Der Rückgriff des Scheinvaters wegen Unterhaltsleistungen: Zugleich ein Beitrag zur allgemeinen Regreßproblematik [1 ed.] 9783428431519, 9783428031511

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Der Rückgriff des Scheinvaters wegen Unterhaltsleistungen: Zugleich ein Beitrag zur allgemeinen Regreßproblematik [1 ed.]
 9783428431519, 9783428031511

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SIEGFRIED ENGEL

Der Rückgriff des Scheinvaters wegen Unterhaltsleistungen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 14

Der Rückgriff des Scheinvaters wegen Unterhaltsleistungen Zugleich ein Beitrag zur allgemeiDen Regreliproblematik

Von

Dr. Siegfried Engel

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

Cl 1974 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03151 2

D 21

Inhaltsverzeichnis Einleitung

11

Erster Teil Ansprüche gegen den Erzeuger

A. Die Legalzession des § 1615 b ....................................... . Vorbemerkung .................................................... .

15 15

1. Eintritt der Legalzession ....................................... .

15

1. Der zedierbare Anspruch ................................... .

15 15

2. Der übergang ............................................. . a) § 1615 b II ("schlicht" nichtehelicher Scheinvater) ......... . b) § 1615 b I 1, 2. Alt. (Ehemann) ............................. .

18 18

c) Zusammenfassung ....................................... .

20 21

I!. Die Durchsetzung des übergangenen Unterhaltsanspruchs ....... .

22

1. Rückgriffssperre: § 1600 a Satz 1 ............................. .

22

2. Rückgriffssperre: § 1600 a Satz 2 ............................. . a) Lösung analog §§ 412, 402, 403 ........................... . b) Lösung Odersky ......................................... . c) Lösung über § 242 ....................................... .

23 24 24 26

II1. Die nähere Ausgestaltung des übergangenen Anspruchs ......... .

29

a) Unterhaltsanspruch allgemein ........................... . b) Pauschalierung: Regelunterhalt ......................... .

17

1. Subrogationsklausel, § 1615 b I 2 ............................. .

29

2. Der Unterhaltsforderung anhaftende Eigenarten ............. . a) § 1613 ................................................... . b) § 1615 h ................................................. . c) § 1615 i d) Abtretbarkeit, Pfändbarkeit ............................. . e) § 850 d ZPO ............................................. .

30 31 33 34 36 36

3. Verjährung des übergangenen Anspruchs ................... .

37

B. Weitere Ansprüche des Scheinvaters gegen den Erzeuger . .......... . Vorbemerkung .................................................... .

39 39

1. §426I ......................................................... .

41

6

Inhaltsverzeichnis H. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ..................

41

1. Die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag....

a) Die Zahlung als fremdes Geschäft ........................ b) Fremdgeschäftsführungswillen ............................ c) Abgrenzung zur Legalzession ............................ d) Person des Geschäftsherm ................................ e) Interesse des Erzeugers .................................. f) Wille .................................................... 2. Rückgriffssperre: § 1600 a Satz 2 .............................. 3. Die nähere Ausgestaltung des Anspruchs .................... a) Subrogationsklausel (§ 1615 b I 2) .......................... b) § 1613 .................................................... c) § 1615 h .................................................. d) § 1615 i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abtretbarkeit, Pfändbarkeit, Pfändungsprivileg ............ f) Verjährung ..............................................

41 41 42 43 44 44 46 46 47 47 47 48 48 49 49

IH. Ansprüche aus Rückgriffskondiktion ............................ 1. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen ...................... a) Zahlung mit Freiwerden des Erzeugers als Folge ......... , b) Kondiktionsrückgrüf in den Legalzessionsfällen .......... aa) Bereicherung und Legalzession ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung .... 2. Rückgriffssperre: § 1600 a Satz 2 .............................. 3. Die nähere Ausgestaltung des Anspruchs .................... a) Subrogationsklausel (§ 1615 b I2) .......................... b) § 1613 .................................................... c) § 1615 h .................................................. d) § 1615 i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Abtretbarkeit, Pfändbarkeit, Pfändungsprivileg . . . . . . . . . . . . f) Verjährung .............................................. 4. Entreicherung ...............................................

50 50 50 51 51 51 53 54 54 54 55 55 55 55 55

IV. Ansprüche gegen den Erzeuger nach Deliktsrecht ................ 1. Anspruch aus § 823 I wegen Ehestörung ...................... a) Geschütztes Rechtsgut .................................... b) Ausschluß deliktischen Rechtsschutzgutes? ................ c) Geltung des § 1600 a Satz 2 ................................ d) Umfang des Schadensersatzes ............................ e) Mitverschulden, § 254 .................................... 2. Anspruch aus § 823 H wegen Ehestörung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anspruch aus § 826 wegen Ehestörung ........................ 4. Anspruch aus § 826 wegen böswilliger Nichtherbeiführung der Zuordnung zum Kind ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

57 57 57 57 58 59 59 60 60 61

Inhaltsverzeichnis a) Sittenwidrige Handlung .................................. b) Regreßbehinderung durch § 1600 a Satz 2? ........... . . . . . . . c) Umfang des Schadensersatzes ............................ Zusammenfassung

....................................................

7 61 62 63 64

Zweiter Teil

Ansprüche gegen das Kind A. condictio tndebiti

66

1. Die kondizierbare Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

1. Bei Leistung auf eigene Schuld ..............................

66

2. Bei Leistung auf fremde Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

II. Rechtsausübungssperren ........................................

68

II1. Verjährung ....................................................

68

IV. Umfang des Anspruchs (1) - Entreicherung durch Legalzession? ..

69

1. Der Standpunkt der h. L. ....................................

69

2. Praktische Schwierigkeiten bei der h. L. ......................

70

3. "Institutionelle Unverträglichkeit" von condictio indebiti und Legalzession? ................................................ 71 a) Ausgangspunkt .......................................... 71 b) Begründung der Lehre ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Sachliche Bedenken gegen einen Ausschluß der Kondiktion .. . . a) familienrechtlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) im Parallelfall des § 67 VVG ..............................

72 72 73

5. "Erwerbsverweigerungsrecht" des Legalzessionars? .......... 74 6. Die Rspr. des BGH zu § 67 VVG als Ansatz zu einer Lösung.. 77 7. Das Verhältnis beider Ansprüche zueinander. .... . .... ..... . .. 78 a) Die Frage der Rückzession bei Gesamtschuld .............. 78 b) Schuldnermehrheit ......................................... 79 c) Weitere Voraussetzungen der Gesamtschuld .............. 80 aal bisherige Versuche positiver Präzisierung ............ 80 bb) Die Lehre von der Gleichstufigkeit .................... 81 ce) Die Lehre von Esser u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 dd) Die Regreßproblematik bei positiver Umschreibung des Gesamtschuldbegriffs ................................. 83 ee) Die negative Abgrenzung des Begriffs als Lösung . . . . . . 85 d) Einordnung des Ausgangsfalls ............................ 88 aa) Zuweisung zum Zessionsregreß? ...................... 88 bb) Akzessorietät, Subsidiarität? .......................... 90 e) Ergebnis ................................................. 92

Inhaltsverzeichnis

8

V. Umfang des Anspruchs (2) -

Entreicherung aus anderen Gründen 93

1. Forderungsverschlechterung .................................

93

2. Entreicherung durch Verbrauch... . ... . ... ... ... . ... ... ...... a) Abhängigkeit von den Vermögensverhältnissen des Kindes b) Die Situation beim vermögenslosen Kind .................. c) Die Situation beim vermögenden Kind ....................

95 95 96 96

3. Nachträglicher Verlust des gesamten Vermögens. ...... .......

98

4. Rechtshängigkeit, Bösgläubigkeit ............................

98

Zusammenfassung .................................................. 100 B. Schadensersatzansprüche gegen das Kind .......................... 101 I. Deliktische Ansprüche .......................................... , 101 1. Anspruch aus § 826 .......................................... 101

2. Anspruch aus § 823 11 i. V. m. § 263 StGB .................... 102 11. Nach einstweiliger Unterhaltsregelung .......................... 102 1. Die einstweilige Verfügung nach § 16150 .................... 102 a) Anwendungsbereich, Funktion ............................ 102 b) Antragsteller als Schadensersatzpfiichtiger ................ 103

2. Einstweilige Anordnung nach § 641 d ZPO .................... 104 3. Einstweilige Anordnung analog § 940 ZPO .................... 104 4. Rechtspolitische Bedenken gegen die Schadensersatzpfiicht des Kindes und Lösungsvorschläge .............................. 105 111. Umfang des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108 1. Rückerstattung gezahlter Unterhaltsbeträge .................. 108

2. Auswirkung der Legalzession auf den Umfang? .............. 108 IV. Das Verhältnis zu anderen Ansprüchen .......................... 110 Zusammenfassung

.................................................... 113

Dritter Teil

Ansprüche gegen Dritte A. Ansprüche gegen den gesetzlichen Vertreter des Kindes . .......... '"

115

1. Schadensersatz nach § 823 11 i. V. m. § 263 StGB .............. 115

2. Schadensersatz nach § 826 .................................... 115 B. Ansprüche gegen nachrangig Haftende .............................. 116 I. Geschäftsführung ohne Auftrag ................................ 116

Inhaltsverzeichnis

9

1. FreDldgeschäftsführung ...................................... 116 2. Interesse .................................................... 117 3. Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 118 4. Sperre der Rechtsausübung nach § 1600 a? .................... 118 5. Verjährung.................................................. 118 11. Rückgriffskondiktion ........................................... 118 1. Voraussetzungen ............................................ a) Abgrenzung zur Geschäftsführung ohne Auftrag .......... b) Änderung der TilgungsbestiDlDlung ....................... c) Auswirkungen der Änderung der TilgungsbestiDlDlung ....

118 119 119 120

2. Entreicherung ............................................... 120 3. Sperre der Rechtsausübung nach § 1600 a Satz 2? .............. 122 4. Verjährung.................................................. 122 ZusaDlDlenfassung .................................................. 122 C. Ansprüche gegen den Sozialhilfe träger .............................. 123 I. Sozialhilfeträger als "letztrangig Verpflichteter" und Struktur des

Anspruchs auf Sozialhilfe ...................................... 123 1. Prinzip der Nachrangigkeit (§ 2 BSHG) ...................... 124

2. Abhängigkeit von der Kenntnis (§ 5 BSHG) .................. 124 11. Die spezialgesetzliche Regelung des § 121 BSHG für Ersatz von Drittleistungen ................................................. 125 1. Eilfall ...................................................... 125

2. Nur freiwillige Drittleistungen .............................. 126 3. UDlfang ..................................................... 126 4. Frist zur GeltendDlachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 126 5. Anwendungsbereich beiDl Scheinvaterregreß .................. 126 111. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag .......... . . . . . . .. 127 1. FreDldgeschäftsführung ...................................... 127 2. Verhältnis zu § 121 BSHG .................................... 127 3. Verbleibender Restbereich beiDl Scheinvaterregreß . . . . . . . . . . .. 128 IV. Ansprüche aus Rückgriffskondiktion ............................ 129 1. Änderung der TilgungsbestiDlDlung als Ausgangspunkt .. . . . . .. 129

2. Ausschluß wegen des sozialhilferechtlichen Nachrangigkeitsbegriffs ..................................................... 129 ZusaDlDlenfassung .................................................. 130 SchlußbeDlerkung ..................................................... 132

Einleitung L Zum Thema

Gesetzgeberisches Bemühen schafft mit der Lösung überkommener Probleme zuweilen neue; oft eröffnen sich zumindest Problemlagen, die im alten Recht verborgen geblieben waren. Häufig tritt dies bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zutage und bleibt somit korrigierbar. Soweit sich die neu auftauchenden Fragen jedoch als Folge einer - im Prinzip als richtig erkannten - veränderten Grundkonzeption darstellen, bleibt die Aufdeckung meist einer umfassenden Durchleuchtung der nunmehr entstandenen Rechtssituation vorbehalten. Diese Erkenntnis erweist die Notwendigkeit kritischer Untersuchung neugeschaffener gesetzlicher Regelungen auch und gerade dann, wenn durch sie scheinbar alle bisher relevanten Probleme beseitigt wurden. Besonders deutlich zeigt sich dies im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die zum Gegenstand hat den Regreß des Scheinvaters wegen von ihm an das Kind gezahlter Unterhaltsleistungen und die damit ein Teilgebiet aus dem erheblich weiteren Bereich des Rückgriffs bei Zahlung einer Nichtschuld umfaßt: Sowohl die (allgemeine) Problematik des Regresses bei Zahlung einer Nichtschuld als auch die (speziellere) des Scheinvaterregresses wurden in Literatur und Rechtsprechung schon vor dem Erlaß des Nichtehelichengesetzes ausführlich diskutiert1 , doch beschränkte sich gerade beim Scheinvaterregreß die Diskussion im wesentlichen auf zwei Streitfragen, nämlich die der analogen Anwendung des § 170911 a. F. und die damit zusammenhängende (weil andere Regreßmodi beeinflussende) Frage der Wirkungen des § 644 ZPO a. F. Beide Streitpunkte sind durch das Nichtehelichengesetz v. 19.8.1969 beseitigt worden: Die umstrittene Legalzession wird nunmehr in § 1615 b ausdrücklich angeordnet, und der (unglückliche) Dualismus zwischen Status- und Unterhaltsverfahren wurde aufgehoben. Als sinnvoll erscheint eine erneute Darstellung der Regreßfragen bei Scheinvaterschaft dennoch, weil als Folge der neuen Konzeption des Unterhaltsrechts der nichtehelichen Kinder auch im Bereich der Regreßfragen neue Probleme aufgetaucht sind (z. B. durch die Regelung des § 1600 a). Ferner gewannen durch den Wegfall der früheren Haupt1 Vgl. dazu nur die eingehende und den bisherigen Meinungsstand in Lit. und Rspr. voll verwertende Darstellung von Dieckmann, JuS 1969, 101, 156.

12

Einleitung

probleme andere, bisher kaum behandelte Fragen an Transparenz (z. B. die Frage nach Bestehen und Umfang eines Kondiktionsanspruches gegen das Kind). Schließlich gibt es Probleme, die erst infolge ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in voller Tragweite erfaßt wurden (z. B. die Frage der Schadensersatzansprüche gegen das Kind nach einstweiliger Unterhaltsregelung). Diese Gesichtspunkte erhellen die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit: Angestrebt wird detaillierende Ausformung eines nach dem Inkrafttreten des neuen Nichtehelichenrechts noch nicht monographisch bearbeiteten Problembereichs unter Berücksichtigung sämtlicher sich anbietender (nicht nur spezifisch familienrechtlicher) Regreßmodi. Doch erscheint wegen des relativ engen (weil auf die speziell familienrechtliche Situation begrenzten) Problemkreises die Entwicklung grundlegend neuer Lehren zum Regreß als Mittel zur Lösung auftauchender Probleme als ebenso unangebracht wie umgekehrt allzu schnelle Flucht in Empfehlungen de lege ferenda, deren Befolgung durch den Gesetzgeber angesichts der erst kürzlich durchgeführten Neuregelung ohnehin kaum zu erwarten wäre, zum al dann, wenn befriedigende Abhilfe eine Änderung der Grundkonzeption des Unterhaltsrechts der nichtehelichen Kinder voraussetzte; infolgedessen werden Problemlösungen, soweit möglich, mit herkömmlichen und anerkannten dogmatischen Mitteln angestrebt, während grundlegende Abweichungen lediglich als ultima ratio verwendet werden sollen. Trotz des damit eher deskriptiven Charakters der Untersuchung ermöglicht jedoch das für jeden familienrechtlichen Regreß nachgerade typische Wechselspiel zwischen spezifisch familienrechtlichen und allgemeinen zivilrechtlichen Normen einen vertiefenden Einblick in die dort bestehenden Regreßmechanismen und vermag daher auch zum Bürgerlichen Recht Aspekte eröffnen, die bisher gar nicht oder nur peripher beachtet wurden. 11. Darstellungsmethode

Die so umschriebene Zielsetzung der Arbeit im Bereich einer spezifisch familienrechtlichen Regreßsituation, die aber die allgemeinen Rückgriffsprobleme bei Zahlung einer Nichtschuld mitumfaßt, legt eine Darstellung nahe, bei der - in einem vorgezogenen "allgemeinen Teil" - zunächst die allgemeine Regreßproblematik beleuchtet und im Anschluß daran die Auswirkung der einschlägigen familienrechtlichen Regelungen auf die dort gefundenen Ergebnisse untersucht wird. Ähnlich wäre daran zu denken, in diesem Rahmen die familienrechtlichen Normen "en bloc" in ihrer Auswirkung auf die jeweiligen Regreßsituationen zu untersuchen.

Einleitung

13

Dieser Weg erweist sich jedoch als unpraktikabeL Einmal deswegen, weil die familienrechtlichen Normen modifizierende Wirkung nicht nur innerhalb der einzelnen Regreßmodi zeitigen, sondern auch die überhaupt in Frage kommenden Regreßmodi bestimmen (z. B. die Legalzession des § 1615 b). Notwendige Folge wäre, daß ein erheblicher Teil der allgemeinen Betrachtung für die hier interessierenden Fragen des familienrechtlichen Regresses überflüssig wäre und somit zu falscher Schwerpunktsetzung führte; auch müßten dann die auf der für das Familienrecht typischen Stufung der Verpflichteten beruhenden Regreßansprüche gegen nachrangig Verpflichtete zunächst außer acht bleiben. Zum anderen wird sich herausstellen, daß bestimmte für den Rückgriff zentrale Normen des Familienrechts (etwa die §§ 1600 a, 1613, 1615 d, 1615 f) sich nicht nur bei den verschiedenen Regreßformen auswirken) sondern innerhalb dieser - entsprechend der anderen Natur der jeweils zu prüfenden Ansprüche - an systematisch unterschiedlicher Stelle, und daß Art und Umfang der Auswirkung auch variieren bei den jeweils in Frage kommenden Regreßgegnern; der Vorteil zusammengefaßter Darstellung von Auswirkungen familienrechtlicher Normen auf den Rückgriff wäre daher mit dem Nachteil inhaltlicher Unübersichtlichkeit und Zersplitterung der Einzeldarstellung verbunden. Deswegen, aber auch wegen der für jede Untersuchung über Regreßfragen typischen Vielzahl der zu berücksichtigenden Rechtsbeziehungen (in Frage kommen speziell beim Familienrecht verschiedene Rückgriffsgegner und bei diesen wiederum jeweils mehrere Anspruchsgrundlagen) empfahl es sich gerade im Hinblick auf das Ziel übersichtlicher und gestraffter Darstellung, zunächst nach den in Frage kommenden Anspruchsgegnern und innerhalb dieser nach den möglichen Anspruchsgrundlagen aufzugliedern. Im Rahmen der - nach Art eines Gutachtens vorzunehmenden - Untersuchung und Abgrenzung der einzelnen Ansprüche werden dann an systematisch richtiger Stelle die jeweils auftauchenden Rechtsfragen sowohl familienrechtlicher Natur als auch aus dem Bereich allgemeiner Rückgriffsproblematik erörtert werden. Erreicht wird dadurch, daß die auftauchenden Fragen nur im Rahmen ihrer tatsächlichen Relevanz für die hier interessierende Rückgriffsproblematik untersucht werden (was zur Straffung der Darstellung führt), andererseits wird so aber auch (und darin liegt ein wesentliches Anliegen der Arbeit) das für den Rückgriff kennzeichnende, fast filigranhafte Ineinandergreifen allgemeiner und speziell auf den Rückgriff abgestellter Rechtsgrundsätze und Normen des Schuldrechts und des Familienrechts verdeutlicht.

14

Einleitung

Im Folgenden sollen dementsprechend in einem ersten Teil die Anspruche des Zahlenden gegen den wahren Erzeuger, im zweiten Teil alle möglichen Ansprüche gegen das Kind, im dritten Teil Ansprüche gegen weitere Personen, insbesondere die nachrangig verpflichteten Verwandten und die Sozialhilfe untersucht werden.

Erster Teil

Ansprüche gegen den Erzeuger A. Die Legalzession des § 1615 b Vorbemerkung Während vor der Neuregelung des Unterhaltsrechts durch das NeG die cessio legis als Regreßmechanismus im Familienrecht vorgesehen war lediglich zugunsten nachrangig Verpflichteter, die ihrer subsidiären Verpflichtung zufolge zur Unterhaltsleistung herangezogen wurden1 und Rückgriff eines Nicht-Verpflichteten (des Scheinvaters) im Wege der Legalzession nur über eine Analogie zu § 1709 II a. F. denkbar war2, dient nach nunmehr geltendem Recht3 die Legalzession der Unterhaltsforderung als genereller Rückgriffsmechanismus auch zugunsten des Scheinvaters. Der Streit um die Unterschiedlichkeit der Regreßmodi für den zu Unrecht als Erzeuger in Anspruch genommenen Ehemann der Kindesmutter und den "schlicht'" nichtehelichen Scheinvater, der vor der Gesetzesänderung einen weiten Bereich der Diskussion über den Scheinvaterregreß in Anspruch genommen hat5, ist durch die ausdrückliche Gleichstellung beider Rückgriffssituationen6 erledigt; diese Gleichstellung erlaubt zugleich eine einheitliche Darstellung des Rückgriffs des Ehemanns der Kindesmutter (§ 1615 b I) und des schlicht nichtehelichen Scheinvaters (§ 1615 b II). Auf auch heute noch bestehende Unterschiede kann bei der Erörterung der einzelnen Probleme eingegangen werden. I. Eintritt der Legalzession

1. Der zedierbare Anspruch a) Der Eintritt der Legalzession zu Rückgriffszwecken setzt die

Existenz einer zedierbaren Forderung voraus. Gerade für die Frage 1 Vgl. § 1607 II für das eheliche sowie § 1709 II a. F. für das nichteheliche Kind. 2 Vgl. als Beispiel aus der Rspr. nur BGHZ 24, 9. a Vgl. § 1615 b. 4 Der Begriff wurde in Anlehnung an eine Formulierung Dieckmanns in JuS 69, 156 gebildet. 11 Er wurde geführt hauptsächlich im Anschluß an die Rspr. des BGH (vgl. BGHZ 24, 9; BGH NJW 64, 295; BGHZ 43,1 mit Annahme einer Analogie zugunsten des Ehemanns der Kindesmutter und BGHZ 46, 319 mit deren Ablehnung zugunsten des schlicht nichtehelichen Scheinvaters). Ausf. Nachw. zum Meinungsstand in Lit. und Rspr. vor der Gesetzesänderung finden sich bei Dieckmann, JuS 69, 102 FN 11 sowie S. 159 FN 45. 8 Vgl. die amtl. Begr. des RegE bei Jansen/Knöpfel, S. 191.

Teil 1 : Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

16

nach Bestehen und Umfang dieser gegen den Erzeuger gerichteten Forderung hatte das NeG wesentliche Bedeutung: in Abkehr von der allein auf die Verhältnisse der Mutter abstellenden Regel des § 1708 a. F. wurden mit der Eingliederung des Unterhaltsanspruchs des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger in das Recht des Verwandtenunterhalts die dort geltenden differenzierteren Kriterien zum Maßstab auch dieses Anspruchs7 • Folge ist, daß ein zessionsfähiger Anspruch nicht besteht, soweit das Kind in der Lage ist, sich aus den Einkünften eigenen Vermögens oder eigenem Arbeitsentgelt selbst zu unterhalten (§ 1602 II i. V. m. § 1615 a), also nicht bedürftig ist. Folge ist weiter, daß die Höhe des zu fordernden Unterhalts nunmehr auch von in der Person des Erzeugers liegenden Gesichtspunkten abhängt: so ist nach § 1615 c bei der Bemessung des Unterhalts neben der Lebensstellung der Mutter auch die des Erzeugers zu berucksichtigenB; § 1603 stellt den Erzeuger von jeglicher Verpflichtung frei, soweit er nicht leistungsfähig' ist; nach § 1606 III schließlich kann der vom Erzeuger zu tragende Unterhalts anteil durch die Einkommensrelation bei der Elternteile bestimmt werden10 • Insbesondere der zweite Gesichtspunkt - die Abhängigkeit des Unterhaltsanspruchs von den Vermögensverhältnissen des Erzeugers - hat für den Zessionsregreß des Scheinvaters weitreichende Konsequenzen: Während sich bisher Diskrepanzen zwischen vermeintlicher eigener Unterhaltspflicht des Leistenden und der des tatsächlich Verpflichteten praktisch nur im Bereich scheinehelicher Vaterschaft 11 ergeben konnten, ist dieses Auseinanderklaffen und die damit verbundene Begrenzung des Rückgriffs auf einen möglicherweise unter den tatsächlich erbrachten Leistungen liegenden Betrag nunmehr auch bei schlicht nichtehelicher Scheinvaterschaft möglich. Für den scheinehelichen Vater bietet sich die Deckung der so entstehenden "Regreßlücke" unter dem (allerdings umstritten, vgl. unten B IV) Gesichtspunkt deliktischen Eheschutzes an; dem schlicht nichtehelichen Scheinvater ist diese Möglichkeit nicht gegeben. Im Ergebnis ist damit die Brauchbarkeit des Zessionsregresses für den Scheinvater, der sich in besseren Vermögensverhältnissen befindet als der wahre Erzeuger, relativiert: voller Regreß wird ihm häufig nicht möglich sein. Doch handelt es sich hierbei um eine notwendige Folge differenzierter und auf die Erwerbsverhältnisse des Erzeugers abgestimmter Unterhaltsregelung. Vgl. dazu Zweigert, JuS 1967, 244 f. Vgl. dazu Gernhuber, § 59 II!. g Vgl. dazu im einzelnen SoergeULange, § 1603, 1 - 12. 10 Einzelheiten zu dieser Frage bei Gernhuber, § 42 I!, § 59 IV sowie in der neueren Kommentarliteratur zu § 1606. Im früheren Recht stellte sich diese Frage nicht, da der Erzeuger nach § 1709 I a. F. stets vorrangig haftete, während § 1606 II! i. V. m. § 1615 a anteilsmäßige Haftung beider Elternteile auch beim nichtehelichen Kind bringt. 11 Vgl. Brüggemann, ZBIJugR 1967, 112 f.; Dieckmann, JuS 1969, 107. Beide Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch die hier nicht berücksichtigte Frage der Erstattung der Kosten des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses im Wege des Zessionsrückgriffs an. Vgl. auch SoergeULade, 7

8

§ 1615 b, 4.

I. Eintritt der Legalzession

17

b) Einschränkung und Korrektur erfährt diese Konsequenz jedoch (mittelbar) durch die Regelung des § 1615 f. Einerseits mit dem Ziel einer Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung (weil sonst die Gefahr bestünde, daß die materiellrechtliche Verbesserung der Lage nichtehelich geborener Kinder durch die Realisierung verzögernde Einreden des Erzeugers und evtl. Beweiserhebungen im Unterhaltsprozeß wieder zunichte gemacht würde)12, andererseits im Interesse einer durch die bisherige Gerichtspraxis nicht gewährleisteten Gleichbehandlung der nichtehelichen Kinder1:t wird durch die genannte Vorschrift in die an sich ungemein flexible Normierung des Unterhalts für nichteheliche Kinder ein pauschalierendes Element eingeführt: Bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres steht dem Kind jedenfalls in Höhe des Regelunterhalts ein Unterhaltsanspruch gegen seinen Erzeuger zu. Dieser in einem vereinfachten Verfahren14 durchsetzbare Anspruch ist unabhängig von Bedürftigkeit15 , Leistungsfähigkeit des Erzeugers und Lastenverteilung zwischen den Elternteilen16 . Begünstigt 12 So die amtl. Begr. z. RegE in JansenlKnöpfel S. 199 f.; Soerget!Lade, § 1615 f., 1; Gernhuber, § 59 II 1; Beitzke, § 24 II 2; Richter, FamRZ 70, 283. 13 Amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel, S. 199 f.; Gernhuber, § 59 II 1; Beitzke, § 24 II 2; Odersky, § 1615 f., I 1. 14 Vgl. insbes. die §§ 642 a, 643 ZPO.

15 Die Unabhängigkeit vom Bedürfnis wird vereinzelt in Frage gestellt. So ist z. B. Bursch (ZBlJugR 71, 88 f.) der Ansicht, aus der in § 1615 a enthaltenen Verweisung auf § 1602 I auf Abhängigkeit auch der Regelunterhaltsforderung vom Vorliegen der Bedürftigkeit schließen zu können; wenn dem Kind hinreichende eigene Einkünfte nachgewiesen werden können, soll demnach das Verlangen nach Regelunterhalt abgewiesen werden. Dadurch würde jedoch § 1615 f. - soweit die Bedürftigkeit in Frage steht - zur reinen Beweisregel denaturiert; durch evtl. notwendige Beweiserhebungen würde die Durchsetzung erheblich erschwert und verzögert. Damit wäre worauf MüHer, ZBlJugR 71, 139 f. zu Recht hinweist - der angesichts der Einschränkungsmöglichkeit nach § 1615 h und der Anrechnung bestimmter Sozialleistungen nach § 1615 g bereits geminderte Pauschalcharakter des Regelunterhalts weitgehend verloren und die vom Gesetzgeber gewollte Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens wäre illusorisch: eine (aus guten Gründen angeordnete) Pauschalregelung ist von jeglicher Individualisierung möglichst freizuhalten. Mit der h. L. (vgl. Odersky, § 1615 f. II; Soerget!Lade, § 1615 f., 1; wohl auch Gernhuber, § 59 II; Beitzke, § 24 II 2) ist deswegen i. S. einer Pauschalierung auch in diesem Zusammenhang zu entscheiden: Bei vermögendem Kind mag der Erzeuger nach § 1615 h vorgehen (so Beitzke, § 24 II 2; Gernhuber, § 59 II 4); zu einer Gefährdung des (unmittelbaren) Unterhalts darf der Streit darüber jedoch nicht führen. 16 Unbestreitbar kann diese Pauschalierung insgesamt eine gewisse Bevorzugung gegenüber ehelichen Kindern bewirken. Doch wurde dies bewußt in Kauf genommen, da die nichtehelichen Kinder auch nach der Vereinheitlichung der Rechtsstellung schon deswegen, weil sie idR nicht in intakten Familienverhältnissen aufwachsen können, noch genügend benachteiligt sind; aus dem gleichen Grunde rechtfertigt sich auch die korrespondierende Benachteiligung nichtehelicher Väter gegenüber ehelichen. Vgl. dazu die amtl. Begründung z. RegE in JansenlKnöpfel, S. 199 f.; Odersky, § 1615 b, II, § 1615 h, I; Lange, NJW 70, 301. Konsequent durchgeführt wurde dieser Gedanke jedoch nicht, wie § 1615 h zeigt. 2 Engel

18

Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

wird durch diese Pauschalierung nicht nur das unterhaltsberechtigte Kind; die damit erfolgende teilweise Abstrahierung des Anspruchs (die insoweit eine gewisse Affinität zum früheren Rechtszustand mit sich bringt) sichert gleichermaßen in gewissen Grenzen den Regreß des zu Unrecht in Anspruch genommenen Scheinvaters: wenigstens in Höhe des Regelunterhalts tritt die Legalzession in jedem Falle ein. Auch § 1615 h vermindert nicht diese Forderung: Die Norm führt nach nahezu einhelliger Ansicht nicht zu unmittelbarer Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs (etwa im Sinne einer Einwendung), sondern begründet für den Erzeuger ein Recht zur Gestaltung, das er naturgemäß nicht geltend machen kann, solange er nicht selbst (und sei es im Regreßwege) in Anspruch genommen wird17• Die Frage, ob dieses Gestaltungsrecht auch für Unterhaltsrückstände und auch noch gegenüber dem Regreßgläubiger ausgeübt werden kann, ist demgemäß nicht hier, sondern systematisch richtig in anderem Zusammenhang (vgl. unten III 2 a) zu untersuchen. Es zeigt sich jedoch bereits an dieser Stelle, daß auch die Vorschriften über den Regelunterhalt den Regreß jedenfalls nicht in vollem Umfang sichern können. Im Rahmen einer Untersuchung, deren Schwerpunkt auf Fragen des

Regresses liegt, mag dieser kurze überblick über die Struktur des Unter-

haltsanspruchs und deren unmittelbare Auswirkungen auf den Zessionsregreß genügen; für detailliertere Information sei auf die (zahlreiche) einschlägige Literatur verwiesen.

2. Der Vbergang a) Der schlicht nichteheliche Scheinvater muß zur Herbeiführung des Rechtsübergangs dem Kinde "als Vater" Unterhalt geleistet haben (§ 1615 b II). Wann eine Zahlung "als Vater" vorliegt, ist in der Literatur noch nicht endgültig geklärt. Unbestreitbar erfordert die Legalzession eine Zahlung mit gewissem Bezug zur (wenn auch nicht wirklichen) Vaterschaft des Zahlenden: Einem völlig unbeteiligten Dritten, der aus welchen Gründen auch immer den Unterhalt des Kindes bestreitet, kann der Vorzug der Legalzession sicher nicht zugute kommen; er ist auf die sich nach allgemeinem Regreßrecht anbietenden Modi angewiesen. Hinreichender Bezug zur Vaterschaft ist aber stets dann gegeben, wenn der Zahlende nach § 1600 a durch Anerkennung oder Urteil als Vater festgestellt war und während dieser (später wieder aufgehobenen) Zuordnung zum Kind auf Grund eines Unterhaltsurteils oder ohne Vorliegen eines Titels Unterhalt an das Kind geleistet hat18 ; er liegt auch 17 Vgl. Gernhuber, § 59 II 4; Brühl, FamRZ 1966, 543; Göppinger, JR 1969, 405; Firsching, RPfl 1970, 44; a. A. nur Odersky, § 1615 h, III 1 (Einwendung). 18 Allg. Ans., vgl. nur SoergellLade, § 1615 b 2.

I. Eintritt der Legalzession

19

dann vor, wenn der Scheinvater ohne Zuordnung zum Kind nach einstweiliger Unterhaltsregelung gem. § 16150 oder § 641 d ZPO den Unterhalt zu erbringen hatte19 : Nach (auch nur vorläufig) verpflichtendem Akt wird stets jedenfalls auch im Hinblick auf diese Verpflichtung gezahlt. Ob der Zahlende sich dabei selbst für den Erzeuger hält, ist irrelevantl!°. Fraglich ist allein, ob die Leistung als Vater auch ohne Zuordnung zum Kind bzw. einstweilige Unterhaltsregelung denkbar ist. So wird z. B. von Gernhuber2 1 die Legalzession geleugnet, wenn der in Anspruch Genommene ohne Zuordnung zum Kind oder einstweilige Verpflichtung Unterhalt leistet lediglich in der irrigen Annahme, der Erzeuger zu sein. Die Einschränkung läßt sich zwar erklären durch Heranziehen der die Analogie zu § 170911 a. F. tragenden überlegungen (Leistung auf Grund tatsächlicher22 oder vermeintlicher:' vorläufiger Verpflichtung nach § 1593 und damit ähnlich den in § 1709 11 a. F. genannten subsidiär Haftenden auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht, während nach nunmehr geltendem Recht der nichteheliche Erzeuger vor Zuordnung bzw. einstweiliger Regelung wegen § 1600 a gar nicht in Anspruch genommen werden kann); bei der ausdrücklich auch den Nicht-Verpflichteten begünstigenden Neuregelung der Legalzession in § 1615 b IP~4 bedarf es jedoch des Rekurses auf eine (auch nur vorläufige) Verpflichtung des Leistenden nicht mehr. Weder der Wortlaut der Norm noch deren Zweck erfordert die sich daraus ergebende Einschränkung, die dazuhin noch zu einer sachlich durch nichts zu rechtfertigenden Benachteiligung dessen führen würde, der im Glauben, der Erzeuger zu sein, schon vor vorläufiger oder endgültiger Zuordnung zum Kind freiwillig Unterhalt geleistet hat; der für die Anwendung des § 1615 b 11 vom Wortlaut der Norm allein geforderte Bezug zur Vaterschaft ist auch bei irrtümlicher Annahme, der Vater zu sein, in hinreichendem Umfang gegeben. Mit der Meinung der Gesetzesverfasser25 und der überwiegenden Ansicht in der Literatur26 ist daher davon auszugehen, daß "als Vater" auch Unterhalt leistet, wer lediglich irrtümlich annimmt, der Erzeuger zu sein, ohne durch Zuordnung zum Kind oder einstweilige Unterhaltsregelung zur Zahlung gezwungen zu sein. 19 20

21

auch dies entspr. allg. Auffassung, vgl. Soergel/Lade, § 1615 b, 2.

Odersky, § 1615 b, 11 2. § 59 VIII 2.

BGHZ 24, 9. BGH FamRZ 64, 41 f. 24 Vgl. die amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knäpfel, S.191. 25 Vgl. die amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel, S.191. 26 Odersky, § 1615 b, 11 2; Palandt/Lauterbach, § 1615 b, 2; Brühl, FamRZ 66, 544 f.; Stolterfoht, FamRZ 71, 342; nicht eindeutig in diesem Punkt Soergel! 22 23

Lade, § 1615 b, 2; Beitzke, § 24 V 2. 2·

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

b) Unproblematisch erscheint dagegen zunächst der Eintritt der Legalzession im Fall des § 1615 b 11 2. Alt.: Die Norm 27 ordnet den Rechtsübergang an für alle durch den Mann der Mutter "anstelle des Vaters" schlechthin erbrachten Leistungen. Damit geht der Wortlaut der Norm jedoch erheblich über die ursprüngliche Analogie hinaus; mangels einer die Motivation der Zahlung durch den Ehemann umschreibenden Formulierung (wie sie etwa in Abs.2 - "als Vater" enthalten ist), werden von ihm auch Leistungen umfaßt, die ohne jeden Bezug zu gesetzlich unterstellter oder vermeintlicher Vaterschaft erbracht wurden2'8: Zu den Voraussetzungen des übergangs gehören nach dem Wortlaut weder die Zuordnung zum Kind29 noch der Glaube, selbst der Vater zu sein; berücksichtigt sind damit auch Zahlungen, die der Ehemann ohne jeden Bezug zu tatsächlicher oder vermeintlicher eigener Verpflichtung erbrachte30 , Zahlungen also, bei deren Erbringung er nicht als Scheinvater, sondern als völlig außenstehender Dritter erschien31 • Der weite Umfang der Norm widerspricht aber sowohl der Entstehungsgeschichte32 und damit der Intention des Gesetzgebers33 als auch dem systematischen Zusammenhang: die Analogie erfolgte stets unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher oder vermeintlicher Verpflichtung des Zahlenden3 4, die Voraussetzung für den gefundenen Analogieschluß war; ebenso wird in den anderen Fällen des § 1615 b entweder eine wenigstens subsidiäre (Abs.1 Satz 1, 1. Alt.) oder vom Gesetz zu27 Sie entstand in Anlehnung an die durch die Rspr. zu § 1709 II a. F. entwickelten Grundsätze, vgl. amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel, S.191; ferner SoergelfLade, § 1615 b, 1; Stoltenfoht, FamRZ 1971, 342. 28 Die Formulierung "anstelle des Vaters" begrenzt nur den Umfang der Legalzession: der Anspruch soll nur übergehen, soweit der Erzeuger vorrangig haftet, vgl. amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel, S. 191; nicht jedoch wird dadurch irgendein Bezug zur angeblichen Vaterschaft des Zahlenden postuliert. 29 Beim nachehelich geborenen Kind etwa durch § 1593 sowie beim vorehelichen Kind durch Legitimation nach Anerkennung bzw. Feststellung der Vaterschaft (§ 1600 a). 30 Zahlungen etwa, die in voller Kenntnis der Erzeugerschaft eines anderen dem vorehelich geborenen Kind ohne daß Legitimation bzw. Anerkennung oder Feststellung erfolgte erbracht wurden oder solche, die nach Beseitigung der Zuordnung (durch Anfechtung der Ehelichkeit oder des Vaterschaftsanerkenntnisses bzw. der Vaterschaftsfeststellung) erfolgten. Stolterfoht, S. 343 geht in der Tat davon aus, daß Legalzession auch in diesen Fällen erfolge. 31 Die in diesen Fällen idR vorliegende faktische Eingliederung in den Familienverband berechtigt m. E. zu keiner anderen Beurteilung. 32 Mit der bereits angesprochenen übernahme der von der Rspr. gezogenen Analogie. 33 Der den Ehemann ebenfalls nur als vermeintlichen Vater im Auge hatte, vgl. amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel. S. 191. 34 Vgl. nur BGHZ 24, 9; BGH FamRZ 1964, 41 f.

