Der Psycho-Comic: Die Klassiker der Psychologie [1. Aufl.] 978-3-662-59071-3;978-3-662-59072-0

Dies ist eine rasante bebilderte Reise durch die „Klassiker“ der Psychologie: Begegnen Sie berühmten Psychologen und Phi

772 146 103MB

German Pages VIII, 184 [192] Year 2019

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Der Psycho-Comic: Die Klassiker der Psychologie [1. Aufl.]
 978-3-662-59071-3;978-3-662-59072-0

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VIII
Anlage-Umwelt-Debatte (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 1-12
Geschichte der Psychologie (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 13-36
Psychoanalyse (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 37-46
Sozialpsychologie I (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 47-56
Sozialpsychologie II (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 57-62
Sozialpsychologie III (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 63-68
Sozialpsychologie IV (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 69-76
Sozialpsychologie V (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 77-86
Sozialpsychologie VI (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 87-92
Allgemeine Psychologie I (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 93-100
Allgemeine Psychologie II (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 101-106
Allgemeine Psychologie III (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 107-114
Allgemeine Psychologie IV (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 115-122
Allgemeine Psychologie V (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 123-128
Entwicklungspsychologie I (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 129-134
Entwicklungspsychologie II (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 135-142
Persönlichkeitspsychologie I (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 143-156
Persönlichkeitspsychologie II (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 157-172
Angewandte Psychologie (Christine Goerigk, Franziska Schmithüsen)....Pages 173-181
Back Matter ....Pages 182-184

Citation preview

Christine Goerigk Franziska Schmithüsen

Der Psycho-Comic

Die Klassiker der Psychologie

Der Psycho-Comic

Christine Goerigk · Franziska Schmithüsen

Der Psycho-Comic Die Klassiker der Psychologie

Christine Goerigk Ludwigshafen am Rhein, Deutschland

Franziska Schmithüsen Schortens, Deutschland

ISBN 978-3-662-59071-3 ISBN 978-3-662-59072-0  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Für meine Kinder Echnaton, Mantao und Victoria und meinen Gefährten Andreas Binder

VI

Als ich gebeten wurde, ein paar Worte dazu zu schreiben, warum ich dieses Buch herausbringe, dachte ich, das sei überflüssig. Es war doch völlig klar, dass es um das Wichtigste geht, was wir Menschen haben: unsere Psyche. Ich bevorzuge das Wort Seele. Seele verstehen wir alle und sie ist uns im Sprachgebrauch näher als das Wort Psyche. Wir können beseelt sein oder selig. Wir kennen eine Seele von einem Menschen oder einen Seelenverkäufer. Manche von uns gehen zum Seelenklempner oder bitten religiös um die Rettung ihrer Seele. Es gibt große, kleine, aufopfernde oder verdorbene Seelen. Aber alle haben eins gemeinsam: Sie prägen uns. Der Satz „Schönheit kommt von innen“ sagt, dass wir nicht nur durch äußere, materielle Dinge schön und glücklich werden, es braucht das, was uns ausmacht, nämlich Gefühle, die ja bekanntlich ein Ausdruck der Seele oder Psyche sind. Wenn man betrachtet, wie lange sich der Mensch bereits mit diesem Thema beschäftigt, und dass Hinweise bestehen, dass schon in der Steinzeit etwas vorausgesetzt wurde, was wir vielleicht als Seele bezeichnen würden, oder wenn wir die griechischen Sagen lesen und all die Verführungen entdecken, die einer menschlichen Seele begegnen können, auch in der Bibel sind wir Menschen mit all unseren Verwirrungen und Verirrungen dokumentiert, und zuletzt in den Märchen dieser Welt, dann ist es unmöglich, ein nicht beseeltes Wesen anzunehmen. Wenn mein Rücken schmerzt oder mein Herz stolpert, mein Zahn muckt oder meine Augen nachlassen, gehe ich zum Orthopäden, Kardiologen, Zahn- oder Augenarzt. Wenn meine Seele unter Trauer oder Schmerz leidet, soll sie einfach selbst heilen oder sollten wir uns nicht auch lieber an einen Spezialisten wenden? Früher gab es Schamanen und Heiler, den Glauben, heilige Rituale und heute gibt es die Psychologie. Ein körperliches Leiden kann verschwinden, wenn die Seele heilt, und zum Glück arbeiten Mediziner und Psychologen heute gut zusammen. Die Psychologie hat sich einen Platz erarbeitet, der gleichwertig neben anderen medizinischen Fachgebieten existiert, und in diesem Buch zeige ich einige der Wege, die beschritten wurden. Manche Experimente wären heute nicht mehr durchführbar, weil sie an unserer heutigen Vorstellung von Ethik scheitern würden, aber sie sollten gerade deswegen nicht vergessen werden, weil auch sie unsere Vorstellung von Ethik geprägt haben und sogar zu der Gründung von Ethikkommissionen führten. Dieses Buch ist also entstanden, weil ich allen Menschen Glück und Liebe wünsche und weil uns die Psychologie dabei helfen kann, diesem Wunsch wenigstens etwas näher zu kommen. Bilder prägen sich häufig besser ein als Text und man lernt entspannt besser. Ich habe eine Affinität zur Psychologie, weil ich in meinem Leben in Krisen therapeutische Hilfe in Anspruch nahm und so einige Klippen umschiffen konnte, um mein Leben auf einem konstruktiven Kurs zu halten. Mein Bemühen war es, das Buch auch für Laien attraktiv zu gestalten, um zu zeigen, dass Psychologie eine Wissenschaft für die Seele ist und man sich nur Gutes tut, wenn man sich um seine Seele genauso kümmert wie um sein Herz, seine Leber oder Nieren. Vielleicht kann ich hierdurch die Psychologie noch attraktiver machen und vielleicht wird die Welt dadurch ein klein wenig besser. Letztendlich streben wir alle nach Anerkennung und Liebe, wir gehen nur manchmal seltsame Wege, um sie zu bekommen. Ich möchte Herrn Coch danken, dass er mir die Möglichkeit zu diesem Buch gab und mir Franziska Schmithüsen als Co-Autorin vermittelte, die mit ihrem Kursbuch Psychologie die studienrelevanten Themen der Psychologie zusammengefasst hat. Sie hat mich geduldig mit ihrer Sachlichkeit und Faktentreue begleitet und auch kreativ zum Gelingen des Buches beigetragen. Vielen Dank! Besonders danke ich meinem Gefährten Andreas Binder, meinem Fels in der Brandung. Christine Goerigk , Ludwigshafen 2019

VII

Alles begann 2013 mit einem spannenden Telefonat, das mich in einer kritischen Lebensphase erreichte. Ich hatte gerade mit der Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin begonnen, verdiente nebenbei mein Geld als Psychologin in einer Klinik und schrieb zusätzlich an dem Lehrbuch „Lernskript Psychologie“. Eigentlich war dieses Arbeitspensum viel zu viel und ich war gerade dabei das zu begreifen, denn ich lag krank und sehr unglücklich in meinem Bett. Da rief mich der Verlag an und fragte, ob ich nicht an einem Projekt namens „Der Psycho-Comic“ mitarbeiten wolle. Tja, ich hatte sofort Lust, aber absolut keine Zeit. In diesem Moment spürte ich deutlich, warum ich so unzufrieden war: Das Schreiben – etwas, das ich sehr gerne tat und das mir sehr am Herzen lag, kam in meinem Leben viel zu kurz. Trotz des Zeitmangels in meinem Leben sagte ich zu, was sich im Nachhinein als eine hervorragende Entscheidung herausstellte, fiel damit doch auch die Entscheidung, meine Prioritäten neu zu setzen und mein Arbeitspensum zu reduzieren. In den darauffolgenden Jahren erlebte unser Comic-Projekt viele Höhen und Tiefen, nach der ersten Euphorie folgte eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung. Es wurde klar, dass mit Christine und mir als Autorinnenpaar zwei Welten aufeinanderprallten. Christine war der kreative Kopf mit unendlich vielen sprudelnden Ideen und ich war die Lehrbuchautorin, die immer den kritischen Blick auf die schillernden Zeichnungen warf. Über die Jahre, in denen „Der Psycho-Comic“ immer wieder schöpferische Ruhepausen einlegte, konnten wir zunehmend effektiver miteinander arbeiten und Christine und ich lernten, wie wir uns zu nehmen hatten. Jetzt am Ende kann ich sagen: Es hat sich wirklich gelohnt, dass wir uns auch nach intensiven inhaltlichen Diskussionen immer wieder zusammengerauft und weitergemacht haben! Das vorliegende Werk ist eine fulminante Zusammenstellung verschiedener psychologischer Theorien, Modelle und Experimente, alles fachlich fundiert und für Laien, Fachleute, Studierende, Schülerinnen und Schüler ansprechend aufbereitet. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern außerordentlich viel Freude beim Stöbern, Lesen und Entdecken. Wer noch mehr fachliches Hintergrundwissen zu den Themen dieses Buches haben möchte, dem sei „Lernskript Psychologie“ ans Herz gelegt. Dabei handelt es sich um eine kompakte Zusammenfassung der zentralen Grundlagenfächer aus dem Psychologiestudium, die ich zusammen mit meinen Professoren geschrieben habe. Mein Dank geht an Herrn Coch vom Springer-Verlag, dessen diplomatisches Geschick mir und Christine immer wieder zugute kam und der dadurch bei den erwähnten Auseinandersetzungen immer wieder gut vermitteln konnte. Darüber hinaus danke ich meinem Mann Thomas, der mit mir eine Frau an seiner Seite hat, die sich gerne für Projekte engagiert, bei denen der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zum finanziellen Output steht. Danke, dass du auch dieses Buchprojekt begleitet und unterstützt hast! Ein Dank geht auch an meinen Vater, meine Mutter, meine Geschwister: Ihr seid die beste Familie, die ich mir wünschen kann. Franziska Schmithüsen Schortens, im Frühjahr 2019

VIII

Inhaltsverzeichnis 1. Anlage-Umwelt-Debatte. Wer ist hier schlau? ..................................................................................................... 2. Geschichte der Psychologie ....................................................................................................................................... 3. Psychoanalyse. Wer hat’s erfunden? ........................................................................................................................ 4. Sozialpsychologie I. Das Milgram-Experiment .................................................................................................... 5. Sozialpsychologie II. Die Rosenthal-Experimente .............................................................................................. 6. Sozialpsychologie III. Mehrheiten-Minderheiten-Experimente .................................................................... 7. Sozialpsychologie IV. Soziale Identität und Rollen – das „Robbers-Cave-Experiment“ ........................ 8. Sozialpsychologie V. Soziale Identität und Rollen – das „Stanford-Prison-Experiment“ ....................... 9. Sozialpsychologie VI. Unsere Einstellungen und Urteile sind anfällig ........................................................ 10. Allgemeine Psychologie I. Konditionierung ......................................................................................................... 11. Allgemeine Psychologie II. Lernen ........................................................................................................................... 12. Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis ................................................................................................................. 13. Allgemeine Psychologie IV. Emotionen ................................................................................................................. 14. Allgemeine Psychologie V. Wieso wir uns verhören und versprechen ....................................................... 15. Entwicklungspsychologie I. Kognitive Entwicklung nach Piaget ................................................................. 16. Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten von Kindern ..................................................................... 17. Persönlichkeitspsychologie I. Warum sind Menschen so kompliziert? ...................................................... 18. Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz und Kreativität .............................................................................. 19. Angewandte Psychologie. Psychotherapie .......................................................................................................... Literaturverzeichnis ..............................................................................................................................................................

1 13 37 47 57 63 69 77 87 93 101 107 115 123 129 135 143 157 173 182

Anlage-Umwelt-Debatte

Der Psycho-Comic Anlage-Umwelt-Debatte

Wer ist hier schlau ?

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_1

1

1

Kapitel 1

Kapitel 1 - Anlage-Umwelt-Debatte

EP

Papa, warum ist Paulchen so schlau?

PI

2

UH

M





Darüber haben sich die Menschen zu allen Zeiten den Kopf zerbrochen.

Über Paulchen?

Nein, über das Schlausein !

Der Psycho-Comic Anlage-Umwelt-Debatte

Um 400 v.Christus dachte Platon, dass bereits angeboren ist, wie sich ein Mensch entwickelt, das heißt, dass Fähigkeiten wie z.B. Rechnen vererbt werden.

3

1

4

Kapitel 1 - Anlage-Umwelt-Debatte

Platons Schüler Aristoteles widersprach ihm und war der Meinung, dass Menschen vor allem durch Erziehung und Gewöhnung geprägt werden. Klugheit und Intelligenz entstehen nach Aristoteles durch Erfahrung und Wahrnehmung.

Der Psycho-Comic Anlage-Umwelt-Debatte

5

Im 17. Jh. glaubte Descartes, dass die Klugheit des Menschen in seiner Fähigkeit zu zweifeln besteht. Und das allererste, was er anzweifelte, war die sinnliche Wahrnehmung, die für seinen Geschmack viel zu anfällig für unsere Wünsche und Erwartungen ist. Descartes griff deshalb die Idee von Platon wieder auf, dass der Mensch und damit auch seine Intelligenz dadurch bestimmt ist, was ihm angeboren ist.

1

6

Kapitel 1 - Anlage-Umwelt-Debatte

Boah! Is der Spac schwul oder was?ko

Vielleicht vermag ich ihm ein Lächeln zu entlocken!?

Etwas später meinte Locke schließlich, der Mensch komme als leere Tafel zur Welt, auf die das Leben seine Erfahrungen schreibt. Er glaubte wie Aristoteles, dass nur die Wahrnehmung den Menschen präge.

Der Psycho-Comic Anlage-Umwelt-Debatte

7

Aber ihr seid vielleicht so schlau, weil ihr keinen Mangel habt, gefördert werdet und genügend Schlaf bekommt!...

...vielleicht seid ihr auch einfach so schlau, weil euer Papa so schlau ist.

1

8

Kapitel 1 - Anlage-Umwelt-Debatte

Ich hab die Kinder ins Bett gebracht...

...und mit einer netten Gute-Nacht-Geschichte.

Die Wolfskinder habe ich lieber weggelassen.

Das waren doch die Kinder, die sehr einsam oder bei Tieren aufgewachsen sind...!

Der Psycho-Comic Anlage-Umwelt-Debatte

9

Ja genau! Diese Kinder waren sehr stark in ihrer Entwicklung beeinträchtigt – sie konnten z.B. kaum sprechen. Das Problem bei diesen „wilden“ Kindern ist aber, dass man im Nachhinein oft nicht weiß, ob die Berichte tatsächlich stimmen oder ob die Kinder eine Erbkrankheit oder einen Gendefekt hatten.

1

10

Kapitel 1 - Anlage-Umwelt-Debatte

Man kann also den Einfluss von Anlage- und Umweltfaktoren nicht unterscheiden. . Die gesamten Beobachtungen zogen sich ja über Jahrhunderte hin, da floss bestimmt auch viel Erzählung ein. Es gibt außerdem nur sehr wenige aufgezeichnete Fälle, also, also waren die Untersuchungen nicht aussagekräftig...

…aber auch bei der Zwillingsforschung in der 2. Hälfte des 20. Jh. kam man in der Anlage-Umwelt-Frage nicht wirklich weiter...

Der Psycho-Comic Anlage-Umwelt-Debatte

Psychologen untersuchten z.B. bei Zwillingen, die nach der Geburt getrennt wurden und in unterschiedlichen Umwelten aufwuchsen, ob sie sich in ihrer Intelligenz unterschieden. Man untersuchte auch, ob Zwillinge, die gemeinsam aufwuchsen, immer gleich intelligent waren..

Hanni und Nanni.......

11

1

12

Kapitel 1 - Anlage-Umwelt-Debatte

Das versuchte man in einer Zahl zusammenzufassen, einer Erblichkeitsschätzung. Dabei kam heraus, dass 40-60% der Intelligenz der Bevölkerung durch die Gene bestimmt werden. Das Problem bei dieser Erblichkeitsschätzung ist aber, dass die Zahlen nicht für den Einzelnen gelten, das heißt, bei dem Einzelnen kann die Anlage oder auch die Umwelt ausschlaggebender sein.

Im 20 Jh. schließlich haben die Forscher die Frage, ob nun Anlage oder Umwelt wichtiger für die Intelligenz ist, fallengelassen. Alle Methoden hatten ihre Schwachpunkte und es gab keine eindeutigen Befunde.

Letztlich ist also beides von Bedeutung.

Geschichte der Psychologie

Kapitel 2

Auf die Dauer der Zeit nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an.

(Marcus Aurelius)

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_2

14

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Warum schon in der Urzeit Trepanation angewandt wurde, bleibt unserer Phantasie überlassen

Hey, Jungs ! Guckt mal ! Alle Haare weg ! Aus den Haaren kann man tolle Pinsel machen !...

Schnappt ihn! Er hat Flausen im Kopf !

...Wir könnten unsere Höhle hübsch ausmalen!...

Schädelbohrer !

...wäre aber gemütlicher !

Holt den Schädelbohrer !

...und dabei verhungern und erfrieren ! Schädelbohrer !

Unser Essen hat uns gleich eingeholt !

Archäologische Funde zeigen sogar Schädel mit mehreren sauber ausgeschabten und gut verheilten Löchern, was auf eine hohe Überlebensrate hinweist. Ob die Seele im Schädel vermutet wurde, ist unbekannt.

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

15

Auch im Altertum war die Trepanation ein probates Mittel. Im alten Ägypten z. B. war der Schädelöffner ein gelehrter Mann und die Löcher im Schädel wurden bereits mit Silbermünzen verschlossen, da Silber antiseptisch wirkt. Den Sitz der Seele vermuteten die Ägypter allerdings im Herzen, das nach dem Tod vom Gott Osiris aufgewogen wurde. Überhaupt ging es bei den Ägyptern für die Seele erst nach dem Tod so richtig los. Zu Lebzeiten hatte man dafür zu sorgen, dass die Seele im Jenseits gut leben konnte. Allerdings war es auch ein Politikum, denn man konnte sich unliebsamer Personen entledigen ...

Mein Kopf tut weh und mir ist schlecht und schwindlig ist mir auch noch !

Du solltest fliehen. Die Priester haben schon den Schädelöffner bestellt ! Vielleicht will dein Gott Aton, dass du woanders neu anfängst, hier versteht dich doch keiner.

Was soll ich woanders? Ich kann doch nur Pharao.

Nein! Der große Gott Amun ist erzürnt über seinen Gott Aton und rächt sich an diesem verrückten Abtrünnigen. Ich bin der oberste Amunpriester ! Dein Geschwätz ist wie Fliegengesumm in meinen Ohren. Bis heute Abend ist der Irre weg, mit deiner Hilfe. Amun wird sich großzügig zeigen!

Mehr Mohnsaft ! mehr, mehr...mehr, mehr

*Papyrus Ebers, altägyptisches Medizin-Kompendium

Lies den Papyrus Ebers*! Er hat nur einen Sonnenstich, weil er stundenlang in der Sonne betet. ...und ich bin der Leibarzt des Pharao ! ....................... ähm .....wie großzügig?

hmm...1000 Goldstücke, wenn er überlebt... 3000 Goldstücke vom Priester, wenn er stirbt...

...man musste nur jemanden finden, dem das Diesseits wichtiger war als das Reich der Toten.

2

16

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

In der Antike galt „verrückt sein“ als Gabe der Götter, solange es der Gemeinschaft diente. Da viele Erkrankungen als durch Götter verursacht angenommen wurden, gab es Tipps zur Heilung natürlich durch Auserwählte, die den Göttern nahestanden. Die Seele wohnte in der Brust, gleich beim Zwerchfell, und war eher so eine Art Luftzug, der den Körper bei Ohnmacht oder Tod verließ.

Blöde Frage! Du bist Ödipus !...

...und du wirst deinen Vater töten und deine Mutter heiraten !

...sagen die Stimmen in meinem Kopf. Name bitte hier eintragen

Wer bin ich? Verrückte Alte! Dafür bin ich so weit gelaufen! Ich versteh das nicht. Das ist mir zu komplex. Nach Hause geh ich nicht mehr. Ich wandere aus !

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

Während das Volk die Götter als universelle Ursache sah, überlegten bereits kluge Köpfe, ob es nicht einen Zusammenhang zwischen Körper und Seele gibt und was wohl den stärkeren Einfluss hat.

Der Mensch besteht aus mehreren Schichten?

17

EINE BOTSCHAFT DER GÖTTER!

Das ist doch nur eine Ohnmacht!

Vernunft Begehren

Wille ...ob Vernunft oder Begehren den Willen bestimmen, liegt an der Erziehung und kann durch Disziplin und Züchtigung gelenkt werden.

Ich schreib das mal für meine Schüler auf. Der philosophische Vielleicht haben kommende Plato versuchte alle Generationen auch Aspekte zu erfassen. „freud“ daran.

Für den sportlichen Aristoteles war alles trainierbar...

...und Hippokrates hätte einen Eid geschworen, dass alles an der Mischung der Gallensäfte lag.

Heureka ! Als der Becher war zu voll, der Saft drin einfach überquoll.

2

18

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Daraus entstanden die Elementenlehre und die Lehre der Temperamente sowie das Schichtmodel der Seele. Vieles fließt bis heute in die Medizin und Psychologie ein. Allen gemeinsam war die Erkenntnis:

Der Mensch ist ein Individuum!

Feuer

Choleriker

gelbe Galle Hitzkopf

Erde

Melancholike

r

lle ze Ga r a w Trauerk sch

loß

tiker

legma r Ph e s s a W

Schleim Träum er

Luft

Sangu

Blut

iniker

Luftikus

Ich, Hippokrates, habe erkannt wie es sich mit den unterschiedlichen Gemütern verhält ! Jeder Mensch wird beeinflusst durch die 4 Elemente und die 4 Säfte. Daraus ergeben sich 4 Temperamente und 4 Erscheinungsformen. Aber: Wenn Schlaf und Wachen, kalt und heiß, süß und salzig ihr Maß überschreiten, sind sie böse. Ich habe nun herausgefunden, dass man die Säfte durch Diät und Lebensweise verändern kann.

Bist du traurig, fühlst du Schmerz, klopft ganz laut in dir dein Herz, bist du sauer, füllig oder blass, hilft dir stets ein Aderlass.

Die Behandlungsmethoden waren zugegebenermaßen noch nicht sehr individuell, aber es war ein Anfang ...

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

19

Für die diätresistenten Fälle, oder diejenigen, die kein Blut sehen konnten, entwickelte man den Exorzismus. Der Glaube an Geister war wie geschaffen dafür, ein volksnahes Modell einer seelischen Struktur zu entwickeln. Es gab gute Geister, böse Geister, heilige Geister und Menschen, die von irgendeiner Art Geist besessen oder beseelt waren

Ich bin viele, und ich heiße

Legion !

Aha! Na dann... da sind viele Schweine!

Ab, rein mit euch !

H , IC I ! H O RE F BIN

...und die blöden Schweine brauch ich auch nicht mehr hüten !

Oohhh, meine Schweine !!!

Gut! Und nun wasch dich, zieh dich ordentlich an, schneid dir die Haare und such dir Arbeit !

2

20

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Im frühen Mittelalter wurde die Seele dann zum Eintrittspreis für Himmel, Hölle und Fegefeuer. Das Leben wurde zur Bedrohung durch die Vermischung von Religion und Aberglaube. Die Seele war ein abstraktes Handelsmittel für „das Gute“ und genauso für „das Böse“. Die guten und bösen Geister waren personifiziert und hatten Namen wie Luzifer, Satan, heiliger Geist, der Erlöser, Hexe, Schwarzmagier oder einfach nur den deines Nachbarn. Wer die Seelen beherrschte, hatte die Macht und wer Man hätte ihr konnte das besser als die Kirche. Die Ich glaube ihr. mehr Bilsenkraut entschied, welche Seele gut oder böse war. Die Alte ist böse.

Schwöre Satan ab, damit er entweicht und du in das Reich Gottes einkehrst !

geben können, damit sie nicht so leidet.

Aber sie zahlt den Bau der Kirche und damit ist sie im Recht !

Ich bin unschuldig ! Er ist der Satan ! Er hat mich geholt und Unzucht von mir verlangt, weil seine Frau alle Kinder verliert ! Die hat mich doch nur verraten, weil ich auch kein Kind Ich wollte doch bekam ! nur etwas Essen und meine Arbeit als Magd behalten !

Nein ! Diese Hexe hat meinen Mann verhext und zur Wollust verführt und meinen Leib verdorrt ! Oh, welch ketzerische Worte ! Als Ersatz werde ich mir die kleine Elfriede holen. Die Eltern sind arm und haben 6 Bälger,und kaum zu essen. Die geben die mir die Kleine gern.

HEXE !

Sie predigt Wollust ! In die Hölle mit ihr ! Beim Barte des Propheten ! Dieses Volk ist verrückt !

Während Europa im Chaos verweilte, gab es Kulturen, in denen der seelische Zustand eines Menschen schon als beeinflussender Faktor seines Lebens und seiner Gesundheit erkannt war.

So wahr ich Ibn Sina heiße... in diesem Land wird selbst der Forscher verrückt ! Ich kehre heim nach Persien, bevor ich hier krank werde oder die mich noch für ihren Teufel halten !

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

21

Im Hochmittelalter rauchte dem Klerus der Kopf. Aristoteles‘ Lehre kam wieder in Mode und die Seele geriet in den Verdacht, etwas Eigenständiges, Unsterbliches zu sein, das mit dem Wissen korrespondiert.

3 Einheit? Körper, Geist und Seele? Wie die Dreifaltigkeit?

Ist die Seele eine Substanz? Woraus besteht sie? Mit welchen Fähigkeiten ist sie ausgestattet? Ist die Seele eine Einheit? ...und ist der Mensch als vornehmstes, komplexes Wesen besonders störanfällig oder scheint es nur so und er ist besonders anpassungsfähig? Und gilt das auch für Frauen oder nur für Menschen? Während Weise wie Thomas von Aquin, in abgeschlossenen Bibliotheken darum rangen, alte griechische Weisheit mit der Bibel in Einklang zu bringen, hatte das Volk längst erkannt, dass es einzig und allein ums nackte Überleben ging. Die Seele hatte ihren Ausdruck in Krankheiten gefunden, für deren Diagnose und Heilung die Geistlichen zuständig waren.

