Der nächste Krieg Frankreichs gilt Preußen!

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krieg Frankreichs gilt Preussen!

Berlin, 1859. Verlag von F. Schneider. Bictoriaſtraße 9.

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oder hat Preußen den nächſten Anfall das iſt eine Frage, die

Napoleons zu erwarten ?

heut von und zu Munde geht und deren uber mitteltere oder vermitteltere Beantwortung auf den

politiſchen Verſtand, der Antwortenden einen fichern Schluß machen läßt.

Dieſer Frage gehen zwei ſtillſchweigende Voraust", ſegungen voraus, erſtens, daß Napoléon einen Krieg überhaupt in nächſter Zukunft führen werde, und zweitens, daß dieſer Arieg nicht Rußland und Deſt=" reich, ſondern nur die von den napoleoniſchen Heeren noch nicht beſiegten Großſtaaten oder einen derſelben treffen könnte.

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Beiden Vorausſeßungen liegt der Gedanke zú Grunde, daß Napoleon mit dem ganzen politiſchen Organismus Europa's eine Rechnung abzumachen, ihn in eine gewiſſe Abhängigkeit von dem napoleoni- . ſchen. Frankreich zu bringen , ihn für irgend einen 1*

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großen Plan, für irgend eine neue Weltordnung, wenn auch gewaltſam, zu gewinnen beſtrebt ſei. Ohne jene Vorausſegungen verliert die an den Anfang dieſer Studie geſtellte Frage ihrer Vernünf tigkeit, und die Vorausſeßungen ſelbſt finden nur in dem angedeuteten tieferen Gedanken eine Begründung. Es wäre alſo zu unterſuchen, ob Napoleon wirk

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lich den Plan einer neuen politiſchen Weltordnung hegt, und bei dieſer Unterſuchung muß uns zunächſt

die Rückſicht auf ſeine- politiſche kaiſerliche Thätigkeit und auf die Summe der politiſchen

Intereſſen Frankreich 8 leiten . !" ; } on you A8 feſtſtehend wird dabei betrachtet , daß Napo='!

leon ein Mann von ausgezeichnetem Verſtande, 'don entſchiedenem Willen und ohne Rückſichten auf gewiſſe moraliſche und religiöſe Bedenken iſt.



2 Die politiſcher kaiſerliche Wirkſainkeit Napoleon's iſt bekannt: Er hat Rußland beſiegt, er håt Deſtreich beſiegt, erſteres mit Hülfe England's , i leşteres mit Hülfe der Revolution. Man jage nicht, daß wir übers

treiben , wenn wir die Revolution den Alliirten Napo leon's, im italiäniſchen 1 Kriege nennen .' England ſo wenig als Preußen hätten dem Saiſer der Franzoſen erlaubt, ſeine Heere über die Savoyer Alpen und über das tyrrheniſche Meer zu ſenden, hätten ſie nicht

jenen Bundesgenoſſen neben dem entſchloſſenen Im

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perator erblickt. Als Lonis Philipp ein franzöſiſches Regiment nach Anfona warf, proteſtitte die geſammte Diplomatie der Großmöchte in Paris, und fie durfte

eg dreiſt, denn Louis Philipp trieb italiäniſche Politik ohne Bundesgenoffen, und die Kundigen lachten über die brüske Drohung Caſimir Berter'e, der dem preu fiſchen Geſandten - es war der nun auch hingegan das Gegentheil weiß gene Baron von Werther machen wollte. Napoleon aber ging Hand in Hand mit der Revolution ; als er die unveräußerlichen Rechte der Nationen in feierlicher Proclamation anerkannte, wußte er, daß in demſelben Augenblicke die breiteſten Sympathien für ſeinen italiäniſchen Feldzug in Eng land und Preußen aufloderten , daß ein Widerſpruch 1

der engliſchen Regierung gegen ſeinen Einfall in Ita lien unmöglich, daß ein Widerſpruch Preußens, unter Friedrich Wilhelm IV. unvermeidlich , unter der von einem liberalen Miniſterium umgebenen Res

gierung außerordentlich unwahrſcheinlich , gewiß aber nicht thatſächlich hinderlich ſein würde. Vergeblich mühte ſich damals ein Theil der deutſchen Demokratie,

aus dem bitterſten Dilemma herauszukommen ; da fie ihrer Natur nach es nicht anders als in der Form :

„ Napoleon oder Unterdrückung der Nationalitäten " aufzufaffen vermochte, wurde ſie dennoch ſchnell auf +

die Seite Cäfar'& hinübergeriſſen.

Das iſt die politiſche Vergangenheit Napoleon's. An ſeine militäriſchen Siege knüpfte ſich indeſſen fo

gleich die diplomatiſche action; er warb um die Freundſchaft des Beſiegten ; er verſtändigte ſich in auffallender Eile mit Rußland , er verſtändigte fich, ſoweit mitten unter ungelöſten Fragen dies thunlido, mit Deſtreich. Entzieht es ſich auch unſerer Rennts

niß, welcher Art dieſe Verſtändigung war , ſo wiffen wir doch , daß dieſelbe nur auf Grund gleichartiger oder wenigſtens vermeintlich gleichartiger Intereffen ſtattgefunden haben kann . i

Welche Intereffen hat Frankreich gegenwärtig hauptſächlich wahrzunehmen ?