I.

Eintritt der Legalzession

21

nächst unterstellte oder vermeintliche (Abs.2) Unterhaltspflicht vorausgesetzt. Daß die nunmehr erfolgte gesetzliche Regelung des Rückgriffs des Ehemanns nicht ausdrücklich Bezug der Zahlung zu eigener Verpflichtung fordert, ist eine Folge der systematisch unrichtigen Einordnung dieses Regreßfalls in den Rückgriff subsidiär Verpflichteter anstatt in den Rückgriff Nicht-Verpflichteter, wo er an sich hingehört35 : beim subsidiär Verpflichteten folgt der Bezug zu eigener Pflicht zwangsläufig aus der Person des Leistenden, beim Nicht-Verpflichteten genügt das hingegen nicht, da hier eine derartige Beziehung erst durch (vom Gesetz unterstellte oder durch Hoheitsakt verfügte) vorläufige Verpflichtung oder auch nur irrtümliche Annahme eigener Verpflichtung erzeugt werden kann, was in § 1615 b II (wie bereits dargestellt) dadurch erfolgt, daß der Leistende "als Vater" bezahlt haben muß. Dies rechtfertigt die Korrektur der mißglückten Gesetzesfassung durch restriktive Interpretation der Norm36 , die orientiert ist am Willen des Gesetzgebers 37 und an der GesetzessystematiksB: auch für die Legalzession zugunsten des Ehemanns der Mutter ist mithin zu fordern, daß dessen Zahlung im Hinblick auf eigene Verpflichtung erfolgte. Wie im Falle des § 1615 b Abs. 2 wird der erforderliche Bezug zur Vaterschaft hergestellt entweder durch (wenn auch nur vorläufige) Zuordnung zum Kind39 oder durch die irrige Annahme, der Erzeuger zu sein, durch Zahlung "als Vater"40 im Sinne der oben a) gegebenen Definition also; in allen anderen Fällen tritt eine Legalzession nicht ein41 • c) Zusammenfassend läßt sich demnach feststellen: die Bereiche, in denen Legalzession zugunsten des Ehemanns und zugunsten des schlicht nichtehelichen Scheinvaters eintritt, decken sich inhaltlich weitgehend. 35 Diese systematisch falsche Einordnung erklärt sich aus der früheren Analogie zu § 1709 II a. F. und der in der Rspr. stets behaupteten Verschiedenheit der Situation beim schlicht nichtehelichen Scheinvater (vgl. BGHZ 46, 319). Nach der Neuregelung durch das NeG - insbesondere mit der Anerkennung verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen nichtehelichem Kind und Erzeuger - muß die hier erfolgte Trennung von schlicht nichtehelichem Erzeuger und Mann der Mutter als willkürlich empfunden werden. Bezeichnenderweise wird auch in der amt!. Begr. z. RegE die Legalzession zugunsten des Ehemanns ausschließlich zusammen mit der zugunsten Dritter bei der Begründung des Abs. 2 behandelt. 36 Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, S. 327 ff. 37 Daß der Wille des Gesetzgebers bei der Normauslegung jedenfalls auch ein Kriterium darstellt, dürfte heute unstreitig sein, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 296 ff. (dort auch zum Streit zwischen "subjektiver" und "objektiver" Theorie), und zwar verstärkt bei erst kürzlich erlassenen Normen (S. 321 f.). 3B Vgl. LaTenz, Methodenlehre, S. 305 ff., 32l. 39 Gern. §§ 1593, 1600 a. 40 Daß der Ehemann "als Vater" gezahlt habe, wird auch von der amtl. Begr. vorausgesetzt. 41 So offenbar auch Gernhuber, § 59 VIII 2.

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Teil 1 : Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

Die Unterhaltsforderung wird stets zediert, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Zahlung dem Leistenden zugeordnet war. Zuordnung liegt vor, wenn der Zahlende die Vaterschaft anerkannt hatte oder als Erzeuger festgestellt war (§ 1600 a); entsprechend zu behandeln ist der Fall, daß der Zahlende durch einstweilige Unterhaltsregelung (§§ 1615 0, 641 d ZPO) zur Zahlung verpflichtet wurde. Zuordnung zum Ehemann der Mutter ist denkbar für das vorehelich geborene Kind durch Legitimation (die allerdings Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft voraussetzt'2) und für das nach Eheschluß geborene Kind durch § 1593. Ob sich der Zahlende dabei für den Erzeuger hielt, ist irrelevant. Sofern eine derartige Zuordnung nicht vorliegt, tritt Legalzession ein, wenn der Zahlende irrtümlich annahm, er sei der Erzeuger des Kindes. Keine Legalzession tritt dagegen bei Zahlungen ein, die der Leistende erbracht hat in der überzeugung, nicht der Vater des Kindes zu sein und ohne daß eine der oben beschriebenen Zuordnungsformen bzw. einstweilige Unterhaltsregelung vorlag; die Zahlung erfolgte dann ohne jeden Bezug zur Vaterschaft des Leistenden und unterscheidet sich in nichts von der Zahlung eines beliebigen Dritten. Demgemäß ist der Leistende dann auf die sich unbeteiligten Dritten anbietenden Regreßmodi angewiesen. 11. Die Durchsetzung des übergangenen Unterhaltsanspruchs

Mit der Feststellung der Legalzession allein ist jedoch in aller Regel dem Scheinvater noch nicht gedient, da vor Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs noch zwei Rückgriffssperren zu überwinden sind. 1. Rückgriffssperre: § 1600 a Satz 1

Die erste Rückgriffssperre greift ein, wenn das Kind durch Gesetz

(§ 1593 für das "scheineheliche" Kind) oder durch gestaltenden Akt

(Anerkennung der Vaterschaft oder Feststellung gern. § 1600 a) dem Scheinvater zugeordnet ist. Durch die Zuordnung entsteht ein "Rechtsschein der Vaterschaft"43, der den Zahlenden hindert, seine eigene Vaterschaft zu leugnen. Er muß daher zunächst den Rechtsschein der eigenen Vaterschaft beseitigen, indem er die gesetzliche Zuordnung nach 42 Vgl. SoergeULade, § 1719, 7. Legitimation setzt mithin Zuordnung bereits voraus. 43 Vgl. Odersky, § 1600 a, I, II 2 a, V. Der Begriff "Rechtsschein" hat in diesem Zusammenhang selbstverständlich eine andere Bedeutung als etwa bei den Gutglaubensvorschriften. Die (mißverständliche) Verwendung des Begriffs auch hier ist aber üblich geworden.

II. Durchsetzung des Anspruchs

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§§ 1594 ff. oder sein Vaterschaftsanerkenntnis nach §§ 1600 g ff. anficht oder die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 641 i ZPO betreibt44 •

Doch liegt diese Rückgriffssperre einmal nicht in jedem Fall vor4 5 , zum anderen ist sie auch relativ einfach zu beseitigen. Schließlich wird die Frage heute weitgehend überlagert durch die Problematik des § 1600 a Satz 2.

2. Rückgriffssperre: § 1600 a Satz 2 Durch die Sperre des § 1600 a Satz 2 wird der Rückgriff des Scheinvaters ganz erheblich erschwert. Die Norm verbietet die Rechtsausübung46 gegen den wahren Erzeuger, bevor dieser entweder durch Anerkennung oder durch gerichtliche Vaterschaftsfeststellung dem Kind positiv zugeordnet ist; weder das Kind noch Dritte können vorher die Rechtswirkungen der Vaterschaft geltend machen, da die Vorschrift auch gegenüber Dritten wirkt4 7 • Anerkennt jedoch der Erzeuger die Vaterschaft nicht und sehen sowohl Vater als auch (was selten vorkommen wird(8 ) Kind von einer Feststellungsklage ab, dann kann der Scheinvater die Vaterschaftsfeststellung nicht erzwingen: § 1600 n gibt allein dem Vater und dem Kind (bzw. nach dessen Tod der Mutter, Abs.2) die Befugnis, gerichtliche Feststellung der Vaterschaft zu initiieren. Diese Regelung, die den Eingriff Dritter in den Status nichtehelicher Kinder verhindern soll, führt zu dem absurden Ergebnis, daß Erzeuger und Kind durch Nichtherbeiführen positiver Zuordnung den Rückgriff des Scheinvaters verhindern können. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Kind für die Feststellungsklage idR durch einen Pfleger vertreten wird, §§ 1706 Nr. 1, 1709. Denn die elterliche Gewalt kann auch hierfür auf die Mutter übertragen werden (§ 1707); zudem hat der Pfleger ausschließlich das Interesse des Kindes wahrzunehmen (§§ 1915 I, 1793), und unter Umständen kann die Nichtstatt aller SoergeliLade, § 1593, 5; Stolterfoht, S.342. Auch die Legitimation eines vorehelich geborenen Kindes ist heute seltener geworden, da sie Zuordnung nach § 1600 a Satz 1 voraussetzt. 46 Auf den Bestand des Anspruchs oder den Eintritt der Legalzession hat § 1600 a Satz 2 keine Auswirkung, vgl. Odersky, § 1600 a, VI 1, § 1615 b, II 2; SoergeliLade, § 1600 a, 2; Lange, NJW 1970, 299; Knöpfet, FamRZ 1966, 278; Brüht, FamRZ 1966, 545; Gernhuber, § 57 I 2, 7: lediglich die Rechtsausübung wird gehindert. 47 SoergetlLade, § 1600 a, 2; Odersky, § 1600 a, VI3 a; Dieckmann, JuS 1969, 160; Stotterfoht, S.342; Gernhuber, § 57 I 7; die amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfet, S.192 ist noch anderer Ansicht: dort wird ausgeführt, wer zu Unrecht Unterhalt geleistet habe, könne sich "ohne weiteres" an den Erzeuger halten. Ebenso Brüggemann, FamRZ 1966, 530 und Zarbock, ZBl JugR 1966, 292. 48 Darauf weist Dieckmann, JuS 69, 160 hin, doch sind Ausnahmen denkbar. 44

45

24

Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

zuordnung des Kindes zu einem bestimmten Vater durchaus im Interesse des Kindes liegen 49 , während das Wohl des Kindes für den Scheinvater stets irrelevant sein wird. Da dem Scheinvater auch ein Betreiben der Zuordnung etwa als Prozeßstandschafter für das Kind nicht möglich isiSo (in Frage käme nur eine gesetzliche Prozeßstandschaft), sind mehrere Wege denkbar, um diese (vom Gesetzgeber nicht voll überblickteSI) unbillige Konsequenz zu vermeiden oder doch wenigstens einzuschränken: a) Einmal könnte man dar an denken, über § 412 in Analogie zu §§ 402, 403 eine schuldrechtliche Verpflichtung des Kindes dem Scheinvater gegenüber anzunehmen, den wahren Erzeuger als Vater feststellen zu lassen; doch widerspricht dies eben der Gesetzeskonzeption, Eingrüfe Dritter in den Status des nichtehelichen Kindes zu vermeiden52 • Es wäre ein Unding, dem Scheinvater wegen u. U. geringer Unterhaltsbeiträge Einfluß auf so weitreichende Vorgänge wie Statusbegründung zu einem bestimmten Mann zu geben. Die weiteren Lösungsansätze versuchen daher, ohne positive Zuordnung des Kindes den Rückgriff auf den Erzeuger zu ermöglichen. b) Odersk y 53 läßt in einigen Fällen Ausnahmen von der Regel des § 1600 a Satz 2 zu. So soll die Berufung Dritter auf die Vaterschaft des Erzeugers dann trotz fehlender Zuordnung zulässig sein, wenn der Rechtsschein der Vaterschaft gern. § 1600 a gar nicht mehr geschaffen werden kann, etwa weil Mutter und Kind gestorben sind und damit weder Anerkennung (§ 1600 cl) noch Feststellungsklage bzw. Antrag auf Vaterschaftsfeststellung (§ 1600 n) erfolgen kann: es könne nicht unterstellt werden, daß es im Sinne des Gesetzgebers liege, in solchen Fällen Ansprüche zuzusprechen, die gerichtlich nicht durchgesetzt werden können. Der Vaterschaftsnachweis soll dann nach allgemeinen Regeln (einschl. § 16000) im Prozeß geführt werden54 • Diese Einschränkung des § 1600 a Satz 2 ist durchaus interessengerecht und läßt sich durch eine am Normzweck orientierte restriktive Interpretation rechtfertigen: das Privileg, die positive Zuordnung allein herbeizuführen und dadurch erst die Möglichkeit der Berufung auf die Verwandtschaftsbeziehung zu eröffnen, läßt sich nur so lange halten, wie überhaupt Personen vorhanden sind, die die Zuordnung betreiben können; § 1600 a Satz 2 setzt 49 50

51

Stolterfoht, S.343; amtl. Begr. z. RegE in JansenlKnöPfle, S.111. Dieckmann, JuS 1969, 160. Das ergibt sich aus der in FN 47 zitierten Äußerung, vgl. Stolterjoht,

S.342 FN 14. 52 So Stolterjoht, S. 343. 53 § 1600 a, VI7; ähnlich für den Fall der Fehlgeburt Palandt/Lauterbach, § 1615 n, 2. 54 Daß dabei allerdings Beweisschwierigkeiten auftreten können, liegt auf der Hand. Vgl. Odersky, § 1600 a, VI 7.

11. Durchsetzung des Anspruchs

25

seiner systematischen Stellung nach die Zuordnungsmöglichkeit des Satzes 1 voraus. Doch wird man in diesen Fällen verlangen müssen, daß vorher bereits die Absicht, die Vaterschaftsfeststellung herbeizuführen, erkennbar war55 : eine (aus guten Gründen erfolgte) Entscheidung gegen die Zuordnung zu einem bestimmten Mann muß insoweit auch postmortale Wirkung haben. Positive Zuordnung mit inter-omnes-Wirkung nach § 1600 a Satz 1 läßt sich damit selbstverständlich nicht erreichen: lediglich in einzelnen Rechtsbeziehungen tritt die Wirkung des Satzes 2 nicht ein. Nach Odersky 56 soll diese Begrenzung des § 1600 a Satz 2 auch dann gelten, wenn zwar die Möglichkeit der Zuordnung noch besteht, aber die Personen, die kraft Gesetzes allein befugt sind, die Zuordnung herbeizuführen, diese böswillig und arglistig unterlassen: § 1600 a Satz 2 soll dann einer Klage des Scheinvaters gegen den Erzeuger nicht entgegenstehen. Die für den Fall des Fehlens zuordnungs berechtigter Personen tragfähige Begründung vermag jedoch bei böswilligem und arglistigem Unterlassen der Zuordnung nicht zu überzeugen: Mag die Existenz von zuordnungsberechtigten Personen in § 1600 a Satz 2 vorausgesetzt sein und damit die oben durchgeführte Einschränkung der Norm noch innerhalb des möglichen Wortsinns als Grenze der Auslegung51liegen - eine Einschränkung der allein auf den objektiven Gesichtspunkt der Zuordnung abgestellten Vorschrift unter Berücksichtigung der Motivation eines der Beteiligten läßt sich m. E. mit dem eindeutigen Wortsinn nicht mehr vereinbaren und ist damit unzulässig58, selbst wenn der Gesetzgeber diese Konsequenz nicht bedacht hat59 und möglicherweise bei Kenntnis der Probl.ematik eine andere Regelung vorgezogen hätte. Ebenso scheidet eine Einschränkung der Norm im Wege einer (bereits im Bereich der Rechtsfortbildung anzusiedelnden)60 teleologischen Re55 VgI. Odersky, § 1600 a, VI 7. Ganz sicher jedoch darf keine gegenteilige Absicht aller Beteiligten bekannt geworden sein. VgI. in diesem Zusammenhang auch § 1934 c, wo hins. des Erbersatzanspruchs sogar verlangt wird, daß ein Feststellungsverfahren bereits anhängig war; die engeren Voraussetzungen der Norm berechtigen jedoch nicht zu einem obige Einschränkung verhindernden Umkehrschluß : einmal handelt es sich um die Berechtigung des Kindes, nicht eines Dritten, und zum anderen soll der Erblasser mit dem Auftauchen nichtehelicher Abkömmlinge rechnen können, damit er entsprechende Verfügungen treffen kann (also Schutz der Testierfreiheit, vgI. Lange, NJW 1970, 305). 56 § 1600 a, VI 7. 57 Vgl. LaTenz, Methodenlehre, S. 304. 58 Zur Bedeutung des Wortlauts der Normen als Grenze der Auslegung vgI. neuerdings BGH NJW 1972, 715 m. zust. Anm. Löwe (zur Frage der Formbedürftigkeit nach § 313 bei Ankaufsverträgen). 59 Das ergibt sich aus der bereits zitierten Bemerkung in der amtI. Begr. z. RegE in JansenlKnöpfel, S.192, wonach sich der Scheinvater "ohne weiteres" an den Erzeuger halten könne. 60 LaTenz, Methodenlehre, S. 341, 370 ff.

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger -

A. Legalzession

duktion aus, da das von der Norm geforderte Ergebnis zwingende Folge zweier im Gesetz zum Ausdruck gekommener Prinzipien ist, nämlich a) Ausschluß der Geltendmachung einer Verwandtschaftsbeziehung auch durch Dritte vor positiver Zuordnung und b) Begrenzung des Personenkreises, der die Zuordnung herbeiführen kann.

Der Ausschluß der Geltendmachung von Ansprüchen bei Unterlassen der Zuordnung entspricht damit durchaus der Gesetzessystematik und dem Zweck der Regelung und läßt sich nicht durch eine an eben diesem Normzweck orientierte Korrektur beseitigen. c) Eine auf der Motivation der Beteiligten beruhende Korrektur wäre allein vorstellbar unter dem Gesichtspunkt des Verbots mißbräuchlicher Rechtsausübung. Sedes materiae ist § 242 BGB. Eine Berufung auf Treu und Glauben stellte jedoch hier nicht eine Einwendung gegen die Ausübung eines subjektiven Rechts, sondern Ausschluß einer gegen ein subjektives Recht gerichteten Einwendung (nämlich der des § 1600 a) dar; Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Norm ist mithin, daß § 242 neben dem Verbot rechtsmißbräuchlicher Ausübung subjektiver Rechte auch die Ausnutzung sonstiger Rechtslagen oder Rechtspositionen (wie sie etwa Einwendungen darstellen) verbietet, m. a. W., daß § 242 auch Instrument allgemeiner Normenkontrolle ist. Eine solche "korrektorische Funktion des § 242"61, die voraussetzt, daß man auch die Einschränkung formal unbegrenzter Normwirkungen generell als Ausdruck einer Grundfunktion des § 242 ansieht62 , wurde von der Rechtsprechung des RG und des BGH in einer langen Reihe von Entscheidungen stets anerkannt63 ; das ganz überwiegende Schrifttum billigte diese Rechtsprechung grundsätzlich64 • Die Gegenmeinung65 hat demgegenüber 61 62

Larenz, Schuldrecht I, § 10 H. SoergeliSiebertlKnopp, § 242,170.

63 Grundlegend RGZ 85, 108, 117 (zu §394); RGZ 107, 108 u. 357; 153, 59; 157, 207; JW 36, 97 u. 1826; 38, 1923, 2416 u. 2579; RGZ 169, 73; 170, 203; BGHZ 12, 304; 16, 337; 23, 254; 48, 396 (zur Frage von Formnichtigkeit und Treu und Glauben); RGZ 115, 135, 137; 144,378,381; 153, 101, 111; BGHZ 9,1; VersR 65, 1000 (Arglisteinwand gegen Einrede der Verjährung); vgl. ferner BGHZ 3, 94 ff.; ähnlich BGHZ 43, 258, 260 (Versagung d. Berufung auf Art. 17 WG). 64 Vgl. vor allem Stammter, Die Lehre vom richtigen Rechte, 2. A. 1926, 222 ff.; Hamburger, Treu und Glauben im Verkehr, 1930, 11; Staudingerl Weber, § 242, D 20, D 41; RGRKINastetski, § 242, 119; ErmanlSirp, § 242, I 4 e; SoergeliSiebertlKnopp, § 242, 168 ff.; 362 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 10 H; Esser, Schuldrecht I, § 6; Lorenz, AcP 156, 381 und JuS 1966, 429; Wieacker, FamRZ 57, 287, 289; zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB (1956), 26 ff. 65 Insbes. vertreten von PtancklSiber, § 242, 3; Leonhard, Schuldrecht AT Bd.1, S. 68 ff.;Oertmann, § 242, 1; Gernhuber, Festschr. Schmidt/Rimpler, S. 151 ff. (speziell zur Problematik bei der Formnichtigkeit, wo der Streit im wesentlichen geführt wurde und wird, mit ausf. Nachw.); aus der Rspr. vgl. OLG Koblenz, HEZ 2, 1 ff.

11. Durchsetzung des Anspruchs

27

immer wieder zu Recht darauf hingewiesen, daß sich, nachdem die exceptio doli generalis des gemeinen Rechts im BGB keinen Niederschlag gefunden hat, § 242 nicht als Vehikel zum Ausgleich zwischen ius strictum und bona fides66 bzw. ius aequum67 darstellen kann, sondern korrigierend nur bei Lücken im Gesetz im Wege der Auslegung bzw. Ergänzung zu verwenden ist68 ; andernfalls stünde zwingendes Recht zur Disposition des Richters und zügelloser Billigkeitsrechtsprechung wäre Tür und Tor geöffnet. Der im BGB dem § 242 übertragenen Funktion nach verlangt ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne der Norm weiter eine Rechtsausübung bzw. Geltendmachung einer sonstigen Rechtsposition. Dies ist jedoch bei einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwendung (wie z. B. der des Formmangels oder auch des § 1600 a Satz 2) gar nicht möglich69 • Denkbar ist Geltendmachung einer sonstigen Rechtsposition allenfalls bei Einreden oder Ausübung von Gestaltungsrechten70 wie beispielsweise Verjährung und Rücktritt oder Kündigung, niemals jedoch bei Einwendungen. Vor allem dem Vorwurf der uferlosen Ausdehnung reiner Billigkeitsrechtsprechung contra legem wird von der h. M. begegnet mit dem Hinweis, die korrektorische Funktion des § 242 sei beschränkt auf ganz krasse Ausnahmefälle, etwa wenn die Normanwendung "zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen würde"71, zum Teil wird versucht, der Gefahr allmählicher Aushöhlung des ius strictum durch Begrenzung des Gedankens auf wenige Fallgruppen zu begegnen72 ; wieder andere versuchen, die Durchbrechung des Gesetzes unter dem Gesichtspunkt einer - durch § 242 geforderten - restriktiven Interpretation unter Wahrung des N ormzwecks7!r zu rechtfertigen. 66 So aber Larenz, Schuldrecht I, § 10 II h und alle, die die exceptio doli generalis auch heute noch anerkennen. 67 Lorenz, JuS 1966, 431. 68 Vgl. Oertmann, § 241, 1; Leonhard, S. 71; PlaincklSiber, § 242, 3. 69 Leonhard, S. 71; Gernhuber, Festschr. Schmidt/Rimpler, S. 154 f.; das wird anerkannt auch von Vertretern der Gegenmeinung, etwa Larenz, Schuldrecht 1, § 10 II hund BGHZ 12, 304; LM Nr.1 zu § 242 (Ca), doch gerechtfertigt unter Berufung auf die durch § 242 angeblich allgemein zugelassene Einrede der allg. Arglist. 70 So Leonhard, S. 71; Gernhuber, Festschr. Schmidt/Rimpler, S. 154 f. 71 Vgl. aus der Rspr. BGHZ 23, 254; 48, 396 (zu § 125); ferner SoergeU SiebertlKnopp, § 242, 362 ff.; ErmanlSirp, § 242, III 3 e aa. 72 Larenz, Schuldrecht I, § 10 III mit Begrenzung auf widersprüchliches Verhalten. Ebenso BAG 2, 58; AP Nr.2 zu § 74 HGB; Lorenz, JuS 1966,429, 436 (alle zur Formnichtigkeit) ; dagegen ausdrücklich Soergel/SiebertIKnopp, § 242, 345. 73 Esser, Schuldrecht I, § 6III ("individueller Rechtsmißbrauch"); doch setzt auch diese Lösung - wie der Hinweis auf die Bestimmung durch den Grundsatz von Treu und Glauben zeigt - die Zulässigkeit der allgemeinen Arglisteinrede voraus.

28

Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

In Wahrheit handelt es sich jedoch hier nicht um eine Ausprägung des allgemeinen Prinzips von Treu und Glauben - das zeigt schon die Tatsache, daß die Durchbrechung des ius strictum bisher nur in den genannten Einzelfällen durchgeführt wurde, nicht aber bei anderen (ähnlichen) Situationen, etwa dann, wenn es um den Schutz Minderjähriger, die Anwendung des § 138, die Frage der Formb€dürftigkeit von Verfügungen von Todes wegen ging74 • Gerade der stets betonte Ausnahmecharakter und die Beschränkung auf wenige besonders krasse Fälle deutet vielmehr darauf hin, daß hier scheinpositivistisch begründete75 (richterliche) Rechtsfortbildung 76 contra legem in wenigen Einzelfällen und allein unter Billigkeitsgesichtspunkten vorliegt; die Berufung auf § 242 stellt damit einen funktionellen Mißbrauch der Norm dar und kann daher auch eine Durchbrechung des § 1600 a Satz 2 nicht tragen. Ebenso scheidet jedoch eine Ausdehnung dieser durch richterliche Rechtsfortbildung 77 eröffneten Möglichkeit der Normkorrektur auf die hier behandelte Problematik des § 1600 a Satz 2 aus: Sie wurde bisher weder zu einem allgemeinen Rechtsinstitut der Gesetzeskorrektur unter Billigkeitsgesichtspunkten erweitert noch ist sie gar zu einem allgemeinen gewohnheitsrechtlichen Prinzip 78 erstarkt, wie sich aus dem stets wiederkehrenden Betonen des Ausnahmecharakters der Gesetzesdurchbrechung und der bisher immer auf einen engen Bereich begrenzten Anwendung ergibF9. Als Ergebnis ist daher zunächst festzuhalten, daß eine allein auf Treu und Glauben oder bloße Billigkeitsgesichtspunkte gestützte "Korrektur" des § 1600 a Satz 2 unzulässig ist. Nicht ausgeschlossen ist allerdings ein (unter tatbestandlich viel engeren Voraussetzungen denkbarer) Schadensersatzanspruch des Scheinvaters gegen den Erzeuger nach § 82680 • Die Frage, ob die damit feststehende Benachteiligung des Scheinvaters hingenommen werden soll als notwendige Folge der oben bereits erwähnten Vgl. Gernhuber, S. 156 ff. m. w. N. Gernhuber, S. 161; F. v. Hippel, Formalismus und Rechtsdogmatik, 1935, S. 144. 76 Auch Larenz, Methodenlehre, S. 373 sieht jedenfalls die Einschränkung des § 125 als - allerdings durch § 242 legitimierten - Akt der Rechtsfortbildung an. 77 Unabhängig von der Frage, ob sie legitim oder illegitim war; zur Frage der Legitimität vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 399 ff. 78 Vgl. dazu Larenz, S.408. 79 Damit ist noch nicht gesagt, daß innerhalb eines engen Bereichs (etwa im Rahmen des § 125) keine gewohnheitsrechtliche Verfestigung erfolgt ist (dagegen noch Gernhuber, S. 163); lediglich die Erweiterung zu einem allgemeinen Prinzip hat sicher nicht stattgefunden. 80 Der Anspruch gehört im Rahmen dieser Arbeit systematisch an eine andere Stelle: es handelt sich nicht mehr darum, ob der legalzedierte Anspruch trotz § 1600 a Satz 2 geltend gemacht werden kann, sondern um einen anderen Anspruch gegen den Erzeuger. Vgl. daher unten B IV 4. 74

75

IH. Ausgestaltung des Anspruchs

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beiden Prinzipien der Beschränkung des zuordnungsberechtigten Personenkreises einerseits und des § 1600 a Satz 2 andererseits, verlagert sich damit in den Bereich künftiger Gesetzgebung. De lege ferenda wird zu berücksichtigen sein, wie häufig derartige Fälle überhaupt auftreten, ob also überhaupt ein ernsthaftes Regelungsbedürfnis besteht, ferner, inwieweit eine Korrektur nach § 826 Abhilfe schaffen kann und schließlich, inwiefern der Scheinvater bei Anwendbarkeit des § 1600 a Satz 2 bei anderen Personen Rückgriff nehmen kann (vgl. dazu insgesamt Teil 2 und 3!). III. Die nähere Ausgestaltung des übergangenen Anspruchs Wenn die eben behandelten Ausübungssperren überwunden sind, erhebt sich die Frage nach der näheren Ausgestaltung des nunmehr dem Scheinvater zustehenden Anspruchs.

1. Anwendbarkeit der Subrogationsklausel, § 1615 I b Die Bestimmung, daß der Legalzessionar den Anspruch nicht zum Nachteil des Kindes geltend machen darf, führt zur Abweisung der Klage als z. Z. unbegründet, wenn die Durchsetzung seines Anspruchs die (auch künftigen)81 Ansprüche des Kindes gegen seinen Erzeuger beeinträchtigen würde. Ebensowenig kann der gegen den Erzeuger gerichtete Anspruch ein Herabsetzen des Unterhaltsanspruchs des Kindes etwa unter dem Gesichtspunkt fehlender Leistungsfähigkeit nach § 1603 I rechtfertigen 82 . Diese Regelung, die in erster Linie den Unterhalt des Kindes sichern soll, ist - wie in der Literatur bereits mehrfach betont wurde8 3 - sachlich verfehlt: begünstigt wird nicht das Kind, dessen Unterhalt heute immer gesichert ist (sei es durch Ansprüche gegen nachrangig Haftende, sei es letztlich durch die Sozialhilfe); begünstigt sind vielmehr in erster Linie die sonst in Anspruch zu nehmenden nachrangig Haftenden oder der Staat; benachteiligt ist allein der Zahlende, dessen Rückgriff durch die Vorrangklausel zumindest erschwert wird. Das Erschwernis mag sachgerecht sein in den sonstigen Fällen der Vorrangklausel, in denen der Rückgriffsberechtigte stets seinerseits selbst haftete (wenn auch nachrangig oder subsidiär), wie dies bei den sonstigen Verwandten des Kindes der Fall ist, aber auch z. B. bei der Bürgschaft, wo mindestens intern (bei selbstschuldnerischer Bürgschaft) der Bürge an letzter Stelle haftet: weder soll der Bürge das Sicherungsziel dadurch beeinträchtigen, daß er zu dem Gläubiger mit seiner Rückgriffsforderung im Hinblick auf das Vermögen des Hauptschuldners in Konkurrenz tritt (§ 774 I 2) noch soll der nachrangig Haftende den Alimentationszweck (dessen Sicherung Ziel der gestufen Verpflichtung ist) beeinträchtigen, "indem er konkurrierend mit dem Alimentierten Forderun81 So die h. M., vgl. Gernhuber, § 41 IV 4; Soergel/Lade, § 1615 b, 3; Stoltertoht, FamRZ 1971, 349 (m. w. N. FN 85). 82 So richtig Gernhuber, § 41 IV 4 für den vergleichbaren Fall des § 160711 3. 83 Dieckmann, JuS 1969, 103, 160; Gernhuber, § 45 VIII 4; 59 VIII 4; Stoltertoht, S. 349.

30

Teil 1 : Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

gen gegen den primär Unterhaltspflichtigen geltend macht oder dessen zukünftige Leistungsfähigkeit zerstört"84. Nicht gerechtfertigt ist die Benachteiligung aber zu Lasten des völlig außenstehenden Scheinvaters. Dieckmann hat daher zum früheren Recht angeregt, bei der Analogie zu § 1709 11 a. F. die (dort lediglich auf nachrangig Haftende bezogene) Subrogationsklausel aus der Analogie auszunehmen 85• Angesichts der eindeutigen Erstreckung der Klausel auf den Regreß auch des Scheinvaters in § 1615 b I Satz 2 ist jedoch an der Anwendbarkeit der Klausel für das geltende Recht nicht mehr zu zweifeln86 • Dennoch versucht Stolterjoht 87 im Anschluß an die überlegungen Dieckmanns § 1615 b I 2 insoweit einschränkend zu interpretieren, als die Subrogationsklausel auch nach neuem Recht beim Regreß des Scheinvaters nicht angewendet werden soll (auch die Verweisung in § 1615 b 11 soll sich demgemäß nur auf § 1615 b I 1 beziehen); doch widerspricht eine derartig weitgehende Restriktion der ausdrücklichen Regelung im Gesetz. De lege lata ist daher mit der h. M.88 vom Eingreifen der Subrogationsklausel auch in diesem Fall auszugehen. 2. Der Unterhaltsforderung anhaftende Eigenarten

Während die Subrogationsklausel eine den Rechtswirkungen des § 1600 a ähnliche Rechtsausübungssperre beinhaltet (die allerdings im Gegensatz zu diesen nur für die bereits übergangene Forderung gilt und deswegen der näheren Ausgestaltung der Regreßforderung zuzurechnen ist), bedarf nunmehr die Frage näherer Untersuchung, inwieweit spezielle der Unterhaltsforderung anhaftende Eigenarten auch nach der Legalzession erhalten bleiben. An sich scheint sich volle Identität des Anspruchs nach der Zession aus den §§ 399 ff., 412, insbesondere (hinsichtlich der Einwendungen) aus § 404 zu ergeben. Doch ist zu beachten, daß gerade § 404 aus dem Schuldnerschutzgedanken folgt89 , während bestimmte Spezifika des Unterhaltsanspruchs allein aus dem Alimentationszweck des Anspruchs zu erklären sind. Da der Unterhaltsanspruch jedoch die ursprünglich auf Alimentation gerichtete Zweckbestimmung mit dem (lediglich Regreßzwecken dienenden) übergang auf den Scheinvater verliert90 , entfallen mit diesem Zeitpunkt auch 84

85 86

87

Stolterjoht, S.350; vgl. auch Dieckmann, S.103, 160. Dieckmann, S. 103. Darauf weist Dieckmann, S. 103, FN 18 und S. 160 hin.

S.350.

SoergeULade, § 1615 b, 3; Palandt/Lauterbach, § 1615 b, 3; Gernhuber, § 59 VIII 4; Dieckmann, S.103, 160; für das frühere Recht ebenso BGHZ 48, 361 (366) (zu § 170911 a. F.). 89 Vgl. statt aller Erman/Westermann, § 404, 1. 90 So die h. M., vgl. Soergel/Lade, § 1615 b, 5; für die identische Problematik bei § 160711 vgl. Soergel/Lange, § 1607, 3; Staudinger/Gotthard, § 1607, 25; RGRK/Schejjler, § 1607,4; Odersky, § 1607, IV 1 a; Gernhuber, § 41 IV 4; Dälle, § 103 IV 2; § 86 V 4; Brühl, Unterhaltsrecht, S.279; v. Caemmerer, NJW 1963, 88

1403; Marienwerder, OLG 30, 58; Hamburg, LZ 1921, 660; Köln, JW 1931, 660. And. Ans. Kropholler, FamRZ 1966, 416; Beitzke, § 24 V 2 b.

In. Ausgestaltung des

Anspruchs

31

alle nur aus dem Alimentationszweck folgenden Eigenarten des Anspruchs. Die Frage, ob eine Norm schuldnerschützende Funktion hat oder ob sie Ausdruck des Alimentationszwecks ist, wird mithin entscheidend für ihre Weitergeltung nach der Legalzession. a) Geltung des § 1613 Trotz Wegfall des § 1711 a. F. infolge der Einordnung des Nichtehelichen-Unterhalts in das Recht des Verwandtenunterhalts ist der mögliche Anwendungsbereich des § 1613 als rechtsvernichtender Einwendung hier minimal, da § 1615 d vom Grundsatz, daß Unterhalt für die Vergangenheit nicht verlangt werden darf, eine Ausnahme macht für alle vor Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft fällig gewordenen Ansprüche91 • Voraussetzung für das Eingreifen der Norm im Bereich des Zessionsregresses des Scheinvaters ist, daß Unterhaltsleistungen, die nach Feststellung der Vaterschaft erfolgten, vom Zahlenden "als Vater" geleistet wurden, da sonst (vgl. oben 12) ein Rechtsübergang nicht eintritt. Undenkbar ist dies in allen Fällen, in denen zunächst (sei es nach § 1593 oder nach § 1600 a) Zuordnung zum Kind vorlag: sowohl Anerkennung (vgl. § 1600 b III) als auch Feststellung durch Urteil (vgl. § 1600 n I) setzen Aufhebung einer etwa früher eingetretenen Zuordnung zu einem anderen Mann voraus; von dieser Aufhebung wird der Scheinvater aber stets Kenntnis haben - leistet er trotzdem weiteren Unterhalt, so fehlt diesen Zahlungen der Bezug zur Vaterschaft und eine Legalzession kann nicht eintreten9:!. Es bleiben somit als denkbarer Anwendungsbereich der Norm nur die Fälle übrig, in denen der Scheinvater freiwillig geleistet hat, ohne dem Kind zugeordnet zu sein; dann ist denkbar, daß er von einer Zuordnung zum richtigen Erzeuger nichts erfahren hat und weiter Unterhaltsleistungen erbrachte in der irrigen Annahme, Erzeuger zu sein. Es handelt sich hierbei jedoch um seltene Ausnahmefälle. Für die Beantwortung der Frage nach der Weitergeltung der Norm nach Zession ist vorauszusetzen, daß sie Ausdruck des (allein auf den Alimentationszweck abstellenden) gemeinrechtlichen Grundsatzes "in praeteritum non vivitur" ist93 • Sicher ist jedoch, daß der Vorschrift 91 Die Ausnahme ist Folge der Ausübungssperre des § 1600 a: das Kind kann vor diesem Zeitpunkt die die Wirkung des § 1613 ausschließenden Gläubigerakte der Mahnung bzw. Klagerhebung nicht vornehmen; der Erzeuger soll dadurch keinen Vorteil haben. Vgl. SoergeULade, § 1615 d, 2; Gernhuber, § 59 VI; amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel, S. 195; Lange, NJW 1970, 30l. 92 Anders allerdings, wenn man entgegen der oben I 2 b vertretenen Ansicht bei Zahlungen des Ehemanns der Mutter für den Eintritt der Legalzession nicht verlangt, daß "als Vater" geleistet wurde! 93 Vgl. nur Staudinger/Gotthardt, § 1613, 2 m. w. N.