Es geht um den Erhalt unseres Adels, oder willst du als einfacher Bürger oder Bauer enden? Du bist doch zu nichts zu gebrauchen. Du bist schwermütig und melancholisch!

Du wirst durch deine Cousine in den Hochadel einheiraten und wir brauchen die Mitgift. Du bist immer nur traurig und freudlos. Sei froh, dass wir dich trotz deiner Dämonen verkuppelt haben.

Oh, warum darf ich nicht ins Kloster? Ich will diesen Cousin nicht ! Ich will eine Jungfrau bleiben !

Das ist ein Veitstanz ! Sie ist eindeutig besessen !

10 Goldstücke ! Das lohnt sich ! Ich werde meine andere Tochter dem Bruder ins Bett legen. Dann geht die auch ins Kloster, ich bekomme noch mal Gold und ich hab noch einen Esser weniger !

Es wurde zwar nicht mehr so viel „verbrannt“, aber das primäre Interesse lag nach wie vor am materiellen NEEEEIIIIINNNNN ! Oh, du mein Geliebter ! Wohlergehen. Von „Luft, Liebe und Sie dürfen uns nicht trennen ! einer glücklichen Seele“ konnte man Wenn du das zulässt, wirst du in der Hölle schmoren ! nun mal nicht leben und deswegen Ich will nicht hinter Klostermauern verrotten !!! standen sie nicht hoch im Kurs.

Bringen wir sie zum Pater, der wird erkennen, was sie hat ! Ich fürchte Atemnot der Gebärmutter. Der Teufel schnürt sie ab.

2

22

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Es gab im Spätmittelalter einen Fall, bei dem das Abweichen von der Norm durchaus nützlich erschien. Ein junges Mädchen aus Orléans hörte die Stimme ihrer Lieblingsheiligen...

Johanna ! Du musst den Dauphin auf den Thron führen !!! Seid ihr es heilige Katharina Erzengel Michael und die heilige Margareta?

Johanna ! Geh und rette Frankreich vor den Engländern !

Wir helfen dir ! Gehe zu Karl VII !

Ich bin nur eineBauerstochter ! Wie soll ich das bewerkstelligen?

Die Kleine ist nicht ganz bei Trost, aber sie könnte nützlich sein. Eine Jungfrau, von Engeln und Heiligen geschickt wird die Überzeugung und Kampfesmoral der Truppen stärken.

Die Engländer sind besiegt ! Hurra, es lebe König Karl der siebente !

Die Stimmen sagen, ich soll euch auf den Thron führen ! Ich ziehe mit euch in die Schlacht und vertreibe die Engländer ! Ich kämpfe für euch und für Frankreich !!!

Jetzt PARIS erobern !!!

Wie ihr wünscht, meine Heiligen

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

23

...die Stimmen können noch so heilig sein, wenn sie das Falsche raten, ist der verloren, der sie hört. So wird eine unschuldige Seele zum Politikum und zwischen den Machtintrigen zermahlen. Es scheint, als gäbe es zu der Zeit kein Interesse an der Seele. Es ging hauptsächlich darum, geschickt zu taktieren und schlauer als der andere zu sein.

Deine Ratschläge zur Befreiung Paris waren falsch und ketzerisch. Jetzt haben die Engländer einen Triumph.

Aber ihr habt Orléan von den Engländern befreit und wurdet im Reims zum König gekrönt! Genau wie die Stimmen es vorausgesagt haben ! Was bei Paris geschah, ist vielleicht Gottes Plan, den wir nicht durchschauen.

Egal, was du sagst - ich überlasse dich den Engländern, die werden glauben mich zu schwächen, wenn Sie dich gefangen nehmen. Dem ist aber nicht so, denn ich entledige mich deiner Dienste. Gottes Plan hat versagt, nun muss ich meinem Plan folgen. Du bist jetzt auf dich allein gestellt. ...obwohl Jeanne sehr geschickt argumentierte und ihr keine Ketzerei oder Hexerei nachzuweisen war, wurde sie 1431 verbrannt... Jeanne d‘Arc ! Ich, Kardinal Beaufort, frage euch: Seid ihr gewiss, im Stande der Gnade zu sein?

Bin ich es nicht, möge Gott mich dahin führen. Bin ich es,möge mich Gott darin erhalten.

Es gab für jeden Fall ein passendes Vergehen...

Egal, wie du dich windest, das Tribunal verurteilt dich zum Tod auf dem Scheiterhaufen wegen Häresie, Dämonenanbetung, Tragen von Männerkleidung, sich Zeigen ohne Kopfbedeckung und noch einer Fülle anderer Vergehen, die nicht einzeln genannt werden müssen. ...dadurch blieb allerdings ein Makel auf Karl VII und die offene Frage, woher Jeannes Stimmen kamen Es sieht nach 24 Jahren immer noch so aus, als hätte mir eine irrsinnige Ketzerin und Hexe zum Thron verholfen. Dagegen muss ich etwas tun! Schickt einen Boten zum Papst in Avignon! Ich werde Jean D‘Arc zu einer Märtyrerin machen, der Prozess zu ihrer Rehabilitation soll in ihrem geliebten Paris, in der Kathedrale von Notre-Dame, in aller Öffentlichkeit abgehalten werden.

1455

Jeanne d'Arc ist ein Beispiel dafür, wie sensibel die Grenzen zwischen „Normalität“ und „Wahnsinn“ sind und wie flexibel in der Auslegung. Bis heute versuchen Psychologen und Neurowissenschaftler eine Diagnose zu finden. Ein tuberkulöser Gehirnabszess? Ein Neuroblastom? Schizophrenie? Eine Persönlichkeitsstörung mit religiösen Halluzinationen? War sie einfach „normal“, religös und lebte für ihre Überzeugungen? War Karl VII einfach ein pubertäres Idol und sie sein Groupie? Hatte sie ein übersteigertes Geltungsbedürfnis? War sie die erste Feministin? ... und was wäre heute mit ihr geschehen?

Jeanne d’Arc wurde am 18. April 1909 von Pius X seliggesprochen, Benedikt XV sprach sie 1920 heilig. Sie ist heute noch Schutzpatronin von Frankreich, Rouen und Orléans, sowie für die Telegrafie und den Rundfunk.

2

24

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Die frühe Neuzeit brachte zunächst nichts Neues, außer den 30-jährigen Krieg, der aber nach einigen Jahren wahrscheinlich auch nichts Neues mehr war. Allerdings fiel dieser Krieg in eine kleine Eiszeit, die Hungersnöte und soziale Missstände im Gepäck hatte. Für die Herrschenden galt es, ein hungerndes Volk im Zaum zu halten und weiterhin auszuquetschen. Zu der Zeit war alles interessant, was das Fleisch am Leben hielt, aber scheinbar interessierte sich niemand für so etwas Unsichtbares wie die Seele oder Psyche.

r Fü

ein

Ich will die da, die Meine Töchter, der Herr, schon Haare hat ! ganz frisch und sie ! haben keine Läuse ! t o Br

Halt‘s Maul, deine Mutter braucht das Brot. Willst du schuld sein wenn ihr verhungert ?!

Neeiiin ! Hilfe der ist ekelig. Der ist krank !

Was ist das für ein Geschrei? Und warum sieht sie gesund aus? Ihr kommt beide mit ! Soll der Schulze entscheiden !

Die hat mich krank gemacht, seht, wie ich aussehe ! Sie steht unter dem Schutz Satans ! Sperrt beide in das Zuchthaus !

Nein ! Nein, nein ! Neeeiiin !

...und ob der Satan im Spiel ist, werden wir schon erfahren ! Löst ihr die Zunge !

Leider hat sie gerade den Mund voll, hehehe. Aber wäre doch schade, wenn ich nicht alles versuchen könnte.

Hmpf hng nmf

Wenn das nicht hilft, haben wir noch die Vaginabirne, den Bock und die eiserne Jungfrau. Die Wissenschaft der Wahrheitsfindung hat viele Möglichkeiten.

Der Mann hat die Lustseuche, das sieht doch ein Blinder. Die hat er nicht von dem Kind, aber wenn ich das sage, verliere ich Amt und Würden.

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

25

...der „Wahrheit“ galt das oberste Interesse, sie entwickelte sich zu einer Branche, einer lukrativen Geschäftsidee, die sich auch noch selbst finanzierte. Der wirtschaftliche Aspekt war neu und es entstand eine Logistik und eine Organisation der Wahrheitsfindung durch Protokollführung. Kriminelle, physisch Kranke und psychisch Kranke waren allerdings gleichgestellt und am Ende wahrscheinlich wirklich nicht mehr zu unterscheiden. Das Weib scheint nach wie vor gesund zu sein. Das kann daran liegen, dass sie von Satan geschützt wird. Da sie aber nach Essen verlangt und Hunger hat, was untypisch für Besessene ist, glaube ich, dass Satan sie verlassen hat oder sie war nie mit ihm im Bunde. Der Mann ist mit Syphilis infiziert. Ein Arzt hat die Lustseuche bestätigt.

Zu welchen Ergebnis ist er gekommen?

Bringt sie ins Zuchthaus, gebt ihr Wasser und Brot. Die Kosten zahlen die Anverwandten, in diesem Fall die Mutter.

Damit hat die Folter erst einmal ein Ende.

Abschlag für die Insassen auf den Teller, Speis und Trank dort zum Vorkoster ! Was ! Mehr als ein Brot habt ihr nicht?

Ach, ein Brot kann ich zu dem fetten Huhn brauchen !

Nein, das ist für deine Schwester, das sie hier sein darf Mutter, gib mir bitte Brot ! Ich hab Hunger !

Ein Irrenhaus war damals ein beliebtes Ausflugsziel ! Zurück ! Kommt den Irren nicht zu nahe ! Hier kann man getrost Abscheulich ! die Anatomie studieren ! ich kann gar nicht weggucken !

Otto?

Mutter, warum sieht die Schwester nicht einmal her?

Deine Schwester hat keine Seele mehr, die haben sie zu sehr gefoltert ! Nie wieder soll der Pfaffe mir von ...und sieh nur ! Gott reden oder von Da ist der böse Barmherzigkeit ! ekelige Mann !

Wo bin ich? Und warum bin ich kein Mann mehr? Alles ist abgefault ! Wie komme ich hier her?

2

26

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Absolutismus, Aufklärung und Französische Revolution rückten das menschliche Befinden wieder in den Fokus. Die Forderung nach Menschlichkeit beinhaltete auch menschliche Behandlung Philippe Pinel setzte als erster auf freiwillige ärztliche Behandlung. Zwangsbehandlungen lehnte er ab. Er berichtete als Erster von Heilerfolgen.

Diese Zustände müssen ein Ende haben! Die Kranken brauchen Pflege und keine Folter !

Der Mann stinkt und sitzt im eigenen Kot ! Der muss gewaschen werden. Hört nur, wie er vor Freude schreit, ha ha ha !

Aua ahhh !

Nehmt ihr auch die Ketten ab ! Die sind alle wegen Manie hier ! Das ist keine fundierte Diagnose und kein Verbrechen und es ist nicht moralisch, sie einzusperren

Lasst diese Menschen frei ! Wir werden alle untersuchen und rein körperliche von geistigen Leiden unterscheiden.

Ach übrigens...Meister Pinel ! In ihrem Empfangszimmer wartet ein Fabrikant von Zwangsjacken auf sie.

Wo soll ich mich jetzt vor dem Revolutionstribunal verstecken?

Als leitender Arzt am Hôpital Salpêtrière beendete Pinel das wahllose Wegsperren und trennte Kriminelle von physisch Kranken und psychisch Kranken. Er erschuf somit die erste Klinik für psychisch Kranke, die allerdings damals immer noch Irrenhaus hieß.

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

27

Auf der Basis der „moralischen Behandlung“ entwickelten sich neue Ansätze für die Behandlung psychisch Kranker. Emil Kraeplin zum Beispiel vertrat die somatogene Sichtweise: gestörtes Verhalten hat körperliche Ursachen. Er behandelte die Patienten erstmals auch mit Medikamenten.

Opium oder Morphium?

Dieser Mann hat Syphilis im Endstadium ! Wie sie sehen, hat sich sein Geisteszustand mit dem Fortschreiten der Krankheit proportional verschlechtert. Das ist ein logischer Hinweis darauf, dass die körperliche Erkrankung die Ursache für den Verfall des Geistes und der Psyche ist.

Zur Frage nach dem Ursprung von Störungen im Verhalten und vor allem der damals viele Symptome abdeckenden Hysterie gab es verschiedene Ansätze, die alle voneinander getrennt erforscht und beobachtet wurden.

2

28

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Die Industrialisierung brachte die Nutzung neuer Energien und Kräfte, die auch in der Heilkunde auf Interesse stießen. Anton Mesmer experimentierte mit Hypnose und experimentierte mit Magnetismus, um die psychogene Sichtweise zu bestätigen. Hypnose kann Lähmungen erzeugen und kurze Zeit später wieder lösen. Daraus folgerte er: Einfluss auf die Psyche verursacht Änderungen des Körpers.

Es geht auch ohne Magneten, man benötigt nur genug eigenen animalischen Magnetismus.

Er machte die Psychologie “salonfähig“. Seine Bemühungen, eine naturwissenschaftliche Erklärung für die von ihm angewendeten Kräfte zu finden, machte ihn zu einem Wegbereiter der Parapsychologie.

Dieser Mesmerismus hilft wohl gegen alles?

Noch heute gibt es Anhänger des Magnetismus und es gibt noch immer magnetisierte Betten, Ketten, Schuheinlagen u. a. zu kaufen.

Ich habe meine Schuhspangen magnetisieren lassen. Das lindert die Gicht und erheitert mein Gemüt.

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

29

Obwohl Jean-Martin Charcot als Neurologe zu Ruhm kam, weil er die Neurologie wie kein anderer beeinflusste und für ihn 1882 der weltweit erste Lehrstuhl für Krankheiten des Nervensystems am Hôpital de la Salpêtrière in Paris eingerichtet wurde, hatte er in seinen späteren Jahren vorwiegend Interesse an psychopathologischen Studien über der Hysterie, die er als „eigene“ Krankheit klassifizierte. Seine Ergebnisse wurden später korrigiert, hatten aber großen Einfluss auf die Entwicklung der Psychiatrie und auf die Psychoanalyse seines Schülers Sigmund Freud. Charcot glaubte zunächst, die Bereitschaft zur Hypnose sei ein Symptom der Hysterie, gestand später aber ein, dass hysterische Personen einfach besonders anfällig für Suggestion sind. Durch die Hypnose ist es möglich, Patientinnen ohne Berührung in einen entspannten Zustand zu versetzen. Eine Genitalmassage oder Ovarienpresse wird damit unnötig.

Herr Babinski assistiert mir. Er hat gute Reflexe.

Vielleicht wäre eine Couch gut, dann braucht er sie nicht die ganze Zeit zu halten.

Tatsächlich erleichterte Charcot die therapeutische Arbeit, denn Ovarialpressen und Genitalmassagen auszuführen war bestimmt nicht immer angenehm, und es klingt heute eher nach Verzweiflung als einem angemessen Entspannungsmittel.

2

30

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Sigmund Freud studierte 1885 an der Salpêtrière bei Charcot. Seine Erfindung, die Psychoanalyse, entstand durch das Studium der Hypnose, die sein Interesse an den psychischen Ursachen der Neurosen weckte. Er sagte mir, dass er bei meinem Vater um meine Hand anhalten will.

In der Nacht darauf träumte ich, jemand stieße mich von einem Berg und...

ja?

hmhm

aha

Und wie sah die Felsspalte aus?

...ich fiel in eine Felsspalte. Dann bekam ich keine Luft mehr und erwachte.

Freud ist Begründer der Psychoanalyse, die die erste echte psychische Behandlungsmethode für psychische Störungen ist. Viele heutige Psychotherapieformen haben ihren Ursprung in den Ideen Freuds.

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

2

31

Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Psychologie sich bereits zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt. Seit Wilhelm Wundt 1879 den ersten Lehrstuhl in Leipzig bekam, hatten sich auch die Bemühungen um anwendbare Therapien verstärkt. Konditionierung und Konfrontation fanden Anklang bei denen, die die Aufarbeitung durch die Psychoanalyse für zu undurchsichtig und wenig praxisbezogen hielten. Konzepte für die stationäre Behandlung benötigten nachweisbare Erfolge und gültige Standards. Zur Konditionierung gab es Ergebnisse aus Tierversuchen. Dr. John B. Watson versuchte den Nachweis beim Menschen und gilt als Begründer des Behaviorismus.

Das „Little-Albert-Experiment“

? Der 9 Monate alte „Albert“ war letztlich nicht repräsentativ, weil er vermutlich neurologisch nicht gesund war. Es war damals üblich, für Experimente Personen aus Kranken- und Pflegeheimen zu wählen. Albert soll nur 6 Jahre alt geworden sein. Dieses Experiment war jedoch der Ursprung der Verhaltenstherapie. Dr. Watson gab seine Forschungen auf und arbeitete erfolgreich in der Werbung.

Das „Peter-Experiment“

Zum Nachweis, dass eine umgekehrte Konditionierung möglich ist, konfrontierte Mary Cover-Jones den dreijährigen Peter, der eine Phobie gegen Pelztiere hatte, mit Kaninchen und versuchte, seine Gefühle während der Konfrontation durch sein Lieblingsessen zu beeinflussen. Weiterhin erstellten Dr. Watson und Mary Cover-Jones die erste Entwicklungsübersicht von Babies und Kleinkindern.

32

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Die Zeit des Nationalsozialismus war für die Psychiatrie und Psychologie in Deutschland ein dunkler Abschnitt. Man schätzt, dass wenigstens 250.000 psychisch Kranke und geistig behinderte Menschen Opfer des Euthanasieprogrammes wurden. Viele Psychiater wurden gebraucht, um 360.000 Menschen als psychisch krank oder geistig behindert zu diagnostizieren, um sie einer Zwangssterilisation zu unterziehen. Jüdische und politisch nicht konforme Psychiater und Psychologen wurden verfolgt. Viele flohen aus Deutschland nach USA, Kanada und Großbritannien.

Zum Erhalt des reinen arischen Volkes gibt es als Lösung nur die Euthanasie. Dieses Programm sieht die Zwangssterilisation dieser Subjekte vor, damit das arische Erbgut nicht durch Fortpflanzung mit diesen verdorben werden kann. Alle Irren, perversen Homosexuellen und Verkrüppelten und Subjekten mit schwerem Alkoholismus unterliegen dem Euthanasieprogramm. Wenn das nicht durchgeführt werden kann, weil die Subjekte nicht zur Arbeit herangezogen werden können und so keinen Nutzen für die Rettung Deutschlands haben, unterliegen sie der Endlösung und sollen sofort eliminiert

Das ist das Ergebnis, wenn der Wahnsinn Gesetze macht ... Sind Sie auch so froh, dass Sie umblättern können?

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

33

Nach dem 2. Weltkrieg erholte sich die Situation und es entwickelten sich schnell neue Ansätze und Therapien. Nicht alle waren sofort uneingeschränkt brauchbar und manches war umstritten, wie die Elektroschocktherapie, die auf Grund ihrer Wirksamkeit bei schweren, besonders therapieresistenten Erkrankungen über Jahrzehnte erforscht und zur Elektrokonvulsionstherapie (EKT) modifiziert wurde. Im Laufe von Jahrzehnten wurden ständige technische Verbesserungen, qualitätssichernde Maßnahmen, strenge Sicherheitsbestimmungen und juristische Richtlinien eingeführt...

Das sind die Knochen, wenn sie brechen. Aber als multiple Persönlichkeit hat er ja viele davon HA, HA, HA ! Ähm..., Herr Professor, was knackt da so?

K

ACK

KN

NACK

...natürlich suchte man auch andere Wege und einer führte zur medikamentösen Behandlung mit Psychopharmaka. Es war ein sanfter Weg über das zentrale Nervensystem, das Fühlen, Denken und die Merkfähigkeit zu beeinflussen. Der Vorteil war, dass häufig ein stationärer Aufenthalt unnötig wurde und die soziale Reintegration in einen selbstbestimmten Alltag und in die Gesellschaft ohne Unterbrechung möglich war.

...und mit den Tabletten geht‘s besser? Sind die Kaninchen weg?

Ganz prima ! Alle Kaninchen weg, nur Sie sehen ein bisschen aus wie ein Koala

Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit in der deutschen Bevölkerung (18-64 Jahre) 2012: Männer und Frauen gesamt: Missbrauch 4,61 Mio. , Abhängigkeit 2,31 Mio.

2

34

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Einen Aspekt der Verhaltenstherapie stellen Tokensysteme da. Sie beruhen auf dem Prinzip der intermittierenden Verstärkung. Sie zielen darauf ab, durch eine positive Verstärkung eine Verhaltensänderung bei psychisch Erkrankten zu erreichen.

Weil sie pünktlich waren, sich gewaschen und gekämmt haben, und Nappi eine halbe Stunde nicht erwähnt haben, bekommen sie von mir heute einen Token !

Kann ich 2 Token haben? Ich muss die immer mit ihm teilen !

Aaron Temkin Beck gilt als Vater der kognitiven Verhaltenstherapie. Etwa gleichzeitig mit Albert Ellis veränderte er die klassische Verhaltenstherapie und ergänzte sie um kognitive Konzepte, die er vor allem auf die Psychotherapie der Depression anwandte. Diese „Denkfehler“ erklärte er mit der kognitiven Triade. Therapeutisch wird versucht, das Denken zu korrigieren.

Negative Sicht von...

ICH ENDE ALS BETTLER

ICH WERDE IMMER GENUG ZUM LEBEN HABEN

A Re m E ve nt nd rh e e un be we ge ko rd rn mm e un e ich d e n u ke rf nd ine rie re n

Ic un h b an d k in fa an bed ss n e e, nic ut ge ht un ht s. gs sc W los hie as f ich ICH BIN EIN VERSAGER

...der Zukunft

WAS ICH TUE, MACHE ICH GUT

ICH HABE KEINE CHANCE

...sich selbst

ICH BIN LIEBENSWERT

D es ie W Ab zä el sc hle t is hlü n t ss nur kal eu G tu nd eld nd Ka , rr ier e

...der Welt

Der Psycho-Comic Geschichte der Psychologie

35

Carl Ransom Rogers entwickelte die klientenzentrierte Gesprächstherapie und baute damit die Humanistische Psychologie aus. Der von Rogers entwickelte klientenzentrierte Ansatz ist heute ein Bestandteil jeder Gesprächsführung in Therapiegesprächen. Die klientenzentrierte Psychotherapie geht davon aus, dass der Mensch eine angeborene „Vervollkommnungstendenz“ besitzt, die eine Weiterentwicklung und Reifung der Persönlichkeit anstrebt. Eine Person trägt alles zu ihrer Heilung Notwendige in sich. Sie ist selbst in der Lage, die persönliche Situation zu analysieren und Lösungen für die Probleme zu erarbeiten. Jetzt hab ich mein Problem gelöst ! Meine Tasche war bei der letzten Sitzung einfach zu klein, da musste ich Hälfte liegenlassen. aha mhm hmm aha

Eine weitere Methode der Gesprächstherapie ist die Systemische Therapie oder auch Systemische Familientherapie. Sie ist eine psychotherapeutische Fachrichtung, die systemische Zusammenhänge und interpersonelle Beziehungen in einer Gruppe als Grundlage für die Diagnose und Therapie von psychischen Beschwerden und interpersonellen Konflikten betrachtet. Die Beobachtung der wechselseitigen Zusammenhänge von Individuen in Gruppen steht bei der systemischen Therapie im Vordergrund. Angenommen, Sie legen sich schlafen und über Nacht geschieht ein Wunder und das Problem ist gelöst. Da Sie geschlafen haben, wissen Sie nicht, dass das Problem gelöst ist. Woran würden Sie am nächsten Morgen merken, dass sich das Problem gelöst hat?

2

36

Kapitel 2 - Geschichte der Psychologie

Psychoanalyse

Kapitel 3

Wer hat‘s erfunden?

Sigismund Freud (6. Mai 1856 - 23. September 1939) gilt als Begründer der Psychoanalyse © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_3

38

Kapitel 3 - Psychoanalyse

Mein Name ist Freud ... Sigmund Freud. Ich wurde am 6. Mai 1856 in Freiberg, Mähren, geboren. Als ich zwei Jahre alt war, zog die Familie nach Wien. Meine Mutter, Amalia, hatte ein Gespür für meine Außerordentlichkeit und ich wuchs in einer liebevollen, fürsorglichen jüdischen Familie auf. Obwohl meine Eltern die Religion nicht sehr wichtig nahmen, war sie ein Stigma und machte mich zum Außenseiter, was ich durch meine Intelligenz und meinen Ehrgeiz kompensierte.

Geh, schau Jacob, wie liab der Sigmund ist und wie schlau des Bua dreinschaut. Der wüad a mol die Wöd verändern, des gpür i. Ich war ein sehr guter Schüler und bestand 1873 meine Matura mit 17 Jahren am Leopoldstädter Communal-Realgymnasium mit Auszeichnung.

Erst wollte ich Jura studieren, entschied mich dann aber für ein Medizinstudium, das ich 1873-1881 an der Wiener Universität absolvierte. 1876-1882 hatte ich eine Forschungstätigkeit am Wiener Physiologischen Institut inne.

Der Psycho-Comic Psychoanalyse

39

Nachdem ich 1881 zum Doktor der Medizin promovierte, begann ich unter Theodor Meynert an der Psychiatrischen Klinik zu arbeiten. Hier lernte ich Martha Bernays kennen, mit der ich mich verlobte. Ich beteiligte mich an der Erforschung pharmakologischer Wirkstoffe gegen Depression. Deshalb erforschte ich die Wirkung von Kokain im Eigenexperiment und hielt es für das beste Medikament gegen Depressionen. 1887 veröffentlichte ich die Abhandlung ‘‘Über Coca“...