Es iſt eine offenkundige Thatſache, daß der Orient einer neuen politiſchen Bildung entgegengeht. Das Türkenthum iſt durch europäiſche Künſte und Liften ausgehöhlt, ſein politiſcher und moraliſcher Gegenſatz

zum Abendlande ſchwand dahin , es iſt zugleich in ſei nem Innern nichts mehr. Die Türkei aber gab dem Drient in ſeiner weiteſten Ausdehnung politiſchen Halt; auf das Wort von Stambul lauſchte ſelbſt der nicht

muhamedaniſche Drientale in Herat, in der Steppe ; jubelnd , dem Lauffeuer ähnlich , durchlief die Runde

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bón den Siegen der Türken und ihrer Allirten über die Ruſſen den unermeßlichen Continent Afiens , und die indiſchen Sepoy8 - 1o groß war das Intereffe

des ganzen Dſtens an jenem Kriege „ zu Gunſten der Türkei " 24+ wußten oft eher von den Wechfelfällen der

Belagerung Sebaſtopols, als ihre engliſchen Führer. Es handelt fich jest nicht bloß um die Türkei, ſondern auch um den Principat ilin der aſiatiſchen Welt. Wenn der Sultan Stambul'8 ſinkt, dann fallen ihm auch leitende Fäden aus der Hand, welche durch ganz Aſien und halb Afrika gehen. Es handelt ſich

alſo um eine Beute, ſo ſchwer, ſo rieſengroß, daß der glüdliche Gewinner fürchten muß, von ihr erdrückt zu werden . Und iſt er darum ein Mann von überle gendem und überlegenem Geiſt, ſo wird er dieſe Beute, ſchon ehe ſie ihm zufällt, gliedern und theilen und ſich nach „ Markthelfern “ für den großen ,,Aufſtrich " um ſehen. Ihm bleibt ficher doch das beſte Stüd, und - was das Bedeutendſte iſt - ihm bleiben jene lei tenden Fäden , die durch zwei Drittheile der alten Welt laufen und jenſeite des fernſten Sonnenauf

gands derſelben zur neuen Welt hinüberreichen. Der Far West des Uncle Sam und der Far East der .

europäiſchen Politik ſind bereits in bedenklicher Weiſe zuſammengetroffen . Die nächſten Intereſſen Frankreichs verlangen, daß

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1 e im und am Mittelländiſchen Meere keine neue Macht aufkommen laſſe.

Seine Ernährungsorgane

münden in ſeinesüdlichen Häfen ;( czugleich kann von dort ein feindlicher Stoßm der endlich doch ſicher iſt,

ſein Herz: zu treffen, am beſten geführt werden ; drit tens ſinddort die Pfortenzu dergeſammten romaniſchen Welt, mit der Frankreich nothwendiger Weiſe im eng

ſten Zuſammenhange bleiben muß und deren Dber

herrſchaft es ſich nicht nehmen laffen darf. Des Mittelmeers aber iſt Frankreich nur ſicher,

wenn ſich auf der öſtlichen und ſüdöſtlichen Rüſte dess

ſelben, cauf der linken Flanke Europa's, keine: Macht, ſtark genug, der feinigen das Gleichgewicht zu halten, { ( feſtſet. :100 illi in ICONS . : Die criten Intereſſen Frankreich alſo verlangen es , daß es keine europäiſche Macht auf den Trüm

mern Stambul’s und in Folge deſſen über dent Drient herrſchen läßt. -Und dazu , daß Napoleon dies erreichte, 4

war das, was er that : die Niederwerfung Rußlande und Deſtreiche (nebenbei geſagt auch die Rundgebung der

Ohnmacht Englands ) nothwendig , dazu , iſt ferner nothwendig , daß er eine neue Weltordnung über Eu -

jopa hinaufführe , welche die einzelnen Staaten von Sonderbündniſſen untereinander und gegen ihn zu

rüchält und ſie an den Napoleonismus feſtbindet , Dans

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Drei Mädte,, o abgeſehen von Frankreich , konnten

ihr Glüd über Stambul verſuchen ; Rußland, Deſt reich, Englande,o keine, derſelben für ſich allein, aber jede von ihnen vermöge, einer politiſchen Combination. Der Kaiſer Nicolaus trat mit ſolch einer Combination

in ſeinen vertraulichen Unterredungen, mit Aberdeen, eilf Jahre ſpäter mit Seymour, hervor ; Fürſt Sdiwar zenberg.ſtarb über. der Ausarbeitung, einer andern ; England glaubte einen diplomatiſchen Triumph ohne Gleichen zu feiern , wenn es ſolch eine Combination biß zum legten Augenblick hinausſchob und inzwiſchen

Alles vorbereitete, um für ſeine endgültige Oberherr ſchaft im Drient ſolcher Combination nur wenig , und

nur auf kurze Zeit zu bedürfen. Hier in dieſem tief angelegten Plane , nicht in Einzelheiten zweifelhaften Charakters, die von der Breſſe am lauteſten getadelt

werden, ſpiegelt fich der kaufmänniſche , der ſchottiſch knidrige Charakter der engliſchen Politik am klarſten. Bis zur Großartigkeit, bis zur römiſchen Tugend ſtei gert ſich dieſer politiſche Geizi, und felbſt viele Eng

länder vermochten ein folches Streben nicht zu faſſen. Hauptſächlich aus dieſem Unvermögen erklärt ſich Urquhart's ganze Agitation ," er folgerte , daß , da die engliſche auswärtige Politit öffentlich jede Combina tion mit anderen europäiſchen Faktorer im Orient 1

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1 ausſchlug, nothwendiger Weiſe eine geheime Combi

nation vorhanden ſein müffe, und darauf erfand er die Geſchichte von dem beſtochenen Balmerſton, deſſen Egeria die Fürſtin Lieven und deſſen Herr der Raiſer Nicolaus fei. Und doch mußte fich irgend etwas in hai England geändert haben, wenn in England ſelbſt der Zweifel an der Möglichkeit ſolcher einſeitigen Politik laut werden konnte. Denn England hat in ſeinen gnten Tagen fich grundfäßlich ftete folchen Combina rio

tionen entzogen ; e8 nahm wohl Bundesgenoſſen an, aber nur in der Geſtalt von Clienten.