32

Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

daneben auch schuldnerschützende Funktion zukommt94 : Der Schuldner soll vor dem Auflaufen rückständiger Unterhalts leistungen zu einer umfangreichen Forderung geschützt werden, auf die er sich nicht einrichten konnte95 • Angesichts der Einschränkungen der Norm bei Verzug und Rechtshängigkeit ist heute sogar von einem Vorrang der schuldnerschützenden Funktion der Norm auszugehen96 • Dementsprechend muß der Ausschluß des Unterhalts für die Vergangenheit auch für die bereits zedierte Forderung gelten97 ; der von der Gegenmeinung98 meist als Begründung gebrachte Hinweis, der Charakter als Unterhalts anspruch gehe mit der Zession verloren, rechtfertigt nicht ein Ignorieren der schuldnerschützenden Funktion. Ebenso ist auch eine (nur aus dem Alimentationscharakter herzuleitende) "Relativierung" der Rechtswirkungen des § 1613 auf das Verhältnis Unterhaltsberechtigter-Verpflichteter99 nicht möglich. Verfehlt ist auch der geiegentlich100 erfolgende Hinweis, der Gedanke des Schuldnerschutzes müsse zurücktreten, weil der übergang sonst "für den Berechtigten in den meisten Fällen bedeutungslos" sei. Trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit der Norm ist der Rückgriff vielmehr durchaus in vielen Fällen denkbar. Dies gilt zumal dann, wenn man entsprechend dem in § 1613 zum Ausdruck gekommenen Vertrauensschutzgedanken (und in Anlehnung an die von der Rspr. bereits für vertragliche Unterhaltsregelungen gemachte Ausnahme) die Anwendung der Vorschrift in teleologischer Reduktion ausschließt, wenn der Schuldner von seiner Verbindlichkeit weißI0l; die Einschränkung ent94

Vgl. statt aller Staudinger/Gotthardt, § 1613, 2; Enneccerus/Kipp/Wolff,

§ 27 IX.

95 Im Vordergrund steht damit der Schutz des Vertrauens auf die eigene wirtschaftliche Dispositionsfreiheit, vgl. KrophoHer, FamRZ 1965, 414; Gernhuber, § 41 VIII 1; Enneccerus/KipP/Wolff, § 27 IX; Staudinger/Gotthardt, § 1613, 2 und 22. 96 KrophoHer, FamRZ 65, 414; Gernhuber, § 41 VIII 1. Dies zeigt sich auch an der inzwischen von der Rspr. in extensiver Interpretation zugelassenen weiteren Ausnahme bei vertraglicher Regelung des Unterhalts (RGZ 164, 69; OLG Celle, NJW 1956, 795; AG Neu-Ulm, MDR 1960, 228), die sich nur aus dem Gedanken rechtfertigen läßt, daß dann ein Schuldnerschutz nicht erforderlich ist. 97 Gernhuber, § 41 IV 4; Enneccerus/Kipp/Wolff, § 27 IX; Beitzke, § 24 I 4 b (and. § 24 V 2 b!); Hoffmann/Stephan, § 63 EheG, 18; Staudinger/Gotthardt, § 1607, 33; KrophoHer, FamRZ 1965, 417 f. Ebenso schon Mugdan, Mat. IV, S.953. 98 Palandt/Lauterbach, § 1607, 3; RGRK/Wüstenberg, § 63 EheG, 31; SoergeliLange, § 1607, 3; SoergeliLade, § 1615 b, 5; RGRKlScheffler, § 1607, 4; Köhler, S. 38; DöHe, § 86 V 4 (anders aber § 41 III 4 c); Marienwerder OLG 30, 58; Hamburg, LZ 1921, 660; JW 37, 51. BGHZ 43, 168 läßt die Frage ausdrücklich dahingestellt, neigt aber offenbar zur Anwendung des § 1613. 99 So Schlechtriem, NJW 1966, 1795 f.; ebenso (jedenfalls für den Regreß des Scheinvaters) Stolterfoht, FamRZ 1971, 351. 100 SoergeliLange, § 1607, 3. 101 KrophoHer, S. 417 f.

IIr. Ausgestaltung des Anspruchs

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spricht durchaus dem Zweck der Norm: ein Vertrauensschutz ist nicht mehr erforderlich, wenn der Verpflichtete seine Pflicht kenntl 02 . Folge ist, daß für den Regreß des Scheinvaters im Ergebnis niemals ein Ausschluß nach § 1613 in Frage kommt, da durch den Akt der Zuordnung zum Kind jedem Vater seine Pflicht unmißverständlich angezeigt wird l03 . Wissen um die eigene Verpflichtung ist dann stets gegeben. Aber auch bei der Legalzession des § 1607 II (wo die Norm bedeutsamer ist und in deren Bereich der Streit um die Anwendbarkeit im allgemeinen geführt wird) verhindert die Entscheidung für grundsätzliche Anwendbarkeit der Norm nicht jeden Regreß: einmal, weil sie ja bei Kenntnis des Unterhaltspflichtigen nicht angewandt wird (Kenntnis muß aber mangels positiv zuordnenden Akts nicht stets vorliegen). Sonst ist Mahnung des im Fall des § 1607 II i. Ggs. zur Situation beim nichtehelichen Kind immer bekannten Pflichtigen möglich (wobei einmalige Mahnung genügt)104 oder Klageerhebung, da beides nicht durch eine § 1600 a entsprechende Vorschrift gehindert wird; ist der Schuldner unbekannten Aufenthalts, so kann die Wirkung des § 1613 notfalls durch Klage mit öffentlicher Zustellung (§§ 203 ff. ZPO) ausgeschlossen werden.

Als Ergebnis ist daher festzuhalten: § 1613 ist zwar auf den legalzedierten Anspruch grundsätzlich anwendbar, doch wird entsprechend der oben dargelegten Einschränkung der Norm dadurch niemals der Anspruch entfallen105 . Für den Zessionsregreß des Scheinvaters bleibt die Norm damit ohne Bedeutung. b) § 1615 h Ausschließlich schuldnerschützende Funktion kommt dagegen § 1615 h zu, wonach der Erzeuger Herabsetzung des Regelunterhalts dann verlangen kann, wenn dieser wesentlich den Betrag übersteigt, den er dem Kind ohne die Vorschriften über den Regelunterhalt leisten müßte. Es handelt sich um ein Recht auf einen die Verbindlichkeit herabsetzenden 102 KrophoHer, S. 417 FN 50 weist zu Recht darauf hin, daß damit nicht etwa § 404 eingeschränkt wird, sondern daß lediglich die Schuldnerschutzbestimmung des § 1613 auf ihre eigentliche ratio, den Vertrauensschutz, zurückgeführt wird. Vgl. auch Gernhuber, § 59 V 1. 103 Gernhuber, § 59 V 1; zum selben Ergebnis kommt Odersky, § 1615 d, II 5 unter Berufung auf § 284 II; ebenso Hojjmann/Stephan, § 64 EheG, 14; and. Ans. allerdings die amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpjel, S. 195, wo Mahnung und Klagerhebung für erforderlich gehalten wird, ebenso wohl Palandt! Lauterbach, § 1615 d, 2; Soergel/Lade, § 1615 d, 5. 104 Auch das folgt auch obigem Gedanken. Vgl. Gernhuber, § 41 VIII; Brühl, S.225; HojjmannlStephan, § 64 EheG, 13; RGRK/Wüstenberg, § 64 EheG, 6; Staudinger/Gotthardt, § 1607, 33; OLG Breslau, OLG 26, 239; and. Ans. FurIer, S. 36. 105 Folgt man dagegen der Einschränkung nicht und nimmt auch nicht Verzug nach § 28 II an, so wird in aller Regel der Anspruch entfallen: da, wie dargelegt, die Legalzession für Zahlungen nach Zuordnung des richtigen Erzeugers zum Kind nur eintritt, wenn der Zahlende sich irrtümlich für den Erzeuger hält, weil er von der Zuordnung nichts erfahren hat, kommt für ihn Mahnung und Klagerhebung nicht in Betracht.

3 Engel

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

richterlichen Gestaltungsakt106, das im Ergebnis die durch Einführung des Regelunterhalt erfolgte Pauschalierung relativiert und deswegen nur in engen Grenzen zulässig ist107 . Ein "überleiten" des Gestaltungsrechts auf die Regreßsituation ist aber nur denkbar, wenn die Herabsetzung auch für Unterhaltsrückstände möglich ist und nicht nur (wie etwa im Fall des § 323 ZPO) für zukünftig fällig werdende Unterhaltsleistungen. Bedenken bestehen deswegen, weil in der ZPO (§§ 643 a II, 642 b i. V. m. § 323 II, III) eine Herabsetzung der (allerdings bereits titulierten) Regelunterhaltsforderung nur für die Zukunft vorgesehen ist; doch wird man dies als Folge rechtskräftiger Entscheidung ansehen müssen, die im Regreßfall niemals vorliegen kann. Bedenken bestehen weiterhin, weil § 1615 h III RegE, der die Herabsetzung für die Vergangenheit ausdrücklich vorgesehen hatte, nicht Gesetz geworden ist. Andererseits setzt § 1615 i II 2 die Herabsetzungsmöglichkeit auch für die Vergangenheit voraus108 ; aus der (auch § 1615 II 2 umfassenden) Verweisung des § 1615 i III ergibt sich zudem, daß sich Unterhaltsschuldner auch noch gegenüber dem Regreßgläubiger auf die Möglichkeit des § 1615 h berufen können mußI09. Diese Befugnis des Erzeugers mindert den Wert der durch den Regelunterhalt erfolgten Pauschalierung der Unterhaltsforderung als Mittel zur (wenigstens in gewissen Grenzen gewährleisteten) Sicherung auch des Regresses des Scheinvaters (vgl. dazu schon oben I b): Gerade in den Fällen, in denen voller Regreß des Scheinvaters im Wege der Legalzession an mangelnder Leistungsfähigkeit des Erzeugers scheitert, kommt eine Herabsetzung der Regreßforderung noch unter den Regelunterhalt in Frage; die Norm kann damit im Ergebnis die dann i. d. R. ohnehin bestehende Regreßlücke (vgl. dazu oben I a) noch erweitern, doch handelt es sich auch hier um eine notwendige Folge differenzierender und auf die Verhältnisse des Erzeugers abstellender Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs nichtehelicher Kinder. c) § 1615 i

In gleicher Weise schuldnerschützende Funktion haben die BiUigkeitsschranken des § 1615 i I, II, wonach dem Vater rückständige Beträge

gestundet oder (subsidiär zur Herabsetzung nach § 1615 h oder zur Stundung) gar erlassen werden können; § 1615 i III unterwirft demgemäß auch den Rückgriff nehmenden Dritten diesen Schranken. 106 Die nähere Ausgestaltung dieses Rechts ist in der Literatur noch nicht eindeutig präzisiert. Vgl. Gernhuber, § 59 II 4 (Recht auf Abänderungsvertrag) ; Brühl, FamRZ 1966, 543 (Einrede); Göppinger, JR 1969, 405 (Einrede nach rechtsgestaltender Erklärung); Firsching, RPtl 1970, 44 (proz. Anspruch auf richterl. Gestaltung); a. Ans. nur Odersky, § 1615 h, III 1 (Einwendung). Doch kann dies hier dahingestellt bleiben. 107 Vgl. dazu i. E. Gernhuber, § 59 II 4 m. weit. Nachw. 108 So offenbar auch SoergellLade, § 1615 h, 3. 109 So auch Dieckmanm, S. 160; Beitzke, § 24 V 2 b.

III. Ausgestaltung des Anspruchs

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Die Erstreckung auf Dritte ist zwar Folge der schuldnerschützenden Funktion der Norm, doch ist sie aus sachlichen Gründen im Schrifttum110 auf erhebliche Bedenken gestoßen: Die zwischen Vater und Kind durch die Billigkeitsschranken erzwungene Rücksichtnahme mag gerechtfertigt sein durch das Verwandtschaftsverhältnis; ebenso zwischen Vater und nachrangig haftenden sonstigen Verpflichteten, die immerhin auch innerhalb des für den Unterhalt haftenden Verbandes stehen. Nicht sachgerecht ist jedoch die Benachteiligung völlig außenstehender Dritter, die irrtümlich leisteten oder durch Richterakt zur Leistung gezwungen wurden111 . Zu einer anderen Beurteilung kann weder der Hinweis darauf führen, daß völliger Ausschluß jeden Regresses für Männer, die mit der Mutter während der Empfängniszeit verkehrten, denkbar gewesen sei112, solange das Gesetz in seiner Grundkonzeption von ausschließlicher Verpflichtung des wirklichen Erzeugers ausgeht113, noch vermag auch das in der amtl. Begründung zum RegE114 gebrachte weitere Argument, durch die Pflicht zur Zahlung erheblicher Unterhaltsrückstände könnte der Unterhalt anderer Kinder des Vaters und sogar der des nichtehelichen Kindes selbst gefährdet werden, die Problematik zu beseitigen: Eine Gefährdung des Unterhalts des nichtehelichen Kindes durch den Regreß wird über die Subrogationsklausel des § 1615 b I 2 verhindert115 . Die Gefährdung des Familienunterhalts im übrigen durch Forderungen gegen einen Unterhaltspflichtigen wird sonst im Zivilrecht niemals durch eine auf Billigkeitsgründe gestützte Stundung oder gar durch Erlaß der Forderung verhindert, sondern allenfalls durch Berücksichtigung in der Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 811 ff., 850 ff. ZPO; 58 Ziff.3 KO)116 gemildert. Gernhuber 117 schlägt zur Überwindung dieser Systemwidrigkeit restriktive Interpretation der Norm mit Ausschluß der Billigkeitsschranken im Verhältnis zu außenstehenden Dritten (die nicht im Haftungsverband stehen) vor. Ihre Zulässigkeit ist jedoch angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts und des ausdrücklichen Wunsches des Gesetzgebers, auch Dritte in die Verweisung des § 1615 i II einzubeziehen118 zumindest fraglich; die Einschränkung ist indessen auch nicht erforderlich, weil (vgl. § 1615 i III Satz 2) bei der Abwägung der Billigkeitsgesichtspunkte nicht nur die Verhältnisse des Vaters, sondern auch die des Zahlenden und damit auch die Beziehungen zwischen beiden zu berücksichtigen sind: Im Rahmen dieser Billigkeits110 Gernhuber, § 45 VIII 4; 59 VIII 4; Dieckmann, S. 160. 111 Gernhuber, § 45 VIII 4; 59 VIII 4; Dieckmann, S.160. Die Problematik ähnelt der bei der Anwendung der Subrogationsklausel. 112 Vgl. Jansen/Knöpfel, S.190 im Anschluß an eine Äußerung Boschs in FamRZ 1967, 147; Folge wäre eine Art "Gefährdungshaftung der Konkumbenten" für den Unterhalt des Kindes. 113 Richtig Gernhuber, § 45 VIII 4. 114 In JansenlKnöpfel, S. 218 ff. 115 Vgl. oben 1. 116 Ausnahmen (etwa § 1382 I BGB, § 16 GrdstVG) erklären sich aus einem Gläubiger und Schuldner verbindenden und zu Rücksichtnahme verpflichtenden Gemeinschaftsverhältnis oder als Nachwirkungen familienrechtlicher Verbindung. Für das Verhältnis des Erzeugers zum Kind und zu nachrangig Haftenden mag man eine derartige Beziehung annehmen; zum Scheinvater besteht sie nicht. 117 § 59 VIII 4. 118 Vgl. die amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel, S. 218 ff.

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

abwägung kann durchaus berücksichtigt werden, daß zwischen Scheinvater und Erzeuger Rücksichtspflichten kaum denkbar sind und daß deswegen nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen als etwa im Verhältnis zum Kind oder beim Rückgriff nachrangig Haftender (wo ebenfalls größte Zurückhaltung angebracht ist) Billigkeitsgesichtspunkte für Stundung oder gar Erlaß der rückständigen Forderung sprechen können. In praxi können damit die Auswirkungen der Norm durchaus in so engen Grenzen gehalten werden, daß die Befürchtungen ihrer Kritiker119 nicht bestätigt werden; Bedenken erweckt aber nach wie vor die dennoch erfolgende Belastung des Rückgriffs mit dem letztlich unkalkulierbaren Risiko einer Billigkeitsentscheidung. d) Abtretbarkeit, Pfändbarkeit des Anspruchs (§ 850 b ZPO) Aus dem Verlust des Charakters als Unterhalts anspruch folgt auch zwingend, daß § 850 ZPO nach der Legalzession nicht mehr Anwendung finden kann: für den zedierten Anspruch hat das Pfändungsverbot seinen sozialen Schutzzweck verloren, schuldnerschützende Funktion kommt der Norm nicht zu; der Anspruch ist damit pfändbar und kann infolgedessen abgetreten und verpfändet sowie zum Gegenstand eines Nießbrauches gemacht werden, ebenso ist die Aufrechnung gegen ihn zulässig120 • e) § 850 dZPO Stark umstritten ist dagegen die Frage, ob der Anspruch noch das Pfändungsprivileg des § 850 d ZPO genießt. Sicher unrichtig ist nach den bisherigen Ausführungen der vor allem im prozeßrechtlichen Schrifttum121 häufig vorgebrachte Hinweis, die Norm müsse weitergelten, weil es sich nach wie vor um einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch handele. Problematisch ist die Frage der Weitergeltung vielmehr deswegen, weil § 401 II BGB ausdrücklich den übergang auch von Pfändungsprivilegien anordnet. Dementsprechend wird teilweise die Ansicht vertreten, aus § 401 II folge zwingend die Weitergeltung; andernfalls sei der arglistig nicht leistende Schuldner zu Unrecht bevorzugt1 22 • 119 Vgl. insbes. die bereits zitierten Äußerungen von Gernhuber und Dieckmann. Zu einer weiteren Funktion der Norm vgl. aber unten 3 a. E.! 120 Allg. Ans., vgl. nur Gernhuber, § 41 IV 4; Odersky, § 1615 b, II 6; § 1607 IV 2; SoergeliLade, § 1615 b, 5; SoergeliLange, § 1607, 3; Kropholler, FamRZ 1965, 416 m. w. N.; Hoffmann/Stephan, § 63 EheG, 19. m Baumbach/Lauterbach, § 850 d, 1 A; SChönke/Baur, § 19 IV 1 b; Stein/ Jonas/Pohle, § 850 d, I B 3. 122 Odersky, § 1607, IV 2; Palandt/Lauterbach, § 1607, 3; Palandt/Heinrichs, § 401, 2; RGRK/Löscher, § 401, 6; Kropholler, FamRZ 1965, 416; ebenso bei überleitung nach §§ 90, 91 BSHG OLG Celle RPfleger 68, 320; BAG Betr. 1971,

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III. Ausgestaltung des Anspruchs

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Richtigerweise muß jedoch die Frage ihre Antwort unter Berücksichtigung des nach der Zession verlorenen Unterhaltscharakters finden: Das Pfändungsprivileg sichert die Durchsetzung von Unterhalts ansprüchen über die durch § 850 c ZPO gezogenen Grenzen hinaus lediglich unter dem Gesichtspunkt erhöhter Einstandspflicht der Unterhaltspflichtigen füreinander 123 • Mit dem Verlust des Alimentationszwecks entfällt aber die ratio der erhöhten Einstandspflicht; für die Anwendung der Norm bleibt somit kein Raum mehr124 : wegen der ausschließlichen Bezogenheit auf die Situation des Unterhaltsgläubigers stellt die Norm ein dem ursprünglichen Gläubiger höchstpersönlich zustehendes Vorzugsrecht dar, auf das § 401 II BGB nicht angewendet werden kann125 • Das Pfändungsprivileg des § 850 d ZPO kann daher dem Rückgriff nehmenden Scheinvater nicht zugute kommen. 3. Verjährung des übergegangenen Anspruchs

Die Verjährungsfrist beginnt nach nahezu einhelliger Ansicht erst nach Zuordnung zum richtigen Erzeuger, da erst mit diesem Zeitpunkt der Anspruch geltend gemacht werden kann (§ 1600 a): Zwar entstehtn die Unterhaltsansprüche bereits ab dem Zeitpunkt der Geburt, doch wäre die Vorstellung von Ansprüchen, die bereits verjährt sind, bevor sie geltend gemacht werden können, absurd126 • Hergeleitet wird dieses Ergebnis i. d. R. aus § 202 I BGB, weil der Geltendmachung ein rechtliches Hindernis entgegensteht, das zur Klageabweisung führen müßte, wenn es nicht bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung behoben wird127 , zum Teil128 wird es begründet durch Interpretation des § 198 BGB, wonach "entstanden" ein Anspruch im Sinne des § 198 erst dann sein kann, wenn er ausgeübt werden kann. Vgl. LG Hanau, NJW 1965, 767. So die wohl h. L., vgl. Gernhuber, § 41 IV 4; Soergel/Lange, § 1607, 3; Brühl, Unterhaltsrecht, S. 279; Dölle, § 41 III 4 c; Beitzke, § 24 I 4 c; Hoffmannl Stephan, § 63 EheG, 19; RGRK/Wüstenberg, § 63 EheG, 33; RGRKIScheffler, § 1607,4. Aus der Rspr. vgl. OLG Köln, NJW 1937,51; LG Hanau, NJW 1965, 767. 125 Stepp, LZ 1914, 1183 ff.; OLG Breslau, OLG 17, 340; OLG Köln, JW 1937, 51; OLG Hanau, NJW 1965, 767; die Existenz von an die Person des Gläubigers gebundenen Vorzugsrechten im geltenden Recht wird bestritten von Palcmdt/Heinrichs, § 401, 2; RGRK/Löscher, § 401, 6; grds. anerkannt werden sie dagegen von ErmanlWestermann, § 401, 4. 126 Vgl. Gernhuber, § 45 VIII 3; Dieckmann, JuS 1969, 161; BGHZ 48, 361; a. Ans. (mit Verjährungsbeginn bereits mit Entstehung des Anspruchs) noch Brüggemann, FamRZ 1966, 530 (532); Zarbock, ZBlJugR 1966, 291. Doch läßt sich das Ergebnis angesichts des § 1600 a nicht leugnen. 127 Odersky, § 1600 a, IV 3, 5; § 1615 b, II 5; JansenlKnöpfel, S.108; wohl auch Dieckmann, S. 161; Palandt/Lauterbach, § 1615 b, 2. 128 Gemhuber, § 45 VIII 3. 123 124

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Teil 1 : Ansprüche gegen den Erzeuger - A. Legalzession

Verfehlt ist dagegen die noch auf dem früheren Rechtszustand basierende Meinung, die Verjährung beginne mit Erhebung der Anfechtungsklage des Ehemanns beim scheinehelichen Kind bzw. mit Rechtskraft des Anfechtungsurteils129 : damit wird die Ausschlußwirkung des § 1600 a verkannt. Richtig ist vielmehr, daß der Anfechtungsakt, der sich gegen eine vorherige Zuordnung des Kindes zum Scheinvater (sei es nun nach § 1593 oder nach § 1600 a) wendet, für den Verjährungsbeginn heute keinerlei Bedeutung mehr hat; maßgeblich ist allein der Zeitpunkt positiver Zuordnung zum richtigen Erzeuger. Ebensowenig kann der Verjährungsbeginn etwa dadurch hinausgeschoben werden, daß der Scheinvater erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Person des wirklichen Erzeugers Kenntnis erlangtt 3o • Einmal ist die Verjährung von Ansprüchen in aller Regel unabhängig davon, ob der Anspruchsgegner bekannt ist131, zum anderen ist die Beziehung des Anspruchs zu einem bestimmten Verpflichteten 132 spätestens mit positiver Zuordnung zum Erzeuger gegeben, ohne daß es der (dann idR ohnehin gegebenen) Kenntnis des Scheinvaters noch bedarf. Weitgehende übereinstimmung besteht auch darüber, daß wegen deren schuldnerschützender Funktion die Vorschrift des § 197 und damit die vierjährige Verjährungsfrist auch für den legalzedierten Anspruch gilt133• Zu beachten ist dabei aber Folgendes: während die kurze Verjährungsfrist nach früherem Recht durchaus geeignet war, eine Anhäufung größerer Unterhaltsrückstände und damit eine "Kapitalisierung" des Rückgriffsanspruchs zu verhindern134, ist diese Funktion der Norm wegen des durch § 1600 a verzögerten Beginns der Verjährung erst mit Zuordnung heute praktisch entfallen; ein Schutz vor Auflaufen erheblicher Unterhaltsrückstände und damit vor übermäßiger Belastung des Erzeugers ist daher durch die kurze Verjährungsfrist heute nicht mehr gewährleistet. § 197 ist somit durch § 1600 a für den Regreß des Scheinvaters praktisch funktionslos geworden. Im Bereich der ähnlichen (wenn auch in geringerem Umfang auftretenden) Frage bei § 1593 im früheren Recht wurde daher gelegentlich ein Schutz 129 So SoergelfLade, § 1593, 6 unter Hinweis auf § 200 Satz 2. Aus der Rspr. vor dem Nichtehelichengesetz vgl. zuletzt BGH MDR 1968, 33 sowie die von Gernhuber, § 45 VIII 3, S.501 FN 3 zit. Fundstellen. 130 So Palandt/Lauterbach, § 1615 b, 2 unter Hinweis auf OLG Koblenz, FamRZ 1960, 365. 131 Abgesehen von §§ 852, 2332 BGB, 61 HGB, 52 LuftVG, 14 StVG, 48 PatG. 132 die das OLG Koblenz, FamRZ 1960, 365 erst bei Kenntnis des Erzeugers als gegeben ansieht ("Bestimmtheit" des Anspruchs). 133 Gernhuber, § 41 IV 4; SoergelfLade, § 1615 b, 5; Palandt/Lauterbach, § 1615 b, 2; Dälle, § 86 V 4; Hojjmann/Stephan, § 63 EheG, 20; RGZ 72, 342; 170, 252; BGH NJW 1960, 957; a. A. noch OLG Marienwerder, ROLG 30, 58; OLG Stuttgart, NJW 1955, 1593 m. abI. Anm. Danekelmann. VgI. dazu auch Langenjeld, S. 96 ff. 134 Sofern nicht § 1593 i. V. m. § 200, 2 die Verjährung verhinderte.

III. Ausgestaltung des Anspruchs

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des Erzeugers vor übermäßiger Belastung unter Billigkeitsgesichtspunkten gesucht: nach § 242 sei die Zahlung auf das zumutbare Maß zu begrenzen135 • Problematisch war aber bei diesem Lösungsansatz, daß ein "Billigkeitserlaß" praktisch nur durch ein Verhalten des Scheinvaters (etwa unter Verwirkungsgesichtspunkten) gerechtfertigt werden konnte, nicht aber durch die bloße objektive Höhe der Forderung136• Nach Erlaß des NeG bietet dagegen § 1615 i Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 und 2 eine Korrekturmöglichkeit, die Billigkeitsabwägungen unter Berücksichtigung der (rein objektiven) wirtschaftlichen Situation des Schuldners erlaubt: bei allzu hohen Rückständen ist dann in besonderen Ausnahmefällen durchaus an eine Anwendung der Norm mit (idR nur teilweisen) Erlaß der Forderung zu denken. § 1615 i III kann somit die Funktion des weitgehend funktionslos gewordenen § 197 übernehmen; diese "Funktionsübernahme" rechtfertigt letztlich die in ihrer Erstreckung des Billigkeitserlasses auf Dritte doch recht problematische (vgl. dazu oben 2 b) Vorschrift des § 1615 i III. Zur Charakterisierung des Zessionsregresses des Scheinvaters mag diese Darstellung der wesentlichen Aspekte und der Problematik dieses Regreßmodus genügen. Als Zwischenergebnis bleibt demnach festzuhalten, daß er dem zunächst zu Unrecht Zahlenden zwar einen sicheren und von Verjährungsproblemen weitgehend unbelasteten Rückgriff ermöglicht. Doch ist nicht zu übersehen, daß durch die Legalzession voller Regreß keineswegs garantiert ist, weil die Abhängigkeit der Forderungshöhe von der wirtschaftlichen Situation auch des Pflichtigen zu erheblichen Diskrepanzen zwischen vermeintlicher Unterhaltspflicht des Zahlenden und tatsächlicher des Rückgriffsgegners führen kann, was notwendigerweise zu "Regreßlücken" führen muß; das pauschalierende Element des Regelunterhalts kann dies nur in begrenztem Umfang verhindern. Zudem ist der Zessionsregreß belastet mit der Möglichkeit des Billigkeitserlasses und sonstiger Ausgleichsbeschränkungen (etwa durch die Vorrangklausel) und besonders durch das Durchsetzungserschwernis des § 1600 a. B. Weitere Ansprüche des Scheinvaters gegen den Erzeuger Vorbemerkung Hinsichtlich weiterer Ansprüche des Scheinvaters gegen den Erzeuger wird in der Lehre zum Teil die Ansicht vertreten, die Legalzession schließe alle weiteren Regreßmechanismen, insbesondere aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherungsrecht gegen den Erzeuger grundsätzlich aus 137 , wobei davon ausgegangen wird, der Zessionsregreß 135 RG DR 1944, 334; OLG Braunschweig, MDR 1947, 33 (mit Verneinung im Streitfall); LG Suttgart, NJW 1957, 677; Langenfeld, S.99; vgl. auch Dieckmann, JuS 1969, 161 f. 136 So Dieckmann, S. 161 f. 137 Vgl. Henrich, § 20 V 2 a; SoergeULade, § 1615 b, 5; Staudinger/Engelmann, 9. A., § 1607, 6 c; OLG München, OLG 24, 275 (276); Brühl, Unterhaltsrecht, S.279.

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

sei für den Regreß des Scheinvaters durch Spezialvorschrift zugewiesener alleiniger Regreßmechanismus. Zum Teil werden zwar konkurrierende Ansprüche grundsätzlich zugelassen, doch besteht die Neigung, auf diese die Grenzen des Zessionsregresses zu übertragen138 - womit weitere Ansprüche faktisch obsolet wären. Beide Argumente sind jedoch in dieser grundsätzlichen Form zu weitgehend: Der gesetzliche Forderungsübergang soll lediglich eine Verbesserung der Rechtsposition des Regreßgläubigers herbeiführen. Eine etwaige Spezialität des Zessionsregresses oder die Forderung nach prinzipieller inhaltlicher Identität aller denkbaren Regreßwege139 könnte aber dazu führen, daß der Scheinvater durch die Legalzession schlechter gestellt wird, als wenn sie nicht eingetreten wäre. Dies würde Sinn und Zweck der Legalzession widersprechen140 • Die Frage der Konkurrenz zwischen Zessionsregreß und anderen Rückgriffsmechanismen muß daher richtigerweise unter folgendem Aspekt gesehen werden: Angesichts des Ziels der Regreßerleichtenmg durch die Legalzession kann eine Praevalenz des Zessionsregresses weder im Sinne eines grundsätzlichen Ausschlusses anderer Regreßwege festgestellt werden noch sind inhaltliche Grenzen des Zessionsregresses ohne weiteres auf sie übertragbar. Die Legalzession beeinträchtigt vielmehr andere Regreßwege nicht unmittelbar; doch ist bei deren Prüfung zu berücksichtigen, welche Auswirkung die eingetretene Legalzession auf ihre Voraussetzungen hat 141 ; mittelbare Auswirkungen des Forderungsüberganges sind daher durchaus denkbar. Zum anderen können einzelne Normen des Familienrechts ihrem Sinn nach Einwirkung auf alle Regreßwege fordern 142 • 138 Wahle, VersR 1966, 790 f. (unt. Hinw. auf ausl. Rechte); Reinicke, VersR 1967, 3 ff. (aus Gründen des Schuldnerschutzes); Beitzke, § 24 V 2 b; Schlechtriem, NJW 1966, 1795 f.; BGHZ 31, 329 (für Verjährung); BGHZ 50, 267 (Rückgriffsabsicht nach §§ 685 bzw. 1360 b). Vgl. auch HoftmannlStephan, § 63 EheG, 22 m. w. N. sowie Lorenz, AcP 168, 309 f. (der zum selben Ergebnis kommt). Ebenso - für die Frage der Anwendung des § 1613 auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten - Hegmann, FamRZ 1973, 435. 139 Dabei wäre i. ü. schwierig festzustellen, welcher Weg als Maßstab für die anderen anzusehen ist (Problem der Anspruchskonkurrenz). 140 Vgl. Odersky, § 1615 b, II 11; Beitzke, § 24 I 4 b; StaudingerlGotthardt, § 1607, 38; ErmanlWagner, § 1607, 3; ErvnecceruslKipplWolff, S.435 FN 40; RGZ 170, 252; OLG Köln, JW 1937, 3160 Vgl. auch Prot. 4, 489, 490, wo offenbar von der Möglichkeit anderer Regreßwege neben der Legalzession ausgegangen wird. 141 In dieser Richtung die neuere Lehre, vgl. Gernhuber, § 41 IV 4 (der allerdings ebenfalls zur Annahme grundsätzlicher inhaltlicher Identität neigt); ErmanlHefermehl, § 195,4; StaudingerlCoing, § 195,4 (zur Verjährung); StaudingerlGotthardt, § 1613,26; Soergel/Lange, § 1607,5; v. Caemmerer, Festschrift Dölle 1, S. 153; Kropholler, FamRZ 1965, 418; Berg, MDR 1968, 719 f.; vgl. auch Lorenz, AcP 168, 309 f.; aus der Rspr. vgl. RGZ 69, 422, 426 ff.; 86, 96; BGHZ 32, 16; 47, 370 (unklar allerdings für Bereicherungsansprüche). Vgl. auch RGRKIFischer, § 774, 9. 142 Vgl. etwa BGHZ 50, 267 für die Begrenzung nach § 1360 b.

11. Geschäftsführung ohne Auftrag

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Diese bei den Gesichtspunkte werden bei der nun folgenden Behandlung weiterer Regreßwege von entscheidender Bedeutung sein. I. §426I

ZU denken wäre zunächst an einen Ausgleichsanspruch nach § 426 I; doch scheidet er - abgesehen von der Frage, wann eine Gesamtschuld vorliegt und ob die §§ 422 ff. bei sog. unechten oder scheinbaren Gesamtschulden wenigstens analog angewendet werden können143 hier jedenfalls deswegen aus, weil als wesentliche Voraussetzung für die (auch analoge) Anwendung der §§ 422 ff. die Möglichkeit wahlweiser Inanspruchnahme zweier Schuldner (hier des Vaters oder des Scheinvaters) durch einen Gläubiger (das Kind) fehlt: solange der Scheinvater überhaupt zur Verantwortung gezogen werden kann, ist ein Vorgehen gegen den wahren Erzeuger stets ausgeschlossen durch § 1600 a 144 : ein Fall der Schuldnermehrheit liegt gar nicht vor. 11. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag

Denkbar erscheint der Rückgriff beim "eigentlich" verpflichteten Erzeuger nach Geschäftsführungsrecht, wenn man annimmt, der zunächst zu Unrecht in Anspruch genommene Scheinvater habe mit seiner Unterhaltsleistung ein Geschäft für den Erzeuger geführt. Soweit angesichts der Legalzession des § 1615 b überhaupt konkurrierende Ansprüche aus anderen Rechtsgründen grundsätzlich zugelassen werden, werden Ansprüche nach Geschäftsführungsrecht häufig abgelehnt mit dem lapidaren Hinweis, der Zahlende habe für den Schuldner nichts erreicht, weil der gegen ihn gerichtete UnterhaItsanspruch infolge der Leistung des Scheinvater nicht erlösche, sondern auf diesen übergehenl45 • Eine systematisch richtige Untersuchung der Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag wird jedoch zeigen, daß dieses Argument nicht bestimmend sein kann für das Verhältnis zwischen GoA und Legalzession zugunsten des Scheinvaters.

1. Die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag a) Die Zahlung als fremdes Geschäft Ein fremdes Geschäft kann in der Zahlung niemals gesehen werden, wenn das Kind dem Scheinvater vorläufig zu Unrecht zugeordnet war Vgl. dazu unten Teil 2, A III 7 c dd. Schlechtriem, NJW 1966, 1795 f.; Dieckmann, JuS 1969, 101, 104; Stolterjoht, FamRZ 1971, 343. 145 Gernhuber, § 45 VIII 5; SoergelfLade, § 1615 b, 5; Brüggemann, ZBlJugR 1967, 110 (114); Köhler, S.126; OLG München, ROLG 24, 275 f.; Dieckmann, JuS 1969, 104. Gemeint kann damit nur sein, daß eine derartige Geschäftsführung nicht den Interessen des Erzeugers entspricht, da sie ihn nicht befreit. 143

144

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

(etwa nach § 1593 oder § 1600 a) oder dann, wenn er auf Grund einstweiliger Unterhaltsregelung zur Zahlung verpflichtet wurde: solange eine - auch nur vorübergehende - Verpflichtung des Zahlenden vorliegt, ist die Fremdheit des Geschäfts und der daraus zu schließende Fremdgeschäftsführungswillen ausgeschlossen146 : die Zahlung ist dann an der dem Kind gegenüber zu erfüllenden Pflicht orientiert, was die Annahme einer Fremdgeschäftsführung hindert147 , und zwar auch dann, wenn der in Anspruch Genommene sich nicht für den Erzeuger hält und unter Protest zahlt bzw. seine Leistung als befreiende Drittleistung zugunsten des wirklichen Erzeugers (§ 267) bestimmt1 48 ; es liegt dann ein ausschließlich eigenes Geschäft vor. Die Rechtsprechung149 und ihr folgend ein Teil der Literatur150 sind demgegenüber nach wie vor der Auffassung, vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten stehe der Geschäftsführung nicht entgegen, doch werden dadurch, worauf schon seit langer Zeit immer wieder hingewiesen wird151 , die dogmatischen Strukturen der allein auf altruistische Fürsorge zugeschnittenen negotiorum gestio völlig verwischt und uferloser Ausdehnung Tür und Tor geöffnet. Die Lehre von der "auch-gestio" ist daher mit den genannten Stimmen als unzulässige Denaturierung des Instituts zu einem allgemeinen Rückgriffs- und Ausgleichsmechanismus abzulehnen. b) Fremdgeschäftsführungswille Ist dagegen der Zahlende dem Kind nicht zugeordnet und auch nicht durch einstweilige Unterhaltsregelung verpflichtet, dann ist zwar mit der Unterhaltszahlung ein objektiv fremdes Geschäft vorgenommen worden, doch fehlt der Fremdgeschäftsführungswille, sofern der Zahlende sich für den Erzeuger hält und damit meint, ausschließlich eigene 146 Vgl. StoUerfoht, FamRZ 1971, 343; Schlechtriem, NJW 1966, 1795; Frotz, JZ 1964, 669; v. Caemmerer, NJW 1963, 1404 (mit Hinweis auf einige wenige - Ausnahmen); Rabel, RheinZ 10 (1919/20), 89 ff.; v. Tuhr, DJZ 14, 334 (337); M edicus, BürgR, § 17 II 3; FamRZ 1971, 252. 147 Ähnlich für GoA eines Haftpflichtversicherers BGHZ 54, 157 (161). 148 Woran er in den Zuordnungsfällen überdies durch § 1600 a Satz 1 oder § 1593 gehindert ist, da er damit die Nichtehelichkeit unbefugt geltend machte, vgl. Dieckmann, JuS 1969, 104; Brüggemann, ZBlJugR 1967, 111. 149 RGZ 82, 206 (im sog. Fuldaer Dombrandfall); BGHZ 16, 12; 30, 162; 40, 28; 54, 157; neuestens vgl. BGH FamRZ 1971, 247 (Schwarzflugfall). 150 Palandt/Thomas, § 677, 2 b; SoergellMühl, § 677, 4; Boehmer, NJW 1955, 210; Larenz, Schuldrecht II, § 57 I a; vgl. auch Laufs, NJW 1967, 2294. 151 So schon Rabel, RheinZ 10, 89; v. Caemmerer, Festschrift f. Rabel, Bd.l, 1954, S.362 sowie NJW 1963, 1402; Selb, NJW 1963, 2056; Frotz, JZ 1964, 669; Zeiss, FamRZ 1967, 532; Sinn, NJW 1968, 1859; Dieckmann, JuS 1969, 104; Esser, SR I, § 59 IV 3.