Coca ist DAS Mittel gegen Depression !!

Ich bin der Größte !! Ich bin der Beste !! Ich werde die Welt verändern !! Man wird sich vor meinem genialen Geist verneigen !!

... nach einem Jahr des Selbstversuchs erkannte ich, dass ich abhängig war, und distanzierte mich vom Kokain. Mein Buch ‘‘Über Coca“ verschaffte der Droge jedoch europaweit eine zweifelhafte Popularität.

Ich muss damit aufhören, um mein Genie zu retten. Ohne Coca geht es mir so schlecht. Ich fühle mich wie ein nichtiger Wurm.

3

40

Kapitel 3 - Psychoanalyse

Um mehr über die Depression zu erfahren, unternahm ich 1885-1886 eine Studienreise nach Paris, um an den Vorlesungen von Jean Martin Charcot teilzunehmen. Dieser berichtete von erstaunlichen Erfolgen in der Behandlung von Hysterikerinnen mit Hypnose.

Meine Beobachtungen in Paris führten mich zu der Einsicht, dass hysterische Symptome durch seelische Ausnahmesituationen wie traumatische Erlebnisse entstehen.

Ich erkannte die Hypnose als ein Fenster in einen Bereich, der unter dem Bewussten war, als eine Art Versteck für seelische Qualen.

Ich entdeckte das Unbewusste !

Die Hysterie ist nur ein Ausdruck des lauernden seelischen Leids und die Erkenntnis dessen bringt eine Erlösung für die leidende Seele.

Der Psycho-Comic Psychoanalyse

41

... zurückgekehrt nach Wien gründete ich gemeinsam mit Joseph Breuer eine Privatpraxis, in der wir überwiegend Personen aus der Wiener Gesellschaft mit Hypnose behandelten. Zwei Patientinnen beeinflussten meine Entwicklung als Psychiater sehr: Anna O. und Emmy von N. In dem Buch „Studien über Hysterie“, das Joseph Breuer und ich 1895 veröffentlichten, werden diese Fälle unter anderem geschildert, um die Wirkung der Hypnose bei Hysterie zu belegen...

Nach meinem Abschluss der Mädchenschule kehrte ich heim und wurde auf die Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet. Meine Ausbildung war plötzlich nutzlos und ich sollte mich für Dinge interessieren, die mir sinnlos erschienen und durch die ich meine Interessen und mein Wissen nicht ausbauen konnte. Dann erkrankte mein Vater, den ich pflegte, der aber trotz aller Aufopferung starb. So ist mein Leben und so soll es bis zum Ende sein. Nur weil ich eine Frau bin. Das ertrage ich nicht !

Breuer

Ich habe alles versucht, doch wirklich heilen konnte ich Anna O. nicht. Ich habe sie massiert, gestreichelt, gefüttert, auf Hypnose spricht sie nicht an. Aber abends, wenn sie in einem leichten Dämmerzustand ist, einer Art Autohypnose, zeigt sich ein Erfolg, wenn sie redet.

Anna O.

... tatsächlich führten sie mich aber von der Hypnose weg, zur Technik der „Freien Assoziation“, denn ich erkannte...

Nur weil die Hypnose allgemein beliebt ist, muss sie nicht das einzige Mittel sein. Nicht jeder spricht gut darauf an. Ich behandelte Frau Emmy von N., sie war bereits 40 Jahre alt, die von vorneherein, nicht hypnotisiert werden wollte und mir reichlich Überlegungen und eine neue Methode abverlangte. Ich schuf eine Situation, in der sie mich nicht sah, ich sie nicht berührte und möglichst wenig redete. Emmy v. N. begann von sich aus zu reden und zu assoziieren. Vielleicht trauen wir den Patientinnen einfach zu wenig zu.

Seien Sie still, reden Sie nichts, rühren Sie mich nicht an!

Freud

Meine Brüder bewarfen mich mit toten Tieren und eine Tante schenkte mir ein Nadelkissen, aus dem am nächsten Tag Würmer hervorkrochen. Einen Spaziergang mit meinem Mann mussten wir abbrechen, weil die Straße voll Kröten war und wir nicht weitergehen konnten.

Emmy von N.

... wenn der Kranken Herkunft und Anlass ihres Leidens bekannt ist, braucht man sie nicht zu hypnotisieren, sondern es reicht, wenn man Interesse und Verständnis zeigt.

3

42

Kapitel 3 - Psychoanalyse

Bei meinen Patienten, die ich in der Zeit behandelte, fiel mir auf, dass sehr häufig ein Missbrauch in der Kindheit vorlag. In meiner Schrift ‚‘‘Die Ätiologie der Hysterie“ (1886), habe ich an Proben von 12 Patientinnen und 6 Patienten die an Hysterie litten, begründet, welche Art von Missbrauch welche Ausprägung der Hysterie hervorruft. Ich ging davon aus, dass ein Missbrauch in der Kindheit die Ursache für Hysterie ist. „In der ersten Gruppe handelt es sich um Attentate, einmaligen oder doch vereinzelten Mißbrauch meist weiblicher Kinder von seiten Erwachsener, fremder Individuen (…), wobei die Einwilligung der Kinder nicht in Frage kam und als nächste Folge des Erlebnisses der Schrecken überwog. Eine zweite Gruppe bilden jene weit zahlreicheren Fälle, in denen eine das Kind wartende erwachsene Person – Kindermädchen, Kindsfrau, Gouvernante, Lehrer, leider auch allzu häufig ein naher Verwandter, das Kind in den sexuellen Verkehr einführte und ein, auch nach der seelischen Richtung ausgebildetes, förmliches Liebesverhältnis, oft durch Jahre, mit ihm unterhielt. In die dritte Gruppe endlich gehören die eigentlichen Kinderverhältnisse, sexuelle Beziehungen zwischen zwei Kindern verschiedenen Geschlechtes, zumeist zwischen Geschwistern, die oft über die Pubertät hinaus fortgesetzt werden und die nachhaltigsten Folgen für das betreffende Paar mit sich bringen. (…) Wo ein Verhältnis zwischen zwei Kindern vorlag, gelang nun einige Male der Nachweis, daß der Knabe – der auch hier die aggressive Rolle spielt – vorher von einer erwachsenen weiblichen Person verführt worden war. * * Aus Freuds Werk: Ätiologie der Hysterie

t!

chäm s r e v n u

Ich bin daher geneigt anzunehmen, dass ohne vorherige Verführung Kinder den Weg zu Akten sexueller Aggression nicht zu finden vermögen

Scha

! lr atan

ng u ß a

!

Anm

Dieser Vortrag brachte mir nicht den gewünschten Ruhm. Aber ich hörte nicht auf weiter zu forschen und fand Unterstützung bei meinem Brieffreund Wilhelm Fließ.

e t in di i e b t h e i E i fe r s u c h t i m i r l r e V e ch be be di d die t Ich ha Mutter un den Vater aualte sie jetz h n e d g n e g en u ines gefund ein allgeme früher für Ereignis heit Kind

15. Oktober 1897 Mein lieber Freund Wilhelm Fließ! Ich bin unfähig, auch nur eine einzige Analyse zu einem wirklichen Abschluss zu bringen und es fehlt der Nachweis eines vollständigen Erfolges. Auch bin ich überrascht, dass in allen Fällen der Vater der Perversion bezichtigt werden müsste, um meine Theorie aufrechtzuerhalten. Die Häufigkeit der Hysterie scheint unmöglich eine Entsprechung an Häufigkeit von Perversion gegenüber Kindern zu haben. Deshalb habe ich den Ansatz der Verführungstheorie verworfen und in sein Gegenteil verkehrt: Jetzt erwäge ich, dass die außer Kontrolle geratenen Phantasien des Kindes über seine Eltern der Ursprung zahlreicher Störungen sind. Nach selbstanalytischen Betrachtungen nenne ich die These „Ödipus-Komplex“: Er postulierte das Phänomen unbewusster libidinöser Bindungen an die eigene Mutter bei einem gleichzeitigen Rivalitätsverhältnis zum Vater.

Der Psycho-Comic Psychoanalyse

43

Die Theorie des Ödipuskomplexes schien mir erfolgversprechend und eröffnete einen neuen Blick auf die Sexualität des Menschen. Es wurde für mich immer deutlicher, dass Sexualität nicht etwas ist, das einen irgendwann überkommt, sondern dass wir schon als sexuelle Wesen geboren werden. Natürlich habe ich 1905 auch dazu eine Abhandlung geschrieben: „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“. Dieses Werk enthält auch die „Theorie zur Psychosexuellen Entwicklung“. Diese Phasen durchläuft jeder Mensch bis zum Erwachsenenalter.

Orale Phase 1. Lebensjahr Anale Phase 2.- 3. Lebensjahr

Phallische/Ödipale Phase 4.- 5. Lebensjahr

Latenzphase ab 6. Lebensjahr

Genitale Phase ab der Pubertät

Ich will nicht immer die Mutter sein, ich will auch mal der Vater sein

Er hat voll her geguckt !

Aber du bist doch ein Mädchen!

3

44

Kapitel 3 - Psychoanalyse

G

ern Elt

We rte

Ge wi sse n

Ein weiterer entscheidender Beitrag zur Psychologie war meine Entwicklung des 2. Strukturmodels. Ich erkannte das ICH als zentrale zu entwickelnde Energie der Psyche, das ÜBERICH als Modulator und das ES als Indikator. In meinem Werk ‘‘Das Ich und das Es“ veröffentlichte ich 1923 die Zusammenhänge dieser drei Teile der Psyche.

aft h c s ell es

Der Psycho-Comic Psychoanalyse

45

Die wichtigsten Theorien und Therapieformen, die aus Freuds Ideen entstanden sind

Gesprächspsychotherapie Carl Rogers 1902 - 1987

Gestalttherapie Fritz Perls 1893 - 1970

Existenzialistische Psychotherapie Viktor Frankl 1905 - 1997 Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung Erik H. Erikson 1902 - 1994

Tiefenpsychologische Psychotherapie C.G. Jung 1875 - 1961 Körperpsychotherapie Wilhelm Reich Individual1897 - 1957 psychologie Alfred Adler 1870 - 1937

Kinderpsychoanalyse Anna Freud 1895 - 1982

Humanistische Psychologie Otto Rank 1884 - 1939

Psychoanalyse Sigmund Freud 1856 - 1939

3

46

Kapitel 3 - Psychoanalyse

Sozialpsychologie I

Kapitel 4

Das Milgram-Experiment

Der Sozialpsychologe Stanley Milgram (1933-1984) führte 1961 das Gehorsamkeitsexperiment durch! © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_4

48

Kapitel 4 - Sozialpsychologie I. Milgram

1961, New Haven, USA: In mehreren Zeitschriften war diese Anzeige zu lesen:

chung

nntma he Beka

c

Öffentli

FÜR 0 0 . 4 $ IHNEN N E L H R ZEIT A E Z R R H I I W TUNDE S E N I E ür eine

f gesucht eit n e n o s r en Pe fähigk Es werdtudie zur Merk n, die uns helfenD,ieeinSetudie wird an S Have zuschließen. e aus New e Stund ab

onen rkfähigkeit hr ein gen. Sie e ert Pers n r ungefä nfhund Lern- und M geld) fü en Verpflichtuenende). fü r h n a le F h r t a u c r z z h e e 0 c it b 5 ie o e s d ir w W lu t. tu e *W am ein 0 (p he S urchgeführ gs oder n: ält $ 4.0 chaftlic es gibt k ir suche wissens -Universität dteilnimmt, erh eine Stunde; ends, wochenta r le b u nötigt. W a ie e (a n Y d b r , n g n te fü n o der h s u ie c r r ö e S Erfah * Jede PWir brauchen Sie kommen m eiter ng oder it. m Bauarb usbildu A , n ihrer Zeden Tag, an de e it fer e u Verkä Fähigk nner wählen tel ezielllen häftsmä it p c s k s e e iß e G in e W den k llte te s e e r g e *Es wer n r d A An rbeite d äfte Fabrika nten un Fachkr /innen n te labsolve te u m is a h n e c s B fo h c r le e o e g T H n pfä lt sein. Lohnem isösinnen r unten Jahre a /Fr und 50 formula ersität, e 0 2 ld e n e m h Frisöre n iv n zwisc ie das A logie, Yale-Un n müsse ebraucht. füllen S o e , h miert. n c n r o e y s s fo r ff P e e in g Alle P Studie Sie zutr am, Abteilung n nicht f r e e u d a d r t e n r e w n nO ilgr ung Studente die Voraussetz ssor Stanley M ue Zeit und de en. n. eintreff gena e Profe n ie * Falls n h d a le r s e u e z b hslabor b c ü n a e u r s d n r te n e e ä e g s V p s un aus und n. Sie werden Anmeld ), sobald sie am ve cht vor, rgeld h a New Ha en uns das Re F t c alt nd 50 Wir beh alten $ 4.00 (u IE *Sie erh HOLOG

---------

---------

R PSYC e NG FÜ UT. Ich möcht U L I E T C B I A T , GRAM CONNE men. Ich bin AN: EY MIL EW HAVEN, L N ilneh rgeld) A T S T, N igkeit te (und 50 ct Fah Ä h T ä I f PROF. S n r R e NIVE und L e $ 4.00 YALE U die zur Merkh erhalt c I . lt a u t e an der S 0 und 50 Jahr ............ 2 n e h .............. c . .. is e .. .. m .. zw h .. a .. ....... .... e Teiln .............. .............. .. .. .. .. .. .. .. für mein ) .. n .. e ............ ............. uchstab .............. ichbar.. Druckb .. e .. e r t .. r it e .. .. b n ( .. e st .... ........ NAME CHT.... ...am be .............. .. E .. .. .. L .. .. .. H .. .. .. C .. SE .....GES .............. ADRES .............. .............. .. .. .. .. .. .. N .. O .. ..... .... TELEF DE........ ERUF.. N B : .. E .. N N .. E .. E ...... OCH KOMM ALTER N SIE .............W E E N D N N Ö E K .........AB WANN AG........ T N E H WOC

* 4,- Dollar 1961 ~ 33,- Dollar 2017

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie I. Milgram

49

1961 - New Haven - USA - Department of Psychology, Yale University.

Also, morgen früh startet das Experiment zum Gehorsam. Die erste Gruppe der Teilnehmer besteht aus 40 Personen. Das wird anstrengend für unseren “Schüler“. Du bist dir sicher, dass du es schaffst, bei 40 Personen den Leidenden zu spielen? Für alle anderen bitte ich als Kleidung um schlichte, einfache, graue Laborkittel. Niemand soll hervorstechen oder als Mitarbeiter unseres Experiment-Teams erkennbar sein.

Sicher, das ist kein Problem ! ist ja immer nur einer pro Tag.

4

50

Kapitel 4 - Sozialpsychologie I. Milgram

Einen schönen guten Tag. Ich bin erfreut, dass Sie an unserem Experiment teilnehmen. Es ist erforderlich, zunächst die Rollen zu verteilen. Dazu ziehen Sie bitte ein Los !

Ich bin Schüler ! Ich bin bin Lehrer! Ich Lehrer !

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie I. Milgram

51

Im Versuchslabor wird der Ablauf des Experimentes erklärt... Der Ablauf des Versuchs ist einfach: Der Schüler lernt Wortpaare, die der Lehrer abfragt.

Jeder Fehler wird vom Lehrer mit einem Stromschlag bestraft. Die Stromschläge sind zunächst leicht und werden bei jedem Fehler in der Stärke etwas gesteigert. 330 V

75 V

Der Schüler antwortet per Knopfdruck. Ist die Antwort richtig, tun Sie nichts !

Ist die Antwort falsch, betätigen Sie bitte diesen Schock-Generator. Bei jeder falschen Antwort steigern Sie die Stromstärke um eine Stufe. Die erste Stufe ist bei 15 Volt und kann bis über 300 Volt gesteigert werden.

4

52

Kapitel 4 - Sozialpsychologie I. Milgram

Nach der Einführung startet das Experiment...

Mehrmals richtig

Prof. Milgram oder ein Mitarbeiter blieben als Versuchsleiter und Beobachter im Raum.

VERSUCHSLEITER

5-mal falsch HMMPHH OOHAA !!

0h! Bei 75 Volt scheint es wehzutun !

HMMPHH OOHAA !!

VERSUCHSLEITER

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie I. Milgram

120 Volt AHH AUA AHH AUU !!

53

AHH AUA AHH AUU !!

Bitte fahren Sie fort !

Das ist doch nicht richtig ! Das kann ich nicht !

VERSUCHSLEITER

Das Experiment erfordert das sie weitermachen !!

150 Volt AHH ! Nein.....bitte...... aufhören !!!!!!

AHH! NEIN...BITTE... AUFHÖREN !!!!!!

Ich kann das nicht !!

VERSUCHSLEITER

4

54

Kapitel 4 - Sozialpsychologie I. Milgram

200 Volt

Das Experiment erfordert unbedingt, dass sie weitermachen !!

AHH ! IHH..... AHH......OHH HILFE !!!!!!

AHH ! IHH...AHH...OHH HILFE !!!!!!

VERSUCHSLEITER

Sie haben keine Wahl ! Sie MÜSSEN weitermachen ! Ab jetzt soll ich nicht mehr reagieren...

300 Volt

ICH VERWEIGERE DIE ANTWORT !

ICH VERWEIGERE DIE ANTWORT !

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie I. Milgram

...über 300 Volt Der kann einem leidtun... aber warum hört er nicht auf?

55

Es ist unbedingt erforderlich, dass Sie weiter machen !!!

_________________________ _________________________

Warum sagt er nichts mehr??? !!!

Nach Auswertung der Testdaten...

...wird das Ergebnis zusätzlich mit Schätzungen verglichen, die Prof. Milgram und seine Kollegen vor dem Experiment zum Gehorsam abgegeben haben....

Es haben von 40 Personen 26 bis 450 Volt durchgehalten und 14 haben vorher abgebrochen.

Ich hatte, wie die Mehrheit, vermutet das mehr Personen vorher abbrechen. Das Ergebnis dürfte überraschen !

4

56

Kapitel 4 - Sozialpsychologie I. Milgram

Menschenrechte nnsch sch

Nehmen Sie es nicht persönlich, aber unter diesen Umständen müssen Sie verstehen, dass wir die Stelle anderweitig vergeben.

Psychofolterer Sadist

Würde Keine Experimente an Menschen

Direkto

r der H arvard -Unive rsität

Wie könnte ich DAS persönlich nehmen, Sie sind doch nur gehorsam !

Das „Gehorsamkeitsexperiment“ gehört zu den herausragenden Experimenten der Psychologie. Prof. Stanley Milgram (1933-1984) führte es vor dem Hintergrund der Geschehnisse in Europa während der Herrschaft der NSDAP durch. Es war der Versuch, das Phänomen Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten zu erklären. Das Experiment wurde noch in anderen Ländern durchgeführt mit fast identischen Ergebnissen. Prof. Milgram und sein Team führten das Experiment in unterschiedlichen Anordnungen durch, aber der Anteil der „Gehorsamen“ war immer höher als der Anteil der „Verweigerer“. Durch dieses Experiment erntete Prof. Milgram zunächst viel Anerkennung und erhielt mehrere begehrte Auszeichnungen und Preise. Aber das Bewusstsein der Menschen änderte sich und Prof. Milgram geriet wegen des Experiments, dem nun menschenverachtende Tendenzen anhafteten, weil er die Versuchspersonen in eine Situation der psychischen Notlage brachte, in Verruf. Ihm wurden Preise und Auszeichnungen wieder aberkannt und es kostete ihm die zugesagte Anstellung an der Harvard-Universität.

Sozialpsychologie II

Kapitel 5

Die Rosenthal-Experimente

Autsch ! Mensch, sag mal Pygmalion*, spinnst du !?

Mutter?

* Pygmalion war in der griechischen Mythologie König von Zypern und Bildhauer, der seine Statuen wie echte Menschen behandelte und sich in eine verliebte. Schließlich flehte er die Göttin der Liebe Venus an, sie möge ihm eine Frau wie die Statue schenken, woraufhin diese real geworden sein soll. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_5

58

Kapitel 5 - Sozialpsychologie II. Rosenthal

1963 starteten Robert Rosenthal und J.K. Fode ein Experiment zur Analyse, welchen Einfluss der Versuchsleiter in psychologischen Experimenten auf das Verhalten von "Versuchspersonen" oder auch Versuchstieren hat. R. Rosenthal beobachtete, dass wir dazu neigen, den an uns gestellten Erwartungen gerecht zu werden, wenn wir so behandelt werden, als seien wir dazu fähig. Dieser Effekt wurde als Rosenthal- oder Pygmalion-Effekt bekannt.

Meine Damen und Herren, ich habe Sie gebeten, an einem Experiment teilzunehmen, bei dem die Lernfähigkeit von Ratten getestet wird. Ich brauche 12 Studenten, die bereit sind, sich 5 Tage intensiv um jeweils 5 Ratten zu kümmern.

Das Experiment war so aufgebaut, dass die Studenten in 2 Gruppen eingeteilt wurden. Jedem Studenten wurden 5 wahllos ausgewählte Ratten zugeteilt. An 5 Tagen mit je 10 Testläufen pro Versuchsleiter sollten die Versuchstiere (60 Albino-Ratten) lernen, in einem einfachen Labyrinth den richtigen Weg zur Futterstelle zu wählen. 6 Versuchsleitern wurde die Information gegeben, ihre Ratten seien aus einer Zucht, die nur aus besonders lernfähigen Ratten besteht und somit besonders schlau. Den anderen 6 Versuchsleitern wurde gesagt, dass die Ratten sich bisher als besonders dumm und lernunfähig erwiesen hatten.

Besonders schlau

Besonders dumm

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie II. Rosenthal

59

Die vermeintlich klugen Ratten waren den angeblich dummen Ratten tatsächlich überlegen. Ab dem 4. Tag steigerten sich die „klugen“ Ratten noch weiter und die „dummen“ fielen in ihren Leistungen ab.

„kluge“ Ratten

Richtige Durchläufe

4 3 2

„dumme“ Ratten

1 1.

2.

3.

4.

5.

Tag

Aus einer Befragung der Studenten nach dem Experiment war zu erkennen, dass sich die Ratten entsprechend den Erwartungen ihrer Versuchsleiter verhielten: Die Versuchsleiter mit vermeintlich "klugen" Ratten beurteilten ihre Versuchstiere wesentlich positiver und behandelten sie liebevoller, als Versuchsleiter mit vermeintlich "dummen" Ratten dies taten.

Na, kleiner Einstein, dann hol dir mal dein Futter ! Na, ihr blöden Viecher, hat einer Lust auf ne Runde Labyrinth?

Auch die Studenten haben sich gemäß den Erwartungen von Rosenthal und Fode verhalten.

5

60

Kapitel 5 - Sozialpsychologie II. Rosenthal

Nachdem im Rattenexperiment festgestellt wurde, dass Versuchsergebnisse von den Erwartungen des Versuchsleiter beeinflusst werden, versuchte Robert Rosenthal herauszufinden, ob das Ergebnis auf Menschen übertragbar war.

Diese 2. Klasse war eine von mehreren Grundschulklassen, die ich zu einem Intelligenztest einlud. Den Lehrern wurde nicht das echte Ergebnis mitgeteilt. Unabhängig vom Ergebnis des Intelligenztests wurde jeder fünfte Schüler ausgewählt und dessen Name an die Lehrer als besonders begabt und für berechtigte Hoffnung auf hervorragende Leistungen prädestiniert weitergegeben.

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie II. Rosenthal

61

Wie erwartet, zeigten die Lehrer mit den vermeintlich intelligenten Kinder mehr Geduld, waren nachsichtiger und fördernder. Diese Kinder wurden mehr beachtet und häufiger aufgerufen.

775

770

775 775

31x25?

775

Ja? Jörg !

775

Jörg

Schnell? Der ist nur blöd-hihi

775

Hmm, das ist ein konstruktiver Ansatz, aber auf dem Weg zum Ziel hat sich ein Irrtum eingeschlichen. Überprüfe dein Ergebnis noch einmal.

Ein Jahr später zeigten die vermeintlich hochbegabten Schüler tatsächlich eine Leistungssteigerung und hatten einen besseren Notendurchschnitt.

775

775

775 775

Du bist immer ein bisschen zu schnell, du musst dir etwas mehr Zeit nehmen.

25x31?

775 Ja? Jörg !

775

Jörg

Super? Es scheint ja sonst keinen mehr in der Klasse zu geben. Jörg hier...Jörg da...

775 Super Jörg ! du hast dich enorm gesteigert !

5

62

Kapitel 5 - Sozialpsychologie II. Rosenthal

Der "Rosenthal-Effekt" Beeinflussung des Ergebnisses durch die Erwartungen des Experimentators ist bei menschlichen "Versuchsobjekten" noch wesentlich ausgeprägter als im Tierexperiment. Rosenthal testete zu Beginn eines Schuljahres alle Kinder der 18 Klassen einer Schule. Dann gab er den Lehrern die Namen einzelner Schüler, die dem Testergebnis zufolge eine "ungewöhnlich gute schulische Entwicklung" nehmen sollten (insgesamt 20% der Schüler). Die Namen der "Hochbegabten" waren wiederum streng nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. In den höheren Schulklassen hatte die Lehrererwartung nur einen geringen Einfluss auf die Leistung der Schüler, in den unteren Klassen war der Effekt jedoch enorm. Dieses Ergebnis wird darauf zurückgeführt, dass sich die Lehrer der höheren Klassen schon einen eigenen Eindruck geschaffen hatten. Bei den jüngeren Schülern waren die Lehrer unvoreingenommener.

IQ-Punkte-Zuwachs

15

10

5

1. - 2.

3.

4.

5.

6.

Klasse

Am Ende des Schuljahres hatten die vermeintlich "Hochbegabten" nach einem erneuten Leistungstest einen großen Vorsprung gegenüber den anderen Schülern. Die Tendenz psychologischer Testergebnisse, die Umwelt des Getesteten so zu beeinflussen, dass die "Test-Prophezeiung" auch wirklich eintritt, wird "sich selbst erfüllende Prophezeiung" = "self-fulfilling prophecy" genannt, ist aber nur ein Teil des "Rosenthal-Effekts".