So Crom

well, ſo ' der jüngere Pitt. Napoleon weiß es am beſten , was ſich in England geändert hat, und auf Grund dieſer Wiſſenſchaft entwarf er ſeinen fühnen

und grandioſen Weltordnunge -Plan.

Napoleon iſt ein praktiſcher Mann , er haßt die

Idealiſten, und dię idées napoléoniennes ſind nur Forderungen der Macht, als nothwendige Conſequenzen ganz beſtimmter Thatſachen (der Ergebniſſe der alts napoleoniſchen Politik) erwieſen , nichts weiter. Nas

poleon III. ließ ſich bei ſeiner Betrachtung Englands durch nichts deußeres blenden , --- Ariſtokratie, Ueber lieferung, Reſte alter Volksfreiheit, alle dieſe engliſchen Erbſtücke wog er ohne Ueberſchäßung, auf die andere

Schale aber legte er die bedenklichen , von der Roh ſtoffen wier von dem Conſumi des Auslandes ganz abhängigen Productionsverhältniſſe des Bandes , den Mangel an militäriſcher Straft und Organiſation, den

unmäßig breit und ſtark gewordenen Mittelſtand Eng lands , der ohne Verbindung mit der wirklichen Vers faſſung des Landes., weil ohne politiſchen Einfluß - iſt 1

und darum kosmopolitiſche Färbung hat, ferner das

maſſenhafte Proletariat, 'endlich , last , but not the .

least, Irland und die neugekräftigten romantiſch - ro maniſchen Neigungen in Eugland. Er wog und fand, daß die leştere Schale ein ungeheures Gewicht hatte, ein Gewicht , das die alte freie Action der ariſtokra

tiſchen Politiker in der Schwebe hielt. Er würdigte zugleich die tödtlichen Anſtrengungen , die jene Politiker machten , um ihr Gewicht zu verſtärken ; er überſah nicht, wie ſie den Verſuch inachten , der demokratiſchen Schale einen Theil des Inhalte zu räuben , indem

ſie, um nur ihre alten überaus ſelbſtſtändigen und großartig habſüchtigen Entwürfe nicht aufgeben zu

müſſen, zum Scheine eine auswärtige Volkspolitik inaugurirten , deren erſter Grundſay die Anerkennung der Revolution und die Sympathie mit den Völkern "

iſt. Er jah, wie die Ariſtokraten dadurch in Gefahr kamen , ſelbſt kopfüber aus ihrer eigenen Schale zu ſtürzen .

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Als Summa feiner Betrachtungen ſtellte ſich ihm heraus , daß England in einer der denkwürdigſten Ver änderungen im Innern begriffen wäre, in einer Ber

änderung , die dier Ueberlieferungen der auswärtigen Politik Englands aufgeben 11und dieſelbe in's Schwan ken1 , ja auf eine Zeit out of work bringen müßte. Er fand außerdem noch im Innern des Landes an

gewiſſen Klaſſen und Kreiſen , an gewiſſen dunkelen Neigungen der öffentlichen Meinung eine Operations baſis, von der aus er dem ſchwankenden Steuer des foreign office durch einen leichten Druck, wenn auch nur zeitweilig, eine beſtimmte Richtung geben konnte.

Durch alles dies gelang es ihm ſchon, das Bündnig Englands zum Kriege gegen Rußland zu erzwingen, denn erzwungen war dies Bündniß, und wir wußten à



dies auch ohne die Stoßſeufzer Aberdeen's undi bhne den ſchrillen Angſtruf des jämmerlichſten aller Staats männer, Clarendon'ø, der die Ruder aus den Händen gleiten ließ und aufſchrie: ,,Wir treiben dahin "... ! Daſſelbe England, das ſich bis dahin grundſäßlich den politiſchen Combinationen entzogen und ſeine Buns desgenoſſen nur als Clienten in Rechnung gebracht hatte, war über Nacht ſelbſt der Patronage Napoleon's

verfallen . Eigentlich wäre ſolch ein Ereigniß voraus: zubeſtimmen geweſen ; die Dinge , welche 1840 auf Betrieb des Baron Brunnow , ruſſiſchen Geſandten,

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in Pondon zu Stande kamen , hatten fattfam gezeigt, daß die engliſche auswärtige Politik bereits Rücfichten nahm , temporiſirte und improvifirte,16Guizot in ons

don und Thiers in Paris erkannten das mit knirſchen den Zähnen und ſaheni ſich durch Rußlands Einfluß beſiegt, und vergebens deutete Guizotpidamals Louis Philipp's Geſandter am Hofe von St. James, darauf hin, daß Rußland jetzt doch bloß darum auf Englands Seite träte und ſich mit ihm (und Preußen und Deft= 1

reich durch die Londoner Uebereinkunft vom 15. Juli

1840) verbände, weil es in Frankreich eine Politik Rußland - die lang ge herrſchen ſähe, die ihm wünſchte und unter den Bourbonen bereits eingefädelte Cooperation mit Frankreich gegen England unmöglich machte. Für Rußland war dieſer Sieg ein Sporn, und es knüpften ſich daran die bekannten Unterredun 1

gen , welche Kaiſer Nicolaus mit Wellington, Aberdeen, Peel bei ſeiner Anweſenheit in England über den Aus trag der orientaliſchen Kriſis hatte.

