufgabe deS Berufungsgerichtes besteht in der Prüfung der Richtigkeit deS angefochtenen Urteils, soweit seine Abänderung von dem BerufungSkläger oder von dem

Berufungsbeklagten bei der mündlichen Verhandlung bean­ tragt ist31 Diese Richtigkeit ist vor allem nach Maßgabe deS in erster Instanz „festgcstellten Sachverhältnisses" zu prüfen,33 d. h. des Prozeßstoffes, wie er nach dem Tat­ bestände deS angefochtenen oder eines ihm vorausgegangenen Urteils und nach den Verhandlungsprotokollen dem Ge­ richte erster Instanz Vorgelegen hat. Aber nicht bloß nach Maßgabe dieses Prozeßstoffes, sondern auch nach " § 521 Abs. 1 CP. Vbd. § 297 CP. — Die Anschließung ist auch zu bloßer Anfechtung der Entscheidung über den Kosten­ punkt zulässig, weil hier § 99 Abs. 1 CP. nicht eingreist. Vgl. RGer. 24. III. 1898(41 S.383). " § 521 Abs. 2 vbd. § 513

CP. S. ob. bei Anm. 5 und 6. ” § 522 CP. Vgl. RGer. 24. III. 1898 (41 S. 382 ff.), 12. V. 1900(46 S. 388). •* S. § 526 Abs. 1 a. E. vbd. § 525, 536 CP. ” S. § 542 Abs. 2 CP.

422

T.III. Abschn. II. Kap. IL Rechtsmittel.

Maßgabe deS weiteren, der sich zufolge einer neuen, an die Verhandlung in erster Instanz anlnüpfenden Verhand­

lung vor dem Berufungsgerichte ergibt. Und zwar knüpft diese Verhandlung an die Verhandlung in erster Instanz

wesentlich in gleicher Weise an, wie wenn in erster Instanz

zufolge einer Wiedereröffnung der geschloffenen mündlichen Verhandlung von neuem verhandelt würde. Demnach sind die in erster Instanz geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmittel, vorgebrachten tatsäch­ lichen Behauptungen, erfolgten Beweisantretungen und erhobenen Beweiseinreden, sowie die über Behauptungen, Urkunden oder Eideszuschiebungen abgegebenen Erklärungen, soweit das alles in der genannten Weise festgestellt ist,

von selbst auch Prozeßstoff der Berufungsinstanz, und zwar selbst dann, wenn sie in dieser nicht wiederholt, sondern nur als in erster Instanz geschehen von einer der Parteien bei der mündlichen Verhandlung berichtend vor­ getragen sind.br Insbesondere dauert die Wirksamkeit eines in erster Instanz geinachten gerichtlichen Geständ­ nisses, sowie der in erster Instanz erfolgten Annahme oder Zurückschiebung eines Eides auch in der Berufungs­ instanz fort.84 Ebenso die Wirkung der in erster Instanz erfolgten Leistung, Verweigerung der Leistung oder Er­ lassung eines Eides, falls nicht der die Leistung des Eides 33 Wird durch die § 526, 531, 532, 533, 542 Abs. 2 CP. außer Zweifel gesetzt. Insbesondere geht anS§53I,533 Abs. 1 CP. hervor, daß auch die in erster Instanz erfolgte Eideszuschiebung in der Berufungsinstanz fortbauert, solange sic nicht widerrufen ist. Vgl. dazu RGcr.

I 19.11.1900(46 S. 328 ff.). 34 § 532, 533 Abs. 1 CP. ' Diese Erklärungen können also ! nur unter denselben Voraus­ setzungen widerrufen werden, unter denen sie in erster Instanz widerrnscn werden könnten. S. ■ § 290, §458 Ubb. § 454 Abs. 2, , 457, 470 CP.

Berufung.

Aufgabe des BemfungSgerichtes. tz 82.