Sozialpsychologie III

Kapitel 6

Mehrheiten-Minderheiten-Experimente Kern Krause ist tot

TUNTE Krause ist tot

Siegel Krause lebt !!!

Deo Krause ist tot

#Krauseisttot wer sagt das? #Krauseisttot

Alle! #Krauseisttot omg! so sad!

Build der Frau

Punkt Krause ist tot

Krause ist tot

Laberblatt

Tilt Unser Fakt Krause ist tot Krause ist tot

Juhu KrauseBala ist tot

Ist Krause am Starschnitt gestorben?

Auf dem Parkett ausgerutscht

SAD

#Krauseisttot me too #Krauseisttot wer war Krause?

endlich....

Krause ist tot

Krause ist tot

Alle sagen, du bist gestorben !

Zack

t ist to e s u Kra

rauen. uns vert rauen ie Im Verts wichtig, dass Sioße er Wichtigkeit, d

Es ist un ist es von gr n, damit nnen. mal ipuliere Manch erden kö n zu man rfolgt w Mensche dnete Ziele ve ng des nu or überge iche Mei Rücksicht persönl e Auf die ms kann kein bei einer uu weil , en Individ d es men wer kein konstant genom svielfalt nn. Meinung ht werden ka ic ie Ziel erre t es wichtig, d is Deshalb in eine ng g nu Mei htun iche Ric einheitl . Zu viele en zu lenk achen m en Meinung sunfähig. ng handlu lt der ha nung Zum Er hen Ord halb tl öffen ic gen wir Sie des eldungen, M ti nnlosen en beschäf si al mit em m ch Th man deren an n vo um Sie en. abzulenk

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_6

Wenn‘s alle sagen wird‘s wohl stimmen !! Aber eigentlich fühl ich mich ganz wohl.

64

Kapitel 6 - Sozialpsychologie III. Mehrheiten-Minderheiten

Um die Beeinflussung von Menschen in Gruppen ging es 1935 Muzafar Sherif. Er benutzte dazu den autokinetischen Effekt, ein Phänomen, das den Eindruck einer Bewegung vermittelt, wenn man in einem dunklen Raum einen hellen Fleck beobachtet. Jeder Mensch hat eine individuelle Wahrnehmung, die sich für diese Person nicht ändert. Am ersten Tag waren die Personen allein im Raum und sollten die Intensität der Bewegung 100-mal auf einer Skala von 1-8 einschätzen.

1. Tag

1. Tag

1. Tag

2

8

4

B

A

C

2. + 3. Tag: Die drei Personen sitzen in einem Raum und absolvieren wieder 100 Durchgänge. Der daraus resultierende Mittelwert ergibt das Gruppenergebnis.

2. Tag

2

3. Tag

8

C

6

Am Ende des 4. Tages nennen alle dasselbe Ergebnis.

4. Tag

8 6 4 2 0

5

B

A Einschätzung der Bewegung [inch]

B

A

4

4

C

A B C 1

2

3

4

1= Allein 2,3,4,=Versuche mit anderen Gruppenmitglieder

5

A

5

5

B

C

Fazit: Da es sich um eine vieldeutige Situation handelt, nutzen die Versuchspersonen die anderen Anwesenden als Informationsquelle, weil sie glauben, dass die Gruppenschätzung die richtige sei. Das heißt, es kommt zu privater Akzeptanz. Im umgekehrten Versuch wurde mit mehreren Personen in einem Raum begonnen. Nachdem diese einen gemeinsamen Wert ermittelt hatten, wurde die Bewegung im Versuch mit einer Person mit dem gemeinsamen Wert wahrgenommen und änderte sich nicht mehr.

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie III. Mehrheiten-Minderheiten

6

65

Solomon Asch führte 1951 das Konformitätsexperiment durch. Sein Ziel war es herauszufinden, wie ein normativer sozialer Einfluss eine Einzelperson beeinflusst und wie weit sich diese Person konform verhält. Eine Person wird gebeten, Linien miteinander zu vergleichen und die zu benennen, die mit einer der Ursprungslinien übereinstimmt. Die Linien unterscheiden sich deutlich.

Richtige Antworten :

100 % b

Dann findet der Test in einer Gruppe statt. Außer der Versuchsperson befinden sich nur eingeweihte Mitarbeiter des Versuchsleiters im Raum. Die ersten Antworten werden richtig geäußert, dann werden von den Mitarbeitern bewusst ausschließlich falsche Aussagen getroffen.

a

c

a

c

a

c

a

a

b?

c

a a

b

c

a

b

c

c

66

Kapitel 6 - Sozialpsychologie III. Mehrheiten-Minderheiten

a

c

a

c

a a

a

c

a

c

c

a

b

c

a

b

c

c

Die Versuchsperson passte sich schließlich der Meinung der Gruppe an, auch wenn es nicht ihre Meinung war. In den Versuchen mit unterschiedlichen Personen erfolgte eine Anpassung von 76%.

a

a

a

c

a

a a

b

c

Als den Versuchspersonen die Möglichkeit gegeben wurde anonym durch schriftliche Aufzeichnung ihre Einschätzung abzugeben, waren ihre Antworten wieder richtig. Die Versuchspersonen passen sich aufgrund des normativen Drucks der Mehrheitsmeinung an. Das heißt, es kommt zu öffentlicher Compliance, ohne das Ergebnis für das richtige zu halten (keine private Akzeptanz).

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie III. Mehrheiten-Minderheiten

67

Moscovici, Lage und Naffrechoux wiesen 1969 mit ihrem Experiment zum sozialen Einfluss einer Minorität nach, dass auch eine Minderheit die Mehrheit beeinflussen kann, wenn sie nur ausdauernd genug die falsche Behauptung wiederholt.

schwarz grau grau

der hat sogar eine Brille auf

schwarz

vielleicht bin ich nur müde

schwarz

grau

vielleicht wird Schwarz neu definiert

schwarz

grau

Versuchsanordnung: 6 Teilnehmer, 4 echte Probanden und 2, die eine andere Meinung vertreten. Es wird ein Bild gezeigt und es soll bestimmt werden, welche Farbe darauf zu sehen ist.

man soll ja nicht kleinlich sein

Ergebnis: In 8% der Fälle passt sich die Majorität an die Minorität an.

Der Einfluss kam nur zustande, wenn beide „Komplizen“ konsistent waren und die gleiche falsche Antwort gaben.

schwarz schwarz genau ! schwarz ja !

schwarz

Eine Beeinflussung findet nur statt, wenn die Minderheit die gleiche Aussage macht. Die konsistent falsche Meinung der Minderheit führt zu einem kognitiven Konflikt und setzt einen Informationsverarbeitungsprozess in Gang über die Frage, ob die Minderheit nicht doch Recht haben könnte.

6

68

Kapitel 6 - Sozialpsychologie III. Mehrheiten-Minderheiten

Sozialpsychologie IV

Soziale Identität und Rollen Das „Robbers-Cave-Experiment“

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_7

Kapitel 7

70

Kapitel 7 - Sozialpsychologie IV. Soziale Identität - Robbers Cave

Ein weiteres Experiment, das Muzafer Sherif bereits 1949 durchführte, war das „Robbers-Cave-Experiment“. Auch hier ging es um Anpassung und Gruppendynamik. Sherif versuchte herauszufinden wie man Spannungen und Feindseligkeit unter Menschen abbauen kann. Dazu musste er jedoch erst Spannung und Feindseligkeit aufbauen und deshalb bekamen 22 Jungs einen Aufenthalt im Ferienlager geschenkt.

Liebe Kinder! Wir werden viele Spiele und Wettbewerbe machen, deshalb ruft der Herr Sherif jetzt eure Namen auf und die erste Gruppe, das sind die Wölfe, stellt sich zu dem Wolfsbanner.

Die anderen sind die Klapperschlangen und stellen sich zum Schlangenbanner.

Die Banner sind das Zeichen eurer Gruppe und ihr müsst sie zu allen Spielen mitbringen.

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie IV. Soziale Identität - Robbers Cave

71

Die Spiele waren Wettbewerbe, bei denen die Kinder der Siegermannschaft Belohnungen wie Süßigkeiten oder besonders leckere Speisen verdienen konnten. Nach einigen Tagen, in denen das Verhältnis zwischen Sieger und Verlierer ausgeglichen war, wurden die Wettkämpfe zugunsten einer Mannschaft manipuliert.

Ha ha, die Schokolade bekommen wir !

Egal, wie sehr wir uns anstrengen, die gewinnen immer !

Unser Banner ! Die verbrennen unser Banner !

Nänänä, Verlierer ! Memmen! Weicheier !

7

72

Kapitel 7 - Sozialpsychologie IV. Soziale Identität - Robbers Cave

Zwischen den Gruppen entstanden Rivalität und Feindschaft, es kam zu Übergriffen zwischen den Lagern.

Rache !

Hahaha, wie blöd die geguckt haben...!

Rache !

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie IV. Soziale Identität - Robbers Cave

73

Um wieder Einigkeit zwischen den Gruppen herzustellen, implementierte der Versuchsleiter ein Problem, das alle betraf und nur gemeinsam gelöst werden konnte.

Liebe Kinder, es ist leider ein Problem aufgetreten. Die Wasserleitung ist defekt !

Bis die Leitung repariert wird, müsst ihr euch um Wasser kümmern.

Dazu müsst ihr in Zweiergruppen ausschwärmen und einen Bach suchen.

7

74

Kapitel 7 - Sozialpsychologie IV. Soziale Identität - Robbers Cave

Die Kinder wurden durch die Anleitung des Versuchsleiters dahin gelenkt, ihren Streit beizulegen.

Ihr geht immer zu zweit, jeweils einer aus jeder Mannschaft !

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie IV. Soziale Identität - Robbers Cave

75

Die Kinder schafften es, gemeinsam Wasser aus einem Fluss zu holen, und vergaßen ihren Streit.

Fantastisch ! Ihr habt gemeinsam dafür gesorgt, dass wir Wasser haben !

Sherif folgerte aus dem Experiment, dass Menschen zu Freundschaft und Frieden fähig sind, wenn sie ein gemeinsames existenzielles Ziel verfolgen.

7

76

Kapitel 7 - Sozialpsychologie IV. Soziale Identität - Robbers Cave

Sozialpsychologie V

Soziale Identität und Rollen Das „Stanford-Prison-Experiment“

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_8

Kapitel 8

78

Kapitel 8 - Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

Auch Philipp Zimbardo erforschte die Auswirkungen, die eine bestimmte Rollenzuschreibung auf unser Verhalten hat. Mit seinem Stanford-Prison-Experiment schaffte er es auf Platz 1 der unethischsten Experimente der Sozialpsychologie. Dabei war seine Idee relativ harmlos: Er wollte herausfinden, ob gute Menschen immer gut sind oder ob sie sich in extremen Situationen verändern. 1971 kam es in den USA vermehrt zu Häftlingsrevolten, die teilweise blutig beendet wurden und in der Bevölkerung zu kontroversen Diskussionen führten. Diese Anlässe inspirierten Zimbardo zu seinem Experiment.

An einem ruhigen Sonntagmorgen im August durchkämmte in Palo Alto, Kalifornien, ein Polizeiauto die Stadt, um im Zuge einer Massenverhaftung Studenten festzunehmen, die sich zuvor bereit erklärt hatten an einem Experiment teilzunehmen. Ihnen wurde vorgeworfen, einen "bewaffneten Raubüberfall" bzw. einen "Einbruch" verübt zu haben. Jeder der Verdächtigten wurde mit dem üblichen Prozedere, Verlesen der Rechte, Leibesvisitation und Anlegen der Handschellen, meistens unter den Blicken der erschrockenen Familien und überraschten, neugierigen Nachbarn, verhaftet. Der Verdächtigte wurde zur Polizeistation gebracht. Seine Fingerabdrücke wurden abgenommen und seine Personalien abgefragt. Danach brachte man ihn in eine Arrestzelle, wo er mit verbundenen Augen seinem Schicksal überlassen wurde. Wir wollten herausfinden, welche psychischen Auswirkungen es hat, ein Gefangener oder ein Strafvollzugsbeamter zu sein. Deshalb entschlossen wir uns, ein Gefängnis nachzustellen und sorgfältig zu beobachten, welche Effekte diese Einrichtung auf das Verhalten aller sich innerhalb ihrer Mauern befindenden Menschen hat.

* Die hauptsächliche Quelle, für Bild und Textmaterial, zum Stanford-Prison-Experiment ist: http://www.prisonexp.org/deutsch/ © 1999-2015, Philip G. Zimbardo

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

79

Was diese Verdächtigten tatsächlich getan hatten? Sie hatten auf eine lokale Zeitungsanzeige geantwortet, in der Freiwillige für eine Studie über die psychischen Auswirkungen des Gefängnislebens gesucht wurden.

Auf unsere Anzeige antworteten über 70 Bewerber. Mit ihnen wurden diagnostische Interviews und Persönlichkeitstests durchgeführt, um Kandidaten mit psychischen Problemen, körperlichen Gebrechen, krimineller Vergangenheit oder Drogenmissbrauch ausschließen zu können. Schließlich blieben 24 Studenten aus den USA und Kanada übrig, die sich zufällig in der Gegend von Stanford aufhielten und 15 $ pro Tag durch die Teilnahme an einer psychologischen Studie verdienen wollten. Ihre Reaktionen lagen bei allen von uns untersuchten oder beobachteten Merkmalen im Normalbereich.

Unsere Studie des Gefängnislebens startete also mit einer durchschnittlichen Gruppe von gesunden, intelligenten Männern aus der Mittelschicht. Diese wurde durch Münzwurf in zwei Gruppen geteilt. Einer Hälfte wurde per Zufall die Rolle der Strafvollzugsbeamten zugewiesen, der anderen die der Gefangenen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass zu Beginn der Untersuchung keine Unterschiede zwischen den Gefangenen und den Strafvollzugsbeamten bestanden.

8

80

Kapitel 8 - Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

Immer noch mit verbundenen Augen und im Zustand eines leichten Schocks angesichts der überraschenden Verhaftung durch die örtliche Polizei wurden die Gefangenen in ein Auto geladen und zum "Stanford County Jail" gefahren. Die Gefangenen wurden dann einzeln in unser Gefängnis gebracht und dort durch den stellvertretenden Anstaltsleiter begrüßt, der sie auf die Ernsthaftigkeit ihrer Vergehen und ihres neuen Status als Gefangene hinwies.

Durch eine kleine Öffnung an einem Ende des Flures konnten wir Videoaufzeichnungen und Tonbandaufnahmen der Ereignisse machen. Auf der den Zellen gegenüberliegenden Korridorseite befand sich ein kleiner Wandschrank, der den Namen "das Loch" erhielt und als Isolierzelle diente. Er war dunkel und sehr eng, ungefähr 62 cm breit und 62 cm tief, aber groß genug, damit ein "böser Gefangener" darin aufrecht stehen konnte. Eine Gegensprechanlage erlaubte es uns, die Zellen heimlich abzuhören, um die Gespräche der Gefangenen zu überwachen und allgemeine Durchsagen für die Gefangenen zu machen. Es gab weder Fenster noch Uhren und damit keine Möglichkeit, die verstrichene Zeit zu beurteilen, was später bei einigen Gefangenen zu einer Verzerrung des Zeitgefühls führte.

Demütigung Jeder Gefangene wurde systematisch durchsucht und musste sich vollständig entkleiden. Dann wurde er mit einem Spray entlaust. So sollte ihm vermittelt werden, dass wir es für möglich hielten, dass er Krankheitserreger oder Läuse hat.

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

Der Gefangene erhielt dann ein Kleid oder Kittel, den der Gefangene während der ganzen Zeit ohne Unterwäsche, als Uniform trug. Auf der Vorder- und Rückseite des Kittels war seine Identifikationsnummer angebracht. Um den rechten Knöchel des Gefangenen wurde für die gesamte Zeit eine schwere Kette befestigt. Als Schuhe erhielt er Gummisandalen, und über seine Haare musste er einen Nylonstrumpf ziehen. Es sollte klar sein, dass wir versuchten, eine funktionale Simulation eines Gefängnisses zu entwickeln -- kein wirkliches Gefängnis. Echte männliche Gefangene tragen keine Kleider, aber sie fühlen sich gedemütigt und entmännlicht. Unser Ziel war es, schnell ähnliche Effekte zu erzeugen, indem wir Männer in Kleider ohne Unterwäsche steckten. In der Tat begannen unsere Gefangenen, anders zu gehen, zu sitzen und sich zu halten, sobald Sie diese Uniformen trugen.

81

416

Die Kette an ihrem Fuß sollte die Gefangenen ständig an die Unterdrückung durch ihre Umwelt erinnern...

...Selbst während des Schlafes konnten sie der Atmosphäre der Unterdrückung nicht entgehen. Sobald sie sich umdrehten, schlug die Kette an ihren anderen Fuß, weckte sie und erinnerte sie daran, dass sie noch immer im Gefängnis waren. Durchsetzung der Gesetze Die Strafvollzugsbeamten erhielten kein besonderes Training für ihre Aufgabe. Statt dessen wurde es ihnen innerhalb bestimmter Grenzen selbst überlassen, zu tun, was sie für notwendig hielten, um Gesetz und Ordnung im Gefängnis aufrechtzuerhalten und sich den Respekt der Gefangenen zu verschaffen. Sie entwickelten ihre eigenen Regeln, die sie unter der Aufsicht des stellvertretenden Anstaltsleiters David Jaffe, ebenfalls ein Student der Stanford Universität, umsetzten. Sie wurden wie echte Strafvollzugsbeamte, die freiwillig einen so gefährlichen Job übernehmen, auf die Ernsthaftigkeit und Gefahren ihrer Aufgabe hingewiesen. Wie echte Gefangene rechneten auch unsere Gefangenen damit, während ihres Gefängnisaufenthaltes gewissen Schikanen und Beeinträchtigungen ihrer Privatsphäre und bürgerlichen Rechte ausgesetzt zu sein sowie gerade ausreichend verpflegt zu werden. In all diese Bedingungen hatten sie im Vorfeld freiwillig eingewilligt.

8

82

Kapitel 8 - Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

Liegestützen wurden häufig zur körperlichen Bestrafung der Gefangenen eingesetzt. Sie wurden von den Strafvollzugsbeamten bei Regelverstößen oder unangemessenem Verhalten gegenüber ihnen oder der Institution verhängt. Als wir beobachteten, dass die Strafvollzugsbeamten Liegestützen von den Gefangenen verlangten, dachten wir zuerst, diese Form der Bestrafung sei unangemessen für ein Gefängnis - sie sei eher pubertär. Später erfuhren wir jedoch, dass in Konzentrationslagern häufig Liegestützen als Strafe verhängt wurden. Einer unserer Strafvollzugsbeamten trat während der Liegestützen auf den Rücken der Gefangenen oder verlangte von anderen Gefangenen, dies zu tun.

Behauptung von Unabhängigkeit Da der erste Tag ohne besondere Zwischenfälle verlief, waren wir überrascht und völlig unvorbereitet, als am Morgen des zweiten Tages ein Aufstand ausbrach. Die Gefangenen entfernten ihre Strumpfkappen, rissen ihre Nummern ab und verbarrikadierten sich in den Zellen, indem sie ihre Betten gegen die Tür stemmten. Die Strafvollzugsbeamten waren äußerst verärgert und frustriert, da die Gefangenen überdies auch noch begannen, sie zu verhöhnen und zu beschimpfen. Als die Strafvollzugsbeamten der Frühschicht eintrafen, waren sie verärgert über die Kollegen der Nachtschicht. Die Strafvollzugsbeamten mussten alleine mit dem Aufstand fertig werden. Zunächst bestanden sie darauf, Verstärkung zu holen. Die drei Strafvollzugsbeamten, die sich zu Hause in Rufbereitschaft befanden, kamen und die Nachtschicht blieb freiwillig im Dienst. Die Strafvollzugsbeamten versammelten sich und entschieden, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen. Sie spritzten mit Feuerlöschern eisiges Kohlendioxyd in die Zellen und zwangen die Gefangenen so, von den Türen zurückzuweichen. (Die Feuerlöscher mussten gemäß den Brandschutzrichtlinien der Stanford Universität installiert werden.)

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

83

Besondere Privilegien Weitere Aufstände mussten vermieden werden. Deshalb beschlossen die Strafvollzugsbeamten eine psychologische Taktik anzuwenden. Das bedeutete in diesem Fall die Einrichtung einer Vorzugszelle. Eine der drei Zellen wurde als "Vorzugszelle" gekennzeichnet. Die drei Gefangenen, die sich am wenigsten an dem Aufstand beteiligt hatten, erhielten eine Vorzugsbehandlung. Sie erhielten ihre Uniformen und Betten zurück und ihnen wurde erlaubt, sich zu waschen und die Zähne zu putzen. Außerdem erhielten sie in Anwesenheit der anderen Gefangenen besonderes Essen und wurden nachts nicht geweckt. Dies bewirkte, dass die Solidarität unter den Gefangenen zusammenbrach.

Nachdem diese Behandlung einen halben Tag lang gedauert hatte, verlegten die Strafvollzugsbeamten einige der "guten" Gefangenen in die "bösen" Zellen und einige der "bösen" Gefangenen in die "gute" Zelle und stifteten so völlige Verwirrung unter den Gefangenen. Einige von ihnen glaubten, dass die Gefangenen aus der Vorzugszelle Spitzel sein müssten, und plötzlich herrschte großes Misstrauen unter den Gefangenen. Das Verhalten der Gefangenen wurde vollständig und willkürlich von den Strafvollzugsbeamten kontrolliert. Sogar der Gang zur Toilette wurde ein Privileg, das von ihnen je nach Laune gestattet oder verweigert werden konnte. In der Tat waren die Gefangenen nach 22:00 Uhr, wenn das Licht gelöscht und die Zellen verschlossen waren, oft gezwungen, in die Eimer in ihren Zellen zu urinieren oder defäkieren. Besonders hart gingen die Strafvollzugsbeamten mit dem Anführer des Aufstands um, dem Gefangenen #5401. Er war ein starker Raucher, und sie kontrollierten ihn, indem sie seine Möglichkeiten zu rauchen regulierten. Dennoch übernahm sogar er derart die Rolle des Gefangenen, dass er stolz war, zum Leiter des Beschwerdekomitees des Gefängnisses gewählt worden zu sein.

8

84

Kapitel 8 - Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

Die Entlassung des ersten Gefangenen Unsere Untersuchung dauerte noch keine 36 Stunden, als bei dem Gefangenen #8612 eine akute emotionale Störung ausbrach und er begann, unter desorganisiertem Denken, unkontrolliertem Schreien und Wutanfällen zu leiden. Trotz all dieser Symptome dachten wir bereits so sehr wie Gefängnisautoritäten, dass wir dies für einen Täuschungsversuch hielten -- den Versuch, uns dazu zu bewegen, ihn freizulassen. Als unser wichtigster Gefängnisberater den Gefangenen #8612 befragte, tadelte er ihn wegen seiner Schwäche und erklärte ihm, mit welchen Misshandlungen durch Gefangene und Strafvollzugsbeamte er zu rechnen hätte, wenn er im San-Quentin-Gefängnis wäre. Dann wurde #8612 das Angebot gemacht, für die Strafvollzugsbeamten als Informant zu arbeiten. Im Austausch dagegen würden diese ihn nicht weiter schikanieren. Er sagte, er würde darüber nachdenken. Während des nächsten Zählappells erzählte er den anderen Gefangenen: "Ihr könnt hier nicht raus, ihr könnt nicht gehen." Die Verbreitung dieser beunruhigenden Nachricht steigerte ihr Empfinden, wirklich inhaftiert zu sein. #8612 fing dann an, sich "verrückt" zu verhalten, zu schreien, zu fluchen und sich in eine Raserei hineinzusteigern, die außer Kontrolle schien. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir zu der Überzeugung gelangten, dass er wirklich litt und wir ihn entlassen mussten.

Der geplante Massenausbruch Das nächste wichtige Ereignis, mit dem wir uns auseinandersetzen mussten, war ein Gerücht über einen geplanten Massenausbruch. Einer der Strafvollzugsbeamten hatte mitgehört, wie sich die Gefangenen über einen Ausbruch unterhielten. Das Gerücht lautete wie folgt: Gefangener #8612, den wir am Abend zuvor entlassen hatten, würde einige seiner Freunde zusammentrommeln, mit ihnen einbrechen und die Gefangenen befreien. Die Rache Es stellte sich heraus, dass der geplante Gefängnisausbruch nur ein Gerücht war. Er fand nie statt. Stellen Sie sich unsere Reaktion vor! Wir hatten einen ganzen Tag damit verbracht, zu planen, wie wir die Flucht verhindern konnten, hatten die Polizei um Hilfe gebeten, unsere Gefangenen verlegt, den Großteil des Gefängnisses abgebaut -- wir sammelten noch nicht einmal Daten an diesem Tag. Wie reagierten wir auf dieses Durcheinander? Mit beträchtlicher Frustration und Verstimmung über den Aufwand, den wir umsonst betrieben hatten. Jemand musste dafür bezahlen. Erneut erhöhten die Strafvollzugsbeamten deutlich das Ausmaß der Schikanen und Demütigungen, unter denen sie die Gefangenen leiden ließen, und zwangen sie zu erniedrigender, eintöniger Arbeit wie das Reinigen der Toilettenschüsseln mit den bloßen Händen. Sie ließen die Gefangenen Liegestützen, Hampelmänner und was immer ihnen einfiel machen und verlängerten die Zählappelle auf mehrere Stunden.