Dieſe Hinfälligkeit und Unſicherheit der engliſchen Bolitik erkannte Napoleon ſchnell und mit ſcharfem Blicke, und indem er die Urſache ihrer Schwäche, ihre

Abhängigkeit von ſogenannten volksthümlichen und freis , ſinnigen Stimmungen benugte, gelang es ihm leicht, beide innere Faktoren England8 zu gewinnen , den

ariſtokratiſchen, regierenden, indem er ihn vor weiterer

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Condeſcendenz gegen Rußland warnte, außerdem aber auch den bürgerlichen, unpolitiſchen, indem er die Abs neigung der öffentlichen Meinung gegen das uncivili firte Rußland in einen Krieg der Civiliſation verwane delte, als deren treuer Ecart er ſich demüthigſt befante . Er fam mit dieſer Formel den Neigungen des modernen Englands entgegen , welches Frieden , Orda nung, Wohlſtand, kurz alle Bedingungen einer ſtarken 11

Einfuhr von Rohbaumwolle und einer ſtarken Aus von der Bildung erwartet, fuhr von Fabrikaten , von jenem ſeltſamen Zuſchnitt des Menſchenthums, der auf jedes Volf, auf jede Sitte, auf jeden Glauben ,

auf jedes Gemüth gleichmäßig paſſen fou . Es war dies dieſelbe Bildung, die ſchon unter den Franzoſert um die Zeit der franzöſiſchen Revolution allgemein geworden war und die es geſchehen ließ , daß civili

ſirte Europäer in der civiliſirteſten Stadt der Chriſten

heit die blutigen Gräuel der Neuſeeländer übertrafen . Mit dieſem gebildeten Mittelſtande der engliſchen Geſellſchaft ſchloß Napoleon , wir möchten ſagen, hinter dem Rücken der alten ariſtokratiſchen Inſelpolitit, ein

Seelenbündniß, und die Macht, die er dadurch in England errang, erlaubte es ihm , dem weiteren Trei ben der alten political men, der Balmerſton, Ruſſell und Derby mitleidig und hochmüthig lächelnd noch eine Weile zuzuſchauen . Denn das iſt die ſchick

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{alpolle Berblendung der heutigen britiſchen Staats , männer, daß ſie, ſobald nur die nächſte Gefahr be ſeitigt und nach Rlärung einer zunächſt liegenden drückenden Verwirrung ein Augenblick der freien Sand

eingetreten iſt, ſogleich wieder in den alten Traum einſtiger Selbſtſtändigkeit niedergleiten und im Drient die reinengliſche Politik, die true -Briton - Bolitik nach

großartigſtem Maßſtabe, aber ohne den geringſten Erfolg weiter treiben , Lord Stratford , der lete Bertreter der großen engliſchen Politik im Drient, machte ſich darüber keine Stufionen , aber er iſt tein Cato, daß die victa causa ihm hätte länger

behagen können, und er verließ den Ort, wo er einſt unumſchränkt geherrſcht hatte , da er die neue Rolle eines Gehänſelten und von Frankreich Ueberflügelten nicht zu ertragen vermochte. I

Hat alſo Napoleon ein dauerndes ſelbſtſtändiges Auftreten Englands : auf den öſtlicheu und ſüdöſts lichen Ufern des lac français nicht zu fürchten , und

ſind die Pläne, welche Rußland und Deſtr eich zur Behauptung einer gewiſſen Superiorität im Orient entworfen hatten , ' als vollſtändig geſcheitert und bes : ſeitigt zu betrachten , ſo bleibt das Intereſſe Frank

reichs im mittelländiſchen Meere, und zwar dadurch unangetaſtet und vollſtändig gewahrt, weil Frankreich

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Heft Det dofúngider orientaliſchen Frage gerborden iſt.ri "niso gid tu!!! glodcł nji in 1981 1:20 Erſcheint eigidabeidem Kaifér Napoleon aus oben

angedeuteten Gründen, bei der Größe der Beute,den ruffiſchen", öſtreichiſchen und engliſchen Grenzberhälts

'

uiffen zum Orient, geböten ,"in eine politiſche Com bination zur endgültigen Löſung bes morgenländiſchen Räthfels 'einzutreten, ſo iſt er bei ſeiner Stellung na türlich ſicher, der Hegemon dieſer politiſchen Compagnie zu werden und der leitenden Fäden Herr zu werden , die wir aus der Welfen Hand I desin Sultans von

Stambul eben noch ſchlaff und den Winden ein Spiel, herabhängen ſehen . "" Tabla 1 To titit 19.011 11.500 ". 3 IT ! DI INDL

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Aber es kommt alles auf das innere Gefüge dieſer Combination an , und hat auch der Erbe des Buonaparte

ein ſchwieriges Werk vollendet, indem der Englands Ohnmacht ausbeutete und Rußland und Deſtreich an fein Schlepptau band , ſo bleibt ihm doch ein viel ſchwierigeres zu vollenden, und dies iſt die Conſtruction der erlauchten Geſellſchaft und Verbindung, welche die orientaliſche Fundgrube ausbeuten ſoll. +

Er könnte in feine Combination entweder Eug alle drei ſehr land , Deſtreich und Rußland

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,, herzliche Bundesgenoſſen Frankreich 8 " aufnehmen oder nur zwei von dieſen Staaten. Eine dritte Combination iſt nicht denkbar. Aber iſt - wohlgemerkt ! unter den gegen wärtigen Umſtänden eine Vereinigung der In tereſſen Englands , Rußlands und Deſtreichs möglich,

ſind alſo die erſten und äußerſten Vorausſeßungen für die Haltbarkeit einer Quadrupel - Verbindung vorhan den ? Möglich, daß ein jo feiner und gewandter Geiſt wie Napoleon auch ſolch' eine Uebereinſtimmung, wenn

auch nur zum Schein und für eine gewiſſe Zeit, her zuſtellen vermag, aber wahrſcheinlich iſt es nicht.