11. Geschäftsführung ohne Auftrag

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Verpflichtung zu erfüllen, § 687; auch in diesen Fällen kann daher niemals ein Ersatzanspruch aus GoA besteheni52 • c) Abgrenzung zu Legalzession Fremdgeschäftsführung ist demnach nur möglich, wenn jemand in Kenntnis davon, nicht der Erzeuger zu sein und ohne daß eine Zahlungspflicht kraft Zuordnung oder einstweiliger Regelung statuiert ist, dem Kind in vollem Bewußtsein, anstelle eines anderen den Unterhalt zu bestreiten seine Zahlungen erbringt. Da bei Unterhaltszahlungen unter diesen Voraussetzungen niemals eine Legalzession eintritt, weil jeglicher Bezug zu eigener Vaterschaft fehlte (vgl. oben AI 2), wird das Verhältnis von Zessions- und Geschäftsführungsregreß unproblematisch: Wenn der Zahlende "als Vater" leistet und damit die Legalzession bewirkt, kann es sich niemals um Fremdgeschäftsführung handeln, weil entweder bereits ein objektiv eigenes Geschäft vorliegt oder jedenfalls der Fremdgeschäftsführungswille fehlt; ein Nebeneinander beider Regreßformen ist schon aus diesem Grund nicht möglich, sie sind vielmehr (mit allerdings nahtlosem übergang) scharf voneinander abgegrenzt; Geschäftsführungsregreß ist demnach denkbar 153 für den schlicht nichtehelichen "Scheinvater" lediglich für Leistungen, die vor Zuordnung zum Kind oder nach deren Aufhebung erfolgten, für den Ehemann der Mutter nur für Leistungen an das vorehelich geborene Kind, sofern keine Legitimation erfolgte154 oder für nach Anfechtung der Ehelichkeit erbrachte Leistungen. Stets zu fordern ist dabei das Bewußtsein, dem Kind eines anderen Unterhalt zu leisten. Angesichts dieser Abgrenzung zwischen Geschäftsführungs- und Zessionsregreß ist für das in der oben zitierten Literatur vorgebrachte Argument, Ansprüche aus GoA seien neben der Legalzession wegen Interessenwidrigkeit nicht denkbar, kein Raum mehr: wenn ein fremdes Geschäft gar nicht vorliegt, soweit Legalzession eintritt, erübrigt sich ein Eingehen auf das Interesse: Zessions- und Geschäftsführungsrückgriff können demnach schon aus vorgelagerten Gründen niemals konkurrieren. Anders allerdings, wenn man der oben AI 2 durchgeführten Restriktion des § 1615 b Abs. 1 Satz 1 2. Alt. nicht folgt und die Legalzession zugunsten des Ehemanns der Mutter 152 Dölle, Bd.2, § 88 V 2 a; Reich, NJW 1963, 949 f.; Schtechtriem, NJW 1966, 1795 (der zu Recht darauf hinweist, daß bloße Zweifel an der eigenen Vaterschaft nicht genügen); Brüggemann, ZBlJugR 1967, 110; Jauernig, FamRZ 1967, 527; Zeiss, FamRZ 1967, 532; Sinn, NJW 1968, 1859; Dieckmann, Jus 1969, 104; Stolterjoht, FamRZ 1971, 343; Brühl, Unterhaltsrecht, S.280. 153 Abgesehen von (hier nicht interessierenden) Leistungen völlig außenstehender Dritter. 154 Was angesichts der wegen § 1600 a erfolgten Streichung des § 1720 heute häufiger sein wird als nach früherem Recht, doch auch jetzt noch selten sein wird, vgl. Jansen/Knöpjel, S. 293 ff.

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Teil 1 : Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

auch dann eintreten läßt, wenn die Zahlung ohne jeden Bezug zu unterstellter oder vermeintlicher Vaterschaft erfolgt1 55 : dann liegt in der Tat ein Nebeneinander von Legalzession und fremdem Geschäft vor, das sich wohl nur über die Frage fehlenden Interesses befriedigend lösen ließe. Im Ergebnis ist der h. L. jedenfalls in soweit zuzustimmen, als sie davon ausgeht, daß sich Zessionsregreß und Geschäftsführungsregreß ausschließen 156 • d) Person des Geschäftsherrn Dagegen braucht die Person des letztlich unterhaltspflichtigen Erzeugers dem Leistenden nicht bekannt zu sein, es reicht vielmehr nach allg. Ans. 157 aus, daß der Geschäftsführer den Willen hat, nicht für sich zu handeln, sondern "für den, den es angeht" (vgl. § 686). Deswegen wird idR Geschäftsführung nicht nur zugunsten des Erzeugers, sondern auch zugunsten nachrangig Haftender vorliegen, die anstelle des Erzeugers Unterhalt schulden, wenn dieser nicht leistungsfähig ist (§ 1607 I) oder sonst nicht belangt werden kann (§ 1607 II)158. Nicht erforderlich ist auch, daß der wahre Erzeuger bereits belangt werden kann: Da § 1600 a Satz 2 - anders als Satz 1 - keinerlei materiellrechtliche Gestaltungswirkung entfaltet, hindert fehlende positive Zuordnung zum Erzeuger die Fremdgeschäftsführung nicht; nur die Wirkungen können nicht vor - ruckwirkend- positiver Zuordnung geltend gemacht werden159 • e) Interesse des Erzeugers Vorausgesetzt wird weiter, daß die Zahlung dem Interesse des Erzeugers entspricht (§ 683). Dies ist dann der Fall, wenn durch die Zahlung der Unterhalts anspruch gegen den Erzeuger getilgt wird, da die BeSo Stolterfoht, FamRZ 1971, 343 f. Anders aber Stolterfoht, S. 343 f., der unter Hinweis auf die mögliche Parallelität von Zessions- und Geschäftsführungsregreß bei der Bürgschaft (§ 774) einen Ausschluß der Geschäftsführungsansprüche durch die Legalzession verneint. Doch geht das Argument schon im Ansatz fehl, da das Vergleichsbeispiel einen ganz anderen Fall betrifft: der Bürge zahlt nicht, wie hier der Scheinvater, auf fremde Schuld, sondern auf eigene. Richtig ist, daß trotzdem dem Bürgen neben dem nach § 774 erworbenen Anspruch ein Anspruch aus GoA zustehen kann; die Geschäftsführung liegt aber dabei nicht in der Zahlung, sondern im Eingehen der Bürgenverpfiichtung! Die Zahlung stellt dann nur noch eine Aufwendung innerhalb eines Schuldverhältnisses dar, das der Bürge im Rahmen der GoA eingegangen ist. Ein Konkurrenzproblem wie hier entsteht dann nicht (vgl. auch Thiele, JuS 1968, 152 FN 45 für das ähnliche Problem beim Schuldbeitritt sowie Reinicke, VersR 1967,2 f.). 157 SoergellMühl, § 677, 3; Laufs, NJW 1967, 2294; BGHZ 1, 57; 40, 28; 43, 188; BGH NJW 1966, 1360 statt aller. 158 Vgl. dazu näher unten Teil 3, B I. 159 Vgl. dazu unten 2. 155 156

II. Geschäftsführung ohne Auftrag

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gleichung von Schulden in aller Regel dem Interesse des Verpflichteten entspricht 160 • Tilgung der Unterhaltsforderung erfolgt, wenn der Zahlende bei der Leistung an das Kind den erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen hatte, damit als Dritter die Schuld des eigentlich Verpflichteten zu erfüllen, § 267 161 • Angesichts der in diesen Fällen stets vorhandenen Kenntnis des Zahlenden von der Verpflichtung eines anderen wird die Drittilgungsbestimmung praktisch immer gegeben sein. Dennoch sind Fälle denkbar, bei denen trotz dieser Kenntnis eine Dritttilgungsbestimmung nicht oder nicht wirksam erfolgte, so deswegen, weil dieser Wille dem Gläubiger (hier dem Kind) gegenüber versehentlich oder bewußt nicht zum Ausdruck gebracht wurde, etwa um ihm nicht die Unklarheit seiner Herkunft stets von neuem vor Augen zu führen. Nach der h. M. tritt dann eine Tilgung der Forderung nicht ein. Andererseits kann aber der Zahlende seine Leistung auch nicht beim Kind kondizieren, da er ja bewußt auf eine Nichtschuld zahlte, § 814162 • Notwendige Folge wäre an sich, daß das Kind das Empfangene behalten dürfte und weiterhin den ihm verbliebenen Anspruch gegen den Erzeuger geltend machen könnte, was praktisch zu einer Doppelbefriedigung führen müßte163• Abhilfe bietet sich auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt nachträglicher Änderung der Tilgungsbestimmung zugunsten des Erzeugers an, da sie - wenn überhaupt - nur zulässig ist, wenn die Leistung zunächst auf vermeintlich eigene Schuld erfolgte l64 • Doch wird man in den Fällen, in denen wie hier die objektive Bezogenheit der Leistung auf eine bestimmte Schuld feststeht und eine Kondiktion gegen den Empfänger ausgeschlossen ist, Tilgung der Schuld auch dann annehmen müssen, wenn die Drittilgungsbestimmung bei der Leistung unterblieb 165 • 160 Palandt/Thomas, § 683,2; SoergeUMühl, § 677, 5; Brühl, Unterhaltsrecht, S.279; Boehmer, FamRZ 1960, 218 (sofern die Ansprüche nicht verjährt sind, was hier wegen § 1600 a praktisch nie der Fall sein wird); so auch Lorenz, AcP 168, 309; auch ein weiterer Gesichtspunkt, nämlich Interessenwidrigkeit wegen Zerstörung einer Aufrechnungslage für den Schuldner (vgl. Lorenz, Jus 1968, 445) kann mangels Aufrechenbarkeit der Unterhaltsforderung nicht zum Tragen kommen. 161 So die ganz h. M. zu § 267, vgl. PalandtlHeinrichs, § 267, 2; v. Caemmerer, Festschr. Dölle Bd. 1, S. 141; BGHZ 43, 11; 46, 325. 162 Vgl. unten Teil 2 A I. 163 Ein Wegfall der Forderung erfolgt dann auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls des Bedürfnisses (§ 1602 I), weil freiwillige Zuwendungen Dritter, auf die der Berechtigte keinen Rechtsanspruch hat, als bloße Mildtätigkeit nicht von der Unterhaltspflicht befreien, vgl. SoergeU Lange, § 1602, 3. Ebensowenig kommt bei der Unterhaltsschuld Erlöschen durch Zweckerreichung in Frage, vgl. dazu Sinn, NJW 1968, 529 m. w.Nachw.; SoergeUMühl, § 818, 33. 164 Auf diese Lehre wird unten III 2 b noch zurückzukommen sein. Gegen die Anwendung dieser Lehre in Fällen bewußter Leistung eines Nichtverpflichteten insbes. Sinn, NJW 1968, 1859 f. mit dem Hinweis darauf, daß hier die für eine nachträgliche Tilgungsbestimmung erforderliche Schwebelage nicht vorliege. 165 So schon v. Mayr, S.241; Flume, JZ 1962, 281; v. Caemmerer, Festschr. Dölle, Bd.1, S.146, 147 ff.; SoergeUSchmidt, § 267, 4. Ausführlich zu diesem

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

Befreiend kann die Leistung selbstverständlich nur im Umfang der tatsächlichen Verpflichtung des Erzeugers wirken und nur insoweit kann sie dessen Interesse entsprechen. Mehrleistungen sind mithin niemals interessengemäß und vom Rückgriff nach Geschäftsführungsrecht nicht umfaßt 166• Folge ist, daß der leistende Dritte wie beim Zessionsregreß stets das Risiko richtiger Einschätzung der Vermögenssituation des (ihm nicht notwendig bekannten) Erzeugers und damit der Höhe der Unterhaltsforderung selbst zu tragen hat. Somit kann auch beim Rückgriff nach Geschäftsführungsrecht eine Regreßlücke entstehen; doch ist die Belastung hier bedenkenlos hinzunehmen, weil die Zahlungen im Bewußtsein fehlender eigener Verpflichtung erbracht wurden. f) Wille

Die Zahlung muß auch dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erzeugers entsprechen (§§ 678, 683). Ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn bleibt jedoch bei solchen Unterhaltszahlungen nach §§ 679, 683 Satz 2 stets unberücksichtigt, weil ohne die Zahlung des Scheinvaters die gesetzliche Unterhaltspflicht des Erzeugers nicht erfüllt würde167 •

2. Rückgriffssperre: § 1600 a Satz 2 Wie bereits dargelegt, hindert § 1600 a Satz 2, die Rechtswirkungen der Vaterschaft vor Zuordnung zum Erzeuger geltend zu machen. Die Sperre umfaßt sämtliche Rechtsbeziehungen (auch zu Dritten), die Vaterschaft voraussetzen und hindert somit nicht nur die Durchsetzung des zedierten Unterhaltsanspruchs, sondern auch sonstige Rückgriffsansprüche168 • Die Problematik ähnelt der beim Zessionsrückgriff, weil der Zahlende die Zuordnung nicht herbeiführen kann, doch ist sie hier Problem Sinn, NJW 1968, 1857 ff., der in den Fällen der Unkondizierbarkeit eine Ausnahme von der (herrschenden) subj. Theorie zu § 267 annimmt. Die Frage ist übrigens nicht vergleichbar mit dem bekannten Problem, ob sich das Vorliegen einer Leistungsbeziehung nach dem Empfängerhorizont oder nach dem des Leistenden richtet (vgl. dazu Esser, Schuldrecht 2, § 102 II 2 m. w. Nachw. gegen die h. L. und Rspr. [BGHZ 40, 272]): hier fehlt bereits der Wille des Leistenden, überhaupt für einen anderen, nämlich den Schuldner, in Erscheinung zu treten. 166 Lorenz, AcP 168, 298 f. 167 Brühl, Unterhaltsrecht, S. 279; Boehmer, FamRZ 1960, 218; Soergel!Mühl, § 679, 6; für Anwendung des § 679 in diesem Fall wohl auch Brüggemann, ZBlJugR 1967, 111, 115. 168 Vgl. zu dieser weiten Wirkung des § 1600 a Odersky, § 1600 a, VI 4; Lange, NJW 1970, 298 f.; Gernhuber, § 57 I 7 (der allerdings die nur inzidente Geltendmachung der Vaterschaft z. B. bei Schadensersatzansprüchen zulassen will. Anders aber für die (m. E. identische) Problematik der Geltendmachung entgegen § 1593 in § 45 I 6!).

II. Geschäftsführung ohne Auftrag

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entschärft, weil es sich um bewußte Zahlungen für einen Dritten ohne eigene Verpflichtung handelt: wie bei der Frage des Regreßumfangs mag ein freiwillig Eintretender das Risiko der Durchsetzbarkeit selbst tragen.

3. Die nähere Ausgestaltung des Anspruchs 169 a) Geltung der Subrogationsklausel (§ 1615 b I 2) Eine Anwendung der Subrogationsklausel kommt für den Geschäftsführungsregreß schon deswegen nicht in Frage, weil sich die Anwendungsbereiche beider Regreßformen niemals überschneiden können; eine übertragung der allein auf den Zessionsregreß abgestellten Norm auf diese Regreßart etwa unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Regreßwege wäre damit schon im Ansatz verfehlt1 70 • b) § 1613 Der potentielle Anwendungsbereich der Norm ist wie auch beim Zessionsrückgriff wegen § 1615 d gering und umfaßt nur nach Zuordnung zum Erzeuger erfolgte Zahlungen171 • Eine unmittelbare Anwendung des § 1613 auf den Aufwendungsersatzanspruch aus § 683 scheidet jedoch aus, weil es sich nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern um einen selbständigen Regreßanspruch handelt, auf den die Einschränkungen des getilgten Anspruchs nicht ohne weiteres übertragen werden können 172 ; zum anderen kann aber auch das (ohnehin unrichtige, vgl. oben Vorbem. vor I) Argument grundsätzlicher inhaltlicher Iden169 Im Interesse der übersichtlichkeit wird die Reihenfolge der entsprechenden Untersuchung im Rahmen des Zessionsregresses hier schematisch beibehalten. 170 Für generelle Anwendung auf weitere Regreßwege aber (beim entspr. Fall des § 63 II 3 EheG) v. Godin, § 63, 4; Hojjmann/Stephan, § 63 EheG, 24 (nicht jedoch auf Ansprüche außenstehender Dritter, Anm.25). 171 Doch wird Geschäftsführungsrückgriff für diesen Zeitraum häufiger in Frage kommen als Zessionsrückgriff, da GoA in all den Fällen in Betracht kommt, in denen der Zahlende nicht "als Vater" gezahlt hat, also stets dann, wenn er (was idR der Fall sein wird) von der Zuordnung weiß, in denen also die Legalzession ausgeschlossen ist (vgl. oben A III 2 a). Auch hier zeigt sich der nahtlose übergang vom Zessions- zum Geschäftsführungsrückgriff. 172 80 speziell für die Frage des § 1613 Staudinger/Gotthardt, § 1613,26; Soergel!Lange, vor § 1601, 9 und § 1607,2 sowie § 1613,2; Palandt/Lauterbach, § 1613, 1; Enneccerus/Kipp/Woljj, § 97 IX; v. Caemmerer, NJW 1963, 1403 sowie Festschrift Dölle I, 8.154 FN 56; Schlechtriem, NJW 1966, 1795; a. Ans. Gernhuber, § 41 IV 4; Köhler, Unterhaltsrecht, 8. 125 (der allerdings gerade beim Zessionsregreß anders entscheidet!). Für Anwendung des § 1613 auf Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und andere Ansprüche tritt neuerdings auch ein Hegmann, FamRZ 1973, 435; eine einleuchtende Begründung bietet er jedoch nicht.

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

tität verschiedener Regreßwege nicht zum Tragen kommen, da sich Zessions- und Geschäftsführungsregreß niemals überschneiden. Zu mittelbarer Auswirkung der Norm könnte allerdings die überlegung führen, daß die Tilgung von Ansprüchen, die unmittelbar vor dem Verfall stehen und deretwegen der Schuldner Inanspruchnahme nicht zu befürchten hatte, den Interessen des Schuldners stets widerspreche173 • Doch kann die Frage hier dahingestellt bleiben, da nach Zuordnung entsprechend der oben174 durchgeführten Restriktion des § 1613 eine Anwendung der Norm auf den Unterhalts anspruch wegen dann stets gegebener Kenntnis des Erzeugers von seiner Verpflichtung ohnehin ausgeschlossen ist. Auch beim Geschäftsführungsregreß ist somit für § 1613 kein Raum. c) Herabsetzungsmöglichkeit nach § 1615 h Eine Anwendung des § 1615 h auf die Ersatzforderung mit der Möglichkeit, sie unter den Regelunterhalt herabzusetzen, ist undenkbar, weil es sich hierbei um eine ausschließlich auf die Unterhaltsforderung selbst bezogene Gestaltungsmöglichkeit handelt: eine bereits getilgte Forderung kann nicht nachträglich herabgesetzt werden. d) Stundung oder Erlaß nach § 1615 i Nach einhelliger Ansicht175 erstreckt sich dagegen die Stundungsoder Erlaßmöglichkeit des § 1615 i wegen der weiten Fassung des § 1615 i III nicht nur auf das Geltendmachen der legalzedierten Unterhaltsforderung, sondern auf sämtliche Regreßansprüche Dritter und somit auch auf den Aufwendungsersatzanspruch. Die Problematik ist identisch mit der beim Zessionsregreß; auf die dortigen Ausführungen kann daher verwiesen werden176 • Geringfügige Unterschiede ergeben sich lediglich daraus, daß die beim Zessionsregreß dem Erlaß vorgelagerte (§ 1615 i II 2) Herabsetzung nach § 1615 h hier nicht denkbar ist (vgl. oben c); Folge ist, daß beim Geschäftsführungsregreß an einen Erlaß nach § 1615 i II u. U. unter etwas weiteren Voraussetzungen zu denken sein wird. Bei der Abwägung der Billigkeitsgesichtspunkte wird weiter zum Nachteil des Regreßnehmers zu berücksichtigen sein, daß er (anders als der Legalzessionar) stets aus freien 173 Vgl. Berg, MDR 1968, 720 für die ähnliche Situation bei kurz vor der Verjährung stehenden Ansprüchen. 174 A III 2 a. 175 Vgl. die amtl. Begr. z. RegE in Jansen/Knöpfel, S.220; Odersky, § 1615 iV 2; Soergel/Lade, § 1615 i,4; Palandt/Lauterbach, § 1615 i, 4; vgl. auch Lange, NJW 1970, 301 (zugunsten des Sozialhilfeträgers). 176 Vgl. oben A UI c.

11. Geschäftsführung ohne Auftrag

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Stücken und ohne tatsächlichen oder vermeintlichen Zwang seine Leistungen im Bewußtsein fehlender eigener Verpflichtung erbracht hat: insofern scheint es gerechtfertigt, seinen Rückgriff mit höherem Risiko zu belasten und die "Billigkeitsschwelle" bei der Abwägung etwas tiefer anzusetzen. e) Abtretbarkeit, Pfändbarkeit, Pfändungsprivileg Die beim Zessionsregreß angestellten überlegungen über die Verwendbarkeit des § 850 b ZPO greifen hier erst recht ein, weil es sich nicht um einen zedierten, sondern um einen selbständigen Anspruch handelt: für den Ausschluß der Pfändbarkeit und der Abtretung fehlt jeder rationale Grund. Dasselbe gilt selbstverständlich vom Pfändungsprivileg des § 850 d ZPO.

f) Verjährung Für den Beginn der Verjährung kann ebenfalls auf die beim Zessionsregreß gemachten Ausführungen verwiesen werden (oben A III 3): wenn der Anspruch schon nach § 1600 a Satz 2 vor Zuordnung des Kindes zum Erzeuger nicht geltend gemacht werden kann, versteht sich von selbst, daß auch die Verjährung wie beim zedierten Anspruch nach § 202 I bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt sein muß. Hinsichtlich der Verjährungsfrist ist - ausgehend von den oben (Vorbem. vor I) angestellten grundsätzlichen Erwägungen - zunächst festzustellen, daß die Verjährungsfrist des Aufwendungsersatzanspruchs dann, wenn die Geschäftsführung in der Tilgung einer fremden Forderung stand, grundsätzlich nicht abhängt von deren Verjährung177 ; vielmehr beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag 30 Jahre (§ 195 BGB)178. Doch wird davon eine Ausnahme gemacht beim Rückgriff für solche Leistungen, die als "regelmäßig wiederkehrende" im Sinne von § 197 erbracht worden waren, nämlich Rückstände von Unterhaltsleistungen: diese (mit jeder Zahlung ratenweise neu entstehenden) Rückgriffsforderungen werden allgemein als Forderungen i. S. des § 197 angesehen und damit der nur vierjährigen Verjährungsfrist unterworfen179 . Da die Verjährung beider 177 So aber die oben FN 139 zit. Autoren. 178 So die ganz h. M. im Schrifttum. Vgl. nur SoergeUMühl, § 683, 10; aus der Rspr. vgl. RGZ 86, 96 ff.; BGHZ 32, 13; 47, 370 (374) f. m. zust. Anm. Rietschel, LM Nr. 21 zu § 683 BGB. 179 RGZ 170, 252 (254); BGHZ 31, 329; BGH MDR 1962,472 sowie NJW 1963, 2315 (für Versorgungsrenten); BGHZ 47, 370; Danekelmann, NJW 1955, 1593; Boehmer, FamRZ 1960, 218; v. Caemmerer, NJW 1963, 1403; Gernhuber, § 41 IV 4 m. w. N.; Palandt/Danckelmann, § 197,2; Brühl, Unterhaltsrecht, S. 270; gegen die Anwendung des § 197 OLG Hamburg, JW 1936; OLG Köln, JW 1937, 3160; OLG Stuttgart, NJW 1955, 1593; Leuze, FamRZ 1963, 161. 4 Engel

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

Ansprüche erst mit der Zuordnung des Kindes zu seinem Erzeuger beginnt, wird damit in der Tat ein Gleichlauf der Verjährung für getilgten Anspruch und Rückgriffsanspruch erreicht. Darüber, daß jedoch gerade wegen § 1600 a die kurze Verjährungsfrist des § 197 ihre eigentliche Funktion nicht zu erfüllen vermag, vgl. bereits oben AIII3. Abschließend festzuhalten bleibt somit, daß der Rückgriff nach Geschäftsführungsrecht, der nur Platz greift, sofern nicht die Legalzession eintritt, inhaltlich weitgehend identisch ist mit dem Zessionsrückgriff; eine Verbesserung erfolgt lediglich unter einem einzigen Aspekt: die Durchsetzung ist nicht durch die Subrogationsklausel des § 1615 b I 2 gehindert. 111. Ansprüche aus Rückgriffskondiktion

1. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen Die rechtliche Beurteilung der Rückgriffskondiktion ist verschieden je nachdem, ob die Unterhaltszahlung eine Legalzession nach § 1615 b (Abs. 1 oder 2) zur Folge hatte oder ob sie zum Freiwerden des Erzeugers führte. a) Zahlung mit Freiwerden des Erzeugers als Folge Wenn der Erzeuger durch die Leistung des Scheinvaters frei wurde, bietet sich zunächst die Rückgriffskondiktion als geeigneter Regreßmechanismus an, da ja durch die Tilgung des gegen ihn gerichteten Unterhalts anspruchs der Erzeuger bereichert wurdel80 • Bereits oben wurde jedoch dargelegt, daß eine Zahlung des Scheinvaters, die das Freiwerden des Erzeugers bewirkt, stets als bewußte Zahlung anstelle eines Dritten erfolgt (da Zahlung auf Grund auch nur vermeintlicher eigener Verpflichtung immer zur Legalzession des § 1615 b führt) und somit die Führung eines fremden Geschäfts darstellt, und daß die übrigen Voraussetzungen berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag dann ebenfalls vorliegen. Wenn berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag eingreift, ist aber ein Rückgriff nach Bereicherungsrecht ausgeschlossen; der Zahlende ist vielmehr allein auf den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 angewiesen181 • Der Bereicherungsrückgriff wegen Zahlung 180 Unter diesem Aspekt beschäftigen sich auch die meisten Autoren mit dem Rückgriffsproblem nach Tilgung fremder Schulden, vgl. nur SoergeLi Mühl, § 812, 33; v. Caemmerer, Festschr. Dölle 1, S. 135 ff.; Sinn, NJW 1968, 526 und 1857, um nur einige aus der bereits zitierten Literatur zu nennen. 181 Das entspricht heute wohl h. L., die Begründung ist jedoch verschieden: z. T. (Erman/Seller, vor § 812, 3 c) wird die Auffassung vertreten, berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag stelle einen Rechtsgrund i. S. der §§ 812 ff.

III. Rückgriffskondiktion

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fremder Schulden bleibt demnach den Fällen vorbehalten, in denen jemand irrtümlich oder auf Grund einer Rechtspflicht fremde Schulden bezahlt1 82 • b) Kondiktionsrückgriff in den Legalzessionsfällen aa) Wenn dagegen der Scheinvater als vermeintlicher Vater oder auf Grund einer (wenn auch nur vorläufigen) Rechtspflicht den Unterhalt bestreitet, handelt es sich um die Erfüllung tatsächlich oder vermeintlich eigener Schuld, die Annahme einer Geschäftsführung für den Erzeuger ist damit ausgeschlossen (vgl. oben II 1 a - c). Doch tritt dann immer die Legalzession des § 1615 b ein; der Erzeuger wird somit von seiner Unterhaltspflicht durch die Zahlung nicht befreit und ist mithin niemals bereichert183 • bb) Anders ist die rechtliche Situation aber zu beurteilen, wenn man dem Zahlenden die Möglichkeit gibt, nachträglich die TiLgungsbestimmung seiner Leistung zu ändern und sie als Drittleistung (§ 267) zugunsten des eigentlich verpflichteten Erzeugers auszuweisen. Ein nachträgliches Ändern der Tilgungsbestimmung wird dem Zahlenden von einer vordringenden Ansicht184 erlaubt, wenn er irrtümlich oder dar; doch erscheint das bedenklich, weil die §§ 677 ff. zwar den Eingriff in den Rechtskreis des Geschäftsherrn rechtfertigen, was aber nicht unbedingt die infolge des Eingriffs eintretende Vermögensverschiebung rechtfertigt. Richtiger erscheint mir daher die von Esser (Schuldrecht 2, § 98 II c) vertretene Ansicht, es handele sich hier um eine ausschließliche Zuweisung eines bestimmten Regreßmechanismus; so wohl auch Larenz, Schuldrecht 2, § 68 III 1; vgl. auch BGHZ 39, 186 (189); BGHZ 40, 28 (29); BGH NJW 1964, 1365. Allerdings wird von einer (noch) starken Meinung der Kondiktionsrückgriff generell neben dem Aufwendungsersatzanspruch zugelassen, vgl. nur SoergelfMühl, vor § 812,11; RGRK/Scheffler, vor § 812, 31; Planck/ Landois, vor § 812, 5. 182 Das sind auch die Fälle, an denen die Kondiktionsproblematik entwickelt wurde, vgl. die oben FN 1 zitierte Literatur. 183 Brüggemann, ZBlJugR 1967, 108, 110, 114; Soergel/Lade, § 1615 b, 5; Stolterjoht, FamRZ 1971, 342 m. w. N.; v. Marschall, S.197; Selb, Schadensbegriff, S. 35 f.; Gernhuber, § 41 IV 4 m. w. N. statt aller. Es handelt sich dabei um eine Auswirkung der Legalzession auf die Voraussetzungen anderer Regreßwege, auf deren Bedeutung bereits oben Vorbem. vor I hingewiesen wurde. Unrichtig daher Beitzke, § 24 V 2 bund Odersky, § 1615 b, II 11, die dies übersehen und Kondiktionsruckgriff generell neben der Legalzession zulassen wollen. 184 Sie wurde entwickelt im Anschluß an Oertmann, AcP 82, 367 ff.; Flume, JZ 1962, 282; Thomä, JZ 1962, 625 vor allem v. Caemmerer, Festschr. Dölle, Bd. 1, 135 ff. Die dogmatische Einordnung der "Zuweisungserklärung" ist angesichts verschiedener Ausgangspunkte bis heute nicht geklärt (vgl. Dieckmann, JuS 1969, 104; denkbar wäre Anknüpfung an die Bestätigung [v. Caemmerer, S. 135 ff.], Genehmigung [Thomä, S.625] oder das Anfechtungsrecht [Esser, Schuldrecht 2, § 102 11 1]; vgl. auch Lorenz, AcP 168, 307 ff.), doch würde ein Eingehen hierauf den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. 4*

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

doch unfreiwillig eine Leistung erbringt, die der Gläubiger von einem Dritten zu beanspruchen hat: der Zahlende soll die wegen fehlender Verpflichtung " fehl geschlagene " Tilgungsbestimmung ergänzen durch nachträgliches Zuweisen auf die Verpflichtung des eigentlichen Schuldners unter "Verzicht" auf den Kondiktionsanspruch gegen den Gläubiger. Die Lehre hat in Literaturl85 und Rechtsprechung186 zunehmend Widerhall gefunden und darf wohl heute als herrschende Ansicht bezeichnet werden, obwohl in der Literatur noch beachtliche Bedenken vorgetragen werden187 • Gesteht man dem Zahlenden das Wahlrecht zu, so wird mit dessen Ausübung rückwirkend188 die ursprüngliche indebite-Leistung der Verbindlichkeit des eigentlichen Schuldners als Drittleistung zugeordnet (§ 267). Dieser ist mithin befreit und somit mangels eines Rechtsverhältnisses zum Zahlenden auf dessen Kosten ungerechtfertigt bereichert, dem Zahlenden steht dann (allerdings nur im Umfang der tatsächlichen Verpflichtung) eine Rückgriffskondiktion ZU189 • Gegen die rückwirkende Zuweisung könnten in den Scheinvater-Regreßfällen dann Bedenken bestehen, wenn das Kind ihm zugeordnet war (§§ 1593 oder 1600 a), da ja dann zunächst eine Verpflichtung vorlag. Doch wirkt die Aufhebung der Zuordnung in beiden Fällen zurück auf den Zeitpunkt, zu dem die vorläufige Zuordnung eintrat 190 , mit Wegfall des Rechtsscheins der Vaterschaft erscheint also die Zahlung des Scheinvaters rückwirkend als indebite-Leistung; der Rechtsschein der Vaterschaft steht daher einer nach seinem Wegfall erfolgenden Änderung der Tilgungsbestimmung nicht entgegen. Gewichtiger erscheint ein weiteres Bedenken, das darauf beruht, daß nach neuem Recht mit der Zahlung bereits die Legalzession des § 1615 b zugunsten des Leistenden eingetreten ist. Angesichts dieser durch die Zahlung bewirkten rechtlichen Gestaltung tritt an sich der in den Fällen nachträglicher Änderung der Tilgungsbestimmung sonst stets vorausgesetzte 185 Reich, NJW 1963, 949 f.; Schlechtriem, NJW 1966, 1795; Langenfeld, S. 111 f.; Sinn, NJW 1968, 1857; Dieckmann, JuS 1969, 104 f.; Stolterfoht, FamRZ 1971, 347; Zeiss, AcP 165, 337; Gernhuber, 1. A., § 45 VIII 4 (zurückhaltend aber 2. A., § 45 VIII 7 und S. 501, FN 1 - "nicht gesichertes Rechtsgut" -); Palandt/Heinrichs, § 267, 2 ("in den Grenzen des § 242"); Soergeli Schmidt, § 267, 4; Erman/Seiler, § 812, 4 b. 186 So hat sich der Lehre der BGH in NJW 1964, 1898 ausdrücklich angeschlossen. Vgl. auch schon RGZ 163, 21 (34). 187 Vor allem aus Gründen des Schuldnerschutzes und der Situation im Konkurs. Vgl. Lorenz, Festschr. Heidelberg, 267 ff. und AcP 168, 308 ff.; Larenz, Schuldrecht 2, § 68 III 1; Esser, Schuldrecht 2, § 102 II 1; Medicus, § 33 IV 3. Doch lassen sich diese Auswirkungen (worauf Lorenz, AcP 168, 308 ff. hinweist) auch bei Zugestehen eines Wahlrechts durchaus in Grenzen halten. Vgl. dazu auch Dieckmann, JuS 1969, 104 f. 188 Vgl. Thiele, AcP 168, 310. 189 Vgl. statt aller v. Caemmerer, Festschr. Dölle, Bd. I, 135 ff. 190 Statt aller Gernhuber, § 45 VIII 1 (für § 1593) und § 57 IV 1 (für § 1600 a).

IH. Rückgriffskondiktion

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"Schwebezustand"191 gar nicht ein; man könnte daher meinen, nach Eintritt einer Legalzession sei die nachträgliche Tilgungsbestimmung nicht mehr möglich1!l2. Konstruktive Schwierigkeiten bringt jedoch auch dies nicht: mit der Änderung der Tilgungsbestimmung erscheint die Leistung rückwirkend als die des Verpflichteten; rückwirkend muß demgemäß auch die Legalzession an den Zahlenden entfallen, da ja die Forderung getilgt ist. Ein Ausschluß dieses übergangs zum Kondiktionsrückgriff wäre folglich nur dann denkbar, wenn man sich die (bereits oben Vorbem. vor B I abgelehnte) Aufassung zu eigen machte, daß die Möglichkeit des Zessionsregresses jeden weiteren Regreßmodus apriori ausschließe. Auch in den Zessionsfällen ist daher nachträgliches Ändern der Tilgungsbestimmung grundsätzlich zuzulassen193 . Die Änderung der Tilgungsbestimmung führt hier aber einmal dazu, daß der Scheinvater den legalzedierten Anspruch gegen den Erzeuger verliert, zum anderen ist damit auch eine etwaige condictio indebiti gegen das Kind 194 von vornherein ausgeschlossen, da die Leistung nicht sine causa erfolgte. Im Hinblick auf diese Verschlechterung der Situation erscheint die nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung nur dann als sinnvoll und ökonomisch vertretbar, wenn der Rückgriff nach Bereicherungsrecht geeignet ist, dem Scheinvater Vorteile gegenüber dem Zessionsregreß zu bieten. Diese Frage soll bei der weiteren überprüfung des Kondiktionsanspruchs im Vordergrund stehen l95 .

2. Rückgrijjssperre: § 1600 a Satz 2 Die Vorschrift des § 1600 a Satz 2 hindert den Zahlenden, die Bereicherungsansprüche gegen den Erzeuger geltend zu machen, bevor das 191 Vgl. Sinn, NJW 1968, 1859 f. 192 Die Änderung wurde bisher auch stets nur in den Fällen empfohlen, in denen (etwa weil die Analogie zu § 1709 II a.F. nicht vorgenommen wurde) ein Zessionsregreß nicht in Frage kam. Dies geschah jedoch deswegen, weil in den Zessionsfällen ein übergang zum Kondiktionsregreß nicht als erforderlich und vorteilhaft angesehen wurde. Vgl. zu dieser Frage sogleich unten. 193 Man könnte nun daraus folgern, angesichts der Rückwirkung der Tilgungsbestimmung handele es sich - da ja dann Tilgung nach § 267 erfolgtauch rückwirkend um die Führung eines fremden Geschäfts mit der Folge. daß unter Ausschluß des Kondiktionsrückgriffs nunmehr allein ein Rückgriff nach Geschäftsführungsrecht möglich sei. Doch bezieht sich die Rückwirkung der Tilgungsbestimmung lediglich auf die Tilgungswirkung der Leistung; dadurch wird aber nicht etwa rückwirkend der Wille, ein fremdes Geschäft zu führen fingiert, der stets bei der Führung des Geschäfts vorliegen muß. In diesem Sinn auch Dieckmann, JuS 1969, 104 mit dem Hinweis, die nachträgliche Umbestimmung ziele stets ins Bereicherungsrecht. 194 Vgl. dazu im einzelnen unten Teil 2 A. 195 Die folgenden Ausführungen sind selbstverständlich auch dann heranzuziehen, wenn man der Auffassung ist, entgegen der oben 1 a vertretenen Ansicht sei in den Fällen bewußter Drittzahlung der Kondiktionsrückgriff nicht durch die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen; dann ist neben dem Anspruch aus §§ 683, 670 ein Kondiktionsanspruch gegeben, ohne daß es nachträglicher Änderung der Tilgungsbestimmung bedürfte.

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

Kind ihm positiv zugeordnet ist, und zwar aus denselben Gründen, die auch bei den Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag zur Anwendung der Norm führten (vgl. oben II 2).