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

85

Hier die Reaktion des Gefangenen #416, unseres Möchtegern-Helden, der mehrere Stunden in die Isolierzelle gesteckt wurde, zwei Monate nach Ende der Untersuchung:*

Ich fing an zu spüren, dass ich nach und nach meine Identität verlor, dass die Person, die ich Clay nannte, die mich an diesen Ort gebracht hatte, die Person, die freiwillig in dieses Gefängnis gegangen war - denn es war ein Gefängnis für mich; es ist immer noch ein Gefängnis für mich. Ich betrachte es nicht als ein Experiment oder eine Simulation, weil es ein Gefängnis war, das von Psychologen statt vom Staat geleitet wurde. Ich begann zu spüren, dass diese Identität, die Person, die ich war, die entschieden hatte, ins Gefängnis zu gehen, sich von mir entfernte - sich so weit entfernte, bis ich schließlich nicht mehr sie war, ich war 416. Ich war wirklich meine Nummer.*

Die Verteilung der sozialen Rollen von Wärtern und Gefangenen brachte unterschiedliche Verhaltensweisen hervor. Der Versuch zeigt, wie Menschen aufgrund der zugeteilten Rolle interagieren.

Aus Respekt gegenüber Prof. Zimbardo wurde zur Darstellung des Stanford-Prison-Experiment nahe am verfügbaren Material in Internet geblieben. Die Texte und teilweise Darstellung sind dem Material von Dr. Zimbardo entnommen. Es ist wichtig, dass der Inhalt im Sinne Prof. Zimbardos verstanden wird, damit dieses heute nicht mehr wiederholbare Experiment nicht einfach in der „unethischen“ Schublade versinkt.

8

86

Kapitel 8 - Sozialpsychologie V. Soziale Identität - Stanford Prison

Sozialpsychologie VI

Kapitel 9

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_9

42

So gelernt

...sagt Vater

Ist doch logisch

Dauernd im TV

Wie immer

Gerade gesehen

Überall zu lesen

Unsere Einstellungen und Urteile sind anfällig

88

Kapitel 9 - Sozialpsychologie VI. Einstellungen und Urteile

Soziale Kognition beschäftigt sich u. a. damit, wie unsere Gedanken und Urteile durch soziale Situationen beeinflusst werden. Ein interessantes Experiment dazu wurde als Brückenexperiment bekannt.

Ich bin so froh, dass ich hier auf dieser Brücke nicht allein bin !

Die Brücke schwankt schon ganz schön heftig ! Mein Herz klopft wie verrückt, seit ich mit ihr hier auf der Brücke bin !

Zusammengefasst sieht es etwa so aus: Ein Mann und eine Frau treffen sich z. B. bei Sturm auf einer schwankenden Brücke. Beide haben Herzklopfen und interpretieren das als Folge von Anziehung durch die andere Person...

Ich hab weiche Knie und Schmetterlinge im Bauch. Das muss an diesem Typ liegen !

Na dann... war nett sie kennenzulernen. Ganz meinerseits, leben sie wohl. Auf sicherem Boden ist das Herzklopfen weg und damit auch der Bezug zur anderen Person...

...und es folgt eine Dissonanzreduktion ... Hey, Susi ! Ist das ein Sturm heute ! Wer war das denn?!

Ach, der hat sich auch über die Brücke gekämpft !

Erst war sie ja heiß, aber das ist schnell verflogen ! Ach, Frauen sind auch immer so kompliziert.

n io t bu g i r t at vongun l h Fe Erre Sah doch nett aus !

Ja, sah nett aus, aber ich will keinen Mann in meinem Leben. Dann kann ich nicht mehr zwanglos Frau sein, hihihi

...vergiss ihn und lass uns gehn ! Wir haben doch heute unseren Mädel-Fernsehabend ! Da stört ein Typ doch nur ..

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie VI. Einstellungen und Urteile

89

Eine andere Art, wie unser Denken beeinflusst und verzerrt wird, ist die Wiederholung, d. h.: Eine Aussage erscheint uns umso wahrer und gültiger, je öfter wir sie präsentiert bekommen.

Lass uns schnell einschalten, dann sehen wir noch die Nachrichten !

...Bei einen Busunglück kamen 80 Menschen zu Tode, als ein vollbesetzter Reisebus in den Alpen von der Fahrbahn abkam und eine Böschung herabstürzte...

...nach ersten Einschätzungen beging der Fahrer Selbstmord und riss die Fahrgäste mit in den Tod... ...Der Selbstmordfahrer war, aufgrund von Depressionen schon länger selbstmordgefährdet..

Schrecklich, muss er denn erst 80 Menschen töten ?!

...im Gespräch jetzt der Unfallexperte der Alpenpolizei...

Soll er sich doch alleine killen, aber sowas...!!

...es könnte auch ein technischer Defekt des Busses der Grund sein... Man sollte die endgültige Untersuchung abwarten. Dieses Stück Bremsleitung vom Unfallort ist löchrig und nicht sachgerecht repariert. ...nach der Werbung eine Spendengala zur Hilfe für die Hinterbliebenen der Opfer des Suizid-Fahrers...

Nein, das glaub ich nicht dass es an der Technik lag...!!

Ne ne, das war bestimmt Selbstmord...und der war ja schon depressiv !

Validity E

ffekt

9

90

Kapitel 9 - Sozialpsychologie VI. Einstellungen und Urteile

Auch Werbung nutzt die Tatsache aus, dass wir beeinflussbar sind. Die immer wiederholte Präsentation von Dingen oder Personen führt zu einer positiven Einstellung gegenüber diesen Dingen (Mere Exposure Effect). Das heißt, selbst wenn man sich Werbung ohne Ton anschaut und man nur immer wieder das Produkt sieht, gefällt einem das Produkt automatisch immer besser. Anchoring bedeutet, dass auch irrelevante Informationen die Urteilsbildung beeinflussen können.

...Spannkraft und Elastizität für die Haut ab 30 !!

...Blubbaqua !! Ein Quell für Vitalität und Lebensfreude !

Willst du auch was trinken? Prosecco oder Blubbaqua? Blubbaqua ist ja ein Quell für Vitalität und Lebensfreude !

MereExposureEffekt

Ich nehme Blubbaqua, die Lebensfreude, das kann ich nach den Nachrichten gebrauchen,hihi !!

...jetzt noch mehr Spannkraft und Elastizität für die Haut ab 30 !!

...Blubbaqua !! Ein Quell für Vitalität und Lebensfreude !

Klar, ich werde auch 30 Euro spenden !

Effekt Anker-

Willst du noch die Spendengala sehen?

Der Psycho-Comic Sozialpsychologie VI. Einstellungen und Urteile

91

Wenn die Wichtigkeit, Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses beurteilt werden muss, aber gleichzeitig die Zeit, die Möglichkeit oder der Wille fehlt, um auf präzise (z. B. statistische) Daten zurückzugreifen, wird oft unbewusst die Verfügbarkeitsheuristik eingesetzt.

Vienna calling ! Vienna calling !

Das war Vienna calling von Wiena... und weiter geht es mit Milli Hollday und Big Bus-Driver Oh mein Gott ! Wir wollen doch im Sommer nach Wien fahren ! Mit dem Bus !

Ja und?

Was, wenn der Fahrer auch so ein Selbstmörder ist ?!

...und nun eine Portion Zucker! Hier kommt Sugarbabe mit Sugar, Sugar !

So oft sind Busunglücke ja nicht. Es ist viel wahrscheinlicher an Diabetes zu sterben.

? Nein,das kann ich nicht glauben!

sVerfügbraisrtikkeit heu Soziale Kognition betrifft uns immer und überall

9

92

Kapitel 9 - Sozialpsychologie VI. Einstellungen und Urteile

Allgemeine Psychologie I

Konditionierung

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_10

Kapitel 10

94

Kapitel 10 - Allgemeine Psychologie I. Konditionierung

Ein Teil der allgemeinen Psychologie ist die Lernpsychologie. Die klassische Konditionierung ist eine Entdeckung von Iwan Pawlow (1849-1936), einem russischen Physiologen, der während der Erforschung der Physiologie des Verdauungstrakts bei Hunden den bedingten Reflex entdeckte.

Iwan Pawlow untersuchte den Speichelfluss bei Hunden. Zur Messung wurden vor der Fütterung kleine Reagenzgläser an den Speicheldrüsen der Hunde befestigt, die den Speichel auffingen.

Ich weiß nicht, ob unsere Messungen noch stimmen. Die Hunde sabbern ja schon, wenn sie mich sehen, noch bevor ich sie gefüttert habe.

Vielleicht riechen sie das Futter?

Nein, ich glaube nicht. Als ich gestern zum Fegen hier war, hatten sie auch starken Speichelfluss.

Das ist interessant, wir sollten das beobachten!

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie I. Konditionierung

95

Die Beobachtungen ergaben, dass die Hunde den Assistenten scheinbar am Gang erkannten und ihn mit Futter in Verbindung brachten. Iwan Pawlow versuchte den Speichelfluss nun durch andere Reize zu beeinflussen.

Mit einer Glocke

Mit einem Metronom

Die Hunde waren auf beide Geräusche konditionierbar und erzeugten jeweils nach kurzer Zeit vermehrt Speichel. Blieb der Reiz für längere Zeit aus, wurde der Reflex schwächer. Pawlow versuchte es auch mit negativen Reizen wie Schlägen, und musste feststellen, dass eine Konditionierung durch positive Reize schneller und besser auslösbar ist, negative Reize jedoch länger in Erinnerung bleiben, allerdings ohne mit der Belohnung (Futter) in Verbindung zu bleiben.

Das ist hervorragend, man kann also bei einem Hund einen Reflex konditionieren. Man stelle sich die Möglichkeiten vor !

Ich glaube jetzt, dass alle Vorgänge im Organismus und alle Beziehungen zwischen Organismus und Umwelt vom Gehirn aus gesteuert werden.

Das ist ein bedingter Reflex... ...nur leider völlig undifferenziert. Wenn ich sabbre, freut sich der Mensch !

10

96

Kapitel 10 - Allgemeine Psychologie I. Konditionierung

Der konditionierte Reflex wurde zusätzlich an einem Affen getestet, allerdings ohne den Speichelfluss zu messen. Pawlow versuchte herauszufinden, ob eine Differenzierung möglich war.

Mit einem Metronom

100 Schläge / Minute

78 Schläge / Minute Der Affe rannte bei einen bestimmten Takt zum Futter. Änderte sich der Takt, reagierte er nicht. Er konnte differenzieren.

Genosse Pawlow, was lernen wir aus ihrer Forschung ?

Unkonditionierte und konditionierte Reflexe sind die Basis des Verhaltens, nicht nur bei Tieren, sondern auch beim Menschen.

Bei der klassischen Konditionierung wird kein Verhalten gelernt, sondern ein Reiz, und es entstehen Verbindungen zwischen Nervenzellen, die teilweise nie wieder verschwinden.

Denkt daran, dass die Wissenschaft vom Menschen das ganze Leben verlangt, und hättet ihr zwei Leben - sie würden nicht ausreichen. Große Anstrengung und hohe Leidenschaft fordert die Wissenschaft vom Menschen !

Für seine Untersuchungen zu Magensaft und Speicheldrüse bekam Pawlow als erster Physiologe 1904 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin verliehen. Seine eigentliche Bedeutung liegt aber in der neuronalen Forschung. So trainierte er z. B. Hunden Neurosen an und trainierte diese auch wieder ab.

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie I. Konditionierung

97

Pawlows Hunde hielten als Lehrbuchbeispiel für klassische Konditionierung Einzug in jeden Schulunterricht. Sie stellen die einfachste und klarste Form dar, mit der zwei Ereignisse verknüpft werden können. Diese Konditionierung ermöglicht uns, Wissen durch Erfahrung zu erlangen und dadurch auf Reize zu reagieren. Diese Konditionierung ermöglicht es Lebewesen, sich in einer ständig verändernden Welt anzupassen.

Hier ein neues Hündchen.

Genosse, sehen sie nur diese schöne Glocke.

Genosse freuen sie sich denn gar nicht? Wir unterstützen ihre Forschung zum Wohl der Volksgemeinschaft ! Geben sie alles im Labor ab! Ihre Erkenntnisse kommen dem Volk zugute !

Für die Art des sozialen Experiments, das ihr durchführt, würde ich nicht das Hinterbein eines Frosches opfern!

Nachdem Pawlow die Ausreise aus der Sowjetunion verweigert wurde, wurde er, trotz seiner unverhohlenen Systemkritik, vom leninistisch-stalinistischen System als Held der Wissenschaft hofiert und protegiert. Seine Erkenntnisse fanden Anwendung in Verhör- und Foltermethoden und wurden auch zur Rechtfertigung politischer Maßnahmen des Sowjet-Regimes benutzt.

10

Kapitel 10 - Allgemeine Psychologie I. Konditionierung

98

Burrhus Frederic Skinner (1904 -1990), ein amerikanischer Psychologe, prägte die Bezeichnung operante Konditionierung. Er erfand auf Pawlows Grundlage der klassischen Konditionierung das sogenannte programmierte Lernen oder die operante Konditionierung und verfasste den weltweit beachteten utopischen Roman Walden Two (Futurum Zwei).

Was macht die kleine Ratte wenn das Lämpchen leuchtet?... Ja, schön den Hebel drücken ! ...dann gibt's feini, feini Futterchen !

1

2

3

Skinners Entdeckung war, dass die Häufigkeit der Hebeldrücke seiner Ratten nicht allein von vorhergehenden Stimuli abhängig war (wie dies Pawlow betont hatte), sondern vor allem von Reizen, die erst nach einem Hebeldruck folgten: Seine Untersuchungen beschränkten sich nicht auf Reflexe wie beim „Reiz–Reaktions-Prinzip“, sondern erfassten die Konsequenzen, die eine Reaktion hatte. Das war z. B. eine Futterbelohnung.

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie I. Konditionierung

99

Skinner war ein unermüdlicher Forscher und brachte seine Forschungen zur praktischen Nutzung. Er forschte in der späteren Zeit nur noch mit Tauben, weil diese ein hervorragendes Gedächtnis haben und in der Lage sind operantes Verhalten in unterschiedlichen Situationen abzurufen und anzuwenden. Skinner prägte für aufgebaute Bewegungsabfolgen den Fachausdruck „operantes Verhalten“. Den Vorgang, der das operante Verhalten erzeugt, bezeichnete er als „operante Konditionierung“.

Die Tests mit Tauben regten Skinner zu neuen Versuchsreihen an

Im ersten Weltkrieg wurden Tauben mit Kameras bestückt und überflogen feindliches Gebiet, um Truppenstationierungen und -bewegungen zu dokumentieren. Skinner konditionierte Tauben, um Raketen zu lenken.

Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungSkinner.shtml © [werner stangl]s arbeitsblätter

Die Forschung mit Tauben wurde fortgesetzt, und zwar, ob sich Tauben für Suchmaschinenzwecke eignen: (Zitat) Zur Eignung von Tauben für Suchmaschinenzwecke: Neuseeländische Psychologen haben festgestellt, dass Tauben Mengen mit unterschiedlich vielen Objekten nicht nur unterscheiden, sondern auch in die richtige Reihenfolge bringen können, was bei Suchmaschinen von großer Bedeutung ist. Die Vögel können die einmal verinnerlichte Ordnungsregel auch auf Mengen neuer Objekte übertragen, wodurch sie für die sich ständig ändernden Inhalte des Internets prädestiniert sind.

10

100

Kapitel 10 - Allgemeine Psychologie I. Konditionierung

Allgemeine Psychologie II

Lernen

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_11

Kapitel 11

102

Kapitel 11 - Allgemeine Psychologie II. Lernen

Der kanadische Psychologe Albert Bandura (geb.1925 in Mundare), der zu den führenden Psychologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt, etablierte in der Aggressionsforschung die entscheidende Rolle des sozialen Lernens von aggressivem Verhalten, neben Trieb und Frustration als dessen Auslöser. Auf der Basis der behavioristische Lerntheorie (Pawlow, Skinner) entwickelte er die sozialkognitive Lerntheorie, das „Modelllernen “. Der Beobachter konzentriert Oh, shit, keine Plätze seine Aufmerksamkeit auf das zusammen und ins Modell und beobachtet es. Er Fenster knallt voll die schaut genau hin und nimmt Sonne ! 1. Aneignungsphase: das Modell bewusst wahr. Der AufmerksamkeitsBeobachter wählt dabei prozesse Verhaltensweisen aus, die ihn besonders interessieren. Ich kann da nicht sitzen. Das spiegelt in meiner Brille

Pass auf! Ich regle das ! Jo, voll der Shit !

Abflug ! Oder deine Brille lernt fliegen !

sch

ack

2. Aneignungsphase: Behaltensprozesse Ein beobachtetes Modellverhalten kann manchmal erst längere Zeit nach dem Beobachten gezeigt werden. Dazu ist das beobachtete Verhalten im Gedächtnis gespeichert worden.

So läuft das !

Das war cool, das merk ich mir ! "Der Vorgang des Lernens am Modell ist das Auftreten einer Ähnlichkeit zwischen dem Verhalten eines Modells und dem einer anderen Person unter Bedingungen, bei denen das Verhalten des Modells als der entscheidende Hinweisreiz für die Nachahmungsreaktionen gewirkt hat." *

* Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml © [werner stangl]s arbeitsblätter

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie II. Lernen

3. Ausführungsphase: Reproduktionsprozesse

103

Das beobachtete Verhalten wird nachgeahmt, indem der Beobachter sich an das gespeicherte Verhalten erinnert. Dieses Verhalten wird nachgeahmt, indem die Bewegungsabläufe wiederholt werden.

Aber dann sind meine Haare hin ! Los Abflug zu Muddi !

h c s

t a l k Mach nen Abflug oder du brauchst nie wieder Gel für deine Haare !

4. Ausführungsphase: Verstärkungs- und Motivationsprozesse

Der Beobachter wird verstärkt, weil er den Erfolg seines eigenen Verhaltens sieht. Schon wenn der Beobachter erste Fortschritte sieht, wird sich diese Feststellung des erfolgreichen Verhaltens verstärkend auswirken.

Super! So mach ich das jetzt immer !

11

104

Kapitel 11 - Allgemeine Psychologie II. Lernen

Eine weitere Studie zum „Modelllernen“ führte Bandura 1961 durch. Durch diese Studie wies er nach, dass die Kinder verstanden, worum es in der Demonstration an einem Bobo-Doll durch eine Studentin ging, nämlich um Bestrafung. Die Kinder setzten dies anschließend in einer isolierten Situation um, wobei die Kinder eigene Kreativität entwickelten.

1. Aneignungsphase: Aufmerksamkeitsprozesse

Den Kindern wurde ein Film gezeigt, in dem eine Assistentin ein Bobo-Doll bestrafe, indem sie es schlug, trat und durch die Gegend warf!

2. Aneignungsphase: Behaltensprozesse

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie II. Lernen

105

Als die Kinder anschließend allein in einem Raum mit dem Bobo-Doll waren, begannen sie die Bestrafung fortzusetzen, indem sie das Gesehene wiederholten...

3. Ausführungsphase: Reproduktionsprozesse

Böse Grinseflasche !

Böser Umkipper !

...sie entwickelten die Methoden sogar weiter, indem sie alle zur Verfügung stehenden Mittel ausnutzten, und benutzten Wortschöpfungen, die im Film nicht geäußert wurden.

Du kriegst Einlauf !

Ich mach dich brav !

4. Ausführungsphase: Verstärkungs- und Motivationsprozesse

d.h. die Kinder wiederholten also nicht nur, sondern haben das Prinzip verstanden (die Puppe ist böse und muss ausgeschimpft werden) und handelten danach...

11

106

Kapitel 11 - Allgemeine Psychologie II. Lernen

Kritiker sahen 2 Schwachstellen: • Die Studie wurde ausschließlich mit 33 weißen Mädchen und 33 Jungen im Alter zwischen 5 und 7 Jahren aus der amerikanischen Mittelschicht durchgeführt. • Es ist unklar, ob die Kinder charakterliche Voraussetzungen mitbrachten, die die Studie beeinflussten. Trotzdem bestätigt diese Studie Banduras Theorie zum Modelllernen.

Hätten sich Kinder anderer Ethnien anders verhalten... rechter Haken, linker Haken...

1. einseitige Auswahl der teilnehmenden Kinder

...oder andere Methoden gewählt? Kiaiiii !

Was waren die Kinder gewohnt, ....

2. Unklarheit über die häusliche, erzieherische Situation der Kinder

... welchen Methoden waren sie ausgesetzt? Du übst eine Stunde länger ! Bis du dir Mühe gibst !

Du warst ungezogen!

! h c ts a l k

Ja, Mami !

Teddy war ungezogen! Teddy muss bestraft werden!

Das Experiment wurde häufig von Videospielgegnern zum Nachweis der Aneignung von aggressiven Verhaltensweisen durch Beobachtung herangezogen. Dieser Zusammenhang gilt allerdings als widerlegt, da es sich in der Studie um kleine Kinder handelt, bei PC- und Videospielern um Heranwachsende und Erwachsene.

Allgemeine Psychologie III

Gedächtnis

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_12

Kapitel 12

108

Kapitel 12 - Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis

Herrmann Ebbinghaus war 1875 der Erste, der sich mit dem Gedächtnis beschäftigte: Er lernte sinnlose Silbenketten auswendig und erstellte so die Lern- und Vergessenskurve. Die Erkenntnis: Wir vergessen schneller als uns lieb ist, schon nach 20 Minuten ist fast die Hälfte des Gelernten nicht mehr abrufbar.

n -Tan ia A N a - H an -W

W ah Fan g Ing -Don Ling - G a n g - Lang g

a -B

i-

L ai

t-

-Ve r -kei

h

eit

pìhuà**

**chinesisch: Unsinn

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis

109

Gedächtnismodell von Craik & Lockhart (Einspeichermodell) 1972: das Gedächtnis besteht aus einem einzigen Speicher, Informationen werden umso besser behalten je tiefer sie verarbeitet werden, d.h. je mehr Aufmerksamkeit wir einer Information zuwenden und je mehr Verarbeitungsebenen wir nutzen (also Sehen, Hören, Bedeutung), desto besser behalten wir sie

akustisch (z. B. Klang)

Berg g r e

B

Hrk

B

physikalisch (z. B. Schriftbild)

semantisch (z. B. Wortbedeutung)

selbstbezogen (eigenes Selbstkonzept)

12

110

Kapitel 12 - Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis

Gedächtnismodell von Atkinson & Shiffrin (Mehrspeichermodell) 1968 : Wahrgenommene Informationen kommen zuerst ins sensorische Register, nur die wichtigsten davon ins Kurzzeitgedächtnis und davon wieder nur die wichtigsten ins Langzeitgedächtnis. Man kann sich das so vorstellen: - Im sensorischen Register wird zunächst alles gespeichert, was wir wahrnehmen. Hier können Informationen aber nur 250 ms bleiben. - In das Kurzzeitgedächtnis passen ca. 7 sogenannte Chunks – das sind Informationseinheiten, also z.B. sieben Zahlen, sieben Farben usw. Man kann das Kurzzeitgedächtnis austricksen, indem man Informationen zusammenfasst, also wenn ich z.B. eine Zahlenreihe auswendig lernen will kann ich mir die merken mit 1 – 3 – 7 – 2 – 5 – 0 – 9 oder aber ich merke mir 13 – 72 – 50 – 98 – 14 – 65 – 21 Im zweiten Fall habe ich mir mehr Zahlen gemerkt. - Das Langzeitgedächtnis ist prinzipiell unbegrenzt groß und kann Dinge unbegrenzt lange behalten. Ob wir bestimmte Dinge aber wirklich so lange behalten hängt natürlich davon ab, wie oft ich die Information benutze

Atkinson & Shiffrin (Mehrspeichermodell):

1- 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 Pfieiiiiiiiiiip 35

49

28

3

5

7

4

8 9 2

3 5

Ein anderer Gedächtnistrick ist neue Informationen mit alten zu verknüpfen, also z.B. kann ich mir den Einkaufszettel merken, indem ich gedanklich durch mein Haus gehe und mir merke: „Im Bad brauche ich neues Shampoo, Klopapier und Seife“ „In der Küche brauche ich Kartoffeln, Brot und Käse“ „Im Wohnzimmer brauche ich Chips, Erdnüsse und Wein“

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis

111

In letzter Zeit kommen immer mehr künstliche Intelligenzen (KI) auf den Markt, die unser Gedächtnis entlasten sollen: Sicher ist es angenehm, wenn man an einen Termin erinnert wird. Wenn dieser allerdings nicht langfristig eingeplant ist, kann es unangenehm werden, wenn wir auf einer Wanderung im Wald daran erinnert werden, dass wir in einer halben Stunde einen Termin in der Stadt haben. Die KI hat kein Vorstellungsvermögen und kombiniert, vergleicht und ergänzt nicht. Diese Geräte sind ein interessanter Anfang, können unsere Merkfähigkeit und unser Gedächtnis aber nicht ersetzen. Es gibt Bedenken, dass unsere Merkfähigkeit nachlässt, wenn wir uns zu sehr auf die KI verlassen und unser Gehirn dadurch zu wenig trainiert wird. Als Gegenargument steht die Überlegung, dass wir mehr Raum für neue Inhalte hätten, wenn wir uns nicht ständig mit Alltäglichem beschäftigen müssen. Erinnerung: Termin mit Kollegen in einer Stunde, um 14:00 Uhr Sabrina! Rufe Kollegen an und verschiebe Termin auf Freitag 14:00 Uhr. Das kann ich nicht tun. Ich habe zurzeit keinen Empfang

n: rina ner ehe t b s a i S de iste auf kaufsl n Ei

Sabrina ! Setze Nelken, Hautcreme, Pflaster und Krautsalat auf die Einkaufsliste.

en hn nd Nebus sterrier u Ha sste alat* Flu uchs Co

Unsere Emotionen sind und bleiben unersetzlich, einzigartig und unberechenbar

Hmm, klingt fast wie ein Geheimcode... Kein Wunder, dass manche Menschen glauben die Geheimdienste hören sie mit der KI ab.

S * Originalwiedergabe einer KI

Man kann die KI aber in jedem Fall als Bereicherung betrachten, wenn man Humor hat und seine Merkfähigkeit auf eine andere Art trainieren möchte. Außerdem spart man Papier, für Einkaufszettel wenn man eine App nutzt, und schont somit den Wald.