Viel leichter ließe ſich ſchon eine Combination mit Rußland und Deſtreich gegen England denken , vor

Allem , wenn man in's Auge faßt , daß es ſich hier nicht um die Gegnerſchaft des alten Englands , der alten hearts of oak handelt , ſondern um ein ge ſpaltenes England mit einer ungewiſſen , ſchwankenden

auswärtigen Bolitik. Aber es hieße dem Raiſer Na poleon engere Geſichtspunkte beimeſſen , als ſie ihm eigen ſind, wollte man annehmen , er ſchäße jenes künſtliche Gebäude gewiſſer populärer Sympathien , die er in England errungen hat, errungen bei der Mittel klaſſe wie bei dem romantiſch erweichten Theile der Ariſtokratie, ſo gering , um es den Stürmen einer krie geriſchen Leidenſchaft Preis zu geben , die ein Krieg des 2

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ganzen Continentes gegen England leicht auch mitten unter den Baumwollenballen und in den Herzen der

Krämer noch immer erregen könnte. Napoleon kennt die Bedeutung Englands, das Gewicht des politiſchen und ſocialen Rohſtoffes, den England in ſich ſchließt, den Werth der Uebergangsſtellung, die es zwiſchen Europa und Nordamerika, dieſem wichtigen Faktor

zukünftiger europäiſcher Ereigniſſe einnimmt, zu genau, als daß er dieſem Staate ohne dringendſte Gründe Krieg machen ſollte.

Nein ! England , das jebige ſeltſame England iſt für die napoleoniſche Politik ſo wichtig, daß der Kaiſer

Alles darum geben würde , folch ein Staatsweſen fünſtlich herzuſtellen, wenn es nicht ſchon exiſtirte. Denn England , dasjenige land , deſſen Zuſtände den ſchreiendſten Gegenſat gegen die der romaniſchen Welt, zunächſt Frankreichs zu bedeuten ſcheinen und in der That vielfach bilden, gewährt ihm zugleich die unendlich reizende Ausſicht, die glänzendſte Rechtfer tigung der napoleoniſchen Politik nachträglich zu lie fern.

Er iſt ſtolz darauf, auf der Königlichen Inſel

bereits Freunde zu haben , die ihn verſtehen “ (feine eignen Worte) , und noch heut findet er mitten unter ſeinen großen Regierungøarbeiten Zeit zu einem ein I

gehenden Briefwechſel mit ihnen ; er widmet große

Summen und Bemühungen dem Zweck, den Bürger

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ſtand Englands über ſeine ſociale Miſſion für Frant reich mehr und mehr aufzuklären , er hat ſelbſt den

Triumph, zu ſehen, daß die ,,neuen Reformer" wie die Männer der „ Socialgeſellſchaft“ theils geradezu , theils unbewußt , ſeinen Anſchauungen vom Staate Hul digungen zollen , er hört mit Entzücken das in Eng= land immer lauter tönende Wort, welches den Staat mit einer Maſchine vergleicht und verlangt , daß fie

billiger und ſicherer arbeite. Er kennt die Zukunfts mächte Englands genau.

Und dieſe keimende Rechtfertigung ſollte er mit Hagel und Sturm überſchütten ? Wir ſagen es vor aus, er wird es niemals thun. Er mag noch einmal .

dahin gedrängt werden , einen Krieg gegen England zu

führen , aber er wird dann eine „ Idee“ haben , für die er den Krieg führt , eine bürgerfreundliche, dem Mittelſtande und dem l'état - machine ſchmeichelnde Idee : er fann noch einmal einen Krieg gegen Alt

england, gegen das ariſtokratiſche England führen, aber er wird ihn dann ſo einrichten , daß er über die kleinen Köpfe der governing classes hinweg dem Mittel ſtand in England und den Maſſen freundlich und treuherzig zuwinkt. Als ein William an Englands

Müſte zu landen , mag er wohl Sehnſucht empfinden, aber niemals wird er als ein Conqueror kommen, nur als ein Nachbild des Dranier8 . 2*

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Doch noch ſind die Dinge ſo weit nicht fort geſchritten , um ihm ſolche Rolle möglich zu machen, noch hat er auch in den vorhandenen Reſten alt engliſcher politiſcher Tugend und Wehrhaftigkeit, ſelbſt ſtändigen politiſchen Denkens , großartiger ſtaatsmän niſcher Conception , endlich in den Reſten volksthüm licher Organiſation der Ariſtokratie und in jener

uralt- germaniſchen Volks - Advokatie des Adels zu viel Widerſtand für dergleichen Pläne zu fürchten, als daß er übereilt den nie wieder zurückzurufenden verhängniß vollen Schritt thun follte. So ergiebt ſich , daß dem Kaiſer der Franzoſen die Wahl einer politiſchen Macht - Combination zur Löſung der orientaliſchen Frage unter den gegen wärtigen Verhältniſſen ſchwer wird.

Aber geſeßt auch, dieſe Combination gelänge ihm, geſett, es gelänge ihm , durch eine raſtloſe Thätigkeit, durch wechſelnde Annäherungen und Abſonderungen

zwiſchen den ihm verbundenen Mächten, mit Hülfe der reichen Mittel ſeiner Verſchlagenheit, eine europäiſche Combination für die gewaltige Arbeit der „ Europäiſi rung Aſiens“ in Thätigkeit zu ſeben ; geſegt auch , es gelänge ihm , ein Kriegstheater zu eröffnen, das vom

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adriatiſchen Meere bis zu den Küſten China's reichte und auf dem öſtreichiſche Truppen in Bosnien, eng

liſche Schiffe im Archipelagus , ruſſiſche Legionen in Kleinaſien und Perſien , combinirte Flotten in China und Japan , engliſche Heerhaufen in Herat und ruſ jiſche Reitergeſchwader jenſeit der ſüdlichen Gränzen