3. Die nähere Ausgestaltung des Anspruchs a) Geltung der Subrogationsklausel (§ 1615 b I 2) Für die Vorrangklausel des § 1615 bI 2 ist im Rahmen des Kondiktionsanspruchs ebensowenig Raum wie beim Aufwendungsersatzanspruch; das Ergebnis folgt hier aber nicht aus der Tatsache, daß die Zahlungen sich auf einen Zeitraum beziehen, für den eine Legalzession und mithin die Geltung des § 1615 bI 2 ohnehin nicht in Betracht kommt l96 , sondern aus dem oben (Vorbem. vor I) aufgestellten Grundsatz, daß eine unmittelbare Begrenzung einer Regreßart durch eine andere nicht stattfindett97 • b) Geltung des § 1613 Der potentielle Anwendungsbereich ist hier wie beim Zessionsregreß des Scheinvaters wegen § 1615 d klein (vgl. oben A III 2 asowie B II 3 b), weil die Norm nur für Zahlungen nach positiver Zuordnung zum Erzeuger zur Anwendung kommen kann. Eine unmittelbare Anwendung scheidet jedoch auch hier wegen der Selbständigkeit des Bereicherungsregresses aus, doch wäre an eine mittelbare Auswirkung zu denken, weil die Bereicherung des Erzeugers entfällt, bzw. von vornherein nicht eintritt, soweit er wegen § 1613 nicht mehr in Anspruch genommen werden kann198 • Doch ist entsprechend der oben A III 2 b vorgenommenen Restriktion an eine Anwendung des § 1613 deswegen nicht zu denken, weil nach positiver Zuordnung des Kindes wegen Kenntnis des Erzeugers von seiner Verpflichtung ein Freiwerden nach § 1613 nicht erfolgen kann. 196 Das war der Grund für die Nichtanwendbarkeit auf den Regreß nach Geschäftsführungsrecht. 197 So Dieckmann, JuS 1969, 105; a. A. wie auch beim Geschäftsführungsregreßv. Godin, § 63 EheG, 4; Hoffmann/Stephan, § 63 EheG, 24. Speziell bei nachträglicher Tilgungsbestimmung auch Lorenz, AcP 168, 310 f., der aus Gründen des Schuldnerschutzes in diesen Fällen grundsätzlich alle Grenzen eines (etwaigen) Zessionsregresses auf die Kondiktion übertragen will. Aus den bereits genannten Gründen erscheint mir dies jedoch als bedenklich. 198 So v. Caemmerer, Festschr. Dölle, Bd. 1, S. 154 An. 56 sowie NJW 1963, 1402 f.; KrophoHeT, FamRZ 1965, 418; Schlechtriem, NJW 1966, 1796; i. Erg. gleich Gernhuber, § 41 IV 4 sowie alle, die von inhaltlicher Identität aller Regreßwege ausgehen, vgl. oben FN 138. a. Ans. noch (da das Entreicherungsargument nicht sehend) Palandt/Lauterbach, § 1613, 1; StaudingeT/Gottha.rdt, § 1613, 1; SoergeULange, vor § 1601, 9 sowie § 1613, 2; ebenso wohl LOTenz, AcP 168, 310 f.

III. Rückgriffskondiktion

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c) § 1615 h

Die Herabsetzung nach § 1615 h ist aus demselben Grund wie beim Geschäftsführungsregreß ausgeschlossen (vgl. oben II 3 c). d) § 1615 i Dagegen ist Stundung und Erlaß der Kondiktionsforderung nach § 1615 i wie auch beim Geschäftsführungsregreß nach allg. Ansicht möglich (vgl. oben II 3 d und die dort zit. Literatur). e) Abtretbarkeit, Pfändbarkeit, Pfändungsprivileg Keine Geltung haben hingegen die nur hinsichtlich der Unterhaltsforderung eingreifenden Normen über Pfändbarkeit und Abtretbarkeit (§ 850 b ZPO) sowie über das Pfändungsprivileg (§ 850 d ZPO), vgl. oben II 3 e. f) Verjährung Die beim Rückgriff nach Geschäftsführung ohne Auftrag entwickelten Grundsätze zur Verjährung l ll'9 gelten auch für den Kondiktionsregreß: Danach kann die Verjährung beginnen erst mit Zuordnung zum Kind, § 1600 a Satz 2 i. V. m. § 202 I, die Verjährungsfrist richtet sich nach § 197 mit der Folge vierjähriger Verjährung200. Gleichlauf der Verjährung von legalzedierter und Kondiktionsforderung ist somit gewährleistet.

4. Entreicherung Die Kondiktionsforderung ist im Gegensatz zur legalzedierten Unterhaltsforderung belastet mit dem Risiko der Entreicherung des eigentlichen Schuldners (§ 818 III), soweit dieser nicht bösgläubig war (§ 819). So tritt z. B. Entreicherung stets ein, wenn die Verjährungsfrist für die getilgte Forderung abgelaufen ist, weil damit die durch die Tilgung (zunächst) erreichte Vermögensmehrung wieder entfällt: die Tilgung hat ihn von einer Schuld entlastet, die ihn heute nicht mehr drücken würde, weil er ihrer Geltendmachung die Verjährungseinrede entgegensetzen könnte!Ol. Oben II 3 f. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 197 vgl. neben der oben II 3 f. zit. Lit. noch (speziell zum Bereicherungsanspruch) Reinicke, VersR 1967, 1, 3; gegen die Anwendbarkeit aber LG Bielefeld, FamRZ 1960, 242 sowie RGRK/ ScheffZer, § 1593, 10. 201 Vgl. ROHG 17,1; RGZ 44, 145; Warn 1920, Nr.151; RGZ 70, 352; Boehmer, FamRZ 1960, 218; v. Caemmerer, Festschr. Dölle, Bd.l, 153 f. und NJW 1963, 1403; Berg, MDR 1968, 720; Lorenz, AcP 168, 309; RGRK/ScheffZer, § 818, 51; vgl. auch BGHZ 47, 375 (wo allerdings dieser Gedanke mißverständlich unter dem Gesichtspunkt der Verjährung der Kondiktionsforderung behandelt wird); nicht überzeugend dagegen RGZ 86, 96 und Thomä, JZ 1962, 628. 199 200

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

Doch hat dieses Argument für den hier interessierenden Bereich des Scheinvaterregresses praktisch keine Bedeutung, weil wegen des Gleichlaufs der Verjährungsfristen die Kondiktionsforderung zu diesem Zeitpunkt ohnehin selbst verjährt ist. Ebensowenig kann, wie bereits oben b) dargelegt wurde, eine Entreicherung etwa durch die Auswirkung des § 1613 eintreten. Doch wäre denkbar, daß das gesamte gegenwärtige Vermögen des Erzeugers nicht ausreicht, um die Rückgriffsforderung zu erfüllen (was besonders bei Auflaufen hoher Rückstände denkbar ist): dann ist insoweit Entreicherung anzunehmen202 • Bösgläubigkeit, die die Entreicherung hindert (§§ 819, 818 IV), kann in den Fällen rückwirkender Änderung der Tilgungsbestimmung nicht bereits dann vorliegen, wenn der Begünstigte seine Verpflichtung kannte (was oben 3 b ein Abstellen auf die Kenntnis im Rahmen der durch § 1613 bewirkten Entreicherung überflüssig gemacht hätte, da dann Entreicherung ohnehin nicht mehr eintreten kann): In den Fällen rückwirkender Änderung der Tilgungsbestimmung wird man Bösgläubigkeit erst nach der gestaltenden Erklärung des Zahlenden annehmen können; vorher mußte der letztlich begünstigte Schuldner trotz des Wissens um die eigene Verpflichtung nicht davon ausgehen, daß er durch die Tilgungsänderung schließlich (wenn auch rückwirkend) bereichert werden könnte; vorher mußte er mithin auch nicht mit Inanspruchnahme durch den Zahlenden rechnen. Trotz der Rückwirkung der Tilgungsänderung kann somit für die Frage der Bösgläubigkeit ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anderungserklärung abgestellt werden - vorher ist Bösgläubigkeit undenkbar. Nach der (zugangsbedürftigen) Erklärung ist Bösgläubigkeit dagegen möglich und eine (weitere) Entreicherung nicht mehr denkbar. Zusammenfassend läßt sich damit zu der Möglichkeit der Rückgriffskondiktion nach nachträglicher Änderung der Tilgungsbestimmung zugunsten des Erzeugers feststellen: Durch den Kondiktionsanspruch wird die Situation des Rückgriffsgläubigers in aller Regel gegenüber dem Zessionsregreß nicht verbessert: Weder ist die Forderung umfangreicher20 3 noch unterscheidet sie sich hinsichtlich ihrer sonstigen Ausgestaltung wesentlich von der legalzedierten Forderung; daß die Herabsetzungsmöglichkeit nach § 1615 h nicht besteht, wird durch modifizierte Anwendung des § 1615 i ausgeglichen; lediglich durch die Nichtanwendbarkeit der Subrogationsklausel (§ 1615 b I 2) tritt eine gewisse Besserstellung ein. Andererseits wird die Rechtsposition eindeutig verschlechtert durch den Verlust der evtl. condictio indebiti gegen das Kind sowie der legalzedierten Unterhaltsforderung, ebenso durch die Belastung der Forderung mit dem Entreicherungsrisiko. Nur in den seltensten Fällen, nämlich nur dann, wenn ausschließlich die Frage der Vorrangsklausel über die Durchsetzbarkeit des Anspruchs entscheidet, ist mithin der übergang zum Kondiktionsrückgriff gegen den Erzeuger sinnvoll. In 202

AUg. Ans., vgl. nur SoergeUMühl, § 818, 22; Larenz, Schuldrecht 2,

§ 70 II.

203 Auch sie ist ja begrenzt auf die tatsächliche Verpflichtung des Erzeugers.

IV. Deliktische Ansprüche

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allen anderen Fällen bietet der Zessionsregreß dem Zahlenden sicherere Aussicht auf Befriedigung:10 4 • Die Möglichkeit, nach nachträglicher Änderung der Tilgungsbestimmung im Wege der Rückgriffskondiktion vorzugehen, wird demzufolge beim Regreß gegen den Erzeuger kaum Bedeutung gewinnen. Relevant wird sie jedoch beim Regreß gegen nachrangig haftende Unterhaltspflichtige, insbesondere gegen die Mutter des Kindes (vgl. unten Teil 3 B II). IV. Ansprüche gegen den Erzeuger nach Deliktsrecht

1. Anspruch aus § 823 I wegen Ehestörung a) Geschütztes Rechtsgut Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 I setzt Verletzung eines absoluten Rechts des Verletzten voraus. Im hier interessierenden Bereich kommt als verletztes Recht des Sr.heinvaters allein die Ehe in Frage, wobei als schadenstiftende Handlung der ehebrecherische Einbruch in die Ehe als absolut geschütztes Rechtsgut durch Zeugung eines nichtehelichen Kindes in Frage kommt. Schon vom Ansatz her scheiden demnach deliktische Regreßansprüche des Scheinvaters gegen den Erzeuger auf der Basis des § 823 I immer dann aus, wenn das Kind nicht während der Ehe des Scheinvaters mit der Kindesmutter gezeugt wurde, also in allen Fällen der "schlicht" nichtehelichen Scheinvaterschaft sowie bei vorehelicher Zeugung. b) Ausschluß deliktischen Rechtsschutzes? Ob ein Verstoß gegen die eheliche Treue den Dritten zu Schadensersatz verpflichtet, ist heute noch weithin ungeklärt205 • Zwar wird überwiegend anerkannt, daß der Kernbereich der Ehe und damit die eheliche Treue absolut geschütztes Rechtsgut jedenfalls im Verhältnis zu Dritten ist206 doch wurde vom BGH207 ein Schadensersatzanspruch auch gegen Dritte wegen Ehestörung stets verneint mit dem Hinweis darauf, die durch 204 Daraus erklärt sich auch, daß die Möglichkeit nachträglicher Tilgungsänderung bisher nie als Alternative zum Zessionsregreß diskutiert wurde, sondern lediglich als dessen Ersatz. 205 Dazu und zum folgenden vgl. insbes. Gernhuber, § 17, mit ausführlicher Darlegung des Meinungsstandes und Schrifttums- und Rechtsprechungsnachweisen. 206 Mindestens im Hinblick auf Art. 6 GG, vgl. Gernhuber, § 17 11m. w. N. Ebenso Larenz, Schuldrecht 2, § 72 I a; vgl. auch SoergellLange, § 1353, 35 ff. mit ausf. Nachweisen. 207 Vgl. insbes. BGHZ 27, 217 und die dort zit. Entscheidungen. Ebenso im Ergebnis SoergellLange, § 1353, 39.

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Teil 1 : Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

die Ehe begründeten Pflichten seien durch Dritte nicht verletzbare persönliche Verpflichtungen der Ehegatten, ferner seien die Folgen ehelicher Pflichtverletzung im Familienrecht abschließend geregelt; auch § 888 II ZPO wird gerne als Argument gegen die Zubilligung von Schadensersatzansprüchen gegen Dritte herangezogen20B • Die ganz h. M.209 in der Literatur gesteht dagegen dem verletzten Ehepartner Schadensersatzanspruche aus § 823 I wenigstens gegen den störenden Dritten zu, wobei zur Begründung einerseits das Verfassungsgebot des Art. 6 GG herangezogen wird, andererseits die Feststellung, daß sich eine Ausschließlichkeit familienrechtlicher Regelung allenfalls auf das Verhältnis der Ehegatten untereinander, nicht aber auf das zu außenstehenden Dritten beziehen kann210 , doch wurde die Ersatzleistung stets beschränkt auf das Abwicklungsinteresse (wozu auch der dem Ehebruchskind gezahlte Unterhalt gehört): nicht umfaßt ist der Ersatz des

Bestandsinteresses211 •

Es kann hier nicht der Ort sein, die Problematik deliktischen Eheschutzes in extenso zu diskutieren. Überzeugender sind sicherlich die Argumente der h. L., die den Schadensersatzanspruch zugesteht. Doch ist die Durchsetzung angesichts der nach wie vor ablehnenden Haltung des BGH in dieser Frage mit einem erheblichen Risiko belastet, was zu praktischer Fragwürdigkeit dieses Regreßwegs führt2 !'!. c) Geltung des § 1600 a Satz 2 Wie bereits dargelegt, hindert § 1600 a Satz 2 die Geltendmachung von Rechtswirkungen der Vaterschaft vor Zuordnung zum Erzeuger. Dies muß auch für die Geltendmachung von Schadensersatzanspruchen aus § 823 I gegen den Erzeuger gelten: die Inanspruchnahme setzt (inzidente) Feststellung der Vaterschaft voraus und ist deswegen vor positiver Zuordnung des Kindes zum Erzeuger durch die Ausübungssperre gehindert~13.

208 So Soergel/Lange, § 1353, 39, der die beiden ersten Argumente nicht für stichhaltig hält. 209 Vgl. nur die Nachweise bei Gernhuber, § 17 I 1 und bei Soergel/Lange, § 1353, 39 sowie Larenz, Schuldrecht 2, § 72 I a. 210 Vgl. dazu i. E. Gernhuber, § 17 I 1 und die dort zit. Lit. sowie Larenz, Schuldrecht 2, § 72 I a. 211 Vgl. Gernhuber, § 17 I 1; Soergel/Lange, § 1353, 39; Larenz, § 72 I a. 212 So auch Gernhuber, § 45 VIII 2. 213 Vgl. die bereits oben B II 2 zit. h. L. Anders Gernhuber, § 57 I 7 ausdrücklich für Ansprüche aus deliktischem Eheschutz. Doch überzeugt dessen Hinweis auf die sonst eintretende "private Enteignung" jedenfalls für § 823 I nicht: es handelt sich um eine notwendige Konsequenz der (möglicherweise verfehlten) Gesetzeskonzeption, die der Norm zugrundeliegt; differenzierend Tiedtke, FamRZ 1970, 232.

IV. Deliktische Ansprüche

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d) Umfang des Schadensersatzes Der Schadensersatzanspruch umfaßt sämtliche Aufwendungen des Ehemanns, die durch den ehestörenden Akt (die außereheliche Zeugung) adäquat verursacht wurden, sofern sie dem Abwicklungsinteresse zuzurechnen sind, also sämtliche Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes. Damit liegt ein wesentlicher Unterschied zu den bisher behandelten Regreßmodi gegenüber dem Erzeuger auf der Hand: Der Zahlende ist nicht beschränkt auf die Höhe des vom Erzeuger selbst geschuldeten Unterhalts, sondern kann Rückgriff nehmen wegen sämtlicher Unterhaltsleistungen, die er erbracht hat, also auch wegen von ihm in Unkenntnis der Vaterschaft eines anderen erbrachter Mehrleistungen; die allen bisher behandelten Regreßmodi drohende Regreßlücke, die sich aus der Orientierung des Regreßumfangs an der tatsächlichen Leistungspflicht des Erzeugers ergibt214, kann für den auf Ehestörung beruhenden deliktischen Regreß niemals entstehen: der durch die Ehestörung entstandene Schaden ist unabhängig vom Umfang der Unterhaltspflicht des Erzeugers. Selbst das Maß der (vermeintlichen) eigenen Unterhaltspflicht dem Kind gegenüber begrenzt nicht den Anspruch: auch Leistungen, die der Scheinvater über seine vermeintliche Unterhaltspflicht hinaus erbringt, sind adäquat verursacht durch den Ehebruch und damit vom Anspruch aus § 823 I umfaßt (vgl. aber sogleich unten e). e) Mitverschulden, § 254 I Doch kann sich der Anspruch durch Mitverschulden des Zahlenden verringern. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Schaden durch zurechenbares eigenes Verhalten des Geschädigten erhöht hat%15. Voraussetzung für die Anwendung der Norm ist mithin zurechenbare Mitwirkung des Geschädigten an der Entstehung bzw. Erhöhung des Schaden!'. Niemals kann ein derartiges Verhalten vorliegen, wenn sich der ScheiIivater für den Erzeuger hält und halten darf: dann kann dem Geschädigten eine Pfiichtenlage gegenüber dem Schädiger deswegen nicht bewußt sein, weil er vom schädigenden Ereignis noch nichts weiß: für diesen Zeitraum ist ihm daher voller Regreß sicher. Weiß der Zahlende von der Vaterschaft eines anderen, so ist zu differenzieren: Solange er selbst dem Kind wegen § 1593 als Erzeuger zugeordnet ist, kann er aus rechtlichen Gründen selbst wenn er weiß, daß er nicht der Erzeuger ist, seine Zahlungen nicht unter den von ihm wegen der Unter214 Vgl. oben All (für Legalzession), Bill e (GoA), B 111 1 b bb (Kondiktion). 215 Allg. Ans., vgl. Palandt/Heinrichs, § 254, 1 b m. w. N.

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger -

B. Weitere Ansprüche

stellung des Gesetzes (vorläufig) g.eschuldeten Unterhalts betrag senken. Jede über diesen Betrag hinausgehende Zahlung ist jedoch nach § 254 zu berücksichtigen. Ist dagegen die Zuordnung durch Ehelichkeitsanfechtung aufgehoben, dann umfaßt seine Schadensminderungspflicht eine Verpflichtung, seine Leistungen - sofern sie überhaupt noch erfolg.en - auf den (vermutlich) vom wirklichen Erzeuger geschuldeten Betrag zu begrenzen. Allerdings wird dieser idR weder festgestellt noch auch stets bekannt sein. Dann wird man - sofern sich keine anderen Anhaltspunkte für den vom Erzuger geschuldeten Betrag ergeben - vom Zahlenden die Begrenzung seiner Leistungen auf den Regetunterhatt als Mindestsumme der Unterhaltsverpflichtung verlangen müssen, wenn er vollen Regreß nehmen will.

2. Anspruch aus § 823 II wegen Ehestörung Für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 II ist nach der Streichung des § 172 StGB kein Raum mehr216 • Auch Art. 6 GG kann nicht als Schutzgesetz herangezogen werden: die Norm bestimmt zwar die Ehe zum klar umrissenen Schutzobjekt des § 823 I, doch würde die Heranziehung als Schutzgesetz i. S. des § 823 II die unmittelbare Auswirkung eines Grundrechts im Privatrecht bedeuten und ist mithin unzulässig. Angesichts des durch § 823 I gewährleisteten umfassenden Schutzes der Ehe besteht überdies für eine Konstruktion über § 823 II keine Veranlassung217 • 3. Anspruch aus § 826 wegen Ehestörung

Ein Anspruch aus § 826 ist zunächst denkbar als Sanktion des Ehebruchs und wird bejaht auch von denen, die aus irgendwelchen Gründen einen Eheschutz aus § 823 I ablehnen218 • Zwar stellt ein Ehebruch in aller Regel einen Verstoß gegen die guten Sitten dar2 19 , doch wird sich nicht stets ein (mindestens bedingter) Schädigungsvorsatz gerade hinsichtlich eventueller Unterhaltsleistungen durch den Scheinvater nachweisen lassen220 • Zudem bietet der auf Verletzung der ehelichen Treue gestützte Anspruch aus § 826 keinerlei Vorteile gegenüber dem aus Vgl. Gernhuber, § 17 I, S.140 FN 1. Gernhuber, § 17 I. 218 Vgl. SoergeULange, § 1353, 39 m. w. N.; Erman/Barthotomeyczik, § 1353, 2 b, 5 e ff.; SoergeUKnopp, § 826, 99; aus der Rspr. vgl. RG SeuffA 61 Nr.38; OLG Neustadt, ZBlJugR 1952, 211; OLG München, JR 1956, 61. Ebenso für Ansprüche wenigstens gegen den Erzeuger BGH MDR 1966, 995 in einem obiter dictum; and. aber BGHZ 23, 217, 221 f. mit der Forderung nach einheitlicher Entscheidung hins. aller Deliktstatbestände. 219 SoergeUKnopp, § 826, 99. 220 SoergeUKnopp, § 826, 102 will in Anlehnung an OLG Düsseldorf, NJW 1952, 1336 (m. zust. An. Coing) den Schädigungsvorsatz idR nach prima-facieGrundsätzen bejahen. 216

217

IV. Deliktische Ansprüche

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§ 823 I: der Umfang des Anspruchs ist (auch was die Frage des § 254 betrifft) völlig identisch mit dem aus § 823 1. Außerdem ist die Geltendmachung des Anspruchs in gleicher Weise bis zu positiver Zuordnung zum richtigen Erzeuger gehindert durch § 1600 a wie der aus dem Grundtatbestand221 • Selbständige Bedeutung in diesem Zusammenhang hat § 826 daher nur, wenn man deliktischen Eheschutz aus § 823 I verweigert.

4. Anspruch aus § 826 wegen böswilliger Nichtherbeiführung der Zuordnung zum Kind Bereit oben A II 2 wurde darauf hingewiesen, daß dem Zahlenden jeder Zessionsrückgriff gegen den Erzeuger durch § 1600 a Satz 2 verwehrt ist, wenn weder der Erzeuger die Vaterschaft anerkennt noch das Kind (bzw. nach dessen Tod die Mutter) die Vaterschaftsfeststellung betreibt. Dieses Regreßhindernis wirkt sich in gleicher Weise bei den sonstigen dem Scheinvater zur Verfügung stehenden Regreßmodi aus. Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob darin eine den Tatbestand des § 826 erfüllende Handlungsweise gesehen werden kann. Es ist zunächst zu bemerken, daß diese Form des Deliktsregresses nicht wie die bisher behandelten auf der Verletzung der Ehe bzw. auf sittenwidriger Schädigung durch Ehebruch beruht (und die deswegen nur dem scheinehelichen Vater zur Verfügung standen); sie ist vielmehr in allen Fällen nichtehelicher Vaterschaft denkbar und bietet sich somit auch dem "schlicht" nichtehelichen Scheinvater an. a) Sittenwidrige Handlung Eine vorsätzlich-sittenwidrige Schadenszufügung kann in der Nichtherbeiführung der Zuordnung zum Kind durch den Erzeuger nur in den seltensten Fällen gesehen werden222 : dem Erzeuger ist es grundsätzlich freigestellt, ob er die Vaterschaft anerkennen will oder nicht; dabei ist irrelevant, aus welchem Grund er eine Zuordnung nicht wünscht, daher ist i. d. R. auch die Entscheidung zu berücksichtigen, die allein durch die Verhinderung eines evtl. Regresses des Scheinvaters motiviert ist; 221 Vgl. Lange, NJW 1970, 299; ebenso ausdrücklich für § 826 bei der (entspr.) Frage des § 1593 SoergeliKnopp, § 826,101 m. w. N.; BGH NJW 1954, 1801; anders wohl auch hier Gernhuber, § 57 17. 222 Unerheblich ist dabei, ob man die schädigende Handlung in einem Tun oder in einem Unterlassen sehen will: anders als beim Grundtatbestand des § 823 I setzt die Sanktion der Unterlassung nicht eine Rechtspflicht zum Handeln voraus, sondern allein, daß die Unterlassung einem sittlichen Gebot widerspricht. Ist somit die Sittenwidrigkeit eines Verhaltens einmal festgestellt, so ist die Abgrenzung zwischen positiver Handlung und Unterlassung irrelevant, vgl. BGH NJW 1963, 149; Palandt/Thomas, § 826, 2 f.; Soergel/Knopp, § 826, 42.

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Teil 1: Ansprüche gegen den Erzeuger - B. Weitere Ansprüche

zudem ist die Zuordnung zum richtigen Erzeuger i. d. R. gesichert durch die stets parallel gegebene Möglichkeit des Kindes (bzw. nach dessen Tod der Mutter), die Zuordnung zu betreiben223 • Im bloßen Unterlassen des Vaterschafts anerkenntnisses kann infolgedessen niemals ein sittenwidriges Verhalten gesehen werden; jede andere Entscheidung hieße eine Pflicht zum Anerkenntnis statuieren. Sittenwidrig verhält sich der Erzeuger jedoch dann, wenn er böswillig eine Situation herbeiführt, die jede Möglichkeit einer späteren Zuordnung zu ihm ausschließt. Dies ist etwa dann denkbar, wenn er arglistig bewirkt, daß die Anfechtungsberechtigten die Frist für die Anfechtung der Zuordnung zum Scheinvater224 verstreichen lassen: dann ist die Zuordnung zu ihm durch § 1593 bzw. 1600 b III ausgeschlossen=. Vorstellbar ist dies z. B. wenn der Erzeuger vorspiegelt, nach Scheidung einer Ehe sei Anfechtung der Ehelichkeit nicht mehr erforderlich226 • Sittenwidrigkeit wird man auch annehmen müssen, wenn der Erzeuger in der Absicht, den Regreß dadurch zu verhindern, das an sich zur Erhebung der Vaterschaftsfeststellungsklage entschlossene Kind durch das Versprechen von Vorteilen (etwa: ihm dafür für die Zukunft freiwillig einen höheren als eigentlich geschuldeten Unterhalt zu bezahlen oder durch das Versprechen sonstiger erheblicher Vorteile) dazu bringt, von deren Durchführung abzusehen227 • Das vorwerfbare Verhalten des Erzeugers liegt dann darin, daß er in sittenwidriger Weise die Zuordnung zu ihm verhindert mit dem Ziel, wegen des dann bestehenden "Schutzes" durch § 1600 a Satz 2 den Rückgriff auf ihn zu vereiteln. b) Regreßbehinderung durch § 1600 a Satz 2? Mit dieser überlegung beantwortet sich auch die Frage. ob für diesen Anspruch die Rechtsausübungssperre des § 1600 a Satz 2 gilt: Wenn das sittenwidrige Verhalten gerade in der Erhaltung oder Ausnutzung einer formalrechtlichen Position beruht, kann sich der Schädiger auf 223 Bereits oben A II 2 wurde allerdings darauf hingewiesen, daß eine Nichtzuordnung ausnahmsweise durchaus eher dem Kindesinteresse entspricht. Nicht immer bietet das Klagerecht des Kindes (bzw. das Antragsrecht der Mutter) volle Gewähr für die Durchführung der Zuordnung zum wahren Erzeuger. 224 Vgl. §§ 1594, 1595 a, 1596 für das scheineheliche Kind, §§ 1600 h, 1600 i für das schlicht nichteheliche Kind bei Vaterschaftsanerkenntnis. 225 So Reinicke, NJW 1955, 217; Coing, NJW 1952, 1337; SoergellKnopp, § 826, 101 (zu § 1593). 226 So das Beispiel von Reinicke, NJW 1955, 217. 227 Selbstverständlich sind weitere Fälle denkbar. In dem zuletzt genannten Fall kollusiven Zusammenwirkens mit dem Kind kommt zusätzlich auch ein Anspruch aus § 826 gegen das Kind bzw. dessen ges. Vertreter in Frage, vgl. dazu unten Teil 2, B I. Für die Möglichkeit derartiger Ansprüche gegen Erzeuger und Kind auch Gernhuber, § 57 I 7; Tiedtke, FamRZ 1970, 232 ff.

IV. Deliktische Ansprüche

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eben diese Rechtsposition nicht berufen. Das wurde von der Rspr. schon seit längerem anerkannt etwa für die "Durchbrechung" der Rechtskraft von erschlichenen Urteilen oder für sittenwidrige Ausnutzung unrichtiger Urteile228 , für die Berufung auf die Verjährung eines Anspruchs229 , wenn der Anspruchsgegner arglistig veranlaßt wurde, den Anspruch verjähren zu lassen, bei Berufung auf Pauschalsätze, wenn der tatsächliche Aufwand bei weitem niedriger la!f3°, bei Mißbrauch des Konkursverfahrens, um Kündigung eines Pachtvertrages zu erreichen231 • Auch in der Literatur ist diese Funktion des § 826 allgemein anerkannt2 3O!: die Norm bietet die Möglichkeit, auf der Basis einer Abwägung mit dem gesetzten Recht grundlegenden Wertungen der Rechtsordnung zum Durchbruch zu verhelfen; bei einer Abwägung zwischen § 1600 a Satz 2 und dem in § 826 enthaltenen Sittengebot muß dementsprechend in den genannten Fällen § 1600 a Satz 2 weichen2"3S. Anders als § 242 kommt somit § 826 durchaus normkorrigierende Funktion zu234 • Der Vorteil gegenüber dem Lösungsversuch über § 242 liegt einmal im Fehlen dogmatischer Fragwürdigkeit, zum anderen aber auch in der tatbestandlich engen Umgrenzung der Anwendungsfälle durch die strengen Voraussetzungen des § 826; einer uferlosen Ausweitung von Normkorrekturen allein unter Billigkeitsgesichtspunkten ist damit ein Riegel vorgeschoben235 • Das bedeutet, daß in den Fällen böswilliger Verhinderung der Zuordnung des Kindes für die Frage des Schadensersatzes aus § 826 entgegen der Regel des § 1600 a Satz 2 (also ohne Zuordnung) inzident die Vaterschaft des Erzeugers zu prüfen ist. c) Umfang des Schadensersatzes Der Umfang des zu ersetzenden Schadens richtet sich nach dem Umfang des durch das sittenwidrige Verhalten verhinderten Regresses. Im 228 St. Rspr. des Reichsgerichts und des BGH, vgl. zuletzt BGHZ 50, 115 mit ausf. Nachweisen. Im Schrifttum wird sie stark kritisiert mit dem Hinweis auf die Spezialität prozeßrechtlicher Vorschriften über die Durchbrechung der Rechtskraft, vgl. Larenz, Schuldrecht 2, § 72 IV m. weit. Literaturangaben; insbes. Gaul, Die Grundlagen des Wiederaufnahmerechts, 1956, 99 ff. Der Rspr. zustimmend Soergel!Knopp, § 826, 215. 229 Vgl. BGHZ 9, 5. 230 BGH NJW 1965, 2013. 231 BGH WM 1962, 930. 232 Larenz, Schuldrecht 2, § 72 IV; Esser, Schuldrecht 2, § 107 III 2 b; RGRK/

Haager, § 826, 39; Palandt/Thomas, § 826, 2 e; Fikentscher, § 105 III 3. 233 So (im Bereich des § 1593) Coing, NJW 1952, 1336; Reinicke, NJW 1955, 217; Tiedtke, FamRZ 1970, 234; für § 1600 a Satz 2 Gernhuber, § 57 I 7. Im Erg. gleich Boehmer, JZ 1962, 731. 234 Zur Problematik des § 242 vgl. bereits oben A 11 2 c. 235 In der Lit. wird allerdings die auf § 242 gestützte Normkorrektur mit der durch § 826 weitgehend auf eine Stufe gestellt, vgl. etwa Soergel! Knopp, § 826, 76 f.; Fikentscher, § 105 III 3 a.

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Teil 1 : Ansprüche gegen den Erzeuger - Zusammenfassung

Schadensersatzprozeß ist zu prüfen, in welchem Umfang dem Scheinvater der Rückgriff auf den Erzeuger möglich gewesen wäre, falls die Zuordnung nicht wegen des sittenwidrigen Verhaltens unterblieben wäre236: die bereits bisher behandelten Regreßmodi (Legalzession, Geschäftsführung ohne Auftrag, Kondiktionsrecht, aber auch aus Deliktsrecht wegen Ehestörung) sind somit hier inzident zu prüfen, es besteht eine Art "Akzessorietät" zwischen dem Rückgriff aus § 826 und den sonstigen Regreßmechanismen; weitergehende Ansprüche als nach diesen stehen dem Scheinvater niemals zu. Auch in dieser Begrenzung der "überwindbarkeit" des § 1600 a Satz 2 zeigt sich ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber der Lösung über § 242: die Auswirkungen sind, weil es sich um einen Schadensersatzanspruch wegen Regreßbehinderung handelt, schon vom Tatbestand her auf den Rückgriff beschränkt und bleiben daher überschaubar; läßt man dagegen die überwindung des § 1600 a Satz 2 unter Berufung auf § 242 zu, so erfolgt diese Begrenzung nicht. Problematisch wäre dann insbesondere, ob die Geltung des § 1600 a Satz 2 auch hinsichtlich anderer Rechtsbeziehungen, evtl. im Verhältnis zu weiteren Personen, ausgeschlossen ist, was im Ergebnis zu voller oder nur auf bestimmte Personen beschränkter (relativer) Zuordnung zum Erzeuger führte - Ergebnisse, die schlechthin nicht überschaubar sind. Alle diese Schwierigkeiten treten indessen nicht auf bei Anwendung des § 826 in seiner engen Umgrenzung sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite.

Zusammenfassung Die Möglichkeiten des Scheinvaters, beim Erzeuger Rückgriff zu nehmen, sind mit den bisher dargestellten Regreßwegen erschöpft. Es hat sich gezeigt, daß diese Möglichkeiten im Einzelfall problematisch und unbefriedigend sein können, weil sie begrenzt sind durch den Umfang der tatsächlichen Unterhaltspflicht des Erzeugers, was infolge differenzierter und (auch) auf die Verhältnisse des Erzeugers abstellender Regelung nunmehr wesentlich eher als nach früherem Recht zu "Regreßlücken" führen muß. Anders ist es lediglich beim deliktischen Regreß wegen Ehestörung; doch wird dadurch die Problematik kaum verringert, weil er einmal nur dem scheinehelichen Vater zustehen kann, nicht aber dem schlicht nichtehelichen Scheinvater, zum anderen deswegen, weil gerade die Ansprüche aus deliktischem Eheschutz angesichts der nach wie vor ablehnenden Haltung des BGH mindestens hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit in Frage zu stellen sind. Schwierigkeiten bereitet in gleicher Weise die Rechtsdurchsetzungssperre des § 1600 a Satz 2, da der Scheinvater keine Möglichkeit hat, die 236 Daß ohne das Verhalten des Erzeugers die Zuordnung tatsächlich erfolgt wäre, muß selbstverständlich gesichert sein; sonst fehlt bereits die Kausalität.

Zusammenfassung

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Zuordnung zum Erzeuger zu betreiben, von der die Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche gegen ihn abhängt. Die "Durchbrechung" auf der Basis des § 826 bietet nur beschränkt Abhilfe, da sie stets auf wenige eklatante Ausnahmefälle begrenzt sein wird. Schwerpunkt der weiteren Untersuchung muß es daher sein, die Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber weiteren Personen, insbesondere gegen das Kind (Teil 2), aber auch gegen sonstige Personen (Teil 3) zu untersuchen.

5 Engel

Zweiter Teil

Ansprüche gegen das Kind A. Condictio indebiti I. Die kondizierbare Leistung

1. Bei Leistung auf eigene Schuld Rechtsgrundlos sind die Leistungen erfolgt, die der Scheinvater auf Grund vermeintlicher oder vom Gesetz zunächst unterstellter237 eigener Unterhaltspflicht geleistet hat; ein Rechtsgrund für die Leistung lag entweder nie vor238 oder ist infolge nachträglicher Aufhebung der Zuordnung rückwirkend weggefallen239 • Diese Zahlungen bewirken (vgl. oben Teil 1 A I 2) stets die Legalzession des Anspruchs gegen den Erzeuger. Der im Referentenentwurf zu § 1615 b in Abs. 2 ursprünglich vorgesehene Ausschluß der Leistungskondiktion gegen das Kind in den Fällen, in denen Legalzession eintritt240 wurde wegen grundsätzlicher Bedenken nicht Gesetz241 • Ein genereller Ausschluß des Kondiktionsrückgnffs gegenüber dem Kind wegen Spezialität des Zessionsregresses scheidet aus den bereits oben Teil 1 Vorbem. vor B I genannten Gründen aus: Hier wie dort gilt, daß allenfalls die Voraussetzungen einer Kondiktion durch die Legalzession betroffen werden können. Vgl. dazu242 im einzelnen unten III. Anders als beim Regreß gegen den Erzeuger243 sind von der condictio indebiti nicht nur die Leistungen umfaßt, die der tatsächlichen Verpflichtung des Erzeugers entsprachen, sondern auch Mehrleistungen, die deswegen erfolgten, weil die unterstellte eigene Leistungspflicht höher war als die tatsächliche des Erzeugers. Die condictio indebiti bietet sich somit als Möglichkeit an, um die beim Vorgehen gegen den Erzeuger stets drohende "Regreßlücke" bei Auseinanderfallen von vermeintBei Zuordnung zum Kind nach § 1593 oder § 1600 a Satz 1. Wenn Zuordnung nicht erfolgt war. 239 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1966, 355; Gernhuber, § 45 VIII 6. 240 Vgl. den Text bei Jansen/Knöpjel, S.26. 241 Vgl. dazu Jansen/Knöpjel, S.190 f.; Stolterjoht, FamRZ 1971, 344. 242 und zur (an Hand der Entreicherungsproblematik entwickelten) abw. Auffassung Dieckrnanns. 243 Abgesehen von den Ansprüchen aus deliktischem Eheschutz. 237 238

I. Die kondizierbare Leistung

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lichem oder zunächst unterstelltem Anspruch gegen den Scheinvater und tatsächlichem gegen den Erzeuger zu schließen. Die Kondiktion ist i. d. R. auch nicht durch § 814 ausgeschlossen: entweder erfolgte die Zahlung in irrtümlicher Annahme eigener oder - wenn Zuordnung zum Kind vorlag - wegen vom Gesetz zunächst unterstellter Verpflichtung244. Freiwillige, bewußte Leistung auf eine Nichtschuld als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Norm245 ist somit nie gegeben. § 814 greift dagegen ein, wenn der Zahlende bewußt Leistungen erbrachte, die über seine vermeintliche oder unterstellte Unterhaltspflicht hinausgingen; darüber liegende Mehrleistungen sind folglich nie kondizierbar.

2. Bei Leistung auf fremde Schuld Rechtsgrundlos können aber auch Leistungen erbracht sein, die ohne Bezug zu eigener Verpflichtung als Drittleistungen nach § 267 erfolgten246 : causa für die Leistung war dann das Bestehen einer Verpflichtung des Erzeugers gegenüber dem Kind; soweit sie vorlag, ist die Zahlung mit Rechtsgrund erfolgt und nicht kondizierbar. Jede über die tatsächliche Verpflichtung des Erzeugers hinausgehende Zahlung, also jede Mehrleistung, verfehlte jedoch ihren Leistungszweck (Tilgung der Unterhaltsschuld) und ist der Kondiktion ausgesetzt247 . Die Leistungskondiktion gegen das Kind bietet somit auch bei Drittleistungen eine Möglichkeit, die vom Regreß gegen den Erzeuger nicht gedeckten Mehrleistungen248 (allerdings nur diese) zu liquidieren. Ein Ausschluß der Kondiktion nach § 814 erfolgt entgegen dessen Wortlaut nicht etwa, weil der Scheinvater wußte, daß er dem Kind nichts schuldete: die Kondiktion wird nach § 814 gehindert wegen des Bewußtseins, daß die causa fehlte; causa für die Leistung durch Dritte ist je244 Entsprechendes gilt in den Fällen einstweiliger Unterhaltsregelung.