12

112

Kapitel 12 - Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis

Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley 1974: Baddeley teilt das Kurzzeitgedächtnis von Atkinson und Shiffrin nochmal in verschiedene Komponenten aus: einmal ein räumliches Vorstellungsvermögen, ein phonologischer Speicher, wo sprachliche Informationen gespeichert werden und der episodische Puffer, der sich zusammenhängende Informationen merkt. Wesentlich ist hier die phonologische Schleife, Baddeley geht davon aus, dass wir innerlich ständig mit uns selbst sprechen und auf diese Weise die Informationen verarbeiten (deshalb Arbeitsgedächtnis). Das ist der Grund dafür, warum uns Sprache am meisten vom Lernen ablenkt (z.B. Instrumentalmusik hören lenkt beim Lernen weniger ab, als Musik mit Text = Irrelevanter Spracheffekt).

Visuel

+

= +

+

Phonologisch Langzeit

Kurzzeit

ev

an

t

Undefiniert

e Irr

l

Im Arbeitsgedächtnis entscheidet die zentrale Exekutive welche Informationen in das Langzeitgedächtnis gehen und welche gelöscht werden. Außerdem verknüpft es Informationen aus dem Langzeitgedächtnis mit dem, was wir wahrnehmen.

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis

113

Was heißt das nun dafür wie wir lernen? - Wir lernen indem wir: Echnaton, ägyptischer König, 18.Dynastie, mit Nofrete 6 Töchter - Monotheistmus: Aton ersetzte Amun, Zerwürfniss mit Priesterschaft, Amara am Nil gebaut, über seinen Tod ist wenig bekannt. Sein Nachfolger war Tut Anch Amun

- Informationen einfach immer wiederholen

Echnaton, ägyptischer König, 18.Dynastie, mit Nofrete 6 Töchter - Monotheistmus: Aton ersetzte Amun, Zerwürfniss mit Priesterschaft, Amara am Nil gebaut, über seinen Tod ist wenig bekannt. Sein Nachfolger war Tut Anch Amun Echnaton, ägyptischer König, 18.Dynastie, mit Nofrete 6 Töchter - Monotheistmus: Aton ersetzte Amun, Zerwürfniss mit Priesterschaft, Amara am Nil gebaut, über seinen Tod ist wenig bekannt. Sein Nachfolger war Tut Anch Amun

zzZ zzZ zzZ

- Informationen über unterschiedliche Sinneskanäle wahrnehmen (z.B. lesen und Hörbuch hören)

Echnaton gehört unbestritten zu den geheimnissvollsten Personen des ägyptischen Altertums.

- Informationen zusammenfassen (Chunking)

Echnaton - Nofretete Aton (Montheismus) - gegen Amun 6 Töchter - 1 neue Stadt (Amara) 18. Dynastie - Ägypten (Neues Reich) regiert 1353 –1336 vor Christus Vater Amenophis III - Mutter Teje

- Neue Informationen mit alten verknüpfen, bzw. eigenes Konzept finden

Scratch Scratch

Hey jo man, Echnaton, von dir da träum ich von, stießt die Priester einst von Thron und der Gott hieß jetzt A(-ha-)ton. Mit seiner Frau der Nofretete feierte er machn heiße Fete. Sechs Töchter gabs, er liebte viel und baute Amara, die Stadt am Nil. Doch plötzlich warst du verschwunden und als Nachfolger wurde Tut anch Amun gefunden. Squitsch Squitsch

12

114

Kapitel 12 - Allgemeine Psychologie III. Gedächtnis

Allgemeine Psychologie IV

Emotionen

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_13

Kapitel 13

116

Kapitel 13 - Allgemeine Psychologie IV. Emotionen

Viele Forscher haben versucht, Emotionen zu klassifizieren, aktuell haben sich die in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesenen Grundemotionen von Ekman durchgesetzt (Ekman & Friesen, 1971). Emotionen werden wie folgt klassifiziert: • Emotionen sind Zustände von Personen. Im Gegensatz zu Persönlichkeitsmerkmalen sind sie zeitlich begrenzt. d. h. die verschiedenen Emotionen (z. B. Ärger oder Angst) können intensiver oder weniger intensiv sein und länger oder kürzer dauern. • Emotionen sind in der Regel objektgerichtet, d. h. sie entstehen in Reaktion auf etwas (z. B. man freut sich über eine gute Note oder eine Verabredung). • Personen in einem emotionalen Zustand haben normalerweise ein charakteristisches Erleben (subjektive Komponente). Häufig treten auch bestimmte physiologische Veränderungen und Verhaltensweisen auf (sog. Reaktionstrias). Bei der Erforschung von Emotionen beschrieb Ekman sieben universelle Grundemotionen, die sich hinsichtlich ihres mimischen Gesichtsausdrucks unterscheiden lassen und die kulturunabhängig erkannt werden:

Freude

Wut

Ekel

Furcht

Verachtung

Traurigkeit

Wozu haben wir Emotionen? Emotionen erfüllen 4 wichtige Funktionen: 1. Emotionen helfen dabei, eine Situation einzuschätzen und eine angemessene Reaktion zu wählen (z. B. würden wir beim Auftreten von Angst aus einer Situation fliehen).

2. Emotionen beeinflussen Stärke und Dauer unserer Reaktionen (Freude kann uns beispielsweise ein Verhalten beibehalten lassen).

3. Emotionen sorgen dafür, dass wir uns erfolgreiche Verhaltensweisen merken und machen uns Verhaltensweisen bewusst, die misslungen sind.

4. Emotionen haben außerdem eine sozial-kommunikative Funktion: Sie teilen anderen mit, was wir zu tun gedenken.

Überraschung

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie IV. Emotionen

117

Eine weitere Theorie ist die Cannon-Bard-Theorie (1928), auch Thalamus-Theorie genannt, sie umfasst folgende Grundannahmen: • Das Gehirn ist unsere Umschaltstation zwischen dem Reiz, der eine Emotion auslöst, und der Reaktion, die sowohl psychisch als auch körperlich sein kann. • Physiologische Erregung und Emotion entstehen gleichzeitig. • Somit sind die körperliche und die psychische Reaktion auf Emotionen unabhängig voneinander.

Cannon-Bard-Theorie Wahrnehmung

Auslöser

Emotionale Erfahrung (Angst)

Die Cannon-Bart-Theorie geht davon aus, dass der Thalamus alle sensorischen Informationen außer die Geruchsinformationen umschaltet, wobei die Informationen erst im Thalamus ihre emotionale Tönung erhalten. Im Thalamus gibt es neuronale Erregungsmuster, die vom Kortex abgetrennt sind. Bei starken Reizen wird die Hemmung aufgehoben und die Erregung wird an den Kortex, die Skelettmuskulatur und die inneren Organe weitergegeben. Wird der Kortex entfernt, bleiben die Emotionen bestehen. Wird der Thalamus entfernt, entstehen keine Emotionen mehr. **

Emotionaler Ausdruck und physiologische Reaktion

James-Lange-Theorie Bei der James-Lange-Theorie sind Gefühle eher nur Begleiterscheinungen körperlicher Vorgänge. Nach dieser Theorie löst ein Reizereignis eine Erregung im autonomen Nervensystem und andere körperliche Reaktionen aus, die dann zur Wahrnehmung einer spezifischen Emotion führen. Auch nach Lange führt die Wahrnehmung von organismischen Veränderungen zur Emotion. Dabei geht er davon aus, dass Wahrnehmungen von Umwelteindrücken in den Eingeweiden und in der Sklettmuskulatur Veränderungen auslösen. Durch die bewusste Wahrnehmung dieser Veränderungen kommt es dann zur Emotion. **

Wahrnehmung Emotionaler Ausdruck und physiologische Reaktion

Auslöser ** Quelle: Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik, https://lexikon.stangl.eu/5963/james-lange-theorie/

Emotionale Erfahrung (Angst)

13

118

Kapitel 13 - Allgemeine Psychologie IV. Emotionen

Eine der ersten wichtigen Emotionstheorien ist die Theorie von James und Lange (1885), die unabhängig voneinander den gleichen Gedanken zu einer Theorie ausbauten (Meyer, Reisenzein & Schutzwohl, 2001; Zimbardo, 2004). Die James-Lange-Theorie besagt, dass entgegen dem intuitiven Verständnis zunächst die physiologische Reaktion und dann erst die Emotion erfolgt ("wir sind fröhlich, weil wir lachen"). Damit folgen sie Aristoteles' Auffassung. Darüber hinaus umfasst sie folgende Annahmen: • Die Wahrnehmung einer erregenden Tatsache ist eine hinreichende und notwendige Bedingung für das Auftreten körperlicher Veränderungen. • Körperliche Veränderungen sind emotionsspezifisch, Gefühle fühlen sich also deswegen unterschiedlich an, weil sie auf unterschiedlichen körperlichen Reaktionen beruhen. • Die Emotion ist das bewusste Erleben der körperlichen Veränderung. Weil diese Theorie stark kritisiert wurde, rückte sie immer stärker in den Hintergrund. Inzwischen ist sie Teil neo-jamesianischer Emotionstheorien, z. B. der Gesichtsrückmeldungshypothese. Diese fußt auf Beobachtungen wie denen im Experiment von Martin und Stepper (1988): • Aufbau: Versuchspersonen sollen einen Stift entweder mit den Lippen, mit den Zähnen oder mit der Hand halten und beurteilen, wie lustig sie Comics finden. • Ergebnis: Die Personen, deren Mimik einem Lächeln am Nächsten kam, weil sie den Stift mit den Zähnen hielten, fanden die Comics am lustigsten. • Aus dem Ergebnis leitete man ab, dass experimentelle Veränderungen der Mimik einen Einfluss auf das emotionale Erleben haben, physiologische Veränderungen müssen also bei der Entstehung von Emotionen eine Rolle spielen.

M. Zygomaticus minor M. risorius

Stift mit Zähnen gehalten

M. orbicularis oris

Stift mit Lippen gehalten

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie IV. Emotionen

119

Die Zwei-Faktoren-Theorie nach Schachter und Singer (1964) wird auch als kognitiv-physiologische Emotionstheorie bezeichnet. Folgende zwei Faktoren müssen vorliegen, um eine Emotion zu erzeugen: • Physiologische Erregung • Kognition (Bewertung des Ereignisses und Kausalattribution) Beide Faktoren müssen gemeinsam vorliegen, um eine Emotion zu erzeugen: Tritt ein Ereignis auf, muss man eine physiologische Erregung spüren, das Ereignis als emotionsrelevant einstufen und das Ereignis und die Erregung kausal miteinander verknüpfen. • Der alltägliche Fall: Gewöhnlich entstehen Emotionen vollkommen automatisch durch die Einschätzung der Situation aufgrund von vorhandenem Wissen. In diesem Fall sind beide Faktoren (physiologische Reaktion und Kognition) eng miteinander verknüpft (z.B. bei Angst vor einem Hund).

Ein Hund ! Der hat einen Jagdinstinkt !

Herzklopfen, Schwitzen, schnelle Atmung

= ANGST

Nicht rennen !

• Der nicht-alltägliche Fall: Nur wenn eine Situation unbekannt ist, nimmt man zuerst die physiologische Erregung wahr und sucht erst danach nach Ursachen und schätzt die Situation emotional ein (man merkt z.B. vor einer Prüfung, dass man schwitzt, und hält das für ein Zeichen von Prüfungsangst).

AUFNAHME Ich stell sie kurz vor und dann sagen sie etwas zu ihrem Buch !

Oh man, bin ich aufgeregt ! Ich bin total am Schwitzen vor Angst !

Ach, und Tschuldigung wegen der Hitze ! Klimaanlage ist kaputt !

Doch keine Angst !

13

120

Kapitel 13 - Allgemeine Psychologie IV. Emotionen

Valins befasste sich inspiriert durch die Theorie von Schachter und Singer ebenfalls mit Experimenten zu emotionalen Reaktionen. Valins ging noch einen Schritt weiter und hatte die Hypothese, dass Gefühle auch dann ausgelöst werden, wenn man nur glaubt, erregt zu sein. Dieser Grundidee ging er 1966 in folgendem Experiment nach: Männliche Versuchspersonen betrachten Playboy-Fotos und hören dabei einen (manipulierten) Herzschlag. • Der Experimentalgruppe täuscht man vor, es handele sich um ihren eigenen Herzschlag, der Kontrollgruppe gegenüber behauptet man dies nicht. • Bei einigen Fotos hören die Probanden einen schnelleren Herzschlag als bei anderen Fotos. • Im Anschluss sollen die Versuchsteilnehmer die Attraktivität der abgebildeten Frauen beurteilen.

Ergebnis: Im Gegensatz zur Kontrollgruppe finden die Versuchspersonen der Experimentalgruppe diejenigen Fotos attraktiver, bei denen ihnen vorgegaukelt wurde, dass ihr Herz schneller schlage.

Dieses Klopfen hat nichts mit ihnen zu tun.

dum dum

dum dum

dum dum dum

dum dum dum

dum dum dum dum

Aufgrund dieses Valins-Effekt musste die Zwei-Faktoren-Theorie angepasst werden: • Die reale Erregung muss bewusst wahrgenommen werden, um eine Emotion auszulösen. Unbewusste Veränderungen im autonomen Erregungsniveau führen nicht zu einer Emotion. • Ob die Information über den Erregungszustand real ist oder nicht, ob sie von innen oder außen kommt ist dabei nicht relevant, der Betreffende muss nur glauben, die Erregung habe etwas mit seinem inneren Zustand zu tun.

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie IV. Emotionen

121

Die rein kognitive Emotionstheorie von Weiner (1995) entstand im Rahmen der Attributionsforschung. Emotionen entstehen demnach nur aufgrund der kognitiven Verarbeitung einer Situation - und zwar entweder während oder erst nach Abschluss dieser Verarbeitung. Die Differenziertheit der Emotion hängt davon ab, wie viel kognitive Verarbeitung ihr vorausgegangen ist. Der Prozess der Emotionsentstehung nach Weiner: • Tatsächliche oder eingebildete Wahrnehmung eines Ereignisses; • Bewertung des Ereignisses (positiv oder negativ); • Möglicherweise Entstehung einer hiervon abhängigen Emotion (Beispiel: Wird ein Sachverhalt positiv bewertet, entsteht Freude); • Analyse der Ursache des Ereignisses und damit einhergehend die Kausalattribution, hiervon abhängig sind unterschiedliche Emotionen möglich (wird z. B. die eigene Leistung als Ursache für ein positives Ereignis ausgemacht, entsteht Stolz); • Zuschreibung von Verantwortung und normative Bewertung, hiervon abhängig sind unterschiedliche normabhängige Emotionen möglich (wird z. B. Verantwortung für ein gesellschaftlich negativ bewertetes Ereignis übernommen, entsteht Schuld).

STOLZ

FREUDE

SCHULD

13

122

Kapitel 13 - Allgemeine Psychologie IV. Emotionen

Die kognitiv-relationale Theorie von Lazarus (1968) ist v. a. als Stresstheorie bekannt geworden. Auch für Lazarus sind Emotionen das Ergebnis eines kognitiven Bewertungsprozesses (Reisenzein, Meyer & Schützwohl, 2003). Die Einschätzung einer Situation erfolgt in zwei Schritten: • primäre Bewertung der Situation als positiv, bedrohlich, schädlich, herausfordernd etc. • sekundäre Bewertung der verfügbaren Bewältigungsstrategien Je nach Einschätzung folgt eine Handlungstendenz, die eine physiologische Reaktion und problem- oder emotionsorientierte Bewältigungshandlungen auslöst. Aus Situationseinschätzung, Handlungstendenz und physiologischer Reaktion entsteht im Gehirn die Emotion.

Primäre Einschätzung der Situation

Ein Hund ! Der kann beißen, hat einen Jagdinstinkt, kann aber auch lieb sein

Sekundäre Einschätzung: Was kann ich tun? Stehen bleiben? Das kann ewig dauern

Vorbei schleichen? Aber eigentlich sieht er lieb aus

Handlungstendenz

Laufen? Ich bin total außer Atem !

Locken?

Na, du siehst aber lieb aus, du bist bestimmt ein ganz Feiner.

Bewältigungshandlung

• problemorientiert • emotionsorientiert

Physiologische Reaktion

Du hast mich ja ganz schön erschreckt !

Allgemeine Psychologie V

Kapitel 14

Wieso wir uns verhören und versprechen

Kommunikation kann schwierig sein

Komm schon und schmier mich ein

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_14

124

Kapitel 14 - Allgemeine Psychologie V. Verhören und versprechen

Die kognitive Psychologie, als Teil der Allgemeinen Psychologie, entwickelte sich Mitte 20. Jahrhunderts. Zu der Zeit entstand das Interesse für die Kognitionen, also das Denken. Die Psychologie ist die Lehre vom Erleben und Verhalten, und das Erleben besteht aus Denken, Fühlen und Wollen. Ein Teil des Denkens gründet auf der Sprachwahrnehmung und dem Sprachverständnis.

Neulich im „Siggi“, Psychologiestudentin trifft ...

Oh, schön ! Ein freier Platz !

Ja, da ist frei. Es ist heute aber auch ganz schön voll ! Ja, es ist toll !

Möchtest du auch einen Becher Wein?

Oh, du meinst wohl ein Glas Wein ! Becher sind doch im Allgemeinen aus Plastik… Das ist so ein sprachliches Phänomen. Das heißt semantische Substitution und bedeutet, dass man ein Wort durch ein semantisch, d.h. inhaltlich ähnliches ersetzt. aha !

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie V. Verhören und versprechen

125

Wieso man sich sowas merkt, ist mir ein Rätsel ! Apropos Rätsel... ...kennst du dieses Rätsel schon? Aufpassen ! Versuch herauszufinden, was ich sage: Mänäptehoi? Äptemäniehoi. Äptebeten.

??? Häh? Sag noch mal.

Mänäptehoi? Äptemäniehoi. Äptebeten.

n Äbte Heu?

Mäh

Ich erklär’s dir ! Es handelt sich dabei um ein Segmentierungsproblem, d.h. du musst herausfinden, wo die Wortgrenzen liegen. Ich spreche es mal langsam: Mäh’n Äbte Heu? Äbte mäh’n nie Heu. Äbte beten.

14

126

Kapitel 14 - Allgemeine Psychologie V. Verhören und versprechen

Du auc h

M

hie r !

ra ine lwa s s e r Bie r

Und weißt du, warum wir uns hier auf der Party unterhalten können, obwohl die Musik eigentlich so laut ist und ganz viele Leute um uns herum reden?

Euro

Hu

u h uu

la b B la We i n tr i nke Ein

e

r

noc h g eht

Nein, aber du wirst es mir bestimmt gleich erzählen.

Dabei hilft uns der McGurk-Effekt. Wenn wir die Lippen einer anderen Person beim Sprechen sehen, hilft uns das bei der Identifikation des Gesprochenen.

Der Psycho-Comic Allgemeine Psychologie V. Verhören und versprechen

127

Und auch der Phonemrestaurationseffekt hilft uns dabei. Wenn jetzt bei einem Wort, das ich sage z.B. ein Buchstabe übertönt wird von einem Beat aus der Musik, dann hörst du trotzdem das Wort genauso, wie es heißen soll.

Also z.B. bei Ki*sche hörst du trotzdem Kirsche und wenn ich dir sagen würde, dass ich das jetzt durch ein Experiment manipuliert habe, dass du das „r“ gar nicht hören konntest, dann würdest du mir das nicht glauben. Du würdest trotzdem glauben, ich hätte ein „r“ gesprochen.

Unser Gehirn gaukelt also unserer Wahrnehmung was vor, damit wir funktionieren. Wir glauben ja immer, dass unsere Wahrnehmung ja ach so echt ist und die Realität abbildet, aber das ist eigentlich gar nicht so…

14

128

Kapitel 14 - Allgemeine Psychologie V. Verhören und versprechen

ich brauch mal n Takschi, hab schuvielgetrunken.

Netter Typ, ich hab mich prima mit ihm unterhalten, aber dass er so viel trinkt, finde ich nicht so gut !…

Ach nein? Das liegt bestimmt daran das ich sie nicht angesehen habe, denn sonst hätte ihnen der McGurk-Effekt geholfen. Der bewirkt nämlich...

häh?

Ah!.. ich verstehe ! Ein Taxi !

Ich kann sie nicht verstehen !

Entwicklungspsychologie I

Kognitive Entwicklung nach Piaget

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_15

Kapitel 15

130

Kapitel 15 - Entwicklungspsychologie I. Piaget

Jean Piaget (1896-1980) erarbeitete eine bis heute maßgebliche entwicklungspsychologische Theorie zur Kognitiven Entwicklung. Seine Ideen sind trotz einiger nachgewiesener Irrtümer auch heute noch in fast allen Lehrbüchern zu finden. Im Verständnis von Piaget läuft die Entwicklung in Stadien ab, wobei jedes Stadium in einer vorgegebenen Reihenfolge durchlaufen werden muss.

Laut Piaget wird jeder Mensch mit zwei fundamentalen Tendenzen geboren:

Assimilation

(die Veränderung der Umwelt, um diese den eigenen Bedürfnissen, Wünschen etc. anzupassen)

Akkommodation

(die Veränderung des eigenen Verhaltens, um sich selbst den Umweltbedingungen anzupassen)

Jeder Mensch ist bestrebt, durch Akkommodation und Assimilation immer wieder ein Gleichgewicht herzustellen, um "in Harmonie" mit sich und seiner Umgebung zu leben. Die meisten Menschen spüren eine Spannung, wenn sie auf etwas treffen, das sie nicht verstehen oder nicht wissen.

Der Psycho-Comic Entwicklungspsychologie I. Piaget

131

Nach Piaget ist das erste Stadium die sensomotorische Phase (0-18/24 Monate). Sie zeichnet sich dadurch aus, dass das Kind in dieser Zeit seine Umwelt im wahrsten Sinne des Wortes begreift, d. h. es entwickelt kognitive Schemata durch Anfassen und Fühlen.

Mit etwa 12 Monaten erkennt das Baby, dass Dinge auch da sind, wenn sie nicht zu sehen sind ("Objektpermanenz"). Es beginnt, zwischen sich selbst und Objekten seiner Umwelt zu unterscheiden.

Mama !

15

132

Kapitel 15 - Entwicklungspsychologie I. Piaget



hüh

u!

a u, w

Wa

ü!

In der voroperatorischen Phase (2-7 Jahre) werden die kognitiven Schemata immer komplexer. Zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr ist das Denken symbolisch geprägt, d.h. das Kind versucht, bekannte Schemata auf neue Situationen anzuwenden. Dies äußert sich z. B. in intensiven "Als-ob-Spielen": Das Kind spielt mit einem Bauklotz, als ob er ein Auto ist.

Zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr ist das Denken von Anschaulichkeit geprägt, was zu "Denkfehlern" führt, so u. a. einer animistischen Naturdeutung (d.h. das Kind unterstellt Objekten eine Lebendigkeit, z. B. Berge wachsen), finalistischen Erklärungen (d. h. das Kind hält Objekte für lebendig und glaubt z. B., dass die Bauklötze böse sind, weil der gebaute Turm immer umfällt) oder die Zentrierung auf einen Teilaspekt eines Objekts. Auch kann das Kind in dieser Phase noch keinen Perspektivenwechsel vornehmen, d. h. das Kind glaubt, dass alle anderen die Dinge genauso sehen wie es selbst.

Lollybäume ! Lollybäume !

Na, kleiner Hein, für deine vier Jahre hast du fleißig geholfen Äpfel zu sammeln. Dafür bekommst du auch einen Lolly !

Gut, dass ich den Lolly festgehalten hab, da sind die Bäume auch stehen geblieben !

Der Psycho-Comic Entwicklungspsychologie I. Piaget

133

In der konkret-operatorischen Phase (7-11 Jahre) sind erste Formen des logischen Schlussfolgerns möglich. Das Kind kann nun Gegenstände und Vorgänge zueinander in Beziehung setzen, d. h. es versteht Relationen wie "schöner" oder "besser", es versteht, dass Summen unabhängig sind von ihrer Reihenfolge und es kann mehrere Variablen gleichzeitig betrachten. Das Regelspiel wird in dieser Phase zur vorherrschenden Spielform.

Im formal-operatorischen Stadium (ab 12 Jahre) wird abstraktes Denken möglich. Der Jugendliche kann Probleme nun theoretisch analysieren und Fragestellungen systematisch durchdenken. Das Denken wird unabhängig von der konkreten Wahrnehmung. Im formal-operatorischen Stadium (ab 12 Jahre) wird abstraktes Denken möglich. Der Jugendliche kann Probleme nun theoretisch analysieren und Fragestellungen systematisch durchdenken. Das Denken wird unabhängig von der konkreten Wahrnehmung.

Taschengeld

Mama?...wenn du ein sehr bedürftiges Kind sehen würdest...würdest du ihm dann Geld geben?

Hahaha!...was möchtest du dir denn kaufen?!

15

134

Kapitel 15 - Entwicklungspsychologie I. Piaget

Ein bekanntes Experiment von Piaget, an dem man die Fähigkeiten der verschiedenen Stadien gut erkennen kann, ist das Pendelexperiment.

Kindern werden zwei Pendel gezeigt, nämlich ein kurzes, schweres Pendel und ein langes, leichtes Pendel.

4-7 Jahre

Die Kinder beobachten, dass das kurze, schwere Pendel schneller schwingt als das lange, leichte. Dann wird die Frage gestellt:

Im voroperatorischen Stadium...

Von welchen Faktoren hängt die Pendelgeschwindigkeit ab?

... zentrieren Kinder einen Aspekt

...vom Gewicht

Kinder können nur eine Dimension betrachten, entweder die Länge oder das Gewicht. Sie entscheiden sich willkürlich für eine der beiden Möglichkeiten.

7-11 Jahre

...das ist wegen der Länge

Im konkret-operatorischen Stadium... ...antworten Kinder, dass beide Variablen wichtig sind.