423

anordnende Beschluß von dem Berufungsgerichte für un­ gerechtfertigt erachtet tokb.35 Auch die übrigen in erster Instanz stattgehabten Beweisaufnahmen und schriftlich fest­ gestellten Beweisverhandlungen behalten in der Berufungs­ instanz ihre Bedeutung;88 * 86 89nur * hat sie das Berufungs­ gericht von neuem selbständig zu würdigen. Auch kann es nach Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen, sowie die wiederholte oder neue Begutachtung durch Sachverständige und die Einnahme eines Augen­ scheins anotbncn.37 Auf der anderen Seite können die Parteien, ebenso wie bei einer Wiedereröffnung der Verhandlung in erster Instanz, die in dieser Instanz unterlassenen oder verweigerten Er­ klärungen über tatsächliche Behauptungen, Urkunden und Eideszuschiebungen nachholen.38 Ferner können sie in erster Instanz versäumte prozeßhindernde Einreden nachbringen, und zwar unverzichtbare unbedingt, verzichtbare, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie zur Vorbringung in erster Instanz ohne ihr Verschulden außerstande gewesen sei.33 Jedoch darf auf Grund prvzeßhlndernder Einreden die Verhandlung zur Hauptsache nicht verweigert werden; eine abgesonderte Verhandlung darüber tritt nur auf Anord­

nung des Gerichtes ein.40 Auch andere das Verfahren in erster Instanz betreffende Mängel können geltend ge­ macht werden, wenn sie bei einer Wiedereröffnung der 36 § 533 Abs. 2 CP. 86 Dies erhellt aus § 161 (vgl. § 160 Nr 3), 526 Abs. 1, 533 Abs. 2 CP. ” 8 523 vbd. § 398 Abs. 1, 144 Äbs. 1, 404, 412 CP. 89 § 531 CP. ” § 528 Abs. 1 Satz 1 vbd.

§ 274 Abs. 3 CP. Besondere Vorschrift bezüglich der Einrede unbedingter örtlicher Unzustän­ digkeit des Gerichtes erster In­ stanz: § 528 Abs. 1 Satz 2 CP. S. ob. § 16III. «° § 528 Abs. 2 CP. Vgl. §275 Abs. 1 CP.

424

T. HI. Abschn. II. Kap. II. Rechtsmittel.

Verhandlung in erster Instanz hätten geltend

gemacht

werden können, also unverzichtbare unbedingt, verzichtbare

nur dann, wenn die Partei nicht das Rügerecht bereits in erster Instanz verloren hatte.41 Endlich können die

Parteien, ebenso wie im Fall der Wiedereröffnung der Verhandlung in erster Instanz, neue, d. h. in erster In­ stanz nicht vorgebrachte, Rechtsbehelfe in Ansehung der Hauptsache geltend machen, also neue Angriffs- und Ver­ teidigungsmittel (Einreden, Repliken usw.), neue tatsäch­

liche Behauptungen, Beweismittel und Beweiseinreden." Da jedoch keiner Partei gestattet sein kann, der anderen wider ihren Willen eine Instanz zu entziehen, so ist in der Berufungsinstanz eine Änderung der Klage nur mit

Einwilligung des Gegners statthaft.43 Auch dürfen neue (Rechtsschutz-) Ansprüche, insbesondere also eine neue Wider­ klage oder Zwischen-Feststellungsklage, nur mit Einwilli­ gung deS Gegners erhoben werden. Nur diejenigen Er­

weiterungen und Veränderungen des Klagantrages bedürfen der Zustimmung des Gegners nicht, welche nach § 268 Nr. 2, 3 CP. auch nicht als Klageänderung gelten.41 Ein neuer Aufrechnungseinwand, den der Beklagte geltend macht, ist zurückzuweisen, wenn nicht der Kläger in seine Geltendmachung willigt oder der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden außerstande gewesen sei, ihn

in erster Instanz geltend zu machen." 41 8 530 CP. 4- § 529 Abs. 1 vbd. § 278, 279, 283, 374 (402), 433 CP. S. jedoch wegen des Kosten­ punktes § 97 Abs. 2 CP. und § 49 Abs 2 GK. 4'8527 CP. Vgl. ob. 8 47 V. Nr. 4. — Ausnahme in Ehe-

lachen: § 614 CP. 44 8 529 Abs. 2 CP. 45 § 529 Abs. 3 Satz 1 CP. vbd. ob. § 50 Anm. 6. Im Fall der Zurückweisung greifen 8 540,541 CP. ein: 8 529 Abs. 3 Satz 2 CP.

Berufung. Verfahren. § 82