Stotterfoht, FamRZ 1971, 350, will jedoch bei bewußt unrichtigem Anerkenntnis entspr. dem Rechtsgedanken des § 814 die Kondiktion ausschließen,

da sonst widersprüchliches Verhalten vorliege. l!45 Vgl. Staudinger/Seufert, § 814, 5. 246 Dabei spielt es keine Rolle, ob der Zahlende bewußt als Dritter (und damit in GoA für den Erzeuger) geleistet hat oder nachträglich die Tilgungsbestimmung der zunächst auf vermeintlich eigene Schuld erbrachten Leistung zugunsten des Erzeugers geändert hat, vgl. dazu Teil 1, B II, III. 247 Vgl. Lorenz, JuS 1968, 445; AcP 168, 298 f. Anders Esser, Schuldrecht 2, § 102 I 2 a, der annimmt, der Zahlende könne nur einen Kondiktionsanspruch des Schuldners gegen den Gläubiger kondizieren, den dieser durch die Zahlung des Dritten erhalten habe; das kann aber deswegen nicht zutreffen, weil es sich bei der Drittleistung um die Leistung eines Dritten - wenn auch auf fremde Schuld - handelt, die nie eine Kondiktion des (vermeintlichen) Schuldners zur Folge haben kann. 248 Vgl. Teil 1 B II 1 e, III 1.

68

Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

doch hier nicht die Verpflichtung des Zahlenden, sondern die des eigentlichen Schuldners. Bei Drittleistungen kann daher § 814 die condictio indebiti nur dann hindern, wenn der Zahlende weiß, daß die zu tilgende Schuld nicht besteht. Ausgeschlossen ist demgemäß die Kondiktion in den Drittzahlungsfällen immer dann, wenn der Zahlende den Umfang des vom Erzeuger geschuldeten Unterhalts kannte und damit wußte, daß er Mehrleistungen erbrachte. U. Rechtsausübungssperren

Anders als beim Rückgriff gegen den Erzeuger ist die Rechtsdurchsetzung gegen das Kind nicht gehindert vor Feststellung der Vaterschaft oder Anerkenntnis durch ihn: die Berufung auf Rechtsgrundlosigkeit der Leistung durch ihn: die Berufung auf Rechtsgrundlosigkeit der Leistung setzt nicht die Feststellung voraus, ein bestimmter anderer sei Erzeuger, sondern lediglich die, selbst nicht der Erzeuger zu sein. § 1600 a Satz 2 kommt niemals zur Anwendung249 • Vorausgesetzt ist allerdings, daß der Zahlende sich auf das Fehlen eigener Verpflichtung berufen kann; dies kann er nicht, solange er dem Kind durch § 1593 oder § 1600 a Satz 1 noch zugeordnet ist und ihn daher noch der Rechtsschein der Vaterschaft trifft. Die condictio indebiti bietet sich dem Scheinvater deshalb stets auch dann an, wenn ein Vorgehen gegen den Erzeuger ausscheidet, weil dieser entweder noch gar nicht bekannt ist oder weil die Sperrwirkung des § 1600 a Satz 2 eingreift. UI. Verjährung

Die Verjährungsfrist beträgt entsprechend den oben (Teil 1 B II 3 f) angestellten überlegungen 4 Jahre, da es sich um die Rückforderung periodisch erbrachter Leistungen handelt und somit § 197 zur Anwendung kommt. Doch beginnt die Verjährung - anders als beim Rückgriff auf den Erzeuger - bereits dann, wenn ein Vorgehen gegen das Kind nicht mehr durch Zuordnung zu diesem gehindert ist (vgl. oben II sowie die in Teil 1 A III 3 angestellten grundsätzlichen Erwägungen zum Verjährungsbeginn), also entweder sofort (wenn eine Zuordnung nicht vorlag) oder nach Rechtskraft des Anfechtungsurteils. Gleichlauf der Verjährungsfristen mit dem Regreß gegen den Erzeuger ist somit nicht gewährleistet, doch korrespondiert der i. d. R. frühere Eintritt der Verjährung hier mit der Möglichkeit früherer Inanspruchnahme des Kindes (vgl. oben II). 249

349.

Anders ohne nähere Begründung offenbar Stolterjoht, FamRZ 1971,

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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IV. Umfang des Anspruchs (1) - Entreicherung durch Legalzession?250 1. Der Standpunkt der h. L.

Von der ganz herrschenden Lehre wird allerdings ein Bereicherungsanspruch gegen das Kind bestritten, soweit der Unterhaltsanspruch auf den Scheinvater übergegangen ist: das Kind soll jedenfalls in Höhe der zedierten Forderung - entreichert sein251 (§ 818 III). Dieser Gedanke leuchtet zunächst ein: nach h. L.252 sind im Rahmen des § 818 III alle Umstände als entreichernd in Anrechnung zu bringen, die in ursächlichem Zusammenhang stehen mit dem bereichernden Vorgang253 ; dies gilt auch dann, wenn - wie bei der hier vorliegenden Legalzession - der bereichernde Akt als solcher ohne weiteres zugleich benachteiligende Wirkung auf das Vermögen des Empfängers hat254 • Nach neuerer Ansicht255 sind dagegen nur solche Nachteile abzugsfähig, die darauf beruhen, daß der Schuldner auf die Beständigkeit des Erwerbs vertraut hat. Da die Legalzession fraglos nicht Folge eines Vertrauens des Empfängers auf die Rechtsbeständigkeit der Leistung ist, sondern unmittelbare Folge der Leistung selbst, könnte man meinen, nach dieser Lehre könne die Legalzession niemals als entreichernder Umstand berücksichtigt werden. Doch ist m. E. eine Einschränkung angebracht: Die "Vertrauensformel" verfolgt lediglich den Zweck, die bei der Kausalitätsformel der h. L. nahezu unbegrenzt mögliche Berücksichtigung entreichernder Umstände einzugrenzen; es soll gewährleistet werden, daß sich nur solche Umstände als entreichernd auswirken, die eine gewisse (über bloße Kausalität hinausgehende) Konnexität zum Bereicherungsvorgang besitzen. Wenn jedoch bereichernder und entreichernder Vorgang identisch sind, ist diese Konnexität in hinreichender Form gegeben. Die Vertrauensformel ist daher nur

250 Die Begrenzung des Anspruchs auf die tatsächlich vorhandene Bereicherung ist kein Wesensmerkmal des Kondiktionsanspruchs, sondern nach neuerer Ansicht eine "ausnahmsweise Begünstigung des gutgläubigen Empfängers", vgl. im Anschluß an v. Caemmerer, Festschrift Rabel Bd. I, S.368 insbesondere Larenz, Schuldrecht 1, § 70 11 m. w. Nachw. 251 Vgl. Gernhuber, § 59 VIII 3; § 45 VIII 6; Schlosser, Gestaltungsklagen ..., S.260; Jansen/Knöpfel, S.191; Brüggemann, ZBlJugR 1967, 113; Knöpfel, FamRZ 1966, 278. Die cessio legis wird offenbar übersehen von Dölle, § 88 V 2 a. Bei Mehrleistungen ist selbstverständlich eine Entreicherung durch Legalzession schon vom Ansatz her undenkbar. 252 Vgl. nur BGH LM Nr.2, 6, 7 zu § 818 111; BGHZ 14, 7 (9) m. w. N.; Palandt/Thomas, § 818, 6. 253 Kritisch Esser, Schuldrecht 2, § 105 II 1 c, der fehlende Kausalität jedoch als negatives Abgrenzungskriterium zuläßt. 254 Oertmann, § 818, 3 a. 255 Esser, Schuldrecht 2, § 105 II 2; Larenz, Schuldrecht 2, § 70 II; Staudinger! Seufert, § 818, 35. Im Ergebnis ähnlich Flume, Festschr. Niedermeyer, S. 103 (154 ff.).

Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

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anwendbar für Umsände, die nach dem Bereicherungsvorgang eintraten256 , nicht aber dan3, wenn Bereicherung und Entreicherung unmittelbar durch denselben Vorgang verursacht wurden.

2. Praktische Schwierigkeiten bei der h. L. Bereits früh wurden jedoch die enormen Schwierigkeiten erkannt, zu denen der prima vista plausible Lösungsansatz der h. L. in der Praxis führen muß257: Ausgangspunkt ist die überlegung, daß für die Frage der Bereicherung des Kindes auf die Gesamtvermögensposition des Kindes abzustellen ist und daß mithin nicht der "Nennwert" der legalzedierten Forderung, sondern nur deren tatsächlicher Wert in Abzug gebracht werden könnte.25 8 : nur in Höhe des tatsächlichen Wertes der Forderung wird das Kindesvermögen geschmälert. Bereits die Feststellung des Nennwerts der Forderung ist aber praktisch unmöglich, solange das Kind nicht dem Erzeuger zugeordnet oder dieser gar nicht bekannt ist, da (anders als nach früherem Recht, vgl. § 1708 a. F.) zur Bestimmung des geschuldeten Betrages die Vermögenslage des Erzeugers bekannt sein muß (§ 1603)~9. Zur Bestimmung des tatsächlichen Werts der Forderung müßte eine Art "Verkehrswert" festgestellt werden, wobei als Abzugsposten vom Nennwert alle Durchsetzungsrisiken, wie etwa die Auffindbarkeit und Feststellbarkeit260 des wirklichen Erzeugers, dessen Zahlungsfähigkeit (die ja trotz § 1603 wegen des Regelunterhalts von Bedeutung sein kann), sowie das stets vorhandene Prozeßrisiko in irgendeiner Weise zu berücksichtigen wären, was selbst bei Verwendung des § 287 II ZPO kaum möglich ist261 • Es kommt hinzu, daß nicht der Wert der Forderung zum Zeitpunkt der Kondiktion zu berücksichtigen ist, sondern der z. Zeitpunkt der Zession, also der Zah2'56 Man könnte hier auch die Ansicht vertreten, es handele sich gar nicht um eine Entreicherung, sondern um die Frage der Bereicherung. Doch erscheint dies angesichts der auf verschiedene Vermögensobjekte bezogenen Vorgänge von Zahlung und Legalzession als fraglich; zudem wird auch für die Frage der Bereicherung zunehmend § 818 UI, IV herangezogen, vgl. insbes. BGH FamRZ 1971, 247 (Schwarzflug-Fall); Erman/Seiler, § 818, 6 A. 257 Zuerst von Jansen/Knövfel, S. 191: daran anschließend vgl. vor allem Dieckmann, JuS 1969, 103 f., 160 sowie Stolterfoht, FamRZ 1971, 345 f. 258 Dieser Gesichtspunkt wird von der h. L. übersehen: sie geht von Entreicherung in Höhe der Forderung, nicht deren Wert aus, vgl. SoergeULade,

§ 1615 b, 5.

259 Lediglich der Regelunterhalt bietet einen gewissen Anhaltspunkt als Mindestforderung. 260 Problematisch dabei ist, ob die inzidente Feststellung eines bestimmten Erzeugers nicht gegen § 1600 a Satz 2 verstößt; vgl. Stolterfoht, FamRZ 1971,

346.

2'61

Stolterfoht, S. 346.

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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lung durch den Scheinvater: mit der Legalzession ist der Entreicherungsvorgang abgeschlossen, jede Verbesserung oder Verschlechterung der Bonität nach diesem Zeitpunkt ist ein Vorgang, der sich außerhalb des Vermögens des Kindes abspielt und somit auf den Umfang der Entreicherung keinen Einfluß haben kann262 • Folge wäre, daß neben dem Umfang auch die Bonität der legalzedierten Unterhaltsforderung jeweils zum Zeitpunkt des übergangs, also für jede Zahlung des Scheinvaters getrennt (und an den jeweiligen Vermögensverhältnissen des Erzeugers gemessen) festgestellt werden müßte - ein Unterfangen, das praktisch unmöglich ist26:l. Fest steht jedenfalls, daß wegen des stets vorhandenen Prozeßrisikos selbst bei Klärung aller anderen Umstände niemals der volle Nennwert der legalzedierten Forderung als Entreicherung in Ansatz gebracht werden könnte; volle Entreicherung in Höhe der legalzedierten Forderung kann somit nie angenommen werden.

3. "Institutionelle Unverträglichkeit" von condictio indebiti und Legalzession? a) Angesichts dieser nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Frage der Entreicherung wurde von Dieckmann264 der Versuch unternommen, durch Vergleich mit ähnlich strukturierten anderen Regreßfällen eine "institutionelle Unverträglichkeit" von Legalzession und condictio indebiti nachzuweisen. Folge ist ein Ausschluß jeglicher Leistungskondiktion in allen Fällen des Forderungsübergangs zu Rückgriffszwecken - was im Ergebnis zur Spezialität des Zessionsregresses führt. b) Zu begründen versucht Dieckmann dieses Ergebnis durch die Feststellung, die Legalzession komme als Rückgriffsmodell sonst nur zur Verwendung, wenn eine condictio indebiti ausgeschlossen ist265 : entweder zahlte der Leistende auf eigene Verpflichtung oder es wurde (in den Fällen des Ablösungsrechts) auf fremde Schuld geleistet; lag die Leistungscausa vor, so ist die condictio indebiti ausgeschlossen, fehlte sie dagegen, so steht dem Leistenden zwar die Leistungskondiktion zu, doch tritt dann die Legalzession nicht ein266 • Die Feststellung "Forde262 Anders offenbar Stolterfoht, S. 346, der davon ausgeht, daß die Entreicherung sich nach der Bonität zum Zeitpunkt der Kondiktion richte. 263 Vgl. zum ganzen Problem Stolterfoht, S.346. 264 JuS 1969, 103 f., 160 im Anschluß an eine allerdings nicht näher begründete - Äußerung Schlossers in Gestaltungsrechte ... , S.260. Von Alternativität scheint auch v. Caemmerer, Festschr. Dölle, Bd. 1, S.148 FN 39 auszugehen. 265 Vgl. die §§ 774, 1225, 1143, 268, 1150, 1249, 1607 II, 1615 b I 1. 266 z. B. wenn jemand auf eine nur vermeintliche Bürgenschuld bezahlt. In den Legalzessionsfällen bei nur subsidiärer Verpflichtung ist die cond.

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

rungsverlust kraft Gesetzes und Behaltendürfen der Leistung des Dritten gehen nun einmal zumeist Hand in Hand"267 wird zum Anlaß genommen, ohne weiteres die Kondiktion in allen Legalzessionsfällen auszuschließen. Richtig daran ist, daß in der Tat in aller Regel in den Fällen des Zessionsrück:griffs die condictio indebiti ausgeschlossen ist; doch geschieht dies, wie dargelegt, nicht als Folge der Legalzession (und damit aus Konkurrenzgründen), sondern aus rein bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten: in allen Fällen wäre eine Kondiktion auch ohne Eintritt der Legalzession nicht möglich gewesen. Die Zubilligung der Legalzession in einer Situation, in der gleichzeitig die condictio indebiti gegen den Empfängr besteht, mag systemwidrig oder gar ein legislatorischer Fehlgriff2 68 sein; deren generellen Ausschluß vermag sie nicht zu rechtfertigen: die Zahlung eines Nichtverpflichteten ist nun einmal anders zu beurteilen als eine Zahlung auf bestehende Schuld; sämtliche Kriterien, die in den übrigen Fällen einen Ausschluß der Kondiktion bewirken, fehlen bei der Zahlung des Scheinvaters269 • Jede pauschale übernahme der Rechtsfolgen der einen Kategorie in die andere wäre eine petitio principii; atypische rechtliche Gestaltungen bewirken häufig vom Regelfall abweichende Rechtsfolgen und zwingen zu differenzierterer Betrachtungsweise. Die Annahme einer generellen "institutionellen Unverträglichkeit" begegnet daher erheblichen konstruktiven Bedenken.

4. Sachliche Bedenken gegen einen Ausschluß der Kondiktion a) Neben praktischen (bei der Frage der Entreicherung durch Legalzession) und konstruktiven (bei "institutioneller Unverträglichkeit") Bedenken unterliegt der Ausschluß der Kondiktion gegen das Kind jedoch auch erheblichen sachlichen Zweifeln. Insbesondere StoZterfoht270 hat darauf hingewiesen, daß die Legalzession nicht zu gänzlichem Verlust der condictio indebiti führen darf. Dies ergebe sich einmal aus der Stellungnahme der Gesetzesverfasser zu dieser Frage211 , zum anderen könne zwar eine Rückzahlungspflicht das Kind erheblich belasten, doch seien ähnliche Belastungen etwa dann denkbar, wenn ein vermeintind. ausgeschlossen, weil die Verpflichtung aktuell wurde und somit cum causa geleistet wurde oder wenigstens nach § 814, 2. Alt., da ja Verwandtschaft jedenfalls vorliegt, vgl. Stolterjoht, S. 346. 267 Dieckmann, S. 103 f., 160. 268 So Stolterjoht, S.347. 269 Das sieht auch Dieckmann, S. 103 f., der infolgedessen das Ergebnis selbst in Frage stellt. Vgl. auch Stolterjoht, S.345, der darauf hinweist, daß der sachliche Grund für den Ausschluß der Kondiktion in den übrigen familienrechtlichen Regreßfällen (§ 1607 II und bei Verwandten im Fall des § 1615 b I 1) in der nachrangigen Unterhaltspflicht des Zahlenden liegt, die beim Scheinvater gerade nicht gegeben ist. 270 FamRZ 1971, 341 ff. (344 f.). Es handelt sich um die bisher umfangreichste Stellungnahme zu diesem Problem. 211 die den vorgesehenen Ausschluß der Kondiktion gestrichen haben.

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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licher Verletzer dem Kind lange Jahre eine Unfallrente nach § 843 bezahle und dann zurückfordere (es handelt sich demnach nicht um ein spezifisch unterhaltsrechtliches Problem). Weiterhin sei angesichts der differenzierten Regelung des Regresses gegenüber dem Erzeuger (§ 1615 i Irr) ein genereller Ausschluß des Anspruchs gegen das Kind (der keine Differenzierung erlaube) nicht sachgerecht. Und schließlich erscheine ein Ausschluß jeden Anspruchs gegen das Kind dann nicht als sachgerecht, wenn dieses (wenn auch u. U. aus billigenswerten Gründen) auf die gerichtliche Feststellung seines Erzeugers verzichtet und damit dem Scheinvater den Regreß gegen diesen abschneidet272 • Ob diese Gesichtspunkte einzeln oder in ihrer Gesamtheit die Kondiktion gegen das Kind zwingend erfordern, mag hier dahingestellt bleiben. Immerhin gibt es gerade in der familienrechtlichen Literatur erhebliche Stimmen, die jedem Konkumbenten prinzipiell Jeden Regreß - auch gegen das Kind - versagen wollen 273 . In familienrechtlicher Sicht mag demnach ein Ausschluß der Kondiktion noch als durchaus vertretbar erscheinen. b) Schlechthin paradox wäre dagegen die Abschneidung der condictio indebiti im einzig bekannten weiteren Fall, in dem Legalzession und Leistungskondiktion zusammentreffen können, bei § 67 VVG. Für diese Norm wird allgemein274 anerkannt, daß bei einer Schadensversicherung der Anspruch gegen den Drittschädiger auch dann übergeht, wenn der Versicherer dem Versicherten gegenüber nicht zum Ersatz verpflichtet war. Es tritt dann Legalzession zugunsten des Versicherers ein, obwohl dieser eine rechtsgrundlose Leistung erbracht hat. Die dann entstandene Situation ähnelt der beim Scheinvaterrückgriff: Dem Zahlenden steht einerseits der legalzedierte Regreßanspruch zu, andererseits hat er die eigene Leistung sine causa erbracht. Die Situation entsteht hier wie dort durch das Zusammentreffen zweier "Korrektursysteme": die condictio indebiti soll rechtsgrundlos erbrachte Leistung ausgleichen, während die Legalzession den Rückgriff beim " eigentlich " Verpflichteten ermöglichen soll. Während jedoch hier die Überschneidung nur ausnahmsweise eintritt (weil idR ein Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag besteht), ist sie beim Scheinvaterregreß typisch. Im Bereich des Versicherungs rechts wird nun einhellig275 dem Versicherer die condictio indebiti gegen den Versicherungsnehmer zugestanden, sofern nicht § 814 entgegensteht276 • Gerade bei zu Unrecht ausVgl. dazu und zu den (seltenen) Ausnahmen oben Teil 1. Man denke an die von Bosch (FamRZ 1967, 146 f.) empfohlene "Gefährdungshaftung der Konkumbenten"; vgl. auch Jansen/Knövjel, S. 190 f. 274 Vgl. statt aller Prölss/Martin, § 67 VVG, 4 mit ausf. Nachw. aus Rspr. und Lit. 275 PröZss/Marti'n, § 67 VVG, 4; Bruck/MöZler/Sieg, § 67 VVG, 55; BGH VersR 1961, 922; 1962, 22 ff. als Beispiele. 276 Das wird bei Kulanzeintritt idR der Fall sein, vgl. Raiser, VersR 1967, 316. Die Kondiktion wird demnach beschränkt auf die Fälle irrtümlicher Leistung. 272 273

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

gezahlten Versicherungsleistungen zeigt sich die Notwendigkeit der Kondiktion: würde man Wegfall des Kondiktionsanspruchs durch Entreicherung oder wegen institutioneller Unverträglichkeit annehmen, dann wäre dem irrtümlich leistenden Versicherer insoweit jede Rückgriffsmöglichkeit gegen den Leistungsempfänger vers agt277 , er wäre vielmehr allein auf die legalzedierten Ansprüche gegen den dritten Schädiger angewiesen, der für ihn schon deswegen ein höchst unsicherer Schuldner ist, weil er ihn nicht aussuchen kann und nicht kennt, während zu dem Versicherten als Vertragspartner immerhin eine gewisse Verbindung besteht. Zudem wird häufig der Drittschädiger nicht bekannt sein. Die Legalzession, die den Rückgriff erleichtern soll, hätte somit eine extreme und durch sie nicht bezweckte Verschlechterung der Situation des "Begünstigten" zur Folge - ein Ergebnis, das schlechthin nicht rechtens sein kann. Auch unter diesem Aspekt muß zumindest die Annahme "institutioneller Unverträglichkeit", aber auch einer Entreicherung durch die Legalzession als problematisch erscheinen.

5. "Erwerbsverweigerungsrecht" des Legalzessionars? Stolterfoht 278 versucht deswegen die Lösung auf andere Weise: auch er geht aus den genannten Gründen davon aus, daß die Gewährung der condictio indebiti unumgänglich ist:m , andererseits sieht er bei Annahme genereller "Verträglichkeit" beider Ansprüche keine Möglichkeit, der Entreicherungsproblematik zu entgehen. Er schließt sich daher grundsätzlich der Dieckmannschen These institutioneller Unverträglichkeit an280 , will aber dem Zahlenden ein Recht geben, den Erwerb des legalzedierten Anspruchs auszuschlagen. Mit der Ausübung dieses Gestaltungsrechts soll dann die Legalzession entfallen281 und der Kondiktionsanspruch zur Entstehung gelangen, da ja eine "institutionelle Unverträglichkeit" nun nicht mehr die Kondiktion hindern könne; "eine Bereicherungsklage vor Zurückweisung der cessio legis durch den Scheinvater wäre mangels Existenz einer condictio indebiti in diesem Augen277 und zwar nach der Lehre von der "institutionellen Unverträglichkeit" selbst dann, wenn der Leistungsempfänger bösgläubig war (§ 819 I). 278 Im bereits zitierten Aufsatz FamRZ 1971, 341 ff. 279 S. 344 f. 280 Zur Begründung bringt er ein weiteres (und etwas absonderliches) Argument (S. 346 f.): auch aus der Lehre vom "Wahlrecht bei irrtümlicher Zahlung fremder Schulden" soll sich ergeben, daß bei Fremdzahlungen stets nur entweder beim Gläubiger oder beim Schuldner Regreß genommen werden könne. Doch erstens ist dort die Situation eine ganz andere und zweitens wurde oben Vorb. vor Teil 1 B I das Argument der Identität aller Regreßwege widerlegt. 281 Es soll damit eine "gesetzliche Rückzession" eintreten.

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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blick unbegründet"2S2. Im praktischen Ergebnis kommt StoLterfoht damit zu einer Alternativität beider Ansprüche, die Problematik der Entreicherung durch Legalzession entfällt dann in der Tat. Begründet wird das Erwerbsverweigerungsrecht aus einer Analogie zu § 333 BGB als Ausdruck eines allgemein im BGB durchgeführten Grundsatzes des Inhalts, daß niemand sich einen Rechtserwerb aufdrängen lassen muß, zum al dann, wenn er (auch) mit Nachteilen verbunden ist 28:t. Dieser zunächst einleuchtende Gedanke begegnet jedoch erheblichen Bedenken in mehrfacher Hinsicht. Einmal ist es eben kein im BGB durchgängig zum Ausdruck kommender Grundsatz, daß man sich Vorteile nicht aufdrängen lassen muß, wie sich an der Drittilgungsmöglichkeit nach § 267 I zeigt284. Zudem fußt die gesamte Lösung auf der Annahme institutioneller Unverträglichkeit, die, wie dargelegt, unter konstruktiven Gesichtspunkten zumindest fragwürdig erscheinen muß (wenn auch die Einwände sachlicher Art wegen der alternativ möglichen Kondiktion nicht mehr entgegenstehen). Schließlich wird sich auch die Entbehrlichkeit eines Ablehnungsrechts herausstellen, weil sich die Entreicherungsproblematik auf andere Weise und ohne Benachteiligung des Zahlenden löst (vgl. unten 7). Abgesehen von diesen Schwierigkeiten in der Begründung der Konstruktion enthält die Lösung noch andere Ungereimtheiten. So wird (ohne weitere Begründung) die Ansicht vertreten, die Ausübung des Weigerungsrechts (und damit das Entstehen des Kondiktionsanspruchs) sei abhängig von positiver Zuordnung des Erzeugers zum Kind, also wie auch die anderen Rückgriffsmodi gesperrt durch § 1600 a Satz 2, obwohl die Berufung auf die Rechtsgrundlosigkeit abhängen kann allenfalls von der Beseitigung positiver Zuordnung zum Scheinvater durch die Rechtsscheintatbestände der §§ 1593, 1600 a 285 • Die Begrenzung durch § 1600 a Satz 2 entbehrt somit jeglicher Grundlage; sie hätte zudem die Folge, daß die Lösung einen der Vorteile zunichte machte, die man sich von der Zubilligung der Kondiktion versprach, nämlich die Möglichkeit, wenigstens beim Kind Regreß zu nehmen, wenn es die Zuordnung verhindert, vgl. oben 4 a)286. Eine weitere Schwierigkeit der Stolterfohtschen Lösung liegt in folgendem: Es besteht die Gefahr, daß der Scheinvater die Legalzession "ablehnt" und 282 S.349. 283 Vgl. dazu auch § 1942 I zur Erbschaftsausschlagung und § 516 II zur Schenkung. 284 Das sieht auch Stolterfoht, S. 348, doch meint er dem Einwand unter Hinweis auf die - einer Legalzession ähnliche - Rückgriffskondiktion begegnen zu können: es soll sich faktisch nur der Gläubiger ändern. Dies ist jedoch schon deswegen fraglich, weil gar nicht in allen Fällen der Drittleistung eine Rückgriffskondiktion vorliegt. 285 Vgl. oben H. 286 Vielleicht wird dadurch auch - uneingestanden - der Zweck verfolgt, daß der Scheinvater, wenn er erst nach Feststellung des Erzeugers gegen das Kind vorgehen kann, vor einer Inanspruchnahme des Kindes die Solvenz des Erzeugers prüft und dann - jedenfalls im Ergebnis - nur subsidiär gegen das Kind vorgeht.

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind -

A. Condictio indebiti

somit ausschließlich auf den Kondiktionsanspruch angewiesen ist, dieser aber aus anderen Gründen ausgeschlossen oder eingeschränkt ist, z. B. durch Wegfall der Bereicherung aus anderen Gründen 287 ; der Scheinvater könnte dann im Kondiktionsprozeß ganz oder teilweise ausfallen, ohne auf die legalzedierte Forderung zurückgreifen zu können 288 • Nun wäre zwar eine teilweise Erwerbsverweigerung denkbar, doch müßte dann der Scheinvater, um sein Ausfallrisiko zu verringern, bereits bei der Erwerbsverweigerung den realen Wert der Kondiktionsforderung feststellen und nur in diesem Umfang den Erwerb der legalzedierten Forderung ausschlagen, um in Höhe des verbleibenden Rests Befriedigung aus der legalzedierten Forderung zu suchen, die ihm ja insoweit verbliebe. Hierbei würden aber ähnliche Bewertungsschwierigkeiten entstehen wie bei der Frage der Entreicherung durch Legalzession (nur umgekehrt, da nicht die legalzedierte, sondern die Kondiktionsforderung bewertet werden müßte). Um das zu verhindern, will Stolterfoht2 89 nicht nur den Umfang der Kondiktion durch die Bereicherung beschränkt wissen, sondern auch den Umfang des Erwerbsverweigerungsrechts: das Recht soll nur im Umfang

der Kondiktionsforderung ausgeübt werden können. Eine Begründung für diese Begrenzung erfolgt nicht; sie wird auch schwerlich beizubringen sein: So ist das Zurückweisungsrecht des Begünstigten nach § 333 nicht etwa begrenzt dadurch, daß durch die Verweigerung ein gleichwertiges Äquivalent im Vermögen des Verweigernden entsteht; ebensowenig zwingt die aus dem Gedanken institutioneller Unverträglichkeit beider Ansprüche folgende Abhängigkeit des Kondiktionsanspruchs von der Verweigerung umgekehrt zur Begrenzung des Verweigerungsrechts durch den Umfang des Kondiktionsanspruchs: die faktische Alternativität beider Ansprüche ist nur "einseitig", nicht "gegenseitig". Zudem verlagert diese Begrenzung nur das Problem, wenn zunächst die Verweigerung erfolgte, dann aber (vor Durchsetzung des Kondiktionsanspruchs) der wirkliche Erzeuger in Anspruch genommen wird (was etwa denkbar ist, wenn unerwartet ein zahlungsfähiger Erzeuger festgestellt oder ein zunächst zahlungsunfähiger Erzeuger plötzlich vermögend wird): Im Verfahren gegen den Erzeuger muß die eben scheinbar umgangene Frage der Entreicherung des Kindes aufgerollt werden, um festzustellen, in welchem Umfang die legalzedierte Forderung beim Scheinvater verblieben ist! Es ist auch nicht einzusehen, warum in diesem Fall nicht der Erzeuger auf den vollen Betrag in Anspruch genommen werden können und voller Regreß nur auf dem Umweg über das Kindesvermögen290 erfolgen soll. Insgesamt ist somit festzustellen, daß die Lösung üb€r ein Erwerbsverweigerungsrecht zwar einige Probleme beseitigt, dafür aber auch neue aufwirft und daher die erstrebte Praktikabilität nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Zudem erscheint sie nicht nur wegen der konstruktiv fragwürdigen Prämisse institutioneller Unverträglichkeit Vgl. dazu unten IV. Diese wäre nur Vollstreckungsobjekt bei der Durchsetzung eines bestehenden Bereicherungsanspruchs gegen das Kind; doch führt die Entreicherung ja gerade zum Wegfall des Kondiktionsanspruchs, so daß an eine Vollstreckung gar nicht mehr zu denken ist. 289 S.350. 290 Das Kind könnte dann seinerseits aus dem an ihn zurückgefallenen Unterhaltsanspruch gegen den Erzeuger vorgehen. 287 288

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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als recht gekünstelt. All dies zwingt zu erneutem Durchdenken der Problematik.

6. Die Rspr. des BGH zu § 67 VVG als Ansatz zu einer Lösung Der BGH291 hat zu der bereits dargestellten identischen Situation bei irrtümlicher Zahlung von Versicherungsleistungen292 stets anders entschieden: Ohne alle Bedenken geht er von der Existenz der condictio indebiti in voller Höhe aus; von einer Entreicherung durch die Legalzession ist nicht einmal am Rande die Rede. Um eine Doppelbefriedigung des Versicherers zu verhindern, wird jedoch festgestellt, mit der (erfolgreichen) Rückforderung des Betrages, also mit dessen Zahlung, sei die Voraussetzung des § 67 VVG, die Schadensersatzleistung nämlich, nachträglich wieder entfallen; mit der Rückzahlung stehe der legalzedierte Anspruch nicht mehr dem Versicherer, sondern dem Versicherungsnehmer zu. Auch der BGH setzt damit an sich voraus, daß dann, wenn Zessionsregreß vorliegt, im Normalfall das Geleistete beim Empfänger verbleibt; doch schließt er daraus nicht auf generellen Ausschluß der Leistungskondiktion (wie Dieckmann) durch "institutionelle Unverträglichkeit", sondern stellt dem Versicherer den Weg zur Korrektur der zu Unrecht erfolgten Zahlung frei, gesteht ihm also ein Wahlrecht zu, wie dies auch Stolterjoht in ähnlicher Weise gewähren will. Worauf dieser Rückfall der legalzedierten Forderung bei Erfüllung der Kondiktionsforderung beruhen soll, bleibt in den Entscheidungen ungeklärt. Offenbar ist an eine Legal-Rückzession mit Zahlung des Betrages gedacht, deren Ursprung nicht näher erläutert wird293 • Teilweise wird versucht, den Rückfall mit dem Hinweis zu erklären, der Fordenmgsübergang sei auflösend bedingt durch die Durchsetzung des Bereicherungsanspruchs294 ; die Annahme auflösender Bedingtheit der Legalzession ohne jeden Anhaltspunkt dafür im Gesetz erscheint jedoch als willkürlich. Ohne daß hier bereits näher auf die dogmatische Begründung einer Legal-Rückzession eingegangen zu werden braucht, ist eines festzustellen: Wenn mit der Zahlung des Kondiktionsanspruchs eine Rückzession eintritt, löst sich das Problem der Entreicherung durch Legalzession auf 291 VersR 1961, 992 f.; 1962, 22 ff.; ebenso PrölsslMartin, § 67 VVG, 4; Bruc7dMöllerISieg, § 67 VVG, 55.

292 Eine entspr. Entscheidung zu den Scheinvater-Fällen steht noch aus. 293 Unrichtig PrölsslMartin, § 67 VVG, 4, der davon ausgeht, der übergang nach § 67 VVG finde nicht statt, wenn der Versicherer erfolgreich kondiziert habe: die Legalzession tritt bereits mit der (rechtsgrundlosen) Leistung ein und kann niemals von der danach erfolgenden Kondiktion abhängig sein! 294 BrucklMöllerlSieg, § 67 VVG, 55.

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Teil 2: Anspruche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

einfache Weise: als entreichemd sind im Rahmen des § 818 III nur Vermögensverluste zu berücksichtigen, die endgültig sind; nur vorübergehende Einbußen werden nicht als entreichernd angesehen295 • Das bedeutet: die Legalzession als solche wird - jedenfalls für den Fall der Inanspruchnahme des Leistungsempfängers - nicht als entreichemder Umstand berücksichtigt, wenn mit der Rückzahlung die legalzedierte Forderung an den Kondiktionsschuldner zurückfällt, da dann die Entreicherung nicht endgültig war: die Forderung ist dann - für die Frage der Bereicherung - als im Vermögen des Empfängers verblieben anzusehen296 • Mit dieser Feststellung ist auch der weitere Gedankengang skizziert:

Es handelt sich hier um zwei Ansprüche desselben Gläubigers (des

Scheinvaters bzw. des Versicherers) gegen verschiedene Schuldner (Versicherten bzw. Kind und Schädiger bzw. Erzeuger); die Frage, welche Auswirkung die Tilgung des einen Anspruchs auf den anderen hat (dessen Tilgung, Legalzession, Anspruch auf Abtretung oder überhaupt keine Auswirkung) läßt sich nur durch die Bestimmung des Verhältnisses beider Ansprüche zueinander, also durch Untersuchung der Form der Schuldnermehrheit klären. Die Beantwortung der Frage ob ein Rückerwerb der legalzedierten Forderung eintreten kann und damit auch, ob die Legalzession als entreichernder Umstand anzusehen ist, hängt mithin - das wurde m. W. bisher noch nicht gesehen - von der Klärung des Verhältnisses beider Ansprüche zueinander, von der Form der Schuldnermehrheit ab29 7 •

7. Das Verhältnis beider Ansprüche zueinander a) Die Frage der Rückzession bei Gesamtschuld Wenn legalzedierter und Kondiktionsanspruch im Gesamtschuldverhältnis stehen, hätte die Tilgung der Bereicherungsforderung die Rückzession des Unterhaltsanspruchs auf das Kind zur Folge, § 426 II: die interne Belastung allein des Erzeugers wegen dessen familienrechtlicher Stellung als allein Unterhaltspflichtiger stellt eine "andere Bestimmung" i. S. des § 426 I 2 dar und führt dann zu vollem übergang 295 Vgl. nur SoergellMühZ, § 818,34; RGZ 170, 65 (67 f.). Ähnlich Dieckma.nn, JuS 1969, 106 f., der allerdings nicht von einer Legal-Rückzession ausgeht, doch in Erwägung zieht, ob nicht der Scheinvater die Bereicherung des Kindes wiederherstellen kann durch (Anbieten der) Rückabtretung des legalzedierten Anspruchs; vgl. auch Gernhuber, § 45 VIII 6. 296 Zur dann wichtigen Frage, wer das Risiko der Verschlechterung der Forderung in der Zwischenzeit zu tragen hat, vgl. unten IV 1. 297 Es liegt damit die etwas eigenartige Konstellation vor, daß das Verhältnis zweier Ansprüche zueinander zugleich bestimmend ist für den Umfang des einen von beiden.