Gewicht und Länge Kinder können zwar 2 Aspekte betrachten, aber nicht unabhängig voneinander. Aus diesem Grund kommen sie zum falschen Schluss.

kurz und schwer?

11-12 Jahre Im formal-operatorischen Stadium... ...antworten Jugendliche, dass die Frage ohne weitere Versuche nicht beantwortbar ist, sondern dass man die anderen möglichen Kombinationen ebenfalls ausprobieren müsse. Jugendliche erkennen, dass es sich bei der beobachteten Situation um zwei von vier möglichen Kombinationen handelt und erkennen deshalb, dass sie zur Lösung des Problems mehr Informationen brauchen.

...das kann man so nicht sagen

...das müsste man ausprobieren

Die richtige Antwort wäre, dass die Pendelgeschwindigkeit von der Länge des Pendels abhängt und das Gewicht irrelevant ist.

Piagets Theorie gehört zu einer der einflussreichsten in der ganzen Entwicklungspsychologie. Im Detail wurde die Theorie allerdings neueren Erkenntnissen angepasst. Besonders die Altersangaben haben sich als variabler herausgestellt.

Entwicklungspsychologie II

Bindungsverhalten von Kindern

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_16

Kapitel 16

136

Kapitel 16 - Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten

Bindung ist die emotionale Verbindung zwischen einem Kind und seinen Bezugspersonen. Es ist der erste tiefgreifende emotionale Prozess, der das Gehirn eines Neugeborenen beeinflusst, und diese Erfahrung ist grundlegend, da Emotionen auch an allen späteren Lernprozessen beteiligt sind. John Bowlby veröffentlichte 1958 in "The Nature of the Child's Tie to his Mother" als erster Theorien zur Bindung eines Kindes. Die Zeitangaben wurden bis heute präzisiert, inhaltlich wurden die Theorien bestätigt. Die Qualität der emotionalen Kontakte von Babys und Kleinkindern beeinflussen die neuronalen Netzwerke dauerhaft und damit die Qualität der emotionalen Entwicklung.

Da bab babaluba Da bap bäm bu ...Tutti Frutti...

Bowlbys Definition von Bindung:

Bindung ist die Fähigkeit des Menschen, Sprache und andere Symbole zu gebrauchen...

...seine Fähigkeit, Pläne und Modelle zu entwickeln...

Dieser Hut schützt sie vor Strahlungen jeder Art! Auch vor Atomstrahlen nach einen Nuklearangriff oder einem Reaktorunfall !

Hiermit seid ihr Mann und Frau !

...und endlose Konflikte mit anderen einzugehen.

Diese Prozesse der ersten drei Lebensjahre machen den Menschen nach Bowlby zu dem was er ist.

Der Psycho-Comic Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten

137

Im Alter von 6 bis 18 Monaten entwickeln sich die Regionen des Gehirns besonders massiv, die für Emotionen zuständig sind. So beginnen Kinder mit frühestens sechs Monaten Zeichen echter Zuneigung zu zeigen, denn erst sechs Monate nach der Geburt wird der Mensch "kommunikativ". Jetzt wird die Welt erstmals eingeteilt in nah und fern, in dazugehörig und fremd, und fremd ist unangenehm. Enger emotionaler Kontakt der Kleinkinder fördert die Entwicklung der emotionalen neuronalen Netzwerke, während negative Erfahrungen zu fehlerhaften Netzwerken führen.

Bindungen sind in den Gefühlen verwurzelt und bilden die Grundlage für menschliche Beziehungen. Somit sichert das dem Menschen angeborene Bindungsverhalten das Überleben des Kindes. Bereits Neugeborene sind in der Lage, ihre Bezugspersonen zu erkennen und von ihnen zu verlangen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen ...und mein kleiner Schatz kann schon selber das Fläschchen halten. So ein großer Junge!

Lauf ! Wir gewinnen !

Erzähl weiter,... die kann ruhig mal schreien. Das stärkt die Lungen

Von zentraler Bedeutung ist nun, wie persönliche Erlebnisse das Bindungsverhalten von Kindern beeinflussen. Sie machen unterschiedliche Erfahrungen mit ihren Bezugspersonen. Ich kann nicht mitmachen, Diese prägen sich mir ist schlecht ein und bilden entsprechende Erwartungen bezüglich künftiger Interaktionen. Sprache, Gedächtnis, Emotionalität und Sozialverhalten werden von diesen Bindungserfahrungen stark beeinflusst.

Egal ob ich mich anstrenge, ich schaff das eh nicht!

16

138

Kapitel 16 - Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten

Bindung und spätere Entwicklung beginnt letztlich bei der Geburt und ist dann gegeben, wenn sich ein Kind sicher und beschützt fühlt, wenn es die Umwelt erkundet, selbstständig wird und sich im psychologischen Sinn positiv entwickelt. Eine sichere Bindung fördert nach den Ergebnissen bisheriger Forschung die soziale Kompetenz, das Selbstvertrauen und auch die Selbstregulation, also alles Faktoren, die auch einen Schutz vor aggressivem Verhalten darstellen. Die emotionale Bindung eines Kleinkinds zu einer Bezugsperson bzw. zu seinen Eltern hat also eine hohe Bedeutung für dessen weitere Entwicklung, denn diese ist die beste Voraussetzung für ein Kind, auch im Jugend- oder Erwachsenenalter Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen zu können.*

Die Aufgabe soll man mit 5 Blöcken erledigen und mit dem Grünen anfangen !

*Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ERZIEHUNG/Bindung.shtml © [werner stangl]s arbeitsblätter.

Probier mal den Grünen nach unten links ! Unsicher gebundene Kinder haben später weniger Beziehungen, sind rigider im Denken und Handeln, zeigen eher Probleme in der Sprache und Kommunikationsentwicklung und verlassen sich mehr auf sich selbst als auf andere Menschen.* Hey Bitch ! Haste Kippen?

Hmm, da ist doch ein Trick dabei ! Lass uns das vorher durchspielen ! Menschen aus sicheren Bindungen sind im Allgemeinen aufgeschlossener, flexibler und neugieriger. Sie sind offener für Unbekanntes und haben ein stärkeres Selbstbewusstsein.

Von meina Mudda gezoggt. Fürn Bia krickste eene. Meene Alte rocht nich mehr ...keine Kohle ...aba Bier jiptet. Hahaha ! Darf auch gerne mehr sein, weil wir stärker sind als du !

Hey, haste mal nen Euro ?!

Klar !

Das ist mein erstes eigenes verdientes Geld ! Arbeitet doch selbst !

Störungen durch fehlende Sicherheit und Stabilität im frühen Kindesalter begleiten einen Menschen oft durch sein ganzes weiteres Leben, und bei besonderen lebenskritischen Ereignissen wie dem Schuleintritt, der Pubertät oder dem Übergang zum eigenständigen Leben brechen diese wieder auf.* Die Kompensation richtet sich häufig gegen Personen aus sicheren Bindungen. Gib mal was ab, Muttersöhnchen! Oder ist dir unser Lockvögelchen nicht mehr wert? Die Kleine gehört zu uns und ein Euro ist ja wohl ne Beleidigung !

Stimmt, wenn die zu euch gehört könnte sie ne Menge mehr SCHMERZENSGELD von EUCH verlangen !

Der Psycho-Comic Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten

139

Wegen der Bedeutung der Bindung wurden Tests entwickelt, um die Bindungsqualität bei Kleinkindern zu messen. Der 1970 von Mary Ainsworth entwickelte Strange-Situation-Test ist der etablierteste. Er bietet bis heute eine Möglichkeit, das abstrakte Thema der Bindungsqualität zu messen und die Interaktion zwischen Mutter und Kind zu interpretieren. Der Strange-Situation-Test wird bei Kindern durchgeführt, die etwa 12 bis 20 Monate alt sind.

Der Test läuft in acht Phasen ab: Fremde

Mutter Kind

1

Mutter und Kind werden vom Versuchsleiter in einen unvertrauten Raum geführt, der mit attraktivem Spielzeug und 2 Stühlen ausgestattet ist.

Mutter und Kind sind nun allein und das Kind kann die Umgebung und die Spielsachen erkunden.

3

2

Nun betritt eine Fremde den Raum und unterhält sich erst mit der Mutter und nimmt dann Kontakt mit dem Kind auf.

Anschließend verlässt die Mutter den Raum unauffällig und die Fremde beschäftigt sich mit dem Kind, tröstet es, wenn nötig.

5

4

Reunion 1: Mutter kommt zurück und Fremde geht. Die Mutter versucht das Kind wieder für das Spielzeug zu interessieren.

*Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ERZIEHUNG/Bindung.shtml © [werner stangl]s arbeitsblätter.

16

140

Kapitel 16 - Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten

Der Strange-Situation-Test nach Mary Ainsworth differenzierte 4 Bindungstypen. Allerdings wurde der Test, wahrscheinlich wegen der Instabilität der Ergebnisse, ständig modifiziert. Die Bindungstypen variierten stark, auch deren Anzahl (bis zu 16 Bindungstypen).

6 Mutter verlässt mit Abschiedsgruß den Raum und lässt das Kind allein

Fremde tritt ein und versucht das Kind zu trösten

7

8 Reunion 2: Mutter kommt wieder und Fremde verlässt den Raum.

Die Auswertung der fremden Situation erfolgt durch eine Einschätzung der beiden Reunionsphasen (Wiedervereinigungsszenen) auf vier 7-stufigen Skalen:

• Nähe suchen • Kontakt halten • Widerstand gegen Körperkontakt • Vermeidungsverhalten

Der Psycho-Comic Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten

141

Die vier genannten Bindungstypen sind langfristig relativ instabil, da einerseits immer neue Bindungserfahrungen gemacht werden können, die zu den bisherigen im Widerspruch stehen. Dadurch erfolgt eine Anpassung an die neuen Lebensumstände und Stressoren. Andererseits sind die Methoden zum Messen der Bindungsqualität fehleranfällig.*

Die vier Bindungstypen nach Mary Ainsworths Fremde-Situationen-Test und die korrespondierenden elterlichen Verhaltensweisen

1

Bindungstypen

Elterliche Verhaltensweisen

Sicher gebunden: Prompt, verlässlich, freundlich Kinder lassen sich schnell wieder beruhigen, wenn Mutter zurückkommt.

2

Unsicher vermeidend: Die Kinder erscheinen relativ ungestresst und selbstständig auf der Verhaltensebene, sind aber physiologisch gestresst.

3

Unsicher ambivalent: Kinder empfinden Kummer, wenn sie alleine gelassen werden; sie suchen Kontakt bei der Rückkehr der Mutter, widerstreben aber andererseits Kontaktversuchen der Mutter.

4

Desorganisiert gebunden: Nähesuchen wird kurz vor Körperkontakt abgebrochen. Grimassieren: Angstreaktion auf Rückkehr der Mutter.

Insensitiv für Signale des Kindes: Mutter vermeidet Körperkontakt und erwartet die eigenständige Regulation der Gefühle des Kindes.

Manchmal herzlich und zugewandt, manchmal nicht ansprechbar/erreichbar

Überzufällig, oft Missbrauchserfahrung

*Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ERZIEHUNG/Bindung.shtml © [werner stangl]s arbeitsblätter.

16

142

Kapitel 16 - Entwicklungspsychologie II. Bindungsverhalten

Bindung bedeutet, dass das Kind ein Urvertrauen zu einer einzigen Person aufbaut, die nicht austauschbar ist, wobei dieses Bedürfnis des Kindes biologisch verankert ist und zu einer hohen Qualität der Beziehung führen kann, wenn die erwachsene Person darauf mit dem richtigen Verhalten antwortet. Wenn ein Erwachsener für ein Kind einschätzbar ist, dann ist auch das Kind für den Erwachsenen einschätzbar, sodass Bindung immer relational ist und für beide Seiten gilt.

Qualität der Bindungen Enge Bindung Sicherheit

Mu

tte r Kind Bindung ja, eng nein. Bindung zwecks Lebenserhaltung

Bindung labil existenzbedingt

Ta g

Bindungsqualität hängt von der Bindungsqualität der Eltern ab

e s m u tter

Gr

oße

n lte r n Ki

P fl

ege

in elte r n K

d

d

Eine früh erworbene und verfestigte Bindung ist übrigens manchmal so fest, dass sie selbst gegenüber der betreffenden Person auch dann hält, wenn diese das Kind schlecht behandelt bzw. sogar misshandelt.

Persönlichkeitspsychologie I

Warum sind Menschen so kompliziert?

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_17

Kapitel 17

144

Kapitel 17 - Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

Die Persönlichkeitsforschung scheint ein unendliches Gebiet zu sein. Der Versuch, DIE Persönlichkeit zu beschreiben, fällt den Persönlichkeitsforschern verständlicherweise schwer. Die Menschen sind einfach zu verschieden, und genauso verschieden sind die Persönlichkeitsmodelle, die seit der Entstehung der Psychoanalyse durch Freud entwickelt wurden. In diesem Kapitel sollen einige vorgestellt werden. Diese etablierten Modelle haben sich über die Zeit erhalten und gegenseitig beeinflusst. So individuell wie die Menschen, so individuell sind auch die Persönlichkeitsforscher und ihre Ideen und Ansätze.

Jeder Mensch ist einzigartig, er empfindet, reagiert und agiert einzigartig. Jeder liebt und verabscheut individuell verschiedene Dinge und ein Ereignis ruft unendlich viele Varianten der Reaktion hervor.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

145

Sigmund Freud versuchte eine allgemeingültige Struktur eines Individuums zu erarbeiten. Sein Modell ist bis heute die Grundformel aller psychologischen Modelle. Freud teilte das Bewusstsein in 3 Ebenen ein. Das ist von Religionen und Mythologien ein bekanntes Prinzip (Vater, Sohn, heiliger Geist). Freud transformierte als überzeugter Darwinist das Prinzip auf die evolutionäre Ebene mit Entwicklungs- und Erkenntnismöglichkeiten des Individuums.

Wird entwickelt, anerzogen, richtig-und-falsch-Unterscheidung, „was sich gehört“, alles Erlernte, gesellschaftskonform, handelt vorteilhaft für sich selbst. vorbewusst, alles Erlernte passive Gedächtnisinhalte

Über-Ich

in se

Wa hr

ungsbewu m h ss e t n

Es kann dem Über-ich oder dem Es näher stehen. Man entwickelt es selbst

Ich

Mitte zwischen Trieb und Moral. Kontrolliert, reflektiert, koordiniert

bewusst, aktives Gedächtnis, alles, was sofort abrufbar ist

Es unbewusst, alles was nicht abrufbar ist, verdrängt oder nie gewusst absolut egoistisch, nur Triebe, reine Lebenserhaltung: Hunger, Durst, Sex

Die unbewussten Triebe sollten erkannt werden, um sich von der unbewussten Steuerung durch diese zu erlösen.

17

146

Kapitel 17 - Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

nimus A d un

Gut un d se Bö

Anima

Die neopsychoanalytischen Persönlichkeitsmodelle entwickelten sich im Wesentlichen aus der Kritik an Freuds Theorien, wie die Komplexe analytische Psychologie (1946) von C. G. Jung. Im Unterschied zu Freud ist Libido für Jung keine rein sexuelle Energie, sondern eine allgemeine zielgerichtete, seelische Energie.

Archetypen

Selbst

Eine nach außen gerichtete Hülle des Selbst. Das, was der Mensch nach außen von seinem Selbst zeigt

Persona

Es umfasst alle bewussten und unbewussten Anteile der Psyche.

Komplex

Eine autonome Einheit der Psyche, die zwischen Selbst und dem kollektiven Unbewussten vermittelt

Persönliches Unbewusstes:

Es umfasst die individuell verdrängten Erfahrungen (siehe Freud).

Kollektives Unbewusstes:

Es umfasst die psychischen Muster, die sich im Laufe der Evolution im menschlichen Unbewussten angesammelt haben.

Im Zuge der Persönlichkeitsentwicklung müssen die Archetypen aufgedeckt werden und man muss die jeweiligen Pole in sich akzeptieren lernen (z. B. das Männliche und das Weibliche). Zur Veränderung der Persönlichkeit arbeitete Jung nicht nur (wie Freud) mit freien, sondern auch mit gebundenen Assoziationen, mit denen das kollektive Unbewusste analysiert werden kann.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

17

147

Auch für Alfred Adler (1974) ist die Libido eine allgemeine Energie. Er geht davon aus, dass Verhalten immer darauf ausgerichtet ist, dass das Minderwertigkeitsgefühl überwunden werden kann. Er nimmt weiterhin an, dass den Menschen ein soziales Interesse angeboren ist.

Wurzeln Wurz zel e n der Minderwertigkeit: Genetisch Ge ene netisch (z. B. Hilflosigkeitserfahrungen des Sä Säuglings bei Ernährung, Versorgung) Mein Schatz, iss was und sei still. Mammi will noch bisschen chatten.

Situativ (z. B. Hilflosigkeitserfahrungen in bestimmten Lebenssituationen), sozial (z. B. Erlebnisse sozialer Ausgrenzung, Abwertung, Ironie)

Wenn ich so fett wäre wie du, dann würde ich nie wieder was essen !

hi hi hi

Organisch Orga Or ganiisch h (z (z.. B. objektive oderr subjektive körpe körperliche perl rlic iche Mänge Mängel) gel) l

Die Bank kracht gleich zusammen

Ich bin auch schön? Ich bin schön ! Ich bin schön und liebenswert !

Adler entwickelte e di die e In Indi Individualtherapie, divi vidu dual alth ther erap apie e, in der die di e Pe Pers Persönlichkeit rsön önlilich chke keit it d durch urch ur ch SSelbsterkennung elbs el bste t rkkennu nung ng u und nd Selb Se lbst stak akze zept ptan anzz verändert wird. Selbstakzeptanz

Ahhh! Ein XXL-Model ! Da hab ich auch gleich was für Sie ! Schwerpunkte der Theorie: Definition der Begriffe Minderwertigkeit und Selbstverwirklichung; Beschreibung des Ablaufs von Persönlichkeitsveränderungen im Rahmen der Individualtherapie.

148

Kapitel 17 - Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

Phänomenologische Persönlichkeitstheorie nach Carl Rogers (1987) baut darauf auf, dass der Mensch grundlegend gut ist und nach Selbstaktualisierung strebt. Rogers Definition von Selbst: Das Selbst ist das Objekt der Wahrnehmung(“self as object“), d. h. das Selbst besteht aus organisierten Wahrnehmungsmustern und ist immer subjektiv. Das Real-Selbst umfasst alle Persönlichkeitsanteile, die man tatsächlich hat bzw. bei sich in dieser Form als gegeben ansieht. Das Ideal-Selbst umfasst Wünsche und Erwartungen an die eigene Person.

Wenn Real-Selbst und Ideal-Selbst zu stark voneinander abweichen, kommt es zu einem psychischen Spannungszustand (Inkongruenz) und die seelische Gesundheit ist in Gefahr.

st

lb -Se

l Rea

Idea

l-Se

lbst Der Mensch versucht, sein Real-Selbst dem Ideal-Selbst anzunähern. Je besser dieser Prozess der Selbstaktualisierung gelingt, umso gesünder ist er. Allerdings sollten Real-Selbst und Ideal-Selbst nicht vollkommen deckungsgleich werden, denn dann ginge jegliche Handlungsmotivation verloren.

Die Diagnostik des Selbst (Persönlichkeitsdiagnostik) findet über Fragebogendaten oder Adjektivsortiertechniken statt. Dabei werden Aussagesätze bewertet, inwieweit sie auf das eigene Real-oder Ideal-Selbst zutreffen.

Eine Persönlichkeitsveränderung wird durch die klientzentrierte Psychotherapie erreicht, mit deren Hilfe Inkongruenz aufgedeckt und aufgelöst werden soll. Schwerpunkte der Theorie: Beschreibung von Persönlichkeitsvariablen- (Selbst, Ideal- und Real-Selbst) sowie Ablauf von Persönlichkeitsveränderung durch klientzentrierte Beratung und Therapie. Die Kritik an Rogers betont, dass sein Ansatz zu einseitig sei, sich auf das Selbst beschränke und die Ursache von Störungen nur allgemein als Inkongruenz beschreibe. Allerdings hat er sich viele Gedanken um die therapeutische Beziehung und deren Gestaltung gemacht, damit Therapie wirksam sein kann. Die drei Faktoren Wertschätzung, Empathie und Kongruenz gelten bis heute als maßgebliche Faktoren für eine gute therapeutische Beziehung.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

149

Die humanistisch-kognitivistischen Persönlichkeitstheoretiker entwickelten ein komplett anderes Menschenbild als die Vorgänger. Das drückt sich auch in der sprachlichen Unterscheidung von Patient und Klient aus: Die Humanisten bezeichnen ihre Patienten als Klienten, um deutlich zu machen, dass Therapeut und Patient auf einer Stufe stehen. 1955 veröffentlichte George A. Kelly die Theorie seiner Psychologie der personalen Konstrukte (Personal Construct Theorie). Menschenbild: Der Mensch ist Wissenschaftler, d. h. er konstruiert sich die Welt aus seinen Erfahrungen, ähnlich wie der Wissenschaftler eine Theorie konstruiert.

Ereignis

ch

Versager !

ts

Gr

Kla

Deine Noten könnten besser sein !

dhaltung un

Menschen wollen Ereignisse vorhersagen und kontrollieren; dazu bilden sie Hypothesen hinsichtlich künftiger Ereignisse und prüfen, ob sie bestätigt werden.

Wir nehmen an, dass alle gegenwärtigen Interpretationen des Universums revidiert oder ersetzt werden müssen. ... Wir vertreten den Standpunkt, dass es immer alternative Konstruktionen geben wird, zwischen denen man beim Umgang mit der Welt wählen kann. ... Wir nennen diese Position den Konstruktiven Alternativismus. (Kelly, 1986)

Du hast unseren Hochzeitstag vergessen !

Ergänzend stellte G. A. Kelly eine Was meinen Sie dazu? ! Form der Kurzpsychotherapie zur Aktivierung von Persönlichkeitsveränderungen vor. Der Klient spielt mehrere Äh, äh, Wochen lang die festgelegte Rolle (fixed ich? role) einer hypothetischen Person mit Schwerpunkte der Theorie: bestimmten Merkmalen und Eigenschaften Vorhersage von Erleben und Verhalten; so wie der Klient sein möchte. Der Therapeut Persönlichkeitsveränderung durch "assistiert" bei den gespielten Situationen bzw. Fixed Role Therapy. Experimenten, in denen der Klient ihm unbekannte und ungewohnte Verhaltensweisen übernimmt und dabei als "Forscher" fungiert. Das heißt, er formuliert Hypothesen, z.B. zu welchen Ergebnissen die Interaktion mit bestimmten Personen führt, und führt "Experimente" durch, mit deren Hilfe er diese Hypothesen überprüft und ggf. aufgrund der neuen Erfahrungen revidiert. Nach Beendigung des mehrwöchigen "experimentellen Spielens" werten Klient und Therapeut die Erfahrungen gemeinsam aus. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/STOP !

alternative Konstruktion

fixed-role-therapie/4998

Das möchte ich erst gründlich durchlesen !

Wer ist schon perfekt?

Für mich ist jeder Tag mit dir ein Hochzeitstag !

Kritik: Aufgrund des rein idiographischen Ansatzes kann die Theorie von Kelly schlecht verallgemeinert werden.

17

150

Kapitel 17 - Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

Die eigenschaftstheoretischen Ansätze der Persönlichkeit versuchen die menschliche Persönlichkeit möglichst vollständig zu beschreiben. Hierfür werden S-R-Persönlichkeitsmodelle genutzt, bei denen dem behavioristischen Verhaltensmodell (S und R stehen für Situation und Reaktion) die Variable O (für Organismus) hinzugefügt wird. Sie umfasst die Eigenschaften einer Person, durch die die Verhaltensgleichung beeinflusst werden kann. Fragebogenitems und Testaufgaben werden ebenfalls nach dem S-R-Prinzip entworfen. Als Vertreter ist hier Gordon Allport (1937) mit seinem Trait-Ansatz zu nennen: Allport, der sich sowohl mit der Einzigartigkeit als auch der Unterschiedlichkeit der Menschen beschäftigte, hat Persönlichkeitsvariablen zu definieren versucht, die Verhalten und Erleben bestimmen. Seiner Auffassung nach ist die Persönlichkeit dafür verantwortlich, dass wir uns auf einzigartige Art und Weise an unsere Lebensumwelt anpassen. Aus diesem Grund ist die Persönlichkeit sowohl einzigartig und stabil als auch veränderbar. Zusammen mit Odbert (Allport & Odbert, 1936) stellte er eine Liste an Begriffen zusammen, die Persönlichkeit und Unterschiede zwischen Menschen beschreiben können. Sie durchsuchten dazu ein Wörterbuch und fanden 18.000 Begriffe, die sie kategorisierten. Mit seiner Analyse legte er jedoch den Grundstein zur Analyse grundlegender Persönlichkeitseigenschaften. Auch die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale entstammen der lexikalischen Analyse. Das Konzept ist kultur-und altersübergreifend.

kooperativ, freundlich, mitfühlend wettbewerbsorientiert, antagonistisch

Verträglichkeit

A

C

E Extraversion

gesellig zurückhaltend, reserviert

Persönlichkeit Gewissenhaftigkeit

N

emotional, verletzlich

Neurotizismus

selbstsicher, ruhig stark ausgeprägt

effektiv, organisiert unbekümmert, nachlässig

O

Offenheit

erfinderisch, neugierig

konservativ, vorsichtig

schwach ausgeprägt

Ein Beispiel für den Big-five-Test : http://www.psychomeda.de/online-tests/persoenlichkeitstest.html Kritik gibt es an der Genauigkeit: Viele Wörter sind nicht eindeutig und werden nicht immer gleich aufgefasst, deshalb kann es Differenzen in der Auslegung und dem Verständnis geben.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

151

Die Persönlichkeitskonzeption von Raymond B. Cattell (1946) hat bis heute Bedeutung. Auch für Cattell ist die S-R-O-Verhaltensgleichung die Grundlage dieser Persönlichkeitsbeschreibung. Dabei steht das O für die Persönlichkeit in Form nicht-situativer Verhaltensbedingungen. Cattell ging davon aus, dass es eine begrenzte Zahl an Eigenschaften gibt, anhand derer Persönlichkeit beschrieben werden kann, Individuen können also über Gemeinsamkeiten in Gruppen eingeteilt werden (nomothetischer Ansatz). Er entwickelte ein hierarchisches Persönlichkeitsmodell mit 16 Faktoren erster und fünf Faktoren zweiter Ordnung und daraus wiederum den 16-Persönlichkeitsfaktoren-Test im Multiple-Choice-Format. Außerdem hat Cattell versucht, Verhalten anhand situationsspezifischer Grundeigenschaften vorherzusagen.