Sibiriens agirten , gejeßt , all' dies gelänge ihm und er ſelbſt, ,, Denker der Schlachten und der Eroberung, ſtände ſinnend im goldenen Hauſe zu Stambul, hätte 11

er damit wirklich das Intereſſe Frankreich 8 , ia , hätte er dann auch nur ſeine eigene Sider

heit gewahrt ? Längſt hat ſich der Bewohner der Tuilerien, wenn ſolche Träume an ſeinem Auge vorüberzogen , dieſe Frage mit Nein ! beantwortet. Nichts iſt gefährlicher, als der ſiegreiche Soldat,

den die Bande der Disciplin, der eingegangenen Ver pflichtungen mehr drücken , als halten , ganz ebenſo gefährlich ſind ſiegreiche Bundesgenoſſen, in verhältniß mäßiger Selbſtſtändigkeit die Ziele eines , wenn auch von fremder Hand aufgeſtellten Planes verfolgend, und leicht mögen fich , wo es ſich um eine Action

Mehrerer handelt , zwei derſelben über einen ihnen gemeinſamen und ihnen beſonderen Vortheil verſtän digen und Front gegen die anderen Verbündeten machen ; ja in dem gegebenen Falle wäre es wohl

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möglich, daß alle Genoſſen ſich gegen den Führer des Zuges verſchwören und ihm den Gehorſam auffündigen .

Wie ein dunkler Schatten folgt dem Gewiſſen Napoleon's das Bewußtſein ſeiner ausnahmsweiſen Stellung im Rathe der Fürſten ; und mögen auch die Cabinette des Fluches vergeſſen ſein, den die Für

ſten im Auftrage der Völker, als eine legte Bitte von Millionen Todter und Beraubter , im Auftrage des

ganzen alten Rechtes der Welt zu Wien gegen das Haus Buonaparte ſprachen , der Kaiſer weiß , daß

ſolch' ein Fluch nicht verhalt und in der beſtimmten Stunde wieder ſein Echo findet. Dieſer Schatten verfolgt den ſchnellſten Lauf ſeines Glückes , und er thut Atlee, ihn von ſich abzuwehren.

Er muß fürchten, daß auch an das Ohr der von ihm angeſtrebten politiſchen Combination einſt dieſer

Fluch ſchlage und in ihr neue Entſchlüſſe reife.

Da

gegen heißt es Vorkehrungen treffen . Mit anderen Worten : Es muß dem Raiſer zu

nächſt darauf ankommen , ein Band innerer Einigung für die Mächte zur Löſung der orientaliſchen Frage zu finden , ein Band , das zugleich ihn mit dieſen Mächten eng verknüpft und ihn mehr als je zu einer europäiſchen Nothwendigkeit macht. Elemente , aus denen ſolch Band zu weben, ſind in Rußland, in Deſtreich , in England genugſam vor

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handen. Wie in England, ſo findet er auch in Deſts reich und Rußland, und hier in viel höheren Regionen, unter der adligen Bureaukratię, unter dem adligen Militair , warme Sympathien ſeiner Geſammtpolitik, warıne Sympathien für den état-machine, für die

große Staatspolizei, für die Centraliſation der Volks Atome , für die Regierung der Auwiſſenheit und der ewigen Furcht. Es kommt nur darauf an, aus dieſen Elementen den rechten Einſchlag zu bilden und ſie

richtig mit einander zu verweben. Die Art des Ge webes beſtimmt der Zweck, zu welchem er es gebrau chen will.

Es handelt ſich ihm darum , einen Zuſtand der 1

europäiſchen Welt herzuſtellen , in welchem er das

Wiedertönen jenes Fluches gegen die Buonaparte's nicht zu fürchten hat, es handelt ſich ihm darum, alle Motive zu beſeitigen, die in irgend einem Wende punkte der großen Mächte - Combination wieder auf eine oder die andere der Mächte einen beſtimmenden

und zur Beſinnung erweckenden Einfluß ausüben und ſie zu einem Gegenſatz gegen den Kaiſer der Franzo ſen und Herrn der Welt führen könnten .

Das ihm feindlichſte Motiv aber, welches in die ſen trüben und todten Tagen noch immer einiges Leben bewahrt hat und im gegebenen Falle eine große Macht der Aufreizung und Aufwieglung gegen ihn ent

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falten könnte , iſt der deutſche Volksgeiſt, eine feine ſeeliſche Botenz , welche gleichwohl von großer Bedeutung für alle Politik iſt und welche von unſern Staatsmännern leider doch faſt immer überſehen wird,

ein Irrthum , deſſen ſich Napoleon der Dritte indeß 1

nicht ſchuldig macht.

England ſelbſt iſt in Folge der coloſſalen Aus dehnungen , die ſeine auswärtige Bolitik frühe an nahm, dem deutſchen Geiſte vielfach untreu gewor den und ſchrift vor dem Gedanken einer einheitlichen

Weltmonarchie, wie ſie Napoleon anſtrebt und nach ſeinen bisherigen Thaten und nach ſeiner Auffaſſung von den Intereſſen Frankreichs anſtreben muß, nicht mit derjenigen jungfräulichen Entrüſtung zurück, die der in der Ausarbeitung und Ausfüllung des Einzel lebens , in der Schägung der Beſonderheiten, in der Scheu vor der Generaliſirung viel mehr bewanderte

Deutſche vor ſolchem Streben empfindet. Seine poli tiſche Vertretung findet dieſer zarte und doch ſo zähe und widerſtandsfähige deutſche Geiſt in Preußen und den durch ihre Natur auf daſſelbe hingewieſenen deutſchen Mittelſtaaten , nicht ſo in Deſtreich, welches mit ſeinen fremden Stämmen und romaniſchen Cen traliſationstrieben dieſem Geiſte arg zugeſegt hat.