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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der legalzedierten Forderung auf das Kind, womit eine Entreicherung des Kindes durch die ursprüngliche Legalzession ausgeschlossen ist. Im Folgenden wird daher zu klären sein, ob Gesamtschuld vorliegt oder nicht. über die Voraussetzungen der Gesamtschuld herrscht heute weitgehend U neinigkeit2'98, 299. Es ist allerdings nicht beabsichtigt und würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, nunmehr eingehende Untersuchungen über Voraussetzungen und Wesen der Gesamtschuld anzustellen; dazu ist das ~biet zu komplex und die dogmatische Problematik zu umfassend - es bedürfte dazu einer eigenen Untersuchung. Doch erfordert die richtige Beurteilung der hier in Frage stehenden Situation, kurz auf den gegenwärtigen Meinungsstand einzugehen. Dabei soll versucht werden, anhand der vorliegenden Fallkonstellation das eine oder andere Argument für die Entscheidung zwischen den verschiedenen Theorien zu finden. b) Schuldnermehrheit Unbestrittene und erste Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesamtschuld ist, daß die konkurrierenden Anspruche einen echten Fall der Schuldnermehrheit darstellen, also irgendwie verknüpft sind; völlig isolierte Ansprüche desselben Gläubigers gegen mehrere Schuldner können niemals unter dem Gesichtspunkt der Schuldnermehrheit betrachtet werden. Die Verknüpfung zweier Ansprüche zur Schuldnermehrheit liegt dann vor, wenn die Anspruche dasselbe Leistungsinteresse des Gläubigers zu befriedigen bestimmt sind, wenn also beide Anspruche nicht kumulativ befriedigt werden sollen3l1O • Dies ist bei den hier avisierten Ansprüchen der Fall: der Kondiktionsanspruch bezweckt die Rückerstattung zu Unrecht bezahlter Unterhaltskosten30 1 • Denselben Zweck hat auch der legalzedierte Anspruch: mit der Legalzession hat der Unterhaltsanspruch seine Zweckbestimmung verloren und sich zum Ersatzanspruch wegen zu Unrecht geleisteter Unterhaltszahlungen gewandelt 302 • Schuldmehrheit ist daher hins. der Anspruche des Scheinvaters gegen Erzeuger und Kind anzunehmen303. 298,299 Vgl. aus der neueren Literatur nur die Abhandlungen von Selb (Schadensbegriff ...), Hillenkamp (Zur Lehre von der unechten Gesamtschuld), Börnsen (Strukturen der Gesamtschuld), Thiele (JuS 1968, 149), Raisch (JZ 1965, 703), DiZcher (JZ 1967, 110), um nur einige zu nennen. 300 Vgl. nur Larenz, Schuldrecht 1, § 37 I; Börnsen, S. 72 ff.; Hillenkamp, S. 46 ff.; DiZcher, JZ 1967, 110, 113; Thiele, JuS 1968, 151. 301 bzw. im Fall des § 67 VVG zu Unrecht erbrachter Versicherungsleistung. 3()2 Vgl. dazu bereits oben Teil 1 A IU 2. 303 Das gilt selbstverständlich nicht, soweit der Kondiktionsanspruch Leistungen umfaßt, die über diejenigen hinausgingen, die zur Legalzession führten, also für Mehrleistungen. Identität des Leistungsinteresses fehlt ebenso bei Teilschulden, die sich

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti c) Weitere Voraussetzungen der Gesamtschuld

Stark umstritten sind dagegen sämtliche weiteren Voraussetzungen der Gesamtschuld, wenn man einmal von der (hier unproblematischen) Forderung nach inhaltlicher Identität der LeistungsinhalteOO 4 absieht. Fest steht allein, daß aus der Formulierung des § 421 Satz 1 keine sicheren Kriterien zur Abgrenzung des Gesamtschuldbegriffes gewonnen werden können; dessen Wortbedeutung ist zu weit geraten31ls . Zwar mag man mit einem Teil der Literatur30 6 in § 421 eine Begrüfsbestimmung der Gesamtschuld sehen, doch ist auch dann angesichts des weiten Gesetzeswortlauts der Zwang zu näherer Präzisierung unabweisbar. aal Es hat demzufolge nicht an Versuchen von Rechtsprechung und Lehre gefehlt, die wesentlichen Strukturmerkmale der Gesamtschuld als positive Kriterien herauszuarbeiten, zunächst über die Forderung nach Gemeinschaftlichkeit des Schuldgrundes 31l7 • Diese Ansicht wurde jedoch schon früh überwunden mit dem Hinweis auf das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte für eine derartige Einschränkung in den §§ 421 ff31lS und zwar auch auf dasselbe Leistungsinteresse richten, aber kumulativ. An Teilschuld könnte man zunächst denken, wenn man der h. L. folgte und Entreicherung durch Legalzession annimmt. da ia die Entreicherung des Kindes von dem vom Scheinvater zu erlangenden Betrag abhängig sein soll: die restliche Bereicherung und der vom Scheinvater zu erlangende Betrag ergänzen sich dann zur Höhe der Gesamtforderung. Doch wäre Teilschuld nur denkbar, wenn der Anspruch gegen den Erzeuger Korrelat zur Höhe der Entreicherung wäre und nur in Höhe des tatsächlich zu erlangenden Betrages bestünde; eine überschneidung wäre dann nicht denkbar. Der Anspruch gegen den Erzeuger besteht aber ohne Rücksicht auf die Durchsetzbarkeit stets in vollem Umfang und überschneidet sich damit notwendigerweise mit der Kondiktion mindestens in einem Teilbereich - die Entreicherung richtet sich allein nach der Bonität der Forderung, nicht nach ihrem Umfang; auch wenn man der h. L. folgte und volle Entreicherung in Höhe des zu erlangenden Betrages voraussetze, ergänzen sich mithin nicht beide Forderungen als Teilschulden zum Gesamtinteresse, sondern Schuldnermehrheit liegt auch dann vor, wenn auch nur in einem Teilbereich, nämlich der Differenz zwischen Anspruchsumfang und zu erlangendem Betrag; die Frage nach der Form der Schuldnermehrheit bedarf mithin auch dann der Klärung, wenn man der h. L. folgt. 304 Die ursprünglich strengen Anforderungen wurden in BGHZ 43, 227 vorsichtig gelockert. Weitergehend bereits BGHZ 51, 227. 365 Vgl. Börnsen, S. 35 f.; Thiele, JuS 1968, 151. 306 Heck, § 76, 3; Leonhard, Bd.l, § 366; Korintenberg, S.16. Im Anschluß daran vgl. Erman/Westermann, § 421, 1, 2; SoergellSchmidt, § 421, 3. Ähnlich Larenz, Schuldrecht 1, § 37 I; Frotz, JZ 1964, 669; Selb, S.14 (§§ 421 - 425). Abw. Esser, Schuldrecht 1, § 58 I; Hillenkamp, S. 116 ff., die in den §§ 421 ff. nur die Ausgestaltung der Gesamtschuld, nicht aber irgendwelche Entstehungstatbestände sehen. 307 EiseIe, AcP 77, 458ff.; RGZ 61, 61; 67, 131; aufgegeben aber seit RGZ 70, 405. 30S Heck, § 79, 3.

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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auf die Existenz gesetzlich normierter Fälle der Gesamtschuld ohne einheitlichen Schuldgrund309• Ergebnis eines weiteren Präzisierungsversuchs war die Lehre von der

Erfüllungsgemeinschaft31O , die sich jedoch ebenfalls nicht durchzusetzen vermochte 311 • Auch das Abstellen auf Vorliegen oder Fehlen eines inneren Zusammenhangs 312 oder einer Zweckgemeinschaft313 zwischen den

Verbindlichkeiten brachte keine sicheren Abgrenzungskriterien: die einzelnen Gesichtspunkte mögen zwar Wesensmerkmale gesamtschuldnerischer Verknüpfung mehrerer Forderungen sein; scharf konturierte Abgrenzung im konkreten Fall konnten sie aber niemals bringen. Angesichts der Konturlosigkeit314 der Begriffe blieb die Entscheidung, ob Gesamtschuld vorlag oder nicht, letztlich freier Wertung überlassen. bb) Von der neueren Lehre315 wird dagegen als Grundelement der Gesamtschuld die Mittilgung der anderen Forderung angesehen (wechselseitige Tilgungswirkung). Diese wiederum soll nur eintreten, wenn die mehreren Forderungen gleichrangig, gleichwertig oder gleichstufig sind im Verhältnis zum Gläubigerl16 • Sicher liegt in der Erkenntnis dieses Strukturunterschiedes ein wesentlicher Fortschritt gegenüber den früheren Formeln317 , doch bringt sie ebenfalls keine praktikablen Maß309 z. B. bei §§ 769 BGB, 59 VVG. Mit dieser Begründung wurde die Lehre bereits abgelehnt von Heck, § 76, 3; Leanhard, Bd. I, § 366; Planck/Siber, § 421, 1 b; RG JW 1912, 746; Rud. Schmidt, JherJb 72, 50. Reste finden sich aber noch in BGH NJW 1962, 1499. Vgl. zum ganzen Problem noch HiUenkamp, S. 6 ff. mit ausf. Nachweisen. 310 Begründet von Leonhard, § 366; Schulz, S. 28 ff.; vgl. dazu Fratz, JZ 1964, 667 ff.; Börnsen, S. 77 ff. 311 Vgl. Thiele, JuS 1968, 149. 312 RGZ 79, 288; Recht 1913 Nr.1437; WarnR 1913, Nr.318; RGZ 149, 365; BGHZ 6, 3 (19); zuletzt BGH VersR 1970, 1108 (09). 313 So die heute wohl h. L. und Rspr., vgl. BGHZ 6, 25; 13, 365; 43, 227; Enneccerus/Lehmann, § 90; vgl. dazu insgesamt Thiele, JuS 1968, 149; HiHenkamp, S. 15 ff., 27 ff.; Börnsen, S. 67 ff. mit ausführlichen Nachweisen aus Rspr. und Lit., insbesondere zu den verschiedenen Modifikationen der Lehre. Der BGH hält an diesem Kriterium nach wie vor fest, vgl. BGHZ 52, 39 ff. (wenn auch zweifelnd) sowie BGH JZ 1973, 215. Zurückhaltend dagegen Medicus, BürgR, § 33 II 1 a und Reeb, JuS 1970, 218. 314 Thiele, JuS 1968, 150; Dilcher, JZ 1967, 110 ff.; JZ 1973, 199 ff. 315 Larenz, Schuldrecht I, § 37 I; Esser, Schuldrecht 1, § 58 I; Fikentscher, § 62 II; Thiele, JuS 1968, 149 f. im Anschluß an Selb, S. 17 f., 51; Fratz, JZ 1964, 667 f.; Dilcher, JZ 1967, 112; Raisch, JZ 1965, 703; Medicus, BürgR, § 33 II 1 b. 316 Börnsen, S. 67 ff. spricht sachlich identisch - von "Gleichpflichtigkeit". 317 Vgl. Dilcher, JZ 1967, 112; Thiele, JuS 1968, 150 und insbesondere die umfassende Untersuchung von Börnsen, S. 67 ff., der dieses Grundelement aus dem Vergleich der gesetzlich geregelten Gesamtschuldfälle extrahiert.

6 Engel

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

stäbe für eine Abgrenzung außerhalb gesetzlich geregelter Fälle der Schuldnermehrheit: ein Versuch, den Begriff zu präzisieren, stößt notwendig auf dieselben Schwierigkeiten wie die bisherigen Lehren. Die Entscheidung, ob Gleichstufigkeit und damit Gesamtschuld vorliegt oder nicht, obliegt letztlich hier wie dort freier (und damit unkontrollierbarer) Wertung318; gerade für die hier angesprochene Problematik vermag somit keine der bisherigen Lehren sichere Lösungskriterien zu bieten.

ce) Die damit offenbar jeder Definition der Gesamtschuld immanente Konturlosigkeit versucht nun eine vordringende Lehre''I19 zu überwinden durch Beschränken der Gleichstufigkeit (und damit der Gesamtschuld) auf Fälle vertraglicher Vereinbarung (§ 427) oder gesetzlicher Anordnung der Gesamtschuld (z. B. nach § 840 BGB), wobei die - enge - gesetzliche Regelung durch großzügige Analogiel'!O oder Typenbildung aus den gesetzlich geregelten Fällen321 erweitert wird. Gleichstufigkeit soll demnach nur bei Forderungsmehrheiten vorliegen, deren Konstellation gewissen gesetzlich anerkannten Tatbeständen der Gesamtschuld ähnelt; im übrigen ist eine vorbehaltlose Analogie zu den Gesamtschuldregeln ausgeschlossen322 • Dadurch würde in der Tat eine im Vergleich zu den bisher geschilderten Ansichten beträchtliche Präzisierung des Gesamtschuldbegriffs erreicht; doch wird sie und die damit eintretende Praktikabilität des Begriffs erkauft durch Dezimierung der Anwendbarkeit des sehr differenziert ausgestalteten Instituts der Gesamtschuld323• Eine derartig starre und den Anwendungsbereich stark einschränkende Gesamtschulddefinition erfordert nun unabweislich und in wesentlich stärkerem Umfang als die unpräzise (und damit "dehnungs318 Vgl. Raisch, JZ 1965, 703 (05); Dilcher, JZ 1967, 112; HiUenkamp, S. 63 ff., 73 ff., 88 ff.; Thie!e, JuS 1968, 150; Reeb, JuS 1970,218. Die Schwierigkeiten beruhen darauf, daß sich auch bei Gesamtschuld (allerdings nur interne) Verschiedenstufigkeit ergeben kann, wie § 426 zeigt, und damit in der Entscheidung, ob die Verschiedenstufigkeit lediglich intern (dann Gesamtschuld) oder auch extern (dann keine Gesamtschuld) wirkt, vgl. Börnsen, S.17 ff. m. w. Nachw. Auch das von Dilcher, JZ 1967, 112 (ebenso JZ 1973, 199 ff.) angebotene Kriterium gemeinsamer Verursachung kann vgl. Thiele, S. 150 - lediglich ein begrenzt brauchbares Kriterium sein. Larenz, Schuldrecht 1, § 37 I versucht Präzisierung in einer Art Typenbildung. 319 Esser, Schuldrecht 1, § 58 I; Frotz, JZ 1964, 665 ff.; HiUenkamp, S. 39 ff., 79 ff.; Selb, S.51. 320 Esser, Schuldrecht 1, § 59 IV 1; Frotz, JZ 1964, 665 ff. 321 Hillenkamp, S. 116 ff., 126 ff. 322 So Esser, Schuldrecht I, § 59 IV 1. 323 Mangels eines gesetzlich geregelten Vergleichsfalls wäre die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses zwischen den Ansprüchen des Scheinvaters z. B. von vornherein ausgeschlossen.

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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fähige")324 Definition der bisherigen Lehren die Beantwortung der Frage nach der Behandlung von Schuldnermehrheiten, die nicht gesamtschuldnerisch verknüpft sind. Ausgehend von der Prämisse, daß Kumulation bei allen Formen der Schuldnermehrheit nicht eintreten darf325 , daß aber die wechselseitige Tilgungswirkung des § 422 nur bei "echter"326 Gesamtschuld eintritt und daß weiter der Regreßmechanismus des § 426 nur bei Gesamtschuld eingreift, andererseits aber regreßlose Formen der Schuldnermehrheit nicht denkbar sein können327 , trat die Frage nach dem Schicksal der einen Forderung nach Tilgung der anderen und die (damit zusammenhängende) Frage nach einem geeigneten Regreßmechanismus in diesen Fällen immer mehr in den Vordergrund; besonders die Frage des Regreßmechanismus in den übrigen Fällen wurde zunehmend zum Prüfstein aller Gesamtschuldtheorien. So kann es nicht verwundern, daß gerade jene Autoren, die einen engen Gesamtschuldbegriff vertraten, der Behandlung der Fälle, die sie nicht zur Gesamtschuld rechneten, einen immer weiteren Raum gaben326 . dd) Sicher ist zunächst, daß die Regreßproblematik außerhalb derGesamtschuld nicht durch (auch analoge) Anwendung des § 426 gelöst werden kann: die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 421 ff. ist begrenzt auf Fälle der Gesamtschuld, eine Ausdehnung auf weitere Formen der Schuldnermehrheit kommt nicht in Betracht329 • SeZb 330 versucht nun, alle übrigen Fälle der Schuldnermehrheit über den Gedanken der VorteiZsausgZeichung zu lösen: bei Verschiedenstufigkeit der Forderungen nach außen soll die Tilgung der einen 324 Vgl. nur BGHZ 52, 39 ff., wo in sehr weitherziger Anwendung der bisher entwickelten Grundsätze für die Ansprüche des Eigentümers gegen den Dieb (§ 823) und dessen Abnehmer (§ 816) gesamtschuldnerische Verknüpfung angenommen wurde. Sehr weitgehend auch BGH JZ 1973, 215. 325 Vgl. oben b). 326 Die Terminologie zu den Begriffen "echte", "unechte" und "scheinbare" Gesamtschuld ist uneinheitlich und zudem ohne praktische Relevanz, vgl. dazu Hillenkamp, S. 51 ff., 61 ff.; Fikentscher, § 62 III; Larenz, Schuldrecht 1, § 37 I; Esser, Schuldrecht I, § 58 II. Im folgenden wird daher lediglich unterschieden zwischen Schuldnermehrheiten, die Gesamtschulden sind und solchen, die es nicht sind. 327 Weil sonst stets der (zufällig) zuerst Leistende letztlich Belasteter bliebe. 328 Vgl. nur die Ausführungen von SeZb (die sich ausschließlich auf diese Frage konzentrieren) sowie von Frotz, JZ 1964, 665 ff.; Esser, Schuldrecht 1, § 59 IV. Vgl. zum Zusammenhang zwischen Gesamtschuld und Regreßfrage aber auch PaZandtlHeinrichs, § 421, 2 sowie Larenz, Schuldrecht 1, § 37 I. 32'9 So die alg. Meinung in Rspr. und Lit., vgl. nur RGZ 77, 323; 82, 430; 92, 408; 149, 365; 159, 89; BGHZ 13, 360 (365); 19, 114 (123); MDR 1959, 636; ErmanlWestermann, § 421, 2; PaZandtlHeinrichs, § 421, 1 c; Enneccerus/Lehmann, § 90 II 3; StaudingerlWerner, vor § 420, 14; Medicus, BürgR, § 33 II 1 d. 330 S. 17 ff.; dagegen ThieZe, AcP 167, 214 ff.; StaudingerlWerner, Vorbem.

§§ 249 - 255, 108 f. 6*

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Forderung grundsätzlich keine Tilgungswirkung hinsichtlich der anderen haben, da diese Tilgungswirkung Spezifikum der Gesamtschuld sei; doch soll sich der Gläubiger die Zahlung des dem Schaden Näherstehenden als Vorteil auf den Anspruch gegen den Fernerstehenden anrechnen lassen, während die Zahlung des Fernerstehenden den Anspruch gegen den anderen unberührt läßt; Folge ist eine "einseitige Tilgungsgemeinschaft" , bei der befreiend für den anderen nur die Zahlung des letztlich Verpflichteten wirkt. Leistet dagegen der Zweitverpflichtete, so soll er gegen den Gläubiger analog § 255 einen Anspruch auf Abtretung des dann weiterhin bestehenden Anspruchs gegen den anderen haben331 • Die Frage, welcher Schuldner dem Schaden näher oder ferner steht und mithin letztlich wer ihn endgültig zu tragen hat, soll sich aus der ,.stufenden Wertung" der beiden Ansprüche beantworten, die sich wiederum aus der ex definitione das Verhältnis beider Ansprüche bestimmenden Verschiedenstufigkeit der Anspruche ergibt332 • Zu stufender Wertung der Ansprüche und damit zu einseitiger Tilgungsgemeinschaft kommen auch alle Anhänger der Lehre vom sog. "normativen Schadensbegriff"333: nur die Leistung des "Näherstehenden" beseitigt den Schaden beim Verletzten. Eine abweichende Ansicht vertritt insbesondere Esser 334 : danach soll mit der Zahlung auch des Fernerstehenden der Schaden grundsätzlich entfallen und damit bei jeder Zahlung auch andere gegenüber dem Gläubiger freiwerden. Doch soll der letztlich Verpflichtete durch die Zahlung des anderen ohne rechtlichen Grund befreit sein und diesem daher die Rückgriffskondiktion zustehen. Dabei entscheidet sich die Frage, wer nun rechtsgrundlos bereichert ist, nach einer Wertung der beiden Ansprüche, die der stufenden Wertung beim normativen Schadensbegriff weitgehend entspricht. Alle diese Lehren leiden aber darunter, daß sie zwar beim Zusammentreffen mehrerer Schadensersatzansprüche eine Doppelbefriedigung zu verhindern ebenso imstande sind, wie sie einen befriedigenden Regreß ermöglichen; doch kann das Verfahren schwerlich auf Mehr331 Sofern nicht gesetzlich eine Legalzession (z. B. §§ 67 VVG, 1542 RVO) vorgesehen ist, vgl. Medicus, BürgR, § 33 II 1 b. 332 Vgl. SeIh, S. 24 f.; Larenz, Schuldrecht 1, § 321. 333 Vgl. nur Mertens, S. 50 ff. mit ausführlicher Darstellung der Entwicklung; Hagen, JuS 1969, 61ff.; Medicus, BürgR, § 33 II 2; auch SeIb, S. 24 f. ist den Vertretern des normativen Schadensbegriffs zuzurechnen. Der BGH hat den normativen Schadensbegriff übernommen z. B. in den Fällen der Lohnfortzahlung (BGHZ 43, 378); vgl. auch BGH NJW 1968, 1823. Kritisch Esser, Schuldrecht 1, § 59 IV 2. 334 Schuldrecht 1, § 59 IV im Anschluß an Frotz, JZ 1964, 665 ff.

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heiten von Ansprüchen übertragen werden, die nicht Schadensersatzansprüche sind; die allein auf schadensersatzrechtlichen überlegungen beruhende Wirkung der Leistung des einen auf die Schuld des anderen kann schlechthin nicht auf sonstige Ansprüche übertragen werden. Ebenso würde die Zubilligung eines Abtretungsanspruchs analog § 255 bei Ansprüchen, die nicht die Beseitigung eines Schadens bezwecken3 :t5, eine weit über die ratio des § 255 hinausgehende und damit unzulässige Analogie bedeuten. Die auch bei enger Umschreibung des Gesamtschuldtatbestandes erstrebte Gewähr nahtlosen übergangs zwischen Gesamtschuld- und Zessions- oder Bereicherungsregreß können sie jedenfalls nicht garantieren: gerade der hier vorliegende Fall, daß zwei Rückgriffsansprüche, die nicht Schadensersatz beinhalten, schuldnermehrheitlich zusammentreffen, zeigt die jeder positiven Definition des Gesamtschuldbegriffs immanente Lückenhaftigkeit: Tatbestände, die der (wie eng oder weit sie auch sein mag) positiven Umschreibung der Gesamtschuld nicht unterfallen, bleiben notwendig regreßlos, sofern einer der beschriebenen weiteren Regreßwege sich nicht anbietet3$. ee) Die Erkenntnis der Unvermeidbarkeit regreßloser Formen der Schuldnermehrheit bei positiver Definition der Gesamtschuld einerseits, andererseits aber auch die überzeugung, daß die Gesamtschuldregeln eine ungemein flexible Abwicklung des Verhältnisses zwischen beiden Schuldner (von Regreßversagung über Teilregreß bis zum Vollregreß) und damit optimale Berücksichtigung sowohl der Interessen des Gläubigers als auch der Schuldner untereinander ermöglichen3:17 führt in neuerer Zeit zu der Tendenz, die Anwendung der Gesamtschuldregeln weitestgehend auszudehnen3:t8. Den Weg dazu weist eine von Thiele 339 entwickelte Lehre: Ausgehend von der Feststellung, daß der Versuch, Vgl. zur Problematik des § 255 im einzelnen unten d) aa). Dies zeigt sich besonders anschaulich bei Larenz: bei der Definition der Gesamtschuld (§ 37 I) leugnet er die Gleichstufigkeit der Verbindlichkeit von Brandstifter und Baulastpflichtigem im sog. Fuldaer Dombrandfall (RGZ 82, 206), da der Kirchenbaulastpflichtige nur "in Vorlage" zu treten habe. Andererseits lehnt er § 32 11 die Anwendung des § 255 auf das Verhältnis zwischen beiden im Anschluß an BGHZ 29, 157 und 52, 45 ab, weil der Baulastpflichtige keinen Schadensersatz geleistet habe. Um die somit drohende Regreßlosigkeit der Situation zu verhindern, bleibt ihm keine andere Wahl, als eine Abtretungspflicht aus § 242 (!) bei Zahlung durch den Baulastpflichtigen zu statuieren, um zum Zessionsrückgriff zu kommen. 337 Vgl. HiZlenkamp, S. 126 ff.; Zoll, S. 27 ff. 338 Vgl. Schmidt, AcP 163, 530 ff.; Hillenkamp, S. 126 ff.; Dilcher, JZ 1967, 110 ff.; Raisch, JZ 1965, 703 ff.; Thiele, JuS 1968, 149 ff.; Reeb, JuS 1970, 218; aus der Rspr. des BGH vgl. BGHZ 43, 227 sowie BGHZ 52, 39 ff. 339 JuS 1968, 149 im Anschluß an die Ausführungen von Raisch, JZ 1965, 703 ff. und Dilcher, JZ 1967, 110 sowie HiZlenkamp, S. 126 ff., die jedoch sämtlich noch positive Formulierungen zu finden suchen. Zustimmend Reeb, JuS 1970, 218. 335 336

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einen subsumtionsfähigen Gesamtschuldbegriff zu finden, stets zum Scheitern verurteilt sein wird, soll nunmehr die Abgrenzung der Gesamtschuld von anderen Formen der Schuldnermehrheit (und damit die Definition der Gleichstufigkeit der Verbindlichkeiten) nicht mehr im Wege positiver Deskription, sondern negativ erfolgen. Gleichstufigkeit der mehreren Verbindlichkeiten liegt demnach nicht nur vor, wenn Gesamtschuld vertraglich vereinbart wurde (§ 427) oder gesetzlich angeordnet340 , sondern stets dann, wenn sich für Verschiedenstufigkeit keine Anhaltspunkte ergeben: die Gesamtschuld wird damit zum Regelfa1l 341 , die Anwendungs- und Abgrenzungsproblematik verlagert sich bei dieser Sicht auf die Frage, ob nicht der konkrete Sachverhalt ausnahmsweise einer anderen Form der Schuldnermehrheit zugewiesen ist als der Gesamtschuld342 . Unbestreitbar hat diese Ansicht den Vorteil höchster Praktikabilität: nur so ist ein nahtloser übergang von einer Form der Schuldnermehrheit zur anderen gewährleistet und nur so wird die Existenz frei im Raum schwebender Fälle der Schuldnermehrheit ohne Schwierigkeiten verhindert343 • Gewährleistet wird dadurch für alle Fälle der Schuldnermehrheit ein interessengemäßer Regreßmechanismus, ein Gesichtspunkt, der dieser Lehre einen wesentlichen Vorsprung vor den bisherigen Lösungsversuchen sichert. Im folgenden soll nunmehr versucht werden, die Kriterien darzustellen, die Verschiedenstufigkeit der Forderung bewirken. Sicher ist einmal, daß Verschiedenstufigkeit und damit nicht Gesamtschuld vorliegt, in allen Fällen der Zuweisung zum Zessionsregreß, die durch gesetzliche Anordnung der Legalzession344 , durch (dieser verwandte) schriftliche überleitungsanzeige'l45 oder durch Zubilligung eines Anspruchs auf rechtsgeschäftliche Abtretung erfolgen kann, der wiederum auf Gesetz3i6 oder rechtsgeschäftlicher Abmachung347 beruht. 340 Die Fälle gesetzlicher Anordnung der Gesamtschuld lassen sich auch nach dieser Lehre im Wege der Analogie (Esser) bzw. typologischer Betrachtung (Hillenkamp) erweitern, vgl. Thiele, JuS 1968, 151 f. 341 Vgl. Reeb, JuS 1970, 218. 342 Vgl. Thiele, JuS 1968, 152. 343 Man denke an die eben erwähnte Lösung von Larenz im Fuldaer Dombrandfall über § 242; bezeichnend ist auch, daß sich Reeb, JuS 1970, 218 gerade an Hand des (problematischen) Falles BGHZ 52, 39 der Meinung Thieles anschließt (im konkreten Fall nimmt er allerdings Zessionsregreß an). 344 Vgl. §§ 1542 RVO, 77 II AVG, 205 AVAVG, 87 a BBG, 52 BRRG, 81 a BVG, 4 LohnfortzG, 67 VVG, 1607 II u. 1615 b BGB. 345 Vgl. § 90 BSHG. 346 §§ 255, 281. 347 Vgl. die AVB bei privater Krankenversicherung. Vgl. aber auch BGHZ 21, 119, wo neben § 255 auch der Dienstvertrag herangezogen wird, um die Abtretungspfiicht zu begründen.

IV. Entreicherung durch Legalzession?

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Daß Zessionsregreß die Annahme einer Gesamtschuld hindert, ist indessen keine neue Erkenntnis und war schon lange vor dem Versuch negativer Abgrenzung der Gesamtschuld Allgemeingut:!48: die Zession impliziert zwingend Verschiedenstufigkeit. Doch ist das Verhältnis zwischen Gesamtschuld und Zessionsregreß insofern entspannt, als nicht mehr der Zwang besteht, bei positiver Gesamtschuldumschreibung aus dem Anwendungsbereich der Gesamtschuldregeln fallende Situationen durch extreme Ausdehnung der Zessionsregeln:!49 in den Zessionsrückgriff zu zwängen, um überhaupt zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen: da stets die Gesamtschuld als Auffangregelung zur Verfügung steht, ist die Zurückführung der Zessionsbestimmungen auf ihre ursprüngliche ratio möglich geworden. Verschiedenstufigkeit kann neben der Zuweisung zum Zessionsregreß auch aus weiteren Gesichtspunkten folgen:!so. So liegt nie Gleichstufigkeit vor, wenn eine Forderung von der anderen abhängig ist, weil etwa Akzessorietät gegeben ist:!51: wenn eine Schuld von der anderen abhängt, muß die Haftung beider Schuldner notwendig "verschiedenen Rang" haben352 . Dasselbe gilt für die Fälle der Subsidiarität: die Verschiedenstufigkeit folgt dann aus der gegenseitigen Zuordnung als "Haupt- und Nebenforderung":!sa. Dasselbe muß gelten, wenn ein ähnlicher Fall der "Unterordnung" einer Forderung unter die andere vorliegt. 348 Vgl. Thiele, JuS 1968, 162 ff.; Reeb, JuS 1970, 219; aus der herkömmlichen Lehre vgl. schon Rud. Schmidt, JherJb 72, 46; LeonhaTd, Bd.l, S.70; Selb, S.26; FTotz, JZ 1964, 666; Raisch, JZ 1965, 705; EsseT, Schuldrecht 1, § 58 II; LaTenz, Schuldrecht 1, § 37 I; Palandt/HeinTichs, § 421, 2. Anders allerdings SoeTyeUSchmidt, § 255, 4, wo § 426 als lex specialis zu § 255 dargestellt, also ein genau umgekehrtes Verhältnis beider Normengruppen angenommen wird. Ebenso nunmehr BGH JZ 1973, 215 (nachdem in BGHZ 52, 39 (45) die Frage noch offengelassen wurde) und im Anschluß daran DilcheT, JZ 1973, 199 ff. Die Diskrepanz dieser Auffassung zu der hier vertretenen Ansicht ist trotz des unterschiedlichen Ausgangspunktes nur scheinbar: hier wie dort wird der Anwendungsbereich der Gesamtschuldregeln zu Lasten der Zessionsregeln erweitert. Daß trotz identischer Zielsetzung der BGH den umgekehrten Weg wählt, beruht darauf, daß er nach wie vor annimmt, man könne die Gesamtschuld durch positive Kriterien definieren; zudem geht der BGH (offenbar im Anschluß an Selb) immer noch von unbegrenzter Analogiefähigkeit des § 255 aus (vgl. dagegen sogleich unten d aa). Bei diesen Prämissen ist der Weg des BGH durchaus konsequent. 349 Wie sie etwa Selb für § 255 vorgeschlagen hat. 350 Diese weiteren Kriterien werden von Thiele, JuS 1968, 162 ff. nicht gesehen, weil er die Abgrenzung nicht an Hand des Merkmals der Gleichbzw. Verschiedenstufigkeit vollzieht, sondern den Schwerpunkt legt auf die Abgrenzung strukturtypischer Regelungsbereiche zwischen Gesamtschuld und Zessionsregreß. 351 Vgl. Medicus, JuS 1971, 498; insbes. auch BÖTnsen, S. 20 ff. m. ausf. Darstellung des früheren Streits über diese Frage. 352 Vgl. LauteTbach, JZ 1956, 100; BGH JZ 1956, 99.

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind -

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In allen anderen Fällen der Schuldnermehrheit ist mithin ex definitione Gleichstufigkeit und damit Gesamtschuld gegeben. d) Die Einordnung des Ausgangsfalls aal überträgt man die so gefundenen Abgrenzungskriterien auf das Verhältnis der Ansprüche des Scheinvaters gegen das Kind und den Erzeuger, so erscheint eine Zuordnung zum Zessionsregreß als undenkbar: Eine Einordnung in die Legalzessionsfälle scheidet aus, weil ein entsprechender gesetzlicher Tatbestand fehlt. Zwar wird versucht, die Legalzession im Wege einer Rechtsanalogie erheblich zu erweitern3S4• Zugrunde liegt eine Strukturanalyse gesetzlich geregelter Fälle der Legalzession: die Legalzession wird angeordnet zugunsten dessen, der (1) öffentliche Versorgungs- oder Sozialleistungen, (2) Versicherungsleistungen, (3) Unterhaltsleistungen oder (4) ,eine Bürgenleistung erbringt355 , dann also, wenn ein nicht endgültig Verpflichteter zum Zweck der Deckung unmittelbaren Bedarfs eine "Vorschuß"- oder "Vorlageleistung" erbringt, die Leistung somit nur vorläufiger Deckung eines dringenden Bedarfs dient356 • Dieses Strukturmerkmal soll über eine Gesamtanalogie zur Annahme einer Legalzession führen, wenn ein ähnliches Verhältnis der beiden Verpflichtungen vorliegt, ohne daß Legalzession angeordnet wäre 357 ; gedacht wird dabei in erster Linie an Konkurrenz von Schadensersatz- und Unterhaltspflicht oder staatlicher Beihilfe358, also an die Fälle, die in erster Linie zu der fragwürdigen Ausdehnung des § 255 führten. Dogmatisch und methodisch mögen gegen diese überlegung keine Bedenken bestehen; für die hier in Frage stehende Konkurrenz zweier Regreßansprüche 359 kann jedenfalls nicht unterstellt werden, daß der eine Anspruch 353 Vgl. Börnsen, S.17 ff., 20 ff.; HilZenkamp, S.192 ff.; DiZcher, JZ 1967, 110 (113); vgl. auch SoergeZlGlaser, § 839, 40, 43 m. w. N. Gegen die Annahme einer Gesamtschuld spricht in diesen Fällen auch die Tatsache, daß die Möglichkeit wahlweiser und gleichzeitiger Inanspruchnahme der Verpflichteten (vgl. Schlechtriem, NJW 1966, 1795 m. w. N.) bei Subsidiarität fehlt. 354 Vgl. Thiele, AcP 168, 223; JuS 1968, 154 f.; Marschall v. Bieberstein, S. 208, 225. Die Rspr. hat sich (abgesehen von § 1709 II a. F.) stets zurückhaltend geäußert, da sie die Legalzessionsregeln als Sonderbestimmungen für eng umgrenzte Sachverhalte ansah, vgl. BGH (GS) Z 13, 366; VersR 1966, 234; vgl. auch Selb, S.67. 355 Thiele, AcP 168, 223; JuS 1968, 154 f. 356 Marschall v. Bieberstein, S. 208 ff.; HilZenkamp, S. 135 ff.; Thiele, AcP 168, 223; JuS 1968, 154 f.; vgl. auch Larenz, Schuldrecht 1, § 73 I; Selb, S.71 ff. Ob dieser Gedanke auch für die Bürgenleistung zutrifft, ist fraglich. Bejahend Thiele, AcP 168, 223; JuS 1968, 154 f. 357 Thiele, AcP 168, 223; JuS 1968, 154 f.; Marschall v. Bieberstein, S. 208 ff., der aber wegen auf der ablehnenden Haltung der Rspr. beruhender praktischer Bedenken die zusätzliche rechtsgeschäftliche Abtretung empfiehlt. Gegen die Analogie Larenz, Schuldrecht 1, § 30 II c, § 32 II a. E mit der Statuierung einer Abtretungspflicht. 358 Thiele, AcP 168, 223; JuS 1968, 154 f. 359 Das gilt sowohl für den Scheinvaterregreß als auch für den Parallelfall des § 67 VVG.

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nur zugebilligt wurde, um einen dringenden Bedarf vorläufig zu decken. Kind und Erzeuger sind vielmehr in gleicher Weise zur Rückabwicklung der zu Unrecht erfolgten Zahlung verpflichtet, ein nur "hilfsweises" Einspringen des einen Teils liegt sicher nicht vor: hinsichtlich des Zwecks endgültiger Befriedigung des Gläubigers stehen beide gleich; daß letztlich der Erzeuger (bzw. der Schädiger) allein haften muß, ändert an der Stellung dem Gläubiger gegenüber nichts360 . Aber auch für eine Analogie zu § 255 ist kein Raum, weil es sich nicht um Schadensersatzleistungen handeIt361: beide in Frage stehenden Ansprüche dienen lediglich Regreßzwecken. Die Begrenzung der Norm auf Schadensersatzleistungen ist allerdings nicht unstreitig. So wurde Zessionsregreß nach § 255 angenommen z. B. bei Zusammentreffen von Deliktsanspruch und Unterhaltsanspruch 362 , von Deliktsanspruch und Lohnfortzahlungsanspruch 363, von Deliktsanspruch und Baulastpfiicht 364 sowie von Deliktsanspruch und Anspruch aus § 816 I 1365 bei Erfüllung des Anspruchs, der nicht Schadensersatzanspruch war. Doch war dann stets wenigstens der andere Anspruch auf Schadensersatz gerichtet (was eine. Analogie noch als allenfalls möglich erscheinen läßt). Der eigentliche Grund für die Nichtanwendbarkeit der Norm liegt jedoch darin, daß die oben beschriebene Gesamtschulddefinition den § 255 von der bei diesen Analogien stets unterstellten Funktion als allgemeine Regreßnorm 366 entla~tet: die erwähnten Fälle unterfallen entweder (wenn man die oben angedeutete Rechtsanalogie nachvollziehen will) dem Regreß kraft Legalzession oder sie sind nach Gesamtschuldregeln abzuwickeln 367 . Der häufig gerügten 368 Erweiterung. des § 255 im Wege der Analogie bedarf es daher nicht mehr; vielmehr ist jetzt eine Beschränkung der Anwendung auf die von der ratio der Norm umfaßten Fälle möglich. Grundgedanke der Norm ist lediglich, eine Bereicherung des Schadensersatzberechtigten durch Wiedererlangung des verletzten Rechts zu verhindern369, dementsprechend ist die Abtretungspflicht zu beschränken auf Herausgabeansprüche 370 oder allenfalls die diese 360 Würde man die Analogie im vorliegenden Fall bejahen, so änderte das allerdings am Ergebnis (Legalzession, also keine Entreicherung) nichts. 361 Vgl. Larenz, Schuldrecht 1, § 32 II; v. Caemmerer, JR 1959, 463; Soergell Schmidt, § 255, 3 a. E.; BGHZ 29, 157; 52, 39 (45). 362 Vgl. Selb, S. 77 ff. m. w. N. 363 Vgl. BGH NJW 1968, 1823. Die Haltung des BGH in den Lohnfortzahlungsfällen steht insoweit in Widerspruch zu den Entscheidungen BGHZ 29, nung der cessio legis. Vgl. dazu auch SoergeUSchmidt, § 255, 2. 157 und 52, 45. Zu beachten ist aber inzwischen § 4 LohnfortzG mit Anord364 Vgl. RGZ 82, 206 und dazu insbes. Selb, S. 77 ff. m. w. Nachw. 365 Reeb, JuS 1970, 217 m. w. N.; anders aber BGHZ 29, 157 sowie 52, 45; v. Caemmerer, JR 1959, 463; SoergeUSchmidt, § 255,3 a. E. 366 Gegen die Ausweitung zur allgemeinen Regreßnorm insbes. ZoH, S. 7 ff. 367 Vgl. Rud. Schmidt, AcP 163, 530 ff. 368 Vgl. nur im Anschluß an Planck/Siber, § 255, 1, 2 a die Bedenken bei Zoll, S. 7 ff.; Rud. Schmidt, JherJb 72, 17; AcP 163, 532; Thiele, JuS 1968,153; SoergeUSchmidt, § 255, 4. 369 Vgl. nur Reeb, JuS 1970, 217. 370 Planck/Sibe1', § 255, 2 a; Leonhard, Bd.l, § 93; Soergel/Schmidt, § 255, 4; Rud. Schmidt, JherJb 72, 17; ZoH, S.17 ff.; Thie~e, JuS 1968, 153 f.; And. Ans. allerdings die h. M., vgl. nur Larenz, § 32 I.