Hauptsatz der Faktoranalyse:

Cov(F F )= (*77 ) + Cov(H , H ). i

j

ij

i

j

Vereinfacht: 2 sich ausschließende Faktoren führen zu einer Kategorie oder jede Eigenschaft beinhaltet sowohl Haben als auch Mangel.

Die 16 Primärfaktoren des 16 PF der deutschsprachigen Version

A Sachorientierung vs. Kontaktorientierung - Wärme B Konkretes Denken vs. Abstraktes Denken - Logisches Schlussfolgern C Emotionale Störbarkeit vs. Emotionale Widerstandsfähigkeit - Emotionale Stabilität E Soziale Anpassung vs. Selbstbehauptung - Dominanz F Besonnenheit vs. Begeisterungsfähigkeit - Lebhaftigkeit G Flexibilität vs. Pflichtbewusstsein - Regelbewusstsein H Zurückhaltung vs. Selbstsicherheit - Soziale Kompetenz I Robustheit vs. Sensibilität - Empfindsamkeit L Vertrauensbereitschaft vs. Skeptische Haltung - Wachsamkeit M Pragmatismus vs. Unkonventionalität - Abgehobenheit O Selbstvertrauen vs. Besorgtheit - Besorgtheit N Unbefangenheit vs. Überlegenheit - Privatheit Q1 Sicherheitsinteresse vs. Veränderungsbereitschaft - Offenheit für Veränderung Q2 Gruppenverbundenheit vs. Eigenständigkeit - Selbstgenügsamkeit Q3 Spontaneität vs. Selbstkontrolle - Perfektionismus Q4 Innere Ruhe vs. Innere Gespanntheit - Anspannung Diese 16 Faktoren werden zu 5 Sekundärfaktoren (Globalfaktoren) zusammengefasst, die aus einer Gewichtung mehrerer Primärfaktoren errechnet werden: Extraversion, Unabhängigkeit, Ängstlichkeit, Selbstkontrolle, Unnachgiebigkeit.

17

152

Kapitel 17 - Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

Sozial-kognitive und handlungstheoretische Ansätze zur Persönlichkeit entstammen der neobehavioristischen und handlungstheoretischen Forschungstradition. Während sich die anderen Theorien mit der gesamten Persönlichkeit beschäftigen, geht es bei diesen Theorien nur mit denjenigen Teilen der Persönlichkeit, die für das Handeln entscheidend sind. Dazu verknüpfen sie zeitlich stabile Persönlichkeitsmerkmale mit spezifischen sozialen Lern- und Handlungsmodellen. Im Folgenden sollen die Kontrollüberzeugungen nach Julian B. Rotter (1954) genauer betrachtet werden.

Die Soziale Lerntheorie der Persönlichkeit (SLT) von Rotter basiert... ... auf den Erwartungs-Wert-Theorien aus dem Bereich der Motivationspsychologie.

Sisyphos ! Roll mal die Kugel von A nach B !



... auf der Annahme, dass spezifische Situationen im Individuum Erwartungen entstehen lassen, die sein Handeln steuern.

Das ist ja gerade, da rollt nichts !

So?

... auf Persönlichkeitsvariablen, die in diesem Modell als generalisierte Erwartungen angenommen werden



Und so?

Das Persönlichkeitsmerkmal des Internal bzw. External locus of Control (Kontrollüberzeugungen) bezeichnet, ob nach der eigenen Auffassung die Kontrolle in einem selbst (internal) oder außerhalb von einem selbst (external) liegt.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

17

153

In der Theorie der Selbstwirksamkeit (1997) beschäftigt sich Bandura mit dem Persönlichkeitsmerkmal der subjektiven Selbstwirksamkeit. Es ist für ihn nicht nur zentrale Zielgröße jeder Psychotherapie, sondern Selbstwirksamkeit schützt auch die seelische Gesundheit. Selbstwirksamkeit ist die Erwartung, dass in Lebenssituationen Handlungsmöglichkeiten vorhanden sind, durch die man selbst Handlungskontrolle hat. Banduras Theorie stützt sich auf 4 Voraussetzungen und Unterordnungen:

Stellvertretende Erfahrung Beobachtung von Erfahrungsträgern und soziale Vergleiche Stimmung, Stress

Sieh nur, wie gut der ist, so will ich auch sein Das schaff ich nie!

Wollt ihr mal einen Korb werfen? Bewältigungserfahrung Das fühlt sich toll an !

Erfolgreiche Aufgabenbewältigung Erfahrungsaustausch, Mentorenmodelle, Coachingpartner, Shadowing

verbale Informationsvermittlung

Das schaffen wir auch!

Rückkopplung, Vergleichsstandards

Es gibt doch auch Kinderkörbe! Lass uns erst dribbeln lernen, damit wir den Ball nicht verlieren affektive und psychologische Zustände Positive und negative Gruppenerfahrung Zielsystem mit Haupt- und Teilzielen, Probehandeln, Zielvereinbarungen

Es gibt hier viele Überschneidungen zum Locus of control (Hohe Selbstwirksamkeit = Internal locus of control. Niedrige Selbstwirksamkeit = External locus of control).

JA !!

154

Kapitel 17 - Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

Günter Krampen ist ein deutscher Psychologe und Psychotherapeut der neueren Generation. Seine Arbeit stellt eine Verbindung zwischen psychologischer Grundlagen- und Anwendungsforschung her unter Einbeziehung des handlungstheoretischen Partialmodells der Persönlichkeit und dessen entwicklungs-, gesundheits- sowie klinisch-psychologischer Ausweitung. In Bezug auf die Vertrauens-Trias, welche aus interpersonalem Selbstund besteht, psychodiate pe so a e Vertrauen, e t aue , Se bst u d Zukunftsvertrauen u u ts e t aue beste t, eentwickelte t c e te eer psyc od a gnostische Verfahren zur Erfassung von Kontroll- und Kompetenzüberzeugungen sowie von Hoffnungs-losigkeit. Siehe Handlungstheoretisches Partialmodell der Persönlichkeit (HPP)) von Krampen ((2000, 2002):): r Integration verschiedener sozial-kognitiver Persönlichkeitstheorien zu einem Persönlichkeitsmodell zu selbst- und umweltbezogenen Kognitionen.

(1) Wenn nicht ich, wer dann. (2) Ich kann nicht h heißt ich will nicht. (3) Der Weg ist das Ziel. m (4) Es geht immer weiter.

.. d d).

((1) Der Mensch ist zu allem fähig / wer hoch steigt, fällt tief.. ((2) Dem Fleißigen gebührt der Erfolg / ich kann mich abstrampeln, so viel ich will, einer wird immer besser sein. (3) Der Mensch denkt, aber Gott lenkt / wir Menschen sind wie Ameisen und erfüllen nur einen Zweck. (4) Es gibt Schlimmeres.../ Wenn du denkst, du hast das Glück, zieht es dir den Arsch zurück. nu

e

sK

is n g t slo s i g k e it

Genera

rte Erwa il sie

(1) Was ich anfasse ro klappt auch. llü ((2) In der Schule habe be iich durch Üben bessere r Noten bekommen. (3) Ich bin da, wo ich gebraucht werde. ((4) Ich habe immer einen Plan B, man muss u mit allem rechnen..

ung ug ze

rauens t r e

K t b)... o n

(1) Ich habe mein Leben selbst in der Hand. (2) Wenn ich mich anstrenge, werde ich auch Erfolg haben.. (3) Egal ob privat o oder beruflich: Mein r Leben wird zum großen Teil von anderen bestimmt. e (4) Meine Pläne werden oft vom Schicksal durchkreuzt.

ngen rtu

c)...de sV

ner Fäh ige igk e s t t b k on z e p Sel

ten ei

a)... de s

Das HPP umfasst neben situationsspezifischen tuationsspezifischen Erwartungen und Valenzen tungen) die allgemeinen Wert- und Zielorientierungen (Zielbewertungen) sowie die generalisierten Erwartungen

o nze p

off m H r i e nd d pt aus u O . e v t vs t ni ssimis

Pe

Cave: Das ist eine stark vereinfachte Darstellung der Kernkomponenten des HPP. Zum genaueren Verständnis sollte unbedingt weiterführende Literatur zum HPP gelesen werden.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

155

Die klassischen Persönlichkeitskonzepte können in drei übergreifende Themengebiete eingeteilt werden: • Temperamentsmerkmale • Leistungsmerkmale • Selbst- und umweltbezogene Kognitionen: Merkmale generalisierter Überzeugungen und Erwartungen Zur Auswertung werden L-, O-, S- oder T-Daten gesammelt (Eselsbrücke „LOST“)

L-Daten

O-Daten

S-Daten

T-Daten

= Life record data, d. h. objektive, biographische Informationen, z. B. durch Anamnese

= Observer data d. h. objektive, biografische Informationen, z. B. durch Anamnese

= Self-report data d. h. Selbstaussagen und --beurteilungen, z. B. in (teil-)strukturierten Interviews oder in Fragebögen

= Test data d.h. Fremdbeurteilungen, z.B. durch Diagnostiker, auch Vorgesetzte, Lehrer, Bekannte, Verwandte u. Ä.

Leistungsmerkmale ◊ Merkmale, die die Leistungsfähigkeit einer Person beschreiben • Sie sind meistens normativ, d. h. eine bestimmte Merkmalsausprägung (z. B. stark ausgeprägte Intelligenz) wird als erstrebenswerter oder besser angesehen.

Selbst- und umweltbezogene Kognition ◊ Merkmale, die generalisierte Überzeugungen und Erwartungen umfassen, d. h. Merkmale, die beschreiben, wie Menschen sich selbst und ihre Umwelt über einen langen Zeitraum sehen • Sie sind zum Teil normativ (z. B. Selbstwirksamkeit)

Temperamentmerkmale ◊ Merkmale, die generalisierte Überzeugungen und Erwartungen umfassen. Diese Merkmale werden für dauerhafte Sichtweisen auf sich selbst und die eigene Umwelt verwendet. • Sie sind zum Teil normativ

17

156

Kapitel 17 - Persönlichkeitspsychologie I. komplizierte Menschen

Persönlichkeitspsychologie II

Intelligenz und Kreativität

IQ 170 160

Schlag den Albert

150 140 130 120 110 100 90 80

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Goerigk und F. Schmithüsen, Der Psycho-Comic, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59072-0_18

Kapitel 18

158

Kapitel 18 - Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

Weil es so schwierig ist, Intelligenz zu definieren, hat jede Theorie ihre eigene Definition formuliert. Kein anderes Persönlichkeitsmerkmal ist so gut erforscht wie Intelligenz. Grund ist neben der langen Forschungsgeschichte, dass es die Leistungsfähigkeit besonders gut erfasst und daher beispielsweise als Instrument zur Personalauswahl genutzt werden kann. Prinzipiell gibt es drei verschiedene Wege, um zu einer Definition zu gelangen: Richtig, also klug

Verbalistische Intelligenzdefinition: Ein Forscher denkt sich eine Definition aus und beschreibt Intelligenz auf einer sprachlichen Ebene, z. B. definierte Spearman Intelligenz als die Fähigkeit, Beziehungen und Zusammenhänge zu erkennen. Diese Intelligenzdefinitionen sind an die Person gekoppelt, die sich die Definition ausgedacht hat.

1

2

Operationale Intelligenzdefinition: Ein Forscher beschreibt die Intelligenz mithilfe eines Tests, d. h. Intelligenz ist das, was der Test misst. Diese Intelligenzdefinitionen sind an den entsprechenden Test gekoppelt.

3

Kriteriumsbezogene Intelligenzdefinition: Ein Forscher beschreibt die Intelligenz mithilfe dessen, womit die Intelligenz im realen Leben in Zusammenhang gebracht werden soll (z. B. Kriterien wie Schulerfolg). Diese Intelligenzdefinitionen sind an das jeweilige Kriterium gekoppelt.

Bestens geeignet als INVESTMENT-BANKER !

Intelligenztests können unterschieden werden in Einzel- und Gruppentests, verbale und kulturfreie, also weniger sprachgebundene Tests, ein- und mehrdimensionale Tests sowie Tests für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

18

159

eine Intelli g em

g

1904Spearman

London Großbritannien

s

s

verbal

praktisch

z en

allg

Die erste Intelligenztheorie stammt aus dem Jahr 1904. Auf den nächsten Seiten werden die beständigsten Entwicklungen und die Veränderung dieser Theorien dargestellt.

Zwei-Faktorentheorie der Intelligenz: Intelligenz besteht aus zwei Faktoren: Den "spezifischen Intelligenzfaktoren s" (beispielsweise verbale und praktische Intelligenz) und dem "Generalfaktor g" (allgemeine Intelligenz).

1938Thurstone Chicago USA

Theorie der sieben Primärfaktoren der Intelligenz: Im Gegensatz zu Spearman gibt es für Thurstone keinen allgemeinen Intelligenzfaktor.

3 x 2 8 9=5 + :

sss it

6

?

11 12

bumm

schlussfolgerndes Denken

räumliches Denken

rechnerisches Denken

Sprachverständnis

Ha ha ha

1

10 9 8

11 12

2 4 5

2 3 4 7

6

5 11 12

45 40 35

55 60 24

27

30 3

21

6

18 15

12

30 25

9

11 12 5 10 15 20

Kuh

1

10 9 8

2

6

2 3 4 7

3 4 7

1

10 9 8

5

Gedächtnisspanne (wie lange etwas behalten werden kann)

50

verbale Flüssigkeit (wie schnell assoziiert wird)

6

Wahrnehmungsgeschwindigkeit (wie viele Informationen man in einer bestimmten Zeit aufnehmen kann)

7

1

10 9 8

3

6

5

160

Kapitel 18 - Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

1959-67Guilford

Dreidimensionales (Würfel-)Modell des Intellekts Der Intellekt hat drei Dimensionen bestehend aus: 5 Denkoperationen 4 Denkinhalte 6 Denkprodukte

Implikationen

n

r kp

od

u

io kt

ne

Guilford nahm an, dass die drei Dimensionen unabhängig voneinander sind, und kam deshalb auf 5 × 4 × 6 = 120 potenzielle Intelligenzfacetten (es konnten jedoch nur 90 operationalisiert werden).

n

Denkoperationen

Evalution

De

konvergente Produktionen

Systeme

Transformationen

divergente Produktionen

Erkenntnisvermögen

figural

Klassen

symbolisch

Einheiten

semantisch

Gedächtnis

behavioral

Beziehungen

Denkinhalte

Los Angeles USA

Guilfords Leistung besteht v. a. darin, die Intelligenzforschung stimuliert zu haben und zwischen konvergentem und divergentem Denken zu unterscheiden (einfache Lösung vs. mehrere Lösungsmöglichkeiten).

1973-84Jäger Berlin BRD

Berliner Intelligenzstrukturmodell 3 Denkinhalte 4 Denkoperationen

AI - gBIS Allgemeine Intelligenz

De

nk

in

ha

lte

en ion at er op nk De

Bei Jäger ergeben sich nur noch 3 × 4 = 12 Intelligenzfacetten, die über Testaufgaben gut erfassbar sind und auch zu einem Generalfaktor der Intelligenz „g“ zusammengefasst werden können.

E Einfallsreichtum

figural-bildhaft F

M Merkfähigkeit numerisch N verbal V

B Bearbeitungsgeschwindigkeit K Verarbeitungskapazität

Jäger versuchte, das Modell von Guilford mithilfe der Faktorenanalyse handhabbarer zu machen. Er ließ die Denkprodukte ganz weg und reduzierte die Denkinhalte.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

1966

Illinois USA

Horn und Cattell

161

Theorie der kristallisierten und fluiden Intelligenz: 2 große Teilbereiche der Intelligenz:

Fluide (flüssige) Intelligenz: Kristallisierte (verfestigte) Intelligenz: Hierunter versteht man das im Laufe des Lebens, u. a. in der Schule, angesammelte Faktenwissen. Dazu gehören Wortschatz, Allgemeinwissen, mathematisches Denken etc.

Wissenserwerb

Kristallisierte Intelligenz nimmt mit dem Alter zu

Kann immer trainiert werden

Diese wird in der Schule nicht gezielt vermittelt, ist allerdings die neuropsychologische Basis für die kristallisierte Intelligenz. Hierzu gehören beispielsweise räumliches Denken, Wahrnehmungsgeschwindigkeit oder logisches Denken.

Alltagsbewältigung

Fluide Intelligenz nimmt mit dem Alter ab

Kann im Alter nicht mehr trainiert werden

Cattell, der sich auch mit Persönlichkeitseigenschaften befasst hat, hat gemeinsam mit seinem Kollegen John L. Horn das Konzept der kristallinen und fluiden Intelligenz entwickelt.

18

162

Kapitel 18 - Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

Da es viele verschiedene Theorien zur Intelligenz gibt, gibt es auch zahlreiche Intelligenztests, beispielsweise WIE (Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene), I-S-T (Intelligenz-Struktur-Test), BIS-T (Berliner Intelligenzstrukturtest), LPS (Leistungsprüfsystem), Progressiver Matritzentest nach Raven oder CFT (Culture-Fair-Test). Im Folgenden werden einige Beispiele vorgestellt. In der Regel besteht ein Test aus drei Modulen • Grundmodul (Satzergänzung, Analogien, Gemeinsamkeiten, Rechenaufgaben, Zahlenreihen, Rechenzeichen, Figurenauswahl, Würfelaufgaben, Matrizen) - ca. 80 Min. • Merkaufgabenmodul (verbale Merkfähigkeit, figurale Merkfähigkeit) ca. 7 Min. • Wissensmodul (verbales Wissen, numerisches Wissen, figurales Wissen)

Intelligenz-Struktur-Test (IST): ca. 40 Min Beispiel: 3D- Item-Ergänzungs-Aufgabe

?

Cattell, (Culture-Fair-Test) CFT : 25-60 Minuten Test zur Erfassung der Intelligenz, unabhängig von Kultur und sozialen Bedingungen a

b

a

b

a

b

1

2

3

4

Berliner Intelligenzstrukturtest: 3x 45 Minuten Beispiel: Wahrnehmungsgeschwindigkeits-Aufgabe

Hamburger-Wechsler-Test: 90 Minuten Beispiel: Ergänzungsfeld-Aufgabe

Mädchen

Mensch

- Pflanze

Tisch

Mensch

- Gegenstand

Mund

Körperteil

- Gegenstand

Bretter

Mensch

- Gegenstand

Wald

Technik

- Natur

Progressiver Matrizen-Test: ca. 45 Minuten Test zum Erfassen kognitiver Fähigkeiten Leistungsprüfsystem (LPS 2 und 50+): 30 Minuten -2 Stunden Test zur Einschätzung der Schuleignung sowie zur Diagnose von Hirnschädigungen

?

a

b

c

d

e

f

g

h

Intelligenzmessung erfolgt über den Intelligenzquotienten (IQ): Der IQ ist ein nach Altersgruppen genormtes Maß für die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit. Der Mittelwert beträgt 100, die Standardabweichung 15. Der Bereich zwischen einem IQ von 55 und 145 ist gut erfassbar Die Gefahr bei der Anwendung von Intelligenztests liegt darin, dass man sie für zuverlässiger hält als andere Messmethoden, das ist allerdings nicht der Fall.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

18

163

Die Frage nach der Entwicklung von Intelligenz spielte in der Anlage-Umwelt-Debatte * eine große Rolle. Unterschiedliche Untersuchungsansätze gehen dieser Frage nach (Krampen, 2007):

* siehe Kapitel 1

hu h u wa

hh

ama w

M

W a

u u wa

ma

u wahuu

h u u wah u

u

...oder vielleicht doch!

Ma

hu Wa

aus der Kleinen wird nie was...

a hu u

W W ahuu ah uu

Untersuchungen an Einzelfällen: »Wolfskinder«: Als Wolfskinder werden Kinder bezeichnet, die isoliert von anderen Menschen aufwachsen. Die wenigen Untersuchungen scheinen darauf hinzudeuten, dass Sprachentwicklung und motorische Entwicklung bei solchen Kindern beeinträchtigt ist; sofern sie vor dem 11./12. Lebensjahr aufgefunden wurden, scheinen die Sprachdefizite jedoch gut aufgeholt werden zu können. Eine Intelligenzminderung scheint nicht nachweisbar zu sein.

wa

Wolf Mama »Kasper-Hauser-Experimente«: Auch Kaspar-Hauser-Experimente faszinieren die Menschen bis heute. Es gibt Berichte, dass bereits im alten Ägypten Pharao Psymmetich I. Neugeborene unter Schafen aufgezogen haben soll, um die "Gottessprache" herauszufinden. Diese Kinder starben laut Überlieferung mangels sozialer Zuwendung innerhalb der ersten zwei Jahre. Zu diesen Ergebnissen kommen auch ähnliche Einzelfallberichte aus den kommenden Jahrhunderten.

Ordnung, Sauberkeit, Dankbarkeit, Ehrlichkeit, Gehorsam, Fleiß, Bescheidenheit und sexuelles Wohlverhalten

Auch in einem sozialen Umfeld kann ein Mensch emotional unterversorgt sein und sich durch ablehnendes Verhalten mit der Aufmerksamkeit versorgen, die er zum Überleben braucht. Probleme der Methode: Erkenntnisse aus Einzelfällen können weder verallgemeinert werden noch können die Anlagefaktoren von Umwelteinflüssen getrennt werden. Aus diesen Gründen bringen die Einzelfallerkenntnisse keine verwertbaren Erkenntnisse.

164

Kapitel 18 - Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

Seit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im April 2003 ist der biochemische Ansatz wieder verstärkt von Interesse. Nicht allein durch die Möglichkeit der chromosomalen Manipulation, auch der ethische Aspekt spielt eine Rolle, denn der Einfuss der externen Einflussnahme auf den Menschen kann zukünftig die psychische Situation verändern.

Untersuchung chromosomaler Besonderheiten: Vergleiche von Genotyp und Phänotyp, d. h. der Zusammenhänge zwischen genetischen Besonderheiten, Intelligenz und weiteren Persönlichkeitsmerkmalen.

Befunde: Chromosomanomalien ( z. B. Trisomie 21) bewirken komplexe Veränderungen. Dabei ist Intelligenzminderung nur ein Symptom von vielen.

Hey, zisch ab, die Doofenschule ist da drüben ! Guckt mal, der Spasti ! Wo will der denn hin?

Ja, hau ab hier ist nur für richtige Menschen !

Ich komm auch zur Schule !!

Probleme der Methode: Da die Syndrome sehr komplex sind, können allgemeine Aussagen nur schwer getroffen werden. Eine Intelligenzminderung kann sowohl mit der genetischen Veränderungen an sich als auch mit der Reaktion der Umwelt auf die genetische Variation zu tun haben.

Fazit: Die Untersuchungen belegen einen Einfluss der Erbanlage, der Umwelt sowie eine Mischung aus beidem. Die modernen Genomanalysen bestätigen dieses Ergebnis.

Der Psycho-Comic Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

165

Als sie die Erbanlagen auf Intelligenzgene hin untersuchten, fanden Humangenetiker der Universität Ulm heraus, dass die menschliche Intelligenz größtenteils auf dem X-Chromosom liegt, das Söhne ausschließlich von der Mutter erhalten. Die Arbeitsgruppe um Horst Hameister, geschäftsführender Oberarzt der Abteilung Humangenetik in Ulm, hat deutliche Unterschiede bei der Verteilung von intelligenzbestimmenden Genen auf dem X- und Y-Chromosom im menschlichen Erbgut festgestellt.

Auf den weiblichen X-Chromosomen befinden sich viele "Intelligenzgene". Auf dem Y-Chromosom aber konnten keine Gene nachgewiesen werden, die für die Entwicklung von Geisteskraft relevant sind. Da Männer über nur ein X-Chromosom verfügen, wird die Intelligenz durch die Mutter weitergegeben, die über zwei X-Chromosome verfügt.

Der Befund könnte erklären, warum Männer unter geistig Behinderten wie unter Hochintelligenten stärker vertreten sind. Da sie nur ein X-Chromosom haben, wirkt sich jede Erbanlage, die Intelligenz besonders fördert, aber auch jeder Genschaden direkt aus. Bei Frauen dagegen, die zwei X-Chromosomen und damit alle Intelligenzgene doppelt haben, ist der Intelligenzgrad normal verteilt.

Die Intelligenz ist ein sehr komplexes Merkmal, das durch viele Gene und Umweltfaktoren bestimmt wird. So tragen, nach Hameister auch Nichtgeschlechtschromosomen intelligenzbestimmende Gene - allerdings nur ein Drittel so viele wie die X-Chromosomen.

18

166

Kapitel 18 - Persönlichkeitspsychologie II. Intelligenz

Die Intelligenzforschung ist einer der ältesten Zweige der Psychologie. IQ-Tests gibt es seit circa 100 Jahren mit dem Schwerpunkt auf Wissen und Lernfähigkeit. In neuester Zeit verändert sich der Schwerpunkt und die Intelligenz wird vielfältiger erforscht. Es kommt die soziale, die emotionale Intelligenz und die charakterliche Entwicklung hinzu.

Intelligenztests sind nicht endgültig. Das Ergebnis kann sich ändern: ...Kinder mit einen hohen IQ (>110) bei Vernachlässigung Intelligenz abbauen.

g

Förd e n g ru

Nach heutiger Erkenntnis gilt, dass bis zum 12. Lebensjahr...

ke

...Kinder mit einen niedrigen IQ (