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Napoleon kennt dieſen deutſchen Geiſt genau genug, um zu wiſſen , welch kräftiges Motiv derſelbe in einem Augenblick, wo die Glücksfälle während der orienta liſchen Löſung die übrigen Großmächte gegen ihn eifer ſüchtiger und ihnen den Verluſt ihrer Selbſtſtändig feit empfindlicher und wahrnehmbarer machen möchten,

welch kräftiges Motiv zu einer allgemeinen Bewegung gegen ihn dieſer Geiſt abgeben würde . Es muß ihm

daher Alles darauf ankommen , ehe er an die end gültige Bildung der großen europäiſchen Combination geht, dieſen Geiſt zu bannen. Denn er weiß, daß in allen drei Staaten , in

England am meiſten, in Rußland am wenigſten, dieſer Geiſt bereitwillige Anknüpfungspunkte findet , und er weiß auch , daß dieſer Geiſt in demſelben Augenblicke, wo er ihm auf ſeinem Zuge in den Orient den

Rücken dreht, gegen ihn die Verſchwörung beginnen und gegen ihn in England , Deſtreich und Nußland um Bundesgenoſſen werben würde. Er weiß ferner, daß diejer deutſche Geiſt das Zeug dazu hat , den

alternden geſchichtlichen Mächten Englands ein neues Leben einzuhauchen und ſo die Verwandlung der engliſchen Verhältniffe in eine glänzende Rechtfertigung der napoleoniſchen Politik hinauszuſchieben , vielleicht ganz zu verhindern. Er weiß endlich, daß dieſem Geiſt eine originale Kraft innewohnt, der Art, daß ſelbſt an

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dere Stämme ſich von ihm wie von einem Hauche aus

fern hinter ihnen liegender urſprünglicher Heimath be lebend angeweht fühlen und dann Dinge thun können, wie die Spanier ſie gegen den erſten Napolen aus übten.

Dieſer Geiſt liegt im Siegeswege Napoleons als

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ein verhängnißvolles Hinderniß . Er muß ihn vernich ten oder wenigſtens binden. Es bleibt ihm dazu nichts

anderes übrig, als ein Krieg mit Preußen.

Wir erwähnen hier, faſt am Ende unſrer Studie, der fünften Großmacht zum erſten Male ; wir ſchwie gen von ihr, als wir von den europäiſchen Combinas tionen redeten , und es mochte ſcheinen , als rechneten wir den preußiſchen Staat gar nicht zu den Mächs

ten , welche bei der Ordnung der Geſchicke der Welt eine entſcheidende Stimme haben. Wenigſtens iſt Preußen die einzige Großmacht, welche Napoleon nicht im Stande iſt, für irgend eine der ihm möglichen Löſungen im Orient zu in

tereſſiren ; auch Deſtreich wollte das nicht, auch Ruß land verſtand es nicht. Aber damit iſt er der reinen und bleibenden Neu

tralität Breußens nicht ſicher. Denn der oben ges

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deutete Geiſt, der ſeine politiſche Vertretung in Breußen findet, wird in dem Falle, wo die Be fißestrunkenheit der anderen Großmächte mitten unter der reichen Beute des Oriente dieſe zur Uneinigkeit

und zum Widerſtand gegen den Herzog des Beute zuges bringen ſollte, mit mächtiger Beſtimmtheit auf die preußiſche Regierung einwirken und den Schrecken vor einer Weltmonarchie, gegen welche diejenige Alexan

ders ein Schattenbild iſt, in jedes Herz tragen , das auch nur noch einen Tropfen germaniſchen Blutes bes wegt. Der König würde dann zu ſeinem Volke ſtehen, und ein Schauſpiel, wie das des Aufrufe von Bres

lau , dieſer zweiten und majeſtätiſcheren Wiederholung der unbezähmbar um ſich greifenden Feuersbrunſt von Moskau, würde die Völker entzücken .

Die Erwägung ſolcher Möglichkeiten und Ausſich ten , welche jedenfalls im Kopfe Napoleons ſtattge funden hat , beſtimmt für ihn zugleich die Art des Krieges, den er gegen Breußen führen wird.

Es wird kein Krieg ſein, wie der gegen Rußland, wie der gegen Deſtreich, kein Krieg voller Courtoiſie und Komödien , kein Krieg unter . Bedingungen und mit beſtimmter Gränze, es wird ein Krieg ſein , gegen den Rern und Stern der Monarchie gerichtet, gegen

den volksthümlichen Geiſt dieſer Monarchie, gegen die deutſche Art, deren Unverwüſtlichkeit den Romanen

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längſt ein Dorn im Auge und ein ſtachelnder und un verſtändlicher Vorwurf geweſen war. Einen Frieden von Paris , eine Umarmung von Villafranca haben

wir nicht zu erwarten; er träumt von einem Frieden, nicht von Magdeburg , wie ein Gerücht ihn neulich im vertrauten Kreiſe ſagen ließ , nein ! von einem Frieden zu Berlin, diftirt auf den Trümmern unſrer Victoria und zu Gunſten der gänzlichen Zerſtückelung Germaniens.

Er glaubt an ein Fatum ; ihn treibt auch wirklich

ein Fatum . Er kann nicht anders ; er iſt an die Spiße der romaniſchen Welt geſtellt, deren Ideale in Staat, Volksthum und Menſchenthum er überall viels fach auch in der germaniſchen und überall in der ſlawiſchen *) verfolgt ſieht, er glaubt – und er , der einzige Mann, glaubt noch von ganzem Herzen, und dies macht ihn ſo groß und ſicher

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nur an die

Zukunft der romaniſchen Idee, an das Glück der Staaten und Völker unter dem Scepter einer aufge Flärten Tyrannis , und mitten in dem breiten und

ſtolzen Wege ſeines Triumphzuges erblickt er , der Goliath , den David , ein in immer engere Grenzen *) Unvergeßlich wird uns das Wort des ungariſchen Gra: fen Carl Zay bleiben, der neulich ſchrieb : „ Lieber ein un :

gariſches eiſernes Säbelregiment , als ein einheitliches deut: ſches Deſtreich !"