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Teil 2 : Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

surrogierenden Schadensersatzansprüche371 • Nicht umfaßt dagegen sind sonstige Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Gegenstandes, wie die h. L. annimmt372 • Die Norm ist mithin durchaus singulärer Natur373 • Aus der so umschriebenen Regulativfunktion des § 255 zwischen Totalersatz und Fortbestand der Ausübungsrechte hinsichtlich des verletzten Rechtsguts (und der diese surrogierenden Rechte) folgt im übrigen ein weiterer Gesichtspunkt, der die Anwendung auf das Zusammentreffen mehrerer Regreßansprüche wegen Vermögens aufwendungen verbietet: § 255 setzt voraus, daß die beiden Ansprüche sich auf denselben konkreten Gegenstand beziehen 374 • Diese Gegenstandsbezogenheit fehlt dann, wenn der "Schaden" nicht ein konkretes Rechtsgut betraf, sondern lediglich allgemein in Vermögensaufwendungen zu sehen ist375• Für Regreßansprüche (und seien es auch Schadensersatzansprüche) ist somit § 255 niemals einschlägig. Ebenso verbietet sich selbstverständlich die Zuweisung zum Zessionsregreß analog § 281 (eine Leistungsstörung liegt nicht vor) oder etwa durch Statuierung einer Abtretungspflicht nach § 242 376 • Damit steht fest, daß Gesamtschuld jedenfalls nicht durch die Zuweisung zum Zessionsregreß in irgendeiner Form ausgeschlossen ist. bb) Sicher ist weiter, daß keine Akzessorietät vorliegt. Ebenso kann keine Subsidiarität angenommen werden: lediglich subsidiäre Haftung

eines Beteiligten liegt nur vor, wenn das Gesetz dies ausdrücklich anordnet377 • Sonst gilt als allgemeines Prinzip, daß der Gläubiger alle ihm haftenden Schuldner primär und auf den ganzen Betrag in Anspruch nehmen kann378 •

Eine Akzessorietät und Subsidiarität vergleichbare Stufung der Forderungen wird man aber dann annehmen müssen, wenn sich gegenseitige Zuordnung als Haupt- und Nebenforderung aus einem anderen Thiele, JuS 1968, 153 f.; §§ 989 ff. zum Beispiel. Vgl. nur Enneccerus/Lehmann, § 17 II 2; RGRK/Nastelski, § 255, 2. 373 Thiele, JuS 1968, 153 f.; anders vornehmlich Selb, S. 24 ff. und Larenz, § 32 I, die die Norm als Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens sehen. 374 Vgl. den Wortlaut des § 255: es muß sich um Ansprüche handeln, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums oder des Rechts zustehen. 375 Vgl. Esser, Schuldrecht 1, § 59 IV, der die Funktion des § 255 allein unter dem Gesichtspunkt der Verletzung dinglicher Rechte sieht. 376 Wie sie etwa von Larenz, Schuldrecht 1, § 32 II für den Fuldaer Dombrandfall versucht wird: zwischen Eigentümer und Baulastträger mag eine Treubindung auf Grund des übernahmeverhältnisse allenfalls bestehen; zwischen Scheinvater und Kind ist sie undenkbar. 377 Wie etwa in den §§ 771, 839 I 2 BGB. 378 Vgl. HiUenkamp, S. 192 H. mit weit. Nachw. Der Hinweis Oderskys, § 1615 b, II 10, der Scheinvater könne beim Kind kondizieren, "soweit er durch Rückgriff gegen den richtigen Vater keine Befriedigung erlangen" könne, deutet allerdings auf Annahme der Subsidiarität hin, doch fehlt jede Begründung. HiUenkamp, S. 192 ff. will in extremen Ausnahmefällen Subsidiarität annehmen nach § 242. Doch ergeben sich auch dafür keinerlei Anhaltspunkte. 371

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IV. Entreicherung durch Legalzession?

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Grunde ergibt. Das ist dann anzunehmen, wenn die eine Forderung der anderen erfüllungshalber zugewiesen ist. 1. d. R. wird bei Zuweisung einer Forderung zu einer anderen zum Zwecke der Erfüllung eine neue Verbindlichkeit rechtsgeschäftlich begründet (z. B. Wechsel, Scheck, Anweisung)379, doch ist eine Zuweisung zur Erfüllung auch durch Zession möglich, mag sie nun durch Rechtsgeschäft (z. B. bei Wechselindossierung), kraft Richteraktes 380 oder kraft Gesetzes381 erfolgen. Der Grund für eine gestufte Zuordnung der Forderungen zueinander liegt in diesen Fällen darin, daß der Gläubiger zunächst die Befriedigung aus der ihm erfüllungshalber zugewiesenen Forderung zu suchen hat, bevor er den anderen Schuldner in Anspruch nehmen kann:l82; von Gleichstufigkeit der beiden Verbindlichkeiten kann dann keine Rede sein. Gernhuber383 begründet ein derartiges Verhältnis zwischen den Ansprüchen mit dem Hinweis, der durch cessio legis erworbene Anspruch des Zahlenden sei bereits eine Leistung aus dem Vermögen des Kindes, die das Gesetz dem Manne erfüllungshalber zuweise. Der Scheinvater könne demgemäß nur nach einem Ausfall beim Erzeuger das Kind in Anspruch nehmen, dem er dann nach § 812 (condictio causa finita) den legalzedierten Anspruch gegen den Erzeuger rückzedieren müsse. Abgesehen davon, daß dieser Gedanke wegen der Anwendung derLeistungskondiktion als Regreßmittel für das Kind einen völlig neuen Leistungsbegriff voraussetzte384 , stößt er auch auf erhebliche Bedenken grundsätzlicher Art. Sie beruhen darauf, daß zwischen zwei sowohl ihrer Funktion als auch ihrer Ausgestaltung im einzelnen nach grundsätzlich verschiedenen Erscheinungsformen der Legalzession strikt zu unterscheiden ist: Zession zum Zweck des Rückgriffs und Zession zur Befriedigung (erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt)38S. Legalzession zum Rückgriff liegt vor, wenn eine Forderung übergeht, deren Erfüllung die Leistung des effektiv Zahlenden überflüssig gemacht 379 Soergel/Schmidt, § 364,4; Esse1·, Schuld recht 1, § 26 VII. 380 Vgl. §§ 835 11 ZPO, 118 I ZVG, 186 AVAG, 23 BKGG. 381 Vgl. §§ 71, 71 a BVG. Verwandt sind die Fälle des übergangs einer Einziehungsermächtigung, § 1282 I 1, 11 BGB, § 361 RAbgO, §§ 829 I, 835 I 1, 836 I ZPO. Vgl. zu allem Hübener, S. 115 ff.; 129 ff. 382 Vgl. nur Soergel/Schmidt, § 364, 4. 383 § 59 VIII 3. Da Gernhuber mit der h. L. volle Entreicherung des Kindes durch Legalzession voraussetzt, wird der Gedanke lediglich am Verhältnis zwischen Schadensersatzansprüchen gegen das Kind und legalzediertem Unterhaltsanspruch entwickelt, doch läßt er sich nach der erforderlichen Änderung der Prämisse zwangslos auch auf das Verhältnis zur condictio indebiti übertragen. Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Clemm, S. 93 ff. für die Legalzession bei Haftpflichtversicherung; dagegen Bruck/Möller/Sieg, § 67

VVG,56. 384 Odersky, § 641 g ZPO, 11 4 c bedient sich dagegen der Analogie zu § 255. 385 Der Unterschied wurde von Hübener, S. 7 ff., S. 113 ff. nachgewiesen,

der auch die strukturellen Abgrenzungsmerkmale ausgearbeitet hat.

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

hätte; das Bestehen eines Anspruchs gegen den Legalzedenten ist hier niemals causa für die Legalzession noch ist sie sonst in irgendeiner Weise abhängig von der Existenz eines eigenen Anspruchs gegen den Zedenten38il • Bei dem davon grundsätzlich verschiedenen Rechtsübergang zur Befriedigung ist dagegen die Existenz einer Forderung des Zessionars gegen den Zedenten stets vorausgesetzt: da die Zession ausschließlich den Zweck hat, zur Erfüllung dieser Forderung zu führen, ist sie mit ihr verknüpft entweder (bei Abstraktion) über Bereicherungsrecht oder es ist die Existenz des Anspruchs kausal für den Rechtsübergang387 • Nur bei Rechtsübergang zur Befriedigung kann aber eine der Subsidiarität ähnliche gestufte Zuordnung beider Forderungen gedacht werden, bei der Zession zum Rückgriff ist sie undenkbar, da sie ja unabhängig von der Existenz eines Anspruchs gegen den Zedenten überhaupt eintritt. Gerade bei den familienrechtlichen Zessionsfällen des § 1607 II und des § 1615 b handelt es sich nun eindeutig um Zession zu Rückgriffszwecken, was sich z. B. daran zeigt, daß der Rechtsübergang erfolgt ohne Rücksicht darauf, ob der Leistende dem Empfänger zur Zahlung verpflichtet war (§ 1607 II) oder nicht (§ 1615 b) und damit gegen diesen als Zedenten die condictio indebiti haben kann oder nicht. Dafür spricht auch ein weiteres Indiz: die in bei den Zessionsvorschriften enthaltene Subrogationsklausel ist typisches Merkmal der Rückgriffs-Zession und tritt beim Forderungsübergang zur Befriedigung niemals auf3 88 • Die bei Zession zur Befriedigung vorhandene Abhängigkeit vom Vorliegen des weiteren Anspruchs würde übrigens im Rahmen des § 1615 b zu durchaus unerwünschten und geradezu absurden Ergebnissen führen: die Legalzession wäre (mindestens über Kondiktionsrecht) begrenzt durch den Umfang der Bereicherung des Kindes bzw. durch die Höhe eines evtl. Schadensersatzanspruchs gegen das Kind! Die Einordnung der Legalzession des § 1615 b in den Bereich des Rechtsübergangs zum Rückgriff verbietet somit zwingend die Annahme, eine der dem Scheinvater zustehenden Forderungen sei der anderen nur zur Erfüllung und damit gestuft zugeordnet; Verschiedenstufigkeit ergibt sich also auch nicht aus diesem Gesichtspunkt. e) Ergebnis Weitere auf eine Verschiedenstufigkeit der beiden Forderungen hinweisende Gesichtspunkte sind nicht denkbar. Die oben aufgeworfene Hübener, S. 114 ff. Vgl. Hübener, S. 115 ff., 129 ff. Kausal ist die Existenz des Anspruchs z. B. bei §§ 71, 71 a BVG und beim Ubergang kraft Hoheitsakts gemäß §§ 835 II ZPO, 118 I ZVG, 186 AVG. 388 Hübener, S. 106 ff., 137. Für den versicherungsrechtlichen Parallelfall vgl. § 67 I 2 VVG. . 386

387

V. Entreicherung aus anderen Gründen

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Frage nach dem Verhältnis des legalzedierten Anspruchs zum Kondiktionsanspruch läßt sich somit nur beantworten mit der Feststellung, daß auszugehen ist von Gesamtschuld, weil jeder Hinweis auf eine Verschiedenstufigkeit der heiden Forderungen fehlt. Damit ist auch die eigens gestellte Frage nach der Entreicherung beantwortet: Bei Erfüllung des Kondiktionsanspruchs durch das Kind tritt Rückzession des legalzedierten Anspruchs an das Kind ein nach § 426 II, weil der Erzeuger im Innenverhältnis kraft seiner Unterhaltspflicht letztlich Verpflichteter ist (vgl. oben a). Somit ist die Legalzession nicht endgültig, sondern nur vorübergehend. Sie ist mithin als entreichernder Umstand nicht zu berücksichtigen.

v.

Umfang des Anspruchs (2) -

Entreicherung aus anderen Gründen

Mit der Feststellung, daß die Legalzession als solche für die Bereicherung des Kindes außer Betracht bleibt, ist selbstverständlich eine Entreicherung aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen. 1. Forderungsverschlechterung

Insbesondere entzieht die Tatsache, daß die Legalzession nur als vorübergehend angesehen wird und deshalb nicht als entreichernd in Ansatz gebracht werden kann, die Unterhaltsforderung nicht jeglicher Entreicherungsproblematik. Gerade weil die Legalzession für die Entreicherung keine Rolle spielen kann, sind vielmehr alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auch ohne Zession entreichernd ausgewirkt hätten. So ist Entreicherung stets anzunehmen, wenn ein dem Bereicherten zustehender Anspruch dadurch untergegangen ist oder verschlechtert wurde daß der Bereicherte im Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des rechts grundlosen Erwerbs das Recht nicht geltend machte S89 , jede Verschlechterung der Bonität der Forderung ist also zu berücksichtigen. Infolgedessen sind entsprechend obigem Ausgangspunkt grundsätzlich zu berücksichtigen alle forderungsmindernden Ereignisse, also auch solche, die eintraten, während die Forderung dem Kondiktionsschuldner vorübergehend gar nicht zustand und dieser deshalb die Möglichkeit zu rechtzeitiger Realisierung (und so die Verschlechterung zu verhindern) 389 RGRKfScheffler, § 818, 51; aus der Rspr. vgl. nur ROHG 17, 1 (Versäumung der Frist für Wechselprotest) ; RGZ 44, 145 (Verjährung der Forderung gegen den wahren Schuldner); RG WarnRspr. 1920 Nr.151 (Verstreichen von Ausschlußfristen). Vgl. auch v. Caemmerer, Festschr. Dölle, Bd.1, S.154 FN 56 sowie NJW 1963, 1402 f.

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

gar nicht hatte: ohne die Zahlung des Nichtschuldners wäre dem Kondiktionsschuldner die Aktivlegitimation verblieben390 • Eine Berücksichtigung der Forderungsverschlechterung speziell im Rahmen des Scheinvaterrückgriffs ist jedoch auf Grund einer anderen überlegung ausgeschlossen: Niemals können Umstände in Anrechnung kommen, die vor Zuordnung des Kindes zu seinem wirklichen Vater eintraten, da (§ 1600 a Satz 2) vor diesem Zeitpunkt eine Inanspruchnahme des Erzeugers auch ohne die Zahlung des Scheinvaters nicht denkbar gewesen wäre; für eine bis dahin eintretende Verschlechterung der Forderung war die Zahlung des Scheinvaters mithin gar nicht

kausal391 •

Das Kind trägt damit allerdings das Risiko der Forderungsverschlechterung während eines Zeitraums, in dem es dieser Verschlechterung nicht entgegenwirken kann. Dies ist aber nicht Folge der Legalzession, wie Dieckmann392 annimmt, sondern der Rechtsausübungssperre des § 1600 a Satz 2393 ; dieses Risiko trifft das Kind vielmehr unabhängig davon, ob es vom Scheinvater Unterhalt bezieht oder nicht. Man mag dem entgegenhalten, gerade wegen der Unterhaltsleistung durch den Scheinvater habe das Kind keine Veranlassung gehabt, die Zuordnung zum wahren Erzeuger überhaupt zu betreiben, insofern sei auch dieses Hindernis und eine deswegen evtl. eintretende Verschlechterung der Forderung in gewisser Weise durch die Zahlung des Scheinvaters verursacht. Doch trifft dies einmal in den Fällen nicht zu, in denen der Erzeuger ohnehin (weil er nicht bekannt war) nicht hätte festgestellt werden können, zum anderen ist zu berücksichtigen, daß ja andernfalls das Kind selbst die Möglichkeit hat, die Vaterschaft des Scheinvaters anzufechten (sofern Zuordnung überhaupt vorlag) und die Feststellung des richtigen Erzeugers zu betreiben (§ 1615 g), während dem Scheinvater dieser Weg verschlossen bleibt. Angesichts dessen erscheint es keineswegs als unbillig, dem Kind für diesen Zeitraum das Verschlechterungsrisiko aufzubürden: mittelbar wird dadurch ein Druck auf das Kind ausgeübt, die endgültige Zuordnung herbeizuführen als Korrelat zu der Möglichkeit, den Regreß des Scheinvaters gegen den Erzeuger durch Unterlassen der Zuordnung zu vereiteln. Doch auch eine nach Zuordnung des Kindes zum Erzeuger eintretende Verschlechterung der rückständigen Forderungen gegen ihn kann sich in aller Regel nicht mehr als entreichernd auswirken, weil mit der Zuordnung zu einem anderen als dem Scheinvater stets Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs gegeben sein wird und eine weitere Entreicherung durch §§ 819 I, 818 IV gehindert ist394 • 390 And. Dieckmann, Jus 1969, 106 f., der bemängelt, die Legalzession als solche verlagere das Verschlechterungsrisiko auf das Kind. 391 Vgl. Stolterjoht, FamRZ 1971, 350. 392 JuS 1969, 106 f. 393 Deswegen kommt der Gesichtspunkt nicht zum Tragen im Parallelfall des § 67 VVG; das Verschlechterungsrisiko bleibt in diesen Fällen also beim Versicherer. 394 Vgl. zu § 819 unten 4.

V. Entreicherung aus anderen Gründen

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Als Ergebnis ist somit festzuhalten: Nicht nur die Legalzession als solche, sondern auch jede Verschlechterung der Unterhaltsforderung gegen den Erzeuger wird auf den Umfang der Bereicherung des Kindes kaum je Einfluß gewinnen. 2. Entreicherung durch Verbrauch 395

a) Sicher ist zunächst, daß das Kind die vom Scheinvater gezahlten Beträge in aller Regel verbraucht haben wird: das folgt aus dem Alimentationszweck der Zahlungen. Doch führt dies nicht zwangsläufig zur Entreicherung, da der Verbrauch dann nicht entreichernd wirkt, wenn der Kondiktionsschuldner durch den Verbrauch Aufwendungen erspart hat, die er ohne die rechtsgrundlose Leistung aus eigenem Vermögen hätte machen müssen - trotz des Verbrauchs bleibt er insoweit bereichert396 • Steht dagegen fest, daß der Bereicherte die zum Verbrauch führenden Ausgaben ohne Erhalt des kondizierbaren Vermögenswertes aus eigenem Vermögen nicht gemacht hätte (bei sog. Luxusausgaben), so führt der Verbrauch nach allg. Ansicht zur Entreicherung, weil von Ersparnis eigener Aufwendungen dann nicht die Rede sein kannS97 • Nun handelt es sich bei der Verwendung der geleisteten Beträge zum Lebensunterhalt zwar sicher nicht um Luxusausgaben398 , doch reicht diese Erkenntnis angesichts der speziellen Situation des unterhaltsberechtigten Kindes noch nicht aus, um Entreicherung zu verneinen; vielmehr muß stets festgestellt werden, ob diese (wenn auch unumgänglichen) Aufwendungen auch vom Kind selbst hätten bestritten werden können und müssen: Während im Normalfall die Verwendung der kondizierbaren Leistung zum Lebensunterhalt die Ersparnis eigener Aufwendungen impliziert, ist dies beim unterhaltsberechtigten Kind nicht der Fall. Eigene Aufwendungen erspart hat es nämlich nur, wenn feststeht, daß es sonst seinen Lebensunterhalt selbst hätte bestreiten müssenS99 ; ob dies der Fall ist, richtet sich wiederum wegen des besonderen Status des unterhaltsberechtigten Kindes nach dessen Vermögensverhältnissen zum Zeitpunkt der Leistung durch den Scheinvater. Die Vermögensverhältnisse des Kindes werden mithin entscheidend für die Frage der Entreicherung4°o. 395 396

14,7.

Vgl. dazu SoergellMühl, § 818, 27. Allg. Ans., vgl. SoergellMühl, § 818, 27; Fikentscher, § 100 VI 2; BGHZ

397 Vgl. statt aller Enneccerus/Lehmann, § 227 II 5; aus der Rspr. vgl. RGZ 83, 161; JW 1924, 50; zuletzt BGH FamRZ 1971, 248. 398 Dieckmann, JuS 1969, 106. 399 Larenz, Schuldrecht 2, § 70 II; Enneccerus/Lehmann, § 227 III. 400 Dieckmann, JuS 1969, 106 f. differenziert ähnlich nach den Vermögensverhältnissen des Kindes.

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

b) So liegt Ersparnis eigener Aufwendungen sicher nicht vor, wenn das Kind keinerlei Vermögen oder Arbeitseinkünfte hatte, was dem Regelfall entsprechen dürfte. Das Kind hätte dann die Aufwendungen für seinen Lebensunterhalt jedenfalls nicht selbst aufbringen können und müssen und kann somit niemals bereichert sein. Ob und von wem - letzten Endes von der Sozialhilfe - tatsächlich der Unterhalt bestritten worden wäre, kann für die Entreicherung ebensowenig eine Rolle spielen wie die Tatsache, daß die dann zur Verfügung stehenden Beträge möglicherweise geringer gewesen wären als die vom Scheinvater gezahlte Summe401 : maßgeblich ist allein, daß das Kind diese konkreten Ausgaben nicht aus eigenem Vermögen gemacht hätte; höhere Aufwendungen sind insofern wie Luxusausgaben zu behandeln. Das Kind, das vermögenslos ist und ohne eigene Arbeitseinkünfte, ist daher stets in vollem Umfang entreichert. Dabei ist zu beachten, daß der immer gegebene Unterhaltsanspruch gegen den wahren Erzeuger für die Frage der Ersparnis von Aufwendungen selbstverständlich nicht als Vermögensbestandteil gewertet werden kann, da er mangels Zuordnung des Erzeugers zum Kind wegen § 1600 a Satz 2 noch nicht realisierbar war. e) Beim vermögenden Kind ist dagegen zu unterscheiden, ob es sein Vermögen auch zum Unterhalt hätte einsetzen müssen. Dazu wäre es zunächst dann verpflichtet gewesen, wenn die Vermögenseinkünfte oder der Ertrag aus eigener Arbeit dazu ausgereicht hätten (vgl. § 1602): dann war es nicht bedürftig und es stand ihm überhaupt kein Unterhaltsanspruch zu, der zur Deckung des Lebensunterhalts hätte eingesetzt werden können. Das Kind hat dann sicher eigenen Vermögenseinsatz erspart und bleibt daher trotz Verbrauchs bereichert. Zwar stand ihm auch dann gegen seinen Erzeuger ein Unterhaltsanspruch in Höhe des Regelunterhalts ZU402, doch kann es trotzdem nicht unter Hinweis auf diesen Anspruch einwenden, es hätte seinen Unterhalt wenigstens in dessen Höhe nicht selbst tragen müssen und sei insofern nicht bereichert: auch der Anspruch auf den Regelunterhalt wäre mangels Zuordnung nach § 1600 a Satz 2 nicht realisierbar gewesen und hätte an der Pflicht zu vollem Einsatz des eigenen Vermögens nichts zu ändern vermocht. Bei ausreichenden eigenen Vermögens- oder Arbeitseinkünften kann demgemäß niemals ein Wegfall der Bereicherung durch Verbrauch eintreten403 • 401 Das ist denkbar etwa bei finanziell schwächerer Position des eigentlich Verpflichteten oder etwa, weil tatsächlich nur die (meist erheblich niedrigeren) Sätze der Sozialhilfe zur Verfügung gestanden hätten. 402 Vgl. dazu und zu abw. Meinungen bereits oben Teil 1 All b. Auch Zahlungen des Scheinvaters werden bei dieser Vermögenslage selbstverständlich meist nur in Höhe des Regelunterhalts erfolgen, wenn ihm die Vermögenssituation des Kindes bekannt ist. 403 Bei ausreichenden eigenen Einkünften werden allerdings, wie bereits erwähnt, auch Zahlungen des Scheinvaters nur bei Irrtum über die Vermögensverhältnisse des Kindes oder als Regelunterhaltszahlungen erfolgen.

V. Entreicherung aus anderen Gründen

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Anders ist die Situation aber, wenn das Kind bei Bestreiten seines Unterhalts aus eigenen Mitteln den Vermögensstamm hätte (mit) einsetzen müssen: In dieser Vermögenssituation entfallen zwar mangels Bedürftigkeit alle Unterhalts forderungen gegen sonstige Verwandte, § 1602 I, nicht aber gegen die Eltern, § 160211. Nur soweit die Eltern zur Unterhaltsleistung außerstande sind, bleibt das Kind zum Einsatz eigenen Vermögens verpflichtet404. Eigene Aufwendungen erspart hat das Kind durch Verbrauch der vom Scheinvater gezahlten Summe nur, soweit ohne die rechtsgrundlose Zahlung eine Inanspruchnahme der Eltern erfolglos gewesen wäre. Bei der Berechnung der nach Verbrauch der Summe noch verbleibenden Bereicherung stellt mithin all das einen Abzugsposten dar, was das Kind von seinen Eltern erfolgreich hätte verlangen können, wenn die Leistung des Scheinvaters nicht erfolgt wäre; nur in Höhe der Differenz bestand eine Verpflichtung zum Einsatz eigenen Vermögens. Bei der Berechnung dieses Betrages ist zunächst davon auszugehen, daß eine Inanspruchnahme des eigentlichen Schuldners (des Erzeugers) nicht mitberücksichtigt werden darf, weil jedes Vorgehen gegen ihn nach § 1600 a Satz 2 ausgeschlossen war. Doch haftete dann die Mutter entsprechend § 1607 (subsidiär) auf den an sich vom Erzeuger geschuldeten Unterhaltsteilbetrag405 . Eine Bereicherung des Kindes ist daher insoweit entfallen, als es von ihr den Unterhalt mit Erfolg hätte verlangen können, dies aber im Vertrauen auf die Beständigkeit der Leistung des Scheinvaters unterlassen hat und nunmehr - wegen § 1613406 - nicht mehr nachträglich fordern kann. Die Feststellung der von der Mutter damals zu erlangenden Summe mag nicht einfach sein; dennoch stößt sie nicht auf dieselben Schwierigkeiten wie die nach der h. L. erforderliche Feststellung des Werts der legal404 Das gilt auch für das nichteheliche Kind, vgl. SoergeULange, § 1602, 9. 405 Vgl. SoergeZlLange, § 1606, 13. Daß die Eltern dem Kind als Teil-, nicht als Gesamtschuldner haften, ist wegen § 1606 II nunmehr unstreitig; vgl. SoergeZlLange, § 1606, 6 ff.; BGH MDR 1971, 922; kritisch Beitzke, § 24 I 4 a ("Gesamtschuld unerläßlich"). Die erhöhte Einstandspflicht des § 1602 II trifft auch den (nur subsidiär) für den anderen haftenden Elternteil; dem scheint zwar RGZ 151, 101 (m. zust. Anm. Volkmann, JW 1936, 2398) zu widersprechen, wo die Verwendung des Stammkapitals vor Inanspruchnahme der subsidiär haftenden Mutter verlangt wurde, doch handelte es sich dabei um eine kapitalisierte Unterhaltsrente, bei der auch der Vermögensstamm zur Verwendung für den Unterhalt bestimmt ist. 406 Nur in diesem tatbestandlich sehr engen Bereich kann somit § 1613 irgendwelche Auswirkungen auf die Frage der Bereicherung haben, sonst werden die Normwirkungen immer überlagert von der Verbrauchsproblematik. Das wird übersehen von Dieckmann, JuS 1969, 106; Stolterfoht, FamRZ 1971, 350 f.; Gernhuber, § 45 VIII 6. Zur Frage der Entreicherung durch NichtgeItendmachung von Ansprüchen wegen des empfangenen indebiti vgl. auch RGRK/Scheffler, § 818, 51 m. w. Nachw. 7 Engel

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Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

zedierten Forderung407 : Es handelt sich um die Feststellung allein in der Vergangenheit liegender Vermögensverhältnisse einer (zudem stets bekannten) Person, wie sie für das Bereicherungsrecht nachgerade typisch ist. Doch ist sie frei von der Bewertung völlig unbekannter und damit unwägbarer Umstände. Es ist daher zusammenfassend festzustellen, daß in aller Regel ein Kondiktionsanspruch gegen das Kind daran scheitern wird, daß es durch Verbrauch entreichert ist.

3. Nachträglicher Verlust des gesamten Vermögens Schließlich ist nach allgemeiner AnsichvoB jede Bereicherung stets weggefallen, wenn das gesamte gegenwärtige Vermögen des Empfängers nicht mehr zur Deckung der Bereicherungssumme ausreicht: Der materiell-rechtliche Anspruch wird im Kondiktionsrecht durch das haftbare Vermögen begrenzt, während bei allen anderen Ansprüchen die Berücksichtigung des Vermögensstandes erst in der Zwangsvollstreckung erfolgt. Abzustellen ist dabei auf die Vermögenssituation, wie sie sich zum Zeitpunkt der Herausgabe darstellt409 . Deswegen kann insbesondere die legalzedierte Forderung nicht zum Vermögen des Kindes gerechnet werden, da sie sich nicht im haftbaren Vermögen des Kindes befindet. Abzulehnen ist auch die Ansicht Stolterjohts 410 , der zum haftbaren Vermögen des Kindes auch die (an sich § 1613 unterfallenden) Ansprüche gegen die übrigen Verwandten zählen will, da er die Wirkung des § 1613 auf das Verhältnis zwischen Kind und Unterhaltspflichtigem begrenzen will: abgesehen von den bereits oben411 behandelten Bedenken gegen eine Relativierung der Norm überhaupt mutet die Vorstellung höchst eigenartig an, daß ein Gläubiger in Ansprüche vollstrecken können soll, die seinem Schuldner gar nicht zustehen. Diese Ansprüche gegen nachrangig Haftende sind daher als Vermögenswert nur anzusehen, wenn sie auch dem Kinde tatsächlich noch zustehen, weil der Verfall nach § 1613 aus irgendwelchen Gründen nicht eintrat (vgl. auch dazu oben Teil 1 A III 2 a).

4. Rechtshängigkeit, Bösgläubigkeit Keine Entreicherung kann selbstverständlich eintreten nach Rechtshängigkeit des Bereicherungsanspruchs (§ 818 IV) oder wenn der Lei407 Vgl. oben III2. 40B Soe1·gel!Mühl, § 818, 22; Enneccerus/Lehmann, § 227 III; Larenz, Schuldrecht 2, § 70 II; BGH MDR 1957, 598 m. zust. Anm. Pohle. 409 Soergel!Mühl, § 818, 22. 410 FamRZ 1971, 351. 411 Teil 1 A III 2 a.

V. Entreicherung aus anderen Gründen

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stungsempfänger bösgläubig war oder wurde (§ 819 I i. V. m. § 818 IV)412. Bösgläubigkeit liegt vor, wenn der Empfänger der Leistung beim Empfang den Mangel des rechtlichen Grundes kennt oder ihn später erfährt (§ 819 I), also dann, wenn bei der Zahlung bekannt ist, daß der Zahlende nicht der Erzeuger ist und somit eine Unterhaltspflicht nicht besteht. Da es sich bei Unterhaltszahlungen i. d. R. um Zahlungen an das minderjährige Kind handelt 413 , ist fraglich, auf wessen Kenntnis es im Rahmen des § 819 I ankommt, auf die des Kindes oder auf die des gesetzlichen Vertreters 414 • Die Frage wird aber nur relevant, wenn der Minderjährige ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters aufgetreten ist4 15. Unterhaltsansprüche werden indessen stets vom gesetzlichen Vertreter des Kindes geltend gemacht und durchgesetzt, entweder vom Pfleger (§ 1706 Ziff. 2) oder von der Mutter nach übertragung der entsprechenden Befugnis (§ 1707). Maßgeblich ist somit beim minderjährigen Kind nach § 166 I ausschließlich die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters. Doch ist eine für § 819 relevante Kenntnis undenkbar, solange das Kind einem bestimmten Erzeuger nach § 1593 oder 1600 a zugeordnet ist, selbst wenn der Vertreter (bzw. das volljährige Kind) wußte, daß die Zuordnung unrichtig war: Solange die Rechtsordnung von jedem die Beachtung des (wenn auch unrichtigen) Status des Kindes verlangt, kann ein Wissen um die Fehlerhaftigkeit der Zuordnung niemals schaden411t • Jede andere Beurteilung würde der Zuordnungsfunktion mit interomnes-Wirkung widersprechen: das Kind wäre angesichts der verschärften Haftung des § 819 gezwungen, das empfangene Geld nicht zum Unterhalt zu verwenden, ohne jedoch seinen wirklichen Erzeuger oder nachrangig Haftende stattdessen in Anspruch nehmen zu können, da diese sich wiederum auf die Zuordnung berufen würden. 412 über das Verhältnis zwischen § 818 III und §§ 818 IV, 819 vgl. Larenz, Schuldrecht 2, § 70 II m. w. Nachw. 413 Selbstverständlich sind auch Zahlungen an das volljährige Kind denkbar. 414 Teilweise (v. Tuhr II, 1, S.365; Enneccerus/Nipperdey, § 151 Anm.7; Soergel!Mühl, § 819, 6) wird auf die Deliktsfähigkeit des Minderjährigen abgestellt, andere (RG JW 1917, 465; Enneccerus/Lehmann, § 227 V 1 b) wollen entspr. dem Schutzzweck der §§ 104 ff. allein auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abstellen. Larenz, Schuldrecht 2, § 70 IV differenziert zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion. BGH FamRZ 1971, 247 will jedenfalls dem deliktsfähigen Minderjährigen eigene Kenntnis stets dann zurechnen, wenn er sich das Erlangte durch vorsätzliche unerlaubte Handlung verschafft hat. Vgl. dazu auch Canaris, JZ 1971, 560. 415 Vgl. Larenz, Schuldrecht 2, § 70 IV; PalandtiThomas, § 819, 2. 416 So Dieckmann, JuS 1969, 106 FN 65, der auch eine Analogie zu § 142 II ausschließt, weil die Anfechtung eines Status nicht mit der eines Rechtsgeschäfts verglichen werden könne.

7"

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Tei12: Ansprüche gegen das Kind - A. Condictio indebiti

Relevant i. S. des § 819 I kann daher das Wissen um die Vaterschaft eines anderen nur bei Zahlungen sein, die erfolgten, ohne daß der Scheinvater dem Kind zugeordnet war. Spätestens wenn das Kind seinem wirklichen Erzeuger zugeordnet ist, liegt Kenntnis vom Fehlen des rechtlichen Grundes vor, da das Kind bzw. der gesetzliche Vertreter stets am Zuordnungsverfahren beteiligt sind411 • Nach Zuordnung des Kindes zu seinem richtigen Erzeuger kann somit eine weitere Entreicherung niemals eintreten; mit diesem Zeitpunkt wird die Kondiktionsforderung auf die dann noch bestehende Bereicherung fixiert 418 • Zusammenfassung

Zusammenfassend ist somit zur Frage des Umfangs der eondietio indebiti festzustellen: a) Zwar kann weder die Legalzession der Unterhaltsforderung gegen den Erzeuger als entreichernder Umstand in Ansatz gebracht werden noch eine etwaige "Verschlechterung" dieser Forderung bis zum Zeitpunkt der Kondiktion. b) Doch wird Entreicherung in aller Regel durch Verbrauch eingetreten sein, weil das Kind vermögenslos war und deswegen durch den Verbrauch keine eigenen Aufwendungen erspart haben kann. e) Hatte das Kind Vermögen, so bleibt es bereichert, soweit die

Erträge des Vermögens (bzw. die Einkünfte aus eigener Arbeit) den

Unterhaltsbedarf decken konnten.

d) Hätte das Kind dagegen für die Bestreitung seines Unterhalts den Vermögensstamm verwenden müssen, so ist der Betrag, den es ohne die Zahlung des Scheinvaters von seiner Mutter hätte erlangen können, als Entreicherung in Abzug zu bringen, da insoweit Ersparnis eigener Aufwendungen nicht vorliegt. e) Entreicherung tritt schließlich ein, sofern das gesamte gegenwärtige Vermögen des Kindes zum Zeitpunkt der Kondiktion nicht zur Deckung ausreicht. f) Jede Entreicherung ist ausgeschlossen, wenn das Kind bösgläubig war oder nachträglich wurde, wobei i. d. R. auf das Wissen des gesetzlichen Vertreters abzustellen ist. Doch kann Bösglä'llbigkeit niemals vorliegen, solange das Kind dem Scheinvater zugeordnet ist, sie tritt Vgl. §§1600c-e, 1600n, 1706 Ziff.1, 1707. Vgl. nur LaTenz, Schuldrecht 2, § 70 IV; daraus erklärt sich auch die oben 1 getroffene Feststellung, daß eine nach Zuordnung des Kindes zum Erzeuger eintretende Verschlechterung der Forderung gegen den wirklichen Erzeuger nicht entreichernd wirken kann. 417

418

V. Entreicherung aus anderen Gründen

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jedoch spätestens mit Zuordnung des Kindes zu seinem richtigen Erzeuger ein. Danach kann somit niemals eine (weitere) Entreicherung eintreten. In praxi nähert sich die hier gefundene Lösung damit weitgehend der herrschenden Lehre: Ein Kondiktionsanspruch gegen das gutgläubige Kind wird in aller Regel nicht in Frage kommen, weil es entreichert sein wird419 • Dennoch empfiehlt sich de lege ferenda nicht, den im Referentenentwurf ursprünglich vorgesehenen Ausschluß der Kondiktion im Umfang der Legalzession zu verwirklichen: praktisch relevant wird der Kondiktionsanspruch stets, wenn die verschärfte Haftung nach § 819 I die Entreicherung ausschließt - ein genereller Ausschluß jeden Vorgehens auch gegen den bösgläubigen Leistungsempfänger, der damit erfolgte 420 , wäre sicher nicht vertretbar. Zudem ist nicht einzusehen, warum zugunsten des gutgläubigen und ausnahmsweise noch bereicherten Kindes das Risiko der Eintreibbarkeit der Unterhaltsforderung ausschließlich auf den zunächst zahlenden Scheinvater verlagert werden solL B. Schadensersatzansprüche gegen das Kind I. Deliktische Ansprüche

1. In Frage kommt hier zunächst der bereits oben (Teil 1 B IV 4 a) angedeutete Schadensersatzanspruch gegen das Kind aus § 826 wegen böswilliger Verhinderung der Zuordnung zum wirklichen Erzeuger. Die Sittenwidrigkeit kann hier jedoch nur in einem Verhalten im Hinblick auf eine Vaterschaftsfeststellungsklage (§ 1600 n) liegen421 , für das dem minderjährigen Kind die Prozeßführungsbefugnis fehlt: Vertreten wird das Kind in diesem Verfahren stets durch den Pfleger (§ 1706 Nr.l) oder seine Mutter (§ 1707), so daß für das minderjährige Kind im Hinblick auf dieses Verfahren ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten nie in Frage kommt422 • Lediglich beim volljährigen Kind kann die 419 Im Parallelfall des § 67 VVG wird allerdings regelmäßig keine Entreicherung durch Verbrauch eintreten, weil die Entreicherung des Kindes ausschließlich Folge der konkreten familienrechtlichen Situation ist. Insofern unterscheidet sich die hier vertretene Ansicht durchaus von der h. L., indem sie die Kondiktion im Gegensatz zu dieser zugesteht und somit allein eine interessengerechte Abwicklung der ungerechtfertigten Zahlung ermöglicht. 420 Sofern nicht deliktische oder deliktsähnliche Ansprüche (vgl. dazu unten B) gegen das Kind vorliegen. 421 Ein kollusives Zusammenwirken mit dem Erzeuger zum Nachteil des Scheinvaters im Anerkennungsverfahren ist ausgeschlossen, da der Erzeuger, der die Zuordnung verhindern will, niemals anerkennen wird. 422 In diesen Fällen ist dann ein Vorgehen gegen den ges. Vertreter denkbar, vgl. dazu unten Teil 3 A.

102

Teil 2: Ansprüche gegen das Kind - B. Schadensersatz

Norm damit Anwendung finden. Der Inhalt des Anspruchs entspricht dann dem gegen den Erzeuger4 23 • 2. Denkbar ist weiter ein Anspruch gegen das Kind aus § 823 II i. V. m. § 263 StGB, wenn es in voller Kenntnis der fehlenden Vaterschaft des Scheinvaters (und ohne diesem zugeordnet zu sein)4~4 dennoch weiter von ihm Unterhalt verlangt und erhält; da das minderjährige Kind jedoch in Unterhaltsfragen stets durch den gesetzlichen Vertreter handelt, ist auch dieser Anspruch nur gegen das volljährige Kind denkbar. 11. Nach einstweiliger Unterhaltsregelung

Einstweilige Unterhalt.