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zuſammenrückendes Volksthum , das ſeiner ſelbſt nicht klar iſt und innerlich ſelbſt gegen romaniſche Bu

reaukratie , imperialiſtiſche Zumuthungen aller Art, ſlawiſche Traditionen ſeiner eigenen Herrſchaft ringen muß , und er erfennt den trußigen Anſat in dieſem

kleinen Volksthum und ahnt eine endliche Gefahr daraus für ihn, ja, eine Verſchwörung, die nach Eng land hinübergreifen könnte. .... Und er ſollte dieſer

Gefahr ſeitwärts aus dem Wege gehen ? Er ſollte ſeine bonapartiſtiſchen Ueberlieferungen, deren wir mit Abſicht nicht erwähnten, ſeine eigene politiſche Vergan

genheit , die ihm anvertrauten Intereſſen Frankreichs, die napoleoniſche Weltordnung – den Schlußſtein, aber auch die einzige Sicherheit des ſonſt ſtündlich über ihn herabzuſtürzen drohenden Gewölbes aufgeben, oder das doch wenigſtens noch länger hinausſchieben, was er ſo fühn geplant , ſo feſt begründet , ſo glücklich be gonnen hat, b108 unſertwegen ??

Ein anderer Vertreter romaniſcher Weltanſchauung, Cardinal Wiſeman , ſagte einſt, daß im branden burgiſchen Sande der ſchwerſte Kampf zwiſchen ſei nem und dem neuen Geiſte ausgefämpft werden würde ;

er war der Herold eines Andern ; jetzt hat die Be wegung, die gerade ſo ſehr gegen das ſinnige, tief eigenthümliche katholiſche Volk Deutſchlands als ge gen das andere deutſche Bekenntniß gerichtet iſt,

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ihren Capitano gefunden.

Der Tag der Schlacht

bricht an. Der Reſt iſt Schweigen ; mögen die leſer einige fehlende Nachjäße ſich ſelber ergänzen.

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Druck von G. $ idethier in Berlin , fronenftraße 91.

Einladung zum Abonnement auf die

Berliner Revue. Social - politiſche Wochenſchrift. Breie vierteljährlich 1 Thlr. 25 Sgr. Zu beziehen durch alle Boſtämter und Buchhaudlungen.

Die „, Berliner Revue “ iſt das Organ der ariſtokratiſch -conſer N

vativen Partei nicht blos in Preußen, ſondern in ganz Deutſch

land. Sie vertritt dem liberalen, bureaukratiſchen und imperialiſti ſchen Staate gegenüber die Grundſäße wahrer deutſcher Freiheit, wie dieſe nur auf der Grundlage eines ariſtokratiſch gegliederten Volksthums gedeihen und bewahrt werden kann. Es handelt ſich dabei nicht um das Intereſſe eines , ſondern aller Stände,

und ganz beſonders find es heut neben den Fragen des Erbs rechts, des Familienguts, der Conſolidation des Bodens 2c., die Fragen um die Zukunft des Handwerks und um den Neubau der

Stadtoerfaſſung, welche die „ Berliner Revue“ beſchäftigen. Denn die wirkliche Ariſtokratie kann in den Gränzen einer bes ſtimmten Volksklaſſe nicht gedacht werden ; damit ſie gedeihe und

dauere, muß fie mehr ſein als eine geſchichtliche Thatſache, muß fte ein Princip ſein , das die ganze bürgerliche Geſellſchaft, den Bauernftand und den Gewerbeſtaud gerade ſo wie den eigent lichen Adeldurchdringt. Deutſchland hat heut noch die Wahl : entweder vorwärts

zu ſchreiten zu ſolch einer Ariſtokratie, beren ſegensreiches und ſchüßendes inneres Gefeß auch bereits von den Stadtbürgern geahnt wird , wie die neueſten Beſtrebungen des Handwerks dies beweiſen; oder in den Abgrund aller Freiheit und alles Wohlſtands zu ſtürzen , den der Imperialismus eröffnet und in den die modernen Mächte des Capitalismus, jüdiſdie und ents chriſtlichte , uns bereits hinabzuzerren bemüht find. Lange fann dieſe Wahlfreiheit nicht mehr andauern !

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Die „ Berliner Revue “ kämpft für die deutſche Freiheit und

gegen den Imperialismus und ſeine Diener. Evangeliſche und katholiſche Mitkämpfer ſind ihr erwünſcht. Einer der begabteſten Publiciſten des leşteren Bekenntniſſes veröffentlicht in ihr gegenwärtig „ Politiſche Briefe“ , die den Leſerkreis der Revue bereits nach Deſtreich hin erweitert haben.

George Heſekiel , der Sänger des Ritterthums und der mittelalterlichen Zeit, veröffentlicht in der Revue einen ſpannens den Roman : „ Graf Königsmar “ Die Fragen der auswärtigen Politik werden von ſtaatsmänniſcher Hand behandelt, beſondere und ausführlichere Artikel beſchäftigen ſich mit den volkswirthſchaftlichen Ereigniſſen, den Angelegenheiten der handwerklichen Innung, der Ge noſſenſchaft, des geſeglichen Zinſe8 2c. Unterhaltende Correſpondenzenaus den Hauptſtädten Europa's erſcheinen in der Revue regelmäßig. Außerdem bringt die Berliner Revue vom 1. Januar an

ein militäriſches Beiblatt, welches ſich mit den Armee Angelegenheiten beſchäftigen wird, endlichwird fie ihren literariſ kritiſchen Theil, der durch die „ Berliner Literaturbriefe“ der Revue in weiteren Kreiſen Beachtung gefunden hat , erweitern. Die Berliner Revueerfreut ſich der Protection eines Comité's,

welches aus hervorragenden Mitgliedern beider Häuſer des Preußiſchen Landtages beſteht. Berlin , im December 1859.

Der Verleger der Berliner Revue F. Schneider .

Expedition der Berliner Revue, Kronenſtr. 21 .

Im Bureau des Preuß. Volksblatts .

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